Werke.
Vollständige Ausgabe letzter Hand.
Unter des durchlauchtigsten deutschen Bundes schützenden
Privilegien.
in derJ. G. Cotta’schen Buchhandlung.
1832.
Inhalt.
- Faust. Der Tragödie zweyter Theil in fünf Acten.
(Vollendet im Sommer 1831.)
Erster Act.
Anmuthige Gegend.
suchend.
stalten.
Die ihr dieß Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise, [4] Besänftiget des Herzens grimmen Strauß;
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.
Vier sind die Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt auf’s kühle Polster nieder,
Dann badet ihn im Thau aus Lethe’s Fluth;
Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,
Wenn er gestärkt dem Tag entgegen ruht.
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.
[5]
[6]
Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
Aetherische Dämm’rung milde zu begrüßen;
Du Erde warst auch diese Nacht beständig,
Und athmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
Zum höchsten Daseyn immerfort zu streben. –
In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,
Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,
Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen;
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
Und Zweig und Aeste, frisch erquickt, entsprossen
Dem duft’gen Abgrund wo versenkt sie schliefen;
Auch Farb’ an Farbe klärt sich los vom Grunde,
Wo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen,
Ein Paradies wird um mich her die Runde.
Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen
Verkünden schon die feierlichste Stunde;
[7] Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
Und stufenweis herab ist es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet,
Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
Erfüllungspforten findet flügeloffen;
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammen-Uebermaß, wir stehn betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch’ ein Feuer!
Ist’s Lieb? Ist’s Haß? die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
So daß wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.
So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend
Dann aber tausend Strömen sich ergießend,
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
[8] Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
Ihm sinne nach und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Kaiserliche Pfalz.
Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh’ und Weite; -
Der Weisen seh’ ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?
Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fett-Gewicht,
Todt oder trunken? weiß man nicht.
Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle;
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft daß jeder stutzt;
Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor -
Da ist er doch der kühne Thor!
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
Was hat sich selbst hinweggebannt?
Für dießmal spare deine Worte!
Hier sind die Räthsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. -
Da löse du! das hört’ ich gern.
Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit in’s Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
Und also ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh’ und Ferne;
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne;
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
Doch sagt warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns rathschlagend quälen sollten?
Doch weil ihr meint es ging nicht anders an,
Geschehen ist’s, so sey’s gethan.
Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein,
Umgibt des Kaisers Haupt, nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben:
Gerechtigkeit! — Was alle Menschen lieben,
Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm dem Volk’ es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wüthet,
Und Uebel sich in Uebeln überbrütet.
[11] Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
In’s weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
Und eine Welt des Irrthums sich entfaltet.
Der raubt sich Heerden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt, in grimmigem Schwalle
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
Der darf auf Schand’ und Frevel pochen
Der auf Mitschuldigste sich stützt,
Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
Vernichtigen was sich gebührt;
Wie soll sich da der Sinn entwickeln
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher;
Ein Richter, der nicht strafen kann,
Gesellt sich endlich zum Verbrecher;
Ich malte schwarz, doch dichtern Flor
Zög ich dem Bilde lieber vor.
[12]
Entschlüsse sind nicht zu vermeiden,
Wenn alle schädigen, alle leiden,
Geht selbst die Majestät zu Raub.
Wie tobt’s in diesen wilden Tagen!
Ein jeder schlägt und wird erschlagen,
Und für’s Commando bleibt man taub.
Der Bürger hinter seinen Mauern,
Der Ritter auf dem Felsennest,
Verschwuren sich uns auszudauern
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Miethsoldat wird ungeduldig,
Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer was Alle wollten,
Der hat ins Wespennest gestört;
Das Reich das sie beschützen sollten,
Es liegt geplündert und verheert.
Man läßt ihr Toben, wüthend Hausen,
Schon ist die halbe Welt verthan;
Es sind noch Könige da draußen,
Doch keiner denkt es ging’ ihn irgend an.
Wer wird auf Bundsgenossen pochen.
Subsidien die man uns versprochen,
[13] Wie Röhrenwasser bleiben aus.
Auch Herr, in deinen weiten Staaten
An wen ist der Besitz gerathen?
Wohin man kommt da hält ein Neuer Haus,
Und unabhängig will er leben;
Zusehen muß man wie er’s treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
Auch auf Parteyen, wie sie heißen,
Ist heut zu Tage kein Verlaß;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb und Haß.
Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu thun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt
Und unsre Cassen bleiben leer.
Welch Unheil muß auch ich erfahren;
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr.
Und täglich wächs’t mir neue Pein.
Den Köchen thut kein Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhühner, Hühner, Gäns’ und Enten,
Die Deputate, sichre Renten,
[14] Sie gehen noch so ziemlich ein.
Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
Der besten Berg’ und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
Der Stadtrath muß sein Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
Der Jude wird mich nicht verschonen,
Der schafft Anticipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brod.
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Noth?
Ich keineswegs. Den Glanz umherzuschauen,
Dich und die deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut?
Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Zur Finsterniß, wo solche Sterne scheinen?
Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.
Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deßhalb verbrennt man Atheisten
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel;
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.
[16] Dem Pöbelsinn verworr’ner Geister
Entwickelt sich ein Widerstand,
Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen,
Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
Dem Narren sind sie nah verwandt.
Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern;
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar;
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sey nicht wahr;
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht;
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.
Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff’ es denn!
Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer.
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften,
Wo Menschenfluthen Land und Volk ersäuften,
[17] Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte;
So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen,
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
Schafft er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
Ich wollte gern ein bißchen Unrecht haben.
Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt;
Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen.
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund’ und Haus,
So sage denn: wie sieht’s am Himmel aus?
Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
Mercur der Bote dient um Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angethan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft,
Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein,
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Werth gering, doch im Gewichte schwer.
Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt;
Das Uebrige ist alles zu erlangen:
Paläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann,
Der das vermag was unser keiner kann.
Ich höre doppelt was er spricht,
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
Da stehen sie umher und staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund;
Der eine faselt von Alraunen,
Der andre von dem schwarzen Hund.
Was soll es daß der eine witzelt,
Ein andrer Zauberey verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt,
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
Wenn es unheimlich wird am Platz,
Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
Erprobe deine Lügenschäume,
Und zeig uns gleich die edeln Räume. [20] Ich lege Schwert und Scepter nieder,
Und will mit eignen hohen Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden –
Doch kann ich nicht genug verkünden
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer, der die Furche pflügt,
Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
Salpeter hofft er von der Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle,
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
In welchen Klüften, welchen Gängen
Muß sich der Schatzbewußte drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, allverwahrten Kellern,
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
Sieht er sich Reihen aufgestellt;
Pokale stehen aus Rubinen,
Und will er deren sich bedienen
Daneben liegt uraltes Naß.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
Verfault ist längst das Holz der Dauben,
Der Weinstein schuf dem Wein ein Faß.
Essenzen solcher edlen Weine,
Gold und Juwelen nicht alleine,
[21] Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
Der Weise forscht hier unverdrossen,
Am Tag’ erkennen das sind Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen.
Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
Zieh’ deinen Pflug, und ack’re sie an’s Licht.
Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
Die Bauernarbeit macht dich groß,
Und eine Heerde goldner Kälber
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
Die Schönheit wie die Majestät.
Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
Herr, mäßige solch dringendes Begehren!
Laß erst vorbei das bunte Freudenspiel;
Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
[22] Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,
Das Untre durch das Obere verdienen.
Wer Gutes will, der sey erst gut;
Wer Freude will, besänftige sein Blut;
Wer Wein verlangt, der keltre reife Trauben;
Wer Wunder hofft, der stärke seinen Glauben.
So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feiern wir, auf jeden Fall,
Nur lustiger das wilde Carneval.
Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fällt den Thoren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten
Der Weise mangelte dem Stein.
Denkt nicht ihr seyd in deutschen Gränzen
Von Teufels-, Narren- und Todtentänzen;
[23] Ein heitres Fest erwartet euch.
Der Herr, auf seinen Römerzügen,
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
Die hohen Alpen überstiegen,
Gewonnen sich ein heitres Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Solen
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging die Krone sich zu holen,
Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
Nun sind wir alle neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnelt ihn verrückten Thoren,
Er ist darunter weise wie er kann.
Ich sehe schon wie sie sich schaaren,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
Es bleibt doch endlich nach wie vor,
Mit ihren hunderttausend Possen,
Die Welt ein einz’ger großer Thor.
[24]
Laß die reichen Körbe sehen
Die ihr auf den Häupten traget,
Die sich bunt am Arme blähen;
Jeder wähle was behaget.
Eilig! daß in Laub und Gängen
Sich ein Garten offenbare,
Würdig sind sie zu umdrängen
Krämerinnen wie die Waare.
Feilschet nun am heitern Orte,
Doch kein Markten finde statt!
Und mit sinnig kurzem Worte
Wisse jeder was er hat.
Keinen Blumenflor beneid’ ich,
Allen Widerstreit vermeid’ ich;
Mir ist’s gegen die Natur:
Bin ich doch das Mark der Lande,
Und, zum sichern Unterpfande,
Friedenszeichen jeder Flur,
Heute, hoff’ ich, soll mir’s glücken
Würdig schönes Haupt zu schmücken.
Ceres Gaben, euch zu putzen,
Werden hold und lieblich stehn:
Das Erwünschteste dem Nutzen
Sey als eure Zierde schön.
Bunte Blumen, Malven ähnlich,
Aus dem Moos ein Wunderflor!
Der Natur ist’s nicht gewöhnlich,
Doch die Mode bringt’s hervor.
Meinen Namen euch zu sagen
Würde Theophrast nicht wagen.
[26] Und doch hoff’ ich, wo nicht allen,
Aber mancher zu gefallen,
Der ich mich wohl eignen möchte,
Wenn sie mich in’s Haar verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte,
Mir am Herzen Platz vergönnte.
Mögen bunte Phantasien
Für des Tages Mode blühen,
Wunder seltsam seyn gestaltet
Wie Natur sich nie entfaltet;
Grüne Stiele, goldne Glocken
Blickt hervor aus reichen Locken! —
Doch wir
halten uns versteckt,
Glücklich, wer uns frisch entdeckt.
Wenn der Sommer sich verkündet
Rosenknospe sich entzündet,
Wer mag solches Glück entbehren?
Das Versprechen, das Gewähren,
Das beherrscht, in Florens Reich,
Blick und Sinn und Herz zugleich.
[28]
Mutter.
Nur Platz! nur Blöße!
Wir brauchen Räume,
Wir fällen Bäume
Die krachend schlagen:
Und wenn wir tragen
Da gibt es Stöße.
Zu unserm Lobe
Bringt dieß in’s Reine;
Denn wirkten Grobe
Nicht auch im Lande,
Wie kämen Feine
Für sich zu Stande,
So sehr sie witzten?
Des seyd belehret;
Denn ihr erfröret
Wenn wir nicht schwitzten.
Ihr seyd die Thoren
Gebückt geboren;
[30] Wir sind die Klugen
Die nie was trugen:
Denn unsre Kappen,
Jacken und Lappen
Sind leicht zu tragen;
Und mit Behagen
Wir immer müßig,
Pantoffelfüßig,
Durch Markt und Haufen
Einher zu laufen,
Gaffend zu stehen
Uns anzukrähen;
Auf solche Klänge
Durch Drang und Menge
Aalgleich zu schlüpfen,
Gesammt zu hüpfen,
Vereint zu toben.
Ihr mögt uns loben,
Ihr mögt uns schelten,
Wir lassen’s gelten.
Ihr wackern Träger
Und eure Schwäger
Die Kohlenbrenner,
Sind unsre Männer;
Denn alles Bücken,
Bejah’ndes Nicken,
[31] Gewundne Phrasen,
Das Doppelblasen,
Das wärmt und kühlet
Wie’s einer fühlet,
Was könnt’ es frommen?
Es möchte Feuer
Selbst ungeheuer
Vom Himmel kommen,
Gäb’ es nicht Scheite
Und Kohlentrachten,
Die Herdesbreite
Zur Gluth entfachten.
Da brät’s und prudelt’s,
Da kocht’s und strudelt’s.
Der wahre Schmecker,
Der Tellerlecker,
Er riecht den Braten,
Er ahnet Fische;
Das regt zu Thaten
An Gönners Tische.
Sey mir heute nichts zuwider!
Fühle mich so frank und frei;
Frische Luft und heitre Lieder
Holt’ ich selbst sie doch herbei.
Und so trink ich! Trinke, trinke!
Stoßet an ihr! Tinke, tinke!
Du dort hinten komm heran!
Stoßet an, so ist’s gethan.
[32] Schrie mein Weibchen doch entrüstet,
Rümpfte diesem bunten Rock,
Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
Schalt mich einen Maskenstock.
Doch ich trinke! Trinke, trinke!
Angeklungen! Tinke, tinke!
Maskenstöcke stoßet an!
Wenn es klingt, so ist’s gethan.
Saget nicht daß ich verirrt bin,
Bin ich doch wo mir’s behagt.
Borgt der Wirth nicht, borgt die Wirthin,
Und am Ende borgt die Magd.
Immer trink’ ich! Trinke, trinke!
Auf ihr Andern! Tinke, tinke!
Jeder jedem! so fortan!
Dünkt mich’s doch es sey gethan.
Wie und wo ich mich vergnüge
Mag es immerhin geschehn;
Laßt mich liegen wo ich liege,
Denn ich mag nicht länger stehn.
Jeder Bruder trinke, trinke!
Toastet frisch ein Tinke, Tinke!
Sitzet fest auf Bank und Span,
Unterm Tisch Dem ist’s gethan.
Wißt ihr was mich Poeten
Erst recht erfreuen sollte?
Dürft ich singen und reden
Was niemand hören wollte.
Anmuth bringen wir ins Leben;
Leget Anmuth in das Geben.
Leget Anmuth in’s Empfangen,
Lieblich ist’s den Wunsch erlangen.
Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmuthig sey das Danken.
Belieb’ es euch zur Seite wegzuweichen,
Denn was jetzt kommt ist nicht von eures Gleichen.
Ihr seht wie sich ein Berg herangedrängt,
Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt;
[38] Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel,
Geheimnißvoll, doch zeig’ ich euch den Schlüssel.
Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,
Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau;
Die andre drobenstehend herrlich-hehr
Umgibt ein Glanz der blendet mich zu sehr.
Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,
Die eine bang, die andre froh zu schauen;
Die eine wünscht, die andre fühlt sich frei,
Verkünde jede wer sie sey.
Seyd gegrüßt, ihr lieben Schwestern.
Habt ihr euch schon heut und gestern
In Vermummungen gefallen,
Weiß ich doch gewiß von allen
Morgen wollt ihr euch enthüllen.
Und wenn wir bei Fackelscheine
Uns nicht sonderlich behagen,
Werden wir in heitern Tagen,
Ganz nach unserm eignen Willen,
Bald gesellig, bald alleine
Frei durch schöne Fluren wandeln,
Nach Belieben ruhn und handeln
Und in sorgenfreiem Leben,
Nie entbehren, stets erstreben.
Ueberall willkommne Gäste
Treten wir getrost hinein:
Sicherlich es muß das Beste
Irgendwo zu finden seyn.
Hu! Hu! da komm’ ich eben recht,
Ich schelt’ euch allzusammen schlecht!
Doch was ich mir zum Ziel ersah
Ist oben Frau Victoria.
Mit ihrem weißen Flügelpaar,
Sie dünkt sich wohl sie sey ein Aar,
Und wo sie sich nur hingewandt
Gehör’ ihr alles Volk und Land;
Doch, wo was Rühmliches gelingt
Es mich sogleich in Harnisch bringt.
Das Tiefe hoch, das Hohe tief,
Das Schiefe grad, das Grade schief,
Das ganz allein macht mich gesund,
So will ich’s auf dem Erdenrund.
So treffe dich, du Lumpenhund,
Des frommen Stabes Meisterstreich!
Da krümm’ und winde dich sogleich! –
[41] Wie sich die Doppelzwerggestalt
So schnell zum eklen Klumpen ballt! –
– Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ey,
Das bläht sich auf und platzt entzwey;
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,
Die Otter und die Fledermaus;
Die eine fort im Staube kriecht,
Die andre schwarz zur Decke fliegt;
Sie eilen draußen zum Verein,
Da möcht’ ich nicht der Dritte seyn.
Seit mir sind bei Maskeraden
Heroldspflichten aufgeladen,
Wach’ ich ernstlich an der Pforte,
Daß euch hier am lustigen Orte
Nichts Verderbliches erschleiche;
Weder wanke, weder weiche.
[42] Doch ich fürchte, durch die Fenster
Ziehen luftige Gespenster,
Und von Spuk und Zaubereyen
Wüßt’ ich euch nicht zu befreien.
Machte sich der Zwerg verdächtig,
Nun dort hinten strömt es mächtig.
Die Bedeutung der Gestalten
Möcht’ ich amtsgemäß entfalten.
Aber was nicht zu begreifen
Wüßt’ ich auch nicht zu erklären,
Helfet alle mich belehren! –
Seht ihr’s durch die Menge schweifen?
Vierbespannt ein prächtiger Wagen
Wird durch alles durchgetragen;
Doch er theilet nicht die Menge,
Nirgend seh’ ich ein Gedränge;
Farbig glitzert’s in der Ferne,
Irrend leuchten bunte Sterne,
Wie von magischer Laterne,
Schnaubt’s heran mit Sturmgewalt.
Platz gemacht! mich schaudert’s!
Halt!
Rosse hemmet eure Flügel,
Fühlet den gewohnten Zügel,
Meistert euch wie ich euch meistre,
Rauschet hin wenn ich begeistre –
Diese Räume laßt uns ehren!
Schaut umher wie sie sich mehren
[43] Die Bewundrer, Kreis um Kreise.
Herold auf! nach deiner Weise,
Ehe wir von euch entfliehen,
Uns zu schildern uns zu nennen;
Denn wir sind Allegorien
Und so solltest du uns kennen.
Wüßte nicht dich zu benennen,
Eher könnt’ ich dich beschreiben.
So probir’s!
Man muß gestehn:
Erstlich bist du jung und schön.
Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen
Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.
Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer,
Recht so von Haus aus ein Verführer.
Das läßt sich hören! fahre fort,
Erfinde dir des Räthsels heitres Wort.
Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken
Erheitert von juwelnem Band!
Und welch ein zierliches Gewand
Fließt dir von Schultern zu den Socken,
Mit Purpursaum und Glitzertand!
[44] Man könnte dich ein Mädchen schelten;
Doch würdest du, zu Wohl und Weh,
Auch jetzo schon bei Mädchen gelten:
Sie lehrten dich das A. B. C.
Und dieser, der als Prachtgebilde
Hier auf dem Wagenthrone prangt?
Er scheint ein König, reich und milde,
Wohl dem der seine Gunst erlangt!
Er hat nichts weiter zu erstreben;
Wo’s irgend fehlte späht sein Blick,
Und seine reine Lust zu geben
Ist größer als Besitz und Glück.
Hiebei darfst du nicht stehen bleiben,
Du mußt ihn recht genau beschreiben.
Das Würdige beschreibt sich nicht.
Doch das gesunde Mondgesicht,
Ein voller Mund, erblühte Wangen,
Die unterm Schmuck des Turbans prangen;
Im Faltenkleid ein reich Behagen!
Was soll ich von dem Anstand sagen?
Als Herrscher scheint er mir bekannt.
Plutus, des Reichthums Gott genannt;
Derselbe kommt in Prunk daher,
Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr.
Sag’ von dir selber auch das Was und Wie?
Bin die Verschwendung, bin die Poesie;
Bin der Poet, der sich vollendet
Wenn er sein eigenst Gut verschwendet.
Auch ich bin unermeßlich reich
Und schätze mich dem Plutus gleich.
Beleb’ und schmück’ ihm Tanz und Schmaus,
Das was ihm fehlt das theil’ ich aus.
Das Prahlen steht dir gar zu schön,
Doch laß uns deine Künste sehn.
Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,
Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.
Da springt eine Perlenschnur hervor.
Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr;
Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl;
In Ringen köstlichstes Juwel;
Auch Flämmchen spend’ ich dann und wann,
Erwartend wo es zünden kann.
Wie greift und hascht die liebe Menge:
Fast kommt der Geber ins Gedränge.
[46] Kleinode schnippt er wie im Traum.
Und alles hascht im weiten Raum.
Doch da erleb’ ich neue Pfiffe:
Was einer noch so emsig griffe
Deß hat er wirklich schlechten Lohn,
Die Gabe flattert ihm davon.
Es lös’t sich auf das Perlenband,
Ihm krabbeln Käfer in der Hand,
Er wirft sie weg der arme Tropf
Und sie umsummen ihm den Kopf.
Die andern, statt solider Dinge,
Erhaschen frevle Schmetterlinge.
Wie doch der Schelm so viel verheißt,
Und nur verleiht was golden gleißt!
Zwar Masken, merk’ ich, weißt du zu verkünden,
Allein der Schale Wesen zu ergründen
Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;
Das fordert schärferes Gesicht.
Doch hüt’ ich mich vor jeder Fehde;
An dich, Gebieter, wend’ ich Frag’ und Rede.
Hast du mir nicht die Windesbraut
Des Viergespannes anvertraut?
Lenk’ ich nicht glücklich wie du leitest?
Bin ich nicht da wohin du deutest?
Und wußt’ ich nicht auf kühnen Schwingen
Für dich die Palme zu erringen?
[47] Wie oft ich auch für dich gefochten,
Mir ist es jederzeit geglückt;
Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt,
Hab’ ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten?
Wenn’s nöthig ist daß ich dir Zeugniß leiste,
So sag’ ich gern: bist Geist von meinem Geiste.
Du handelst stets nach meinem Sinn,
Bist reicher als ich selber bin.
Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen,
Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen.
Ein wahres Wort verkünd’ ich allen:
Mein lieber Sohn an dir hab’ ich Gefallen.
Die größten Gaben meiner Hand,
Seht! hab’ ich rings umher gesandt;
Auf dem und jenem Kopfe glüht
Ein Flämmchen das ich angesprüht,
Von einem zu dem andern hüpft’s,
An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s,
Gar selten aber flammt’s empor
Und leuchtet rasch in kurzem Flor;
Doch vielen, eh’ man’s noch erkannt,
Verlischt es, traurig ausgebrannt.
[48]
Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
Ich weiß dir komm’ ich niemals recht. –
Wie noch die Frau den Herd versah,
Da hieß ich Avaritia;
Da stand es gut um unser Haus:
Nur viel herein, und nichts hinaus!
Ich eiferte für Kist’ und Schrein;
Das sollte wohl gar ein Laster seyn!
Doch als in allerneusten Jahren
Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
Und, wie ein jeder böser Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Thaler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht da sind Schulden;
Sie wendet’s, kann sie was erspulen,
An ihren Leib, an ihren Buhlen;
Auch speis’t sie besser, trinkt noch mehr
Mit der Sponsirer leidigem Heer;
Das steigert mir des Goldes Reiz:
Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!
Mit Drachen mag der Drache geizen,
Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
Er kommt die Männer aufzureizen,
Sie sind schon unbequem genug.
Bei meinem Stabe! Ruh gehalten! –
Doch braucht es meiner Hülfe kaum;
Seht wie die grimmen Ungestalten,
Bewegt im rasch gewonnenen Raum,
Das Doppel-Flügelpaar entfalten!
Entrüstet schütteln sich der Drachen
Umschuppte, feuerspeiende Rachen;
Die Menge flieht, rein ist der Platz.
Er tritt herab, wie königlich!
Er winkt, die Drachen rühren sich;
Die Kiste haben sie vom Wagen
Mit Gold und Geiz herangetragen,
Sie steht zu seinen Füßen da:
Ein Wunder ist es wie’s geschah.
Nun bist du los der allzulästigen Schwere,
Bist frei und frank, nun frisch zu deiner Sphäre!
Hier ist sie nicht! Verworren, schäckig, wild
Umdrängt uns hier ein fratzenhaft Gebild.
[50] Nur wo du klar in’s holde Klare schaust,
Dir angehörst und dir allein vertraust,
Dorthin wo Schönes, Gutes nur gefällt,
Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt.
So acht’ ich mich als werthen Abgesandten,
So lieb’ ich dich als nächsten Anverwandten.
Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin
Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn;
Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:
Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben?
Die Deinen freilich können müßig ruhn,
Doch wer mir folgt hat immer was zu thun.
Nicht insgeheim vollführ’ ich meine Thaten,
Ich athme nur und schon bin ich verrathen.
So lebe wohl! Du gönnst mir ja mein Glück;
Doch lisple leis’ und gleich bin ich zurück.
Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln!
Die Schlösser treff’ ich mit des Herolds Ruthe.
Es thut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln
Entwickelt sich’s und wallt von goldnem Blute;
Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;
Es schwillt und droht ihn schmelzend zu verschlingen.
[51]
Was soll’s, ihr Thoren? soll mir das?
Es ist ja nur ein Maskenspaß.
Heut Abend wird nicht mehr begehrt;
Glaubt ihr man geb’ euch Gold und Werth?
Sind doch für euch in diesem Spiel
Selbst Rechenpfennige zu viel.
Ihr Täppischen! ein artiger Schein
Soll gleich die plumpe Wahrheit seyn.
Was soll euch Wahrheit? – Dumpfen Wahn
Packt ihr an allen Zipfeln an. –
Vermummter Plutus, Maskenheld,
Schlag’ dieses Volk mir aus dem Feld.
Dein Stab ist wohl dazu bereit,
Verleih’ ihn mir auf kurze Zeit. –
Ich tauch’ ihn rasch in Sud und Gluth. –
Nun! Masken seyd auf eurer Hut.
[52] Wie’s blitzt und platzt, in Funken sprüht!
Der Stab schon ist er angeglüht.
Wer sich zu nah herangedrängt
Ist unbarmherzig gleich versengt –
Jetzt fang’ ich meinen Umgang an.
Schon ist der Kreis zurückgedrängt
Und niemand glaub’ ich ist versengt.
Die Menge weicht,
Sie ist verscheucht. –
Doch solcher Ordnung Unterpfand
Zieh’ ich ein unsichtbares Band.
Du hast ein herrlich Werk vollbracht,
Wie dank’ ich deiner klugen Macht!
Noch braucht es, edler Freund, Geduld:
Es droht noch mancherlei Tumult.
So kann man doch, wenn es beliebt,
Vergnüglich diesen Kreis beschauen;
Denn immerfort sind vornen an die Frauen
Wo’s was zu gaffen, was zu naschen giebt.
Noch bin ich nicht so völlig eingerostet!
Ein schönes Weib ist immer schön;
Und heute, weil es mich nichts kostet,
So wollen wir getrost sponsiren gehn.
Doch weil am überfüllten Orte
Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte,
Versuch’ ich klug und hoff’ es soll mir glücken,
Mich pantomimisch deutlich auszudrücken.
Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin,
Da muß ich mich um einen Schwank bemühn.
Wie feuchten Thon will ich das Gold behandeln,
Denn dieß Metall läßt sich in alles wandeln.
Was fängt der an der magre Thor!
Hat so ein Hungermann Humor?
Er knetet alles Gold zu Teig,
Ihm wird es untern Händen weich;
Wie er es drückt und wie es ballt
Bleibt’s immer doch nur ungestalt.
Er wendet sich zu den Weibern dort,
Sie schreien alle, möchten fort,
Gebärden sich gar widerwärtig;
Der Schalk erweis’t sich übelfertig.
[54] Ich fürchte daß er sich ergetzt
Wenn er die Sittlichkeit verletzt.
Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben,
Gib meinen Stab ihn zu vertreiben.
Er ahnet nicht was uns von außen droht;
Laß ihn die Narrentheidung treiben,
Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben;
Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Noth.
Ich kenn’ euch wohl und euren großen Pan!
Zusammen habt ihr kühnen Schritt gethan.
Ich weiß recht gut was nicht ein jeder weiß,
Und öffne schuldig diesen engen Kreis.
Mag sie ein gut Geschick begleiten!
Das wunderlichste kann geschehn;
Sie wissen nicht wohin sie schreiten,
Sie haben sich nicht vorgesehn.
[55]
Die Faunenschaar
Im lustigen Tanz,
Den Eichenkranz
Im krausen Haar,
Ein feines zugespitztes Ohr
Dringt an dem Lockenkopf hervor,
Ein stumpfes Näschen, ein breit Gesicht,
Das schadet alles bei Frauen nicht.
Dem Faun, wenn er die Patsche reicht,
Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht.
Der Satyr hüpft nun hinterdrein
Mit Ziegenfuß und dürrem Bein,
Ihm sollen sie mager und sehnig seyn.
Und gemsenartig auf Bergeshöhn
Belustigt er sich umherzusehn.
In Freiheitsluft erquickt alsdann
Verhöhnt er Kind und Weib und Mann,
Die tief, in Thales Dampf und Rauch,
Behaglich meinen sie lebten auch,
Da ihm doch, rein und ungestört,
Die Welt dort oben allein gehört.
Da trippelt ein die kleine Schaar,
Sie hält nicht gern sich Paar und Paar;
[56] Im moosigen Kleid mit Lämplein hell
Bewegt sich’s durcheinander schnell,
Wo jedes für sich selber schafft,
Wie Leuchtameisen wimmelhaft;
Und wuselt emsig hin und her,
Beschäftigt in die Kreuz und Quer.
Den frommen Gütchen nah verwandt,
Als Felschirurgen wohl bekannt;
Die hohen Berge schröpfen wir,
Aus vollen Adern schöpfen wir;
Metalle stürzen wir zu Hauf
Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf!
Das ist von Grund aus wohl gemeint,
Wir sind der guten Menschen Freund.
Doch bringen wir das Gold zu Tag
Damit man stehlen und kuppeln mag;
Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann
Der allgemeinen Mord ersann.
Und wer die drey Gebot veracht’t
Sich auch nichts aus den andern macht.
Das alles ist nicht unsre Schuld,
Drum habt sofort wie wir Geduld.
Die wilden Männer sind’s genannt,
Am Harzgebirge wohl bekannt;
Natürlich nackt in alter Kraft,
Sie kommen sämmtlich riesenhaft.
[57] Den Fichtenstamm in rechter Hand
Und um den Leib ein wulstig Band;
Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt,
Leibwache wie der Papst nicht hat.
Auch kommt er an!
Das All der Welt
Wird vorgestellt
Im großen Pan.
Ihr Heitersten umgebet ihn,
Im Gaukeltanz umschwebet ihn;
Denn weil er ernst und gut dabei,
So will er daß man fröhlich sey.
Auch unterm blauen Wölbedach
Verhielt er sich beständig wach;
Doch rieseln ihm die Bäche zu,
Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh.
Und wenn er zu Mittage schläft
Sich nicht das Blatt am Zweige regt;
Gesunder Pflanzen Balsamduft
Erfüllt die schweigsam stille Luft;
Die Nymphe darf nicht munter seyn
Und wo sie stand da schläft sie ein.
Wenn unerwartet mit Gewalt
Dann aber seine Stimm’ erschallt,
Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,
Dann niemand weiß wo ein noch aus,
[58] Zerstreut sich tapfres Heer im Feld
Und im Getümmel bebt der Held.
So Ehre dem, dem Ehre gebührt!
Und Heil ihm der uns hergeführt!
Wir müssen uns im hohen Sinne fassen
Und was geschieht getrost geschehen lassen,
[59] Du bist ja sonst des stärksten Muthes voll.
Nun wird sich gleich ein Gräulichstes eräugnen:
Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt läugnen:
Du schreib’ es treulich in dein Protokoll.
Die Zwerge führen den großen Pan
Zur Feuerquelle sacht heran;
Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,
Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,
Und finster steht der offne Mund;
Wallt wieder auf in Gluth und Sud,
Der große Pan steht wohlgemuth,
Freut sich des wundersamen Dings,
Und Perlenschaum sprüht rechts und links.
Wie mag er solchen Wesen traun?
Er bückt sich tief hinein zu schaun. –
Nun aber fällt sein Bart hinein! –
Wer mag das glatte Kinn wohl seyn?
Die Hand verbirgt es unserm Blick. –
Nun folgt ein großes Ungeschick,
Der Bart entflammt und fliegt zurück,
Entzündet Kranz und Haupt und Brust,
Zu Leiden wandelt sich die Lust. –
Zu löschen läuft die Schaar herbei,
Doch keiner bleibt von Flammen frei,
Und wie es patscht und wie es schlägt
Wird neues Flammen aufgeregt;
[60] Verflochten in das Element
Ein ganzer Maskenklump verbrennt.
Was aber hör’ ich wird uns kund
Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund!
O ew[i]g unglückselige Nacht
Was hast du uns für Leid gebracht!
Verkünden wird der nächste Tag
Was niemand willig hören mag;
Doch hör’ ich aller Orte schrein
„Der Kaiser“, leidet solche Pein.
O wäre doch ein andres wahr!
Der Kaiser brennt und seine Schaar.
Sie sey verflucht die ihn verführt,
In harzig Reis sich eingeschnürt,
Zu toben her mit Brüll-Gesang
Zu allerseitigem Untergang.
O Jugend, Jugend wirst du nie
Der Freude reines Maß bezirken?
O Hoheit, Hoheit wirst du nie
Vernünftig wie allmächtig wirken?
Schon geht der Wald in Flammen auf,
Sie züngeln leckend spitz hinauf,
Zum holzverschränkten Deckenband,
Uns droht ein allgemeiner Brand.
Des Jammers Maß ist übervoll,
Ich weiß nicht wer uns retten soll.
Ein Aschenhaufen einer Nacht
Liegt morgen reiche Kaiserpracht.
Schrecken ist genug verbreitet,
Hülfe sey nun eingeleitet! –
Schlage heiligen Stabs Gewalt,
Daß der Boden bebt und schallt!
Du geräumig weite Luft
Fülle dich mit kühlem Duft.
Zieht heran, umherzuschweifen,
Nebeldünste, schwangre Streifen,
Deckt ein flammendes Gewühl;
Rieselt, säuselt, Wölkchen kräuselt,
Schlüpfet wallend, leise dämpfet,
Löschend überall bekämpfet,
Ihr, die lindernden, die feuchten,
Wandelt in ein Wetterleuchten
Solcher eitlen Flamme Spiel. –
Drohen Geister uns zu schädigen
Soll sich die Magie bethätigen.
Lustgarten.
Verzeihst du Herr das Flammengaukelspiel?
[62]Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. –
Auf einmal sah ich mich in glühender Sphäre,
Es schien mir fast als ob ich Pluto wäre.
Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund,
Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund
Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen,
Und flackerten in Ein Gewölb zusammen.
Zum höchsten Dome züngelt es empor,
Der immer ward und immer sich verlor.
Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen
Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,
Sie drängten sich im weiten Kreis heran,
Und huldigten, wie sie es stets gethan.
Von meinem Hof erkannt’ ich ein und andern,
Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.
Das bist du Herr! Weil jedes Element
Die Majestät als unbedingt erkennt.
Gehorsam Feuer hast du nun erprobt,
Wirf dich in’s Meer wo es am wildsten tobt,
Und kaum betrittst du perlenreichen Grund,
So bildet wallend sich ein herrlich Rund;
Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen,
Mit Purpursaum, zu schönster Wohnung schwellen,
Um dich, den Mittelpunkt. Bei jedem Schritt
Wohin du gehst gehn die Paläste mit.
[63] Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens,
Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Wiederstrebens.
Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein,
Sie schießen an, und keines darf herein.
Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,
Der Haifisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.
Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,
Hast du doch nie ein solch Gedräng erblickt.
Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden,
Es nahen sich neugierige Nereiden
Der prächtigen Wohnung in der ewigen Frische,
Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,
Die spätern klug; schon wird es Thetis kund,
Dem zweyten Peleus reicht sie Hand und Mund. –
Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier! –
Die luftigen Räume die erlaß ich dir;
Noch früh genug besteigt man jenen Thron.
Und, höchster Herr! die Erde hast du schon.
Welch gut Geschick hat dich hierher gebracht?
Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht.
Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
Versichr’ ich dich der höchsten aller Gnaden.
Sey stets bereit, wenn eure Tageswelt,
Wie’s oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.
Durchlauchtigster, ich dacht’ in meinem Leben
Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
Als diese, die mich hoch beglückt,
In deiner Gegenwart entzückt:
Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
Los bin ich solcher Höllenpein;
Im Himmel kann’s nicht heitrer seyn.
Abschläglich ist der Sold entrichtet,
Das ganze Heer auf’s neu verpflichtet,
Der Lanzknecht fühlt sich frisches Blut,
Und Wirth und Dirnen haben’s gut.
Wie athmet eure Brust erweitert!
Das faltige Gesicht erheitert!
Wie eilig tretet ihr heran!
Befrage diese die das Werk gethan.
Dem Canzler ziemt’s die Sache vorzutragen.
Beglückt genug in meinen alten Tagen. –
[65] So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
„Zu wissen sey es jedem der’s begehrt:
Der Zettel hier ist tausend Kronen werth.
Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,
Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.
Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz,
Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“
Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?
Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
Erst heute Nacht. Du standst als großer Pan,
Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
„Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.“
Du zogst sie rein, dann ward’s in dieser Nacht
Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohlthat allen gleich gedeihe,
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Zehn, Dreyßig, Funfzig, Hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht wie wohl’s dem Volke that.
Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,
Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!
[66] Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
Das Alphabet ist nun erst überzählig,
In diesem Zeichen wird nun jeder selig.
Und meinen Leuten gilt’s für gutes Gold?
Dem Heer, dem Hofe gnügt’s zu vollem Sold?
So sehr mich’s wundert muß ich’s gelten lassen.
Unmöglich wär’s die Flüchtigen einzufassen;
Mit Blitzeswink zerstreute sich’s im Lauf.
Die Wechsler-Bänke stehen sperrig auf,
Man honorirt daselbst ein jedes Blatt
Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt.
Nun geht’s von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
Bei: „Hoch dem Kaiser!“ sprudelt’s in den Kellern,
Dort kocht’s und brät’s und klappert’s mit den Tellern.
Wer die Terrassen einsam abspaziert,
Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert,
Ein Aug’ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel;
Und hurtiger als durch Witz und Redekunst
Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.
[67] Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen,
Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
Mit Liebesbrieflein paart’s bequem sich hier.
Der Priester trägt’s andächtig im Brevier,
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine
Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.
Das Uebermaß der Schätze, das, erstarrt,
In deinen Landen tief im Boden harrt,
Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke;
Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
Sie strengt sich an und thut sich nie genug;
Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen,
Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen.
Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Ist so bequem, man weiß doch was man hat;
Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen.
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauctionirt,
Und das Papier, sogleich amortisirt,
Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt.
Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
[68] So bleibt von nun an allen Kaiser-Landen
An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.
Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich,
Wo möglich sey der Lohn dem Dienste gleich.
Vertraut sey euch des Reiches innrer Boden,
Ihr seyd der Schätze würdigste Custoden.
Ihr kennt den weiten wohlverwahrten Hort,
Und wenn man gräbt, so sey’s auf euer Wort.
Vereint euch nun ihr Meister unsres Schatzes,
Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes,
Wo mit der obern sich die Unterwelt,
In Einigkeit beglückt, zusammenstellt.
Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen,
Ich liebe mir den Zaubrer zum Collegen.
Beschenk’ ich nun bei Hofe Mann für Mann,
Gesteh’ er mir wozu er’s brauchen kann.
Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge.
Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett’ und Ringe.
Von nun an trink’ ich doppelt bess’re Flasche.
Die Würfel jucken mich schon in der Tasche.
[69]Mein Schloß und Feld ich mach’ es schuldenfrei.
Es ist ein Schatz, den leg’ ich Schätzen bei.
Ich hoffte Lust und Muth zu neuen Thaten;
Doch wer euch kennt, der wird euch leicht errathen.
Ich merk’ es wohl, bei aller Schätze Flor
Wie ihr gewesen bleibt ihr nach wie vor.
Ihr spendet Gnaden, gönnt auch mir davon.
Und lebst du wieder? du vertrinkst sie schon.
Die Zauber-Blätter! ich versteh’s nicht recht.
Das glaub’ ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht.
Da fallen andre, weiß nicht was ich thu’.
Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu.
Fünf tausend Kronen wären mir zu Handen!
Zweybeiniger Schlauch bist wieder auferstanden?
[70]Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt.
Du freust dich so, daß dich’s in Schweiß versetzt.
Da seht nur her, ist das wohl Geldes werth?
Du hast dafür was Schlund und Bauch begehrt.
Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?
Versteht sich! biete nur, das fehlt dir nie.
Und Schloß, mit Wald und Jagd und Fischbach?
Traun!
Ich möchte dich gestrengen Herrn wohl schaun!
Heut Abend wieg’ ich mich im Grundbesitz! –
Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!
[71]
Finstere Gallerie
Was ziehst du mich in diese düstern Gänge?
Ist nicht da drinnen Lust genug,
Im dichten, bunten Hofgedränge
Gelegenheit zu Spaß und Trug?
Sag’ mir das nicht, du hast’s in alten Tagen
Längst an den Sohlen abgetragen;
Doch jetzt, dein Hin- und Wiedergehn
Ist nur um mir nicht Wort zu stehn.
Ich aber bin gequält zu thun,
Der Marschalk und der Kämm’rer treibt mich nun.
Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,
Will Helena und Paris vor sich sehn;
Das Musterbild der Männer, so der Frauen,
In deutlichen Gestalten will er schauen.
Geschwind an’s Werk! ich darf mein Wort nicht brechen
Unsinnig war’s leichtsinnig zu versprechen.
Du hast, Geselle, nicht bedacht
Wohin uns deine Künste führen;
Erst haben wir ihn reich gemacht,
Nun sollen wir ihn amüsiren.
Du wähnst es füge sich sogleich;
Hier stehen wir vor steilern Stufen,
Greifst in ein fremdestes Bereich,
Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,
Denkst Helenen so leicht hervorzurufen
Wie das Papiergespenst der Gulden. –
Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinnsten,
Kielkröpfigen Zwergen steh’ ich gleich zu Diensten;
Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,
Sie können nicht für Heroinen gelten.
Da haben wir den alten Leyerton!
Bei dir geräth man stets in’s Ungewisse.
Der Vater bist du aller Hindernisse,
Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.
Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist’s gethan,
Wie man sich umschaut bringst du sie zur Stelle.
Das Heidenvolk geht mich nichts an,
Es haus’t in seiner eignen Hölle;
Doch gibt’s ein Mittel.
Sprich, und ohne Säumniß!
Ungern entdeck’ ich höheres Geheimniß. –
[73] Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,
Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;
Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.
Die Mütter sind es!
Mütter!
Schaudert’s dich?
Die Mütter! Mütter! – ’s klingt so wunderlich!
Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
Nach ihrer Wohnung magst in’s Tiefste schürfen;
Du selbst bist Schuld daß ihrer wir bedürfen.
Wohin der Weg?
Kein Weg! In’s Unbetretene,
Nicht zu Betretende; ein Weg an’s Unerbetene
Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? –
Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.
Hast du Begriff von Oed’ und Einsamkeit?
Du spartest dächt’ ich solche Sprüche,
Hier wittert’s nach der Hexenküche,
Nach einer längst vergangnen Zeit.
Mußt’ ich nicht mit der Welt verkehren?
Das Leere lernen, Leeres lehren? –
Sprach ich vernünftig, wie ich’s angeschaut,
Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;
Mußt’ ich sogar vor widerwärtigen Streichen
Zur Einsamkeit, zur Wilderniß entweichen;
Und, um nicht ganz versäumt, allein zu leben,
Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.
Und hättest du den Ocean durchschwommen,
Das Gränzenlose dort geschaut,
So sähst du dort doch Well’ auf Welle kommen,
Selbst wenn es dir vor’m Untergange graut.
Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
Gestillter Meere streichende Delphine;
Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne;
Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
Den Schritt nicht hören den du thust,
Nichts Festes finden wo du ruhst.
Du sprichst als erster aller Mystagogen,
Die treue Neophyten je betrogen;
Nur umgekehrt. Du sendest mich in’s Leere,
Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;
[75] Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze,
Dir die Kastanien aus den Gluthen kratze.
Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
In deinem Nichts hoff’ ich das All zu finden.
Ich rühme dich eh’ du dich von mir trennst,
Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst;
Hier diesen Schlüssel nimm.
Das kleine Ding!
Erst faß ihn an und schätz’ ihn nicht gering.
Er wächs’t in meiner Hand! er leuchtet, blitzt!
Merkst du nun bald was man an ihm besitzt!
Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,
Folg’ ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.
Den Müttern! Trifft’s mich immer wie ein Schlag!
Was ist das Wort das ich nicht hören mag?
Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?
Willst du nur hören, was du schon gehört?
Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge,
Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.
Doch im Erstarren such’ ich nicht mein Heil,
Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil;
Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
Versinke denn! Ich könnt’ auch sagen: steige!
’s ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen,
In der Gebilde losgebundne Räume;
Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;
Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe.
Wohl! fest ihn fassend fühl’ ich neue Stärke,
Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.
Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund
Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund.
Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn;
Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.
Umschwebt von Bildern aller Creatur;
Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß.
Und gehe grad’ auf jenen Dreyfuß los,
Berühr’ ihn mit dem Schlüssel!
So ist’s recht!
Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht;
Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,
Und eh’ sie’s merken bist mit ihm zurück.
Und hast du ihn einmal hierher gebracht,
So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,
Der erste der sich jener That erdreistet;
Sie ist gethan und du hast es geleistet,
Dann muß fortan, nach magischem Behandeln,
Der Weihrauchsnebel sich in Götter wandeln.
Und nun was jetzt?
Dein Wesen strebe nieder;
Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder.
Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt!
Neugierig bin ich ob er wieder kommt?
[78]
Hell erleuchtete Säle.
Ihr seyd uns noch die Geisterscene schuldig;
Macht euch daran! der Herr ist ungeduldig.
So eben fragt der Gnädigste darnach;
Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach.
Ist mein Cumpan doch deßhalb weggegangen,
Er weiß schon wie es anzufangen,
Und laborirt verschlossen still;
Muß ganz besonders sich befleißen,
Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will,
Bedarf der höchsten Kunst, Magie der Weisen.
Was ihr für Künste braucht ist einerlei,
Der Kaiser will daß alles fertig sey.
Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,
Jedoch so ist’s im leidigen Sommer nicht!
Da sprossen hundert bräunlich rothe Flecken,
Die zum Verdruß die weiße Haut bedecken.
Ein Mittel!
Schade! so ein leuchtend Schätzchen,
Im Mai getupft wie eure Pantherkätzchen.
Nehmt Froschlaich, Krötenzungen, cohobirt,
Im vollsten Mondlicht sorglich distillirt;
Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen,
Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.
Die Menge drängt heran euch zu umschranzen.
Ich bitt’ um Mittel! Ein erfrorner Fuß
Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen,
Selbst ungeschickt beweg’ ich mich zum Gruß.
Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß.
Nun das geschieht wohl unter Liebesleuten.
Mein Fußtritt, Kind! hat Größres zu bedeuten.
Zu Gleichem Gleiches, was auch einer litt;
Fuß heilet Fuß, so ist’s mit allen Gliedern.
Heran! Gebt Acht! Ihr sollt es nicht erwiedern.
Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt,
Wie Pferdehuf.
Die Heilung nehmt ihr mit.
Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben
Bei Tafel schwelgend füßle mit dem Lieben.
Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen,
Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen;
Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken,
Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.
Bedenklich ist es, aber höre mich.
An ihn heran mußt du dich leise drücken;
Nimm diese Kohle, streich’ ihm einen Strich
Auf Aermel, Mantel, Schulter wie sich’s macht;
Er fühlt im Herzen holden Reuestich.
Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,
Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;
Er seufzt vor deiner Thür’ noch heute Nacht.
Ist doch kein Gift?
Respect wo sich’s gebührt!
Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen;
Sie kommt von einem Scheiterhaufen
Den wir sonst emsiger angeschürt.
Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.
Ich weiß nicht mehr, wohin ich hören soll.
[81]Müßt euer Glück nicht auf die jüngste setzen.
Die Angejahrten wissen euch zu schätzen. –
Schon wieder Neue! welch ein harter Strauß!
Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;
Der schlechteste Behelf! die Noth ist groß. –
O Mütter, Mütter! laßt nur Fausten los!
Die Lichter brennen trübe schon im Saal,
Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.
Anständig seh’ ich sie in Folge ziehn,
Durch lange Gänge, ferne Galerien.
Nun! sie versammeln sich im weiten Raum
Des alten Rittersaals, er faßt sie kaum.
Auf breite Wände Teppiche spendirt,
Mit Rüstung Eck und Nischen ausgeziert.
Hier braucht es, dächt’ ich, keine Zauberworte;
Die Geister finden sich von selbst zum Orte.
[82]
Rittersaal.
Mein alt Geschäft, das Schauspiel anzukünden,
Verkümmert mir der Geister heimlich Walten;
Vergebens wagt man aus verständigen Gründen
Sich zu erklären das verworrne Schalten.
Die Sessel sind, die Stühle schon zur Hand;
Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;
Auf den Tapeten mag er da die Schlachten
Der großen Zeit bequemlich sich betrachten.
Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde,
Die Bänke drängen sich im Hintergrunde;
Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden,
Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.
Und so, da alle schicklich Platz genommen,
Sind wir bereit, die Geister mögen kommen!
Beginne gleich das Drama seinen Lauf,
Der Herr befiehlt’s, ihr Wände thut euch auf!
Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand,
Die Teppiche schwinden, wie gerollt vom Brand;
Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,
Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,
Geheimnißvoll ein Schein uns zu erhellen,
Und ich besteige das Proscenium.
Von hier aus hoff’ ich allgemeine Gunst,
Einbläsereyen sind des Teufels Redekunst.
Du kennst den Tact in dem die Sterne gehn,
Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.
Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau
Massiv genug, ein alter Tempelbau.
Dem Atlas gleich der einst den Himmel trug,
Stehn, reihenweis, der Säulen hier genug;
Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,
Da zweye schon ein groß Gebäude trügen.
Das wär’ antik! ich wüßt’ es nicht zu preisen,
Es sollte plump und überlästig heißen.
Roh nennt man edel, unbehülflich groß.
Schmal-Pfeiler lieb’ ich, strebend, gränzenlos;
Spitzbögiger Zenith erhebt den Geist;
Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.
Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden;
Durch magisch Wort sey die Vernunft gebunden;
Dagegen weit heran bewege frei
Sich herrliche verwegne Phantasey.
Mit Augen schaut nun was ihr kühn begehrt,
Unmöglich ist’s, drum eben glaubenswerth.
Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,
Der nun vollbringt was er getrost begann.
Ein Dreyfuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,
Schon ahn’ ich aus der Schale Weihrauchduft.
Er rüstet sich das hohe Werk zu segnen,
Es kann fortan nur glückliches begegnen.
In eurem Namen, Mütter, die ihr thront
Im Gränzenlosen, ewig einsam wohnt,
Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben
Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.
Was einmal war, in allem Glanz und Schein,
Es regt sich dort; denn es will ewig seyn.
Und ihr vertheilt es, allgewaltige Mächte,
Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
Die einen faßt des Lebens holder Lauf,
Die andern sucht der kühne Magier auf;
In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen
Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.
Der glühnde Schlüssel rührt die Schale kaum,
Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum,
Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,
Gedehnt, geballt, verschränkt, getheilt, gepaart.
[85] Und nun erkennt ein Geister-Meister-Stück!
So wie sie wandeln machen sie Musik.
Aus luftigen Tönen quillt ein Weißnichtwie,
Indem sie ziehn wird alles Melodie.
Der Säulenschaft, auch die Triglyphe klingt,
Ich glaube gar der ganze Tempel singt.
Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor
Ein schöner Jüngling tritt im Tact hervor.
Hier schweigt mein Amt, ich brauch’ ihn nicht zu nennen,
Wer sollte nicht den holden Paris kennen!
O! welch ein Glanz [aufblühnder] Jugendkraft!
Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!
Die fein gezognen, süß geschwollnen Lippen!
Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?
Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.
Ein bißchen könnt’ er doch gewandter seyn.
Den Schäferknecht glaub’ ich allhier zu spüren;
Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.
Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön,
Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn!
Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm.
Auf seinem Schoße wär’ euch wohl bequem?
Er lehnt den Arm so zierlich über’s Haupt.
Die Flegeley! das find’ ich unerlaubt!
Ihr Herren wißt an allem was zu mäkeln.
In Kaisers Gegenwart sich hinzuräckeln!
Er stellt’s nur vor! Er glaubt sich ganz allein.
Das Schauspiel selbst, hier sollt’ es höflich seyn.
Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen.
Er schnarcht nun gleich, natürlich ist’s, vollkommen.
Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt,
Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?
Fürwahr! es dringt ein Hauch tief in’s Gemüthe,
Er kommt von ihm!
Es ist des Wachsthums Blüthe,
[87] Im Jüngling als Ambrosia bereitet,
Und atmosphärisch rings umher verbreitet.
Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh’;
Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.
Für mich ist dießmal weiter nichts zu thun,
Als Ehrenmann gesteh’, bekenn’ ich’s nun.
Die Schöne kommt, und hätt’ ich Feuerzungen! –
Von Schönheit ward von jeher viel gesungen –
Wem sie erscheint wird aus sich selbst entrückt,
Wem sie gehörte ward zu hoch beglückt.
Hab’ ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
Der Schönheit Quelle vollen Stroms ergossen?
Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn.
Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen!
Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft?
Erst wünschenswerth, gegründet, dauerhaft!
Verschwinde mir des Lebens Athemkraft,
Wenn ich mich je von dir zurückgewöhne! –
Die Wohlgestalt die mich voreinst entzückte,
In Zauberspiegelung beglückte,
War nur ein Schaumbild solcher Schöne! –
Du bist’s der ich die Regung aller Kraft,
Den Inbegriff der Leidenschaft,
Dir Neigung, Lieb’, Anbetung, Wahnsinn zolle.
So faßt euch doch und fallt nicht aus der Rolle!
Groß, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein.
Seht nur den Fuß! Wie könnt’ er plumper seyn?
Fürstinnen hab’ ich dieser Art gesehn,
Mich däucht sie ist vom Kopf zum Fuße schön.
Sie nähert sich dem Schläfer listig mild.
Wie häßlich neben jugendreinem Bild!
Von ihrer Schönheit ist er angestrahlt.
Endymion und Luna! wie gemahlt!
Ganz recht! die Göttin scheint herabzusinken,
Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken;
Beneidenswerth! – Ein Kuß! – Das Maß ist voll.
Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!
Furchtbare Gunst dem Knaben! –
Ruhig! still!
Laß das Gespenst doch machen was es will.
Sie schleicht sich weg, leichtfüßig; er erwacht.
Sie sieht sich um! das hab’ ich wohl gedacht.
Er staunt! Ein Wunder ist’s was ihm geschieht.
Ihr ist kein Wunder was sie vor sich sieht.
Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum.
Ich merke schon sie nimmt ihn in die Lehre;
In solchem Fall sind alle Männer dumm,
Er glaubt wohl auch daß er der erste wäre.
Laßt mir sie gelten! Majestätisch fein! –
Die Buhlerin! Das nenn’ ich doch gemein!
Ich möchte wohl an seiner Stelle seyn!
Wer würde nicht in solchem Netz gefangen?
Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,
Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.
Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt.
[90]Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste;
Ich hielte mich an diese schönen Reste.
Ich seh’ sie deutlich, doch gesteh’ ich frei,
Zu zweifeln ist ob sie die rechte sey.
Die Gegenwart verführt in’s Uebertriebne,
Ich halte mich vor allem an’s Geschriebne.
Da les’ ich denn: sie habe wirklich allen
Graubärten Troja’s sonderlich gefallen;
Und wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier,
Ich bin nicht jung und doch gefällt sie mir.
Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann
Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann.
Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,
Entführt er sie wohl gar?
Verwegner Thor!
Du wagst! Du hörst nicht! halt! das ist zu viel.
Machst du’s doch selbst das Fratzengeisterspiel!
Nur noch ein Wort! Nach allem was geschah
Nenn ich das Stück: den Raub der Helena.
Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle!
Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!
Er führte mich, durch Graus und Wog’ und Welle
Der Einsamkeiten, her zum festen Stand.
Hier faß ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,
Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,
Das Doppelreich, das große, sich bereiten.
So fern sie war, wie kann sie näher seyn!
Ich rette sie und sie ist doppelt mein.
Gewagt! Ihr Mütter! Mütter müßt’s gewähren!
Wer sie erkennt der darf sie nicht entbehren.
Was thust du Fauste! Fauste! – Mit Gewalt
Faßt er sie an, schon trübt sich die Gestalt.
Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,
Berührt ihn! – Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!
Da habt ihr’s nun! mit Narren sich beladen
Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.
[92]
Zweyter Act.
Hier lieg’, Unseliger! verführt
Zu schwergelös’tem Liebesbande!
Wen Helena paralysirt
Der kommt so leicht nicht zu Verstande.
Blick’ ich hinauf, hierher, hinüber,
Allunverändert ist es, unversehrt;
Die bunten Scheiben sind, so dünkt mich, trüber,
Die Spinneweben haben sich vermehrt;
Die Dinte starrt, vergilbt ist das Papier;
Doch alles ist am Platz geblieben;
Sogar die Feder liegt noch hier,
Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben.
[93] Ja! tiefer in dem Rohre stockt
Ein Tröpflein Blut, wie ich’s ihm abgelockt.
Zu einem solchen einzigen Stück
Wünscht’ ich dem größten Sammler Glück.
Auch hängt der alte Pelz am alten Haken,
Erinnert mich an jene Schnaken
Wie ich den Knaben einst belehrt,
Woran er noch vielleicht als Jüngling zehrt.
Es kommt mir wahrlich das Gelüsten,
Rauhwarme Hülle, dir vereint,
Mich als Docent noch einmal zu erbrüsten,
Wie man so völlig recht zu haben meint.
Gelehrte wissen’s zu erlangen,
Dem Teufel ist es längst vergangen.
Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!
Man säe nur, man erntet mit der Zeit.
Ich schüttle noch einmal den alten Flaus,
Noch eines flattert hier und dort hinaus. –
Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken
Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken.
Dort wo die alten Schachteln stehn,
Hier im bebräunten Pergamen,
In staubigen Scherben alter Töpfe,
Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe.
In solchem Wust und Moderleben
Muß es für ewig Grillen geben.
Komm, decke mir die Schultern noch einmal!
Heut bin ich wieder Prinzipal.
Doch hilft es nichts mich so zu nennen,
Wo sind die Leute die mich anerkennen!
Welch ein Tönen! welch ein Schauer!
Treppe schwankt, es bebt die Mauer;
Durch der Fenster buntes Zittern
Seh’ ich wetterleuchtend Wittern.
Springt das Estrich, und von Oben
Rieselt Kalk und Schutt verschoben.
[95] Und die Thüre, fest verriegelt,
Ist durch Wunderkraft entsiegelt. –
Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese
Steht in Faustens altem Vließe!
Seinen Blicken, seinem Winken,
Mögt’ ich in die Kniee sinken.
Soll ich fliehen? Soll ich stehn?
Ach wie wird es mir ergehn!
Heran, mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus.
Hochwürdiger Herr! so ist mein Nam’ – Oremus.
Das lassen wir!
Wie froh! daß ihr mich kennt.
Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student,
Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann
Studirt so fort, weil er nicht anders kann.
So baut man sich ein mäßig Kartenhaus,
Der größte Geist baut’s doch nicht völlig aus.
Doch euer Meister, das ist ein Beschlagner:
Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner,
Den ersten jetzt in der gelehrten Welt!
Er ist’s allein der sie zusammenhält,
Der Weisheit täglicher Vermehrer.
Allwißbegierige Horcher, Hörer
[96] Versammeln sich um ihn zu Hauf.
Er leuchtet einzig vom Katheder;
Die Schlüssel übt er wie Sanct Peter,
Das Untre so das Obre schließt er auf.
Wie er vor Allen glüht und funkelt,
Kein Ruf, kein Ruhm hält weiter Stand;
Selbst Faustus Name wird verdunkelt,
Er ist es, der allein erfand.
Verzeiht! Hochwürdiger Herr! wenn ich euch sage,
Wenn ich zu widersprechen wage:
Von allem dem ist nicht die Frage;
Bescheidenheit ist sein beschieden Theil.
In’s unbegreifliche Verschwinden
Des hohen Manns weiß er sich nicht zu finden;
Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil.
Das Zimmer, wie zu Doctor Faustus Tagen,
Noch unberührt seitdem er fern,
Erwartet seinen alten Herrn.
Kaum wag’ ich’s mich hereinzuwagen.
Was muß die Sternenstunde seyn? –
Gemäuer scheint mir zu erbangen;
Thürpfosten bebten, Riegel sprangen,
Sonst kamt ihr selber nicht herein.
Wo hat der Mann sich hingethan?
Führt mich zu ihm, bringt ihn heran.
Ach! sein Verbot ist gar zu scharf,
Ich weiß nicht ob ich’s wagen darf.
Monate lang, des großen Werkes willen,
Lebt’ er im allerstillsten Stillen.
Der zarteste gelehrter Männer
Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner,
Geschwärzt vom Ohre bis zur Nasen,
Die Augen roth vom Feuerblasen;
So lechzt er jedem Augenblick,
Geklirr der Zange gibt Musik.
Sollt’ er den Zutritt mir verneinen?
Ich bin der Mann das Glück ihm zu beschleunen.
Kaum hab’ ich Posto hier gefaßt
Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast.
Doch dießmal ist er von den Neusten;
Er wird sich gränzenlos erdreusten.
Mich freut daß ich euch hergeläutet.
Ich schätzt’ euch damals nicht gering;
Die Raupe schon, die Chrysalide deutet
Den künftigen bunten Schmetterling.
Am Lockenkopf und Spitzenkragen
Empfandet ihr ein kindliches Behagen. –
Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? –
Heut schau’ ich euch im Schwedenkopf.
Ganz resolut und wacker seht ihr aus,
Kommt nur nicht absolut nach Haus.
Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;
Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf
Und sparet doppelsinnige Worte;
Wir passen nun ganz anders auf.
Ihr hänseltet den guten treuen Jungen;
Das ist euch ohne Kunst gelungen,
Was heut zu Tage niemand wagt.
Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,
Die gelben Schnäbeln keineswegs behagt,
[100] Sie aber hinter drein nach Jahren
Das alles derb an eigner Haut erfahren,
Dann dünkeln sie, es käm’ aus eignem Schopf;
Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.
Ein Schelm vielleicht! – denn welcher Lehrer spricht
Die Wahrheit uns direct in’s Angesicht?
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern.
Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;
Zum Lehren seyd ihr, merk’ ich, selbst bereit.
Seit manchen Monden, einigen Sonnen,
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen.
Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
Gesteht! was man von je gewußt
Es ist durchaus nicht wissenswürdig.
Mich däucht es längst. Ich war ein Thor,
Nun komm’ ich mir recht schaal und albern vor.
Das freut mich sehr! Da hör’ ich doch Verstand;
Der erste Greis, den ich vernünftig fand!
Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
Und schauerliche Kohlen trug ich fort.
Gesteht nur, euer Schädel, eure Glatze
Ist nicht mehr werth als jene hohlen dort?
Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist?
Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.
Hier oben wird mir Licht und Luft benommen,
Ich finde wohl bei euch ein Unterkommen?
Anmaßlich find’ ich, daß zur schlechtsten Frist
Man etwas seyn will, wo man nichts mehr ist.
Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo
Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so?
Das ist lebendig Blut in frischer Kraft,
Das neues Leben sich aus Leben schafft.
Da regt sich alles, da wird was gethan,
Das Schwache fällt, das Tüchtige tritt heran.
Indessen wir die halbe Welt gewonnen
Was habt ihr denn gethan? genickt, gesonnen,
Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan.
Gewiß! das Alter ist ein kaltes Fieber
Im Frost von grillenhafter Noth;
Hat einer dreyßig Jahr’ vorüber,
So ist er schon so gut wie todt.
Am besten wär’s, euch zeitig todtzuschlagen.
Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen.
Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel seyn.
Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein.
Dieß ist der Jugend edelster Beruf!
Die Welt sie war nicht eh’ ich sie erschuf;
Die Sonne führt’ ich aus dem Meer herauf;
Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf;
Da schmückte sich der Tag auf meinen Wegen,
Die Erde grünte, blühte mir entgegen.
Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht,
Entfaltete sich aller Sterne Pracht.
Wer, außer mir, entband euch aller Schranken
Philisterhaft einklemmender Gedanken?
Ich aber frei, wie mir’s im Geiste spricht,
Verfolge froh mein innerliches Licht,
Und wandle rasch, im eigensten Entzücken,
Das Helle vor mir, Finsterniß im Rücken.
Original fahr’ hin in deiner Pracht! –
Wie würde dich die Einsicht kränken:
Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken
Das nicht die Vorwelt schon gedacht? –
[103] Doch sind wir auch mit diesem nicht gefährdet,
In wenig Jahren wird es anders seyn:
Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
Es gibt zuletzt doch noch n’ Wein.
Ihr bleibt bei meinem Worte kalt,
Euch guten Kindern laß ich’s gehen;
Bedenkt: der Teufel der ist alt,
So werdet alt, ihn zu verstehen!
Laboratorium
zu phantastischen Zwecken.
Die Glocke tönt, die fürchterliche
Durchschauert die berußten Mauern,
Nicht länger kann das Ungewisse
Der ernstesten Erwartung dauern.
Schon hellen sich die Finsternisse;
Schon in der innersten Phiole
Erglüht es wie lebendige Kohle,
Ja wie der herrlichste Karfunkel,
Verstrahlend Blitze durch das Dunkel.
Ein helles weißes Licht erscheint!
O daß ich’s dießmal nicht verliere! –
Ach Gott! was rasselt an der Thüre?
Willkommen! es ist gut gemeint.
Willkommen! zu dem Stern der Stunde.
Doch haltet Wort und Athem fest im Munde,
Ein herrlich Werk ist gleich zu Stand gebracht.
Was gibt es denn?
Es wird ein Mensch gemacht.
Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
Habt ihr in’s Rauchloch eingeschlossen?
Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war
Erklären wir für eitel Possen.
Der zarte Punct aus dem das Leben sprang,
Die holde Kraft die aus dem Innern drang
Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,
Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen,
Die ist von ihrer Würde nun entsetzt;
Wenn sich das Thier noch weiter dran ergötzt,
So muß der Mensch mit seinen großen Gaben
Doch künftig reinern, höhern Ursprung haben.
Es leuchtet! seht! – Nun läßt sich wirklich hoffen,
Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen
[105] Durch Mischung – denn auf Mischung kommt es an –
Den Menschenstoff gemächlich componiren,
In einen Kolben verlutiren
Und ihn gehörig cohobiren,
So ist das Werk im Stillen abgethan.
Es wird! die Masse regt sich klarer!
Die Ueberzeugung wahrer, wahrer!
Was man an der Natur Geheimnißvolles pries,
Das wagen wir verständig zu probiren,
Und was sie sonst organisiren ließ,
Das lassen wir krystallisiren.
Wer lange lebt hat viel erfahren,
Nichts Neues kann für ihn auf dieser Welt geschehn;
Ich habe schon, in meinen Wanderjahren,
Krystallisirtes Menschenvolk gesehn.
Es steigt, es blitzt, es häuft sich an,
Im Augenblick ist es gethan!
Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll;
Doch wollen wir des Zufalls künftig lachen,
Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
Wird künftig auch ein Denker machen.
[106]
Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,
Es trübt, es klärt sich; also muß es werden!
Ich seh’ in zierlicher Gestalt
Ein artig Männlein sich gebärden.
Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?
Denn das Geheimniß liegt am Tage:
Gebt diesem Laute nur Gehör,
Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.
Nun Väterchen! wie steht’s? es war kein Scherz!
Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz!
Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe.
Das ist die Eigenschaft der Dinge:
Natürlichem genügt das Weltall kaum,
Was künstlich ist, verlangt geschloss’nen Raum.
Du aber Schalk, Herr Vetter, bist du hier?
Im rechten Augenblick, ich danke dir.
Ein gut Geschick führt dich zu uns herein;
Dieweil ich bin, muß ich auch thätig seyn.
Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen,
Du bist gewandt die Wege mir zu kürzen.
Nur noch ein Wort! bisher mußt’ ich mich schämen,
Denn Alt und Jung bestürmt mich mit Problemen.
Zum Beispiel nur: noch niemand konnt’ es fassen
Wie Seel’ und Leib so schön zusammenpassen,
[107] So fest sich halten als um nie zu scheiden,
Und doch den Tag sich [immerfort] verleiden.
Sodann –
Halt ein! ich wollte lieber fragen:
Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?
Du kommst, mein Freund, hierüber nie in’s Reine.
Hier gibt’s zu thun, das eben will der Kleine.
Was gibt’s zu thun?
Hier zeige deine Gabe!
Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe!
Bedeutend! –
Schön umgeben! – Klar Gewässer
Im dichten Haine, Frau’n die sich entkleiden;
Die allerliebsten! – das wird immer besser.
Doch eine läßt sich glänzend unterscheiden,
[108] Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme.
Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;
Des edlen Körpers holde Lebensflamme
Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. –
Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel,
Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
Die Königin sie blickt gelassen drein,
Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen,
Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,
Zudringlich zahm. Er scheint sich zu gewöhnen. –
Auf einmal aber steigt ein Dunst empor,
Und deckt mit dichtgewebtem Flor
Die lieblichste von allen Scenen.
Was du nicht alles zu erzählen hast!
So klein du bist, so groß bist du Phantast.
Ich sehe nichts –
Das glaub’ ich. Du aus Norden,
Im Nebelalter jung geworden,
Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey,
Wo wäre da dein Auge frei!
Im Düstern bist du nur zu Hause.
Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig! –
Erwacht uns dieser, gibt es neue Noth,
Er bleibt gleich auf der Stelle todt.
[109] Waldquellen, Schwäne, nackte Schönen,
Das war sein ahnungsvoller Traum;
Wie wollt’ er sich hierher gewöhnen!
Ich, der bequemste, duld’ es kaum.
Nun fort mit ihm.
Der Ausweg soll mich freuen.
Befiehl den Krieger in die Schlacht,
Das Mädchen führe du zum Reihen,
So ist gleich alles abgemacht.
Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,
Ist classische Walpurgisnacht;
Das Beste was begegnen könnte
Bringt ihn zu seinem Elemente.
Dergleichen hab’ ich nie vernommen.
Wie wollt’ es auch zu euren Ohren kommen?
Romantische Gespenster kennt ihr nur allein,
Ein ächt Gespenst auch classisch hat’s zu seyn.
Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?
Mich widern schon antikische Collegen.
Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier;
Südöstlich dießmal aber segeln wir –
[110] An großer Fläche fließt Peneios frei,
Umbuscht, umbaumt, in still’ und feuchten Buchten;
Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten, –
Und oben liegt Pharsalus alt und neu.
O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite
Von Tyranney und Sklaverey bei Seite.
Mich langeweilt’s; denn kaum ist’s abgethan,
So fangen sie von vorne wieder an;
Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt
Vom Asmodeus der dahinter steckt.
Sie streiten sich, so heißt’s, um Freiheitsrechte,
Genau besehn sind’s Knechte gegen Knechte.
Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen,
Ein jeder muß sich wehren wie er kann,
Vom Knaben auf, so wird’s zuletzt ein Mann.
Hier fragt sich’s nur wie dieser kann genesen?
Hast du ein Mittel so erprob’ es hier,
Vermagst du’s nicht, so überlaß es mir.
Manch Brockenstückchen wäre durchzuproben,
Doch Heidenriegel find’ ich vorgeschoben.
Das Griechenvolk es taugte nie recht viel!
Doch blendet’s euch mit freiem Sinnen-Spiel,
Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden,
Die unsern wird man immer düster finden.
Und nun was soll’s?
Du bist ja sonst nicht blöde;
Und wenn ich von Thessalischen Hexen rede,
So denk’ ich hab’ ich was gesagt.
Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen
Nach denen hab’ ich lang’ gefragt.
Mit ihnen Nacht für Nacht zu wohnen
Ich glaube nicht daß es behagt;
Doch zum Besuch, Versuch, –
Den Mantel her,
Und um den Ritter umgeschlagen!
Der Lappen wird euch, wie bisher,
Den einen mit dem andern tragen,
Ich leuchte vor.
Und ich?
Eh nun,
Du bleibst zu Hause Wichtigstes zu thun.
Entfalte du die alten Pergamente,
Nach Vorschrift sammle Lebens-Elemente
Und füge sie mit Vorsicht eins an’s andre.
Das Was bedenke, mehr bedenke Wie?
Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre
Entdeck’ ich wohl das Tüpfchen auf das I.
[112] Dann ist der große Zweck erreicht;
Solch einen Lohn verdient ein solches Streben:
Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben,
Und Wissenschaft und Tugend – auch vielleicht.
Leb’ wohl!
Leb’ wohl! Das drückt das Herz mir nieder.
Ich fürchte schon ich seh’ dich niemals wieder.
Nun zum Peneios frisch hinab,
Herr Vetter ist nicht zu verachten.
Am Ende hängen wir doch ab
Von Creaturen die wir machten.
Classische Walpurgisnacht.
Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie öfter schon,
Tret’ ich einher, Erichtho, ich die düstre;
Nicht so abscheulich wie die leidigen Dichter mich
Im Uebermaß verlästern… Endigen sie doch nie
In Lob und Tadel… Ueberbleicht erscheint mir schon
[113] Von grauer Zelten Woge weit das Thal dahin,
Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht.
Wie oft schon wiederholt sich’s! Wird sich immerfort
In’s Ewige wiederholen… Keiner gönnt das Reich
Dem Andern, dem gönnt’s keiner der’s mit Kraft erwarb
Und kräftig herrscht. Denn jeder, der sein innres Selbst
Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern
Des Nachbars Willen, eignem stolzem Sinn gemäß…
Hier aber ward ein großes Beispiel durchgekämpft:
Wie sich Gewalt Gewaltigerm entgegenstellt,
Der Freiheit holder, tausendblumiger Kranz zerreißt,
Der starre Lorbeer sich um’s Haupt des Herrschers biegt.
Hier träumte Magnus früher Größe Blüthentag,
Dem schwanken Zünglein lauschend wachte Cäsar dort!
Das wird sich messen. Weiß die Welt doch wem’s gelang.
Wachfeuer glühen, rothe Flammen spendende;
Der Boden haucht vergoss’nen Blutes Wiederschein,
Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,
Versammelt sich hellenischer Sage Legion.
Um alle Feuer schwankt unsicher, oder sitzt
Behaglich, alter Tage fabelhaft Gebild…
Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell,
Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall;
Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.
Doch, über mir! welch unerwartet Meteor?
Es leuchtet und beleuchtet körperlichen Ball.
Ich wittre Leben. Da geziemen will mir’s nicht
[114] Lebendigem zu nahen, dem ich schädlich bin;
Das bringt mir bösen Ruf und frommt mir nicht.
Schon sinkt es nieder. Weich’ ich aus mit Wohlbedacht.
Wo ist sie? –
[115]Wüßten’s nicht zu sagen,
Doch hier wahrscheinlich zu erfragen.
In Eile magst du, eh’ es tagt,
Von Flamm’ zu Flamme spürend gehen:
Wer zu den Müttern sich gewagt
Hat weiter nichts zu überstehen.
Auch ich bin hier an meinem Theil;
Doch wüßt’ ich bess’res nicht zu unserm Heil,
Als: jeder möge durch die Feuer
Versuchen sich sein eigen Abenteuer.
Dann, um uns wieder zu vereinen,
Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend scheinen.
So soll es blitzen, soll es klingen.
Nun frisch zu neuen Wunderdingen!
Wo ist sie? – Frage jetzt nicht weiter nach…
Wär’s nicht die Scholle die sie trug,
Die Welle nicht die ihr entgegen schlug,
So ist’s die Luft die ihre Sprache sprach.
Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland!
Ich fühlte gleich den Boden wo ich stand.
Wie mich, den Schläfer, frisch ein Geist durchglühte,
So steh’ ich, ein Antäus an Gemüthe.
[116] Und find’ ich hier das Seltsamste beisammen,
Durchforsch’ ich ernst dieß Labyrinth der Flammen.
Und wie ich diese Feuerchen durchschweife,
So find’ ich mich doch ganz und gar entfremdet,
Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:
Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,
Und was nicht alles, lockig und beflügelt,
Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt…
Zwar sind auch wir von Herzen unanständig,
Doch das Antike find’ ich zu lebendig;
Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern
Und mannichfaltig modisch überkleistern…
Ein widrig Volk! doch darf mich’s nicht verdrießen
Als neuer Gast anständig sie zu grüßen…
Glück zu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen.
Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern
Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt
Der Ursprung nach wo es sich her bedingt:
Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig,
Etymologisch gleicherweise stimmig,
Verstimmen uns.
Und doch, nicht abzuschweifen,
Gefällt das Grei im Ehrentitel Greifen.
Natürlich! die Verwandtschaft ist erprobt,
Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt;
Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold,
Dem Greifenden ist meist Fortuna hold.
Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt,
In Fels und Höhlen heimlich eingerammelt;
Das Arimaspen-Volk hat’s ausgespürt,
Sie lachen dort, wie weit sie’s weggeführt.
Wir wollen sie schon zum Geständniß bringen.
Nur nicht in freier Jubelnacht.
Bis morgen ist’s alles durchgebracht,
Es wird uns dießmal wohl gelingen.
Wie leicht und gern ich mich hieher gewöhne,
Denn ich verstehe Mann für Mann.
Wir hauchen unsre Geistertöne
Und ihr verkörpert sie alsdann.
Jetzt nenne dich bis wir dich weiter kennen.
Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen –
Sind Britten hier? Sie reisen sonst so viel,
[118] Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen,
Gestürzten Mauern, classisch dumpfen Stellen;
Das wäre hier für sie ein würdig Ziel.
Sie zeugten auch: im alten Bühnen-Spiel
Sah man mich dort als old Iniquity.
Wie kam man drauf?
Ich weiß es selbst nicht wie.
Mag seyn! Hast du von Sternen einige Kunde?
Was sagst du zu der gegenwärtigen Stunde?
Stern schießt nach Stern, beschnittner Mond scheint helle
Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle,
Ich wärme mich an deinem Löwenfelle.
Hinauf sich zu versteigen wär’ zum Schaden,
Gib Räthsel auf, gib allenfalls Charaden.
Sprich nur dich selbst aus, wird schon Räthsel seyn.
Versuch einmal dich innigst aufzulösen:
„Dem frommen Manne nöthig wie dem bösen,
Dem ein Plastron, ascetisch zu rapiren,
Cumpan dem andern, Tolles zu vollführen,
Und beydes nur, um Zeus zu amüsiren.“
Den mag ich nicht!
[119]Was will uns der?
Der Garstige gehöret nicht hierher!
Du glaubst vielleicht des Gastes Nägel krauen
Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen?
Versuch’s einmal[.]
Du magst nur immer bleiben,
Wird dich’s doch selbst aus unsrer Mitte treiben;
In deinem Lande thust dir was zu Gute,
Doch, irr’ ich nicht, hier ist dir schlecht zu Muthe.
Du bist recht appetitlich oben anzuschauen,
Doch unten hin, die Bestie macht mir Grauen.
Du Falscher kommst zu deiner bittern Buße,
Denn unsre Tatzen sind gesund;
Dir mit verschrumpftem Pferdefuße
Behagt es nicht in unserm Bund.
Wer sind die Vögel in den Aesten
Der Stromes-Pappeln hingewiegt?
Gewahrt euch nur! die Allerbesten
Hat solch ein Sing-Sang schon besiegt.
Das sind die saubern Neuigkeiten
Wo, aus der Kehle, von den Saiten
Ein Ton sich um den andern flicht.
Das Trallern ist bei mir verloren,
Es krabbelt wohl mir um die Ohren
Allein zum Herzen dringt es nicht.
Sprich nicht vom Herzen! das ist eitel;
Ein lederner verschrumpfter Beutel
Das paßt dir eher zu Gesicht.
Wie wunderbar! das Anschaun thut mir Gnüge,
Im Widerwärtigen große tüchtige Züge.
Ich ahne schon ein günstiges Geschick;
Wohin versetzt mich dieser ernste Blick?
Vor solchen hat einst Oedipus gestanden;
Vor solchen krümmte sich Ulyß in hänfnen Banden;
Von solchen ward der höchste Schatz gespart;
Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt.
Vom frischen Geiste fühl’ ich mich durchdrungen,
Gestalten groß, groß die Erinnerungen.
Sonst hättest du dergleichen weggeflucht,
Doch jetzo scheint es dir zu frommen;
Denn wo man die Geliebte sucht
Sind Ungeheuer selbst willkommen.
Ihr Frauenbilder müßt mir Rede stehn:
Hat eins der Euren Helena gesehn?
Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen,
Die letztesten hat Hercules erschlagen.
Von Chiron könntest du’s erfragen;
Der sprengt herum in dieser Geisternacht,
Wenn er dir steht so hast du’s weit gebracht.
Laß dich Edler nicht betrügen.
Statt daß Ulyß sich binden ließ,
Laß unsern guten Rath dich binden;
Kannst du den hohen Chiron finden,
Erfährst du was ich dir verhieß.
Was krächzt vorbei mit Flügelschlag?
So schnell daß man’s nicht sehen mag,
Und immer eins dem andern nach,
Den Jäger würden sie ermüden.
Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar,
Alcides Pfeilen kaum erreichbar,
[123] Es sind die raschen Stymphaliden.
Und wohlgemeint ihr Krächzegruß,
Mit Geyerschnabel und Gänsefuß.
Sie möchten gern in unsern Kreisen
Als Stammverwandte sich erweisen.
Noch andres Zeug zischt zwischen drinn.
Vor diesen sey euch ja nicht bange,
Es sind die Köpfe der Lernäischen Schlange,
Vom Rumpf getrennt und glauben was zu seyn. –
Doch sagt was soll nur aus euch werden?
Was für unruhige Gebärden?
Wo wollt ihr hin? Begebt euch fort!…
Ich sehe, jener Chorus dort
Macht euch zum Wendehals. Bezwingt euch nicht,
Geht hin! begrüßt manch reizendes Gesicht.
Die Lamien sind’s, lustfeine Dirnen,
Mit Lächelmund und frechen Stirnen
Wie sie dem Satyrvolk behagen;
Ein Bocksfuß darf dort alles wagen.
Ihr bleibt doch hier? daß ich euch wiederfinde.
Ja! Mische dich zum luftigen Gesinde.
Wir, von Egypten her, sind längst gewohnt
Daß unsereins in tausend Jahre thront.
[124] Und respectirt nur unsre Lage,
So regeln wir die Mond- und Sonnentage.
Peneios
Rege dich du Schilfgeflüster!
Hauche leise Rohrgeschwister,
Säuselt leichte Weidensträuche,
Lispelt Pappelzitterzweige
Unterbrochnen Träumen zu!
Weckt mich doch ein grauslich Wittern,
Heimlich allbewegend Zittern
Aus dem Wallestrom und Ruh.
Hör’ ich recht, so muß ich glauben:
Hinter den verschränkten Lauben
Dieser Zweige, dieser Stauden
Tönt ein menschenähnlichs Lauten.
Scheint die Welle doch ein Schwätzen,
Lüftlein wie – ein Scherzergötzen.
Ich wache ja! O laßt sie walten
Die unvergleichlichen Gestalten
Wie sie dorthin mein Auge schickt.
So wunderbar bin ich durchdrungen!
Sind’s Träume? Sind’s Erinnerungen?
Schon einmal warst du so beglückt.
Gewässer schleichen durch die Frische
Der dichten, sanft bewegten Büsche,
Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;
Von allen Seiten hundert Quellen
Vereinen sich, im reinlich hellen,
Zum Bade flach vertieften Raum.
Gesunde junge Frauenglieder
Vom feuchten Spiegel doppelt wieder
Ergötztem Auge zugebracht!
Gesellig dann und fröhlich badend,
Erdreistet schwimmend, furchtsam watend;
Geschrei zuletzt und Wasserschlacht.
[126] Begnügen sollt’ ich mich an diesen,
Mein Auge sollte hier genießen,
Doch immer weiter strebt mein Sinn.
Der Blick dringt scharf nach jener Hülle,
Das reiche Laub der grünen Fülle
Verbirgt die hohe Königin.
Wundersam! auch Schwäne kommen
Aus den Buchten hergeschwommen,
Majestätisch rein bewegt.
Ruhig schwebend, zart gesellig,
Aber stolz und selbstgefällig
Wie sich Haupt und Schnabel regt…
Einer aber scheint vor allen
Brüstend kühn sich zu gefallen,
Segelnd rasch durch alle fort;
Sein Gefieder bläht sich schwellend,
Welle selbst auf Wogen wellend,
Dringt er zu dem heiligen Ort…
Die andern schwimmen hin und wieder
Mit ruhig glänzendem Gefieder,
Bald auch in regem prächtigen Streit
Die scheuen Mädchen abzulenken,
Daß sie an ihren Dienst nicht denken,
Nur an die eigne Sicherheit.
[127]
Ist mir doch als dröhnt die Erde
Schallend unter eiligem Pferde.
Ein Reiter kommt herangetrabt,
Er scheint von Geist und Muth begabt,
Von blendend-weißem Pferd getragen…
Ich irre nicht, ich kenn’ ihn schon,
Der Philyra berühmter Sohn! –
Halt Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen…
Was gibt’s? Was ist’s?
Bezähme deinen Schritt!
Ich raste nicht.
So bitte! Nimm mich mit!
Sitz’ auf! so kann ich nach Belieben fragen:
[Wohin] des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
Ich bin bereit dich durch den Fluß zu tragen.
Wohin du willst. Für ewig dank’ ich’s dir…
[128] Der große Mann, der edle Pädagog,
Der, sich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog,
Den schönen Kreis der edlen Argonauten,
Und alle die des Dichters Welt erbauten.
Das lassen wir an seinem Ort!
Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;
Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort
Als wenn sie nicht erzogen wären.
Den Arzt der jede Pflanze nennt,
Die Wurzeln bis in’s Tiefste kennt,
Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft,
Umarm’ ich hier in Geist- und Körperkraft!
Ward neben mir ein Held verletzt,
Da wußt’ ich Hülf’ und Rath zu schaffen;
Doch ließ ich meine Kunst zuletzt
Den Wurzelweibern und den Pfaffen.
Du bist der wahre große Mann
Der Lobeswort nicht hören kann.
Er sucht bescheiden auszuweichen
Und thut als gäb’ es Seinesgleichen.
Du scheinest mir geschickt zu heucheln,
Dem Fürsten wie dem Volk zu schmeicheln.
So wirst du mir denn doch gestehn:
Du hast die Größten deiner Zeit gesehn,
Dem Edelsten in Thaten nachgestrebt,
Halbgöttlich-ernst die Tage durchgelebt.
Doch unter den heroischen Gestalten
Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?
Im hehren Argonautenkreise
War jeder brav nach seiner eignen Weise,
Und, nach der Kraft die ihn beseelte,
Konnt’ er genügen wo’s den andern fehlte.
Die Dioskuren haben stets gesiegt
Wo Jugendfüll’ und Schönheit überwiegt.
Entschluß und schnelle That zu andrer Heil,
Den Boreaden ward’s zum schönen Theil.
Nachsinnend, kräftig, klug, im Rath bequem,
So herrschte Jason, Frauen angenehm.
Dann Orpheus, zart und immer still bedächtig
Schlug er die Leyer Allen übermächtig.
Scharfsichtig Lynceus, der, bei Tag und Nacht,
Das heilige Schiff durch Klipp’ und Strand gebracht.
Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben:
Wenn einer wirkt, die andern alle loben.
Von Hercules willst nichts erwähnen?
O weh! errege nicht mein Sehnen…
[130] Ich hatte Phöbus nie gesehn,
Noch Ares, Hermes, wie sie heißen;
Da sah ich mir vor Augen stehn
Was alle Menschen göttlich preisen.
So war er ein geborner König,
Als Jüngling herrlichst anzuschaun;
Dem ältern Bruder unterthänig
Und auch den allerliebsten Fraun.
Den zweyten zeugt nicht Gäa wieder;
Nicht führt ihn Hebe himmelein;
Vergebens mühen sich die Lieder,
Vergebens quälen sie den Stein.
So sehr auch Bildner auf ihn pochen,
So herrlich kam er nie zur Schau.
Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
Nun sprich auch von der schönsten Frau!
Was!… Frauen-Schönheit will nichts heißen,
Ist gar zu oft ein starres Bild;
Nur solch ein Wesen kann ich preisen
Das froh und lebenslustig quillt.
Die Schöne bleibt sich selber selig;
Die Anmuth macht unwiderstehlich,
Wie Helena, da ich sie trug.
Du trugst sie?
Ja, auf diesem Rücken.
[131]Bin ich nicht schon verwirrt genug,
Und solch ein Sitz muß mich beglücken!
Sie faßte so mich in das Haar
Wie du es thust.
O ganz und gar
Verlier’ ich mich! Erzähle wie?
Sie ist mein einziges Begehren!
Woher, wohin, ach, trugst du sie?
Die Frage läßt sich leicht gewähren.
Die Dioskuren hatten jener Zeit
Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit.
Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,
Ermannten sich und stürmten hinterdrein.
Da hielten der Geschwister eiligen Lauf
Die Sümpfe bei Eleusis auf;
Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
Da sprang sie ab und streichelte
Die feuchte Mähne, schmeichelte
Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt.
Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!
Erst sieben Jahr!…
Ich seh’ die Philologen,
Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.
[132] Ganz eigen ist’s mit mythologischer Frau:
Der Dichter bringt sie, wie er’s braucht, zur Schau;
Nie wird sie mündig, wird nicht alt,
Stets appetitlicher Gestalt,
Wird jung entführt, im Alter noch umfreit;
G’nug, den Poeten bindet keine Zeit.
So sey auch sie durch keine Zeit gebunden!
Hat doch Achill auf Pherä sie gefunden
Selbst außer aller Zeit. Welch seltnes Glück:
Errungen Liebe gegen das Geschick!
Und sollt’ ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt,
In’s Leben ziehn die einzigste Gestalt?
Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig,
So groß als zart, so hehr als liebenswürdig.
Du sahst sie einst, heut hab’ ich sie gesehn,
So schön wie reizend, wie ersehnt so schön.
Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen,
Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.
Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt;
Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
Nun trifft sich’s hier zu deinem Glücke;
Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
Pfleg’ ich bei Manto vorzutreten,
Der Tochter Aesculaps; im stillen Beten
Fleht sie zum Vater: daß, zu seiner Ehre,
Er endlich doch der Aerzte Sinn verkläre
Und vom verwegnen Todtschlag sie bekehre.
[133] Die liebste mir aus der Sibyllengilde;
Nicht fratzenhaft bewegt, wohlthätig milde;
Ihr glückt es wohl, bei einigem Verweilen,
Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen.
Geheilt will ich nicht seyn! mein Sinn ist mächtig!
Da wär’ ich ja wie andre niederträchtig.
Versäume nicht das Heil der edlen Quelle!
Geschwind herab! Wir sind zur Stelle.
Sag’ an! Wohin hast du, in grauser Nacht,
Durch Kiesgewässer mich an’s Land gebracht?
Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite,
Peneios rechts, links den Olymp zur Seite,
Das größte Reich das sich im Sand verliert.
Der König flieht, der Bürger triumphirt.
Blick’ auf! hier steht, bedeutend nah,
Im Mondenschein der ewige Tempel da.
Willkommen! ich seh’ du bleibst nicht aus.
Steht dir doch auch dein Tempelhaus!
Streifst du noch immer unermüdet?
Wohnst du doch immer still umfriedet,
Indeß zu kreisen mich erfreut.
Ich harre, mich umkreis’t die Zeit.
Und dieser?
Die verruf’ne Nacht
Hat strudelnd ihn hierher gebracht.
Helenen mit verrückten Sinnen,
Helenen, will er sich gewinnen,
Und weiß nicht wie und wo beginnen;
Asklepischer Cur vor andern werth.
Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt.
Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen!
Der dunkle Gang führt zu Persephoneien.
In des Olympus hohlem Fuß
Lauscht sie geheim verbotnem Gruß.
[135] Hier hab’ ich einst den Orpheus eingeschwärzt,
Benutz’ es besser, frisch! beherzt!
Am obern Peneios wie zuvor.
Stürzt euch in Peneios Fluth!
Plätschernd ziemt es da zu schwimmen,
Lied um Lieder anzustimmen,
Dem unseligen Volk zu gut.
Ohne Wasser ist kein Heil!
Führen wir mit hellem Heere
Eilig zum ägäischen Meere,
Würd’ uns jede Lust zu Theil.
Schäumend kehrt die Welle wieder,
Fließt nicht mehr im Bett darnieder;
Grund erbebt, das Wasser staucht,
Kies und Ufer berstend raucht.
Flüchten wir! Kommt alle, kommt!
Niemand dem das Wunder frommt.
Fort! ihr edlen frohen Gäste
Zu dem seeisch heitern Feste,
[136] Blinkend, wo die Zitterwellen,
Ufernetzend, leise schwellen;
Da wo Luna doppelt leuchtet,
Uns mit heiligem Thau befeuchtet.
Dort ein freibewegtes Leben,
Hier ein ängstlich Erde-Beben;
Eile jeder Kluge fort!
Schauderhaft ist’s um den Ort.
Einmal noch mit Kraft geschoben,
Mit den Schultern brav gehoben!
So gelangen wir nach oben,
Wo uns alles weichen muß.
Welch ein widerwärtig Zittern,
Häßlich grausenhaftes Wittern!
Welch ein Schwanken, welches Beben,
Schaukelnd Hin- und Wiederstreben!
Welch unleidlicher Verdruß!
Doch wir ändern nicht die Stelle,
Bräche los die ganze Hölle.
Nun erhebt sich ein Gewölbe
Wundersam. Es ist derselbe,
Jener Alte, längst Ergraute,
Der die Insel Delos baute,
[137] Einer Kreisenden zu Lieb’
Aus der Wog’ empor sie trieb.
Er, mit Streben, Drängen, Drücken,
Arme straff, gekrümmt den Rücken,
Wie ein Atlas an Gebärde,
Hebt er Boden, Rasen, Erde,
Kies und Gries und Sand und Letten,
Unsres Ufers stille Betten.
So zerreißt er eine Strecke
Quer des Thales ruhige Decke.
Angestrengtest, nimmer müde,
Kolossal-Karyatide,
Trägt ein furchtbar Steingerüste,
Noch im Boden bis zur Büste;
Weiter aber soll’s nicht kommen,
Sphinxe haben Platz genommen.
Das hab’ ich ganz allein vermittelt,
Man wird mir’s endlich zugestehn:
Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
Wie wäre diese Welt so schön? –
Wie ständen eure Berge droben
In prächtig-reinem Aetherblau,
Hätt’ ich sie nicht hervorgeschoben
Zu mahlerisch-entzückter Schau!
Als, Angesichts der höchsten Ahnen,
Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug
Und, in Gesellschaft von Titanen,
Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.
[138] Wir tollten fort in jugendlicher Hitze,
Bis überdrüssig, noch zuletzt
Wir dem Parnaß, als eine Doppelmütze,
Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt...
[Apollen] hält ein froh Verweilen
Dort nun mit seliger Musen Chor.
Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen
Hob ich den Sessel hoch empor.
Jetzt so, mit ungeheurem Streben,
Drang aus dem Abgrund ich herauf,
Und fordre laut, zu neuem Leben,
Mir fröhliche Bewohner auf.
Uralt müßte man gestehen
Sey das hier Emporgebürgte,
Hätten wir nicht selbst gesehen
Wie sich’s aus dem Boden würgte.
Bebuschter Wald verbreitet sich hinan,
Noch drängt sich Fels auf Fels bewegt heran;
Ein Sphinx wird sich daran nicht kehren:
Wir lassen uns im heiligen Sitz nicht stören.
Gold in Blättchen, Gold in Flittern
Durch die Ritzen seh’ ich zittern.
Laßt euch solchen Schatz nicht rauben;
Imsen auf! es auszuklauben.
Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf!
Wir legen unsre Klauen drauf,
Sind Riegel von der besten Art,
Der größte Schatz ist wohlverwahrt.
Haben wirklich Platz genommen,
Wissen nicht wie es geschah.
Fraget nicht woher wir kommen,
Denn wir sind nun einmal da!
[140] Zu des Lebens lustigem Sitze
Eignet sich ein jedes Land;
Zeigt sich eine Felsenritze,
Ist auch schon der Zwerg zur Hand.
Zwerg’ und Zwergin, rasch zum Fleiße,
Musterhaft ein jedes Paar.
Weiß nicht, ob es gleicher Weise
Schon im Paradiese war.
Doch wir finden’s hier zum besten,
Segnen dankbar unsern Stern;
Denn, im Osten wie im Westen,
Zeugt die Mutter Erde gern.
[141]
Mordgeschrei und Sterbeklagen!
Aengstlich [Flügelflatterschlagen]!
Die nordischen Hexen wußt’ ich wohl zu meistern,
Mir wird’s nicht just mit diesen fremden Geistern.
Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Local,
Wo man auch sey, man findet sich zumal.
Frau Ilse wacht für uns auf ihrem Stein,
Auf seiner Höh’ wird Heinrich munter seyn,
Die Schnarcher schnauzen zwar das Elend an,
Doch alles ist für tausend Jahr gethan.
Wer weiß denn hier nur wo er geht und steht,
Ob unter ihm sich nicht der Boden bläht?
Ich wandle lustig durch ein glattes Thal
Und hinter mir erhebt sich [auf] einmal
[143] Ein Berg, zwar kaum ein Berg zu nennen,
Von meinen Sphinxen mich jedoch zu trennen
Schon hoch genug – hier zuckt noch manches Feuer
Das Thal hinab, und flammt um’s Abenteuer…
Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor
Spitzbübisch gaukelnd, der galante Chor.
Nur sachte drauf! Allzugewohnt an’s Naschen
Wo es auch sey, man sucht was zu erhaschen.
Verflucht Geschick! Betrogne Mansen!
Von Adam her verführte Hansen!
Alt wird man wohl, wer aber klug?
Warst du nicht schon vernarrt genug!
[144] Man weiß, das Volk taugt aus dem Grunde nichts;
Geschnürten Leibs, geschminkten Angesichts;
Nichts haben sie Gesundes zu erwiedern,
Wo man sie anfaßt, morsch in allen Gliedern.
Man weiß, man sieht’s, man kann es greifen,
Und dennoch tanzt man wenn die Luder pfeifen.
Halt! er besinnt sich, zaudert, steht;
Entgegnet ihm daß er euch nicht entgeht!
Nur zu! und laß dich in’s Gewebe
Der Zweifeley nicht thörig ein;
Denn wenn es keine Hexen gäbe,
Wer Teufel möchte Teufel seyn!
Kreisen wir um diesen Helden;
Liebe wird in seinem Herzen
Sich gewiß für Eine melden.
Zwar bei ungewissem Schimmer
Scheint ihr hübsche Frauenzimmer,
Und so möcht’ ich euch nicht schelten.
Auch nicht mich! als eine solche
Laßt mich ein in eure Folge.
Die ist in unserm Kreis zuviel,
Verdirbt doch immer unser Spiel.
Begrüßt von Mühmichen Empuse,
Der Trauten mit dem Eselsfuße!
Du hast nur einen Pferdefuß,
Und doch, Herr Vetter, schönsten Gruß!
Hier dacht’ ich lauter Unbekannte,
Und finde leider Nahverwandte,
Es ist ein altes Buch zu blättern:
Vom Harz bis Hellas immer Vettern!
Entschieden weiß ich gleich zu handeln,
In vieles könnt’ ich mich verwandeln;
Doch euch zu Ehren hab’ ich jetzt
Das Eselsköpfchen aufgesetzt.
Ich merk’ es hat bei diesen Leuten
Verwandtschaft Großes zu bedeuten;
Doch mag sich was auch will ereignen,
Den Eselskopf möcht’ ich verleugnen.
Laß diese Garstige, sie verscheucht
Was irgend schön und lieblich däucht;
Was irgend schön und lieblich wär’,
Sie kommt heran, es ist nicht mehr.
Auch diese Mühmchen, zart und schmächtig,
Sie sind mir allesammt verdächtig;
[146] Und hinter solcher Wänglein Rosen,
Fürcht’ ich doch auch Metamorphosen.
Versuch’ es doch! sind unsrer Viele.
Greif zu! Und hast du Glück im Spiele
Erhasche dir das beste Loos.
Was soll das lüsterne Geleyer?
Du bist ein miserabler Freier,
Stolzirst einher und thust so groß! –
Nun mischt er sich in unsre Schaaren;
Laßt nach und nach die Masken fahren,
Und gebt ihm euer Wesen bloß.
Die schönste hab’ ich mir erlesen...
O weh mir! welch ein dürrer Besen!
Und diese?... Schmähliches Gesicht!
Verdienst du’s besser? dünk’ es nicht.
Die Kleine möcht’ ich mir verpfänden…
Lacerte schlüpft mir aus den Händen!
Und schlangenhaft der glatte Zopf.
Dagegen faß’ ich mir die Lange…
Da pack’ ich eine Thyrsusstange!
Den Pinienapfel als den Kopf.
Wo will’s hinaus?… Noch eine Dicke,
An der ich mich vielleicht erquicke;
[147] Zum letztenmal gewagt! Es sey!
Recht quammig, quappig, das bezahlen
Mit hohem Preis Orientalen…
Doch ach! der Bovist platzt entzwey!
Fahrt auseinander, schwankt und schwebet
Blitzartig, schwarzen Flugs, umgebet
Den eingedrungnen Hexensohn!
Unsichre schauderhafte Kreise!
Schweigsamen Fittichs, Fledermäuse;
Zu wohlfeil kommt er doch davon.
Viel klüger, scheint es, bin ich nicht geworden;
Absurd ist’s hier, absurd im Norden,
Gespenster hier wie dort vertrackt,
Volk und Poeten abgeschmackt.
Ist eben hier eine Mummenschanz,
Wie überall ein Sinnentanz.
Ich griff nach holden Maskenzügen
Und faßte Wesen daß mich’s schauerte…
Ich möchte gerne mich betrügen,
Wenn es nur länger dauerte.
Wo bin ich denn? Wo will’s hinaus?
Das war ein Pfad, nun ist’s ein Graus.
Ich kam daher auf glatten Wegen,
Und jetzt steht mir Geröll entgegen.
[148] Vergebens klettr’ ich auf und nieder,
Wo find’ ich meine Sphinxe wieder?
So toll hätt’ ich mir’s nicht gedacht,
Ein solch Gebirg in Einer Nacht!
Das heiß’ ich frischen Hexenritt,
Die bringen ihren Blocksberg mit.
Herauf hier! Mein Gebirg ist alt,
Steht in ursprünglicher Gestalt.
Verehre schroffe Felsensteige,
Des Pindus letztgedehnte Zweige.
Schon stand ich unerschüttert so
Als über mich Pompejus floh.
Daneben, das Gebild des Wahns,
Verschwindet schon beim Krähn des Hahns.
Dergleichen Mährchen seh’ ich oft entstehn
Und plötzlich wieder untergehn.
Sey Ehre dir, ehrwürdiges Haupt!
Von hoher Eichenkraft umlaubt.
Der allerklarste Mondenschein
Dringt nicht zur Finsterniß herein. –
Doch neben am Gebüsche zieht
Ein Licht das gar bescheiden glüht.
Wie sich das alles fügen muß!
Fürwahr! es ist Homunculus.
Woher des Wegs, du Kleingeselle?
Ich schwebe so von Stell’ zu Stelle
Und möchte gern im besten Sinn entstehn,
Voll Ungeduld mein Glas entzwey zu schlagen;
Allein was ich bisher gesehn
Hinein da möcht’ ich mich nicht wagen.
Nur, um dir’s im Vertraun zu sagen:
Zwey Philosophen bin ich auf der Spur,
Ich horchte zu, es hieß: Natur! Natur!
Von diesen will ich mich nicht trennen,
Sie müssen doch das irdische Wesen kennen;
Und ich erfahre wohl am Ende
Wohin ich mich am allerklügsten wende.
Das thu’ auf deine eigne Hand.
Denn, wo Gespenster Platz genommen,
Ist auch der Philosoph willkommen.
Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue,
Erschafft er gleich ein Dutzend neue.
Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.
Willst du entstehn, entsteh’ auf eigne Hand!
Ein guter Rath ist auch nicht zu verschmähn.
So fahre hin! Wir wollen’s weiter sehn.
Dein starrer Sinn will sich nicht beugen,
Bedarf es weit’res dich zu überzeugen?
Die Welle beugt sich jedem Winde gern,
Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern.
Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen.
Im Feuchten ist Lebendiges erstanden.
Laßt mich an eurer Seite gehn,
Mir selbst gelüstet’s zu entstehn!
Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht,
Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?
Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen
Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen.
Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt.
Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer,
Aeolischer Dünste Knallkraft, ungeheuer,
Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste
Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte.
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt?
Er ist auch da, und das ist gut zuletzt.
Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile
Und führt doch nur geduldig Volk am Seile.
Schnell quillt der Berg von Myrmidonen,
Die Felsenspalten zu bewohnen,
Pygmäen, Imsen, Däumerlinge,
Und andre thätig kleine Dinge.
Nie hast du Großem nachgestrebt,
Einsiedlerisch-beschränkt gelebt;
Kannst du zur Herrschaft dich gewöhnen,
So laß ich dich als König krönen.
Was sagt mein Thales?
Will’s nicht rathen;
Mit Kleinen thut man kleine Thaten,
Mit Großen wird der Kleine groß.
Sieh hin! die schwarze Kranich-Wolke!
Sie droht dem aufgeregten Volke
Und würde so dem König drohn.
Mit scharfen Schnäbeln, Krallen-Beinen,
Sie stechen nieder auf die Kleinen;
Verhängniß-Wetter leuchtet schon.
Ein Frevel tödtete die Reiher,
Umstellend ruhigen Friedensweiher.
Doch jener Mordgeschosse Regen,
Schafft grausam-blutigen Rache-Segen,
Erregt der Nahverwandten Wuth,
Nach der Pygmäen frevlem Blut.
[152] Was nützt nun Schild und Helm und Speer?
Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen?
Wie sich Daktyl und Imse bergen!
Schon wankt, es flieht, es stürzt das Heer.
Konnt’ ich bisher die Unterirdischen loben,
So wend’ ich mich in diesem Fall nach oben…
Du! droben ewig unveraltete,
Dreynamig-Dreygestaltete,
Dich ruf’ ich an bei meines Volkes Weh,
Diana, Luna, Hekate!
Du Brust-erweiternde, im Tiefsten-sinnige,
Du ruhig-scheinende, gewaltsam-innige,
Eröffne deiner Schatten grausen Schlund,
Die alte Macht sey ohne Zauber kund!
Und größer, immer größer nahet schon
Der Göttin rundumschriebner Thron,
Dem Auge furchtbar, ungeheuer!
In’s Düstre röthet sich sein Feuer…
Nicht näher! drohend-mächtige Runde,
Du richtest uns und Land und Meer zu Grunde!
[153] So wär’ es wahr, daß dich thessalische Frauen,
In frevlend magischem Vertrauen,
Von deinem Pfad herabgesungen?
Verderblichstes dir abgerungen?…
Das lichte Schild hat sich umdunkelt,
Auf einmal reißt’s und blitzt und funkelt!
Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen!
Ein Donnern, Windgethüm dazwischen! –
Demüthig zu des Thrones Stufen –
Verzeiht! Ich hab’ es hergerufen.
Was dieser Mann nicht alles hört’ und sah!
Ich weiß nicht recht wie uns geschah,
Auch hab’ ich’s nicht mit ihm empfunden.
Gestehen wir, es sind verrückte Stunden,
Und Luna wiegt sich ganz bequem
An ihrem Platz so wie vordem.
Schaut hin nach der Pygmäen Sitz,
Der Berg war rund, jetzt ist er spitz.
Ich spürt’ ein ungeheures Prallen,
Der Fels war aus dem Mond gefallen,
Gleich hat er, ohne nachzufragen,
So Freund als Feind gequetscht, erschlagen.
Doch muß ich solche Künste loben,
Die schöpferisch, in einer Nacht,
Zugleich von unten und von oben,
Dieß Berggebäu zu Stand gebracht.
Sey ruhig! Es war nur gedacht.
Sie fahre hin die garstige Brut!
Daß du nicht König warst ist gut.
Nun fort zum heitern Meeresfeste,
Dort hofft und ehrt man Wundergäste.
Da muß ich mich durch steile Felsentreppen,
Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen!
Auf meinem Harz der harzige Dunst
Hat was vom Pech und das hat meine Gunst;
Zunächst der Schwefel… Hier, bei diesen Griechen
Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen;
Neugierig aber wär’ ich, nachzuspüren
Womit sie Höllenqual und Flamme schüren.
In deinem Lande sey einheimisch klug,
Im fremden bist du nicht gewandt genug.
Du solltest nicht den Sinn zur Heimath kehren,
Der heiligen Eichen Würde hier verehren.
Man denkt an das was man verließ,
Was man gewohnt war bleibt ein Paradies.
Doch sagt: was in der Höhle dort,
Bei schwachem Licht, sich dreyfach hingekauert?
Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort,
Und sprich sie an, wenn dich nicht schauert.
Warum denn nicht! – Ich sehe was, und staune!
So stolz ich bin, muß ich mir selbst gestehn:
Dergleichen hab’ ich nie gesehn,
Die sind ja schlimmer als Alraune…
Wird man die urverworfnen Sünden
Im mindesten noch häßlich finden,
Wenn man dieß Dreygethüm erblickt?
Wir litten sie nicht auf den Schwellen
Der grauenvollsten unsrer Höllen.
Hier wurzelt’s in der Schönheit Land,
Das wird mit Ruhm antik genannt…
Sie regen sich, sie scheinen mich zu spüren,
Sie zwitschern pfeifend, Fledermaus[-V]ampyren.
Gebt mir das Auge, Schwestern, daß es frage,
Wer sich so nah an unsre Tempel wage.
Verehrteste! Erlaubt mir euch zu nahen
Und euren Segen dreyfach zu empfahen.
Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter,
Doch, irr’ ich nicht, weitläufiger Verwandter.
Altwürdige Götter hab’ ich schon erblickt,
Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebückt;
Die Parzen selbst, des Chaos, eure Schwestern,
Ich sah sie [gestern] – oder ehegestern;
[156] Doch eures Gleichen hab’ ich nie erblickt,
Ich schweige nun und fühle mich entzückt.
Er scheint Verstand zu haben dieser Geist.
Nur wundert’s mich, daß euch kein Dichter preis’t. –
Und sagt! wie kam’s, wie konnte das geschehn?
Im Bilde hab’ ich nie euch Würdigste gesehn;
Versuch’s der Meißel doch euch zu erreichen,
Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen.
Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht
Hat unser Drey noch nie daran gedacht!
Wie sollt’ es auch? da ihr der Welt entrückt,
Hier niemand seht und niemand euch erblickt.
Da müßtet ihr an solchen Orten wohnen
Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen,
Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt,
Ein Marmorblock als Held in’s Leben tritt.
Wo –
Schweige still und gib uns kein Gelüsten!
Was hülf’ es uns und wenn wir’s besser wüßten?
In Nacht geboren, Nächtlichem verwandt,
Beinah uns selbst, ganz allen unbekannt.
In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen,
Man kann sich selbst auch andern übertragen.
[157] Euch Dreyen gnügt Ein Auge, gnügt Ein Zahn,
Da ging es wohl auch mythologisch an
In zwey die Wesenheit der drey zu fassen,
Der dritten Bildniß mir zu überlassen,
Auf kurze Zeit.
Wie dünkt’s euch! ging es an?
Versuchen wir’s! – doch ohne Aug’ und Zahn.
Nun habt ihr grad das Beste weggenommen,
Wie würde da das strengste Bild vollkommen!
Drück’ du ein Auge zu, ’s ist leicht geschehn,
Laß alsofort den Einen Raffzahn sehn,
Und, im Profil, wirst du sogleich erreichen
Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen.
Viel Ehr’! Es sey!
Es sey!
Da steh’ ich schon,
Des Chaos vielgeliebter Sohn!
Des Chaos Töchter sind wir unbestritten.
Man schilt mich nun, o Schmach! Hermaphroditen.
[158]Im neuen Drey der Schwestern welche Schöne!
Wir haben zwey der Augen, zwey der Zähne.
Vor aller Augen muß ich mich verstecken,
Im Höllenpfuhl die Teufel zu erschrecken.
Felsbuchten des Aegäischen Meers.
[159]
Ich führte dich zum alten Nereus gern;
Zwar sind wir nicht von seiner Höhle fern,
Doch hat er einen harten Kopf
Der widerwärtige Sauertopf.
Das ganze menschliche Geschlecht
Macht’s ihm, dem Griesgram, nimmer recht.
Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,
Dafür hat jederman Respect,
Und ehret ihn auf seinem Posten;
Auch hat er manchem wohlgethan.
Probiren wir’s und klopfen an!
Nicht gleich wird’s Glas und Flamme kosten.
Sind’s Menschenstimmen die mein Ohr vernimmt?
Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt!
Gebilde, strebsam Götter zu erreichen,
Und doch verdammt sich immer selbst zu gleichen.
Seit alten Jahren konnt’ ich göttlich ruhn,
Doch trieb mich’s an den Besten wohlzuthun;
Und schaut’ ich dann zuletzt vollbrachte Thaten,
So war es ganz als hätt’ ich nicht gerathen.
Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir;
Du bist der Weise, treib’ uns nicht von hier!
Schau’ diese Flamme, menschenähnlich zwar,
Sie deinem Rath ergibt sich ganz und gar.
Was Rath! Hat Rath bei Menschen je gegolten?
Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.
So oft auch That sich grimmig selbst gescholten,
Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor.
Wie hab’ ich Paris väterlich gewarnt,
Eh’ sein Gelüst ein fremdes Weib umgarnt.
Am griechischen Ufer stand er kühnlich da,
Ihm kündet ich was ich im Geiste sah:
Die Lüfte qualmend, überströmend Roth,
Gebälke glühend, unten Mord und Tod:
Troja’s Gerichtstag, rhythmisch festgebannt,
Jahrtausenden so schrecklich als gekannt.
Des Alten Wort dem Frechen schien’s ein Spiel,
Er folgte seiner Lust und Ilion fiel –.
[162] Ein Riesenleichnam, starr nach langer Qual,
Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl.
Ulyssen auch! sagt’ ich ihm nicht voraus
Der Circe Listen, des Cyklopen Graus?
Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn,
Und was nicht alles! bracht’ ihm das Gewinn?
Bis vielgeschaukelt ihn, doch spät genug,
Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug.
Dem weisen Mann gibt solch Betragen Qual;
Der gute doch versucht es noch einmal.
Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnügen,
Die Centner Undanks völlig überwiegen.
Denn nichts Geringes haben wir zu flehn:
Der Knabe da wünscht weislich zu entstehn.
Verderbt mir nicht den seltensten Humor!
Ganz andres steht mir heute noch bevor:
Die Töchter hab’ ich alle herbeschieden,
Die Grazien des Meeres, die Doriden.
Nicht der Olymp, nicht euer Boden trägt
Ein schön Gebild das sich so zierlich regt.
Sie werfen sich, anmuthigster Gebärde,
Vom Wasserdrachen auf Neptunus Pferde,
Dem Element auf’s zarteste vereint,
Daß selbst der Schaum sie noch zu heben scheint.
Im Farbenspiel von Venus Muschelwagen
Kommt Galatee, die schönste nun, getragen,
[163] Die, seit sich Kypris von uns abgekehrt,
In Paphos wird als Göttin selbst verehrt.
Und so besitzt die Holde, lange schon,
Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron.
Hinweg! Es ziemt, in Vaterfreudenstunde,
Nicht Haß dem Herzen, Scheltwort nicht dem Munde.
Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann:
Wie man entstehn und sich verwandeln kann.
Wir haben nichts durch diesen Schritt gewonnen,
Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen,
Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt
Was Staunen macht und in Verwirrung setzt.
Du bist einmal bedürftig solchen Raths,
Versuchen wir’s und wandeln unsres Pfads!
Was wir auf Händen tragen
Soll allen euch behagen.
Chelonen’s Riesen-Schilde
Entglänzt ein streng Gebilde:
Sind Götter die wir bringen;
Müßt hohe Lieder singen.
Wir bringen die Kabiren,
Ein friedlich Fest zu führen;
Denn wo sie heilig walten,
Neptun wird freundlich schalten.
Drey haben wir mitgenommen,
Der Vierte wollte nicht kommen,
Er sagte er sey der Rechte,
Der für sie alle dächte.
Sind eigentlich ihrer Sieben.
Wo sind die drey geblieben?
Wir wüßten’s nicht zu sagen,
Sind im Olymp zu erfragen,
Dort wes’t auch wohl der Achte,
An den noch niemand dachte!
In Gnaden uns gewärtig,
Doch alle noch nicht fertig.
Diese Unvergleichlichen
Wollen immer weiter,
Sehnsuchtsvolle Hungerleider
Nach dem Unerreichlichen.
Wie unser Ruhm zum höchsten prangt
Dieses Fest anzuführen!
Die Ungestalten seh’ ich an
Als irden-schlechte Töpfe,
Nun stoßen sich die Weisen dran
Und brechen harte Köpfe.
Das ist es ja was man begehrt:
Der Rost macht erst die Münze werth.
So etwas freut mich alten Fabler!
Je wunderlicher desto respectabler.
Wo bist du Proteus?
[167]Hier! und hier!
Den alten Scherz verzeih’ ich dir;
Doch, einem Freund nicht eitle Worte!
Ich weiß du sprichst vom falschen Orte.
Leb’ wohl!
Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch,
Er ist neugierig wie ein Fisch;
Und wo er auch gestaltet stockt,
Durch Flammen wird er hergelockt.
Ergieß’ ich gleich des Lichtes Menge,
Bescheiden doch, daß ich das Glas nicht sprenge.
Was leuchtet so anmuthig schön?
Gut! Wenn du Lust hast kannst du’s näher sehn.
Die kleine Mühe lass’ dich nicht verdrießen,
Und zeige dich auf menschlich beiden Füßen.
Mit unsern Gunsten sey’s, mit unserm Willen,
Wer schauen will was wir verhüllen.
Weltweise Kniffe sind dir noch bewußt.
Gestalt zu wechseln bleibt noch deine Lust.
Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn!
Es fragt um Rath, und möchte gern entstehn.
Er ist, wie ich von ihm vernommen,
Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen.
Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften.
Bis jetzt gibt ihm das Glas allein Gewicht,
Doch wär’ er gern zunächst verkörperlicht.
Du bist ein wahrer Jungfern-Sohn,
Eh’ du seyn solltest bist du schon!
Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch,
Er ist, mich dünkt, hermaphroditisch.
Da muß es desto eher glücken,
So wie er anlangt wird sich’s schicken.
Doch gilt es hier nicht viel besinnen,
Im weiten Meere mußt du anbeginnen!
[169] Da fängt man erst im Kleinen an
Und freut sich Kleinste zu verschlingen,
Man wächst so nach und nach heran,
Und bildet sich zu höherem Vollbringen.
Hier weht gar eine weiche Luft,
Es grunelt so und mir behagt der Duft!
Das glaub’ ich, allerliebster Junge!
Und weiter hin wird’s viel behäglicher,
Auf dieser schmalen Strandeszunge
Der Dunstkreis noch unsäglicher;
Da vorne sehen wir den Zug,
Der eben herschwebt, nah genug.
Kommt mit dahin!
Ich gehe mit.
Dreyfach merkwürd’ger Geisterschritt!
Telchinen von Rhodus
Wir haben den Dreyzack Neptunen geschmiedet
Womit er die regesten Wellen begütet.
[170] Entfaltet der Donn’rer die Wolken, die vollen,
Entgegnet Neptunus dem gräulichen Rollen;
Und wie auch von oben es zackig erblitzt,
Wird Woge nach Woge von unten gespritzt;
Und was auch dazwischen in Aengsten gerungen,
Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen;
Weßhalb er uns heute den Scepter gereicht, –
Nun schweben wir festlich, beruhigt und leicht.
Alllieblichste Göttin am Bogen da droben!
Du hörst mit Entzücken den Bruder beloben.
Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr,
Dort steigt ihm ein ewiger Päan hervor.
Beginnt er den Tagslauf und ist es gethan,
Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an.
Die Berge, die Städte, die Ufer, die Welle,
Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle.
Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein,
Ein Strahl und ein Lüftchen und die Insel ist rein!
Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden,
Als Jüngling, als Riesen, den großen, den milden.
Wir ersten wir waren’s, die Göttergewalt
Aufstellten in würdiger Menschengestalt.
Gib nach dem löblichen Verlangen
Von vorn die Schöpfung anzufangen!
Zu raschem Wirken sey bereit!
Da regst du dich nach ewigen Normen,
Durch tausend abertausend Formen,
Und bis zum Menschen hast du Zeit.
Komm geistig mit in feuchte Weite,
Da lebst du gleich in Läng’ und Breite,
Beliebig regest du dich hier;
Nur strebe nicht nach höhern Orden:
Denn bist du erst ein Mensch geworden,
Dann ist es völlig aus mit dir.
Nachdem es kommt; ’s ist auch wohl fein
Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu seyn.
So einer wohl von deinem Schlag!
Das hält noch eine Weile nach;
Denn unter bleichen Geisterschaaren
Seh’ ich dich schon seit vielen hundert Jahren.
Nennte wohl ein nächtiger Wandrer
Diesen Mondhof Lufterscheinung;
Doch wir Geister sind ganz andrer
Und der einzig richtigen Meinung:
Tauben sind es, die begleiten
Meiner Tochter Muschelpfad,
Wunderflugs besondrer Art,
Angelernt vor alten Zeiten.
Auch ich halte das für’s Beste
Was dem wackern Mann gefällt,
Wenn im stillen warmen Neste
Sich ein Heiliges lebend hält.
In Cyperns rauhen Höhle-Grüften,
Vom Meergott nicht verschüttet,
Vom Seismos nicht zerrüttet,
Umweht von ewigen Lüften,
Und, wie in den ältesten Tagen,
In still-bewußtem Behagen,
Bewahren wir Cypriens Wagen
Und führen, beim Säuseln der Nächte,
Durch liebliches Wellengeflechte
Unsichtbar dem neuen Geschlechte,
Die lieblichste Tochter heran.
[174] Wir leise Geschäftigen scheuen
Weder Adler, noch geflügelten Leuen,
Weder Kreuz noch Mond,
Wie es oben wohnt und thront,
Sich wechselnd wägt und regt,
Sich vertreibt und todtschlägt,
Saaten und Städte niederlegt.
Wir, so fortan,
Bringen die lieblichste Herrin heran.
[175]
Hoch ist der Doppelgewinn zu schätzen:
Barmherzig seyn, und sich zugleich ergötzen.
Mög’t euch des schönen Fanges freuen,
Den Jüngling bildet euch als Mann;
Allein ich könnte nicht verleihen
Was Zeus allein gewähren kann.
Die Welle, die euch wogt und schaukelt,
Läßt auch der Liebe nicht Bestand,
Und hat die Neigung ausgegaukelt,
So setzt gemächlich sie an’s Land.
Du bist es, mein Liebchen!
O Vater! das Glück!
Delphine, verweilet! mich fesselt der Blick.
Vorüber schon, sie ziehen vorüber
In kreisenden Schwunges Bewegung!
Was kümmert sie die innre, herzliche Regung!
Ach! nähmen sie mich mit hinüber!
Doch ein einziger Blick ergötzt,
Daß er das ganze Jahr ersetzt.
Heil! Heil! auf’s neue!
Wie ich mich blühend freue,
Vom Schönen, Wahren durchdrungen…
Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!
Alles wird durch das Wasser erhalten!
Ocean gönn’ uns dein ewiges Walten.
Wenn du nicht Wolken sendetest,
Nicht reiche Bäche spendetest,
[177] Hin und her nicht Flüsse wendetest,
Die Ströme nicht vollendetest,
Was wären Gebirge, was Ebnen und Welt?
Du bist’s der das frischeste Leben erhält.
Du bist’s dem das frischeste Leben entquellt.
Sie kehren schwankend fern zurück,
Bringen nicht mehr Blick zu Blick;
In gedehnten Kettenkreisen
Sich festgemäß zu erweisen,
Windet sich die unzählige Schaar.
Aber Galatea’s Muschelthron
Seh’ ich schon und aber schon,
Er glänzt wie ein Stern
Durch die Menge.
Geliebtes leuchtet durch’s Gedränge!
Auch noch so fern
Schimmert’s hell und klar,
Immer nah und wahr.
Welch neues Geheimniß in Mitte der Schaaren
Will unseren Augen sich offenbaren?
Was flammt um die Muschel um Galate’s Füße?
Bald lodert es mächtig, bald lieblich, bald süße,
Als wär’ es von Pulsen der Liebe gerührt?
Homunculus ist es, von Proteus verführt…
Es sind die Symptome des herrischen Sehnens,
Mir ahnet das Aechzen beängsteten Dröhnens;
Er wird sich zerschellen am glänzenden Thron;
Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergießet sich schon.
Welch feuriges Wunder verklärt uns die Wellen,
Die gegeneinander sich funkelnd zerschellen?
So leuchtet’s und schwanket und hellet hinan:
Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn,
Und rings ist alles vom Feuer umronnen;
So herrsche denn Eros der alles begonnen!
[179]
Dritter Act.
Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta.
Bewundert viel und viel gescholten, Helena,
Vom Strande komm’ ich wo wir erst gelandet sind,
Noch immer trunken von des Gewoges regsamem
Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her
Auf sträubig-hohem Rücken, durch Poseidons Gunst
Und Euros Kraft in vaterländische Buchten trug.
Dort unten freuet nun der König Menelas
Der Rückkehr sammt den tapfersten seiner Krieger sich.
Du aber heiße mich willkommen hohes Haus,
Das Tyndareos, mein Vater, nach dem Hange sich
Von Pallas Hügel wiederkehrend aufgebaut;
Und, als ich hier mit Klytämnestren schwesterlich,
Mit Castor auch und Pollux fröhlich spielend wuchs,
Vor allen Häusern Sparta’s herrlich ausgeschmückt.
[180] Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr!
Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst
Geschah’s, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas
In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete.
Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.
Denn seit ich diese Stelle sorgenlos verließ,
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört
Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann.
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht.
Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin?
[181] Komm’ ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz
Und für der Griechen lang’ erduldetes Mißgeschick?
Erobert bin ich, ob gefangen weiß ich nicht!
Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweydeutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl
Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne saß er gegen mir.
Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad
Hinangefahren, der vordern Schiffe Schnäbel kaum
Das Land begrüßten, sprach er, wie vom Gott bewegt:
Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus,
Ich mustre sie am Strand des Meeres hingereiht,
Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen
Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,
Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck,
Bis daß zur schönen Ebene du gelangen magst,
Wo Lakedämon, einst ein fruchtbar weites Feld,
Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut.
Betrete dann das hochgethürmte Fürstenhaus,
Und mustre mir die Mägde, die ich dort zurück
Gelassen, sammt der klugen alten Schaffnerin.
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn
[182] Das ist des Fürsten Vorrecht, daß er alles treu
In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes wie er’s dort verließ.
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt.
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
Dann nimm so manchen Dreyfuß, als du nöthig glaubst,
Und mancherlei Gefäße, die der Opfrer sich
Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch.
Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund;
Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sey
In hohen Krügen; ferner auch das trockne Holz,
Der Flamme schnell empfänglich, halte da bereit;
Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt;
Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge hin.
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
Lebendigen Athems zeichnet mir der Ordnende,
Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.
[183] Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht,
Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie däucht;
Es möge gut von Menschen, oder möge bös
Geachtet seyn, die Sterblichen wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des erdgebeugten Thieres Nacken weihend auf,
Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte
Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.
Sey’s wie es sey! Was auch bevorsteht, mir geziemt
Hinaufzusteigen ungesäumt in das Königshaus,
Das lang entbehrt, und viel ersehnt, und fast verscherzt,
Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie.
[184] Die Füße tragen mich so muthig nicht empor
Die hohen Stufen die ich kindisch übersprang.
[185]
Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad
Und wendet nach der Thüre Flügeln euern Blick.
Was seh’ ich, Schwestern? Kehret nicht die Königin
Mit heftigen Schrittes Regung wieder zu uns her?
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterndes begegnen? Du verbirgst es nicht;
Denn Widerwillen seh’ ich an der Stirne dir,
Ein edles Zürnen, das mit Ueberraschung kämpft.
Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht,
Und flüchtig-leise Schreckenshand berührt sie nicht;
Doch das Entsetzen, das dem Schoß der alten Nacht,
Vom Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch
Wie glühende Wolken aus des Berges Feuerschlund
Herauf sich wälzt, erschüttert auch des Helden Brust.
So haben heute grauenvoll die Stygischen
In’s Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern
Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich,
Entlass’nem Gaste gleich, entfernend scheiden mag.
Doch nein! gewichen bin ich her an’s Licht, und sollt’
Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr seyd.
[186] Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag
Des Herdes Gluth die Frau begrüßen wie den Herrn.
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.
Was ich gesehen sollt ihr selbst mit Augen sehn,
Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich
Zurück geschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoß.
Doch daß ihr’s wisset, sag’ ich’s euch mit Worten an:
Als ich des Königs-Hauses ernsten Binnenraum,
Der nächsten Pflicht gedenkend, feierlich betrat,
Erstaunt’ ich ob der öden Gänge Schweigsamkeit.
Nicht Schall der emsig wandelnden begegnete
Dem Ohr, nicht raschgeschäftiges Eiligthun dem Blick,
Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin,
Die jeden Fremden freundlich sonst begrüßenden.
Als aber ich dem Schoße des Herdes mich genaht,
Da sah ich, bei verglommener Asche lauem Rest,
Am Boden sitzen welch verhülltes großes Weib,
Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden.
Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf,
Die Schaffnerin mir vermuthend, die indeß vielleicht
Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt;
Doch eingefaltet sitzt die unbewegliche;
Nur endlich rührt sie, auf mein Dräun, den rechten Arm,
Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg.
Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich
Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos
[187] Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;
Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf,
Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich
In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,
Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt.
Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht
Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund
Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.
[188]
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:
Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt.
[190] Bis sie zuletzt des Orcus hohle Nacht umfängt,
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.
Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
Mit Uebermuth ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen; also wird’s mit uns geschehn.
Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd?
Du kriegerzeugte, schlachterzogne, junge Brut!
Mannlustige du, so wie verführt, verführende!
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
Herabzustürzen, deckend grünende Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir
[191] Geleistet als die hohe Kraft von Ilios
Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger
Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnoth
Ertrugen, wo sonst jeder sich der nächste bleibt.
Auch hier erwart’ ich gleiches von der muntern Schaar;
Nicht was der Knecht sey, fragt der Herr, nur wie er dient.
Drum schweige du und grinse sie nicht länger an.
Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher,
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.
Den Hausgenossen drohen bleibt ein großes Recht,
Das gottbeglückten Herrschers hohe Gattin sich
Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient.
Da du, nun Anerkannte, nun den alten Platz
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
So fasse längst erschlaffte Zügel, herrsche nun,
Nimm in Besitz den Schatz und sämmtlich uns dazu.
Vor allem aber schütze mich die ältere
Vor dieser Schaar, die, neben deiner Schönheit Schwan,
Nur schlecht befittigt schnatterhafte Gänse sind.
Wie häßlich neben Schönheit zeigt sich Häßlichkeit.
Wie unverständig neben Klugheit Unverstand.
[192]
Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht.
So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.
An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheu’r empor.
Zum Orcus hin! da suche deine Sippschaft auf.
Die dorten wohnen sind dir alle viel zu jung.
Tiresias, den Alten, gehe buhlend an.
Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.
Harpyen, wähn’ ich, fütterten dich im Unflath auf.
Mit was ernährst du so gepflegte Magerkeit?
Mit Blute nicht, wonach du allzulüstern bist.
Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!
Vampyren-Zähne glänzen dir im frechen Maul.
Das deine stopf’ ich wenn ich sage wer du seyst.
So nenne dich zuerst, das Räthsel hebt sich auf.
[193]Nicht zürnend, aber trauernd schreit’ ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr
In schnell vollbrachter That wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her,
Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn,
Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,
Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orcus mich
Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz.
Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich’s? Werd’ ich’s künftig seyn,
Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden?
Die Mädchen schaudern, aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort.
Wer langer Jahre mannichfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
Du aber, hochbegünstigt, sonder Maß und Ziel,
In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.
Entführte mich, ein zehenjährig schlankes Reh,
Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.
Durch Castor dann und Pollux aber bald befreit,
Umworben standst du ausgesuchter Helden-Schaar.
Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’,
Gewann Patroclus, er, des Peliden Ebenbild.
Doch Vaterwille traute dich an Menelas,
Den kühnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.
Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm.
Aus ehlichem Beiseyn sproßte dann Hermione.
Doch als er fern sich Creta’s Erbe kühn erstritt,
Dir Einsamen da erschien ein allzuschöner Gast.
Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft?
Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs!
Auch jene Fahrt mir freigebornen Creterin
Gefangenschaft erschuf sie, lange Sclaverey.
Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher,
Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz.
Die du verließest, Ilios umthürmter Stadt
Und unerschöpften Liebesfreuden zugewandt.
Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leid’s
Unendlichkeit ergoß sich über Brust und Haupt.
Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild,
In Ilios gesehen und in Aegypten auch.
Verwirre wüsten Sinnes Aberwitz nicht gar.
Selbst jetzo, welche denn ich sey, ich weiß es nicht.
Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf
Gesellte sich inbrünstig noch Achill zu dir!
Dich früher liebend gegen allen Geschicks Beschluß.
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich.
Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst.
Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol.
Tritt hervor aus flüchtigen Wolken hohe Sonne dieses Tags,
Die verschleiert schon entzückte, blendend nun im Glanze herrscht.
Wie die Welt sich dir entfaltet schaust du selbst mit holdem Blick.
Schelten sie mich auch für häßlich, kenn’ ich doch das Schöne wohl.
Tret’ ich schwankend aus der Oede die im Schwindel mich umgab,
Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so müd’ ist mein Gebein:
Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt es wohl,
Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend überrascht.
Stehst du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, daß du befiehlest, was befiehlst du? sprich es aus.
Eures Haders frech Versäumniß auszugleichen seyd bereit,
Eilt ein Opfer zu bestellen wie der König mir gebot.
Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreyfuß, scharfes Beil,
Zum Besprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig’ an.
Nicht bezeichnet’ es der König.
Sprach’s nicht aus? O Jammerwort!
[198]Welch ein Jammer überfällt dich?
Königin, du bist gemeint!
Ich?
Und diese.
Weh und Jammer!
Fallen wirst du durch das Beil.
Gräßlich! doch geahnt, ich Arme!
Unvermeidlich scheint es mir.
Ach! Und uns? was wird begegnen?
Sie stirbt einen edlen Tod;
Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel trägt,
Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach.
Gespenster! – – Gleich erstarrten Bildern steht ihr da,
Geschreckt vom Tag zu scheiden der euch nicht gehört.
Die Menschen, die Gespenster sämmtlich gleich wie ihr,
Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein;
Doch bittet oder rettet niemand sie vom Schluß;
Sie wissen’s alle, wenigen doch gefällt es nur.
Genug ihr seyd verloren! Also frisch an’s Werk.
vermummte Zwerggestalten, welche die ausgesprochenen
Befehle alsobald mit Behendigkeit ausführen.)
Herbei du düstres, kugelrundes Ungethüm,
Wälzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust.
Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz;
Das Beil, es liege blinkend über dem Silberrand;
Die Wasserkrüge füllet, abzuwaschen gibt’s
Des schwarzen Blutes gräuelvolle Besudelung.
Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin,
Damit das Opfer niederkniee königlich,
Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts, sogleich
Anständig würdig, aber doch bestattet sey.
Die Königin stehet sinnend an der Seite hier,
Die Mädchen welken gleich gemähtem Wiesengras;
Mir aber däucht, der Aeltesten, heiliger Pflicht gemäß
Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Urälteste.
Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt,
Obschon verkennend hirnlos diese Schaar dich traf.
Drum sage, was du möglich noch von Rettung weißt.
Ist leicht gesagt: von der Königin hängt allein es ab
Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr.
Entschlossenheit ist nöthig und die behendeste.
Ehrenwürdigste der Parzen, weiseste Sibylle du,
Halte gesperrt die goldne Scheere, dann verkünd’ uns Tag und Heil,
Denn wir fühlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln, unergötzlich
Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergötzten,
Ruhten drauf an Liebchens Brust.
Laß diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht;
Doch kennst du Rettung, dankbar sey sie anerkannt.
Dem Klugen, Weitumsichtigen zeigt fürwahr sich oft
Unmögliches noch als möglich. Sprich und sag’ es an! –
Sprich und sage, sag’ uns eilig: wie entrinnen wir den grausen,
Garstigen Schlingen, die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide,
Sich um unsre Hälse ziehen? Vorempfinden wir’s, die Armen,
Zum Entathmen, zum Ersticken, wenn du Rhea, aller Götter
Hohe Mutter, dich nicht erbarmst.
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;
Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?
So viele Jahre stand verlassen das Thal-Gebirg,
Das hinter Sparta nordwärts in die Höhe steigt,
Taygetos im Rücken, wo als muntrer Bach
Herab Eurotas rollt und dann durch unser Thal
An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt.
Dort hinten still im Gebirgthal hat ein kühn Geschlecht
Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht,
Und unersteiglich feste Burg sich aufgethürmt,
Von da sie Land und Leute placken wie’s behagt.
Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint’s.
Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s.
Ist Einer Herr? sind’s Räuber viel, Verbündete?
Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr.
Ich schelt’ ihn nicht und wenn er schon mich heimgesucht.
Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begnügt er sich
Mit wenigen Freigeschenken, nannt’ er’s, nicht Tribut.
Wie sieht er aus?
Nicht übel! mir gefällt er schon.
Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,
Wie unter Griechen wenig, ein verständiger Mann.
Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht
Daß grausam einer wäre, wie vor Ilios
[203] Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies.
Ich acht’ auf seine Großheit, ihm vertraut’ ich mich.
Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn!
Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk
Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt,
Cyklopisch wie Cyklopen, rohen Stein sogleich
Auf rohe Steine stürzend; dort hingegen, dort
Ist alles senk- und wagerecht und regelhaft.
Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor,
So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl.
Zu klettern hier – ja selbst der Gedanke gleitet ab.
Und innen großer Höfe Raumgelasse, rings
Mit Baulichkeit umgeben aller Art und Zweck.
Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen,
Altane, Galerie’n zu schauen aus und ein,
Und Wappen.
Was sind Wappen?
Ajax führte ja
Geschlungne Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn.
Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerey’n
Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll.
Da sah man Mond und Stern’ am nächtigen Himmelsraum,
Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch,
Und was Bedrängliches guten Städten grimmig droht.
Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschaar
Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz.
[204] Da seht ihr Löwen, Adler, Klau’ und Schnabel auch,
Dann Büffelhörner, Flügel, Rosen, Pfauenschweif,
Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und roth.
Dergleichen hängt in Sälen Reih’ an Reihe fort,
In Sälen, gränzenlosen, wie die Welt so weit;
Da könnt ihr tanzen!
Sage, gibt’s auch Tänzer da?
Die besten! goldgelockte, frische Bubenschaar;
Die duften Jugend! Paris duftete einzig so,
Als er der Königin zu nahe kam.
Du fällst
Ganz aus der Rolle, sage mir das letzte Wort!
Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja!
Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg.
O sprich
Das kurze Wort! und rette dich und uns zugleich.
Wie? sollt’ ich fürchten, daß der König Menelas
So grausam sich verginge mich zu schädigen?
Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,
Des todtgekämpften Paris Bruder, unerhört
Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt
[205] Und glücklich kebs’te; Nas’ und Ohren schnitt er ab
Und stümmelte mehr so; Gräuel war es anzuschaun.
Das that er jenem, meinetwegen that er das.
Um jenes willen wird er dir das Gleiche thun.
Untheilbar ist die Schönheit; der sie ganz besaß
Zerstört sie lieber, fluchend jedem Theilbesitz.
Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid’
Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht
Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt
Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt.
Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?
Sey willkommen Herr und König, gerne geb’ ich Rechenschaft.
Aber wir?
Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod,
Merkt den eurigen da drinne; nein, zu helfen ist euch nicht.
Ich sann mir aus das Nächste was ich wagen darf.
Ein Widerdämon bist du, das empfind’ ich wohl,
Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um.
[206] Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;
Das andre weiß ich; was die Königin dabei
In tiefem Busen geheimnißvoll verbergen mag,
Sey jedem unzugänglich. Alte! geh’ voran.
Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel
Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke
[208] Freiem Blicke starr entgegen. Ist’s ein Hof? ist’s tiefe Grube?
Schauerlich in jedem Falle! Schwestern ach! wir sind gefangen,
So gefangen wie nur je.
Vorschnell und thöricht, ächt wahrhaftes Weibsgebild!
Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung
Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je
Zu bestehn mit Gleichmuth. Eine widerspricht ja stets
Der andern heftig, überquer die andern ihr;
In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Ton’s.
Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin
Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.
Wo bist du Pythonissa? heiße wie du magst,
Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg.
Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;
Beschluß der Irrfahrt wünsch’ ich, Ruhe wünsch’ ich nur.
Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;
Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht
Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,
Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.
[209] Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth
Der wundersam aus vielen eins gewordnen Burg,
Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.
Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits
In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch
Sich hin und her bewegend viele Dienerschaft,
Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.
[210]
Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun,
Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,
Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart
Vorübergänglich liehen; wird ihm jedesmal
Was er beginnt gelingen, sey’s in Männerschlacht,
So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n.
Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,
Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.
Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt
Seh’ ich den Fürsten; wende dich, o Königin!
Statt feierlichsten Grußes, wie sich ziemte,
Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring’ ich dir
In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht,
Der, Pflicht verfehlend, mir die Pflicht entwand.
Hier kniee nieder! dieser höchsten Frau
Bekenntniß abzulegen deiner Schuld.
Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann
Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm
Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum
Und Erdenbreite scharf zu überspähn,
Was etwa da und dort sich melden mag,
Vom Hügelkreis in’s Thal zur festen Burg
Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s,
Ein Heereszug vielleicht; wir schützen jene,
Begegnen diesem. Heute, welch Versäumniß!
Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt
Ist ehrenvollster schuldigster Empfang
So hohen Gastes. Freventlich verwirkt
Das Leben hat er, läge schon im Blut
Verdienten Todes; doch nur du allein
Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt.
So hohe Würde wie du sie vergönnst,
Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s
Versuchend nur, wie ich vermuthen darf,
So üb’ ich nun des Richters erste Pflicht
Beschuldigte zu hören. Rede denn!
Das Uebel das ich brachte darf ich nicht
Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick
Verfolgt mich, überall der Männer Busen
So zu bethören, daß sie weder sich
Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt,
Verführend, fechtend, hin und her entrückend,
Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,
Sie führten mich im Irren her und hin.
Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr,
Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth.
Entferne diesen Guten, laß ihn frei;
Den Gottbethörten treffe keine Schmach.
Erstaunt, o Königin, seh’ ich zugleich
Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;
Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil entsandt,
Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen
Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer
Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.
Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
Rebellisch die Getreusten, meine Mauern
Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer
Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles,
[214] Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben?
Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,
Dich Herrin anerkennen, die sogleich
Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
Entferne schnell die kühn erworbne Last,
Zwar nicht getadelt aber unbelohnt.
Schon ist ihr alles eigen was die Burg
Im Schoß verbirgt, Besondres ihr zu bieten
Ist unnütz. Geh’ und häufe Schatz auf Schatz
Geordnet an. Der ungeseh’nen Pracht
Erhabnes Bild stell’ auf! Laß die Gewölbe
Wie frische Himmel blinken, Paradiese
Von leblosem Leben richte zu.
[217] Voreilend ihren Tritten laß beblümt
An Teppich Teppiche sich wälzen; ihrem Tritt
Begegne sanfter Boden; ihrem Blick,
Nur Göttliche nicht blendend, höchster Glanz.
Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf
An meine Seite komm’! der leere Platz
Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.
Erst knieend laß die treue Widmung dir
Gefallen, hohe Frau; die Hand, die mich
An deine Seite hebt, laß mich sie küssen.
Bestärke mich als Mitregenten deines
Gränzunbewußten Reichs, gewinne dir
Verehrer, Diener, Wächter all’ in Einem.
Vielfache Wunder seh’ ich, hör’ ich an,
[218] Erstaunen trifft mich, fragen möcht’ ich viel.
Doch wünscht’ ich Unterricht, warum die Rede
Des Mann’s mir seltsam klang, seltsam und freundlich.
Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,
Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,
Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen.
Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker
O so gewiß entzückt auch der Gesang,
Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.
Doch ist am sichersten wir üben’s gleich,
Die Wechselrede lockt es, ruft’s hervor.
So sage denn, wie sprech’ ich auch so schön?
Das ist gar leicht, es muß vom Herzen gehn.
Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,
Man sieht sich um und fragt –
Wer mit genießt,
Nun schaut der Geist nicht vorwärts nicht zurück,
Die Gegenwart allein –
Ist unser Glück.
Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;
Bestätigung wer gibt sie?
Meine Hand.
Wer verdächt’ es unsrer Fürstin
Gönnet sie dem Herrn der Burg
Freundliches Erzeigen.
Denn gesteht, sämmtliche sind wir
Ja Gefangene, wie schon öfter
Seit dem schmählichen Untergang
Ilios und der ängstlich-
Labyrinthischen Kummerfahrt.
Fraun, gewöhnt an Männerliebe,
Wählerinnen sind sie nicht,
Aber Kennerinnen.
Und wie goldlockigen Hirten,
Vielleicht schwarzborstigen Faunen,
Wie es bringt die Gelegenheit,
Ueber die schwellenden Glieder
Vollertheilen sie gleiches Recht.
Nah und näher sitzen sie schon
An einander gelehnet,
Schulter an Schulter, Knie an Knie;
Hand in Hand wiegen sie sich
Ueber des Throns
Aufgepolsterter Herrlichkeit.
Nicht versagt sich die Majestät
Heimlicher Freuden
Vor den Augen des Volkes
Uebermüthiges Offenbarseyn.
Ich fühle mich so fern und doch so nah,
Und sage nur zu gern: da bin ich! da!
Ich athme kaum, mir zittert, stockt das Wort,
Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
Ich scheine mir verlebt und doch so neu,
In dich verwebt, dem Unbekannten treu.
Durchgrüble nicht das einzigste Geschick,
Daseyn ist Pflicht und wär’s ein Augenblick.
Verwegne Störung! widerwärtig dringt sie ein,
Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestüme.
Den schönsten Boten Unglücksbotschaft häßlicht ihn;
Du Häßlichste gar nur schlimme Botschaft bringst du gern.
Doch dießmal soll dir’s nicht gerathen, leeres Hauchs
Erschüttere du die Lüfte. Hier ist nicht Gefahr,
Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Dräun.
[224]
Die Gaben, diesen hier verliehen –
An jeglichen ein reiches Land –
Sind groß und herrlich, laß sie ziehen!
Wir halten in der Mitte Stand.
Und sie beschützen um die Wette,
Rings um von Wellen angehüpft,
Nichtinsel dich, mit leichter Hügelkette
Europens letztem Bergast angeknüpft.
Das Land, vor aller Länder Sonnen
Sey ewig jedem Stamm beglückt,
Nun meiner Königin gewonnen,
Das früh an ihr hinaufgeblickt.
Als, mit Eurotas Schilfgeflüster,
Sie leuchtend aus der Schale brach,
Der hohen Mutter, dem Geschwister
Das Licht der Augen überstach.
Dieß Land, allein zu dir gekehret,
Entbietet seinen höchsten Flor;
Dem Erdkreis, der dir angehöret,
Dein Vaterland, o zieh’ es vor!
Und duldet auch auf seiner Berge Rücken
Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,
Läßt nun der Fels sich angegrünt erblicken,
Die Ziege nimmt genäschig kargen Theil.
Die Quelle springt, vereinigt stürzen Bäche,
Und schon sind Schluchten, Hänge, Matten grün.
Auf hundert Hügeln unterbrochner Fläche
Siehst Wollenheerden ausgebreitet ziehn.
Vertheilt, vorsichtig, abgemessen schreitet
Gehörntes Rind hinan zum jähen Rand,
Doch Obdach ist den sämmtlichen bereitet,
Zu hundert Höhlen wölbt sich Felsenwand.
Pan schützt sie dort und Lebensnymphen wohnen
In buschiger Klüfte feucht erfrischtem Raum,
Und, sehnsuchtsvoll nach höhern Regionen,
Erhebt sich zweighaft Baum gedrängt an Baum.
Alt-Wälder sind’s! die Eiche starret mächtig,
Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;
Der Ahorn mild, von süßem Safte trächtig,
Steigt rein empor und spielt mit seiner Last.
Und mütterlich im stillen Schattenkreise
Quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm;
Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise,
Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm.
Hier ist das Wohlbehagen erblich,
Die Wange heitert wie der Mund,
Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich,
Sie sind zufrieden und gesund.
Und so entwickelt sich am reinen Tage
Zu Vaterkraft das holde Kind.
Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage:
Ob’s Götter, ob es Menschen sind?
So war Apoll den Hirten zugestaltet
Daß ihm der schönsten einer glich;
Denn wo Natur im reinen Kreise waltet
Ergreifen alle Welten sich.
So ist es mir, so ist es dir gelungen,
Vergangenheit sey hinter uns gethan;
O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen,
Der ersten Welt gehörst du einzig an.
Nicht feste Burg soll dich umschreiben!
Noch zirkt, in ewiger Jugendkraft
Für uns, zu wonnevollem Bleiben,
Arkadien in Sparta’s Nachbarschaft.
Gelockt auf seligem Grund zu wohnen
Du flüchtetest in’s heiterste Geschick!
Zur Laube wandeln sich die Thronen,
Arkadisch frei sey unser Glück!
Wie lange Zeit die Mädchen schlafen weiß ich nicht,
Ob sie sich träumen ließen was ich hell und klar
Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt.
Drum weck’ ich sie. Erstaunen soll das junge Volk;
Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt,
Glaubhafter Wunder Lösung endlich anzuschaun.
Hervor! hervor! Und schüttelt eure Locken rasch;
Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so, und hört mich an!
Rede nur, erzähl’, erzähle was sich Wunderlich’s begeben,
Hören möchten wir am liebsten was wir gar nicht glauben können,
Denn wir haben lange Weile diese Felsen anzusehn.
Kaum die Augen ausgerieben, Kinder, langeweilt ihr schon?
So vernehmt: in diesen Höhlen, diesen Grotten, diesen Lauben
Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare,
Unserm Herrn und unsrer Frauen.
Wie, da drinnen?
Abgesondert
Von der Welt, nur mich die Eine riefen sie zu stillem Dienste.
Hochgeehrt stand ich zur Seite, doch, wie es Vertrauten ziemet,
Schaut’ ich um nach etwas andrem. Wendete mich hier- und dorthin,
Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten,
Und so blieben sie allein.
Thust du doch als ob da drinnen ganze Weltenräume wären,
Wald und Wiese, Bäche, Seen; welche Mährchen spinnst du ab!
Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte Tiefen:
Saal an Sälen, Hof an Höfen, diese spürt’ ich sinnend aus.
Doch auf einmal ein Gelächter echo’t in den Höhlen-Räumen;
Schau’ ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Schoß zum Manne,
Von dem Vater zu der Mutter; das Gekose, das Getändel
[229] Thöriger Liebe Neckereyen, Scherzgeschrei und Lustgejauchze
Wechselnd übertäuben mich.
Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Thierheit
Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegenwirkend
Schnellt ihn zu der luftigen Höhe, und im zweyten dritten Sprunge
Rührt er an das Hochgewölb.
Aengstlich ruft die Mutter: springe wiederholt und nach Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir versagt.
Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt die Schnellkraft,
Die dich aufwärts treibt, berühre mit der Zehe nur den Boden
Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt.
Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante
Zu dem andern und umher so wie ein Ball geschlagen springt.
Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden,
Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater tröstet,
Achselzuckend steh’ ich ängstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen!
Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Gewande
[230] Hat er würdig angethan.
Quasten schwanken von den Armen, Binden flattern um den Busen,
In der Hand die goldne Leyer, völlig wie ein kleiner Phöbus,
Tritt er wohlgemuth zur Kante, zu dem Ueberhang; wir staunen.
Und die Eltern vor Entzücken werfen wechselnd sich an’s Herz.
Denn wie leuchtet’s ihm zu Haupten? Was erglänzt ist schwer zu sagen,
Ist es Goldschmuck, ist es Flamme übermächtiger Geisteskraft.
Und so regt er sich gebärdend, sich als Knabe schon verkündend
Künftigen Meister alles Schönen, dem die ewigen Melodieen
Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr ihn hören,
Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung.
[232]
Alle merken auf und scheinen bald innig gerührt. Von hier
an bis zur bemerkten Pause durchaus mit vollstimmiger Musik.)
[233]
Bist du fürchterliches Wesen
Diesem Schmeichelton geneigt,
Fühlen wir als frisch genesen,
Uns zur Thränenlust erweicht.
Laß der Sonne Glanz verschwinden,
Wenn es in der Seele tagt,
Wir im eignen Herzen finden
Was die ganze Welt versagt.
(in dem oben beschriebenen Costume).
Wohlgefallen vieler Jahre
In des Knaben mildem Schein
Sammelt sich auf diesem Paare.
O! wie rührt mich der Verein.
Welch ein Muthwill, welch ein Rasen!
Keine Mäßigung ist zu hoffen,
Klingt es doch wie Hörnerblasen
Ueber Thal und Wälder dröhnend,
Welch ein Unfug! Welch Geschrei!
Uns ist er vorbei gelaufen;
Mit Verachtung uns verhöhnend,
Schleppt’ er von dem ganzen Haufen
Nun die wildeste herbei.
Schlepp’ ich her die derbe Kleine
Zu erzwungenem Genusse.
Mir zur Wonne, mir zur Lust
Drück’ ich widerspenstige Brust,
Küss’ ich widerwärtigen Mund,
Thue Kraft und Willen kund.
Laß mich los! In dieser Hülle
Ist auch Geistes Muth und Kraft;
Deinem gleich ist unser Wille
Nicht so leicht hinweggerafft.
Glaubst du wohl mich im Gedränge?
Deinem Arm vertraust du viel!
Halte fest, und ich versenge
Dich den Thoren mir zum Spiel.
Folge mir in leichte Lüfte,
Folge mir in starre Grüfte,
Hasche das verschwundne Ziel.
Wolltest du den Gemsen gleichen?
Vor dem Falle muß uns graun.
Immer höher muß ich steigen,
Immer weiter muß ich schaun.
Nein, nicht ein Kind bin ich erschienen,
In Waffen kommt der Jüngling an!
Gesellt zu Starken, Freien, Kühnen,
Hat er im Geiste schon gethan.
Nun fort!
[Nur] dort
Eröffnet sich zum Ruhm die Bahn.
Kaum in’s Leben eingerufen,
Heitrem Tag gegeben kaum,
Sehnest du von Schwindelstufen
Dich zu schmerzenvollem Raum.
Sind denn wir
Gar nichts dir?
Ist der holde Bund ein Traum?
Und hört ihr donnern auf dem Meere?
Dort wiederdonnern Thal um Thal,
In Staub und Wellen, Heer dem Heere,
In Drang um Drang zu Schmerz und Qual.
Ein altes Wort bewährt sich leider auch an mir:
Daß Glück und Schönheit dauerhaft sich nicht vereint.
Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band;
Bejammernd beide, sag’ ich schmerzlich Lebewohl!
Und werfe mich noch einmal in die Arme dir.
Persephoneia nimm den Knaben auf und mich.
Halte fest was dir von allem übrig blieb.
[245] Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen schon
Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
Zur Unterwelt es reißen. Halte fest!
Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst,
Doch göttlich ist’s. Bediene dich der hohen
Unschätzbar’n Gunst und hebe dich empor,
Es trägt dich über alles Gemeine rasch
Am Aether hin, so lange du dauern kannst.
Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier.
Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los,
Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang;
So des Geklimpers viel-verworrner Töne Rausch,
Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn.
Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin
[246] Mit ernstem Gang hinunter. Ihrer Sohle sey
Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt.
Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen.
Wer keinen Namen sich erwarb, noch Edles will,
Gehört den Elementen an, so fahret hin!
Mit meiner Königin zu seyn verlangt mich heiß;
Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt uns die Person.
Wir in dieser tausend Aeste Flüsterzittern, Säuselschweben,
Reizen tändelnd, locken leise, wurzelauf des Lebens Quellen
Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüthen überschwenglich
Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn.
Fällt die Frucht, sogleich versammeln, lebenslustig Volk und Heerden
Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig drängend.
Und, wie vor den ersten Göttern, bückt sich alles um uns her.
Wir an dieser Felsenwände weithinleuchtend glattem Spiegel
Schmiegen wir, in sanften Wellen uns bewegend, schmeichelnd an;
Horchen, lauschen jedem Laute, Vogelsingen, Röhrigflöten;
Sey es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich bereit;
Säuselt’s, säuseln wir erwidernd, donnert’s, rollen unsre Donner
In erschütterndem Verdoppeln, dreyfach zehnfach hinten nach.
Schwestern! Wir bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen weiter;
Denn es reizen jener Ferne reichgeschmückte Hügelzüge,
Immer abwärts, immer tiefer, wässern wir, mäandrisch wallend,
Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus.
Dort bezeichnen’s der Cypressen schlanke Wipfel, über Landschaft,
Uferzug und Wellenspiegel nach dem Aether steigende.
Wallt ihr andern wo’s beliebet, wir umzingeln, wir umrauschen
Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe grünt;
Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leidenschaft des Winzers
Uns des liebevollsten Fleißes zweifelhaft Gelingen sehn.
Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit Häufeln, Schneiden, Binden,lb/\> Betet er zu allen Göttern, vördersamst zum Sonnengott.
Bacchus kümmert sich, der Weichling, wenig um den treuen Diener,
Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faselnd mit dem jüngsten Faun.
Was zu seiner Träumereyen halbem Rausch er je bedurfte,
[249] Immer bleibt es ihm in Schläuchen, ihm in Krügen und Gefäßen,
Rechts und links der kühlen Grüfte ewige Zeiten aufbewahrt.
Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen,
Lüftend, feuchtend, wärmend, gluthend, Beeren-Füllhorn aufgehäuft,
Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal wird’s lebendig,
Und es rauscht in jedem Laube, raschelt um von Stock zu Stock.
Körbe knarren, Eimer klappern, Tragebutten ächzen hin,
Alles nach der großen Kufe zu der Keltrer kräftigem Tanz;
Und so wird die heilige Fülle reingeborner saftiger Beeren
Frech zertreten; schäumend, sprühend mischt sich’s widerlich zerquetscht.
Und nun gellt in’s Ohr der Cymbeln mit der Becken Erzgetöne,
Denn es hat sich Dionysos aus Mysterien enthüllt;
Kommt hervor mit Ziegenfüßlern, schwenkend Ziegenfüßlerinnen,
Und dazwischen schreit unbändig grell Silenus öhrig Thier.
Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder,
Alle Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das Ohr.
Nach der Schale tappen Trunkne, überfüllt sind Kopf und Wänste,
[250] Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die Tumulte,
Denn um neuen Most zu bergen, leert man rasch den alten Schlauch!
[251]
Vierter Act.
Hochgebirg,
Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß,
Betret’ ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum,
Entlassend meiner Wolke Tragwerk, die mich sanft
An klaren Tagen über Land und Meer geführt.
Sie lös’t sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab.
Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug,
Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach.
Sie theilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich.
Doch will sich’s modeln. – Ja! das Auge trügt mich nicht! –
Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt,
Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Fraungebild,
Ich seh’s! Junonen ähnlich, Leda’n, Helenen,
Wie majestätisch lieblich mir’s im Auge schwankt.
[252] Ach! schon verrückt sich’s! Formlos breit und aufgethürmt,
Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich,
Und spiegelt blendend flüchtiger Tage großen Sinn.
Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif
Noch Brust und Stirn, erheiternd, kühl und schmeichelhaft.
Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf,
Fügt sich zusammen. – Täuscht mich ein entzückend Bild,
Als jugenderstes, längstentbehrtes höchstes Gut?
Des tiefsten Herzens frühste Schätze quellen auf,
Aurorens Liebe, leichten Schwungs, bezeichnet’s mir,
Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick,
Der, festgehalten, überglänzte jeden Schatz.
Wie Seelenschönheit steigert sich die holde Form,
Lös’t sich nicht auf, erhebt sich in den Aether hin,
Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort.
Das heiß’ ich endlich vorgeschritten!
Nun aber sag’, was fällt dir ein?
Steigst ab in solcher Gräuel Mitten,
Im gräßlich gähnenden Gestein?
Ich kenn’ es wohl, doch nicht an dieser Stelle,
Denn eigentlich war das der Grund der Hölle.
Es fehlt dir nie an närrischen Legenden,
Fängst wieder an dergleichen auszuspenden.
Als Gott der Herr – ich weiß auch wohl warum, –
Uns, aus der Luft, in tiefste Tiefen bannte,
Da, wo centralisch glühend, um und um,
Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte,
Wir fanden uns bei allzugroßer Hellung
In sehr gedrängter unbequemer Stellung.
Die Teufel fingen sämmtlich an zu husten,
Von oben und von unten auszupusten;
Die Hölle schwoll von Schwefel-Stank und Säure,
Das gab ein Gas! das ging in’s Ungeheure,
So daß gar bald der Länder flache Kruste,
So dick sie war, zerkrachend bersten mußte.
Nun haben wir’s an einem andern Zipfel,
Was ehmals Grund war ist nun Gipfel.
Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren
Das Unterste in’s Oberste zu kehren.
Denn wir entrannen knechtisch-heißer Gruft
In’s Uebermaß der Herrschaft freier Luft.
Ein offenbar Geheimniß wohl verwahrt
Und wird nur spät den Völkern offenbart.
(Ephes. 6. 12.)
Gebirgesmasse bleibt mir edel-stumm,
Ich frage nicht woher und nicht warum? –
[254] Als die Natur sich in sich selbst gegründet,
Da hat sie rein den Erdball abgeründet.
Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut,
Und Fels an Fels und Berg an Berg gereiht;
Die Hügel dann bequem hinabgebildet,
Mit sanftem Zug sie in das Thal gemildet.
Da grünt’s und wächst’s, und um sich zu erfreuen
Bedarf sie nicht der tollen Strudeleyen.
Das sprecht ihr so! Das scheint euch sonnenklar,
Doch weiß es anders der zugegen war.
Ich war dabei, als noch da drunten, siedend,
Der Abgrund schwoll und strömend Flammen trug;
Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend,
Gebirges-Trümmer in die Ferne schlug.
Noch starrt das Land von fremden Centnermassen;
Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph, er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Zu Schanden haben wir uns schon gedacht. –
Das treu-gemeine Volk allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist’s, der Satan kommt zu Ehren.
Mein Wandrer hinkt an seiner Glaubenskrücke,
Zum Teufelsstein, zur Teufelsbrücke.
Es ist doch auch bemerkenswerth zu achten,
Zu sehn wie Teufel die Natur betrachten.
Was geht mich’s an! Natur sey wie sie sey!
’s ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei!
Wir sind die Leute Großes zu erreichen;
Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! –
Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche,
Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche?
Du übersahst, in ungemess’nen Weiten,
„Die Reiche der Welt und ihre [Herrlichkeiten].“
(Matth. 4.)
Doch, ungenügsam wie du bist,
Empfandest du wohl kein Gelüst?
Und doch! ein Großes zog mich an.
Errathe!
Das ist bald gethan.
Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,
Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus,
Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln,
Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln;
Fleischbänke wo die Schmeißen hausen,
Die fetten Braten anzuschmausen;
Da findest du zu jeder Zeit
Gewiß Gestank und Thätigkeit.
Dann weite Plätze, breite Straßen,
Vornehmen Schein sich anzumaßen;
Und endlich, wo kein Thor beschränkt,
Vorstädte gränzenlos verlängt.
[256] Da freut’ ich mich an Rollekutschen,
Am lärmigen Hin- und Wiederrutschen,
Am ewigen Hin- und Wiederlaufen,
Zerstreuter Ameis-Wimmelhaufen.
Und, wenn ich führe, wenn ich ritte,
Erschien ich immer ihre Mitte,
Von Hunderttausenden verehrt.
Das kann mich nicht zufrieden stellen!
Man freut sich daß das Volk sich mehrt,
Nach seiner Art behaglich nährt,
Sogar sich bildet, sich belehrt, –
Und man erzieht sich nur Rebellen.
Dann baut’ ich, grandios, mir selbst bewußt,
Am lustigen Ort ein Schloß zur Lust.
Wald, Hügel, Flächen, Wiesen, Feld
Zum Garten prächtig umbestellt.
Vor grünen Wänden Sammet-Matten,
Schnurwege, kunstgerechte Schatten,
Cascadensturz, durch Fels zu Fels gepaart,
Und Wasserstrahlen aller Art;
Ehrwürdig steigt es dort, doch an den Seiten,
Da zischt’s und pischt’s, in tausend Kleinigkeiten.
Dann aber ließ ich allerschönsten Frauen,
Vertraut-bequeme Häuslein bauen;
Verbrächte da gränzenlose Zeit
In allerliebst-geselliger Einsamkeit.
[257] Ich sage Frau’n; denn ein für allemal
Denk’ ich die Schönen im Plural.
Schlecht und modern! Sardanapal!
Erräth man wohl wornach du strebtest?
Es war gewiß erhaben kühn.
Der du dem Mond um so viel näher schwebtest,
Dich zog wohl deine Sucht dahin?
Mit nichten! dieser Erdenkreis
Gewährt noch Raum zu großen Thaten.
Erstaunenswürdiges soll gerathen,
Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß.
Und also willst du Ruhm verdienen?
Man merkt’s du kommst von Heroinen.
Herrschaft gewinn’ ich, Eigenthum!
Die That ist alles, nichts der Ruhm.
Doch werden sich Poeten finden,
Der Nachwelt deinen Glanz zu künden,
Durch Thorheit Thorheit zu entzünden.
Von allem ist dir nichts gewährt.
Was weißt du, was der Mensch begehrt?
Dein widrig Wesen, bitter, scharf,
Was weiß es, was der Mensch bedarf?
Geschehe denn nach deinem Willen!
Vertraue mir den Umfang deiner Grillen.
Mein Auge war auf’s hohe Meer gezogen;
Es schwoll empor, sich in sich selbst zu thürmen.
Dann ließ es nach und schüttelte die Wogen,
Des flachen Ufers Breite zu bestürmen.
Und das verdroß mich; wie der Uebermuth
Den freien Geist, der alle Rechte schätzt,
Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut
In’s Mißbehagen des Gefühls versetzt.
Ich hielt’s für Zufall, schärfte meinen Blick,
Die Woge stand und rollte dann zurück,
Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;
Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.
Da ist für mich nichts Neues zu erfahren,
Das kenn’ ich schon seit hunderttausend Jahren.
Sie schleicht heran, an aber tausend Enden
Unfruchtbar selbst Unfruchtbarkeit zu spenden;
Nun schwillt’s und wächs’t und rollt und überzieht
Der wüsten Strecke widerlich Gebiet.
Da herrschet Well’ auf Welle kraftbegeistet,
Zieht sich zurück und es ist nichts geleistet,
[259] Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte!
Zwecklose Kraft unbändiger Elemente!
Da wagt mein Geist sich selbst zu überfliegen,
Hier möcht’ ich kämpfen, dieß möcht’ ich besiegen.
Und es ist möglich! – fluthend wie sie sey,
An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbei;
Sie mag sich noch so übermüthig regen,
Geringe Höhe ragt ihr stolz entgegen,
Geringe Tiefe zieht sie mächtig an.
Da faßt’ ich schnell im Geiste Plan auf Plan:
Erlange dir das köstliche Genießen
Das herrische Meer vom Ufer auszuschließen,
Der feuchten Breite Gränzen zu verengen
Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drängen.
Von Schritt für Schritt wußt’ ich mir’s zu erörtern.
Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern!
Wie leicht ist das! – hörst du die Trommeln fern?
Schon wieder Krieg! der Kluge hört’s nicht gern.
Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen
Aus jedem Umstand seinen Vortheil ziehen.
Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu.
Gelegenheit ist da, nun Fauste greife zu.
Mit solchem Räthselkram verschone mich!
Und kurz und gut, was soll’s? Erkläre dich.
Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen,
Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen,
Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,
Ihm falschen Reichthum in die Hände spielten,
Da war die ganze Welt ihm feil.
Denn jung ward ihm der Thron zu Theil,
Und ihm beliebt’ es falsch zu schließen,
Es könne wohl zusammengehn,
Und sey recht wünschenswerth und schön,
Regieren [und] zugleich genießen.
Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll,
Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.
Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,
Doch was er will, es darf’s kein Mensch ergründen.
Was er den Treusten in das Ohr geraunt,
Es ist gethan und alle Welt erstaunt.
So wird er stets der Allerhöchste seyn,
Der Würdigste –; Genießen macht gemein.
So ist er nicht! Er selbst genoß und wie?
Indeß zerfiel das Reich in Anarchie,
Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten,
Und Brüder sich vertrieben, tödteten,
[261] Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt,
Zunft gegen Adel Fehde hat,
Der Bischof mit Capitel und Gemeinde;
Was sich nur ansah waren Feinde.
In Kirchen Mord und Todtschlag, vor den Thoren
Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren.
Und allen wuchs die Kühnheit nicht gering;
Denn leben hieß: sich wehren – Nun, das ging.
Es ging, es hinkte, fiel, stand wieder auf,
Dann überschlug sich’s, rollte plump zu Hauf.
Und solchen Zustand durfte niemand schelten,
Ein jeder konnte, jeder wollte gelten:
Der Kleinste selbst er galt für voll;
Doch war’s zuletzt den Besten allzutoll.
Die Tüchtigen sie standen auf mit Kraft
Und sagten: Herr ist der uns Ruhe schafft:
Der Kaiser kann’s nicht, will’s nicht – laßt uns wählen
Den neuen Kaiser, neu das Reich beseelen,
Indem er jeden sicher stellt,
In einer frisch geschaffnen Welt
Fried’ und Gerechtigkeit vermählen.
Das klingt sehr pfäffisch.
Pfaffen waren’s auch,
Sie sicherten den wohlgenährten Bauch;
[262] Sie waren mehr, als andere betheiligt.
Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt;
Und unser Kaiser, den wir froh gemacht,
Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht.
Er jammert mich, er war so gut und offen.
Komm, sehn wir zu, der Lebende soll hoffen.
Befrein wir ihn aus diesem engen Thale!
Einmal gerettet ist’s für tausend Male.
Wer weiß wie noch die Würfel fallen?
Und hat er Glück, so hat er auch Vasallen.
Die Stellung, seh’ ich, gut ist sie genommen;
Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.
Was kann da zu erwarten seyn?
Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein.
Kriegslist um Schlachten zu gewinnen!
Befestige dich bei großen Sinnen,
Indem du deinen Zweck bedenkst.
Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,
So kniest du nieder und empfängst
Die Lehn von gränzenlosem Strande.
Schon manches hast du durchgemacht,
Nun, so gewinn’ auch eine Schlacht.
Nein, du gewinnst sie! dieses Mal
Bist du der Obergeneral.
Das wäre mir die rechte Höhe,
Da zu befehlen wo ich nichts verstehe!
Laß du den Generalstab sorgen
Und der Feldmarschall ist geborgen.
Kriegsunrath hab’ ich längst verspürt,
Den Kriegsrath gleich voraus formirt
Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;
Wohl dem der sie zusammenrafft.
Was seh’ ich dort was Waffen trägt?
Hast du das Bergvolk aufgeregt?
Nein! aber gleich Herrn Peter Squenz
Vom ganzen Praß die Quintessenz.
Sam. II. 23. 8.
Da kommen meine Bursche ja!
Du siehst, von sehr verschiednen Jahren,
Verschiednem Kleid und Rüstung sind sie da;
Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren.
Es liebt sich jetzt ein jedes Kind
Den Harnisch und den Ritterkragen;
Und, allegorisch wie die Lumpen sind,
Sie werden nur um desto mehr behagen.
Wenn einer mir in’s Auge sieht
Werd’ ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren,
Und eine Memme, wenn sie flieht,
Fass’ ich bei ihren letzten Haaren.
So leere Händel das sind Possen,
Damit verdirbt man seinen Tag;
Im Nehmen sey nur unverdrossen,
Nach allem andern frag’ hernach.
Damit ist auch nicht viel gewonnen!
Bald ist ein großes Gut zerronnen,
Es rauscht im Lebensstrom hinab.
Zwar nehmen ist recht gut, doch besser ist’s behalten;
Laß du den grauen Kerl nur walten
Und niemand nimmt dir etwas ab.
[265]
Auf dem Vorgebirg.
Noch immer scheint der Vorsatz wohl erwogen,
Daß wir in dieß gelegene Thal
Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen;
Ich hoffe fest uns glückt die Wahl.
Wie es nun geht, es muß sich zeigen;
Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen.
Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke!
Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke:
Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich,
Den Unsern vortheilhaft, dem Feind verfänglich,
Wir, halb versteckt, auf wellenförmigem Plan,
Die Reiterey sie wagt sich nicht heran.
Mir bleibt nichts übrig als zu loben;
Hier kann sich Arm und Brust erproben.
Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten,
Siehst du den Phalanx, wohlgemuth zu streiten.
[266] Die Piken blinken flimmernd in der Luft,
Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.
Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat!
Zu Tausenden glüht’s hier auf große That.
Du kannst daran der Masse Kraft erkennen,
Ich trau’ ihr zu der Feinde Kraft zu trennen.
Den schönen Blick hab’ ich zum ersten Mal.
Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl.
Von unsrer Linken hab’ ich nichts zu melden,
Den starren Fels besetzen wackre Helden.
Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt,
Den wichtigen Paß der engen Klause schützt.
Ich ahne schon hier scheitern Feindeskräfte
Unvorgesehn im blutigen Geschäfte.
Dort ziehn sie her die falschen Anverwandten,
Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten,
Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,
Dem Scepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten,
Dann, unter sich entzweyt, das Reich verheerten,
Und nun gesammt sich gegen mich empörten.
Die Menge schwankt im ungewissen Geist,
Dann strömt sie nach, wohin der Strom sie reißt.
Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,
Kommt eilig felsenab; sey’s ihm geglückt!
Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,
Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre.
Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll,
Daß Nachbars Hausbrand Euch verzehren soll?
Der Zweyte kommt, nur langsam steigt er nieder,
Dem müden Manne zittern alle Glieder.
Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn,
Nun fühl’ ich erst, daß Ich der Kaiser bin.
[248] Nur als Soldat legt’ ich den Harnisch an,
Zu höh’rem Zweck ist er nun umgethan.
Bei jedem Fest, wenn’s noch so glänzend war,
Nichts ward vermißt, mir fehlte die Gefahr.
Wie ihr auch seyd, zum Ringspiel riethet ihr,
Mir schlug das Herz, ich athmete Turnier;
Und hättet ihr mir nicht vom Kriegen abgerathen,
Jetzt glänzt’ ich schon in lichten Heldenthaten.
Selbstständig fühlt’ ich meine Brust besiegelt
Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt;
Das Element drang gräßlich auf mich los;
Es war nur Schein, allein der Schein war groß.
Von Sieg und Ruhm hab’ ich verwirrt geträumt,
Ich bringe nach was frevelhaft versäumt.
Wir treten auf und hoffen ungescholten;
Auch ohne Noth hat Vorsicht wohl gegolten.
Du weißt das Bergvolk denkt und simulirt,
Ist in Natur- und Felsenschrift studirt.
Die Geister, längst dem flachen Land entzogen,
Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.
Sie wirken still durch labyrinthische Klüfte,
Im edlen Gas metallisch reicher Düfte;
Im steten Sondern, Prüfen und Verbinden
Ihr einziger Trieb ist Neues zu erfinden.
[269] Mit leisem Finger geistiger Gewalten
Erbauen sie durchsichtige Gestalten;
Dann im Krystall und seiner ewigen Schweigniß
Erblicken sie der Oberwelt Ereigniß.
Vernommen hab ich’s und ich glaube dir;
Doch wackrer Mann, sag’ an: was soll das hier?
Der Negromant von Norcia, der Sabiner,
Ist dein getreuer, ehrenhafter Diener.
Welch gräulich Schicksal droht ihm ungeheuer,
Das Reisig prasselte, schon züngelte das Feuer;
Die trocknen Scheite, rings umher verschränkt,
Mit Pech und Schwefelruthen untermengt;
Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten,
Die Majestät zersprengte glühende Ketten.
Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,
Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.
Von jener Stund’ an ganz vergaß er sich,
Er fragt den Stern, die Tiefe nur für Dich.
Er trug uns auf, als eiligstes Geschäfte,
Bei dir zu stehn. Groß sind des Berges Kräfte;
Da wirkt Natur so übermächtig frei,
Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberey.
Am Freudentag wenn wir die Gäste grüßen,
Die heiter kommen, heiter zu genießen,
Da freut uns jeder wie er schiebt und drängt,
Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt;
[270] Doch höchst willkommen muß der Biedre seyn,
Tritt er als Beistand kräftig zu uns ein,
Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet,
Weil über ihr des Schicksals Wage schaltet.
Doch lenket hier, im hohen Augenblick,
Die starke Hand vom willigen Schwert zurück,
Ehrt den Moment, wo manche Tausend schreiten,
Für oder wider mich zu streiten.
Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron begehrt
Persönlich sey er solcher Ehren werth.
Sey das Gespenst, das gegen uns erstanden,
Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,
Des Heeres Herzog, Lehnsherr unsrer Großen,
Mit eigner Faust in’s Todtenreich gestoßen!
Wie es auch sey das Große zu vollenden,
Du thust nicht wohl dein Haupt so zu verpfänden.
Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt?
Er schützt das Haupt das unsern Muth entzückt.
Was, ohne Haupt, was förderten die Glieder?
Denn schläfert jenes, alle sinken nieder;
Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,
Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet.
Schnell weiß der Arm sein starkes Recht zu nützen,
Er hebt den Schild den Schädel zu beschützen;
Das Schwert gewahret seiner Pflicht sogleich,
Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich;
Der tüchtige Fuß nimmt Theil an ihrem Glück,
Setzt dem Erschlagnen frisch sich in’s Genick.
Das ist mein Zorn, so möcht’ ich ihn behandeln,
Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln!
Dem Wunsch gemäß der Besten ist’s geschehn,
Die, fest und treu, an deiner Seite stehn.
Dort naht der Feind, die Deinen harren brünstig
Befiehl den Angriff, der Moment ist günstig.
Auf das Commando leist’ ich hier Verzicht.
In deinen Händen, Fürst, sey deine Pflicht.
So trete denn der rechte Flügel an!
Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,
Soll, eh’ sie noch den letzten Schritt gethan,
Der Jugendkraft geprüfter Treue weichen.
Erlaube denn, daß dieser muntre Held
Sich ungesäumt in deine Reihen stellt,
[272] Sich deinen Reihen innigst einverleibt
Und, so gesellt, sein kräftig Wesen treibt.
Wer das Gesicht mir zeigt der kehrt’s nicht ab
Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken;
Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp
Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken.
Und schlagen deine Männer dann,
Mit Schwert und Kolben wie ich wüthe,
So stürzt der Feind, Mann über Mann,
Ersäuft im eigenen Geblüte.
Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,
Dem Feind begegn’ er, klug mit aller Macht,
Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert,
Der Unsern Streitkraft ihren Plan erschüttert.
So folge denn auch dieser deinem Wort.
Dem Heldenmuth der Kaiserschaaren
Soll sich der Durst nach Beute paaren;
Und allen sey das Ziel gestellt:
Des Gegenkaisers reiches Zelt.
Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,
Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze.
Bin ich auch ihm nicht angeweibt,
Er mir der liebste Buhle bleibt.
Für uns ist solch ein Herbst gereift!
Die Frau ist grimmig wenn sie greift,
Ist ohne Schonung wenn sie raubt;
Im Sieg voran! und alles ist erlaubt.
Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,
Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn
Wird, Mann für Mann, dem wüthenden Beginnen
Den engen Paß des Felswegs zu gewinnen.
So bitte, Herr, auch diesen zu bemerken,
Es schadet nichts wenn Starke sich verstärken.
Dem linken Flügel keine Sorgen!
Da wo ich bin ist der Besitz geborgen;
In ihm bewähret sich der Alte,
Kein Strahlblitz spaltet was ich halte.
Nun schauet wie im Hintergrunde,
Aus jedem zackigen Felsenschlunde
[274] Bewaffnete hervor sich drängen.
Die schmalen Pfade zu verengen.
Mit Helm und Harnisch, Schwertern, Schilden,
In unserm Rücken eine Mauer bilden,
Den Wink erwartend zuzuschlagen.
Woher das kommt müßt ihr nicht fragen.
Ich habe freilich nicht gesäumt,
Die Waffensäle ringsum aufgeräumt;
Da standen sie zu Fuß, zu Pferde,
Als wären sie noch Herrn der Erde;
Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser,
Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhäuser,
Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,
Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.
Welch Teufelchen auch drinne steckt
Für dießmal macht es doch Effect.
Hört wie sie sich voraus erboßen,
Blechklappernd an einander stoßen!
Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten,
Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.
Bedenkt hier ist ein altes Volk bereit
Und mischte gern sich auch zum neuen Streit.
Der Horizont hat sich verdunkelt,
Nur hie und da bedeutend funkelt
[275] Ein rother ahnungsvoller Schein;
Schon blutig blinken die Gewehre,
Der Fels, der Wald, die Atmosphäre,
Der ganze Himmel mischt sich ein.
Die rechte Flanke hält sich kräftig;
Doch seh’ ich ragend unter diesen,
Hans Raufbold, den behenden Riesen,
Auf seine Weise rasch beschäftigt.
Erst sah ich Einen Arm erhoben,
Jetzt seh’ ich schon ein Dutzend toben,
Naturgemäß geschieht es nicht.
Vernahmst du nichts von Nebelstreifen
Die auf Siciliens Küsten schweifen?
Dort, schwankend klar, im Tageslicht,
Erhoben zu den Mittellüften,
Gespiegelt in besondern Düften,
Erscheint ein seltsames Gesicht.
Da schwanken Städte hin und wieder,
Da steigen Gärten auf und nieder,
Wie Bild um Bild den Aether bricht.
Doch wie bedenklich! Alle Spitzen
Der hohen Speere seh’ ich blitzen;
Auf unsrer Phalanx blanken Lanzen
Seh’ ich behende Flämmchen tanzen.
Das scheint mir gar zu geisterhaft.
Verzeih’, o Herr, das sind die Spuren
Verschollner geistiger Naturen,
Ein Widerschein der Dioskuren,
Bei denen alle Schiffer schwuren,
Sie sammeln hier die letzte Kraft.
Doch sage: wem sind wir verpflichtet
Daß die Natur, auf uns gerichtet,
Das Seltenste zusammenrafft?
Wem als dem Meister, jenem hohen,
Der dein Geschick im Busen trägt?
Durch deiner Feinde starkes Drohen
Ist er im Tiefsten aufgeregt.
Sein Dank will dich gerettet sehen,
Und sollt’ er selbst daran vergehen.
Sie jubelten mich pomphaft umzuführen,
Ich war nun was, das wollt’ ich auch probiren,
Und fand’s gelegen, ohne viel zu denken,
Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken.
Dem Klerus hab’ ich eine Lust verdorben,
Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben.
Nun sollt’ ich, seit so manchen Jahren,
Die Wirkung frohen Thuns erfahren?
Freiherzige Wohlthat wuchert reich;
Laß deinen Blick sich aufwärts wenden!
Mich däucht Er will ein Zeichen senden,
Gib Acht, es deutet sich sogleich.
Ein Adler schwebt im Himmelhohen,
Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen.
Gib Acht: gar günstig scheint es mir.
Greif ist ein fabelhaftes Thier;
Wie kann er sich so weit vergessen
Mit ächtem Adler sich zu messen?
Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen,
Umziehn sie sich; – in gleichem Nu
Sie fahren auf einander zu
Sich Brust und Hälse zu zerreißen.
Nun merke wie der leidige Greif,
Zerzerrt, zerzaus’t nur Schaden findet,
Und mit gesenktem Löwenschweif,
Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.
Sey’s, wie gedeutet, so gethan!
Ich nehm’ es mit Verwundrung an.
Dringend wiederholten Streichen
Müssen unsre Feinde weichen,
Und, mit ungewissem Fechten,
Drängen sie nach ihrer Rechten
Und verwirren so im Streite
Ihrer Hauptmacht linke Seite.
Unsers Phalanx feste Spitze
Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze
Fährt sie in die schwache Stelle. –
Nun, wie sturmbewegte Welle,
Sprühend, wüthen gleiche Mächte
Wild in doppeltem Gefechte,
Herrlichers ist nichts ersonnen,
Uns ist diese Schlacht gewonnen!
Schau! Mir scheint es dort bedenklich,
Unser Posten steht verfänglich.
Keine Steine seh’ ich fliegen,
Niedre Felsen sind erstiegen,
Obre stehen schon verlassen.
Jetzt! – der Feind, zu ganzen Massen
Immer näher angedrungen,
Hat vielleicht den Paß errungen,
Schlußerfolg unheiligen Strebens!
Eure Künste sind vergebens.
Da kommen meine beiden Raben,
Was mögen die für Botschaft haben?
Ich fürchte gar es geht uns schlecht.
Was sollen diese leidigen Vögel?
Sie richten ihre schwarzen Segel
Hierher vom heißen Felsgefecht.
Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.
Wen ihr beschützt ist nicht verloren,
Denn euer Rath ist folgerecht.
Von Tauben hast du ja vernommen,
Die aus den fernsten Landen kommen,
Zu ihres Nestes Brut und Kost.
Hier ist’s mit wichtigen Unterschieden:
Die Taubenpost bedient den Frieden,
Der Krieg befiehlt die Rabenpost.
Es meldet sich ein schwer Verhängniß,
Seht hin! gewahret die Bedrängniß
Um unsrer Helden Felsenwand.
Die nächsten Höhen sind erstiegen,
Und würden sie den Paß besiegen,
Wir hätten einen schweren Stand.
So bin ich endlich doch betrogen!
Ihr habt mich in das Netz gezogen,
Mir graut seitdem es mich umstrickt.
Nur Muth! Noch ist es nicht mißglückt
Geduld und Pfiff zum letzten Knoten!
Gewöhnlich geht’s am Ende scharf.
Ich habe meine sichern Boten,
Befehlt daß ich befehlen darf.
Mit diesen hast du dich vereinigt,
Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt,
Das Gaukeln schafft kein festes Glück.
Ich weiß nichts an der Schlacht zu wenden,
Begannen sie’s, sie mögen’s enden,
Ich gebe meinen Stab zurück.
Behalt’ ihn bis zu bessern Stunden,
Die uns vielleicht das Glück verleiht.
Mir schaudert vor dem garstigen Kunden
Und seiner Rabentraulichkeit.
Den Stab kann ich dir nicht verleihen,
Du scheinst mir nicht der rechte Mann,
Befiehl, und such’ uns zu befreien!
Geschehe, was geschehen kann.
Mag ihn der stumpfe Stab beschützen!
Uns andern könnt’ er wenig nützen,
Es war so was vom Kreuz daran.
Was ist zu thun?
Es ist gethan! –
Nun schwarze Vettern, rasch im Dienen,
Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen,
Und bittet sie um ihrer Fluthen Schein.
Durch Weiberkünste, schwer zu kennen,
Verstehen sie vom Seyn den Schein zu trennen,
Und jeder schwört das sey das Seyn.
Den Wasserfräulein müssen unsre Raben
Recht aus dem Grund geschmeichelt haben;
Dort fängt es schon zu rieseln an.
An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle
Entwickelt sich die volle, rasche Quelle;
Um Jener Sieg ist es gethan.
Das ist ein wunderbarer Gruß,
Die kühnsten Klett’rer sind confus.
Schon rauscht Ein Bach zu Bächen mächtig nieder
Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder,
[282] Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl,
Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite
Und rauscht und schäumt, nach der und jener Seite,
Und stufenweise wirft er sich in’s Thal.
Was hilft ein tapfres heldenmäßiges Stemmen?
Die mächtige Woge strömt sie wegzuschwemmen.
Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.
Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen,
Nur Menschen-Augen lassen sich betrügen
Und mich ergötzt der wunderliche Fall.
Sie stürzen fort zu ganzen hellen Haufen,
Die Narren wähnen zu ersaufen,
Indem sie frei auf festem Lande schnaufen,
Und lächerlich mit Schwimmgebärden laufen.
Nun ist Verwirrung überall.
Ich werd’ euch bei dem hohen Meister loben;
Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,
So eilet zu der glühnden Schmiede,
Wo das Gezwerg-Volk, nimmer müde,
Metall und Stein zu Funken schlägt.
Verlangt, weitläufig sie beschwatzend,
Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,
Wie man’s im hohen Sinne hegt.
Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne,
Blickschnelles Fallen allerhöchster Sterne,
[283] Mag jede Sommernacht geschehn;
Doch Wetterleuchten in verworrnen Büschen,
Und Sterne die am feuchten Boden zischen,
Das hat man nicht so leicht gesehn.
So müßt ihr, ohn’ euch viel zu quälen,
Zuvörderst bitten, dann befehlen.
Den Feinden dichte Finsternisse!
Und Tritt und Schritt in’s Ungewisse!
Irrfunken-Blick an allen Enden,
Ein Leuchten plötzlich zu verblenden.
Das alles wäre wunderschön,
Nun aber braucht’s noch Schreckgetön.
Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften,
Empfinden sich erstarkt in freien Lüften,
Da droben rasselt’s, klappert’s lange schon;
Ein wunderbarer falscher Ton.
Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln,
Schon schallt’s von ritterlichen Prügeln,
Wie in der holden alten Zeit.
Armschienen, wie der Beine Schienen,
Als Guelfen und als Ghibellinen,
Erneuen rasch den ewigen Streit.
Fest, im ererbten Sinne wöhnlich,
Erweisen sie sich unversöhnlich,
[284] Schon klingt das Tosen weit und breit.
Zuletzt, bei allen Teufelsfesten,
Wirkt der Parteyhaß doch zum Besten,
Bis in den allerletzten Graus;
Schallt wider-widerwärtig panisch,
Mitunter grell und scharf satanisch,
Erschreckend in das Thal hinaus.
Des Gegenkaisers Zelt, Thron, reiche Umgebung.
So sind wir doch die ersten hier!
Kein Rabe fliegt so schnell als wir.
O! welch ein Schatz liegt hier zu Hauf!
Wo fang’ ich an! Wo hör’ ich auf?
Steht doch der ganze Raum so voll!
Weiß nicht wozu ich greifen soll.
Der Teppich wär’ mir eben recht,
Mein Lager ist oft gar zu schlecht.
Hier hängt von Stahl ein Morgenstern,
Dergleichen hätt’ ich lange gern.
Den rothen Mantel goldgesäumt,
So etwas hatt’ ich mir geträumt.
Damit ist es gar bald gethan,
Man schlägt ihn todt und geht voran.
Du hast so viel schon aufgepackt,
Und doch nichts Rechtes eingesackt.
Den Plunder laß an seinem Ort,
Nehm’ eines dieser Kistchen fort!
Dieß ist des Heers beschiedner Sold,
In seinem Bauche lauter Gold.
Dieß hat ein mörderisch Gewicht!
Ich heb’ es nicht, ich trag’ es nicht.
Geschwinde duck dich! Mußt dich bücken!
Ich huck’ dir’s auf den starken Rücken.
O weh! O weh! nun ist’s vorbei.
Die Last bricht mir das Kreuz entzwey.
Da liegt das rothe Gold zu Hauf,
Geschwinde zu und raff’ es auf.
Geschwinde nur zum Schoß hinein!
Noch immer wird’s zur Gnüge seyn.
Und so genug! und eile doch!
O weh die Schürze hat ein Loch!
Wohin du gehst und wo du stehst
Verschwenderisch die Schätze sä’st.
Was schafft ihr hier am heiligen Platz?
Was kramt ihr in dem Kaiserschatz?
Wir trugen unsre Glieder feil,
Und holen unser Beutetheil.
In Feindes-Zelten ist’s der Brauch,
Und wir, Soldaten sind wir auch.
Das passet nicht in unsern Kreis:
Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß;
Und wer sich unserm Kaiser naht,
Der sey ein redlicher Soldat.
Die Redlichkeit die kennt man schon.
Sie heißet: Contribution.
Ihr alle seyd auf gleichem Fuß:
Gib her! das ist der Handwerksgruß.
Mach fort und schleppe was du hast,
Hier sind wir nicht willkommne Gast.
Sag’, warum gabst du nicht sogleich
Dem frechen Kerl einen Backenstreich?
Ich weiß nicht, mir verging die Kraft,
Sie waren so gespensterhaft.
Mir ward es vor den Augen schlecht,
Da flimmert’ es, ich sah nicht recht.
Wie ich es nicht zu sagen weiß:
Es war den ganzen Tag so heiß,
So bänglich, so beklommen schwül,
Der eine stand, der andere fiel,
Man tappte hin und schlug zugleich,
Der Gegner fiel vor jedem Streich,
Vor Augen schwebt’ es wie ein Flor,
Dann summt’s und saust’s und zischt im Ohr,
Das ging so fort, nun sind wir da
Und wissen selbst nicht wie’s geschah.
[288]
Es sey nun wie ihm sey! uns ist die Schlacht gewonnen,
Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen.
Hier steht der leere Thron, verrätherischer Schatz,
Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz.
Wir, ehrenvoll, geschützt von eigenen Trabanten,
Erwarten Kaiserlich der Völker Abgesandten;
Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an:
Beruhigt sey das Reich, uns freudig zugethan.
Hat sich in unsern Kampf auch Gaukeley geflochten,
Am Ende haben wir uns nur allein gefochten.
Zufälle kommen ja den Streitenden zu gut,
Vom Himmel fällt ein Stein, dem Feinde regnet’s Blut,
Aus Felsenhöhlen tönt’s von mächtigen Wunderklängen,
Die unsre Brust erhöhn, des Feindes Brust verengen.
Der Ueberwundne fiel, zu stets erneutem Spott,
Der Sieger, wie er prangt, preis’t den gewognen Gott.
Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen,
Herr Gott dich loben wir! aus Millionen Kehlen.
Jedoch zum höchsten Preis, wend’ ich den frommen Blick,
Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zurück.
Ein junger muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden,
Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten.
Deßhalb denn ungesäumt, verbind’ ich mich sogleich
Mit euch Vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich.
Dein war, o Fürst! des Heers geordnet kluge Schichtung,
Sodann, im Hauptmoment, heroisch kühne Richtung;
[289] Im Frieden wirke nun wie es die Zeit begehrt,
Erbmarschall nenn’ ich dich, verleihe dir das Schwert.
Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschäftigt,
Wenn’s an der Gränze dich und deinen Thron bekräftigt,
Dann sey es uns vergönnt, bei Festesdrang im Saal
Geräumiger Vaterburg, zu rüsten dir das Mahl.
Blank trag’ ich’s dir dann vor, blank halt’ ich dir’s zur Seite,
Der höchsten Majestät zu ewigem Geleite.
Der sich, als tapfrer Mann, auch zart gefällig zeigt,
Du! sey Erzkämmerer, der Auftrag ist nicht leicht.
Du bist der Oberste von allem Hausgesinde,
Bei deren innerm Streit ich schlechte Diener finde;
Dein Beispiel sey fortan in Ehren aufgestellt,
Wie man dem Herrn, dem Hof und Allen wohlgefällt.
Des Herren großen Sinn zu fördern bringt zu Gnaden,
Den Besten hülfreich seyn, den Schlechten selbst nicht schaden,
Dann klar seyn ohne List, und ruhig ohne Trug!
Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug.
Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken?
Wenn du zur Tafel gehst reich’ ich das goldne Becken,
Die Ringe halt’ ich dir, damit zur Wonnezeit,
Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut.
Zwar fühl’ ich mich zu ernst auf Festlichkeit zu sinnen,
Doch sey’s! Es fördert auch frohmüthiges Beginnen.
Dich wähl’ ich zum Erztruchseß! Also sey fortan,
Dir Jagd, Geflügel-Hof und Vorwerk unterthan;
Der Lieblingsspeise Wahl laß mir zu allen Zeiten
Wie sie der Monat bringt und sorgsam zubereiten.
Streng Fasten sey für mich die angenehmste Pflicht,
Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht.
Der Küche Dienerschaft soll sich mit mir verein’gen,
Das Ferne beizuziehn, die Jahrszeit zu beschleun’gen.
Dich reizt nicht Fern und Früh, womit die Tafel prangt,
Einfach und kräftig ist’s wornach dein Sinn verlangt.
Weil unausweichlich hier sich’s nur von Festen handelt,
So sey mir junger Held, zum Schenken umgewandelt.
Erzschenke, sorge nun, daß unsre Kellerey
Auf’s reichlichste versorgt mit gutem Weine sey.
Du selbst sey mäßig, laß nicht über Heiterkeiten,
Durch der Gelegenheit Verlocken, dich verleiten.
Mein Fürst, die Jugend selbst, wenn man ihr nur vertraut,
Steht, eh’ man sich’s versieht, zu Männern auferbaut.
Auch ich versetze mich zu jenem großen Feste;
Ein Kaiserlich Büffet schmück’ ich auf’s allerbeste.
[291] Mit Prachtgefäßen, gülden, silbern allzumal;
Doch wähl’ ich dir voraus den lieblichsten Pokal.
Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet,
Des Weins Geschmack sich stärkt und nimmermehr berauschet.
Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr;
Doch deine Mäßigkeit, du Höchster, schützt noch mehr.
Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde,
Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlässigem Munde.
Des Kaisers Wort ist groß und sichert jede Gift,
Doch zur Bekräftigung bedarf’s der edlen Schrift,
Bedarf’s der Signatur. Die förmlich zu bereiten,
Seh’ ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten.
Wenn ein Gewölbe sich dem Schlußstein anvertraut,
Dann ist’s mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut.
Du siehst vier Fürsten da! Wir haben erst erörtert,
Was den Bestand zunächst von Haus und Hof befördert.
Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt,
Sey, mit Gewicht und Kraft, der Fünfzahl auferlegt.
An Ländern sollen sie vor allen andern glänzen,
Deßhalb erweitr’ ich gleich jetzt des Besitzthums Gränzen,
Vom Erbtheil jener die sich von uns abgewandt.
Euch Treuen sprech’ ich zu so manches schöne Land,
Zugleich das hohe Recht euch, nach Gelegenheiten,
Durch Anfall, Kauf und Tausch in’s Weitre zu verbreiten;
[292] Dann sey bestimmt vergönnt, zu üben ungestört
Was von Gerechtsamen euch Landesherrn gehört.
Als Richter werdet ihr die Endurtheile fällen,
Berufung gelte nicht von euern höchsten Stellen.
Dann Steuer, Zins und Beth’, Lehn und Geleit und Zoll,
Berg-, Salz- und Münzregal euch angehören soll.
Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben,
Hab’ ich euch ganz zunächst der Majestät erhoben.
Im Namen aller sey dir tiefster Dank gebracht,
Du machst uns stark und fest und stärkest deine Macht.
Euch Fünfen will ich noch erhöht’re Würden geben.
Noch leb’ ich meinem Reich und habe Lust zu leben;
Doch hoher Ahnen Kette zieht bedächtigen Blick
Aus rascher Strebsamkeit in’s Drohende zurück.
Auch werd’ ich, seiner Zeit, mich von den Theuren trennen,
Dann sey es eure Pflicht den Folger zu ernennen.
Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligen Altar,
Und friedlich ende dann was jetzt so stürmisch war.
Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demuth an Gebärde,
Stehn Fürsten dir gebeugt, die ersten auf der Erde.
So lang das treue Blut die vollen Adern regt,
Sind wir der Körper den dein Wille leicht bewegt.
Und also sey, zum Schluß, was wir bisher bethätigt
Für alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestätigt.
Zwar habt ihr den Besitz als Herren völlig frei,
Mit dem Beding jedoch, daß er untheilbar sey.
Und wie ihr auch vermehrt was ihr von uns empfangen,
Es soll’s der ält’ste Sohn in gleichem Maß erlangen.
Dem Pergament alsbald vertrau’ ich wohlgemuth,
Zum Glück dem Reich und uns, das wichtigste Statut;
Reinschrift und Sieglung soll die Canzeley beschäft’gen.
Mit heiliger Signatur wirst du’s, der Herr, bekräft’gen.
Und so entlass’ ich euch, damit den großen Tag,
Gesammelt, [jedermann] sich überlegen mag.
Der Canzler ging hinweg, der Bischof ist geblieben,
Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben!
Sein väterliches Herz von Sorge bangt um dich.
Was hast du Bängliches zur frohen Stunde? sprich!
Mit welchem bittern Schmerz find’ ich, in dieser Stunde,
Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde.
Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron,
Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Papst zum Hohn.
[294] Wenn dieser es erfährt, schnell wird er sträflich richten,
Mit heiligem Strahl dein Reich das sündige zu vernichten.
Denn noch vergaß er nicht wie du, zur höchsten Zeit,
An deinem Krönungstag, den Zauberer befreit.
Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden,
Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden.
Doch schlag’ an deine Brust und gib vom frevlen Glück,
Ein mäßig Schärflein, gleich dem Heiligthum zurück.
Den breiten Hügelraum, da wo dein Zelt gestanden,
Wo böse Geister sich zu deinem Schutz verbanden,
Dem Lügenfürsten du ein horchsam Ohr geliehn,
Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemühn.
Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken,
Mit Höhen die sich grün zu steter Weide decken,
Fischreichen klaren Seen, dann Bächlein ohne Zahl,
Wie sie sich, eilig schlängelnd, stürzen ab zu Thal.
Das breite Thal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Gründen:
Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden.
Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt,
Die Gränze sey von dir nach eignem Maß gesteckt.
Erst: der entweihte Raum wo man sich so versündigt,
Sey alsobald zum Dienst des Höchsten angekündigt.
Behende steigt im Geist Gemäuer stark empor,
Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor,
[295] Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebäude,
Das Schiff erlängt, erhöht sich zu der Gläubigen Freude,
Sie strömen brünstig schon, durch’s würdige Portal,
Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Thal,
Von hohen Thürmen tönt’s, wie sie zum Himmel streben,
Der Büßer kommt heran, zu neugeschaffnem Leben.
Dem hohen Weihetag – er trete bald herein! –
Wird deine Gegenwart die höchste Zierde seyn.
Mag ein so großes Werk den frommen Sinn verkünd’gen,
Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsünd’gen.
Genug! Ich fühle schon wie sich mein Sinn erhöht.
Als Canzler fördr’ ich nun Schluß und Formalität.
Ein förmlich Document, der Kirche das zu eignen,
Du legst es vor, ich will’s mit Freuden unterzeichnen.
Dann widmest du zugleich dem Werke, wie’s entsteht,
Gesammte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Beth’,
Für ewig. Viel bedarf’s zu würdiger Unterhaltung,
Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung.
Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wüsten Platz,
Reichst du uns einiges Gold aus deinem Beuteschatz.
Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,
Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen.
[296] Die Fuhren thut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt,
Die Kirche segnet den der ihr zu Diensten fährt.
Die Sünd’ ist groß und schwer womit ich mich beladen,
Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden.
Verzeih’, o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann
Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann,
Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle
Auch dort den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle.
Das Land ist noch nicht da, im Meere liegt es breit.
Wer’s Recht hat und Geduld für den kommt auch die Zeit.
Für uns mög’ Euer Wort in seinen Kräften bleiben!
So könnt’ ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.
[297]
Fünfter Act.
Offene Gegend.
Ja! sie sind’s die dunkeln Linden,
Dort, in ihres Alters Kraft.
Und ich soll sie wieder finden,
Nach so langer Wanderschaft!
Ist es doch die alte Stelle,
Jene Hütte, die mich barg,
Als die sturmerregte Welle
Mich an jene Dünen warf!
Meine Wirthe möcht’ ich segnen,
Hülfsbereit, ein wackres Paar,
Das, um heut mir zu begegnen,
Alt schon jener Tage war.
Ach! das waren fromme Leute!
Poch’ ich? ruf’ ich? – Seyd gegrüßt!
Wenn, gastfreundlich, auch noch heute
Ihr des Wohlthuns Glück genießt.
Lieber Kömmling! Leise! Leise!
Ruhe! laß den Gatten ruhn;
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Thun.
Sage, Mutter, bist du’s eben,
Meinen Dank noch zu empfahn,
Was du für des Jünglings Leben
Mit dem Gatten einst gethan?
Bist du Baucis, die, geschäftig,
Halberstorbnen Mund erquickt?
Du Philemon, der, so kräftig,
Meinen Schatz der Fluth entrückt?
Eure Flammen raschen Feuers,
Eures Glöckchens Silberlaut,
Jenes grausen Abenteuers
Lösung war euch anvertraut.
Und nun laßt hervor mich treten,
Schaun das gränzenlose Meer;
Laßt mich knieen, laßt mich beten,
Mich bedrängt die Brust so sehr.
Eile nur den Tisch zu decken,
Wo’s im Gärtchen munter blüht.
Laß ihn rennen, ihn erschrecken,
Denn er glaubt nicht was er sieht.
Das euch grimmig mißgehandelt,
Wog’ auf Woge, schäumend wild,
Seht als Garten ihr behandelt,
Seht ein paradiesisch Bild.
Aelter, war ich nicht zu Handen,
Hülfreich nicht wie sonst bereit;
Und, wie meine Kräfte schwanden,
War auch schon die Woge weit.
Kluger Herren kühne Knechte
Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte,
Herrn an seiner Statt zu seyn.
Schaue grünend Wies’ an Wiese,
Anger, Garten, Dorf und Wald.
Komm nun aber und genieße,
Denn die Sonne scheidet bald. –
Doch! im Fernsten ziehen Segel!
Suchen nächtlich sichern Port –
Kennen doch ihr Nest die Vögel –
Denn jetzt ist der Hafen dort.
[300] So erblickst du in der Weite
Erst des Meeres blauen Saum,
Rechts und links, in aller Breite,
Dichtgedrängt bewohnten Raum.
Im Gärtchen.
Bleibst du stumm? und keinen Bissen
Bringst du zum verlechzten Mund?
Möcht’ er doch vom Wunder wissen,
Sprichst so gerne, thu’s ihm kund.
Wohl! ein Wunder ist’s gewesen!
Läßt mich heut noch nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.
Kann der Kaiser sich versündigen
Der das Ufer ihm verliehn?
Thät’s ein Herold nicht verkündigen
Schmetternd im Vorüberziehn?
Nicht entfernt von unsern Dünen
Ward der erste Fuß gefaßt,
Zelte, Hütten! – Doch im Grünen,
Richtet bald sich ein Palast.
Tags umsonst die Knechte lärmten,
Hack’ und Schaufel, Schlag um Schlag,
Wo die Flämmchen nächtig schwärmten
Stand ein Damm den andern Tag.
Menschenopfer mußten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Qual,
Meerab flossen Feuergluthen,
Morgens war es ein Canal.
Gottlos ist er, ihn gelüstet
Unsre Hütte, unser Hain;
Wie er sich als Nachbar brüstet
Soll man unterthänig seyn.
Hat er uns doch angeboten
Schönes Gut im neuen Land!
Traue nicht dem Wasserboden,
Halt auf deiner Höhe Stand.
Laßt uns zur Capelle treten!
Letzten Sonnenblick zu schaun.
Laßt uns läuten, knieen, beten!
Und dem alten Gott vertraun.
[302]
Palast.
Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe
Sie ziehen munter hafenein.
Ein großer Kahn ist im Begriffe
Auf dem Canale hier zu seyn.
Die bunten Wimpel wehen fröhlich,
Die starren Masten stehn bereit,
In dir preis’t sich der Bootsmann selig,
Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit.
Verdammtes Läuten! Allzuschändlich
Verwundet’s, wie ein tückischer Schuß;
Vor Augen ist mein Reich unendlich,
Im Rücken neckt mich der Verdruß,
Erinnert mich durch neidische Laute
Mein Hochbesitz er ist nicht rein,
Der Lindenraum, die braune Baute,
Das morsche Kirchlein ist nicht mein.
Und wünscht’ ich dort mich zu erholen,
Vor fremden Schatten schaudert mir,
Ist Dorn den Augen, Dorn den Sohlen,
O! wär’ ich weit hinweg von hier!
Wie segelt froh der bunte Kahn,
Mit frischem Abendwind heran!
Wie thürmt sich sein behender Lauf
In Kisten, Kasten, Säcken auf!
So haben wir uns wohl erprobt,
Vergnügt wenn der Patron es lobt.
Nur mit zwey Schiffen ging es fort,
Mit zwanzig sind wir nun im Port.
Was große Dinge wir gethan,
Das sieht man unsrer Ladung an.
Das freie Meer befreit den Geist,
Wer weiß da was Besinnen heißt!
Da fördert nur ein rascher Griff,
Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff,
Und ist man erst der Herr zu drey
Dann hackelt man das vierte bei.
[304] Da geht es denn dem fünften schlecht,
Man hat Gewalt, so hat man Recht.
Man fragt um’s Was? und nicht um’s Wie?
Ich müßte keine Schifffahrt kennen:
Krieg, Handel und Piraterie,
Dreyeinig sind sie, nicht zu trennen.
Mit ernster Stirn, mit düsterm Blick
Vernimmst du dein erhaben Glück.
Die hohe Weisheit wird gekrönt,
Das Ufer ist dem Meer versöhnt,
Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn,
Das Meer die Schiffe willig an,
So sprich daß hier, hier vom Palast
Dein Arm die ganze Welt umfaßt.
Von dieser Stelle ging es aus,
Hier stand das erste Breterhaus,
Ein Gräbchen ward hinabgeritzt
Wo jetzt das Ruder emsig spritzt.
[306] Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß
Erwarb des Meers, der Erde Preis.
Von hier aus –
Das verfluchte hier!
Das eben leidig lastet mir.
Dir Vielgewandten muß ich’s sagen,
Mir gibt’s im Herzen Stich um Stich,
Mir ist’s unmöglich zu ertragen!
Und wie ich’s sage, schäm’ ich mich.
Die Alten droben sollten weichen,
Die Linden wünscht’ ich mir zum Sitz,
Die wenigen Bäume, nicht mein eigen,
Verderben mir den Welt-Besitz.
Dort wollt’ ich, weit umher zu schauen,
Von Ast zu Ast Gerüste bauen,
Dem Blick eröffnen weite Bahn,
Zu sehn was alles ich gethan,
Zu überschaun mit einem Blick
Des Menschengeistes Meisterstück,
Bethätigend, mit klugem Sinn,
Der Völker breiten Wohngewinn.
So sind am härtsten wir gequält:
Im Reichthum fühlend was uns fehlt.
Des Glöckchens Klang, der Linden Duft
Umfängt mich wie in Kirch’ und Gruft.
Des Allgewaltigen Willens-Kür
Bricht sich an diesem Sande hier.
[307] Wie schaff’ ich mir es vom Gemüthe!
Das Glöcklein läutet und ich wüthe.
Natürlich, daß ein Hauptverdruß
Das Leben dir vergällen muß.
Wer läugnet’s! Jedem edlen Ohr
Kommt das Geklingel widrig vor.
Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel
Umnebelnd heitern Abendhimmel,
Mischt sich in jegliches Begebniß,
Vom ersten Bad bis zum Begräbniß,
Als wäre, zwischen Bimm und Baum,
Das Leben ein verschollner Traum.
Das Widerstehn, der Eigensinn
Verkümmern herrlichsten Gewinn,
Daß man, zu tiefer, grimmiger Pein,
Ermüden muß gerecht zu seyn.
Was willst du dich denn hier geniren,
Mußt du nicht längst colonisiren?
So geht und schafft sie mir zur Seite!
Das schöne Gütchen kennst du ja,
Das ich dem Alten ausersah.
Man trägt sie fort und setzt sie nieder,
Eh’ man sich umsieht stehn sie wieder;
[308] Nach überstandener Gewalt
Versöhnt ein schöner Aufenthalt.
Kommt! Wie der Herr gebieten läßt,
Und morgen gibt ein Flottenfest.
Der alte Herr empfing uns schlecht,
Ein flottes Fest ist uns zu Recht.
Auch hier geschieht was längst geschah,
Denn Naboths Weinberg war schon da.
(Regum I. 21.)
Tiefe Nacht.
[309]
[310]
Von oben welch ein singend Wimmern?
Das Wort ist hier, der Ton zu spat,
Mein Thürmer jammert; mich, im Innern,
Verdrießt die ungeduldige That.
Doch sey der Lindenwuchs vernichtet,
Zu halbverkohlter Stämme Graun,
Ein Luginsland ist bald errichtet,
Um in’s Unendliche zu schaun.
Da seh’ ich auch die neue Wohnung,
Die jenes alte Paar umschließt,
Das, im Gefühl großmüthiger Schonung,
Der späten Tage froh genießt.
Da kommen wir mit vollem Trab,
Verzeiht! es ging nicht gütlich ab.
Wir klopften an, wir pochten an,
Und immer ward nicht aufgethan;
Wir rüttelten, wir pochten fort,
Da lag die morsche Thüre dort;
Wir riefen laut und drohten schwer,
Allein wir fanden kein Gehör.
Und wie’s in solchem Fall geschicht,
Sie hörten nicht, sie wollten nicht,
Wir aber haben nicht gesäumt
Behende dir sie weggeräumt.
Das Paar hat sich nicht viel gequält,
Vor Schrecken fielen sie entseelt.
Ein Fremder, der sich dort versteckt,
Und fechten wollte, ward gestreckt,
In wilden Kampfes kurzer Zeit,
Von Kohlen, rings umher gestreut,
Entflammte Stroh. Nun lodert’s frei,
Als Scheiterhaufen dieser drey.
War’t ihr für meine Worte taub!
Tausch wollt’ ich, wollte keinen Raub.
Dem unbesonnenen wilden Streich
Ihm fluch’ ich! theilt es unter euch.
Das alte Wort, das Wort erschallt:
Gehorche willig der Gewalt!
[312] Und bist du kühn, und hältst du Stich,
So wage Haus und Hof und – Dich.
Die Sterne bergen Blick und Schein,
Das Feuer sinkt und lodert klein;
Ein Schauerwindchen fächelt’s an,
Bringt Rauch und Dunst zu mir heran.
Geboten schnell, zu schnell gethan! –
Was schwebet schattenhaft heran?
Mitternacht.
Ich heiße der Mangel.
Ich heiße die Schuld.
Ich heiße die Sorge.
Ich heiße die Noth.
Die Thür ist verschlossen wir können nicht ein,
Drinn wohnet ein Reicher wir mögen nicht ’nein.
Da werd’ ich zum Schatten.
[313]Da werd’ ich zu nicht.
Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht.
Ihr Schwestern ihr könnt nicht und dürft nicht hinein.
Die Sorge sie schleicht sich durch’s Schlüsselloch ein.
Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier.
Ganz nah an der Seite verbind’ ich mich dir.
Ganz nah an der Ferse begleitet die Noth.
Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!
Dahinten, dahinten! von ferne von ferne,
Da kommt er, der Bruder, da kommt er der – – – – – Tod.
Vier sah ich kommen, drey nur gehn,
Den Sinn der Rede konnt’ ich nicht verstehn.
Es klang so nach als hieß es – Noth,
Ein düstres Reimwort folgte – Tod.
Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
Noch hab’ ich mich in’s Freie nicht gekämpft.
Könnt’ ich Magie von meinem Pfad entfernen,
Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen,
[314] Stünd’ ich, Natur! vor dir ein Mann allein,
Da wär’s der Mühe werth ein Mensch zu seyn.
Das war ich sonst, eh’ ich’s im Düstern suchte,
Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.
Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll
Daß niemand weiß wie er ihn meiden soll.
Wenn auch Ein Tag uns klar vernünftig lacht,
In Traumgespinnst verwickelt uns die Nacht;
Wir kehren froh von junger Flur zurück,
Ein Vogel krächzt, was krächzt er? Mißgeschick.
Von Aberglauben früh und spat umgarnt.
Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt.
Und so verschüchtert, stehen wir allein;
Die Pforte knarrt und niemand kommt herein.
Ist jemand hier?
Die Frage fordert Ja!
Und du, wer bist denn du?
Bin einmal da.
Entferne dich!
Ich bin am rechten Ort.
[315]Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort.
Hast du die Sorge nie gekannt? –
Ich bin nur durch die Welt gerannt;
Ein jed’ Gelüst ergriff ich bei den Haaren,
Was nicht genügte ließ ich fahren,
Was mir entwischte ließ ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht,
Und abermals gewünscht, und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig;
Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
Der Erdenkreis ist mir genug bekannt.
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
Thor! wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seines gleichen dichtet!
Er stehe fest und sehe hier sich um;
Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.
Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!
Was er erkennt läßt sich ergreifen.
[316] Er wandle so den Erdentag entlang;
Wenn Geister spuken geh’ er seinen Gang;
Im Weiterschreiten find’ er Qual und Glück,
Er! unbefriedigt jeden Augenblick.
Hör’ auf! so kommst du mir nicht bei!
Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
Fahr’ hin! die schlechte Litaney
Sie könnte selbst den klügsten Mann bethören.
[317]
Unselige Gespenster! so behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.
Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen.
Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen,
Allein im Innern leuchtet helles Licht;
Was ich gedacht ich eil’ es zu vollbringen;
Des Herren Wort es gibt allein Gewicht.
Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!
Laßt glücklich schauen was ich kühn ersann.
Ergreift das Werkzeug, Schaufel rührt und Spaten!
Das Abgesteckte muß sogleich gerathen.
Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß,
Erfolgt der allerschönste Preis;
Daß sich das größte Werk vollende
Genügt Ein Geist für tausend Hände.
Großer Vorhof des Palasts.
[319]
Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
Verfahret nur nach eignen Maßen;
Der Längste lege längelang sich hin,
Ihr andern lüftet rings umher den Rasen;
Wie man’s für unsre Väter that,
Vertieft ein längliches Quadrat!
Aus dem Palast in’s enge Haus,
So dumm läuft es am Ende doch hinaus.
Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt!
Es ist die Menge, die mir fröhnet,
Die Erde mit sich selbst versöhnet,
Den Wellen ihre Gränze setzt,
Das Meer mit strengem Band umzieht.
Du bist doch nur für uns bemüht
Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen;
Denn du bereitest schon Neptunen,
Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
In jeder Art seyd ihr verloren; –
Die Elemente sind mit uns verschworen,
Und auf Vernichtung läuft’s hinaus.
Aufseher!
Hier!
Wie es auch möglich sey
Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge,
Ermuntre durch Genuß und Strenge,
Bezahle, locke, [presse] bei!
Mit jedem Tage will ich Nachricht haben
Wie sich verlängt der unternomm’ne Graben.
Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
Von keinem Graben, doch vom – Grab.
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungne;
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das Letzte wär’ das Höchsterrungne.
Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar doch thätig-frei zu wohnen.
[321] Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Heerde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Fluth bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Aeonen untergehn. –
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick.
Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,
So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
Den letzten, schlechten, leeren Augenblick
Der Arme wünscht ihn fest zu halten.
[322] Der mir so kräftig widerstand,
Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.
Die Uhr steht still –
Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht.
Der Zeiger fällt.
Er fällt, es ist vollbracht.
Es ist vorbei.
Vorbei! ein dummes Wort.
Warum vorbei?
Vorbei und reines Nichts, vollkommnes Einerlei!
Was soll uns denn das ew’ge Schaffen!
Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!
„Da ist’s vorbei!“ Was ist daran zu lesen?
Es ist so gut als wär’ es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis als wenn es wäre.
Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.
Grablegung.
Der Körper liegt und will der Geist entfliehn,
Ich zeig’ ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; –
Doch leider hat man jetzt so viele Mittel
Dem Teufel Seelen zu entziehn.
Auf altem Wege stößt man an,
Auf neuem sind wir nicht empfohlen;
Sonst hätt’ ich es allein gethan,
Jetzt muß ich Helfershelfer holen.
Uns geht’s in allen Dingen schlecht!
Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht,
Man kann auf gar nichts mehr vertrauen.
Sonst mit dem letzten Athem fuhr sie aus,
Ich paßt’ ihr auf und, wie die schnellste Maus,
Schnapps! hielt’ ich sie in fest verschloss’nen Klauen.
Nun zaudert sie und will den düstern Ort,
Des schlechten Leichnams ekles Haus nicht lassen;
Die Elemente die sich hassen,
Die treiben sie am Ende schmählich fort.
Und wenn ich Tag und Stunden mich zerplage,
Wann? wie? und wo? das ist die leidige Frage;
[324] Der alte Tod verlor die rasche Kraft,
Das Ob? sogar ist lange zweifelhaft;
Oft sah ich lüstern auf die starren Glieder;
Es war nur Schein, das rührte, das regte sich wieder.
Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt,
Ihr Herrn vom graden, Herrn vom krummen Horne,
Vom alten Teufelsschrot und Korne
Bringt ihr zugleich den Höllenrachen mit.
Zwar hat die Hölle Rachen viele! viele!
Nach Standsgebühr und Würden schlingt sie ein;
Doch wird man auch bei diesem letzten Spiele
Ins künftige nicht so bedenklich seyn.
Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes
Entquillt der Feuerstrom in Wuth,
Und in dem Siedequalm des Hintergrundes
Seh’ ich die Flammenstadt in ewiger Gluth.
Die rothe Brandung schlägt hervor bis an die Zähne,
Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an;
Doch kolossal zerknirscht sie die Hyäne
Und sie erneuen ängstlich heiße Bahn.
In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken,
So viel Erschrecklichstes im engsten Raum!
Ihr thut sehr wohl die Sünder zu erschrecken,
Sie halten’s doch für Lug und Trug und Traum.
[325]
Nun wanstige Schuften mit den Feuerbacken!
Ihr glüht so recht vom Höllenschwefel feist;
Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken!
Hier unten lauert ob’s wie Phosphor gleißt:
Das ist das Seelchen, Psyche mit den Flügeln,
Die rupft ihr aus, so ist’s ein garstiger Wurm;
Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln,
Dann fort mit ihr im Feuer-Wirbel-Sturm.
Paßt auf die niedern Regionen,
Ihr Schläuche, das ist eure Pflicht;
Ob’s ihr beliebte da zu wohnen,
So accurat weiß man das nicht.
Im Nabel ist sie gern zu Haus,
Nehmt es in Acht sie wischt euch dort heraus.
Ihr Firlefanze, flügelmännische Riesen!
Greift in die Luft, versucht euch ohne Rast;
Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen,
Daß ihr die Flatternde, die Flüchtige faßt.
Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus,
Und das Genie es will gleich obenaus.
[326]
Mißtöne hör’ ich, garstiges Geklimper,
Von oben kommt’s mit unwillkommnem Tag;
Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
Wie frömmelnder Geschmack sich’s lieben mag.
Ihr wißt wie wir, in tiefverruchten Stunden,
Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht:
Das Schändlichste was wir erfunden
Ist ihrer Andacht eben recht.
Sie kommen gleißnerisch, die Laffen!
So haben sie uns manchen weggeschnappt,
Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen;
Es sind auch Teufel, doch verkappt.
Hier zu verlieren wär’ euch ew’ge Schande;
An’s Grab heran und haltet fest am Rande!
[327]
Was duckt und zuckt ihr? ist das Höllenbrauch?
So haltet Stand und laßt sie streuen.
An seinen Platz ein jeder Gauch!
Sie denken wohl mit solchen Blümeleyen
Die heißen Teufel einzuschneien;
Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch.
Nun pustet, Püstriche! – Genug genug!
Vor eurem Broden bleicht der ganze Flug. –
Nicht so gewaltsam! schließet Maul und Nasen!
Fürwahr, ihr habt zu stark geblasen.
Daß ihr doch nie die rechten Maße kennt!
Das schrumpft nicht nur, es bräunt sich dort, es brennt!
Schon schwebt’s heran mit giftig klaren Flammen,
Stemmt euch dagegen, drängt euch fest zusammen! –
Die Kraft erlischt! dahin ist aller Muth!
Die Teufel wittern fremde Schmeichelgluth.
[328]
O Fluch! o Schande solchen Tröpfen!
Satane stehen auf den Köpfen,
Die Plumpen schlagen Rad auf Rad
Und stürzen ärschlings in die Hölle.
Gesegn’ euch das verdiente heiße Bad!
Ich aber bleib’ auf meiner Stelle. –
Irrlichter fort! du! leuchte noch so stark,
Du bleibst gehascht ein ekler Gallert-Quark.
Was flatterst du? Willst du dich packen! –
Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.
Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt,
Ein überteuflisch Element!
Weit spitziger als Höllenfeuer!
Drum jammert ihr so ungeheuer,
Unglückliche Verliebte! die verschmäht,
Verdrehten Halses nach der Liebsten späht.
Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite?
Bin ich mit ihr doch im geschwornen Streite!
Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf.
Hat mich ein Fremdes durch und durchgedrungen?
Ich mag sie gerne sehn die allerliebsten Jungen;
Was hält mich ab, daß ich nicht fluchen darf? –
Und wenn ich mich bethören lasse,
Wer heißt denn künftighin der Thor? –
Die Wetterbuben, die ich hasse,
Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor! –
Ihr schönen Kinder laßt mich wissen:
Seyd ihr nicht auch von Lucifers Geschlecht?
Ihr seyd so hübsch, fürwahr ich möcht’ euch küssen,
Mir ist’s als kommt ihr eben recht.
Es ist mir so behaglich, so natürlich,
Als hätt’ ich euch schon tausendmal gesehn;
So heimlich-kätzchenhaft begierlich;
Mit jedem Blick auf’s neue schöner schön.
O nähert euch, o gönnt mir Einen Blick!
Wir kommen schon, warum weichst du zurück?
Wir nähern uns und wenn du kannst so bleib.
Ihr scheltet uns verdammte Geister,
Und seyd die wahren Hexenmeister;
Denn ihr verführet Mann und Weib. –
Welch ein verfluchtes Abenteuer!
Ist dieß das Liebeselement?
Der ganze Körper steht in Feuer,
Ich fühle kaum daß es im Nacken brennt. –
Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder,
Ein bißchen weltlicher bewegt die holden Glieder;
Fürwahr der Ernst steht euch recht schön!
Doch möcht’ ich euch nur einmal lächeln sehn;
Das wäre mir ein ewiges Entzücken.
Ich meine so, wie wenn Verliebte blicken,
Ein kleiner Zug am Mund so ist’s gethan.
Dich langer Bursche, dich mag ich am liebsten leiden,
Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,
So sieh’ mich doch ein wenig lüstern an!
Auch könntet ihr anständig-nackter gehen,
Das lange Faltenhemd ist übersittlich –
Sie wenden sich – Von hinten anzusehen! –
Die Racker sind doch gar zu appetitlich! –
Wie wird mir! – Hiobsartig, Beul’ an Beule
Der ganze Kerl, dem’s vor sich selber graut,
Und triumphirt zugleich wenn er sich ganz durchschaut,
Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut:
Gerettet sind die edlen Teufelstheile,
Der Liebespuk er wirft sich auf die Haut;
Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen,
Und, wie es sich gehört, fluch ich euch allzusammen!
Doch wie? – wo sind sie hingezogen?
Unmündiges Volk du hast mich überrascht,
Sind mit der Beute himmelwärts entflogen;
Drum haben sie an dieser Gruft genascht!
Mir ist ein großer einziger Schatz entwendet,
Die hohe Seele die sich mir verpfändet
Die haben sie mir pfiffig weggepascht.
Bei wem soll ich mich nun beklagen?
Wer schafft mir mein erworbnes Recht?
Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,
Du hast’s verdient, es geht dir grimmig schlecht.
Ich habe schimpflich mißgehandelt,
Ein großer Aufwand, schmählich! ist verthan,
Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt
Den ausgepichten Teufel an.
Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding
Der Klugerfahrne sich beschäftigt,
So ist fürwahr die Thorheit nicht gering
Die seiner sich am Schluß bemächtigt.
[333]
Bergschluchten, Wald, Fels, Einöde.
Waldung, sie schwankt heran,
Felsen, sie lasten dran,
Wurzeln sie klammern an,
Stamm dicht an Stamm hinan;
Woge nach Woge spritzt,
Höhle die tiefste schützt;
Löwen sie schleichen stumm-
Freundlich um uns herum,
Ehren geweihten Ort
Heiligen Liebeshort.
Ewiger Wonnebrand,
Glühendes Liebeband,
Siedender Schmerz der Brust,
Schäumende Gottes Lust.
Pfeile durchdringet mich,
Lanzen bezwinget mich,
Keulen zerschmettert mich,
Blitze durchwettert mich;
Daß ja das Nichtige,
Alles verflüchtige,
[334]Glänze der Dauerstern
Ewiger Liebe Kern.
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums der Fluth,
Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,
Der Stamm sich in die Lüfte trägt:
So ist es die allmächtige Liebe
Die alles bildet, alles hegt.
Ist um mich her ein wildes Brausen
Als wogte Wald und Felsengrund!
Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen gleich das Thal zu wässern;
Der Blitz, der flammend niederschlug
Die Atmosphäre zu verbessern,
Die Gift und Dunst im Busen trug,
Sind Liebesboten, sie verkünden
Was ewig schaffend uns umwallt.
Mein Innres mög’ es auch entzünden
Wo sich der Geist, verworren, kalt,
Verquält in stumpfer Sinne Schranken,
Scharfangeschloss’nem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken,
Erleuchte mein bedürftig Herz.
Welch ein Morgenwölkchen schwebet
Durch der Tannen schwankend Haar!
Ahn’ ich was im Innern lebet?
Es ist junge Geisterschaar.
Sag’ uns, Vater, wo wir wallen,
Sag’ uns, Guter, wer wir sind?
Glücklich sind wir, allen allen
Ist das Daseyn so gelind.
Knaben! Mitternachts Geborne,
Halb erschlossen Geist und Sinn,
Für die Eltern gleich Verlorne,
Für die Engel zum Gewinn.
Daß ein Liebender zugegen
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
Doch von schroffen Erdewegen
Glückliche! habt ihr keine Spur.
Steigt herab in meiner Augen
Welt- und erdgemäß Organ,
Könnt sie als die euern brauchen,
Schaut euch diese Gegend an.
Das sind Bäume, das sind [Felsen],
Wasserstrom, der abestürzt
Und mit ungeheurem Wälzen
Sich den steilen Weg verkürzt.
Das ist mächtig anzuschauen;
Doch zu düster ist der Ort,
Schüttelt uns mit Schreck und Grauen.
Edler, Guter, laß uns fort!
Steigt hinan zu höhrem Kreise,
Wachset immer unvermerkt,
Wie, nach ewig reiner Weise,
Gottes Gegenwart verstärkt.
Denn das ist der Geister Nahrung
Die im freisten Aether waltet:
Ewigen Liebens Offenbarung
Die zur Seligkeit entfaltet.
Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen:
Wer immer strebend sich bemüht
Den können wir erlösen;
[337] Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben Theil genommen,
Begegnet ihm die selige Schaar
Mit herzlichem Willkommen.
Jene Rosen, aus den Händen
Liebend-heiliger Büßerinnen,
Halfen uns den Sieg gewinnen,
Und das hohe Werk vollenden,
Diesen Seelenschatz erbeuten.
Böse wichen als wir streuten,
Teufel flohen als wir trafen.
Statt gewohnter Höllenstrafen
Fühlten Liebesqual die Geister;
Selbst der alte Satans-Meister
War von spitzer Pein durchdrungen.
Jauchzet auf! es ist gelungen.
Uns bleibt ein Erdenrest
Zu tragen peinlich,
Und wär’ er von Asbest
Er ist nicht reinlich.
Wenn starke Geisteskraft
Die Elemente
An sich herangerafft,
Kein Engel trennte
[338] Geeinte Zwienatur
Der innigen Beiden,
Die ewige Liebe nur
Vermag’s zu scheiden.
Nebelnd um Felsenhöh’
Spür’ ich so eben,
Regend sich in der Näh’,
Ein Geister-Leben.
Die Wölkchen werden klar,
Ich seh’ bewegte Schaar
Seliger Knaben,
Los von der Erde Druck,
Im Kreis gesellt,
Die sich erlaben
Am neuen Lenz und Schmuck
Der obern Welt.
Sey er zum Anbeginn,
Steigendem Vollgewinn,
Diesen gesellt!
Freudig empfangen wir
Diesen im Puppenstand;
Also erlangen wir
Englisches Unterpfand.
Löset die Flocken los
Die ihn umgeben,
Schon ist er schön und groß
Von heiligem Leben.
Höchste Herrscherin der Welt!
Lasse mich, im blauen,
Ausgespannten Himmelszelt
Dein Geheimniß schauen.
Billige was des Mannes Brust
Ernst und zart beweget
Und mit heiliger Liebeslust
Dir entgegen träget.
Unbezwinglich unser Muth
Wenn du hehr gebietest,
Plötzlich mildert sich die Gluth
Wie du uns befriedest.
Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
Mutter, Ehren würdig,
Uns erwählte Königin,
Göttern ebenbürtig.
Dir, der Unberührbaren,
Ist es nicht benommen
Daß die leicht Verführbaren
Traulich zu dir kommen.
In die Schwachheit hingerafft
Sind sie schwer zu retten;
Wer zerreißt aus eigner Kraft
Der Gelüste Ketten?
Wie entgleitet schnell der Fuß
Schiefem glattem Boden?
Wen bethört nicht Blick und Gruß?
Schmeichelhafter Odem?
Bei der Liebe, die den Füßen
Deines gottverklärten Sohnes
Thränen ließ zum Balsam fließen,
Trotz des Pharisäer-Hohnes;
Beim Gefäße das so reichlich
Tropfte Wohlgeruch hernieder;
Bei den Locken die so weichlich
Trockneten die heiligen Glieder –
Bei dem Bronn, zu dem schon weiland
Abram ließ die Heerde führen;
Bei dem Eimer, der dem Heiland
Kühl die Lippe durft berühren;
Bei der reinen reichen Quelle,
Die nun dorther sich ergießet,
Ueberflüssig, ewig helle,
Rings durch alle Welten fließet –
Bei dem hochgeweihten Orte,
Wo den Herrn man niederließ;
Bei dem Arm, der von der Pforte
Warnend mich zurücke stieß;
Bei der vierzigjährigen Buße,
Der ich treu in Wüsten blieb;
Bei dem seligen Scheidegruße,
Den im Sand ich niederschrieb –
Die du großen Sünderinnen
Deine Nähe nicht verweigerst,
Und ein büßendes Gewinnen
In die Ewigkeiten steigerst,
Gönn’ auch dieser guten Seele,
Die sich einmal nur vergessen,
Die nicht ahnte daß sie fehle,
Dein Verzeihen angemessen!
Vom edlen Geisterchor umgeben,
Wird sich der Neue kaum gewahr,
Er ahnet kaum das frische Leben
So gleicht er schon der heiligen Schaar.
Sieh wie er jedem Erdenbande
Der alten Hülle sich entrafft,
Und aus ätherischem Gewande
Hervortritt erste Jugendkraft!
Vergönne mir ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag.
Komm! hebe dich zu höhern Sphären,
Wenn er dich ahnet folgt er nach.
[344]
Finis.
Gedruckt: Augsburg, in der Buchdruckerey der
J.G. Cotta’schen Buchhandlung.
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CC-BY-4.0
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- TextGrid Repository (2025). Goethe, Johann Wolfgang von. Faust. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjvs.0