Oder
Ausfuͤhrliche und wunderſeltzame
Lebensbeſchreibung
Der Ertzbetruͤgerin und Landſtoͤrtzerin
Couraſche/
ſterin/ hernach eine Hauptmaͤnnin/ ferner
eine Leutenantin/ bald eine Marcketente-
rin/ Mußquetirerin/ und letzlich eine
Ziegeunerin abgegeben/ Meiſter-
lichagiret/ und ausbuͤndig
vorgeſtellet:
Eben ſo luſtig/ annemlich uñ nutz-
lich zu betrachten als Simpliciſſi-
mus ſelbſt.
[[2]]
Erklaͤrung des Kupffers:
Oder die
Den geneigten Leſer
anredendeCourage.
herunter ſtreue/
es mich gereue/
gebraucht/
Standt nichts taugt.
Schminck/ noch Haar zukraͤuſen
den Laͤuſen/
mir das zu nutz
plici zu Trutz.
[3]
Kurtzer
doch ausfuͤhrlicher Jnnhalt
und
Auszug
Der Merckwuͤrdigſten Sachen
eines jeden Capitels
Dieſer Luſt und Lehrreichen
Lebensbeſchreibung der Ertz-
landſtoͤrtzerin und Zigen-
nerin
Courage.
- Das I. Capitel.
Gruͤndlicher und Nohtwendiger Vor-
bericht/ weme zu Liebe und Gefallen/ und aus
was dringenden Urſachen die alte Ertzbetruͤ-
gerin/ Landſtoͤrtzerin und Zigeunerin Courage
ihren wundernswuͤrdigen und rechtſeltzamen
Lebenslauf erzehlet/ und der gantzen Welt vor
die Augen ſtellet. - Das II. Cap.
Jungfrau Lebuſchka (hernachmals genanndte
Courage) kommt in den Krieg/ und nennet ſich
Janco, muß in demſelben eine Zeitlang einen
Cammerdiener abgeben; dabey veꝛmeldet wird/
wie ſie ſich verhalten/ und was ſich verwunder-
liches ferner mit ihr zugetragen.
A ijDas III.
[4]Das III. Cap.
Janco vertauſchet ſein Edles Jungferkraͤntzlein
bey einem reſoluten Rittmeiſter um den Nah-
men Couraſche. - Das IV. Cap.
Courage wird darum eine Ehefrau und Ritt-
meiſterin/ weil ſie gleich darauf wieder zu einer
Wittwe werden muſte/ nach dem ſie vorhero
den Eheſtand eine weile lediger Weiſe getrieben
hatte. - Das V. Cap.
Was die Rittmeiſter in Courage in ihrem Witt-
wenſtand vor ein erbares und zuͤchtiges: wie
auch verruchtes Gottloſes Leben gefuͤhret; wie
ſie einem Grafen zu willen wird/ einen Am-
baſſador um ſeine Piſtolen bringet/ und ſich
andern mehr um reiche Beute zu erſchnappen
willig unterwirft. - Das VI. Cap.
Courage kommt durch wunderliche Schickung
in die zweyte Ehe/ und freyete einen Haupt-
mann/ mit dem ſie treflich gluͤckſelig und ver-
gnuͤgt lebte. - Das VII. Cap.
Courage ſchreitet zur dritten Ehe/ und wird aus
einer Haupmaͤnnin eine Leutenantin/ trifts
aber nicht ſo wol als vorhero/ ſchlaͤgt ſich
mit ihren Leutenant um die Hoſen mit Pruͤ-
geln/ und gewinnet ſolche durch ihre tapfere
reſolu-
[5]reſolution und Courage; darauff ſich ihr Mañ
unſichtbar macht/ und ſie ſitzen laͤſſt. - Das VIII. Cap.
Courage haͤlt ſich in einer Occaſion trefflich
friſch/ haut einem Soldaten den Kopff ab/
bekommt einen Major gefangen/ und erfaͤhrt
daß ihr Leutenant als ein Meineydiger-Uber-
lauffer gefangen und gehencket worden. - Das IX. Cap.
Courage quittirt den Krieg/ nach dem ihr kein
Stern mehr leuchten will/ und ſie faſt von je-
derman vor einen Spott gehalten wird. - Das X. Cap.
Courage erfaͤhret nach langem Verlangen/ Wün-
ſchen und Begehren wer ihre Eltern geweſen/
und freyet darauff wiederumb einen Haupt-
mann. - Das XI. Cap.
Die Neue Hauptmaͤnnin Courage ziehet wieder
in den Krieg/ und bekam einen Rittmeiſter/
Quartiermeiſter und gemeinen Reuter durch
ihre Heldenmaͤſſige Tapfferkeit in einen bluti-
gen Gefecht gefangen. Verleurt darauff ih-
ren Mann und wird eine ungluͤckſelige Wittbe. - Das XII. Cap.
Der Courage wird ihre treffliche Courage auch
wieder trefflich von dem ehedeſſen von ihr ge-
fangnen Major eingetraͤnckt/ wird jedermans
Hur/ darauff nackend ausgezogen/ und muß
A iijeine
[6] eine gar ſchaͤndliche Arbeit verrichten. Wird
aber endlich von einem Rittmeiſter/ den ſie
auch vorhero gefangen bekommen/ erbetten/
daß ihr nicht etwas aͤrgers wiederfuhr; und
darauff auff ein Schloß gefuͤhrt. - Das XIII. Cap.
Courage wird als ein graͤfliches Fraͤulein auff ei-
nem Schloß gehalten/ von dem Rittmeiſter
gar offt beſucht/ und treflich bedienet/ aber
endlich auff Erfahrung der Eltern des liebha-
benden Rittmeiſters durch zween Diener gar
liſtig aus dem Schloß nacher Hamburg ge-
bracht/ und daſelbſt elendiglich verlaſſen. - Das XIV. Cap.
Courage wirfft ihre Liebe auff einen jungen Reu-
ter/ der einen Corporal/ ſo ihme Hoͤrner auff-
ſetzen wolte/ alſo zeichnete/ daß er des Aufſte-
hens vergas. Darauf wird ihr Liebſter har-
quebuſirt/ die Courage aber mit Steckenknech-
ten vom Regiment geſchicket/ die zweyen Reu-
tern/ ſo Gewalt an ſie legen wolten ziemlich
uͤbel mitfuhre/ da ihr ein Muſquetirer zu Huͤlf-
fe kame. - Das XV. Cap.
Courage haͤlt ſich bey einem Marcketenter auf;
ein Muſquetirer verliebt ſich trefflich in ſie/ dem
ſie etliche gewiſſe Conditiones vorſchreibet/
wie ſie den Eheſtand lediger weiſe mit ihme
treiben moͤchte. Wird auch darauf eine
Marcketenterin. - Das XVI. Cap.
Courage nennet ihren Courtiſan den Muſqueti-
rer mit dem Nahmen Springinsfeld; dem ein
Fenderich/ auf der Courage Anſtalt/ gar liſtig
ein paar groſſer Hoͤrner aufſetzet/ darzu der
Courage vermeinte Mutter treulich hilfft/
kurtz/ ſie ziehet ihn trefflich bey der Naſen her-
umb/ und ſchicket ſich ſtattlich in den Handel. - Das XVII. Cap.
Der Courage wiederfaͤhrt ein laͤcherlicher Poſſe/
den ihr eine Kuͤrſchnerin auf Anſtifften einer
Jtalianiſchen Putanin erwieſen/ als ſie eben
bey einem vornemen Herren beym Nachtim-
biß war; ſie bezahlet aber ſo wol die Putanen
als die Kuͤrſchnerin wieder redlich und aus-
buͤndig/ macht auch einem Apotecker ein wun-
derliches Stuͤckchen. - Das XVIII. Cap.
Die gewiſſenloſe Couraſche erkaufft von einem
Muſquetirer einen Spiritum Familiarem em-
pfindet darbey groſſes Gluͤck/ und gehet ihr
alles nach Wunſch und Willen von ſtatten. - Das XIX. Cap.
Courage richtet ihren Springinsfeld zu allerley
Schelmenſtuͤcklein trefflich ab/ der ſich bey ei-
ner vornemen Dame vor einen Schatzgraͤber
ausgiebt/ in den Keller gelaſſen wird/ darauf
etliche koſtbare Kleinodien liſtig erpracticirt/
und bey Nacht von Courage aus dem Keller
gezogen wird. - Das XX. Cap.
Courage nebenſt ihrem Springinsfeld beſtiehlt
zween Meylaͤnder auf unerhoͤrte Weiſe/ inde-
me ſie dem einem/ der ſehen wolte/ was in ih-
rer Huͤtten vor ein Gepolter war/ und den
Kopff zum Guckloch ausſteckte/ mit ſcharffem
Eſſig in die Augen ſpruͤtzte/ dem andern aber
den Weeg mit ſcharffen Dornen verlegte. - Das XXI. Cap.
Courage wird von ihrem Springinsfeld im
Schlaff mit Ohrfeigen angepacket/ und uͤbel
zugerichtet/ der aber/ nachdem er erwachet/
ſie demiitig umb Gnade und Verzeihung bit-
tet/ welches doch nichts helffen will. - Das XXII. Cap.
Courage wird von ihrem Springinsfeld im
Schlaff aus dem Bett nur im Hembd gegen
des Obriſten Wachtfeuer zugetragen/ daruͤber
ſie erwacht/ und jaͤmmerlich zu ſchreyen begin-
net/ daß alle Officirer zulauffen/ und des Poſ-
ſens lachen; ſie ſchaffet ihn darauf von ſich/
und giebt ihm das beſte Pferd/ nebenſt 100.
Ducaten und dem Spiritu Familiari. - Das XXIII. Cap.
Courage heuratet wiederumb einen Hauptmañ/
wird aber deſſen/ ehe er kaum bey ihr erwar-
met/ wieder beraubet. Laͤſſet ſich darauf auf
ihres erſten Hauptmanns Guͤter in Schwa-
benland nieder/ und treibt ihr Huren-Hand-
werck
[9] werck wie zuvor/ doch gar vorſichtig mit den
eingequartirten Soldaten. - Das XXIV. Cap.
Courage bekommt eine unflaͤtige Kranckheit/
reiſet darauf in den Sauerbronnen/ und macht
mit Simplicio Kundſchafft; als er ſie betreugt/
betreugt ſie ihn redlich wieder/ und laͤſſt ihm
ihrer Magd neugebornes Kind vor ſeine Thuͤr
legen/ nebenſt Schrifftlichem Bericht/ als ob
es Courage mit ihm erzeugt haͤtte. - Das XXV. Cap.
Courage treibet mit einem alten Suſannen-
Mann in ihrem Garten ungebührliche Haͤn-
del/ als eben zween Muſquetierer auf einem
Baum Birnen mauſeten/ und der eine aus
Unvorſichtigkeit die geraubten Birnen alle fal-
len ließ. Darüber die Courage mit ihrem al-
ten Liebhaber vertrieben/ endlich offenbaret/
und der Stadt verwieſen wird. - Das XXVI. Cap.
Courage wird eine Muſquetiererin/ ſchachert
darbey mit Taback und Brandtewein. Jhr
Mann wird verſchicket/ welcher unterweegs
einen toden Soldaten antrifft/ den er auszie-
het/ und weil die Hoſen nicht herunter wol-
ten/ ihm die Schenckel abhaut/ alles zuſam-
men packet/ und bey einem [Bauren] einkehret/
die Schenckel zu Nachts hinterlaͤſſet/ und
Reißaus nimmt. Darauf ſich ein recht laͤcher-
licher Poß zutraͤgt. - Das XXVII. Cap.
Nachdem der Courage Mann in einem Treffen
geblieben/ und Courage ſelbſt auf ihrem Maul-
eſel entrunnen/ trifft ſie eine Ziegeuner-Schaar
an/ unter welchen der Leutenant ſie zum Weib
nimmt/ ſie ſagt einem verliebten Fraͤulein
Waar/ entwendet ihr daruͤber alle Kleinodien/
behaͤlt ſie aber nicht lang/ ſondern muß ſolche
wol abgepruͤgelt wieder zuſtellen. - Das XXVIII Cap.
Couraſche kommt mit ihrer Compagnie in ein
Dorff/ darinnen Kirchweyh gehalten wird/ rei-
tzet einen jungen Ziegeuner an/ eine Henne
tod zu ſchieſſen; ihr Mann ſtellet ſich ſolchen
aufhencken zu laſſen/ wie nun jederman im
Dorff hinaus lief dieſem Schauſpiel zuzuſe-
hen/ ſtahlen die Ziegeunerinnen alles Gebra-
tens und Gebackens/ und machen ſich ſamt
ihrer gantzen Zunfft eiligſt und liſtig darvon.
Das
[11]
DasI.Capitel.
Gruͤndlicher und nohtwendiger
Vorbericht/ weme zu Liebe und Gefal-
len/ und aus was dringenden Urſachen die alte
Ertzbetrügerin/ Landſtürtzerin und Zigeunerin
Courage ihren wundernswuͤrdigen und
recht ſeltzamen Lebens-Lauff erzehlet/
und der gantzen Welt vor die
Augen ſtellet.
JA! (werdet ihr ſagen/ ihr Her-
ren!) wer ſolte wol gemeint ha-
ben/ daß ſich die alte Schell ein-
mal unterſtehen wuͤrde dẽ kuͤnff-
tigen Zorn Gottes zu entrinnen? Aber
was wolt darvor ſeyn/ ſie muß wol! dañ
das Gumpen ihrer Jugend hat ſich ge-
endigt! ihr Muhtwill und Vorwitz hat
ſich gelegt/ ihr beſchwertes und geaͤng-
ſtigtes Gewiſſen iſt aufgewacht/ und das
verdroſſene Alter hat ſich bey ihr einge-
ſtellt/ welches ihre vorige uͤberhaͤuffte
Thorheiten laͤnger zu treiben ſich ſchaͤ-
met/ und die begangene Stuͤck laͤnger
im Hertzen verſchloſſen zu tragen ein
Eckel und Abſcheu hat; Das alte Ra-
A vjben-
[12] benaaß faͤhet einmal an zu ſehen und zu
fuͤhlen/ daß der gewiſſe Tod naͤchſtens
bey ihr anklopffen werde/ ihr den letzten
Abdruck abzunoͤhtigen/ vermittelſt deſ-
ſen ſie unumbgaͤnglich in ein andere
Welt verreiſen/ und von allem ihrem
hieſigen Thun und Laſſen genaue Re-
chenſchafft geben muß; darumb begin-
net ſie im Angeſicht der gantzen Welt ih-
ren alten Eſel vom uͤberhaͤuffter Laſt ſei-
ner Beſchwerden zu entladen/ ob ſie viel-
leicht ſich umb ſo viel erleichtern moͤchte/
daß ſie Hoffnung ſchoͤpffen koͤnnte noch
endlich die himmliſche Barmhertzigkeit
zu erlangen! Ja! (ihr liebe Herren!)
das werdet ihr ſagen; Andere aber wer-
den gedencken/ ſolte ſich die Courage wol
einbilden doͤrffen/ ihre alte zuſammen
gerumpelte Haut/ die ſie in der Jugend
mit Frantzoͤſiſcher Grindſalb/ folgends
mit allerhand Jtalian- und Spaniſcher
Schmincke/ und endlich mit Egyptiſcher
Laͤusſalben und vielem Gaͤnsſchmaltz
geſchmieret/ beym Feuer ſchwartz geraͤu-
chert/ und ſo offt eine andere Farbe an-
zuneh-
[13] zunehmen gezwungen/ widerumb weiß
zu machen? Solte ſie wol vermeinen/ ſie
werde die eingewurtzelte Runtzeln ihrer
Laſterhafften Stirn austilgen/ und ſie
widerumb in den glatten Stand ihrer
erſten Unſchuld bringen/ wann ſie der-
geſtalt ihre Bubenſtuͤck und begangne
Laſter Berichts weiß daher erzehlet von
ihrem Hertzen zu raumen? ſolte wol die-
ſe alte Vettel jetzt/ da ſie alle beyde Fuͤſ-
ſe bereits im Grab hat/ wann ſie anders
wuͤrdig iſt eines Grabs theilhafftig zu
werden/ dieſe Alte/ (werdet ihr ſagen/)
die ſich ihr Lebtag in allerhand Schand
und Laſtern umbgeweltzt/ und mit meh-
rern Miſſethaten als Jahren/ mit meh-
ren Hurenſtuͤcken als Monaten/ mit
mehrern Diebsgriffen als Wochen/ mit
mehrern Tod-Suͤnden als Tagen/ und
mit mehrern gemeinen Suͤnden als
Stunden beladen; die/ deren/ ſo alt ſie
auch iſt/ noch niemal keine Bekehrung
in Sinn kommen/ ſich unterſtehen mit
Gott zu verſoͤhnen? Vermeinet ſie wol
anjetzo noch zurecht zu kommen/ da ſie
A vijallbe-
[14] allbereit in ihrem Gewiſſen anfaͤhet
mehr hoͤlliſche Pein und Marter auszu-
ſtehen/ als ſie ihre Tage Wolluͤſte ge-
noſſen und empfunden? Ja! wann die-
ſe unnuͤtze abgelebte Laſt der Erden ne-
ben ſolchen Wolluͤſten ſich nicht auch in
andern allerhand Ertzlaſtern herumb ge-
waͤltzt/ Ja gar in der Bosheit allertieff-
ſten Abgrund begeben und verſenckt haͤt-
te/ So moͤchte ſie noch wol ein wenig
Hoffnung zu faſſen die Gnad haben koͤn-
nen; Ja ihr Herren! das werdet ihr ſa-
gen/ das werdet ihr gedencken/ und alſo
werdet ihr euch uͤber mich verwundern/
wann euch die Zeitung von dieſer meiner
Haupt- oder General Beicht zu Ohren
kommt; und wann ich ſolches erfahre/
ſo werde ich meines Alters vergeſſen/ und
mich entweder wider jung/ oder gar zu
Stuͤcken lachen! Warumb das Coura-
ge? warumb wirſt du alſo lachen? dar-
umb/ daß ihr vermeinet/ ein altes Weib/
die des Lebens ſo lange Zeit wol gewoh-
net/ und die ihr einbildet/ die Seele ſeye
ihr gleichſam angewachſen/ gedencke an
das
[15] das Sterben/ Eine ſolche/ wie ihr wiſ-
ſet daß ich bin und mein Lebtag geweſen/
gedencke an die Bekehrung! und die je-
nige ſo ihren gantzen Lebens-Lauff/ wie
mir die Pfaffen zu ſprechen/ der Hoͤllen
zugerichtet/ gedencke nun erſt an den
Himmel. Jch bekenne unverholen/ daß
ich mich auf ſolche Hinreis/ wie mich die
Pfaffen uͤberreden wollen/ nicht ruͤſten/
nachdeme/ was mich ihrem Vorgeben
nach verhindert/ voͤllig zu reſignirn ent-
ſchlieſſen koͤnnen; als worzu ich ein
Stuͤck zu wenig/ hingegen aber etlicher/
vornemblich aber zweyer zu viel habe;
das/ ſo mir manglet/ iſt die Reu/ und
was mir manglen ſolte/ iſt der Geitz und
der Neid; wann ich aber meinen Glum-
pen Gold/ den ich mit Gefahr Leib und
Lebens/ ja/ wie mir geſagt wird/ mit
Verluſt der Seeligkeit zuſammen ge-
raſpelt/ ſo ſehr haſſe als ich meinen Ne-
ben-Menſchen neide/ und meinen Ne-
ben-Menſchen ſo hoch liebte als mein
Geld/ ſo moͤchte vielleicht die himmli-
ſche Gabe deꝛ Reue auch folgen; ich weiß
die
[16] die Art der unterſchiedlichen Alter eines
jeden Weibsbilds/ und beſtaͤttige mit
meinem Exempel/ daß alte Hund ſchwer-
lich baͤndig zu machen; die Cholera hat
ſich mit den Jahren bey mir vermehrt/
und ich kan die Gall nicht heraus neh-
men/ ſolche wie der Metzger einen Saͤu-
Magen umbzukehren und auszubu-
tzen; wie wolte ich dann dem Zorn wi-
derſtehen moͤgen? wer will mir die uͤber-
haͤuffte Phlegmam evacuirn und mich al-
ſo von der Traͤgheit curiren? Wer be-
nimmt mir die Melancholiſche Feuch-
tigkeit/ und mit derſelbigen die Neigung
zum Neid? Wer wird mich uͤberreden
koͤnnen/ die Ducaten zu haſſen/ da ich
doch aus langer Erfahrung weiß/ das
ſie aus Noͤhten erretten/ und der einige
Troſt meines Alters ſeyn koͤnnen/ da-
mal/ damal/ ihr Herrn Geiſtliche! wars
Zeit/ mich auf den jenigen Weeg zu wei-
ſen/ den ich euern Raht nach jetzt erſt
antretten ſoll/ als ich noch in der Bluͤt
meiner Jugend/ und in dem Stand
meiner Unſchuld lebte; dann ob ich gleich
da-
[17] damals die gefaͤhrliche Zeit der kuͤtzel-
hafften Anfechtung angieng/ ſo waͤre
mir doch leichter geweſen dem Sanguini-
ſchen Antrieb/ als jetzunder der uͤbrigen
dreyen aͤrgſten Feuchtigkeiten gewaltſa-
men Anlauff zugleich zuwiderſtehen;
darumb gehet hin zu ſolcher Jugend/
deren Hertzen noch nicht/ wie der Cou-
rage, mit andern Bildniſſen befleckt/ und
lehret/ ermahnet/ bittet/ Ja beſchwe-
ret ſie/ daß ſie es aus Unbeſonnenheit
nimmermehr ſo weit ſoll kommen laſſen/
als die arme Courage gethan; Aber hoͤre
Courage, wann du noch nicht im Sinn
haſt dich zu bekehren/ warumb wilſt du
dann deinen Lebens-Lauff Beichtsweiß
erzehlen/ und aller Welt deine Laſter of-
fen bahrn? Das thue ich dem Simpliciſ-
ſimo zu Trutz! weil ich mich anderer Ge-
ſtalt nicht an ihm raͤchen kan; dann nach
dem dieſer ſchlimme Vocativus mich im
Saurbrunnen geſchwaͤngert ſcilicet, uñ
hernach durch einen ſpoͤttlichen Poſſen
von ſich geſchafft/ gehet er erſt hin/ und
rufft meine und ſeine eigne Schand/ ver-
mit-
[18] mittelſt ſeiner ſchoͤnen Lebens-Beſchrei-
bung vor aller Welt aus; aber ich will
ihm jetzunder hingegen erzehlen/ mit
was vor einem erbarn Zobelgen er zu
ſchaffen gehabt/ damit er wiſſe/ weſſen er
ſich geruͤhmt; und vielleicht wuͤnſchet/
daß er von unſerer Hiſtori allerdings
ſtill geſchwiegen haͤtte; Woraus aber
die gantze erbare Welt abzunehmen/ daß
gemeiniglich Gaul als Gurr: Hurn und
Buben eins Gelichters: und keins umb
ein Haar beſſer als das ander ſey; gleich
und gleich geſellt ſich gern/ ſprach der
Teuffel zum Kohler/ und die Suͤnden
und Suͤnder werden widerumb gemei-
niglich durch Suͤnden und Suͤn-
der abgeſtrafft.
Das
[19]
DasII.Capitel.
Jungfrau Lebuſchka (hernach-
mals genannte Courage) kommt in den
Krieg/ nennet ſich Janco/ und muß in demſelben
eine Zeitlang einen Cammerdiener abgeben; da-
bey vermeldet wird/ wie ſie ſich verhalten/ und
was ſich verwunderliches ferner mit ihr
zugetragen.
DJe jenige/ ſo da wiſſen/ wie die
Sclavoniſche Voͤlcker ihre Leib-
eigne Unterthanen tractirn/ doͤrff-
ten wol vermeinen/ ich waͤre von einem
Boͤhmiſchen Edelmann und eines Bau-
ren Tochter erzeugt und geboren wordẽ;
Wiſſen und Meinen iſt aber zweyerley;
ich vermeine auch viel Dings und weiß
es doch nicht; wann ich ſagte/ ich haͤtte
gewuſt/ wer meine Eltern geweſen/ ſo
wuͤrde ich luͤgen/ und ſolches waͤre nicht
das erſte mal; dieſes aber weiß ich wol/
daß ich zu Bragoditz zaͤrtlich genug auf-
erzogen/ zur Schulen gehalten/ und
mehr als ein geringe Tochter zum Naͤ-
hen/ Stricken/ Sticken und anderer
dergleichen Frauenzimmer Arbeit ange-
fuͤhrt
[20] fuͤhrt worden bin; das Koſtgelt kam
fleiſſig von meinem Vatter/ ich wuſte
aber drumb nicht woher/ und meine
Mutter ſchickte manchen Gruß/ mit de-
ren ich gleichwol mein Tage kein Wort
geredet; als der Baͤyerfuͤrſt mit dem
Bucquoy in Boͤhmen zog/ den neuen
Koͤnig widerumb zu verjagen/ da war
ich eben ein fuͤrwitzigs Ding von drey-
zehen Jahren/ welches anfieng nach zu-
tichten/ wo ich doch herkommen ſeyn
moͤchte; und ſolches war mein groͤſtes
Anligen; weil ich nicht fragen dorffte/
und von mir ſelbſt nichts ergruͤnden koñ-
te; ich wurde vor der Gemeinſchafft der
Leut verwahrt wie ein ſchoͤnes Gemaͤhl
vorm Staub; meine Coſtfrau behielte
mich immer in den Augen/ und weil ich
mit andern Toͤchtern meines Alters kei-
ne Geſpielſchafft machen dorffte/ ſihe
ſo vermehrten ſich meine Grillen und
Dauben/ die der Fuͤrwitz in meinem
Hirn ausheckte/ auſſer welchen ich mich
auch mit ſonſt nichts bekuͤmmerte.
Als
[21]
Als ſich nun der Hertzog aus Baͤyern
vom Bucquoy ſeparirte, gieng der Baͤy-
er vor Budweiß/ dieſer aber vor Bra-
goditz; Budweiß ergab ſich bey Zeiten/
und thaͤt ſehr weißlich/ Bragoditz aber
erwartet und erfuhr den Gewalt der
Kaͤiſerlichen Waffen/ welche auch mit
den Halsſtarrigen grauſam umbgien-
gen; da nun meine Koſtfrau ſchmeckte/
wo die Sach hinaus wolte/ ſagte ſie
zeitlich zu mir/ Jungfrau Libuſchka/
wann ihr eine Jungfrau bleiben wolt/
ſo muͤſt ihr euch ſcheeren laſſen/ und
Manns-Kleider anlegen/ wo nicht/ ſo
wolte ich euch keine Schnalle umb euer
Ehre geben/ die mir doch ſo hoch befoh-
len worden zu beobachten; ich dachte/
was vor frembde Reden ſeyn mir das?
Sie aber kriegte eine Scheer/ und ſchnit-
te mir mein goldfarbes Haar auf der
rechten Seiten hinweg/ das auf der Lin-
cken aber lieſſe ſie ſtehen/ in aller Maß
und Form/ wie es die vornembſte Mañs-
Perſonen damals trugen; ſo/ mein
Tochter! ſagte ſie/ wann ihr dieſem
BStrudel
[22] Strudel mit Ehren entrinnet/ ſo habt
ihr noch Haar genug zur Zierd/ und in
einem Jahr kan euch das ander auch
wider wachſen; ich lieſſe mich gern troͤ-
ſten/ dañ ich bin von Jugend auf gena-
turt geweſen/ am allerliebſten zu ſehen/
wann es am allernaͤrriſchten hergieng;
und als ſie mir auch Hoſen uñ Wambſt
angezogen/ lernte ſie mich weitere
Schritte thun/ und wie ich mich in den
uͤbrigen Geberden verhalten ſolte; alſo
erwarteten wir der Kaͤiſerlichen Voͤlcker
Einbruch in die Stadt; meine Koſtfrau
zwar mit Angſt und Zittern/ ich aber mit
groſſer Begierde/ zu ſehen/ was es doch
vor eine neue ungewoͤhnliche Kuͤrbe ſe-
tzen wuͤrde; ſolches wurde ich bald ge-
wahr; ich will mich aber drumb nicht
aufhalten mit Erzehlung/ wie die Maͤn-
ner in der eingenommenen Stadt von
den Uberwindern gemetzelt: die Weibs-
bilder genohtzuͤchtiget/ und die Stadt
ſelbſt gepluͤndert worden; ſintemal ſol-
ches in dem verwichenen langwierigen
Krieg ſo gemein und bekandt worden/
daß
[23] daß alle Welt genug darvon zu ſingen
und zu ſagen weiß; diß bin ich ſchuldig
zu melden/ wann ich anders mein gantze
Hiſtori erzehlen will/ daß mich ein Teut-
ſcher Reuter vor einen Jungen mit
nahm/ bey dem ich der Pferdte warten
und forragirn: das iſt/ ſtehlen helffen ſol-
te; ich nennete mich Janco und koñte zim-
lich Teutſch lallen/ aber ich lieſſe michs/
aller Boͤhmen Brauch nach/ drumb
nicht mercken; darneben war ich zart/
ſchoͤn und Adelicher Geberden/ und wer
mir ſolches jetzt nicht glauben will/ dem
wolte ich wuͤnſchen/ daß er mich vor 50.
Jahren geſehen haͤtte/ ſo wuͤrde er mir
deſſentwegen ſchon ein ander gut Zeug-
niß geben.
Als mich nun dieſer mein erſter Herr
zur Compagnia brachte/ fragte ihn ſein
Rittmeiſter/ welches in Warheit ein
ſchoͤner junger tapfferer Cavallier war/
was er mit mir machen wolte? Er ant-
wortet/ was andere Reuter mit ihren
Jungen machen; Mauſen und der
Pferdte warten/ worzu die Boͤhmiſche
B ijArt/
[24] Art/ wie ich hoͤre/ die beſte ſeyn ſoll; man
ſagt vor gewiß/ wo ein Boͤhm Kuder
aus einem Haus trage/ da werde gewiß-
lich kein Teutſcher Flachs in finden; wie
aber? antwortet der Rittmeiſter/ wann
er diß Boͤmiſch Handwerck an dir an-
ſieng/ und ritte dir zum Probſtuͤck deine
Pferdt hinweg; ich will/ ſagt der Reu-
ter/ ſchon Achtung auf ihn geben/ bis ich
ihn aus der Kuͤheweid bringe; die Bau-
ren-Buben/ antwortet der Rittmeiſter/
die bey den Pferdten erzogen worden/
geben viel beſſere Reuter-Jungen als
die Burgers Soͤhne/ die in den Staͤd-
ten nicht lernen koͤnnen wie einem Pferd-
te zu warten; zu dem dunckt mich/ dieſer
Jung ſey ehrlicher Leut Kind und viel
zu haͤckel auferzogen worden/ einem Reu-
ter ſeine Pferd zu verſehen; ich ſpitzte die
Ohren gewaltig/ ohne daß ich derglei-
chen gethan haͤtte/ daß ich etwas von ih-
rem Diſcurs verſtuͤnde/ weil ſie Teutſch re-
deten; meine groͤſte Sorg war/ ich moͤch-
te wider abgeſchafft/ und nach dem ge-
pluͤnderten Bragodiz zuruck gejagt wer-
den/
[25] den/ weil ich die Trommeln und Pfeif-
fen/ das Geſchuͤtz/ und die Trompeten/
von welchem Schall mir das Hertz im
Leib aufhupffte/ noch nicht ſatt genug
gehoͤrt hatte; zu letzt ſchickte ſichs/ ich
weiß nicht zu meinem Gluͤck oder Un-
gluͤck/ daß mich der Rittmeiſter ſelbſt be-
hielte/ daß ich ſeiner Perſon wie ein Pa-
ge und Cammerdiener aufwarten ſolte;
dem Reuter aber gab er einen andern
Boͤhmiſchen Knollfincken zum Jungen/
weil er ja einen Dieb aus unſerer Nati-
on haben wolte;
Alſo ſchickte ich mich nun gar artlich
in den Poſſen; ich wuſte meinem Ritt-
meiſter ſo trefflich zu Fuchsſchwaͤntzen/
ſeine Kleidungen ſo ſauber zu halten/
ſein weiß leinen Zeug ſo nett zu accom-
modirn, und ihm in allem ſo wol zu pfle-
gen/ daß er mich vor den Kern eines gu-
ten Cammer dieners halten muſte; und
weil ich auch einen groſſen Luſt zum Ge-
wehr hatte/ verſahe ich daſſelbe derge-
ſtalten/ daß ſich Herr und Knechte dar-
auf verlaſſen durfften/ und dannenhero
B iijerhiel-
[26] erhielte ich bald von ihm/ daß er mir ei-
nen Degen ſchenckte/ und mich mit einer
Maultaſche Wehrhafft machte; uͤber
das/ daß ich mich hierinn ſo friſch hielte/
muſte ſich auch jederman uͤber mich ver-
wundern/ und vor die Anzeigung eines
unvergleichlichen Verſtands halten/ daß
ich ſo bald Teutſch reden lernete/ weil
niemand wuſte/ daß ichs bereits von
Jugend auf lernen muͤſſen; darneben be-
fliſſe ich mich aufs hoͤchſte/ alle meine
Weibliche Sitten auszumuſtern/ und
hingegen Mannliche anzunehmen; ich
lernte mit Fleiß fluchen wie ein anderer
Soldat/ und darneben Sauffen wie
ein Buͤrſtenbinder/ ſoff Bruͤderſchafft
mit denen/ die ich vermeinte das ſie mei-
nes Gleichens waͤren/ und wann ich et-
was zu beteuern hatte/ ſo geſchahe es bey
Dieb und Schelmen ſchelten/ damit ja
niemand mercken ſolte/ warumb ich in
meiner Geburt zu kurtz kommen/
oder was ich ſonſt nicht mit-
gebracht.
III.
[27]
DasIII.Capitel.
Janco vertauſchet ſein Edles
Jungſer-Kraͤntzlein bey einem reſolu-
ten Rittmeiſter umb den Nahmen
Conraſche.
MEin Rittmeiſter war/ wie hiero-
ben gemeldet/ ein ſchoͤner junger
Cavallier/ ein guter Reuter/ ein
guter Fechter/ ein guter Daͤntzer/ ein
Reuteriſcher Soldat/ und uͤberaus ſehr
auf das Jagen verbicht; ſonderlich mit
Windhunden die Haaſen zu hetzen war
ſein groͤſter Spaß; er hatte ſo viel Barts
umbs Maul als ich/ und wann er Frau-
enzimmer-Kleider angehabt haͤtte/ ſo
haͤtte ihn der Tauſendſte vor eine ſchoͤne
Jungfrau gehalten; aber wo komm ich
hin? ich muß meine Hiſtori erzehlen; als
Budweis und Bragodiz uͤber/ gien-
gen beyde Armeen vor Pilſen/ welches
ſich zwar tapffer wehrete/ aber hernach
auch mit jaͤmmerlichem Wuͤrgen und
Aufhencken ſeine Straff empfieng; von
dannen ruckten ſie auf Raconitz/ allwo
B iiijes
[28] es die erſte Stoͤß im Feld ſetzte/ die ich ſa-
he; und damals wuͤnſchte ich ein Mann
zu ſeyn/ umb dem Krieg meine Tage
nachzuhaͤngen; dann es gieng ſo luſtig
her/ daß mir das Hertz im Leib lachte;
und ſolche Begierde vermehrte mir die
Schlacht auf dem weiſſen Berg bey
Prag/ weil die unſere einen groſſen
Sieg erhielten und wenig Volck einbuͤ-
ſten; damals machte mein Rittmeiſter
treffliche Beuten/ ich aber lieſſe mich
nicht wie ein Page oder Caͤmmerling/
vielweniger als ein Maͤgdgen/ ſondern
wie ein Soldat gebrauchen/ der an den
Feind zu gehen geſchworen/ und dar-
von ſeine Beſoldung hat.
Nach dieſem Treffen marchirt der
Hertzog aus Baͤyern in Oeſterreich/ der
Saͤchſiſche Churfuͤrſt in die Laußnitz/ und
unſer General Bucquoy in Maͤhren/
des Kaͤiſers Rebellen widerumb in Ge-
horſam zu bringen; und indem ſich die-
ſer letztere an ſeiner bey Raconitz em-
pfangenen Beſchaͤdigung curiren lieſſe;
ſihe/ da bekam ich mitten in derſelbigen
Ruhe/
[29] Ruhe/ ſo wir ſeinethalber genoſſen/ eine
Wunden in mein Hertz/ welche mir mei-
nes Rittmeiſters Liebwuͤrdigkeit hinein
truckte; dann ich betrachtete nur die je-
nige Qualitaͤten/ die ich oben von ihm
erzehlet/ und achtete gar nicht/ daß er we-
der Leſen noch Schreiben konnte/ und im
uͤbrigen ſo ein roher Menſch war/ daß
ich bey meiner Treu ſchweren kan/ ich
haͤtte ihn niemahlen hoͤren oder ſehen be-
ten; und wann ihn gleich der weiſe Koͤ-
nig Alphonſus ſelbſt eine ſchoͤne Beſtia
genannt haͤtte/ ſo waͤre mein Liebes-
Feur/ das ich hegte/ doch nicht darvon
verloſchen/ welches ich aber heimlich zu
halten gedachte/ weil mirs meine wenig
uͤbrighabende Jungfraͤuliche Scham-
hafftigkeit alſo riehte; es geſchahe aber
mit ſolcher Ungedult/ daß ich/ unange-
ſehen meiner Jugend/ die noch keines
Manns wehrt war/ mir offt wuͤnſchte/
der jenigen Stelle zu vertretten/ die ich
und andere Leute ihm zu Zeiten zu kup-
pelten; ſo hemmte Anfaͤnglich auch nicht
wenig den ungeſtuͤmmen und gefaͤhrli-
B vchen
[30] chen Ausbruch meiner Liebe/ daß mein
Liebſter von einem edlen und Namhaff-
ten Geſchlecht geboren war/ von dem
ich mir einbilden muſte/ daß er keine/ die
ihre Eltern nicht kennete/ ehelichen wuͤr-
de; und ſeine Matreſſe zu ſeyn/ konnte
ich mich nicht entſchlieſſen/ weil ich taͤg-
lich bey der Armee ſo viel Huren ſahe
Preiß machen.
Ob nun gleich dieſer Krieg uñ Streit/
den ich mit mir ſelber fuͤhrte/ mich greu-
lich quaͤlte/ ſo war ich doch geil und aus-
gelaſſen darbey/ ja von einer ſolchen
Natur/ daß mir weder mein innerlichs
Anliegen noch die aͤuſerliche Arbeit und
Kriegs Unruhe etwas zu ſchaffen gab;
ich hatte zwar nichts zu thun/ als einzig
meinem Rittmeiſter aufzuwarten; aber
ſolches lernete mich die Liebe mit ſolchem
Fleiß und Eifer verrichten/ daß mein
Herrtauſend Eid vor einen geſchworen
haͤtte/ es lebte kein treuerer Diener auf
dem Erdboden; in allen occaſionen, ſie
waͤren auch ſo ſcharff geweſen/ als ſie
immer wolten/ kame ich ihme niemah-
len
[31] len vom Rucken oder der Seiten/ wie-
wol ichs gar nicht zu thun ſchuldig war/
und uͤber das war ich allzeit willig/ wo
ich nur etwas zu thun wuſte/ das ihm
gefiele; ſo haͤtte er auch gar wol aus mei-
nem Angeſicht leſen koͤnnen/ wann ihn
nur meine Kleider nicht betrogen/ daß
ich ihn weit mit einer anderen als eines
gemeinen Dieners Andacht geehrt und
angebetet; Jndeſſen wuchſe mir mein
Buſen je laͤnger je groͤſſer/ und druckte
mich der Schu je laͤnger je hefftiger/ der-
geſtalt/ daß ich weder von auſſen meine
Bruͤſte: noch den innerlichen Brand im
Hertzen laͤnger zu verbergen getraute.
Als wir Jylau beſtuͤrmet/ Trebitz be-
zwungen/ Znaim zum Accord gebracht/
Bruͤn und Olmuͤtz unter das Joch ge-
worffen/ und meiſten theils alle andere
Staͤdte zum Gehorſam getrieben/ ſeynd
mir gute Beuten zugeſtanden/ welche
mir mein Rittmeiſter/ meiner getreuen
Dienſte wegen/ alle ſchenckte; wormit
ich mich trefflich mundirte/ und ſelbſt
zum allerbeſten beritten machte/ meinen
B vjeignen
[32] eignen Beutel ſpickte/ und zu Zeiten bey
dem Marquedentern mit den Kerln ein
Maas Wein tranck; einsmals machte
ich mich mit etlichen luſtig/ die mir aus
Neid empfindliche Wort gaben/ und
ſonderlich war ein feindſeliger daꝛunter/
der die Boͤhmiſche Nation gar zu ſehr
ſchmaͤhete und verachtete; der Narr hiel-
te mir vor/ daß die Boͤhmen ein faulen
Hund voller Maden vor ein ſtinckenden
Kaͤß gefreſſen haͤtten/ und foppte mich
allerdings/ als wann ich Perſoͤnlich
darbey geweſen waͤre/ derowegen kamen
wir beyderſeits zu Scheltworten/ von
den Worten zu Naſenſtuͤbern/ und von
den Stoͤſſen zum Rupffen und Ringen/
unter welcher Arbeit mir mein Gegen-
theil mit der Hand in Schlitz wiſchte/
mich bey dem jenigen Geſchirr zu erdap-
pen/ das ich doch nicht hatte/ welcher
zwar vergebliche/ doch Moͤrderiſche
Griff mich viel mehr verdroſſe/ als wann
er nicht leer abgangen waͤre/ und eben
darumb wurde ich deſto verbitterter/ ja
gleichſam halber unſinnig/ alſo/ daß ich
aller
[33] aller meiner Staͤrck und Geſchwindig-
keit zuſammen gebotte/ und mich mit
Kratzen/ Beiſſen/ Schlagen und Tret-
ten dergeſtalt wehrete/ daß ich meinen
Feind hinunter brachte/ und ihn im An-
geſicht alſo zurichtete/ daß er mehr einer
Teuffels-Larven als einem Menſchen
gleich ſahe/ ich haͤtte ihn auch gar er-
wuͤrgt/ wann mich die andere Geſell-
ſchafft nicht von ihm geriſſen/ und Fried
gemacht haͤtte; ich kam mit einem blau-
en Aug darvon/ und konnte mir wol ein-
bilden/ daß der ſchlimme Kund gewahr
worden/ was Geſchlechts ich geweſen/
und ich glaub auch/ daß ers offenbahrt
haͤtte/ wann er nicht gefuͤrchtet/ daß er
entweder mehr Stoͤſſe bekommen/ oder
zu denen die eꝛ allbereit empfangen/ aus-
gelacht worden waͤre/ umb daß er ſich
von einem Maͤgdgen ſchlagen laſſen;
uñ weil ich ſorgte/ er moͤchte noch endlich
ſchnellen/ ſihe ſo drehete ich mich aus.
Mein Rittmeiſter war nicht zu Haus/
als ich in unſer Quartier kam/ ſondern
bey einer Geſellſchafft anderer Officier/
B vijmit
[34] mit denen er ſich luſtig machte/ allwo er
auch erfuhr was ich vor eine Schlacht
gehalten/ ehe ich zu ihm kam; er liebte
mich als ein reſolutes junges Buͤrſchel/
und eben darumb war mein Filtz deſto
geringer/ doch unterlieſſe er nicht mir
deſſentwegen einen Verweiß zu geben;
als aber die Predigt am allerbeſten war/
und er mich fragte/ warumb ich meinen
Gegentheil ſo gar abſcheulich zugerich-
tet haͤtte/ antwortet ich/ darumb/ daß er
mir nach der Courage gegriffen hat/ wo-
hin ſonſt noch keines Manns-Menſchen
Haͤnde kommen ſeyn/ (dann ich wolte
es verzwicken/ und nicht ſo grob nennen/
wie die Schwaben ihre zuſammen ge-
legte Meſſer/ welche man/ wann ich
Meiſter waͤre/ auch nicht mehr ſo un-
hoͤfflich/ ſondern unzuͤchtige Meſſer heiſ-
ſen muͤſte/) und weil meine Jungfrau-
ſchafft ohne das ſich in letzten Zuͤgen be-
fand/ zumalen ich wagen muſte/ mein
Gegentheil wuͤrde mich doch verrahten/
ſihe/ ſo entbloͤſte ich meinen ſchneeweiſ-
ſen Buſen/ und zeigte dem Rittmeiſter
meine
[35] meine anziehende harte Bruͤſte; ſehet/
Herr! ſagte ich/ hie ſehet ihr eine Jung-
frau/ welche ſich zu Bragodiz verkleidet
hat/ ihre Ehr vor den Soldaten zu er-
retten/ und demnach ſie Gott und das
Gluͤck in euere Haͤnde verfuͤgt/ ſo bittet
ſie/ und hofft/ ihr werdet ſie auch als ein
ehrlicher Cavallier bey ſolcher ihrer her-
gebrachten Ehr beſchuͤtzen; und als ich
ſolches vorgebracht hatte/ fieng ich ſo er-
baͤrmlich an zu weinen/ daß einer drauff
geſtorben waͤre/ es ſey mein gruͤndlicher
Ernſt geweſen.
Der Rittmeiſter erſtaunete zwar vor
Verwunderung/ und muſte doch la-
chen/ daß ich mit einen neuen Nahmen
viel Farben beſchrieben hatte/ die mein
Schild und Helm fuͤhrte; er troͤſtete
mich gar freundlich/ und verſprach mit
gelehrten Worten meine Ehre wie ſein
eigen Leben zu beſchuͤtzen/ mit den Wer-
cken aber bezeugte er alſobalden/ daß er
der Erſte waͤre/ der meinem Kraͤntzlein
nachſtellte/ und ſein unzuͤchtig Gegrabel
gefiele mir auch viel beſſer als ſein ehr-
lichs
[36] lichs Verſprechen; doch wehrete ich mich
Ritterlich; nicht zwar/ ihme zu entge-
hen/ oder ſeinen Begierden zu entrinnen/
ſondern ihn recht zu hetzen und noch be-
gieriger zu machen; allermaſſen mir der
Poß ſo artlich angieng/ daß ich nichts
geſchehen lieſſe/ bis er mir zuvor bey
Teuffelholen verſprach mich zu eheli-
chen/ unangeſehen/ ich mir wol einbil-
den konnte/ er wuͤrde ſolches ſo wenig im
Sinn haben zu halten/ als den Hals
abzufallen. Und nun ſchaue/ du guter
Simplex! du doͤrffteſt dir hiebevor im
Saurbrunnen vielleicht eingebildet ha-
ben/ du ſeyeſt der Erſte geweſen/ der den
ſuͤſſen Milchraum abgehoben; Ach nein
du Tropff! du biſt betrogen/ er war hin/
ehe du vielleicht biſt geboren worden/
darumb dir dann billich/ weil du zu
ſpat aufgeſtanden/ nur der Zeiger ge-
buͤhrt und vorbehalten worden; aber
diß iſt nur Puppenwerck gegen dem zu-
rechnen/ wie ich dich ſonſt angeſeilt und
betrogen habe/ welches du an ſeinem Ort
auch gar ordenlich von mir vernehmen
ſolt.
IV.
[37]
DasIV.Capitel.
Courage wird darumb eine Ehe-
frau und Rittmeiſterin/ weil ſie gleich
daranf wieder zu einer Wittbe werden mu-
ſte/ nachdem ſie vorhero den Eheſtand
eine weile lediger Weiſe ge-
trieben hatte.
ALſo lebte ich nun mit meinem Ritt-
meiſter in heimlicher Liebe/ uñ ver-
ſahe ihm beydes die Stelle eines
Cammerdieners und ſeines Eheweibs;
ich quaͤlte ihn offt/ daß er dermahlen eins
ſein Verſprechen halten/ und mich zur
Kirchen fuͤhren ſolte/ aber er hatte allzeit
eine Ausrede/ vermittelſt deren er die
Sach auf die lange Banck ſchieben koñ-
te/ niemahlen konnte ich ihn beſſer zu
Chor treiben/ als wann ich eine gleich-
ſam unſinnige Liebe gegen ihn bezeugte/
und darneben meine Jungfrauſchafft
wie des Jephthæ Tochter beweinte; wel-
chen Verluſt ich doch nicht dreyer Heller
wehrt ſchaͤtzte; ja ich war froh/ daß mir
ſolche als ein ſchwerer untraͤglicher Laſt
entnommen war/ weil mich nunmehr der
Fuͤrwitz
[38] Fuͤrwitz verlaſſen; doch brachte ich mit
meiner liebreitzenden Importunitaͤt ſo viel
zu wegen/ daß er mir zu Wien ein doll
Kleid machen lieſſe/ auf die neue Mode/
wie es damahlen das Adeliche Frauen-
zimmer in Jtalia trug/ (ſo daß mir nichts
anders manglete/ als die Copulation/
und daß man mich einmal Frau Ritt-
meiſterin nennete/) wormit er mir eine
groſſe Hoffnung machte/ und mich wil-
lig behielte; ich dorffte aber drumb daſ-
ſelbig Kleid nicht tragen/ noch mich vor
ein Weibsbild/ vielweniger aber vor ſei-
ne Geſpons ausgeben; und was mich
zum allermeiſten verdroſſe/ war diß/ daß
er mich nicht mehr Janco/ auch nicht
Libuſchka ſondern Courage nannte; den-
felben Nahmen aͤhmten andere nach/
ohne daß ſie deſſen Urſprung wuſten/
ſondern vermeinten mein Herr hieſſe
mich deſſentwegen alſo/ weil ich mit ei-
ner ſonderbaren Refolution und unver-
gleichlichen Courage in die alleraͤrgſte
Feinds-Gefahrn zu gehen pflegte/ und
alſo muſte ich ſchlucken was ſchwer zu
ver-
[39] verbauen war. Darumb O ihr lieben
Maͤgdgen! die ihr noch euer Ehr und
Jungfrauſchafft unverſehrt erhalten
habt/ ſeyd gewarnet/ und laſſet euch ſol-
che ſo liderlich nicht hinrauben/ dann mit
derſelbigen gehet zugleich euere Freyheit
in Duckas/ und ihr gerahtet in ein ſolche
Marter und Sclaver ey/ die ſchwerer zu
erdulden iſt/ als der Todt ſelbſten/ ich
habs erfahren und kan wol ein Liedlein
darvon ſingen; Der Verluſt meines
Kraͤntzleins thaͤt mir zwar nicht wehe/
dann ich hab niemal kein Schloß dar-
umb zu kauffen begehrt/ aber dieſes
gieng mir zu Hertzen/ daß ich mich noch
deswegen foppen laſſen/ und noch gute
Wort darzu geben muſte/ wolte ich nicht
in Sorgen leben/ daß mein Rittmeiſter
aus der Schul ſchwatzen/ und mich al-
ler Welt zu Spott und Schand darſtel-
len moͤchte. Auch ihr Kerl/ die ihr mit
ſolcher betruͤglichen Schnapphanerey
umbgehet/ ſehet euch vor/ daß ihr nicht
den Lohn euerer Leicht fertigkeit von de-
ren empfahet/ die ihr zu billicher Rach
bewee-
[40] beweeget; wie man ein Exempel zu Pa-
ris hat/ allwo ein Cavallier/ nachdem
er eine Dame betrogen/ und ſich fol-
gents an ein andere verheuraten wolte/
widerumb zum Beyſchlaff gelockt: des
Nachts aber ermordet/ elend zerſtuͤm-
melt/ und zum Fenſter hinaus auf die
offene Straß geworffen wurde; ich muß
von mir ſelbſt bekennen/ wann mich mein
Rittmeiſter nicht mit allerhand hertzli-
chen Liebsbezeugungen unterhalten/ und
mir nicht ſtetig Hoffnung gemacht haͤt-
te/ mich noch entlich ohne allen Zweiffel
zu ehelichen/ daß ich ihm einmal unver-
ſehens in einer Occaſion ein Kugel ge-
ſchenckt haͤtte; Jndeſſen marchirten wir
unter des Bucquoy Commando in Un-
garn/ und nahmen zum erſten Preß-
burg ein/ allwo wir auch unſere meiſte
Bagage und beſte Sachen hinderlege-
ten/ weil ſich mein Rittmeiſter verſahe/
wir wuͤrden mit dem Bethlen Gabor ei-
ne Feldſchlacht wagen muͤſſen/ von dan-
nen giengen wir nach S. Georgi/ Poſ-
ſing/ Moder und andere Ort/ welche
erſtlich
[41] erſtlich gepluͤndert und hernach ver-
brendt wurden/ Tirnau/ Altenburg und
faſt die gantze Jnſul nahmen wir ein/
und vor Neuſoll: kriegten wir einige
Stoͤſſe/ allwo nicht allein mein Rittmei-
ſter toͤdlich verwundet/ ſondern auch
unſer General der Graf Bucquoy ſelb-
ſten nidergemacht wurde/ welcher Tod
dann verurſachte/ daß wir anfiengen zu
fliehen/ und nicht aufhoͤreten/ bis wir
nach Preßburg kamen/ daſelbſt pflegte
ich meinem Rittmeiſter mit gantzen
Fleiß/ aber die Wundaͤrtzte prophecey-
ten ihm den gewiſſen Tod/ weil ihm die
Lung verwundet war/ derowegen wur-
de er auch durch gute Leute erinnert und
da hin bewoͤgt daß er ſich mit Gott ver-
ſoͤhnet/ dann unſer Regiments-Caplan
war ein ſolcher eiferiger Seelenſorger/
daß er ihm keine Ruhe ließ/ bis er beich-
tet und communicirte; Nach ſolchem
wurde er beydes durch ſeinen Beicht-
vatter und ſein eigen Gewiſſen ange-
ſport und getrieben/ daß er mich mit
ihme im Bette copuliren lieſſe/ welches
nicht
[42] nicht ſeinem Leib/ ſondern ſeiner See-
len zum beſten angeſehen war/ und ſol-
ches gieng deſto ehender/ weil ich ihn uͤ-
berredet/ daß ich mich von ihm ſchwan-
ger befaͤnde; So verkehrt nun gehets in
der Welt her/ andere nehmen Weiber
mit ihnen ehelich zu leben/ dieſer aber
ehelichte mich/ weil er wuſte daß er ſolte
ſterben! Aus dieſem Verlauff muſten
die Leute nun glauben/ daß ich ihn nicht
als ein getreuer Diener/ ſondern als ſei-
ne Matreß bedient/ und ſein Ungluͤck be-
weinet hatte/ das Kleid kam mir wol zu
der Hochzeit-Ceremonien zu Paß/ wel-
ches er mir hiebevor machen laſſen/ ich
dorffte es aber nicht lang tragen/ ſon-
dern muſte ein ſchwartzes haben/ weil er
nach wenig Tagen mich zur Wittib
machte/ und damals gieng mirs aller-
dings wie jenem Weib/ die bey ihres
Manns Begraͤbnis einem ihrer Be-
freundten/ der ihr das Leid klagte/ zur
Antwort gab; was einer zum liebſten
hat/ fuͤhrt einem der Teuffel zum erſten
hin. Jch lieſſe ihn ſeinem Stand gemaͤß
praͤch-
[43] praͤchtig genug begraben/ dann er mir
nicht allein ſchoͤne Pferdt/ Gewehr und
Kleider: ſondern auch ein ſchoͤn Stuͤck
Gelt hinterlaſſen/ und umb alle dieſe
Begebenheit lieſſe ich mir von den Geiſt-
lichen Schrifftlichen Urkund geben/ der
Hoffnung dardurch von ſeiner Eltern
Verlaſſenſchafft noch etwas zu erha-
ſchen/ ich konnte abeꝛ auf fleiſſiges Nach-
forſchen nichts anders erfahren/ als daß
er zwar gut Edel von Geburt: aber hin-
gegen ſo blut-arm geweſen/ daß er ſich
elend behelffen muͤſſen/ wann ihm die
Boͤhmen keinen Krieg geſchickt oder zu-
gericht haͤtten. Jch verlohre aber zu
Preßburg nicht allein dieſen meinen
Liebſten/ ſondern wurde auch in ſelbiger
Stadt vom Bethlen Gabor belaͤgert/
dieweil aber zehen Compagnien Reuter
und zwey Regiment zu Fuß aus Maͤh-
ren durch ein Strategema die Stadt
entſetzet/ Bethlen an der Eroberung
verzweiffelt und die Belaͤgerung aufge-
hoben/ habe ich mich mit einer guten
Gelegenheit ſammt meinen Pferdten/
Die-
[44] Dienern und gantzer Pagage nach
Wien begeben/ umb von dannen wi-
derumb in Boͤhmen zu kommen; zu ſe-
hen/ ob ich vielleicht meine Koſtfrau zu
Bragodiz noch lebendig finden und von
ihr erkundigen moͤchte/ wer doch meine
Eltern geweſen; ich kuͤtzelte mich da-
mals mit keinen geringen Gedancken/
was ich nemlich vor Ehr und Anſehens
haben wuͤrde/ wann ich wider nach
Haus kaͤme/ und ſo viel Pferdt und
Diener mitbraͤchte/ das ich alles
laut meiner Urkund im Krieg
redlich und ehrlich ge-
wonnen.
Das
[45]
DasV.Capitel.
Was die Rittmeiſterin Courage
in ihrem Wittibſtand vor ein erbares
zuͤchtiges/ wie auch verruchtes Gottloſes Leben
gefuͤhret/ wie ſie einem Grafen zu Willen wird/
einen Ambaſſador umb ſeine Piſtolen brin-
get/ und ſich andern mehr umb rei-
che Beute zu erſchnappen wil-
lig unterwirfft.
WEil ich meine vorhabende Reiſe
Unſicherheit halber võ Wien aus
nach Bragodiz ſo bald nicht ins
Werck zu ſetzen getraute/ zumalen es in
den Wirthshaͤuſern grauſam theur zu
zehren war/ als verkauffte ich meine
Pferdte und ſchaffte alle meine Diener
ab/ dingte mir aber hingegen eine Magd
und bey einer Wittib eine Stube/ Cam-
mer und Kuchel/ umb genau zu hauſen
und Gelegenheit zu erwarten/ mit de-
ren ich ſicher nach Haus kommen koͤnn-
te; Dieſelbe Wittib war ein rechtes
Dauß-Es die nicht viel ihres Gleichen
hatte; Jhre zwo Toͤchter aber waren
unſers Volcks/ und beydes bey der
CHof-
[46] Hofburſch und den Kriegs-Officiern
wol bekandt/ welche mich auch bey den-
ſelben bald bekand machten; ſo/ daß der-
gleichen Schnapphanen in Kuͤrtze die
groſſe Schoͤnheit der Rittmeiſterin/ die
ſich bey ihnen enthielte/ untereinander
zu ruͤhmen wuſten/ gleich wie mir aber
mein ſchwartzer Traur-Habit ein ſonder-
bares Anſehen und erbare Gravitaͤt ver-
liehe/ zumalen meine Schoͤnheit deſto
hoͤher herfuͤr leuchten machte/ alſo hielte
ich mich auch anfaͤnglich gar ſtill und ein-
gezogen; meine Magd muſte ſpinnen/
ich aber begab mich aufs Naͤhen/ Wir-
cken und andere Frauenzimmer-Arbeit/
daß es die Leute ſahen/ heimlich aber
pflantzte ich meine Schoͤnheit auf/ und
konte offt ein gantze Stund vorm Spie-
gel ſtehen/ zu lernen und zu begreiffen/
wie mir das Lachen/ das Weinen/ das
Seufftzen und andere dergleichen veraͤn-
derliche Sachen anſtunden; und dieſe
Thorheit ſolte mir ein genugſame Anzei-
gung meiner Leichtfertigkeit/ und eine
gewiſſe Propheceyung geweſen ſeyn/
daß
[47] daß ich meiner Wuͤrthin Toͤchtern bald
nachaͤhmen wuͤrde; welche auch/ damit
ſolches bald geſchehe/ ſammt der Alten
anfiengen gute Kundſchafft mit mir zu
machen/ und mir die Zeit zu kuͤrtzen mich
offt in meinem Zimmer beſuchten/ da es
dann ſolche Diſcurs ſetzte/ die ſo jungen
Dingern wie ich war/ die Frommkeit zu-
erhalten/ gar ungeſund zu ſeyn pflegen;
ſonderlich bey ſolchen Naturen wie die
Meinige inclinirt geweſen; Sie wuſte
mit weitlaͤuffigen Umbſchweiffen artlich
herumb zu kommen/ und lernete meine
Magd Anfaͤnglich/ wie ſie mich recht auf
die neue Mode aufſetzen und ankleiden
ſolte; Mich ſelbſt aber unterrichtet ſie
wie ich meine weiſſe Haut noch weiſſer/
und meine Goldfarbe Haar noch glaͤn-
tzender machen ſolte/ und wann ſie mich
dann ſo gebutzt hatte/ ſagte ſie/ es waͤre
immer Schad/ daß ſo ein edele Creatur
immerhin in einem ſchwartzen Sack ſte-
cken/ und wie ein Turteltaͤublein leben
ſolte; das thaͤt mir dann trefflich kirr/
und war Oehl zu dem ohne das bren-
C ijnen-
[48] nenden Feur meiner anreitzenden Be-
gierden; Sie lehnete mir auch den Ama-
dis die Zeit darinn zu vertreiben und
Complimenten daraus zu ergreiffen/
und was ſie ſonſt erdencken konnte/ das
zu Liebes-Luͤſten reitzen machte/ das lieſſe
ſie nicht unterwegen.
Jndeſſen hatten meine abgeſchaffte
Diener ausgeſprengt und unter die Leu-
te gebracht/ was ich vor eine Rittmeiſte-
rinn geweſen/ und wie ich zu ſolchem
Titul kommen/ und weil ſie mich nicht
anders zu nennen wuſten/ verbliebe mir
der Nahm Courage, auch fieng ich nach
und nach an meines Rittmeiſters zu ver-
geſſen/ weil er mir nicht mehr warm gab/
und in dem ich ſahe/ daß meiner Wuͤr-
thin Toͤchter ſo guten Zuſchlag hatten/
wurde mir das Maul allgemach nach
neuer Speiſe waͤſſerig/ welche mir auch
meine Wuͤrthin lieber als ihr ſelbſt gern
gegoͤñt haͤtte; doch dorffte ſie mir/ ſo lang
ich die Traur nicht ablegte/ noch nichts
dergleichen ſo offentlich zumuhten/ weil
ſie ſahe/ daß ich die Anwuͤrff/ ſo hierauf
zieh-
[49] ziehleten/ gar kaltſinnig annahm; gleich-
wol unterlieſſen etliche vornehme Leute
nicht/ ihr taͤglich meinetwegen anzu-
liegen/ und umb ihr Haus herumb zu
ſchwermen wie die Raub-Bienen umb
ein Jm̃enfaß/ unter dieſen war ein jun-
ger Graf/ der mich neulich in der Kir-
chen geſehen/ und ſich aufs aͤuſerſte ver-
liebt hatte/ dieſer ſpendirte trefflich/ ei-
nen Zutritt zu mir zu bekommen/ und
damit es ihm anderwaͤrts gelingen
moͤchte/ weil ihn meine Wuͤrthin noch
zur Zeit nicht kecklich bey mir anzubrin-
gen getraute/ (die er deſſentwegen offt
vergeblich erſucht/) erkundigte er von ei-
nem meiner geweſenen Diener alle Be-
ſchaffenheit des Regiments/ darunter
mein Rittmeiſter gelebt/ und als er der
Officier Nahmen wuſte/ demuͤtigt er
ſich mir aufzuwarten oder mich Perſoͤn-
lich zu beſuchen umb ſeinen Bekandten
nachzufragen/ die er ſein Lebtag nicht ge-
ſehen hatte/ von dannen kam er auch
auf meinen Rittmeiſter/ von welchem er
auffſchnitte/ daß er in der Jugend neben
C iijihm
[50] ihm ſtudirt und allzeit gute Kundſchafft
und Vertreulichkeit mit ihm gehabt haͤt-
te/ beklagte auch ſeinen fruͤhezeitigen Ab-
gang/ und lamentirte damit zugleich uͤ-
ber mein Ungluͤck/ daß es mich in einer
ſolchen zarten Jugend ſo bald zu einer
Wittib gemacht/ mit Anerbieten/ da ich
in irgend was ſeiner Huͤlffe beduͤrfftig
waͤre/ ꝛc. mit ſolchen und dergleichen
Aufzuͤgen ſuchte der junge Herr ſein erſte
Kundſchafft mit mir zu machen/ die er
auch bekam/ und ob ich zwar greiffen
konnte/ das er im Reden irrete (dann
mein Rittmeiſter hatte ja das geringſte
nicht ſtudirt.) So lieſſe ich mir doch ſei-
ne Weiſe wolgefallen/ weil ſeine Mei-
nung dahin gieng/ des abgangnen Ritt-
meiſters Stell bey mir zu erſetzen/ doch
ſtellte ich mich gar frembt uñ kaltſinnig/
gab kurtzen Beſcheid und zwang ein zier-
lichs Weinen daher/ bedanckte mich ſei-
nes Mittleidens und der anerbottenen
Gnad/ mit ſo beſchaffnen Complimen-
ten/ die genugſamb waren/ ihme anzu-
deuten/ daß ſich ſeine Liebe vor dißmal
mit
[51] mit einem guten Anfang genuͤgen laſſen/
er ſelbſt aber widerumb einen ehrlichen
Abſcheid von mir nehmen ſolte.
Den andern Tag ſchickte er ſeinen
Lacqueyen/ zu vernehmen/ ob er mir kein
Ungelegenheit machte/ wann er kaͤme
mich zu beſuchen; Jch lieſſe ihm wider
ſagen/ er machte mir zwar keine Ungele-
genheit/ und ich moͤchte ſeine Gegenwart
auch wol leiden/ allein weil es wunderli-
che Leute in der Welt gebe/ denen alles
verdaͤchtig vorkaͤme/ ſo baͤte ich/ er wolle
meiner verſchonen/ und mich in kein boͤs
Geſchꝛey bringen. Dieſe unhoͤffliche Ant-
wort machte den Grafen nicht allein
nicht zornig/ ſondern viel verliebter/ er
paſſirte Maulhenckoliſch bey dem Hau-
ſe voruͤber/ der Hoffnung/ auffs wenigſt
nur ſeine Augen zu weiden/ wann er mich
am Fenſter ſehe/ aber vergeblich/ ich wol-
te meine Wahr recht theur an Mann
bringen/ und lieſſe mich nicht ſehen/ in
deſſen nun dieſer vor Liebe halber ver-
gieng/ legte ich meine Trauer ab/ und
prangte in meinem andern Kleid/ darinn
C iiijich
[52] ich mich dorffte ſehen laſſen; da unter-
lieſſe ich nichts das mich ziern moͤchte/
und zohe damit die Augen und Hertzen
vieler groſſen Leut an mich/ welches aber
nur geſchahe/ wann ich zur Kirchen
gieng/ weil ich ſonſt nirgends hin kam/
ich hatte taͤglich viel Gruͤſſe und Pott-
ſchafften von dieſen und von jenen anzu-
hoͤren/ die alle in des Grafen Spital
kranck lagen/ aber ich beſtunde ſo unbe-
woͤglich wie ein Felſen/ bis gantz Wien
nicht allein von dem Lob meiner unver-
gleichlichen Schoͤnheit/ ſondern auch
von dem Ruhm meiner Keuſchheit und
anderer ſeltenen Tugenden erfuͤllt ward;
Da ich nun meine Sach ſo weit ge-
bracht/ daß man mich ſchier vor eine
halbe Heiliginne hielte/ dunckte mich
Zeit ſeyn/ meinen bisher bezwungenen
Begierden den Zaum einmal ſchieſſen
zu laſſen/ und die Leute in ihrer guten
von mir gefaſten Meinung zu betruͤgen.
Der Graf war der Erſte/ dem ich Gunſt
bezeugte/ und widerfahren lieſſe/ weil er
ſolche zu erlangen weder Muͤhe noch Un-
coſten
[53] coſten ſparete/ er war zwar Liebens
wehrt und liebte mich auch von Hertzen/
und ich hielte ihn vor den Beſten unterm
gantzen Hauffen/ mir meine Begierden
zu ſaͤttigen; Aber dannoch ſo waͤre er
nicht darzu kommen/ wann er mir nicht
gleich nach abgelegter Traur ein Stuͤck
Columbinen Adlaß mit aller Ausſtaffie-
rung zu einem neuen Kleid geſchickt/ und
vor allen Dingen 100. Ducaten in mei-
ne Haushaltung/ umb daß ich mich uͤber
meines Manns Verluſt deſto beſſer troͤ-
ſten ſolte/ verehrt haͤtte; Der Ander nach
ihm war eines groſſen Potentaten Am-
baſſador/ welcher mir die erſte Nacht
60. Piſtolen zu verdienen gabe/ nach die-
ſen kamen auch andere/ und zwar keine
die nicht tapffer ſpendieren konnten/ dañ
was arm war/ oder wenigſt nicht gar
reich und hoch/ das mochte entweder
drauſſen bleiben/ oder ſich mit meiner
Wuͤrthin Toͤchtern behelffen/ und ſol-
cher Geſtalt richtete ichs dahin/ daß mei-
ne Muͤhle gleichſamb nie leer ſtunde/ ich
maltzerte auch ſo Meiſterlich/ daß ich in-
C vner
[54] ner Monats Friſt uͤber 1000. Ducaten
in ſpecie zu ſammen brachte/ ohne das je-
nige/ was mir an Kleinodien/ Ringen/
Ketten/ Armbaͤndern/ Sammet/ Sei-
den und Leinen Gezeug (mit Struͤmpfen
und Handſchuhen dorffte wol keiner
aufziehen/) auch an Victualien, Wein
und anderen Sachen verehrt wurde/ uñ
alſo gedachte ich mir meine Jugend fuͤr-
derhin zu Nutz zu machen/ weil ich wuſte
daß es heiſt.
Und es muͤſte mich auch noch auf die-
ſe Stund reuen/ wann ich weniger ge-
than haͤtte; Endlich machte ichs ſo grob/
daß die Leute anfiengen mit Fingern auf
mich zu zeichen/ und ich mir wol einbil-
den koñte/ die Sach wuͤrde ſo in die Laͤn-
ge kein Gut thun/ dann ich ſchlug zu letzt
dem Geringen auch keine Reis ab/ mei-
ne Wuͤrthin war mir treulich beholffen/
und hatte auch ihren ehrlichen Gewinn
davon; Sie lernete mich allerhand fei-
ne Kuͤnſte/ die nicht nur leichtfertige
Weiber
[55] Weiber koͤnnen/ ſondern auch ſolche/ da-
mit ſich theils loſe Maͤnner ſchleppen/ ſo
gar/ daß ich mich auch feſt machen/ und
einem jeden/ wann ich nur wolte/ ſeine
Buͤchſen zubannen konnte/ und ich glau-
be/ wann ich laͤnger bey ihr blieben waͤ-
re/ daß ich auch gar Hexen gelernt haͤtte;
Demnach ich aber getreulich gewarnet
wurde/ daß die Obrigkeit unſer Neſt
ausnehmen und zerſtoͤhren wuͤrde/ kauff-
te ich mir eine Caleſch und zwey Pferdt/
dingte einen Knecht/ und machte mich
damit unverſehens aus dem Staub/
weil ich eben gute Gelegenheit hatte ſi-
cher nach Prag zu kommen.
DasVI.Capitel.
Courage kommt durch wunder-
liche Schickung in die zweyte Ehe/ und
freyete einen Hauptmann/ mit dem ſie treff-
lich gluͤckſelig und vergnuͤgt lebte.
JCh haͤtte zu Prag feine Gelegen-
heit gehabt/ mein Handwerck fer-
ners zu treiben/ aber die Begierde
meine Koſtfrau zu ſehen/ und meine El-
tern zuerkundigen/ triebe mich auf Bra-
C vjgodiz
[56] godiz zu reiſen/ welches ich/ als in einem
befriedeten Land ſicher zu thun getraute;
aber potz Hertz/ da ich an einem Abend
allbereit den Ort vor mir liegen ſahe/ da
kamen eilff Mansfeldiſche Reuter/ die
ich/ wie ſonſt jederman gethan hatte/
vor Kaͤiſeriſch und Gutfreund anſahe/
weil ſie mit roten Scharpen oder Feld-
zeichen mundirt waren/ dieſe packten
mich an/ und wanderten mit mir und
meinem Caleſch dem Boͤhmer-Wald
zu/ als wann ſie der Teufel ſelbſt gejagt
haͤtte/ ich ſchrey zwar/ als wann ich an
einer Folter gehangen waͤre/ aber ſie
machten mich bald ſchweigen; umb
Mitternacht kamen ſie in eine Meyerey
die eintzig vorm Wald lag/ allwo ſie an-
fiengen zu fuͤtteꝛn/ und mit mir umbzuge-
hen/ wie zu geſchehen pflegt/ welches
mir zwar der ſchlechteſte Kummer war/
aber es wurde ihnen geſeegnet/ wie dem
Hund das Gras/ dann in dem ſie ihre
Viehiſche Begierden ſaͤttigten/ wurden
ſie von einem Hauptmann/ der mit drey-
ſig Tragonern eine Convoy nach Pil-
ſen
[57] ſen verrichtet hatte/ uͤberfallen/ und weil
ſie durch falſche Feldzeichen ihren Her-
ren verlaͤugnet/ alle miteinander nieder-
gemacht/ das Meinige hatten die Mans-
feldiſche nach nicht gepartet/ und dem-
nach ich Kaͤiſerl. Paß hatte/ und noch
nicht 24. Stund in Feinds Gewalt ge-
weſen/ hielte ich dem Hauptman vor/
daß er mich und das Meinige vor keine
rechtmaͤſſige Beuten halten und behal-
ten koͤnnte; Er muſte es ſelbſt bekennen/
aber gleichwol/ ſagte er/ waͤre ich ihm
umb meiner Erloͤſung willen obligirt, er
aber nicht zu verdencken/ wann er einen
ſolchen Schatz den er vom Feind erobert/
nicht mehr aus Haͤnden zu laſſen gedaͤch-
te/ ſeye ich eine verwittibte Rittmeiſte-
rinn/ wie mein Paß auswieſe/ ſo ſeye er
ein verwittibter Hauptmann/ wann
mein Will darbey waͤre/ ſo wuͤrde die
Beut bald getheilt ſeyn/ wo nicht/ ſo
werde er mich gleichwol mitnehmen/ und
hernach er erſt mit einem jedwedern di-
ſputirn, ob die Beute rechtmaͤſſig ſey oder
nicht/ hiermit lieſſe er genugſamb ſchei-
C vijnen/
[58] nen/ daß er allbereit den Narrn an mir
gefreſſen/ und damit er das Waſſer auf
ſeine Muͤhl richtete/ ſagte er/ dieſen For-
theil wolte er mir laſſen/ daß ich erweh-
len moͤchte/ ob er die Beute unter ſeine
gantze Burſch theilen ſolte/ oder ob ich
vermittelſt der Ehe ſambt dem Meini-
gen allein ſein verbleiben wolte? Auf wel-
chen Fall er ſeine bey ſich habende Leute
ſchon bereden wolte/ daß ich mit dem
Meinigen keine rechtmaͤſſige Beute/
ſondern ihme allein durch die Vereheli-
gung zuſtaͤndig worden waͤre/ ich ant-
wortete/ wann die Wahl bey mir ſtuͤn-
de/ ſo begehrte ich deren keins/ ſondern
meine Bitte waͤre/ ſie wolten mich in
meine Gewahrſam paſſiren laſſen/ und
damit fienge ich an zu weinen/ als wann
mirs ein gruͤndlicher Ernſt geweſen waͤ-
re/ nach den alten Reimen:
Aber
[59]
Aber es war meine Meinung/ ihm
hierdurch Urſach zu geben mich zu troͤ-
ſten/ ſich ſelbſt aber ſtaͤrcker zu verlieben/
ſintemal mir wol bewuſt/ daß ſich die
Hertzen der Mannsbilder am allermei-
ſten gegen dem weinenden und betruͤb-
ten Frauenzimmer zu oͤffnen pflegen;
der Poß gienge mir auch an/ und indem
er mir zuſprach/ und mich ſeiner Liebe
mit hohem Beteuren verſicherte/ gab ich
ihm das Jawort/ doch mit dieſem aus-
truͤcklichen Beding und Vorbehalt/ daß
er mich vor der Copulation im gering-
ſten nicht beruͤhren ſolte/ welches er bey-
des verheiſſen und gehalten; bis wir in
die Mansfeldiſche Befeſtigungen zu
Weidhauſen ankahmen/ welches eben
damals dem Hertzogen aus Baͤyern
vom Mannsfelder ſelbſt per Accord uͤber-
geben worden/ und demnach meines
Serviteurs hefftige Liebe wegen unſers
Hochzeit-Feſts keinen laͤngern Verzug
gedulten mochte/ lieſſe er ſich mit mir
ehelich zuſammen geben/ ehe er moͤchte
erfahren/ wormit die Courage ihr Geld
verdie-
[60] verdienet/ welches kein geringe Sum-
ma war; Jch war aber kaum einen Mo-
nat bey der Armee geweſen/ als ſich etli-
che hohe Officierer fanden/ die mich nicht
allein zu Wien gekandt/ ſondern auch
gute Kundſchafft mit mir gehabt hat-
ten; doch waren ſie ſo beſcheiden/ daß ſie
weder meine noch ihre Ehr offentlich
ausſchriehen/ es gieng zwar ſo ein klei-
nes Gemurmel umb/ daruͤber ich aber
gleichwol keine ſonderliche Beſchwerung
empfand/ auſſer daß ich den Nahmen
Courage wiederumb gedulden muſte.
Sonſt hatte ich einen guten gedulti-
gen Mann/ welcher ſich eben ſo hoch uͤ-
ber meine gelbe Batzen/ als wegen mei-
ner Schoͤnheit erfreute/ dieſe hielte er
geſparſamer zuſammen als ich gerne ſa-
he; gleich wie ich aber ſolches geduldete/
alſo gab er auch zu/ daß ich mit Reden
und Geberden gegen jederman deſto
freygebiger ſeyn dorffte/ wann ihn dann
jemands vexirte/ daß er mit der Zeit wol
Hoͤrner kriegen doͤrffte/ antwortet er
auch im Schertz/ es ſeye ſein geringſtes
Anlie-
[61] Anliegen; dann ob ihm gleich einer uͤber
ſein Weib komme/ ſo laſſe ers jedoch bey
dem/ was ein ſolcher ausgerichtet/ nicht
verbleiben/ ſondern nehme Zeit dieſelbe
frembde Arbeit wider andeꝛs zu machen;
Er hielte mir jederzeit ein trefflich Pferd
mit ſchoͤnen Sattel und Zeug mondirt/
ich ritte nicht wie andere Officiers-Frau-
en in einem Weiber-Sattel/ ſondern
auf einen Manns-Sattel; und ob ich
gleich uͤberzwergs ſaſſe/ ſo fuͤhrte ich doch
Piſtolen und einen Tuͤrckiſchen Sebel
unter dem Schenckel/ hatte auch jeder-
zeit einen Stegreiff auf der andern Sei-
ten hangen/ und war im uͤbrigen mit
Hoſen und einem duͤnnen daffeten Roͤck-
lein daruͤber alſo verſehen/ daß ich all
Augenblick ſchrittling ſitzen und einen
jungen Reutters Kerl prœſentirn konn-
te; gab es dann eine Rencontra gegen
dem Feinde/ ſo war mir unmuͤglich a
part nicht mit zu machen/ ich ſagte viel-
malen: eine Dame/ die ſich gegen einem
Mann zu Pferd zu wehren nicht wagen
doͤrffte/ ſolte auch kein Pluͤmage wie ein
Mann
[62] Mann tragen; und demnach mir es bey
etlichen Betteltaͤntzen gluͤckte/ daß ich
Gefangne kriegte/ die ſich keine Bern-
heuter zu ſeyn duncken/ wurde ich ſo
kuͤhn/ wann dergleichen Gefecht an-
gieng/ auch einen Carbiner/ oder wie
mans nennen will/ ein Bandelier-Rohr
an die Seite zu haͤngen/ und neben dem
Troupen auch zweyen zu begegnen/ und
ſolches deſto hartnaͤckiger/ weil ich und
mein Pferdt vermittelſt der Kunſt/ die ich
von vielgedachter meiner Wuͤrthin er-
lernet/ ſo hart war/ daß mich keine Ku-
gel oͤffnen konnte.
So giengs und ſo ſtund es damal
mit mir/ ich machte mehr Beuten als
mancher geſchworner Soldat/ welches
auch Manchen und Manche verdroß;
aber da fragte ich wenig nach/ dann es
gab mir Schmaltz auf meine Suppen/
die Vertraͤulichkeit meines ſonſt (gegen
meiner Natur zu rechnen/) gantz unver-
moͤglichen Manns/ verurſachte/ daß ich
ihm gleichwol Farb hielte/ ob ſich gleich
Hoͤhere als Haubtleute bey mir anmel-
deten/
[63] deten/ die Stelle ſeines Leutenants zu
vertretten/ dann er lieſſe mir durchaus
meinen Willen/ hingegen war ich nichts
deſtoweniger bey den Geſellſchafften lu-
ſtig/ in den Converſationen frech/ aber
auch gegen dem Feind ſo heroiſch/ als
ein Mann/ im Feld ſo haͤußlich und zu-
ſammen-hebig als immer ein Weib; in
Beobachtung der Pferde beſſer als ein
guter Stallmeiſter/ und in den Quar-
tiren von ſolcher Proſperitaͤt/ daß mich
mein Hauptmann nicht beſſer haͤtte
wuͤnſchen moͤgen/ und wann er mir zu
Zeiten einzureden Urſach hatte/ litte er
gerne/ daß ich ihm Widerpart hielte/
und auf meinen Kopff hinaus fuhr/ weil
ſich unſer Geld ſo ſehr dardurch ver-
mehrte/ daß wir einen guten Particul
darvon in eine vornehme Stadt zu ver-
wahren geben muſten. Und alſo lebte
ich trefflich gluͤckſelig und vergnuͤgt/ haͤt-
te mir auch meine Tage keinen anderen
Handel gewuͤnſcht/ wann nur mein
Mann etwas beſſer beritten geweſt waͤ-
re; Aber das Gluͤck oder mein Fatum
lieſſe
[64] lieſſe mich nicht lang in ſolchem Stand/
dann nach dem mir mein Haubtmann
bey Wißlach tod geſchoſſen wurde/ ſihe/
ſo ward ich widerumb in einer kurtzen
Zeit zu einer Wittib.
DasVII.Capitel.
Courage ſchreitet zur dritten E-
he/ und wird aus einer Hauptmaͤnnin
eine Leutenantin/ triffts aber nicht ſo wol als
vorhero/ ſchlaͤgt ſich mit ihrem Leutenant umb
die Hoſen mit Priigeln/ und gewinnet ſolche
durch ihre tapfere Reſolution und Courage;
darauf ſich ihr Mann unſichtbar macht/
und ſie ſitzen laͤſſt.
MEin Mann war kaum kalt und
begraben/ da hatte ich ſchon wi-
derum ein gantz dutzent Freyer uñ
die Wahl darunter/ welchen ich aus ih-
nen nehmen wolte/ dann ich war nicht
allein ſchoͤn und jung/ ſondern hatte
auch ſchoͤne Pferd und zimlich viel alt
Geld/ und ob ich mich gleich vernehmen
lieſſe/ daß ich meinem Haubtmann ſeel.
zu Ehren noch ein halb Jahr trauren
wolte/
[65] wolte/ ſo konnte ich jedoch die Jmpor-
tune-Hummeln/ die umb mich/ wie umb
einen fetten Honighafen/ der keinen De-
ckel hat/ herumb ſchwermbten/ nicht ab-
treiben/ der Obriſte verſprach mir bey
dem Regiment Unterhalt und Quartier/
bis ich mein Gelegenheit anders anſtell-
te/ hingegen lieſſe ich zween von meinen
Knechten Herren-Dienſte verſehen/ und
wann es Gelegenheit gab/ bey deren ich
vor mein Perſon vom Feind etwas zu
erſchnappen getraute/ ſo ſparte ich mei-
ne Haut ſo wenig als ein Soldat/ aller-
maſſen ich in dem anmutigen und faſt
luſtigen Treffen bey Wimpffen einen
Leutenant/ und im Nachhauen unweit
Heilbrunn einen Cornet ſammt ſeiner
Standart gefangen bekommen/ meine
beyde Knechte aber haben bey Pluͤn-
derung der Waͤgen zimliche Peuten an
paarem Gelt gemacht/ welche ſie unſe-
rem Accord gemaͤß mit mir theilen mu-
ſten; Nach dieſer Schlacht bekam ich
mehr Liebhaber als zuvor/ und demnach
ich bey meinem vorigen Mann mehr gu-
te Taͤge
[66] te Taͤge als gute Naͤchte gehabt/ zuma-
len wider meinen Willen ſeit ſeinem Tod
gefaſtet/ ſihe/ ſo gedachte ich durch mei-
ne Wahl alle ſolche Verſaumnus wi-
der einzubringen/ und verſprach mich ei-
nem Leutenant/ der meinem Beduncken
nach alle ſeine Mittbuhler beydes an
Schoͤnheit/ Jugend/ Verſtand und
Tapferkeit uͤbeꝛtraff; dieſer war von Ge-
burt ein Jtalianer und zwar ſchwartz
von Haaren/ aber weiß von Haut/ und
in meinen Augen ſo ſchoͤn/ daß ihn kein
Mahler haͤtte ſchoͤner mahlen koͤnnen;
Er bewieſe gegen mir faſt eine Hunds-
Demut bis er mich erloͤffelt/ und da er
das Jawort hinweg hatte/ ſtellte er ſich
ſo Freuden voll/ als wann Gott die gan-
tze Welt beraubt/ und ihn allein beſee-
ligt haͤtte; wir wurden in der Pfaltz co-
pulirt/ und hatten die Ehre/ daß der
Obriſte ſelbſt neben den meinſten hohen
Officiern des Regiments bey der Hoch-
zeit erſchienen/ die uns alle vergeblich
viel Gluͤck in eine langwuͤrige Ehe
wuͤnſchten.
Dann
[67]
Dann nach dem wir nach der erſten
Nacht bey Aufgang der Sonnen bey-
ſammen lagen zu faullentzen/ und uns
mit allerhand liebreichem und freundli-
chẽ Geſpꝛaͤch unterhielten/ ich auch eben
aufzuſtehen vermeinte/ da ruffte mein
Leutenant ſeinem Jungen zu ſich vors
Bette/ und befahl ihm/ daß er zween
ſtarcke Pruͤgel herbey bringen ſolte; Er
war gehorſamb/ und ich bildete mir ein
der arme Schelm wuͤrde dieſelbe am al-
lererſten verſuchen muͤſſen; unterlieſſe
derowegen nicht/ vor den Jungen zu bit-
ten/ bis er beyde Pruͤgel brachte und auf
empfangenen Befelch auf den Tiſch zum
Nachtzeug legte; Als nun der Jung wi-
der hinweg war/ ſagte mein Hochzeiter
zu mir; Ja! liebſte; ihr wiſt/ daß jeder-
man darvor gehalten und geglaubt/ ihr
haͤttet bey euers vorigen Manns Lebzei-
ten die Hoſen getragen/ welches ihme
dann bey ehrlichen Geſellſchafften zu
nicht geringerer Beſchimpffung nachge-
redet worden; weil ich dann nicht unbil-
lich zu beſorgen habe/ ihr moͤchtet in ſol-
cher
[68] cher Gewonheit verharren/ und auch die
Meinige tragen wollen/ welches mir a-
ber zu leiden unmuͤglich/ oder doch ſonſt
ſchwer fallen wuͤrde; Sehet/ ſo liegen ſie
dorten auf dem Tiſche/ und jene zween
Pruͤgel zu dem Ende darbey/ damit wir
beyde uns/ wann ihr ſie etwan wie vor
dieſem euch zuſchreiben und behaubten
woltet/ zuvor darumb ſchlagen koͤnnten;
ſintemal mein Schatz ſelbſt erachten
kan/ daß es beſſer gethan iſt/ ſie fallen
gleich jetzt im Anfang dem einen/ oder
andern Theil zu/ als wann wir hernach
in ſtehender Ehe taͤglich daꝛumb kriegen;
Jch antwortete: mein Liebſter! (und da-
mit gab ich ihm gar einen hertzlichen
Kuß/) ich haͤtte vermeint gehabt/ die je-
nige Schlacht ſo wir einander vor diß-
mal zu lieffern/ ſeye allbereit gehalten;
ſo hab ich auch niemalen in Sinn ge-
nommen/ euere Hoſen zu prætendirn;
ſondern/ gleich wie ich wol weiß/ daß das
Weib nicht aus des Manns Haubt/
aber wol aus ſeiner Seiten genommen
worden/ alſo habe ich gehofft meinen
Hertz-
[69] Hertzliebſten werde ſolches auch bekand
ſeyn/ und er werde derowegen ſich mei-
nes Herkommens erinnern/ und mich
nicht/ als wann ich von ſeinen Fußſoh-
len genommen worden waͤre/ vor ſein
Fuß-Thuch/ ſondern vor ſein Ehe-Ge-
mahl halten/ vornemblich; wann ich
mich auch nicht unterſtuͤnde ihme auf
den Kopff zu ſitzen/ ſondern mich an ſei-
ner Seiten behuͤlffe/ mit demuͤtiger Bit-
te/ er wolte dieſe Abendteurliche Fecht-
ſchul einſtellen; Ha ha! ſagte er/ das
ſeyn die rechte Weiber-Griffe/ die Herr-
ſchafft zu ſich zu reiſſen ehe mans gewahr
wird; aber es muß zuvor darumb ge-
fochten ſeyn/ damit ich wiſſe/ wer dem
anderen kuͤnfftig zu gehorſammen ſchul-
dig/ und damit warffe er ſich aus meinen
Armen wie ein anderer Narr/ ich aber
ſprang aus dem Bette/ und legte mein
Hembt und Schlaffhoſen an/ erwiſchte
den kuͤrtzten aber doch den ſtaͤrckſten Pꝛuͤ-
gel/ und ſagte/ weil ihr mir je zu fechten
befehlet/ und dem obſiegenden Theil die
Oberherrlichkeit (an die ich doch keine
DAn-
[70] Anſprach zu haben begehrt/) uͤber den
Uberwundenen zuſprecht/ ſo waͤre ich
wol naͤrriſch/ wann ich eine Gelegenheit
aus Haͤnden lieſſe/ etwas zu erhalten/
daran ich ſonſt nicht gedencken doͤrffte;
Er hingegen auch nicht faul/ dann nach-
dem ich alſo ſeiner wartete/ und er ſeine
Hoſen auch angelegt/ eꝛdappete er dẽ an-
dern Pruͤgel/ und gedachte mich beym
Kopff zu faſſen/ umb mir alsdann den
Buckel fein mit guter Muſſe abzurau-
men/ aber ich war ihm viel zu geſchwind/
dann ehe er ſichs verſahe/ hatte er eins
am Kopff/ davon er hinaus duͤrmelte/
wie ein Ochs dem ein Streich worden;
ich raffte die zween Stecken zuſammen/
ſie zur Thuͤr hinaus zu werffen/ und da
ich ſolche oͤffnete/ ſtunden etliche Officier
darvor/ die unſerem Handel zugehoͤret/
und zum Theil durch einen Spalt zuge-
ſehen hatten; dieſe lieſſe ich lachen ſo
lang ſie mochten/ ſchlug die Thuͤr vor ih-
nen wider zu/ warff meinen Rock umb
mich/ und brachte meinen Tropffen/ mei-
nen Hochzeiter wolte ich ſagen/ mit
Waſſer
[71] Waſſer aus einem Lavor wider zu ſich
ſelbſt/ und da ich ihn zum Tiſche geſetzt/
und mich ein wenig angekleidet hatte;
lieſſe ich die Officier vor der Thuͤr auch
zu uns ins Zimmer kommen.
Wie wir einander allerſeits angeſe-
hen/ mag jeder bey ſich ſelbſt erachten/
ich merckte wol/ daß mein Hochzeiter die-
ſe Officier veranlaſt/ daß ſie ſich umb
dieſe Zeit vorn Zimmer einſtellen/ und
ſeiner Thorheit Zeugen ſeyn ſolten; dañ
als ſie den Hegel gefoppet/ er wuͤrde mir
die Hoſen laſſen muͤſſen/ hatte er ſich ge-
gen ihnen geruͤhmt/ daß er einen ſonder-
bahren Vortheil wiſſe/ welchen er den
erſten Morgen ins Werck ſetzen/ und
mich dardurch ſo geſchmeidig machen
wolte/ daß ich zittern wuͤrde/ wann er
mich nur ſcheel anſehe; aber der gute
Menſch haͤtte es gegen einer anderen als
der Courage probirn moͤgen; Gegen mir
hat er ſo viel ausgerichtet/ daß er jeder-
mans Geſpoͤtt worden/ und ich haͤtte
nicht mit ihm gehauſet/ wann mirs nicht
von Hoͤheren befohlen und auferlegt
D ijwor-
[72] worden waͤre; wie wir aber miteinander
gelebet/ kan ſich jeder leicht einbilden/
nemblich wie Hund und Katzen. Als er
ſich nun anderer Geſtalt an mir nicht re-
vangirn, und auch das Geſpoͤtt der Leu-
te nicht mehr gedulten konnte/ rappelte
er einsmals alle meine Paarſchafft zu-
ſammen/ und gieng mit den dreyen be-
ſten Pferdten und einem Knecht zum
Gegentheil.
DasVIII.Capitel.
Courage haͤlt ſich in einerOcca-
ſion trefflich friſch/ haut einem Solda-
ten den Kopff ab/ bekommt einen Major gefan-
gen/ und erfaͤhrt daß ihr Leutenant als ein
Meineydiger Uberlauffer gefangen
und gehencket worden.
ALſo wurde ich nun zu einer Halb-
Wittib/ welcher Stand viel elen-
der iſt/ als wann eine gar keinen
Mann hat/ etliche argwohneten/ ich
wuͤrde ihm folgen/ und wir haͤtten un-
ſere Flucht alſo miteinander angelegt/
da ich aber den Obriſten umb Raht und
Befelch
[73] Befelch fragte/ wie ich mich verhalten
ſolte/ ſagte er/ ich moͤchte bey dem Regi-
ment verbleiben/ ſo wolte er mich ſo lang
ich mich ehrlich hielte/ wie andere Witt-
weiber verpflegen laſſen/ und damit be-
nahme ich jederman den gedachten Arg-
wohn; Jch muſte mich zimlich ſchmal
behelffen/ weil mein Paarſchafft ausge-
flogen/ und meine ſtattliche Soldaten-
Pferd fort waren/ auf denen ich auch
manche ſtattliche Beut gemacht; doch
lieſſe ich meine Armut nicht mercken/ da-
mit mir keine Verachtung zuwuͤchſe/
meine beyde Knechte/ die Herrn Dien-
ſte verſahen/ hatte ich noch ſambt einen
Jungen und noch etlichen Schindmer-
ren oder Pagage Pferden/ davon und
von meiner Maͤnner Bagage verſilberte
ich was Geld galte/ und machte mich
wider trefflich beritten; Jch dorffte zwar
als ein Weib auf keine Parthey reiten/
aber unter den Fouragiren fande ſich
nicht meines gleichen; Jch wuͤnſchte mir
offt wider eine Battalia wie vor Wim-
pfen/ aber was halffs/ ich muſte der
D iijZeit
[74] Zeit erwarten/ weil man mir zu Gefal-
len doch keine Schlacht gehalten/ wann
ichs gleich begehrt haͤtte; damit ich aber
gleichwol auch widerumb zu Geld kom-
men moͤchte/ deſſen es auf dem Foura-
giren ſelten ſetzte/ lieſſe ich/ (beydes umb
ſolches zu verdienen und meinen Aus-
reiſſer umb ſeine Untreu zu bezahlen)
mich von denen Treffen/ die ſpendierten)
und alſo brachte ich mich durch/ und
dingte mir noch einen ſtarcken Jungen
zum Knecht/ der mir muſte helffen ſteh-
len wann die andere beyde muſten wa-
chen; das trieb ich ſo fort/ bis wir den
Braunſchweiger uͤber den Maͤyn jagten
uñ viel der Seinigen darinn erſaͤufften/
in welchem Treffen ich mich unter die
Unſerige miſchte/ und in meines Obri-
ſten Gegenwart dergeſtalt erzeigte/ daß
er ſolche Tapfferkeit von keinem Manns-
bild geglaubt haͤtte; dann ich nahme in
der Caracolle einen Major vom Gegen-
theil vor ſeinem Trouppen hinweg/ als
er die Charge redoupliren wolte/ und
als ihn einer von den Seinigen zu erret-
ten
[75] ten gedachte/ und mir zu ſolchem Ende
eine Piſtol an den Kopff loßbrennete/
daß mir Hut und Federn darvon ſtobe/
bezahlte ich ihn dergeſtalt mit meinem
Sebel/ daß er noch etliche Schritte oh-
ne Kopff mit mir ritte/ welches beydes
verwunderlich und abſcheulich anzuſe-
hen war; Nachdem nun dieſelbe Eſqua-
dron getrennet und in die Flucht gewen-
det worden/ mir auch der Major einen
zimlichen Stumpen Goldſorten ſambt
einer guͤldenen Ketten und koſtbarlichen
Ring vor ſein Leben gegeben hatte/ lieſ-
ſe ich meinen Jungen das Pferd mit
ihm verdauſchen/ und liefferte ihn den
Unſerigen in Sicherheit; begab mich
darauf an die zerbrochne Brucken/ all-
wo es in dem Waſſer an ein erbaͤrmlichs
Erſauffen/ und auf dem Land an ein
grauſambs Nidermachen gieng; und
alldieweil noch ein jeder bey ſeinem Tro-
uppen bleiben muſte/ ſo viel immer moͤg-
lich/ packte ich eine Gutſche mit ſechs
ſchoͤnen Praͤunen an/ auf welcher we-
der Geld noch lebendige Perſonen/ aber
D iiijwol
[76] wol zwo Kiſten mit koſtbaren Kleidern
und weiſſen Zeug ſich befanden; Jch
brachte ſie mit meines Knechts oder
Jungen Huͤlff dahin/ wo ich den Ma-
jor gelaſſen hatte/ welcher ſich ſchier zu
Tod kraͤnckte/ daß er von einem ſolchen
jungen Weib gefangen worden; da er
aber ſahe/ daß ſo wol in meinen Hoſen-
ſaͤcken als in den Halfftern Piſtolen ſta-
cken die ich ſambt meinem Carbiner dort
wider lude und fertig machte/ auch hoͤ-
rete/ was ich hiebevor bey Wimpffen
ausgerichtet/ gab er ſich wider umb et-
was zu frieden/ und ſagte: der Teufel
moͤchte mit ſo einer Hexen etwas zu
ſchaffen haben. Jch gieng mit meinem
Jungen/ (den ich eben ſo feſt als mich
und mein Pferd gemacht hatte) hin/
noch mehr Beuten zu erſchnappen/ fan-
de aber den Obriſt-Leutenant von unſe-
rem Regiment dort unter ſeinem Pferde
liegen/ der mich kannte/ und umb Huͤlff
anſchriehe; Jch packte ihn auf meines
Jungen Pferd/ und fuͤhrte ihn zu den
Unſerigen in meine erſt eroberte Gutſche/
allda
[77] allda er meinem gefangnen Major Ge-
ſellſchafft leiſten muſte. Es iſt nicht zu
glauben/ wie ich nach dieſer Schlacht ſo
wol von meinen Neidern/ als meinen
Goͤnnern gelobt wurde/ beyde Theil
ſagten/ ich waͤre der Teufel ſelber; und
ebẽ damals war mein hoͤchſter Wunſch/
daß ich nur kein Weibsbild waͤre; aber
was wars drumb/ es war Null und ver-
himpelt. Jch gedachte offt mich vor ei-
nen Hermaphroditen auszugeben/ ob
ich vielleicht dardurch erlangen moͤchte/
offentlich Hoſen zu tragen/ und vor ei-
nen jungen Kerl zu paſſirn; hergegen
hatte ich aber durch meine unmaͤſſige
Begierdẽn ſo viel Kerl empfinden laſſen
wer ich waͤre/ daß ich das Hertz nicht
hatte/ ins Werck zu ſetzen/ was ich ger-
ne gewolt/ dann ſo viel Zeugen wuͤrden
ſonſt ein anders von mir geſagt und ver-
urſacht haben/ daß es dahin kommen
waͤre/ daß mich bey des Medici und Heb-
ammen beſchauen muͤſten; behalffe mich
derowegen wie ich konnte/ und wann
man mir viel verweiſen wolte/ antwor-
D vtet
[78] tet ich/ es waͤren wol ehe Amazones ge-
weſen/ die ſo Ritterlich als die Maͤnner
gegen ihren Feinden gefochten haͤtten.
Damit ich nun des Obriſten Gnad er-
halten/ und von ihme wider meine Miß-
goͤnſtige beſchuͤtzt werden moͤchte/ præ-
ſentirte ich ihm neben dem Gefangnen
auch meine Kutſche mit ſambt den Pfer-
den/ darvor er mir 200. Reichsthaler
verehrete/ welches Geld ich ſambt dem/
was ich ſonſt auf ein Neues erſchnappt/
und ſonſt verdienet hatte/ ich aber-
mal in einer Namhafften Stadt ver-
wahrte.
Jn dem wir nun Mannheim einge-
nommen und Franckenthal noch bela-
gert hielten/ und alſo den Meiſter in der
Pfaltz ſpielten; ſihe/ da ſchlugen Cor-
duba und der von Anhalt abermal den
Braunſchweiger und Mannsfelder bey
Floreack/ in welchem Treffen mein aus-
geriſſener Mann der Leutenant gefan-
gen/ von den Unſerigen erkannt/ und
als ein Meineydiger Uberlaͤuffer mit ſei-
nem allerbeſten Hals an einen Baum
ge-
[79] geknuͤpfft worden; Wordurch ich zwar
wider von meinem Mann erloͤſt/ und
zu einer Wittib ward; Jch bekam aber
ſo ein hauffen Feinde/ die da ſagten:
die Strahl-Hex hat den armen Teufel
umbs Leben gebracht/ daß ich ihm das
Leben gern laͤnger goͤnnen/ und mich
noch ein Weil mit ihm gedulden moͤgen/
bis er gleichwol anderwaͤrts ins Gras
gebiſſen/ und einen ehrlichern Tod ge-
nommen/ wann es nur haͤtte ſeyn koͤn-
nen.
DasIX.Capitel.
Courage quittirt den Krieg/ nach
dem ihr kein Stern mehr leuchten will/
und ſie faſt von jedermann vor einen
Spott gehalten wird.
ALſo kam es nach und nach
dahin/ daß ich mich je laͤnger
je mehr leidẽ muſte/ meine Knech-
te wurden mir verfuͤhrt/ weil zu
ihnen geſagt wurde/ pfui Teufel-
wie moͤcht ihr Kerl einer ſolchen
D vjVettel
[80] Vettel dienen? Jch hoffte wider
einen Mann zu bekommen/ aber
ein jeder ſagte/ nimb du ſie/ ich be-
gehr ihrer nicht; was ehrlich ge-
ſinnet war/ ſchuͤttelt den Kopff
uͤber mich/ und alſo thaͤten auch
bey nahe alle Officier; was aber
geringe Leut und ſchlechte Poten-
taten waren/ die dorfften ſich
nicht bey mir anmelden/ ſo haͤtte
ich ohne das auch keinen aus den-
ſelbigen angeſehen; Jch empfan-
de zwar nicht am Hals wie mein
Mann/ was unſer Naͤrriſch
Fechten ausgerichtet; aber doch
hatte ich laͤnger daran als er am
Hencken zu verdauen; Jch waͤre
gerne in eine andere Haut ge-
ſchloffen/ aber beydes die Ge-
wonheit und meine taͤgliche Ge-
ſellſchafften wolten mir keine
Boſ-
[81] Beſſerung zulaſſen/ wie dann die
allermeinſte Leute in Krieg viel
eher aͤrger als froͤmmer zu wer-
den pflegen; Jch butzte mich wie-
der/ und richtete dem einen und
andern allerhand Netz uñ Strick/
ob ich etwan dieſen oder jenen an-
ſeilen und ins Garn bringen
moͤchte/ aber es halff nichts/ ich
war ſchon allbereit viel zu tief im
Geſchrey; man kandte die Cou-
rage ſchon allerdings bey der
gantzen Armee/ und wo ich bey
den Regimentern voruͤber ritte/
wurde mir meine Ehre durch viel
tauſend Stimmen offentlich aus-
geruffen/ alſo/ daß ich mich ſchier
wie ein Nacht-Eule bey Tage
nicht mehr dorffte ſehen laſſen;
Jm Marchiren aͤuſerten mich
ehrliche Weiber; das Lumpenge-
D vijſindel
[82] ſindel beym Troß ſchurrigelte
mich ſonſt; und was etwan vor
ledige Officier wegen ihrer Nacht-
weid mich gern geſchuͤtzt haͤtten/
muſten bey den Regimentern
bleiben/ bey welchen mir aber
durch ihr ſchaͤndlichs Geſchrey
mit der allerſchaͤrffſten Laugen
aufgegoſſen ward; Alſo daß ich
wol ſahe/ daß meine Sach ſo in
die Laͤnge kein Gut mehr thun
werde; etliche Officier hatte ich
noch zu Freunden/ die aber nicht
Meinen/ ſondern Jhren Nutzen
ſuchten; Theils ſuchten ihre Wol-
luͤſte/ Theils mein Geld/ andere
meine ſchoͤne Pferd; Sie alle a-
ber machten mir Ungelegenheit
mit Schmarotzen/ und war doch
keiner der mich zu heurahten be-
gehrte; entweder daß ſie ſich mei-
ner
[83] ner ſchaͤmten/ oder daß ſie mir
eine ungluͤckliche Eigenſchafft zu-
ſchrieben/ die alle meinen Maͤn-
nern ſchaͤdlich waͤre/ oder aber
daß ſie ſich ſonſt/ ich weiß nicht
warumb/ vor mir foͤrchteten.
Derowegen beſchloſſe ich mit
mir ſelbſten/ nicht nur diß Regi-
ment/ ſondern auch die Arma-
da/ ja den gantzen Krieg zu quit-
tirn/ und konnte es auch umb ſo
viel deſto leichter ins Werck ſetzen/
weil die hohe Officier meiner vor-
laͤngſt gern los geweſen waͤren;
Ja ich kan mich auch nicht uͤber-
reden laſſen zu glauben/ daß ſich
unter andern ehrlichen Leuten
viel gefunden haben/ die umb mei-
ne Hinfahrt viel geweinet. Es
ſeyen dann etliche wenige junge
Schnapper ledigs Stands unter
den
[84] den mittelmaͤſſigen Officiern ge-
weſt/ denen ich zu Zeiten etwan
ein paaꝛ Schlaffhoſen gewaſchen;
der Obriſte hatte den Ruhm
nicht gern/ daß ſeine ſchoͤne Gut-
ſche durch die Courage vom Feind
erobert/ und ihm verehrt worden
ſeyn ſolte! Daß ich den verwun-
deten Obriſt-Leutenant aus der
Battalia und Tods-Gefahr er-
rettet und zu den unſerigen ge-
fuͤhrt/ darvon ſchriebe er ihm ſo
wenig Ehr zu/ daß er mir mei-
ner Muͤhe nicht allein mit Potz-
Velten danckte/ ſondern auch/
wann er mich ſahe/ mit Griß-
grammenden Minen erroͤhtet/
und mir/ wie leicht zu gedencken/
lauter Gluͤck und Heil an den
Hals wuͤnſchte/ das Frauenzim-
mer oder die Officiers Weiber
haſſeten
[85] haſſetẽ mich/ weil ich weit ſchoͤner
war/ als eine unter dem gantzen
Regiment/ zumalen theils ihren
Maͤnnern auch beſſer gefiele/ und
beydes hohe und nidere Solda-
ten waren mir feind/ umb daß
ich/ Trutz einem unter ihnen al-
len/ das Hertz hatte/ etwas zu
unterſtehen/ und ins Werck zu ſe-
tzen/ das die groͤſte Tapferkeit
und verwegneſte Hazarde erfor-
dert/ und daruͤber ſonſt man-
chen das Kalte-Wehe angeſtoſſen
haͤtte.
Gleich wie ich nun leicht merck-
te/ daß ich viel mehr Feinde als
Freunde hatte/ alſo konnte ich
mir auch wol einbilden/ es wuͤr-
de ein jedwedere von meiner wi-
derwertigen Gattung gar nicht
unterlaſſen/ mir auf ihre ſonder-
bare
[86] bare Manier eins an zumachen/
wann ſich nur die Gelegenheit
darzu ereignet; O Courage/ ſag-
te ich zu mir ſelbſt/ wie wilſt du ſo
vielen unterſchiedlichen Feinden
entgehen koͤnnen? Von denen
vielleicht ein jeder ſeinen beſon-
deren Anſchlag auf dich hat;
wann du ſonſt nichts haͤtteſt/ als
deine ſchoͤne Pferde/ deine ſchoͤ-
ne Kleider/ dein ſchoͤnes Gewehr
und den Glauben/ daß du viel
Geld bey dir habeſt/ ſo waͤren es
Feinde genug/ einige Kerl anzu-
hetzen/ dich heimlich hinzurich-
ten/ wie? wann dich dergleichen
Kerl ermordeten/ oder in einer
Occaſion nidermachten? was
wuͤrde wol fuͤr ein Haan dar nach
kraͤhen? wer wuͤrde deinen Tod
raͤchen? was? ſolteſt du auch wol
deinen
[87] deinen eignen Knechten trauen
doͤrffen? mit dergleichen Sorgen
quaͤlte ich mich ſelbſt/ und frag-
te mich auch ſelbſt/ was Rahts?
weil ich ſonſt niemand hatte/ ders
treulich mit mir meinete; und
eben deswegen muſte ich mir auch
ſelbſt folgen.
Demnach ſprach ich den Obri-
ſten umb einen Paß an in die
nechſte Reichs-Stadt/ die mir
eben an der Hand ſtunde und wol-
gelegen war/ mich von dem
Kriegs-Volck zu rettirirn, den er-
langte ich nicht allein ohne groſſe
Muͤhe/ ſondern noch/ an Statt
eines Abſchieds/ einen Urkund/
daß ich einem Haubtmann von
Regiment/ (dann von meinem
letzten Mann begehrte ich keinen
Ruhm zu haben/) ehrlich ver-
heu-
[88] heurahtet geweſen/ und als ich
ſolchen vorm Feind verlohren/
mich eine Zeitlang bey dem Regi-
ment aufgehalten/ und in ſolcher
wehrenden Zeit alſo wol/ fromm
und ehrlich gehalten/ wie einer
rechtſchaffnen Ehr- und Tugend-
liebenden Damen gebuͤhre und
wol anſtaͤndig ſeye/ mich dero-
wegen jedermaͤnniglichen umb
ſolchen meines untadelhafften
Tugendlichen Wandels willen
beſtens recommendirent; und ſol-
che fette Luͤgen wurden mit ei-
genhaͤndiger Subſcription und
beygedrucktem Sigill in beſter
Forin bekraͤfftigt; Solches laſſe
ſich aber niemand wundern/
dann je ſchlimmer ſich einer haͤlt/
und je lieber man eines gerne los
waͤre/ je trefflicher wird der Ab-
ſchied
[89] ſchied ſeyn/ den man einem ſol-
chen mit auf den Weg gibt; ſon-
derlich wann derſelbe zugleich ſein
Lohn ſeyn muß; Einen Knecht
und ein Pferd lieſſe ich dem O-
briſten unter ſeiner Compagnie/
welcher Trutz einem Officier
mundirt war/ umb meine Danck-
barkeit darmit zu bezeugen/ hin-
gegen brachte ich einen Knecht/
einen Jungen/ eine Magd/ ſechs
ſchoͤne Pferd/ (darunter das ei-
ne 100. Ducaten wehrt gewe-
ſen/) ſambt einem wolgeſpickten
Wagen darvon; und kan ich bey
meinem groſſen Gewiſſen/ (etli-
che nennen es ein weites Gewiſ-
ſen/) nicht ſagen/ mit welcher
Fauſt ich alle dieſe Sachen er-
obert und zuwegen gebracht ha-
be.
Da
[90]
Da ich nun mich und das
Meinige in bemelde Stadt in Si-
cherheit gebracht hatte/ verſil-
berte ich meine Pferd/ und gab
ſonſt alles hinweg/ was Geld
golte/ und ich nicht gar noͤhtig
brauchte; mein Geſind ſchaffte
ich auch miteinander ab/ einen
geringen Coſten zu haben/ gleich
wie mirs aber zu Wien war gan-
gen/ alſo gieng mirs auch hier/
ich konnte abermal des Nah-
mens Courage nicht los werden/
wiewol ich ihn unter allen meinen
Sachen am allerwolfeilſten hin-
weggeben haͤtte; dann meine al-
te/ oder vielmehr die junge Kun-
den von der Armee ritten mir zu
Gefallen in die Stadt/ und frag-
ten mir mit ſolchem Nahmen
nach/ welchen auch die Kinder
auf
[91] auf der Gaſſen ehender als das
Vatter unſer lerneten/ und eben
darumb wieſe ich meinen Gala-
nen die Feigen; Als aber hinge-
gen dieſe den Stadt-Leuten er-
zehlten/ was ich vor ein Tauß-
Es waͤre/ ſo erwieſe ich hinwie-
derumb denſelben ein anders mit
Brief und Siegel/ und beredet
ſie/ die Officier geben keiner an-
deren Urſachen halber ſolche loſe
Stuͤck von mir aus/ als weil ich
nicht beſchaffen ſeyn wolte/ wie
ſie mich gerne haͤtten; und derge-
ſtalt biſſe ich mich zimlich heraus/
und brachte vermittelſt meiner
guten Schrifftlichen Zeugnis zu-
wegen/ daß mich die Stadt/ bis
ich meine Gelegenheit anders
machen konnte/ umb ein gerin-
ges Schirm-Gelt in ihren Schutz
nahm;
[92] nahm; allwo ich mich dann wi-
der meinen Willen gar erbarlich/
fromm/ ſtill und eingezogen hiel-
te/ und meiner Schoͤnheit/ die
je laͤnger je mehr zunahm/ aufs
beſte pflegte/ der Hoffnung/ mit
der Zeit wiederumb einen
wackern Mann zu be-
kommen.
DasX.
[93]
DasX.Capitel.
Courageerfaͤhrt/ wer ihre Eltern ge-
weſen/ und bekommt wieder einen
andern Mann.
ABer ich haͤtte lang harren muͤſſen/ biß
mir etwas rechts angebiſſen/ dann die
gute Geſchlechter verblieben bey ihres glei-
chen/ und was ſonſt reich war/ konte auch
ſonſt reiche und ſchoͤne/ und vornemlich
(welches man damahls noch in etwas beob-
achtete) auch ehrliche Jungfrauen zu Wei-
bern haben/ alſo/ daß ſie nicht bedorfften/
ſich an eine verlaſſene Soldaten-Hur zu
hencken; hingegen waren etliche/ die entwe-
der Banquerot gemacht/ oder bald zu ma-
chen gedachten/ die wolten zwar mein Gelt/
ich wolte aber darum ſie nicht; die Hand-
wercksleut waren mir ohne das zu ſchlecht/
und damit blieb ich ein gantz Jahr ſitzen/
welches mir laͤnger zugedulten gar ſchwer/
und gantz wider die Natur war/ ſinte mahl
ich von der guten Sache die ich genoſſe/
gantz kuͤzelig wurde/ dañ ich brauchte mein
Gelt/ ſo ich hie und dort in den groſſen
Staͤdten hatte/ den Kauff- und Wechſelher-
Eren
[94] ren zuzeiten beyzuſchteſſen/ darauß ich ſo ein
ehrlich Gewiñgen erhielte/ daß ich ziemliche
gute Tag davon habẽ konte/ und nichts von
der Haubtſum̃a verzehren dorffte; Weilen
es mir dann an einem andern Ort mangel-
te/ uñ meine ſchwache Beine dieſe gute Sa-
che nicht mehr ertragen koͤnten oder wolten.
Machte ich mein Gelt per Wexel auf
Prag/ mich ſelbſt aber mit etlichen Kauff-
herren hernach/ uñ ſuchte Zuflucht bey mei-
ner Koſtfrauen zu Bragodiz/ ob mir viel-
leicht alldortẽ ein beſſer Gluͤck anſtehẽ moͤch-
te. Dieſelbe fande ich gar arm/ weder ich ſie
verlaſſen/ dann der Krieg hatte ſie nit allein
ſehr verderbt/ ſondern ſie hatte auch allbereit
vor dem Krieg mit mir/ und ich nit mit ihr
gezehret; Sie freuete ſich meiner Ankunfft
gar ſehr/ vornemlich als ſie ſahe/ daß ich
nicht mit leerer Hand angeſtochen kam; ihr
erſtes will komm heiſſen aber/ war doch lau-
ter weinen; und indem ſie mich kuͤſſte/ nen-
nete ſie mich zugleich ein ungluͤckſeeliges
Fraͤulin/ welches ſeinem Herkommen Ge-
maͤß/ ſchwerlich wuͤrde ſein Leben uñ Stand
fuͤhren moͤgen; Mit fernerem Anhang/
daß
[95] daß ſie mir fuͤrderhin nit mehr wie vordie-
ſem zu helffen/ zu rathen und vorzuſtehen
wiſſe/ weil meine beſte Freund und Ver-
wandten entweder verjagt oder gar tod waͤ-
ren; und uͤber das/ ſagte ſie/ wuͤrde ich mich
ſchwerlich vor dem Kaͤyſerl. doͤrffen ſehen
laſſen/ wann ſie meinen Urſprung wiſſen
wolten/ und damit heulete ſie immer forth/
alſo/ daß ich mich in ihre Rede nicht richten
noch begreiffen konte/ ob es gehauen oder
geſtochen: gebrand oder gebort waͤre; da
ich ſie aber mit eſſen und trincken (dann die
gute Troͤpffin muſte den jaͤmmerlichen
Schmalhanſen in ihrem Quartier herber-
gen) widerum gelabt und alſo zu recht ge-
bracht/ daß ſie ſchier ein Tummel hatte; er-
zehlte ſie mir mein Herkommen gar offen-
hertzig/ und ſagte/ daß mein natuͤrlicher
Vatter ein Graff: und vor wenig Jahren
der gewaltigſte Herr im gantzen Koͤnigreich
geweſen: Nunmehr aber wegen ſeiner Re-
bellion wider den Kaͤyſer des Lands vertrie-
ben worden: Und wie die Zeitungen mitge-
bracht/ jetzunder an der tuͤrckiſchen Porten
ſey; alda er auch ſo gar ſein Chriſtliche Re-
E ijligion
[96] ligion in die Tuͤrckiſche veraͤndert haben
ſolle; Meine Mutter ſagte ſie/ ſey zwar von
ehrlichen Geſchlecht gebohren: aber eben
ſo arm als ſchoͤn geweſen; Sie haͤtte
ſich bey des gedachten Graffen Gemahlin
vor eine Staads Jungfer aufgehalten/
und indem ſie der Graͤffin aufgewartet/
waͤre der Graff ſelbſt ihr leibeigener wor-
den/ und haͤtte ſolche Dienſte getrieben/
biß er ſie auf einen Adelichen Sitz ver-
ſchafft/ da ſie mit mir niderkommen;
und weilen eben damahls ſie/ meine
Koſtfrau/ auch einen jungen Sohn ent-
woͤhnet/ dem ſie mit deſſelbigen Schloſ-
ſes Edelmann erzeugt/ haͤtte ſie meine
Seugamme werden: und mich folgends
zu Bragodiz Adelich auferziehen muͤſ-
ſen/ worzu dann beydes Vatter und
Mutter genugſame Mittel und Unter-
haltung hergeben; Jhr ſeyt zwar liebes
Fraͤulin/ ſagte ſie ferner/ einem tapf-
feren Edelmann von euerem Vatter
verſprochen worden/ derſelbe iſt aber bey
Eroberung Pilſen gefangen/ und als
ein Maͤineydiger neben andern mehr
durch
[97] durch die Kaͤyſerlichen aufgehaͤnckt wor-
den;
Alſo erfuhr ich/ was ich vor laͤngſt zu
wiſſen gewuͤnſcht/ und wuͤnſchte doch nun-
mehr/ daß ichs niemahl erfahren haͤtte;
ſintemahl ich ſo ſchlechten Nutzen von mei-
ner hohen Geburt zu hoffen; und weil ich
keinen andern und beſſern Rath wuſte/ ſo
machte ich einen Accord mit meiner Saͤu-
gamm/ daß ſie hinfort meine Mutter/ und
ich ihre Tochter ſeyn ſolte; ſie war viel
ſchlauer als ich/ derowegen zog ich auch
auf ihrem Rath mit ihr von Bragodiz auf
Prag; nicht allein zwar/ daß wir den Be-
kandten aus den Augen kaͤmen/ ſondern zu-
ſehen/ ob uns vielleicht alldorten ein an-
ders Gluͤck anſcheinen moͤchte; Jm uͤbri-
gen ſo waren wir recht vor einander;
Nicht/ daß ſie haͤtte Cupplen und ich
Huren ſollen/ ſondern weil ſie eine Er-
naͤhrerin/ ich aber eine getreue Perſon
bedorffte/ (gleich wie dieſe eine gewe-
ſen) deren ich beydes Ehr und Gut ver-
trauen konnte; Jch hatte ohne Kley-
der und Geſchmuck bey 3000. Reichs-
E iijthaler
[98] thaler bahr Gelt beyeinander/ und dannen-
hero damahls keine Urſach/ durch ſchaͤnd-
lichen Gewinn meine Nahrung zu ſuchen!
Meine neue Mutter kleidete ich wie eine er-
bare alte Matron/ hielte ſie ſelbſt in groſſen
Ehren/ und erzeigte ihr vor dem Leuten al-
len Gehorſam; wir geben uns vor Leuthe
aus/ die auf der Teutſchen Graͤntz durch
den Krieg vertrieben worden waͤren; ſuch-
ten unſeren Gewinn mit naͤhen/ auch
Gold/ Silber und Seydenſticken/ und hiel-
ten uns im uͤbrigen gar ſtill und eingezo-
gen/ meine Batzen genau zuſammen hal-
tend/ weil man ſolche zu verthun vflegt/ ehe
mans vermeynt/ und deren keine andere
kan gewinnen/ wann man gern wolte.
Nun diß waͤre ein feines Leben geweſt/
das wir fuͤhrten; Ja gleichſam ein Cloͤſter-
liches/ wann uns nur die Beſtaͤndigkeit
nicht abgangen waͤre; Jch bekam bald
Buhler: etliche ſuchten mich wie das Frau-
enzimmer im Bordelt/ und andere Tropf-
fen/ die mir meine Ehre nit zu bezahlen ge-
trauten/ ſagten mir viel vom heurathen;
beyde Theil aber wolten mich bereden/ ſie
wuͤrden
[99] wuͤrden durch die grauſame Liebe/ die ſie zu
mir truͤgen/ zu ihren Begierden angeſparet;
Jch haͤtte aber keinem geglaubt/ wann ich
ſelbſt ein keuſche Ader in mir gehabt/ es
gieng halt nach dem alten Sprichwort/
gleich und gleich geſelt ſich geꝛn/ dann gleich
wie man ſagt/ das Stroh in dem Schu-
hen/ ein Spindel im Sack/ und eine Hur
im Haus laͤſt ſich nicht verbergen/ alſo wuͤr-
de ich auch gleich bekand/ und wegen mei-
ner Schoͤnheit uͤberal beruͤhmt/ dannen-
hero bekamen wir viel zu ſtricken/ und unter
anderem einem Haubtmann ein Wehrge-
henck/ welche vorgebe/ daß er vor Liebe in
den letzten Zuͤgen lege; Hingegen wuſte ich
ihm von der Keuſchheit ſo ein Hauffen
aufzuſchneiden/ daß er ſich ſtellte/ als wolte
er gar verzweiffeln/ dann ich ermaſſe die
Beſchaffenheit und das Vermoͤgen mei-
ner Kunden nach der Regul meines
Wirth/ zum guldenen Loͤwen zu N. dieſer
ſagte/ wann mir ein Gaſt kommt/ und gar
zu unmaͤſſig viel hoͤflicher Complimenten
macht/ ſo iſt ein gewiſſe Anzeigung/ daß er
entweder nchit viel zum beſten: oder ſonſt
E jvnicht
[100] nicht im Sinn hat viel zu vergehen/ kom̃t
aber einer mit Trutzen/ und nimmt die
Einkehr bey mir gleichſam mit bochen und
einer herriſchen Bottmaͤſſigkeit/ ſo geden-
cke ich/ holla/ dieſem Kerl iſt der Beutel
geſchwollen/ dem muſt du ſchrepffen/ alſo
tractire ich die Hoͤffliche mit Gegenhoͤfflich-
keit/ damit ſie mich und meine Herberg an-
derwerts loben/ die Schnarcher aber mit
allem das ſie begehren/ damit ich Urſach
habe ihren Beutel rechtſchaffen zu actio-
niren; Jndem ich nun dieſem meinem
Haubtmann hielte/ wie dieſer Wirth ſeine
hoͤfliche Gaͤſt/ als hielte er mich hingegen/
wo nicht gar vor ein halben Engel/ jedoch
wenigſt vor ein Muſter und Ebenbild der
Keuſchheit: Ja ſchier vor die Frommkeit
ſelbſten; Jn Summa/ er kam ſo weit daß
er von der Verehligung mit mir anfieng
zu ſchwetzen/ und lieſe auch nicht nach/ biß
er das Jawort erhielte: die Heuraths-
Puncten/ waren dieſe/ daß ich ihm 1000.
Reichsthaler Pargelt zubringen/ er aber
hingegen mich in Teutſchland zu ſeinem
Heimath um dieſelbige verſichern ſolte/ da-
mit/ wann er vor mir ohne Erben ſterben
ſolte/
[101] ſolte/ ich deren wideꝛ habhafft werden koͤnte;
die uͤbrige 2000. Reichsthaler die ich noch
haͤtte/ ſolten an ein gewiß Ort auf Zinß ge-
legt; und in ſtehender Ehe die Zinß von
meinem Haubtmann genoſſen werden/ das
Capital aber ohnveraͤndert bleiben/ biß
wir Erben haͤtten/ auch ſolte ich macht ha-
ben/ wañ ich ohne Erben ſterben ſolte/ mein
gantz Vermoͤgen/ darunter auch die 1000.
Reichsthaler verſtanden/ die ich ihm zuge-
bracht/ hin zuverteſtiꝛen/ wohin ich wolte/ ꝛc.
Dem nach wurde die Hochzeit gehalten/ uñ
als wir vermeynten zu Prag beyeinander/
ſo lang der Krieg waͤhrete/ in deꝛ Guarniſon
gleich wie im Frieden/ in Ruhe zu leben/ ſi-
he/ da kam Ordre/ daß wir nach Hollſtein in
den Dennemaͤrck. Krieg marchirn muͤſten.
DasXI.Capitel.
Nach demCourageanfaͤhet ſich
from zu halten/ wird ſie wieder unver-
ſehens zu einer Wittib.
JCh ruͤſtete mich trefflich ins Feld/
weil ich ſchon beſſer/ als mein Haubt-
mann/ wuſte/ was darzu gehoͤrete; und
in dem ich mich aͤngſtigte/ daß ich
E vwider
[102] wider dahin muſte/ wo man die Courãge
kennete/ erzehlte ich meinem Mann mein
gantzes gefuͤhrtes Leben/ biß auf die Huren-
ſtuͤcke/ die ich hie und da begangen/ und was
ſich mit mir und dem Rittmeiſter zugetra-
gen; vom Namen Courage uͤberredet ich
ihn/ daß er mir wegen meiner Tapfferkeit
zugewachſen waͤre/ wie dann ſonſt auch je-
derman von mir glaubte; mit dieſer Erzeh-
lung kam ich dem jenigen vor/ die mir ſonſt
etwan bey ihm einen boͤſen Rauch gemacht/
wann ſie ihm vielleicht ſolches und noch
mehr darzu/ ja mehr als mir lieb geweſen/
erzehlet haͤtten; und gleich wie er mir da-
mahl ſchwerlich glaubte/ wie ich mich in of-
fenen Schlachten gegen dem Feind gehal-
ten/ biß es folgends andere Leut bey der Ar-
mee bezeugten; alſo glaubte er nach gehends
auch andern Leuten nicht/ wann ſie ihn
vor meinen ſchlimmen Stuͤcken aufſchnit-
ten/ weil ich ſolche laͤugnete; ſonſt war er in
allen ſeinen Handlungen ſehr bedaͤchtig
und vernuͤnfftig/ anſehenlich von Perſon
und einer von den behertzten; Alſo daß
ich mich ſelbſt offt verwunderte/ warum er
mich
[103] mich genommen/ da ihm doch billicher et-
was ehrliches gebuͤhrt haͤtte.
Meine Mutter nahm ich mit mir vor
eine Haushalterin und Koͤchin/ weil ſie
nit zu ruck bleiben wolt; Jch verſahe unſe-
ren Bagage Wagen/ mit allem dem/ was
man erſinnen haͤtte moͤgen/ das uns im
Feld ſolt noͤtig geweſen ſeyn/ und machte ei-
ne ſolche Anſtalt unter dem Geſind/ daß
weder mein Mañ ſelbſt drum ſorgen: noch
einen Hofmeiſter darzu bedorffte/ mich
ſelbſt aber mundirte ich wieder wie vor die-
ſem/ mit Pferd/ Gewehr/ Sattel und
Zeug/ und alſo ſtaffirt kamen wir bey den
Haͤuſſern gleichen zu der Tilliſchen Armee/
alwo ich bald erkant und von den mehriſten
Spottvoͤgeln zuſammen geſchriehen wur-
de; luſtig ihr Bruͤder/ wir haben ein gut
Omen kuͤnfftige Schlacht zu gewinnen!
Warum? darum/ die Courage iſt wieder
bey uns ankommen; und zwar dieſe Lap-
pen redeten nicht uͤbel von der Sach/ dann
das Volck mit dem ich kahm/ war ein
Succurs von drey Regimentern zu Pferd/
und zweyen zu Fuß/ welches nicht zu ver-
E vjachten/
[104] achten/ ſondeꝛn der Armada Courage genug
mitgebracht/ wañ ich gleich nicht dabey ge-
weſen waͤre.
Meines Behalts dem zweyten Tag
nach/ dieſer gluͤcklichen conjunction gerie-
ten die unſerige dem Koͤnig von Deñemarck
bey Lutter in die Haar/ all wo ich fuͤrwahr
nicht bey der Bagage bleiben mochte/ ſon-
dern als des Feinds erſte Hitze verloſchen/
und die Unſerige das Treffen wieder tapf-
fer erneuert: mich mitten ins Getraͤng
miſchte/ wo es am allerdickſten war; Jch
mochte keine geringe Kerl gefangen neh-
men/ ſondern wolte meinem Mann gleich
in der erſte weiſſen/ daß mein Zunah-
men an mir nicht uͤbel angelegt waͤre/ noch
er ſich deſſen zu ſchaͤmen haͤtte; Machte
derowegen meinen edlen Hengſt/ der ſeines
gleichen in Prag nicht gehabt/ mit dem
Sebel Platz/ biß ich einen Rittmeiſter von
vornehmen Daͤniſchen Geſchlecht beym
Kopff kriegte/ und aus dem Gedraͤng zu
meinem Bagage-Wagen brachte/ ich und
mein Pferd bekamen zwar ſtarcke Puͤff:
wir lieſen aber keinen Tropffen Blut auf
der
[105] der Wahlſtatt/ ſondern trugen nur etliche
Maͤhler und Beuden darvon/ weilen ich
dann ſahe/ daß es ſo gluͤcklich abgieng/
machte ich mein Gewehr wider fertig/ jagte
hin/ und holete noch einen Quartiermeiſter
ſam̃t einem gemeinen Reuter welche nicht
ehe gewahr wurden/ daß ich ein Weibsbild
war/ als biß ich ſie zu obengedachten Ritt-
meiſter und meinen Leuten brachte/ ich be-
ſuchte keinen von ihnen/ weil jeder ſelbſt ſein
Gelt uñ Gelts weꝛth heꝛaus gab/ was eꝛ hat-
te/ vornemlich aber lieſe ich den Rittmeiſter
faſt hoͤfflich tractirn und nit anruͤhren/ viel
weniger gar ausziehen; aber als ich mich
mit Fleiß ein wenig beyſeits machte/ ver-
dauſchten meine Knecht mit den andern
beyden ihre Kleider/ weil ſie trefflich wohl
Koͤllern mondirt waren; Jch haͤtte es zum
dritten mahl gewagt/ und fort geſchmidet/
dieweil das Eiſen weich geweſen/ und die
Schlacht gewaͤhret/ ſo mochte ich aber
meinem guten Pferd nicht zu viel zu-
muthen; Jndeſſen bekam mein Mann
auch etwas wenigs an Beuthen von de-
nen/ die ſich aufs Schloß Lutter retirirt:
E vijund
[106] und ewiglich auf Gnad und Ungnad erge-
ben hatten; Alſo/ daß wir beyde in und
nach dieſer Schlacht in allem und allem
auf tauſerd Gulden werth/ vom Feind ero-
bert/ welches wir gleich nach dem Treffen
zugemacht/ und ohnverweilt per Wechſel
nacher Prag zu meinen alldortigen 2000.
Reichsthalern uͤber ſchafft/ weil wir deſſen
im Feld nicht bedoͤrfftig/ und taͤglich hofften
noch mehr Beuten zu machen.
Jch und mein Mann bekamen ein ander
je laͤnger je lieber/ uñ ſchetzte ſich als das eine
gluͤckſeelig/ weil es das andere zum Ehe ge-
macht hatte/ und wañ wir uns nit beyde ge-
ſchaͤmt haͤttẽ/ ſo glaub ich/ ich waͤre Tag und
Nacht in den Lauffgraͤben auf der Wacht
und in allen occaſionen niemahl von ſeineꝛ
Seiten kommen; wir vermachten einan-
der alles unſer Vermoͤgen/ alſo/ daß das
letzt-lebende (wir bekaͤmen gleich Erben odeꝛ
nicht) das Verſtorbene erben: Meine
Saͤugame oder Mutter aber/ gleichwohl
auch ernehren ſolte/ ſo lang ſie lebte/ als wel-
che uns groſſen Fleiß und Treu bezeugte;
Solche Vermaͤchtnuß hinderlaͤgten wir/
weil
[107] weil wirs in Duplo ausgefertigt/ eine zu
Prag hinter dem Senat und die ander in
meines Mom̃s Heimath hin/ Hochteutſch-
land/ ſo damahls noch in ſeinem beſten Flor
ſtunde/ und von dem Kriegsweſen das ge-
ringſte nicht erlitten.
Nach dieſem lutteriſchem Treffen/ nah-
men wir Steinbruck/ Nerden/ Langen-
wedel/ Rotenburg/ Ottersberg und Hoya
ein/ in welchem letzt-genannten Schloß
Hoya/ mein Mann mit etlichen Comman-
dirten Voͤlckern ohne Bagage muſte liegen
vrrbleiben; Gleichwie mich aber ſonſt nir-
gends keine Gefahr von meinem Mann be-
halten konte/ alſo wolte ich ihn auch auf
dieſem Schloß nit allein laſſen/ aus Furcht/
die Laͤuſe moͤchten mir ihn freſſen/ weil kei-
ne Weibsbilder da waren/ ſo die Soldateſca
geſaͤubert haͤtte; unſere Bagage aber/ ver-
blieb bey dem Regiment/ welches hingieng
die Winter-Quartier zugenieſſen/ bey wel-
cher ich auch verbleiben/ und ſolchen Genuß
haͤtte einziehen ſollen.
So bald nun ſolches bey angehendem
Winter geſchehen/ und Tilly dergeſtalt ſei-
ne Voͤl-
[108] ne Voͤlcker zertheilet/ ſihe da kam der Koͤ-
nig in Dennemarck mit einer Armee/ und
wolte im Winter wider gewinnen/ was
er im Sommer verlohren; er ſtellte ſich
Nerden einzunehmen/ weil ihm aber die
Nuß zu hart zu beiſſen war/ lieſſe er ſel-
bige Stadt liegen/ und ſeinem Zorn am
Schloß Hoya aus; welches er in 7. Tagen
mit mehr als tauſend Canon-Schuͤſſen
durchloͤchert/ darunter auch einer meinen
lieben Mann traff/ und mich zu einer un-
gluͤckſeeligen Wittib machte.
DasXII.Capitel.
DerCouragewird ihr treffliche
Courage auch trefflich eingetraͤnckt.
ALs nun die Unſerige das Schloß/ aus
Forcht es moͤchte einfallen/ und uns
alle bedecken/ dem Koͤnig uͤbergaben/ und
herauszogen/ ich auch alſo gantz betruͤbt
und weynend mit marchirte/ ſahe mich zu
allem Ungluͤck der jenige Major/ den
ich hiebevor von den Braunſchweigiſchen
bey dem Mainſtrom gefangen bekommen/
er erkundiget alſobalden die Gewißheit mei-
ner
[109] ner Perſon von den Unſerigen/ und als er
auch meinen damahligen Stand erfuhre/
daß ich nemlich allererſt zu einer Wittib
worden waͤre/ da nahme er die Gelegenheit
in acht/ und zwackte mich ohnverſehens
von den Trouppẽ hinweg; Du Blut-Hex!
ſagte er/ jetzt will ich dir den Spott wider
vergelten/ den du mir vor Jahren bey Hoͤgſt
bewieſen haſt/ und dich lehren/ daß du hin-
fort weder Wehr noch Waffen mehr fuͤh-
ren: noch dich weiters unterſtehen ſolleſt/ ei-
nen Cavallier gefangen zu nehmen; Er
ſahe ſo graͤßlich aus/ daß ich mich auch nur
vor ſeinem Anblick entſetzte; waͤre ich aber
auf meinem Rappen geſeſſen/ und haͤtte ihn
allein fuͤr mir im Feld gehabt/ ſo haͤtte ich
getraut ihn eine andere Sprache reden zu
lernen; indeſſen fuͤhrte er mich mitten unter
einen Trouppen Reuter und gab mich den
Fahnen-Juncker in Verwahrung/ wel-
cher alles was ich mit dem Obriſt Leute-
nant (dann er hatte ſeither dieſe Stell be-
kom̃en) zu thun hatte/ von mir erkundigt;
der erzehlte mir hingegen/ daß er bey nahe
damahls als ich ihn gefangen bekommen/
ſchier
[110] ſchier den Kopff/ oder wenigſt ſein Major
Stell verlohren haͤtte/ um daß er ſich von ei-
nem Weibsbild vor der Brigaden hinweg
fangen laſſen/ und dardurch dem Troup-
pen eine Unordnung und gaͤntzliche Zer-
trennung verurſacht/ wofern er nicht ſich
damit ausgeredet/ daß ihn die Jenige ſo
ihn hinweg genommen/ durch Zauberey
verblendet; zu letzt haͤtte er doch aus Scham
reſignirt/ und Daͤniſche Dienſt angenom-
men.
Die folgende Nacht logirten wir in ei-
nem Quartier/ darinn wenig zum beſten
war/ allwo mich der Obriſt Leut. zwang/
zu revange ſeiner Schmach/ wie ers nen-
nete/ ſeine viehiſche Begierden zu vollbrin-
gen/ worbey doch (pfuy der ſchaͤndlichen
Thorheit) weder Luſt noch Freud ſeyn kon-
te/ in dem er mir an ſtatt der Kuͤß/ ob ich
mich gleich nit ſonderlich ſperret/ nur dich-
te Ohrfeigen gab; den andern Tag riſſen
ſie unverſehens aus wie die fluͤchtige Haa-
ſen/ hinter denen die Windhund herſtrei-
chen/ alſo daß ich mir nichts anders einbil-
den konnte/ als daß ſie der Tilly jagte/ wie-
wohl
[111] wohl ſie nur flohen/ aus Forcht gejagt zu
werden; die zweyte Nacht fanden ſie Quar-
tier/ da der Bauer den Tiſch deckte/ da lude
mein tapfferer Held von Officiern ſeines
Gelichters zu Gaſt/ die ſich durch mich mit
ihm verſchwaͤgern muſten/ alſo daß meine
ſonſt ohnerſaͤttliche fleiſchliche Begierden
dermahlen genugſam contentirt wurden;
die dritte Nacht/ als ſie den gantzen Tag
abermahl geloffen waren/ als wann ſie der
Teuffel ſelbſt gejagt/ gieng es mir gar nit
beſſer/ ſondern viel aͤrger; dañ nachdem ich
dieſelbe kuͤmmerlich uͤberſtanden/ und alle
dieſe Hengſte ſich muͤd gerammelt hatten/
(pfuy ich ſchaͤmte michs bey nahe zu ſagen/
wann ichs dir Simpliciſſime nit zu Ehren
und Gefallen thaͤte) muſte ich auch vor der
Herren Angeſicht mich von den Knechten
treffen laſſen; Jch hatte bißher alles mit
Gedult gelitten/ und gedacht/ ich haͤtte es
hiebevor verſchuldet/ aber da es hierzu kam/
war mirs ein abſcheulicher Greuel/ alſo daß
ich anfieng zu lamentiren/ zu ſchmaͤlen/ und
Gott um Huͤlff und Rach anzuruffen; aber
ich fande keine Barmhertzigkeit bey die-
ſem
[112] ſen Viehiſchen Unmenſchen/ welche aller
Scham/ und Chriſtlichen Erbarkeit ver-
geſſen mich zu erſt nackend auszohen/ wie
ich auf dieſe Welt kommen/ und ein paar
Handvoll Erbſen auf die Erden ſchuͤtten/
die ich aufleſen muſte/ worzu ſie mich dann
mit Spißruthen noͤthigten; ja ſie wuͤrtzten
mich mit Saltz uñ Pfeffer/ daß ich gumpen
und plitzen muſte wie ein Eſel/ dem man ein
Handvoll Dorn oder Neſſeln unter den
Schweiff gebunden; und ich glaube/ wann
es nicht Winterszeit geweſen waͤre/ daß ſie
mich auch mit Brenneſſeln gegeiſſelt haͤttẽ.
Hierauf hielten ſie Rath/ ob ſie mich den
Jungen preiß geben; oder mir als einer
Zauberin den Proceß durch den Hencker
machen laſſen woltẽ/ das letzte bedunckte ſie/
gereiche ihnen allen zu ſchlechter Ehr/ weil
ſie ſich meines Leibs theilhafftig gemacht;
zudem ſagten die Verſtaͤndigſte (wann an-
ders dieſe Beſtien auch noch ein Fuͤncklein
des menſchlichen Verſtand gehabt haben)
wañ man ein ſolche procedur mit mir haͤtte
vornehmen wollen/ ſo ſolte mich der Oberſt
Leutenant gleich anfangs unberuͤhrt gelaſ-
ſen/
[113] ſen/ und in die Haͤnde der Juſtitz geliefert
haben; Alſo kam das Urthel heraus/ daß
man mich den Nachmittag/ (dann ſie la-
gen denſelben Tag in ihrer Sicherheit ſtill)
den Reuter-Jungens Preiß geben ſolte;
Als ſie ſich nun des elenden Spectaculs/
des Erbſen aufleſens ſatt geſehen/ dorffte ich
meine Kleider wieder anziehen/ und da ich
allerdings damit fertig/ begehrte ein Ca-
vallier mit den Obriſt Leutenant zu ſpre-
chen/ und das war eben der jenige Rittmei-
ſter/ den ich vor Lutter gefangen bekommen
der hart von meiner Gefangenſchafft ge-
hoͤrt; Als dieſer den Obriſt Leutenant nach
mir fragte/ und zugleich ſagte/ er verlange
mich zu ſehen/ weil ich ihn vor Lutter gefan-
gen; fuͤhrete ihn der Obriſt Leut. gleich bey
der Hand in das Zimmer/ und ſagte/ da ſitzt
die Karania/ ich will ſie jetzt ſtrack den
Jungen Preiß geben; dann er nicht an-
ders vermeinte/ als der Rittmeiſter wuͤr-
de ſo wohl als er ein grauſame Rach an
mir uͤben wollen; aber der ehrliche Caval-
lier war gantz anders geſinnet/ er ſahe mich
kaum ſo klaͤglich dort ſitzen/ als er anfieng
mit
[114] mit einem Seuffzen den Kopff zu ſchuͤtteln:
Jch merckte gleich ſein Mitleiden/ fiele de-
rowegen auf die Knie nider/ und bat ihn
um aller ſeiner adelichen Tugenden willen/
daß er ſich uͤber mich elende Dame erbar-
men: und mich vor mehrerer Schand be-
ſchirmen wolte; Er hub mich bey der Hand
auf und ſagte zu dem Oberſten Leutenant
und ſeinen Cammerrathen/ ach/ ihr recht-
ſchaffene Bruͤder! was habt ihr mit dieſer
Damen angefangen? der Oberſte Leute-
nant ſo ſich bereits halber bierſchellig geſof-
fen/ fiele ihm in die Red und ſagte/ was?
ſie iſt eine Zauberin; ach mein Herr/ verzei-
he mir/ antwortet der Rittmeiſter/ ſo viel
ich von ihr weiß/ ſo bedunckt mich/ ſie ſey des
tapffern alten Grauen von T. ſeine leibli-
chen Frauen Tochter: welcher rechtſchaf-
fene Held bey dem gemeinen Weſen Leib
und Leben/ ja/ Land und Leut aufgeſetzt/ alſo
daß mein gnaͤdigſter Koͤnig nicht gut heiſ-
ſen wird/ wann man deſſen Kinder ſo tra-
ctirt/ ob ſie gleich ein paar Officier von uns
auf die Kaͤyſerl. Seiten gefangen bekom̃en!
Ja ich doͤrffte glauben/ ihr Herr Vatter
richtet
[115] richtet auf dieſe Stunde in Ungarn noch
mehr wider den Kaͤyſer aus/ als mancher
thun mag/ der eine fliegende Armada gegen
ihn zu Felde fuͤhret; Ha! antwortet der
Flegelhafftige Oberſt Leutenant: was hab
ich gewuſt? warum hat ſie das Maul nicht
aufgethan? die andere Officier/ welche den
Rittmeiſter wohl kanten/ und wuſten/ daß
er nicht allein von einen hohen Daͤniſchen
Geſchlecht: ſondern auch bey dem Koͤnig
in hoͤchſten Gnaden war/ baten gar demuͤ-
thig/ der Rittmeiſter wolte diß uͤberſehen/
als eine geſchehene Sach/ zum beſten rich-
ten/ und vermittlen/ daß ſie hier durch in kei-
ne Ungelegenheit kaͤmen; dahingegen ob-
ligirten ſie ſich/ ihme auf alle begebende Ge-
legenheit mit Darſetzung Guts und Bluts
bedient zu ſeyn; Sie bathen mich auch alle
auf den Knien um Verzeihung/ ich konte
ihnen aber nur mit weinen vergeben; und
alſo kam ich/ zwar uͤbel geſchaͤnd/ aus dieſer
Beſtien Gewalt in des Rittmeiſters Haͤn-
de/ welcher mich weit hoͤflicher zu tractiren
wuſte; dann er ſchickte mich alſobalden/ oh-
ne/ daß er mich einmahl beruͤhrt hatte/
durch
[116] durch einen Diener und einen Reuter von
ſeiner Compagnia in Dennemarck auf ein
Adelich Haus/ das ihm kuͤrtzlich von ſeiner
Mutter Schweſter erblich zu gefallen war/
allwo ich wie ein Princeſſin unterhalten
wurde; welche unverſehene Erloͤſung ich
beydes meiner Schoͤnheit und meiner
Seugamme zu dancken/ als die ohne mein
Wiſſen und Willen dem Rittmeiſter mein
Herkommen vertraͤulich erzehlt hatte.
DasXIII.Capitel.
Was vor gute Taͤge und Naͤchte die
Graͤffl. Fraͤulin im Schloß genoſſe/
und wie ſie ſelbige wieder ver-
lohren.
JCh pflegte meiner Geſundheit und baͤ-
hete mich aus/ wie einer der halb erfro-
ren/ aus einem kalten Waſſer hinter einem
Stubenofen oder zum Feuer kommt; dann
ich hatte damahls auf der Welt ſonſt nichts
zu thun/ als auf der Streu zu liegen/ und
mich wie ein Streit-Pferd im Winter-
Quartier aus zumaͤſten/ und auf den kuͤnff-
tigen Sommer im Feld deſto geruheter zu
erſchei-
[117] erſcheinen/ und mich in den vorfallenden
occaſionen deſto friſcher gebrauchen zu laſ-
ſen; davon wurde ich in Baͤlde wider gantz
heil/ glathaͤrig/ und meines Cavalliers be-
gierig! der ſtellte ſich auch bey mir ein/ ehe
die laͤngſte Naͤcht gar vergiengen/ weil er
der lieblichen Fruͤhlingszeit ſo wenig als ich
mit Gedult erwarten konte;
Er kame mit vier Dienern/ da er mich
beſuchte/ davon mich doch nur der eine ſe-
hen dorffte/ nemlich der jenige/ der mich
auch hingebracht hatte; es iſt nicht zu glau-
ben/ mit was vor hertzbrechenden Worten
er ſein Mitleiden/ das er mit mir trug/ be-
zeugete/ um daß ich in den leidigen Wittib-
ſtand geſetzt worden; mit was vor groſſen
Verheiſſungen er mich ſeiner getreuen
Dienſte verſicherte; und mit was vor
Hoͤfflichkeit er mir klagte/ daß er beydes mit
Leib und Seel vor Lutter mein Gefangner
worden waͤre; Hoch geborne ſchoͤnſte Dam/
ſagte er/ dem Leib nach hat mich mein fatum
zwar gleich wieder ledig gemacht/ und mich
doch in uͤbrigen gantz und gar eueren Scla-
ven bleiben laſſen/ welcher jetzt nichts an-
Fders
[118] ders begehrt und darum hieher kommen/
als aus ihrem Munde dem Sententz zum
Tod oder zum Leben anzuhoͤren; zum Leben
zwar/ wann ihr euch uͤber eueren elenden
Gefangenen erbarmet: Jhn in ſeinem
ſchweren Gefaͤngnus der Liebe mit troͤſtli-
chem Mitleiden troͤſtet/ und vom Tod erret-
tet; oder zum Tod/ wann ich ihrer Gnad
und Gegenliebe nicht theilhafftig werden/
oder ſolcher euerer Liebe unwuͤrdig geſchaͤtzt
werden ſolte: Jch ſchaͤtzte mich gluͤckſeelig/ da
ſie mich wie ein andere ritterliche Penthaſi-
lea mitten aus der Schlacht gefangen hin-
weg gefuͤhrt hatte/ und da mir durch aͤuſſer-
liche Lediglaſſung meiner Perſon meine
vermeintliche Freyheit wieder zugeſtellt
wurde/ hube ſich allererſt mein Jam̃er an/
weil ich die jenige nicht mehr ſehen konte/
die mein Hertz noch gefangen hielte/ zumah-
len auch kein Hoffnung machen konte/ die-
ſelbe wegen beyderſeits widereinander ſtre-
benden Kriegswaffen jemahls widerum
ins Geſicht zu bekommen; ſolchen meinen
bißherigen elenden Jammer/ bezeugen viel
tauſent Seuffzer/ die ich ſeithero zu meiner
lieb-
[119] liebwuͤrdigen Feindin geſendet/ und weil ſol-
che alle vergeblich in die leere Lufft giengen/
geriehte ich allgemach zur Verzweiffelung/
und waͤre auch/ ꝛc. Solche und dergleichen
Sachen brachte der Schloßherr vor/ mich
zu dem jenigen zu perſuadirn, wornach ich
ohne das ſo ſehr als er ſelbſt verlangte; Weil
ich aber mehr in dergleichen Schulen gewe-
ſen/ und wohl wuſte/ daß man das jenige/
was einem leicht ankom̃t/ auch gering ach-
tet/ als ſtellte ich mich gar weit von ſeiner
Meynung entfernet zu ſeyn/ und klagte hin-
gegen/ daß ich im Werck befande/ daß ich
ſein Gefangner waͤre/ ſintemahl ich meines
Leibs nit maͤchtig/ ſondern in ſeinen Gewalt
aufgehalten wuͤrde; Jch muͤſte zwar beken-
nen/ daß ich ich ihm vor allen andern Ca-
valliren in der gantzen Welt zum allerge-
naueſten verbunden/ weilen er mich von
meinen Ehrenſchaͤndern errettet; erkennete
auch/ daß meine Schuldigkeit ſeye/ ſolche
ehrliche und lobwuͤrdige Rath wider gegen
ihm mit hoͤchſter Danckbarkeit zu beſchul-
den; wann aber ſolche meine Schuldig-
keit und dem Deckmantel der Liebe mit
F ijVer-
[120] Verluſt meiner Ehr abgelegt werden muͤ-
ſte/ und daß ich eben zu ſolchem Ende in die-
ſes Ort gebracht worden waͤre/ ſo koͤnte ich
nicht ſehen/ was er bey der erbarn Welt vor
die beſchehene ruhmwuͤrdige Erloͤſung vor
Ehv/ und bey mir vor einen Danck zu ge-
warten/ mit demuͤthiger Bitte/ er wolle ſich
durch eine That die ihn vielleicht bald wie-
der reuen wuͤrde/ keinen Schandflecken an-
hencken/ noch dem hohen Ruhm eines ehr-
liebenden Cavalliers den Nachklang zu
freyen/ daß er ein armes verlaſſenes
Weibsbild in ſeinem Hauſe wider ihren
Willen/ ꝛc. und damit fieng ich an zu wei-
nen/ als wann mirs ein lauterer gruͤndli-
cher Ernſt geweſen waͤre/ nach dem alten
Reumen:
Ja damit er mich noch hoͤher æſtimiren
ſolte/ botte ich ihm 1000. Reichsthaler vor
meine Rantzion an/ wann er mich unbe-
ruͤhrt laſſen/ und widerum zu den Meinigen
ſicher paſſiren laſſen wolte; aber er antwor-
tet/
[121] tet: Seine Liebe gegen mir ſey ſo beſchaffen/
daß er mich nicht vor das gantze Koͤnigreich
Boͤhmen verwechſeln koͤnte; zu dem ſeye er
ſeines Herkommens und Standes halber/
mir gar nit ungleich/ daß es eben etwan
wegen eine Heurath zwiſchen uns beeden
viel difficulteten brauchen ſolte; Es hatte
mit uns beyden natuͤrlich ein Anſehen/ als
wann ein Taͤubler irgend einen Tauber
und eine Taͤubin zu ſammen ſperret/ daß ſie
ſich paaren ſollen/ welche ſich anfaͤnglich
lang genug abmatten/ biß ſie des Handels
endlich eins werden; eben alſo machten
wirs auch/ dann nachdem mich Zeit ſeyn
bedunckte/ ich haͤtte mich lang genug wider-
ſetzt/ wuͤrde ich gegen dieſem jungen Buh-
ler welcher noch nicht uͤber zwey und zwan-
tzig Jahr auf ſich hatte/ ſo zahm und ge-
ſchmeidig/ das ich auf ſeine guͤldene Pro-
meſſen in alles einwilligte/ was er begehrte/
ich ſchlug ihm auch ſo wohl zu/ daß er einen
gantzen Monat bey mir bliebe/ doch wuſte
niemand/ warum/ als obgemeldter einiger
Diener/ und eine alte Haushofmeiſterin/
die mich in ihrer Pfleg hatte/ und E. Graͤfl.
F 3tituli-
[122] tituliren muſte; da hielte ich mich wie das al-
te Sprichwort lautet:
Mein Liebhaber beſuchte mich demſelben
Winter gar offt/ und wann er ſich nicht ge-
ſchaͤmt haͤtte/ ſo glaub ich/ er haͤtte den Degen
gar an einen Nagel gehenckt/ aber er mu-
ſte beydes ſeinen Herrn Vattern und dem
Koͤnig ſelbſt ſcheuen/ als der ſich dem
Krieg/ wiewohl mit ſchlechtem Gluͤck/ ernſt-
lich angelegen ſeyn lieſe; doch macht ers mit
ſeinem Beſuchen ſo grob/ und kam ſo offt/
daß es endlich ſein alter Herr Vatter und
Frau Mutter mercken/ und auf fleiſſiges
Nachforſchen erfuhren/ was er vor einen
Magnet in ſeinem Schloß heimlich aufhiel-
te/ der ſeine Waffen ſo offt aus dem
Krieg an ſich zoge; derowegen erkundigten
ſie die Beſchaffenheit meiner Perſon gar
eigentlich/ und trugen groſſe Sorge fuͤr ih-
ren Sohn/ daß er ſich villeicht mit mir ver-
plempern und hangen bleiben moͤchte/ an
einer/ davon ihr hohes Hauſe wenig Ehr
haben
[123] haben konte; derowegen wolten ſie ein ſol-
che Ehe beyzeiten zerſtoͤren/ und doch ſo be-
hutſam damit umgehen/ daß ſie ſich auch
nicht an mir vergriffen/ noch meine Ver-
wandte vor dem Kopff ſtieſſen/ wann ich et-
wan/ wie ſie von der Haushofmeiſterin
vernommen/ von einem Graͤflichen Ge-
ſchlecht geboren ſeyn/ und ihr Sohn auch
mir allbereit die Ehe verſprochen haben ſolte.
Der allererſte Angriff zu dieſem Handel
war dieſer/ daß mich die alte Haushofmei-
ſterin gar vertraͤulich warnete/ es haͤttẽ mei-
nes Liebſten Eltern erfahren/ daß ihr Herr
Sohn eine Liebhaberin heimlich enthielte/
mit derer er ſich wider ihrer der Eltern Wil-
len zu verehlichen gedaͤchte/ ſo ſie aber durch-
aus nicht zu geben koͤnten/ die weil ſie ihn all-
bereit an ein faſt hohes Haus zu verheura-
then verſprochen; waͤren derowegen geſin-
net/ mich beym Korff nehmen zu laſſen/ was
ſie aber weiters mit miꝛ zu thun entſchloſſen/
ſeye ihr noch verborgen; hiermit erſchreckte
mich zwar die Alte/ ich lieſe aber meine Angſt
nicht allein nicht mercken/ ſondern ſtell[t]e
mich darzu ſo freudig/ als wann mich
F jvder
[124] der groſſe Moger aus Jndia wo nit beſchuͤ-
tzen/ doch wenigſt revangirn wuͤrde/ ſinte-
mahl ich mich auf meines Liebhabers groſ-
ſe Liebe und ſtattliche Verheiſſung/ verlaſ-
ſen/ von welchem ich auch gleichſam alle
acht Tage nit nur bloſſe liebreiche Schrei-
ben: ſondern auch jedesmahl anſehenliche
Verehrungen empfieng/ dargegen beklag-
te ich mich/ in Widerantwort gegen ihm/
weß ich von deꝛ Haußhofmeiſterin verſtan-
den/ mit Bitt/ er wolte mich aus dieſer Ge-
fahr erledigen und verhindern/ daß mir uñ
meinem Geſchlecht kein Spott widerfuͤhre;
das End ſolcher Correſpondenz war/ daß
zu letzt zween Diener in meines Liebhabers
Lieberey gekleidet/ angeſtochen kamen/ wel-
che mir Schreiben brachten/ daß ich mich
alſobalden mit ihnen verfuͤgen ſolte/ um
mich nacher Hamburg zu bringen/ allda er
mich/ es waͤre ſeinen Eltern gleich lieb oder
leid/ oͤffentlich zur Kirchen fuͤhren wolte;
wann alsdann ſolches geſchehen waͤre/ ſo
wuͤrden beydes Vatter und Mutter wohl
Ja ſagen: und als zu einer geſchehenen
Sach das Beſte reden muͤſſen; Jch war
gleich
[125] gleich fix und fertig wie ein alt Feuerſchloß/
und lieſe mich ſo Tags ſo Nachts/ erſtlich
auf Wißmar: und von dañen auf gedach-
tes Hamburg fuͤhren/ allda ſich meine
zween Diener abſtohlen/ und mich ſo lang
nach einem Cavallier aus Dennemarck
umſehen lieſſe/ der mich heurathen wuͤrde/
als ich immer wolte; da wurde ich allererſt
gewahr/ daß der Hagel geſchlagen/ und die
Betruͤgerin betrogen worden waͤre; Ja miꝛ
wurde geſagt/ ich moͤchte mit ſtill ſchweigen-
der Patientz verlieb nehmen/ und GOtt
dancken/ daß die vornehme Braut unter-
wegs nicht in der See ertraͤnckt worden waͤ-
re/ oder man ſey auf des Hochzeiters Seiten
noch ſtarck genug/ mir auch mitten in einer
Stadt/ da ich mir vielleicht ein vergebliche
Sicherheit einbilde/ einen Sprung zu wei-
ſen/ der einer ſolchen gebuͤhre/ worvon man
wuͤſte/ daß ich zu halten ſey; was ſolt ich
machen? mein Hochzeitherey/ meine Hoff-
nung; meine Einbildungen und alles wor-
auf ich geſpañet/ war dahin/ uñ mitteinandeꝛ
zu Grund gefallẽ; die vertreuliche liebreiche
Schreiben/ die ich an meinen Liebſten von
F veiner
[126] einer Zeit zur andern abgehen laſſen/ waren
ſeinen Eltern eingeloffen/ und die jeweilige
Widerantwortbrieffe/ die ich empfangen/
hatten ſie abgeben/ mich an dem Ort zu brin-
gen/ da ich jetzt ſaſſe/ und allgemach anfienge
mit dem Schmalhanſen zu conferirn der
mich leichtlich uͤberredete/ mein taͤglich
Maulfutter mit meiner naͤchtlichen Hand-
arbeit zu gewinnen.
DasXIV.Capitel.
WasCourageferners anfieng/ und
wie ſie nach zweyer Reuter Tod/ ſich
einem Mußquetierer theilhafftig
machte.
JCh weiß nit wie es meinem Liebhaber
gefallen/ als er mich nicht wieder in
ſeinem Schloß angetroffen/ ob er gelacht
oder geweynt habe/ mir wars leid/ daß ich
ſeiner nicht mehr zu genieſſen hatte/
und ich glaub/ daß er auch gern noch laͤn-
ger mit mir vorlieb genommen haͤtte/ wann
ihm nur feine Eltern das Fleiſch nicht ſo
ſchnell aus dem Zaͤhnen gezogen; um dieſe
Zeit uͤberſchwaͤm̃te der Wallenſteiner/ der
Tilly
[127] Tilly und der Graf Schlick/ gantz Holſtein
und andere Daͤniſche Laͤnder mit einem
Hauffen Kaͤyſerlicher Voͤlcker wie mit ei-
ner Suͤndfluth/ deren die Hamburger ſo
wol als andere Ort/ mit Proviant und
Munitzion aushelffen muſten; dannenhero
gab es viel Aus- und Einreutens und bey
mir zimliche Kunden Arbeit; endlich erfuh-
re ich/ daß meine angenommene Mutter ſich
zwar noch bey der Armee aufenthielte/ hin-
gegen aber alle meine Bagage biß auf ein
paar Pferde verlohren/ welches mir den
Compaß gewaltig verruckte; Es ſchlug
mir in Hamburg zwar wohl zu/ und ich haͤt-
te mir mein Lebtage kein beſſere Haͤndel ge-
wuͤnſcht/ weil aber ſolche fortuna nicht laͤn-
ger beſtehen konte/ als ſo lang das Kriegs-
volck im Land lag/ ſo muſte ich bedacht ſeyn/
meine Sach auch anders zu karten; Es be-
ſuchte mich ein junger Reuter/ der bedeuchte
mich faſt liebwuͤrdig/ reſolut und bey Gelt-
mitteln zu ſeyn/ gegen dieſem richtet ich
alle meine Netz/ und unterlieſe kein Jaͤ-
ger-Stuͤcklein/ biß ich ihn in meine Strick
brachte/ und ſo verliebt machte/ daß er
F vjmir
[128] mir Salat aus der Fauſt eſſen moͤgen ohne
einigen Eckel; dieſer verſprach mir bey
Teuffel holen/ die Ehe/ und haͤtte mich
auch gleich in Hamburg zur Kirchen ge-
fuͤhrt/ wann er nicht zuvor ſeines Ritt-
meiſters conſens hierzu haͤtte erbitten muͤſ-
ſen; welchen er auch ohnſchwer erhielte/ da
er mich zum Regiment brachte/ alſo daß er
nur auf Zeit und Gelegenheit wartete/ die
copulation wuͤrcklich zu vollziehen laſſen;
Jndeſſen verwunderten ſich ſeine Cam̃er-
rathen/ woher ihm das Gluͤck/ ſo eine ſchoͤne
junge Maiſtreſſe zugeſchickt unter welchen
die allermeiſte gern ſeine Schwaͤger haͤtten
werden moͤgen; dann damahls waren die
Voͤlcker bey dieſer ſieghafften Armee we-
gen langwuͤrigen gluͤcklichen Wolergehens
und vieler gemachten Beuten/ durch Uber-
fluß aller Dinge dergeſtalt fett und ausge-
fuͤllt/ daß der groͤſte Theil durch Kuͤtzel des
Fleiſches angetrieben/ mehr ihrer Wolluſt
nachzuhaͤngẽ/ und ſolchen abzuwarten/ als
um Beuten zu ſchauen/ oder nach Brod und
Fourage zu trachten/ gewohnt war; und ſon-
derlich ſo war meines Hochzeiters Corporal
ein
[129] ein ſolcher Schnaphan/ der auf dergleichen
Naſcherey am allermeiſtẽ verpicht war/ als
welcher gleichſam eine Profeſſion daraus
machte/ anderen die Hoͤrner aufzuſetzen/
und ſichs vor eine groſſe Schand gerechnet
haͤtte/ wann er ſolches irgends unterſtan-
den/ und nicht werckſtellig machen moͤgen;
wir lagen damahls in Stormaren welches
noch niemahls gewuſt/ was Krieg gewe-
ſen/ dannenhero war es noch voll von Uber-
fluß/ und reich an Nahrung/ woruͤber wir
uns Herren nannten/ und dem Landmann
vor unſere Knechte/ Koͤch und Tafeldecker
hielten/ da waͤhrete Tag und Nacht das
Panquediren und lude je ein Reuter den
andern auf ſeines Haußwirths Speiß und
Tranck zu Gaſt/ dieſen modum hielte mein
Hochzeiter auch/ worauf angevegter Cor-
poral ſein Anſchlag machte/ mir hinter die
Haut zu kommen; dann als mein beſagter
Hochzeiteꝛ ſich mit zweyen von ſeinen Cam-
merrathen (ſo aber gleichwol auch des Cor-
porals Creaturen geweſen) in ſeinem
Quartier luſtig machte/ kam der Corporal
und commandirte ihn zu der Standarten
F 7auf
[130] auf die Wacht/ damit/ wann mein Hochzei-
ter fort waͤre/ er ſich ſelbſt mit nur er-
goͤtzen koͤnte; weil aber mein Hochzeiter
den Poſſen bald merckte/ und ungern lei-
den wolte/ daß ein anderer ſeine Stell ver-
tretten/ (oder daß ichs fein teutſch gebe) daß
ihn der Corporal zum Gauch machen ſolte;
ſihe/ da ſagte er ihm/ daß noch etliche waͤ-
ren/ denen vor ihm gebuͤhrte ſolche Wacht
zu verſehen; der Corporal hingegen ſagte
ihn/ er ſolte nicht viel diſputirn/ ſondern
ſeinen Commando parirn/ oder er wolte
ihm Fuͤſſe machen; dann er wolte dieſe feine
Gelegenheit meiner theilhafftig zu werden/
einmahl nicht aus Handen laſſen; demnach
ihm aber ſolche mein Liebſter nicht zu goͤnnen
gedachte/ widerſetzte er ſich dem Corporal
ſo lang/ biß er von Lederzog/ und ihn auf die
Wachtnoͤtigen/ oder in Kraffthabenden
Gewalts ſo exemplariſch zeichnen wolte/
daß ein andermahl ein anderer wiſſe/ wie
weit ein Untergebener ſeinem Vorgeſetzten
zu gehorſamen ſchuldig waͤre; aber ach/
mein lieber Stern verſtund den Handel
leyder uͤbel/ dann er eben ſo bald mit ſei-
nem
[131] nem Degen fertig/ und verdingte dem
Corporal eine ſolche Wunden in Kopff/
die ihn des unkeuſchen und erhitzten Ge-
bluͤts alſobald entledigte/ und allen Kitzel
dergeſtalt vertriebe/ daß ich wohl ſicher vor
ihm ſeyn konte; die beyde Gaͤſt giengen ih-
rem Corporal auf ſein Zuſchreyen zu Huͤlff/
und mit ihren Fochteln auch auf meinen
Hochzeiter loß/ davon er den einen alſobal-
den durchſtach/ und den andern zum Haus
hinaus jagte/ welcher aber gleich wieder
kam/ und nit allein den Feldſcherer vor
die Verwundte ſondern auch etliche Kerl
brachte/ die meinen Liebſten und mich zum
Profoſen fuͤhrten/ allwo er an Haͤnd und
Fuͤſſen in Band und Ketten geſchloſſen
wurde; Man machts gar kurtz mit ihm/
dann den andern Tag ward Standrecht
uͤber ihn gehalten/ und ob zwar Soñenklar
an Tag kam/ daß der Corporal ihn keiner
andern Urſachen halbeꝛ auf die Wacht com-
mandirt/ als ſelbige Nacht an Statt ſeineꝛ zu
ſchlaffen; ſo wuͤrde doch erkant/ um den Ge-
horſam gegen den Officiern zu erhaltẽ/ daß
mein Hochzeiter aufgehenckt: Jch aber
mit Ruthen ausgehauen werden ſolte;
weil
[132] weil ich an ſolcher That ein Urſaͤcherin ge-
weſen; Jedoch wurden wir beyde ſo weit
erbetten/ daß mein Hochzeiter Harquebu-
ſirt: Jch aber mit dem Steckenknecht vom
Regiment geſchickt wurde/ welches mir gaꝛ
ein abgeſchmackte Reiß war.
So ſauer kam mich aber dieſe Reiß nicht
an/ ſo fanden ſich doch zween Reuter in un-
ſern Quartier/ die mir und ihnen ſolche ver-
ſuͤſſen wolten/ dañ ich war kaum ein Stund
gehend hinweg/ da ſaſſen dieſe beyde in ei-
nem Buſch/ dardurch ich muſte paſſiren/
mich willkommen zu heiſſen! Jch bin zwar/
wann ich die Warheit bekennen muß/ mei-
ne Tage niemahl ſo hechel geweſen/ einem
guten Kerl eine Fahrt abzuſchlagen/ wañ
ihn die Noth begriffen; aber da dieſe zween
Haluncken mitten in meinem Elend eben
das jenige von mir mit Gewalt begehrten/
weſſentwegen ich verjagt: und mein Aus-
erwehlter tod geſchoſſen worden/ widerſetzte
ich mich mit Gewalt; dann ich konte mir
wohl einbilden/ wann ſie ihren Willen er-
langt und vollbracht/ daß ſie mich auch erſt
gepluͤndert haͤtten/ als welches Vorhaben
ich
[133] ich ihnen gleichſam aus den Augen und
von der Stirnen ableſen konte; ſintemahl
ſie ſich nicht ſchaͤmten mit entbloͤſten De-
gen/ auf mich/ wie auf ihrem Feinde loß zu
gehen/ beydes mich zu erſchrecken/ und zu
dem/ was ſie ſuchten/ zu noͤthigen; weil ich
aber wuſte/ daß ihre ſcharffe Klingen mei-
ner Haut weniger als zwo Spißgerten ab-
haben wuͤrden/ ſihe/ da waff nete ich mich
mit meinen beyden Meſſern/ von denen ich
in jede Hand eins nahm/ und ihnen derge-
ſtalt begegnete/ daß der eine eins davon im
Hertzen ſtecken hatte/ ehe er ſichs verſahe;
der ander war ſtaͤrcker und vorſichtiger als
der erſte/ weſſentwegen ich ihme dann ſo
wenig als er mir an den Leib kommen kon-
te; wir hatten unter waͤhrendem Gefecht
ein wildes Geſchrey; er hieſe mich eine Hur/
eine Vettel/ eine Hex/ und gar einen Teuf-
fel; hingegen nannte ich ihn einen Schel-
men einen Ehrendieb/ und was mir mehr
von ſolchen erbarn Tituln ins Maul kam/
welches Balgen einen Mußquetier er uͤber-
zwergs durch den Buſch zu uns lockte/ der
lang ſtunde/ und uns zuſahe/ was wir vor
ſeltzame
[134] ſeltzame Spruͤng gegeneinander veruͤb-
ten/ nicht wiſſend/ welchen Theil er un-
ter uns beyſtehen oder Huͤlffe leiſten ſolte;
und als wir ihn erblickten/ begehrte ein je-
des/ er wolte es von dem andern erretten/ da
kan nun ein jeder wohl gedencken/ daß Mars
der Vener viel lieber als dem Vulcano bey-
geſtanden/ vornemlich als ich ihn gleich guͤl-
dene Berg verſprach/ und ihn meine aus-
buͤndige Schoͤnheit blendet und bezwang;
Er paſſte auf/ und ſchlug auf den Reuter
an/ und brachte ihn mit Bedrohung dahin/
daß er mir nicht allein den Rucken wendet/
ſondern auch anfieng darvon zu lauffen/
daß ihm die Schuchſohlen haͤtten herunter
fallen moͤgen/ ſeinen entſeelten Cammerra-
then ſich in ſeinem Blut waltzend/ hinter-
laſſend;
Als nun der Reuter ſeines Wegs war/
und wir uns allein beyſam̃en befanden/ er-
ſtummte dieſer junge Mußquetierer gleich-
ſam uͤber meiner Schoͤnheit/ und hatte nit
das Hertz/ etwas anders mit mir zu reden/
als daß er mich fragte/ durch was vor ein
Geſchick ich ſo gar allein zu dieſem Reuter
kom-
[135] kommen waͤre? darauf erzehlte ich ihm al-
les Haarklein/ was ſich mit meinem gehab-
ten Hochzeiter/ item/ mit dem Corporal und
dann auch mit mir zugetragen; ſo dann/
daß mich dieſe beyde Reuter/ nemlich der ge-
genwaͤrtige Tode und der Entloffene als ein
armes verlaſſenes Weibsbild mit Gewalt
ſchaͤnden wollen/ deren ich mich aber bißher/
wie er ſelbſt zum Theil wohl geſehen/ ritter-
lich erwehrt; mit Bitt/ er wolte als mein
Nohthelffer und Ehrenretter mich ferner
beſchuͤtzen helffen/ biß ich irgendshin zu ehr-
lichen Leuten wieder in Sicherheit kaͤme/
verſicherte ihn auch ferner/ daß ich ihme vor
ſolche ſeine erwieſene Huͤlffe und Beyſtand
mit einen ehrlichen recompens zu begegnen
nicht er manglen wuͤrde; er beſuchte darauf
den Toden/ und nahme zu ſich was er
ſchaͤtzbarliches bey ſich hatte/ welches
ihm ſeine Muͤhe zimlich belohnte; dar-
auf machten wir uns beyde bald aus dem
Staub/ und indem wir unſeren Fuͤſ-
ſen gleichſam uͤber Vermoͤgen zuſpra-
chen/ kamen wir deſto ehender durch
den Boſch/ und erreichten denſelben
Abend
[136] Abend noch des Mußquetierers Regiment/
welches fertig ſtunde/ mit dem Colalto,
Altrinniger und Gallas in Jtalia zu gehen.
DasXV.Capitel.
Mit was vorConditionen ſie den
Eheſtand lediger Weiß zu treiben ein-
ander verſprochen.
WAnn eine ehrliche Ader in meinem Lei-
be geweſen waͤre/ ſo haͤtte ich damahls
meine Sach anders anſtellen: und auf ei-
nen ehrlichern Weg richten koͤnnen; dann
meine angenom̃ene Mutter mit noch zwey-
en von meinen Pferden und etwas an paa-
rem Gelt erkundigt mich/ und gab mir den
Raht/ ich ſolte mich aus den Krieg zu mei-
nem Gelt auf Prag: oder auf meines
Hauptmans Guͤtter thun/ und mich im
Frieden Haußhaͤblich und geruhlich ernaͤh-
ren, aber ich lieſe meiner unbeſonnenẽ Ju-
gend weder Weißheit noch Vernunfft ein-
reden/ ſondern je toller das Bier gebrauet
wurde/ je beſſer es mir ſchmeckte/ ich und ge-
dachte meine Mutter/ hielten ſich bey einem
Mar-
[137] Marquedenter unter dem jenigen Regi-
ment/ darunter mein Mann der zu Hoya
umkommen/ Hauptmann geweſen/ alwo
man mich ſeinetwegen zimlich reſpectirte;
uñ ich glaub auch/ daß ich wieder einen wa-
ckern Officier zum Mann bekommen haͤt-
te/ wann wir geruhig geweſt/ und irgends
in einem Quartier gelegen waͤren. Aber
dieweil unſere Kriegsmacht von 20000.
Mannen in drey Herren beſtehend/ ſchnell
auf Jtalia marchirte/ und durch Grau-
buͤnden/ das viel Verhinderungen ge-
macht/ brechen muſte/ ſihe/ da gedachten we-
nig witzige an das Freyen/ und dannenhero
verbliebe ich auch deſto laͤnger eine Wittib;
uͤber das hatten auch etliche nicht das Hertz/
andere aber ſonſt ihr Bedencken/ mich um
die Verehligung anzureden; und ſonſt mir
extra oder neben her etwas zuzumuthẽ/ dar-
zu hielten ſie mich voꝛ viel zu ehrlich/ weil ich
mich bey meinem vorigen Mann gehalten/
daß mich maͤnniglich vor ehrlich hielte als
ich geweſen. Gleichwie mir aber mit einer
langwierigen Faſten wenig gedienet/ alſo
hatte ſich hingegen der jenige Mußquetier/
ſo mir
[138] ſo mir in der Occaſion, die ich mit obenge-
dachter beyden Ruthen gehabt/ zu Huͤlffe
kommen/ dergeſtalt an mir vergafft und
vernarret/ daß er Tag und Nacht keine
Ruhe hatte/ ſondern mir manchen Trab-
ſchenckte/ wann er nur Zeit haben und ab-
kom̃en konte. Jch ſahe wol was mit ihn um-
gieng/ und wo ihn der Schuch druckte/ weil
er aber die courage nicht hatte/ ſein Anlie-
gen der Courage zu entdecken/ war bey mir
die Verachtung ſo groß/ als das Mitlei-
den; doch aͤnderte ich nach und nach mei-
nenſtoltzen Sinn/ der Anfangs nuꝛ gedach-
te eine Officirerin zu ſeyn; dann als ich des
Marquedenters Gewerb und Handthie-
rung betrachtete/ und taͤglich vor Augen
ſahe/ was ihm immerzu vor Gewinn zu-
gieng/ und daß hingegen mancher praver
Officier mit dem Schmalhanſen Taffel
halten muſte/ fieng ich an darauf zu geden-
cken/ wie ich auch eine ſolche Marquedente-
rey aufrichten/ und ins Werck ſtellen moͤch-
te; ich machte den Uberſchlag mit meinen
bey mir habenden Vermoͤgen/ und fande
ſolches weil ich noch ein zimliche Quanti-
taͤt
[139] taͤt Goldſtuͤcker in meiner Bruſt vernehet
wuſte/ gar wohl paſtand zu ſeyn; Nur die
Ehr oder Schand lag mir noch im Weg/
daß ich nemlich aus einer Hauptmaͤnnin
ein Marquedenterin werden ſolte; als ich
mich aber erinnerte/ daß ich damahls keine
mehr war/ auch wohl vielleicht keine mehr
werden wuͤrde/ ſihe/ da war der Wuͤrffel
ſchon geworffen! und ich fieng bereits an
in meinem Sinn/ Wein und Bier um dop-
pelt Gelt auszuzapffen/ uñ aͤrger zu Schin-
den und zu Schachern/ als ein Jud von 50.
oder 60. Jahren thun mag.
Eben um dieſe Zeit/ als wir nemlich mit
unſeren dreyfachen Kaͤyſerlichen Heer uͤber
die Alpes oder das hohe Gebuͤrg in Italiam
gelangt/ war es mit meines Galanen Liebe
aufs hoͤchſte kommen/ ohne daß er noch das
geringſte Wort darvon mit mir geſprochen;
Er kam einsmahls unter dem Vorwant
ein Maß Wein zu trincken/ zu meines Mar-
quedenters Zelt/ und ſahe ſo bleich und troſt-
loß aus/ als wann er kuͤrtzlich ein Kind
bekommen/ und keinem Vatter/ Meel
noch Milch darzu gehabt oder gewuͤſt
haͤtte;
[140] haͤtte; ſeine traurige Blick und ſeine ſehnli-
che Seuffzer waren ſeine beſte Sprach/ die
er mit mir redet/ und da ich ihn um ſein An-
liegen fragte/ erkuͤhnete er gleichwol alſo zu
antworten: ach/ meine allerliebſte Frau
Hauptmaͤnnin! (dann Courage dorffte er
mich nicht nennen) wann ich ihr mein An-
liegen erzehlen ſolte/ ſo wuͤrde ich ſie entwe-
der erzoͤrnen/ daß ſie eine ihre holdſeelige
Gegenwart gleich wider entzuckt/ und mich
in Ewigkeit ihres Anſchauens nicht mehr
wuͤrdigt; oder ich wuͤrde einen Verweiß
meines Frevels von ihr empfangen/ deren
eins von dieſem beyden genugſam waͤren/
mich dem Tod vollends aufzuopffern; und
darauf ſchwiege er wider ſtock ſtill; ich ant-
wortet/ wann euch deren eins kan umbrin-
gen/ ſo kan euch auch ein jedes davon erqui-
cken; und weil ich euch deſſentwegen ver-
bunden bin/ daß ihr mich/ als wir in den
vier Landen zwiſchen Hamburg und Luͤbeck
lagen/ von meinen Ehrenſchaͤnderen erret-
tet ſo goͤnne ich euch hertzlich gern/ daß ihr
euch geſund und ſatt an mir ſehen moͤget;
Ach mein hoch geehrte Frau! antwortet er/
es be-
[141] es befindet ſich hierinn gantz das Wider-
ſpiel/ dann da ich ſie damahls das erſte
mahl anſahe/ fieng auch meine Kranckheit
an/ welche mir aber dem Tod bringen wird/
wann ich ſie nicht mehr ſehen ſolte! Ein
wunderbarlicher und ſeltzamer Zuſtand!
der mir zum recompens widerfahren/ die-
weil ich mein Hochehrende Frau aus ihrer
Gefaͤhrlichkeit errettete! Jch ſagte/ ſo muͤſte
ich einer groſſen Untreu zu beſchuldigen
ſeyn/ wann ich dergeſtalt Gutes mit Boͤſem
vergolten haͤtte? das ſag ich nicht/ antwor-
tet mein Mußquetierer/ ich replicirte/ was
habt ihr dann zu klagen? uͤber mich/ uͤber
meine Ungluͤck ſeeligkeit (antwortet er) und
uͤber meine Verhaͤngnus; oder vielleicht
uͤber meinen Vorwitz/ uͤber meine Einbil-
dung/ oder ich weiß ſelbſt nicht uͤber was!
Jch kan nicht ſagen/ daß die Frau Haupt-
maͤnnin und danck bar ſey/ dann um der ge-
ringen Muͤhe willen/ die ich ich anlegte/ als
ich den noch lebenden Reuter verjagte/ der
ihrer Ehr zuſetzte/ bezahlte mich deſſen Ver-
laſſenſchafft genugſam/ welche mein Hoch-
ehrende Frau zuvor des Lebens hochruͤhm-
Glich
[142] lich beraubte/ damit er ſie ihrer Ehr nicht
ſchaͤndlich berauben ſolte: Meine Frau Ge-
bieterin: (ſagte er ferner) Jch bin in einem
ſolchen verwirrten Stand/ der mich ſo ver-
wirret/ daß ich auch weder meine Verwir-
rung/ noch mein Anliegen/ noch mein oder
ihre Beſchuldigung/ weniger meine Un-
ſchuld/ oder ſo etwas erleutern moͤchte/ dar-
durch mir geholffen werden koͤnte; Sehet/
allerſchoͤnſte Dam! ich ſterbe/ weil mir das
Gluͤck und mein geringer Stand nicht goͤn-
net/ ihrer Hoheit zu erweiſen/ wie gluͤckſee-
lig ich mich erkennete/ ihr geringſter Diener
zu ſeyn; Jch ſtunde da wie eine Naͤrrin/
weil ich von einen geringen und noch ſehr
jungen Mußquetierer/ ſolche/ wiewohl un-
tereinander/ und wie er ſelbſt ſagte/ aus ei-
nem verwirrten Gemuͤth-lauffende Reden
hoͤrete; doch kamen ſie mir vor/ als wann
ſie mir nichts deſtoweniger einen muntern
Geiſt und Sinnreichen Verſtand anzeig-
ten/ der einer Gegenlieb wuͤrdig/ und mir
nicht uͤbel anſtaͤndig ſey/ mich deſſen zu mei-
ner Marquedenterey/ mit welcher ich da-
mahls groß ſchwanger gieng/ rechtſchaf-
fen
[143] fen zu bedienen; derowegen machte ichs
mit dem Tropffen gar turtz/ und ſagte zu
ihm/ mein Freund/ ihr nennet mich
fuͤrs 1. euer Gebietherin/ fuͤrs 2. euch ſelbſt
meinen Diener/ wann thrs nur ſeyn koͤn-
tet; furs 3. klagt ihr/ daß ihr ohne meine
Gegenwart ſterben muͤſt; daraus nun er-
kenne ich eine groſſe Liebe/ die ihr viel-
leicht zu mir traget; Jetzt ſagt mir nur/
wormit ich ſolche Liebe erwidern moͤge?
dann ich will gegen einen ſolchen/ der
mich von meinen Ehrenſchaͤndern erret-
tet/ nicht undanckbar erfunden werden;
Mit Gegenlieb/ ſagte mein Galan; und
wann ich dann wuͤrdig waͤre; ſo wolte ich
mich vor den allergluͤckſeeligſten Menſchen
in der gantzen Welt ſchaͤtzen. Jch antwor-
tet/ ihr habt allererſt ſelbſt bekennet/ daß eu-
er Stand zu gering ſey/ bey mir zu ſeyn/
den ihr zu ſeyn wuͤnſchet/ und was ihr ge-
gen mir mit weitlaͤufftigen Worten wei-
ters zu verſtehen gegeben habt; was Raths
aber? damit euch geholffen/ und ich von al-
ler Bezuͤchtigung der Undanckbarkeit und
G ijUn-
[144] Untreu: Jhr aber euers Leidens entuͤbrigt
werden moͤchtet? Er antwortet/ ſeines
Theils ſey mir alles heimgeſtellt/ ſintemahl
er mich mehr vor eine Goͤttin als vor eine
irrdiſche Creatur halte/ von deren er auch
jederzeit entweder den Sententz des Todes
oder des Lebens: die Servitut oder Freyheit/
ja alles gern añehmẽ wolte/ was mir nur zu
befehlen beliebte; und ſolches bezeugte er mit
ſolchen Geberden/ daß ich wol erachten kon-
te/ ich haͤtte einen Narren am Strick/ der
eher in ſeiner Dienſtbarkeit mir zu Gefallen
erworgen: als in ſeiner libertet ohne mich
leben wuͤrde.
Jch verfolgte das/ was ich angefangen/
und unteꝛſtunde zu fiſchen/ dieweil das Waſ-
ſer truͤb war; und warum wolte ichs nicht
gethan haben/ da doch der Teuffel ſelbſt die
jenige die er in ſolchem Stand findet/ wie
ſich mein Leffler befande/ vollends in ſeine
Netze zu bringen unterſtehet? Jch ſage dieß
nicht/ daß ein ehrlicher Chriſten-Menſch/
den Wercken dieſes ſeines abgefaͤimten boͤ-
ſen Feindes zu folgen/ an mir ein Exempel
nehmen ſoll/ weil ich ihm damahls nach-
amte/
[145] amte/ ſondern daß Simplicius, dem ich die-
ſen meinen Lebenslauff allein zueigne/ ſe-
he/ was er vor eine Dame an mir geliebt;
und hoͤre nur zu Simplex, ſo wirſt du erfah-
ren/ daß ich dir das jenige Stuͤcklein/ ſo du
mir im Sauerbrunnen erwieſen/ dergeſtalt
wider eingetraͤnckt/ daß du vor ein Pfund
ſo du ausgebẽ/ wider ein Centner eingenom-
men; Aber dieſen meinen Galanen brachte
ich ſo weit/ daß er mir folgende Puncten ein-
gieng und zu halten verſprach.
Erſtlich/ ſolte er ſich von ſeinem Regi-
ment loß wuͤrcken/ weil er anderer Geſtalt
mein Diener nicht ſeyn koͤnte/ ich aber keine
Mußquetiererin ſeyn moͤchte.
Alsdann ſolte er zweytens bey mir woh-
nen/ und mir wie ein anderer Ehemann al-
le Lieb und Treu ſeiner Ehefrauen zu erwei-
ſen pflege/ eben desgleichen zu thun ſchuldig
ſeyn/ und ich ihme hinwiderum.
Jedoch ſolte ſolche Verehligung drittens
vor der Chriſtlichen Kirchen nicht ehe be-
ſtaͤttigt werden/ ich befaͤnde mich dann zuvoꝛ
von ihm befruchtet.
Biß dahin ſolte ich viertens die Meiſter-
G iijſchafft
[146] ſchafft nicht allein uͤber die Nahrung/ ſon-
dern auch uͤber meinen Leib/ ja auch uͤber
meinen Serviteur ſelbſten haben und behal-
ten/ in aller Maß und Form/ wie ſonſt ein
Mann das Gebieth uͤber ſein Weib habe.
Krafft deſſen/ ſolte er fuͤnfftens nicht
Macht haben/ mich zu verhindern/ noch ab-
zuwehren/ viel weniger ſauer zu ſehen/ wañ
ich mit andern Mannsbildern converſire,
oder etwas dergleichen unterſtuͤnde/ das
ſonſt Ehemaͤnner zum eyffern verurſachte.
Und weil ich ſechſtens geſinnet ſey/ eine
Marquetenterin abzugeben/ ſolte er zwar in
ſolchem Geſchaͤffte das Haubt ſeyn/ und der
Handelſchafft wie ein getreuer und fleiſſi-
ger Hauswirth/ ſo Tags/ ſo Nachts/ emſig
vorſtehen/ mir aber das Ober-Commando/
ſonderlich uͤber das Gelt/ und ihn ſelbſten
laſſen/ und gehorſamlich gedulten/ ja aͤn-
dern und verbeſſern/ wann ich ihne wegen
einiger ſeiner Saumſal corrigirn wuͤrde;
Jn Summa/ er ſolte von maͤnniglich vor
den Herrn zwar gehalten und angeſehen
werden/ auch ſolchen Namen und Ehre
haben/ aber gegen mir obenangeregte
Schul-
[147] Schuldigkeit in allweg in Acht nehmen.
Und ſolches alles verſchrieben wiꝛ einander.
Damit er auch ſolcher Schuldigkeit ſich
allezeit erinnern moͤge/ ſolte er zum ſibenden
gedulten/ daß ich ihn mit einem ſonderbah-
ren Namen nennete/ welcher Nahm aus
den erſten Woͤrtern des Befehls genom-
men werden ſolte/ wormit ich ihn das erſte
mahl etwas zu thun heiſſen wuͤrde;
Als er mir nun alle dieſe Puncten ein-
gangen und zu halten geſchworen/ beſtaͤt-
tigte ich ſolches mit einem Kuß/ lieſe ihn abeꝛ
vor dißmahl nicht weiter kommen; darauf
brachte er bald ſein Abſcheid/ ich hingegen
griffe mich an/ und brachte unter einem
andern Regiment zu Fuß zu wegen/ alles
was ein Marquedenter haben ſolte/ und
fieng an mit dem Judenſpieß zu lauffen/ als
wann ich das Handwerck mein Lebtag ge-
trieben haͤtte.
DasXVI.Capitel.
Wie Spring-ins-felt undCourage
miteinander hauſeten.
MEin junger Mann lieſe ſich trefflich
wohl an/ in allem dem jenigen wor-
G jvzu ich
[148] zu ich ihn angenommen und zu brauchen
hatte; ſo hielte er auch oben vermelte Arti-
cul ſo nett/ und erzeigte ſich ſo gehorſam/
daß ich die geringſte Urſach nicht hatte/ mich
uͤber ihn zu beſchweren; Ja/ wann er miꝛ an-
ſehen konte/ was mein Will war/ ſo war er
ſchon bereit ſolchen zu vollbringen; dann er
war in meiner Liebe ſo gar erſoffen/ daß er
mit hoͤrenden Ohren nit hoͤrete/ noch mit ſe-
henden Augen nit ſahe/ was er an mir/ und
ich an ihm hatte/ ſondern er vermeinete viel-
mehr/ er haͤtte die allerfroͤmſte/ getreueſte/
verſtaͤndigſte und keuſcheſte Liebſte auf Er-
den/ worzu mir und ihm dann meine ange-
nommene Mutter/ die er meinetwegen auch
in groſſen Ehren hielte/ trefflich zu helffen
wuſte; dieſe war viel liſtiger als eine Fuͤchſ-
ſin/ viel geitziger als eine Woͤlffin/ und ich
kan nicht ſagen/ ob ſie in der Kunſt Gelt zu
gewinnen oder zu cupplen am vortrefflich-
ſten geweſen ſey; Wann ich ein loß Stuͤck-
lein in dergleichen Sachen im Sinn hatte/
und ich mich um etwas ſcheuete (dann ich
wolte vor gar fromm und ſchamhafftig an-
geſehen ſeyn) ſo dorffte ichs ihr nur anver-
trauen
[149] trauen/ und war damit ſo viel als verſichert/
daß mein Verlangen ins Werck geſtellt
wuͤrde; dann ihr Gewiſſen war weiter als
des Rhodiſer Coloſſi Schenckel auseinan-
der geſpannet/ zwiſchen welchen die groͤſte
Schiff ohne Segelſtreichung durch paſſi-
ren koͤnnen; einmahl hatte ich groſſe Be-
gierden/ eines jungen von Adel theilhafftig
zu ſeyn/ der ſelbiger Zeit noch Fendrich waꝛ/
und mir ſeine Liebe vorlaͤngſten zu verſtehen
gegeben/ wir haͤtten eben damahls/ als mich
dieſe Luſt ankam/ das Laͤger bey einem Fle-
cken geſchlagen/ weſſentwegen ſo wohl mein
Geſind als ander Volck/ um Holtz und
Waſſer aus war; mein Marquedenter aber
gieng beym Wagen herum Niſſteln/ als er
mir eben mein Zelt auf geſchlagen/ und die
Pferd zu naͤchſt bey uns zu andern auf die
Waͤid lauffen laſſen; Weil ich nun mein
Anliegen meiner Mutter eroͤffnet/ ſchaffte
ſie mir denſelben Fendrich/ wiewohl zur Un-
zeit an die Hand/ und als er kam/ war das
erſte Wort/ das ich ihn in Gegenwart/ mei-
nes Manns fragte/ ob er Gelt haͤtte/ und
da er mit ja antwortet: dann er vermeynte
G vich
[150] ich fragte albereit um S. V. den Huren-
Lohn: ſagte ich zu meinem Marquedenter/
Spring-ins-felt/ und fange unſern Schre-
cken/ der Herr Fendrich wolte ihn gern be-
reuten/ und uns demſelben abhandlen/ und
gleich paar bezahlen; Jndeſſen nun mein
guter Marquedenter gehorſamlich hin-
gieng/ meinen erſtẽ Befelch zu vollbringen/
hielte die alte Schildwacht/ dieweil wir den
Kauff miteinander machten/ und auch ein-
ander ritterlich bezahlten; demnach ſich aber
das Pferd nicht von meinem Marqueden-
ter ſo leichtlich/ wie ſeine Marquedenterin
vom Fendrich fangen laſſen wolte/ kam er
gantz ermuͤthet widerum zum Zelt/ eben ſo
ungedultig/ als ſich der Fendrich wegen
ſeines langen Wartens ſtellet; Dieſer Ge-
ſchichten halber hat beſagter Fendrich/ nach-
gehends ein Lied gemacht/ der Scheck ge-
nant/ anfahend/ ach was fuͤr unausſprech-
liche Pein/ ꝛc. mit welchem ſich in folgen-
der Zeit gantz Teutſchland etliche Jahr ge-
ſchleppt/ da doch niemand wuſte/ woher es
ſeinen Urſprung hatte/ mein Marquedenter
aber bekam hierdurch/ Krafft unſerer Heu-
rats-
[151] raths-Notal den Namen Spring-ins-felt/
und diß iſt eben der Spring-ins-felt/
den du Simpliciſſime in deiner Lebens-Be-
ſchreibung offtermahl vor einen guten Kerl
ruͤhmeſt; du muſt auch wiſſen/ daß er alle die
jenige Stuͤcklein/ die er und du/ beydes in
Weſtphalen und zu Philippsburg veruͤbet/
und ſonſt noch vielmehr darzu/ von ſonſt
niemand/ als von mir und meiner alten
Mutter gelernet; dann als ich mich mit
ihm paaret/ war er einfaͤltiger als ein
Schaaf/ und kam wider abgefaͤimbter von
uns/ als ein Luchs und Kern-Eſſig ſeyn
mag.
Aber die Warheit zu bekennen/ ſo ſind
ihm ſolche ſeine Wiſſenſchafften nicht um-
ſonſt ankommen/ ſondern er hat mir das
Lehr-Gelt zuvor genug bezahlen muͤſſen;
Einsmahls da er noch in ſeiner erſten Ein-
falt war/ diſcurirten/ er/ ich und meine Mut-
ter von Betrug und Boßheit der Wei-
ber/ und er entbloͤdete ſich zu ruͤhmen/
daß ihn kein Weibsbild betruͤgen ſolte/
ſie waͤre auch ſo ſchlau als ſie immer wol-
te; Gleichwie er nun ſeine Einfalt hiermit
G vjgenug-
[152] genugſam an den Tag legte/ alſo bedauchte
mich hingegen/ ſolches waͤre meiner und al-
ler verſtaͤndigen Weiber dexteritaͤt viel zu
nahe/ und nachtheilig geredet; ſagte ihm de-
rowegen unveꝛholen/ ich wolte ihn neunmal
vor der Morgenſuppe betꝛuͤgen koͤnnen/ wañ
ichs nur thun wolte; er hingegen vermaß
ſich zu ſagen/ wann ich ſolches koͤnte/ ſo wolte
er ſein Lebtag mein Leibeigner Sclave ſeyn/
und trutzte mich noch darzu/ wann ich ſol-
ches zu thun mich nicht unterſtuͤnde; doch
mit dem Geding/ wann ich in ſolcher Zeit
gar keinen Betrug von den neunen bey ihm
anbraͤchte/ daß ich mich alsdann zur Kir-
chen fuͤhren: und mit ihm ehrlich copuliren
laſſen ſollte; Nachdem wir nun ſolcher Ge-
ſtalt der Wettung eins worden/ kam ich des
Morgens fruͤhe mit der Suppenſchuͤſſel/
darinn das Brod lag/ und hatte in der an-
dern Hand das Meſſer ſamt einem Wetz-
ſtein/ mit Begehren er ſollte mir das Meſ-
ſer ein wenig ſchaͤrpffen/ damit ich die Sup-
pe einſchneiden koͤnte; er nahm Meſſer und
Stein von mir/ weil er aber kein Waſſer
hatte/ leckte er den Wetzſtein mit der Zunge/
um
[153] um ſelbigen zu befeuchtigen/ da ſagte ich/
nun das walt GOtt/ das iſt ſchon zwey
mahl! Er befremdet ſich und fragte/ was ich
mit dieſer Rede vermeyne? hingegen frag-
te ich ihn/ ob er ſich dann unſerer geſtrigen
Wettung nicht mehr zuerinnern wiſſe? Er
antwortet ja; und fragte/ ob und womit ich
ihn dann ſchon betrogen? Jch antwortet/
erſtlich machte ich das Meſſer ſtumpff/ da-
mit du es wieder ſchaͤrffer wetzen muͤſſteſt;
zweitens/ zog ich den Wetzſtein durch ein
Ort/ das du dir leicht einbilden kanſt/ und
gab dir ſolchen mit der Zung zu ſchlaͤcken/
oho! ſagte er/ iſts um dieſe Zeit/ ſo ſchweig
nur ſtill/ und hoͤre auf/ ich gib dir gern ge-
wonnen/ und begehre die reſtirende Mahl
nit zu erfahren.
Alſo hatte ich nun an meinem Spring-
ins-feld einen Leibaͤignen; bey Nacht/ wañ
ich ſonſt nichts beſſers hatte/ war er mein
Mann; bey Tag mein Knecht/ und wann
es die Leute ſahen/ mein Herr und Meiſter
uͤberall: Er konte ſich auch ſo artlich in den
Handel und in meinen humor zu ſchicken/
daß ich mir die Tage meines Lebens keinen
G vijbeſſern
[154] beſſeren Mann haͤtte wuͤnſchen moͤgen/ und
ich haͤtte ihn auch mehr als gern geehlicht/
wann ich nicht beſorget/ er wuͤrde dardurch
den Zaum des Gehorſams verlieren/ und
in Behaubtung der billichen Oberherrlich-
keit/ die ihm alsdann gebuͤhren wuͤrde/ mir
hundertfaͤltig wideꝛum eintraͤncken/ was ich
ihm etwan ohnverehlicht zu wider gethan/
und er ohnzweiffel mit groſſen Verdruß zu
zeiten verſchmertzen muͤſſen; Jndeſſen leb-
ten wir bey und miteinander/ ſo einig/ aber
nicht ſo heilig als wie die liebe Engel; Mein
Mutter verſahe die Stelle einer Marque-
denterin an meiner Stadt/ ich den Stand
einer ſchoͤnen Koͤchin oder Kellerin/ die ein
Wirth darum auf der Streu haͤlt/ damit
er viel Gaͤſt bekom̃en moͤge; Mein Spring-
ins-felt aber/ war Herr und Knecht/ und
was ich ſonſt haben wolte/ das er ſeyn ſolte;
Er muſte miꝛ glatt parirn und meineꝛ Mut-
ter Gutachten folgen/ ſonſt war ihm alles
mein Geſind gehorſam als ihrem Herrn/
deſſen ich mehr hielte/ als mancher Haubt-
mann; dann wir hatten liderliche Commiß-
Metzger bey dem Regiment/ welche lieber
Gelt
[155] Gelt zu verſauffen/ als zu gewinnen ge-
wohnt waren/ darum trang ich mich durch
Schmiralia in ihre profeſſion, und hielte
zween Metzger-Knecht vor einen/ alſo daß
ich das Præ allein behielte/ und jene nach uñ
nach Caput ſpielte/ weil ich einem jeden
Gaſt/ er waͤre auch herkommen woheꝛ er im-
mer wolte/ mit einem Stuͤck von allerhand
Gattung Fleiſch zu Huͤlff kommen koͤnnte;
ob er es gleich rohe/ geſotten/ gebraten oder
lebendig haben wollen; gieng es dann an ein
Stelen/ Rauben und Pluͤndeꝛn (wie es dañ
in den vollen und reichen Italia treffliche
Beuten ſetzt) ſo muſten nit nur Spring-
insfelt ſamt meinem Geſind/ ihre Haͤlſe
daran wagen/ etwas einzuholen/ ſondern
die Courage ſelbſt fieng ihre vorige Gattung
zu leben/ die ſie in Teutſchland getrieben/
widerum an/ und indem ich der geſtalt gegen
dem Feind mit Soldaten-Gewehr/ gegen
den Freunden aber im Lager und in den
Quartiern mit dem Judenſpieß fochte/
auch wo man mir in aller Freundlichkeit
offenſivè begegnen wolte/ den Schild
vorzuſetzen wuſte/ wuchſe mein Beutel
ſo groß
[156] ſo groß darvon/ daß ich bey nahe alle Mo-
nat einen Wexel von 1000. Cronen nach
Prag zu uͤbermachen hatte/ und litte ſamt
den Meinigen doch niemahls keinen Man-
gel; dann ich befliſſe mich dahin/ daß mein
Mutter mein Spring-ins-felt/ mein uͤbrig
Geſind und vornemlich meine Pferde/ zu
jederzeit ihr Eſſen/ Trincken/ Kleid und
Fuͤtterung hatten/ und haͤtte ich gleich ſelbſt
Hunger leiden/ nackend gehen/ und Tag
und Nacht unter dem freyen Himmel mich
behelffen ſollen; hingegen aber muſten ſie
ſich auch befleiſſen einzutragen/ und in ſol-
cher Arbeit weder Tag noch Nacht zu fey-
ern/ und ſolten ſie Halß und Kopff daruͤber
verlohren haben.
DasXVII.Capitel.
Was derCouragevor ein laͤcherli-
cher Poß widerfuhre/ und wie ſie ſich
deßwegen wieder raͤchete.
SChaue mein Simplice! alſo war ich be-
reits deines Cammerrathen Spring-
ins-felds Matreſſe und Lehrmeiſterin/ da du
villeicht deinem Knan noch der Schwein
huͤte-
[157] huͤteteſt/ und ehe du geſchickt genug wareſt/
anderer Leute Narr zu ſeyn; uñ haſt dir doch
einbilden doͤrffen/ du habeſt mich im Saur-
brunnen betrogen! Nach der erſten Man-
tuaniſchen Belaͤgerung/ bekamen wiꝛ unſer
Winter-Quartier in einem luſtigen Stadt-
lein; allwo es bey mir anfieng zimlich Kun-
den Arbeit zu geben/ da vergieng kein Ga-
ſterey oder Schmauß/ dabey ſich nicht die
Courage fand/ und wo ſie ſich einſtellete/ da
galten die Jtaliaͤniſche Putani wohl nichts!
dann bey den Jtaliaͤnern war ich Wildbret
und etwas fremds/ bey den Teutſchen kon-
te ich die Sprach/ und gegen beyden Natio-
nen war ich viel zu freundlich/ darneben
noch trefflich ſchoͤn; ſo war ich auch nicht
ſo gar hoffaͤrtig und theuer/ und hatte ſich
niemands keines Betrug von mir zu beſor-
gen/ dem aber die Jtaliaͤnerinnen dichte voll
ſtacken: Solche meine Beſchaffenheiten
verurſachten/ daß ich den welſchen Huren
viel gute Kerl abſpannete die jene verlieſen
und mich hingegen beſuchten/ welches bey
ihnen kein gut Gebluͤt gegen mir ſetzte; eins-
mahls lube mich ein vornehmer Herr zum
Nacht-
[158] Nachteſſen/ der zuvor die beruͤhmteſte Puta-
na bedient: Sie aber auch meinetwegen ver-
laſſen hatte; ſolches Fleiſch gedachte mir je-
ne widerum zu entziehen/ und brachte mir
derowegẽ widerum durch eine Kirſchnerin/
bey demſelben Nacht-Jm-biß etwas bey/
davon ſich mein Bauch blaͤhete/ als ob er
haͤtte zerſpringen wollen/ ja die Leibsduͤnſte
traͤngten mich dergeſtalt/ daß ſie endlich den
Ausgang mit Gewalt oͤffneten/ und eine
ſolche liebliche Stimm uͤber Tafel hoͤren
lieſen/ daß ich mich deren ſchaͤmen muſte/
und ſo bald ſie die Thuͤr einmahl gefunden/
paſſtrten ſie mit einer ſolchen Ungeſtumm
nacheinander heraus/ daß es daher don-
nerte/ als ob etliche Regimenter eine
Salve geben haͤtten; als ich nun deſ-
ſentwegen vom Tiſch aufſtunde/ um
hinweg zu lauffen/ gieng es bey ſol-
cher Leibsbewegung allererſt rechtſchaffen
an; alle Tritt entwiſchte mir aufs wenigſt
einer oder zehen! wiewohl ſie ſo geſchwind
aufeinander folgten/ daß ſie niemand zehlen
konte; und ich glaube/ wann ich ſie alle wol
anlegen: oder der Gebuͤhr nach fein or-
dentlich
[159] dentlich austheilen koͤnten/ daß ich zwo gan-
tzer geſchlagener Glockenſtund/ trutz dem
beſten tambour, den Zapffenſtreich darmit
haͤtte/ verrichten moͤgen; Es wehrete aber
ungefehr nur eine halbe Stund/ in welcher
Zeit beides Gaͤſt und Auffwarter mehr
Qual von dem Lachen als ich von dem con-
tinuirlichen Trompeten erlitten.
Dieſen Poſſen rechnete ich mir vor ei-
nen groſſen Schimpff/ und wolte vor
Scham und Unmuth außreiſſen/ eben alſo
thaͤt auch mein Gaſt-Herr als der mich zu
etwas anders als dieſe ſchoͤne Muſic zuhal-
ten/ zu ſich kommen laſſen/ hoch und theuer
ſchwerrent/ daß er dieſen affront raͤchen wol-
te; Wann er nur erfahren koͤnte/ durch was
vor Pfeffer-Koͤrner: und Ameyſſen-Eyer-
Koͤch dieſe Harmonia angeſtimmt worden
waͤre; weil ich aber daran zweiffelt/ ob nicht
er vielleicht ſelbſt den gantzen Handel ange-
ſtellt/ ſihe/ ſo ſaſſe ich dort zu protzen/ als wañ
ich mit den plitzenden Strahlen meiner zor-
nigen Augen alles haͤtte toͤden wollen/ biß ich
endlich von einem beyſitzenden erfuhr/ daß
obengedachte Kuͤrſchnerin damit umgehen
koͤnte/
[160] koͤnte/ und weil er ſie unten im Hauſe geſe-
hen/ muͤſte er gedencken/ daß ſie irgends
von einer eifferſichtigen Damen gedinget
worden/ mich einem oder andern Cavallier
durch dieſen Poſſen zu verlaͤiten; maſſen
man von ihr wuͤſte/ daß ſie eben dergleichen
einem reichen Kauffherrn gethan/ der durch
eine ſolche Muſic ſeiner Liebſten Gunſt ver-
lohren/ weil er ſie in ihrer und ander ehrli-
chen Leute Gegenwart hoͤren laſſen; darauf
gab ich mich zu Frieden/ und bedachte mich
auf eine ſchleunige Rach/ die ich aber weder
offentlich noch grauſam ins Werck ſetzen
dorffte/ weil wir in den Quartirn (ohnange-
ſehen/ wie das Land dem Feind abgenom-
men) gute Ordre halten muſten.
Demnach ich nun die Waꝛheit erfahren/
daß es nemlich nit anderſt hergangen/ als
wie obengedachter Tiſchgenoß geargwoh-
net; als erkundigt ich der jenigen Damen/
die mir den Poſſen hatt zugerichtet/ Han-
del und Wandel/ Thun und Laſſen/ auf
das genaueſte/ als ich immer konte- und
als mir ein Fenſter gewieſen wurde/ dar-
aus ſie bey Nacht/ denen/ ſo zu ihr wolten/
Audi-
[161] Audientz zu geben pflegte/ offenbahrt ich
meinen auf ſie habenden Grollen zweyen
Officiern die muſten mir/ wolten ſie anders
meiner noch fuͤrderhin genieſſen/ die Rach
zu vollziehen verſprechen; und zwar auf ſol-
che und kein andere Weiß als wie ich ihnen
vorſchriebe; dann mich deuchte/ es waͤre bil-
lich/ weil ſie mich nuꝛ mit dem Dunſt vexirt/
daß ich ſie mit nichts anders als mit dem
Dreck ſelbſt belohnen ſolte; und ſolches ge-
ſchahe folgender Geſtalt; ich lieſe eine rin-
derne Blaſen mit dem aͤrgſten Unrath fuͤl-
len/ der in den unterſichgehenden Caminen
durch M. Aßmuſſen deren Seuberern zu
finden; ſolche ward an eine Stange oder
Schwinggerten/ damit man die Nuͤß her-
under ſchlaͤgt/ oder die Rauch-Camin zu
ſaͤubern pflegt/ angebunden und von dem ei-
nen bey finſterer Nacht: Als der ander mit
der Putanen leffelte/ welche oben an ihrem
gewoͤhnlichen Audientz-Fenſter lag/ ihr mit
ſolcher Gewalt in das Angeſicht geſchlagen/
daß die Blaſe zerſprang/ und ihn der Speck
beydes/ Naſen/ Augen/ Maul/ und ihren
Buſen ſamt allen Zierden und Cleinodien
beſu-
[162] beſudelte; Nach welchem Streich ſo wohl
der Leffler als executor daran lieffen/
und die Hur am Fenſter lamentiren lieſ-
ſen/ ſo lang ſie wolte. Die Kuͤrſchnerin
bezahlte ich alſo; Jhr Mann war gewoh-
net alle Haar und ſolten ſie auch von dem
Katzen geweſen ſeyn/ ſo genau zuſammen
zu halten/ als wann er ſie von dem guͤl-
denen Widerfell auß der Jnſul Colchis
abgeſchoren haͤtte/ ſo gar/ daß er auch
kein Abſchroͤdlin von dem Beltzflecklin
hinwarff oder in die Dung kommen lieſ-
ſe: Es waͤre gleich vom Biber/ Haſen
oder dem Lam̃ geweſen: Er haͤtte ſolches
dann zuvor ſeiner Haar oder Woll Plutt
hinweg beraubt gehabt! und wann er
dann ſo ein paar Pfund beyſammen hat-
te/ gab ihm der Hutmacher Gelt darum/
welches ihm auch etwas zu Broͤßlen ins
Hauß verſchaffte/ und wann es gleich
langſam und gering kam; ſo kam es doch
wohl zu ſeiner Zeit; ſolches wurde ich
von einem andern Kuͤrſchner innen/ der
mir denſelben Winter einen Beltz fuͤt-
terte; derowegen bekam ich von derglei-
chen
[163] chen Woll und Haaren ſo viel/ als
genug war/ und macht eitel Schermeſſer
darauß; als ſolche fertig/ oder beſſer zu er-
laͤutern/ als mit ihrer Materi wie der
Quackſalber ihre Buͤxlin verſehen oder
beſalbet waren/ lieſſe ich ſie einem von
meinen jungen dem Kuͤrſchner unden um
ſein Secret herum ſtreuen/ als welches
zimlich weit hinauff offen ſtunde; da nun
der Erbßenzehleriſcher Haußhalter dieſe
Klumpen Haar und voll ſonder liegen
ſahe/ und ſie vor die Seinige hielte/ kon-
te er ſich nicht anderſt einbilden/ als ſein
Weib muſte ſie der Geſtalt verunehrt
und zu Schanden gemacht haben/ fien-
gen derowegen an mit ihr zu kollern gleich-
ſam als wann ſie albereit Mantua und
Caſal verwahrloſet und verlohren haͤt-
te/ und weil ſie ja ſo beſtaͤndig als eine
Hex leugnete und noch darzu trutzige
Wort gab/ ſchlug er ſie ſo lederweich/
als gelind er ſonſt anderer wilder
und biſſiger Thieren Felle bereiten konte/
der Heimiſchen Katzenbalg zu geſchwei-
gen; Welches mich ſo wohl conten-
tirte/
[164] tirte/ daß ich keinen dutzent Cronen darvor
genommen haben wolte.
Nun war der Apotecker noch uͤbrig/ der
meines Vermuthens das recept verfertigt
hatte/ dardurch ich aus der Nidere ein ſo
variable Stimme erheben muͤſten; dann er
hielte Sing-Voͤgel/ die ſolche Sachen zur
Speiſe genoſſen/ ſo die Wuͤrckungen haben
ſollen/ einen Lermen zu erregen/ wie ich aller-
erſt einen erzehlet; Weil er aber bey hohen
und niedern Officiern wohl dran war/ zu-
mahln wir ihn taͤglich bey unſeren Kran-
cken/ die den Jtaliaͤniſchen Lufft nicht wohl
vertragen konten/ brauchen muſten; ich
auch ſelbſt zu ſorgen/ ich moͤchte ihm etwan
heut oder morgen in die Cur kommen; als
dorffte ich mich nicht kecklich an ihn reiben;
gleich wohl wolte und konte ich ſo viel Lufft
Kerls die zwar vorlaͤngſt wider in der Lufft
zerſtoben waren/ ohngerochen nicht vertau-
en/ obwohl ſie auch andere riechen muͤſſten/
da gleichwohl ſie ſelbſt ſchon vertauet wa-
ren; er hatte einen kleinen gewelbten Ne-
ben-Keller unter ſeinem Hauſe/ darinn er
allerhand Wahr enthielte/ die zu ihrer Auf-
enthal-
[165] enthaltung einen ſolchen Ort erforderten/
dahinein richtete ich das Waſſer aus dem
Rohrbrunnen/ der auf dem Platz zu naͤchſt
dabey ſtunde/ durch einen langen Ochſen-
Darm/ den ich am Brunnen-Roͤhrn an-
bande/ mit dem andern Ende aber/ zum
Kellerloch hinein hencken/ und alſo/ das
Brunnenwaſſer die gantze lange Winter-
nacht ſo ordentlich hineinſauffen lieſe/ daß
der Keller am Morgen geſchwappelt voll
Waſſer war/ da ſchwammen etliche Faͤß-
lein Malvaſier/ Spanniſcher Wein/ und
was ſonſt leicht war/ was aber nit ſchwim-
men konte/ lag Manns tieff unter dem Waſ-
ſer zu verderben; und demnach ich den
Darm vor Tags wider hinweg nehmen
lieſe/ vermeinte jederman des Morgens/ es
waͤre entweder im Keller eine Quell ent-
ſprungen/ oder dieſer Poſſe ſeye dem Apo-
tecker durch Zauberey zugerichtet worden
Jch aber wuſte es zum beſten/ und weil
ich alles ſo wohl ausgerichtet/ lachte ich in
die Faͤuſte/ als der Apotecker um ſeine ver-
derbte Materialia lamentirte: Und da-
mahls war mirs geſund/ daß der Nah-
Hme/
[166] me Courage bey mir ſo tieff eingewurtzelt
geweſen/ dann ſonſt haͤtten mich die unnutze
Burſch ohne Zweiffel die General-Far-
tzern genannt/ weil ichs beſſer als andere ge-
koͤnnt.
DasXIIX.Capitel.
Gar zu uͤbermachte Goͤttloſſigkeit
der gewiſſenloſen Courage
DEr Gewinn/ der mir ſo mancherley
Handthierungen zugieng/ thaͤt mir ſo
ſanfft/ daß ich deſſen je laͤnger je mehr be-
gehrte; und gleich/ wie es mir allbereit eines
Dings war/ ob es mit Ehren oder Unehren
geſchehe; Alſo fieng ichs auch an nicht zu
achten/ ob es mit GOttes oder des Mam-
mons Huͤlff beſſer proſequirt werdẽ moͤgte;
Einmal es galte mir endlich gleich/ mit was
fuͤr Voͤrtheilen/ mit was fuͤr Griffen: mit
was fuͤr einem Gewiſſen und mit was fuͤr
Handthierungen ich proſperirte/ wann ich
nur reich werden moͤchte; Mein Spring-
ins-felt muſte einen Roßtaͤuſcher abgeben/
und was er nit wuſte/ das muſt er von mir
leꝛnen/ in welcheꝛ Profeſſion ich mich tauſen-
terley Schelmſtuͤcke/ Diebsgriff und Betruͤ-
gege-
[167] gebrauchte; Keine Wahr/ weder von Gold/
Silber/ Edelgeſteinen/ geſchweige des
Zins/ Kupffers/ Getuͤchs der Kleidung/
und was es ſonſt ſeyn moͤgen/ es waͤre
gleich rechtmaͤſſig erbeuthet/ geraubet/ oder
gar geſtohlen geweſen/ war mir zu koͤſtlich
oder zu gering/ daß ich nicht daran ſtunde/
ſolches zuerhandeln; und wann einer nicht
wuſte wohin mit dem jenigen/ das er zuver-
ſilbern/ er haͤtte es gewonnen wie er wolte/ ſo
hatte er einen ſichern Zutritt zu mir/ wie zu
einem Juden/ die den Dieben getreuer ſeyn/
ſie zu conſervirn, als threr Obrigkeit ſelbige
zu ſtraffen; Dannenhero waren meine
beyde Waͤgen mehr einem materialiſten
Kram gleich/ als daß man nur koſtbare
Victualia bey mir haͤtte finden ſollen/ und
eben deßwegen konnte ich hinwiederum
auch einen jedwedern Soldaten/ er waͤre
gleich hoch oder nieder geweſt/ mit dem jeni-
gen ums Gelt helffen/ deſſen er benoͤthigt
war; hingegen muſte ich auch ſpendiren
und ſchmieren um mich und meine Hand-
thierungen zu beſchuͤtzen; der Profoß war
mein Vatter/ ſeine alte Merr/ (ſeine
H ijalte
[168] alte Frau wolt ich ſagen/ meine Mutter;
die Obriſtin/ meine gnaͤdige Frau; und der
Obriſt ſelbſt/ mein gnaͤdiger Herr/ welche
mich alle vor allem dem jenigen ſicherten/
dardurch ich und mein Anhang oder auch
meine Handelſchafft einbuͤſſen moͤgen.
Einsmahls brachte mir ein alter Huͤner-
faͤnger/ ich wolte ſagen/ ſo ein alter Soldat/
der lang vor dem Boͤhmiſchen Unweſen ei-
ne Mußquet getragen hatte/ ſo etwas in ei-
nem verſchloſſenen Glaͤßlein/ welches nicht
recht einer Spinnen und auch nicht recht
einem Scorpion gleich ſahe; ich hielte es vor
keine Inſect oder lebendige Creatur/ weil
das Glaß keinen Lufft hat/ dardurch das be-
ſchloſſene Ding ſein Leben haͤtte erhalten
moͤgen/ ſondern vermeinte/ es waͤre irgends
ein Kunſt-Stuck eines vortrefflichen Mei-
ſters/ der ſolches zugerichtet/ um dardurch
ein Gleichnus/ ich weiß nit von was vor ei-
ner ewigwaͤhrenden Bewegung vorzuſtel-
len/ weil ſich daſſelbe ohn Unterlaß im Glaß
regte und herum grabelte; ich ſchaͤtzte es
hoch/ und weil mirs der alte zuverkauffen
anbotte/ fragte ich/ wie theuer? Er botte
mir
[169] mir den Bettel um zwo Cronen/ die ich ihm
auch alſobalden darzahlte/ und wolte ihm
noch ein Feltmaß Wein darzu ſchencken/
er aber ſagte/ die Bezahlung ſeye allbereit
zu Genuͤgen geſchehen; welches mich an ei-
nen ſolchen alten Weinbeiſſer verwunderte/
und verurſachte/ ihn zu fragen/ warum er
einen Trunck ausſchluͤge/ dann ich doch ei-
nem jeden im Kauff zu geben pflegte/ der
mir nur das geringſte verhandelte? Ach
Frau Courage antwortet er/ es iſt hiermit
nicht wie mit anderer Wahr beſchaffen/ ſie
hat ihren gewiſſen Kauff und Verkauff/
vermoͤg deſſen/ die Frau zu ſehen mag/ wann
ſie diß Kleinod wider hingibt/ daß ſie es
nemlich wolfeiler verkauffe/ als ſie es ſelb-
ſten erkaufft hat; Jch ſagte/ ſo wuͤrde ich auf
ſolche Weiß wenig daran gewinnen! Er
antwortet/ darum laſſe ich ſie ſorgen; was
mich anbelangt/ ſo hab ichs allbereit bey 30.
oder mehr Jahren in Haͤnden/ und noch kei-
nen Verluſt dabey gehabt/ wiewohl ichs
um 3. Cronen kaufft/ und um 2. wider hin-
geben/ diß Ding war mir ein Geſaͤg/ darein
ich mich nicht richten konte/ oder vielleicht
H iijauch
[170] auch nicht richten wolte: dann weil ich ein
ſatten Rauſch zu gewarten hatte/ ich
wuͤrde etliche Abgeſante der Venere abzu-
fertigen kriegen/ war mirs eine deſto gerin-
gere Bekuͤmmernuß; oder (lieber Leſer/ ſag
mir ſelbſt/ wie ich ſagen ſoll) ich wuͤſte nit/
was ich mit dem alten Kracher machen
ſolte; Er deuchte mich nicht Manns ge-
nug zu ſeyn/ die Courage zu betruͤgen/
und die Gewonheit/ daß mir andere/ die
ein beſſer Anſehen als dieſer hatte/ offt
etwas um ein Ducaten hingeben/ das
deren hundert werth war/ machte mich
ſo ſicher/ daß ich mein erkaufften Schatz ein-
ſteckte;
Des Morgens/ da ich meinen Rauſch
verſchlaffen/ fande ich meinen Kauffmañ-
Schatz in meinem Hoſenſack (dann man
muß wiſſen/ daß ich allzeit Hoſen und mei-
nen Rock trug) ich erinnerte mich gleich
welcher Geſtalt ich das Ding kaufft hatte/
legte es derowegen zu andern meinen
raren und lieben Sachen/ als Ringen/
Cleinodien/ und dergleichen/ um ſolches
aufzuheben/ biß mir etwan ein Kunſt-Ver-
ſtaͤn-
[172] ſtaͤndiger an die Hand kaͤme/ der mich um
ſeine Beſchaffenheit berichtete; als ich aber
ungefehr unter Tags wieder in meinen
Sack griffe/ fande ich daſſelbe nicht/ wohin
ichs aufgehoben/ ſondern wieder in mei-
nem Hoſenſack/ welches mich mehr ver-
wunderte/ als erſchreckte/ und mein Fuͤr-
witz zu wiſſen/ was es doch eigentlich waͤre/
machte/ daß ich mich fleiſſig nach deſſen
Verkaͤuffer umſahe/ und als derſelbe mir
aufſtieſe/ fragte ich ihn/ was er mir zu kauf-
fen gegeben haͤtte? Erzehlte ihm darneben/
was vor ein Wunderwerck ſich damit zuge-
tragen/ und bat ihn/ er wolte mir doch
deſſelben Weſen/ Krafft/ Wuͤrckung/
Kuͤnſte/ und wie es umſtaͤndlich damit
beſchaffen/ nicht verhalten; Er antwor-
tet: Frau Courage! es iſt ein dienender
Geiſt/ welcher dem jenigen Menſchen/ der
ihn erkaufft/ und bey ſich hat/ groß Gluͤck
zu wegen bringt; Er gibt zu erkennen/
wo verborgene Sachen liegen; Er ver-
ſchafft zu jedwederer Handelſchafft ge-
nugſame Kauffleute und vermehret die
proſperitaͤt: Er macht daß ſeine Beſi-
H jvtzer
[172] tzer von ſeinen Freunden geliebt: und von
ſeinen Feinden gefoͤrchtet werden; ein jeder
der ihn hat/ und ſich auf ihn verlaͤſt/ den
macht er ſo feſt als Stahl/ und behuͤtet ihn
vor Gefaͤngniß; Er gibt Gluͤck/ Sieg und
Uberwindung wider die Feinde/ und bringt
zu wegen/ daß ſeinen Beſitzer faſt alle Welt
lieben muß; Jn Summa/ der alte Lauer
ſchnitte mir ſo einen Hauffen daher/ daß ich
mich gluͤckſeeliger zu ſeyn dauchte/ als For-
tunatus mit ſeinem Seckel und Wuͤnſch-
huͤtel! Weil ich mir aber wohl einbilden
koͤnnen/ daß der ſo genannte dienende Geiſt
dieſe Gaben nit umſonſt geben wuͤrde; So
fragte ich den Alten/ was ich hingegen dem
Ding zu Gefallen thun muͤſte? dann ich
haͤtte gehoͤret/ daß die jenige Zauberer/ wel-
che andere Leute in Geſtalt eines Galgen-
maͤnnels beſtehlen/ das ſo genañte Galgen-
maͤnnel mit wochentlicher gewiſſer Bad-
Ordnung und anderer Pfleg verehren
muͤſten; Der Alte antwortet/ es doͤrffte des
Dings hier gar nicht; Es ſey viel ein an-
ders mit einem ſolchen Maͤnnel/ als mit einẽ
ſolchen Ding/ das ich von ihm gekaufft
haͤtte;
[173] haͤtte; Jch ſagte/ es wird ohne Zweiffel
mein Diener und Narr nicht umſonſt ſeyn
wollen; Er ſolte mir nur kecklich und ver-
traͤulich offenbahren/ ob ichs ſo gar ohne
Gefahr/ und auch ſo gar ohne Belohnung
haben: uñ ſolcher ſeineꝛ anſehenlichen Dien-
ſte ohne andere Verbindung und Gegen-
dienſte genieſſen koͤnte? Frau Courage ant-
wortet der Alte: Jhr wuͤſt bereits genug/
daß ihrs nemlich um geringern Preiß hin-
geben ſollt (wann ihr deſſen Dienſten muͤd
ſeyd) als ihrs ſelbſten erkaufft habt/ wel-
ches ich euch gleich damahls als ihr mirs
abgehandelt nicht verhalten habe; Die
Urſach zwar/ warum? mag die Frau von
andern erfahren; und damit gieng der Al-
te ſeines Wegs.
Meine Boͤhmiſche Mutter war damals
mein innerſter Rath/ mein Beicht-Vat-
ter/ mein favorit mein beſter Freund/ und
mein Sabud Salomonis, ihr vertrauet ich
alles/ und alſo auch/ was mir mit dem er-
kaufften Marckſchatz begegnet waͤre; he/
antwortet ſie/ es iſt ein Stirpitus flammi-
liarum, der alles das jenige leiſtet/ was
H veuch
[174] euch der Verkauffer von ihm erzehlet/
allein wer ihn hat/ biß er ſtirbt/ der muß/
wie mir geſagt worden/ mit ihm in die an-
der Welt reiſſen/ welches ohne Zweiffel ſei-
nen Nahmen nach/ die Hoͤll ſeyn wird/ all-
wo es voller Feuer und Flammen ſeyn ſoll;
und eben deswegen laͤſt er ſich nicht anderſt
als je laͤnger je wolfeiler verkauffen/ damit
ihm endlich der letzte Kauffer zu Theil wer-
den muͤſſe; und ihr liebe Tochter! ſtehet in
groſſer Gefahr/ weil ihr ihn zum allerletzten
zu verkauffen habt; dañ welcher Narꝛ wird
ihn von euch kauffen/ wann er ihn nit mehr
verkauffen darff/ ſondern eigentlich weiß/
daß er ſeine Verdammnuß von euch erhan-
delt? Jch konte leichtlich erachten/ daß
mein Handel ſchlimm genug beſtellt war/
doch machte mein leichter Sinn/ meine bluͤ-
hende Jugend/ die Hoffnung eines lan-
gen Lebens: und die gemeine Gottloſigkeit
der Welt/ daß ich alles auf die leichte Achſel
nahm; ich gedachte/ du wilſt dieſer Huͤlffe:
Dieſes Beyſtands und dieſer gluͤckſeeligen
accantage genieſſen/ ſo lang du kanſt; Jn-
deſſen findeſt du wol einen leichtfertigen Ge-
ſellen
[175] ſellen in der Welt/ der entweder beym ſchwe-
ren Trunck/ oder aus Armuth/ deſperation,
blinder Hoffnung/ groſſen Gluͤckes/ oder
aus Geitz/ Unkeuſchheit/ Zorn/ Neid/
Rachgier/ oder etwas dergleichen dieſen
Gaſt wieder von dir um die Gebuͤhr an-
nimmt!
Dieſen nach/ gebrauchte ich mich deſſen
Huͤlff/ in aller Maß und Form/ wie er mir
beydes von dem alten Verkaͤuffer/ als auch
meiner Koſtfrauẽ oder angenom̃enen Boͤh-
miſchen Mutter beſchrieben worden; Jch
verſpuͤhrte auch ſeine Wuͤrckung taͤglich;
dann wo ein Marquedenter ein Faß Weins
auszapffte/ vertrieb ich deren drey oder vier;
wo ein Gaſt einmahl meinen Tranck oder
meine Speiſſe koſtete/ ſo bliebe er das ander-
mal nit aus! welchen ich anſahe/ uñ wuͤnſch-
te ſeiner zu genieſſen; derſelbe war gleich fix
und fertig/ mir in der allerunterthaͤnigſten
Andacht aufzuwarten/ ja mich faſt wie eine
Goͤttin zu ehren; kam ich in ein Quartier/
da der Haußwirth entflohẽ: oder daß es ſon-
ſten ein Herberg oder verlaſſene Wohnung
war/ dariñ ſonſt niemand wohnẽ konte (maſ-
H vjſen
[176] ſen man die Marquedenter und Commiß-
Metzger in keinem Pallaſt zu logiren pfle-
get) ſo fande ich gleich/ wo das Meſſeꝛ ſteckte/
und weiß nit durch was vor ein innerliches
Einſprechen/ ſolche Schaͤtze zu finden/ die in
vielen/ villeicht 100. Jahren keine Sonne
beſchienen ꝛc. Hingegen kan ich nicht leug-
nen/ daß auch etliche waͤren/ die der
Courage nichts nachfragten/ ſondern ſie
vielmehr verachten: Ja verfolgten/ als
ehreten; ohne Zweiffel darum/ weil ſie von
einem groͤſſeren lumen erleuchtet: als ich
von meinem flamine bethoͤrt geweſen; ſol-
ches machte mich zwar witzig/ und lernete
mich durch allerhand Nachdencken Philo-
ſophien/ und betrachten/ wit/ was/ und der-
gleichen! Jch war aber allbereit in der Ge-
winnſichtigkeit/ und allen ihren nachge-
henden Laſtern dermaſſen ertraͤnckt/ daß
ichs bleiben lieſe/ wie es war/ und nichts zum
Fundament zu raumen gedachte/ darauf
meine Seeligkeit beſtuude/ wie auch noch;
diß Simplice, ſage ich dir zum Uberfluß/
dein Lob zu bekroͤnen/ weil du dich in deiner
Lebens-Beſchreibung geruͤhmt haſt/ ei-
ner
[177] ner Damen im Saurbrunen genoſſen zu
haben/ die du doch noch nicht einmahl
kanteſt.
Jndeſſen wurde mein Gelthauffen je
laͤnger/ je groͤſſer/ ja ſo groß! daß ich
mich auch bey meinem Vermoͤgen fuͤrch-
tete.
Hoͤre Simplice, ich muß dich wieder et-
was erinnern; waͤreſt du etwas nutz ge-
weſt/ als wir miteinander im Sauerbrun-
nen das Verkehren ſpielten/ ſo waͤreſt du
mir weniger ins Netze gerathen/ als die
jenige/ die im Schutz GOttes waren/ da
ich den Spirit. famil. hatte.
DasXIX.Capitel.
Was Spring-ins-felt vor einen
Lehrmeiſter gehabt/ biß er zu ſeiner
perfection kommen.
VNd noch ein anders muſt du auch wiſ-
ſen Simplice! nicht nur/ ich gieng den
obenerzehlten Weg; ſondern auch mein
Spring-ins-felt/ (den du allerdings vor
H vijdeinen
[178] deinen beſten Cammerathen/ und vor ei-
nen praven Kerl in deiner Lebens-Be-
ſchreibung geruͤhmt haſt) muſte mir auch
folgen! und was wolts gehindert haben/
oder vor ein groſſes Meerwunder gewe-
ſen ſeyn? Sintemahl andere meines glei-
chen loſe Weiber/ ihre liderliche Maͤnner
(wann ich anders Maͤnner ſagen darff/
ich haͤtte aber ſchier fromme Maͤnner
geſagt) eben zu dergleichen loſen Stuͤ-
cken Vermoͤgen (ich will nicht ſagen/
zwingen;) ob ſie gleich bey ihrer Vermaͤh-
lung keinen ſolchen Accord eingangen/
wie Spring-ins-felt gethan; Hoͤre die
Hiſtori:
Als wir vor dem beruͤhmten Caſal la-
gen/ fuhren ich und Spring-ins-felt/
in eine benachbarte Graͤntzſtatt die neutral
war/ Victualia einzukauffen/ und in unſer
Laͤger zu bringen; gleichwie nun aber ich
in dergleichen Faͤllen nicht allein aus-
gieng/ als ein Nachkoͤmmling der Hie-
roſolymitaniſchen Buͤrger zu ſchachern/
ſondern auch/ als ein Cyprianiſche Jung-
frau meinen Gewinn zu ſuchen; Alſo hat-
te ich
[179] te ich mich auch wie eine Jeſebell heraus ge-
butzt/ und galte mir gleich/ ob ich einen
Ahab oder Jehu verfuͤhren moͤchte; Zu
ſolchem Ende gieng ich in eine Kirche/
weil ich mir ſagen laſſen/ die meinſte Bul-
ſchafften wuͤrden in Jtalia an ſolchen hei-
ligen Oertern geſtifftet und zu Faden ge-
ſchlagen; aus Urſach/ daß man die ſchoͤ-
ne Weiber daſelbſten ſo liebeswurdig zu
ſeyn ſcheinen/ ſonſt nirgends hinkommen
laſſe; ich kam neben eine junge Dame
zu ſtehen/ mit deren Schoͤnheit und
Schmuck ich zugleich eifferte; weil mich
der jenige nicht anſahe/ der ihr ſo man-
chen liebreichenden Blick ſchenckte; Jch
geſtehe es/ daß mich im Hertzen ver-
droß/ daß ſie mir vorgezogen/ und ich
vor einem Leimſtaͤngler gegen ihr/ wie
ich mir einbildete/ verachtet werden ſol-
te! Solcher Verdruß/ und daß ich
mich zugleich auf eine Rache bedacht/
war meine groͤſte Andacht unter dem
gantzen Gottesdienſt; ehe nun ſolcher
gar geendigt war/ ſtellte ſich mein
Spring-ins-felt auch ein; Jch weiß
aber
[180] aber darum nit/ warum? kan auch ſchwer-
lich glauben/ daß ihn die Gottesfurcht da-
hin getrieben/ dann ich hatte ihn nicht dar-
zu gewoͤhnet; ſo wars ihm auch weder an-
gebohrn/ noch aus Leſung der heiligen
Schrifften/ oder Hoͤrung der Predigten
eingepflantzt; nichts deſtoweniger ſtellte
er ſich neben mich/ und kriegte den Be-
fehl von mir in ein Ohr/ daß er Achtung
geben ſolte/ wo gemelte Dame ihre Woh-
nung haͤtte/ damit ich des uͤber außſchoͤnen
Smaragds den ſie am Hals hatte/ hab-
hafft werden moͤchte.
Er thaͤt ſeinem ſchuldigen Gehorſam
Gemaͤß/ wie ein treuer Diener/ und hinder-
brachte mir/ daß ſie eine vornehme Frau/
eines reichen Herrn waͤre/ der ſein Pala-
tium an den Marckt ſtehen haͤtte; ich hin-
gegen ſagte ihm austruͤcklich/ daß er fuͤr-
derhin weder meiner Huld laͤnger genieſ-
ſen/ noch meinen Leib einigmahl mehr
beruͤhren ſolte/ es waͤre dann Sach/ daß
er mir zuvor ihren Smaragd einhaͤndig-
te/ worzu ich ihn aber ſichere Anſchlaͤg/
Mittel und Gelegenheit an die Hand ge-
ben
[181] ben wolte. Er kratzte ſich zwar hinder
den Ohren/ und entſetzte ſich vor meinem
Zumuthen/ als wie vor einer unmuͤgli-
chen Sach; aber da es lang herum gieng/
erklaͤrt er ſich meinetwegen in Tod zu ge-
hen.
Solcher Geſtalt/ Simplice! hab ich dei-
nen Spring-ins-felt/ gleichſam wie ei-
nen jungen Wachtelhund abgerichtet; Er
hatte auch die Art darzu/ und vielleicht
beſſer als du/ waͤre aber nimmermehr
von ihm ſelbſten zu einem ſolchen Aus-
bund worden/ wann ich ihn nicht in mei-
ner Schul gehabt haͤtte.
Eben damahls muſte ich mir wieder ei-
nen neuen Stihl in meinen Fauſtham-
mer machen laſſen/ welchen ich beydes vor
ein Gewehr und einen Schluͤſſel brauchte/
der Bauren Troͤg oder Kaͤſten zu oͤffnen/
wo ich zukommen konte; ich lieſe denſel-
ben Stihl inwendig hol drehen/ in ge-
meſſener Weite/ daß ich entweder Duca-
ten/ oder eine Schiedmuͤntz in ſelbiger Groͤſe
hinein packen moͤchte/ dann weil ich ſel-
bigen Hammer jederzeit bey mir zu haben
pfleg-
[182] pflegte (indem ich weder ein Degen dorffte/
oder ein paar Piſtolen mehr fuͤhren wolte)
ſo gedachte ich ihn inwendig mit Ducaten
zu ſpicken/ die ich auf alle Gluͤcks/ oder Un-
gluͤcks-Faͤll (deren es unterſchiedliche im
Krieg obgibt) bey der Hand hatte; da er
fertig/ probierte ich ſeine Weite mit etlichen
Lucern/ die ich zu mir genommen/ ſolche um
ander Gelt zu veralienieren; die Hole mei-
nes Stabs hatte eben die Weite ihres Be-
ziercks/ doch alſo eng und beſchnitten/ daß
ich ſie die Lucer um etwas hinein noͤthigen
muſte/ doch bey Wettem nicht ſo ſtarck/ als
wann man eine halbe Carthaunen laden
thut; Jch konnte aber den Stihl nicht da-
mit ausfuͤllen/ weil ihrer zu wenig waren/
dahero kams gar artlich/ daß/ wann die Lu-
cer gegen dem Hammer lagen/ und ich das
Eiſſen in der Hand hatte/ mich des Stihls
an ſtatt eines Steckens zu gebrauchen/ daß
zuweilen/ wann ich mich darauf ſteuerte/ et-
lich Lucer herunter gegen der Handhaben
klunckerten/ und ein duͤnſteres Geklingel
machten/ welches ſeltzam und verwunder-
lich genug lautet/ weil niemand wuſte/
woher
[183] woher das Gethoͤn ruͤhrete; Was darffs
vieler weitlaͤufftigen Beſchreibung? Jch
gab meinen Spring-ins-felt den Fauſt-
Hammer/ mit einer richtigen Inſtructi-
on, welcher Geſtalt er mir den Smaragd
damit erhandeln ſolte.
Darauf verkleidet ſich mein Spring-
ins-felt/ ſetzt eine Paruͤcke auf/ wickelt ſich
in einem entlehnten ſchwartzen Mantel/
und thaͤt zween gantzer Tag nicht anders/
als daß er gegen der Damen Palatio hinuͤ-
ber ſtunde/ und das Haus vom Funda-
ment an/ biß uͤbers Dach hinaus beſchaue-
te/ gleichſam als ob ers haͤtte kauffen wol-
len; So hatte ich auch einen Tambour
im Taglohn beſtellt/ welcher ein ſolcher
Ertzeſſig war/ mit dem man andere Eſſig
haͤtte ſauer machen koͤnnen/ der dorffte auch
ſonſt im geringſten nichts thun/ als auf
den Platz herum vagieren/ und auf mei-
nen Spring-ins-felt Achtung zu geben/
wann er etwann ſeiner nothwendig bedoͤrff-
te/ dañ der Vogel redete ſo gut Jtaliaͤniſch/
als Teutſch/ welches aber jener nicht konte;
Jch
[184] konte; Jch ſelbſten aber hatte ein Waſſer/
hier ohnnoͤthig zu nehmen/ durch einen
Alchimiſten zu wegen gebracht/ daß in we-
nig Stunden alle Metalla durchfriſt/ und
muͤrb macht/ oder wohl gar auch zu Waſ-
ſer reſolvirt; mit demſelben beſtrich ich ein
ſtarck Gegitter vor einem Kellerloch; Als
nun dem dritten Tag Spring-ins-felt noch
nit ablieſe/ das Haus anzugaffen wie die
Katz ein neu Scheuer-Thor/ ſihe/ da ſchick-
te angeregte Dame hin/ und lieſe fragen/
um die Urſach ſeines continuirlichen Da-
ſtehens/ und was er an ihrem Haus aus-
zukundſchafften haͤtte? Spring-ins-felt
hingegen lieſe bemelten Tambour kommen/
und Dolmetſchen/ daß ein ſolcher Schatz
im Hauſe verborgen lege/ den er nicht al-
lein zu erheben: ſondern auch eine gantze
Stadt damit reich zu machen getrauete;
Hierauf lieſe die Dame beydes den
Spring-ins-felt und den Tambour zu
ſich ins Hauſe kommen/ und nach dem
ſie wieder von dem verborgenen Schatz
Spring-ins-felts Luͤgen angehoͤrt/ und
groſſe
[185] groſſe Begierten geſchoͤpfft/ ſolchen zu ho-
len/ fragte ſie den Tambour/ was dieſer vor
einer waͤre/ ob er ein Soldat ſey/ und der-
gleichen/ ꝛc. Nein/ antwortet der Tauſend-
Schelm/ er iſt ein halber Schwartzkuͤnſtler/
wie man ſagt/ und haͤlt ſich nur zu dem En-
de bey der Armee auf/ damit er verborge-
ne Sachen findt/ hat auch/ wie ich ge-
hoͤret/ in Teutſchland auf alten Schloͤſſern
gantze eiſſerne Troͤg und Kaͤſten voll Gelt
gefunden/ und zu wegen gebracht; Jm
uͤbrigen aber/ ſeye er Spring-ins-felt ih-
me Tambour gar nicht bekant.
Jn Summa/ nach langem Diſcurs/
wurde die Glock gegoſſen und beſchloſſen/
daß Spring-ins-felt den Schatz ſuchen ſol-
te; Er begehrte zwey geweyhte Wachs-
liechter/ er ſelbſt aber zuͤndete das dritte
an/ welches er bey ſich hatte/ und vermit-
telſt eines meſſenen Drahts/ der durch die
Kertze gieng/ ausleſchen konte/ wann er
wolte; mit dieſen dreyen Liechtern/ gien-
gen die Dame/ zween ihrer Diener
Spring-ins-felt/ und der Tambour/ im
Haus herum zu leuchten/ weil eben der
Herr
[186] Herr nicht zu Hauß war/ dann Spring-
ins-felt hatte ſie uͤberredet/ wo der Schatz
lege/ da wuͤrde ſeine Kertzen von ſich ſelbſt
ausgehen; da ſie nun viel Winckel alſo
Proceſſions-Weiß durchſtrichen/ und
Spring-ins-felt an allen Orten da ſie
hingeleuchtet/ wunderbarliche Woͤrter ge-
brummelt/ kamen ſie endlich in den Keller/
alwo ich das eiſſeꝛne Gegitteꝛ mit meinem A.
R. befeuchtet hatte/ da ſtunde Spring-ins-
felt vor einer Mauer/ und indem er ſeine ge-
woͤhnliche Ceremonien machte/ zuckte er
ſein Liecht aus: Da! da! lieſe er durch
den Tambour ſagen/ ligt der Schatz einge-
mauret! brummelte darauf noch etliche
naͤrriſche Woͤrter/ und ſchlug etlichmahl
mit meinem Fauſthammer an die Mauer/
davon die Lutzer nach und nach ſo manchen
Streich er an die Mauer thaͤt/ herunter
rollten/ und ihr gewoͤhnliches Gethoͤn
machten; hoͤret ihr/ ſagte er darauf/ der
Schatz hat abermahl verbluͤhet/ welches
alle ſieben Jahr einmahl geſchiehet; Er
iſt zeitig und muß ausgenommen wer-
den
[187] den/ dieweil die Sonne noch im Jgel ge-
het/ ſonſt wirds kuͤnfftig vor Verflieſ-
ſung anderer ſieben Jahr/ umſonſt ſeyn;
Weil nun die Dame und ihre beyde Die-
ner/ 1000 Ayd geſchworen haͤtten/ das
Geklingel waͤre in der Mauer geweſen/
als ſtelten ſie meinem Spring-ins-felt
voͤlligen Glauben zu/ und die Dame be-
gehrte an ihn/ er wolte um die Gebuͤhr
den Schatz erheben/ wolte auch gleich
um ein gewiſſes mit ihm accordirn/ als
er ſich aber hoͤren lieſe/ er pflege in der-
gleichen Faͤllen nichts zu heiſchen noch zu
nehmen/ als was man ihm mit gutem
Willen gebe/ lieſe es die Dame auch da-
bey bewenden/ mit Verſicherung/ daß ſie
ihn dergeſtalt contentirn wolte/ daß er da-
mit zu frieden ſeyn wuͤrde.
Dem nach begehrte er 17. erleſene Koͤr-
ner Weyrauch/ vier gewaͤichte Wax-Ker-
tzen/ acht Ellen vom beſten Scharlach/ ei-
nen Diamant/ einen Smaragd/ einen Ru-
bin/ und einen Saphir/ welche Cleinodien
einen Weibsbild beydes in ihrem Jung-
fraͤu-
[188] fraͤulichen und freulichen Stand am Halſe
getragen haͤtte/ zweyt ns/ ſolte er alleinig in
den Keller geſchloſſen oder verſperrt/ und
von der Damen ſelbſt der Schluͤſſel zur
Hand genommen werden/ damit ſie ſo wol
um ihre Edelgeſtein und den Scharlach
verſichert ſeyn/ als auch er/ biß er den Schatz
gluͤcklich zur Hand gebracht/ unverhindert
und ohnbeſchrien verbleiben moͤchte; hier-
auf gab man ihm und dem Tambour eine
Collation/ und ihme Tambour wegen ſei-
nes Dolmetſchens ein Trinckgelt; Jndeſ-
ſen wurden die begehrte Zugehoͤrungen her-
beygeſchafft/ nach ſolchen Spring-ins-feld
in Keller verſchloſſen/ woraus unmuͤglich
ſchiene/ einen Kerl zu entrinnen/ dann das
Fenſter oder Tagelicht/ ſo auf die Gaſſe o-
der den Platz gieng/ war hoch und noch dar-
zu mit gedachtem eiſernen Gegitter wohl
verwahret/ der Dolmetſch aber ward fort-
gelaſſen/ welcher gleich zu mir kam/ und
mich allen Verlauff berichtete.
Weder ich noch Spring-ins-feld ver-
ſchlieffen die rechte Zeit/ darinn die Leute
am haͤrteſten zu ſchlaffen pflegen/ ſondern
nach
[189] nachdem ich das Gegitter ſo leicht als
einen Ruͤbſchnitz hinweg gebrochen/ lieſe ich
ein Seil hinunder zu meinem Spring-
ins-felt in Keller/ und zoge ihn daran ſamt
aller Zugehoͤr zu mir herauf/ da ich dann
auch den verlangten ſchoͤnen Smaragd
fande.
Die Beuth erfreuete mich bey weitem
nicht ſo ſehr/ als das Schelmſtuͤck/ welches
mir ſo wohl abgangen war; der Tambour
hatte ſich bereits den Abend zuvor ſchon
aus der Stadt gemacht/ mein Spring-
ins-felt aber ſpatzterte den Tag nach voll-
brachter Schatzerhebung mit andern in
der Stadt herum die Sach uͤber den liſti-
gen Dieb verwunderten/ eben als man
unter den Thoren Anſtalt machte/ ſolchen
zu erhaſchen; und nun ſihe Simplice ſol-
cher Geſtalt iſt deines Spring-ins-felts
dexteritaͤt durch mich zu wegen gebracht
und ausgeubet worden; Jch erzaͤhle dir
auch dieſes nur zum Exempel/ dann wann
ich dir alle Buben- und Schelmenſtuͤck ſa-
gen ſollte/ die er mir zugefallen werckſtellig
machen muͤſten; ſo dorffte ich wetten/ es
Jwuͤrde
[190] wuͤrde mir und dir/ wiewol es luſtige Schoſ-
ſen ſeynd/ die Zeit zu lang werden; Ja/
wann man alles beſchreiben ſolte/ wie du
deine Narxenpoſſen beſchrieben haſt/ ſo wuͤr-
de es ein groͤſſer und luſtiger Buch abgeben/
als deine gantze Lebens-Beſchreibung;
doch will ich dich noch ein kleines laſſen hoͤ-
ren.
DasXX.Capitel.
Welcher Geſtalt Spring-ins-felt
und Courage zween Jtaliaͤner
beſtohlen.
ALs wir uns verſahen/ wir wuͤrden noch
lang vor Caſal liegen bleiben muͤſſen/
lachen wir nit nur in Zelten/ ſondern ihrer
viel bautten ihnen auch ſonſt Huͤtten aus
andern Materialien/ ſich deſto beſſer in die
Laͤnge zu behelffen; unter anderen Scha-
cherern befanden ſich zween Meylaͤnder im
Lager/ die hatten ihnen eine Huͤtte von
Brettern zugerichtet/ ihre Kauff manns-
Wahren deſto ſicherer darinn zu verwah-
ren/
[191] ren/ welche da beſtunde in Schuhen/ Stif-
feln/ Kollern/ Hemdern und ſonſt aller-
hand Kleidungen/ beydes vor. Officirer
und gemeine Soldaten zu Roß und Fuß;
dieſe thaͤten mir meines Bedunckens viel
Abtrag und Schaden/ indem ſie nemlich
von den Kriegs-Leuten allerhand Beu-
then von Silbergeſchmeid und Jubeln um
den halben: ja den vierten Theil ihres
Werths an ſich erhandelten/ welcher Gewiñ
mir zum Theil zukommen ware/ wann ſie
nit vorhanden geweſen; Solches nun ge-
dachte ich an ihnen aufs wenigſt zu wu-
chern/ weil in meiner Macht nit ſtunde/ ih-
nen das Handwerck gar niederzulegen.
Unten in der Huͤtten war die Behaltnus
ihrer Wahr/ und daſſelbige war auch zu-
gleich ihr Gaden/ oben auf dem Boden
aber unter dem Dach war ihr Liegerſtatt/
allwo ſie ſchlieffen; wohinauf ungefehr
ſieben oder acht Staffeln giengen; und
durch den Boden hatten ſie ein offenes Loch
gelaſſen/ und dadurch nicht allein deſto beſ-
ſer zu hoͤren/ wann etwan Mauſer ein-
braͤchen/ ſie zu beſtehlen/ ſondern auch ſolche
J ijDiebe
[192] Diebe mit Piſtolen zubewill kommen/ mit
welchen ſie trefflich verſehen waren; Als
ich nun ſelbſt wahrgenomen/ wie die Thuͤr
ohne ſonderlichen Rumor aufzumachen
waͤre/ machte ich meinen Anſchlag gar ge-
ring; Mein Spring-ins-felt muſte mir ei-
ne Welle ſcharpffer Doͤrner in Manns-
Laͤnge zuwegen bringen/ woran auch bey-
nahe ein Mann zu tragen hatte/ und ich fuͤl-
lete eine meſſene Spritze/ die eine Feldmaß
hielte/ mit ſcharpffem Eſſig; alſo verſehen/
giengen wir beyde an die gedachte Huͤtte/
als jedermann im beſten Schlaff war;
die Thuͤr in der Stille zu oͤffnen/ war mir
gar keine Kunſt/ weil ich zuvor alles fleiſſig
abgeſehen; und da ſolches vollbracht und
geſchehen/ ſtackte Spring-ins-felt die Dorn-
Well vor die Stiegen/ als welche vor ſich
ſelbſt keine Thuͤr hatte/ von welchem Ge-
raͤuſch beyde Jtaliaͤner erwachten/ und
zu rumpeln anfiengen; wir konnten uns
wohl einbilden/ daß ſie zum erſten zu obigen
Loch herunter ſchauen wuͤrden/ als-
dann auch geſchahe/ ich aber ſpritzte dem ei-
nen die Augen alſobald ſo voller Eſſig/ daß
ihm
[193] ihm ſeine Vorſichtigkeit in einem Augen-
blick vergieng/ der ander aber lieffe im
Hembd und Schlaffhoſen die Stiegen hin-
unter/ und wurde von der Dornwell ſo
unfreundlich empfangen/ daß er/ gleichwie
auch ſein Cammerrath/ in ſolcher unver-
ſehenen Begebenheit und groſſem Schre-
cken ſich nichts anders einbilden konnten/
alſo/ es waͤre eitel Zauberey und Teuffels-
Geſpenſt vorhanden; Jndeſſen hatte
Spring-ins-felt ein dutzet zuſam̃en gebun-
dene Reuter Koller erwiſcht/ und ſich da-
mit fort gemacht/ ich aber lieſſe mich mit ei-
nem Stuͤck Leinwath genuͤgen/ drehete mich
damit aus/ und ſchlug die Thuͤr hinter mir
wieder zu; die beyde Welſche alſo in ihrer
Anfechtung hinterlaſſen/ wovon der eine
ohne Zweiffel die Augen noch gewiſcht: der
ander aber noch mit ſeiner Dornwell zu
handeln gehabt haben wird.
Schaue Simplice, ſo konnte ichs! und
alſo habe ich den Spring-ins-felt nach und
nach abgerichtet; Jch ſtahle/ wie gehoͤret/
nicht aus Noth oder Mangel/ ſondern meh-
J iijren-
[194] rentheils darum/ damit ich mich an mei-
nen Widerwaͤrtigen revangiren moͤchte/
Spring-ins-felt aber lernete in deſſen die
Kunſt und kam ſo meiſterlich in die Griff/
daß er ſich unterſtanden haͤtte/ alles zu
mauſſen/ es waͤre dann gar mit Ketten an
das Firmament gehaͤfftet geweſen/ und ich
lieſſe ihn ſolches auch treulich genieſſen/
dann ich goͤnnete ihm/ daß er einen eigenen
Saͤckel haben: und mit dem halben geſtoh-
lenen Gut (maſſen wir ſolche Eroberungen
miteinander theilen/ thun und handeln
doͤrffte/ was er wolte; Weil er aber treff-
lich auf das Spielen verpicht war/ ſo
kam er ſelten zu groſſem Gelt/ und wann er
gleich zu Zeiten den Anfang zu einer ziemli-
chen Summa zu wegen brachte/ ſo verblieb
er jedoch die Laͤnge nicht in Poſſeſſion, ſinte-
mal ihm ſein unbeſtaͤndig Gluͤck das Fun-
dament zum Reichthum durch den unbe-
ſtaͤndigen Wuͤrffel jederzeit wieder hinweg
zwackte; Jm uͤbrigen verblieb er mir gantz
getreu und gehorſam/ alſo/ daß ich mir auch
keinen beſſeren Sclaven in der gantzen Welt
zu finden getrauet haͤtte; Jetzt hoͤre auch
was
[195] was er damit verdienet/ wie ich ihm geloh-
net/ und wie ich mich endlich wieder von
ihm geſchieden.
DasXXI.Capitel.
Erzaͤhlung eines Treffens/ welches
im Schlaff vorgangen.
KUrtz zuvor/ ehe Mantua von den Un-
ſrigen eingenommen wurde/ muſte un-
ſer Regiment von Caſal hinweg (und auch
in die Mantuaniſche Belaͤgerung/ daſelb-
ſten lieffe mir mehr Waſſer auf meine
Muͤhl/ als in dem vorigen Laͤger/ dann
gleich wie alldorten mehr Volck war/ ſon-
derlich Teutſche/ alſo bekame ich auch
mehr Kunden und Kunden-Arbeit/ davon
ſich mein Gelt-Hauffen wieder ein merck-
liches geſchwinder vergroͤſſerte; So/ daß
ich etlichmal Wexel nach Prag und an-
derswohin in die Teutſche Reichs-Staͤdte
uͤbermachte; bey welcher gluͤcklichen Pro-
ſperitaͤt: groſſen taͤglichen Gewinn und
J jvgenug-
[196] genugſamen Uberfluß/ deſſen ich und mein
Geſindel genoſſen/ da ſonſt mancher Hun-
ger und Mangel leiden muſte/ mein
Spring-ins-felt anfienge/ allerdings das
Junckern Handwerck zutreiben; Er wol-
te eine taͤgliche Gewonheit daraus machen/
nur zu freſſen und zu ſauffen/ zu ſpielen und
zu ſpatzieren zu gehen und zu faullentzen und
lieſſe allerdings die Handelſchafft der Mar-
quedenterey: und die Gelegenheiten ſon-
ſten irgends etwas zuerſchnappen/ ein gut
Jahr haben/ uͤber das hatte er auch etliche
ungerathene und verſchwenderiſche Cam-
merrathen an ſich gehenckt/ die ihn verfuͤhr-
ten/ und zu allem dem jenigen untuͤchtig
machten/ worzu ich ihn zu mir genommen/
und auf allerley Art und Weiſe abgefuͤh-
ret hatte; Ha! ſagten ſie/ biſt du ein Mañ/
und laͤſſt deine Hur beydes uͤber dich und
das Deinige Meiſter ſeyn? Es waͤre noch
genug/ wann du ein boͤſes Eheweib haͤtteſt/
von deren du dergleichen leiden muͤſteſt;
Wann ich in deinem Hembd verborgen
ſtaͤcke/ ſo ſchlaͤg ich ſie/ biß ſie mir parirte/ odeꝛ
jagte ſie vor aller Teuffel hinweg/ ꝛc. Sol-
ches
[197] ches alles vernahm ich bey Zeiten/ mit
groſſem Unwillen und Verdruß/ und ge-
dacht auf Mittel und Weg/ wie ich meinen
Spring-ins-felt moͤchte ins Feld ſpringen
machen/ ohne daß ich mich im geringſten
etwas dergleichen gegen ihm oder ſeinem
Anhang haͤtte vermercken laſſen; Mein
Geſind (darunter ich auch vier ſtarcke Tre-
mel zu Knechten hatte) war mir getreu
und auf meiner Seiten; alle Officierer
des Regiments waren mir uͤbel gewogen!
der Obriſt ſelbſt wolte mir wohl und die
Obriſtin noch viel beſſer/ und ich verbande
mir alles noch mehrers mehrers mit Ver-
ehrungen wo ich vermeinte/ daß ich Huͤlff
zu meinem kuͤnfftigen Haußkrieg zu hoffen
haͤtte/ deſſen Ankuͤndigung ich ſtuͤndlich von
meinem Spring-ins-felt gewaͤrtig war.
Jch wuſte wol/ daß der Mann/ welchen
mir Spring-ins-felt aber nur pro forma
repræſentiren muſte (das Haubt meiner
Marquedenterey darſtellte/ und daß ich un-
ter dem Schatten ſeiner Perſon in meiner
Handelſchafft agirte; auch daß ich bald
ausgemarguedentert haben wuͤrde/ wann
J vein
[198] ein ſolches Haupt mir mangelte/ derohal-
ben gieng ich gar behutſam; Jch gab ihm
taͤglich Gelt/ beydes zu ſpielen und zu pan-
quetiren/ nicht/ daß ich die Beſtandigkeit
ſeiner vorigen Verhaltung beſtaͤttigen wol-
len/ ſondeꝛn ihn deſto kirrer/ verwegener und
ausgelaſſener gegen mir zu machen/ damit
er ſich dardurch verplumpen: und durch
ein rechtſchaffenes grobianiſches Stuͤckel
dem Beſitz meiner und des Meinigen ſich
unwuͤrdig machen/ mit einem Wort/ daß
er mir Urſach geben ſolte/ mich von ihme
zu ſcheiden; dann ich hatte allbereit ſchon
ſo viel zuſammen geſchunden und verdie-
net/ zumahlen auch anderwertshin in
Sicherheit gebracht/ daß ich mich weder
um ihn noch die Marquedenterey; ja um
den gantzen Krieg und was ich noch dariñ
kriegen und hinweg nehmen konte/ wenig
mehr bekuͤmmerte.
Aber ich weiß nicht/ ob Spring-ins-felt
das Hertz nicht hatte/ ſeinen Cammerathen
zu folgen/ um die Oberherrſchafft offentlich
von mir zu begehren/ oder ob er ſonſt in er-
zehltem ſeinem liederlichen Leben unacht-
ſamer
[199] ſamer Weiß fortfuhre? Dann er ſtellte ſich
gar freundlich und demuͤtig/ und gab mir
niemalen kein ſauern Blick/ geſchweige ein
boͤſes Wort! Jch wuſte ſein Anliegen wohl/
worzu ihn ſeine Cammerrathen verhetzt hat-
ten. Jch konte aber aus ſeinen Wer-
cken nicht ſpuͤren/ daß er etwas dergleichen
wider mich zu unterſtehen bedacht geweſen
waͤre; doch ſchickte ſichs endlich wunder-
barlich/ daß er mich offendirte/ weſſentwe-
gen wir dañ/ es ſey ihm nun gleich lieb oder
leid geweſen/ von einander kamen.
Jch lag einsmals neben ihm und ſchlieff
ohne alle Sorg/ als er eben mit einem
Rauſch heimkommen war; Sihe/ da ſchlug
er mich mit der Fauſt von allem Kraͤfften
ins Angeſicht/ daß ich nicht allein darvon
erwachte/ ſondern das Blut lieffe mir auch
haͤuffig zum Maul und der Naſen heraus/
und wurde mir von ſelbigem Straͤich ſo
toͤrmiſch im Kopff/ daß mich noch wunder
gibt/ daß er mir nit alle Zaͤn in Hals geſchla-
gen; da kan man nun wohl erachten und
abnehmen/ was ich ihm vor eine andaͤchtige
J vjLete-
[200] Leteney vorbetete/ ich hieſſe ihn einẽ Moͤrder
und was mir ſonſt noch mehr von derglei-
chen erbaren Titul ins Maul kommen; Er
hingegen ſagte/ du Hundsf. warum laͤſſeſt
du mir mein Gelt nicht? Jch hab es ja red-
lich gewonnen! und wolte noch immer
mehr Stoͤſſe hergeben/ alſo/ daß ich zu ſchaf-
fen hatte/ mich deren zuerwehren/ maſſen
wir beede im Bette aufrecht zuſitzen kamen/
und gleichſam anfiengen miteinander zu
ringen; und weil er noch fort und fort Gelt
von mir haben wolte/ gabe ich ihm eine kraͤf-
tige Ohrfeigen: die ihn wieder niderlegte;
ich aber wiſcht zum Zelt hinaus/ und hatte
ein ſolches Lamentiren/ daß nit nur meine
Mutter und uͤbriges Geſind: ſondern auch
unſere Nachbaren davon erwachten/ und
aus ihren Huͤtten und Gezelten hervor kro-
chen/ und zuſehen/ was da zuthun oder ſonſt
vorgangen waͤre/ daſſelbe waren lauter
Perſonen vom Stab/ als welche gemei-
niglich hinter die Regimenter zu den Mar-
quedenter logirt/ werden nemlich der Ca-
plan Regiments-Schultheiß/ Regiments-
Quartiermeiſter/ Proviantmeiſter/ Pro-
voß
[201] voß/ Hencker/ Hurenwaͤibel und derglei-
chen/ denen erzehlet ich ein langs und ein
breits/ und der Augenſchein gab auch/ wie
mich mein ſchoͤner Mann/ ohne einige
Schuld und Urſach tractirt; mein ange-
hender Milchweiſſer Buſem/ war uͤberall
mit Blut beſprengt/ und des Spring-ins-
felts unbarmhertzige Fauſt/ hatte mein An-
geſicht/ welches man ſonſt niemahlen ohne
luſtreitzende Lieblichkeiten geſehen/ mit einem
eintzigen Streich ſo abſcheulich zugerichtet/
daß man die Courage ſonſt nirgends bey/
als an ihrer erbaͤrmlichen Stimme kenne-
te/ ahnangeſehen niemands vorhanden
war/ der ſie anderwerts jemahlen haͤtte kla-
gen hoͤren; man fragte mich um die Urſach
unſerer Uneinigkeit und daraus erfolgten
Schlacht/ weil ich nun allen Verlauff er-
zehlte/ vermeynte der gantze Umſtand/
Spring-ins-felt muͤſte unſinnig worden
ſeyn: Jch aber glaubte/ er habe dieſes Spiel
aus Anſtifftung ſeineꝛ Cammerrathen und
Sauffbruͤder angefangen/ um mir erſtlich
hinter die Hoſen: zweytens hinter die Ober-
herrlichkeit/ und letzlich hinter meines vie-
J vijlen
[202] len Gelts zu kommen; Jndem wir nun ſo
miteinander bappelten/ und etliche Weiber
umgiengen/ mir das Blut zu ſtellen/ gra-
belte Spring-ins-felt auch aus unſerem
Zelt; Er kam zu uns zum Wacht-Feuer/
das bey des Obriſten Bagage brande/ und
wuſte bey nahe nicht Wort genug zu erſin-
nen und vorzubringen/ mich und jeder-
man wegen ſeines begangenen Fehlers
um Verzeihung zu bitten; es mangelte we-
nig/ daß er nicht vor mir auf die Knie nie-
derfiel/ um Vergebung und die vorige
Huld und Gnad wieder von mir zu erlan-
gen/ aber ich verſtopffte die Ohren/ und wol-
te ihn weder wiſſen noch hoͤren/ biß endlich
unſer Obriſt Leutenant von der Rund dar-
zu kam/ gegen welchen er ſich erbotten/ ei-
nen leiblichen Ayd zu ſchweren/ daß ihm
getraͤumt haͤtte/ er waͤre auf dem Spielplatz
geſeſſen/ allwo ihm einer um eine zimliche
Schantz auf dem Spiel geſtandenen Gelts
unrecht thun wollen/ gegen welchem er
deßwegen geſchlagen/ und wider ſeinen
Willen und Meynung/ ſeine liebe un-
ſchuldige Frau im Schlaaf getroffen: Der
Obriſt
[203] Obriſt Leutenant war ein Cavallier/ der
mich und alle Huren wie die Peſt haſſte/
hingegen aber/ meinem Spring-ins-felt nit
ohngewogen war/ derowegen ſagte er zu
mir/ ich ſolte mich wieder mit ihm alſobald
in die Zelt packen/ und das Maul hal-
ten/ oder er wolte mich zum Provoſen ſe-
tzen/ und wohl gar/ wie ich vorlaͤng-
ſten verdient/ mit Ruthen aushauen
laſſen.
Potz Blech/ das iſt ein herber Sententz/
dieſer Richter nicht viel/ (gedachte ich bey
mir ſelber) aber es ſchadet nichts; biſt du
gleich Obriſt Leutenant/ und beydes vor
meiner Schoͤnheit und meinen Verehrun-
gen Schußfrey/ ſo ſeynd doch andere/ und
zwar deren mehr/ als deiner/ die ſich gar
gern dadurch beruͤcken laſſen/ mir Recht zu
geben; Jch ſchwieg ſo ſtill/ wie ein Meu-
ſel/ mein Spring-ins-felt aber auch;
Als dem er ſagte/ wann er noch mehr-
mahl ſo kommen wuͤrde/ ſo wolte er ihn bey
Tag auf einmahl dergeſtalt ſtraffen/ um
das was er bey Nacht zu zweyen mahlen
gegen
[204] gegen mir geſuͤndigt/ daß er gewißlich das
dritte mahl nicht wieder kommen wuͤrde;
uns beyden zugleich aber/ ſagte er/ wir
ſolten den Frieden machen/ ehe die Sonne
aufgieng/ da mit er den kuͤnfftigen Morgen
kein Urſach haͤtte/ uns einen Taͤtigsmann
zu geben/ aber uͤber deſſen procedere wir
uns hinter den Ohren zu kratzen/ wuͤrden
Urſachen haben. Alſo giengen wir wieder
miteinander zu Bette und hatten beydeꝛſeits
unſere Stoͤſſe/ maſſen ich dem Spring-ins-
felt ſo wenig gefeyret/ als er mir; Er be-
kraͤfftigt noch als ſeinen gehabten Traum
mit groſſen Schwuͤren/ ich aber behauptete/
daß alle Traͤume falſch waͤren/ derentwe-
gen ich aber nichts deſtoweniger keine fal-
ſche Maulſchelle bekommen; Er wolte mit
den Wercken ſeine Liebe bezeugen/ aber der
empfangene Streich/ oder vielmehr/ daß ich
ſeiner gern loß geweſt waͤre/ entzogen ihm
bey mir alle Willfaͤhrigkeit; Ja ich gab
ihm auch den andern Tag nicht allein kein
Gelt mehr zum Spielen/ ſondern auch
zum Sauffen/ und ſonſt wenig guter Wort/
und damit er mir nicht hinder die Batzen
kaͤme/
[205] kaͤme/ die ich noch bey mir behalten/ unſer
Handelſchafft damit zu treiben/ verbarg ich
ſolche hinter meine Mutter/ welche ſolche
ſo Tags ſo Naches wohl eingenaͤhet/ auf
ihrem bloſen Leib tragen muſte.
DasXXII.Capitel.
Aus was Urſachen Spring-ins-felt
und Courage ſich geſcheiden/ und woꝛ-
mit ſie ihn zur Letze begabt.
GLeich nach dieſer unſerer naͤchtlichen
Schlacht/ ſtunde es wenig Zeit an/
daß Mantua mit einem Kriegs-Poſſen
eingenommen wurde/ ja der Fried ſelbſt
zwiſchen den Roͤm. Kaͤyſerl. und Frantzo-
ſen: zwiſchen den Hertzogen von Sophoia
und Nivers folgte ohnlaͤngſt hernach;
gleichſam als wann der welſche Krieg mit
unſern Treffen haͤtte geendigt werden muͤſ-
ſen; und eben deswegen giengen die Fran-
tzoſen/ aus Savoya und ſtuͤrmeten wieder
in Franckreich/ die Kaͤyſerl. Voͤlcker aber
in Teutſchland/ zuſehen was der Schwed
machte;
[206] machte; mit denen ich dann ſo wohl fort-
ſchlendern muſte/ als wann ich auch ein
Soldat geweſen waͤre; Mir murrten/
uns entweder zu erfriſchen/ oder weil die ro-
the Ruhr und die Peſt ſelbſt unter uns re-
gierte/ an einem Ort in den Kaͤyſerlichen
Erblanden/ etliche Wochen an die Thonau
ins freye Feld mit unſerem Regiment lo-
girt/ da es mir bey weitem nicht ſolche Be-
quemlichkeiten ſetzte/ wie in dem edlen Jta-
lia! doch behalffe ich mich ſo gut als ich
konte/ und hatte mit meinem Spring-
ins-felt/ (weil er mehr als eine Hunds-
Demuth gegen mir verſpuͤhren lieſe) den
Frieden wiederum/ doch nur pro forma,
geſchloſſen; dann ich laurete taͤglich auf
Gelegenheit/ vermittelſt deren ich ſeiner loß
werden moͤchte.
Solcher mein inniglicher Wunſch wie-
derfuhre mir folgender Geſtalt/ welche Be-
gebenheit genugſam bezeuget/ daß ein
vorſichtiger/ verſtaͤndiger/ ja unſchuldi-
ger Mann/ dem wachend und nuͤchtern/
weder Weib/ Welt/ noch der Teuffel ſelbſt
nicht zukommen kan/ gar leichtlich durch
ſeine
[207] ſeine eigene bloͤde Gebrechlichkeit/ ſchlaff-
und weintrunckener Weiß/ in alles Unheil
und Ungluͤck geſtuͤrtzt: und alſo um alles
ſein Gluͤck und Wohlfarth gebracht wer-
den mag.
Gleichwie nun aber ich in meinem Ge-
muͤth/ auch um die allergeringſte Schmach
und vermeinte zugefuͤgte Unbillichkeit/
gantz rachgierig und unverſoͤhnlich war/
als erzeigte ſich auch mein Leib/ wann
er im geringſten verletzt wuͤrde/ gleichſam
gantz unheilſam; nicht weiß ich/ ob derſel-
be dem Gemuͤth nachaͤhmte/ oder ob die Zaͤr-
te meiner Haut und ſonderbahren comple-
xion, ſo grobe Stoͤfe/ wie ein Saltzburger
Holtzbauer nicht ertragen koñte; einmahl/
ich hatte meine blaue Fenſter/ und von
Spring-ins-felts Fauſt/ die Waarzeichen
noch in meinem ſonſt zarten Angeſicht/
die er mir im Lager vor Mantua einge-
traͤnckt/ da er mich in obbemelten Lager
an der Thonau/ als ich abermahl mit-
ten im beſten Schlaff lag/ bey der Mit-
ten kriegte/ auf die Achſel nahm/ mit
mir alſo im Hembd/ wie er mich erdappt
gehabt/
[208] gehabt/ gegen des Obriſten Wachtfeuer
zulieffe/ und mich allen Anſehen nach/
hinweg werffen wolte; Jch wuſte/ nach-
dem ich erwachte/ zwar nicht wie mir ge-
ſchahe/ aber gleichwohl merckte ich meine
Gefahr/ da ich mich gantz nackend befan-
de/ und den Spring-ins-felt mit mir ſo
ſchnell gegen dem Feuer zueilen ſahe; dero-
wegen fienge ich an zu ſchreyen/ als wann
ich mitten unter die Moͤrder gefallen waͤre/
davon erwachte alles im Laͤger/ ja der
Obriſt ſelbſt/ ſprang mit ſeiner Partiſon
aus ſeiner Zelten/ und andere Officier
mehr/ welche kamen/ der Meynung/ ei-
nen entſtandenen groſſen Lermen zu ſtil-
len (dann wir hatten damahls gantz kei-
ne Feinds-Gefahr) ſondern aber nichts
anders als ein ſchoͤnes laͤcherliches Einſe-
hen/ und naͤrriſches Spectacul/ ich glau-
be auch/ daß es recht artlich und kurtzwei-
lig anzuſehen geweſen ſeyn muß; die Wacht
empfinge dem Spring-ins-felt mit ſeiner
unwilligen und ſchreyenten Laſt/ ehe er
dieſelbige ins Feuer werffen konte/ und als
ſie ſolche nackend ſahen/ und vor ſeine Cou-
rage
[209]rage erkanten; war der Corporal ſo ehelie-
bend/ mir einen Mantel um den Leib zu
werffen; Jndeſſen kriegten wir einen Um-
ſtand von allerhand hohen und niedern Of-
ficiern/ der ſich ſchier zu tod lachen wolte/
und welchem nicht allein der Obriſt ſelbſt/
ſondern auch der Obriſte Leutenant gegen-
waͤrtig war/ der allererſt neulich den Frie-
den zwiſchen mir und dem Spring-ins-felt
durch Drohung geſtifftet hatte
Als indeſſen Spring-ins-felt ſich wieder
witzig ſtellte/ oder (ich weis ſelbſt ſchier nit/
wie es ihm ums Hertz war) als er wieder
zu ſeinen ſieben Sinnen kommen; fragte
ihn der Obriſte/ was er mit dieſer Gugelfuhr
gemeint haͤtte? da antwortet er/ ihm haͤtte
getraͤumt/ ſeine Courage waͤre uͤberall mit
gifftigen Schlangen umgeben geweſen/
derowegen er ſie ſeinem Einfall nach/
zu erretten und davon ſich befreyen/ ent-
weder in ein Feuer oder Waſſer zu tragen/
vors beſte gehalten/ haͤtte ſie auch zu
ſolchem Ende aufgepackt/ und waͤre/ wie ſie
alle vor andern ſehen/ alſo mit ihr da-
her kommen/ welches ihm mehr als von
Grund
[210] Grund ſeines Hertzens leid ſeye; Aber bey-
des der Obriſt ſelbſt/ und der Obriſt Leute-
nant/ der ihn vor Mantua beygeſtanden/
ſchuͤtteln die Koͤpff daruͤber/ und lieſen ihn/
weil ſich ſchon jederman ſatt genug gelacht
hatte/ vor die lange Weil zum Profoſen
fuͤhren/ mich aber in mein Gezelt gehen/ vol-
lents auszuſchlaffen.
Dem folgenden Morgen gieng unſer
Proceß an/ und ſolte auch gleich ausge-
hen/ weil ſie im Krieg nicht ſo lang zu
wehren pflegen/ als an einigen Orten im
Frieden; Jederman wuſte zuvor wohl/
daß ich Spring-ins-felts Ehefrau nicht
war/ ſondern nur ſeine Matreß/ und deſ-
ſentwegen bedorfften wir auch vor kein
conſiſtorium zu kommen/ um uns ſcheiden
zu laſſen/ welches ich begehrte/ weil ich
im Bette meines Lebens bey ihm nicht
ſicher war/ und eben deſſentwegen hatte
ich einen Beyfall ſchier von allen aſſeſſori-
bus, die davor hielten/ daß ein ſolche
Urſach/ auch eine rechte Ehe ſcheiden koͤnte;
der Obriſt Leutenant ſo vor Mantua gantz
auf Spring-ins-felts Seiten geweſen/ war
jetzt
[211] jetzt gantz wider ihn/ und die uͤbrige vom
Regiment ſchier alle auf meiner Seiten:
Demnach ich aber mit meinem Contract
ſchrifftlich hervor kam/ was Geſtalt wir
beyſammen zu wohnen/ einander verſpra-
chen/ biß zur ehrlichen Copulation/ zu-
mahlen meine Lebens-Gefahr die ich kuͤnff-
tig bey einem ſolchen Ehegatten zn ſorgen
haͤtte/ trefflich aufzumutzen und vorzuſchuͤ-
tzen wuſte/ fiel endlich der Beſcheid/ daß
wir bey gewiſſer Straffe voneinander ge-
ſcheiden: und doch verbunden ſeyn ſolten/
uns um das jenig ſo wir miteinander er-
rungen und gewonnen/ zuvergleichen; Jch
replicirte hingegen/ daß ſolches letzte wi-
der den Accord unſerer erſten Zuſammen-
Fuͤgung lauffe/ und daß Spring-ins-felt
ſeyt er mich bey ihm haͤtte/ oder teutſcher zu
reden/ ſeyt ich ihn zu mir genommen und
die Marquedenterey angefangen/ mehr
verthan als gewonnen haͤtte/ welches ich
dann mit dem gantzen Regiment beweiſen
und darthun koͤnte; Endlich hieſe es/
wann der Vergleich nach Billigkeit ſolcher
Umſtaͤnde zwiſchen uns beeden ſelbſt nicht
guͤtlich
[212] guͤtlich getroffen werden koͤnte/ daß als-
dann nach befindenden Dingen von dem
Regiment ein Urthel geſprochen werden
ſolte.
Jch lieſe mich mit dieſem Beſcheid mehr
als gern genuͤgen/ und Spring-ins-felt lie-
ſe ſich auch gern mit einem geringen beſchla-
gen/ dann weil ich ihn und mein Geſind
nach dem eingehenden Gewinn: und alſo
nit mehr wie in Jtalia tractirte/ alſo daß es
ſchiene/ als ob der Schmalhans bey uns
anklopffen wolte; vermeinte der Geck/ es
waͤre mit meinen Gelt auf der Neige/ und
bey weitem nicht mehr ſo viel verhanden/
als ich noch hatte/ und er nicht wuſte! und
es war billich/ daß ers nicht wuſte/ dann er
wuſte ja auch nicht/ warum ich damit ſo
halsſtarrig zu ruck hielte.
Eben damals/ Simplice, wurde das Re-
giment Tragoner/ darunter du etwan zu
Soeſt dein a. b. c. gelernet haſt/ durch al-
lerhand junge Burſch/ die ſich hin und
wieder bey den Officiern der Regimenter
zu Fuß befanden/ und nun erwachſen
waren/
[213] waren/ aber keine Mußquetierer werden
wolten/ verſtaͤrckt; welches eine Gelegen-
heit vor den Spring-ins-felt war/ weſſent-
wegen er ſich auch mit mir in einen deſto
leidenlichern Accord einlieſe; den wir auch
allein miteinander getroffen; ſolcher Ge-
ſtalt; Jch gab ihm das beſte Pferd das ich
hatte/ ſamt Sattel und Zeug; Jtem/ einhun-
dert Ducatẽ paar Gelt/ und das dutzet Reu-
ter-Koller/ ſo er in Jtalia durch meine An-
ſtalt geſtohlen; dann wir hatten uns biß-
her nicht doͤrffen ſehen laſſen; damit wurde
auch eingedingt/ daß er mir zugleich mei-
nen Spiritus famil, um eine Cron abkauſ-
fen ſolte/ welches auch geſchahe; und
in ſolcher Maaß habe ich den Spring-
ins-felt abgeſchafft und ausgeſteuret/ jetzt
wirſt du auch bald hoͤren/ mit was vor ei-
ner feinen Gab ich dich ſelbſt beſeeligt:
und deiner Thorheit im Sauerbrunnen
belohnet hab; habe nur eine kleine Ge-
dult/ und vernimm zuvor/ wie es dem
Spring-ins-felt mit ſeinen Ding im
Glaß gangen.
KSo bald
[214]
So bald er ſolches hatte/ bekam er
Wuͤrm uͤber Wuͤrm/ im Kopff; wann
er nur einen Kerl anſahe/ der ihme ſein
Tage niemahl nichts Leids gethan/ ſo
haͤtte er ihn gleich an Hals ſchlagen moͤ-
gen; und er ſpielte auch in allen ſeinen Du-
ellen dem Meiſter! Er wuſte alle verborge-
ne Schaͤtze zu finden; und andere Heimlich-
keiten mehr/ hier ohnnoͤthig zu melden;
Demnach er aber erfuhre/ was vor einen
gefaͤhrlichen Gaſt er herbergte/ trachtet
er ſeiner loß zu werden/ er konte ihn aber
drum nicht wieder verkauffen/ weil der
Satz oder der Schlag ſeines Kauffſchil-
lings aufs Ende kommen war/ ehe er nun
ſelbſt Haar laſſen wolte/ gedachte er mir
denſelbigen wiedeꝛ anzuhencken/ und zu ruck
zu geben/ wie er mir ihn dann auch auf
dem General Rendevous, als wir vor Re-
genſpurg ziehen wolten/ vor die Fuͤſſe warff/
ich aber lachte ihn nur aus/ und ſolches
zwar nicht darum vergebens/ dann ich
hube ihn nicht allein nicht auf/ ſondern
da Spring-ins-felt wieder in ſein Quar-
tier kam/ da fande er ihn wieder in
ſeinen
[215] ſeinem Schubſack; ich hab mir ſagen laſ-
ſen/ er habe den Bettel etlichmahl in die
Thonau geworffen/ ihn aber alleweg wie-
der in ſeinem Sack geſunden; diß er
endlich denſelbigen in einen Bachofen ge-
worffen/ und alſo ſeiner loß worden; Jn-
deſſen er ſich nun ſo hiermit ſchleppte/
wurde mir gantz ungeheuer bey der Sach/
derowegen verſilberte ich was ich hatte/
ſchaffte mein Geſind ab/ und ſetzte mich
mit meiner Boͤhmiſchen Mutter nach Paſ-
ſau/ vermittelſt meines vielen Gelts des
Kriegs Ausgang zu erwarten; ſintemahl
ich zu ſorgen hatte/ wann Spring-ins-
felt ſolches Kauffs und Verkauffs hal-
ber/ uͤber mich klagen wuͤrde/ daß mir
alsdann als einer Zauberin/ der
Proceß gemacht werden
doͤrffte.
K ijDas
[216]
DasXXIII.Capitel.
WieCourageabermahl einen Mañ
verlohren/ und ſich darnach gehal-
ten habe.
ZU Paſſau ſchlug es mir bey weitem
nicht ſo wohl zu/ als ich mich verſehen
hate/ es war mir gar zu Pfaͤffiſch/ und zu
andaͤchtig/ ich haͤtte lieber an Statt der
Nonnen/ Soldaten: oder an Statt der
Moͤnche/ einige Hoffburſch dort ſehen moͤ-
gen/ und gleichwohl verharrete ich daſelb-
ſten/ weil damahls nicht nur Boͤhmen/ ſon-
dern auch faſt alle Provintzen des Teutſch-
landes mit Krieg uͤberſchwaͤmt waren;
Jndem ich nun ſahe/ daß alles der Got-
tesforcht daſelbſt zugethan zu ſeyn ſchiene;
accommodirte ich mich gleichfalls aufs
wenigſt aͤuſſerlich nach ihrer Weiß und Ge-
wonheit; und was mehr iſt/ ſo hatte mei-
ne Boͤhmiſche Mutter oder Coſtfrau/ das
Gluͤck/ daß ſie an dieſem andaͤchtigen Ort
und der Glantz der angenommenen Gottſe-
lig-
[217] ligkeit/ und den Weg aller Welt gieng/
welche ich dann auch anſehenlicher begra-
ben lieſe/ als wann ſie zu Prag/ bey S. Ja-
cobs Thor geſtorben waͤre. Jch hielte es
vor ein Omen meiner kuͤnfftigen Ungluͤck-
ſeeligkeit/ weil ich nunmehr niemanden
auf der Welt mehr hatte/ dann ich mich
und das Meinige rechtſchaffen haͤtte ver-
trauen moͤgen; und derentwegen haſſte ich
den unſchuldigen Ort/ darinn ich meiner
beſten Freundin/ Seugammen und Aufer-
zieherin war beraubt worden; doch patien-
tirt ich mich daſelbſt/ biß ich Zeitung bekam/
daß der Wallenſteiner Prag/ die Haubt-
Stadt meines Vatteꝛlands eingenommen/
und wiederum in des Roͤm. Kaͤyſers Ge-
walt gebraͤcht; dann auf ſolche erlangte
Zeitung/ und weil der Schwed zu Moͤn-
chen und in gantz Baͤyern dominirt/ zu-
mahlen in Paſſau ſeinetwegen groſſe
Forcht war/ machte ich mich wieder in be-
ſagtes Prag/ wo ich mein meiſtes Gelt lie-
gen hatte.
Jch war aber kaum dort eingeniſtelt/
ja ich hatte mich noch nicht recht daſelbſt
K iijgeſetzt/
[218] geſetzt/ mein zuſammengeſchundenes Gelt
und Gut im Frieden: und meinem Be-
duncken nach in einer ſo groſſen und dan-
nenhero auch meinem Vermuthen nach/
ſehr ſichern Statt/ wolluſtbarlich zu ge-
nieſſen; ſihe/ da ſchlug der Arnheim die
Kaͤyſerl bey Lignitz/ und nachdem er da-
ſelbſt 53 Faͤhnlin erobert/ kam er Prag
zu aͤngſtigen; Aber der Allerdurchleuch-
tigſt dritte Ferdinand/ ſchickte ſeiner
Stadt (als er ſelbſten Regenſpurg zuſetz-
te) den Gallas zu Huͤlffe/ durch welchen
Succurs die Feinde nicht allein Prag/
ſondern auch gantz Boͤhmen widerum zu
zu verlaſſen/ genoͤthigt wurden.
Damahl ſahe ich daß weder die groſſe
und gewaltige Staͤdte nach ihrer Wahl
Thuͤrn/ Mauren und Graͤben/ mich und
das Meinige vor der Kriegs-Macht der
jenigen die nur im freyen Feld/ in Huͤt-
ten und ſolten logiren/ und von einem Ort
zum andern ſchweiffen/ beſchuͤtzen koͤnte; de-
rowegen trachtet ich dahin/ wie ich mich
wiederum einem ſolchen Kriegsheer bey-
fuͤgen moͤchte.
Jch
[219]
Jch war damahl noch zimlich glatt und
annemlich/ aber gleichwohl doch bey wei-
tem nicht mehr ſo ſchoͤn als vor etlich Jah-
ren; Dannoch brachte mein Fleiß und
Erfahrenheit mir abermahl aus dem Gal-
laſchiſchen Succurs einen Haubtmann zu
wegen/ der mich ehelichte/ gleichſam/
als wann es der Stadt Prag Schuldig-
keit oder ſonſt ihr aͤigne Art geweſt waͤre/
mich auf allen Fall/ mit Maͤnnern/ und
zwar mit Haubtleuten zu verſehen; unſere
Hochzeit wurde gleichſam Graͤfflich ge-
halten/ und ſolche war kaum voruͤber/ als
wir Ordre kriegten/ uns zu der Kaͤyſerli-
chen Armada vor Noͤrdlingen zu begeben/
die ſich kurtz zuvor mit dem Hiſpaniſchen
Ferdinand/ Cardinal Infant conjungirt:
Donawerth eingenommen/ und Noͤrd-
lingen belagert hatte; dieſe nun kamen/
der Fuͤrſt von Weimar/ und Guſtavus
Horn zu entſetzen/ woruͤber es zu einer
blutigen Schlacht geriethe/ deren Ver-
lauff und darauf erfolgte Veraͤnderung
nicht vergeſſen werden wird/ ſo lang
die Welt ſtehet! Gleichwie ſie aber auf
K jvunſerer
[220] unſerer Seiten uͤberal gluͤcklich ablieffe/
alſo war ſie mir gleichſam allein ſchaͤdlich
und ungluͤckhafft/ indem ſie mich meines
Manns/ der noch kaum bey mir erwar-
met/ im erſten Angriff beraubte; uͤber
das/ ſo hatte ich nicht das Gluͤck/ wie
mir etwan hiebevor in anderen Schlach-
ten widerfahren/ vor mich ſelbſten/ und
mit meiner Hand Beuthen zu machen/
weil ich wegen anderer/ die mir vorgien-
gen/ ſo dann auch wegen meines Manns
allzufruͤhen Tod/ nirgends zukommen
konte; ſolches bedunckten mich eitel vor
Bedeutungen meines kuͤnfftigen Verder-
bens zu ſeyn/ welches dann die erſte Me-
lancholia/ die ich mein Tage rechtſchaffen
empfunden/ in meinem Gemuͤth verur-
ſachte.
Nach dem Treffen zertheilte ſich das
ſieghaffte Heer/ in unterſchiedliche Trop-
pen/ die verlohrne teutſche Provintze wie-
der zu gewinnen/ welche aber mehr rui-
nirt als eingenommen und behauptet wor-
den; Jch folgte mit dem Regiment/ dar-
under mein Mann gedienet/ dem jenigen
Corpo
[221]Corpo das ſich des Bodenſees und Wit-
tenberger Landes bemaͤchtigt/ und ergriffe
dardurch Gelegenheit in meines erſten
Hauptmanns (der mir hiebevor Parg
auch gegeben/ Hoya aber wieder genom-
men) Vatterland zu kommen/ und nach
ſeiner Verlaſſenſchafft zu ſehen; Allwo mir
daſſelbe Patrimonium und des Orts Gele-
genheit ſo wohl gefiehle/ daß ich mir dieſel-
bige Reichs-Stadt gleich zu einer Woh-
nung erwaͤhlete/ vornemlich darum/ weil
die Feinde des Ertzhauſes Oeſterreich/
zum Theil biß uͤber den Rhein: und an-
derwerts/ ich weiß als nit wohin/ verjagt
und zerſtreuet waren; alſo daß ich mir
nichts gewiſſers einbildete/ dann ich wuͤr-
de ihrentwegen mein Lebtage dort ſicher
wohnen; ſo mochte ich ohne das nicht wie-
der in Krieg/ weil nach dieſer nahmhaff-
ten Noͤrdlinger Schlacht/ uͤberall alles der-
geſtalt aufgemauſet wurde/ daß die
Kaͤyſerlichen wenige rechtſchaffene Beu-
ten/ meiner Muthmaſſung nach/ zu
hoffen.
K vDero-
[222]
Derowegen fienge ich an auf gut Baͤu-
riſch zu hauſen; ich kauffte Viehe und lie-
gende Guͤter/ ich dingte Knecht und
Maͤgd/ und ſchickte mich nit anderſt/
als wann der Krieg durch dieſe Schlacht
allerdings geendigt: oder als ob ſonſt der
Friede vollkommen beſchloſſen worden waͤ-
re; und zu ſolchem Ende lieſe ich alles
mein Gelt/ das ich zu Prag und ſonſt in
groſſen Staͤdten liegen hatte/ herzu kom-
men; und verwendete das meiſte hierzu an;
und nun ſihe Simplice, dergeſtalt ſeind
wir meiner Rechnung und deiner Le-
bens-Beſchreibung nach/ zu einer Zeit
zu Narren worden/ ich zwar bey den
Schwaben/ du aber zu Hanau; ich ver-
thaͤt mein Gelt unnuͤtzlich/ du aber dei-
ne Jugend/ du aber kameſt zu einem
ſchlechten Krieg/ ich aber bildet mir ver-
geblich eine Friedens-Zeit ein/ die noch
in weitem Feld ſtunde; dann ehe ich recht
eingewurtzelt war/ da kamen Durchzuͤg
und Winter-Quartier/ die doch die be-
ſchwerliche Contributiones mit nichten
aufhuben; und wann die Menge meines
Geles
[223] Gelts nicht zimlich groß: oder ich nicht
ſo witzig geweſen waͤre/ deſſen Beſitzung
weißlich zu verbergen/ ſo waͤre ich zeitlich
caput worden; dann niemand in der
Stadt ware mir hold/ auch meines ge-
weſenen Manns Freunde nicht/ weil ich
deſſen hinterlaſſene Guͤter genoſſe/ die ſonſt
ihnen erblich zugefallen waͤren/ wann
mich/ wie ſie ſagten/ der Hagel nicht
hingeſchlagen haͤtte; dannenhero wurde
ich mit ſtarcken Geltern belegt/ und nichts
deſtoweniger auch mit Einqnartierungen
nicht verſchonet; Es gieng mir halt wie
den Wittiben/ die von jederman verlaſ-
ſen ſeyn; aber ſolches erzehle ich dir dar-
um nicht klagender Weiß; begehre auch
deſſentwegen weder Troſt/ Huͤlff/ noch
Mitleiden von dir/ ſondern ich ſage
dirs darum/ daß du wiſſen ſolteſt/ daß
ich mich gleichwohl nicht viel deswegen
bekuͤmmerte/ noch betruͤbte/ ſondern daß
ich mich noch darzu freuete! wann wir ei-
nem Regiment muſten Winter-Quartier
geben; dann ſo bald ſolches geſchahe/
K vjmachte
[224] machte ich mich bey den Officiern zutaͤp-
piſch/ da war Tag und Nacht nichts
als Freſſen und Sauffen/ Huren und
Buben in meinem Hauſe/ ich lieſe mich
gegen ihnen an/ wie ſie wolten/ und
ſie muſten ſich auch hinwiderum/ wann
ſie nur einmahl angebiſſen hatten/ gegen
mir anlaſſen/ wie ichs haben wolte/ alſo
daß ſie wenig Gelt mit ſich aus dem
Quartier ins Feld trugen; Worzu ich
dann mehr als tauſenderley Foͤrtel zu
gebrauchen wuſte/ und trutz jederman/
der damahls etwas darwieder geſagt haͤtte;
Jch hielte allezeit ein paar Maͤgd/ die kein
Haar beſſer waren als ich/ gienge aber
ſo ſicher/ kluͤglich und behutſam damit um/
daß auch der Magiſtrat meine damahlige
liebe Obrigkeit/ ſelbſten mehr Urſach hat-
te/ durch die Finger zu ſehen/ als mich
deßwegen zu ſtraffen/ ſintemahl ihre
Weiber und Toͤchter/ ſo lang ich vor-
handen war/ und mein Netz ausſpan-
nen doͤrffte/ nur deſto laͤnger from ver-
blieben; dieß Leben fuͤhrete ich etliche
Jahr/
[225] Jahr/ ehe ich mich uͤbel dabey befande/ zu
welcher Zeit ich Jaͤhrlich gegen dem Som-
mer/ wann Mars wieder zu Felde gieng/
meinen Uberſchlag und Rechnung machte/
was mich denſelbigen Winter der Krieg
gekoſtet/ da ich dann gemeiniglich fande/
daß meine Proſperitaͤt und einnahm die
Ausgab meiner ſchuldigen Kriegs-Koſten
uͤbertroffen; aber Simplice, jetzt iſts an
dem/ daß ich dir auch ſage/ mit was vor ei-
ner Laugen ich dir gezwaget; Will derowe-
gen jetzt nicht mehr mit dir/ ſondern mit
dem Laſter reden; du magſt aber wohl auch
zuhoͤren/ und wann du vermeineſt/ daß ich
luͤge/ mir ohngehindert in die Rede fal-
len.
DasXXIV.Capitel.
WieSimpliciſſimusundCourage
Kundſchafft zuſammen bekommen
und einander betrogen.
WJr muſten in unſerer Stadt eine ſtar-
cke Beſatzung gedulten/ als die Chur-
Baͤyriſche und Frantzoͤſiſche/ Weymari-
K vijſche/
[226] ſche in der Schwaͤbiſchen Graͤntze einander
in den Haaren lagen/ und ſich zwackten;
uneer denſelbigen waren die meiſte Officie-
rer trefflich geneigt auf das jenige/ was ich
ihnen gern um die Gebuͤhr mitzutheilen
pflegte/ demnach ichs aber beydes aus groſ-
ſer Begierde des Gelts wider damit gewon-
nen/ als meiner eigenen unerſaͤttlichen Na-
tur halber gar zu grob machte/ und bey na-
he ohne Unterſchied zulieffe/ wer nur wolte;
Sihe/ da bekam ich das jenige/ was mir
bereits vor zwoͤlff oder funffzehen Jahren
rechtmaͤſſiger Weiſe gebuͤhret haͤtte/ nem-
lich die liebe Frantzoſen mit wohlgeneigter
Gunſt? Dieſe ſchlugen aus/ und begun-
ten mich mit Rubinen zu zieren/ als der lu-
ſtige und froͤliche Fruͤhlig den gantzen Erd-
boden mit allerhand ſchoͤnen wohlgezierten
Blumen beſetzte; geſund war mirs/ daß ich
Mittel genug hatte/ mich wiederum dar-
von curirn zu laſſen/ welches dann in ei-
ner Stadt am Bodenſee geſchahe; Weil
mir aber meines Medici Vorgeben nach/
das Gebluͤt noch nicht vollkommen gerei-
nigt geweſen/ da riethe er mir/ ich ſollte die
Saur-
[227] Saurbrunnen-Cur brauchen/ und alſo
meine vorige Geſundheit deſtovoͤlliger wie-
derum erholen; ſolchem zufolge/ ruͤſtet ich
mich aufs beſte aus/ mit einem ſchoͤnen Ca-
leſch/ zweyen Pferden/ einem Knecht/ und
einer Magd/ die mit mir vier Hoſen eines
Tuchs war/ auſſer/ daß ſie die obengemelte
luſtige Kranckheit noch nicht am Hals ge-
habt.
Jch war kaum acht Tag in Saurbrun-
nen geweſen/ als Herr Simplicius Kund-
ſchafft zu mir machte; dann gleich und
gleich geſellt ſich gern/ ſprach der Teuffel
zum Kohler; Jch trug mich gantz adelich/
und weil Simplicius ſo toll aufzoge und
viel Diener hatte/ hielte ich ihnen auch vor
einen dapffern Edelmann/ und gedachte/
ob ich ihm vielleicht das Seil uͤber die Hoͤr-
ner werffen und ihn (wie ich ſchon zum oͤff-
tern mehr practicirt) zu meinem Ehe-
Mann kriegen konte; Er kam meinem
Wunſch nach mit voͤlligem Wind in
den gefaͤhrlichen Port meiner ſattſamen
Begierden angeſeegelt/ und ich tractirte
ihn/ wie etwann die Circe den irrenden
Ulyſ-
[228]Uliſſem [...] und alſobald faſſte ich eine gewiſ-
ſe Zuverſicht/ ich haͤtte ihn ſchon gewiß an
der Schnur/ aber der loſe Vogel riſſe ſolche
entzwey/ vermittelſt eines Funds/ dar-
durch er mir ſeine groſſe Undanckbarkeit
zu meinen Spott und einen eigenen Scha-
den bezeugte; Sintemal er durch einen
blinden Piſtolen-Schuß und einer Waſſer-
Spritze voll Blut/ das er mir durch ein Se-
cret beybrachte/ mich glauben machte/ ich
waͤre verwundet/ weſſentwegen mich nicht
nur der Balbierer/ der mich verbinden ſol-
te/ ſondern auch faſt alles Volck in Saur-
brunnen hinten und fornen beſchauete/ die
nachgehends alle mit Fingern auf mich
zeigten/ ein Lied darvon ſangen/ und mich
dergeſtalt aushoͤneten/ daß ich den Spott
nicht mehr vertragen und erleiden konnte/
ſondern ich die Chur gar vollendet/ den
Saur-Brunnen mit ſamt dem Bad quit-
tirte.
Der Troff Simplex nennet mich in
ſeiner Lebens-Erzaͤhlung im 5. 3. Buch an
6. 4. Capitel leichtfertig/ Jtem/ ſagt er/
ich
[229] ich ſey mehr mobilis als nobilis geweſen/
ich gebe beydes zu/ wann er ſelbſt aber nobel
oder ſonſt ein gut Haar an ihm geweſen
waͤre/ ſo haͤtte er ſich an ſo keine leichtfertige
und unverſchaͤmte Dirne/ wie er mich vor
eine gehalten/ nicht gehaͤnckt/ vielweniger
ſeine eigene Unehr/ und meine Schand
alſo vor der gantzen Welt ausgebreitet und
ausgeſchrien; Lieber Leſer! was hat er jetzt
vor Ehr und Ruhm darvon/ daß er (da-
mit ſeine eigene Wort gebrauche) in kurtzer
Zeit einen freyen Zutritt und alle Ver-
gnuͤgung/ die er begehren und wuͤnſchen
moͤgen/ von einer Weibs-Perſon erhalten/
vor deren Leichtfertigkeit er ein Abſcheuen
bekommen? Ja von deren/ die noch kaum
der Holtz-Cur entronnen? Der arme
Teuffel hat eine gewaltige Ehre darvon/
ſich deſſen zu ruͤhmen/ welches er mit beſſe-
ren Ehren billich haͤtte verſchweigen ſol-
len; Aber es gehet dergleichen Hengſten
nicht anderſt/ die/ wie das unvernuͤnfftige
Viehe/ einem jedwedern geſchleyerten
Thier wie der Jaͤger jeden einem Stuͤck
Wild nachſetzen; Er ſagt/ ich ſeye glatt-
haͤrig
[230] haͤrig geweſen! da muß er aber wiſſen/
daß ich damals den ſiebenzehenden Theil
meiner vorigen Schoͤnheit bey weitem
nicht mehr hatte/ ſonderlich behalffe
mich allbereit mit allerhand Anſtrich und
Schmincke/ deren er mir nicht we-
nig/ ſondern einer groſſen Menge ab-
geleckt; Aber genug hiervon/ Narren ſoll
man mit Kolben lauſen/ das war noch
ein gerings/ jetzt vernehme der Leſer/
wormit ich ihn endlich bezahlet/ ich ver-
lieſſe den Sauerbrunnen mit groſſem
Verdruß und Unwillen/ alſo bedachte
mich auf eine Rach/ weil ich vom Sim-
plicio beydes beſchimpfft und verachtet
worden; und meine Magd hatte ſich
daſelbſten eben ſo friſch gehalten als ich/
und (weil die arme Troͤpffin keinen
Schertz verſtehen konnte/ ein junges
Soͤhnlein vor ein Trinckgelt aufgebuͤn-
delt/ welches ſie auch auf meinem Mey-
er-Hof/ auſſer der Stadt/ gluͤcklich zur
Welt gebracht/ daſſelbe muſte ſie den Nah-
men Simplicium nennen laſſen/ wie-
wohl ſie Simplicius ſein Tage niemahls
beruͤhr-
[231] beruͤhrte; So bald ich nun erfahren/ daß
ſich Simplicius mit einer Bauren Tochter
vermaͤhlet/ muſte meine Magd ihr Kind
entwoͤhnen und daſſelbige/ nach dem ichs
mit zarten Windeln/ ja/ ſeidenen Decken
und Wickelbinden ausſtaffiret/ um mei-
nem Betrug eine beſſere Geſtalt und Zierde
zu geben/ in Bekleidung meines Meyers-
Knecht zu Simplici Haus tragen/ daß
ſie es dann bey Naͤchtlicherweile vor ſeine
Thuͤr gelegt/ mit einem beygelegtẽ Schrifft-
lichen Bericht/ daß er ſolches mit mir er-
zeugt haͤtte. Es iſt nicht zu glauben/ wie
hertzlich mich dieſer betrug/ erfreuete/ ſon-
derlich da ich hoͤrete/ daß er deſſentwegen
von ſeiner Obrigkeit ſo trefflich zur Straff
gezogen worden/ und daß ihm dieſen
Fund ſein Weib alle Tag mit Merrettig
und Senff auf dem Brod zu eſſen gab;
Jtem/ daß ich den Simpeln guten Glau-
ben gemacht/ die Unfruchtbare haͤtte geboh-
ren! da ich doch/ wann ich der Art geweſt
waͤre/ nicht auf ihn gewartet: ſondern in
meiner Jugend verrichtet habẽ wuͤrde/ was
er in
[232] er in meinem herzunahenden Alter von
mir glaubte; dann ich hatte damals allbe-
reit ſchier viertzig Jahr erlebt; und war ei-
nes ſchlimmen Kerls nicht wuͤrdig/ als
Simplicius einer geweſen.
DasXXV.Capitel.
Couragewird uͤber ihren Ubelthaten
erwiſcht/ und der Stadt ver-
wieſen.
JEtzt ſollte ich zwar abbrechen und auf-
hoͤren von meinem fernern Lebenslauf
zuerzehlen/ weilen genugſam verſtanden
worden/ was vor eine Dame Simplicius uͤ-
berdoͤlpelt zu haben ſich geruͤhmet; gleichwie
ihr aber von deme/ was allbereit geſagt
worden/ ohne Zweiffel faſt nichts als Spott
und Schand haben wird; alſo wirds ihm
auch wenig Ehr bringen/ was ich nach fuͤr-
ters anzeigen werde.
Jch hatte hinter meinem Hauſe einen
Garten in der Stadt/ beydes von Obsge-
waͤchß/ Kraͤuter und Blumen/ der ſich
dorffte
[239] dorffte ſehen laſſen/ und alle andere trutzte;
und neben mir wohnete ein alter Mechabe-
ris oder Suſannen Mann/ welcher ein
Weib hatte/ die viel aͤlter war als er ſelb-
ſten/ dieſe wurde zeitlich innen/ von was
vor einer Gattung ich war/ und ich ſchlug
auch nicht ab in Nothfall mich ſeiner Huͤlff
zu bedienen/ weſſentwegen wir dann offt
in beſagtem Garten zuſammen kamen und
gleichſam im Raub und hoͤchſter Eil Blu-
men brachen/ darmit es ſein eiferſuͤchtige Al-
te nit gewahr wuͤrde/ wie wir dann auch
nirgends ſo ſicher als in dieſem Garten zu-
ſammen kommen konten/ als da das gruͤne
Laub und die verdeckte Gaͤng/ unſerer Mei-
nung nach vor dem Menſchen aber nicht
vor den Augen GOttes unſere Schand
und Laſter bedeckten; gewiſſenhaffte Leut
werden darvor halten/ unſer Suͤn-
denmaß ſeye damal entweder voll und uͤ-
berhaͤufft geweſen/ oder die Guͤte GOttes
haͤtte uns zur Beſſerung und Buſſe beruf-
fen wollen; Wir hatten einander im An-
fang des Septembris Loſung gegeben/ den-
ſelben
[240] ſelbigen lieblichen Abend im Garten unter
einem Birnbaum zuſammen zukommen/
eben als zween Muſquetierer aus unſerer
Quarmſon ein Anſchlag gemacht hatten/
ſelbigen Abend ihren Part von meinen
Birrn zu ſtehlen; Wie ſie auch den Baum
beſtiegen und zu brechen anfiengen/ ehe ich
und oder der Alte in Garten kommen; Es
war ziemlich finſter/ und mein Buhler
ſtellte ſich ehender ein/ als ich/ bey dem ich
mich aber auch gar bald befande/ und das
jenige Werck mit ihm angienge/ daß wir
ehmahlen miteinander zu treiben gewohnt
waren; Potzhertz! ich weiß nicht wie es
gienge/ der eine Soldat regte ſich auf dem
Baum/ um unſerer Gauckelfuhr beſſer
wahrzunehmen/ und war ſo unvorſichtig/
daß er alle ſeine Birren/ die er gebrochen
hatte/ verſchuͤttelt/ und als ſelbige auf den
Boden fielen/ bildeten ich und der Alte ſich
nichts anders ein/ als es waͤre etwann ein
ſtarckes Erdbiden von GOtt geſendet und
verhaͤngt/ uns von unſern ſchandlichen
Suͤnden abzuſchrecken; wie wir dañ einan-
der auch ſolches mit Worten zuverſtehen
gaben
[241] gaben/ und beyde in Angſt und Schrecken
voneinander lieffen; die auf dem Baum
aber konten ſich des Lachens nicht enthal-
ten/ welches uns noch groͤſſere Furcht ein-
jagte/ ſonderlich dem Alten/ der da vermein-
te/ es waͤre ein Geſpenſt/ das uns plagte;
derowegen begab ſich ein jedes von uns/ in
ſeine Gewahrſam.
Den andern Tag kam ich kaum auf
dem Marckt/ da ſchrie ein Mußquetierer/
ich weiß was! Ein anderer fragte ihn mit
vollem Halß/ was weiſt du dann? Jener
antwortet/ es hat heut Birnen geerdbid-
met; diß Geſchrey kam je laͤnger je ſtaͤrcker/
alſo daß ich gleich merckte/ was die Glo-
cke geſchlagen/ und mich in Angeſicht an-
roͤthete/ wiewohl ich mich ſonſt zu ſchaͤ-
men nit gewohnet war; Jch machte mir
gleich die Rechnung/ daß ich eine Hatz
ausſtehen muͤſte/ gedachte aber nicht/
daß es ſo grob hergehen wuͤrde/ wie ich
hernach erfuhr; dann nachdem die Kin-
der auf der Gaſſen/ von unſerer Ge-
ſchicht zu ſagen wuſten/ konte der Magiſtrat
nichts
[242] nichts anders thun/ als daß er mich und
den Alten beym Kopff nehmen/ und jedwe-
ders beſonders gefangen ſetzen lieſe; wir
laͤugneten aber beyde wie die Hexen/ ob man
uns gleich mit dem Hencker und der Tor-
tur dreuete.
Man inventirt und verpetſchirt das
Meinige/ und examinirt mein Hausge-
ſind/ bey dem Eid/ deren Ausſag aber
widereinander lieffe/ weil ſie nit alle von
meinen loſen Stuͤcken wuſten/ und mir die
Maͤgd getreu waren; endlich verſchnapte
ich den Handel ſelbſt/ als nemlich der
Schultheiß/ welcher mich Frau Baß
nennete/ offt zu mir in das Gefaͤngniß
kam/ und groſſes Mitleiden vorwante/
in Warheit aber mehr ein Freund der
Gerechtigkeit/ als mein Vetter war; Dann
nachdem er mich in aller falſchen Vertraͤu-
lichkeit uͤberredet/ mein Alter haͤtte den be-
gangenen und offtmahls widerholten Ehe-
bruch geſtanden/ fuhre ich unverſehens her-
aus/ und ſagte/ ſo ſchlag ihm der Hagel ins
Maul/ weils der alte Scheuſſer nicht hat-
hal-
[243] halten koͤnnen; bate demnach meinen ver-
meinten Freund/ er wolte mir doch getreu-
lich dadurch helffen/ Er aber hingegen
machte mir eine ſcharffe Predigt daher/
thaͤt die Thuͤr auf/ und wieſe mir einen
Notarium und beyſichhabende Zeugen/
die alle meine und ſeine Reden und Gegen-
Reden angehoͤrt und aufgemerckt hatten.
Darauf gieng es wunderlich her/ die
meiſte Rathsherꝛn hielten darvor/ man
ſolte mich an die Folter werffen/ ſo wuͤrde
ich vielmehr dergleichen Stuͤcke bekennen/
und alsdañ nach befindenden Dingen als
eine uñuͤtze Laſt der Eꝛden/ um eines Kopfs
kuͤrtzer zu machen ſeyn/ welcher Sentenz
mir auch weitlaͤufftig notificirt wurde;
Jch hingegen lieſſe mich vernehmen/ man
ſuche nicht ſo ſehr/ der lieben Gerechtigkeit
und den Geſetzen ein Genuͤgen zu thun/ als
mein Gelt und Gut zu confiſciren; Wuͤr-
de man ſo ſtreng mit mir procedirn/ ſo
wuͤrden noch viel/ die vor ehrliche Burger
gehalten werden/ mit mir zur Leiche ge-
hen/ oder mir das Geleit geben muͤſſen;
Jch konte ſchwaͤtzen wie ein Rechtsgelehr-
Lter/
[244] ter/ und meine Wort und proteſtationes
fielen ſo ſcharpff und ſchlau/ daß ſich Ver-
ſtaͤndige darvor entſetzten/ zuletzt kam es
dahin/ daß ich auf eine Urphet die Stadt
quittiren: und/ zu mehr als wohlverdien-
ter Straffe/ alle meine Mobilia und ligen-
de Guͤter dahinden laſſen muſte/ darun-
ter ſich gleichwohl mehr als uͤber 1000.
Reichsthaler paar Geld befande; Meine
Kleidungen/ und was zu meinem Leib ge-
hoͤrte/ wurde mir gefolgt/ auſſer etliche
Kleinodien/ die einer hier/ der ander dort
zu ſich zwackte; Jn Summa/ was wolte
ich thun? Jch hatte wohl groͤſſers verdie-
net/ wann man ſtrenger mit mir haͤtte
procediren wollen; aber es war halt im
Krieg/ und danckte jedermaͤnniglich dem
guͤtigen Himmel (ich ſolte geſagt haben
jeder weiberlich) daß die Stadt mei-
ner ſo taliter qualiter loß
worden.
[245]
DasXXVI.Capitel.
Couragewird eine Mußquetiere-
rin/ ſchachert dabey mit Taback und
Brandtewein. Jhr Mann wird verſchicket/ wel-
cher unter Wegs einen todten Soldaten antrifft/
den er ausziehet/ und weil die Hoſen nicht herun-
ter wolten/ ihm die Schenckel abhaut/ alles zu-
ſammen packet/ und bey einem Bauren einkeh-
ret/ die Schenckel zu Nachts hinterlaͤſſet/ und
Reißaus nim̃t. Darauf ſich ein recht
laͤcherlicher Poß zutraͤgt.
DAmahls lagen weit herumb keine
Kaͤyſerl. Voͤlcker oder Armeen/ zu
welchen ich mich wiedeꝛ zu begeben im Siñ
hatte; Weil mirs dann nun an ſolchen
mangelte/ ſo gedachte ich mich zu den
Weymariſchen oder Heſſen zu machen/
welche damahl im Kintzger Thal und der
Orten herumb ſich befanden; umb zu ſe-
hen/ ob ich etwann wieder einen Soldaten
zum Mann bekommen koͤnnte; Aber ach!
die erſte Bluͤte meiner ohnvergleichlichen
Schoͤnheit war fort/ und wie eine Fruͤh-
lings-Blum verwelcket/ wie mich dann
auch mein neulicher Unfall und daraus
L ijentſtan-
[246] entſtandene Bekuͤmmernus nicht wenig
verſtellet; So war auch mein Reichthumb
hin/ der offt die alte Weiber wieder an
Maͤnner bringet. Jch verkauffte von mei-
nen Kleidern und Geſchmuck/ ſo mir noch
gelaſſen worden/ was Geld golte/ und
brachte etwan zweyhundert Gulden zuwe-
gen/ mit denen machte ich mich/ ſambt ei-
nen Boten/ auf den Weg/ umb mein
Gluͤck zu ſuchen/ wo ichs finden moͤchte/
Jch traffe aber nichts als Ungluͤck an/
dann ehe ich Schiltach erlangte/ kriegte
uns eine Weymariſche Parthey Mußque-
tirer/ welche den Boten abpruͤgelten/
pluͤnderten/ und wieder von ſich jagten/
mich aber mit ſich in ihr Quartier ſchlep-
peten; Jch gab mich vor ein Kaͤyſerl-
Soldaten-Weib aus/ deren Mann vor
Freyburg in Preißgau todt blieben waͤre/
und uͤberredet die Kerl/ daß ich in meines
Mañes Heimath geweſen/ nunmehr aber
Willens ſey/ mich ins Elſaß nach Hauß
zu begeben; Jch war/ wie obgedacht/ bey
weitem nicht mehr ſo ſchoͤn/ als vor die-
ſem/ gleichwohl aber doch noch von ſolcher
Beſchaf-
[247] Beſchaffenheit/ die einen Mußquetirer
aus der Parthey ſo verliebt machte/ daß
er meiner zum Weib begehrte. Was wol-
te oder ſolte ich thun? Jch wolte lieber die-
ſem eintzigen mit gutem Willen goͤnnen/
als von der gantzen Parthey mit Gewalt
zu dem jenigen gezwungen werden/ was
dieſer aus Lieb ſuchte; Jn Summa/ ich
wurde eine Frau Mußquetirerin/ ehe
mich der Caplan copulirte; Jch hatte im
Sinn wieder/ wie zu Springinsfelds Zei-
ten/ eine Marquetennerin abzugeben/
aber mein Beutel befand ſich viel zu leicht
ſolches ins Werck zu ſetzen; So mangel-
te mir auch meine Boͤhmiſche Mutter/
und uͤber das bedunckte mich/ mein Mañ
waͤre viel zu ſchlecht und liederlich zu ſol-
chen Handel/ doch finge ich an mit Taback
und Brandtewein zu ſchachern/ gleichſam
als ob ich wieder halb Batzen weiß haͤtte
gewinnen wollen/ was ich kuͤrtzlich bey tau-
ſenden verlohren; Es kam mich Blut-
ſauer an/ ſo zu Fuß daher zu marchiren/
und noch darzu einen ſchweren Pack zu
tragen/ neben dem/ daß es auch zu Zeiten
L iijſchmal
[248] ſchmal eſſen und trincken ſetzte/ welches unange-
nehmlichen Dings ich mein Lebtag nicht ver-
ſucht/ viel weniger gewohnet hatte; Zuletzt
brachte ich einen trefflichen Maul Eſel zuwegen/
der nicht allein ſchwehr tragen/ ſondern auch
ſchneller lauffen konte/ als manch gutes Pferd;
Gleich wie ich nun dergeſtalt zween Eſel zuſam-
men brachte/ alſo verpflegte ich ſie auch beſten
Fleiſſes/ damit ein jeder ſeine Dienſte deſto beſ-
ſer verſehen koͤnnte; Solcher Geſtalt nun/ weil
ich und meine Bagage getragen wurde/ konte
ich mich auch um etwas beſſer patientirn/ und
verzoͤgerte alſo mein Leben/ biß uns der von Mer-
cy/ in Anfang des Mayen/ bey Herbſt-Zeiten/
treffliche Stoͤße gab; Ehe ich aber fortfahre/ ſol-
chen meinen Lebens-Lauf weiters hinaus zu er-
zehlen/ ſo will ich dem Leſer zuvor ein artliches
Stuͤckel eroͤffnen/ das mein damahliger Mann
wider ſeinem Willen ins Werck ſetzte/ als wir
noch im Kintzger Thal lagen.
Er gieng ein/ auf ſeiner Officier Zumuthen/
und mein Gutbefindung/ ſich in alte Lumpen zu
verkleiden/ nnd mit einer Axt auf der Achſel/ in
Geſtalt eines armen exulirenden Zimmermañs/
einige Brieff an Ort und Ende zu tragen/ dahin
ſonſt jemand zu ſchicken/ wegen der Kaͤyſerl. Par-
theyen/ welcher wegen es unſicher war; Solche
Brieffe betraffen die Conjunction etlicher Voͤl-
cker und anderer Kriegs-Anſchlaͤg. Es ware da-
mals von grimmiger Kaͤlte gleichſam Stein und
Bein
[249] Bein zuſammen gefroren/ ſo/ daß mich das ar-
me Schaf auf ſeiner Reiſe ſchier getauret haͤtte/
doch muſte es ſeyn/ weil ein zimlich Stuͤck Gelt
zu verdienen war/ und er verrichtet auch alles ſehr
gluͤcklich; Unterwegs aber fande er einen todten
Coͤrper in ſeinen Abwegen/ die er der Enden wol
wuſte/ welcher ohne Zweiffel eines Officiers ge-
weſen ſeyn muß/ weil er ein paar rother Schar-
lachener Hoſen mit ſilbern Galaunen verbraͤmt
anhatte/ welcherley Gattung damal die Officier
zu tragen pflegten/ ſo war ſein Koͤller ſamt Stif-
feln und Sporen/ auch den Hoſen gemaͤß; Er be-
ſahe den Fund/ nnd konte nicht erſinnen/ ob der
Kerl erfroren/ vder von den Schwartzwaͤldern
todtgeſchlagen worden waͤre/ doch galte es ihm
gleich/ welches Tods er geſtorben/ das Koller ge-
fiele ihm ſo wohl/ daß ers ihm auszog/ und da er
daſſelbige hatte/ geluͤſtet ihn auch nach den Ho-
ſen/ welche zu bekommen/ er zuvor die Stiffel ab-
ziehen muſte/ ſolches gluͤckte ihm auch; Als er
aber die Hoſen herab ſtreiffte/ wolten ſolche nicht
hotten/ weil die Feuchtigkeit des allbereit ver-
weſenden Coͤrpers ſich unter den Knien herum/
allwo man dazumal die Hoſenbaͤndel zu binden
pflegte/ ſich beydes in das Futter und den Uber-
zug geſetzt hatte/ und dannenhero Schenckel und
Hoſen wie ein Stein zuſammen gefroren waren;
Er hingegen wolte dieſe Hoſen nicht dahinden
laſſen/ und weil der Tropff ſonſt kein ander Mit-
tel in der Eil ſahe/ eins vom andern zu ledigen/
L iiijhiebe
[250] hiebe er dem Corpo mit ſeiner Axt die Fuͤſſe ab/
packte ſolche/ ſamt Hoſen und Koller zuſammen/
und fande mit ſeinem Buͤndel bey einem Bauren
eraſolche Gnad/ daß er bey ihme hintern warmen
Stuben-Ofen uͤbernachten dorffte.
Dieſelbe Nacht kaͤlbert dem Bauern zu allem
Ungluͤck eine Kuhe/ welches Kalb ſeine Magd/
wegen der groſſen Kaͤlte in die Stuben trug/ und
zu naͤchſt bey meinem Mann auf eine halbe Well
Stro zum Stuben-Ofen ſetzte; Jndeſſen war es
gegen Tag/ und meines Manns eroberte Hoſen
allbereit von den Schenckeln aufgetauet/ dero-
wegen zog er ſeine Lumpen zum Theil aus/ und
hingegen das Koͤller und die Hoſen/ die er um-
kehrte oder letz machte/) an/ ließe ſein altes Ge-
luͤmp ſamt den Schenckeln beym Kalb liegen/ ſtie-
ge zum Fenſter hin aus/ und kam wieder gluͤck-
lich in unſer Quartier.
Des Morgens fruͤhe kam die Magd wieder-
um/ dem Kalb Rath zu ſchaffen/ als ſie aber die
beyde Schenckel/ ſamt meines Mannes alten
Lumpen und Schurtzfell darbey ligen ſahe/ und
meinen Mann nicht ſande/ fienge ſie an zu ſchrei-
en/ als wann ſie mitten nnter die Moͤrder gefal-
len waͤre; Sie lieffe zur Stuben hinaus/ und
ſchlug die Thuͤr hinter ihr zu/ als wann ſie der
Teuffel gejagt haͤtte/ von welchem Lermen dann
nicht allein der Bauer/ ſondern auch die gantze
Nachbarſchafft er wachte/ und ſich einbildete/ es
waͤren Krieger vorhanden/ weſſenwegen ein Theil
aus-
[251] ausriſſe/ das ander aber ſich in die Wehr ſchick-
te; Der Bauer ſelbſt vernahm von der Magd/
welche vor Forcht und Schrecken zitterte/ die
Urſach ihres Geſchreys/ daß nemlich das Kalb
dem armen Zimmermann den ſie uͤber Nacht ge-
herbergt/ biß auf die Fuͤſſe gefreſſen/ und ein ſol-
ches greßliches Geſicht gegen ihr gemacht haͤtte/
daß ſie glaube/ wann ſie ſich nicht aus dem Staub
gemacht/ daß es auch an ſie geſprungen waͤre; der
Bauer wolte das Kalb mit ſeinem Knebelſpieß
nidermachen/ aber ſein Weib wolte ihn in ſolche
Gefahr nicht wagen/ noch in die Stub laſſen/
ſondern vermittelte/ daß er den Schultheiſſen
um Huͤlff anſuchte/ der lieffe alſobald der Ge-
mein zufammen leuten/ um das Hauß geſamter
Hand zu ſtuͤrmen/ und dieſen gemeinen Feind
des menſchlichen Geſchlechts/ ehe er gar zu einer
Kuhe aufwuͤchſe/ bey Zeiten auszureuten; Da
ſahe man nun ein artliches Spectackel/ wie die
Baͤurin ihre Kinder/ und den Haußrath/ zum
Kammer-Laden nacheinander heraus langte/
hingegen die Bauren zu den Stuben-Fenſtern
hinein guckten/ und den ſchroͤcklichen Wurm/
ſamt bey ſich liegenden Schenckeln anſchaueten/
welches ihnen genugſame Zeugnuͤß einer groſſen
Grauſamkeit einbildete; Der Schultheiß gebo-
te das Hauß zu ſtuͤrmen/ und dieſes greuliche
Wunder-Thier niderzumachen/ aber es ſchonete
ein jeder ſeiner Haut; Jeder ſagte: Was hat
mein Weib und Kind darvon/ wann ich umkaͤ-
me:
[252] me: Endlich wurde aus eines alten Bauren
Rath beſchloſſen/ daß man das Hauß mit ſamt
dem Kalb/ deſſen Mutter vielleicht von einem
Lindwurm oder Drachen beſprungen worden/
hinweg brennen/ und dem Bauern ſelbſt aus ge-
meinem Seckel eine Ergoͤtzung und Huͤlffe thun
ſolte/ ein anders zu bauen; Solches wurde froͤ-
lich ins Werck geſetzet/ dann ſie ſich damit troͤ-
ſteten/ ſie muͤſten gedencken/ es haͤtten ſolches die
Diebs Krieger hinweg gebrandt.
Dieſe Geſchichte machte mich glauben/ mein
Mann wuͤrde trefflich Gluͤck zu dergleichen Stuͤ-
cken haben/ weil ihm dieſes ungefehr begegnet/
ich gedachte/ was wuͤrde er erſt ins Werck ſetzen/
wann ich ihn wie hievor den Springinsfeld ab-
richte? aber der Tropff war viel zu Eſelhafftig
und hundsklinckeriſch darzu/ uͤber das iſt er mir
auch bald hernach in dem Treffen vor Herbſthau-
ſen todt geblieben/ weil er keinen ſolchen Schertz
verſtehen konte.
DasXXVII.Capitel.
Nachdem derCourageMann in
einem Treffen geblieben/ und Courage
ſelbſt auf ihrem Maul Eſel entrunnen/ trifft ſie ei-
ne Ziegeuner-Schaar an/ unter welchen der Leu-
tenant ſie zum Weib nimmt/ ſie ſagt einem ver-
liebten Fraͤulein Waar/ entwendet ihr daruͤber
alle Kleinodien/ behaͤlt ſie aber nicht lang/
ſondern muß ſolche wol abgepruͤgelt
wieder zuſtellen.
Jn
[253]
JN erſtgemeltem Treffen kame ich vermit-
telſt meines guten Mauleſels darvon/ nach
dem ich zuvor meine Zelt und ſchlechteſte Baga-
ge hinweg geworffen/ retterirte mich auch mit
dem Reſt der uͤbrig gebliebenen Armee/ ſo wohl
als der Touraine ſelbſten biß nach Caſſel; und
demnach mein Mann todt geblieben/ und ich
niemand mehr hatte/ zu dem ich mich haͤtte geſel-
len moͤgen/ oder der ſich meiner angenommen/
nahme ich endlich meine Zuflucht zu den Ziegeu-
nern/ die ſich von der Schwediſchen Haubt-Ar-
mada bey den Koͤnigsmarckiſchen Voͤlckern be-
fanden/ welche ſich mit uns bey Wartburg con-
jungirt/ und in dem ich bey ihnen einen Leutenant
antraffe/ der gleich meiner guten Qualitaͤten und
trefflichen Hand zum ſtehlen/ wie auch etwas
Geldes hinter mir wahr nam/ ſamt andern mehr
Tugenden/ deren ſich dieſe Art Leuth gebrauchen;
Siehe! ſo wurde ich gleich ſein Weib/ und hat-
te dieſen Vortheil/ daß ich weder Oleum Talci
noch ander Schmirſel mehr bedorffte/ mich weiß
und ſchoͤn zu machen/ weil ſo wohl mein Stand
ſelbſten als mein Mann die jenige Coleur von
mir erforderte/ die man des Teuffels Leibfarb
nennet; Derowegen finge ich an/ mich mit
Gaͤnß-Schmaltz/ Laͤußſalbe und andern Haar-
ferbenden Ungventen alſo fleiſſig zu beſchmiren/
daß ich in kurtzer Zeit ſo Hoͤll-rigleriſch ausſahe/
als wann ich mitten in Aegypten geboren wor-
den waͤre; Jch muſte offt ſelbſt meiner lachen/
L vjund
[254] und mich uͤber meine vielfaͤltige Veraͤnderung
verwundern; Nichts deſto weniger fchickte ſich
das Ziegeuner-Leben ſo wol zu meinem Humor/
daß ich es auch mit keiner Obriſtin vertauſcht
haben wolte; Jch lernete in kurtzer Zeit von ei-
ner alten Aegyptiſchen Großmutter wahrſagen;
luͤgen und ſtehlen aber kunte ich zuvor/ auſſer daß
ich der Ziegeuner gewoͤhnliche Handgriff noch
nicht wuſte/ aber was darffs viel Weſens? ich
wurde in Kuͤrtze ſo perfect/ daß ich auch vor eine
Generalin aller Ziegeunerinnen haͤtte paſſiren
moͤgen.
Gleichwol aber war ich ſo ſchlau nicht/ daß
es mir uͤberal ohne Gefahr/ ja ohne Stoͤſſe ab-
gangen waͤre/ wiewohl ich mehr einheimbſchte/
und meinem Mann zu verſchlemmen/ zubrachte/
als ſonſt meiner zehne: Hoͤret! wie mirs eins-
mals ſo uͤbel gelungen; Wir lagen uͤber Nacht
und ein Tag ohnweit von einer Freunds-Stadt
im vorbey marchiren/ da jederman hinein dorf-
te/ um ſeinen Pfenning einzukauffen/ was er wol-
te. Jch machte mich auch hinein/ mehr einzu-
nehmen und zu ſtehlen/ als Geld auszugeben/
oder etwas zu kauffen/ weil ich ſonſt nichts zu
erkauffen gedachte/ als was ich mit fuͤnff Fin-
gern/ oder ſonſt einem kuͤnſtlichen Griff zu er-
handeln verhoffte; Jch war nicht weit die Stadt
hinein paſſirt/ als mir eine Madamoiſelle eine
Magd zuſchickte, und mir ſagen lieſſe/ ich ſolte
kommen/ ihrer Fraͤulein warzuſagen/ und von
dieſem
[255] dieſem Boten ſelbſten vernahm ich gar von wei-
ten/ und gleichſam uͤber hundert Meilen her/ daß
ihrer Fraͤulin Liebhaber rebelliſch worden/ und
ſich an ein andere gehenckt; Solches machte ich
mir nun trefflich zu Nutz/ dann da ich zu der Da-
men kame/ trafe ich mit meiner Wahrſagung ſo
nett zu/ daß ſie auch alle Calendermacherey/ ja
der elenden Madamoiſellen Meynung nach/ alle
Propheten/ ſamt ihren Prophezeyhungen uͤber-
traffe; Sie klagte mir endlich ihre Noht/ und
begehrte zu vernehmen/ ob ich kein Mittel wiſſe/
den variablen Liebhaber zu bannen/ und wider
in das gerechte Glaiß zu bringen? Freylich/ da-
pfere Dame! ſagte ich/ er muß wieder um-
kehren/ und ſich zu eurem Gehorſam einſtellen/
und ſollte er gleich einen Harniſch anhaben/ wie
der groſſe Goliath; Nichts angenehmers haͤtte
dieſe verliebte Troͤpffin hoͤren moͤgen/ als eben
diß/ und begehrte auch nichts anders/ als daß
meine Kunſt alſobald ins Werck geſetzt wuͤrden;
Jch ſagte: wir muͤſſen allein ſeyn/ und es muͤſte
alles unbeſchriehen zugehen/ darauf wurden ihre
Maͤgd abgeſchafft/ und ihnen das Stillſchwei-
gen auferlegt/ ich aber gieng mit der Madamoi-
ſellen in ihr Schlaffkammer/ ich begehrte von ihr
einen Trauer-Schleyer/ den ſie gebraucht/ als
ſie um ihren Vatter Leyd getragen/ item/ zwey
Ohrgehaͤng/ ein koͤſtlich Halsgehaͤng/ das ſie
eben anhatte/ ihren Guͤrtel und liebſten Ring.
Als ich dieſe Kleinedien hatte/ wickelt ich ſie zu-
L vijſammen/
[256] ſammen in den Schleyer/ machte etliche Knoͤpff
daran/ murmelte unterſchiedliche naͤrriſche Woͤr-
ter darzu/ und legte alles zuſammen in der Ver-
liebten Bette/ hernach ſagte ich/ wir muͤſſen mit-
einander in Keller; da wir hinkamen/ uͤberredet
ich ſie/ daß ſie ſich auszoͤge/ biß aufs Hembd/ und
unterdeſſen/ als ſolches geſchahe/ machte ich et-
liche wunderbare Characteres an den Boden ei-
nes groſſen Faſſes voll Wein/ zoge endlich den
Zapffen heraus/ und befahl der Damen ihren
Finger vorzuhalten/ biß ich die Kunſt mit dem
Zapffen droben im Hauſe auch der Gebuͤhr nach
verrichtet haͤtte; Da ich nun das einfaͤltige Ding
dergeſtalten gleichſam angebunden/ gieng ich
hin/ und holete die Kleinodien aus ihrem Bet-
te/ mit welchen ich mich ohnverweilt aus der
Stadt machte.
Aber entweder wurde dieſer fromme leicht-
glaubige verliebte ſamt den Seinigen vom guͤti-
gen Himmel beſchuͤtzt/ oder ihre Kleinodia wa-
ren mir ſonſt nicht beſcheret/ dann ehe ich unſer
Lager mit meiner Beute gar erreichte/ erdappte
mich ein vornehmer Officier aus der Guarniſon
der ſolche wieder von mir fordert; Jch laugne-
te zwar/ er wieſe mir aber was anders/ doch
kan ich nicht ſagen/ daß er mich gepruͤgelt: hin-
gegen aber ſchweren/ daß er mich rechtſchaffen
gedegelt habe; Dann nach dem er ſeinen Diener
abſteigen laſſen/ um mich zu beſuchen/ ich aber
demſelbigen mit meinem ſchroͤcklichen Ziegeuner-
Meſſer
[257] Meſſer begegnet/ mich deſſen zu erwehren/ ſihe!
da zog er von Leder/ und machte mir nicht allein
den Kopff voller Beulen/ ſondern faͤrbte mir auch
Arm/ Lenden und Achſeln ſo blau/ daß ich wol
4. Wochen daran zu ſalben/ und zu verblauen
hatte; Jch glaube auch/ der Teuffel haͤtte biß
auf dieſe Stund noch nicht aufgehoͤret zuzuſchla-
gen/ wann ich ihm meine Beuth nicht wieder hin-
geworffen. Und dieſes war vor dißmal der Lohn
beydes meiner artlichen Erfindung/ und des
kuͤnſtlichen Betrugs ſelbſten.
DasXXVIII.Capitel.
Couraſche kommt mit ihrer Com-
pagnie in ein Dorff/ darinnen Kirch-
weyh gehalten wird/ reitzet einen jungen Ziegeu-
ner an/ eine Henne tod zu ſchieſſen; ihr Mann
ſtellet ſich ſolchen aufhencken zu laſſen/ wie nun
jederman im Dorff hinaus lieff/ dieſem Schau-
ſpiel zuzuſehen/ ſtahlen die Ziegeunerinnen alles
Gebratens und Gebackens/ und machten
ſich ſamt ihrer gantzen Zunfft eiligſt
und liſtig darvon.
UNlaͤngſt nach dieſem uͤberſtandenen Strauß
kam unſere Ziegeuneriſche Rott von den
Koͤnigsmarckiſchen Voͤlckern wieder zu der
Schwediſchen Haubt-Armee/ die damals Tor-
ſtenſohn commandirt/ und in Boͤhmen gefuͤhrt/
allwo dann beyde Heer zuſammen kamen; Jch
verbliebe ſamt meinem Mauleſel nicht allein biß
nach
[258] nach dem Friedenſchluß bey dieſer Armada/ ſon-
dern verlieſe auch die Ziegeuner nicht/ da es be-
reits Frieden worden war/ weil ich mir das ſteh-
len nicht mehr abzugewoͤhnen getrauete; Und
demnach ich ſehe/ daß mein Schreiber noch ein
weiß Blat Papier uͤbrig hat/ Alſo will ich noch
zu guter lezt oder zum Valete ein Stuͤcklein er-
zehlen/ und darauf ſetzen laſſen/ welches mir erſt
neulich eingefallen/ und alſobalden probirt und
practicirt hat werden muͤſſen/ bey welchen der
Leſer abnehmen kan/ was ich ſonſt moͤchte ausge-
richtet haben/ und wie artlich ich mich zu den
Ziegeunern ſchicke.
Wir kamen in Lothringiſchen Gebiet eins-
mals gegen Abend vor einen groſſen Flecken/ dar-
innen eben Kuͤrbe war/ welcher Urſachen wegen
und weil wir einen zimlichen ſtarcken Troppen
von Maͤnnern/ Weibern/ Kindern und Pferden
hatten/ uns das Nachtlaͤger rund abgeſchlagen
wurde; Aber mein Mann/ der ſich vor den Ob-
riſt Leutenant ausgab/ verſprach bey ſeinen Ade-
lichen Worten/ daß er gut vor allen Schaden
ſeyn/ und weme etwas verderbt oder entwendet
wuͤrde/ ſolches aus dem ſeinigen bezahlen/ und
noch darzu den Thaͤter an Leib und Leben ſtraf-
fen wolte. Wormit er dann endlich nach langer
Muͤhe erhielte/ daß wir aufgenommen wurden.
Es roche uͤberall im Flecken ſo wol nach dem
Kuͤrbe-Gebratens und Gebackens/ daß ich gleich
auch einen Luſt darzu bekam/ und einen Ver-
druß
[259] druß empfande/ daß die Bauern allein ſolches
freſſen ſolten; erfand auch gleich folgenden Vor-
theil/ wie wir deſſen theilhafftig werden koͤnten;
Jch lieſſe einen wackern jungen Kerl aus den
Unſerigen eine Henne vor dem Wirthshauſe
todſchieſſen/ woruͤber ſich alſobald bey meinem
Mann eine groſſe Klage uͤber den Thaͤter erhu-
be; Mein Mann ſtellte ſich ſchroͤcklich erzoͤrnet/
und lieſſe gleich einen/ den wir vor einen Trom-
peter bey uns hatten/ die Unſerigen zuſammen
blaſen/ in deme nun ſolches geſchahe/ und ſich
beydes Bauren und Ziegeuner auf dem Platz
verſammleten/ ſagte ich etlichen auf unſere
Diebs-Sprach/ was mein Anſchlag waͤre/ und
daß ſich ein jedes Weib zum zugreiffen gefaſt
machen ſolte. Alſo hielte mein Mann uͤber den
Thaͤter ein kurtzes Standrecht/ und verdammte
ihn zum Strang/ weil er ſeines Obriſt Leute-
nanten Befelch uͤbergangen/ darauf erſcholle
alſobald im gantzen Flecken das Geſchrey/ daß
der Obriſt Leutenant einen Ziegeuner nur wegen
einer Hennen wolte hencken laſſen; etlichen be-
dunckte ſolche Procedur zu rigoroſe/ andere lob-
ten uns/ daß wir ſo gute Ordre hielten/ einer
aus uns muſte den Hencker agiren/ welcher auch
alſobalden dem Malefieanten die Haͤnde auf den
Rucken hande/ hingegen thaͤt ſich eine junge Zie-
geunerin vor deſſen Weib aus/ entlehnte von an-
dern drey Kinder/ und kam damit auf den Platz
geloffen/ ſie bath um ihres Manns Leben/ und
daß
[260] daß man ihre kleine Kinder bedencken wolte/ ſtel-
te ſich darneben ſo klaͤglich/ als wann ſie haͤtte
verzweiffeln wollen/ mein Mann aber wollte ſie
weder ſehen noch hoͤren/ ſondern ließe den Ubel-
thaͤter hinaus gegen einen Wald fuͤhren/ an ihm
das Urtheil exequiren zu laſſen/ eben als er ver-
meinte/ der gantze Flecken haͤtte ſich nunmehr
verſammlet/ den armen Suͤnder hencken zu ſe-
hen; wie ſich dann auch zu ſolchem Ende faſt al-
le Jnnwohner/ jung und alt/ Weib und Mann/
Knecht und Maͤgd/ Kind und Kegel mit uns
hinaus begab/ hingegen ließe gedachte junge
Ziegennerin mit ihren dreyen entlehnten Kin-
dern nicht ab/ zu heulen zu ſchreyen/ und zu bit-
ten/ und da man an den Wald und zu einem
Baum kam/ daran der Hennen-Moͤrder dem
Anſehen nach geknuͤpfft werden ſolte/ ſtellte ſie
ſich ſo erbaͤrmlich/ daß erſtlich die Bauren-Wei-
ber/ und endlich die Bauren ſelbſt anfiengen vor
den Mißthaͤter zu bitten/ auch nicht aufhoͤreten/
biß ſich mein Mann erweichen lieſſe/ dem armen
Suͤnder ihrentwegen das Leben zu ſchencken.
Jn deſſen wir nun auſſerhalb dem Dorff dieſe
Comoͤdi agirten/ mauſten unſere Weiber im Fle-
cken nach Wunſch/ und weil ſie nicht nur die
Bratſpieß uud Fleiſch-Haͤfen leereten/ ſondern
auch hie und da namhaffte Beuthen aus den
Waͤgen gefiſcht hatten/ verlieſſen ſie den Flecken
und kamen uns entgegen/ ſich nicht anders ſtel-
lend/ als wann ſie ihre Maͤnner zur Rebellion
wider
[261] wider mich und meinen Mann verhetzten/ um
daß er einer kahlen Hennen halber einen ſo wa-
ckern Menſchen haͤtte aufhencken laſſen wollen/
dardurch ſein armes Weib zu einer verlaſſenen
Wittib/ nnd drey unſchuldige junge Kinder zu
armen Waͤiſen gemacht waͤren worden; auf un-
ſere Sprache aber ſagten ſie/ daß ſie gute Beu-
then erſchnappt haͤtten/ mit welchen ſich bey Zei-
ten aus dem Staub zu machen ſeye/ ehe die Bau-
ren ihren Verluſt innen wuͤrden/ darauf ſchriehe
ich den Unſerigen zu/ welche ſich rebelliſch ſtellen
und ſich dem Flecken zu entfernen/ in den Wald
hinein ausreiſſen ſolten/ denen ſetzte mein Mann
und was noch bey ihm war/ mit bloſem Degen
nach/ ja ſie gaben auch Feuer drauf/ und jene
hinwiederum/ doch gar nicht der Meynung je-
mand zu treffen; das Bauers Volck entſetzte
ſich vor der bevorſtehenden Blutvergießung/
wolte derowegen wieder nach Hauß/ wir aber
verfolgten einander mit ſtetigem Schieſſen/ biß
tieff in Wald hinein/ worinn die Unſern alle
Weg und Steg wuſten; Jn Summa/ wir mar-
chirten die gantze Nacht/ theilten am Morgen
fruͤhe nicht allein unſere Beuthen/ ſondern ſon-
derten uns auch ſelbſten voneinander in gerin-
gere Geſellſchafften/ wordurch wir dann aller
Gefahr/ und den Bauern mit unſerer Beuth
entgangen.
Mit dieſen Leuten habe ich gleichſam alle
Winckel Europœ ſeithero unterſchiedlichmal
durch-
[262] durchſtrichen und ſehr viel Schelmenſtuͤck und
Diebsgriffe erſonnen/ angeſtellt/ und ins Werck
gerichtet/ daß man ein gantz rieß Papier haben
muͤſte/ wann man ſolche alle miteinander be-
ſchreiben wolte/ Ja ich glaube nicht/ daß man
genug damit haͤtte; und eben deſſentwegen habe
ich mich mein Lebtag uͤber nichts mehrers ver-
wundert/ als daß man uns in den Laͤndern
gedultet/ Sintemahl wir weder Gott noch den
Menſchen nichts nuͤtzen noch zudienen begehren/
ſondern uns nur mit Luͤgen/ Betriegen und
Stehlen genaͤhret; beydes zu ſchaden des Land-
Mans als der groſſen Herren ſelbſt/ denen wir
manches ſtuͤck Wild verzehren; Jch mus aber
hieꝛvon ſchweigen/ damit ich uns nicht ſelbſt einẽ
boͤſen Rauch mache/ uñ vermeine nunmehr ohne-
das dem Simpliciſſimo zu ewigen Spott ge-
nugſam geoffenbahrt zuhaben/ von waſerley
haaren ſeine Beyſchlaͤfferin im Sauerbrunnen
geweſſen/ deren Er ſich vor aller Welt ſo herr-
lich geruͤhmet/ glaube auch wol daß Er an an-
dern orthen mehr/ wann Er vermeint/ Er habe
eines ſchoͤnen Frauen-Zimmers genoſſen/ mit
dergleichen Frantzaͤſiſchen Huren: oder wohl gar
mit Gabel-Reuͤterinnen betrogen: und
alſo gar des Teuͤffels Schwager
worden ſey.
Zu-
[263]
Zugab des Autors.
Darum dann nun Jhr zuͤchtige Juͤngling/ ihr
ehrliche Wittwer und auch ihr verehlichte Maͤn-
ner/ die ihr euch noch bißhero vor dieſen gefaͤhr-
lichen Chimeris vorgeſehen/ denen ſchroͤcklichen
Meduſen entgangen/ die Ohren vor dieſen ver-
fluchten Sirenen verſtopfft/ und dieſen uner-
gruͤndlichen und Bodenloſen Belidibus abge-
ſagt/ oder wenigſt mit der Flucht widerſtanden
ſeyt/ laſſet euch auch fuͤrterhin dieſe Lupas nicht
bethoͤren/ dann einmal mehr als gewiß iſt/ daß
bey Huren-Lieb nichts anders zu gewarten/ als
allerhand Unreinigkeit/ Schand/ Spott/ Ar-
muth und Elend/ und was das meiſte iſt/ auch
ein boͤß Gewiſſen; Da wird man erſt gewahr/
aber zu ſpat/ was man an ihnen gehabt/ wie
unſtaͤtig/ wie ſchaͤndlich/ lauſſig/ gruͤndig/ un-
rein/ ſtinckend/ beydes am Athem/ und am gan-
tzen Leib/ wie ſie inwendig ſo voll Frantzoſen/
und auswendig voller Blattern geweſen/ daß
man ſich endlich deſſen bey ſich ſelbſten ſchaͤ-
men muß/ und offtermals viel zu
ſpat beklagt.
ENDE.
War-
[264]
Warhafftige Urſach und kurtzge-
faſter Jnhalt dieſes Tractaͤtleins.
DEmnach die Ziegeunerin Courage aus
Simpliciſſimi Lebens-Beſchreibung lib. 5.
cap. 6. vernimmt/ daß er ihrer mit ſchlechtem
Lob gedenckt; wird ſie dermaſſen uͤber ihn erbit-
tert/ daß ſie ihm zu Spott/ ihr ſelbſten aber zu
eigner Schand/ (worum ſie ſich aber wenig be-
kuͤmmert/ weil ſie allererſt unter den Ziegeunern
aller Ehr und Tugend ſelbſt abgeſagt/) ihren
ganzen liederlich-gefuͤhrten Lebens-Lauff an Tag
gibt/ um vor der gantzen Welt gedachten Sim-
pliciſſimum zu Schanden zu machen; weiln er
ſich mit einer ſo leichten Vettel/ wie ſie ſich eine
zu ſeyn bekennet/ auch in Warheit eine geweſen/
zu beſudeln kein Abſcheuen getragen/ und noch
darzu ſich ſeiner Leichtfertigkeit und Boßheit be-
ruͤhmet; maſſen daraus zu ſchlieſſen/ daß Gaul
als Gur/ Bub als Hur/ und kein Theil um ein
Haar beſſer ſey/ als das ander; Reibet ihm dar-
neben trefflich ein/ wie meiſterlich ſie ihn
hingegen bezahlt/ und betro-
gen habe.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Trutz Simplex: Oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung Der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche/ Wie sie anfangs eine Rittmeisterin/ hernach eine Hauptmännin/ ferner eine Leutenantin/ bald eine Marcketenterin/ Mußquetirerin/ und letzlich eine Ziegeunerin abgegeben. Trutz Simplex: Oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung Der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche/ Wie sie anfangs eine Rittmeisterin/ hernach eine Hauptmännin/ ferner eine Leutenantin/ bald eine Marcketenterin/ Mußquetirerin/ und letzlich eine Ziegeunerin abgegeben. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjn6.0