ELEMENTARORGANISMEN
UND IHRE
BEZIEHUNGEN ZU DEN ZELLEN.
VERLAG VON VEIT \& COMP.
1890.
ELEMENTARORGANISMEN
UND IHRE
BEZIEHUNGEN ZU DEN ZELLEN.
VERLAG VON VEIT \& COMP.
1890.
HERRN
WILHELM HIS
IN DANKBARER VEREHRUNG
GEWIDMET VOM
VERFASSER.
Vorbemerkung.
Die nachfolgenden Capitel enthalten im Wesentlichen eine
theils erweiterte, theils verkürzte Zusammenstellung derjenigen
Abhandlungen, welche bisher von mir über die Zellengranula
veröffentlicht worden sind. Indem hierzu die Beschreibung der
Methoden und die erläuternden Abbildungen kommen, dürfte
das Ganze wohl geeignet sein, den jetzigen Standpunkt der
Granulafrage zu zeigen. So unvollkommen dieser Standpunkt
auch noch sein mag, so liegt wohl immerhin schon ein ge¬
nügendes Material vor, um das Geschick jener Lehre für die
Zukunft zu sichern. Das Bewusstsein, dass uns hier die Grund¬
probleme der Biologie berühren, wird es hoffentlich herbeiführen,
dass jener Frage sachliche Mitarbeiter gewonnen werden, denn
die Kraft des Einzelnen ist zu gering, um den hier vorhandenen
Anforderungen zu genügen.
Leipzig, im October 1889.
Der Verfasser.
Inhalt.
- Seite
- I. Die Geschichte der Zellengranula1
- II. Die Methoden der Granulauntersuchung17
- III. Körner und Fäden der Zellen39
- IV. Die Leber von Rana esculenta56
- V. Die Fettumsetzungen in den Zellen76
- VI. Die Secretionserscheinungen in den Zellen97
- VII. Die Genese der Zelle123
- Erklärungen zu den Tafeln143
I
Die Geschichte der Zellengranula.1
Seitdem von Dujardin die contraktile Substanz oder Sar¬
kode entdeckt war, hat dieselbe in Bezug auf die Deutung ihres
Wesens und ihrer Verbreitung gar mannigfache Wandlungen
erfahren. Dujardin selbst nahm an, dass sie den niederen
Thieren zukomme.
Bald darauf, es sind jetzt gerade 50 Jahre her, fanden
Schleiden und Schwann, dass sich der Körper aller Pflanzen
und Thiere aus kleinen Territorien aufbaue, welche Zellen ge¬
nannt wurden; die Substanz der Zellen selbst aber wurde in
ihren wesentlichen Eigenschaften bald als übereinstimmend in
allen Organismen erkannt und für dieselbe der Ausdruck Proto¬
plasma gefunden.
Was ist Protoplasma? Hugo von Mohl, welcher diesen Aus¬
druck aufbrachte, definirt dasselbe als eine zähflüssige mit Körn¬
chen gemengte Substanz; die Körnchen können auch fehlen und
es bleibt dann eine gleichförmige durchscheinende Masse übrig. 2
Diese Definition des Protoplasmas hat ihre Geltung im
Wesentlichen bis auf den heutigen Tag behalten. So bezeich¬
nete Max Schultze3dasselbe als zähflüssig, zerlegbar in eine
glasartig durchsichtige Grundsubstanz und die zahlreich ein¬
gebetteten Körnchen; die letzteren können auch fehlen und die
homogene Grundsubstanz übrig lassen. Brücke4, indem er den
Altmann. Elementarorganismen. 1[2]Die Geschichte der Zellengranula.theoretischen Begriff der Zelle abgrenzen will, und weder Kern
noch Membran als nothwendige Bestandtheile derselben aner¬
kennt, hält für die einfachste Form der Zelle ein Klümpchen
Protoplasma, welches wohl eine molekulare Organisation be¬
sitzt, morphologisch aber nicht zerlegt worden und vielleicht
überhaupt nicht zerlegbar ist.
Diesen Anschauungen von der Structurlosigkeit des Proto¬
plasmas sind fast alle späteren Autoren, wie Kühne, Lieber¬
kühn und Andere gefolgt, ja dieselben gingen hier insofern zum
Theil noch weiter, als sie die lebendige Natur der Körnchen,
welche, wenn nicht immer, so doch meist dem Protoplasma
sichtbarlich beigemischt sind, mehr oder weniger bestimmt in
Abrede stellen. So erklärt Stricker, dass man nicht berechtigt
ist, die Körnchen überhaupt als wesentliche Bestandtheile des
Protoplasmas zu betrachten; von den neueren Botanikern,
welche sich eingehender mit dem Protoplasma beschäftigt haben,
meint Berthold1die Körnchen, oder wie sie Hanstein2nennt,
die Mikrosomen, mögen in vielen Fällen krystallinische oder
amorphe feste Ausscheidungen organischer oder unorganischer
Natur sein, in anderen wieder tröpfchenförmige Ausscheidungen
unbekannter Gemische, und Schwarz3erklärt von den Körn¬
chen, dass, soweit sie nicht Gerinnungsprodukte der Reaktion
sind, es sich bei ihnen um eine Einlagerung unlöslicher kör¬
niger Substanzen in das zähflüssige Cytoplasma handelt, welche
nur eine metaplasmatische Natur haben. Nur wenige Botaniker
haben überhaupt die Möglichkeit einer feineren Structur im
Cytoplasma erwähnt; so heisst es in Bezug hierauf in einer der
neuesten und objectivsten Erörterungen4:
„In jeder beliebigen lebenden Pflanzenzelle, in der das Cyto¬
plasma eine gewisse Mächtigkeit besitzt, beobachtet man an
demselben eine gewisse ins Gräuliche spielende Trübung, die das¬
selbe granulirt erscheinen lässt. Bei der Kleinheit der in Frage
[3]Die Geschichte der Zellengranula.kommenden Gebilde muss es jedoch zur Zeit noch zweifelhaft
bleiben, ob wir es im Cytoplasma wirklich mit Körnchen von ab¬
weichender Lichtbrechung zu thun haben, oder ob die Trübung
desselben nicht, wie Naegeli annimmt, mindestens zum grössten
Theil dadurch hervorgebracht wird, dass die gesammte Masse
des Cytoplasmas von einer grossen Menge winziger, Wasser oder
Zellsaft enthaltender Vacuolen erfüllt ist.
„Durchmustert man in Bezug hierauf die botanische Litera¬
tur, so wird man finden, dass die in dieser Richtung angestell¬
ten Beobachtungen noch gänzlich unzureichend sind, und dass
ein sicheres Urtheil über die feinere Structur des Cytoplasmas
zur Zeit noch nicht gefällt werden kann.
„Es soll jedoch mit obigen Worten keineswegs die Möglich¬
keit einer feineren Structur im Cytoplasma in Abrede gestellt
werden; es schien mir nur geboten, darauf hinzuweisen, dass
zur Zeit keine mit der nöthigen Kritik angestellten umfassen¬
den Untersuchungen über diesen Gegenstand vorliegen, und
dass es jetzt noch nicht möglich ist, in dieser Hinsicht ein
irgendwie abschliessendes Urtheil zu fällen.“
So konnte Kölliker, indem er in der neuen Ausgabe seines
Handbuches der Gewebelehre (1889) in dieser Frage weniger
als Autor denn als Referent aufzutreten bemüht ist, die herr¬
schenden Anschauungen der Botaniker sowohl wie der Zooto¬
men dahin zusammenfassen, dass das Protoplasma (S. 11) eine
gleichartige, weiche, zähflüssige Substanz sei, in welcher mei¬
stens Körnchen und andere Einschlüsse eingestreut sind; in der¬
selben können im Laufe der Entwickelung Vacuolen in verschiede¬
nen Grössen und in verschiedenen Mengen auftreten (S. 12); sind
dieselben klein, so erscheint das Protoplasma schaumig wie
spongiös, werden dieselben grösser, so bildet das Protoplasma
Netze, in dessen Maschen sich Flüssigkeit, oder Fetttropfen,
Schleimkugeln, Eiweisskörper etc. finden; indem Kölliker eine
eigentlich primäre Netzstructur des Protoplasmas, wie sie von
Anderen behauptet ist, nicht anzuerkennen scheint, erklärt er
Fasern- und Fibrillenbildungen als wichtige Einzelheiten des
protoplasmatischen Baues (S. 13).
Nach diesen herrschenden Anschauungen hat also das Proto¬
plasma seine morphologische Individualisirung in der Form der
1*[4]Die Geschichte der Zellengranula. Zelle gefunden. Die Zelle ist danach, da das Protoplasma
selbst nicht zerlegt werden kann, die morphologische Einheit
der lebenden Materie, in deren Raum sich dieselbe, sei es als
zusammenhängende Masse, sei es durch Lücken unterbrochen,
ausbreitet; die Zelle ist der Elementarorganismus, der von ver¬
schiedener Grösse und verschiedenem Inhalt sein kann, aber
als wesentliche Substanz das homogene, gleichartige, glasartig
durchsichtige, zähflüssige Protoplasma enthält.
Gegenüber diesen herrschenden Anschauungen von der
Gleichartigkeit des Protoplasmas giebt es eine noch ältere
zweite Richtung von Bestrebungen, welche neben der anderen
bisher nicht hat zur Geltung kommen können, und welche im
Protoplasma noch eine weitere morphologische Zusammensetzung
aus körperlichen Elementartheilen sucht, die dann selbst ihre
lebendigen Fähigkeiten auf Grund einer molekularen Organi¬
sation entfalten mögen. Diese Bestrebungen drücken sich theils
in Form von Wünschen und Vermuthungen, theils in Form von
bestimmt geäusserten Anschauungen aus.
So sagt Brücke in seiner citirten Abhandlung: „Ich nenne
die Zellen Elementarorganismen, wie wir die Körper, welche
bis jetzt chemisch nicht zerlegt worden sind, Elemente nennen.
So wenig die Unzerlegbarkeit dieser bewiesen ist, so wenig
können wir die Möglichkeit in Abrede stellen, dass nicht viel¬
leicht die Zellen selbst noch wiederum aus anderen, noch kleine¬
ren Organismen zusammengesetzt sind, welche zu ihnen in
einem ähnlichen Verhältniss stehen, wie die Zellen zum Ge¬
sammtorganismus, aber wir haben bis jetzt keinen Grund, dieses
anzunehmen.“
Aehnlich drückt sich Kölliker1aus, indem er sagt: Wenn
Bichat die Histologie durch die Aufstellung einer einheitlichen
Grundlage und die scharfe Durchführung derselben mehr im
Allgemeinen begründete, so hat Schwann durch seine Unter¬
suchungen dieselbe im Einzelnen gesichert und sich so den
zweiten Lorbeer in diesem Felde errungen. Was die Wissen¬
schaft seit Schwann bis auf unsere Tage noch leistete, war
[5]Die Geschichte der Zellengranula. zwar von der grössten Bedeutung für die Physiologie und
Medicin und zum Theil auch vom rein wissenschaftlichen Stand¬
punkte aus von hohem Werthe, allein Alles dieses war doch nicht
der Art, dass es um einen namhaften Schritt weiter zu einem
neuen Abschnitt geführt hätte. Dieser Stand der Gewebelehre
wird so lange dauern, als es nicht gelingt, um ein Wesentliches
weiter in die Tiefe des Baues der lebenden Wesen zu schauen
und auch die Elemente zu erfassen, aus denen das, was wir
jetzt noch für einfach halten, zusammengesetzt ist.
„Sollte das aber je möglich werden, dann würde auch für
die Histologie eine neue Zeit beginnen, und die Entdeckung des
Gesetzes der Zellengenese würde ebenso oder noch mehr Be¬
deutung gewinnen, als die Lehre von der Zusammensetzung
aller thierischen Gewebe aus Zellen.“
Wir stellen die Aeusserungen dieser beiden Autoren hier
voran, weil sie in einfachster Weise den Standpunkt charakte¬
risiren, auf welchen bis in unsere Tage die Lehre von den
organisirten Formelementen gestanden hat. Es hat weder vor
noch nach diesen Aeusserungen an Bemühungen gefehlt, der
Frage von den wirklichen Elementarorganismen näher zu treten,
aber alle diese Bemühungen haben keinen Erfolg gehabt, weil
sie mehr auf hypothetischen Anschauungen, als auf gefundenen
Thatsachen beruhten.
Die Lehre von den Elementarorganismen ist in ihrer primi¬
tiven Form weit älter als die Zellenlehre selbst; es ist aber für
den heutigen Biologen oft schwierig, sich in jene älteren Ideen
hineinzudenken, und muss dieses jedenfalls mit Berücksichtigung
aller jener Unterschiede geschehen, welche die Hilfsmittel der
neueren Zeit vor denen der älteren auszeichnen. Darum thun
wir vielleicht gut, folgende Worte Virchow's 1zu citiren, welcher,
indem er selbst den Uebergang zur neueren Zeit mit erlebte
und mit begründete, die Anschauungen jener älteren in folgen¬
der Weise schildert:
„Noch in den Elementa physiologiae von Haller findet man
an die Spitze des ganzen Werkes, wo von den Elementen des
Körpers gehandelt wird, die Faser gestellt. Haller braucht da¬
[6]Die Geschichte der Zellengranula.bei den charakteristischen Ausdruck, dass die Faser für die
Physiologen das sei, was die Linie für den Geometer.
„Im Laufe des letzten Jahrzehntes vom vorigen Jahrhundert
begann indess schon eine gewisse Reaction gegen diese Faser¬
lehre und in der Schule der Naturphilosophen kam frühzeitig
ein anderes Element zu Ehren, das aber in einer viel mehr
speculativen Weise begründet wurde, nämlich das Kügelchen.
Während die Einen immer noch an der Faser festhielten, so
glaubten Andere, wie in der späteren Zeit noch Milne Edwards,
so weit gehen zu dürfen, auch die Faser wieder aus linear
aufgereihten Kügelchen zusammengesetzt zu denken. Diese Auf¬
fassung ist zum Theil hervorgegangen aus optischen Täuschungen
bei der mikroskopischen Beobachtung. Die schlechte Methode,
welche während des ganzen vorigen Jahrhunderts und eines
Theiles des gegenwärtigen bestand, dass man mit mässigen In¬
strumenten im vollen Sonnenlicht beobachtete, brachte fast in
allen mikroskopischen Objecten eine gewisse Dispersion des
Lichtes und der Beobachter bekam den Eindruck, als sähe er
weiter nichts als Kügelchen. Andererseits entsprach aber auch
diese Anschauung den naturphilosophischen Vorstellungen von
der ersten Entstehung alles Geformten.
„Diese Kügelchen (Körnchen, Granula, Moleküle) haben
sich sonderbarer Weise bis in die moderne Histologie hinein
erhalten und es gab bis vor Kurzem wenige histologische Werke,
welche nicht mit den Elementarkörnchen anfingen. Hier und
da sind noch vor nicht langer Zeit diese Ansichten von der
Kugelnatur der Elementartheilchen so überwiegend gewesen,
dass auf sie die Zusammensetzung, sowohl der ersten Gewebe
im Embryo, als auch der späteren begründet wurde. Man
dachte sich, dass eine Zelle in der Weise entstände, dass die
Kügelchen sich sphärisch zur Membran ordneten, innerhalb
deren sich andere Kügelchen als Inhalt erhielten. Noch von
Baumgärtner und Arnold ist in diesem Sinne gegen die Zellen¬
theorie gekämpft worden.
„In einer gewissen Weise hat diese Auffassung in der Ent¬
wickelungsgeschichte eine Stütze gefunden, in der sogenannten
Umhüllungstheorie (Henle). Danach dachte man sich, dass,
während ursprünglich eine Menge von Elementarkügelchen zer¬
[7]Die Geschichte der Zellengranula. streut vorhanden wären, diese sich unter bestimmten Verhält¬
nissen zusammenlagerten, nicht in Form sphärischer Membranen,
sondern zu einem compakten Haufen, einer Kugel (Klümpchen)
und dass diese Kugel der Ausgangspunkt der weiteren Bildung
werde, indem durch Differenzirung der Masse, durch Apposition
oder Intussusception aussen eine Membran, innen ein Kern ent¬
stehe.
„Gegenwärtig kann man weder die Faser noch das Kügel¬
chen oder Elementarkörnchen als einen histologischen Ausgangs¬
punkt betrachten.“
Diese älteren Anschauungen nun, wie sie hier von Virchow
so trefflich wiedergegeben werden, sind von einzelnen Autoren
bis in die neueste Zeit hinein mit grossem Eifer verfochten
worden, insbesondere von Béchamp und Estor. Beide Autoren,
indem sie meist gemeinschaftlich ihre Anschauungen äusserten,
stehen ganz auf dem Boden der alten Umhüllungstheorie. Auch
nach ihnen soll die Zelle entstehen indem die Elementarkörn¬
chen, welche sie Mykrozymas nennen, sich zusammenlegen
und durch Differenzirung ihrer Masse sich zu Zellen um¬
bilden. Henle mit seiner Umhüllungstheorie gilt ihnen daher
als diejenige Autorität, an deren Aeusserungen sie vorzugs¬
weise gerne anknüpfen, und um so lieber, als sie selbst,
wie es scheint, nicht Morphologen sind. Neu ist bei ihnen
noch die zweite Idee, welche vorzugsweise ihr persönliches
Interesse in Anspruch nimmt, dass dieselben Kügelchen durch
Zerfall der Zelle wieder frei werden können und so Bacterien
bilden.
Alle ernsten Bemühungen unserer Zeit haben aber in bei¬
den Fällen zum entgegengesetzten Resultat geführt. Der Lehr¬
satz Virchow's, omnis cellula e cellula, welcher der Umhül¬
lungstheorie gegenübersteht, ist heute mehr denn je anerkannt,
nicht auf Grund von Hypothesen, sondern auf Grund jener That¬
sachen, wie sie insbesondere durch die Erscheinungen der Karyo¬
kinese sichergestellt worden sind, und die Integrität der Ab¬
stammung der Spaltpilze, wie sie von den Versuchen Pasteur's
ihren wesentlichen Ausgang genommen hat, ist bis jetzt durch
die weiteren Beobachtungen immer mehr begründet, nicht negirt
worden; auch die nicht minder verfehlten Bemühungen Wie¬
[8]Die Geschichte des Zellengranula.Gandt's1, welcher von seinem Standpunkte als Botaniker eben¬
falls eine Anamorphose des Protoplasmas zu Bacterien behauptet,
haben hieran nichts zu ändern vermocht. Die Opposition gegen
Virchow und Pasteur ist aber überall dasjenige Moment,
welches in den Auslassungen jener beiden Autoren insbeson¬
dere hervortritt. Diese Opposition hätte trotz ihres verfehlten
Charakters ihren Nutzen gehabt, wenn es jenen Autoren ge¬
lungen wäre, die Elemente der Zelle zu sehen und zu demon¬
striren. Sie haben aber nicht mehr, vielleicht weniger gesehen,
als die anderen Mikroskopiker vor ihnen auch. Es bleibt da¬
her an ihnen nichts Anderes anzuerkennen, als die Begeiste¬
rung, mit welcher sie die alten Ideen von den Elementarkörn¬
chen verfochten haben. 2
Trotzdem scheint es, als wenn die alte Lehre von
den Elementarkörnchen ihre Berechtigung hat. Die
Zellen sind nicht Elementarorganismen, sondern Colo¬
nien von solchen mit eigenartigen Gesetzen der Coloni¬
sation; 3die Zellen entstehen aber nicht durch das Zu¬
sammentreten der Kügelchen, sondern sie sind daraus
in jenen geschichtlichen Perioden entstanden, die den
mikroskopischen Elementen gerade so eigen sind, wie
den groben Formen der Lebewesen auch; die Elemen¬
[9]Die Geschichte der Zellengranula.tarkörnchen der Zellen, welche noch heute ihre ana¬
logen Vertreter in den Mikroorganismen haben und
welche seit jenen Perioden in den Zellen existiren, ver¬
mögen nicht mehr selbstständige Lebewesen zu werden.
Beide Richtungen nun, sowohl diejenige, welche die Gleich¬
artigkeit des Protoplasmas betont, als auch diejenige, welche
die Elementarkörnchen als die Grundelemente der lebenden
Materie betrachtet, haben in der Art, wie sie bisher vertreten
worden sind, ihre Fehler aufzuweisen. Im ersten Falle leugnete
man Dinge, weil man sie nicht sah, im anderen behauptete man
Dinge, obwohl man sie nicht sah, zu Beidem hatte man kein
Recht.
Jene Anschauung von der Gleichartigkeit des Protoplasmas
stützt sich zum grössten Theil auf Beobachtungen, welche, an
bestimmten lebenden Objecten angestellt, seiner Zeit grundlegend
für die Betrachtung des Protoplasmas als Ganzes waren, nie¬
mals aber für die analytische Betrachtung desselben mass¬
gebend sein und bleiben durften. Die sich bewegenden Plasma¬
ströme der Pflanzenzellen, die Bewegungserscheinungen an den
Rhizopoden, Myxomyceten, die lebenden Leukocyten des Blutes
waren es, von welchen her allgemeine Folgerungen über den
Bau des Protoplasmas hergeleitet wurden und besonders von
Seiten der Botaniker noch heute hergeleitet werden.
Die lebenden Objecte haben für den Beobachter gewiss
etwas ausserordentlich Fesselndes und Niemand wird den Werth
solcher Beobachtungen leugnen, oder nur herabzusetzen suchen;
will man jedoch den Bau des Protoplasmas sehen, so findet
man in ihnen nur selten einen sicheren Anhalt. Man sieht
eben, wie dieses v. Mohl, Schultze, Kühne1, Lieberkühn2und
viele Andere in oft klassischer Weise beschrieben haben, das
schöne Spiel der in und mit der hellen Grundsubstanz strömen¬
den Körnchen; man sieht oft die peripheren Theile frei von
diesen; bald ist es Vergrösserung, bald Verkleinerung der ein¬
zelnen Theile, bald Trennung, bald Verschmelzung derselben,
welche uns entgegentreten, und vieles Geistvolle ist darüber zu
[10]Die Geschichte der Zellengranula sagen und gesagt worden. Warum aber diese selben Objecte,
welche nach der einen Seite hin so wunderbare Schönheiten
offenbaren, auch anderweitig massgebend sein sollen, das ist
nicht einzusehen.
Es scheint, als wenn für das Studium des protoplasmati¬
schen Baues zwei Grundsätze massgebend sein müssen: die An¬
wendung der künstlichen Methoden, welche uns weiter in die
Tiefe jenes Baues hineinzuführen vermögen, als die natürlichen
Beobachtungen, und die Wahl geeigneter Objecte, deren Ele¬
mente sich durch ihre Deutlichkeit auszeichnen. Wenn man aus
unpassenden Objecten mit unpassenden Methoden allgemeine
Folgerungen herleiten will, so weiss man eben nicht, was
feinere mikroskopische Analyse bedeutet; es ist hier eine der
alltäglichsten Erfahrungen, dass Dinge, welche vorhanden sind,
wegen ihrer Kleinheit oder aus anderen Gründen nicht gesehen
werden, und je weiter die Erfahrungen in der feineren mikro¬
skopischen Analyse reichen, desto mehr kommt man zu der
Ansicht, dass das, was wir von den morphologischen Elementen
sehen, nur ein Bruchtheil ist von dem, was wir nicht sehen.
Der Mikrologe ist selten in der Lage, gegenüber diesen noch
nicht gesehenen Dingen mit vorgefasstem Willen einen Erfolg
zu erreichen; seine Kunst besteht darin, den Dingen geduldig
nachzugehen und ihnen ihre Eigenheiten abzulauschen, wo und
wie er sie erreichen kann; wer hier an Andere unberechtigte
Forderungen macht, der stellt sich auf den Standpunkt des¬
jenigen, der nicht gelernt hat, sein eigenes Können und das der
Anderen abzuwägen.
Die lebenden Objecte haben zunächst den grossen Nach¬
theil, dass die Sichtbarkeit der Elemente von mancherlei Zu¬
fälligkeiten abhängt; es bedarf nur eines annähernden Ausgleichs
der Brechungsunterschiede, um selbst solche Elemente unsicht¬
bar zu machen, die wegen ihrer Grösse sonst bequem der Be¬
obachtung zugänglich wären. Die künstlichen Methoden sind
von solchen Zufälligkeiten im hohen Grade unabhängig, und es
liegt nur in unserem Können, wie intensiv wir die Differenzen der
Sichtbarkeit erzeugen. Da die Grösse der hier in Betracht kom¬
menden Elemente oft unterhalb und oft an der Leistungsgrenze
der Mikroskope liegt, so müssen wir um so mehr bemüht sein,
[11]Die Geschichte der Zellengranula. die Kräfte derselben bis zum Extrem auszunützen; das können
wir aber, wie dem Einsichtigen leicht klar sein wird, an den
natürlichen Objecten nicht durchführen.
Sowohl für die natürliche, als auch für die künstliche Be¬
arbeitung jedoch werden wir nicht beliebige Objecte wählen,
sondern diejenigen bevorzugen, wo die Grösse und Art der
Elemente die Beobachtung erleichtert, und je leichter und
sicherer diese Beobachtung ist, desto willkommener muss uns
ein solches Object sein. Unter den vielen Objecten zeichnen
sich die echten Pigmentzellen dadurch aus, dass sie bereits ohne
Kunsteingriffe beobachtet werden können; wenn sie uns so direct
einen Einblick in ihr Inneres gestatten, so müssen sie uns mass¬
gebender sein, als alle farblosen Zellen, die dieses nicht thun.
Wenn die Muskelfaser uns bei geringer Mühewaltung den Bau
des Protoplasmas in deutlichen Formen darbietet, so wird sie
uns das Prototyp des protoplasmatischen Baues sein und nicht
die Sarkode, an welcher wir nichts sehen; wir werden, wenn es
uns gelingt, in anderen Zellen analoge Verhältnisse aufzudecken,
dann mehr Recht haben, aus den Pigmentzellen und Muskel¬
fasern allgemeinere Folgerungen zu ziehen, als Diejenigen, welche
dieses von der Sarkode her gethan haben, denn positive Beob¬
achtungen beweisen, nicht negative. Wer dann ein Interesse
daran hat, zu wissen, ob die Sarkode eine Structur hat oder
nicht, der mag sich doch darum bemühen; will er alsdann be¬
haupten, dass sie structurlos sei, dann hat er es zu beweisen,
nicht ein Anderer; ohne diesen Beweis aber allgemeine Folge¬
rungen zu ziehen, ist gewiss verfehlt.
Wenn die Botaniker, welche weder Pigmentzellen noch
Muskelfasern haben, bei der alten Mohl'schen Definition noch
bis heute stehen geblieben sind, so ist das nicht zu verwundern;
dem Zootomen aber müssten jene günstigen Objecte doch wohl
der Ausgangspunkt sein, von welchem aus er sich bemühen
konnte, weiter zu kommen, statt einfach den Inhalt der Muskel¬
fasern auf eine Ablagerung der quergestreiften Elemente, und
den der Pigmentzellen auf eine Absetzung von neuen Stoffen
in unlöslicher Form zurückzuführen (Kölliker). 1Sehen wir von
[12]Die Geschichte der Zellengranula. denjenigen Fällen ab, wo es sich um regellose resp. krystalli¬
nische Niederschläge pigmentirter Stoffe in den Zellen handelt,
so sind mancherlei Gründe vorhanden, sowohl die Körnchen der
echten Pigmentzellen, als auch die Elemente der Muskelfasern
für organisirte Gebilde zu halten; organisirte Gebilde aber ent¬
stehen, soweit unsere Kenntnisse von den natürlichen Dingen
reichen, nicht durch Ablagerung oder Absetzung. Es liegt hier
nahe anzunehmen, dass die von der Natur gefärbten echten
Pigmentkörnchen den durch Kunst färbbaren Granulis der anderen
Zellen analog sind; wenigstens hat mich diese Annahme seiner
Zeit dazu geführt, solche künstlichen Färbungen zu suchen,
welche einen Ersatz für die natürlichen Färbungen der Pigment¬
zellen bilden sollten.
Auch von Seiten der Botaniker hat es nicht völlig an Be¬
mühungen gefehlt, dem Protoplasma mit künstlichen Methoden
näher zu treten. Schmitz1giebt an, bei Pikrinpräparaten mit
Haematoxylin gefärbte Punktirungen des Cytoplasmas erhalten
zu haben; die Ungunst der Pflanzenobjekte für künstliche Be¬
arbeitung scheint ihn jedoch abgehalten zu haben, hierin weiter
vorzugehen.
So sehr auch die Pflanzenzelle für die Beobachtung vieler
lebenden Vorgänge geeignet ist, ihr eigentliches Protoplasma
ist um so schwieriger zu erreichen; die Neigung desselben zur
Bildung von grossen Vacuolen ist so vorherrschend, dass man,
um das Cytoplasma besonders an den für künstliche Bearbeitung
nothwendigen dünnen Schnitten erfolgreich untersuchen zu
können, auf wenige Jugendformen angewiesen ist; hierzu kommt
noch das häufige Vorhandensein von Chlorophyllkörnern, Leuko¬
plasten etc., welche das spärliche Cytoplasma verdecken. Ich
habe es in Gemeinschaft mit einem Botaniker versucht, die an
der thierischen Zelle erprobten Methoden auf die Pflanzenzelle
zu übertragen; hierbei hat sich jedoch die Ungunst der letzteren
so evident herausgestellt, dass wohl Analogien zur thierischen
Zelle nachweisbar waren, eine wesentliche Förderung der Gra¬
[13]Die Geschichte der Zellengranula. nulafrage von der Pflanzenzelle aber schwer zu erwarten ist. 1
Man braucht nur die von Oskar Schultze2an Thieren an¬
gestellten Beobachtungen über die vitale Metylenblaureaction
der Zellgranula mit den ärmlichen Bildchen und spärlichen
Erscheinungen zu vergleichen, welche auf ähnliche Weise ge¬
legentlich an der Pflanzenzelle gewonnen worden sind, um
jenen Unterschied genügend zu übersehen. Die Beobachtungen
an den Pflanzenzellen werden in vielen Fällen für das Studium
der lebenden Vorgänge massgebend bleiben, aber jenes weitere
Eindringen in den protoplasmatischen Bau, wie er vermittelst
der künstlichen Methoden erreicht werden kann, werden sie
kaum gestatten; hierzu eignen sich die thierischen Zellen augen¬
scheinlich in weit höherem Grade. Es dürfte zweckmässig, ja
für einen weiteren Fortschritt nothwendig sein, dass sich die
Bestrebungen auf diesen beiden Gebieten in harmonischer Weise
ergänzen.
An der thierischen Zelle sind auch früher schon an ver¬
einzelten Objecten mit künstlichen Methoden günstige Resultate
erzielt worden. So hat Ehrlich die gröberen Granulationen
verschiedener Leukocyten gefärbt, van Beneden spricht von
corps bacilliformes, welche er gelegentlich in Zellen gesehen
hat, Kupffer hat im Axencylinder fibrillär angeordnete Granula
durch Färbung demonstrirt; dennoch sind diese Beobachtungen
sowohl von diesen Autoren selbst, als auch von Anderen nur als
Specialitäten und vereinzelte Erscheinungen aufgefasst worden.
Seit dem Bekanntwerden meiner Granulauntersuchungen 3haben
[14]Die Geschichte der Zellengranula. sich die Angaben über das Sichtbarsein von Körnerelementen
in den Zellen bereits erheblich vermehrt und man scheint sich
bereits daran zu gewöhnen, darauf zu achten, wo sie gelegent¬
lich auch ungefärbt oder als gefärbte Nebenproducte der Be¬
obachtung erkennbar werden, ja Manche halten es heute schon
für selbstverständlich, dass die Zelle kein Elementarorganismus
ist. Es lässt sich hoffen, dass, wenn erst die für die Unter¬
suchung der Granula geeigneten Methoden in Aller Händen
sind, dieses Gebiet der Biologie bald durch rüstige Mitarbeiter
gefördert werden wird. Das Endziel unserer Bestrebungen aber
soll sein, den Satz immer mehr wahrscheinlich zu machen: es
giebt keine gleichartige Sarkode, es giebt nur ein polymeres
Protoplasma.
Von den allgemeineren Bemühungen, das Prinzip im Bau des
Protoplasmas zu finden, kann man, abgesehen von den schon
oft gesehenen und beschriebenen Faser- und Fibrillenbildungen,
welche, wie oben erwähnt, Kölliker für wichtige Einzelheiten
des protoplasmatischen Baues erklärt, und auf deren Bedeutung
wir an einem anderen Orte bereits näher eingegangen sind
und später noch des Weiteren eingehen werden, 1noch die An¬
schauung von der primären Netzstructur des Protoplasmas her¬
vorheben, wie sie insbesondere von Heitzmann2an den thie¬
rischen Zellen und von Frommann3an Pflanzenzellen beob¬
achtet worden ist.
Die Bemühungen beider Autoren bezeichnen insofern schon
einen Fortschritt, als von ihrer Seite bereits eine strengere Aus¬
wahl der für Structurstudien geeigneten Objecte stattgefunden
hat; indem sie eifrig danach suchten, wo etwa sichtbarliche
Formerscheinungen im Protoplasma zu entdecken waren, setzten
sie daselbst alle Mühe daran. Während die älteren Autoren
durch ihre klassische Beobachtungsgabe das Wesen des Proto¬
plasmas als Ganzes in vielen Punkten klar gelegt haben, finden
[15]Die Geschichte der Zellengranula.sich in den Bemühungen von Heitzmann und Frommann die
ersten Anfänge dafür, die Elemente zu demonstriren, aus denen
sich dasselbe zusammensetzt. Beide kamen sie zu dem Resultat,
dass die Substanz des Protoplasmas in äusserst feinen Netzen
angeordnet sei, dessen Knotenpunkte den Eindruck von Körnchen
machen; hierin sollte das Wesen des protoplasmatischen Baues
bestehen.
Was es mit diesen Netzen meist für eine Bewandtniss hat,
dafür möchte ich nur ein Beispiel anführen. Frommann fand
in den Staubfadenhaaren von Tradescantia ein ausgezeichnetes
Object, um in den Kernen der dort vorhandenen Zellen ein
ausserordentlich regelmässiges feinmaschiges Netzwerk lebend
zu demonstriren. Wenn ich dasselbe Object ebenfalls im frischen
Zustande untersuche, so finde ich, dass dasselbe ausgezeichnet
ist, um die Granulastructur des Kernes im frischen Zustande
zu sehen; das heisst, Frommann hält die Intergranularsubstanz
für das positive Bild, während er die Granula für Lücken an¬
sieht, während ich die Lücken für positive Granula halte, das
Netzwerk aber intergranulär.
Jedenfalls ist dieses Beispiel charakteristisch dafür, dass
gleiche Beobachtungen an lebenden Objecten, deren Sichtbar¬
keit fast immer nur auf Brechungsdifferenzen beruht, leicht zu
entgegengesetzten Folgerungen führen können, besonders da,
wo es sich um die feinsten Formelemente handelt. Die Ent¬
scheidung kann naturgemäss nur durch künstliche Hülfsmittel
gebracht werden (vergl. Tafel VI); wenn es dadurch gelingt an
Stelle der Lücken des Netzwerkes positive Körper mit specifi¬
scher Färbungsreaction nachzuweisen, so ist die Structur gra¬
nulär, das Netzwerk aber intergranulär. Damit soll nicht ge¬
sagt sein, dass nicht auch dem intergranulären Netzwerke noch
eine vielleicht viel feinere Zusammensetzung aus Elementar¬
körperchen zukommt; ja es ist mir dieses nicht unwahrschein¬
lich, wie ich es bereits in meiner Mittheilung über die Structur
des Zellkernes erwähnt habe.
Lebende Objecte geben also nicht nur selten einen sicheren
Anhalt für die Beobachtung der Structur des Protoplasmas,
sondern sie führen auch da, wo sie dieses thun, leicht zu Täu¬
schungen. Da weder Heitzmann noch Frommann künstliche
[16]Die Geschichte der Zellengranula. Methoden angewendet haben, so ist es auch ihnen nicht ge¬
lungen, das Prinzip im Bau des Protoplasmas aufzudecken, ob¬
wohl ihre Beobachtungen zu den besten gehören, welche über
die Structur desselben angestellt worden sind.
Es scheint daher für das Studium des Protoplasmas der
richtige Weg zu sein, vorzugsweise mit Hilfe der zuverlässigeren
und weiter eindringenden künstlichen Methoden und im An¬
schluss an so prägnante Objecte, wie sie die Pigmentzellen und
die Muskelfasern des thierischen Organismus darbieten, ana¬
loge Verhältnisse auch in anderen Fällen zu suchen; finden
wir solche Analogien, so werden wir mehr Recht haben, all¬
gemeine Folgerungen daraus zu ziehen, als diejenigen, welche
ihre Anschauungen von der Gleichartigkeit des Protoplasmas
auf die negativen Befunde an der Sarkode begründen.
Haben die Vertreter dieser Anschauungen Recht, dann hat
die Morphologie bereits ihre Grenze erreicht und es bleibt nur
die Lehre von der molekularen Organisation übrig, welche für
grübelnde Leute gewiss viel Reizvolles hat, aber doch selbst
erst der richtigen morphologischen Unterlagen bedarf, um eine
Berechtigung ihrer Existenz zu besitzen.
Noch haben wir diese Grenze der Morphologie nicht erreicht.
Mag jener genetische Plan, wie wir ihn oben in wenigen Worten
zusammengedrängt haben, auch ein Unbekanntes sein, das be¬
wiesen werden muss, vielleicht kann er uns doch den Weg
zeigen, wie wir zu einem Verständniss des Bekannten und Er¬
reichbaren gelangen. Wenn wir Schritt für Schritt durch immer
feinere Methoden das Gebiet des Sichtbaren erweitern, so ge¬
lingt es vielleicht doch allmählich, Vieles von dem zu sehen,
was scheinbar nicht vorhanden ist; das, was in dieser Beziehung
schon erreicht wurde, lässt die Hoffnung auf weitere Fortschritte
als möglich erscheinen. Es mag hierin vielleicht eine schwere
Aufgabe liegen, aber es lohnt der Mühe wohl, hier seine Kräfte
heranzusetzen und so unserem Wissen eine neue Welt zu er¬
obern.
II
Die Methoden der Granulauntersuchung.
Für die Untersuchung der Zellengranula werden keine
anderen Methoden zur Anwendung kommen, als sie auch sonst
in der Gewebelehre üblich sind; sie werden sich von diesen
letzteren nur dadurch unterscheiden, dass sie eine Verfeinerung
derselben bilden, da ihre Ziele weiter gehen.
Unterscheidet man bei den mikroskopischen Untersuchungen
diejenigen, welche die Gruppirungen der Zellen zu einander
sichtbar machen, von denen, bei welchen der Inhalt der Zellen
selbst erkannt und differenzirt werden soll, so ist es klar, dass
für den ersteren Zweck einfachere Massnahmen ausreichen.
Kernfärbungen und Andeutungen der Intercellulargrenzen ge¬
nügen vollauf, um die gegenseitige Lagerung, Form und Grösse
der einzelnen Zellen und Zellengruppen zu kennzeichnen. Da¬
bei ist es für diese Gattung von Bildern charakteristisch, dass
besonders mittlere Trockensysteme die Eleganz und Klarheit
derselben am besten hervortreten lassen, während sie bei Be¬
trachtung mit den besten Vergrösserungen leer und nüchtern
erscheinen, da von dem Inhalt der Zellen selbst wenig zu sehen
ist, und das, was etwa sichtbar sein sollte, in seiner Deutung
meist unzuverlässig erscheint. Anders ist dieses mit den Detail¬
bildern des Zelleninhaltes selbst. Bei mittleren Trockensystemen
erscheinen sie oft unklar und verworren und für die Grup¬
pirungen der Zellen sind sie oft gar nicht zu verwerthen; erst
wenn man mit den besten Vergrösserungen an sie herantritt,
zeigen sie die Fülle ihres Inhaltes.
Der Raum, den die einzelnen Zellen darbieten, ist meist
sehr klein, und wenn man den gewöhnlichen Erfahrungen folgt,
welche sich aus der Untersuchung der Zellgruppirungen er¬
Altmann, Elementarorganismen. 2[18]Die Methoden der Granulauntersuchung.geben, so hält man es kaum für denkbar, dass es gelingen
könnte, innerhalb dieses kleinen Raumes eine grössere Summe
von Einzelerscheinungen zu beobachten. Dennoch ist dieses
möglich; der Beweis hierfür soll durch die vorliegenden Unter¬
suchungen geliefert werden, und wird der Zweck dieser Unter¬
suchungen schon dadurch erreicht sein, wenn sie dazu dienen,
die Furcht von der Kleinheit der Zelle zu überwinden und
tüchtige Kräfte für den Inhalt derselben zu interessiren. Man
vergesse hierbei nicht, dass gerade unsere Tage durch erheb¬
liche Fortschritte der optischen Leistungen des Mikroskopes
ausgezeichnet sind, und dass wir in den künstlichen Differen¬
zirungen der Farbstoffe ein ausgezeichnetes Mittel haben, diese
Leistungen bis zum Extrem auszunutzen.
Als ein günstiger Umstand muss es angesehen werden, dass
die verschiedenen Arten der Elementarkörperchen, wie sie
augenscheinlich den Inhalt der Zellen ausmachen, in Bezug auf
die künstliche Differenzirung oft verschiedene Reactionsfähig¬
keiten haben. Bei einer einzelnen Reaction wird daher nur ein
Theil dieser Körperchen sichtbar sein, aber um so klarer und
deutlicher, da dieselben von den benachbarten Elementen dann
nicht verdeckt werden.
Wenn auch der Raum einer Zelle gewöhnlich nur klein ist,
so ist er andererseits doch meist zu gross, als dass wir Alles
in ihm auf einmal übersehen können. Als erste Bedingung für
eine erfolgreiche Untersuchung muss es daher hier gelten, die
Zellen selbst wieder in dünne Schichten zu zerlegen, die uns
den nothwendigen Einblick gestatten.
Die Erzeugung dünner Schnitte ist deshalb das erste Er¬
forderniss, welches zum Studium des Zelleninhaltes gehört, und
ist hier die Paraffinmethode augenscheinlich die einzige, welche
zweckentsprechend erscheint. Eine Schnittdicke von 2—1 µ
ist etwa diejenige, welche erforderlich ist, um solche Präparate
zu erhalten, wie sie in den beigefügten Abbildungen wieder¬
gegeben sind.
Wenn auch in Bezug auf die Paraffinmethode ein Jeder
seinen eigenen Erfahrungen zu folgen pflegt, so mögen doch
hier einige Bemerkungen darüber gestattet sein. Die beste
Schnittfähigkeit scheint im Paraffin bei einem Schmelzpunkt
[19]Die Methoden der Granulauntersuchung. von 58—60° zu liegen, doch muss auch hierbei unter den Sor¬
ten von gleichem Schmelzpunkte ausgewählt und eventuell
durch Zusätze nachgeholfen werden. Solche Zusätze, welche
günstig wirken können, sind reines Stearin, gebleichtes Wachs,
durch Eindampfen gelb gefärbtes Paraffin und andere mehr,
welche in nicht zu grosser Quantität hinzugeschmolzen werden
können, und hängt die Art und der Procentsatz des Zusatzes
von den Eigenschaften des betreffenden Paraffins ab. Ob Zu¬
sätze, wie eine Combination des Celloidin mit dem Paraffin nütz¬
lich sind, darüber habe ich bis jetzt noch keine Erfahrung. Es
ist aber wohl möglich, dass solche Combinationen an Bedeutung
gewinnen werden, wenn es sich einmal darum handeln wird,
Schnitte von weit unter 1 μ anzufertigen, ein Fall, der dann
wohl eintreten kann, wenn andere bis jetzt noch nicht sichtbar
gemachte Elementarkörperchen zur Erscheinung gebracht wer¬
den sollen. Für jetzt sind gar zu dünne Schnitte nicht einmal
nützlich, weil dadurch die Prägnanz der Bilder leidet. Nimmt
man allerdings Schnitte, welche über 2 μ dick sind, so werden
die Bilder wegen der übergrossen Anhäufung der Elemente bald
undeutlich.
Ausser den Zusätzen ist für die Schnittfähigkeit des Paraf¬
fins noch die Regulirung der Lufttemperatur ein wichtiges Mo¬
ment, wie einem Jeden bekannt sein dürfte, der sich mit der
Anfertigung feinster Paraffinschnitte beschäftigt hat. Um diese
Regulirung ganz in der Hand zu haben, habe ich einen Apparat
bauen lassen, bei welchem mit Hilfe eines Ventilators ein continuir¬
licher Luftstrom durch eine spiralige Kupferröhre geführt wird,
die durch Eiswasser oder Kältemischungen beliebig abgekühlt
werden kann. Indem der Luftstrom langsam und breit von
oben her auf das Mikrotom kommt, kann man die Temperatur
je nach der Stärke des Luftstromes und der Abkühlung abstufen.
Bei der Einbettung in das Paraffin ist es gut, die Objecte
nur durch Alkohol und Xylol gehen zu lassen. Als Uebergang
zwischen beiden Flüssigkeiten ist eine Mischung von 3 Theilen
Xylol und 1 Theil Alkohol zweckmässig; zwischen Xylol und
Paraffin kommt dann die übliche Mischung dieser Substanzen.
Nelkenöl und andere Aufhellungsmittel werden besser ver¬
mieden, weil dieselben sowohl die Reactionsfähigkeit der Ele¬
2*[20]Die Methoden der Granulauntersuchung.mente leicht schädigen, als auch sonstige Schädlichkeiten zur
Folge haben können.
Da die Schnitte auf dem Objectträger gefärbt werden sollen,
so pflege ich zum Festkleben derselben in folgender Weise vor¬
zugehen. Zunächst werden die Objectträger mit einer dünnen
Schicht von Kautschuk überzogen. Hierzu kann man das jetzt
in den Apotheken käufliche sogenannte Traumaticin benutzen.
Dasselbe ist eine ziemlich concentrirte Lösung von Kautschuk
in Chloroform; es wird für den Gebrauch mit dem 25fachen
Volumen Chloroform verdünnt, die verdünnte Lösung über den
Objectträger gegossen, abgetropft, und der Objectträger nach
dem Verdunsten des Chloroforms über der Gasflamme stark er¬
hitzt. Auf solche vorräthig gehaltene Objectträger kommen die
Paraffinschnitte und werden hier mit einer Lösung von Schiess¬
baumwolle in Aceton und Alkohol angepinselt. Zur Herstellung
dieser Lösung werden zunächst 2 Gramm Schiessbaumwolle in
50 Cbctm. Aceton gelöst und hiervon 5 Cbctm. mit 20 Cbctm.
Alkohol verdünnt. Es ist nothwendig, die Schnitte nach dem
Anpinseln mit Fliesspapier stark an den Objectträger anzu¬
drücken und dann nach dem Trocknen anzuschmelzen. Solche
Schnitte können dann ohne Gefahr mit verschiedenen Lösungs-
und Färbungsmitteln behandelt werden.
Zum Schneiden bediene ich mich nach wie vor des früher
von mir beschriebenen Support-Mikrotoms.1 Dasselbe muss
natürlich, wie jedes mechanische Instrument, gut gearbeitet sein
und gut in Ordnung gehalten werden. Man hat von verschiede¬
nen Seiten her die Leistungsfähigkeit dieser Construction in Ab¬
rede stellen wollen, wie mir scheint ohne Grund. Der Support
ist diejenige Führung, welche in jeder mechanischen Werkstätte
anzutreffen ist und hier zu den gröbsten wie zu den feinsten
Arbeiten benutzt wird. Wenn von Seiten einzelner Mikrosko¬
piker geklagt wird, dass die Schraube leicht schlottert, so be¬
weist dieses nur, dass die Fabrikanten zuweilen Instrumente
für wissenschaftliche Zwecke in den Handel bringen, welche
sie einem einfachen Metallarbeiter nicht anzubieten wagen wür¬
[21]Die Methoden der Granulauntersuchung. den. Es scheint auch für den Mikroskopiker nicht ganz unnütz,
dass er ein wenig weiss, worauf es bei mechanischer Präcision
ankommt, und dass er im Nothfall sein Instrument selbst beur¬
theilen und in Ordnung halten kann. Die Schraubenführung hat
jedenfalls den Vorzug, dass man während des Schneidens die
Bewegung in jedem Punkt unterbrechen und weiterführen kann.
Hätte man es immer mit reinem Paraffin oder mit so zarten
Objecten zu thun, wie etwa Embryonen, so würde die Herstel¬
lung der Schnitte wenig Schwierigkeiten machen; sobald aber
an einem Object die Theile sehr verschiedene Resistenz zeigen,
ist eine sichere Beherrschung des Mikrotoms sehr erwünscht,
und diese Beherrschung habe ich bis jetzt nur mit dem Support
erlangt.
Eine kleine Verbesserung habe ich seitdem an dem Instru¬
ment noch angebracht, indem neben der grossen Mikrometer¬
scheibe eine zweite kleinere hinzugefügt wurde, welche durch
Zahntheilung eingreift und eine direkte Ablesung von 1 μ und
Theilen desselben gestattet, ohne die frühere Beweglichkeit der
grossen Mikrometerscheibe zu beeinträchtigen. Es ist bei dünnen
Schnitten sehr angenehm, der früheren unsicheren Schätzung
so kleiner Werthe an der grossen Mikrometerscheibe überhoben
zu sein und ausserdem bietet jene kleine Mikrometerscheibe
den Vortheil, dass dabei eine direkte Berührung der Mikro¬
meterschraube vermieden wird.
Was die Vorbereitung der Präparate zur Darstellung der
Granula betrifft, so ist hier vor Allem ein Punkt im Auge zu
behalten, dass die Fixirung der Objecte und die nachfolgende
Färbung derselben in direkter Abhängigkeit zu einander stehen
und nur Theile eines und desselben Processes sind. Diese Ab¬
hängigkeit ist bei den bisher besonders üblichen Kernfärbungen
meist keine sehr weitgehende, denn für dieselben konnte man
sehr zahlreiche und verschiedene Fixirungsmittel, wie Alkohol,
Sublimat, Salpetersäure, Picrinsäure, Chromsäure und andere
mehr anwenden. Dieses ist bei der Darstellung der Zellen¬
granula nicht der Fall, sondern ich habe bis jetzt nur wenige
specifische Fixirungsmittel finden können, welche die nach¬
folgende specifische Färbung derselben in allgemeinerer und
umfassenderer Weise gestatteten. Das Verhältniss ist hier so,
[22]Die Methoden der Granulauntersuchung.dass wir es merkwürdig zu finden pflegen, wenn irgend ein
Fixirungsmittel die nachfolgende Kernfärbung herabsetzt oder
gar aufhebt, während wir es merkwürdig finden müssen, wenn
eines derselben die Granulafärbung gestattet. Die genannten
gebräuchlichsten Mittel gestatten z. B. eine nachfolgende Gra¬
nulafärbung nicht oder nur in seltenen Fällen, einestheils weil
sie, wie es scheint, die Substanz derselben zerstören, andern¬
theils weil sie, wo dieselbe etwa erhalten sein sollte, das Fär¬
bungsvermögen derselben aufheben.
Beim Experimentiren in dieser Richtung war es sehr wün¬
schenswerth, eine Methode zu haben, welche es erlaubte, die ver¬
schiedenen Fixirungen und Färbungen an den Paraffinschnitten
desselben Objectstückchens versuchen zu können und so eine
Hilfsmethode zu haben, welche das Auffinden der definitiven
Methoden erleichterte. Wenn man tagelang warten muss, bis
ein fixirtes Objectstückchen in Paraffin eingebettet ist, um sich
dann erst zu überzeugen, dass eine einzelne angewendete Fixi¬
rung nicht zweckentsprechend war, so verliert man sehr viel
Zeit und man wird alt, bevor man die Anfänge überwunden
hat. Jene Abkürzung des Verfahrens gelang mir auf folgende
Weise.
Lässt man frische Organstückchen gefrieren und trocknet
dieselben im gefrorenen Zustande bei einer Temperatur von
unter —20 °C. über Schwefelsäure im Vacuum vollständig aus,
so erhält man in ihrem Volumen unveränderte Präparate, welche
sich von dem frischen Zustande nur durch die Abwesenheit des
Wassers unterscheiden, im Uebrigen aber sowohl in Bezug auf
die Formen, wie in Bezug auf die Reactionen der Elemente den
frischen Zustand bewahrt haben.
Wenn man solche ausgefrorenen Organstückchen mit ge¬
schmolzenem Paraffin im Vacuum direkt durchtränkt, so kann
man an den Schnitten nach dem Auswaschen des Paraffins mit
Xylol und nach dem Verdunsten des letzeren sowohl Fixirungen,
wie auch Färbungen nacheinander versuchen und auf diese
Weise eine grosse Zahl von Experimenten in kürzester Zeit an¬
stellen. Ich habe nur wenige Organstückchen auf diese Weise
glücklich zum Ausfrieren gebracht, aber dieselben haben durch
die grosse Zahl von Schnitten, welche sie hergaben, mir das
[23]Die Methoden der Granulauntersuchung. Auffinden der Granulamethoden in mancher Hinsicht wesentlich
erleichtert.
Wendet man bei diesem Trocknen höhere Temperaturen
an, vielleicht solche von —10 ° bis —15 °C., so tritt der be¬
schriebene Effekt nicht ein; die Objecte backen nach einiger
Zeit zu spröden, geschrumpften Stückchen so zusammen, wie
dieses ja auch beim Trocknen bei gewöhnlicher Temperatur ge¬
schieht. Die Ursache hierfür ist jedenfalls die, dass, wenn
durch Verdunsten des Wassers im Object die in diesem vorhande¬
nen Lösungen allmählich concentrirter werden, auch der Schmelz¬
punkt derselben sinkt, so dass schliesslich die Präparate, bevor
sie trocken sind, aufweichen und bei dem weiteren Wasserverlust
schrumpfen und zusammenbacken, während wir unter —20 °C.
diejenige kritische Temperatur haben, bei welcher auch z. B.
concentrirte Kochsalzlösungen fest werden und bleiben.
Dieses Austrocknen unterhalb der kritischen Temperatur
hat nur den einen Nachtheil, dass bei der Behandlung der Ob¬
jecte mit geschmolzenem Paraffin und Xylol die in diesen Flüs¬
sigkeiten löslichen Substanzen verloren gehen; die übrigen Theile
dürften dagegen wenig alterirt werden, denn wir wissen es auch
von anderweitigen Erfahrungen her, dass selbst trockene Fer¬
mente und Eiweisskörper durch höhere Temperatur, wie sie
dem geschmolzenen Paraffin eigen sind, nicht geschädigt werden.
Man hat dem Gefrieren der frischen Gewebe den Vorwurf
gemacht, dass es durch Krystallbildung Zerreissungen in den¬
selben hervorrufe; ich habe darüber bei irgend eiweissreichen
Organen nicht zu klagen gehabt, wenngleich viele Pflanzenobjecte
für diese Behandlung allerdings wenig geeignet sein dürften.
Wenn man vor dem Durchtränken der trockenen Organstückchen
mit geschmolzenem Paraffin dieselben verschieden hohen Luft¬
temperaturen aussetzt, so scheint hierin selbst eine sehr variable
Reihe von Fixirungen zu liegen, welche alle bekannten [Fixi¬
rungsmittel] an Feinheit bei Weitem übertreffen dürften; ich
habe jedoch hiervon bis jetzt einen weiteren Gebrauch noch wenig
gemacht, sondern mich damit begnügt, an den Paraffinschnitten
der ausgetrockneten Objecte feuchte Fixirungen und Färbungen
in kurzer Aufeinanderfolge durchzuversuchen und die auf diese
Weise gewonnenen Erfahrungen an frischen Organstückchen
[24]Die Methoden der Granulauntersuchung.direkt zu verwerthen. Die beigegebenen Abbildungen sind mit
Ausnahme von Fig. 3 und 4 Taf. VI sämmtlich nach Präparaten
gezeichnet, welche mit feuchtem Verfahren direkt behandelt
waren.
Leider ist die Anwendung jenes Austrocknens keineswegs
leicht. Es handelt sich dabei darum, so tiefe Temperaturen,
die man der Sicherheit wegen am besten bis an —30 °C. heran
wählt, längere Zeit constant zu erhalten. Denn wenn man zum
Trocknen auch sehr kleine Organstückchen nimmt, so dauert
es doch ein paar Tage, ehe alles Wasser verdunstet ist, da die
Spannungen des Wasserdampfes bei so niederer Temperatur sehr
gering sind. Ich habe die wenigen Objecte, die mir bisher ge¬
lungen waren, mit Hilfe von Kältemischungen erhalten. Die
Besorgung derselben für so lange Zeit, innerhalb welcher nicht
eine einzige Schwankung der Temperatur vorkommen darf, ist
aber so aufreibend, dass hier maschinelle Einrichtungen augen¬
scheinlich den Vorzug verdienen; erst mit Hilfe der letzteren
wird es gelingen, die Methode zum Arbeiten verwerthbar zu
machen. Ich habe für diesen Zweck die Theorie und Technik
der Kälteerzeugung sorgfältig durchgearbeitet und bin zu der
Ansicht gekommen, dass die Expansion comprimirter und vorher
getrockneter Luft hier am besten zum Ziele führen wird. Leider
habe ich die Durchführung meiner Pläne aus äusseren Gründen
noch nicht bewerkstelligen können. Dennoch glaube ich, dass
die Methode es vollauf verdient, selbst bei einigen Opfern in's
Werk gesetzt zu werden, ja es scheint mir, als wenn die ganze
Zukunft der Zellenlehre an dieser Methode hängt; man muss
die Mühseligkeiten einer langjährigen Experimentirarbeit hinter
sich haben, um zu wissen, welche Schwierigkeiten die Analyse
des Zelleninhaltes bereitet, wenn die Methoden erst gefunden
werden müssen, und welcher Werth in der vorher beschriebenen
Abkürzung der Zeit liegt, auch abgesehen von den Vortheilen,
welche darin bestehen, dass die Fixirungsflüssigkeiten hier nicht
auf Stücke, sondern auf Schnitte zu wirken haben.
Es ist zur Genüge bekannt, dass alle Fixirungsflüssigkeiten
ihre Fehler haben und dass gerade die besten dadurch mangel¬
haft werden, dass sie bei der Einwirkung auch selbst auf kleine
Organstückchen beim Eindringen in dieselben eine Zahl von
[25]Die Methoden der Granulauntersuchung. Schichten zu passiren haben. Schon Max Schultze hat hierauf
aufmerksam gemacht, und heute weiss wohl ein Jeder, der sich
mit feineren mikroskopischen Untersuchungen befasst, diesen
Mangel zu beurtheilen. Bei dem Ausfrieren unterhalb der kri¬
tischen Temperatur fällt dieser Mangel fort, und alle Unklar¬
heiten, welche durch die reine Empirie in der Anwendung der
fixirenden Reagentien bedingt sind, werden hier durch klare
physikalische Vorgänge ersetzt. Während sonst bei der Fixi¬
rung durch das Hinzutreten bestimmter chemischer Stoffe und
durch die Bildung bestimmter chemischer Verbindungen in den
Geweben die spätere Reactionsfähigkeit der Elemente auf einen
mehr oder weniger engen Kreis beschränkt wird, besitzen wir
in dem Ausfrieren der Gewebe eine Methode, welche diese Re¬
aktionsfähigkeit in ihrem natürlichen Zustande conservirt und
daher einen durchaus universellen Charakter hat; hierzu kommt
noch, dass die Erhaltung selbst der subtilsten Formen nach
meiner Erfahrung auf andere Weise nicht, so vollkommen er¬
reicht wird, wie hier.
Wie weit das Ausfrieren der Gewebe unterhalb der kriti¬
schen Temperatur auch sonst für mikroskopische Zwecke an¬
wendbar ist, das mag noch an einem Beispiel erörtert werden.
Man hat von verschiedenen Seiten her angefangen, die Reac¬
tionen lebender Elemente auf intra vitam in den Organismus
eingeführte Farbstoffe zu prüfen und sei hier besonders an die
schönen Beobachtungen, welche Oscar Schultze über die vitale
Metylenblaureaction der Zellgranula1 angestellt hat, erinnert.
Es ist aber weder Anderen, noch mir selbst bisher gelungen,
die so imprägnirten Organe in einen Zustand zu bringen, dass
man von ihnen dünne Schnitte in Balsam untersuchen könnte,
sodass man auf frische Zupfpräparate und kurze Beobachtung
angewiesen ist, und gerade diejenigen Theile, in denen die Re¬
action am intensivsten auftritt, sich der Beobachtung überhaupt
entziehen. Einestheils wird der Farbstoff bei dem Absterben der
Organe leicht zu Leukoprodukten verändert, anderntheils wird
derselbe sowohl durch wässerige Einschlussmittel, wie auch
durch diejenigen Flüssigkeiten, welche als Vorbereitung für den
[26]Die Methoden der Granulauntersuchung.Balsam das Wasser entfernen sollen, extrahirt. Wird jedoch
das lebende Organ durch das Gefrieren sofort fixirt, so tritt
beim Trocknen desselben unterhalb der kritischen Temperatur
eine Veränderung der vitalen Farbstoffreaction nicht ein, und
ist das Gewebe erst trocken, so kann es ohne Nachtheil für die
Farbstoffverbindungen mit Paraffin durchtränkt, geschnitten, mit
Xylol gewaschen und in Balsam eingeschlossen werden; man
erhält so Dauerpräparate, welche den besten Vergrösserungen
zugänglich sind.
Auch abgesehen von seiner Verwendung für morphologische
Zwecke dürfte das Ausfrieren unterhalb der kritischen Tempe¬
ratur nützlich sein. Indem wir z. B. ein lebendes Organ, statt
es absterben zu lassen, acut gefrieren machen, gewinnen wir
durch jene Methode die Möglichkeit, eine Substanz in trockner
Pulverform vor uns zu haben, die wir in einem Zustande direkt
angreifen können, welcher sich von dem des Lebens nur durch
die Abwesenheit des Wassers unterscheidet. Was wir aus den
durch das Absterben veränderten wasserhaltigen Organen ex¬
trahiren, mag als Zersetzungsprodukte der lebenden Substanz
gewiss von Werth sein; vielleicht ist es aber durch jene Methode
zu erreichen, nicht nur chemisch, sondern biochemisch vor¬
zugehen, abgesehen von den Vorzügen, welche auch sonst
in der späteren Handlicheit und Sauberkeit des Verfahrens
liegen.
Es mag noch darauf hingewiesen werden, dass in dem Aus¬
frieren der Gewebe unterhalb der kritischen Temperatur endlich
auch ein Mittel gefunden zu sein scheint, um die von Naegeli
geschaffenen Anschauungen über die micellare Natur der orga¬
nisirten Substanz einer experimentellen Prüfung zu unterziehen.
Diese Micellartheorie wird augenscheinlich die Grundlage der
Erwägungen zu bilden haben, wenn es sich darum handeln
wird, die lebendigen Vorgänge durch Gesetze der Mikrophysik
zu erklären; sie basirt in Ihrem ganzen Wesen aber auf den
Vorstellungen über den Gegensatz des wasserhaltigen und wasser¬
freien Zustandes der organisirten Substanz. Gelingt es nun, wie
dieses augenscheinlich bei der Ausfriermethode der Fall ist, den
wasserfreien Zustand herzustellen, ohne die Organisation zu
stören, und so die Micellen trotz des Wasserverlustes in ihrem
[27]Die Methoden der Granulauntersuchung. ursprünglichen Abstande zu erhalten, so haben wir hierin augen¬
scheinlich ein Mittel, durch eine Summe künstlich erzeugter Beob¬
achtungen jener Theorie als der Grundlage einer Mikrophysik
näher zu treten.1
Unter den Fixirungsmitteln nun, welche für die Darstellung
der Zellengranula von Wirkung sind, muss man diejenigen
unterscheiden, welche nur in vereinzelten Fällen Resultate auf¬
weisen, von denjenigen, die dieses allgemein thun. Von den
ersteren habe ich eine ganze Anzahl gefunden; so kann man
z. B. gelegentlich auch mit Hilfe von concentrirter Sublimatlösung
ein Granulabild erhalten, auch Jodkaliumquecksilberbijodid
und Bromkaliumquecksilberbibromid, Tanninlösungen und andere
Stoffe mehr geben gelegentlich ein Resultat. Es schien jedoch
zweckmässig, zunächst, besonders diejenigen Fixirungen zu be¬
vorzugen, welche allgemein in den verschiedenen Zellengat¬
tungen der verschiedenen Thierklassen Granulabilder ergaben.
Unter diesen hat sich insbesondere eine Mischung bewährt,
welche durch Zusammengiessen gleicher Volumina einer 5pro¬
centigen Lösung von Kaliumbichromat und einer 2procen¬
tigen Lösung der Ueberosmiumsäure erhalten wird. Diese Mi¬
schung dringt leichter in die Organstückchen hinein, als reine
Ueberosmiumsäure, sie conservirt die feinen Formelemente vor¬
trefflich, und wenn sie auch die nachfolgenden Farbstoffreac¬
tionen wie alle Osmiumlösungen ein wenig erschwert, so ge¬
lingen dieselben bei einiger Gewandtheit in der Färbung und
bei recht dünnen Schnitten doch zur vollen Zufriedenheit. Die
Mehrzahl der beigegebenen Abbildungen stammen von Präpa¬
raten her, welche mit Hilfe jener Mischung fixirt sind.
Die dem eben getödteten Thiere entnommenen sehr kleinen
[28]Die Methoden der Granulauntersuchung.Organstückchen werden in die Mischung gebracht, 24 Stunden
darin belassen, dann in fliessendem Wasser mehrere Stunden
gewaschen und nachdem sie einige Zeit nacheinander in Alkohol
von 75 %, 90 %, 100 % gelegen haben, mit Hilfe des Xylols in
der oben beschriebenen Weise in Paraffin eingebettet. Die
Schnitte selbst werden, nachdem sie rite auf dem Objectträger
angeklebt und angeschmolzen sind, zunächst durch Xylol vom
Paraffin befreit und mit Alkohol gewaschen. Nachdem man den
Ueberschuss des Alkohols entfernt hat, kommt direkt die Farb¬
stofflösung auf das Präparat.
Zur Färbung der Granula wird, wie schon früher von mir
beschrieben ist,1 Säurefuchsin benutzt, welches durch Picrin¬
säure differenzirt wird. Die Farbstofflösung, welche ich früher
benutzt und empfohlen habe, bestand aus einer 10procentigen
Lösung des Säurefuchsins in ⅓ Alkohol. Einen anderen Farb¬
stoff, der das Säurefuchsin hätte ersetzen können, habe ich
trotz aller Bemühungen noch nicht gefunden, abgesehen von
vereinzelten Fällen, in denen auch einmal eine andere Färbung
sich als wirksam erweist. An Stelle der früheren Lösung be¬
nutze ich jedoch jetzt eine andere, weil die ältere nicht aus¬
reicht, um den Widerstand der Osmiumfixirung zu überwinden.
Für die aus der Osmiummischung hervorgegangenen Präparate
ist es nöthig, in folgender Weise zu verfahren. Zunächst wird
eine kalt gesättigte und filtrirte Lösung von Anilin in Wasser
hergestellt und in 100 Cbctm. derselben 20 Gramm Säurefuchsin
gelöst. Von dieser Lösung bringt man eine Quantität auf den
Objectträger und erwärmt denselben über freier Flamme, bis
sich seine Unterfläche empfindlich heiss anfühlt und die Farb¬
stofflösung dampft. Dann lässt man abkühlen und spült den
Farbstoff mit einer Picrinsäurelösung ab, welche durch Ver¬
mischen eines Volumens concentrirter Picrinlösung in absolutem
Alkohol mit 2 Volumina Wasser hergestellt ist. Dann giesst
man eine neue Portion der Picrinsäurelösung auf den Object¬
träger und erwärmt denselben.
Dieses letztere Erwärmen ist der schwierigste Theil des
Färbungsverfahrens, weil eine zu geringe Erwärmung die Diffe¬
[29]Die Methoden der Granulauntersuchung. renzirung nicht genügend bewirkt, während eine Uebersteigung
der Wärmegrenze das Präparat völlig abblassen macht. Ich
benutze hierzu die Metallfläche meines in constanter Temperatur
befindlichen Paraffinofens und lasse die Objectträger mit der
Picrinlösung 30—60 Secunden darauf liegen, um dann ohne
Zeitverlust das Picrin mit Alkohol abzuspülen, mit Xylol nach¬
zugehen und in Xylol-Dammar einzuschliessen. Es wird die
Sache der persönlichen Erfahrung und Erprobung eines jeden
Einzelnen sein, diese Erwärmung so constant und sicher als
möglich zu machen, um zu guten Resultaten zu kommen.
Der Grad und die Dauer der Erwärmung der Picrinlösung
variirt etwas, je nachdem die Farbstofflösung vorher mehr
weniger stark und lange erhitzt worden ist und je nach der
Natur der Präparate, sodass auf eine stärkere Färbung natur¬
gemäss eine stärkere Differenzirung zu folgen hat. Sollte, was
leicht vorkommen kann, die erste Erwärmung noch nicht ge¬
nügend gewirkt haben, so muss man nochmals mit Picrinlösung
in gleicher Weise behandeln. Für diesen Zweck ist es gut, dass,
wenn man noch nicht soviel Erfahrung besitzt, um aus der
äusseren Erscheinung des Präparates den Grad der Differenzi¬
rung genau beurtheilen zu können, das Präparat zunächst in
Xylol untersucht wird, damit es gegebenen Falls nochmals mit
Alkohol abgespült und mit Picrin von Neuem behandelt werden
kann.
Das Endresultat soll, wie dieses aus den beigegebenen Ab¬
bildungen ersichtlich ist, so sein, dass diejenigen Granula, welche
überhaupt mit dieser Methode erreichbar sind, scharf gefärbt
hervortreten, das Uebrige dagegen keinen oder nur einen grau¬
gelblichen Farbenton zeigt, wie er theils von der Osmiumsäure,
besonders aber von der Picrinlösung herrührt. Hat man die
Proceduren öfters durchgeführt, so kommt man bald dahin, ohne
grosse Mühe gelungene Präparate zu erhalten. Es ist mir wenig¬
stens stets gelungen, Laboranten und Studirende in wenigen
Tagen auf die Methode einzuüben.
Wie die Erhitzung des Farbstoffes und die Erwärmung der
Picrinlösung je nach der Natur der Objecte zu variiren ist, so
gilt dieses auch von der Schnittdicke. Bei manchen Zellen¬
gattungen, welche sehr kleine und dichte Granula haben, muss
[30]Die Methoden der Granulauntersuchung.diese Dicke bis auf 1 μ herabgedrückt werden, in anderen Fällen
kommt man mit 2 μ aus, und sind dieses die Extreme, welche
mir für alle Fälle genügt haben.
Es mag noch bemerkt werden, dass jene Säurefuchsinlösung
in Anilinwasser in ihren Wirkungen weniger von der Qualität
des Farbstoffes abhängt, wie dieses bei der früheren neutralen
Lösung in ⅓ Alkohol der Fall war. Bei dem Osmiumgemisch
ist darauf zu achten, dass die Osmiumlösung nicht durch längeres
Stehen an Gehalt verloren hat und dass das Kaliumbichromat
nicht etwa mit freier Chromsäure verunreinigt ist: diese sowohl,
als auch Zusätze von andern freien Säuren, wie Essigsäure etc.,
sind durchaus schädlich und vermindern die Feinheit des Bildes
oder heben die Reaction auf. Diese Reaction ist durchaus speci¬
fischer Natur und es bedarf des Zusammenwirkens aller der
beschriebenen Agentien, um sie sicher eintreten zu lassen.
Wenn man die beschriebenen Vorsichtsmassregeln einhält,
so gelingt es einigermassen sicher, in allen Zellengattungen der
verschiedenen Thierklassen diejenigen Granula zur Anschauung
zu bekommen, welche überhaupt dem Säurefuchsin zugänglich
sind. Bei Pflanzenobjecten ist dieses anders; hier leistet das
Osmiumgemisch sehr wenig, und haben sich dort andere Fixi¬
rungsmittel als zweckmässiger gezeigt; doch sind auch mit diesen
die Resultate aus den im vorigen Capitel angegebenen Gründen
wenig befriedigend, sodass ich selbst vorläufig darauf verzichtet
habe, die Pflanzenzelle in den Bereich meiner Studien zu ziehen.
Von den sonstigen Fixirungsmitteln, welche sich für die
allgemeinere Darstellung der Zellengranula als geeignet erwiesen
haben, möchte ich noch das salpetersaure Quecksilberoxyd her¬
vorheben. Es war dieses das erste Mittel, mit welchem mir
eine allgemeinere Demonstration der Granula gelang und sind
alle Präparate, welche den „Studien über die Zelle“ auf Glim¬
merplättchen beigegeben waren, mit diesem Mittel fixiert. Auch
von den hier beigegebenen Abbildungen sind einige den damit
behandelten Präparaten entnommen. Zur Herstellung der Fixi¬
rungsflüssigkeit wird zunächst rothes, trockenes Quecksilberoxyd
in Salpetersäure von 1,185 p. s. durch Verreiben in der Reib¬
schale bis zur Sättigung gelöst und von dieser vorräthig ge¬
haltenen Lösung für den jedesmaligen Gebrauch 1 Volumen mit
[31]Die Methoden der Granulauntersuchung. 3 Volumina Wasser und 1 Volumen Ameisensäure 1,12 p. s. ver¬
mischt. Die frischen Organstückchen werden sofort nach der
Vermischung in die Flüssigkeit hineingelegt und mehrere Stunden
darin belassen. Die Flüssigkeit selbst hält sich nur kurze Zeit
klar, alsbald sieht man einen Niederschlag auftreten, der sie
trübt, sich zu Boden setzt und sich auf der Oberfläche der
Organstückchen ablagert. Im Innern derselben habe ich Queck¬
silberniederschläge nicht gefunden. Doch konnte immerhin der
Verdacht rege werden, dass hier dieselben vorhanden sind und
das Bild der Granula künstlich vortäuschen. Auch in dieser
Beziehung erscheint das Osmiumgemisch zuverlässiger, und es
dürfte kaum eine Fixirungsflüssigkeit geben, welcher wir ein
grösseres Vertrauen entgegenzubringen berechtigt sind, besonders
wenn die Abwesenheit von Verunreinigung mit freien Säuren
constatirt ist; die Conservirung auch der feinsten Formen¬
elemente ist deshalb hier auch eine vorzügliche und dürfte
wohl nur noch durch das Ausfrieren unterhalb der kritischen
Temperatur übertroffen werden. Bei dem salpetersauren Queck¬
silberoxyd ist zwar der Umstand angenehm, dass die nach¬
trägliche Färbung brillanter gelingt und etwas dickere Schnitte
verwerthet werden können, die eigentliche Conservirung ist da¬
gegen roher.
Was die weitere Behandlung der Quecksilberpräparate be¬
trifft, so werden dieselben aus der Fixirungsflüssigkeit direkt in
absoluten Alkohol übertragen und von hier aus in Paraffin ein¬
gebettet. Da Quecksilbersalze die Farbenreactionen nicht er¬
schweren, wie die Osmiumsäure, so kann man hier mit jener
neutralen Säurefuchsinlösung prachtvolle Färbungen erhalten,
wie dieses bereits in den „Studien über die Zelle“ genauer be¬
schrieben ist. Im Allgemeinen thut man gut, das Osmiumgemisch
vorzuziehen; nur in einigen Fällen ist das Quecksilberverfahren
zur Ergänzung desselben nützlich.
Es verdient noch hervorgehoben zu werden, dass, während
z. B. fast sämmtliche Organe des Frosches mit dem Quecksilber¬
verfahren gute Bilder geben, man bei Säugethieren mit dem¬
selben seine Schwierigkeiten hat, und sehr vorsichtig manipu¬
liren muss, um mit Hilfe jener Mischung in einzelnen Fällen
gute Resultate zu erhalten. Auch in dieser Beziehung steht
[32]Die Methoden der Granulauntersuchung.das Osmiumgemisch weit voran, indem hier die verschiedenen
Thierklassen meist gleich gute Bilder geben.
In manchen Fällen ist es nützlich, dem Quecksilbergemisch
statt der Ameisensäure dasselbe Volumen Eisessig zuzusetzen;
diese Mischung ist haltbar und kann vorräthig aufgehoben
werden; beim Gebrauch treten darin keine Niederschläge auf.
Statt der Lösung des Quecksilberoxydes in Salpetersäure kann
auch eine solche in Picrinsäure angewendet werden, doch ist
dieselbe sehr empfindlich, sodass ihre Anwendung ziemlich
schwierig ist; in manchen besonderen Fällen, wie z. B. bei
Embryonen, hat sie mir Vortheile gebracht.
Es erscheint nicht zweckmässig, hier auf die zahlreichen
Versuche einzugehen, welche mir gelegentlich in einzelnen Fällen
gute Resultate gegeben haben; es würde dieses zu weit führen
und eine Verständigung in dieser Beziehung schwierig sein.
Alle diese Versuche werden erst dann ihre Bedeutung gewinnen,
wenn die vorbereitende Methode des Ausfrierens unterhalb der
kritischen Temperatur allgemeiner zur Anwendung gekommen
sein wird; es wird dann gelingen, grössere Gruppen von metho¬
dischen Variationen anzuwenden und dieselben nach bestimmten
Gesichtspunkten zu ordnen. Ich habe mich deshalb in den vor¬
liegenden Untersuchungen auch damit begnügt, fast nur solche
Resultate herbeizuziehen, welche mit dem Osmiumgemisch und
allenfalls mit der Quecksilberlösung gewonnen worden sind, in¬
dem ich die Durcharbeitung der Details, wie sie mit anderen
methodischen Variationen möglich ist, von der Ausfriermethode
und der Zukunft erhoffe. Vor allen Dingen hoffe ich hier auch
mit anderen Farbstoffen endlich zu Resultaten zu kommen; bis¬
her mussten sich alle meine Bemühungen dahin zuspitzen, die Fixi¬
rung möglichst für das Säurefuchsin einzurichten; die dem Säure¬
fuchsin nicht zugänglichen Granulaarten, die vielleicht zahl¬
reicher sind, als die bisher dadurch sichtbaren, dürften doch nur
durch andere Farbstoffe aufgedeckt werden.
In Bezug auf die Anwendung des Osmiumgemisches mag
noch erwähnt werden, dass es unschwer gelingt, das in
den Geweben haftende reducirte Osmiummetall oder dessen
niedere Oxyde durch Oxydation zu Ueberosmiumsäure nach¬
träglich zu entfernen. Hierzu kann man das von Flemming
[33]Die Methoden der Granulauntersuchung. empfohlene ozonisirte Terpentinöl benutzen; auch Heidenhain
scheint dieses mit Hilfe von Chromsalzen gelungen zu sein.1
In eleganter und sicherer Weise gelingt diese Oxydation durch
Goldchlorid und seine Doppelsalze. Im Allgemeinen habe ich
von dieser Wegschaffung des Osmiums aus dem Gewebe wenig
Nutzen gesehen; der Widerstand gegen Farbenreactionen wird
wohl gemildert, aber in anderer Beziehung unsicherer, und die
feineren Elemente verlieren an Präcision der Formen, welche
ihnen augenscheinlich das reducirte Osmium verleiht. Nur am
Kern habe ich durch die Oxydation mit Goldchlorid das Resultat
erreicht, dass danach die Kerngranula2 mit Cyanin färbbar
wurden. Ein näheres Eingehen auf diese Methode muss ich
mir leider hier noch ersparen; die Methode ist noch so com¬
plicirt und unsicher, dass ich es Anderen nicht zumuthen kann,
damit zu arbeiten, und gedenke ich erst dann darüber näheren
Bericht zu erstatten, wenn die Methode des Ausfrierens unter¬
halb der kritischen Temperatur mir zur Verfügung stehen wird.
Für jetzt muss ich mich damit begnügen, einige Beispiele von
Kerngranulis auf der beigegebenen Tafel VI beizubringen; ein¬
zelne Präparate hiervon sind auf der Anatomenversammlung in
Berlin demonstrirt. Mit Hilfe der Ausfriermethode hoffe ich die
Darstellung der Kerngranula so variiren zu können, dass sie
ein Jeder leicht handhaben kann.
Andrerseits gehört es nicht minder zu den Vorzügen des
Osmiumgemisches, dass durch dasselbe das Fett und zwar so¬
wohl Neutralfett wie Fettsäure selbst geschwärzt werden3, und
bildet in dieser Beziehung die Anwendung des Gemisches eine
Ergänzung derjenigen Wirkungen, welche wir bei der Methode
des Ausfrierens haben, denn gerade Fettsäurederivate sind es,
welche bei der letzeren durch die Einwirkung des geschmolzenen
Paraffins und des Xylols verloren gehen können.
Dasjenige, was sich von Osmiumschwärzungen auch trotz
der zur Einbettung verwendeten Flüssigkeiten erhält, ist später
Altmann, Elementarorganismen. 3[34]Die Methoden der Granulauntersuchung. beim Einlegen der Schnitte unter dem Deckglas immer noch
der Gefahr der Extraction ausgesetzt, indem Xylol-Balsam, oder
auch Xylol-Dammar bei manchen Objecten leicht Entfärbungen
verursachen. Will man dieser Gefahr entgehen, so muss man
die Schnitte in Paraffinum liquidum unterbringen. Dieses bricht
das Licht zwar etwas schwächer, doch kommt dieser Umstand
nicht gerade wesentlich zur Erscheinung, wenn der volle Be¬
leuchtungskegel angewendet wird, da dieser wie bekannt im
Stande ist, die Brechungsunterschiede, die ja im Balsam auch
nicht ganz fehlen, auszugleichen. Andererseits kann man bei
Anwendung der engeren Beleuchtungskegel aus der geringeren
Brechung des Paraffinum liquidum Vortheile ziehen. Diese
Flüssigkeit conservirt auch die empfindlichsten Osmiumschwär¬
zungen, soweit sie nach der Einbettung sich noch in den Schnitten
finden, auf das Beste. Will man andererseits die Osmiumschwär¬
zung aus den Fettsäurederivaten entfernen, so genügt bei man¬
chen Objecten ein Einlegen der Schnitte in Xylol-Balsam und
das mehr weniger lange Erwärmen des Objectträgers auf dem
Wärmeofen. In den schwierigen Fällen kann die Entfärbung,
wie oben erwähnt, durch mehr weniger intensive Einwirkung
von Goldlösungen herbeigeführt werden. Die verschiedenen mit
Fettsäurederivaten versehenen Formelemente der Zellen zeigen
in Bezug auf den Widerstand gegen die verschiedenen Extrac¬
tionen eine weitgehende Stufenfolge von Differenzen.
Die Ursachen bei der Extraction der Osmiumschwärzungen
sind jedenfalls in zwei verschiedenen Momenten zu suchen: zu¬
nächst in der Löslichkeit derjenigen Substanz, an welcher das
reducirte Osmiummetall oder seine niederen Oxyde anhaftet,
dann in der Oxydation der Osmiumniederschläge selbst. Wenn
z. B. eine Osmiumschwärzung durch Einlegen der Stücke in
kaltes Xylol oder Chloroform verloren geht, dann haben wir
keinen Grund, oxydirende Wirkungen der letzteren anzunehmen;
wir werden uns vorstellen müssen, dass hier die Verbindung,
welche die in Xylol und Chloroform lösliche Substanz mit dem
Osmium einging, so locker ist, dass sie durch diese Flüssig¬
keiten wieder zerstört wird; in diesen Fällen sieht man auch
jene in das Xylol oder Chloroform eingelegten Stücke sich mit
einem schwarzen Hof umgeben, als Zeichen, dass hier eine
[35]Die Methoden der Granulauntersuchung.Oxydation des reducirten Osmiums nicht stattgefunden hat.
Legen wir dagegen solche mit Osmium geschwärzten Organ¬
stücke in eine wässerige Lösung des Goldchlorids, so vermag
diese Neutralfette etc. wegen ihrer Unlöslichkeit in Wasser nicht
aufzunehmen; dennoch sehen wir das Organstück farblos wer¬
den und zwar ohne dass sich ein schwärzlicher Hof um das¬
selbe bildet. Bei ozonisirtem Terpentinöl werden beide Momente
gleichzeitig wirken können.
Die Verbindung des Neutralfettes mit dem reducirten Os¬
mium scheint von allen Fettsäurederivaten die festeste zu sein;
wenn die Osmiumsäure kräftig und lange genug gewirkt hat,
dann gelingt es nicht, jene Verbindung durch kaltes Xylol oder
Chloroform zu zerstören.
Auch die Wirkungen des Xylol-Balsams auf die schon unter
dem Deckglas befindlichen Schnitte dürften sich in jener doppel¬
ten Weise äussern, nämlich in der lösenden Kraft des Xylols
und in der oxydirenden Kraft des Balsamharzes. Auch das
Nelkenöl wird nach beiden Richtungen wirksam sein; es ist
nicht nur ein gutes Lösungsmittel für die Fettsäurederivate,
sondern besitzt auch energisch oxydirende Wirkungen, die sich
gegenüber den Präparaten auch sonst besonders bei den Anilin¬
farbstoffen deutlich zeigen.
Während also Xylol und Chloroform, sowie ähnliche Mittel
nur durch ihre lösenden Eigenschaften wirken, thun dieses
Xylol-Balsam und ozonisirtes Terpentinöl ausserdem noch durch
ihre oxydirenden; bei dem Goldchlorid kommen in erster Linie
die letzteren in Betracht, die ersteren nur dann, wenn es sich
um Fettsäurederivate handelt, welche durch Wasser löslich
oder leicht angreifbar sind. Auch die Chromsalze dürften ähn¬
lich wie das Goldchlorid wirken, doch habe ich über dieselben
keine eigenen Erfahrungen. Es verdient hervorgehoben zu wer¬
den, dass eine zweiprocentige Lösung von Goldchlorid in allen
Fällen zum Ziele führt, wenn die Einwirkung lange genug dauert;
auch Neutralfett, welches mit dem reducirten Osmium augen¬
scheinlich die festeste Verbindung eingeht, wird dadurch entfärbt.
Alle diese Wirkungen, mögen sie auf den lösenden oder
oxydirenden Eigenschaften der Reagentien beruhen, werden
naturgemäss durch die Wärme erhöht. Ob ausser Fettsäure¬
3*[36]Die Methoden der Granulauntersuchung. derivaten noch andere Substanzen in den Geweben vorkom¬
men, welche die Osmiumsäure energisch bis zur Schwär¬
zung reduciren, ist noch in keinem Falle sicher gestellt, doch
muss die Möglichkeit hier zugegeben werden. Dagegen ist es
bekannt, dass fast alle organischen Gewebstheile diese redu¬
cirenden Eigenschaften bis zur Gelbfärbung zeigen.
In Bezug auf die Beobachtung der Granulabilder lässt sich
nur im Allgemeinen sagen, dass die volle Ausnutzung der heute
uns zur Verfügung stehenden optischen Hilfsmittel nöthig ist,
um die Details deutlich zu übersehen. Mir sind gelegentlich
Fälle vorgekommen, wo der Zellenleib trotz sorgfältiger Diffe¬
renzirung mit Picrin gleichmässig roth blieb und bei übermässiger
Differenzirung gleichmässig farblos wurde; es war demnach nicht
zu entscheiden, ob es sich hier um eine gleichartige Substanz
oder um so kleine und dichte Granula handelte, dass dieselben
mit den heutigen Objectiven nicht mehr aufgelöst werden
können. Die Uebergänge hierzu finden sich vielfach und man
braucht nur die beigegebenen Abbildungen zu durchmustern,
um eine Stufenfolge von gröberen, kleineren und kleinsten
Granulis zu finden, so dass es nur noch eines weiteren Schrittes
der Verfeinerung bedarf, um das homogene Bild trotz einer
scharfen Differenzirung zu erzeugen.
Weil aber die Granula der Zelle in Bezug auf ihre Grösse
und Dichtigkeit oft die Grenze des Mikroskopes berühren und
wahrscheinlich auch überschreiten, darum ist die volle Aus¬
nutzung der Kräfte desselben dringend nothwendig und die
heutigen Apochromaten, welche wegen ihrer vollkommenen Cor¬
rektion in ihrer ganzen Oeffnung nutzbar sind, bilden einen
willkommenen Fortschritt, der uns hier wesentlich zu Gute
kommt. Will man die Kräfte derselben völlig ausnutzen, so
thut man nach meinen Erfahrungen gut, selbst an seinem Ob¬
jectiv den Correktionszustand desselben genau zu bestimmen
und danach sowohl die Brechkraft des Immersionsöles, als auch
diejenige Tubuslänge auszusuchen, die diesem Correktionszustand
am besten entspricht. Trotz der Exaktheit, mit welcher heute
unsere optischen Fabrikanten vorgehen, findet sich doch nur
selten ein Objectiv, an welchem die beigegebenen Angaben
über diese beiden Faktoren gut stimmen und die apochroma¬
[37]Die Methoden der Granulauntersuchung. tischen Objektive sind, wenn es sich um das Beste handelt,
was sie leisten sollen, in dieser Beziehung sehr empfindlich.
Am zweckmässigsten wäre es vielleicht, wenn auch für diese Oel¬
systeme die früher an den Wasserimmersionen gebräuchliche
Correktionsschraube angebracht würde und so ein Jeder die
Möglichkeit hätte, selbst den besten Stand seines Objectivs auf¬
zusuchen, besonders auch deshalb, weil trotz der Angaben der
Homogenität die von den Optikern den Objectiven beigegebenen
Immersionsöle etwas schwächer brechend zu sein pflegen, als
die Deckgläschen der Präparate. Würde die Brechkraft des
Oeles ganz gleich sein, so wäre die Correktionsschraube nur
noch für den Fall von Nutzen, wenn das unter dem Deckglas
befindliche, das Präparat einschliessende Medium eine abwei¬
chende Brechung besässe; ich bediene mich deshalb bei schwie¬
rigen Fällen nicht nur eines genau auf das Deckglas abgestimm¬
ten Immersionsöles, sondern auch zum Einschluss der Präparate
statt des üblichen Canadabalsams oder Dammarharzes des
Copaivabalsams, dessen Brechung genau der des Deckglases
gleich kommt, und welcher unverdünnt benutzt werden kann.
Auf diese Weise gelingt es, auch noch bei einem stärkeren
Okular die Schönheit der Bilder zu erhalten und in der Ver¬
grösserung so weit vorzugehen, als es die Apertur des Objec¬
tivs, das heisst die Aberration der Beugung gestattet.1 Die
Brechkraft unserer Deckgläschen habe ich so bestimmt, dass
ich eine Anzahl derselben zusammenschmolz und ein Prisma
daraus schleifen liess; der Index derselben, welche wie meistens
aus englischen Quellen stammten, lag nicht unbeträchtlich über
dem des Cedernöles.
Mit Hilfe der Ausnutzung aller Kräfte des heutigen Mikro¬
skopes gelingt es, trotz der Kleinheit der Zellen, ziemlich weit
in das Innere derselben hineinzudringen. Ob später vielleicht
besondere optische Massnahmen uns noch weiter führen werden,
das lässt sich für jetzt nicht voraussagen; theoretisch ist die
Grenze des Mikroskopes mit den heutigen Constructionen noch
nicht abgeschlossen.2
[38]Die Methoden der Granulauntersuchung.
Gegenüber den Bemühungen, die Elementartheile der leben¬
den Substanz durch künstliche Differenzen sichtbar zu machen,
stellen die direkten natürlichen Beobachtungen in ihrer Wirkung
weit zurück.
Man hat den Werth dieser Beobachtungen vielfach in den
Vordergrund gestellt, indem man ihre Zuverlässigkeit rühmte,
während man gleichzeitig darauf hinwies, dass künstlich er¬
zeugte Bilder gar leicht Kunstprodukte sein können, die mit
der Natur nichts gemein haben. Noch heute scheint die An¬
sicht weit verbreitet zu sein, dass, wenn man an einem frischen
oder lebenden Object Theile desselben durch stärkere Licht¬
brechung hervortreten sieht, dieses Bild zugleich die Structur
des Objectes bedeuten müsse, dass dagegen, was etwa durch
künstliche Behandlung sichtbar wird, nur dann einen Werth er¬
hält, wenn es sich durch die Beobachtung des natürlichen Zu¬
standes bestätigen lässt.
Es liegt hierin mancherlei Wahres, aber auch mancherlei
Falsches. Vor Allem ist es ein grosser Mangel der natürlichen
Objecte, dass man an ihnen überhaupt nur relativ wenig sieht,
dass man dazu auf eine kleine Zahl günstiger Objecte ange¬
wiesen ist, und dass das Wenige, was man an diesen wenigen
Objecten erkennt, oft sehr zart und unbestimmt in Erscheinung
tritt, besonders wenn es sich um die kleinsten Formelemente
handelt. Der Werth und die Wichtigkeit solcher Beobachtungen
kann nicht in Abrede gestellt werden, aber sie haben bisher
nicht hingereicht, um das Wesen des protoplasmatischen Baues
aufzudecken, ja dort, wo man aus diesen Beobachtungen prin¬
cipielle Folgerungen hergeleitet hat, sind diese in irrthümliche
Wege gegangen, wie das oben erwähnte Beispiel von der durch
Heitzmann und Frommann angenommenen primären Netzstruc¬
tur des Protoplasmas zeigt, und wie die noch heute allgemein
verbreitete Anschauung von der doch nur scheinbaren Gleich¬
artigkeit und Homogenität der Sarkode beweist.
III
Körner und Fäden der Zellen.
In den beigegebenen Abbildungen findet sich eine grössere
Zahl von Beispielen derjenigen Bilder, welche durch die im
vorigen Capitel beschriebenen Methoden in den Zellen sichtbar
gemacht werden können. Naturgemäss sind diese Bilder nur
eine Auswahl der mannigfachen Variationen, unter denen die
Granulastructuren in den Zellen auftreten, andererseits ist je¬
doch diese Auswahl so reichlich bemessen, dass sie hinreichen
dürfte, um eine Uebersicht des durch jene Methoden Erreich¬
baren zu geben. Wir haben bereits oben hervorgehoben, dass
diese Methoden augenscheinlich nur einen Theil der die Zellen
zusammensetzenden Elementarkörperchen sichtbar machen und
dass erst weitergehende Versuche die Aussicht eröffnen, hierin
zu grösserer Vollständigkeit zu gelangen.
Indem Pigmentzellen und Muskelfasern als Vorbilder der
Zellenstructuren überhaupt aufgefasst werden zu können
scheinen, ist es vielleicht nützlich, unsere weiteren Erörterungen
zunächst an diese beiden Zellengattungen anzuknüpfen.
Um die Zellengranula zu beobachten, bedarf es bei den
Pigmentzellen keiner künstlichen Methoden. Scheidet man die¬
jenigen von ihnen aus, in denen das Pigment aus gesetzlos
geformten Ablagerungen verschiedenartiger pigmentirter Stoffe
besteht, so findet man in den echten Pigmentzellen die durch
die Natur gefärbten Körnchen meist von einer wunderbaren
Schönheit und Regelmässigkeit vor. In Tafel I ist hierfür ein
Beispiel gegeben. Das Bild stellt den grösseren Theil einer
Pigmentzelle aus der Haut einer Salamanderlarve dar. Es
kann ohne weitere Kunsthilfe gewonnen werden, indem man
einfach dem Thierchen die frische Haut abzieht und in Koch¬
salzlösung untersucht. Da aber gefärbte Objekte in Balsam
[40]Körner und Fäden der Zellen. klarer werden, so wurde das Thierchen lebend in das oben
beschriebene Osmiumgemisch geworfen, die Haut desselben an
der Rückenlinie der Länge nach gespalten, der den Rumpf be¬
deckende Theil ringsum abgezogen und nach bekannten Regeln
mit der innern Seite nach oben in Balsam eingebettet. Man
sieht dann die Rückentheile stark pigmentirt, den Bauchtheil
farblos, die Uebergangszone zwischen beiden im Mittel gefärbt.
An dieser Uebergangszone findet man dann vielfach solche
einzeln liegende, reich verästelte, flächenhaft ausgebreitete
Pigmentzellen vor, wie sie die Abbildung der Tafel I darstellt.
Es ist zweckmässig, hierbei schon etwas grössere Larven zu
nehmen, als sie dem Mutterleibe zu entschlüpfen pflegen.
Das Bild bietet wohl nichts, was nicht schon bekannt
und beobachtet worden wäre. Dennoch habe ich dasselbe
gewissermassen als Titelbild den anderen vorangestellt, weil
solche Pigmentzellen es waren, die seiner Zeit mich veran¬
lassten, die Granula der Zelle überhaupt zu suchen. Es gab
hier zwei Möglichkeiten: etweder waren ähnliche bestimmte
Körperelemente in den anderen Zellen nicht vorhanden, oder
sie waren vorhanden, aber in einem farblosen und daher un¬
sichtbaren Zustande. Diese zweite Möglichkeit, dass pigmentirte
und farblose Zellen dieselbe Structur haben, nur in gefärbtem
und ungefärbtem Zustande, hat sich durch die Thatsachen be¬
stätigen lassen.
Bisher galt es als feststehend, dass die Pigmentzellen wohl
mit gleichem Protoplasma begabt sind, wie die andern Zellen
auch, aber als Eigenthümlichkeit vor diesen die Einlagerung
zahlreicher gefärbter Körnchen voraus haben, welche durch
Absetzung neuer Stoffe in unlöslicher Form entstehen sollten.
Als allgemeine Quelle der Körperpigmente war man geneigt,
den Blutfarbstoff anzunehmen, und insbesondere waren die
zahlreichen Beobachtungen, welche man über Pigmentbildung
bei pathologischen Zuständen angestellt hat, zum Theil geeignet,
diese Ansicht zu stützen. Hierzu kam noch, dass man in den
Körperpigmenten vielfach einen Eisengehalt fand, sei es durch
mikrochemische Reaction mit Ferrocyankalium (Perls1), sei es
[41]Körner und Fäden der Zellen. wie an den Chorioidealpigmenten und den melanotischen Ge¬
schwülsten durch makrochemische Untersuchung. Seitdem
Virchow1 die Umwandlungen beschrieben hat, welche der
Blutfarbstoff bei Störungen des Kreislaufes und beim Austritt
aus den Gefässen erfährt, und welche zu mannigfachen Ab¬
lagerungen gefärbter Stoffe führen, ist man auch vielfach bemüht
gewesen, die genuinen Pigmente in gleicher Weise abzuleiten.
So hat Gussenbauer2 versucht, die Pigmente der melanotischen
Geschwülste vom Blutfarbstoff herzuleiten, Rouget3 glaubte,
dass die gelegentlich die Blutgefässe verlassenden Blutkörper¬
chen von Leukocyten aufgenommen würden, und dass diese
sich dann zu den Pigmentzellen umwandelten. Hoppe-Seyler
nahm auf Grund von Beobachtungen am Froschlarvenschwanz
sogar an, dass pigmentlose Zellen, indem sie sich durch einen
Ausläufer mit der Wandung eines Capillargefässes in Commu¬
nikation setzen, aus diesem direkt Blut aufnehmen und in
Pigment verwandeln, und List4 hat neuerdings in ähnlicher
Weise direkt die Umwandlung von Blut in Pigment zu beob¬
achten geglaubt.
Es scheint nun doch, als wenn man in Bezug auf die Art
und die Entstehung der Pigmente des Körpers durchgreifende
Unterschiede aufstellen muss. Schon Perls (l. c.) wies darauf
hin, dass alle Pigmente von nachweislich haematogenem Ur¬
sprung jene von ihm beschriebene mikrochemische Eisenreaction
gaben. Während auch, abgesehen von den pathologischen
Fällen, z. B. in der Froschleber, die je nach der Jahreszeit und
dem Ernährungszustande variablen bekannten Pigmenthäufchen
jene schöne blaue Reaction mit Ferrocyankalium zeigen und
so ihren haematogenen Ursprung verrathen, und Aehnliches auch
in der Placenta und an andern Orten beobachtet werden kann,
sind das normale Chorioidealpigment und andere genuine
Pigmente zwar wie behauptet wird auch eisenhaltig, geben
aber nicht jene Reaction.
Es dürfte wohl zweckmässig sein, die haematogenen Pig¬
[42]Körner und Fäden der Zellen. mentirungen, selbst wenn sie an manchen Orten auf Grund von
dort constant vorkommenden Circulationsstörungen auch con¬
stant zu finden sind, von den genuinen Pigmenten zu unter¬
scheiden, wie wir sie in den echten Pigmentzellen vorfinden.
Dass der Blutfarbstoff bei diesen letzteren entbehrlich ist, geht
daraus hervor, dass auch Thiere ohne gefärbtes Blut echte Pig¬
mente erzeugen. Dann ist es gerade nach neueren Untersuchungen
zweifelhaft geworden, dass die genuinen Pigmente eisenhaltig
sind. Was für den Morphologen jedoch ebenfalls wichtig sein
dürfte, das ist der Umstand, dass die Körnchen der echten
Pigmentzellen meist von sehr regelmäßiger Form, Grösse und
Lagerung zu sein pflegen und schon hierdurch sich von an¬
deren, z. B. haematogenen Pigmenten auszeichnen; man beob¬
achtet dieses nicht nur an so günstig ausgebreiteten Pigment¬
zellen, wie die unserer Tafel I, sondern mit Hilfe von dünnen
Schnitten nach guter Conservirung an vielen Orten. Wenn man
einen dünnen Querschnitt durch eine Froschretina mit guter
Vergrösserung betrachtet und dort sieht, wie die länglichen
Körnchen zierlich zu Schnüren geordnet zwischen den Stäbchen
sich hinziehen, so wird man einen Vergleich dieser Körnchen
mit den Conglomeraten haematogener Pigmentirungen wohl zu¬
rückweisen.
Bleiben wir also bei unserer Pigmentzelle der Tafel I stehen,
so haben wir hier durch die von der Natur gebotenen Färbungs¬
verhältnisse dreierlei Dinge zu unterscheiden: die gefärbten
Pigmentkörnchen, die farblosen Zwischenräume und den unge¬
färbten, daher leer erscheinenden Raum des Kernes.
Dass der Inhalt des Zellenkernes keine gefärbten Pigment¬
körner aufweist, deutet auf durchgehende Verschiedenheiten
zwischen diesem Inhalt und dem des Zellenleibes hin. Solche
Verschiedenheiten begegnen uns auch bei den künstlichen Fär¬
bungen. Alle unsere Bilder, welche innerhalb des Zellenleibes
die mit Säurefuchsin gefärbten Granula zeigen, haben daneben
den Kern in ungefärbtem Zustande. Nur in Fig. 3 der Tafel VI
finden sich sowohl die Granula des Kernes wie die des Zellen¬
leibes gleichzeitig mit Cyanin gefärbt, sonst sind auch hier in
den Abbildungen dieser Tafel, wo die Granula des Kernes sicht¬
bar werden, dafür die Granula des Zellenleibes farblos geblieben.
[43]Körner und Fäden der Zellen.
Von besonderem Interesse erscheint die Frage, was wir von
der zwischen den Pigmentkörnern befindlichen farblosen Substanz
zu halten haben. Diese Frage ist auch auf alle anderen nicht
pigmentirten Zellengattungen ausdehnbar; überall ist der Gegen¬
satz von Granula und Intergranularsubstanz der leitende Ge¬
sichtspunkt, auf welchen wir Rücksicht nehmen müssen.
Nach den Auffassungen derjenigen, welche die Ansicht von
der Gleichartigkeit des Protoplasmas vertreten, würde die Inter¬
granularsubstanz der eigentliche Träger der lebendigen Eigen¬
schaften sein; die Granula wären danach nur Einschlüsse von
secundärer Bedeutung. Nehmen wir noch die beiden anderen
Auffassungen hinzu, welche hier möglich sind, so könnte um¬
gekehrt die Granula lebendig, die Intergranularsubstanz aber
todt sein, und drittens wäre die Möglichkeit gegeben, dass beide
lebendige Fähigkeiten besitzen.
Dass die Granula lebendig sind, das werden wir in dem
Nachfolgenden bei Beobachtung des Stoffumsatzes wiederholt zu
sehen Gelegenheit haben; ob die Intergranularsubstanz lebt, das
ist noch nirgend bewiesen, obwohl die Möglichkeit einer feineren
Zusammensetzung aus lebenden Elementarkörperchen auch hier
zugegeben werden muss, ja vielleicht zuweilen wahrscheinlich ist.
Für die Entstehung jener ersten, fast allgemein verbreiteten
Auffassung dürften insbesondere die an den lebenden Proto¬
plasmen zu beobachtenden Bewegungen massgebend gewesen
sein. Indem man an Pflanzenzellen, Rhizopoden, Myxomy¬
ceten etc. die merkwürdigen und bekannten Bewegungsphäno¬
mene beobachtete, glaubte man annehmen zu müssen, dass die
Körnchen dieser sich bewegenden Massen hierbei doch nur eine
passive Rolle spielen könnten, indem sie von der contractilen
Intergranularsubstanz fortgetragen und mitgeschleppt würden.
Diese Schlussfolgerung wird von den Beobachtern jener Be¬
wegungen als unabweisbar hingestellt und daraufhin die leben¬
dige Contractilität der Intergranularsubstanz, sowie die todte
Passivität der Granula angenommen.
So ganz unabweisbar ist nun allerdings eine derartige Schluss¬
folgerung nicht, und wir wollen zunächst nur an einem Beispiel
erörtern, dass Ursachen und Wirkungen in solchen Bewegungen
auch anders sich verhalten können.
[44]Körner und Fäden der Zellen.
Von der Zoogloea wissen wir mit Bestimmtheit, dass nur
die corpusculären Elemente derselben lebendig sind, welche als
Coccen oder Bacterien unsern Granulis entsprechen mögen; dass
hier die zwischenliegende Kittsubstanz todt ist, darüber herrscht
kein Zweifel; jene Unklarheit also, die uns bei dem Protoplasma
begegnet, fällt hier fort. Dennoch sehen wir die Zoogloeen,
wenigstens in einzelnen Fällen als solche Bewegungen ausführen,
deren Ursachen zweifellos in den Eigenschaften der einzelnen
Individuen zu suchen sind, nicht in denen der Kittsubstanz.
Diese Bewegungen, wie sie Hauser1 insbesondere an seinem
Proteus vulgaris beobachtet und geschildert hat, erscheinen für
uns von hervorragendem Interesse. Es ist wohl zu hoffen, dass
ein näheres Studium solcher Bewegungen vom Standpunkte der
Protoplasmalehre aus manches Licht auf die Dunkelheiten der
Protoplasmabewegungen selbst wird werfen können.
Gegenüber den üblichen Anschauungen, dass die Contrac¬
tilität der gleichartigen Sarkode die Ursache der Protoplasma¬
bewegungen sei, würde eine solche Analogie dazu führen, doch
in den das Protoplasma zusammensetzenden Elementarkörperchen
das Agens der Bewegungen zu suchen.
Noch von einer anderen Seite her hat man sich bemüht,
jene Contractilität der Sarkode als entbehrlich für die Erklärung
der Protoplasmabewegungen hinzustellen. Es ist dieses von
Seiten G. Berthold's in seinen schon citirten „Studien über
Protoplasmamechanik“ geschehen. Schon E. H. Weber2 hatte
auf die mögliche Bedeutung der physikalischen Emulsionsbe¬
wegungen für die Erklärung mancher vitaler Bewegungen hin¬
gewiesen, indem er sagt: vielleicht gelingt es in der Folge, den
ursächlichen Zusammenhang der beschriebenen (Emulsions-)Er¬
scheinungen aufzuklären und dadurch die physikalischen Ur¬
sachen mancher vor der Hand unerklärlicher Bewegungen im
Körper der Thiere und Pflanzen zu entdecken. Dahin gehört die
Circulation des Saftes in den Zellen der Chara und in manchen
Elementarzellen vieler anderer Pflanzen, wo der rotirende Saft
[45]Körner und Fäden der Zellen.nicht in häutigen Canälen eingeschlossen ist, sondern sich an
den Wänden frei zu bewegen scheint.
Berthold ist dieser Weber'schen Idee mit grosser Sach¬
kenntniss und Gründlichkeit nachgegangen und hat in con¬
sequenter Weise die physikalischen Gesichtspunkte durchge¬
arbeitet, welche sowohl die amoeboiden Bewegungen, als auch
die Innenströmungen des Protoplasmas erklärlich machen könnten;
die Körnchen des Protoplasmas hält Berthold, wie schon er¬
wähnt, für todte Einlagerungen; durch direkte Beobachtungen
konnte er sich von der Analogie der Bewegung lebloser Emul¬
sionen und lebender Plasmen überzeugen.
Als Pendant zu diesen Bemühungen Berthold's können
wir die neuesten Versuche Bütschli's1 betrachten, der das Proto¬
plasma ebenfalls für eine Emulsion hält, aber im Anschluss an
Heitzmann und Frommann im Sinne eines Seifenschaumes, bei
welchem das Plasma das äusserst feine wabige Gerüstwerk
bildet, während die rundlichen Lücken von indifferenter Flüssig¬
keit gefüllt würden. Wie Berthold, so hat auch Bütschli in
Anlehnung an die Versuche von G. Quincke2 Bewegungen an
diesen leblosen Emulsionen beobachtet, welche den Protoplasma¬
bewegungen ähnlich sein sollen, ja sogar die Wirkung der
Temperatur und der Elektricität daran nicht ganz vermisst.
Solche Bemühungen, an Stelle der unklaren vitalen Ursachen
physikalische Erklärungen zu schaffen, sind immer dankbar auf¬
zunehmen, selbst wenn sie wie meistens so auch hier nicht ganz
hinreichend sein sollten, die Unklarheiten der Vitalität auf¬
zuhellen.
Wie bis jetzt der Sachverhalt liegt, glaube ich, dass man
in Zukunft die Beobachtungen solcher vitalen Bewegungen, wie
sie an Hauser's Zoogloeen von Proteus vulgaris gesehen werden
können, mit jenen physikalischen Emulsionsbewegungen wird
combiniren müssen, um zu einem allmählichen Verständniss der
Protoplasmabewegungen zu gelangen. Zunächst wird man sich
natürlich über die Grundlagen einigen müssen, dass das Proto¬
[46]Körner und Fäden der Zellen. plasma kein wabiges Gerüstwerk bildet, sondern eine Colonie
positiver Elementarkörperchen vorstellt, und dass die letzteren
lebendig sind. Ist einmal diese Einigung erzielt, dann können
wir auch mit vereinten Kräften gegen die sogenannte Contrac¬
tilität der gleichartigen Sarkode zu Felde ziehen.
Ueber diejenigen Bewegungen der Protoplasmen, in welchen
die Elementarkörperchen unabhängig nebeneinander angehäuft
sind, wissen wir also bis jetzt nicht viel Positives, und die Strö¬
mungen in den Pflanzenzellen, wie die Bewegungen der Rhizo¬
poden und Amoeben dürften immer noch die alten Räthsel ent¬
halten. Wenn wir nicht nur den Begriff der Emulsionen, sondern
den der lebenden Emulsionen einführen und die lebenden Fähig¬
keiten des einzelnen Elementarkörperchens zu den physikalischen
Fähigkeiten der gesammten Colonie addiren, dann werden wir
vielleicht einmal weiter kommen; die Hauser'schen Zoogloeen
des Proteus scheinen mir hier ein wichtiges Objekt werden zu
wollen, weil sie einestheils über dem Meinungsstreit vom Bau
des Protoplasmas stehen, anderntheils sowohl die Bewegungen
des einzelnen Elementarkörperchens, wie die der ganzen Colonieen
zu beobachten gestatten. Ich glaube fast, dass von diesen Zoo¬
gloeen her wichtige Gesichtspunkte für das Zusammenleben
der Elementarorganismen im Protoplasma werden gewonnen
werden können. Dieses Zusammenleben scheint neue merk¬
würdige Abhängigkeiten zu erzeugen, die neben den lebenden
Fähigkeiten des Einzelindividuums und neben den physikalischen
Fähigkeiten der Colonieen sich geltend machen.
Wenn es sich darum handelt, die Bewegungen einzelner
Elementarkörperchen zu erklären, oder solcher Verbände, wie
sie zu den Fäden der Pilze, den Fibrillen der Muskelfaser etc.
sich verknüpfen, dann sind wir bald damit fertig; mögen nun
Cilien dabei thätig sein oder nicht, mögen die Bewegungen in
Drehungen und Schlängelungen oder in wirklichen Verkürzungen
bestehen, immer werden wir nur sagen können, dass hier mole¬
kulare Ursachen vorliegen, die zu ergründen für jetzt ausser¬
halb der morphologischen Aufgaben liegt.
Wenn man neuerdings geglaubt hat, alle Bewegungen der
lebenden Substanzen aus aprioristischen Gründen auf fibrilläre
Structuren zurückführen zu müssen, so liegt eine zwingende Noth¬
[47]Körner und Fäden der Zellen. wendigkeit für diese Annahme, wie die Hauser'schen Zoogloeen
und die frei beweglichen Protoplasmen zeigen, nicht vor. Da
aber, wo Fibrillen vorhanden sind, haben wir es, wie in dem
Nachfolgenden gezeigt werden wird, mit aneinander gereihten
Granulis zu thun. Die primäre Aktion liegt also auch hier im
Granulum, und wird höchstens durch die Art des Verbandes
modificirt.
Es wäre ein unnützes Unternehmen, wenn wir es versuchen
wollten, allen Möglichkeiten und Hypothesen gerecht zu werden,
welche über das Protoplasma und seine Bewegungen in Betracht
genommen sind oder werden könnten. Nur soviel sollte hier
hervorgehoben werden, dass keine Thatsachen bekannt sind,
welche uns zur Annahme einer contractilen, formlosen Sarkode
nöthigen.
Auch die Bewegungen, welche man von einzelnen Arten
der Pigmentzellen kennt und welche dieselben intra vitam auf
Grund des Lichtreizes ausführen, sind nicht der Art, dass sie
die eigene Bewegung der Pigmentkörnchen ausschliessen, die
Contractilität der Intergranularsubstanz aber zu erweisen ver¬
mögen. Die Beobachtungen Brückes1 an der Haut des Cha¬
mäleons, diejenigen v.Wittich's2 an der Haut von Rana esculenta
und diejenigen Boll's3 an der Retina des Frosches zeigen, dass
auf Grund von Lichtreizen oder deren Ausschluss die Pigment¬
körnchen sich am Kern ansammeln, die Ausläufer der Zellen
aber davon frei werden können. Es ist das gewiss ein sehr
merkwürdiges Phänomen, das noch durch die von Brücke ge¬
zeigte Abhängigkeit dieser Lokomotionen vom Nervensystem an
Interesse zunimmt; aber irgend einen Anhalt dafür, dass diese
Lokomotionen durch die etwaige Contractilität der Intergranular¬
substanz hervorgerufen würden, finden wir in diesen Beobach¬
tungen nicht vor. Nur soviel scheint daraus hervorzugehen,
dass die Substanz der Pigmentkörnchen in irgend einer Ab¬
[48]Körner und Fäden der Zellen.hängigkeit zum Zellenkern steht, indem dieselben sich ja nach
dem letzteren hin ansammeln oder von ihm entfernen.
Welche Ursachen hier wirksam sind, ist unbekannt, doch
wissen wir auch von den Mikroorganismen her, dass sie merk¬
würdige Richtungen für ihre Bewegung zeigen; so hat man
Lichtwirkungen auf die Bewegungen von Schwärmsporen sich
äussern sehen, so konnte Engelmann ein Ansammeln von Mikro¬
organismen nach der Sauerstoffquelle hin constatiren und Pfeffer
sah dieselben gegen den Diffussionsstrom hin dem Orte zuwan¬
dern, wo bestimmte Nährstoffe vorhanden waren. So können
wir auch unseren Pigmentkörnchen schon einige Beweglichkeit
zutrauen, besonders wenn wir sie für lebendig halten.
Für das Verständniss der Organisation der Zelle als Ganzes
ist jene Abhängigkeit des Zellenkörpers vom Zellkerne augen¬
scheinlich der wichtigste, aber auch zugleich der schwierigste
Punkt, und wir werden doch nur von allgemeineren Gesichts¬
punkten aus, wie sie im letzten Kapitel entwickelt werden, zu
einer allgemeineren Auffassung gelangen. Hier mögen zunächst
nur ein paar naheliegende Momente berücksichtigt werden.
Es scheint zunächst nützlich zu sein, unter den Bestand¬
theilen der Zellkörper diejenigen, welche deutlich sichtbare
Beziehungen zum Zellenkern erkennen lassen, von denen zu
scheiden, bei welchen solche Beziehungen nicht zu erken¬
nen sind.
Bei der Beobachtung der verschiedenartigen Zellstructuren
drängt sich eine derartige Unterscheidung oft geradezu auf und
können wir für die Charakteristik derselben mancherlei Beispiele
einander gegenüberstellen.
So ist es lange bekannt, dass viele Eizellen radiäre Strah¬
lungen des Zellkörpers zeigen, welche als Sammelort den Kern
haben. Dass diese auffallende Anordnung des Zelleninhaltes
nicht eine zufällige ist, liegt auf der Hand; sie gewinnt hier um
so mehr Bedeutung, weil die Eizellen als die Mutterelemente
ganzer Organismen eine besondere Werthigkeit für sich in An¬
spruch nehmen und gewissermassen als Grundtypen der Zellen¬
formen betrachtet werden können.
Solche Erscheinungen sind jedoch nicht nur auf die Eizellen
beschränkt, sondern finden sich, wenn auch vielleicht in mehr
[49]Körner und Fäden der Zellen. weniger verdeckter Form, so zahlreich unter den verschiedenen
Zellengattungen, dass wir nicht anzustehen brauchen, einen solchen
Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Kernes und des Körpers
der Zelle als ein weit verbreitetes Vorkommniss anzunehmen.
In vielen anderen Zellen dagegen zeigt sich der Inhalt des
Zellleibes deutlich unabhängig vom Kern und es bleibt oft nur
ein mehr weniger kleiner Theil übrig, dem man überhaupt Be¬
ziehungen zum Kerninhalt zumuthen könnte.
Als prägnantes Beispiel hierfür kann uns der Inhalt der
gestreiften Muskelfaser dienen. Die Fibrillen derselben sind
augenscheinlich unabhängig vom Kern; sie gehen der Längs¬
richtung der Faser parallel, ohne sich um die Gegenwart der
Kerne zu kümmern, höchstens dass sie auf Ihrem sonst grad¬
linigen Wege etwas ausweichen, um demselben und der ihn
umschliessenden spärlichen Substanz einigen Raum zu gönnen.
Da die Fibrillen als lebende Bestandtheile nicht anders ent¬
standen sein können, als aus schon vorhandenen lebenden Ele¬
menten, die in der ursprünglichen Eizelle Ihre Vertreter gehabt
haben dürften, so hat demnach eine Decentralisation des Proto¬
plasmas stattgefunden, deren Endresultat die Fibrillen selbst
präsentiren.
Dieser Begriff der Decentralisation des Protoplasmas
innerhalb der verschiedenen Zellkörper erscheint fast nothwendig,
wenn es sich darum handelt, einige Ordnung in das Verständniss
der verschiedenartigen Zellstructuren zu bringen. Es dürfte nur
wenige Zellengattungen geben, welche von dieser Decentrali¬
sation ganz verschont bleiben; bei den meisten Zellen be¬
obachten wir, dass sie von ihrem Jugendzustande her zu
der fertigen, ihren Functionen entsprechenden Gestaltung Ver¬
änderungen eingehen, welche im Wesentlichen darin bestehen,
dass eine mehr weniger grosse Menge von Elementen ihres In¬
haltes durch Wachsthum und charakteristische Formen sich aus¬
zeichnen und hierdurch sowie durch ihre oft sehr bestimmten
unabhängigen Lagerungsverhältnisse zu erkennen geben, dass
sie wohl den Zellenraum als ihren Mutterboden betrachten, der
sie erzeugt hat, im Uebrigen aber ihre Funktionen relativ un¬
abhängig von demselben erfüllen. Wie in der Muskelfaser, so
erledigen sich solche Vorgänge auch in vielen anderen Zellen,
Altmann, Elementarorganismen. 4[50]Körner und Fäden der Zellen.wenn auch in feinerer und anderer Form; in jedem Falle scheint
die Function der Zelle massgebend für das Endresultat dieser
Decentralisation zu sein, so dass die Zelle sei es ihren animalen,
sei es ihren vegetativen Leistungen gerecht werden kann.
Bleiben wir zunächst bei den Muskelfasern stehen und be¬
trachten wir die in den beigegebenen Tafeln vorhandenen Muskel¬
bilder, so stellt zunächst Fig. 1 der Tafel X einen Längsschnitt
aus den Flügelmuskeln des Dytiscus marginalis vor. Für die
Präparation wurde der Käfer zunächst für ein paar Minuten
lebend in siedendes Wasser geworfen, da ohne dieses Hilfsmittel
eine tadellose Isolation der Flügelmuskeln schwer durchführbar
ist, und weil das Kochen abgeschlossener Gewebstheile nicht
immer die späteren Granulareactionen schädigt; dann wurden
die Muskeln in das Osmiumgemisch gebracht und nach den be¬
schriebenen Vorschriften weiter behandelt. Wir sehen in der
Abbildung die bekannten Fibrillen mit ihren Disdiaklasten in
dem graugelblichen Farbenton, wie er nach der Behandlung
mit Osmium und Fuchsin — Picrin gerne zurückbleibt; und
zwischen den Fibrillen die specifisch roth gefärbten Granula
liegen, welche in regelmässiger Lagerung neben der Krause'schen
Membran in besonderer Beziehung zu dieser zu stehen scheinen.
Ausser den roth gefärbten Granulis finden wir auch solche mit
schwarzer Osmiumfärbung vor, welche diese Färbung augen¬
scheinlich der Anwesenheit von Fettsubstanz verdanken und
nach anderweitigen Erfahrungen zu schliessen aus fettlosen
Granulis hervorgegangen sind.
Die erste Frage, welche uns bei diesem Bilde interessirt, ist
die, ob wir denn an dieser Stelle Alles sehen, was lebendig ist,
oder ob sich noch ein Quantum lebender Substanz hier unsicht¬
bar verbirgt.
Nach dem Bilde zu schliessen scheint es, als wenn ausser
den sichtbaren geformten Elementen kaum noch andere wesent¬
liche Bestandtheile hier vorhanden sein könnten. Nur muss man
hier einigermassen vorsichtig sein. Wir wissen, dass die Con¬
tinuität der Nervenerregung es verlangt, dass vielleicht eine
jede Muskelfibrille ihre Zuleitung hat; vielleicht dass die eigen¬
thümliche Nebeneinanderlagerung der Krause'schen Membranen
mit den als Verbindung zwischengelagerten rothen Granulis dieser
[51]Körner und Fäden der Zellen. Forderung genügt, doch muss auch die Möglichkeit in Betracht
gezogen werden, dass noch unbekannte Formbestandtheile zwi¬
schen den Fibrillen vorhanden sein und dieser Nervenleitung
dienen könnten. Dann wissen wir, dass, wie dieses schon von
Max Schultze in seinem berühmten Aufsatze über Muskelkörper¬
chen etc.1 so vortrefflich discutirt ist, in nächster Umgebung
der Kerne Reste von embryonalem Protoplasma übrig bleiben;
diese Reste treten jedenfalls ihrer Masse nach in der fertigen
Muskelfaser sehr zurück, und wenn ihnen trotzdem noch eine
erhebliche physiologische Bedeutung zukommen sollte, so hin¬
dert uns nichts, dieselben ebenfalls aus vielen vielleicht sehr
kleinen Elementarkörperchen uns zusammengesetzt zu denken.
Unser Muskelbild zeigt jedenfalls, dass wenigstens die Haupt¬
menge der hier vorhandenen lebenden Substanz geformt ist.
Eine zweite wichtige Frage ist dann die, wie sollen wir
morphologisch die Muskelfibrille auffassen. Es scheint mir nach
meinen Erfahrungen nicht anders möglich zu sein, als dass wir
sie als ein Multiplum von Granulis betrachten. Würden wir die
Entstehung, das Wachsthum und die Vermehrung der Muskel¬
fibrillen deutlich verfolgen können, dann würde sich dieses aus
den Thatsachen wohl ergeben. Leider haben meine Methoden
für diesen Zweck noch nicht ausgereicht und muss ich auch
hier von dem Ausfrieren der Gewebe die nöthigen Ergänzungen
erwarten; es lässt sich erwarten, dass eine sorgfältige Verfol¬
gung der Entwickelungsstadien jener Flügelmuskeln sehr positive
Resultate ergeben wird. Die auf Tafel IX gegebenen Abbildungen
von drei verschiedenen Entwickelungsstufen der Muskelfaser des
Frosches zeigen nur, dass in den jüngeren Stadien da, wo noch
keine Fibrillen vorhanden sind, Granula existiren; ob dieselben
hier Beziehungen zur Bildung der Fibrillen haben, das lässt sich
aus diesen Bildern nicht schliessen.
Wir werden jedoch Gelegenheit haben, an anderen Zellen¬
gattungen die Entstehung und Zusammensetzung der Zellfibrillen
aus Granulis zu beobachten, ja dieses Verhalten wird sich in
den meisten Zellengattungen als das vorherrschende erweisen.
Erwähnenswerth ist es vielleicht, dass von van Beneden
4*[52]Körner und Fäden der Zellen.contractile Fibrillen bei den Gregariniden gesehen hat, welche
sich aus Körnern aufgereiht zeigten, und ähnliches haben Schnei¬
der und Bütschli beobachtet.
In der Leber von Rana esculenta können wir das Her¬
vorgehen der Zellfibrillen aus Granulis deutlich verfolgen, wie
im nächsten Kapitel gezeigt werden soll.
Solche Bilder, wie Fig. 1 Tafel IV oder Fig. 1 Tafel XII,
vom Epithel der Harnkanälchen und der Darmschleimhaut,
zeigen nicht minder deutlich, dass hintereinander aufgereihte
Granula an Stelle der Fäden- und Stäbchenstructuren zu setzen
sind, wie sie bisher die Autoren aus weniger deutlichen Bildern
hergeleitet haben.
Wenn aneinandergereihte Granula Fäden bilden, so thun
sie es entweder so, dass man an diesen Fäden einzelne Elemente
nicht mehr unterscheiden kann, wie wir es z. B. an den Fäden
der Esculentenleber sehen werden, oder die Theilstücke sind so
aneinandergefügt, dass sie durch Querlinien getrennt werden,
wie in der Muskelfibrille, oder die Aneinanderreihung der Körner
bleibt sichtbarlich erhalten, so dass man einigermassen im Zweifel
darüber bleibt, wie die Continuität dieser Fibrillen in sich her¬
gestellt ist.
Zu der letzteren Gattung scheinen ausser anderen auch ins¬
besondere die nervösen Fibrillen zu gehören. Seitdem Max
Schultze die fibrillären Streifungen des Axencylinders und der
Ganglienzellen in ungefärbtem Zustande gesehen, ist die Färbung
derselben im Axencylinder Kupffer1 mit Hilfe des Säurefuchsins
gelungen; die Differenzirung erreichte derselbe hier an ganzen
Nervenstämmchen durch länger andauernde Extraction des Farb¬
stoffes mit Alcohol absolutus. Am Axencylinder selbst sind diese
Fibrillen zu fein, als dass man mit Sicherheit ihre Zusammen¬
setzung aus Granulis erkennen könnte, deshalb mögen uns solche
Bilder, wie sie in Fig. 3 Tafel XIa, b, c von den Purkinje'schen
Zellen der Katze entnommen sind, zunächst zur Betrachtung
dienen. Hier sieht man die Zusammensetzung der Fibrillen aus
Granulis recht deutlich und sieht auch die Fibrillen sich in die
Ausläufer der Zellen fortsetzen.
[53]Körner und Fäden der Zellen.
Anfangs war ich im Zweifel, ob man diese Fibrillen nicht
nach Analogie des Muskelbildes der Fig. 1 Tafel IX als Granula¬
reihen auffassen müsste, welche interfibrillär gelagert sind. Doch
bin ich von diesem Zweifel abgekommen, seitdem mir solche
Bilder bekannt geworden sind, wie sie Fig. 1 und 2 Tafel XIV
vom Katzenembryo darstellt. Der Katzenembryo befand sich
auf jener Entwickelungsstufe, in welcher die vorderen Wurzeln
gerade deutlich angelegt waren; die Hirnwand (Fig. 1) bietet
daher noch ein relativ einfaches Gefüge. Nach der Fixirung
mit dem Osmiumgemisch und differenzirter Färbung mit Säure¬
fuchsin-Picrinsäure blieben von den Bestandtheilen der Zellen
nur vereinzelte Fäden gefärbt, die von der Höhlung zum Meso¬
derm ziemlich gradlinig verlaufend in der Nähe des letzteren
Umbiegungen zeigen. Augenscheinlich haben wir es hier mit
der primären Decentralisation des Protoplasmas der Nervenzellen
zu thun, wobei zunächst nur ein Theil desselben zu den der
Nervenleitung dienenden Fibrillen sich umwandelt. Viel reicher
entwickelt zeigen sich diese Fibrillen bereits in der Gegend der
vorderen Wurzeln selbst, überall aber sind dieselben deut¬
lich aus hintereinander aufgereihten Granulis zusammengesetzt;
der isolirte Verlauf aber, wie er besonders deutlich an der
Stirnwand der Fig. 1 hervortritt, zeigt, dass wir es hier nicht
mit interfibrillären, sondern mit fibrillären Granulis zu thun
haben.
Zur Ergänzung der von den Purkinje'schen Zellen der er¬
wachsenen Katze gegebenen Bilder mögen noch die Figuren 1
und 2 der Tafel XIII dienen. In Fig. 2 ist ein Durchschnitt durch
die Rinde des Kleinhirns gezeichnet, in welchem einzelne dickere
Ausläuferstücke der Purkinje'schen Zellen sichtbar sind, der
meiste Raum aber wird von den theils längs, theils quer ge¬
troffenen feinsten Ausläufern derselben Zellen eingenommen. Da
der Schnitt sehr dünn ist, so bekommt man auf diese Weise
eine Vorstellung von dem dichten Filzwerk, welches diese Aus¬
läufer bilden müssen. In Fig. 1 ist ein Durchschnitt durch die
Körnerschicht des Kleinhirns dargestellt; das Auftreten der aus
runden Körnern bestehenden Haufen deutet nach anderen Er¬
fahrungen darauf hin, dass wir es hier vielleicht mit lebhafteren
Stoffumsetzungen zu thun haben.
[54]Körner und Fäden der Zellen.
Im Uebrigen zeigen die Bilder aus dem Nervensystem, dass
die Decentralisation das Protoplasma hier ähnlich wie bei der
Muskelfaser vorzugsweise zur Fibrillenbildung führt, entsprechend
der Function der Nervenleitung.
Kehren wir noch einmal zu den Muskeln zurück, und ver¬
gleichen wir die Bilder der gestreiften Faser mit den Erschei¬
nungen, welche die glatte Muskelzelle darbietet, so sehen wir
in Fig. 4 der Tafel X einen parallel der Zellenrichtung gehenden
Schnitt durch die Muskelwand des Froschdarms. Das Bild ist
durch die Quecksilbermethode gewonnen und haben wir grade
hier Gelegenheit, einmal die ausserordentliche Kleinheit mancher
Arten von Zellgranula zu beobachten, welche hier in Reihen
angeordnet ebenfalls eine fibrilläre Structur des Zellkörpers an¬
nehmen lassen.
Schon frühzeitig hat man Analogieen zwischen den quer¬
gestreiften und den glatten Muskelfasern gesucht und gefunden
und besonders an Querschnitten der letzteren feine Punktirungen
gesehen, aus denen man auf eine fibrilläre Structur schloss.
Wir lernen besonders aus diesem Bilde, dass es thatsächlich zu¬
weilen nur eines weiteren Schrittes der Verfeinerung der Elemente
bedarf, um überhaupt die Unterscheidung derselben für unsere
Mikroskope unmöglich zu machen und jene Fälle eintreten zu
lassen, die wir im vorigen Kapitel erwähnten, wo Protoplasmen
trotz sorgfältiger Differenzirung gleichmässig roth bleiben und
bei übermässiger Differenzirung mit Picrin gleichmässig abblassen,
Fälle, die dann das Bild der gleichmässigen Sarkode sehr wohl
vortäuschen können.
Wir sind von der Vorstellung ausgegangen, dass die ur¬
sprüngliche Zelle eine direkte Abhängigkeit der Bestandtheile
des Zellkörpers von dem Inhalt des Zellenkernes zeige und dass
erst durch die functionelle Aufgabe der Zelle die Bestandtheile
des Zellenkörpers sich durch Decentralisation unabhängig vom
Kerne machen. Für die animalen Leistungen war das noth¬
wendige Endprodukt dieser Decentralisation die Fibrille, für die
vegetativen Leistungen dagegen beobachten wir die den be¬
treffenden Functionen entsprechenden Umwandlungen an dem
einzelnen Elementarkörperchen. Schon an den Eizellen sehen
wir die merkwürdigsten Verwandlungen an den Bestandtheilen
[55]Körner und Fäden der Zellen. des Zellkörpers auftreten, wenn es sich darum handelt, einen
Vorrath von Nahrungsdotter zu schaffen; die Umsetzungen des
Stoffwechsels werden wir an den Granulis sich abspielen sehen
und dieses am deutlichsten für den Stoffwechsel des Fettes ver¬
folgen können; ebenso werden uns die Secretionen der Drüsen¬
zellen reichlich Gelegenheit geben, die weitgehenden Umwand¬
lungen der Granula für den Zweck der Bildung der Secrete zu
beobachten. Im erwachsenen Organismus, wo alle Zellengruppen
ihre bestimmten Functionen zu erfüllen haben, werden jene
Decentralisationen des Zelleninhaltes weit verbreitet sein; nicht
immer werden sich so extreme Formen darbieten, wie in den
genannten Fällen, indem den mehr constant ablaufenden Pro¬
zessen auch eine mittlere Constanz der Formenerscheinungen
am besten entsprechen wird.
IV
Die Leber von Rana esculenta.
Flemming, welcher zu den Anhängern des geformten Proto¬
plasmas gehört, sagt in seinem Werke über Zellsubstanz, Kern
und Zelltheilung (S. 11), indem er die Summen seiner Anschau¬
ungen zusammenfassen will, dass der morphologische Bau
des Zellkörpers aus zwei differenten Substanzen be¬
stehe, nicht aus Körnchen und homogener Einbettungs¬
masse, sondern aus Fäden und Zwischensubstanz. Er
stellt diesen Satz insbesondere im Anschluss an diejenigen Aus¬
einandersetzungen auf, welche Kupffer1 auf Grund seiner Be¬
obachtungen an den Leberzellen des Frosches gegeben hatte,
und im Gegensatz zu den herrschenden Anschauungen, welche
seit Hugo von Mohl und Max Schultze das Protoplasma als
eine homogene Substanz definiren, die meist zahlreiche Körnchen
oder andere Einschlüsse eingestreut enthalte.
Indem Flemming darauf hinweist, dass schon Brücke auf
Grund der Lebenserscheinungen der Zelle einen complicirten
Bau derselben vorausgesagt habe, zählt er die Fälle auf, in
denen schon früher eine morphologische Zusammensetzung des
Protoplasmas beobachtet worden sei, welche eine andere als
homogene Beschaffenheit der Zellsubstanz zeige und diese für
alle Fälle als möglich erscheinen lasse. Es gehören hierher die
Darstellungen Brücke's vom Bau der rothen Blutkörperchen;
die Streifungen der centralen Nervenzelle, die Max Schultze
näher beschrieb; die Längsstreifen der Flimmerzellen, wie sie
von vielen Autoren und besonders genau von Engelmann stu¬
dirt seien; die Streifen und Stäbchen, welche von Pflüger an
[57]Die Leber von Rana Esculenta. den Fusstheilen der Epithelien in den Ausführungsgängen der
Speicheldrüsen und von Heidenhain in den Drüsenzellen der
gewundenen Nierenkanälchen und des Pankreas entdeckt seien.
Auch die längst bekannten Längsstreifungen der glatten Muskel¬
fasern, nicht minder die Bauverhältnisse der animalen Muskel¬
fasern gehören zu solchen „Protoplasmastructuren“. Man habe
aber diese Fälle als physiologische Ausnahmen hingenommen
und für die meisten Zellenarten als gültige Regel an dem „homo¬
genen Protoplasma“ festgehalten.
Der erste Forscher, welcher nicht nur Dinge in den Zellen
gesehen und beschrieben, sondern sie auch als allgemein gültig
hingestellt habe, war Frommann und nach und mit ihm Heitz¬
mann, welche beide das Protoplasma aus sehr feinen Netzen be¬
stehen liessen, deren Knotenpunkte den Eindruck von Körnchen
machen sollen. Diesen Autoren habe sich Klein1angeschlossen,
indem er ein intracellular network in verschiedenen Zellen¬
gattungen beschrieb.
Besonders wichtig aber seien, abgesehen von einigen späte¬
ren Autoren, welche Zellfäden beobachtet und beschrieben haben,
die Auseinandersetzungen Kupffer's gewesen, welche besonders
an der Leberzelle des Frosches ausser dem Kern zwei deutlich
unterscheidbare Substanzen fand, eine hyaline der Masse nach
überwiegende Substanz, die der eigentlich formbedingende Theil
ist, und eine spärlichere feinkörnig fibrilläre, die in die erstere
eingebettet sei. Kupffer nennt die erstere das Paraplasma der
Zelle und stellt sie mit dem Zellsaft der Pflanzenzelle in Paral¬
lele; an Osmiumschnitten bleibt dieselbe pellucid und zeigt sich
hierbei nur schwach gefärbt. Darin eingebettet findet sich die
zweite etwas tiefer gefärbte fibrilläre Substanz, das Protoplasma
Kupffer's, welche ein netzförmig angeordnetes Fadenwerk
bildet, den lebenden Bestandtheil des Zellkörpers vorstellt und
als solcher mit den circulirenden Plasmasträngen der Pflanzen¬
zellen vergleichbar sei. Aehnliche Verhältnisse dürften auch in
den andern Zellengattungen statthaben.
Diesen Deductionen Kupffer's schliesst sich Flemming im
[58]Die Leber von Rana esculenta.Allgemeinen an. Nachdem er seine eigenen an verschiedenen
Zellengattungen angestellten Beobachtungen geschildert hat, fasst
er die Resultate derselben dahin zusammen, dass im Zellenleibe
ausser dem Kern und etwaigen besonderen Körnereinschlüssen
sich zwei verschiedene Substanzen unterscheiden lassen, von
denen die eine etwas stärker lichtbrechend und in Form von
Fadenwerken angeordnet sei, die andere den bleibenden Raum
ausfüllt; im Gegensatz zu den anderen Autoren und auch zu
Kupffer glaubt Flemming, dass man kein Recht habe, diese
Fadenwerke ohne Weiteres netzförmig zu nennen, doch liege
hier die Entscheidung auch für die besten Linsen der Gegenwart
noch an der Grenze des Sichtbaren.
Flemming bezeichnet die Fadenwerke des Zellkörpers als
Filarsubstanz, das dazwischen Liegende als Interfilarmasse, und
stimmt mit Kupffer darin überein, dass er die erstere als den
lebenden Bestandtheil, die letztere als etwas Indifferentes auf¬
fasst, obwohl er den Vergleich Kupffer's mit den Plasmasträngen
und den Zellsafträumen der Pflanzenzelle als nicht ganz zu¬
treffend erachtet.
In Bezug auf die Leberzellen des Frosches findet auch Flem¬
ming an mit Osmium behandelten Schnitten (Fig. 5 u. 6 seiner
Tafel I l. c.), dass wie es Kupffer beschreibt, die Fäden der
Zellen sich zum Gallenröhrchen hin zusammendrängen; die An¬
häufungen der Fäden dagegen, welche Kupffer um den Zell¬
kern herum sich gruppiren lässt, vermag er nicht zuzugeben;
hier sei ein von Zellfäden fast freier Raum. An Präparaten aus
Alkohol, Chromsäure und chromsaurem Kali bekam dagegen
Flemming diese eigenthümliche Vertheilung der Fäden innerhalb
der Zellen nicht, sondern er findet sie hier den Raum der Zellen
gleichmässig durchziehend (vergl. Fig. 8 u. 9 seiner Tafel I); er
kommt auf Grund dessen zu dem merkwürdigen Schluss, dass
jene Vertheilung der Zellfäden in der Froschleber nach der einen
Seite hin eine im Moment des Absterbens durch das Osmium
hervorgerufene Contractionserscheinung sei.
Eine Kritik dieser Angaben wird uns erst gelingen, wenn
wir die durch unsere Methoden erreichbaren Bilder betrachtet
haben werden. Voraus mag bemerkt sein, dass von den ver¬
schiedenen Froscharten die Leber von Rana esculenta die Neigung
[59]Die Leber von Rana Esculenta.zur Bildung von Fäden innerhalb der Zellen besonders ausge¬
prägt zeigt. Die Leber von Rana temporaria (Fig. 2, Tafel II)
hat diese Neigung weniger und schliesst sich in dieser Beziehung
an die Lebern von Salamandra maculosa (Fig. 2, Tafel IIA)
und der Tritonen an; bei Säugethieren (Fig. 1, Tafel IIA) und
Warmblütern überhaupt habe ich Fäden in den Leberzellen noch
nicht gesehen.
Um so interessanter erscheint dadurch die Esculentenleber,
doch zeigen sowohl die Zellfäden derselben, wie die Gesammt¬
structur der Leberzellen während der verschiedenen Jahreszeiten
einen durchaus verschiedenen Charakter, 1 ein Umstand, der so¬
wohl Kupffer wie auch Flemming entgangen zu sein scheint,
der für uns aber durch die Möglichkeit der Beobachtung von
variablen Bildern von hervorragendem Interesse sein muss.
Als das wichtigste Ergebniss der Beobachtung dieser Varia¬
tionen hat es sich herausgestellt, dass die Zellfäden der Es¬
culentenleber aus Granulis hervorgehen. Dieses Ergeb¬
niss ist von principiell hoher Bedeutung. Denn einestheils ge¬
lingt es an anderen Objecten nicht so leicht, die Art der Entstehung
der Zellfäden zu verfolgen; selbst die gestreifte Muskelfaser,
welche ihre innere Structur doch sonst so gröblich und deutlich
dem Auge darbietet, lässt uns in Bezug auf die Genese der Zell¬
fibrillen im Stich, wenigstens sind darüber bis jetzt positive An¬
gaben noch nicht gemacht worden. Anderntheils liefert diese
Beobachtung von dem Hervorgehen der Zellfäden aus Granulis
den Nachweis, dass jene nicht, wie Kupffer, Flemming und
Andere es wollen, die Grundelemente des Protoplasmas sein
können, da sie nur Derivate von solchen Grundelementen sind.
In Fig. 1 Tafel II und Fig. 3 Tafel III finden wir nun an¬
nähernd die Extreme vor, welche die Leberzellen der Esculenta
bei gleicher Behandlung mit unserem Osmiumgemisch und diffe¬
renzirter Färbung mit Säurefuchsin in den verschiedenen Jahres¬
zeiten zeigen. Wir wollen diese extremen Stadien als Hunger-
und Fütterungsleber bezeichnen, da solche weitgehende Diffe¬
renzen besonders von der Nahrungsaufnahme des Thieres
[60]Die Leber von Rana esculenta. abhängen dürften. Wenigstens findet man die Fütterungsleber
dann vor, wenn die Fresszeit der Thiere vorausgegangen ist
und kann man den ähnlichen Effekt auch durch künstliche
acute Fütterungen unabhängig von der Jahreszeit erzeugen1.
Die verschiedenen Stadien des Zustandes der Leberzellen
kann man schon makroskopisch nach dem Eröffnen der Bauch¬
höhle des Thieres annähernd erkennen. Die Hungerleber
charakterisirt sich durch ihre Kleinheit, ihr schwärzliches Aus¬
sehen und ihre schlaffe Consistenz, die maximale Fütterungs¬
leber dagegen ist oft auffallend gross, gelblich gefärbt und prall.
Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man dem¬
entsprechend so weitgehende Unterschiede vor, wie sie durch
die erwähnten Abbildungen illustrirt werden. Die extreme
Hungerleber (Fig. 1 Tafel II) zeigt die Zellen klein; dieselben
sind, abgesehen von dem Kerne, fast in ihrem ganzen Raume
mit gleichmässig geformten und gelagerten Granulis gefüllt,
welche entweder rund oder, wie in der beigegebenen Abbildung,
etwas länglich erscheinen.
Ganz anders zeigt sich die maximale Fütterungsleber (Fig. 3
Taf. III). Die Zellen sind stark vergrössert; an Stelle der gleich¬
förmigen Granula sieht man ein Fadenwerk von gleicher specifi¬
scher Farbenreaction, welches im Allgemeinen die von Flemming
gezeichnete Vertheilung innerhalb der Zellen aufweist. Die
Richtung der Fäden geht von der Gallencapillare, die als kleine
Oeffnung sichtbar ist, nach der Peripherie des Drüsentubulus,
von welchem die Zeichnung einen Querschnitt darstellt. Die
grösste Anhäufung des Fadenwerkes findet sich rings um die
Gallencapillare, während die peripheren Theile und die Gegend
der Kerne nur spärlich damit versehen sind. Diese sehr aus¬
gedehnte peripherische Region ist dagegen mit reichlichen
schwarzgefärbten Körnern versehen.
Sehen wir einmal zunächst von diesen letzteren ab und
[61]Die Leber von Rana esculenta. bleiben wir bei den durch Säurefuchsin specifisch gefärbten
Elementen stehen, so können wir Fig. 4 Tafel III noch zu Hilfe
nehmen. Die Figur ist demselben Leberstückchen entnommen,
von welchem auch Fig. 3 stammt, nur dass die schwarze Os¬
miumfärbung der Körner durch Extraction entfernt ist. Während
die Schnitte der Fig. 3 in Paraffinum liquidum eingelegt waren
(vergl. Kap. II), waren die der Fig. 4 in Xylol-Balsam unter¬
gebracht und der Objektträger dann längere Zeit auf dem
Paraffinofen erwärmt worden. Das Fadenwerk zeigt sich auch
hier als aus längeren und kürzeren Fäden bestehend, dazwischen
erscheinen runde Kügelchen, und ist es wohl wahrscheinlich,
dass diese Kügelchen ebenso wie die kürzeren Fäden wenigstens
zum Theil den schräg oder quer getroffenen längeren Fäden
ihr Dasein verdanken.
Es kommen Fälle vor, wo dieses Fadenwerk eine noch
mächtigere Entwickelung in den Fütterungslebern zeigt, wo
dann zuweilen der Verlauf der Fäden dicht parallel mit chagrin¬
artiger Gesammtanordnung stattfindet. Beziehungen des Faden¬
werkes zum Kern lassen sich nur insofern erkennen, als die
nächste Umgebung desselben einzelne Theile davon zu enthalten
pflegt, obwohl die weitaus grössere Anhäufung sich, wie auch
die Flemming'schen Abbildungen zeigen, stets an der Gallen¬
capillare vorfindet. Eine Beziehung der Fäden zu der letzteren
liess sich nicht eruiren, was hervorgehoben zu werden verdient,
weil Kupffer ein Einsenken der Fädchen in die cuticulare
Wand der Gallencapillaren anzunehmen geneigt ist, und hierauf
hin, sowie wegen des ausstrahlenden Verlaufes der Fäden von
den Gallencapillaren nach der das Blutgefäss berührenden Peri¬
pherie der Zellen besondere Beziehungen der Fäden für den
Stofftransport annehmen möchte. 1 Bei Untersuchung der ver¬
[62]Die Leber von Rana esculenta. schiedenen Stadien der Hunger- und Fütterungslebern findet
man nun nicht nur die Extreme vor, wie wir sie soeben ein¬
ander gegenübergestellt haben, sondern auch die Uebergänge,
und zwar sind diese fast zu allen Jahreszeiten am häufigsten.
Jene maximalen Extreme sind doch relativ selten, und man
muss schon eine grössere Zahl von Thieren tödten, um auf sie
öfters zu stossen. Es ist daher wohl anzunehmen, dass der
grössere Theil der Froschindividuen in seinen Lebern jene
Maxima gar nicht erreicht, sondern nur Schwankungen durch¬
führt, welche sich je nach der Jahreszeit mehr der Hungerleber
oder mehr der Fütterungsleber in geringerem oder höherem
Grade nähern.
Diese Uebergangsbilder sind in ihren Erscheinungen so
reichhaltig, dass eine erschöpfende Beschreibung derselben uns
hier zu weit führen würde und deshalb einer monographischen
Bearbeitung vorbehalten bleiben muss. Sie zeigen jedoch in
ihrer Gesammtheit unzweideutig, dass die echten Granula der
Hungerleber (Fig. 1 Tafel II) und die echten Fila der Fütterungs¬
leber (Fig. 3 Tafel III) nur verschiedene Formen derselben
Elemente sind und aus einander hervorgehen. Ein Beispiel
mag hierfür in Fig. 5 Tafel III betrachtet werden. Wir sehen
darin um den Gallengang gruppirt die durch ihre specifische
Fuchsinfärbung sich auszeichnenden Granula in einer Lagerung,
welche zwar eine radiäre Vertheilung andeutet, aber doch so,
dass nicht ein einziger Faden vorhanden ist. Bei Fig. 3 der¬
selben Tafel konnte man annehmen, dass ausser den langen
Fäden die kürzeren durch Schrägrichtung des Schnittes ent¬
standen sind; hier in Fig. 5 giebt es überhaupt keine Fäden,
sondern nur Granula, die stellenweise eine lineare Anordnung
zeigen.
[63]Die Leber von Rana esculenta.
Nach dem Vergleich mit anderen Lebern möchte ich
glauben, dass wir es hier mit einem Stadium zu thun haben,
welches der maximalen Fütterungsleber vorausgeht. Für die
letztere scheint es innerhalb der Jahresperiode zwei Maxima
zu geben, eines im Sommer, welches dann eintreten kann, wenn ein
Froschindividuum zufällig eine sehr reichliche Nahrungsaufnahme
gehabt hat, und eines im Winter, wenn die durch den Winter¬
schlaf zur Unthätigkeit gezwungenen Muskeln ihren Stoffüber¬
fluss an den Organismus wieder abgeben; der Transport scheint
dann durch die Leber zu gehen und hier das Bild der Fütterungs¬
leber zu erzeugen. Durch dieses doppelte Maximum sowohl, wie
auch durch die individuellen Schwankungen der einzelnen Thiere
wird die Jahresgeschichte der Froschleber eine recht complicirte.
Augenscheinlich haben wir es hier mit ähnlichen Vorgängen zu
thun, wie sie Miescher für den Stofftransport im Körper des Rhein¬
lachses beschrieben hat. Es wird beim Frosch einer erneuten
mit Hilfe der Granulamethoden durchgeführten Untersuchungs¬
reihe bedürfen, um jene Jahresgeschichte in ihren Grundzügen
klar zu legen. Hier wird dann auch ein genaueres Eingehen
auf die mannigfachen Nüancirungen der Uebergänge zwischen
den echten Granulis der Hungerleber und den Fäden der
Fütterungsleber am Platze sein.
Es mag noch auf Fig. 6 der Tafel III hingewiesen werden.
Das Bild entstammt dem Beginn des Frühjahres und dürfte wohl
der regressiven Periode angehören, welche der Hungerleber
vorausgeht. Die reiche Füllung von durch Osmium sich
schwärzenden Körnern ist geschwunden und die mit Fuchsin
sich färbenden Filamente schicken sich augenscheinlich dazu
an, wieder in den granulären Zustand der Hungerleber zurück¬
zukehren.
Zur Ergänzung der in Fig. 3 und 4 Tafel III gegebenen
Bilder der Fütterungsleber sollen noch die Figuren 1 und 2
derselben Tafel dienen. Auch diese stammen ebenso wie die
ersteren von demselben Leberstückchen, so dass alle vier
Bilder ihr verschiedenes Aussehen nur der verschiedenen Be¬
handlung der Schnitte verdanken. Fig. 1 ist ein einfaches
Osmiumbild, welches dadurch erhalten wurde, dass der Paraffin¬
schnitt mit Xylol ausgewaschen und in Paraffinum liquidum ein¬
[64]Die Leber von Rana Esculenta. gelegt wurde (vergl. Kap. II). Fig. 2 dagegen ist zunächst mit
Säurefuchsin diffus gefärbt worden, dann, ohne mit Picrinsäure
differenzirt zu werden, in Xylol-Balsam eingelegt und durch
längeres Erwärmen des Objektträgers auf dem Paraffinofen von
der Osmiumschwärzung befreit worden.
Besonders Fig. 2 ist dadurch interessant, dass sie in grober
und deutlicher Form zeigt, wie eine Netzstructur des Zellkörpers
entstehen kann, ohne dass wir berechtigt sind, ihr einen an¬
deren als topographischen Werth für die Vertheilung der eigent¬
lichen Structurelemente beizulegen. Aus Fig. 1, 3 und 4 ersehen
wir, dass die eigentlichen constituirenden Elemente des Zell¬
körpers mit jenem Netz der Fig. 2 nichts zu thun haben, und
dass die Gegenwart von Körnern irgend welcher Gattung ge¬
nügt, um als negatives Bild ein regelmässiges Netz zu erzeugen,
dessen Grössenverhältnisse ja innerhalb beliebiger Grenzen
schwanken kann. Auf solche negativen, an sich wenig be¬
deutenden Bilder möchte ich, wie dieses schon oben für den
Kern erwähnt ist, einen grossen Theil der Beobachtungen zu¬
rückführen, wie sie von Frommann und Heitzmann u. A. geschil¬
dert sind. Besonders klar tritt dieses auch bei dem von Klein
(l. c. 1879) geschilderten intracellular network hervor; derselbe
bildet auf seiner Tafel VII Fig. 20 unter Anderem Zellen der
Säugethierleber ab, welche ein sehr regelmässiges feines Netz¬
werk des Zellkörpers darbieten; ein Vergleich mit unserer
Fig. 1 der Tafel IIA von der Mäuseleber lehrt, dass die nega¬
tive Erscheinung der hier vorhandenen Granula wohl im Stande
ist, ein solches Bild zu erzeugen.
Dabei soll nicht gesagt sein, dass nicht diesem inter¬
granulären Netzwerk auch noch eine feinere Structur und Zu¬
sammensetzung aus Elementartheilen zukommen könne; in der
Esculentenleber haben wir ja darin die aus Granulis sich ent¬
wickelnden Fäden gefunden, wie Fig. 3 und 4 Tafel III zeigen,
oder gar Granula selbst, wie in Fig. 5 derselben Tafel. In
anderen Fällen wird sich dieser Nachweis wegen der Feinheit
der Elemente vielleicht unserem Auge entziehen, in weiteren
Fällen wird dann wirklich das intergranuläre Netzwerk nur
eine indifferente Ausfüllungsmasse sein. Immer aber werden die
Netzwerke nur secundäre Structuren sein können, abhängig von
[65]Die Leber von Rana esculenta. der granulären Zusammensetzung des Protoplasmas. Dass hier¬
bei in den Leberzellen der Esculenta nicht nur die mit Säure¬
fuchsin sich specifisch färbenden Granula und Fäden, sondern
auch die mit Osmium sich schwärzenden Körner lebende Ele¬
mente sind, werden wir alsbald wahrscheinlich zu machen
suchen.
Unsere Schilderungen und Bilder von den Fäden der
Fütterungsleber der Esculenta stimmen also mit den von
Flemming gegebenen Zeichnungen Fig. 5 und 6 Tafel I l. c.
annähernd überein, soweit sich eine Uebereinstimmung zwischen
ungefärbten und gefärbten Schnitten überhaupt hier erwarten
lässt. Die Entstehung dieser Fäden aus Granulis konnte
Flemming nicht verfolgen, weil hierzu seine Methoden nicht
ausreichten, auch scheinen ihm, wie schon erwähnt, die ver¬
schiedenen Zustände der Leberzellen in den verschiedenen
Jahreszeiten entgangen zu sein. Sehr merkwürdig ist aber
jedenfalls seine Anschauung, dass die eigenthümliche und cha¬
rakteristische Lagerung der Fäden zu den Gallenröhrchen hin
und ihr spärliches Vorhandensein in den peripheren Theilen
des Drüsentubulus, da wo die Kerne liegen, ein Kunstproduct
der Osmiumsäure sei.
Nach seiner Anschauung (S. 26—29) erleide die Fadenstructur
der Leberzelle durch die Osmiumsäure eine brüske Veränderung,
indem die Fadenmasse contrahirt und einseitig zusammengeballt
werde, meistens nach der Seite hin, welche dem Kern gegenüber
liegt; oder die Osmiumsäure veranlasse die Fäden zu einer plötz¬
lichen starken Contraction; oder sie zerreisse die Fadenwerke und
contrahire sie nach der einen Seite des Zellkörpers hin; oder die
Zusammenballung des Fadenwerkes durch die Osmiumsäure könne
eine mit dem plötzlichen Absterben verbundene Schrumpfungs¬
erscheinung sein. Diese Folgerungen schliesst Flemming daraus,
dass man mit anderen Reagentien, wie Alkohol, Chromsäure
und chromsaurem Kali eine solche Anhäufung der Fäden zum
Gallenröhrchen hin nicht erhalte; es soll hierbei das Bild ein
auffallend anderes sein, als mit Osmium, indem nämlich die
Fäden hier keine so bestimmte Lokalisation zeigen, sondern die
Zellen gleichmässig durchziehen. Dieses illustrirt Flemming
durch die Figuren 8 (Alkohol) und 9 (Chromsäure) seiner ersten
Altmann, Elementarorganismen. 5[66]Die Leber von Rana esculenta.Tafel, welche Bilder er als die natürlichen gegenüber den in
Figur 5 und 6 gezeigten Kunstbildern der Osmiumsäure ent¬
gegenstellt.
Zunächst giebt auch Flemming an, dass in anderen Zellen
gerade die Osmiumsäure das natürliche Verhalten der Elemente
mit am besten conservire. Es wäre also in der That sehr auf¬
fallend, wenn bei der Esculentenleber eine Ausnahme stattfände.
Jene langsamen Bewegungen, welche Kupffer (l. c. S. 234)
bei geringem Erwärmen des Objecttisches in den Leberzellen
beobachtete, und auf welche sich Flemming beruft, um so
plötzliche Contractionswirkungen der Osmiumsäure erklärlich
zu machen, dürften in anderen Zellen wohl auch kaum fehlen.
Es erschien daher von vornherein zweifelhaft, dass jene An¬
gaben Flemming's zutreffend sind.
In der That kann man sich überzeugen, dass, wenn man
Fütterungslebern der Esculenta mit Alkohol, Chromsäure oder
chromsaurem Kali fixirt hat, jene charakteristische Concen¬
tration der Fäden zum Gallenröhrchen hin ebenfalls statt hat.
Allerdings ist die Esculentenleber gegenüber den Reagentien
ein äusserst empfindliches Organ; zum Beispiel Chromsäure
von [...]—½ p. c., wie sie Flemming benutzt, äussert hier ähn¬
liche Wirkungen, wie man sie sonst nur bei Anwendung des
destillirten Wassers gegenüber den frischen Zellen zu finden
pflegt. Die Destruction des Zelleninhaltes ist bei der Chrom¬
säure an diesen Leberzellen eine so auffallende, dass es mich
einigermassen wundert, wie Flemming bei seinen sonstigen
Erfahrungen über Reagenswirkungen hierauf ein Urtheil be¬
gründen kann. Etwas besser conservirt der Alkohol; die Bilder
sind zwar auch hier sehr roh, immerhin aber in ihren Con¬
figurationen einigermassen richtig geartet. Wesentlich besser
zeigt sich das doppeltchromsaure Kali. In fünfprocentiger
Lösung und unter Zusatz von etwas Essigsäure conservirt es
die Fadenwerke vortrefflich, und ich habe noch aus früherer
Zeit her eine so behandelte exquisite Fütterungsleber, deren
Fadenwerke dadurch so deutlich ausgeprägt sind, dass Hartnack's
Trockensystem 7 ausreicht, um dieselbe in den mikroskopischen
Cursen zu demonstriren. Des Weiteren habe ich gerade die
Esculentenleber, weil ich ihre grosse Empfindlichkeit kannte,
[67]Die Leber von Rana Esculenta. mit Hilfe des Ausfrierens unterhalb der kritischen Temperatur
fixirt und auch hier das Fadenwerk in seiner charakteristischen
Concentration nach dem Gallenröhrchen mit vereinzelten Aus¬
strahlungen nach der Peripherie des Drüsentubulus hin vor¬
gefunden.
Nach diesen und manchen anderen Beobachtungen erscheint
es mir unzweifelhaft, dass die Osmiumsäure wie in den anderen
Zellengattungen, so auch hier die Elemente derselben vortreff¬
lich conservirt, und es ist mir unverständlich, wie Flemming
zu jenem Urtheil hat kommen können. Es liegt die Möglichkeit
vor, dass er bei seinen Beobachtungen die Lebern von Escu¬
lenta und Temporaria, sowie verschiedene Stadien von Hunger-
und Fütterungslebern gemischt vor Augen gehabt hat; immer¬
hin hätte ihm die destruirende Wirkung jener Chromsäure¬
lösungen und die Mangelhaftigkeit der Alkoholfixirung hier
nicht entgehen dürfen. Die Osmiumsäure steht gerade hier in
ihren Wirkungen so hoch über diesen Reagentien, dass kaum
ein Organ geeigneter sein dürfte, als die empfindliche Escu¬
lentenleber, um die Superiorität dieses Mittels zu erweisen.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass es stets etwas
Missliches an sich hat, feinere Structurelemente, wie Flemming
es hier gethan hat, in ungefärbtem Zustande zu untersuchen;
indem man hierbei auf die zufälligen Differenzen der Licht¬
brechung angewiesen ist, tritt, wie unsere Granulabilder auch
sonst überall zeigen, dort meistens nur ein sehr geringer Theil
von Structurverhältnissen in Erscheinung; denn jene weit ver¬
breitete Anschauung, dass, wo eine Structur ist, sie sich auch
durch die Brechungsdifferenzen geltend machen müsse, und dass,
wo vermittelst der letzteren nichts zu sehen ist, auch keine
Structur vorhanden sei, ist durchaus verfehlt. Und das Wenige,
was an den Bildern der Lichtbrechungsdifferenzen zu sehen
ist, wird in seiner Deutung meist unsicher sein; neben bestimm¬
teren Formationen kommen unbestimmte und zarte Theile vor,
sodass nur selten ein prägnanter Formeneindruck erreicht wird.
Ob wir hier es dann mit präformirten Elementen zu thun haben,
bleibt oft noch zweifelhaft, da ein Kriterium fehlt, um genuine
und künstlich erzeugte Erscheinungen zu unterscheiden. In der
specifischen Färbungsreaction besitzen wir wenn auch kein
5*[68]Die Leber von Rana esculenta. absolut sicheres, so doch ein greifbares Kriterium dieser Art,
und Theile, welche sich gegenüber derselben identisch ver¬
halten, zeigen dadurch immerhin einen erheblichen Grad von
Verwandtschaft an. Indem die elementaren Theile durch die
Färbung deutliche und abgeschlossene Gestalt annehmen, ver¬
mögen wir uns wenigstens an diesen Formen und aus dem Ver¬
gleich derselben in den verschiedenen Gebieten ein Urtheil zu
schaffen, ob die vorausgehenden Fixirungen naturgetreue Bilder
ergeben haben.
Was endlich jene Anschauung Kupffer's betrifft, dass die
Gesammterscheinung des Fadenwerkes an diesen Leberzellen
des Frosches im Kleinen das Bild eines Pseudopodiennetzes, oder
des zu Netzfäden sich verbindenden circulirenden Protoplasmas
von Pflanzenzellen gäbe, so erledigt sich dieselbe durch den
Nachweis der Entstehung jener Fäden aus Granulis von selbst.
Von den Pflanzenzellen wissen wir, dass dort das Balkennetz
des circulirenden Protoplasmas in der Weise entsteht, dass zu¬
nächst kleinere mit Zellsaft gefüllte Vacuolen auftreten, welche
sich vergrössern, dadurch das Volumen der Zelle mehr und
mehr ausdehnen und, indem die trennenden Scheidewände der
Vacuolen durchbrochen werden, ein Balkennetz von Protoplasma
übrig lassen; und auch von den Pseudopodien der Wurzelfüssler
weiss man, dass sie Ausstrahlungen des Gesammtkörpers dar¬
stellen, nicht elementare Formen desselben. Hierzu kommt noch,
dass wir in den neben den Fäden befindlichen Räumen der Leber¬
zellen es hier keineswegs mit einer indifferenten Zwischensubstanz
zu thun haben, wie sie Kupffer unter dem Namen Paraplasma,
Flemming als Interfilarsubstanz bezeichnet, sondern dass auch
diese Räume augenscheinlich mit lebenden Elementen gefüllt sind.
Dafür, dass die soeben beschriebenen Granula und Fäden
der Esculentenleber lebende Elemente sind und nicht etwa Ab¬
lagerungen irgend welcher todten Stoffe, dafür sprechen die
Erscheinungen, welche dieselben darbieten, in sehr eindring¬
licher Weise. Sehen wir auch von den langsamen Bewegungen
ab, welche Kupffer bei geringem Erwärmen der überlebenden
Zellen beobachtet hat und welche er als Contractilitätserschei¬
nungen auffasst, so scheint es doch, als wenn derartige Prozesse
und Umformungen, wie man sie beim Vergleich der verschiedenen
[69]Die Leber von Rana esculenta. Zustände der Leberzellen hier an jenen Elementen beobachten
kann, sich nicht so leicht an todten Elementen abspielen dürften.
Gegenüber den Zellfäden sind auch die Anhänger des homo¬
genen Protoplasmas einigermassen nachsichtig gewesen; nicht
nur Kupffer und Flemming halten dieselben für lebendig,
sondern auch viele Andere, wie z. B. Kölliker, welcher die
Faser- und Fibrillenbildungen der Zellen für wichtige Einzel¬
heiten des protoplasmatischen Baues, also für lebende Bestand¬
theile erklärt. Das kommt uns hier sehr gelegen, denn wenn
die Zellfäden der Esculentenleber lebendig sind, so dürften wohl
auch die Granula, aus denen sie, wie wir gesehen haben, her¬
vorgehen, lebend sein, wenigstens wüsste ich keinen Grund,
der diese Schlussfolgerung verhindern sollte. Und wenn die
Granula der Esculentenleber lebendig sind, so dürften wir wohl
auch das Gleiche bei der mit gleichen specifischen Reactionen ver¬
sehenen Granulis der anderen Zellengattungen annehmen können,
solange sich nicht Gründe finden, welche dagegen sprechen.
Von grösserer Bedeutung war es allerdings, den Beweis von
der lebendigen Natur der Granula direkt liefern zu können.
Es gelang dieses an einer grösseren Zahl von Objecten dadurch,
dass mit Hilfe der Osmiumsäure die Granula als der Ort der
Fettumsetzungen erkannt wurden. 1
Auch die Esculentenleber gehört hier zu den günstigen
Objecten. Wir haben bereits bei der Betrachtung der Bilder
der Fütterungsleber die schwarzen zahlreichen gleichmässigen
Körner erwähnt, welche den Raum neben den mit Säurefuchsin
färbbaren Elementen ausfüllen. Auch Kupffer und Flemming
sprechen von Fetttröpfchen, welche sie in diesem Raume gesehen
haben. Dass diese schwarzen Körner nicht reines Neutralfett
sind, können wir daraus schliessen, dass ihre Färbung sich
relativ leicht extrahiren lässt.1 Wir haben bereits bei Be¬
sprechung der Fig. 2 und 4 unserer Tafel III erwähnt, dass
diese Bilder durch mässiges, wenn auch längeres Erwärmen
der Schnitte in Xylol-Balsam gewonnen sind. Auch ohne Er¬
wärmen treten diese Extractionen ein, nur dass sie dann noch
längere Zeit in Anspruch nehmen. Das ist nach meinen Er¬
[70]Die Leber von Rana esculenta. fahrungen bei Fettelementen, die fast ganz aus Neutralfett be¬
stehen, nicht der Fall, dieselben bleiben gegenüber dem Xylol-
Balsam unverändert und können nur durch stärkere Oxydations¬
mittel, wie oben erwähnt, entfärbt werden.
Was aber von besonderer Wichtigkeit erscheint, das ist der
Umstand, dass man die Entstehung dieser schwarzen Körner
aus farblosen Granulis wahrscheinlich machen kann. Schon
Fig. 5 Tafel III zeigt, dass hier die Körner nicht gleichmässig
schwarz sind, sondern ein dunkelrothes Centrum haben. Der
Name von Fetttröpfchen dürfte demnach auf diese Körner nicht
angewendet werden können, denn ein Fetttröpfchen ist ein in
seiner Substanz gleichmässiges Gebilde, während durch jene
Scheidung von Peripherie und Centrum zunächst bewiesen ist,
dass jene Körner der Fig. 5 mindestens aus zwei verschiedenen
Substanzen sich zusammensetzen.
Hier etwa an eine mangelhafte Osmiumwirkung zu denken,
welche nur die Oberfläche der Kügelchen geschwärzt haben
könnte, dazu haben wir keinen Grund. Erfahrungsgemäss dringt
unser Osmiumgemisch auch in grosse Fettkugeln ein, indem
es dasselbe durch und durch schwärzt und fixirt, besonders
wenn, wie oben angegeben, die Einwirkung des Gemisches
24 Stunden dauert. Es muss sich hier in Fig. 5 Tafel III also
thatsächlich um Gebilde sui generis handeln.
Ich habe anfangs diesen ringförmigen Osmiumkörnern der
Esculentenleber wenig Beachtung geschenkt, bis Dr. Krehl den
Zusammenhang dieser Ringe mit der Fettresorption im Säuge¬
thierdarm nachwies und ich selbst in den Talgdrüsen und deren
Conglomeraten mancher Säugethiere dieselben in überreicher
Zahl und in grosser Prägnanz vorfand; hierzu kamen noch Be¬
obachtungen, welche Dr. Metzner an verschiedenen anderen
Lebern von Warm- und Kaltblütern anstellte, so dass sich
schliesslich das Auftreten jener Ringformen im Zusammenhang
mit den Fettumsetzungen der Zelle als ein weit verbreitetes
Vorkommniss erwies. 1
[71]Die Leber von Rana esculenta.
Dass die Vollkörner der Fig. 1 und 3 Tafel III aus den
Ringkörnern der Fig. 5 hervorgehen, ist nach diesen Bildern
wohl anzunehmen. Interessant ist es, die Entstehung dieser
Ringkörner weiter rückwärts zu verfolgen.
Für diesen Zweck genügt es, im Spätherbst eine Anzahl
Esculentenlebern mit unserm Osmiumgemisch 24 Stunden lang zu
fixiren, ohne Einbettung nach dem Auswaschen mit Wasser und
der Nachhärtung mit Alkohol feucht zu schneiden und die Schnitte
in Glycerin bei offenem Beleuchtungskegel zu untersuchen. Mir
liegt z. B. ein Protokoll von sechs Fröschen vor, welche gleich¬
zeitig Ende November getödtet waren; die Lebern zeigten makro¬
skopisch das Aussehen der Anfangsstadien der Fütterungsleber,
indem sie mehr weniger geschwellt erschienen und einen mehr
weniger gelblichen, bräunlichen oder röthlichen Farbenton auf¬
wiesen; der Fettkörper war bei einzelnen stark entwickelt, bei
anderen weniger. Die in Glycerin eingelegten, nur durch Os¬
mium gefärbten Schnitte zeigten alle in der Peripherie der
Drüsentubuli jene Ringformen. Die meisten derselben waren
kleiner und zarter, als die der Fig. 5 Tafel III; viele waren so
klein und zart, dass es einer aufmerksamen Beobachtung be¬
durfte, um sie zu sehen. Man kann an diesen Bildern deutlich
das Hervorgehen der kleinen zarten Ringe aus farblosen Granulis
constatiren; von den kleinen zarten Ringkörnern finden sich
alle Uebergänge zu den grösseren, deren Osmiumring breiter
geformt und dunkel geschwärzt ist; die helle Mitte wird dann
immer kleiner, bis sie punktförmig ist und schliesslich ganz ver¬
schwindet. So entsteht aus dem Ringkorn das Vollkorn, und
man erhält so schliesslich das Bild der Fig. 1 Tafel III. Nur
ganz vereinzelte Elemente gehen in ihrem Wachsthum über
die Grösse der hier vorhandenen Körner hinaus; fast alle
bleiben sie bei dieser Grösse stehen; ein Confluiren der Körner
findet nicht statt.
Bei unseren sechs am Ende des November getödteten Es¬
culenten war auch die Zahl der Ringkörner noch nicht so gross
wie in Fig. 5; die Leberzellen waren noch nicht so geschwellt
und in der Peripherie derselben drängten sich die kleinen
Ringelchen in einem kleineren Raum zusammen.
Zum Vergleich wurden noch auf gleiche Weise sechs Es¬
[72]Die Leber von Rana esculenta.culentenlebern am Ende des December untersucht. Dieselben
zeigten eine deutliche Zunahme der Fettkörner sowohl an Zahl
wie an Grösse. An Stelle der zarten linearen Ringformen waren
derbe Ringe getreten, so dass oft nur ein kleines helles Centrum
übrig blieb, oder es waren an Stelle der Ringe Vollkörner ent¬
standen; der Process der Assimilation kann demnach von der
Peripherie zum Centrum des Granulums fortschreiten.
Am Ende Januar war wiederum eine deutliche Abnahme
des Fettgehaltes wahrnehmbar, so dass das maximale Stadium
der winterlichen Fettleber der Esculenta um die Jahreswende
liegen dürfte. Auch Ende Januar waren theilweise noch oder
wieder Ringformen sichtbar, aber dieselben waren weniger
regelmässig gestaltet und weniger constant. Da es sich um
diese Zeit augenscheinlich um den Wiederverbrauch des in der
Leber vorher angesammelten Fettes handelt, so können wir
schliessen, dass die Lysis des Fettes im Granulum topographisch
die umgekehrte Reihenfolge einhält, als die Synthese. In
einem Theil der Lebern war das Fett am Ende des Januar
bereits ganz geschwunden. Aehnliche Verhältnisse zeigten sich
auch Ende Februar.
Bei jenen Ringkörnern hat es sich herausgestellt, dass nach
der Extraction des reducirten Osmiums hier keineswegs so leere
Lücken zurückbleiben, wie in Fig. 2 Tafel III, sondern es bleiben
hier gerne Residuen zurück, welche färbbar sind. Wir werden
hierauf in dem Capitel über Fettumsetzungen zurückkommen. Diese
in warmem Xylol-Balsam unlöslichen und specifisch färbbaren Resi¬
dua deuten darauf hin, dass die Substanz der Ringkörner im Gegen¬
satz zu der der Vollkörner noch recht beträchtliche Theile der ehe¬
maligen Substanz der fettlosen Granula enthält. Auf diese letz¬
teren selbst führen uns dann die zarten und zartesten Formen
der Ringelchen zurück, wie wir sie an jenen sechs November¬
fröschen im Ueberfluss beobachten konnten. Für die Betrach¬
tung dieser Uebergangsformen der farblosen Granula und der
zarten Ringelchen bis zu den Vollkörnern hin habe ich hier
keine weiteren Abbildungen beigefügt, weil die auf Tafel XV
gegebenen Zeichnungen der Talgdrüsenconglomerate vom Kanin¬
chen und Meerschweinchen die hier wichtigen Charaktere deut¬
lich zeigen und in Bezug auf dieselben auch jeder Zeit erreichbar
[73]Die Leber von Rana esculenta. sind, während beim Frosch doch nur bestimmte Abschnitte der
Jahresperiode verwerthet werden können.
Woher die farblosen Granula kommen, welche beim steigen¬
den Fettansatz der Froschleber die verschiedenen Arten der
Ringkörner und schliesslich die Vollkörner geben, darüber weiss
ich nichts Bestimmtes auszusagen. Es scheint jedoch, als wenn
dieselben bereits in der Hungerleber der Fig. 1 Tafel II enthalten
sind und neben den mit Säurefuchsin färbbaren Granulis in den
Zellen farblos drinstecken. Zwar sieht es in diesen Zellen so
aus, als wäre der ganze Baum ausserhalb des Kernes mit rothen
Granulis gefüllt, doch habe ich wiederholt Gelegenheit gehabt
zu beobachten, dass eine solche Ausfüllung nur scheinbar sein
kann; es ist zuweilen unglaublich, wie die Elemente in einem
körperlichen Volumen sich nebeneinander häufen können. Wenn
unsere Schnitte auch sehr dünn sind (2—1 µ), so genügt doch
diese geringe Schnittdicke, um nicht nur ein Nebeneinander, son¬
dern auch ein Uebereinander der Elemente zu erzeugen; hier
ist dann Raum genug, um mehr Elemente aufzunehmen, als
grade bei einer einzelnen Reaktion sichtbar werden.
Es muss aber auch als möglich hingestellt werden, dass die
rothen Granula der Hungerleber, welche sich vermehren und
die Fäden der Fütterungsleber liefern, zugleich das Material für
die das Fett assimilirenden Körner abgeben. Dass dieselben
dann zugleich wegen der Aenderung ihrer chemischen Zusammen¬
setzung ihre Farbenreactionen ändern könnten, ist ganz natür¬
lich. Zwar sind die oben erwähnten und später noch eingehender
zu besprechenden Residua der Ringkörner färbbar und können
sogar durch Picrinsäure differenzirt werden. Im Allgemeinen
ist es aber doch sehr schwierig, den Zusammenhang von sich
mit Osmium schwärzenden Granulis und etwaiger specifischer
Säurefuchsinfärbung derselben so nachzuweisen, dass ein Irrthum
oder eine Verwechselung sicher ausgeschlossen ist. Heidenhain
(l. c.) scheint dieses neuerdings in einem günstigen Falle, näm¬
lich bei den Körnern lymphoider Zellen im Dünndarm, gelungen
zu sein; auch hierauf werden wir später noch zurückkommen.
Jedenfalls können wir aus den Uebergangsformen der Ringkörner
annehmen, dass die mit Osmium sich schwärzenden Vollkörner
[74]Die Leber von Rana esculenta.aus assimilirenden Granulis hervorgehen, also aus lebenden
Elementen.
Es mag nochmals darauf hingewiesen werden, dass, sobald
an den Granulis assimilirende Vorgänge sichtbar werden, die speci¬
fische Fuchsinfärbung oft nicht vorhanden ist; wir finden dieses
nicht nur bei den Fettumsetzungen (vergl. Cap. V), sondern auch
bei den Secretionserscheinungen (vergl. Cap. VI) in den Zellen vor.
Ob dieses einfach durch die Verdünnung der ehemaligen Granula¬
substanz oder durch Umsetzung derselben geschieht, oder ob
es sich hier um Granulaarten handelt, welche anderer Gattung
und von anderer Reaction sind, mag dahingestellt bleiben; in
einigen Fällen glaube ich das Letztere mit Sicherheit annehmen
zu können, so dass hier die Sichtbarkeit der anderen Granula¬
gattung erst durch den vitalen Process und durch das Osmium
hervorgerufen wird, während das eigentliche ruhende Granulum
sich mit den mir bis jetzt zu Gebote stehenden Fuchsinfärbungen
nicht sichtbar machen lässt. Vielleicht trifft dieses auch für ein¬
zelne Fälle der vitalen Metylenblaureaction zu, und wird natür¬
lich der Werth des Effektes dadurch nur erhöht, wenn vorher
unsichtbare Dinge dadurch sichtbar gemacht werden können;
wie schon früher gesagt, wird die eigentliche Verwerthung dieser
vitalen Farbenreaction erst durch das Ausfrieren unterhalb der
kritischen Temperatur erreicht werden können.
So lange an den mit Osmium sich schwärzenden Körnern
noch ein Fortschreiten des Assimilationsprocesses sichtbar ist,
werden wir auch genöthigt sein, eine Vitalität derselben als vor¬
handen anzunehmen; wir werden demnach die verschiedenen
Formen der Ringkörnerstadien als vitale Elemente betrachten
müssen. Diese verschiedenen Stadien fallen nun mit den Um¬
bildungen der rothen Granula zu Fäden zusammen. Auf die
Variabilität dieser Umbildungen haben wir bereits kurz hinge¬
wiesen; nicht oft findet man so rein granuläre Formen der rothen
Elemente bei so weit vorgeschrittener Fütterungsleber vor, wie
sie Fig. 5 Tafel III zeigt; meist beginnt die Bildung der Fäden
schon in einem früheren Stadium, wo die Ringkörner noch
zarter, kleiner und in geringerem Raum zusammengedrängter
sich finden.
Jedenfalls trifft die Anschauung Kupffer's und Flemming's,
[75]Die Leber von Rana esculenta. dass der Raum neben den Fäden mit indifferenter Substanz, dem
Paraplasma oder der Interfilarmasse, gefüllt sei, hier nicht zu;
wir sehen im Gegentheil hier an vitalen Elementen sich lebhafte
vitale Processe vollziehen.
Ob nun ausser den specifisch roth oder schwarz gefärbten
Elementen in den immer noch vorhandenen Zwischenräumen
noch weitere lebende Elemente sich befinden, die nur nicht in
Erscheinung treten, darüber weiss ich für jetzt nichts auszusagen.
V
Die Fettumsetzungen in den Zellen.1
Was für den Botaniker das Amylum durch seine Reaction
auf Jod, das bedeutet für den Zootomen das Fett durch seine
Schwärzung mit Osmium. Es ist diejenige Substanz, welche
ebenfalls innerhalb der kleinsten Formverhältnisse sich mikro¬
chemisch relativ leicht nachweisen lässt, und wenn jene
Schwärzung auch nicht lediglich auf das Fett allein beschränkt
sein mag, so ist es meist nicht schwer, die Diagnose auf diese
Substanz durch andere Nebenumstände zu sichern.
Nachdem der Nachweis erbracht worden war, dass die
Zelle kein Elementarorganismus, sondern eine Colonie kleinster
Organismen ist, war es natürlich, dass diese Organismen als
Constituens des Protoplasmas auch die Träger seiner Ver¬
richtungen sind, und war dieses keine Hypothese, sondern ein
Postulat der Logik. Ich richtete nun in erster Linie mein
Augenmerk auf das Fett, um der Thätigkeit dieser Organismen
näher zu kommen. Wegen des leichten mikrochemischen Nach¬
weises lag hier die Aussicht auf Erfolg am nächsten.
Weil das Untersuchungsgebiet ein ziemlich umfangreiches
war, so theilte ich dasselbe zwischen mir und den Herren Dr. Krehl
und Dr. Metzner2. Dieselben unternahmen es in meinem Labo¬
ratorium, der Erstere die Resorption des Fettes, der Letztere
die intermediäre Fettumsetzung zu untersuchen, während ich
selbst mir die Secretion des Fettes vorbehielt. Wenn auch ein
erschöpfendes Resultat noch in keinem der Gebiete vorliegt,
so hat doch jeder von uns einiges Material zusammentragen
[77]Die Fettumsetzungen in den Zellen. können. Es erscheint zweckmässig, an dieser Stelle eine wenn
auch gedrängte Uebersicht über dieses Material zu geben.
Was zunächst die Resorption des Fettes betrifft, so lag hier
der Mittelpunkt des Ganzen in der Frage, ob das Fett corpus¬
culär oder in gelöster Form resorbirt wird. Die Ansicht von
der corpusculären Resorption ist so verbreitet, dass noch
Heidenhain1in seiner neuesten Arbeit über die Histologie und
Physiologie der Dünndarmschleimhaut nicht einmal die Möglich¬
keit einer Lösungsresorption in Erwägung zieht, trotzdem er
alle sonstigen bisher ausgesprochenen Anschauungen mit ge¬
wohnter Gründlichkeit ausführt. War jene verbreitete Ansicht
die richtige und wurde das Fett einfach als Körnchen vom
Darmlumen in die Epithelzellen aufgenommen, so war auch
eine erhebliche Betheiligung der Zellengranula an dem Re¬
sorptionsvorgange nicht zu erwarten. Liess sich dagegen die
Lösungsresorption wahrscheinlich machen, so war das Um¬
gekehrte der Fall.
Für die Lösungsresorption sprachen nach alten Erfahrungen
das Freibleiben des Cuticularsaumes und der nächsten Zell¬
region von Fett, der wiederholt erwähnte Mangel einer ge¬
eigneten Emulsion des Fettes im Darmlumen, die erfolglosen
Versuche, andere corpusculäre Elemente zur Resorption zu
bringen, und indirect auch die Thatsache, dass Fettsäuren und
Seifen nicht nur resorbirt werden, sondern auch dieselben Re¬
sorptionsbilder geben, wie Neutralfett, selbst wenn der Schmelz¬
punkt der Säuren eine Emulsion unmöglich machte. 2
Dr. Krehl konnte zunächst das Freibleiben des Cuticular¬
saumes von Fett bestätigen. Die in dieser Beziehung in der
Literatur einzige abweichende Behauptung von v. Basch3dürfte
wohl auf Mängel der Untersuchung beruhen, welche thatsächlich,
insbesondere bei Anwendung von Osmiumsäure, in mehrfacher
Hinsicht möglich sind, und nur durch eine weitgehende Er¬
fahrung in der Anwendung dieses Reagens hier beurtheilt und
[78]Die Fettumsetzungen in den Zellen. vermieden werden können. Ausserdem sind die Raumverhält¬
nisse, um die es sich hier handelt, doch von so geringen Dimen¬
sionen, dass oft nur ganz exacte und sehr dünne Querschnitte
bei guten Vergrösserungen volle Sicherheit in der Beurtheilung
der topographischen Lagerung der Fettkörnchen gegenüber dem
Cuticularsaume geben. v. Basch hat mit den älteren Methoden
diesen Forderungen nicht genügen können (vergl. seine Ab¬
bildungen).
Man hat angenommen, dass jenes Freibleiben des Cuticular¬
saumes bei der Fettverdauung entweder durch die Schnelligkeit
erreicht werde, mit welcher die Fetttröpfchen denselben passiren,
oder dass bei dem Absterben der Zelle die Contractionswirkungen
derselben etwaige Tröpfchen in das Innere befördern. Die
Möglichkeit einer solchen Erklärung kann nicht in Abrede ge¬
stellt werden, aber es ist bis jetzt noch keine Beobachtung
bekannt, welche dieselbe wahrscheinlich macht.
Selbst wenn gelegentlich Fett im Cuticularsaum gefunden
werden sollte, so vermag ein derartiges vereinzeltes Vorkommen
die sonstigen negativen Befunde nicht in ihrer Bedeutung zu
entkräften. Im Uebrigen scheint mir jenes Freibleiben des
Cuticularsaumes zwar mit für die Lösungsresorption zu sprechen,
ist aber keinesfalls der wichtigste Befund, der diese wahr¬
scheinlich macht.
Endlich ist es auch bei Annahme der Resorption des Fettes
in gelöster Spaltungsfom möglich, dass gelegentlich eine
Schwärzung des Cuticularsaumes in mehr diffuser Form auftritt,
wenn nämlich jene den Saum passirende Lösung der Fettsäuren
concentrirt genug ist.
Das Fehlen einer zur Resorption geeigneten Emulsion des
Fettes im Darmlumen ist besonders von Cash1und Munk2
durch directe Untersuchung des Darminhaltes beobachtet worden.
Es schien zweckmässig, dieses an Querschnitten selbst zu con¬
statiren, und wurde deshalb eine Anzahl Därme von Triton
taeniatus darauf hin präparirt. Die Kleinheit dieses Thierchens
[79]Die Fettumsetzungen in den Zellen. und der geringe Durchmesser seines Darmes gestatten es, den
letzteren in toto mitsammt dem Inhalte durch zweckmässige
Osmiumgemische zu fixiren. Wenn man die Thierchen vor der
Präparation durch Chloroformdampf tödtet und den gesammten
Situs viscerum vorsichtig heraushebt, so hat man eine gewisse
Garantie, dass eine Lageverschiebung des Darminhalts zum
Epithel nicht stattgefunden hat; peristaltische Bewegungen beim
Einlegen des Darmes vermag man wenigstens nicht zu erkennen.
Totale Querschnitte durch den Darm, besonders in früheren
Stadien der Fettresorption, ergaben, dass oberhalb des Cuti¬
cularsaumes keine ähnlichen Elemente vorhanden waren, wie
unterhalb. Im Gegentheil, selbst wenn Emulsionen, wie Sahne,
als Nahrung gegeben waren, fand sich das Fett im Darm¬
lumen oft als mehr zusammenhängende Masse vor. Diese Ver¬
suche scheinen ebenfalls gegen eine corpusculäre Resorption zu
sprechen, auch wenn bei anderen Thieren mehr oder weniger
feine Emulsionen im Darmlumen zu finden sein sollten.
Was die erfolglosen Versuche betrifft, andere corpusculäre
Elemente zur Resorption zu bringen, so wurden dieselben von
Dr. Krehl nicht wiederholt, sondern als glaubhaft hingenommen.
In Bezug auf die Resorption der Fettsäuren und deren
Salze konnte derselbe die Angaben Will's durch Controlversuche
bestätigen.
Die Hauptaufgabe, deren sich Dr. Krehl unterzog, bestand
in der genauen mikroskopischen Untersuchung des Frosch¬
darmes 1während der verschiedenen Stadien der Fettverdauung.
Er konnte hier zunächst bestätigen, dass der Weg des Fettes
bei der Resorption, wie es auch Heidenhain (a. a. O.) betont,
durch die Epithelzellen selbst geht. Die Verschiedenheit der
Bilder bei den verschiedenen Stadien ist charakterisirt durch
die Unterschiede der Grösse und Färbungsintensität der sich
mit Osmium schwärzenden Körnchen. Von staubförmigen und
nur grau gefärbten Anfängen steigt die Fettaufnahme in den
Zellen zu grösseren schwarzen Körnchen bis zu grossen schwarzen
Fettkugeln an. In den primären Stadien sind neben schwarzen
[80]Die Fettumsetzungen in den Zellen. und grauen kleinsten Körnchen auch ungefärbte gleicher Grösse
erkennbar.
Die Bilder Krehl's zeigen, abgesehen von dem Farbenton,
eine genaue Uebereinstimmung mit denjenigen Bildern, welche
O. Schultze1bei der Resorption des Methylenblaues im Darm¬
epithel in sehr objectiver Weise geschildert hat, und die gleichen
Gründe, welche dieser Autor dafür anführt, dass dieser Farb¬
stoff nicht für sich, sondern durch Assimilation von den Zellen¬
granulis in den Zellen aufgespeichert wird, gelten im vollen
Umfange auch für die von Dr. Krehl erhaltenen Fettbilder.
Diese genaue Uebereinstimmung bei zwei sonst ganz heterogenen
Versuchsreihen war für das Verständniss der Vorgänge bei der
Fettresorption gewiss von hohem Werth. Bei dem gründlichen
Vorgehen des Dr. Krehl in der Verfolgung aller Resorptions¬
stadien erscheint nach den insbesondere am Frosch gewonnenen
Bildern eine corpusculäre Resorption so gut wie ausgeschlossen.
Einen weiteren Anhalt für die Annahme der Lösungs¬
resorption fand Dr. Krehl bei der Untersuchung des Säuge¬
thierdarmes. Es zeigte sich nämlich, dass das resorbirte Fett
hier in den Epithelzellen, wenigstens in gewissen früheren
Stadien der Resorption, nicht als geschwärzte Vollkörner auf¬
tritt, sondern im optischen Bilde als schwarze Ringelchen mit
hellem Centrum. Man wird diese Bilder kaum anders deuten
können, als dass hier das ungefärbte Granulum zunächst an
seiner äussersten Schicht eine Assimilation des Fettes ausführt.
Die Ringelchen nehmen an Grösse und Farbenintensität zu und
scheinen ebenfalls ein Beweis dafür zu sein, dass das Fett nicht
corpusculär in die Epithelzellen gelangt, sondern in gelöster
Spaltungsform und aus dieser durch die Granula synthetisch
assimilirt wird. Mit Hülfe der Granulafärbung lassen sich in
diesen Ringen zuweilen specifisch gefärbte Residuen der granu¬
lären Substanz nachweisen.
Bemerkt mag noch werden, dass Dr. Krehl beim Frosch
fast niemals Fett unterhalb des Epithels gefunden hat, so dass
es den Anschein hat, als wäre bei dem Weitertransport des
[81]Die Fettumsetzungen in den Zellen. Fettes aus den Zellen eine nochmalige Umsetzung und Lösung
desselben erfolgt. Diese Annahme wird auch dadurch nahe ge¬
legt, dass die Grösse der in den späteren Resorptionsstadien
innerhalb der Epithelzellen sich findenden Fettkugeln eine andere
kaum zulässig erscheinen lässt.
Wenngleich diese mikroskopischen Beobachtungen von
Dr. Krehl darzuthun scheinen, dass das Fett überhaupt nicht
in corpusculärer Form, sondern nur in Lösung aus dem Darm¬
lumen in die Epithelzellen des Darmes resorbirt werde, so lagen
doch gewichtige Bedenken aus den sonstigen makroskopischen
Beobachtungen vor, welche gegen diese Annahme der Lösungs¬
resorption sprachen.
Dass innerhalb des Verdauungstractus sämmtliches Neutral¬
fett gespalten werden kann, daran darf man wohl nach den
Zahlenangaben von Munk1nicht zweifeln, welcher nach Fütte¬
rung von Neutralfetten im Dünndarminhalt des Hundes bis 12
Procent freier Fettsäuren gegenüber 88 Procent Neutralfetten
fand, welche ersteren nur zum geringsten Theil mit dem Kothe
entfernt, zum weitaus grössten Theil aber resorbirt werden. 2
Bedenkt man, dass der Verlauf der Spaltung im Verdau¬
ungstractus und die Resorption in die Epithelzellen ein cykli¬
scher ist, so ist jenes gefundene Quantum mehr als hinreichend,
um die der Resorption vorausgehende Spaltung sämmtlicher
Neutralfette als möglich erscheinen zu lassen. Entgegen der
Ansicht von Munk, 3dass wohl jener gefundene Theil als Fett¬
säuren absorbirt werde, das Uebrige aber als Neutralfett, scheint
mir die Annahme doch näher zu liegen, dass bei jenem erwähn¬
ten cyklischen Verlauf des Spaltungs- und Resorptionsvorganges
jene 12 Procent freier Fettsäuren im Darmlumen den ständigen
Vorrath bei der Fettverdauung bilden, welcher fortwährend
durch Resorption verringert und durch neue Spaltung ergänzt
wird.
Die Hauptschwierigkeit jedoch lag in Folgendem. Wie Cash
Altmann, Elementarorganismen. 6[82]Die Fettumsetzungen in den Zellen. (a. a. O.) in Ludwig's Laboratorium beobachtete, ist der Dünn¬
darminhalt des Hundes, dieses am besten Fett aufnehmenden
Thieres bei der Fettverdauung bis zum Dickdarm hin sauer und
Munk hat Aehnliches gesehen; der Letztere hebt ausdrücklich
hervor, dass man von den Partieen des Dünndarmes, deren
Chymus sauer reagirt, und in denen das Fett in grossen
Tropfen, nicht emulgirt umherschwimmt, mit weissem Chylus
gefüllte Lymphgefässe durch das Mesenterium ziehen sieht. 1
Durch diese saure Reaction schien es ausgeschlossen, dass die
Fettsäuren als Seifen in wässeriger Lösung hier zur Resorption
kommen. Munk2selbst hilft sich über alle Schwierigkeiten da¬
mit hinweg, dass er nach dem Vorgange von Zawarykin und
Anderen die Leukocyten als Transporteure des Fettes und der
Fettsäuren verantwortlich macht, eine Anschauung, welche ausser
anderen früheren Autoren auch neuerdings Heidenhain und
Krehl nach ihren Erfahrungen zu negiren vermochten.
Diese Schwierigkeiten, welche chemischerseits der Annahme
der Lösungsresorption entgegenstehen, werden leicht gehoben,
wenn man die Thatsache in Betracht zieht, welche schon
Strecker erwähnt, dass die Galle, insbesondere die Taurochol¬
säure, Fettsäuren zu lösen im Stande ist. Diese alte Angabe
Strecker's scheint etwas in Vergessenheit gerathen zu sein,
denn in vielen Abhandlungen und Lehrbüchern der physiologi¬
schen Chemie, welche seit 30 Jahren geschrieben worden sind,
ist diese augenscheinlich wichtigste Eigenschaft der Taurochol¬
säure nicht, positiv aber von Kühne und Latschinoff erwähnt. 3
Man kann sich leicht von dieser Eigenschaft überzeugen, wenn
man nämlich zu einer 10procentigen wässerigen Lösung des
[83]Die Fettumsetzungen in den Zellen. taurocholsauren Natrons eine erhebliche, nicht zu grosse Quanti¬
tät einer Seifenlösung bringt [ich benutzte hierzu eine käufliche
flüssige Glycerinseife], so wird dieselbe durch Ueberschuss von
Salzsäure nicht gefällt.
Auch die Glycocholsäure scheint ähnliche Eigenschaften zu
haben. Bringt man nämlich das Natronsalz derselben mit etwas
Seife in wässeriger Lösung zusammen, so kann man mit Salz¬
säure stark übersäuern, ohne dass Fällung erfolgt; erst bei
weiterem Zusatz der Säure tritt diese ein. Es scheint, als wenn
man den ganzen Natrongehalt beider Salze durch Salzsäure
ohne Fällung sättigen kann. Es muss also hierbei nicht nur
die Glycocholsäure die Fettsäure in Lösung halten, sondern auch
umgekehrt, denn übersäuert man jedes einzelne ihrer Natron¬
salze, so erfolgt die Fällung sofort. Bei dem Gemisch des tauro¬
cholsauren Natrons mit Seife tritt auch bei weiterem Zusatz der
Salzsäure keine Fällung ein. Bemerkt mag noch werden, dass
dieses Gemisch auch durch Chlorcalcium nicht direct, sondern
erst nach einiger Zeit und allmählich gefällt wird.
Die bisherige verbreitetste Anschauung von der Funktion der
Galle bei der Fettverdauung war die, dass dieselbe entsprechend
den Beobachtungen an todten thierischen Membranen den Durch¬
tritt des Neutralfettes in die Epithelzellen begünstigen sollte,
und noch Heidenhain sagt in seiner neuesten Arbeit (a. a. O.
S. 91): „Somit ist man bezüglich des Eintrittes des Fettes in die
Epithelzellen darauf beschränkt, zu sagen, dass die Galle ein
wesentliches Beförderungsmittel desselben sei, theils weil sie (mit
anderen Verdauungssäften) die Emulgirung des Fettes begünstigt,
theils weil durch dieselbe die Oberfläche der Zellen für die Fette
benetzbar wird, was natürlich die Aufnahme erleichtern muss.
Mehr zu behaupten, würde über die sicher gestellten Erfahrungen
hinausgehen.“
Es scheint mir, als wenn die Beobachtungen an todten thie¬
rischen Membranen nicht gut auf lebende Zellenschichten über¬
tragbar sind; jedenfalls kommen wir mit dieser bisherigen An¬
schauung von der Funktion der Galle nicht zum Resultat.
Dass die Galle in exquisiter Weise die Fettresorption be¬
günstigt, und ihr Ausschluss die letztere fast aufhebt, ist bekannt.
In Anbetracht dessen, dass die von Dr. Krehlgefunde¬
6*[84]Die Fettumsetzungen in den Zellen.nen Bilder durchaus gegen eine corpusculäre Resorp¬
tion des Fettes im Darm sprechen, dass ferner die Total¬
spaltung des Neutralfettes bei der Verdauung durch die
Zahlenangaben vonMunkwahrscheinlich gemacht wor¬
den ist, dass endlich die Galle Fettsäuren selbst bei
stark saurer Reaction in beträchtlicher Menge löst,
möchte ich mitKühnediese letztere Eigenschaft als
diejenige bezeichnen, welche jene exquisite Begünsti¬
gung der Fettresorption erklärlich macht und möchte
ich hierin die wesentliche Funktion der Galle suchen,
soweit dieselbe innerhalb des Darmes in Betracht kommt.
Wenn der Zufluss der Galle abgeschnitten wird, dann dürfte
vielleicht die Resorption des Fettes, soweit sie überhaupt noch
vorhanden ist, so vor sich gehen, dass nur bei alkalischem Darm¬
inhalt und mit Hilfe der Alkalien entsprechend der Menge der¬
selben die Aufnahme in die Zellen erfolgt. Doch kann die Mög¬
lichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass ausser der Galle
auch noch andere Secrete des Darmlumens ähnliche Lösungs¬
eigenschaften den Fettsäuren gegenüber haben, jedenfalls sind
dieselben aber von geringer Bedeutung, wie die weitgehenden
Störungen bei der Fettresorption durch das Abschneiden der
Gallenzufuhr zeigen.
Inwieweit und wo die neuen Synthesen der resorbirten Fett¬
säuren stattfinden, darüber geben die mikroskopischen Bilder
ebenfalls einigen Aufschluss. Nach den Wirkungen der Osmium¬
säure zu schliessen, findet die erste Synthese schon im Darm¬
epithel statt und nach nochmaliger Lösung des hier abge¬
lagerten Fettes eine zweite in geringerer oder weiterer Ent
fernung hiervon.
Was die Untersuchungen von Dr. Metzner über die inter¬
mediäre Fettumsetzung betrifft, so konnten dieselben naturgemäss
nicht so auf einen Punkt concentrirt werden, wie es bei der
Epithelzelle des Darmes der Fall war. Dennoch vermochte der¬
selbe ein Object besonders zu bevorzugen, welches sich durch
die Prägnanz der Zellenbilder auszeichnete. Es waren dieses
die von Kölliker1 schon vor 30 Jahren gesehenen grossen
[85]Die Fettumsetzungen in den Zellen. granulirten Fettbildungszellen des neugeborenen Kätzchens, die
an sich schon ein ausgezeichnetes Object für die Beobachtung
von Granulastructuren abgeben und deshalb auch die in ihnen
sich vollziehende Fetthäufung in mancher Beziehung klar be¬
obachten lassen.
Zunächst konnte Dr. Metzner die makroskopischen Angaben
von Kölliker und Toldt1über die Entstehung des Fettgewebes
insofern bestätigen, als er fand, dass bei neugeborenen Kätzchen
und Hündchen erst nach der Geburt, beim Kaninchen und Meer¬
schweinchen, ähnlich wie beim Menschen, schon vor der Geburt,
aber auch hier erst lange nach der vollständigen Ausbildung der
Bindegewebsplatte das Wachsthum des Fettgewebes von bestimm¬
ten Punkten des Gefässsystems aus mit in sich geschlossenen
Gefässbezirken erfolgt. Die ersten Anlagen dafür finden sich
schon früher, die eigentliche Ausbreitung im Organismus jedoch
tritt erst dann ein, wenn die definitive Fettablagerung in den
Bildungszellen anfängt und schreitet mit dieser Ablagerung
schnell vorwärts.
Es ist jedenfalls eigentümlich, dass diejenigen Zellen, welche
vorzugsweise die Fette des Thierkörpers zu assimiliren haben,
sich auch durch ihr morphologisches Verhalten von den Binde¬
gewebszellen trennen und deshalb als eine besondere Gruppe
der Bindesubstanzzellen aufgefasst werden können, trotzdem sie
innerhalb des Bindegewebes sich ausbreiten und mit ihm mischen.
Die Fettbildungszellen sind, sowohl was ihre mikroskopische
Structur, wie auch was ihre makroskopische Entwicklung be¬
trifft, von specifischem Charakter, und deshalb wohl von den
Bindegewebszellen zu unterscheiden. Toldt's Behauptung, dass
das Fettgewebe der Wirbelthiere ein Organ eigener Art ist, und
weder nach seiner Entwicklung, noch nach seinem histologischen
Verhalten, noch nach seiner Funktion dem Bindegewebe zuge¬
rechnet werden darf, muss deshalb als zu Recht bestehend an¬
erkannt werden; wenn Flemming die Fettzelle als einfache Binde¬
gewebszelle auffasst, so ist dem zu widersprechen.
[86]Die Fettumsetzungen in den Zellen.
Das Fettgewebe bietet ein interessantes und wichtiges Bei¬
spiel für jene von His gezeigte Sonderstellung der Bindesub¬
stanzen in ihrer Entstehung und zwar zu einer so späten Zeit
und in so prägnanter Form, dass gerade hier jene Sonderstel¬
lung aufs klarste hervortritt, da zur Zeit der Ausbreitung der
Fettbildungszellen die Charaktere der einzelnen Gewebsarten
bereits ausgebildet und streng abgegrenzt sind.
Wenn Flemming gegen Toldt die Fettzelle als Bindegewebs¬
zelle bezeichnet, und Toldt dieselbe als nicht Bindegewebszelle
benennt, so ist dieser Widerspruch zwischen den beiden Autoren
doch wohl mehr formaler Art, und Kölliker nimmt hier eine
Mittelstellung ein, indem er das Fettgewebe als eine besondere
Art des Bindegewebes auffasst. (Zur Entwickelung u. s. w.)
Die innigen Beziehungen der Fettbildungszellen zu den Ge¬
fässen und ihr mikroskopisches Aussehen erinnern an das Ver¬
halten der Waldeyer'schen Plasmazellen im erwachsenen Orga¬
nismus.
In den mikroskopischen Bildern tritt auch in den Fettbil¬
dungszellen die Osmiumschwärzung zunächst in granulärer Form
auf, welche ihre Analogie zu der Säurefuchsinfärbung der noch
fettlosen Granula erkennen lässt (Fig. 2 Tafel XVI). Sobald die
Fettumwandlung der Substanz des Granulums eine gewisse Höhe
erreicht hat, findet ein Zusammenfluss der Fettkörnchen zu
grösseren Kugeln statt, von denen bald eine durch ihre Grösse
prädominirt. Besonders schön konnte Dr. Metzner dieses an
den Fettbildungszellen des neugeborenen Hündchens beobachten,
welches in der gleichen Periode wie das Kätzchen seine Fett¬
zellen ausbildet.
Ausser den progressiven Stadien des Fettansatzes hat Dr. Metz¬
ner auch die regressiven Vorgänge des Fettschwundes durch
Hunger studirt, ebenso die Wirkungen der Phosphorvergiftung
und die Effecte fettfreier und fetthaltiger Nahrungsstoffe, und
hierbei mancherlei Beobachtungen gemacht, die, wenn ihm Zeit
genug übrig bleibt, dieselben zu sichten und zu vervollständigen,
für die intermediäre Fettumsetzung manches Belehrende haben
dürften. Immerhin ergaben die Erscheinungen an den Kölliker¬
schen Fettbildungszellen zunächst die prägnantesten und darum
auch wichtigsten Bilder, welche Dr. Metzner bis jetzt eruirt hat.
[87]Die Fettumsetzungen in den Zellen.
Jedenfalls hat derselbe bei diesen Beobachtungen nirgends
einen Anhalt dafür gefunden, dass das Fett aus der Umgebung
der Zelle in dieselbe corpusculär eintrete, denn niemals fanden
sich in der Umgebung der Zellen ähnliche Elemente, wie in
diesen selbst, und scheint daher das Fett auch bei der inter¬
mediären Umsetzung nur in gelöster Spaltungsform denselben
zugeführt und in den Elementen des Protoplasmas durch Synthese
in Neutralfett verwandelt zu werden.
Es wären noch manche andere Gebiete der intermediären
Fettumsetzung, welche hätten in Betracht gezogen werden können,
so die fettige Umwandlung der Muskelgranula und andere Fett¬
degenerationen; dieselben sind jedoch von Dr. Metzner nicht
untersucht worden.
Dagegen hat auch er Gelegenheit gehabt, die allmähliche
Zunahme der mit Fett sich beladenden Granula in Bezug auf
ihre Osmiumschwärzung und Grösse zu beobachten, indem er
ausgehungerte Tritonen mit Sahne fütterte und die Initialstadien
der Fettbildung in den Leberzellen untersuchte. Auch er hat
die an manchen Granulis bei der Fettassimilation auftretenden
Ringelchen gesehen und waren dieselben ausser anderen Fällen
besonders schön in der Leber des Hühnchens aus den letzten
Bebrütungstagen. Er konnte hier eine von Tag zu Tag zu¬
nehmende Verbreiterung des Osmiumringes und Vergrösserung
des ganzen Elementes beobachten und vermochte, ebenso wie
Dr. Krehl an den Darmepithelien, hier Residua von sich spe¬
cifisch färbender Granulasubstanz nachzuweisen.
Wie Dr. Krehl, so konnte also auch Dr. Metzner die
directe Abhängigkeit der primären Fettassimilation von der
Substanz der Granula in mehrfacher Art demonstriren. Der
Nachweis dagegen, wie die etwa in den Zellen entstehenden
grösseren Fettkugeln wachsen und weiter an Grösse zunehmen,
konnte weder von dem Einen noch von dem Andern mit wün¬
schenswerther Präcision beigebracht werden; beide haben sie in
ihren Objecten oft neben den etwa vorhandenen grösseren Fett¬
kugeln auch kleinere und granuläre Formen gefunden, wie dieses
auch schon von Anderen früher gesehen worden ist, ob aber
jene kleinen Formen durch ihr Hinzutreten zu den grösseren das
Wachsthum der letzteren allein bedingen, oder ob dieses Wachs¬
[88]Die Fettumsetzungen in den Zellen.thum von sonstigen Momenten abhängt, darüber fehlt es an
thatsächlichen Beobachtungen.
Die Secretion des Fettes, welche zu untersuchen mir vor¬
behalten blieb, hat ebenfalls manches Interessante ergeben.
Vor allem waren hier die grossen Talgdrüsenconglomerate,
welche man in der Inguinalfalte des Kaninchens, am After des
Meerschweinchens und anderswo findet, sehr lehrreich. Wenn
man diese in zweckmässiger Weise mit Osmium fixirt, so er¬
giebt nach der Einbettung in Paraffin jeder Schnitt die Zellen
dicht gedrängt voll von jenen Ringelchen, welche ich in der
Esculentenleber, Dr. Krehl bei gewissen Stadien der Fett¬
resorption einzelner Säugethiere und Dr. Metzner in der Leber
des Hühnchenfoetus gesehen hat, und zwar finden sich in jedem
Schnitt alle Stadien dieses eigenen Assimilationsbildes vor. Die
schönsten Bilder liefern jene beiden genannten Drüsen (Fig. 1 u. 2,
Tafel XV und Fig. 1 Tafel XVII). Man sieht hier in jedem Gesichts¬
felde in überreicher Zahl die Ringelchen von den feinsten zarte¬
sten Anfängen bis zu den gröberen scharf contourirten Gebilden,
so dass meist in jeder Zelle ein bestimmtes Stadium durch seine
Zahl vorherrscht. Man kann sich kaum ein Bild schöner und
vollendeter denken, wie es hier ohne grosse Mühe und Kunst
einfach durch Osmium erreicht werden kann; man braucht nur
von jedem beliebigen Kaninchen oder Meerschweinchen die
betreffende Drüse zu entnehmen, um sicher zu sein, in jedem
Schnitte alles bei einander zu finden. Neben den, am meisten
vertretenen, mit Ringelchen gefüllten Zellen kommen auch
solche mit schwarzen Vollkörnern gefüllt vor, die ebenfalls
eine Zunahme der Grösse und der Osmiumschwärzung zeigen.
In Bezug auf die Fettumsetzung in den Fettdrüsen müssen
wir hervorheben, dass die Aufnahme des Fettes in den Zellen
hier augenscheinlich ebenfalls in einer gelösten Spaltungsform
erfolgt, da auch hier sich niemals in der Umgebung der Zellen
ähnliche corpusculäre Elemente vorfinden, wie in denselben.
Bei der Resorptionsthätigkeit der Epithelzellen des Darmes war
es wahrscheinlich, dass hier die wesentlichen Spaltungsprodukte
für die Synthese die Fettsäuren selbst sind, denn man hat Fett¬
bilder im Darmepithel durch Fütterung nur erhalten, wenn man
Fette, Fettsäuren oder deren Salze gegeben hat. Bei dem
[89]Die Fettumsetzungen in den Zellen. intermediären Fettumsatz, wie auch bei der Fettsecretion ist
ein solcher Zusammenhang bis jetzt nur bei dem neugeborenen
Kätzchen gesehen worden, indem, wie schon Kölliker hervor¬
hebt, hier mit vorschreitender Milchzuführung die Fettbildung
des Bindegewebes zunimmt, und Dr. Metzner konnte dieses
nicht nur bestätigen, sondern auch bei Fütterung des Kätzchens
mit fettfreier Nahrung constatiren, dass hierbei ein Fehlen des
Fettansatzes erfolgt. Bei Kaninchen, Meerschweinchen und dem
Menschen ist ein solcher directer Zusammenhang nicht nach¬
weisbar, da hier das Fettgewebe schon vor der Geburt aus¬
gebildet wird.
Im Uebrigen wissen wir seit, Liebig, dass ausser den dem
Organismus direct zugeführten Fetten vorzugsweise die Kohlen¬
hydrate die Hauptquelle der thierischen Fettbildung sind. Welche
Componenten hier der Synthese in den Zellen vorausgehen, ist
uns ebenso wenig bekannt, wie der Modus, unter welchem die
Spaltungen erfolgen, welche augenscheinlich dem Export des
Fettes aus der Zelle vorangehen.
Wichtig erscheint hierbei die Thatsache, welche Franz
Hofmann1durch seine Titrirungen der Fettsäuren gefunden
hat, dass dieselben ein steter Begleiter der natürlichen Fette
sind. Er fand in frischem Bindegewebsfett bis gegen 2 Procent,
in Leberfetten bis über 10 Procent, in einem Fettsecret, dem
Wachs, über 50 Procent freier Fettsäuren vor. Nimmt man
noch hinzu, dass neben den freien Fettsäuren vielleicht noch
solche beigemengt sind, welche, ohne neutrales Glycerid zu
sein, dennoch neutralisirt sind, wie Seifen, Lecythin, Drechsel's
Jecorin u. s. w., und welche bei jenen Titrirungen nicht mit¬
bestimmt sind, so zeigen uns jene Zahlen, dass die natürlichen
Fette dem Organismus gegenüber keineswegs so stabile Sub¬
stanzen sein dürften, wie man es wegen ihrer Unlöslichkeit im
Wasser anzunehmen geneigt sein könnte.
Die Titrirungen Hofmann's waren mir auch deshalb von
wesentlichem Interesse, weil ich im Anschluss daran ähnliche
Unterschiede auch an den mikroskopischen Bildern feststellen
konnte. Wenn man nämlich kleinste Organstückchen verschie¬
[90]Die Fettumsetzungen in den Zellen. denen Ursprungs auf gleiche und erprobte Art mit Osmium
fixirt, so zeigen dieselben schon in toto und noch mehr in den
Schnitten eine grosse Verschiedenheit zunächst in Bezug auf
die Intensität der Osmiumschwärzungen, dann insbesondere auch
in Bezug auf den Widerstand, den die mit Osmium geschwärzten
Fetttheile gegenüber verschiedenen Extractionsmitteln leisten. So
zeigt sich das Bindegewebsfett des Erwachsenen vor allen
anderen Fetten am widerstandsfähigsten; die Leberfette sind es,
wie ich dieses seiner Zeit besonders an der Froschleber con¬
statiren konnte, beträchtlich weniger, und bei manchen Fett¬
drüsen ist es oft unmöglich, die Osmiumschwärzung bis zur
Durchtränkung mit Paraffin zu conserviren, so wünschenswerth
dieses auch für die Beobachtung der Schnitte wäre. Man ver¬
mag schon aus der Differenz dieses Widerstandes einigermassen
deutlich zu erkennen, welchen Grad von Reinheit dem etwa
vorhandenen Neutralfett in einem Object zukommt, und es lässt
sich hoffen, dass durch methodische Ausnutzung dieses Gesichts¬
punktes die Mikrochemie des Fettes um einiges wird erweitert
werden können (vergl. das nächste Capitel).
Es darf jedenfalls nicht vergessen werden, dass ausser der
Beimischung von Fettsäuren und deren Derivaten noch andere
Substanzen dabei sein können und oft sicher sind. Wenn die
Granula anfangs nur so geringe Fettmengen in sich häufen, dass
sie auf Grund intensiver Osmiumwirkung nur grau erscheinen,
so ist der Grund hiervon augenscheinlich die Verunreinigung
des spärlichen Fettes mit der noch überwiegenden Substanz
des Granulums selbst. Daher finden sich hier auch nach Ex¬
traction des Fettes keine Lücken in der Zellsubstanz vor, wie
es der Fall ist, wenn die Umwandlung des Granulums sehr weit
vorgeschritten ist. Wenn daher Heidenhain1 in den subglandu¬
lären Leukocyten des Hundedarmes Osmiumschwärzung der
Zellkörnchen findet, die er zugleich auch roth färben kann, und
daraus schliesst, dass diese Körnchen sicher kein Fett sind, so
darf man hier wohl nur schliessen, dass diese Körnchen nicht
aus reinem Fett bestehen.2 Wie bei der Resorption des Fettes
[91]Die Fettumsetzungen in den Zellen. durch das Darmepithel, so scheint Heidenhain auch hier nur
das Vorhandensein corpusculären reinen Fettes im Auge zu
haben, während Lösungen, Spaltungen und Mischungen dieser
Substanz von ihm nicht in Betracht gezogen werden.
Ueberblickt man die Resultate unserer morphologischen
Untersuchungen des Fettumsatzes im Körper, so haben wir die
primären Stadien desselben innerhalb der Zellen, wo eine präg¬
nante Beobachtung möglich war, immer sich an der Substanz
der Granula abspielen sehen. Zunächst konnten wir überall
ein corpusculäres Eintreten des Fettes in die Zellen ausschliessen,
da solche corpusculären Fettelemente ausserhalb und neben den
Zellen nicht zu finden waren. Wir mussten deshalb annehmen,
dass das Fett überall in gelöster Spaltungsform in die Zellen
hineintritt.
In Bezug auf die Assimilation des Fettes durch die Granula
haben wir vielfach mit Hilfe der Osmiumschwärzung nachweisen
können, dass das Granulum sich allmählich in seiner Substanz
mit Fett beladet, und zwar entweder indem hier seine gesammte
Masse gleichmässig in Mitleidenschaft gezogen wird, oder indem
nur die periphere Partie des Kügelchens sich hieran betheiligt.
Im ersten Falle sehen wir an vielen Orten die allmählichen
Uebergänge des farblosen Granulums zum grau bis schwarz
gefärbten Körnchen, welche Farbenveränderung zugleich mit
einem Anwachsen der Grösse desselben einherzugehen pflegt,
im zweiten Falle beginnt der Process als zart gefärbtes, lineares
optisches Ringelchen, um allmählich in grob contourirte breitere
und dunkel geschwärzte vergrösserte Ringe überzugehen. Dass
diese Ringe zur Substanz der Granula selbst gehören, also in¬
tragranulär sind, lässt sich aus ihrer meist strengen Abgrenzung
gegen die Umgebung und aus ihrer innigen Verbindung mit
dem Granulum selbst folgern. Eine erwünschte Ergänzung des
Urtheils über die Natur dieser Elemente wurde uns dadurch
zu Theil, dass sich in mehrfachen Fällen in denselben Residua
von sich specifisch färbender Granulasubstanz nachweisen liessen;
2[92]Die Fettumsetzungen in den Zellen.dieses hat Dr. Krehl an dem Darmepithel der Ratte 1 Stunde
nach der Fettfütterung, Dr. Metzner besonders schön in den
Leberzellen des 16tägigen Hühnchenfoetus, ich selbst an der
Esculentenleber gesehen. Die Ringformen vermögen besonders
bei weiterem Wachsthum durch allmählige Schwärzung ihres
Centrums in schwarze Vollkörner oder Vollkugeln überzugehen.
Des Weiteren konnten wir beobachten, dass die in der Zelle
auftretenden granulären Fettformen oft die Neigung haben zu
confluiren und so grössere Elemente zu bilden. Es gilt dieses
sowohl für die Vollkörner, wie für die Ringkörner. Man findet
wenigstens häufig in dem gleichen Object bei der Untersuchung
aufeinander folgender Stadien zuerst viele kleine Formen, dann
weniger grössere Elemente und manchmal zuletzt nur einzelne
und vereinzelte grosse Kugeln in den Zellen vor. Dieses Con¬
fluiren lässt sich zuweilen auch an den Bildern direct verfolgen,
so z. B., wie schon erwähnt, sehr schön in der Leber des neu¬
geborenen Hündchens in den ersten Tagen nach der Geburt.
Dieses Confluiren mag durch die Fettaufnahme und durch eine
stärkere, auch sonstige Verflüssigung in der Granulasubstanz
bedingt und daher rein mechanisch sein; die vitale Individualität
des grösseren Elementes scheint jedoch, wenn auch in irre¬
parabler Abschwächung, erhalten zu bleiben, denn bei den Ring¬
körnern stellt sich auch hier die Ringform wieder her und so¬
wohl diese, wie auch die entstandenen Vollkugeln haben noch die
Fähigkeit, zu wachsen, und zwar, wie es scheint, aus inneren
Kräften heraus. Neben diesem Wachsthum der Fettkugeln durch
Intussusception besteht wohl auch ein solches durch Apposition
neu hinzutretender verfetteter Granula, aber, wenn meine Er¬
fahrungen mich nicht täuschen, in geringerem Umfange, als
man auf den ersten Blick anzunehmen geneigt sein könnte.
Dieses weitere Wachsthum macht, wie schon oben erwähnt,
mancherlei Schwierigkeiten. So finden wir in den echten Fett¬
zellen, in den Leberzellen der Warmblüter, in den Darmepithe¬
lien bei der Fettverdauung oft, nachdem ein granuläres Stadium
der Fettansammlung vorausgegangen ist, später grössere Fett¬
elemente vor und neben ihnen im intacten Protoplasma kleinere
und granuläre Formen des Fettes: wir wissen vielleicht, dass
das Endresultat eine einzige grosse Fettkugel sein wird, wir
[93]Die Fettumsetzungen in den Zellen. müssen also schliessen, das jene kleineren Elemente hinzugetreten
sind und die Vergrösserung bewirkt haben.
In anderen Fällen ist dieses nicht so. In den Zellen der
verschiedenen Milchdrüsen finden wir oft nur ein mit Fett be¬
ladenes Granulum vor, welches an Grösse zunimmt, ohne dass
das Hinzutreten anderer kleinerer Fettformen angenommen wer¬
den könnte; hier müssen wir also annehmen, dass das Wachs¬
thum durch die bleibende assimilatorische Thätigkeit des ein¬
zelnen Elementes bedingt ist, die nicht ausgehoben wird, trotzdem
augenscheinlich die Menge des Fettes in demselben diejenige der
vitalen Substanz überwiegt. Man sieht hierbei die intacten speci¬
fisch gefärbten Granula sich um das Fettelement herum drängen
und dasselbe wie in eine dichte Granulahülle einschliessen (vergl.
Fig. 2 Tafel XVII). Vielleicht tritt, wenn das Milchkügelchen schon
fertig in der Kuppe der Zelle liegt, mehr nach der Basis der¬
selben hin noch ein zweites oder drittes Fettkorn auf, das aber
augenscheinlich nur dazu bestimmt ist, an Stelle des abgestosse¬
nen Milchkügelchens nach der Kuppe der Zelle zu gelangen.
Wirkliche multipel granuläre Formen des Fettes gehören in den
Milchzellen zu den Ausnahmen und finden sich bei einzelnen
Thiergattungen gelegentlich in früherer Zeit vor der Lactation;
während derselben habe ich sie nicht angetroffen. Wenn, wie
bei der Milchdrüse der Maus, die Fettelemente die Grösse von
ansehnlichen Kugeln innerhalb der Zellen zu erreichen ver¬
mögen, so werden diese Erscheinungen noch prägnanter.
Aber auch in jenen vorher genannten Organen (Fettgewebe,
Leber, Darmepithel) ist das Hinzutreten kleinerer Fettelemente
zu den grösseren Kugeln wie gesagt keineswegs der einzige
Modus des Wachsthums derselben. Man kann oft genug ein
solches Wachsthum ohne Betheiligung kleinerer Nebenformen
constatiren. Wir müssen also auch hier annehmen, dass die Fett¬
kugeln noch in sich synthetische Fähigkeiten haben, selbst wenn
sie bereits optisch wie homogenes Fett aussehen, d. h. wir wer¬
den trotz dieses homogenen glänzenden Aussehens noch vitale
Granulasubstanz darin als Beimischung zu vermuthen haben;
zum wenigsten dürfte dieses für die jüngeren noch wachsenden
Fettkugeln der echten Fettzellen, für die Leberzellen und Darm¬
epithelien jedoch wohl in weiterm Umfange Geltung haben; ja
[94]Die Fettumsetzungen in den Zellen. auch der fertigen echten Fettzelle gegenüber können wir diese
Möglichkeit nicht ganz in Abrede stellen. Ohne dieses Zurück¬
bleiben vitaler Fähigkeiten in den grösseren ja auch grossen
Fettkugeln wäre nicht nur das Wachsthum, sondern auch
manche Erscheinung des regressiven Fettschwundes schwer er¬
klärlich.
Das ist vielleicht auf den ersten Blick schwer zuzugeben,
aber man kommt doch durch anderweitige Erfahrungen und Er¬
wägungen dahin, es nicht für unmöglich zu halten. Zunächst mag
hier wiederum an jene schon besprochene Titrirungen Hof¬
mann's erinnert werden, der in dem Fette verschiedener Organe
verschiedenen Gehalt an freien Fettsäuren nachgewiesen hat,
ohne dadurch die Gegenwart anderer Körper, wie Lecythin,
Jecorin, Seifen u. s. w. auszuschliessen, deren eigenthümliche
Löslichkeitsverhältnisse die Gegenwart fast jeder beliebigen
Substanz in den Fettkugeln als möglich anzunehmen gestatten.
In den fertig gebildeten Fettzellen der Bindesubstanzen aller¬
dings werden wir nicht viel von solchen Beimengungen zu er¬
warten haben, wie dieses auch Hofmann wahrscheinlich ge¬
macht hat. Es beweist das nur, dass der Process der Fett¬
assimilation eine abschliessende Grenze hat, die in der fertigen
Fettzelle der Bindesubstanz erreicht sein mag. Wie es aber in
den Vorstufen dieser selben Fettbildung und in anderen Organen
des Körpers, wie Leber, Darmepithel etc., welche Fett zu assi¬
miliren vermögen, aussieht, darüber haben wir noch keine Vor¬
stellung; dass hier vitale Substanzen den scheinbar homogenen
Fettelementen beigemischt sein können und auch wirklich bei
gemischt sind, erscheint aus mancherlei Gründen wahrschein¬
lich. Der von Hofmann hier nachgewiesene geringere Procent¬
satz an Neutralfett, die morphologisch zu beobachtende, nach
der Osmiumbehandlung geringere Widerstandsfähigkeit gegen
Extractionsmittel machen die Fettelemente dieser Organe von
vorn herein verdächtig; auch fehlt es in den Fettdrüsen und
deren Verwandten nicht an Uebergängen, die uns bis zur reinen
Wasserlöslichkeit der analogen Gebilde führen und dürfte, wie
schon erwähnt, diese geringe Widerstandsfähigkeit vielleicht
nicht auf der Gegenwart der Fettsäuren, sondern auf der Bei¬
mengung anderer, zum Theil vitaler Substanzen beruhen.
[95]Die Fettumsetzungen in den Zellen.
Diese schwankenden Möglichkeiten und Wahrscheinlich¬
keiten gewinnen einen kräftigen Rückhalt, wenn man jene
merkwürdigen morphologischen und chemischen Umsetzungen
in Betracht zieht, welche innerhalb der Reihe der meroblasti¬
schen Eizellen stattfinden. Hier wächst das ehemalige Granu¬
lum oft fern von jedem noch intacten Protoplasma zuweilen
bis zu Riesengrösse heran und bethätigt durch weiteres Wachs¬
thum eine synthetische Energie noch, wenn längst die Haupt¬
masse seines Inhalts aus indifferenten, nicht vitalen syntheti¬
schen Produkten wie Fett und anderen Substanzen besteht.
Dass mit dieser Anhäufung synthetischer Producte eine Ab¬
schwächung der Vitalität stattfindet, wird für den fertigen Nah¬
rungsdotter mit Recht angenommen; ob diese Abschwächung
aber bis zum völligen Aufhören der Vitalität führen muss, ist
zweifelhaft, und nicht nur für diejenigen Fälle, wo, wie im Ei
des Huhnes, Frosches, Haifisches etc. die morphologische Exi¬
stenz der Dotterelemente gewahrt bleibt, sondern auch für die¬
jenigen, wo, wie im Lachsei, ein Zusammenfliessen zu einer
flüssigen Gesammtkugel stattfindet. An dem excessiven Wachs¬
thum jener morphologisch erhaltenen Dotterelemente wenigstens
tritt es klar und deutlich hervor, dass die synthetische Energie
noch bei weitgehender Verdünnung der vitalen Substanz durch
indifferente Körper erhalten bleiben kann.
Darum ist es auch nicht unmöglich, dass selbst die völlig
ausgebildete Fettkugel der erwachsenen Fettzelle noch vital
ist, die oft constante Grösse derselben scheint darauf hinzu¬
weisen, dass die Fähigkeit der weiteren Assimilation mit einem
gewissen Grade der Verdünnung der vitalen Substanz sistirt
wird. Auch bei der Verkleinerung der grossen Fettkugeln schei¬
nen die in denselben vorhandenen Reste der vitalen Substanz
mit thätig zu sein, denn wir haben hier zuweilen zuerst die
Mitte der Osmiumkugel sich aufhellen und daraus ähnliche
Ringformen entstehen sehen, wie sie bei der progressiven Assi¬
milation so vielfach vorkommen. Das wäre schwer zu erklären,
wenn bei diesem Fettschwunde lediglich das noch intacte Proto¬
plasma thätig wäre. Im Uebrigen scheint bei den Fettum¬
setzungen in der Zelle das intact gebliebene Protoplasma, nach¬
dem vielleicht das granuläre Vorstadium und das Confluiren
[96]Die Fettumsetzungen in den Zellen.der kleineren Fettelemente stattgefunden hat, vorzugsweise für
die Zufuhr und eventuelle Abfuhr der gelösten Spaltungsproducte
zu sorgen.
Doch kehren wir zu unsern morphologischen Bildern zurück,
so haben wir den Fettumsatz in den Zellen an den Granulis
entweder in Form von Vollkörnern oder von Ringkörnern be¬
obachtet. Das Auftreten dieser Fettkörner in den Zellen ist
entweder solitär oder multipel mit allen Uebergängen zwischen
den Extremen. Die multipel granuläre Form bleibt entweder
permanent, wie ich dies z. B. in der von mir schon früher viel¬
fach untersuchten Esculentenleber, ebenso wie an vielen Fett¬
drüsen etc. gesehen habe, oder es zeigt sich eine mehr weniger
weitgehende Neigung zur Bildung einheitlicher Kugeln; die Fett¬
zellen der Bindesubstanz, die Leber der Warmblüter, die Darm¬
epithelien geben eine absteigende Stufenfolge für diese Neigung,
und finden sich in den Fettdrüsen und ihren Verwandten noch
weitere Uebergänge bis zu dem permanent granulären Verhal¬
ten der Fettformen vor.
Wir haben bei diesen Untersuchungen vorzugsweise die¬
jenigen Orte berücksichtigt, wo durch das Kommen und Gehen
des Fettes ein steter Wechsel des Processes zu vermuthen war.
Es giebt jedoch auch solche Zellengattungen, in denen schein¬
bar ein stabiles Verhalten der Fettgranula stattfindet, wenn es
erlaubt ist, aus der Schwärzung mit Osmium auf die Fettnatur
derselben zu schliessen. So sehen wir in Fig. 1 Taf. XVI einen
Durchschnitt durch die Rinde der Nebenniere vom Hund, in
welchem eine Variabilität des Processes nicht nachweisbar ist.
Ueber die Bedeutung dieser stabilen Fettgranula weiss ich jetzt
nichts auszusagen.
Welche Arten des Fettes durch das Osmium geschwärzt
werden, darüber soll im nächsten Capitel gehandelt werden; ob
ausser Fettsubstanz noch andere Substanzen in den Geweben
die Ueberosmiumsäure mit ähnlicher Energie reduciren, darüber
ist bis jetzt noch nichts bekannt.
VI
Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Die Thätigkeiten der Drüsen sind seit Alters her gern ein
Gegenstand der Beobachtungen und des Experimentes gewesen.
Es sind eben lebhafte Vorgänge, um die es sich hier handelt;
das Secret in seiner Menge und seiner Beschaffenheit ist ein
greifbares Factum, an welches sich vielerlei Variationen an¬
schliessen lassen; auf der anderen Seite bieten der Einfluss des
Blutstroms und der der Nervenerregung willkommene Anhalts¬
punkte für die forschende Untersuchung; dazwischen liegt dann
die Drüse selbst mit ihren specifisch thätigen Theilen.
Mit Recht weist Heidenhain auf die Wichtigkeit der De¬
finitionen hin, welche schon Johannes Müller1für die Drüsen
und ihre Thätigkeit noch vor dem Erstehen der Zellenlehre ge¬
geben hat, indem derselbe sagte, die Drüsen stellen in ihrem
Innern eine im kleinsten Raume construirte grosse Oberfläche
dar; die diese bekleidende lebende Substanz ist es,
welche die Secretion einleitet, nicht vor oder hinter ihr
liegende Nebenumstände; die Secretion selbst ist unabhängig
von der Construction der Oberfläche, denn auch ebene und
nach aussen gestülpte Flächen können secerniren.
Mit der Eintheilung der lebenden Substanz in Zellen, wie
sie von Schleiden und Schwann bald darauf aufgebracht wurde,
waren dann neue Angriffspunkte für die weitere Erforschung
der Secretionsprocesse gegeben, denn die Fortschritte des bio¬
logischen Wissens sind nothwendigerweise mit den Fortschritten
der morphologischen Grundlagen verknüpft. Es entstanden in
Altmann, Elementarorganismen. 7[98]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.Heidenhain's Laboratorium eine Reihe von Untersuchungen,
welche insbesondere die Frage lösen sollten, in welcher sicht¬
baren Weise die Zellen der Drüsen ihren secretorischen Auf¬
gaben gerecht werden, und wir müssen es als eine wichtige
Epoche in der Lehre von den Secretionserscheinungen bezeich¬
nen, dass hier eine Anzahl wirklicher Beobachtungen statt¬
gefunden hat, welche den Beweis für eine Thätigkeit der Zellen
während der Secretion beibrachten.
Diese Beobachtungen erstreckten sich einestheils auf die
Gesammtform und das Gesammtvolumen der Zellen, dann auf
die Veränderungen der in denselben vorhandenen und unter¬
scheidbaren Regionen, endlich auch, soweit dieses mit den da¬
maligen technischen Hilfsmitteln möglich war, auf die Details
des Zelleninhaltes selbst. Die Veränderungen der Gesammtform
und der Regionen der Drüsenzellen wurden, da sie der damaligen
Beobachtung zugänglich waren, in sicherer Weise constatirt,
die Details des Zelleninhaltes aber liessen damals nur spärliche
Beobachtungen zu, und Heidenhain selbst sagt, dass, wenn so
die Neuzeit wohl einige Grundlagen für eine dereinstige Theorie
der Absonderungsprocesse geschaffen habe, es doch bisher an
keiner einzigen Stelle möglich gewesen sei, auf jenen Funda¬
menten ein festes Gebäude zu errichten.1
Für uns musste sich die Frage von den Secretionserschei¬
nungen naturgemäss dahin richten, inwieweit dieselben sich von
den Granulis der Zelle abhängig zeigten. Unserer Theorie nach
ist alle lebende Substanz aus den Granulis zusammengesetzt,
folglich sind auch alle Leistungen der lebenden Substanz auf
jene zurückzuführen; es fragte sich nur, wie weit diese Ab¬
hängigkeit sich durch direkte Beobachtungen bethätigen liess.
Die lebenden Vorgänge sind jedenfalls vielfach so subtiler
Art, dass sie sichtbare Veränderungen der Substrate, an welchen
sie sich abspielen, nicht hervorbringen. Denken wir z. B. an
den Stoffwechsel des Sauerstoffs, an welchem wohl eine jede
Zellengattung theilnehmen dürfte, so werden es kaum augen¬
fällige Erscheinungen sein, welche im Zellenkörper bei seiner
[99]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. Athmung auftreten dürften. Indirekt hat man allerdings die
Wirkungen des Sauerstoffs resp. seiner Entziehung schon mehr¬
fach beobachtet. So theilt Kühne mit, dass die Bewegungen
des Protoplasmas nach Entziehung des Sauerstoffes aufhören
und erst auf Zuleitung desselben wieder in Gang kommen; er
kommt hierbei zu dem Schluss, dass „die Berührung mit dem
Sauerstoff der Luft das gewöhnlich wirkende Erregungsmittel
zu sein scheint, dem das erregbare Protoplasma vielleicht über¬
haupt den Antrieb zu seinen Bewegungen verdankt.“ 1
Dann haben wir durch die von Ehrlich2 ausgeführten
Farbstoffinfusionen gelernt, dass die durch das Protoplasma zu
Leukoproducten reducirten Farbstoffe einfach durch das freie
Hinzutreten der Luft wieder oxydirt und gefärbt werden. Aber
am Protoplasma selbst sind Veränderungen und Vorgänge
bei dem Stoffwechsel des Sauerstoffes direkt noch nicht be¬
obachtet worden.
Günstiger für die Beobachtung sind diejenigen Fälle, in
denen durch mikrochemischen Nachweis oder durch anderweitige
sichtbare Veränderungen das Granulum seine Thätigkeiten wirk¬
lich kund giebt. Bei den Fettumsetzungen in den Zellen konnten
wir diese Veränderungen mit Hilfe des Osmiums constatiren;
wir werden bei den Secretionen noch andere Fälle kennen
lernen, in denen durch morphologische Beobachtung das Granu¬
lum als der Ort des Stoffwechsels erkannt werden kann.
Die klarsten Vorstellungen für den Vorgang der Secretion
erhält man an den Fettdrüsen. Nehmen wir zunächst einen
sehr einfachen Fall, die Präputial- oder Clitorisdrüse der Maus.
Nachdem die Bauchhaut vorsichtig entfernt ist, erblickt man
oberhalb der Symphyse, nach beiden Seiten divergirend, zwei
ovale Drüsenkörper, welche aus einem centralen sackartigen
Hohlraum mit kleineren Nebenräumen bestehen, in welche
ringsum eine grosse Zahl von kürzeren Drüsenschläuchen mün¬
den. Fig. 6 Tafel XX giebt uns das Bild eines solchen Drüsen¬
schlauches nach Behandlung mit dem Osmiumgemisch, in Paraffin
geschnitten, und in Paraffinum liquidum eingelegt, wieder. Das
7*[100]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.bläschenförmige Endstück des Schlauches ist dicht gefüllt mit
kugeligen Körnern, deren Peripherie von einem mehr weniger
starken Fett-Osmiummantel gebildet wird. Kerne und Zell¬
grenzen sind nicht sichtbar, da sie von den körnigen Gebilden
verdeckt werden. Im mittleren Theil des Schlauches sehen wir
die geordneten Ringkörner mehr und mehr sich verschmieren,
um im Endstück selbst eine schwarze Masse, das Secret selbst,
zu bilden; dasselbe schwarzgefärbte Secret finden wir dann in
den grossen und kleinen Secreträumen der Drüse vor.
Die verschiedenen Drüsenschläuche bieten beim Vergleich
unter einander ganz verschiedene Bilder insofern, als die Gra¬
nula grösser oder kleiner erscheinen, und die ringförmigen Bil¬
der durch Vollkörner von verschiedenster Grösse und verschie¬
denster Intensität der Schwärzung ersetzt werden können. Auch
die Grösse der Gesammtschläuche ist verschieden, indem hierbei
dieselbe mit der Grösse der einzelnen Granula zu- oder abnimmt.
Die Secretion selbst ist hier kaum anders aufzufassen, als dass
die Zellengranula, nachdem sie durch ihr Wachsthum sich ver¬
grössert haben und durch ihre assimilatorische Thätigkeit sich
mit Fetten und eventuell anderen Stoffen beladen haben, selbst
das Secret bilden, indem die Bestandteile der Zellen continuir¬
lich vorgeschoben werden. In einiger Entfernung vermischen
sich dann die Granula untereinander, um das schmierige Fett¬
secret zu geben. Irgend welche Abgrenzungen der Secreträume
und der Drüsenzellen sind nicht vorhanden. Wir werden uns
also die basalen Theile der Drüsenzellen als stabil vorzustellen
haben, während die inneren Theile durch stetige Erneuerung
der Elemente in einem wenn auch langsamen Strömen sich be¬
finden. Erschöpfung und Erneuerung dieser Drüsenthätigkeit
führt dann dazu, das verschiedene Aussehen in den verschiede¬
nen Drüsenschläuchen zu erzeugen. Ob hierbei auch totale
Ausstossung von Zellen und eine entsprechende Erneuerung
derselben durch Theilung vorkommt, habe ich noch nicht unter¬
sucht, das wird sich aber mit Hilfe der gewöhnlichen Kern¬
färbungen leicht constatiren lassen.
Bei Weitem eindringlicher noch werden die Bilder, wie man
sie in den Fettdrüsenconglomeraten des Meerschweinchens und
des Kaninchens findet. Beim Meerschweinchen liegt zu beiden
[101]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. Seiten der Afteröffnung unter der Haut je ein compaktes Drüsen¬
körperchen. Fig. 1 der Tafel XVII zeigt uns einen Theil des
Durchschnittes der Drüse bei schwächerer Vergrösserung, in Pa¬
raffin geschnitten und in Paraffinum liquidum eingelegt. Man er¬
kennt einen läppchenförmigen Bau des Ganzen; im Bilde sind zwei
grössere Ausführungsgänge sichtbar, von denen der grössere be¬
sonders das schmierige Fettsecret zeigt, welches durch das Schnei¬
den zerbröckelt ist. Von diesen grösseren Ausführungsgängen
sieht man eine Art radiäre Formation nach der Peripherie des
Drüsenkörpers ausstrahlen. Wie dagegen ein solcher grösserer
Ausführungsgang nach der Peripherie hin zu den Läppchen
communicirt, ist nicht sichtbar, obwohl eine solche Communi¬
cation bestehen muss.
Bei stärkerer Vergrösserung, wie sie bei Fig. 1 Tafel XV
zur Darstellung eines einzelnen Drüsenläppchens angewendet
ist, erkennt man eine eigenthümliche Selbstständigkeit der ein¬
zelnen Zellen in Ihrer Abgrenzung zu einander; um die Kerne
herum drängen sich die Ringkörner oder Vollkörner in den ver¬
schiedensten Grössen und Färbungen. Ein Zweifel daran, dass
wir es hier mit den verschiedenen Stadien der Fettsecretion zu
thun haben, kann nicht wohl aufkommen, und wir werden wohl
anzunehmen haben, dass alle diese Zellen ihre Communicationen
nach den grösseren Ausführungsgängen hin haben.
Als Ergänzung dieses vom Meerschweinchen gewonnenen
Bildes soll Fig. 2 Tafel XV dienen. Das Bild ist von einem
Talgdrüsenconglomerat entnommen, welches sich in der Inguinal¬
falte des Kaninchens findet. Man sieht hier bei diesem Thiere das
weissliche Drüsenkörperchen schon durch die Haut schimmern,
wenn man die hinteren Extremitäten auseinander zieht; der
Ausführungsgang kennzeichnet sich gewöhnlich auf der äusseren
Hautfläche als schwärzlicher Punkt. Nach der Behandlung mit
dem Osmiumgemisch, nach dem Schneiden in Paraffin und dem
Einlegen in Paraffinum liquidum ergeben sich Bilder, wie das
der Fig. 2 Tafel XV, in dem ebenfalls alle Uebergänge der das
Fett assimilirenden Granula nebeneinander zu finden sind.1
[102]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Die Bilder dieser Fettdrüsen haben den grossen Vorzug,
dass wir bei ihnen ausser einer zweckmässigen Behandlung mit
Osmium keiner weiteren künstlichen Färbungen bedürfen. Durch
die Bildung des im Bilde als Ring erscheinenden Fettmantels
ist der morphologische Charakter der Granula völlig scharf
skizzirt und die Osmiumschwärzung selbst giebt uns zwar noch
keinen präcisen Aufschluss über die chemische Zusammen¬
setzung, aber doch genügenden Anhalt, um die Gegenwart von
Fettsäurederivaten annehmen zu können.
Aehnliche Bilder, wie die der geschilderten Fettdrüsen,
finden sich auch in den Meibom'schen Drüsen und in den ge¬
wöhnlichen Talgdrüsen der Haut vor. Doch sind die Erschei¬
nungen hier bei Weitem nicht so prägnant, wie in jenen Fällen.
Die Fettdrüsen zeigen jedenfalls in deutlichster Weise, dass
bei ihrer Secretion granuläre Bestandtheile der Zellen in das
Secret übergehen, nachdem sich dieselben in einen hierzu ge¬
eigneten Zustand gebracht haben. Ein solcher Secretionsvor¬
gang ist klar und leicht in seiner Deutung, besonders wenn
die morphologischen Erscheinungen so prägnant sind, wie hier.
Ich suchte deshalb noch mehr Drüsen zu finden, welche
ähnliche Vorzüge darbieten sollten. Es giebt besonders bei den
verschiedenen Säugethieren ausser den echten Talgdrüsen und
den grösseren Conglomeraten derselben noch Drüsengattungen,
die ein mehr weniger fettarmes und dafür mehr weniger wasser¬
reiches Secret liefern und doch in einiger Verwandtschaft zu
den echten Fettdrüsen stehen. Hierher gehören die Präputial¬
drüsen, die mannigfachen Stinkdrüsen vieler Thiere, die Bürzel¬
drüsen der Vögel, die Harder'sche Drüse durch die ganze
Reihe der Wirbelthiere hindurch, manche Brunstdrüsen, Klauen¬
drüsen und andere mehr.
Wir können hier aus dem überreichen Material, welches
diese Drüsen darbieten, nur einzelne prägnante Beispiele her¬
vorheben, um zu zeigen, dass es auch hier bei der Secretion
sich um die Umwandlung der Zellengranula zum Secret handelt.
Das Eigenthümliche an diesen Drüsen ist noch insbesondere der
1[103]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. Umstand, dass fast jede Thiergattung ihre eigenen Variationen
zeigt, so dass vieles Belehrende daraus zu entnehmen ist.
Besonders ergiebig zeigt sich die Harder'sche Drüse bei
den verschiedenen Thierklassen, deren gröbere Secretionsver¬
hältnisse schon Wendt geschildert hat.1 Beim Kaninchen zeigt
dieselbe zwei Abtheilungen, eine grössere röthlich gefärbte und
eine kleinere von weisser Farbe. In der letzteren sind die
Drüsenräume ziemlich gross; die Wand derselben wird aus einer
einschichtigen Lage von Zellen gebildet, welche selbst je nach
dem Zustande ihrer Thätigkeit mehr weniger hoch erscheinen.
In Fig. 4a und b Tafel XVIII haben wir zwei derartige Zellen¬
belege zweier nebeneinander gelegener Tubuli vor uns. In Fig. 4a
erscheinen die Zellen relativ niedrig und ziemlich gradlinig
gegen den Drüsenraum abgegrenzt. Anders ist dieses in Fig. 4b.
Hier ist jede Zelle senkrecht zur basalen Fläche beträchtlich
verlängert; in die Drüsenräume hinein ragen die einzelnen
Zellen mit ihren langgezogenen Kuppen und man findet zuweilen
Stellen, wo diese Kuppen sich in Form von rundlichen Stücken
abschnüren. Der Drüsenraum selbst ist meist von einer ge¬
ronnenen Masse gefüllt, welche eine Structur nicht mehr auf¬
weist. Wahrscheinlich werden permanent die oberen Theile
der Zellkuppen aufgelöst, um das Secret in den Drüsenräumen
zu liefern.
Bei Weitem deutlicher tritt dieses in der grösseren, röth¬
lich gefärbten Abtheilung hervor. Hier findet man, wie Fig. 3
Tafel XIX zeigt, vielfach unzweifelhafte Theile der Drüsenzellen
in den Secreträumen losgelöst vor, welche noch die gleiche
Structur wie die Zellkörper zeigen und daher einen Zweifel in
Bezug auf ihre Abstammung nicht aufkommen lassen. Dazu
kommt noch, dass man überall alle Stadien des Loslösungspro¬
cesses nebeneinander beobachten kann und so die Gewissheit
erhält, dass hier die Secretion nichts Anderes ist, als ein con¬
tinuirliches Loslösen der oberen Zelltheile, mit dem naturgemäss
ein permanentes Nachwachsen von den Basaltheilen her Hand
in Hand gehen muss.
Nicht immer sind in dieser Harder'schen Drüse des Kanin¬
[104]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.chens die Bilder sich gleich. Zuweilen büssen die abgelösten
oder sich ablösenden Zelltheile etwas von ihrer prägnanten Er¬
scheinung ein, indem sie blasser werden, im Uebrigen aber die
Formationen zunächst bewahren, welche die eigentlichen Zell¬
körpertheile zeigen. Man erhält dann auch beim Kaninchen
Bilder, wie sie in der Harder'schen Drüse des Meerschweinchens
und Hamsters zur Regel gehören, und wie sie in Fig. 1 und 2
Tafel XIX wiedergegeben sind.
Hier sieht man oft nach der Behandlung mit Osmium,
Paraffin und Farbstoff die gesammten Secretionsräume mit einem
zarten Netz gefüllt, dessen Maschen einen continuirlichen Ueber¬
gang aus der Substanz der Drüsenzellen her zeigen und zwar
der Art, dass die Formationen in beiden Theilen augenschein¬
lich einander analog sind; dennoch giebt es eine ziemlich
scharfe Grenze, welche das zarte Netzwerk der Secretionsräume
und die grob contourirten Substanzen der Drüsenzellen selbst
trennt. Auch hier also findet unstreitig ein Auflösen der oberen
Theile der Drüsenzellen zum Secret statt und die Betheiligung
dieser Zellen am Secretionsprocess ist so klar, wie man es nur
wünschen kann. Welche Bedeutung die roth gefärbten ver¬
einzelten Zellen der Hamsterdrüse haben, darüber weiss ich
nichts zu sagen.
Als weitere Ergänzung der beschriebenen Bilder sollen
noch die Figuren 4 und 5 der Tafel XIX dienen, welche der
Bürzeldrüse der Taube und der Ente entnommen sind. Auch
hier giebt es keine scharfe Abgrenzung der Drüsenzellen zum
Secretraume, sondern die Substanz der Zellen geht auch hier
continuirlich in das Secret über, wenngleich dieser Uebergang
bei diesen Drüsen nicht so analoge Structuren des Secretes und
des Zellkörpers aufweist, wie in den eben beschriebenen Harder¬
schen Drüsen. Im Gegensatz zur Harder'schen Drüse ist hier
ferner der Zellenbelag deutlich mehrschichtig, sodass hier ver¬
muthlich bei der Secretion eine totale Ausstossung von Zellen
stattfinden dürfte, ähnlich wie bei der Erneuerung der Epider¬
miszellen, während bei jenen Bildern von der Harder'schen
Drüse augenscheinlich die einzelne Zelle in ihren Basaltheilen
stabil und nur in den Centraltheilen labil ist. Auch hier wird
die Untersuchung mit den gewöhnlichen Kernfärbungen leicht
[105]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. Klarheit schaffen. Derselbe Process, welcher bei den Harder'¬
schen Drüsen in dem Raum einer einzelnen Zelle abläuft, er¬
streckt sich bei diesen Bürzeldrüsen augenscheinlich auf mehrere
Zellen.
In allen diesen Organen beobachten wir analoge Erschei¬
nungen. Die Substanz der Zellen ist nach der Behandlung mit
dem Osmiumgemisch, nach der Einbettung in Paraffin und nach
der differenzirten Färbung mit Säurefuchsin netzförmig ausge¬
spart. Die Maschen des Netzwerkes sind rundlich und regel¬
mässig angeordnet; sie erscheinen nach der angegebenen Be¬
handlung leer, während die sie umgebende Substanz mehr
weniger reich mit rothen Granulis erfüllt ist.
Zerzupft man ein Stückchen von einer dieser Drüsen frisch
in Kochsalzlösung, so erscheint dieselbe bald milchig, indem
eine grosse Zahl von Kügelchen sich frei in ihr suspendiren.
Diese Kügelchen sind stark lichtbrechend und machen völlig
den Eindruck von Milchkügelchen. In ihrer Grösse stimmen
sie mit den rundlichen Lücken überein, welche von dem Netz¬
werk der Drüsenzellen eingeschlossen sind, so dass man z. B.,
wenn die weisse Abtheilung der Harder'schen Drüse des Kanin¬
chens zerzupft wird, sehr kleine Kügelchen erhält, aus der röth¬
lichen Abtheilung aber entsprechend grössere.
Hat man eine von jenen Drüsen in Alkohol gehärtet, so
findet man die Kügelchen nicht mehr vor, wenigstens ist die¬
jenige Substanz, welche ihre starke Lichtbrechung bedingt, ent¬
fernt; sie sind also zum mindesten mit einem Theil ihrer Sub¬
stanz in Alkohol löslich.
Nach der 24stündigen Einwirkung des Osmiumgemisches
zeigen sich die Kügelchen nicht geschwärzt, sondern nur schwach
grau gefärbt; auch dann noch sind sie in Alkohol und Xylol,
wenigstens mit einem Theil ihrer Substanz, löslich, denn nach
der Einbettung in Paraffin sind an den Balsampräparaten die
Lücken, in welchen sie gelegen haben, scheinbar leer, wie die
angeführten Abbildungen zeigen. Um sich hiervon noch ein¬
gehender zu überzeugen, ist es nützlich, dünne Paraffinschnitte
nach dem Auswaschen mit Xylol und Alkohol in Alkohol oder
Wasser eingelegt zu untersuchen; das Substanznetz der Zell¬
körper zeigt sich dann als das einzige positiv Brechende.
[106]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Aus der starken Lichtbrechung der Kügelchen, aus ihrer
Löslichkeit in Alkohol und Xylol und aus ihrer Unlöslichkeit
in Wasser resp. Kochsalzlösung lässt sich vermuthen, dass wir
es hier mit einem Fettsäurederivat zu thun haben. Von den
Milchkügelchen und den Talgdrüsenkörnern unterscheiden sie
sich allerdings durch die mangelnde Reduction der Osmiumsäure.
Um hier einen Anhalt zu gewinnen, habe ich die verschie¬
denen Fettsäurederivate auf ihr Verhalten gegenüber der Os¬
miumsäure geprüft. Für diesen Zweck wurden kleine Stückchen
Fliesspapier mit Olivenöl, Oelsäure, Lecithin, Jecorin und Seife
getränkt, so dass nur minimale Mengen dieser Körper in Frage
kamen, und die Papierstückchen dann in zweiprocentige Lösung
der reinen Osmiumsäure oder des Gemisches derselben mit Ka¬
liumbichromat gelegt, oder endlich noch eine Ansäuerung der
Lösungen mit Essigsäure oder Salzsäure vorgenommen.
Dann wurde noch eine zweite Versuchsreihe vorgenommen,
bei welcher kleine Quantitäten der Emulsionen von Oelsäure,
Palmitinsäure, Stearinsäure und den Triglyceriden derselben
direkt mit einem grossen Ueberschuss einer zweiprocentigen
Ueberosmiumsäurelösung gemischt wurden. Die Emulsion wurde
bei der Oelsäure so hergestellt, dass eine alkoholische Lösung
derselben mit Wasser gefällt wurde; bei dem Olein wurde ein
säurehaltiges Präparat durch Zusatz von kohlensaurem Natron
in Wasser emulgirt; die anderen Säuren und Glyceride wurden
erst mit wenig Alkohol auf das Feinste verrieben und dann in
Wasser aufgeschlemmt.
Bei allen diesen Versuchen, bei denen die energische Os¬
miumwirkung mindestens 6 Stunden andauerte, zeigte es sich,
dass nur die Oelsäure und das Olein durch das Osmium ge¬
schwärzt wurden. Makroskopisch traten zwar auch besonders
bei den anderen Emulsionen Schwärzungen auf, welche aber
bei mikroskopischer Untersuchung sich nur durch leichte Grau¬
färbung der suspendirten Partikelchen veranlasst zeigten. Auch
das ölsaure Natron wurde nur dann geschwärzt, wenn durch
Zusatz von Säure zur Osmiumlösung die Oelsäure frei gemacht
wurde. Das Osmium ist mithin nicht ein Reagens auf
Fette im Allgemeinen, sondern nur auf freie Oelsäure
und Olein.
[107]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Wenn daher die Fettkörnchen jener oben genannten Drüsen
durch Osmium nicht geschwärzt werden, so beweist dieses nur
zunächst die Abwesenheit der Oelsäure und des Oleins in den¬
selben. Die alkoholisch-ätherischen Extracte jener Drüsen hinter¬
lassen zwar nach dem Abdunsten einen halbflüssigen Rückstand,
welcher auf die Gegenwart eines bei gewöhnlicher Tempe¬
ratur flüssigen Fettes deutet, doch könnte dieses auch Buty¬
rin etc. sein, wie ja auch das Milchfett reich daran ist. Das
Butyrin selbst habe ich sowohl als Monoglycerid wie auch als
Triglycerid geprüft; auch dieses reducirt die Osmiumsäure nicht.
In der Harder'schen Drüse findet sich bei einzelnen Thier¬
gattungen auch Osmiumschwärzung der Fettkörner vor und
zum Theil mit schönen Ringelbildungen, so dass dann die Zellen
selbst das Aussehen der Zellen in den Talgdrüsen erhalten
können. Solche Schwärzungen habe ich bei der Maus, der Ratte
und dem Igel gefunden.
Die eben beschriebenen Versuche über das Verhalten der
verschiedenen Fettarten gegenüber der Osmiumsäure gaben Ver¬
anlassung, die Ringelbilder, wie sie von Dr. Krehl, Metzner und
mir auch anderwärts so vielfach beobachtet worden sind, einer
genaueren Untersuchung zu unterziehen. Am besten eignet sich
hierzu die Inguinaldrüse jüngerer, aber sonst ausgewachsener
Kaninchen. Dieselbe wurde in dem Osmiumgemisch 24 Stunden
belassen und dann nicht in Paraffin eingebettet, sondern zu¬
nächst direkt; nach dem Auswaschen mit Wasser geschnitten
und in Glycerin untersucht. Es zeigte sich hierbei, dass in
diesen Schnitten die Ringelchen nicht vorhanden waren. Erst
als die Drüse 24 Stunden in Alkohol gelegen hatte, und wieder
ohne Paraffineinbettung geschnitten wurde, traten die Formen
in Erscheinung, wie sie in Fig. 1 und 2 Tafel XV gezeichnet
sind. Es zeigt dieses, dass diese Ringkörner zunächst zwei
differente Substanzen enthalten, welche beide vom Osmium
geschwärzt werden, von denen aber die eine im Centrum des
Kornes gelegene auch nach der Osmiumbehandlung in Alkohol
löslich ist, die anderen nicht. Da wir nach den obigen Ver¬
suchen bis jetzt nur zwei Substanzen kennen, welche durch
Osmium geschwärzt werden, nämlich Olein und Oelsäure, so
lag die Annahme nahe, dass dieselben in diesen Körnern
[108]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.different vertheilt sind. Bei der Prüfung dieser beiden Sub¬
stanzen nach ihrer Schwärzung mit Osmiumsäure zeigte es
sich, dass die Oelsäure auch dann noch durch Alkohol gelöst
wurde, wenn sie durch Osmium geschwärzt war, das Olein aber
nicht. Es wäre demnach wahrscheinlich, dass in dem Centrum
jener Körner neben anderen Fetten und Substanzen die Oel¬
säure vertreten ist, in der Peripherie dagegen das Olein. Da
jedoch im Organismus wahrscheinlich noch manche Fettsäure¬
verbindungen existiren, die wir noch nicht kennen, 1und welche
ebenfalls durch Osmium geschwärzt werden könnten, so ist hier
eine sichere Diagnose vorläufig noch nicht auszuführen. Immer¬
hin ist jene Annahme nicht so unwahrscheinlich; es würde da¬
mit ein Fingerzeig gegeben sein, wie topographisch sich die
Assimilation der Neutralfette im Granulum vollzieht. Da wir
ausser der wahrscheinlichen Gegenwart der Oelsäure im Cen¬
trum jener Körner, wie im vorigen Capitel beschrieben ist, auch
mehrfach Reste von sich specifisch färbender Granulasubstanz
gefunden haben, so sind demnach in diesen Körnern mindestens
drei nachweislich differente Substanzen vorhanden, wahrschein¬
lich aber noch mehr.
An den Fettdrüsen und deren Verwandten haben
wir also zuerst und am deutlichsten gelernt, dass der
Process der Secretion im Wesentlichen in einer Um¬
wandlung der Granula und deren Ausstossung in die
Secretionsräume besteht. Wenn daher Heidenhain sagt, 2
dass die Absonderung des Hauttalges an sich kein tiefer gehen¬
des physiologisches Interesse hat, so dürfte dieses wohl nicht
zutreffen. Die Fettdrüsen und deren Verwandte geben uns im
Gegentheil ein Vorbild, wie wir den Secretionsprocessen nach¬
zugehen haben, um sie in ihrem Wesen zu verstehen.
Gelten wir nun zur Betrachtung einer zweiten Gattung von
secernirenden Organen über, zu den Speicheldrüsen und deren
[10[109]]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.Verwandten, so wollte es mir lange Zeit nicht gelingen, die hier
vorhandenen Bilder zu verstehen. Den Schlüssel für dieses Ver¬
ständniss fand ich endlich in der Augendrüse der Ringelnatter.
Dieses Organ hat eine Theilung in Thränendrüse und Har¬
der'sche Drüse noch nicht erfahren, sondern zieht sich als ein¬
heitlicher Drüsenkörper vom äussern Augenwinkel zum innern
unterhalb des Bulbus hin. Schon Cloquet1und Duvernoy2
haben betont, dass das Secret dieser relativ grossen Drüse zwar
den nach aussen hin hier völlig abgeschlossenen Bindehautsack
anfeuchte, im Wesentlichen aber durch den Thränenrachenkanal
in den Schlund gelange, um als Speichel den Schlingakt zu
erleichtern, und Born3fand die Einmündung des Ausführungs¬
ganges der Drüse in den Anfangtheil des Thränenrachenkanales;
Duvernoy hebt ausdrücklich hervor, dass besonders bei Typhlops
die übermässige Entwickelung der Drüse gegenüber den rudi¬
mentären Augen in keinem Maassverhältniss stehe, um ihren
Charakter als Thränendrüse zu rechtfertigen.
Fig. 1 Tafel XX zeigt uns einen Acinus der Natterdrüse.
Die Zellen sind gefüllt mit grossen Körnern, welche graugelb
gefärbt ein helleres Centrum und eine dunklere Peripherie er¬
kennen lassen. Während in den vorher geschilderten Harder¬
schen Drüsen die Körner vorzugsweise aus Fettsubstanz bestan¬
den, sich daher beim Einbetten in Paraffin lösten und an den
Schnitten leere Lücken zurückliessen, wird hier das Fett augen¬
scheinlich durch Eiweisskörper ersetzt, welche nach sonstigen
Erfahrungen zu schliessen im Wesentlichen die Substanz dieser
Körner ausmachen dürften.
Färbt man die aus dem Osmiumgemisch stammenden Drü¬
senschnitte statt mit Fuchsin — Picrin mit starkem Haema¬
toxylin (nach Delafield) 12 Stunden lang, so ist die Peripherie
der Körner ebenfalls dunkel gefärbt, das Centrum aber hell
geblieben; zum Unterschiede aber erscheint die dunkle Peripherie
[110]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.hier scharf gegen das Centrum abgesetzt und nicht so ver¬
schwommen, wie in der Fig. 1; das Bild dieser Körner gleicht
dann sehr dem der ringförmigen Fettkörner, und ist dieses
jedenfalls ein interessanter Anhalt dafür, dass die Ringformen
den Fettkörnern nicht allein zukommen.
Den Mangel der specifischen Fuchsinreaktion haben diese
graugelben Körner mit manchen anderen Granulaarten gemein¬
sam, welche durch Assimilation sich mit fremden Stoffen beladen
haben, wie dieses bei Fettkörnern, manchen Dotterkörnern etc.
der Fall ist.
In den meisten Acinis unserer Drüse ist die Füllung durch
die graugelben Körner eine vollständige, und eine solche kleine
Lückenbildung, wie sie unsere Figur zeigt, gehört zu den Aus¬
nahmen. Zwischen den Körnern zieht sich netzförmig eine
specifisch roth gefärbte Substanz hin, die um die Kerne und in
den Basaltheilen der Zellen etwas stärkere Anhäufung zeigt;
dieselbe ist, indem ihre eigenen Elemente wegen ihrer Kleinheit
und ungünstigen Lagerung nicht definirbar sind, die Matrix der
graugelben Körner, die letzteren aber selbst sind für die Aus¬
stossung bei der Absonderung bestimmt und daher echte Secre¬
tionskörner.
Dieses lässt sich zunächst aus folgenden Beobachtungen
folgern. Betrachtet man das Bild der Drüse mit schwachen
Vergrösserungen, so sieht man neben den Acinis der Fig. 1 verein¬
zelte hellere Durchschnitte, welche den Ausführungsgängen an¬
gehören, und von denen Fig. 2 Tafel XX ein Beispiel giebt.
Diese helleren Durchschnitte unterscheiden sich von denen der
Acini im Wesentlichen nur dadurch, dass an Stelle der grau¬
gelben Körner helle Lücken getreten sind, die nach andern Er¬
fahrungen zu schliessen Schleimgranula enthalten. Die Zellen
dieser Ausführungsgänge zeigen ganz den Charakter echter
Schleimzellen. Die netzförmige rothe Substanz hat auch hier
eine stärkere Anhäufung um die Kerne an der Basis der Zellen.
Je nach der Gunst der Umstände finden sich die
Lumina dieser Ausführungsgänge mehr weniger be¬
trächtlich erweitert und mit denselben graugelben
Körnern gefüllt, wie sie den Zellen der Acini ange¬
hören. Da die Entstehung dieser graugelben Körner
[111]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.hier nicht gut von den hellen Schleimzellen der Aus¬
führungsgänge abgeleitet werden kann, so bleibt nichts
Anderes übrig, als anzunehmen, dass dieselben von den
damit gefüllten Acinis her vorgeschoben werden und
so in das Secret übergehen.
Die Schleimzellen der Ausführungsröhrchen mögen dann
ihr Schleimsecret noch beimischen. Allerdings scheint in diesen
Röhrchen eine baldige Auflösung der acinösen Körner statt¬
zufinden, denn man findet auch Röhrchen, welche frei von ihnen
sind und dann ein verengtes Lumen haben, wie z. B. in unserer
Fig. 2; andere Röhrchen zeigen den Auflösungsprocess der ihr
Lumen füllenden graugelben Körner, indem das charakteristische
Aussehen derselben schwindet und unter Verkleinerung bis zur
Undeutlichkeit durch die Lösung verändert wird.
In mancher Beziehung noch prägnanter, in anderer weniger
prägnant sind die Verhältnisse in der Glandula labialis superior
posterior desselben Thieres. Die Körnchen der acinösen Zellen
sind hier kleiner, ohne helles Centrum, aber ebenfalls graugelb
gefärbt, und deutlich unterscheidbar. Während in jener Augen¬
drüse der Lösungsprocess sehr bald nach dem Austritt der
Körner aus den Acinis zu erfolgen scheint, erhalten sich hier
in der Oberlippendrüse die Körner noch im Hauptausführungs¬
gang und füllen das weite Lumen desselben aus. Die Wand
dieses Ganges ist ebenfalls mit echten cylindrischen Schleim¬
zellen bekleidet, wie der in Fig. 3 Tafel XX abgebildete Durch¬
schnitt durch dieselbe zeigt; die netzförmige rothe Substanz ist
hier bei weitem zarter als in Fig. 1 und 2, zeigt aber ebenfalls
eine Anhäufung an der Basis der Zellen.
Die nach dem weiten Lumen des Hauptausführungsganges
hin offenen Zellen zeigen hier das überquellende Schleimsecret, wie
man es auch sonst an Becherzellen öfter sieht. Die Schicht des
überquellenden Schleimes ist oft dicker, wie in unserer Zeich¬
nung, und die das Lumen füllenden graugelben Körnchen grenzen
sich gegen den hellen Schleim scharf ab, sodass das Ganze ein
äusserst deutliches Gepräge hat. Es verdient noch hervor¬
gehoben zu werden, dass wir es in dieser hinteren Oberlippen¬
drüse der Ringelnatter mit einer echten Speicheldrüse zu thun
haben.
[112]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Vergleichen wir die soeben gewonnenen Erfahrungen mit
den Bildern, wie sie die Parotis der Katze darbietet, so finden
wir in Fig. 5 Tafel XX Verhältnisse vor, die denen der Augen¬
drüse der Ringelnatter sehr ähnlich sind; auch hier sind die
Zellen von jenen graugelben Körnern gefüllt, und auch hier
zieht sich netzförmig eine roth gefärbte Substanz zwischen ihnen
hin, wenngleich dieselbe hier zarter und spärlicher ausgebildet
ist. In unserer Figur ist eine stärkere Anhäufung dieser Sub¬
stanz in den Basaltheilen der Zellen nicht zu erkennen; wenn
jedoch, wie bei manchen Katzen, diese netzförmige Substanz über¬
haupt stärker ausgebildet ist, als in unserer Figur, so findet sich
auch die Anhäufung an der Basis vor, und die Aehnlichkeit
der Structur mit der der Natterdrüse wird eine sehr weitgehende.
Die Parotis der Katze zeichnet sich vor der anderer Säuge¬
thiere durch die Grösse und Deutlichkeit ihrer graugelben Körner
aus; hat man dieselben aber erst bei der Katze gesehen, so er¬
kennt man sie auch anderswo wieder, z. B. beim Hunde, obgleich
dieselben hier kleiner und schlechter abgegrenzt sind. Darum
erscheint gerade die Parotis der Katze werthvoll, weil sie den
Zusammenhang mit jenen oben geschilderten Natterbildern giebt.
Ausser in den Eiweissspeicheldrüsen der Säugethiere finden wir
ähnliche Strukturen abgesehen von den Ophidiern noch bei
den Sauriern vor, und zwar sowohl in den Drüsen der Augen¬
höhle, wie in denen des Ober- und Unterkiefers; es sind hier,
besonders in Bezug auf die netzförmige Substanz, mancherlei
interessante Variationen zu beobachten, die wir aber hier über¬
gehen müssen.
Die Ausführungsgänge der Katzenparotis sind leicht zu er¬
kennen. Ihr Durchmesser ist kleiner, als der der gefüllten Acini,
und die cylindrischen Zellen, welche ihre Wand bekleiden,
stechen durch ihre dichte rothe Granulafüllung scharf hervor.
Die rothen Granula sind reihenweise angeordnet, entsprechend
den Streifen und Stäbchen, wie sie von Pflüger hier früher
beschrieben sind. Eine Füllung des Lumens der Ausführungs¬
gänge mit den gelbgrauen Körnern der Acini, wie wir sie bei
der Augendrüse und der hinteren Oberlippendrüse der Ringel¬
natter gefunden haben, kommt hier nicht vor. Es scheint, als
wenn hier bei der Secretion die Körner gleichzeitig gelöst wer¬
[113]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. den, sobald sie die dichtgefüllten Acini verlassen und in die
Ausführungsgänge gelangen.
Dass auch in der Parotis der Katze die graugelben Körner
wirklich bei der Secretion aus den Acinis ausgestossen werden,
lässt sich sehr prägnant erweisen, wenn man den ruhenden Zu¬
stand der Drüse mit dem durch die Secretion erschöpften ver¬
gleicht. Applicirt man einer erwachsenen Katze, welche seit
24 Stunden nicht gefressen hat, 50 Milligramm salzsaures Pilo¬
carpin subcutan und tödtet das Thier zwei bis drei Stunden
nach der Injection, so sind in der Parotis sämmtliche grau¬
gelben Körner verschwunden. Die Bilder sind je nach der in¬
dividuellen Empfindlichkeit der Thiere in ihren Stadien etwas
verschieden. Acini und Zellen sind stets sehr beträchtlich ver¬
kleinert. In manchen Fällen finden sich in allen Acinis rundliche
leer erscheinende Räume vor, die ehedem die graugelben Körner
enthalten haben mögen und nach dem Ausstossen derselben
sich verkleinert haben. In anderen Fällen sind diese Lücken
nur spärlich vorhanden, aber auch da fehlen die graugelben
Körner. . Der Charakter der Drüsenzellen hat sich total um¬
gestaltet und die Veränderungen sind durch das Austreten der
graugelben Körner so weitgehend geworden, dass man kaum
eine Aehnlichkeit im Bau der ruhenden und der erschöpften
Drüse erkennt.
Die Kerne, welche in den gefüllten Zellen schwierig zu
sehen sind, treten deutlich hervor. An Stelle der netzförmigen
rothen Substanz zeigen sich im Zellenleibe zerstreut feine kurze
Fädchen, ihrer Form und Grösse nach von deutlich individuellem
Charakter und von specifisch rother Reaction. Daneben finden
sich kleine und kleinste runde Körner ebenfalls roth gefärbt.
Ist das Stadium der Maximalwirkung überschritten, so
vergrössern sich allmälig die Zellen; die runden Körner wer¬
den zahlreicher und grösser, behalten aber immer noch zu¬
nächst die rothe Reaction; erst später verlieren sie dieselbe, um
nach endgültiger Füllung der Zellen die graugelben Secretions¬
körner zu bilden. Während dieser Umwandlungen treten auch
jene rothen Fädchen kräftiger in Erscheinung und scheinen
schliesslich in den wieder gefüllten Zellen die rothe netzförmige
Substanz zu bilden und sich darin zu verbergen.
Altmann, Elementarorganismen. 8[114]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Auch in früheren Stadien ist es interessant, Beobachtungen
anzustellen. Die erste Erscheinung, welche man bald nach der
Injection als Wirkung des Giftes wahrnimmt, ist das Auftreten
jener hellen Lücken in den sonst unveränderten Zellen der
Fig. 5; diese Lücken dürften wohl den Auflösungsprocess der
graugelben Secretionskörner in ihrem Beginn anzeigen; rothe
Rundkörner sind alsdann noch nicht sichtbar. Mit der Aus¬
stossung der graugelben Secretionskörner scheint zunächst so¬
fort die Erneuerung durch rothe Körner stattzufinden, die sich
1 Stunde nach der Injection in schöner Grösse präsentiren;
3 Stunden nach der Applikation des Giftes ist aber auch diese
schnelle Regenerationskraft der Drüse ganz erschöpft und man
findet neben jenen Fädchen nur kleine Körner, die nur lang¬
sam und erst nach der wieder eingetretenen Erholung der
Drüse zu grösseren werden.
Während dieser Umwandlungen entstehen Bilder, welche
denen des ruhenden Pancreas (vergl. Fig. 1 Tafel VII) ähnlich
werden können, nur dass die Gruppirung der runden Körner in
den Zellen nie so gesetzmässig wird.
Wir können aus diesen Beobachtungen Mancherlei lernen.
Vor Allem ist die totale Ausstossung der graugelben Körner ein
deutlicher Beweis dafür, dass der Secretionsprocess granulär
ist. Ferner gehen die graugelben Körner aus kleineren und
kleinsten rothen Körnchen hervor und haben ihre rothe Reaction
bei ihrem Wachsthum wohl in Folge der Aufnahme der Se¬
cretionsstoffe verloren. Ebenso erscheint die genetische Be¬
ziehung zwischen der netzförmigen rothen Substanz der ruhen¬
den Drüse und den rothen Fädchen der erschöpften sehr wahr¬
scheinlich, sodass die Homogenität der ersten nur eine scheinbare
sein dürfte. In der Harder'schen Drüse von Anguis fragilis,
welche eine ähnliche Structur besitzt, lassen sich schon bei nor¬
malem, ruhenden Zustande der Drüse neben den Secretionskör¬
nern in dem intakten Protoplasma die elementaren Fädchen
differenziren und beobachten.
Der besseren Uebersicht wegen mag hier noch eine kleine
Tabelle über die Hauptstadien der Pilocarpinwirkung an der
Katzenparotis Platz finden. Die Dosis betrug in allen Fällen
50 Milligramm subcutan; in den drei letzten Stadien, die unten
[115]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.aufgezählt sind, waren die Thiere bei der Injection chloroformirt,
in den anderen Fällen nicht. Alle Thiere hatten mindestens
24 Stunden vor der Injection gehungert und auch nach der In¬
jection bis zur Tödtung keine Nahrung erhalten. Zum Vergleich
dient das normale Hungerbild der Fig. 5 Tafel XX.
1 Stunde nach der Injection: Acini und Zellen sind
etwas verkleinert, die graugelben runden Körner und die netz¬
förmige rothe Substanz sind völlig verschwunden, an ihrer Stelle
finden sich zahlreiche runde Körner und Körnchen von rother
Reaction und von kleinster Grösse bis fast zur Grösse der grau¬
gelben Secretionskörner hin, neben und zwischen denselben ver¬
laufen die rothen Elementarfädchen, vereinzelt finden sich in
den Acinis die hellen Lücken.
2 Stunden nach der Injection: Das Volumen der Acini
und Zellen noch mehr verkleinert, die rothen Rundkörner bei
Weitem spärlicher, aber noch in den verschiedensten Grössen
vertreten, die Fädchen vorhanden, die hellen Lücken bei man¬
chen Thieren in jedem Acinus sichtbar, bei anderen spärlich.
3 Stunden nach der Injection: Das Volumen der Acini
und Zellen klein, rothe Rundkörner nur in der kleinen Form
vertreten, aber zahlreicher als vorher, die grösseren fehlen
ganz, die rothen Elementarfädchen spärlich, vielleicht weil sie
für die Bildung der kleinen Rundkörner verbraucht sind, Lücken
nur spärlich vorhanden. Das Stadium dürfte das Maximum der
Erschöpfung darstellen.
6 Stunden nach der Injection: Acini und Zellen wieder
etwas grösser, die rothen Rundkörner zeigen zum Theil eine
deutliche Zunahme Ihres Volumens, rothe Elementarfädchen
sichtbar, Lücken spärlich vorhanden. Das Stadium dürfte mit
der zweistündigen Wirkung verglichen werden können.
9 Stunden nach der Injection: Acini und Zellen wesent¬
lich grösser als vorher, die rothen Rundkörner sehr zahlreich
und wieder in den verschiedensten Grössen, rothe Elementar¬
fädchen daneben sichtbar, Lücken spärlich vorhanden. Das
Stadium dürfte mit der einstündigen Wirkung verglichen wer¬
den können.
24—36 Stunden nach der Injection: Normales Hunger¬
bild der Drüse wie in Fig. 5 Tafel XX.
8*[116]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Die Curve der Pilocarpinwirkung erreicht danach bei unserer
Dosirung in etwa 3 Stunden das Maximum ihrer Höhe, um dann
mehr allmählig wieder abzufallen; die correspondirenden Ni¬
veaus der Curve fanden sich entsprechend unserer Tabelle
bei den Stunden 0 und 24—36, 1 und 9, 2 und 6. Je nach
der Individualität der Thiere kann sich das Auftreten der
Stadien etwas verschieben. Warum jene Lückenbildung beson¬
ders nach zweistündiger Wirkung zuweilen spärlich, zuweilen
reichlich ist, ist unklar. Decrepide Thiere sind für die Beobach¬
tung der Erholungsstadien nicht günstig. Bei der allmähligen
Erschöpfung der Drüse scheinen die grösseren rothen Rund¬
körner die ehemaligen graugelben Secretionskörner functionell
zu vertreten, während sie nach dem Aufhören des Secretions¬
reizes während der Erholungsstadien der Drüse anwachsen,
stationär werden und schliesslich die graugelben Secretions¬
körner bilden.
Während das normale Hungerbild sich durch den matten,
grauen Ton und das gleichmässige Aussehen des ganzen Bildes
und seiner Details auszeichnet (cf. Fig. 5), geben die verschiede¬
nen Formen und Grössen der in den Secretionsstadien scharf
roth gefärbten Zellenelemente eindringliche Erscheinungen.
Die Wirkungen des Pilocarpins, die an der Katze besonders
deutlich auftreten, sind für den Nachweis der granulären Thätig¬
keit bei der Secretion von hohem Werthe und zeigt sich dieses
auch an andern Drüsen. Ich hoffe in nicht zu ferner Zeit diese
Wirkungen, soweit sie für die Granulalehre von Werth sind,
noch genauer in Wort und Bild schildern zu können; für jetzt
mögen noch ein paar Bemerkungen darüber hier Platz finden.
Auch in der Augendrüse der Ringelnatter werden die grau¬
gelben Körner ausgestossen, und genügen hier schon 5 Milli¬
gramm des Giftes subcutan, um nach zwei Stunden oder mehr
dieselben zum grössten Theil verschwinden zu lassen; doch ist
man hier sehr abhängig vom Ernährungszustand der Thiere und
sind die Effekte hier keineswegs so sicher, als bei der Katze.
Besonders deutlich treten die Pilocarpinwirkungen auch im
Pancreas auf. Fig. 1 Tafel VII stellt einen Durchschnitt durch
das ruhende Mäusepancreas dar, welches mit dem Osmiumge¬
misch fixirt und mit Anilin-Säurefuchsin-Picrinsäure gefärbt
[117]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. ist. Ausser den schön roth gefärbten Bernard'schen Körnern sieht
man in den Zellenleibern noch elementare Fädchen von gleicher
Reaction. Benutzt man als Fixirungsmittel jene beiden im zweiten
Capitel angegebenen Quecksilbergemische mit Ameisensäure,
resp. Essigsäure und färbt nach meiner älteren Methode mit
neutraler Säurefuchsinlösung und wendet die Picrinsäure ohne
Erwärmen an, so kann man jene beiden Formenelemente, die
Bernard'schen Körner und die Fädchen, getrennt von einander
erhalten, wie Fig. 1 und 2 Tafel VIII zeigen. Der Schnitt der
Fig. 2 Tafel VIII ist etwas dicker, als der der Fig. 1 Tafel VII,
darum sind dort die Fädchen zahlreicher, als hier; wegen der
Abwesenheit der Bernard'schen Körner treten sie an sich schon
deutlicher heraus.
Die gleiche Structur findet sich im Pancreas aller Wirbel¬
thiere vor. Im Pancreas der pilocarpinisirten Katze nun sind
nach 2–3 Stunden die Bernard'schen Körner ebenfalls bis auf
wenige vereinzelte geschwunden und nur die Fädchenelemente
neben kleinsten und kleinen Granulis übrig geblieben. Die Unter¬
schiede zwischen der ruhenden und der erschöpften Drüse wer¬
den dadurch so auffällig, dass schon Hartnack's Objectiv 4
hinreicht, um sie deutlich zu sehen, sie sind annähernd ebenso
gross, wie zwischen Fig. 1 Tafel VII und Fig. 2 Tafel VIII, nur
dass sie hier durch die Variation der Methoden, dort intra vitam
durch das Gift erzeugt sind. Um sicher technische Kunstprodukte
auszuschliessen, thut man gut, die ruhende und die erschöpfte
Drüse gleichzeitig in derselben Osmiummischung zu fixiren, die
Schnitte aber von beiden auf demselben Objectträger aufzu¬
kleben und zusammen zu färben.
Ueber die verschiedenen Stadien des Schwundes und der
Regeneration der Secretionskörner gedenke ich ebenfalls später
zu berichten. Auch hier sind, wie in den Parotis, kleinste und
kleine Granula, welche sich neben den elementaren Fädchen
finden, die Vorläufer der Secretionskörner, auch hier zeigen
nach 24–36 Stunden die Durchschnitte das Aussehen des nor¬
malen Hungerbildes.
Das Verschwinden der „körnigen Innenzone der Zellen“ im
Pancreas während der Verdauung hat bereits Heidenhain be¬
obachtet (l. c.).
[118]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.
Wie im ruhenden Pancreas und anderswo, so findet man auch
in den Magendrüsen zweierlei Elemente vor, runde Körner und
elementare Fädchen; doch sind dieselben hier so vertheilt, dass die
ersteren den Belagzellen, die letzteren den Hauptzellen zukommen,
wie Fig. 2 Tafel V von der Magenschleimhaut der Katze zeigt.
Es ist augenscheinlich nur ein Theil der Zellenelemente, der
besonders in den Hauptzellen bei Anwendung der beschriebenen
Methoden in Erscheinung tritt, und es lässt sich annehmen, dass
weitere Methoden auch weitere Ergänzungen bringen werden.
In den Magendrüsen des Frosches (Fig. 1 Tafel XI) fehlen die
Fädchen ganz, weil dieselben bekanntlich nur Belagzellen ent¬
halten.
In anderen Fällen bleibt man überhaupt im Zweifel, ob man
es mit Fädchen oder Körnern zu thun hat; so zeigt das Darm¬
epithel der Katze (Fig. 1 Tafel XII) deutlich filare Anordnung
der Elemente, das Darmepithel des Frosches nicht (Fig. 2
Tafel XII). In den Nieren zeigen die corticalen Harnkanälchen
im Allgemeinen eine regellose Anordnung der Körnchen, wäh¬
rend die medullaren Filaranordnung haben; man sieht dieses
sehr deutlich beim Vergleich der Fig. 1 und 2 Tafel IV von der
Salamanderniere; auch bei den Säugethieren gelten ähnliche
Verhältnisse, und deutet dieses doch auf functionelle Verschie¬
denheiten hin.
Kehren wir noch einmal zu den Speicheldrüsen zurück und
wenden wir uns nun zu der zweiten Gattung derselben, den
Schleimspeicheldrüsen, so zeigt Fig. 4 Tafel XX uns einen Acinus
aus der Submaxillaris der Katze in ruhendem Zustande. Ueber
den Secretionsprocess an Schleimzellen ist man ja soweit einig,
dass man, wie man es an den Becherzellen und an anderen
Orten sehen kann (vergl. Fig. 3 Tafel XX), ein Ausstossen der
hellen Schleimsubstanz annimmt; auch das feine Netzwerk dieser
Substanz ist hier wiederholt gesehen worden, und schon Lav¬
dowsky1spricht ausdrücklich von Schleimkörnern, die in den
Lücken desselben liegen und die Schleimsubstanz bilden. Ueber
[119]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. die Differenzen, welche die ruhenden und die erschöpften Schleim¬
speicheldrüsen resp. deren Verwandte in ihrer Erscheinung dar¬
bieten, ist in Heidenhain's Laboratorium ebenfalls in ergiebiger
Weise vorgearbeitet worden, indem durch andauernde Reizung
des Nervus buccinatorius gezeigt wurde, dass die hellen Schleim¬
partieen der Acini in der Glandula orbitalis des Hundes bei
erschöpfender Secretion verschwinden. Dieselben Resultate habe
ich an der Submaxillaris jener Katzen erhalten, welche mit
50 Milligramm salzsaurem Pilocarpin vergiftet und zwei Stunden
danach getödtet worden waren. Mit Hilfe der Granulamethoden
lassen sich naturgemäss auch hier feinere Details demonstriren;
vielleicht wird sich auch hier die Abstammung der Schleim¬
granula von den primären rothen Zellgranulis erweisen lassen,
wie dieses an den Secretionskörnern der Parotis der Fall war.
Auch hier ist die Drüse nach 24—36 Stunden völlig restituirt.
Für die allgemeinere Auffassung der Zellstructuren lassen
sich die Bilder der Drüsen ebenfalls verwerthen. Vergleichen wir
z. B. das Bild der Parotis Fig. 5 Tafel XX mit dem Leberbild der
Esculenta Fig. 2 Tafel III, so finden wir in beiden eine netz¬
förmige diffus roth gefärbte Substanz, und in den Maschen des
Netzes Körner von hervorragendem Fett- resp. Eiweissgehalt,
die ersteren extrahirt. In dem Esculentenbild gelingt es mit
Hilfe der Picrinsäure leicht, in der netzförmigen Substanz eine
Differenzirung von individuellen Elementen hervorzurufen, wie
Fig 3 Tafel III zeigt. In der Katzenparotis gelingt dieses nicht;
hier müssen erst die graugelben Körner durch Pilocarpin weg¬
geschafft sein, damit die Elemente der netzförmigen Substanz
sichtbar werden; man gewinnt also erst an den Pilocarpinbildern
die Ueberzeugung, dass jene netzförmige Substanz noch eine
feinere Zusammensetzung hat, und ähnliche Verhältnisse dürften
auch an vielen anderen granulären und intergranulären Sub¬
stanzen bestehen. An eben diesen Pilocarpinbildern gewinnt
man dann auch, wie oben geschildert ist, die Ueberzeugung,
dass die netzförmige Substanz, mag sie an der Basis der Zellen
Anhäufungen zeigen oder nicht, die Matrix der Secretionskörner
ist, und wir kommen damit auf das zurück, was wir im III. Ca¬
pitel über die functionelle Decentralisation des Protoplasmas
gesagt haben. So können wir es dann auch wagen, solche
[120]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.Bilder, wie Fig. 5 oder Fig. 1 Tafel XX mit den gestreiften
Muskelbildern in Vergleich zu setzen; auch in diesen haben wir
Reste intakten Protoplasmas mit Ansammlungen um die Kerne,
welches seine Structur wenn nicht ganz, so vielleicht theilweise
verbirgt; ob in dem einen Falle selbstständige Körner, im andern
Aneinanderreihungen derselben zu Fibrillen das Endresultat
jener functionellen Decentralisation bilden, das dürfte die ein¬
heitliche Auffassung des Principes nicht stören.
Es ist wohl nicht gut, über solche Dinge zuviel zu theoreti¬
siren, aber es wird gut sein, künftig von jenen Gesichtspunkten
aus bestimmte Fragen zu stellen und mit allen Hilfsmitteln der
Technik zu beantworten.
Mit Hilfe jener Erfahrungen, wie wir sie an den oben ge¬
schilderten Drüsen gewonnen haben, findet man sich auch in
anderen und vielleicht schwierigeren Fällen zurecht. In der
Milchdrüse wird ausser dem Fett auch Eiweiss abgesondert.
Ueber die Fettsecretion haben wir im vorigen Capitel bereits
gesprochen; für die Eiweisssecretion wollte es mir nicht gelingen,
granuläre Erscheinungen als Unterlagen aufzufinden, solange
ich die Drüse während der eigentlichen Lactation untersuchte.
Erst als mir die Milchdrüse des Meerschweinchens kurz vor
dem Wurf zu Gesicht kam, zeigten sich in den Secretionsräumen
ausser den Fettelementen specifisch gefärbte Granula, wie Fig. 2
Tafel XVII zeigt. 1Sobald während der eigentlichen Lactation
die Absonderung lebhafter wird, scheint mit dem Ausstossen der
rothen Granula gleichzeitig ihre Lösung einzutreten, und damit
auch die Möglichkeit des morphologischen Nachweises verloren
zu gehen.
Die Beispiele für die granuläre Secretion, wie wir sie oben
angeführt haben, dürften sich wohl leicht vermehren lassen:
so kennt man in den Hautdrüsen mancher Kaltblüter schon
von früher den granulären Charakter der Secretionszellen, und
eine feinere mikroskopische Analyse dürfte hier den Zusammen¬
hang zwischen Granulis und Secret unschwer erweisen.
Auch die Niere kann hier für diesen Zweck herangezogen
[121]Die Secretionserscheinungen in den Zellen. werden. Zuerst wurde ich darauf bei der Urniere des 13tägigen
Hühnchens aufmerksam. Hier zeigte es sich, dass die Zellen
grössere kugelige Gebilde ausstossen, welche zum Theil noch
specifische Granula enthalten, und dass dieses auch trotz der
Gegenwart des epithelialen Bürstenbesatzes geschieht (Fig. 2 u. 3
Tafel XVIII). 1In den Nieren der Warmblüter selbst, von denen
Fig. 1 Tafel V einen Durchschnitt durch die Niere der Maus
darstellt, liessen sich direct ähnliche Erscheinungen nicht nach¬
weisen; doch glaubte ich, dass hieran nur das enge Lumen
der Kanälchen schuld wäre. Es wurden in Folge dessen an
Hunden die Uretheren unterbunden, 2und nach 1 — 2 Stunden
Nierenstücke mit dem Osmiumgemisch fixirt. Hier zeigte es
sich dann, dass nach Erweiterung der Lumina ganz dieselben
Bilder auftraten, wie in den Urnieren ohne diese Unterbindung
(Fig. 1 Tafel XVIII). Offenbar wurde nach Erweiterung der
Canälchenlumina durch die Unterbindung erst der Raum ge¬
schaffen, damit jene aus den Zellen kommenden kugligen Gebilde
sich von einander im optischen Bilde abheben konnten. Neuer¬
dings sind ähnliche Bilder auch von Lorentz3an pathologischen
Nieren gesehen worden. Auch das Bild der corticalen Harn¬
kanälchen des Salamanders in Fig. 2 Tafel IV zeigt Auflösungen
der Zellsubstanz. Vielleicht werden auch an den Nieren weitere
Untersuchungen mehr zu Tage fördern.
Aus dem Vergleich der verschiedenartigen Drüsen kann
man ein eigenartiges Gesetz ableiten, wenn man den ana¬
tomischen Bau derselben und die Beschaffenheit der Secrete
mit einander vergleicht. Es zeigt sich nämlich, dass im All¬
gemeinen diejenigen Drüsen, welche unlösliche Secrete, wie
Fette, liefern, weite Acini und weite Secretionsröhren haben,
während die mit gelöstem Secret sich umgekehrt verhalten.
Der Zweck dieser Einrichtung liegt auf der Hand; ein gelöstes
Secret vermag sich auch durch die engsten Röhrchen hindurch¬
zuzwängen, wie wir dieses besonders an der Leber sehen, wäh¬
[122]Die Secretionserscheinungen in den Zellen.rend die corpusculären Elemente der Milchdrüsen, Talgdrüsen,
Harder'schen Drüsen, Bürzeldrüsen dieses nicht gestatten würden.
Dieses selbe Verhältniss zeigt sich auch, und dieses ist das
wesentlichere Moment, in den Beziehungen der Secretionszellen
zu den Secretionsräumen; in dem einen Falle öffnen sich die
Zellen mit ihren Bestandtheilen weit in letztere hinein, im
anderen Falle schliessen sie sich dagegen ab.
Zwischen den Extremen giebt es mannigfache Uebergänge,
wie die Speicheldrüsen zeigen, und es kommt nur darauf an,
wo die Lösung und Vermischung der Secretelemente erfolgt,
um den Charakter des Drüsenbaues zu bestimmen; dieses kann,
wie wir gesehen haben, erst in beträchtlicherer Entfernung
vom Acinus erfolgen, oder im Secretionsraume des Acinus selbst,
oder schon innerhalb der secernirenden Zellen.
Wir können daher alle Drüsen in solche mit offenen
Secretionszellen, welche zunächst geformte, nicht ge¬
löste Secretbestandtheile liefern, und solche mit ge¬
schlossenen eintheilen, deren Secretionsprodukte schon
innerhalb der Zellen gelöst werden. Dazwischen liegen
dann diejenigen Arten, welche die Uebergänge bilden.
In allen Fällen scheint die granuläre Form der Secre¬
tion das Wesen des Processes auszumachen.
Wenn daher Johannes Müller sagt, dass die die Se¬
cretionsoberflächen bekleidende lebende Substanz die Absonde¬
rungen einleitet, wenn Heidenhain nach dem Erstehen der
Zellenlehre die Veränderungen der Gesammtformen und der Re¬
gionen der Zellen während der Secretion beobachtet hat, so
haben wir wenigstens an einigen Orten die Art und Weise zu
erkennen vermocht, wie die Secretionen der Drüsen sich an den
Grundelementen der lebenden Substanz vollziehen; es dürfte
damit der Weg gegeben sein, auf welchem wir zu einer Er¬
klärung der Secretionserscheinungen überhaupt gelangen kön¬
nen, und die Granula scheinen die Bausteine des festen Ge¬
bäudes werden zu wollen, das zu errichten nach jenem Aus¬
spruche Heidenhain's bisher nicht gelungen ist.
VII
Die Genese der Zelle.1
Es ist ein Axiom biologischer Anschauungen, dass alles
organische Leben sieh an die Form der Zelle binde, darum hat
man auch überall, wo vitale Eigenschaften sich geltend mach¬
ten, den Begriff der Zelle supponirt. Man spricht von der Bac¬
terienzelle, wie man von einer Eizelle spricht, und es gilt die
Zelle als die morphologische Einheit, innerhalb deren sich die
Kräfte des lebenden Protoplasmas bethätigen.
Die Schwierigkeiten, welche dieses morphologische Schema
bereitet, zeigen sich bereits in der Frage, was denn Alles zur
Definition der Zelle nothwendig sei. Es scheint wirklich kern¬
lose Cytoden, kernlose Plasmodien zu geben: innerhalb des
grossen Protozoenreiches giebt es mancherlei Formen, die nicht
In das Zellenschema hineinpassen, und wenn wir gar jene klein¬
sten Lebewesen, die Mikroorganismen in Betracht ziehen, so
finden wir daselbst wohl eine hohe vitale Energie, von dem
aber, was wir sonst einer Zelle zuzumuthen pflegen, sehen wir
nichts, und jene Entschuldigung, dass die Details der Structur
hier durch die Kleinheit des Elementes verdeckt werden, ver¬
mag uns nicht für den Mangel eines thatsächlichen Materials
zu entschädigen. Es giebt vielleicht mehr organisirte Ge¬
bilde, welche keine Zellen sind, als solche, welche die¬
sen Namen auf Grund Ihrer Eigenschaften verdienen.
Die Individualität der Zelle und ihre hohe Bedeutung für
die Auffassung des organischen Lebens kann natürlich nicht
geleugnet werden. Wir werden daher auch keinen Gegensatz
zwischen Zelle und Nichtzelle erstreben, wohl aber werden wir
[124]Die Genese der Zelle.die Uebergänge zu suchen haben, die das Verständniss aller
Formen des lebenden Protoplasmas bis zur Zelle hin vermitteln.
Die echte hochorganisirte Zelle zeigt uns einen höchst com¬
plicirten Bau. Dass dem so ist, erfüllt uns vielleicht zunächst
mit einer Art von Befriedigung; entspricht es doch einiger¬
massen den Vorstellungen, welche wir von den complicirten
Fähigkeiten lebender Gebilde haben. Hat man aber das Be¬
dürfniss, zu einheitlichen Anschauungen zu kommen, so kann
in dieser Complicirtheit des Zellenbaues das Wesen einer Ein¬
heit nicht begründet sein. Die Frage, ob es eine morpho¬
logische Einheit der organisirten Materie giebt und
welches diese sei, ist daher durch die Aufstellung des
Zellenbegriffes noch nicht erledigt.
In den voranstehenden Capiteln haben wir gezeigt, wie in
den verschiedensten Zellengattungen sich die Protoplasmen aus
Granulis zusammensetzen, und dass auch die Zellfibrillen meist
sichtbarlich aus nichts Anderem bestehen, als aus fibrillär an¬
einander gereihten Granulis. Trotzdem erscheint es wichtig,
zunächst dieses Verhältniss von einzelnen Granulis und Fibrillen
noch näher zu charakterisiren.
Hier werden wir nicht umhin können, die Mikroorganismen
mit in Vergleich zu ziehen, und sehen wir bei ihnen, dass die
vielfachen Formen derselben und die vielfachen Bemühungen,
diese systematisch zu ordnen, ebenfalls eine Theilung in zwei
Hauptgruppen erkennen lassen, die man als Einzelelemente oder
Monaden und als Fadenelemente oder Nematoden bezeichnen
kann und auch bezeichnet hat, und wenn auch das Bestreben
vollständig zu sein öfter dazu Veranlassung gab, neben diesen
beiden Hauptgattungen noch andere Formen als gleichberechtigt
hinzustellen, so war das wohl ein Fehler, aber ein um so mehr
verzeihlicher, als er aus der Gewissenhaftigkeit der Forscher
entsprungen ist.
Schon Ehrenberg hat dieses Theilungsprincip aufgestellt,
indem er seine Monadinen von den Monadenstöcken oder Glieder¬
fäden trennte, und wenn Cohn die Einzelindividuen wegen ihrer
öfter zu beobachtenden Tendenz Schleimfamilien zu bilden als
Gloeogenae von den Fäden bildenden Nemotagenae scheidet, so
ist hierin die gleiche Grundidee der Theilung enthalten. Wir
[125]Die Genese der Zelle. haben es hierbei mit dem gleichen Gegensatz zu thun, wie ihn
die Granula und die Fibrillen der Zelle darbieten. Da auch
sonst mancherlei Umstände dafür sprechen, dass Mikroorganis¬
men und Granula einander gleichwerthig sind und Elementar¬
organismen vorstellen, welche sich überall finden, wo lebendige
Kräfte ausgelöst werden, so wollen wir sie mit dem gemein¬
schaftlichen Namen der Bioblasten bezeichnen. Im Bioblast
scheint jene morphologische Einheit der lebenden Ma¬
terie gefunden zu sein.
Also gloeogene und nematogene Elemente setzen nicht nur
die Mikroorganismen, sondern auch die Zellen zusammen. Ob
allerdings beide Arten für diese Zusammensetzung der Zelle
nothwendig sind, ist fraglich. Es giebt manche Zellengattungen,
bei denen die Art der Plasmaströmung, die Art der Pseudo¬
podienbildung schon aus rein physikalischen Gründen gegen die
Existenz von wohlausgebildeten Fibrillen spricht. Die letzteren
scheinen also für die Zusammensetzung einer Zelle nicht noth¬
wendig zu sein. Dagegen kann man sich von der Existenz der
Granula in allen Zellengattungen überzeugen. Selbst jene Zell¬
körper, welche scheinbar ganz hyalin sind, zeigen mit Hilfe ge¬
eigneter Reactionen diese Elemente, wenn auch vielleicht nur
in kleiner Form, und bedarf es nur des Ausgleichs der Brechungs¬
unterschiede, um jedes Körnerplasma im ungefärbten frischen
Zustande hyalin erscheinen zu lassen.
Dass wenigstens in manchen Fällen die Mikroorganismen
die gleiche Reaction haben, wie die Zellengranula, das zeigt
uns Fig. 2 Tafel VII, welche einen Durchschnitt durch ein
Wurzelknöllchen von Coronilla glauca darstellt, und wo nach
den neueren Forschungen die hier vorhandenen Elemente echte
Bacterien sein sollen. Im Uebrigen hat es seine Bedenken, die
Färbungsreactionen als Beweis der Analogie herbeizuziehn, denn
wir finden diese Reactionen sowohl unter den verschiedenen
Granulaformen, wie auch unter den verschiedenen Bacterien¬
arten durchaus verschieden. Als ein Curiosum mag noch darauf
hingewiesen werden, dass die sonderbaren Formen der Granula,
welche Dr. Metzner bei Vergiftungen der Rana esculenta mit
Phosphor in der Leber erhielt (l. c. S. 95), grosse Aehnlichkeit
mit den Involutionsformen mancher Bacterien zeigen, wie
[126]Die Genese der Zelle. sie dort ebenfalls auf Grund abnormer Lebensbedingungen
auftreten.
Wie in der Zoogloea die einzelnen Individuen durch eine
gallertartige Ausscheidungssubstanz ihres Körpers mit einander
verbunden und zugleich von einander getrennt sind, so dürfte
dieses auch bei den Granulis der Zelle der Fall sein; auch
hier werden wir in der Umgebung derselben nicht nur Wasser
oder Salzlösung als vorhanden annehmen dürfen, sondern eben¬
falls eine mehr gallertartige Substanz, deren Consistenz in man¬
chen Fällen bis an den flüssigen Zustand heranreichen, in ande¬
ren aber ziemlich derb sein wird; für den ersteren Fall spricht
die grosse Beweglichkeit, die manchem Protoplasma eigen ist.
Jene Intergranularsubstanz wird nun besonders dann wesent¬
liche Unterschiede zeigen, je nachdem sie die unabhängigen
Granula oder deren Fadenverbände mit einander verbindet.
Wenn von den letzteren, wie es die Muskelfibrille zeigt, hohe
mechanische Leistungen verlangt werden, so bedürfen die Ein¬
zelglieder in den Fibrillen auch einer festeren Verbindung; die
einfachen Kettenformen dürften dann das Mittelglied zwischen
den beiden Extremen bilden. Wenn in solchen fibrillären An¬
einanderreihungen der Granula, wie wir sie in den Zellen häufig
finden (vergl. Fig. 1 Tafel IV, Fig. 3 Tafel XI, Fig. 1 Tafel XII,
Fig. 1 und 2 Tafel XIV, ferner die von van Beneden u. A. be¬
schriebenen Kettenformen der Muskelfibrillen etc.), die Kittsub¬
stanz zwischen den Elementen frisch oder nach der Färbung
auch nicht sichtbar sein sollte, so dürfte dieselbe doch vorhanden
sein und so die Continuität der Fibrillen herstellen, falls die
Fibrillen nicht etwa doch scheinbar und interfibrillare Granula
sind, wie in Fig. 1 Tafel IX; die Unterscheidung zwischen
fibrillären und interfibrillären Aneinanderreihungen der Granula
dürfte in einzelnen Fällen Schwierigkeiten machen. In andern
Fällen (Fig. 3 und 4 Tafel III, Fig. 2 Tafel V, Fig. 2 Tafel VIII)
handelt es sich vielleicht um wirkliche Längsformen der ein¬
heitlichen Elemente, wie wir sie als Bacillen, Spirillen etc. auch
bei den Mikroorganismen vorfinden, wo ebenfalls Zweifel über
die Einheitlichkeit der Formen bestehen, welche in der Dis¬
cussion über die Isodiametrie der Nematoden ihren Ausdruck ge¬
funden haben. Häuft sich die Intergranularsubstanz irgendwo in
[127]Die Genese der Zelle. der Zelle ohne Granula an, so vermag sie hier ein echtes
Hyaloplasma zu bilden, welches frei von lebenden Elementen
ist, darum auch den Namen eines Protoplasmas nicht verdient
und streng von jenem eben erwähnten scheinbaren Hyalo¬
plasma geschieden werden muss.
Danach können wir also das Protoplasma als eine
Colonie von Bioblasten definiren, deren einzelne Ele¬
mente, sei es nach Art der Zoogloea, sei es nach Art der
Gliederfäden, gruppirt und durch eine indifferente Sub¬
stanz verbunden sind.
Besondere Schwierigkeiten jedoch bereitet uns in der Zelle
die Stellung des Kernes, und wir werden für diesen doch nur
dann ein Verständniss gewinnen, wenn es uns gelingt, in der
Reihe aller vorhandenen Protoplasmaformen das Gesetz ihrer
Entwickelung zu erkennen.
Hier dürfte wohl die Zoogloea das erste und einfachste
Formenstadium der Zellengenese sein, das sich durch eine voll¬
ständige Gleichstellung der zusammensetzenden Elemente aus¬
zeichnet. Nicht anders sehen wir es an den kernlosen Cytoden
und Plasmodien; wenn solche Bioblastcolonieen bereits die Fähig¬
keit haben, fremde benachbarte Körper zu umfliessen und
chemisch zu verändern, so ist dieses das erste positive An¬
zeichen eines durch eine Gesammtheit von Einzelelementen wir¬
kenden Organismus. Diese Eigenschaft besitzt die Zoogloea
noch nicht; sie vermag nur in ihren Einzelgliedern insoweit
wirksam zu sein, als dieselben durch peripherische Lagerung
mit dem umgebenden Medium in mehr oder weniger nahe Be¬
rührung kommen.
Als weitere Stufe der Zellengenese kann dann die bei
vielen Protozoen zu beobachtende Fähigkeit gelten, sich zu
encystiren, also Grenzschichten zu bilden, die ihnen auch in
ihrer formalen Existenz eine hervorragende Individualität ver¬
leiht. Wir sehen hierbei die merkwürdige Erscheinung, dass
solche Grenzschichten durch mehr oder weniger zahlreiche und
mehr oder weniger grosse Oeffnungen für die sich encystirenden
Plasmen permeabel bleiben, und dass das encystirte Plasma, sei
es in Form von radiären Strahlen, sei es in Form von zusammen¬
fliessenden Massen, über die Grenzschicht hinausgeht, um ausser¬
[128]Die Genese der Zelle.halb einen mit dem Mutterkörper zusammenhängenden, sonst
aber unter neuen Bedingungen stehenden Aussenkörper zu bil¬
den, der wiederum durch eine neue Schicht sich nach aussen
hin abzugrenzen vermag.
In diesen vielfach studirten Formenbildungen man¬
cher Protozoen würde nun die Grundlage der ganzen
Zellengenese liegen, wenn es gelänge, in dem zuerst ab¬
gegrenzten Mutterkörper den späteren Zellkern, in dem
secundär gebildeten Aussenkörper aber den späteren
Zellenleib genetisch nachzuweisen.
Für einen derartigen Nachweis wäre vor Allem eine durch¬
greifende Revision des Kernbegriffs innerhalb der Protistenlehre
nothwendig. Da wir über diesen Begriff bei den die höheren
Thiere und Pflanzen zusammensetzenden Zellen bei weitem klarere
Vorstellungen haben, so werden wir auch von diesen Zellen aus¬
gehen und die hier gewonnenen Erfahrungen erst auf die Proto¬
zoen übertragen müssen. Es würde sich dann die Systematik
derselben vielleicht in manchen Punkten ein wenig verschieben:
eine Amöba princeps würde, wenn sie einen echten Kern besitzt,
morphologisch höher stehen, als eine Gromia oviformis mit ihrer
Kammerhöhle, und manche der hoch entwickelten Polythalamen
würden vielleicht das gleiche Schicksal haben.
Die formenbildende Energie der Protozoen führt vielfach zu
den complicirtesten und wunderlichsten Gestaltungen, die für
uns kein weiteres Interesse haben, und trotz ihrer oft sehr zier¬
lichen Regelmässigkeit als Productionen einer aberrirenden
Thätigkeit des Protoplasmas betrachtet werden können. Anderer¬
seits liefert aber eben diese Thätigkeit auch die trotz aller
Nuancen so übereinstimmend gebaute Form der Zelle. Dass
diese Uebereinstimmung sich so weit über Thier- und Pflanzen¬
reich ausdehnt, deutet doch darauf hin, dass wir es hier mit
einem endgiltigen Product protoplasmatischer Formenbildung
zu thun haben, und jener oben genannte Entwickelungsgang
wird daher in seinen einzelnen Gliedern ein grösseres Interesse
beanspruchen, als der ganze übrige Formenreichthum der Proto¬
zoen überhaupt.
Nach dieser Auffassung würde der Zellkern die Matrix der
ganzen Zelle bedeuten: er selbst aber ist, wie wir gesehen haben,
[129]Die Genese der Zelle. kein solitäres Element, sondern er besitzt die gleiche multiple
Zusammensetzung wie der Zellenleib selbst (vgl. Taf. VI). Den
Zusammenhang und die Wechselbeziehungen aber zwischen dem
Inhalt des Zellenkernes und des Zellenleibes deuten nicht nur
die Radiärstructuren vieler Zellen an, sondern zeigen ins¬
besondere die Erscheinungen der Karyokinese in prägnanter
Weise.
Die Structur des Zellkernes war im ruhenden Zustande
desselben bisher uns völlig unbekannt; denn jene groben un¬
regelmässigen Netzformen, wie man sie im ruhenden Kern theils
nach künstlicher Behandlung, theils auch im frischen Zustande
in verschiedener Art beobachten kann, waren allerdings für die
Feststellung der Gegenwart des Kernes oft diagnostisch ver¬
werthbar, sind aber selbst entweder Kunstproducte oder von
irrelevanter Bedeutung. Man sieht dieses daraus, dass, sobald
im Beginn der Theilung eine präcise Structur deutlich wird,
diese augenscheinlich ohne alle Beziehungen zu jenen unbestimm¬
ten Ruhenetzen auftritt. Unsere Kenntnisse von der Structur
des Kernes fingen also erst mit der beginnenden Theilung an,
und diese so reichen und schönen Beobachtungen, wie sie uns
besonders durch Flemming übermittelt worden sind, liessen erst
ahnen, dass im ruhenden Zellkern mehr steckt als ein halb¬
flüssiger Inhalt. Unsere Tafel VI zeigt uns nun die wirkliche
Zusammensetzung dieses Inhaltes. Nach begonnener Theilung
scheinen dann die Elemente dieser Zusammensetzung eine Con¬
jugation einzugehen, die in den groben Fadenknäueln und den
Chromatintheilen der Aequatorialplatte ihr Höhestadium erreicht,
um alsdann durch wieder eintretende Spaltung und Theilung
zu dem ursprünglichen Zustande kleinster Elemente zurückzu¬
kehren. Wenn hier, wie es bei vielen Zellen wirbelloser Thiere
der Fall ist, an Stelle der Fäden und Schlingen zahlreiche
kürzere Elemente treten, oder wenn, wie Balbiani und Pfitzner
zeigten, die Fäden ihre Zusammensetzung aus Einzelelementen
zuweilen noch sichtbarlich beibehalten, so waren dieses Momente,
die von vornherein eindringlich gegen die solitäre Beschaffen¬
heit des Kernes sprachen.
Diese Annahme hat sich denn auch durch die Thatsachen
bestätigen lassen. Mit Hilfe jener modificirten Fixirung durch
Altmann, Elementarorganismen. 9[130]Die Genese der Zelle. Osmium und der nachfolgenden Färbung durch Cyanin zeigt
sich der Kern als ein dichter Haufen violett gefärbter Körnchen
(vgl. Tafel VI), während die übrigen Zellenbestandtheile farblos
bleiben. 1
Mit Hilfe der gewöhnlichen Kernfarbstoffe erhält man an
denselben Präparaten Bilder, wie sie die nebenstehende Fig. B
halbschematisirt zeigt. Man sieht wohl ein gröberes Netz den
Raum des Kernes durchsetzen, welches dem Kernnetz der Autoren
entsprechen dürfte, sieht aber dann dasselbe in ein noch feineres
Maschenwerk übergehen, dessen kleine Lücken oft in Form und
Grösse recht regelmässig und abgerundet sind; es scheint kaum
zweifelhaft, dass es sich hier um den negativen Abdruck der
eigentlichen Kernstructur handelt, wie solche in Fig. A wieder¬
gegeben ist, und wie sie mit Hilfe des Cyanins demonstrir¬
bar wird.
Die Reactionen des Nucleolus sind hierbei schwankend;
charakteristisch ist für denselben, dass er in einer oft sicht¬
barlich stärkeren Anhäufung der Intergranularsubstanz des
Kernes eingebettet liegt, und dass erst von dieser Anhäufung
die Netzbildung der Intergranularsubstanz ausgeht.
[131]Die Genese der Zelle.
Auch diese netzförmige Intergranularsubstanz scheint kein
homogenes Gebilde zu sein, sondern ich habe zuweilen mit
Hilfe anderer Methoden Andeutungen bekommen, welche ihre
Zusammensetzung aus noch kleineren, zu Fädchen aneinander
gereihten Elementen zu zeigen schienen, doch habe ich hierfür
noch nicht endgiltige Beweise, während die eigentliche Körner¬
structur des Kernes (Fig. A) sich mit grosser Prägnanz dar¬
bietet.
Einen Rückhalt finden diese Beobachtungen an den schon
im ersten Capitel erwähnten Thatsachen, welche Frommann
(l. c.) über eine Netzstructur des Kernes der Tradescentia be¬
schrieben hat, und welche an den frischen Zellen leicht nach
zu beobachten sind. — Auch Lukjanow1hat den negativen Aus¬
druck der Kernstructur in Form eines regelmässigen Netzwerkes
sogar an thierischen Kernen gesehen.
Nachdem dieser Nachweis von der granulären Zusammen¬
setzung des Kernes erbracht worden ist, wird es von hohem
Interesse sein, die Verbindung zwischen diesen Bildern des
ruhenden Kernes und den Erscheinungen des sich theilenden
zu suchen.
Gegenüber den bisher üblichen Kernfärbungsmitteln er¬
scheint die Intergranularsubstanz des Kernes als chromatophil,
während die Kerngranula selbst sich gegen jene Farbstoffe
durchaus resistent verhalten. Bei beginnender Theilung scheint
ein Wechsel dieser Reaction einzutreten. Charakteristisch für
die Beziehungen zwischen dem Inhalt des Zellkernes und des
Zellenleibes ist es, dass, wenn die Zelle sich zur Theilung an¬
schickt, wir zunächst an einem, dann am anderen Pole des
Kernes die Grenzlinie schwinden und die Radien des Zellenleibes
in den Raum des Zellenkernes eindringen sehen, wie dieses ins¬
besondere so deutlich an vielen Eizellen zu beobachten ist.
Damit ist jene gesuchte Communikation zwischen Zellkern und
Zellenleib sichtlich erkennbar geworden, und ob in dem einen
Falle, wie oft bei den Protozoen, eine substantielle Grenzschicht,
9*[132]Die Genese der Zelle. in dem anderen nur eine Grenzlinie Innen- und Aussenkörper
von einander trennt, dürfte wenig Bedeutung haben.
Wenn im weiteren Verlauf der Theilung die Chromatinsub¬
stanz des Kernes sich im Aequator sammelt, und jenes doppelte
Radiensystem, wie es bei manchen Eiern und Furchungskugeln
so prächtig hervortritt, um die beiden neuen, noch chromatin¬
losen Centren gruppirt ist, dann haben wir einen Zustand der
Zelle vor uns, wo die Trennung von Zellenleib und Zellenkern
überhaupt aufgehört hat; einen drastischeren Beweis für den
Zusammenhang von Innen- und Aussenkörper der Zelle können
wir wohl nicht wünschen, und dieser Zusammenhang wird wohl
auch dann nur modificirt, nicht aufgehoben werden, wenn die
Chromatinsubstanz aus dem Theilungsäquator zu den neuen
Centren hinzutritt. Die achromatische Spindelfigur der Aequa¬
torialplatte werden wir wohl nur als einen oft besonders präg¬
nanten Theil der doppelten Radiensysteme des sich theilenden
Zellenleibes aufzufassen haben.
Wenn nun ein jedes Protoplasma eine Colonie von
Bioblasten darstellt, so bildet demnach der Bioblast
jene gesuchte morphologische Einheit der organisirten
Materie, von welcher alle biologischen Erwägungen in
letzter Instanz auszugehen haben. Wir werden die Lei¬
stungen des Protoplasmas, mögen sie vegetativer oder animaler
Art sein, mögen sie sich in chemischen Umsetzungen oder in
den Phänomenen der Bewegung und Empfindung documentiren,
nunmehr von jenem allgemeinen Begriff trennen und auf den
Bioblasten übertragen müssen, und wenn dadurch die Erklärung
für jene Leistungen noch nicht gegeben ist, so haben wir wenig¬
stens auf diese Weise einen präciseren Anhalt dafür gewonnen,
wo wir diese Erklärung suchen sollen. Die Möglichkeit, diese
Leistungen in allen Gruppen der Lebewesen auf das analoge
Formenelement und damit auch auf analoge Grundursachen
zurückführen zu können, verdient es wohl, energisch ausgenutzt
zu werden.
Da ausser den Colonieen auch selbstständig lebende Bio¬
blasten existiren, so wollen wir diese letzteren, wie sie in den
Mikroorganismen gegeben sind, als Autoblasten den die Zelle
zusammensetzenden Cytoblasten gegenüberstellen. In beiden
[133]Die Genese der Zelle. Gattungen finden wir die Formelemente der Monoblasten und
Nematoblasten vor. Will man noch eine weitere Theilung,
so kann man die Elemente des Kernes als Karyoblasten
denen des Zellenleibes als Somatoblasten gegenüberstellen.
Wir erhalten so ein System, welches den ganzen Umfang der
Zellenlehre in sich begreift.
Es ist hierbei nothwendig, immer festzuhalten, dass diese
einheitliche Auffassung des Zellenbaues nur phylogenetisch ihre
Berechtigung hat. Wenn Béchamp, wie oben erwähnt, ver¬
führt durch eine fehlerhafte Beobachtung des Fäulnissprocesses
einen direkten Uebergang der Zellenelemente in selbstständige
Organismen annimmt und so an Stelle der Analogie die Identität
setzt, so widerspricht dieses Allem, was wir bisher durch exakte
Beobachtung über die organisirte Materie wissen; und Aehnliches
gilt auch von den ähnlichen Angaben Wiegand's (l. c). Mit
den unklaren Vorstellungen, wie sie die Beobachtung der be¬
kannten meist trüben Körnungen des lebenden Protoplasmas
giebt, gelang es ihnen nicht einmal, den specifischen Charakter
der Zellengranula nachzuweisen, viel weniger noch vermochten
sie ihre weiteren Folgerungen wahrscheinlich zu machen. Die
Zellengranula lassen sich nicht züchten, sie sterben mit der
Zelle ab; das ist durch die exakten Versuche Meissner's, Hau¬
ser's und Anderer zur Genüge festgestellt, welche, indem sie
auf parasitäre Bacterien in den normalen Organen fahndeten,
Stücke von diesen unter Abhaltung fremder Organismen und
unter möglichst guten Bedingungen für die Weiterentwickelung
etwaiger züchtbarer Elemente längere Zeit conservirten und so
negative Resultate erhielten. Sie wollten zunächst nur die Frage
entscheiden, ob Bacterien im lebenden Organismus vorhanden
sind oder nicht, sie haben mit der Verneinung dieser Frage im
Gegensatz zu Béchamp und Wiegand zugleich bewiesen, dass
die Elemente der Zellen unter den gewöhnlichen Bedingungen
nicht züchtbar sind. Wenn in der Bacterienfrage uns Pasteur
die Reinlichkeit und Koch gar die Reincultur gelehrt haben, so
haben Béchamp und Wiegand offenbar nicht, einmal diese wich¬
tigen Errungenschaften sich zunutze gemacht.
Wenn Béchamp der intensivste und der jüngste Vertreter
jener alten Lehre ist, wonach die Elementarkörnchen die
[134]Die Genese der Zelle. Grundelemente der Gewebe ausmachen sollen, so habe auch ich
es mir zur Aufgabe gesetzt, diese alte Lehre wieder zu Ehren
zu bringen, allerdings in einer modificirten Form. Jene Beob¬
achtungen, dass ein jedes Protoplasma sich aus den specifisch
reagirenden, mit bestimmter Individualität versehenen Granulis
zusammensetzt, zwingen mich hierzu, und meine Erfahrungen
haben sich inzwischen so erweitert, dass mir ein Zweifel für
die Richtigkeit und allgemeine Giltigkeit jener Beobachtungen
nicht übrig bleibt. Wenn darum Béchamp sagt, que la granu¬
lation moléculaire est organisée, est vivante, est douée d'acti¬
vité, so stimme ich ihm aus voller Ueberzeugung bei, trotz der
Verschiedenheit unserer Anschauungen über diese Activität;
wenn er jedoch gleich darauf behauptet, 1pour qu'une cellule
naisse, il n'est pas besoin d'une cellule antérieure, et tous les
faits démontrent, qu'une cellule antérieure n’est pas nécessaire
pour expliqueur la formation d’autres cellules; les cellules se
forment par les mycrocymas, und dieses an einer Menge von
Thatsachen beobachtet haben will, — auf welche hier einzu¬
gehen nicht der Mühe lohnt, — so kennzeichnet er damit selbst
die ganze Unzulänglichkeit seiner Theorien und Techniken.
Seitdem Schleiden und Schwann die Zusammensetzung der
Gewebe aus Zellen demonstrirt haben, ist keine wichtigere That¬
sache bekannt geworden, als dass eine jede Zelle aus einer
Zelle entstehe. Die hohe Bedeutung dieser Lehre Virchow's,
dass es eine Discontinuität der Entwickelung in den Elementar¬
theilen ebensowenig gäbe, wie bei den ganzen Organismen,
kann nicht durch so verfehlte Beobachtungen tangirt werden.
Die alte Lehre von den Elementarkörnchen und der Zusammen¬
setzung der Zellen aus ihnen ist richtig, aber nur vom phylo¬
genetischen Standpunkte aus.
Müssen wir nun wegen der Nichtzüchtbarkeit der Cyto¬
blasten principielle Unterschiede zwischen ihnen und den Auto¬
blasten annehmen? Keineswegs, denn könnten wir den ersteren
ausserhalb ihrer Zelle und ausserhalb ihres Organismus die¬
selben Bedingungen der Existenz bieten, welche sie intra vitam
haben, so würden sie auch selbstständig weiter leben und func¬
[135]Die Genese der Zelle. tioniren können, wie die Autoblasten auch. Wir kennen aber
die Bedingungen nicht, welche die Zellenelemente für ihre
Existenz nöthig haben. Nicht nur die Regulirung des Sauerstoff¬
zutritts, des Wassergehaltes und eventuell der Temperatur werden
nothwendig sein, sondern noch manche andere Bedingungen,
die wir wohl niemals werden künstlich erzeugen können. Das
Zusammenleben in einem complicirten Organismus dürfte den
Cytoblasten auch complicirte Lebensbedingungen verliehen haben,
die sie von dem Gesammtstoffwechsel und Gesammtleben ihres
Organismus abhängig machen. Wie soll ein Granulum ohne
seine Zelle, eine Zelle ohne ihr Organ und ein Organ ohne den
Organismus bestehen können? Schon bei der Behandlung der
Organe sind die Bedingungen der Existenz so vielfache, dass
wir bis jetzt nur einen geringen Theil derselben übersehen und
künstlich erzeugen können. Allein die Abhängigkeit des Organ-
und Zellenlebens von nervösen Centren ist ein Umstand, der
in der Reihe der Organismen an Einfluss steigend zunimmt,
äusserst merkwürdig für die höheren Organisationen und äusserst
schwierig für den experimentellen Eingriff ist; es wird einmal
von grossem Interesse sein, die Eigenschaften der verschiedenen
Protoplasmen entsprechend der steigenden Grösse dieser Ab¬
hängigkeit zu classificiren. Bei den Pflanzen und den niedersten
Thieren pflegen wir eine solche Abhängigkeit nicht anzunehmen,
und wäre deshalb hier die Möglichkeit einer selbstständigen
Existenz für die Zellengranula noch am ehesten geboten. Ein
principieller Unterschied wird aber gegenüber den Autoblasten
durch die Nichtzüchtbarkeit der Cytoblasten nicht bedingt, und
auch sonst giebt es hier Uebergänge, welche eine Vermittelung
der Gegensätze darbieten. Wenn der Tuberkelbacillus auf pflanz¬
lichem Substrat nicht gedeiht, auf Fleischpeptongelatine nur
kümmerlich fortkommt und erst im Blutserum bei geeigneter
Temperatur gute Entwickelung zeigt, so stört dieses unsere ein¬
heitliche Betrachtung der Autoblasten nicht; warum sollten die
um einige Stufen complicirteren Lebensbedingungen der Cyto¬
blasten für eine solche einheitliche Auffassung ein Hinderniss
sein? Es ist ja gleichgültig, wie lange Perioden es gedauert
hat, bis die Lebensbedingungen der Cytoblasten ihre Complicirt¬
heit erlangt haben; die Unterschiede mögen graduell so gross
[136]Die Genese der Zelle. geworden sein, wie sie wollen, eine principielle Trennung darauf
zu basiren, dürfte nicht gerechtfertigt sein.
Von diesem Standpunkte aus ist es auch erklärlich, warum
die ursprünglich identischen Elemente des Zellkernes und Zellen¬
leibes zu so differenten Eigenschaften gelangt sind. Mit der
Abgrenzung in einen Innen- und einen Aussenkörper sind die
Lebensbedingungen für beide Theile verschieden geworden; es
hat sich augenscheinlich hierdurch eine Arbeitstheilung heraus¬
gebildet, und diese wiederum chemische und morphologische
Unterschiede herbeigeführt. Die eigenthümlichen Eigenschaften
der Vererbung, wie sie im Verfolg der Abstammung grober
Formen eine so grosse Rolle spielen, dürften auch bei den Ele¬
mentartheilen lebender Organismen constante Formen und
Functionen herausgebildet haben. Die Uebergänge für diese
Formenconstanz der Zelle aber scheinen in jener primären
Encystirung mancher Protozoen und in der Bildung ihres Aussen¬
körpers noch heute gegeben zu sein, und hat es einen grossen
Reiz, den Werth der Erfahrungen, welche an der Zelle selbst so
schwierig zu erreichen sind, an diesen Uebergangsformen zuprüfen.
In früherer, noch kaum verflossener Zeit war man geneigt,
den Kern als ein Abscheidungsproduct der Protoplasmasubstanz,
als ein acut entstehendes Umbildungsproduct eines beliebigen
Protoplasmatheiles zu betrachten. Man wusste wohl, dass in
vielen Fällen der Kern sich durch Theilung vermehre; wenn
aber irgendwo Kerne auftraten, deren Entstehungsmodus nicht
direct sichtbar war, so glaubte man sich ohne Weiteres be¬
rechtigt, eine autochthone Urzeugung des Kernes aus irgend
einem Protoplasmatheile annehmen zu können. So wenig achtete
man die Organisation der Zelle und diejenige des Kernes, dass
man sich ohne Weiteres über jene Perioden hinwegsetzte, deren
es bedurft hat, um diese Organisation zu erzeugen.
Hier hat nun ein eingehendes Studium des Kernes und die
Beobachtung der karyokinetischen Erscheinungen gründlich auf¬
geräumt, und jene Abscheidungslehre ist mehr und mehr selbst
aus ihren festesten Positionen gedrängt worden. Es scheint
eben, als wenn die im Laufe langer Entwickelungsperioden
erworbenen Eigenschaften der Zelle und des Kernes nicht in
acuter Weise entstehen können.
[137]Die Genese der Zelle.
Ein Anderes ist es, wenn ein plasmatisches Individuum von
niederer Stellung für seine Fortpflanzung zu sorgen hat, das
ohne höhere Organisation aus mehr weniger gleichartigen Ele¬
menten zusammengesetzt ist. Hier hat der Zerfall des Proto¬
plasmas in seine Elemente nichts Merkwürdiges, mögen die
Zerfallsproducte Sporen, Sprösslinge oder sonstwie heissen, und
mögen dieselbe einzelne Bioblasten oder Gruppen derselben
repräsentiren. Von einer kernlosen Cytode sind wir sogar be¬
rechtigt anzunehmen, dass, wenn wir sie mit einem Messer zer¬
schneiden, daraus neue lebensfähige Individuen entstehen. Das
werden wir von einer kernhaltigen Zelle nicht annehmen; deren
Organisation ist eine so hoch stehende, dass auch der Modus
ihrer Vermehrung derselben entsprechen muss und deshalb seine
eigenen Gesetze befolgen wird, welche in jeder Bioblastcolonie
durch die Art der einzelnen Bioblasten und durch die Art ihres
Zusammenlebens bedingt sein dürften. Mit der Kenntniss der
karyokinetischen Erscheinungen haben wir den Anfang gemacht,
diesen Gesetzen näher zu kommen.
So lange man jene Erscheinungen nicht kannte, und so
lange die vorhandenen Methoden der Untersuchung nicht die
nothwendige Unterlage boten, waren jene Irrungen über die
Abstammung des Kernes sehr wohl entschuldbar; vergab man
doch dabei nichts jenem biologischen Grundsatze omne vivum
e vivo, und selbst der Satz omnis cellula e cellula blieb dabei
bestehen; dass es auch ein omnis nucleus e nucleo giebt, das
wusste man eben damals nicht, und das ist heute besonders
durch Flemming's Untersuchungen mehr und mehr wahrschein¬
lich geworden.
Bei den Protisten ist der Versuch, den Kernbegriff zu defi¬
niren, überhaupt noch nicht ernstlich unternommen worden,
und mag dieses wohl daran liegen, dass man angezogen durch
die Mannigfaltigkeit der äusseren Erscheinungen die Einheit
und die innere Gesetzmässigkeit derselben ein wenig vernach¬
lässigte. Die Möglichkeit eines Irrthums in Bezug auf den Kern
wird hier deshalb noch grösser sein, weil jene Umwandlungen
und excessiven Formen der Bioblasten, wie wir sie anderweitig
als Dotterkörner, Dotterkugeln, Dotterplättchen, Körnerballen,
Chlorophyllkörner u. s. w. kennen, gerade bei den Protozoen
[138]Die Genese der Zelle. wohl noch mannigfaltigere Gestalt annehmen können. Solche
verschiedene Inhaltskörper des Protoplasmas, vielleicht auch
manche Arten von Vacuolen, ferner Gebilde, die wir in der
Zelle höchstens als Nebenkerne benennen, sind hier wohl schon
öfter als Kerne gedeutet worden; dann dürften Gebilde, welche
als genetische Vorstufen des Kernes aufgefasst werden können,
als Kerne selbst bezeichnet, und andererseits Vorstufen des
Kernes als solche nicht erkannt, sondern nur als Centralgebilde
des Individuums definirt worden sein.
Wenn in der Protistenlehre verschiedene Arten aufgestellt
und in denselben kernlose und kernhaltige Gebilde zusammen¬
gefasst werden, so mag das für die Systematik der äusseren
Formen wohl berechtigt sein. Die Zellenlehre kann sich aber
mit einer solchen Systematik nicht zufrieden geben, sondern
sie wird ausser den Autoblasten vor allem drei Gattungen von
Bioblastcolonien zu unterscheiden haben: die kernlosen, welche
bereits Häckel als Moneren zusammengefasst hat, die kern¬
haltigen, welche man unter dem Namen der Zellen kennt, und
diejenigen, welche die genetischen Bildungsstufen des Kernes
enthalten; die letzteren, welche wir als Metamoneren zu¬
sammenfassen wollen, dürften in mehreren Gruppen der heutigen
Protistensysteme zahlreich zu finden sein.
Darum aber ist das Studium des Kernes gerade bei den
Protisten vom höchsten Interesse, weil, wenn irgendwo, hier
die genetischen Stadien seiner Entwickelung vorhanden sein
müssen. Wir dürften wohl nicht fehl gegangen sein, wenn
wir die ersten Entwickelungsstufen in jener primären Encysti¬
rung mancher Protozoen und in der Bildung ihres Aussenkörpers
gesucht haben. Den Kern als ein einfaches Abscheidungsproduct des
Protoplasmas anzusehen, dazu findet sich selbst von phylogene¬
tischem Gesichtspunkte kein Grund, während Manches für jene
Auffassung spricht; die Lehre von der Abscheidung des Kernes
aus vorgebildetem Protoplasma hat wenigstens ontogenetisch
noch nirgends einer näheren Untersuchung Stand halten können.
Dass der Kern den Centralkörper der Zelle vorstellt, daran
ist wohl nicht zu zweifeln, und dass er als solcher mit den
Centralgebilden mancher Protozoen vergleichbar ist, dürfte eben¬
falls zugegeben werden.
[139]Die Genese der Zelle.
Aus mancherlei Gründen wird es nicht leicht sein, alle
Uebergänge der Zellen- und Kerngenese aus der Reihe der
Protozoen abzutrennen. Sollte dieses aber doch gelingen —
und die Möglichkeit muss gegenüber den Fortschritten, welche
die Kernlehre in dem letzten Jahrzehnt genommen hat, zu¬
gegeben werden — dann dürften die Metamoneren wohl zahl¬
reicher sich erweisen, als es heute den Anschein hat; sie werden
dann wahrscheinlich eine umfangreiche Gruppe von Form¬
erscheinungen bilden, von denen wir manche belehrenden Auf¬
schlüsse zu erwarten haben. Bei vielen Protozoen sind wir
schon heute in der Lage, sie mit Bestimmtheit den Metamoneren
zuweisen zu können; es wird jedoch nützlicher sein, später mit
einem mehr ausgiebigen Material diese Frage zu behandeln;
für jetzt muss es uns genügen, die Grundzüge einer Zellengenese
angedeutet zu haben.
Auf diese Weise haben wir wenigstens schon ein Gerüst
für den weiteren Ausbau, wenn wir die Zusammensetzung des
Protoplasmas aus Bioblasten erkennen und die äussere Form¬
gestaltung desselben von jener primären Encystirung der Me¬
tamoneren ableiten können.
Was ist der Bioblast? In denjenigen biologischen Fragen,
welchen wir rathlos gegenüberstehen, pflegt es uns eine Zuflucht
zu sein, dass schliesslich doch organisirte Dinge nicht anderen
Regeln unterliegen können, als nicht organisirte. Es ist das eine
Forderung unseres Verstandes, die wir nicht abweisen können,
und die wir beibehalten müssen, so weit auch oft scheinbar
der Zwischenraum ist, der diese beiden Welten von einander
trennt. Nun finden wir aber, dass es in der anorganischen
Welt ebenfalls eine morphologische Einheit giebt, das ist der
Krystall. Sollte der Bioblast vielleicht auch ein Krystall sein?
Es wäre eigentlich merkwürdig, wenn dem nicht so wäre, denn
die Natur hat kein doppeltes Gesicht, und es giebt nur ein
Gesetz, das Alles beherrscht, das Lebende und das Todte.
Den Begriff des organisirten Krystalles kennt man bereits,
und man hat ihn bereits vielfach discutirt; dass diese Discussion
gerade an diejenigen Elemente angeknüpft hat, welche wir,
wie die Dotterplättchen der Eier und ähnliche Gebilde, als Ab¬
kömmlinge der specifischen Zellengranula bezeichnen mussten,
[140]Die Genese der Zelle. ist doch ein Umstand, der zu denken giebt. 1Allerdings ist man
hierin bereits zu weit gegangen, indem man in den Begriff des
organisirten Krystalles auch jene aus manchen Eiweisslösungen
sich abscheidenden künstlichen Krystalle hineinzog; der or¬
ganisirte Krystall entsteht nicht durch Abscheidung, er entsteht
nur durch Fortpflanzung schon vorhandener Individuen; auch
seine Organisation wird vererbt, nicht acut erworben, und wir
haben schon früher bei einer anderen Gelegenheit in der Gegen¬
überstellung des geformten und gelösten Fermentes betont, 2dass
mit dem Uebergang eines organisirten Körpers in Lösung auch
seine Organisation aufhört und verloren ist; wird das organisirte
Element gelöst, so wird es auch zersetzt, die Abscheidung eines
organisirten Elementes aus einer Lösung ist daher sehr un¬
wahrscheinlich.
Darum wird es auch schwierig sein, dem Inhalt der or¬
ganisirten Krystalle chemisch näher zu kommen, denn die wich¬
tigsten Aufschlüsse der Chemie lassen sich doch nur durch
Auflösung der zu untersuchenden Substanzen erreichen. Mit
dem geformten Element sich zu beschäftigen, ist daher nur
der Morphologe befähigt. Wenn die morphologischen Reactionen
auch nur zum Theil directe Schlüsse erlauben, so ist doch zu
hoffen, dass wir mit der Zeit durch schärfere Präcision dieser
Methoden auch zu einiger Einsicht über die Substanz des
Bioblasten selbst gelangen werden. Der nicht organisirte
Krystall gilt dem Chemiker als Muster der Reinheit und Ein¬
fachheit einer Substanz; der organisirte Krystall scheint in der
Complicirtheit seiner Zusammensetzung sein eigentliches Wesen
zu haben; ob es jemals gelingen wird, das Gesetz dieser Com¬
plicirtheit zu erkennen, das wissen wir nicht.
Man hat als wesentliche Unterschiede zwischen organisirten
und nicht organisirten Krystallen besonders zwei Eigenschaften
hervorgehoben: die organisirten Krystalle wachsen durch In¬
tussusception, die nicht organisirten durch Apposition; die or¬
[141]Die Genese der Zelle. ganisirten sind quellbar, die nicht organisirten lösbar. Diese
Unterschiede mögen gewiss sehr bedeutungsvoll sein, wesent¬
licher aber noch erscheint jene verschiedene Art der Entstehung.
Wir werden nach unseren bisherigen Erfahrungen von der
organisirten Materie nur annehmen können, dass das Granulum
nur durch Theilung schon vorhandener Individuen entsteht.
Wie dann die frühere Urzeugung derselben zu denken ist, das
wird uns wohl noch lange verborgen bleiben.
Wir haben bereits eine absteigende Reihe von Sätzen, die
den Process der Entstehung lebender Formen ausdrücken sollen:
Das omne vivum e vivo, omnis cellula e cellula, omnis nucleus
e nucleo sind fast allgemein anerkannte Grundsätze der Biologie.
Wenn wir diesen noch ein omne granulum e granulo hinzu¬
fügen, so schliessen wir nur den Kreis der Ideen, den diese
Sätze enthalten.
Mit der Annahme aber eines überall vertretenen und über¬
all wirksamen morphologischen Elementes stellt sich die
Chemie der organisirten Substanzen in einen strikten Gegensatz
zu der der nicht organisirten. Wenn dort die Regel Geltung
haben mag, corpora non agunt nisi soluta, so heisst es hier:
corpora non agunt nisi solida.1 Diesen Chemismus zu verstehen,
das muss allerdings der Zukunft vorbehalten bleiben.
Der Gedanke, dass nicht flüssige, sondern geformte Ein¬
heiten die Träger der Lebensverrichtungen sein müssen, ist
nicht neu, sondern schon vielfach mehr weniger bewusst dis¬
cutirt. Wenn Brücke von der molekularen Organisation des
Protoplasmas spricht, die in ihrer Eigenart die Leistungen des¬
selben bedingen soll, so kann hiermit ein flüssiger Zustand nicht
gemeint sein, denn Flüssigkeiten haben keine Organisation.
Die Micellen Naegeli's, die Plastidule Elsberg's und Haeckel's,
die physiologischen Einheiten Spencer's, die Keimchen Dar¬
win's, welche sein neuester Interpretator H. de Vries2 als
[142]Die Genese der Zelle. Pangene bezeichnet, gehen bereits in den Vorstellungen ihrer
Autoren mehr weniger über Molekülgrösse hinaus, und gelten
ihnen als Träger der Lebensprocesse. Alle diese hypothetischen
stofflichen Einheiten bleiben aber noch unterhalb der Grenze
des Sichtbaren, wie ihre Autoren es annehmen.
Die Bioblasten dagegen sind als morphologische Ein¬
heiten der lebenden Materie sichtbare Elemente; sie bilden
als diese Einheiten die wahren Elementarorganismen der be¬
lebten Welt. Ihrem krystalloiden Charakter, wie wir ihn als vor¬
handen angenommen haben, widerspricht es nicht, dass sie viel¬
leicht in manchen Fällen noch eine weitere morphologische
Structur in sich entwickeln können, in ihrer einfachen Form
dagegen werden wir Trennungen in ihnen nur auf Grund ihrer
molekularen Organisation vornehmen können. —
Appendix A Erklärungen zu den Tafeln.
(Wo nicht besondere Angaben gemacht sind, ist die Vergrösserung auf etwa
700 linear gehalten, und die Färbung mit Säurefuchsin und nachfolgender
Differenzirung durch Picrinsäure angewendet; die feinsten Detailbilder wur¬
den mit den neueren Apochromaten von Hartnack erhalten; die Zeichnungen
selbst sind von den Herren Broedel und Kirchner in langer treuer Thätig¬
keit ausgeführt worden.)
Tafel I. Pigmentzelle aus der Haut einer Salamanderlarve, ohne künstliche
Färbung.
Tafel II, Fig. 1. Leber von Rana esculenta, Hungerbild, Fixirung mit dem
Osmiumgemisch.
Fig. 2. Leber von Rana temporaria, Hungerbild, Fixirung mit dem
Quecksilbergemisch und Ameisensäure. Vergr. c. 450.
Tafel IIA, Fig. 1. Leber Maus, Osmiumgemisch.
Fig. 2. Leber von Salamandra maculata, Quecksilbergemisch mit
Ameisensäure.
Tafel III. Alle Figuren dieser Tafel stammen aus Leberschnitten von Rana
esculenta, dieselben sind alle mit dem Osmiumgemisch fixirt.
Fig. 1—4 sind Schnitte von demselben Lebenstückchen, nur nachträg¬
lich verschieden behandelt; sie entstammen einer maximalen Fettleber
der Esculenta.
Fig. 1 zeigt die reine Osmiumfärbung des Präparates.
Fig. 2. Extraktion des Osmiumfettes, alles Uebrige diffus mit Säure¬
fuchsin gefärbt, ohne Differenzirung mit Picrin.
Fig. 3. Das Osmiumfett nicht extrahirt, differenzirte Färbung mit,
Säurefuchsin — Picrinsäure.
Fig. 4. Das Osmiumfett extrahirt, das Uebrige differenzirt mit Säure¬
fuchsin — Picrinsäure gefärbt.
Fig. 5. Ein etwas jüngeres Stadium der Fettleber von Rana esculenta.
Die Granula sind hier noch nicht zu Fäden umgewandelt, die Fettkörner
zeigen ein dunkelrothes Centrum.
Fig. 6. Ein regressives Stadium der Fettleber.
Tafel IV. Niere von Salamandra maculata, Fixirung mit dem Quecksilber¬
gemisch und Ameisensäure.
Fig. 1. Medullare Schicht, die Granula zeigen eine Aneinander¬
reihung zu Fädchen.
Fig. 2. Corticalschicht, regellose Lagerung der Granula, Auflocke¬
rung der Intergranularsubstanz zum Lumen.
Tafel V, Fig. 1. Niere der Maus, Osmiumgemisch.
Fig. 2. Magenschleimhaut der Katze, Osmiumgemisch.
[144]Erklärungen zu den Tafeln.Tafel VI. Granula des Zellkernes. Modificirte Fixirung mit Osmium, Fär¬
bung mit Cyanin.
Fig. 1. Darmepithel von Triton taeniatus.
Fig. 2. Niere von Triton taeniatus.
Fig.3 und 4. Blutkörperchen von Proteus anguineus, Verg. c. 1000.
Tafel VII, Fig. 1. Pancreas der Maus, Osmiumgemisch.
Fig. 2. Schnitt durch ein Wurzelknöllchen von Coronilla glauca,
Fixirung mit dem Quecksilbergemisch und Essigsäure. Die Abbildung
zeigt die übereinstimmende Farbenreaction der hier vorhandenen Bac¬
terien mit den Zellengranulis. Präparat von Dr. Zimmermann.
Tafel VIII. Pancreas der Maus. Beide Abbildungen entstammen dem¬
selben Organ.
Fig. 1. Fixirung mit dem Quecksilbergemisch und Essigsäure.
Fig. 2. Fixirung mit dem Quecksilbergemisch und Ameisensäure.
Tafel IX, Fig. 1. Längsschnitt durch den Muskel des erwachsenen Frosches.
Quecksilbergemisch mit Ameisensäure.
Fig. 2 und 3. Aus dem Schwanze der Froschlarve, zwei Stadien der
Muskelfaserbildung, gleiche Fixirung wie Fig. 1.
Tafel X, Fig. 1-3. Flügelmuskel von Dytiscus marginalis, Osmiumgemisch
nach dem Kochen des Käfers angewendet.
Fig. 1. Längsschnitt. Die vereinzelten hellen Centra in den Granulis
sind durch ein Versehen des Lithographen erzeugt und von mir zu spät
bemerkt worden.
Fig. 2. Querschnitt durch eine Muskelfaser, Extraction des Osmiumfettes.
Fig. 3. Querschnitt durch eine Muskelfaser, reine Osmiumfärbung.
Tafel XI, Fig. 1. Magenschleimhaut von Rana esculenta, Quecksilbergemisch
mit Ameisensäure.
Fig. 2. Nervenzelle aus dem Spinalganglion des Frosches. Osmium¬
gemisch.
Fig. 3. a, b, c, Purkinje'sche Zellen aus dem Kleinhirn dar Katze.
Osmiumgemisch.
Tafel XII, Fig. 1. Zottendurchschnitt durch den Katzendarm, Osmium¬
gemisch.
Fig. 2. Schleimhaut des Froschdarmes, Quecksilbergemisch mit
Ameisensäure.
Tafel XIII, Fig. 1. Körnerschicht aus dem Kleinhirn der Katze, Quer¬
schnitt, Osmiumgemisch.
Fig. 2. Rindenschicht aus dem Kleinhirn der Katze, Querschnitt,
Osmiumgemisch.
Tafel XIV, Fig. 1. Querschnitt durch die Hirnwand eines Katzenembryo,
Osmiumgemisch.
Fig. 2. Querschnitt durch das Medullarrohr desselben Katzenembryo
an der Stelle der vorderen Wurzel.
Tafel XV, Fig. 1. Anale Talgdrüse des Meerschweinchens, reine Osmium¬
färbung. Vergr. c. 450. Einschluss in Paraffinum liquidum.
Fig. 2. Inguinale Talgdrüse des Kaninchens, reine Osmiumfärbung
Vergr. c. 450. Einschluss in Paraffinum liquidum.
Wie alle Zeichnungen, so sind auch diese bei offenem Condensor
ausgeführt worden.
[145]Erklärungen zu den Tafeln.
Tafel XVI, Fig. 1. Querschnitt durch die Rinde der Nebenniere des Hundes,
reine Osmiumfärbung. Vergr. c. 450.
Fig. 2. Fettbildungsgewebe aus der Nierenkapsel des neugeborenen
Kätzchens nach den ersten Milchfütterungen, Kölliker'sche Zellen.
Copie nach Dr. Metzner.
Tafel XVII, Fig. 1. Anale Talgdrüse des Meerschweinchens, dasselbe Prä¬
parat wie Fig. 1, Taf. XV, nur schwache Vergrösserung.
Fig. 2. Milchdrüse eines hochträchtigen Meerschweinchens, Osmium¬
gemisch.
Tafel XVIII, Fig. 1. Längsschnitt durch ein Harnkanälchen des Hundes,
1 Stunden nach Unterbindung der Uretheren, Osmiumgemisch.
Fig. 2 und 3. Längs- und Querschnitt durch ein Urnierenkanälchen
des 13tägigen Hühnerembryo, Osmiumgemisch.
Fig. 4a und b. Glandula Harderi des Kaninchens, kleine weisse Ab¬
theilung, Osmiumgemisch.
Tafel XIX, Fig. 1. Glandula Harderi des Meerschweinchens, Osmium¬
gemisch.
Fig. 2. Glandula Harderi des Hamsters, Osmiumgemisch.
Fig. 3. Glandula Harderi des Kaninchens, grössere röthliche Ab¬
theilung, Osmiumgemisch.
Fig. 4. Bürzeldrüse der Taube, Osmiumgemisch.
Fig. 5. Bürzeldrüse der Ente, Osmiumgemisch.
Tafel XX, Fig. 1. Augendrüse der Ringelnatter. Acinusdurchschnitt, Os¬
miumgemisch.
Fig. 2. Dieselbe Drüse, primärer Ausführungsgang, Osmiumgemisch.
Fig. 3. Glandula labialis superior posterior der Ringelnatter, Haupt¬
ausführungsgang, Osmiumgemisch.
Fig. 4. Glandula submaxillaris der Katze, Osmiumgemisch.
Fig. 5. Glandula parotis der Katze, Osmiumgemisch.
Fig. 6. Präputialdrüse der Maus, reine Osmiumfärbung.
[][]
[][][][][][]
H. von Mohl, Ueber die Saftbewegung im Innern der Zellen. Bo¬
tanische Zeitung 1846, S. 74 u. 90.
Max Schultze, Ueber Muskelkörperchen und das, was man eine
Zelle zu nennen habe. Archiv für Anatomie und Physiologie 1861, S. 9.
Ernst Brücke, Die Elementarorganismen. Wiener Sitzungsberichte 1861.
G. Berthold, über Protoplasmamechanik. Leipzig 1886. S. 61.
T. von Hanstein, Das Protoplasma. Heidelberg 1880. S. 22.
F. Schwarz, Die morphologische und chemische Zusammensetzung
des Protoplasmas. Breslau 1887. S. 137 u. 138.
A. Zimmermann, Die Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle.
In Schenks Lehrbuch der Botanik 1887, S. 10, 12, 13.
Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. 1867. S. 2. Ge¬
kürztes Citat.
Virchow, Die Cellularpathologie. 4. Aufl. 1871. S. 22 f.
A. Wiegandt, Entstehung und Fermentwirkung der Bacterien. Mar¬
burg 1881. Das Protoplasma als Fermentorganismus. Marburg 1888.
Vergl. hierüber die zahlreichen Abhandlungen, welche in den Comptes
rendues seit etwa 1860 bis heute erschienen sind. Ausserdem A. Béchamp,
Les mycrocymas. Paris 1883, und A. Estor, De la constitution élémentaire
des tissus. Montpellier 1882.
Um die Mangelhaftigkeit der Beobachtungen jener Autoren zu prüfen,
braucht man nur die Abbildungen in dem citirten Werke Béchamp's, die
einzigen übrigens, welche jene Autoren geliefert haben, zu betrachten, es
erscheint dann klar, dass von vielen anderen Autoren älterer und neuerer
Zeit sowohl an der thierischen, wie auch an der Pflanzenzelle bessere und
ausgiebigere Beobachtungen gemacht worden sind.
Bei der Unfruchtbarkeit ihrer Opposition gegen Pasteur und Virchow
und bei der Mangelhaftigkeit ihrer thatsächlichen Befunde nimmt es daher
nicht Wunder, wenn, wie Estor sich bitter beklagt (1. c. S. VIII), selbst die
Mitglieder des französischen Instituts ihnen in ihrem eigenen Interesse ab¬
gerathen haben, weiter auf dem betretenen Wege vorzugehen.
Vergl. Die Genese der Zelle. Festschrift für Carl Ludwig, 1887, und
das nachfolgende letzte Kapitel.
W. Kühne, Untersuchungen über das Protoplasma. Leipzig 1864.
N. Lieberkühn, Ueber Bewegungserscheinungen der Zellen. Mar¬
burg 1870.
Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. 1889. S. 31.
F. Schmitz, Untersuchungen über die Structur der Protoplasmas
und der Zellkerne der Pflanzenzellen. Sitzungsberichte der niederrheinischen
Gesellschaft zu Bonn 1880.
einiger Zeit ein paar Monate bei mir mit den Granulamethoden gearbeitet,
er gedachte seine Untersuchungen, die in Bezug auf Specialfragen der Botanik
vieles Interessante boten, in Tübingen fortzusetzen und seiner Zeit zu ver¬
öffentlichen.
O. Schultze, Die vitale Metylenblaureaction der Zellgranula. Anat.
Anzeiger 1887.
Studien über die Zelle. Leipzig 1886. — Die Genese der Zelle. Fest¬
schrift für Carl Ludwig. 1887. — Die Structur des Zellkerns. Archiv für
Anatomie und Physiologie 1889. — Ueber die Fettumsetzungen im Organis¬
mus. Ebenda. — Zur Geschichte der Zelltheorien. Leipzig 1889. — Eine Anzahl
von Granulabildern wurden auf den Anatomen-Versammlungen zu Leipzig
1887, Würzburg 1888 und Berlin 1889 demonstrirt.
Vergl. Die Genese der Zelle und das letzte Capitel.
C. Heitzmann, Untersuchungen über das Protoplasma. Wiener
Sitzungsberichte 1873. Mikroskopische Untersuchungen des Thierkörpers.
Wien 1883.
C. Frommann, Beobachtungen über Structur und Bewegungserschei¬
nungen des Protoplasmas der Pflanzenzellen. Jena 1880.
Anat. u. Phys. 1881.
l. c.
Ich muss es lebhaft bedauern, dass es mir aus äusseren Gründen bisher
noch nicht möglich gewesen ist, die Methode des Ausfrierens unterhalb der kri¬
tischen Temperatur wenigstens im Kleinen für morphologische Zwecke mit
Hilfe maschineller Einrichtungen des Weitern auszunutzen, obwohl mir die
Vortheile der Methode mit Hilfe der Kältemischungen schon seit Jahren be¬
kannt geworden sind. Es liegt hierin auch der Grund, weshalb die Granula¬
methoden von mir überhaupt so spät veröffentlicht werden, da ich nicht
gerne etwas Unvollendetes aus der Hand geben wollte und der Ueber¬
zeugung war, mit Hilfe jener Methode der Granulalehre eine noch festere
Gestaltung geben zu können, als es mir jetzt ohne dieselbe möglich ist.
Studien über die Zelle. Leipzig 1886.
R. Heidenhain, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünn¬
darmschleimhaut. Arch. f. d. gesammte Physiologie 1888, Supplement S. 86.
Die Structur des Zellkerns. Arch. f. Anat. u. Phys. 1889.
erscheinungen.
Mittheilung Arch. f. Anat. u. Phys. 1886 u. 1888.
1854, II.
die Structur des Protoplasmas. Aus d. Verhandl. des nat. Vereins zu Heidel¬
berg 1889.
Chamäleons. Denkschriften der Wiener Akademie 1852.
u. Phys. 1854.
u. Phys. 1877.
Sitzungsberichte d. k. bayer. Akad. d. Wissensch. 1883.
thierischer Gewebe. Schriften des naturw. Ver. f. Schlesw.-Holstein. 1875.
E. Klein, Observations on the Structure of Cells and Nuclei. Anat.
Journal of micr. Science 1878 u. 79.
Auf ein verschiedenes Verhalten der Lebern von Fröschen während
der verschiedenen Jahreszeiten haben bereits Langley und für Rana tem¬
poraria Alice Leonhard aufmerksam gemacht.
Diese Beobachtungen und Versuche habe ich bereits vor etwa 10 Jahren
angestellt, wo mir die Granulamethoden noch nicht so zur Verfügung stan¬
den; ich erkannte damals die Fütterungsleber an solchen Bildern, wie sie
der Fig. 5 und 6 der Flemming'schen Tafel I entsprechen; die Lebern waren
mit einer fünfprocentigen Lösung von Kaliumbichromat unter Zusatz von
etwas Essigsäure und bei mässiger Temperaturerhöhung fixirt.
Injectionen von den Gallen- oder Blutwegen her wird hier vielleicht einen
weitern Einblick gestatten. Doch klagt auch Kupffer, dass die Methode,
Farbstoffe in die Blut- und Lymphbahn einzuführen, um sich danach ein
Urtheil über die secretorische Thätigkeit der Drüse zu verschaffen, leider
an einem Uebelstande leide; es sei nämlich das Fixationsverfahren zur Ver¬
hütung einer postmortalen Diffusion des Farbstoffes wenig geeignet, die Ver¬
hältnisse an den Zellen, wie sie zuletzt während des Lebens bestanden, zu conser¬
viren. Wie oben (Kap. II) für die vitalen Reactionen der Zellgranula gegen¬
unterhalb der kritischen Temperatur als zuverlässig in Empfehlung bringen;
ich habe das Verfahren gerade an der Esculentenleber wenn auch ohne die
Kupffer’schen Injectionen mit Hilfe der Kältemischungen angewendet und
kann versichern, dass hierbei auch nicht ein Fädchen von seinem Platze
rückt. Dass sämmtliche Farbstoffe, soweit sie nicht in Xylol und geschmolze¬
nem Paraffin löslich sind, hierbei in den während des Lebens angenommenen
Formen erhalten werden würden, daran ist wohl nach dem Gang des Ver¬
fahrens nicht zu zweifeln.
Vergl. Cap. II und das spätere Capitel über die Fettumsetzungen.
Vergl. ausser dem folgenden Capitel V die Abhandlungen: L. Krehl,
Ein Beitrag zur Fettresorption, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1890; R. Metzner,
Ueber die Beziehungen der Granula zum Fettansatz. Ebendaselbst.
Vergl. die im vorigen Capitel citirten Abhandlungen beider Autoren.
Pflüger’s Archiv u. s. w. 1888. Bd. XXIII Suppl.
Will, Vorläufige Mittheilung über Pfllüger's Arch. u.s. w.
1879. Bd. XX
von Basch, Die ersten Chyluswege und die Fettresorption. Wiener
Sitzungsberichte.
Cash, Ueber den Antheil des Magens und des Pankreas an der Ver¬
dauung des Fettes. Dies' Archiv. 1880.
Munk, Zur Kenntniss der Bedeutung des Fettes u. s. w. Virchow's
Archiv. 1880. Bd. LXXX, S. 32.
Vergl. Figur unserer Tafel XII.
O. Schultze, Die vitale Methylblaureaction der Zellgranula. Anatomi¬
scher Anzeiger.
Munk, Zur Lehre von der Resorption, Bildung und Ablagerung der
Fette u. s. w. Virchow's Archiv. 1884. Bd. XCV, S. 447.
Derselbe, Zur Frage der Fettresorption. Zeitschrift für phys. Chemie.
1885. Bd. IX, S. 569.
Derselbe, Zur Frage u. s. w. S. 50 und „Zur Lehre” u. s. w. S. 542.
Munk, Zur Kenntniss u. s. w. S. 32 und Zur Frage u. s. w. S. 574.
Derselbe, Zur Frage u. s. w.
Strecker sagt in seiner „Untersuchung der Ochsengalle“ (Liebig's An¬
nalen. 1848. Bd. LXV, S. 29) ganz kurz, dass das taurocholsaure Natron
Fette, Fettsäuren, Cholesterin in beträchtlicher Menge löst. In Bezug auf
Neutralfette kann ich dieses nicht bestätigen. Die Angaben von Latschinoff
(Ueber Cholsäure, welche feste Fettsäuren enthält. Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft. Bd. XIII, S. 1911) sind deshalb interessant, weil
derselbe geradezu von einer Verbindung der Cholsäure und Taurocholsäure
mit Fettsäuren spricht. Kühne spricht von einer Lösung und Verseifung
der Fettsäuren durch Galle (Lehrbuch der physiologischen Chemie).
kommen einer physiologischen Fettleber bei jüngeren Säugethieren und über
C. Toldt, Beiträge zur Histologie und Physiologie des Fettgewebes.
Wiener Sitzungsberichte. 1870. Bd. LXII.
selbe, Zur Entwickelung des Fettgewebes. Anatomischer Anzeiger. 1886.
Franz Hofmann, Ueber die Reaktion der Fette und die quantitative
Bestimmung von Fettsäuren in Fetten. Festschrift für Carl Ludwig. 1875.
früher an Fermentkörnern u.s.w. gesehen; man hat daher schon früher die
weis gehalten, wenngleich auch hier kein Beweis erbracht worden ist, dass
nicht dennoch Beimengungen von Fett oder dessen Derivaten jene Schwär¬
zung hervorrufen.
De glandularum secernentium structura peritiori earumque prima
formatione in homine et animalibus. Lipsiae 1830.
R. Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorgänge. Herrmann's
Handbuch der Physiologie. 1880. Bd. V, Seite 13.
l. c. S. 105.
P. Ehrlich, Das Sauerstoffbedürfniss etc. Berlin 1885.
guinalfalte des Kaninchens eine zweite grössere braun aussehende Drüse vor,
gehäufte Zellen enthält, die durchgewanderte Leukocyten sein mögen. Ich
werde über diesen auffallenden Befund an anderm Orte Näheres berichten.
E. Wendt, Die Harder'sche Drüse. Strassburg 1877.
Vergl. z. B. im vorigen Capitel die eigenthümlichen Verbindungen
der Fettsäuren und Gallensäuren, deren Löslichkeit in Wasser darauf hin¬
deutet, dass sie möglicherweise beim Transport des Fettes innerhalb des
Organismus eine wichtige Rolle spielen, wie dieses augenscheinlich beim Im¬
port aus dem Darmlumen in den Organismus der Fall ist.
Handbuch der Physiologie. 1880. S. 406.
Cloquet, Mémoire sur l'Existence etc. — Mémoires du Muséum d'Hi¬
stoire naturelle, Tome VII. 1881.
Duvernoy, Mémoire sur les caractères etc. — Annales des Sciences
naturelles, Tome XXVI. 1832. — Derselbe, Fragments d'Anatomie etc. —
Ebenda, Tome XXX. 1833.
Born, Die Nasenhöhlen etc. — Morphologisches Jahrbuch, Bd. VIII. 1883.
drüsen etc. Aus dem physiologischen Institute zu Breslau. Schultze's
Archiv Bd. 13, 1877.
trächtigen Meerschweinchen auf meinen Wunsch für mich eingelegt.
Das Präparat verdanke ich Herrn Dr. Metzner, welcher es bei Ge¬
legenheit seiner Fettpräparationen am Hühnchenfoetus auffand.
Herr Prof. Ludwig, dem ich so vielfache Belehrung und Unterstützung
verdanke, hatte selbst die Güte, die Unterbindungen auszuführen.
Zeitschrift für klinische Medicin. 1889.
zig 1887.
Vergl. die Structur des Zellkernes. Arch. f. Anat. u. Phys. 1889. Die
Veranlassung zu jener Methode gab die Vermuthung, dass die von mir dar¬
gestellten Nucleinsäuren (Arch. f. Anat. u. Phys. 1889, phys. Abth.) als Com¬
ponenten Fettsäuren enthalten; diese Vermuthung hat sich inzwischen durch
Spaltungsversuche bestätigen lassen.
Structur des Zellenkernes. Sitzungsprotokolle der biologischen Section der
Warschauer Naturforschergesellschaft im Biologischen Centralblatt. 1889.
Nr. 18.
Les Mycrocymas etc. S. 519.
von denselben bedarf jedoch einer gründlichen Revision, da insbesondere von
Seiten der Chemiker hier die Begriffe der organisirten und nicht organi¬
sirten Substanz wenig auseinandergehalten werden.
Vergl. meine Abhandlung: Studien über die Zelle. Leipzig, 1886.
die Literatur über jene hypothetischen unsichtbaren Zellstructuren. Die
Hypothese Darwin's vom Transport seiner Keimchen im Organismus hat,
obwohl sie von rein theoretischem Standpunkte aus geschaffen ist, ein hohes
Interesse, und findet auch in neueren Auslassungen ihren Wiederklang. —
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- TextGrid Repository (2025). Altmann, Richard. Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjr2.0