[]
Andaͤchtige
Betrachtungen
aus dem Buche der
Natur und Schrift

Zum Preiſe
des herrlichen Schoͤpfers
Beſtehend
in erbaulichen Gedichten.

Erſter Theil.
[figure]

Hildesheim: , 1747.
Gedruckt und verlegt durch C. J. H Hartz, E. H. Edl Raths priv. Buchdr.
[][]

Dem
Hochwuͤrdigen,
in GOtt andaͤchtigen und Hochgelahr-
ten Herrn
HERRN
Gabriel Wilhelm
Goetten,

Sr. Koͤnigl. Maj. von Grosbrit-
tannien und Churfuͤrſtl. Duchl. zu Br.
Luͤneburg Conſiſtorial und Kirchenrathe,
Hofpredigern und Superintendenten
Seinen
Hochgeneigten Goͤnner

[] widmet
dieſe Poeſien
Zum
Zeugnis einer Ehrfurchts-vollen
Dankbegierde


Der Verfaſſer.

[]

Mann GOttes!


zuͤrne nicht, daß rege Dankbarkeit,

Dir, dieſes ſchlechte Buch, zu einen Denk-

mal weiht:

Es heiſcht es dein Verdienſt, es forderns

meine Pflichten,

Ein Angeld alter Schuld, dadurch noch zu

entrichten.

Jch denke noch zuruͤk an die verſchwundne

Zeit,

Da mich Dein Unterricht in Hildesheim er-

freut;

)( 3Als
[]
Als Dich die Stadt damahls, noch gegen-

waͤrtig ehrte,

Und mich mit Weisheits-Milch in ihrer

Schule naͤhrte.

Da machte uns dein Fleis, durch einen guͤld-

nen Mund,

Aus Liebe blos geruͤhrt, die ſchoͤnen Saͤzze

kund

Der Gottsgelehrſamkeit. Du zeigteſt was

zu glaͤuben,

Was GOtt gewidmete vor Wiſſenſchaft zu

treiben.

Ob ich gleich damahls nicht daſſelbe ganz ge-

noß,

Was als ein klarer Strom, von deinen Lip-

pen floß;

So lernete ich doch, was man vor War-

heitslehren;

Wie man dieſelbigen vom Lehrſtuhl wuͤrde

hoͤren.

Den Grund haſt Du gelegt, worauf die

fort gebaut,

Den ich als Lehrern bin, hernachmahls an-

vertraut;

Du
[]
Du haſt den Trieb entflammt durch Dein

beliebtes Weſen,

Der Warheit nachzugehn, zu forſchen und

zu leſen,

Was hie die Weisheit ſpricht; was da der

Spoͤtter ſagt,

Der bei den hellen Licht nach neuen Son-

nen fragt;

Du haſt mich auch gelehrt, als Lehrer in

dem Tempel,

Jm hoͤren mich erwekt, dem reizenden

Exempel

Von ferne nachzugehn, da Deine Lieblich-

keit

Die Herzen ſtark geruͤhrt, den Saamen

ausgeſtreut:

Du haſt mich offt erwekt, durch Gruͤnde

ſtark bewogen,

Daß ich der Schluͤpfrigkeit der Laſter bin

entzogen.

Die ſcheuche Bloͤdigkeit, die da mein Fehler

war,

)( 4Als
[]
Als ich von hinnen zog, die ſtellt ſich jezo

dar,

Und ruͤhmet oͤffentlich die Unterweiſungs-

ſtunden,

Die zeiget durch dies Blat, wie ſehr ich

Dir verbunden.

Nim meine Dankbarkeit, O! Theurer

GOttesmann!

Und dieſes kleine Buch, als deren Zeugnis

an!

Nim was die Ohnmacht kan, und was die

Einfalt bringet,

Weil meine Muſe nicht, in ſolchen Thoͤnen

ſinget,

Wie Du gewohneſt biſt, und wie du laͤngſt

gezeigt,

Mein Wunſch dabei iſt nur; der GOtt der

Dir geneigt,

Der wolle ferner Dich mit ſeinen Gnaden-

blikken,

Wie er bisher gethan, zu Zions Luſt erquik-

ken;

Er
[]
Er ſegne ſtets dein Ammt, zu ſeines Nah-

mens Ruhm:

So ſtrahlt ſein Licht und Recht, von dir

im Heiligthum;

Dies fleht aus regen Trieb, der Dein

Verehrer bleibet

O! theurer GOttesmann! ſo lange er

ſich ſchreibet.

Johann Juſt Ebeling.

[]

Vorrede.


Geneigter Leſer.

Jch uͤberliefere Dir allerhand An-
dachtsfruͤchte, welche theils im
Reiche der Natur, theils im Rei-
che der Gnaden gewachſen, und
von mir in einigen Nebenſtunden ſehr eilfer-
tig zuſammen gebunden, da mich derjenige
dazu bewogen, der ſie durch den Druk
bekand gemacht. Jch kann nicht leugnen,
daß ich einige Jahre her, ein innigliches Ver-
gnuͤgen gefunden, nebſt dem Buche der goͤtt-
lichen Offenbahrung in dem Buche der Na-
tur zu blaͤttern, und darinnen die mannig-
faltigen Zuͤge, die die Herrlichkeit des Schoͤ-
pfers
[]Vorrede.
pfers beſchreiben, mit Andacht wahrzuneh-
men. Jch hatte auch einige Gedanken, die
ich bei dieſer andaͤchtigen Beſchauung der
Kreaturen gehabt, in ein paar Gedichten
zuſammen gefaſſet, und war willens meine
matte Dichtekunſt ruhen zu laſſen, da ich
lange das Feuer nicht fuͤhlete, welches den
nun zum ewigen Schauen gelangten vortref-
lichen Brocks, den lieblich ſingenden Triller, den
anmuthigen Zell und andre begeiſtert hat. Eine
unvermuthete Ueberredung hat meinen Sinn
in ſo weit geaͤndert, daß ich dir meine Betrach-
tungen vorgeleget; ob ich ſie gleich ſelbſt fuͤr
ſehr unvolkommen halte. Jch ſuche auch da-
durch nichts weiter zu erlangen, als diejeni-
gen die ſie anſehen, zu uͤberzeugen, daß es ei-
ne nothwendige Menſchenpflicht ſei mit auf-
merkſamen Augen auf die Wunder GOt-
tes
im Reiche der Natur zu achten. Mei-
ne Abſicht iſt zu lehren, daß es eine Chriſten-
pflicht aus denen Vorwuͤrffen des Reiches
der Gnaden Anlas zu nehmen, den Nah-
men des Allerhoͤchſten zu verherrlichen. Die
dieſe gedoppelten Pflichten verſaͤumen, die
leben gleichſam als ſolche, die auf einen Schau-
plaz voller Wunder geſtellet worden, und
aus Unverſtand die Augen zu ſchlieſſen. Es
iſt wahr die Menſchen die den Gebrauch der
Sinne haben, ſind ſo unempfindlich nicht,
daß ſie nicht durch die in die Sinne fallen-
den
[]Vorrede.
den Dinge ſolten geruͤhret werden. Wenn
ihre Augen in der Hoͤhe und in der Tieffe
beſonders merkwuͤrdige Wunder der Natur
antreffen, ſo bezeugen ſie daruͤber ihr Wol-
gefallen. Wenn ſie einen mit tauſendfachen
Farben geſchmuͤkten Himmel betrachten; ſo
empfinden ſie ein anſchauendes Vergnuͤgen.
Wenn ſie liebliche Fruͤchte, reizende Blu-
men, gruͤn belaubte Baͤume, ſeltne Thiere
und dergleichen anſehen; ſo entſtehet in ih-
ren Geiſte eine Freude. Allein dieſe Be-
trachtung iſt noch nicht diejenige, die ein
Menſch nach ſeiner Pflicht anſtellen muß.
Was nuͤzzet es, wenn man die Gaben ruͤh-
met und dabei an den Geber nicht gedenket?
So gehet es denen meiſten achtſamen Zu-
ſchauern im Reiche der Natur, die mehr ih-
re ſinnliche Wolluſt dadurch zu ſtillen, als
ihren Schoͤpfer zu erkennen und zu verehren
ſuchen. Man kann dieſes ſonderlich an den
Liebhabern der ſchoͤnen aber vergaͤnglichen
Blumen wahrnehmen. Dieſe finden offt
ein recht erquikkendes Vergnuͤgen an der
bunten Augenweide, die der Schoͤpfer im
Fruͤhling und Sommer uns zu Sinnbildern
unſer Nichtigkeit vorgeſtellet. Wenn dieſel-
bige in ihrer rechten Bluͤte prangen; ſo koͤn-
nen ſie ſich nicht ſatt daran ſehen. Sie ſiz-
zen beſtaͤndig bei ihren Beeten und geben
Acht wie die Farben gegen einander ſpielen.
Es
[]Vorrede.
Es iſt dieſes in ſo ferne ein unſchuldiges Ver-
gnuͤgen, wenn man erweget, was vor Kunſt-
ſtriche, Miſchungen lieblicher Farben auf de-
nen Blumenblaͤttern anzutreffen: Aber bei
der Kreatur allein ſtehen bleiben, und nie-
mahls dabei mit Andacht an den Schoͤpfer
derſelben gedenken, ſeine Augen beſtaͤndig
auf das Geſchoͤpfe richten und niemahls auf
dem Schoͤpfer zuruͤk ſchlagen, iſt unbillig,
und auch gewiſſermaſſen ſuͤndlich. Alsdenn
iſt es blos eine ſinnliche Wolluſt, da einer
nur um ſein ſelbſt willen und um ſeine Neigun-
gen zu ſtillen, auf die Werke des HErrn
Acht hat. Wenn wir zum Preiſe des
Schoͤpfers ein irdiſches Vergnuͤgen an den
Kreaturen ſuchen; ſo muͤſſen wir dieſelbi-
gen zum natuͤrlichen Erkenntnis GOttes
und ſeiner Eigenſchafften gebrauchen. Wir
muͤſſen uns angewoͤhnen, durch die ſinnli-
chen Empfindungen in unſrer Seele andaͤch-
tige Regungen zu erwekken. Wenn wir
was herrliches ſehen und hoͤren, ſo muͤſſen
wir dabei die Allmacht, Guͤte und Weis-
heit GOttes erwegen, welche darin abge-
druͤkket. Wenn wir auf den lieblichen Ge-
ſang der Singe-Voͤgel merken: ſo muͤſſen
wir dadurch uns zum Schoͤpfer fuͤhren laſ-
ſen, der in eine ſo zarte Kehle ſo durchdrin-
gende Thoͤne geſenket, und uns dabei erin-
nern, daß ſie uns gleichſam zum Lobe
GOt-
[]Vorrede.
GOttes ermuntern. Wenn wir die lieb-
lichen Fruͤchte die der Sommer und Herbſt
liefert, koſten, die unſer Kehle ſuͤſſe ſchmek-
ken; ſo muß dieſe Empfindung unſere Ge-
muͤthe gleichſam einen Geſchmak von der
Freundlichkeit des Hoͤchſten beibringen, die
auf mehr als tauſendfache Weiſe unſer Ver-
gnuͤgen befoͤrdern wollen. Dieſe Schaͤz-
barkeit der goͤttlichen Guͤte, muß uns
gleichſam einen Zuͤgel anlegen, daß wir die-
ſelbigen nicht uͤberfluͤßig zu unſern Verder-
ben misbrauchen. Das Reich der Gnaden
giebet uns ebenfals tauſendfache Gelegen-
heit, das hoͤchſte Gut zu bewundern, und in
unſern Seelen zu verherrligen. Ja! wie
nothwendig ſind dieſe Betrachtungen zu der
wahren Ausuͤbung der Religions-Pflich-
ten, die wir als Chriſten leiſten muͤſſen.
Wir moͤgen in den Buche der Offenbah-
rung blaͤttern, wo wir wollen: allenthal-
ben erblikken wir, ein heiliges, weiſes, ge-
rechtes und allguͤtiges Weſen, das mit ei-
nen ernſten Willen die ewige Seeligkeit der
Menſchen ſuchet. Wenn ein Menſch ſich
angewoͤhnet daruͤber andaͤchtige Betrach-
tungen anzuſtellen, ſo wird er durch einen
geheimen Brand gleichſam entzuͤndet ſeinen
GOtt und Erloͤſer zu lieben und in ſeinen
Geboten zu wandeln. Wer auf dieſe Art
die Schoͤnheit der chriſtlichen Religion ken-
net,
[]Vorrede.
net, und erweget wie ſich in den Grund-
lehren deſſelben, die Guͤte, Gerechtigkeit,
Weisheit und Warheit ſo herrlich vereini-
get, den wird der Geiſt der Gnaden durch
gute Ruͤhrungen zur Heiligung erwekken.
Wenn zum Exempel ein Menſch das ab-
ſcheuliche Verderben erweget, darin er durch
die Suͤnde geſtuͤrzet; die barmherzige Lie-
be ſeines GOttes anſieht, wie ſie ihn er-
retten wollen, die Gerechtigkeit betrachtet
was ſie vor eine Verſoͤhnung erfordert, die
Weisheit ſich vorſtellet, die ein ſo herrliches
Mittel der Erloͤſung erfunden; die War-
hafftigkeit GOttes beherziget, die alle Ver-
heiſſungen zu ihrer Erfuͤllung gebracht: ſo
muß er dadurch gelenket werden, einen ſo
vollkomnen Weſen anzuhangen. Unſre
ſchwache Bemuͤhungen, werden mit groſſen
Seegen gekroͤnet ſeyn, wenn ſie mein Leſer!
dich erwekken, dieſe Pflichten vollenkomner
zu erfuͤllen, als wir dazu Anleitung in die-
ſen Theil gegeben, und in denen drei nach-
folgenden Theilen geben koͤnnen. Lebe
wol. Hildesheim, den 10. Febr. 1747.



Es
[]

Es iſt die Natur und Schrift, darin Gott ſich abgemahlt,
Weil da ſein unſichtbahr Licht, allenthalben herrlich ſtrahlt;
Jn dem Buche der Natur kan man ſein unſichtbar Weſen,
Seine Weisheit, Allmacht, Guͤt deutlich an Geſchoͤpfen leſen.
Himmel, Sonne, Mond und Stern, ſtellen ihn im Luſtrevier
Baͤume, Blumen, Gras und Kraut auf der Erden Schauplaz fuͤr.
Wie wir ihn zur Seeligkeit kennen, ſteht im Bibelbuche
Darauf ſeine Gnaden Hand dieſe Worte ſchreibet: Suche
Denn das Leben iſt darin.
(*) Du vernuͤnftge Kreatur,
Lebſt als ein Bewunderer in dem Reiche der Natur,
Darum ſchoͤpfe Andachts- voll aus den reichen Segensquellen,
Die im holder Suͤßigkeit dein Gemuͤht zu laben, ſchwellen,
Und da dein erhabner Geiſt ſich nicht voͤllig laben kann:
So ſieh ferner GOttes Schrift als dein Buch des Lebens an.
Wirſt du aus dem Heiligthum in das Allerheilge ſteigen:
So wird ſich noch deutlicher, dir, die ewge Gottheit zeigen.


[[1]]

Der Atheiſt


Pſ. XIV. 1.
Die Thoren ſprechen in ihren Hertzen, es
iſt kein GOTT.
()

[figure]
Was iſt ein Atheiſt? der keine
Gottheit kennt,
Doch ſeinen Aberwitz ſelbſt ei-
nen Goͤtzen nennt,
Der ein Gewaͤchſe traͤgt von
aufgeſchwollnen Duͤnſten,
Und dieſe Welt erbaut, aus ſei-
nen Hirngeſpinſten;
Der dieſes Wunderhaus zu ein Gebaͤude macht,
Daß ohne Meiſters Kunſt, ſich ſelbſt hervorgebracht;
Der viel erſtaunend ſieht, und ſich darin verliehret,
Der Nichts zur Mutter macht, die etwas doch ge-
biehret:
Mit einem Wort, ein Menſch, der keinen Schoͤp-
fer ehrt,
Weil ihn die gantze Welt mit einem Munde lehrt;
Erſter Theil. AEin
[2]Der Atheiſt.
Ein aufgeblaſner Sin, ein Sonderling im Wiſſen,
Dem ſeine Einbildung den Zuͤgel weggeriſſen,
Der Abentheuer hekt mit ſeinen Witz hervor,
Ein Ungluͤkſeeliger, der allergroͤßte Thor.


Der Thoren ſind zwar viel, doch nicht von einer Art,
Der eine hat Vernunft, die er nicht wohl verwahrt;
Die andern ſind gar blind mit ihren Maulwurfs
Augen,
Weil ſie nur zum Gewuͤhl, auf dieſen Erdklump taugen,
Sie blicken in die Welt, und ſchauen hin und her,
Sie finden hie und da, was zu begreifen ſchwer:
Das Werk der Vorſehung hat viel verborgne Wege,
Darin man Tiefen ſieht und ungemeßne Stege,
Die kein Verſtand begreift, der in den Abgrund
ſinkt,
Als wie ein Waſſertropf, wenn ihn das Meer ver-
ſchlingt:
Der kurtze Jnbegriff, die gar zu engen Schranken,
Der menſchlichen Vernunft, der irrenden Gedanken,
Der bringt ſie auf den Wahn der Atheiſterey,
Daß da die Welt verkehrt, kein GOtt ihr Schoͤp-
fer ſey.


Der Erden Bau iſt da, aus der Geſchicht iſt klar,
Daß er ſchon da geweſt, vor viele tauſend Jahr,
Wer dieſes leugnen will der zweifelt an den Dingen,
Die ſeinen Eigenſin, mit Macht zum Glauben zwin-
gen:
Doch die Materie, woraus die Welt gemacht,
Die wird von einigen die dieſes nachgedacht
Mit GOtt den Urſprung nach gleich ewig angeſehen,
Und da kan kein Begriff vom wahren GOtt beſtehen.
Jſt ihm am Dauer gleich der wuͤſte Erdenklos,
So iſt er nicht das All, das nur alleine gros.
Wer
[3]Der Atheiſt.
Wer eine Gottheit glaubt, und dabey etwas ſetzet,
Das dieſen Lehrbegriff durch Wiederſpruch verletzet,
Der raͤumt mit ſeinen Mund ein goͤttlich Weſen ein,
Und ſpricht doch, als ein Thor, in ſeinen Hertzen,
nein.


Ein andrer trit hervor, und redet groß von GOtt,
Doch ſeine Vorſtellung iſt nur der Gottheit Spott;
Er mahlt ſich die Natur, wie ſie zuſammen haͤnget,
Als einen Thierleib ab, darin ein GOtt vermenget.
Der Hoͤchſte ſey die Seel, die in der Welt ſo thront,
Wie ein unſchraͤnkter Geiſt, der in dem Leibe wohnt,
Der eines Schikſals Macht, die alles blindlings
fuͤget,
Selbſt aus gezwungner Noth mit unterworfen lieget.
Und dieſem traͤumet gar, ein zartes Staͤubgen Heer,
Sey einſt in ſeinem Flug, als wie von ohngefehr,
Jn dem verwirrten Drang zuſammen ſo geflogen,
Daß ſich daraus die Welt, mit ſchoͤnſter Pracht ge-
zogen.
Vom Schoͤpfer weis er nicht; ob er von GOtt
gleich ſpricht,
So kennt er als ein Thor, doch dieſes Weſen nicht.


Das ſind die Meinungen, das iſt der falſche Wahn,
Den da der Unverſtand, hie Bosheit kund gethan:
Auch in der hellen Zeit, da man weit ſchaͤrfer ſiehet,
Und aus der Finſternis, die Warheitsgruͤnde ziehet,
Sind ſolche Sterbliche, die ſich mit vieler Muͤh,
Durch die Vernunft verkehrn, in unvernuͤnftig Vieh:
Der will von keinen GOtt, in dem Gedanken wiſſen,
Damit er nicht mit Angſt, werd Lebenslang gebiſſen,
Wan er aus Sclaverey in Laſterpfuͤtzen wuͤhlt,
Und ſeinem Richterſpruch in dem Gewiſſen fuͤhlt.
A 2O!
[4]Der Atheiſt.
O! tolle Raſerey! ſich ſo zu uͤbertaͤuben,
Das man kein Weſen will, von dem wir ſtammen
glaͤuben,
Da alles, was man fuͤhlt, ſieht, hoͤret, riecht und
ſchmekt,
Ja! ſich ein jeder ſelbſt: Es ſey ein GOtt, ent-
dekt.


Das iſt die groͤßte Ruh, womit der Menſch ſich
naͤhrt,
Wen er das hoͤchſte Gut, erkennet liebt, verehrt;
So lang er auf der Welt, in dieſen eitlen Kreiſen,
Muß zu unentlichen und ewgen Zirkeln reiſen.
Ein ſolcher freuet ſich dort in dem ſeelgen Licht,
Das weſentliche All, zu ſehn vom Angeſicht
Die Brunquel alles Guts und aller Seeligkeiten,
Woraus wir hie das Seyn erſchafner Dinge leiten.
Ein Gottsverleugner lebt im folternden Verdrus,
Er flucht ſein Leben noch bey ſeiner Tage Schlus.
Die Welt in der er wallt, wird ihm ein Jrregarten,
Worin er das nicht hofft, was er doch muß erwarten,
Wer glaͤubt nicht, daß der Menſch ein Bild des Un-
gluͤks heiſt,
Der als ein Thore ſich, GOtt, aus dem Hertzen
reiſt?


GOt-
[5]

GOttes Eigenſchaften an den Wer-
cken ſeiner Haͤnde.


Roͤm. IX. 20.
GOttes unſichtbares Weſen daß iſt ſeine
ewige Kraft und Gottheit wird erſehen,
ſo man das warnimt an dem Werken,
nemlich an der Schoͤpfung der Welt.



[figure]
GOTT du Urſprung aller Dinge,
[figure]
Weſen das unentlich heiſt!
Gib mir da ich dich beſinge,
Deiner Klarheit Gnadengeiſt:
Den wie man des Himmels
Wonne,
Nicht erkennt ohn ihre Sonne,
Alſo aller Sonnen Licht,
Kennt man ohne Dir, dich nicht!

Und wie faͤngt man den dein Weſen,
Hoͤchſter! zu beſchreiben an,
Da kein Denken, Dichten, Leſen
Einen Anfang finden kan?
Alle Zahlen, alle Groͤßen,
Sind zu klein Dich zu ermeſſen,
Keiner ſieht die Gottheit ein,
Als nur du, O! GOTT, allein.

Millionen Kreaturen,
Die das Aug geruͤhrt erblikt,
A 3Koͤr-
[6]GOttes Eigenſchaften
Sind die Bilder, Zeichen, Spuren,
Worinn Du dich abgedruͤkt:
Koͤrper laſſen uns in Riſſen
Deine wahre Hoheit wiſſen;
Sind in Unvollkommenheit,
Spiegel deiner Herrlichkeit.

Seh ich an die Himmelsbogen;
Die der Schoͤnheit Luſtrevier,
Da ſind Linien gezogen,
Von der Groͤſſe deiner Zier:
Blik ich in die weiten Grentzen,
Wo viel tauſend Lichter glaͤntzen;
So deucht mir, ich hab entzuͤkt,
Jhres Schoͤpfers Glantz erblikt.

Dreh ich die erſtaunten Sinnen,
Auf der Sonnen feurig Meer;
Schau ich an den blauen Zinnen,
Der Geſtirne flammend Heer,
O! ſo denk ich GOttes Haͤnde
Sind allmaͤchtig ohne Ende
Jſt der goͤttliche Verſtand,
Der die Lichter angebrannt.

Wend ich mich zum Erdbezirke,
Das er gleichfals aufgebaut,
Ruͤhrt mich der Natur Gewirke,
Von dem Blumen, Graß und Kraut:
Da lebt, was die Lufft beweget,
Hie was Meer und Fluͤſſe reget,
Das was GOttes Guͤtigkeit,
Ueberzeugend uns anbeut.

Wen man forſchend dies bedenket,
Wie die ungeheure Laſt,
Die-
[7]an den Werken ſeiner Haͤnde.
Dieſer Welt ſich weltzend ſchwenket,
Wie ein Glied ins andre faßt,
Wie ein Theil am andern haͤnget,
Sich nach ſeiner Ordnung drenget;
So hat man zum Augenmerk,
Seiner Weisheit Wunderwerk.

Hoͤrt man ſeinen Donner knallen,
Jn der dick geſchwaͤrtzten Lufft;
Sieht man Blitzen, Hagel fallen,
Aus dem ſchwangern Wolken Dufft,
Und bey uͤberſchwemmten Guͤſſen,
Sengend und zerſplitternd ſchieſſen,
O! ſo heiſt es Zebaoth,
Jſt auch ein gerechter GOTT.

Dies erkennt man durch die Kraͤffte,
Einer denkenden Vernunft:
Und das ſeelige Geſchaͤfte,
Der tiefſinnig weiſen Zunfft,
Hat was die Natur verſtecket,
Zur Bewundrung aufgedecket;
So daß uns das GOTT abmahlt,
Was uns in die Augen ſtrahlt.

Ja die Denkungskrafft der Seele,
Die durch Schluͤſſe weiter reicht,
Und aus einer tieffen Hoͤle,
Als auf Stuffen hoͤher ſteigt,
Kan noch mehr Vollkommenheiten,
Aus dem unvollkommnen leiten,
Die wie an der Sonn der Schein,
Jn dem hoͤchſten Weſen ſeyn.

A 4Al-
[8]GOttes Eigenſchaften
Aller Koͤrper Kunſtgebaͤude,
Jn dem Reiche der Natur,
Zeigen uns zur Augenweide,
Jhres groſſen Schoͤpfers Spur:
Aber nach den Bildungszeichen,
Jſt er doch nicht zu vergleichen,
Weil was Koͤrperliches heiſt,
Sich nicht ſchikt fuͤr ſeinen Geiſt.

Man muß ſich weit hoͤher ſchwingeu,
Zu der Vollenkommenheit,
Und von dem ſichtbahren Dingen,
Steigen zur Unentlichkeit;
Weil er uͤberſchwenglich weiter,
Hoͤher, tiefer, laͤnger, breiter,
Als das, was die gantze Welt,
Gros und herrlich in ſich haͤlt.

Jhn erkennen, ſehn, empfinden,
Jn den Werken ſeiner Macht,
Heiſt durch duͤſtre Augenbinden,
Nur beſchauen ſeine Pracht:
Doch dies unvollkomne Schauen,
Fuͤhrt uns in entzuͤkte Auen,
Wo kein Auge ſich je ſatt,
Jn der Welt geſehen hatt.

Was uns kein Verſtand kan lehren,
Und was die Vernunft nicht trifft,
Koͤnnen wir noch klaͤrer hoͤren,
Durch das Wort der heilgen Schrifft:
Das zeigt uns wie drey Perſohnen,
Jn der Gottheit Weſen wohnen,
Welch
[9]an den Werken ſeiner Haͤnde.
Welch dreyeinig Weſen heiſt,
Vater Sohn und heilger Geiſt.

Dies beſchreibt ſein Wort uns helle,
Und wir wiſſen es gewis;
Denkt mans nach; ſo huͤllt uns ſchnelle,
Dieſes Licht in Finſternis:
Jene Feur und Wolkenſaͤule,
Hatte hell und finſtre Theile;
So muß man hier auch geſtehn,
Man kans gnug, nicht gantz einſehn.

Wer in Eimer gantze Meere
Faſſen will, geht das woll an?
So iſts auch mit dieſer Lehre,
Die kein Witz verwerffen kan:
Aber gantz begreiffen wollen,
Was wir hie nur glaͤuben ſollen,
Heiſt zu kuͤhn, zu viel gewagt,
Fuͤr dem, den die Ohnmacht plagt.

Doch der Schatten wird verfliegen,
Dieſes Stuͤkwerks Dunkelheit,
Wird das hellſte Licht beſiegen
Der verklaͤrten Ewigkeit;
Wer im Chor der Seraphinen,
GOTT, wird erſt im Schauen dienen,
Dem wird mehr noch kund gethan,
Als man hier begreifen kan.

Den das unbegreiflich Glaͤntzen,
Das das ewge Weſen ſchmuͤkt
Wird in jenes Himmels Lentzen,
Von dem Seeligen erblickt:
A 5Und
[10]Die vier Jahrszeiten, als ein ſinnliches Lehrbild,
Und die Wundervollen Strahlen,
Werden das vor Augen mahlen,
Was man auf der Unterwelt,
Noch vor ein Geheimnis haͤlt.

Wer indeſſen GOTT nachwandelt,
Jhn ſtets gegenwaͤrtig ſpuͤrt,
Und bey allen, was man handelt,
Sich zu ſeiner Hoheit fuͤhrt,
Der kan ſchon in ſuͤſſen Freuden,
Sich mit einen Vorſchmak weiden,
Bis ihm ein verklaͤrter Stand,
Das was himmliſch macht bekannt.


Die
vier Jahrszeiten,
als ein ſinnliches Lehrbild, des Lebens,
Todes, und der Auferſtehung.


[figure]
Jch ſah im vorgen Jahr, als uns die

Sommerzeit,

Mit ihrer ſchwuͤlen Hitz, die

Fruͤchte meiſt gereifet,

Wie ſchon ein groſſes Theil der

bunten Herrligkeit

Jm Reiche der Natur, die Farben

abgeſtreifet.

Die zarten Kinderchen, die man im Gaͤrten ſicht,

Die Blumen Lillien, die Tulpen, Roſen, Nelken

Die hatten kurtze Zeit, in ihrer Pracht gebluͤht,

Und ſchienen falb und blas, mit ihren Schmuk zu welken.

Jch
[11]des Lebens, Todes und der Auferſtehung.
Jch ſah ihr Sterben an, das ſich dem Augen wies

Und dachte, wie kan das zu einem Lehrbild dienen?

Der Garten fuͤhrte mich aufs Ehe Paradies,

Worin die Kinder auch, zur Eltern Freude gruͤnen.

So wie die Bluͤmelein, offt eh mans meint vergehn,

Durch einen Sonnen Stich, in ihrer Bluͤt verderben;

So kan man taͤglich auch, im Eheſtande ſehn;

Die Eitelkeit der Luſt, an vieler Kinder Sterben.

Dies lehrte mich hernach, ein gantz beſamtes Feld,

Das ich vor kurtzen noch im gruͤnen Wuchs erblikket,

Es war die gruͤne Tracht der Halmen ſchon verſtellt,

Die bleiche Todtenfarb daran ſchon abgedruͤcket.

Jch ging einſt wieder hin, da lies ein Schnitter Heer,

Jn der bewegten Fauſt, ſchon ihre Senſen blinken;

Jch ſah die ſchlanke Meug der Halmen mehr und mehr

Bey wiederhohlten Schlag geſtuͤrtzt zu Boden ſinken.

Hier dacht ich bey mir ſelbſt: da faͤllt die ſchlanke

Pracht

Der fetten Akker Frucht mit ihren guͤldnen Aehren;

Ein Schlag, ein Schnitt, ein Zug, hats hier ſchon kahl

gemacht

Dies Sinnbild kan mir auch, der Menſchen Zuſtand

lehren.

Wie viele liefert nicht, des Todes Senſenſchlag,

Ehs Jahr den Kreis umlaͤuft, im Sommer ihrer Jahre

Ja! wen der Mars regiert, woll gar auf einem Tag,

Als unverhofft entſeelt, auf ihre Leichenbahre?

Der Herbſt kam endlich an, mit ſeinem rauhen Nord,

Und lies den kalten Hauch auch auf die Baͤume raſen,

Die Fruͤchte fielen hin, die Blaͤtter muſten fort,

Und wurden von dem Wind, verwelket weggeblaſen.

Ach! fiel mir dabey ein: das iſt ein Sinnenſpiel

Von denen, welche GOTT zum Alter hat erhalten;

Der Staͤrkſte muß davon, es kommt ſein Lebens Ziel

Wen Blut und Lebensgeiſt, in ihm zuletzt erkalten.

Gleicht
[12]Die vier Jahrszeiten, als ein ſinnliches Lehrbild,
Gleicht er ſchon einen Baum, den Wind und Froſt

entlaubt

Und deſſen Gipfel kahl; entbloͤßt vom Schmuck und

Haaren;

So iſt das Zeichen da; es ſoll ſein glattes Haupt,

Das ſich zur Erde neigt, bald in die Grube fahren.

Der Winter folgte nach, im Lauf der Jahres Zeit

Der Garten, Feld und Wald, mit Reif und Schnee

bedeckte

Und gleichſam die Natur, ins weiſſe Todten Kleid,

Da ſie erſtorben war, zu guter letzt, verſteckte.

Die Welt ſah traurig aus; die truͤb und dikke Lufft,

Lies, da die Sonn entfernt, bey ſchwartzen Finſterniſſen

Nachhero auf die Erd, als der Gewaͤchſe Grufft

Ein haͤuffig troͤpfelnd Naß, als ihre Thraͤnen flieſſen.

Da ſeh ich, ſprach mein Hertz, des Todes Liberey

Ein weißes Schlafgewand, darin wird man verhuͤllet,

Jn engen Sarg gelegt, den man mit weichen Heu,

Als der Verweſung Bett, beſtreut und angefuͤllet.

Das iſt der Sterblichen betruͤbter Lebens Schluß,

Wir werden wiederum, dahin wo wir entſproſſen,

Jn unſrer Mutterſchoos, bey Klag und Zaͤhren Guß,

Wen unſer Leib entſeelt, zu guter letzt, verſchloſſen.

Dies ſchroͤklich Jammerbild, das beugte meinen Sinn,

Jch ſah mich ſelbſt daran in die Verweſung ſenken,

Was mich vorher ergoͤtzt, das war auf einmahl hin,

So lies der Winter mir mein Sterblichſeyn, bedenken.

Doch dieſe Trauerzeit, lief entlich auch vorbey,

Der Sonnen warmer Strahl vertrieb den Froſt der

Erden,

Der Schnee ſchmoltz wieder weg, da ſah man alles neu,

Und Baͤume, Gras und Kraut verneut, lebendig wer-

den.

Der Fruͤhling ſtellte uns, das was erſtorben war,

Und
[13]Die aufgelebte Welt im Fruͤhlinge.
Und deren Saamenkorn, ſich hie und da verſtaͤubet,

Aus ſeiner Todtengrufft verjuͤngt und ſchoͤner dar.

O! rief ich dabey aus: Gluͤckſeelig wer da glaͤubet:

Hier ſieht man GOttes Macht, der Blumen Gras

und Kraut,

Jm Reiche der Natur laͤſt wiederum aufgehen,

Mein Aug das dies geruͤhrt verwundernsvoll beſchaut,

Das ſieht daran ein Bild vom kuͤnfftgen Auferſtehen.

Der Fruͤhling lehret mich am juͤngſten Tag der Welt,

Wen unſre Lebens Sonn, der Heiland iſt erſchienen,

So wird mein todter Leib, lebendig dargeſtellt,

Und in verneuter Krafft als unverweslich gruͤnen.


Die
aufgelebte Welt
im Fruͤhlinge.


[figure]
Juͤngſt lag noch die erſtorbne Welt,

Mit Schnee und Eis, als todt, be-

decket:

Nun da die Fruͤhlings Sonn das Feld,

Durch ihre Strahlen abgelecket,

Lebt die Natur von neuen auf,

Jhr Todtenkleid hat ſich verlohren,

Und wird beym naͤhern Sonnenlauf,

Gleichſam mit neuer Krafft gebohren.

Die Erde keimt die Frucht hervor,

Die ſie im Winter eingeſogen,

Und zeigt ſich im verjuͤngten Flor,

Den ſie nun wieder angezogen;

Es
[14]Die aufgelebte Welt
Es gruͤnen, Auen, Feld und Wald

Und wirken eine Sonnenhaube,

Fuͤr dem, was lebt, zum Aufenthalt

Von Blumen, Saaten, friſchen Laube.

Dies merkt der Voͤgel muntres Heer

Und koͤmt mit freudigen Gefieder,

Und fuͤllt die Lufft, zu GOttes Ehr,

Mit neuen Luſtgeſaͤngen wieder:

Ein Theil ſchwingt ſich in warmer Lufft;

Ein anders klammert ſich an Zweigen,

Da eins zum andern ſchwitſchernd rufft,

Die Fruͤhlings Zeit, ſich anzuzeigen.

Das Fusvolk, das im Thierreich lebt,

Kreucht auch aus den verborgnen Hoͤlen,

Und laͤuft, da ſich die Lufft bewegt,

Gleichfals das Erdreich zu beſeelen.

Der laue Froſch erwacht im Teich,

Und quakſt, da andre im Gebuͤſchen,

Ob der empfundnen Luſt zugleich,

Mit heißrer Kehle murmelnd ziſchen.

Die Auen ſind belebt vom Vieh,

Die aus dem Staͤllen losgelaſſen,

Um da mit einer ſuͤſſen Muͤh,

Den jungen Grasklee aufzufaſſen:

Sie finden ihren Tiſch gedekt,

Mit aufgekeimter Nahrungsbluͤthe;

Und werden auch dadurch erwekt,

Zu preiſen ihres Schoͤpfers Guͤte.

Der Schafe bloͤkendes Geſchrey,

Erthoͤnt in aufgegruͤnten Trifften,

Dem der da alles machet neu,

Gleichſam ein Danklied auch zu ſtifften.

Das zarte Lam ſpringt hin und her,

Und rupft die Erd, als wen es wuͤſte,

Daß
[15]im Fruͤhlinge.
Daß wen der Mutter Eyter leer,

Es dieſe Mutter naͤhren muͤſte.

Es friſt mit unverſuchten Trieb,

Und ſchmekt die ſafftig fetten Keimen,

Und ſcheint darob die Mutter Lieb,

Bey dieſer Koſt faſt zu verſaͤumen:

Und wen es ſich den ſatt gegraſ’t,

So legt es ſeine ſanfften Glieder,

Bey ſtiller und vergnuͤgter Raſt,

Jns weiche Blumen Bette nieder.

Der Rinder Trifften ſind da auch,

So bald die Morgenroͤth erwachet,

Und durch der Naͤchte Nebelrauch,

Die ſchimmernd graue Demmrung machet;

Sie koſten ihren friſchen Klee,

Vom Thau beperlt, vom Licht verguͤldet,

Und ſehen ſchmatzend in die Hoͤh,

Zu dem, der darin abgebildet

Dem folgt, ſo bald es heller Tag,

Ein ſchnatternd kreiſchendes Gewimmel

Von Gaͤnſen, auf dem Anger nach,

Und lagert da auch ſein Getuͤmmel,

Jhr Schnab lſucht den friſchen Keim,

So bald ſie nur denſelben ſchmecken,

Pflegt ſich nach dieſen Honigſeim,

Nochmehr Begierd und Hals zu ſtrecken.

Sie werden ſatt bey dieſer Luſt,

Nach langen emſigen Gewuͤhle,

Es reget ſich in ihrer Bruſt

Ein treibend freudiges Gefuͤhle:

Sie dehnen ihrer Fluͤgel Krafft,

Ausbreitent ſich empor zu ſchwingen,

Als wen ſie, dem der alles ſchafft,

Drauf wolten ein Dankopfer bringen.

Dies
[16]Die aufgelebte Welt im Fruͤhlinge
Dies ſieh O! Menſch, mit Andacht an,

Bey dieſen frohen Fruͤhlings Zeiten;

Und laß dein Hertz, das denken kan,

Dadurch zum groſſen Schoͤpfer leiten.

Du ſiehſt hiebey ein ſchoͤnes Bild

Der Schoͤpfung, aus dem oͤden Weſen;

An dem, was aus der Erde quilt.

Kanſt du der Allmacht Wirkung leſen.

Die Welt dein Luſthaus iſt geziert,

Mit gruͤnen durchgebluͤmten Decken,

Das was darin dein Auge ruͤhrt,

Kan dir die ſuͤßſte Luſt erwecken.

Beſchau die blaue Himmels Zinn,

Als deines Luſtshaus bunte Bogen,

Und preiſe den, mit regen Sin,

Der ſie ſo herrlich uͤberzogen.

Die Sonn des Tages guͤldnes Licht,

Der Silbermond, das Heer der Sterne,

Die ruͤhren glaͤntzend dein Geſicht

Mit Wundern aus der Naͤh und Ferne;

Das, was dein Aug entzuͤckend ſieht,

Das zeigt, dem forſchenden Gemuͤthe,

Das ſich um GOttes Preis bemuͤht,

Die klaͤrſten Spiegel ſeiner Guͤte.

Hoͤr an den froben Luſtgeſang

Der lieblich ausgedehnten Kehlen;

Und wie mit wollgeſtimmten Klang,

Die Voͤgel GOttes Ruhm erzaͤhlen:

Vergnuͤgt ſich dein gereitztes Ohr,

An dieſen holden Muſiciren;

So laß auch durch dies Saͤngerchor,

Dein Saitenſpiel des Hertzens ruͤhren.

Es zeigt dir jede Kreatur,

Jn dem verneuten Allmachtsreiche

Des
[17]Die Abwechſelung der Zeit.
Des Schopfers, ſeiner Groͤſſe Spur,

An Gras, an Blumen und Geſtraͤuche:

O! lerne an derſelben Pracht,

Bewundrungs voll recht zu erkennen,

Des Hoͤchſten Guͤt, und weiſe Macht

So biſt du Menſch! ein Menſch zu nennen.


Die
Abwechſelung der Zeit.


Die Erde die zur Winters Zeit,

Mit Eis bedekt mit Schnee beſtreut

Von rauher Kaͤlte gantz erfroren,

Scheint gleichſam wieder neu gebohren;

So bald der Strahl vom Sonnenlicht,

Den Schnee zerlekt, das Eis durchbricht:

Und den erfrornen Schoos der Erden,

Laͤſt wieder fruchtbahr, traͤchtig werden.

Mein GOtt! wie herrlig iſt die Welt,

Da ſich der Fruͤhling eingeſtellt.

Der Landman fuhr vorher mit Schlitten,

Das Holtz in ſein und andre Huͤtten

Zum Unterhalt des Element

Des Feurs, das waͤrmet kocht und brent:

Er briet damit auf ſeinen Heerte,

Was ihn der vorge Herbſt beſcherte.

Dies hat er meiſt als Winterkoſt,

Mit warmer Luſt bey rauhen Froſt

BVer-
[18]Die Viole,
Verzehrt; von Wurtzeln, Kohl und Ruͤben,

Jſt nunmehr wenig uͤbrig blieben.

GOtt! der dem Menſchen Futter ſchafft,

Giebt wiederum den Lande Krafft

Damit der Saame den man ſtreuet,

Jm Gaͤrten Paradies gedeiet.

Ja! ſeiner Vorſicht Wundermacht,

Hat Blumen ſchon hervorgebracht

Jch ſahe juͤngſt die Maienblume,

Und forſchte zu des Hoͤchſten Ruhme,

Warum ſo fruͤh dies Bluͤmelein,

Sich in dem Garten ſtellte ein?

Mir deucht es zeiget dieſe Bluͤte,

Wie zu uns ſpricht des Hoͤchſten Guͤte:

Jhr Kinder! grabet, pflantzet, ſtreut,

Die Erde iſt zum Wuchs bereit,

Zur Probe ſind der Blumen Fruͤchte,

Schon da, vor euren Angeſichte.


Die Viole,
als ein Sinnbild der Demuth.


GOtt! der ein Schoͤpfer der Natur,
Hat mehr als tauſendfache Wege;
Wie er der Tugend reine Spur
Dem Menſchen vor die Augenlege:
Auch in dem allerkleinſten Stuͤkken,
Pflegt er ein Lehrbild abzudruͤkken.

Vom
[19]als ein Sinnbild der Demuth.
Vom Graſe, Baͤumen, Laub und Kraut
Pflegt man dieſelben herzuholen,
Ja alles lehrt, was man beſchaut;
So gar die kleineſten Violen,
Die wir jetzt auf den Erden Flaͤchen,
Zur Staͤrkung des Geruchs abbrechen.

Dies Bluͤmchen, das mit blauer Pracht,
Den gruͤnen Grund der Gaͤrten ſchmuͤcket,
Hat kaum die Anmuthsvolle Tracht,
Daß wir ſie ſehn, hervorgeruͤcket,
Es ſcheint als wen die weichen Spitzen,
Auf abgeſchlagnen Stengeln ſitzen.

Doch ihr Geruch und ſuͤſſer Dufft
Erfuͤllt mit Balſam gleichen Blaſen,
Die Duͤnſte der zertheilten Lufft
Und das Gekroͤſel unſrer Naſen:
Mir deucht an dieſer Blumen Weſen
Kan man die Art der Demuth leſen.

Die Demuth lebt in Niedrigkeit
Und traͤget doch des Himmels Farben,
Als ihrer Seelen Ehrenkleid,
Und haßt die uͤberſchminkten Narben;
Sie iſt zwar niedrig doch erhoͤhet,
Weil ſie bey GOtt in Gnaden ſtehet.

Wer dieſer Tugend anverwand,
Den wird die Hofnung auch begluͤkken
Mit ihren gruͤnen Ordens Band,
Und dran den guͤldnen Denkſpruch ſtikken:
Violen lieſt man von der Erden,
Die Demuth ſoll erhoben werden.

Die
[20]

Die Tulpen.


[figure]
Die verjuͤngten Erden Felder,
Die erfriſchte Krafft der Waͤlder,
Schmuͤcket ſich mit neuer Pracht:
Alles lebet gruͤnt und lacht,
Da des Fruͤhlings Sonne blicket,
Und mit feuerreichen Strahl
Huͤgel, Berge, Land und Thal
Der erfrornen Welt erquicket.

Dieſe gruͤne Augenweide,
Hat der Schoͤpfer uns zur Freude,
Uns zum Nutzen auferbaut:
Wen der Menſch dies recht beſchaut,
Und damit vergleicht ſein Weſen;
So kan er in Gras und Laub,
Daß er herrlich und doch Staub,
Als in einen Spiegel leſen.

Wer nur auf die Tulpe ſiehet,
Die ſich aus den Zwiebeln ziehet,
Und vor andern iſt geſchmuͤkt,
Sieht ſein Bildnis abgedruͤkt;
Jn den Gaͤrten Paradieſen
Sind derſelben allerhand:
Dadurch wird der Vorzugsſtand
Unter Menſchen angewieſen.

Sieh
[21]Die Tulpen.
Sieh der groſſen Purpur Blaͤtter,
Sind gedoppelt, hoͤher, netter,
Als der andern Art gemacht:
Um der Stengel lange Pracht,
Findet man des Graſes Spitzen,
Als Trabanten aufwerts ſtehn:
Hie kan man die Groſſen ſehn,
Die auf hohen Thronen ſitzen.

Andre bluͤhn in gelben Kleide,
Jhre Blaͤtter ſind wie Seide.
Dem das Gold die Farbe ſchenkt:
Wer hiebey auf Menſchen denkt;
Der erkennt das Bild der Reichen,
Die auf dieſer eitlen Welt
Mit dem gelben Nichts, dem Geld,
Jhre Sterblichkeit beſtreichen.

Die im bunten Blaͤttern ſtehen,
Und wie Milch und Blut ausſehen,
Stellen uns mit ihrer Zier
Derer Schoͤnen Bildung fuͤr:
Wen die Tulipan ſo ſpielet,
Reitzt ſie unſer Augen Licht:
Gleichfals macht das Angeſicht,
Daß die Welt nach Schoͤnheit zielet.

Viele ſind auch untermenget,
Roth, gelb, weis, gruͤn durchgeſprenget,
Wie der Blumen bunte Art,
Von Natur die Farben paart:
So iſt auf der Welt das Leben,
Nebſt der Schaͤtze guͤldnen Wuſt,
B 3Auch
[22]Die Tulpen.
Auch der Schoͤnheit Augen Luſt,
Vielen auf einmahl gegeben.

Eine Art iſt noch zu finden,
Die an ihrer Blaͤtter Rinden,
Blas und bleich und traurig ſcheint,
Wer iſt woll dadurch gemeint?
Sind das nicht der Armen Mienen,
Die gantz duͤrfftig ohne Kraft,
Ohne fetten Lebensſafft,
Als verblichne Tulpen gruͤnen?

Schaut man mit entzuͤkten Sinnen,
Wie derſelben Art von innen,
Jn dem hohlen Grund gemacht;
Da ſind alle gleich geacht:
Aus des Stengels langen Spitzen,
Geht ein dicker Stamm heraus,
Wo die Faͤſerchen ſo kraus,
Wie verbundne Hertzen ſitzen.

Mitten um des Hertzens Kraͤuſe,
Zeigt die Tulpe im Gehaͤuſe
Theilgen die recht ſchwaͤrtzlich blau,
Unten weislich, oben grau:
Mir deucht, daß dies taube Keimen,
Die wie todte Saamen ſeyn;
Dieſes kan man allgemein,
Auch auf jeden Menſchen reimen.

Reich und Arme, Hohe, Schoͤne,
Stammen als des Adams Soͤhne,
Alle von der Eva ab;
Alle muͤſſen in das Grab:
Und
[23]Die Herrlichkeit und Vergaͤnglichkeit der Blumen.
Und der Menſchen wallend Leben,
Das im Blut und Hertzen ſtekt,
Jſt doch ſtets mit Staub bedekt,
Mit der Sterblichkeit umgeben.

Alle ſind zum Todt geboren,
Dennoch dencken dieſe Tohren,
Die da reich, hoch, ſchoͤn ausſehn:
Jhre Pracht kann nicht vergehn.
Menſchen! ſeht auf eure Ahnen,
Sind ſie noch von alter Zeit?
Nein! ſo lernt die Sterbligkeit,
An den eitlen Tulipanen.


Die
Herrlichkeit und Vergaͤnglichkeit
der Blumen.


Matth. VI. 29. 30.
Jch ſage euch, daß auch Salomo in aller
ſeiner Herrligkeit nicht bekleidet geweſen
iſt, als derſelben eins. So denn GOtt
das Gras auf den Felde alſo kleidet, das
doch heute ſtehet, und morgen in den
Ofen geworfen wird, ſolte er das nicht
vielmehr euch thun?


Theander ging einſt hin zum Herrn

von Gartenlieb,

Traf ihn im Garten an, wo er auch

bey ihm blieb;

Wo ſie mit gleicher Luſt an Blumen

ſich ergoͤtzten,

B 4
[24]Die Herrligkeit und Vergaͤnglichkeit
Und ihrer Arten Pracht, nach ihrer Meinung ſchaͤtzten.

Die bunt vermiſchte Meng, der Farben mannigfalt,

Verdoppelte das Schoͤn von jeglicher Geſtalt,

Weil ſich die Miſchungen ſo unterſchiedner Arten,

Nach ihrer Augenſchein, recht woll zuſammen paar-

ten.

Die Beeten waren roth, gruͤn, gelb und weis ver-

mahlt

Nachdem der Sonnenſchein, der auf die Flaͤche

ſtrahlt,

Und Licht und Farbe giebt, durch die gebrochnen Blicke,

Sich von der Blaͤtter Rand ins Auge warf zuruͤcke;

Wie wunderbahr ſcheint das, wie lieblich und wie

ſchoͤn

Sprach Herr von Gartenlieb, ſo viele Farben ſehn

Die ein bemerkend Aug bald hie bald dahin lenken,

Und durch Verwunderung in die Entzuͤkkung ſenken.

Jch habe dieſes offt, Theander ſchon bedacht,

Woher entſtehet das, das ſolche Farben macht?

Jch habe ſonſt gemeint, daß in der Blumen Saffte,

Die Farbe eigentlich, wie ihre Nahrung haffte

Juͤngſt aber loͤſete ich eine gaͤntzlich auf,

Durchforſchte auch mit Fleis derſelben Roͤhr und

Knauf,

Das Keimchen war noch weis, des Stengels Feuch-

tigkeiten,

Die durch die Wurtzeln ſich, bis zu der Spitze leiten,

Die waren faſt wie Milch, mit Waſſer untermiſcht,

Als ich ſie ausgepreſt und auf die Hand gewiſcht,

Es fand ſich ſichtbahrlich nichts von dergleichen Far-

ben,

Die Blumen gleicher Art in kurtzer Zeit erwarben.

Theander fing drauf an und zeigte wie das Licht,

Auf dunkle Flaͤchen faͤllt und an denſelben bricht.

Und
[25]der Blumen.
Und in dem Augen ſich mit ſolchen Farben ſtellet,

Nachdem der Koͤrper iſt davon es ruͤckwerts prellet.

So unbegreiflich dies, zuerſt den Sinnen ſcheint;

So ſchwerlich wird es doch durch die Vernunft ver-

neint:

Weil die Erfahrung ſelbſt ſich eine Zeugin nennet,

Daß wen kein Licht mehr ſcheint, man keine Farben

kennet.

Es iſt doch wundervoll, daß jedes Blumen Blat,

Nach unſren Augenſchein auch ſolche Farben hat,

Als deſſen Staͤubgen ſind auf denen Oberflaͤchen,

Denn darnach pfleget ſich der Sonnenſtrahl zu brechen:

Und waͤre keine Sonn, ſo waͤr nichts durchgeflammt,

Weil davon uͤberall der Farben Schoͤnheit ſtammt,

Die unſre Augen reitzt ſo bald wir nur ihr Spielen,

Und deſſen Lieblichkeit in dem Gemuͤthe fuͤhlen.

Die Urquell aber iſt der Vater alles Lichts,

Ohn deſſen Gnadenſchein waͤr Sonn und Farbe nichts

Der macht die Kreatur mit ihren Bildungszuͤgen,

Daß wir an ihren Schein, ſo Aug als Hertz ver-

gnuͤgen.

So fuhr Theander fort, kan uns der Sonnenſchein,

Mit ſolcher Farben Glantz auf dieſer Welt erfreun,

Was wird man nicht vergnuͤgt, in jenen ſeelgen

Auen

Da GOtt ſelbſt Sonne iſt, vor ſchoͤne Wunder

ſchauen.

Ja! ſprach von Gartenlieb, der Blumen Herrlig-

keit,

Die uns des Schoͤpfers Gunſt zur Fruͤhlings Luſt

anbeut,

Ergoͤtzt mein Auge ſtets; und koͤmt das von der

Sonne,

So bin ich faſt entzuͤkt, ob deren guͤldne Wonne!

B 5Was
[26]Die Herrligkeit und Vergaͤnglichkeit
Was wirkt doch die Natur, wovor die Kunſt er-

bleicht,

Kein Mahler hat jemahls der Blumen Schmuk er-

reicht.

Kein Koͤnig kann ſich ſo, naͤhm er gleich Samt und

Seiden,

Bey ſeiner Herrligkeit, wie GOtt die Blumen klei-

den.

Die africanſche Blum, iſt wie der Purpur ſchoͤn;

Und vor der Liljen Schmuk, kan kein Attlas beſtehn:

Der allerſchoͤnſte Samt, muß vor den Tulven weichen,

Mit ihren Kunſtgeweb iſt kein Geſpinſt zu gleichen;

Kein ausgebraͤmtes Kleid, das Gold und Perlen

ſchmuͤkt

Mit Seiden durchgewirkt, mit Silber ausgeſtikt,

Komt gegen eine Blum, vom Morgenſchein verguͤldet,

Worauf der naſſe Thau, die reinſten Perlen bildet!

Drum was nur koſtbar heiſt, von Schoͤnheit, Glantz

und Zier,

Das komt faſt aufeinmahl an einer Blume fuͤr,

Denn auf der Kreatur die Feld und Garten heget,

Jſt uns der ſchoͤnſte Schmuk gleichſam zum Schau

geleget.

Doch das iſt jammervoll, daß dieſe bunte Pracht,

Jndem ſie uns anheut, im beſten Flor anlacht,

Schon Morgen wiederum zu unſren Schmertz und

Leiden,

Muß bleich und welk verſtaͤubt und ſterbend von uns

ſcheiden.

Ach! warum hat doch woll, des groſſen Schoͤpfers

Hand,

Solch ungemeine Kunſt, auf kurtze Daur verwand;

Jſts nicht bedaurens werth, daß man ſo ſchoͤne Gaben,

Zu unſrer Augenluſt nicht kan viel laͤnger haben?

Thean-
[27]der Blumen.
Theander fing drauf an: So ſpricht die Menſchligkeit,

Die das nicht gern verliert, woruͤber ſie ſich freut:

GOtt hat hier Herrligkeit und Nichtigſeyn verbunden,

Was heute uns entzuͤckt, iſt Morgen ſchon verſchwun-

den.

Mir deucht des Schoͤpfers Rath, der allmahl weiſe

heiſt,

Hat wen er unſern Sin, mit ſolchen Luͤſten ſpeiſt,

Uns dadurch klar gelehrt, wie irdiſches Vergnuͤgen,

Gar leicht durch ihren Schein, koͤnn unſer Hertz be-

ſiegen.

Er giebt was uns vergnuͤgt, dem Sinnen wohl gefaͤllt,

Er zeigt uns ſeine Guͤt, an Dingen dieſer Welt:

Doch daß wir nicht zu ſehr, ins Eitle uns verlieben,

Laͤſt er der Blumen Schmuk, bald wiederum verſtieben.

Jhr bluͤhen rufft uns zu: O! Menſchen ſeht hier an,

Was an uns die Natur, zu euter Luſt gethan,

Doch weil ihr euch zu ſehr, an uns vergaf-

fen koͤnnet,

Mehr gegen das Geſchoͤpf; als ihren Schoͤp-
fer brenent;

So muͤſſen wir ſo bald, uns eurem Blik ent-
ziehn,

Mit unſrer Horrligkeit, von euren Schauplatz
fliehn.

Damit ihr, wenn der Sin durch unſern
Glantz erquikket,

Jhr eur Gemuͤthe auch, zum Schoͤpfer ſelbſt
entzuͤkker.


Ernſt
[28]

Ernſt und Guͤte GOttes
im Donner.


[figure]
Wenn des Donners grauſer Knall
Jn dem ſchwuͤlen Luͤfften krachet;
Schlag auf Schlag zum Wiederhall
Bruͤllender Getoͤſſe machet:
Wenn der Blitzen ſtrenger Dufft
Von der Morgenſeite brennet,
Siedend drauf nach Abend rennet;
So erſchuͤttert Berg und Klufft:
Baum und Straͤuche, Wald und Feld,
Scheint, als wuͤrde es zerſchellt.

Mitten unter dieſen Zorn,
Wenn des Himmels Veſten pochen,
Wird ein wolkenreicher Born
Jn getrennter Lufft zerbrochen:
Und das aufgezogne Naß,
Muß in einen ſanfften Regen,
Sich auf duͤrre Felder legen,
Daß das anfgekeimmte Gras
Und der Saaten duͤnne Flor,
Wachs aus ihren Schoos hervor.

Dies o Menſchen! lehrt den Schlus,
Daß GOtt zwiſchen Zorn und Grimme,
Bey des Eifers Schwefelgus
Doch mit ſeiner Gnaden Stimme,
Ein erſchrocknes Hertz erfreut:
Daß wenn uns ſein Blitzen ſchrecket,
Er uns doch mit Fluͤgeln decket,
Und zu unſern Beſten dreut.
Glaubt ihr! dieſen wahren Grund,
So macht GOttes Guͤte kund.


Die
[29]

Die Groͤſſe GOttes
im Kleinen.


Die Unempfindlichkeit der menſchlichen

Natur,

Sieht in dem Allmachtsreich des

Schoͤpfers keine Spur,

Von ſeiner hohen Groͤß, als nur

in groſſen Dingen,

Die durch erhabnen Glantz, uns zur Verwundrung

zwingen.

Der Sonnen guͤldnes Rad, das an dem Firmament,

Bey ſtets geweltzten Lauf, durch ſeine Kreiſe rennt

Kan unſer Hertz noch woll, durch Reitzungvolles

Blikken

Das in die Augen ſtrahlt, auf kurtze Zeit entzuͤkken.

Der Farben Mannigfalt, ſo jenen Lufftkreis mahlt,

Und durch den blauen Grund erhellter Wolken ſtrahlt,

Reitzt noch woll das Geſicht, die bunten Himmels-

auen,

Beym frohen Morgenroth, vergnuͤget anzuſchauen.

Was auf der Unterwelt, der Menſchen Hertze ruͤhrt,

Muß durch das Auſſenwerk und Groͤſſe ſeyn geziert:

Jm weiten Pflantzenreich, wo Wald, Feld, Gaͤr-

ten gruͤnen

Pflegt was erhaben, ſchoͤn, uns nur zur Luſt zu

dienen.

Die Ceder Libanons, die mit der ſchlanken Pracht,

Bis in die Wolken ſteigt, wird noch woll hochgeacht;

Und
[30]Die Groͤſſe GOttes
Und als ein Meiſterſtuͤck des Schoͤpfers auch geprie-

ſen,

Wer blickt die Kraͤuter an, die in dem gruͤnen Wie-

ſen

Aus zarten Keimen gehn? Wer iſt woll recht bemuͤht,

Den Jſop anzuſehn, der nur an Waͤnden bluͤht?

Und doch des Schoͤpfers Macht, zu ſeinen Preis

erhebet;

Ob er in Niedrigkeit, gleich an der Erde klebet.

Jm Thierreich iſt uns Nichts, was wir bewundern

ſchoͤn,

Als eine Kreatur, die wir gar ſelten ſehn;

Als ein ſolch Ungeheur, fuͤr deſſen Gang die Wellen,

Wenn es im Waſſer wohnt, wie hohe Berge ſchwellen:

Als ſolch ein Wunderthier, das auf dem Troknen

lebt,

Und ſeiner Glieder Bau, vor andern hoch erhebt;

Das wie ein Elephant ſich mit dem Ruͤſſel bruͤſtet

Und gleich wie ein Cameel mit Thuͤrmen ausgeruͤſtet.

Ein Thiergen das da nur in faulen Suͤmpfen kreucht,

Und ein gefiedertes, das faſt unſichtbahr fleucht,

Wird von dem wenigſten, fuͤr ſonderbar geachtet

Und noch viel weniger zu GOttes Ruhm betrachtet.

Wie aber iſt den GOtt nur in den groſſen Gros,

Schafft er die Baͤume nur, nicht auch das zarte Moos?

Hat ſeine Macht ſich nur im Adler abgeſpiegelt

Und nicht wenn er durch Kunſt, ein Muͤkken Heer

befluͤgelt?

Des Schoͤpfers Kreatur, iſt ſie gleich noch ſo klein,

Kan doch ein groſſes Bild von ſeiner Allmacht ſeyn.

Je kleiner ein Geſchoͤpf; je zarter ein Geſpinſte,

Je groͤſſer iſt das Werk, wens voll verborgner Kuͤnſte.

Des Meiſters Wiſſenſchafft verdient ein Augenmerk,

Der eine Uhr gemacht von zarten Raͤderwerk;

Und
[31]im Kleinen.
Und pfleget ſich die Kunſt an ſolchen kleinen Stuͤkken,

Wenn ſie doch richtig gehn, nicht ſchoͤner abzudruͤkken

Als an der groͤbern Art? des Schoͤpfers weiſe Macht

Hat auch im kleineſten, das ſie hervorgebracht,

So viele Wunder uns, darin zum Schau geleget,

Als woll das Groͤßre kaum, in ſeinen Umfang heget:

Auch in dem kleineſten ſtellt er die Pracht und Zier

Darob der Menſch erſtaunt, am vollenkomſten fuͤr

Und wenn wir es nur recht, mit unſern Sin bemerken

Wird die Empfindung ſelbſt, uns dieſen Satz beſtaͤrken.

Man ſeh nur durch ein Glas, das kleines groͤſſer

macht,

Die ſchlechte Muͤcke an. Mein GOtt! welch Glantz

und Pracht

Sieht das geruͤhrte Aug, aus deren Kopfe blitzen,

Als wenn daran Rubin und Diamanten ſitzen.

Die Fluͤgel die man ſonſt, vor ſchlecht Gewebe haͤlt

Entdekken unſern Aug, ein groſſes Wunderfeld

Darob der Sinn erſtarrt, und das Gemuͤth entzuͤkket,

Wenn man die Schoͤnheit ſieht, die GOtt darin

geſtikket.

Man nehme abermahl, das kleinſte Wuͤrmelein,

Und leg es in ein Glas, das es vergroͤſſert ein;

Was unſer Auge kaum, als wie ein Staͤubgen ſpuͤret,

Das iſt mit Kopf und Bein und Gliedern ausgezieret

Es lebt in ſeinen Blut, wer haͤtte das gedacht?

Wie! zeugt das kleinſte Thier, nicht von der groͤſten

Macht?

Die Muskeln, Fleiſch und Haut, ſo kuͤnſtlich kan

verbinden

Mit tauſend Theilen mehr, wo wir nur Staͤubgen

finden

O! unbegreiflicher, erhabner Zebaoth

Wir ſehen uͤberall, daß du ein groſſer GOtt

Drum
[32]Eine natuͤrliche und geiſtliche Betrachtung des Tod.
Drum oͤfne unſer Aug und laß uns ſters er-

ſcheinen

Die Groͤſſe deiner Macht, im Groſſen und
im Kleinen.


Eine natuͤrliche und geiſtliche
Betrachtung des Todes
bey dem Anblik eines Sterbenden.


Todes Thal du Schreckens Hoͤle!
Zieh ich deinen Vorhang weg,
So verwirret meine Seele
Deines Eingangs banges Steg:
Deiner Schwellen finſtre Klufft,
Zeiget mir die Aſchen Grufft
Und die ſchweren Leichen Steine,
Als die Foltern meiner Beine.

Bitter iſt das Angedenken,
Wenn ich meiner Glieder Bau,
Seh in enge Bretter ſchrenken
Wenn ich mich im Geiſt beſchau
Als ein ausgedortes Gras
Steif, erfroren, bleich und blaß
Als ein Bild das jeden ſchrekket
Der mein Schaugeruͤſt aufdekket.

Schmertzhafft ſcheints wenn man erweget,
Wenn ſich Leib und Seele trent,
Wie
[33]bey dem Anblik eines Sterbenden.
Wie das Hertz aus Ohnmacht ſchlaͤget,
Und das Blut bald ſtarrt, bald rennt;
Wie die Bruſt mit Roͤcheln keicht,
Wie die Zung bald lallt bald ſchweigt;
Wie die Augen ſich verdrehen,
Und als ſehend, nicht mehr ſehen.

Elend iſts wenn Tuch und Kittel,
Uns die Reiſe Kleider ſchenkt;
Wenn die Spaͤne Muͤntz und Mittel
Womit man uns noch bedenkt:
Damit muͤſſen wir ſogleich
Jn das unterirdſche Reich,
Und was ſpeiſen wir vor Gaͤſte
Von dem ſchlechten Ueberreſte?

Molche, Nattern, Schnaken, Schlangen
Wuͤrme, Maden mancher Art,
Sieht man an den Koͤrpern hangen
Die der Erden Schooß verwahrt:
Dieſe zern die Glieder loß,
Jene freſſen ſie denn blos,
Bis ſich der Gewimmel Zaͤhne,
Selbſten wagt an Brett und Spaͤne.

Schrecklich wie viel tauſend Baͤuche,
Schlingen Haut, Fleiſch, Nerven ein,
Und recht ſcheußlich ſind die Schlaͤuche
Darin ſie verſchlungen ſeyn:
Garſtig werden ſie zerkaͤut,
Stinkend wieder ausgeſtreut,
Bis zuletzt nach langen Raube,
Kopf und Bein noch wird zu Staube.

Erſter Theil. CAch!
[34]Eine natuͤrliche und geiſtl. Betracht. des Todes
Ach! dies macht das Schickſahl bitter,
Wenn man ſo von fern erblickt
Durch der Sterbgewoͤlbe Gitter,
Wie ein Menſche wird zerſtuͤckt:
Donner, Blitz, ja Krachen, Knall
Pulver, Bley und Schwefel Schwall
Kan gewiß kein groͤſſres Schrekken,
Als des Todes Nahm erwekken.

Doch wenn man dabei anſiehet,
Wie der Geiſt unſterblich iſt,
Und das wiederum anziehet
Was vorher der Moder friſt;
So wird ſolche Kuͤmmerniß,
Die wie Galle Zucker ſuͤß:
Und ſo ſcheinet das Verzehren,
Uns im Glauben ein Verklaͤren.

Samen muͤſſen erſt erſterben
Eh der neue Keimen bluͤht;
Und dies heiſt ja kein Verderben
Wenn er Krafft zum Wachsthum zieht?
Alſo wenn mans recht beſchaut
Wird man dadurch neu gebaut:
Drum kan ich was beſſres haben
Laß ich gerne mich begraben.


Die Spiegelblume.


Bei der hellen Mittags Zeit, lief ich heute

in den Garten,

Weil ich muſte auf dem Tiſch, der noch

nicht gantz fertig warten:

Da
[35]Die Spiegelblume.
Da fand ich ein kleines Bluͤmgen niedrig an der Er-

de ſtehn

Deſſen Blaͤttergen von Farbe, gelb wie glaͤntzend

Wachs ausſehn,

Jch bewunderte den Schein der ſchichtweis gepaß-

ten Blaͤtter

Die jemehr ſie aufwerts gehn, immer gelber und

auch glaͤtter,

Als wenn ſie mit Fuͤrnis waͤren, allenthalben uͤber-

ſchmiert

Oder doch mit gelben Wachſe uͤberſtrichen und poliert.

Wie mir deucht, ſo war es Safft, der oft aus den

Blaͤttern ſchwizzet,

Oder wie ein Honigthau, auf der aͤuſern Flaͤche

ſizzet,

Jch frug einen Blumen Kenner, wie man dieſes

guͤldne Vlies,

Das recht kuͤnſtlich iſt gewirket, mit dem rechten

Nahmen hies

Er ſprach: eine Spiegelblum, wegen ihrer hellen

Glaͤtte

Da bei jedem Blat es ſcheint, ob man kleine Spie-

gel haͤtte.

Als ich dieſe zarten Spiegel naͤher vor die Augen

nahm,

So ſchien es, als wenn der Schoͤpfer mir recht ins

Geſichte kam,

Der in dieſer kleinen Blum, von der Sonnenſtrahl

verguͤldet

Als der Vater alles Lichts, wie im Spiegel abge-

bildet.

Jch erkannte ſeine Groͤſſe, die der Kreaturen Pracht,

Uns zu Spiegeln ſeiner Guͤte, ſeiner Weisheit, ſei-

ner Macht

C 2Zur
[36]Die Spiegelblume.
Zur Bewundrung vorgelegt; daß wir ſein unſicht-

bahr Weſen

Seine groſſe Herrlichkeit, koͤnten an Geſchoͤpfen

leſen.

Dabei hatt ich die Gedanken: Siehe dies O!

Menſchen Kind,

Und bleib nicht, wie du geweſen, noch mit
ofnen Augen blind

Sondern brauche das Geſchoͤpf, das dem
Grund der Erde ſchmuͤkker

Dran ein forſchendes Gemuͤth ſeines Schoͤp-
fers Glantz erblikket.

Laß die helle Spiegelblume, die der war-
me Sonnenſchein

Wie ein gluͤhend Gold erwaͤrmet, deiner
Andacht Brenn Glas ſein.

Jſt dein Hertz in Glut entflammt, ſo laß
deine Zung entglimmen

Dieſem Schoͤpfer der Natur, auch dies
Danklied anzuſtimmen.

Groſſer GOtt! zu deinem Ruhme,

Treibt mich an die Spiegelblume,

Die in guͤldnen Schimmer bluͤht,

Da mein Auge, mein Gemuͤthe,

Jn dem Spiegeln deiner Guͤte,

Deiner Gottheit Wunder ſieht.

Du haſt dieſe Blum gebildet,

Jhre Blaͤtter uͤberguͤldet

Durch den Finger deiner Macht:

Groſſer Schoͤpfer! ſei geprieſen,

Daß du Felder, Gaͤrten, Wieſen,

So geſchmuͤkt herfuͤr gebracht.

Laß
[37]Das Buch der Natur.
Laß mich ferner bei den Gaben,

Die die aͤuſren Sinne laben,

Auf dich als dem Geber ſehn:

Laß mich wenn die Leibes Augen,

Anmuth aus dem Blumen ſaugen,

Deinen Ruhm im Geiſt erhoͤhn.


Das Buch der Ratur.


[figure]
Des Schoͤpfers weiſe Allmachts Hand
Und ſeine Wunder volle Guͤte.
Wird dem betrachtenden Gemuͤthe,
Aus jedem Dinge gnug bekant:
Wenn nur des bloͤden Geiſtes Augen,
Das groſſe Buch zu leſen taugen,
Darin ſich GOtt auf jeden Blat,
Mit ſeiner Groͤß beſchrieben hat.

Dies Buch das iſt die gantze Welt,
Beſteht aus zwo recht groſſen Theilen;
Der Himmel voller guͤldnen Zeilen;
Die Erde, was die in ſich haͤlt
Jn ihren unterſchiednen Reichen,
Jſt mit Capiteln zu vergleichen
Darin die Schrift theils bluͤht, theils lebt,
Und ihres Schoͤpfers Ruhm erhebt.

Welch hell und wunderſchoͤn Papier,
Sind nicht die blauen Himmelsbogen,
Mit Silberfarbe uͤberzogen
Und durchgeſtikt mit guͤldner Zier?
C 3Die
[38]Das Buch der Natur.
Die Sonn und Sternen ſind die Lettern
Auf blaulicht weiſſen Attlas Blaͤttern,
Und ſind ſo kuͤnſtlich ausgemahlt
Daß GOttes Groͤß aus ſolchen ſtrahlt.

O! welche wundervolle Schrift
Ein Buchſtab hat woll tauſend Meilen,
Wie gros iſt denn die Laͤng der Zeilen
Die Millionen uͤbertrift?
Wer hie wird Tag und Nacht ſtudieren,
Und durch ein Fernglas buchſtabiren
Der lieſt im Sternen A B C
Wie unermeßlich GOttes Hoͤh.

Du klagſt o! Menſch die Bilderſchrift,
Des Himmels, kan ich nicht verſtehen,
Noch was man in dem tieffen Hoͤhen
Vor wundervolle Lehr antrift:
Das liegt an Dir, wilt du nur leſen,
Die Bilder von des Hoͤchſten Weſen;
Es ſteht geſchrieben hie und da,
Der uns gemacht heiſt Jehovah.

Das lehret auch die Unterwelt,
Der andre Theil von dieſem Buche,
Denn wenn ich allenthalben ſuche
Was es vor Lehren in ſich haͤlt;
So deucht mir, ich ſeh ſolche Zeichen,
Jn der Natur geſetzten Reichen,
Woraus ein andachtsvoll Gemuͤth
Lieſt GOttes Allmacht, Weisheit, Guͤt.

Wie hat ſich nicht des Hoͤchſten Ehr,
Jm Waſſerreiche abgeſpiegelt?
Wer
[39]Das Buch der Natur.
Wer iſts der Meer und Fluth verriegelt?
Wer laͤſt der Fiſche ſchuppigt Heer
Jn ſchnellen Fluͤſſen, ſtillen Seen,
Bei tauſenden in Trifften gehen?
Jſt es nicht GOtt und ſeine Macht,
Die auch die Fluth herfuͤr gebracht?

Man ſeh das ausgeſpannte Feld,
Des Pflantzen reiches gruͤne Seiten,
Was mag die Blumen Schrifft bedeuten
Die ſich uns ins Geſichte ſtellt?
Jſt nicht an Tannen, Fichten, Eichen
Am hoch und niedrigen Geſtraͤuchen
Zu leſen, daß der Zebaoth
Auch ſei ein wundervoller GOtt?

Und wirfft man auf ein Akkerſtuͤk,
Das, wens in gruͤner Hofnung bluͤhet,
Wie ein beſchriebnes Blat ausſiehet,
Mit Aufmerkung den Andachts Blik:
So kan man aus den langen Halmen
Die Lettern ſind; recht ſchoͤne Pſalmen,
Bei buchſtabierenden Bemuͤhn,
Zu GOttes Ruhm zuſammen ziehn.

So iſt uns jede Kreatur,
Ein Lautbuchſtab zu GOttes Ehren,
Da all uns ſeine Groͤſſe lehren
Jn dieſem Buche der Natur:
Nun denke Menſch! wie viele Blaͤtter,
Sind nicht darin, und eine Letter,
Schlieſt ſo viel Warheits Lehren ein,
Wie herrlich muß das Buch nicht ſeyn?

C 4Und
[40]Das Buch der Offenbahrung
Und wem gehoͤrt es? Mir und dir
Und allen die der Seelen Gaben,
Verſtand und Wolln empfangen haben,
Dem legt es dieſe Warheit fuͤr:
Ein jeder Menſch ſoll hierin leſen,
Um zu erkennen GOttes Weſen,
Wer dieſes laͤſt voruͤber gehn,
Der iſt nicht werth dies Buch zu ſehn.


Das
Buch der Offenbahrung
Die
Heilige Schrifft


Pſ. CXIX. 105.
Dein Wort iſt meines Fuſſes Leuchte und
ein Licht auf meinen Wegen.


[figure]
Lebensbuch verdorbner Seelen,
Licht fuͤr dem verirrten Sinn!
Deine Schoͤnheit zu erzaͤhlen,
Aller Blinden Fuͤhrerin,
Deine Goͤttlichkeit zu ſehen
Will ich mir jetzt unterſtehen,
Weil mein Hertz voll Ehrfurcht brennt,
Da es deine Kraft erkennt!

Alle
[41]die Heilige Schrifft.
Alle Buͤcher dieſer Erden,
Die der Menſchen Witz gemacht,
Und die noch erſonnen werden,
Sind bei dir, wie nichts geacht;
Wenn man dich nicht koͤnte leſen,
Kennte man nicht GOttes Weſen
Weil uns die Natur verſchweigt,
Was die Offenbahrung zeigt.

Die Vernunft kan nicht recht lehren,
Was GOtt iſt, und was wir ſind,
Wie wir ſollen zu ihm kehren,
Da wir ſo verſtokt und blind:
Darum hat uns GOtt gegeben,
Licht und Anweiſung zum Leben
Weil man auf der Jrrebahn,
Selbſt den Weg nicht finden kan.

Alle Maͤnner die geſchrieben,
Was auf dieſen Blaͤttern ſteht,
Sind von GOttes Geiſt getrieben;
Was aus ihren Munde geht,
Hat die Warheit ſelbſt beſiegelt,
Und mit ſolchen Schutz verriegelt,
Daß kein Tuͤttel noch verletzt,
Der durch ſie iſt aufgeſetzt.

Wahr ſind alle die Geſchichte,
Welche Moſes treue Hand,
Nach dem goͤttlichen Berichte,
Machet ſeinen Bolk bekant:
Was er von den Schoͤpfungs Werken,
Muß geoffenbahrt bemerken,
C 5Zeigt
[42]Das Buch der Offenbahrung
Zeigt in ſeiner Woͤrter Pracht,
Eines groſſen Schoͤpfers Macht.

Seine wundervolle Zeichen
Machen ihn zum GOttes Mann;
Alles muß dem Volke weichen,
Wo er geht als Haupt voran:
Und vor ſeinen Stab und Plagen,
Muß ein ſtolzer Koͤnig zagen:
Meer und Fluth theilt ſeine Spur,
Vor ihm, wieder die Natur.

Das iſt GOttes Allmachts Finger,
Der durch ihn Egypten ſchrekt;
Und der ſiegende Bezwinger,
Hat uns die Geſchicht entdekt:
Fuͤhret er nun GOttes Heere,
So hat er auch GOttes Lehre;
Als ein wahrer GOttes Knecht,
Schreibt er goͤttlich Licht und Recht.

Eben ſolche Warheits Proben
Sind in alten Teſtament,
Durch Propheten aufgehoben,
Die man GOttes Boten nennt:
Kuͤnfftige Begebenheiten,
Gluͤck und Ungluͤck, Fried und Streiten,
Wird durch dieſer Lehrer Mund,
Lange Jahr vorhero kund.

Kan ein Sterblicher das wiſſen,
Was des Hoͤchſten Rath beſchlieſt?
Er hats offenbahren muͤſſen,
Was man davon ſchrifftlich lieſt:
Denn
[43]die Heilige Schrifft.
Denn die alten Weiſſagungen,
Die ſehr fremd den Ohren klungen,
Gehen zur Erfuͤllung ein,
Solten die nicht goͤttlich ſein?

Dies im Beiſpiel zu bezeugen,
Seh man auf das Heil der Welt
Vor dem wir die Knie beugen,
Wie wird er da fuͤrgeſtellt?
Als ein Koͤnig der geringe,
Als ein Held der Wunder-Dinge
Jn der Juden Lande thut,
Als ein Sieger der voll Blut.

Als ein Heiland deſſen Ruͤkken,
Von gepeitſchten Narben prangt,
Der mit Naͤgeln und mit Strikken
Am verfluchten Holtze hangt:
Der da ſtirbt und wieder lebet,
Und ſich in den Himmel hebet,
Als des Allerhoͤchſten Sohn,
Zu der Gottheit lichten Thron.

Dieſe Weiſſagung im Schilde
Die dem Heiland abgemahlt;
Jſt ſo aͤhnlich JEſus Bilde,
Daß daraus was Goͤttlichs ſtrahlt:
Wenn dies Sinn und Geiſt erwegen,
Muß ſich aller Zweifel legen,
Ja! das Hertze wird geruͤhrt,
Wenn es dieſe Warheit ſpuͤrt.

Auch auf ſolchen feſten Grunde,
Als der Warheit Firmament,
Steht
[44]Das Buch der Offenbahrung
Steht die Schrifft im neuen Bunde,
Die, wie eine Leuchte brennt:
Taube, Stumme, Lahme, Blinde
Hoͤren, ſprechen, gehn geſchwinde
Und erblikken Tag und Licht,
Wenn ein Bote CHriſti ſpricht.

Ja! ſo gar die blinden Fechter,
Das beſchnittne Judenthum,
Heiden, Tuͤrken, Gottsveraͤchter,
Die das Evangelium
Mit erboßten Sinn beſtuͤrmen,
Muͤſſen es dadurch beſchirmen,
Daß durch ihre Raſerei,
Dies Buch nicht vertilget ſei.

Tretet auf ihr ſtarken Geiſter
Die ihr eure Spoͤtter Zunfft,
Macht zu kluge Obermeiſter
Einer ſpizzigen Vernunft;
Richtet ob die heilgen Lehren,
Euch nicht den Verſtand vermehren;
Ob euch nicht die Schrifft gezeigt,
Was nicht die Vernunft erreicht?

Was zum Glauben vorgeleget,
Ueberſteigt offt den Verſtand;
Doch wenn man dabei erweget,
Ob uns ſonſt nicht unbekant?
Wie gar enge ſonſt die Schranken
Aller menſchlichen Gedanken,
O! ſo ſpuͤr ich GOttes Geiſt
Der verborgnes klar aufſchleuſt.

Und
[45]die Heilige Schrifft.
Und die Regeln frommer Sitten
Sind recht weiſe, nuͤtzlich, klar,
Boͤſes wird dadurch beſtritten,
Sie verriegeln die Gefahr
Welche Suͤnd und Laſter dreuen,
Daß wir uns vor ſolche ſcheuen,
Und eroͤfnen uns die Bahn,
Da man gluͤcklich wandeln kan.

Dies erkennen ſelbſt die Augen,
Die blos die Natur verklaͤrt;
Weil ſie das zu ſehen taugen,
Womit JEſus uns beſchwert
Sei ein Joch das reitzend ſchoͤne,
Und zuletzt den Kampf bekroͤne,
Welches Weiſen Sittenſchrifft
Jſt die dieſe uͤbertrifft?

Komt das alſo nur vom Himmel,
Daran man nur himmliſch ſpuͤrt,
Das uns von dem Erdgewimmel
Zu vollkomnen Geiſtern fuͤhrt;
Jſt das goͤttlich das uns lehret
Und zum Thun die Krafft beſcheret?
O! ſo hat auch JEſus Lehr,
Von GOtt ihren Urſprung her.

Wie ein Blitz mit ſeinen Strahle
Schmelzend durch das Eiſen fliegt,
Wie ſein Feur die haͤrtſte Schale
Eines feſten Baums beſiegt;
Wie ein Schwerdt, das doppelt ſtreichet,
Weder Mark noch Beinen weichet:
Alſo
[46]Das Buch der Offenbahrung
Alſo dringt dies GOttes Wort,
Auch durch jeden harten Ort.

Wie viel Seelen ſind gebeſſert
Wenn ſie ſeine Kraft gefuͤhlt;
Wie iſt Chriſti Reich vergroͤſſert
Da wo man vorher gewuͤhlt
Jn den tiefſten Laſterpfuͤtzen?
Solte denn das Wort nicht nuͤtzen,
Das ſo bald ins Hertze dringt,
Und die ſchoͤnſten Fruͤchte bringt?

Es erreget das Gewiſſen,
Hertzen die verſtokt, verſteint,
Und ſo bald es durchgebiſſen,
Sieht man wie der Suͤnder weint:
Dieſer Schmertz zieht ihn zuruͤkke
Von dem Fallbrett, aus dem Strikke
Und er tritt auf andre Bahn,
Als er ſonſt vorher gethan.

Das iſt die Gewiſſens Klage,
Die des Hoͤchſten Wort erregt,
Wenn man wie entſteht die Plage
Solcher inren Biſſe fraͤgt?
Kan man ja nicht anders denken,
GOtt muß dieſes Wort ſo lenken;
GOttes Geiſt wirkt durch dies Buch,
Dieſen innerlichen Fluch.

Menſchen! wolt ihr euch von Boͤſen,
Das euch quaͤlt, verfuͤhrt, verdirbt,
Und vom ewgen Wurm erloͤſen,
Der mit ſeiner Qual nicht ſtirbt:
Da
[47]die Heilige Schrifft.
Da ſind Mittel, Lebenskraͤffte,
Nehmt zum heiligen Geſchaͤffte
Dieſen Nutzen woll in acht,
Den uns GOttes Wort gebracht.

Nicht allein den weiſen Koͤpfen,
Dient der Offenbahrung Schatz:
Sondern menſchlichen Geſchoͤpfen,
Allen, auf dem Erden Platz:
Einfalt und die hohen Sinnen
Finden ihren Theil darinnen;
Jeden ſchreibt es klaͤrlich fuͤr,
Seinen Weg zur Himmels Thuͤr.

Darum ſeid, O! Menſchen Kinder,
Bei des Fleiſches Wiederſtreit,
Eurer Traͤgheit Ueberwinder,
Sucht hier eure Seligkeit,
Nuͤtzet dieſes Geiſtes Gaben,
Die das Herz mit Manna laben:
Denn was ein Gemuͤth begehrt,
Wird ihm durch die Schrifft gewaͤhrt.

Sitzet wer im Leid und Aſchen,
Wie ein Hiob, Lazarus;
Muß er ſich in Thraͤnen waſchen,
Bey geplagten Ueberdrus:
Hier iſt eine Balſamsquelle,
Wieder alle Leidens Faͤlle,
Balſam von des Hoͤchſten Gnad,
Beſſer, als aus Gilead.

Quaͤlt man ſich mit tauſend Sorgen,
Wenn der Kad und Oelkrug leer,
Und
[48]Das Buch der Offenbahrung.
Und vermehrt ſich alle Morgen,
Dieſes Kummers freſſend Heer:
GOttes Vorſichts Wunderwerke
Stehen hier zum Augenmerke,
Dieſe machen Zuverſicht,
Daß er unſer Brod ſchon bricht.

Und wer kan das alles zaͤhlen,
Das da iſt wie Meeres Sand,
Was dem Menſchen koͤnne fehlen,
Was dem Schoͤpfer nur bekant?
Dieſe ungezaͤhlten Schmertzen,
Dieſe Foltern banger Hertzen,
Werden durch Gedult verſuͤßt,
Wenn man GOttes Ausſpruch ließt.

Denk O! Menſch! mit was vor Sehnen,
Sucht man nicht die Artzenei,
Die vor aller Krankheit Stoͤhnen
Ein gewiſſes Mittel ſei:
Jn dem Waͤldern, Thaͤlern, Gruͤnden,
Jſt ſie noch nicht zu erfinden,
Und die wuͤrkende Natur,
Zeigt hiezu noch keine Spur.

So viel unbeſchreiblich groͤſſer,
Leiden ſein die im Gemuͤth;
So viel iſt das Mittel beſſer,
Das des Allerhoͤchſten Guͤt,
Wieder dieſe angewieſen:
Drum ſei er dafuͤr geprieſen,
Daß er uns das Buch beſchert,
Das die beſte Weisheit lehrt.


Na-
[49]

Ratur und Schrifft.


Die Natur und GOttes Wort, ſind zwo

reiche Labſahls Quellen,

Wo mit fetten Ueberflus, lauter Le-

benstropfen ſchwellen:

Jene gleicht den Jacobs Brunn † der

den Durſt nicht immer ſtillt,

Dieſe ſaͤttigt weil ihr Safft, aus dem Baum des

Lebens quillt;

Brauche beides Sterblicher! irdiſch himm-

liſches Vergnuͤgen,

Jenes ſiehſt du in der Welt, dieſes in der
Bibel liegen.

† Joh. IV. 12. 13. 14. ()


Die Gluͤkſeligkeit eines zufrie-
denen Geiſtes.
Bey dem Leſen des Wallſpruches
Heinrich Wottons
eines Engliſchen Gelehrten:
Die
Seele wird durch die Ruhe gelehrter
erwogen.


Stets zufrieden auf der Welt,
Heiſt bei mir den Himmel ſehen
Und ſo wie es GOtt gefaͤllt
Seines Lebens Gluͤksrad drehen;
Erſter Theil. DStets
[50]Die Gluͤkſeeligkeit
Stets vergnuͤgt und froͤlig ſein
Jſt der Wallſpruch meines Hertzen;
Wenn mich Klippen, Stoß und Stein,
Gleich mit tauſend Unfall Schmertzen,
Lachet doch mein froher Sinn,
Weil ich ſtets zufrieden bin.

Der Affecten Plage Geiſt,
Der Begierden Folterbaͤnke,
Das was ſonſten Unruh heiſt
Machet nicht, daß ich mich kraͤnke:
Denn mein Hertz gleicht einer See,
Wo die ſtarken Wirbel Wellen,
Wo Verdrus, wo Angſt und Weh
Niemahls aus dem Ufern ſchwellen,
Jch empfinde allezeit
Ruhige Gelaſſenheit.

Jch bin auf der Welt vergnuͤgt,
Meiner Nahrung Till und Kuͤmmel,
Das auf meinen Tiſche liegt,
Schmekt wie Manna das vom Himmel:
Denn mein Mund begehrt nichts mehr,
Zur Erquikung matter Glieder,
Und ſo offt mein Magen leer,
Gebe mir GOtt dieſes wieder;
Wenn der Leib das Brod nur hat,
So iſt mein Gemuͤthe ſatt.

Strebet nach der Eitelkeit,
Menſchen! ſchnode Erdenwuͤrmer,
Stekt das Ziel der Neigung weit,
Bauet Babilonſche Thuͤrmer;
Gei-
[51]eines zufriedenen Geiſtes.
Geitzet, wuͤhlet Tag und Nacht,
Sucht des Croͤſus guͤldne Schaͤtze:
Mein Verſtand der dies bedacht,
Flieht des Reichthums guͤldne Netze;
Denn der Silber Muͤntzen Zahl,
Giebt zur Zinſe Sorg und Qual.

Niemahls hat mir was gefehlt,
Auch bei ausgeleerten Sekkel,
Hat mein Sinn ſich was erwaͤhlt;
So wirds alſo bald zum Ekel
Weil ich es nicht haben kann:
Denn wenn ich nichts hier beſitze,
Bin ich doch am beſten dran,
Weil es mir denn auch nicht nuͤtze:
Und der Erden Eitelkeit,
Schaffet nicht Zufriedenheit.

Schwingt euch nur aus Einbildung,
Nach dem hoͤchſten Ehren Zinnen;
Jch weis die Veraͤnderung
Kuͤtzelt nur die aͤuſren Sinnen:
Deſto hoͤher einer ſteht,
Deſto tiefer kann er ſinken
Und muß wie das Schikſahl geht,
Als ein Gluͤkkes Kruͤppel hinken:
Die zufriedne Niedrigkeit,
Lebt in froher Sicherheit.

Ein Gemuͤth das Weisheit ſucht
Trachtet nur nach wahren Kernen;
Und bemuͤht ſich von der Frucht
Die vergifftet zu entfernen,
D 2Es
[52]Gedanken uͤber das Blut
Es verachtet alle Welt,
Die mit Gluͤkkes Guͤtern pranget,
Weil man nicht durch Ehr und Geld
Zur Zufriedenheit gelanget:
Da doch ein zufriedner Muth,
Unſer Seelen beſtes Gut.


Gedanken uͤber das Blut
bei dem Aderlaſſen.


[figure]
Flies hin geliebtes Blut, du Schaum

von meinen Leben,

Doch denk ich dies dabei, wie

du von GOtt gegeben,

Daß du ſehr edel biſt, und als

ein rother Safft,

Des Lebens Lauf erhaͤltſt, durch

deine Wallungs Krafft.

Dich hab ich bis daher in Speiſen eingegeſſen,

Du muſt, als weiſſe Milch, dich durch die Leber

preſſen.

Die hat dich roth gefaͤrbt auf deiner Wallung Spur:

O! groſſes Wunderwerk der wuͤrkenden Natur,

Es iſt kein Tropfen Blut, in meiner Adern Gaͤngen

Es muß ſich durch das Hertz, als Mittelpuncte

drengen

Ach ginge dies ans Hertz! ach! daͤchte ich daran,

Daß keiner ohne Blut von Menſchen leben kan,

Daß keiner ohne Blut aus unſers Heilands Wunden,

Das wahre Leben hat in jener Welt gefunden.

Du
[53]beym Aderlaſſen.
Du ſolt das Denkbild ſein, woran mir faͤllet bei,

Daß auch der Menſch hierin, die Welt im Kleinen ſei,

Und daß dies Perlen Naß das in dem Adern ſchleichet,

Auch Seen, Fluͤß und Meer auf unſrer Erde gleichet:

Hie ſchlaͤgt bald Wind und Sturm die Wellen in

die Hoͤh,

Das Blut bewegt der Zorn, die Luſt, die Furcht,

das Weh,

Mit vollen Ungeſtuͤm der aufgeſchaͤumten Wellen,

Die an ein ſteinern Hertz, als an ein Ufer ſchwellen

Wer iſt der dieſen Trieb der Neigung ſtillen kan?

Mein JEſus du allein biſt hier ein Wundermann (*)

Dem Wind und Meer gehorcht. Drum wenn mein

Blut ſich reget,

So ſei du der die Wuth in meinen Adern leget.


Die beneidete Tugend
an einer beflekten Lillie betrachtet.


[figure]
Edler Seelen Eigenthum,
Jſt ein tugendhaft Gemuͤthe
Und deſſelben wahrer Ruhm
Macht ein adliches Gebluͤte:
Tugend iſt des Himmels Kind
Und mit Liljen Schmuk bekleidet
Woran keine Flekken ſind,
Weil ſie ſolchen Schmutz nicht leidet.

D 3Tu-
[54]Die beneidete Tugend
Tugend hat ein hell Geſicht,
Das mit reinen Strahlen glaͤntzet
Und ſich wie ein Sonnenlicht,
Mit dem eignen Schimmer kraͤntzet;
Laſter haben auch zwar Schein,
Aber der von auſſen ſtrahlet
Und wie ein unechter Stein
Mit erborgten Farben prahlet.

Tugend liebt die Reinligkeit,
Weil ſie iſt die Tracht der Goͤtter,
Und ein ſolches Unſchulds Kleid,
Findet ſtets auf Erden Spoͤtter:
Auf der reinen Liljen Putz,
Sezzen ſich Geſchmeis und Fliegen,
Damit ſie von ihren Schmutz,
Moͤgen ſchwartze Flekken kriegen.

Tugend aber lacht des nur,
Wenn die Neiderſchlangen ziſchen,
Und den Gift mit falſchen Schwur,
An ihr rein Gewand abwiſchen.
Zeigt man an ihr wo ein Mahl,
Hat die Sonne ſelbſt doch Flekken,
Solches kan ein Schoͤnheits Strahl,
Tauſendfacher Zier bedekken.

Tugend hat ein Hertz und Muth,
Das den harten Klippen gleichet
Das vor keiner Loͤwen Wuth,
Noch vor Fuͤchſe Argliſt weichet;
Himmel, ſpricht ſie ſchadts dem Mond
Wenn ihn Mops und Staps anbellen,
Nei-
[55]Die Weißheit GOttes
Neider ſind es ſo gewohnt,
Jch will mich zufrieden ſtellen.


Die Weisheit GOttes
welche aus dem mannigfaltigen Ueber-
ſetzungen der Biebel hervorleuchtet.


(Pſ. XIX. 4. 5.)
Es iſt keine Sprache noch Rede, da man
nicht ihre Stimme hoͤre. Jhre Schnur
gehet aus in alle Lande, und ihre Rede
an der Welt Ende.

[figure]
Als ich bei mir verwunderns voll bedachte,

Wie mancherlei die Sprachen in der

Welt,

Wie jedes Volk gantz andre Woͤrter

machte,

Nachdem im Gaum der Dinge Aus-

druk faͤllt:

So ſprach ich bei mir ſelbſt, wenn alle Zungen,

Von Oſt, Suͤd, Nord und Weſt, in einem mahl,

An einem Ort in ihrer Art erklungen,

Welch eine Harmonie von dieſer Zahl

Waͤr dann gehoͤrt? Ein jeder wuͤrde klagen

Den Miſchmaſch, der aus Babels Thurm entſteht,

Koͤnn ſein Gehoͤr ohnmoͤglich lang ertragen.

Doch fiel mir ein, dem Heiland der erhoͤht,

Jm Himmel nun zur Rechten GOttes ſieget

D 4Ge-
[56]Die Weisheit GOttes
Gefaͤllt der Thon, der unterſchiedlich hallt;

Weil das Gebet der Zungen ihn vergnuͤget,

Das aus den Hertz, das ihn erkennet, ſchallt.

Der Hoͤchſte will, der guͤtig, heilig, weiſe,

Daß er als HErr ſei allem Volk bekant:

Drum hat er auch in alle Erden Kreiſe

Sein Evangelium herumgeſand.

Die Boten hatten auch der Zungen Gaben,

Recht wundernsvoll, daß man darob erſtaunt;

Und was wir nur vor eine Sprache haben,

Darinnen ward der Heiland auspoſaunt.

Nicht minder iſts ein Werk von GOtt geweſen,

Daß dieſes Buch, darin ſein Wort uns lehrt,

Jn ſo viel Sprachen uͤberall zu leſen

Als Voͤlker ſind, die ſich zu ihm bekehrt.

Gleich anfangs war des Hebers Zung erkohren

Die GOtt zur Schrift vor andern werth geſchaͤzt,

Als dieſe Sprach in Babel meiſt verlohren,

Da ward ſie auch Chaldeiſch uͤberſetzt.

Und da das Judenthum herum zertheilet

Und in Egypten Land ſo gar zerſtreut,

So ward da Joſephs Schade auch geheilet

Und GOttes Wort in Griechiſchen verneut.

Des Neuen Teſtaments gegebne Schriften,

Die von des Heilands Lehr und ſeinen Mund,

Und der Apoſtel Geiſt, ein Denkmahl ſtiften,

Die wurden Griegſch am allererſten kund:

Die Mundart war vor andern angenommen,

Weil damahls dies die beſte Sprache war,

Die uͤberall in Flor und Anſehn kommen,

Wird dadurch nicht die Weisheit offenbaͤhr,

Die bei der Ausbreitung des Heils regieret,

Daß ſie die Sprach zum Mittel auserwaͤhlt,

Die
[57]Die Weisheit GOttes.
Die damahls war am meiſten ausgezieret,

Und unter die Bekanteſten gezaͤhlt?

Gleichwie ein Flus ſich mehr und mehr ergieſſet,

Je weiter er von ſeiner Quelle ſteht:

So ſiehet man, wie GOttes Segen flieſſet,

Je weiter fort des Heilands Lehre geht.

Wie Syrien mit ſeinen Lettern ſchreibet,

Ward ferner auch am Neuen Teſtament;

Weil es der Sprach der Syrer einverleibet

Nicht lang nachher und noch mit Nutz erkennt.

Wie Rom das Haupt der laͤngſt verſtrichnen Zeiten

Geſprochen, zeigt das uͤberſetzte Wort,

Dies diente ſehr, die Lehre auszubreiten;

So half GOtt ſtets des Heilands Predigt ſort.

Ein Gottesmann ward hie und da erwekket

Der in der Zeit der dikken Finſternis,

Dem Blinden Licht zum Glauben aufgeſtekket

Wenn er die Schrift von neuen ſehen lies.

Und wie iſt nicht das groſſe Werk zu preiſen,

Das Luthers Fleis ans Tages Licht gebracht,

Da er das Bibelbuch dem teutſchen Kreiſen,

Von neuen teutſch aus ſeinen Text gemacht.

Wie rein? wie klar? ſucht er die erſten Quellen,

Aus ihren Staub mit groſſer Muͤh hervor:

Nach unſrer Redens Art ſie darzuſtellen,

Damit die Lehr recht wieder kaͤm empor.

So ſieht man auch in Frankreichs weiten Grenzen,

Jm Norden Reich, in Holl und Engeland

Des Hoͤchſten Wort, als eine Fakel glaͤntzen

Das jedem Volk in ſeiner Sprach bekant.

Es wird noch weiter kund, wie man erfahren,

Daß auch im Heidenthum gen Morgen hin,

Als das geblendte Volk die Malabaren,

Jn ihrer Mundart ſehn, des Hoͤchſten Sinn.

D 5Jſt
[58]Die Weisheit GOttes
Jſt das nicht GOttes Guͤt die weislich ſuchet,

Die Menſchen die verirt, zu ſich zu ziehn?

So gar das Volk das er gerecht verfluchet

Verſpuͤret auch ſein goͤttliches Bemuͤhn.

Ja! bei der Laſt der zugemeßnen Rache,

Die Judas Brut gebuͤkt mit Schmerzen traͤgt,

Wird ihnen doch in der Askenas Sprache (*)

Das Teſtament von JEſu vorgelegt.

Wer ſieht hier nicht, die Gnadenreichen Zuͤge,

Denn nichts geſchicht vom blinden Ohngefehr,

Wer iſt ſo blind, der noch bedenken truͤge

Zu glauben, daß hierin was Goͤttlichs waͤr?

Mein GOtt! wenn ich die Sinnen darauf lenke,

Wie viele tauſendmahl die Schrift gedruͤkt

Wie viel ſie uͤberſetzt, dabei gedenke;

So wird mein Hertz von reger Luſt entzuͤkt.

Jch ſtell mir dabei vor die ſelge Menge,

Die GOtt dadurch zum wahren Glauben fuͤhrt;

Jch ſehe da die wunderbahren Gaͤnge,

Die man erſtaunt, bei ſeiner Vorſicht ſpuͤrt.

Wie ich alſo entzuͤkt in dem Gedanken,

So wallte mein Gebluͤt mit regen Lauf

Und oͤfnete der Lippen feſte Schranken,

Mit dieſen Spruch in ſuͤſſer Freude auf:

Wie herlich wird das Jubel-Lied erklingen,

Das alle Heiligen vor GOttes Thron

Jn heilger Zahl, mit einem Munde ſingen,

Dem heilgen Geiſt, dem Vater und dem Sohn;

Wie rein wird dort der Engel Sprache ſchal-

len,

Die Halleluja, Lob und Preis erthoͤnt;

Dagegen iſt der Redner Kunſt ein Lallen

Das nur von unbeſchnittnen Lippen ſtoͤhnt.

Die
[59]

Die Allmacht, Weisheit und
Guͤte GOttes
bey der Einrichtung der vier Jahrzeiten.


[figure]
Groſſer Schoͤpfer der Natur und

Erhalter aller Dinge,

Laß mich da ich Ehrfurchts voll deiner

Hoheit Ruhm beſinge,

An dem Jahres Zeiten ſehen, wie du

durch die weiſe Macht,

Jede Art der Kreaturen uns zur Luſt herfuͤrgebracht.

Du haſt eine Sonnen Uhr an das Firmament ge-

hefftet,

Die ein Zeiten Zeiger iſt, der bisher noch nicht ent-

kraͤfftet,

Die im abgemeßnen Laufe durch den Thierkreis

richtig geht

Und von ihrer Hoͤhe ſteiget, und im Neigen ſich

erhoͤht,

Dieſes feurig Himmelsrad, das da ſteigt und wie-

der faͤllet,

Macht, nach dem es brennend ſteht, und auf un-

ſre Flaͤche prellet

Richtig die vier Jahres Zeiten, deren ſtete Aende-

rung

Froſt und Hitze, Waͤrm und Kaͤlte, gut und rau-

he Witterung

Nach
[60]Die Allmacht, Weisheit und Guͤte GOttes
Nach dem Stand der Sonne bringt. Dieſe Wit-

terung hingegen,

Bringt uns durch den Wechſel-Lauf mehr als tauſend-

fachen Segen.

Was waͤr unſre Erdenflaͤche, wenn die Sonn im

hoͤchſten Grad

Jhres Kreiſes immer ſtuͤnde? Wuͤrde nicht ihr bren-

nend Rad

Durch der heiſſen Strahlen Schein, unſern Bo-

den ſo erhitzen,

Daß die Keimen muͤſten dorrn und wir ſelbſt in

Aengſten ſchwizzen.

Was waͤr unſer Ball der Erden, wenn dies waͤr-

mend Lebenslicht

Jmmer in dem Steinbock bliebe? Es wuͤchs auf

demſelben nicht.

Unſre Nahrung wuͤrde fehln, wenn nicht die vier

Jahres Zeiten,

Durch die Sonn und Witterung reiffe Fruͤchte zu

bereiten.

Welche Weisheit, Macht und Guͤte, deinen Nah-

men zu erhoͤhn,

Kan man nicht o groſſer Schoͤpfer! in den Zeiten

ſelbſten ſehn?

Brich vergnuͤgter Fruͤhling an, der du alle Welt

belebeſt,

Und durch ein erwaͤrmend Ziehn aus der Mutter

Schooſſe hebeſt,

Was der Vater alles Lichtes, darin reichlich aus-

geſtreut,

Und nun unſre Augen ſehen, da ſich die Natur verneut

O! welch unbegreifliches, welch allmaͤchtig weiſes

Walten,

Hat in der erſtorbnen Erd, ſo viel zarte Frucht er-

halten,

Als
[61]bey der Einrichtung der vier Jahrszeiten.
Als jetzt wieder aufgegruͤnet, da ſich Auen, Feld

und Wald

Uns zur Luſt und Nutz verjuͤnget in veraͤnderter Ge-

ſtalt.

Als der ſtuͤrmiſch kalte Nord, mit dem Winter kam

gefahren;

So entblaͤtterte ſein Hauch jeden Baum von Schmuk

und Haaren,

Jhre gruͤne Zierde wurde, dieſer kalten Winde Raub,

Und, wie die Verwandlung folgte, gelb und welkend

endlich Staub.

Nunmehr da der duͤrre Stam, wieder Saͤffte einge-

ſogen,

Hat des Lenzens warmer Strahl Knoſpen ſchon her-

vorgezogen,

Groſſer Baͤume, kleiner Stauden von dem Reif be-

floktes Haupt

Wird mit neu geſprosnen Blaͤttern, wie mit gruͤ-

nen Haar umlaubt.

Und das wuͤrkend Allmachtswort, das im Anfang

hies: Es werde

Zeiget ſich nun wiederum, an der wuͤſt und leeren

Erde,

Die, nach dem ſie bei der Ruhe, durch den Re-

gen ſatt getraͤnkt

Wie es weislich eingerichtet, neugebohrne Fruͤchte

ſchenkt.

Erſtlich ſieht man wie das Gras, da der Schnee hin-

weg geſchaͤumet,

Durch den welk und faulen Moos mit verjuͤngten

Spitzen keimet;

Wie die durchgeſchlagnen Spitzen, als geſchlungne

Faden gehn,

Die ein gruͤnes Kunſtgewirke, eine ſamtne Dekke

drehn,

Die
[62]Die Allmacht, Weisheit und Guͤte GOttes
Die der ſchroffen Erde Grund, als mit ſanfften

Polſtern zieret,

Worauf die Natur zur Luſt manches Fruͤhlings Kind

gebieret.

Welch ein Vorwurf ruͤhrt die Sinnen, wenn das

Auge Blumen ſieht

Und das Riechen unſrer Naſen holde Duͤnſte an

ſich zieht;

Wenn das Ohr den Luſtgeſang der erwachten Voͤ-

gel hoͤret

Und die Zunge das geſchmekt, was der Lentzen uns

beſcheret;

Wenn das Blut in unſern Adern, friſche Lebens

Geiſter fuͤhlt

Da der Fruͤhling wieder waͤrmet, was der Win-

ter abgekuͤhlt!

Wer ſieht, riechet, hoͤrt und ſchmekt, wer empfin-

det; des Gemuͤte

Siehet auch riecht hoͤrt und ſchmekt, GOttes Weis-

heit, Macht und Guͤte.

Nicht alleine das Vergnuͤgen, das der Zeiten Wech-

ſel macht,

Sondern auch der groſſe Nutze komt hie billig in Be-

tracht,

Gebe uns der Sonnenſtrahl, wie im Winter mat-

te Blikke

Ja! ſo bliebe auch die Frucht, die uns naͤhret ganz

zuruͤkke,

Bliebe ſtets die Sonn im Widder, und im Stier

und Zwilling ſtehn,

Wuͤrden wir auf unſrer Flaͤche zwar beſtaͤndig Fruͤh-

ling ſehn:

Aber die geſaͤete Frucht, waͤre nie zur Reiffe kommen,

Wenn nicht ein viel ſtaͤrker Brand in der Sommers

Zeit entglommen,

Da
[63]bey der Einrichtung der vier Jahrs Zeiten.
Da die Sonn durch Krebs und Loͤwen, durch die

Jungfrau ſich bewegt,

Und gantz ſenkrecht ihre Strahlen auf die gruͤnen

Fruͤchte traͤgt.

Hat der angenehme Lentz, zum Vergnuͤgungs vol-

len Leben

Eine bunte Augenluſt, Blumen Gras und Kraut

gegeben:

So fuͤllt auch die Jahres Krone, die des Schoͤp-

fers Guͤte flicht

Bei dem ſchwuͤlen Sommertagen unſer luͤſterndes

Geſicht,

Wenn wir ein geſegnet Feld, wenn wir reich be-

flantzte Auen,

Als des Sommers Herrligkeit in dem kuͤhlen Schat-

ten ſchauen

Welch ein Anblik ſuͤſſer Wonne, wenn bei einen

ſanften Wehn

Angenehmer Weſten Winde, ſich die guͤldnen Hal-

men drehn,

Und mit lispelnden Geraͤuſch, wie bewegte Meeres

Wellen

Jn dem kraͤuſelnden Gedraͤng lieblich auf und nie-

der ſchwellen.

Was vor Vortheil bringt die Muͤhe der ſuͤß ſauren

Erndte Zeit

Wenn der Fleis woll zehnfach ſammlet, was die

Hofnung ausgeſtreut;

Wenn der Schnitter Senſenſchlag die gereifte Beu-

te findet,

Und mit der beſchwitzten Fauſt drauf die fetten Gar-

ben bindet

Zeigt ſich hier der Allmachts Finger, der dem Som-

mer traͤchtig macht,

Und
[64]Die Allmacht, Weisheit und Guͤte GOttes
Und des Schoͤpfers Wunder Guͤte, die auf unſer

Woll bedacht;

So entdekken uns dabei, die geſegnet vollen Flu-

ren

Von des Schoͤpfers Einrichtung auch bemerkte Weis-

heits Spuren.

Er hat unterſchiedne Fruͤchte auf dem Feld hervor-

gebracht,

Und ſie alle nacheinander, nicht auf einmahl reif

gemacht,

Daß wir mit Bequemlichkeit, ohne daß ſie uns

verderben

Unſers Vaters reiche Guͤt in dem Erndte Monden er-

ben.

Bei des Sommers Brand und Hitze, da die Son-

ne feurig ſpielt

Schenkt er unſern heiſſen Gaumen, ſaftig Obſt das

uns abkuͤhlt,

Und den dorren Schlund erfriſcht, daß wir bei dem

ſchwuͤlen Tagen,

Dieſes brennend Ungemach, mit verſuͤßter Luſt er-

tragen.

Neiget ſich die Sonn zur Wage zu dem giftgen Scor-

pion,

Alsdenn bringſt du reicher Herbſt uns den neuen

Segens Lohn;

Weil der Baum die Fruͤchte zollt, die den Kehlen

lieblich ſchmekket,

Und uns unſers Gebers Guͤt auch im reiffen Obſt

entdekket;

Alsdenn lieferſt du die Trauben, dieſe ſuͤſſe Nectar

Koſt,

Die das Hertze labend waͤrmet bei des Winters rau-

hen Froſt.

Als-
[65]bey der Einrichtung der vier Jahrs Zeiten.
Alsdenn traͤuͤfelt auch das Oel, daß wir alle Nah-

rungs Gaben

Auf die nahe Winters Zeit, die wir brauchen, reich-

lich haben,

Wenn ſie denn bei langen Naͤchten uns die Woh-

nung finſter macht,

Dient uns dies zu unſern Lichte, bis die Sonne

wieder tagt.

Wenn alſo des Hoͤchſten Hand, unſre Kammern

ausgeſpikket,

Und der Sonnen Zirkel Lauf in das Steinboks Zei-

chen ruͤkket;

So komt dann der rauhe Winter, der zwar viele

Unluſt hegt,

Wenn er unſre Erden Flaͤche mit dem kalten Schnee

belegt:

Doch bringt er auch manche Luſt, wenn man in der

Ruhe ſitzet,

Und bei ſatten Ueberflus, an dem Feuer Heerte

ſchwizzet;

Wenn man bei erwuͤnſchten Raſten, mit dem Sei-

nigen verzehrt,

Was des Sommers milder Segen und der reiche

Herbſt beſchert.

Unterdeſſen ruht das Land, das die geile Nahrung

ſauget,

Bis der Zeiten Witterung erſt zur Saat und Pfluͤ-

gen tauget.

So laͤuft ſtets der Zeiten Wechſel, auf des Schoͤp-

fers Macht geheis,

Bis die Sonne wieder endet ihres Laufes runden

Kreis,

Und denn faͤngt ſie wieder an, bei dem unerſchoͤpf-

ten Brennen,

Erſter Theil. EBis
[66]Die Allmacht, Weisheit und Guͤte GOttes.
Bis die Welt und Zeit vergeht ihre Laufbahn durch

zu rennen.

Denke Menſch! an GOttes Guͤte, an die groſſe

Wundermacht,

Die die Ordnung eingerichtet, wie die Weisheit aus-

gedacht,

Denk warum das groſſe All, ſolche Wechſel Zei-

ten giebet,

Thut ers nicht weil unſer Hertz gerne neue Aendrung

liebet?

Wenn des Jahres Einrichtungen ohn Abwechſeln ei-

nerlei,

O! ſo wuͤrde jeder ſeufzen, daß ihm das verdrießlich ſei,

Jmmer einerlei zu ſehn, gleiche Witterung ertragen

Und ſich naͤhrn von gleicher Koſt, waͤren unſre groͤß-

ten Plagen,

Wenn auch alles noch ſo ſchoͤne, weil uns nichts ſo

in der Welt

Als das Wechſeln vieler Dinge, die uns laben woll

gefaͤllt.

Denke wie kein Theil des Jahrs mit der ſchnellen

Zeit verflieget

Der nicht unſer Aug und Hertz mit gereifter Frucht

vergnuͤget,

Der nicht unſre Nahrung bringet, da des Hoͤchſten

Guͤt und Treu,

Bei dem Anbruch jedes Tages ſo gar alle Morgen neu.

Dennoch ſind wir misvergnuͤgt, wie die unzufried-

nen Tohren,

Jn dem Sommer iſts zu heis, in dem Winter wenns

gefroren,

Klagen wir mit kalten Schaudern die gemachte Ord-

nung an

Und beweiſen daß die Thorheit auch die Weisheit mei-

ſtern kan

Tol-
[67]bey der Einrichtung der vier Jahrszeiten.
Tolle Unempfindlichkeit! wenn man nicht dabei be-

denket,

Daß ſich des Allweiſen Sinn allemahl zum Beſten

lenket,

Was er macht iſt wollgeordnet in dem Reiche der Na-

tur,

Das beweiſet Trotz dem Tadlern! eine jede Kreatur.

Darum wer Vernunft beſitzt und der Zeiten Ord-

nung ſiehet,

Sei auch zu des Schoͤpfers Ehr um deſſelben Ruhm

bemuͤhet

Jſt kein Tag im gantzen Jahre und kein Punct im

Lauf der Zeit

Dran uns nicht die weiſe Guͤte mit geſchenkter Luſt

erfreut?

So muß auch kein Tag vergehn, dran man nicht

an die Geſchenke

An dem Vater alles Lichts, der ſie reichlich giebt,

gedenke,

Dran man nicht mit Dank-Begierde auf des Hertzens

Brand-Altar,

Bringe wie es ſich gebuͤhret, ſeine Andachts-Opfer dar.


Gedanken uͤber die Liebhaber
ſchoͤner Blumen.


Es iſt wahr in kurzer Zeit,
Hat der Blumen Lieblichkeit
Viele Freunde ſich vermaͤhlet,
Die mit Kunſt verbundnen Fleis,
Schoͤner Fruͤhlings Kinder Preis
Sich zur Augen-Luſt erwaͤhlet,
E 2Und
[68]Gedanken uͤber die Liebhaber ſchoͤner Blumen.
Und noch taͤglich ſich bemuͤhen,
Sie noch ſchoͤner zu erziehen.

Wer der Farben ſchoͤne Pracht,
Die aus denen Blumen lacht,
Und auf denen Blaͤttern bluͤhet;
Wer derſelben Mannigfalt,
Nette Miſchung und Geſtalt,
Mit bemerkten Augen ſiehet,
Deſſen ſo gereitzte Sinnen,
Muͤſſen Blumen lieb gewinnen.

Daher ruͤhret auch die Luſt,
Die der Blumen Kenner Bruſt,
Zu der Liebe angezuͤndet,
Es iſt blos ein Sinnen Spiel,
Dabei ſelbſt das Herz nicht viel,
Von der Blumen Werth empfindet:
Denn bei einem wahren Lieben,
Muß ſich der Verſtand auch uͤben.

Wer der Blumen Kunſt erwegt,
Und nach ihren Meiſter fraͤgt,
Deſſen Finger ſie gebildet;
Wer wie ſie entſtehn, betracht
Und wie ſie die weiſe Macht,
Mit der Farben Schmuk geſchildet
Forſcht, der kan mit ſeinen Angen,
Anmuth aus den Blumen ſaugen.

Wer ſich in der Blumen Zier,
Stellt den Glanz des Schoͤpfers fuͤr,
Und dabei die Kunſt bedenket,
Wie er ihren duͤnnen Saft,
Zu
[69]Gedanken uͤber die Liebhaber ſchoͤner Blumen.
Zu der Farben Schoͤnheit ſchaft
Und durch ihre Roͤhren lenket,
Der empfindet erſt die Triebe,
Einer wahren Blumen Liebe.

Wer bei einer ſchoͤnen Bluͤth,
Sich um GOttes Preis bemuͤht;
Und in denen Meiſterſtuͤkken,
Der bewundernden Natur,
Sucht des groſſen Schoͤpfers Spur,
Macht und Weisheit zu erblikken:
Der kan aus den Blumen Toͤpfen,
Erſt ein ſuͤß Ergoͤtzen ſchoͤpfen.

Wer den ſuͤſſen Balſam ſchmekt,
Der in friſchen Blumen ſtekt,
Dadurch ſein Gehirne ſtaͤrket,
Und dabei wie dieſer Duft,
Durch die Erde, durch die Luft
Jn die Blaͤtter ſteigt, bemerket,
Der kann erſt beim Blumen pfluͤkken,
Geiſt und Sinn zugleich erquikken.

Wer nur an dem Aeuſſern hengt,
Und dabei nichts weiter denkt,
Sucht ein kindiſches Vergnuͤgen;
Weil ſie wie die Kinder nur
Mit der ſchoͤnen Kreatur,
Und mit ihren Bildungs Zuͤgen
Ohne wahre Luſt zu fuͤhlen,
Als mit bunten Tokken ſpielen.


Das
[70]

Die kuͤnſtlichen Laub-Blaͤtter.


[figure]
Jn dem groſſen Allmachts-Reich einer

wuͤrkenden Natur,

Siehet ein geruͤhrtes Aug manche

kuͤnſtliche Figur,

Da in ihrer Abbildung und dem

wollgewirkten Zuͤgen,

Zeichen einer weiſen Macht, wie in klaren Riſſen

liegen.

Man ſeh nur ein Laub-Blat an, das der Baͤume Haͤup-

ter ſchmuͤkt,

Was vor wundervolle Kunſt iſt nicht daran abge-

druͤkt?

Man ſeh ſeinen Urſprung an, wie es ſich in Knos-

pen zeiget,

Wie es durch die Treibekraft des verborgnen Wachs-

thums ſteiget,

Sich entwikkelt aus dem Fach darinn es gefallen war,

Wie es ſich ſteif ausgeſpannt ſtellt in ſeiner Bildung

dar:

Ja! ein Menſch der dies beſchaut, mus Bewun-

drungs voll geſtehen,

Daß er niemahls ein Geweb von dergleichen Kunſt

geſehen.

Die Geſtalt iſt wunderbahr, die der Blaͤtter Form

ausmacht,

Und nach jedes Baumes Art mannigfaltig ausgedacht,

Nach der Groͤſſe ſind ſie auch unterſchiedlich ausge-

ſpalten,

Um
[71]Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter.
Um die Frucht die leicht verdirbt, vor der Faͤulnis

zu erhalten;

Andern dienet es zum Schirm, wenn das heiſſe

Sonnenlicht

Gar zu ſtark mit ſeinen Strahl, wie mit Feuer

Pfeilen ſticht

Daß ſie nicht zu fruͤh verdorrn, oder gar zu Staub

verbrennen.

Kann man nicht aus dieſen ſchon GOttes weiſe

Macht erkennen?

Welch unentlicher Verſtand, der dies alles uͤberdacht!

Welche Allmacht! die das Laub in ſo manche Form

gebracht!

Daß man faſt kein Blaͤtgen ſieht in dem weiten

Pflanzen Reiche,

Daß dem andern an Geſtalt in der aͤuſern Bildung

gleiche.

Dies iſt rund und jenes kraus, dieſes breit und

vorn geſpizt,

Dies iſt wie ein Herz geformt, jenes wie ein Kahn

geſchnizt,

Dies ein dreieck, jens Quadrat, dieſes wie ein Stern

der ſtrahlet,

Jenes iſt als wie ein Rad, das mit Spangruͤn uͤber-

mahlet!

Dieſes iſt recht Spiegel glatt, jenes iſt gantz rauh

und hart,

Und mit einer Stachel Wehr vor der Raͤuber Bis

verwahrt.

Dieſer Formen Mannigfalt zeugt von einen weiſen

Weſen,

Das zu jedes Baumes Art einen neuen Schmuk

erleſen.

E 4Das
[72]Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter.
Das die ungezaͤhlte Zahl derer Blaͤtter, ja ein Blat

Mit beſonderer Figur, uns zur Luſt gebildet hat,

Damit wir in allen ſehn, wie die Werke ſeiner Haͤnde,

Sichtbahr dieſe Warheit lehrn: GOttes Macht iſt oh-

ne Ende.

Denn der Kreaturen Meng, ihre Unterſchiedenheit,

Jſt ein abgedruͤktes Bild goͤttlicher Unentlichkeit.

Da man mit Bewundrung ſieht, wie in derer Blaͤt-

ter Zuͤgen

Bildungs Zeichen ſeiner Kunſt, die da unerforſchlich,

liegen.

Aus was Urſach dieſer Baum mit geſpitzten Blaͤttern

prangt,

Da ein anderer von GOtt Dekken runder Form

erlangt

Jſt woll ſchwerlich einzuſehn, da des ewgen Schoͤp-

fers Wiſſen

Jhre Form zum Nutz der Frucht die ſie naͤhren, ab-

geriſſen.

Und wie jedes Blats Figur, was beſonders an ſich

traͤgt,

So veraͤndert iſt das Gruͤn, wenn man ihre Farb

erwegt:

Abermahl ein neuer Grund, der uns zu der Weis-

heit leitet

Die die Zeichnung und die Zier dieſes Kunſt Ge-

ſchoͤpfs bereitet.

Welch verborgner Pinſel Zug hat die Blaͤtter ſo ge-

mahlt

Daß ein jedes uns ins Aug mit ſmaragdnen Glan-

ze ſtrahlt:

Der hie in das Dunkle faͤllt, da mit lichten Schim-

mer ſcheinet,

Und ſo manche neue Art in ein einzig Gruͤn vereinet.

Welch
[73]Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter.
Welch Vergnuͤgen labt den Geiſt, wenn der Farben

Mannigfalt,

Von der reich belaubten Zahl unterſchiedner Baͤu-

me prallt;

Wenn das Aug hie Seladon Meer und Zeiſig Farb

erblikket,

Und ſich dort mit Papagoy-Saft und Sittiggruͤn

erquikket.

Welch ein Finger weiſer Macht hat die Farben ſo

vermiſcht,

Und ein unbeſchreiblich Schoͤn an der Blaͤtter Rand

gewiſcht,

Daß die Mahler der Natur, die der Farben Arten

kennen,

Nicht einmahl vermoͤgend ſind jeder Blaͤtter Gruͤn

zu nennen?

O! du Vater alles Lichts von dem Licht und Farbe

ſtammt,

Du haſt durch die weiſe Macht jedes Blat ſo durch-

geflammt,

Daß wir mit gereitzter Luſt, wenn wirs tauſend-

mahl beſehen

Doch von neuen deinen Ruhm, O! verborgner

GOtt erhoͤhen.

Jſt die Mahlerei ſo ſchoͤn, wegen ihrer Farben Schein,

Was wird denn nicht das Geweb vor ein ſchoͤnes

Kunſt-Werk ſein:

Woraus jedes Blat beſteht, das faſt wie ein Netz

geſtrikket

Und mit zarter Zierlichkeit wundernswuͤrdig ausge-

ſchmuͤkket

Wenn man es mit Achtſamkeit vor das Licht der Son-

ne haͤlt;

Oder bei der dunkeln Nacht vor die helle Lampe ſtellt:

E 5Als-
[74]Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter.
Alsdenn kann man klaͤrlich ſehn, wie der Stiel mit

ſeinen Zweigen,

Uns die Aeſte eines Baums in ſehr kleinen Abris

zeigen.

Dieſer Stiel iſt ein Canal; und ein jedes Aederlein,

Das ein zartes Spinn-Geweb und faſt unbegreiflich

fein,

Jſt doch einer Roͤhre gleich dadurch Nahrungsſaͤfte

flieſſen,

Die ſich nachher in die Frucht zu den fernern Wachs-

thum gieſſen.

Andre Adern ſind dazu daß dadurch der Nahrungs-

ſaft,

Der dem Fruͤchten nicht recht dient wiederum wird

weggeſchaft.

Welche Weisheit, welche Macht, zeigt ſich, wenn

man es bedenket

Die durch ein ſo kleines Blat ſo viel Roͤhren hat ge-

lenket,

Die den Stiel durchs ganze Blat ausgeſpant und feſt

geſtellt,

Und dadurch die Ausdehnung aller Faͤſerchen erhaͤlt.

Damit jedes Blat ein Schirm der den Fruͤchten herr-

lich nuͤzzet,

Wenn es ſie vor Sonnen Brand und vor faulen

Naß beſchuͤzzet.

Wenn die Duͤrre alles welkt und den Saft der Frucht

verzehrt,

So erhaͤlt ſie doch das Laub, das dieſelbe dekt und

naͤhrt

Durch die feuchte Abend-Luft durch den Thau im fruͤ-

hen Morgen,

Denn es reichlich in ſich ſaugt ſeine Frucht doch zu

verſorgen.

Lie-
[75]Die kuͤnſtlichen Laubblaͤtter.
Lieber Menſch bedenke dies, was die weiſe Macht

gethan,

Wenn du in dem Garten biſt und ſchau ſo die Baͤu-

me an;

So wirſt du mit ihrer Frucht nicht nur deine Kehle

laben,

Sondern auch bei jeden Blat eine Frucht der An-

dacht haben.

Ruͤhrt dich derer Zweige Schmuk der der Baͤume

Gipfel kraͤnzt

Wenn daran ein jedes Blat mit ſmaragdnen Schim-

mer glaͤnzt;

So laß dieſe Augen-Luſt, da die Blaͤtter lieblich gruͤ-

nen,

Auch dem Auge des Gemuͤths ſich dran zu ermuntern

dienen:

Preiſe den mit regen Sinn, der auf einen gruͤnen

Blat,

Seine groſſe Herrlichkeit dir zur Luſt beſchrieben hat;

Hoͤrſt du bei bewegter Luft wie die Blaͤtter lispelnd

brauſen,

O! ſo denke allemahl: GOtt iſt hier in ſanften Sau-

ſen,

Und er redet durch das Laub, das faſt einer Zunge

gleicht:

Menſchen ach! erkennet doch, wie euch eu-

er GOtt geneigt,

Der ſich allenthalben laͤſt, auf den Feldern,
in den Auen

Als unentlich voller Macht, voller Guͤt und
Weisheit ſchauen.

Sehet einen Baum nur an, deſſen Frucht
euch lieblich ſchmekt,

Und euch deutlich den Begrif von des Hoͤch-
ſten Guͤt erwekt
Sei-
[76]Der Menſch.
Seine Weisheit kan euch auch ein gewachs-

nes Blaͤttgen lehren

Wollet ihr noch ſeine Macht von dem Baum
bezeuget hoͤren.

Gebt nur acht auf jenes Chor, das auf ſei-
nen Gipfel ſingt,

Und ein liebliches Gethoͤn, gurgelnd aus der
Kehle zwingt,

Was mag wol der Jnhalt ſein? werde ich
nicht gaͤnzlich fehlen

So deucht mir ich hoͤre es GOttes groſſe
Macht erzaͤhlen.


Der Menſch.


[figure]
Was iſt doch woll der Menſch, wenn

er ſich ſelbſt beſchaut?

Ein herrlich Meiſterſtuͤk von GOttes

Macht erbaut

Aus einen Geiſt und Leib, ein leben-

des Gehaͤuſe,

Das kuͤnſtlichſte Geſchoͤpf im weiten Erden Kreiſe;

Die Seele wohnt im Leib und fuͤhrt das Regiment,

Die macht daß er ſich ſelbſt und andre Dinge kennt,

Die macht daß er ſich kan an ſeines Schoͤpfers Gaben

Die er ihm fuͤrgeſezt, mit allen Sinnen laben.

Begluͤkte Kreatur! du biſt des Hoͤchſten Bild,

Das er mit Weisheits Glanz und Heiligkeit erfuͤllt,

Das
[77]Der Menſch.
Das er zum Ober Herrn der ganzen Welt erwaͤhlet,

Und mit der Seligkeit des Ewigen vermaͤhlet.

Gefallnes Jammer Bild! wo iſt die Herrligkeit,

Des edlen Unſchuld Stands, der vormahls guͤldnen Zeit

Die iſt ſchon laͤngſt dahin, denn bei der Schuld der

Suͤnden,

Die Leib und Geiſt verdirbt, iſt ſie nicht mehr zu

finden

Statt daß der Menſch vorhin des Hoͤchſten Bildnis

war,

So ſtellt er ganz verſtellt des Satans Larve dar;

Anſtat der Weisheit Licht, das ihn vorhin gezieret,

Und auf den rechten Weg des wahren Gluͤks gefuͤhret

Jſt der Verſtand verwirrt, dem man ein Blend Licht

nennt,

Des flatterhafter Schein nunmehr ſo dunkel brennt,

Daß keiner dabei wird die Thuͤr des Himmels ſehen,

Vielweniger den Weg drauf wir zu ſolcher gehen.

Jhr Weiſen der Vernunft komt her und ſagt mir an,

Was hat der arme Menſch der ſo verderbt gethan?

Denn GOttes weiſe Hand die ihn zuerſt gebildet,

Hat ihn ſo nimmermehr, wie er jetzt iſt, geſchildet;

Komt her und zeiget mir, daß eur Verſtand ein Licht,

Der alle Finſternis mit ſeinen Strahl durchbricht,

Kann euer ſcharfer Witz den Urſprung von dem Boͤſen,

Das Raͤtzel aller Zeit ohn Wiederſpruch aufloͤſen?

Komt her und lehret mich, wie wirds nach dieſer Zeit,

Mit einer andern Welt vollkomner Seligkeit,

Wornach die Sehnſucht doch der Seelen ſich beſtrebet,

Die durch geheimen Trieb ſich immer mehr erhebet,

Denn dieſer ſtarke Zug der von dem Schoͤpfer ſtammt,

Jſt auch von ewgen GOtt in unſern Herz entflammt.

Wie komt man an den Ort den unſer Wille ſuchet

Da uns des Richters Spruch in unſern Buſen fluchet

Hie
[78]Der Menſch.
Hie bleibet ihr verſtummt, und ſagt ihr mir was vor,

So muͤſt ihr ſelbſt geſtehn ein Weiſer werd ein Thor,

Wenn er durch die Vernunft die Dinge will ergruͤnden

Die kein geſchaͤrfter Witz vermoͤgend zu erfinden.

Was iſt alſo ein Menſch? Er iſt ein Erdenklos,

Von einer Seite klein, von einer Seite gros

Er iſt die Kreatur die GOttes Macht beſeelet

Aus einen Geiſt und Leib vereinigt und vermaͤhlet,

Der ſich aus eigner Schuld zum Elends-Stand ge-

bracht,

Da ihn des Schoͤpfers Gunſt gluͤkſelig gnug gemacht

Jndem er Freiheit wuͤnſcht, liebt er den Sclaven Orden

Denn gaͤnzlich frei zu ſein iſt er ein Knecht geworden

Der untern Joche liegt, das er ſich aufgelegt

Und mit verfluchter Luſt bald gern bald ungern traͤgt

Wer ihn davon befreit und was das vor ein Weſen,

Das kan der wer da will, im beſten Buche leſen.


Nochmahlige Betrachtung
Ueber die Tulpen.
zum Ruhm des Schoͤpfers.


[figure]
Schoͤnſte Tulpen! meine Sinnen,
Sehen euch als Koͤniginnen,
Aller ſchoͤnen Blumen an,
Dran ein Andachts voll Gemuͤthe
GOttes Weisheit, Macht und Guͤte,
Allenthalben leſen kann:
Koͤnt ich euren Herrligkeiten,
Nur ein wuͤrdig Lied bereiten.

Fruͤh-
[79]Nochmahlige Betrachtung uͤber die Tulpen.
Fruͤhlings Kinder holde Schoͤnen,
Wie koͤnt ihr die Gaͤrten kroͤnen,
Wenn ihr mit der Farben Pracht,
Die ſich recht bei euch vereinet,
Ueber alle Blumen ſcheinet:
Jhr habt ſie beſchaͤmt gemacht,
Weil ihr als die Sonne funkelt,
Die der Sternen Glanz verdunkelt.

Jhr muͤßt von dem Himmel ſtammen,
Weil der Blaͤtter lieblichs Flammen
Nur mit Himmels Farben ſtrahlt?
Nein! ihr Tulpen ſeid nicht minder,
Wie die andern Erden Kinder,
Die doch nicht ſo ſchoͤn gemahlt;
Aus dem ſchwarzen Schoos der Erden,
Muͤßt ihr auch gebohren werden.

Doch der Vater aller Lichter,
Jſts der eure Angeſichter
Mit der Farben Schoͤnheit ziert:
Deſſen Allmachts Wort: Es werde
Machet daß die ſchwarze Erde,
Solche Kinderchen gebiehrt
Die durch ihr gereitztes Bluͤhen,
Tauſend Augen an ſich ziehen.

Der iſts, der dies Kunſtgebaͤude,
Uns zur frohen Augen-Weide,
Zum Beweisthum ſeiner Macht
Aus den erſt erſchafnen Saamen,
Bis hernach die Zwiebeln kamen,
Wunderbahr herfuͤrgebracht;
Der
[80]Nochmahlige Betrachtung uͤber die Tulpen
Der iſts, der ſie kuͤnſtlich bildet,
Faͤrbt, verſilbert, uͤberguͤldet.

Wie in allen Kreaturen
Kan man auch der Weisheits Spuren
An dem Tulipanen ſehn:
Wer nur auf die Wurzeln achtet,
Und der Zwiebeln Haut betrachtet,
Wie die Stengel ſich erhoͤhn,
Der kan von den weiſen Weſen,
Manche Weisheits Probe leſen.

Wer nur ihren Kelch erweget,
Die den Griffel in ſich heget,
Der ſich in die Hoͤhe zieht;
Wer die Faͤdgen und die Koͤpfe
Samt der Blaͤtter Kunſt Geſchoͤpfe
Mit dem Samen Haus beſieht;
Muß Bewundrungs voll geſtehen,
Daß es weislich auserſehen.

Doch bei allen dieſen Theilen,
Wollen wir uns nicht verweilen;
Obgleich alle wunderſchoͤn,
Laßt uns auf der Blaͤtter Kuͤnſte,
Auf ihr woll bemahlt Geſpinſte,
Ein betrachtend Auge drehn:
Weil dergleichen Schildereien,
Durch das Aug das Herz erfreuen.

Welch ein Anblik! denn man ſiehet,
Wenn ein Heer von Tulpen bluͤhet,
De-
[81]zum Ruhm des Schoͤpfers.
Deren bunte Schoͤnheits-Tracht,
Auf dem weis gelb rothen Kleide,
Einer fein gewirkten Seide,
Jede Farbe ſchoͤner macht.
Sieht man hier nicht zum Vergnuͤgen,
Anmuth, Kunſt beiſammen liegen?

Da die Farben ſich vermenget,
Wie ſie die Natur geſprenget
Nach der unterſchiednen Art:
So laͤſts ſchoͤn, wenn auf dem Beete
Attlas weis und Purpurroͤthe,
Himmel blau und gruͤn gepaart,
Wenn ſich Blau und Gelb vereinen,
Und durch Gold und Silber ſcheinen.

Welch ein kuͤnſtliches Gepraͤnge,
Daß ſich aller Farben Menge
An den Tulpen abgedruͤkt:
Da die hier mit guͤldnen Rande
Jene dort mit Silber Bande
Eingefaßt und ausgeſchmuͤkt,
Und gleich wie ein Regenbogen,
Geflammt, ſchattirt, uͤberzogen.

Strahlt die aufgegangne Sonne
Mit dem Blikken guͤldner Wonne,
Auf ein buntes Tulpenfeld:
So ſcheints daß ihr Luſtgefilde,
Uns gleichſam auf Erden bilde,
Ein beſtirntes Himmels Zelt;
Weil wir auf den bunten Auen,
Alle Himmels Farben ſchauen.

Erſter Theil. FBald
[82]Nochmahlige Betrachtung uͤber die Tulpen.
Bald deucht mir in ihren Bluͤhen,
Seh man recht ein Feurwerk gluͤhen,
Das zu GOttes Ehren brennt:
Da der Tulpen Blaͤtter Spizzen
Guͤldene Figuren ſprizzen.
Wer die Feuer Lettern kennt,
Die aus denen Farben ſtammen,
Sieht des Schoͤpfers Nahmen flammen.

Schoͤnſte Tulpen! ihr verdienet,
Daß ihr immer bluͤht und gruͤnet,
Wegen eurer Herrlichkeit:
Doch wenn ihr kaum angefangen,
Jn gezierten Schmuk zu prangen
Zeigt ihr eure Eitelkeit:
Da ihr heute herrlich bluͤhet,
Morgen welkt und von uns ziehet.

Damit euch die Gaͤrtner kennen,
Pfleget man euch zu benennen,
Wie es unſern Sinn gefaͤllt:
Man benahmt euch nach den Prinzen,
Nach den Damen, nach Provinzen,
Nach den Helden dieſer Welt:
Und ſo oft ich dieſes hoͤre,
Giebet es mir dieſe Lehre.

So wie Kaiſer, Kaiſerinnen;
So wie Koͤnig, Koͤniginnen,
Jn dem Tulpen Reich vergehn;
Wie wir die, die hohe Nahmen,
Oder niedrige bekamen,
Mit einander welken ſehn:
So
[83]Die rothen Roſen.
So geſchichts an Arm und Reichen,
Was gelehrt, ſchoͤn; all erbleichen.


Die rothen Roſen.


Ob ihr zwar ihr holden Roſen!
Nicht mit einer bunten Pracht,
Die aus denen Tulpen lacht
Unſer Auge koͤnt liebkoſen:
So macht doch eur Purpur Kleid,
Angebohrner Herrlichkeit,
Daß wir euch als Koͤniginnen,
Schoͤner Blumen lieb gewinnen.

Euch hat nicht die Goͤttin Floren,
Noch der ganze Goͤtter Rath,
Wie der Heiden Fabel hat,
Als ein Meiſterſtuͤk gebohren;
Eines Hoͤchſten weiſe Macht,
Hat euch nur herfuͤrgebracht:
Die laͤſt aus bedornten Zweigen,
Eure Purpur Blaͤtter ſteigen.

An dem lieblichen Gebuͤſchen,
Die durch ihr erquikkend Gruͤn,
Bei der Sonnen feurig Gluͤhn
Unſer mattes Aug erfriſchen,
Oefnet eurer Knospen Rund,
Jhren rothgefaͤrbten Mund,
F 2Wor-
[84]Die rothen Roſen.
Woraus denn in unſre Naſen,
Friſche Balſamsduͤfte blaſen.

O! wie funkeln eure Blaͤtter
Wenn die fruͤhe Morgenszeit
Die gethauten Perlen ſtreut;
Oder wenn bei naſſen Wetter,
Eurer Farben rothe Glut,
Durch der Tropfen Silberfluth
Mit vermiſchten Glanze ſtrahlet,
Und daran Rubinen mahlet.

Wenn wir dabei ſtille ſtehen
Und der Augen hellen Blik,
Von den aͤuſren Rand zuruͤk,
Jn der Roſen Hoͤle drehen:
So wird uns ein gelblicht Rund,
Zart geformter Koͤrner kund,
Die gleich kleinen Edelſteinen,
Auf der Roſen Purpur ſcheinen.

Die noch in den Knospen ſizzen
Als der Roſen Kinder Schaar,
Wird man mit der Zeit gewahr,
Wenn ſie durch die ofnen Rizzen,
Jhren rothen Kopf erhoͤhn;
Und dan gleichſam auferſtehn,
Wenn die andern im Verbluͤhen,
Welkend ihren Schmuk ausziehen.

Wer kann dieſes uͤberdenken
Ohne auf die weiſe Macht,
Die die Roſen ausgedacht,
Einen Andachts Blik zu lenken?
Groſ-
[85]Die rothen Roſen.
Groſſer Schoͤpfer! deine Guͤt
Strahlt auch in der Roſen Bluͤt,
Die uns aus den Dornenſtraͤuchen,
Mancherlei Erquikkung reichen.

Wenn wir nur nach Art der Bienen,
Vom Gewohnheits Schlaf befreit,
Mit erwachter Munterkeit
Bei dem Roſenſtok erſchienen:
Alsdenn legte ſeine Zier,
Uns des Schoͤpfers Schoͤnheit fuͤr;
Alsdenn wuͤrden unſre Augen,
Honig aus den Blaͤttern ſaugen.

Alsdenn wuͤrde unſre Seele
So wie das Gehirn erfuͤllt,
Von der Guͤte die da quillt,
Aus der Roſen Balſams Hoͤle;
Alsdenn wuͤrd uns jedes Blat,
Das die Roſe an ſich hat,
Als ein Bild von unſern Leben,
Taͤglich vor den Augen ſchweben.

Jſt die Welt uns gleich ein Goſen,
So iſt doch das Herzeleid,
Allemahl bei Luſtbarkeit
Wie die Dornen bei den Roſen:
Doch an einen Roſenſtrauch
Nuͤzzen ſcharfe Stachel auch:
So muß ebenfals das Leiden,
Nuͤzlich ſein bei unſern Freuden.


F 3Wie
[86]

Wie ſich die meiſten Menſchen
GOtt vorſtellen.


Die Einfalt bildet ſich ein Goͤttlich We-

ſen ein,

Und muß doch in der That ein bloſ-

ſer Menſche ſein:

GOtt iſt der hoͤchſte Geiſt; doch an dergleichen Lehren,

Pflegt ſich nicht ihr Begrif, der anders denkt, zu

kehren.

Wie ſieht die groͤßte Zahl von Sterblichen GOtt an,

Auf ſeinen hohen Thron? Als einen alten Mann

Mit einen grauen Bart, wie auf dem Kirchenbildern,

Die Mahler ſichtbarlich den hoͤchſten Vater ſchildern.

Der gros gemahlte Bart mit Reif und Schnee be-

ſtreut,

Macht ihnen den Begrif der Ehrerbietigkeit,

Die dieſer alte GOtt den alle Welt verehret,

Von jederman verdient, der in ſein Reich gehoͤret.

Des Ruſſen blinder Wahn, der hievon Zeugnis

giebt,

Und einen grauen Bart, mehr als das Leben liebt

Wird darum nimmermehr die langen Baͤrte miſſen,

Weil ihre Aehnlichkeit mit GOtt ſonſt ausgeriſſen.

Und woher komt es woll, daß jetzt die kluge Welt,

Das hoͤchſte Weſen noch vor einen Koͤrper haͤlt,

Der in der Ewigkeit im guͤldnen Schimmer wohnet,

Und wie ein Welt Monarch im Himmels Schloſſe

thronet?

Da-
[87]GOtt vorſtellen.
Daher weil ihr Verſtand ſich zu der Gottheit ſchwingt,

Und mit verwegnen Trieb in ihre Tiefen dringt;

Und weil ſie einen Geiſt nicht recht begreiffen koͤnnen,

So werden ſie ihn nie von einen Koͤrper trennen.

Je mehr der arme Menſch an GOttes Weſen denkt

Das man ergruͤnden will, je mehr wird man gelenkt

Auf das, was koͤrperlich, da wir das ſehen wollen,

Was wir in dieſer Zeit, mit Ehrfurcht glauben ſollen.

Doch dieſer grobe Sinn wird niemahls abgelegt,

Bis daß man, was wir ſein, und GOtt iſt, recht

erwegt:

Denn werden wir erſehn, daß unſers Geiſtes Denken,

Was unbegreiflich iſt, wird nimmermehr umſchraͤnken.

Genug fuͤr unſern Stand auf dieſer Unterwelt,

Wenn man das hoͤchſte All, das alle Ding erhaͤlt

Als einen GOtt anſieht, der in dem Kreaturen,

Uns nicht mehr ſehen laͤſt, als unvollkomne Spuren.

Genug wenn unſer Herz ein hoͤchſtes Weſen nennt

Daß hie kein Sterblicher, ſo wie es iſt erkennt;

Und dieſe Warheit glaͤubt der Eigenſchaften Groͤſſen

Jm groſſen Jehovah, koͤn kein Verſtand ausmeſſen:

Genug wenn ſeine Macht, die Weisheit, Guͤtigkeit,

Sich allemahl uns zeigt mit der Unentlichkeit;

Wenn Unvollkommenheit von ihn wird weggeraͤumet,

Und daß man weiter nichts von ſeinen Weſen traͤumet.

Denn wer noch weiter geht, als dies geſtekte Ziel,

Der trift die Warheit nicht und macht ein Sinnen-

ſpiel:

Wie jede Einfalt thut, die ſolche Eigenſchaften,

Sich ſo in GOtt vorſtellt, als ſie am Menſchen

haften.

Man ſieht es klaͤrlich ja, wie unſer Temprament,

So bilden wir uns auch den man den Hoͤchſten

nennt;

F 4So
[89[88]]Wie ſich die meiſten Menſchen GOtt vorſtellen.
So wie wir ſein geſinnt: ſo wird das ewge Weſen

Nach unſern Ebenbild, nicht wie er iſt, erleſen.

Und wohnt in unſern Geiſt die edle Guͤtigkeit:

So iſt die Guͤte auch, die Hauptvollkommenheit

Die GOttes Hoheit ziert; Jſt unſer Sinn verwil-

dert,

Zur Haͤrtigkeit geneigt: So wird GOtt auch ge-

ſchildert,

Als wie ein harter Mann der nach der Strenge geht,

Und allda erndten will, wo er nichts ausgeſaͤt.

Jſt unſer Herz geneigt faſt alle zu verdammen,

So ſehen wir auch GOtt in ſeinen Eifer flammen

Jſt etwan der Regent der uͤber uns befiehlt,

Ein HErr der ſtets zur Luſt mit Unterthanen ſpielt:

So denket man von GOtt, er muͤſſe was wir machen,

Bei allen unſern Thun, bei unſrer Torheit lachen.

Jſt er ein ſtrenger Held der eiſern Scepter traͤgt,

Und jeden wenn er will mit Angſt zu Boden ſchlaͤgt:

So denkt die Einfalt auch mit Herz beklomnen Zagen,

Wer darf ſich zu dem HErrn des breiten Himmels

wagen?

Wer nur die Menſchen kennt, der ſieht die War-

heit ein,

Daß auch ihr GOtt ſo ſei, als wie ſie ſelber ſein;

Und daß das hoͤchſte All alſo wird abgemahlet,

Wie eines Koͤnigs Bild in ihre Augen ſtrahlet.


Die
[90[89]]

Die
wollriechenden Nachtviolen.


Angenehme Nachtviolen,
Ob ihr gleich noch ſo verholen
Hinter euren Buͤſchen liegt:
So erfuͤllen eure Duͤfte,
Dennoch die erfriſchten Luͤfte,
Die der ſtille Abend wiegt
Daß der Hauch aus eurer Blume,
Mich bewegt zu GOttes Ruhme.

Es iſt wahr der Tulpen Blaͤtter,
Andre Blumen ſind viel netter,
Mit der bunt geſchmuͤkten Pracht;
Dafuͤr muͤßt ihr euch verkriechen:
Aber eurer Duͤnſte Riechen,
Das ambrirt die ſtille Nacht:
Und ihr koͤnt in unſre Naſen,
Uns recht Lebens Balſam blaſen.

O! du Kreaturen Meiſter,
Was haſt du vor Lebens Geiſter
Jn dies Bluͤmgen eingeſenkt,
Wenn mich dieſe ſuͤſſe Gaben,
Bei den ſtillen Abend laben,
Wird mein Herz zu dir gelenkt,
Durch dies holde Othem ziehen,
Dir ein Opfer an zu gluͤhen.

F 5HErr!
[91[90]]Die wollriechenden Nachtviolen.
HErr! der alle Ding erfuͤllet,
Deine Segensquelle quillet,
Faſt in jeder Kreatur;
Durch der Sinnen aͤuſre Roͤhren,
Koͤnnen wir ſtets ſehn und hoͤren
Jn dem Reiche der Natur,
Was vor ſinnliche Vergnuͤgen,
Jm Geſchoͤpf verborgen liegen.

Wenn der Blumen Augenweide,
Als des lichten Tages Freude
Von dem Flor der Nacht bedekt;
Und die ſchwarzen Dunkelheiten,
Ueber alles Schatten breiten,
Was uns eine Luſt erwekt:
Alsdenn laͤſt du auf den Auen,
Uns noch ſuͤſſen Balſam thauen.

Tag und Nacht zeigt deine Guͤte,
Jn der Blumen friſchen Bluͤte
Jhre groſſe Wundermacht:
Bei den hellen Sonnen Lichte,
Strahlet ſie uns ins Geſichte;
Bei der Demmrung ſtiller Nacht,
Wenn die finſtren Schatten rauchen,
Fuͤhlen wir ihr ſuͤſſes Hauchen.

Wenn aus Nachtviolen Buͤſchen,
Das Gehirne zu erfriſchen
Ein erquikkend Rauchen flammt;
O! ſo wuͤnſcht ich alle Seelen
Moͤchten auch damit vermaͤhlen,
Was aus reinen Herzen ſtammt:
Daß
[92[91]]Die wollriechenden Nachtviolen.
Daß ſie dir, bei ſtillen Naͤchten,
GOtt ein Andachtsopfer braͤchten.

O! du ewig guͤtigs Weſen!
Da du dieſe Blum erleſen
Woraus ſo viel ſuͤſſes quilt,
Haſt du nicht damit vereinet,
Was uns in die Augen ſcheinet:
Daran ſehen wir ein Bild
Derer, die Verſtandes Gaben,
Ohne Leibes Schoͤnheit haben.

Dieſes kann uns ferner lehren,
Dich als weiſen GOtt zu ehren
Treibt uns jede Sache an,
Es ſind keine Kreaturen,
Dran man nicht der Guͤte Spuren,
Jhres Schoͤpfers leſen kan:
Moͤchten nur der Menſchen Augen,
Dieſe recht zu ſehen taugen!

Jch will mich von euch entfernen,
Nachtviolen und noch lernen,
Was ihr mir ſo klaͤrlich lehrt:
Kann ich nicht mit Schoͤnheit prangen,
Noch zu Reichthums Gold gelangen,
Wornach man die Augen kehrt:
So ſoll doch mein ehrlich Leben,
Gut Geruͤchte von ſich geben.


Die
[93[92]]

Die ſchoͤne Nelkenflor.


[figure]
Als ich juͤngſtens bei dem Schein einer war-

men Fruͤhlings Zeit,

Mich vollkommen frei gemacht von des

Amtes Tag Arbeit,

Ging ich aus zu einen Freund, meinen

Schoͤpfer in dem Gruͤnen,

Durch andaͤchtiges Beſchaun holder Blumen; noch

zu dienen.

Jch fand eine Nelkenflor, deren ſchoͤn geſchmuͤkte

Pracht,

Damahls in den Blumen Reich erſt zu unſrer Luſt

erwacht.

Es gefiel mir alles woll, ihre Ordnung wie ſie ſtun-

den.

Jn dem Toͤpfen aufgeſetzt, in der Erd am Stok ge-

bunden.

Jch gab auf die Farben acht, deren liebliches Ge-

ſpiel,

Mir noch beſſer als die Ordnung in die frohen Sin-

nen fiel,

Und gedachte gleich dabei, was der Schoͤpfer einge-

richtet,

Uebertrift doch tauſendmahl daß, was unſer Witz er-

dichtet.

Mein Freund hatte jeden Stok, der die Nelke hielt,

vermahlt,

Und die Farben ſo gemiſcht, wie ſie an den Blumen

ſtrahlt;

Es war hie Natur und Kunſt: Aber dieſe muſte weichen,

Und gleich wie ein Schattenſchein, vor des Urbilds

Licht erbleichen

An
[94[93]]Die ſchoͤne Nelkenflor.
An den Nelken ſah ich nichts, als ein ſchoͤnes Roth

und Weis,

Daß die ſpielende Natur, durch, den uns verborg-

nen Fleis,

Wunderbarlich durchgeſprengt, ſo geſtrichelt daß die

Farben,

Jn gemiſchter Aenderung mancherlei Geſtalt erwar-

ben.

Dieſe ſchien wie Milch und Blut das geronnen

ſich vermiſcht,

Jene als wenn nur ein Tropf auf ein weiſſes Tuch

gewiſcht,

Der durch den erhobnen Glanz, als wen er dar-

auf geſprenget

An dem eingekerbten Blat, wie ein flieſſend Troͤpf-

gen henget.

Dieſe glom in Purpur Tracht; jene ſchien als wie

ein Gold

Das auf einen runden Kneul, wie in Schichten

aufgerollt.

Wen man ſie von ferne ſah; Eine andre ſah ich

blizzen

Die mir in die Augen ſchien, als gebrochne Silber-

ſpizzen.

Dieſe war ein Violet das getuͤpfelt, wie gedruͤkt;

Jene war als wie ein Flor, der aus gelblicht Garn

geſtrikt:

Andre waren wiederum durch ſo manchen Schein

veraͤndert,

Und wie ihre Zeichnung fiel, als mit Linien geraͤn-

dert

Das es unbeſchreiblich iſt. Darum fiel mir dabei ein,

Unerſchoͤpflich muß die Quell einer hoͤchſten Weisheit

ſein,

Die
[95[94]]Die ſchoͤne Nelkenflor.
Die ein ſolches Mannigfalt wollgerathner Zeichnungs

Kuͤnſte,

Durch die bildende Natur bringet auf ein Blat Ge-

ſpinſte

Und wie unbegreiflich iſt dieſe groſſe Wundermacht,

Die aus kleinen Saamen Korn dieſe Florn herfuͤr

gebracht,

Welche ſich im andern Jahr aus den abgelegten

Zweigen,

Jn veraͤnderter Geſtalt neu geſprengter Blaͤtter zei-

gen:

Und ſo geht es immer fort auch in einem dritten Jahr,

Stellet dieſe Nelkenflor ein verneutes Schauſpiel dar,

Da ſich ihrer Farben Pracht, durch des Schoͤpfers

weiſes Walten

Bald verſchoͤnert, bald verkehrt in noch andere Ge-

ſtalten.

Wenn ich dieſes alles ſeh, wie im Reiche der Natur

Es ſo wundernswuͤrdig geht; wie ſo ſchoͤn die Kreatur,

So betruͤbet ſich mein Geiſt, daß man GOtt ſo we-

nig ruͤhmet;

Ja! faſt gar nicht ſieht noch merkt, der der Gar-

ten Grund bebluͤmet.

Ach! wie unempfindlich iſt vieler Menſchen eitler

Sinn

Der nach den Geſchoͤpfen gaft und ſieht uͤbern Schoͤp-

fer hin,

Und wie muß nicht manche Flor von dem allerſchoͤn-

ſten Nelken,

Da man nicht an GOtt gedenkt, wie man billig

ſoll, verwelken!

Jedermann geſtehet zwar, daß dieſelben wunderſchoͤn

Wenn ſie auf den ſchlanken Stamm in gezierter Ruͤn-

de ſtehn;

Man
[96[95]]Die ſchoͤne Nelkenflor.
Man bewundert wol dabei wie in einen engen Kreiſe

So viel Blaͤtter eingeſchraͤnkt; und wie dieſes Luſtge-

haͤuſe

Auf ſo ſchlanken Stengeln ſteht, die der Knoten Fe-

ſtigkeit,

Gleich wie Stuͤzzen unterhaͤlt, und von Fall und

Bruch befreit:

Aber daß der weiſe GOtt, dem dafuͤr ein Dank

gebuͤhret,

Einen ſchoͤnen Nelkenbuſch ſo gemacht und ausgezie-

ret,

Das bedenkt ein jeder nicht, der die Kreaturen ſieht,

Und ſich um des Schoͤpfers Preis im geringſten nicht

bemuͤht.

Dieſe ſehn die Nelken an, die ſie in dem Gaͤrten

haben

Blos die Augen, das Gehirn, ihren aͤuſern Sinn

zu laben;

Jene glaͤuben daß ſie recht an der Nelken Preis ge-

dacht

Wen ſie daraus einen Buſch an dem Freudenfeſt

gemacht;

Und damit ihr Feierkleid, oder ihren Tiſch geſchmuͤk-

ket

Ja! auch woll zum Zeitvertreib an ein Naſen Loch

gedruͤkket.

Wenn nun dieſer ſuͤſſe Duft aus dem Nelken einge-

haucht:

So denkt man ſie ſei genug nach des Gebers Zwek

gebraucht.

Man verwirft den bunten Straus ohne daß das Herz

bedenket

Was wir dem noch ſchuldig ſein, der uns dieſe Luſt

geſchenket.

Als
[97[96]]Die ſchoͤne Nelkenflor.
Als ich dieſes uͤberdacht und der Nelken Schmuk er-

wegt,

Ward des Herzens Andachts Trieb durch die Augen-

luſt erregt;

Darum lies ich alſobald, zu des weiſen Schoͤpfers

Ehren,

Fuͤr die ſchoͤne Nelkenflor dieſes frohe Danklied hoͤ-

ren:

Weiſer Schoͤpfer! dieſe Floren
Die der Fruͤhling uns gebohren
Zeigen uns durch ihre Pracht
Daß du ihren Schmuk gemacht:
Und die ſchoͤne Nelken Bluͤthe,
Weißt uns Sproſſen deiner Guͤte
Die mit bunter Herrlichkeit,
Unſer Aug und Herz erfreut.

Holde Anmuth! unſre Sinnen,
Muͤſſen Nelken lieb gewinnen;
Weil ſich in jedweder Art
Farbe und Geruch verpaart:
Beides laͤſt du Schoͤpfer! quillen
Aug und das Gehirn zu fuͤllen:
Daß das Riechen und das Sehn,
Uns beweg dich zu erhoͤhn.

Deine Macht und weiſes Fuͤgen,
Suchet nur uns zu vergnuͤgen
Durch die liebliche Figur,
Dieſer ſchoͤnen Kreatur:
Ach! laß mich dies woll ermeſſen,
Und die Pflichten nicht vergeſſen,
Die
[97]Die ſchoͤne Nelkenflor.
Die ich dir mit regen Sinn
Dafuͤr immer ſchuldig bin.

Dir gehoͤren ewge Liebe!
Meine heiſſen Andachts Triebe,
Und die flammende Begier,
Bringt ſich ſelbſt zum Opfer hier:
Kann dir meiner Zunge lallen,
Die dich ruͤhmt dabei gefallen;
So ſoll Herz und Mund allein,
Kuͤnftig dir gewidmet ſein.


Die beantwortete Frage:
Wer biſt du?


Wer biſt du? Jch! ein Menſch: Wilt du

den viehiſch leben,

Nein, Nein ich ſehe ſtets den groſſen

Schoͤpfer an:

Drum muß ich mich vielmehr durch ſeine Kraft be-

ſtreben

Wie ich ſein Ebenbild in mir abſpiegeln kann.

Jch bin dabei ein Chriſt, ein Erbe von dem Himmel,

Doch wer nicht chriſtlich lebt, komt nimmermehr

hinein:

Mein Paradies muß dort, und nicht im Welt Ge-

tuͤmmel,

Die Welt muß mir verhaßt mit ihren Suͤnden ſein.

Jch bin ein Sterblicher ein Bau von Staub und Erden

Wie bald druͤkt mir der Todt gebrochne Augen zu:

GDrum
[98]Engels Zungen ohne einen engliſchen Sinn.
Drum ſoll mein Loſungs Wort, ſo lang ich lebe

werden,

Bedenke was du thuſt; Bedenke wer biſt du.


Engels Zungen ohne einen eng-
liſchen Sinn.


Wenn ich nur mit Engels-Zungen, ohne

einen Engels Sinn,

Als ein Lehrer reich von Gaben ohne

alle Liebe bin;

So bin ich denſelben gleich, die wie die bewegten

Glokken

Andre in das Heiligthum zu des Hoͤchſten Dienſte

lokken,

Aber ſelbſten nicht hingehen: O! das huͤlfe mir ja

nicht

HErr! wenn ich dereinſten komme vor dein helles

Angeſicht

Rufſt du mich nach Zion hin, ach! ſo gieb daß ich

nicht ſtehe,

Als ein Weiſer der nur zeigt, ſondern auch den Weg

ſelbſt gehe.

Fuͤlle mich mit wahrer Liebe gegen meinen Naͤchſten

an,

Und wenn ich denn dieſes thue, was ich ſchuldig

bin und kann.

So gieb mir den reinen Sinn, daß ich nimmer mit

dir rechte,

Sondern denk: Erbarme dich uͤber den un-

nuͤtzen Knechte.


[99]

Die bebluͤmten Wieſen
bei angenehmen Sonnenſchein.


[figure]
Auf den gruͤn geſchmuͤkten Auen
Einer holden Fruͤhlings Zeit
Kann man recht die Herrlichkeit,
Des geſtirnten Himmels ſchauen:
Jenes Firmaments Saphir,
Glaͤnzet dort in blauer Zier:
Wenn ſich mit ſmaragdnen Strahlen,
Hie die Wieſen uͤbermahlen.

Lieblich ſcheints wen man die Wonne
Des entfernten Himmels ſieht,
Wenn das Heer der Sternen gluͤht,
Bei der untergangnen Sonne.
Hie macht ſich auf blauen Grund,
Funkelnd Gold in Strahlen kund:
Wenn ſich an den weiſſen Seiten,
Silberne Geſtirn ausbreiten.

Wenn ſich auf der Wieſen Flaͤchen
Die mit Blumen ſind beſaͤt
Die theils niedrig, theils erhoͤht,
Lichte Sonnenſtrahlen brechen,
Alsdenn duͤnkt der Blumen Schein,
Uns ein Sternen Heer zu ſein:
Weil derſelben helle Spizzen
Wie verguͤldte Sternen blizzen.

G 2Jſt
[100]Die bebluͤmten Wieſen
Jſt es wahr wie viele meinen,
Daß ein Theil von Sternen Heer
Als Mars, Venus, Jupiter
Wie bewohnte Erden ſcheinen:
So iſt jenes Sternen Land
Unſrer Erden anverwandt.
Und ſo kann ein Bild der Erden,
Dorten auch gefunden werden.

Alſo koͤnnen wir hingegen,
Das beſtirnte Himmels Zelt,
Auch auf dieſer Unterwelt,
Uns vor unſre Augen legen:
Und der Wieſen bunte Flor
Stellet uns recht deutlich vor,
An der Blumen hell Gewimmel,
Auf der Erd den Sternen Himmel.

Wer die ungemeßnen Hoͤhen,
Jenes Luftreviers erwegt,
Der muß daß er ſey geregt,
Durch entzuͤkte Luſt geſtehen:
Zieht man den gereitzten Blik
Auf ein tiefes Thal zuruͤk:
So iſt in bebluͤmten Auen,
Gleiche Anmuth anzuſchauen.

Fliegen in erhabnen Luͤften,
Voͤgel die mit hellen Klang,
Zwitſchern ihren Luſtgeſang:
So fuͤllt auch in gruͤnen Triften,
Der beliebten Saͤnger Chor,
Durch ihr Thoͤnen unſer Ohr
Wenn
[101]bei angenehmen Sonnenſchein.
Wenn ſie mit gedehnter Kehlen,
Uns des Schoͤpfers Ruhm erzaͤhlen.

Wie vergnuͤgt iſts, wenn die Bienen
Jhr tief ſumſendes Gethoͤn,
Murmelnd durch einander drehn;
Und in Anmuthsvollen Gruͤnen
Aus dem ſaftig fetten Keim,
Saugen ihren Honigſeim;
Und in groſſen Heeres Zuͤgen,
Nach der ſuͤſſen Beute fliegen.

Ja! das Herze wallt vor Freuden,
Wenn man viele Heerden Vieh
Sieht mit einer ſuͤſſen Muͤh
Jn dem langen Graſe weiden;
Wenn man ſieht wie es geſtrekt,
An den Klee bald rupft, bald lekt
Wenn darauf nach ſanfter Stille,
Sich erhebet ihr Gebruͤlle.

Eine ſolche Anmuths Wieſe
Die mit ihrer Munterkeit,
Uns ergoͤtzt, das Vieh erfreut
Gleicht mir einen Paradieſe:
Wer kann ſie mit Luſt beſehn,
Ohne dabei zu geſtehn,
Daß uns dieſe Luſtbarkeiten,
Zu den hoͤchſten Geber leiten.

Schoͤpfer! deine Guͤt verdienet,
Von uns ſo viel Ruhm und Preis,
Als auf deiner Macht Geheis,
Gras und Klee in Wieſen gruͤnet
G 3Wenn
[102]Ein flieſſender Bach.
Wenn ich die beſtirnte Hoͤh
Ferner auf den Anger ſeh:
So gib daß mein Dichten, Denken,
Sich auch moͤge zu dir lenken.


Ein flieſſender Bach.


[figure]
Komt Menſchen die ihr gerne wollt,
Was ſchoͤnes zu bewundern ſehen
Seht was vor Silberfluth hier rollt,
Was hier vor Criſtallinen gehen!
Komt ſetzet euch ins ſanfte Graß
Und ſchaut auf dieſes Perlennaß
Daß durch gekruͤmmte Ufer ſchleichet,
Das ſchleichend ſich in Wirbel zwingt
Und uns ein ſolches Luſtſpiel bringt,
Dafuͤr faſt alle Anmuth weichet.

Wie lieblich iſt es wenn ein Bach
Der aus verſteinten Quellen ſpringet,
Mit ſanfften Rauſchen allgemach,
Durch angenehme Wieſen ſchlinget:
Alsdenn duͤnkt uns die glatte Fluth,
Die gleichſam in Bewegung ruht
Durch ihre Ufer ſtarke Riegel,
Die ſei auf einer bunten Flur
Jm gruͤnen Rahmen der Natur,
Ein heller Criſtallinen Spiegel.

Der Weiden krum gebogner Stand,
Mit ihren durchgeſchlungnen Straͤuchen
Die
[103]Ein flieſſender Bach.
Die ſind auf dieſen Spiegel Rand,
Mit einen Schnitzwerk zu vergleichen:
Und wen das helle Sonnen Licht,
Jhr lieblich ſtrahlendes Geſicht
Jn dieſen Fluthen Spiegel bildet:
So wird durch ihren Gegenſchein
Der Spiegel ſelbſt zum Edelſtein,
Daran das Laubwerk uͤberguͤldet.

O! welch ein Vorwurff ruͤhrt den Geiſt
Wenn klare Tropfen kraͤuſelnd wallen,
Und ſich die Fluth auf Steine ſchmeiſt
Daran die Wirbel ruͤkwerts prallen;
Da ſchaͤumt das wirbelnde Gedraͤng,
Die Perlen, die in groſſer Meng,
Auf der bewegten Hoͤhe wimmern;
Und mit gemiſchter Farben Pracht,
Die durch der Sonnen Strahl gemacht,
Jn tauſendfachen Glanze ſchimmern.

Seht Menſchen ſeht! ein Schatten Bild,
Von dem verlohrnen Paradieſe:
Weil hier ein Arm von Piſon quilt
Und laͤufft durchs Eden dieſer Wieſe.
Muß hier auch Gold und Onixſtein
Und Bdellion im Waſſer ſein;
Schaut nur mit aufgeklaͤrten Sinnen,
Die ſchoͤn gefaͤrbten Tropfen an:
So ſeht ihr auf der glatten Bahn,
Dergleichen Edelſteine rinnen.

Dies alles wirkt der Sonnenſchein
Durch ihre ſcharfgeſpitzte Strahlen,
Die, wen die Waſſer klar und rein,
G 4Dar-
[104]Ein flieſſender Bach.
Darauf die Schoͤnheitsbilder mahlen.
O! welche weiſe Gottheits Hand
Dreht ſo der Sonnen Wunder Brand
Auf dieſes glatten Bachs Criſtallen,
Daß es nach unſern Augen Licht,
Uns duͤnkt, wir ſehen dein Geſicht
Daraus o GOtt! zuruͤkke prallen.

Wen man mit Andacht rauſchen hoͤrt
Die Silberfluthen heller Baͤchen,
Dadurch ein ſanfftes Luͤfftgen faͤhrt,
So deucht mir, daß ſie murmelnd ſprechen:
Jhr Menſchen! ſehet unſern Flus,
Da folget immer Gus auf Gus;
Ein Tropfe folget ſtets dem andern:
Wir muͤſſen; ob uns gleich die Pracht,
Der holden Wieſen ſehr anlacht,
Dennoch aus ihren Grenzen wandern.

Und wen wir ihre Schoͤnheit ſehn,
Die wir auf unſrer Flucht kaum gruͤſſen;
So duͤrffen wir nicht ſtille ſtehn,
Wir muͤſſen immer weiter flieſſen:
Sonſt wuͤrde unſer ſtiller Gang
Bei mehrern Zuflus im Gedrang
Die Wieſen ſelbſten uͤberſchwemmen;
Und durch den naſſen Ueberflus
Euch zum empfindlichſten Verdrus,
Der ſchoͤnen Blumen Wachsthum hemmen.

Wir eilen fort in unſern Lauf,
Wie uns des Ufers Riegel gaͤngeln,
Und haͤlt uns Schilf und Steine auf:
So trachten wir umher zu ſchlaͤngeln,
Bis
[105]Ein flieſſender Bach.
Bis uns der Fluͤſſe weiter Mund,
Mit einen aufgeſperten Schlund
Jn ihren naſſen Bauch verſchlinget;
Und uns mit ſich ins groſſe Meer
Ohn eine ſichtbahr Wiederkehr,
Zum ungemeßnen Abgrund bringet.

Sieh hier o Menſch! ein Denkbild an,
Von deinen bald verflognen Leben,
Wie ich erſt aus der Quelle ran;
Da muſt ich nach dem Ende ſtreben:
Und ſo gehts dir mit andern auch,
Auf deines Lebens erſten Hauch,
Da haͤuffen ſich die ſchnellen Stunden,
Die Stunden bringen einen Tag,
Die Tage bringen Wochen nach
Da iſt ein Monath ſchon verſchwunden.

Da haͤufen ſich den Jahr auf Jahr,
Du kriechſt aus deiner Kindheit Wiegen
Und deine Jugend wird gewahr
Der Erden irdiſches Vergnuͤgen:
Die Welt zeigt dir die Herrlichkeit,
Doch nur in einer kurzen Zeit;
Du wuͤnſchſt ſie laͤnger zu genieſſen,
Doch deiner Jahre ſchneller Flus,
Geht fort zu deines Lebens Schlus,
Und kann nicht wieder ruͤckwerts flieſſen.

Klag nicht das harte Schikſahl an,
Daß dich der Welt vergnuͤgte Auen
Auf deiner ſchnellen Lebens Bahn,
Nur laͤſt auf kurze Zeit beſchauen.
Die Vorſicht goͤnt dir einen Blik
Und zieht dich wiederum zuruͤk
Um
[106]Ein flieſſender Bach.
Um andern wieder Raum zu goͤnnen:
Wie wuͤrde keiner weiter gehn,
Was vor Verwirrung koͤnt entſtehn
Und alle Wollfahrts Riegel trennen!

So traͤgt euch durch die ſchnoͤde Welt,
Die Zeit auf ihren ſchnellen Fluͤgeln,
Bis es der hoͤchſten Macht gefaͤllt,
Jns dunkle Grab euch zu verriegeln:
Dan folgt auf dieſes eitle Heut,
Die grenzenloſe Ewigkeit
Jhr ſeid dahin, und hie verſchwunden
O! woll dem, den ſein Paradies,
Daß ihn die Welt im Schatten wies,
Dort in den wahren Glanz gefunden.

Doch wer der Gottheit Ebenbild
Jm klaren Gegenſchein beweiſet,
Und von dem Gnadenblik erfuͤlt
Zu iener Ewigkeit hinreiſet;
Der kommt in das gelobte Land,
Wo keines Wechſels Unbeſtand,
Des ewgen Fruͤhlings Luſt entziehet;
Der kommt dahin, wo ſonder Streit
Ein Jmmergruͤn der Ewigkeit
Jn neu beſtirnten Glanze bluͤhet.


Fra-
[107]

Fragen
an die unterſchiedenen Alter mit
der Antwort der natuͤrlichen
Neigungen.


Lehrer.

[figure]
Jhr Menſchen ſterbliche der Erden,
Jhr Wandersleute dieſer Welt!
Ach! laſſet, wenn es euch gefaͤllt
Mich nur einmahl eur Lehrer werden.
Jch will euch nur um eins befragen
Vom kleinſten an bis zu dem Greis,
Ein ieder wird auf mein Geheis.
Mir richtig ſeine Antwort ſagen,
Mein Saͤugling! lall mir deinen Sinn
Wo gehſt du hin?

Saͤugling.

Jch kom in unbekante Laͤnder,
Wo alles mir ganz fremde ſieht,
Jch gehe, wo man mich hinzieht
Mit einem Strang geflochtner Baͤnder:
Jch geh und ſtrauchle auf dem Wege,
Weil meiner Schenkel bloͤder Schritt
Zu kurz und bald zu weit hintritt,
Man lernet mir im Spiel die Stege,
Wo man mich lenkt nach ſeinem Sin
Da geh ich hin.

Leh-
[108]Fragen an die unterſchiedenen Alter.
Lehrer.

Jch hoͤre daß des Saͤuglings Weſen
So iſt, wie ihn ein ander fuͤhrt,
Er gehet wie er wird regiert,
Daraus kan man die Lehre leſen:
Ein Kindlein das an Mutter Bruͤſten
Den Nahrungsſafft des Lebens nimt,
Das ſaugt, was in der Milchkoſt ſchwimt,
Schon an ſich von der Mutter Luͤſten.
Mein Knaͤblein! ſag mir deinen Sin
Wo gehſt du hin?

Knabe.

Jch lauffe fort zu meinen Spielen;
So bald mein muͤder Schlaf vorbei,
Denk ich wo Ball und Kegel ſei,
Wie ich muß nach der Scheibe zielen:
Der Zwang treibt mich dan in die Schule,
Da ich erlern bei Angſt und Weh
Das marter volle A. B. C.
Auf einen harten Schuͤler Stuhle:
Denn denk ich, wo des Spiels Gewin
Da geh ich hin.

Lehrer.

Mein Knaͤblein! mag dir kein Geſezze
Zu lauffen immer fort und fort,
Bald hie bald an dem andern Ort.
Da ſind die Luſt offt Laſterplaͤze:
Die Sittſamkeit der Kindheit Krone,
Jſt eine Tugend die dich ziert,
Wer ſolche ſchon ſo fruͤh verliert,
Komt ſelten zu dem Ehrenthrone:
Mein
[109]Fragen an die unterſchiedenen Alter.
Mein Juͤngling! ſag mir deinen Sin
Wo gehſt du hin.

Juͤngling.

Bald hie bald da zu Luſt Gelagen
Wo man der Jugend Neigung kuͤhlt,
Wo Aug, Ohr, Zung Ergoͤtzen fuͤhlt:
Wo Tantz und Wolluſt mich behagen,
Wo Glanz und Schoͤnheit mich erfriſchen,
Weil Herz und Feur mein Element,
Wo Labſahl, wenn daſſelbe brent,
Und Nahrung irgend zu erwiſchen:
Das thu ich weil ich iung noch bin,
Da geh ich hin.

Lehrer.

Das ſind die Wege die da ſuchet
Die Welt geſinte Munterkeit,
Die Straſſen geiler Eitelkeit,
Die GOtt in ſeinen Wort verfluchet,
Mein Juͤngling! was ſind deine Luͤſte?
Nur Pfuͤtzen aus dem Schwefel Pful
Was iſt der Wolluſt Laſter Schul?
Der Hoͤllen Bahn, ein Fallgeruͤſte.
Du Mann! ſag mir nun deinen Sin,
Wo gehſt du hin?

Mann.

Jch geh den Weg zu meiner Ehre,
Jch ſuche Brodt und Unterhalt
Durch Kunſt, durch Arbeit, durch Gewalt,
Gehts nicht; ſo greif ich zum Gewehre.
Hebt mich die Klugheit in die Hoͤhe
So giebt mir Weisheit reiche Koſt,
Jch
[110]Fragen an die unterſchiedenen Alter.
Jch ſcheue weder Hitz noch Froſt
Wen ich was zu erwerben ſehe,
Erblik ich wo die Ehren Zinn,
Da geh ich hin.

Lehrer.

Geh fort, doch durch die rechte Thuͤre,
Und ſuche was dir Zeitlich nuͤtzt;
Doch denk, daß der die Welt beſchuͤtzt
Der GOtt die Menſchen Kinder fuͤhre.
Die Ehr iſt ſchluͤpfrig gleich dem Eiſe
Hat er dich nicht dazu erwaͤhlt,
So denk dort iſt es, was hie fehlt
Du aber krum gebogner Greiſe,
Du Alter! ſag mir deinen Sinn
Wo gehſt du hin?

Alter Greiſe.

Jch geh bei meinen Wanderſtabe
Und ſuche Gold und Schaͤtze auf,
Bis daß mich bringt mein Lebenslauf
Zum Ziel, zum Todt, zum kalten Grabe:
Jch wandre immer voller Grillen,
Daß ich vor kommende Gefahr
Mein laͤngſt erworbnes Gut bewahr.
Jch krieche fort nach GOttes Willen
Zu Geld und Erd lenkt ſich mein Sinn,
Da geh ich hin.

Lehrer.

Du komſt ſtets naͤher zu dem Ziele,
Was ſoll denn deine Eitelkeit,
Denk an den Schatz der Ewigkeit;
Verlaß die guͤldnen Kinderſpiele
Die
[111]Die praͤchtigen Stokroſen.
Die Klumpen dikke Erden Goͤtzen,
Die nur ein Schein der Augen ſind,
Und in der That nur Erd und Wind:
Drum ſuche dich in Ruh zu ſezzen,
Der Tod ſchlieſt dir in einem Nu
Die Augen zu.


Die praͤchtigen Stokroſen.


[figure]
Wer nicht unempfindlich iſt, wird

durch einen Blik geruͤhrt,

Wenn man die Stokroſen ſieht, de-

ren Pracht die Gaͤrten ziert;

Weil ihr hocherhabnes Haupt ſich

an derer Beeten Ekken

Die mit Blumen ſind beſetzt, pfleget weit hervor zu

ſtrekken.

Wie mir ihre ſchlanke Pracht juͤngſtens in die Au-

gen fiel,

So erwekte mir der Blik dabei dieſes Sinnenſpiel:

Jch ſah ſie als Fuͤrſten an, die bei denen Blumen

Heeren,

Stunden vorne an der Spitz, als wenn ſie die Fuͤh-

rer waͤren.

Jhre Stang iſt wunderbar und als ein geſteiftes Rohr,

Daraus gehn von unten an bis gantz oben Knoͤpf

hervor:

Dieſe ſprieſſen immerſort ihre Blumen die, vor allen

Wegen ihres breiten Schmuks uns in das Geſichte

fallen.

Welch
[112]Die praͤchtigen Stokroſen.
Welch ein Anblik voller Luſt! iſt es wenn man eine

ſieht,

Die an ihren ganzen Stok, bis zum hoͤchſten Gip-

fel bluͤht,

Deren Blumen ausgefuͤllt und mit wollgemiſchten

Kraͤntzen,

Wenn die Sonne feurig ſtrahlt, als wie kleine Son-

nen glaͤnzen,

Welch ein Anblik wenn man ſieht! auf der einen Pur-

purſchein

Da die andern ſchwaͤrtzlich roth, und die wieder gelb-

licht ſein,

Wie vergnuͤgt ſich unſer Hertz an den feuerreichen

Strahlen,

Die uns unſers Schoͤpfers Groͤß herrlich vor die Au-

gen mahlen!

O! du Vater alles Lichts, der du ewig herrlich

biſt,

Wie man an der Kreatur mit geruͤhrten Sinnen lieſt,

Seh ich die Stokroſen an, die an ihren Stielen han-

gen;

So ſeh ich zu deiner Ehr dieſe ſchoͤne Blumen pran-

gen

Jhre hocherhabne Pracht, ihre wollgeorndte Zier

Koͤmt mir nach dem Augenſchein, als wie Pyrami-

den fuͤr,

Die zu ihres Schoͤpfers Ruhm aufgericht gepflan-

zet ſtehen,

Daß wir daran uns zur Lehr dieſe Ueberſchriften ſe-

hen:

Menſchen! ſeht wie die Natur auf des Hoͤch-

ſten Macht Geheis,

Allenthalben gruͤnnt und bluͤht zu des Schoͤp-
fers Ruhm und Preis

Schau-
[113]Der HErr kennet die Seinen.
Schauet uns Stokroſen an die wir Ehren-

ſaͤulen gleichen,

Wolt ihr als vernuͤnftige unbelebten Blu-
men weichen.

Schauet unſre Bluͤthen an, die gleich einen
Brand Altar,

Von des Himmels Licht entflammt, brin-
gen Feur und Kohlen dar

Daran euer Hertz und Sinn muß die groſſe
Pflicht empfinden,

Daß ihr muͤßt zu GOttes Ruhm euer An-
dachts Feur entzuͤnden.


Der HErr kennet die Seinen.


Woll dem! der dieſes Siegel hat,
Der HErr der kennt die Seinen,
Dem wird der Heiland fruͤh und ſpat
Mit ſeinen Troſt erſcheinen:
Weg Kuͤmmernis, weg Angſt und Weh
Jch will nicht laͤnger weinen;
Weil ich in GOttes Worte ſeh
Der HErr der kennt die Seinen.

Der Nahme aller Frommen iſt,
Jns Lebens Buch gedruͤkket;
Wenn dies ein Juͤnger Chriſti ließt:
So wird ſein Herz erquikket.
Was frag ich nach den Dornenſtich,
GOtt wird es gut noch meinen:
Erſter Theil. HDenn
[114]Der HErr kennet die Seinen.
Denn dieſes glaͤub ich ſicherlich:
Der HErr der kennt die Seinen.

Die Truͤbſahl bringt nach Golgatha,
Der Glaub nach Tabors Hoͤhen
Hie hab ich Laſt, die Luſt iſt da
Jm Himmelreich zu ſehen.
Ein Jacob ſah den Himmel an
Jm Traum auf harten Steinen,
Das iſt ein Bild das lehren kann,
Der HErr der kennt die Seinen.


Gedanken
uͤber die Wunder GOttes die
aus dem Lauf des Lebens hervor-
leuchten.


[figure]
Jch bin ein Menſch Vernunft kann
mir dies zeigen,
Mit ſolcher muß ich auch zum Schoͤp-
fer ſteigen
O! welche Wunder zeigt mein Le-
bens Lauf
Geburt, Erziehung, Wachsthum, Gluͤk, Vergnuͤgen
Glaub, Leben, und des Hoͤchſten weiſes Fuͤgen
Dies alles weiſet mich zu GOtt hinauf.

Die
[115]

Die
wunderbahre Vorſorge GOttes
uͤber das Leben der Menſchen.
Zum Preiſe GOttes am Geburtstage
erwogen.


[figure]
Nun ſinds ein und dreißig Jahre,
Schoͤpfer! da mir erſt die Welt,
Als die Mutter mich gebahre,
Wurde ſichtbahr vorgeſtellt:
Da ſah ich als wie im Traume,
Unbekuͤmmert an das Licht,
Auſer den ſehr engen Naume
Meiner Wiegen hat ich nicht,
Als den Trieb durch klaͤglich Stehnen,
Nach der Mutter Bruſt zu ſehnen.

Nun erkenn ich erſt mein Weſen,
Wer ich bin und damahls war,
Wer mich aus dem Nichts erleſen
Wer mein Urſprung weiß ich klar:
Du biſts HErr der Kreaturen!
Urſprungsquell von allen Sein!
Denn ſeh ich die Wallfarts Spuren
Meines ganzen Lebens ein
Bis da ich die Welt erblikket,
Find ich dich ſtets abgedruͤkket.

H 2Toh-
[116]Gedanken uͤber die Wunder GOttes
Tohren (*) die ihr mir wolt ſagen,
Es haͤtt mich von ohngefehr
Die Natur hervorgetragen
Aus der Sonnenſtaͤubgen Heer;
Meines Leibes Kunſtgebaͤnde,
Herz, Gedaͤrme, Adern, Saft,
Kopf nnd Beine, Leib und Haͤnde
Kaͤmen durch des Schikſals Kraft:
Jhr wollt mich zum Glauben zwingen,
Unordnung koͤnn Ordnung bringen.

Will ich mich nur ſelbſt anſehen,
Geb ich auf die Herkunft acht,
Frag ich im zuruͤkke gehen:
Wer hat den herfuͤr gebracht;
Denk ich ſo durch die Geſchlechter,
Endlich komm ich an dem Stamm:
Sagt mir doch ihr Gottsveraͤchter,
Woher der den Anfang nahm
Aus der Erde? Nein die Erde,
Macht nicht daß man lebend werde.

So kann ich von allen Seiten,
Dieſe Warheit: Es iſt GOtt
Aus mir ſelbſt durch Schluͤſſe leiten,
Wieder aller Tohren Spott:
Bin ich nun gantz uͤberfuͤhret,
Durch Vernunft und klares Wort,
Daß von ihm die Welt herruͤhret:
So zeigt mir auch alſo fort,
Dieſe Groͤſſe vieler Werke,
Seine Weisheit, Guͤt und Staͤrke.

Him-
[117]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Himmel, Sonne, Mond und Sterne
Erde, Waſſer, Laub und Krant,
Die das Auge in der Ferne,
Und auch in der Naͤh beſchaut;
Aller der Geſchoͤpfe Menge,
Jhres Wachsthums Treibekraft
Und der Luft verborgne Gaͤnge
Zeigen GOttes Eigenſchaft:
Und der muß woll alles wiſſen,
Von dem ſo viel Ding herflieſſen.

Machte er einſt alle Dinge
So hat er auch in der Welt;
Alles ob es gleich geringe
Sich damahls ſchon vorgeſtellt;
Was noch in den Folge Zeiten
Jn der Fortpflantzung zu ſehn:
Muſt beim erſten Zubereiten,
Jhn ſchon klar vor Augen ſtehn;
Obsgleich da noch ſo verdekket,
Wie der Baum im Kerne ſtekket.

Alſo bei dem Elemente,
Daß der Dinge Anfang war,
Da ſein Wille alles nennte,
Ward ich ihm ſchon offenbar:
Daher ſchlieſſen keine Grenzen,
Seine weiſe Vorſicht ein,
Ja der Sonne ſtrahlend Glaͤnzen
Blend ſo nicht der Augenſchein,
Als das Licht von GOttes Groͤſſen
Wenn man ſolche will ermeſſen.

H 3Denk
[118]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Denk ich nach die vielen Wunder,
Die mir mein Geburtstag lehrt:
So entflammt mein Herz als Zunder
Wenn daran ein Funke faͤhrt:
Seh ich meines Leibes Stuͤkke,
Als des Hoͤchſten Bauwerk an;
Und erweg ich ihr Geſchikke,
Die kein Menſch ſo kuͤnſtlen kann;
So faͤllt GOttes Wunder Guͤte,
Durch das Auge ins Gemuͤte.

Wie gar leicht wird zarten Kindern,
Die Geſundheit eingebuͤßt:
(Denn GOtt wills nicht ſtets verhindern)
Eh ſie noch die Welt begruͤßt.
Wie viel hundert koͤnnens zeigen,
Die man Misgeburten nennt;
Laͤhmung, Taubheit, Blindheit, Schweigen,
Haſt du von mir abgewendt,
Da ich zu der Mutter Schmerzen,
Noch lag unter ihren Herzen.

Die Geburt ſelbſt kan mich lehren,
Wie die Vorſehung gewacht,
Die ich muß als Eltern ehren,
Hat ſie mir woll ausgedacht.
Dekte mich in meiner Wiegen,
Kein Gewand mit Gold geſtikt;
Kont ich nicht auf Seiden liegen;
So bin ich dennoch begluͤkt,
Beſſer, in dem Chriſtenſtande
Als im tuͤrkſchen Windelbande.

Waͤr
[119]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Waͤr ich in dem Reich der Blinden,
Zuerſt an die Welt gebracht,
Die den Himmel ſchwerlich finden
O! ſo haͤtte ihre Nacht
Mir vielleicht kein Licht gewieſen:
Darum ſei du ewigs Wort;
Sonderlich von mir geprieſen,
Daß du mir an ſolchen Ort,
Haſt des Lebens Licht gegoͤnnet,
Da man dich als Heiland kennet.

Meiner Eltern treu Bemuͤhen,
Suchte mich mit guter Zucht
Jn der Kindheit zu erziehen
Als die erſte Leibes Frucht:
GOtt du gabeſt mir ſtets Kraͤfte,
Doch bald ward ich wie ein Licht
Daß ohn alle Nahrungsſaͤfte
Dunkler brennt und endlich bricht,
Und das mitten im Erſterben,
Neues Oel ſchien zu erwerben.

Wie gar leicht waͤr meine Bluͤte
Jn der Unſchuld hingeraft,
Wenn nicht deine Wunder Guͤte
Mich belebt mit neuer Kraft:
Doch ich war von dir erkohren,
Wie dem Eltern unbekant:
Denn eh ich noch war gebohren
Wuſteſt du ſchon meinen Stand;
Durch den Einflus deiner Triebe,
Gabſt du mir die Buͤcher Liebe.

H 4Wie
[120]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Wie viel Reitzung zum Verbrechen,
Wurde da in mir erſaͤuft,
Welche ſonſt die Jugend ſchwaͤchen
Wenn die Jahre ſich gehaͤuft:
Jch erkenne zwar die Fehler
Die ich damahls nicht geacht
Doch daß ich nicht Schanden Maͤhler
Jns Gewiſſen ſo gemacht,
Als die Frechheit vieler Seelen,
Muß ich GOtt zum Ruhm erzaͤhlen.

Meine Luſt zum Wiſſenſchaften
Schien vom Tag zu Tage mehr,
Jn dem Herzen feſt zu haften,
Daß ich mich zu GOttes Ehr
Wolt zu ſeinen Dienſte weihen:
Meiner Eltern ſorgend Herz
Wolte mir den Weg verſtreuen,
Und ich lies mit inren Schmerz,
Jhrer Neigung keinen Willen,
Meinen Vorſaz zu erfuͤllen.

Hier entdekken ſich die Gaͤnge,
Der verborgnen Vorſehung,
Deren Hoͤhe, Tiefe, Laͤnge
Seh ich mit Verwunderung:
Wie gar leicht ſind die Gedanken,
Zarter Jugend zu verdrehn
Wenn ſie bei dem fluͤchtgen Wanken,
Wie ein duͤnner Rauch verwehn;
Daß ſie das zuruͤkke ſezzen,
Was ſie vorher herrlich ſchaͤzzen.

Du
[121]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Du nur du allwiſſend Weſen,
Fuͤhrteſt mich nach Hildesheim,
Daſelbſt ferner aufzuleſen
Den gelehrten Honigſeim:
Da fand ich nun viel Geſellen
Guter und auch boͤſer Art;
Boͤſen mich nicht gleich zu ſtellen,
Haſt du mich gar oft bewahrt,
Daß ſie mich mit ihren Schlingen
Nicht nach ihrer Lokkung fingen.

Dieſer Lauf ward auch vollendet,
Und mein Schif ward auf die Bahn
Eines weiten Meers geſendet,
Wo man leichtlich ſtranden kann:
Hohe Schulen zu vergleichen,
Sind das Ophir, wo ein Schatz
Vieles Wiſſens zu erreichen:
Wo doch auch ein Sammelplatz
Schreklicher Gefaͤhrlichkeiten,
Die mit unſrer Wollfahrt ſtreiten.

Schwelgen, Wolluſt, Spielen, Schlagen,
Bachus, Venus, Eris Geiſt,
Was noch mehr dazu zu ſagen,
Was da zum Verderben reiſt:
Ungeheuer und Sirenen
Findet man mit ihrer Brut,
Die mit ihren Zauber Toͤnen
An ſich ziehn das junge Blut,
Das der Eltern Gut verdirbet,
Was ihr ſaurer Fleis erwirbet.

H 5Koͤnt
[122]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Koͤnt ich gnugſam Worte machen,
GOtt mein GOtt! dich zu erhoͤhn,
Fuͤr dein Vaͤterliches Wachen
Ueber mich in Elm Athen:
O! der Zungen ſtammelnd Lallen,
Reichet an die Treue nicht,
Und kein Wort will mir gefallen,
Wenn es dieſe Treu ausſpricht,
Die mich da bei ihren Leiten
Alles Uebel lies beſtreiten.

Mein Sinn hatte ſich zum Ziele
Wahre Weisheit vorgeſetzt
Und dies wurde mir zum Spiele,
Weil mich ihr Geſchmak ergoͤtzt:
Dieſer Neigung heiſſe Funken,
Hatteſt du in mir gelegt
Sonſt waͤr ich auch da verſunken
Wo ſich Pful und Laſter regt:
Doch der Taumelkelch der Laſter,
Ward mir mehr und mehr verhaßter.

So ging auch das muntre Leben,
Auf der hohen Schul vorbei,
Da dacht ich GOtt wird mir geben,
Daß ich andern nuͤzlich ſei.
Vater! deiner Vorſicht Schluͤſſe
Fuͤhrten mich recht wunderbar:
Denn die reichen Segensguͤſſe
Zeigten ſich mir alle Jahr,
Bis ich wieder mein Verhoffen,
Bald ein gutes Looß getroffen.

Den-
[123]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Denk ich nach in dem Gemuͤte
An die weiſe Vorſehung;
So erwekt in mir die Guͤte,
Andacht und Bewunderung,
Daß ich in ſo fruͤhen Jahren,
Einen Lehrerſtul erlangt;
Und dabei zugleich erfahren,
Wofuͤr ſtets mein Herze dankt:
Daß der wer ihr Schuͤler worden,
Komme in den Lehrer Orden.

Mit dem Fortgang in dem Leben
Zeigte ſich die Gnaden Hand,
Die ſtets offen uns zu geben,
Und mir vieles zugewand;
Dahin rechne ich die Ehe,
Weil derſelben Liebesbund
Durch den Segen aus der Hoͤhe
Mir auch macht die Vorſicht kund,
Darin daß ſie meinen Nahmen
Erhaͤlt in geſchenkten Samen.

Denk ich nach daß bei den Freuden
Die das Gluͤk in mir erwekt
Auch ſchon manches hartes Leiden
Den geſcheuchten Geiſt erſchrekt;
Denk ich an die heiſſen Plagen
An die Krankheits Banden noch,
Die mein Koͤrper hat ertragen
So zeigt ſich, dies Kummer Joch
Hat die Vorſicht, wens gedruͤkket,
Auch bald wieder weggeruͤkket.

Es
[124]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Es iſt oft bei finſtern Stunden,
Heller Sonnen Glanz verſtekt,
Wenn ſich Dunſt und Wolken funden,
Die ihr ſtrahlend Licht verdekt:
Kann man aber alſo ſchlieſſen,
Daß die Sonne ſelbſt erbleicht
Wenn ſie bei den Finſterniſſen
Nicht ſo bald die Blikke zeigt:
Da ſie wieder, eh mans meinet,
Heller aus den Wolken ſcheinet.

So komt mir auch das Geſchikke,
Truͤber Ungluͤksſtunden vor,
Da ich GOttes Gnaden Blikke
Nur aus dem Geſicht verlohr:
Denn da ſich ſein Aug verborgen
Machte mir, bei der Gefahr,
Sein recht vaͤterliches Sorgen
Dieſe groſſe Warheit klar:
Daß der Vorſicht ewigs Walten
Uns muͤß, koͤnn und woll erhalten.

Wie nach dem Gewoͤlk und Regen,
Jn dem Reiche der Natur
Sprieſſet ein viel groͤßrer Segen,
Auf der Felder gruͤner Flur:
So hab ich nach kranken Wehen,
Jn dem Reich der Fuͤrſehung,
Zu des Hoͤchſten Preis geſehen
Bei des Orts Veraͤnderung,
Da er mich hieher gefuͤhret,
Wie mich ſeine Hand regieret.

Wie-
[125]Gedanken uͤber die Wunder GOttes.
Wieder meinen Wunſch und Denken,
Rief er mich in dieſe Stadt;
Und es muſte ſich auch lenken,
Mein Sinn nach des Hoͤchſten Rath;
Wolt ich gleich wie Jonas fliehen,
Liebte ich das ſtille Land;
So wuſt er mein Herz zu ziehen,
Wie es ihm und mir bekand,
Daß ich muſte mich bequemen,
Den Beruf doch anzunehmen.

Noch mehr wundervolle Gaͤnge,
Weiſet mir mein Lebens Lauf,
Und dies Blat waͤr viel zu enge
Wenn ich ſchriebe noch darauf,
Was mein Herz vor Gnaden Zeichen,
Einer ewgen Guͤte kennt,
Die die Federn nicht erreichen
Weder Mund noch Zunge nennt;
Die doch aber im Verſpuͤren,
Herz und Sinn zum Schoͤpfer fuͤhren.

Das weiß ich was mir begegnet,
Jn der ſchon verſtrichnen Zeit;
Wie der Himmel mich geſegnet
Noch mit den begluͤkten Heut:
Wie es mir ergehet Morgen,
Was mir noch begegnen ſoll
Dafuͤr laß ich den nur ſorgen,
Der da alles machet woll,
Dem will ich mein Gluͤk und Leben,
Seiner Vorſicht uͤbergeben.

Heu-
[126]Die Abſicht GOttes
Heute beug ich meine Knie,
Mit dem allertiefſten Sinn,
Da ich noch im Wachsthum bluͤhe
Heut da ich gebohren bin:
Alles unausſprechlich Gute,
Was GOtt mir bisher gereicht
Soll ſo lang in meinen Blute
Sich noch Lebens Wallung zeigt,
Zu der Vorſicht groͤßſten Ruhme,
Bleiben mir zum Eigenthume.


Die Abſicht GOttes
warum er die Blumen erſchaffen.


[figure]
Als GOtt die Welt erſchuf hat ſeine weiſe

Macht,

[figure]
Wie woll die Einfalt glaͤubt; doch

nichts herfuͤrgebracht

Dabei er nicht zugleich auf ihren

Zwek geſehen:

Wer dieſes nur bedenkt, muß es

als wahr geſtehen.

Jm Kreaturen Heer, das keiner uͤberzaͤhlt

Und was dazu gehoͤrt, hat er nichts auserwaͤhlt

Dabei nicht ſein Verſtand, ein Allmachts weiſes Wollen,

Ein jedes Ding zum Zwek, zum Nutz beſtimmen ſollen.

Wir
[127]warum er die Blumen erſchaffen.
Wir leugnen dieſes nicht, es ſcheint auch ſonder Streit

Da er die Welt gemacht, hat er die Herrlichkeit

Die ſeine Hoheit ziert, dem Menſchen vorgeleget,

Die am Geſchoͤpfen ſtrahlt und die Vernunft erweget.

Doch wenn man ſich zugleich im Reiche der Natur,

Bemuͤht den Zwek zu ſehn an jeder Kreatur

Wornach der Wiz ſtets forſcht; ſo wird man allzeit

finden,

Daß ſich der Menſchen Luſt und Nutz darin verbinden.

Ein Beiſpiel leget uns der Blumen bunte Schaar,

Die allenthalben prangt, vor unſern Augen dar.

Man fraͤgt warum die Macht, die uͤber alles gehet,

Der Erden ſchwarzen Grund mit ſolchen Schmuk

beſaͤet?

Wer an die Weisheit denkt, die nichts vergeblich thut,

Wer dabei noch erwegt, daß GOtt das hoͤchſte Gut,

Der wird mit der Vernunft gar bald begreiflich ſpuͤren,

Es ſoll ihr bunter Schein durchs Aug das Herze

ruͤhren;

Es ſoll der Farben Pracht, ihr Gold und Silber-

ſchein

Der Sinnen holde Luſt, des Herzens Labſal ſein;

Es ſoll die Lieblichkeit, die aus denſelben quillet,

Ein Lebensbalſam ſein, wenn er die Lung erfuͤllet;

Es ſoll derſelben Saft, der in den Blaͤttern ſtekt,

Wenn ihn die Kunſt auspreßt und ihn ein Kranker

lekt

Fuͤr Angſt und Mattigkeit, fuͤr mancherlei Beſchwer-

den

Die unſern Koͤrper quaͤln, ein heilſam Mittel wer-

den.

Daß dies der Weisheit Zwek, des Schoͤpfers Abſicht

ſei,

Dazu ſtimmt jederman mit ſeiner Meinung bei:

Wie
[128]Die Abſicht GOttes
Wie aber ſolte GOtt der Blumen Luſt und Gaben,

Wirft man dagegen ein, fuͤr all erſchaffen haben?

Wer in der Niedrigkeit, im tiefen Staube ſitzt

Und in dem Arbeits Joch bei armen Kummer ſchwitzt

Der muß das Gartenland, wo andre Blumen

ſchauen,

Mit Wurzeln, und mit Kohl, Salat und Ruͤben

bauen

Es weiß von Blumen nichts, dieweil ſein kleines

Beet,

Die Nahrung geben muß, die in den Magen geht.

Das hebt den Satz nicht auf, weil man dies bunt

Vergnuͤgen

Auf Wieſen, Berg und Feld ſieht vor den Augen liegen.

Der Schauplaz der Natur der ſeine Herrlichkeit

Auch denen Niedrigen zu ihrer Luſt anbeut

Jſt allenthalben ſchoͤn, die Liljen auf den Feldern,

Die in die Saat gemiſcht, Violen in den Waͤl-

dern

Und das Vergis mein nicht, das in den Wieſen prangt,

Die haben gleichen Schmuk mit anderen erlangt;

Die koͤnnen eben ſo der Niedern Aug ergoͤzzen,

Als die, die Hohen ſich zur Luſt in Gaͤrten ſezzen.

Erwege dies O! Menſch ſo ſiehet dein Gemuͤt

Des Schoͤpfers weiſe Macht und ſeine milde Guͤt

Die die bewohnte Welt zum Luſthaus aufgefuͤhret

Und Himmel, Erd und Meer vergnuͤgend ausge-

zieret,

Damit ein jeder Menſch dem Angſt und Schwer-

muth druͤkt

Was ihn ermuntern kann bald hie bald da erblikt,

Und dieſes lehrt dich klar, es ſei des Schoͤpfers

Wille

Daß man ſein Herze ſtets mit reiner Luſt erfuͤlle

Wer
[129]warum er die Blumen erſchaffen.
Wer ſich die frohe Welt zu einen Kerker macht,

Darin man traurig ſcheint, wenn alles uns anlacht

Der denkt nicht an den Zwek der vielen Lieblichkeiten,

Und was derſelben Schmuk, Geruch und Kraft be-

deuten:

Wer ſich darauf beſinnt und ſieht der Blumen Schein,

Der merket dieſe Lehr wir ſollen froͤlich ſein;

Und iſt das Herz vergnuͤgt, ſo ſollen wir auch dienen,

Den Herren der Natur mit muntern Andachtsmie-

nen

Der kennt den Hoͤchſten nicht, der ihn zu ehren ſucht

Und mit Truͤbſinnigkeit auch alle Luſt verflucht:

Warum haͤtt er uns denn zu einen frohen Leben

So viel vergnuͤgendes hier zum Beſiz gegeben?

Wer GOtt recht dienen will, nehm dieſe Lehren an

Die Salomo (*) geſagt der goͤttlich weiſe Mann,

Der fliehe kuͤnftig hin des Unverſtandes Traͤume,

Als waͤren in der Welt nichts als verbotne Baͤume,

Darauf die Frucht zwar ſchoͤn und lieblich anzuſehn,

Man muſte aber ſtets blindlings voruͤber gehn:

Das will der Schoͤpfer nicht, der da von uns be-

gehret,

Den freudigen Genus des, was er uns beſcheret.

Denn alles iſt ja gut, wenn man ihn dafuͤr dankt,

Was wir von ſeiner Huld, als eine Gab erlangt:

Und in der Ordnung braucht, die er uns fuͤrgeſchrie-

ben,

So kann man das Geſchoͤpf und auch den Schoͤpfer

lieben.

Wer in dem irrdiſchen das unſer Herz erquikt,

Des Gebers Guͤtigkeit empfindet und erblikt,

Und dadurch wird erwekt deſſelben Herrlichkeiten,

Mit regen Andachts Trieb auf Erden auszubreiten

Erſter Theil. JDer
[130]Die lehrenden Sonnenblumen.
Der lebet als ein Menſch und uͤbet ſeine Pflicht,

Wer dieſes unterlaͤſt uͤbt ſeine Pflichten nicht

Wer nach Vernunft und Schrift den Hoͤchſten will

verehren,

Der richte ſich getroſt nach dieſen Warheitslehren:

Man ſchaue nur vergnuͤgt, was uns in dieſer Welt,

Jm Reiche der Natur zur Luſt iſt fuͤrgeſtellt,

Erwekket denn in uns die frohe Augenweide

Die Lebens Geiſter auf zu einer muntern Freude:

So ſtimme man dabei in Lob-Geſaͤngen an,

Was GOttes Gnaden Hand vor Wunder kund

gethan:

Es wird das Freuden Lied, wenn Hertz und Adern

wallen,

Jn regen Andachts Trieb dem Schoͤpfer woll gefallen.

Wend zu der Beßrung an, was dir die Schrift ge-

zeigt;

So haſt du deinen Zwek des Lebens woll erreicht;

So wirſtdu nach der Zeit in jenen ſeelgen Auen,

Den, welchen du geglaͤubt von Angeſichte ſchauen.


Die
lehrenden Sonnenblumen.


[figure]
Sonnenblumen! eure Lehren,

Will ich jetzo ſehn und hoͤren,

Die ihr in verguͤldter Pracht

Mit dem rund geformten Kreiſe

Nach der Sonnen Licht und Reiſe

Euren Stand und Wendung macht.

Stel-
[131]Die lehrenden Sonnenblumen.
Stellet man euch vors Geſichte,

So koͤnt ihr dem Himmels Lichte

An Figur und an dem Schein

An dem Majeſtaͤtſchen Prangen,

Auf den gruͤn bewachſnen Stangen

Wo nicht gleich doch aͤhnlich ſein.

Auf der Erden Luſtgefilde

Traget ihr der Sonnenbilde

Dieſes muͤſſen wir geſtehn:

Moͤchten wir uns auch befleiſſen,

Da wir GOttes Kinder heiſſen

Daß ſein Bild an uns zu ſehn.

Jhr heiſt recht die Sonnenwende

Weil ihr mit dem ſpizzen Ende

Euch zur Mittags Gegend neigt,

Dadurch wird, wie wir auf Erden,

Auch ſchon ſollen himliſch werden

Uns zur Lehre angezeigt.

Moͤchten ſich der Menſchen Sinne,

Zu dem HErrn der Himmels Zinne

Alſo lenken wie die Blum

Ach! ſo wuͤrden unſre Seelen,

Sich mit GOttes Huld vermaͤhlen

Der ihr hoͤchſtes Eigenthum.

Euer Nahm ſtammt von der Sonne,

Weil ihr euch mit eurer Wonne,

Nach derſelben Strahlen lenkt:

Nahm und That ſtimmt hier zuſammen

Wenn bei einen Chriſten Nahmen

Dies ein Chriſte auch bedenkt:

Ach! ſo wuͤrden auf der Erden

Nicht ſo viel gefunden werden

Die nur Chriſten nach den Schein:

Aber durch ihr ganzes Leben,

J 2Deut-
[132]Die abwechſelnde Zeit
Deutlich zu verſtehen geben,

Daß ſie warlich Heiden ſein.


Die abwechſelnde Zeit
Eine weiſe Einrichtung GOttes
fuͤr die Menſchen.


[figure]
Der Sonnen ſchneller Lauf der ſeinen Zir-

kel zieht,

Bringt ſtets ein andres Jahr: indem

das alte flieht

Als wie ein Waſſertropf der in ein Meer

verſchoſſen:

Dies iſt ein Bild der Zeit, die ihren Lauf beſchloſſen.

Die Zeit iſts eigentlich die uns den Kreis der Welt,

Mit der Veraͤnderung zum Schauplatz fuͤrgeſtellt:

Worauf die Lebenden nach unſers Hoͤchſten Schluͤſſen,

Wie es die Ordnung fuͤgt die Rolle ſpielen muͤſſen.

Wer dies mit Achtſamkeit recht ſiehet und bedenkt

Der ſieht, wohin er nur, das Licht der Augen lenkt,

Die ſtete Wechſelung: da eins das andre bringet,

Und ehe man es meint auch wiederum verſchlinget.

Dies lehret uns den Satz: die Zeit verfliegt geſchwind

Und mit derſelbigen, die Dinge die da ſind,

Das hat das ewge Licht, das Sonn und Welt regieret,

Zum Nutz der Sterblichen, ſo weislich eingefuͤhret.

Wie braͤchte nicht die Zeit auch ſeine Wechſel mit,

Und ginge das Geſchik mit ihr ſtets gleichen Schritt:

So
[133]eine weiſe Einrichtung GOttes fuͤr die Menſchen.
So waͤre ſtets die Welt, ſo lang die Sonne ſchiene,

Des einen Freuden Bahn, des andern Trauer Buͤhne.

Ein Croͤſus lachte ſtets bei ſeinen reichen Gluͤk,

Ein Jrus ſaͤhe nichts als lauter Klag Geſchik;

Der eine wuͤrde ſich noch immer mehr erheben,

Der andre ſtuͤrbe gar, indem er ſolte leben.

Beſeht ihr Sterblichen! nur euren Wechſelſtand,

Jſt euch die Welt anjetzt, ein recht gelobtes Land:

Die Zeit iſt wechſelreich, es kann euch auf der Erden,

Gar bald ein Canaan zur Jammerwuͤſte werden:

Sie aͤndert Freud und Leid; Wer in der Aſche ſitzt,

Bei der und jener Noth, wie Hiob, Angſtſchweis ſchwitzt

Dem laͤſt die Hofnung doch in Jammer, das Ver-

gnuͤgen,

Er werde mit der Zeit auch ſeinen Schmerz beſiegen.

Die Zeit vergeht geſchwind, es haͤuft ſich Jahr auf Jahr,

Und wie ſie uns verlaͤuft, das wird man kaum gewahr,

Der Menſch kann ſelbſt davon mit ſeinen ganzen Leben,

Das ihn verflogen iſt, ein klares Zeugnis geben.

Der Kindheit erſter Stand, da man im Wiegen

liegt,

Da man uns, wie im Traum faſt unempfindlich

wiegt,

Nimt einge Jahre weg, die uns von hinnen rennen,

Eh wir die Welt einmahl, eh wir uns ſelber kennen.

Der Zeitlauf welcher folgt, den man die Jugend heiſt,

Der geht auch ſo geſchwind, als das Gebluͤthe fleuſt,

Das durch ein muntres Feur, ſtets das Gemuͤth er-

hizzet,

Dabei ein Juͤngling ſchwaͤrmt und niemahls ruhig

ſizzet.

Kaum daß ſein ſchlummernd Aug, aus ſeinen Schlaf

erwacht,

Wird bald mit Luſt und Spiel des Tages Zeit vollbracht;

J 3Bald
[134]Die abwechſelnde Zeit
Bald mit Beſchaͤftigung der zu begreifnen Sachen,

Dadurch wir eine Bahn zum Stand und Gluͤkke

machen.

So gehet unvermerkt auch unſre Jugend fort,

Und ehe man es meint, ſo ſtehn wir an dem Port,

Da wir bei maͤnnlichen, und ſchon erreichten Jahren,

Den Wink der Vorſehung zum Lebens Zwek erfahren.

Die ſtete Wechſelung, ein kuͤnftiges Geſchik

Ein unbeſtimmter Fall von Gluͤk und Ungeluͤk

Die Miſchung ſuͤſſer Luſt, mit ſaurer Laſt und Buͤrde,

Verkuͤrzet uns das Jahr, wens gleich verlaͤngert wuͤrde.

Bei der Beſchaͤftigung die uns die Erde giebt,

Und die der Sterbliche mit ſteter Unruh liebt,

Bei Freude, Arbeit, Scherz, bei Sorg und Kuͤmmer-

niſſen,

Verflieſſet uns die Zeit, eh wir es ſelbſten wiſſen.

Da komt, eh man es denkt, des Lebens letztes Jahr,

Da bringt der blaſſe Tod uns ſchon die Leichenbahr

Wenn unſer Anſchlag noch in weit entfernten Zeiten,

Uns einen Gluͤkkes Bau zu ſpaͤt will zubereiten.

Ein jeder Menſch erkennt, daß dieſes Warheit ſei

Und faͤllt dem Ausſpruch auch: Die Zeit hat Fluͤ-

gel, bei

Ach! moͤchte jeder auch ſich nach den Warheits Lehren,

Bei ſeinen Lebens Lauf und deſſen Fuͤhrung kehren.

Der Schoͤpfer hat die Zeit, die wie mit Fluͤgeln eilt

Nach ſeinen weiſen Rath uns darum mitgetheilt,

Daß wir mit Sorgfalt ſtets, die ſchnellen Stunden

zaͤhlen,

Darin ein ewigs Gut zu unſern Ziel erwaͤhlen.

Die Zeit iſt wechſel voll und ſie verfliegt uns bald,

Bei ihren ſchnellen Flug, iſt gar kein Aufenthalt,

Will uns die weiſe Guͤt nicht dadurch deutlich zeigen,

Daß man ſie brauchen muß, ſo lang ſie uns noch eigen.

Die
[135]eine weiſe Einrichtung GOttes fuͤr die Menſchen.
Die Zeit vergeht geſchwind und die Gelegenheit,

Die ſie uns zu dem Gluͤk in ihren Lauf anbeut

Und laſſen wir ſie gehn, ſo iſt mit ihren Stunden,

Zugleich Gelegenheit und auch das Gluͤk verſchwun-

den.

O! Menſchen lehret dies: Jhr eilt zur Ewigkeit,

Und eure Wollfart haͤngt an einen fluͤchtgen Heut.

Verſchiebet ihr das Woll, dafuͤr ihr hie muͤſt ſorgen,

Auf einen ungewis und zweifelhaften Morgen

So ſeid ihr thoͤricht ja: in dem ihr euch verlaßt

Auf das was ſchluͤpfrig iſt. Wer ſich nicht ſelbſten

haßt,

Der wird mit Klugheit ſich in Zeiten ſtets beſtreben,

Die Zeit woll einzutheiln, die ihn zum Heil gegeben.

Wer ihren Lauf recht kennt; der ſieht des Schoͤp-

fers Ehr

Jn weiſer Einrichtung in Gang und Wiederkehr

Des abgemeßnen Jahrs. Der wird bei allen Sachen,

Auch die Gelegenheit ſich recht zu Nuzze machen.


Der Maulwurf
ein Bild eines Geitzigen.


Ein Maulwurf hatte ſich im Garten einſt

verkrochen,

Und durch ſein blind Gewuͤhl viel Huͤgel

aufgehaͤuft,

Als ihn des Gaͤrtners Schwur den jaͤhen Tod ge-

ſprochen,

Dem er die Frucht verdarb eh ſie zum Nutz gereift,

J 4Er
[136]Der Maulwurf
Er lief bald hie bald da in dem verborgnen Gaͤngen,

Um ſich in lukrer Erd noch weiter durch zu drengen.

Doch da er ſich mit Muͤh ſtets immer weiter

brachte,

Mit freſſender Begier nach denen Wuͤrmen nagt,

Und wieder abermahl geworfne Huͤgel machte,

Ward ſeine Raͤuberei dem Gaͤrtner angeſagt:

Er kam und ſtach ihn aus, wo er ſich aufgeſchmiſſen,

Und muſte auf dem Klump zugleich ſein Leben ſchlieſſen.

Das iſt ein klares Bild von Menſchen die ſtets

wuͤhlen,

Nach eitlen Jrdiſchen; ſie haͤuffen Geld auf Geld:

Und da die Geitzigen nach dieſen Kothe zielen,

Verdirbt ihr blinder Trieb die Wollfart dieſer Welt,

Der HErr, der oben wohnt, der ſieht auf ihr Verderben,

Und laͤſt den Geitzigen als einen Maulwurf ſterben.

Er pflegt die Sterblichen, die alles zu ſich raffen,

Und denen gelber Koth des Lebens Element,

Wenn ſie genug gehaͤufft, damit auch zu beſtraffen,

Daß ſich ihr Lebens Ziel bei ihren Klumpen endt:

Denn ſie darum geſcharrt in ihren ganzen Leben,

Damit ſie drauf mit Qual zuletzt den Geiſt aufgeben.


Abend-Gedanken.


Nun iſt des Tages Zeit vorbei,
Mit meinen Arbeitsſtunden:
Jch bin von ihren Joche frei
Woran ich mich gebunden.
Die
[137]Abend-Gedauken.
Die Augen fallen zu,
Und ſehnen nach der Ruh;
Doch vor dem Schlafe denke ich,
Mit meinen Sinn, Mein GOtt! an dich.

Du Schoͤpfer dieſer ganzen Welt,
Du haſt mich heut erhalten,
Fuͤr deine Guͤt die mich erhaͤlt,
Muß ich die Haͤnde falten.
Nim meine Seufzer an,
Als ich ſie bringen kann,
Und zieh nach meines Hertzens Sinn
Dein Vaͤterliches Auge hin.

Wer bin ich der du mich ſo liebſt,
Ein Staub verworfner Erden,
Dem du des Lebens Othem giebſt,
Sonſt muß ich Aſche werden.
Fuͤr Nahrung, Speis und Trank,
Sag ich dir jetzo Dank
Womit du heute mich begabt,
Und meiner Glieder Bau gelabt.

Nichts gutes iſt mein GOtt an mir
Jch bin wie Adams Kinder
Entbloͤſt von deines Bildes Zier,
Jch bin wie ſie ein Suͤnder:
Du wilt den Tod doch nicht,
Drum zeigſt du mir dein Licht,
Mein Heiland hat durch ſeine Macht,
Mir auch das Leben wiederbracht.

Ach gieb den Geiſt in meine Bruſt
Der mir dies moͤge lehren
J 5Und
[138]Abend-Gedanken.
Und dadurch alle Suͤndenluſt
Jn meiner Seelen wehren.
Floͤß mir den Glauben ein
Daß ich kan ſeelig ſein,
Und ſtreiche mich und dieſes Haus,
Aus deinen Schuldregiſter aus.

Laß mich nach echter Redlichkeit,
Jn meinen ganzen Leben,
Und nicht nach eitlen Zank und Streit,
Bei meinen Nechſten ſtreben.
Ach! zeige meinen Fuß,
Wie er recht wandeln muß,
Damit ich taͤglich mit bedacht,
Nehm deiner Lehr Geſetz in acht.

Jch denke wie ich dieſen Tag,
Mit dir den Bund gebrochen:
Es wird jetzt mein Gewiſſen wach,
Jch hoͤr daſſelbe pochen.
Es ſaget: Meine Seel
Sei eine Suͤnden Hoͤl,
Doch denkt mein Glaube gleich dabei,
Daß JEſus mein Erloͤſer ſei.

Drum Heiland eh ich ſchlafen geh,
Wirſt du mich erſt entbinden
Damit ich nicht der Hoͤllen Weh,
Moͤg in dem Bett empfinden
Dein Creutz ſei mein Pannier
Dies ſtelle ich mir fuͤr
Und ſuche nach der Tages Laſt,
Jetzt auch in deinen Wunden Raſt.

Jch
[139]Die Freude der Glaͤubigen
Jch lege meine Kleider ab,
Laß mich dabei gedenken,
Daß mich der Schlaf ſo kan ins Grab,
Als in das Bette ſenken.
Und ſo ich auferſteh,
So gieb daß ich dich ſeh,
Daß ich ſo lebe wie du wilt,
Mein GOtt! nach deinen Ebenbild.


Die Freude der Glaͤubigen
bei der Ankunft JEſu.


Ueber das Evangelium am Advent.


[figure]
Koͤnig von Zion, Regierer der
Welt,
Du Hertzog des Lebens ach! ſei
uns willkommen,
Mein winſelndes Hoffen iſt nun-
mehr erfuͤllt
Der Fuͤrſte von Juda erlanget
die Krone,
Er waͤhlet den Himmel zum ewigen Throne,
Mein traͤnender Jammer iſt jetzo geſtillt,
Jndem mir die Urſach des Traurens genommen.

Jſt das der Held,
Der aus Davids Stammbaum ſteiget
Vor dem ſich alle Welt
Mit tiefer Erfurcht neiget;
Der
[140]Die Freude der Glaͤubigen.
Der mit ſeiner ewgen Macht
Den groſſen Erdenkreis beweget,
Bei Tag und Nacht
Des Himmels guͤldne Veſten traͤget
Des Allerhoͤchſten Sohn?
Der wird der Schlangen Kopf eindruͤkken,
Und Belial zum Spott und Hohn
Das Hoͤllen Joch der Welt vom Halſe ruͤkken.

Palmen her den zu bekraͤntzen
Der uns Heil und Seegen bringt;
Thore oͤfnet eure Pfoſten,
Der Erloͤſung Friedenspoſten
Bringen Zions Koͤnig mit:
Streuet Zweige, dekt die Wege
Machet ſeiner Fuͤſſe Tritt
Sanfte, wollgebahnte Stege,
Da man Hoſianna ſingt.

Doch weg mit ſolchen eitlen Prangen,
Sein Reich iſt nicht von dieſer Welt
Dem eitler Schein gefaͤllt,
Die ihn recht Koͤniglich empfangen,
Die muͤſſen ihre Herzen
Zum reinen Tempel weihn.
Das Heiligthum muß da voll Glauben ſein
Voll reiner Andachts Kertzen
Daran kein Tacht und Nahrungs Oel ausgehn
Die Finſterniſſe zu erhellen;
Auf ihrer Thore Schwellen
Muß Demut, Liebe ſtehn:
Denn ſolche ausgeſchmuͤkte Seelen,
Pflegt JEſus ſich zur Wohnung zu erwaͤhlen.


Die
[141]

Die Feſtigkeit des Goͤttlichen
Worts bei dem Untergang der Welt.


[figure]
Fallet ihr Himmel, brecht Riegel der Er-
den
Die Saͤule der Frommen, der Glaube
bleibt ſtehn,
Wenn ſiedendes Feuer, wenn Donner
und Blizzen,
Mit ſtuͤrmenden Krachen die Erde umkehrn,
Mit ſchmelzenden Kraͤften die Felſen verzehrn.
Mond, Sonne, Geſtirne und Wolken erhizzen:
So wird doch kein Tuͤttel des Glaubens vergehn.

Die Welt,
Die GOttes Macht, auf Nichts gegruͤndet,
Die ſeine Vorſehung erhaͤlt,
Mit einer feſten Schnur verbindet,
Wird endlich doch vergehn;
Des Himmels wollgeſtirnter Lauf,
Des Firmaments umwoͤlkte Bogen,
Hebt unſer Schoͤpfer auf,
Wenn ſie die Welt genug umzogen
Der Erden runder Kreis,
Das Wunderhaus worinnen Millionen
Erſchafner Kreaturen wohnen
Wird wie ein duͤrres Reis
Durchs Element des Feuers gantz zertrennt;
Doch eines bleibt, daß keine Flamme bricht
Wie
[142]Die Feſtigkeit des Goͤttlichen Worts.
Wie wird daſſelbige genennet?
Das Wort das GOttes Mund ausſpricht.

GOttes Warheit bleibet ſtehen,
Wenn der Erdenbau zerbricht,
Drum wird auch ſein Wort geſchehen,
Daß er zum verklaͤrten Licht
Den zerſtaͤubten Leib belebet,
Daß der Menſch ſein Haupt erhebet,
Das in Grabes Moder ſtekt,
Wenn ihn Chriſti Stimme wekt.

Jhr Frommen zittert nicht,
Wenn GOtt den Untergang entdekket,
Auf tauben Knal
Der des Grabes Dekkel bricht
Folgt der Poſaunen Schall
Der euch zum Leben auferwekket.
Der Suͤnder fuͤrchtet ſich ſo ſehr,
Wenn Chriſtus auf den Wolken ſizzet
Dieweil der Teufel Heer,
Ein Schweffel Meer
Zu ſeiner ewgen Qual erhizzet.
Jhr aber ſtrebt vielmehr darnach,
Es iſt eur Erloͤſungs-Tag.


JE-
[143]

JEſus ein Artzt des Leibes und
der Seelen.


[figure]
Da iſt Huͤlfe wo die Blinden,
JEſum ſelbſt zum Artzte finden
Denn ihr ſchuppicht Stahr vergeht;
Wie des Nebels Wolken fliegen,
Wenn darauf die Sonne ſteht:
Alſo muß das Augenlicht
Wenn ſein Gnadenſtrahl durchbricht,
Ueber alle Demmrung ſiegen.

Der Heiland heilt den Augenſtrahl
Und des Verſtandes Dunkelheiten
Die oft mit GOttes Lichte ſtreiten.
Auf einen mahl:
Das Jrrlicht thoͤrigter Vernunft,
So auch der Weiſen Zunft,
Gar oͤfters blendet
Erſtaunet vor der Wundermacht:
So bald ſie dieſes uͤberdacht,
Daß Chriſtus ohne Pflaſter heilt,
Jm Augenblikke Huͤlf ertheilt;
So folgt der Schlus: Er iſt von GOtt geſendet.

Der Verſtand der Menſchen wanket,
Wenn ihn nicht der Hoͤchſte ſtuͤtzt:
Aber JEſus Wunder-Gaben,
Die der Warheit Siegel haben
Zie-
[144]Urſachen warum uns GOtt
Ziehen den verkehrten Sinn,
Doch nach GOttes Richtſchnur hin
Wenn ihn ſeine Gnade ſchuͤzt.

Des Hoͤchſten Guͤtigkeit
Jſt gleich dem Meer, das weit und breit,
Darin kein Grund zu finden:
Will der Verſtand ſich unterwinden,
Daß er in dieſe Tieffen dringt,
So iſt gewis, daß ſie ihn ganz verſchlingt:
Man ſieht auf dieſer Spur,
Das Regelmaas des Reiches der Natur
Wird oͤfters ganz verrenket,
Jedoch wenn man gedenket,
Wer es in Ordnung bringen kann;
So ſpricht das Hertz, wenn die Vernunft ganz ſchweigt
Wer hier den Allmachts Finger zeigt,
Jſt JEſus unſer Wundermann.


Urſachen warum uns GOtt
das Zukuͤnftige verborgen.


[figure]
Der Menſchen Neubegier, die ſich mit Gril-

len plagt,

Jſt niemahls thoͤrigter als wenn ſie em-

ſig fragt

Warum das Weiſe All, das kuͤnftge uns

verborgen,

Darum wir Armen doch mit inren Graͤmen ſorgen.

Der eine ſeufzet tief: Warum goͤnt das Geſchik

Uns in die kuͤnftge Zeit nicht einen Vorſichts Blik,

Daß
[145]das Zukuͤnftige verborgen.
Daß wir ſchon zum voraus im gegenwaͤrtgen wuͤſten

Was wir in Kuͤnftigen annoch erleben muͤſten.

Der andre denket gar, ach! waͤre mir mein Stand,

Den ich bekleiden ſoll ſchon zum voraus bekand;

So koͤnt ich mich dazu, wie ſichs gebuͤhrt bereiten,

Und mit Geſchikligkeit ein Ehren Amt beſtreiten.

Die Einfalt denket ſo; du blinder Sterblicher

Wenn dir ſchon zum voraus, dein Stand eroͤfnet

waͤr;

So wuͤrdeſt du vielmehr die beigelegten Gaben,

Von Hofnung aufgeblaͤht, in faulen Roſt begraben.

Der Trieb der dich anſpornt, auf das was unbeſtimmt,

Der Reitz der im Gemuͤth nach Ehr und Anſehn

glimmt

Der waͤre auch erſtikt, wenn auſer dein Beſtreben,

Das Schikſahl unbedingt dir ſchon dein Looß gegeben.

Da aber dein Geſchik dir vorher unbekant;

So haͤlt das Ungewis die Luſt in Glut und Brand;

So muß dein reger Fleis, wenn ſich dein Muth will

ſchwingen,

Dich zu dem Ehrenport auf Hofnungs Fluͤgeln brin-

gen.

Wie wuͤſteſt du das Gluͤk, das dir begegnen ſoll;

So machte dich der Blik ſchon von der Freude voll;

Eh du die Suͤßigkeit des Schikſahls kanſt genieſſen,

So wuͤrde dein Gemuͤth darauf ſchon hungern muͤſſen.

Und kaͤmſt du zum Genus; ſo waͤr der Ekel dar,

Weil, was man vor geſehn und ſchon gewohnet

war

Uns nicht mehr ſo erfreut. Was uns recht ſoll ergoͤzzen

Das muß uns zum voraus in bange Hofnung ſezzen.

Wenn dir des Himmels Schlus vorhero ſchon ge-

lehrt,

Durch einen Ungluͤksſtern, was dir zur Laſt beſchert;

Erſter Theil. KSo
[146]Urſachen warum uns GOtt
So wuͤrde dein Gemuͤt, noch vor den Kummertagen,

Mit der beſtimmten Angſt, dich wie mit Foltern

plagen;

So machte dir die Furcht, bei jeden Augenblik

Schon ein beklomnes Herz; So waͤr dein Ungeluͤk

Viel unertraͤglicher, als da es dir verborgen:

Denn was man noch nicht weis; das darf man

nicht beſorgen.

Du waͤreſt zwar ein Menſch der in das Kuͤnftge ſeh,

Jedoch die Wiſſenſchaft verdoppelte dein Weh

Wie bei demjenigen den ſchon das Recht geſprochen,

Und uͤber deſſen Kopf der Richterſtab gebrochen.

So bald ein Delinquent den Sterbetag erſt weis,

So bald nezt ihn die Furcht ſchon mit dem Todes-

ſchweis;

Die Angſt verdoppelt ſich, bei jeden Stundenſchlage:

Je naͤher zu dem Ziel, je groͤſſer wird die Plage.

Die Furcht der Schrekkens Geiſt, greift einen ſchaͤr-

fer an,

Als ſelbſt der grauſe Tod, der bleiche Schrekkens

Mann,

Der letzte Trauergang zu ſeinen Rabenſteine

Da ihn die Herzens Angſt durchdringt durch Mark

und Beine,

Wird ihn viel bittrer ſein auf ſeinen letzten Wege,

Als alle ſchmerzliche beſchimpfte Henkers Schlaͤge:

So waͤre dir die Furcht vor einer kuͤnftgen Noth,

Wenn ſie dir ganz bekant, viel bittrer als der Tod.

Wie weiſe iſt nun GOtt, der uns nicht laͤſſet ſehen,

Wie ſich in Kuͤnftigen die Schikſals Spheren drehen.

Die Guͤte die uns ſtets als ſeine Kinder liebt,

Und uns das Nuͤtzlichſte nach weiſer Einſicht giebt,

Die wuͤnſchet unſre Ruh; Und ſehn wir ihr Gerichte,

So kaͤme das Gemuͤt aus ſeinen Gleichgewichte

Drum
[147]das Zukuͤnftige verborgen.
Drum Menſchen wollet ihr hie recht vergnuͤget ſein,

So ſeht das Kuͤnftige, mit Vorwitz nicht mehr ein:

Wer gluͤklich leben will, der wandle auf den Wegen,

Dahin die Tugend fuͤhrt und warte auf dem Segen,

Den GOttes ewge Huld auf jeden Tugend Pfad,

Als einen Gnadenlohn uns ausgeſtreuet hat.

Erlebten wir denn gleich auch viele Kummerſtunden,

Sie kommen unverhoft, ſind unverhoft verſchwunden.

Wer ja das Kuͤnftige, ſo gerne wiſſen mag,

Der ſehe in die Schrift, worin die Angſt und Plag,

Der Sterblichen zu ſehn, die hier auf Erden wallen

Und unbeſorget ſind dem Hoͤchſten zu gefallen;

Der ſehe was vor Glanz der Seelgen Haupt umgiebt,

Die hier in dieſer Welt den Heiland treu geliebt.


Der Goldkaͤfer
ein Bild niedertraͤchtiger Schoͤnheit.


Ein Kaͤfer der recht ſchoͤn gebildet
Und wunderbarlich uͤberguͤldet,
Flog neulich ſumſend vor mir her.
Die an dem Kopf geſpitzten Hoͤrner,
Die ſchienen mir als guͤldne Koͤrner:
Jch dacht hiebei an GOttes Ehr
Die allenthalben eh mans meinet,
Uns klaͤrlich in die Augen ſcheinet.

Dies ſchwebend Gold durchſtrahlt vom Lichte
Erwekte mir durch das Geſichte,
K 2Der
[148]Der Goldkaͤfer.
Der Seelen feurige Begier,
Noch naͤher mit geſchaͤrften Blikken,
Die Schoͤnheit in mir abzudruͤkken,
Die unſer Schoͤpfer in dies Thier
Mit ſeiner Allmacht eingepraͤget,
Und uns zum Schau vor Augen leget.

Jch ſah an ausgeſpannten Fluͤgeln
Des Kaͤfers, die Smaragden ſpiegeln,
Die ſpielend nach dem Gegenſchein
Der Sonnen, ihren Schimmer mahlten,
Und bald wie die Rubinen ſtrahlten,
Die an ſich nichts als Farben ſein;
Die aus der Sonnen brechend Flammen,
Jn mancherlei Veraͤndrung ſtammen.

Jndem ich mich daran ergoͤtzte,
Sah ich daß ſich der Kaͤfer ſetzte,
Auf einen ausgeworfnen Koth
Er fand ſein herrlichſtes Vergnuͤgen
Jn ſolchen garſtgen Unflat liegen,
Der ihn die Lebens Nahrung bot,
Er wolte gerne in den Pfuͤzzen,
Als ſeinen Elemente ſizzen.

Dies iſt ein Bild von ſolchen Seelen
Die Schoͤnheits Glanz und Pracht vermaͤhlen
Mit Schmuz und Niedertraͤchtigkeit;
Die herrlich in den Kleidern ſcheinen,
Jn guͤldnen Stuͤkken, daß wir meinen:
Wir ſaͤhen eine Seltenheit,
Die um und um mit Gold beſtikket,
Mit Edelſteinen ausgeſpikket.

Wie
[149]ein Bild niedertraͤchtiger Schoͤnheit.
Wie viele Schoͤnheit im Geſichte
Welch Majeſtaͤt im Augenlichte
Welch Glantz die Wangen uͤberſtrahlt,
Sieht ein Bewundrer mit Vergnuͤgen
Aus den belebten Bildungs Zuͤgen,
Und glaubt daß ſich ſelbſt abgemahlt
Die Gottheit, die da angefangen,
Jn menſchlicher Natur zu prangen.

Jedoch man ſehe dieſe Bilder,
Die aller Treflichkeiten Schilder
Noch naͤher nach der Handlung an;
So ſieht man ſie mit Misvergnuͤgen,
Jn tiefſten Koth der Laſter liegen,
Der ihren Schmuk beſchmizzen kann;
So daß ſich die erworbnen Flekken
Sehr ſchwer bei ihrer Zier verſtekken.

Jhr Menſchen! die ihr in der Jugend,
Mit Schoͤnheit pranget ohne Tugend
Ach! prahlet doch nicht gar zu ſehr,
Der Schmuz der ausgeuͤbten Laſter,
Macht euch uns warlich nur verhaßter
Weil ihr beſchimpfet eure Ehr:
Jhr ſeid in Kaͤfern die verguͤldet,
Und kotig leben, abgebildet.


K 3GOtt
[150]

GOtt iſt ein allwiſſender
Richter.


[figure]
HERR! du erforſcheſt uns; du ken-

neſt unſre Sinnen,

Du weiſt was jeder thut und ſieheſt

ihr Beginnen;

Du richteſt unſer Thun; ſo wie es dir gefaͤllt,

Wenn du als Richter komſt am Ende dieſer Welt.

Ach! gieb daß wir dies ſtets bei unſern Thun betrachten,

Will uns die boͤſe Welt nach ihren Urtheil achten

Das gehet uns nicht an: Nur du, nur du allein,

Du wirſt der Guten Lohn, der Boͤſen Raͤcher ſein.


Das Schikſahl der Kirche JE-
ſu und der erſten Chriſten.


[figure]
Angſt, Verfolgung, Marter, Tod

Jſt der Lohn der erſten Chriſten;

Wenn ſie ſich auf GOtts Gebot

Wieder Hoͤll und Teufel ruͤſten.

Chriſti Kirche ſchwimmt im Blut

We[n]n der Feinde Feur und Glut,

Eifer, Zorn und Brand entzuͤndet:

Denn[o]ch ſteht der Glaubens Grund,

Weil des Hoͤchſten Gnaden Bund,

Jhn auf Chriſti Fels gegruͤndet.


[151]

Die Allwiſſenheit und Heiligkeit
GOttes in Abſicht auf dem
Menſchen.


[figure]
Lebens Sonne! ewigs Licht
GOtt vor deinem Angeſicht
Bleibet dir doch nichts verborgen,
Flieh ich hin bis zu dem Morgen,
Kehr ich Abendwerts zuruͤk,
Allenthalben ſieht dein Blik,
Was ich denke, was ich thu,
Weiſſeſt du in einem Nu.

Du biſt gut und liebſt was gut:
Aber aller Menſchen Blut
Jſt in Adam gantz verdorben:
Doch der Heiland der geſtorben
Giebt ſein Blut fuͤr mich dahin,
Damit ich gereinigt bin;
Laß mich durch den Gnadenſchein,
Nun im Guten fruchtbar ſein.


Ueber die Worte: Wenige ſind
auserwaͤhlet.


[figure]
Wenige ſind auserwaͤhlet,
Welche tren im Glauben ſind;
Denk daran o Menſchen Kind!
Welcher hie nicht Gnade achtet,
K 4Dort
[152]Ueber die Worte: Wenige ſind auserwaͤhlet.
Dort erſt nach dem Himmel trachtet,
Der hat den rechten Weg verfehlet
Wenige ſind auserwaͤhlet.

Wenige ſind auserwaͤhlet,
Kaͤmen wir doch allzumahl
Jn der Auserwaͤhlten Zahl!
Wenn wir uns mit Ernſt bemuͤhen,
Will die Gnad uns zu ſich ziehen,
Und wir ſind auch, mit gezaͤhlet,
Wenige ſind auserwaͤhlet.

Wenige ſind anserwaͤhlet,
Lieget das an GOttes Huld?
Nein! blos an der Menſchen Schuld:
Die den Ruf nicht angenommen,
Der vorher an alle kommen,
Werden in dem Pfuhl gequaͤlet
Wenige ſind auserwaͤhlet.


Gebet um die Demuth nach den
Bilde Johannis.


[figure]
Mein GOtt! gib mir ſtets Kraft in De-

muth ſo zu leben,

Wie mir des Heilands Lehr kan Un-

terweiſung geben;

Daß ich im Niedrigſein die wahre Hoͤhe ſuche,

Und den erhabnen Schwulſt des Hochmuts Geiſtes

fluche.

Jo-
[153]Seufzer der Suͤnder um Gnade.
Johannes war ſehr gros; er war ein ſcheinend Licht

Ein glimmend duͤſtrer Tacht, gleicht einer Fakkel nicht;

So wenig gleich ich ihn: doch werd ich ihm noch

gleich

Wenn ich demuͤthig bin in Chriſti Himmelreich.


Seufzer der Suͤnder um Gnade.


[figure]
Ach! Vater hoͤre doch das Weinen,
Der Suͤnder die vor dir erſcheinen,
Mit ſchwer beladner Miſſethat;
Wir liegen hier mit unſern Wun-
den,
Die nicht geheftet noch verbunden,
Gib Balſam her aus Gilead.

Wilt du uns denn in unſern Noͤthen
Als ein gerechter Richter toͤdten,
Haſt du den Bogen ſchon geſpannt;
Halt ein, halt ein mit deinen Wuͤrgen,
Wir laufen ſchon zu unſern Buͤrgen,
Zum Heiland den du uns geſand.

O! JEſu! laß uns Gnade finden,
Wir flehn bei unſern groſſen Suͤnden:
Erbarme dich, erbarme dich:
Ja! Ja! der Glaube laͤſt uns hoffen,
Du haͤlſt die Liebes Arme offen,
Wir danken dir des ewiglich.

K 5Nun
[154]Morgen-Gedanken.
Nun guter Geiſt! laß uns beſtreben
Jnskuͤnftig heiliglich zu leben
Da wir jetzt gehn zum Gnadenſtuhl
Ach! laß uns nicht in Suͤnden ſterben,
Auch nicht an Seel und Leib verderben,
Bewahr uns vor dem Schwefel Pfuhl.


Morgen-Gedanken.


[figure]
Die Schatten ſchwarze Dunkelheit
Verflieget vor der Morgenſonne,
Die ihre Strahlenreiche Wonne
Von guͤldner Hoͤhe auf uns ſtreut.
Drum auf o Menſch! und ſieh die
Wunder

Der aufgewachten Erden an,
Da deiner Andacht kalter Zunder
Von neuen Feuer fangen kann,
Dem groſſen Schoͤpfer durch dein Singen,
Ein Morgenopfer darzubringen.

Auf, auf der muntern Voͤgel Chor
Wacht ſchon und ſchwenket ihr Gefieder
Es ſtimmt ſchon an die Morgen Lieder,
Und komt dir in der Andacht vor:
Drum oͤfnet euch ihr traͤgen Augen,
Nach der ſchon laͤngſt verſchwundnen Nacht;
Jhr
[155]Morgen-Gedanken.
Jhr werdet nun zu ſehen taugen
Was GOtt vor Wunder hat gemacht,
Die an dem Himmel, auf der Erden,
Ja! allenthalben ſichtbar werden.

Sieh an die holde Lieblichkeit,
Des regen Luftkreis ſchoͤn Gewimmel,
Sieh an den bunt gefaͤrbten Himmel
Bei dieſer frohen Morgenszeit.
Wie ſtrahlt dir nicht des Hoͤchſten Guͤte
Die deine Lebens Kraft erhaͤlt
Recht herrlich ins erwekt Gemuͤthe
Da Licht und Glanz ins Auge faͤlt?
Bedenke dies und laß vor allen,
Dafuͤr zum HErrn ein Danklied ſchallen.

Schau an die warm und feuchte Luft,
Wie dadurch, Berge, Thaͤler, Auen
Den Baͤum und Fruͤchten Balſam thauen;
Schau an, wie dieſer naſſe Duft
Ein lechzend Feld zum Wachsthum traͤnket,
Wie dieſe klare Silberflut
Sich rollend zu dem Keimen lenket,
Wie Perlen auf den Blaͤttern ruht.
Muſt du nicht ſelbſt, hie ſei, geſtehen
Jn Spiegeln GOttes Guͤt zu ſehen?

Sieh wie ſich alles freudig regt,
Bei dieſen friſchen Heiterkeiten
Der lieblich warmen Fruͤhlings Zeiten:
Und wie die Erde Fruͤchte traͤgt.
Empfindeſt du in deiner Seele
Die Strahlen von dem Morgenlicht;
Geneußt die Bruſt des Lebens Oele
Wenns Sonnenfeur die Luft durchbricht:
So
[156]Morgen-Gedanken.
So muſt du Menſch! des Geiſtes Leben,
Zur Dankbarkeit dem Schoͤpfer geben.

Sieh wie das bunte Blumen Heer,
Das Anmuthsvoll hervor geſproſſen,
Die Kelche wieder aufgeſchloſſen,
Nachdem der Sonnen feurig Meer,
Die neuen Strahlen auf ſie ſchikket,
Und ſie nach einer kuͤhlen Nacht,
Mit ihren Lebenslicht erquikket:
So muſt du, da du aufgewacht
Des Himmels Gnaden Einfluß faſſen,
Und auch in dein Herz dringen laſſen.

O HErr des Lebens! deine Guͤt,
Die mich in dieſer Nacht bedekket,
Und jetzt geſund hat auferwekket
Die preiſt mein dankbares Gemuͤt.
Du wirſt mir auch an dieſen Tage
Durch Vaͤterliche Huld erfreun,
Damit ich noch am Abend ſage;
Jch lebe HErr durch dein Gedein,
Zu dir will ich die Haͤnde falten,
Denn du haſt mich bisher erhalten.

Bewahre mich auf ebner Bahn
Daß ich mit Vorſaz nicht verlezze,
Dein klar und heiliges Geſezze
Daß du im Wort mir kund gethan.
Gib daß ich moͤge deinen Willen,
Mit wahrer Herzens Freudigkeit
So wie du mir befiehlſt, erfuͤllen;
Gib daß ich heut und allezeit
Als dein Kind, dir zu Ehren lebe,
Bis ich zuletzt den Geiſt aufgebe.


[157]

Spare deine Buſſe nicht.


[figure]
Spare deine Buſſe nicht
Seele bis der Leib erkranket;
Weil alsdenn das Lebenslicht
Ohne alle Kraͤfte wanket:
Wenn die Glieder ſchon erkalten,
Jſts zu ſpaͤt die Haͤnde falten:
Denn du muſt dort vors Gericht
Spare deine Buſſe nicht.

Spare deine Buſſe nicht
Bis die Krankheit deine Glieder,
Wirft aufs Sterbe Bette nieder;
Denn wer iſt der dir verſpricht:
Ob des Leibes muͤrbe Scherben,
Schleunig oder langſam ſterben;
Bis des Koͤrpers Bau zerbricht
Spare deine Buſſe nicht.

Spare deine Buſſe nicht
Weil man oͤfters muß anſehen,
Wie Verſtand, Gehoͤr, Geſicht,
Bei verwirrter Hitz vergehen,
Viele ſind, die dies empfunden,
Jn den letzten Todesſtunden
Jhr Exempel lehrt die Pflicht
Seele! ſpar die Buſſe nicht.


Die
[158]

Die Gleichheit der Menſchen.


[figure]
GOTT hat uns alle gleich gemacht,

[figure]
Da wir an dieſe Welt gebracht;

Aus einen Staub belebter Erden,

Muß jeder Menſch gebohren wer-

den.

Wir ſind auch all auf einer Welt,

Als Wandersleute aufgeſtellt;

Wir gehen nach geſetzter Weiſe,

Nur einen Weg der Todes Reiſe

Wir haben all an einen Heil

Ja! auch durch wahren Glauben Theil,

Und man kann nur bei Eitelkeiten,

Um eingebildtes Vorrecht ſtreiten,

Und dies iſt nichts, drum nehmt in acht,

GOtt hat uns alle gleich gemacht.


Bitte um die Gnaden Fuͤhrung
GOttes.


Fuͤhre mich GOtt! heiliglich denn dein

Rath iſt wunderbar,

Und behuͤte meine Seel unter Meſech vor

Gefahr.

Laß
[159]Wunderbar nur ſeelig.
Laß mich deine Vorſehung weiſer Schoͤpfer, ſtets

verehren!

Staͤrke mich durch deinen Geiſt wenn ich ſie ſoll an-

dern lehren.

Kann ich deren Tieffe nicht mit dem bloͤden Sinn

einſehn,

So laß mich ins Heiligthum, hinter ihren Vorhang

gehn,

Find ich da auch Dunkelheit; ſo laß mich in ſeelgen

Lichte,

HErr! vor deinen Angeſicht preiſen deiner Macht

Gerichte.


Wunderbar nur ſeelig.


Wunderbar nur ſeeliglich
Jſt der Wunſch bei meinen Gluͤkke:
Wenn ich bei der Dornen Stich
Nur die Anmuths Roſen pfluͤkke;
HErr ich bitte leite mich,
Wunderbar nur ſeeliglich.

[figure]
Wunderbar nur ſeeliglich
Wird ein Frommer ſtets gefuͤhret
Darum bitt ich GOtt! auch dich,
Wenn mich wahres Fromſein zieret;
Wankt mein Glaube ach! ſo ſprich
Wunderbar nur ſeeliglich.

Wun-
[160]Nach dem Tode koͤmts Gericht.
Wunderbar nur ſeeliglich
Sei mein Anfang und mein Ende;
Hofnungs Anker fall und brich!
Jch fall doch in GOttes Haͤnde:
Denn das Wort, das troͤſtet mich,
Wunderbar nur ſeeliglich.


Nach dem Tode koͤmts Gericht.


[figure]
Nach dem Tode komts Gericht,
Hoͤret dies ihr Menſchen Kinder:
Da GOtt ſtoͤßt die frechen Suͤnder
Weit, von ſeinen Angeſicht,
Merket dies und ſuͤndigt nicht
Nach dem Tode komts Gericht.

Nach dem Tode komts Gericht
Aller die auf Erden wohnen
Da wird man wie Paulus ſpricht,
Jedem nach den Werken lohnen,
Merket dies, eh es geſchicht,
Nach dem Tode komts Gericht.

Nach dem Tode komts Gericht
Da die auserwaͤhlten Frommen
Wenn der Graͤber Dekkel bricht,
Zu der Schaar der Engel kommen
Drum merkt dieſes Worts Gewicht
Nach dem Tode komts Gericht.

Die
[161]

Die Maienblumen.


[figure]
Zu der holden Fruͤhlings Zeit ging ich

in den gruͤnen Wald,

Zu dem Tempel der Natur, ſtiller

Andacht Aufenthalt,

Jn dem Ehrfurchtsvollen Dun-

keln mein Gemuͤte zu erquikken,

Und die holden Maienblumen zum

Vergnuͤgen abzupfluͤkken.

Jch fand ihre weiſſe Pracht, die aus

dem beſchilften Gruͤn

Zwar in tiefer Niedrigkeit, doch mir ſehr erweklich,

ſchien.

Jch brach ſie von ihren Stengeln, mit wollriechenden

Gebuͤſchen,

Woraus ſuͤſſe Duͤnſte ſteigen, Lung und Herze zu

erfriſchen.

Als ich einen dikken Straus in ein kleines Band ge-

bracht,

Setzt ich mich auf einen Stamm und beſahe mit

Bedacht,

Dieſer Blumen nette Formen, die an zarten Sten-

geln prangen,

Und wie lauter kleine Glokken, in gezierter Ruͤnde

hangen.

Es gefiel mir die Geſtalt und gedachte auch dabei,

Daß ein gruͤn Gebuͤſch mit Recht, ſchon vorlaͤngſt

genennet ſei,

Der Natur geweihter Tempel; weil hier ebenfals

die Glokken,

Uns den Schoͤpfer zu verehren; zwar durch keinen

Schall anlokken,

Erſter Theil. LDoch
[162]Die Maienblumen.
Doch mit vieler Anmuth lehrn: daß in einen ſtillen

Hain

Viele Dinge anzuſehn, die uns Andachts Glokken

ſein;

Daß nicht nur der Baͤume Wipfel und der Blaͤtter

rauſchend Regen,

Sondern auch die kleinſten Kraͤuter, zu des Schoͤp-

fers Preis bewegen.

Dieſe weiſſe Fruͤhlings Schaar, die der Schoͤpfer

ausgeſtreut,

Die dem Augen woll gefaͤllt, und uns im Geruch

erfreut,

Uberzeugt uns von der Guͤte, die der Hoͤchſte fuͤr

uns heget,

Der in dieſe Kunſt-Gewaͤchſe ſo viel ſuͤſſen Nuz ge-

leget.

Das erhellt noch mehr wenn man draus ein lieblich

Waſſer brennt,

Das man wegen ſeiner Kraft, als ein Lebens Waſ-

ſer kennt,

Und die Aerzte oͤfters brauchen und zum Gegenmit-

tel waͤhlen,

Wenn der Krankheit bange Uebel den verdorbnen

Koͤrper quaͤlen.

Denken wir dem allen nach; ſo bezeugt die Maien-

blum

Uns des Schoͤpfers weiſe Guͤt und treibt uns zu ſei-

nen Ruhm;

Jhre weiſſe Silber-Glokken, die vor andern lieb-

lich klingen,

Jn der Waͤlder Heiligthume, treiben mich alſo zu

ſingen:


Jn
[163]Die Maienblumen.
Jn der Waͤlder Heiligthume,
Bluͤht zu deines Nahmens Ruhme,
Schoͤpfer! aus der gruͤnen Zier
Manche ſchoͤne Blum herfuͤr,
Die durch ihr beſtrahltes Glaͤnzen,
Den bemooſten Grund bekraͤnzen.

Wie gar lieblich kann im Maien,
Sonderlich das Herz erfreuen,
Die man Maienblume heiſt:
Wenn das Aug ſich daran ſpeiſt;
Wenn draus lieblich Bitter quillet,
Staͤrkend das Gehirn erfuͤllet.

Dieſes ſind die Anmuths Gaben
Die wir Vater! von dir haben.
Ach! erkennten wir die Guͤt,
So wuͤrd dieſe Maien Bluͤt
Durch die vielen Gnaden Glokken,
Unſer Herze zu dir lokken.

Gib daß dieſe Glokken Zeichen,
Bei mir ihren Zwek erreichen:
Daß ſo oft ich ſolche ſeh,
Sich mein Herz zu deiner Hoͤh,
Mit gefalltnen Andachts Haͤnden,
Moͤge im Gebete wenden.

Da in den belaubten Waͤldern
Gruͤnen Thaͤlern, Auen Feldern
Viele Glokken Blumen ſtehn:
So laß es ans Herze gehn,
Daß ein jeder Ort der Erde,
Mir ein Andachtstempel werde.

L 2Wenn
[164]Der rothe Johannis Beeren Buſch.
Wenn der Kirchen Glokken ſchallen,
So laß mich mit Freuden wallen
Nach des Zions Heiligthum,
Und daſelbſt zu deinem Ruhm
Singen, Beten, heilge Lehren,
Aus dem Wort zum Leben hoͤren.


Der rothe
Johannis Beeren Buſch.


[figure]
Ein gruͤn belaubter Buſch der voll Jo-

hannis Beeren,

Und von des Gaͤrtners Hand mit woll-

geſchlifnen Scheren,

Als wie ein Krantz geſchnitzt; der ruͤhr-

te mein Geſicht,

Da ich zum Garten kam, durch ſein gefaͤrbtes Licht:

Jch ward dadurch entflammt aus deſſen Koſtbarkeiten,

Zu ihres Schoͤpfers Ehr ein Loblied herzuleiten.

Mein GOtt! welch eine Luſt! wenn durch ſma-

ragdnes Gruͤn

Jm rothen Schimmer ſtrahlt die Beerlein, wie Rubin,

Die nach dem Augenſchein an ſchoͤnen Schnuͤren han-

gen,

Und in gezogner Reih wie rothe Perlen prangen.

Sieht man den Buſch recht an, wenn bei der Mor-

genzeit,

Die Sonn den Feuerſtrahl recht auf die Beeren ſtreut:

So
[165]Der rothe Johannis Beeren Buſch.
So ſieht man eine Meng von kleinen Sonnen glim-

men,

Jn deren Jnbegrif verguͤldte Koͤrner ſchwimmen.

So wunderbar iſt GOtt in ſeiner weiſen Macht,

Kein Koͤnig glaͤnzet ſo mit ſeiner Kronen Pracht,

Als dieſes Buͤſchlein thut, daran die Beeren ſcheinen,

Wie runde Kuͤgelchen von glatten Edelſteinen.

Jhr Schoͤnen dieſer Welt! ſeht dieſes Buſches Kranz,

Beſchaut den lieblichen, durchſichtgen Wunderglanz

Welch ungezaͤhlte Meng von praͤchtigen Carbunkeln,

Seht ihr an ſeinen Haupt, in ſchoͤnſter Ordnung fun-

keln!

Wie pranget eine Braut, wenn ihre Mirten Kron,

Der Keuſchheit gruͤner Schmuk, der reinen Tugend

Lohn

Mit Perlen durchgeſtikt, mit Diamant beſezzet,

Und andern Steinen mehr, die man von Werthe

ſchaͤzzet!

Und was iſt dieſer Schmuk, bei dem, was die Natur,

An der Johannis Beer und ihres Buſchs Figur

Vor herrliches gemacht? Wie iſt die Braut zu achten,

Wenn wir im Gegentheil dies Kron Gebuͤſch be-

trachten?

Und woher koͤmt es doch, daß wir das kuͤnſtlich Gruͤn

Mit Edelſtein beſetzt, dem, von Natur vorziehn,

Da das Natuͤrliche, doch noch viel ſchoͤner glaͤnzzet,

Als alles Kuͤnſtliche, daß dieſe Schoͤnen kraͤnzzet?

Es komt aus einen Trieb verkehrter Einbildung,

Die zeuget unvermerkt hernach Verwunderung,

Da wir demjenigen, was wir gar ſelten ſehen,

Bei dem Gewohnheitsſchlaf, den Vorzug eingeſte-

hen.

Man ruͤhmt die Koſtbarkeit, die jene Koͤnigin

Cleopatra genannt, aus einen Hochmuts Sinn

L 3Die
[166]Der rothe Johannis Beeren Buſch.
Die Perlen eingeſchlukt und auf einmahl verſchwendet,

Wofuͤr die Eitelkeit, das Beſte ſonſt verpfaͤndet.

Mir ſcheinet dieſe That, nicht ſonderbahr zu ſein,

Jch ſeh, wie dieſes hier, Hoch, Niedrigen, gemein,

Da wir das ſaure Suͤß, aus den Johannis Beeren,

Und mit denſelbigen Rubinen auch, verzehren.

Wie guͤtig iſt der HErr, der dieſen edlen Saft,

Der uns erquikkend labt, ſo reichlich angeſchaft,

Der unſern heiſſen Gaum ein kuͤhlend Julep reichet,

Dem faſt kein Perlenſaft, nach ſeiner Wirkung gleichet.

Und dieſes Labſahl ſetzt uns ſeine Guͤte fuͤr,

Mit lieblich funkelnder und holder Beeren Zier;

Darin die Troͤpfelein, als rund gefoͤrmten Schalen,

Wie roth gefaͤrbter Wein, durch Criſtallinen

ſtrahlen.

Da wird das Aug vergnuͤgt, die Zunge woll gelabt,

Daraus erhellt der Schlus: indem uns GOtt begabt

Pflegt er der Menſchen Sinn von jeder Seit zu ruͤh-

ren,

Damit ſie allemahl den Geber koͤnnten ſpuͤren.

Das Auge findet hier in kleiner Beeren Pracht,

Des groſſen Schoͤpfers Glanz, der ihren Schmuk

gemacht;

Die Zunge wird erquikt, wenn ſie die Saͤfte ſchmek-

ket,

Die ein verdorter Gaum mit heiſſer Sehnſucht lek-

ket.

Ach! fiele jederman in dem Genuſſe bei:

O! Seele ſieh und ſchmek, daß GOTT ſehr

freundlich ſei.


Die
[167]

Die Schoͤpfung
ein Spiegel der Goͤttlichen Herrlichkeit.


[figure]
Auf entflammte Geiſter auf! ſchwinget der

Gedanken Fluͤgel,

Zu dem Anfang aller Zeit, wo die Welt

der Gottheit Spiegel

Jn dem dunklen Nichts vergraben, da

noch alles unſichtbar,

Auſer das erhabne Weſen, das der Dinge Urſprung

war,

Und ſich nur allein bekand. Auf! beſchreibt in kla-

ren Riſſen,

Wie ſich auf der Gottheit Wink, alles offenbahren

muͤſſen

Du unentlich ewigs Weſen! huͤllteſt dein nothwen-

dig Sein,

Jn den unbeſtimmten Grenzen dunkler Ewigkeiten

ein

Bis es, unbeſchreiblich All! wie wir unbegreiflich

lallen,

Deiner Weisheit, deiner Macht, dieſe Welt zu

baun, gefallen.

Auf dein wuͤrkend Allmachts Wollen kam der Ele-

menten Heer,

Aus des Nichtes dunklen Schoſſe, brach hervor des

Urſtofs Meer,

L 4Daß
[168]Die Schoͤpfung
Daß man ſonſten Chaos nennt, deſſen ſchwermen-

des Gewimmel,

Wie ein untermengter Stoff von der Erde, von dem

Himmel

Ja! von allen Kreaturen, die durch deine weiſe

Macht,

Binnen den ſechs Schoͤpfungstagen in der Ordnung

Kreis gebracht.

Welch unendlicher Verſtand! der dis auf einmal

erwogen,

Und ein iedes an dem Ort, aus der Klufft hervor-

gezogen!

Welch durchdringend ſehend Auge hat dies alles

eingeſchaut,

Was dazu erfordert wuͤrde, eh die Welt recht

aufgebaut,

Welche Theile, welchen Raum ſie nach ihren Stand

zu fuͤllen:

Dieſes alles zeiget klar von allwiſſend weiſen

Willen,

Da die Welt in ihrer Ordnung, in die Kette ein-

gebracht,

Die das nun beſtimmte Ganze, zu verbundnen Ku-

geln macht.

Deines Geiſtes rege Kraft, die den wuͤſten Klump

bewegte,

Und den neblicht duͤſtern Grund durch den Allmachts

Hauch erregte,

Trieb die ungeformten Theile der Materie der

Welt;

Daß ſich alles nach einander, in der Ordnung dar-

geſtelt.

Wie die ſchnelle Scheidung kam; da muſt in ge-

ſchwinden Wallen,

Alles
[169]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Alles wo es hin beſtimt, in gewiſſe Grenzen

fallen.

Dein allmaͤchtig wuͤrkend Reden, rief der dunklen

Finſternis,

Die aus ihren ſchwarzen Raume alſobald das Licht

ausblies,

Das mit ſeinen hellen Strahl auf der truͤben Tiefe

glaͤnzte,

Und den angeflammten Tag von des Nachtes Schat-

ten grenzte.

Da die lichten Feuertheile ſich ſo lang herumbe-

wegt,

Bis das helle Meer der Sonne, ſich in ſeinen Kreis

gelegt,

Welch ein Abgrund folgte da, in den ausgedehn-

ten Hoͤhen,

Als dein Wink die Veſte lies in geſpannten Duͤn-

ſten ſehen!

O! ein Raum der unſre Blikke, wenn ſie noch ſo

ſcharff verſchlingt

Und den Geiſt der ihn ermiſſet, ſchwindelnd in Ent-

zuͤkkung bringt!

Zeigte ſich drauf Grenzenlos, als die Lufft ſich

durchgedrungen,

Und in einer freien Hoͤh, von dem Licht verduͤnnt,

geſchwungen.

Wer kan dieſes Lufft Gewoͤlbe, das ſich mit den

Wolken dreht

Und in hocherhabnen Kreiſen, nach dem Gleichge-

wichte geht,

Ohn Verwunderung anſehn? Da ſo ungeheure

Laſten,

Durch die Allmacht unterſtuͤtzt, gar auf keinen Pfei-

ler raſten,

L 5Du
[170]Die Schoͤpfung
Du o! HErr von groſſer Kraften, du erhaͤlſt der

Wolken Schwarm,

Jn dem regel maͤßgen Schweben, blos durch deinen

Wunder Arm,

Darum muß ein ieder Blick, nach den tief gewoͤlb-

ten Weiten,

Uns HErr! deine Maieſtaͤt, die dies alles haͤlt,

ausbreiten.

Lag der Erden tieffe Flaͤche, noch mit Waſſer uͤ-

berdekt,

Und in ausgeſchaͤumten Schlamme, einer tieffen

Fluth verſtekt:

So floh auf ein einzig Wort, das im Anfang hies:

Es werde.

Das Gewaͤſſer aufgethuͤrmt, von dem dichten Grund

der Erde,

Rauſchend in die tieffen Schluͤnde die dem Boden

eingedruͤckt,

Wo ſie in die ſteilen Uffer, als in Schranken ein-

geruͤckt,

Jhren wirbel vollen Lauf, in den Baͤchen, Fluͤſſen,

Seen

Schlingend durch den trocknen Ball ausgehoͤlter Er-

de drehen.

Alſo wurden die Gewaͤſſer, in die Gruͤffte ein-

geſenkt,

Und durch Baͤche, Fluͤſſe, Seen zu dem Welt Meer

hingelenkt

Welches die allweiſe Macht in die Riegel ſo ge-

daͤmmet,

Daß es nicht mehr wie zuerſt Erd und alles uͤber-

ſchwemmet:

Und ſo ward der Boden trokken, deſſen ſchwaͤrzli-

che Geſtalt;

Auf
[171]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Auf der Hoͤchſten Macht Geheiſſe, gleich der An-

muth Auffenthalt

Als die innre Saamen Kraft, auf einmahl hervor-

gegruͤnet,

Welches Gras der ſchroffen Flaͤch unſrer Erd, zur

Dekke dienet.

Da ſind Kraͤuter, Baͤume, Blumen, mit der bunt

gefaͤrbten Pracht,

An dem dritten Schoͤpfungstage uns zum Nutz, her-

fuͤrgebracht,

Eh der Menſch, der Herr der Welt, noch ſein Luſt-

haus eingenommen,

Ward ſchon alles angeſchafft, was er zum Beſitz

bekommen.

O! du Vater alles Lichtes, hier erſcheint die Vor-

ſehung,

Deine weiſe Wunderguͤte, die noch ohne Aende-

rung,

Zur Erhaltung des, was lebt, laͤſt den ſchwangern

Schooß der Erden,

Von des Saamens Bluͤt und Frucht, alle Jahre

traͤchtig werden.

Welch Vergnuͤgen lies ſich ſehen, da das ſchoͤne

Paradies,

Sich an dieſem Schoͤpfungstage, mit der holden

Anmuth wies,

Welches GOtt, der Kreatur, die gemacht nach

ſeinem Bilde,

Jn dem edlen Unſchuldsſtand eingeraͤumt zum Luſt-

gefilde.

O! du Wohnplatz ſuͤſſer Ruhe, Auffenthalt der

guͤldnen Zeit!

Ewger Guͤte Gnadentempel, wer kann nach der Herr-

lichkeit

Die
[172]Die Schoͤpfung
Die aus unſer Schuld verlohrn, ſehnſuchts voll zu-

ruͤkke blikken,

Ohne ſich dein reizend Bild, dabei ins Gemuͤth zu

druͤkken!

Alles, was man Schoͤnheit nennet, alles was man

Anmuth heiſt

Was uns zum Vergnuͤgen waͤchſet, was uns zum

Ergoͤzen fleußt,

Was den Sinnen wollgefaͤllt, war in Edens gruͤ-

nen Auen,

Mit entzuͤckter Herzensluſt damals reizend anzu-

ſchauen.

Dies o! Schoͤpfer hat dein Wollen nach einander

vorgeſtellt,

Was vor Wunder aber ſtekken in der tieffen Un-

terwelt,

Jn der Erden harten Schooß, in den ausgehohlten

Schachten?

Die bei dieſem Tagewerk, noch mit Andacht zu

betrachten.

Wenn man in die Eingeweide der verborgnen Erde

dringt,

Jn die dunklen Schatzes Kammer wo das Gold

und Silber blinkt.

Und das nuͤtzliche Metal: So man muß geruͤhrt

geſtehen,

Daß der Reichthum deiner Guͤt, in der Tieffe auch

zu ſehen.

Doch ihr Sinnen hebt euch wieder zu den nun be-

ſtirnten Hoͤhn,

Wo ſich an dem Firmamente, Sonne, Mond und

Sterne drehn

Welch ein feurig Lichter Heer faͤngt nun an mit ſei-

nen Strahlen,

Dieſes
[173]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Dieſes blaugewoͤlbte Rund zu verguͤlden, zu be-

mahlen.

Welch ein ſchwebend Feuerballen, welzt ſich um

des Himmels Zelt,

Der als eine Uhr der Zeiten, Tag und Nacht in

Ordnung haͤlt;

Welch ein heller Silber Mond, rollt mit ungezaͤhl-

ten Sternen,

Die uns bei der Finſternis, dienen, ſtat der Nacht

Laternen!

O! du hoch erhabner Schoͤpfer! dieſe zeugen Tag

und Nacht,

Von der ungemeßnen Groͤſſe einer weiſen Wunder

Macht.

Die am hohen Himmels Dach, ſo viel Lichter auf-

gehangen,

Die zu deiner Gottheit Ruhm, als ein ſchimmernd

Feurwerk prangen.

Wie erſtaunet das Gemuͤthe, wenn es dieſe Ster-

nen Welt,

Mit geſchaͤrfften Augen ſiehet, und was ſolche in

ſich haͤlt;

Wenn es deren Glanz erwegt, da die blauen Him-

melsbogen,

Mit dem ſchwarzen Flor der Nacht allenthalben uͤ-

berzogen:

Alsdenn ſcheinet uns der Himmel, wie ein ausge-

ſpanntes Feld,

Das auf ſeinen dunklen Grunde, guͤldne Saaten

vorgeſtellt.

Doch will man das Sternen Heer nach den ange-

nomnen Groͤſſeu,

Und ein iegliches Geſtirn nach dem Umfangs Kreis

ausmeſſen:

So
[174]Die Schoͤpfung
So wird uns die Sternen Buͤhne und derſelben

Flammenſchein,

Eine unermesne Gegend ungezaͤhlter Welten

ſein;

Die im tieffen Abgrunds Thal, zu des Allerhoͤch-

ſten Ehren,

Wenn man immer weiter dringt, aller Zahlen

Zahl vermehren.

Solte dieſes Luſtgebaͤude, das die Weisheit aus-

gedacht,

Und der Allmacht wuͤrkend Werde bis daher zum

Stand gebracht,

Ein bewohnter Schauplatz ſein? ſo muſt du nach

deinen Willen

Schoͤpfer! dieſes Wunderhaus mit Lebendigen

erfuͤllen.

Wie verlanget; ſo geſchehen. Es bewegte ſich das

Meer,

Von lebendigen Gewimmel: Da entſtand der Fi-

ſche Heer,

Das da lebt im Waſſer reich, in den Teichen, Fluͤſ-

ſen, Seen,

Wo derſelben Meng und Art ihres Schoͤpfers Ruhm

erhoͤhen.

Ungeheure Meeres Wunder ſchwingen da ihr Haupt

empor,

Die mit fuͤrchterlicher Stellung gehen aus der Tief

hervor,

Vor derſelben Schreckensblick ſelbſt dieienigen er-

beben,

Die mit einen frechen Muth, zwiſchen Lufft und

Waſſer leben.

Welch ein Anblick! wenn der Drache, der im Schilf

des Meeres ſchaͤumt,

Auf-
[175]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Aufgeſchwollne Wellen ſpeiet, in die Hoͤhe ſchlaͤgt

und baͤumt;

Wenn der Wallfiſch daher faͤhrt, vor dem die ge-

welzten Wellen

Als wenn ſie ſich vor ihm ſcheun, abermal zuruͤkke

ſchwellen?

Um denſelben ſchwimmt die Menge der beſchuppten

Fiſche, her

Die mit rudernden Bewegen, bei der Hin- und Wie-

derkehr,

Wie belebte Pfeile ſchnell, durch die klaren Flu-

then, dringen,

Und auf ihrer glatten Bahn huͤpfend hin und wie-

der ſpringen.

Sieht man mit erſtaunten Sinnen, auf die unter-

ſchiedne Art,

Der beſchuppten Waſſerbuͤrger, die mit Panzern

woll verwahrt;

Denkt man nach die groſſe Zahl, da ſo viele Mil-

lionen

Jn dem naſſen Waſſerreich, in dem Meer und

Fluͤſſen wohnen:

So dient uns dies gros Gewimmel, das wir in

dem Waſſer ſehn,

Allemahl uns zu ermuntern, GOttes Weisheit

zu erhoͤhn,

Die mit Allmachtsvoller Krafft alle Tiefen ausge-

gefuͤllet,

Daß da wo die Fluthen gehn, ſeine Wunderguͤte

quillet:

Als das Waſſerreich beſeelet; ward der Lufftkreis

auch belebt;

Es entſteht ein Schwarm von Voͤgeln, der ſich in

die Hoͤhe hebt,

Und
[176]Die Schoͤpfung
Und die ausgedehnte Kraft anerſchafner Fluͤgel

ſchwinget,

Dadurch ſich dies leichte Heer ſegelnd immer hoͤher

bringet.

Welche ungezaͤhlte Schaaren fuͤllten da der Luͤffte

Bahn,

Dabei ſich in ieden Arten deine Weisheit kund ge-

than,

Schoͤpfer! da du groſſe Kunſt, in dies Feder-

volk geleget,

Daß ſich durch der Fluͤgel Trieb uͤber Berg und

Huͤgel traͤget.

Welche helle Luſt Gethoͤne ſchallten da aus ihrer

Bruſt,

Da ſich ein natuͤrlich Gurgeln, daß ſie ſelbſten un-

bewuſt

Aus der zarten Kehle drehn, und bei freudigen

Gefieder,

Jhr Geburthsfeſt vollenziehn und dir ſingen Freu-

denlieder.

Welch ein Anblick, da der Adler durch das wallend

Element

Das er mit den Fluͤgeln theilet, im geſchwinden

Flug durchrent!

Und der Vogel Reichstag haͤlt, da er in derſelben

Orden,

Als ein neu gebohrner Fuͤrſt, der Gefluͤgel Koͤnig

worden!

Welch ein Heer war da zu ſehen, da ſich eine iede

Art

Nach den Triebe der Naturen an dem Hochzeits

Tag verpaart,

Da du als ſie kaum gebohren, dieſem Lufft Volk

eingepraͤget:

Daß
[177]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Daß auch die Vermehrungs Krafft ihren Koͤrper

beigeleget.

Als die Lufft alſo bewohnet, war nur noch die Er-

de leer,

Die belebte deine Guͤte, durch der Wuͤrme krie-

chend Heer,

Das mit einer Anzahl Vieh, auf dein Machwort

muſte werden:

Da ſah man von Zahm und Wild, groſſe neugebohr-

ne Heerden,

Die nach ihres Schoͤpfers Willen, Wieſen, Felder,

Berg und Wald,

Als den angewiesnen Zirkel, waͤhleten zum Auf-

fenthalt.

Hier kroch aus der Erden Schoos ein lebendiges

Gewimmel;

Da ſprang von dem groͤßren Vieh, auch hervor ein

gros Getuͤmmel,

Das zu ihres Schoͤpfers Ehren bloͤkete mit ſtarken

Laut,

Als wenn es den preiſen wolte, der ihr Wohnhaus

auferbaut,

Und ſo herrlich ausgeziert, daß ſie in den gruͤnen

Gruͤnden,

Auf den Bergen, in dem Wald, allenthalben Nah-

rung finden.

Hier zeigt ſich uns abermahlen, eine weiſe Guͤt und

Macht,

Die im Reich der Erdenthiere, alles herrlich aus-

gedacht,

Daß es zu bewundern iſt, wenn wir ihren Bau

bedenken,

Und auf eine iede Art, ein verſtaͤndig Auge len

ken.

Erſter Theil. MAuch
[178]Die Schoͤpfung
Auch das kleineſte Gewuͤrme, das in dem Mo-

raſte liegt,

Und mit unſichtbaren Fuͤſſen in geſchwinder Wen-

dung kriecht,

Zeugt von einer Wunder Hand, die aus zarteſten

Gelenken

Koͤnnen ein ſolch lebend Thier, das ſich kruͤmmt, zu-

ſammen ſchraͤnken.

Sieht das Auge auf die Groſſen, die auf ſtarken

Knochen gehn,

Und als ſchoͤne Kunſtmaſchinen die gelenkten Thei-

le drehn;

So iſt alles wunderbar von dem Schoͤpfer aus-

gezieret,

Der das Triebwerk der Natur nach der Thiere Art

formiret.

Aeuſert ſich das weiſe Wiſſen nicht an ihren Man-

nigfalt?

Strahlt nicht eines Schoͤpfers Groͤſſe, aus der Bil-

dung und Geſtalt?

Wenn man ihre Arten zaͤhlt, die von ihm beſondre

Gaben,

Nach der weiſen Vorſicht Zweck, zum Gebrauch

empfangen haben.

Da erſchienen auf ſein Wollen, die gehoͤrnet an

dem Haupt,

Andre hatten ſpizze Klauen, womit die Begierde

raubt;

Dieſe hatten ihre Krafft, in den woll geſteifften

Ruͤkken:

Und ein iedes muſte ſich nach des Schoͤpfers Abſicht

ſchikken.

So ward auch das Reich der Thiere, das die Weis-

heit ausgedacht

Durch
[179]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Durch ein Allmachts volles Wuͤrken, in den ſchoͤn-

ſten Stand gebracht

Einer aber fehlte noch, wer? ein Herſcher, dem, mit

allen,

Dieſes groſſe Wunderhaus, muſte zum Beſitz zu-

fallen;

Der die Welt als einen Spiegel, mit Bewunderung

beſchaut,

Die ein vollenkomnes Weſen, es zu kennen, auf-

erbaut.

Dieſes war das letzte Stuͤck, das ſein Meiſterfin-

ger bildet,

Da er es nach ſeinem Bild, vollenkommen abge-

ſchildet.

Alles war nun ſchon zugegen in der Wohnung die-

ſer Welt,

Welche reiche Nahrungsmittel, uͤberfluͤßig in ſich

haͤlt;

Als die ewge Weisheit ſich, dieſen Vorwurf aus-

erleſen,

Der bei dem, was ſichtbar iſt, nie ſo edel iſt ge-

weſen:

Dieſes lehrt die Gottheit ſelbſten, die uns daher ih-

ren Rath,

Bei der Schoͤpfung eines Menſchen, in der Schrifft

beſchrieben hat:

Daß wir unſerm Adelſtand kennen, den er uns ge-

geben,

Und daß wir, als Herrn der Welt, die ſein Bild-

nis tragen, leben.

Ein Klump von der todten Erde, ward durch die all-

weiſe Hand,

Alſo kuͤnſtlich zubereitet, daß daraus ein Bild ent-

ſtand,

M 2Das
[180]Die Schoͤpfung
Das an Vollenkommenheit uͤber alle Thiere ſtei-

get,

Und an einen ieden Glied ſeines Meiſters Groͤſſe

zeiget.

Es trug ſein Geſicht erhoben Erd und Himmel an-

zuſehn,

Damit es die hellen Augen allenthalben konte

drehn,

Seines Schoͤpfers Herrlichkeit in den wunderbaren

Werken,

Die zum Schau ihm vorgeſtellt, mit den Sinnen

zu bemerken.

Seine Bildung des Geſichtes ward mit Schoͤnheit

ausgeziert,

Und mit glatter Haut umzogen, die recht kuͤnſtlich

auspolirt.

Ja! des Hauptes Wunderbau zeigt von auſſen,

und von innen,

Daß es GOttes Kunſtwerk ſei, der die Werkſtat

unſrer Sinnen,

Jn dem ausgehohlten Kopfe wunderbarlich ange-

legt,

Und durch die Empfindungs Roͤhren, das verborg-

ne Hirn erregt:

Voller Wunder iſt der Leib, den an Haͤnden, und

an Fuͤſſen,

Durch der Nerven feſtes Band, GOttes Macht ver-

binden muͤſſen.

Jhr die ihr die Koͤrper theilet, und der Theile Nuz-

zen kennt,

Wenn ihr mit geſchaͤrfften Meſſern der Gelenke Fu-

gen trennt,

Brauchet die Gelegenheit in dem weiſeſten Ver-

binden,

GOtt
[181]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
GOttes Weisheit, GOttes Macht immer weiter

zu ergruͤnden!

Wir beſchauen nur den Menſchen, als der Allmacht

Meiſterſtuͤck,

Das er noch zuletzt gebildet, mit verwundrungsvol-

len Blik;

Dieſen koͤrperlichen Theil, das Gehaͤuſe ohne

Seelen,

Muͤſte der erhabne GOtt, noch mit einen Geiſt ver-

maͤhlen.

Dies geſchah, ein geiſtig Hauchen, das in Adams

Koͤrper blies,

Und durch ein verborgnes Athmen, Geiſt und Leben

in ihm lies,

Machte ihn zu einen Menſch, der mit einer Seel ge-

zieret,

Welche in dem Koͤrper wohnt, und ihn durch Ver-

nunfft regieret.

So ward Geiſt und Leib verbunden, das Geheim-

nis volle Band

Das unſichtbar iſt verknuͤpfet, durch die weiſe All-

machts Hand,

Lehret welch ein Wunderwerk, in den Menſchen ſei zu

finden,

Das er wenn er in ſich geht, doch nicht ſelbſten kan

ergruͤnden.

Welch ein Kleinod ward der Seele von dem Schoͤp-

fer beigelegt,

Die an dem Verſtand und Willen ihres Lehnsherrn

Bildnis traͤgt!

Welch ein herrlich Weisheitslicht glaͤnzte in dem kla-

ren Geiſte!

Der bei dem erlauchten Schein, GOtt in allen ſah

und preißte.

M 3Der
[182]Die Schoͤpfung
Der Verſtand, das Aug der Seele, war bei ihm

ein helles Licht,

Das durch die gewoͤlkten Nebel, durch des Jrthums

Schatten bricht;

Das den groſſen Jehovah, als das hoͤchſte Gut er-

kante,

Da des Willens reger Trieb, es ſtets zu genieſſen

brante.

Dieſes anerſchaffne Gute, ſproßte die vergnuͤgte

Frucht,

Eine Heiligkeit des Lebens, die des Schoͤpfers Ehre

ſucht,

Da nach der Gerechtigkeit ſich die reine Neigung

lenkte;

So daß kein verdorbner Trieb des Geſezzes Ziel ver-

drengte.

Als die GOttheit ſich im Bilde an dem Menſchen

abgedruͤckt,

Und mit ihrer Hoheit Strahlen dieſes Meiſterſtuͤk ge-

ſchmuͤkt

Aus der Werkſtatt gehen lies, bracht er ihn in E-

dens Auen,

Einen Wohnplaz ſuͤſſer Luſt, darin ferner aufzu-

bauen.

Adam ſah mit ſtarren Blikken, die gepflanzte Herr-

lichkeit,

Er fand auf der gruͤnen Erde, lauter Wonne aus-

geſtreut.

Sein erſtaunt geruͤhrtes Aug wurde zu den Himmels-

bogen,

Von dem heitern Licht erfuͤllt, voll Verwundrung

hingezogen.

Das vom Glanz beſtrahlt Geſichte, ſah an der be-

ſtirnten Bahn,

Von
[183]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Von den inren Trieb beweget, immer neue Wun-

der an:

Die mit reger Freudigkeit ſein geoͤffnet Hertz er-

fuͤllten,

Und mit neugezeigter Pracht, ſeine Luſt der Augen

ſtillten.

Als er mit geſchwinden Blikken, dieſen Weltbau

uͤberſehn,

Muſten auf des Schoͤpfers Winken, auch die Thie-

re vor ihm ſtehn,

Da ſie alle, Paar bei Paar, von dem Menſchen

ihre Nahmen,

Wie er, ihre Eigenſchafft, weislich eingeſehn, be-

kamen.

So ward er ein Herr der Thiere, deren ungezaͤhl-

tes Heer,

Durch ein himmliſches Gedeien, ſtets belebt, Erd,

Lufft und Meer,

Dem in ſeinem Paradies und begluͤkten Stand nichts

fehlte,

Als ein Weib, damit er ſich, durch den Ehebund

vermaͤhlte.

Das ward auch von GOtt beſtimmet, deſſen Weis-

heit und Verſtand

Jn des Adams Bruſt die Triebe, zur Geſellin an-

gebrant.

Darum muſt ein ſuͤſſer Schlaf durch des Mannes

Glieder dringen,

Daß er ihm von ſeinen Fleiſch, konte die Geſellin

bringen.

Adam ſchlief und eine Ribbe, die er in der Seite

trug,

Ward ihm unvermerkt entriſſen, und der weiſen

Macht genug

M 4Jhm
[184]Die Schoͤpfung
Jhm daraus ein Weib zu baun, an derſelben Schoͤn-

heitsgaben,

Umgang und Geſelligkeit, er ſein Hertze koͤnte la-

ben.

Dieſes Schoͤnheits Bildnis wurde von des Schoͤp-

fers Hand gemacht,

Durch den Allmachts Hauch belebet; und da Adam

aufgewacht

Sah er mit vergnuͤgten Blik, was das ewig guͤtig

Weſen,

Jhm zu einer Augenluſt, zur Geſellſchafft aus-

erleſen.

Es gefiel ihm dieſe Schoͤne; ihrer Glieder nette

Pracht,

Und der Liebreiz des Geſichtes, woraus lauter An-

muth lacht.

Voll Verwunderung entzuͤkt, fand er in dem Bil-

dungszuͤgen,

Spuren einer weiſen Macht, wie in ſeinen Koͤrper

liegen.

Er erblikte ſeine Ribbe, in veraͤnderter Ge-

ſtalt,

Die des Allerhoͤchſten Finger zu der Seelen Auf-

enthalt

Wunderbahrlich ausgebaut. Darum rieff er im

Entzuͤkken.

Jch kan Fleiſch von meinen Fleiſch, Bein von

meinen Bein erblikken.

Dies natuͤrlich Band der Liebe, ward der Treue fe-

ſter Grund,

Bei der abgezwekten Ehe und den neu geſchloßnen

Bund,

Der durch himmliſches Gedein, da der Segen aus-

geſprochen,

Wie
[185]ein Spiegel der goͤttlichen Herrlichkeit.
Wie ein Baum voll Fruchtbarkeit, immer weiter

ausgebrochen.

Alſo ward die Welt gebauet, und der Kreaturen

Heer,

Ward der weiſen Allmachts Spiegel, worin zu des

Hoͤchſten Ehr,

Das vernuͤnfftige Geſchoͤpf, immer neue Wunder

ſiehet,

Wenn es den erhabnen Geiſt auf derſelben Kennt-

nis ziehet.

Sehet Menſchen! welche Dinge euch zum Nutz her-

vorgebracht,

Preiſet doch den groſſen Schoͤpfer, ruͤhmt die Weis-

heit, lobt die Macht,

Das iſt eure Andachts Pflicht, daß ihr die Voll-

kommenheiten,

Die ihr allenthalben ſchaut, ſucht, wie billig aus-

zubreiten.

Darum iſt die Welt erſchaffen, darum haͤlt die Vor-

ſichts Hand

Dieſe ungeheure Laſten, noch in ihren Unbeſtand;

Darum lebt ihr in der Zeit, daß ihr die Geſchoͤpfe

ſehet,

Und des Geiſtes Andachts Aug auf den groſſen

Schoͤpfer drehet;

Darum lebt ihr auf der Erden, daß ihr ſeht die wei-

ſe Macht,

Die dis alles durch ein Werde, euch zum Nutz

herfuͤrgebracht.



[186]

Das Paradies.


[figure]
Auf! laßt uns an dem Paradies,
Dem Wohnplatz, wo bei ſtillen
Freuden
Sich holde Luſt und Anmuth wies,
Die kummervolle Sehnſucht weiden!
Dis iſt der Garten, wo die Wonne,
Der erſten Eltern Vorwurf war,
Und wo der Gottheit Gnadenſonne,
Dem hellen Geiſte offenbahr:
Den GOtt der Unſchuld reinen Leben,
Zum ſuͤſſen Auffenthalt gegeben.

Er lag in der begluͤkten Welt,
Wo eine ewge Vater Guͤte,
Ein luſtig Eden dargeſtellt,
Mit lieblich aufgegruͤnter Bluͤthe.
Er lag da, wo die Himmels Zinnen,
Mit einen ſtrahlen reichen Guß
Von fetten Segen tropffelnd rinnen;
Und wo ein ſafftig Ueberfluß,
Bei einer ſteten Himmels Milde,
Sich zeigte in dem Luſtgefilde.

Da war ein Garte angelegt,
Auf einen gruͤn bepflanzten Grunde
Wo man das, was die Erde traͤgt
Jn einer ſchoͤnen Sammlung funde.
Die Kraͤuter und die Graſes Spizzen,
Vom
[187]Das Paradies.
Vom Finger der Natur gedreht,
Die ſchlingend durch einander ſizzen,
Und wie ein Teppich ausgenaͤht:
Dis kuͤnſtliche Natur Gewirke,
Das uͤberdekte ſein Bezirke.

Hier konnte ſich das Augenlicht
An Blumen mancher Art ergoͤzzen,
Die ein bewunderndes Geſicht,
Jn froͤliges Erſtaunen ſezzen.
Hier gab bei ſanfter Luͤffte Saͤuſeln,
Der Bluͤthen ausgedampfter Dunſt
Von ſich, durch ein unſichtbar Kraͤuſeln
Die unaufhoͤrlich ſuͤſſe Gunſt:
Dadurch zu dem vergnuͤgten Leben,
Stets friſchen Einflus herzugeben.

Man ſah die aufgegruͤnte Zier,
Die Weide der zufriednen Sinnen,
An wohlgewachsnen Baͤumen hier,
Die Knospen, Bluͤthen, Frucht gewinnen.
Man ſah zu allen Jahres Zeiten
Ein unaufhoͤrlich luſtig Bluͤhn;
Man ſah, wie Aſt und Zweig bereiten,
Ein ſchoͤn belaubtes Jmmergruͤn,
Durch ihre ſchattenreiche Dekken,
Den Menſchen Kuͤhlung zu erwekken.

O! welch ein ſuͤſſer Auffenthalt
Jn wollgeflanzten Luſt Alleen,
Ein ſtets veraͤndert Mannigfalt
Von Blumen, Baͤumen, Fruͤchten ſehen!
O! ein dreimahl begluͤktes Leben,
Wenn uns kein aͤuſrer Kummer plagt:
Und
[188]Das Paradies.
Und wenn durch kein verdorbnes Streben,
Das Hertz ſich in ſich ſelbſten nagt;
Wenn man den wollgeorndten Willen,
Jn dem was er begehrt, kan ſtillen.

Das iſt ein Bild von eurer Luſt,
Begluͤckte! in dem Unſchulds Stande,
Da eure ſtets vergnuͤgte Bruſt,
Noch frei von allem Kummer Bande.
Jhr ſahet mit erleuchter Seelen,
Des Hoͤchſten groſſe Herrlichkeit
O! welch ein Labſal zu erwaͤhlen,
Die Urquell der Zufriedenheit,
Woraus mit ſtroͤmenreichen Guͤſſen,
Des Geiſtes Seligkeiten flieſſen.

Jhr ward im hoͤchſten Gut begluͤkt,
Und bei des Geiſtes reger Freude,
Fand ſich im Garten unverruͤkt
Der Sinnen aͤuſre Luſt und Weide.
Die Augen konten in den Auen,
Die euch zur Wohnung eingeraͤumt,
Ein tauſendfach Vergnuͤgen ſchauen,
Das aus der Segens Erde keimt;
Sie konten an des Schoͤpfers Gaben,
Die Luſt begiergen Blikke laben.

Jhr kontet euren freien Blik,
Wenn ihr euch daran ſatt geſehen,
Von gruͤnen Paradies zuruͤk,
Zum blauen Himmels Zinnen drehen.
Der Glanz der ſtrahlen reichen Sonne,
Und der Geſtirne guͤldne Zier;
Benebſt der funkelnd heitren Wonne,
Jm
[189]Das Paradies.
Jm ausgeſpannten Lufftrevier;
Die Erde und die Sternen Buͤhnen,
Die konten euch zum Schauplatz dienen.

Wenn die Natur euch angeſagt,
Des Koͤrpers Nahrung zu genieſſen;
So fand der Mund, was ihn behagt,
Gleichſam in Milch und Honig flieſſen.
Die Baͤume hingen voller Fruͤchte,
Mit Safft und Lieblichkeit gefuͤllt:
Jhr nahmt dies ſchon bereit Gerichte;
Da ward des Magens Trieb geſtillt
Mit ſolcher Koſt, die Labſahl bringet,
Und Hunger, und den Durſt verdringet.

Wenn ihr euch dann bei ſanfter Raſt,
Ließt in den kuͤhlen Schatten nieder;
So ſang euch von dem gruͤnen Aſt
Der Voͤgel Chor die Taffel Lieder.
Dies leichte Heer zwang ſeine Kehlen,
Bei gurgelnder Vergnuͤgſamkeit
Euch, als der Herrſchafft zu erzaͤhlen,
Daß ſie mit euch, darob erfreut,
Dem HErrn des Himmels, in dem Gruͤnen,
Mit einen frohen Dank zu dienen.

Die Thiere, die mit ſanfften Trieb
Noch in geſetzten Schranken lieffen;
Da noch ein iedes ſtehen blieb,
Wenn ihre Herrſchafften ſie rieffen:
Die Thiere die noch leicht zu zwingen,
Die kamen auf dem Wink daher
Und muſten euch Vergnuͤgen bringen
Wenn ihr das luſtig ſpringend Heer,
Auf
[190]Das Paradies.
Auf ſeinen ebnen Rennebahnen,
Anſaht als eure Unterthanen.

Es war in Edens Segens Land,
Noch mehr Vergnuͤgen zu genieſſen.
Man ſah da uͤber guͤldnen Sand
Der Baͤche perlend Waſſer flieſſen.
O! welch ein liebliches Gefilde,
Wodurch ein klarer Flus ſich lenkt,
Der da mit Stroͤmenreicher Milde
Die ausgeſchlagnen Pflanzen traͤnkt;
Und wo die Baͤche, gruͤnen Auen
Stets friſche Labſahls Tropfen thauen.

So ward das ſchoͤne Paradies,
Mit reichen Fluͤſſen durchgewaͤſſert,
Das die vier Arme ſehen lies,
Dadurch des Gartens Luſt vergroͤſſert.
Der Silbertropfen murmelnd Rinnen,
Der Wellen wirbelndes Geſpiel
Vermehrete die Luſt der Sinnen
Die dem vergnuͤgten Paar gefiel;
Weil auf des Waſſers glatten Hoͤhen,
Des Hoͤchſten Herrlichkeit zu ſehen.

Wenn ſie bei einer ſchwuͤlen Hitz,
An friſchen Bach und kuͤhlen Fluͤſſen,
Auf einen ſammtnen Graſes Sitz
Mit Anmuth ſahn, die Fiſche ſchieſſen:
Das muſte ihrem Herz gefallen;
Weil ſie zu ihres Schoͤpfers Ehr,
So ſahn im Criſtalinen wallen,
Der Waſſerbuͤrger ſchuppigt Heer,
Das
[191]Das Paradies.
Das aus den naſſen Tieffen ſteiget,
Und ſichtbar GOttes Wunder zeiget.

So war ein ieder Gegenſtand,
Der ihre aͤuſere Sinnen ruͤhrte,
Ein Reitz, dabei das Hertz den Brand
Empfundner Wolluſt freudig ſpuͤrte.
Und dis erheiterte Gemuͤthe
Fand taͤglich neue Luſtbarkeit,
Die ihres Schoͤpfers Wunderguͤte
Jm Ueberfluſſe ausgeſtreut:
Und bei dem freudigen Genieſſen,
Wuſt dieſes Paar nichts von Verdrieſſen.

Wie gluͤklich war ihr Buͤndnis nicht,
Das gleicher Sinn und Neigung kroͤnte
Da noch kein Theil, wie ietzt geſchicht
Den truͤben Leidenſchafften froͤhnte.
Hier war ein Hertz und eine Seele,
Jn GOtt und in ſich ſelbſt vergnuͤgt;
Kein Blik der aus den Augen ſcheele,
Dem andern zum Verdruſſe fliegt:
Es muſt ein ieder Zug der Mienen,
Zum Zeugnis aͤchter Liebe dienen.

So ward ein ieder Tag vollbracht,
Jn dieſen hoͤchſt zufriednen Leben,
Und ſelbſt die Demmrung ſtiller Nacht,
Kont ihnen Luſt nnd Ruhe geben.
Ward gleich ihr Bette nicht von Seiden,
Und weichen Polſtern zubereit:
So ward auch kein bedorntes Leiden,
Geſchwaͤchten Gliedern unterſtreut:
So
[192]Das Paradies.
So wie ihr Wachen nur Vergnuͤgen,
So war nur Luſt ihr ſchlafend Liegen.

Jhr Bette war die ſanffte Erd,
Mit Laub und Blumen ausgeſchmuͤkket
Darob kein Baldachin gekehrt
Daran man Kunſtgewirk erblikket.
Der Himmel ſelbſt mit ſeinen Bogen,
Draus alle Schoͤnheits Farbe ſtrahlt,
War uͤber ihrem Haupt gezogen,
Mit Licht und Farben uͤbermahlt:
Der helle Mond, die lichten Sternen,
Die waren ihre Nacht Laternen.

Sie durfften um die Ruheſtat,
Auch keinen dichten Vorhang kehren,
Noch Schildwacht; weil kein Hochverrath
Sie in der Ruhe konte ſtoͤhren.
Sie lebten in den ſichren Grentzen,
Des Landes der Zufriedenheit:
Allwo ein immergruͤner Lenzen,
Bei Tag und Nacht nur Roſen ſtreut;
Wo man bei dem erwachten Sorgen,
Nicht ſeufzete nach Licht und Morgen.

So ward in ſanffter Sicherheit,
Entfernt von ſchwartzen Gram und Kummer
Der dunklen Naͤchte Ruhezeit
Vollbracht in einem ſuͤſſen Schlummer:
Und wenn die Morgenroͤth erwachte,
Mit ihren neu entglomnen Licht,
Die Poſt des muntren Tages brachte;
So ſah ihr heitres Angeſicht
Bei
[193]Das Paradies.
Bei aufgegangner Morgenſonne
Verneute Blikke guͤldner Wonne.

Da ſah das Auge abermahl,
Das Wunderwerk der Kreaturen,
Der Geiſt fand wieder ohne Zahl,
An allen Orten Gottheits Spuren:
Die wurden Ehrfurchts voll erwogen,
Die Andacht wieß den frommen Fleiß,
Aus reiner Lieb und Luſt gezogen
Geſchaͤfftig zu des Hoͤchſten Preis;
Und ward bemuͤht von ganzer Seelen,
Des Schoͤpfers Ehre zu erzaͤhlen.

Von dieſer Himmels Guͤt ernaͤhrt,
Behielt der Leib ſtets friſche Kraͤffte;
Dabei war ihnen noch beſcheert
Des Lebensbaumes Nahrungsſaͤffte.
Die Panacee von dieſem Stamme
Die Frucht, das rechte Lebens-Oel,
Bewahrte die Geſundheits Flamme
Damit nicht der geringſte Fehl
Des Koͤrpers inren Bau verletzte,
Und das Gemuͤth in Unruh ſetzte.

Was war alſo das Paradies?
Ein Wohnplatz, der im Schattenbilde
Das kuͤnfftige Vergnuͤgen wies
Das in dem himmliſchen Gefilde
Der guͤldnen Ewigkeit zu ſehen.
Es war ein recht begluͤktes Land
Daraus die Furcht, die Angſt und Wehen,
So lang die Unſchuld blieb, verbannt;
Erſter Theil. NEs
[194]Das Paradies.
Es war ein Feld, auf deſſen Auen,
Nur Seegensthau und Frucht zu ſchauen.

Jedoch ein Baum der darin ſtand,
Scheint dieſen Luſt Kreis zu verderben;
Denn als dadurch das Boͤß erkannt,
Da folgte auf das Leben, Sterben.
Die Ungluͤksfrucht, die von der Schlangen,
Mit Hoͤllen Giffte angeſtekt,
Die hat der Eltern Luſt, Verlangen
Mit ſuͤndlicher Begier beflekt:
Und dadurch, als die Liſt gelungen,
Sie aus des Lehns Beſitz verdrungen.

Ach! waͤre dieſer Probe Baum
Von GOttes Allmacht nicht erleſen:
So waͤre der begluͤkte Raum,
Der Menſchen Wohnplatz ſtets geweſen:
So aber waren bei den Roſen,
Ein ſcharffer Dornen Stachel auch
Die, wenn ſie das Gehirn liebkoſen,
Durch ihrer Duͤnſte ſuͤſſen Hauch,
Die unvorſichtgen Finger ſtechen,
Und ihre Anmuths Blaͤtter brechen.

So denkt der blinde Unverſtand,
Der nachgebliebnen Adams Kinder,
Die nunmehr ein bedorntes Land
Zu bauen, als verfluchte Suͤnder.
Das iſt die Frucht von Schlangenſaamen,
Denn bei dem ſchnoͤden Apfel Biß
Die erſten Eltern mit bekamen,
Daß ſie den Baum im Paradies,
Als
[195]Das Paradies.
Als eine Quell anſehn zur Suͤnden,
Die doch nur in ſie ſelbſt zu finden.

Der Menſch war Herr, doch unter GOtt,
Der ihm ein paradiſiſch Leben
Zum Lohn, und dabei ein Verbot,
Zur Richtſchnur ſeines Gluͤks gegeben:
Er ſolte nichts von Baume eſſen,
Der in des Gartens Mitte ſtund.
Der Menſche konte leicht ermeſſen,
Daß dies Geſezze ſeinen Grund:
Und daß die Weisheit zeigen wolte,
Daß ihr Geſchoͤpf gehorchen ſollte.

Das iſt das Recht der Billigkeit,
Das blinde Luͤſte uͤbertreten:
Es waͤre noch die guͤldne Zeit,
Wenn Menſchen dies gehalten haͤtten.
Doch da ſie von des Teuffels Schlangen,
Und ihren liſtgen Zauberthon,
Durch ihre eigne Schuld gefangen,
So war das der verdiente Lohn,
Daß ſie das Paradies verlieſſen,
Des Ungehorſams Schuld zu buͤſſen.

So ward uns Edens Herrlichkeit,
Mit ſeinen Paradies verſchloſſen;
Nachdem wir durch des Teufels Neid,
Jn Adam, dieſe Frucht genoſſen.
Betruͤbter Blik! in iene Stunden,
Der Anfangs noch begluͤkten Welt,
Wo ſind ſie? ach! ſie ſind verſchwunden,
Was iſt hier nun? Ein Jammerzelt,
N 2Das
[196]Das Paradies.
Das mit der Reich gezaͤhlter Tage,
Nur haͤuffet Eitelkeit und Plage.

Jedoch o! Menſch, obgleich die Erd,
Noch unter Bann und Fluch begraben:
So bleibet dir doch unverwerth,
Ein kleines Paradies zu haben.
Gebrauche nur die Kreaturen
Die uns des Schoͤpfers Guͤtigkeit,
Auf hie und da begruͤnten Spuren,
Zur holden Augenluſt anbeut;
Du wirſt in Gaͤrten, Thaͤlern, Gruͤnden,
Noch Paradieſe uͤbrig finden.

Hoͤr CHriſtum in der Gnadenzeit,
Des Hoͤchſten Bildnis zu erneuen:
So wird die guͤldne Ewigkeit,
Dich dort im Paradies erfreuen.
Jm Glauben muſt du hier anfangen,
Das laͤngſtverlohrne Ebenbild,
Am Geiſt, noch wieder zu erlangen:
So wird dein Wunſch dort auch erfuͤllt,
Da du wirſt in des Himmels Auen’,
Ein beßres Paradies beſchauen.


Gedan-
[197]

Gedanken
uͤber ein fliegend Wuͤrmchen
Ephemeris
.


[figure]
Ein fliegend Wuͤrmchen, das Ephemeris

genant,

Jſt uns aus der Geſchicht des Thier-

reichs gnug bekant;

Weil es denſelben Tag, woran es erſt

entſtehet,

Auch wiederum verſtirbt und ſchleunig untergehet.

Jch wunderte mich drob, daß der Geburts Tag

auch,

Sein Todestag ſchon ſei, und daß ſein Lebenshauch

Der doch vor kurzer Friſt, ſich erſtlich angefangen,

Auf GOttes Machtgeheis ſchon wieder unter-

gangen.

Doch fiel mir dabei ein; wie mancher Menſch er-

blaßt

Wenn er dem Othem kaum, zum Leben aufgefaßt!

Ja! als ich weiter noch, der Menſchen Ziel be-

dachte,

Und Zeit und Ewigkeit in ein Verhaͤltnis brachte:

So ſah ich, daß man ſich nicht drob verwundern

kann,

Beim Leben faͤngt ſich ſchon, der Menſchen Ster-

ben an:

Wenn er gebohren wird, das iſt des Lebens Morgen,

N 3Wird
[198]Gedanken uͤber ein fliegend Wuͤrmchen Ephemeris.
Wird ſein erblaßter Leib, ins dunkle Grab ver-

borgen;

So iſt der Abend da. Die ganze Lebens Zeit,

Daurt ſie gleich noch ſo lang, iſt doch ein fluͤchtig

Heut.

Doch dieſer Umſtand macht, bei unſern ſchnell Er-

bleichen,

Daß das Ephemeris, mit uns nicht zu vergleichen.

Sein Leben, iſt ſein Todt; der Anfang iſt der

Schluß:

Da erſt auf unſern Todt, das Leben folgen muß;

Bei unſern End muß ſich zu einen ewgen Leben,

Ein Anfang ohne End, in Ewigkeit anheben.


Beantwortete Frage: Wo gut
zu wohnen ſei?


[figure]
Wir leben in der Welt, im Land

der Eitelkeit,

Darin die Menſchen ſind, bald

hie, bald da, zerſtreut:

Der runde Erdenball iſt weit

und breit zertheilet,

Da ſich ein ieder Menſch in ſei-

nen Punct verweilet.

Der eine wohnet gern in ienen Morgenland;

Der andre klaget da, daß er im heiſſen Sand

Den ſtets beſchweißten Fuß, in dieſen Weltſtrich

brennte,

Wenn
[199]Beantwortete Frage: Wo gut zu wohnen ſei.
Wenn er Arabiens entflammten Sand durch-

rennte.

Der Ort, wo man erzeugt, die erſte Lufft genießt,

Jſt ſonder Zweiffel gut, wenn da das Gluͤkke

ſprießt

Das unſer Sin verlangt. Die Erde iſt des HErren:

Wenn wir nach GOttes Schlus in Nova Zembla

waͤren;

So muͤſt es uns auch gut, bei ſeinen Gnaden-

ſchein,

Am kalten Norderpol, als wie in Suͤden ſein.

Die Welt iſt nur ein Haus, darin die Laͤnder,

Zimmer

Dem einen ſcheint dies gut, dem andern ienes’,

ſchlimmer,

Nachdem die Neigung faͤllt; nachdem die Lebens-

Art,

Sich mit den Gegenden, allwo man wohnt, ver-

paart,

Darauf kommt alles an: Und will man dies ge-

ſtehen

So kann man auch hiebei des Hoͤchſten Weisheit

ſehen.

Die Welt iſt abgetheilt, in manches Reich und

Land,

Das menſchliche Geſchlecht hat durchs Geſellſchaffts

Band

Sie wiederum verknuͤpft, indem ſie allzuſammen,

Doch all aus einem Blut, von einem Ort her-

ſtammen.

Ein ieder der vergnuͤgt, lebt allemahl begluͤkt,

Wo ihn die Vorſehung hat weislich hingeruͤkt.

Dient er nur ſeinem GOtt, in angewieſnen Stande,

So mag es in der Stadt; ſo mag es auf dem Lande

N 4Auf
[200]Beantwortete Frage:
Auf Bergen, in dem Wald, in Feld und Thaͤlern

ſein:

So denket die Vernunfft, doch der Geſchmak ſpricht:

Nein.

Der die Geſellſchafft liebt, und des Getuͤmmels

Rauſchen,

Der wird nicht leicht die Stadt, mit einem Dorf

vertauſchen.

Wer eine freie Lufft und ſtilles Leben liebt,

Der waͤhlt ein freies Land dafuͤr er Staͤdte giebt

Wer hat von Beiden recht? Sie finden alle Beide,

Der eine hie, der da, fuͤr ſein Gemuͤthe, Freude.

Mein Urtheil iſt hiebei: Es iſt gut in der Stadt,

Die, GOtt iſt Sonn und Schild, zu ihrem

Wappen hat.

Das Leben taugt da nicht, da wo der Pfauen

Orden

Der ſtolzen Hoͤflichkeit, zum Buͤrgerrecht gewor-

den;

Da wo die Eitelkeit, die falſche Mode Welt

Sich hinter Mauren ſtekt, und ihre Hofſtat haͤlt;

Das Leben taugt da nicht, wo man die Argliſt

liebet,

Mit Tugend Glanz bekraͤnzt, und Klugheits Nah-

men giebet.

Das Leben taugt da nicht, wo man durch ſtolze

Tracht,

Die Buͤrger Ehrbarkeit, zu Adlers Schweiffen

macht;

Wo man die Hoͤflichkeit, in bloſſen Mienen ſezzet,

Und mit der Zunge liebt, und mit der That ver-

lezzet.

Das Leben taugt da nicht, wo man den Handel

treibt,

Und
[201]Wo gut zu wohnen ſei.
Und nicht die Billigkeit den rechten Werth be-

ſchreibt;

Wo man die Wageſchal nur blos zum Vortheil

haͤnget,

Der Ellen Maaß verkuͤrzt, die kurze Waar ver-

laͤnget.

Das Leben iſt da gut, wo auf dem freien Feld,

Des Schoͤpfers Vorſehung den Seegen aufgeſtellt;

Wo in der freien Lufft geſunde Winde wehen,

Die Aecker woll beflanzt, von Fruͤchten traͤchtig

ſtehen;

Wo ſtille Einfalt wohnt, wo alte Redlichkeit,

An ſtat des falſchen Schwurs, die Hand zur Treue

beut.

Das Leben taugt da nicht, da wo die Erden Wuͤr-

mer,

So ungebaͤrdig ſein, als wie die Himmelsſtuͤrmer,

Wo untern groben Tuch, ein groͤbers Herze ſtekt,

Und ſich der Bosheit Grim mit Laͤmmerfellen dekt,

Die eine Liverei der wahren Einfalt heiſſet;

Wo Tumheit, Unverſtand mit Wollffes Zaͤhnen

beiſſet:

Da taugt die Wohnung nicht; obgleich dem ſtillen

Land,

Der Vorzug oͤffters wird vor Staͤdten zuerkant.

Das Land iſt da nicht ſtill, wo der beſoffne Bauer,

Jn ſeinem Kruge ſchreit, als wie ein Gaſſenhauer,

Wenn ihn der heiſſe Trank, den er wie Waſſer ſaͤufft

Die Kehle aufgeſperrt, und das Gehirn ergreifft:

Alsdenn ſtuͤrmt er das Dorff, und laͤſt die Hunde

raſen,

Durch ſein Geſchrei erhizt, als wuͤrd zur Jagd ge-

blaſen.

Das Leben taugt da nicht, wo man den Ehrentag,

N 5Der
[202]Beantwortete Frage: Wo gut zu wohnen ſei.
Der Ehe eingeweiht, nur braucht zum Saufgelag;

Wo Zucht und Ehrbarkeit, mit Kraͤnzen zwar ge-

zieret,

Der Keuſchheit Ehrenkranz in Raſerei verlieret.

Das Leben taugt da nicht, wo man bei ſaurer

Muͤh,

Bei Pferd und Ochſen lebt, als wie ein menſchlich

Vieh

Die von dem Joch befreit, mit lauter wilden

Springen,

Jn ungezuaͤmten Lauf ſich zum Verderben bringen.

Wer ſich in dieſer Welt um einen Plaz bemuͤht,

Allwo die Gottesfurcht, mit Redlichkeit recht bluͤht

Der ſuchet einen Ort, die Wohnung aufzuſchlagen,

Der hier in dieſer Welt, ſehr ſchwerlich auszufragen;

Der ſucht ein Paradies, das laͤngſt verlohren iſt,

Und das man nirgends find, woll in der Biebel

lieſt:

Doch den die Vorſehung geſezt in dieſes Leben,

Dem hat er hie und da, den Weltraum einge-

geben,

Wo man an ieden Ort, gut, loͤblich wohnen kan,

Nimt man nur nicht dabei des Ortes Laſter an.

Die Wohnung iſt da gut, wo man nach Tugend

ſtrebet,

Und in der boͤſen Welt doch gut und chriſtlich lebet;

Wo man in Sodom zwar ſein Wohnungs Zelt auf-

ſchlaͤgt,

Doch in dem Herzen Scheu, vor Sodoms Greuel hegt;

Wo man bei Kedar wohnt, und dennoch Frieden

liebet,

Bis uns des Hoͤchſten Huld, in Salem Wohnung

giebet.



[20[203]]

Das
Lob der Gottheit

angeſtimmet
von den Kreaturen Himmels und der Erden.


[figure]
O! GOttheit Quelle aller Dinge,
Unendlich hoch erhabner Geiſt!
Gib mir, da ich dein Lob beſinge
Den Trieb, der mich mir ſelbſt ent-
reißt,
Und laß mich auf den Andachts
Schwingen,
Jns Chor der Seraphinen dringen
Zu iener Geiſter Ewigkeit:
Dort wo die ſeelgen Millionen,
Nah deinem lichten Throne wohnen,
Da ſieht man deine Herrlichkeit.

Doch nein! des Geiſtes matte Fluͤgel,
Von koͤrperlicher Laſt beſchwert,
Die ſteigen nicht zu ienem Huͤgel
Wo dich die Schaar im Schauen ehrt;
So lang des Leibes traͤge Banden,
Des Geiſtes Feſſeln noch vorhanden
Klebt er noch an der Unterwelt:
Drum laß mich nur der Gottheit Hoͤhen,
An
[204]Das Lob der Gottheit angeſtimmet
An denen Kreaturen ſehen,
Die Erd und Himmel in ſich haͤlt.

Was vor ein Chor! o was vor Heere
Entdekken ſich dem regen Geiſt,
Woran ſich deiner Gottheit Ehre
Jm klaren Schattenſpiegel weißt.
O! was vor Koͤrper! was vor Zeugen,
Seh ich aus iener Tieffe ſteigen,
Die deine Herrlichkeit erhoͤhn:
Da ſich in ungemeßnen Kreiſen,
Des Lufftraums, nach beſtimmten Gleiſen,
So viele tauſend Welten drehn.

Die Sonn der Fuͤrſt im Reich des Lichtes
Das ienen Oberkreis erfuͤllt,
Jſt des unſichtbarn Angeſichtes
Der Gottheit feurig Ebenbild.
Die ausgeblitzten heitren Strahlen,
Die flammend deine Pracht abmahlen
Und Feuer Piramiden ſein,
Die ſind HErr! deine Ehrenſaͤulen,
Die ſich in Suͤd, Weſt, Nord zertheilen,
Wenn ſie im Oſten aufwerts ziehn.

Des Himmels ausgeſpannte Bogen,
Der blaugewoͤlbete Saphir
Von Wolken Vorhang uͤberzogen,
Die ſtelln uns einen Schauplaz fuͤr.
Was wollen uns die hellen Spheren,
Der vielen Lichter Welten lehren?
Nichts als des Schoͤpfers Maieſtaͤt,
Die ſo weit an der blauen Ferne,
Als
[205]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Als Sonne, Mond, als alle Sterne,
Ja! noch unendlich weiter geht.

So herrlich dies erhabne Schimmern,
Jn iener duͤn gewebten Lufft;
So praͤchtig auch das guͤldne Wimmern,
Jn ienes Abgrunds tieffen Kluft:
So ſehen wir doch wie die Schatten,
Sich mit dem hellen Glantze gatten,
Wie Licht und Dunkelheit vereint.
Das iſt ein Bild von deinen Hoͤhen
Verborgner GOtt! wer kann dich ſehen,
Da dein Glanz nur durch Wolken ſcheint.

Jhr ausgedehnten Himmels Veſten,
Welch unumſchraͤnkte Allmachts Hand!
Hat euch in Nord, Suͤd, Oſt und Weſten
So wunderbarlich ausgeſpannt!
Wo ſind die Pfeiler darauf raſten,
Der Wolken ſchwebend rege Laſten,
Wer iſts? der iene Sternen Welt,
Die wie ein richtig Uhrwerk gehet,
Nach ihren Lauf und Zirkel drehet,
Und alles in der Ordnung haͤlt?

Du biſt es ewig weiſes Weſen,
Dich ruͤhmt das breite Firmament:
Denn deine Macht iſt da zu leſen,
An allen was dich Schoͤpfer nennt.
An ienem ausgeſchmuͤkten Auen,
Laͤſt ſich dein Name herrlich ſchauen,
Des Meiſters Weisheit zeigt ſich da,
Man kann an Sonne, Mond und Sternen,
Als
[206]Das Lob der Gottheit angeſtimmt
Als wie aus guͤldnen Lettern lernen,
Dein Lob o! groſſer Jehovah!

Jhr Luͤffte deren reges Schweben,
Den Himmelsbau verwundernd traͤgt;
Die ihr durch eurer Fluͤgel Weben,
Den Lebens Odem in uns legt!
Jhr muͤßt auf euren ſchnellen Schwingen,
Dahin des Schoͤpfers Ehre bringen,
Wo eur empfindlich Hauchen geht:
Weil durch ein geiſtig ruͤhrend Blaſen,
Als wie ein Dampf aus ſeinen Naſen,
Das Leben aller Ding beſteht.

Jhr Winde muͤßt auf euren Wagen,
Den Ruhm vom groſſen Zebaoth,
Zu Bergen, Thaͤlern, Kluͤfften tragen:
Denn er iſt auch der ſtarke GOtt,
Der euren Dunſt den ihr aushauchet,
Zur Reinigung der Luͤffte brauchet;
Jhr ſeid der Odem ſeiner Macht,
Dadurch er Fels und Berg zerreiſſet,
Was aufgethuͤrmt, zu Boden ſchmeiſſet,
Und ſeines Grimmes Feur anfacht.

Auf! ſucht den HErrn der Herrlichkeiten,
Auf eurer unſichtbaren Spur,
An allen Enden auszubreiten,
Jm groſſen Reiche der Natur!
Erwacht, erhebt ein ſchnelles Brauſen,
Und laßt ſein Lob in Luͤfften ſauſen,
Auf Erd und in dem tieffen Meer,
Auf! laßt durch das bewegte Wallen,
Jn
[207]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Jn hohlen Klippen wiederſchallen,
Wir regen uns zu GOttes Ehr.

Jhr Stimmen der gepreßten Luͤffte,
Die ihr ins Ohr zerſchmetternd kracht:
Jhr Donner! deren Schweffelduͤffte
Die ſchwuͤle Hize blizend macht.
Auf! auf! ihr bruͤllenden Karthaunen,
Jhr ſeid der Hoͤchſten Macht Poſaunen,
Stimmt an, der Koͤnig kommt zum Streit,
Auf ſeinen ſchnellen Wolken Wagen;
Jhr Menſchen! flieht mit bangen Zagen,
Vor Zebaoths Gerechtigkeit.

Seid ſtill ihr Voͤlker! GOtt der Ehren,
Faͤhrt her in ſeiner Herrlichkeit
Und laͤſſet ſich im Donner hoͤren,
Sein Blitz geht aus, der Flammen ſpeit.
Es oͤffnet ſich die Ruͤſtungs Kammer,
O! was vor Hertz beklommner Jammer,
Erweckt die Schrekkenvolle Lufft,
Der Hagel ſchlaͤgt, o! welch Zerſchmettern,
Entſteht aus ſeines Grimmes Wettern,
Da alles um Erbarmung rufft.

Da Blitz und Donner ausgeſchoſſen,
Da folgen aus der Tieffen Schlund,
Offt Regen, Schnee und Hagelſchloſſen,
Und machen GOtt, im Wetter kund.
Das ſind der Allmacht Schrekkens Keile,
Der Winde pfeiffendes Gehaͤule,
Vermehrt dies aͤngſtlich Zetterſchrein;
Der Himmel zittert; auf das Wallen,
Er-
[208]Das Lob der Gottheit angeſtimmt
Erfolgt ein ploͤtzlich taubes Knallen,
Und iagt uns neues Schrekken ein,

Jedoch dies fuͤrchterlich Gebruͤlle,
Hoͤrt auf, da ſich die Lufft zertheilt;
Es folget eine ſanffte Stille,
Wenn Oſt und Nord genug geheult:
Da ſaͤuſeln denn die lauen Weſten,
Und lispeln in belaubten Aeſten:
Der HErr iſt hier in ſanfften Braus,
Er laͤſt in dem gelinden Wehen,
Fuͤr all, des Lebens Odem gehen
Und haucht der Guͤte Balſam aus.

O! welche helle Saͤnger Choͤre
Erthoͤnen auf der Luͤffte Bahn;
Und ſtimmen zu des Schoͤpfers Ehre,
Manch lieblich klingend Loblied an.
Wie dringend ſind die zarten Kehlen,
Die zwitſchernd aller Welt erzaͤhlen,
Die Weisheit, Guͤt und Wundermacht,
Die ihnen ſolche Melodeien,
Zu ſeinen Ruhm, uns zu erfreuen,
Durch den Natur Trieb beigebracht.

Auf Nachtigal du Buſch Sirene!
Ermuntre uns des Morgens fruͤh
Und kraͤusle deine Wunderthoͤne,
Mit ſuͤß verwirrter Harmonie!
Auf Saͤngerinnen muſiciret,
Und gebt dem, Preis, dem er gebuͤhret
Jhr
[209]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Jhr ſtimmet ſchon! o welch ein Klang!
Was hoͤr ich? ein bezaubernd Klingen
Ein reizend Gurgeln, holdes Singen,
Das iſt der GOttheit Lobgeſang.

Das iſt der Jnhalt aller Lieder
Der in den freien Luͤfften ſchallt,
Aus dieſen ſingenden Gefieder;
Der allenthalben wiederhallt.
Die muntre Lerche die ſich ſchwinget,
Mit andern auch ihr Danklied bringet,
Die pfeifft es uns gantz deutlich fuͤr:
Wem ſoll dies freudig Singen gelten?
Dir, HErr! dem ſo viel tauſend Welten,
Als ihren Schoͤpfer ehren, Dir.

Zu deinem Ruhm, ſind ſo viel Heerden,
So viele Wunder aufgeſtellt;
Was lebt im Meer, was lebt auf Erden,
Was Berg und Thal und Wald erhaͤlt,
Was auf dem Feld, in gruͤnen Trifften,
Was kreucht in den verborgnen Gruͤfften:
Dies alles zeugt von deiner Macht;
Und giebt von deinen hohen Weſen,
Uns dieſen Eindruk ſtets zu leſen:
O! welch ein GOtt der dies erdacht!

Die Thiere preiſen deinen Nahmen,
Die an den ſteilen Bergen gehn:
Denn an den Wilden, an den Zahmen,
Kan man der Weisheit Kunſtwerk ſehn.
Der Loͤw mit funkelnden Geſichte,
Macht bruͤllend alles das zu nichte,
Erſter Theil. OWas
[210]Das Lob der Gottheit angeſtimmet
Was ſeines Grimmes Klau ergreift;
Er zeugt von deiner Allmacht Staͤrke,
Die ihn als ſeiner Haͤnde Werke,
Mit Muth und Kraͤfften ausgeſteift.

Der Tieger wezzet ſeine Krallen,
Und greift den Elephanten an,
Und denkt bei ſeinem Ueberfallen,
Was er vor Beute machen kann.
Der Wolff geht aus den dichten Waͤldern,
Und ſuchet gierig auf den Feldern,
Bis er ein ſanfftes Schaaf verzehrt;
Der Baͤre brumt nach ſeinem Raube;
Der Eber wuͤhlt im Moos und Laube:
Du biſt es, der ſie all ernaͤhrt.

Wer fuͤhrt euch wilde Kreaturen
Wenn euch der Durſt und Hunger plagt;
Wer hat euch die verſtekten Spuren,
Wo eure Nahrung iſt, geſagt?
Jhr ſchnellen Hirſche, ſcheuche Rehen,
Wer iſts der auf der Felſen Hoͤhen
Erquikkend Waſſer ſpringen heiſt,
Wenn ihr von Furcht und Jagen aͤchzet,
Nach einer friſchen Quelle lechzet?
Jſts nicht der, der eur Schoͤpfer heiſt?

Wie kuͤnſtlich hat er euch gebauet,
Durch ſeine weiſe Wunderhand?
Wenn nur ein Menſch geruͤhrt beſchauet
Der Koͤrper feſtes Glieder Band,
Wie er euch dauerhafft bebruͤſtet,
Mit Wehr und Waffen ausgeruͤſtet:
So
[211]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
So ſieht man wie er iede Art,
Nach ihren Zweck mit Haut und Sehnen,
Mit Knochen und geſchaͤrften Zaͤhnen,
Mit Klauen, wunderbar verwahrt.

Und welch ein Schauplatz voller Wunder,
Die deine Guͤt, Macht, Weisheit ruͤhmt,
Sieht man zur Fruͤhlings Zeit iezunder,
Da Feld und Garten iſt bebluͤmt?
Jhr bunt geſchmuͤkten Erden Kinder!
Jhr holden Blumen ſeid nicht minder
Die Zeugen ſeiner Herrlichkeit!
Jhr gleichet einem Ehren Kranze;
Jhr blizt in Gold uud Silber Glanze,
Den GOtt ſich ſelbſten zubereit.

Und welch ein guͤldenes Gepraͤnge,
Macht auf der Felder gruͤnen Grund,
Uns in der Halmen ſchlanken Menge
O! Schoͤpfer deine Guͤte kund.
Jch ſeh in Millionen Aehren,
So viele Zungen die uns lehren,
Daß du, HErr! allenthalben ſeiſt.
Mir deucht, daß die bewachſnen Flaͤchen,
Mit lispelnder Bewegung ſprechen:
Der Schoͤpfer wird von uns gepreiſt.

Geht in die Gaͤrten, ſeht die Fruͤchte,
Die euch das Pflanzen Reich ſonſt ſchenkt,
Beſchaut die lieblichen Gerichte
Den Weinſtok der euch labend traͤnkt.
Erwegt, wie aus den duͤrren Zweigen,
Mit Safft gefuͤllte Beeren ſteigen
O 2Wie?
[212]Das Lob der GOttheit angeſtimmet
Wie? iſt nicht alles wunder ſchoͤn,
Und kann, nicht wenn ihr ſolches ſchmekket,
Was euch des Hoͤchſten Guͤt entdekket,
Das Aug daran den Schoͤpfer ſehn?

Auch in den kleinſten Graſes Spizzen,
Daran, wenn ſie die Nacht bethaut,
Am Morgen kleine Sonnen blizzen,
Wird GOttes Groͤſſe angeſchaut.
Was ſind des Graſes zarte Halmen?
Die Noten, die zu Lobes Pſalmen
Jm Buche der Natur gedruͤkt,
Wer nur darauf die Sinnen richtet,
Und GOtt zu Ehren Lieder dichtet,
Der hat den Jnhalt ſchon erblikt.

Jhr Waͤlder bluͤht zu GOttes Ruhme,
Man ſieht an eurer gruͤnen Pracht,
Daß ihr zum ſtillen Heiligthume,
Zum Tempel der Natur gemacht.
Der Zweige rauſchendes Bewegen,
Der Blaͤtter lispelnd leiſes Regen,
Jaͤgt uns die ſtille Andacht ein;
Man muß mit Ehrfurcht eingeſtehen,
Daß dieſer Baͤume ſchlanke Hoͤhen,
Der Gottheit Ehrenſaͤulen ſein.

Jhr Berge dran der Zahn der Zeiten,
Zwar rieſelnd, doch vergeblich nagt,
Jhr koͤnnt uns auch zum Schoͤpfer leiten,
Wenn man euch nur mit Andacht fragt:
Jhr ſeid, ihr aufgeworffnen Huͤgel,
Der weiſen Allmacht Wunderſpiegel,
Wenn
[213]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Wenn man euch nur von auſſen ſieht;
Jhr ſeid uns, vor der Fluthen Stuͤrme,
Wie feſte Mauren, ſtarke Thuͤrme,
Davor der Feind zuruͤkke flieht.

Jhr ſeid nicht nur ein Schuz Geruͤſte,
Ein Bollwerk, daß das Meer umdaͤmmt;
Jhr ſeid der Erden Saͤugebruͤſte,
Daraus das Nahrungs Waſſer ſchwemmt:
Jhr laßt von unten Quellen ſchieſſen,
Von oben Thau und Regen flieſſen,
Und traͤnket das verdorrte Land:
Jhr laßt zu uns, als Brencriſtallen,
Jn Winter Tagen ruͤkwerts prallen,
Der Sonnen aufgefangnen Brand.

Wie ſchoͤn ſind nicht der Berge Rinden
Mit ſanfften Kraͤutern uͤberdekt,
Die ſich gleichſam aus Steinen winden,
Darin das Mark des Lebens ſtekt.
Wie viele Baͤume, Cedern, Eichen,
Mit Fichten, Tannen und Geſtraͤuchen,
Entſtehen aus dem Fels und Stein,
Die zu der Menſchen frohen Leben,
Theils Nahrung, theils auch Holz hergeben,
Theils Mittel zur Geſundheit ſein.

Wie koͤnnt ihr nun verwegne Spoͤtter,
Nicht an den aufgeworffnen Hoͤhn,
Denſelben, der ein GOtt der Goͤtter
Und ſeiner Allmacht Wirkung ſehn.
Jhr tadelt ihre ſchroffe Spizzen,
Die uns dem Vieh, den Thaͤlern nuͤzzen.
O 3O!
[214]Das Lob der Gottheit angeſtimmet
O! braucht eur ſehend Auge auch
Und ſchauet, was vor grauſe Wunder,
Noch ſtekken, als ein Andachts Zunder,
Jn ihren ausgefuͤllten Bauch.

Steigt in die ausgehoͤlten Kluͤffte,
Und ſehet auf der dunklen Bahn,
Die Erdengaͤnge, tieffe Gruͤffte
Die Eingeweid und Adern an.
O! was vor blizzende Metallen,
O! was vor glaͤnzende Criſtallen,
Entdekt man nicht in ihren Schooß:
Was ſagt ihr Frevler! zu den Schaͤzzen
Die in den Schlakken ſchon ergoͤzzen,
Jſt GOtt nicht auch in Bergen gros?

Hier ſind die Gold und Silber Mienen,
Die man zu Erden Goͤzzen macht
Die uns nur ſollen dazu dienen,
Daß wir erkennten deine Pracht.
O! HErr! der du den Schooß der Erden,
So reichlich laͤſſeſt fruchtbar werden:
Du biſt im tieffſten Schacht zu ſehn,
Worinnen als der Guͤte Kammern,
Jn Kaſten mit vermaurten Klammern,
Fuͤr uns, ſo viele Schaͤzze ſtehn.

Dein Grim, der uns ſcheint zu erwuͤrgen,
Bei des gerechten Eifers Brand,
Verherrlicht ſich auch im Gebuͤrgen
Und macht uns dein Gericht bekand,
Der Felſen ausgeholte Baͤuche,
Sind offt verborgne Schweffel Schlaͤuche
Wie
[215]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Wie Aetna und Veſuvius,
Darin ein heimlich Feuer ſchmauchet,
Das ein verborgner Wind anhauchet,
Und bringt die Gluth zu Dampf und Schuß.

O! welch ein Knall! die Felſen zittern,
Und ſpeien Bliz und Flammen aus,
Die Erde bebt, die Thaͤler ſchuͤttern,
Die Gegend ſtuͤrzt in Schutt und Grauß;
Die Staͤdte ſinken bei dem Knallen,
Und werden wie ein Feuerballen,
Der freſſend durch das Pech verheert:
Es werden oͤde Wuͤſteneien
Ob den ergrimmten Feuerſpeien,
Das aus der Berge Rachen faͤhrt.

Fragt wer erſcheint in ſolchen Wettern,
Die aus geſpaltnen Loͤchern gehn,
Und alles um ſich her zerſchmettern
Laͤßt ſich nicht GOtt darinnen ſehn?
Der Zebaoth vor deſſen Fluͤgeln,
Sich ſchnell die Kluͤffte ſelbſt entriegeln
Wenn er auf ſeinen Donner ſitzt:
Und aus der Felſen weiten Schlunde,
Als wie aus ſeines Grimmes Munde
Den angeflammten Eiffer blizt.

Du GOtt biſt gros auch in dem Meere,
So weit das Reich des Waſſers grenzt,
Darin ſich ſpiegelt deine Ehre,
Darin dein Lob recht herrlich glaͤnzt:
Man ſehe nur in dieſe Tieffen,
Und wie darin die Waſſer trieffen
O 4Und
[216]Das Lob der Gottheit angeſtimmet
Und was auf dieſer glatten Bahn,
Jn dem beſchaͤumten Reich der Wellen,
Fuͤr mannigfaltge Wunder ſchwellen:
So ſieht man dich im Spiegel an.

Ein einzig Troͤpfgen dieſer Naͤſſe,
Das wie ein klares Silber blinkt,
Das lehret uns ſchon deine Groͤſſe
Wenns rollend in die Tieffe ſinkt:
Nun haͤuffe man der Tropfen Zahlen,
Draus deine Eigenſchafften ſtrahlen,
Was vor ein Spiegel wuͤrd entſtehn?
Wenn man die Meere, Seen, Fluͤſſe,
Und alle breite Waſſerguͤſſe,
Wuͤrd in vereinter Lage ſehn?

Dein Bild iſt doch unendlich groͤſſer,
Und deine hohe Herrlichkeit,
Als ſelbſt der Spiegel der Gewaͤſſer,
Der unermeßlich tief und breit.
Wenn man mit ſchwindelnd bangen Grauen,
Will in der Meere Abgrund ſchauen;
So ſtarrt der tief verſchlungne Sinn:
Und will der Menſch ſich ſelbſt vergeſſen,
Der Gottheit dunkle Tieffen meſſen,
So faͤllt er gar in Ohnmacht hin.

O! bleibet nur am aͤuſren Rande,
Wagt euch in dieſe Tieffen nicht:
Die eine droht euch mit dem Strande;
Die andre blendet eur Geſicht
Bewundrer! braucht nur eure Sinnen,
Seht Millionen Stroͤme rinnen,
Und
[217]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Und rechnet was die Waſſerwelt,
Da iedes Troͤpflein ihn erhebet,
Und alles was darinnen lebet,
Vor Lob Materie in ſich haͤlt.

Seht! an die aufgethuͤrmten Wogen,
Jm wirbel vollen Ocean,
Sie ſprudeln bis zum Wolken Bogen,
Was wird euch dadurch kund gethan?
Der Hoͤchſte ſchilt, die Stroͤme wallen,
Die Wellen ſteigen, brechen, fallen
Sein Hauch blaͤßt abermahl hinein:
Das Meer wird ſtill, es klaͤrt die Flaͤchen;
So bald ſieht man die Strahlen brechen,
Von ſeinen hellen Gnadenſchein.

Nach ſolchen naſſen Ungewittern,
Dabei das Meer ſich ſchreklich baͤumt,
Find man die Perlen mit den Muͤttern
Am Uffer reinlich abgeſchaͤumt;
Man ſammlet liebliche Corallen,
Man ſiehet praͤchtige Criſtallen
Jm Schooß des Meers; auch Edelſtein:
Und dieſe ſeltne Koſtbarkeiten
Kann GOtt aus Jaͤſcht und Schaum bereiten
Wie groß muß ſeine Allmacht ſein!

O! welch lebendiges Getuͤmmel,
Wird man im Teich und Fluß gewahr!
O! welch ein flieſſendes Gewimmel,
Wenns Meer geſtillt, die Seen klar:
Sieht man wie ſchnelle Pfeile gehen,
Und wirbelnd ihren Lauf verdrehen!
O 5Der
[218]Das Lob der Gottheit angeſtimmt
Der eine ſpringt, der andre rennt,
Denn ſieht man von den Schuppen Volke
Auf einmal eine dichte Wolke,
Jn dieſen naſſen Element.

Auch dieſe Waſſerbuͤrger zeigen,
Daß niemand unſern Schoͤpfer gleich
Fuͤr dem ſich gantze Heerden neigen,
Auch in dem tieffen Waſſerreich.
Wie wunderbarlich iſt das Bilden
Der Fiſche, die mit glatten Schilden
Von ſeiner Weisheit angethan.
Wie wunderbarlich iſt ihr Regen,
Wenn ſie mit ruͤhrenden Bewegen,
Sich dringen durch die glatte Bahn.

Wer kann die Meeres Wunder ſehen,
Vor den ſich die Natur erſchrikt,
Ohn deine Macht HErr! zu erhoͤhen,
Die ſich darinnen abgedruͤkt.
Man nehme nur zum Augenmerke
Des Wallfiſchs Groͤß und Wunderſtaͤrke,
Der mit den ſtarken Wellen ſpielt:
Er athmet, und der Dampf der Naſen,
Erregt gedehnte Waſſerblaſen,
Damit er ſeine Hize kuͤhlt.

Was regt ſich dorten in dem Eiſe,
Des Welt Meers, das am Nordpol grenzt,
Und zu des Hoͤchſten Ruhm und Preiſe,
Mit den gefrornen Silber glaͤnzt.
O! welche groſſe Ungeheuer!
Voll inrer Hiz, voll regen Feuer,
Die
[219]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Die wallen da in kalter Fluth,
Zum Zeugnis, daß an allen Enden,
Der HErr mit ſeinen Allmachts Haͤnden,
Zu ſeinem Ruhme Wunder thut.

O! welche aufgethuͤrmte Maſten,
Die Waͤlder ſind in offner See!
O! welche Haͤuſer voller Laſten
Die ſchweben auf der Meeres Hoͤh,
Die mit beladner Beut und Waaren
Die ſchluͤpfrig glatte Bahn durchfahren,
Wie wird nicht GOttes Ruhm vermehrt!
Der uns die Kunſt im Meer zu wandeln,
Den Weg in alle Welt zu handeln,
Auf wunderbare Art gelehrt.

Dankt euren GOtt ihr Schiffer, danket!
Der euch offt aus dem Rachen reiſt
Des Todes, wenn eur Schiff ſchon wanket,
Und lechzend Waſſer in ſich geuſt.
Es ſinket. Ach! ihr ſeid verlohren,
Da Wind und Wetter ſich verſchworen
Auf euren nahen Untergang:
Die lieblich ſingenden Sirenen,
Die ruffen euch nur zu verhoͤhnen,
Mit ihren falſchen Zauberklang.

Jhr ſtuͤrtzt an Klippen, ach! zu ſtranden,
Jhr ſchlukt ſchon ein den nahen Todt;
Doch hier iſt eure Huͤlff vorhanden,
GOtt reißt euch aus der bangen Noth;
Der Hofnungsanker wird geſenket,
GOtt der an eure Angſt gedenket,
Be-
[220]Das Lob der Gottheit angſtimmet ꝛc.
Bedraͤut den tobenden Orcan;
Jhr koͤnnt nun wieder Seegel ſpannen,
Jhr reiſet nach der Noth von dannen,
Und langt in ſichren Hafen an.

So iſt der HErr, ein HErr der Wellen,
Dem Wind und Meer gehorſam iſt,
Sein Wink legt ihr abſcheulich Schwellen,
Das ſonſten alles niederſchießt.
Jhr ſeht dies an, preiſt ſeinen Nahmen;
Weil er getreu und Adams Saamen
Sein Wort und ſeine Zuſag haͤlt;
Ruͤhmt ihn und laſt ſein Lob erſchallen,
Und an den Klippen wiederhallen,
Die in den Seen aufgeſtellt.

Jhr Menſchen! ſeid ia alle Zeugen
Von ſeiner weiſen Guͤt und Macht,
Wie? koͤnnet ihr ſein Lob verſchweigen
Jhr ſeid Bewundrer ſeiner Pracht;
Auf! auf! ihr Voͤlker aller Erden,
Durch euch muß er verherrlicht werden,
Stimmt eurer Andacht Harffenſpiel;
Und braucht der Seelen Gnadenkraͤffte,
Zu dieſem engliſchen Geſchaͤffte,
Dies ſei eur Lebens Zwek und Ziel.

Erkennt der Gottheit Herrlichkeiten,
Die allenthalben gnug bekand;
Und nehmt die Harfe von zehn Saiten
Jhr Koͤnige! wie der zur Hand,
Der dort auf Zions Berg und Throne,
Der Herrſchafft Zeichen, ſeine Krone,
Fuͤr
[221]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Fuͤr GOtt, in tieffen Staub gelegt;
Gebt dem die Ehr, dem ſie gebuͤhret,
Weil ieder der die Welt regieret,
Von ihm das Lehn des Scepters traͤgt.

Den hocherhabnen Erden-Goͤttern,
Wird Weirauch hie und da geſtreut,
O! gebt das Lob, das euch Errettern
Die Noth und Duͤrfftigkeit anbeut,
Dem, der euch euren Thron gegruͤndet,
Dem, der euch alle ſich verbindet,
Als Knechte ſeiner Maieſtaͤt:
Denn ſeid ihr gros und hoch erhoben
Wenn ihr dem dienet, und durch Loben
Dem, der euch gros gemacht erhoͤht.

Jhr heilgen Diener! eur Exempel,
Entflam die Welt zu GOttes Ruhm
Geht in der Gottheit Ehrentempel;
Dient ihm in ſeinem Heiligthum.
Entzuͤndet eure Raͤucherſchalen,
Durch ſeines Lichtes Gnadenſtrahlen
Glimmt an des Weirauchs ſuͤſſen Dunſt;
Macht eure Hertzen zu Alltaͤren,
Und widmet ihm zu ſeinen Ehren,
Der Seelen heiſſe Andachtsbrunſt.

Folgt Aſſaph nach mit euren Choͤren,
Und laßt der Pauken Jubelthon,
Der Cimbeln Schall im Heilgen hoͤren,
Und ſingt dem Vater, und dem Sohn.
Dem Gnaden Geiſt, Lob, Preis und Lieder,
Fallt ihm zu Fuß, aus Demuth nieder,
Und
[222]Das Lob der Gottheit angeſtimmet
Und muntert eure Schaaren an,
Den GOtt zu ehrn, der uns das Leben,
Hier mitgetheilt und dort will geben,
Dafuͤr man nichts als loben kann.

Auf Chriſten auf! mit muntren Wallen-
Geht hin, da GOttes Ehre wohnt;
Und laſt ein Loblied, dem erſchallen,
Der uͤber alle Himmel thront.
Jhr kennt ſein gnaͤdiges Erbarmen,
Jhr liegt in ſeinen Liebes Armen,
Die euch der Heiland zugeneigt:
Drum laßt bei herzgeruͤhrten Singen,
Ein Halleluia ſtets erklingen,
Das uͤber alle Wolken ſteigt.

Singt mit den Engeln in den Luͤfften,
Ehr, Ehre ſei GOtt in der Hoͤh
Der nach dem Zeugnis heilger Schrifften
Von uns verbannt das Hoͤllen Weh.
Preiſt den GOtt, der als Menſch gebohren,
Der die verſchloßnen Himmels Tohren
Euch wiederum geoͤfnet hat:
Den, der mit ſeines Blutes Guͤſſen,
Euch wiederum erloͤſen muͤſſen,
Nach ſeines Vaters Gnadenrath.

Jhr Heiden aus dem finſtren Lande,
Die ihr den wahren GOtt nicht kennt,
Und eurer Menſchheit ſelbſt zur Schande,
Zu leeren Goͤtzenbildern rennt,
Verklaͤret eure blinde Augen,
Damit ſie den zu ſehen taugen,
Der
[223]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Der da ein Schoͤpfer aller Welt,
Fuͤr dem muͤſt ihr die Haͤnde falten,
Der durch ſein Allmachts volles Walten,
Den Himmel traͤgt, die Erd erhaͤlt.

Den ehret der ein GOtt der Goͤtter,
Und den kein Aberglaub erdacht;
Den lobt, der allen Gifft der Spoͤtter
Weil er im Himmel wohnt, verlacht;
Den bringt zum Opfer eure Herzen,
Der mit der Andacht nur will ſcherzen,
Der hat kein menſchliches Gefuͤhl.
GOtt iſt ein Geiſt der anzubeten,
Die ohne Glauben vor ihm treten,
Begehen nur ein Gaukelſpiel.

Braucht die Geſchoͤpfe ſtat der Leitern,
Und ſteigt darauf zum Schoͤpfer hin:
Um eur Erkaͤntniß zu erweitern,
So leßt des Allerhoͤchſten Sinn
Wie er in ſeinem Wort beſchrieben:
So muͤſt ihr euren Schoͤpfer lieben;
Jhr muͤſſet wenn ihr JEſum kennt,
Durch ein andaͤchtig Knie beugen,
Vor GOtt und aller Welt bezeugen,
Er ſei der, den ihr HErre nennt.

Jhr Kinder die ihr an den Bruͤſten
Der Muͤtter, annoch ſaugend liegt,
Daraus mit Honig ſuͤſſen Luͤſten,
Die Nahrung eures Leibes kriegt!
O! preiſet GOtt, ein kindlich Lallen,
Wird euren Vater woll gefallen:
Drum
[224]Das Lob der Gottheit angeſtimmet
Drum lallt von ſeiner Wunder Macht,
Die euch aus den verdekten Waͤnden,
Des Kerkers, als mit ſeinen Haͤnden,
So wunderlich ans Licht gebracht.

Ruͤhmt Jhn und ſeiner Vorſicht Sorgen,
Die euch durch ſeine Schoͤpfungs Krafft,
Die Nahrung, da ihr noch verborgen,
Schon reichlich vorher angeſchafft.
O! lernet dieſen Vater kennen,
Und ſeinen groſſen Nahmen nennen,
Sprecht: GOtt iſt auch in kleinen groß,
Der laͤßt uns durch die Engelſchaaren,
Mit groſſer Sorgfalt noch bewahren,
Als auf der Muͤtter ſichren Schooß.

Jhr Alten! die mit grauen Haaren,
Als einer Krone ausgeſchmuͤkt,
Sagt, was vor Wunder ihr erfahren,
Daran man GOttes Groͤß erblikt:
Erweget ſie in dem Gemuͤthe,
Erzaͤhlt des Allerhoͤchſten Guͤte,
Den Kindern und den Enkeln doch!
Sagt, ſo hat GOtt die Welt regieret,
So weislich hat er mich gefuͤhret,
Und dieſer GOtt der lebet noch.

Bemerket aus der Zeit Geſchichte,
Was eure Jahre euch gelehrt;
Erzaͤhlet was ihr vor Gerichte
Der Wunder Macht, etwan gehoͤrt;
Was eure Vaͤter ſchon bemerket,
Und das ihr auch erfahrn, beſtaͤrket,
Und
[225]von den Kreaturen Himmels und der Erden.
Und praͤgets euren Zweigen ein:
Daß eure Jahre, Tage, Stunden,
Die in dem Lauf der Zeit verſchwunden
Die Zeugen ſeiner Guͤte ſein.

Ermuntre dich auch meine Seele!
Und denke was der HErr gethan;
Was dich entzuͤkkend ruͤhrt, erzaͤhle,
Und ſage GOttes Thaten an;
Eroͤfne deiner Lippen Schranken
O! Zunge! ſprich aus die Gedanken,
Die GOttes Groͤß in dir erhoͤhn
So lang bis du in ſeinen Lichte,
Jhn dorten wirſt vom Angeſichte,
Jn jener Ewigkeit anſehn.

Wo bin ich? und welch Jubiliren,
Hoͤrt mein geruͤhrt begierigs Ohr?
Das iſt ein himmliſch Muſiciren,
Das iſt der Selgen frohes Chor.
O! welch ein Klang! die ſelgen Geiſter,
Sind die vollkomnen Saͤnger Meiſter,
Die durch die ſuͤßſten Melodein,
Die engliſch ſind und engliſch klingen,
Der GOttheit ewgen Ruhm beſingen
Und ſich darob recht ſelig freun.

Jhr Stunden Fluͤgel ſchneller Zeiten,
Verdoppelt den geſchwinden Lauf;
Daß ich zur Burg der Ewigkeiten,
Zu jenen Choͤren kom hinauf;
Da kan ich in den ſelgen Auen
O! GOttheit! dich viel klaͤrer ſchauen,
Erſter Theil. PUnd
[226]Die Weisheit GOttes
Und deine Herrlichkeiten ſehn;
Da kan ich in dem Luſtgefilde,
Wenn ich erwach nach deinem Bilde
Mein niedrig klingend Lob erhoͤhn.


Die
Weisheit GOttes

bei dem mannigfaltigen
Arten der Geſchoͤpfe.


[figure]
Wer dieſe Welt beſchaut, der Kreaturen

Heer,

Darin ſich bildend zeigt des groſſen

Schoͤpfers Ehr:

Der ſieht wie ſeine Macht zu dem be-

quemen Leben,

Uns allerlei Geſchoͤpf zum Ueberflus gegeben.

Man uͤberrechne nur die ungezaͤhlte Zahl

Der Sternen welche dort an blauen Himmels Saal,

Mit Schimmer vollen Glanz, in Millionen prangen,

Und nach dem Augenſchein, nah bei einander hangen.

Man denke dabei nach, was in der Tieffen Grund,

Durch ein Vergroͤſſrungs Glas uns noch wird wei-

ter kund;

Und was uns vor ein Heer, noch in der Hoͤh ver-

ſtekket,

Die noch kein Ferne Glas den Forſchern hat ent-

dekket.

Man
[227]bei dem mannigfaltigen Arten der Geſchoͤpfe.
Man ſehe auf die Erd, was vor ein Mannigfalt,

Entwikkelt ſich dem Aug, an Art und an Geſtalt,

Theils an Lebendigen, theils todten Kreaturen,

Auf Bergen, in dem Thal, in Waͤldern, auf den

Fluren.

Wie viele Arten ſind im Thiere Reich zu ſehn,

Die theils auf Erden ſind, theils fliegen in den

Hoͤhn:

Wer hat aus aller Welt, die Voͤgel uͤberzaͤhlet,

Die GOttes weiſe Macht, zum Daſein auser-

waͤhlet.

Wie mannigfaltig iſt, die unterſchiedne Art,

Die unter ein Geſchlecht, geordnet und verpaart.

Wie viele Fiſche ſind an Arten und Geſtalten,

Die ſich im Meer und See, in Flus und Teich

aufhalten?

Wie viele Thiere ſind, die in dem gruͤnen Wald,

Die Berge und Gebuͤſch erwaͤhlt zum Aufenthalt,

Die unterſchiedlich doch, an ihren Bildungs-Zei-

chen,

Und wegen der Natur nicht voͤllig zu vergleichen?

Das ſieht man ebenfals, auch an dem zahmen Vieh,

Das auf dem Anger geht, und mit der ſuͤſſen Muͤh,

Zu unſrer Nahrung ſich, im Klee und Graſe naͤhret,

Und dadurch unſre Koſt uns woll gekocht, beſcheret!

Es giebt uns GOttes Guͤt, der Speiſen Suͤßigkeit,

Die er in Milch und Fleiſch, uns dadurch zubereit,

Auch von verſchiedner Art, daß ſie verſchieden

ſchmekken

Und nicht durch einerlei den Ekel uns erwekken.

Man ſehe abermahl die vielen Baͤume an,

Die man im Pflanzenreich verſchiedlich finden kan,

So unterſchiedlich ſie, ſind auch die ſchoͤnen Fruͤchte,

Und geben dem Geſchmak veraͤnderte Gerichte.

P 2Bewun-
[228]Die Weisheit GOttes
Bewundrer der Natur! die ihr die Gaͤrten baut,

Und Blumen mancher Art zu eurer Luſt anſchaut,

Jhr merkt bei ieder Blum, an Farb und an Geſtal-

ten,

Daß ſie dem aͤuſren Schein, auch nicht ſtets gleich

zu halten.

Jhr findet, daß die Hand, die alles hat gemacht,

Jn eine iede Art auch neuen Schmuk gebracht:

Die eine bluͤht im Roth, und iſt doch weis geraͤn-

dert,

Die andre wiederum getuͤpfelt und veraͤndert;

Die eine iſt gezakt, die andere iſt rund,

Die eine iſt geſtricht, die andere iſt bunt,

So wunderbar geſprengt, daß wir in einen Garten,

Jn neuer Aenderung, ſtets finden neue Arten.

Wenn ich dies alles ſeh; ſo denk ich oft dabei,

Warum in der Natur es ſo veraͤndert ſei.

Warum der Schoͤpfer uns, zum Unterhalt im Le-

ben,

So viel und mancherlei, zu unſerm Nuz gegeben?

Mir deucht des Schoͤpfers Guͤt hat uns dadurch

gezeigt,

Daß ſeine Vaterhuld den Kindern recht geneigt,

Da er ſo mancherlei dem Menſchen vorgeſezzet,

Das zur Erhaltung dient, das ihren Sinn ergoͤzzet.

Die Weisheit hat darum, ſo vieles vorgelegt,

Daß wenn wir ein Geſchoͤpf zu ſeinem Preis er-

wegt,

Wir wieder andre ſehn, die uns zu gleichen Pflich-

ten,

Des Schoͤpfers weiſe Macht und Guͤtigkeit berich-

ten;

Sonſt wuͤrden wir gar bald uns daran muͤde ſehn,

Wenn nicht die Neubegier koͤnt immer weiter gehn.

Sonſt
[229]bei dem mannigfaltigen Arten der Geſchoͤpfe.
Sonſt wuͤrden wir nicht ſtets der Welt vergnuͤgte

Auen,

Wie wir doch ſchuldig ſind, zu GOttes Ruhm

beſchauen.

Wir leben in der Welt, die einen Schauplaz gleicht,

Worauf ein ieder Blik uns neue Wunder zeigt,

Wir finden immerhin noch nie bemerkte Sachen,

Die unſre Schlaͤfrigkeit auf ſolche achtſam machen.

O! Brunquell alles Lichts! wie weiſe iſt dein Rath,

Der zu der Menſchen Woll, ſo viel erſchaffen hat,

Dadurch die rege Bruſt bei wechſelnden Vergnuͤ-

gen

Des Ekels Wiedrigkeit ſo gluͤklich kan beſiegen.

O! moͤchte deine Guͤt, die unſre Sinnen ruͤhrt,

Und die uns immerhin, dich zu betrachten fuͤhrt,

Das ſchlaͤfrig traͤge Herz, dich zu verehren lenken,

Damit wir beim Geſchoͤpf an ihren Schoͤpfer den-

ken.

Wenn deine weiſe Macht nicht dieſen Zwek erhaͤlt:

So ſehen wir umſonſt den Schauplaz dieſer Welt;

So iſt ſo vielerlei vor uns umſonſt erſchaffen,

Wie wird der Hoͤchſte nicht, die Traͤgheit hart be-

ſtraffen?

Ermuntre unſern Sinn, daß wir zu jederzeit,

Wenn wir die Welt anſehn auch deine Herrlichkeit;

Du hocherhabner GOtt! darin mit Andacht eh-

ren,

Und durch die Kreatur auch deinen Ruhm vermeh-

ren.

Gib, daß dasienige, was uns mit Glanz und

Pracht,

Jn helle Augen faͤllt, und dadurch ſichtbar macht,

Uns diene deinen Ruhm dabei auch zu erheben;

Gib daß dasienige, was du uns ſonſt gegeben,

P 3Allein
[230]Wie die weiſe Guͤte GOttes
Allein zu deiner Ehr, auch werde angewandt;

Wird durch das Sonnenlicht, ein heilig Feur ent-

brannt:

So gib daß die Geſchoͤpf im Unkreis dieſer Erden,

Jm freudigen Genus bei uns zum Opfer werden.

Gib, wenn die Zunge HErr! die groſſe Guͤte

ſchmekt,

Daß unſer Hertz dadurch auch werd zum Dank er-

wekt;

Und wenn ein ſuͤſſer Dunſt, in unſre Naſen hau-

chet,

Daß er ein Weihrauch ſei, der Dir zu Ehren rau-

chet.


Wie die
weiſe Guͤte GOttes
im Brodt zu ſchmekken.


Pſ. CVI. v. 15.
Du ſchaffeſt es, daß das Brodt des Men-
ſchen Herz ſtaͤrke.


[figure]
Nahrungs Brodt Kraft volle Speiſe,
Wer dich zu des Schoͤpfers Preiſe
Mit begierger Luſt geneuſt;
Der kan durch ein ſattes Schmek-
ken,
GOttes’ Guͤt darin entdekken,
Die aus Meel und Waſſer fleuſt;
Und
[231]im Brodt zu ſchmekken.
Und in deinen ſaftgen Rinden,
Laͤßet Herzens Staͤrkung finden.

Du entſtehſt aus fetten Halmen,
Deren Koͤrner wir zermalmen;
Erde iſt dein Element
Daraus die zuerſt entſproſſen;
Und wenn Waſſer zugegoſſen,
Und das Feur dich hart gebrennt:
So kanſt du durch dein Gedeien,
Labend unſer Herz erfreuen.

Weiſer Schoͤpfer! deine Gaben,
Die wir uns zu naͤhren, haben,
Die ſind alle Weisheits voll:
Auch ein Stuͤklein Brodt bezeuget,
Wie uns deine Huld geneiget,
Die da ſorgt fuͤr unſer Woll;
Die uns in geſunden Biſſen,
So viel Staͤrkung laͤſt genieſſen.

Keine Speiſe iſt geſunder,
Als das Brodt das vor dem Zunder
Jnrer Faͤulnis uns erhaͤlt;
Kan der ſehr geſchwaͤchte Magen,
Lekker-Speiſe nicht vertragen:
So kan, wenn kein Fleiſch gefaͤllt,
Jhn zu einen muntern Leben;
Brodt hinlaͤnglich Nahrung geben.

Wie iſt GOttes Guͤt zu preiſen,
Die den Kindern, alten Greiſen
Brodt zur Panacee gemacht!
Jeden Alter dients zur Nahrung,
P 4Die-
[232]Wie die weiſe Guͤte GOttes
Dieſes lehret die Erfahrung
Da das Brodt iſt aufgebracht,
Ward es auf dem Erdenkreiſe,
Faſt zur allgemeinen Speiſe.

Es iſt leicht kein Volk geweſen,
Das ſich nicht das Brodt erleſen,
Das die Lebens Nahrung giebt:
Fehlten ihm der Felder Fruͤchte,
Und das ſuͤſſe Korn Gerichte,
Hat es doch den Reis beliebt;
Oder andre Nahrungs Sachen,
Sich daraus doch Brodt zu machen.

Sieht man in die alten Zeiten,
Findt man daß ſie Brodt bereiten;
Mehl mit Waſſer untermiſcht,
Wurden als gebakne Kuchen,
Denen die da Speiſe ſuchen
Mit der Milchkoſt aufgetiſcht;
Milch damit den Durſt zu ſtillen,
Brodt die Hungrigen zu fuͤllen.

Und noch iezt in unſern Tagen,
Pflegt man nach dem Brodt zu fragen
Wenn die Taffel aufgedekt
Auch die Reichen dieſer Erden,
Koͤnnen nicht geſaͤtigt werden;
Weil ſonſt kein Gerichte ſchmekt,
Wenn nicht Brodt auch das verſuͤſſet,
Was man lekkerhaft genieſſet.

Dem will dies, dem das nicht ſchmekken,
Und pflegt Ekel zu erwekken,
Nur
[233]im Brodt zu ſchmekken.
Nur allein das Nahrungs Brodt,
Das wir Tag vor Tag verzehren,
Wird doch taͤglich ohn Beſchweren,
Ohne in der Krankheits Noth,
Sehr begierig aufgezehret,
Wenn der Magen ausgeleeret.

Wer kan dieſes woll erwegen,
Ohne HErr! den weiſen Seegen
Den du drin gelegt, zu ſehn.
Moͤchten wir bei ieden Biſſen,
Damit wir uns naͤhren muͤſſen,
Deine Wunder Guͤt erhoͤhn.
O! ſo wuͤrden deine Gaben,
Uns zum danken reizend laben.

Wer das Brodt geringe achtet,
Der hat nie die Kraft betrachtet
Die in deſſen Kruͤmgen ſtekt;
Wenn des Menſchen Herz beklommen,
Wird ihn, wenn er Brodt genommen,
Eine friſche Lufft erwekt;
Wenn man eine Ohnmacht merket,
Wird das Herz dadurch geſtaͤrket.

Deſſen ſaftig Lebens Oele
Staͤrkt den Leib, erfreut die Seele
Derer die in Aengſten ſein;
Wer vom Kummer wird gedruͤkket,
Wird nie kraͤftiger erquikket,
Als durch ſtaͤrkend Brodt und Wein,
Die das Trauren, banges Zagen
Durch ein geiſtig Feur verjagen.

P 5Wenn
[234]Wie die weiſe Guͤte GOttes
Wenn die kalten Fluͤſſe brauſen,
Jn den Ohren Gaͤngen ſauſen,
Und das Haupt den Schwindel fuͤhlt;
Hilft ein Brodt, das friſch bereitet
Wenn man deſſen Waͤrme leitet,
Und in fluͤßge Ohren zielt;
Da ſich zu dem ofnen Gaͤngen,
Heilſam deſſen Duͤnſte draͤngen.

Dieſes lehrt uns nicht vergebens,
Daß das Brodt ein Mark des Lebens,
Das durch alle Glieder dringt;
Daß darinnen Balſam Theile,
Daß es labe, ſtaͤrke, heile
Und noch mehren Nuzzen bringt.
Denn die Aertzte aller Zeiten
Aus des Brodtes Weſen leiten.

Menſchen denkt der uns das Leben
Als ein Schoͤpfer hat gegeben,
Der erhaͤlt daſſelbe auch:
Brodt und Waſſer ſind die Mittel,
Die nebſt einen warmen Kittel
Nach verordneten Gebrauch,
Bei des Hoͤchſten weiſen Walten,
Allgenug uns zu erhalten.

O! ihr ganz verlaßnen Armen,
Die ihr weinet um Erbarmen
Wenn nicht Kuͤch und Keller voll;
Die ihr ſcheel und neidiſch ſehet,
Und um groͤßren Reichthum flehet,
Den euch GOtt beſcheren ſoll,
Meel
[235]im Brodt zu ſchmekken.
Meel im Kad und Oel im Kruͤgen
Jſt genug euch zu vergnuͤgen.

Und ihr die ihr darum lebet,
Daß ihr euch nur Eſſen gebet,
Den verwoͤhnten Magen druͤkt!
Jhr laſt euch nur zum Ergoͤzzen,
Auf dem Tiſch viel Schuͤſſeln ſezzen,
Denkt ein Licht wird auch erſtikt,
Wenn man von zu ſtarken Guͤſſen,
Laͤſt die Lampe uͤberflieſſen.

Saftig Brodt macht mehr Geſunde,
Als wenn man mit giergen Munde,
Die gewuͤrzten Speiſen keuͤt:
Und der hat mehr Leibes Kraͤfte,
Der bei ſauren Tags Geſchaͤfte
Salz auf Pumpernikkel ſtreut;
Als die, die ſtets Lekker Biſſen,
Aus entfernter Welt genieſſen.

Ein bewunderndes Gemuͤthe,
Sieht hierin die weiſe Guͤte,
Die uns eine Speis beſchert,
Worin alles das verbunden,
Was der Hoͤchſte gut befunden,
Und was unſre Leiber naͤhrt;
Eine Speiſe die gedeiet,
Und uns ſtaͤrkt, belebt, erfreuet.

Moͤchten wir die Guͤte ſchmekken,
Und das Herz zum Dank erwekken,
O! ſo machte unſer Mund,
Damit wir das Brodt genieſſen,
Durch
[236]Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth
Durch ſein holdes Ueberflieſſen,
Recht des Hoͤchſten Gnade kund;
Die wir ſonſt mit traͤger Seelen,
Aus Gewohnheit nur erzaͤhlen.


Das
Gewaͤſſer der Suͤndfluth

ein Spiegel
goͤttlicher Gerechtigkeit.


[figure]
Welch ein Schrekkens voller Spiegel,

wird uns an der Vorderwelt,

Die in Suͤnd und Frevel ſtekte, von

dir HERR! noch vorgeſtellt!

Da wir die Gerechtigkeit in den Waſ-

ſern bildend ſehen,

Die mit ihrer ſtrengen Fluth, uͤber alle Berge ge-

hen;

Schenk uns deines Geiſtes Flammen, da der kalte

Trieb erwacht,

Deinen Pfad in groſſen Waſſern, deines Eifers

ſtrenge Macht

An der Suͤndfluth zu beſchaun, die der Luͤſte Gluth

gekuͤhlet,

Und der Laſter ſtinkend Schlam, von der Erde ab-

geſpuͤlet.

O!
[237]ein Spiegel goͤttlicher Gerechtigkeit.
O! welch ſchrekliches Verderben, wird man in der

Welt gewahr,

Da die Unſchuld ausgeſtorben, und die Bosheit

offenbar;

Da das Unkraut kaum geſaͤt, bracht es gleich der

Bosheit Fruͤchte,

Als es zu der Erndte reif machte es in Zorn zu-

nichte.

Wenn man mit betruͤbten Blikken, dieſe Vorder-

welt beſchaut,

Die des weiſen Schoͤpfers Guͤte, uns zum Para-

dies erbaut,

So ſieht man, wie nach dem Fall, ſich die Tugend

auch verlohren,

Da der ganz verdorbne Menſch, Menſchen ſeiner

Art gebohren.

Das Geſchlechte ward vermehret, Suͤnd und Bos-

heit haͤuften ſich,

Da das Gift ſich ausgebreitet, das der alten Schlan-

gen Stich

Jn den erſten Stam gefloͤſt, welches denn in allen

Zweigen

Sich auch muſte nach der Zeit, wie es durchge-

drungen zeigen.

Wie der Baum ſo ſind die Fruͤchte: Und daß dieſes

leider wahr

Wies ſich bei dem Lauf der Zeiten, an dem Men-

ſchen offenbahr:

Und das Aug das alles ſieht, ſahe die verdorbnen

Seelen

Wie ſie aus verkehrter Luſt, ſtat des Guten Boͤ-

ſes waͤhlen.

Dieſer Zunder boͤſer Luͤſte, brach in Geilheits Flam-

men aus,

Wo
[238]Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth
Wo die Liebe ſonſt regierte, ſtuͤrmte der Affecten

Braus;

Blinde Wuth und Raſerei, aus dem inren Zorn

entglommen,

Und der giftig ſcheele Neid, waren in die Welt ge-

kommen;

Die verkehrte Eigenliebe zeugte ihre Hochmuths

Frucht,

Auch des Ehrgeizs Herſchbegierde kam als eine Ot-

ter Zucht

Wilde Grauſamkeit hervor, die befreit von ihren

Zuͤgel,

Jn Verzweifelung durchbrach, der Geſezze heilge

Riegel.

Es ging alles durch einander, reine Unſchuld ward

gedruͤkt,

Und die Tugend die ſehr ſelten, ward mit aller

Macht erſtikt,

Alle Ordnung ward verlacht, und die angelegten

Staaten,

Waren in Verwilderung, wie verwachsne Unkrauts

Saaten.

Dieſes ſah des Hoͤchſten Auge, daß die arme Sterb-

lichkeit,

Die ſein Wink wie Spreu zerſtaͤubet, zu dem Un-

tergang bereit;

Es erwachete ſein Grim, durch Gerechtigkeit ent-

flammet,

Alles dieſes zu verheern, was aus Adams Lenden

ſtammet.

Der Gerichts Tag ward beſtimmet, doch die ew-

ge Guͤtigkeit,

Sezte noch den wilden Suͤndern, eine lange Gna-

den Zeit

Da
[239]ein Spiegel goͤttlicher Gerechtigkeit.
Da der Frommen duͤnne Zahl, und die ſich bekeh-

ren wolten,

Bei dem ſtrengen Zebaoth, ofne Arme finden ſol-

ten.

Dieſe Zeit ward auch verſchloſſen: es war keine

Beßrung da

Und als noch des Hoͤchſten Auge, ſchnoͤde Greul der

Bosheit ſah.

Ließ er die zum Kaſten gehn, die ſein Allmachts

volles Walten,

Da ſie von der Bosheit frei, wolte vor der Straf

erhalten.

Auf ſein Winken kam das Waſſer, das im tieffen

Erden Schooß

Und aus dem zerborſtnen Schluͤnden, uͤber alle Ufer

floß;

Es ſprang ſprudelnd in die Hoͤh, aus dem hohl und

tieffen Quellen

Und muſt auf ſein Macht Geheis, uͤber Damm und

Riegel ſchwellen.

Dazu kam der Kreis der Luͤfte, welcher ſich zuſam-

men zog;

So daß eine ſchwarze Wolke, nach der andern da-

her flog

Bis ein ſchneller Wolken Bruch ſeine aufgehaltnen

Fluͤſſe,

Wie mit einen ſtrengen Strom, ungeheurer Waſ-

ſer Guͤſſe

Jn den vierzig Schrekkens Tagen, unaufhoͤrlich

regnen hieß,

Welch ein Anblik! da der Himmel ſeine Fenſter oͤf-

nen ließ.

Um den Schaum der boͤſen Welt, von der Erde

weg zu ſchwemmen,

Der
[240]Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth
Der nicht als durch die Gewalt, im verdorbnen

Lauf zu hemmen;

Dieſer glatte Fluthen Spiegel, ſtieg nun immer

in die Hoͤh,

Und der Ball der troknen Erde, ward zur offenbah-

ren See.

Darin ſich die helle Sonn der Gerechtigkeit be-

ſpiegelt,

Die die Fluthen rauſchen ließ, welche ſonſt die Macht

verriegelt.

O! wie gings den Himmelsſtuͤrmern, die den Don-

ner ausgelacht,

Und des Grimmes feurig Blizzen, das des Hoͤch-

ſten Zorn aufwacht,

Wie ein Luſtfeur angeſehn; O! wie ging es den

Rebellen,

Die ſich wie ein Hornis Heer, gegen GOtt zur

Wehre ſtellen.

Jhre Hizze ward gekuͤhlet, als durch eine kalte

Fluth

Dieſe Wildheit ward gedaͤmpfet; und der ſtolze

Frevel Muth.

Der wie Waſſer ſchnell zerflos, fing bei dieſen Un-

gewittern,

Wie ein bebend Espenlaub, an vor Furcht und Angſt

zu zittern.

Jhre Sicherheit die taumelnd, die Gefahr zu ſpaͤt

geſehn,

Lies bei dem erwachten Sinnen, zuerſt bange Seuf-

zer gehn,

Drauf ein winſelndes Geheul, in der truͤben Luft

erthoͤnte,

Da ſich ieder Schrekkens voll, nach der Berge

Gipfel ſehnte.

Welch
[241]ein Spiegel goͤttlicher Gerechtigkeit.
Welch ein klagend Haͤnderingen! da der ungedaͤmm-

te Fluß,

Rollend durch die Thaͤler drunge; da des Wetters

ſtarker Guß

Jmmer mehr und mehr den Strom, mit der ſtren-

gen Fluth vergroͤſſert;

So daß auch die ſteilen Hoͤhn, ſchon zum Theil

ganz uͤberwaͤſſert.

Mit dem Wachsthum kalter Stroͤme, wuchs bei

jeden auch die Noth;

Dieſer ward von Furcht erblaſſet; jener faſt vor

Schrekken todt;

Hie rang die Verzweifelung, die die Moͤrderin der

Seelen

Sie ward auf den Rath bedacht, wie ſie kuͤrzte Angſt

und Quaͤlen,

Sie trieb viele in die Tieffe, die ſich in die Hoͤh

gemacht,

Und der Wirbel ſtrenger Wellen, hat ſie auch bald

umgebracht;

Hie ward wiederum ein Theil, von der Hofnung

unterſtuͤzzet,

Das in dem Gedanken ſtand, es waͤr ſicher und

beſchuͤzzet,

Wenn es auf die ſteilen Gipfel, hoͤchſter Berge ſich

geſezt,

Da der Fluthen ſtrenges Wallen, erſt dem Mittel-

Theil benezt;

Endlich wuͤrde doch der Strom, wiederum zur Tief-

fe dringen,

Und der Berge hoͤchſte Spiz ihnen die Errettung

bringen.

Doch das ungedaͤmmte Rauſchen das noch immer

hoͤher ging

Erſter Theil. QDas
[242]Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth
Das ergrif mit ſeinen Wirbeln, auf des Allerhoͤch-

ſten Wink,

Alles was ſich nur aus Furcht, auf der Berge Spiz

verkrochen,

Als der Tieffen voller Schlund und der Wolken

Schlauch gebrochen.

Alles was noch Othem hatte, ſah auf dieſer Fluthen

Bahn,

Unſers GOttes Straf Gerichte, wie in einen Spie-

gel an.

Welch ein Anblik! da das Vieh mit entſezlich grau-

ſen Bruͤllen

Schwimmend aus dem Waldern kam, und den

Durſt der Angſt zu ſtillen

Seinen Todt in ſich verſchlukte; da das leichte

Vogel Heer,

Jn der freien Luft erſaͤuffet, und ins uͤberſchwemm-

te Meer

Ploͤzlich Hauffen weis hinfiel; da ſie bei dem ſchnel-

len Regen,

Nicht vermocht der Fluͤgel Kraft, ausgedehnet zu

bewegen.

Welch ein ſchrekliches Verderben! welch erbaͤrm-

lich Trauerſpiel!

Da der zahmen Heerd ein Regen ſtarker Guͤſſe uͤber-

fiel,

Der ſie welzend weiter trieb, da ſie auf den brei-

ten Tieffen,

Bis das Waſſer ſie erſtikt, bloͤkend zu den Schoͤp-

fer rieffen.

Da ward eine See voll Todten, ja! ein rechtes

Todten Meer,

Hie flos eine Meng von Thieren, da von todten

Menſchen her,

Die
[243]ein Spiegel goͤttlicher Gerechtigkeit.
Die ſich hie und da verſtekt: aber vor der Fluthen

Rennen,

Das gewaltig niederreiſt, ſich doch nicht erretten

koͤnnen.

Die auf derer Berge Spizzen, ihre Sicherheit er-

waͤhlt,

Da ſie Furcht und banges Hoffen, laͤnger als der

Todt gequaͤlt.

Wurden endlich durch den Strom, der die Gipfel

uͤberſchwommen,

Von der Angſt ſchon halb entſeelt, fuͤrchterlich hin-

weg genommen.

Jhr Bemuͤhen war vergebens, wenn ſie ſich zur

Hoͤh bewegt,

Und mit ſchwimmenden Beſtreben, auf die glatte

Fluth gelegt;

Weil das wirbelnde Gedraͤng aufgethuͤrmter Waſ-

ſerwogen,

Sie doch wieder in den Grund, biß ſie ganz erſtikt,

gezogen.

So ward alles was gelebet, da des Hoͤchſten Grim

entflammt

Durch gerechte Waſſer Straffe, zu den jaͤhen Todt

verdammt

Da des Noaͤ ſein Geſchlecht mit dem aufbehaltnen

Thieren,

Jn dem Kaſten GOttes Huld, konten wunderbar-

lich ſpuͤren.

Suͤnder! dieſe Straf Gerichte; ſind euch in der Gna-

den Zeit,

Offenbahrte Warnungs Zeichen goͤttlicher Gerech-

tigkeit,

Lernet an der groſſen Fluth, damit er die Welt ver-

heeret,

Q 2Was
[244]Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth
Was dem Boͤſen vor ein Lohn, auf ein boͤſes Thun

beſcheret.

Es ſind ſeine Elemente, Ruthen die der Richter

nimmt,

Wenn man nicht bei wahrer Buſſe, in dem Salz

der Thraͤnen ſchwimmt.

Lernet was vor ein Gericht, uͤber unſre Erde ſchwe-

bet,

Die vor ſeines Eifers Grim, bei gedrohten Fall er-

bebet;

Jſt die erſte Welt im Waſſer, wegen ihrer Schuld

verſenkt;

So iſt uͤber unſre Erde auch ein gleicher Zorn ver-

haͤngt;

Da ſie durch die Feuers Gluth, wie die Offenbahrung

lehret,

Wird zulezt noch fuͤrchterlich, in das erſte Nichts

verkehret.

Bei dem rauſchenden Verderben lag die Welt in

Sicherheit,

Und auf ſeinen Hefen ſtille; ſo verflos die Gnaden

Zeit,

Moͤchte iezt die lezte Welt, wie in einen Spiegel

ſehen,

Daß ſie moͤchte eh es kommt, den gedreuten Fluch

entgehen.

Das iſt des gerechten Weſens, feſt geſezter Eifer

Schluß:

Daß auf ein gedrohtes Warnen, Rache langſam

folgen muß

Aber wenn ſie endlich kommt; muß ſie deſto haͤr-

ter quaͤlen,

Und nach jeden Suͤnden Maas, auch das Maas

der Strafe zaͤhlen.

Wer
[245]ein Spiegel goͤttlicher Gerechtigkeit.
Wer die Warheit nicht will glauben, ſehe nur mit

einen Blik

Auf der Suͤndfluth Waſſerwogen, in die heilge

Schrift zuruͤk:

So wird man die Warnungs Stimm, in dem

Stroͤmen rauſchen hoͤren:

Es beſtraft die Rache hart, die nicht von der Bos-

heit kehren.

Dieſe Lehre hat Exempel; alles Fleiſches Unter-

gang

Macht die wuͤſten Adams Kinder, mit dem Straf

Gerichte bang,

Eilt, ihr Boͤſen eilet bald, noch bei Zeiten Gnad

zu finden,

Denn der Rache ſchneller Bliz brennt ſchon alles

anzuzuͤnden.


Die
wunderbahre Verwandlung
eines Kirſchbaums.


[figure]
Jch ſah zur kalten Winters Zeit, da

Schnee und Reif die Erd bedekt,

Wie ſich der Baͤume gruͤne Zier, in ih-

ren Knospen noch verſtekt;

Fuͤrnemlich fiel mir ins Geſicht, ein

Kirſchbaum, und aus deſſen Zweigen

Fand ich in wollgeorndter Reih, ein Hauffen klei-

ner Knospen ſteigen.

Q 3Mein
[246]Die wunderbahre Verwandlung
Mein Vorſaz war bei dieſen Sehn, mit Andacht

und Bewunderung

Jn einer jeden Jahres Zeit zu ſchaun, des Baums

Veraͤnderung.

Der holde Fruͤhling kam heran, und durch den Schein

der warmen Sonnen,

Ward Froſt und kalte Lufft verjagt, der Schnee wie

Waſſer weggeronnen,

Die friſchen Saͤfte der Natur, der Baͤume neu

verjuͤngtes Blut,

Die vorher wie erſtarrt im Froſt, erwaͤrmet durch

der Sonnen Gluth;

Die drangen mit belebten Lauf, die dorren Knos-

pen zu bewaͤſſern;

Und die darin gefaltne Frucht, mit Milch zu naͤhrn

und zu vergroͤſſern.

Sie quoll in ihren engen Raum, bis ſie im Wachs-

thum allgemach

Sich ſchikte zur Entwikkelung, und ihre Knospen

Haut durchbrach.

Das zarte Keimchen ging heraus, aus ſeiner ſchnell

zerborſtnen Rinde,

Kam gluͤklich zur Geburth hervor, war aͤhnlich ei-

nen Wiegen Kinde

Das noch in ſeinen Windeln liegt; es bluͤhete der

Knospen Schaar,

Und nach den kurzen Lauf der Zeit, bracht jeder

Knosp die Bluͤte dar.

Da ward der Baum ſehr ſchoͤn geziert; mit roͤthlich

weiſſen Schmuk bekraͤnzet

Dabei in jeden Mittelpunkt, ein Heer von gelben

Knoͤpfgen glaͤnzet

Wie Zitter Nadeln anzuſehn, die von beſtrahlten

Sonnenſchein,

Jn
[247]eines Kirſchbaums.
Jn unſern Aug polirtes Gold, bald helle Edelſtein-

gen ſein.

Ward vorher zu der kalten Zeit, der Baum in weiſ-

ſen Schnee gehuͤllet,

So ſtand er ganz veraͤndert jezt, mit weiſſen Bluͤ-

then angefuͤllet.

Fuͤr deren zarten Farben Schein, des Schnees

Weiſſe ſich verliert;

Weil dieſer Bluͤthen Lieblichkeit, das Aug mit hel-

lern Glanze ruͤhrt.

So kraͤnzet, ſprach mein reges Herz, der Schoͤpfer

die erfrornen Aeſte,

Wie bald der Finger weiſer Macht, bei warmen

Schein und ſanften Weſte

Den Pflanzen Reich das Leben giebt. Was vor Ver-

wandlung wird entſtehn,

Wenn unſrer Koͤrper Huͤlſen dreinſt, aus ihren

ſchwarzen Graͤbern gehn?

Jm Glanz der Ewigkeit verhuͤllt, ſich im verklaͤr-

ten Himmels Lichte

Beſpiegeln an der GOttheit Schein, und deren

hellen Angeſichte?

Wie thoͤricht iſt der Aberwiz, der es vor unver-

nuͤnftig haͤlt,

Daß unſer Zuſtand anders ſei, wenn wir in jener

Sternen Welt,

Weit uͤber Sonn und Mond geſezt, von aller Aen-

derung befreiet,

Und wie im ewgen Fruͤhling bluͤhn, zu einer ew-

gen Daur verneuet.

Die Wandlung eines Baums zeigt ſchon, was

GOttes weiſe Allmacht kan,

Und darin ſieht des Glaubens Aug, ein Bild von

unſrer Aendrung an

Q 4Der
[248]Die wunderbahre Verwandlung
Daß ſich der Baum gar oft verkehrt, ruͤhrt von

des Schoͤpfers weiſen Willen,

Der mit des Wechſels Unbeſtand, will unſre Luſt

und Neigung ſtillen.

Die Zeit bringt ſtete Aenderung, das lehrte mich

der Kirſchen Baum,

Den ich im Kurzen nicht geſehn; drum kannte ich

denſelben kaum

Als ich ihn wiederum anſah; der weiße Schmuk war

meiſt verflogen,

Der Schoͤpfer hatte ihn verkehrt; mit gruͤnen Laub-

werk angezogen.

Jch dachte bei mir ſelbſten nach, warum die weiſe

Guͤtigkeit,

Anſtat der weiſen Unſchulds Tracht; der Hofnung

gruͤnes Feier Kleid

Dem Kirſchſtamm wieder angethan? Mir deucht die

Aendrungs volle Puzzen,

Die machen unſern Sinn vergnuͤgt; und ſind den

Kirſchen ſelbſt zu Nuzzen.

Das weiſe All, goͤnnt unſern Aug, auch immer neue

Freud und Luſt,

Und da es Aendrung immer liebt, wie er von An-

fang ſchon gewuſt,

So iſt der Schauplaz dieſer Welt, bald ſo, bald

anders ausgeſchmuͤkket;

So hat er uns zur Augenluſt oft die Maſchinen

weggeruͤkket

Und andre wieder vorgekehrt; die uns durch weiſſer

Farben Pracht,

Die Augen zwar mit Glanz erquikt, den Strahl

dabei doch blendend macht:

So wird durch dieſes ſanfte Gruͤn, das Auge wie-

derum geſtaͤrket,

Wie
[249]eines Kirſchbaums.
Wie jeder der ins Gruͤne ſchaut, aus eigener Er-

fahrung merket.

Als ich dies gruͤne Laubwerk ſah, der Hofnung ſte-

te Liverei,

Dacht ich daß nun allmaͤhlig auch, die Kirſchen Zeit

zu hoffen ſei;

Der Anſaz kam auch ſchon hervor, der unter Blaͤt-

tern ſchoͤn verſtekket,

Und vor der rauhen Fruͤhlings Luft, als wie mit

einem Schirm bedekket.

Und da bekam der Kirſchen Baum, auch wieder ei-

nen neuen Glanz

Die wollgeformte gruͤne Frucht, die ſchmuͤkte ſeines

Gipfels Kranz,

Mit hangenden Smaragden aus, die von der Son-

nenſtrahl beruͤhret,

Ein achtſam Auge recht vergnuͤgt, das Herz zu ih-

ren Schoͤpfer fuͤhret.

Wie wunderbarlich ſcheint es nicht, das dieſe zar-

ten Kuͤgelein

Jn ihren Wachsthum ſich vermehrn, und Fruͤchte

harter Zweige ſein?

Wie ſich ihr zarter Nahrungs Saft, ſo reichlich

durch die Reiſer ſeiget,

Und durch den Trieb ſtets weiter dringt, bis zu der

Stiele Roͤhren ſteiget,

Und endlich in die Beer ergieſt. Wer kan dies al-

les uͤberſehn,

Und nicht durch regen Andachts Trieb, des Schoͤp-

fers Wunderwerk erhoͤhn?

Wenn dieſe Kirſchen ihre Groͤß, durch himmliſches

Gedein erlanget,

So ſieht man die Veraͤnderung, da jede wieder an-

ders pranget.

Q 5Nach-
[250]Die wunderbahre Verwandlung
Nachdem der Sonnenſtrahl ſie faͤrbt, der ſie zugleich

zur Reiffe bringt

Wenn ſeines Feuers ſtrenger Guß, die uͤberzogne

Haut durchdringt:

O! welch ein Anmuths voller Blik! da ſieht man

Zweige mit Carbunkeln

Als ſchoͤne Kronen der Natur, in durchgeklaͤrter

Roͤthe funkeln.

Jhr Menſchen! die ihr euch erfreut, ob dieſes fro-

hen Kirſchbaums Schein

Denkt doch mit Andacht dieſes nach: Wie guͤtig

muß der Schoͤpfer ſein,

Der uns mit ſolcher Lieblichkeit; ſo Auge, als Ge-

ſchmak erquikket,

Und dieſen rothen Nectarſaft, in ſchoͤnen Schalen

ausgedruͤkket.

Die Wunder Guͤte labt den Mund, ſie naͤhrt da-

bei den regen Geiſt,

Wenn er mit Andacht nur erwegt, aus was vor

Quellen dieſes fleuſt,

Das uns ſo viel Vergnuͤgen bringt, daß Aug und

Zunge ſehen, ſchmekken,

Dies alles muß uns den Begrif, von einer weiſen

Macht erwekken.

Als mir der Kirſch Baum dies gezeigt, und ſeine

Fruͤchte dargebracht,

Da kam des Sommers Hiz und Brand, die ſei-

ne Blaͤtter duͤrr gemacht;

Der Herbſt der gruͤn in gelb verkehrt, veraͤnderte

durch rauhes Wetter

Des Laubes gruͤn gefaͤrbte Tracht, in lauter gelb

geſchmuͤkte Blaͤtter.

Dies Herbſtkleid kam mir in der Fern, als ſchoͤne

guͤldne Stuͤkke fuͤr,

Drum
[251]eines Kirſchbaums.
Drum ſprach ich bei mir ſelbſt, Mein GOtt!

wie oft verwandelſt du die Zier,

An einen ſolchen Baum, der weiß, denn gruͤnn,

denn wieder gelb gekleidet,

Der Augen rege Neubegier, mit wandelbahren

Schmukke weidet.

Doch endlich kam die Zeit herbei, da dies veraͤn-

derte Gewand,

Der Blaͤtter gar im Wind verflog, und in der Er-

den Staub verſchwand.

Da ward der Kirſchbaum wie zuerſt, da ſeine ſchoͤ-

ne Pracht verheert

Zu einer rauhen Winters Zeit, in ſeinen erſten

Stand verkehrt,

Der Stamm war kahl, die Zweige glatt, die Rei-

ſer waren durch den Norden,

Und ſeinen ſtuͤrmeriſchen Braus, zu duͤrr geſognen

Ruthen worden.

Dies kam mir als ein Sinnbild vor, von unſerer

Vergaͤnglichkeit,

Wir wachſen in dem Fruͤhling auf, wir bluͤhen wie

zur Sommers Zeit,

Wenn uns der Jugend Schoͤnheit ziert, wir neh-

men ab mit unſern Jahren,

Das Blut des Lebens Saft erſtarrt, bis wir zur

Grabes Hoͤle fahren.

Doch wie am Kirſchbaum wiederum, der Knospen

neue Saat entſteht;

Wenn deſſen Fruͤchte abgeſtreift, und ſeiner Blaͤt-

ter Schmuk vergeht:

So zeigt des Glaubens Zuverſicht, daß wenn gleich

unſre Leiber ſterben,

Wir doch im Tode wiederum, durch GOttes Macht

das Leben erben.



[252]

Die Menſchen wuͤnſchen oft et-
was das ſie nicht wollen.


[figure]
Als ich mich, was der Menſch, einſt in Ge-

danken frug,

Fiel mir die Antwort ein: Er iſt ein

Wiederſpruch,

Der lebt und etwas will, das er doch

nicht begehret,

Wenn ihm Gelegenheit, das was er wuͤnſcht, be-

ſcheret.

Wie mancher wuͤnſchet ſich, das Ende aller Noth,

Wenn ihm ein Ungluͤk plagt, den fuͤrchterlichen Todt;

Und wenn derſelbe komt; ſo will er gern entfliehen,

Und ſich des Schikſals Macht, faſt mit Gewalt

entziehen.

Wie mancher wuͤnſchet ſich die Herrlichkeit zu ſehn,

Des weſentlichen Alls; Er ſeufzt mit heißen Flehn

Den ſeelgen GOtt zu ſchaun; und will doch nicht

erfuͤllen,

Die Sehnſucht die er zeigt, in ſeinen Wunſch und

Willen.

GOtt iſt uns unſichtbar, das weis ein jeder woll,

Und wenn ein ſterblich Aug denſelben ſehen ſoll:

So muß er ſichtbarlich die Vollenkommenheiten,

Als Strahlen ſeines Lichts, in ſeinem Werk aus-

breiten.

Das hat er ja gethan: Jhm zeigt die ganze Welt,

Die GOttes Herrlichkeit uns ſichtbar vorgeſtellt.

Wer ſieht die Kreatur woran er abgedruͤkket,

Darin man ſeine Groͤß, als Spiegeln, klar erblikket

Jn
[253]das ſie nicht wollen.
Jn ſolcher Abſicht an? die wenigſten thun das,

Sie leben in der Welt, ſie ſehn ohn Unterlaß

Derſelben Schoͤnheit an, und denken nur dabei,

Daß dieſes alles da, dieweil es iſt ſo ſei.

Waͤr ihr begierger Wunſch ſo bruͤnſtig als man meinet:

So ſuchten ſie ihn da, wo uns ſein Bild erſcheinet.

Ja! Menſchen! ſagt mir nicht; das iſt ein falſcher

Schlus

Jhr wolt die Quelle ſehn, ich weiſe euch den Flus

Der nur daraus herſtammt; Jch will nicht wieder-

ſtreben,

Jch will euch lieber noch dies zum Beweiſe geben:

Wer einen Endzwek wuͤnſcht, der nimmt die Mit-

tel an;

Jhr wolt die Gottheit ſehn, die keiner ſehen kan,

Als wer ſich recht beſtrebt ins Himmelreich zu gehen,

Wo mit verklaͤrten Aug ſein ewigs Licht zu ſehen.

Jſt euer Wandel ſtets nach dieſem Ziel bemuͤht,

Dabei ihr euch der Welt, und ihrer Luſt entzieht?

Pruͤft eur Gewiſſen recht, und laſt ein Urtheil faͤllen;

So wird die Warheit klar von dieſem Saz erhellen.

Jhr wuͤnſcht und wolt doch nicht; ihr geht nach

Abend hin

Und wolt ins Morgenland, nach euren Wunſch

und Sin;

Jſt nun ein ſolcher Menſch, kein Wiederſpruch zu

nennen,

Der GOtt dort ſehen will, und will Jhn hier

nicht kennen?


Wo-
[254]

Woher es komme, daß ſo weni-
ge die herrlichen Geſchoͤpfe GOttes be-
trachten, und dadurch geruͤhret
werden?


Pſalm CXI. 2.
Groß ſind die Werke des HErrn, wer ihr
achtet, der hat eitel Luſt daran.
()


[figure]
Die Menſchen muͤſſen eingeſtehn,

Daß in dem ſchoͤnen Kreaturen

Der Weisheit, Guͤt und Allmachts

Spuren,

Vom groſſen Schoͤpfer anzuſehn:

Doch daß man ſie gar wenig achtet,

Und nicht wie ſichs gebuͤhrt betrachtet,

Das iſt auch mehr, als allzu wahr;

Will man davon die Urſach finden,

Der Traͤgheit wahre Quell ergruͤnden;

So iſt es, wie mir deucht ganz klar,

Daß aus Gewohnheit unſre Augen,

Die Schoͤnheit nicht zu ſehen taugen,

Die man doch allenthalben ſieht;

Daß der Gewohnheits Schlummer bleibet,

Man ihn nicht aus dem Augen reibet;

Daß man nicht Vorurtheile flieht:

Daß
[255]Geſchoͤpfe GOttes betrachten.
Daß macht, weil wir die Welt nicht kennen,

Das ſchlecht und woll gar Boͤſe nennen

Wie die Unwiſſenheit ſonſt ſpricht;

Davon wir, weil wirs nicht verſtehen,

Nicht alſobald den Nuzzen ſehen.

Man ſieht die Sonn, des Himmels Licht,

Den ſchreklich groſſen Feuerballen,

Daraus die Strahlen zu uns prallen,

Als einen runden Teller an;

Da man mit vielen tauſend Meilen,

Wenn wir ſie nach dem Durchſchnitt theilen,

Nicht deren Groͤß ermeſſen kann;

Dagegen unſer Kreis der Erden,

Nicht einmahl kan verglichen werden.

Die Einfalt glaͤubt der Hinimel ſei,

Als wie ein aufgeſezter Bogen,

Nur uͤber unſre Erd gezogen;

Die Sterne waͤren einerlei,

So wie der Augenſchein uns weiſet,

Da jeder um den Himmel reiſet,

Bis er den vorgen Plaz einnimt:

Sie glaͤubt, daß jeder dieſer Sterne,

An jenes Himmels blauer Ferne,

Als wie ein kleiner Lampen glimmt,

Der wie ein Pechlicht bei den Rennen,

Dennoch in ſteten Schein und Brennen,

Sich bis er ausgebrandt, erhaͤlt.

Die Erde iſt nach den Gedanken,

Ein Kreis der in gar engen Schranken,

Als eine Flaͤche eingeſpannt;

Die Fruͤchte die darauf entſtehen,

Zur Reiffe kommen und vergehen,

Die Werke der Natur genannt,

Die
[256]Woher es komme, daß ſo wenige die herrlichen
Die ſind ſo wie die Einfalt denket,

Wie ſie die Zeit des Jahres ſchenket

Und dabei iſt man ſchon vergnuͤgt;

Wer aber nach der Warheit ringet,

Und in der Dinge Weſen dringet,

Den Wahn des Poͤbels nur beſiegt,

Dem werden an den Himmels Spheren,

So viele tauſend Wunder lehren,

Was GOttes weiſe Allmacht kan;

Der wird erſtaunt ob dieſen Kreiſen,

Daran er in georndten Gleiſen,

Sieht groſſe Himmels Koͤrper an.

Wer ſo mit Andacht uͤberleget,

Was unſer Ball der Erde traͤget

Und ihre Wunder Dinge zaͤhlt,

Der wird mit Ehrfurchts vollen Grauen,

Jm Kleinen groſſe Dinge ſchauen,

Die der zu ſeinem Ruhm erwaͤhlt,

Der alles, was wir ſehn und hoͤren

Die ewge GOttheit zu verehren,

Uns ſichtbar vor die Augen ſtellt:

Der wird mit Luſt das alles ſehen,

Und uͤberzeugend eingeſtehen,

Daß alles herrlich in der Welt,

Daß alle Dinge zu erwegen,

Die GOttes Macht vor Augen legen.

Nun lieber Menſch! erwege das,

Was unſer Schoͤpfer uns gewieſen,

Denn ſeine Hoheit wird geprieſen,

Jm kleinſten Kraut, im feinſten Graß:

Du lebſt im Jnbegrif der Erden,

Da ſo viel Millionen Heerden,

Von Zeugen aufgeſtellet ſind,

Die GOttes Majeſtaͤt erhoͤhen,

Wer
[257]Geſchoͤpfe GOttes betrachten.
Wer dieſes nicht will achtſam ſehen,

Der iſt mit offnen Augen blind;

Wer ſich nicht will daran ergoͤzzen,

Jſt warlich Thieren gleich zu ſchaͤzzen.

Drum ſieh des Hoͤchſten Allmachts-Hand

Beſchaue die geſchafnen Wunder,

Entzuͤnd daran den Andachts-Zunder;

Und wenn des Herzens heilger Brand

Auch deine Zunge feurig ruͤhret,

So preiſe GOtt, dem Ruhm gebuͤhret.


Die Allwiſſenheit GOttes.


Pſ. CXXXIX. 4. 2.
HErr, du erforſcheſt mich und kenneſt mich.
Jch ſitze oder ſtehe auf, ſo weiſt du es:
Du verſteheſt meine Gedanken von fer-
ne.


Auge, das da alles ſiehet,
Licht das alles ſichtbar macht;
Wofuͤr alles Dunkle fliehet,
Das durchdringt die ſchwaͤrzſte Nacht,
Das da in des Herzens Schranken,
Merkt die tieffeſten Gedanken,
Was kann bei ſo hellen Schein
Dir, noch woll verborgen ſein!

Dir O! Dir allwiſſend Weſen,
Dir unentlicher Verſtand!
Erſter Theil. RJſt
[258]Die Allwiſſenheit GOttes.
Jſt ja alles was geweſen,
Auf das klaͤreſte bekandt:
Dein uneingeſchraͤnktes Sehen,
Weis das alles, was geſchehen,
Was gedacht, geredt, gethan,
Siehſt du gegenwaͤrtig an.

Was verborgen angeſponnen,
Und der Winkel hat verdekt,
Kommt durch dich noch an die Sonnen,
Was die Finſternis verſtekt,
Jſt vor deinen Angeſichte,
Alles kommt vor dein Gerichte;
Was die Liſt je ausgedacht,
Und die Bosheit vollenbracht.

Was der Strom verfloßner Zeiten,
Jn dem Lauf mit fortgefuͤhrt;
Was im Kreis der Eitelkeiten,
Sich vor aller Welt verliehrt;
Was der Erden Bauch verzehret,
Jn dem kleinſten Staub verkehret;
Was die duͤnnſte Luft verweht,
Jſt was Dir vor Augen ſteht.

Was das Meer in ſich verſchlungen,
Was des Abarunds Tieffe hegt;
Was der Wirbel Fluth verdrungen,
Jn der Berge Grund verlegt;
Was der Wallfiſch laͤngſt verdauet,
Der Carcharias zerkauet:
Was der See-wolf laͤngſt zerfezt,
Jſt vor Dir, wie unverlezt.

Was
[259]Die Allwiſſenheit GOttes.
Was geſchicht, iſt deinen Blikken,
Auf das klaͤreſte bekannt;
Koͤnten wir den Ort verruͤkken,
Wo wir ſind, bis an dem Rand
Wo die Erd in Waſſer ſchwimmet;
So wird doch kein Punct beſtimmet,
Da du, was daſelbſt geſchehn,
Und geſchicht, nicht jezt geſehn.

Was im Herzen tief verborgen,
Die Gedanken, die es zeugt;
Und was vor ein traͤumend Sorgen,
Mit der Naͤchte Schatten fleugt;
Was am Tage unſre Sinnen,
Ruͤhrt und reitzt; was wir beginnen,
Ja! was wir bemerken nicht;
Siehet doch dein Augenlicht.

Obgleich ſo viel Millionen
Menſchen, die da Othem ziehn,
Auf dem Erden Kreiſe wohnen,
Und ſich ſo, bald ſo bemuͤhn,
Jhres Herzens reges Dichten,
Jhren Vorſaz auszurichten:
So kann deinem Augenſchein,
GOtt! doch nichts verborgen ſein.

Du ſiehſt aller Voͤlker Herzen,
Ja! was jeder Menſche thut,
Du weiſt ihre Luſt, ihr Scherzen
Und wie ſich derſelben Blut,
Bald in Lieb und Haß beweget,
Wie vor Furcht das Herze ſchlaͤget;
R 2Wie
[260]Die Allwiſſenheit GOttes.
Wie des Jachzorns Raſerei,
Vieler Ungluͤks-Quelle ſei.

Was noch kuͤnftig wird entſtehen
Jn der ſpaͤtſten Folge-Zeit,
Hat dein Aug vorher geſehen,
Schon von aller Ewigkeit:
Jn der Kette aller Dinge,
Jſt nichts, das ſo klein, geringe,
Das nicht, was daraus abhaͤngt,
Deine Weisheit ſieht, und lenkt.

Dies O! Menſche! zu ermeſſen,
Ueberſteiget deinen Sinn,
Und lenkt dich zu GOttes Groͤſſen
Schaudernt voller Ehrfurcht hin.
Welch ein Auge! das da kennet,
Alles, was noch unbenennet
Was in gegenwaͤrtger Zeit,
Noch im Reich der Moͤglichkeit!

Wer darauf die Sinnen lenket,
Wie GOtt das verborgne ſieht;
Und die Heiligkeit bedenket,
Die das Boͤſe haßt und flieht:
Den macht ein erwacht Gewiſſen,
Mit empfindlich regen Biſſen
Seine Suͤnden offenbahr,
Die in GOttes Augen klar.

Suͤnder! ſchrekt des Hoͤchſten Merken,
Schauet was eur Herz beginnt,
Giebt er euch nach euren Werken,
So ſeid, wenn ihr euch beſinnt,
Jhr
[261]Die Allwiſſenheit GOttes.
Jhr, die allergroͤßten Tohren,
Die durch eigne Schuld verlohren;
Weil er die verderben kan,
Die ihm Unrecht vor gethan!

GOtt der ſieht das bange Sehnen
Derer die der Kummer nagt,
Er zaͤhlt alle Angſt und Thraͤnen
Derer, die das Elend plagt:
Hoͤret dies und laſt das Weinen,
Traurige! euch wird erſcheinen,
Nach dem duͤſtren Ungemach,
Ein vergnuͤgter Sonnen Tag.

O! HErr druͤk mir ins Gemuͤthe,
Daß du alles, alles weiſt;
Wie aus deiner Wunder-Guͤte,
Nichts als Gutes zu uns fleußt:
Gib daß ich beim Thun und Laſſen,
Moͤge ſtets zu Herzen faſſen:
GOtt! der ſieht dein Handeln an,
Denke nach, was du gethan!


Die
[262]

Die wunderbahre, doch weiſe
Regierung der Welt.


Roͤm. XI. 33. 34.
O welch eine Tieffe beide der Weisheit und
Erkenntnis GOttes! Wie gar unbe-
greiflich ſind ſeine Gerichte, und un-
erforſchlich ſeine Wege! Denn wer hat
des HErrn Sinn erkant? Oder, wer
iſt ſein Rathgeber geweſen?


Die Geheimnis-volle Tieffe, der ver-

borgnen Vorſehung,

Treibt ein achtſames Gemuͤthe, bil-

lig zur Verwunderung,

Wenn es bei dem Lauf der Welt,

ihre Ordnung im Regieren,

Jhre Guͤt und weiſe Macht, nicht kan allzeit ſicht-

bar ſpuͤren.

Alles gehet durch einander, der verwirrte Lauf der

Welt

Lehret uns die klare Warheit: Es ſei hier ein Jam-

mer Zelt,

Wo der Fromme oͤfters ſeufzt, wenn der Ungerech-

te lachet,

Wie ein Lorbeerbaum aufbluͤht, und ſich hier ein

Eden machet.

Wil-
[263]Regierung der Welt.
Wilde Bosheit lebt und ſieget, wenn die Unſchuld

unterdruͤkt,

Unfruchtbahre Baͤume wachſen, das was fruchtbar

wird erſtikt;

Und ein nichtger Dornenſtrauch ſaugt das Fette die-

ſer Erden,

Da hingegen oftermahls, Roſen welk und duͤrre

werden.

Viele, die durch Raſereien, faſt die ganze Welt be-

ſtuͤrmt,

Werden als mit ſtarken Schilden, vor Gefahr nnd

Noth beſchirmt:

Dahingegen die da ſtill, ehrlich in dem Lande woh-

nen,

Bei beſtrikter Sclaverei, oft im harten Joche froh-

nen.

Der dem Tod entgegen rennet, lebet ofte friſch und

ſtark,

Wer hingegen vor ihm fliehet, dem verſchwindt des

Lebens Mark

Und verdorret in der Bluͤth, und verſtirbt bei ſei-

ner Plage,

Bei verkuͤrzten Lebens Ziel, in der Helfte ſeiner

Tage.

Wer wie eine Laſt der Erden, nichtes thut, als ißt

und trinkt,

Und ein hinterlaßnes Erbe, lekkerhaft in ſich ver-

ſchlingt

Lebet und wird greis und alt, da die Eltern oft ver-

ſtorben,

Die dem frommen Kinderchen, wenig oder nichts

erworben.

Wer dieß alles uͤberleget, meinet daß es beſſer

ſei,

R 4Wenn
[264]Die wunderbahre, doch weiſe
Wenn der, der der Welt noch nuͤzte, vor dem fruͤ-

hen Tode frei;

Und wenn die nur hingeraft, die die Welt ohn

viel Beſchweren,

Ohne Thraͤnen, ohne Leid, ohne Sehnſucht wuͤrd

entbehren.

Hoͤret Menſchen! die ihr meiſtert, der verborgnen

Vorſicht Schluß,

Und ihr ſtrenges Schikſahl achtet, als ein hart be-

ſtimmtes Muß,

Wißt ihr den Zuſammenhang, koͤnnet ihr die Fol-

gen ſehen,

Die wenn dies und das geſchicht, nachmahls wie-

derum entſtehen?

Wißt ihr, was des Hoͤchſten Wille, der die Schik-

ſahls Spheren lenkt,

Der bei allen, was begegnet, vorher weislich uͤber-

denkt;

Und wie dieſes muß geſchehn: damit ſein allweiſes

Walten,

Das auf unſer Beſtes ſieht, koͤnne unſer Woll er-

halten?

Wenn man in den Vorſichts Gaͤngen, alles durch-

einander ſieht,

Wie in einem Jrre-Garten, ſo ſind wir umſonſt

bemuͤht,

Jhr weiſe Spur zu ſehn, die von Dunkelheit be-

dekket,

Oft des bloͤden Geiſtes Augn, mit verwirrter Un-

ruh ſchrekket.

Es geht uns wie Wandersleuten, den Arabien nicht

bekant,

Die ſehn in der groſſen Wuͤſte, nichts als einen

ebnen Sand,

Wo
[265]Regierung der Welt.
Wo der Pilgrim ſeine Spur, da der Wind ſie zu

geſchlagen,

Wenn er keinen Fuͤhrer hat, ſchwerlich wird von ſelbſt

erfragen.

Kan er aber alſo ſchlieſſen: Es iſt gar kein Weg,

noch Bahn,

Weil er in dem Sand der Wuͤſte, ſie verdekt nicht

finden kann?

Nein! wer dieſe Gegend weis, wird hier, wie auf

ebnen Meeren,

Einen bald den rechten Weg, den man wandern

muß, belehren:

So iſt auch in GOttes Wegen, wo man keine

Spuren trift,

Unſer Fuͤhrer, unſre Leuchte; ſein Wort, ſeine

heilge Schrift,

Die uns mehr als deutlich zeigt, daß der Vorſicht

ihr Geleite,

Nicht mit ſeiner Guͤt und Macht, nicht mit ſeiner

Weisheit ſtreite.

Und wir Sterblichen wir wollen, daß GOtt ſo

regieren ſoll,

Wie ein Koͤnig auf der Erde, der der Unterthanen Wohl

Nur im Zeitlichen erhaͤlt, und dem abgemeßnen

Staaten,

Suchet zum erhabnen Flor, wie er immer kann, zu

rathen.

GOtt der uͤber alles herrſchet, und der Menſchen

Herze ſieht,

Der uns in der Zeit regieret, und zur ewgen Woll-

fahrt zieht,

Leitet durch die Vorſehung, uns zum ewig ſichren

Gluͤkke,

Darnach richtet er auch ein, unſer zeitliches Geſchikke.

R 5Sei-
[266]Die wunderbahre, doch weiſe
Seine Weisheit lenket alles zu dem wollgeornd-

ten Ziel,

Scheinet uns denn auf der Erde, dies und das ein

Trauerſpiel;

Das macht unſer Unverſtand, von der Einbildung

betaͤubet

Der von der Begebenheit, anders als ſie iſt, oft

glaͤubet.

Sagt man daß des Himmels Schluͤſſe, die wir

warlich nicht verſtehn,

Jn der Reihe wie ſie folgen, in verwirrten Lauffe

gehn;

So iſt unſer Urtheil falſch, weil der Ausgang klaͤr-

lich zeiget,

Daß ſich alles zu dem Zweck, nach des Hoͤchſten

Willen neiget;

Sieht ein Menſch von bloͤden Sinnen, ein recht

kuͤnſtlich Uhrwerk ein,

Da die aufgeſpannten Raͤder, welzend in dem Lauf-

fe ſein

Und ſich ſelbſt entgegen gehn: ſo deucht ihm daß

die Maſchine,

Die ſich ſo verwirret dreht, ihm nur zum Beweis-

thum diene,

Daß der Meiſter toll zn nennen, der das Raͤder-

werck gemacht,

Und ein ſo verwirrt Gebaͤude, ohngefehr herfuͤr ge-

bracht.

Da doch der verkehrte Gang, da ein Rad das an-

dre ruͤhret

Auf dem aͤuſern Ziefer-Blat, richtig ſeinen Zeiger

fuͤhret:

So gehts euch ihr Menſchen Kinder! wenn ihr mit

Verwundrung ſeht,

Wie
[267]Regierung der Welt.
Wie der Hoͤchſte auf der Erden, das verborgne

Schikſahl dreht,

Was euch ohne Ordnung ſcheint, als von ohnge-

fehr entſtanden,

Darin iſt ein weiſer Grund, warum es ſo iſt,

vorhanden:

Was euch wie ein Babel ſcheinet, da Verwirrung

nur regiert,

Hat des Hoͤchſten Rath erſonnen, wunderbarlich

ausgefuͤhrt.

Alles was euch wiederfaͤhrt, wird zum Beſten ſtets

geleitet,

Da des Hoͤchſten weiſe Guͤt, aus dem Boͤſen Guts

bereitet.

Wer dies uͤberzeugend glaͤubet, der kan mit Zufrie-

denheit,

Auch ein hart Geſchik ertragen, als ein bitter ſuͤſſes

Leid,

Der denkt O! die Vorſehung, wird mich wunder-

bahrlich fuͤhren,

Daß ich dort in Ewigkeit, ſeine Guͤte koͤnne ſpuͤ-

ren.

Wenn der Vorhang weggeriſſen, der des Hoͤchſten

Thron verhuͤllt,

Alsdenn ſehn wir den Regenten, aller Guͤte Eben-

bild,

Der uns dort in jener Welt, wird den weiſen

Grund erklaͤren,

Von der Fuͤhrung darob wir, uns in dieſer Zeit,

beſchweren.

Druͤkket uns ein banger Jammer, plaget uns die

ſchwere Noth,

Raffet uns in fruͤhen Jahren weg ein uͤbereilter

Tod,

Nur
[268]Die wunderbahre, doch weiſe Regierung der Welt.
Nur getroſt! die Vorſicht weiß, daß es uns zum

Beſten dienet,

Wie dem Palmbaum der gedruͤkt, deſto beſſer waͤchſt

und gruͤnet.

Wenn die Voͤlker ſich verwirren; Wenn man ſie-

het uͤberall,

Wie die Thronen ſich zerſtoſſen, wie der Reiche

Stuͤrtz und Fall,

Unſre Welt mit Schrekken droht; Nur getroſt!

die Vorſicht wachet,

Die doch uͤber alles herrſcht, und die Friedens-

Puncte machet.

Wenn die Fluth gethuͤrmmter Wellen, auf das Schiff

der Kirche ſtuͤrmmt;

So wacht doch der Vorſicht Auge, das daſſelbe ſtets

beſchirmmt;

Wenn die Bosheit ſchreklich tobt, wird der Odem

ſeiner Naſen,

Sie wie eine leichte Spreu, wie den fluͤchtgen

Staub zerblaſen;

Wenn des After-Glaubens Nebel, Licht und War-

heit uͤberzieht;

So iſt GOtt, die helle Sonne, davor Dunſt

und Schatten flieht:

Will des Menſchen Raſerei, alles durch einander

bringen,

O! da Zebaoth regiert, wird ihr Anſchlag nie ge-

lingen.


Die
[269]

Die
Wundernswuͤrdige Vorſorge
der Thiere, fuͤr ihre Jungen.


Des Schoͤpfers weiſe Macht, iſt allzeit da

zu ſehn,

Wohin wir das Gemuͤth und unſre Au-

gen drehn:

Ein jedes Ding das zeugt, wenn man

es nur erblikket,

Daß GOttes Weisheit, Macht und Guͤt darin

gedruͤkket

Und dieſe ward ich juͤngſt, mit groſſer Luſt gewahr,

An einen Voͤgelein. Mein GOtt! wie wunder-

bahr,

Haſt du in jede Bruſt, den zarten Trieb geleget,

Das es die Jungen naͤhrt, und treulich hegt und

pfleget;

Es zeigt ja deine Macht, und weiſe Vorſicht an,

Die alles mittelbahr, ſo wohl erhalten kan;

Es iſt ja deine Guͤt, die jeden Vogel lenket,

Daß er mit Lieb und Luſt an ſeine Jungen denket.

Wie wunderbahr iſt es, wenn man erſtaunend ſieht,

Daß Mann und Weibelein, mit gleichen Trieb be-

muͤht,

Die Kinderchen ſo lang mit Sorgfalt zu beſchuͤzzen,

So lange ſie entbloͤßt, in ihren Neſtern ſizzen.

Wie
[270]Die Wunderes wuͤrdige Vorſorge
Wie ſorgt das Weibgen nicht, wenn ſie erſt aus-

gehekt,

Die ihre zarte Brut, mit ſanften Fluͤgeln dekt!

Das Maͤnlein flieget aus, und ſucht auf ſeiner Reiſe,

Die Jungen zu ernaͤhrn, bequemen Trank und Speiſe,

Es ſchlukt das Waſſer ein, und nimt die Gurgel

voll,

Von einer ſolchen Koſt, die fuͤr die Jungen ſoll,

Es fliegt zum Neſt zuruͤk, es giebet ſeinen Jungen,

Die ihren Hals aufſperrn, was in dem Kropf ver-

ſchlungen,

Und gleichſam erſt gekocht; Es ſamlet Speiſe ein,

Die ſeiner zarten Brut, zum Wachsthum dienlich ſein.

Wer hat ihn denn gelehrt, die Speiſe zu erwaͤhlen,

Die ſeiner Jugend nuͤtzt, und in den zarten Kehlen

Sie etwas zu verdaun? Du Schoͤpfer haſts gethan,

Das zeigt uns die Natur, mit ihren Trieben an,

Die ſtammen nur von dir; Es ſind verborgne Wunder,

Die in der inren Bruſt, geheimen Liebes-Zunder,

Bei Thieren angefeurt, der gegen die entbrant,

Die ſie als ihre Frucht, mit zarter Luſt erkant.

Wie aͤngſtlich iſt die Sorg, wenn ſich zu dem Ge-

buͤſchen,

Ein ſolcher Raͤuber naht, der die ſucht zu erwiſchen,

Die ihre Luſt gehekt; ſie fliegen hin und her

Von heiſſer Angſt gejagt. Weil ihre Gegenwehr,

Und ihre Macht nichts kann; ſo ſuchen ſie im Fliegen,

Den, der die Jungen ſucht, mit Liſt noch zu be-

triegen.

Sie kriechen ins Gebuͤſch, darin das Neſt nicht ſtekt,

Sie brauſen da heraus; der Raͤuber wird erwekt,

Nach ſolchen Buſch zu gehn, dadurch wird er betro-

gen,

Und von dem rechten Ort; allwo es iſt, gezogen.

Wie
[271]der Thiere fuͤr ihre Jungen.
Wie freudig ſingen ſie, wenn ſie den Feind entgehn,

Und ihre Kinderchen, im Neſte wieder ſehn,

Die bei der Ankunft ſchrein, und ſich bald wieder

ſtillen,

Wenn ihre Eltern nur, die giergen Kehlen fuͤllen.

Die Sorgfalt hoͤrt nicht auf, ſie tragen immer zu,

Bis ihre Jungen gros, bis ſie aus ihrer Ruh,

Jns freie Feld entfliehn das warme Neſt verachten,

Und ſelbſt mit eigner Muͤh, ſich zu ernaͤhren trachten.

Jhr Menſchen! die ihr dies im Reich der Thiere ſeht,

Und dabei Andachts-voll, der Vorſicht Ruhm er-

hoͤht,

Bedenkt die Vater-Guͤt, die ſo die Vogel naͤhret,

Und ihnen Wunderbahr, die Speiß, den Trank be-

ſcheret:

Da ſeine Vorſehung, das an den Thieren thut.

Warum zernagt ihr euch, durch euren Zweiffel-Muth,

Der eure Naͤchte ſtoͤhrt, mit Angſt und Nahrungs-

Sorgen

Wovon ihr leben wolt, bei einen kuͤnfgen Morgen?

Wie thoͤricht iſt der Menſch, der ſich mit Grillen

plagt,

Wenn ein beſchwertes Hertz, nach Lebens Mitteln

fragt

Und keine Vorſicht glaubt! Seht nur in Feld und

Auen,

Da koͤnt ihr allemahl, der Vorſicht Wunder ſchauen.

Der Voͤgel Luſtgeſang, ſchallt euch in euer Ohr,

Mir deucht ſie ſingen ſtets: Der Menſch, der iſt

ein Thor,

Der ſich, wenn ihm etwan die kuͤnftge Nah-
rung fehlet,

Jn Sorgen ſelbſt zerfriſt, mit Angſt und
Kummer quaͤlet,

Das
[272]Die Wunderns wuͤrdige Vorſorge
Das Auge welches wacht, hat alles ſchon

beſtimmt,

Das Feld bringt ſeine Frucht; was in dem
Waſſer ſchwimmt,

Was in den Luͤften fleugt, was auf der
Erden gehet,

Sind Zeugen ſeiner Macht, dran ihr die
Vorſicht ſehet,

Sie reden aber auch, euch, die ihr Eltern an:

Thut an den Kindern auch, was wir an die

gethan

Die unſre Kinder ſein, die wir mit Sorg-
falt hegen.

Und wie mit Nahrungs-Milch, zu ihrer
Groͤß verflegen.

Die Thiere ſtellen ſich, die zu beſchaͤmen dar,

Die ihrer Kinder Wohl, ihr Elend und Gefahr

Mit gleichen Augen ſehn; die gegen GOrtes Gaben,

Ein unnatuͤrliches, ein ſteinern Herze haben.

Wie viele finden ſich, dabei der Trieb erſtikt,

Den man mit Zaͤrtligkeit, an jeden Thier erblikt;

Die nicht die Kinder naͤhrn, die ſie ſelbſt mit den

Bruͤſten,

Woraus die Milchkoſt flieſt, als Muͤtter naͤhren muͤ-

ſten?

Sie geben ſolche offt, den Saͤuge-Ammen hin

Die floͤſſen mit der Milch, den liederlichen Sinn

Jn zarte Seelen ein; und ſind ſie denn entwoͤhnet,

So ſieht man wie ein Kind, denſelben Laſtern froͤh-

net

Die ſeine Naͤhrerin mit ſuͤſſer Luſt geliebt,

Und in der Bruſt gehegt, im Wandel ausgeuͤbt.

Wer ſeine Kinder liebt, wie die Natur begehrt,

Der zeigt die Liebe an, daß er ſie auch ernaͤhrt:

Wie
[273]der Thiere fuͤr ihre Jungen.
Wie viele finden ſich, die um ihr aͤngſtlich Wim-

mern,

Wenn ſie nach Speiſe girrn, ſich offte nicht bekuͤm-

mern.

Die Voͤgel bringen ſtets, dergleichen Speiſe heim,

Die ihren Jungen gut; trift man auch allgemein,

Dergleichen Eltern an, die bei den zarten Zweigen

Die ihnen angehoͤrn, auch gleiche Sorgfalt zeigen?

Wie aͤngſtlich ſtellen ſich die alten Voͤgel an,

Wenn wo ein Raͤuber komt der ihnen ſchaden kann

Und ihre Jungen nimmt? die er im Neſt beſtrikket,

Und drauf den zarten Kopf, aus eitler Luſt eindruͤkket.

Waͤrn Eltern auch ſo ſehr fuͤrs Seelen Wohl bedacht

Der Kinder, wuͤrden nicht noch viel zu GOtt ge-

bracht,

Die leider Teuffel, Welt, und Fleiſch in Laſter Schlin-

gen,

Jn Boͤſen ganz erſtikt, zu dem Verderben bringen?

Gehts ſo im Geiſtlichen, was Wunder wenns Ge-

ſchik

Der Kinder elend iſt, wenn Sturm und Ungeluͤk;

Jhr Wohlfahrts Schif zerſchlaͤgt, da keine Huͤlf

vorhanden,

Daß ſie denn in dem Lauf, an Fels und Klippen

ſtranden.

Die Voͤgel ſorgen ſelbſt fuͤr ihren Unterhalt,

Wenn ihre Fluͤgel groß, wenn ſie zur Ausflucht

alt:

O! moͤchten Kinder hier, an ihren Beiſpiel lernen,

Daß, wenn ſie ſich dem Haus der Eltern erſt ent-

fernen,

Auch ihre Schuldigkeit mit regen Fleis zu ſehn,

Wie man dem Nahrungs Brod, durch Arbeit nach-

zugehn:

Erſter Theil. SDa
[274]Die Allmacht GOttes.
Damit ſie nicht mit Laſt die Eltern laͤnger druͤkten,

Vielmehr im Gegentheil, den Alten Nahrung

ſchikten.


Die Allmacht GOttes.


GOTT auf deſſen Wort: Es werde,
Sich der Himmel und die Erde,
Und der ganze Kreis der Welt
Augenbliklich dargeſtellt;
Welche Allmacht giebt dein Weſen,
Wenn mans uͤberdenkt, zu leſen,
Da dir nichts kann wiederſtehn,
Was du wilt, das muß geſchehn.

Als im Anfang aller Dinge,
Wie ich lallend nur beſinge,
Kein Geſchoͤpf und keine Zeit,
Nur derſelben Moͤglichkeit
Ging hervor auf dein Befehlen,
Was ohnmoͤglich zu erzaͤhlen,
Und indem dein Wink geſchah,
War das Nichts, als etwas da.

Wenn man das entzuͤkt erweget,
Was die Welt vor Augen leget,
Was der Himmel in ſich faßt,
Welche ungeheure Laſt,
Jn des Abgrunds Tieffe ſchwebet,
Und nach ſeinen Puncte ſtrebet:
So
[275]Die Allmacht GOttes.
So deucht mir, man hab gedacht,
Wie unendlich GOttes Macht.

Will man weiter dies nachſinnen,
Und ſieht an den blauen Zinnen,
Ungezaͤhlter Sternen Zahl,
Die ſich alle auf einmahl
Mit den ungemeßnen Bogen,
Aus der Tieff hervor gezogen:
So ſtuzt der verſchlungne Sin,
Und weißt uns zur Allmacht hin.

Denkt man, daß die Himmels-Laſten,
Gar auf keinen Pfeiler raſten,
Daß der groſſe Luftkreis ſchwimmt,
Daß darin die Sonne glimmt;
Daß in jener blauen Ferne,
Mehr, als Millionen Sterne:
So wird uns auch dargeſtelt,
GOttes Macht, die dies erhaͤlt.

Daß die ungeheuren Spheren,
Welzend ſich umdrehn und kehren,
Und in ihren Gleiſen gehn,
Koͤnnen wir zwar woll verſtehn:
Aber wer dies Triebwerk ruͤhret,
Und derſelben Lauf regieret,
Jſt der weiſeſte Verſtand,
Und des Hoͤchſten Allmachts-Hand.

Wenn wir mit geſchaͤrften Denken,
Unſern Blik zur Erde lenken,
Jhre Form und Lage ſchaun,
So entſteht in uns ein Graun,
S 2Daß
[276]Die Allmacht GOttes.
Daß die Kugel die da haͤnget
Wenn das Gleichgewicht verdrenget
Von der Luft, mit tieffen Fall
Suͤnke in des Abgrunds Thal.

Doch der Geiſt, der faßt ſich wieder,
Und vertreibt die Furcht der Glieder,
Wenn er glaͤubig nur erwegt:
Daß GOtt unſre Erde traͤgt,
Und mit ſeinen Allmachts-Haͤnden,
Koͤnn wie eine Kugel wenden,
Die er, wenn ſie welzend ſchwebt,
Als den leichtſten Ball aufhebt.

Jn dem Reich der Kreaturen,
Sieht man lauter Allmachts Spuren,
Berg und Thal, und Wald und Feld,
Was GOtt; drauf und drin erhaͤlt;
Was da lebet, waͤchſt und gruͤnet,
Jſt ein Spiegel, der uns dienet,
GOttes Allmacht anzuſehn,
Und mit Andacht zu erhoͤhn.

Auf dem Meere, da im Wellen,
Ungeheure Wunder ſchwellen,
Offenbahrt ſich ſeine Macht;
Wenn ein grauſer Sturm erwacht,
Und die Wogen ſprudelnd ſchieſſen,
Thuͤrmend ſich ans Land ergieſſen:
So bedreut er Meer und Wind,
Die ihm gleich gehorſam ſind.

Seiner Allmacht Schrekkensſtimme,
Hoͤrt man bei des Wetters Grimme,
Wenn
[277]Die Allmacht GOttes
Wenn der Donner knallt und bruͤllt,
Und die Luft mit Krachen fuͤllt;
Wenn er ſpricht; ſo beben Welten,
Und entfliehn vor ſeinen Schelten.
Zeigt das nicht die Allmacht an,
Der nichts wiederſtehen kann?

Sehen wir, wie er regieret,
So wird auch die Macht verſpuͤret,
Der ſich niemand ohnverlezt,
Eigenſinnig wiederſezt.
Wenn ein Koͤnig dieſer Erden,
Maͤchtig kan genennet werden,
Der ein weites Reich beſizt,
Was iſt GOtt der alles ſchuͤzt?

Er herrſcht uͤber alle Thronen,
Alle die auf Erden wohnen,
Sind und bleiben unterthan,
Siehet man den Himmel an,
Auch da muͤſſen ihn bedienen,
Die erhabnen Cherubinen,
Aller ſeelgen Geiſter Schaar,
Stellt ſich ſeinen Winke dar.

Was er will, das muß geſchehen,
Jn den Tieffen, in den Hoͤhen,
So weit ſeine Herrſchaft geht,
Und was ihm entgegen ſteht,
Kann der Othem ſeiner Naſen,
Wie die leichte Spreu zerblaſen,
Da er alle Macht der Welt,
Nur vor eine Ohnmacht haͤlt.

S 3Wenn
[278]Die Allmacht GOttes.
Wenn er winkt, ſo iſt das Toben,
Der Tyrannen aufgehoben,
Und die Wuth ſinkt in den Staub,
Bebet wie ein Espenlaub,
Ja! die frevlen Himmelsſtuͤrmer
Die ſich bauen Babels Thuͤrmer,
Taumeln, wenn er ſie anblikt,
Stuͤrzen wenn er ſie erſchrikt.

Die vom Elend unterdruͤkket,
Macht er wiederum begluͤkket,
Denn ſein Rath iſt wunderbahr,
Wer vorher ganz niedrig war,
Wird oft unvermerkt erhoͤhet,
Wer auf hohen Gipfeln ſtehet,
Wird oft aller Welt zum Spot,
Das zeigt, daß er Zebaoth.

Und die Redlichen, die Frommen,
Die GOtt ſich zum Schild genommen,
Die erfahren ſeine Kraft,
Seiner Guͤte Eigenſchaft;
Wenn wir ſeiner Guͤte trauen,
Werden wir die Wunder ſchauen,
Darin er mit Allmacht zeigt,
Wie uns ſeine Huld geneigt.


Das
[279]

Das
Vergeltungsrecht GOttes
im Strafen
Bei Betrachtung der Gerichte die uͤber
Sodom kommen.


Die gerechten Strafgerichte goͤttlicher

Gerechtigkeit,

Kommen immer uͤber Boͤſe, nach

verfloßner Gnaden Zeit,

Da GOtt ihnen das vergilt, was ſie gegen ihn ver-

brochen,

Da ſie durch die Bosheit ſich, ſelbſt das Urtheil

ſchon geſprochen.

Wie die Suͤnde; ſo die Straffe: daß iſt das Ver-

geltungsrecht,

Welches GOtt der hoͤchſte Richter, uͤber jeden

Suͤnden-Knecht

Durch gerechte Rache bringt, daß man dabei klaͤr-

lich ſiehet,

Wie des Hoͤchſten Machtgericht, Suͤnder ſo zur

Straffe ziehet

Nach der Aehnlichkeit der Thaten; wie es oft den

Lohn ſo giebt,

Denen boͤſen Leibes-Gliedern, die die Suͤnde aus-

geuͤbt.

S 4Of-
[280]Das Vergeltungsrecht GOttes.
Ofte ſtraft GOtt an dem Ort, wo die Suͤnde iſt

geſchehen,

Oft zu einer ſolchen Zeit, da die Welt das Boͤß

geſehen:

Ofte wird daſſelbe Uebel, wiederum an dem voll-

bracht,

Und auf ſeinen Kopf vergolten, der daſſelbe aus-

gedacht:

Wer dem Naͤchſten Gruben graͤbt, muß oft ſelbſt

darin verſinken,

Wer den Bruder Angel legt, muß oft ſelbſten da-

von hinken;

Wer der Unſchuld Bande ſchmiedet, die nichts uͤbels

hat gethan,

Dem ſind oft dieſelben Feſſeln, ſelbſt zur Straffe

angethan.

Daß iſt das Vergeltungsrecht, wunderbahrer Straf-

gerichte,

Dadurch er die Suͤnde tilgt, und das Boͤſe macht

zu nichte.

Jn der Welt ſind viel Exempel, daran man mit

Schrekken lernt,

Wie es ſolchen Suͤnder gehet, der ſich erſt von

GOtt entfernt,

Und durch boͤſe Luſt verwoͤhnt, in dem Laſter Ko-

the wuͤhlet,

Der denn wie er hat gethan, auch gerechte Straffe

fuͤhlet.

Nur ein Beiſpiel anzuſehen, denkt nach Sodoma

zuruͤk

Auf derſelben ihr Verbrechen, auf das harte Un-

geluͤk

Das den Thaten nachgefolgt; ſo kan man auch

an ihr leſen,

Was
[281]Das Vergeltungsrecht GOttes.
Was ſei das Vergeltungsrecht, bei dem allerhoͤch-

ſten Weſen.

Sodom war ein Luſtgefilde, wie ein kleines Para-

dies,

Wo in einer fetten Gegend, ſich nichts als nur

Anmuth wies

Wo des Himmels Heiterkeit, ihre ſtrahlenreiche

Wonne,

Lauter Seegensthau erzeugt, durch die ſchoͤne Mor-

genſonne;

Sodom war voll Milch und Honig, die von fetten

Ueberfluß,

Und von ſuͤſſer Nahrung Zeichen; ein Land wo der

Seegens-Gus,

Stets mit ſtarken Stroͤmen ran: dieſe ſtete Him-

mels-Milde,

Machte es mit ihrer Luſt, zu des Edens Eben-

bilde.

Doch die Menſchen die da wohnten, wurden durch

den Seegenskeim,

Durch die fette Milch der Nahrung, durch den

ſuͤſſen Honigſeim,

Wie ein ungezaͤhmtes Vieh, das auf einer ſatten

Weide

Wild und geile einher ſpringt; ſo war ihre einzge

Freude,

Nur die Wolluſt auszuuͤben. Sodoms liederliche

Brunſt,

Fand auch bei dergleichen Seelen, ihre gleiche Ge-

gengunſt

Und ward wie ein Feur das erſt, heimlich in ver-

borguen ſchmauchet,

Jn der Finſternis anglimmt, in der Dunkelheit

erſt rauchet,

S 5Bis
[282]Das Vergeltungsrecht GOttes.
Bis es in die lichte Lohe, offenbahrlich um ſich

rennt,

Und ſo lang nicht Nahrung fehlet, ſiedend ziſcht

und wuͤtend brennt;

Sodoms Geilheit war ein Brand, der nicht mehr

zu loͤſchen ſtehet,

Und glich einen Feur das nur, in dem Feuer ſelbſt

vergehet.

Dieſes alles ſah das Auge, welchem alles iſt be-

kand,

Sodoms Wolluſt Gluth erregte, des Gerechten

Eiferbrand,

Jhrer Geilheit wilde Brunſt, zog des Zorns ent-

glomne Flammen,

Wie ein feurig Schweffel-Meer, zu dem Straff-

gericht zuſammen.

Zebaoth ließ ſeine Donner, mit den ſtrengen Bliz-

zen aus

Und verkehrte ganz zerſchmetternd, Volk und Stadt

in Schutt und Graus;

Da ſein Bliz in ſtrengen Brand, dieſe Schweffel-

gegend brachte,

Und zum Schrekken aller Welt, ihr ein ſchreklich

Ende machte.

Menſchen! ſeht nach Sodoms-Staͤdte, wo noch

alles im Ruin,

Und in die verheerte Gegend, mit geruͤhrten Blik-

ken hin,

Lernet an dem oͤden Ort: Wie die Suͤnde ſo die

Straffen,

Die nach dem Vergeltungsrecht, Sodoms geilen

Volk betraffen.

Jhr die ihr, in boͤſen Luͤſten, lechzend Sodoms

Suͤnde treibt!

Den-
[283]Die lehrenden Bienen.
Denket daß das Strafgerichte, uͤber euch nicht

auſſen bleibt,

Eilet ihr nicht in der Zeit, zu des Heilands Gna-

denſtuhle;

So wird eure Brunſt geſtraft, in dem Feur und

Schweffelpfule.


Die lehrenden Bienen.


Ein ſumſend Heer beflißner Bienen,

Sah mein geruͤhrtes Aug im Gruͤnen,

Das hin und her auf Blumen flog,

Und daraus ſeinen Honig ſog;

Jhr muntrer Fleiß nahm aus der Bluͤthe,

Den ſuͤſſen Saft und trug ihn fort

Zum Korb, zu dem Verwahrungs-Ort:

Der Anblik ging mir zu Gemuͤthe.

Jch dachte, O mein GOtt! die Liebe,

Zum Menſchen, hat ſo ſtarke Triebe

Dem Bienen Volke eingepraͤgt:

Denn wenn man ihren Fleis erwegt,

Den ſie beim Honigbau beweiſen,

Wie ſie ſo bald die Luͤfte warm,

Mit hellen Hauffen, groſſer Schwarm

Durch Felder und durch Wieſen reiſen:

So muß man warlich eingeſtehen,

Daß GOttes Guͤt daran zu ſehen,

Der ſolche Kreatur gemacht,

Uns zum Vergnuͤgen ausgedacht,

Da-
[284]Die lehrenden Bienen.
Damit ſie uns die Suͤßigkeiten,

Aus Blumen, Bluͤth und Fruͤchten ziehn,

Und durch ein uns geheim Bemuͤhn,

Den klaren Honig zubereiten.

Mir deuchte, da ich meine Augen

Recht ſchaͤrfte, ihr beſchaͤftigt Saugen,

Noch einmahl wieder zu beſehn,

Daß mir ein ſumſendes Gethoͤn,

Mit leiſen Murmeln dieſes lehrte:

O! waͤre in der Fruͤhlings-Zeit

Des Lebens, jeder Menſch bereit

Zu ſammlen, wie es ſich gehoͤrte:

So wuͤrden in den Winter-Tagen

Des Alters, ſich nicht ſo viel plagen

Mit Armuth und mit Ungemach,

Wer ſeinen rechten Erndte-Tag,

Der in der Jugend iſt, verſaͤumet,

Und alles, bis ins Alter ſchiebt,

Der iſt ein Menſch der Faulheit liebt,

Der nur ſtets leere Wuͤnſche traͤumet.

Wer immer bei der Arbeit ſizzet,

Nur ſich nicht andern dadurch nuͤzzet,

Der ſeh uns rege Bienen an,

Davon ein Menſche lernen kann

Daß ſeine Pflicht auch das einſchlieſſe,

Der Welt zugleich mit Nuz zu ſein,

Damit das Gute allgemein,

Auch mit von uns, aufs andre flieſſe.


Die
[285]

Die klugen Ameiſen.


Spruͤchw. Salom. c. VI. v. 6. 7. 8.
Gehe hin zur Ameiſen du Fauler: Siehe
ihre Weiſe an, und lerne. Ob ſie
woll keinen Fuͤrſten, noch Haupt-
mann, noch Herrn hat: Bereitet ſie
doch ihr Brodt im Sommer, und
ſammlet ihre Speiſe in der Erndte.


Jch verlaſſe jezt die Bienen,
Woran man der Welt zu dienen,
Durch ihr Beiſpiel lernen kan,
Und ſeh mit erſtaunten Sinnen,
Der Ameiſen ihr Beginnen,
Zu des Schoͤpfers Preiſe an:
Denn an dieſen kleinen Thieren,
Kann man GOttes Weisheit ſpuͤren.

Siehet man auf ihr Verhalten,
Fraͤgt man, wer recht Haus zu halten,
Der Ameiſen-Schaar gezeigt;
So kann ich nicht anders ſchlieſſen,
Es muß von dem Schoͤpfer flieſſen,
Der die Thierlein ſo geneigt:
Daß ſie auf die kuͤnftgen Zeiten,
Alles kluͤglich zubereiten.

Wer
[286]Die klugen Ameiſen.
Wer hat das Geſellſchafts-Leben,
Der Ameiſen eingegeben,
Haſt du ihr es nicht gelehrt?
Wenn man ihre Stadt beſchauet,
Die dies kleine Volk gebauet;
So iſt ſie bewunderns werth;
Weil ſie kuͤnſtlich, ohne Riſſen
Sie alſo zu bauen wiſſen.

Alles wiſſen ſie zu paſſen,
Jhre Stadt hat ſeine Gaſſen,
Die ſich wundernswuͤrdig drehn,
Und mit ihren kleinen Zellen,
Die ſie aneinander ſtellen,
Mehr zur Laͤng als Breite gehn:
So daß man ſie ohn Beſchweren,
Nicht kann mit der Stadt zerſtoͤhren.

Wird der Eingang gleich zernichtet,
Jſt ſie doch ſo eingerichtet,
Daß ſie immer weiter fuͤhrt,
Und will man die Thore ſprengen,
Bleiben ſie in Hinter-Gaͤngen
Dennoch ſicher, unberuͤhrt.
Wer denkt, daß mit ſolchen Liſten,
Thierlein auch zu bauen wuͤſten?

Wenn wir uns die Citadellen,
Feſter Staͤdte recht vorſtellen,
Die mit Gaͤngen ſind verſehn,
Die mit unterirdſchen Kluͤften,
Und mit tief verborgnen Gruͤften
Sich wie Jrregaͤrten drehn:
So
[287]Die klugen Ameiſen.
So ſehn wir die Kunſt der Weiſen,
Ebenfals bei den Ameiſen.

Da ſie in die Tieffe graben,
Jn der Erde Staͤdte haben,
Die da lukker, ſinkt und faͤllt;
Muͤſſen ſie ſich vor Gefahren,
Die ſie drohen, woll bewahren.
Leim das feſt zuſammen haͤlt,
Wird von einigen genuͤzzet,
Der ſie vor den Einfall ſchuͤzzet.

Andre ſamlen kleine Reiſer,
Splittern, womit ſie die Haͤuſer,
Jhre Gaſſen uͤberbaun,
Und mit Balken uͤberlegen,
Gleichſam, als wenn ſie erwegen,
Daß man ohne Furcht und Graun,
Sicher in der Kammer ſizzet,
Wenn der Boden unterſtuͤzzet.

Jhre Klugheit machet Daͤcher,
Zu beſchuͤzzen ihre Faͤcher,
Worin ſie die Frucht bewahrn:
Schilf und Stroh und duͤrre Blaͤtter,
Jſt ihr Schirm vor naſſen Wetter,
Die ſie uͤber duͤnne Sparrn,
Um das Waſſer abzuleiten,
Wiſſen kuͤnſtlich auszubreiten.

Muͤſſen wir nicht dran erkennen,
Daß GOtt ſei Allweis zu nennen,
Der ein ſolches kleines Thier,
Durch verborgne Triebe lenket,
Als
[288]Die klugen Ameiſen.
Als wenn es recht kluͤglich denket?
Wenigſtens kommts uns ſo fuͤr
An den wollgebauten Staͤdten
Daß ſie Wiz und Klugheit haͤtten.

Jhre kleinen Vorrathskammern,
Sind als wie mit zarten Klammern,
An einander angemacht;
Zum Behaͤltnis ihrer Fruͤchte,
Und der uͤbrigen Gerichte
Woll und kuͤnſtlich ausgedacht,
Da ſie in verborgnen Gaͤngen,
Ordentlich zuſammen haͤngen.

Jhre Ordnung iſt recht weiſe,
Die man ohn des Schoͤpfers Preiſe,
Nimmer ohn Erſtaunen ſieht;
Wenn ſie auf die Nahrung rennen,
Sehn ſie was ſie eſſen koͤnnen
Und darnach ſind ſie bemuͤht
Stets mit einen groſſen Hauffen,
Jhrer Speiſe nachzulauffen.

Einer hilft den andern tragen,
Wenn ſie eine Beut erjagen;
Jſt ein Kaͤfer wo verrekt,
Den ſie etwan aufgeſpuͤret,
Wird er muͤhſam fortgefuͤhret,
Oder alsbald aufgelekt,
Wenn ſie etwan nicht vermoͤgen,
Jhn noch weiter zu bewegen.

Wenn ſie gruͤne Kaͤfer finden,
Die ſich in die Blaͤtter winden,
Stuͤr-
[289]Die klugen Ameiſen.
Stuͤrmen ſie gleich auf ſie ein,
Weil die, wie im Honig ſtekken,
Welchen ſie recht luͤſternd lekken,
Bis ſie ganz beladen ſein,
Und ſich auf gebahnten Wegen,
Bis zu ihrer Wohnung regen.

Wenn die Erndte Zeit anhebet;
Siehet man, daß jede ſtrebet
Jhre Nahrung einzuſcheurn,
Und der reiffen Felder Fruͤchte;
Als die lieblichen Gerichte,
Koͤnnen ihren Fleis anfeurn,
Daß ſie unermuͤdet ſehen,
Wie ein Koͤrnlein fort zu drehen.

Jhre groſſe Heeres Zuͤge,
Streiffen aus, als wie im Kriege,
Wenn die Frucht zur Reif gediehn;
Wenn ſie wo ein Koͤrngen faſſen,
Das die Aehre ſpringen laſſen,
Das ſie muͤhſam weiter ziehn:
Sieht man, wie der Fleis die Kraͤfte.
Mehret beim Berufs-Geſchaͤfte.

O! wie emßig iſt das Streiffen,
Jhren Vorrath ſtets zu haͤuffen,
Wenn die Felder gelb und weis,
Da gehn ſie in vollen Spruͤngen,
Frucht und Koͤrner einzubringen,
Und der ſtete Nahrungs-Fleis,
Kann auf truͤbe Winterszeiten,
Jhnen, Vorrath gnug bereiten.

Erſter Theil. TSieht
[290]Die klugen Ameiſen.
Sieht das Thierlein Koͤrner liegen,
So kann man nicht ohn Vergnuͤgen
Seine Emſigkeit anſehn;
Es faßt mit der Zungen Spizzen,
Die vorn an dem Kopfe ſizzen,
Dieſe Laſten fortzudrehn,
Die es, wenn es muͤhſam ringet,
Welzend immer weiter bringet.

Koͤmmt auf ſeinen ſauren Wegen,
Eine Freundin ihm entgegen;
So hilft ſie mit gleicher Treu,
Dieſe ſuͤſſe Laſt zu heben,
Davon ſie hernachmahls leben.
Kommt die andre auch herbei,
Hilft ſie auch durch ihr Bemuͤhen,
Dieſes Korn mit fortzuziehen.

Wundernswuͤrdig iſts zu achten,
Wenn wir aufmerkſam betrachten,
Wie ſie, was ſie angefaßt
Weiter drengen, da ſichs zeiget
Daß das Korn ſie uͤberſteiget
An der Groͤß und an der Laſt:
Daß ſie dennoch weiter kommen,
Wenn ſie es erſt aufgenommen.

Wer kann dieſes alles ſehen,
Ohne HERR! dich zu erhoͤhen
Der du in die zarte Bruſt,
Wieder aller Menſchen Denken,
Kanſt ſo vielen Eiffer ſenken,
Eine ſolche rege Luſt:
Daß
[291]Die klugen Ameiſen.
Daß ſie ungeſaͤumet ſtreben,
Jhre Nahrung aufzuheben.

Wer hat ihnen das gelehret,
Daß die Sommerszeit beſcheret,
Was man in dem Winter nuͤzt?
Und daß, der in Erndte-Zeiten,
Nicht will Vorrath zubereiten,
Und darinnen muͤßig ſizt,
Jn den rauhen Winter-Tagen,
Muͤſſe ſich mit Kummer plagen?

Du, allguͤtig weiſes Weſen
Biſt es, wie wir klaͤrlich leſen,
Der die Thiere klug gemacht:
Und wir muͤſſen an Ameiſen,
Deine Wunderguͤte preiſen,
Die dem Thierlein beigebracht;
Daß man muͤſſe Vorrath haͤuffen,
Wenn der Felder Fruͤchte reiffen.

Jſt der Boden angefuͤllet,
Und die Sehnſucht nun geſtillet
Die ſie ſo zum Fleis bewegt:
So bemerkt man an den Thieren,
Neue Wunder, die uns ruͤhren,
Von der Vorſicht eingepraͤgt,
An dem kluͤglichen Anſtalten,
Um die Fruͤchte zu erhalten.

Kenner dieſer Kreaturen,
Merken dieſe Vorſichts-Spuren,
Noch an dieſen Thiergens an;
Daß ſie jedes Korn benagen,
T 2Deſ-
[292]Die klugen Ameiſen.
Deſſen Keimchen ſonſt ausſchlagen,
Die die Naͤſſe feuchten kann;
Weil derſelben Vorraths-Faͤcher,
Nur ſind tieffe Erden-Loͤcher.

Weiſer GOtt! auch dies Verhalten,
Zeugt von deiner Vorſicht Walten,
Das in allen wunderbahr:
Du ſchenkſt dem Geſchoͤpfen Speiſe,
Du erbauſt durch ſie Gehaͤuſe,
Und du zeigeſt noch ſogar,
Wie ſie Fruͤchte, zum Genieſſen,
Kluͤglich auch erhalten muͤſſen.

Jſt die Erndte nun verſtrichen,
Und der Sommer abgewichen,
Alsdenn gehen ſie zur Ruh,
Und verſtekken ſich in Gruͤfte,
Vor des Winters rauhen Luͤfte,
Theilen ſich die Nahrung zu,
Welche allen angehoͤret,
Die ein jeder denn verzehret.

Dieſes kann ein Bild abgeben,
Von dem rechten Buͤrger-Leben,
Einer wollgeorndten Stadt;
Ja! von einen jeden Stande,
Der in einen Reich und Lande,
Sich ſtets zu beſtreben hat,
Wenn der Staat ſoll woll beſtehen,
Dem Gewerbe nachzugehen.

Viele moͤchten hiebei ſagen,
Der Ameiſen Arbeit, Plagen,
Waͤ-
[293]Die klugen Ameiſen.
Waͤren von dem Geiz ein Bild,
Der bei ſeinen Sammlen ſchmachtet,
Und dem Vorrath nur betrachtet,
Damit Haus und Keller fuͤllt,
Der nur ſinnet ſeinen Erben,
Groſſe Schaͤzze zu erwerben.

Nein! ein ſparſam kluges Sorgen,
Auch fuͤr einen kuͤnftgen Morgen,
Jſt den Menſchen woll erlaubt;
Sparſamkeit iſt eine Tugend,
Jn dem Alter in der Jugend:
Und wer GOttes Vorſicht glaubt,
Der muß doch dabei erwegen,
Wie ſie giebet ihren Seegen.

Das geſchicht, wenn wir Jhn trauen
Und auf unſre Erndte ſchauen,
Die uns reichen Vortheil zeigt:
Wenn wir dieſe Zeit verſaͤumen,
Und in fauler Ruhe traͤumen,
Da der Himmel uns geneigt;
So vergehn die Gluͤkkes-Zeiten,
Die nicht ſind zuruͤk zu leiten.

Fuͤr die Jugend was erſparen,
Daß ſie in den kuͤnftgen Jahren
Nicht in Duͤrftigkeit vergeht,
Jſt nicht minder auch zu loben,
Dahin gehn des Fleiſſes Proben,
Die ihr an Ameiſen ſeht,
Welche ſich um Frucht bemuͤhen,
Jhre Kinder aufzuziehen.

T 3Se-
[294]Die klugen Ameiſen.
Sehet hier die Kinderliebe,
Und die zaͤrtlich treuen Triebe,
Die man bei den Thieren ſieht;
Wenn ſie ihre Jungen hekken,
Die in kleinen Eiern ſtekken;
So ſind ſie alsbald bemuͤht,
Wenn ſie aus den Eiern ſpringen,
Jhnen Nahrung darzubringen.

Dieſe neugebohrnen Kleinen,
Die uns wie ein Sandkorn ſcheinen
Wenn ſie aus den Eiern gehn,
Futtern ſie mit ſolchen Sachen,
Die ſie immer groͤſſer machen,
Bis ſie ein Gewebe drehn,
Darin ſie wie in den Wiegen,
Die umwundnen Puͤpgen liegen.

Dieſe Puͤpgen, wie ſie heiſſen,
Wenn ſie ſich nun ſo befleiſſen
Auf die zarte Weberei,
Hoͤren alsdenn auf das Freſſen,
Von den Alten zu erpreſſen;
Die doch aber nicht ganz frei
Von der Sorgfalt; weil ſie ſehen
Ferner auf ihr Wohlergehen.

Jn dem Staate der Ameiſen
Jſt nun ferner noch zu weiſen,
Wie ſie ihre zarte Frucht,
Aus der erſten Wohnung tragen
Wenn wir nach der Urſach fragen;
So ſcheint es, daß dieſe Zucht
Jn
[295]Die klugen Ameiſen.
Jn der kleinen Thiere Reichen,
Den Pflanzbuͤrgern zu vergleichen.

Dieſe neuen Colonien
Nun noch ferner zu erziehen,
Sind die Alten ſtets bedacht,
Und damit ſie groͤſſer werden,
Tragen ſie, ſie aus der Erden:
Doch bei einer kuͤhlen Nacht,
Wiſſen ſie, ſie wol zu dekken,
Und in ihre Gruft zu ſtekken.

Moͤchten wir uns auch befleiſſen,
Die, die unſre Kinder heiſſen,
So ſorgfaͤltig zu bewahrn!
O! ſo wuͤrden unſre Erben,
Leider! nicht ſo haͤufig ſterben
Jn den erſten Fruͤhlings Jahrn,
Wenn wir ſie gehoͤrig ſtaͤrkten,
Und was ihnen dient, bemerkten.

Ebenfals iſt noch zu preiſen,
An dem Staate der Ameiſen,
Daß ſie, wenn jemand verſtirbt,
Jhn nicht in der Wohnung laſſen,
Den Geruch der Todten haſſen,
Der die reine Luft verdirbt;
Daß ſie ihn gleich weiter fuͤhren,
Wo ſie ſeinen Dunſt nicht ſpuͤren.

Moͤchten dies die Menſchen lernen,
Und die Todten auch entfernen,
Aus der Wohnung, aus der Stadt;
Weil der Dunſt verblichner Leichen,
T 4Zu
[296]Die klugen Ameiſen.
Zu der Peſt und andern Seuchen,
Oft was beigetragen hat;
Weil, wo fauler Moder ſtekket,
Allda auch die Luft beflekket.

Soll ein Staat ſich woll befinden,
So muß jeder ſich verbinden,
Zu der Treu und Einigkeit,
So muß man ſich wiederſezzen,
Dem, der ſolchen will verlezzen,
Daß er bleib in Sicherheit;
Dieſe Regel muß bei ihnen,
Stets zum Grundgeſezze dienen.

Wenn die Feinde ſich empoͤren,
Jhre Republic zu ſtoͤhren,
Sind ſie all zugleich bereit,
Fuͤr die Wollfahrt treu zu kaͤmpfen,
Jhrer Feinde Macht zu daͤmpfen;
Oder im Gefecht und Streit,
Wenn ſie nicht den Feind beſiegen,
Lieber gaͤnzlich zu erliegen.

Solche wunderbahre Triebe,
Solche Einigkeit und Liebe,
Sind im Thierreich anzuſehn;
Moͤchten wir dies uͤberlegen,
Und zu GOttes Ruhm erwegen;
Moͤchten wir auch in uns gehn,
Und dergleichen Klugheitslehren,
Doch zu unſrer Beßrung hoͤren!

Moͤchten alle traͤge Seelen,
Sich zu ihren Beiſpiel waͤhlen,
Was
[297]Die klugen Ameiſen.
Was die dummen Thierchens thun!
Alsdenn wuͤrden ſolche Schwarmen
Liederlich und fauler Armen
Nicht fuͤr unſern Thuͤren ruhn,
Die ſich nur auf unſern Schwellen,
Aus Gewinſucht heilig ſtellen.

Moͤchten die Gewerbe treiben!
Sich dies ins Gedaͤchtnis ſchreiben:
Sammle nach Ameiſen Art,
Die auf einen Winter ſparen,
Haſt du in den Sommer-Jahren,
Deines Lebens nicht verwahrt:
So muſt du in alten Tagen,
An dem Hunger Tuche nagen.

Moͤchten alle kluge Raͤthe,
Derer Laͤnder, derer Staͤdte;
Alle Buͤrger einig ſein!
Alsdenn, waͤre Wollergehen,
Gluͤk und Heil im Flor zu ſehen;
Alsdenn wuͤrde allgemein
Fried und Treu, auf allen Gaſſen,
Sich im Liebes-Kuß umfaſſen.


Eine
[298]

Eine Uhr im Todtenkopfe.


Ein Menſch der ploͤzlich ſtarb, von jaͤhen

Schlag geruͤhrt,

Ward neulich unvermerkt, aus dieſer

Zeit entfuͤhrt;

Jndem er eine Uhr ins Nachbars Haus getragen

Muſt ſeine Lebens-Uhr die lezte Stunde ſchlagen.

Jndem er jenes Werk, hatt in den Gang gebracht,

Ward ſeine Lebens-Uhr ihm ſelbſt zu nicht gemacht:

Ein aͤngſtlich banges Weh durchkroch die ſchlaffen

Glieder,

Er ſang, als wie entſeelt, auf einen Seſſel nieder.

Man rief mich zu ihn hin, als Lehrer beizuſtehn,

Die Augen ſahen ſtarr; doch konnt er nicht mehr

ſehn;

Sein Geiſt erhohlte ſich, doch in ſehr wenig Stun-

den,

War Sprache, Othem, Geiſt, gleich wiederum

verſchwunden.

O! ploͤzlich ſchneller Todt! dacht ich in meinen Sin,

Wer alſo ſelig ſtirbt, dem iſt er ein Gewin:

Wer aber an das End, nie eh es koͤmmt, gedenket,

Dem iſt er ſolch ein Weh, das ihm auf ewig kraͤn-

ket.

Man ſagte mir hernach, ein ſchoͤnes Sinnenbild,

Daß dieſer Selige, der ſeine Tag erfuͤllt,

Zu Todts-Erinnerung, in ſeines Lebens Tagen,

Als eine Taſchen-Uhr, bei ſich umher getragen.

Sie war alſo gemacht, daß dieſes Raͤderwerk,

Jm Todtenkopf verſtekt. O! ſchoͤnes Augenmerk

Wolt
[299]Eine Uhr im Todtenkopfe.
Wolt er den Stundenſchlag, aus ſeinen Uhrwerk

wiſſen:

So hat er das Gehaͤus, den Todskopf oͤfnen muͤſſen.

Jch dachte bei mir ſelbſt: Ein lehrreich Sinnenſpiel!

Das Leben gleicht der Uhr, wer es berech-

nen will,

Der muß auch allemahl, an deſſen Ende
denken,

Und dabei auf dem Todt, des Geiſtes Au-
gen lenken.

Des Leibes Gliederbau, der aneinander haͤngt,

Gleicht einen Uhrwerk auch, das ſich bewegend

ſchwenkt;

So lang die Uhr ſich regt, nach ihrer Ordnung ge-

het,

Wird auch der Zeiger fort in ſeinem Lauf, gedrehet.

Steht aber ſolche ſtill im abgemeßnen Lauf;

So haͤlt ſich auch zugleich der Stundenzeiger auf:

So iſt es mit uns auch; ſo lang der Leib ſich reget,

Das Blut im Adern wallt, ſo lang die Puls noch

ſchlaͤget:

So lang iſt Leben da; wo dieſes ſtokt, die ſtill,

Da iſt des Lebens-Laufs beſtimmtes End und Ziel.

Wir gehen immer fort, und mit uns auch die Zei-

ten,

Die uns ganz unvermerkt, zu unſern Ende leiten.

Wir gleichen einer Uhr, doch unſrer Seelen-Haus,

Sieht wie ein Todtenkopf, nach allen Theilen aus;

Jſt unſer Geiſt getrennt von unſers Leibes Banden;

So iſt das Ende da, und unſer Todt vorhanden.

O! moͤchte jeder Menſch, der was er iſt erwegt,

So oft ein Theil der Zeit, ſo oft die Stunde ſchlaͤgt,

Die ſchnelle Lebens Zeit, das Ende ſeiner Stunden,

Den Tod betrachtend ſehn, der damit iſt verbunden!

Denn
[300]Das entzuͤkkende Vergnuͤgen
Denn ſo wie dieſe Uhr, im Todtenkopfe geht,

Damit verknuͤpfet iſt, nnd ſich darin umdreht:

So iſt das Leben auch und Todt bei uns vereinet;

Weil wo jezt Leben iſt, gar bald der Todt erſcheinet.


Das
entzuͤkkende Vergnuͤgen
aus dem Anſchauen des Himmels bei
der Nacht.


Der Farben Mannigfalt zeugt von

des Hoͤchſten Guͤte,

Ergoͤzzet unſer Aug, erquikket

das Gemuͤthe,

Wie die Erfahrung lehrt, da uns

in dieſer Welt,

Am Himmel, auf der Erd, viel

Schoͤnes dargeſtellt.

Wer kann ohn ſuͤſſe Luſt, in frohen Fruͤhlings-Tagen,

Der Felder Schmuk beſchaun? Ohn inniges Behagen

Ohn einen innren Reiz in einen Garten ſehn,

Worin auf gruͤnen Grund geſchmuͤkte Blumen ſtehn?

Die roth, gruͤn, gelb, blau weiß ſo durch einander

legen

Daß wir an ihrer Pracht, die Schoͤnheit ſelbſt er-

wegen;

Die ſo viel Miſchungen, die ſo viel Herrlichkeit,

Die unbeſchreiblich iſt, in unſre Augen ſtreut.

Wenn
[301]aus dem Anſchauen des Himmels bei der Nacht.
Wenn wir dies alles ſehn; ſo werden wir geruͤhret

Von Freudigkeit entzuͤkt, zum Schoͤpfer hinge-

fuͤhret.

Sein Glanz der ſpiegelt ſich, in jeder Kreatur,

Und ſeine Herrligkeit im Reiche der Natur,

Mein GOtt, was werden wir, in jenen Him-

mels Auen,

Da du ſelbſt Sonne biſt, vor Glanz und Schoͤnheit

ſchauen,

So dacht ich, als mein Herz bei einer ſtillen Nacht,

Sich von der Tags-Arbeit und Sorgen frei gemacht,

Und dies ermunterte mich zur vergnuͤgten Freude,

Jch fand auch bei der Nacht die ſchoͤnſte Augen-Weide.

Der Himmel ward recht hell; ich ſah denſelben an,

Das ſchlummernd Augenpaar, ward wieder aufge-

than,

So bald ſie merketen, daß die Saphirnen Bogen

Des klaren Fiemaments, mit ſchoͤnſten Schmuk

bezogen.

Mein GOtt! welch Glanz und Pracht, ward ich

daran gewahr,

Es ſtellte ſich zuerſt ein hell Gewoͤlke dar,

Wo blau mit Golde ſtrahlt, und an der andern

Seiten,

Wieß ſich ein Silberſchein, aus grauen Dunkel-

heiten.

Die Wolke flog hinweg, mein ganz verſchlungner

Sin,

Fand immer neue Pracht, wo ich nur ſahe hin,

Ein ſchoͤnes Himmelblau, mit Silber untermenget,

Ein weiſſer Attlas Schein, mit ſanften Gruͤn ge-

ſprenget;

Ein untermiſchtes Gelb, war in der Wolken Kleid,

Recht wunderbar verſezt, und lieblich ausgeſtreut.

Bald
[302]Das entzuͤkkende Vergnuͤgen,
Bald deuchte mir, daß ich nichts als Drap d’or er-

blikket,

Bald ward mir deſſen Glanz, aus dem Geſicht ent-

ruͤkket,

Da ſah ich Drap d’ Argent, auf der beſtirrnten

Bahn,

Bald wieder andern Schmuk, mit neuen Farben

an;

Wie ſich veraͤnderten die kuͤnſtlichen Maſchienen,

An dieſem Schau Geruͤſt gewoͤlbter Himmels Buͤh-

nen.

O! welch ein Schauplaz wird uns Menſchen hier

gezeigt,

Sprach mein ergoͤzter Geiſt, der wie den Sinnen

deucht

Unentlich tief und breit, wo auf des Schoͤpfers

Winken,

Ein neuer Vorhang kommt, wenn andre nieder-

ſinken.

O! welche Allmachts Hand die ſo den Himmel ziert,

Jn einem Augenblik der Wolken Farth regiert!

Um durch die Aenderung die Menſchen zu erregen,

Daß ſie, wie wunderbahr, der Hoͤchſte ſei, erwegen.

Beſchaͤmmte Neubegier, die ſolches Schauſpiel liebt,

Was eitler Wiz erdacht, und ſchnoͤde Torheit giebt!

Und dabei nicht erwegt, was Tag und Nacht zu ſehen,

Am hellen Firmament, an ſchoͤnen Himmels-Hoͤhen.

Ergoͤzzet euch die Kunſt, die ein Geruͤſte baut,

Daran man Glanz und Pracht, von Flitter-Golde

ſchaut;

Der Schauplaz dieſer Welt, die Wunder-vollen

Spheren

Die koͤnnen, wenn ihr wolt, euch groͤßre Wun-

der lehren.

Seht
[303]aus dem Anſchauen des Himmels bei der Nacht.
Seht nur dieſelben an; ein Andachts voller Blik,

Bringt auch Verwunderung, in das Gemuͤth zuruͤk:

Die Farben die ihr ſeht, ſind aufgezogne Duͤnſte,

Die GOttes Finger mahlt als ein gewirkt Ge-

ſpinſte.

Mir fiel beim Himmels-Schau, noch der Gedanke ein,

Wie herrlich wird es nicht im Himmel ſelber ſein,

Welch unbekandter Glanz, wird dort in Salems-

Zimmern

Wo GOtt der Koͤnig thront, zur Selgen Freu-

de ſchimmern.

Wie, iſt das Auſſenwerk, ſo wunderbahr geſchmuͤkt,

O! was vor Glanz und Pracht, wird innerlich erblikt.

Jm Allerheiligſten, wo GOtt ſelbſt iſt die Sonne,

Die alles uͤberſtrahlt mit mehr als guͤldner Wonne.

Die Nacht zeigt mir anjezt, wie ſchoͤn das Firma-

ment,

Daran in guͤldnen Glanz, der Sternen Klarheit

brennt:

Wie ſchoͤn der Himmel ſei, wird dreinſt mein Geiſt

erblikken,

Wenn ihn die Todes-Nacht, wird an den Ort ent-

zuͤkken

Wo GOttes Wohnung iſt. So lang ich hier noch bin,

Schau ich den Himmel an, wo mein vergnuͤgter Sin

Des Hoͤchſten Majeſtaͤt, durchs Glaubens Fernglas

ſiehet

Wo meine Einfalt ſich, zu ſeinen Ruhm bemuͤhet:

Jſt erſt der Vorhang weg; ſo ſieht mein Angeſicht,

So preiſet Jhn mein Geiſt, dort im verklaͤrten Licht.


Die
[304]

Die
von den Sinnen
empfundene Guͤte GOttes.


Pſ. CIIII. 24.
HErr! wie ſind deine Werke ſo groß und
viel, du haſt ſie alle weißlich geordnet
und die Erde iſt voll deiner Guͤte.


Brunquell! wunderbahrer Guͤte,
Druͤkke mir doch ins Gemuͤte
Deine Vollenkommenheit,
Groͤſſe und Unentligkeit!
So weit als der Himmel gehet,
So weit ſich die Erde drehet
Von Nord bis zum Suͤderpol,
Jſt die Welt der Guͤte voll.

Ja man ſiehet dich ſchon trieffen,
Jn den Grenzen loſen Tieffen
Ungemeßner Ewigkeit:
Vor dem Anfang aller Zeit,
Wareſt du die ewge Liebe,
Die ſich mit vergnuͤgten Triebe,
Wie man in der Schwachheit denkt,
Schon der Kreatur geſchenkt.

Als das Allmachts-Wort: Es werde,
Jenen Himmel, dieſe Erde,
Aus
[305]empfundene Guͤte GOttes.
Aus den dunklen Nichts gebracht,
Haſt du dich ſelbſt kund gemacht:
Denn ſo viele Kreaturen,
So viel ſind auch klare Spuren,
Woraus ſichtbahrlich erhellt,
Daß die Guͤt ſie dargeſtellt.

Welch ein Meer voll Lieblichkeiten,
Das ſich weiter auszubreiten,
Durch die ganze Welt ergeußt!
Fraͤgt man, wie die Quelle heißt
Aller dieſer guten Gaben,
Die die Menſchen reizend laben?
GOtt der alle Ding erfuͤllt,
Daher alles Gute quillt.

Dieſer Guͤte Stroͤme rinnen,
Durch Canaͤle unſrer Sinnen
Bis ſie der begierge Geiſt,
Jn empfundner Luſt geneußt:
Dafuͤr ſoll zu GOttes Ehren,
Durch des Mundes ofne Roͤhren,
Aus der Seele, Dank und Flehn,
Allemahl zuruͤkke gehn.

Was vor Guͤte ſehn die Augen,
Die nur recht zu ſehen taugen
An jedweder Kreatur,
Jn dem Reiche der Natur?
Jn den Thaͤlern, Gaͤrten, Waͤldern,
Auf den Bergen, Auen, Feldern,
Wird die Guͤt, wenn mans erwegt.
Uns gleichſam zum Schau gelegt.

Erſter Theil. UWas
[306]Die von den Sinnen
Was ſind Keim und Graſesſpizzen
Die zur Thiere Nahrung nuͤzzen?
Zeichen von der Guͤtigkeit
Die der Schoͤpfer ausgeſtreut.
Was ſind die Tapecereien,
Die das Auge zu erfreuen
Auf der Erde ausgeſpannt?
Gaben ſeiner Liebeshand.

Die geſchmuͤkten Blumen-Fruͤchte,
Die vergnuͤgen das Geſichte,
Durch der Farben Mannigfalt,
Nette Miſchung und Geſtalt.
Sie ſind darum ſo gemahlet
Und ſchattirt, vom Licht beſtrahlet,
Daß wenn, wir im Garten gehn,
GOttes Wunderguͤte ſehn.

An den hoch erhabnen Eichen,
An den niedrigen Geſtraͤuchen;
Jn der Thiere Aufenthalt,
Jn den Ficht und Tannernwald;
Jn den Ceder, Lorberhainen,
Sieht man allenthalben ſcheinen,
GOttes Guͤt und Majeſtaͤt,
Die die Baͤume ſo erhoͤht.

Auf der Berge ſteilen Hoͤhen,
Kann man uͤberzeugend ſehen,
An jedweden Gras und Kraut,
Daß die Guͤte ſie erbaut,
Uns zum Nuz, dem Vieh zur Weide;
Jn derſelben Eingeweide,
Blikt
[307]empfundene Guͤte GOttes.
Blikt hervor der Guͤte Strahl,
Aus den Erzt, aus den Metal.

Wer kann in begruͤnten Auen,
Den ſmaragden Klee beſchauen,
Der mit Blumen untermengt,
Mit dem Silberthau beſprengt,
Und von Sonnenlicht verguͤldet,
Der daran nicht abgebildet
GOttes Wunderguͤt erblikt,
Die das Aug und Herz entzuͤkt?

Wer die Felder uͤberſiehet,
Wo des Hoͤchſten Seegen bluͤhet,
Sieht auch ſeine Guͤte an,
Die uns darauf kund gethan:
Denn die Koͤrnerreichen Aehren,
Sind die Zungen die uns lehren,
Daß GOtt ſei das hoͤchſte Gut,
Welches alhie Wunder thut.

Dieſe ſuͤſſe Warheitslehre,
Die entzuͤkt auch das Gehoͤre
Durch den fortgetriebnen Klang,
Von der Voͤgel Luſtgeſang;
Aus den wollgeſtimmten Kehlen,
Hoͤret man den Ruhm erzaͤhlen
Der der ewgen Guͤt gebuͤhrt,
Der ſie und die Welt formirt.

Hoͤrt die Stimmen wie ſie kraͤuſeln,
Gurgelnd pfeiffen, gluchzend ſaͤuſeln
Durch die duͤnn gewebte Luft!
Hoͤret wie die Lerche ruft,
U 2Mer-
[308]Die von den Sinnen
Merket auf die Nachtigallen!
Mir deucht dies verwirrte Schallen,
Stimme darin uͤberein,
GOtt muͤß ewig guͤtig ſein.

Eine wollgeſtimmte Sehne
Die erfreut uns durchs Gethoͤne,
Wenn ein Klangſpiel wird geruͤhrt;
Wenn man lieblich muſicirt,
Davids Harf und Cymbeln reget,
Zincken blaͤßt und Paucken ſchlaͤget,
Und darzwiſchen durchpoſaunt,
Wird das Herz vor Luſt erſtaunt.

Wenn wir in geſtimmten Choͤren,
Ein ſolch lieblich Singſpiel hoͤren,
So deucht mir der ſuͤſſe Schall,
Gebe dieſen Wiederhall:
GOttes Guͤte iſt zu preiſen,
Die ſo wunderbahre Weiſen
Jn der Thonkunſt aufgebracht,
Die das Herz entzuͤkkend macht.

Himmliſch ſind die Melodeien,
Die durchs Ohr das Herz erfreuen,
Dieſes muß man eingeſtehn:
Wer hat ſolches Kunſtgethoͤn,
Jn die Voͤgel eingeſenket,
Wer hat, wenn man es bedenket,
Unſern Luftkreis ſo formirt,
Der den Schall zum Ohren fuͤhrt?

Wer hat unſers Haupts Gehoͤre,
Dieſe krumgeſchlungne Roͤhre
Jh-
[309]empfundene Guͤte GOttes.
Jhre Theile ſo gelegt;
Daß wenn ſie ein Schall erregt,
Der in unſre Seele dringet,
Sie mit ſuͤſſer Luſt bezwinget;
Jeder hoͤrt die Antwort an,
Das hat GOttes Guͤt gethan.

Auch aus dieſen Brunnen quillet,
Was uns den Geruch erfuͤllet,
Mit der holden Liebligkeit,
Die von Blumen ausgeſtreut.
Dieſer Biſam ſuͤſſer Duͤfte,
Wuͤrzt die holden Fruͤhlingsluͤfte
Die bei einen ſanften Wehn,
Schmeichelnd in die Naſen gehn.

Welch ein geiſtiſch ſuͤſſes Rauchen,
Ziehn wir mit begiergen Hauchen
Wenn wir in den Gaͤrten ſein,
Als den Lebensbalſam ein;
Der denn ins Gehirne flieget,
Wunderbahr die Seel vergnuͤget,
Die ſich innerlich erfreut,
Ueber GOttes Guͤtigkeit.

O! wie kann man durch das Schmekken
Unſers Schoͤpfers Guͤt entdekken,
Die er, wenn mans recht erwegt,
Jn die Speiß, den Trank gelegt:
Welche Arten, welche Fruͤchte,
Welche Wuͤrtze und Gerichte,
Welche Traͤnke, Wein und Bier,
Sezt uns nicht der Schoͤpfer fuͤr?

U 3Luft
[310]Die von den Sinnen
Luft und Waſſer, Erd und Felder,
Gaͤrten, Wieſen, Berg und Waͤlder
Sind von Nahrungs-Mitteln voll.
Fraͤgt man, was ſo vieles ſoll,
Warum GOtt ſo manche Speiſen
Uns gegeben? daß wir preiſen
Seine Guͤt mit Herz und Mund,
Die uns wird in Schmekken kund.

Muͤſten wir nicht gleichfals glauben,
Daß er ſo viel Arten Trauben,
Voll von ſuͤſſen Saft geſchenkt,
Damit er uns labend traͤnkt:
Auf daß dieſer Saft der Reben,
Uns ſoll zu erkennen geben,
Bei erquikkenden Genus,
Seiner Guͤte Ueberflus.

Dieſe koͤnnen wir auch fuͤhlen
Wenn uns laue Luͤfte kuͤhlen,
Die aus Weſten ſich herdrehn,
Und auf uns nur Anmuth wehn.
Wenn ſie uns im Hiz erfriſchen,
Streichelnd uns den Schweis abwiſchen;
Wenn ihr Hauch uns ſchmeichelhaft,
Giebt die friſche Lebenskraft.

Moͤchten wir alſo empfinden,
Geiſt und Sinne ſtets verbinden
Jn dem Reiche der Natur
Beim Genus der Kreatur!
Alsdenn wuͤrde Sehn und Hoͤren
Angewandt zu GOttes Ehren:
Als-
[311]empfundene Guͤte GOttes.
Alsdenn wieſe jeder Blik,
Jeder Schall auf GOtt zuruͤk.

Wuͤrden wir ſo riechen, ſchmekken
Und durch das Gefuͤhl erwekken,
Unſern Geiſt der ſchlummernd lebt,
Nach der Sinnen Wolluſt ſtrebt!
O! ſo wuͤrden durch die Sinnen,
Labſal und Vergnuͤgen rinnen,
Das den Geiſt, wenn ers geneußt,
Recht mit reiner Wolluſt ſpeißt.

Aber ſehn wir wie die Augen
Das Vergnugen in ſich ſaugen;
Wie ſich das Gehoͤr ergoͤzt,
Wie man das, was ſchmekhaft ſchaͤzt;
Wie wir holde Suͤßigkeiten,
Athmend ins Gehirne leiten:
So koͤmt uns der Menſche fuͤr,
Als ein bloſſes ſinnlich Thier.

Was mit Schoͤnheits Glanz gezieret,
Unſrer Augen Spiegel ruͤhret,
Wird mit Luſt zwar angeſehn,
Alsdenn heiſt es: das iſt ſchoͤn.
Solte man des Geiſtes Denken,
Nicht dabei zum Schoͤpfer lenken,
Der als HErr der Herrligkeit,
Solchen Glanz hat ausgeſtreut?

Was uns lieblich reizend klinget,
Suͤſſe ins Gehoͤre dringet,
Unſre Leidenſchaft erregt;
Was das Hertz zur Luſt bewegt,
U 4Jn
[312]Die von den Sinnen empfundene Guͤte GOttes.
Jn ein Freudenfeur entbrennet,
Das wird Anmuthsvoll genennet:
An den Urſprung denkt man nicht,
Welches doch des Geiſtes Pflicht.

Ach! wie manche ſuͤſſe Gaben,
Werden in den Bauch vergraben
Die den Gaumen wollgeſchmekt,
Von der Zunge aufgelekt:
Doch wie viele ſind hingegen,
Die die Schuldigkeit erwegen.
Daß der Menſchen Pflicht hiebei,
Schmekken daß GOtt freundlich ſei?

Doch die dieſes unterlaſſen,
Gaben lieben, Geber haſſen
Sind der Gaben nimmer wehrt,
Die der Hoͤchſte uns beſchert;
Weil das Sehn, Hoͤrn, Schmekken, Fuͤhlen,
Mit dem Riechen dahin zielen,
Daß wir GOtt im Geiſt erhoͤhn,
Den wir im Geſchoͤpfen ſehn.


Der
[313]

Der Sieg der Glaͤubigen uͤber
die Welt und ſich ſelbſt in den
Exempel Abrahams.


Das hoͤchſte Weſen will, daß wir ohn

Eigenwillen,

Den Rathſchlus ſeiner Macht ge-

horſamlich erfuͤllen;

Weil er der Schoͤpfer iſt; ſo ſind

wir unterthan,

Der das von uns verlangt, was jeder ſoll und kann.

Wer ſich aus Eigenſin, dem Hoͤchſten wiederſezzet

Mit Frevelhaften Sinn die Heiligkeit verlezzet

Die ſeiner Majeſtaͤt von aller Welt gebuͤhrt,

Der ehret keinen GOtt, der unumſchraͤnkt regiert.

Nachdem der Menſch verkehrt, pflegt er ſich ſelbſt

zum Goͤzzen

Aus blinden Hochmuths-Trieb dem Hoͤchſten vor-

zuſezzen.

Wenn uns die weiſe Guͤt zu unſern Beſten lehrt,

So wird der Eigenſinn dagegen gleich empoͤrt:

Der Menſch will ſich allein, nach ſeiner Luſt re-

gieren,

Und das heiſt ſchon ſo viel: Er will ſich ſelbſt ver-

fuͤhren.

Nachdem der reine Sinn von Satans Gift erfuͤllt

Und aufgeblaſen iſt, iſt dieſes Goͤzzenbild

U 5Jn
[314]Der Sieg der Glaͤubigen.
Jn unſre Bruſt verſtekt; die blinde Eigenliebe,

Wie unſer Abgott heiſt, regieret unſre Triebe,

Die Diener die ſie braucht bei ihren Regiment,

Dadurch ſie uns von GOtt als unſern Schoͤpfer

trennt,

Sind unſre Sinnen ſelbſt; die Dinge dieſer Erden,

Die ſtreben beiderſeits, damit wir Sclaven werden.

So leget ſich der Menſch in Knechtſchafts-Feſſeln ein

Jndem er aͤngſtlich ſucht ein freier Herr zu ſein;

Jndem er ſich erhebt zum Ebenbild der Goͤtter,

Wird er aus Unverſtand der wahren GOttheit

Spoͤtter.

Je hoͤher man den Thron der Eigenliebe baut,

Sich durchs Vergroͤßrungs-Glas des Selbſtbetrugs

beſchaut;

Je niedriger wird man, in GOttes reinen Augen:

Vor dem wir allzumahl Nichts ſind und auch Nichts

taugen.

So lang man in ſich ſelbſt die Quell des Guten ſucht,

Und in der eitlen Welt; ſo lang iſt man verflucht,

Wie jener Feigenbaum, woran zwar Blaͤtter prangen,

Ein aͤuſerlicher Schein doch keine Fruͤchte hangen.

Drum iſt dies Eins erſt Noth, nach aller Weiſen

Rath:

Wer durch die Eigenlieb ſich ſelbſt betrogen hat,

Der lerne erſt ſein Nichts in Demut recht erkennen;

So wird man nimmermehr ſich ſo vergoͤttern koͤn-

nen,

Als leider Menſchen thun: Man beuge ſeinen Sin,

Durch GOttes Gnadenkraft; ſo faͤllt der Dagon

hin,

Der leider! unſer Herz zum Heiligthum bewohnet,

Wenn man in Knechtſchaftsſtand dem Suͤndendienſt

gefrohnet;

So
[315]Der Sieg der Glaͤubigen.
So giebt die Kreuzigung des Fleiſches an die Hand

Das Mittel, dadurch man den Eigenſinn ver-

bannt

Und endlich unterdruͤkt: dann folgt die Uebergabe,

An unſern wahren Herrn mit allen unſern Haabe

Mit Seel und Leib und Gut, was wir von ihm

erlangt,

Darauf wir ſonſt getrozt, damit wir ſonſt geprangt.

Des Glaubens Kraft ſtaͤrkt die, die bei dem Ueber-

winden

Des Fleiſches und der Welt den ſchweren Kampf-

platz ſinden.

Der fromme Abraham, der auf der Kreuzes Bahn,

Von ſeinen GOtt gefuͤhrt, von Ur nach Canaan,

Kann hier ein Beiſpiel ſein, wie man mit ſich muß

kriegen,

Wenn man im Glauben will ſich und die Welt be-

ſiegen.

Der HErr gab ihn Befehl: Geh aus den Va-

terland,

Und folge ungeſaͤumt die Leitung meiner
Hand,

Die dir zu deiner Ruh den Wohnplatz da
bereitet,

Wohin des Himmels Wink, dich weislich
fuͤhrt und leitet.

Wie hart iſt der Befehl, dem weichen Fleiſch und Blut,

Das vor den Kummer bang, das klagt und uͤbel thut,

Wenn es dasjenige, was es geliebt muß haſſen,

Was ihm vorher vergnuͤgt, muß willig fahren laſſen!

O! welch ein harter Kampf! von ſeiner Freund-

ſchaft ziehn

Die Lieb und Treu verknuͤpft, das heiſt, ſich ſelbſt

entfliehn;

Jn
[316]Der Sieg der Glaͤubig[e]n.
Jn andre Laͤnder gehn, ein Fremdling da zu werden,

Das iſt ein ofner Weg, zu mancherlei Beſchwer-

den.

Der fromme GOttesmann, ward hin und her ge-

lenkt,

Wie eine Waageſchal, die auf und nieder ſchwenkt,

Und keinen Ausſchlag giebt, die hin und her gezo-

gen,

So lang die eine nicht, die andre uͤberwogen:

Es lenkte der Befehl des Hoͤchſten ſeinen Sin,

Der Glaube ſtellt ihm vor, den herrligſten Gewinn

Die Zweiffel der Natur, die ſezten ſich dargegen

Und ſuchten ſeinen Grund mit Macht zu wiederle-

gen.

Des Glaubens feſte Kraft die ſiegte endlich doch,

Und zwang den ſcheuchen Sinn in des Gehorſams

Joch,

Er folgete den Wink auf GOttes Treu gegruͤndet,

Er brach das Band entzwei womit die Welt uns

bindet.

Standhafter Abraham, du groſſer Glaubensheld!

Wer dein Exempel ſich zum Muſter vorgeſtellt;

Der ſpuͤrt des Himmels Huld, der lernt ſich ſelbſt

bekriegen,

Den allergroͤßten Feind, der in uns iſt, beſiegen.

So ging der GOttesmann von ſeiner Freundſchaft

aus,

So lies er hinter ſich, ſein vaͤterliches Haus,

Er reiſete getroſt, der Vorſicht treu Geleite,

Ward auf der Pilgrimſchaft, ihm allemahl zur Seite.

Der HErr der Sonn und Schild, der dekket und

beſchirmmt,

Wenn auf die Seinen wo, ein Ungluͤcks Wetter

ſtuͤrmmt,

War
[317]Der Sieg der Glaͤubi[g]en.
War ſeines Lieblings Schuz, ein Beiſtand im Ge-

fahren,

Er ließ ihn wunderbahr, durchs Engel-Heer be-

wahren.

Wie, wenn ein Wandersmann, durch rauhe Wege

geht,

Der Himmel truͤbe iſt, der Nordwind brauſend

weht,

Und Sturm und Regen bringt; ſo wird er ſehr ge-

druͤkket,

Hingegen wiederum, durch warmen Schein erquik-

ket,

Wenn ſich der Sonnenglanz, wenn ſich ein ſanfter

Weſt,

Dem muͤden Pilgrim ſehn, vergnuͤgt empfinden laͤſt:

So ging es Abraham, der nach den Leidens-Stun-

den,

Daß GOtt ſein Schild und Lohn, gewuͤnſcht, ge-

hoft, gefunden.

Der Herr der wieß ihn oft, daß er allmaͤchtig ſei,

Das er ein GOtt voll Guͤt, voll Weisheit, War-

heit, Treu;

Daß er dieſelbigen bekroͤn mit Luſt und Seegen,

Die in Gehorſam ſich, in ſeine Armen legen.

Er ſah die Wunderguͤt, des Glaubens Gnadenlohn,

Jn ſeinen Jſaac, in dem verheißnen Sohn;

Er ſahe dran beſtaͤrkt, wie auf den Kreuzes Pfade,

Die rechte Laufbahn ſei, zur Himmels Huld und

Gnade;

Er ſah im Glauben dran, den Grund der Seeligkeit,

Das frohe Morgenroth der hellen Gnadenzeit:

Und dieſes lehrte ihm, wie aus des Himmels Fuͤgen,

Wenns gleich uns harte ſcheint, erwachſe das Ver-

gnuͤgen.

Je-
[318]Der Sieg der Glaͤubigen.
Jedoch die Welt bleibt Welt, und nur die E-

wigkeit,

Bringt uns zum wahren Ziel der Vollkommenheit

Hie ſieht ein Glaͤubiger, wenn er kaum uͤberwun-

den,

Und Sonnentage zaͤhlt, bald wieder Trauerſtunden.

Ein Kampf iſt kaum vorbei, ſo iſt der andre nah,

Wenn hier die Schranken zu, ſo ſind ſie offen da

Und fordern wiederum, daß wir durch ſtetes Rin-

gen,

Jm Glauben und Gedult, es immer hoͤher bringen.

Dies zeigt auch Abraham in ſeinen Lebenslauf,

Die Weisheit gab ihm ſtets noch groͤßre Proben auf

Den ihr ergebner Sinn noch immer mehr zu laͤutern,

Des Glaubens Helden-Muth durch Kaͤmpfen zu

erweitern.

Sie gab ihm den Befehl: Der, der dein Erbe iſt,

Der Jſaac der dir des Alters Weh verſuͤßt,

Die Stuͤzze worauf du des Stammes Hof-

nung gruͤndeſt,

Der Sara einzig Kind, dran du dein Bild-
nis findeſt,

Der ſoll mein Opfer ſein; auf, auf und ge-
he hin

Und ſchlachte mir ihm da, mit GOtt ergeb-
nen Sin,

Wo ich es haben will: wenn du mich GOtt
wilſt nennen,

So ſolt du deinen Sohn zum Opfer mir
verbrennen.

Ach! welch ein Donnerwort! das eines Vaters

Herz,

Gleich einen Keil durchfaͤhrt, entflammt mit heiſ-

ſen Schmerz

So
[319]Der Sieg der Glaͤubigen.
So bald es dieſes hoͤrt. Es reget ſich die Liebe

Die die Natur gepflanzt, durch die verborgne Triebe,

Wenn man dasjenige, was man geſchaͤzt verliert;

So gros die Freude iſt, die im Genus verſpuͤrt:

So gros iſt auch der Schmerz, das Leiden truͤber

Seelen

Die ſich ob den Verluſt geſchaͤtzter Guͤter quaͤlen

Das Herz des Abrahams war nicht von Stahl und

Stein,

Es war ein fleiſchern Herz, wie alle Herzen ſein,

Wenn man dies nur bedenkt, der Liebe Zug erweget,

Der ihm von der Natur, als Vater eingepraͤget,

So war ihm der Befehl ein rechter Donnerſchlag,

Der ihm das Herz durchbohrt, und ſeinen Muth

zerbrach.

Er liebte Jſaac als ſeinen Leibes Erben,

Sein eignes Fleiſch und Blut, das ſolte durch ihn

ſterben.

Das war ein harter Schlus, jedoch er kam von

GOtt

Dem allerhoͤchſten Herrn, den Koͤnig Zebaoth

Der aller Vater iſt, der wenn er uns betruͤbet,

Und uns verwundend ſchlaͤgt, am allermeiſten liebet.

Sah er mit Zaͤrtligkeit den Sohn der Hofnung an;

So wallete das Blut, darinn die Liebe rann:

Wenn er des Geiſtes Aug auf GOtt den Schoͤpfer

lenkte

Daran ſein ganzes Herz in treuer Liebe haͤngte;

So war das hoͤchſte Gut, das was ihm nur ver-

gnuͤgt:

Der Glaube zeigt ihm das; und dadurch ward be-

ſiegt

Die Reizung der Natur. Der Kampf der ward vol-

lendet,

Er
[320]Der Sieg der Glaͤubigen.
Er ſchenkte GOtt ſein Kind, dem er ſich ſelbſt ver-

verpfaͤndet.

Der Schlus ward feſt geſezt: GOtt iſt mein hoͤch-

ſtes Gut

Das iſt mehr Liebe werth, als dies mein Fleiſch und

Blut,

Er band den Jſaac, des Allerhoͤchſten Willen,

Mit glaͤubiger Gedult in allen zu erfuͤllen.

O! Menſchen ſehet hier in dem Exempel an,

Was eine ſtarke Kraft des Helden-Glaubens kann:

Lernt hier an Abraham, wie man mit ſich muß

kaͤmpfen

Die Triebe der Natur; obs gleich ſehr hart ſcheint,

daͤmpfen.

Die Liebe iſt ein Feur das alles uͤbertrift;

Wer GOtt von Herzen liebt, der leiſtet was die

Schrift

Als GOttes Wort befiehlt; empoͤret ſich dagegen

Der Eigenliebe Macht, der Neigung ſtarkes Re-

gen:

Des Glaubens groſſe Kraft beſiegt doch Fleiſch und

Welt:

Wer durch dies Mittel ſiegt, der iſt ein wahrer

Held.

Wer uͤber andre herrſcht, den Luͤſten unterlieget,

Der andre leiten will, und ſich doch ſelbſt betrieget,

Der ſcheinet zwar ſehr gros, der ganzen Welt zu

ſein,

Und iſt doch in der That in GOttes Augen klein;

Wer kluͤglich handeln will, und denkt ſich zu ver-

groͤſſern,

Der muß ſein boͤſes Herz vor allen Dingen beſſern.

Wer das gewinnen will, was uns die Ewigkeit,

Als einen Siegeslohn der Herrligkeit anbeut;

Der
[321]Der Sieg der Glaͤubigen.
Der nehme dies in acht: Lern dein Verderben

kennen,

Und ſuche ſtets dein Herz, von dieſer Welt
zu trennen,

Geh von dir ſelbſten aus, und leiſte deine
Pflicht

Jn wahrer Glaubenskraft; ſo wie der Hoͤch-
ſte ſpricht:

So muß dein Eigenſinn, beſieget unterlie-
gen,

Und wenn dies erſt geſchieht; ſo kanſt du
herrlich ſiegen.

Sieh auf des Heilands Kreuz, druͤk es dir
glaͤubig ein,

Durch deſſen Kraft kanſt du dein Ueberwin-
der ſein.


Dankgebet am Reuen Jahr.


Nun GOtt! wir preiſen dich von neuen,
Jn dieſen angefangnen Jahr,
Gieß heute wieder dein Gedeien,
Mit Seegen uͤber deine Schaar,
Breit aus das Evangelium,
Jn aller Chriſten Heiligthum.

Du haſt viel Uebel abgewendet,
Jn der verflosnen Lebens Zeit,
Nim hin das Hertz das ſich verpfaͤndet
Zum Zeugnis unſrer Dankbarkeit,
Erſter Theil. XDas
[322]Der Sternen Himmel
Das Herz das ſich zum Opfer beut,
Und mit dir ſeinen Bund verneut.

O! JEſu unſre Bundeslade,
Sei unſrer Kirche Sonn und Schild,
Und laß uns ſehen deine Gnade,
Die fuͤr uns hat den Fluch geſtillt;
Breit deine Fluͤgel auf uns aus,
Bewahre Land, Stadt, Dorff und Haus.

Wir wollen uns Dir ganz ergeben,
Zu deinem Volk und Eigenthum,
Und Dir verneuet, heilig leben,
Bis daß wir einſt zu deinen Ruhm,
Jn aller Auserwaͤhlten Schaar,
Dort feirn ein ewig Jubel Jahr.


Der Sternen Himmel
zur Verrherrlichung des Schoͤpfers

erwogen.


Ein Blik in jene blaue Ferne,
Worin ſich Witz und Sinn verſenkt,
Entdekt ein Heer der guͤldnen Sterne,
Das ſich nach weiſer Ordnung lenkt.
O! welch ein Glanz beſtrahlter Bogen,
Von Licht und Schatten uͤberzogen,
Der
[323]zur Verherrligung des Schoͤpfers.
Der ſeinen Schimmer auf uns ſtreut;
Was faͤllt uns dadurch ins Geſichte?
Mir deucht, ich ſeh dich GOtt im Lichte,
Darob ſich Sinn und Geiſt erfreut.

Der Kreis der ausgeſpannten Luͤfte,
Der unbegreiflich uͤbermahlt,
Der Raum gewebter Wolken-Duͤfte,
Wo Licht durch Dunkelheiten ſtrahlt,
Umfaßt in ſeinen weiten Grenzen,
Ein Bild des majeſtaͤtſchen Glaͤnzen,
Das hie kein ſterblich Auge fuͤllt,
Das hie in einen Wolken-Kleide,
Sich bald entdekt zur Augenweide,
Bald aber wiederum verhuͤllt.

Wer mißt den Raum der Sternenbuͤhnen,
Der alle Zahlen uͤberſteigt?
Und dies kan zum Beweisthum dienen,
Daß GOtt uns dadurch angezeigt:
Wie er als Schoͤpfer keine Schranken,
Und daß die Rechnung der Gedanken,
Wenn ſie auch noch ſo groß, zu klein;
Wer GOttes Groͤſſe will ermeſſen,
Der muß aus Unverſtand vergeſſen,
Wie breit der Sternen Himmel ſein.

Bewundrer! nehmt ein Theil der Veſten
Seht deſſen Laͤng und Breite an,
Berechnet nur von Suͤd und Weſten
Wie groß iſt dieſe Himmelsbahn?
Wolt ihr nach den beſtimmten Meilen,
Den ungeheuren Raum abtheilen,
X 2Es
[324]Der Sternen Himmel
Er iſt zu lang, er iſt zu breit,
Fuͤr alle Groͤſſen alle Zahlen:
Das muß euch fuͤr die Augen mahlen
Ein Bild von GOtts Unendligkeit.

Es ſchwindelt aller Menſchen Denken,
Das ſich aus eitlen Vorwiz wagt,
Sich in dem Abgrund zu verſenken,
Und nach deſſelben Hoͤhen fragt;
Wenn die geſchaͤrfteſten Geſichter,
Zu jenen Kreis der Sternenlichter,
Durch die Vergroͤßrungs-Glaͤſer ſehn,
So ſchaun ſie mit erſtaunten Sinnen:
An dem beſtirnten Himmels Zinnen,
Jm Schattenbild, des Hoͤchſten Hoͤhn.

Wer zaͤhlt der Sternen groſſe Menge,
Die an dem Himmel ausgeſaͤt,
Da eins im ſchimmernden Gepraͤnge,
Gar nahe bei dem andern ſteht?
Welch eine Zahl, wird uns entdekket!
Wie viele ſind nun noch verſtekket
Jn jener Tieffen dunklen Grund?
Die ſich dem forſchenden Bemuͤhen,
Der Sternenkundiger entziehen,
Den viele, noch nicht alle kund.

Welch eine Rechnung wird entſtehen,
Wenn wir den ganzen Sternenkreis,
Jn ſeinen Umfang uͤberſehen,
Den kein Menſch zu begreiffen weis?
Wir ſehen an den weiten Himmel,
Ein haͤufig blizzendes Gewimmel,
Da
[325]zur Verherrligung des Schoͤpfers.
Da Stern auf Stern, da Strahl auf Strahl
Dem Augenſchein nach, in den Kreiſen,
Sich uns, wie guͤldne Saaten weiſen,
O! welche ungeheure Zahl!

Ein Stern der faßt mit ſeinen Flammen,
Oft viele tauſend Meilen ein,
Bringt man die Zahl von zehn zuſammen,
Wie gros wird nicht die Rechnung ſein:
Nun haͤuffe ſo viel Millionen
Die wir als guͤldne Himmels Kronen,
Am blauen Firmamente ſehn.
Da ein Geſtirn ſo weit ſich ſtrekket,
Den Raum von ſolcher Breite dekket,
Was vor ein Umfang wird entſtehn?

O! unermeßlich groſſes Weſen,
So kann man deine Majeſtaͤt,
Die groͤſſer, als der Himmel leſen,
An dem, was ſich im Sternkreis dreht.
Ach armer Wiz der bloͤden Seelen,
Wer kan des Hoͤchſten Groͤß erzaͤhlen?
Die ihr dies wollt, ihr ſeid zu dreiſt,
Bedenkt, ihr koͤnt ja an den Sternen
Die keiner zaͤhlen kann, erlernen,
Daß GOttes Groͤß unendlich heiſt.

O! welch ein Blik, wenn wir erwegen,
Der Jrrgeſtirne flammend Heer,
Daß ſich in abgemeßnen Regen
Beſtaͤndig welzt ums Sonnen-Meer.
O! welche Weisheit, welche Staͤrke,
Regiert und haͤlt die Feuerwerke,
X 3Die
[326]Der Sternen Himmel
Die unaufhoͤrlich Flammen ſpein:
Man ſiehet der Planeten Ballen,
Sich welzen und doch nimmer fallen,
Wie ſtark muß ihr Erhalter ſein?

Schwingt euch auf Fluͤgeln der Gedanken,
Noch uͤber die Planeten Welt,
Beſeht die ausgedehnten Schranken
Des Raums, was der vor Sterne haͤlt;
Beherrſcht des Poͤbels albern Meinen:
So werden euch da Sonnen ſcheinen,
Wo ihr anjezt nur Sternchen ſeht;
So dienen euch die Feuer-Meere,
Zum Zeugnis, daß des Hoͤchſten Ehre
Von tauſend Welten wird erhoͤht.

Was vor ein glaͤnzend herrlich prangen,
Entdekt das Aug in dem Revier,
Wo ſo viel Sonnenkoͤrper hangen,
Jn mehr als guͤldner Pracht und Zier:
Der Wiz erſtarrt von Glanz betaͤubet,
Der Geiſt der mit Bewundrung glaͤubet
Wird dadurch unvermerkt entzuͤkt,
Jhm deucht, daß er in dieſem Lichte,
Des hoͤchſten Weſens Angeſichte,
Jn majeſtaͤtſcher Pracht erblikt.

Wer weiß was in den weiten Grenzen,
Des Oberreiches der Natur
Verborgen, da viel Sonnen glaͤnzen,
Von unterſchiedner Groͤß, Figur;
Vielleicht wird da zu GOttes Ehren,
Wie viele Weiſen glaublich lehren,
Auch
[327]zur Verherrligung des Schoͤpfers.
Auch manches Land und Stadt geſchaut,
Wo viele Sternen-Buͤrger leben,
Die ſo wie wir den Ruhm erheben,
Des HErrn, der alles auferbaut.

Und zaͤhlt man dies zu weiſen Traͤumen,
Die nur der bloſſe Wiz erdacht;
So muß man ihnen doch einraͤumen,
Daß unſers Schoͤpfers weiſe Macht,
Den Sternenkreis ſo aufgefuͤhret,
So wundernswuͤrdig ausgezieret,
Daß er die Unterwelt erfreut:
Und daß ſo oft wir dahin blikken,
Sie uns in das Gemuͤte druͤkken:
Sehr Menſchen GOttes Herrlichkeit.


Chriſtus alles in allen, der Kern
und Stern der heiligen Schrift.


Der Menſchen Wiz ſchweift aus den

Schranken,

Und daher kommt es daß ſie wan-

ken

Jn Sachen ihrer Seeligkeit:

Woher entſteht ſo vieler Streit,

Jn Dingen die wir glaͤuben ſollen?

Daher, weil wirs begreiffen wol-

len.

Wir haben GOttes Wort die Schrift,

Worin man nichts, als wahr antrift.

X 4Sie
[328]Chriſtus alles in allen,
Sie iſt ein Licht, das klaͤrlich zeiget,

Das, was uns die Vernunft verſchweiget:

Wer dieſes ſich zum Grunde ſezt,

Der bleibt im Glauben unverlezt.

Wie viele ſind, die dies Buch kennen,

Es GOttes Wort und Lehre nennen,

Die doch im Glauben ungewis;

Wo her kommt dieſe Finſternis?

Bei denen, die vom Glauben prahlen?

Daher ſie lieben nur die Schalen.

Wer nicht den Kern der Bibel ſucht,

Der findet darin wenig Frucht:

Wer aber darnach emßig ſchmachtet,

Der Bibel wahren Zwek betrachtet,

Der ſucht in einen jeden Buch

Den Heiland, das iſt ihm genug:

Der iſt der Kern, wer dieſes glaͤubet,

Und bei dem klaren Worte bleibet,

Der ſagt: Die Bibel ſoll allein,

Mein Leitſtern zu dem Heiland ſein,

Den will ich ſuchen, kennen, ehren,

Jn ſeinen Wort ſind Warheitslehren,

Die nehm ich zum Wegweiſer an,

Den folg ich auf der Lebensbahn:

So kann mich nicht der Wiz verderben,

Drauf leb ich, darauf will ich ſterben,

Kommt denn, das Ende meiner Zeit,

So folgt die frohe Ewigkeit.


Wie
[329]

Wie ſich die Menſchen gemei-
niglich den Himmel vorſtellen?


Der ſeelgen Geiſter ewge Welt, der Glaͤu-

bigen gelobtes Land,

Jſt denen Wandrern dieſer Zeit nicht

vollenkommen hier bekannt;

Es iſt uns nur in Schattenbildern, des Himmels

Luſtrevier gemahlet,

Gleich wie ein Licht das nur durch Wolken, mit ſei-

nen ſchoͤnen Schimmer ſtrahlet.

Kein Sterblicher hat dieſe Stadt der kuͤnftgen

Seeligkeit geſehn,

Drum koͤnnen wir die Himmels-Luſt und ihre Freu-

de nicht verſtehn.

Der Offenbahrung heilge Lehren, die unter ſchoͤnen

Reizungs-Bildern,

Die Pracht der Geiſter-Welt beſchrieben, derſel-

ben Herrlichkeit abſchildern,

Die haben unſrer Schwachheit nur, dasjenige hier

kund gethan,

Was unſrer eingeſchraͤnkter Geiſt, der ſinnlich den-

ket, faſſen kann.

Und dieſes iſt genug zum Glauben, bis einſt der

Vorhang wird zerriſſen,

Bis wir das Heiligſte ſelbſt ſchauen, da wir denn

vollenkommen wiſſen,

Worin der Frommen Seeligkeit die uͤberſchwenglich

iſt, beſteht.

Jedoch der Menſchen Wisbegier, die in dem For-

ſchen weiter geht,

X 5Als
[330]Wie ſich die Menſchen
Als unſere Begriffe ſteigen, die hat das ſchon ent-

dekken wollen,

Wornach wir Buͤrger dieſer Erden, im Glauben

eifrig trachten ſollen.

Wir tadlen nicht die ſeelge Muͤh, wenn man nach

dieſer Gegend blikt,

Des Himmels reine Luſt erwegt, durch Canans

Trauben ſich erquikt,

So lang man in der Wuͤſte wallet: wenn wir von

Himmliſchen Gefilden,

Nur nicht, was unſre Neigung wollen, ſo ſinnli-

che Begriffe bilden.

Und dies geſchieht gemeiniglich, was unſre Haupt-

begierde ſucht,

Das iſt nach unſrer Einbildung, des Paradieſes

ſuͤſſe Frucht

Die jene Seeligen genieſſen, wenn ſie als Pilgrim

dieſer Erden,

Von dieſen Schauplatz abgetreten, und dorten Him-

mels Buͤrger werden.

Der Menſch, der eitle Wolluſt liebt, und gerne Suͤſ-

ſigkeiten lekt,

Der ſein Vergnuͤgen alda ſieht, wo man zum Gaſt-

mahl Taffeln dekt,

Dem duͤnkt das himmliſche Ergoͤzzen, beſtuͤnde nur

in ſolchen Laben,

Wenn wir in ſteten Ueberfluſſe, die ſchoͤnſten Speiß

und Traͤnke haben.

Ein andrer der Geſellſchaft liebt, ein lieblich klin-

gendes Gethoͤn,

Wornach ein luſtger Reihen ſpringt, der glaubt im

Himmel nichts zu ſehn

Als ſolche frohe Luſtgelage, als ſolch beſtaͤndig Spiel

und Klingen,

Wor-
[331]gemeiniglich den Himmel vorſtellen.
Wornach der Seelgen groſſe Choͤre, im Himmels

Saale jauchzend ſpringen.

So bildet ſich auch woll ein Chriſt, der eitle Wol-

luſt ſuchet, ein

Der Himmel muͤſt ein Paradies, ſo wie die Tuͤr-

ken glauben, ſein,

Wo lauter ſinnliche Vergnuͤgen; wo lauter ſuͤſſe

Fruͤchte ſprieſſen,

Wo lauter ſuͤſſe Stroͤme rinnen, die jene Seeli-

gen genieſſen.

Wer Fleiſches Wolluſt haßt und flieth, hingegen

uͤber alles liebt,

Was ſeinen Geiſt bei ſtiller Ruh, in Denken und Be-

trachten uͤbt,

Der glaͤubt gar leichte das der Himmel, die See-

ligkeit darin beſtuͤnde,

Daß jeder durch ein tieffes Denken ſtets neue War-

heiten erfuͤnde.

Wer ſtets bei ſeinen Zirkel ſizt, der Erden groſſe

Kugel mißt,

Der Laͤnder Laͤng und Breite zaͤhlt; wer gerne Neu-

igkeiten ließt,

Und darin ſein Ergoͤzzen findet, der denkt, als wenn

die ſeelgen Geiſter

Zu ihrer Luſt den Himmel meſſen; als wenn ſie

ewge Rechenmeiſter;

Der glaͤubt, als wenn in jener Welt, in jener

Seelgen frohen Choͤrn,

Jn engliſcher Geſellſchaft ſtets viel Neuigkeiten an-

zuhoͤrn.

Wer aber nur die Weltgeſchichte, die Alterthuͤmer

ſich erwaͤhlet,

Der glaͤubt, daß man in jenen Leben, den See-

ligen zur Luſt erzaͤhlet,

Was
[332]Wie ſich die Menſchen
Was in der Vorderwelt geſchehn; wie Noaͤ Kaſten

ſei gemacht,

Wie hoch man Babels Thurm im Bau, eh die

Verwirrung kam, gebracht,

Und andere dergleichen Dinge, die bloſſe Huͤlſen,

leere Grillen,

Die dennoch der wisbegierigen recht ſchmachtendes

Gemuͤte ſtillen.

Die von dem Hochmuth aufgeblaͤht, und von dem

Ehrgeiz aufgeſchwellt,

Die ſtellen ſich die Rangordnung ſo vor in jener

Geiſter-Welt,

Als ſie auf dieſer Welt geweſen; da wuͤnſcht ein ſol-

cher nichts als Kronen

Und eine hocherhabne Stuffe, auf denen ſeelgen

Ehrenthronen:

Und was er wuͤnſcht, das glaͤubt er leicht, drum

ſtellt er ſich der Seelgen Chor,

Als einen Staat der Erdenwelt, mit den Regie-

rungsformen vor;

Er denket jene Luſt und Wonne, die er im Himmel

wuͤrde ſpuͤren,

Die haͤtt er an den Unterthanen, die er daſelbſten

zu regieren.

Er macht von ſich das Bildnis ſo, wie ers an den

Regenten ſieht

Der durch des Purpurs hellen Glanz, viel tauſend

Augen an ſich zieht;

Der glaubt er wuͤrd in ſolchen Kleidern, wie Koͤ-

nige der Erden prangen,

Die mit der Perlen Schmuk geſtikket, woran viel

Edelſteine hangen.

Die guͤldne Krone ſeines Haupts, die er nach ſei-

ner Meinung ſchaͤzt,

Die
[333]gemeiniglich den Himmel vorſtellen.
Die iſt mit Sapphir und Rubin, mit Diamanten

ausgeſezt;

Die Einbildung macht ihm entzuͤkket, ob ſeines Zep-

ters guͤldne Spizze,

Er freut ſich ob den Seeligkeiten, und ſeines Thro-

nes hohen Sizze,

Die ihm die Ewigkeit gewehrt: Er wuͤnſcht im Him-

mel auch nichts mehr

Als dieſe Koͤnigliche Pracht, als der Regenten Glanz

und Ehr,

Wo ihm die ſeelgen Unterthanen, und die erhabnen

Seraphinen,

Nach ſeinen Wink gebuͤkt gehorchen, in tiefſter Ehr-

furcht ewig dienen.

Derjenige der Schaͤzze liebt, und nach der Zeiten

Reichthum ſtrebt,

Der ſuchet in der Ewigkeit, wenn er da als ein

Buͤrger lebt,

Bei den Beſiz der Koſtbarkeiten, der irdiſchen Be-

gierden Freude,

Und glaubt, daß dies in jener Wohnung, der Seel-

gen Luſt und Augenweide.

So iſt gemeiniglich die Luſt, wie man im wahren

Sprichwort ſagt

Des Menſchen einzig Himmelreich, das ihn mit lee-

ren Traum behagt:

Was einer hie im Wunſch verlanget, das glaubt

er dort im Salems Auen,

Jn jenen ſeelgen Luſtgefilden in voͤlligen Genus zu

ſchauen.

Da doch der vollenkomne Stand der Freudenvollen

Ewigkeit,

Ganz andere Vergnuͤgen hegt, als dieſe Unvollkom-

menheit,

Wo
[334]Die mannigfaltige Weisheit GOttes
Wo wir von Fleiſch und Blut betaͤubet, ein ſinn-

liches Ergoͤzzen ſuchen,

Das die vollendeten Gerechten, als eine eitle Luſt

verfluchen.

Jhr die ihr euch der Sinnligkeit im Jrrdiſchen er-

geben habt,

Und an den Trebern dieſer Welt, den fleiſchlichen

Geſchmak noch labt!

Lernt die Ergoͤzzung jenes Himmels, beſtehe nicht in

ſolchen Dingen,

Die uns noch irdiſches Vergnuͤgen in den verklaͤrten

Stande bringen.

Der Seeligen verklaͤrte Schaar vom Glanz der E-

wigkeit erhellt,

Vergnuͤgt ſich an dem hoͤchſten Gut, daß ſich ihr

zum Genus darſtellt;

Der GOttheit aufgeſchloßne Tieffen entdekken lau-

ter Seeligkeiten

Woraus die vollenkomnen Geiſter, ihr himmliſches

Vergnuͤgen leiten.

Das was ſie hier in Dunkelheit, bewundernd ja

entzuͤkt geſehn,

Das wird dort im verklaͤrten Licht, ohn Wolken

vor den Augen ſtehn.

Die ewigen Vollkommenheiten ſind ewige Vergnuͤ-

gungs Quellen,

Woraus zur Seelgen wahren Freude, die ewgen

Labſals Stroͤme ſchwellen,

Von aller Leidenſchaft befreit, die uns mit bangen

Kummer quaͤlt

Wird dieſer Vorwurf ihrer Luſt zum ewgen Gegen-

ſtand erwaͤhlt.

Da ſehen ſie das GOtt die Liebe, da ſchmekken ſie

das im Genieſſen,

Das
[335]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Das ſie von Glauben uͤberzeuget, im Vorſchmak

nur bewundern muͤſſen.

Da iſt der Abgrund aufgedekt, woraus der tief ver-

ſchlungne Blik,

Von GOttes weiſer Macht umſtrahlt, des Geiſtes

Wonne bringt zuruͤk;

Da ſiehet das verklaͤrte Auge, wie in der Vorſicht

dunklen Gaͤngen,

Die Wege, die uns ſonſt verwirret, recht herrlich

aneinander haͤngen;

Da wird den ſeelgen Geiſtern kund, wie weislich

unſer GOtt regiert,

Der ſie durch manchen Kreuzes Gang, im Reiche ſeiner

Macht gefuͤhrt.

Da ſchauen ſie im lichten Glanze, wie weit die All-

macht ſich erſtrekket,

Die uns der Vorhang duͤſtrer Wolken auf dieſer Un-

terwelt verdekket.

Da werden ſie entzuͤkt gewahr, warum das alles

ſei geſchehn,

Was wir in dem Erloͤſungswerk, im Reich der Gna-

den nicht verſtehn.

Und dies Erkenntnis iſt die Quelle, woraus der

Seelgen Luſt entſpringet

Die den vollendeten Gerechten vollkomnere Vergnuͤ-

gen bringet,

Als uns die ganze Welt anbeut. Wie, wendet ihr

dagegen ein,

Des ewgen Paradieſes Luſt, die muͤſte fuͤr euch an-

ders ſein

Daran koͤnt ihr euch nicht vergnuͤgen? ſo gebet ihr

ja zu erkennen,

Daß die verwoͤhneten Begierden, die irdiſch, nach

dem irrdſchen rennen.

Ver-
[336]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Verbeſſert nur erſt den Geſchmak, ſtrebt nach der

reinen Suͤßigkeit,

Die in dem Worte GOttes liegt, das dem begier-

gen Geiſt erfreut;

Seid nur recht himmliſch erſt geſinnet: ſo werden

dieſe Himmelsgaben,

Die Guͤter die annoch verborgen euch mehr als Er-

denſchaͤzze laben.

Betrachret nur das ewge Licht, woraus der Erden

Schoͤnheit quillt,

Den Schoͤpfer der das Haus der Welt, mit den

Geſchoͤpfen angefuͤllt,

Der aller Sonnen ewge Sonne, der den gefaͤrbten

Himmels Bogen

Mit tauſendfachen Wunderfarben, durchſtrahlt, ge-

miſcht und uͤberzogen,

Erweget, was das vor ein GOtt von welchen al-

les das herfließt,

Was in dem weiten Reich der Macht, entſteht er-

waͤchſet und entſprießt

O! dieſe Urquell aller Dinge, die kann ja in dem

ſeelgen Leben,

Uns ein viel herrlichers Vergnuͤgen, als alle irdſchen

Dinge geben.

Und ein verklaͤrtes Erkentnis von ſeiner hoͤchſten

Majeſtaͤt,

Jſt eine ſolche Wiſſenſchaft die uͤber alles Wiſſen

geht,

Die einen Geiſt mit Wolluſt ſpeiſet, die alle an-

dre uͤberſteiget;

Weil ſie uns immer neue Wunder, in Sonnen-

gleicher Klarheit zeiget.

Die Freude in der Geiſter Chor, des Himmels fro-

her Harfenklang,

Und
[337]Wie ſich die Menſch. gemeiniglich den Him. vorſt.
Der dort in jenen Tempel ſchallt; der Engel heller

Luſtgeſang

Muß ja die Seelgen mehr ergoͤzzen, als alles Luſt-

geſpiel der Erden,

Weil wir im Schlos der Ewigkeiten, zu lauter

Himmelsfuͤrſten werden.

Die ſuͤſſeſte Geſellſchaftsluſt, muß da die Seeligen

erfreun,

Da ſie in jenen Engel-Land, bei denen heilgen En-

gel ſein;

Da ſie in Umgang reiner Seelen, die reine Lieb

und Huld verbinden,

Ein ander Eden voll Vergnuͤgen, und geiſtige Er-

quikkung finden.

Jhr groſſes Chor wird nie verwirrt, durch ſcheelen

Neid und Zankbegier,

Noch Zwietracht oder Ueberdrus; die ſind verbannt

aus dem Revier,

Wo die vollkomnen Geiſter wohnen: Nur Eintracht

waͤchſt da aus der Liebe

Die alle Seeligen entzuͤndet; daraus entſpringen

gleiche Triebe

Den Allerhoͤchſten zu verehrn: der Trieb wird im-

mer angeflammt,

Durch den ſtets ſeeligen Genus, der aus der ew-

gen Liebe ſtammt

Wer dieſes alles uͤberleget, dem ekkelt alle Luſt der

Zeiten,

Und ſeufzet: Moͤcht ich balde ſchmekken, das

Manna jener Seeligkeiten.


Erſter Theil.
[338]

Die mannigfaltige
Weisheit GOttes
an den mannigfaltigen Geſchoͤpfen im
Reiche der Natur.


Die Mannigfaltigkeit der Dinge dieſer

Welt,

Die uns des Hoͤchſten Macht ſo ſicht-

bar vorgeſtellt,

Zeigt uns dadurch zugleich der Weis-

heit klare Spuren,

Die alles kluͤglich waͤhlt im Reich der Kreaturen.

Man ſehe nur den Ball der dichten Erde an,

Wie viel und mancherlei drauf jeder ſchauen kann;

Man bringe jedes Ding zu den beſtimmten Claſſen,

Wer wird die groſſe Meng in alle Zahlen faſſen?

Welch ein erſtaunend Heer, wird man ſogleich ge-

wahr,

Und ein jedwedes Ding, das Kleineſte ſo gar

Zeigt ſeinen Meiſter an, der wenn man es erweget,

Darin ein Probeſtuͤck der Weisheit abgeleget

Die unbegreiflich iſt. Wie manche Art von Kraut

Wird im Gewaͤchſe-Reich nicht hie und da geſchaut,

Das wir von anderen vor unterſchieden halten,

So wegen ſeines Zweks; als wegen der Geſtalten?

Die Forſcher der Natur, die nur auf Kraͤuter ſehn,

Die in den Gegenden, allwo ſie wohnen ſtehn,

Ver-
[339]Die mannigfaltige Weißheit GOttes.
Vermoͤgen nicht einmahl dieſelbigen zu zaͤhlen,

Vielweniger wenn ſie das ganze Reich erwaͤhlen

Zu ihren Augenmerk; da ein jedwedes Land,

Beſondre Kraͤuter hegt, die andern unbekant:

Wer dieſes uͤberdenkt, wird ſich nicht unterwinden,

Die mannigfaltge Art der Kraͤuter zu ergruͤnden.

O! was vor ein Verſtand der dieſe all erdacht,

Und eine jede Art in ſeine Form gebracht!

Als ſie auf Erden ſtehn! O Weisheit ſonder gleichen,

Die durch ein jegliches muß ihren Zwek erreichen.

Geht immer weiter fort, beſchaut die groͤßre Frucht,

Die GOtt fuͤr jedes Theil der Erden ausgeſucht.

Bedenkt wie mancherlei iſt die erſchafne Menge,

An Formen und Geſtalt, Geruch, Geſchmak und

Laͤnge

An ihrer Farben Zier, an aͤuſerlichen Puz,

Wie ſonderbar ſie noch nach ihren Zwek und Nuz?

Und koͤnnten wir das Reich der Pflanzen uͤberſehen,

Die in den Thaͤlern ſind, die auf den Bergen ſtehen,

Die Oſt, Suͤd, Nord und Weſt in ſeinen Angeln

hegt,

O! welches Mannigfalt wuͤrd uns denn vorgelegt,

Darin die Weisheit ſich den Menſchen ſo gezeiget,

Daß ſie ſchon den Verſtand derſelben uͤberſteiget.

Der Thoren Tadelſucht nnd haͤmiſcher Verdrus,

Denkt woll der Fruͤchten Meng ſei nur ein Ueberflus,

Der ſpielenden Natur; ſie ſei alſo vorhanden,

Und aus der Fruchtbarkeit der feuchten Erd enſtanden.

O! blinder Unverſtand! woher in Feld und Wald

Die unterſchiedne Art, woher das Mannigfalt,

Daß ſich an allen zeigt? macht denn die ſchwangre

Erde,

Die ihre Fruͤchte zeigt, daß auch die Bildung werde,

Die nur im Saamen ſtekt? entſteht das ohne Rath,

Y 2Das
[340]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Das eine Blume roth und viele Blaͤtter hat,

Die andre neben ihr der Blaͤtter ſanfte Seide,

Die in das weiſſe faͤllt, als waͤre ſie mit Kreide

Gefaͤrbt und uͤberſchmiert? O! Wahnwiz, Unbedacht,

Dies zeugt das dieſes ſo, von weiſen GOtt gemacht.

Jhr wollet dies geſtehn, der Schoͤpfer der regieret,

Der alle Ding erhaͤlt, der wuͤrd daran geſpuͤret:

Die Weisheit ſeht ihr nicht, an dieſen Mancherlei,

Jhr glaubt daß ſo viel nicht, den Menſchen noͤthig ſei;

Vielweniger dem Thier: Was ſolln in einen Garten,

Von Fruͤchten, Blumen, Kraut ſo unterſchiedne

Arten?

Jhr Tadler der Natur, ihr meiſtert GOttes Werk,

Darauf ihr ſpoͤttiſch dreht, eur ſchielend Augenmerk;

Jhr ſeid den Kinde gleich, das keinen Vater liebet,

Daruͤber ſuͤndlich murrt, weil er zu viel ihm giebet.

Der Schoͤpfer lies ſo viel aus unſrer Erde gehn,

Das wir an jeder Frucht die Allmacht ſolten ſehn;

Er ſchuf ſo mancherlei, daß wir daraus erkennen,

Daß er ein weiſer GOtt auch darum ſei zu nennen.

Kein Kraut ſprieſt aus der Erd, und wenn es noch

ſo klein,

Es muß nach ſeinen Rath, auch wozu nuͤzlich ſein.

Die Weiſen irren zwar, die aus der Bildung

ſchlieſſen,

Wozu es nach dem Zwek des Schoͤpfers dienen muͤſſen.

Die Schrift verſtehn wir nicht, die auf den Blaͤttern

ſteht,

Und wie der Adern Zug recht durch einander geht:

Mir deucht es iſt daraus vielmehr der Spruch zu

leſen:

Das uns alſo gemacht, das iſt ein weiſes

Weſen.

Die Weisheit zeigt ſich auch, an der belebten Welt,

Da
[341]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Darin das Mannigfalt ihr gleichfals woll gefaͤlt:

Man ſeh nur was im Reich der Thiere iſt zu finden,

Wer wird ſich das zu zaͤhln von Menſchen unter-

winden?

O! welch ein groſſes Heer das in den Luͤften fleugt,

O! welche Wundermeng! die in der Erde kreucht,

O! welche groſſe Zahl! die zahm in Wieſen ſpringet,

Den Menſchen Woll und Milch zum Kleid und Nah-

rung bringet:

O! welche Art und Zahl von denen wilden Thieren,

Jſt nicht in Feld und Wald, auf Bergen auszu-

ſpuͤren,

Die zu der Menſchen Nuz, zum Zeugnis weiſer

Macht,

Jn der beſeelten Welt von GOtt herfuͤrgebracht?

Die Weisheit ſpiegelt ſich an Groſſen und an Klei-

nen,

Die uns nach ihren Zwek zuſammen kuͤnſtlich ſchei-

nen.

Das zarteſte Gewuͤrm, das unſer Fus zerknikt,

Zeigt uns, wenn wirs beſehn, das darin abge-

druͤkt,

Des Meiſters weiſe Kunſt, die es ſo ſchoͤn formiret,

Das es ſich ſchlingelnd dreht; die es ſo ſchoͤn ge-

zieret

Mit mannigfaltger Pracht, ſo wunderbahr bemahlt,

Als wenn auf ſeiner Haut ein Schild von Golde

ſtrahlt.

Wie herrlich glaͤnzet nicht, zu unſrer Augenweide

Der Ungeziefer Heer in ihren Sommerkleide?

Wenn ſie befluͤgelt ſich in warmen Luͤften drehn;

Welch eine guͤldne Pracht kann man an denen ſehn

Die um den zarten Leib mit Ringelein umgeben,

Und welch ein fladdernd Gold wenn ſie die Fluͤgel

weben,

Y 3Die
[342]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Die durch den Sonnenſchein, bald roth, bald blau

geſchmuͤkt,

Bald gruͤn bald gelb wenn man ſie in der Fern er-

blikt.

O! welche Liberei! ein Salamo im Kleide,

Von Scharlach hell gefaͤrbt, von allerfeinſter Seide

Jſt nie alſo geſchmuͤkt, mit ſolchen Glanz und Zier,

Als ein ſo klein Geſchoͤpf ein ſolches Wunderthier!

Was hat die Weisheit woll zu ſolcher Kunſt bewo-

gen,

Womit ſie ſolch ein Thier ſo herrlich angezogen?

Vermuthlich daß der Menſch der Schauer ſeiner

Pracht,

Daran mit Luſt erſeh, wer die Geſchoͤpf gemacht;

Daß GOttes Weisheit auch ſehr gros in ſolchen

Kleinen,

Die wenn ſie ohne Glanz, uns ſonſt veraͤchtlich

ſcheinen.

Und welch ein groſſes Heer das in den Luͤften

ſchwaͤrmmt,

Wenn ein recht heitrer Tag im Sommer ſie er-

waͤrmmt!

Da wimmeln ohne Zahl der Muͤkken groſſe Schaa-

ren,

Da ſumßt ein Wespenheer, die ſich mit Bienen

paaren,

Hie braußt ein Kaͤfer-Schwarm, da brummt ein

Fliegen-Heer,

Und eine jede Art traͤgt auch ihr Schuzgewehr;

Da wir theils Hoͤrner ſehn, theils Stachel oder

Klauen,

Kann man an dieſen nicht der Weisheit Wunder

ſchauen?

Laſt uns von dieſer Schaar zum Reich der Vogel gehn,

Die
[343]Die maunigfaltige Weisheit GOttes.
Die Mannigfaltigkeit nach ihrer Art beſehn,

Derſelben ſchlanken Leib, der Fluͤgel Bau bemer-

ken!

So werden wir geruͤhrt, den wahren Saz beſtaͤrken

Daß ihres Schoͤpfers Macht, ſie weislich ausge-

ſchmuͤkt,

Durch zarter Nerven Band die Glieder ſo verſtrikt,

Daß ſie ein Wunderwerk voll von verborgner Kuͤnſte,

Ein knoͤchrichtes Geweb, ein fleiſchichtes Geſpinſte;

Wie gros und mancherlei iſt der Gefluͤgel Art;

Die unſers Schoͤpfers Wink recht wunderbar ver-

paart?

Man ſeh den Adler an, den Koͤnig der Gefluͤgel

Der ſeine Neſter baut auf jene Berg und Huͤgel

Die bis zum Wolken gehn: Man ſtelle ſich die

Schaar

Die in den Luͤften fliegt, nach ihren Arten dar!

O! welche Wundermeng! die auch die Luft belebet,

Jn zwitſchernden Geſang der Weisheit Ruhm er-

hebet,

O! welch ein Mannigfalt! an Groͤſſe und Natur,

An Stimmen, Federn, Glanz, und was zur Kre-

tur

Der Voͤgel ſonſt gehoͤrt; Und wollen wir nur nen-

nen,

Die wir in unſern Strich des groſſen Weltraums

kennen,

Welch Arten! welche Zahl! ſind uns nicht hier be-

kannt,

Die unterſchieden ſind? Was hat das Morgenland

Vor andre Arten noch? Und was vor ein Gewim-

mel,

Von Voͤgeln fremder Art ſchwebt untern Weſten-Him-

mel?

Y 4Und
[344]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Und andre wiederum ſind untern Suͤderpol,

So gar das Waſſerreich iſt auch von Voͤgeln voll,

Die unterſchiedlich ſind, wie die mit Luſt erwogen,

Die auf der glatten Fluth, die fremde Welt um-

zogen.

Der GOttheit Finger ſtrahlt, aus jeglichen her-

vor,

Die Weisheit laͤſt ſich hoͤrn in dieſen Saͤnger-Chor,

Wenn die erregte Luft, durch hellen Schall geruͤh-

ret,

Die ſuͤſſe Harmonie durch Ohr zum Herzen fuͤhret.

Die helle Nachtigal, die holde Buſch-Siren

Die Saͤnger-Meiſterin im zwitſchernden Gethoͤn

Regiert gleichſam das Chor durch ihr bezaubernd

Singen,

Die Lerche folget nach; welch mannigfaltig Klin-

gen

Erwekket das Gehoͤr! die Graſemuͤkke ſchnarrt,

Ein andrer pfeift, der gluchzt, wenn dieſer aͤngſt-

lich knarrt.

Die Turteltaube girrt, die lacht, die ſchreit, und

jene

Miſcht einen andern Klang in das verwirrt Gethoͤne.

Der Gugguk rufet nach, die Wachtel lokt und ſchlaͤgt

Der Sperling ſchwirrt darein, die Droſtel wird be-

wegt,

Und ſtimmet auch mit an, bis endlich noch die En-

le,

Die ſtille Nacht erwekt, durch fuͤrchterlich Geheule.

So viele Thoͤne gehn, und iſt ins Chor vorbei;

So hoͤrt man wiederum, ein anderes Geſchrei:

Wer den Geſang verſteht, der wird aus allen Choͤ-

ren:

Jn ſuͤſſer Harmonie, aus jeder Kehle hoͤren:

Wir
[345]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Wir ſingen mancherlei, der unterſchiedne

Klang

Stimmt dennoch uͤberein; es iſt ein Lobge-
ſang,

Den wir dem ewgen GOtt und ſeiner Weis-
heit weihen,

Der durch den Unterſchied geſtimmter Me-
lodeien

Dem Menſchen angezeigt; daß die Veraͤn-
derung

Jn unſern Luſtgethoͤn, ihn zur Bewunde-
rung

Der Weisheit und der Macht, durch ſteten
Zuruf leite;

Daß er nach ſeiner Art der GOttheit Ruhm
ausbreite.

Was ihre Stimme lehrt, das legt des Koͤrpers

Bau,

Dem forſchenden Gemuͤt zum wunderbahren Schau:

Man ſieht mit einen Blik, an dieſen Kunſt-Ge-

baͤnde,

Des Schoͤpfers weiſen Zwek, die Allmacht ſeiner

Haͤnde.

Der Kopf iſt zugeſpizt, zum Fliegen eingericht,

Jndem das Vogel Heer damit die Luft durchbricht,

Daß wenn ſie in der Hoͤh die freie Bahn durchren-

nen,

Sie mit denſelbigen die leichte theilen koͤnnen.

Ein neues Wunderwerk wird an der Bruſt erkant,

Man wird daran gewahr ein ſtarkes Knochen Band

Das dienet ſie zum Schuz, wenn etwa auf dem

Wegen,

Ein harter Wiederſtand im Fluge kaͤm entgegen;

Wie weislich ſiehet man die Beine eingebeugt,

Y 5Das
[346]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Das wenn ein Vogel fliegt, und ſolche an ſich neigt

Die Zehen vorwerts kehrn, damit ſie ſich gleich hal-

ten,

Wenn ſie um einen Zweig die krummen Klauen

falten.

Sie klammern ſich damit, da wo ſie ſizzen an,

Das auch kein Vogel nicht vom Baume fallen kann,

Wenn er im haͤngen ſchlaͤft; weil die gezognen

Krallen,

Sich um ein zartes Reis gleichſam zuſammen ſchnal-

len.

Der ganze Leib der iſt mit Federn uͤberdekt,

Die zarteſten die ſind um Hals und Bruſt geſtekt,

Die haͤrteſten die ſind, in Fluͤgel eingeſchraͤnket,

Weil dadurch wird ihr Leib getragen und geſchwen-

ket

Jn einer freien Luft. Der zarten Fluͤgel Paar,

Die Faͤſerchen die ſchoͤn an dieſen Fluͤgeln hangen,

Die machen Seegel aus, die gleichſam wie an Stan-

gen,

Geſteift und ausgeſpannt, und wenn ſie ſtark be-

wegt,

So hebt der Vogel ſich, der ſich dadurch forttraͤgt.

Wie weislich ſind ſie nicht der Lage nachgeſezzet

Damit das Gleichgewicht des Koͤrpers nicht verlez-

zet:

Wie ſind die Federchen der Fluͤgel aufgepaßt,

Da in Zuſammenzug die ein ans andre faßt?

Wer dieſes uͤberdenkt; der muß geruͤhrt bekennen,

Dies ſei ein Meiſterſtuͤk der weiſen Macht zu nen-

nen.

Die feuchte Waſſerwelt zeigt manche Kreatur,

Die in den Meeren, Seen des Reiches der

Natur

Jn
[347]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Jn Flus und Teichen ſind, ja in den Pfuͤzzen

ſtekken,

Und jeden der es ſucht, der Weisheit Kunſt ent-

dekken,

O! welch ein Mannigfalt, lebt nicht im Element

Des Waſſers, welches man, noch nicht der Art

nach kennt,

Weil dieſes ſchwimmend Heer ja groſſe Meeren

fuͤllet

Wo Waſſer untern Eis, und harten Schollen

ſchwillet

Die nie recht unterſucht. Welch Wunder ſieht man

nicht

Jm kalten Nordmeers Schlund, wenn man das

Eis durchbricht?

Die in den kalten Flus, als wie in warmen Wellen,

Als ſcherzend im Geſpiel ohn kaltes Schaudern

ſchwellen.

Und gleichſam ſpringend ſich in ihren Wirbeln drehn?

Die wie ein ſchneller Pfeil, bald ruͤck-bald vorwerts

gehn,

Und ſich in reger Luſt in feuchten Wuͤſteneien,

Wo ſie bei Schaaren gehn, in ſteter Kurtzweil

freuen.

Mein GOtt! man wird erſtaunt, wenn man die

Wunder ſchaut,

Die Du nach weiſer Kunſt bald ſo, bald ſo erbaut;

Wenn man mit Andacht ſieht, wie tauſend Mil-

lionen

Von Fiſchen fremder Art, in feuchten Tieffen

wohnen.

Der Wallfiſch, den dein Arm zum Ungeheur ge-

macht,

Kommt uns hier billig erſt vor andern in Betracht,

Die
[348]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Die fuͤrchterliche Groͤß, die Deine Groͤß abſpiegelt,

Jſt wunderbahr erdacht, mit Feſtigkeit verriegelt.

Er rudert da einher; ſo thuͤrmen ſich die Wogen

Und ſprizzen in die Hoͤh bis an die Wolken-Bogen.

Er ſchnaubt und ſchluket gleich auf einmahl Wellen

ein,

Der Schiffmann wird erſchreckt ob ſeinen grauſen

Spein.

Er athmet: alſobald faͤngt auf ſein ſtarkes Blaſen,

Das Meer mit Ungeſtuͤm, recht grauſam anzuraſen.

Das Seepferd folgt ihm nach, das ungeheure ſchoͤn,

Doch wer kann dieſes all mit Achtſamkeit beſehn,

Was ein entferntes Meer in ſeinen Buſen heget,

Da jeder Waſſerflus, ganz neue Wunder traͤget?

Wir merken nur dabei zum Schoͤpfers Preiſe an,

Daß ſich die weiſe Macht in allen kund gethan.

Jn Groſſen iſt ſie groß, nicht minder in den Kleinen,

Die mehr als tauſendfach in ihrer Art erſcheinen.

So volkreich, ſo bepflanzt ſind Fluͤſſe, Seen und

Meer,

Es wimmelt recht darin das Zahlreich Schuppen

Heer,

Das ſich bald in der Hoͤh, bald in der Tieffe zei-

get,

Wenn es in ſchneller Flucht, bald auf, bald abwerts

ſteiget.

Die Weisheit hat den Bau der Fiſche ſo beſtimmt,

Wie ein Geſchoͤpf ſein muß, das in dem Waſſer

ſchwimmt,

Der Leib iſt dicht und feſt mit Schuppen uͤberſchnuͤ-

ret,

Mit Panzern angethan, mit Harniſch ausgezieret

Die zarten Federchen, die man Flosfedern nennt,

Die nuͤzzen einen Fiſch, wenn er die Flut durch-

rennt.

Zu
[349]Die mannigfaltige Weißheit GOttes.
Zu ſeinem Gleichgewicht, ſonſt wuͤrd er taumelnd

wanken.

O! wie gar tief ſind nicht des Weiſeſten Gedanken,

Der dieſe Kreatur mit einen Schwanz verfehn,

Der lang und ſchmeidig iſt, ſich dadurch fort zu

drehn,

Der Fiſche innrer Bau iſt kuͤnſtlich ausgefunden,

Die Theilgen ſind daran recht weislich auch verbun-

den.

Die Lunge fehlet hier, damit man Othem ſchnappt,

Die Weisheit hat dem Fiſch mit ſolcher nicht be-

gabt,

Weil er im Waſſerreich, bei dem geſchwinden Ren-

nen,

Nicht wuͤrde in der Flut, die Lufft einziehen koͤn-

nen,

Als wie ein Erden-Thier, das in den Luͤfften lebt,

Als wie ein Lufftgeſchoͤpf, das in der Hoͤhe ſchwebt.

Dagegen haben ſie die ſo genannten Ohren,

Die weislich ausgedacht, die kluͤglich auserkohren,

So kuͤnſtlich angelegt, mit Oeffnungen verſehn,

Wodurch die Waſſer gleich die eingeſchlukt, fort

gehn.

Der Fiſche Unterleib der ſeine Blaſen traͤget,

Jſt von der weiſen Macht recht weislich angeleget.

Die Blaſen voller Lufft, die nach dem Augenſchein,

Bei einen jeden Fiſch, gedoppelt, zwiefach ſein,

Die dienen ihm zum Fall, und und auch zu ſeinen

Steigen;

Wenn er ſich in die Hoͤh in ſeinen Schwimmen

ſehnt,

So wird der Koͤrper breit, die Blaſe ausgedehnt;

Will er zum tieffen Grund der ſchnellen Waſſer-

wogen

So
[350]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
So wird die Blaſe nur durch Muskeln angezogen;

So wird der Koͤrper ſchmahl; ſo wird der Blaſen

Roͤhr,

Die von der Lufft gefuͤllt, von ihren Duͤnſten leer.

Die erſte Blaſe iſt am Hinterkopf verſchraͤnket,

Und wie im Schlos verwahrt, dadurch die Lufft ſich

ſenket

Bis zu der hinterſten, die ſolche weiter dringt,

Durch eine ſchmahlen Roͤhr zu den Gedaͤrmen

bringt

Bis ſie den Ausgang ſucht: Dies alles dient zum

Schwimmen.

So muß der Fiſche Leib gar ſchoͤn zuſammen ſtim-

men

Mit ihren Element. Der goͤttliche Verſtand,

Der alles woll erdacht, wird daraus gnug erkannt;

Laſt uns nun weiter gehn, die Erdenthier erwegen,

Die uns auch ebenfals klar vor die Augen legen,

Wie mannigfaltiglich mit Zahmen und mit Wild,

Die Weisheit Berg und Thal und Feld und Wald

erfuͤllt.

Wer zaͤhlt der wilden Art im Wald und im Ge-

buͤſchen,

Die grauſam heulen, bruͤlln, die brummen, giftig

ziſchen

Mit Hoͤrner, Krallen, Klaun, mit Tatzen, ſchar-

fen Zahn,

Als ſtarken Schuzgewehr, verſehn und angethan.

Das Mannigfalt erſcheint in denen Thiere-Garten,

Wo Loͤwen, Tieger, Baͤr, Hirſch, Schwein und

andre Arten

Wie manche finden ſich, die ihren Auffenthalt

Jn Rußlands Wuͤſtenei, in Polens dichten Wald,

Die uns hier unbekand; wie manche ſind verborgen,

Jn
[351]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Jn fremden Gegenden gen Mittag, Abend, Mor-

gen?

Die wir nicht ohne Furcht, ohn innerliches Grauen,

Jn einen Bilderſaal, als todt gemahlt, beſchauen.

Dergleichen Ungeheur, die koͤnnen uns doch lehren,

Wie GOttes Weisheit auch in Thieren zu ver-

ehren,

Die wild ſind von Natur. Ein achtſam Augen-

merk,

Eutdekkt mit Luſt daran manch reizend Wunder-

werk:

Jndem er jegliches mit Gliedern ausgeruͤſtet,

Mit ſtarker Macht verſehn, mit Knochen ausgebruͤ-

ſtet

Die weislich nach den Zweck, den er dabei erdacht,

Zu ſeines Nahmens Ruhm, recht kuͤnſtlich ſind ge-

macht.

Und dies erhellet auch an denen zahmen Thieren,

Die er alſo gewuſt, recht wunderbahr zu zieren,

Daß wir ſtets andre ſehn, von einer andern Art,

Die er mit Knochen, Haut von auſſen ſo verwahrt,

Wie es den Thieren nuͤzt, wie es der Zweck befiehlet,

Den ſeine Vorſehung dadurch hat abgezielet.

Der innerliche Bau, der Eingeweide Schaz,

Gedaͤrme, Adern, Herz, die haben ihren Plaz

Und die Verbindung ſo, in ihren Kunſtgeweben,

Wie es die Nahrung heiſcht, dadurch dieſelben leben.

Die Roͤhren ſind alſo im Koͤrper angehaͤngt,

Der Nerven feſtes Band iſt ſo gewirkt, gelenkt,

Daß ſie dem ganzen Leib als einer Kunſtmaſchinen

Zu der Empfindungskrafft und Sinnligkeiten dienen.

Die Weisheit wirket nie, ohn einen ſichren Grund,

Der Saz der wird auch hie zu GOttes Ruhme

kund

Bei
[352]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Bei einen jeden Thier, daran gar leicht erhellet,

War um ein jedes Stuͤk, nicht anders ſei geſtellet,

Als man es wuͤrklich ſieht? Und daraus folgt der

Schlus:

Es zeige uns daran, GOtt einen Ueberflus,

Den Reichthum ſeiner Macht, und ein unendlich

Wiſſen,

Das mancherlei erſehn und auch erſchaffen muͤſſen.

Der Menſch das Hauptgeſchoͤpf in der ſichtbahren

Welt,

Der wird, wenn mans erwegt, uns auch ſo vor-

ſtellt,

Daß wir mit Luſt daran ein Zeugnis ſehen koͤnnen,

Wie mannigfaltiglich, die Weisheit ſei zu nennen

Die dieſes Meiſterſtuͤk vor andern herrlich ſchmuͤkt,

Darinnen ſie ihr Bild recht ſichtbahr abgedruͤkt.

Sie ſind zwar wenn man ſie zu ihrer Gattung braͤchte,

Nur von dem maͤnlichen und weiblichen Geſchlechte.

Allein der Menſch lehrt doch des Hoͤchſten Weisheit ſei,

Bei dieſer einzgen Art ſehr gros und mancherlei

Was fuͤr ein Unterſcheid ſieht man im Bildungs-

Zuͤgen

Vornemlich des Geſichts und deſſen Theilen liegen?

Der Schauplatz dieſer Welt von Menſchen angefuͤllt,

Zeigt uns ſo manchen Menſch; ſo manch beſonders

Bild

Da keines Angeſicht dem andern voͤllig gleichet:

Und dadurch iſt der Zwek der Weisheit auch erreichet

Die die Veraͤndrung liebt; und bei der Aehnligkeit,

Jſt, wenn mans gnau anſieht, noch ſtets ein Unter-

ſcheid.

Der Menſchen ſind zwar viel, die auf der Erde woh-

nen,

Es faßt ſie keine Zahl, von vielen Millionen:

Und
[353]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Und dennoch findet ſich von allen keiner nicht,

Der einen andern gleich an Linien im Geſicht:

Was man etwan erzaͤhlt, iſt ſchwerlich zu beweiſen,

Von denen die ganz gleich, nach den Geſichtes-Kreiſen.

Hieraus erkennen wir den weiſeſten Verſtand,

Der alles aͤndern kann; und eine Allmachtshand

Die unbegreiflich weiß, durch wunderbahr Verbinden

Des Schatten und des Lichts, den Unterſcheid zu finden.

Die Miſchung des Gebluͤts, der Neigung Temprament,

Was man Gemuͤthsart ſonſt, und Leidenſchaften nennt,

Sind ebenfals zertheilt, die ſich wie Erd und Sternen,

Jn ihren Unterſcheid, aufs weiteſte entfernen.

Der iſt hie zu geneigt, der andre will das nicht,

Der ſaget hiezu Ja, wenn der verneinend ſpricht:

Was dieſen woll gefaͤllt, das will dem nicht mehr

ſchmekken,

Und pflegt ihm oftermahls woll Ekkel zu erwekken,

Der dritte wuͤnſchet was, das doch der vierte flieht,

Der eine iſt hier nach, der andere dort bemuͤht.

Welch! Mannigfaltigkeit der Staͤnde die verbunden

Hat GOttes Weisheit nicht in dieſer Welt erfunden?

So mannigfaltiglich der Menſchen Eigenſchaft

Verſtand und Wille iſt, und Seel und Leibeskraft:

Geſchaͤfft und Lebensſtand; ſo vielfach die Naturen

So unterſchiedentlich die vielen Kreaturen:

So vielmahl ſehen wir, daß unſer Zebaoth,

Sich in der Welt uns zeigt, als ein allweiſſer GOtt;

Der in der ganzen Welt, an Fruͤchten Baum und Huͤgel

An Menſchen und am Vieh zeigt lauter Weisheits

Spiegel

Wenn wir mit kuͤhnen Blik uns von der Erd erhoͤhn,

Und die Beſchaffenheit der Geiſter-Welt beſehn:

So duͤnkt uns daß wir dort in jenen ewgen Auen,

Auch ein ſolch Mannigfalt an Engeln ſelbſt beſchauen.

Erſter Theil. ZDie
[354]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Die Offenbahrung zeigt der Engel (*) Ordnung an,

Woraus man dies gewis vernuͤnfftig ſchlieſſen kann:

Sie lehrt daß Thronen da, Erzengel Sera-

phinen,

Herſchafften, Fuͤrſtenthum und Kraͤffte, Che-

rubinen

Und die Gewaltigen. Jſt auch ein Unterſcheid,

Jn freudigen Genus der ewgen Seligkeit:

So wird das Mannigfalt in jenen ewgen Welten,

Zur Weisheit hoͤchſten Ruhm, vermuthlich ferner

gelten.

So unterſchiedentlich nun dieſes alles iſt,

Was man mit Augen ſieht, und was man hoͤrt und

lieſt:

So muß es darin doch zuſammen ſich vereinen,

Es ſoll o! groſſer GOtt! darin dein Ruhm er-

ſcheinen.

O! Weisheit deren Glanz ſo weit der Himmel geht,

Wie hat ſich dein Verſtand fuͤr aller Welt erhoͤht!

Ach! ſchaͤrffe unſern Geiſt, daß wir dies ſtets er-

wegen,

Wie mannigfaltiglich die Stroͤme deiner Seegen,

Wie gros die Wunder ſein, die du dadurch gethan,

Daß man ſo vielerlei auf Erden ſehen kann.

Jſt jedes Ding ſchon werth, daß mans bewundern

muͤſſe,

Daß man die weiſe Macht, die drin verborgen wiſſe:

Was vor ein groſſes Buch iſt denn die ganze Welt,

Die ein unzaͤhlbahr Heer von Wundern in ſich haͤlt:

Mein Sinn erſtaunt darob, von Millionen Zungen,

Wird deiner Weisheit Ruhm nie gnug gelobt, be-

ſungen.

Jemehr
[355]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Jemehr man ſieht und hoͤrt, jemehr entdekken wir,

Es kommt uns alles doch, als unbegreiflich fuͤr:

So gros iſt deine Groͤß, daß wir daran bemerken

Sie ſei unendlich ſchon in den erſchaffnen Werken.

Der Glanz der Unterwelt zeigt deine Herrlichkeit,

Es iſt ein Schattenbild von der Vollkommenheit

Die ſich in dir verbirgt, wer will ſich traͤumen laſſen,

Unendlich weiſes All! dich in ein Lied zu faſſen?

Dich ruͤhmet alle Welt, die Du mit Pracht geziert,

Das iſt der Menſchen Pflicht; weil dir doch Lob

gebuͤhrt:

Ach! ſo verſchmaͤhe nicht ein unvollkomnes Dichten,

Daß dir die Pflichten will der Menſchlichkeit ent-

richten.

Gib daß ich in der Zeit, im Reiche deiner Macht,

Nehm dieſe Schuldigkeit, als meinen Dienſt in

acht.

Laß mich in kuͤnfftigen von meinen Lebens Jahren,

Darinnen ungeſaͤumt mit froher Luſt fortfahren.

Jſt dieſe Zeit vorbei, geh ich zum Ewgen fort;

So fuͤhre mich von hier zu jenen Freuden-Ort,

Wo deine Weisheit ſich noch heller uns verklaͤret,

Und wo die ſelge Schaar dich vollenkomner ehret.

Da will ich dich noch mehr in Ewigkeit erhoͤhn,

Wenn ich das werde dort, was hier verborgen ſehn;

Da ſoll mein Lied dich ſtets als den alleine Weiſen,

Jn jenen Engel Chor, nach Art der Engel preiſen.



[356]

Die mannigfaltige
Weisheit GOttes in der Erfin-
dung und Offenbarung des Erloͤſers.


Groſſer GOtt! wenn wir erwegen,
Wie du deinen Fluch in Seegen,
Deinen Zorn in Gnad verkehrt,
Wie du die verfluchten Suͤnder,
Durch dein Kind, zu Gnadenkinder
Machſt, wie uns dein Wort gelehrt:
So ſehn wir zu deinem Preiſe,
Daß du bei der Guͤt auch weiſe.

Menſchen die nach deinem Bilde,
Hatteſt du ins Luſtgefilde,
Jn das Paradies verſezt;
Daß ſie und auch ihr Geſchlechte,
Dein Geſezze, deine Rechte
Hielten heilig, unverlezt:
Du verſpracheſt ewge Kronen,
Den Gehorfam zu belohnen.

Des Gehorſams einzge Probe,
Reicht zu deiner Weisheit Lobe,
Die Du ihnen auferlegt;
Weil der der ſo viele Gaben,
Die den Leib, die Seele laben,
Nur von dir zum Lohne traͤgt,
Schuldig die ergebnen Pflichten,
Des Gehorſams zu entrichten.

Die
[357]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Die da Menſchen haben wollen,
Die Dir nicht gehorchen ſollen
Fordern die Unmoͤglichkeit;
Wer ein HErr, wie du zu nennen,
Der muß auch befehlen koͤnnen;
Das iſt ohne Wiederſtreit:
Das Geſchoͤpf iſt unterm Schoͤpfer,
Wie der Thon iſt unterm Toͤpfer.

HErr! iſt der Geſezze giebet
Knecht der ſolche ſo ausuͤbet,
Wie die Herrſchafft es begehrt:
GOtt iſt HErr der uns erſchaffen,
Der kann lohnen und beſtraffen,
Wer dagegen ſich beſchwert
Der erkennet nicht die Rechte,
Die ein HErr hat uͤber Knechte.

GOtt befahl mit ſeinen Munde,
Nach dem angezeigten Grunde:
Menſchen! eßt von Baume nicht,
Der im Mittelpunct zu finden,
Wer ſich des wird unterwinden,
Der verlezzet ſeine Pflicht,
Und ſoll nicht den Himmel erben,
Sondern ſoll des Todes ſterben.

Der Gehorſam ward gebrochen,
Und das Urtheil ward geſprochen:
Daß die Eltern gleich verdammt,
Reine Unſchuld ging verlohren,
Suͤndlich ward auch das gebohren,
Was aus deren Lenden ſtammt;
Z 3Und
[358]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Und die Schuld kam uͤber alle,
Die im gleichen Suͤnden Falle.

Wer ein Mittel kann erfinden
GOtt und Menſchen zu verbinden,
Die die Suͤnde ſehr getrennt;
Mittel GOttes Zorn zu ſtillen
Sein Geſezze zu erfuͤllen;
Der wird weiſe, klug genennt;
Weil wenn GOtt und Menſch verbunden,
Was verlohren, wiederfunden.

Weiſer Vater! Dein Erbarmen,
Sahe uns verlohrne Armen
Mit den Gnadenblikken an;
Du erkannteſt was uns fehlte,
Was vor tieffe Noth uns quaͤlte;
Du haſt uns den kund gethan,
Der uns konnte von den Boͤſen,
Aus der Hoͤlle wieder loͤſen.

Wer in Noth und Suͤnden ſtekket,
Mit dem Laſterkoth beflekket
Und in dem Verderben liegt;
Wer von auſſen und von innen,
Durch Hoͤll, Welt, verkehrte Sinnen
Durch Begierden wird bekriegt:
Der kann ſich nicht ſelbſt erretten,
Aus den harten Elends-Ketten.

Du allweiſes guͤtig Weſen!
Haſt zum Mittler den erleſen,
Der an Vollenkommenheit
Wahrer GOtt, der kommen muͤſſen,
Jn
[359]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Jn der Menſchheit, um zu buͤſſen,
Fuͤr die Suͤnden aller Zeit:
Der in Leiden-Todesbanden,
Alles fuͤr uns ausgeſtanden.

Kein Wiz konte fuͤr die Suͤnden,
Ein ſo herrlich Mittel finden,
Als die Weisheit ausgedacht:
GOtt und Menſchen zuvereinen,
Muſte GOtt im Fleiſch erſcheinen
Der das wieder gut gemacht,
Da er das fuͤr uns erduldet,
Was wir allzumahl verſchuldet.

Des Gehorſams heilge Pflichten
Muſte der fuͤr uns entrichten
Der ein Buͤrge wolte ſein:
Kein Menſch konte GOttes Willen,
Vollenkommentlich erfuͤllen
Nur der GOttes Menſch allein:
O! wie weislich iſts erſehen,
Daß es iſt von dem geſchehen.

Der Vertrag der ward verbunden
Der ins Vaters Schoos gefunden
Nahm das Ammt des Buͤrgen an,
Als das Paradies verlohren
Ward der ewiglich erkohren,
Den Gefallnen kund gethan:
Da entſtand in Bund der Gnaden
Heilung fuͤr den Seelen-Schaden.

Wie der Sonne Angeſichte,
Bei den fruͤhen Morgenlichte
Z 4Nicht
[360]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Nicht auf einmahl uns anblikt;
Sondern wenn ſie naͤher ſteiget,
Sich in hellern Glanze zeiget
Und mit ſtaͤrkern Strahl begluͤkt:
So muſt auch von Zeit zu Zeiten,
Sich dis Gnadenlicht ausbreiten.

Welche Weisheit! die verborgen
Zeigte ſich an fruͤhen Morgen
Der erſt neu erſchaffnen Welt!
Damahls ward die Gnaden-Sonne,
Noch in einer dunkeln Wonne
Noch im Schatten vorgeſtellt;
Bis ſich die beſtimmten Stunden,
Mit dem Lichte eingefunden.

Der Verheiſſung Gnadenſtrahlen,
Die ſich immer klaͤrer mahlen,
Gingen bei der Zeiten Lauf
Da der Knechtſchafftsſtand noch waͤhret,
Wie die heilge Schrifft uns lehret
Jmmer weiter, heller auf;
Es wird immer mehr beſchrieben,
Den wir als Erloͤſer lieben.

Daß der Heiland muͤſte ſterben
Uns das Leben zu erwerben,
Jſt in dem Genaden-Bund
Der da ewig feſte ſtehet,
Und auf alle Zeiten gehet
Ein gewiſſer Glaubensgrund,
Der von allen zu erkennen,
Die den Heiland glaͤubig nennen.

Dieſe
[361]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Deſes in den Schattenbildern
Denen Menſchen abzuſchildern,
Jſt der Opferdienſt erdacht,
Welchen GOtt im Gnadenreiche
Nebſt der Ordnung der Gebraͤuche
Weislich, herrlich kund gemacht
Daran ſie am Thier geſehen,
Was den Heiland iſt geſchehen.

Wer das Unvollkomne meidet,
Und das Glaubens-Auge weidet
An der Opfer Einrichtung,
Der ſieht in dem Oſterlamme,
CHriſtum an dem Kreuzesſtamme
Der ſieht mit Bewunderung,
Warum Opfern, Blutvergieſſen,
Damahls hat geſchehen muͤſſen.

Was dem Heiland wiederfahren,
Jſt vor mehr als tauſend Jahren,
Jſrael ſchon abgedruͤkt.
Wer mit Andacht hat betrachtet,
Wie ein Prieſter Opfer ſchlachtet
Und den Gottesdienſt beſchikt:
Der fand in dem Schattenwerke,
Eine rechte Glaubens-Staͤrke.

Dieſe ſchoͤne Bilder-Lehre,
Die vermehrt der Weisheit Ehre,
Wenn man dabei nicht verſchweigt,
Daß zu Bildern und Figuren
Die recht feurigen Naturen
Jener Voͤlker ſehr geneigt,
Die
[362]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Die in heiſſen Laͤndern ſchwizten,
Jhre Einbildung erhizten.

O! wie weiſe ſtrahlt die Guͤte,
Jn ein jegliches Gemuͤthe,
Das dies alles uͤberdenkt:
Wie GOtt auf ſo manche Weiſe,
Auf dem Heiland ihm zum Preiſe,
Sein erwaͤhltes Volk gelenkt,
Daß ſie den recht kennen koͤnten,
Den ſie ihren Goel nennten.

Dieſes Licht im dunkeln Schatten,
Daß ſie in dem Opfern hatten;
Sahn ſie auf der Reiſebahn,
Jn der Feur und Wolkenſaͤule,
Welche hell und finſtre Theile:
Dies Geleit nach Canaan,
War ein Bild von dem der weiſet,
Wie man recht zum Himmel reiſet.

Des Erloͤſers Herrlichkeiten
Vorzubilden, anzudeuten
Ward die Huͤtt des Stifts erbaut,
Deren Lage, und Altaͤre
Waren Bilder voller Lehre,
Darin man den Heiland ſchaut
Den ſie in den Schatten-Riſſen,
Sehen und erkennen muͤſſen.

Die gezierte Bundeslade
War ein Bild der weiſen Gnade,
Die im Allerheilgen ſtand:
Jn dem Ehrfurchts vollen Dunkeln,
Mußt
[363]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Mußt die Gnadenſaͤule funkeln
Die durch ihren Wunderbrand
Konnte zu dem Glauben dienen,
Bis der Heiland ſelbſt erſchienen.

GOttes weiſeſtes Verhalten,
Siehet man in den Anſtalten,
Die zum Opferdienſt beſtellt
Prieſter, alle heilge Sachen,
Die den Gottesdienſt ausmachen
Sind die Zeichen dran erhellt,
Wie die Weisheit lehren wollen,
Was die Juden glauben ſollen.

Und dies goͤttlich Offenbahren,
Ging in denen Folge-Jahren,
Jmmer deutlicher hervor
Hie und da kam ein Prophete;
Der Verheiſſung Morgenroͤthe
Brach durch den verhuͤllten Flor
Jmmer heller den zu zeigen,
Der da ſtammt aus Davids Zweigen.

Wenn wir auf die Fuͤhrung achten,
Und das Jſrael betrachten,
Als des Hoͤchſten Eigenthum,
Wie er dies ſein Volk geleitet,
Dadurch ſein Wort ausgebreitet,
So muß man zu ſeinen Ruhm,
Mit Verwunderung bekennen:
GOtt der iſt allweis zu nennen.

Als er es zur Straf der Suͤnden,
Lies in Babels Ketten binden;
Ward
[364]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Ward durch die Gelegenheit,
Dieſer weggefuͤhrten Pilger
Nachricht von dem Suͤnden-Tilger,
Untern Heiden ausgeſtreut:
So weis GOttes Macht, Regieren,
Alles herrlich auszufuͤhren.

Welche lichte Weisheitsſtrahlen!
Sehen wir zu vielen mahlen
Jn dem Buch der Weiſſagung,
Da der Ort, die Zeit und Stunde,
Wird beſtimmt zum Gnadenbunde;
Da die hoͤchſte Vorſehung
Den zu aller Troſt geſendet
Der ſich hat fuͤr uns verpfaͤndet.
[figure]
Regi-
[[365]]

Appendix A Regiſter,
der in dieſem Theil befindlichen Poeſi-
en, wie ſie auf einander folgen.


  • Pag.
  • Der Atheiſt 1
  • GOttes Eigenſchaften an den Werken ſeiner Haͤnde 5
  • Die vier Jahrszeiten, als ein ſinnliches Lehr-
    bild, des Lebens, Todes und der Auferſtehung 10
  • Die aufgelebte Welt im Fruͤhlinge 13
  • Die Abwechſelung der Zeit 17
  • Die Viole, als ein Sinnbild der Demuth 18
  • Die Tulpen 20
  • Die Herrlichkeit und Vergaͤnglichkeit der Blumen 23
  • Ernſt und Guͤte GOttes im Donner 28
  • Die Groͤſſe GOttes im Kleinen 29
  • Eine natuͤrliche und geiſtliche Betrachtung des
    Todes bei den Anblik eines Sterbenden 32
  • Die Spiegelblume 34
  • Das Buch der Offenbarung, die heilige Schrift 40
  • Natur und Schrift 49
  • Die Gluͤkſeligkeit eines zufriedenen Geiſtes 49
  • Gedanken uͤber das Blut bei dem Aderlaſſen 52
  • Die beneidete Tugend an einer beflekten Lillie be-
    betrachtet 53
  • Die Weisheit GOttes welche aus dem mannig-
    faltigen Ueberſezzungen der Bibel hervorleuch-
    tet 55
  • Die Allmacht, Weisheit und Guͤte GOttes bei
    der Einrichtung der vier Jahrszeiten 59
  • Gedanken uͤber die Liebhaber ſchoͤner Blumen 67

Die
[[366]]Regiſter.
  • Die kuͤnſtlichen Laub-Blaͤtter 70
  • Der Menſch 76
  • Nochmahlige Betrachtung uͤber die Tulpen, zum
    Ruhm des Schoͤpfers 78
  • Die rothen Roſen 83
  • Wie ſich die meiſten Menſchen GOtt vorſtellen 86
  • Die wolriechenden Nachtviolen 90
  • Die ſchoͤne Nelkenflor 93
  • Die beantwortete Frage: Wer biſt du? 97
  • Engels Zungen ohne einen engliſchen Sinn 98
  • Die bebluͤmten Wieſen bei angenehmen Son-
    nenſchein 99
  • Ein flieſſender Bach 100
  • Fragen an die unterſchiedenen Alter mit der Ant-
    wort der natuͤrlichen Neigungen 107
  • Die praͤchtigen Stokroſen 111
  • Der HErr kennet die Seinen 113
  • Gedanken uͤber die Wunder GOttes die aus dem
    Lauf des Lebens hervor leuchten 114
  • Die Wunderbare Vorſehung uͤber das Leben der
    Menſchen 115
  • Die Abſicht GOtttes warum er die Blumen er-
    ſchaffen 126
  • Die lehrenden Sonnenblumen 130
  • Die abwechſelnde Zeit eine weiſe Einrichtung
    GOttes fuͤr die Menſchen 132
  • Der Maulwurf ein Bild eines Geizigen 135
  • Abend-Gedanken 136
  • Die Freude der Glaͤubigen bei der Ankunft JEſu 139
  • Die Feſtigkeit des goͤttlichen Worts bei dem Un-
    tergange der Welt 141
  • JEſus ein Arzt der Seelen und des Leibes 143
  • Urſachen warum uns GOtt das Zukuͤnftige ver-
    borgen 144

Der
[[367]]Regiſter.
  • Der Goldkaͤfer ein Bild niedertraͤchtiger Schoͤn-
    heit 147
  • GOtt iſt ein allwiſſender Richter 150
  • Das Schikſal der Kirche JEſu 150
  • Die Allwiſſenheit und Heiligkeit GOttes151
  • Ueber die Worte: Wenige ſind auserwaͤhlet 151
  • Gebet um die Demut 152
  • Seufzer eines Suͤnders um Gnade 153
  • Morgen-Gedanken 154
  • Spare deine Buſſe nicht 157
  • Die Gleichheit der Menſchen 158
  • Bitte um die Gnadenfuͤhrung GOttes 158
  • Wunderbar nur ſeelig 159
  • Nach dem Tode koͤmmts Gericht 160
  • Die Maienblume 161
  • Der rothe Johannis Beeren-Buſch 164
  • Die Schoͤpfung ein Spiegel der goͤttlichen Herr-
    lichkeit 167
  • Das Paradies 186
  • Gedanken uͤber ein fliegend Wuͤrmchen Epheme-
    ris 197
  • Beantwortete Frage: Wo gut zu wohnen ſei? 198
  • Das Lob der GOttheit angeſtimmet von den Kre-
    aturen Himmels und der Erden 203
  • Die Weisheit GOttes bei den mannigfaltigen Ar-
    ten der Geſchoͤpfe 226
  • Wie die weiſe Guͤte GOttes im Brodt zu
    ſchmekken 230
  • Das Gewaͤſſer der Suͤndfluth ein Spiegel goͤtt-
    licher Gerechtigkeit 236
  • Die wunderbare Verwandlung eines Kirſch-
    baums 245
  • Die Menſchen wuͤnſchen oft etwas daß ſie nicht
    wollen 252

Wo-
[[368]]Regiſter.
  • Woher es komme daß ſo wenige die herrlichen
    Geſchoͤpfe GOttes betrachten, und dadurch
    geruͤhret werden? 254
  • Die Allwiſſenheit GOttes 236
  • Die wunderbare, doch weiſe Regierung der Welt 262
  • Die wundernswuͤrdige Vorſorge der Thiere, fuͤr
    ihre Jungen 262
  • Die Allmacht GOttes 274
  • Das Vergeltungsrecht im Strafen 279
  • Die lehrenden Bienen 283
  • Die klugen Ameiſen 285
  • Eine Uhr im Todtenkopfe 298
  • Das entzuͤkkende Vergnuͤgen, aus dem Anſchau-
    en des Himmels bei der Nacht 300
  • Die von den Sinnen empfundene Guͤte GOt-
    tes 304
  • Der Sieg der Glaͤubigen uͤber die Welt, und
    ſich ſelbſt, in dem Exempel Abrahams 313
  • Dank-Gebet am neuen Jahr 321
  • Der Sternen-Himmel 322
  • Chriſtus alles in allen, der Kern und Stern der
    heiligen Schrift. 327
  • Wie ſich die Menſchen gemeiniglich den Himmel
    vorſtellen 329
  • Die mannigfaltige Weisheit GOttes im Reiche
    der Natur 338
  • Die mannigfaltige Weisheit GOttes in der Er-
    findung und Offenbarung des Erloͤſers 356

[[369]]
Notes
(*)
Joh. V. 39.
(*)
Matth. VIII. 23. 24.
(*)
Juͤdiſch Teutſch.
(*)
Die Epicurer.
(*)
Pred. Sal. 6.
(*)
Col. I. 16. 1 Pet. III. 22.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjq2.0