[][][][][][][][]
Wiſſenſchaft
der
Logik.


Zweiter Band.
Die ſubjective Logik
oder
Lehre vom Begriff
.

Nuͤrnberg,:
bey Johann Leonhard Schrag.
1816.

[[I]]
Wiſſenſchaft
der
ſubjectiven Logik
oder
die Lehre
vom Begriff


[figure]
Nuͤrnberg,:
bey Johann Leonhard Schrag.
1816.

[[II]][[III]]

Vorbericht.


Dieſer Theil der Logik, der die Lehre vom
Begriffe
enthaͤlt, und den dritten Theil des Gan-
zen ausmacht, wird auch unter dem beſondern Ti-
tel: Syſtem der ſubjectiven Logik, zur Be-
quemlichkeit derjenigen Freunde dieſer Wiſſenſchaft
ausgegeben, die fuͤr die hier abgehandelten, in dem
Umfange der gewoͤhnlich ſo genannten Logik befaßten
Materien ein groͤſſeres Intereſſe zu haben gewoͤhnt
ſind, als fuͤr die weitern logiſchen Gegenſtaͤnde, die
in den beyden erſten Theilen abgehandelt worden. —
Fuͤr dieſe fruͤhern Theile konnte ich auf die Nach-
ſicht billiger Beurtheiler wegen der wenigen Vor-
arbeiten Anſpruch machen, die mir einen Anhalt,
Materialien und einen Faden des Fortgangs haͤt-
* 2ten
[IV]Vorbericht.
ten gewaͤhren koͤnnen. Bey dem gegenwaͤrtigen,
darf ich dieſe Nachſicht vielmehr aus dem entgegen-
geſetzten Grunde anſprechen; indem ſich fuͤr die Lo-
gik des Begriffs ein voͤllig fertiges und feſtge-
wordenes, man kann ſagen, verknoͤchertes Material
vorfindet, und die Aufgabe darin beſteht, daſſelbe
in Fluͤſſigkeit zu bringen, und den lebendigen Begriff
in ſolchem todten Stoffe wieder zu entzuͤnden;
wenn es ſeine Schwierigkeiten hat, in einem oͤden
Lande eine neue Stadt zu erbauen, ſo findet ſich
zwar Material genug, aber deſto mehr Hinderniſſe
anderer Art, wenn es darum zu thun iſt, einer al-
ten, feſtgebauten, in fortwaͤhrendem Beſitz und Be-
wohnung erhaltenen Stadt eine neue Anlage zu
geben; man muß ſich unter anderem auch entſchlieſ-
ſen, von vielem ſonſt werthgeachtetem des Vorraths
gar keinen Gebrauch zu machen. —


Vornemlich aber darf die Groͤſſe des Gegen-
ſtandes ſelbſt zur Entſchuldigung der unvollkomme-
nen Ausfuͤhrung angefuͤhrt werden. Denn welcher
Gegenſtand iſt erhabener fuͤr die Erkenntniß, als
die
[V]Vorbericht.
die Wahrheit ſelbſt? — Der Zweifel aber, ob
nicht dieſer Gegenſtand es eben ſey, der einer Ent-
ſchuldigung beduͤrfe, liegt nicht aus dem Wege, wenn
man ſich des Sinns erinnert, in welchem Pila-
tus
die Frage: was iſt Wahrheit? ſagte; —
nach dem Dichter:
‒ ‒ ‒ ‒ mit der Miene des Hofmanns,
die kurzſichtig, doch laͤchelnd des Ernſtes Sache
verdammet.

Jene Frage ſchließt dann den Sinn, der als ein
Moment der Hoͤflichkeit angeſehen werden kann,
und die Erinnerung daran in ſich, daß das Ziel,
die Wahrheit zu erkennen, etwas bekanntlich aufge-
gebenes, laͤngſt abgethanes, und die Unerreichbarkeit
der Wahrheit auch unter Philoſophen und Logikern
von Profeſſion etwas anerkanntes ſey? — Wenn
aber die Frage der Religion nach dem Werthe
der Dinge, der Einſichten und Handlungen, die dem
Inhalte nach, einen gleichen Sinn hat, in unſern
Zeiten ihr Recht ſich wieder mehr vindicirt, ſo muß
wohl die Philoſophie hoffen, daß es auch nicht mehr
* 3ſo
[VI]Vorbericht.
ſo auffallend gefunden werde, wenn ſie wieder, zu-
naͤchſt in ihrem unmittelbaren Felde, ihr wahrhaftes
Ziel geltend macht, und nachdem ſie in die Art und
Weiſe und in die Anſpruchsloſigkeit anderer Wiſ-
ſenſchaften auf Wahrheit, herabgefallen, ſich wieder
zu demſelben zu erheben ſtrebt. Wegen dieſes Ver-
ſuchs kann es eigentlich nicht erlaubt ſeyn, eine
Entſchuldigung zu machen; aber wegen der Ausfuͤh-
rung deſſelben darf ich fuͤr eine ſolche noch erwaͤh-
nen, daß meine Amts-Verhaͤltniſſe und andere per-
ſoͤnliche Umſtaͤnde mir nur eine zerſtreute Arbeit in
einer Wiſſenſchaft geſtatteten, welche einer unzer-
ſtreuten und ungetheilten Anſtrengung bedarf und
wuͤrdig iſt.


Nuͤrnberg den 21. Jul. 1816.



[VII]

Inhaltsanzeige.


  • Vom Begriff im Allgemeinen S. 1—30.
  • Eintheilung S. 30—33.
  • Erſter Abſchnitt.
  • Die Subjectivitaͤt S. 34—191.
  • Erſtes Kapitel.
  • Der BegriffS. 36—70.
  • A. Der allgemeine Begriff S. 37.
  • B. Der beſondre Begriff S. 44.
  • Anm. Die gewoͤhnlichen Arten der Begriffe S. 55.
  • C. Das Einzelne S. 64.
  • Zweytes Kapitel.
  • Das UrtheilS. 71—131.
  • A. Das Urtheil des Daſeyns S. 82—100.
  • a. das poſitive S. 83.
  • b. das negative S. 89.
  • c. das unendliche S. 98.
  • B. Das Urtheil der Reflexion S. 100 — 111.
  • a. das ſingulaͤre S. 103.
  • b. das particulaͤre S. 104.
  • c. das univerſelle S. 106.
  • C. Das Urtheil der Nothwendigkeit S. 111—122.
  • a. das kategoriſche S. 112.
  • b. das hypothetiſche S. 113.
  • c. das disjunctive S. 116.
  • D. Das Urtheil des Begriffs S. 122—131.
  • a. das aſſertoriſche S. 124.
  • b. das problematiſche S. 126.
  • c. das apodiktiſche S. 128.
  • Drittes Kapitel.
  • Der SchlußS. 132—191.
  • A. Der Schluß des Daſeyns S. 135—165.
  • a. erſte Figur S. 136.
  • b. zweyte Figur S. 148.
  • c. dritte Figur S. 153.
  • d. vierte Figur S. 155.
  • Anm. Die gewoͤhnliche Anſicht des Schluſſes
    S. 158.
  • B. Der Schluß der Reflexion S. 165—178.
  • a. Schluß der Allheit S. 167.
  • b. der Induction S. 170.
  • c. der Analogie S. 173.
  • C. Der Schluß der Nothwendigkeit S. 179—191.
  • a. der kategoriſche S. 180.
  • b. der hypothetiſche S. 183.
  • c. der disjunctive Schluß S. 187.
  • Zweyter Abſchnitt.
  • Die Objectivitaͤt S. 192—266.
  • Erſtes Kapitel.
  • Der MechanismusS. 202—225.
  • A. Das mechaniſche Object S. 203—207.
  • B. Der mechaniſche Proceß S. 207—219.
  • a. der formale S. 210.
  • b. der reale S 214.
  • c. das Product S. 217.
  • C. Der abſolute Mechanismus S. 219—225.
  • a. das Centrum S. 219.
  • b. das Geſetz S. 223.
  • c. Uebergang des Mechanismus S. 224.
  • Zweytes Kapitel.
  • Der ChemismusS. 226—235.
  • A. Das chemiſche Object S. 226—228.
  • B. Der chemiſche Proceß S. 228—232.
  • C. Uebergang des Chemismus S. 233—235.
  • Drittes Kapitel.
  • Die TeleologieS. 236—266.
  • A. Der ſubjective Zweck S. 246—249.
  • B. Das Mittel S. 250—253.
  • C. Der ausgefuͤhrte Zweck S. 254—266.
  • Dritter Abſchnitt.
  • Die Idee. S. 267 bis Ende.
  • Erſtes Kapitel.
  • Das LebenS. 276—297.
  • A. Das lebendige Individuum S. 281—289.
  • B. Der Lebens-Proceß S. 289—293.
  • C. Die Gattung S. 293—297.
  • Zweytes Kapitel.
  • Die Idee des ErkennensS. 298—370.
  • A. Die Idee des WahrenS. 311—362.
  • a. das analytiſche Erkennen S. 316—326.
  • b. das ſynthetiſche Erkennen S. 326—362.
  • 1. die Definition S. 328. — 2. die Ein-
    theilung S. 336. — 3. der Lehrſatz S. 344.
  • B. Die Idee des Guten S. 362—370.
  • Drittes Kapitel.
  • Die abſolute IdeeS. 371 bis Ende.

[[1]]

Vom
Begriff im Allgemeinen.


Was die Natur des Begriffes ſey, kann
ſo wenig unmittelbar angegeben werden, als der Begriff
irgend eines andern Gegenſtandes unmittelbar aufgeſtellt
werden kann. Es koͤnnte etwa ſcheinen, daß um den
Begriff eines Gegenſtandes anzugeben, das Logiſche
vorausgeſetzt werde, und dieſes ſomit nicht wieder et-
was anderes zu ſeinem Voraus haben, noch ein ab-
geleitetes ſeyn koͤnne, wie in der Geometrie logiſche
Saͤtze, wie ſie in Anwendung auf die Groͤſſe erſcheinen
und in dieſer Wiſſenſchaft gebraucht werden, in der
Form von Axiomen, unabgeleiteten und un-
ableitbaren
Erkenntnißbeſtimmungen vorangeſchickt
werden. Ob nun wohl der Begriff nicht nur als eine
ſubjective Vorausſetzung, ſondern als abſolute
Grundlage
anzuſehen iſt, ſo kann er diß doch nicht
ſeyn, als inſofern er ſich zur Grundlage gemacht hat.
Das abſtract-Unmittelbare iſt wohl ein Erſtes; als diß
Abſtracte, iſt es aber vielmehr ein Vermitteltes, von dem
alſo, wenn es in ſeiner Wahrheit gefaßt werden ſoll,
ſeine Grundlage erſt zu ſuchen iſt. Dieſe muß daher
zwar ein Unmittelbares ſeyn, aber ſo daß es aus der
Aufhebung der Vermittlung ſich zum Unmittelbaren ge-
macht hat.


ADer
[2]Vom Begriff

Der Begriff iſt von dieſer Seite zunaͤchſt
uͤberhaupt als das Dritte zum Seyn und We-
ſen
, zum Unmittelbaren und zur Reflexion
anzuſehen. Seyn und Weſen ſind inſofern die Mo-
mente ſeines Werdens; er aber iſt ihre Grundlage
und Wahrheit, als die Identitaͤt, in welcher ſie un-
tergegangen und enthalten ſind. Sie ſind in ihm, weil
er ihr Reſultat iſt, enthalten, aber nicht mehr als
Seyn und als Weſen; dieſe Beſtimmung haben ſie
nur, inſofern ſie noch nicht in dieſe ihre Einheit zuruͤck-
gegangen ſind.


Die objective Logik, welche das Seyn und
Weſen betrachtet, macht daher eigentlich die geneti-
ſche Expoſition des Begriffes
aus. Naͤher iſt
die Subſtanz ſchon das reale Weſen, oder das
Weſen, in ſo fern es mit dem Seyn vereinigt und
in Wirklichkeit getreten iſt. Der Begriff hat daher die
Subſtanz zu ſeiner unmittelbaren Vorausſetzung, ſie iſt
das an ſich, was er als manifeſtirtes iſt. Die
dialektiſche Bewegung der Subſtanz durch die
Cauſalitaͤt und Wechſelwirkung hindurch iſt daher die
unmittelbare Geneſis des Begriffes, durch welche
ſein Werden dargeſtellt wird. Aber ſein Werden
hat, wie das Werden uͤberall, die Bedeutung, daß es
die Reflexion des Übergehenden in ſeinen Grund iſt,
und daß das zunaͤchſt anſcheinend Andere, in welches
das erſtere uͤbergegangen, deſſen Wahrheit ausmacht.
So iſt der Begriff die Wahrheit der Subſtanz, und
indem die beſtimmte Verhaͤltnißweiſe der Subſtanz die
Nothwendigkeit iſt, zeigt ſich die Freyheit als
die Wahrheit der Nothwendigkeit, und als die
Verhaͤltnißweiſe des Begriffs
.


Die eigene, nothwendige Fortbeſtimmung der Sub-
ſtanz, iſt das Setzen deſſen, was an und fuͤr ſich
iſt;
[3]im Allgemeinen.
iſt; der Begriff nun iſt dieſe abſolute Einheit des
Seyns und der Reflexion, daß das An- und Fuͤr
ſich ſeyn
erſt dadurch iſt, daß es eben ſo ſehr Re-
flexion
oder Geſetztſeyn iſt, und daß das Geſetzt-
ſeyn
das An- und Fuͤr ſich ſeyn iſt. — Diß
abſtracte Reſultat erlaͤutert ſich durch die Darſtellung
ſeiner concreten Geneſis; ſie enthaͤlt die Natur des Be-
griffes; ſie muß aber deſſen Abhandlung vorangegangen
ſeyn. Die Hauptmomente dieſer Expoſition, (welche im
2ten Buch der objectiven Logik ausfuͤhrlich abgehandelt
worden iſt) ſind daher hier kuͤrzlich zuſammen zu ſtellen:


Die Subſtanz iſt das Abſolute, das an- und
fuͤr ſich-ſeyende Wirkliche; — an ſich als die einfache
Identitaͤt der Moͤglichkeit und Wirklichkeit, abſolutes,
alle Wirklichkeit und Moͤglichkeit in ſich enthaltendes
Weſen; fuͤr ſich, dieſe Identitaͤt als abſolute Macht
oder ſchlechthin ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt. —
Die Bewegung der Subſtantialitaͤt, welche durch dieſe
Momente geſetzt iſt, beſteht darin,


1.) Daß die Subſtanz, als abſolute Macht oder
ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt, ſich zu einem
Verhaͤltniſſe unterſcheidet, worin jene zunaͤchſt nur ein-
fache Momente, als Subſtanzen, und als urſpruͤng-
liche Vorausſetzungen ſind. — Das beſtimmte Ver-
haͤltniß derſelben iſt das einer paſſiven Subſtanz, —
der Urſpruͤnglichkeit des einfachen An ſich ſeyns,
welches machtlos ſich nicht ſelbſt ſetzend, nur urſpruͤng-
liches Geſetztſeyn iſt; — und von activer Sub-
ſtanz, der ſich auf ſich beziehenden Negativitaͤt,
welche als ſolche ſich als andres geſetzt hat, und auf
diß
Andre bezieht. Diß andre iſt eben die paſſive
Subſtanz, welche ſie ſich in der Urſpruͤnglichkeit ihrer
Macht als Bedingung vorausgeſetzt hat. — Diß
Vorausſetzen iſt ſo zu faſſen, daß die Bewegung der
A 2Sub-
[4]Vom Begriff
Subſtanz ſelbſt zunaͤchſt unter der Form des einen Mo-
ments ihres Begriffs, des An ſich ſeyns iſt, daß
die Beſtimmtheit der einen der im Verhaͤltniß ſtehen-
den Subſtanzen, auch Beſtimmtheit dieſes Verhaͤlt-
niſſes
ſelbſt iſt.


2.) Das andere Moment iſt das Fuͤrſichſeyn
oder daß die Macht ſich als ſich auf ſich ſelbſt
beziehende Negativitaͤt ſetzt, wodurch ſie das Voraus-
geſetzte
wieder aufhebt. — Die active Subſtanz iſt
die Urſache; ſie wirkt; das heißt, ſie iſt nun das
Setzen, wie ſie vorher das Vorausſetzen
war, daß a) der Macht auch der Schein der Macht,
dem Geſetztſeyn auch der Schein des Geſetztſeyns ge-
geben wird. Das, was in der Vorausſetzung ur-
ſpruͤngliches
war, wird in der Cauſalitaͤt durch
die Beziehung auf anderes
, das, was es an
ſich iſt; die Urſache bringt eine Wirkung, und zwar an
einer andern Subſtanz hervor; ſie iſt nunmehr Macht
in Beziehung auf ein anderes; erſcheint in
ſo fern als Urſache, aber iſt es erſt durch diß Erſchei-
nen
. — An die paſſive Subſtanz tritt die Wirkung,
wodurch ſie als Geſetztſeyn nun auch erſcheint, aber
erſt darin paſſive Subſtanz iſt.


3.) Aber es iſt noch mehr hierin vorhanden, als
nur dieſe Erſcheinung; nemlich a.) Die Urſache
wirkt auf die paſſive Subſtanz, ſie veraͤndert deren
Beſtimmung; aber dieſe iſt das Geſetztſeyn, ſonſt iſt
nichts an ihr zu veraͤndern; die andere Beſtimmung
aber, die ſie erhaͤlt, iſt die Urſachlichkeit; die paſſive
Subſtanz wird alſo zur Urſache, Macht und Thaͤtigkeit.
b) es wird die Wirkung an ihr geſetzt von der Ur-
ſache; das aber von der Urſache geſetzte iſt die im Wir-
ken mit ſich identiſche Urſache ſelbſt; es iſt dieſe, welche
ſich an die Stelle der paſſiven Subſtanz ſetzt. — Eben
ſo
[5]im Allgemeinen.
ſo in Anſehung der activen Subſtanz iſt a.) das Wir-
ken das Ueberſetzen der Urſache in die Wirkung, in ihr
anderes, das Geſetztſeyn, und b) in der Wirkung
zeigt ſich die Urſache als das, was ſie iſt, die Wirkung
iſt identiſch mit der Urſache, nicht ein anderes; die Ur-
ſache zeigt alſo im Wirken das Geſetztſeyn als das, was
ſie weſentlich iſt. — Nach beyden Seiten alſo, des iden-
tiſchen ſowohl als des negativen Beziehens der an-
dern auf ſie
, wird jede das Gegentheil ihrer
ſelbſt; diß Gegentheil aber wird jede, daß die andere,
alſo auch jede, identiſch mit ſich ſelbſt bleibt. —
Aber beydes, das identiſche und das negative Beziehen,
iſt ein und daſſelbe; die Subſtanz iſt nur in ihrem Ge-
gentheil identiſch mit ſich ſelbſt, und diß macht die ab-
ſolute Identitaͤt der als zwey geſetzten Subſtanzen aus.
Die active Subſtanz wird durch das Wirken, d. h. in-
dem ſie ſich als das Gegentheil ihrer ſelbſt ſetzt, was
zugleich das Aufheben ihres vorausgeſetzten An-
dersſeyns
, der paſſiven Subſtanz, iſt, als Urſache
oder urſpruͤngliche Subſtantialitaͤt manifeſtirt. Umgekehrt
wird durch das Einwirken das Geſetztſeyn als Geſetzt-
ſeyn, das Negative, als Negatives, ſomit die paſſive
Subſtanz als ſich auf ſich beziehende Negativi-
taͤt, manifeſtirt; und die Urſache geht in dieſem Andern
ihrer ſelbſt ſchlechthin nur mit ſich zuſammen. Durch diß
Setzen wird alſo die vorausgeſetzte oder an ſich
ſeyende
Urſpruͤnglichkeit fuͤr ſich; aber diß An und
fuͤr ſich ſeyn iſt nur dadurch, daß diß Setzen eben ſo
ſehr ein Aufheben des Vorausgeſetzten iſt, oder die
abſolute Subſtanz nur aus und in ihrem Geſetzt-
ſeyn
zu ſich ſelbſt zuruͤckgekommen, und dadurch abſolut iſt.
Dieſe Wechſelwirkung iſt hiemit die ſich wieder auf-
hebende Erſcheinung; die Offenbarung des Scheins
der Cauſalitaͤt, worin die Urſache als Urſache iſt, daß
er Schein iſt
. Dieſe unendliche Reflexion in ſich ſelbſt,
daß
[6]Vom Begriff
daß das An- und- Fuͤrſichſeyn erſt dadurch iſt, daß es
Geſetztſeyn iſt, iſt die Vollendung der Subſtanz.
Aber dieſe Vollendung iſt nicht mehr die Subſtanz
ſelbſt, ſondern iſt ein hoͤheres, der Begriff, das
Subject. Der Uebergang des Subſtantialitaͤts-Ver-
haͤltniſſes geſchieht durch ſeine eigene immanente Noth-
wendigkeit, und iſt weiter nichts, als die Manifeſtation
ihrer ſelbſt, daß der Begriff ihre Wahrheit, und die
Freyheit die Wahrheit der Nothwendigkeit iſt.


Es iſt ſchon fruͤher im 2ten Buch der objectiven Lo-
gik S. 225 f. Anm. erinnert worden, daß die Philo-
ſophie, welche ſich auf den Standpunkt der Subſtanz
ſtellt und darauf ſtehen bleibt, das Syſtem des Spi-
noza
iſt. Es iſt daſelbſt zugleich der Mangel dieſes
Syſtems ſowohl der Form als Materie nach aufgezeigt
worden. Ein anderes aber iſt die Widerlegung deſ-
ſelben. In Ruͤckſicht auf die Widerlegung eines phi-
loſophiſchen Syſtems iſt anderwaͤrts gleichfalls die all-
gemeine Bemerkung gemacht worden, daß daraus die
ſchiefe Vorſtellung zu verbannen iſt, als ob das Syſtem
als durchaus falſch dargeſtellt werden ſolle, und als
ob das wahre Syſtem dagegen dem falſchen nur
entgegengeſetzt
ſey. Aus dem Zuſammenhange, in
welchem hier das Spinoziſtiſche Syſtem vorkommt, geht
von ſelbſt der wahre Standpunkt deſſelben und der Fra-
ge, ob es wahr oder falſch ſey, hervor. Das Sub-
ſtantialitaͤts-Verhaͤltniß erzeugte ſich durch die Natur des
Weſens; diß Verhaͤltniß, ſo wie ſeine zu einem Gan-
zen erweiterte Darſtellung in einem Syſteme iſt daher
ein nothwendiger Standpunkt, auf welchen das
Abſolute ſich ſtellt. Ein ſolcher Standpunkt iſt daher
nicht als eine Meynung, eine ſubjective, beliebige Vor-
ſtellungs- und Denkweiſe eines Individuums, als eine
Verirrung der Speculation, anzuſehen; dieſe findet ſich
viel-
[7]im Allgemeinen.
vielmehr auf ihrem Wege nothwendig darauf ver-
ſetzt, und inſofern iſt das Syſtem vollkommen
wahr. — Aber es iſt nicht der hoͤchſte Stand-
punkt
. Allein inſofern kann das Syſtem nicht als
falſch, als der Widerlegung beduͤrftig und faͤhig
angeſehen werden; ſondern nur diß daran iſt als das
falſche zu betrachten, daß es der hoͤchſte Standpunkt
ſey. Das wahre Syſtem kann daher auch nicht das
Verhaͤltniß zu ihm haben, ihm nur entgegengeſetzt
zu ſeyn; denn ſo waͤre diß entgegengeſetzte ſelbſt ein
einſeitiges. Vielmehr als das hoͤhere muß es das un-
tergeordnete in ſich enthalten.


Ferner muß die Widerlegung nicht von auſſen kom-
men, d. h. nicht von Annahmen ausgehen, welche auſ-
ſer jenem Syſteme liegen, denen es nicht entſpricht.
Es braucht jene Annahmen nur nicht anzuerkennen;
der Mangel iſt nur fuͤr den ein Mangel, welcher von
den auf ſie gegruͤndeten Beduͤrfniſſen und Foderungen
ausgeht. Inſofern iſt geſagt worden, daß wer die Frey-
heit und Selbſtſtaͤndigkeit des ſelbſtbewußten Subjects
nicht fuͤr ſich als entſchieden vorausſetze, fuͤr den koͤnne
keine Widerlegung des Spinozismus Statt finden.
Ohnehin ignorirt ein ſo hoher, und in ſich ſchon ſo
reicher Standpunkt, als das Subſtantialitaͤtsverhaͤlt-
niß, jene Annahme nicht, ſondern enthaͤlt ſie auch; eins
der Attribute der ſpinoziſtiſchen Subſtanz iſt das Den-
ken
. Er verſteht vielmehr die Beſtimmungen, unter
welchen dieſe Annahmen ihm widerſtreiten, aufzuloͤſen
und in ſich zu ziehen, ſo daß ſie in dem ſelben aber
in den ihm angemeſſenen Modificationen erſcheinen.
Der Nerv des aͤuſſerlichen Widerlegens beruht dann
allein darauf, die entgegengeſetzten Formen jener An-
nahmen, z. B. das abſolute Selbſtbeſtehen des denken-
den Individuums gegen die Form des Denkens, wie es
in
[8]Vom Begriff
in der abſoluten Subſtanz mit der Ausdehnung identiſch
geſetzt wird, ſeinerſeits ſteif und feſt zu halten. Die
wahrhafte Widerlegung muß in die Kraft des Gegners
eingehen und ſich in den Umkreis ſeiner Staͤrke ſtellen;
ihn auſſerhalb ſeiner ſelbſt angreiffen und da Recht zu
behalten, wo er nicht iſt, foͤrdert die Sache nicht.
Die einzige Widerlegung des Spinozismus kann daher
nur darin beſtehen, daß ſein Standpunkt zuerſt als
weſentlich und nothwendig anerkannt werde, daß aber
zweytens dieſer Standpunkt aus ſich ſelbſt auf den
hoͤhern gehoben werde. Das Subſtantialitaͤts-Verhaͤlt-
niß ganz nur an und fuͤr ſich ſelbſt betrachtet,
fuͤhrt ſich zu ſeinem Gegentheil, dem Begriffe, uͤber.
Die im letzten Buch enthaltene Expoſition der Sub-
ſtanz, welche zum Begriffe uͤberfuͤhrt, iſt daher die
einzige und wahrhafte Widerlegung des Spinozismus.
Sie iſt die Enthuͤllung der Subſtanz, und dieſe iſt
die Geneſis des Begriffs, deren Hauptmomente
oben zuſammengeſtellt worden. — Die Einheit der
Subſtanz iſt ihr Verhaͤltniß der Nothwendigkeit;
aber ſo iſt ſie nur innre Nothwendigkeit; indem
ſie durch das Moment der abſoluten Negativitaͤt ſich
ſetzt
, wird ſie manifeſtirte oder geſetzte Iden-
titaͤt
, und damit die Freyheit, welche die Iden-
titaͤt des Begriffs iſt. Dieſer, die aus der Wechſelwir-
kung reſultirende Totalitaͤt, iſt die Einheit der beyden
Subſtanzen
der Wechſelwirkung, ſo daß ſie aber
nunmehr der Freyheit angehoͤren, indem ſie nicht mehr
ihre Identitaͤt als ein blindes, das heißt innerliches,
ſondern daß ſie weſentlich die Beſtimmung haben, als
Schein oder Reflexionsmomente zu ſeyn, wodurch jede
mit ihrem Andern oder ihrem Geſetztſeyn eben ſo un-
mittelbar zuſammengegangen und jede ihr Geſetztſeyn in
ſich
ſelbſt enthaͤlt, ſomit in ihrem Andern ſchlechthin
nur als identiſch mit ſich geſetzt iſt.


Im
[9]im Allgemeinen.

Im Begriffe hat ſich daher das Reich der
Freyheit eroͤffnet. Er iſt das freye, weil die an
und fuͤr ſich ſeyende Identitaͤt
, welche die Noth-
wendigkeit der Subſtanz ausmacht, zugleich als aufgeho-
ben, oder als Geſetztſeyn iſt, und diß Geſetztſeyn
als ſich auf ſich ſelbſt beziehend, eben jene Identitaͤt iſt.
Die Dunkelheit der im Cauſalverhaͤltniſſe ſtehenden Sub-
ſtanzen fuͤr einander, iſt verſchwunden, denn die Ur-
ſpruͤnglichkeit ihres Selbſtbeſtehens iſt in Geſetztſeyn
uͤbergegangen, und dadurch zur ſich ſelbſt durchſichtigen
Klarheit geworden; die urſpruͤngliche Sache iſt
diß, indem ſie nur die Urſache ihrer ſelbſt iſt, und diß
iſt die zum Begriffe befreyte Subſtanz.


Es ergibt ſich hieraus fuͤr den Begriff ſogleich fol-
gende naͤhere Beſtimmung. Weil das An- und- fuͤr ſich
ſeyn unmittelbar als Geſetztſeyn iſt, iſt der Begriff
in ſeiner einfachen Beziehung auf ſich ſelbſt, abſolute
Beſtimmtheit; aber welche eben ſo als ſich nur auf
ſich beziehend unmittelbar einfache Identitaͤt iſt. Aber
dieſe Beziehung der Beſtimmtheit auf ſich ſelbſt,
als das Zuſammengehen derſelben mit ſich, iſt
eben ſo ſehr die Negation der Beſtimmtheit, und
der Begriff iſt als dieſe Gleichheit mit ſich ſelbſt das
Allgemeine. Aber dieſe Identitaͤt hat ſo ſehr die
Beſtimmung der Negativitaͤt; ſie iſt die Negation oder
Beſtimmtheit, welche ſich auf ſich bezieht, ſo iſt der Be-
griff Einzelnes. Jedes von ihnen iſt die Totalitaͤt,
jedes enthaͤlt die Beſtimmung des andern in ſich, und
darum ſind dieſe Totalitaͤten eben ſo ſchlechthin nur
Eine, als dieſe Einheit die Diremtion ihrer ſelbſt in
den freyen Schein dieſer Zweyheit iſt; — einer Zwey-
heit, welche in dem Unterſchied des Einzelnen und All-
gemeinen
als vollkommener Gegenſatz erſcheint, der
aber ſo ſehr Schein iſt, daß indem das eine begriffen
und
[10]Vom Begriff
und ausgeſprochen wird, darin das andere unmittelbar
begriffen und ausgeſprochen iſt.


Das ſo eben vorgetragene iſt als der Begriff
des Begriffes
zu betrachten. Wenn derſelbe von
demjenigen abzuweichen ſcheinen kann, was man ſonſt
unter Begriff verſtehe, ſo koͤnnte verlangt werden, daß
aufgezeigt wuͤrde, wie daſſelbe, was hier als der Begriff
ſich ergeben hat, in andern Vorſtellungen oder Er-
klaͤrungen enthalten ſey: Einerſeits kann es jedoch nicht
um eine durch die Autoritaͤt des gewoͤhnlichen Ver-
ſtehens begruͤndete Beſtaͤtigung zu thun ſeyn; in der
Wiſſenſchaft des Begriffes kann deſſen Innhalt und Be-
ſtimmung allein durch die immanente Deduction
bewaͤhrt werden, welche ſeine Geneſis enthaͤlt, und wel-
che bereits hinter uns liegt. Auf der andern Seite
muß wohl an ſich in demjenigen, was ſonſt als der Be-
griff des Begriffs vorgelegt wird, der hier deducirte
zu erkennen ſeyn. Aber es iſt nicht ſo leicht, das auf-
zufinden, was Andere von der Natur des Begriffes ge-
ſagt haben. Denn meiſtens befaſſen ſie ſich mit dieſer
Aufſuchung gar nicht, und ſetzen voraus, daß jeder es
ſchon von ſelbſt verſtehe, wenn man von dem Begriffe
ſpreche. Neuerlich konnte man ſich der Bemuͤhung mit
dem Begriffe um ſo mehr uͤberhoben glauben, da, wie es
eine Zeitlang Ton war, der Einbildungskraft, dann dem
Gedaͤchtniſſe alles moͤgliche Schlimme nachzuſagen, es
in der Philoſophie ſeit geraumer Zeit zur Gewohnheit ge-
worden, und zum Theil noch gegenwaͤrtig iſt, auf den
Begriff alle uͤble Nachrede zu haͤuffen, ihn, der das
hoͤchſte des Denkens iſt, veraͤchtlich zu machen und da-
gegen fuͤr den hoͤchſten ſowohl ſcientifiſchen als mora-
liſchen Gipfel das Unbegreifliche und das Nicht-
Begreiffen
anzuſehen.


Ich
[11]im Allgemeinen.

Ich beſchraͤnke mich hier auf eine Bemerkung, die
fuͤr das Auffaſſen der hier entwickelten Begriffe dienen
kann, und es erleichtern mag, ſich darein zu finden.
Der Begriff, inſofern er zu einer ſolchen Exiſtenz
gediehen iſt, welche ſelbſt frey iſt, iſt nichts anderes
als Ich oder das reine Selbſtbewußtſeyn. Ich habe
wohl Begriffe, das heißt, beſtimmte Begriffe; aber Ich
iſt der reine Begriff ſelbſt, der als Begriff zum Da-
ſeyn
gekommen iſt. Wenn man daher an die Grund-
beſtimmungen, welche die Natur des Ich ausmachen,
erinnert, ſo darf man vorausſetzen, daß an etwas Be-
kanntes, d. i. der Vorſtellung gelaͤuffiges, erinnert wird.
Ich aber iſt dieſe erſtlich reine ſich auf ſich beziehen-
de Einheit, und diß nicht unmittelbar, ſondern indem
es von aller Beſtimmtheit und Inhalt abſtrahirt, und in
die Freyheit der ſchrankenloſen Gleichheit mit ſich ſelbſt
zuruͤckgeht. So iſt es Allgemeinheit; Einheit,
welche nur durch jenes negative Verhalten, welches
als das Abſtrahiren erſcheint, Einheit mit ſich iſt, und
dadurch alles Beſtimmtſeyn in ſich aufgeloͤſt enthaͤlt.
Zweytens iſt Ich eben ſo unmittelbar als die ſich
auf ſich ſelbſt beziehende Negativitaͤt, Einzelnheit,
abſolutes Beſtimmtſeyn
, welches ſich anderem
gegenuͤberſtellt, und es ausſchließt; individuelle
Perſoͤnlichkeit
. Jene abſolute Allgemeinheit,
die eben ſo unmittelbar abſolute Vereinzelung iſt,
und ein An- und Fuͤr-ſichſeyn, welches ſchlechthin Ge-
ſetztſeyn und nur diß An- und Fuͤr-ſichſeyn durch
die Einheit mit dem Geſetztſeyn iſt, macht ebenſo die
Natur des Ich, als des Begriffes aus; von dem
einen und dem andern iſt nichts zu begreiffen, wenn
nicht die angegebenen beyden Momente zugleich in ihrer
Abſtraction und zugleich in ihrer vollkommenen Einheit
aufgefaßt werden.


Wenn
[12]Vom Begriff

Wenn nach der gewoͤhnlichen Weiſe von dem Ver-
ſtande
, den Ich habe, geſprochen wird, ſo verſteht
man darunter ein Vermoͤgen oder Eigenſchaft, die
in dem Verhaͤltniſſe zu Ich ſtehe, wie die Eigenſchaft
des Dings zum Dinge ſelbſt, — einem unbeſtimmten
Subſtrate, welches nicht der wahrhafte Grund und das
Beſtimmende ſeiner Eigenſchaft ſey. Nach dieſer Vor-
ſtellung habe Ich Begriffe und den Begriff, wie ich auch
einen Rock, Farbe und andere aͤuſſerliche Eigenſchaften
habe. — Kant iſt uͤber dieſes aͤuſſerliche Verhaͤltniſſe
des Verſtands als des Vermoͤgens der Begriffe, und
der Begriffe ſelbſt, zum Ich, hinausgegangen. Es ge-
hoͤrt zu den tiefſten und richtigſten Einſichten, die ſich
in der Kritik der Vernunft finden, daß die Ein-
heit
, die das Weſen des Begriffs ausmacht, als
die urſpruͤnglich-ſynthetiſche Einheit der Ap-
perception
, als Einheit des: Ich denke, oder
des Selbſtbewußtſeyns erkannt wird. — Dieſer Satz
macht die ſogenannte tranſcendentale Deduction der
Categorie aus; ſie hat aber von jeher fuͤr eines der
ſchwerſten Stuͤcke der Kantiſchen Philoſophie gegolten, —
wohl aus keinem andern Grunde, als weil ſie fodert,
daß uͤber die bloſſe Vorſtellung des Verhaͤltniſſes,
in welchem Ich und der Verſtand oder die Be-
griffe
zu einem Ding und ſeinen Eigenſchaften oder
Accidenzen ſtehen, zum Gedanken hinausgegangen
werden ſoll. — Object, ſagt Kant, Kritik der r. V.
S. 137. 2te Ausg. iſt das, in deſſen Begriff das
Mannichfaltige einer gegebenen Anſchauung ver-
einigt
iſt. Alle Vereinigung der Vorſtellungen erfo-
dert aber Einheit des Bewußtſeyns in der Syn-
theſis
derſelben. Folglich iſt dieſe Einheit des
Bewußtſeyns
dasjenige, was allein die Beziehung
der Vorſtellungen auf einen Gegenſtand, mithin ihre
objective Guͤltigkeit, ausmacht, und worauf ſelbſt
die
[13]im Allgemeinen.
die Moͤglichkeit des Verſtands beruht. Kant
unterſcheidet die ſubjective Einheit des Bewußt-
ſeyns hievon, die Einheit der Vorſtellung, ob ich mir
eines Mannichfaltigen als zugleich oder nach ein-
ander
bewußt bin, was von empiriſchen Bedingungen
abhaͤnge. Die Principien dagegen der objectiven
Beſtimmung der Vorſtellungen ſeyen allein aus dem
Grundſatze der tranſcendentalen Einheit der Ap-
perception
abzuleiten. Durch die Categorien, welche
dieſe objectiven Beſtimmungen ſind, werde das Mannich-
faltige gegebener Vorſtellungen ſo beſtimmt, daß es zur
Einheit des Bewußtſeyns gebracht werde. —
Nach dieſer Darſtellung iſt die Einheit des Begriffs
dasjenige, wodurch etwas nicht bloſſe Gefuͤhlsbe-
ſtimmung, Anſchauung
oder auch bloſſe Vorſtel-
lung
, ſondern Object iſt, welche objective Einheit,
die Einheit des Ich mit ſich ſelbſt iſt. — Das Be-
greiffen
eines Gegenſtandes beſteht in der That in
nichts anderem, als daß Ich denſelben ſich zu eigen
macht, ihn durchdringt, und ihn in ſeine eigene
Form
, d. i. in die Allgemeinheit, welche unmit-
telbar Beſtimmtheit, oder Beſtimmtheit, welche un-
mittelbar Allgemeinheit iſt, bringt. Der Gegenſtand
in der Anſchauung oder auch in der Vorſtellung iſt noch
ein aͤuſſerliches, fremdes. Durch das Begreiffen
wird, das An- und-Fuͤrſichſeyn, das er im An-
ſchauen und Vorſtellen hat, in ein [Geſetztſeyn] ver-
wandelt; Ich durchdringt ihn denkend. Wie er aber
im Denken iſt, ſo iſt er erſt an und fuͤr ſich; wie
er in der Anſchauung oder Vorſtellung iſt, iſt er Er-
ſcheinung
; das Denken hebt ſeine Unmittelbar-
keit
, mit der er zunaͤchſt vor uns kommt, auf, und
macht ſo ein Geſetztſeyn aus ihm; diß ſein Geſetzt-
ſeyn
aber iſt ſein An- und Fuͤrſichſeyn, oder
ſeine Objectivitaͤt. Dieſe Objectivitaͤt hat der Ge-
gen-
[14]Vom Begriff
genſtand ſomit im Begriffe, und dieſer iſt die Ein-
heit des Selbſtbewußtſeyns
, in die er aufge-
nommen worden; ſeine Objectivitaͤt oder der Begriff
iſt daher ſelbſt nichts anderes, als die Natur des Selbſt-
bewußtſeyns; hat keine andere Momente oder Beſtim-
mungen, als das Ich ſelbſt.


Hiernach rechtfertigt es ſich durch einen Hauptſatz
der Kantiſchen Philoſophie, daß, um das zu erkennen,
was der Begriff ſey, an die Natur des Ich erinnert
wird. Umgekehrt aber iſt hiezu nothwendig, den Be-
griff
des Ich aufgefaßt zu haben, wie er vorhin an-
gefuͤhrt worden. Wenn bey der bloſſen Vorſtellung
des Ich ſtehen geblieben wird, wie ſie unſrem gewoͤhn-
lichen Bewußtſeyn vorſchwebt, ſo iſt Ich nur das ein-
fache Ding, welches auch Seele genannt wird, dem
der Begriff als ein Beſitz oder Eigenſchaft inhaͤrirt.
Dieſe Vorſtellung, welche ſich nicht damit einlaͤßt, we-
der Ich noch den Begriff zu begreiffen, kann nicht dazu
dienen, das Begreiffen des Begriffs zu erleichtern oder
naͤher zu bringen.


Die angefuͤhrte Kantiſche Darſtellung enthaͤlt noch
zwey Seiten, die den Begriff betreffen, und einige wei-
tere Bemerkungen nothwendig machen. Vors erſte ſind
der Stuffe des Verſtands, die Stuffen des
Gefuͤhls und der Anſchauung
vorausgeſchickt;
und es iſt ein weſentlicher Satz der Kantiſchen Tran-
ſcendental-Philoſophie, daß die Begriffe ohne An-
ſchauung leer
ſind, und allein als Beziehungen
des durch die Anſchauung gegebenen Mannichfalti-
gen
Guͤltigkeit haben. Zweytens iſt der Begriff als
das Objective der Erkenntniß angegeben worden,
ſomit als die Wahrheit. Aber auf der andern Seite
wird derſelbe als etwas bloß ſubjectives genom-
men, aus dem ſich die Realitaͤt, unter welcher, da
ſie
[15]im Allgemeinen.
ſie der Subjectivitaͤt gegenuͤbergeſtellt wird, die Objecti-
vitaͤt zu verſtehen iſt, nicht herausklauben laſſe;
und uͤberhaupt wird der Begriff und das Logiſche fuͤr
etwas nur formelles erklaͤrt, das, weil es von dem
Inhalt abſtrahire, die Wahrheit nicht enthalte.


Was nun erſtens jenes Verhaͤltniß des
Verſtands oder Begriffs zu den ihm vor-
ausgeſetzten Stuffen
betrift, ſo kommt es darauf
an, welches die Wiſſenſchaft iſt, die abgehandelt wird,
um die Form jener Stuffen zu beſtimmen. In unſe-
rer Wiſſenſchaft, als der reinen Logik, ſind dieſe Stuf-
fen, Seyn und Weſen. In der Pſychologie
ſind es das Gefuͤhl und die Anſchauung, und
dann die Vorſtellung uͤberhaupt, welche dem Ver-
ſtande vorausgeſchickt werden. In der Phaͤnomeno-
logie
des Geiſtes, als der Lehre vom Bewußtſeyn,
wurde durch die Stuffen des ſinnlichen Bewußt-
ſeyns
und dann des Wahrnehmens zum Verſtande
aufgeſtiegen. Kant ſchickt ihm nur Gefuͤhl und An-
ſchauung voraus. Wie unvollſtaͤndig zunaͤchſt dieſe
Stuffenleiter iſt, gibt er ſchon ſelbſt dadurch zu erken-
nen, daß er als Anhang zu der tranſcendentalen Lo-
gik oder Verſtandeslehre, noch eine Abhandlung uͤber
die Reflexionsbegriffe hinzufuͤgt; — eine Sphaͤ-
re, welche zwiſchen der Anſchauung und dem Ver-
ſtande
, oder dem Seyn und Begriffe liegt.
Ueber die Sache ſelbſt iſt vors erſte zu bemerken,
daß jene Geſtalten von Anſchauung, Vorſtellung
und dergleichen dem ſelbſtbewußten Geiſte ange-
hoͤren, der als ſolcher nicht in der logiſchen Wiſſenſchaft
betrachtet wird. Die reinen Beſtimmungen von Seyn,
Weſen und Begriff, machen zwar auch die Grundlage
und das innere einfache Geruͤſte der Formen des Gei-
ſtes aus; der Geiſt als anſchauend eben ſo als
ſinn-
[16]Vom Begriff
ſinnliches Bewußtſeyn, iſt in der Beſtimmtheit
des unmittelbaren Seyns, ſo wie der Geiſt als vor-
ſtellend
, wie auch als wahrnehmendes Bewußt-
ſeyn ſich vom Seyn auf die Stuffe des Weſens oder
der Reflexion erhoben hat. Allein dieſe concreten Ge-
ſtalten gehen die logiſche Wiſſenſchaft ſo wenig an, als
die concreten Formen, welche die logiſchen Beſtimmun-
gen in der Natur annehmen, und welche Raum und
Zeit
, alsdenn der ſich erfuͤllende Raum und Zeit, als
unorganiſche Natur, und die organiſche Na-
tur
ſeyn wuͤrden. Eben ſo iſt hier auch der Begriff,
nicht als Actus des ſelbſtbewußten Verſtandes, nicht
der ſubjective Verſtand zu betrachten, ſondern der
Begriff an und fuͤr ſich, welcher ebenſowohl eine Stuf-
fe
der Natur, als des Geiſtes ausmacht. Das Le-
ben oder die organiſche Natur iſt dieſe Stuffe der Na-
tur, auf welcher der Begriff hervortritt; aber als blin-
der, ſich ſelbſt nicht faſſender d. h. nicht denkender Be-
griff; als ſolcher kommt er nur dem Geiſte zu. Von
jener ungeiſtigen aber ſowohl, als von dieſer geiſtigen
Geſtalt des Begriffs iſt ſeine logiſche Form unabhaͤngig,
es iſt hieruͤber ſchon in der Einleitung die noͤthige
Vorerinnerung gemacht worden; es iſt diß eine Bedeu-
tung, welche nicht erſt innerhalb der Logik zu rechtfer-
tigen iſt, ſondern mit der man vor derſelben im Rei-
nen ſeyn muß.


Wie nun aber auch die Formen geſtaltet ſeyn moͤch-
ten, welche dem Begriffe vorangehen, ſo kommt es
zweytens auf das Verhaͤltniß an, in welchem
der Begriff zu denſelben gedacht wird. Diß
Verhaͤltniß wird ſowohl in der gewoͤhnlichen pſychologi-
ſchen Vorſtellung, als auch in der Kantiſchen Tranſcen-
dental-Philoſophie ſo angenommen, daß der empiriſche
Stoff, das Mannichfaltige der Anſchauung und Vorſtel-
lung
[17]im Allgemeinen.
lung zuerſt fuͤr ſich da iſt, und daß dann der Ver-
ſtand dazu hintrete, Einheit in denſelben bringe,
und ihn durch Abſtraction in die Form der Allge-
meinheit
erhebe. Der Verſtand iſt auf dieſe Weiſe
eine fuͤr ſich leere Form, welche theils nur durch jenen
gegebenen Inhalt Realitaͤt erhaͤlt, theils von ihm
abſtrahirt, nemlich ihn als etwas aber nur fuͤr den
Begriff unbrauchbares weglaͤſt. Der Begriff iſt in
dem einen und dem andern Thun nicht das unabhaͤngige,
nicht das Weſentliche und Wahre jenes vorausgehenden
Stoffes, welches vielmehr die Realitaͤt an und fuͤr ſich
iſt, die ſich aus dem Begriffe nicht herausklauben laͤßt.


Es muß nun allerdings zugegeben werden, daß
der Begriff als ſolcher noch nicht vollſtaͤndig iſt,
ſondern in die Idee ſich erheben muß, welche erſt die
Einheit des Begriffs und der Realitaͤt iſt; wie ſich in
dem Verfolge durch die Natur des Begriffes ſelbſt er-
geben
muß. Denn die Realitaͤt, die er ſich gibt, darf
nicht als ein aͤuſſerliches aufgenommen, ſondern muß
nach wiſſenſchaftlicher Foderung aus ihm ſelbſt abgeleitet
werden. Aber es iſt wahrhaftig nicht jener durch die
Anſchauung und die Vorſtellung gegebene Stoff, wel-
cher gegen den Begriff als das Reale geltend gemacht
werden darf. „Es iſt nur ein Begriff,“ pflegt
man zu ſagen, indem man nicht nur die Idee, ſondern
das ſinnliche, raͤumliche und zeitliche handgreifliche Da-
ſeyn, als etwas gegenuͤberſtellt, das vortreflicher ſey,
als der Begriff. Das Abſtracte haͤlt man dann
darum fuͤr geringer, als das Concrete, weil aus jenem
ſo viel dergleichen Stoff weggelaſſen worden ſey. Das
Abſtrahiren hat in dieſer Meynung die Bedeutung, daß
aus dem Concreten nur zu unſerem ſubjectiven
Behuf, ein
oder das andere Merkmahl ſo her-
ausgenommen werden, daß mit dem Weglaſſen ſo vieler
Bande-
[18]Vom Begriff
anderer Eigenſchaften und Beſchaffenheiten
des Gegenſtandes, denſelben an ihrem Werthe und
ihrer Wuͤrde nichts benommen ſeyn ſolle; ſondern ſie
als das Reelle, nur auf der andern Seite druͤben,
noch immer als voͤllig geltendes gelaſſen werden; ſo
daß es nur das Unvermoͤgen des Verſtandes ſey,
ſolchen Reichthum nicht aufzunehmen, und ſich mit der
duͤrftigen Abſtraction begnuͤgen zu muͤſſen. Wenn nun
der gegebene Stoff der Anſchauung und das Mannich-
faltige der Vorſtellung, als das Reelle gegen das Ge-
dachte und den Begriff genommen wird, ſo iſt diß eine
Anſicht, welche abgelegt zu haben nicht nur Bedingung
des Philoſophirens iſt, ſondern ſchon von der Religion
vorausgeſetzt wird; wie iſt ein Beduͤrfniß und der Sinn
derſelben moͤglich, wenn die fluͤchtige und oberflaͤchliche
Erſcheinung des Sinnlichen und Einzelnen noch fuͤr das
Wahre gehalten wird? Die Philoſophie aber gibt die
begriffene Einſicht, was es mit der Realitaͤt des
ſinnlichen Seyns fuͤr eine Bewandniß habe, und ſchickt
jene Stuffen des Gefuͤhls und der Anſchauung, des ſinn-
lichen Bewußtſeyns u. ſ. f. inſofern dem Verſtande vor-
aus, als ſie in deſſen Werden ſeine Bedingungen, aber
nur ſo ſind, daß der Begriff aus ihrer Dialektik
und Nichtigkeit als ihr Grund hervorgeht, nicht
aber daß er durch ihre Realitaͤt bedingt waͤre. Das
abſtrahirende Denken iſt daher nicht als bloſſes Auf
die Seite-Stellen des ſinnlichen Stoffes zu betrachten,
welcher dadurch in ſeiner Realitaͤt keinen Eintrag leide,
ſondern es iſt vielmehr das Aufheben und die Reduction
deſſelben als bloſſer Erſcheinung auf das Weſent-
liche
, welches nur im Begriff ſich manifeſtirt. Wenn
das freylich nur als ein Merkmahl oder Zeichen
dienen ſoll, was von der concreten Erſcheinung in den
Begriff aufzunehmen ſey, ſo darf es allerdings auch ir-
gend eine nur ſinnliche einzelne Beſtimmung des Gegen-
ſtan-
[19]im Allgemeinen.
ſtandes ſeyn, die wegen irgend eines aͤuſſerlichen In-
tereſſes aus den andern herausgewaͤhlt wird, und von
gleicher Art und Natur, wie die uͤbrigen, iſt.


Ein hauptſaͤchlicher Mißverſtand, welcher hiebey
obwaltet, iſt, als ob das natuͤrliche Princip, oder der
Anfang, von dem in der natuͤrlichen Entwicklung
oder in der Geſchichte des ſich bildenden Indivi-
duums ausgegangen wird, das Wahre und im Be-
griffe Erſte
ſey. Anſchauung oder Seyn ſind wohl
der Natur nach das Erſte oder die Bedingung fuͤr den
Begriff, aber ſie ſind darum nicht das an und fuͤr ſich
Unbedingte, im Begriffe hebt ſich vielmehr ihre Realitaͤt
und damit zugleich der Schein auf, den ſie als das be-
dingende Reelle hatten. Wenn es nicht um die Wahr-
heit
, ſondern nur um die Hiſtorie zu thun iſt, wie
es im Vorſtellen und dem erſcheinenden Denken zugehe,
ſo kann man allerdings bey der Erzaͤhlung ſtehen blei-
ben, daß wir mit Gefuͤhlen und Anſchauungen anfangen,
und der Verſtand aus dem Mannichfaltigen derſelben
eine Allgemeinheit oder ein Abſtractes herausziehe, und
begreiflich jene Grundlage dazu noͤthig habe, welche bey
dieſem Abſtrahiren, noch in der ganzen Realitaͤt, mit
welcher ſie ſich zuerſt zeigte, dem Vorſtellen ſtehen bleibe.
Aber die Philoſophie ſoll keine Erzaͤhlung deſſen ſeyn,
was geſchieht, ſondern eine Erkenntniß deſſen, was
wahr darin iſt, und aus dem Wahren ſoll ſie ferner
das begreiffen, was in der Erzaͤhlung als ein bloſſes
Geſchehen erſcheint.


Wenn in der oberflaͤchlichen Vorſtellung von dem,
was der Begriff iſt, alle Mannichfaltigkeit auſſer dem
Begriffe
ſteht, und dieſem nur die Form der abſtrac-
ten Allgemeinheit oder der leeren Reflexionsidentitaͤt zu-
kommt, ſo kann ſchon zunaͤchſt daran erinnert werden,
daß auch ſonſt fuͤr die Angabe eines Begriffs oder die
B 2De-
[20]Vom Begriff
Definition, zu der Gattung, welche ſelbſt ſchon eigent-
lich nicht rein abſtracte Allgemeinheit iſt, ausdruͤcklich
auch die ſpecifiſche Beſtimmtheit gefordert wird.
Wenn nur mit etwas denkender Betrachtung darauf
reflectirt wuͤrde, was diß ſagen will, ſo wuͤrde ſich er-
geben, daß damit das Unterſcheiden als ein eben ſo
weſentliches Moment des Begriffes angeſehen wird.
Kant hat dieſe Betrachtung durch den hoͤchſt wichtigen
Gedanken eingeleitet, daß es ſynthetiſche Urtheile
à priori
gebe. Dieſe urſpruͤngliche Syntheſis der
Apperception iſt eines der tiefſten Principien fuͤr die
ſpeculative Entwicklung; ſie enthaͤlt den Anfang zum
wahrhaften Auffaſſen der Natur des Begriffs, und iſt
jener leeren Identitaͤt oder abſtracten Allgemeinheit, wel-
che keine Syntheſis in ſich iſt, vollkommen entgegen-
geſetzt. — Dieſem Anfange entſpricht jedoch die weitere
Ausfuͤhrung wenig. Schon der Ausdruck: Synthe-
ſis
leitet leicht wieder zur Vorſtellung einer aͤuſſer-
lichen
Einheit, und bloſſen Verbindung von
ſolchen, die an und fuͤr ſich getrennt ſind. Als-
denn iſt die Kantiſche Philoſophie nur bey dem pſycho-
logiſchen Reflexe des Begriffs ſtehen geblieben, und iſt
wieder zur Behauptung der bleibenden Bedingtheit des
Begriffes durch ein Mannichfaltiges der Anſchauung zu-
ruͤck gegangen. Sie hat die Verſtandeserkenntniſſe und
die Erfahrung nicht darum als einen erſcheinenden
Inhalt ausgeſprochen, weil die Categorien ſelbſt
nur endliche ſind, ſondern aus dem Grunde eines pſycho-
logiſchen Idealismus, weil ſie nur Beſtimmungen ſeyen,
die vom Selbſtbewußtſeyn herkommen. Auch gehoͤrt
hieher, daß der Begriff wieder ohne das Mannichfaltige
der Anſchauung inhaltslos und leer ſeyn ſoll, un-
geachtet er à priori eine Syntheſis ſey; indem er
diß iſt, hat er ja die Beſtimmtheit und den Unterſchied
in ſich ſelbſt. Indem ſie die Beſtimmtheit des Begriffs,
damit
[21]im Allgemeinen.
damit die abſolute Beſtimmtheit, die Einzel-
heit
, iſt, iſt der Begriff, Grund und Quelle aller end-
lichen Beſtimmtheit und Mannichfaltigkeit.


Die formelle Stellung, welche er als Verſtand be-
haͤlt, wird in der Kantiſchen Darſtellung deſſen, was
Vernunft ſey, vollendet. In der Vernunft, der hoͤch-
ſten Stuffe des Denkens, ſollte man erwarten, der Be-
griff werde die Bedingtheit, in welcher er auf der Stuffe
des Verſtandes noch erſcheint, verlieren, und zur vol-
lendeten Wahrheit kommen. Dieſe Erwartung wird aber
getaͤuſcht. Dadurch daß Kant das Verhalten der Ver-
nunft zu den Kategorien als nur dialektiſch beſtimmt,
und zwar das Reſultat dieſer Dialektik ſchlechthin nur
als das unendliche Nichts auffaßt, ſo verliert die
unendliche Einheit der Vernunft, auch noch die Synthe-
ſis und damit jenen Anfang eines ſpeculativen, wahr-
haft unendlichen Begriffs, ſie wird zu der be-
kannten ganz formellen, bloß regulativen Einheit
des ſyſtematiſchen Verſtandesgebrauchs. Es
wird fuͤr einen Mißbrauch erklaͤrt, daß die Logik, die
bloß ein Canon der Beurtheilung ſeyn ſolle, als
ein Organon zur Hervorbringung objectiver Ein-
ſichten angeſehen werde. Die Vernunftbegriffe, in denen
man eine hoͤhere Kraft und tiefern Inhalt ahnden muß-
te, haben nichts conſtitutives mehr, wie noch die
Kategorieen; ſie ſind bloſſe Ideen; es ſoll ganz wohl
erlaubt
ſeyn, ſie zu gebrauchen, aber mit dieſen in-
telligibeln Weſen, in denen ſich alle Wahrheit ganz
aufſchlieſſen ſollte, ſoll weiter nichts gemeynt ſeyn, als
Hypotheſen, denen eine Wahrheit an und fuͤr ſich
zuzuſchreiben, eine voͤllige Willkuͤhr und Tollkuͤhnheit
ſeyn wuͤrde, da ſie — in keiner Erfahrung vor-
kommen koͤnnen
. — Haͤtte man es je denken ſollen,
daß die Philoſophie den intelligibeln Weſen darum die
Wahr-
[22]Vom Begriff
Wahrheit abſprechen wuͤrde, weil ſie des raͤumlichen-
und zeitlichen Stoffes der Sinnlichkeit entbehren?


Es haͤngt hiemit unmittelbar der Geſichtspunkt zu-
ſammen, in Ruͤckſicht auf welchen der Begriff und die
Beſtimmung der Logik uͤberhaupt zu betrachten iſt, und
der in der Kantiſchen Philoſophie auf die gleiche Weiſe,
wie insgemein genommen wird; das Verhaͤltniß
nemlich des Begriffs und ſeiner Wiſſenſchaft
zur Wahrheit ſelbſt. Es iſt vorhin aus der Kanti-
ſchen Deduction der Kategorien angefuͤhrt worden, daß
nach derſelben das Object, als in welchem das Man-
nichfaltige der Anſchauung vereinigt iſt, nur dieſe
Einheit iſt durch die Einheit des Selbſtbe-
wußtſeyns
. Die Objectivitaͤt des Denkens
iſt alſo hier beſtimmt ausgeſprochen, eine Identitaͤt des
Begriffs und des Dinges, welche die Wahrheit iſt.
Auf gleiche Weiſe wird auch insgemein zugegeben, daß
indem das Denken einen gegebenen Gegenſtand ſich an-
eignet, dieſer dadurch eine Veraͤnderung erleidet, und
aus einem ſinnlichen zu einem gedachten gemacht wer-
de; daß aber dieſe Veraͤnderung nicht nur nichts an ſei-
ner Weſentlichkeit aͤndere, ſondern daß er vielmehr erſt in
ſeinem Begriffe in ſeiner Wahrheit; in der Unmit-
telbarkeit, in welcher er gegeben iſt, aber nur Erſchei-
nung und Zufaͤlligkeit
, daß die Erkenntniß des
Gegenſtands, welche ihn begreifft, die Erkenntniß deſ-
ſelben, wie er an und fuͤr ſich iſt, und der Begriff
ſeine Objectivitaͤt ſelbſt ſey. Auf der andern Seite
wird aber eben ſo wieder behauptet, wir koͤnnen die
Dinge doch nicht erkennen
, wie ſie an und
fuͤr ſich ſeyen
, und die Wahrheit ſey fuͤr die
erkennende Vernunft unzugaͤnglich
; jene
Wahrheit, welche in der Einheit des Objects und des
Begriffs beſteht, ſey doch nur Erſcheinung; und zwar
nun
[23]im Allgemeinen.
nun wieder aus dem Grunde, weil der Inhalt nur das
Mannichfaltige der Anſchauung ſey. Es iſt hieruͤber
ſchon daran erinnert worden, daß eben im Begriffe viel-
mehr dieſe Mannichfaltigkeit, inſofern ſie der Anſchauung
im Gegenſatze gegen den Begriff angehoͤrt, aufgehoben
werde, und der Gegenſtand durch den Begriff in ſeine
nicht zufaͤllige Weſenheit zuruͤckgefuͤhrt ſey; dieſe tritt
in die Erſcheinung, darum eben iſt die Erſcheinung nicht
bloß ein weſenloſes, ſondern Manifeſtation des Weſens.
Die aber ganz frey gewordene Manifeſtation deſſelben
iſt der Begriff. — Dieſe Saͤtze, an welche hier erinnert
wird, ſind darum keine dogmatiſche Aſſertionen, weil
ſie aus der ganzen Entwicklung des Weſens durch ſich
ſelbſt hervorgegangene Reſultate ſind. Der jetzige Stand-
punkt, auf welchen dieſe Entwicklung gefuͤhrt hat, iſt,
daß die Form des Abſoluten, welche hoͤher als Seyn
und Weſen, der Begriff iſt. Indem er nach dieſer
Seite, Seyn und Weſen, wozu auch bey andern
Ausgangspunkten, Gefuͤhl und Anſchauung und Vorſtel-
lung gehoͤren, und welche als ſeine vorangehenden Be-
dingungen erſchienen, ſich unterworfen und ſich
als ihren unbedingten Grund erwieſen hat, ſo
iſt nun noch die zweyte Seite uͤbrig, deren Ab-
handlung dieſes dritte Buch der Logik gewidmet iſt,
die Darſtellung nemlich, wie er die Realitaͤt, welche in
ihm verſchwunden, in und aus ſich bildet. Es iſt da-
her allerdings zugegeben worden, daß die Erkenntniß,
welche nur bey dem Begriff rein als ſolchem ſteht, noch
unvollſtaͤndig iſt und nur erſt zur abſtracten Wahr-
heit
gekommen iſt. Aber ihre Unvollſtaͤndigkeit liegt
nicht darin, daß ſie jener vermeintlichen Realitaͤt, die
im Gefuͤhl und Anſchauung gegeben ſey, entbehre; ſon-
dern, daß der Begriff noch nicht ſeine eigene aus
ihm ſelbſt erzeugte Realitaͤt ſich gegeben hat. Darin
beſteht die gegen und an dem empiriſchen Stoff und
ge-
[24]Vom Begriff
genauer an ſeinen Kategorien und Reflexionsbeſtimmun-
gen erwieſene Abſolutheit des Begriffes, daß derſelbe
nicht, wie er auſſer und vor dem Begriffe erſcheint,
Wahrheit habe, ſondern allein in ſeiner Idealitaͤt,
oder Identitaͤt mit dem Begriffe. Die Herleitung
des Reellen aus ihm, wenn man es Herleitung nennen
will, beſteht zunaͤchſt weſentlich dar[in], daß der Begriff
in ſeiner formellen Abſtraction ſich als unvollendet zeigt,
und durch die in ihm ſelbſt gegruͤndete Dialektik zur
Realitaͤt ſo uͤbergeht, daß er ſie aus ſich erzeugt, aber
nicht, daß er zu einer fertigen, ihm gegenuͤbergefunde-
nen Realitaͤt wieder zuruͤckfaͤllt, und zu etwas, das ſich
als das Unweſentliche der Erſcheinung kund gethan, ſei-
ne Zuflucht nimmt, weil er, nachdem er ſich um ein Beſ-
ſeres umgeſehen, doch dergleichen nicht gefunden habe. —
Es wird immer als etwas verwundernswuͤrdiges aus-
gezeichnet werden, wie die Kantiſche Philoſophie, das-
jenige Verhaͤltniß des Denkens zum ſinnlichen Daſeyn,
bey dem ſie ſtehen blieb, fuͤr ein nur relatives Verhaͤlt-
niß der bloſſen Erſcheinung erkannte, und eine hoͤhere
Einheit beyder in der Idee uͤberhaupt, und z. B. in
der Idee eines anſchauenden Verſtandes ſehr wohl an-
erkannte und ausſprach, doch bey jenem relativen Ver-
haͤltniſſe und bey der Behauptung ſtehen geblieben iſt,
daß der Begriff ſchlechthin von der Realitaͤt getrennt ſey
und bleibe, — ſomit als die Wahrheit dasjenige be-
hauptete, was ſie als endliche Erkenntniß ausſprach,
und das fuͤr uͤberſchwenglich, unerlaubt und fuͤr Gedan-
ken Dinge erklaͤrte, was ſie als Wahrheit erkannte,
und wovon ſie den beſtimmten Begriff aufſtellte.


Indem es zunaͤchſt hier die Logik, nicht die Wiſ-
ſenſchaft uͤberhaupt iſt, von derem Verhaͤltniſſe zur Wahr-
heit die Rede iſt, ſo muß ferner noch zugegeben werden,
daß jene als die formelle Wiſſenſchaft nicht auch
die-
[25]im Allgemeinen.
diejenige Realitaͤt enthalten koͤnne und ſolle, welche der
Inhalt weiterer Theile der Philoſophie, der Wiſſen-
ſchaften der Natur und des Geiſtes
, iſt. Dieſe
concreten Wiſſenſchaften treten allerdings zu einer reellern
Form der Idee heraus als die Logik, aber zugleich nicht
ſo, daß ſie zu jener Realitaͤt ſich wieder umwendeten,
welche das uͤber ſeine Erſcheinung, zur Wiſſenſchaft er-
hobene Bewußtſeyn aufgegeben, oder auch zum Gebrauch
von Formen, wie die Kategorien und Reflexionsbeſtim-
mungen ſind, deren Endlichkeit und Unwahrheit ſich in
der Logik dargeſtellt hat, wieder zuruͤckkehrten. Vielmehr
zeigt die Logik die Erhebung der Idee zu der Stuffe,
von daraus ſie die Schoͤpferin der Natur wird und zur
Form einer concreten Unmittelbarkeit uͤberſchrei-
tet, deren Begriff aber auch dieſe Geſtalt wieder zer-
bricht, um zu ſich ſelbſt, als concreter Geiſt, zu
werden. Gegen dieſe concreten Wiſſenſchaften, welche
aber das Logiſche oder den Begriff zum innern Bildner
haben und behalten, wie ſie es zum Vorbildner hatten,
iſt die Logik ſelbſt allerdings die formelle Wiſſen-
ſchaft, aber die Wiſſenſchaft der abſoluten Form,
welche in ſich Totalitaͤt iſt, und die reine Idee der
Wahrheit ſelbſt
enthaͤlt. Dieſe abſolute Form hat
an ihr ſelbſt ihren Inhalt oder Realitaͤt; der Begriff,
indem er nicht die triviale, leere Identitaͤt iſt, hat in
dem Momente ſeiner Negativitaͤt oder des abſoluten Be-
ſtimmens die unterſchiedenen Beſtimmungen; der Inhalt
iſt uͤberhaupt nichts anderes als ſolche Beſtimmungen
der abſoluten Form; der durch ſie ſelbſt geſetzte, und
daher auch ihr angemeſſene Inhalt. — Dieſe Form iſt
darum auch von ganz anderer Natur, als gewoͤhnlich
die logiſche Form genommen wird. Sie iſt ſchon fuͤr
ſich ſelbſt die Wahrheit
, indem dieſer Inhalt ſei-
ner Form, oder dieſe Realitaͤt ihrem Begriffe angemeſſen
iſt, und die reine Wahrheit, weil deſſen Beſtimmun-
gen
[26]Vom Begriff
gen noch nicht die Form eines abſoluten Andersſeyns
oder der abſoluten Unmittelbarkeit haben. — Kant, in-
dem er Kr. der r. Vern. S. 83. in Beziehung auf die
Logik, auf die alte und beruͤhmte Frage: Was die
Wahrheit ſey
? zu reden kommt, ſchenkt vors erſte
als etwas triviales die Nahmenerklaͤrung, daß ſie die
Uebereinſtimmung der Erkenntniß mit ihrem Gegenſtan-
de ſey; — eine Definition, die von groſſem, ja von dem
hoͤchſten Werthe iſt. Wenn man ſich derſelben bey der
Grundbehauptung des tranſcendentalen Idealismus er-
innert, daß die Vernunfterkenntniß die Dinge
an ſich
zu erfaſſen nicht vermoͤgend ſey, daß die
Realitaͤt ſchlechthin auſſer dem Begriffe liege,
ſo zeigt ſich ſogleich, daß eine ſolche Vernunft, die
ſich mit ihrem Gegenſtande, den Dingen an ſich, nicht
in Uebereinſtimmung zu ſetzen
vermag, und die
Dinge an ſich, die nicht mit dem Vernunftbegriffe,
der Begriff, der nicht mit der Realitaͤt, eine Realitaͤt,
die nicht mit dem Begriffe in Uebereinſtimmung iſt, un-
wahre Vorſtellungen
ſind. Wenn Kant die Idee
eines anſchauenden Verſtandes an jene Defini-
tion der Wahrheit gehalten haͤtte, ſo wuͤrde er dieſe
Idee, welche die geforderte Uebereinſtimmung ausdruͤckt,
nicht als ein Gedankending, ſondern vielmehr als Wahr-
heit behandelt haben.


„Das, was man zu wiſſen verlange, gibt Kant
ferner an, ſey ein allgemeines und ſicheres Cri-
terium der Wahrheit einer jeden Erkennt-
niß
; es wuͤrde ein ſolches ſeyn, welches von allen Er-
kenntniſſen, ohne Unterſchied ihrer Gegenſtaͤn-
de
, guͤltig waͤre; da man aber bey demſelben von al-
lem Inhalt
der Erkenntniß (Beziehung auf ihr
Object
) abſtrahirt, und Wahrheit gerade
dieſen Inhalt
angeht, ſo wuͤrde es ganz unmoͤg-
lich
[27]im Allgemeinen.
lich und ungereimt ſeyn, nach einem Merkmahl der
Wahrheit dieſes Inhalts der Erkenntniſſe zu
fragen.“ — Es iſt hier die gewoͤhnliche Vorſtellung
von der formellen Function der Logik ſehr beſtimmt aus-
gedruͤckt, und das angefuͤhrte Raͤſonnement ſcheint ſehr
einleuchtend zu ſeyn. Vors erſte aber iſt zu bemerken,
daß es ſolchem formellen Raͤſonnement gewoͤhnlich ſo
geht, in ſeinem Reden die Sache zu vergeſſen, die es
zur Grundlage gemacht und von der es ſpricht. Es
wuͤrde ungereimt ſeyn, heißt es, nach einem Criterium
der Wahrheit des Inhalts der Erkenntniß zu fra-
gen; — aber nach der Definition macht nicht der In-
halt
die Wahrheit aus, ſondern die Uebereinſtim-
mung
deſſelben mit dem Begriffe. Ein Inhalt, wie
von ihm hier geſprochen wird, ohne den Begriff,
iſt ein begriffloſes, ſomit weſenloſes; nach dem Cri-
terium der Wahrheit eines ſolchen kann freylich nicht
gefragt werden, aber aus dem entgegengeſetzten Grun-
de; darum nemlich nicht, weil er um ſeiner Begriffloſig-
keit willen nicht die geforderte Uebereinſtimmung
iſt, ſondern weiter nichts als ein der wahrheitsloſen
Meynung angehoͤriges ſeyn kann. — Laſſen wir die
Erwaͤhnung des Inhalts bey Seite, der hier die Ver-
wirrung verurſacht, in welche aber der Formalismus
jedesmal verfaͤllt, und die ihn das Gegentheil deſſen
ſagen laͤßt, was er vorbringen will, ſo oft er ſich auf
Erlaͤuterung einlaͤßt, und bleiben bey der abſtracten
Anſicht ſtehen, daß das Logiſche nur formell ſey, und
von allem Inhalt vielmehr abſtrahire; — ſo haben wir
eine einſeitige Erkenntniß, welche keinen Gegenſtand
enthalten ſoll, eine leere, beſtimmungsloſe Form, die
alſo eben ſo wenig eine Uebereinſtimmung, da
zur Uebereinſtimmung weſentlich Zwey gehoͤren, —
eben ſo wenig Wahrheit iſt. — An der à prioriſchen
Syntheſis des Begriffs hatte Kant ein hoͤheres
Prin-
[28]Vom Begriff
Princip, worin die Zweyheit in der Einheit, ſomit das-
jenige erkannt werden konnte, was zur Wahrheit gefo-
dert wird; aber der ſinnliche Stoff, das Mannichfaltige
der Anſchauung war ihm zu maͤchtig, um davon weg
zur Betrachtung des Begriffs und der Kategorien an
und fuͤr ſich
, und zu einem ſpeculativen Philoſophi-
ren kommen zu koͤnnen.


Indem die Logik Wiſſenſchaft der abſoluten Form
iſt, ſo muß diß Formelle, damit es ein Wahres
ſeye
, an ihm ſelbſt einen Inhalt haben, welcher
ſeiner Form gemaͤß ſey, und um ſo mehr, da das logi-
ſche Formelle die reine Form, alſo das logiſche Wahre,
die reine Wahrheit ſelbſt ſeyn muß. Dieſes For-
melle muß daher in ſich viel reicher an Beſtimmungen
und Inhalt, ſo wie auch von unendlich groͤſſerer Wirk-
ſamkeit auf das Concrete gedacht werden, als es ge-
woͤhnlich genommen wird. Die logiſchen Geſetze fuͤr ſich,
(das ohnehin heterogene, die angewandte Logik und uͤbri-
ge pſychologiſche und anthropologiſche Material wegge-
rechnet,) werden gewoͤhnlich auſſer dem Satze des
Widerſpruchs, auf einige duͤrftige Saͤtze, die Umkehrung
der Urtheile, und die Formen der Schluͤſſe betreffend,
beſchraͤnkt. Die ſelbſt hiebey vorkommenden Formen, ſo
wie weitere Beſtimmungen derſelben werden nur gleich-
ſam hiſtoriſch aufgenommen, nicht der Critik, ob ſie an
und fuͤr ſich ein Wahres ſeyen, unterworfen. So gilt
z. B. die Form des poſitiven Urtheils fuͤr etwas an ſich
voͤllig richtiges, wobey es ganz allein auf den Inhalt
ankomme, ob ein ſolches Urtheil wahr ſey. Ob dieſe
Form an und fuͤr ſich eine Form der Wahrheit, ob
der Satz, den ſie ausſpricht, das Einzelne iſt ein
Allgemeines
, nicht in ſich dialektiſch ſey, an dieſe
Unterſuchung wird nicht gedacht. Es wird geradezu da-
fuͤr gehalten, daß diß Urtheil fuͤr ſich faͤhig, Wahr-
heit
[29]im Allgemeinen.
heit zu enthalten, und jener Satz, den jedes poſitive Ur-
theil ausſpricht, ein wahrer ſey; obſchon unmittelbar
erhellt, daß ihm dasjenige fehlt, was die Definition der
Wahrheit fodert, nemlich die Uebereinſtimmung des Be-
griffs und ſeines Gegenſtandes; das Praͤdicat, welches
hier das Allgemeine iſt, als den Begriff, das Subject,
welches das Einzelne iſt, als den Gegenſtand genom-
men, ſo ſtimmt das eine mit dem andern nicht uͤberein.
Wenn aber das abſtracte Allgemeine, welches
das Praͤdicat iſt, noch nicht einen Begriff ausmacht,
als zu welchem allerdings mehr gehoͤrt; — ſo wie auch
ſolches Subject noch nicht viel weiter als ein gramma-
tiſches iſt, wie ſollte das Urtheil Wahrheit enthalten koͤn-
nen, da ſein Begriff und Gegenſtand nicht uͤbereinſtim-
men, oder ihm der Begriff, wohl auch der Gegenſtand,
gar fehlt? — Diß iſt daher vielmehr das unmoͤgliche
und ungereimte, in dergleichen Formen, wie ein
poſitives Urtheil und wie das Urtheil uͤberhaupt iſt,
die Wahrheit faſſen zu wollen. So wie die Kantiſche
Philoſophie die Kategorieen nicht an und fuͤr ſich be-
trachtete, ſondern ſie nur aus dem ſchiefen Grunde,
weil ſie ſubjective Formen des Selbſtbewußtſeyns ſeyen,
fuͤr endliche Beſtimmungen, die das Wahre zu enthal-
ten unfaͤhig ſeyen, erklaͤrte, ſo hat ſie noch weniger die
Formen des Begriffs, welche der Inhalt der gewoͤhn-
lichen Logik ſind, der Critik unterworfen; ſie hat viel-
mehr einen Theil derſelben, nemlich die Functionen der
Urtheile fuͤr die Beſtimmung der Kategorie aufgenom-
men, und ſie als guͤltige Vorausſetzungen gelten laſ-
ſen. Soll in den logiſchen Formen auch weiter nichts
geſehen werden, als formelle Functionen des Denkens,
ſo waͤren ſie ſchon darum der Unterſuchung, in wiefern
ſie fuͤr ſich der Wahrheit entſprechen, wuͤrdig. Eine
Logik, welche diß nicht leiſtet, kann hoͤchſtens auf den
Werth einer naturhiſtoriſchen Beſchreibung der Er-
ſchei-
[30]Eintheilung.
ſcheinungen des Denkens, wie ſie ſich vorfinden, An-
ſpruch machen. Es iſt ein unendliches Verdienſt des
Ariſtoteles, welches uns mit der hoͤchſten Bewun-
derung fuͤr die Staͤrke dieſes Geiſtes erfuͤllen muß,
dieſe Beſchreibung zuerſt unternommen zu haben. Aber
es iſt noͤthig, daß weiter gegangen, und theils der
ſyſtematiſche Zuſammenhang, theils aber der Werth
der Formen erkannt werde.


Eintheilung.


Der Begriff zeigt ſich obenhin betrachtet, als die
Einheit des Seyns und Weſens. Das Weſen iſt
die erſte Negation des Seyns, das dadurch zum
Schein geworden iſt, der Begriff iſt die zweyte,
oder die Negation dieſer Negation; alſo das wiederher-
geſtellte Seyn, aber als die unendliche Vermittlung und
Negativitaͤt deſſelben in ſich ſelbſt. — Seyn und We-
ſen
haben daher im Begriffe nicht mehr die Beſtim-
mung, in welcher ſie als Seyn und Weſen ſind, noch
ſind ſie nur in ſolcher Einheit, daß jedes in dem andern
ſcheine. Der Begriff unterſcheidet ſich daher nicht in
dieſe Beſtimmungen. Er iſt die Wahrheit des ſubſtan-
tiellen Verhaͤltniſſes, in welchem Seyn und Weſen ihre
erfuͤllte Selbſtſtaͤndigkeit, und Beſtimmung durch ein-
ander erreichen. Als die Wahrheit der Subſtantialitaͤt
erwies ſich die ſubſtantielle Identitaͤt, welche
eben ſo ſehr und nur als das Geſetztſeyn iſt. Das
Geſetztſeyn iſt das Daſeyn und Unterſcheiden;
das An- und Fuͤrſichſeyn hat daher im Begriffe ein ſich
ge-
[31]Eintheilung.
gemaͤſſes, und wahres Daſeyn erreicht, denn jenes Ge-
ſetztſeyn iſt das An- und Fuͤr-ſichſeyn ſelbſt. Diß
Geſetztſeyn macht den Unterſchied des Begriffes in ihm
ſelbſt aus; ſeine Unterſchiede, weil ſie unmittelbar
das An- und Fuͤr-ſichſeyn iſt, ſind ſelbſt der ganze
Begriff; in ihrer Beſtimmtheit allgemeine,
und identiſch mit ihrer Negation
.


Diß iſt nun der Begriff ſelbſt des Begriffes. Aber
es iſt nur erſt ſein Begriff; — oder er iſt ſelbſt auch
nur der Begriff. Weil er das An- und Fuͤr-ſichſeyn
iſt, inſofern es Geſetztſeyn iſt, oder die abſolute Sub-
ſtanz, inſofern ſie die Nothwendigkeit unterſchiede-
ner Subſtanzen als Identitaͤt offenbart, ſo muß dieſe
Identitaͤt das, was ſie iſt, ſelbſt ſetzen. Die Momente
der Bewegung des Subſtantialitaͤts-Verhaͤltniſſes, wo-
durch der Begriff geworden iſt, und die dadurch dar-
geſtellte Realitaͤt iſt erſt im Uebergange zum Begriffe;
ſie iſt noch nicht als ſeine eigene, aus ihm hervor-
gegangene Beſtimmung; ſie fiel in die Sphaͤre der Noth-
wendigkeit, die ſeinige kann nur ſeine freye Beſtim-
mung, ein Daſeyn ſeyn, in welchem er als identiſch
mit ſich, deſſen Momente Begriffe und durch ihn ſelbſt
geſetzte ſind.


Zuerſt iſt alſo der Begriff nur an ſich die
Wahrheit; weil er nur ein inneres iſt, ſo iſt er
ebenſoſehr nur ein aͤuſſeres. Er iſt zuerſt uͤber-
haupt ein Unmittelbares, und in dieſer Geſtalt
haben ſeine Momente die Form von unmittelbaren,
feſten Beſtimmungen
. Er erſcheint als der be-
ſtimmte Begriff
, als die Sphaͤre des bloſſen Ver-
ſtandes
. — Weil dieſe Form der Unmittelbarkeit ein
ſeiner Natur noch nicht angemeſſenes Daſeyn iſt, da er
das ſich nur auf ſich ſelbſt beziehende Freye iſt, ſo iſt
ſie
[32]Eintheilung.
ſie eine aͤuſſerliche Form, in der der Begriff nicht
als an- und fuͤr-ſich ſeyendes, ſondern als nur geſetz-
tes
oder ein Subjectives gelten kann. — Die Geſtalt
des unmittelbaren Begriffes macht den Stand-
punkt aus, nach welchem der Begriff ein ſubjectives
Denken, eine der Sache aͤuſſerliche Reflexion iſt. Die-
ſe Stuffe macht daher die Subjectivitaͤt oder den
formellen Begriff aus. Die Aeuſſerlichkeit deſſel-
ben erſcheint in dem feſten Seyn ſeiner Beſtim-
mungen
, wodurch jede fuͤr ſich als ein iſolirtes, qua-
litatives auftritt, das nur in aͤuſſerer Beziehung auf
ſein Anderes iſt. Die Identitaͤt des Begriffes aber,
die eben das innre oder ſubjective Weſen derſelben
iſt, ſetzt ſie in dialektiſche Bewegung, durch welche ſich
ihre Vereinzelung und damit die Trennung des Begriffs
von der Sache aufhebt und als ihre Wahrheit die Totali-
taͤt
, hervorgeht, welche der objective Begriff iſt.


II. Der Begriff in ſeiner Objectivitaͤt iſt die
an- und fuͤr-ſichſeyende Sache ſelbſt. Durch
ſeine nothwendige Fortbeſtimmung macht der formelle
Begriff ſich ſelbſt zur Sache, und verliert dadurch das
Verhaͤltniß der Subjectivitaͤt und Aeuſſerlichkeit gegen
ſie. Oder umgekehrt iſt die Objectivitaͤt der aus ſeiner
Innerlichkeit hervorgetretene und in das Da-
ſeyn uͤbergegangene reelle Begriff. — In dieſer
Identitaͤt mit der Sache hat er ſomit eigenes und
freyes Daſeyn. Aber es iſt diß noch eine unmit-
telbare
, noch nicht negative Freyheit. Eins mit
der Sache iſt er in ſie verſenkt; ſeine Unterſchiede
ſind objective Exiſtenzen, in denen er ſelbſt wieder das
Innre iſt. Als die Seele des objectiven Daſeyns
muß er ſich die Form der Subjectivitaͤt geben,
die er als formeller Begriff unmittelbar hatte;
ſo tritt er in der Form des Freyen, die er in der
Objectivitaͤt noch nicht hatte, ihr gegenuͤber, und macht
darin
[33]Eintheilung.
darin die Identitaͤt mit ihr, die er an und fuͤr ſich
als objectiver
Begriff mit ihr hat, zu einer auch
geſetzten.


In dieſer Vollendung, worin er in ſeiner Ob-
jectivitaͤt eben ſo die Form der Freyheit hat, iſt der
adaͤquate Begriff, die Idee. Die Ver-
nunft
, welche die Sphaͤre der Idee iſt, iſt die ſich
ſelbſt enthuͤllte Wahrheit, worin der Begriff die
ſchlechthin ihm angemeſſene Realiſation hat, und inſofern
frey iſt, als er dieſe ſeine objective Welt in ſeiner Sub-
jectivitaͤt, und dieſe in jener erkennt.


CErſter
[34]

Erſter Abſchnitt.
Die Subjectivitaͤt
.


Der Begriff iſt zuerſt der formelle, der Be-
griff im Anfang oder der als unmittelbarer iſt. —
In der unmittelbaren Einheit iſt ſein Unterſchied oder
Geſetztſeyn zuerſt zunaͤchſt ſelbſt einfach und nur ein
Schein
, ſo daß die Momente des Unterſchiedes un-
mittelbar die Totalitaͤt des Begriffes ſind, und nur der
Begriff als ſolcher ſind.


Zweytens aber, weil er die abſolute Negativi-
taͤt iſt, ſo dirimirt er ſich, und ſetzt ſich als das Ne-
gative
oder als das Andre ſeiner ſelbſt; und zwar
weil er erſt der unmittelbare iſt, hat diß Setzen
oder Unterſcheiden die Beſtimmung, daß die Momente
gleichguͤltig gegeneinander und jedes fuͤr ſich
wird; ſeine Einheit iſt in dieſer Theilung nur noch
aͤuſſere Beziehung. So als Beziehung ſeiner als
ſelbſtſtaͤndig und gleichguͤltig geſetzten Mo-
mente iſt er das Urtheil.


Drittens das Urtheil enthaͤlt wohl die Einheit
des in ſeine ſelbſtſtaͤndigen Momente verlornen Begriffs,
aber ſie iſt nicht geſetzt. Sie wird diß durch die
dialektiſche Bewegung des Urtheils, das hiedurch der
Schluß
[35]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Schluß geworden iſt, zum vollſtaͤndig geſetzten Be-
griff; indem im Schluß, eben ſo wohl die Momente deſ-
ſelben als ſelbſtſtaͤndige Extreme, wie auch deren
vermittelnde Einheit geſetzt iſt.


Indem aber unmittelbar dieſe Einheit ſelbſt
als die vereinigende Mitte, und die Momente als
ſelbſtſtaͤndige
Extreme zunaͤchſt einander gegenuͤber
ſtehen, ſo hebt diß widerſprechende Verhaͤltniß, das im
formalen Schluſſe Statt findet, ſich auf, und die
Vollſtaͤndigkeit des Begriffs geht in die Einheit
der Totalitaͤt uͤber, die Subjectivitaͤt des Be-
griffes in ſeine Objectivitaͤt.


C 2Erſtes
[36]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.

Erſtes Kapitel.
Der Begriff
.


Durch den Verſtand pflegt das Vermoͤgen der
Begriffe uͤberhaupt ausgedruͤckt zu werden, er wird in-
ſofern von der Urtheilskraft und dem Vermoͤgen
der Schluͤſſe, als der formellen Vernunft, unterſchie-
den. Vornemlich aber wird er der Vernunft entge-
gengeſetzt; inſofern aber bedeutet er nicht das Vermoͤgen
des Begriffs uͤberhaupt, ſondern der beſtimmten Be-
griffe, wobey die Vorſtellung herrſcht, als ob der Begriff
nur ein beſtimmtes ſey. Wenn der Verſtand in
dieſer Bedeutung von der formellen Urtheilskraft und der
formellen Vernunft unterſchieden wird, ſo iſt er als
Vermoͤgen des einzelnen beſtimmten Begriffs zu neh-
men. Denn das Urtheil und der Schluß oder die Ver-
nunft ſind ſelbſt, als formales, nur ein Verſtaͤndi-
ges
, indem ſie unter der Form der abſtracten Begriffs-
beſtimmtheit ſtehen. Der Begriff gilt aber hier uͤber-
haupt nicht als bloß abſtract-beſtimmtes; der Verſtand
iſt daher von der Vernunft nur ſo zu unterſcheiden, daß
jener nur das Vermoͤgen des Begriffes uͤberhaupt ſey.


Dieſer allgemeine Begriff, der nun hier zu betrach-
ten iſt, enthaͤlt die drey Momente, Allgemeinheit,
Beſonderheit
und Einzelnheit. Der Unter-
ſchied und die Beſtimmungen, die er ſich in dem Unter-
ſcheiden gibt, machen die Seite aus, welche vorhin Ge-
ſetztſeyn
genannt wurde. Da dieſes in dem Begriffe
identiſch mit dem An- und Fuͤr-ſichſeyn iſt, ſo iſt jedes je-
ner
[37]I.Kapitel. Der Begriff.
ner Momente ſo ſehr ganzer Begriff, als beſtimm-
ter Begriff
, und als eine Beſtimmung des
Begriffs.


Zuerſt iſt er reiner Begriff, oder die Beſtim-
mung der Allgemeinheit. Der reine oder allge-
meine Begriff iſt aber auch nur ein beſtimmter, oder
beſonderer Begriff, der ſich auf die Seite neben die
andern ſtellt. Weil der Begriff die Totalitaͤt iſt, alſo in
ſeiner Allgemeinheit oder rein identiſchen Beziehung auf
ſich ſelbſt, weſentlich das Beſtimmen und Unterſcheiden
iſt, ſo hat er in ihm ſelbſt den Maaßſtab, wodurch dieſe
Form ſeiner Identitaͤt mit ſich, indem ſie alle Momente
durchdringt und in ſich faßt, eben ſo unmittelbar ſich be-
ſtimmt, nur das Allgemeine gegen die Unterſchieden-
heit der Momente zu ſeyn.


Zweytens iſt der Begriff dadurch als dieſer be-
ſondere
oder als beſtimmte Begriff, welcher als
gegen andere unterſchieden geſetzt iſt.


Drittens die Einzelnheit iſt der aus dem
Unterſchiede in die abſolute Negativitaͤt ſich reflektirende
Begriff. Diß iſt zugleich das Moment, worin er aus
ſeiner Identitaͤt in ſein Andersſeyn uͤbergetreten iſt,
und zum Urtheil wird.


A.)
Der allgemeine Begriff.

Der reine Begriff iſt das abſolut unendliche, un-
bedingte und freye. Es iſt hier, wo die Abhandlung,
welche den Begriff zu ihrem Inhalte hat, beginnt,
noch einmal nach ſeiner Geneſis zuruͤckzuſehen. Das
We-
[38]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Weſen iſt aus dem Seyn, und der Begriff aus dem
Weſen ſomit auch aus dem Seyn geworden. Diß
Werden hat aber die Bedeutung des Gegenſtoßes ſei-
ner ſelbſt, ſo daß das Gewordene vielmehr das Un-
bedingte
und Urſpruͤngliche iſt. Das Seyn iſt
in ſeinem Uebergange zum Weſen, zu einem Schein oder
Geſetztſeyn, und das Werden oder das Uebergehen
in Anderes zu einem Setzen geworden, und um-
gekehrt hat das Setzen oder die Reflexion des Weſens
ſich aufgehoben und ſich zu einem Nichtgeſetzten,
einem urſpruͤnglichen Seyn hergeſtellt. Der Be-
griff iſt die Durchdringung dieſer Momente, daß das
Qualitative, und urſpruͤnglich-ſeyende nur als Setzen
und nur als Ruͤckkehr-in-ſich iſt, und dieſe reine Re-
flexion-in-ſich ſchlechthin das Anderswerden oder
die Beſtimmtheit iſt, welche eben ſo daher unendli-
che, ſich auf ſich beziehende Beſtimmtheit iſt.


Der Begriff iſt daher zuerſt ſo die abſolute
Identitaͤt mit ſich
, daß ſie diß nur iſt, als die
Negation der Negation, oder als die unendliche Einheit
der Negativitaͤt mit ſich ſelbſt. Dieſe reine Bezie-
hung
des Begriffs auf ſich, welche dadurch dieſe Bezie-
hung iſt, als durch die Negativitaͤt ſich ſetzend, iſt die
Allgemeinheit des Begriffs.


Die Allgemeinheit, da ſie die hoͤchſt einfache
Beſtimmung iſt, ſcheint keiner Erklaͤrung faͤhig zu ſeyn;
denn eine Erklaͤrung muß ſich auf Beſtimmungen und
Unterſcheidungen einlaſſen, und von ihrem Gegenſtande
praͤdiciren, das einfache aber wird hiedurch vielmehr
veraͤndert, als erklaͤrt. Es iſt aber gerade die Natur
des Allgemeinen, ein ſolches einfaches zu ſeyn, welches
durch die abſolute Negativitaͤt den hoͤchſten Unterſchied
und Beſtimmtheit in ſich enthaͤlt. Das Seyn iſt
ein-
[39]I.Kapitel. Der Begriff.
einfaches, als unmittelbares; deßwegen iſt es ein
nur Gemeyntes, und kann man von ihm nicht ſagen,
was es iſt; es iſt daher unmittelbar eins mit ſeinem
Andern, dem Nichtſeyn. Eben diß iſt ſein Begriff,
ein ſolches einfaches zu ſeyn, das in ſeinem Gegentheil
unmittelbar verſchwindet; er iſt das Werden. Das
Allgemeine dagegen iſt das einfache, welches
eben ſo ſehr das reichſte in ſich ſelbſt iſt; weil es
der Begriff iſt.


Es iſt daher erſtens die einfache Beziehung auf
ſich ſelbſt; es iſt nur in ſich. Aber dieſe Identitaͤt iſt
zweytens in ſich abſolute Vermittlung; nicht
aber ein vermitteltes. Vom Allgemeinen, welches
ein vermitteltes, nemlich das Abſtracte, dem Be-
ſondern und Einzelnen entgegengeſetzte Allgemeine iſt, iſt erſt
bey dem beſtimmten Begriffe zu reden. — Aber auch
ſchon das Abſtracte enthaͤlt diß, daß, um es zu er-
halten, erfodert werde, andere Beſtimmungen des Con-
creten wegzulaſſen. Dieſe Beſtimmungen ſind als
Determinationen uͤberhaupt Negationen; eben ſo iſt
ferner das Weglaſſen derſelben ein Negiren. Es
kommt alſo beym Abſtracten gleichfalls die Negation der
Negation vor. Dieſe gedoppelte Negation aber wird
vorgeſtellt, als ob ſie demſelben aͤuſſerlich ſey, und
ſowohl die weggelaſſenen weitern Eigenſchaften des Con-
creten von der beybehaltenen, welche der Inhalt des
Abſtracten iſt, verſchieden ſey, als auch dieſe Ope-
ration des Weglaſſens der uͤbrigen und des Beybehal-
tens der einen, auſſer derſelben vorgehe. Zu ſolcher
Aeuſſerlichkeit hat ſich das Allgemeine gegen jene
Bewegung noch nicht beſtimmt; es iſt noch ſelbſt in ſich
jene abſolute Vermittlung, welche eben die Negation der
Negation oder abſolute Negativitaͤt iſt.


Nach
[40]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.

Nach dieſer urſpruͤnglichen Einheit, iſt vors erſte
das erſte Negative oder die Beſtimmung keine Schran-
ke fuͤr das Allgemeine, ſondern es erhaͤlt ſich darin,
und iſt poſitiv mit ſich identiſch. Die Kategorien des
Seyns waren, als Begriffe, weſentlich dieſe Identitaͤ-
ten der Beſtimmungen mit ſich ſelbſt, in ihrer Schranke
oder ihrem Andersſeyn; dieſe Identitaͤt war aber nur
an ſich der Begriff; ſie war noch nicht manifeſtirt.
Daher die qualitative Beſtimmung als ſolche in ihrer
andern unterging und eine von ihr verſchiedene
Beſtimmung zu ihrer Wahrheit hatte. Das Allgemeine
hingegen, wenn es ſich auch in eine Beſtimmung ſetzt,
bleibt es darin, was es iſt. Es iſt die Seele des
Concreten, dem es inwohnt, ungehindert und ſich ſelbſt
gleich in deſſen Mannichfaltigkeit und Verſchiedenheit.
Es wird nicht mit in das Werden geriſſen, ſondern
continuirt ſich ungetruͤbt durch daſſelbe, und hat die
Kraft unveraͤnderlicher, unſterblicher Selbſterhaltung.


Eben ſo ſcheint es aber nicht nur in ſein An-
deres, wie die Reflexionsbeſtimmung. Dieſe als ein
relatives bezieht ſich nicht nur auf ſich, ſondern iſt
ein Verhalten. Sie gibt ſich in ihrem Andern
kund; aber ſcheint nur erſt an ihm, und das Schei-
nen eines jeden an dem andern oder ihr gegenſeitiges
Beſtimmen hat bey ihrer Selbſtſtaͤndigkeit, die Form
eines aͤuſſerlichen Thuns. — Das Allgemeine dage-
gen iſt geſetzt als das Weſen ſeiner Beſtimmung, die
eigene poſitive Natur derſelben. Denn die Be-
ſtimmung, die ſein Negatives ausmacht, iſt im Begriffe
ſchlechthin nur als ein Geſetztſeyn, oder weſentlich
nur zugleich als das Negative des Negativen, und ſie
iſt nur als dieſe Identitaͤt des Negativen mit ſich, welche
das Allgemeine iſt. Dieſes iſt inſofern auch die Sub-
ſtanz
ſeiner Beſtimmungen; aber ſo, daß das, was
fuͤr
[41]I.Kapitel. Der Begriff.
fuͤr die Subſtanz als ſolche ein zufaͤlliges war, die
eigne Vermittlung des Begriffes mit ſich ſelbſt, ſeine
eigene immanente Reflexion iſt. Dieſe Vermitt-
lung, welche das Zufaͤllige zunaͤchſt zur Nothwendig-
keit
erhebt, iſt aber die manifeſtirte Beziehung;
der Begriff iſt nicht der Abgrund der formloſen Sub-
ſtanz, oder die Nothwendigkeit, als die innre Identi-
taͤt von einander verſchiedener und ſich beſchraͤnkender
Dinge oder Zuſtaͤnde, ſondern als abſolute Negativitaͤt
das formirende und erſchaffende, und weil die Beſtim-
mung nicht als Schranke, ſondern ſchlechthin ſo ſehr als
aufgehobene, als Geſetztſeyn iſt, ſo iſt der Schein die
Erſcheinung als des Identiſchen.


Das Allgemeine iſt daher die freye Macht; es
iſt es ſelbſt und greift uͤber ſein Anderes uͤber; aber
nicht als ein gewaltſames, ſondern das vielmehr
in demſelben ruhig und bey ſich ſelbſt iſt. Wie es
die freye Macht genannt worden, ſo koͤnnte es auch die
freye Liebe, und ſchrankenloſe Seeligkeit ge-
nannt werden, denn es iſt ein Verhalten ſeiner zu dem
Unterſchiedenen nur als zu ſich ſelbſt, in dem-
ſelben iſt es zu ſich ſelbſt zuruͤckgekehrt.


Es iſt ſo eben der Beſtimmtheit erwaͤhnt wor-
den, obgleich der Begriff nur erſt als das Allgemeine
und nur mit ſich identiſche, noch nicht dazu fortge-
gangen iſt. Es kann aber von dem Allgemeinen nicht
ohne die Beſtimmtheit, welche naͤher die Beſonderheit
und Einzelnheit iſt, geſprochen werden; denn es enthaͤlt
ſie in ſeiner abſoluten Negativitaͤt an und fuͤr ſich; die
Beſtimmtheit wird alſo nicht von auſſen dazu genom-
men, wenn beym Allgemeinen von ihr geſprochen wird.
Als Negativitaͤt uͤberhaupt, oder nach der erſten,
unmittelbaren
Negation hat es die Beſtimmtheit
uͤber-
[42]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
uͤberhaupt als Beſonderheit an ihm; als zweytes
als Negation der Negation iſt es abſolute Be-
ſtimmtheit
, oder Einzelnheit und Concre-
tion
. — Das Allgemeine iſt ſomit die Totalitaͤt des
Begriffes, es iſt Concretes, iſt nicht ein leeres, ſondern
hat vielmehr durch ſeinen Begriff Inhalt; — einen
Inhalt, in dem es ſich nicht nur erhaͤlt, ſondern der
ihm eigen und immanent iſt. Es kann von dem In-
halte wohl abſtrahirt werden; ſo erhaͤlt man aber nicht
das Allgemeine des Begriffs, ſondern das Abſtracte,
welches ein iſolirtes, unvollkommenes Moment des Be-
griffes iſt, und keine Wahrheit hat.


Naͤher ergibt ſich das Allgemeine ſo als dieſe To-
talitaͤt. Inſoferne es die Beſtimmtheit in ſich hat, iſt ſie
nicht nur die erſte Negation, ſondern auch die Re-
flexion derſelben in ſich. Mit jener erſten Negation fuͤr
ſich genommen, iſt es Beſonderes, wie es ſogleich
wird betrachtet werden; aber es iſt in dieſer Beſtimmt-
heit weſentlich noch allgemeines; dieſe Seite muß hier
noch aufgefaßt werden. — Dieſe Beſtimmtheit iſt nemlich
als im Begriffe die totale Reflexion, der Doppel-
ſchein
, einmal der Schein nach auſſen, die Re-
flexion in anderes; das andremal der Schein nach
innen
, die Reflexion in ſich. Jenes aͤuſſerliche
Scheinen macht einen Unterſchied gegen anderes;
das Allgemeine, hat hienach eine Beſonderheit,
welche ihre Aufloͤſung in einem hoͤhern Allgemeinen hat.
Inſofern es nun auch nur ein relativ-allgemeines iſt,
verliert es ſeinen Charakter des Allgemeinen nicht; es
erhaͤlt ſich in ſeiner Beſtimmtheit, nicht nur ſo, daß es
in der Verbindung mit ihr nur gleichguͤltig gegen ſie
bliebe, — ſo waͤre es nur mit ihr zuſammenge-
ſetzt
, — ſondern daß es das iſt, was ſo eben das
Scheinen nach innen genannt wurde. Die Be-
ſtimmt-
[43]I.Kapitel. Der Begriff.
ſtimmtheit iſt als beſtimmter Begriff aus der Aeuſſer-
lichkeit in ſich zuruͤckgebogen; ſie iſt der eigne,
immanente Charakter, der dadurch ein Weſentliches
iſt, daß er in die Allgemeinheit aufgenommen und von
ihr durchdrungen, von gleichem Umfange, identiſch mit
ihr ſie ebenſo durchdringt; es iſt der Charakter, wel-
cher der Gattung angehoͤrt, als die von dem Allge-
meinen ungetrennte Beſtimmtheit. Er iſt inſofern nicht
eine nach auſſen gehende Schranke, ſondern poſitiv,
indem er durch die Allgemeinheit in der freyen Bezie-
hung auf ſich ſelbſt ſteht. Auch der beſtimmte Begriff
bleibt ſo in ſich unendlich freyer Begriff.


In Anſehung der andern Seite aber, nach welcher
die Gattung durch ihren beſtimmten Charakter begraͤnzt
iſt, iſt bemerkt worden, daß ſie als niedrigere Gattung
in einem hoͤhern Allgemeinern ihre Aufloͤſung habe.
Dieſes kann auch wieder als Gattung, aber als eine
Abſtractere aufgefaßt werden, gehoͤrt aber immer wie-
der nur der Seite des beſtimmten Begriffes an, die
nach auſſen geht. Das wahrhaft hoͤhere Allgemeine iſt,
worin dieſe nach auſſen gehende Seite nach innen zu-
ruͤckgenommen iſt, die zweyte Negation, in welcher die
Beſtimmtheit ſchlechthin nur als Geſetztes, oder als
Schein iſt. Leben, Ich, Geiſt, abſoluter Begriff, ſind
nicht Allgemeine nur als hoͤhere Gattungen, ſondern
Concrete, deren Beſtimmtheiten auch nicht nur Arten
oder niedrige Gattungen ſind, ſondern die in ihrer
Realitaͤt ſchlechthin nur in ſich und davon erfuͤllt ſind.
Inſofern Leben, Ich, endlicher Geiſt, wohl auch nur
beſtimmte Begriffe ſind, ſo iſt ihre abſolute Aufloͤſung in
demjenigen Allgemeinen, welches als wahrhaft abſolu-
ter Begriff, als Idee des unendlichen Geiſtes zu faſſen
iſt, deſſen Geſetztſeyn die unendliche, durchſichtige
Realitaͤt iſt, worin er ſeine Schoͤpfung, und in ihr
ſich ſelbſt anſchaut.


Das
[44]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.

Das wahrhafte, unendliche Allgemeine, welches
unmittelbar eben ſo ſehr Beſonderheit als Einzelnheit in
ſich iſt, iſt nun zunaͤchſt naͤher als Beſonderheit zu
betrachten. Es beſtimmt ſich frey; ſeine Verendli-
chung iſt kein Uebergehen, das nur in der Sphaͤre des
Seyns Statt hat; es iſt ſchoͤpferiſche Macht,
als die abſolute Negativitaͤt, die ſich auf ſich ſelbſt be-
zieht. Es iſt als ſolche das Unterſcheiden in ſich, und
dieſes iſt Beſtimmen, dadurch, daß das Unterſchei-
den mit der Allgemeinheit eins iſt. Somit iſt es ein
Setzen der Unterſchiede ſelbſt als allgemeiner, ſich auf
ſich beziehender. Hiedurch werden ſie fixirte, iſolirte
Unterſchiede. Das iſolirte Beſtehen des Endlichen,
das ſich fruͤher als ſein Fuͤrſich-ſeyn, auch als Dingheit,
als Subſtanz beſtimmte, iſt in ſeiner Wahrheit die Allge-
meinheit, mit welcher Form der unendliche Begriff ſeine
Unterſchiede bekleidet, — eine Form, die eben einer ſei-
ner Unterſchiede ſelbſt iſt. Hierin beſteht das Schaf-
fen
des Begriffs, das nur in dieſem Innerſten deſſel-
ben ſelbſt zu begreiffen iſt.


B.)
Der beſondere Begriff.

Die Beſtimmtheit als ſolche gehoͤrt dem Seyn
und dem Qualitativen an; als Beſtimmtheit des Begriffs
iſt ſie Beſonderheit. Sie iſt keine Grenze, ſo
daß ſie ſich zu einem Andern als einem Jenſeits
ihrer verhielte, vielmehr, wie ſich ſo eben zeigte, das
eigene immanentes Moment des Allgemeinen; dieſes iſt
daher in der Beſonderheit nicht bey einem Andern,
ſondern ſchlechthin bey ſich ſelbſt.


Das
[45]I.Kapitel. Der Begriff.

Das Beſondere enthaͤlt die Allgemeinheit, welche
deſſen Subſtanz ausmacht; die Gattung iſt unver-
aͤndert
in ihren Arten; die Arten ſind nicht von
dem Allgemeinen, ſondern nur gegen einander ver-
ſchieden. Das Beſondere hat mit den andern Be-
ſondern, zu denen es ſich verhaͤlt, eine und dieſelbe All-
gemeinheit. Zugleich iſt die Verſchiedenheit derſelben,
um ihrer Identitaͤt mit dem Allgemeinen willen, als
ſolche
allgemein; ſie iſt Totalitaͤt. — Das Be-
ſondre enthaͤlt alſo nicht nur das Allgemeine, ſondern
ſtellt daſſelbe auch durch ſeine Beſtimmtheit dar;
dieſes macht inſofern eine Sphaͤre aus, welche das
Beſondere erſchoͤpfen muß. Dieſe Totalitaͤt erſcheint, in-
ſofern die Beſtimmtheit des Beſondern als bloſſe Ver-
ſchiedenheit
genommen wird, als Vollſtaͤndigkeit.
Vollſtaͤndig ſind in dieſer Ruͤckſicht die Arten, inſo-
fern es deren eben nicht mehrere gibt. Es iſt fuͤr
ſie kein innerer Maßſtab, oder Princip vorhanden,
weil die Verſchiedenheit eben der Einheitsloſe Un-
terſchied iſt, an welchem die Allgemeinheit, die fuͤr ſich
abſolute Einheit iſt, bloß aͤuſſerlicher Reflex, und eine
unbeſchraͤnkte, zufaͤllige Vollſtaͤndigkeit iſt. Die Ver-
ſchiedenheit aber geht in Entgegenſetzung, in eine
immanente Beziehung der Verſchiedenen uͤber
Die Beſonderheit aber, iſt als Allgemeinheit an und
fuͤr ſich ſelbſt, nicht durch Uebergehen ſolche immanente
Beziehung; ſie iſt Totalitaͤt an ihr ſelbſt, und ein-
fache
Beſtimmtheit, weſentlich Princip. Sie hat
keine andere Beſtimmtheit, als welche durch das All-
gemeine ſelbſt geſetzt iſt, und ſich aus demſelben, folgen-
dermaßen ergibt.


Das Beſondre iſt das Allgemeine ſelbſt, aber es
iſt deſſen Unterſchied oder Beziehung auf ein Anderes,
ſein Scheinen nach Auſſen; es iſt aber kein Ande-
res
[46]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
res vorhanden, wovon das Beſondere unterſchieden waͤre,
als das Allgemeine ſelbſt. — Das Allgemeine beſtimmt
ſich, ſo iſt es ſelbſt das Beſondere; die Beſtimmtheit
iſt ſein Unterſchied; es iſt nur von ſich ſelbſt unter-
ſchieden. Seine Arten ſind daher nur a) das Allge-
meine ſelbſt und b) das Beſondere. Das Allgemeine
als der Begriff, iſt es ſelbſt und ſein Gegentheil, was
wieder es ſelbſt als ſeine geſetzte Beſtimmtheit iſt; es
greift uͤber daſſelbe uͤber, und iſt in ihm bey ſich. So
iſt es die Totalitaͤt und Princip ſeiner Verſchiedenheit,
die ganz nur durch es ſelbſt beſtimmt iſt.


Es gibt daher keine andere wahrhafte Eintheilung,
als daß der Begriff ſich ſelbſt auf die Seite ſtellt, als
die unmittelbare, unbeſtimmte Allgemeinheit; eben
diß unbeſtimmte, macht ſeine Beſtimmtheit, oder daß
er ein Beſonderes iſt. Beydes iſt das Beſondere,
und iſt daher coordinirt. Beydes iſt auch als Be-
ſonderes das beſtimmte gegen das Allgemeine; es
heißt demſelben inſofern ſubordinirt. Aber eben
diß Allgemeine, gegen welches das Beſondre beſtimmt
iſt, iſt damit vielmehr ſelbſt auch nur eines der Ge-
genuͤberſtehenden. Wenn wir von zwey Gegenuͤber-
ſtehenden
ſprechen, ſo muͤſſen wir alſo auch wieder ſa-
gen, daß ſie beyde das Beſondre ausmachen, nicht
nur zuſammen, daß ſie nur fuͤr die aͤuſſere Reflexion
darin gleich waͤren, Beſondre zu ſeyn, ſondern ihre
Beſtimmtheit gegeneinander iſt weſentlich zugleich
nur Eine Beſtimmtheit, die Negativitaͤt, welche im
Allgemeinen einfach iſt.


Wie ſich der Unterſchied hier zeigt, iſt er in ſeinem
Begriffe, und damit in ſeiner Wahrheit. Aller fruͤhere
Unterſchied hat dieſe Einheit im Begriffe. Wie er un-
mit-
[47]I.Kapitel. Der Begriff.
mittelbarer Unterſchied im Seyn iſt, iſt er als die
Grenze eines Andern; wie er in der Reflexion iſt,
iſt er relativer, geſetzt als ſich auf ſein anderes weſent-
lich beziehend; hier beginnt ſomit die Einheit des Be-
griffs geſetzt zu werden; aber zunaͤchſt iſt ſie nur der
Schein an einem Andern. — Das Uebergehen und die
Aufloͤſung dieſer Beſtimmungen hat nur dieſen wahren
Sinn, daß ſie ihren Begriff, ihre Wahrheit erreichen;
Seyn, Daſeyn, Etwas, oder Ganzes und Theile u. ſ. f.
Subſtanz und Accidenzen, Urſache und Wirkung ſind fuͤr
ſich Gedankenbeſtimmungen; als beſtimmte Begriffe
werden ſie aufgefaßt, inſofern jede in der Einheit
mit ihrer andern oder entgegengeſetzten erkannt wird. —
Das Ganze und die Theile, Urſache und Wirkung z. B.
u. ſ. f. ſind noch nicht verſchiedene, die als Beſon-
dere
gegeneinander beſtimmt waͤren, weil ſie an ſich
zwar Einen Begriff ausmachen, aber ihre Einheit
noch nicht die Form der Allgemeinheit erreicht hat;
ſo hat auch der Unterſchied, der in dieſen Verhaͤlt-
niſſen iſt, noch nicht die Form, daß er Eine Beſtimmt-
heit iſt. Urſache und Wirkung z. B. ſind nicht zwey
verſchiedene Begriffe, ſondern nur Ein beſtimmter
Begriff, und die Cauſſalitaͤt iſt, wie jeder Begriff,
ein einfacher.


In Abſicht auf Vollſtaͤndigkeit hat ſich ergeben,
daß das Beſtimmte der Beſonderheit vollſtaͤndig in
dem Unterſchiede des Allgemeinen und Beſondern
iſt, und daß nur dieſe beyde die beſondern Arten aus-
machen. In der Natur finden ſich freylich in einer
Gattung mehr als zwey Arten, ſo wie dieſe vielen Ar-
ten auch nicht das aufgezeigte Verhaͤltniß zu einander
haben koͤnnen. Es iſt diß die Ohnmacht der Natur,
die Strenge des Begriffs nicht feſthalten und darſtellen
zu koͤnnen, und in dieſe begriffloſe blinde Mannichfaltig-
keit
[48]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
keit ſich zu verlauffen. Wir koͤnnen die Natur in der
Mannichfaltigkeit ihrer Gattungen und Arten, und der
unendlichen Verſchiedenheit ihrer Geſtaltungen bewun-
dern
, denn die Bewunderung iſt ohne Begriff,
und ihr Gegenſtand iſt das Vernunftloſe. Der Natur
weil ſie das Auſſerſichſeyn des Begriffes iſt, iſt es frey-
gegeben, in dieſer Verſchiedenheit ſich zu ergehen, wie
der Geiſt, ob er gleich den Begriff in der Geſtalt des
Begriffes hat, auch aufs Vorſtellen ſich einlaͤßt, und in
einer unendlichen Mannichfaltigkeit deſſelben ſich herum-
treibt. Die vielfachen Naturgattungen oder Arten muͤſ-
ſen fuͤr nichts hoͤheres geachtet werden, als die will-
kuͤhrlichen Einfaͤlle des Geiſtes in ſeinen Vorſtellungen.
Beyde zeigen wohl allenthalben Spuren und Ahndungen
des Begriffs, aber ſtellen ihn nicht in treuem Abbild
dar, weil ſie die Seite ſeines freyen Auſſerſichſeyns
ſind; er iſt die abſolute Macht gerade darum, daß er
ſeinen Unterſchied frey zur Geſtalt ſelbſtſtaͤndiger Ver-
ſchiedenheit, aͤuſſerlicher Nothwendigkeit, Zufaͤlligkeit,
Willkuͤhr, Meynung entlaſſen kann, welche aber fuͤr
nicht mehr als die abſtracte Seite der Nichtigkeit
genommen werden muß.


Die Beſtimmtheit des Beſondern iſt einfach
als Princip, wie wir geſehen haben, aber ſie iſt es
auch als Moment der Totalitaͤt, als Beſtimmtheit gegen
die andere Beſtimmtheit. Der Begriff, inſofern er
ſich beſtimmt oder unterſcheidet, iſt er negativ auf ſeine
Einheit gerichtet, und gibt ſich die Form eines ſeiner
ideellen Momente des Seyns; als beſtimmter Begriff
hat er ein Daſeyn uͤberhaupt. Diß Seyn hat aber
nicht mehr den Sinn der bloſſen Unmittelbarkeit,
ſondern der Allgemeinheit, der durch die abſolute Ver-
mittlung ſich ſelbſt gleichen Unmittelbarkeit, die eben ſo
ſehr auch das andere Moment, das Weſen oder die
Re-
[49]I.Kapitel. Der Begriff.
Reflexion in ſich enthaͤlt. Dieſe Allgemeinheit, mit wel-
cher das Beſ[tim]mte bekleidet iſt, iſt die abſtracte.
Das Beſondre hat die Allgemeinheit in ihm ſelbſt als
ſein Weſen; inſofern aber die Beſtimmtheit des Unter-
ſchieds geſetzt iſt, und dadurch Seyn hat, iſt ſie
Form an demſelben, und die Beſtimmtheit als ſolche
iſt der Inhalt. Zur Form wird die Allgemeinheit,
inſofern der Unterſchied als das Weſentliche iſt, wie er
im Gegentheil im rein Allgemeinen nur als abſolute
Negativitaͤt, nicht als Unterſchied iſt, der als ſol-
cher geſetzt iſt.


Die Beſtimmtheit iſt nun zwar das abſtracte,
gegen die andere Beſtimmtheit; die andere iſt aber nur die
Allgemeinheit ſelbſt, dieſe iſt inſofern auch die abſtrac-
te
; und die Beſtimmtheit des Begriffs, oder die Be-
ſonderheit iſt wieder weiter nicht als die beſtimmte All-
gemeinheit. Der Begriff iſt in ihr auſſer ſich; in-
ſofern er es iſt, der darin auſſer ſich iſt, ſo enthaͤlt
das Abſtract-Allgemeine alle Momente des Begriffs; es
iſt α) Allgemeinheit β) Beſtimmtheit γ) die einfache
Einheit von beyden; aber dieſe Einheit iſt unmittel-
bare
, und die Beſonderheit iſt darum nicht als die
Totalitaͤt. An ſich iſt ſie auch dieſe Totalitaͤt, und
Vermittlung; ſie iſt weſentlich ausſchlieſſende
Beziehung auf anderes, oder Aufhebung der Ne-
gation
, nemlich der andern Beſtimmtheit, — der an-
dern
, die aber nur als Meynung vorſchwebt, denn
unmittelbar verſchwindet ſie, und zeigt ſich als daſſelbe,
was die ihr andre ſeyn ſollte. Diß macht alſo dieſe
Allgemeinheit zur abſtracten, daß die Vermittlung nur
Bedingung iſt, oder nicht an ihr ſelbſt geſetzt iſt.
Weil ſie nicht geſetzt iſt, hat die Einheit des Ab-
ſtracten die Form der Unmittelbarkeit, und der Inhalt
die Form der Gleichguͤltigkeit gegen ſeine Allgemeinheit,
Dweil
[50]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
weil er nicht als dieſe Totalitaͤt iſt, welche die Allge-
meinheit der abſoluten Negativitaͤt iſt. Das Abſtract-
Allgemeine iſt ſomit zwar der Begriff, aber als Be-
griffloſes
, als Begriff, der nicht als ſolcher geſetzt iſt.


Wenn vom beſtimmten Begriffe die Rede
iſt, ſo iſt es gewoͤhnlich rein nur ein ſolches abſtract-
Allgemeines
, was gemeynt iſt. Auch unter dem
Begriffe uͤberhaupt, wird meiſt nur dieſer begriff-
loſe
Begriff verſtanden, und der Verſtand bezeichnet
das Vermoͤgen ſolcher Begriffe. Die Demonſtration
gehoͤrt dieſem Verſtande an, inſofern ſie an Begriffen
fortgehe
, das heißt nur an Beſtimmungen. Sol-
ches Fortgehen an Begriffen kommt daher nicht uͤber die
Endlichkeit und Nothwendigkeit hinaus; ihr hoͤchſtes iſt
das negative Unendliche, die Abſtraction des hoͤchſten
Weſens, welches ſelbſt die Beſtimmtheit der Unbe-
ſtimmtheit
iſt. Auch die abſolute Subſtanz iſt zwar
nicht dieſe leere Abſtraction, dem Inhalte nach vielm [...]hr
die Totalitaͤt, aber ſie iſt darum abſtract, weil ſie ohne
die abſolute Form iſt, ihre innerſte Wahrheit macht nicht
der Begriff aus; ob ſie zwar die Identitaͤt der Allge-
meinheit und Beſonderheit, oder des Denkens und des
Auſſereinander iſt, ſo iſt dieſe Identitaͤt nicht die Be-
ſtimmtheit
des Begriffes; auſſer ihr iſt vielmehr
ein, und zwar eben weil er auſſer ihr iſt, ein zufaͤlli-
ger Verſtand, in und fuͤr welchen ſie in verſchiedenen
Attributen und Modis iſt.


Leer iſt uͤbrigens die Abſtraction nicht, wie ſie
gewoͤhnlich genannt wird; ſie iſt der beſtimmte Be-
griff; ſie hat irgend eine Beſtimmtheit zum Inhalt;
auch das hoͤchſte Weſen, die reine Abſtraction, hat, wie
erinnert, die Beſtimmtheit der Unbeſtimmtheit; eine Be-
ſtimmtheit aber iſt die Unbeſtimmtheit, weil ſie dem Be-
ſtimm-
[51]I.Kapitel. Der Begriff.
ſtimmten gegenuͤber ſtehen ſoll. Indem man aber
ausſpricht, was ſie iſt, hebt ſich diß ſelbſt auf, was
ſie ſeyn ſoll; ſie wird als eins mit der Beſtimmtheit
ausgeſprochen, und auf dieſe Weiſe aus der Abſtraction
der Begriff und ihre Wahrheit hergeſtellt. — Inſo-
fern aber iſt jeder beſtimmte Begriff allerdings leer,
als er nicht die Totalitaͤt ſondern nur eine einſeitige
Beſtimmtheit enthaͤlt. Wenn er auch ſonſt concreten
Inhalt hat, z. B. Menſch, Staat, Thier u. ſ. f. ſo
bleibt er ein leerer Begriff, inſofern ſeine Beſtimmtheit
nicht das Princip ſeiner Unterſchiede iſt; das Princip
enthaͤlt den Anfang und das Weſen ſeiner Entwicklung
und Realiſation; irgend eine andere Beſtimmtheit des
Begriffs aber iſt unfruchtbar. Wenn der Begriff daher
uͤberhaupt als leer geſcholten iſt, ſo wird jene abſolute
Beſtimmtheit deſſelben verkannt, welche der Begriffs-
unterſchied, und der einzig wahre Inhalt in ſeinem
Element iſt.


Hieher gehoͤrt der Umſtand, um deſſen willen der
Verſtand in neuern Zeiten gering geachtet und gegen die
Vernunft ſo ſehr zuruͤckgeſetzt wird; es iſt die Feſtig-
keit
, welche er den Beſtimmtheiten und ſomit den End-
lichkeiten ertheilt. Diß Fixe beſteht in der betrachteten
Form der abſtracten Allgemeinheit; durch ſie werden
ſie unveraͤnderlich. Denn die qualitative Beſtimmt-
heit, ſo wie die Reflexionsbeſtimmung, ſind weſentlich
als begraͤnzte, und haben durch ihre Schranke eine
Beziehung auf ihr Anderes, ſomit die Nothwen-
digkeit
des Uebergehens und Vergehens. Die Allge-
meinheit aber, welche ſie im Verſtande haben, gibt ihnen
die Form der Reflexion in ſich, wodurch ſie der Bezie-
hung auf Anderes entnommen, und unvergaͤnglich
geworden ſind. Wenn nun am reinen Begriffe dieſe
Ewigkeit zu ſeiner Natur gehoͤrt, ſo waͤren ſeine abſtracten
D 2Be-
[52]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Beſtimmungen nur ihrer Form nach ewige Weſen-
heiten; aber ihr Inhalt iſt dieſer Form nicht angemeſ-
ſen; ſie ſind daher nicht Wahrheit und Unvergaͤnglich-
keit. Ihr Inhalt iſt der Form nicht angemeſſen, weil
er nicht die Beſtimmtheit ſelbſt als allgemein, d. i. nicht
als Totalitaͤt des Begriffsunterſchieds, oder nicht ſelbſt
die ganze Form iſt; die Form des beſchraͤnkten Verſtan-
des iſt darum aber ſelbſt die unvollkommne, nemlich
abſtracte Allgemeinheit. — Es iſt aber ferner als
die unendliche Kraft des Verſtandes zu achten, das
Concrete in die abſtracten Beſtimmtheiten zu trennen,
und die Tiefe des Unterſchieds zu faſſen, welche allein
zugleich die Macht iſt, die ihren Uebergang bewirkt. Das
Concrete der Anſchauung iſt Totalitaͤt, aber die
ſinnliche, — ein realer Stoff, der in Raum und Zeit
gleichguͤltig auſſereinander beſteht; dieſe Einheits-
loſigkeit des Mannichfaltigen, in der es der Inhalt der
Anſchauung iſt, ſollte ihm doch wohl nicht als Ver-
dienſt und Vorzug vor dem Verſtaͤndigen angerechn[et]
werden. Die Veraͤnderlichkeit, die es in der Anſchauung
zeigt, deutet ſchon auf das Allgemeine hin; was davon
zur Anſchauung kommt, iſt nur ein anderes eben ſo
Veraͤnderliches, alſo nur das Naͤmliche; es iſt nicht das
Allgemeine, das an deſſen Stelle traͤte und erſchiene.
Am wenigſten aber ſollte der Wiſſenſchaft z. B. der
Geometrie und Arithmetik, das Anſchauliche, das
ihr Stoff mit ſich bringt, zu einem Verdienſte angerech-
net, und ihre Saͤtze als hiedurch begruͤndet, vorgeſtellt
werden. Vielmehr iſt der Stoff ſolcher Wiſſenſchaften
darum von niedrigerer Natur; das Anſchauen der Fi-
guren oder Zahlen verhilft nicht zur Wiſſenſchaft der-
ſelben; nur das Denken daruͤber vermag eine ſolche
hervorzubringen. — Inſofern aber unter Anſchauung
nicht bloß das Sinnliche, ſondern die objective To-
talitaͤt
verſtanden wird, ſo iſt ſie eine intel-
lec-
[53]I.Kapitel. Der Begriff.
lectuelle, d. i. ſie hat das Daſeyn nicht in ſeiner
aͤuſſerlichen Exiſtenz zum Gegenſtande, ſondern das, was
in ihm unvergaͤngliche Realitaͤt und Wahrheit iſt, — die
Realitaͤt, nur inſofern ſie weſentlich im Begriffe und
durch ihn beſtimmt iſt, die Idee, deren naͤhere Na-
tur ſich ſpaͤter zu ergeben hat. Was die Anſchauung
als ſolche, vor dem Begriffe voraushaben ſoll, iſt die
aͤuſſerliche Realitaͤt, das Begriffloſe, das erſt einen
Werth durch ihn erhaͤlt.


Indem daher der Verſtand die unendliche Kraft
darſtellt, welche das Allgemeine beſtimmt, oder umge-
kehrt, dem an und fuͤr ſich Haltungsloſen der Beſtimmt-
heit durch die Form der Allgemeinheit das fixe Beſtehen
ertheilt, ſo iſt es nun nicht Schuld des Verſtandes,
wenn nicht weiter gegangen wird. Es iſt eine ſubjecti-
ve Ohnmacht der Vernunft, welche dieſe Be-
ſtimmtheiten ſo gelten laͤßt und ſie nicht durch die jener
abſtracten Allgemeinheit entgegengeſetzte dialektiſche Kraft,
d. h. durch die eigenthuͤmliche Natur, nemlich durch den
Begriff jener Beſtimmtheiten, zur Einheit zuruͤckzufuͤhren
vermag. Der Verſtand gibt ihnen zwar durch die Form
der abſtracten Allgemeinheit ſo zu ſagen, eine ſolche
Haͤrte des Seyns, als ſie in der qualitativen Sphaͤre,
und in der Sphaͤre der Reflexion nicht haben; aber
durch dieſe Vereinfachung begeiſtet er ſie zugleich,
und ſchaͤrft ſie ſo zu, daß ſie eben nur auf dieſer Spitze
die Faͤhigkeit erhalten, ſich aufzuloͤſen und in ihr ent-
gegengeſetztes uͤberzugehen. Die hoͤchſte Reiffe und
Stuffe, die irgend Etwas erreichen kann, iſt diejenige,
in welcher ſein Untergang beginnt. Das Feſte der Be-
ſtimmtheiten, in welche ſich der Verſtand einzurennen
ſcheint, die Form des Unvergaͤnglichen iſt die der ſich auf
ſich beziehenden Allgemeinheit. Aber ſie gehoͤrt dem Be-
griffe zu eigen an; und daher liegt in ihr ſelbſt die
Auf-
[54]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Aufloͤſung des Endlichen ausgedruͤckt, und in unend-
licher Naͤhe. Dieſe Allgemeinheit arguirt unmittel-
bar die Beſtimmtheit des Endlichen, und druͤckt ſeine
Unangemeſſenheit zu ihr aus. — Oder vielmehr iſt
ſeine Angemeſſenheit ſchon vorhanden; das abſtracte Be-
ſtimmte iſt als eins mit der Allgemeinheit geſetzt;
[e]ben darum als nicht fuͤr ſich, inſofern es nur Beſtimmtes
waͤre, ſondern nur als Einheit ſeiner und des Allgemei-
nen, d. i. als Begriff.


Es iſt daher in jeder Ruͤckſicht zu verwerfen,
Verſtand und die Vernunft ſo, wie gewoͤhnlich geſchieht,
zu trennen. Wenn der Begriff als vernunftlos betrach-
tet wird, ſo muß es vielmehr als eine Unfaͤhigkeit der
Vernunft betrachtet werden, ſich in ihm zu erkennen.
Der beſtimmte und abſtracte Begriff iſt die Bedin-
gung
, oder vielmehr weſentliches Moment der
Vernunft
; er iſt begeiſtete Form, in welcher das
Endliche durch die Allgemeinheit, in der es ſich auf ſich
bezieht, ſich in ſich entzuͤndet, als dialektiſch geſetzt und
hiemit der Anfang ſelbſt der Erſcheinung der Ver-
nunft iſt.


Indem der beſtimmte Begriff in dem Bisherigen in
ſeiner Wahrheit dargeſtellt iſt, ſo iſt nur noch uͤbrig,
anzuzeigen, als was er hiemit ſchon geſetzt iſt. — Der
Unterſchied, welcher weſentliches Moment des Begriffs,
aber im rein Allgemeinen noch nicht als ſolcher geſetzt
iſt, erhaͤlt im beſtimmten Begriffe ſein Recht. Die Be-
ſtimmtheit in der Form der Allgemeinheit iſt zum Ein-
fachen mit derſelben verbunden; dies beſtimmte Allge-
meine iſt die ſich auf ſich ſelbſt beziehende Beſtimmtheit;
die beſtimmte Beſtimmtheit oder abſolute Negativitaͤt fuͤr
ſich geſetzt. Die ſich auf ſich ſelbſt beziehende Beſtimmt-
heit aber iſt die Einzelnheit. So unmittelbar die
Allgemeinheit ſchon an und fuͤr ſich ſelbſt Beſonderheit
iſt,
[55]I.Kapitel. Der Begriff.
iſt, ſo unmittelbar an und fuͤr ſich iſt die Beſonderheit
auch Einzelnheit, welche zunaͤchſt als drittes Mo-
ment des Begriffes, inſofern ſie gegen die beyden er-
ſten feſtgehalten wird, aber auch als die abſolute Ruͤck-
kehr deſſelben in ſich, und zugleich als der geſetzte
Verluſt ſeiner ſelbſt zu betrachten iſt.


Anmerkung.

Allgemeinheit, Beſonderheit und Ein-
zelnheit
ſind nach dem bisherigen die drey beſtimm-
ten Begriffe, wenn man ſie nemlich zaͤhlen will. Es
iſt ſchon fruͤher gezeigt worden, daß die Zahl eine un-
paſſende Form iſt, um Begriffsbeſtimmungen darein zu
faſſen, aber am unpaſſendſten vollends fuͤr Beſtim-
mungen des Begriffs ſelbſt; die Zahl, da ſie das Eins
zum Princip hat, macht die gezaͤhlten zu ganz abgeſon-
derten und einander ganz gleichguͤltigen. Es hat ſich
im Bisherigen ergeben, daß die verſchiedenen beſtimm-
ten Begriffe ſchlechthin vielmehr nur Einer und der-
ſelbe Begriff ſind, als daß ſie in die Zahl aus einan-
der fallen.


In der ſonſt gewoͤhnlichen Abhandlung der Logik
kommen mancherley Eintheilungen und Arten
von Begriffen vor. Es faͤllt ſogleich die Inconſequenz
daran in die Augen, daß die Arten ſo eingefuͤhrt wer-
den: Es gibt der Quantitaͤt, Qualitaͤt u. ſ. f. nach
folgende Begriffe. Es gibt, druͤckt keine andere Be-
rechtigung aus, als die, daß man ſolche Arten vorfin-
det
und ſie ſich nach der Erfahrung zeigen. Man
erhaͤlt auf dieſe Weiſe eine empiriſche Logik, —
eine ſonderbare Wiſſenſchaft, eine irrationelle Er-
kenntniß des Rationellen. Die Logik gibt hierdurch
ein ſehr uͤbles Beyſpiel der Befolgung ihrer eigenen
Leh
[56]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Lehren; ſie erlaubt ſich fuͤr ſich ſelbſt das Gegentheil
deſſen zu thun, was ſie als Regel vorſchreibt, daß die
Begriffe abgeleitet und die wiſſenſchaftlichen Saͤtze, (alſo
auch der Satz: es gibt ſo und ſo vielerley Arten von
Begriffe) bewieſen werden ſollen. — Die Kantiſche Phi-
loſophie begeht hierin eine weitere Inconſequenz, ſie
entlehnt fuͤr die tranſcendentale Logik die Ka-
tegorien als ſogenannte Stammbegriffe aus der ſubjecti-
ven Logik, in welcher ſie empiriſch aufgenommen wor-
den. Da ſie letzteres zugibt, ſo iſt nicht abzuſehen,
warum die tranſcendentale Logik ſich zum Entlehnen aus
ſolcher Wiſſenſchaft entſchließt, und nicht gleich ſelbſt
empiriſch zugreifft.


Um einiges hievon anzufuͤhren, ſo werden die Be-
griffe vornemlich nach ihrer Klarheit eingetheilt, und
zwar in klare und dunkle, deutliche und un-
deutliche
, in adaͤquate und nichtadaͤquate.
Auch koͤnnen hieher die vollſtaͤndigen, uͤberflieſ-
ſenden
und andere dergleichen Ueberfluͤſſigkeiten ge-
nommen werden. — Was jene Eintheilung nach der
Klarheit betrifft, ſo zeigt ſich bald, daß dieſer Geſichts-
punkt und die ſich auf ihn beziehenden Unterſchiede aus
pſychologiſchen, nicht auf logiſchen Beſtimmun-
gen genommen ſind. Der ſogenannte klare Begriff
ſoll hinreichen, einen Gegenſtand von einem andern zu
unterſcheiden; ein ſolches iſt noch kein Begriff zu nen-
nen, es iſt weiter nichts als die ſubjective Vor-
ſtellung
. Was ein dunkler Begriff ſey, muß auf ſich
beruhen bleiben, denn ſonſt waͤre er kein dunkler, er
wuͤrde ein deutlicher Begriff. — Der deutliche Be-
griff ſoll ein ſolcher ſeyn, von welchem man die Merk-
mahle
angeben koͤnne. Sonach iſt er eigentlich der
beſtimmte Begriff. Das Merkmahl, wenn nem-
lich das, was darin richtiges liegt, aufgefaßt wird, iſt
nichts
[57]I.Kapitel. Der Begriff.
nichts anderes als die Beſtimmtheit oder der ein-
fache Inhalt des Begriffs, inſofern er von der Form
der Allgemeinheit unterſchieden wird. Aber das Merk-
mahl
hat zunaͤchſt nicht gerade dieſe genauere Bedeu-
tung, ſondern iſt uͤberhaupt nur eine Beſtimmung, wo-
durch ein Dritter ſich einen Gegenſtand oder den
Begriff merkt; es kann daher ein ſehr zufaͤlliger Um-
ſtand ſeyn. Ueberhaupt druͤckt es nicht ſowohl die Im-
manenz und Weſentlichkeit der Beſtimmung aus, ſondern
deren Beziehung auf einen aͤuſſern Verſtand. Iſt
dieſer wirklich ein Verſtand, ſo hat er den Begriff vor
ſich, und merkt ſich denſelben durch nichts anderes, als
durch das, was im Begriffe iſt. Soll es aber
hievon unterſchieden ſeyn, ſo iſt es ein Zeichen oder
ſonſt eine Beſtimmung, welche zur Vorſtellung der
Sache, nicht zu ihrem Begriffe gehoͤrt. — Was der
undeutliche Begriff ſey, kann als uͤberfluͤſſig uͤber-
gangen werden.


Der adaͤquate Begriff aber iſt ein hoͤheres; es
ſchwebt dabey eigentlich die Uebereinſtimmung des Be-
griffs mit der Realitaͤt vor, was nicht der Begriff als
ſolcher, ſondern die Idee iſt.


Wenn das Merkmahl des deutlichen Begriffs
wirklich die Begriffsbeſtimmung ſelbſt ſeyn ſollte, ſo
wuͤrde die Logik mit den einfachen Begriffen, in Ver-
legenheit kommen, welche nach einer andern Eintheilung
den zuſammengeſetzten gegenuͤbergeſtellt werden.
Denn wenn vom einfachen Begriffe ein wahres, d. i.
ein immanentes Merkmahl angegeben werden ſollte, ſo
wuͤrde man ihn nicht als einen einfachen anſehen wol-
len; inſofern aber keines von ihm angegeben wuͤrde,
waͤre er kein deutlicher Begriff. Da hilft aber nun
der klare Begriff aus. Einheit, Realitaͤt und derglei-
chen Beſtimmungen ſollen einfache Begriffe ſeyn, wohl
nur
[58]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
nur aus dem Grunde, daß die Logiker nicht damit zu
Stande kamen, die Beſtimmung derſelben aufzufinden,
ſich daher begnuͤgten, einen bloß klaren Begriff, d. h.
gar keinen davon zu haben. Zur Definition, d. i.
zur Angabe des Begriffs wird allgemein die Angabe der
Gattung und der ſpecifiſchen Differenz gefodert. Sie
gibt alſo den Begriff nicht als etwas einfaches, ſondern
in zwey zaͤhlbaren Beſtandſtuͤcken. Aber darum
wird ſolcher Begriff doch wohl nicht ein zuſammen-
geſetztes
ſeyn ſollen. — Es ſcheint beym einfachen
Begriffe die abſtracte Einfachheit vorzuſchweben,
eine Einheit, welche den Unterſchied und die Beſtimmt-
heit nicht in ſich enthaͤlt, welche daher auch nicht dieje-
nige iſt, die dem Begriffe zukommt. Sofern ein
Gegenſtand in der Vorſtellung, insbeſondere im Gedaͤcht-
niß iſt, oder auch die abſtracte Gedankenbeſtimmung iſt,
kann er ganz einfach ſeyn. Selbſt der in ſich reichſte
Gegenſtand: z. B. Geiſt, Natur, Welt, auch Gott ganz
begrifflos in die einfache Vorſtellung des eben ſo einfa-
chen Ausdruckes: Geiſt, Natur, Welt, Gott, gefaßt, iſt
wohl etwas einfaches, bey dem das Bewußtſeyn ſtehen
bleiben kann, ohne ſich die eigenthuͤmliche Beſtimmung
oder ein Merkmahl weiter herauszuheben; aber die Ge-
genſtaͤnde des Bewußtſeyns ſollen nicht dieſe einfache,
nicht Vorſtellungen oder abſtracte Gedankenbeſtimmungen
bleiben, ſondern begriffen werden, d. h. ihre Ein-
fachheit ſoll mit ihrem innern Unterſchied beſtimmt
ſeyn. — Der zuſammengeſetzte Begriff aber iſt
wohl nicht mehr als ein hoͤlzernes Eiſen. Von Etwas zu-
ſammengeſetztem kann man wohl einen Begriff haben;
aber ein zuſammengeſetzter Begriff waͤre etwas ſchlim-
meres als der Materialismus, welcher nur die
Subſtanz der Seele als ein zuſammengeſetztes an-
nimmt, aber das Denken doch als einfach auffaßt.
Die ungebildete Reflexion verfaͤllt zunaͤchſt auf die Zu-
ſam-
[59]I.Kapitel. Der Begriff.
ſammenſetzung als die ganz aͤuſſerliche Beziehung,
die ſchlechteſte Form, in der die Dinge betrachtet wer-
den koͤnnen; auch die niedrigſten Naturen muͤſſen eine
innre Einheit ſeyn. Daß vollends die Form des un-
wahrſten Daſeyns auf Ich, auf den Begriff uͤbergetra-
gen wird, iſt mehr, als zu erwarten war, iſt als un-
ſchicklich und barbariſch zu betrachten.


Die Begriffe werden ferner vornemlich in con-
traͤre
und contradictoriſche eingetheilt. — Wenn
es bey der Abhandlung des Begriffs darum zu thun
waͤre, anzugeben, was es fuͤr beſtimmte Begriffe
gebe, ſo waͤren alle moͤglichen Beſtimmungen anzufuͤh-
ren, — denn alle Beſtimmungen ſind Begriffe, ſomit
beſtimmte Begriffe, — und alle Kategorien des Seyns,
wie alle Beſtimmungen des Weſens waͤren unter den
Arten der Begriffe aufzufuͤhren. Wie denn auch in den
Logiken, in der einen nach Belieben mehr, in der an-
dern weniger erzaͤhlt wird, daß es bejahende,
verneinende, identiſche, bedingte, nothwen-
dige
u. ſ. f. Begriffe gebe. Da ſolche Beſtimmungen
der Natur des Begriffes ſelbſt ſchon im Ruͤcken
liegen, und daher wenn ſie bey demſelben aufgefuͤhrt
werden, nicht in ihrer eigenthuͤmlichen Stelle vorkom-
men, ſo laſſen ſie nur oberflaͤchliche Worterklaͤrungen
zu, und erſcheinen hier ohne alles Intereſſe. — Den
contraͤren und contradictoriſchen Begriffen, —
ein Unterſchied, der hier vornemlich beachtet wird, liegt
die Reflexionsbeſtimmung der Verſchiedenheit und
Entgegenſetzung zu Grunde. Sie werden als zwey
beſondere Arten angeſehen, d. h. jeder als feſt
fuͤr ſich und gleichguͤltig gegen den andern, ohne allen
Gedanken der Dialektik und der innern Nichtigkeit dieſer
Unterſchiede; als ob das, was contraͤr iſt, nicht eben
ſo ſehr als contradictoriſch beſtimmt werden muͤß-
te.
[60]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
te. Die Natur und der weſentliche Uebergang der Re-
flexionsformen, die ſie ausdruͤcken, iſt an ihrer Stelle
betrachtet worden. In dem Begriffe iſt die Identitaͤt
zur Allgemeinheit, der Unterſchied zur Beſonderheit, die
Entgegenſetzung, die in den Grund zuruͤckgeht, zur Ein-
zelnheit fortgebildet. In dieſen Formen ſind jene Re-
flexionsbeſtimmungen wie ſie in ihrem Begriffe ſind.
Das Allgemeine erwies ſich nicht nur als das Identi-
ſche, ſondern zugleich als das verſchiedene oder con-
traͤre
gegen das Beſondere und Einzelne, ferner auch
als ihnen entgegengeſetzt, oder contradictoriſch; in
dieſer Entgegenſetzung aber iſt es identiſch mit ihnen,
und ihr wahrhafter Grund, in welchem ſie aufgehoben
ſind. Ein gleiches gilt von der Beſonderheit und Ein-
zelnheit, welche eben ſo die Totalitaͤt der Reflexionsbe-
ſtimmungen ſind.


Weiter werden die Begriffe in ſubordinirte
und coordinirte eingetheilt; — ein Unterſchied, der
die Begriffsbeſtimmung naͤher angeht, nemlich das Ver-
haͤltniß von Allgemeinheit und Beſonderheit, wo dieſe
Ausdruͤcke auch beylaͤuffig erwaͤhnt worden ſind. Nur
pflegen ſie gewoͤhnlich gleichfalls als ganz feſte Verhaͤlt-
niſſe betrachtet, und hiernach mehrfache unfruchtbare
Saͤtze von denſelben aufgeſtellt zu werden. Die weit-
laͤufigſte Verhandlung daruͤber betrifft wieder die Be-
ziehung der Contrarietaͤt und Contradictorietaͤt auf die
Sub- und Coordination. Indem das Urtheil die
Beziehung der beſtimmten Begriffe
iſt, ſo hat
ſich erſt bey demſelben das wahre Verhaͤltniß zu erge-
ben. Jene Manier, dieſe Beſtimmungen zu verglei-
chen
ohne Gedanken an ihre Dialektik und um die
fortgehende Aenderung ihrer Beſtimmung, oder vielmehr
an die in ihnen vorhandene Verknuͤpfung entgegengeſetz-
ter Beſtimmungen, macht die ganze Betrachtung, was
in
[61]I.Kapitel. Der Begriff.
in ihnen einſtimmig ſey oder nicht, gleichſam als
ob dieſe Einſtimmigkeit oder Nichteinſtimmigkeit etwas
geſondertes, und bleibendes ſey, zu etwas nur
unfruchtbarem und gehaltloſem. — Der groſſe, in dem
Auffaſſen und Combiniren der tiefern Verhaͤltniſſe der
algebraiſchen Groͤſſen unendlich fruchtbare und ſcharfſin-
nige Euler, beſonders der trocken verſtaͤndige Lam-
bert
und andere haben fuͤr dieſe Art von Verhaͤltniſ-
ſen der Begriffsbeſtimmungen eine Bezeichnung durch
Linien, Figuren und dergleichen verſucht; man beabſich-
tete uͤberhaupt, die logiſchen Beziehungsweiſen zu einem
Calcul zu erheben; — oder vielmehr in der That
herabzuſetzen. Schon der Verſuch der Bezeichnung ſtellt
ſich ſogleich als an und fuͤr ſich nichtig dar, wenn man
die Natur des Zeichens und deſſen, was bezeichnet wer-
den ſoll, mit einander vergleicht. Die Begriffsbeſtim-
mungen, Allgemeinheit, Beſonderheit und Einzelnheit
ſind allerdings verſchieden, wie Linien oder die Buch-
ſtaben der Algebra; — ſie ſind ferner auch entgegen-
geſetzt
, und lieſſen inſofern auch die Zeichen von
plus und minus zu. Aber ſie ſelbſt und vollends deren
Beziehungen, — wenn auch nur bey der Subſum-
tion
und Inhaͤrenz ſtehen geblieben wird, ſind von
ganz anderer weſentlicher Natur, als die Buchſtaben
und Linien und deren Beziehungen, die Gleichheit oder
Verſchiedenheit der Groͤſſe, das plus und minus, oder
eine Stellung der Linien uͤbereinander oder ihre Verbin-
dung zu Winkeln und die Stellungen von Raͤumen, die
ſie einſchließen. Dergleichen Gegenſtaͤnde haben gegen
ſie das eigenthuͤmliche, daß ſie einander aͤuſſerlich
ſind, eine fixe Beſtimmung haben. Wenn Begriffe
nun in der Weiſe genommen worden, daß ſie ſolchen
Zeichen entſprechen, ſo hoͤren ſie auf, Begriffe zu ſeyn.
Ihre Beſtimmungen ſind nicht ſo ein todtliegendes, wie
Zahlen und Linien, denen ihre Beziehung nicht ſelbſt an-
gehoͤrt;
[62]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
gehoͤrt; ſie ſind lebendige Bewegungen; die unterſchie-
dene Beſtimmtheit der einen Seite iſt unmittelbar auch
der andern innerlich; was bey Zahlen und Linien ein
vollkommener Widerſpruch waͤre, iſt der Natur des Be-
griffes weſentlich. — Die hoͤhere Mathematik, welche auch
zum Unendlichen fortgeht, und ſich Widerſpruͤche erlaubt,
kann fuͤr die Darſtellung ſolcher Beſtimmungen ihre ſon-
ſtigen Zeichen nicht mehr gebrauchen; fuͤr Bezeichnung
der noch ſehr begriffloſen Vorſtellung der unendlichen
Annaͤherung
zweyer Ordinaten, oder wenn ſie
einen Bogen, einer unendlichen Anzahl von unend-
lich kleinen geraden Linien gleichſetzt, thut ſie wei-
ter nichts als die zwey geraden Linien, auſſerein-
ander
zu zeichnen, und in einen Bogen gerade Li-
nien, aber als verſchieden von ihm ziehen; fuͤr
das unendliche, worauf es dabey ankommt, verweiſt
ſie an das Vorſtellen.


Was zu jenem Verſuche zunaͤchſt verleitet hat, iſt
vornemlich das quantitative Verhaͤltniß, in welchem
Allgemeinheit, Beſonderheit und Einzeln-
heit
zu einander ſtehen ſollen; das Allgemeine heißt
weiter als das Beſondere und Einzelne, und das
Beſondere weiter als das Einzelne. Der Begriff iſt
das Concrete und Reichſte, weil er der Grund und
die Totalitaͤt der fruͤhern Beſtimmungen, der Kate-
gorien des Seyns, und der Reflexionsbeſtimmungen iſt;
dieſelben kommen daher wohl auch an ihm hervor. Aber
ſeine Natur wird gaͤnzlich verkannt, wenn ſie an ihm
noch in jener Abſtraction feſtgehalten werden; wenn der
weitere Umfang des Allgemeinen ſo genommen wird,
daß es ein Mehreres oder ein groͤſſeres Quantum
ſey, als das Beſondere und Einzelne. Als abſoluter
Grund iſt er die Moͤglichkeit der Quantitaͤt, aber
eben ſo ſehr der Qualitaͤt, d. h. ſeine Beſtimmungen
ſind
[63]I.Kapitel. Der Begriff.
ſind eben ſo wohl qualitativ unterſchieden; ſie werden
daher dann ſchon gegen ihre Wahrheit betrachtet, wenn
ſie unter der Form der Quantitaͤt allein geſetzt werden.
So iſt ferner die Reflexionsbeſtimmung ein relati-
ves
, in der ihr Gegentheil ſcheint; ſie iſt nicht im
aͤuſſerlichen Verhaͤltniſſe, wie ein Quantum. Aber der
Begriff iſt mehr als alles dieſes; ſeine Beſtimmungen
ſind beſtimmte Begriffe, weſentlich ſelbſt die Tota-
litaͤt
aller Beſtimmungen. Es iſt daher voͤllig unpaſ-
ſend, um ſolche innige Totalitaͤt zu faſſen, Zahlen- und
Raumverhaͤltniſſe anwenden zu wollen, in welchen alle
Beſtimmungen auseinander fallen; ſie ſind vielmehr das
letzte und ſchlechteſte Medium, welches gebraucht werden
koͤnnte. Naturverhaͤltniſſe, wie z. B. Magnetismus,
Farbenverhaͤltniſſe wuͤrden unendlich hoͤhere und wahre-
re Symbole dafuͤr ſeyn. Da der Menſch die Sprache
hat, als das der Vernunft eigenthuͤmliche Bezeichnungs-
mittel, ſo iſt es ein muͤſſiger Einfall, ſich nach einer
unvollkommnern Darſtellungsweiſe umſehen und damit
quaͤlen zu wollen. Der Begriff kann als ſolcher weſent-
lich nur mit dem Geiſte aufgefaßt werden, deſſen Eigen-
thum nicht nur, ſondern deſſen reines Selbſt er iſt.
Es iſt vergeblich ihn durch Raumfiguren und algebrai-
ſche Zeichen zum Behuffe des aͤuſſerlichen Auges
und einer begriffloſen, mechaniſchen Behand-
lungsweiſe
, eines Calculs, feſthalten zu wollen.
Auch jedes andere, was als Symbol dienen ſollte, kann
hoͤchſtens, wie Symbole fuͤr die Natur Gottes, Ahndun-
gen und Anklaͤnge des Begriffes erregen; aber wenn es
Ernſt ſeyn ſollte, den Begriff dadurch auszudruͤcken und
zu erkennen, ſo iſt die aͤuſſerliche Natur aller
Symbole unangemeſſen dazu und vielmehr iſt das Ver-
haͤltniß umgekehrt, daß was in den Symbolen Anklang
einer hoͤhern Beſtimmung iſt, erſt durch den Begriff
erkannt, und allein durch die Abſonderung jenes
ſinn-
[64]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
ſinnlichen Beyweſens ihm genaͤhrt werden, das ihn
ausdruͤcken ſollte.


C.)
Das Einzelne.

Die Einzelnheit iſt, wie ſich ergeben, ſchon
durch die Beſonderheit geſetzt; dieſe iſt die beſtimmte
Allgemeinheit
; alſo die ſich auf ſich beziehende Be-
ſtimmtheit, das beſtimmte Beſtimmte.


1. Zunaͤchſt erſcheint daher die Einzelnheit als die
Reflexion
des Begriffs aus ſeiner Beſtimmtheit in
ſich ſelbſt
. Sie iſt die Vermittlung deſſelben
durch ſich, inſofern ſein Andersſeyn ſich wieder zu
einem Andern gemacht, wodurch der Begriff als ſich
ſelbſt gleiches hergeſtellt, aber in der Beſtimmung der
abſoluten Negativitaͤt iſt. — Das Negative am
Allgemeinen, wodurch dieſes ein Beſonderes iſt,
wurde vorhin als der Doppelſchein beſtimmt; inſofern
es Scheinen nach Innen iſt, bleibt das Beſondere
ein Allgemeines; durch das Scheinen nach Auſſen iſt es
beſtimmtes; die Ruͤckkehr dieſer Seite in das Allge-
meine iſt die gedoppelte, entweder durch die Ab-
ſtraction
, welche daſſelbe weglaͤßt, und zur hoͤhern
und hoͤchſten Gattung aufſteigt, oder aber durch
die Einzelnheit, zu welcher das Allgemeine in der
Beſtimmtheit ſelbſt, herunterſteigt. — Hier geht der
Abweg ab, auf welchem die Abſtraction vom Wege des
Begriffs abkommt, und die Wahrheit verlaͤßt. Ihr
hoͤheres und hoͤchſtes Allgemeine, zu dem ſie ſich erhebt,
iſt nur die immer inhaltsloſer werdende Oberflaͤche; die
von
[65]I.Kapitel. Der Begriff.
von ihr verſchmaͤhte Einzelnheit iſt die Tiefe, in der der
Begriff ſich ſelbſt erfaßt, und als Begriff geſetzt iſt.


Die Allgemeinheit und die Beſonderheit
erſchienen einerſeits als die Momente des Werdens
der Einzelnheit. Aber es iſt ſchon gezeigt worden, daß
ſie an ihnen ſelbſt der totale Begriff ſind, ſomit in der
Einzelnheit nicht in ein anderes uͤbergehen, ſon-
dern daß darin nur geſetzt iſt, was ſie an und fuͤr ſich ſind.
Das Allgemeine iſt fuͤr ſich, weil es an ihm ſelbſt
die abſolute Vermittlung, Beziehung auf ſich nur als
abſolute Negativitaͤt iſt. Es iſt abſtractes Allgemei-
nes, inſofern diß Aufheben ein aͤuſſerliches Thun,
und hiedurch ein Weglaſſen der Beſtimmtheit iſt.
Dieſe Negativitaͤt iſt daher wohl an dem Abſtracten, aber
ſie bleibt auſſerhalb, als eine bloſſe Bedingung
deſſelben; ſie iſt die Abſtraction ſelbſt, welche ihr All-
gemeines ſich gegenuͤber haͤlt, das daher die Einzeln-
heit nicht in ſich ſelbſt hat, und begrifflos bleibt. —
Leben, Geiſt, Gott, — ſo wie den reinen Begriff, ver-
mag die Abſtraction deßwegen nicht zu faſſen, weil ſie
von ihren Erzeugniſſen, die Einzelnheit, das Princip
der Individualitaͤt und Perſoͤnlichkeit, abhaͤlt, und ſo zu
nichts, als leb- und geiſtloſen, farb- und gehaltloſen
Allgemeinheiten kommt.


Aber die Einheit des Begriffs iſt ſo untrennbar,
daß auch dieſe Producte der Abſtraction, indem ſie die
Einzelnheit weglaſſen ſollen, ſelbſt vielmehr einzelne
ſind. Indem ſie das Concrete in die Allgemeinheit er-
hebt, das Allgemeine aber nur als beſtimmte Allgemein-
heit faßt, ſo iſt eben diß die Einzelnheit, welche ſich als
die ſich auf ſich beziehende Beſtimmtheit ergeben hat.
Die Abſtraction iſt daher eine Trennung des Concre-
ten, und eine Vereinzelung ſeiner Beſtimmungen;
Edurch
[66]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
durch ſie werden nur einzelne Eigenſchaften oder
Momente aufgefaßt; denn ihr Product muß das enthal-
ten, was ſie ſelbſt iſt. Der Unterſchied aber dieſer Ein-
zelnheit ihrer Producte, und der Einzelnheit des Begriffs,
iſt, daß in jenen das Einzelne als Inhalt, und das
Allgemeine als Form von einander verſchieden ſind; —
weil eben jener nicht als die abſolute Form, als der
Begriff ſelbſt, oder dieſe nicht als die Totalitaͤt der
Form iſt. — Dieſe naͤhere Betrachtung aber zeigt das
Abſtracte ſelbſt als Einheit des einzelnen Inhalts, und
der abſtracten Allgemeinheit, ſomit als Concretes,
als das Gegentheil deſſen, was es ſeyn will.


Das Beſondere iſt aus demſelben Grunde, weil
es nur das beſtimmte Allgemeine iſt, auch Einzel-
nes
, und umgekehrt, weil das Einzelne das beſtimmte
Allgemeine iſt, iſt es eben ſo ſehr ein Beſonderes. Wenn
an dieſer abſtracten Beſtimmtheit feſt gehalten wird, ſo
hat der Begriff die drey beſondern Beſtimmungen, das
Allgemeine, Beſondere und Einzelne; nachdem vorhin
nur das Allgemeine und Beſondere als die Arten des
Beſondern angegeben wurden. Indem die Einzelnheit
als die Ruͤckkehr des Begriffs als des Negativen in ſich
iſt, ſo kann dieſe Ruͤckkehr ſelbſt von der Abſtraction,
die darin eigentlich aufgehoben iſt, als ein gleichguͤlti-
ges Moment, neben die andern geſtellt und gezaͤhlt
werden.


Wenn die Einzelnheit als eine der beſondern
Begriffsbeſtimmungen aufgefuͤhrt wird, ſo iſt die Beſon-
derheit die Totalitaͤt, welche alle in ſich begreift;
als dieſe Totalitaͤt eben iſt ſie das Concrete derſelben,
oder die Einzelnheit ſelbſt. Sie iſt das Concrete aber
auch nach der vorhin bemerkten Seite, als beſtimmte
Allgemeinheit
; ſo iſt ſie als die unmittelbare
Ein-
[67]I.Kapitel. Der Begriff.
Einheit, in welcher keines dieſer Momente als unterſchie-
den oder als das Beſtimmende geſetzt iſt, und in
dieſer Form wird ſie die Mitte des formalen
Schluſſes
ausmachen.


Es faͤllt von ſelbſt auf, daß jede Beſtimmung, die
in der bisherigen Expoſition des Begriffs gemacht wor-
den, ſich unmittelbar aufgeloͤſt und in ihre andere ver-
loren hat. Jede Unterſcheidung confondirt ſich in der
Betrachtung, welche ſie iſoliren und feſthalten ſoll.
Nur die bloſſe Vorſtellung, fuͤr welche ſie das Ab-
ſtrahiren iſolirt hat, vermag ſich das Allgemeine, Be-
ſondere und Einzelne feſt auseinander zu halten; ſo ſind
ſie zaͤhlbar, und fuͤr einen weitern Unterſchied haͤlt ſie
ſich an den voͤllig aͤuſſerlichen des Seyns, die
Quantitaͤt
, die nirgend weniger, als hieher gehoͤrt. —
In der Einzelnheit iſt jenes wahre Verhaͤltniß, die
Untrennbarkeit der Begriffsbeſtimmungen, geſetzt;
denn als Negation der Negation enthaͤlt ſie den Gegen-
ſatz derſelben und ihn zugleich in ſeinem Grunde oder
Einheit; das Zuſammengegangenſeyn einer jeden mit ih-
rer andern. Weil in dieſer Reflexion an und fuͤr ſich
die Allgemeinheit iſt, iſt ſie weſentlich die Negativitaͤt
der Begriffsbeſtimmungen nicht nur ſo, daß ſie nur ein
Drittes verſchiedenes gegen ſie waͤre, ſondern es iſt diß
nunmehr geſetzt, daß das Geſetztſeyn das An-
und fuͤrſichſeyn
iſt; d. h. daß die dem Unterſchiede
angehoͤrigen Beſtimmungen ſelbſt jede die Totalitaͤt
iſt. Die Ruͤckkehr des beſtimmten Begriffes in ſich iſt,
daß er die Beſtimmung hat, in ſeiner Beſtimmt-
heit
der ganze Begriff zu ſeyn.


2. Die Einzelnheit iſt aber nicht nur die Ruͤckkehr
des Begriffes in ſich ſelbſt, ſondern unmittelbar ſein
Verluſt. Durch die Einzelnheit, wie er darin in ſich
E 2iſt,
[68]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
iſt, wird er auſſer ſich, und tritt in Wirklichkeit.
Die Abſtraction, welche als die Seele der Ein-
zelnheit die Beziehung des Negativen auf das Negative
iſt, iſt, wie ſich gezeigt, dem Allgemeinen und Beſondern
nichts aͤuſſerliches, ſondern immanent, und ſie ſind durch
ſie Concretes, Inhalt, Einzelnes. Die Einzelnheit aber
iſt als dieſe Negativitaͤt die beſtimmte Beſtimmtheit, das
Unterſcheiden als ſolches; durch dieſe Reflexion des
Unterſchiedes in ſich wird er ein feſter; das Beſtim-
men des Beſondern iſt erſt durch die Einzelnheit; denn
ſie iſt jene Abſtraction, die nunmehr eben als Einzeln-
heit, geſetzte Abſtraction iſt.


Das Einzelne alſo iſt als ſich auf ſich beziehende
Negativitaͤt, unmittelbare Identitaͤt des Negativen mit
ſich; es iſt fuͤr ſich ſeyendes. Oder es iſt die Ab-
ſtraction welche den Begriff nach ſeinem ideellen Mo-
mente des Seyns, als ein unmittelbares be-
ſtimmt. — So iſt das Einzelne ein qualitatives Eins
oder Dieſes. Nach dieſer Qualitaͤt iſt es erſtlich
Repulſion ſeiner von ſich ſelbſt, wodurch die vielen
andern Eins vorausgeſetzt werden; zweytens iſt
es nun gegen dieſe vorausgeſetzten Andern negative
Beziehung, und das Einzelne inſofern ausſchlieſſend.
Die Allgemeinheit auf dieſe Einzelnen als gleichguͤl-
tige Eins bezogen, — und bezogen muß ſie darauf
werden, weil ſie Moment des Begriffes der Einzeln-
heit iſt, — iſt ſie nur das Gemeinſame derſelben.
Wenn unter dem Allgemeinen das verſtanden wird,
was mehrern Einzelnen gemeinſchaftlich iſt, ſo
wird von dem gleichguͤltigen Beſtehen derſelben
ausgegangen, und in die Begriffsbeſtimmung die Unmit-
telbarkeit des Seyns eingemiſcht. Die niedrigſte Vor-
ſtellung, welche man vom Allgemeinen haben kann, wie es
in der Beziehung auf das Einzelne iſt, iſt diß aͤuſſer-
liche
[69]I.Kapitel. Der Begriff.
liche Verhaͤltniß deſſelben, als eines bloß Gemein-
ſchaftlichen
.


Das Einzelne, welches in der Reflexionsſphaͤre der
Exiſtenz als Dieſes iſt, hat nicht die ausſchlieſ-
ſende
Beziehung auf anderes Eins, welche dem quali-
tativen Fuͤr-ſichſeyn zukommt. Dieſes iſt als das
in ſich reflectirte Eins fuͤr ſich ohne Repulſion;
oder die Repulſion iſt in dieſer Reflexion mit der Ab-
traction in eins, und iſt die reflectirende Vermitt-
lung
, welche ſo an ihm iſt, daß daſſelbe eine geſetzte,
von einem Aeuſſerlichen gezeigte Unmittelbarkeit iſt.
Dieſes iſt; es iſt unmittelbar; es iſt aber
nur Dieſes, inſofern es monſtrirt wird. Das
Monſtriren iſt die reflectirende Bewegung, welche ſich
in ſich zuſammennimmt und die Unmittelbarkeit ſetzt,
aber als ein ſich aͤuſſerliches. — Das Einzelne nun iſt
wohl auch Dieſes, als das aus der Vermittlung her-
geſtellte Unmittelbare; es hat ſie aber nicht auſſer ihm,
es iſt ſelbſt repellirende Abſcheidung, die geſetzte
Abſtraction
, aber in ſeiner Abſcheidung ſelbſt poſi-
tive Beziehung.


Dieſes Abſtrahiren des Einzelnen iſt als die Re-
flexion des Unterſchiedes in ſich erſtlich ein Setzen der
Unterſchiedenen als ſelbſtſtaͤndiger, in ſich reflectir-
ter. Sie ſind unmittelbar; aber ferner iſt dieſes
Trennen Reflexion uͤberhaupt, das Scheinen des
einen im andern
; ſo ſtehen ſie in weſentlicher Be-
ziehung. Sie ſind ferner nicht bloß ſeyende Ein-
zelne gegen einander; ſolche Vielheit gehoͤrt dem Seyn
an; die ſich als beſtimmt ſetzende Einzelnheit ſetzt
ſich nicht in einem aͤuſſerlichen, ſondern im Begriffsunter-
ſchiede; ſie ſchließt alſo das Allgemeine von ſich
aus,
[70]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
aus, aber da dieſes Moment ihrer ſelbſt iſt, ſo bezieht
ſich eben ſo weſentlich auf ſie.


Der Begriff als dieſe Beziehung ſeiner ſelbſt-
ſtaͤndigen
Beſtimmungen hat ſich verloren; denn ſo iſt
er nimmer die geſetzte Einheit derſelben, und ſie
nicht mehr als Momente, als der Schein deſſel-
ben, ſondern als an und fuͤr ſich beſtehende. — Als Ein-
zelnheit kehrt er in der Beſtimmtheit in ſich zuruͤck; da-
mit iſt das Beſtimmte ſelbſt Totalitaͤt geworden. Seine
Ruͤckkehr in ſich iſt daher die abſolute, urſpruͤngliche
Theilung ſeiner, oder als Einzelnheit iſt er als
Urtheil geſetzt.


Zwey-
[71]II.Kapitel. Das Urtheil.

Zweytes Kapitel.
Das Urtheil.


Das Urtheil iſt die am Begriffe ſelbſt geſetzte
Beſtimmtheit
deſſelben. Die Begriffsbeſtimmungen,
oder was, wie ſich gezeigt hat, daſſelbe iſt, die beſtimm-
ten Begriffe ſind ſchon fuͤr ſich betrachtet worden; aber
dieſe Betrachtung war mehr eine ſubjective Reflexion,
oder ſubjective Abſtraction. Der Begriff iſt aber
ſelbſt dieſes Abſtrahiren, das Gegeneinanderſtellen ſei-
ner Beſtimmungen iſt ſein eigenes Beſtimmen. Das
Urtheil iſt diß Setzen der beſtimmten Begriffe durch
den Begriff ſelbſt.


Das Urtheilen iſt inſofern eine andere Function
als das Begreiffen, oder vielmehr die andre Function
des Begriffes, als es das Beſtimmen des Begriffes
durch ſich ſelbſt iſt, und der weitere Fortgang des Ur-
theils in die Verſchiedenheit der Urtheile iſt dieſe Fort-
beſtimmung des Begriffes. Was es fuͤr beſtimmte Be-
griffe gibt, und wie ſich dieſe Beſtimmungen deſſelben
nothwendig ergeben, diß hat ſich im Urtheil zu zeigen.


Das Urtheil kann daher die naͤchſte Realiſirung
des Begriffs genannt werden, inſofern die Realitaͤt das
Treten ins Daſeyn als beſtimmtes Seyn, uͤber-
haupt bezeichnet. Naͤher hat ſich die Natur dieſer
Realiſirung ſo ergeben, daß vors erſte die Momente
des Begriffs durch ſeine Reflexion- in- ſich oder ſeine
Einzelnheit ſelbſtſtaͤndige Totalitaͤten ſind; vors andre
aber
[72]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
aber die Einheit des Begriffes als deren Beziehung
iſt. Die in ſich reflectirten Beſtimmungen ſind be-
ſtimmte Totalitaͤten
, eben ſo weſentlich in gleich-
guͤltigem beziehungsloſem Beſtehen, als durch die gegen-
ſeitige Vermittlung mit einander. Das Beſtimmen ſelbſt
iſt nur die Totalitaͤt, indem es dieſe Totalitaͤten und
deren Beziehung enthaͤlt. Dieſe Totalitaͤt iſt das Ur-
theil. — Es enthaͤlt erſtlich alſo die beyden Selbſtſtaͤndigen,
welche Subject und Praͤdicat heißen. Was jedes
iſt, kann eigentlich noch nicht geſagt werden; ſie ſind
noch unbeſtimmt, denn erſt durch das Urtheil ſollen ſie
beſtimmt werden. Indem es der Begriff als beſtimm-
ter iſt, ſo iſt nur der allgemeine Unterſchied gegen ein-
ander vorhanden, daß das Urtheil den beſtimmten Be-
griff gegen den noch unbeſtimmten enthaͤlt. Das
Subject kann alſo zunaͤchſt gegen das Praͤdicat als das
Einzelne gegen das Allgemeine, oder auch als das Be-
ſondere gegen das Allgemeine, oder als das Einzelne
gegen das Beſondere genommen werden; inſofern ſie
nur uͤberhaupt als das Beſtimmtere und das Allgemei-
nere einander gegenuͤberſtehen.


Es iſt daher paſſend und Beduͤrfniß, fuͤr die Ur-
theilsbeſtimmungen dieſe Nahmen, Subject und
Praͤdicat, zu haben; als Nahmen ſind ſie etwas
unbeſtimmtes, das erſt noch ſeine Beſtimmung erhalten
ſoll; und mehr als Nahmen ſind ſie daher nicht. Be-
griffsbeſtimmungen ſelbſt koͤnnten fuͤr die zwey Seiten
des Urtheils theils aus dieſem Grunde nicht gebraucht
werden; theils aber noch mehr darum nicht, weil die
Natur der Begriffsbeſtimmung ſich hervorthut, nicht ein
abſtractes und feſtes zu ſeyn, ſondern ihre entgegenge-
ſetzte in ſich zu haben, und an ſich zu ſetzen; indem die
Seiten des Urtheils ſelbſt Begriffe, alſo die Totalitaͤt
ſeiner Beſtimmungen ſind, ſo muͤſſen ſie dieſelben alle
durch-
[73]II.Kapitel. Das Urtheil.
durchlauffen und an ſich zeigen; es ſey in abſtracter oder
concreter Form. Um nun doch bey dieſer Veraͤnderung
ihrer Beſtimmung, die Seiten des Urtheils doch auf
eine allgemeine Weiſe feſtzuhalten, ſind Nahmen am
dienlichſten, die ſich darin gleich bleiben. — Der Nahme
aber ſteht der Sache oder dem Begriffe gegenuͤber; dieſe
Unterſcheidung kommt an dem Urtheile als ſolchem ſelbſt
vor; indem das Subject uͤberhaupt das Beſtimmte, und
daher mehr das unmittelbar Seyende, das Praͤdicat
aber das Allgemeine, das Weſen oder den Begriff
ausdruͤckt, ſo iſt das Subject als ſolches zunaͤchſt nur
eine Art von Nahmen; denn, was es iſt, druͤckt
erſt das Praͤdicat aus, welches das Seyn im Sinne
des Begriffs enthaͤlt. Was iſt diß, oder was iſt diß
fuͤr eine Pflanze u. ſ. f.? unter dem Seyn, nach wel-
chem gefragt wird, wird oft bloß der Nahmen ver-
ſtanden, und wenn man denſelben erfahren, iſt man
befriedigt und weiß nun, was die Sache iſt. Diß iſt
das Seyn im Sinne des Subjects. Aber der Be-
griff
, oder wenigſtens das Weſen und das Allgemeine
uͤberhaupt gibt erſt das Praͤdicat, und nach dieſem wird
im Sinne des Urtheils gefragt. — Gott, Geiſt,
Natur
oder was es ſey, iſt daher als das Subject
eines Urtheils nur erſt der Nahme; was ein ſolches
Subject iſt, dem Begriffe nach, iſt erſt im Praͤdicate
vorhanden. Wenn geſucht wird, was ſolchem Subjecte
fuͤr ein Praͤdicat zukomme, ſo muͤßte fuͤr die Beurthei-
lung ſchon ein Begriff zu Grunde liegen; aber die-
ſen ſpricht erſt das Praͤdicat ſelbſt aus. Es iſt deßwe-
gen eigentlich die bloſſe Vorſtellung, welche die vor-
ausgeſetzte Bedeutung des Subjects ausmacht, und die
zu einer Nahmenerklaͤrung fuͤhrt, wobey es zufaͤllig und
ein hiſtoriſches Factum iſt, was unter einem Nahmen
verſtanden werde oder nicht. So viele Streitigkeiten,
ob einem gewiſſen Subjecte ein Praͤdicat zukomme oder
nicht,
[74]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
nicht, ſind darum nichts mehr als Wortſtreitigkeiten,
weil ſie von jener Form ausgehen; das zu Grunde
liegende, (ſubjectum, ὑποκειμενον) iſt noch nichts wei-
ter als der Nahmen.


Es iſt nun naͤher zu betrachten, wie zweytens die
Beziehung des Subjects und Praͤdicats im Urtheile, und
wie ſie ſelbſt eben dadurch zunaͤchſt beſtimmt ſind. Das
Urtheil hat zu ſeinen Seiten uͤberhaupt Totalitaͤten,
welche zunaͤchſt als weſentlich ſelbſtſtaͤndig ſind. Die
Einheit des Begriffes iſt daher nur erſt eine Bezie-
hung
von Selbſtſtaͤndigen; noch nicht die concrete
aus dieſer Realitaͤt in ſich zuruͤckgekehrte, erfuͤllte
Einheit, ſondern auſſer der ſie, als nicht in ihr
aufgehobene Extreme
beſtehen. — Es kann nun
die Betrachtung des Urtheils von der urſpruͤnglichen
Einheit des Begriffes oder von der Selbſtſtaͤndig-
keit der Extreme ausgehen. Das Urtheil iſt die Direm-
tion des Begriffs durch ſich ſelbſt; dieſe Einheit iſt
daher der Grund, von welchem aus es nach ſeiner
wahrhaften Objectivitaͤt betrachtet wird. Es iſt
inſofern die urſpruͤngliche Theilung des urſpruͤng-
lich Einen; das Wort: Urtheil bezieht ſich hiemit
auf das, was es an und fuͤr ſich iſt. Daß aber der
Begriff im Urtheil als Erſcheinung iſt, indem ſeine
Momente darin Selbſtſtaͤndigkeit erlangt haben, — an
dieſe Seite der Aeuſſerlichkeit haͤlt ſich mehr die
Vorſtellung.


Nach dieſer ſubjectiven Betrachtung wer-
den daher Subject und Praͤdicat, jedes als auſſer
dem andern fuͤr ſich fertig, betrachtet; das Subject
als ein Gegenſtand, der auch waͤre, wenn er dieſes
Praͤdicat nicht haͤtte; das Praͤdicat als eine allgemeine
Beſtimmung, die auch waͤre, wenn ſie dieſem Subjecte
nicht zukaͤme. Mit dem Urtheilen iſt hernach die Re-
flexion
[75]II.Kapitel. Das Urtheil.
flexion verbunden, ob dieſes oder jenes Praͤdicat, das
im Kopfe iſt, dem Gegenſtande, der drauſſen fuͤr
ſich iſt, beygelegt werden koͤnne und ſolle; das Ur-
theilen ſelbſt beſteht darin, daß erſt durch daſſelbe ein
Praͤdicat mit dem Subjecte verbunden wird, ſo daß
wenn dieſe Verbindung nicht Statt faͤnde, Subject und
Praͤdicat, jedes fuͤr ſich doch bliebe was es iſt, jenes,
ein exiſtirender Gegenſtand, dieſes eine Vorſtellung im
Kopfe. — Das Praͤdicat, welches dem Subjecte beygelegt
wird, ſoll ihm aber auch zukommen, das heißt, an
und fuͤr ſich identiſch mit demſelben ſeyn. Durch dieſe
Bedeutung des Beylegens wird der ſubjective
Sinn des Urtheilens und das gleichguͤltige aͤuſſerliche
Beſtehen des Subjects und Praͤdicats wieder aufgeho-
ben: dieſe Handlung iſt gut; die Copula zeigt an,
daß das Praͤdicat zum Seyn des Subjects gehoͤrt,
und nicht bloß aͤuſſerlich damit verbunden wird. Im
grammatiſchen Sinne hat jenes ſubjective Verhaͤlt-
niß, in welchem von der gleichguͤltigen Aeuſſerlichkeit
des Subjects und Praͤdicats ausgegangen wird, ſein
vollſtaͤndiges Gelten; denn es ſind Worte, die hier
aͤuſſerlich verbunden werden. — Bey dieſer Gelegenheit
kann auch angefuͤhrt werden, daß ein Satz zwar im
grammatiſchen Sinne ein Subject und Praͤdicat hat,
aber darum noch kein Urtheil iſt. Zu letzterem ge-
hoͤrt, daß das Praͤdicat ſich zum Subject nach dem Ver-
haͤltniß von Begriffsbeſtimmungen, alſo als ein allge-
meines zu einem beſondern oder einzelnen verhalte.
Druͤckt das, was vom einzelnen Subjecte geſagt wird,
ſelbſt nur etwas einzelnes aus, ſo iſt diß ein bloſſer
Satz. Z. B. Ariſtoteles iſt im 73ten Jahre ſeines Al-
ters, in dem 4ten Jahr der 115ten Olympiade geſtor-
ben, — iſt ein bloſſer Satz, kein Urtheil. Es waͤre
von letzterem nur dann etwas darin, wenn einer
der Umſtaͤnde, die Zeit des Todes oder das Alter jenes
Phi-
[76]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Philoſophen in Zweiffel geſtellt geweſen, aus irgend ei-
nem Grunde aber die angegebenen Zahlen behauptet
wuͤrden. Denn in dieſem Falle, wuͤrden dieſelben als
etwas allgemeines, auch ohne jenen beſtimmten Inhalt
des Todes des Ariſtoteles beſtehende, mit anderem er-
fuͤllte oder auch leere Zeit genommen. So iſt die Nach-
richt: mein Freund N. iſt geſtorben, ein Satz; und
waͤre nur dann ein Urtheil, wenn die Frage waͤre, ob
er wirklich todt, oder nur ſcheintodt waͤre.


Wenn das Urtheil gewoͤhnlich ſo erklaͤrt wird, daß
es die Verbindung zweyer Begriffe ſey, ſo
kann man fuͤr die aͤuſſerliche Copula wohl den unbeſtimmten
Ausdruck: Verbindung gelten laſſen, ferner daß die
Verbundenen wenigſtens Begriffe ſeyn ſollen. Sonſt
aber iſt dieſe Erklaͤrung wohl hoͤchſt oberflaͤchlich; nicht
nur daß z. B. im disjunctiven Urtheile mehr als zwey
ſogenannte Begriffe verbunden ſind, ſondern daß viel-
mehr die Erklaͤrung viel beſſer iſt, als die Sache; denn
es ſind uͤberhaupt keine Begriffe, die gemeint ſind, kaum
Begriffs-, eigentlich nur Vorſtellungs-Beſtimmun-
gen
; beym Begriffe uͤberhaupt, und beym beſtimm-
ten Begriff iſt bemerkt worden, daß das, was man ſo
zu benennen pflegt, keineswegs den Nahmen von Be-
griffen verdient; wo ſollten nun beym Urtheile Begriffe
herkommen? — Vornemlich iſt in jener Erklaͤrung das
Weſentliche des Urtheils, nemlich der Unterſchied ſeiner
Beſtimmungen uͤbergangen; noch weniger das Verhaͤlt-
niß des Urtheils zum Begriffe beruͤckſichtigt.


Was die weitere Beſtimmung des Subjects und
Praͤdicats betrifft, ſo iſt erinnert worden, daß ſie im
Urtheil eigentlich erſt ihre Beſtimmung zu erhalten ha-
ben. Inſofern daſſelbe aber die geſetzte Beſtimmt-
heit des Begriffs iſt, ſo hat ſie die angegebenen Un-
ter-
[77]II.Kapitel. Das Urtheil.
terſchiede unmittelbar und abſtract, als Einzeln-
heit
und Allgemeinheit. — Inſofern es aber uͤber-
haupt das Daſeyn oder das Andersſeyn des Be-
griffs, welcher ſich noch nicht zu der Einheit, wodurch
er als Begriff iſt, wieder hergeſtellt hat, ſo tritt auch die
Beſtimmtheit hervor, welche begrifflos iſt; der Gegen-
ſatz des Seyns und der Reflexion oder des An ſich
ſeyns
. Indem aber der Begriff den weſentlichen
Grund des Urtheils ausmacht, ſo ſind jene Beſtim-
mungen wenigſtens ſo gleichguͤltig, daß jede, indem die
eine dem Subjecte, die andere dem Praͤdicate zukommt,
diß Verhaͤltniß umgekehrt eben ſo ſehr Statt hat. Das
Subject als das Einzelne, erſcheint zunaͤchſt als
das Seyende oder fuͤr ſich ſeyende nach der be-
ſtimmten Beſtimmtheit des Einzelnen — als ein wirkli-
cher Gegenſtand, wenn er auch nur Gegenſtand in der
Vorſtellung iſt, — wie z. B. die Tapferkeit, das Recht,
Uebereinſtimmung u. ſ. f. — uͤber welchen geurtheilt
wird; — das Praͤdicat dagegen als das Allgemei-
ne
, erſcheint als dieſe Reflexion uͤber ihn, oder auch
vielmehr als deſſen Reflexion in-ſich-ſelbſt, welche
uͤber jene Unmittelbarkeit hinausgeht und die Beſtimmt-
heiten als bloß ſeyende aufhebt, — als ſein Anſich-
ſeyn
. — Inſofern wird vom Einzelnen, als dem Er-
ſten, Unmittelbaren ausgegangen, und daſſelbe durch
das Urtheil in die Allgemeinheit erhoben, ſo
wie umgekehrt, das nur an ſich ſeyende Allgemeine im
Einzelnen ins Daſeyn herunterſteigt, oder ein Fuͤr-
ſich-ſeyendes
wird.


Dieſe Bedeutung des Urtheils iſt als der objec-
tive
Sinn deſſelben, und zugleich als die wahre der
fruͤheren Formen des Uebergangs zu nehmen. Das
Seyende wird und veraͤndert ſich, das Endliche
geht im Unendlichen unter; das Exiſtirende geht
aus
[78]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
aus ſeinem Grunde hervor in die Erſcheinung, und
geht zu Grunde; die Accidenz manifeſtirt den
Reichthum der Subſtanz, ſo wie deren Macht; im
Seyn iſt Uebergang in Anderes, im Weſen Schei-
nen an einem Andern, wodurch die nothwendige
Beziehung ſich offenbart. Diß Uebergehen und Schei-
nen iſt nun in das urſpruͤngliche Theilen des
Begriffes uͤbergegangen, welcher, indem er das Ein-
zelne in das Anſichſeyn ſeiner Allgemeinheit zuruͤck-
fuͤhrt, eben ſo ſehr das Allgemeine als Wirkliches
beſtimmt. Diß beydes iſt ein und daſſelbe, daß die
Einzelnheit in ihre Reflexion-in-ſich, und das Allge-
meine als Beſtimmtes geſetzt wird.


Zu dieſer objectiven Bedeutung gehoͤrt nun aber
eben ſo wohl, daß die angegebenen Unterſchiede, indem
ſie in der Beſtimmtheit des Begriffes wieder hervortre-
ten, zugleich nur als Erſcheinende geſetzt ſeyen, das
heißt daß ſie nichts fixes ſind, ſondern der einen Be-
griffsbeſtimmung eben ſo gut zukommen als der andern.
Das Subject iſt daher eben ſo wohl als das Anſich-
ſeyn
, das Praͤdicat dagegen als das Daſeyn zu neh-
men. Das Subject ohne Praͤdicat iſt was in
der Erſcheinung, das Ding ohne Eigenſchaften,
das Ding-an-ſich iſt, ein leerer unbeſtimmter Grund;
es iſt ſo der Begriff in ſich ſelbſt, welcher erſt am
Praͤdicate eine Unterſcheidung und Beſtimmtheit erhaͤlt;
dieſes macht hiemit die Seite des Daſeyns des
Subjects aus. Durch dieſe beſtimmte Allgemeinheit ſteht
das Subject in Beziehung auf aͤuſſerliches, iſt fuͤr den
Einfluß anderer Dinge offen, und tritt dadurch in Thaͤ-
tigkeit gegen ſie. Was da iſt, tritt aus ſeinem In-
ſich-ſeyn
in das allgemeine Element des Zuſam-
menhanges und der Verhaͤltniſſe, in die negativen Be-
ziehungen und das Wechſelſpiel der Wirklichkeit, was
eine
[79]II.Kapitel. Das Urtheil.
eine Conti[n]uation des Einzelnen in andere, und da-
her Allgemeinheit iſt.


Die ſo eben aufgezeigte Identitaͤt, daß die Beſtim-
mung des Subjects eben ſo wohl auch dem Praͤdicat zu-
kommt und umgekehrt, faͤllt jedoch nicht nur in unſere
Betrachtung; ſie iſt nicht nur an ſich, ſondern iſt auch
im Urtheile geſetzt; denn das Urtheil iſt die Beziehung
beyder; die Copula druͤckt aus, daß das Subject
das Praͤdicat
iſt. Das Subject iſt die beſtimmte
Beſtimmtheit, und das Praͤdicat iſt dieſe geſetzte Be-
ſtimmtheit deſſelben; das Subject iſt nur in ſeinem
Praͤdicat beſtimmt, oder nur in demſelben iſt es Sub-
ject, es iſt im Praͤdicat in ſich zuruͤckgekehrt, und iſt
darin das Allgemeine. — Inſofern nun aber das Sub-
ject das Selbſtſtaͤndige iſt, ſo hat jene Identitaͤt das
Verhaͤltniß, daß das Praͤdicat nicht ein ſelbſtſtaͤndiges
Beſtehen fuͤr ſich, ſondern ſein Beſtehen nur in dem
Subjecte hat; es inhaͤrirt dieſem. Inſofern hier-
nach das Praͤdicat vom Subjecte unterſchieden wird, ſo
iſt es nur eine vereinzelte Beſtimmtheit deſſelben,
nur Eine ſeiner Eigenſchaften; das Subject ſelbſt aber
iſt das Concrete, die Totalitaͤt von mannichfaltigen
Beſtimmtheiten, wie das Praͤdicat Eine enthaͤlt; es iſt
das Allgemeine. — Aber andererſeits iſt auch das Praͤ-
dicat ſelbſtſtaͤndige Allgemeinheit, und das Subject um-
gekehrt nur eine Beſtimmung deſſelben. Das Praͤdicat
ſubſumirt inſofern das Subject; die Einzelnheit und
Beſonderheit iſt nicht fuͤr ſich, ſondern hat ihr Weſen
und ihre Subſtanz im Allgemeinen. Das Praͤdicat
druͤckt das Subject in ſeinem Begriffe aus; das Ein-
zelne und Beſondere ſind zufaͤllige Beſtimmungen an dem-
ſelben; es iſt deren abſolute Moͤglichkeit. Wenn beym
Subſumiren an eine aͤuſſerliche Beziehung des Sub-
jects und Praͤdicats gedacht und das Subject als ein
Selbſt-
[80]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Selbſtſtaͤndiges vorgeſtellt wird, ſo bezieht ſich das Sub-
ſumiren auf das oben erwaͤhnte ſubjective Urtheilen,
worin von der Selbſtſtaͤndigkeit beyder ausgegangen
wird. Die Subſumtion iſt hiernach nur die Anwen-
dung
des Allgemeinen auf ein Beſonderes oder Einzel-
nes, das unter daſſelbe nach einer unbeſtimmten Vor-
ſtellung, als von minderer Quantitaͤt geſetzt wird.


Wenn die Identitaͤt des Subjects und Praͤdicats ſo
betrachtet worden, daß das einemal jenem die eine Be-
griffsbeſtimmung zukommt, und dieſem die andere, aber
das anderemal eben ſo ſehr umgekehrt, ſo iſt die
Identitaͤt hiemit immer noch erſt eine an ſich ſeyen-
de
; um der ſelbſtſtaͤndigen Verſchiedenheit der beyden
Seiten des Urtheils willen hat ihre geſetzte Bezie-
hung auch dieſe zwey Seiten, zunaͤchſt als verſchiedene.
Aber die unterſchiedsloſe Identitaͤt macht ei-
gentlich die wahre Beziehung des Subjects auf das
Praͤdicat aus. Die Begriffsbeſtimmung iſt weſentlich
ſelbſt Beziehung, denn ſie iſt ein allgemeines;
dieſelben Beſtimmungen alſo, welche das Subject und
Praͤdicat hat, hat damit auch ihre Beziehung ſelbſt.
Sie iſt allgemein, denn ſie iſt die poſitive Identitaͤt
beyder, des Subjects und Praͤdicats; ſie iſt aber auch
beſtimmte, denn die Beſtimmtheit des Praͤdicats iſt
die des Subjects; ſie iſt ferner auch einzelne, denn
in ihr ſind die ſelbſtſtaͤndigen Extreme als in ihrer ne-
gativen Einheit aufgehoben. — Im Urtheile aber iſt
dieſe Identitaͤt noch nicht geſetzt; die Copula iſt als die
noch unbeſtimmte Beziehung des Seyns uͤberhaupt:
AiſtB; denn die Selbſtſtaͤndigkeit der Beſtimmthei-
ten des Begriffs oder Extreme iſt im Urtheile die Rea-
litaͤt
, welche der Begriff in ihm hat. Waͤre das Iſt
der Copula, ſchon geſetzt als jene beſtimmte und er-
fuͤllte Einheit des Subjects und Praͤdicats, als ihr
Begriff, ſo waͤre es bereits der Schluß.


Die-
[81]II.Kapitel. Das Urtheil.

Dieſe Identitaͤt des Begriffs wieder herzuſtel-
len oder vielmehr zu ſetzen, iſt das Ziel der Be-
wegung
des Urtheils. Was im Urtheil ſchon vor-
handen iſt
, iſt theils die Selbſtſtaͤndigkeit, aber auch
die Beſtimmtheit des Subjects und Praͤdicats gegen ein-
ander, theils aber ihre jedoch abſtracte Beziehung.
Das Subject iſt das Praͤdicat, iſt zunaͤchſt das,
was das Urtheil ausſagt; aber da das Praͤdicat nicht
das ſeyn ſoll, was das Subject iſt, ſo iſt ein Wider-
ſpruch
vorhanden, der ſich aufloͤſen, in ein Reſul-
tat uͤbergehen muß. Vielmehr aber, da an und
fuͤr ſich
Subject und Praͤdicat die Totalitaͤt des Be-
griffes ſind, und das Urtheil die Realitaͤt des Begriffes
iſt, ſo iſt ſeine Fortbewegung nur Entwicklung; es
iſt in ihm dasjenige ſchon vorhanden, was in ihm her-
vortritt, und die Demonſtration iſt inſofern nur
eine Monſtration, eine Reflexion als Setzen des-
jenigen, was in den Extremen des Urtheils ſchon vor-
handen
iſt; aber auch diß Setzen ſelbſt iſt ſchon vor-
handen; es iſt die Beziehung der Extreme.


Das Urtheil wie es unmittelbar iſt, iſt es zu-
naͤchſt
das Urtheil des Daſeyns; unmittelbar iſt ſein
Subject ein abſtractes, ſeyendes Einzelnes;
das Praͤdicat eine unmittelbare Beſtimmtheit
oder Eigenſchaft deſſelben, ein abſtract allgemeines.


Indem ſich diß Qualitative des Subjects und Praͤ-
dicats aufhebt, ſcheint zunaͤchſt die Beſtimmung des
einen an dem andern; das Urtheil iſt nun zweytens
Urtheil der Reflexion.


Dieſes mehr aͤuſſerliche Zuſammenfaſſen aber geht
in die weſentliche Identitaͤt eines ſubſtantiellen,
nothwendigen Zuſammenhangs uͤber; ſo iſt
es drittens das Urtheil der Nothwendigkeit.


FVier-
[82]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.

Viertens indem in dieſer weſentlichen Identi-
taͤt der Unterſchied des Subjects und Praͤdicats zu einer
Form geworden, ſo wird das Urtheil ſubjectiv; es
enthaͤlt den Gegenſatz des Begriffes und ſeiner Rea-
litaͤt
, und die Vergleichung beyder; es iſt das
Urtheil des Begriffs.


Dieſes Hervortreten des Begriffs, begruͤndet den
Uebergang des Urtheils in den Schluß.


A.
Das Urtheil des Daſeyns.

Im ſubjectiven Urtheil will man einen und den-
ſelben
Gegenſtand doppelt ſehen, das einemal in
ſeiner einzelnen Wirklichkeit, das andremal in ſeiner
weſentlichen Identitaͤt oder in ſeinem Begriffe; das Ein-
zelne in ſeine Allgemeinheit erhoben, oder was daſſelbe
iſt das Allgemeine in ſeine Wirklichkeit vereinzelt. Das
Urtheil iſt in dieſer Weiſe Wahrheit; denn es iſt die
Uebereinſtimmung des Begriffs und der Realitaͤt. So
aber iſt zuerſt das Urtheil nicht beſchaffen; denn zu-
erſt
iſt es unmittelbar, indem ſich an ihm noch
keine Reflexion und Bewegung der Beſtimmungen erge-
ben hat. Dieſe Unmittelbarkeit macht das erſte
Urtheil zu einem Urtheile des Daſeyns, das auch
das qualitative genannt werden kann, jedoch nur
inſofern als die Qualitaͤt nicht nur der Beſtimmtheit
des Seyns zukommt, ſondern auch die abſtracte All-
gemeinheit darin begriffen iſt, die um ihrer Ein-
fachheit willen gleichfalls die Form der Unmittel-
barkeit
hat.


Das
[83]II.Kapitel. Das Urtheil.

Das Urtheil des Daſeyns iſt auch das Urtheil der
Inhaͤrenz; weil die Unmittelbarkeit ſeine Beſtimmung,
im Unterſchiede des Subjects und Praͤdicats aber jenes
das Unmittelbare, hiedurch das Erſte und Weſ[e]ntliche in
dieſem Urtheile iſt, ſo hat das Praͤdicat die Form eines
Unſelbſtſtaͤndigen, das am Subjecte ſeine Grundlage hat.


a.
Das poſitive Urtheil.

1. Das Subject und Praͤdicat ſind, wie erinnert
worden, zunaͤchſt Nahmen, deren wirkliche Beſtimmung
erſt durch den Verlauf des Urtheils erhalten wird.
Als Seiten des Urtheils aber, welches der geſetzte
beſtimmte Begriff iſt, haben ſie die Beſtimmung der Mo-
mente deſſelben, aber um der Unmittelbarkeit willen, die
noch ganz einfache, theils nicht durch Vermittlung be-
reicherte, theils zunaͤchſt nach dem abſtracten Gegen-
ſatze, als abſtracte Einzelnheit und Allgemein-
heit
. — Das Praͤdicat, um von dieſem zuerſt zu ſpre-
chen, iſt das abſtracte Allgemeine; da das Abſtracte
aber durch die Vermittlung, des Aufhebens des Ein-
zelnen oder Beſondern bedingt iſt, ſo iſt ſie inſofern nur
eine Vorausſetzung. In der Sphaͤre des Begriffs,
kann es keine andere Unmittelbarkeit geben, als
eine ſolche, die an und fuͤr ſich die Vermittlung
enthaͤlt, und nur durch deren Aufheben entſtanden iſt,
d. i. die allgemeine. So iſt auch das qualita-
tive Seyn
ſelbſt in ſeinem Begriffe, ein Allge-
meines; als Seyn aber iſt die Unmittelbarkeit, noch
nicht ſo geſetzt; erſt als Allgemeinheit iſt ſie die
Begriffsbeſtimmung, an welcher geſetzt iſt, daß ihr
die Negativitaͤt weſentlich angehoͤrt. Dieſe Beziehung iſt
im Urtheil vorhanden, worin ſie Praͤdicat eines Sub-
F 2ject-
[84]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
jects iſt. — Eben ſo iſt das Subject ein abſtract
Einzelnes; oder das Unmittelbare, das als ſol-
ches
ſeyn ſoll; es ſoll daher das Einzelne als ein
Etwas uͤberhaupt ſeyn. Das Subject macht inſofern
die abſtracte Seite am Urtheil aus, nach welcher in ihm
der Begriff in die Aeuſſerlichkeit uͤbergegangen
iſt. — Wie die beyden Begriffsbeſtimmungen beſtimmt
ſind, ſo iſt es auch ihre Beziehung, das: iſt, Copula;
ſie kann eben ſo nur die Bedeutung eines unmittelba-
ren, abſtracten Seyns haben. Von der Beziehung,
welche noch keine Vermittlung oder Negation enthaͤlt,
wird diß Urtheil das Poſitive genannt.


2. Der naͤchſte reine Ausdruck des poſitiven Ur-
theils iſt daher der Satz:
Das Einzelne iſt Allgemein.


Dieſer Ausdruck muß nicht gefaßt werden: A iſt B;
denn A und B ſind gaͤnzlich formloſe und daher be-
deutungsloſe Nahmen; das Urtheil uͤberhaupt aber, und
daher ſelbſt ſchon das Urtheil des Daſeyns hat Begriffs-
beſtimmungen zu ſeinen Extremen. A iſt B, kann eben
ſo gut jeden bloſſen Satz vorſtellen, als ein Urtheil.
In jedem auch dem in ſeiner Form reicher beſtimmten Ur-
theile aber wird der Satz von dieſem beſtimmten Inhalt
behauptet: das Einzelne iſt allgemein; inſofern
nemlich jedes Urtheil auch abſtractes Urtheil uͤberhaupt
iſt. Von dem negativen Urtheile inwiefern es unter
dieſen Ausdruck gleichfalls gehoͤre, wird ſogleich die
Rede ſeyn. — Wenn ſonſt eben nicht daran gedacht
wird, daß mit jedem zunaͤchſt wenigſtens poſitiven Ur-
theile die Behauptung gemacht werde, daß das Einzelne
ein allgemeines ſey, ſo geſchieht diß, weil theils die
beſtimmte Form wodurch ſich Subject und Praͤdicat
unterſcheiden, uͤberſehen wird, — indem das Urtheil nichts
als die Beziehung zweyer Begriffe ſeyn ſoll, — theils
etwa
[85]II.Kapitel. Das Urtheil.
etwa auch, weil der ſonſtige Inhalt des Urtheils:
Cajus iſt gelehrt, oder die Roſe iſt roth, dem
Bewußtſeyn vorſchwebt, das mit der Vorſtellung des
Cajus u. ſ. f. beſchaͤftigt, auf die Form nicht reflec-
tirt, — obgleich wenigſtens ſolcher Inhalt, wie der lo-
giſche Cajus
, der gewoͤhnlich zum Beyſpiel herhal-
ten muß, ein ſehr wenig intereſſanter Inhalt iſt, und
vielmehr gerade ſo unintereſſant gewaͤhlt wird, um nicht
die Aufmerkſamkeit von der Form ab, auf ſich zu ziehen.


Nach der objectiven Bedeutung bezeichnet der Satz:
daß das Einzelne allgemein iſt, wie vorhin ge-
legentlich erinnert, theils die Vergaͤnglichkeit der einzel-
nen Dinge, theils ihr poſitives Beſtehen in dem Begriffe
uͤberhaupt. Der Begriff ſelbſt iſt unſterblich, aber das
in ſeiner Theilung aus ihm heraustretende iſt der Ver-
aͤnderung und dem Ruͤckgange in ſeine allgemeine
Natur unterworfen. Aber umgekehrt gibt ſich das All-
gemeine ein Daſeyn. Wie das Weſen zum Schein
in ſeinen Beſtimmungen, der Grund in die Erſchei-
nung
der Exiſtenz, die Subſtanz in die Offenbarung
in ihre Accidenzen herausgeht, ſo entſchließt ſich das
Allgemeine zum Einzelnen; das Urtheil iſt dieſer ſein
Aufſchluß, die Entwicklung der Negativitaͤt, die
es an ſich ſchon iſt. — Das letztere druͤckt der umgekehrte
Satz aus: das Allgemeine iſt einzeln, der eben-
ſowohl im poſitiven Urtheile ausgeſprochen iſt. Das
Subject zunaͤchſt das unmittelbar Einzelne, iſt
im Urtheile ſelbſt auf ſein Anderes, nemlich das All-
gemeine, bezogen; es iſt ſomit als das Concrete ge-
ſetzt; nach dem Seyn als ein Etwas von vielen
Qualitaͤten
; — oder als das Concrete der Re-
flexion, ein Ding von mannichfaltigen Eigen-
ſchaften
, ein Wirkliches von mannichfaltigen
Moͤglichkeiten
, eine Subſtanz von eben ſolchen
Ac-
[86]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Accidenzen. Weil dieſe Mannichfaltigen hier dem
Subjecte des Urtheils angehoͤren, ſo iſt das Etwas oder
das Ding u. ſ. f. in ſeinen Qualitaͤten, Eigenſchaften
oder Accidenzen, in ſich reflectirt, oder ſich durch dieſel-
ben hindurch continuirend; ſich in ihnen, und ſie
eben ſo in ſich erhaltend. Das Geſetztſeyn oder die
Beſtimmtheit gehoͤrt zum An- und Fuͤr ſich ſeyn. Das
Subject iſt daher an ihm ſelbſt das Allgemeine. —
Das Praͤdicat dagegen, als dieſe nicht reale oder con-
crete, ſondern abſtracte Allgemeinheit, iſt gegen
jenes die Beſtimmtheit, und enthaͤlt nur Ein Mo-
ment
der Totalitaͤt deſſelben, mit Ausſchluß der andern.
Um dieſer Negativitaͤt willen, welche zugleich als Extrem
des Urtheils ſich auf ſich bezieht, iſt das Praͤdicat ein
abſtract-einzelnes. — Es druͤckt z. B. in dem
Satze: die Roſe iſt wohlriechend, nur Eine
der vielen Eigenſchaften der Roſe aus; es vereinzelt
ſie, die im Subjecte mit den andern zuſammengewachſen
iſt, wie in der Aufloͤſung des Dings die mannichfaltigen
Eigenſchaften, die ihm inhaͤriren, indem ſie ſich zu Ma-
terien
verſelbſtſtaͤndigen, vereinzelt werden. Der
Satz des Urtheils lautet daher nach dieſer Seite ſo:
das Allgemeine iſt einzeln.


Indem wir dieſe Wechſelbeſtimmung des Sub-
jects und Praͤdicats im Urtheile zuſammenſtellen, ſo er-
gibt ſich alſo das gedoppelte, 1) daß das Subject zwar
unmittelbar als das Seyende oder Einzelne, das Praͤ-
dicat aber das Allgemeine iſt. Weil aber das Urtheil
die Beziehung beyder, und das Subject durch das
Praͤdicat als allgemeines beſtimmt iſt, ſo iſt das Sub-
ject das Allgemeine; 2) iſt das Praͤdicat im Subjecte
beſtimmt; denn es iſt nicht eine Beſtimmung uͤber-
haupt
, ſondern des Subjects; die Roſe iſt wohl-
riechend; dieſer Wohlgeruch iſt nicht irgend ein unbe-
ſtimm-
[87]II.Kapitel. Das Urtheil.
ſtimmter Wohlgeruch, ſondern der der Roſe; das Praͤdi-
cat iſt alſo ein einzelnes. — Weil nun Subject
und Praͤdicat im Verhaͤltniſſe des Urtheils ſtehen, ſollen
ſie nach den Begriffsbeſtimmungen entgegengeſetzt blei-
ben; wie in der Wechſelwirkung der Cauſalitaͤt,
ehe ſie ihre Wahrheit erreicht, die beyden Seiten gegen
die Gleichheit ihrer Beſtimmung, noch ſelbſtſtaͤndige und
entgegengeſetzte bleiben ſollen. Wenn daher das Sub-
ject als Allgemeines beſtimmt iſt, ſo iſt vom Praͤdicate
nicht auch ſeine Beſtimmung der Allgemeinheit aufzuneh-
men, ſonſt waͤre kein Urtheil vorhanden; ſondern nur
ſeine Beſtimmung der Einzelnheit; ſo wie inſofern das
Subject als Einzelnes beſtimmt iſt, das Praͤdicat als
allgemeines zu nehmen iſt. — Wenn auf jene bloſſe
Identitaͤt reflectirt wird, ſo ſtellen ſich die zwey identi-
ſchen Saͤtze dar:


Das Einzelne iſt Einzelnes,


Das Allgemeine iſt Allgemeines, worin die Ur-
theilsbeſtimmungen ganz auseinander gefallen, nur ihre
Beziehung auf ſich ausgedruͤckt, die Beziehung derſel-
ben auf einander aber aufgeloͤſt, und das Urtheil ſomit
aufgehoben waͤre. — Von jenen beyden Saͤtzen druͤckt
der eine: das Allgemeine iſt einzeln, das Ur-
theil ſeinem Inhalte nach aus, der im Praͤdicate eine
vereinzelnte Beſtimmung, im Subjecte aber die Totali-
taͤt derſelben iſt; der andere: Das Einzelne iſt all-
gemein
, die Form, die durch ihn ſelbſt unmittelbar
angegeben iſt. — Im unmittelbaren poſitiven Urtheile
ſind die Extreme noch einfach: Form und Inhalt ſind
daher noch vereinigt. Oder es beſteht nicht aus zwey
Saͤtzen; die gedoppelte Beziehung, welche ſich in ihm
ergab, macht unmittelbar das eine poſitive Urtheil
aus. Denn ſeine Extreme ſind a) als die ſelbſtſtaͤndi-
gen, abſtracten Urtheilsbeſtimmungen, b) iſt jede Seite
durch die andere beſtimmt, vermoͤge der ſie beziehenden
Co-
[88]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Copula. An ſich aber iſt deswegen der Form- und
Inhaltsunterſchied in ihm vorhanden, wie ſich ergeben
hat; und zwar gehoͤrt das was der erſte Satz: das
Einzelne iſt allgemein, enthaͤlt, zur Form, weil er die
unmittelbare Beſtimmtheit des Urtheils aus-
druͤckt. Das Verhaͤltniß dagegen, das der andere Satz
ausdruͤckt: das Allgemeine iſt einzeln, oder daß
das Subject als allgemeines, das Praͤdicat dagegen als
beſonderes oder einzelnes beſtimmt, betrift den Inhalt,
weil ſich ſeine Beſtimmungen erſt durch die Reflexion-
in-ſich erheben, wodurch die unmittelbaren Beſtimmthei-
ten aufgehoben werden, und hiemit die Form ſich zu
einer in ſich gegangenen Identitaͤt, die gegen den Form-
Unterſchied beſteht, zum Inhalte macht.


3. Wenn nun die beyden Saͤtze der Form und
des Inhalts:
(Subject) (Praͤdicat)
Das Einzelne iſt allgemein
Das Allgemeine iſt einzeln

darum, weil ſie in dem einen poſitiven Urtheile
enthalten ſind, vereinigt wuͤrden, ſo daß ſomit beyde,
ſowohl das Subject als Praͤdicat, als Einheit der Ein-
zelnheit und Allgemeinheit beſtimmt waͤren, ſo waͤren
beyde das Beſondere; was an ſich als ihre in-
nere Beſtimmung anzuerkennen iſt. Allein theils waͤre
dieſe Verbindung nur durch eine aͤuſſere Reflexion zu
Stande gekommen, theils waͤre der Satz: das Be-
ſondere iſt das Beſondere
, der daraus reſultirte,
kein Urtheil mehr, ſondern ein leerer identiſcher Satz,
wie die bereits darin gefundenen Saͤtze: das Ein-
zelne iſt einzeln
, und das Allgemeine iſt all-
gemein
, waren. — Einzelnheit und Allgemeinheit koͤn-
nen noch nicht in die Beſonderheit vereinigt werden,
weil ſie im poſitiven Urtheile noch als unmittelbare
ge-
[89]II.Kapitel. Das Urtheil.
geſetzt ſind. — Oder es muß das Urtheil ſeiner Form
und ſeinem Inhalte nach noch unterſchieden werden,
weil eben Subject und Praͤdicat noch als Unmittelbar-
keit und Vermitteltes unterſchieden ſind, oder weil das
Urtheil nach ſeiner Beziehung beydes iſt: Selbſtſtaͤndig-
keit der Bezogenen, und ihre Wechſelbeſtimmung, oder
Vermittlung.


Das Urtheil alſo erſtens nach ſeiner Form be-
trachtet, heißt es:


Das Einzelne iſt allgemein. Vielmehr
aber iſt ein ſolches unmittelbares Einzelnes nicht
allgemein; ſein Praͤdicat iſt von weiterem Umfang,
es entſpricht ihm alſo nicht. Das Subject iſt ein
unmittelbar fuͤr ſich ſeyendes, und daher das
Gegentheil jener Abſtraction, der durch Vermitt-
lung geſetzten Allgemeinheit, die von ihm ausgeſagt
werden ſollte.


Zweytens das Urtheil nach ſeinem Inhalt
betrachtet oder als der Satz: Das Allgemeine iſt
einzeln
, ſo iſt das Subject ein Allgemeines von Qua-
litaͤten, ein Concretes, das unendlich beſtimmt iſt, und
indem ſeine Beſtimmtheiten nur erſt Qualitaͤten, Eigen-
ſchaften oder Accidenzen ſind, ſo iſt ſeine Totalitaͤt die
ſchlecht unendliche Vielheit derſelben. Ein ſol-
ches Subject iſt daher vielmehr nicht eine einzelne
ſolche Eigenſchaft, als ſein Praͤdicat ausſagt. Beyde
Saͤtze muͤſſen daher verneint werden, und das poſi-
tive Urtheil vielmehr als negatives geſetzt werden.


b.
Negatives Urtheil.

1. Es iſt ſchon oben von der gewoͤhnlichen Vorſtel-
lung die Rede geweſen, daß es nur vom Inhalte des
Ur-
[90]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Urtheils abhaͤnge, ob es wahr ſey oder nicht, indem
die logiſche Wahrheit nichts als die Form betreffe und
nichts fodere, als daß jener Inhalt ſich nicht wider-
ſpreche. Zur Form des Urtheils ſelbſt wird nichts ge-
rechnet, als daß es die Beziehung zweyer Begriffe
ſey. Es hat ſich aber ergeben, daß dieſe beyde Be-
griffe nicht bloß die verhaͤltnißloſe Beſtimmung einer
Anzahl haben, ſondern als Einzelnes und All-
gemeines
ſich verhalten. Dieſe Beſtimmungen ma-
chen den wahrhaft logiſchen Inhalt, und zwar in die-
ſer Abſtraction den Inhalt des poſitiven Urtheils aus;
was fuͤr anderer Inhalt (die Sonne iſt rund,
Cicero war ein groſſer Redner in Rom, jetzt

iſts Tag u. ſ. f.) in einem Urtheil vorkommt, geht das
Urtheil als ſolches nichts an; es ſpricht nur diß aus:
Das Subject iſt Praͤdicat, oder, da diß nur Nah-
men ſind, beſtimmter: das Einzelne iſt allgemein
und umgekehrt
. — Um dieſes rein logiſchen
Inhalts
willen iſt das poſitive Urtheil nicht wahr,
ſondern hat ſeine Wahrheit im negativen Urtheil. —
Der Inhalt, fodert man, ſoll ſich im Urtheile nur nicht
widerſprechen; er widerſpricht ſich aber in jenem Urtheile,
wie ſich gezeigt hat. — Es iſt jedoch voͤllig gleichguͤl-
tig, jenen logiſchen Inhalt auch Form zu nennen, und
unter Inhalt nur die ſonſtige empiriſche Erfuͤllung zu
verſtehen, ſo enthaͤlt die Form nicht bloß die leere
Identitaͤt, auſſer welcher die Inhaltsbeſtimmung laͤge.
Das poſitive Urtheil hat alsdenn durch ſeine Form als
poſitives Urtheil keine Wahrheit; wer die Richtigkeit
einer Anſchauung oder Wahrnehmung, die
Uebereinſtimmung der Vorſtellung mit dem Gegen-
ſtand, Wahrheit nennte, hat wenigſtens keinen Aus-
druck mehr fuͤr dasjenige, was Gegenſtand und Zweck der
Philoſophie iſt. Man muͤßte den letztern wenigſtens
Vernunftwahrheit nennen, und man wird wohl zugeben,
daß
[91]II.Kapitel. Das Urtheil.
daß ſolche Urtheile, daß Cicero ein groſſer Redner ge-
weſen, daß es itzt Tag iſt u. ſ. f. keine Vernunftwahr-
heiten ſind. Aber ſie ſind diß nicht, nicht weil ſie gleichſam
zufaͤllig einen empiriſchen Inhalt haben, ſondern weil
ſie nur poſitive Urtheile ſind, die keinen andern Inhalt
als ein unmittelbar Einzelnes und eine abſtracte Be-
ſtimmtheit zum Inhalte haben koͤnnen und ſollen.


Das poſitive Urtheil hat ſeine Wahrheit zunaͤchſt
in dem negativen: Das Einzelne iſt nicht abſtract
allgemein, — ſondern das Praͤdicat des Einzel-
nen iſt darum, weil es ſolches Praͤdicat oder fuͤr ſich
ohne die Beziehung auf das Subject betrachtet, weil es
abſtract-allgemeines iſt, ſelbſt ein beſtimmtes; das
Einzelne iſt daher zunaͤchſt ein beſonderes.
Ferner nach dem andern Satze, der im poſitiven Ur-
theile enthalten iſt, heißt das negative Urtheil das All-
gemeine
iſt nicht abſtract einzeln, ſondern diß
Praͤdicat ſchon weil es Praͤdicat iſt, oder weil es in
Beziehung auf ein allgemeines Subject ſteht, iſt ein
weiteres als bloſſe Einzelnheit, und das Allgemeine
iſt daher gleichfalls zunaͤchſt ein Beſonderes. —
Indem diß Allgemeine, als Subject, ſelbſt in der Ur-
theilsbeſtimmung der Einzelnheit iſt, ſo reduciren ſich
beyde Saͤtze auf den einen: Das Einzelne iſt ein
beſonderes
.


Es kann bemerkt werden, a) daß ſich hier die
Beſonderheit fuͤr das Praͤdicat ergibt, von der
vorhin ſchon die Rede war; allein hier iſt ſie nicht
durch aͤuſſerliche Reflexion geſetzt, ſondern vermittelſt
der am Urtheil aufgezeigten negativen Beziehung ent-
ſtanden. b) Dieſe Beſtimmung ergibt ſich hier nur fuͤr
das Praͤdicat. Im unmittelbaren Urtheile, dem
Urtheile des Daſeyns, iſt das Subject das zum Grunde
liegende; die Beſtimmung ſcheint ſich daher zunaͤchſt
am
[92]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
am Praͤdicate zu verlauffen. In der That aber
kann dieſe erſte Negation noch keine Beſtimmung, oder
eigentlich noch kein Setzen des Einzelnen ſeyn, da
es erſt das zweyte, das Negative des Negativen iſt.


Das Einzelne iſt ein beſonderes, iſt der
poſitive Ausdruck des negativen Urtheils. Dieſer
Ausdruck iſt inſofern nicht poſitives Urtheil ſelbſt, als
dieſes um ſeiner Unmittelbarkeit willen, nur das Ab-
ſtracte zu ſeinen Extremen hat, das Beſondere aber eben
durch das Setzen der Beziehung des Urtheils ſich als die
erſte vermittelte Beſtimmung ergibt. — Dieſe Be-
ſtimmung iſt aber nicht nur als Moment des Extrems
zu nehmen, ſondern auch, wie ſie eigentlich zunaͤchſt iſt,
als Beſtimmung der Beziehung; oder das Urtheil
iſt auch als negatives zu betrachten.


Dieſer Uebergang gruͤndet ſich auf das Verhaͤlt-
niß der Extreme und ihrer Beziehung im Urtheile uͤber-
haupt. Das poſitive Urtheil iſt die Beziehung des un-
mittelbar
Einzelnen und Allgemeinen, alſo ſolcher,
deren das eine zugleich nicht iſt, was das andere;
die Beziehung iſt daher eben ſo weſentlich Trennung
oder negativ; daher das poſitive Urtheil als negati-
ves zu ſetzen war. Es war daher von Logikern kein
ſolches Aufheben daruͤber zu machen, daß das nicht
des negativen Urtheils zur Copula gezogen worden ſey.
Was im Urtheile Beſtimmung des Extrems iſt, iſt
eben ſo ſehr beſtimmte Beziehung. Die Urtheils-
Beſtimmung oder das Extrem iſt nicht die rein qualita-
tive des unmittelbaren Seyns, welche nur einem
Andern auſſer ihm entgegenſtehen ſoll. Noch iſt ſie
Beſtimmung der Reflexion, die ſich nach ihrer allgemei-
nen Form als poſitiv und negativ verhaͤlt, deren jedes
als ausſchlieſſend geſetzt, und nur an ſich identiſch mit
der
[93]II.Kapitel. Das Urtheil.
der andern iſt. Die Urtheils- als Begriffsbeſtimmung
iſt an ihr ſelbſt ein allgemeines, geſetzt als ſich in ihre
andere continuirendes. Umgekehrt iſt die Bezie-
hung
des Urtheils dieſelbe Beſtimmung als die Extre-
me haben; denn ſie iſt eben dieſe Allgemeinheit und
Continuation derſelben in einander; inſofern dieſe un-
terſchieden ſind, hat ſie auch die Negativitaͤt an ihr.


Der oben angegebene Uebergang von der Form der
Beziehung zur Form der Beſtimmung macht die
unmittelbare Conſequenz aus, daß das nicht
der Copula eben ſo ſehr zum Praͤdicate geſchlagen, und
daſſelbe als das Nicht-allgemeine beſtimmt werden
muß. Das Nichtallgemeine aber iſt durch eine eben ſo
unmittelbare Conſequenz das Beſondere. — Wird das
Negative nach der ganz abſtracten Beſtimmung des
unmittelbaren Nichtſeyns feſtgehalten, ſo iſt das Praͤ-
dicat nur das ganz unbeſtimmte Nichtallgemeine.
Von dieſer Beſtimmung wird ſonſt in der Logik bey den
contradictoriſchen Begriffen gehandelt, und als
etwas wichtiges eingeſchaͤrft, daß beym Negativen
eines Begriffs nur am Negativen feſtgehalten, und es als
der bloß unbeſtimmte Umfang des Andern des
poſitiven Begriffs genommen werden ſoll. So waͤre
das bloſſe Nicht-weiſſe, eben ſo wohl das Rothe,
Gelbe, Blaue ꝛc. als das Schwarze. Das Weiße aber
als ſolches iſt die begriffsloſe Beſtimmung der
Anſchauung; das Nicht des Weiſſen iſt dann das eben
ſo begriffloſe Nichtſeyn, welche Abſtraction ganz zu
Anfang der Logik betrachtet, und als deren naͤchſte Wahr-
heit das Werden erkannt worden iſt. Wenn bey
Betrachtung der Urtheilsbeſtimmungen ſolcher begriffloſe
Inhalt aus der Anſchauung und Vorſtellung als Beyſpiel
gebraucht, und die Beſtimmungen des Seyns und die
der Reflexion fuͤr Urtheilsbeſtimmungen genommen
wer-
[94]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
werden, ſo iſt diß daſſelbe unkritiſche Verfahren als
wenn nach Kant die Verſtandesbegriffe auf die unend-
liche Vernunftidee oder das ſogenannte Ding-an-ſich
angewendet werden; der Begriff, wozu auch das von
ihm ausgehende Urtheil gehoͤrt, iſt das wahrhafte
Ding-an-ſich oder das Vernuͤnftige, jene Be-
ſtimmungen aber gehoͤren dem Seyn oder Weſen an,
und ſind noch nicht zu der Art und Weiſe fortgebildete
Formen, wie ſie in ihrer Wahrheit, im Begriffe,
ſind. — Wenn bey dem Weiſſen, Rothen, als ſinnli-
chen
Vorſtellungen ſtehen geblieben wird, ſo wird, wie
gewoͤhnlich, etwas Begriff genannt, was nur Vorſtel-
lungsbeſtimmung iſt, und dann iſt freylich das Nicht-
weiſſe, Nicht-rothe kein poſitives, ſo wie vollends das
nicht dreyeckigte ein ganz unbeſtimmtes iſt, denn die auf
der Zahl und dem Quantum uͤberhaupt beruhende Be-
ſtimmung iſt die weſentlich gleichguͤltige, begriff-
loſe
. Aber wie das Nichtſeyn ſelbſt, ſo ſoll auch
ſolcher ſinnlicher Inhalt begriffen werden, und jene
Gleichguͤltigkeit und abſtracte Unmittelbarkeit verlieren,
die er in der blinden bewegungsloſen Vorſtellung hat.
Schon im Daſeyn wird das gedankenloſe Nichts zur
Grenze, wodurch Etwas ſich doch auf ein Ande-
res
auſſer ihm bezieht. In der Reflexion aber iſt
es das Negative, das ſich weſentlich auf ein Po-
ſitives bezieht
, und ſomit beſtimmt iſt; ein Ne-
gatives iſt ſchon nicht mehr jenes unbeſtimmte
Nichtſeyn
, es iſt geſetzt nur zu ſeyn, indem ihm das
Poſitive entgegen ſieht, das Dritte iſt ihr Grund; das
Negative iſt ſomit in einer umſchloſſenen Sphaͤre gehal-
ten, worin das, was das eine nicht iſt, etwas be-
ſtimmtes
iſt. — Noch mehr aber iſt in der abſolut
fluͤſſigen Continuitaͤt des Begriffs und ſeiner Beſtim-
mungen das Nicht unmittelbar ein poſitives, und die
Negation nicht nur Beſtimmtheit, ſondern in die
All-
[95]II.Kapitel. Das Urtheil.
Allgemeinheit aufgenommen und mit ihr identiſch geſetzt.
Das Nichtallgemeine iſt daher ſogleich das Beſondere.


2. Indem die Negation die Beziehung des Urtheils
angeht, und das negative Urtheil noch als ſolches
betrachtet wird, ſo iſt es vors erſte noch ein Ur-
theil
; es iſt ſomit das Verhaͤltniß von Subject und
Praͤdicat, oder von Einzelnheit und Allgemeinheit vor-
handen, und die Beziehung derſelben; die Form des
Urtheils
. Das Subject als das zu Grunde liegende
Unmittelbare bleibt unberuͤhrt von der Negation, es be-
haͤlt alſo ſeine Beſtimmung, ein Praͤdicat zu haben, oder
ſeine Beziehung auf die Allgemeinheit. Was daher ne-
girt wird, iſt nicht die Allgemeinheit uͤberhaupt im Praͤ-
dicate, ſondern die Abſtraction oder die Beſtimmtheit
deſſelben, welche gegen jene Allgemeinheit als Inhalt
erſchien. — Das negative Urtheil iſt alſo nicht die to-
tale Negation; die allgemeine Sphaͤre, welche das Praͤ-
dicat enthaͤlt, bleibt noch beſtehen; die Beziehung des
Subjects auf das Praͤdicat iſt daher weſentlich noch
poſitiv; die noch gebliebene Beſtimmung des Praͤ-
dicats iſt eben ſo ſehr Beziehung. — Wenn z. B.
geſagt wird, die Roſe iſt nicht roth, ſo wird damit nur
die Beſtimmtheit des Praͤdicats negirt, und von der
Allgemeinheit, die ihm gleichfalls zukommt, abgetrennt;
die allgemeine Sphaͤre, die Farbe, iſt erhalten; wenn
die Roſe nicht roth iſt, ſo wird dabey angenommen,
daß ſie eine Farbe und eine andere Farbe habe; nach die-
ſer allgemeinen Sphaͤre iſt das Urtheil noch poſitiv.


Das Einzelne iſt ein Beſonderes, — dieſe
poſitive Form des negativen Urtheils druͤckt diß unmit-
telbar aus; das Beſondre enthaͤlt die Allgemeinheit. Es
druͤckt uͤberdem auch aus, daß das Praͤdicat nicht nur
ein Allgemeines ſey, ſondern auch noch ein beſtimmtes.
Die
[96]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Die negative Form enthaͤlt daſſelbe; denn indem z. B.
die Roſe zwar nicht roth iſt, ſo ſoll ſie nicht nur die
allgemeine Sphaͤre der Farbe zum Praͤdicate behalten,
ſondern auch irgend eine andere beſtimmte Far-
be
haben; die einzelne Beſtimmtheit des Rothen iſt
alſo nur aufgehoben, und es iſt nicht nur die allgemeine
Sphaͤre gelaſſen, ſondern auch die Beſtimmtheit erhal-
ten, aber zu einer unbeſtimmten, zu einer allgemei-
nen Beſtimmtheit gemacht; ſomit zur Beſonderheit.


3. Die Beſonderheit, welche ſich als die po-
ſitive Beſtimmung des negativen Urtheils ergeben, iſt das
Vermittelnde zwiſchen der Einzelnheit und Allgemeinheit;
ſo iſt das negative Urtheil nun uͤberhaupt das Vermit-
telnde, zum dritten Schritte, der Reflexion des Ur-
theils des Daſeyns in ſich ſelbſt
. Es iſt nach
ſeiner objectiven Bedeutung nur das Moment der Ver-
aͤnderung der Accidenzen, oder im Daſeyn der vereinzelnten
Eigenſchaften des Concreten. Durch dieſe Veraͤnderung
tritt die vollſtaͤndige Beſtimmtheit des Praͤdicats oder
das Concrete als geſetzt hervor.


Das Einzelne iſt beſonderes, nach dem
poſitiven Ausdrucke des negativen Urtheils. Aber das
Einzelne iſt auch nicht beſonderes; denn die Beſonder-
heit iſt von weiterem Umfange als die Einzelnheit; ſie
iſt alſo ein Praͤdicat das dem Subject nicht entſpricht,
in dem es alſo ſeine Wahrheit noch nicht hat. Das
Einzelne iſt nur Einzelnes
, die ſich nicht auf
anderes, ſey es poſitiv oder negativ, ſondern nur ſich
auf ſich ſelbſt beziehende Negativitaͤt. — Die Roſe iſt
nicht irgend ein farbigtes, ſondern ſie hat nur die
beſtimmte Farbe, welche Roſenfarbe iſt. Das Einzelne
iſt nicht ein unbeſtimmt beſtimmtes, ſondern das be-
ſtimmte Beſtimmte.


Von
[97]II.Kapitel. Das Urtheil.

Von dieſer poſitiven Form des negativen Urtheils
ausgegangen, erſcheint dieſe Negation deſſelben, nur wie-
der als eine erſte Negation. Aber ſie iſt diß nicht.
Vielmehr iſt ſchon das negative Urtheil an und fuͤr ſich
die zweyte, oder Negation der Negation, und diß, was
es an und fuͤr ſich iſt, iſt zu ſetzen. Naͤmlich es ne-
girt
die Beſtimmtheit des Praͤdicats des poſitiven
Urtheils, deſſen abſtracte Allgemeinheit, oder als In-
halt betrachtet, die einzelne Qualitaͤt, die es vom Sub-
ject enthaͤlt. Die Negation der Beſtimmtheit iſt aber
ſchon die zweyte, alſo die unendliche Ruͤckkehr der Ein-
zelnheit in ſich ſelbſt. Hiemit iſt alſo die Herſtellung
der concreten Totalitaͤt des Subjects geſchehen, oder
vielmehr iſt es jetzt erſt als einzelnes geſetzt, indem
es durch die Negation und das Aufheben derſelben mit ſich
vermittelt worden. Das Praͤdicat ſeinerſeits iſt damit
aus der erſten Allgemeinheit zur abſoluten Beſtimmtheit
uͤbergegangen, und hat ſich mit dem Subjecte ausge-
glichen. Das Urtheil heißt inſofern: das Einzelne
iſt einzeln
. — Von der andern Seite, indem das
Subject eben ſo ſehr, als allgemeines anzunehmen
war, und inſofern im negativen Urtheile ſich das Praͤ-
dicat das gegen jene Beſtimmung des Subjects das ein-
zelne iſt, zur Beſonderheit erweiterte, und in-
dem nun ferner die Negation dieſer Beſtimmtheit
eben ſo ſehr die Reinigung der Allgemeinheit iſt, wel-
che es enthaͤlt, ſo lautet diß Urtheil auch ſo: das All-
gemeine iſt das Allgemeine
.


In dieſen beyden Urtheilen, die ſich vorhin durch
aͤuſſere Reflexion ergeben hatten, iſt das Praͤdicat ſchon
in ſeiner Poſitivitaͤt ausgedruͤckt. Zunaͤchſt muß aber
die Negation des negativen Urtheils ſelbſt in Form ei-
nes negativen Urtheils erſcheinen. Es hatte ſich gezeigt
daß in ihm noch eine poſitive Beziehung des Sub-
Gjects
[98]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
jects auf das Praͤdicat, und die allgemeine Sphaͤre
des letztern geblieben war. Es enthielt ſomit von die-
ſer Seite eine von der Beſchraͤnktheit gereinigtere Allge-
meinheit, als das poſitive Urtheil, und iſt daher um ſo
mehr von dem Subject als Einzelnem zu negiren. Auf
dieſe Weiſe iſt der ganze Umfang des Praͤdicats ne-
girt, und keine poſitive Beziehung mehr zwiſchen ihm
und dem Subjecte. Diß iſt das unendliche Urtheil.


c.
Unendliches Urtheil.

Das negative Urtheil iſt ſo wenig ein wahres Ur-
theil, als das poſitive. Das unendliche Urtheil aber,
das ſeine Wahrheit ſeyn ſoll, iſt nach ſeinem negativen
Ausdrucke, das Negativ-Unendliche; ein Urtheil,
worin auch die Form des Urtheils aufgehoben iſt. —
Diß aber iſt ein widerſinniges Urtheil. Es
ſoll ein Urtheil ſeyn, ſomit eine Beziehung von
Subject und Praͤdicat enthalten; aber eine ſolche
ſoll zugleich nicht darin ſeyn. — Der Nahmen
des unendlichen Urtheils pflegt in den gewoͤhnlichen Lo-
giken zwar aufgefuͤhrt zu werden, aber ohne daß
es eben deutlich wuͤrde, was es mit demſelben fuͤr
eine Bewandniß habe. — Beyſpiele von negativ-
unendlichen Urtheilen ſind leicht zu haben, indem Be-
ſtimmungen zu Subject und Praͤdicat negativ verbunden
werden, deren eine nicht nur die Beſtimmtheit der an-
dern nicht, ſondern auch ihre allgemeine Sphaͤre nicht
enthaͤlt; alſo z. B. der Geiſt nicht roth, gelb u. ſ. f.
nicht ſauer, nicht kaliſch u. ſ. f. die Roſe iſt kein Ele-
phant, der Verſtand iſt kein Tiſch und dergleichen. —
Dieſe Urtheile ſind richtig oder wahr, wie man es
nennt, aber einer ſolchen Wahrheit ungeachtet, wider-
ſinnig
[99]II.Kapitel. Das Urtheil.
ſinnig und abgeſchmackt. — Oder vielmehr ſie ſind
keine Urtheile. — Ein reelleres Beyſpiel des un-
endlichen Urtheils iſt die boͤſe Handlung. Im buͤr-
gerlichen Rechtsſtreit
wird Etwas nur als das
Eigenthum der andern Parthey negirt; ſo daß aber ein-
geraͤumt wird, es ſollte das ihrige ſeyn, wenn ſie das
Recht dazu haͤtte, und es wird nur unter dem Titel des
Rechtes in Anſpruch genommen; die allgemeine Sphaͤre,
das Recht, wird alſo in jenem negativen Urtheile aner-
kannt und erhalten. Das Verbrechen, aber iſt das
unendliche Urtheil, welches nicht nur das beſon-
dere
Recht, ſondern die allgemeine Sphaͤre zugleich ne-
girt, das Recht als Recht negirt. Es hat zwar
die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Hand-
lung iſt, aber weil ſie ſich auf die Sittlichkeit, welche
ihre allgemeine Sphaͤre ausmacht, durchaus negativ be-
zieht, iſt ſie widerſinnig.


Das Poſitive des unendlichen Urtheils, der Ne-
gation der Negation, iſt die Reflexion der Einzeln-
heit
in ſich ſelbſt, wodurch ſie erſt als die beſtimm-
te Beſtimmtheit
geſetzt iſt. Das Einzelne iſt
einzeln
, war der Ausdruck deſſelben nach jener Re-
flexion. Das Subject iſt im Urtheile des Daſeyns
als unmittelbares Einzelnes, inſofern mehr nur als
Etwas uͤberhaupt. Durch die Vermittlung des nega-
tiven und unendlichen Urtheils iſt es erſt als Einzel-
nes geſetzt.


Das Einzelne iſt hiemit geſetzt als ſich, in ſein
Praͤdicat
, das mit ihm identiſch iſt, continuirend;
ſomit iſt auch die Allgemeinheit eben ſo ſehr nicht
mehr als die unmittelbare, ſondern als ein
Zuſammenfaſſen von Unterſchiedenen. Das poſi-
tiv-unendliche Urtheil lautet eben ſo wohl: Das All-
G 2ge-
[100]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
gemeine iſt allgemein, ſo iſt es eben ſo wohl als
die Ruͤckkehr in ſich ſelbſt geſetzt.


Durch dieſe Reflexion der Urtheilsbeſtimmungen in
ſich, hat nun ſich das Urtheil aufgehoben; im negativ-
unendlichen Urtheil iſt der Unterſchied, ſo zu ſagen, zu
groß
, als daß es noch ein Urtheil bliebe; Subject
und Praͤdicat haben gar keine poſitive Beziehung auf
einander; im Gegentheil iſt im poſitiv-unendlichen nur
die Identitaͤt vorhanden, und es iſt wegen des ganz er-
mangelnden Unterſchiedes kein Urtheil mehr.


Naͤher iſt es das Urtheil des Daſeyns, wel-
ches ſich aufgehoben hat; es iſt damit das geſetzt,
was die Copula des Urtheils enthaͤlt, daß die qua-
litativen Extreme in dieſer ihrer Identitaͤt aufgehoben
ſind. Indem aber dieſe Einheit der Begriff iſt, ſo iſt
ſie unmittelbar eben ſo wieder in ihre Extreme dirimirt,
und iſt als Urtheil, deſſen Beſtimmungen aber nicht mehr
unmittelbare, ſondern in ſich reflectirte ſind. Das Ur-
theil des Daſeyns
iſt in das Urtheil der Re-
flexion
uͤbergegangen.


B.
Das Urtheil der Reflexion.

Das Subject iſt in dem nunmehr entſtandenen Ur-
theil ein Einzelnes als ſolches; ingleichen das Allge-
meine nicht mehr abſtracte Allgemeinheit, oder ein-
zelne Eigenſchaft
, ſondern geſetzt als Allgemeines,
das ſich durch die Beziehung Unterſchiedener als in eins
zuſammengefaßt hat, oder nach dem Inhalt verſchiede-
ner Beſtimmungen uͤberhaupt betrachtet, das ſich das
Zu-
[101]II.Kapitel. Das Urtheil.
Zuſammennehmen mannichfaltiger Eigenſchaften und
Exiſtenzen. — Wenn Beyſpiele von Praͤdicaten der
Reflexionsurtheile gegeben werden ſollen, ſo muͤſſen
ſie von anderer Art ſeyn, als fuͤr Urtheile des Da-
ſeyns. Im Reflexionsurtheil iſt eigentlich erſt ein be-
ſtimmter Inhalt
, d. h. ein Inhalt uͤberhaupt vor-
handen; denn er iſt die in die Identitaͤt reflectirte Form-
beſtimmung, als von der Form, inſofern ſie unterſchie-
dene Beſtimmtheit iſt, — wie ſie es noch als Urtheil
iſt, unterſchieden. Im Urtheil des Daſeyns iſt der In-
halt nur ein unmittelbarer, oder abſtracter, unbeſtimm-
ter. — Als Beyſpiele von Reflexionsurtheilen koͤnnen
daher dienen: der Menſch iſt ſterblich, die Dinge
ſind vergaͤnglich, diß Ding iſt nuͤtzlich, ſchaͤdlich;
Haͤrte, Elaſticitaͤt
der Koͤrper, die Gluͤckſelig-
keit
u. ſ. f. ſind ſolche ſolche eigenthuͤmliche Praͤdicate.
Sie druͤcken eine Weſentlichkeit, welche aber eine Be-
ſtimmung im Verhaͤltniſſe, oder eine zuſammen-
faſſende
Allgemeinheit iſt. Dieſe Allgemeinheit,
die ſich in der Bewegung des Reflexionsurtheils weiter
beſtimmen wird, iſt noch von der Allgemeinheit des
Begriffes
als ſolcher unterſchieden; ſie iſt zwar nicht
mehr die abſtracte des qualitativen Urtheils, aber hat
noch die Beziehung auf das Unmittelbare, woraus ſie
herkommt, und hat daſſelbe fuͤr ihre Negativitaͤt zu
Grunde liegen. — Der Begriff beſtimmt das Daſeyn
zunaͤchſt zu Verhaͤltnißbeſtimmungen, zu Conti-
nuitaͤten ihrer ſelbſt in der verſchiedenen Mannichfaltig-
keit der Exiſtenz, — ſo daß wohl das wahrhaft Allge-
meine ihr inneres Weſen aber in der Erſcheinung,
und dieſe relative Natur, oder auch ihr Merkmahl,
noch nicht das an und fuͤr ſich ſeyende derſelben iſt.


Dem Reflexionsurtheile kann es als nahe liegend
erſcheinen, als Urtheil der Quantitaͤt beſtimmt zu
wer-
[102]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
werden, wie das Urtheil des Daſeyns auch als quali-
tatives
Urtheil beſtimmt wurde. Aber wie die Un-
mittelbarkeit
in dieſem nicht nur die ſeyende,
ſondern weſentlich auch die vermittelte und abſtracte
war, ſo iſt auch hier jene aufgehobene Unmittelbarkeit,
nicht bloß die aufgehobene Qualitaͤt, alſo nicht bloß
Quantitaͤt; dieſe iſt vielmehr, wie die Qualitaͤt die
aͤuſſerlichſte Unmittelbarkeit, auf dieſelbe Weiſe die aͤuſ-
ſerlichſte
der Vermittlung angehoͤrige Beſtimmung.


Noch iſt uͤber die Beſtimmung, wie ſie im Re-
flexionsurtheile in ihrer Bewegung erſcheint, die Bemer-
kung zu machen, daß im Urtheile des Daſeyns die Be-
wegung
derſelben ſich am Praͤdicate zeigte, weil
dieſes Urtheil in der Beſtimmung der Unmittelbarkeit
war, das Subject daher als das zu Grunde liegende
erſchien. Aus gleichem Grunde verlaͤuft ſich im Re-
flexionsurtheile die Fortbewegung des Beſtimmens am
Subjecte
, weil dieſes Urtheil das reflectirte An-
ſich ſeyn
zu ſeiner Beſtimmung hat. Das Weſentliche
iſt daher hier das Allgemeine oder das Praͤdicat;
es macht daher das zu Grunde liegende aus, an
welchem das Subject zu meſſen, und ihm entſprechend
zu beſtimmen iſt. — Jedoch erhaͤlt auch das Praͤdicat durch
die weitere Fortbildung der Form des Subjects eine
weitere Beſtimmung, jedoch indirect, jene dagegen
zeigt ſich aus dem angegebenen Grunde als directe
Fortbeſtimmung.


Was die objective Bedeutung des Urtheils betrift,
ſo tritt das Einzelne durch ſeine Allgemeinheit in das
Daſeyn, aber als in einer weſentlichen Verhaͤltnißbe-
ſtimmung, einer durch die Mannichfaltigkeit der Erſchei-
nung hindurch ſich erhaltenden Weſentlichkeit; das
Subject ſoll das an und fuͤr ſich beſtimmte ſeyn; dieſe
Be-
[103]II.Kapitel. Das Urtheil.
Beſtimmtheit hat es in ſeinem Praͤdicate. Das Einzel-
ne iſt andererſeits in diß ſein Praͤdicat reflectirt, wel-
ches deſſen allgemeines Weſen; das Subject iſt inſofern
das Exiſtirende und Erſcheinende. Das Praͤdicat in-
haͤrirt
in dieſem Urtheile nicht mehr dem Subjecte; es
iſt vielmehr das Anſichſeyende, unter welches jenes
Einzelne als ein accidentelles ſubſumirt iſt. Wenn
die Urtheile des Daſeyns auch als Urtheile der In-
haͤrenz
beſtimmt werden koͤnnen, ſo ſind die Urtheile
der Reflexion vielmehr Urtheile der Subſumtion.


a.
Das ſingulaͤre Urtheil.

Das unmittelbare Reflexionsurtheil iſt nun wieder:
Das Einzelne iſt allgemein; aber Subject und
Praͤdicat in der angegebenen Bedeutung; es kann daher
naͤher ſo ausgedruͤckt werden: Dieſes iſt ein we-
ſentlich allgemeines
.


Aber ein Dieſes iſt nicht ein weſentlich allgemei-
nes. Jenes ſeiner allgemeinen Form nach poſitive
Urtheil uͤberhaupt muß negativ genommen werden. Aber
indem das Urtheil der Reflexion nicht bloß ein poſiti-
ves iſt, ſo geht die Negation nicht direct das Praͤdicat
an, das nicht inhaͤrirt, ſondern das Anſichſeyende
iſt. Das Subject iſt vielmehr das Veraͤnderliche und
zu beſtimmende. Das negative Urtheil iſt hier daher ſo
zu faſſen: Nicht ein Dieſes iſt ein Allgemeines der
Reflexion; ein ſolches Anſich hat eine allgemeinere
Exiſtenz als nur in einem Dieſen. Das ſingul[aͤ]re
Urtheil hat hiemit ſeine naͤchſte Wahrheit im parti-
culaͤren
.


b. Das
[104]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
b.
Das particulaͤre Urtheil.

Die Nicht-Einzelnheit des Subjects, welche ſtatt
ſeiner Singularitaͤt im erſten Reflexionsurtheile, geſetzt
werden muß, iſt die Beſonderheit. Aber die Ein-
zelnheit iſt im Reflexionsurtheile als weſentliche Ein-
zelnheit
beſtimmt; die Beſonderheit kann daher nicht
einfache, abſtracte Beſtimmung ſeyn, in welcher
das Einzelne aufgehoben, das Exiſtirende zu Grunde
gegangen waͤre, ſondern nur als eine Erweiterung deſ-
ſelben in aͤuſſerer Reflexion; das Subject iſt daher:
Einige Dieſe, oder eine beſondere Menge von
Einzelnen.


Diß Urtheil: Einige Einzelne ſind ein all-
gemeines der Reflexion
, erſcheint zunaͤchſt als
poſitives Urtheil, aber iſt eben ſowohl auch negativ;
denn Einiges enthaͤlt die Allgemeinheit; nach dieſer
kann es als comprehenſiv betrachtet werden; aber
inſofern es Beſonderheit iſt, iſt es ihr eben ſo ſehr nicht
angemeſſen. Die negative Beſtimmung, welche das
Subject durch den Uebergang des ſingulaͤren Urtheils er-
halten hat, iſt, wie oben gezeigt, auch Beſtimmung der
Beziehung, der Copula. — In dem Urtheile, einige
Menſchen ſind gluͤckſeelig, liegt die unmittelbare
Conſequenz: einige
Menſchen ſind nicht gluͤckſee-
lig. Wenn einige Dinge nuͤtzlich ſind, ſo ſind eben
deßwegen einige Dinge nicht nuͤtzlich. Das poſi-
tive und negative Urtheil fallen nicht mehr auſſer-
einander, ſondern das particulaͤre enthaͤlt unmittel-
bar beyde zugleich, eben weil es ein Reflexionsurtheil
iſt. — Aber das particulaͤre Urtheil iſt darum un-
beſtimmt
.


Be-
[105]II.Kapitel. Das Urtheil.

Betrachten wir weiter in dem Beyſpiele eines ſol-
chen Urtheils das Subject, einige Menſchen, Thie-
re
u. ſ. f. ſo enthaͤlt es auſſer der particulaͤren Form-
beſtimmung: Einige, auch noch die Inhaltsbeſtim-
mung: Menſch u. ſ. f. Das Subject des ſingulaͤren
Urtheils konnte heiſſen: Dieſer Menſch, eine Singu-
laritaͤt, die eigentlich dem aͤuſſerlichen Monſtriren ange-
hoͤrt; es ſoll daher vielmehr lauten, etwa Cajus. Aber
das Subject des particulaͤren Urtheils kann nicht mehr
ſeyn: Einige Caji; denn Cajus ſoll ein Einzelner als
ſolcher ſeyn. Dem Einigen wird daher ein allge-
meinerer Inhalt beygegeben, etwa Menſchen, Thie-
ren
u. ſ. f. Diß iſt nicht bloß ein empiriſcher, ſon-
dern durch die Form des Urtheils beſtimmter Inhalt;
er iſt nemlich ein Allgemeines, weil Einige die
Allgemeinheit enthaͤlt, und ſie zugleich von den Einzel-
nen, da die reflectirte Einzelnheit zu Grunde liegt, ge-
trennt ſeyn muß. Naͤher iſt ſie auch die allgemeine
Natur
, oder die Gattung Menſch, Thier; — dieje-
nige Allgemeinheit, welche das Reſultat des Reflexions-
urtheils iſt, anticipirt; wie auch das poſitive Ur-
theil, indem es das Einzelne zum Subjecte hat, die
Beſtimmung anticipirte, welche Reſultat des Urtheils
des Daſeyns iſt.


Das Subject, das die Einzelnen, deren Bezie-
hung zur Beſonderheit, und die allgemeine Natur enthaͤlt,
iſt inſofern ſchon geſetzt als die Totalitaͤt der Begriffs-
beſtimmungen. Aber dieſe Betrachtung iſt eigentlich
eine aͤuſſerliche. Was im Subjecte ſchon in Bezie-
hung
auf einander durch ſeine Form zunaͤchſt geſetzt
iſt, iſt die Erweiterung des Dieſen zur Beſonder-
heit; allein dieſe Verallgemeinerung iſt ihm nicht ange-
meſſen; Dieſes iſt ein vollkommen beſtimmtes, eini-
ges Dieſes
aber iſt unbeſtimmt. Die Erweiterung
ſoll
[106]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
ſoll dem Dieſen zukommen, alſo ihm entſprechend, voll-
kommen beſtimmt
ſeyn; eine ſolche iſt die Totalitaͤt,
oder zunaͤchſt Allgemeinheit uͤberhaupt.


Dieſe Allgemeinheit hat das Dieſes zu Grunde
liegen, denn das Einzelne iſt hier das in ſich reflectirte;
ſeine weitern Beſtimmungen verlauffen ſich daher aͤuſ-
ſerlich
an ihm, und wie die Beſonderheit ſich deßwe-
gen als Einige beſtimmte, ſo iſt die Allgemeinheit,
die das Subject erlangt hat, Allheit, und das parti-
culaͤre Urtheil iſt in das univerſelle uͤbergegangen.


c.
Das univerſelle Urtheil.

Die Allgemeinheit, wie ſie am Subjecte des uni-
verſellen Urtheils iſt, iſt die aͤuſſere Reflexions-Allge-
meinheit, Allheit; Alle ſind alle Einzelne; das
Einzelne iſt unveraͤndert darin. Dieſe Allgemeinheit iſt
daher nur ein Zuſammenfaſſen der fuͤr ſich beſte-
henden Einzelnen; ſie iſt eine Gemeinſchaftlich-
keit
, welche ihnen nur in der Vergleichung zu-
kommt. — Dieſe Gemeinſchaftlichkeit pflegt dem ſubjecti-
ven Vorſtellen zunaͤchſt einzufallen, wenn von Allge-
meinheit die Rede iſt. Als der zunaͤchſt liegende Grund,
warum eine Beſtimmung als eine allgemeine angeſehen
werden ſoll, wird angegeben, weil ſie Mehrern zu-
komme
. — In der Analyſis ſchwebt vornemlich
auch dieſer Begriff von Allgemeinheit vor, indem z. B.
die Entwicklung einer Function an einem Polynomium
fuͤr das allgemeinere gilt, als die Entwicklung der-
ſelben an einem Binomium; weil das Polyno-
mium mehrere Einzelnheiten
darſtellt, als das
Binomium. Die Foderung, daß die Function in ih-
rer
[107]II.Kapitel. Das Urtheil.
rer Allgemeinheit dargeſtellt wuͤrde, verlangt eigentlich
ein Pantonomium, die erſchoͤpfte Unendlichkeit; aber
hier ſtellt ſich von ſelbſt die Schranke jener Foderung
ein, und die Darſtellung der unendlichen Menge muß
ſich mit dem Sollen derſelben, und daher auch mit
einem Polynomium begnuͤgen. In der That aber iſt
in den Faͤllen das Binomium ſchon das Pantonomium,
in denen die Methode oder Regel nur die Abhaͤngig-
keit Eines Gliedes von Einem andern betrifft, und die
Abhaͤngigkeit Mehrerer Glieder von ihren vorhergehen-
den ſich nicht particulariſirt, ſondern eine und dieſelbe
Function zu Grunde liegen bleibt. Die Methode oder
Regel iſt als das wahrhaft Allgemeine anzuſehen;
in der Fortſetzung der Entwicklung, oder in der Entwick-
lung eines Polynomiums wird ſie nur wiederholt;
ſie gewinnt ſomit durch die vergroͤſſerte Mehrheit der
Glieder nichts an Allgemeinheit. Es iſt von der ſchlech-
ten Unendlichkeit und deren Taͤuſchung ſchon fruͤher die
Rede geweſen; die Allgemeinheit des Begriffs iſt das
erreichte Jenſeits; jene Unendlichkeit aber bleibt
mit dem Jenſeits als einem unerreichbaren behaftet, in-
ſofern ſie der bloſſe Progreß ins Unendliche bleibt.
Wenn bey der Allgemeinheit nur die Allheit vor-
ſchwebt, eine Allgemeinheit, welche in den einzelnen als
Einzelnen erſchoͤpft werden ſoll, ſo iſt diß ein Ruͤckfall
in jene ſchlechte Unendlichkeit; oder aber es wird auch
nur die Vielheit fuͤr Allheit genommen. Die Viel-
heit jedoch, ſo groß ſie auch ſey, bleibt ſchlechthin nur
Particularitaͤt, und iſt nicht Allheit. — Es ſchwebt aber
dabey die an und fuͤr ſich ſeyende Allgemeinheit des Be-
griffs
dunkel vor; er iſt es, der gewaltſam uͤber die
beharrliche Einzelnheit, woran ſich die Vorſtellung haͤlt,
und uͤber das Aeuſſerliche ihrer Reflexion hinaustreibt,
und die Allheit als Totalitaͤt, oder vielmehr das
kategoriſche An- und- fuͤrſichſeyn unterſchiebt.


Diß
[108]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.

Diß zeigt ſich auch ſonſt an der Allheit, welche
uͤberhaupt die empiriſche Allgemeinheit iſt. Inſofern
das Einzelne als ein unmittelbares vorausgeſetzt iſt,
daher vorgefunden und aͤuſſerlich aufgenommen
wird, iſt ihm die Reflexion, welche es zur Allheit zu-
ſammenfaßt, eben ſo aͤuſſerlich. Weil aber das Einzelne
als Dieſes ſchlechthin gleichguͤltig gegen dieſe Reflexion
iſt, ſo koͤnnen ſich die Allgemeinheit und ſolches Einzel-
nes nicht zu einer Einheit vereinigen. Die empiriſche
Allheit bleibt darum eine Aufgabe; ein Sollen,
welches ſo nicht als Seyn dargeſtellt werden kann.
Ein empiriſch-allgemeiner Satz, denn es werden deren
doch aufgeſtellt, beruht nun auf der ſtillſchweigenden
Uebereinkunft, daß wenn nur keine Inſtanz des Ge-
gentheils angefuͤhrt werden koͤnne, die Mehrheit von
Faͤllen fuͤr Allheit gelten ſolle; oder daß die ſub-
jective
Allheit, nemlich, die der zur Kenntniß ge-
kommenen
Faͤlle, fuͤr eine objective Allheit genom-
men werden duͤrfe.


Naͤher nun das univerſelle Urtheil, bey dem
wir ſtehen, betrachtet, ſo hat das Subject, das, wie
vorhin bemerkt worden, die an- und- fuͤrſichſeyende All-
gemeinheit als vorausgeſetzte enthaͤlt, nun auch
als geſetzte an ihm. Alle Menſchen druͤckt erſt-
lich
die Gattung Menſch aus, zwey[t]ens dieſe
Gattung in ihrer Vereinzelung, aber ſo daß die Einzel-
nen zugleich zur Allgemeinheit der Gattung erweitert
ſind; umgekehrt iſt die Allgemeinheit durch dieſe Ver-
knuͤpfung mit der Einzelnheit eben ſo vollkommen be-
ſtimmt, als die Einzelnheit; hiedurch iſt die geſetzte
Allgemeinheit der vorausgeſetzten gleich ge-
worden.


Eigentlich aber iſt nicht auf das Vorausgeſetz-
te
zum Voraus Ruͤckſicht zu nehmen, ſondern das Reſultat
an
[109]II.Kapitel. Das Urtheil.
an der Formbeſtimmung fuͤr ſich zu betrachten. — Die
Einzelnheit, indem ſie ſich zur Allheit erweitert hat, iſt
geſetzt, als Negativitaͤt, welche identiſche Beziehung
auf ſich iſt. Sie iſt damit nicht jene erſte Einzelnheit
geblieben, wie z. B. die eines Cajus, ſondern iſt die
mit der Allgemeinheit identiſche Beſtimmung, oder das
abſolute Beſtimmtſeyn des Allgemeinen. — Jene erſte
Einzelnheit des ſingulaͤren Urtheils war nicht die un-
mittelbare
des poſitiven Urtheils, ſondern durch die
dialektiſche Bewegung des Urtheils des Daſeyns uͤber-
haupt entſtanden; ſie war ſchon beſtimmt, die nega-
tive Identitaͤt
der Beſtimmungen jenes Urtheils zu
ſeyn. Diß iſt die wahrhafte Vorausſetzung im Re-
flexionsurtheil; gegen das an dieſem ſich verlauffende
Setzen war jene erſte Beſtimmtheit der Einzelnheit das
Anſich derſelben; was ſie ſomit anſich iſt, iſt nun
durch die Bewegung des Reflexionsurtheils geſetzt,
nemlich die Einzelnheit als identiſche Beziehung des Be-
ſtimmten auf ſich ſelbſt. Dadurch iſt jene Reflexion,
welche die Einzelnheit zur Allheit erweitert, eine ihr nicht
aͤuſſerliche; ſondern es wird dadurch nur fuͤr ſich, was
ſie ſchon an ſich iſt. — Das Reſultat iſt ſomit in
Wahrheit die objective Allgemeinheit. Das
Subject hat inſofern die Formbeſtimmung des Reflexions-
urtheils, welche vom Dieſen durch Einiges zur All-
heit
hindurchging, abgeſtreift; ſtatt Alle Menſchen
iſt nunmehr zu ſagen: der Menſch.


Die Allgemeinheit, welche hierdurch entſtanden iſt,
iſt die Gattung; die Allgemeinheit, welche an ihr
ſelbſt concretes iſt. Die Gattung inhaͤrirt dem Sub-
jecte nicht, oder iſt nicht eine einzelne Eigenſchaft,
uͤberhaupt nicht eine Eigenſchaft deſſelben; ſie enthaͤlt
alle vereinzelnte Beſtimmtheit in ihrer ſubſtantiellen Ge-
diegenheit aufgeloͤſt. — Sie iſt darum, weil ſie als dieſe
nega-
[110]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
negative Identitaͤt mit ſich geſetzt iſt, weſentlich Subject;
aber iſt ihrem Praͤdicate nicht mehr ſubſumirt. Hie-
mit veraͤndert ſich nun uͤberhaupt die Natur des Re-
flexionsurtheils.


Daſſelbe war weſentlich Urtheil der Subſum-
tion
. Das Praͤdicat war als das Anſichſeyende
Allgemeine gegen ſein Subject beſtimmt; ſeinem Inhalte
nach konnte es als weſentliche Verhaͤltnißbeſtimmung oder
auch als Merkmahl genommen werden; — eine Beſtim-
mung, nach welcher das Subject nur eine weſentliche
Erſcheinung iſt. Aber zur objectiven Allge-
meinheit
beſtimmt hoͤrt es auf, unter ſolche Verhaͤlt-
nißbeſtimmung, oder zuſammenfaſſende Reflexion ſub-
ſumirt zu ſeyn; ſolches Praͤdicat iſt gegen dieſe Allge-
meinheit vielmehr ein beſonderes. Das Verhaͤltniß von
Subject und Praͤdicat hat ſich ſomit umgekehrt, und das
Urtheil ſich inſofern zunaͤchſt aufgehoben.


Dieſe Aufhebung des Urtheils faͤllt mit dem zuſam-
men, was die Beſtimmung der Copula wird, die
wir noch zu betrachten haben; die Aufhebung der Ur-
theilsbeſtimmungen und ihr Uebergang in die Copula iſt
daſſelbe. — Inſofern nemlich das Subject ſich in die
Allgemeinheit erhoben hat, iſt es in dieſer Beſtimmung
dem Praͤdicate gleich geworden, welches als die re-
flectirte Allgemeinheit auch die Beſonderheit in ſich be-
greift; Subject und Praͤdicat ſind daher identiſch, d. i.
ſie ſind in die Copula zuſammengegangen. Dieſe Iden-
titaͤt iſt die Gattung, oder an und fuͤr ſich ſeyende Natur
eines Dings. Inſofern dieſelbe alſo ſich wieder in ein
Urtheil dirimirt, iſt es die innere Natur, wodurch
ſich Subject und Praͤdicat auf einander beziehen; — eine
Beziehung der Nothwendigkeit, worin jene Urtheils-
beſtimmungen nur unweſentliche Unterſchiede ſind. —
Was
[111]II.Kapitel. Das Urtheil.
Was Allen Einzelnen einer Gattung zu-
kommt, kommt durch ihre Natur, der Gat-
tung zu
, — iſt eine unmittelbare Conſequenz, und der
Ausdruck deſſen, was ſich vorhin ergab, daß das Sub-
ject z. B. Alle Menſchen, ſeine Formbeſtimmung ab-
ſtreift, und der Menſch dafuͤr zu ſagen iſt. — Dieſer
an und fuͤr ſich ſeyende Zuſammenhang macht die Grund-
lage eines neuen Urtheils aus; — des Urtheils
der Nothwendigkeit
.


C.)
Das Urtheil der Nothwendigkeit.

Die Beſtimmung, zu der ſich die Allgemeinheit
fortgebildet hat, iſt, wie ſich ergeben, die an- und-
fuͤrſichſeyende
oder objective Allgemeinheit,
der in der Sphaͤre des Weſens die Subſtantialitaͤt
entſpricht. Sie unterſcheidet ſich von dieſer dadurch,
daß ſie dem Begriffe angehoͤrt, und dadurch nicht
nur die innere, ſondern auch die geſetzte Nothwen-
digkeit ihrer Beſtimmungen, oder daß der Unter-
ſchied
ihr immanent iſt, wogegen die Subſtanz den
ihrigen nur in ihren Accidenzen, nicht aber als Princip
in ſich ſelbſt hat.


Im Urtheil iſt nun dieſe objective Allgemeinheit
geſetzt; ſomit erſtlich mit dieſer ihrer weſentlichen
Beſtimmtheit, als ihr immanent, zweytens als von ihr
als Beſonderheit verſchieden, von der jene Allge-
meinheit die ſubſtantielle Grundlage ausmacht. Sie iſt
auf dieſe Weiſe als Gattung und Art beſtimmt.


a.Das
[112]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
a.
Das kategoriſche Urtheil.

Die Gattung theilt ſich, oder ſtoͤßt ſich weſent-
lich in Arten ab; ſie iſt Gattung, nur inſofern ſie Ar-
ten unter ſich begreift; die Art iſt Art nur, inſofern ſie
einerſeits in Einzelnen exiſtirt, andererſeits in der Gat-
tung eine hoͤhere Allgemeinheit iſt. — Das katego-
riſche Urtheil
hat nun eine ſolche Allgemeinheit
zum Praͤdicate, an dem das Subject ſeine imma-
nente
Natur hat. Es iſt aber ſelbſt das erſte oder
unmittelbare Urtheil der Nothwendigkeit; daher die
Beſtimmtheit des Subjects, wodurch es gegen die Gat-
tung oder Art ein Beſonderes oder Einzelnes iſt, inſo-
fern der Unmittelbarkeit aͤuſſerlicher Exiſtenz angehoͤrt. —
Die objective Allgemeinheit aber hat eben ſo hier nur
erſt ihre unmittelbare Particulariſation; einerſeits
iſt ſie darum ſelbſt eine beſtimmte, gegen welche es hoͤ-
here Gattungen gibt; — andererſeits iſt ſie nicht gerade
die naͤchſte, d. h. deren Beſtimmtheit nicht gerade das
Princip der ſpecifiſchen Beſonderheit des Subjects iſt.
Was aber daran nothwendig iſt, iſt die ſubſtan-
tielle Identitaͤt
des Subjects und Praͤdicats, gegen
welche das Eigene, wodurch ſich jenes von dieſem un-
terſcheidet, nur als ein unweſentliches Geſetztſeyn, —
oder auch nur ein Nahmen iſt; das Subject iſt in ſei-
nem Praͤdicate in ſein An- und- Fuͤrſichſeyn reflectirt. —
Ein ſolches Praͤdicat ſollte mit den Praͤdicaten der bis-
herigen Urtheile nicht zuſammengeſtellt werden; wenn
z. B. die Urtheile: die Roſe iſt roth,
die Roſe iſt eine Pflanze,
oder: dieſer Ring iſt gelb
er iſt Gold

in Eine Claſſe zuſammengeworfen, und eine ſo aͤuſſer-
liche Eigenſchaft, wie die Farbe einer Blume als ein
glei-
[113]II.Kapitel. Das Urtheil.
gleiches Praͤdicat mit ihrer vegetabiliſchen Natur genom-
men wird, ſo wird ein Unterſchied uͤberſehen, der dem
gemeinſten Auffaſſen auffallen muß. — Das kategoriſche
Urtheil iſt daher beſtimmt von dem poſitiven und nega-
tiven Urtheile zu unterſcheiden; in dieſen iſt das, was
vom Subject ausgeſagt wird, ein einzelner zufaͤl-
liger
Inhalt, in jenem iſt er die Totalitaͤt der in ſich
reflectirten Form. Die Copula hat daher in ihm die
Bedeutung der Nothwendigkeit, in jenen nur des
abſtracten, unmittelbaren Seyns.


Die Beſtimmtheit des Subjects, wodurch es ein
Beſonderes gegen das Praͤdicat iſt, iſt zunaͤchſt noch
ein zufaͤlliges; Subject und Praͤdicat ſind nicht durch
die Form oder Beſtimmtheit als nothwendig bezo-
gen; die Nothwendigkeit iſt daher noch als innre. —
Das Subject aber iſt Subject nur als Beſonderes,
und inſofern es objective Allgemeinheit hat, ſoll es ſie
weſentlich nach jener erſt unmittelbaren Beſtimmtheit
haben. Das Objectiv-allgemeine, indem es ſich be-
ſtimmt
, d. i. ſich ins Urtheil ſetzt, iſt weſentlich in
identiſcher Beziehung mit dieſer aus ihm abgeſtoſſenen
Beſtimmtheit als ſolcher, d. i. ſie iſt weſentlich
nicht als bloß zufaͤlliges zu ſetzen. Das kategoriſche Ur-
theil entſpricht erſt durch dieſe Nothwendigkeit ſei-
nes unmittelbaren Seyns, ſeiner objectiven Allgemein-
heit, und iſt auf dieſe Weiſe in das hypothetiſche Ur-
theil
uͤbergegangen.


b.
Das hypothetiſche Urtheil.

Wenn A iſt, ſo iſt B; oder das Seyn des
A iſt nicht ſein eigenes Seyn, ſondern das

HSeyn
[114]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Seyn eines Andern, des B. — Was in dieſem
Urtheil geſetzt iſt, iſt der nothwendige Zuſammen-
hang
von unmittelbaren Beſtimmtheiten, welcher im ka-
tegoriſchen Urtheile noch nicht geſetzt iſt. — Es ſind hier
zwey unmittelbare Exiſtenzen, oder aͤuſſerlich zufaͤllige,
deren im kategoriſchen Urtheile zunaͤchſt nur eine, das
Subject, iſt; indem aber das eine aͤuſſerlich gegen das
andere iſt, ſo iſt unmittelbar diß andere auch aͤuſſerlich
gegen das erſte. — Nach dieſer Unmittelbarkeit iſt der
Inhalt beyder Seiten noch ein gleichguͤltiger gegen
einander; diß Urtheil iſt daher zunaͤchſt ein Satz der
leeren Form. Nun iſt die Unmittelbarkeit erſtlich
zwar als ſolche ein ſelbſtſtaͤndiges, concretes Seyn;
aber zweytens iſt die Beziehung deſſelben das we-
ſentliche; jenes Seyn iſt daher eben ſo ſehr als bloſſe
Moͤglichkeit; das hypothetiſche Urtheil enthaͤlt nicht,
daß A iſt, oder daß B iſt, ſondern nur wenn eines
iſt, ſo iſt das andere; nur der Zuſammenhang der Ex-
treme iſt geſetzt, als ſeyend, nicht ſie ſelbſt. Viel-
mehr iſt in dieſer Nothwendigkeit jedes geſetzt, als
eben ſo ſehr das Seyn eines Andern. — Der Satz
der Identitaͤt ſagt aus: A iſt nur A, nicht B; und B
iſt nur B, nicht A; im hypothetiſchen Urtheil iſt dage-
gen das Seyn der endlichen Dinge nach ihrer formel-
len Wahrheit durch den Begriff geſetzt, daß nemlich das
Endliche ſein eigenes Seyn, aber eben ſo ſehr nicht das
ſeinige, ſondern das Seyn eines Andern iſt. In
der Sphaͤre des Seyns veraͤndert ſich das Endliche,
es wird zu einem Andern; in der Sphaͤre des Weſens
iſt es Erſcheinung und geſetzt, daß ſein Seyn darin
beſteht, daß ein anderes an ihm ſcheint, und die
Nothwendigkeit iſt die innere, noch nicht als ſol-
che geſetzte, Beziehung. Der Begriff aber iſt diß, daß
dieſe Identitaͤt geſetzt iſt, und daß das Seyende nicht
die abſtracte Identitaͤt mit ſich, ſondern die concrete
iſt,
[115]II.Kapitel. Das Urtheil.
iſt, und unmittelbar an ihm ſelbſt, das Seyn eines
andern.


Das hypothetiſche Urtheil kann durch die Reflexions-
verhaͤltniſſe in naͤherer Beſtimmtheit genommen werden,
als Verhaͤltniß von Grund und Folge, Bedingung
und Bedingtem, Cauſſalitaͤt u. ſ. f. Wie im
kategoriſchen Urtheile die Subſtantialitaͤt, ſo iſt im hy-
pothetiſchen der Zuſammenhang der Cauſalitaͤt in ſeiner
Begriffsform. Dieſes und die andern Verhaͤltniſſe ſtehen
ſaͤmmtlich unter ihm, ſind aber hier nicht mehr als Ver-
haͤltniſſe von ſelbſtſtaͤndigen Seiten, ſondern
dieſe ſind weſentlich nur als Momente Einer und der-
ſelben Identitaͤt. — Jedoch ſind ſie in ihm noch nicht
nach den Begriffsbeſtimmungen als Einzelnes oder Be-
ſonderes und Allgemeines entgegengeſetzt, ſondern nur
erſt als Momente uͤberhaupt. Das hypothetiſche
Urtheil hat inſofern mehr die Geſtalt eines Satzes; wie
das particulaͤre Urtheil von unbeſtimmtem Inhalte iſt,
ſo iſt das hypothetiſche von unbeſtimmter Form, indem
ſein Inhalt ſich nicht in der Beſtimmung von Subject
und Praͤdicat verhaͤlt. — Doch an ſich iſt das Seyn,
da es das Seyn des andern iſt, eben dadurch Einheit
ſeiner ſelbſt
und des andern, und hiemit Allge-
meinheit
; es iſt damit zugleich eigentlich nur ein Be-
ſonderes
, da es beſtimmtes, und in ſeiner Beſtimmt-
heit ſich nicht bloß auf ſich beziehendes iſt. Es iſt aber
nicht die einfache abſtracte Beſonderheit geſetzt, ſon-
dern durch die Unmittelbarkeit, welche die Be-
ſtimmtheiten haben
, ſind die Momente derſelben
als unterſchiedene; zugleich durch die Einheit derſelben,
die ihre Beziehung ausmacht, iſt die Beſonderheit auch
als die Totalitaͤt derſelben. — Was in Wahrheit daher
in dieſem Urtheile geſetzt iſt, iſt die Allgemeinheit, als
die concrete Identitaͤt des Begriffs, deſſen Beſtimmun-
H 2gen
[116]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
gen kein Beſtehen fuͤr ſich haben, ſondern nur in ihr
geſetzte Beſonderheiten ſind. So iſt es das disjunc-
tive Urtheil
.


c.
Das disjunctive Urtheil.

Im kategoriſchen Urtheil iſt der Begriff als ob-
jective Allgemeinheit, und eine aͤuſſerliche Einzelnheit.
Im hypothetiſchen tritt an dieſer Aeuſſerlichkeit der Be-
griff in ſeiner negativen Identitaͤt hervor; durch dieſe
erhalten ſie die nun im disjunctiven Urtheile geſetzte
Beſtimmtheit, welche ſie im erſtern unmittelbar haben.
Das disjunctive Urtheil iſt daher die objective Allge-
meinheit zugleich in der Vereinigung mit der Form ge-
ſetzt. Es enthaͤlt alſo erſtens die concrete Allgemein-
heit oder die Gattung, in einfacher Form, als das
Subject; zweytens dieſelbe aber als Totalitaͤt ih-
rer unterſchiedenen Beſtimmungen. A iſt entweder B
oder C. Diß iſt die Nothwendigkeit des Be-
griffs
, worin erſtens die Dieſelbigkeit beyder Extre-
me, einerley Umfang, Inhalt und Allgemeinheit iſt;
zweytens ſind ſie nach der Form der Begriffsbeſtim-
mung unterſchieden, ſo daß aber um jener Identitaͤt
willen dieſe als bloſſe Form iſt. Drittens er-
ſcheint die identiſche objective Allgemeinheit deßwegen,
als das in ſich reflectirte gegen die unweſentliche Form,
als Inhalt, der aber an ihm ſelbſt die Beſtimmtheit
der Form hat; das einemal als die einfache Beſtimmt-
heit der Gattung; das andremal eben dieſe Beſtimmt-
heit als in ihren Unterſchied entwickelt, — auf welche
Weiſe ſie die Beſonderheit der Arten, und deren To-
talitaͤt
, die Allgemeinheit der Gattung, iſt. — Die
Beſonderheit in ihrer Entwicklung macht das Praͤdi-
cat
[117]II.Kapitel. Das Urtheil.
cat aus, weil ſie inſofern das Allgemeinere iſt, als
ſie die ganze allgemeine Sphaͤre des Subjects, aber
auch dieſelbe in der Auseinanderſetzung der Beſonde-
rung enthaͤlt.


Dieſe Beſonderung naͤher betrachtet, ſo macht vors
erſte
die Gattung die ſubſtanzielle Allgemeinheit der
Arten aus; das Subject iſt daher ſowohl B als C;
dieſes ſowohl als bezeichnet die poſitive Identi-
taͤt des Beſondern mit dem Allgemeinen; diß objective
Allgemeine erhaͤlt ſich vollkommen in ſeiner Beſonder-
heit. Die Arten zweytens ſchlieſſen ſich gegen-
ſeitig aus; A
iſt entweder B oder C; denn
ſie ſind der beſtimmte Unterſchied der allgemei-
nen Sphaͤre. Diß Entweder Oder iſt die nega-
tive
Beziehung derſelben. In dieſer ſind ſie aber eben
ſo identiſch als in jener; die Gattung iſt ihre Ein-
heit
als beſtimmter Beſondern. — Waͤre die Gat-
tung eine abſtracte Allgemeinheit, wie in den Urtheilen
des Daſeyns, ſo waͤren die Arten auch nur als ver-
ſchiedene
und gegen einander gleichguͤltige zu nehmen;
ſie iſt aber nicht jene aͤuſſere, nur durch Verglei-
chung
und Weglaſſung entſtandene Allgemeinheit,
ſondern ihre immanente und concrete. — Ein empiri-
ſches disjunctives Urtheil iſt ohne Nothwendigkeit; A
iſt entweder B oder C oder D u. ſ. f. weil die Arten
B, C, D u. ſ. f. ſich vorgefunden haben; es kann
eigentlich kein Entweder Oder dadurch ausgeſpro-
chen werden; denn ſolche Arten machen nur etwa eine
ſubjective Vollſtaͤndigkeit aus; die eine Art ſchließt
zwar die andere aus; aber Entweder Oder ſchließt
jede weitere aus, und ſchließt eine totale Sphaͤre
in ſich ab. Dieſe Totalitaͤt hat ihre Nothwendig-
keit
in der negativen Einheit des objectiv-Allgemei-
nen, welches die Einzelnheit in ſich aufgeloͤſt, und als
ein-
[118]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
einfaches Princip des Unterſchieds immanent in ſich
hat, wodurch die Arten beſtimmt und bezogen ſind.
Die empiriſchen Arten dagegen haben ihre Unterſchiede
an irgend einer Zufaͤlligkeit, die ein aͤuſſerliches Princip,
oder daher nicht ihr Princip, ſomit auch nicht die im-
manente Beſtimmtheit der Gattung iſt; ſie ſind darum
nach ihrer Beſtimmtheit auch nicht auf einander bezo-
gen. — Durch die Beziehung ihrer Beſtimmtheit ma-
chen die Arten aber die Allgemeinheit des Praͤdicats
aus. — Die ſogenannten contraͤren und contra-
dictoriſchen
Begriffe ſollten hier eigentlich erſt ihre
Stelle finden; denn im disjunctiven Urtheile iſt der we-
ſentliche Begriffsunterſchied geſetzt; aber ſie haben darin
auch zugleich ihre Wahrheit, daß naͤmlich das Contraͤre
und Contradictoriſche ſelbſt eben ſo wohl contraͤr als con-
tradictoriſch unterſchieden iſt. Contraͤr ſind die Arten,
inſofern ſie nur verſchieden ſind, nemlich durch die
Gattung als ihre objective Natur haben ſie ein an- und-
fuͤrſichſeyendes Beſtehen; contradictoriſch, inſofern
ſie ſich ausſchlieſſen. Jede dieſer Beſtimmungen fuͤr ſich
iſt aber einſeitig und ohne Wahrheit; im Entweder
Oder
des disjunctiven Urtheils iſt ihre Einheit als
ihre Wahrheit geſetzt, nach welche jenes ſelbſtſtaͤndiges
Beſtehen als concrete Allgemeinheit ſelbſt auch
das Princip der negativen Einheit iſt, wodurch ſie
ſich gegenſeitig ausſchlieſſen.


Durch die ſo eben aufgezeigte Identitaͤt des Sub-
jects und Praͤdicats nach der negativen Einheit iſt die
Gattung im disjunctiven Urtheile als die naͤchſte be-
ſtimmt. Dieſer Ausdruck deutet zunaͤchſt auf einen
bloſſen Quantitaͤtsunterſchied von Mehr oder Weni-
ger
Beſtimmungen, die ein Allgemeines gegen eine un-
ter ihm ſtehende Beſonderheit enthalte. Es bleibt hier-
nach zufaͤllig, was eigentlich die naͤchſte Gattung iſt.
In-
[119]II.Kapitel. Das Urtheil.
Inſofern aber die Gattung als ein bloß durch Weglaſſen
von Beſtimmungen gebildetes Allgemeines genommen
wird, kann ſie eigentlich kein disjunctives Urtheil bil-
den; denn es iſt zufaͤllig, ob die Beſtimmtheit etwa in
ihr noch geblieben ſey, welche das Princip des Ent-
weder Oder
ausmacht; die Gattung waͤre uͤberhaupt
nicht nach ihrer Beſtimmtheit in den Arten darge-
ſtellt, und dieſe koͤnnten nur eine zufaͤllige Vollſtaͤndig-
keit haben. In dem kategoriſchen Urtheile iſt die Gat-
tung zunaͤchſt nur in dieſer abſtracten Form gegen das
Subject, daher nicht nothwendig die ihm naͤchſte Gat-
tung, und inſofern aͤuſſerlich. Indem aber die Gattung
als concrete weſentlich beſtimmte Allgemeinheit iſt, ſo
iſt ſie als die einfache Beſtimmtheit die Einheit von den
Begriffsmomenten, welche in jener Einfachheit
nur aufgehoben ſind, aber ihren realen Unterſchied in
den Arten haben. Die Gattung iſt daher inſofern die
naͤchſte einer Art, als dieſe ihre ſpecifiſche Unterſchei-
dung an der weſentlichen Beſtimmtheit jener, und die
Arten uͤberhaupt ihre unterſchiedene Beſtimmung als Prin-
cip in der Natur der Gattung haben.


Die ſo eben betrachtete Seite macht die Identitaͤt
des Subjects und Praͤdicats nach der Seite des Be-
ſtimmtſeyns
uͤberhaupt aus; eine Seite, die durch das
hypothetiſche Urtheil geſetzt worden, deſſen Nothwendig-
keit eine Identitaͤt Unmittelbarer und Verſchiedener, da-
her weſentlich als negative Einheit iſt. Dieſe negative
Einheit iſt es uͤberhaupt, welche das Subject und Praͤ-
dicat abſcheidet, die aber nunmehr ſelbſt als unterſchie-
den geſetzt iſt, im Subjecte als einfache Beſtimmtheit,
im Praͤdicate als Totalitaͤt. Jenes Abſcheiden des
Subjects und Praͤdicats iſt der Begriffsunterſchied;
die Totalitaͤt der Arten im Praͤdicat kann aber eben
ſo kein anderer ſeyn. — Die Beſtimmung der
dis-
[120]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
dis junctiven Glieder gegen einander ergibt ſich alſo hie-
durch. Sie reducirt ſich auf den Unterſchied des Be-
griffes, denn es iſt nur dieſer, der ſich disjungirt, und
in ſeiner Beſtimmung ſeine negative Einheit offenbart.
Uebrigens kommt die Art hier nur in Betracht, nach
ihrer einfachen Begriffsbeſtimmtheit, nicht nach der Ge-
ſtalt
, wie ſie aus der Idee in weitere ſelbſtſtaͤndige
Realitaͤt getreten iſt; dieſe faͤllt allerdings in dem
einfachen Princip der Gattung weg; aber die weſent-
liche
Unterſcheidung muß Moment des Begriffs ſeyn.
In dem hier betrachteten Urtheil iſt eigentlich durch die
eigene Fortbeſtimmung des Begriffs nunmehr ſelbſt
ſeine Disjunction geſetzt, dasjenige, was ſich beym
Begriff, als ſeine an- und- fuͤrſichſeyende Beſtimmung,
als ſeine Unterſcheidung in beſtimmte Begriffe ergeben
hat. — Weil er nun das Allgemeine, die poſitive eben-
ſoſehr wie die negative Totalitaͤt der Beſondern iſt, ſo
iſt er ſelbſt ebendadurch auch unmittelbar eines ſei-
ner disjunctiven Glieder
; das andere aber
iſt dieſe Allgemeinheit in ihre Beſonderheit aufge-
loͤſt, oder die Beſtimmtheit des Begriffs, als Beſtimmt-
heit
; in welcher eben die Allgemeinheit ſich als die
Totalitaͤt darſtellt. — Wenn die Disjunction einer Gat-
tung in Arten noch nicht dieſe Form erreicht hat, ſo iſt
diß ein Beweis, daß ſie ſich nicht zur Beſtimmtheit des
Begriffes erhoben, und nicht aus ihm hervorgegangen
iſt. — Die Farbe iſt entweder violett, indigoblau,
hellblau, gruͤn, gelb, orange, oder roth; — ſolcher
Disjunction iſt ihre, auch empiriſche Vermiſchung und
Unreinheit ſogleich anzuſehen; ſie iſt von dieſer Seite
fuͤr ſich betrachtet, ſchon barbariſch zu nennen. Wenn
die Farbe als die concrete Einheit von Hell und
Dunkel begriffen worden, ſo hat dieſe Gattung die
Beſtimmtheit an ihr, welche das Princip ihrer
Beſonderung in Arten ausmacht. Von dieſen aber muß
die
[121]II.Kapitel. Das Urtheil.
die eine die ſchlechthin einfache Farbe ſeyn, welche den
Gegenſatz gleichſchwebend und in ihre Intenſitaͤt einge-
ſchloſſen und negirt enthaͤlt; ihr gegenuͤber muß der Ge-
genſatz des Verhaͤltniſſes des Hellen und Dunkeln ſich
darſtellen, wozu, da es ein Naturphaͤnomen betrifft,
noch die gleichguͤltige Neutralitaͤt des Gegenſatzes kommen
muß. — Vermiſchungen, wie Violett, und Orange, und
Gradunterſchiede wie Indigoblau und Hellblau fuͤr Ar-
ten zu halten, kann nur in einem ganz unuͤberlegten
Verfahren ſeinen Grund haben, das ſelbſt fuͤr den Em-
pirismus zu wenig Reflexion zeigt. — Was uͤbrigens
die Disjunction, je nachdem ſie im Elemente der Natur
oder des Geiſtes geſchieht, fuͤr unterſchiedene und noch
naͤher beſtimmte Formen habe, gehoͤrt nicht hieher
auszufuͤhren.


Das disjunctive Urtheil hat zunaͤchſt in ſeinem
Praͤdicate die Glieder der Disjunction; aber ebenſoſehr
iſt es ſelbſt disjungirt; ſein Subject und Praͤdicat ſind
die Glieder der Disjunction; ſie ſind die in ihrer Be-
ſtimmtheit aber zugleich als identiſch geſetzten Begriffs-
momente, als identiſch α) in der objectiven Allge-
meinheit, welche in dem Subjecte als die einfache Gat-
tung
, und in dem Praͤdicat als die allgemeine Sphaͤre
und als Totalitaͤt der Begriffsmomente iſt, und β) in
der negativen Einheit, dem entwickelten Zuſammen-
hange der Nothwendigkeit, nach welchem die einfache
Beſtimmtheit
im Subjecte, in den Unterſchied
der Arten
auseinandergegangen, und eben darin deren
weſentliche Beziehung und das mit ſich ſelbſt identiſche iſt.


Dieſe Einheit, die Copula dieſes Urtheils, worein
die Extreme durch ihre Identitaͤt zuſammen gegangen
ſind, iſt ſomit der Begriff ſelbſt, und zwar als ge-
ſetzt;
[122]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
ſetzt; das bloſſe Urtheil der Nothwendigkeit hat ſich da-
mit zum Urtheil des Begriffs erhoben.


D.
Das Urtheil des Begriffs.

Urtheile des Daſeyns faͤllen zu wiſſen:
die Roſe iſt roth, der Schnee iſt weiß u. ſ. f.
wird ſchwerlich dafuͤr gelten, daß es groſſe Urtheils-
kraft zeige. Die Urtheile der Reflexion ſind mehr
Saͤtze; in dem Urtheile der Nothwendigkeit iſt der Ge-
genſtand zwar in ſeiner objectiven Allgemeinheit, aber
erſt im jetzt zu betrachtenden Urtheil iſt ſeine Bezie-
hung auf den Begriff vorhanden
. Dieſer iſt
darin zu Grund gelegt, und da er in Beziehung auf den
Gegenſtand iſt, als ein Sollen, dem die Realitaͤt
angemeſſen ſeyn kann oder auch nicht. — Solches Ur-
theil enthaͤlt daher erſt eine wahrhafte Beurtheilung;
die Praͤdicate gut, ſchlecht, wahr, ſchoͤn, rich-
tig
u. ſ. f. druͤcken aus, daß die Sache an ihrem all-
gemeinen Begriffe, als dem ſchlechthin vorausgeſetz-
ten Sollen gemeſſen, und in Uebereinſtim-
mung
mit demſelben iſt, oder nicht.


Man hat das Urtheil des Begriffs Urtheil der
Modalitaͤt genannt, und ſieht es dafuͤr an, daß es
die Form enthalte, wie die Beziehung des Subjects und
Praͤdicats ſich in einem aͤuſſerlichen Verſtande
verhalte, und daß es den Werth der Copula nur in Be-
ziehung auf das Denken
angehe. Das proble-
matiſche
Urtheil beſtehe hienach darin, wenn man das
Bejahen oder Verneinen als beliebig oder als moͤg-
lich;
[123]II.Kapitel. Das Urtheil.
lich; — das aſſertoriſche, wenn man es als wahr
d. h. wirklich
, und das apodiktiſche, wenn man
es als nothwendig annehme. — Man ſieht leicht,
warum es ſo nahe liegt, bey dieſem Urtheil aus dem
Urtheile ſelbſt herauszutreten, und ſeine Beſtimmung als
etwas bloß ſubjectives zu betrachten. Es iſt hier
nemlich der Begriff, das Subjective, welches am Ur-
theil wieder hervortritt, und ſich zu einer unmittelbaren
Wirklichkeit verhaͤlt. Allein diß Subjective iſt nicht mit
der aͤuſſerlichen Reflexion zu verwechſeln, die
freylich auch etwas ſubjectives iſt, aber in anderem
Sinne als der Begriff ſelbſt; dieſer, der aus dem dis-
junctiven Urtheil wieder hervortritt, iſt vielmehr das Ge-
gentheil einer bloſſen Art und Weiſe. Die fruͤhern
Urtheile ſind in dieſem Sinne nur ein ſubjectives, denn
ſie beruhen auf einer Abſtraction und Einſeitigkeit, in der
der Begriff verloren iſt. Das Urtheil des Begriffs iſt
vielmehr das objective und die Wahrheit gegen ſie, eben
weil ihm der Begriff, aber nicht in aͤuſſerer Reflexion
oder in Beziehung auf ein ſubjectives, d. h. zufaͤlli-
ges Denken, in ſeiner Beſtimmtheit als Begriff zu
Grunde liegt.


Im disjunctiven Urtheile war der Begriff als Iden-
titaͤt der allgemeinen Natur mit ihrer Beſonderung ge-
ſetzt; hiemit hatte ſich das Verhaͤltniß des Urtheils auf-
gehoben. Dieſes Concrete der Allgemeinheit und der
Beſonderung iſt zunaͤchſt einfaches Reſultat; es hat ſich
nun weiter zur Totalitaͤt auszubilden, indem die Mo-
mente, die es enthaͤlt, darin zunaͤchſt untergegangen,
und noch nicht in beſtimmter Selbſtſtaͤndigkeit einander
gegenuͤberſtehen. — Der Mangel des Reſultats kann be-
ſtimmter auch ſo ausgedruͤckt werden, daß im disjuncti-
ven Urtheile die objective Allgemeinheit zwar in
ihrer Beſonderung vollkommen geworden iſt, daß
aber
[124]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
aber die negative Einheit der letztern nur in jene zu-
ruͤckgeht, und noch nicht zum Dritten, zur Einzeln-
heit
, ſich beſtimmt hat. — Inſofern aber das Reſultat
ſelbſt die negative Einheit iſt, ſo iſt es zwar ſchon
dieſe Einzelnheit; aber ſo iſt es nur dieſe Eine Be-
ſtimmtheit, die nun ihre Negativitaͤt zu ſetzen, ſich in
die Extreme zu dirimiren, und auf dieſe Weiſe vol-
lends zum Schluſſe zu entwickeln hat.


Die naͤchſte Diremtion dieſer Einheit iſt das Ur-
theil, in welchem ſie das einemal als Subject, als ein
unmittelbar Einzelnes, und dann als Praͤdicat
als beſtimmte Beziehung ihrer Momente geſetzt iſt.


a.
Das aſſertoriſche Urtheil.

Das Urtheil des Begriffs iſt zuerſt unmittel-
bar
; ſo iſt es das aſſertoriſche Urtheil. Das Sub-
ject iſt ein concretes Einzelnes uͤberhaupt, das Praͤdicat
druͤckt daſſelbe als die Beziehung ſeiner Wirklich-
keit
, Beſtimmtheit oder Beſchaffenheit, auf ſeinen
Begriff aus. (Diß Haus iſt ſchlecht, dieſe Hand-
lung iſt gut.) Naͤher enthaͤlt es alſo, a) daß das
Subject etwas ſeyn ſoll; ſeine allgemeine Natur
hat ſich als der ſelbſtſtaͤndige Begriff geſetzt; b) die Be-
ſonderheit
, welche nicht nur um ihrer Unmittelbar-
keit, ſondern um ihrer ausdruͤcklichen Unterſcheidung wil-
len von ihrer ſelbſtſtaͤndigen allgemeinen Natur, als Be-
ſchaffenheit
und aͤuſſerliche Exiſtenz iſt; dieſe
iſt um der Selbſtſtaͤndigkeit des Begriffes willen ihrer-
ſeits auch gleichguͤltig gegen das Allgemeine, und kann
ihm angemeſſen oder auch nicht ſeyn. — Dieſe Beſchaffen-
heit iſt die Einzelnheit, welche uͤber die nothwen-
dige
[125]II.Kapitel. Das Urtheil.
dige Beſtimmung des Allgemeinen im disjunctiven
Urtheil hinausliegt, eine Beſtimmung, welche nur als
die Beſonderung der Art und als negatives Princip
der Gattung iſt. Inſofern iſt die concrete Allgemein-
heit, die aus dem disjunctiven Urtheil hervorgegangen
iſt, in dem aſſertoriſchen Urtheil in die Form von Ex-
tremen
entzweyt, denen der Begriff ſelbſt als ge-
ſetzte
, ſie beziehende Einheit noch fehlt.


Das Urtheil iſt darum nur erſt aſſertoriſch;
ſeine Bewaͤhrung iſt eine ſubjective Verſicherung.
Daß Etwas gut oder ſchlecht, richtig, paſſend oder nicht
u. ſ. f. iſt, hat ſeinen Zuſammenhang in einem aͤuſſern
Dritten. Daß er aber aͤuſſerlich geſetzt iſt, iſt
daſſelbe, daß er nur erſt an ſich oder innerlich iſt. —
Wenn Etwas gut oder ſchlecht u. ſ. f. iſt, wird daher
wohl niemand meynen, daß es nur im ſubjectiven
Bewußtſeyn
etwa gut, aber an ſich vielleicht ſchlecht,
oder daß gut und ſchlecht, richtig, paſſend, u. ſ. f. nicht
Praͤdicate der Gegenſtaͤnde ſelbſt ſeyn. Das blos ſub-
jective der Aſſertion dieſes Urtheils beſteht alſo darin,
daß der an ſich ſeyende Zuſammenhang des Subjects
und Praͤdicats noch nicht geſetzt, oder was daſſelbe
iſt, daß er nur aͤuſſerlich iſt; die Copula iſt noch ein
unmittelbares, abſtractes Seyn.


Der Verſicherung des aſſertoriſchen Urtheils ſteht
daher mit eben dem Rechte die entgegengeſetzte gegen-
uͤber. Wenn verſichert wird. dieſe Handlung iſt gut;
ſo hat die entgegengeſetzte: dieſe Handlung iſt ſchlecht,
noch gleiche Berechtigung. — Oder an ſich betrachtet,
weil das Subject des Urtheils unmittelbares Ein-
zelnes
iſt, hat es in dieſer Abſtraction noch die Be-
ſtimmtheit
nicht an ihm geſetzt, welche ſeine Bezie-
hung auf den allgemeinen Begriff enthielte; es iſt ſo
noch
[126]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
noch ein zufaͤlliges, eben ſowohl dem Begriffe zu ent-
ſprechen, oder auch nicht. Das Urtheil iſt daher we-
ſentlich problematiſch.


b.
Das problematiſche Urtheil.

Das problematiſche Urtheil iſt das aſſertori-
ſche, inſofern dieſes eben ſo wohl poſitiv als negativ
genommen werden muß. — Nach dieſer qualitativen
Seite iſt das particulaͤre Urtheil gleichfalls ein pro-
blematiſches; denn es gilt eben ſo ſehr poſitiv als nega-
tiv; — ingleichen iſt am hypothetiſchen Urtheil das
Seyn des Subjects und Praͤdicats problematiſch; — auch
durch ſie iſt es geſetzt, daß das ſingulaͤre und das ka-
tegoriſche Urtheil noch etwas bloß ſubjectives iſt. Im
problematiſchen Urtheile als ſolchem iſt aber diß Setzen
immanenter als in den erwaͤhnten Urtheilen, weil in
jenem der Inhalt des Praͤdicats die Bezie-
hung des Subjects auf den Begriff iſt
, hier
hiemit die Beſtimmung des Unmittelbaren als
eines zufaͤlligen
ſelbſt vorhanden iſt.


Zunaͤchſt erſcheint es nur als problematiſch, ob
das Praͤdicat mit einem gewiſſen Subjecte verbunden
werden ſoll oder nicht, und die Unbeſtimmtheit faͤllt in-
ſofern in die Copula. Fuͤr das Praͤdicat kann daraus
keine Beſtimmung hervorgehen, denn es iſt ſchon die
objective, concrete Allgemeinheit. Das Problematiſche
geht alſo die Unmittelbarkeit des Subjects an, welche
hiedurch als Zufaͤlligkeit beſtimmt wird. — Ferner
aber iſt darum nicht von der Einzelnheit des Subjects
zu abſtrahiren; von dieſer uͤberhaupt gereinigt, waͤre es
nur ein allgemeines; das Praͤdicat enthaͤlt eben diß,
daß
[127]II.Kapitel. Das Urtheil.
daß der Begriff des Subjects in Beziehung auf ſeine
Einzelnheit geſetzt ſeyn ſoll. — Es kann nicht geſagt
werden: das Haus oder ein Haus iſt gut, ſondern:
je nachdem es beſchaffen iſt. — Das Problema-
tiſche des Subjects an ihm ſelbſt macht ſeine Zu faͤl-
ligkeit
als Moment aus; die Subjectivitaͤt der
Sache, ihrer objectiven Natur oder ihrem Begriffe
gegenuͤber geſtellt, die bloſſe Art und Weiſe, oder
die Beſchaffenheit.


Somit iſt das Subject ſelbſt in ſeine Allgemein-
heit oder objective Natur, ſein Sollen, und in die
beſondere Beſchaffenheit des Daſeyns unterſchieden. Hie-
mit enthaͤlt es den Grund, ob es ſo iſt, wie es
ſeyn ſoll. Auf dieſe Weiſe iſt es mit dem Praͤdicate
ausgeglichen. — Die Negativitaͤt des Problemati-
ſchen, inſofern ſie gegen die Unmittelbarkeit des Sub-
jects
gerichtet iſt, heißt hienach nur dieſe urſpruͤngliche
Theilung deſſelben, welches an ſich ſchon als Einheit
des Allgemeinen und Beſondern iſt, in dieſe ſeine
Momente
; — eine Theilung, welche das Urtheil
ſelbſt iſt.


Es kann noch die Bemerkung gemacht werden,
daß jede der beyden Seiten des Subjects, ſein Be-
griff und ſeine Beſchaffenheit, deſſen Subjectivitaͤt
genannt werden koͤnne. Der Begriff iſt das in ſich
gegangene allgemeine Weſen einer Sache, ihre negative
Einheit mit ſich ſelbſt; dieſe macht ihre Subjectivitaͤt
aus. Aber eine Sache iſt auch weſentlich zufaͤllig,
und hat eine aͤuſſerliche Beſchaffenheit; dieſe
heißt eben ſo ſehr deren bloſſe Subjectivitaͤt, jener Ob-
jectivitaͤt gegenuͤber. Die Sache ſelbſt iſt eben diß, daß
ihr Begriff als die negative Einheit ſeiner ſelbſt, ſeine
Allgemeinheit negirt, und in die Aeuſſerlichkeit der Ein-
zeln-
[128]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
zelnheit ſich herausſetzt. — Als dieſes Gedoppelte iſt das
Subject des Urtheils hier geſetzt; jene entgegenſtehen-
den Bedeutungen der Subjectivitaͤt ſind ihrer Wahrheit
nach in Einem. — Die Bedeutung des Subjectiven iſt
dadurch ſelbſt problematiſch geworden, daß es die un-
mittelbare Beſtimmtheit, welche es im unmittelbaren
Urtheile hatte, und ſeinen beſtimmten Gegenſatz gegen
das Praͤdicat verlohren hat. — Jene auch in
dem Raͤſonement der gewoͤhnlichen Reflexion vorkom-
mende entgegengeſetzte Bedeutung des Subjectiven koͤnnte
fuͤr ſich wenigſtens darauf aufmerkſam machen, daß es
in einer derſelben keine Wahrheit hat. Die gedop-
pelte Bedeutung iſt die Erſcheinung hievon, daß jede ein-
zeln fuͤr ſich einſeitig iſt.


Das Problematiſche, ſo als problematiſches der
Sache, die Sache mit ihrer Beſchaffenheit, ge-
ſetzt, ſo iſt das Urtheil ſelbſt nicht mehr problematiſch,
ſondern apodiktiſch.


c.
Das apodiktiſche Urtheil.

Das Subject des apodiktiſchen Urtheils (das Haus
ſo und ſo beſchaffen iſt gut, die Handlung ſo und ſo
beſchaffen iſt recht,) hat an ihm erſtens das All-
gemeine, was es ſeyn ſoll, zweytens ſeine Be-
ſchaffenheit
; dieſe enthaͤlt den Grund, warum dem
ganzen Subject ein Praͤdicat des Begriffs-Urtheils
zukommt oder nicht, d. i. ob das Subject ſeinem Be-
griffe entſpricht oder nicht. — Dieſes Urtheil iſt nun
wahrhaft objectiv; oder es iſt die Wahrheit des
Urtheils uͤberhaupt. Subject und Praͤdicat entſpre-
chen ſich, und haben denſelben Inhalt, und dieſer
In-
[129]II.Kapitel. Das Urtheil.
Inhalt iſt ſelbſt die geſetzte concrete Allgemein-
heit
; er enthaͤlt nemlich die zwey Momente, das
objective Allgemeine oder die Gattung, und das
Vereinzelnte. Es iſt hier alſo das Allgemeine,
welches es ſelbſt iſt, und durch ſein Gegentheil
ſich continuirt, und als Einheit mit dieſem erſt All-
gemeines iſt. — Ein ſolches allgemeines, wie das Praͤ-
dicat: gut, paſſend, richtig u. ſ. w. hat ein Sollen
zu Grunde liegen, und enthaͤlt das Entſprechen des
Daſeyns zugleich; nicht jenes Sollen oder die Gat-
tung fuͤr ſich, ſondern diß Entſprechen iſt die All-
gemeinheit
, welche das Praͤdicat des apodiktiſchen
Urtheils ausmacht.


Das Subject enthaͤlt gleichfalls dieſe beyden Mo-
mente in unmittelbarer Einheit als die Sache.
Es iſt aber die Wahrheit derſelben, daß ſie in ſich ge-
brochen
iſt in ihr Sollen und ihr Seyn; diß iſt
das abſolute Urtheil uͤber alle Wirklich-
keit
. — Daß dieſe urſpruͤngliche Theilung, welche die
Allmacht des Begriffes iſt, eben ſo ſehr Ruͤckkehr in ſei-
ne Einheit und abſolute Beziehung des Sollens und
Seyns aufeinander iſt, macht das Wirkliche zu einer
Sache
; ihre innere Beziehung, dieſe concrete Identitaͤt,
macht die Seele der Sache aus.


Der Uebergang von der unmittelbaren Einfachheit
der Sache zu dem Entſprechen, welches die be-
ſtimmte
Beziehung ihres Sollens und ihres Seyns
iſt, — oder die Copula, zeigt ſich nun naͤher in der
beſondern Beſtimmtheit der Sache zu liegen. Die
Gattung iſt das an und fuͤr ſich ſeyende Allge-
meine, das inſofern als das unbezogene erſcheint; die
Beſtimmtheit aber dasjenige, was ſich in jener Allge-
meinheit in ſich, aber ſich zugleich in ein anderes
Jre-
[130]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
reflectirt. Das Urtheil hat daher an der Beſchaffenheit
des Subjects ſeinen Grund, und iſt dadurch apo-
diktiſch
. Es iſt damit nunmehr die beſtimmte und
erfuͤllte Copula vorhanden, die vorher in dem ab-
ſtracten Iſt beſtand, jetzt aber zum Grunde uͤber-
haupt ſich weiter gebildet hat. Sie iſt zunaͤchſt als
unmittelbare Beſtimmtheit an dem Subjecte, aber
iſt eben ſo ſehr die Beziehung auf das Praͤdicat, wel-
ches keinen andern Inhalt hat, als diß Entſpre-
chen ſelbſt, oder die Beziehung des Subjects auf die
Allgemeinheit.


So iſt die Form des Urtheils untergegangen, er-
ſtens, weil Subject und Praͤdicat an ſich derſelbe In-
halt ſind; aber zweytens, weil das Subject durch
ſeine Beſtimmtheit uͤber ſich hinausweiſt, und ſich auf
das Praͤdicat bezieht, aber ebenſo drittens iſt diß Be-
ziehen
in das Praͤdicat uͤbergegangen, macht nur deſ-
ſen Inhalt aus, und iſt ſo die geſetzte Beziehung
oder das Urtheil ſelbſt. — So iſt die concrete Identi-
taͤt des Begriffs, welche das Reſultat des disjuncti-
ven Urtheils war, und welche die innre Grundlage
des Begriffsurtheils ausmacht, im Ganzen hergeſtellt,
die zunaͤchſt nur im Praͤdicate geſetzt war.


Das Poſitive dieſes Reſultats, das den Uebergang
des Urtheils in eine andere Form macht, naͤher betrach-
tet, ſo zeigen ſich, wie wir geſehen, Subject und Praͤdi-
cat im apodiktiſchen Urtheile, jedes als der ganze Be-
griff. — Die Begriffseinheit iſt als die Beſtimmt-
heit
, welche die ſie beziehende Copula ausmacht, zu-
gleich von ihnen unterſchieden. Zunaͤchſt ſteht
ſie nur auf der andern Seite des Subjects, als deſſen
unmittelbare Beſchaffenheit. Aber indem ſie
weſentlich das Beziehende iſt, iſt ſie nicht nur ſolche
un-
[131]II.Kapitel. Das Urtheil.
unmittelbare Beſchaffenheit, ſondern das durch Subject
und Praͤdicat hindurch gehende, und Allgemei-
ne
. — Indem Subject und Praͤdicat denſelben Inhalt
haben, ſo iſt dagegen durch jene Beſtimmtheit die Form-
beziehung
geſetzt; die Beſtimmtheit als ein
Allgemeines
oder die Beſonderheit. — So
enthaͤlt ſie die beyden Formbeſtimmungen der Extreme
in ſich; und iſt die beſtimmte Beziehung des Sub-
jects und Praͤdicats; ſie iſt die erfuͤllte oder in-
haltsvolle Copula
des Urtheils, die aus dem Ur-
theil
, worin ſie in die Extreme verloren war, wie-
der hervorgetretene Einheit des Begriffs. — Durch
dieſe Erfuͤllung der Copula
iſt das Urtheil zum
Schluſſe geworden.


J 2Drit-
[132]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.

Drittes Kapitel.
Der Schluß.


Der Schluß hat ſich als die Wiederherſtellung
des Begriffes im Urtheile, und ſomit als die Ein-
heit und Wahrheit beyder ergeben. Der Begriff als
ſolcher haͤlt ſeine Momente in der Einheit aufgehoben;
im Urtheil iſt dieſe Einheit ein innerliches oder was
daſſelbe iſt, ein aͤuſſerliches, und die Momente ſind zwar
bezogen, aber ſie ſind als ſelbſtſtaͤndige Extreme
geſetzt. Im Schluſſe ſind die Begriffsbeſtimmungen
wie die Extreme des Urtheils, zugleich iſt die beſtimmte
Einheit derſelben geſetzt.


Der Schluß iſt ſomit der vollſtaͤndig geſetzte Be-
griff; er iſt daher das Vernuͤnftige. — Der Ver-
ſtand wird als das Vermoͤgen des beſtimmten Be-
griffes genommen, welcher durch die Abſtraction und
Form der Allgemeinheit fuͤr ſich feſtgehalten wird. In
der Vernunft aber ſind die beſtimmten Begriffe in
ihrer Totalitaͤt und Einheit geſetzt. Der Schluß
iſt daher nicht nur vernuͤnftig, ſondern Alles Ver-
nuͤnftige iſt ein Schluß
. Das Schlieſſen iſt von
langer Zeit her der Vernunft zugeſchrieben worden; auf
der andern Seite aber wird von der Vernunft an und
fuͤr ſich, vernuͤnftigen Grundſaͤtzen und Geſetzen ſo ge-
ſprochen, daß nicht erhellt, wie jene Vernunft, welche
ſchließt,
[133]III.Kapitel. Der Schluß.
ſchließt, und dieſe Vernunft, welche die Quelle von Ge-
ſetzen und ſonſtigen ewigen Wahrheiten und abſoluten
Gedanken iſt, mit einander zuſammenhaͤngen. Wenn
jene nur die formale Vernunft ſeyn, dieſe aber Inhalt
erzeugen ſoll, ſo muͤßte nach dieſem Unterſchiede an der
letztern gerade die Form der Vernunft, der Schluß, nicht
fehlen koͤnnen. Deſſen ungeachtet pflegen beyde ſo aus-
einander gehalten und bey keiner der andern erwaͤhnt
zu werden, daß die Vernunft abſoluter Gedanken gleich-
ſam ſich der Vernunft des Schluſſes zu ſchaͤmen, und
der Schluß faſt nur hergebrachtermaßen auch als ein
Thun der Vernunft aufgefuͤhrt zu werden ſcheint. Es
muß aber, wie ſo eben bemerkt worden, offenbar die lo-
giſche Vernunft, wenn ſie als die formelle betrachtet
wird, weſentlich auch in der Vernunft, die es mit ei-
nem Inhalte zu thun hat, zu erkennen ſeyn; ja viel-
mehr kann aller Inhalt, nur durch die vernuͤnftige Form,
vernuͤnftig ſeyn. An ein ſehr gewoͤhnliches Gerede von
Vernunft kann man ſich hieruͤber nicht wenden, denn
daſſelbe enthaͤlt ſich anzugeben, was denn unter der
Vernunft zu verſtehen ſey; dieſe vernuͤnftig ſeyn ſol-
lende Erkenntniß iſt meiſt mit ihren Gegenſtaͤnden ſo be-
ſchaͤftigt, daß ſie vergißt, die Vernunft ſelbſt zu erken-
nen, und ſie nur durch die Gegenſtaͤnde, die ſie habe,
unterſcheidet und bezeichnet. Wenn die Vernunft das
Erkennen ſeyn ſoll, welches von Gott, der Freyheit, dem
Recht und der Pflicht, dem Unendlichen, Unbedingten,
Ueberſinnlichen wiſſe, oder auch nur Vorſtellungen und
Gefuͤhle davon gebe, ſo ſind theils dieſe letztern nur
negative Gegenſtaͤnde, theils bleibt uͤberhaupt die erſte
Frage uͤbrig, was es in allen jenen Gegenſtaͤnden iſt,
um deſſen willen ſie vernuͤnftig ſind? — Es iſt diß, daß
das Unendliche derſelben nicht die leere Abſtraction vom
Endlichen und die Inhalts- und Beſtimmungsloſe Allge-
meinheit iſt, ſondern die erfuͤllte Allgemeinheit, der Be-
griff,
[134]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
griff, der beſtimmt iſt, und ſeine Beſtimmtheit auf
dieſe wahrhafte Weiſe an ihm hat, daß er ſich in ſich
unterſcheidet, und als die Einheit von dieſen ſeinen ver-
ſtaͤndigen und beſtimmten Unterſchieden iſt. Nur ſo er-
hebt
ſich die Vernunft uͤber das Endliche, Bedingte,
Sinnliche, oder wie es ſonſt beſtimmt werden mag, und
iſt in dieſer Negativitaͤt weſentlich Inhaltsvoll, denn
ſie iſt die Einheit als von beſtimmten Extremen; ſo aber
iſt das Vernuͤnftige nur der Schluß.


Zunaͤchſt iſt nun der Schluß, wie das Urtheil un-
mittelbar
; ſo ſind die Beſtimmungen (termini) deſſel-
ben einfache, abſtracte Beſtimmtheiten; es iſt ſo
Verſtandesſchluß. Wenn bey dieſer Geſtalt deſſel-
ben feſtgeblieben wird, ſo iſt freylich die Vernuͤnftigkeit
in ihm, ob zwar vorhanden, und geſetzt, unſcheinbar.
Das weſentliche deſſelben iſt die Einheit der Extre-
me, die ſie vereinigende Mitte und haltende Grund.
Die Abſtraction, indem ſie die Selbſtſtaͤndigkeit
der Extreme feſthaͤlt, ſetzt ihnen dieſe Einheit, als
eine eben ſo feſte fuͤr ſich ſeyende Beſtimmtheit ent-
gegen, und faßt dieſelbe auf dieſe Art vielmehr als
Nichteinheit, denn als Einheit. Der Ausdruck:
Mitte (medius terminus) iſt von raͤumlicher Vorſtel-
lung hergenommen, und traͤgt das ſeinige dazu bey,
daß beym Auſſereinander der Beſtimmungen ſtehen
geblieben wird. Wenn nun der Schluß darin be-
ſteht, daß die Einheit der Extreme in ihm geſetzt
iſt, wenn dieſe Einheit aber ſchlechthin einerſeits als ein
Beſonderes fuͤr ſich, andererſeits als nur aͤuſſerliche Be-
ziehung genommen, und zum weſentlichen Verhaͤltniſſe
des Schluſſes die Nichteinheit gemacht wird, ſo hilft
die Vernunft, die er iſt, nicht zur Vernuͤnftigkeit.


Der Schluß des Daſeyns erſtens, in wel-
chem die Beſtimmungen ſo unmittelbar und abſtract
be-
[135]III.Kapitel. Der Schluß.
beſtimmt ſind, zeigt an ihm ſelbſt, weil er, wie das Ur-
theil, die Beziehung derſelben iſt, diß auf, daß ſie nicht
ſolche abſtracte Beſtimmungen, ſondern jede die Be-
ziehung auf die andere
, und die Mitte nicht nur
die Beſonderheit gegen die Beſtimmungen der Extreme,
ſondern dieſe an ihr geſetzt enthaͤlt.


Durch dieſe ſeine Dialektik macht er ſich zum
Schluſſe der Reflexion, dem zweyten Schluſ-
ſe, — mit Beſtimmungen, als ſolchen, in welchen we-
ſentlich die andere ſcheint, oder die als vermit-
telte
geſetzt ſind, was ſie nach dem Schluſſe uͤber-
haupt ſeyn ſollen.


Drittens indem diß Scheinen oder Vermit-
teltſeyn ſich in ſich ſelbſt reflectirt, ſo iſt der Schluß als
Schluß der Nothwendigkeit beſtimmt, worin
das Vermittelnde die objective Natur der Sache iſt.
Indem dieſer Schluß die Extreme des Begriffs eben-
ſoſehr als Totalitaͤten beſtimmt, ſo iſt der Schluß zum
Entſprechen ſeines Begriffs oder der Mitte, und ſeines
Daſeyns oder der extremen Unterſchiede, zu ſeiner Wahr-
heit gelangt, und iſt damit aus der Subjectivitaͤt in die
Objectivitaͤt uͤbergetreten.


A.
Der Schluß des Daſeyns.

1. Der Schluß, wie er unmittelbar iſt, hat zu
ſeinen Momenten die Begriffsbeſtimmungen als un-
mittelbare
. Sie ſind ſomit die abſtracten Beſtimmt-
heiten der Form, welche noch nicht durch Vermittlung
zur
[136]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
zur Concretion gebildet, ſondern nur die einzelnen
Beſtimmtheiten ſind. Der erſte Schluß iſt daher der
eigentlich formelle. Der Formalismus des
Schlieſſens beſteht darin, bey der Beſtimmung dieſes
erſten Schluſſes ſtehen zu bleiben. Der Begriff in ſei-
ne abſtracten Momente dirimirt, hat die Einzeln-
heit
und Allgemeinheit zu ſeinen Extremen, und
er ſelbſt erſcheint als die zwiſchen ihnen ſtehende Be-
ſonderheit
. Sie ſind um ihrer Unmittelbarkeit wil-
len als ſich nur auf ſich beziehende Beſtimmtheiten, ins-
geſammt ein einzelner Inhalt. Die Beſonderheit
macht zunaͤchſt inſofern die Mitte aus, als ſie die
beyden Momente, der Einzelnheit und Allgemeinheit
unmittelbar in ſich vereinigt. Um ihrer Beſtimmt-
heit willen iſt ſie einerſeits unter das Allgemeine ſub-
ſumirt, andererſeits iſt das Einzelne, gegen welches
ſie Allgemeinheit hat, unter ſie ſubſumirt. Dieſe Con-
cretion
iſt aber zunaͤchſt nur eine Zweyſeitig-
keit
; um der Unmittelbarkeit willen, in der der Medius
Terminus in dem unmittelbaren Schluſſe iſt, iſt er als
einfache Beſtimmtheit, und die Vermittlung, die
er ausmacht, noch nicht geſetzt. Die dialektiſche
Bewegung des Schluſſes des Daſeyns, beſteht nun
darin, daß die Vermittlung, die den Schluß allein aus-
macht, an ſeinen Momenten geſetzt werde.


a.
Erſte Figur des Schluſſes.

E — B — A iſt das allgemeine Schema des be-
ſtimmten Schluſſes. Die Einzelnheit ſchließt ſich durch
die Beſonderheit mit der Allgemeinheit zuſammen; das
Einzelne iſt nicht unmittelbar allgemein, ſondern durch
die Beſonderheit; und umgekehrt iſt eben ſo das Allge-
meine
[137]III.Kapitel. Der Schluß.
meine nicht unmittelbar einzeln, ſondern es laͤßt ſich
durch die Beſonderheit dazu herab. — Dieſe Beſtimmun-
gen ſtehen als Extreme einander gegenuͤber, und ſind
in einem verſchiedenen Dritten eins. Sie ſind beyde
Beſtimmtheit; darin ſind ſie identiſch; dieſe ihre all-
gemeine Beſtimmtheit iſt die Beſonderheit. Sie ſind
aber eben ſo Extreme gegen dieſe, als gegen einander,
weil jedes in ſeiner unmittelbaren Beſtimmtheit iſt.


Die allgemeine Bedeutung dieſes Schluſſes iſt, daß
das Einzelne, das als ſolches unendliche Beziehung auf
ſich iſt, und ſomit nur ein innres waͤre, durch die
Beſonderheit in das Daſeyn, als in die Allgemein-
heit, heraustritt, worin es nicht mehr nur ſich ſelbſt an-
gehoͤrt, ſondern in aͤuſſerem Zuſammenhange
ſteht; umgekehrt indem das Einzelne ſich in ſeine Be-
ſtimmtheit als Beſonderheit abſcheidet, ſo iſt es in die-
ſer Trennung ein concretes, und als Beziehung der Be-
ſtimmtheit auf ſich ſelbſt, ein allgemeines, ſich auf
ſich beziehendes, und ſomit auch ein wahrhaft einzelnes;
es iſt in dem Extreme der Allgemeinheit aus der Aeuſ-
ſerlichkeit in ſich gegangen. — Die objective Bedeutung
des Schluſſes iſt in dem erſten Schluſſe nur erſt ober-
flaͤchlich
vorhanden, indem darin die Beſtimmungen
noch nicht als die Einheit, welche das Weſen des Schluſ-
ſes ausmacht, geſetzt ſind. Inſofern iſt er noch ein
ſubjectives, als die abſtracte Bedeutung, welche ſeine
Termini haben, nicht an und fuͤr ſich, ſondern nur im
ſubjectiven Bewußtſeyn, ſo iſolirt iſt. — Uebrigens iſt
das Verhaͤltniß von Einzelnheit, Beſonderheit und All-
gemeinheit, wie ſich ergeben, das nothwendige und
weſentliche Form-Verhaͤltniß
der Beſtimmungen
des Schluſſes; der Mangel beſteht nicht in dieſer Be-
ſtimmtheit der Form, ſondern daß nicht unter dieſer
Form
, jede einzelne Beſtimmung zugleich reicher
iſt.
[138]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
iſt. — Ariſtoteles hat ſich mehr an das bloſſe Ver-
haͤltniß der Inhaͤrenz gehalten, indem er die Natur
des Schluſſes ſo angibt: Wenn drey Beſtimmun-
gen ſich ſo zu einander verhalten, daß das
eine Extrem in der ganzen mittlern Beſtim-
mung iſt, und dieſe mittlere Beſtimmung in
dem ganzen andern Extrem, ſo ſind dieſe
beyden Extreme nothwendig zuſammenge-
ſchloſſen
. Es iſt hier mehr nur die Wiederholung
des gleichen Verhaͤltniſſes der Inhaͤrenz des ei-
nen Extrems zur Mitte, und dieſer wieder zum andern
Extrem ausgedruͤckt, als die Beſtimmtheit der drey Ter-
minorum zu einander. — Indem nun auf der ange-
gebenen Beſtimmtheit derſelben gegeneinander der Schluß
beruht, ſo zeigt ſich ſogleich, daß andere Verhaͤltniſſe der
Terminorum, welche die andern Figuren geben, nur in-
ſofern eine Guͤltigkeit als Verſtandesſchluͤſſe haben koͤn-
nen, als ſie ſich auf jenes urſpruͤngliche Verhaͤltniß zu-
ruͤckfuͤhren
laſſen; es ſind nicht verſchiedene Ar-
ten
von Figuren, die neben der erſten ſtehen, ſon-
dern einerſeits inſofern ſie richtige Schluͤſſe ſeyn ſollen,
beruhen ſie nur auf der weſentlichen Form des Schluſ-
ſes uͤberhaupt, welches die erſte Figur iſt; andererſeits
aber inſofern ſie davon abweichen, ſind ſie Umformun-
gen, in welche jene erſte abſtracte Form nothwendig
uͤbergeht, und ſich dadurch weiter und zur Totalitaͤt
beſtimmt. Es wird ſich ſogleich naͤher ergeben, welche
Bewandniß es damit hat.


E — B — A, iſt alſo das allgemeine Schema des
Schluſſes in ſeiner Beſtimmtheit. Das Einzelne iſt un-
ter das Beſondere ſubſumirt, dieſes aber unter das All-
gemeine; daher iſt auch das [Einzelne] unter das Allge-
meine ſubſumirt. Oder dem Einzelnen inhaͤrirt das
Beſondre, dem Beſondern aber das Allgemeine; daher
in-
[139]III.Kapitel. Der Schluß.
inhaͤrirt dieſes auch dem Einzelnen. Das Beſondere iſt
nach der einen Seite, nemlich gegen das Allgemeine,
Subject; gegen das Einzelne iſt es Praͤdicat; oder gegen
jenes iſt es Einzelnes, gegen dieſes iſt es Allgemeines.
Weil in ihm die beyden Beſtimmtheiten vereinigt ſind,
ſind die Extreme durch dieſe ihre Einheit zuſammenge-
ſchloſſen. Das: Daher, erſcheint als die im Sub-
jecte
vorgegangene Folgerung, welche aus der ſub-
jectiven
Einſicht in das Verhaͤltniß der beyden un-
mittelbaren
Praͤmiſſen abgeleitet werde. Indem
die ſubjective Reflexion die beyden Beziehungen der
Mitte auf die Extreme, als beſondere und zwar unmit-
telbare Urtheile oder Saͤtze ausſpricht, ſo iſt der
Schlußſatz, als die vermittelte Beziehung, aller-
dings auch ein beſonderer Satz, und das: Daher
oder Alſo iſt der Ausdruck, daß er der vermittelte iſt.
Diß Daher iſt aber nicht als eine an dieſem Satze-
aͤuſſerliche Beſtimmung, welche nur ihren Grund und
Sitz in der ſubjectiven Reflexion haͤtte, zu betrachten,
ſondern vielmehr als in der Natur der Extreme ſelbſt
gegruͤndet, deren Beziehung nur zum Behuf und
durch die abſtrahirende Reflexion wieder als bloſſes
Urtheil
oder Satz ausgeſprochen wird, deren wahr-
hafte Beziehung
aber als der Terminus Medius
geſetzt iſt. — Alſo E iſt A, daß diß ein Urtheil
iſt, iſt ein bloß ſubjectiver Umſtand; der Schluß iſt eben
dieſes, daß diß nicht bloß ein Urtheil ſey, d. h. nicht
eine durch die bloſſe Copula oder das leere: iſt,
gemachte Beziehung, ſondern durch die beſtimmte, in-
haltsvolle Mitte.


Wenn deßwegen der Schluß bloß angeſehen wird,
als aus drey Urtheilen beſtehend, ſo iſt diß eine
formelle Anſicht, welche das Verhaͤltniß der Beſtimmun-
gen, worauf es im Schluß einzig ankommt, nicht er-
waͤhnt.
[140]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
waͤhnt. Es iſt uͤberhaupt eine bloß ſubjective Reflexion,
welche die Beziehung der Terminorum in abgeſonderte
Praͤmiſſen und einen davon verſchiedenen Schlußſatz
trennt:
Alle Menſchen ſind ſterblich,
Cajus iſt ein Menſch
Alſo iſt er ſterblich.

Man wird ſogleich von Langeweile befallen, wenn
man einen ſolchen Schluß heranziehen hoͤrt; — diß ruͤhrt
von jener unnuͤtzen Form her, die einen Schein von
Verſchiedenheit durch die abgeſonderten Saͤtze gibt, der
ſich in der Sache ſelbſt ſogleich aufloͤſt. Das Schlieſ-
ſen erſcheint, vornemlich durch dieſe ſubjective Geſtal-
tung als ein ſubjectiver Nothbehelf, zu dem die Ver-
nunft oder der Verſtand da ihre Zuflucht nehme, wo ſie
nicht unmittelbar erkennen koͤnne. — Die Natur der
Dinge, das Vernuͤnftige, geht allerdings nicht ſo zu
Werke, daß ſich zuerſt ein Oberſatz aufſtellte, die Bezie-
hung einer Beſonderheit auf ein beſtehendes Allgemeines,
und dann ſich zweytens eine abgeſonderte Beziehung einer
Einzelnheit auf die Beſonderheit vorfaͤnde, woraus end-
lich drittens ein neuer Satz zu Tage kaͤme. — Diß durch
abgeſonderte Saͤtze fortſchreitende Schlieſſen iſt nichts
als eine ſubjective Form; die Natur der Sache iſt, daß
die unterſchiedenen Begriffsbeſtimmungen der Sache in
der weſentlichen Einheit vereinigt ſind. Dieſe Ver-
nuͤnftigkeit iſt nicht ein Nothbehelf, vielmehr iſt ſie gegen
die Unmittelbarkeit der Beziehung, die im Ur-
theil
noch Statt findet, das Objective, und jene
Unmittelbarkeit des Erkennens iſt vielmehr das bloß
Subjective, der Schluß dagegen iſt die Wahrheit des
Urtheils. — Alle Dinge ſind der Schluß, ein Allge-
meines, das durch die Beſonderheit mit der Einzelnheit
zuſammengeſchloſſen iſt; aber freylich ſind ſie nicht aus
drey Saͤtzen beſtehende Ganzes.


2. In
[141]III.Kapitel. Der Schluß.

2. In dem unmittelbaren Verſtandesſchluß ha-
ben die Termini die Form von unmittelbaren Be-
ſtimmungen
; von dieſer Seite, nach der ſie In-
halt
ſind, iſt er nun zu betrachten. Er kann in-
ſofern als der qualitative Schluß angeſehen, wie
das Urtheil des Daſeyns, dieſelbe Seite von qualita-
tiver Beſtimmung hat. Die Termini dieſes Schluſ-
ſes, ſind, wie die Termini jenes Urtheils, hiedurch
einzelne Beſtimmtheiten; indem die Beſtimmtheit
durch ihre Beziehung auf ſich, als gleichguͤltig gegen die
Form, ſomit als Inhalt geſetzt iſt. Das Einzelne iſt
irgend ein unmittelbarer concreter Gegenſtand, die Be-
ſonderheit
eine einzelne von deſſen Beſtimmtheiten,
Eigenſchaften, oder Verhaͤltniſſen, die Allgemeinheit
wieder eine noch abſtractere, einzelnere Beſtimmtheit an
dem Beſondern. — Da das Subject als ein unmit-
telbar
beſtimmtes noch nicht in ſeinem Begriffe geſetzt
iſt, ſo iſt ſeine Concretion nicht auf die weſentlichen Be-
griffsbeſtimmungen zuruͤckgefuͤhrt; ſeine ſich auf ſich be-
ziehende Beſtimmtheit iſt daher unbeſtimmte, unendliche
Mannichfaltigkeit. Das Einzelne hat in dieſer
Unmittelbarkeit eine unendliche Menge von Beſtimmthei-
ten, welche zu ſeiner Beſonderheit gehoͤren, deren jede
daher einen Medius Terminus fuͤr daſſelbe in einem
Schluſſe ausmachen kann. Durch jeden andern Me-
dius Terminus aber ſchließt es ſich mit einem an-
dern Allgemeinen
zuſammen; durch jede ſeiner Ei-
genſchaften iſt es in einer andern Beruͤhrung und Zu-
ſammenhange des Daſeyns. — Ferner iſt auch der Me-
dius Terminus ein Concretes in Vergleichung gegen das
Allgemeine; er enthaͤlt ſelbſt mehrere Praͤdicate, und
das Einzelne kann durch denſelben Medius Terminus
wieder mit mehrern Allgemeinen zuſammengeſchloſſen
werden. Es iſt daher uͤberhaupt voͤllig zufaͤllig
und willkuͤhrlich, welche der vielen Eigenſchaften
eines
[142]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
eines Dinges aufgefaßt, und von der aus es mit einem
Praͤdicate verbunden werde; andere Medii Termini ſind
die Uebergaͤnge zu andern Praͤdicaten, und ſelbſt derſelbe
Medius Terminus mag fuͤr ſich ein Uebergang zu ver-
ſchiedenen Praͤdicaten ſeyn, da er als Beſonderes gegen
das Allgemeine mehrere Beſtimmungen enthaͤlt.


Nicht nur aber iſt fuͤr ein Subject eine unbe-
ſtimmte Menge von Schluͤſſen gleich moͤglich, und ein
einzelner Schluß ſeinem Inhalte nach zufaͤllig, ſon-
dern dieſe Schluͤſſe, die daſſelbe Subject betreffen, muͤſſen
auch in den Widerſpruch uͤbergehen. Denn der Un-
terſchied uͤberhaupt, der zunaͤchſt gleichguͤltige Ver-
ſchiedenheit
iſt, iſt eben ſo weſentlich Entgegen-
ſetzung
. Das Concrete iſt nicht mehr ein bloß erſchei-
nendes, ſondern es iſt concret durch die Einheit der
Entgegengeſetzten, welche ſich zu Begriffsmomenten be-
ſtimmt haben, im Begriffe. Indem nun nach der quali-
tativen Natur der Terminorum, im formellen Schluſſe,
das Concrete nach einer einzelnen der Beſtimmungen
aufgefaßt wird, die ihm zukommt, ſo theilt ihm der
Schluß das dieſem Medius Terminus correſpondirende
Praͤdicat zu; aber indem von einer andern Seite auf die
entgegengeſetzte Beſtimmtheit geſchloſſen wird, ſo zeigt
ſich jener Schlußſatz dadurch als falſch, obgleich fuͤr ſich
deſſen Praͤmiſſen und eben ſo deſſen Conſequenz ganz rich-
tig ſind. — Wenn aus dem Medius Terminus, daß eine
Wand blau angeſtrichen worden, geſchloſſen wird, daß
ſie hiemit blau iſt, ſo iſt diß richtig geſchloſſen; aber
die Wand kann dieſes Schluſſes unerachtet gruͤn ſeyn,
wenn ſie auch mit gelber Farbe uͤberzogen worden, aus
welchem letztern Umſtande fuͤr ſich folgen wuͤrde, daß ſie
gelb ſey. — Wenn aus dem Medius Terminus der
Sinnlichkeit geſchloſſen wird, daß der Menſch weder gut
noch boͤſe ſey, weil vom Sinnlichen weder das eine noch
das
[143]III.Kapitel. Der Schluß.
das andere praͤdicirt werden kann, ſo iſt der Schluß
richtig, der Schlußſatz aber falſch; weil vom Menſchen,
als dem Concreten ebenſoſehr auch der Medius Terminus
der Geiſtigkeit gilt. — Aus dem Medius Terminus der
Schwere der Planeten, Trabanten und Cometen gegen
die Sonne folgt richtig, daß dieſe Koͤrper in die Sonne
fallen; aber ſie fallen nicht in ſie, da ſie ebenſoſehr fuͤr
ſich ein eigenes Centrum der Schwere ſind, oder, wie
man es nennt, von der Centrifugalkraft getrieben wer-
den. So wie aus dem Medius Terminus der Sociali-
taͤt die Guͤtergemeinſchaft der Buͤrger gefolgert werden
kann; aus dem Medius Terminus der Individualitaͤt
aber, wenn er ebenſo abſtract verfolgt wird, die Aufloͤ-
ſung des Staates folgt, wie ſie z. B. im deutſchen Reich
erfolgt iſt, indem ſich an letztern Medius Terminus ge-
halten worden. — Es wird billig nichts fuͤr ſo unzurei-
chend gehalten, als ein ſolcher formeller Schluß, weil
er auf dem Zufall oder der Willkuͤhr beruht, welcher
Medius Terminus gebraucht wird. Wenn eine ſolche
Deduction noch ſo ſchoͤn durch Schluͤſſe ſich verlauffen hat,
und ihre Richtigkeit voͤllig zuzugeben iſt, ſo fuͤhrt diß
noch im geringſten zu nichts, indem es immer uͤbrig
bleibt, daß noch andere Medii Termini ſich finden, aus
denen das gerade Gegentheil ebenſo richtig abgeleitet
werden kann. — Die Kantiſchen Antinomieen der
Vernunft ſind nichts anderes, als daß aus einem Be-
griffe einmal die eine Beſtimmung deſſelben zu Grunde
gelegt wird, das andremal aber eben ſo nothwendig die
andere. — Dieſe Unzureichenheit und Zufaͤlligkeit eines
Schluſſes muß dabey nicht inſofern bloß auf den In-
halt geſchoben werden, als ob ſie von der Form unab-
haͤngig ſey, und dieſe allein die Logik angehe. Es liegt
vielmehr in der Form des formalen Schluſſes, daß der
Inhalt eine ſo einſeitige Qualitaͤt iſt; er iſt zu dieſer
Einſeitigkeit durch jene abſtracte Form beſtimmt. Er
iſt
[144]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
iſt naͤmlich eine einzelne Qualitaͤt von den vielen Quali-
taͤten oder Beſtimmungen eines concreten Gegenſtandes,
oder Begriffs, weil er nach der Form nicht weiter
als eine ſo unmittelbare, einzelne Beſtimmtheit ſeyn ſoll.
Das Extrem der Einzelnheit iſt als die abſtracte
Einzelnheit
, das unmittelbare Concrete, daher
das unendlich oder unbeſtimmbar Mannichfaltige; die
Mitte iſt die ebenſo abſtracte Beſonderheit, da-
her eine einzelne dieſer mannichfaltigen Qualitaͤten,
und ebenſo das andre Extrem iſt das abſtracte All-
gemeine
. Der formale Schluß iſt daher weſentlich um
ſeiner Form willen ein ſeinem Inhalte nach ganz Zufaͤl-
liges; und zwar nicht inſofern, daß es fuͤr den Schluß
zufaͤllig ſey, ob ihm dieſer oder ein anderer Gegen-
ſtand unterworfen werde; von dieſem Inhalte abſtrahirt
die Logik; ſondern inſofern ein Subject zu Grunde liegt,
iſt es zufaͤllig, was der Schluß von ihm fuͤr Inhalts-
Beſtimmungen folgere.


3. Die Beſtimmungen des Schluſſes ſind nach der
Seite Inhaltsbeſtimmungen, inſofern ſie unmittelbare,
abſtracte, in ſich reflectirte Beſtimmungen ſind. Das
Weſentliche derſelben aber iſt vielmehr, daß ſie nicht
ſolche in ſich reflectirte, gegen einander gleichguͤltige,
ſondern daß ſie Form beſtimmungen ſind; inſofern
ſind ſie weſentlich Beziehungen. Dieſe Beziehungen
ſind erſtens die der Extreme auf die Mitte, — Bezie-
hungen welche unmittelbar ſind; die propoſitiones
praemiſſae,
und zwar theils die des Beſondern auf das
Allgemeine, propoſitio major; theils die des Einzelnen
auf das Beſondere, propoſitio minor.Zweytens iſt
die Beziehung der Extreme auf einander vorhanden,
welches die Vermittelte iſt, concluſio. Jene un-
mittelbaren
Beziehungen, die Praͤmiſſen, ſind Saͤtze
oder Urtheile uͤberhaupt, und widerſprechen der
Na-
[145]III.Kapitel. Der Schluß.
Natur des Schluſſes, nach welcher die unterſchie-
denen Begriffsbeſtimmungen nicht unmittelbar bezogen,
ſondern eben ſo deren Einheit geſetzt ſeyn ſoll; die Wahr-
heit des Urtheils iſt der Schluß. Unmittelbare Bezie-
hungen koͤnnen die Praͤmiſſen um ſo weniger bleiben, als
ihr Inhalt unmittelbar unterſchiedene Beſtimmun-
gen, ſie alſo nicht unmittelbar an und fuͤr ſich identiſch
ſind; auſſer ſie ſeyen reine identiſche Saͤtze, d. i. leere
zu nichts fuͤhrende Tavtologien.


Die Foderung an die Praͤmiſſen lautet daher ge-
woͤhnlich, ſie ſollen bewieſen, d. h. ſie ſollen
gleichfalls als Schlußſaͤtze dargeſtellt
wer-
den. Die zwey Praͤmiſſen geben ſomit zwey weitere
Schluͤſſe. Aber dieſe zwey neuen Schluͤſſe geben wie-
der zuſammen vier Praͤmiſſen, welche vier neue
Schluͤſſe erfodern; dieſe haben acht Praͤmiſſen, deren
acht Schluͤſſe wieder fuͤr ihre ſechszehn Praͤmiſſen
ſechszehn Schluͤſſe geben, und ſofort in einer geo-
metriſchen Progreſſion ins unendliche.


Es thut ſich hier alſo der Progreß ins Un-
endliche
wieder hervor, der in der niedrigern Sphaͤ-
re des Seyns
fruͤher vorkam, und der im Felde des
Begriffes, der abſoluten Reflexion aus dem Endlichen in
ſich, im Gebiete der freyen Unendlichkeit und Wahrheit,
nicht mehr zu erwarten war. Es iſt in der Sphaͤre des
Seyns gezeigt worden, daß wo die ſchlechte Unendlich-
keit, die in den Progreß hinauslaͤuft, ſich hervorthut,
der Widerſpruch eines qualitativen Seyns, und
eines daruͤber hinausgehenden, unmaͤchtigen Sol-
lens
vorhanden iſt; der Progreß ſelbſt iſt die Wieder-
hohlung der gegen das Qualitative eingetretenen Fode-
rung der Einheit, und des beſtaͤndigen Ruͤckfalls in die
der Foderung nicht gemaͤſſe Schranke. Im formalen
Schluße nun iſt die unmittelbare Beziehung oder
Kdas
[146]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
das qualitative Urtheil die Grundlage, und die Ver-
mittlung
des Schluſſes, das als die hoͤhere Wahrheit
dagegen geſetzte. Das ins unendliche fortgehende Be-
weiſen der Praͤmiſſen loͤſt jenen Widerſpruch nicht, ſon-
dern erneuert ihn nur immer, und iſt die Wiederhohlung
eines und deſſelben urſpruͤnglichen Mangels. — Die
Wahrheit des unendlichen Progreſſes iſt vielmehr, daß
er ſelbſt und die durch ihn ſchon als mangelhaft beſtimm-
te Form aufgehoben werde. — Dieſe Form iſt die
der Vermittlung als E — B — A. Die beyden Be-
ziehungen E — B und B — A ſollen vermittelte ſeyn;
geſchieht diß auf dieſelbe Weiſe, ſo wird nur die man-
gelhafte Form E — B — A verzweifacht, und ſo ins
unendliche fort. B hat zu E auch die Formbeſtimmung
eines Allgemeinen, und zu A die Formbeſtimmung
eines Einzelnen, weil dieſe Beziehungen uͤberhaupt
Urtheile ſind. Sie beduͤrfen daher der Vermittlung,
durch jene Geſtalt derſelben tritt aber nur das Verhaͤlt-
niß wieder ein, das aufgehoben werden ſoll.


Die Vermittlung muß daher auf eine andere Weiſe
geſchehen. Fuͤr die Vermittlung von B — A iſt E vor-
handen; es muß daher die Vermittlung die Geſtalt
B — E — A
erhalten. E — B zu vermitteln iſt A vorhanden; dieſe
Vermittlung wird daher zum Schluſſe:
E — A — B.


Dieſen Uebergang naͤher ſeinem Begriffe nach be-
trachtet, ſo iſt erſtlich die Vermittlung des formalen
Schluſſes nach ſeinem Inhalte, wie vorhin gezeigt
worden, zufaͤllig. Das unmittelbare Einzelne hat
an ſeinen Beſtimmtheiten eine unbeſtimmbare Menge
von Mediis Terminis, und dieſe haben wieder eben ſo
viele Beſtimmtheiten uͤberhaupt; ſo daß es ganz in ei-
ner aͤuſſerlichen Willkuͤhr, oder uͤberhaupt in einem
aͤuſ-
[147]III.Kapitel. Der Schluß.
aͤuſſerlichen Umſtande und zufaͤlligen Beſtimmung
liegt, mit was fuͤr einem Allgemeinen das Subject des
Schluſſes zuſammengeſchloſſen werden ſoll. Die Ver-
mittlung iſt daher dem Inhalte nach nichts nothwendi-
ges, noch allgemeines, ſie iſt nicht im Begriffe der
Sache
gegruͤndet; der Grund des Schluſſes iſt viel-
mehr das an ihr Aeuſſerliche, d. i. das Unmittelbare;
das Unmittelbare aber iſt unter den Begriffsbeſtimmun-
gen das Einzelne.


In Anſehung der Form hat eben ſo die Vermitt-
lung
zu ihrer Vorausſetzung die Unmittelbar-
keit der Beziehung
; jene iſt daher ſelbſt vermittelt,
und zwar durch das Unmittelbare, d. i. das Ein-
zelne
. — Naͤher iſt durch den Schlußſatz des erſten
Schluſſes das Einzelne zum Vermittelnden geworden.
Der Schlußſatz iſt E — A; das Einzelne iſt
hiedurch als Allgemeines geſetzt. In der einen
Praͤmiſſe, dem Unterſatze E — B iſt es ſchon als Be-
ſonderes
; es iſt ſomit als das, in welchem dieſe
beyde Beſtimmungen vereinigt ſind. — Oder der Schluß-
ſatz an und fuͤr ſich druͤckt das Einzelne als Allgemeines
aus; und zwar nicht auf eine unmittelbare Weiſe, ſon-
dern durch die Vermittlung; alſo als eine nothwendige
Beziehung. Die einfache Beſonderheit war Medius
Terminus; im Schlußſatze iſt dieſe Beſonderheit, ent-
wickelt
als die Beziehung des Einzelnen und
Allgemeinheit geſetzt
. Aber noch iſt das Allge-
meine eine qualitative Beſtimmtheit, Praͤdicat des Ein-
zelnen
; indem das Einzelne als allgemeines beſtimmt
iſt, iſt es geſetzt als die Allgemeinheit der Extreme
oder als Mitte; es iſt fuͤr ſich Extrem der Einzelnheit,
aber weil es nunmehr als Allgemeines beſtimmt iſt, iſt
es zugleich die Einheit beyder Extreme.


K 2b. Die
[148]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
b.
Die zweyte Figur: B — E — A.

1. Die Wahrheit des erſten qualitativen Schluſ-
ſes iſt, daß Etwas mit einer qualitativen Beſtimmtheit
als einer allgemeinen nicht an und fuͤr ſich zuſammen-
geſchloſſen iſt, ſondern durch eine Zufaͤlligkeit, oder in
einer Einzelnheit. Das Subject des Schluſſes iſt
in ſolcher Qualitaͤt nicht in ſeinen Begriff zuruͤckgekehrt,
ſondern nur in ſeiner Aeuſſerlichkeit begriffen; die
Unmittelbarkeit macht den Grund der Beziehung, ſomit
die Vermittlung aus; inſofern iſt das Einzelne in Wahr-
heit die Mitte.


Ferner aber iſt die Schlußbeziehung die Aufhe-
bung
der Unmittelbarkeit; der Schlußſatz iſt nicht eine
unmittelbare Beziehung, ſondern als durch ein Drittes;
er enthaͤlt daher eine negative Einheit; die Vermitt-
lung iſt daher nunmehr beſtimmt, ein negatives Mo-
ment in ſich zu enthalten.


In dieſem zweyten Schluſſe ſind die Praͤmiſſen:
B — E, und E — A; nur die erſtere dieſer Praͤmiſ-
ſen iſt noch eine unmittelbare; die zweyte E — A iſt
ſchon eine Vermittelte, nemlich nur den erſten Schluß;
der zweyte Schluß ſetzt daher den erſten voraus; ſo wie
umgekehrt der erſte den zweyten vorausſetzt. — Die
beyden Extreme ſind hierin als Beſonderes und Allge-
meines gegeneinander beſtimmt; das letztere hat inſo-
fern noch ſeine Stelle; es iſt Praͤdicat; aber das
Beſondere hat die ſeinige vertauſcht, es iſt Subject,
oder unter der Beſtimmung des Extrems der
Einzelnheit geſetzt
, ſo wie das Einzelne mit
der Beſtimmung der Mitte
oder der Beſonderheit
geſetzt iſt. Beyde ſind daher nicht mehr die abſtracten
Un-
[149]III.Kapitel. Der Schluß.
Unmittelbarkeiten, welche ſie im erſten Schluſſe waren.
Sie ſind jedoch noch nicht als Concrete geſetzt; daß je-
des an der Stelle des andern ſteht, dadurch iſt es in
ſeiner eigenen und zugleich, jedoch nur aͤuſſerlich,
in der andern Beſtimmung geſetzt.


Der beſtimmte und objective Sinn dieſes
Schluſſes iſt, daß das Allgemeine nicht an und fuͤr
ſich
ein beſtimmtes Beſonderes iſt; denn es iſt viel-
mehr die Totalitaͤt ſeiner Beſondern; ſondern ſo eine
ſeiner Arten iſt durch die Einzelnheit; die andern
ſeiner Arten ſind durch die unmittelbare Aeuſſerlichkeit
von ihm ausgeſchloſſen. Andererſeits iſt das Beſondere
eben ſo nicht unmittelbar und an und fuͤr ſich das All-
gemeine, ſondern die negative Einheit ſtreift ihm die
Beſtimmtheit ab, und erhebt es dadurch in die Allge-
meinheit. — Die Einzelnheit verhaͤlt ſich inſofern zum
Beſondern negativ, als ſie deſſen Praͤdicat ſeyn ſoll;
es iſt nicht Praͤdicat des Beſondern.


2. Zunaͤchſt aber ſind die Termini noch unmittel-
bare Beſtimmtheiten; ſie haben ſich durch ſich ſelbſt zu
keiner objectiven Bedeutung fortgebildet; die veraͤnderte
Stellung, welche zwey derſelben erhalten, iſt die
Form, die nur erſt aͤuſſerlich an ihnen iſt; ſie ſind da-
her noch wie im erſten Schluſſe uͤberhaupt ein gegen-
einander gleichguͤltiger Inhalt; zwey Qualitaͤten, die nicht
an und fuͤr ſich ſelbſt, ſondern durch eine zufaͤllige Ein-
zelnheit verknuͤpft ſind.


Der Schluß der erſten Figur, war der unmittel-
bare
, oder ebenſoſehr der Schluß, inſofern er in ſei-
nem Begriffe als abſtracte Form iſt, die ſich an
ihren Beſtimmungen noch nicht realiſirt hat. Indem
dieſe reine Form in eine andere Figur uͤbergegangen, iſt
diß
[150]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
diß einerſeits die begonnene Realiſation des Begriffs,
indem das negative Moment der Vermittlung und da-
durch eine weitere Formbeſtimmtheit an der zunaͤchſt un-
mittelbaren, qualitativen Beſtimmtheit der Terminorum
geſetzt wird. — Zugleich iſt diß aber ein Anders-
werden
der reinen Form des Schluſſes; er entſpricht
ihr nicht mehr vollſtaͤndig, und die an ſeinen Terminis
geſetzte Beſtimmtheit iſt verſchieden von jener urſpruͤng-
lichen Formbeſtimmung. — Inſofern er nur als ein
ſubjectiver Schluß betrachtet wird, der in einer aͤuſſern
Reflexion vor ſich geht, ſo gilt er als eine Art des
Schluſſes, welche der Gattung, nemlich dem allgemeinen
Schema E — B — A entſprechen ſollte. Dieſem ent-
ſpricht er aber zunaͤchſt nicht; die zwey Praͤmiſſen deſ-
ſelben ſind B — E, oder E — B und E — A; der Me-
dius Terminus iſt daher beydemal ſubſumirt, oder bey-
demal Subject, dem alſo die beyden andern Termini in-
haͤriren; alſo nicht eine Mitte, die das einemal ſubſu-
mirend oder Praͤdicat, und das andremal ſubſumirt oder
Subject ſeyn, oder der der eine Terminus inhaͤriren, die
aber ſelbſt dem andern inhaͤriren ſoll. — Daß dieſer
Schluß nicht der allgemeinen Form des Schluſſes ent-
ſpricht, hat den wahrhaften Sinn, daß dieſe in ihn
uͤbergegangen iſt, indem ihre Wahrheit darin beſteht,
ein ſubjectives zufaͤlliges Zuſammenſchlieſſen zu ſeyn.
Wenn der Schlußſatz in der zweyten Figur, (nemlich
ohne die gleich zu erwaͤhnende Beſchraͤnkung, die ihn zu
etwas unbeſtimmtem macht, zu Huͤlfe zu nehmen,) richtig
iſt, ſo iſt er es, weil er es fuͤr ſich iſt, nicht weil er
Schlußſatz dieſes Schluſſes iſt. Aber daſſelbe iſt der
Fall bey dem Schlußſatze der erſten Figur; dieſe ſeine
Wahrheit iſt es, die durch die zweyte Figur geſetzt iſt. —
In der Anſicht, daß die zweyte Figur nur eine Art
ſeyn ſoll, wird der nothwendige Uebergang der erſten in
dieſe zweyte Form uͤberſehen, und bey jener als wahr-
haf-
[151]III.Kapitel. Der Schluß.
hafter Form ſtehen geblieben. Inſofern daher in der
zweyten Figur (welche aus alter Gewohnheit, ohne wei-
tern Grund, als die dritte aufgefuͤhrt wird) gleich-
falls ein in dieſem ſubjectiven Sinne richtiger Schluß
Statt finden ſoll, ſo muͤßte er dem erſten angemeſſen
ſeyn, ſomit da die eine Praͤmiſſe E — A das Verhaͤlt-
niß der Subſumtion des Medius Terminus unter das
eine Extrem hat, ſo muͤßte die andre Praͤmiſſe B — E
das entgegengeſetzte Verhaͤltniß, das ſie hat, erhalten,
und B unter E ſubſumirt werden koͤnnen. Ein ſolches
Verhaͤltniß aber waͤre die Aufhebung des beſtimmten Ur-
theils: E iſt B, und koͤnnte nur in einem unbeſtimmten
Urtheile Statt finden, — in einem particulaͤren; daher
der Schlußſatz in dieſer Figur nur particulaͤr ſeyn kann.
Das particulaͤre Urtheil iſt aber, wie oben bemerkt,
ſowohl poſitiv als negativ; — ein Schlußſatz, dem da-
her eben kein groſſer Werth zugeſchrieben werden kann. —
Inſofern auch das Beſondere und Allgemeine die Extre-
me, und unmittelbare, gleichguͤltige Beſtimmtheiten gegen
einander ſind, ſo iſt ihr Verhaͤltniß ſelbſt gleichguͤltig;
es kann beliebig die eine oder die andere als Terminus
Major oder Minor, daher auch die eine oder die an-
dere Praͤmiſſe als Ober- oder als Unterſatz genommen
werden.


3. Der Schlußſatz, indem er ebenſoſehr poſitiv als
negativ iſt, iſt ſomit eine gegen dieſe Beſtimmtheiten
gleichguͤltige, ſomit allgemeine Beziehung. Naͤher
betrachtet, ſo war die Vermittlung des erſten Schluſſes
an ſich eine zufaͤllige; in dem zweyten iſt dieſe Zufaͤl-
ligkeit geſetzt. Sie iſt ſomit ſich ſelbſt aufhebende
Vermittlung; die Vermittlung hat die Beſtimmung der
Einzelnheit und Unmittelbarkeit; was durch dieſen Schluß
zuſammengeſchloſſen iſt, muß vielmehr an ſich und un-
mittelbar
identiſch ſeyn; denn jene Mitte, die un-
mit-
[152]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
mittelbare Einzelnheit, iſt das unendlich man-
nichfaltige und aͤuſſerliche Beſtimmtſeyn. Es iſt in ihr
alſo vielmehr die ſich aͤuſſerliche Vermittlung geſetzt.
Die Aeuſſerlichkeit der Einzelnheit aber iſt die Allge-
meinheit; jene Vermittlung durch das unmittelbare Ein-
zelne weiſt uͤber ſich ſelbſt hinaus auf die ihr ande-
re
, welche ſomit durch das Allgemeine geſchieht. —
Oder was durch den zweyten Schluß vereinigt ſeyn ſoll,
muß unmittelbar zuſammengeſchloſſen ſeyn; durch
die Unmittelbarkeit, die ihm zu Grunde liegt,
kommt ein beſtimmtes Zuſammenſchlieſſen nicht zu Stan-
de. Die Unmittelbarkeit, auf welche er fortweiſt, iſt
die andre gegen die ſeinige, — die aufgehobene erſte
Unmittelbarkeit des Seyns, — alſo die in ſich reflectir-
te, oder an ſich ſeyende, das abſtracte All-
gemeine
.


Der Uebergang dieſes Schluſſes war nach der be-
trachteten Seite ein Anderswerden, wie das Ueber-
gehen des Seyns, weil ihm das Qualitative, und zwar
die unmittelbare Einzelnheit zu Grunde liegt. Dem Be-
griffe nach aber ſchließt die Einzelnheit das Beſondere
und Allgemeine inſofern zuſammen, als ſie die Be-
ſtimmtheit
des Beſondern aufhebt; was ſich als die
Zufaͤlligkeit dieſes Schluſſes darſtellt; die Extreme wer-
den nicht durch ihre beſtimmte Beziehung, welche ſie
zum Medius Terminus haben, zuſammengeſchloſſen; er
iſt daher nicht ihre beſtimmte Einheit, und
die poſitive Einheit, die ihm noch zukommt, iſt nur die
abſtracte Allgemeinheit
. Indem die Mitte in
dieſer Beſtimmung, welche ihre Wahrheit iſt, geſetzt wird,
iſt diß aber eine andere Form des Schluſſes.


c. Die
[153]III.Kapitel. Der Schluß.
c.
Die dritte Figur: E — A — B.

1. Dieſer dritte Schluß hat keine einzige unmittel-
bare Praͤmiſſe mehr; die Beziehung E — A iſt durch
den erſten, die Beziehung B — A durch den zweyten
Schluß vermittelt worden. Er ſetzt daher die beyden
erſten Schluͤſſe voraus; aber umgekehrt ſetzen beyde ihn
voraus, ſo wie uͤberhaupt jeder die beyden uͤbrigen
vorausſetzt. In ihm iſt ſomit uͤberhaupt die Beſtim-
mung des Schluſſes vollendet. — Dieſe gegenſeitige Ver-
mittlung enthaͤlt eben diß, daß jeder Schluß ob zwar
fuͤr ſich die Vermittlung, zugleich nicht an ihm ſelbſt
die Totalitaͤt derſelben iſt, ſondern eine Unmittelbar-
keiten an ihm hat, deren Vermittlung ſich auſſer ihm
befindet.


Der Schluß E — A — B an ihm ſelbſt betrachtet,
iſt die Wahrheit des formalen Schluſſes, er druͤckt diß
aus, daß deſſen Vermittlung die abſtract allgemeine iſt,
und die Extreme nach ihrer weſentlichen Beſtimmtheit,
nicht in der Mitte, ſondern nur nach ihrer Allgemein-
heit enthalten, vielmehr alſo das gerade nicht darin zu-
ſammengeſchloſſen iſt, was vermittelt ſeyn ſollte. Es iſt
alſo hier das geſetzt, worin der Formalismus des Schluſ-
ſes beſteht, deſſen Termini einen unmittelbaren gegen
die Form gleichguͤltigen Inhalt haben, oder was daſſelbe
iſt, ſolche Formbeſtimmungen ſind, die ſich noch nicht
zu [Jnhaltsbestimmungen] reflectirt haben.


2. Die Mitte dieſes Schluſſes iſt zwar die Einheit
der Extreme, aber worin von ihrer Beſtimmtheit abſtra-
hirt iſt, das unbeſtimmte Allgemeine. Inſofern
aber diß Allgemeine zugleich als das Abſtracte von den
Extremen als dem beſtimmten unterſchieden iſt, iſt
es
[154]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
es auch ſelbſt noch ein Beſtimmtes gegen ſie, und
das Ganze ein Schluß, deſſen Verhaͤltniß zu ſeinem Be-
griffe zu betrachten iſt. Die Mitte iſt als das Allge-
meine gegen ihre beyden Extreme ſubſumirend oder
Praͤdicat, nicht auch das einemal ſubſumirt oder Sub-
ject. Inſofern er daher als eine Art des Schluſſes
dieſem entſprechen ſoll, ſo kann diß nur geſchehen, daß
indem die eine Beziehung E — A ſchon das gehoͤrige
Verhaͤltniß hat, auch die andere A — B daſſelbe erhal-
te. Diß geſchieht in einem Urtheil, worin das Verhaͤlt-
niß von Subject und Praͤdicat gleichguͤltig iſt, in einem
negativen Urtheil. So wird der Schluß legitim; aber
die Concluſion nothwendig negativ.


Damit iſt es nun auch gleichguͤltig, welche von
den beyden Beſtimmungen dieſes Satzes als Praͤdicat
oder als Subject, und im Schluſſe ob als Extrem der
Einzelnheit oder als das der Beſonderheit, hiemit ob
als Terminus Minor oder als Terminus Major genom-
men werde. Indem es hievon nach der gewoͤhnlichen
Annahme abhaͤngt, welche von den Praͤmiſſen die Major
oder Minor ſeyn ſoll, ſo iſt diß hier gleichguͤltig gewor-
den. — Diß iſt der Grund der gewoͤhnlichen vierten
Figur
des Schluſſes, die Ariſtoteles nicht gekannt, und
die vollends einen ganz leeren, intereſſeloſen Unterſchied
betrift. Die unmittelbare Stellung der Terminorum iſt
darin die umgekehrte der Stellung der erſten Figur;
da Subject und Praͤdicat des negativen Schlußſatzes nach
der formalen Betrachtung des Urtheils das beſtimmte
Verhaͤltniß von Subject und Praͤdicat nicht haben, ſon-
dern eines die Stelle des andern einnehmen kann, ſo iſt
es gleichguͤltig, welcher Terminus als Subject, und wel-
cher als Praͤdicat genommen werde; daher eben ſo gleich-
guͤltig, welche Praͤmiſſe als Major oder Minor genom-
men wird. — Dieſe Gleichguͤltigkeit, zu der auch die
Be-
[155]III.Kapitel. Der Schluß.
Beſtimmung der Particularitaͤt, (insbeſondere inſofern be-
merkt wird, daß ſie im comprehenſiven Sinne genommen
werden kann), verhilft, macht jene vierte Figur zu et-
was ganz muͤſſigem.


3. Die objective Bedeutung des Schluſſes, worin
das Allgemeine die Mitte iſt, iſt, daß das Vermittelnde
als Einheit der Extreme weſentlich Allgemeines
iſt. Indem die Allgemeinheit aber zunaͤchſt nur die
qualitative oder abſtracte Allgemeinheit iſt, ſo iſt die Be-
ſtimmtheit der Extreme darin nicht enthalten; ihr Zu-
ſammenſchlieſſen, wenn es Statt finden ſoll, muß eben ſo
in einer auſſer dieſem Schluſſe liegenden Vermittlung ih-
ren Grund haben, und iſt in Ruͤckſicht auf dieſen ganz ſo
zufaͤllig, als bey den vorhergehenden Formen der Schluͤſ-
ſe. Indem nun aber das Allgemeine als die Mitte
beſtimmt, und darin die Beſtimmtheit der Extreme nicht
enthalten iſt, ſo iſt dieſe als eine voͤllig gleichguͤltige, und
aͤuſſerliche geſetzt. — Es iſt hiemit zunaͤchſt nach dieſer
bloſſen Abſtraction allerdings eine vierte Figur des
Schluſſes entſtanden, nemlich die des verhaͤltnißlo-
ſen
Schluſſes: A — A — A, welcher von dem qua-
litativen Unterſchiede der Terminorum abſtrahirt, und
ſomit die bloß aͤuſſerliche Einheit derſelben, nemlich die
Gleichheit derſelben zur Beſtimmung hat.


d.
Die vierte Figur: A — A — Aoder der
mathematiſche Schluß
.

1. Der mathematiſche Schluß heißt: Wenn zwey
Dinge oder Beſtimmungen einem Dritten
gleich ſind, ſo ſind ſie unter ſich gleich
. —
Das
[156]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Das Verhaͤltniß von Inhaͤrenz oder Subſumtion der
Terminorum iſt darin ausgeloͤſcht.


Ein Drittes uͤberhaupt iſt das Vermittelnde;
aber es hat ganz und gar keine Beſtimmung gegen
ſeine Extreme. Jedes der dreyen kann daher gleich gut
das dritte Vermittelnde, ſeyn. Welches dazu gebraucht,
welche der drey Beziehungen daher als die unmittelba-
ren, und welche als die vermittelte genommen werden
ſoll, haͤngt von aͤuſſern Umſtaͤnden und ſonſtigen Bedin-
gungen ab; — nemlich davon, welche zwey derſelben die
unmittelbar gegebenen ſind. Aber dieſe Beſtimmung
geht den Schluß ſelbſt nichts an, und iſt voͤllig aͤuſ-
ſerlich.


2. Der mathematiſche Schluß gilt als ein Axiom
in der Mathematik; — als ein an und fuͤr ſich
einleuchtender, erſter
Satz, der keines Beweiſes
d. h. keiner Vermittlung faͤhig ſey noch beduͤrfe, nichts
anderes vorausſetze, noch daraus hergeleitet werden
koͤnne. — Wenn der Vorzug deſſelben, unmittelbar ein-
leuchtend
zu ſeyn, naͤher betrachtet wird, ſo zeigt es
ſich, daß er in dem Formalismus dieſes Schluſſes liegt,
der von aller qualitativen Verſchiedenheit der Beſtim-
mungen abſtrahirt, und nur ihre quantitative Gleichheit
oder Ungleichheit aufnimmt. Aus eben dieſem Grunde
iſt er aber nicht ohne Vorausſetzung oder unvermittelt;
die quantitative Beſtimmung, die in ihm allein in Ruͤck-
ſicht kommt, iſt nur durch die Abſtraction von
dem qualitativen Unterſchiede und den Begriffsbeſtim-
mungen. — Linien, Figuren, die einander gleich geſetzt
werden, werden nur nach ihrer Groͤſſe verſtanden; ein
Dreyeck wird einem Quadrate gleich geſetzt, aber nicht
als Dreyeck dem Quadrat, ſondern allein der Groͤſſe
nach u. ſ. f. Eben ſo tritt der Begriff und ſeine Beſtim-
mungen nicht in dieſes Schlieſſen ein; es wird damit
uͤber-
[157]III.Kapitel. Der Schluß.
uͤberhaupt nicht begriffen; auch hat der Verſtand nicht
einmal die formalen, abſtracten Begriffsbeſtimmungen
vor ſich; das Einleuchtende dieſes Schluſſes beruht da-
her nur darauf, daß er an Gedankenbeſtimmung ſo duͤrf-
tig und abſtract iſt.


3. Aber das Reſultat des Schluſſes des
Daſeyns
iſt nicht bloß dieſe Abſtraction von aller Be-
griffsbeſtimmtheit; die Negativitaͤt der unmittelba-
ren, abſtracten Beſtimmungen, welche daraus hervor-
ging, hat noch eine andere poſitive Seite, daß nem-
lich in die abſtracte Beſtimmtheit ihre andre geſetzt,
und ſie dadurch concret geworden iſt.


Vors erſte haben die ſaͤmmtlichen Schluͤſſe des
Daſeyns ſich gegenſeitig zur Vorausſetzung, und
die im Schlußſatze zuſammengeſchloſſenen Extreme ſind
nur inſofern wahrhaft und an und fuͤr ſich zuſammenge-
ſchloſſen, als ſie ſonſt durch eine anderswo gegruͤndete
Identitaͤt vereinigt ſind; der Medius Terminus, wie er
in den betrachteten Schluͤſſen beſchaffen iſt, ſoll ihre
Begriffseinheit ſeyn, aber iſt nur eine formale Be-
ſtimmtheit, die nicht als ihre concrete Einheit geſetzt iſt.
Aber diß Vorausgeſetzte einer jeden jener Vermitt-
lungen, iſt nicht bloß eine gegebene Unmittelbar-
keit
uͤberhaupt, wie im mathematiſchen Schluſſe, ſon-
dern es iſt ſelbſt eine Vermittlung, nemlich fuͤr jeden
die beyden andern Schluͤſſe. Was alſo wahrhaft vor-
handen iſt, iſt nicht die auf eine gegebene Unmittelbar-
keit, ſondern die auf Vermittlung ſich gruͤndende Ver-
mittlung. Diß iſt ſomit nicht die quantitative, von der
Form der Vermittlung abſtrahirende, ſondern vielmehr
die ſich auf Vermittlung beziehende Vermitt-
lung
, oder die Vermittlung der Reflexion.
Der Kreis des gegenſeitigen Vorausſetzens, den dieſe
Schluͤſ-
[158]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Schluͤſſe mit einander ſchlieſſen, iſt die Ruͤckkehr dieſes
Vorausſetzens in ſich ſelbſt, welches darin eine Totalitaͤt
bildet, und das Andre, worauf jeder einzelne Schluß
hinweißt, nicht vermoͤge der Abſtraction auſſerhalb
hat, ſondern innerhalb des Kreiſes befaßt.


Ferner von Seiten der einzelnen Formbe-
ſtimmungen
hat ſich gezeigt, daß in dieſem Ganzen
der formalen Schluͤſſe, jede einzelne zur Stelle der
Mitte gekommen iſt. Unmittelbar war dieſe als die
Beſonderheit beſtimmt; hierauf beſtimmte ſie ſich durch
die dialektiſche Bewegung als Einzelnheit und All-
gemeinheit
. Eben ſo ging jede dieſer Beſtimmungen
die Stellen der beyden Extreme hindurch.
Das bloß negative Reſultat iſt das Ausloͤſchen
der qualitativen Formbeſtimmungen im bloß quantitati-
ven, mathematiſchen Schluſſe. Aber was wahrhaft
vorhanden iſt, iſt das poſitive Reſultat, daß die
Vermittlung nicht durch eine einzelne, qualitative
Formbeſtimmtheit geſchieht, ſondern durch die concre-
te Identitaͤt
derſelben. Der Mangel und Forma-
lismus der drey betrachteten Figuren der Schluͤſſe be-
ſteht eben darin, daß eine ſolche einzelne Beſtimmtheit
die Mitte in ihnen ausmachen ſollte. — Die Vermitt-
lung hat ſich alſo als die Gleichguͤltigkeit der unmittel-
baren oder abſtracten Formbeſtimmungen und als poſi-
tive Reflexion der einen in die andere beſtimmt.
Der unmittelbare Schluß des Daſeyns iſt hiemit in den
Schluß der Reflexion uͤbergegangen.


Anmerkung.

In der hier gegebenen Darſtellung der Natur des
Schluſſes und ſeiner verſchiedenen Formen, iſt auch
beylaͤufig auf dasjenige Ruͤckſicht genommen worden, was
in
[159]III.Kapitel. Der Schluß.
in der gewoͤhnlichen Betrachtung und Behandlung der
Schluͤſſe das Hauptintereſſe ausmacht, nemlich wie in
jeder Figur ein richtiger Schluß gemacht werden koͤnne;
doch iſt dabey nur das Hauptmoment angegeben und die
Faͤlle und Verwicklungen uͤbergangen worden, welche
entſtehen, wenn der Unterſchied von poſitiven und nega-
tiven Urtheilen nebſt der quantitativen Beſtimmung, be-
ſonders der Particularitaͤt, mit dazu gezogen wird. —
Einige Bemerkungen uͤber die gewoͤhnliche Anſicht und
Behandlungsweiſe des Schluſſes in der Logik, werden
hier noch an ihrem Orte ſtehen. — Bekanntlich wurde
dieſe Lehre ſo ins Genaue ausgebildet, bis ihre ſogenann-
ten Spitzfindigkeiten zum allgemeinen Verdruſſe und Eckel
geworden ſind. Indem der natuͤrliche Verſtand
ſich gegen die ſubſtanzloſen Reflexionsformen nach allen
Seiten der Geiſtesbildung geltend machte, kehrte er ſich
auch gegen jene kuͤnſtliche Kenntniß der Vernunftformen,
und meynte ſolche Wiſſenſchaft aus dem Grunde entbeh-
ren zu koͤnnen, weil er die darin verzeichneten einzelnen
Denkoperationen von Natur ohne beſonderes Erlernen
ſchon von ſelbſt verrichte. Der Menſch waͤre in der
That in Anſehung des vernuͤnftigen Denkens eben ſo uͤbel
daran, wenn die Bedingung deſſelben das muͤhſelige
Studium der Schlußformeln waͤre, als er, (wie in der
Vorrede ſchon bemerkt worden) uͤbel daran ſeyn wuͤrde,
wenn er nicht gehen und verdauen koͤnnte, ohne Anato-
mie und Phyſiologie ſtudirt zu haben. Wie auch das
Studium dieſer Wiſſenſchaften fuͤr das diaͤtetiſche Ver-
halten nicht ohne Nutzen ſeyn mag, ſo wird auch dem
Studium der Vernunftformen ohne Zweifel ein noch
wichtigerer Einfluß auf die Richtigkeit des Denkens zu-
zuſchreiben ſeyn; aber ohne in dieſe Seite, welche die
Bildung des ſubjectiven Denkens, daher eigentlich die
Paͤdagogik angeht, hier einzugehen, ſo wird zugegeben
werden muͤſſen, daß das Studium, welches die Opera-
tions-
[160]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
tionsweiſen und Geſetze der Vernunft zum Gegenſtand
habe, an und fuͤr ſich vom groͤſten Intereſſe ſeyn muͤſ-
ſe, — von einem wenigſtens nicht geringerem, als die
Kenntniß der Geſetze der Natur und der beſondern Ge-
ſtaltungen derſelben. Wenn es nicht gering geachtet
wird, etliche und ſechzig Arten von Papageyen, hundert
und ſieben und dreiſſig Arten der Veronica u. ſ. f. aufge-
funden zu haben, ſo wird es noch viel weniger fuͤr ge-
ring geachtet werden duͤrfen, die Vernunftformen auszu-
finden; iſt nicht eine Figur des Schluſſes ein unendlich
hoͤheres, als eine Papagey- oder eine Veronica-Art?


So ſehr es daher fuͤr nichts mehr als Rohheit an-
zuſehen iſt, die Kenntniſſe der Vernunftformen uͤberhaupt
zu verachten, ſo ſehr iſt zuzugeben, daß die gewoͤhnliche
Darſtellung des Schluſſes und ſeiner beſondern Geſtal-
tungen, nicht eine vernuͤnftige Erkenntniß, nicht
eine Darſtellung derſelben als Vernunftformen iſt,
und die ſyllogiſtiſche Weisheit ſich durch ihren Unwerth
die Geringſchaͤtzung zugezogen hat, die ſie erfuhr. Ihr
Mangel beſteht darin, daß ſie ſchlechterdings bey der
Verſtandesform des Schluſſes ſtehen bleibt, nach
welcher die Begriffsbeſtimmungen als abſtracte for-
male Beſtimmungen genommen werden. Es iſt um ſo
inconſequenter, ſie als abſtracte Qualitaͤten feſt zu halten,
da im Schluſſe die Beziehungen derſelben das We-
ſentliche ausmachen, und die Inhaͤrenz und Subſumtion
es ſchon enthaͤlt, daß das Einzelne, weil ihm das All-
gemeine inhaͤrirt, ſelbſt allgemeines, und das Allgemeine,
weil es das Einzelne ſubſumirt, ſelbſt einzelnes iſt, und
naͤher der Schluß eben dieſe Einheit als Mitte aus-
druͤcklich ſetzt, und ſeine Beſtimmung gerade die Ver-
mittlung
iſt, d. i. daß die Begriffsbeſtimmungen nicht
mehr wie im Urtheile ihre Aeuſſerlichkeit gegen einander,
ſondern vielmehr ihre Einheit zur Grundlage haben. —
Es
[161]III.Kapitel. Der Schluß.
Es iſt ſomit durch den Begriff des Schluſſes die Unvoll-
kommenheit des formalen Schluſſes ausgeſprochen, in
welchem die Mitte, nicht als Einheit der Extreme, ſon-
dern als eine formale, von ihnen qualitativ verſchiede-
ne, abſtracte Beſtimmung feſtgehalten werden ſoll. —
Die Betrachtung wird noch dadurch gehaltleerer, daß
auch ſolche Beziehungen oder Urtheile, worin ſelbſt die
formellen Beſtimmungen gleichguͤltig werden, wie im ne-
gativen und particulaͤren Urtheile, und die ſich daher
den Saͤtzen naͤhern, noch als vollkommene Verhaͤltniſſe
angenommen werden. — Indem nun uͤberhaupt die qua-
litative Form E — B — A als das letzte und abſolute
gilt, ſo faͤllt die dialektiſche Betrachtung des Schluſſes
ganz hinweg, die uͤbrigen Schluͤſſe werden ſomit nicht
als nothwendige Veraͤnderungen jener Form,
ſondern als Arten betrachtet. — Es iſt hiebey gleich-
guͤltig, ob der erſte formale Schluß ſelbſt nur als eine
Art neben den uͤbrigen, oder aber als Gattung und
Art zugleich betrachtet wird; letzteres geſchieht, indem
die uͤbrigen Schluͤſſe auf den erſten zuruͤckgebracht wer-
den. Geſchieht dieſe Reduction nicht ausdruͤcklich, ſo
liegt immer daſſelbe formelle Verhaͤltniß der aͤuſſerlichen
Subſumtion zu Grunde, welche die erſte Figur ausdruͤckt.


Dieſer formelle Schluß iſt der Widerſpruch, daß
die Mitte die beſtimmte Einheit der Extreme ſeyn ſoll,
aber nicht als dieſe Einheit, ſondern als eine von denen,
deren Einheit ſie ſeyn ſoll, qualitativ verſchiedene Be-
ſtimmung iſt. Weil der Schluß dieſer Widerſpruch iſt,
iſt er an ihm ſelbſt dialektiſch. Seine dialektiſche Be-
wegung ſtellt ihn in den vollſtaͤndigen Begriffsmomenten
dar, daß nicht nur jenes Verhaͤltniß der Subſumtion,
oder die Beſonderheit, ſondern eben ſo weſentlich
die negative Einheit und die Allgemeinheit Momente des
Zuſammenſchlieſſens ſind. Inſofern jedes derſelben fuͤr
Lſich
[162]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
ſich eben ſo nur ein einſeitiges Moment der Beſonderheit
iſt, ſind ſie gleichfalls unvollkommene Mitten, aber zu-
gleich machen ſie die entwickelten Beſtimmungen derſel-
ben aus; der ganze Verlauf durch die drey Figuren ſtellt
die Mitte in jeder dieſer Beſtimmungen nach einander dar,
und das wahre Reſultat, das daraus hervorgeht, iſt,
daß die Mitte nicht eine einzelne, ſondern die Totali-
taͤt derſelben iſt.


Der Mangel des formalen Schluſſes liegt daher
nicht in der Form des Schluſſes, — ſie iſt vielmehr
die Form der Vernuͤnftigkeit, — ſondern daß ſie nur als
abſtracte, daher begriffloſe Form iſt. Es iſt gezeigt
worden, daß die abſtracte Beſtimmung um ihrer ab-
ſtracten Beziehung auf ſich willen, eben ſo ſehr als In-
halt betrachtet werden kann; inſofern leiſtet der formale
Schluß weiter nichts, als daß eine Beziehung eines
Subjects auf ein Praͤdicat nur aus dieſem Medius
Terminus folge oder nicht folge. Es hilft nichts ei-
nen Satz durch ein ſolchen Schluß erwieſen zu haben;
um der abſtracten Beſtimmtheit des Medius Terminus
willen, der eine begriffloſe Qualitaͤt iſt, kann es eben
ſo gut andere Medios Terminos geben, aus denen das
Gegentheil folgt, ja aus demſelben Medius Terminus
koͤnnen auch wieder entgegengeſetzte Praͤdicate durch wei-
tere Schluͤſſe abgeleitet werden. — Auſſerdem, daß der
formale Schluß nicht viel leiſtet, iſt er auch etwas ſehr
einfaches; die vielen Regeln, welche erfunden worden,
ſind ſchon darum laͤſtig, weil ſie mit der einfachen Na-
tur der Sache ſo ſehr contraſtiren, dann aber auch, weil
ſie ſich auf die Faͤlle beziehen, wo der formale Gehalt
des Schluſſes, durch die aͤuſſerliche Formbeſtimmung be-
ſonders der Particularitaͤt, vornemlich inſofern ſie zu
dieſem Behuf in comprehenſivem Sinne genommen wer-
den muß, vollends vermindert, und auch der Form nach
nur
[163]III.Kapitel. Der Schluß.
nur ganz gehaltloſe Reſultate herausgebracht werden. —
Die gerechteſte und wichtigſte Seite der Ungunſt, in
welche die Syllogiſtik verfallen, iſt aber, daß ſie eine
ſo weitlaͤuffige begriffloſe Beſchaͤftigung mit einem
Gegenſtande ſind, deſſen einziger Inhalt der Begriff
ſelbſt iſt. — Die vielen ſyllogiſtiſchen Regeln erinnern
an das Verfahren der Rechenmeiſter, welche gleichfalls
eine Menge Regeln uͤber die arithmetiſchen Operationen
geben, welche alle voraus ſetzen, daß man den Begriff
der Operation nicht habe. — Aber die Zahlen ſind ein
begriffloſer Stoff, die Rechenoperation iſt ein aͤuſſerliches
Zuſammenfaſſen oder Trennen, ein mechaniſches Verfah-
ren, wie denn Rechen-Maſchinen erfunden worden ſind,
welche dieſe Operationen vollbringen; das haͤrteſte und
grellſte dagegen iſt, wenn die Formbeſtimmungen des
Schluſſes, welche Begriffe ſind, als ein begriffloſer
Stoff behandelt werden.


Das Aeuſſerſte von dieſem begriffloſen Nehmen der
Begriffsbeſtimmungen des Schluſſes, iſt wohl, daß Leibnitz
(Opp. Tom. II. P. I.) den Schluß dem combinatori-
ſchen Calcul unterworfen, und durch denſelben berechnet
hat, wie viele Stellungen des Schluſſes moͤglich ſind; —
mit Ruͤckſicht nemlich auf die Unterſchiede von poſitiven
und negativen, dann von allgemeinen, particulaͤren,
unbeſtimmten und ſingulaͤren Urtheilen; es finden ſich
ſolcher Verbindungen 2048 moͤglich, wovon nach Aus-
ſchlieſſung der unbrauchbaren 24 brauchbare Figuren
uͤbrig bleiben. — Leibnitz macht ſehr viel von der Nuͤtz-
lichkeit der combinatoriſchen Analyſis, um nicht nur die
Formen des Schluſſes, ſondern auch die Verbindungen
von andern Begriffen zu finden. Die Operation, wo-
durch diß gefunden wird, iſt dieſelbe, wodurch berechnet
wird, wie viele Verbindungen von Buchſtaben ein Alpha-
bet zulaͤßt, wie vielerley Wuͤrfe in einem Wuͤrfelſpiel,
L 2Spie-
[164]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Spiele mit einer L’hombre-Charte moͤglich ſind u. ſ. f.
Man findet hier alſo die Beſtimmungen des Schluſſes
in Eine Claſſe mit den Punkten des Wuͤrfels und der
L’hombre-Charte geſetzt, das Vernuͤnftige als ein todtes
und begriffloſes genommen, und das eigenthuͤmliche des
Begriffs und ſeiner Beſtimmungen, als geiſtige Weſen
ſich zu beziehen, und durch diß Beziehen ihre un-
mittelbare
Beſtimmung aufzuheben, auf der Sei-
te gelaſſen. — Dieſe Leibnitziſche Anwendung des com-
binatoriſchen Calculs auf den Schluß und auf die Ver-
bindung anderer Begriffe unterſchied ſich von der ver-
ruffenen Lullianiſchen Kunſt durch nichts, als daß
ſie von Seiten der Anzahl methodiſcher war, uͤbrigens
an Sinnloſigkeit ihr gleich kam. — Es hing hiemit ein
Lieblingsgedanke Leibnitzens zuſammen, den er in der
Jugend gefaßt, und der Unreifheit und Seichtigkeit deſ-
ſelben unerachtet, auch ſpaͤterhin nicht aufgab, von einer
allgemeinen Charakteriſtik der Begriffe, — einer
Schriftſprache, worin jeder Begriff dargeſtellt werde,
wie er eine Beziehung aus andern iſt, oder ſich auf an-
dere beziehe — als ob in der vernuͤnftigen Verbindung,
welche weſentlich dialektiſch iſt, ein Inhalt noch dieſel-
ben Beſtimmungen behielte, die er hat, wenn er fuͤr
ſich fixirt iſt.


Der Ploucquetſche Calcul hat ohne Zweifel
die conſequenteſte Verfahrungsweiſe ergriffen, wodurch
das Verhaͤltniß des Schluſſes faͤhig wird, dem Calcul
unterworfen zu werden. Er beruht darauf, daß von
dem Verhaͤltnißunterſchiede, dem Unterſchiede der Einzeln-
heit, Beſonderheit und Allgemeinheit im Urtheile abſtra-
hirt, und die abſtracte Identitaͤt des Subjects
und Praͤdicats feſtgehalten wird, wodurch ſie in ma-
thematiſcher Gleichheit
ſind; — einer Beziehung,
welche das Schlieſſen zu einer voͤllig gehaltleeren und
tav-
[165]III.Kapitel. Der Schluß.
tavtologiſchen Formirung von Saͤtzen macht. — Im
Satze: die Roſe iſt roth, ſoll das Praͤdicat nicht
das allgemeine Roth, ſondern nur das beſtimmte Roth
der Roſe
bedeuten; im Satze: alle Chriſten ſind Men-
ſchen, ſoll das Praͤdicat nur diejenigen Menſchen bedeu-
ten, welche Chriſten ſind; aus dieſem und dem Satze:
die Juden ſind keine Chriſten, folgt dann der Schluß-
ſatz, der dieſen ſyllogiſtiſchen Calcul bey Mendelsſohn
nicht gut empfohlen hat: Alſo ſind die Juden kei-
ne Menſchen
, (nemlich diejenigen Menſchen nicht,
welche die Chriſten ſind). — Ploucquet gibt als eine
Folge ſeiner Erfindung an, poſſe etiam rudes me-
chanice totam logicam doceri
, uti pueri arith-
meticam docentur, ita quidem, ut nulla formidine in ra-
tiociniis ſuis errandi torqueri, vel fallaciis circumveniri
poſſint, ſi in calculo non errant.
— Dieſe Empfehlung,
daß Ungebildeten durch den Calcul mechaniſch die
ganze Logik beygebracht werden koͤnne, iſt wohl das
ſchlimmſte, was von einer Erfindung uͤber die Darſtel-
lung der logiſchen Wiſſenſchaft geſagt werden kann.


B.
Der Schluß der Reflexion.

Der Verlauf des qualitativen Schluſſes, hat das
Abſtracte der Beſtimmungen deſſelben aufgehoben;
der Terminus hat ſich dadurch als eine ſolche Beſtimmt-
heit geſetzt, in welcher auch die andre ſcheint. Auſſer
den abſtracten Terminis iſt im Schluſſe auch die Be-
ziehung
derſelben vorhanden, und im Schlußſatz iſt
ſie als eine vermittelte und nothwendige geſetzt; daher iſt
jede Beſtimmtheit in Wahrheit nicht als eine einzelne
fuͤr
[166]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
fuͤr ſich, ſondern als Beziehung der andern, als con-
crete
Beſtimmtheit, geſetzt.


Die Mitte war die abſtracte Beſonderheit, fuͤr ſich
eine einfache Beſtimmtheit, und Mitte nur aͤuſſerlich und
relativ gegen die ſelbſtſtaͤndigen Extreme. Nunmehr iſt
ſie geſetzt als die Totalitaͤt der Beſtimmungen; ſo iſt
ſie die geſetzte Einheit der Extreme; zunaͤchſt aber die
Einheit der Reflexion, welche ſie in ſich befaßt; — ein
Befaſſen, welches als erſtes Aufheben der Unmittel-
barkeit und erſtes Beziehen der Beſtimmungen, noch
nicht die abſolute Identitaͤt des Begriffes iſt.


Die Extreme ſind die Beſtimmungen des Urtheils
der Reflexion; eigentliche Einzelnheit, und Allge-
meinheit
als Verhaͤltnißbeſtimmung, oder eine Man-
nichfaltiges in ſich zuſammenfaſſende Reflexion. Aber
das einzelne Subject enthaͤlt auch, wie beym Urtheile
der Reflexion gezeigt worden, auſſer der bloſſen Einzeln-
heit, die der Form angehoͤrt, die Beſtimmtheit, als
ſchlechthin in ſich reflectirte Allgemeinheit, als voraus-
geſetzte, d. h. hier noch unmittelbar angenommene,
Gattung.


Aus dieſer Beſtimmtheit der Extreme, welche dem
Verlauf der Urtheilsbeſtimmung angehoͤrt, ergibt ſich
der naͤhere Inhalt der Mitte, auf die es weſentlich
beym Schluſſe ankommt, da ſie ihn vom Urtheile unter-
ſcheidet. Sie enthaͤlt 1) die Einzelnheit, 2) aber
zur Allgemeinheit erweitert, als Alle, 3) die zum
Grunde liegende, Einzelnheit und abſtracte Allgemein-
heit ſchlechthin in ſich vereinigende Allgemeinheit, die
Gattung
. — Der Schluß der Reflexion hat auf dieſe
Weiſe erſt die eigentliche Beſtimmtheit der Form,
indem die Mitte als die Totalitaͤt der Beſtimmungen ge-
ſetzt
iſt; der unmittelbare Schluß iſt gegen ihn deß-
wegen
[167]III.Kapitel. Der Schluß.
wegen der unbeſtimmte, als die Mitte erſt noch die
abſtracte Beſonderheit iſt, in welcher die Momente ih-
res Begriffs noch nicht geſetzt ſind. — Dieſer erſte
Schluß der Reflexion, kann der Schluß der Allheit
genannt werden.


a.
Schluß der Allheit.

1. Der Schluß der Allheit iſt der Verſtandesſchluß
in ſeiner Vollkommenheit, mehr aber noch nicht. Daß
die Mitte in ihm nicht abſtracte Beſonderheit, ſon-
dern in ihre Momente entwickelt und daher als concrete
iſt, iſt zwar ein weſentliches Erforderniß fuͤr den Be-
griff, allein die Form der Allheit faßt das Einzelne
zunaͤchſt nur aͤuſſerlich in die Allgemeinheit zuſammen,
und umgekehrt erhaͤlt ſie das Einzelne noch als ein un-
mittelbar fuͤr ſich beſtehendes, in der Allgemeinheit.
Die Negation der Unmittelbarkeit der Beſtimmungen, die
das Reſultat des Schluſſes des Daſeyns war, iſt nur
die erſte Negation, noch nicht die Negation der Negation,
oder abſolute Reflexion in ſich. Jener die einzelnen
Beſtimmungen in ſich befaſſenden Allgemeinheit der Re-
flexion, liegen ſie daher noch zu Grunde, — oder die All-
heit iſt noch nicht die Allgemeinheit des Begriffs, ſon-
dern die aͤuſſere der Reflexion.


Der Schluß des Daſeyns war darum zufaͤllig, weil
der Medius Terminus deſſelben als eine einzelne Be-
ſtimmtheit des concreten Subjects, eine unbeſtimmbare
Menge anderer ſolcher Mediorum Terminorum zulaͤßt,
und damit das Subject mit unbeſtimmbar andern, und
mit entgegengeſetzten Praͤdicaten zuſammen geſchloſſen
ſeyn konnte. Indem die Mitte aber nunmehr die
Ein-
[168]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Einzelnheit enthaͤlt, und hiedurch ſelbſt concret iſt,
ſo kann durch ſie mit dem Subject nur ein Praͤdicat
verbunden werden, das ihm als concretem zukommt. —
Wenn z. B. aus dem Medius Terminus: Gruͤn, ge-
ſchloſſen werden ſollte, daß ein Gemaͤhlde angenehm ſey,
weil das Gruͤn dem Auge angenehm iſt, oder ein Ge-
dicht, ein Gebaͤude u. ſ. f. ſchoͤn ſey, weil es Regel-
maͤſſigkeit
beſitze, ſo koͤnnte das Gemaͤhlde, u. ſ. f.
deſſen ungeachtet haͤßlich ſeyn, um anderer Beſtimmun-
gen willen, aus denen auf diß letztere Praͤdicat geſchloſ-
ſen werden koͤnnte. Indem hingegen der Medius Ter-
minus die Beſtimmung der Allheit hat, ſo enthaͤlt er
das Gruͤne, die Regelmaͤſſigkeit als ein Concretes,
das eben darum nicht die Abſtraction eines bloß Gruͤnen,
Regelmaͤſſigen u. ſ. f. iſt; mit dieſem Concreten koͤn-
nen nun nur Praͤdicate verbunden ſeyn, die der Tota-
litaͤt des Concreten
gemaͤß ſind. — In dem Ur-
theil: Das Gruͤne, oder Regelmaͤſſige iſt an-
genehm
, iſt das Subject nur die Abſtraction von
Gruͤn, Regelmaͤſſigkeit; in dem Satze: Alles Gruͤne,
oder Regelmaͤſſige iſt angenehm
; iſt das Sub-
ject dagegen: alle wirklichen concreten Gegenſtaͤnde, die
gruͤn oder regelmaͤſſig ſind, die alſo als concrete
mit allen ihren Eigenſchaften, die ſie auſſer
dem Gruͤnen oder der Regelmaͤſſigkeit noch haben, ge-
nommen werden.


2. Dieſe Reflexions-Vollkommenheit des Schluſſes
macht ihn aber eben hiemit zu einem bloſſen Blendwerk.
Der Medius Terminus hat die Beſtimmtheit: Alle;
dieſen kommt im Oberſatze das Praͤdicat unmittelbar
zu, das mit dem Subjecte zuſammen geſchloſſen wird.
Aber Alle ſind alle Einzelne; darin hat alſo das
einzelne Subject jenes Praͤdicat ſchon unmittelbar, und
erhaͤlt es nicht erſt durch den Schluß. — Oder
das
[169]III.Kapitel. Der Schluß.
das Subject erhaͤlt durch den Schlußſatz ein Praͤdicat,
als eine Folge; der Oberſatz aber enthaͤlt in ſich ſchon
dieſen Schlußſatz; der Oberſatz iſt alſo nicht fuͤr
ſich richtig
, oder iſt nicht ein unmittelbares, voraus-
geſetztes Urtheil, ſondern ſetzt ſelbſt ſchon den
Schlußſatz voraus
, deſſen Grund er ſeyn ſollte. —
In dem beliebten vollkommenen Schluſſe:


Alle Menſchen ſind ſterblich,

Nun iſt Cajus ein Menſch

Ergo iſt Cajus ſterblich,

iſt der Oberſatz nur darum und inſofern richtig, als der
Schlußſatz richtig iſt; waͤre Cajus zufaͤlligerwei-
ſe nicht ſterblich, ſo waͤre der Oberſatz nicht richtig.
Der Satz, welcher Schlußſatz ſeyn ſollte, muß ſchon
unmittelbar fuͤr ſich richtig ſeyn, weil der Oberſatz
ſonſt nicht Alle Einzelne befaſſen koͤnnte; ehe der
Oberſatz als richtig gelten kann, iſt vorher die Fra-
ge, ob nicht jener Schlußſatz ſelbſt eine Inſtanz
gegen ihn ſey.


3. Beym Schluſſe des Daſeyns ergab ſich aus dem
Begriffe des Schluſſes, daß die Praͤmiſſen als unmit-
telbare
, dem Schlußſatze, nemlich der durch den Be-
griff des Schluſſes gefoderten Vermittlung, wider-
ſprachen, daß der erſte Schluß daher andere, und um-
gekehrt dieſe andern ihn vorausſetzten. Im Schluſſe
der Reflexion iſt diß an ihm ſelbſt geſetzt, daß der Ober-
ſatz ſeinen Schlußſatz vorausſetzt, indem jener die Ver-
bindung des Einzelnen mit einem Praͤdicate enthaͤlt, wel-
che eben erſt Schlußſatz ſeyn ſoll.


Was alſo in der That vorhanden iſt, kann zu-
naͤchſt ſo ausgedruͤckt werden: daß der Reflexionsſchluß
nur ein aͤuſſerlicher leerer Schein des Schlieſſens
iſt,
[170]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
iſt, — daß ſomit das Weſen dieſes Schlieſſens auf ſub-
jectiver Einzelnheit beruht, dieſe hiemit die Mitte
ausmacht, und als ſolche zu ſetzen iſt; — die Einzeln-
heit, welche als ſolche iſt, und nur aͤuſſerlich die Allge-
meinheit an ihr hat. — Oder nach dem naͤhern Inhalt
des Reflexionsſchluſſes zeigte ſich, daß das Einzelne in
unmittelbarer, nicht einer erſchloſſenen Beziehung
auf ſein Praͤdicat ſteht, und daß der Oberſatz, die Ver-
bindung eines Beſondern mit einem Allgemeinen, oder
naͤher eines formell Allgemeinen, mit einem an ſich All-
gemeinen, durch die Beziehung der Einzelnheit, die in je-
nem vorhanden iſt, — der Einzelnheit als Allheit, —
vermittelt iſt. Diß aber iſt der Schluß der In-
duction
.


b.
Schluß der Induction.

1. Der Schluß der Allheit ſteht unter dem Schema
der erſten Figur: E — B — A; der Schluß der In-
duction unter dem der zweyten A — E — B, da er
wieder die Einzelnheit zur Mitte hat, nicht die abſtracte
Einzelnheit, ſondern als vollſtaͤndig, nemlich geſetzt
mit der ihr entgegengeſetzten Beſtimmung, der Allge-
meinheit. — Das eine Extrem iſt irgend ein Praͤ-
dicat, das allen dieſen Einzelnen gemeinſchaftlich iſt;
die Beziehung deſſelben auf ſie macht die unmittelbaren
Praͤmiſſen aus, dergleichen eine im vorhergehenden
Schluſſe, Schlußſatz ſeyn ſollte. — Das andre
Extrem
kann die unmittelbare Gattung ſeyn,
wie ſie in der Mitte des vorigen Schluſſes, oder im
Subjecte des univerſellen Urtheils vorhanden iſt, und
welche in den ſaͤmmtlichen Einzelnen oder auch Ar-
ten
[171]III.Kapitel. Der Schluß.
ten der Mitte erſchoͤpft iſt. Der Schluß hat hienach
die Geſtalt:

[figure]

unendliche.


2. Die zweyte Figur des formalen Schluſſes
A — E — B entſprach dem Schema darum nicht, weil
in der einen Praͤmiſſe E, das die Mitte ausmacht, nicht
ſubſumirend oder Praͤdicat war. In der Induction iſt
dieſer Mangel gehoben; die Mitte iſt hier: Alle Ein-
zelne
; der Satz: A — E, welcher das objective All-
gemeine oder Gattung als zum Extrem ausgeſchieden,
als Subject enthaͤlt, hat ein Praͤdicat, das mit ihm we-
nigſtens von gleichem Umfange, hiemit fuͤr die aͤuſſere
Reflexion identiſch iſt. Der Loͤwe, Elephant, u. ſ. f.
machen die Gattung des vierfuͤſſigen Thiers aus;
der Unterſchied, daß derſelbe Inhalt, das einemal in
der Einzelnheit, das andremal in der Allgemeinheit ge-
ſetzt iſt, iſt hiemit bloße gleichguͤltige Formbe-
ſtimmung
, — eine Gleichguͤltigkeit, welche das im Re-
flexionsſchluſſe geſetzte Reſultat des formalen Schluſſes,
und hier durch die Gleichheit des Umfangs geſetzt iſt.


Die Induction iſt daher nicht der Schluß der bloſ-
ſen Wahrnehmung oder des zufaͤlligen Daſeyns, wie
die ihm entſprechende zweyte Figur, ſondern Schluß
der Erfahrung; — des ſubjectiven Zuſammenfaſſens
der Einzelnen in die Gattung, und des Zuſammenſchlieſ-
ſens der Gattung mit einer allgemeinen Beſtimmtheit,
weil ſie in allen einzelnen angetroffen wird. Er hat
auch die objective Bedeutung, daß die unmittelbare Gat-
tung ſich durch die Totalitaͤt der Einzelnheit zu einer all-
ge-
[172]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
gemeinen Eigenſchaft beſtimmt, in einem allgemeinen
Verhaͤltniſſe oder Merkmahl ihr Daſeyn hat. — Allein
die objective Bedeutung dieſes, wie der andern Schluͤſſe
iſt nur erſt ihr innerer Begriff, und hier noch nicht
geſetzt.


3. Die Induction iſt vielmehr noch weſentlich ein
ſubjectiver Schluß. Die Mitte ſind die Einzelnen in ih-
rer Unmittelbarkeit, das Zuſammenfaſſen derſelben in
die Gattung durch die Allheit iſt eine aͤuſſerliche Re-
flexion. Um der beſtehenden Unmittelbarkeit der
Einzelnen, und um der daraus flieſſenden Aeuſſer-
lichkeit
willen, iſt die Allgemeinheit nur Vollſtaͤndig-
keit, oder bleibt vielmehr eine Aufgabe. — Es
kommt an ihr daher wieder der Progreß in die
ſchlechte Unendlichkeit zum Vorſchein; die Einzelnheit
ſoll als identiſch mit der Allgemeinheit geſetzt
werden, aber indem die Einzelnen ebenſoſehr als
unmittelbare geſetzt ſind, ſo bleibt jene Einheit nur
ein perennirendes Sollen; ſie iſt eine Einheit der
Gleichheit; die identiſch ſeyn ſollen, ſollen es zugleich
nicht ſeyn. Die a, b, c, d, e nur ins Unendliche
fort machen die Gattung aus, und geben die vollen-
dete Erfahrung. Der Schlußſatz der Induction bleibt
inſofern problematiſch.


Indem ſie aber diß ausdruͤckt, daß die Wahrneh-
mung, um zur Erfahrung zu werden, ins unendliche
fortgeſetzt werden ſoll, ſetzt ſie voraus, daß die Gat-
tung mit ihrer Beſtimmtheit an und fuͤr ſich zuſam-
mengeſchloſſen ſey. Sie ſetzt damit eigentlich ihren
Schlußſatz vielmehr als ein unmittelbares voraus, wie
der Schluß der Allheit fuͤr eine ſeiner Praͤmiſſen den
Schlußſatz vorausſetzt. — Eine Erfahrung, die auf In-
duction beruht, wird als guͤltig angenommen, obgleich
die Wahrnehmung zugeſtandenermaßen nicht vollen-
det
[173]III.Kapitel. Der Schluß.
det iſt; es kann aber nur angenommen werden, daß
ſich keine Inſtanz gegen jene Erfahrung ergeben koͤn-
ne, inſofern dieſe an und fuͤr ſich wahr ſey. Der
Schluß durch Induction gruͤndet ſich daher wohl auf
eine Unmittelbarkeit, aber nicht auf die, auf die er ſich
gruͤnden ſollte, auf die ſeyende Unmittelbarkeit der
Einzelnheit, ſondern auf die an und fuͤr ſich
ſeyende
, auf die allgemeine. — Die Grundbe-
ſtimmung der Induction iſt, ein Schluß zu ſeyn; wenn
die Einzelnheit als weſentliche, die Allgemeinheit aber
nur als aͤuſſerliche Beſtimmung der Mitte genommen
wird, ſo fiele die Mitte in zwey unverbundne
Theile aus einander, und es waͤre kein Schluß vorhan-
den; dieſe Aeuſſerlichkeit gehoͤrt vielmehr den Extremen
an. Die Einzelnheit kann nur Mitte ſeyn, als un-
mittelbar identiſch
mit der Allgemeinheit;
eine ſolche Allgemeinheit iſt eigentlich die objective,
die Gattung
. — Diß kann auch ſo betrachtet wer-
den: die Allgemeinheit iſt an der Beſtimmung der Ein-
zelnheit, welche der Mitte der Induction zu Grunde liegt,
aͤuſſerlich, aber weſentlich; ein ſolches Aeuſſer-
liche
iſt ſo ſehr unmittelbar ſein Gegentheil, das In-
nerliche
. — Die Wahrheit des Schluſſes der In-
duction iſt daher ein ſolcher Schluß, der eine Einzeln-
heit zur Mitte hat, die unmittelbar an ſich ſelbſt All-
gemeinheit iſt; — der Schluß der Analogie.


c.
Der Schluß der Analogie.

1. Dieſer Schluß hat die dritte Figur des unmit-
telbaren Schluſſes: E — A — B zu ſeinem abſtracten
Schema. Aber ſeine Mitte iſt nicht mehr irgend eine
einzelne Qualitaͤt, ſondern eine Allgemeinheit, welche
die
[174]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
die Reflexion- in- ſich eines Concreten, ſo-
mit die Natur deſſelben iſt; — und umgekehrt, weil
ſie ſo die Allgemeinheit als eines Concreten iſt, iſt ſie
zugleich an ſich ſelbſt diß Concrete. — Es iſt hier
alſo ein Einzelnes die Mitte, aber nach ſeiner allgemei-
nen Natur; ferner iſt ein anderes Einzelnes, Extrem,
welches mit jenem dieſelbe allgemeine Natur hat. Z. B.


Die Erde hat Bewohner

Der Mond iſt eine Erde,

Alſo hat der Mond Bewohner.

2. Die Analogie iſt um ſo oberflaͤchlicher, je mehr
das Allgemeine, in welchem die beyden Einzelnen eins
ſind, und nach welchem das eine, Praͤdicat des andern
wird, eine bloſſe Qualitaͤt oder wie die Qualitaͤt ſub-
jectiv genommen wird, ein oder anderes Merkmahl
iſt, wenn die Identitaͤt beyder hierin als eine bloſſe
Aehnlichkeit genommen wird. Dergleichen Ober-
flaͤchlichkeit aber, zu der eine Verſtandes- oder Vernunft-
form dadurch gebracht wird, daß man ſie in die Sphaͤ-
re der bloſſen Vorſtellung herabſetzt, ſollte in der
Logik gar nicht angefuͤhrt werden. — Auch iſt es un-
paſſend, den Oberſatz dieſes Schluſſes ſo darzuſtellen,
daß er lauten ſolle: Was einem Objecte in eini-
gen Merkmahlen aͤhnlich iſt, das iſt ihm
auch in andern aͤhnlich
. Auf ſolche Weiſe wird
die Form des Schluſſes in Geſtalt eines Inhalts
ausgedruͤckt, und der empiriſche, eigentlich ſo zu nen-
nende, Inhalt zuſammen in den Unterſatz verlegt. So
koͤnnte auch die ganze Form z. B. des erſten Schluſſes
als ſein Oberſatz ausgedruͤckt werden: Was unter
ein anderes ſubſumirt iſt, welchem ein Drit-
tes inhaͤrirt, dem inhaͤrirt auch diß Dritte;
Nun aber
und ſo fort. Aber beym Schluſſe ſelbſt
kommt es nicht auf den empiriſchen Inhalt an, und
ſei-
[175]III.Kapitel. Der Schluß.
ſeine eigene Form zum Inhalt eines Oberſatzes zu ma-
chen, iſt ſo gleichguͤltig, als ob jeder andere empiriſche
Inhalt dafuͤr genommen wuͤrde. Inſofern es aber
beym Schluß der Analogie auf jenen Inhalt, der nichts
als die eigenthuͤmliche Form des Schluſſes enthaͤlt, nicht
ankommen ſollte, ſo kaͤme auch es auch bey dem erſten
Schluß ebenſoſehr nicht darauf an, d. h. nicht auf das,
was den Schluß zum Schluſſe macht. — Worauf es
ankommt, iſt immer die Form des Schluſſes, er mag nun
dieſe ſelbſt, oder etwas anderes zu ſeinem empiriſchen
Inhalte haben. So iſt der Schluß der Analogie eine
eigenthuͤmliche Form, und es iſt ein ganz leerer Grund,
ihn nicht fuͤr eine ſolche anſehen zu wollen, weil ſeine
Form zum Inhalt oder Materie eines Oberſatzes gemacht
werden koͤnne, die Materie aber das Logiſche nicht an-
gehe. — Was beym Schluſſe der Analogie, etwa auch
beym Schluſſe der Induction zu dieſem Gedanken verlei-
ten kann, iſt, daß in ihnen die Mitte und auch die Ex-
treme weiter beſtimmt ſind, als in dem bloß formalen
Schluſſe, und daher die Formbeſtimmung, weil ſie nicht
mehr einfach und abſtract iſt, auch als Inhaltsbe-
ſtimmung
erſcheinen muß. Aber diß, daß die Form
ſich ſo zum Inhalte beſtimmt, iſt erſtlich ein nothwendi-
ges Fortgehen des Formalen, und betrifft daher die Na-
tur des Schluſſes weſentlich; daher kann aber zwey-
tens
eine ſolche Inhaltsbeſtimmung nicht als eine ſol-
che, wie ein anderer empiriſcher Inhalt angeſe-
hen und davon abſtrahirt werden.


Wenn die Form des Schluſſes der Analogie in je-
nem Ausdruck ſeines Oberſatzes betrachtet wird, daß
wenn zwey Gegenſtaͤnde in einer oder auch
einigen Eigenſchaften uͤbereinkommen, ſo
kommt dem einen auch eine weitere Eigen-
ſchaft zu, die der andere hat
, ſo kann es ſchei-
nen,
[176]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
nen, daß dieſer Schluß vier Beſtimmungen, die
quaternionem terminorum, enthalte; — ein Umſtand, der
die Schwierigkeit mit ſich fuͤhrte, die Analogie in die
Form eines formalen Schluſſes zu bringen. — Es ſind
zwey Einzelne, drittens eine unmittelbar als ge-
meinſchaftlich angenommene Eigenſchaft, und viertens
die andere Eigenſchaft, die das eine Einzelne unmittel-
bar hat, die das andere aber erſt durch den Schluß er-
haͤlt. — Diß ruͤhrt daher, daß, wie ſich ergeben hat,
in dem analogiſchen Schluſſe die Mitte als Einzeln-
heit, aber unmittelbar auch als deren wahre Allgemein-
heit geſetzt iſt. — In der Induction iſt auſſer den
beyden Extremen die Mitte eine unbeſtimmbare Menge
von Einzelnen; in dieſem Schluſſe ſollte daher eine un-
endliche Menge von Terminis gezaͤhlt werden. — Im
Schluſſe der Allheit iſt die Allgemeinheit an der Mitte
nur erſt als die aͤuſſerliche Formbeſtimmung der Allheit;
im Schluſſe der Analogie dagegen als weſentliche Allge-
meinheit. Im obigen Beyſpiel iſt der Medius Termi-
nus: die Erde, als ein Concretes genommen, das
nach ſeiner Wahrheit ebenſoſehr eine allgemeine Natur
oder Gattung, als ein Einzelnes iſt.


Nach dieſer Seite machte die Quaternio terminorum
die Analogie nicht zu einem unvollkommenen Schluß.
Aber er wird es durch ſie nach einer andern Seite;
denn wenn zwar das eine Subject dieſelbe allgemeine
Natur hat, als das andere, ſo iſt es unbeſtimmt, ob
dem einen Subject die Beſtimmtheit, die auch fuͤr das
andere erſchloſſen wird, vermoͤge ſeiner Natur, oder
vermoͤge ſeiner Beſonderheit zukommt, ob z. B. die
Erde als Weltkoͤrper uͤberhaupt, oder nur als dieſer
beſondere Weltkoͤrper Bewohner hat. — Die Ana-
logie iſt inſofern noch ein Schluß der Reflexion, als
Einzelnheit und Allgemeinheit in deſſen Mitte unmit-
tel-
[177]III.Kapitel. Der Schluß.
telbar vereinigt ſind. Um dieſer Unmittelbarkeit willen iſt
noch die Aeuſſerlichkeit der Reflexions-Einheit vor-
handen, das Einzelne iſt nur an ſich die Gattung, es
iſt nicht in dieſer Negativitaͤt geſetzt, wodurch ſeine Be-
ſtimmtheit als die eigene Beſtimmtheit der Gattung
waͤre. Darum iſt das Praͤdicat, das dem Einzelnen der
Mitte zukommt, nicht auch ſchon Praͤdicat des andern
Einzelnen, obgleich dieſe beyde einerley Gattung an-
gehoͤren.


3. E — B (der Mond hat Bewohner) iſt der Schluß-
ſatz; aber die eine Praͤmiſſe (die Erde hat Bewohner)
iſt ein eben ſolches E — B; inſofern E — B ein Schluß-
ſatz ſeyn ſoll, ſo liegt darin die Foderung, daß auch jene
Praͤmiſſe ein ſolcher ſey. Dieſer Schluß iſt ſomit in
ſich ſelbſt die Foderung ſeiner gegen die Unmittelbarkeit,
die er enthaͤlt; oder er ſetzt ſeinen Schlußſatz voraus.
Ein Schluß des Daſeyns hat ſeine Vorausſetzung an
den andern Schluͤſſen des Daſeyns; bey den ſo eben
betrachteten iſt ſie in ſie hinein geruͤckt, weil ſie Schluͤſſe
der Reflexion ſind. Indem alſo der Schluß der Analo-
gie die Foderung ſeiner Vermittlung gegen die Unmittel-
barkeit iſt, mit welcher ſeine Vermittlung behaftet iſt, ſo
iſt es das Moment der Einzelnheit, deſſen Aufhe-
bung er fodert. So bleibt fuͤr die Mitte das objective
Allgemeine, die Gattung gereinigt von der Unmittel-
barkeit. — Die Gattung war im Schluſſe der Analogie
Moment der Mitte, nur als unmittelbare Voraus-
ſetzung
; indem der Schluß ſelbſt die Aufhebung der
vorausgeſetzten Unmittelbarkeit fodert, ſo iſt die Nega-
tion der Einzelnheit, und hiemit das Allgemeine nicht
mehr unmittelbar, ſondern geſetzt. — Der Schluß der
Reflexion enthielt erſt die erſte Negation der Unmittel-
barkeit; es iſt nunmehr die zweyte eingetreten, und
damit die aͤuſſerliche Reflexions-Allgemeinheit zur an
Mund
[178]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
und fuͤr ſich ſeyenden beſtimmt. — Von der poſitiven
Seite betrachtet, ſo zeigt ſich der Schlußſatz identiſch
mit der Praͤmiſſe, die Vermittlung mit ihrer Voraus-
ſetzung zuſammengegangen, hiemit eine Identitaͤt der Re-
flexions-Allgemeinheit, wodurch ſie hoͤhere Allgemein-
heit geworden.


Ueberſehen wir den Gang der Schluͤſſe der Re-
flexion, ſo iſt die Vermittlung uͤberhaupt die geſetzte,
oder concrete Einheit der Formbeſtimmungen der Ex-
treme; die Reflexion beſteht in dieſem Setzen der einen
Beſtimmung in der andern; das Vermittelnde iſt ſo die
Allheit. Als der weſentliche Grund derſelben aber
zeigt ſich die Einzelnheit, und die Allgemeinheit
nur als aͤuſſerliche Beſtimmung an ihr, als Vollſtaͤn-
digkeit
. Die Allgemeinheit iſt aber dem Einzelnen
weſentlich, daß es zuſammenſchlieſſende Mitte ſey;
es iſt daher als an ſich ſeyendes Allgemeines zu neh-
men. Es iſt aber mit ihr nicht auf dieſe bloß poſitive
Weiſe vereinigt, ſondern in ihr aufgehoben, und negati-
ves Moment; ſo iſt das Allgemeine, das an und fuͤr
ſich- ſeyende, geſetzte Gattung, und das Einzelne als Un-
mittelbares iſt vielmehr die Aeuſſerlichkeit derſelben, oder
es iſt Extrem. — Der Schluß der Reflexion ſteht uͤber-
haupt genommen unter dem Schema B — E — A, das
Einzelne iſt darin noch als ſolches, weſentliche Beſtim-
mung der Mitte; indem ſich ſeine Unmittelbarkeit aber
aufgehoben hat, und die Mitte als an und fuͤr ſich ſeyende
Allgemeinheit beſtimmt hat, ſo iſt der Schluß unter das
formelle Schema: E — A — B getreten, und der Schluß
der Reflexion in den Schluß der Nothwendigkeit
uͤbergegangen.


C. Der
[179]III.Kapitel. Der Schluß.
C.
Der Schluß der Nothwendigkeit.

Das Vermittelnde hat ſich nunmehr beſtimmt 1)
als einfache beſtimmte Allgemeinheit, wie die Beſon-
derheit in dem Schluſſe des Daſeyns iſt; aber 2) als
objective Allgemeinheit, das heißt, welche die ganze
Beſtimmtheit der unterſchiedenen Extreme enthaͤlt, wie
die Allheit des Schluſſes der Reflexion; eine erfuͤllte,
aber einfache Allgemeinheit; — die allgemeine
Natur
der Sache, die Gattung.


Dieſer Schluß iſt inhaltsvoll, weil die ab-
ſtracte
Mitte des Schluſſes des Daſeyns, ſich zum
beſtimmten Unterſchiede geſetzt, wie ſie als Mitte
des Reflexions-Schluſſes iſt, aber dieſer Unterſchied wie-
der in die einfache Identitaͤt ſich reflectirt hat. — Die-
ſer Schluß iſt daher Schluß der Nothwendigkeit,
da ſeine Mitte kein ſonſtiger unmittelbarer Inhalt, ſon-
dern die Reflexion der Beſtimmtheit der Extreme in ſich
iſt. Dieſe haben an der Mitte ihre innere Identitaͤt,
deren Inhaltsbeſtimmungen die Formbeſtimmungen der
Extreme ſind. — Damit iſt das, wodurch ſich die Ter-
mini unterſcheiden, als aͤuſſerliche und unweſent-
liche
Form, und ſie ſind als Momente eines noth-
wendigen
Daſeyns.


Zunaͤchſt iſt dieſer Schluß der unmittelbare, und
inſofern ſo formale, daß der Zuſammenhang der
Terminorum die weſentliche Natur iſt, als In-
halt
, und dieſer an den unterſchiedenen Terminis nur
in verſchiedener Form, und die Extreme fuͤr ſich
nur als ein unweſentliches Beſtehen ſind. — Die
M 2Re-
[180]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Realiſirung dieſes Schluſſes hat ihn ſo zu beſtimmen,
daß die Extreme gleichfalls als dieſe Totalitaͤt,
welche zunaͤchſt die Mitte iſt, geſetzt werden, und die
Nothwendigkeit der Beziehung, welche zunaͤchſt nur
der ſubſtantielle Inhalt iſt, eine Beziehung der ge-
ſetzten Form
ſey.


a.
Der kategoriſche Schluß.

1. Der kategoriſche Schluß hat das kategoriſche
Urtheil zu einer oder zu ſeinen beyden Praͤmiſſen. —
Es wird hier mit dieſem Schluſſe, wie mit dem Urtheil,
die beſtimmtere Bedeutung verbunden, daß die Mitte
deſſelben die objective Allgemeinheit iſt. Ober-
flaͤchlicher Weiſe wird auch der kategoriſche Schluß fuͤr
nicht mehr genommen, als fuͤr einen bloſſen Schluß
der Inhaͤrenz.


Der kategoriſche Schluß iſt nach ſeiner gehaltvol-
len Bedeutung der erſte Schluß der Nothwendig-
keit
, worin ein Subject mit einem Praͤdicat durch ſei-
ne Subſtanz
zuſammen geſchloſſen iſt. Die Subſtanz
aber in die Sphaͤre des Begriffs erhoben iſt das Allge-
meine, geſetzt ſo an und fuͤr ſich zu ſeyn, daß ſie nicht
wie in ihrem eigenthuͤmlichen Verhaͤltniſſe, die Acciden-
talitaͤt, ſondern die Begriffsbeſtimmung zur Form, zur
Weiſe ihres Seyns hat. Ihre Unterſchiede ſind daher
die Extreme des Schluſſes, und beſtimmt die Allgemein-
heit und Einzelnheit. Jene iſt gegen die Gattung
wie die Mitte naͤher beſtimmt iſt, abſtracte Allgemein-
heit oder allgemeine Beſtimmtheit; — die Accidentalitaͤt
der Subſtanz in die einfache Beſtimmtheit, die aber ihr
weſentlicher Unterſchied, die ſpecifiſche Differenz
iſt,
[181]III.Kapitel. Der Schluß.
iſt, zuſammengefaßt. — Die Einzelnheit aber iſt das
Wirkliche, an ſich die concrete Einheit der Gattung und
der Beſtimmtheit, hier aber als im unmittelbaren Schluſſe
zunaͤchſt unmittelbare Einzelnheit, die in die Form fuͤr
ſich ſeyenden
Beſtehens zuſammengefaßte Accidentali-
taͤt. — Die Beziehung dieſes Extrems auf die Mitte
macht ein kategoriſches Urtheil aus; inſofern aber auch
das andre Extrem nach der angegebenen Beſtimmung die
ſpecifiſche Differenz der Gattung, oder ihr beſtimmtes
Princip ausdruͤckt, ſo iſt auch dieſe andere Praͤmiſſe
kategoriſch.


2.) Dieſer Schluß ſteht zunaͤchſt als erſter, ſomit
unmittelbarer Schluß der Nothwendigkeit unter dem Sche-
ma des erſten formalen Schluſſes, E — B —A.
Da aber die Mitte die weſentliche Natur des Einzel-
nen, nicht irgend eine der Beſtimmtheiten oder Ei-
genſchaften deſſelben iſt, und eben ſo das Extrem der All-
gemeinheit nicht irgend ein abſtractes Allgemeines, auch
wieder nur eine einzelne Qualitaͤt, ſondern die allge-
meine Beſtimmtheit, das ſpecifiſche des Unter-
ſchiedes
der Gattung iſt, ſo faͤllt die Zufaͤlligkeit weg,
daß das Subject nur durch irgend einen Medius
Terminus, mit irgend einer Qualitaͤt zuſammen
geſchloſſen waͤre. — Indem ſomit auch die Beziehun-
gen
der Extreme auf die Mitte nicht diejenige aͤuſſerli-
che Unmittelbarkeit haben, wie im Schluſſe des Daſeyns;
ſo tritt die Foderung des Beweiſes nicht in dem Sinne
ein, der dort Statt fand und zum unendlichen Progreſſe
fuͤhrte.


Dieſer Schluß ſetzt ferner nicht wie ein Schluß
der Reflexion, fuͤr ſeine Praͤmiſſen ſeinen Schlußſatz
voraus. Die Termini ſtehen nach dem ſubſtantiellen
Inhalt in identiſcher, als an und fuͤr ſich ſeyender
Beziehung auf einander; es iſt ein die drey Terminos
durch-
[182]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
durchlauffendes Weſen vorhanden, an welchem die Be-
ſtimmungen der Einzelnheit, Beſonderheit und Allgemein-
heit nur formelle Momente ſind.


Der kategoriſche Schluß iſt daher inſofern nicht
mehr ſubjectiv; in jener Identitaͤt faͤngt die Objectivitaͤt
an; die Mitte iſt die inhaltsvolle Identitaͤt ihrer Extre-
me, welche in derſelben nach ihrer Selbſtſtaͤndigkeit
enthalten ſind, denn ihre Selbſtſtaͤndigkeit iſt jene ſub-
ſtantielle Allgemeinheit, die Gattung. Das Subjective
des Schluſſes beſteht in dem gleichguͤltigen Beſtehen der
Extreme gegen den Begriff, oder die Mitte.


3.) Es iſt aber noch an dieſem Schluſſe diß ſub-
jectiv, daß jene Identitaͤt noch als die ſubſtantielle oder
als Inhalt, noch nicht zugleich als Identitaͤt der
Form
iſt. Daher iſt die Identitaͤt des Begriffes noch
inneres Band, ſomit als Beziehung noch Nothwen-
digkeit
; die Allgemeinheit der Mitte iſt gediegene,
poſitive Identitaͤt, nicht eben ſo ſehr als Negativi-
taͤt ihrer Extreme
.


Naͤher iſt die Unmittelbarkeit dieſes Schluſſes wel-
che noch nicht als das, was ſie an ſich iſt, geſetzt
iſt, ſo vorhanden. Das eigentlich unmittelbare des
Schluſſes iſt das Einzelne. Diß iſt unter ſeine Gat-
tung als Mitte ſubſumirt; aber unter derſelben ſtehen
noch andere, unbeſtimmt viele Einzelne; es iſt da-
her zufaͤllig, daß nur dieſes Einzelne darunter als
ſubſumirt geſetzt iſt. — Dieſe Zufaͤlligkeit gehoͤrt aber fer-
ner nicht bloß der aͤuſſern Reflexion an, die das
im Schluſſe geſetzte Einzelne, durch die Vergleichung
mit andern, zufaͤllig findet; vielmehr darin daß es ſelbſt
auf die Mitte als ſeine objective Allgemeinheit bezogen
iſt, iſt es als zufaͤllig, als eine ſubjective Wirklich-
keit
[183]III.Kapitel. Der Schluß.
keit geſetzt. Auf der andern Seite, indem das Subject
ein unmittelbares Einzelnes iſt, enthaͤlt es Beſtim-
mungen, welche nicht in der Mitte, als der allgemeinen
Natur enthalten ſind; es hat ſomit auch eine dagegen
gleichguͤltige, fuͤr ſich beſtimmte Exiſtenz, die von eigen-
thuͤmlichen Inhalt iſt. Damit hat auch umgekehrt, die-
ſer andere Terminus eine gleichguͤltige Unmittelbarkeit
und verſchiedene Exiſtenz von jenem. — Daſſelbe Ver-
haͤltniß findet auch zwiſchen der Mitte und dem andern
Extreme Statt; denn diß hat gleichfalls die Beſtimmung
der Unmittelbarkeit, ſomit eines zufaͤlligen Seyn gegen
ſeine Mitte.


Was hiemit im kategoriſchen Schluſſe geſetzt iſt,
ſind einerſeits Extreme in ſolchem Verhaͤltniß zur
Mitte, daß ſie an ſich objective Allgemeinheit oder ſelbſt-
ſtaͤndige Natur haben und zugleich als Unmittelbare
ſind, alſo gegen einander gleichguͤltige Wirklich-
keiten. Andererſeits
aber ſind ſie ebenſoſehr als
zufaͤllige, oder ihre Unmittelbarkeit als aufgeho-
ben
in ihrer Identitaͤt beſtimmt. Dieſe aber iſt um
jener Selbſtſtaͤndigkeit und Totalitaͤt der Wirklichkeit
willen nur die formelle, innere; hiedurch hat der Schluß
der Nothwendigkeit ſich zum hypothetiſchen be-
ſtimmt.


b.
Der hypothetiſche Schluß.

1. Das hypothetiſche Urtheil enthaͤlt nur die noth-
wendige Beziehung, ohne die Unmittelbarkeit der
Bezogenen. WennAiſt, ſo iſtB; oder das Seyn
des A iſt auch ebenſoſehr das Seyn eines andern,
des B; damit iſt noch nicht geſagt, weder daß Aiſt,
noch
[184]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
noch daß Biſt. Der hypothetiſche Schluß fuͤgt dieſe
Unmittelbarkeit des Seyns hinzu:
Wenn A iſt, ſo iſt B
Nun iſtA,
Alſo iſt B.

Der Unterſatz fuͤr ſich ſpricht das unmittelbare Seyn
des A aus.


Aber es iſt nicht bloß diß zum Urtheil hinzuge-
kommen. Der Schluß enthaͤlt die Beziehung des Sub-
jects und Praͤdicats nicht als die abſtracte Copula, ſon-
dern als die erfuͤllte, vermittelnde Einheit. Das
Seyn des A iſt daher nicht als bloſſe Unmit-
telbarkeit
, ſondern weſentlich als Mitte des
Schluſſes
zu nehmen. Diß iſt naͤher zu betrachten.


2. Zunaͤchſt iſt die Beziehung des hypothetiſchen
Urtheils die Nothwendigkeit, oder innere ſub-
ſtantielle Identitaͤt
bey aͤuſſerlicher Verſchieden-
heit der Exiſtenz, oder der Gleichguͤltigkeit des erſchei-
nenden Seyns gegeneinander; — ein identiſcher In-
halt
, der innerlich zu Grunde liegt. Die beyden Sei-
ten des Urtheils ſind daher nicht als ein unmittelba-
res, ſondern in der Nothwendigkeit gehaltenes Seyn,
alſo zugleich aufgehobenes, oder nur erſcheinendes
Seyn. Sie verhalten ſich ferner als Seiten des Ur-
theils, als Allgemeinheit und Einzelnheit; das
eine iſt daher jener Inhalt als Totalitaͤt der Be-
dingungen
, das andere, als Wirklichkeit. Es
iſt jedoch gleichguͤltig, welche Seite als Allgemeinheit,
welche als Einzelnheit genommen werde. Inſofern nem-
lich die Bedingungen noch das Innre, abſtracte
einer Wirklichkeit ſind, ſind ſie das Allgemeine, und
es iſt das Zuſammengefaßtſeyn derſelben in eine
Einzelnheit, wodurch ſie in Wirklichkeit getre-
ten
[185]III.Kapitel. Der Schluß.
ten ſind. Umgekehrt ſind die Bedingungen, eine ver-
einzelnte zerſtreute
Erſcheinung, welche erſt in der
Wirklichkeit, Einheit und Bedeutung, und ein
allgemeinguͤltiges Daſeyn gewinnt.


Das naͤhere Verhaͤltniß, das hier zwiſchen den
beyden Seiten als Verhaͤltniß von Bedingung zum Be-
dingten angenommen worden, kann jedoch auch als Ur-
ſache und Wirkung, Grund und Folge genommen wer-
den; diß iſt hier gleichguͤltig; aber das Verhaͤltniß der
Bedingung entſpricht inſofern der in dem hypothetiſchen
Urtheile und Schluſſe vorhandenen Beziehung naͤher, als
die Bedingung weſentlich als eine gleichguͤltige Exiſtenz,
Grund und Urſache dagegen durch ſich ſelbſt uͤbergehend
iſt; auch iſt die Bedingung eine allgemeinere Beſtim-
mung, indem ſie beyde Seiten jener Verhaͤltniſſe begreift,
da die Wirkung, Folge u. ſ. f. ebenſoſehr Bedingung
der Urſache, des Grundes iſt, als dieſe von jenen. —


A iſt nun das vermittelnde Seyn, inſofern
es erſtens ein unmittelbares Seyn, eine gleichguͤltige
Wirklichkeit, aber zweytens inſofern es ebenſoſehr als
ein an ſich ſelbſt zufaͤlliges, ſich aufhe[be]ndes Seyn
iſt. Was die Bedingungen in die Wirklichkeit der
neuen Geſtalt, deren Bedingungen ſie ſind, uͤberſetzt, iſt,
daß ſie nicht das Seyn als das abſtracte Unmittelbare
ſind, ſondern das Seyn in ſeinem Begriffe, zu-
naͤchſt das Werden; aber, da der Begriff nicht mehr
das Uebergehen iſt, beſtimmter die Einzelnheit, als
ſich auf ſich beziehende negative Einheit. — Die Be-
dingungen ſind ein zerſtreutes, ſeine Verwendung erwar-
tendes und foderndes Material; dieſe Negativitaͤt
iſt das Vermittelnde, die freye Einheit des Begriffes.
Sie beſtimmt ſich als Thaͤtigkeit, da dieſe Mitte
der Widerſpruch der objectiven Allgemeinheit,
oder der Totalitaͤt des identiſchen Inhalts, und der
gleich-
[186]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
gleichguͤltigen Unmittelbarkeit iſt. — Dieſe
Mitte iſt daher nicht mehr bloß innere, ſondern ſeyen-
de Nothwendigkeit
; die objective Allgemeinheit
enthaͤlt die Beziehung auf ſich ſelbſt, als einfache Un-
mittelbarkeit
, als Seyn; — im kategoriſchen Schluſ-
ſe iſt diß Moment zunaͤchſt Beſtimmung der Extreme;
aber gegen die objective Allgemeinheit der Mitte be-
ſtimmt es ſich als Zufaͤlligkeit, damit als ein nur
geſetztes, auch aufgehobenes, das iſt, in den Begriff
oder in die Mitte als Einheit zuruͤckgegangenes, welche
ſelbſt nun in ihrer Objectivitaͤt auch Seyn iſt.


Der Schlußſatz: Alſo iſtB, druͤckt denſelben
Widerſpruch aus, daß B ein unmittelbar ſeyendes,
aber eben ſo durch ein anderes oder vermittelt iſt.
Seiner Form nach, iſt er daher derſelbe Begriff, wel-
cher die Mitte iſt; nur als das Nothwendige unter-
ſchieden von der Nothwendigkeit, — in der ganz
oberflaͤchlichen Form der Einzelnheit gegen die Allge-
meinheit. Der abſolute Inhalt von A und B iſt der-
ſelbe; es ſind nur zwey verſchiedene Nahmen derſelben
Grundlage fuͤr die Vorſtellung, inſofern ſie die Er-
ſcheinung der verſchiedenen Geſtalt des Daſeyns feſthaͤlt,
und vom Nothwendigen ſeine Nothwendigkeit unterſchei-
det; inſofern dieſe aber von B getrennt ſeyn ſollte, ſo
waͤre es nicht das Nothwendige. Es iſt ſomit die Identi-
taͤt des Vermittelnden und des Vermittelten
darin vorhanden.


3. Der hypothetiſche Schluß ſtellt zunaͤchſt die
nothwendige Beziehung
, als Zuſammenhang durch
die Form oder negative Einheit dar, wie der
kategoriſche durch die poſitive Einheit, den gediegenen
Inhalt, die objective Allgemeinheit. Aber die Noth-
wendigkeit
geht in das Nothwendige zuſammen;
die
[187]III.Kapitel. Der Schluß.
die Formthaͤtigkeit des Ueberſetzens der bedingen-
den Wirklichkeit in die bedingte iſt an ſich die Einheit,
in welcher die vorher zum gleichguͤltigen Daſeyn befreyten
Beſtimmtheiten des Gegenſatzes aufgehoben ſind, und
der Unterſchied des A und B ein leerer Nahmen iſt.
Sie iſt daher in ſich reflectirte Einheit, — ſomit ein
identiſcher Inhalt; und iſt diß nicht nur an ſich,
ſondern es iſt durch dieſen Schluß auch geſetzt, in-
dem das Seyn des A auch nicht ſein eigenes, ſondern
des B und umgekehrt, uͤberhaupt das Seyn des einen
das Seyn des andern iſt, und im Schlußſatze beſtimmt
das unmittelbare Seyn oder gleichguͤltige Beſtimmtheit
als eine vermittelte iſt, — alſo die Aeuſſerlichkeit ſich
aufgehoben, und deren in ſich gegangene Ein-
heit geſetzt
iſt.


Die Vermittlung des Schluſſes hat ſich hiedurch
beſtimmt, als Einzelnheit, Unmittelbarkeit,
und als ſich auf ſich beziehende Negativitaͤt,
oder unterſcheidende und aus dieſem Unterſchiede ſich in
ſich zuſammennehmende Identitaͤt, — als abſolute Form,
und eben dadurch als objective Allgemeinheit, mit
ſich identiſch ſeyender Inhalt. Der Schluß iſt in die-
ſer Beſtimmung der disjunctive Schluß.


c.
Der disjunctive Schluß.

Wie der hypothetiſche Schluß im allgemeinen un-
ter dem Schema der zweyten Figur A — E — B ſteht,
ſo ſteht der disjunctive unter dem Schema der dritten
Figur des formalen Schluſſes: E — A — B. Die
Mitte iſt aber die mit der Form erfuͤllte Allge-
meinheit
; ſie hat ſich als die Totalitaͤt, als
ent-
[188]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
entwickelte objective Allgemeinheit beſtimmt. Der
Medius Terminus iſt daher ſowohl Allgemeinheit, als
Beſonderheit und Einzelnheit. Als jene iſt er erſtlich
die ſubſtantielle Identitaͤt der Gattung, aber zweytens
als eine ſolche, in welche die Beſonderheit, aber
als ihr gleich, aufgenommen iſt, alſo als all-
gemeine Sphaͤre, die ihre totale Beſonderung enthaͤlt, —
die in ihre Arten zerlegte Gattung; A welches ſowohl
BalsCalsD iſt. Die Beſonderung iſt aber als
Unterſcheidung ebenſoſehr das Entweder Oder des
B, C und D,negative Einheit, das gegenſei-
tige
Ausſchlieſſen der Beſtimmungen. — Diß Aus-
ſchlieſſen iſt nun ferner nicht nur ein gegenſeitiges und
die Beſtimmung bloß eine relative, ſondern ebenſoſehr
weſentlich ſich auf ſich beziehende Beſtimmung;
das Beſondere als Einzelnheit mit Ausſchlieſſung
der andern.
A iſt entweder B oder C oder D
A
iſt aber B
Alſo iſt A nicht C noch D.

oder auch:
A iſt entweder B oder C oder D
A
iſt aber nicht C noch D
Alſo iſt es B.


A iſt nicht nur in den beyden Praͤmiſſen Subject,
ſondern auch im Schlußſatz. In der erſten iſt es all-
gemeines und in ſeinem Praͤdicate die in die Totalitaͤt
ihrer Arten beſonderte allgemeine Sphaͤre; in der
zweyten iſt es als Beſtimmtes, oder als eine Art;
im Schlußſatz iſt es als die ausſchlieſſende, ein-
zelne
Beſtimmtheit geſetzt. — Oder auch iſt es ſchon
im Unterſatze als ausſchlieſſende Einzelnheit, und im
Schlußſatze als das Beſtimmte, was es iſt, poſitiv
geſetzt.


Was
[189]III.Kapitel. Der Schluß.

Was hiemit uͤberhaupt als das Vermittelte
erſcheint, iſt die Allgemeinheit des A mit der
Einzelnheit. Das Vermittelnde aber iſt die-
ſes A, welches die allgemeine Sphaͤre ſeiner Be-
ſonderungen und ein als einzelnes beſtimmtes iſt.
Was die Wahrheit des hypothetiſchen Schluſſes iſt, die
Einheit des Vermittelnden und des Vermittelten, iſt ſo-
mit im disjunctiven Schluſſe geſetzt, der aus dieſem
Grunde ebenſoſehr kein Schluß mehr iſt. Die Mitte,
welche in ihm als die Totalitaͤt des Begriffes geſetzt iſt,
enthaͤlt nemlich ſelbſt die beyden Extreme in ihrer voll-
ſtaͤndigen Beſtimmtheit. Die Extreme, im Unterſchiede
von dieſer Mitte, ſind nur als ein Geſetztſeyn, dem kei-
ne eigenthuͤmliche Beſtimmtheit gegen die Mitte mehr
zukommt.


Diß noch in beſtimmterer Ruͤckſicht auf den hypo-
thetiſchen Schluß betrachtet, ſo war in ihm eine ſub-
ſtantielle Identitaͤt
, als das innre Band der
Nothwendigkeit, und eine davon unterſchiedene nega-
tive Einheit
— nemlich die Thaͤtigkeit oder die Form,
welche ein Daſeyn in ein anderes uͤberſetzte, — vorhan-
den. Der disjunktive Schluß iſt uͤberhaupt in der Be-
ſtimmung der Allgemeinheit, ſeine Mitte iſt das A
als Gattung und als vollkommen Beſtimmtes;
durch dieſe Einheit iſt jener vorher innre Inhalt auch
geſetzt, und umgekehrt das Geſetztſeyn oder die Form
iſt nicht die aͤuſſerliche negative Einheit gegen ein gleich-
guͤltiges Daſeyn, ſondern identiſch mit jenem gediegenen
Inhalte. Die ganze Formbeſtimmung des Begriffs iſt
in ihrem beſtimmten Unterſchied und zugleich in der ein-
fachen Identitaͤt des Begriffes geſetzt.


Dadurch hat ſich nun der Formalismus des
Schlieſſens
, hiemit die Subjectivitaͤt des Schluſſes
und
[190]I.Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
und des Begriffes uͤberhaupt aufgehoben. Diß Formelle
oder Subjective beſtand darin, daß das Vermittelnde
der Extreme, der Begriff als abſtracte Beſtimmung,
und dadurch von ihnen, deren Einheit ſie iſt, verſchie-
den
iſt. In der Vollendung des Schluſſes dagegen,
worin die objective Allgemeinheit ebenſoſehr als Totali-
taͤt der Formbeſtimmungen geſetzt iſt, iſt der Unterſchied
des Vermittelnden und Vermittelten weggefallen. Das
was vermittelt iſt, iſt ſelbſt weſentliches Moment ſeines
Vermittelnden, und jedes Moment iſt als die Totalitaͤt
der Vermittelten.


Die Figuren des Schluſſes ſtellen jede Beſtimmt-
heit des Begriffs einzeln als die Mitte dar, welche
zugleich der Begriff als Sollen iſt, als Foderung, daß
das Vermittelnde ſeine Totalitaͤt ſey. Die verſchiedenen
Gattungen der Schluͤſſe aber ſtellen die Stuffen der Er-
fuͤllung
oder Concretion der Mitte dar. In dem for-
malen Schluſſe wird die Mitte nur dadurch als Totali-
taͤt geſetzt, daß alle Beſtimmtheiten, aber jede einzeln,
die Function der Vermittlung durchlauffen. In den
Schluͤſſen der Reflexion iſt die Mitte als die, die Be-
ſtimmungen der Extreme aͤuſſerlich zuſammenfaſſende
Einheit. Im Schluſſe der Nothwendigkeit hat ſie ſich zur
eben ſo entwickelten und totalen als einfachen Einheit
beſtimmt, und die Form des Schluſſes, der in dem Un-
terſchiede der Mitte gegen ſeine Extreme beſtand, hat
ſich dadurch aufgehoben.


Damit iſt der Begriff uͤberhaupt realiſirt worden;
beſtimmter hat er eine ſolche Realitaͤt gewonnen, welche
Objectivitaͤt iſt. Die naͤchſte Realitaͤt war,
daß der Begriff als die in ſich negative Einheit ſich
dirimirt, und als Urtheil ſeine Beſtimmungen in be-
ſtimmtem und gleichguͤltigem Unterſchiede ſetzt, und im
Schluſ-
[191]III.Kapitel. Der Schluß.
Schluſſe ſich ſelbſt ihnen entgegenſtellt. Indem er ſo
noch das Innerliche dieſer ſeiner Aeuſſerlichkeit iſt, ſo
wird durch den Verlauf der Schluͤſſe dieſe Aeuſſerlichkeit
mit der innerlichen Einheit ausgeglichen; die verſchiede-
nen Beſtimmungen kehren durch die Vermittlung, in wel-
cher ſie zunaͤchſt nur in einem Dritten eins ſind, in dieſe
Einheit zuruͤck, und die Aeuſſerlichkeit ſtellt dadurch den
Begriff an ihr ſelbſt dar, der hiemit ebenſoſehr nicht
mehr als innerliche Einheit von ihr unterſchieden iſt.


Jene Beſtimmung des Begriffs aber, welche als
Realitaͤt betrachtet worden, iſt umgekehrt ebenſoſehr
ein Geſetztſeyn. Denn nicht nur in dieſem Reſul-
tate hat ſich als die Wahrheit des Begriffs die Identi-
taͤt ſeiner Innerlichkeit und Aeuſſerlichkeit dargeſtellt, ſon-
dern ſchon die Momente des Begriffs im Urtheile bleiben
auch in ihrer Gleichguͤltigkeit gegen einander, Beſtimmun-
gen, die ihre Bedeutung nur in ihrer Beziehung haben.
Der Schluß iſt Vermittlung, der vollſtaͤndige Be-
griff in ſeinem Geſetztſeyn. Seine Bewegung iſt
das Aufheben dieſer Vermittlung, in welcher nichts an
und fuͤr ſich, ſondern jedes nur vermittelſt eines Andern
iſt. Das Reſultat iſt daher eine Unmittelbarkeit,
die durch Aufheben der Vermittlung hervorge-
gangen, ein Seyn, das ebenſoſehr identiſch mit der
Vermittlung und der Begriff iſt, der aus und in ſei-
nem Andersſeyn ſich ſelbſt hergeſtellt hat. Diß Seyn
iſt daher eine Sache, die an und fuͤr ſich iſt, —
die Objectivitaͤt.


Zwey-
[192]

Zweyter Abſchnitt.
Die Objectivitaͤt.


Im erſten Buche der objectiven Logik wurde das
abſtracte Seyn dargeſtellt, als uͤbergehend in das Da-
ſeyn
, aber eben ſo zuruͤckgehend in das Weſen. Im
zweyten zeigt ſich das Weſen, daß es ſich zum Grunde
beſtimmt, dadurch in die Exiſtenz tritt und ſich zur
Subſtanz realiſirt, aber wieder in den Begriff zu-
ruͤckgeht. Vom Begriffe iſt nun zunaͤchſt gezeigt wor-
den, daß er ſich zur Objectivitaͤt beſtimmt. Es er-
hellt von ſelbſt, daß dieſer letztere Uebergang ſeiner Be-
ſtimmung nach daſſelbe iſt, was ſonſt in der Meta-
phyſik
als der Schluß vom Begriffe, nemlich vom
Begriffe Gottes auf ſein Daſeyn, oder als der
ſogenannte ontologiſche Beweis vom Daſeyn
Gottes
vorkam. — Es iſt eben ſo bekannt, daß der
erhabenſte Gedanke Deskartes, daß der Gott das iſt,
deſſen Begriff ſein Seyn in ſich ſchließt, nach-
dem er in die ſchlechte Form des formalen Schluſſes,
nemlich in die Form jenes Beweiſes herabgeſunken, end-
lich der Kritik der Vernunft, und dem Gedanken, daß
ſich das Daſeyn nicht aus dem Begriffe her-
ausklauben
laſſe, unterlegen iſt. Einiges dieſen Be-
weis betreffende iſt ſchon fruͤher beleuchtet worden; im
erſten Theile S. 27. ff. indem das Seyn in ſeinem
naͤchſten Gegenſatze dem Nichtſeyn verſchwunden und
als
[193]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
als die Wahrheit beyder ſich das Werden gezeigt hat,
iſt die Verwechslung bemerklich gemacht worden, wenn
bey einem beſtimmten Daſeyn nicht das Seyn deſſel-
ben, ſondern ſein beſtimmter Inhalt feſtgehalten
und daher gemeynt wird, wenn dieſer beſtimmte
Inhalt
z. B. hundert Thaler, mit einem andern be-
ſtimmten Inhalte
z. B. dem Contexte meiner Wahr-
nehmung, meinem Vermoͤgenszuſtand verglichen und da-
bey ein Unterſchied gefunden wird, ob jener Inhalt zu
dieſem hinzukomme oder nicht, — als ob dann vom Un-
terſchiede des Seyns und Nichtſeyns, oder gar vom
Unterſchiede des Seyns und des Begriffes geſprochen
werde. Ferner iſt daſelbſt S. 56. und II. Th. S. 81
die in dem ontologiſchen Beweiſe vorkommende Beſtim-
mung eines Inbegriffs aller Realitaͤten be-
leuchtet worden. — Den weſentlichen Gegenſtand jenes
Beweiſes, den Zuſammenhang des Begriffes
und des Daſeyns
, betrifft aber die eben geſchloſſe-
ne Betrachtung des Begriffs und des ganzen Ver-
laufs, durch den er ſich zur Objectivitaͤt beſtimmt.
Der Begriff iſt als abſolut mit ſich identiſche Negativi-
taͤt, das ſich ſelbſt beſtimmende; es iſt bemerkt worden,
daß er ſchon, indem er ſich in der Einzelnheit zum Ur-
theil
entſchließt, ſich als reales, ſeyendes ſetzt;
dieſe noch abſtracte Realitaͤt vollendet ſich in der Ob-
jectivitaͤt
.


Wenn es nun ſcheinen moͤchte, als ob der Ueber-
gang des Begriffs in die Objectivitaͤt etwas anderes
ſey, als der Uebergang vom Begriff Gottes, zu deſſen
Daſeyn, ſo waͤre einerſeits zu betrachten, daß der be-
ſtimmte Inhalt, Gott, im logiſchen Gange keinen Un-
terſchied machte, und der ontologiſche Beweis nur eine
Anwendung dieſes logiſchen Ganges auf jenen beſondern
Inhalt waͤre. Auf der andern Seite aber iſt ſich we-
Nſent-
[194]II.Abſchnitt.
ſentlich an die oben gemachte Bemerkung zu erinnern,
daß das Subject erſt in ſeinem Praͤdicate Beſtimmtheit
und Inhalt erhaͤlt, vor demſelben aber, er mag fuͤr das
Gefuͤhl, Anſchauung und Vorſtellung ſonſt ſeyn was er
will, fuͤr das begreiffende Erkennen nur ein Nahmen
iſt; in dem Praͤdicate beginnt mit der Beſtimmtheit aber
zugleich die Realiſation uͤberhaupt. — Die Praͤdi-
cate muͤſſen aber gefaßt werden, als ſelbſt noch in den
Begriff eingeſchloſſen, ſomit als etwas ſubjectives, mit
dem noch nicht zum Daſeyn herausgekommen iſt; inſo-
fern iſt einerſeits allerdings die Realiſation des Be-
griffs im Urtheil noch nicht vollendet. Andererſeits
bleibt aber auch die bloſſe Beſtimmung eines Gegenſtan-
des durch Praͤdicate, ohne daß ſie zugleich die Realiſa-
tion und Objectivirung des Begriffes iſt, etwas ſo ſub-
jectives, daß ſie auch nicht einmal die wahrhafte Er-
kenntniß und Beſtimmung des Begriffs des Ge-
genſtandes iſt; — ein ſubjectives in dem Sinne von ab-
ſtracter Reflexion und unbegriffnen Vorſtellungen. —
Gott als lebendiger Gott, und noch mehr als abſoluter
Geiſt wird nur in ſeinem Thun erkannt. Fruͤh iſt
der Menſch angewieſen worden, ihn in ſeinen Werken
zu erkennen; aus dieſen koͤnnen erſt die Beſtimmun-
gen
hervorgehen, welche ſeine Eigenſchaften genannt
werden; ſo wie darin auch ſein Seyn enthalten iſt.
So faßt das begreiffende Erkennen ſeines Wirkens,
d. i. ſeiner ſelbſt, den Begriff Gottes in ſeinem Seyn,
und ſein Seyn in ſeinem Begriffe. Das Seyn fuͤr ſich
oder gar das Daſeyn iſt eine ſo arme und beſchraͤnkte
Beſtimmung, daß die Schwierigkeit, ſie im Begriffe zu
finden, wohl nur daher hat kommen koͤnnen, daß nicht
betrachtet worden iſt, was denn das Seyn oder Da-
ſeyn
ſelbſt iſt. — Das Seyn als die ganz ab-
ſtracte, unmittelbare Beziehung auf ſich
ſelbſt
, iſt nichts anderes als das abſtracte Moment
des
[195]Objectivitaͤt.
des Begriffs, welches abſtracte Allgemeinheit iſt, die auch
das, was man an das Seyn verlangt, leiſtet, auſſer
dem Begriff zu ſeyn; denn ſo ſehr ſie Moment des Be-
griffs iſt, eben ſo ſehr iſt ſie der Unterſchied, oder das
abſtracte Urtheil deſſelben, indem er ſich ſelbſt ſich gegen-
uͤberſtellt. Der Begriff, auch als formaler, enthaͤlt ſchon
unmittelbar das Seyn in einer wahrern und rei-
chern
Form, indem er als ſich auf ſich beziehende Ne-
gativitaͤt, Einzelnheit iſt.


Unuͤberwindlich aber wird allerdings die Schwie-
rigkeit, im Begriffe uͤberhaupt, und eben ſo im Begriffe
Gottes das Seyn zu finden, wenn es ein ſolches ſeyn
ſoll, das im Contexte der aͤuſſern Erfahrung
oder in der Form der ſinnlichen Wahrneh-
mung
, wie die hundert Thaler in meinem
Vermoͤgenszuſtande
, nur als ein mit der Hand,
nicht mit dem Geiſte begriffenes, weſentlich dem aͤuſſern,
nicht dem innern Auge ſichtbares vorkommen ſoll; —
wenn dasjenige, Seyn, Realitaͤt, Wahrheit genannt
wird, was die Dinge als ſinnliche, zeitliche und ver-
gaͤngliche haben. — Wenn ein Philoſophiren ſich
beym Seyn nicht uͤber die Sinne erhebt, ſo geſellt
ſich dazu, daß es auch beym Begriffe nicht den bloß
abſtracten Gedanken verlaͤßt; dieſer ſteht dem Seyn
gegenuͤber.


Die Gewoͤhnung, den Begriff nur als etwas ſo
einſeitiges, wie der abſtracte Gedanke iſt, zu nehmen,
wird ſchon Anſtand finden, das, was vorhin vorgeſchla-
gen wurde, anzuerkennen, nemlich den Uebergang vom
Begriffe Gottes zu ſeinem Seyn, als eine An-
wendung
von dem dargeſtellten logiſchen Verlauf der
Objectivirung des Begriffs, anzuſehen. Wenn jedoch
wie gewoͤhnlich geſchieht, zugegeben wird, daß das Logi-
N 2ſche
[196]II.Abſchnitt.
ſche als das Formale, die Form fuͤr das Erkennen jedes
beſtimmten Inhalts ausmache, ſo muͤßte wenigſtens jenes
Verhaͤltniß zugeſtanden werden, wenn nicht uͤberhaupt
eben bey dem Gegenſatze des Begriffes gegen die Ob-
jectivitaͤt, bey dem unwahren Begriffe und einer eben ſo
unwahren Realitaͤt, als einem letzten ſtehen geblieben
wird. — Allein bey der Expoſition des reinen Be-
griffes
iſt noch weiter angedeutet worden, daß der-
ſelbe der abſolute, goͤttliche Begriff ſelbſt iſt, ſo daß in
Wahrheit nicht das Verhaͤltniß einer Anwendung
Statt finden wuͤrde, ſondern jener logiſche Verlauf die
unmittelbare Darſtellung der Selbſtbeſtimmung Gottes
zum Seyn waͤre. Es iſt aber hieruͤber zu bemerken,
daß indem der Begriff als der Begriff Gottes dargeſtellt
werden ſoll, er aufzufaſſen iſt, wie er ſchon in die
Idee aufgenommen iſt. Jener reine Begriff durch-
laͤuft die endlichen Formen des Urtheils und des Schluſ-
ſes darum, weil er noch nicht als an und fuͤr ſich eins
mit der Objectivitaͤt geſetzt, ſondern erſt im Werden zu
ihr, begriffen iſt. So iſt auch dieſe Objectivitaͤt noch
nicht die goͤttliche Exiſtenz, noch nicht die in der Idee
ſcheinende Realitaͤt. Doch iſt die Objectivitaͤt gerade
um ſo viel reicher und hoͤher als das Seyn oder
Daſeyn
des ontologiſchen Beweiſes, als der reine Be-
griff reicher und hoͤher iſt, als jene metaphyſiſche Leere
des Inbegriffs aller Realitaͤt. — Ich erſpare es
jedoch auf eine andere Gelegenheit, den vielfachen Miß-
verſtand, der durch den logiſchen Formalismus in den
ontologiſchen, ſo wie in die uͤbrigen ſogenannten Beweiſe
vom Daſeyn Gottes gebracht worden iſt, wie auch die Kan-
tiſche Kritik derſelben naͤher zu beleuchten, und durch
Herſtellen ihrer wahren Bedeutung die dabey zu Grun-
de liegenden Gedanken in ihren Werth und Wuͤrde zu-
ruͤckzufuͤhren.


Es
[197]Objectivitaͤt.

Es ſind, wie bereits erinnert worden, ſchon meh-
rere Formen der Unmittelbarkeit vorgekommen; aber in
verſchiedenen Beſtimmungen. In der Sphaͤre des
Seyns iſt ſie das Seyn ſelbſt und das Daſeyn; in der
Sphaͤre des Weſens die Exiſtenz und dann die Wirk-
lichkeit und Subſtantialitaͤt, in der Sphaͤre des Begriffs
auſſer der Unmittelbarkeit als abſtracter Allgemein-
heit, nunmehr die Objectivitaͤt. — Dieſe Ausdruͤcke moͤ-
gen, wenn es nicht um die Genauigkeit philoſophiſcher
Begriffsunterſchiede zu thun iſt, als ſynonym gebraucht
werden; jene Beſtimmungen ſind aus der Nothwendig-
keit des Begriffs hervorgegangen; — Seyn iſt uͤber-
haupt die erſte Unmittelbarkeit, und Daſeyn dieſelbe
mit der erſten Beſtimmtheit. Die Exiſtenz mit dem
Dinge, iſt die Unmittelbarkeit, welche aus dem Grun-
de
hervorgeht, — aus der ſich aufhebenden Vermittlung
der einfachen Reflexion des Weſens. Die Wirklich-
keit
aber und die Subſtantialitaͤt iſt die aus dem
aufgehobenen Unterſchiede der noch unweſentlichen Exi-
ſtenz als Erſcheinung, und ihrer Weſentlichkeit hervor-
gegangene Unmittelbarkeit. Die Objectivitaͤt end-
lich iſt die Unmittelbarkeit, zu der ſich der Begriff
durch Aufhebung ſeiner Abſtraction und Vermittlung be-
ſtimmt. — Die Philoſophie hat das Recht aus der Spra-
che des gemeinen Lebens, welche fuͤr die Welt der Vor-
ſtellungen gemacht iſt, ſolche Ausdruͤcke zu waͤhlen, wel-
che den Beſtimmungen des Begriffs nahe zu kommen
ſcheinen
. Es kann nicht darum zu thun ſeyn, fuͤr
ein aus der Sprache des gemeinen Lebens gewaͤhltes
Wort zu erweiſen, daß man auch im gemeinen Le-
ben denſelben Begriff damit verbinde, fuͤr welchen es
die Philoſophie gebraucht, denn das gemeine Leben hat
keine Begriffe, ſondern Vorſtellungen, und es iſt die Phi-
loſophie ſelbſt, den Begriff deſſen zu erkennen, was ſonſt
bloſſe Vorſtellung iſt. Es muß daher genuͤgen, wenn
der
[198]II.Abſchnitt.
der Vorſtellung bey ihren Ausdruͤcken, die fuͤr philoſo-
phiſche Beſtimmungen gebraucht werden, ſo etwas unge-
faͤhres von ihrem Unterſchiede vorſchwebt; wie es bey
jenen Ausdruͤcken der Fall ſeyn mag, daß man in ihnen
Schattirungen der Vorſtellung erkennt, welche ſich naͤher
auf die entſprechenden Begriffe beziehen. — Man wird
vielleicht ſchwerer zugeben, daß Etwas ſeyn koͤnne,
ohne zu exiſtiren; aber wenigſtens wird man z. B.
das Seyn als Copula des Urtheils nicht wohl mit dem
Ausdruck exiſtiren vertauſchen, und nicht ſagen; die-
ſe Waare exiſtirt theuer, paſſend u. ſ. f. das Geld
exiſtirt Metall, oder metalliſch, ſtatt: dieſe Waare
iſt theuer, paſſend u. ſ. f. das Geld iſt Metall *);
Seyn aber und Erſcheinen, Erſcheinung und
Wirklichkeit, wie auch bloſſes Seyn gegen Wirk-
lichkeit
, werden auch wohl ſonſt unterſchieden, ſo
wie alle dieſe Ausdruͤcke noch mehr von der Objecti-
vitaͤt
. — Sollten ſie aber auch ſynonym gebraucht
werden, ſo wird die Philoſophie ohnehin die Freyheit
haben, ſolchen leeren Ueberfluß der Sprache fuͤr ihre
Unterſchiede zu benutzen.


Es iſt beym apodiktiſchen Urtheil, wo, als in der
Vollendung des Urtheils, das Subject ſeine Beſtimmtheit
gegen
[199]Objectivitaͤt.
gegen das Praͤdicat verliert, an die daher ſtammende
gedoppelte Bedeutung der Subjectivitaͤt erinnert
worden, nemlich des Begriffs und eben ſo der ihm ſonſt
gegenuͤberſtehenden Aeuſſerlichkeit und Zufaͤlligkeit. So
erſcheint auch fuͤr die Objectivitaͤt die gedoppelte Bedeu-
tung, dem ſelbſtſtaͤndigen Begriffe gegenuͤber zu
ſtehen, aber auch das an und fuͤr ſich ſeyende
zu ſeyn. Indem das Object in jenem Sinne dem im
ſubjectiven Idealismus als das abſolute Wahre ausge-
ſprochenen Ich = Ich gegenuͤberſteht, iſt es die mannichfal-
tige Welt in ihrem unmittelbaren Daſeyn, mit welcher
Ich oder der Begriff ſich nur in den unendlichen Kampf
ſetzt, um durch die Negation dieſes an ſich nichtigen
Andern, der erſten Gewißheit ſeiner ſelbſt die wirk-
liche Wahrheit
ſeiner Gleichheit mit ſich zu geben. —
In unbeſtimmterem Sinne bedeutet es ſo einen Gegen-
ſtand uͤberhaupt fuͤr irgend ein Intereſſe und Thaͤtig-
keit des Subjects.


In dem entgegengeſetzten Sinne aber bedeutet das
Objective, das an und fuͤr ſich ſeyende, das ohne
Beſchraͤnkung und Gegenſatz iſt. Vernuͤnftige Grund-
ſaͤtze, vollkommene Kunſtwerke u. ſ. f. heiſſen inſofern
objective, als ſie frey und uͤber aller Zufaͤlligkeit
ſind. Obſchon vernuͤnftige, theoretiſche oder ſittliche
Grundſaͤtze nur dem Subjectiven, dem Bewußtſeyn an-
gehoͤren, ſo wird das an und fuͤr ſichſeyende deſſelben
doch objectiv genannt; die Erkenntniß der Wahrheit
wird darein geſetzt, das Object, wie es als Object
frey von Zuthat ſubjectiver Reflexion, zu erkennen,
und das Rechtthun in Befolgung von objectiven Ge-
ſetzen, die ohne ſubjectiven Urſprung und keiner Will-
kuͤhr und ihre Nothwendigkeit verkehrenden Behandlung
faͤhig ſind.


Auf
[200]II.Abſchnitt.

Auf dem gegenwaͤrtigen Standpuncte unſerer Ab-
handlung hat zunaͤchſt die Objectivitaͤt die Bedeutung
des an und fuͤr ſichſeyenden Seyns des Be-
griffes
, des Begriffes, der die in ſeiner Selbſtbeſtim-
mung geſetzte Vermittlung, zur unmittelbaren
Beziehung auf ſich ſelbſt, aufgehoben hat. Dieſe Un-
mittelbarkeit iſt dadurch ſelbſt unmittelbar und ganz vom
Begriffe durchdrungen, ſo wie ſeine Totalitaͤt unmittel-
bar mit ſeinem Seyn identiſch iſt. Aber indem ferner
der Begriff ebenſoſehr das freye Fuͤrſichſeyn ſeiner Sub-
jectivitaͤt herzuſtellen hat, ſo tritt ein Verhaͤltniß deſſel-
ben als Zwecks zur Objectivitaͤt ein, worin deren Un-
mittelbarkeit das gegen ihn Negative, und durch ſeine
Thaͤtigkeit zu beſtimmende wird, hiemit die andere Be-
deutung, das an und fuͤr ſich Nichtige, inſofern es dem
Begriff gegenuͤberſteht, zu ſeyn, erhaͤlt.


Vors erſte nun iſt die Objectivitaͤt in ihrer
Unmittelbarkeit, deren Momente, um der Totalitaͤt aller
Momente willen, in ſelbſtſtaͤndiger Gleichguͤltigkeit als
Objecte auſſereinander beſtehen, und in ihrem
Verhaͤltniſſe die ſubjective Einheit des Begriffs
nur als innere oder als aͤuſſere haben; der Me-
chanismus
. — Indem in ihm aber


Zweytens jene Einheit ſich als immanentes
Geſetz der Objecte ſelbſt zeigt, ſo wird ihr Verhaͤltniß
ihre eigenthuͤmliche durch ihr Geſetz begruͤndete
Differenz, und eine Beziehung, in welcher ihre beſtimm-
te Selbſtſtaͤndigkeit ſich aufhebt; der Chemismus.


Drittens dieſe weſentliche Einheit der Objecte
iſt eben damit als unterſchieden von ihrer Selbſtſtaͤn-
digkeit geſetzt, ſie iſt der ſubjective Begriff aber geſetzt
als
[201]Objectivitaͤt.
als an und fuͤr ſelbſt bezogen auf die Objectivitaͤt, als
Zweck; die Teleologie.


Indem der Zweck der Begriff iſt, der geſetzt iſt,
als an ihm ſelbſt ſich auf die Objectivitaͤt zu beziehen,
und ſeinen Mangel, ſubjectiv zu ſeyn, durch ſich aufzu-
heben, ſo wird die zunaͤchſt aͤuſſere Zweckmaͤſſigkeit
durch die Realiſirung des Zwecks, zur innern, und
zur Idee.


Erſtes
[202]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.

Erſtes Kapitel.
Der Mechanismus
.


Da die Objectivitaͤt die in ihre Einheit zuruͤckge-
gangene Totalitaͤt des Begriffes iſt, ſo iſt damit ein un-
mittelbares geſetzt, das an und fuͤr ſich jene Totalitaͤt
und auch als ſolche geſetzt iſt, in der aber die nega-
tive Einheit des Begriffs ſich noch nicht von der Un-
mittelbarkeit dieſer Totalitaͤt abgeſchieden hat; — oder
die Objectivitaͤt iſt noch nicht als Urtheil geſetzt.
Inſofern ſie den Begriff immanent in ſich hat, ſo iſt
der Unterſchied deſſelben an ihr vorhanden; aber um der
objectiven Totalitaͤt willen ſind die Unterſchiedenen voll-
ſtaͤndige
und ſelbſtſtaͤndige Objecte, die ſich
daher auch in ihrer Beziehung nur als ſelbſtſtaͤndi-
ge
zu einander verhalten, und ſich in jeder Verbindung
aͤuſſerlich bleiben. — Diß macht den Charakter des
Mechanismus aus, daß welche Beziehung zwiſchen
den Verbundenen Statt findet, dieſe Beziehung ihnen
eine fremde iſt, welche ihre Natur nichts angeht, und
wenn ſie auch mit dem Schein eines Eins verknuͤpft
iſt, nichts weiter als Zuſammenſetzung, Vermi-
ſchung, Hauffen
, u. ſ. f. bleibt. Wie der mate-
rielle
Mechanismus, ſo beſteht auch der geiſtige
darin, daß die im Geiſte bezogenen ſich einander und
ihm ſelbſt aͤuſſerlich bleiben. Eine mechaniſche Vor-
ſtellungsweiſe
, ein mechaniſches Gedaͤchtniß,
die
[203]I.Kapitel. Der Mechanismus.
die Gewohnheit, eine mechaniſche Handlungs-
weiſe
bedeuten, daß die eigenthuͤmliche Durchdringung
und Gegenwart des Geiſtes bey demjenigen fehlt, was
er auffaßt oder thut. Ob zwar ſein theoretiſcher oder
praktiſcher Mechanismus nicht ohne ſeine Selbſtthaͤtig-
keit, einen Trieb und Bewußtſeyn Statt finden kann, ſo
fehlt darin doch die Freyheit der Individualitaͤt, und
weil ſie nicht darin erſcheint, erſcheint ſolches Thun als
ein bloß aͤuſſerliches.


A.
Das mechaniſche Object.

1. Das Object iſt, wie ſich ergeben hat, der
Schluß, deſſen Vermittlung ausgeglichen und daher
unmittelbare Identitaͤt geworden iſt. Es iſt daher an
und fuͤr ſich Allgemeines; die Allgemeinheit nicht im
Sinne einer Gemeinſchaftlichkeit von Eigenſchaften, ſon-
dern welche die Beſonderheit durchdringt, und in ihr
unmittelbare Einzelnheit iſt.


1. Vors erſte unterſcheidet ſich daher das Object
nicht in Materie und Form, deren jene das ſelbſt-
ſtaͤndige Allgemeine des Objects, dieſe aber das Beſon-
dere und Einzelne ſeyn wuͤrde; ein ſolcher abſtracter
Unterſchied von Einzelnheit und Allgemeinheit iſt nach
ſeinem Begriffe an ihm nicht vorhanden; wenn es als
Materie betrachtet wird, ſo muß es als an ſich ſelbſt
geformte Materie genommen werden. Eben ſo kann es
als Ding mit Eigenſchaften, als Ganzes aus Theilen
beſtehend, als Subſtanz mit Accidenzen und nach den
andern Verhaͤltniſſen der Reflexion beſtimmt werden;
aber
[204]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
aber dieſe Verhaͤltniſſe ſind uͤberhaupt ſchon im Begriffe
untergegangen; das Object hat daher nicht Eigenſchaf-
ten noch Accidenzen, denn ſolche ſind vom Dinge oder
der Subſtanz trennbar; im Object iſt aber die Beſon-
derheit ſchlechthin in die Totalitaͤt reflectirt. In den
Theilen eines Ganzen iſt zwar diejenige Selbſtſtaͤndigkeit
vorhanden, welche den Unterſchieden des Objects zu-
kommt, aber dieſe Unterſchiede ſind ſogleich weſentlich
ſelbſt Objecte, Totalitaͤten, welche nicht wie die Theile,
dieſe Beſtimmtheit gegen das Ganze haben.


Das Object iſt daher zunaͤchſt inſofern unbe-
ſtimmt
, als es keinen beſtimmten Gegenſatz an ihm
hat; denn es iſt die zur unmittelbaren Identitaͤt zuſam-
mengegangene Vermittlung. Inſofern der Begriff we-
ſentlich beſtimmt
iſt, hat es die Beſtimmtheit als
eine zwar vollſtaͤndige, uͤbrigens aber unbeſtimmte,
d. i. verhaͤltnißloſe Mannichfaltigkeit an ihm,
welche eine eben ſo zunaͤchſt nicht weiter beſtimmte Tota-
litaͤt ausmacht; Seiten, Theile, die an ihm unter-
ſchieden werden koͤnnen, gehoͤren einer aͤuſſern Reflexion
an. Jener ganz unbeſtimmte Unterſchied iſt daher nur,
daß es mehrere Objecte gibt, deren jedes ſeine Be-
ſtimmtheit nur in ſeine Allgemeinheit reflectirt enthaͤlt,
und nicht nach Auſſen ſcheint. — Weil ihm dieſe
unbeſtimmte Beſtimmtheit weſentlich iſt, iſt es in ſich
ſelbſt eine ſolche Mehrheit, und muß daher als zu-
ſammengeſetztes
, als Aggregat betrachtet wer-
den. — Es beſteht jedoch nicht aus Atomen, denn
dieſe ſind keine Objecte, weil ſie keine Totalitaͤten ſind.
Die Leibnitziſche Monade wuͤrde mehr ein Object
ſeyn, weil ſie eine Totalitaͤt der Weltvorſtellung iſt, aber
in ihre intenſive Subjectivitaͤt eingeſchloſſen,
ſoll ſie wenigſtens weſentlich Eins in ſich ſeyn. Je-
doch iſt die Monade, als ausſchlieſſendes Eins
be-
[205]I.Kapitel. Der Mechanismus.
beſtimmt, nur ein von der Reflexion angenomme-
nes
Princip. Sie iſt aber theils inſofern Object als
der Grund ihrer mannichfaltigen Vorſtellungen, der ent-
wickelten d. h. der geſetzten Beſtimmungen ihrer bloß
an ſich ſeyenden Totalitaͤt, auſſer ihr liegt, theils
inſofern es der Monade eben ſo gleichguͤltig iſt, mit an-
dern zuſammen
ein Object auszumachen; es iſt ſo-
mit in der That nicht ein ausſchlieſſendes, fuͤr
ſich ſelbſtbeſtimmtes
.


2. Indem das Object nun Totalitaͤt des Be-
ſtimmtſeyns
iſt, aber um ſeiner Unbeſtimmtheit und
Unmittelbarkeit willen nicht die negative Einheit
deſſelben, ſo iſt es gegen die Beſtimmungen als
einzelne, an und fuͤr ſich beſtimmte, ſo wie dieſe
ſelbſt gegeneinander gleichguͤltig. Dieſe ſind daher
nicht aus ihm, noch auseinander begreiflich; ſeine To-
talitaͤt iſt die Form des allgemeinen Reflectirtſeyns
ſeiner Mannichfaltigkeit in die an ſich ſelbſt nicht beſtimm-
te Einzelnheit uͤberhaupt. Die Beſtimmtheiten, die es
an ihm hat, kommen ihm alſo zwar zu; aber die Form,
welche ihren Unterſchied ausmacht, und ſie zu einer Ein-
heit verbindet, iſt eine aͤuſſerliche gleichguͤltige; ſie ſey
eine Vermiſchung, oder weiter eine Ordnung,
ein gewiſſes Arrangement von Theilen und Seiten,
ſo ſind diß Verbindungen, die denen ſo bezogenen
gleichguͤltig ſind.


Das Object hat hiemit, wie ein Daſeyn uͤberhaupt,
die Beſtimmtheit ſeiner Totalitaͤt auſſer ihm, in an-
dern
Objecten, dieſe eben ſo wieder auſſer ihnen,
und ſofort ins unendliche. Die Ruͤckkehr dieſes Hin-
ausgehens ins unendliche, in ſich muß zwar gleichfalls
angenommen und als eine Totalitaͤt vorgeſtellt wer-
den, als eine Welt, die aber nichts als die durch
die
[206]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
die unbeſtimmte Einzelnheit in ſich abgeſchloſſene Allge-
meinheit, ein Univerſum iſt.


Indem alſo das Object in ſeiner Beſtimmtheit,
eben ſo gleichguͤltig gegen ſie iſt, weiſt es durch ſich ſelbſt
fuͤr ſein Beſtimmtſeyn auſſer ſich hinaus, wieder
zu Objecten, denen es aber auf gleiche Weiſe gleich-
guͤltig
iſt, beſtimmend zu ſeyn. Es iſt daher
nirgend ein Princip der Selbſtbeſtimmung vorhanden; —
der Determinismus, — der Standpunkt, auf dem
das Erkennen ſteht, inſofern ihm das Object, wie es
ſich hier zunaͤchſt ergeben hat, das Wahre iſt, — gibt
fuͤr jede Beſtimmung deſſelben die eines andern Objects
an, aber dieſes Andere iſt gleichfalls indifferent, ſowohl
gegen ſein Beſtimmtſeyn, als gegen ſein actives Ver-
halten. — Der Determinismus iſt darum ſelbſt auch ſo
unbeſtimmt, ins unendliche fortzugehen; er kann beliebig
allenthalben ſtehen bleiben, und befriedigt ſeyn, weil
das Object, zu welchem er uͤbergegangen, als eine for-
male Totalitaͤt in ſich beſchloſſen und gleichguͤltig gegen
das Beſtimmtſeyn durch ein anderes iſt. Darum iſt
das Erklaͤren der Beſtimmung eines Objects, und
das zu dieſem Behuffe gemachte Fortgehen dieſer Vorſtel-
lung nur ein leeres Wort, weil in dem andern Ob-
ject, zu dem ſie fortgeht, keine Selbſtbeſtimmung liegt.


3. Indem nun die Beſtimmtheit eines Objects
in einem andern liegt, ſo iſt keine beſtimmte Ver-
ſchiedenheit zwiſchen ihnen vorhanden; die Beſtimmtheit
iſt nur doppelt, einmal an dem einen, dann an dem
andern Object, ein ſchlechthin nur identiſches, und
die Erklaͤrung oder das Begreiffen inſofern tavtolo-
giſch
. Dieſe Tavtologie iſt das aͤuſſerliche, leere Hin-
und Hergehen; da die Beſtimmtheit von den dagegen
gleichguͤltigen Objecten keine eigenthuͤmliche Unterſchie-
den-
[207]I.Kapitel. Der Mechanismus.
denheit erhaͤlt, und deßwegen nur identiſch iſt, iſt nur
Eine Beſtimmtheit vorhanden; und daß ſie doppelt
ſey, druͤckt eben dieſe Aeuſſerlichkeit und Nichtigkeit ei-
nes Unterſchiedes aus. Aber zugleich ſind die Objecte
ſelbſtſtaͤndig gegeneinander; ſie bleiben ſich darum in
jener Identitaͤt ſchlechthin aͤuſſerlich. — Es iſt hie-
mit der Widerſpruch vorhanden, zwiſchen der voll-
kommenen Gleichguͤltigkeit der Objecte gegen ein-
ander, und zwiſchen der Identitaͤt der Beſtimmt-
heit
derſelben, oder ihrer vollkommenen Aeuſſerlich-
keit
in der Identitaͤt ihrer Beſtimmtheit. Dieſer
Widerſpruch iſt ſomit die negative Einheit mehre-
rer ſich in ihr ſchlechthin abſtoſſender Objecte, — der
mechaniſche Proceß.


B.
Der mechaniſche Proceß.

Wenn die Objecte nur als in ſich abgeſchloſſene
Totalitaͤten betrachtet werden, ſo koͤnnen ſie nicht auf
einander wirken. Sie ſind in dieſer Beſtimmung daſ-
ſelbe, was die Monaden, die eben deßwegen ohne alle
Einwirkung auf einander gedacht worden. Aber der Be-
griff einer Monade iſt eben darum eine mangelhafte
Reflexion. Denn erſtlich iſt ſie eine beſtimmte Vor-
ſtellung ihrer nur an ſich ſeyenden Totalitaͤt; als ein
gewiſſer Grad der Entwicklung und des Geſetzt-
ſeyns
ihrer Weltvorſtellung, iſt ſie ein beſtimmtes;
indem ſie nun die in ſich geſchloſſene Totalitaͤt iſt, ſo iſt
ſie gegen dieſe Beſtimmtheit auch gleichguͤltig; es iſt da-
her nicht ihre eigene, ſondern eine durch ein anderes
Object geſetzte Beſtimmtheit. Zweytens iſt ſie
ein
[208]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
ein unmittelbares uͤberhaupt, inſofern ſie ein nur
vorſtellendes ſeyn ſoll; ihre Beziehung auf ſich, iſt
daher die abſtracte Allgemeinheit; dadurch iſt ſie
ein fuͤr Andere offenes Daſeyn. — Es iſt nicht
hinreichend, um die Freyheit der Subſtanz zu gewin-
nen, ſie als eine Totalitaͤt vorzuſtellen, die in ſich
vollſtaͤndig
, nichts von auſſen her zu erhalten
habe. Vielmehr iſt gerade die begriffloſe, bloß vorſtel-
lende Beziehung auf ſich ſelbſt eine Paſſivitaͤt gegen
anderes. — Eben ſo iſt die Beſtimmtheit, ſie mag
nun als die Beſtimmtheit eines Seyenden, oder ei-
nes Vorſtellenden, als ein Grad eigener aus dem
innern kommenden Entwicklung gefaßt werden, ein
Aeuſſerliches; — der Grad, welchen die Entwick-
lung erreicht, hat ſeine Grenze in einem Andern.
Die Wechſelwirkung der Subſtanzen in eine vorher-
beſtimmte Harmonie
hinauszuſchieben, heißt wei-
ter nichts, als ſie zu einer Vorausſetzung machen,
d. i. zu etwas, das dem Begriffe entzogen wird. —
Das Beduͤrfniß, der Einwirkung der Subſtanzen zu
entgehen, gruͤndete ſich auf das Moment der abſoluten
Selbſtſtaͤndigkeit und Urſpruͤnglichkeit, wel-
ches zu Grunde gelegt wurde. Aber da dieſem An-
ſichſeyn
das Geſetztſeyn, der Grad der Entwick-
lung, nicht entſpricht, ſo hat es eben darum ſeinen
Grund in einem Andern.


Vom Subſtantialitaͤts-Verhaͤltniſſe iſt ſeiner Zeit
gezeigt worden, daß es in das Cauſalitaͤts-Verhaͤltniß
uͤbergeht. Aber das Seyende hat hier nicht mehr die
Beſtimmung einer Subſtanz, ſondern eines Objects;
das Cauſalitaͤts-Verhaͤltniß iſt im Begriffe untergegan-
gen; die Urſpruͤnglichkeit einer Subſtanz gegen die an-
dere, hat ſich als ein Schein, ihr Wirken als ein Ueber-
gehen in das Entgegengeſetzte gezeigt. Diß Verhaͤltniß
hat
[209]I.Kapitel. Der Mechanismus.
hat daher keine Objectivitaͤt. Inſofern daher das eine
Object in der Form der ſubjectiven Einheit, als wir-
kende Urſache geſetzt iſt, ſo gilt diß nicht mehr fuͤr eine
urſpruͤngliche Beſtimmung, ſondern als etwas ver-
mitteltes
; das wirkende Object hat dieſe ſeine Be-
ſtimmung, nur vermittelſt eines andern Objects. —
Der Mechanismus, da er der Sphaͤre des Begriffs
angehoͤrt, hat an ihm dasjenige geſetzt, was ſich als die
Wahrheit des Cauſalitaͤtsverhaͤltniſſes erwies; daß die
Urſache, die das an und fuͤr ſich ſeyende ſeyn ſoll, we-
ſentlich ebenſowohl Wirkung, Geſetztſeyn iſt. Im Me-
chanismus iſt daher unmittelbar die Urſachlichkeit des
Objects eine Nicht-Urſpruͤnglichkeit; es iſt gleichguͤltig
gegen dieſe ſeine Beſtimmung; daß es Urſache iſt, iſt
ihm daher etwas Zufaͤlliges. — Inſofern koͤnnte man
wohl ſagen, daß die Cauſſalitaͤt der Subſtanzen nur
ein vorgeſtelltes
iſt. Aber eben dieſe vorgeſtellte
Cauſſalitaͤt iſt der Mechanismus, indem er diß iſt,
daß die Cauſalitaͤt, als identiſche Beſtimmtheit ver-
ſchiedener Subſtanzen, ſomit als das Untergehen ihrer
Selbſtſtaͤndigkeit in dieſer Identitaͤt, ein bloſſes Ge-
ſetztſeyn
iſt; die Objecte ſind gleichguͤltig gegen dieſe
Einheit, und erhalten ſich gegen ſie. Aber ebenſoſehr
iſt auch dieſe ihre gleichguͤltige Selbſtſtaͤndigkeit
ein bloſſes Geſetztſeyn; ſie ſind darum faͤhig, ſich zu
vermiſchen und zu aggregiren, und als Aggre-
gat
zu Einem Objecte zu werden. Durch dieſe
Gleichguͤltigkeit ebenſowohl gegen ihren Uebergang, als
gegen ihre Selbſtſtaͤndigkeit ſind die Subſtanzen
Objecte.


Oa. Der
[210]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
a.
Der formale mechaniſche Proceß.

Der mechaniſche Proceß iſt das Setzen deſſen, was
im Begriffe des Mechanismus enthalten iſt, zunaͤchſt alſo
eines Widerſpruchs.


1. Das Einwirken der Objecte ergibt ſich aus dem
aufgezeigten Begriffe ſo, daß es das Setzen der iden-
tiſchen
Beziehung der Objecte iſt. Diß beſteht nur
darin, daß der Beſtimmtheit, welche bewirkt wird, die
Form der Allgemeinheit gegeben wird; — was die
Mittheilung iſt, welche ohne Uebergehen ins ent-
gegengeſetzte iſt. — Die geiſtige Mittheilung, die
ohnehin in dem Elemente vorgeht, welches das Allge-
meine in der Form der Allgemeinheit iſt, iſt fuͤr ſich
ſelbſt eine ideelle Beziehung, worin ſich ungetruͤbt
eine Beſtimmtheit von einer Perſon in die andere
continuirt, und ohne alle Veraͤnderung ſich verallge-
meinert, — wie ein Duft in der widerſtandsloſen Ath-
mosphaͤre ſich frey verbreitet. Aber auch in der
Mittheilung zwiſchen materiellen Objecten macht ſich ihre
Beſtimmtheit auf eine eben ſo ideelle Weiſe, ſo zu ſagen,
breit; die Perſoͤnlichkeit iſt eine unendlich intenſivere
Haͤrte, als die Objecte haben. Die formelle Totali-
taͤt des Objects uͤberhaupt, welche gegen die Beſtimmt-
heit gleichguͤltig, ſomit keine Selbſtbeſtimmung iſt, macht
es zum Ununterſchiedenen vom andern, und die Einwir-
kung daher zunaͤchſt zu einer ungehinderten Continuirung
der Beſtimmtheit des einen in dem andern.


Im Geiſtigen iſt es nun ein unendlich mannichfalti-
ger Inhalt, der mittheilungsfaͤhig iſt, indem er in die
Intelligenz aufgenommen, dieſe Form der Allgemeinheit
erhaͤlt, in der er ein mitgetheilbares wird. Aber das
nicht
[211]I.Kapitel. Der Mechanismus.
nicht nur durch die Form, ſondern an und fuͤr ſich All-
gemeine iſt das Objective als ſolches, ſowohl im Gei-
ſtigen als im Koͤrperlichen, wogegen die Einzelnheit der
aͤuſſern Objecte, wie auch der Perſonen ein unweſentli-
ches iſt, das ihm keinen Widerſtand leiſten kann. Die
Geſetze, Sitten, vernuͤnftige Vorſtellungen uͤberhaupt,
ſind im Geiſtigen ſolche Mittheilbare, welche die Indivi-
duen auf eine bewußtloſe Weiſe durchdringen, und ſich
in ihnen geltend machen. Im Koͤrperlichen ſind es Be-
wegung, Waͤrme, Magnetismus, Electricitaͤt und derglei-
chen — die, wenn man ſie auch als [S]toffe oder Mate-
rien ſich vorſtellen will, als imponderable Agentien
beſtimmt werden muͤſſen, — Agentien, die dasjenige der
Materialitaͤt nicht haben, was ihre Vereinzelung
begruͤndet.


2. Wenn nun im Einwirken der Objecte auf ein-
ander zuerſt ihre identiſche Allgemeinheit geſetzt wird,
ſo iſt eben ſo nothwendig das andere Begriffsmoment,
die Beſonderheit zu ſetzen; die Objecte beweiſen da-
her auch ihre Selbſtſtaͤndigkeit, erhalten ſich als
einander aͤuſſerlich, und ſtellen die Einzelnheit in
jener Allgemeinheit her. Dieſe Herſtellung iſt die
Reaction uͤberhaupt. Zunaͤchſt iſt ſie nicht zu faſſen,
als ein bloſſes Aufheben der Action und der mit-
getheilten Beſtimmtheit; das Mitgetheilte iſt als Allge-
meines poſitiv in den beſondern Objecten und beſon-
dert ſich
nur an ihrer Verſchiedenheit. Inſofern bleibt
alſo das Mitgetheilte, was es iſt; nur vertheilt es
ſich an die Objecte, oder wird durch deren Particulari-
taͤt beſtimmt. — Die Urſache geht in ihrem Andern, der
Wirkung, die Activitaͤt der urſachlichen Subſtanz in ih-
rem Wirken verloren; das einwirkende Object
aber wird nur ein Allgemeines; ſein Wirken iſt
zunaͤchſt nicht ein Verluſt ſeiner Beſtimmtheit, ſondern
O 2eine
[212]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
eine Particulariſation, wodurch es, welches zuerſt
jene ganze, an ihm einzelne Beſtimmtheit war, nun
eine Art derſelben, und die Beſtimmtheit erſt da-
durch als ein Allgemeines geſetzt wird. Beydes, die
Erhebung der einzelnen Beſtimmtheit zur Allgemeinheit,
in der Mittheilung, und die Particulariſation derſelben
oder die Herabſetzung derſelben, die nur Eine war, zu
einer Art, in der Vertheilung, iſt ein und daſſelbe.


Die Reaction iſt nun der Action gleich. —
Diß erſcheint zunaͤchſt ſo, daß das andre Object das
ganze Allgemeine in ſich aufgenommen, und nun
ſo actives gegen das Erſte iſt. So iſt ſeine Reaction
dieſelbe als die Action, ein gegenſeitiges Abſtoſ-
ſen
des Stoſſes. Zweytens iſt das Mitgetheilte
das Objective; es bleibt alſo ſubſtantielle Beſtim-
mung der Objecte, bey der Vorausſetzung ihrer Ver-
ſchiedenheit; das Allgemeine ſpecificirt ſich ſomit zu-
gleich in ihnen, und jedes Object gibt daher nicht die
ganze Action nur zuruͤck, ſondern hat ſeinen ſpecifiſchen
Antheil. Aber drittens iſt die Reaction inſofern
ganz negative Action, als jedes durch die Ela-
ſticitaͤt ſeiner Selbſtſtaͤndigkeit
, das Geſetzt-
ſeyn eines andern in ihm ausſtoͤßt, und ſeine Bezie-
hung auf ſich erhaͤlt. Die ſpecifiſche Beſonderheit
der mitgetheilten Beſtimmtheit in den Objecten, was
vorhin Art genannt wurde, geht zur Einzelnheit zu-
ruͤck, und das Object behauptet ſeine Aeuſſerlichkeit gegen
die mitgetheilte Allgemeinheit. Die Action
geht dadurch in Ruhe uͤber. Sie erweiſt ſich als eine
an der in ſich geſchloſſenen gleichguͤltigen Totalitaͤt des
Objects, nur oberflaͤchliche, tranſiente Veraͤn-
derung.


3. Dieſes Ruͤckgehen macht das Product des
mechaniſchen Proceſſes aus. Unmittelbar iſt das
Ob-
[213]I.Kapitel. Der Mechanismus.
Object vorausgeſetzt als Einzelnes, ferner als Be-
ſonderes gegen andere, drittens aber als gleichguͤltiges
gegen ſeine Beſonderheit, als Allgemeines. Das Pro-
duct
iſt jene vorausgeſetzte Totalitaͤt des Begriffes
nun als eine geſetzte. Er iſt der Schlußſatz, worin
das mitgetheilte Allgemeine durch die Beſonderheit des
Objects mit der Einzelnheit zuſammengeſchloſſen iſt;
aber zugleich iſt in der Ruhe die Vermittlung als
eine ſolche geſetzt, die ſich aufgehoben hat, oder daß
das Product gegen diß ſein Beſtimmtwerden gleichguͤl-
tig und die erhaltene Beſtimmtheit eine aͤuſſerliche an
ihm iſt.


Sonach iſt das Product daſſelbe, was das in den
Proceß erſt eingehende Object. Aber zugleich iſt es erſt
durch dieſe Bewegung beſtimmt; das mechaniſche
Object iſt uͤberhaupt nur Object als Product,
weil das, was es iſt, erſt durch Vermittlung
eines Andern
an ihm iſt. So als Product iſt es,
was es an und fuͤr ſeyn ſollte, ein zuſammenge-
ſetztes, vermiſchtes
, eine gewiſſe Ordnung und
Arrangement der Theile, uͤberhaupt ein ſolches,
deſſen Beſtimmtheit nicht Selbſtbeſtimmung, ſondern ein
geſetztes iſt.


Auf der andern Seite iſt ebenſoſehr das Reſul-
tat
des mechaniſchen Proceſſes nicht ſchon vor ihm
ſelbſt vorhanden
; ſein Ende iſt nicht in ſeinem
Anfang, wie beym Zwecke. Das Product iſt eine
Beſtimmtheit am Object als aͤuſſerlich geſetzte. Dem
Begriffe nach iſt daher diß Product wohl daſſelbe,
was das Object ſchon von Anfang iſt. Aber im Anfange
iſt die aͤuſſerliche Beſtimmtheit noch nicht als geſetzte.
Das Reſultat iſt inſofern ein ganz anderes, als das
erſte Daſeyn des Objects, und iſt als etwas ſchlechthin
fuͤr daſſelbe zufaͤlliges.


b. Der
[214]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
b.
Der reale mechaniſche Proceß.

Der mechaniſche Proceß geht in Ruhe uͤber. Die
Beſtimmtheit nemlich, welche das Object durch ihn er-
haͤlt, iſt nur eine [aͤuſſerliche]. Ein eben ſo aͤuſſerli-
ches iſt ihm dieſe Ruhe ſelbſt, indem diß die dem Wir-
ken
des Objects entgegengeſetzte Beſtimmtheit, aber
jede dem Objecte gleichguͤltig iſt; die Ruhe kann daher
auch angeſehen werden, als durch eine aͤuſſerliche
Urſache hervorgebracht, ſo ſehr es dem Objecte gleich-
guͤltig war, wirkendes zu ſeyn.


Indem nun ferner die Beſtimmtheit eine geſetzte,
und der Begriff des Objects durch die Vermittlung
hindurch zu ſich ſelbſt zuruͤckgegangen
iſt, ſo
hat das Object die Beſtimmtheit als eine in ſich reflectir-
te an ihm. Die Objecte haben daher nunmehr im me-
chaniſchen Proceſſe und dieſer ſelbſt ein naͤher beſtimm-
tes Verhaͤltniß. Sie ſind nicht bloß verſchiedene, ſon-
dern beſtimmt unterſchiedene gegen einander.
Das Reſultat des formalen Proceſſes, welches einerſeits
die beſtimmungsloſe Ruhe iſt, iſt ſomit andererſeits
durch die in ſich reflectirte Beſtimmtheit die Verthei-
lung des Gegenſatzes
, den das Object uͤberhaupt
an ihm hat, unter mehrere ſich mechaniſch zu einander
verhaltende Objecte. Das Object einerſeits das Be-
ſtimmungsloſe, das ſich unelaſtiſch und unſelbſt-
ſtaͤndig
verhaͤlt, hat andererſeits eine fuͤr andere un-
durchbrechbare Selbſtſtaͤndigkeit
. Die Objecte
haben nun auch gegen einander dieſen beſtimmtern
Gegenſatz der ſelbſtſtaͤndigen Einzelnheit und
der unſelbſtſtaͤndigen Allgemeinheit. — Der
naͤhere Unterſchied kann als ein bloß quantitativer
der verſchiedenen Groͤſſe der Maſſe im Koͤrperlichen,
oder
[215]I.Kapitel. Der Mechanismus.
oder der Intenſitaͤt, oder auf vielfache andere Weiſe
gefaßt werden. Ueberhaupt aber iſt er nicht bloß in
jener Abſtraction feſtzuhalten; beyde ſind auch als Ob-
jecte poſitive Selbſtſtaͤndige.


Das erſte Moment dieſes realen Proceſſes iſt
nun wie vorhin die Mittheilung. Das Schwaͤ-
chere
kann vom Staͤrkern nur inſofern gefaßt und
durchdrungen werden, als es daſſelbe aufnimmt und
Eine Sphaͤre mit ihm ausmacht. Wie im Materiel-
len das Schwache gegen das unverhaͤltnißmaͤßig Starke
geſichert iſt (wie ein in der Luft freyhaͤngendes Lein-
tuch von einer Flintenkugel nicht durchſchoſſen; eine
ſchwache organiſche Receptivitaͤt nicht ſowohl von den
ſtarken als von den ſchwachen Reitzmitteln angegriffen
wird) ſo iſt der ganz ſchwache Geiſt ſicherer gegen den
ſtarken als ein ſolcher, der dieſem naͤher ſteht; wenn
man ſich ein ganz Dummes, Unedles vorſtellen will, ſo
kann auf daſſelbe hoher Verſtand, kann das Edle keinen
Eindruck machen; das einzig conſequente Mittel gegen
die Vernunft iſt, ſich mit ihr gar nicht einzulaſſen. —
Inſofern das Unſelbſtſtaͤndige mit dem Selbſtſtaͤndigen
nicht zuſammengehen und keine Mittheilung zwiſchen ih-
nen Statt finden kann, kann das Letztere auch keinen
Widerſtand leiſten, d. h. das mitgetheilte Allgemeine
nicht fuͤr ſich ſpecificiren. — Wenn ſie ſich nicht in Ei-
ner Sphaͤre befaͤnden, ſo waͤre ihre Beziehung auf ein-
ander ein unendliches Urtheil, und kein Proceß zwiſchen
ihnen moͤglich.


Der Widerſtand iſt das naͤhere Moment der
Ueberwaͤltigung des einen Objects durch das andere,
indem er das beginnende Moment der Vertheilung des
mitgetheilten Allgemeinen, und des Setzens der ſich auf
ſich beziehenden Negativitaͤt, der herzuſtellenden Einzeln-
heit,
[216]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
heit, iſt. Der Widerſtand wird uͤberwaͤltigt, inſo-
fern ſeine Beſtimmtheit dem mitgetheilten Allgemeinen,
welches vom Objecte aufgenommen worden, und ſich in
ihm ſingulariſiren ſoll, nicht angemeſſen iſt. Seine
relative Unſelbſtſtaͤndigkeit manifeſtirt ſich darin, daß
ſeine Einzelnheit nicht die Capacitaͤt fuͤr das
Mitgetheilte
hat, daher von demſelben zerſprengt
wird, weil es ſich an dieſem Allgemeinen nicht als
Subject conſtituiren, daſſelbe nicht zu ſeinem Praͤ-
dicate
machen kann. — Die Gewalt gegen ein Ob-
ject iſt nur nach dieſer zweiten Seite Fremdes fuͤr
daſſelbe. Die Macht wird dadurch zur Gewalt, daß
ſie, eine objective Allgemeinheit, mit der Natur des
Objects identiſch iſt, aber ihre Beſtimmtheit oder Ne-
gativitaͤt nicht deſſen eigene negative Reflexion in
ſich iſt, nach welcher es ein Einzelnes iſt. Inſofern
die Negativitaͤt des Objects nicht an der Macht ſich in
ſich reflectirt, die Macht nicht deſſen eigene Beziehung
auf ſich iſt, iſt ſie gegen dieſelbe nur abſtracte Nega-
tivitaͤt, deren Manifeſtation der Untergang iſt.


Die Macht, als die objective Allgemeinheit
und als Gewalt gegen das Object, iſt, was Schick-
ſal
genannt wird; — ein Begriff, der innerhalb des
Mechanismus faͤllt, inſofern es blind genannt, d. h.
deſſen objective Allgemeinheit vom Subjecte in
ſeiner ſpecifiſchen Eigenheit nicht erkannt wird. — Um
einiges weniges hieruͤber zu bemerken, ſo iſt das Schick-
ſal des Lebendigen uͤberhaupt die Gattung, welche ſich
durch die Vergaͤnglichkeit der lebendigen Individuen, die
ſie in ihrer wirklichen Einzelnheit nicht als Gat-
tung haben, manifeſtirt. Als bloße Objecte haben die
nur lebendigen Naturen wie die uͤbrigen Dinge von
niedrigerer Stuffe kein Schickſal; was ihnen widerfaͤhrt,
iſt eine Zufaͤlligkeit; aber ſie ſind in ihrem Begriffe
als
[217]I.Kapitel. Der Mechanismus.
als Objecte ſich aͤuſſerliche; die fremde Macht
des Schickſals iſt daher ganz nur ihre eigene unmit-
telbare Natur
, die Aeuſſerlichkeit und Zufaͤlligkeit
ſelbſt. Ein eigentliches Schickſal hat nur das Selbſtbe-
wußtſeyn; weil es frey, in der Einzelnheit ſeines
Ich daher ſchlechthin an und fuͤr ſich iſt, und ſeiner
objectiven Allgemeinheit ſich gegenuͤberſtellen, und ſich
gegen ſie entfremden kann. Aber durch dieſe Tren-
nung ſelbſt erregt es gegen ſich das mechaniſche Verhaͤlt-
niß eines Schickſals. Damit alſo ein ſolches Gewalt
uͤber daſſelbe haben koͤnne, muß es irgend eine Be-
ſtimmtheit gegen die weſentliche Allgemeinheit ſich gege-
ben, eine That begangen haben. Hiedurch hat es ſich
zu einem beſondern gemacht, und diß Daſeyn iſt als
die abſtracte Allgemeinheit zugleich die fuͤr die Mitthei-
lung ſeines ihm entfremdeten Weſens offene Seite; an
dieſer wird es in den Proceß geriſſen. Das Thatloſe
Volk iſt Tadellos; es iſt in die objective, ſittliche Allge-
meinheit eingehuͤllt und darin aufgeloͤſt, ohne die In-
dividualitaͤt, welche das Unbewegte bewegt, ſich eine
Beſtimmtheit nach Auſſen, und eine von der objectiven
abgetrennte abſtracte Allgemeinheit gibt, womit aber auch
das Subject zu einem ſeines Weſens entaͤuſſerten, einem
Objecte wird, und in das Verhaͤltniß der Aeuſſer-
lichkeit
gegen ſeine Natur, und des Mechanismus
getreten iſt.


C.
Das Product des mechaniſchen Proceſſes.

Das Product des formalen Mechanismus iſt
das Object uͤberhaupt, eine gleichguͤltige Totalitaͤt, an
welcher die Beſtimmtheit als geſetzte iſt. Indem
hiedurch das Object als Beſtimmtes in den Proceß
ein-
[218]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
eingetreten iſt, ſo iſt einerſeits in dem Untergange deſ-
ſelben, die Ruhe als der urſpruͤngliche Formalismus
des Objects, die Negativitaͤt ſeines Fuͤr-ſich-beſtimmt-
ſeyns, das Reſultat. Andererſeits aber iſt es das Auf-
heben des Beſtimmtſeyns, als poſitive Reflexion
deſſelben
in ſich, die in ſich gegangene Beſtimmtheit
oder die geſetzte Totalitaͤt des Begriffs; die
wahrhafte Einzelnheit des Objects. Das Ob-
ject zuerſt in ſeiner unbeſtimmten Allgemeinheit, dann
als Beſonderes, iſt nun als objectiv Einzel-
nes
beſtimmt; ſo daß darinn jener Schein von
Einzelnheit
, welche nur eine ſich der ſubſtantiellen
Allgemeinheit gegenuͤberſtellende Selbſtſtaͤndigkeit
iſt, aufgehoben worden.


Dieſe Reflexion in ſich, iſt nun, wie ſie ſich erge-
ben hat, das objective Einsſeyn der Objecte, welches
individuelle Selbſtſtaͤndigkeit, — das Centrum iſt.
Zweytens iſt die Reflexion der Negativitaͤt die All-
gemeinheit, die nicht ein der Beſtimmtheit gegen uͤber-
ſtehendes, ſondern in ſich beſtimmtes, vernuͤnftiges
Schickſal iſt, — eine Allgemeinheit, die ſich an ihr
ſelbſt beſondert
, der ruhige in der unſelbſtſtaͤndi-
gen Beſonderheit der Objecte und ihrem Proceſſe feſte
Unterſchied, das Geſetz. Diß Reſultat iſt die Wahr-
heit, ſomit auch die Grundlage des mechaniſchen Pro-
ceſſes.


C. Der
[219]I.Kapitel. Der Mechanismus.
C.
Der abſolute Mechanismus.

a.
Das Centrum.

Die leere Mannichfaltigkeit des Objects iſt nun
erſtens in die objective Einzelnheit, in den einfachen
ſelbſt beſtimmenden Mittelpunkt geſammelt. Inſo-
fern zweitens das Object als unmittelbare Totalitaͤt ſei-
ne Gleichguͤltigkeit gegen die Beſtimmtheit behaͤlt, ſo iſt
dieſe an ihm auch als unweſentliche oder als ein Auſſer-
einander
von vielen Objecten vorhanden. Die er-
ſtere, die weſentliche Beſtimmtheit macht dagegen die
reelle Mitte zwiſchen den vielen mechaniſch auf einan-
der wirkenden Objecten aus, durch welche ſie an und
fuͤr ſich
zuſammen geſchloſſen ſind, und iſt deren objective
Allgemeinheit. Die Allgemeinheit zeigte ſich zuerſt im
Verhaͤltniſſe der Mittheilung, als eine nur durchs
Setzen vorhandene; als objective aber iſt ſie das
durchdringende, immanente Weſen der Objecte.


In der materiellen Welt iſt es der Centralkoͤr-
per
, der die Gattung aber individuelle Allge-
meinheit der einzelnen Objecte und ihres mechaniſchen
Prozeſſes iſt. Die unweſentlichen einzelnen Koͤrper ver-
halten ſich ſtoſſend und druͤckend zu einander; ſol-
ches Verhaͤltniß findet nicht zwiſchen dem Centralkoͤrper
und den Objecten Statt, deren Weſen er iſt; denn ihre
Aeuſſerlichkeit macht nicht mehr ihre Grundbeſtimmung
aus. Ihre Identitaͤt mit ihm iſt alſo vielmehr die Ru-
he, nemlich das Seyn in ihrem Centrum; dieſe Ein-
heit
[220]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
heit iſt ihr an und fuͤr ſich ſeyender Begriff. Sie bleibt
jedoch nur ein Sollen, da die zugleich noch geſetzte
Aeuſſerlichkeit der Objecte, jener Einheit nicht entſpricht.
Das Streben, das ſie daher nach dem Centrum ha-
ben, iſt ihre abſolute nicht durch Mittheilung geſetz-
te Allgemeinheit; ſie macht die wahre, ſelbſt concrete
nicht von auſſen geſetzte Ruhe aus, in welche der
Proceß der Unſelbſtſtaͤndigkeit zuruͤckgehen muß. — Es
iſt deßwegen eine leere Abſtraction, wenn in der Me-
chanik angenommen wird, daß ein in Bewegung geſetz-
ter Koͤrper uͤberhaupt ſich in gerader Linie ins unend-
liche fortbewegen wuͤrde, wenn er nicht durch aͤuſſerli-
chen Widerſtand ſeine Bewegung verloͤre. Die Rei-
bung
, oder welche Form der Widerſtand ſonſt hat, iſt
nur die Erſcheinung der Centralitaͤt; dieſe iſt es,
welche ihn abſolut zu ſich zuruͤckbringt; denn das, woran
ſich der bewegte Koͤrper reibt, hat allein die Kraft eines
Widerſtands durch ſein Einsſeyn mit dem Centrum. —
Im Geiſtigen nimmt das Centrum und das Einsſeyn
mit demſelben, hoͤhere Formen an; aber die Einheit des
Begriffs, und deren Realitaͤt, welche hier zunaͤchſt me-
chaniſche Centralitaͤt iſt, muß auch dort die Grundbe-
ſtimmung ausmachen.


Der Centralkoͤrper hat inſofern aufgehoͤrt, ein bloſ-
ſes Object zu ſeyn, da an dieſem die Beſtimmtheit
ein unweſentliches iſt; denn er hat nicht mehr nur das
An-ſich-, ſondern auch das Fuͤr-ſichſeyn der ob-
jectiven Totalitaͤt. Er kann deßwegen als ein Indi-
viduum
angeſehen werden. Seine Beſtimmtheit iſt
weſentlich von einer bloſſen Ordnung oder Ar-
rangement
und aͤuſſerlichen Zuſammenhang
von Theilen verſchieden; ſie iſt als an und fuͤr ſich
ſeyende Beſtimmtheit eine immanente Form, ſelbſt
beſtimmendes Princip, welchem die Objecte inhaͤri-
ren,
[221]I.Kapitel. Der Mechanismus.
ren, und wodurch ſie zu einem wahrhaften Eins ver-
bunden ſind.


Dieſes Centralindividuum iſt aber ſo nur erſt
Mitte, welche noch keine wahrhaften Extreme hat; als
negative Einheit des totalen Begriffs dirimirt es ſich
aber in ſolche. Oder: die vorhin unſelbſtſtaͤndigen ſich
aͤuſſerlichen Objecte werden durch den Ruͤckgang des Be-
griffs gleichfalls zu Individuen beſtimmt; die Identitaͤt
des Centralkoͤrpers mit ſich, das noch ein Streben
iſt, iſt mit Aeuſſerlichkeit behaftet, welcher da ſie
in ſeine objective Einzelnheit aufgenommen iſt,
dieſe mitgetheilt iſt. Durch dieſe eigene Centralitaͤt ſind
ſie, auſſer jenem erſten Centrum geſtellt, ſelbſt Centra
fuͤr die unſelbſtſtaͤndigen Objecte. Dieſe zweyten Cen-
tra und die unſelbſtſtaͤndigen Objecte ſind durch jene
abſolute Mitte zuſammengeſchloſſen.


Die relativen Centralindividuen machen aber auch
ſelbſt die Mitte eines zweyten Schluſſes aus,
welche einerſeits unter ein hoͤheres Extrem, die objective
Allgemeinheit und Macht des abſoluten Centrums,
ſubſumirt iſt, auf der andern Seite die unſelbſtſtaͤndigen
Objecte unter ſich ſubſumirt, deren oberflaͤchliche oder
formale Vereinzelung von ihr getragen werden. — Auch
dieſe Unſelbſtſtaͤndigen ſind die Mitte eines dritten,
des formalen Schluſſes; indem ſie das Band zwi-
ſchen der abſoluten, und der relativen Centralindivi-
dualitaͤt inſofern ſind, als die letztere in ihnen ihre Aeuſ-
ſerlichkeit hat, durch welche die Beziehung auf ſich
zugleich ein Streben nach einem abſoluten Mittelpunkt
iſt. Die formalen Objecte haben zu ihrem Weſen die
identiſche Schwere ihres unmittelbaren Centralkoͤr-
pers, dem ſie als ihrem Subjecte und Extreme der Ein-
zelnheit inhaͤriren; durch die Aeuſſerlichkeit, welche ſie
aus-
[222]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
ausmachen, iſt er unter den abſoluten Centralkoͤrper
ſubſumirt; ſie ſind alſo die formale Mitte der Beſon-
derheit
. — Das abſolute Individuum aber iſt
die objectiv-allgemeine Mitte, welche das Inſichſeyn
des relativen Individuums und ſeine Aeuſſerlichkeit zu-
ſammenſchließt und feſthaͤlt. — So ſind auch die Re-
gierung
, die Buͤrgerindividuen und die Be-
duͤrfniſſe
oder das aͤuſſerliche Leben der Ein-
zelnen drey Termini, deren jeder die Mitte der zwey
andern iſt. Die Regierung iſt das abſolute Cen-
trum, worin das Extrem der Einzelnen mit ihrem aͤuſ-
ſerlichen Beſtehen zuſammengeſchloſſen wird; eben ſo ſind
die Einzelnen Mitte, welche jenes allgemeine Indi-
viduum zur aͤuſſerlichen Exiſtenz bethaͤtigen, und ihr ſitt-
liches Weſen in das Extrem der Wirklichkeit uͤberſetzen.
Der dritte Schluß iſt der formale, der Schluß des
Scheins, daß die einzelnen durch ihre Beduͤrfniſſe
und das aͤuſſerliche Daſeyn an dieſe allgemeine abſolute
Individualitaͤt geknuͤpft ſind; ein Schluß, der als der
bloß ſubjective in die andern uͤbergeht, und in ihnen
ſeine Wahrheit hat.


Dieſe Totalitaͤt, deren Momente ſelbſt die vollſtaͤn-
digen Verhaͤltniſſe des Begriffes, die Schluͤſſe, ſind,
worin jedes der drey unterſchiedenen Objecte, die Be-
ſtimmung der Mitte und der Extreme durchlaͤuft, macht
den freyen Mechanismus aus. In ihm haben
die unterſchiedenen Objecte die objective Allgemeinheit,
die durchdringende in der Beſonderung ſich
identiſch erhaltende Schwere, zu ihrer Grundbeſtim-
mung. Die Beziehungen von Druck, Stoß, An-
ziehen
und dergleichen, ſo wie Aggregirungen
oder Vermiſchungen, gehoͤren dem Verhaͤltniſſe der
Aeuſſerlichkeit an, die den dritten der zuſammengeſtell-
ten Schluͤſſe begruͤndet. Die Ordnung welches die
bloß
[223]I.Kapitel. Der Mechanismus.
bloß aͤuſſerliche Beſtimmtheit der Objecte iſt, iſt in die
immanente und objective Beſtimmung uͤbergegangen;
dieſe iſt das Geſetz.


b.
Das Geſetz.

In dem Geſetze thut ſich der beſtimmtere Unter-
ſchied von ideeller Realitaͤt der Objectivitaͤt, ge-
gen die aͤuſſerliche hervor. Das Object hat als
unmittelbare Totalitaͤt des Begriffs die Aeuſſerlich-
keit noch nicht als von dem Begriffe unterſchieden,
der nicht fuͤr ſich geſetzt iſt. Indem es durch den Pro-
ceß in ſich gegangen, iſt der Gegenſatz der einfachen
Centralitaͤt
gegen eine Aeuſſerlichkeit eingetre-
ten, welche nun als Aeuſſerlichkeit beſtimmt, das iſt,
als nicht an und fuͤr ſich ſeyendes geſetzt iſt. Je-
nes Identiſche oder Ideelle der Individualitaͤt iſt um
der Beziehung auf die Aeuſſerlichkeit willen ein Sollen;
es iſt die an- und- fuͤr-ſich beſtimmte und ſelbſtbeſtimmen-
de Einheit des Begriffs, welcher jene aͤuſſerliche Reali-
taͤt nicht entſpricht, und daher nur bis zum Streben
kommt. Aber die Individualitaͤt iſt an und fuͤr ſich
das concrete Princip der negativen Einheit,
als ſolches
ſelbſt Totalitaͤt; eine Einheit, die ſich
in die beſtimmten Begriffsunterſchiede diri-
mirt, und in ihrer ſich ſelbſt gleichen Allgemeinheit
bleibt; ſomit der innerhalb ſeiner reinen Idealitaͤt
durch den Unterſchied erweiterte Mittelpunkt. —
Dieſe Realitaͤt, die dem Begriffe entſpricht, iſt die
ideelle von jener nur ſtrebenden unterſchieden; der
Unterſchied, der zunaͤchſt eine Vielheit von Objecten iſt,
in ſeiner Weſentlichkeit, und in die reine Allgemeinheit
aufgenommen. Dieſe reelle Idealitaͤt iſt die Seele
der
[224]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
der vorhin entwickelten, objectiven Totalitaͤt, die an
und fuͤr ſich beſtimmte Identitaͤt
des Syſtems.


Das objective An und fuͤr-ſich-ſeyn ergibt
ſich daher in ſeiner Totalitaͤt beſtimmter als die nega-
tive Einheit des Centrums, welche ſich in die ſubjec-
tive Individualitaͤt
und die aͤuſſerliche Ob-
jectivitaͤt
theilt, in dieſer jene erhaͤlt und in ideellem
Unterſchiede beſtimmt. Dieſe ſelbſtbeſtimmende die aͤuſ-
ſerliche Objectivitaͤt in die Idealitaͤt abſolut zuruͤckfuͤh-
rende Einheit iſt Princip von Selbſtbewegung; die
Beſtimmtheit dieſes Beſeelenden, welche der Unter-
ſchied des Begriffes ſelbſt iſt, iſt das Geſetz. — Der
todte Mechanismus war der betrachtete mechaniſche Pro-
ceß von Objecten, die unmittelbar als ſelbſtſtaͤndig er-
ſchienen, aber eben deßwegen in Wahrheit unſelbſtſtaͤndig
ſind, und ihr Centrum auſſer ihnen haben; dieſer Pro-
ceß, der in Ruhe uͤbergeht, zeigt entweder Zufaͤllig-
keit
und unbeſtimmte Ungleichheit, oder formale
Gleichfoͤrmigkeit
. Dieſe Gleichfoͤrmigkeit iſt wohl
eine Regel, aber nicht Geſetz. Nur der freye Me-
chanismus hat ein Geſetz, die eigene Beſtimmung der
reinen Individualitaͤt oder des fuͤr ſich ſeyenden
Begriffes
; es iſt, als Unterſchied an ſich ſelbſt un-
vergaͤngliche Quelle ſich ſelbſt entzuͤndender Bewegung;
indem es in der Idealitaͤt ſeines Unterſchiedes ſich nur
auf ſich bezieht, freye Nothwendigkeit.


C.
Uebergang des Mechanismus.

Dieſe Seele iſt jedoch in ihren Koͤrper noch ver-
ſenkt; der nunmehr beſtimmte, aber innre Be-
griff der objectiven Totalitaͤt; ſo freye Nothwendigkeit,
daß
[225]I.Kapitel. Der Mechanismus.
daß das Geſetz ſeinem Objecte noch nicht gegenuͤber ge-
treten iſt; es iſt die concrete Centralitaͤt als in ihre Ob-
jectivitaͤt unmittelbar verbreitete Allgemeinheit. Jene
Idealitaͤt hat daher nicht die Objecte ſelbſt zu ihrem
beſtimmten Unterſchied; dieſe ſind ſelbſtſtaͤndige In-
dividuen
der Totalitaͤt, oder auch, wenn wir auf die
formale Stuffe zuruͤckſehen, nicht individuelle, aͤuſſerliche
Objecte. Das Geſetz iſt ihnen wohl immanent und
macht ihre Natur und Macht aus; aber ſein Unterſchied
iſt in ſeine Idealitaͤt eingeſchloſſen, und die Objecte ſind
nicht ſelbſt in die ideelle Differenz des Geſetzes unter-
ſchieden. Aber das Object hat an der ideellen Centrali-
taͤt und deren Geſetze allein ſeine weſentliche Selbſtſtaͤn-
digkeit; es hat daher keine Kraft, dem Urtheile des Be-
griffs Widerſtand zu thun, und ſich in abſtracter, unbe-
ſtimmter Selbſtſtaͤndigkeit und Verſchloſſenheit zu erhalten.
Durch den ideellen, ihm immanenten Unterſchied iſt ſein
Daſeyn eine durch den Begriff geſetzte Beſtimmt-
heit
. Seine Unſelbſtſtaͤndigkeit iſt auf dieſe Weiſe nicht
mehr nur ein Streben nach dem Mittelpunkte,
gegen den es eben, weil ſeine Beziehung nur ein Streben
iſt, noch die Erſcheinung eines ſelbſtſtaͤndigen aͤuſſerlichen
Objectes hat; ſondern es iſt ein Streben nach dem be-
ſtimmt ihm entgegengeſetzten Object
; ſo wie
das Centrum dadurch ſelbſt auseinander, und ſeine nega-
tive Einheit in den objectivirten Gegenſatz uͤber-
gegangen iſt. Die Centralitaͤt iſt daher jetzt Beziehung
dieſer gegen einander negativen und geſpannten Objectivi-
taͤten. So beſtimmt ſich der freye Mechanismus zum
Chemismus.


PZwey-
[226]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.

Zweytes Kapitel.
Der Chemismus
.


Der Chemismus macht im Ganzen der Objectivi-
taͤt das Moment des Urtheils; der objectiv gewordnen
Differenz und des Prozeſſes aus. Da er mit der Be-
ſtimmtheit und dem Geſetztſeyn ſchon beginnt, und das
chemiſche Object zugleich objective Totalitaͤt iſt, iſt ſein naͤch-
ſter Verlauf einfach, und durch ſeine Vorausſetzung voll-
kommen beſtimmt.


A.
Das chemiſche Object.

Das chemiſche Object unterſcheidet ſich von dem
mechaniſchen dadurch, daß das Letztere eine Totalitaͤt iſt,
welche gegen die Beſtimmtheit gleichguͤltig iſt; bey dem
chemiſchen dagegen gehoͤrt die Beſtimmtheit, ſomit
die Beziehung auf anderes, und die Art und Wei-
ſe dieſer Beziehung, ſeiner Natur an. — Dieſe Beſtimmt-
heit iſt weſentlich zugleich Beſonderung, d. h. in die
Allgemeinheit aufgenommen; ſie iſt ſo Princip — die
allgemeine Beſtimmtheit, nicht nur die des ei-
nes einzelnen Objects
, ſondern auch die des an-
dern.
[227]II.Kapitel. Der Chemismus.
dern. Es unterſcheidet ſich daher nun an demſelben
ſein Begriff, als die innere Totalitaͤt beyder Beſtimmt-
heiten, und die Beſtimmtheit, welche die Natur des ein-
zelnen Objects in ſeiner Aeuſſerlichkeit und Exi-
ſtenz
ausmacht. Indem es auf dieſe Weiſe an ſich
der ganze Begriff iſt, ſo hat es an ihm ſelbſt die Noth-
wendigkeit
und den Trieb, ſein entgegengeſetztes,
einſeitiges Beſtehen aufzuheben, und ſich zu dem
realen Ganzen im Daſeyn zu machen, welches es
ſeinem Begriffe nach iſt.


Ueber den Ausdruck: Chemismus, fuͤr das Ver-
haͤltniß der Differenz der Objectivitaͤt, wie es ſich erge-
ben hat, kann uͤbrigens bemerkt werden, daß er hier
nicht ſo verſtanden werden muß, als ob ſich diß Ver-
haͤltniß nur in derjenigen Form der elementariſchen
Natur darſtellte, welche der eigentliche ſogenannte Che-
mismus heißt. Schon das meteorologiſche Verhaͤltniß,
muß als ein Proceß angeſehen werden, deſſen Parthien
mehr die Natur von phyſicaliſchen als chemiſchen Ele-
menten haben. Im Lebendigen ſteht das Geſchlechts-
Verhaͤltniß unter dieſem Schema; ſo wie es auch fuͤr
die geiſtigen Verhaͤltniſſe der Liebe, Freundſchaft u. ſ. f.
die formale Grundlage ausmacht.


Naͤher betrachtet iſt das chemiſche Object zunaͤchſt,
als eine ſelbſtſtaͤndige Totalitaͤt uͤberhaupt, ein in
ſich reflectirtes, das inſofern von ſeinem Reflectirtſeyn
nach auſſen, unterſchieden iſt, — eine gleichguͤltige Ba-
ſis
, das noch nicht als different beſtimmte Indivi-
duum; auch die Perſon iſt eine ſolche ſich erſt nur auf
ſich beziehende Baſis. Die immanente Beſtimmtheit
aber, welche ſeine Differenz ausmacht, iſt erſtlich
ſo in ſich reflectirt, daß dieſe Zuruͤcknahme der Bezie-
hung nach Auſſen nur formale abſtracte Allgemeinheit
P 2iſt;
[228]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
iſt; ſo iſt die Beziehung nach Auſſen Beſtimmung ſeiner
Unmittelbarkeit und Exiſtenz. Nach dieſer Seite geht es
nicht an ihm ſelbſt in die individuelle Totalitaͤt zu-
ruͤck; und die negative Einheit hat die beyden Momente
ihres Gegenſatzes an zwey beſondern Objecten.
Sonach iſt ein chemiſches Object nicht aus ihm ſelbſt
begreiflich, und das Seyn des Einen iſt das Seyn ei-
nes Andern. — Zweytens aber iſt die Beſtimmtheit
abſolut in ſich reflectirt, und das concrete Moment des
individuellen Begriffs des Ganzen, der das allgemeine
Weſen, die reale Gattung des beſondern Objects
iſt. Das chemiſche Object, hiemit der Widerſpruch ſei-
nes unmittelbaren Geſetztſeyns und ſeines immanenten
individuellen Begriffs, iſt ein Streben, die Beſtimmt-
heit ſeines Daſeyns aufzuheben, und der objectiven To-
talitaͤt des Begriffes die Exiſtenz zu geben. Es iſt daher
zwar gleichfalls ein unſelbſtſtaͤndiges, aber ſo, daß es
hiegegen durch ſeine Natur ſelbſt geſpannt iſt, und den
Proceß ſelbſtbeſtimmend anfaͤngt.


B.
Der Proceß.

1. Er beginnt mit der Vorausſetzung, daß die ge-
ſpannten Objecte, ſo ſehr ſie es gegen ſich ſelbſt, es zu-
naͤchſt eben damit gegen einander ſind; — ein Verhaͤlt-
niß, welches ihre Verwandtſchaft heißt. Indem
jedes durch ſeinen Begriff im Widerſpruch gegen die ei-
gene Einſeitigkeit ſeiner Exiſtenz ſteht, ſomit dieſe auf-
zuheben ſtrebt, iſt darin unmittelbar das Streben geſetzt,
die Einſeitigkeit des andern aufzuheben, und durch
dieſe gegenſeitige Ausgleichung und Verbindung die
Re-
[229]II.Kapitel. Der Chemismus.
Realitaͤt dem Begriffe, der beide Momente enthaͤlt, ge-
maͤß zu ſetzen.


Inſofern jedes geſetzt iſt, als an ihm ſelbſt ſich
widerſprechend und aufhebend, ſo ſind ſie nur durch
aͤuſſere Gewalt in der Abſonderung von einander
und von ihrer gegenſeitigen Ergaͤnzung gehalten. Die
Mitte, wodurch nun dieſe Extreme zuſammengeſchloſſen
werden, iſt erſtlich die an ſich ſeyende Natur bey-
der, der ganze beyde in ſich haltende Begriff. Aber
zweytens, da ſie in der Exiſtenz gegeneinander ſte-
hen, ſo iſt ihre abſolute Einheit, auch ein unterſchie-
den
von ihnen exiſtirendes, noch formales Ele-
ment, — das Element der Mittheilung, worin ſie
in aͤuſſerliche Gemeinſchaft miteinander treten. Da
der reale Unterſchied den Extremen angehoͤrt, ſo iſt dieſe
Mitte nur die abſtracte Neutralitaͤt, die reale Moͤglich-
keit derſelben; — gleichſam das theoretiſche Ele-
ment
der Exiſtenz von den chemiſchen Objecten, ihres
Proceſſes und ſeines Reſultats; — im Koͤrperlichen hat
das Waſſer die Function dieſes Mediums; im Geiſti-
gen, inſofern in ihm das Analogon eines ſolchen Ver-
haͤltniſſes Statt findet, iſt das Zeichen uͤberhaupt, und
naͤher die Sprache dafuͤr anzuſehen.


Das Verhaͤltniß der Objecte iſt als bloſſe Mitthei-
lung in dieſem Elemente, einerſeits ein ruhiges Zuſam-
mengehen, aber andererſeits ebenſoſehr ein negatives
Verhalten
, indem der concrete Begriff, welcher ihre
Natur iſt, in der Mittheilung in Realitaͤt geſetzt, hie-
mit die realen Unterſchiede der Objecte zu ſeiner
Einheit reducirt werden. Ihre vorherige ſelbſtſtaͤndige
Beſtimmtheit wird damit in der dem Begriffe, der
in beyden ein und derſelbe iſt, gemaͤßen Vereinigung
aufgehoben, ihr Gegenſatz und Spannung hiedurch ab-
ge-
[230]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
geſtumpft; womit das Streben in dieſer gegenſeitigen
Ergaͤnzung ſeine ruhige Neutralitaͤt erlangt.


Der Proceß iſt auf dieſe Weiſe erloſchen; indem
der Widerſpruch des Begriffes und der Realitaͤt ausge-
glichen, haben die Extreme des Schluſſes ihren Gegen-
ſatz verloren, hiemit aufgehoͤrt, Extreme gegeneinander
und gegen die Mitte zu ſeyn. Das Product iſt ein
neutrales, d. h. ein ſolches, in welchem die Ingre-
dientien, die nicht mehr Objecte genannt werden koͤn-
nen, ihre Spannung und damit die Eigenſchaften
nicht mehr haben, die ihnen als geſpannten zuka-
men, worin ſich aber die Faͤhigkeit ihrer vorigen
Selbſtſtaͤndigkeit und Spannung erhalten hat. Die ne-
gative Einheit des Neutralen geht nemlich von einer
vorausgeſetzten Differenz aus; die Beſtimmtheit
des chemiſchen Objects iſt identiſch mit ſeiner Objecti-
vitaͤt, ſie iſt urſpruͤnglich. Durch den betrachteten Pro-
ceß iſt dieſe Differenz nur erſt unmittelbar aufge-
hoben, die Beſtimmtheit iſt daher noch nicht als abſolut
in ſich reflectirte, ſomit das Product des Proceſſes nur
eine formale Einheit.


2. In dieſem Producte iſt nun zwar die Spannung
des Gegenſatzes und die negative Einheit als Thaͤtigkeit
des Proceſſes erloſchen. Da dieſe Einheit aber dem Be-
griffe weſentlich, und zugleich ſelbſt zur Exiſtenz ge-
kommen iſt, ſo iſt ſie noch vorhanden, aber auſſer
dem neutralen Objecte getreten. Der Proceß facht ſich
nicht von ſelbſt wieder an, inſofern er die Differenz
nur zu ſeiner Vorausſetzung hatte, nicht ſie ſelbſt
ſetzte. — Dieſe auſſer dem Objecte ſelbſtſtaͤndige Ne-
gativitaͤt, die Exiſtenz der abſtracten Einzelnheit,
deren Fuͤrſichſeyn ſeine Realitaͤt an dem indifferen-
ten Objecte
hat, iſt nun in ſich ſelbſt gegen ihre
Ab-
[231]II.Kapitel. Der Chemismus.
Abſtraction geſpannt, eine in ſich unruhige Thaͤtigkeit,
die ſich verzehrend nach auſſen kehrt. Sie bezieht ſich
unmittelbar auf das Object, deſſen ruhige Neutrali-
taͤt die reale Moͤglichkeit ihres Gegenſatzes iſt; daſſelbe
iſt nunmehr die Mitte der vorhin bloß formalen Neu-
tralitaͤt, nun in ſich ſelbſt concret, und beſtimmt.


Die naͤhere unmittelbare Beziehung des Extrems
der negativen Einheit auf das Object iſt, daß
dieſes durch ſie beſtimmt und hiedurch dirimirt wird.
Dieſe Diremtion kann zunaͤchſt fuͤr die Herſtellung des
Gegenſatzes der geſpannten Objecte angeſehen werden,
mit welchem der Chemismus begonnen. Aber dieſe Be-
ſtimmung macht nicht das andere Extrem des Schluſſes
aus, ſondern gehoͤrt zur unmittelbaren Beziehung des
differentiirenden Princips auf die Mitte, an der ſich
dieſes ſeine unmittelbare Realitaͤt gibt; es iſt die Be-
ſtimmtheit, welche im disjunctiven Schluſſe die Mitte,
auſſer dem daß ſie allgemeine Natur des Gegenſtandes
iſt, zugleich hat, wodurch dieſer ebenſowohl objective
Allgemeinheit als beſtimmte Beſonderheit iſt. Das an-
dere Extrem
des Schluſſes ſteht dem aͤuſſern ſelbſt-
ſtaͤndigen Extrem
der Einzelnheit gegenuͤber; es
iſt daher das eben ſo ſelbſtſtaͤndige Extrem der Allge-
meinheit
; die Diremtion, welche die reale Neutrali-
taͤt der Mitte daher in ihm erfaͤhrt, iſt, daß ſie nicht
in gegeneinander differente, ſondern indifferente
Momente zerlegt wird. Dieſe Momente ſind hiemit die
abſtracte, gleichguͤltige Baſis einerſeits, und das be-
geiſtende
Princip derſelben andererſeits, welches durch
ſeine Trennung von der Baſis ebenfalls die Form gleich-
guͤltiger Objectivitaͤt erlangt.


Dieſer disjunctive Schluß iſt die Totalitaͤt des
Chemismus, in welcher daſſelbe objective Ganze ſowohl
als
[232]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
als die ſelbſtſtaͤndige negative Einheit, dann in der
Mitte als reale Einheit, — endlich aber die chemiſche
Realitaͤt in ihre abſtracten Momente aufgeloͤſt, dar-
geſtellt iſt. In dieſen letztern iſt die Beſtimmtheit,
nicht wie im Neutralen, an einem Andern zu ihrer
Reflexion-in-ſich gekommen, ſondern iſt an ſich
in ihre Abſtraction zuruͤckgegangen, ein urſpruͤnglich
beſtimmtes Element
.


3. Dieſe elementariſchen Objecte ſind hiemit von
der chemiſchen Spannung befreyt; es iſt in ihnen die
urſpruͤngliche Grundlage derjenigen Vorausſetzung,
mit welcher der Chemismus begann, durch den realen
Proceß geſetzt worden. Inſofern nun weiter einer-
ſeits ihre innerliche Beſtimmtheit als ſolche, weſent-
lich der Widerſpruch ihres einfachen gleichguͤlti-
gen Beſtehens
, und ihrer als Beſtimmtheit, und
der Trieb nach auſſen iſt, der ſich dirimirt, und an ih-
rem Objecte und an einem Andern die Spannung ſetzt,
um ein ſolches zu haben, wogegen es ſich als
differentes verhalten, an dem es ſich neutraliſiren und
ſeiner einfachen Beſtimmtheit die daſeyende Realitaͤt ge-
ben koͤnne, ſo iſt damit der Chemismus in ſeinem An-
fang zuruͤckgegangen, in welchem gegeneinander geſpann-
te Objecte einander ſuchen, und dann durch eine for-
male, aͤuſſerliche Mitte zu einem Neutralen ſich vereini-
gen. Auf der andern Seite hebt der Chemismus durch
dieſen Ruͤckgang in ſeinen Begriff ſich auf, und iſt in
eine hoͤhere Sphaͤre uͤbergegangen.


C. Ueber-
[233]II.Kapitel. Der Chemismus.
C.
Uebergang des Chemismus.

Die gewoͤhnliche Chemie ſchon zeigt Beyſpiele von
chemiſchen Veraͤnderungen, worin ein Koͤrper z. B. einem
Theil ſeiner Maſſe eine hoͤhere Oxydation zutheilt, und
dadurch einen andern Theil in einen geringern Grad
derſelben herabſetzt, in welchem er erſt mit einem an
ihn gebrachten andern differenten Koͤrper eine neutrale
Verbindung eingehen kann, fuͤr die er in jenem erſten
unmittelbaren Grade nicht empfaͤnglich geweſen waͤre.
Was hier geſchieht, iſt, daß ſich das Object nicht nach ei-
ner unmittelbaren, einſeitigen Beſtimmtheit auf ein an-
deres bezieht, ſondern nach der innern Totalitaͤt eines
urſpruͤnglichen Verhaͤltniſſes die Vorausſetzung,
deren es zu einer realen Beziehung bedarf, ſetzt, und
dadurch ſich eine Mitte gibt, durch welche es ſeinen
Begriff mit ſeiner Realitaͤt zuſammenſchließt; es iſt die
an und fuͤr ſich beſtimmte Einzelnheit, der concrete Be-
griff als Princip der Disjunction in Extreme, de-
ren Wiedervereinigung die Thaͤtigkeit deſſel-
ben
negativen Princips iſt, das dadurch zu ſeiner er-
ſten Beſtimmung, aber objectivirt zuruͤckkehrt.


Der Chemismus ſelbſt iſt die erſte Negation
der gleichguͤltigen Objectivitaͤt, und der Aeuſſer-
lichkeit
der Beſtimmtheit; er iſt alſo noch mit der
unmittelbaren Selbſtſtaͤndigkeit des Objects und mit der
Aeuſſerlichkeit behaftet. Er iſt daher fuͤr ſich noch
nicht jene Totalitaͤt der Selbſtbeſtimmung, welche aus
ihm hervorgeht, und in welcher er ſich vielmehr auf-
hebt. — Die drey Schluͤſſe, welche ſich ergeben haben,
machen ſeine Totalitaͤt aus; der erſte hat zur Mitte die
formale Neutralitaͤt und zu den Extremen die geſpannten
Objecte, der zweyte hat das Product des erſten, die
reelle
[234]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
reelle Neutralitaͤt zur Mitte und die dirimirende Thaͤtigkeit,
und ihr Product, das gleichguͤltige Element, zu den Ex-
tremen; der dritte aber iſt der ſich realiſirende Begriff,
der ſich die Vorausſetzung ſetzt, durch welche der Pro-
ceß ſeiner Realiſirung bedingt iſt, — ein Schluß, der
das Allgemeine zu ſeinem Weſen hat. Um der Unmit-
telbarkeit und Aeuſſerlichkeit willen jedoch, in deren Be-
ſtimmung die chemiſche Objectivitaͤt ſteht, fallen die-
ſe Schluͤſſe noch auseinander
. Der erſte Pro-
ceß, deſſen Product die Neutralitaͤt der geſpannten Ob-
jecte iſt, erliſcht in ſeinem Producte, und es iſt eine
aͤuſſerlich hinzukommende Differentiirung, welche ihn
wieder anfacht; bedingt durch eine unmittelbare Voraus-
ſetzung, erſchoͤpft er ſich in ihr. — Eben ſo muß die
Ausſcheidung der differenten Extreme aus dem Neu-
tralen, ingleichen ihre Zerlegung in ihre abſtracten Ele-
mente, von aͤuſſerlich hinzukommenden Bedin-
gungen
und Erregungen der Thaͤtigkeit ausgehen.
Inſofern aber auch die beyden weſentlichen Momente
des Proceſſes, einerſeits die Neutraliſirung, andererſeits
die Scheidung und Reduction, in einem und demſelben
Proceſſe verbunden ſind, und Vereinigung und Ab-
ſtumpfung der geſpannten Extreme auch eine Tren-
nung
in ſolche iſt, ſo machen ſie um der noch zu Grun-
de liegenden Aeuſſerlichkeit willen, zwey verſchiede-
ne
Seiten aus; die Extreme, welche in demſelben Pro-
ceſſe ausgeſchieden werden, ſind andere Objecte oder
Materien, als diejenigen, welche ſich in ihm einigen;
inſofern jene daraus wieder different hervorgehen,
muͤſſen ſie ſich nach Auſſen wenden; ihre neue Neutrali-
ſirung iſt ein anderer Proceß, als die, welche in dem
erſten Statt hatte.


Aber dieſe verſchiedenen Proceſſe, welche ſich als
nothwendig ergeben haben, ſind eben ſo viele Stuf-
fen,
[235]II.Kapitel. Der Chemismus.
fen, wodurch die Aeuſſerlichkeit und das Be-
dingtſeyn
aufgehoben wird, woraus der Begriff als
an und fuͤr ſich beſtimmte, und von der Aeuſſerlichkeit
nicht bedingte Totalitaͤt hervorgeht. Im erſten hebt
ſich die Aeuſſerlichkeit der die ganze Realitaͤt ausma-
chenden, differenten Extreme gegeneinander, oder die Un-
terſchiedenheit des an ſich ſeyenden beſtimmten Begrif-
fes von ſeiner daſeyenden Beſtimmtheit auf; im
zweyten wird die Aeuſſerlichkeit der realen Ein-
heit, die Vereinigung als bloß neutrale aufgeho-
ben; — naͤher hebt ſich die formale Thaͤtigkeit zunaͤchſt
in eben ſo formalen Baſen, oder indifferenten Beſtimmt-
heiten auf, deren innerer Begriff nun die in ſich
gegangene, abſolute Thaͤtigkeit, als an ihr ſelbſt ſich
realiſirend iſt, d. i. die in ſich die beſtimmte Unterſchie-
de ſetzt, und durch dieſe Vermittlung ſich als reale
Einheit conſtituirt, — eine Vermittlung, welche ſomit
die eigene Vermittlung des Begriffs, ſeine Selbſtbe-
ſtimmung, und in Ruͤckſicht auf ſeine Reflexion daraus
in ſich, immanentes Vorausſetzen iſt. Der dritte
Schluß, der einerſeits die Wiederherſtellung der vor-
hergehenden Proceſſe iſt, hebt andererſeits noch das letz-
te Moment gleichguͤltiger Baſen auf, — die ganz
abſtracte aͤuſſerliche Unmittelbarkeit, welche auf
dieſe Weiſe eigenes Moment der Vermittlung des Be-
griffes durch ſich ſelbſt wird. Der Begriff, welcher
hiemit alle Momente ſeines objectiven Daſeyns als aͤuſ-
ſerliche aufgehoben und in ſeine einfache Einheit geſetzt
hat, iſt dadurch von der objectiven Aeuſſerlichkeit voll-
ſtaͤndig befreit, auf welche er ſich nur als eine unwe-
ſentliche Realitaͤt bezieht; dieſer objective freye Begriff
iſt der Zweck.


Drit-
[236]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.

Drittes Kapitel.
Teleologie
.


Wo Zweckmaͤſſigkeit wahrgenommen wird,
wird ein Verſtand als Urheber derſelben angenom-
men, fuͤr den Zweck alſo die eigene, freye Exiſtenz des
Begriffes gefordert. Die Teleologie wird vornem-
lich dem Mechanismus entgegengeſtellt, in welchem
die an dem Object geſetzte Beſtimmtheit weſentlich als
aͤuſſerliche, eine ſolche iſt, an der ſich keine Selbſtbe-
ſtimmung
manifeſtirt. Der Gegenſatz von Cauſis
efficientibus
und Cauſis finalibus, bloß wirkenden und
Endurſachen bezieht ſich auf jenen Unterſchied, auf
den, in concreter Form genommen auch die Unterſuchung
zuruͤckgeht, ob das abſolute Weſen der Welt als blinder
Naturmechanismus, oder als ein nach Zwecken ſich be-
ſtimmender Verſtand zu faſſen ſey. Die Antinomie
des Fatalismus mit dem Determinismus, und
der Freyheit betrifft ebenfalls den Gegenſatz des Me-
chanismus und der Teleologie; denn das Freye iſt der
Begriff in ſeiner Exiſtenz.


Die vormalige Metaphyſik iſt mit dieſen Begrif-
fen, wie mit ihren andern verfahren; ſie hat theils
eine Weltvorſtellung vorausgeſetzt, und ſich bemuͤht, zu
zeigen, daß der eine oder der andere Begriff auf ſie
paſſe, und der entgegengeſetzte mangelhaft ſey, weil ſie
ſich
[237]III.Kapitel. Teleologie.
ſich nicht aus ihm erklaͤren laſſe; theils hat ſie da-
bey den Begriff der mechaniſchen Urſache und des
Zwecks nicht unterſucht, welcher an und fuͤr ſich
Wahrheit habe. Wenn diß fuͤr ſich feſtgeſtellt iſt, ſo
mag die objective Welt mechaniſche und Endurſachen
darbieten; ihre Exiſtenz iſt nicht der Maßſtab des
Wahren, ſondern das Wahre vielmehr das Krite-
rium, welche von dieſen Exiſtenzen ihre wahrhafte ſey.
Wie der ſubjective Verſtand auch Irrthuͤmer an ihm
zeigt, ſo zeigt die objective Welt auch diejenigen Seiten
und Stuffen der Wahrheit, welche fuͤr ſich erſt einſeitig,
unvollſtaͤndig, und nur Erſcheinungsverhaͤltniſſe ſind.
Wenn Mechanismus und Zweckmaͤſſigkeit ſich gegenuͤber
ſtehen, ſo koͤnnen ſie eben deßwegen nicht als gleich-
guͤltige
genommen, deren jedes fuͤr ſich ein richtiger
Begriff ſey und ſo viele Guͤltigkeit habe als der andere,
wobey es nur darauf ankomme, wo der eine oder der
andere angewendet werden koͤnne. Dieſe gleiche Guͤl-
tigkeit beyder beruht nur darauf, weil ſie ſind, nem-
lich weil wir beyde haben. Aber die nothwendige
erſte Frage iſt, weil ſie entgegengeſetzt ſind, welcher von
beyden der Wahre ſey; und die hoͤhere eigentliche Fra-
ge iſt, ob nicht ein Drittes ihre Wahrheit,
oder ob einer die Wahrheit des andern
iſt. — Die Zweckbeziehung
hat ſich aber als die
Wahrheit des Mechanismus erwieſen. — Das was
ſich als Chemismus darſtellte, wird mit dem Me-
chanismus
inſofern zuſammengenommen, als der
Zweck der Begriff in freyer Exiſtenz iſt, und ihm uͤber-
haupt die Unfreyheit deſſelben, ſein Verſenktſeyn in die
Aeuſſerlichkeit gegenuͤberſteht; beydes, Mechanismus ſo
wie Chemismus, wird alſo unter der Naturnothwendig-
keit zuſammengefaßt, indem im erſten der Begriff nicht
am Objecte exiſtirt, weil es als mechaniſches die Selbſt-
beſtimmung nicht enthaͤlt, im andern aber der Begriff
ent-
[238]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
entweder eine geſpannte, einſeitige Exiſtenz hat, oder
inſofern er als die Einheit hervortritt, welche das neu-
trale Object in die Extreme ſpannt, ſich ſelbſt, inſofern
er dieſe Trennung aufhebt, aͤuſſerlich iſt.


Je mehr das teleologiſche Princip mit dem Be-
griffe eines auſſerweltlichen Verſtandes zuſammen-
gehaͤngt, und inſofern von der Froͤmmigkeit beguͤnſtigt
wurde, deſtomehr ſchien es ſich von der wahren Natur-
forſchung zu entfernen, welche die Eigenſchaften der Na-
tur nicht als fremdartige, ſondern als immanen-
te Beſtimmtheiten
erkennen will, und nur ſolches
Erkennen als ein Begreiffen gelten laͤßt. Da der
Zweck der Begriff ſelbſt in ſeiner Exiſtenz iſt, ſo kann es
ſonderbar ſcheinen, daß das Erkennen der Objecte aus
ihrem Begriffe vielmehr als ein unberechtigter Ueber-
ſchritt in ein heterogenes Element erſcheint, der
Mechanismus dagegen, welchem die Beſtimmtheit eines
Objects als ein aͤuſſerlich an ihm und durch ein Ande-
res geſetzte Beſtimmtheit iſt, fuͤr eine immanentere An-
ſicht gilt, als die Teleologie. Der Mechanismus, we-
nigſtens der gemeine unfreye, ſo wie der Chemismus,
muß allerdings inſofern als ein immanentes Princip
angeſehen werden, als das beſtimmende Aeuſſerliche,
ſelbſt wieder nur ein ſolches Object, ein aͤuſ-
ſerlich beſtimmtes und gegen ſolches Beſtimmtwerden
gleichguͤltiges, oder im Chemismus das andere Object
ein gleichfalls chemiſch beſtimmtes iſt, uͤberhaupt ein
weſentliches Moment der Totalitaͤt immer in einem
Aeuſſern liegt. Dieſe Principien bleiben daher inner-
halb derſelben Naturform der Endlichkeit ſtehen; ob ſie
aber gleich das Endliche nicht uͤberſchreiten wollen, und
fuͤr die Erſcheinungen nur zu endlichen Urſachen, die ſelbſt
das Weitergehen verlangen, fuͤhren, ſo erweitern ſie ſich
doch zugleich theils zu einer formellen Totalitaͤt in dem
Be-
[239]III.Kapitel. Teleologie.
Begriffe von Kraft, Urſache und dergleichen Reflexions-
beſtimmungen, die eine Urſpruͤnglichkeit bezeichnen
ſollen, theils aber durch die abſtracte Allgemeinheit
von einem All der Kraͤfte, einem Ganzen von
gegenſeitigen Urſachen. Der Mechanismus zeigt ſich
ſelbſt dadurch als ein Streben der Totalitaͤt, daß er die
Natur fuͤr ſich als ein Ganzes zu faſſen ſucht, das
zu ſeinem Begriffe keines andern bedarf, — eine To-
talitaͤt, die ſich in dem Zwecke und dem damit zuſam-
menhaͤngenden auſſerweltlichen Verſtand nicht findet.


Die Zweckmaͤſſigkeit nun zeigt ſich zunaͤchſt als
ein hoͤheres uͤberhaupt; als ein Verſtand, der
aͤuſſerlich die Mannichfaltigkeit der Objecte durch
eine an und fuͤr ſich ſeyende Einheit
beſtimmt,
ſo daß die gleichguͤltigen Beſtimmtheiten der Objecte
durch dieſe Beziehung weſentlich werden. Im
Mechanismus werden ſie es durch die bloſſe Form
der Nothwendigkeit
, wobey ihr Inhalt gleich-
guͤltig iſt, denn ſie ſollen aͤuſſerliche bleiben, und nur
der Verſtand als ſolcher ſich befriedigen, indem er ſei-
nen Zuſammenhang, die abſtracte Identitaͤt, erkennt.
In der Teleologie dagegen wird der Inhalt wichtig,
weil ſie einen Begriff, ein an und fuͤr ſich be-
ſtimmtes
und damit ſelbſtbeſtimmendes vorausſetzt,
alſo von der Beziehung der Unterſchiede und ihres
Beſtimmtſeyns durcheinander, von der Form, die in
ſich reflectirte Einheit, ein an und fuͤr ſich
beſtimmtes, ſomit einen Inhalt
unterſchieden hat.
Wenn dieſer aber ſonſt ein endlicher und unbe-
deutender iſt, ſo widerſpricht er dem, was er ſeyn ſoll,
denn der Zweck iſt ſeiner Form eine in ſich unend-
liche
Totalitaͤt; — beſonders wenn das nach Zwecken
wirkende Handeln als abſoluter Willen und Verſtand
angenommen iſt. Die Teleologie hat ſich den Vorwurf
des
[240]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
des Laͤppiſchen deswegen ſo ſehr zugezogen, weil die
Zwecke, die ſie aufzeigte, wie es ſich trifft, bedeutender
oder ſo geringfuͤgiger ſind, und die Zweckbeziehung
der Objecte mußte ſo haͤufig als eine Spielerey erſchei-
nen, weil dieſe Beziehung ſo aͤuſſerlich und daher zufaͤl-
lig erſcheint. Der Mechanismus dagegen laͤßt den Be-
ſtimmtheiten der Objecte dem Gehalte nach, ihren Werth
von Zufaͤlligen, gegen welche das Object gleichguͤltig iſt,
und die weder fuͤr ſie, noch fuͤr den ſubjectiven Ver-
ſtand ein hoͤheres Gelten haben ſollen. Diß Princip
gibt daher in ſeinem Zuſammenhange von aͤuſſerer Noth-
wendigkeit das Bewußtſeyn unendlicher Freyheit, gegen
die Teleologie, welche die Geringfuͤgigkeiten, und ſelbſt
Veraͤchtlichkeiten ihres Inhalts als etwas abſolutes
aufſtellt, in dem ſich der allgemeinere Gedanke nur un-
endlich beengt, und ſelbſt eckelhaft afficirt finden kann.


Der formelle Nachtheil, in welchem dieſe Teleolo-
gie zunaͤchſt ſteht, iſt, daß ſie nur bis zur aͤuſſern
Zweckmaͤſſigkeit
kommt. Indem der Begriff hie-
durch als ein formelles geſetzt iſt, ſo iſt ihr der Inhalt
auch ein ihm aͤuſſerlich in der Mannichfaltigkeit der ob-
jectiven Welt gegebenes, — in eben jenen Beſtimmthei-
ten, welche auch Inhalt des Mechanismus, aber als ein
aͤuſſerliches, zufaͤlliges ſind. Um dieſer Gemeinſchaft-
lichkeit willen, macht die Form der Zweckmaͤſſig-
keit
fuͤr ſich allein das Weſentliche des Teleologiſchen
aus. In dieſer Ruͤckſicht, ohne noch auf den Unter-
ſchied von aͤuſſerer und innerer Zweckmaͤſſigkeit zu ſehen,
hat ſich die Zweckbeziehung uͤberhaupt, an und fuͤr ſich
als die Wahrheit des Mechanismus erwieſen. —
Die Teleologie hat im Allgemeinen das hoͤhere Princip,
den Begriff in ſeiner Exiſtenz, der an und fuͤr ſich das
Unendliche und Abſolute iſt; — ein Princip der Freyheit,
das ſeiner Selbſtbeſtimmung ſchlechthin gewiß, dem
aͤuſ-
[241]III.Kapitel. Teleologie.
aͤuſſerlichen Beſtimmtwerden des Mechanismus
abſolut entriſſen iſt.


Eines der groſſen Verdienſte Kants um die Phi-
loſophie beſteht in der Unterſcheidung, die er zwiſchen
relativer oder aͤuſſerer und zwiſchen innerer Zweck-
maͤſſigkeit aufgeſtellt hat; in letzterer hat er den Be-
griff des Lebens, die Idee, aufgeſchloſſen und damit
die Philoſophie, was die Kritik der Vernunft nur
unvollkommen, in einer ſehr ſchieffen Wendung und nur
negativ thut, poſitiv uͤber die Reflexionsbeſtimmun-
gen und die relative Welt der Metaphyſik erhoben. —
Es iſt erinnert worden, daß der Gegenſatz der Teleolo-
gie und des Mechanismus zunaͤchſt der allgemeinere Ge-
genſatz von Freyheit und Nothwendigkeit iſt.
Kant hat den Gegenſatz in dieſer Form, unter den An-
tinomieen
der Vernunft, und zwar als den dritten
Widerſtreit der tranſcendentalen Ideen
auf-
gefuͤhrt. — Ich fuͤhre ſeine Darſtellung, auf welche
fruͤher verwieſen worden, ganz kurz an, indem das
Weſentliche derſelben ſo einfach iſt, daß es keiner weit-
laͤufigen Auseinanderſetzung bedarf, und die Art und
Weiſe der Kantiſchen Antinomieen anderwaͤrts ausfuͤhr-
licher beleuchtet worden iſt.


Die Theſis der hier zu betrachtenden lautet:
Die Cauſalitaͤt nach Geſetzen der Natur iſt nicht die
einzige, aus welcher die Erſcheinungen der Welt insge-
ſammt abgeleitet werden koͤnnen. Es iſt noch eine Cau-
ſalitaͤt durch Freyheit zu Erklaͤrung derſelben anzuneh-
men nothwendig.


Die Antitheſis: Es iſt keine Freyheit, ſondern
alles in der Welt geſchieht lediglich nach Geſetzen der
Natur.


QDer
[242]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.

Der Beweis geht wie bey den uͤbrigen Antino-
mieen erſtens apogogiſch zu Werke, es wird das Gegen-
theil jeder Theſis angenommen; zweytens um das Wi-
derſprechende dieſer Annahme zu zeigen, wird umgekehrt
das Gegentheil derſelben, das iſt ſomit, der zu beweiſende
Satz angenommen, und als geltend vorausgeſetzt; —
der ganze Umweg des Beweiſens konnte daher erſpart
werden; es beſteht in nichts als der aſſertoriſchen Be-
hauptung der beyden gegenuͤberſtehenden Saͤtze.


Zum Beweiſe der Theſis ſoll nemlich zuerſt an-
genommen werden: es gebe keine andere Cauſali-
taͤt
, als nach Geſetzen der Natur, d. i. nach der
Nothwendigkeit des Mechanismus uͤberhaupt, den Che-
mismus mit eingeſchloſſen. Dieſer Satz widerſpreche
ſich aber darum, weil das Geſetz der Natur gerade
darin beſtehe, daß ohne hinreichend à priori
beſtimmte Urſache
, welche ſomit eine abſolute Spon-
taneitaͤt in ſich enthalte, nichts geſchehe; — d. h. die
der Theſis entgegengeſetzte Annahme iſt darum wider-
ſprechend, weil ſie der Theſis widerſpricht.


Zum Behuffe des Beweiſes der Antitheſis
ſolle
man ſetzen: es gebe eine Freyheit als eine
beſondere Art von Cauſalitaͤt, einen Zuſtand, mithin auch
eine Reihe von Folgen deſſelben ſchlechthin anzufangen.
Da nun aber ein ſolches Anfangen einen Zuſtand vor-
ausſetzt
, der mit dem vorhergehenden derſelben gar
keinen Zuſammenhang der Cauſalitaͤt hat,
ſo widerſpricht es dem Geſetze der Cauſalitaͤt,
nach welchem allein Einheit der Erfahrung und Erfahrung
uͤberhaupt moͤglich iſt; — d. h. die Annahme der Frey-
heit, die der Antitheſis entgegen iſt, kann darum nicht
gemacht werden, weil ſie der Antitheſis widerſpricht.


Dem
[243]III.Kapitel. Teleologie.

Dem Weſen nach kehrt dieſelbe Antinomie in der
Kritik der teleologiſchen Urtheilskraft als
der Gegenſatz wieder: daß Alle Erzeugung mate-
rieller Dinge nach bloß mechaniſchen Geſetzen

geſchieht und daß Einige Erzeugung derſelben nach
ſolchen Geſetzen nicht moͤglich iſt
. — Die Kan-
tiſche Aufloͤſung dieſer Antinomie iſt dieſelbige, wie die
allgemeine Aufloͤſung der uͤbrigen; daß nemlich die Ver-
nunft weder den einen noch den andern Satz beweiſen
koͤnne, weil wir von Moͤglichkeit der Dinge nach bloß
empiriſchen Geſetzen der Natur kein beſtimmendes
Princip à priori haben koͤnnen
; — daß daher
ferner beyde nicht als objective Saͤtze, ſondern
als ſubjective Maximen angeſehen werden muͤſ-
ſen; daß ich einerſeits jederzeit uͤber alle Natur-
ereigniſſe nach dem Princip des bloſſen Naturmechanis-
mus reflectiren ſolle, daß aber diß nicht hindere,
bey gelegentlicher Veranlaſſung, einigen Na-
turformen, nach einer andern Maxime, nemlich nach
dem Princip der Endurſachen, nach zu ſpuͤren; — als
ob nun dieſe zwey Maximen, die uͤbrigens bloß fuͤr
die menſchliche Vernunft noͤthig ſeyn ſollen, nicht
in demſelben Gegenſatze waͤren, in dem ſich jene Saͤtze
befinden. — Es iſt, wie vorhin bemerkt, auf dieſem
ganzen Standpunkte dasjenige nicht unterſucht, was al-
lein das philoſophiſche Intereſſe fodert, nemlich welches
von beyden Principien an und fuͤr ſich Wahrheit habe;
fuͤr dieſen Geſichtspunkt aber macht es keinen Unter-
ſchied, ob die Principien als objective, das heißt hier,
aͤuſſerlich exiſtirende Beſtimmungen der Natur, oder als
bloſſe Maximen eines ſubjectiven Erkennens be-
trachtet werden ſollen; — es iſt vielmehr diß ein ſub-
jectives, d. h. zufaͤlliges Erkennen, welches auf gele-
gentliche Veranlaſſung
die eine oder andere Ma-
xime anwendet, je nachdem es ſie fuͤr gegebene Objecte
Q 2fuͤr
[244]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
fuͤr paſſend haͤlt, uͤbrigens nach der Wahrheit dieſer
Beſtimmungen ſelbſt, ſie ſeyen beyde Beſtimmungen der
Objecte oder des Erkennens, nicht fragt.


So ungenuͤgend daher die Kantiſche Eroͤrterung
des teleologiſchen Princips in Anſehung des weſentlichen
Geſichtspunkts iſt, ſo iſt immer die Stellung bemerkens-
werth, welche Kant demſelben gibt. Indem er es einer
reflectirenden Urtheilskraft zuſchreibt, macht er es
zu einem verbindenden Mittelgliede zwiſchen dem
Allgemeinen
der Vernunft und dem Einzel-
nen der Anſchauung
; — er unterſcheidet ferner
jene reflectirende Urtheilskraft von der beſtim-
menden
, welche letztere das Beſondere bloß unter
das Allgemeine ſubſumire. Solches Allgemeine,
welches nur ſubſumirend iſt, iſt ein abſtractes,
welches erſt an einem andern, am Beſondern, con-
cret
wird. Der Zweck dagegen iſt das concrete
Allgemeine
, das in ihm ſelbſt das Moment der Be-
ſonderheit und Aeuſſerlichkeit hat, daher thaͤtig, und der
Trieb iſt, ſich von ſich ſelbſt abzuſtoſſen. Der Begriff
iſt als Zweck allerdings ein objectives Urtheil,
worin die eine Beſtimmung das Subject, nemlich der
concrete Begriff als durch ſich ſelbſt beſtimmt, die andere
aber nicht nur ein Praͤdicat, ſondern die aͤuſſerliche Ob-
jectivitaͤt iſt. Aber die Zweckbeziehung iſt darum nicht
ein [reflectirendes] Urtheilen, das die aͤuſſerlichen Ob-
jecte nur nach einer Einheit betrachtet, als ob ein
Verſtand ſie zum Behuf unſers Erkenntnißver-
moͤgens
gegeben haͤtte, ſondern ſie iſt das an und fuͤr
ſich ſeyende Wahre, das objectiv urtheilt, und die
aͤuſſerliche Objectivitaͤt abſolut beſtimmt. Die Zweckbe-
ziehung iſt dadurch mehr als Urtheil, ſie iſt der
Schluß des ſelbſtſtaͤndigen freyen Begriffs, der ſich
durch die Objectivitaͤt mit ſich ſelbſt zuſammenſchließt.


Der
[245]III.Kapitel. Teleologie.

Der Zweck hat ſich als das Dritte zum Mecha-
nismus und Chemismus ergeben; er iſt ihre Wahrheit.
Indem er ſelbſt noch innerhalb der Sphaͤre der Objec-
tivitaͤt, oder der Unmittelbarkeit des totalen Begriffs
ſteht, iſt er von der Aeuſſerlichkeit als ſolcher noch af-
ficirt, und hat eine objective Welt ſich gegenuͤber, auf
die er ſich bezieht. Nach dieſer Seite erſcheint die me-
chaniſche Cauſalitaͤt, wozu im Allgemeinen auch der Che-
mismus zu nehmen iſt, noch bey dieſer Zweckbezie-
hung
, welche die aͤuſſerliche iſt, aber als ihr
untergeordnet
, als an und fuͤr ſich aufgehoben.
Was das naͤhere Verhaͤltniß betrifft, ſo iſt das mecha-
niſche Object als unmittelbare Totalitaͤt gegen ſein Be-
ſtimmtſeyn, und damit dagegen, ein Beſtimmendes zu
ſeyn, gleichguͤltig. Diß aͤuſſerliche Beſtimmtſeyn, iſt
nun zur Selbſtbeſtimmung fortgebildet, und damit der
im Objecte nur innere, oder was daſſelbe iſt, nur
aͤuſſere Begriff, nunmehr geſetzt; der Zweck iſt
zunaͤchſt eben dieſer dem mechaniſchen aͤuſſerliche Begriff
ſelbſt. So iſt der Zweck auch fuͤr den Chemismus das
Selbſtbeſtimmende, welches das aͤuſſerliche Beſtimmt-
werden, durch welches er bedingt iſt, zur Einheit des
Begriffes zuruͤckbringt. — Die Natur der Unterordnung
der beyden vorherigen Formen des objectiven Proceſſes
ergibt ſich hieraus; das Andere, das an ihnen in dem
unendlichen Progreß liegt, iſt der ihnen zunaͤchſt als
aͤuſſerlich geſetzte Begriff, welcher Zweck iſt; der Begriff
iſt nicht nur ihre Subſtanz, ſondern auch die Aeuſſer-
lichkeit iſt das ihnen weſentliche, ihre Beſtimmtheit
ausmachende Moment. Die mechaniſche oder chemiſche
Technik bietet ſich alſo durch ihren Charakter, aͤuſſerlich
beſtimmt zu ſeyn, von ſelbſt der Zweckbeziehung dar, die
nun naͤher zu betrachten iſt.


A. Der
[246]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
A.
Der ſubjective Zweck.

Der ſubjective Begriff hat in der Centrali-
taͤt
der objectiven Sphaͤre, die eine Gleichguͤltigkeit
gegen die Beſtimmtheit iſt, zunaͤchſt den negativen
Einheitspunkt
wieder gefunden und geſetzt; in dem
Chemismus aber die Objectivitaͤt der Begriffsbe-
ſtimmungen
, wodurch er erſt als concreter ob-
jectiver Begriff
geſetzt iſt. Seine Beſtimmtheit
oder ſein einfacher Unterſchied hat nunmehr an ihm
ſelbſt die Beſtimmtheit der Aeuſſerlichkeit,
und ſeine einfache Einheit iſt dadurch die ſich von ſich
ſelbſt abſtoſſende und darin ſich erhaltende Einheit. Der
Zweck iſt daher der ſubjective Begriff als weſentliches
Streben und Trieb ſich aͤuſſerlich zu ſetzen. Er iſt da-
bey dem Uebergehen entnommen. Er iſt weder eine
Kraft, die ſich aͤuſſert, noch eine Subſtanz und Urſache,
die in Accidenzen und Wirkungen ſich manifeſtirt. Die
Kraft iſt nur ein abſtract inneres, indem ſie ſich nicht
geaͤuſſert hat; oder ſie hat erſt in der Aeuſſerung, zu
der ſie ſollicitirt werden muß, Daſeyn; eben ſo die Ur-
ſache und die Subſtanz; weil ſie nur in den Accidenzen
und in der Wirkung Wirklichkeit haben, iſt ihre Thaͤtig-
keit der Uebergang, gegen den ſie ſich nicht in Freyheit
erhalten. Der Zweck kann wohl auch als Kraft und Ur-
ſache beſtimmt werden, aber dieſe Ausdrucke erfuͤllen
nur eine unvollkommene Seite ſeiner Bedeutung; wenn
ſie von ihm nach ſeiner Wahrheit ausgeſprochen werden
ſollen, ſo koͤnnen ſie es nur auf eine Weiſe, welche ih-
ren Begriff aufhebt; als eine Kraft, welche ſich ſelbſt
zur Aeuſſerung ſollicitirt, als eine Urſache, welche Ur-
ſache
[247]III.Kapitel. Teleologie.
ſache ihrer ſelbſt, oder deren Wirkung unmittelbar die
Urſache iſt.


Wenn das Zweckmaͤſſige einem Verſtande zuge-
ſchrieben wird, wie vorhin angefuͤhrt wurde, ſo iſt da-
bey auf das Beſtimmte des Inhaltes Ruͤckſicht
genommen. Er iſt aber uͤberhaupt als das Vernuͤnf-
tige in ſeiner Exiſtenz
zu nehmen. Er manife-
ſtirt darum Vernuͤnftigkeit, weil er der concrete
Begriff iſt, der den objectiven Unterſchied in
ſeiner abſoluten Einheit
haͤlt. Er iſt daher we-
ſentlich der Schluß an ihm ſelbſt. Er iſt das ſich
gleiche Allgemeine, und zwar als die ſich von ſich
abſtoſſende Negativitaͤt enthaltend; zunaͤchſt die allge-
meine, inſofern noch unbeſtimmte Thaͤtigkeit;
aber weil dieſe die negative Beziehung auf ſich ſelbſt
iſt, beſtimmt ſie ſich unmittelbar, und gibt ſich das
Moment der Beſonderheit, welche als die gleich-
falls in ſich reflectirte Totalitaͤt der Form
Inhalt, gegen die geſetzten
Unterſchiede der Form
iſt. Eben unmittelbar iſt dieſe Negativitaͤt durch ihre
Beziehung auf ſich ſelbſt, abſolute Reflexion der Form
in ſich, und Einzelnheit. Einerſeits iſt dieſe Re-
flexion die innere Allgemeinheit des Subjects,
andererſeits aber Reflexion nach Auſſen; und in-
ſofern iſt der Zweck noch ein ſubjectives und ſeine Thaͤ-
tigkeit gegen aͤuſſerliche Objectivitaͤt gerichtet.


Der Zweck iſt nemlich der an der Objectivitaͤt zu
ſich ſelbſt gekommene Begriff; die Beſtimmtheit, die er
ſich an ihr gegeben, iſt die der objectiven Gleich-
guͤltigkeit
und Aeuſſerlichkeit des Beſtimmtſeyns;
ſeine ſich von ſich abſtoſſende Negativitaͤt iſt daher eine
ſolche, deren Momente, indem ſie nur die Beſtimmungen
des Begriffs ſelbſt ſind, auch die Form von objectiver
Gleich-
[248]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
Gleichguͤltigkeit gegen einander haben. — Im formellen
Urtheile ſind Subject und Praͤdicat ſchon als
ſelbſtſtaͤndige gegen einander beſtimmt; aber ihre Selbſt-
ſtaͤndigkeit iſt nur erſt abſtracte Allgemeinheit; ſie hat
nunmehr die Beſtimmung von Objectivitaͤt erlangt;
aber als Moment des Begriffs iſt dieſe vollkommene
Verſchiedenheit in die einfache Einheit des Begriffs ein-
geſchloſſen. Inſofern nun der Zweck dieſe totale Refle-
xion
der Objectivitaͤt in ſich, und zwar unmittelbar
iſt, ſo iſt erſtlich die Selbſtbeſtimmung oder die Be-
ſonderheit als einfache Reflexion in ſich von der
concreten Form unterſchieden, und iſt ein beſtimm-
ter Inhalt
. Der Zweck iſt hienach endlich, ob er
gleich ſeiner Form nach unendliche Subjectivitaͤt iſt.
Zweytens weil ſeine Beſtimmtheit die Form objectiver
Gleichguͤltigkeit hat, hat ſie die Geſtalt einer Voraus-
ſetzung
, und ſeine Endlichkeit beſteht nach dieſer Sei-
te darin, daß er eine objective, mechaniſche und
chemiſche Welt vor ſich hat, auf welche ſich ſeine Thaͤ-
tigkeit, als auf ein Vorhandenes bezieht, ſeine
ſelbſtbeſtimmende Thaͤtigkeit iſt ſo in ihrer Identitaͤt un-
mittelbar ſich ſelbſt aͤuſſerlich und ſo ſehr als Re-
flexion in ſich, ſo ſehr Reflexion nach Auſſen. Inſofern
hat er noch eine wahrhaft auſſerweltliche Exiſtenz,
inſofern ihm nemlich jene Objectivitaͤt gegenuͤberſteht,
ſo wie dieſe dagegen als ein mechaniſches und chemi-
ſches, noch nicht vom Zweck beſtimmtes und durchdrun-
genes Ganzes ihm gegenuͤberſteht.


Die Bewegung des Zwecks kann daher nun ſo
ausgedruͤckt werden, daß ſie darauf gehe, ſeine Vor-
ausſetzung
aufzuheben, das iſt, die Unmittelbarkeit
des Objects, und es zu ſetzen als durch den Begriff
beſtimmt. Dieſes negative Verhalten gegen das Object
iſt ebenſoſehr ein negatives gegen ſich ſelbſt, ein Aufhe-
ben
[249]III.Kapitel. Teleologie.
ben der Subjectivitaͤt des Zwecks. Poſitiv iſt es die
Realiſation des Zwecks, nemlich die Vereinigung des
objectiven Seyns mit demſelben, ſo daß daſſelbe, wel-
ches als Moment des Zwecks unmittelbar die mit ihm
identiſche Beſtimmtheit iſt, als aͤuſſerliche ſey, und
umgekehrt das Objective als Vorausſetzung vielmehr
als durch Begriff beſtimmt, geſetzt werde. — Der Zweck
iſt in ihm ſelbſt der Trieb ſeiner Realiſirung; die
Beſtimmtheit der Begriffsmomente iſt die Aeuſſerlichkeit,
die Einfachheit derſelben in der Einheit des Begrif-
fes iſt aber dem, was ſie iſt, unangemeſſen und der Be-
griff ſtoͤßt ſich daher von ſich ſelbſt ab. Diß Abſtoſſen iſt
der Entſchluß uͤberhaupt, der Beziehung der negati-
ven Einheit auf ſich, wodurch ſie ausſchlieſſende
Einzelnheit iſt; aber durch diß Ausſchlieſſen ent-
ſchließt
ſie ſich, oder ſchließt ſich auf, weil es
Selbſtbeſtimmen, Setzen ſeiner ſelbſt iſt. Ei-
nerſeits indem die Subjectivitaͤt ſich beſtimmt, macht ſie
ſich zur Beſonderheit, gibt ſich einen Inhalt, der in die
Einheit des Begriffs eingeſchloſſen, noch ein innerlicher
iſt; diß Setzen, die einfache Reflexion in ſich, iſt
aber, wie ſich ergeben, unmittelbar zugleich ein Vor-
ausſetzen
; und in demſelben Momente, in welchem
das Subject des Zwecks ſich beſtimmt, iſt es auf eine
gleichguͤltige, aͤuſſerliche Objectivitaͤt bezogen, die von
ihm jener innern Beſtimmtheit gleich gemacht, d. h. als
ein durch den Begriff beſtimmtes geſetzt werden
ſoll, zunaͤchſt als Mittel.


B. Das
[250]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
B.
Das Mittel.

Das erſte unmittelbare Setzen im Zwecke iſt zu-
gleich das Setzen eines innerlichen, d. h. als ge-
ſetzt
beſtimmten, und zugleich das Vorausſetzen einer
objectiven Welt, welche gleichguͤltig gegen die Zweckbe-
ſtimmung iſt. Die Subjectivitaͤt des Zwecks iſt aber die
abſolute negative Einheit; ihr zweytes Be-
ſtimmen iſt daher das Aufheben dieſer Vorausſetzung
uͤberhaupt; diß Aufheben iſt inſofern die Ruͤckkehr
in ſich
, als dadurch jenes Moment der erſten Ne-
gation
, das Setzen des Negativen gegen das Subject,
das aͤuſſerliche Object, aufgehoben wird. Aber gegen
die Vorausſetzung oder gegen die Unmittelbarkeit des
Beſtimmens, gegen die objective Welt iſt es nur erſt
die erſte, ſelbſt unmittelbare, und daher aͤuſſerliche
Negation. Diß Setzen iſt daher noch nicht der ausge-
fuͤhrte Zweck ſelbſt, ſondern erſt der Anfang dazu.
Das ſo beſtimmte Object iſt erſt das Mittel.


Der Zweck ſchließt ſich durch ein Mittel mit der
Objectivitaͤt und in dieſer mit ſich ſelbſt zuſammen. Das
Mittel iſt die Mitte des Schluſſes. Der Zweck bedarf
eines Mittels zu ſeiner Ausfuͤhrung, weil er endlich
iſt; — eines Mittels, das heißt, einer Mitte, welche
zugleich die Geſtalt eines aͤuſſerlichen, gegen den
Zweck ſelbſt und deſſen Ausfuͤhrung gleichguͤltigen Da-
ſeyns hat. Der abſolute Begriff hat in ſich ſelbſt ſo
die Vermittlung, daß das erſte Setzen deſſelben nicht
ein Vorausſetzen iſt, in deſſen Object die gleichguͤltige
Aeuſſerlichkeit die Grundbeſtimmung waͤre; ſondern die
Welt als Geſchoͤpf hat nur die Form ſolcher Aeuſſerlich-
keit,
[251]III.Kapitel. Teleologie.
keit, aber ihre Negativitaͤt und das Geſetztſeyn macht
vielmehr deren Grundbeſtimmung aus. — Die Endlich-
keit des Zweckes beſteht ſonach darin, daß ſein Beſtimmen
uͤberhaupt ſich ſelbſt aͤuſſerlich iſt, ſomit ſein erſtes, wie
wir geſehen, in ein Setzen und in ein Vorausſetzen zer-
faͤllt; die Negation dieſes Beſtimmens iſt daher auch
nur nach einer Seite ſchon Reflexion in ſich, nach der
andern iſt ſie vielmehr nur erſte Negation; — oder:
die Reflexion-in-ſich iſt ſelbſt auch ſich aͤuſſerlich und
Reflexion nach Auſſen.


Das Mittel iſt daher die formale Mitte eines
formalen Schluſſes; es iſt ein Aeuſſerliches
gegen das Extrem des ſubjectiven Zwecks, ſo wie da-
her auch gegen das Extrem des objectiven Zwecks; wie
die Beſonderheit im formalen Schluſſe ein gleichguͤltiger
medius terminus iſt, an deſſen Stelle auch andere tre-
ten koͤnnen. Wie dieſelbe ferner Mitte nur dadurch iſt,
daß ſie in Beziehung auf das eine Extrem Beſtimmtheit,
in Beziehung aber auf das andere Extrem Allgemeines
iſt, ihre vermittelnde Beſtimmung alſo relativ durch an-
dere hat, ſo iſt auch das Mittel die vermittelnde Mitte
nur erſtlich, daß es ein unmittelbares Object iſt, zwey-
tens daß es Mittel durch die ihm aͤuſſerliche Bezie-
hung auf das Extrem des Zweckes; — welche Bezie-
hung fuͤr daſſelbe eine Form iſt, wogegen es gleich-
guͤltig iſt.


Begriff und Objectivitaͤt ſind daher im Mittel nur
aͤuſſerlich verbunden; es iſt inſofern ein bloß mecha-
niſches Object
. Die Beziehung des Objects auf
den Zweck iſt eine Praͤmiſſe, oder die unmittelbare Be-
ziehung, welche in Anſehung des Zwecks, wie gezeigt,
Reflexion in ſich ſelbſt iſt, das Mittel iſt inhaͤri-
rendes Praͤdicat; ſeine Objectivitaͤt iſt unter die Zweck-
be-
[252]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
beſtimmung, welche ihrer Concretion willen, Allgemein-
heit iſt, ſubſumirt. Durch dieſe Zweckbeſtimmung, wel-
che an ihm iſt, iſt es nun auch gegen das andre Ex-
trem, der vorerſt noch unbeſtimmten Objectivitaͤt, ſub-
ſumirend. — Umgekehrt hat das Mittel gegen den ſub-
jectiven Zweck, als unmittelbare Objectivitaͤt,
Allgemeinheit
des Daſeyns, welches die ſubjec-
tive Einzelnheit des Zweckes noch entbehrt. — Indem
ſo zunaͤchſt der Zweck nur als aͤuſſerliche Beſtimmtheit
am Mittel iſt, iſt er ſelbſt als die negative Einheit auſ-
ſer demſelben, ſo wie das Mittel mechaniſches Object,
das ihn nur als eine Beſtimmtheit, nicht als einfache
Concretion der Totalitaͤt an ihm hat. Als das Zuſam-
menſchlieſſende aber muß die Mitte ſelbſt die Totalitaͤt
des Zwecks ſeyn. Es hat ſich gezeigt, daß die Zweckbeſtim-
mung am Mittel, zugleich Reflexion in ſich ſelbſt iſt; in-
ſofern iſt ſie formelle Beziehung auf ſich, da die
Beſtimmtheit, als reale Gleichguͤltigkeit, als
die Objectivitaͤt des Mittels geſetzt iſt. Aber eben-
deßwegen iſt dieſe einerſeits reine Subjectivitaͤt zugleich
auch Thaͤtigkeit. — Im ſubjectiven Zweck iſt die
negative Beziehung auf ſich ſelbſt, noch identiſch mit der
Beſtimmtheit als ſolcher, dem Inhalt und der Aeuſſer-
lichkeit. In der beginnenden Objectivirung des Zweckes
aber, einem Anderswerden des einfachen Begriffes
treten jene Momente aus einander, oder umgekehrt be-
ſteht hierin diß Anderswerden, oder die Aeuſſerlich-
keit ſelbſt.


Dieſe ganze Mitte iſt ſomit ſelbſt die Totalitaͤt des
Schluſſes, worin die abſtracte Thaͤtigkeit und das aͤuſ-
ſere Mittel die Extreme ausmachen, deren Mitte die Be-
ſtimmtheit des Objects durch den Zweck, durch welche
es Mittel iſt, ausmacht. — Ferner aber iſt die Allge-
meinheit
die Beziehung der Zweckthaͤtigkeit und
des
[253]III.Kapitel. Teleologie.
des Mittels. Das Mittel iſt Object, an ſich die Tota-
litaͤt des Begriffs; es hat keine Kraft des Widerſtands
gegen den Zweck, wie es zunaͤchſt gegen ein anderes
unmittelbares Object hat. Dem Zweck, welcher der ge-
ſetzte Begriff iſt, iſt es daher ſchlechthin durchdringlich,
und dieſer Mittheilung empfaͤnglich, weil es an ſich
identiſch mit ihm iſt. Es iſt aber nunmehr auch ge-
ſetzt
, als das dem Begriffe durchdringliche, denn in
der Centralitaͤt iſt es ein Strebendes nach der negativen
Einheit; eben ſo im Chemismus iſt es als Neutrales ſo
wie als differentes ein unſelbſtſtaͤndiges geworden. —
Seine Unſelbſtſtaͤndigkeit beſteht eben darin, daß es nur
an ſich die Totalitaͤt des Begriffs iſt; dieſer aber iſt
das Fuͤrſichſeyn. Das Object hat daher gegen den
Zweck den Character, machtlos zu ſeyn, und ihm zu
dienen; er iſt deſſen Subjectivitaͤt oder Seele, die an
ihm ihre aͤuſſerliche Seite hat.


Das Object, auf dieſe Weiſe dem Zwecke unmit-
telbar
unterworfen, iſt nicht ein Extrem des Schluſ-
ſes; ſondern dieſe Beziehung macht eine Praͤmiſſe deſſel-
ben aus. Aber das Mittel hat auch eine Seite, nach
welcher es noch Selbſtſtaͤndigkeit gegen den Zweck hat.
Die im Mittel mit ihm verbundene Objectivitaͤt, iſt weil
ſie es nur unmittelbar iſt, ihm noch aͤuſſerlich; und
die Vorausſetzung beſteht daher noch. Die Thaͤtig-
keit des Zwecks durch das Mittel iſt deswegen noch
gegen dieſe gerichtet, und der Zweck iſt eben inſofern
Thaͤtigkeit, nicht mehr bloß Trieb und Streben, als im
Mittel das Moment der Objectivitaͤt in ſeiner Beſtimmt-
heit als Aeuſſerliches geſetzt iſt, und die einfache Einheit
des Begriffs ſie als ſolche nun an ſich hat.


C. Der
[254]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
C.
Der ausgefuͤhrte Zweck.

1. Der Zweck iſt in ſeiner Beziehung auf das Mit-
tel ſchon in ſich reflectirt; aber es iſt ſeine objective
Ruͤckkehr in ſich noch nicht geſetzt. Die Thaͤtigkeit des
Zwecks durch ſein Mittel iſt noch gegen die Objectivitaͤt
als urſpruͤngliche Vorausſetzung gerichtet; ſie iſt eben
diß, gleichguͤltig gegen die Beſtimmtheit zu ſeyn. Inſo-
fern die Thaͤtigkeit wieder bloß darin beſtuͤnde, die un-
mittelbare Objectivitaͤt zu beſtimmen, ſo wuͤrde das Pro-
duct wieder nur ein Mittel ſeyn und ſo fort ins unend-
liche; es kaͤme nur ein zweckmaͤſſiges Mittel heraus,
aber nicht die Objectivitaͤt des Zweckes ſelbſt. Der in
ſeinem Mittel thaͤtige Zweck muß daher nicht als ein
aͤuſſerliches
das unmittelbare Object beſtimmen, ſo-
mit dieſes durch ſich ſelbſt zur Einheit des Begriffes zu-
ſammengehen; oder jene aͤuſſerliche Thaͤtigkeit des Zwecks
durch ſein Mittel muß ſich als Vermittlung be-
ſtimmen und ſelbſt aufheben.


Die Beziehung der Thaͤtigkeit des Zwecks durch
das Mittel auf das aͤuſſerliche Object iſt zunaͤchſt die
zweyte Praͤmiſſe des Schluſſes, — eine unmit-
telbare
Beziehung der Mitte auf das andre Extrem.
Unmittelbar iſt ſie, weil die Mitte ein aͤuſſerli-
ches Object an ihr hat, und das andre Extrem ein
eben ſolches iſt. Das Mittel iſt wirkſam und maͤchtig
gegen letzteres, weil ſein Object mit der ſelbſtbeſtimmen-
den Thaͤtigkeit verbunden, dieſem aber die unmittelbare
Beſtimmtheit, welche es hat, eine gleichguͤltige iſt. Ihr
Proceß in dieſer Beziehung iſt kein anderer als der me-
chaniſche oder chemiſche; es treten in dieſer objectiven
Aeuſ-
[255]III.Kapitel. Teleologie.
Aeuſſerlichkeit die vorigen Verhaͤltniſſe, aber unter der
Herrſchaft des Zweckes hervor. — Dieſe Proceſſe aber
gehen durch ſich ſelbſt, wie ſich an ihnen gezeigt, in den
Zweck zuruͤck. Wenn alſo zunaͤchſt die Beziehung des
Mittels auf das zu bearbeitende aͤuſſere Object eine un-
mittelbare iſt, ſo hat ſie ſich ſchon fruͤher als ein Schluß
dargeſtellt, indem ſich der Zweck als ihre wahrhafte
Mitte und Einheit erwieſen hat. Indem das Mittel
alſo das Object iſt, welches auf der Seite des Zwecks
ſteht und deſſen Thaͤtigkeit in ſich hat, ſo iſt der Mecha-
nismus, der hier Statt findet, zugleich die Ruͤckkehr der
Objectivitaͤt in ſich ſelbſt, in den Begriff, der aber
ſchon als der Zweck vorausgeſetzt iſt; das negative Ver-
halten der zweckmaͤſſigen Thaͤtigkeit gegen das Object iſt
inſofern nicht ein aͤuſſerliches, ſondern die Veraͤn-
derung und der Uebergang der Objectivitaͤt an ihr
ſelbſt in ihn.


Daß der Zweck ſich unmittelbar auf ein Object
bezieht, und daſſelbe zum Mittel macht, wie auch daß
er durch dieſes ein anderes beſtimmt, kann als Ge-
walt
betrachtet werden, inſofern der Zweck als von
ganz anderer Natur erſcheint, als das Object, und die
beyden Objecte eben ſo gegen einander ſelbſtſtaͤndige To-
talitaͤten ſind. Daß der Zweck ſich aber in die mit-
telbare
Beziehung mit dem Object ſetzt, und zwiſchen
ſich und daſſelbe ein anderes Object einſchiebt, kann
als die Liſt der Vernunft angeſehen werden. Die
Endlichkeit der Vernuͤnftigkeit hat, wie bemerkt, dieſe
Seite, daß der Zweck ſich zu der Vorausſetzung d. h. zur
Aeuſſerlichkeit des Objects verhaͤlt. In der unmit-
telbaren Beziehung
auf daſſelbe traͤte er ſelbſt in
den Mechanismus oder Chemismus und waͤre damit
der Zufaͤlligkeit und dem Untergange ſeiner Beſtimmung,
an und fuͤr ſich ſeyender Begriff zu ſeyn, unterworfen.
So
[256]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
So aber ſtellt er ein Object als Mittel hinaus, laͤßt
daſſelbe ſtatt ſeiner ſich aͤuſſerlich abarbeiten, gibt es
der Aufreibung Preis, und erhaͤlt ſich hinter ihm gegen
die mechaniſche Gewalt.


Indem der Zweck endlich iſt, hat er ferner einen
endlichen Inhalt; hienach iſt er nicht ein abſolutes,
oder ſchlechthin an und fuͤr ſich ein Vernuͤnftiges.
Das Mittel aber iſt die aͤuſſerliche Mitte des Schluſ-
ſes, welcher die Ausfuͤhrung des Zweckes iſt; an dem-
ſelben gibt ſich daher die Vernuͤnftigkeit in ihm als
ſolche kund, in dieſem aͤuſſerlichen Andern und
gerade durch dieſe Aeuſſerlichkeit ſich zu erhalten. In-
ſofern iſt das Mittel ein hoͤheres als die endli-
chen
Zwecke der aͤuſſern Zweckmaͤſſigkeit; — der
Pflug iſt ehrenvoller, als unmittelbar die Genuͤſſe ſind,
welche durch ihn bereitet werden und die Zwecke ſind.
Das Werkzeug erhaͤlt ſich, waͤhrend die unmittelba-
ren Genuͤſſe vergehen und vergeſſen werden. An ſei-
nen Werkzeugen beſitzt der Menſch die Macht uͤber die
aͤuſſerliche Natur, wenn er auch nach ſeinen Zwecken
ihr vielmehr unterworfen iſt.


Der Zweck haͤlt ſich aber nicht nur auſſerhalb dem
mechaniſchen Proceſſe, ſondern erhaͤlt ſich in demſelben,
und iſt deſſen Beſtimmung. Der Zweck als der Be-
griff, der frey gegen das Object und deſſen Proceß exi-
ſtirt, und ſich ſelbſt beſtimmende Thaͤtigkeit iſt, geht, da
er ebenſoſehr die an und fuͤr ſich ſeyende Wahrheit des
Mechanismus iſt, in demſelben nur mit ſich ſelbſt zu-
ſammen. Die Macht des Zwecks uͤber das Object iſt
dieſe fuͤr ſich ſeyende Identitaͤt; und ſeine Thaͤtigkeit iſt
die Manifeſtation derſelben. Der Zweck als Inhalt
iſt die an und fuͤr ſich ſeyende Beſtimmtheit, wel-
che am Object als gleichguͤltige und aͤuſſerliche iſt, die
Thaͤ-
[257]III.Kapitel. Teleologie.
Thaͤtigkeit deſſelben aber iſt einerſeits die Wahrheit
des Proceſſes und als negative Einheit das Aufheben
des Scheins
der Aeuſſerlichkeit. Nach der Ab-
ſtraction
iſt es die gleichguͤltige Beſtimmtheit des Ob-
jects, welche eben ſo aͤuſſerlich durch eine andere erſetzt
wird; aber die einfache Abſtraction der Beſtimmt-
heit iſt in ihrer Wahrheit die Totalitaͤt des Negati-
ven, der concrete und in ſich die Aeuſſerlichkeit ſetzen-
de, Begriff.


Der Inhalt des Zwecks iſt ſeine Negativitaͤt als
einfache in ſich reflectirte Beſonderheit, von
ſeiner Totalitaͤt als Form unterſchieden. Um dieſer
Einfachheit willen, deren Beſtimmtheit an und fuͤr
ſich die Totalitaͤt des Begriffes iſt, erſcheint der Inhalt
als das identiſch bleibende in der Realiſirung des
Zweckes. Der teleologiſche Proceß iſt Ueberſetzung
des diſtinct als [Begriff] exiſtirenden Begriffs in die Ob-
jectivitaͤt; es zeigt ſich, daß dieſes Ueberſetzen in ein
vorausgeſetztes Anderes das Zuſammengehen des Begrif-
fes durch ſich ſelbſt, mit ſich ſelbſt iſt. Der In-
halt des Zwecks iſt [nu]n dieſe in der Form des Identi-
ſchen exiſtirende Identitaͤt. In allem Uebergehen erhaͤlt
ſich der Begriff, z. B. indem die Urſache zur Wirkung
wird, iſt es die Urſache, die in der Wirkung nur mit
ſich ſelbſt zuſammengeht; im teleologiſchen Uebergehen
iſt es aber der Begriff, der als ſolcher ſchon als Ur-
ſache
exiſtirt, als die abſolute gegen die Objectivitaͤt
und ihre aͤuſſerliche Beſtimmbarkeit freye concrete Ein-
heit. Die Aeuſſerlichkeit, in welche ſich der Zweck uͤber-
ſetzt, iſt, wie wir geſehen, ſchon ſelbſt als Moment des
Begriffs, als Form ſeiner Unterſcheidung in ſich, geſetzt.
Der Zweck hat daher an der Aeuſſerlichkeit ſein eige-
nes Moment
; und der Inhalt, als Inhalt der con-
creten Einheit, iſt ſeine einfache Form, welche ſich
Rin
[258]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
in den unterſchiedenen Momenten des Zwecks, als ſub-
jectiver Zweck, als Mittel und vermittelte Thaͤtigkeit, und
als objectiver, ſich nicht nur an ſich gleich bleibt, ſon-
dern auch als das ſich gleichbleibende exiſtirt.


Man kann daher von der teleologiſchen Thaͤtigkeit
ſagen, daß in ihr das Ende der Anfang, die Folge der
Grund, die Wirkung die Urſache ſey, daß ſie ein Wer-
den des Gewordenen ſey, daß in ihr nur das ſchon Exi-
ſtirende in die Exiſtenz komme u. ſ. f. das heißt, daß
uͤberhaupt alle Verhaͤltnißbeſtimmungen, die der Sphaͤre
der Reflexion oder des unmittelbaren Seyns angehoͤren,
ihre Unterſchiede verloren haben, und was als ein An-
deres
wie Ende, Folge, Wirkung u. ſ. f. ausgeſprochen
wird, in der Zweckbeziehung nicht mehr die Beſtimmung
eines Andern habe, ſondern vielmehr als identiſch mit
dem einfachen Begriffe geſetzt iſt.


2. Das Product der teleologiſchen Thaͤtigkeit nun
naͤher betrachtet, ſo hat es den Zweck nur aͤuſſerlich an
ihm, inſofern es abſolute Vorausſetzung gegen den ſub-
jectiven Zweck iſt, inſofern nemlich dabey ſtehen geblie-
ben wird, daß die zweckmaͤſſige Thaͤtigkeit durch ihr Mit-
tel ſich nur mechaniſch gegen das Object verhaͤlt, und
ſtatt einer gleichguͤltigen Beſtimmtheit deſſelben eine an-
dere
, ihm eben ſo aͤuſſerliche ſetzt. Eine ſolche Be-
ſtimmtheit, welche ein Object durch den Zweck hat, unter-
ſcheidet ſich im allgemeinen von einer andern bloß me-
chaniſchen, daß jenes Moment einer Einheit, ſomit
ob ſie wohl dem Objecte aͤuſſerlich, doch in ſich ſelbſt
nicht ein bloß aͤuſſerliches iſt. Das Object, das eine
ſolche Einheit zeigt, iſt ein Ganzes, wogegen ſeine Thei-
le, ſeine eigene Aeuſſerlichkeit, gleichguͤltig iſt; eine be-
ſtimmte, concrete Einheit, welche unterſchiedene Be-
ziehungen und Beſtimmtheiten in ſich vereinigt. Dieſe
Ein-
[259]III.Kapitel. Teleologie.
Einheit, welche aus der ſpecifiſchen Natur des Objects
nicht begriffen werden kann, und dem beſtimmten In-
halte nach ein anderer iſt, als der eigenthuͤmliche Inhalt
des Objects, iſt fuͤr ſich ſelbſt nicht eine mechaniſche
Beſtimmtheit, aber ſie iſt am Objecte noch mechaniſch.
Wie an dieſem Producte der zweckmaͤſſigen Thaͤtigkeit
der Inhalt des Zwecks und der Inhalt des Objects ſich
aͤuſſerlich ſind, ſo verhalten ſich auch in den andern Mo-
menten des Schluſſes die Beſtimmungen derſelben gegen-
einander, — in der zuſammenſchlieſſenden Mitte, die
zweckmaͤſſige Thaͤtigkeit, und das Object, welches Mit-
tel iſt, und im ſubjectiven Zweck, dem andern Extreme,
die unendliche Form, als Totalitaͤt des Begriffes, und
ſein Inhalt. Nach der Beziehung, durch welche
der ſubjective Zweck mit der Objectivitaͤt zuſammenge-
ſchloſſen wird, iſt ſowohl die eine Praͤmiſſe, nemlich die
Beziehung des als Mittel beſtimmten Objects auf das
noch aͤuſſerliche Object, als die andere nemlich des ſub-
jectiven Zwecks auf das Object, welches zum Mittel ge-
macht wird, eine unmittelbare Beziehung. Der Schluß
hat daher den Mangel des formalen Schluſſes uͤber-
haupt, daß die Beziehungen, aus welchen er beſteht,
nicht ſelbſt Schlußſaͤtze oder Vermittlungen ſind, daß ſie
vielmehr den Schlußſatz, zu deſſen Hervorbringung ſie
als Mittel dienen ſollen, ſchon vorausſetzen.


Wenn wir die eine Praͤmiſſe, die unmittelbare
Beziehung des ſubjectiven Zwecks auf das Object, wel-
ches dadurch zum Mittel wird, betrachten, ſo kann jener
ſich nicht unmittelbar auf dieſes beziehen; denn dieſes
iſt ein eben ſo unmittelbares, als das des andern Ex-
trems, in welchem der Zweck durch Vermittlung
ausgefuͤhrt werden ſoll. Inſofern ſie ſo als verſchie-
dene
geſetzt ſind, muß zwiſchen dieſe Objectivitaͤt und
den ſubjectiven Zweck ein Mittel ihrer Beziehung ein-
R 2ge-
[260]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
geſchoben werden; aber dieſes Mittel iſt eben ſo ein
ſchon durch den Zweck beſtimmtes Object, zwiſchen deſ-
ſen Objectivitaͤt und teleologiſche Beſtimmung iſt ein
neues Mittel und ſo fort ins unendliche einzuſchieben.
Damit iſt der unendliche Progreß der Vermitt-
lung
geſetzt. — Daſſelbe findet ſtatt in Anſehung der
andern Praͤmiſſe, der Beziehung des Mittels auf das
noch unbeſtimmte Object. Da ſie ſchlechthin ſelbſtſtaͤn-
dige ſind, ſo koͤnnen ſie nur in einem Dritten, und ſo
fort ins unendliche, vereinigt ſeyn. — Oder umgekehrt,
da die Praͤmiſſen den Schlußſatz ſchon vorausſetzen,
ſo kann dieſer, wie er durch jene nur unmittelbare Praͤ-
miſſen iſt, nur unvollkommen ſeyn. Der Schlußſatz
oder das Product des zweckmaͤſſigen Thuns, iſt nichts
als ein durch einen ihm aͤuſſerlichen Zweck beſtimmtes
Object; es iſt ſomit daſſelbe was das Mittel.
Es iſt daher in ſolchem Product ſelbſt nur ein Mit-
tel
, nicht ein ausgefuͤhrter Zweck herausgekom-
men; oder: der Zweck hat in ihm keine Objectivitaͤt
wahrhaft erreicht. — Es iſt daher ganz gleichguͤltig,
ein durch den aͤuſſern Zweck beſtimmtes Object als aus-
gefuͤhrten Zweck, oder nur als Mittel zu betrachten; es
iſt diß eine relative, dem Objecte ſelbſt aͤuſſerliche, nicht
objective Beſtimmung. Alle Objecte alſo, an welchen
ein aͤuſſerer Zweck ausgefuͤhrt iſt, ſind ebenſowohl nur
Mittel des Zwecks. Was zur Ausfuͤhrung eines Zwecks
gebraucht und weſentlich als Mittel genommen werden
ſoll, iſt Mittel nach ſeiner Beſtimmung aufgerieben zu
werden. Aber auch das Object, das den ausgefuͤhrten
Zweck enthalten, und ſich als deſſen Objectivitaͤt darſtel-
len ſoll, iſt vergaͤnglich; es erfuͤllt ſeinen Zweck eben-
falls nicht durch ein ruhiges, ſich ſelbſt erhaltendes Da-
ſeyn, ſondern nur, inſofern es aufgerieben wird, denn
nur inſofern entſpricht es der Einheit des Begriffs, in-
dem ſich ſeine Aeuſſerlichkeit d. i. ſeine Objectivitaͤt in
der-
[261]III.Kapitel. Teleologie.
derſelben aufhebt. — Ein Haus, eine Uhr koͤnnen als
die Zwecke erſcheinen, gegen die zu ihrer Hervorbrin-
gung gebrauchten Werkzeuge; aber die Steine, Balken,
oder Raͤder, Axen u. ſ. f. welche die Wirklichkeit des
Zweckes ausmachen, erfuͤllen ihn nur, durch den Druck,
den ſie erleiden, durch die chemiſchen Proceſſe, denen ſie
mit Luft, Licht, Waſſer preis gegeben ſind, und die ſie
dem Menſchen abnehmen, durch ihre Reibung u. ſ. f.
Sie erfuͤllen alſo ihre Beſtimmung nur durch ihren Ge-
brauch und Abnutzung, und entſprechen nur durch ihre
Negation dem, was ſie ſeyn ſollen. Sie ſind nicht po-
ſitiv mit dem Zwecke vereinigt, weil ſie die Selbſtbe-
ſtimmung nur aͤuſſerlich an ihnen haben, und ſind nur
relative Zwecke, oder weſentlich auch nur Mittel.


Dieſe Zwecke haben uͤberhaupt wie gezeigt, einen
beſchraͤnkten Inhalt; ihre Form iſt die unendliche
Selbſtbeſtimmung des Begriffs, der ſich durch ihn zur
aͤuſſerlichen Einzelnheit beſchraͤnkt hat. Der beſchraͤnkte
Inhalt macht dieſe Zwecke der Unendlichkeit des Begrif-
fes unangemeſſen, und zur Unwahrheit; ſolche Beſtimmt-
heit iſt ſchon durch die Sphaͤre der Nothwendigkeit, durch
das Seyn, dem Werden und der Veraͤnderung preis ge-
geben, und ein Vergaͤngliches.


3. Als Reſultat ergibt ſich hiemit, daß die aͤuſſere
Zweckmaͤſſigkeit, welche nur erſt die Form der Teleolo-
gie hat, eigentlich nur zu Mitteln, nicht zu einem ob-
jectiven Zwecke kommt, — weil der ſubjective Zweck als
eine aͤuſſerliche, ſubjective Beſtimmung bleibt, — oder
inſofern er thaͤtig iſt und ſich, ob zwar nur in einem
Mittel vollfuͤhrt, iſt er noch unmittelbar mit der
Objectivitaͤt verbunden, in ſie verſenkt; er iſt ſelbſt ein
Object, und der Zweck kann man ſagen, kommt inſo-
fern nicht zum Mittel, weil es der Ausfuͤhrung des
Zwecks
[262]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
Zwecks ſchon vorher bedarf, ehe ſie durch ein Mittel zu
Stande kommen koͤnnte.


In der That aber iſt das Reſultat nicht nur eine
aͤuſſere Zweckbeziehung, ſondern die Wahrheit derſelben,
innere Zweckbeziehung und ein objectiver Zweck. Die
gegen den Begriff ſelbſtſtaͤndige Aeuſſerlichkeit des Ob-
jects, welche der Zweck ſich vorausſetzt, iſt in dieſer
Vorausſetzung als ein unweſentlicher Schein geſetzt,
und auch an und fuͤr ſich ſchon aufgehoben; die Thaͤtig-
keit des Zwecks iſt daher eigentlich nur Darſtellung
dieſes Scheins, und Aufheben deſſelben. — Wie ſich
durch den Begriff gezeigt hat, wird das erſte Object
durch die Mittheilung Mittel, weil es an ſich Totalitaͤt
des Begriffes iſt, und ſeine Beſtimmtheit, welche keine
andere als die Aeuſſerlichkeit ſelbſt iſt, nur als aͤuſſer-
liches, unweſentliches geſetzt, daher im Zwecke ſelbſt
als deſſen eigenes Moment, nicht als ein gegen ihn
ſelbſtſtaͤndiges iſt. Dadurch iſt Beſtimmung des Ob-
jects zum Mittel ſchlechthin eine unmittelbare. Es be-
darf fuͤr den ſubjectiven Zweck daher keiner Gewalt,
oder ſonſtigen Bekraͤftigung gegen daſſelbe, als der Be-
kraͤftigung ſeiner ſelbſt, um es zum Mittel zu machen;
der Entſchluß, Aufſchluß, dieſe Beſtimmung ſeiner
ſelbſt iſt die nur geſetzte Aeuſſerlichkeit des Objects,
welches darin unmittelbar als dem Zwecke unterworfen
iſt, und keine andere Beſtimmung gegen ihn hat, als
die der Nichtigkeit des An- und -Fuͤrſichſeyns.


Das zweyte Aufheben der Objectivitaͤt durch die
Objectivitaͤt iſt hievon ſo verſchieden, daß jenes als das
erſte, der Zweck in objectiver Unmittelbarkeit iſt,
dieſes daher nicht nur das Aufheben von einer erſten Un-
mittelbarkeit, ſondern von beydem, dem Objectiven als
einem nur geſetzten, und dem Unmittelbaren. Die Ne-
ga-
[263]III.Kapitel. Teleologie.
gativitaͤt kehrt auf dieſe Weiſe ſo in ſich ſelbſt zuruͤck,
daß ſie eben ſo Wiederherſtellen der Objectivitaͤt, aber
als einer mit ihr identiſchen, und darinn zugleich auch
Setzen der Objectivitaͤt als einer, vom Zwecke nur be-
ſtimmten, aͤuſſerlichen iſt. Durch Letzteres bleibt diß
Product wie vorhin, auch Mittel; durch erſteres, iſt es
die mit dem Begriffe identiſche Objectivitaͤt, der reali-
ſirte Zweck, in dem die Seite, Mittel zu ſeyn, die Reali-
taͤt des Zwecks ſelbſt iſt. Im ausgefuͤhrten Zwecke
verſchwindet das Mittel darum, weil es die nur erſt
unmittelbar unter den Zweck ſubſumirte Objectivitaͤt
waͤre, die im realiſirten Zwecke als Ruͤckkehr des Zwecks
in ſich ſelbſt iſt; es verſchwindet ferner damit auch die
Vermittlung ſelbſt, als welche ein Verhalten von Aeuſ-
ſerlichem iſt, theils in die concrete Identitaͤt des ob-
jectiven Zwecks, theils in dieſelbe als abſtracte Identi-
taͤt und Unmittelbarkeit des Daſeyns.


Hierin iſt auch die Vermittlung enthalten, welche
fuͤr die erſte Praͤmiſſe, die unmittelbare Beziehung des
Zwecks auf das Object, gefodert wurde. Der ausge-
fuͤhrte Zweck iſt auch Mittel, und umgekehrt iſt die Wahr-
heit des Mittels eben ſo diß, realer Zweck ſelbſt zu ſeyn,
und das erſte Aufheben der Objectivitaͤt iſt ſchon auch
das Zweyte; wie ſich das zweyte zeigte, auch das erſte
zu enthalten. Der Begriff beſtimmt ſich nemlich,
ſeine Beſtimmtheit iſt die aͤuſſerliche Gleichguͤltigkeit, die
unmittelbar in dem Entſchluſſe als aufgehobene,
nemlich als innerliche, ſubjective, und zugleich
als vorausgeſetztes Object beſtimmt iſt. Sein
weiteres Hinausgehen aus ſich, welches nemlich als un-
mittelbare
Mittheilung und Subſumtion des voraus-
geſetzten Objects unter ihn, erſchien, iſt zugleich Auf-
heben jener innerlichen, in den Begriff einge-
ſchloſſenen
, d. i. als aufgehoben geſetzten Beſtimmt-
heit
[264]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
heit der Aeuſſerlichkeit, und zugleich der Vorausſetzung
eines Objects; ſomit iſt dieſes anſcheinend erſte Auf-
heben der gleichguͤltigen Objectivitaͤt auch ſchon das
zweyte, eine durch die Vermittlung hindurch gegangene
Reflexion-in-ſich, und der ausgefuͤhrte Zweck.


Indem hier der Begriff in der Sphaͤre der Ob-
jectivitaͤt, wo ſeine Beſtimmtheit die Form gleichguͤl-
tiger Aeuſſerlichkeit
hat, in Wechſelwirkung mit
ſich ſelbſt iſt, ſo wird die Darſtellung ſeiner Bewegung
hier doppelt ſchwierig und verwickelt, weil ſie unmittel-
bar ſelbſt das gedoppelte, und immer ein erſtes auch
ein zweytes iſt. Im Begriff fuͤr ſich, d. h. in ſeiner
Subjectivitaͤt, iſt der Unterſchied ſeiner von ſich als
unmittelbare identiſche Totalitaͤt fuͤr ſich; da hier
aber ſeine Beſtimmtheit gleichguͤltige Aeuſſerlichkeit iſt,
ſo iſt die Identitaͤt darin mit ſich ſelbſt, auch unmittel-
bar wieder das Abſtoſſen von ſich, daß das als ihr
Aeuſſerliches und Gleichguͤltiges beſtimmte, vielmehr ſie
ſelbſt, und ſie als ſie ſelbſt, als in ſich reflectirt, vielmehr
ihr Anderes iſt. Nur indem diß feſtgehalten wird, wird
die objective Ruͤckkehr des Begriffs in ſich, d. i. die
wahrhafte Objectivirung deſſelben aufgefaßt; — aufge-
faßt, daß jedes der einzelnen Momente, durch welche ſie
ſich dieſe Vermittlung verlaͤuft, ſelbſt der ganze Schluß
derſelben iſt. So iſt die urſpruͤngliche innere Aeuſ-
ſerlichkeit des Begriffs, durch welche er die ſich von ſich
abſtoſſende Einheit, Zweck und deſſen Hinausſtreben zur
Objectivirung iſt, das unmittelbare Setzen, oder die
Vorausſetzung eines aͤuſſerlichen Objects; die Selbſt-
beſtimmung
iſt auch Beſtimmung eines als nicht durch
den Begriff beſtimmten, aͤuſſerlichen Objects; und
umgekehrt iſt ſie Selbſtbeſtimmung, d. i. die aufgehobene,
als innere geſetzte Aeuſſerlichkeit; — oder die Ge-
wißheit
der Unweſentlichkeit des aͤuſſern Ob-
jects.
[265]III.Kapitel. Teleologie.
jects. — Von der zweyten Beziehung, der Beſtimmung
des Objects als Mittel, iſt ſo eben gezeigt worden, wie
ſie an ihr ſelbſt die Vermittlung des Zwecks in dem Ob-
jecte mit ſich iſt. — Eben ſo iſt das Dritte, der Mecha-
nismus, welcher unter der Herrſchaft des Zwecks vor
ſich geht, und das Object durch das Object aufhebt,
einerſeits Aufheben des Mittels, des ſchon als aufgeho-
ben geſetzten Objects, ſomit zweytes Aufheben und Re-
flexion-in-ſich, andererſeits erſtes Beſtimmen des aͤuſ-
ſerlichen Objects. Letzteres iſt, wie bemerkt worden,
wieder im ausgefuͤhrten Zwecke die Hervorbringung nur
eines Mittels; indem die Subjectivitaͤt des endlichen
Begriffs das Mittel veraͤchtlich wegwirft, hat ſie in ih-
rem Ziel nichts beſſeres erreicht. Dieſe Reflexion aber,
daß der Zweck in dem Mittel erreicht, und im erfuͤllten
Zwecke das Mittel und die Vermittlung erhalten iſt, iſt
das letzte Reſultat der aͤuſſerlichen Zweckbe-
ziehung
, worin ſie ſelbſt ſich aufgehoben und das ſie
als ihre Wahrheit dargeſtellt hat. — Der zuletzt be-
trachtete dritte Schluß iſt dadurch unterſchieden, daß er
erſtens die ſubjective Zweckthaͤtigkeit der vorhergehenden
Schluͤſſe, aber auch die Aufhebung der aͤuſſerlichen Ob-
jectivitaͤt, und damit der Aeuſſerlichkeit uͤberhaupt, durch
ſich ſelbſt
, hiemit die Totalitaͤt in ihrem Ge-
ſetztſeyn
iſt.


Nachdem wir nun die Subjectivitaͤt, das Fuͤr-
ſichſeyn
des Begriffes, in das Anſichſeyn deſſelben,
die Objectivitaͤt uͤbergehen geſehen, ſo hat ſich fer-
ner in der letztern die Negativitaͤt ſeines Fuͤrſichſeyns
wieder hervorgethan; der Begriff hat ſich in ihr ſo be-
ſtimmt, daß ſeine Beſonderheit aͤuſſerliche Ob-
jectivitaͤt
iſt, oder als die einfache concrete Einheit,
deren Aeuſſerlichkeit ihre Selbſtbeſtimmung iſt. Die
Bewegung des Zweckes hat nun diß erreicht, daß das
Mo-
[266]II.Abſchnitt. Objectivitaͤt.
Moment der Aeuſſerlichkeit nicht nur im Begriff geſetzt,
er nicht nur ein Sollen und Streben, ſondern als
concrete Totalitaͤt identiſch mit der unmittelbaren Ob-
jectivitaͤt iſt. Dieſe Identitaͤt iſt einerſeits der einfache
Begriff, und eben ſo unmittelbare Objectivitaͤt, aber
andererſeits gleich weſentlich Vermittlung, und nur
durch ſie, als ſich ſelbſt aufhebende Vermittlung, jene
einfache Unmittelbarkeit; ſo iſt er weſentlich diß, als fuͤr-
ſichſeyende Identitaͤt von ſeiner anſichſeyenden Ob-
jectivitaͤt unterſchieden zu ſeyn, und dadurch Aeuſſerlich-
keit zu haben, aber in dieſer aͤuſſerlichen Totalitaͤt die
ſelbſtbeſtimmende Identitaͤt derſelben zu ſeyn. So iſt
der Begriff nun die Idee.


Drit-
[267]

Dritter Abſchnitt.
Die Idee.


Die Idee iſt der adaͤquate Begriff, das ob-
jective Wahre, oder das Wahre als ſolches.
Wenn irgend Etwas Wahrheit hat, hat es ſie durch
ſeine Idee, oder Etwas hat nur Wahrheit, in-
ſofern es Idee iſt
. — Der Ausdruck Idee iſt
ſonſt oft in der Philoſophie wie im gemeinen Leben,
auch fuͤr Begriff, ja gar fuͤr eine bloſſe Vorſtel-
lung
gebraucht worden; ich habe noch keine Idee von
dieſem Rechtshandel, Gebaͤude, Gegend, will weiter
nichts ausdruͤcken, als die Vorſtellung. Kant hat
den Ausdruck: Idee wieder dem Vernunftbegriff
vindicirt. — Der Vernunftbegriff ſoll nun nach Kant
der Begriff vom Unbedingten, in Anſehung der Er-
ſcheinungen aber tranſcendent ſeyn, d. h. von ihm
kein ihm aͤdaͤquater empiriſcher Gebrauch ge-
macht werden koͤnnen. Die Vernunftbegriffe ſollen zum
Begreiffen, die Verſtandesbegriffe zum Verſtehen
der Wahrnehmungen dienen. — In der That aber,
wenn die letztern wirklich Begriffe ſind, ſo ſind ſie
Begriffe
, — es wird durch ſie begriffen, und ein
Verſtehen der Wahrnehmungen durch Verſtandesbe-
griffe wird ein Begreiffen ſeyn. Iſt aber das Ver-
ſtehen nur ein Beſtimmen der Wahrnehmungen durch
ſolche Beſtimmungen, z. B. Ganzes und Theile, Kraft,
Ur-
[268]III.Abſchnitt.
Urſache und dergleichen, ſo bedeutet es nur ein Beſtim-
men durch die Reflexion, ſo wie auch mit dem Ver-
ſtehen
nur das beſtimmte Vorſtellen von ganz be-
ſtimmtem ſinnlichem Inhalte gemeynt ſeyn kann; wie
wenn einer, dem man den Weg bezeichnet, daß er am
Ende des Waldes links gehen muͤſſe, etwa erwiedert:
ich verſtehe, ſo will das Verſtehen weiter nicht
ſagen, als das Faſſen in die Vorſtellung und ins Ge-
daͤchtniß. — Auch Vernunftbegriff iſt ein etwas
ungeſchickter Ausdruck; denn der Begriff iſt uͤberhaupt
etwas Vernuͤnftiges; und inſofern die Vernunft vom
Verſtande und dem Begriff als ſolchem unterſchieden
wird, ſo iſt ſie die Totalitaͤt des Begriffs und der Ob-
jectivitaͤt. — In dieſem Sinne iſt die Idee das Ver-
nuͤnftige
; — ſie iſt das Unbedingte darum, weil nur
dasjenige Bedingungen hat, was ſich weſentlich auf eine
Objectivitaͤt bezieht, aber eine nicht durch es ſelbſt be-
ſtimmte, ſondern eine ſolche, die noch in der Form der
Gleichguͤltigkeit und Aeuſſerlichkeit dagegen iſt, wie noch
der aͤuſſerliche Zweck hatte.


Indem nun der Ausdruck Idee fuͤr den objecti-
ven oder realen Begriff zuruͤckbehalten, und von dem
Begriff ſelbſt, noch mehr aber von der bloſſen Vorſtel-
lung unterſchieden wird, ſo iſt ferner noch mehr dieje-
nige Schaͤtzung der Idee zu verwerfen, nach welcher ſie
fuͤr etwas nur Unwirkliches genommen und von wah-
ren Gedanken geſagt wird, es ſeyen nur Ideen.
Wenn die Gedanken etwas bloß ſubjectives und
zufaͤlliges ſind, ſo haben ſie allerdings keinen weitern
Werth, aber ſie ſtehen den zeitlichen und zufaͤlligen
Wirklichkeiten darin nicht nach, welche ebenfalls
keinen weitern Werth als den von Zufaͤlligkeiten und
Erſcheinungen haben. Wenn dagegen umgekehrt die
Idee darum den Werth der Wahrheit nicht haben ſoll,
weil
[269]Idee.
weil ſie in Anſehung der Erſcheinungen tranſcen-
dent
, weil ihr kein congruirender Gegenſtand in der
Sinnenwelt gegeben werden koͤnne, ſo iſt diß ein ſon-
derbarer Mißverſtand, indem der Idee deßwegen ob-
jective Guͤltigkeit abgeſprochen wird, weil ihr dasjenige
fehle, was die Erſcheinung, das unwahre Seyn der
objectiven Welt, ausmacht. In Anſehung der prakti-
ſchen Ideen erkennt es Kant, daß „nichts ſchaͤdlicheres
und eines Philoſophen unwuͤrdigeres gefunden werden
koͤnne, als die poͤbelhafte Beruffung auf vorgeblich,
gegen die Idee, widerſtreitende Erfahrung. Dieſe
wuͤrde ſelbſt gar nicht exiſtiren, wenn z. B. Staatsan-
ſtalten zu rechter Zeit nach den Ideen getroffen waͤren,
und an deren Statt nicht rohe Begriffe, eben da-
rum, weil ſie aus Erfahrung geſchoͤpft wor-
den
, alle gute Abſicht vereitelt haͤtten.“ Kant ſieht
die Idee als etwas nothwendiges als das Ziel an, das
als das Urbild fuͤr ein Maximum aufzuſtellen und dem
den Zuſtand der Wirklichkeit immer naͤher zu bringen,
das Beſtreben ſeyn muͤſſe.


Indem ſich aber das Reſultat ergeben hat, daß die
Idee die Einheit des Begriffs und der Objectivitaͤt, das
Wahre, iſt, ſo iſt ſie nicht nur als ein Ziel zu betrach-
ten, dem ſich anzunaͤhern ſey, das aber ſelbſt immer eine
Art von Jenſeits bleibe, ſondern daß alles Wirkliche
nur inſofern iſt, als es die Idee in ſich hat, und ſie
ausdruͤckt. Der Gegenſtand, die objective und ſubjective
Welt, uͤberhaupt ſollen mit der Idee nicht bloß con-
gruiren
, ſondern ſie ſind ſelbſt die Congruenz des Be-
griffs und der Realitaͤt; diejenige Realitaͤt, welche dem
Begriffe nicht entſpricht, iſt bloſſe Erſcheinung, das
Subjective, Zufaͤllige Willkuͤhrliche, das nicht die Wahr-
heit iſt. Wenn geſagt wird, es finde ſich in der Er-
fahrung kein Gegenſtand, welcher der Idee vollkommen
con-
[270]III.Abſchnitt.
congruire, ſo wird dieſe als ein ſubjectiver Maasſtab
dem Wirklichen gegenuͤbergeſtellt; was aber ein Wirkli-
ches wahrhaft ſeyn ſolle, wenn nicht ſein Begriff in
ihm, und ſeine Objectivitaͤt dieſem Begriffe gar nicht
angemeſſen iſt, iſt nicht zu ſagen; denn es waͤre das
Nichts. Das mechaniſche und chemiſche Object, wie
das geiſtloſe Subject, und der nur des Endlichen, nicht
ſeines Weſens bewußte Geiſt, haben zwar, nach ihrer
verſchiedenen Natur, ihren Begriff nicht in ſeiner ei-
genen freyen Form
an ihnen exiſtirend. Aber ſie
koͤnnen uͤberhaupt nur inſofern etwas wahres ſeyn, als
ſie die Vereinigung ihres Begriffs und der Realitaͤt, ih-
rer Seele und ihres Leibs, ſind. Ganze, wie der Staat,
die Kirche, wenn die Einheit ihres Begriffs und ihrer
Realitaͤt aufgeloͤßt iſt, hoͤren auf zu exiſtiren; der Menſch,
das Lebendige iſt todt, wenn Seele und Leibe ſich in
ihm trennen; die todte Natur, die mechaniſche und
chemiſche Welt, wenn nemlich das Todte fuͤr die unor-
ganiſche Welt genommen wird, ſonſt haͤtte es gar keine
poſitive Bedeutung, — die todte Natur alſo, wenn ſie in
ihren Begriff und ihre Realitaͤt geſchieden wird, iſt
nichts als die ſubjective Abſtraction einer gedachten Form
und einer formloſen Materie. Der Geiſt, der nicht
Idee, Einheit des Begriffs ſelbſt mit ſich, — der Be-
griff, der den Begriff ſelbſt zu ſeiner Realitaͤt haͤtte,
waͤre der todte, geiſtloſe Geiſt, ein materielles Object.


Seyn hat die Bedeutung der Wahrheit erreicht,
indem die Idee die Einheit des Begriffs und der Reali-
taͤt iſt; es iſt alſo nunmehr nur das, was Idee iſt.
Die endlichen Dinge ſind darum endlich, inſofern ſie die
Realitaͤt ihres Begriffs nicht vollſtaͤndig an ihnen ſelbſt
haben, ſondern dazu anderer beduͤrfen; — oder umge-
kehrt, inſofern ſie als Objecte vorausgeſetzt ſind, ſomit
den Begriff als eine aͤuſſerliche Beſtimmung an ihnen
ha-
[271]Idee.
haben. Das Hoͤchſte, was ſie nach der Seite dieſer
Endlichkeit erreichen, iſt die aͤuſſere Zweckmaͤſſigkeit.
Daß die wirklichen Dinge mit der Idee nicht congruiren,
iſt die Seite ihrer Endlichkeit, Unwahrheit, nach
welcher ſie Objecte, jedes nach ſeiner verſchiedenen
Sphaͤre, und in den Verhaͤltniſſen der Objectivitaͤt, me-
chaniſch, chemiſch oder durch einen aͤuſſerlichen Zweck
beſtimmt iſt. Daß die Idee ihre Realitaͤt nicht vollkom-
men durchgearbeitet, ſie unvollſtaͤndig dem Begriffe un-
terworfen hat, davon beruht die Moͤglichkeit darauf, daß
ſie ſelbſt einen beſchraͤnkten Inhalt hat, daß ſie,
ſo weſentlich ſie Einheit des Begriffs und der Realitaͤt,
eben ſo weſentlich auch deren Unterſchied iſt; denn nur
das Object iſt die unmittelbare, d. h. nur an ſich ſeyen-
de Einheit. Wenn aber ein Gegenſtand z. B. der Staat
ſeiner Idee gar nicht angemeſſen, das heißt, vielmehr
gar nicht die Idee des Staates waͤre, wenn ſeine Reali-
taͤt, welche die ſelbſtbewußten Individuen iſt, dem Be-
griffe ganz nicht entſpraͤche, ſo haͤtten ſeine Seele und
ſein Leib ſich getrennt; jene entfloͤhe in die abgeſchiede-
nen Regionen des Gedankens, dieſe waͤre in die einzel-
nen Individualitaͤten zerfallen; aber indem der Begriff
des Staats ſo weſentlich ihre Natur ausmacht, ſo iſt er
als ein ſo maͤchtiger Trieb in ihnen, daß ſie ihn, ſey es
auch nur in der Form aͤuſſerer Zweckmaͤſſigkeit in Reali-
taͤt zu verſetzen oder ihn ſo ſich gefallen zu laſſen ge-
drungen ſind, oder ſie muͤßten zu Grunde gehen. Der
ſchlechteſte Staat, deſſen Realitaͤt dem Begriffe am we-
nigſten entſpricht, inſofern er noch exiſtirt, iſt er noch
Idee, die Individuen gehorchen noch einem Machtha-
benden Begriffe.


Die Idee hat aber nicht nur den allgemeinern Sinn
des wahrhaften Seyns, der Einheit von Begriff
und Realitaͤt, ſondern den beſtimmtern von ſubjecti-
vem
[272]III.Abſchnitt.
vem Begriffe und der Objectivitaͤt. Der Be-
griff als ſolcher iſt nemlich ſelbſt ſchon die Identitaͤt
ſeiner und der Realitaͤt; denn der unbeſtimmte Aus-
druck Realitaͤt heißt uͤberhaupt nichts anders als das
beſtimmte Seyn; diß aber hat der Begriff an ſei-
ner Beſonderheit und Einzelnheit. Eben ſo iſt ferner
die Objectivitaͤt der aus ſeiner Beſtimmtheit in die
Identitaͤt mit ſich zuſammengegangene, totale Be-
griff
. In jener Subjectivitaͤt iſt die Beſtimmtheit oder
der Unterſchied des Begriffes ein Schein, der unmit-
telbar aufgehoben und in das Fuͤrſichſeyn, oder die ne-
gative Einheit zuruͤckgegangen iſt, inhaͤrirendes Praͤ-
dicat. In dieſer Objectivitaͤt aber iſt die Beſtimmtheit
als unmittelbare Totalitaͤt, als aͤuſſerliches Ganzes ge-
ſetzt. Die Idee hat ſich nun gezeigt, als der wieder
von der Unmittelbarkeit, in die er im Objecte verſenkt
iſt, zu ſeiner Subjectivitaͤt befreyte Begriff, welcher ſich
von ſeiner Objectivitaͤt unterſcheidet, die aber eben ſo
ſehr von ihm beſtimmt und ihre Subſtantialitaͤt nur in
jenem Begriffe hat. Dieſe Identitaͤt iſt daher mit Recht
als das Subject-Object beſtimmt worden; daß ſie
ebenſowohl der formelle oder ſubjective Begriff als
ſie das Object als ſolches iſt. Aber diß iſt beſtimm-
ter aufzufaſſen. Der Begriff, indem er wahrhaft
ſeine Realitaͤt erreicht hat, iſt diß abſolute Urtheil, deſ-
ſen Subject als die ſich auf ſich beziehende negative
Einheit ſich von ſeiner Objectivitaͤt unterſcheidet, und
das An- und- Fuͤrſichſeyn derſelben iſt, aber weſentlich
ſich durch ſich ſelbſt auf ſie bezieht, — daher Selbſt-
zweck
und Trieb iſt; — die Objectivitaͤt aber hat
das Subject eben darum nicht unmittelbar an ihm, es
waͤre ſo nur die in ſie verlorne Totalitaͤt des Obiects
als ſolchen; ſondern ſie iſt die Realiſation des Zwecks,
eine durch die Thaͤtigkeit des Zweckes geſetzte Ob-
jectivitaͤt, welche als Geſetztſeyn ihr Beſtehen und
ihre
[273]Idee.
ihre Form nur als durchdrungen von ihrem Subject
hat. Als Objectivitaͤt hat ſie das Moment der Aeuſ-
ſerlichkeit
des Begriffs an ihr, und iſt daher uͤber-
haupt die Seite der Endlichkeit, Veraͤnderlichkeit und
Erſcheinung, die aber ihren Untergang darin hat, in
die negative Einheit des Begriffes zuruͤckzugehen; die
Negativitaͤt, wodurch ihr gleichguͤltiges Auſſereinander-
ſeyn ſich als unweſentliches und Geſetztſeyn zeigt, iſt der
Begriff ſelbſt. Die Idee iſt daher, dieſer Objectivitaͤt
ungeachtet, ſchlechthin einfach, und immateriell,
denn die Aeuſſerlichkeit iſt nur als durch den Begriff
beſtimmt, und in ſeine negative Einheit aufgenommen;
inſofern ſie als gleichguͤltige Aeuſſerlichkeit beſteht, iſt ſie
dem Mechanismus uͤberhaupt nicht nur preis gegeben,
ſondern iſt nur als das Vergaͤngliche und Unwahre. —
Ob die Idee alſo gleich ihre Realitaͤt in einer Materiatur
hat, ſo iſt dieſe nicht ein abſtractes, gegen den Begriff
fuͤr ſich beſtehendes Seyn, ſondern nur als Werden,
durch die Negativitaͤt des gleichguͤltigen Seyns als ein-
fache Beſtimmtheit des Begriffes.


Es ergeben ſich hieraus folgende naͤhere Beſtim-
mungen der Idee. — Sie iſt erſtlich die einfache
Wahrheit, die Identitaͤt des Begriffes und der Objecti-
vitaͤt als Allgemeines, in welchem der Gegenſatz
und das Beſtehen des Beſondern in ſeine mit ſich iden-
tiſche Negativitaͤt aufgeloͤßt, und als Gleichheit mit ſich
ſelbſt iſt. Zweytens iſt ſie die Beziehung der
fuͤr ſich ſeyenden Subjectivitaͤt des einfachen Begriffs,
und ſeiner davon unterſchiedenen Objectivitaͤt; jene
iſt weſentlich der Trieb, dieſe Trennung aufzuheben,
und dieſe das gleichguͤltige Geſetztſeyn, das an und fuͤr
ſich nichtige Beſtehen. Sie iſt als dieſe Beziehung der
Proceß, ſich in die Individualitaͤt, und in deren un-
organiſche Natur zu dirimiren, und wieder dieſe unter
Sdie
[274]III.Abſchnitt.
die Gewalt des Subjects zuruͤckzubringen und zu der er-
ſten einfachen Allgemeinheit zuruͤckzukehren. Die Iden-
titaͤt
der Idee mit ſich ſelbſt iſt eins mit dem Pro-
ceſſe
; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Schei-
ne der zweckloſen Veraͤnderlichkeit befreyt und zur Idee
verklaͤrt, muß dieſe Wahrheit der Wirklichkeit nicht als
die todte Ruhe, als ein bloſſes Bild, matt, ohne Trieb
und Bewegung, als einen Genius, oder Zahl oder einen
abſtracten Gedanken vorſtellen; die Idee hat, um der
Freyheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den
haͤrteſten Gegenſatz in ſich; ihre Ruhe beſteht in
der Sicherheit und Gewißheit, womit ſie ihn ewig er-
zeugt und ewig uͤberwindet, und in ihm mit ſich ſelbſt
zuſammengeht.


Zunaͤchſt aber iſt die Idee auch wieder erſt nur
unmittelbar oder nur in ihrem Begriffe; die ob-
jective Realitaͤt iſt dem Begriffe zwar angemeſſen, aber
noch nicht zum Begriffe befreyt, und er exiſtirt nicht
fuͤr ſich als der Begriff. Der Begriff iſt ſo zwar
Seele, aber die Seele iſt in der Weiſe eines unmit-
telbaren
, d. h. ihre Beſtimmtheit iſt nicht als ſie
ſelbſt, ſie hat ſich nicht als Seele erfaßt, nicht in ihr
ſelbſt ihre objective Realitaͤt; der Begriff iſt als eine
Seele, die noch nicht ſeelenvoll iſt.


So iſt die Idee erſtlich das Leben; der Be-
griff, der unterſchieden von ſeiner Objectivitaͤt einfach
in ſich, ſeine Objectivitaͤt durchdringt, und als Selbſt-
zweck an ihr ſein Mittel hat und ſie als ſein Mittel ſetzt,
aber in dieſem Mittel immanent und darin der realiſirte
mit ſich identiſche Zweck iſt. — Dieſe Idee hat um ih-
rer Unmittelbarkeit willen die Einzelnheit zur Form
ihrer Exiſtenz. Aber die Reflexion ihres abſoluten Pro-
ceſſes in ſich ſelbſt, iſt das Aufheben dieſer unmittelba-
ren Einzelnheit; dadurch macht der Begriff, der in ihr
als
[275]Idee.
als Allgemeinheit das Innre iſt, die Aeuſſerlichkeit zur
Allgemeinheit, oder ſetzt ſeine Objectivitaͤt als Gleichheit
mit ſich ſelbſt. So iſt die Idee


zweytens die Idee des Wahren und des Gu-
ten
, als Erkennen und Wollen. Zunaͤchſt iſt ſie end-
liches Erkennen und endliches Wollen, worin das Wah-
re und Gute ſich noch unterſcheiden, und beyde nur
erſt als Ziel ſind. Der Begriff hat ſich zunaͤchſt zu
ſich ſelbſt befreyt und ſich nur erſt eine abſtracte
Objectivitaͤt
zur Realitaͤt gegeben. Aber der Pro-
ceß dieſes endlichen Erkennens und Handelns macht die
zunaͤchſt abſtracte Allgemeinheit, zur Totalitaͤt, wodurch
ſie vollkommene Objectivitaͤt wird. — Oder
von der andern Seite betrachtet, macht der endliche,
das iſt, der ſubjective Geiſt, ſich die Vorausſetzung
einer objectiven Welt, wie das Leben eine ſolche Vor-
ausſetzung hat; aber ſeine Thaͤtigkeit iſt, dieſe Voraus-
ſetzung aufzuheben und ſie zu einem Geſetzten zu ma-
chen. So iſt ſeine Realitaͤt fuͤr ihn die objective Welt,
oder umgekehrt, die objective Welt iſt die Idealitaͤt, in
der er ſich ſelbſt erkennt.


Drittens erkennt der Geiſt die Idee als ſeine ab-
ſolute Wahrheit
, als die Wahrheit die an und
fuͤr ſich iſt; die unendliche Idee, in welcher Erkennen
und Thun ſich ausgeglichen hat, und die das abſolute
Wiſſen ihrer ſelbſt iſt
.


S 2Erſtes
[276]III.Abſchnitt. Idee.

Erſtes Kapitel.
Das Leben
.


Die Idee des Lebens betrifft einen ſo concreten
und, wenn man will, reellen Gegenſtand, daß mit der-
ſelben nach der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Logik ihr
Gebiet uͤberſchritten zu werden ſcheinen kann. Sollte
die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen
enthalten, ſo koͤnnte in ihr uͤberhaupt von keinem ſol-
chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben iſt, die Re-
de ſeyn. Wenn aber die abſolute Wahrheit der Gegen-
ſtand der Logik, und die Wahrheit als ſolche weſent-
lich im Erkennen iſt, ſo muͤßte das Erkennen we-
nigſtens abgehandelt werden. — Der ſogenannten reinen
Logik pflegt man denn auch gewoͤhnlich eine ange-
wandte
Logik folgen zu laſſen, — eine Logik, welche
es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die
viele Pſychologie und Anthropologie nicht mit
gerechnet, deren Einflechtung in die Logik haͤufig fuͤr
noͤthig erachtet wird. Die anthropologiſche und pſycho-
logiſche Seite des Erkennens aber betrifft deſſen Er-
ſcheinung
, in welcher der Begriff fuͤr ſich ſelbſt noch
nicht dieſes iſt, eine ihm gleiche Objectivitaͤt, d. i. ſich
ſelbſt zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der
daſſelbe betrachtet, gehoͤrt nicht zur angewandten
Logik
als ſolchen; ſo waͤre jede Wiſſenſchaft in die Lo-
gik hereinzuziehen, denn jede iſt inſofern eine ange-
wandte Logik als ſie darin beſteht, ihren Gegenſtand in
For-
[277]I.Kapitel. Das Leben.
Formen des Gedankens und Begriffs zu faſſen. — Der
ſubjective Begriff hat Vorausſetzungen, die in pſycholo-
giſcher, anthropologiſcher und ſonſtiger Form ſich dar-
ſtellen. In die Logik aber gehoͤren nur die Voraus-
ſetzungen des reinen Begriffs, inſofern ſie die Form von
reinen Gedanken, von abſtracten Weſenheiten haben,
die Beſtimmungen des Seyns und Weſens. Eben
ſo ſind vom Erkennen, dem ſich ſelbſt Erfaſſen des
Begriffs, nicht die andern Geſtalten ſeiner Voraus-
ſetzung, ſondern nur diejenige, welche ſelbſt Idee iſt, in
der Logik abzuhandeln; aber dieſe iſt nothwendig in ihr
zu betrachten. Dieſe Vorausſetzung nun iſt die un-
mittelbare
Idee; denn indem das Erkennen der Be-
griff iſt, inſofern er fuͤr ſich ſelbſt aber als Subjectives
in Beziehung auf Objectives iſt, ſo bezieht er ſich auf
die Idee, als vorausgeſetzte oder unmittelbare.
Die unmittelbare Idee aber iſt das Leben.


Inſofern wuͤrde ſich die Nothwendigkeit, die Idee
des Lebens in der Logik zu betrachten, auf die, auch
ſonſt anerkannte Nothwendigkeit, den concreten Begriff
des Erkennens hier abzuhandeln, gruͤnden. Dieſe Idee
hat ſich aber durch die eigene Nothwendigkeit des Be-
griffes herbeygefuͤhrt; die Idee, das an und fuͤr ſich
Wahre, iſt weſentlich Gegenſtand der Logik; da ſie
zuerſt in ihrer Unmittelbarkeit zu betrachten iſt, ſo iſt
ſie in dieſer Beſtimmtheit, in welcher ſie Leben iſt,
aufzufaſſen und zu erkennen, damit ihre Betrachtung
nicht etwas leeres und beſtimmungsloſes ſey. Es
kann nur etwa zu bemerken ſeyn, inwiefern die logiſche
Anſicht des Lebens von anderer wiſſenſchaftlicher Anſicht
deſſelben unterſchieden iſt; jedoch gehoͤrt hieher nicht,
wie in unphiloſophiſchen Wiſſenſchaften von ihm ge-
handelt wird, ſondern nur wie das logiſche Leben als
reine Idee, von dem Naturleben, das in der Natur-
phi-
[278]III.Abſchnitt. Idee.
philoſophie betrachtet wird, und von dem Leben,
inſofern es mit dem Geiſte in Verbindung ſteht, zu
unterſcheiden iſt. — Das erſtere iſt als das Leben der
Natur, das Leben, inſofern es in die Aeuſſerlich-
keit des Beſtehens
hinausgeworfen iſt, an der un-
organiſchen Natur ſeine Bedingung hat, und wie die
Momente der Idee eine Mannichfaltigkeit wirklicher Ge-
ſtaltungen ſind. Das Leben in der Idee iſt ohne ſolche
Vorausſetzungen, welche als Geſtalten der Wirk-
lichkeit ſind; ſeine Vorausſetzung iſt der Begriff,
wie er betrachtet worden iſt, einerſeits als ſubjectiver,
andererſeits als objectiver. In der Natur erſcheint
das Leben als die hoͤchſte Stuffe, welche von ihrer
Aeuſſerlichkeit dadurch erreicht wird, daß ſie in ſich ge-
gangen iſt, und ſich in der Subjectivitaͤt aufhebt. In
der Logik iſt es das einfache Inſichſeyn, welches in der
Idee des Lebens ſeine ihm wahrhaft entſprechende Aeuſ-
ſerlichkeit erreicht hat; der Begriff, der als ſubjectiver
fruͤher auftritt, iſt die Seele des Lebens ſelbſt; er iſt
der Trieb, der ſich durch die Objectivitaͤt hindurch ſeine
Realitaͤt vermittelt. Indem die Natur von ihrer Aeuſ-
ſerlichkeit aus dieſe Idee erreicht, geht ſie uͤber ſich hin-
aus, ihr Ende iſt nicht als ihr Anfang, ſondern als
ihre Graͤnze, worin ſie ſich ſelbſt aufhebt. — Eben ſo
erhalten in der Idee des Lebens die Momente ſeiner
Realitaͤt nicht die Geſtalt aͤuſſerlicher Wirklichkeit, ſon-
dern bleiben in die Form des Begriffes eingeſchloſſen.


Im Geiſte aber erſcheint das Leben theils ihm
gegenuͤber, theils als mit ihm in eins geſetzt, und dieſe
Einheit wieder durch ihn rein herausgebohren. Das
Leben iſt hier nemlich uͤberhaupt in ſeinem eigentlichen
Sinne als natuͤrliches Leben zu nehmen, denn
was das Leben des Geiſtes als Geiſtes genannt
wird, iſt ſeine Eigenthuͤmlichkeit, welche dem bloſſen Le-
ben
[279]I.Kapitel. Das Leben.
ben gegenuͤberſteht; wie auch von der Natur des Gei-
ſtes geſprochen wird, obgleich der Geiſt kein Natuͤrli-
ches, und vielmehr der Gegenſatz zur Natur iſt. Das
Leben als ſolches alſo iſt fuͤr den Geiſt theils Mittel,
ſo ſtellt er es ſich gegenuͤber; theils iſt er lebendiges In-
dividuum, und das Leben ſein Koͤrper, theils wird dieſe
Einheit ſeiner mit ſeiner lebendigen Koͤrperlichkeit aus
ihm ſelbſt zum Ideal herausgebohren. Keine dieſer
Beziehungen auf den Geiſt, geht das logiſche Leben an,
und es iſt hier weder als Mittel eines Geiſtes, noch
als ſein lebendiger Leib, noch als Moment des Ideals
und der Schoͤnheit zu betrachten. — Das Leben hat in
beyden Faͤllen, wie es natuͤrliches und wie es mit
dem Geiſte
in Beziehung ſteht, eine Beſtimmtheit
ſeiner Aeuſſerlichkeit
, dort durch ſeine Voraus-
ſetzungen, welches andere Geſtaltungen der Natur ſind,
hier aber durch die Zwecke und Thaͤtigkeit des Geiſtes.
Die Idee des Lebens fuͤr ſich, iſt frey von jener vor-
ausgeſetzten und bedingenden Objectivitaͤt, ſo wie von
der Beziehung auf dieſe Subjectivitaͤt.


Das Leben in ſeiner Idee nun naͤher betrachtet,
iſt an und fuͤr ſich abſolute Allgemeinheit; die Ob-
jectivitaͤt, welche es an ihm hat, iſt vom Begriffe
ſchlechthin durchdrungen, ſie hat nur ihn zur Subſtanz.
Was ſich als Theil oder nach ſonſtiger aͤuſſere Reflexion
unterſcheidet, hat den ganzen Begriff in ſich ſelbſt; er
iſt die darin allgegenwaͤrtige Seele, welche ein-
fache Beziehung auf ſich ſelbſt, und Eins in der Man-
nichfaltigkeit bleibt, die dem objectiven Seyn zukommt.
Dieſe Mannichfaltigkeit hat als die ſich aͤuſſerliche Ob-
jectivitaͤt, ein gleichguͤltiges Beſtehen, das im Raume
und in der Zeit, wenn dieſe hier ſchon erwaͤhnt werden
koͤnnten, ein ganz verſchiedenes und ſelbſtſtaͤndiges Auſ-
ſereinander iſt. Aber die Aeuſſerlichkeit iſt im Leben
zu-
[280]III.Abſchnitt. Idee.
zugleich als die einfache Beſtimmtheit ſeines Be-
griffs; ſo iſt die Seele allgegenwaͤrtig in dieſe Man-
nichfaltigkeit ausgegoſſen, und bleibt zugleich ſchlechthin
das einfache Einsſeyn des concreten Begriffs mit ſich
ſelbſt. — Am Leben, an dieſer Einheit ſeines Begriffs
in der Aeuſſerlichkeit der Objectivitaͤt, in der abſoluten
Vielheit der atomiſtiſchen Materie, gehen dem Denken,
das ſich an die Beſtimmungen der Reflexionsverhaͤltniſſe
und des formalen Begriffes haͤlt, ſchlechthin alle ſeine
Gedanken aus; die Allgegenwart des Einfachen in der
vielfachen Aeuſſerlichkeit, iſt fuͤr die Reflexion ein abſo-
luter Widerſpruch, und inſofern ſie dieſelbe zugleich aus
der Wahrnehmung des Lebens auffaſſen, hiemit die Wirk-
lichkeit dieſer Idee zugeben muß, ein unbegreifli-
ches Geheimniß
, weil ſie den Begriff nicht erfaßt,
und den Begriff nicht als die Subſtanz des Lebens. —
Das einfache Leben iſt aber nicht nur allgegenwaͤrtig,
ſondern ſchlechthin das Beſtehen und die immanen-
te Subſtanz
ſeiner Objectivitaͤt, aber als ſubjective
Subſtanz Trieb, und zwar der ſpecifiſche Trieb
des beſondern Unterſchiedes, und eben ſo weſentlich
der Eine und allgemeine Trieb des Specifiſchen, der
dieſe ſeine Beſonderung in die Einheit zuruͤckfuͤhrt und
darin erhaͤlt. Das Leben iſt nur als dieſe negative
Einheit
ſeiner Objectivitaͤt und Beſonderung ſich auf
ſich beziehendes, fuͤr ſich ſeyendes Leben, eine Seele.
Es iſt damit weſentlich Einzelnes, welches auf die
Objectivitaͤt ſich als auf ein Anderes, eine unlebendige
Natur bezieht. Das urſpruͤngliche Urtheil des Le-
bens beſteht daher darin, daß es ſich als individuel-
les Subject gegen das Objective abſcheidet, und in-
dem es ſich als die negative Einheit des Begriffs con-
ſtituirt, die Vorausſetzung einer unmittelbaren Ob-
jectivitaͤt macht.


Das
[281]I.Kapitel. Das Leben.

Das Leben iſt daher erſtlich zu betrachten als
lebendiges Individuum, das fuͤr ſich die ſub-
jective Totalitaͤt, und als gleichguͤltig vorausgeſetzt iſt
gegen eine ihm als gleichguͤltig gegenuͤberſtehende Ob-
jectivitaͤt.


Zweytens iſt es der Lebensproceß, ſeine
Vorausſetzung aufzuheben, die gegen daſſelbe gleichguͤlti-
ge Objectivitaͤt als negativ zu ſetzen, und ſich als ihre
Macht und negative Einheit zu verwirklichen. Damit
macht es ſich zum Allgemeinen, das die Einheit ſeiner
ſelbſt und ſeines Andern iſt. Das Leben iſt daher


Drittens der Proceß der Gattung, ſeine
Vereinzelung aufzuheben, und ſich zu ſeinem objectiven
Daſeyn als zu ſich ſelbſt zu verhalten. Dieſer Proceß
iſt hiemit einerſeits die Ruͤckkehr zu ſeinem Begriffe,
und die Wiederhohlung der erſten Diremtion, das Wer-
den einer neuen, und der Tod der erſten unmittelbaren
Individualitaͤt; andererſeits aber iſt der in ſich ge-
gangene Begriff
des Lebens das Werden des ſich
zu ſich ſelbſt verhaltenden, als allgemein und frey fuͤr
ſich exiſtirenden Begriffes, der Uebergang in das Er-
kennen
.


A.
Das lebendige Individuum.

1. Der Begriff des Lebens oder das allgemeine
Leben iſt die unmittelbare Idee, der Begriff, dem ſeine
Objectivitaͤt angemeſſen iſt; aber ſie iſt ihm nur ange-
meſſen, inſofern er die negative Einheit dieſer Aeuſſer-
lichkeit iſt, das heißt, ſie ſich angemeſſen ſetzt. Die
un-
[282]III.Abſchnitt. Idee.
unendliche Beziehung des Begriffes auf ſich ſelbſt, iſt
als die Negativitaͤt das Selbſtbeſtimmen, die Diremtion
ſeiner in ſich als ſubjective Einzelnheit, und
in ſich als gleichguͤltige Allgemeinheit
. Die
Idee des Lebens in ihrer Unmittelbarkeit iſt nur erſt
die ſchoͤpferiſche allgemeine Seele. Um dieſer Unmit-
telbarkeit willen iſt ihre erſte negative Beziehung der
Idee in ſich ſelbſt, Selbſtbeſtimmung ihrer als Be-
griff
, — das Setzen an ſich, welches erſt als Ruͤck-
kehr in ſich Fuͤr-ſich-ſeyn iſt; das ſchoͤpferiſche
Vorausſetzen. Durch diß Selbſtbeſtimmen iſt das
allgemeine Leben ein Beſonderes; es hat ſich
damit in die beyden Extreme des Urtheils, das unmit-
telbar Schluß wird, entzweyt.


Die Beſtimmungen des Gegenſatzes, ſind die all-
gemeinen Beſtimmungen des Begriffs, denn es
iſt der Begriff, dem die Entzweyung zukommt; aber die
Erfuͤllung derſelben iſt die Idee. Das eine iſt die
Einheit des Begriffs und der Realitaͤt, welche die
Idee iſt, als die unmittelbare, die ſich fruͤher
als die Objectivitaͤt gezeigt hat. Allein ſie iſt hier
in anderer Beſtimmung. Dort war ſie die Einheit des
Begriffs und der Realitaͤt, inſofern der Begriff in ſie
uͤbergegangen und nur in ſie verloren iſt; er ſtand ihr
nicht gegenuͤber, oder weil er ihr nur Innres iſt, iſt
er nur eine ihr aͤuſſerliche Reflexion. Jene Objecti-
vitaͤt iſt daher das Unmittelbare ſelbſt auf unmittelbare
Weiſe. Hier hingegen iſt ſie nur das aus dem Be-
griffe hervorgegangene, ſo daß ihr Weſen das Geſetzt-
ſeyn, daß ſie als Negatives iſt. — Sie iſt als die
Seite der Allgemeinheit des Begriffes anzu-
ſehen, ſomit als abſtracte Allgemeinheit, weſentlich
nur dem Subjecte inhaͤrirend, und in der Form des
unmittelbaren Seyns, das fuͤr ſich geſetzt, gegen das
Sub-
[283]I.Kapitel. Das Leben.
Subject gleichguͤltig ſey. Die Totalitaͤt des Begriffes,
welche der Objectivitaͤt zukommt, iſt inſofern gleichſam
nur eine geliehene; die letzte Selbſtſtaͤndigkeit, die
ſie gegen das Subject hat, iſt jenes Seyn, welches
ſeiner Wahrheit nach nur jenes Moment des Begriffes
iſt, der als Vorausſetzend in der erſten Beſtimmt-
heit eines an ſich ſeyenden Setzens iſt, welches noch
nicht als Setzen, als die in ſich reflectirte Einheit iſt.
Aus der Idee hervorgegangen iſt alſo die ſelbſtſtaͤndige
Objectivitaͤt unmittelbares Seyn, nur als das Praͤdi-
cat
des Urtheils der Selbſtbeſtimmung des Begriffs, —
ein zwar vom Subjecte verſchiedenes Seyn, aber zu-
gleich weſentlich geſetzt als Moment des Begriffs.


Dem Inhalte nach iſt dieſe Objectivitaͤt die Tota-
litaͤt des Begriffes, die aber deſſen Subjectivitaͤt, oder
negative Einheit ſich gegenuͤberſtehen hat, welche die
wahrhafte Centralitaͤt ausmacht, nemlich ſeine freye
Einheit mit ſich ſelbſt. Dieſes Subject iſt die Idee
in der Form der Einzelnheit; als einfache aber
negative Identitaͤt mit ſich; das lebendige In-
dividuum
.


Dieſes iſt erſtlich das Leben als Seele; als der
Begriff ſeiner ſelbſt, der in ſich vollkommen beſtimmt
iſt, das anfangende, ſich ſelbſt bewegende Princip.
Der Begriff enthaͤlt in ſeiner Einfachheit die beſtimmte
Aeuſſerlichkeit als einfaches Moment in ſich einge-
ſchloſſen. — Aber ferner iſt dieſe Seele in ihrer Un-
mittelbarkeit
, unmittelbar aͤuſſerlich, und hat ein
objectives Seyn an ihr ſelbſt; — die dem Zwecke un-
terworfene Realitaͤt, das unmittelbare Mittel, zunaͤchſt
die Objectivitaͤt als Praͤdicat des Subjects, aber
fernerhin iſt ſie auch die Mitte des Schluſſes; die
Leiblichkeit der Seele iſt das, wodurch ſie ſich mit der
aͤuſſerlichen Objectivitaͤt zuſammenſchließt. — Die Leib-
lich-
[284]III.Abſchnitt. Idee.
lichkeit hat das Lebendige, zunaͤchſt als die unmittelbar mit
dem Begriff identiſche Realitaͤt; ſie hat dieſelbe inſofern
uͤberhaupt von Natur.


Weil nun dieſe Objectivitaͤt Praͤdicat des Indi-
viduums und in die ſubjective Einheit aufgenommen iſt,
ſo kommen ihr nicht die fruͤhern Beſtimmungen des Objects,
das mechaniſche oder chemiſche Verhaͤltniß, noch weni-
ger die abſtracten Reflexionsverhaͤltniſſe von Ganzem
und Theilen u. drgl. zu. Als Aeuſſerlichkeit iſt ſie ſol-
cher Verhaͤltniſſe zwar faͤhig, aber inſofern iſt ſie nicht
lebendiges Daſeyn; wenn das Lebendige, als ein Gan-
zes, das aus Theilen beſteht, als ein ſolches, auf wel-
ches mechaniſche oder chemiſche Urſachen einwirken, als
mechaniſches oder chemiſches Product, es ſey bloß als
ſolches oder auch durch einen aͤuſſerlichen Zweck be-
ſtimmtes genommen wird, ſo wird der Begriff ihm als
aͤuſſerlich, es wird als ein Todtes genommen. Da
ihm der Begriff immanent iſt, ſo iſt die Zweckmaͤſ-
ſigkeit
des Lebendigen als innre zu faſſen; er iſt in
ihm als beſtimmter, von ſeiner Aeuſſerlichkeit unterſchie-
dener, und in ſeinem Unterſcheiden ſie durchdringender
und mit ſich identiſcher Begriff. Dieſe Objectivitaͤt des
Lebendigen iſt Organismus; ſie iſt das Mittel
und Werkzeug
des Zwecks, vollkommen zweckmaͤſſig,
da der Begriff ihre Subſtanz ausmacht; aber eben des-
wegen iſt diß Mittel und Werkzeug ſelbſt der ausgefuͤhr-
te Zweck, in welchem der ſubjective Zweck inſofern un-
mittelbar mit ſich ſelbſt zuſammen geſchloſſen iſt. Nach
der Aeuſſerlichkeit des Organismus iſt er ein vielfaches
nicht von Theilen, ſondern von Gliedern, welche
als ſolche a) nur in der Individualitaͤt beſtehen; ſie
ſind trennbar, inſofern ſie aͤuſſerliche ſind, und an die-
ſer Aeuſſerlichkeit gefaßt werden koͤnnen; aber inſofern
ſie getrennt werden, kehren ſie unter die mechaniſchen
und
[285]I.Kapitel. Das Leben.
und chemiſchen Verhaͤltniſſe der gemeinen Objectivitaͤt
zuruͤck. b) Ihre Aeuſſerlichkeit iſt der negativen Einheit
der lebendigen Individualitaͤt entgegen; dieſe iſt daher
Trieb, das abſtracte Moment der Beſtimmtheit des
Begriffes als reellen Unterſchied zu ſetzen; indem dieſer
Unterſchied unmittelbar iſt, iſt er Trieb jedes
einzelnen, ſpecifiſchen Moments ſich zu pro-
duciren, und eben ſo ſeine Beſonderheit zur Allgemein-
heit zu erheben, die andern ihm aͤuſſerlichen aufzuheben,
ſich auf ihre Koſten hervorzubringen, aber ebenſoſehr
ſich ſelbſt aufzuheben und ſich zum Mittel fuͤr die an-
dern zu machen.


2. Dieſer Proceß der lebendigen Individualitaͤt
iſt auf ſie ſelbſt beſchraͤnkt, und faͤllt noch ganz inner-
halb ihrer. — Im Schluſſe der aͤuſſerlichen Zweckmaͤſ-
ſigkeit iſt vorhin die erſte Praͤmiſſe deſſelben, daß ſich
der Zweck unmittelbar auf die Objectivitaͤt bezieht und
ſie zum Mittel macht, ſo betrachtet worden, daß in ihr
zwar der Zweck ſich darin gleich bleibt, und in ſich zu-
ruͤckgegangen iſt, aber die Objectivitaͤt an ihr ſelbſt
ſich noch nicht aufgehoben, der Zweck daher in ihr in-
ſofern nicht an und fuͤr ſich iſt, und diß erſt im
Schlußſatze wird. Der Proceß des Lebendigen mit ſich
ſelbſt, iſt jene Praͤmiſſe, inſofern ſie aber zugleich Schluß-
ſatz, inſofern die unmittelbare Beziehung des Subjects
auf die Objectivitaͤt, welche dadurch Mittel und Werk-
zeug wird, zugleich als die negative Einheit des
Begriffs an ſich ſelbſt iſt; der Zweck fuͤhrt ſich in dieſer
ſeiner Aeuſſerlichkeit dadurch aus, daß er ihre ſubjective
Macht, und der Proceß iſt, worin ſie ihre Selbſtaufloͤ-
ſung und Ruͤckkehr in die ſeine negative Einheit aufzeigt.
Die Unruhe und Veraͤnderlichkeit der aͤuſſerlichen Seite
des Lebendigen iſt die Manifeſtation des Begriffs an
ihm, der als die Negativitaͤt an ſich ſelbſt, nur Objecti-
vitaͤt
[286]III.Abſchnitt. Idee.
vitaͤt hat, inſofern ſich ihr gleichguͤltiges Beſtehen als
ſich aufhebend zeigt. Der Begriff producirt alſo durch
ſeinen Trieb ſich ſo, daß das Product, indem er deſſen
Weſen iſt, ſelbſt das Producirende iſt, daß es nemlich
Product nur als die ſich eben ſo negativ ſetzende Aeuſ-
ſerlichkeit, oder als der Proceß des Producirens iſt.


3. Die ſo eben betrachtete Idee iſt nun der Be-
griff
des lebendigen Subjects und ſeines Pro-
ceſſes
; die Beſtimmungen, die im Verhaͤltniſſe zu ein-
ander ſind, ſind die ſich auf ſich beziehende negative
Einheit
des Begriffs und die Objectivitaͤt, welche
ſein Mittel, in welcher er aber in ſich ſelbſt zuruͤck-
gekehrt
iſt. Aber indem diß Momente der Idee des
Lebens innerhalb ſeines Begriffes ſind, ſo ſind
es nicht die beſtimmten Begriffs-Momente des leben-
digen Individuums in ſeiner Realitaͤt
. Die
Objectivitaͤt oder Leiblichkeit deſſelben iſt concrete To-
talitaͤt; jene Momente ſind die Seiten, aus welchen ſich
die Lebendigkeit conſtituirt; ſie ſind daher nicht die Mo-
mente dieſer ſchon durch die Idee conſtituirten Lebendig-
keit. Die lebendige Objectivitaͤt des Individuums
aber als ſolche, da ſie vom Begriffe beſeelt und ihn zur
Subſtanz hat, hat auch an ihr zu weſentlichem Unter-
ſchiede ſolche, welche ſeine Beſtimmungen ſind, Allge-
meinheit, Beſonderheit
und Einzelnheit; die
Geſtalt, als in welcher ſie aͤuſſerlich unterſchieden
ſind, iſt daher nach denſelben eingetheilt, oder einge-
ſchnitten (inſectum).


Sie iſt hiemit erſtlich Allgemeinheit, das
rein nur in ſich ſelbſt Erzittern der Lebendigkeit, die
Senſibilitaͤt. Der Begriff der Allgemeinheit, wie
er ſich oben ergeben hat, iſt die einfache Unmittelbar-
keit, welche diß aber nur iſt, als abſolute Negativitaͤt
in ſich. Dieſer Begriff des abſoluten Unterſchie-
des,
[287]I.Kapitel. Das Leben.
des, wie ſeine Negativitaͤt in der Einfachheit auf-
geloͤßt
und ſich ſelbſt gleich iſt, iſt in der Senſibilitaͤt
zur Anſchauung gebracht. Sie iſt das Inſichſeyn, nicht
als abſtracte Einfachheit, ſondern eine unendliche be-
ſtimmbare
Receptivitaͤt, welche in ihrer Beſtimmt-
heit
nicht ein mannichfaltiges und aͤuſſerliches wird,
ſondern ſchlechthin in ſich reflectirt iſt. Die Beſtimmt-
heit
iſt in dieſer Allgemeinheit als einfaches Prin-
cip
; die einzelne aͤuſſerliche Beſtimmtheit, ein ſogenann-
ter Eindruck, geht aus ſeiner aͤuſſerlichen und man-
nichfaltigen Beſtimmung in dieſe Einfachheit des Selbſt-
gefuͤhls
zuruͤck. Die Senſibilitaͤt kann ſomit als
das Daſeyn der in ſich ſeyenden Seele betrachtet wer-
den, da ſie alle Aeuſſerlichkeit in ſich aufnimmt, dieſelbe
aber in die vollkommene Einfachheit der ſich gleichen
Allgemeinheit zuruͤckfuͤhrt.


Die zweyte Beſtimmung des Begriffs iſt die Be-
ſonderheit
, das Moment des geſetzten Unterſchie-
des; die Eroͤfnung der Negativitaͤt, welche im einfachen
Selbſtgefuͤhl eingeſchloſſen, oder in ihm ideelle noch
nicht reelle Beſtimmtheit iſt; — die Irritabilitaͤt.
Das Gefuͤhl iſt um der Abſtraction ſeiner Negativitaͤt
willen, Trieb; es beſtimmt ſich; die Selbſtbeſtim-
mung des Lebendigen iſt ſein Urtheil oder Verendlichung,
wornach es ſich auf das Aeuſſerliche als auf eine vor-
ausgeſetzte
Objectivitaͤt bezieht, und in Wechſelwir-
kung damit iſt. — Nach ſeiner Beſonderheit iſt es nun
theils Art neben andern Arten von Lebendigen; die
formale Reflexion dieſer gleichguͤltigen Verſchie-
denheit
in ſich iſt die formale Gattung und deren
Syſtematiſirung; die individuelle Reflexion aber iſt, daß
die Beſonderheit die Negativitaͤt ihrer Beſtimmtheit, als
einer Richtung nach Auſſen, die ſich auf ſich beziehende
Negativitaͤt des Begriffes iſt.


Nach
[288]III.Abſchnitt. Idee.

Nach dieſer dritten Beſtimmung iſt das Leben-
dige als Einzelnes. Naͤher beſtimmt ſich dieſe Re-
flexion- in- ſich ſo, daß das Lebendige in der Irritabili-
taͤt Aeuſſerlichkeit ſeiner gegen ſich ſelbſt, gegen die Ob-
jectivitaͤt iſt, welche es als ſein Mittel und Werkzeug
unmittelbar an ihm hat, und die aͤuſſerlich beſtimmbar
iſt. Die Reflexion- in- ſich hebt dieſe Unmittelbarkeit
auf, — einerſeits als theoretiſche Reflexion; inſofern
nemlich die Negativitaͤt als einfaches Moment der Sen-
ſibilitaͤt iſt, das in derſelben betrachtet wurde, und
welches das Gefuͤhl ausmacht, — andererſeits als
reelle indem ſich die Einheit des Begriffes in ſei-
ner aͤuſſerlichen Objectivitaͤt
als negative Ein-
heit ſetzt, die Reproduction. — Die beyden erſten
Momente, die Senſibilitaͤt und Irritabilitaͤt, ſind ab-
ſtracte Beſtimmungen; in der Reproduction iſt das Le-
ben Concretes und Lebendigkeit, es hat in ihr, als
ſeiner Wahrheit, erſt auch Gefuͤhl, und Widerſtands-
kraft. Die Reproduction iſt die Negativitaͤt als ein-
faches Moment der Senſibilitaͤt, und die Irritabilitaͤt iſt
nur lebendige Widerſtandskraft, daß das Verhaͤltniß
zum Aeuſſerlichen Reproduction und individuelle Iden-
titaͤt mit ſich iſt. Jedes der einzelne Momente iſt we-
ſentlich die Totalitaͤt aller, ihren Unterſchied macht die
ideelle Formbeſtimmtheit aus, welche in der Repro-
duction als concrete Totalitaͤt des Ganzen geſetzt iſt.
Diß Ganze iſt daher einerſeits als Drittes, nemlich als
reelle Totalitaͤt jenen beſtimmten Totalitaͤten entgegen-
geſetzt, andererſeits aber iſt es deren Anſichſeyende We-
ſenheit, zugleich das worin ſie als Momente zuſammen-
gefaßt ſind, und ihr Subject und Beſtehen haben.


Mit der Reproduction als dem Momente der Ein-
zelnheit, ſetzt ſich das Lebendige als wirkliche Indi-
vidualitaͤt, ein ſich auf ſich beziehendes Fuͤrſichſeyn; iſt
aber
[289]I.Kapitel. Das Leben.
aber zugleich reelle Beziehung nach Auſſen; die
Reflexion der Beſonderheit oder Irritabilitaͤt gegen
ein Anderes
, gegen die objective Welt. Der
innerhalb des Individuum eingeſchloſſene Proceß des Le-
bens geht in die Beziehung zur vorausgeſetzten Objecti-
vitaͤt als ſolcher dadurch uͤber, daß das Individuum,
indem es ſich als ſubjective Totalitaͤt ſetzt, auch das
Moment ſeiner Beſtimmtheit als Beziehung
auf die Aeuſſerlichkeit, zur Totalitaͤt wird.


B.
Der Lebens-Proceß.

Daß das lebendige Individuum ſich in ſich ſelbſt
geſtaltet, damit ſpannt es ſich gegen ſein urſpruͤngliches
Vorausſetzen, und ſtellt ſich als an und fuͤr ſich ſeyen-
des Subject, der vorausgeſetzten objectiven Welt gegen-
uͤber. Das Subject iſt der Selbſtzweck, der Begriff,
welcher an der ihm unterworfenen Objectivitaͤt ſein Mit-
tel und ſubjective Realitaͤt hat; hiedurch iſt es als die
an und fuͤr ſich ſeyende Idee und als das weſentliche
Selbſtſtaͤndige conſtituirt, gegen welches die vorausge-
ſetzte aͤuſſerliche Welt nur den Werth eines Negativen
und Unſelbſtſtaͤndigen hat. In ſeinem Selbſtgefuͤhle
hat das Lebendige dieſe Gewißheit von der an ſich
ſeyenden Nichtigkeit des ihm gegenuͤberſtehenden
Andersſeyns. Sein Trieb iſt das Beduͤrfniß, diß
Andersſeyn aufzuheben, und ſich die Wahrheit jener Ge-
wißheit zu geben. Das Individuum iſt als Subject zu-
naͤchſt erſt der Begriff der Idee des Lebens; ſein ſub-
jectiver Proceß in ſich, in welchem es aus ſich ſelbſt
zehrt, und die unmittelbare Objectivitaͤt, welche es als
Tna-
[290]III.Abſchnitt. Idee.
natuͤrliches Mittel, ſeinem Begriffe gemaͤß ſetzt, iſt ver-
mittelt durch den Proceß, der ſich auf die vollſtaͤndig ge-
ſetzte Aeuſſerlichkeit, auf die gleichguͤltig neben ihm
ſtehende objective Totalitaͤt bezieht.


Dieſer Proceß faͤngt mit dem Beduͤrfniſſe an,
das iſt dem Momente, daß das Lebendige erſtlich ſich
beſtimmt, ſich ſomit als verneint ſetzt, und hiedurch auf
eine gegen ſich andre, die gleichguͤltige Objectivitaͤt
bezieht; — daß es aber zweytens ebenſoſehr in die-
ſen Verluſt ſeiner nicht verloren iſt, ſich darin erhaͤlt
und die Identitaͤt des ſich ſelbſt gleichen Begriffes bleibt;
hiedurch iſt es der Trieb jene ihm andre Welt fuͤr
ſich
, ſich gleich zu ſetzen, ſie aufzuheben und ſich zu
objectiviren. Dadurch hat ſeine Selbſtbeſtimmung die
Form von objectiver Aeuſſerlichkeit, und daß es zugleich
identiſch mit ſich iſt, iſt es der abſolute Widerſpruch.
Die unmittelbare Geſtaltung iſt die Idee in ihrem ein-
fachen Begriffe, die dem Begriffe gemaͤſſe Objectivitaͤt;
ſo iſt ſie gut von Natur. Aber indem ihr negatives
Moment ſich zur objectiven Beſonderheit, d. i. indem die
weſentlichen Momente ihrer Einheit jedes fuͤr ſich zur
Totalitaͤt realiſirt iſt, ſo iſt der Begriff in die abſolute
Ungleichheit ſeiner mit ſich entzweyt, und indem er
eben ſo die abſolute Identitaͤt in dieſer Entzweyung iſt,
ſo iſt das Lebendige fuͤr ſich ſelbſt dieſe Entzweyung
und hat das Gefuͤhl dieſes Widerſpruchs, welches der
Schmerz iſt. Der Schmerz iſt daher das Vorrecht
lebendiger Naturen; weil ſie der exiſtirende Begriff ſind,
ſind ſie eine Wirklichkeit von der unendlichen Kraft, daß
ſie in ſich die Negativitaͤt ihrer ſelbſt ſind, daß die-
ſe ihre Negativitaͤt fuͤr ſie iſt, daß ſie ſich in
ihrem Andersſeyn erhalten. — Wenn man ſagt, daß
der Widerſpruch nicht denkbar ſey, ſo iſt er vielmehr im
Schmerz des Lebendigen ſogar eine wirkliche Exiſtenz.


Die-
[291]I.Kapitel. Das Leben.

Dieſe Diremtion des Lebendigen in ſich iſt Ge-
fuͤhl
, indem ſie in die einfache Allgemeinheit des Be-
griffs, in die Senſibilitaͤt aufgenommen iſt. Von dem
Schmerz faͤngt das Beduͤrfniß und der Trieb an,
die den Uebergang ausmachen, daß das Individuum
wie es als Negation ſeiner fuͤr ſich iſt, ſo auch als
Identitaͤt fuͤr ſich werde, — eine Identitaͤt, welche nur
als die Negation jener Negation iſt. — Die Identitaͤt,
die im Triebe als ſolchem iſt, iſt die ſubjective Gewiß-
heit ſeiner ſelbſt, nach welcher es ſich zu ſeiner aͤuſſer-
lichen, gleichguͤltig exiſtirenden Welt als zu einer Er-
ſcheinung, einer an ſich begriffloſen und unweſentlichen
Wirklichkeit verhaͤlt. Sie ſoll den Begriff in ſich erſt
durch das Subject erhalten, welches der immanente
Zweck iſt. Die Gleichguͤltigkeit der objectiven Welt
gegen die Beſtimmtheit und damit gegen den Zweck,
macht ihre aͤuſſerliche Faͤhigkeit aus, dem Subject ange-
meſſen zu ſeyn; welche Specificationen ſie ſonſt an ihr
habe, ihre mechaniſche Beſtimmbarkeit, der Mangel an
der Freyheit des immanenten Begriffs macht ihre Ohn-
macht aus, ſich gegen das Lebendige zu erhalten. — In-
ſofern das Object gegen das Lebendige zunaͤchſt als ein
gleichguͤltiges Aeuſſerliches iſt, kann es mechaniſch auf
daſſelbe einwirken; ſo aber wirkt es nicht als auf ein
Lebendiges; inſofern es ſich zu dieſem verhaͤlt, wirkt es
nicht als Urſache, ſondern erregt es. Weil das Le-
bendige Trieb iſt, kommt die Aeuſſerlichkeit an und in
daſſelbe, nur inſofern ſie ſchon an und fuͤr ſich in ihm
iſt; die Einwirkung auf das Subject beſteht daher nur
darin, daß dieſes die ſich darbietende Aeuſſerlichkeit
entſprechend findet; — ſie mag ſeiner Totalitaͤt
auch nicht angemeſſen ſeyn, ſo muß ſie wenigſtens einer
beſondern Seite an ihm entſprechen, und dieſe Moͤg-
lichkeit liegt darin, daß es eben als ſich aͤuſſerlich ver-
haltend ein Beſonderes iſt.


T 2Das
[292]III.Abſchnitt. Idee.

Das Subject uͤbt nun, inſofern es in ſeinem Be-
duͤrfniß beſtimmt ſich auf das Aeuſſerliche bezieht, und
damit ſelbſt aͤuſſerliches oder Werkzeug iſt, Gewalt
uͤber das Object aus. Sein beſonderer Charakter, ſei-
ne Endlichkeit uͤberhaupt, faͤllt in die beſtimmtere Er-
ſcheinung dieſes Verhaͤltniſſes. — Das Aeuſſerliche daran
iſt der Proceß der Objectivitaͤt uͤberhaupt, Mechanis-
mus und Chemismus. Derſelbe wird aber unmittelbar
abgebrochen und die Aeuſſerlichkeit in Innerlichkeit ver-
wandelt. Die aͤuſſerliche Zweckmaͤſ[ſ]igkeit, welche durch
die Thaͤtigkeit des Subjects in dem gleichguͤltigen Object
zunaͤchſt hervorgebracht wird, wird dadurch aufgehoben,
daß das Object gegen den Begriff keine Subſtanz iſt,
der Begriff daher nicht nur deſſen aͤuſſere Form werden
kann, ſondern ſich als deſſen Weſen und immanente,
durchdringende Beſtimmung, ſeiner urſpruͤnglichen Iden-
titaͤt gemaͤß, ſetzen muß.


Mit der Bemaͤchtigung des Objects geht daher der
mechaniſche Proceß in den innern uͤber, durch welchen
das Individuum ſich das Object ſo aneignet, daß es
ihm die eigenthuͤmliche Beſchaffenheit benimmt, es zu
ſeinem Mittel macht, und ſeine Subjectivitaͤt ihm zur
Subſtanz gibt. Dieſe Aſſimilation tritt damit in eins
zuſammen mit dem oben betrachteten Reproductionspro-
ceß des Individuums; es zehrt in dieſem zunaͤchſt aus
ſich, indem es ſeine eigene Objectivitaͤt ſich zum Objecte
macht; der mechaniſche und chemiſche Conflict ſeiner
Glieder mit den aͤuſſerlichen Dingen iſt ein objectives
Moment ſeiner. Das Mechaniſche und Chemiſche des
Proceſſes iſt ein Beginnen der Aufloͤſung des Lebendi-
gen. Da das Leben die Wahrheit dieſer Proceſſe, hie-
mit als Lebendiges die Exiſtenz dieſer Wahrheit und die
Macht derſelben iſt, greift es uͤber ſie uͤber, durchdringt
ſie als ihre Allgemeinheit, und ihr Product iſt durch
daſ-
[293]I.Kapitel. Das Leben.
daſſelbe vollkommen beſtimmt. Dieſe ihre Verwandlung
in die lebendige Individualitaͤt macht die Ruͤckkehr die-
ſer letztern in ſich ſelbſt aus, ſo daß die Production,
welche als ſolche das Uebergehen in ein Anderes ſeyn
wuͤrde, zur Reproduction wird, in der das Lebendige,
ſich fuͤr ſich identiſch mit ſich ſetzt.


Die unmittelbare Idee iſt auch die unmittelbare,
nicht als fuͤr ſich ſeyende Identitaͤt des Begriffes und
der Realitaͤt; durch den objectiven Proceß gibt ſich das
Lebendige ſein Selbſtgefuͤhl; denn es ſetzt ſich
darin als das, was es an und fuͤr ſich iſt, in ſeinem
als gleichguͤltig geſetzten Andersſeyn, das identiſche mit
ſich ſelbſt, die negative Einheit des Negativen zu ſeyn.
In dieſem Zuſammengehen des Individuums mit ſei-
ner zunaͤchſt ihm als gleichguͤltig vorausgeſetzten Ob-
jectivitaͤt hat es, ſo wie auf einer Seite ſich als wirk-
liche Einzelnheit conſtituirt, ſo ſehr ſeine Beſonder-
heit aufgehoben
und ſich zur Allgemeinheit er-
hoben. Seine Beſonderheit beſtand in der Direm-
tion, wodurch das Leben als ſeine Arten, das indi-
viduelle Leben, und die ihm aͤuſſerliche Objectivitaͤt ſetz-
te. Durch den aͤuſſern Lebensproceß hat es ſich ſomit
als reelles allgemeines Leben, als Gattung, geſetzt.


C.
Die Gattung.

Das lebendige Individuum zuerſt aus dem allge-
meinen Begriffe des Lebens abgeſchieden, iſt eine Vor-
ausſetzung, die noch nicht durch ſich ſelbſt bewaͤhrt iſt.
Durch den Proceß mit der zugleich damit vorausgeſetzten
Welt
[294]III.Abſchnitt. Idee.
Welt hat es ſich ſelbſt geſetzt, fuͤr ſich als die nega-
tive Einheit ſeines Andersſeyns, als die Grundlage ſei-
ner ſelbſt; es iſt ſo die Wirklichkeit der Idee, ſo daß
das Individuum nun aus der Wirklichkeit ſich hervor-
bringt, wie es vorher nur aus dem Begriffe hervor-
ging, und daß ſeine Entſtehung, die ein Vorausſetzen
war, nun ſeine Production wird.


Die weitere Beſtimmung aber, welche es durch die
Aufhebung des Gegenſatzes erlangt hat, iſt, Gattung
zu ſeyn, als Identitaͤt ſeiner mit ſeinem vorherigen
gleichguͤltigen Andersſeyn. Dieſe Idee des Individuum
iſt, da ſie dieſe weſentliche Identitaͤt iſt, weſentlich die
Beſonderung ihrer ſelbſt. Dieſe ihre Diremtion iſt nach
der Totalitaͤt, aus der ſie hervorgeht, die Verdopplung
des Individuums, — ein Vorausſetzen einer Objectivi-
taͤt, welche mit ihm identiſch iſt, und ein Verhalten des
Lebendigen zu ſich ſelbſt, als einem andern Lebendigen.


Diß Allgemeine iſt die dritte Stuffe, die Wahrheit
des Lebens, inſofern es noch innerhalb ſeiner Sphaͤre
eingeſchloſſen iſt. Dieſe Stuffe iſt der ſich auf ſich be-
ziehende Proceß des Individuums, wo die Aeuſſerlichkeit
ſein immanentes Moment iſt, zweytens dieſe Aeuſ-
ſerlichkeit iſt ſelbſt als lebendige Totalitaͤt, eine Objecti-
vitaͤt, die fuͤr das Individuum es ſelbſt iſt; — in der
es nicht als aufgehobener, ſondern als beſtehen-
der
, die Gewißheit ſeiner ſelbſt hat.


Weil nun das Verhaͤltniß der Gattung die Identi-
taͤt des individuellen Selbſtgefuͤhls in einem ſolchen iſt,
welches zugleich ein Anderes ſelbſtſtaͤndiges Individuum
iſt, iſt es der Widerſpruch; das Lebendige iſt ſomit
wieder Trieb. — Die Gattung iſt nun zwar die Vol-
lendung der Idee des Lebens, aber zunaͤchſt iſt ſie noch
innerhalb der Sphaͤre der Unmittelbarkeit; dieſe Allge-
mein-
[295]I.Kapitel. Das Leben.
meinheit iſt daher in einzelner Geſtalt wirklich;
der Begriff, deſſen Realitaͤt die Form unmittelbarer Ob-
jectivitaͤt hat. Das Individuum iſt daher an ſich
zwar Gattung, aber es iſt die Gattung nicht fuͤr ſich;
was fuͤr es iſt, iſt nur erſt ein anderes lebendiges In-
dividuum; der von ſich unterſchiedene Begriff hat zum
Gegenſtande, mit dem er identiſch iſt, nicht ſich als Be-
griff, ſondern einen Begriff, der als Lebendiges zugleich
aͤuſſerliche Objectivitaͤt fuͤr ihn hat, eine Form, die da-
her unmittelbar gegenſeitig iſt.


Die Identitaͤt mit dem andern, die Allgemeinheit
des Individuums iſt ſomit nur erſt innerliche oder
ſubjective; es hat daher das Verlangen, dieſelbe zu
ſetzen und ſich als Allgemeines zu realiſiren. Dieſer
Trieb der Gattung aber kann ſich nur realiſiren durch
Aufheben der noch gegen einander beſondern, einzelnen
Individualitaͤten. Zunaͤchſt inſofern es dieſe ſind, wel-
che an ſich allgemein die Spannung ihres Verlangens
befriedigen, und in ihre Gattungs-Allgemeinheit ſich auf-
loͤſen, ſo iſt ihre realiſirte Identitaͤt die negative Ein-
heit der aus der Entzweyung ſich in ſich reflectirenden
Gattung. Sie iſt inſofern die Individualitaͤt des Le-
bens ſelbſt, nicht mehr aus ſeinem Begriffe, ſondern aus
der wirklichen Idee erzeugt. Zunaͤchſt iſt ſie
ſelbſt nur der Begriff, der erſt ſich zu objectiviren hat,
aber der wirkliche Begriff; — der Keim eines
lebendigen Individuums
. In ihm iſt es fuͤr
die gemeine Wahrnehmung vorhanden, was
der Begriff iſt, und daß der ſubjective Begriff
aͤuſſerliche Wirklichkeit
hat. Denn der Keim des
Lebendigen iſt die vollſtaͤndige Concretion der Indivi-
dualitaͤt, in welcher alle ſeine verſchiedenen Seiten, Ei-
genſchaften und gegliederte Unterſchiede in ihrer gan-
zen Beſtimmtheit
enthalten und die zunaͤchſt im-
ma-
[296]III.Abſchnitt. Idee.
materielle, ſubjective Totalitaͤt unentwickelt, einfach
und nichtſinnlich iſt; der Keim iſt ſo das ganze Leben-
dige in der innerlichen Form des Begriffes.


Die Reflexion der Gattung in-ſich iſt nach die-
ſer Seite diß, wodurch ſie Wirklichkeit erhaͤlt,
indem das Moment der negativen Einheit und In-
dividualitaͤt in ihr geſetzt wird, — die Fort-
pflanzung
der lebenden Geſchlechter. Die Idee,
die als Leben noch in der Form der Unmittelbarkeit iſt,
faͤllt inſofern in die Wirklichkeit zuruͤck, und dieſe ihre
Reflexion iſt nur die Wiederhohlung und der unendliche
Progreß, in welchem ſie nicht aus der Endlichkeit ihrer
Unmittelbarkeit heraustritt. Aber dieſe Ruͤckkehr in ih-
ren erſten Begriff, hat auch die hoͤhere Seite, daß die
Idee nicht nur die Vermittlung ihrer Proceſſe innerhalb
der Unmittelbarkeit durchlauffen, ſondern eben damit dieſe
aufgehoben, und ſich dadurch in eine hoͤhere Form ih-
res Daſeyns erhoben hat.


Der Proceß der Gattung nemlich, in welchem die
einzelnen Individuen ihre gleichguͤltige, unmittelbare
Exiſtenz in einander aufheben und in dieſer negativen
Einheit erſterben, hat ferner zur andern Seite ſeines
Products die realiſirte Gattung, welche mit dem
Begriffe ſich identiſch geſetzt hat. — In dem Gattungs-
Proceß gehen die abgeſonderten Einzelnheiten des indi-
viduellen Lebens unter; die negative Identitaͤt, in der
die Gattung in ſich zuruͤckkehrt, iſt wie einerſeits das
Erzeugen der Einzelnheit, ſo andererſeits das
Aufheben derſelben
, iſt ſomit mit ſich zuſammen-
gehende Gattung, die fuͤr ſich werdende Allge-
meinheit
der Idee. In der Begattung erſtirbt die
Unmittelbarkeit der lebendigen Individualitaͤt; der Tod
dieſes Lebens iſt das Hervorgehen des Geiſtes. Die
Idee
[297]I.Kapitel. Das Leben.
Idee, die als Gattung an ſich iſt, iſt fuͤr ſich, in-
dem ſie ihre Beſonderheit, welche die lebendigen Ge-
ſchlechter ausmachte, aufgehoben, und damit ſich eine
Realitaͤt gegeben hat, welche ſelbſt einfache All-
gemeinheit
iſt; ſo iſt ſie die Idee, welche ſich zu
ſich
als Idee verhaͤlt, das Allgemeine, das die
Allgemeinheit zu ſeiner Beſtimmtheit und Daſeyn hat; —
die Idee des Erkennens.


Zwey-
[298]III.Abſchnitt. Idee.

Zweytes Kapitel.
Die Idee des Erkennens
.


Das Leben iſt die unmittelbare Idee, oder die
Idee als ihr noch nicht an ſich ſelbſt realiſirter Be-
griff
. In ihrem Urtheil iſt ſie das Erkennen
uͤberhaupt.


Der Begriff iſt als Begriff fuͤr ſich, inſofern er
frey als abſtracte Allgemeinheit oder als Gattung exi-
ſtirt. So iſt er ſeine reine Identitaͤt mit ſich, welche
ſich ſo in ſich ſelbſt unterſcheidet, daß das unterſchiede-
ne nicht eine Objectivitaͤt, ſondern gleichfalls zur
Subjectivitaͤt oder zur Form der einfachen Gleichheit
mit ſich befreyt, hiemit der Gegenſtand des Begriffes
der Begriff ſelbſt iſt. Seine Realitaͤt uͤberhaupt iſt
die Form ſeines Daſeyns; auf Beſtimmung die-
ſer Form kommt es an; auf ihr beruht der Unterſchied
deſſen, was der Begriff an ſich, oder als ſubjecti-
ver
iſt, was er iſt in die Objectivitaͤt verſenkt, dann
in der Idee des Lebens. In der letztern iſt er zwar
von ſeiner aͤuſſerlichen Realitaͤt unterſchieden und fuͤr
ſich
geſetzt, doch diß ſein Fuͤrſichſeyn hat er nur als
die Identitaͤt, welche eine Beziehung auf ſich als ver-
ſenkt in ſeine ihm unterworfene Objectivitaͤt oder auf
ſich als inwohnende, ſubſtantielle Form iſt. Die Erhe-
bung des Begriffs uͤber das Leben iſt, daß ſeine Reali-
taͤt
[299]II.Kapitel. Das Erkennen.
taͤt die zur Allgemeinheit befreyte Begriffsform iſt.
Durch dieſes Urtheil iſt die Idee verdoppelt, in den
ſubjectiven Begriff, deſſen Realitaͤt er ſelbſt, und in den
objectiven, der als Laben iſt. — Denken, Geiſt,
Selbſtbewußtſeyn
, ſind Beſtimmungen der Idee,
inſofern ſie ſich ſelbſt zum Gegenſtand hat, und ihr
Daſeyn d. i. die Beſtimmtheit ihres Seyns ihr eige-
ner Unterſchied von ſich ſelbſt iſt.


Die Metaphyſik des Geiſtes, oder wie
man ſonſt mehr geſprochen hat, der Seele, drehte ſich
um die Beſtimmungen von Subſtanz, Einfachheit, Im-
materialitaͤt; — Beſtimmungen, bey welchen die Vor-
ſtellung
des Geiſtes aus dem empiriſchen Bewußt-
ſeyn als Subject zu Grunde gelegt, und nun gefragt
wurde, was fuͤr Praͤdicate mit den Wahrnehmungen
uͤbereinſtimmen; — ein Verfahren das nicht weiter gehen
konnte, als das Verfahren der Phyſik, die Welt der
Erſcheinung auf allgemeine Geſetze und Reflexionsbe-
ſtimmungen zu bringen, da der Geiſt auch nur in ſeiner
Erſcheinung zu Grunde lag; ja es mußte noch hinter
der phyſicaliſchen Wiſſenſchaftlichkeit zuruͤckbleiben, da
der Geiſt nicht nur unendlich reicher, als die Natur
iſt, ſondern da auch die abſolute Einheit des Entgegen-
geſetzten im Begriffe, ſein Weſen ausmacht, ſo zeigt
er in ſeiner Erſcheinung und Beziehung auf die Aeuſ-
ſerlichkeit den Widerſpruch in ſeiner hoͤchſten Beſtimmt-
heit auf, daher fuͤr jede der entgegengeſetzten Reflexions-
beſtimmungen eine Erfahrung angefuͤhrt, oder aus den
Erfahrungen auf die entgegengeſetzten Beſtimmungen
nach der Weiſe des formalen Schlieſſens muß gekom-
men werden koͤnnen. Weil die an der Erſcheinung un-
mittelbar ſich ergebenden Praͤdicate zunaͤchſt noch der
empiriſchen Pſychologie angehoͤren, ſo bleiben eigentlich
nur ganz duͤrftige Reflexionsbeſtimmungen, fuͤr die me-
ta-
[300]III.Abſchnitt. Idee.
taphyſiſche Betrachtung uͤbrig. — Kant in ſeiner Kri-
tik der rationalen Seelenlehre haͤlt dieſe Meta-
phyſik daran feſt, daß inſofern ſie eine rationale Wiſ-
ſenſchaft ſeyn ſoll, durch das mindeſte, was man von
der Wahrnehmung zu der allgemeinen Vorſtel-
lung
des Selbſtbewußtſeyns hinzunaͤhme, ſich
jene Wiſſenſchaft in eine empiriſche verwandelte und
ihre rationale Reinigkeit und Unabhaͤngigkeit von aller
Erfahrung, verderbt wuͤrde. — Es bleibe ſomit nichts
als die einfache, fuͤr ſich an Inhalt ganz leere Vorſtel-
lung: Ich, von der man nicht einmal ſagen kann, daß
ſie ein Begriff ſey, ſondern ein bloſſes Bewußt-
ſeyn
, das alle Begriffe begleitet. Durch die-
ſes Ich, oder auch Es (das Ding) welches denket,
wird nun nach den weitern kantiſchen Folgerungen nichts
weiter, als ein tranſcendentales Subject der Gedanken
vorgeſtellt = X, welches nur durch die Gedanken, die
ſeine Praͤdicate ſind, erkannt wird, und wovon wir,
abgeſondert, niemals den mindeſten Begriff ha-
ben koͤnnen; diß Ich hat dabey nach Kants eigenem
Ausdruck, die Unbequemlichkeit, daß wir uns
jederzeit ſeiner ſchon bedienen muͤſſen, um ir-
gend etwas von ihm zu urtheilen; denn es iſt nicht ſo-
wohl eine Vorſtellung, wodurch ein beſonderes Ob-
ject unterſchieden wird, ſondern eine Form derſelben
uͤberhaupt, inſofern ſie Erkenntniß genannt werden
ſoll. — Der Paralogismus, den die rationale See-
lenlehre begehe, beſtehe nun darin, daß Modi des
Selbſtbewußtſeyns im Denken, zu Verſtandesbe-
griffen
als von einem Objecte gemacht, daß jenes:
Ich denke als ein denkendes Weſen, ein Ding-
an-ſich
genommen werde; auf welche Weiſe daraus,
daß Ich im Bewußtſeyn immer als Subject und zwar
als ſingulaͤres, bey aller Mannichfaltigkeit der Vor-
ſtellung identiſches, und von ihr als aͤuſſerlicher
mich
[301]II.Kapitel. Das Erkennen.
mich unterſcheidendes vorkomme, unberechtigt abgeleitet
wird, daß Ich eine Subſtanz, ferner ein qualitativ
einfaches, und ein Eins, und ein von den raͤum-
lichen und zeitlichen Dingen unabhaͤngig exiſti-
rendes
ſey. —


Ich habe dieſe Darſtellung ausfuͤhrlicher ausgezo-
gen, weil ſich ſowohl die Natur der vormaligen Me-
taphyſik uͤber die Seele
, als beſonders auch der
Kritik
, wodurch ſie zu Grunde gegangen iſt, beſtimmt
daraus erkennen laͤßt. — Jene ging darauf, das ab-
ſtracte Weſen
der Seele zu beſtimmen; ſie ging da-
bey von der Wahrnehmung urſpruͤnglich aus und ver-
wandelte deren empiriſche Allgemeinheit und die an der
Einzelnheit des Wirklichen uͤberhaupt aͤuſſerliche Re-
flexionsbeſtimmung, in die Form von den angefuͤhrten
Beſtimmungen des Weſens. — Kant hat dabey
uͤberhaupt nur den Zuſtand der Metaphyſik ſeiner Zeit
vor ſich, welche vornemlich bey ſolchen abſtracten, ein-
ſeitigen Beſtimmungen ohne alle Dialektik ſtehen blieb;
die wahrhaft ſpeculativen Ideen aͤlterer Philoſophen
uͤber den Begriff des Geiſtes beachtete und unterſuchte
er nicht. In ſeiner Kritik uͤber jene Beſtimmungen
folgte er nun ganz einfach der Humeſchen Manier des
Skepticismus; daß er nemlich das feſthaͤlt, wie Ich
im Selbſtbewußtſeyn erſcheint, wovon aber, da das
Weſen deſſelben, — das Ding an ſich, erkannt
werden ſolle, alles empiriſche wegzulaſſen ſey; nun blei-
be nichts uͤbrig, als dieſe Erſcheinung des: Ich den-
ke
, das alle Vorſtellungen begleite, — wovon man
nicht den geringſten Begriff habe. — Gewiß
muß es zugegeben werden, daß man weder von Ich,
noch von irgend etwas, auch von dem Begriff ſelbſt
den mindeſten Begriff hat, inſofern man nicht begreift,
und nur bey der einfachen, fixen Vorſtellung und
dem
[302]III.Abſchnitt. Idee.
dem Nahmen ſtehen bleibt. — Sonderbar iſt der Ge-
danke, — wenn es anders ein Gedanke genannt werden
kann, — daß Ich mich des Ich ſchon bedienen muͤſſe,
um von Ich zu urtheilen; das Ich, das ſich des Selbſt-
bewußtſeyns als eines Mittels bedient, um zu ur-
theilen, diß iſt wohl ein X, von dem man, ſo wie vom
Verhaͤltniſſe ſolchen Bedienens, nicht den geringſten Be-
griff haben kann. Aber laͤcherlich iſt es wohl, dieſe
Natur des Selbſtbewußtſeyns, daß Ich ſich ſelbſt denkt,
daß Ich nicht gedacht werden kann, ohne daß es Ich iſt,
welches denkt, — eine Unbequemlichkeit und als
etwas fehlerhaftes, einen Cirkel zu nennen; — ein
Verhaͤltniß, wodurch ſich im unmittelbaren empiriſchen
Selbſtbewußtſeyn, die abſolute, ewige Natur deſſelben
und des Begriffes offenbart, deßwegen offenbart, weil
das Selbſtbewußtſeyn eben der daſeyende, alſo em-
piriſch wahrnehmbare
, reine Begriff, die abſo-
lute Beziehung auf ſich ſelbſt iſt, welche als trennendes
Urtheil ſich zum Gegenſtande macht und allein diß iſt,
ſich dadurch zum Cirkel zu machen. — Ein Stein hat
jene Unbequemlichkeit nicht, wenn er gedacht oder
wenn uͤber ihn geurtheilt werden ſoll, ſo ſteht er ſich
ſelbſt dabey nicht im Wege; — er iſt der Beſchwerlich-
keit, ſich ſeiner ſelbſt zu dieſem Geſchaͤfte zu bedienen,
enthoben; es iſt ein anderes auſſer ihm, welches dieſe
Muͤhe uͤbernehmen muß.


Der Mangel, den dieſe barbariſch zu nennenden
Vorſtellungen darein ſetzen, daß bey dem Denken des
Ich daſſelbe als Subject nicht weggelaſſen werden
koͤnne, erſcheint dann umgekehrt auch ſo, daß Ich nur
als Subject des Bewußtſeyns
vorkomme, oder
Ich mich nur als Subject eines Urtheils brauchen
koͤnne, und die Anſchauung fehle, wodurch es als
ein Object gegeben wuͤrde; — daß aber der Be-
griff
[303]II.Kapitel. Das Erkennen.
griff eines Dings, das nur als Subject exiſtiren koͤnne,
noch gar keine objective Realitaͤt bey ſich fuͤhre. — Wenn
zur Objectivitaͤt die aͤuſſerliche, in Zeit und Raum be-
ſtimmte Anſchauung gefodert, und ſie es iſt, welche ver-
mißt wird, ſo ſieht man wohl, daß unter Objectivitaͤt
nur diejenige ſinnliche Realitaͤt gemeynt iſt, uͤber welche
ſich erhoben zu haben, Bedingung des Denkens und der
Wahrheit iſt. Aber allerdings wenn Ich begrifflos als
bloſſe einfache Vorſtellung, nach der Weiſe genommen
wird, wie wir im alltaͤglichen Bewußtſeyn Ich ausſpre-
chen, ſo iſt es die abſtracte Beſtimmung, nicht die ſich
ſelbſt zum Gegenſtand habende Beziehung ſeiner ſelbſt; —
es iſt ſo nur Eins der Extreme, einſeitiges Subject
ohne ſeine Objectivitaͤt, oder es waͤre auch nur Object
ohne Subjectivitaͤt, wenn nemlich die beruͤhrte Unbe-
quemlichkeit hiebey nicht waͤre, daß ſich von dem Ich
als Object das denkende Subject nicht wegbringen laͤßt.
Aber in der That findet dieſelbe Unbequemlichkeit auch
bey der erſtern Beſtimmung, dem Ich als Subjecte,
Statt; das Ich denkt etwas, ſich oder etwas anderes.
Dieſe Untrennbarkeit der zwey Formen, in denen es ſich
ſelbſt entgegenſetzt, gehoͤrt zur eigenſten Natur ſeines
Begriffs, und des Begriffs ſelbſt; ſie iſt gerade das,
was Kant abhalten will, um nur die ſich in ſich nicht
unterſcheidende, und ſomit ja nur die begriffloſe
Vorſtellung
feſt zu erhalten. Ein ſolches Begrifflo-
ſes darf ſich nun zwar wohl den abſtracten Reflexions-
beſtimmungen oder Kategorien der vorigen Metaphyſik
gegenuͤberſtellen; — denn an Einſeitigkeit ſteht es auf
gleicher Linie mit ihnen, obwohl dieſe doch ein Hoͤheres
des Gedankens ſind; dagegen erſcheint es deſto duͤrftiger
und leerer gegen die tiefern Ideen aͤlterer Philoſophie
vom Begriff der Seele oder des Denkens, z. B. die
wahrhaft ſpeculative Ideen des Ariſtoteles. Wenn die
Kantiſche Philoſophie jene Reflexionsbeſtimmungen un-
ter-
[304]III.Abſchnitt. Idee.
terſuchte, ſo haͤtte ſie noch mehr die feſtgehaltene Ab-
ſtraction des leeren Ich, die vermeynte Idee des Dings-
an-ſich unterſuchen muͤſſen, das ſich eben um ſeiner
Abſtraction willen vielmehr als ein ganz Unwahres
zeigt; die Erfahrung der beklagten Unbequemlichkeit iſt
ſelbſt das empiriſche Factum, worin die Unwahrheit je-
ner Abſtraction ſich ausſpricht.


Nur des Mendelsſohnſchen Beweiſes von der Be-
harrlichkeit der Seele erwaͤhnt die Kantiſche Kritik der
rationalen Pſychologie, und ich fuͤhre ihre Widerlegung
deſſelben noch um der Merkwuͤrdigkeit desjenigen willen
an, was ihm entgegengeſtellt wird. Jener Beweis
gruͤndet ſich auf die Einfachheit der Seele, vermoͤge
der ſie der Veraͤnderung, des Uebergehens in ein
anderes
in der Zeit nicht faͤhig ſey. Die qualitative
Einfachheit iſt die oben betrachtete Form der Ab-
ſtraction
uͤberhaupt; als qualitative Beſtimmtheit
iſt ſie in der Sphaͤre des Seyns unterſucht und bewie-
ſen worden, daß das Qualitative als ſolche ſich abſtract
auf ſich beziehende Beſtimmtheit vielmehr eben darum
dialektiſch und nur das Uebergehen in ein anderes iſt.
Beym Begriffe aber wurde gezeigt, daß wenn er in Be-
ziehung auf Beharrlichkeit, Unzerſtoͤrbarkeit, Unvergaͤng-
lichkeit betrachtet wird, er vielmehr darum das an und
fuͤr ſich ſeyende und Ewige iſt, weil er nicht die ab-
ſtracte
ſondern concrete Einfachheit, nicht ſich auf
ſich abſtract beziehendes Beſtimmtſeyn, ſondern die Ein-
heit ſeiner ſelbſt und ſeines andern iſt, in das
er alſo nicht ſo uͤbergehen kann, als ob er ſich darin
veraͤnderte, eben darum, weil das Andre, das Be-
ſtimmtſeyn, er ſelbſt iſt, und er in dieſem Uebergehen
daher nur zu ſich ſelbſt kommt. — Die Kantiſche Kritik
ſetzt nun jener qualitativen Beſtimmung der Be-
griffseinheit, die quantitative entgegen. Obgleich
die
[305]II.Kapitel. Das Erkennen.
die Seele nicht ein mannichfaltiges Auſſereinander ſey,
und keine extenſive Groͤſſe enthalte, ſo habe das Be-
wußtſeyn doch einen Grad, und die Seele wie je-
des Exiſtirende
eine intenſive Groͤſſe; dadurch
ſey aber die Moͤglichkeit des Uebergehens in Nichts durch
das allmaͤhlige Verſchwinden geſetzt. — Was
iſt nun dieſe Widerlegung anders, als die Anwendung
einer Kategorie des Seyns, der intenſiven Groͤſ-
ſe
, auf den Geiſt? — einer Beſtimmung, die keine
Wahrheit an ſich hat, und im Begriffe vielmehr auf-
gehoben iſt.


Die Metaphyſik, — auch ſelbſt die, welche ſich auf
fixe Verſtandesbegriffe beſchraͤnkte und ſich zum Specu-
lativen, und zur Natur des Begriffes und der Idee nicht
erhob, hatte zu ihrem Zwecke, die Wahrheit zu er-
kennen
, und unterſuchte ihre Gegenſtaͤnde darnach, ob
ſie ein Wahrhaftes ſeyen oder nicht, Subſtanzen oder
Phaͤnomene. Der Sieg der Kantiſchen Kritik uͤber
dieſelbe beſteht aber vielmehr darin, die Unterſu-
chung, welche das Wahre zum Zwecke hat, und die-
ſen Zweck ſelbſt zu beſeitigen; ſie macht die Frage, die
allein Intereſſe hat, gar nicht, ob ein beſtimmtes Sub-
ject, hier das abſtracte Ich der Vorſtellung,
an und fuͤr ſich Wahrheit habe. Es heißt aber auf den
Begriff und die Philoſophie Verzicht leiſten, wenn man
bey der Erſcheinung, und bey demjenigen ſtehen bleibt,
was ſich im alltaͤglichen Bewußtſeyn fuͤr die bloſſe Vor-
ſtellung ergibt. Was daruͤber hinausgeht, heißt in der
Kantiſchen Kritik etwas Ueberfliegendes, und zu dem die
Vernunft keineswegs berechtigt ſey. In der That uͤber-
fliegt der Begriff das Begriffloſe, und die naͤchſte Be-
rechtigung daruͤber hinauszugehen, iſt einestheils er
ſelbſt, anderntheils nach der negativen Seite, die Un-
wahrheit der Erſcheinung und der Vorſtellung, ſo wie
Uſol-
[306]III.Abſchnitt. Idee.
ſolcher Abſtractionen, wie die Dinge- an- ſich und
jenes Ich iſt, das ſich nicht Object ſeyn ſoll.


In dem Zuſammenhang dieſer logiſchen Darſtellung
iſt es die Idee des Lebens, aus der die Idee des
Geiſtes hervorgegangen, oder was daſſelbe iſt, als deren
Wahrheit ſie ſich erwieſen hat. Als dieſes Reſultat hat
dieſe Idee an und fuͤr ſich ſelbſt ihre Wahrheit, mit der
dann auch das Empiriſche oder die Erſcheinung des Gei-
ſtes verglichen werden mag, wie es damit uͤbereinſtim-
me; das Empiriſche kann jedoch ſelbſt auch nur durch und
aus der Idee gefaßt werden. Von dem Leben haben
wir geſehen, daß es die Idee iſt, aber es hat ſich zu-
gleich gezeigt, noch nicht die wahrhafte Darſtellung oder
Art und Weiſe ihres Daſeyns zu ſeyn. Denn im Leben
iſt die Realitaͤt der Idee als Einzelnheit, die All-
gemeinheit
oder die Gattung iſt das Innere; die
Wahrheit des Lebens als abſolute negative Einheit iſt
daher, die abſtracte oder was daſſelbe iſt, die unmittel-
bare Einzelnheit aufzuheben, und als identiſches
mit ſich identiſch, als Gattung ſich ſelbſt gleich zu ſeyn.
Dieſe Idee iſt nun der Geiſt. — Es kann aber hier-
uͤber noch bemerkt werden, daß er hier in derjenigen
Form betrachtet wird, welche dieſer Idee als logiſch
zukommt. Sie hat nemlich noch andere Geſtalten, die
hier beylaͤufig angefuͤhrt werden koͤnnen, in welchen ſie
in den concreten Wiſſenſchaften des Geiſtes zu betrach-
ten iſt, nemlich als Seele, Bewußtſeyn und
Geiſt als ſolcher
.


Der Nahme: Seele wurde ſonſt vom einzelnen
endlichen Geiſte uͤberhaupt gebraucht, und die rationale
oder empiriſche Seelenlehre, ſollte ſo viel bedeuten
als Geiſteslehre. Bey dem Ausdruck: Seele
ſchwebt die Vorſtellung vor, daß ſie ein Ding iſt, wie
die
[307]II.Kapitel. Das Erkennen.
die andern Dinge; man fragt nach ihrem Sitze, der
raͤumlichen Beſtimmung, von der aus ihre Kraͤfte
wirken; noch mehr darnach, wie dieſes Ding unver-
gaͤnglich
ſey, den Bedingungen der Zeitlichkeit
unterworfen, der Veraͤnderung darin aber entnommen
ſey. Das Syſtem der Monaden hebt die Materie
zur Seelenhaftigkeit herauf; die Seele iſt in dieſer Vor-
ſtellung ein Atom wie die Atome der Materie uͤberhaupt;
das Atom, das als Dunſt aus der Kaffeetaſſe aufſteige,
ſey durch gluͤckliche Umſtaͤnde faͤhig ſich zur Seele zu
entwickeln, nur die groͤſſere Dunkelheit ſeines Vor-
ſtellens unterſcheide es von einem ſolchen Dinge, das
als Seele erſcheint. — Der fuͤr ſich ſelbſt ſeyen-
de Begriff
iſt nothwendig auch in unmittelbarem
Daſeyn
; in dieſer ſubſtantiellen Identitaͤt mit dem
Leben, in ſeinem Verſenktſeyn in ſeine Aeuſſerlichkeit iſt
er in der Anthropologie zu betrachten. Aber auch
ihr muß jene Metaphyſik fremd bleiben; worin dieſe
Form der Unmittelbarkeit, zu einem Seelen-
ding
, zu einem Atom, den Atomen der Materie gleich
wird. — Der Anthropologie muß nur die dunkle Re-
gion uͤberlaſſen werden, worin der Geiſt, unter, wie
man es ſonſt nannte, ſideriſchen und terreſtri-
ſchen
Einfluͤſſen ſteht, als ein Naturgeiſt in der Sym-
pathie
mit der Natur lebt, und ihre Veraͤnderungen
in Traͤumen und Ahndungen gewahr wird, dem
Gehirn, dem Herzen, den Ganglien, der Leber u. ſ. w.
innwohnt, welcher letztern nach Plato der Gott, damit
auch der unvernuͤnftige Theil von ſeiner Guͤte be-
dacht und des Hoͤhern theilhaftig ſey, die Gabe des
Weiſſagens gegeben habe, uͤber welche der ſelbſt-
bewußte Menſch erhoben ſey. Zu dieſer unvernuͤnfti-
gen Seite gehoͤrt ferner das Verhaͤltniß des Vorſtellens
und der hoͤhern geiſtigen Thaͤtigkeit, inſofern ſie im ein-
zelnen Subjecte dem Spiele ganz zufaͤlliger [koͤrperlicher]
U 2Be-
[308]III.Abſchnitt. Idee.
Beſchaffenheit, aͤuſſerlicher Einfluͤſſe und einzelner Um-
ſtaͤnde unterworfen iſt.


Dieſe unterſte der concreten Geſtalten, worin der
Geiſt in die Materiatur verſenkt iſt, hat ihre unmittel-
bar hoͤhere im Bewußtſeyn. In dieſer Form iſt
der freye Begriff als fuͤrſiſchſeyendes Ich, zuruͤck-
gezogen aus der Objectivitaͤt, aber ſich auf ſie als ſein
Anderes
, als gegenuͤberſtehenden Gegenſtand bezie-
hend. Indem der Geiſt hier nicht mehr als Seele iſt,
ſondern in der Gewißheit ſeiner ſelbſt die Unmit-
telbarkeit
des Seyns vielmehr die Bedeutung ei-
nes Negativen
fuͤr ihn hat, ſo iſt die Identitaͤt, in
der er im Gegenſtaͤndlichen mit ſich ſelbſt iſt, zugleich
nur noch ein Scheinen, indem das Gegenſtaͤndliche
auch noch die Form eines Anſichſeyenden hat.
Dieſe Stuffe iſt der Gegenſtand der Phaͤnomenolo-
gie des Geiſtes
, — einer Wiſſenſchaft, welche zwi-
ſchen der Wiſſenſchaft des Naturgeiſtes, und des Geiſtes
als ſolches inne ſteht, und den fuͤr ſich ſeyenden Geiſt
zugleich in ſeiner Beziehung auf ſein Anderes,
welches hiedurch ſowohl, wie erinnert, als an ſich
ſeyendes Object wie auch als negirtes beſtimmt iſt, —
den Geiſt alſo als erſcheinend, am Gegentheil ſeiner
ſelbſt ſich darſtellend betrachtet.


Die hoͤhere Wahrheit dieſer Form iſt aber der
Geiſt fuͤr ſich
, fuͤr welchen der dem Bewußtſeyn
an ſich ſeyende Gegenſtand, die Form ſeiner eigenen
Beſtimmung, der Vorſtellung uͤberhaupt hat; dieſer
Geiſt, der auf die Beſtimmungen als auf ſeine eigenen,
auf Gefuͤhle, Vorſtellungen und Gedanken, thaͤtig iſt, iſt
inſofern in ſich und in ſeiner Form unendlich. Die
Betrachtung dieſer Stuffe gehoͤrt der eigentlichen Gei-
ſteslehre
an, die dasjenige umfaſſen wuͤrde, was
Ge-
[309]II.Kapitel. Das Erkennen.
Gegenſtand der gewoͤhnlich empiriſchen Pſycholo-
gie
iſt, die aber um die Wiſſenſchaft des Geiſtes zu
ſeyn, nicht empiriſch zu Werke gehen, ſondern wiſſen-
ſchaftlich gefaßt werden muß. — Der Geiſt iſt auf die-
ſer Stuffe endlicher Geiſt, inſofern der Inhalt ſei-
ner Beſtimmtheit, ein unmittelbarer gegebener iſt; die
Wiſſenſchaft deſſelben hat den Gang darzuſtellen, worin
er ſich von dieſer ſeiner Beſtimmtheit befreyt, und
zum Erfaſſen ſeiner Wahrheit, des unendlichen Geiſtes,
fortgeht.


Die Idee des Geiſtes dagegen, welche logi-
ſcher
Gegenſtand iſt, ſteht ſchon innerhalb der reinen
Wiſſenſchaft; ſie hat daher ihn nicht den Gang durch-
machen zu ſehen, wie er mit der Natur, der unmittel-
baren Beſtimmtheit und dem Stoffe oder der Vorſtel-
lung, verwickelt iſt, was in jenen drey Wiſſenſchaften
betrachtet wird; ſie hat dieſen Gang bereits hinter ſich,
oder was daſſelbe iſt, vielmehr vor ſich, — jenes inſo-
fern die Logik, als die letzte Wiſſenſchaft, dieſes in-
ſofern ſie als die erſte genommen wird, aus welcher
die Idee erſt in die Natur uͤbergeht. In der logiſchen
Idee des Geiſtes, iſt Ich daher ſogleich, wie es aus dem
Begriffe der Natur als deren Wahrheit ſich gezeigt hat,
der freye Begriff, der in ſeinem Urtheile ſich ſelbſt der
Gegenſtand iſt, der Begriff als ſeine Idee.
Aber auch in dieſer Geſtalt iſt die Idee noch nicht
vollendet.


Indem ſie der zwar freye ſich ſelbſt zum Gegen-
ſtande habende Begriff iſt, ſo iſt ſie unmittelbar,
ebendarum weil ſie unmittelbar iſt, noch die Idee in
ihrer Subjectivitaͤt, und damit in ihrer Endlich-
keit uͤberhaupt. Sie iſt der Zweck, der ſich realiſiren
ſoll, oder es iſt die abſolute Idee ſelbſt noch in ih-
rer Erſcheinung. Was ſie ſucht, iſt das Wahre,
die-
[310]III.Abſchnitt. Idee.
dieſe Identitaͤt des Begriffs ſelbſt und der Realitaͤt,
aber ſie ſucht es nur erſt; denn ſie iſt hier wie ſie
zuerſt iſt, noch ein ſubjectives. Der Gegenſtand,
der fuͤr den Begriff iſt, iſt daher hier zwar auch ein
gegebener, aber er tritt nicht als einwirkendes Object,
oder als Gegenſtand wie er als ſolcher fuͤr ſich ſelbſt
beſchaffen ſey, oder als Vorſtellung in das Subject ein,
ſondern dieſes verwandelt ihn in eine Begriffsbe-
ſtimmung
; es iſt der Begriff, der im Gegenſtand
ſich bethaͤtigt, darin ſich auf ſich bezieht, und dadurch
daß er ſich an dem Objecte ſeine Realitaͤt gibt, Wahr-
heit
findet.


Die Idee iſt alſo zunaͤchſt das eine Extrem eines
Schluſſes, als der Begriff, der als Zweck zunaͤchſt ſich
ſelbſt zur ſubjectiven Realitaͤt hat; das andre Extrem iſt
die Schranke des Subjectiven, die objective Welt. Die
beyden Extreme ſind darin identiſch, daß ſie die Idee
ſind; erſtlich iſt ihre Einheit die des Begriffs, welcher
in dem einen nur fuͤr ſich, in dem andern nur an
ſich
iſt; zweytens iſt die Realitaͤt, in dem einen ab-
ſtract, in dem andern in ihrer concreten Aeuſſerlich-
keit. — Dieſe Einheit wird nun durch das Erkennen
geſetzt; ſie iſt, weil es die ſubjective Idee iſt, die als
Zweck von ſich ausgeht, zunaͤchſt nur als Mitte. —
Das Erkennende bezieht ſich durch die Beſtimmtheit
ſeines Begriffs, nemlich das abſtracte Fuͤrſichſeyn,
zwar auf eine Auſſenwelt; aber in der abſoluten Ge-
wißheit ſeiner ſelbſt, um die Realitaͤt ſeiner an ſich ſelbſt,
dieſe formelle Wahrheit zur reellen Wahrheit zu erheben.
Es hat an ſeinem Begriff die ganze Weſenheit
der objectiven Welt; ſein Proceß iſt, den concreten In-
halt derſelben fuͤr ſich als identiſch mit dem Begriffe,
und umgekehrt dieſen als identiſch mit der Objectivitaͤt
zu ſetzen.


Un-
[311]II.Kapitel. Das Erkennen.

Unmittelbar iſt die Idee der Erſcheinung, theore-
tiſche
Idee, das Erkennen als ſolches. Denn un-
mittelbar hat die objective Welt die Form der Unmit-
telbarkeit
oder des Seyns fuͤr den fuͤr ſich ſeyen-
den Begriff, ſo wie dieſer zuerſt ſich nur als der ab-
ſtracte noch in ihn eingeſchloſſene Begriff ſeiner ſelbſt
iſt; er iſt daher nur als Form; ſeine Realitaͤt die er
an ihm ſelbſt hat, ſind nur ſeine einfachen Beſtimmun-
gen von Allgemeinheit und Beſonderheit; die
Einzelnheit aber oder die beſtimmte Beſtimmt-
heit
, den Inhalt erhaͤlt dieſe Form von Auſſen.


A.
Die Idee des Wahren.

Die ſubjective Idee iſt zunaͤchſt Trieb. Denn
ſie iſt der Widerſpruch des Begriffs, ſich zum Gegen-
ſtand
zu haben und ſich die Realitaͤt zu ſeyn, ohne daß
doch der Gegenſtand als Anderes, gegen ihn Selbſt-
ſtaͤndiges waͤre, oder ohne daß der Unterſchied ſeiner
ſelbſt von ſich zugleich die weſentliche Beſtimmung der
Verſchiedenheit und des gleichguͤltigen Daſeyns
haͤtte. Der Trieb hat daher die Beſtimmtheit, ſeine
eigene Subjectivitaͤt aufzuheben, ſeine erſt abſtracte Rea-
litaͤt zur concreten zu machen, und ſie mit dem Inhal-
te
der von ſeiner Subjectivitaͤt vorausgeſetzten Welt zu
erfuͤllen. — Von der andern Seite beſtimmt er ſich hie-
durch ſo: der Begriff iſt zwar die abſolute Gewißheit
ſeiner ſelbſt; ſeinem Fuͤrſichſeyn ſteht aber ſeine
Vorausſetzung einer an ſich ſeyenden Welt gegenuͤber,
deren gleichguͤltiges Andersſeyn aber fuͤr die Ge-
wißheit ſeiner ſelbſt den Werth nur eines Unweſent-
lichen
[312]III.Abſchnitt. Idee.
lichen hat; er iſt inſofern der Trieb, diß Andersſeyn
aufzuheben, und in dem Objecte die Identitaͤt mit ſich
ſelbſt anzuſchauen. Inſofern dieſe Reflexion-in-ſich
der aufgehobene Gegenſatz und die geſetzte, fuͤr das
Subject bewirkte Einzelnheit iſt, welche zunaͤchſt als
das vorausgeſetzte Anſichſeyn erſcheint, iſt es die
aus dem Gegenſatz hergeſtellte Identitaͤt der Form mit
ſich ſelbſt, — eine Identitaͤt, welche damit als gleichguͤl-
tig gegen die Form in deren Unterſchiedenheit, beſtimmt,
und Inhalt iſt.


Dieſer Trieb iſt daher der Trieb der Wahrheit,
inſofern ſie im Erkennen iſt, alſo der Wahrheit
als theoretiſcher Idee, in ihrem eigentlichen Sin-
ne. — Wenn die objective Wahrheit zwar die Idee
ſelbſt iſt, als die dem Begriffe entſprechende Realitaͤt,
und ein Gegenſtand inſofern an ihm Wahrheit haben
kann oder nicht, ſo iſt dagegen der beſtimmtere Sinn
der Wahrheit dieſer, daß ſie es fuͤr oder im ſubjecti-
ven Begriff, im Wiſſen ſey. Sie iſt das Verhaͤltniß
des Begriffs-Urtheils, welches als das formelle
Urtheil der Wahrheit ſich gezeigt hat; in demſelben iſt
nemlich das Praͤdicat nicht nur die Objectivitaͤt des Be-
griffes, ſondern die beziehende Vergleichung des Begriffs
der Sache und der Wirklichkeit derſelben. — Theore-
tiſch
iſt dieſe Realiſirung des Begriffs, inſofern er als
Form noch die Beſtimmung eines ſubjectiven, oder
die Beſtimmung fuͤr das Subject hat, die ſeinige zu
ſeyn. Weil das Erkennen die Idee als Zweck oder als
ſubjective iſt, ſo iſt die Negation der als an ſich
ſeyend
vorausgeſetzten Welt, die erſte; der Schluß-
ſatz, worin das Objective in das Subjective geſetzt iſt,
hat daher zunaͤchſt auch nur die Bedeutung, daß das
Anſichſeyende nur als ein ſubjectives, oder in der Be-
griffsbeſtimmung nur geſetzt, darum aber nicht ſo an
und
[313]II.Kapitel. Das Erkennen.
und fuͤr ſich ſey. Der Schlußſatz kommt inſofern nur
zu einer neutralen Einheit, oder einer Syntheſis,
d. h. einer Einheit von ſolchen, die urſpruͤnglich geſchie-
den, nur aͤuſſerlich ſo verbunden ſeyen. — Indem da-
her in dieſem Erkennen der Begriff das Object als das
ſeinige
ſetzt, gibt ſich die Idee zunaͤchſt nur einen
Inhalt, deſſen Grundlage gegeben und an dem nur
die Form der Aeuſſerlichkeit aufgehoben worden. Diß
Erkennen behaͤlt inſofern in ſeinem ausgefuͤhrten Zwecke
noch ſeine Endlichkeit, es hat in ihm denſelben
zugleich nicht erreicht, und iſt in ſeiner Wahrheit
noch nicht zur Wahrheit gekommen. Denn inſo-
fern im Reſultate der Inhalt noch die Beſtimmung ei-
nes gegebenen hat, ſo iſt das vorausgeſetzte An-
ſichſeyn
gegen den Begriff, nicht aufgehoben; die
Einheit des Begriffs und der Realitaͤt, die Wahr-
heit, iſt ſomit ebenſoſehr auch nicht darin enthal-
ten. — Sonderbarer Weiſe iſt in neuern Zeiten dieſe
Seite der Endlichkeit feſtgehalten und als das ab-
ſolute
Verhaͤltniß des Erkennens angenommen wor-
den; — als ob das Endliche als ſolches das Abſolute
ſeyn ſollte! Auf dieſem Standpunkte wird dem Objecte
eine unbekannte Dingheit-an-ſich hinter dem Er-
kennen zugeſchrieben, und dieſelbe und damit auch die
Wahrheit als ein abſolutes Jenſeits fuͤr das Erken-
nen betrachtet. Die Denkbeſtimmungen uͤberhaupt, die
Categorien, die Reflexionsbeſtimmungen, ſo wie der for-
male Begriff und deſſen Momente erhalten darin die
Stellung, nicht daß ſie an und fuͤr ſich endliche Beſtim-
mungen, ſondern daß ſie es in dem Sinne ſind, als ſie
ein ſubjectives gegen jene leere Dingheit-an-ſich
ſind; diß Verhaͤltniß der Unwahrheit des Erkennens als
das wahrhafte anzunehmen, iſt der zur allgemeinen Mey-
nung neuerer Zeit gewordene Irrthum.


Aus
[314]III.Abſchnitt. Idee.

Aus dieſer Beſtimmung des endlichen Erkennens
erhellt unmittelbar, daß es ein Widerſpruch iſt, der ſich
ſelbſt aufhebt; — der Widerſpruch einer Wahrheit, die
zugleich nicht Wahrheit ſeyn ſoll; — eines Erkennens
deſſen, was iſt, welches zugleich das Ding-an-ſich
nicht erkennt. In dem Zuſammenfallen dieſes Wider-
ſpruchs faͤllt ſein Inhalt, das ſubjective Erkennen und
das Ding-an-ſich, zuſammen, d. h. erweißt ſich als ein
Unwahres. Aber das Erkennen hat durch ſeinen eige-
nen Gang ſeine Endlichkeit und damit ſeinen Widerſpruch
aufzuloͤſen; jene Betrachtung, welche wir uͤber daſſelbe
machen, iſt eine aͤuſſerliche Reflexion; es iſt aber ſelbſt
der Begriff, der ſich Zweck iſt, der alſo durch ſeine Rea-
liſirung ſich ausfuͤhrt, und eben in dieſer Ausfuͤhrung
ſeine Subjectivitaͤt, und das vorausgeſetzte Anſichſeyn
aufhebt. — Es iſt daher an ihm ſelbſt in ſeiner poſiti-
ven Thaͤtigkeit zu betrachten. Da dieſe Idee, wie ge-
zeigt, der Trieb des Begriffes iſt, ſich fuͤr ſich ſelbſt
zu realiſiren, ſo iſt ſeine Thaͤtigkeit, das Object zu be-
ſtimmen, und durch diß Beſtimmen ſich in ihm identiſch
auf ſich zu beziehen. Das Object iſt uͤberhaupt das
ſchlechthin Beſtimmbare, und in der Idee hat es dieſe
weſentliche Seite, nicht an und fuͤr ſich gegen den Be-
griff zu ſeyn. Weil diß Erkennen noch das endliche,
nicht ſpeculative iſt, ſo hat die vorausgeſetzte Objectivi-
taͤt noch nicht die Geſtalt fuͤr daſſelbe, daß ſie ſchlecht-
hin nur der Begriff an ihr ſelbſt iſt, und nichts beſon-
deres fuͤr ſich gegen ihn enthaͤlt. Aber damit, daß ſie
als ein an-ſich-ſeyendes Jenſeits gilt, hat ſie die Be-
ſtimmung der Beſtimmbarkeit durch den Begriff
darum weſentlich, weil die Idee der fuͤr ſich ſeyende
Begriff und das ſchlechthin in ſich unendliche iſt, worin
das Object an ſich aufgehoben, und der Zweck nur
noch iſt, es fuͤr ſich aufzuheben; das Object iſt daher
zwar von der Idee des Erkennens als an ſich ſeyend
vor-
[315]II.Kapitel. Das Erkennen.
vorausgeſetzt, aber weſentlich in dem Verhaͤltniß, daß
ſie ihrer ſelbſt und der Nichtigkeit dieſes Gegenſatzes
gewiß, zu Realiſirung ihres Begriffes in ihm komme.


In dem Schluſſe, wodurch ſich die ſubjective Idee
nun mit der Objectivitaͤt zuſammenſchließt, iſt die erſte
Praͤmiſſe
dieſelbe Form der unmittelbaren Bemaͤch-
tigung und Beziehung des Begriffs auf das Object, als
wir in der Zweckbeziehung ſahen. Die beſtimmende
Thaͤtigkeit des Begriffs auf das Object iſt eine unmit-
telbare Mittheilung und widerſtandsloſe Verbrei-
tung
ſeiner auf daſſelbe. Der Begriff bleibt hierin
in der reinen Identitaͤt mit ſich ſelbſt; aber dieſe ſeine
unmittelbare Reflexion-in-ſich hat eben ſo die Beſtim-
mung der objectiven Unmittelbarkeit; das was fuͤr ihn
ſeine eigene Beſtimmung iſt, iſt ebenſoſehr ein Seyn,
denn es iſt die erſte Negation der Vorausſetzung. Die
geſetzte Beſtimmung gilt daher ebenſoſehr als eine nur
gefundene Vorausſetzung, als ein Auffaſſen eines
Gegebenen, worin die Thaͤtigkeit des Begriffs viel-
mehr nur darin beſtehe, negativ gegen ſich ſelbſt zu ſeyn,
ſich gegen das Vorhandene zuruͤckzuhalten und paſſiv zu
machen, damit daſſelbe nicht beſtimmt vom Subjecte,
ſondern ſich, wie es in ſich ſelbſt iſt, zeigen koͤnne.


Diß Erkennen erſcheint daher in dieſer Praͤmiſſe
nicht einmal als eine Anwendung der logiſchen Be-
ſtimmungen, ſondern als ein Empfangen und Auffaſſen
derſelben als Vorgefundener, und ſeine Thaͤtigkeit er-
ſcheint als darauf beſchraͤnkt, nur ein ſubjectives Hin-
derniß, eine aͤuſſerliche Schaale von dem Gegenſtande
zu entfernen. Diß Erkennen iſt das Analytiſche.


a. Das
[316]III.Abſchnitt. Idee.
a.
Das analytiſche Erkennen.

Den Unterſchied des analytiſchen und ſynthetiſchen
Erkennens findet man zuweilen ſo angegeben, daß das
eine vom Bekannten zum Unbekannten, das andere vom
Unbekannten zum Bekannten fortgehe. Es wird aber,
wenn man dieſen Unterſchied naͤher betrachtet, ſchwer
ſeyn, in ihm einen beſtimmten Gedanken, vielweniger
einen Begriff zu entdecken. Man kann ſagen, das Er-
kennen fange uͤberhaupt mit der Unbekanntſchaft an, denn
etwas, womit man ſchon bekannt iſt, lernt man nicht
kennen. Umgekehrt auch faͤngt es mit dem Bekannten
an; diß iſt ein tavtologiſcher Satz; — das, womit es
anfaͤngt, was es alſo wirklich erkennt, iſt eben dadurch
ein Bekanntes; was noch nicht erkannt worden, und
erſt ſpaͤter erkannt werden ſoll, iſt noch ein Unbekann-
tes. Man muß inſofern ſagen, daß das Erkennen,
wenn es einmal angefangen hat, immer vom Bekannten
zum Unbekannten fortgehe.


Das Unterſcheidende des analytiſchen Erkennens
hat ſich bereits dahin beſtimmt, daß ihm als der erſten
Praͤmiſſe des ganzen Schluſſes, die Vermittlung noch
nicht angehoͤrt, ſondern daß es die unmittelbare, das
Andersſeyn noch nicht enthaltende Mittheilung des Be-
griffes iſt, worin die Thaͤtigkeit ſich ihrer Negativitaͤt
entaͤuſſert. Jene Unmittelbarkeit der Beziehung iſt je-
doch darum ſelbſt Vermittlung, denn ſie iſt die negative
Beziehung des Begriffs auf das Object, die ſich aber
ſelbſt vernichtet und ſich dadurch einfach und identiſch
macht. Dieſe Reflexion-in-ſich iſt nur ein ſubjectives,
weil in ihrer Vermittlung der Unterſchied nur noch
als der vorausgeſetzte Anſichſeyende, als Verſchie-
denheit des Objects in ſich, vorhanden iſt. Die
Be-
[317]II.Kapitel. Das Erkennen.
Beſtimmung, die daher durch dieſe Beziehung zu Stande
kommt, iſt die Form einfacher Identitaͤt, der ab-
ſtracten Allgemeinheit
. Das analytiſche Erken-
nen hat daher uͤberhaupt dieſe Identitaͤt zu ſeinem Prin-
cip und der Uebergang in Anderes, die Verknuͤpfung
Verſchiedener iſt aus ihm ſelbſt, aus ſeiner Thaͤtigkeit
ausgeſchloſſen.


Das analytiſche Erkennen nun naͤher betrachtet, ſo
wird von einem vorausgeſetzten, ſomit einzelnen,
concreten Gegenſtande angefangen, er ſey nun ein
fuͤr die Vorſtellung ſchon fertiger oder er ſey eine
Aufgabe, nemlich nur in ſeinen Umſtaͤnden und Be-
dingungen gegeben, aber aus ihnen noch nicht fuͤr ſich
herausgehoben und in einfacher Selbſtſtaͤndigkeit darge-
ſtellt. Die Analyſe deſſelben kann nun nicht darin be-
ſtehen, daß er bloß in die beſondern Vorſtellun-
gen
, die er enthalten kann, aufgeloͤſt werde; eine
ſolche Aufloͤſung und das Auffaſſen derſelben iſt ein Ge-
ſchaͤft, das nicht zum Erkennen gehoͤrte, ſondern nur
eine naͤhere Kenntniß, eine Beſtimmung innerhalb
der Sphaͤre des Vorſtellens betraͤffe. Die Analyſe,
da ſie den Begriff zum Grunde hat, hat zu ihren Pro-
ducten weſentlich die Begriffsſtimmungen, und zwar als
ſolche, welche unmittelbar in dem Gegenſtande
enthalten ſind. Es hat ſich aus der Natur der Idee
des Erkennens ergeben, daß die Thaͤtigkeit des ſubjecti-
ven Begriffs von der einen Seite nur als Entwick-
lung
deſſen, was im Objecte ſchon iſt, ange-
ſehen werden muß, weil das Object ſelbſt nichts, als
die Totalitaͤt des Begriffs iſt. Es iſt ebenſo einſeitig, die
Analyſe ſo vorzuſtellen, als ob im Gegenſtande nichts
ſey, was nicht in ihn hineingelegt werde, als es
einſeitig iſt, zu meynen, die ſich ergebenden Beſtimmun-
gen werden nur aus ihm herausgenommen. Jene
Vor-
[318]III.Abſchnitt. Idee.
Vorſtellung ſpricht bekanntlich der ſubjective Idealismus
aus, der in der Analyſe die Thaͤtigkeit des Erkennens
allein fuͤr ein einſeitiges Setzen nimmt, jenſeits deſſen
das Ding-an-ſich verborgen bleibt; die andere
Vorſtellung gehoͤrt dem ſogenannten Realismus an, der
den ſubjectiven Begriff als eine leere Identitaͤt erfaßt,
welche die Gedankenbeſtimmungen von auſſen in ſich
aufnehme. — Da das analytiſche Erkennen, die Ver-
wandlung des gegebenen Stoffes in logiſche Beſtim-
mungen, ſich gezeigt hat, beydes in Einem zu ſeyn, ein
Setzen, welches ſich eben ſo unmittelbar als Vor-
ausſetzen
beſtimmt, ſo kann um des letztern willen das
Logiſche als ein ſchon im Gegenſtande fertiges, ſo
wie wegen des erſtern als Product einer bloß ſubjecti-
ven Thaͤtigkeit erſcheinen. Aber beyde Momente ſind
nicht zu trennen; das Logiſche iſt in ſeiner abſtracten
Form, in welche es die Analyſe heraushebt, allerdings
nur im Erkennen vorhanden, ſo wie es umgekehrt nicht
nur ein geſetztes, ſondern ein an-ſich-ſeyen-
des
iſt.


Inſofern nun das analytiſche Erkennen die aufge-
zeigte Verwandlung iſt, geht es durch keine weitern
Mittelglieder hindurch, ſondern die Beſtimmung iſt
inſofern unmittelbar und hat eben dieſen Sinn,
dem Gegenſtand eigen und an ſich anzugehoͤren, daher
ohne ſubjective Vermittlung aus ihm aufgefaßt zu ſeyn. —
Aber das Erkennen ſoll ferner auch ein Fortgehen,
eine Entwicklung von Unterſchieden ſeyn. Weil
es aber nach der Beſtimmung, die es hier hat, begriff-
los und undialektiſch iſt, hat es nur einen gegebenen
Unterſchied
, und ſein Fortgehen geſchieht allein an
den Beſtimmungen des Stoffes. Nur inſofern ſcheint
es ein immanentes Fortgehen zu haben, als die
abgeleiteten Gedankenbeſtimmungen von neuem analyſirt
wer-
[319]II.Kapitel. Das Erkennen.
werden koͤnnen, inſofern ſie noch ein Concretes ſind;
das hoͤchſte und letzte dieſes Analyſirens iſt das ab-
ſtracte hoͤchſte Weſen, — oder die abſtracte ſubjective
Identitaͤt, und ihr gegenuͤber die Verſchiedenheit. Die-
ſes Fortgehen iſt jedoch nichts anderes als nur die Wie-
derhohlung des einen urſpruͤnglichen Thuns der Analy-
ſe, nemlich die Wiederbeſtimmung des ſchon in die ab-
ſtracte Begriffsform aufgenommenen als eines Concre-
ten
, und hierauf die Analyſe deſſelben, dann von
neuem die Beſtimmung des aus ihr hervorgehenden Ab-
ſtracten als eines Concreten und ſofort. — Die Gedan-
kenbeſtimmungen ſcheinen aber in ihnen ſelbſt auch einen
Uebergang zu enthalten. Wenn der Gegenſtand als
Ganzes beſtimmt worden, ſo wird davon allerdings zur
andern Beſtimmung: des Theils; von der Ur-
ſache
zur andern Beſtimmung der Wirkung u. ſ. f.
fortgegangen. Aber diß iſt hier inſofern kein Fortge-
hen, als Ganzes und Theile, Urſache und Wirkung,
Verhaͤltniſſe ſind, und zwar fuͤr dieſes formale Er-
kennen ſo fertige Verhaͤltniſſe, daß die eine Beſtim-
mung an die andere weſentlich geknuͤpft vorgefunden
wird. Der Gegenſtand, der als Urſache oder als
Theil beſtimmt worden, iſt damit durch das ganze
Verhaͤltniß, ſchon durch beyde Seiten deſſelben beſtimmt.
Ob es ſchon an ſich etwas ſynthetiſches iſt, ſo iſt dieſer
Zuſammenhang fuͤr das analytiſche Erkennen ebenſoſehr
nur ein gegebenes, als anderer Zuſammenhang ſei-
nes Stoffes, und gehoͤrt daher nicht ſeinem eigenthuͤm-
lichen Geſchaͤfte an. Ob ſolcher Zuſammenhang ſonſt
als ein prioriſches oder apoſterioriſches beſtimmt werde,
diß iſt dabey gleichguͤltig, inſofern er als ein vorge-
fundener
gefaßt wird, oder wie man es auch genannt
hat, als eine Thatſache des Bewußtſeyns, daß mit
der Beſtimmung: Ganzes die Beſtimmung: Theil
verknuͤpft ſey und ſo fort. Indem Kant die tiefe Be-
mer-
[320]III.Abſchnitt. Idee.
merkung von ſynthetiſchen Grundſaͤtzen à priori
aufgeſtellt und als deren Wurzel die Einheit des Selbſt-
bewußtſeyns, alſo die Identitaͤt des Begriffes mit ſich,
erkennt hat, nimmt er doch den beſtimmten Zuſam-
menhang, die Verhaͤltnißbegriffe und ſynthetiſchen Grund-
ſaͤtze ſelbſt, von der formalen Logik als gegeben
auf; die Deduction derſelben haͤtte die Darſtellung des
Uebergangs jener einfachen Einheit des Selbſtbewußt-
ſeyns in dieſe ihre Beſtimmungen und Unterſchiede ſeyn
muͤſſen; aber die Aufzeigung dieſes wahrhaft ſyntheti-
ſchen Fortgehens, des ſich ſelbſt producirenden Begriffs,
hat Kant ſich erſpart, zu leiſten.


Bekanntlich wird die Arithmetik und die all-
gemeinern Wiſſenſchaften der diſcreten Groͤſ-
ſe
, Vorzugsweiſe analytiſche Wiſſenſchaft und
Analyſis genannt. Die Erkenntnißweiſe derſelben iſt
in der That am immanenteſten analytiſch und es iſt
kuͤrzlich zu betrachten, worauf ſich diß gruͤndet. — Das
ſonſtige analytiſche Erkennen faͤngt von einem concreten
Stoffe an, der eine zufaͤllige Mannichfaltigkeit an ſich
hat; aller Unterſchied des Inhalts und das Fortgehen
zu weiterem Inhalt haͤngt von demſelben ab. Der
arithmetiſche und algebraiſche Stoff dagegen iſt ein
ſchon ganz abſtract und unbeſtimmt gemachtes, an dem
alle Eigenthuͤmlichkeit des Verhaͤltniſſes getilgt, dem
ſomit nun jede Beſtimmung und Verknuͤpfung ein Aeuſ-
ſerliches iſt. Ein ſolches iſt das Princip der diſcreten
Groͤſſe, das Eins. Diß verhaͤltnißloſe Atome, kann
zu einer Vielheit vermehrt und aͤuſſerlich zu einer
Anzahl beſtimmt und vereinigt werden, dieſes Vermeh-
ren und Begraͤnzen iſt ein leeres Fortgehen und Be-
ſtimmen, welches bey demſelben Princip des abſtracten
Eins ſtehen bleibt. Wie die Zahlen ferner zuſam-
mengefaßt und getrennt werden, haͤngt allein von dem
Setzen
[321]II.Kapitel. Das Erkennen.
Setzen des Erkennenden ab. Die Groͤſſe iſt uͤber-
haupt die Kategorie, innerhalb welcher dieſe Beſtimmun-
gen gemacht werden; — was die gleichguͤltig ge-
wordene Beſtimmtheit iſt, ſo daß der Gegenſtand keine
Beſtimmtheit hat, welche ihm immanent, alſo dem Er-
kennen gegeben waͤre. Inſofern ſich das Erkennen
zunaͤchſt eine zufaͤllige Verſchiedenheit von Zahlen ge-
geben hat, ſo machen ſie nun den Stoff fuͤr eine wei-
tere Bearbeitung und mannichfaltige Verhaͤltniſſe aus.
Solche Verhaͤltniſſe, deren Erfindung und Bearbeitung,
ſcheinen zwar nichts dem analytiſchen Erkennen immanen-
tes, ſondern ein zufaͤlliges und gegebenes zu ſeyn; wie
denn auch dieſe Verhaͤltniſſe und die ſich auf ſie bezie-
henden Operationen, gewoͤhnlich nacheinander, als
verſchiedene ohne Bemerkung eines innern Zuſam-
menhanges vorgetragen werden. Allein es iſt leicht,
ein fortleitendes Princip zu erkennen, und zwar iſt es
das immanente der analytiſchen Identitaͤt, die am Ver-
ſchiedenen als Gleichheit erſcheint; der Fortſchritt iſt
die Reduction des Ungleichen auf immer groͤſſere Gleich-
heit. Um ein Beyſpiel an den erſten Elementen zu ge-
ben, ſo iſt die Addition das Zuſammenfaſſen ganz zu-
faͤllig ungleicher Zahlen, die Multiplication, dagegen
von gleichen, worauf noch das Verhaͤltniß der
Gleichheit von der Anzahl und der Einheit folgt,
und das Potenzenverhaͤltniß eintritt.


Weil nun die Beſtimmtheit des Gegenſtandes und
der Verhaͤltniſſe eine geſetzte iſt, ſo iſt die weitere
Operation mit ihnen auch ganz analytiſch, und die
analytiſche Wiſſenſchaft hat daher nicht ſowohl Lehr-
ſaͤtze
, als Aufgaben. Der analytiſche Lehrſatz
enthaͤlt die Aufgabe ſchon fuͤr ſich ſelbſt als geloͤßt,
und der ganz aͤuſſerliche Unterſchied, der den beyden
Seiten, die er gleich ſetzt, zukommt, iſt ſo unweſentlich,
Xdaß
[322]III.Abſchnitt. Idee.
daß ein ſolcher Lehrſatz als eine triviale Identitaͤt er-
ſcheinen wuͤrde. Kant hat zwar den Satz 5 + 7 = 12
fuͤr einen ſynthetiſchen Satz erklaͤrt, weil auf einer
Seite Daſſelbe, in der Form von Mehrern, von 5 und 7,
auf der andern in der Form von Einem, von 12, dar-
geſtellt iſt. Allein wenn das analytiſche nicht das ganz
abſtract identiſche und tavtologiſche 12 = 12 bedeuten
und ein Fortgang in demſelben uͤberhaupt ſeyn ſoll, ſo
muß irgend ein Unterſchied vorhanden ſeyn, jedoch ein
ſolcher, der ſich auf keine Qualitaͤt, keine Beſtimmtheit
der Reflexion und noch weniger des Begriffs gruͤndet.
5 + 7 und 12 ſind durchaus ganz derſelbe Inhalt;
in jener Seite iſt auch die Foderung ausgedruͤckt,
daß 5 und 7 in Einen Ausdruck zuſammengefaßt, das
heißt, daß wie fuͤnf ein Zuſammengezaͤhltes iſt, wobey
das Abbrechen ganz willkuͤhrlich war, und eben ſo gut
weiter gezaͤhlt werden konnte, nun auf dieſelbe Weiſe
fortgezaͤhlt werden ſoll mit der Beſtimmung, daß die
hinzuzuſetzenden Eins ſieben ſeyn ſollen. Das 12 iſt
alſo ein Reſultat von 5 und 7 und von einer Opera-
tion, welche ſchon geſetzt, ihrer Natur nach auch ein
ganz aͤuſſerliches, gedankenloſes Thun iſt, daß es daher
auch eine Maſchine verrichten kann. Hier iſt im Ge-
ringſten kein Uebergang zu einem Andern; es iſt ein
bloſſes Fortſetzen d. h. Wiederhohlen derſelben Ope-
ration, durch welche 5 und 7 entſtanden iſt.


Der Beweis eines ſolchen Lehrſatzes, — einen ſol-
chen erfoderte er, wenn er ein ſynthetiſcher Satz waͤ-
re — wuͤrde nur in der Operation des durch 7 be-
ſtimmten Fortzaͤhlens von 5 an, und in dem Erkennen
der Uebereinſtimmung dieſes Fortgezaͤhlten mit dem beſte-
hen, was man ſonſt 12 nennt, und was wieder weiter
nichts, als eben jenes beſtimmte Fortzaͤhlen ſelbſt iſt.
Statt der Form der Lehrſaͤtze waͤhlt man daher ſogleich
die
[323]II.Kapitel. Das Erkennen.
die Form der Aufgabe, der Foderung der Opera-
tion, nemlich das Ausſprechen nur der Einen Seite
von der Gleichung, die den Lehrſatz ausmachen wuͤrde,
und deren andere Seite nun gefunden werden ſoll.
Die Aufgabe enthaͤlt den Inhalt, und gibt die beſtimmte
Operation an, die mit ihm vorgenommen werden ſoll.
Die Operation iſt durch keinen ſproͤden, mit ſpecifiſchen
Verhaͤltniſſen begabten Stoff beſchraͤnkt, ſondern ein aͤuſ-
ſerliches, ſubjectives Thun, deſſen Beſtimmungen der
Stoff gleichguͤltig annimmt, an welchem ſie geſetzt wer-
den. Der ganze Unterſchied der in der Aufgabe gemach-
ten Bedingungen, und des Reſultates in der Aufloͤ-
ſung
iſt nur der, daß in dieſem wirklich auf die
beſtimmte Weiſe vereinigt oder getrennt iſt, wie in je-
ner angegeben war.


Es iſt daher ein hoͤchſt uͤberfluͤſſiges Geruͤſte, hier
die Form der geometriſchen Methode, welche ſich auf
ſynthetiſche Saͤtze bezieht, anzuwenden und der Aufgabe
auſſer der Aufloͤſung auch noch einen Beweis fol-
gen zu laſſen. Er kann nichts als die Tavtologie aus-
druͤcken, daß die Aufloͤſung richtig iſt, weil man operirt
hat, wie aufgegeben war. Wenn die Aufgabe iſt, man
ſoll mehrere Zahlen addiren, ſo iſt die Aufloͤſung: man
addire ſie; der Beweis zeigt, daß die Aufloͤſung richtig
iſt, darum weil aufgegeben war zu addiren, und man
addirt hat. Wenn die Aufgabe zuſammengeſetztere Be-
ſtimmungen und Operationen z. B. etwa Decimalzahlen
zu multipliciren enthaͤlt, und die Aufloͤſung gibt nichts,
als das mechaniſche Verfahren an, ſo wird wohl ein
Beweis noͤthig; dieſer aber kann weiter nichts ſeyn,
als die Analyſe jener Beſtimmungen und der Operation,
woraus die Aufloͤſung von ſelbſt hervorgeht. Durch
dieſe Abſonderung der Aufloͤſung als eines mechani-
ſchen Verfahrens, und des Beweiſes als der Ruͤck-
X 2er-
[324]III.Abſchnitt. Idee.
erinnerung an die Natur des zu behandelnden Gegen-
ſtandes und der Operation ſelbſt, geht gerade der Vor-
theil der analytiſchen Aufgabe verloren, daß nemlich
die Conſtruction unmittelbar aus der Aufgabe ab-
geleitet, und daher an und fuͤr ſich als verſtaͤndig
dargeſtellt werden kann; auf die andere Weiſe wird der
Conſtruction ausdruͤcklich ein Mangel gegeben, welcher
der ſynthetiſchen Methode eigen iſt. — In der hoͤhern
Analyſis, wo mit dem Potenzenverhaͤltniſſe vornemlich,
qualitative und von Begriffsbeſtimmtheiten abhaͤngende
Verhaͤltniſſe der diſcreten Groͤſſen eintreten, enthalten
die Aufgaben und Lehrſaͤtze allerdings wohl ſynthetiſche
Beſtimmungen; es muͤſſen daſelbſt andere Beſtimmun-
gen und Verhaͤltniſſe zu Mittelgliedern genommen wer-
den, als unmittelbar durch die Aufgabe oder den
Lehrſatz angegeben ſind. Uebrigens muͤſſen auch
dieſe zu Huͤlfe genommenen Beſtimmungen von der Art
ſeyn, daß ſie in der Beruͤckſichtigung und Entwicklung
einer Seite der Aufgabe oder des Lehrſatzes gegruͤndet
ſind; das ſynthetiſche Ausſehen kommt allein daher, daß
die Aufgabe oder der Lehrſatz dieſe Seite nicht ſelbſt
ſchon nahmhaft macht. — Die Aufgabe z. B. die Sum-
me der Potenzen der Wurzeln einer Gleichung, zu finden,
wird durch die Betrachtung und dann Verknuͤpfung der
Functionen geloͤſt, welche die Coëfficienten der Gleichung
von den Wurzeln ſind. Die hier zu Huͤlfe genommene
Beſtimmung der Functionen der Coëfficienten und deren
Verknuͤpfung iſt nicht in der Aufgabe ſchon ausgedruͤckt,
uͤbrigens iſt die Entwicklung ſelbſt ganz analytiſch. So
iſt die Aufloͤſung der Gleichung Xm — I = O mit Huͤlfe
der Sinus, auch die immanente bekanntlich durch Gauß
gefundene algebraiſche Aufloͤſung mit Huͤlfe der Betrach-
tung des Reſiduums von Xm — I — I durch m divi-
dirt, und der ſogenannten primitiven Wurzeln, — eine
der wichtigſten Erweiterungen der Analyſis der neuern
Zeit,
[325]II.Kapitel. Das Erkennen.
Zeit, — eine ſynthetiſche Aufloͤſung, weil die zu Huͤlfe
genommenen Beſtimmungen, die Sinus oder die Betrach-
tung der Reſiduen, nicht eine Beſtimmung der Auf-
gabe ſelbſt iſt.


Ueber die Natur der Analyſis, welche ſogenannte
unendliche Differenzen veraͤnderlicher Groͤſſen betrachtet,
der Differential- und Integralrechnung, iſt im erſten
Theile
dieſer Logik, ausfuͤhrlicher gehandelt worden.
Daſelbſt wurde gezeigt, daß hier eine qualitative Groͤſ-
ſenbeſtimmung zu Grunde liegt, welche allein durch den
Begriff gefaßt werden kann. Der Uebergang zu derſel-
ben von der Groͤſſe als ſolcher iſt nicht mehr analytiſch;
die Mathematik hat daher bis dieſen Tag nicht dahin
kommen koͤnnen, die Operationen, welche auf jenem
Uebergange beruhen, durch ſich ſelbſt, d. h. auf mathe-
matiſche Weiſe, zu rechtfertigen, weil er nicht mathema-
tiſcher Natur iſt. Leibnitz, dem der Ruhm zugeſchrie-
ben wird, die Rechnung mit den unendlichen Differen-
zen zu einem Calcul geſchaffen zu haben, hat, wie
ebendaſelbſt angefuͤhrt worden, den Uebergang auf eine
Art gemacht, welche die unzulaͤnglichſte, eben ſo voͤllig
begrifflos als unmathematiſch, iſt; den Uebergang aber
einmal vorausgeſetzt, — und er iſt im gegenwaͤrtigen
Stande der Wiſſenſchaft mehr nicht als eine Voraus-
ſetzung, — ſo iſt der weitere Verfolg allerdings nur
eine Reihe gewoͤhnlicher analytiſcher Operationen.


Es iſt erinnert worden, daß die Analyſis ſyn-
thetiſch wird, inſofern ſie auf Beſtimmungen kommt,
welche nicht mehr durch die Aufgaben ſelbſt geſetzt
ſind. Der allgemeine Uebergang aber vom analytiſchen
zum ſynthetiſchen Erkennen, liegt in dem nothwendigen
Uebergange von der Form der Unmittelbarkeit zur Ver-
mittlung, der abſtracten Identitaͤt zum Unterſchiede.
Das
[326]III.Abſchnitt. Idee.
Das Analytiſche bleibt in ſeiner Thaͤtigkeit bey den
Beſtimmungen uͤberhaupt ſtehen, inſofern ſie ſich auf
ſich ſelbſt beziehen; durch ihre Beſtimmtheit aber
ſind ſie weſentlich auch von dieſer Natur, daß ſie ſich
auf ein anderes beziehen. Es iſt ſchon erinnert
worden, daß wenn das analytiſche Erkennen auch an
Verhaͤltniſſen fortgeht, die nicht ein aͤuſſerlich gegebener
Stoff, ſondern Gedankenbeſtimmungen ſind, ſo bleibt es
doch analytiſch, inſofern fuͤr daſſelbe auch dieſe Verhaͤlt-
niſſe gegebene ſind. Weil aber die abſtracte Identi-
taͤt, welche diß Erkennen allein als das ſeinige weiß,
weſentlich Identitaͤt des Unterſchiedenen iſt,
ſo muß ſie auch als ſolche die ſeinige ſeyn, und fuͤr
den ſubjectiven Begriff auch der Zuſammenhang als
durch ihn geſetzt und mit ihm identiſch werden.


b.
Das ſynthetiſche Erkennen.

Das analytiſche Erkennen iſt die erſte Praͤmiſſe
des ganzen Schluſſes, — die unmittelbare Bezie-
hung des Begriffs auf das Object, die Identitaͤt iſt
daher die Beſtimmung, welche es als die ſeinige erkennt,
und es iſt nur das Auffaſſen deſſen, was iſt. Das
ſynthetiſche Erkennen geht auf das Begreiffen deſſen,
was iſt, das heißt, die Mannichfaltigkeit von Beſtimmun-
gen in ihrer Einheit zu faſſen. Es iſt daher die zwey-
te Praͤmiſſe des Schluſſes, in welchem das Verſchie-
dene
als ſolches bezogen wird. Sein Ziel iſt deswe-
gen die Nothwendigkeit uͤberhaupt. — Die Ver-
ſchiedenen, welche verbunden ſind, ſind es theils in ei-
nem Verhaͤltniſſe; in ſolchem ſind ſie ebenſowohl be-
zogen, als gleichguͤltig und ſelbſtſtaͤndig gegeneinander;
theils aber ſind ſie im Begriffe verknuͤpft, dieſer iſt
ihre
[327]II.Kapitel. Das Erkennen.
ihre einfache, aber beſtimmte Einheit. Inſofern nun
das ſynthetiſche Erkennen zunaͤchſt von der abſtracten
Identitaͤt
zum Verhaͤltniſſe, oder vom Seyn
zur Reflexion uͤbergeht, ſo iſt es nicht die abſolute
Reflexion des Begriffes, welche der Begriff in ſeinem
Gegenſtande erkennt; die Realitaͤt, welche er ſich gibt,
iſt die naͤchſte Stuffe, nemlich die angegebene Identitaͤt
der Verſchiedenen als ſolcher, die daher zugleich noch in-
nere
und nur Nothwendigkeit, nicht die ſubjective, fuͤr
ſich ſelbſt ſeyende, daher noch nicht der Begriff als ſol-
cher iſt. Das ſynthetiſche Erkennen hat daher wohl
auch die Begriffsbeſtimmungen zu ſeinem Inhalt, das
Object wird in denſelben geſetzt; aber ſie ſtehen erſt im
Verhaͤltniſſe zu einander, oder ſind in unmittel-
barer
Einheit, aber damit eben nicht in derjenigen,
wodurch der Begriff als Subject iſt.


Diß macht die Endlichkeit dieſes Erkennens aus;
weil dieſe reelle Seite der Idee in ihm noch die Iden-
titaͤt als innre hat, ſo ſind deren Beſtimmungen ſich
noch als aͤuſſerliche; da ſie nicht als Subjectivitaͤt
iſt, ſo fehlt dem Eigenen, das der Begriff in ſeinem
Gegenſtande hat, noch die Einzelnheit, und es iſt
zwar nicht mehr die abſtracte, ſondern die beſtimmte
Form, alſo das Beſondere des Begriffes, was ihm
im Objecte entſpricht, aber das Einzelne deſſelben iſt
noch ein gegebener Inhalt. Diß Erkennen ver-
wandelt die objective Welt daher zwar in Begriffe, aber
gibt ihr nur die Form nach den Begriffsbeſtimmungen,
und muß das Object nach ſeiner Einzelnheit, der
beſtimmten Beſtimmtheit, finden; es iſt noch nicht ſelbſt
beſtimmend. Eben ſo findet es Saͤtze und Geſetze,
und beweißt deren Nothwendigkeit, aber nicht als
eine Nothwendigkeit der Sache an und fuͤr ſich ſelbſt, d. i.
aus dem Begriffe, ſondern des Erkennens, das an den
ge-
[328]III.Abſchnitt. Idee.
gegebenen Beſtimmungen, den Unterſchieden der Erſchei-
nung fortgeht, und fuͤr ſich den Satz als Einheit und
Verhaͤltniß, oder aus der Erſcheinung deren Grund
erkennt.


Die naͤhern Momente des ſynthetiſchen Erkennens
ſind nun zu betrachten.


1.
Die Definition.

Das erſte iſt, daß die noch gegebene Objectivitaͤt
in die einfache, als erſte Form, ſomit die Form des
Begriffes
verwandelt wird; die Momente dieſes
Auffaſſens ſind daher keine andern, als die Mo-
mente des Begriffs; die Allgemeinheit, Beſon-
derheit
und Einzelnheit. — Das Einzelne iſt
das Object ſelbſt als unmittelbare Vorſtellung,
dasjenige, was definirt werden ſoll. Das Allgemeine
des Objects deſſelben hat ſich in der Beſtimmung des
objectiven Urtheils, oder des Urtheils der Nothwendig-
keit, als die Gattung, und zwar als die naͤchſte
ergeben, das Allgemeine nemlich mit dieſer Beſtimmt-
heit, welche zugleich Princip fuͤr den Unterſchied des
Beſondern iſt. Dieſen Unterſchied hat der Gegenſtand
an der ſpecifiſchen Differenz, welche ihn zu der
beſtimmten Art macht, und welche ſeine Disjunction
gegen die uͤbrigen Arten begruͤndet.


Die Definition, indem ſie auf dieſe Weiſe, den
Gegenſtand auf ſeinen Begriff zuruͤckfuͤhrt, ſtreift ſei-
ne Aeuſſerlichkeiten, welche zur Exiſtenz erforderlich ſind,
ab; ſie abſtrahirt von dem, was zum Begriffe in ſeiner
Realiſation hinzukommt, wodurch er erſtlich zur Idee,
und
[329]II.Kapitel. Das Erkennen.
und zweytens zur aͤuſſerlichen Exiſtenz heraustritt. Die
Beſchreibung iſt fuͤr die Vorſtellung und nimmt
dieſen weitern der Realitaͤt angehoͤrigen Inhalt auf.
Die Definition reducirt aber dieſen Reichthum der man-
nichfaltigen Beſtimmungen des angeſchauten Daſeyns
auf die einfachſten Momente; welches die Form dieſer
einfachen Elemente, und wie ſie gegen einander beſtimmt
iſt, diß iſt in dem Begriff enthalten. Der Gegenſtand
wird hiemit, wie angegeben, als Allgemeines gefaßt,
welches zugleich weſentlich beſtimmtes iſt. Der Gegen-
ſtand ſelbſt iſt das dritte, das Einzelne, in welchem die
Gattung und die Beſonderung in Eins geſetzt iſt, und
ein Unmittelbares, welches auſſer dem Begriffe,
da er noch nicht ſelbſtbeſtimmend iſt, geſetzt iſt.


In jenen Beſtimmungen, dem Formunterſchiede der
Definition, findet der Begriff ſich ſelbſt, und hat darin
die ihm entſprechende Realitaͤt. Aber weil die Reflexion
der Begriffsmomente in ſich ſelbſt, die Einzelnheit, in
dieſer Realitaͤt noch nicht enthalten, weil ſomit das Ob-
ject, inſofern es im Erkennen iſt, noch nicht als ein ſub-
jectives beſtimmt iſt, ſo iſt das Erkennen dagegen ein
ſubjectives und hat einen aͤuſſerlichen Anfang, oder
wegen ſeines aͤuſſerlichen Anfangs am Einzelnen iſt es
ein ſubjectives. Der Inhalt des Begriffs iſt daher ein
Gegebenes und ein Zufaͤlliges. Der concrete Begriff
ſelbſt iſt damit ein Zufaͤlliges nach der gedoppelten Sei-
te, einmal nach ſeinem Inhalte uͤberhaupt, das andre-
mal darnach, welche Inhaltsbeſtimmungen von den man-
nichfaltigen Qualitaͤten, die der Gegenſtand im aͤuſſerli-
chen Daſeyn hat, fuͤr den Begriff ausgewaͤhlt werden,
und die Momente deſſelben ausmachen ſollen.


Die letztere Ruͤckſicht bedarf naͤherer Betrachtung.
Es iſt nemlich, da die Einzelnheit als das an und fuͤr
ſich
[330]III.Abſchnitt. Idee.
ſich Beſtimmtſeyn auſſer der eigenthuͤmlichen Begriffsbe-
ſtimmung des ſynthetiſchen Erkennens liegt, kein Prin-
cip vorhanden, welche Seiten des Gegenſtandes als zu
ſeiner Begriffsbeſtimmung und welche nur zu der aͤuſſer-
lichen Realitaͤt gehoͤrig angeſehen werden ſollen. Diß
macht eine Schwierigkeit bey den Definitionen aus, die
fuͤr dieſes Erkennen nicht zu beſeitigen iſt. Doch muß
dabey ein Unterſchied gemacht werden. — Vors erſte
von Producten der ſelbſtbewußten Zweckmaͤſſigkeit laͤßt
ſich leicht die Definition auffinden, denn der Zweck, fuͤr
welchen ſie dienen ſollen, iſt eine Beſtimmung, die aus
dem ſubjectiven Entſchluſſe erzeugt iſt, und die weſentliche
Beſonderung, die Form des Exiſtirenden ausmacht, auf
welche es hier allein ankommt. Die ſonſtige Natur
ſeines Materials oder andere aͤuſſere Eigenſchaften ſind,
inſofern ſie dem Zweck entſprechen, in ſeiner Beſtim-
mung enthalten, die uͤbrigen ſind dafuͤr unweſentlich.


Zweytens die geometriſchen Gegenſtaͤnde ſind
abſtracte Raumbeſtimmungen; die zum Grunde liegende
Abſtraction, der ſogenannte abſolute Raum, hat alle wei-
tern concreten Beſtimmungen verlohren, und hat nun
ferner nur ſolche Geſtalten und Figurationen, als in ihm
geſetzt werden; ſie ſind daher weſentlich nur, was ſie
ſeyn ſollen; ihre Begriffsbeſtimmung uͤberhaupt, und
naͤher die ſpecifiſche Differenz hat an ihnen ihre einfache
ungehinderte Realitaͤt; ſie ſind inſofern daſſelbe, was
die Producte der aͤuſſern Zweckmaͤſſigkeit, wie ſie auch
mit den arithmetiſchen Gegenſtaͤnden darin uͤbereinkom-
men, in welchen gleichfalls nur die Beſtimmung zum
Grunde liegt, die in ihnen geſetzt worden. — Der Raum
hat zwar noch weitere Beſtimmungen, die Dreyheit
ſeiner Dimenſionen, ſeine Continuitaͤt und Theilbarkeit,
welche nicht durch die aͤuſſerliche Beſtimmung an ihm
erſt geſetzt werden. Dieſe gehoͤren aber zu dem aufge-
nom-
[331]II.Kapitel. Das Erkennen.
nommenen Material, und ſind unmittelbare Vorausſetzun-
gen; erſt die Verknuͤpfung und Verwicklung jener ſub-
jectiven Beſtimmungen mit dieſer eigenthuͤmlichen Natur
ihres Bodens, in welchen ſie eingetragen worden, bringt
ſynthetiſche Verhaͤltniſſe und Geſetze hervor. — Bey den
Zahlbeſtimmungen, da ihnen das einfache Princip des
Eins zu Grunde liegt, iſt die Verknuͤpfung und weitere
Beſtimmung ganz nur ein Geſetztes, die Beſtimmungen
hingegen im Raume, der fuͤr ſich ein continuirliches
Auſſereinander iſt, verlauffen ſich noch weiter, und
haben eine von ihrem Begriffe verſchiedene Realitaͤt, die
aber nicht mehr zur unmittelbaren Definition gehoͤrt.


Drittens aber ſieht es mit den Definitionen
concreter Objecte der Natur ſowohl als auch des
Geiſtes ganz anders aus. Solche Gegenſtaͤnde ſind
uͤberhaupt fuͤr die Vorſtellung Dinge von vielen Ei-
genſchaften
. Es kommt hier zunaͤchſt darauf an
aufzufaſſen, was ihre naͤchſte Gattung, und dann was
ihre ſpecifiſche Differenz iſt. Es iſt daher zu beſtim-
men, welche der vielen Eigenſchaften, dem Gegenſtande
als Gattung, und welche ihm als Art zukomme, ferner
welche unter dieſen Eigenſchaften die weſentliche ſey;
und zu dem letztern gehoͤrt, zu erkennen, in welchem Zu-
ſammenhange ſie mit einander ſtehen, ob die eine ſchon
mit der andern geſetzt ſey. Dafuͤr aber iſt kein ande-
res Kriterium noch vorhanden, als das Daſeyn
ſelbſt. — Die Weſentlichkeit der Eigenſchaft iſt fuͤr die
Definition, worin ſie als einfache, unentwickelte Be-
ſtimmtheit geſetzt ſeyn ſoll, ihre Allgemeinheit. Dieſe
aber iſt im Daſeyn die bloß empiriſche; — Allgemein-
heit in der Zeit, ob die Eigenſchaft dauernd iſt, waͤh-
rend die andern ſich als vergaͤnglich in dem Beſtehen
des Ganzen zeigen; — oder eine Allgemeinheit, die aus
Vergleichung mit andern concreten Ganzen hervorgeht,
und
[332]III.Abſchnitt. Idee.
und inſofern nicht uͤber die Gemeinſchaftlichkeit hinaus-
kommt. Wenn nun die Vergleichung den totalen Habi-
tus, wie er ſich empiriſch darbietet, als gemeinſchaftliche
Grundlage angibt, ſo hat die Reflexion denſelben in
eine einfache Gedankenbeſtimmung zuſammenzubringen,
und den einfachen Charakter ſolcher Totalitaͤt aufzufaſſen.
Aber die Beglaubigung, daß eine Gedankenbeſtimmung
oder eine einzelne der unmittelbaren Eigenſchaften, das
einfache und beſtimmte Weſen des Gegenſtandes aus-
machte, kann nur eine Ableitung ſolcher Beſtimmung
aus der concreten Beſchaffenheit ſeyn. Diß erfoder-
te aber eine Analyſe, welche die unmittelbaren Beſchaf-
fenheiten in Gedanken verwandelt, und das Concrete
derſelben auf ein einfaches zuruͤckfuͤhrt; eine Analyſe,
die hoͤher iſt als die betrachtete, weil ſie nicht ab-
ſtrahirend ſeyn, ſondern in dem Allgemeinen das Be-
ſtimmte des Concreten noch erhalten, daſſelbe vereinigen
und von der einfachen Gedankenbeſtimmung abhaͤngig
zeigen ſollte.


Die Beziehungen der mannichfaltigen Beſtim-
mungen des unmittelbaren Daſeyns auf den einfa-
chen Begriff waͤren aber Lehrſaͤtze, die des Beweiſes be-
duͤrften. Die Definition aber als der erſte, noch un-
entwickelte Begriff, indem ſie die einfache Beſtimmtheit
des Gegenſtandes auffaſſen, und diß Auffaſſen etwas
unmittelbares ſeyn ſoll, kann dazu nur eine ſeiner un-
mittelbaren
ſogenannten Eigenſchaften, — eine Be-
ſtimmung des ſinnlichen Daſeyns oder der Vorſtellung,
gebrauchen; ihre durch die Abſtraction geſchehene Ver-
einzelung macht dann die Einfachheit aus, und fuͤr die
Allgemeinheit und Weſentlichkeit iſt der Begriff an die
empiriſche Allgemeinheit, das Beharren unter veraͤnder-
ten Umſtaͤnden und die Reflexion verwieſen, die im aͤuſ-
ſerlichen Daſeyn und in der Vorſtellung d. h. da die
Be-
[333]II.Kapitel. Das Erkennen.
Begriffsbeſtimmung ſucht, wo ſie nicht zu finden iſt. —
Das Definiren thut daher auch auf eigentliche Begriffs-
beſtimmungen, die weſentlich die Principien der Gegen-
ſtaͤnde waͤren, von ſelbſt Verzicht, und begnuͤgt ſich mit
Merkmahlen, d. i. Beſtimmungen, bey denen die
Weſentlichkeit fuͤr den Gegenſtand ſelbſt gleichguͤl-
tig iſt, und die vielmehr nur den Zweck haben, daß ſie
fuͤr eine aͤuſſere Reflexion Merkzeichen ſind. — Eine
ſolche einzelne, aͤuſſerliche Beſtimmtheit ſteht mit der
concreten Totalitaͤt und mit der Natur ihres Begriffs zu
ſehr in Unangemeſſenheit, als daß ſie fuͤr ſich gewaͤhlt
und dafuͤr genommen werden koͤnnte, daß ein concretes
Ganzes ſeinen wahrhaften Ausdruck und Beſtimmung
in ihr haͤtte. — Nach Blumenbachs Bemerkung z. B.
iſt das Ohrlaͤppchen etwas, das allen andern Thieren
fehlt, das alſo nach den gewoͤhnlichen Redensarten von
gemeinſamen und unterſcheidenden Merkmahlen, mit al-
lem Recht als der diſtinctive Charakter in der Definition
des phyſiſchen Menſchen gebraucht werden koͤnnte. Aber
wie unangemeſſen zeigt ſich ſogleich eine ſolche ganz
aͤuſſerliche Beſtimmung mit der Vorſtellung des totalen
Habitus des phyſiſchen Menſchen, und mit der Fode-
rung, daß die Begriffsbeſtimmung etwas Weſentliches
ſeyn ſoll! Es iſt etwas ganz Zufaͤlliges, wenn die in die
Definition aufgenommene Merkmahle nur ſolche reine
Nothbehelfe ſind, oder aber ſich der Natur eines Princips
mehr naͤhern. Es iſt ihnen um ihrer Aeuſſerlichkeit
willen auch anzuſehen, daß von ihnen in der Begriffs-
Erkenntniß nicht angefangen worden iſt; vielmehr iſt ein
dunkles Gefuͤhl, ein unbeſtimmter aber tieferer Sinn,
eine Ahndung des Weſentlichen, der Erfindung der Gat-
tungen in der Natur und im Geiſte vorangegangen, und
dann erſt fuͤr den Verſtand eine beſtimmte Aeuſſerlich-
keit aufgeſucht worden. — Der Begriff, indem er im
Daſeyn in die Aeuſſerlichkeit getreten iſt, iſt er in ſeine
Un-
[334]III.Abſchnitt. Idee.
Unterſchiede entfaltet, und kann nicht an eine einzelne
ſolcher Eigenſchaften ſchlechthin gebunden ſeyn. Die
Eigenſchaften als die Aeuſſerlichkeit des Dinges, ſind
ſich ſelbſt aͤuſſerlich; es iſt in der Sphaͤre der Erſchei-
nung, bey dem Dinge von vielen Eigenſchaften aufge-
zeigt worden, daß ſie deßwegen weſentlich ſogar zu
ſelbſtſtaͤndigen Materien werden; der Geiſt wird, von
demſelben Standpunkte der Erſcheinung aus betrachtet,
zu einem Aggregate von vielen ſelbſtſtaͤndigen Kraͤften.
Die einzelne Eigenſchaft oder Kraft hoͤrt durch dieſen
Standpunkt ſelbſt, wo ſie gleichguͤltig gegen die andern
geſetzt wird, auf, charakteriſirendes Princip zu ſeyn,
womit die Beſtimmtheit, als Beſtimmtheit des Begriffs
uͤberhaupt verſchwindet.


Noch tritt an den concreten Dingen neben der
Verſchiedenheit der Eigenſchaften gegeneinander der Un-
terſchied zwiſchen Begriff und ſeiner Verwirkli-
chung
ein. Der Begriff in der Natur und im Geiſte
hat eine aͤuſſerliche Darſtellung, worin ſeine Beſtimmt-
heit ſich als Abhaͤngigkeit von aͤuſſerem, Vergaͤnglichkeit
und Unangemeſſenheit zeigt. Etwas Wirkliches zeigt
daher wohl an ſich, was es ſeyn ſoll, aber es kann
auch nach dem negativen Begriffsurtheil, ebenſoſehr zei-
gen, daß ſeine Wirklichkeit dieſem Begriffe nur unvoll-
ſtaͤndig entſpricht, daß ſie ſchlecht iſt. Indem die
Definition nun in einer unmittelbaren Eigenſchaft die
Beſtimmtheit des Begriffes angeben ſoll, ſo gibt es keine
Eigenſchaft, gegen welche nicht eine Inſtanz beygebracht
werden koͤnne, in der der ganze Habitus zwar das zu
definirende Concrete erkennen laͤßt, die Eigenſchaft aber,
welche fuͤr deſſen Charakter genommen wird, ſich unreif
oder verkuͤmmert zeigt. In einer ſchlechten Pflanze, ei-
ner ſchlechten Thiergattung, einem veraͤchtlichen Men-
ſchen, einem ſchlechten Staate ſind Seiten der Exiſtenz
man-
[335]II.Kapitel. Das Erkennen.
mangelhaft oder ganz obliterirt, welche ſonſt fuͤr die
Definition als das Unterſcheidende und die weſentliche
Beſtimmtheit, in der Exiſtenz eines ſolchen concreten ge-
nommen werden konnten. Eine ſchlechte Pflanze, Thier
u. ſ. f. bleibt aber immer noch eine Pflanze, Thier u. ſ. f.
Soll daher auch das Schlechte in die Definition aufge-
nommen ſeyn, ſo entgehen dem empiriſchen Herumſuchen
alle Eigenſchaften, welche es als weſentlich anſehen
wollte, durch die Inſtanzen von Mißgeburten, denen die-
ſelbe fehlen, z. B. die Weſentlichkeit des Gehirns fuͤr den
phyſiſchen Menſchen, durch die Inſtanz der Acephalen,
die Weſentlichkeit des Schutzes von Leben und Eigen-
thum fuͤr den Staat, durch die Inſtanz deſpotiſcher Staa-
ten und tyranniſcher Regierungen. — Wenn gegen die
Inſtanz der Begriff behauptet, und ſie an demſelben
gemeſſen fuͤr ein ſchlechtes Exemplar ausgegeben wird,
ſo hat er ſeine Beglaubigung nicht mehr an der Erſchei-
nung. Die Selbſtſtaͤndigkeit des Begriffes iſt aber dem
Sinne der Definition zuwider, welche der unmittel-
bare
Begriff ſeyn ſoll, daher ihre Beſtimmungen fuͤr
die Gegenſtaͤnde nur aus der Unmittelbarkeit des Da-
ſeyns aufnehmen und ſich nur an dem vorgefundenen
rechtfertigen kann. — Ob ihr Inhalt an und fuͤr
ſich
Wahrheit oder Zufaͤlligkeit ſey, diß liegt auſſer ih-
rer Sphaͤre; die formelle Wahrheit aber, die Ueberein-
ſtimmung des in der Definition ſubjectiv geſetzten Be-
griffs und eines auſſer ihm wirklichen Gegenſtandes,
kann darum nicht ausgemacht werden, weil der einzelne
Gegenſtand auch ſchlecht ſeyn kann.


Der Inhalt der Definition iſt uͤberhaupt aus dem
unmittelbaren Daſeyn genommen, und weil er unmit-
telbar iſt, hat er keine Rechtfertigung; die Frage nach
deſſen Nothwendigkeit iſt durch den Urſprung beſeitigt;
darin daß ſie den Begriff als ein bloß unmittelbares
aus-
[336]III.Abſchnitt. Idee.
ausſpricht, iſt darauf Verzicht gethan, ihn ſelbſt zu be-
greiffen. Sie ſtellt daher nichts dar als die Formbe-
ſtimmung des Begriffs an einem gegebenen Inhalt, ohne
die Reflexion des Begriffes in ſich ſelbſt, d. h. ohne
ſein Fuͤrſichſeyn
.


Aber die Unmittelbarkeit uͤberhaupt geht nur aus
der Vermittlung hervor, ſie muß daher zu dieſer uͤber-
gehen. Oder die Inhaltsbeſtimmtheit, welche die Defi-
nition enthaͤlt, iſt darum weil ſie Beſtimmtheit iſt, nicht
nur ein unmittelbares, ſondern durch ihre andere ver-
mitteltes; die Definition kann daher ihren Gegenſtand
nur durch die entgegengeſetzte Beſtimmung faſſen, und
muß daher zur Eintheilung uͤbergehen.


2.
Die Eintheilung.

Das Allgemeine muß ſich beſondern; inſofern
liegt die Nothwendigkeit der Eintheilung in dem Allge-
meinen. Indem aber die Definition ſchon ſelbſt mit
dem Beſondern anfaͤngt, ſo liegt ihre Nothwendigkeit,
zur Eintheilung uͤberzugehen, im Beſondern, das fuͤr
ſich auf ein anderes Beſonderes hinweißt. Umgekehrt
ſcheidet ſich eben darin das Beſondere, indem die Be-
ſtimmtheit im Beduͤrfniſſe ihres Unterſchiedes von der
ihr andern feſtgehalten wird, von dem Allgemeinen ab;
dieſes wird hiemit fuͤr die Eintheilung vorausge-
ſetzt
. Der Gang iſt daher zwar dieſer, daß der ein-
zelne Inhalt der Definition, durch die Beſonderheit zum
Extrem der Allgemeinheit aufſteigt, aber dieſe muß nun-
mehr als die objective Grundlage angenommen werden,
und von ihr aus ſtellt ſich die Eintheilung als Dis-
junction des Allgemeinen, als des erſten, dar.


Hie-
[337]II.Kapitel. Das Erkennen.

Hiemit iſt ein Uebergang eingetreten, der, da er
vom Allgemeinen zum Beſondern geſchieht, durch die
Form des Begriffs beſtimmt iſt. Die Definition fuͤr
ſich iſt etwas einzelnes; eine Mehrheit von Definitionen
gehoͤrt der Mehrheit der Gegenſtaͤnde an. Der dem Be-
griff angehoͤrige Fortgang vom Allgemeinen zum Beſon-
dern iſt Grundlage und Moͤglichkeit einer ſyntheti-
ſchen Wiſſenſchaft
, eines Syſtems, und ſyſte-
matiſchen Erkennens
.


Die erſte Erforderniß hiefuͤr iſt, wie gezeigt, daß
der Anfang mit dem Gegenſtande, in der Form eines
Allgemeinen gemacht werde. Wenn in der Wirk-
lichkeit, es ſey der Natur oder des Geiſtes, die concrete
Einzelnheit dem ſubjectiven, natuͤrlichen Erkennen als
das erſte gegeben iſt, ſo muß dagegen in dem Erkennen,
das wenigſtens inſofern ein Begreiffen iſt, als es die
Form des Begriffes zur Grundlage hat, das Einfache,
von dem Concreten ausgeſchiedene das Erſte ſeyn,
weil der Gegenſtand nur in dieſer Form die Form des
ſich auf ſich beziehenden Allgemeinen und des dem Be-
griffe nach unmittelbaren hat. Gegen dieſen Gang im
Wiſſenſchaftlichen kann etwa gemeynt werden, weil das
Anſchauen leichter ſey als das Erkennen, ſo ſey auch
das Anſchaubare, alſo die concrete Wirklichkeit zum An-
fang der Wiſſenſchaft zu machen, und dieſer Gang ſey
naturgemaͤßer als der, welcher vom Gegenſtand in
ſeiner Abſtraction beginnt, und von da umgekehrt zu
deſſen Beſonderung und concreten Vereinzelung fort-
geht. — Indem aber erkannt werden ſoll, ſo iſt die
Vergleichung mit der Anſchauung bereits entſchieden
und aufgegeben; und es kann nur die Frage ſeyn, was
innerhalb des Erkennens das Erſte und wie die
Folge beſchaffen ſeyn ſoll; es wird nicht mehr ein na-
turgemaͤßer
, ſondern ein Erkenntnißgemaͤßer
YWeg
[338]III.Abſchnitt. Idee.
Weg verlangt. — Wenn bloß nach der Leichtigkeit
gefragt wird, ſo erhellt ohnehin von ſelbſt, daß es dem
Erkennen leichter iſt, die abſtracte einfache Gedanken-
beſtimmung zu faſſen, als das Concrete, welches eine
vielfache Verknuͤpfung von ſolchen Gedankenbeſtimmun-
gen und deren Verhaͤltniſſen iſt; und in dieſer Art, nicht
mehr wie es in der Anſchauung iſt, ſoll es aufgefaßt
werden. An und fuͤr ſich iſt das Allgemeine das
erſte Begriffsmoment, weil es das einfache iſt, und
das Beſondere erſt das nachfolgende, weil es das Ver-
mittelte iſt; und umgekehrt iſt das Einfache das all-
gemeinere, und das Concrete als das in ſich unterſchie-
dene, hiemit Vermittelte, dasjenige, das den Uebergang
von einem Erſten ſchon vorausſetzt. — Dieſe Bemer-
kung betrifft nicht nur die Ordnung des Ganges in den
beſtimmten Formen von Definitionen, Eintheilungen und
Saͤtzen, ſondern auch die Ordnung des Erkennens im
Allgemeinen, und bloß in Ruͤckſicht auf den Unterſchied
von Abſtractem und Concretem uͤberhaupt. — Daher
wird auch z. B. beym Leſenlernen vernuͤnftigerweiſe,
nicht mit dem Leſen ganzer Worte oder auch der Sylben
der Anfang gemacht, ſondern mit den Elementen der
Woͤrter und Sylben, und den Zeichen der abſtracten
Toͤne; in der Buchſtabenſchrift iſt die Analyſe des con-
creten Wortes in ſeine abſtracten Toͤne und deren Zei-
chen ſchon vollbracht, das Leſenlernen wird ebendadurch
eine erſte Beſchaͤftigung mit abſtracten Gegenſtaͤnden.
In der Geometrie iſt nicht der Anfang mit einer
concreten Raumgeſtalt, ſondern mit dem Punkte und der
Linie und dann weiter mit ebenen Figuren zu machen,
und unter dieſen nicht mit Polygonen, ſondern mit dem
Dreyecke, unter den krummen-Linien mit dem Kreiſe.
In der Phyſik ſind die einzelnen Natureigenſchaften
oder Materien von ihren mannichfaltigen Verwicklun-
gen, in denen ſie ſich in concreter Wirklichkeit befinden,
zu
[339]II.Kapitel. Das Erkennen.
zu befreyen, und mit den einfachen, nothwendigen Be-
dingungen darzuſtellen; auch ſie, wie die Raumfiguren
ſind ein [anſchaubares], aber ihre Anſchauung iſt ſo vor-
zubereiten, daß ſie zuerſt von allen Modificationen durch
Umſtaͤnde, die ihrer eigenen Beſtimmtheit aͤuſſerlich ſind,
befreyt erſcheinen und feſtgehalten werden. Magnetis-
mus, Electricitaͤt, Gasarten u. ſ. f. ſind ſolche Gegen-
ſtaͤnde, deren Erkenntniß allein dadurch ihre Beſtimmt-
heit erhaͤlt, daß ſie aus den concreten Zuſtaͤnden, in
denen ſie an der Wirklichkeit erſcheinen, herausgenom-
men, aufgefaßt werden. Das Experiment ſtellt ſie fuͤr
die Anſchauung freylich in einem concreten Falle dar;
aber theils muß es um wiſſenſchaftlich zu ſeyn, nur die
nothwendigen Bedingungen dazu nehmen, theils ſich ver-
vielfaͤltigen, um das untrennbare Concrete dieſer Be-
dingungen als unweſentlich zu zeigen, dadurch daß ſie
in einer andern concreten Geſtalt und wieder in ande-
rer erſcheinen, hiemit fuͤr die Erkenntniß nur ihre ab-
ſtracte Form uͤbrig bleibt. — Um noch eines Beyſpiels
zu erwaͤhnen, ſo konnte es als naturgemaͤß und ſinnreich
erſcheinen, die Farbe zuerſt in der concreten Erſchei-
nung des animaliſchen ſubjectiven Sinnes, alsdenn auſſer
dem Subject als eine geſpenſtartige, ſchwebende Erſchei-
nung, und endlich in aͤuſſerlicher Wirklichkeit an Ob-
jecten fixirt, zu betrachten. Allein fuͤr das Erkennen
iſt die allgemeine, und hiemit wahrhaft erſte Form, die
mittlere unter den genannten, wie die Farbe auf der
Schwebe zwiſchen der Subjectivitaͤt und Objectivitaͤt
als das bekannte Spectrum ſteht, noch ohne alle Ver-
wicklung mit ſubjectiven und objectiven Umſtaͤnden. Letz-
tere ſind fuͤr die reine Betrachtung der Natur die-
ſes Gegenſtands zunaͤchſt nur ſtoͤrend, weil ſie als
wirkende Urſachen ſich verhalten und es daher unent-
ſchieden machen, ob die beſtimmten Veraͤnderungen, Ueber-
gaͤnge und Verhaͤltniſſe der Farbe in deren eigener ſpecifi-
Y 2ſchen
[340]III.Abſchnitt. Idee.
ſchen Natur gegruͤndet, oder vielmehr der krankhaften
ſpecifiſchen Beſchaffenheit jener Umſtaͤnde, den geſunden
und krankhaften beſonderen Affectionen und Wirkungen
der Organe des Subjects, oder den chemiſchen, vegeta-
biliſchen, animaliſchen Kraͤften der Objecte zuzuſchreiben
ſind. — Mehrere und andere Beyſpiele koͤnnten aus der
Erkenntniß der organiſchen Natur und der Welt des
Geiſtes angefuͤhrt werden; allenthalben muß das Ab-
ſtracte den Anfang und das Element ausmachen, in wel-
chem und von welchem aus ſich die Beſonderheiten und
die reichen Geſtalten des Concreten ausbreiten.


Bey der Eintheilung oder dem Beſondern tritt nun
zwar eigentlich der Unterſchied deſſelben von dem Allge-
meinen ein, aber diß Allgemeine iſt ſchon ſelbſt ein be-
ſtimmtes, und damit nur ein Glied einer Eintheilung.
Es gibt daher ein hoͤheres Allgemeines fuͤr daſſelbe;
fuͤr diß aber von neuem ein hoͤheres, und ſo zunaͤchſt
fort ins unendliche. Fuͤr das hier betrachtete Erken-
nen iſt keine immanente Graͤnze, da es vom Gegebenen
ausgeht, und die Form der abſtracten Allgemeinheit ſei-
nem Erſten eigenthuͤmlich iſt. Irgend ein Gegenſtand
alſo, welcher eine elementariſche Allgemeinheit zu haben
ſcheint, wird zum Gegenſtande einer beſtimmten Wiſſen-
ſchaft gemacht, und iſt ein abſoluter Anfang inſofern,
als die Bekanntſchaft der Vorſtellung mit ihm vor-
ausgeſetzt
wird, und er fuͤr ſich als keiner Ableitung
beduͤrftig genommen wird. Die Definition nimmt ihn
als einen unmittelbaren.


Der weitere Fortgang von ihm iſt zunaͤchſt die
Eintheilung
. Fuͤr dieſen Fortgang wuͤrde nur ein
immanentes Princip, d. h. ein Anfang aus dem Allge-
meinen und dem Begriffe erfodert; das hier betrachtete
Erkennen ermangelt aber eines ſolchen, weil es nur der
Form-
[341]II.Kapitel. Das Erkennen.
Formbeſtimmung des Begriffes ohne ihre Reflexion- in-
ſich nachgeht, daher die Inhalts-Beſtimmtheit aus dem Ge-
gebenen nimmt. Fuͤr das Beſondere, das in der Einthei-
lung eintritt, iſt kein eigener Grund vorhanden, weder
in Anſehung deſſen, was den Eintheilungsgrund aus-
machen, noch in Anſehung des beſtimmten Verhaͤlt-
niſſes, das die Glieder der Disjunction zu einander ha-
ben ſollen. Das Geſchaͤft des Erkennens kann daher
in dieſer Ruͤckſicht nur darin beſtehen, theils das im em-
piriſchen Stoffe aufgefundene Beſondere zu ordnen, theils
auch allgemeine Beſtimmungen deſſelben durch die Ver-
gleichung zu finden. Die letztern gelten alsdann als
Eintheilungsgruͤnde, deren vielfaͤltige ſeyn koͤnnen, ſo
wie auch der Eintheilungen eben ſo mannichfaltige dar-
nach Statt haben. Das Verhaͤltniß der Glieder einer
Eintheilung zu einander, der Arten, hat nur dieſe all-
gemeine Beſtimmung, daß ſie nach dem angenom-
menen Eintheilungsgrund
beſtimmt gegen einan-
der ſeyen; beruhte ihre Verſchiedenheit auf einer an-
dern Ruͤckſicht, ſo wuͤrden ſie nicht auf gleicher Linie
einander coordinirt ſeyn.


Wegen des ermangelnden Princips des Fuͤrſich-
ſelbſt-Beſtimmtſeyns, koͤnnen die Geſetze fuͤr dieſes Ein-
theilungsgeſchaͤft nur in formellen, leeren Regeln beſte-
hen, die zu nichts fuͤhren. — So ſehen wir als Regel
aufgeſtellt, daß die Eintheilung den Begriff erſchoͤpfen
ſolle; aber in der That muß jedes einzelne Einthei-
lungsglied den Begriff erſchoͤpfen. Es iſt aber ei-
gentlich die Beſtimmtheit deſſelben gemeynt, welche
erſchoͤpft werden ſoll; allein bey der empiriſchen, in ſich
beſtimmungsloſen Mannichfaltigkeit der Arten traͤgt es
zur Erſchoͤpfung des Begriffs nichts bey, ob deren mehr
oder weniger vorgefunden werden; ob z. B. zu den 67
Arten von Papageyen noch ein Dutzend weiter aufgefun-
den
[342]III.Abſchnitt. Idee.
den werden, iſt fuͤr die Erſchoͤpfung der Gattung gleich-
guͤltig. Die Foderung der Erſchoͤpfung kann nur den
tavtologiſchen Satz bedeuten, daß alle Arten vollſtaͤn-
dig
aufgefuͤhrt werden ſollen. — Bey der Erweiterung
der empiriſchen Kenntniſſe kann es ſich nun ſehr wohl
zutragen, daß ſich Arten finden, welche nicht unter die
angenommene Beſtimmung der Gattung paſſen, weil
dieſe haͤufig mehr nach einer dunklen Vorſtellung des
ganzen Habitus angenommen wird, als nach dem mehr
oder weniger einzelnen Merkmahl, welches ausdruͤcklich
fuͤr ihre Beſtimmung dienen ſoll. — In ſolchem Falle
muͤßte die Gattung geaͤndert, und es muͤßte gerechtfer-
tigt werden, daß eine andere Anzahl von Arten als Ar-
ten Einer neuen Gattung anzuſehen ſeyen, das heißt, die
Gattung beſtimmte ſich aus dem, was man aus irgend
einer Ruͤckſicht, die man als Einheit annehmen will,
zuſammenſtellt; dieſe Ruͤckſicht ſelbſt wuͤrde dabey der
Eintheilungsgrund. Umgekehrt, wenn an der zuerſt an-
genommenen Beſtimmtheit als dem eigenthuͤmlichen der
Gattung feſtgehalten wird, ſchloͤſſe ſich jener Stoff, den
man als Arten mit fruͤhern in Eins zuſammenſtellen
wollte, aus. Dieſes Treiben ohne Begriff, welches das
einemal eine Beſtimmtheit als weſentliches Moment der
Gattung annimmt, und die Beſondern darnach ihr un-
terſtellt oder davon ausſchließt, das andremal bey dem
Beſondern anfaͤngt und in deſſen Zuſammenſtellung ſich
wieder von einer andern Beſtimmtheit leiten laͤßt, gibt
die Erſcheinung eines Spiels der Willkuͤhr, der es an-
heimgeſtellt ſey, welchen Theil oder welche Seite des
Concreten ſie feſthalten, und hiernach ordnen will. —
Die phyſiſche Natur bietet von ſelbſt eine ſolche Zufaͤl-
ligkeit in den Principien der Eintheilung dar; vermoͤge
ihrer abhaͤngigen, aͤuſſerlichen Wirklichkeit ſteht ſie in
dem mannichfaltigen, fuͤr ſie gleichfalls gegebenen Zu-
ſammenhange; daher ſich eine Menge Principien vorfin-
den,
[343]II.Kapitel. Das Erkennen.
den, nach denen ſie ſich zu bequemen hat, in einer Rei-
he ihrer Formen alſo dem einen, in andern Reihen aber
andern nachfolgt, und ebenſowohl auch vermiſchte Zwit-
terweſen, die nach den verſchiedenen Seiten zugleich hin-
gehen, hervorbringt. Hiedurch geſchieht es, daß an ei-
ner Reihe von Naturdingen Merkmahle als ſehr bezeich-
nend und weſentlich hervortreten, die an andern un-
ſcheinbar und zwecklos werden, und damit das Feſt-
halten an einem Eintheilungsprincip dieſer Art un-
moͤglich wird.


Die allgemeine Beſtimmtheit der empiriſchen
Arten kann nur dieſe ſeyn, daß ſie von einander ver-
ſchieden
uͤberhaupt ſind, ohne entgegengeſetzt zu ſeyn.
Die Disjunction des Begriffs iſt fruͤher in ih-
rer Beſtimmtheit aufgezeigt worden; wenn die Beſon-
derheit ohne die negative Einheit des Begriffs, als eine
unmittelbare und gegebene aufgenommen wird, ſo bleibt
der Unterſchied nur bey der fruͤher betrachteten Refle-
xionsform der Verſchiedenheit uͤberhaupt. Die Aeuſ-
ſerlichkeit, in welcher der Begriff in der Natur vornem-
lich iſt, bringt die gaͤnzliche Gleichguͤltigkeit des Unter-
ſchiedes herein; eine haͤufige Beſtimmung fuͤr die Ein-
theilung wird daher von der Zahl hergenommen.


So zufaͤllig das Beſondere hier gegen das Allge-
meine und daher die Eintheilung uͤberhaupt iſt, ſo kann
es einem Inſtincte der Vernunft zugeſchrieben wer-
den, wenn man Eintheilungsgruͤnde und Eintheilungen
in dieſem Erkennen findet, welche, ſo weit ſinnliche Ei-
genſchaften es zulaſſen, ſich dem Begriffe gemaͤßer zei-
gen. Z. B. Bey den Thieren werden die Freßwerk-
zeuge, Zaͤhne und Klauen als ein weitdurchgreiffender
Eintheilungsgrund in den Syſtemen gebraucht; ſie wer-
den zunaͤchſt nur als Seiten genommen, an denen ſich
die
[344]III.Abſchnitt. Idee.
die Merkmahle fuͤr den ſubjectiven Behuf des Erkennens
leichter auszeichnen laſſen. In der That liegt aber in
jenen Organen nicht nur ein Unterſcheiden, das einer
aͤuſſern Reflexion zukommt, ſondern ſie ſind der Lebens-
punkt der animaliſchen Individualitaͤt, wo ſie ſich ſelbſt
von dem Andern der ihr aͤuſſerlichen Natur als ſich auf
ſich beziehende und von der Continuitaͤt mit anderem
ausſcheidende Einzelnheit ſetzt. — Bey der Pflanze
machen die Befruchtungstheile denjenigen hoͤchſten Punkt
des vegetabiliſchen Lebens aus, wodurch ſie auf den
Uebergang in die Geſchlechtsdifferenz, und damit in die
individuelle Einzelnheit hindeutet. Das Syſtem hat
ſich daher mit Recht fuͤr einen zwar nicht aus-, doch
weitreichenden Eintheilungsgrund an dieſen Punkt ge-
wendet, und dadurch eine Beſtimmtheit zu Grunde ge-
legt, welche nicht bloß eine Beſtimmtheit fuͤr die aͤuſſer-
liche Reflexion zur Vergleichung, ſondern die hoͤchſte an
und fuͤr ſich iſt, deren die Pflanze faͤhig iſt.


3.
Der Lehrſatz.

1. Die dritte Stuffe dieſes nach den Begriffsbe-
ſtimmungen fortſchreitenden Erkennens iſt der Uebergang
der Beſonderheit in die Einzelnheit; dieſe macht den
Inhalt des Lehrſatzes aus. Was hier alſo zu be-
trachten iſt, iſt die ſich auf ſich beziehende Be-
ſtimmtheit
, der Unterſchied des Gegenſtands in ſich
ſelbſt, und die Beziehung der unterſchiedenen Beſtimmt-
heiten auf einander. Die Definition enthaͤlt nur Eine
Beſtimmtheit
, die Eintheilung die Beſtimmtheit
gegen andere; in der Vereinzelung iſt der Gegen-
ſtand in ſich ſelbſt aus einander gegangen. Inſofern
die
[345]II.Kapitel. Das Erkennen.
die Definition beym allgemeinen Begriffe ſtehen bleibt,
ſo iſt dagegen in den Lehrſaͤtzen der Gegenſtand in ſeiner
Realitaͤt, in den Bedingungen und Formen ſeines reellen
Daſeyns erkannt. Mit der Definition zuſammen ſtellt
er daher die Idee dar, welche die Einheit des Begriffs
und der Realitaͤt iſt. Aber das hier betrachtete, noch
im Suchen begriffene Erkennen kommt zu dieſer Darſtel-
lung inſofern nicht, als die Realitaͤt bey demſelben nicht
aus dem Begriffe hervorgeht, alſo ihre Abhaͤngigkeit hie-
von und damit die Einheit ſelbſt nicht erkannt wird.


Der Lehrſatz nun nach der angegebenen Beſtim-
mung, iſt das eigentlich Synthetiſche eines Gegen-
ſtandes, inſofern die Verhaͤltniſſe ſeiner Beſtimmtheiten
nothwendig, das iſt, in der innern Identitaͤt
des Begriffes gegruͤndet ſind. Das Synthetiſche in der
Definition und Eintheilung iſt eine aͤuſſerlich aufgenom-
mene Verknuͤpfung; das Vorgefundene wird in die Form
des Begriffes gebracht, aber als vorgefunden wird der
ganze Inhalt nur monſtrirt; der Lehrſatz aber ſoll
demonſtrirt werden. Da dieſes Erkennen den In-
halt ſeiner Definitionen und der Eintheilungs-Beſtim-
mungen nicht deducirt, ſo ſcheint es, koͤnnte es ſich
auch das Beweiſen derjenigen Verhaͤltniſſe erſparen,
welche die Lehrſaͤtze ausdruͤcken, und ſich in dieſer Ruͤck-
ſicht gleichfalls mit der Wahrnehmung begnuͤgen. Al-
lein wodurch ſich das Erkennen von der bloſſen Wahr-
nehmung und der Vorſtellung unterſcheidet, iſt die Form
des Begriffs
uͤberhaupt, die es dem Inhalte er-
theilt; diß wird in der Definition und Eintheilung ge-
leiſtet; aber da der Inhalt des Lehrſatzes von dem Be-
griffsmomente der Einzelnheit herkommt, ſo beſteht
er in Realitaͤtsbeſtimmungen, welche nicht mehr bloß die
einfachen und unmittelbaren Begriffsbeſtimmungen zu ih-
rem Verhaͤltniſſe haben; in der Einzelnheit iſt der Begriff
zum
[346]III.Abſchnitt. Idee.
zum Andersſeyn zur Realitaͤt, wodurch er Idee wird,
uͤbergegangen. Die Syntheſis, die im Lehrſatze enthal-
ten iſt, hat ſomit nicht mehr die Form des Begriffs zu
ihrer Rechtfertigung; ſie iſt eine Verknuͤpfung als von
Verſchiedenen; die noch nicht damit geſetzte Einheit
iſt daher erſt aufzuzeigen, das Beweiſen wird alſo hier
dieſem Erkennen ſelbſt nothwendig.


Zunaͤchſt bietet ſich hiebey nun die Schwierigkeit
dar, beſtimmt zu unterſcheiden, welche von den Be-
ſtimmungen des Gegenſtandes in die Defi-
nitionen
aufgenommen werden koͤnnen, oder aber in
die Lehrſaͤtze zu verweiſen ſind. Es kann hieruͤber
kein Princip vorhanden ſeyn; ein ſolches ſcheint etwa
darin zu liegen, daß das was einem Gegenſtande unmit-
telbar zukomme, der Definition angehoͤre, von dem uͤbri-
gen aber als einem vermittelten die Vermittlung erſt
aufzuzeigen ſey. Allein der Inhalt der Definition iſt
ein beſtimmter uͤberhaupt, und dadurch ſelbſt weſentlich
ein vermittelter; er hat nur eine ſubjective Unmit-
telbarkeit, das heißt, das Subject macht einen willkuͤhr-
lichen Anfang, und laͤßt einen Gegenſtand als Voraus-
ſetzung gelten. Indem diß nun ein in ſich concreter Gegen-
ſtand uͤberhaupt iſt, und auch eingetheilt werden muß,
ſo ergibt ſich eine Menge von Beſtimmungen, welche ih-
rer Natur nach vermittelte ſind, und nicht durch ein
Princip, ſondern nur nach ſubjectiver Beſtimmung als
unmittelbare und unerwieſene angenommen werden. —
Auch bey Euklid, welcher von jeher als der Meiſter
in dieſer ſynthetiſchen Art des Erkennens mit Recht an-
erkannt worden, findet ſich unter dem Namen eines
Axioms eine Vorausſetzung uͤber die Parallel-
Linien
, welche man fuͤr des Beweiſes beduͤrftig ge-
halten, und den Mangel auf verſchiedene Weiſe zu er-
gaͤnzen verſucht hat. In manchen andern Lehrſaͤtzen hat
man
[347]II.Kapitel. Das Erkennen.
man Vorausſetzungen zu entdecken geglaubt, welche nicht
unmittelbar haͤtten angenommen werden ſollen, ſondern
zu beweiſen geweſen waͤren. Was jenes Axiom uͤber
die Parallel-Linien betrifft, ſo laͤßt ſich daruͤber bemer-
ken, daß wohl darin gerade der richtige Sinn Euklids
zu erkennen iſt, der das Element, ſo wie die Natur ſei-
ner Wiſſenſchaft genau gewuͤrdigt hatte; der Beweis
jenes Axioms waͤre aus dem Begriffe der Parallel-
Linien zu fuͤhren geweſen; aber ein ſolches Beweiſen
gehoͤrt ſo wenig in ſeine Wiſſenſchaft, als die Deduction
ſeiner Definitionen, Axiome und uͤberhaupt ſeines Ge-
genſtandes, des Raums ſelbſt und der naͤchſten Beſtim-
mungen deſſelben, der Dimenſionen; — weil eine ſolche
Deduction, nur aus dem Begriffe gefuͤhrt werden kann,
dieſer aber auſſerhalb des Eigenthuͤmlichen der Euklidi-
ſchen Wiſſenſchaften, liegt, ſo ſind es fuͤr dieſelbe noth-
wendig Vorausſetzungen, relative Erſte.


Die Axiome, um derſelben bey dieſer Gelegen-
heit zu erwaͤhnen, gehoͤren zu derſelben Claſſe. Sie
pflegen mit Unrecht gewoͤhnlich als abſolut- Erſte ge-
nommen werden, als ob ſie an und fuͤr ſich keines Be-
weiſes beduͤrften. Waͤre diß in der That der Fall, ſo
wuͤrden ſie bloſſe Tavtologien ſeyn, da nur in der ab-
ſtracten Identitaͤt keine Verſchiedenheit Statt findet, alſo
auch keine Vermittlung erforderlich iſt. Sind die Axiome
aber mehr als Tavtologien, ſo ſind ſie Saͤtze aus ir-
gend einer andern Wiſſenſchaft, weil ſie fuͤr
diejenige Wiſſenſchaft, der ſie als Axiome dienen, Vor-
ausſetzungen ſeyn ſollen. Sie ſind daher eigentlich
Lehrſaͤtze, und zwar meiſt aus der Logik. Die Axiome
der Geometrie ſind dergleichen Lemmen, logiſche Saͤtze,
die ſich uͤbrigens den Tavtologien darum naͤhern, weil
ſie nur die Groͤſſe betreffen und daher die qualitativen
Unterſchiede in ihnen ausgeloͤſcht ſind; von dem Haupt-
axiome,
[348]III.Abſchnitt. Idee.
axiome, dem rein quantitativen Schluſſe iſt oben die
Rede geweſen. — Die Axiome beduͤrfen daher, ſo gut
als die Definitionen und Eintheilungen, an und fuͤr ſich
betrachtet eines Beweiſes, und werden nur darum nicht
zu Lehrſaͤtzen gemacht, weil ſie als relativ erſte, fuͤr ei-
nen gewiſſen Standpunkt als Vorausſetzungen angenom-
men werden.


In Anſehung des Inhaltes der Lehrſaͤtze
iſt nun der naͤhere Unterſchied zu machen, daß da der-
ſelbe in einer Beziehung von Beſtimmtheiten der
Realitaͤt des Begriffes beſteht, dieſe Beziehungen mehr
oder weniger unvollſtaͤndige und einzelne Verhaͤltniſſe
des Gegenſtandes, oder aber ein ſolches Verhaͤltniß ſeyn
koͤnnen, das den ganzen Inhalt der Realitaͤt befaßt,
und deſſen beſtimmte Beziehung ausdruͤckt. Die Ein-
heit der vollſtaͤndigen Inhaltsbeſtimmthei-
ten
iſt aber dem Begriffe gleich; ein Satz, der ſie
enthaͤlt, iſt daher ſelbſt wieder die Definition, aber die
nicht nur den unmittelbar aufgenommenen, ſondern den
in ſeine beſtimmten, realen Unterſchiede entwickelten Be-
griff, oder das vollſtaͤndige Daſeyn deſſelben ausdruͤckt.
Beydes zuſammen ſtellt daher die Idee dar.


Wenn man die Lehrſaͤtze einer ſynthetiſchen Wiſ-
ſenſchaft und namentlich der Geometrie, naͤher
vergleicht, ſo wird ſich dieſer Unterſchied zeigen, daß ei-
nige ihrer Lehrſaͤtze nur einzelne Verhaͤltniſſe des Gegen-
ſtandes enthalten, andere aber ſolche Verhaͤltniſſe, in wel-
chen die vollſtaͤndige Beſtimmtheit des Gegenſtands aus-
gedruͤckt iſt. Es iſt eine ſehr oberflaͤchliche Anſicht,
wenn die ſaͤmmtlichen Saͤtze an Werth einander gleich-
geachtet werden, weil uͤberhaupt jeder eine Wahrheit
enthalte, und im formellen Gange, im Zuſammenhange
des Beweiſens, gleich weſentlich ſey. Der Unterſchied
in Anſehung des Inhalts der Lehrſaͤtze haͤngt mit dieſem
Gan-
[349]II.Kapitel. Das Erkennen.
Gange ſelbſt aufs engſte zuſammen; einige weitere Be-
merkungen uͤber den letztern werden dazu dienen, jenen
Unterſchied wie die Natur des ſynthetiſchen Erkennens
naͤher aufzuhellen. Zunaͤchſt iſt von jeher an der Eukli-
diſchen Geometrie, welche als Repreſentant der ſynthe-
tiſchen Methode, wovon ſie das vollkommenſte Muſter
liefert, als Beyſpiel dienen ſoll, die Anordnung in der
Folge der Lehrſaͤtze angeruͤhmt worden, wodurch fuͤr je-
den Lehrſatz diejenigen Saͤtze, die zu ſeiner Conſtruction
und Beweis erforderlich ſind, ſich immer ſchon als fruͤ-
her bewieſen vorfinden. Dieſer Umſtand betrift die for-
melle Conſequenz; ſo wichtig dieſe iſt, ſo betrift er doch
mehr die aͤuſſerliche Anordnung der Zweckmaͤſſigkeit, und
hat fuͤr ſich keine Beziehung auf den weſentlichen Unter-
ſchied von Begriff und Idee, in dem ein hoͤheres Prin-
cip der Nothwendigkeit des Fortgangs liegt. — Die
Definitionen, mit welchen angefangen wird, faſſen nem-
lich den ſinnlichen Gegenſtand als unmittelbar gegeben
auf, und beſtimmen ihn nach ſeiner naͤchſten Gattung
und ſpecifiſchen Differenz; welches gleichfalls die ein-
fachen, unmittelbaren Beſtimmtheiten des Begriffs,
die Allgemeinheit und Beſonderheit ſind, deren Verhaͤlt-
niß weiter nicht entwickelt iſt. Die anfaͤnglichen Lehr-
ſaͤtze nun koͤnnen ſelbſt ſich an nichts als ſolche unmit-
telbare Beſtimmungen halten, wie die in den Defini-
tionen enthaltene ſind; ingleichen kann ihre gegenſeitige
Abhaͤngigkeit zunaͤchſt nur diß allgemeine betreffen,
daß die eine durch die andere beſtimmt uͤberhaupt
iſt. So betreffen die erſten Saͤtze Euklids uͤber die
Dreyecke nur die Congruenz, d. h. wie viele
Stuͤcke in einem Dreyecke beſtimmt ſeyn muͤſſen,
damit auch die uͤbrigen Stuͤcke eines und deſſelben
Dreyecks, oder das Ganze beſtimmt uͤberhaupt
ſey. Daß zwey Dreyecke mit einander verglichen und
die Congruenz auf das Decken geſetzt wird, iſt ein
Um-
[350]III.Abſchnitt. Idee.
Umweg, deſſen die Methode bedarf, die das ſinnliche
Decken
ſtatt des Gedankens: Beſtimmtſeyn,
gebrauchen muß. Sonſt fuͤr ſich betrachtet, enthalten
jene Lehrſaͤtze ſelbſt zwey Theile, deren der eine als der
Begriff, der andere als die Realitaͤt als das jenen
zur Realitaͤt Vollendende angeſehen werden kann. Das
vollſtaͤndig Beſtimmende nemlich z. B. die zwey Sei-
ten und der eingeſchloſſene Winkel, iſt bereits das ganze
Dreyeck fuͤr den Verſtand; es bedarf zur voll-
ſtaͤndigen Beſtimmtheit deſſelben nichts weiter; die uͤbri-
gen zwey Winkel und die dritte Seite iſt der Ueberfluß
der Realitaͤt uͤber die Beſtimmtheit des Begriffs. Was
jene Lehrſaͤtze daher thun, iſt eigentlich diß, daß ſie das
ſinnliche Dreyeck, das allerdings dreyer Seiten und
dreyer Winkel bedarf, auf die einfachſten Bedingungen
reduciren; die Definition hatte nur der drey Linien
uͤberhaupt erwaͤhnt, welche die ebene Figur einſchlieſſen
und zu einem Dreyeck machen; ein Lehrſatz enthaͤlt erſt
ausdruͤcklich das Beſtimmtſeyn der Winkel durch
das Beſtimmtſeyn der Seiten, ſo wie die uͤbrigen Lehr-
ſaͤtze die Abhaͤngigkeit anderer dreyer Stuͤcke von dreyen
ſolchen Stuͤcken. — Die voͤllige Beſtimmtheit aber der
Groͤſſe des Dreyecks nach ſeinen Seiten in ſich ſelbſt,
enthaͤlt der pythagoraͤiſche Lehrſatz; dieſer iſt erſt
die Gleichung der Seiten des Dreyecks, da die vor-
hergehenden Seiten es nur im Allgemeinen zu einer
Beſtimmtheit ſeiner Stuͤcke gegeneinander, nicht zu
einer Gleichung bringen. Dieſer Satz iſt daher die
vollkommene, reelle Definition des Dreyecks, nem-
lich zunaͤchſt des rechtwinklichten, des in ſeinen Unter-
ſchieden einfachſten und daher regelmaͤſſigſten. — Euklid
ſchließt mit dieſem Satze das erſte Buch, indem er in
der That eine erreichte vollkommene Beſtimmtheit iſt.
So beſchließt er auch das zweyte, nachdem er vorher
die mit groͤſſerer Ungleichheit behafteten, nicht rechtwink-
lich-
[351]II.Kapitel. Das Erkennen.
lichten Dreyecke auf das gleichfoͤrmige zuruͤckgefuͤhrt
hat, mit der Reduction des Rectangels auf das Qua-
drat, — einer Gleichung zwiſchen dem ſich ſelbſt gleichen,
dem Quadrat, mit dem in ſich ungleichen, dem Rechteck;
ſo macht die Hypotenuſe, die dem rechten Winkel, dem
ſich ſelbſt gleichen entſpricht, im pythagoraͤiſchen Lehr-
ſatze, die eine Seite der Gleichung aus, und die andere,
das ſich ungleiche, nemlich die zwey Catheten. Jene
Gleichung zwiſchen dem Quadrat und dem Rechteck liegt
der zweyten Definition des Kreiſes zu Grunde, —
die wieder der pythagoraͤiſche Lehrſatz iſt, nur inſofern die
Catheten als veraͤnderliche Groͤſſen angenommen wer-
den; die erſte Gleichung des Kreiſes iſt in eben dem Ver-
haͤltniſſe der ſinnlichen Beſtimmtheit zur Glei-
chung
, als die zwey verſchiedene Definitionen der Ke-
gelſchnitte uͤberhaupt zu einander ſind.


Dieſer wahrhafte ſynthetiſche Fortgang iſt ein
Uebergang vom Allgemeinen zur Einzelnheit,
nemlich zum an und fuͤr ſich beſtimmten oder der
Einheit des Gegenſtands in ſich ſelbſt, inſofern die-
ſer in ſeine weſentlichen reellen Beſtimmtheiten aus ein-
ander gegangen und unterſchieden worden iſt. Der ganz
unvollkommene, gewoͤhnliche Fortgang aber in andern
Wiſſenſchaften pflegt zu ſeyn, daß der Anfang zwar von
einem Allgemeinen gemacht wird, die Vereinzelung
und Concretion deſſelben aber nur eine Anwendung
des Allgemeinen auf anders woher hereinkommenden
Stoff iſt; das eigentliche Einzelne der Idee iſt auf
dieſe Weiſe eine empiriſche Zuthat.


Von welchem unvollkommnern oder vollkommnern
Inhalte nun auch der Lehrſatz ſey, ſo muß er bewie-
ſen
werden. Er iſt ein Verhaͤltniß von reellen Beſtim-
mungen, die nicht das Verhaͤltniß von Begriffsbeſtim-
mun-
[352]III.Abſchnitt. Idee.
mungen haben; wenn ſie dieſes haben, wie es in den
Saͤtzen, welche wir die zweyten oder reellen Defi-
nitionen
genannt haben, aufgezeigt werden kann, ſo
ſind dieſe eben darum einerſeits Definitionen, aber weil
ihr Inhalt zugleich aus Verhaͤltniſſen reeller Beſtimmun-
gen, nicht bloß in dem Verhaͤltniſſe eines Allgemeinen
und der einfachen Beſtimmtheit beſteht, ſind ſie im Ver-
gleich mit ſolcher erſten Definition auch des Beweiſes
beduͤrftig und faͤhig. Als reelle Beſtimmtheiten haben
ſie die Form gleichguͤltig beſtehender und ver-
ſchiedener
; ſie ſind daher nicht unmittelbar eins; es
iſt deswegen ihre Vermittlung aufzuzeigen. Die unmit-
telbare Einheit in der erſten Definition iſt die, nach
welcher das Beſondere im Allgemeinen iſt.


2. Die Vermittlung, die itzt naͤher zu betrachten
iſt, kann nun einfach ſeyn, oder durch mehrere Vermitt-
lungen hindurch gehen. Die vermittelnden Glieder
haͤngen mit den zu vermittelnden zuſammen; aber in-
dem es nicht der Begriff iſt, aus welchem die Vermitt-
lung und der Lehrſatz in dieſem Erkennen zuruͤckgefuͤhrt
wird, dem uͤberhaupt der Uebergang ins Entgegengeſetz-
te fremd iſt, ſo muͤſſen die vermittelnden Beſtimmungen,
ohne den Begriff des Zuſammenhangs, als ein vorlaͤu-
figes Material zum Geruͤſte des Beweiſes irgendwoher
herbeygebracht werden. Dieſe Vorbereitung iſt die
Conſtruction.


Unter den Beziehungen des Inhalts des Lehrſatzes,
die ſehr mannichfaltig ſeyn koͤnnen, muͤſſen nun nur die-
jenigen angefuͤhrt und vorſtellig gemacht werden, welche
dem Beweiſe dienen. Dieſe Herbeyſchaffung des Ma-
terials hat erſt ihren Sinn in dieſem; an ihr ſelbſt er-
ſcheint ſie als blind und ohne Begriff. Hintennach
beym Beweiſe ſieht man wohl ein, daß es zweckmaͤſſig
war,
[353]II.Kapitel. Das Erkennen.
war, an der geometriſchen Figur z. B. ſolche weitere
Linien zu ziehen, als die Conſtruction angibt, aber bey
dieſer ſelbſt muß man blindlings gehorchen; fuͤr ſich iſt
dieſe Operation daher ohne Verſtand, da der Zweck, der
ſie leitet, noch nicht ausgeſprochen iſt. — Es iſt gleich-
guͤltig, ob es ein eigentlicher Lehrſatz oder eine Aufgabe
iſt, zu deren Behuf ſie vorgenommen wird; ſo wie ſie
zunaͤchſt vor dem Beweis erſcheint, iſt ſie etwas
aus der im Lehrſatze oder der Aufgabe gegebenen Beſtim-
mung nicht abgeleitetes, daher ein ſinnloſes Thun fuͤr
denjenigen, der den Zweck noch nicht kennt, immer aber
ein nur von einem aͤuſſerlichen Zwecke dirigirtes.


Dieſes zuerſt noch Geheime kommt im Beweiſe
zum Vorſchein. Er enthaͤlt, wie angegeben, die Ver-
mittlung deſſen, was im Lehrſatze als verbunden ausge-
ſprochen iſt; durch dieſe Vermittlung erſcheint dieſe
Verknuͤpfung erſt als eine nothwendige. Wie
die Conſtruction fuͤr ſich ohne die Subjectivitaͤt des Be-
griffes iſt, ſo iſt der Beweis ein ſubjectives Thun ohne
Objectivitaͤt. Weil nemlich die Inhaltsbeſtimmungen
des Lehrſatzes nicht zugleich als Begriffsbeſtimmungen
geſetzt ſind, ſondern als gegebene gleichguͤltige Thei-
le
, die in mannichfaltigen aͤuſſerlichen Verhaͤltniſſen zu
einander ſtehen, ſo iſt es nur der formelle, aͤuſſer-
liche
Begriff, in welchem ſich die Nothwendigkeit er-
gibt. Der Beweis iſt nicht eine Geneſis des Ver-
haͤltniſſes, welches den Inhalt des Lehrſatzes ausmacht;
die Nothwendigkeit iſt nur fuͤr die Einſicht, und der
ganze Beweis zum ſubjectiven Behufe des Er-
kennens
. Er iſt deswegen uͤberhaupt eine aͤuſſer-
liche
Reflexion, die von auſſen nach innen geht,
d. h. aus aͤuſſerlichen Umſtaͤnden auf die innre Beſchaf-
fenheit des Verhaͤltniſſes ſchließt. Dieſe Umſtaͤnde, wel-
che die Conſtruction dargeſtellt hat, ſind eine Folge
Zder
[354]III.Abſchnitt. Idee.
der Natur des Gegenſtandes, hier werden ſie umgekehrt
zum Grunde und zu den vermittelnden Verhaͤlt-
niſſen gemacht. Der Medius Terminus, das Dritte,
worin die im Lehrſatze verbundenen ſich in ihrer Ein-
heit darſtellen, und welches den Nerv des Beweiſes ab-
gibt, iſt deßwegen nur ein ſolches, woran dieſe Ver-
knuͤpfung erſcheint und aͤuſſerlich iſt. Weil die
Folge, der dieſes Beweiſen nachgeht, vielmehr die
umgekehrte der Natur der Sache iſt, ſo iſt das was als
Grund darin angeſehen wird, ein ſubjectiver Grund,
woraus nur fuͤr das Erkennen die Natur der Sache
hervorgeht.


Aus dem bisherigen erhellt die nothwendige Grenze
dieſes Erkennens, welche ſehr haͤufig verkannt worden
iſt. Das glaͤnzende Beyſpiel der ſynthetiſchen Methode
iſt die geometriſche Wiſſenſchaft, — aber unpaſſen-
der Weiſe iſt ſie auch auf andere Wiſſenſchaften, ſelbſt
auf die Philoſophie angewendet worden. Die Geometrie
iſt eine Wiſſenſchaft der Groͤſſe, daher iſt das for-
melle
Schlieſſen ihr aufs paſſendſte angehoͤrig; da die
bloß quantitative Beſtimmung in ihr betrachtet, und von
der qualitativen abſtrahirt wird, ſo kann ſie ſich inner-
halb der formellen Identitaͤt, der begriffloſen Ein-
heit halten, welche die Gleichheit iſt, und der aͤuſ-
ſerlichen abſtrahirenden Reflexion angehoͤrt. Der Ge-
genſtand, die Raumbeſtimmungen, ſind ſchon ſolche ab-
ſtracte Gegenſtaͤnde, die fuͤr den Zweck zubereitet wor-
den, eine vollkommene endliche, aͤuſſerliche Beſtimmtheit
zu haben. Dieſe Wiſſenſchaft hat durch ihren ab-
ſtracten Gegenſtand einerſeits das Erhabene, daß in
dieſen leeren ſtillen Raͤumen die Farbe ausgeloͤſcht, eben
ſo die andern ſinnlichen Eigenſchaften verſchwunden ſind,
daß ferner jedes andere Intereſſe darin ſchweigt, das
an die lebendige Individualitaͤt naͤher anſpricht. An-
derer-
[355]II.Kapitel. Das Erkennen.
dererſeits iſt der abſtracte Gegenſtand noch der Raum, —
ein unſinnlich ſinnliches; die Anſchauung iſt
in ihre Abſtraction erhoben, er iſt eine Form der An-
ſchauung, aber iſt noch Anſchauung, — ein Sinnliches,
das Auſſereinander der Sinnlichkeit ſelbſt; ihre
reine Begriffloſigkeit. — Man hat in neuern Zei-
ten genug von der Vortrefflichkeit der Geometrie aus
dieſer Seite ſprechen gehoͤrt; — man hat diß, daß ſie
ſinnliche Anſchauung zum Grunde liegen habe, fuͤr ihren
hoͤchſten Vorzug erklaͤrt, und gemeint ihre hohe Wiſſen-
ſchaftlichkeit gruͤnde ſich ſogar hierauf, und ihre Bewei-
ſe beruhen auf der Anſchauung. Es iſt gegen dieſe
Flachheit die flache Erinnerung zu machen noͤthig, daß
durch das Anſchauen keine Wiſſenſchaft zu Stande kom-
me, ſondern allein durchs Denken. Die Anſchau-
lichkeit, welche die Geometrie durch ihren noch ſinnli-
chen Stoff hat, gibt ihr allein diejenige Seite der Evi-
denz, welche das Sinnliche uͤberhaupt fuͤr den gedan-
kenloſen Geiſt hat. Klaͤglicherweiſe daher hat man die-
ſe Sinnlichkeit des Stoffs ihr fuͤr einen Vorzug ange-
rechnet, welche vielmehr die Niedrigkeit ihres Stand-
punkts bezeichnet. Nur der Abſtraction ihres ſinnlichen
Gegenſtands verdankt ſie ihre Faͤhigkeit zu einer hoͤhern
Wiſſenſchaftlichkeit, und den groſſen Vorzug vor denje-
nigen Sammlungen von Kenntniſſen, die man gleichfalls
Wiſſenſchaften zu nennen beliebt, und die concretes,
empfindbares Sinnliches zu ihrem Inhalte haben, und
nur durch die Ordnung, die ſie hinein zu bringen ſuchen,
eine ferne Ahndung und Anſpielung an die Foderun-
gen des Begriffes zeigen.


Dadurch daß der Raum der Geometrie die Abſtrac-
tion und Leere des Auſſereinanderſeyns iſt, iſt es nur
moͤglich, daß in ſeine Unbeſtimmtheit, die Figurationen
ſo hineingezeichnet werden, daß ihre Beſtimmungen in
Z 2feſter
[356]III.Abſchnitt. Idee.
feſter Ruhe auſſereinander verbleiben und keinen Ueber-
gang in das Entgegengeſetzte in ſich haben. Ihre Wiſ-
ſenſchaft iſt dadurch einfache Wiſſenſchaft des Endli-
chen
, das nach der Groͤſſe verglichen wird, und deſſen
Einheit die aͤuſſerliche, die Gleichheit, iſt. Aber in-
dem nun bey dieſem Figuriren zugleich von verſchiede-
nen Seiten und Principien ausgegangen wird, und die
verſchiedenen Figuren fuͤr ſich entſtehen, ſo zeigt ſich bey
ihrer Vergleichung doch auch die qualitative Un-
gleichheit, und Incommenſurabilitaͤt. Die Geo-
metrie wird an derſelben uͤber die Endlichkeit, in
der ſie ſo geregelt und ſicher fortſchritt, zur Unend-
lichkeit
getrieben, — zum Gleichſetzen ſolcher, die qua-
litativ verſchieden ſind. Hier hoͤrt ihre Evidenz von
der Seite auf, als ihr ſonſt die feſte Endlichkeit zu
Grunde liegt, und ſie nichts mit dem Begriffe und deſ-
ſen Erſcheinung, jenem Uebergange, zu thun hat. Die
endliche Wiſſenſchaft iſt hier an ihre Grenze gekommen,
da die Nothwendigkeit und Vermittlung des Syntheti-
ſchen nicht mehr nur in der poſitiven Identitaͤt,
ſondern in der negativen gegruͤndet iſt.


Wenn die Geometrie, wie die Algebra bey ihren
abſtracten, bloß verſtaͤndigen Gegenſtaͤnden bald auf ihre
Grenze ſtoͤßt, ſo zeigt ſich die ſynthetiſche Methode fuͤr
andere Wiſſenſchaften von Anfang an um ſo un-
genuͤgender, am ungenuͤgendſten aber bey der Philoſo-
phie. In Anſehung der Definition und Eintheilung hat
ſich das Gehoͤrige ſchon ergeben; hier waͤre nur noch
vom Lehrſatze und Beweiſe zu ſprechen, aber auſſer der
Vorausſetzung der Definition und Eintheilung, die den
Beweis ſchon fodert und vorausſetzt, beſteht ferner in
der Stellung derſelben uͤberhaupt zu den Lehrſaͤtzen
das Ungenuͤgende. Dieſe Stellung iſt vornemlich merk-
wuͤrdig bey den Erfahrungswiſſenſchaften, wie z. B. die
Phy-
[357]II.Kapitel. Das Erkennen.
Phyſik, wenn ſie ſich die Form von ſynthetiſchen Wiſſen-
ſchaften geben wollen. Der Weg iſt dann dieſer,
daß die Reflexionsbeſtimmungen von beſondern
Kraͤften, oder ſonſt innerlichen und weſenhaften For-
men, welche aus der Weiſe, die Erfahrung zu analy-
ſiren, hervorgehen, und die ſich nur als Reſultate
rechtfertigen koͤnnen, an die Spitze geſtellt werden
muͤſſen, um an denſelben die allgemeine Grundlage
zu haben, welche nachher auf das Einzelne ange-
wendet
und in ihm aufgezeigt wird. Indem dieſe
allgemeinen Grundlagen fuͤr ſich keinen Halt haben, ſo
ſoll man ſie ſich einſtweilen gefallen laſſen; an den
abgeleiteten Folgerungen aber merkt man erſt, daß
dieſe den eigentlichen Grund jener Grundlagen
ausmachen. Es zeigt ſich die ſogenannte Erklaͤrung,
und der Beweis des in Lehrſaͤtze gebrachten Concreten
theils als eine Tavtologie, theils als eine Verwirrung
des wahren Verhaͤltniſſes, theils auch, daß dieſe Ver-
wirrung dazu diente, die Taͤuſchung des Erkennens zu
verſtecken, das Erfahrungen einſeitig aufgenommen hat,
wodurch es allein ſeine einfachen Definitionen und Grund-
ſaͤtze erlangen konnte, und die Widerlegung aus der Er-
fahrung damit beſeitigt, daß es dieſe nicht in ihrer con-
creten Totalitaͤt, ſondern als Beyſpiel und zwar nach
der fuͤr die Hypotheſen und Theorie brauchbaren Seite
vornimmt und gelten laͤßt. In dieſer Unterordnung der
concreten Erfahrung unter die vorausgeſetzten Beſtim-
mungen wird die Grundlage der Theorie verdunkelt und
nur nach der Seite gezeigt, welche der Theorie gemaͤß
iſt; ſo wie es uͤberhaupt dadurch ſehr erſchwert wird,
die concreten Wahrnehmungen unbefangen fuͤr ſich zu be-
trachten. Nur indem man den ganzen Verlauf auf den
Kopf ſtellt, erhaͤlt das Ganze das rechte Verhaͤltniß,
worin ſich der Zuſammenhang von Grund und Folge,
und die Richtigkeit der Umbildung der Wahrnehmung in
Ge-
[358]III.Abſchnitt. Idee.
Gedanken uͤberſehen laͤßt. Eine der Hauptſchwierigkei-
ten beym Studium ſolcher Wiſſenſchaften iſt daher, in
ſie hineinzukommen
; was nur dadurch geſchehen
kann, daß man ſich die Vorausſetzungen blindlings
gefallen
laͤßt, und ohne weiter einen Begriff, ſelbſt
oft kaum eine beſtimmte Vorſtellung, hoͤchſtens ein ver-
worrenes Bild der Phantaſie davon ſich machen zu koͤn-
nen, die Beſtimmungen von den angenommenen Kraͤf-
ten, Materien und deren hypothetiſchen Geſtaltungen,
Richtungen und Drehungen, vor der Hand ins Gedaͤcht-
niß einpraͤgt. Wenn man die Nothwendigkeit und den
Begriff der Vorausſetzungen, um ſie anzunehmen und
gelten zu laſſen, fodert, ſo iſt nicht uͤber den Anfang
hinauszukommen.


Ueber das Unpaſſende der Anwendung der ſynthe-
tiſchen Methode auf die ſtreng analytiſche Wiſſenſchaft
iſt oben die Gelegenheit geweſen, zu ſprechen. Durch
Wolf iſt dieſe Anwendung auf alle moͤgliche Arten
von Kenntniſſen ausgedehnt worden, die er zur Philo-
ſophie und Mathematik zog, — Kenntniſſe, die zum Theil
ganz analytiſcher Natur, zum Theil auch einer zufaͤlli-
gen, und bloß handwerkmaͤſſigen Art ſind. Der Con-
traſt eines ſolchen leicht faßlichen, ſeiner Natur nach
keiner ſtrengen und wiſſenſchaftlichen Behandlung faͤhi-
gen Stoffes mit dem ſteifen wiſſenſchaftlichen Umwege
und Ueberzuge hat fuͤr ſich ſelbſt das Ungeſchickte ſolcher
Anwendung gezeigt und um den Credit gebracht. *)
Den
[359]II.Kapitel. Das Erkennen.
Den Glauben an die Tauglichkeit und Weſentlichkeit die-
ſer Methode fuͤr eine wiſſenſchaftliche Strenge in der
Philoſophie konnte jedoch jener Mißbrauch nicht be-
nehmen; Spinoza’s Beyſpiel in Darſtellung ſeiner
Philoſophie hat noch lange als ein Muſter gegolten.
In der That aber iſt durch Kant und Jacobi die
gan-
*)
[360]III.Abſchnitt. Idee.
ganze Weiſe der vormaligen Metaphyſik und damit ihre
Methode uͤber den Hauffen geworfen worden. Kant
hat von dem Inhalte jener Metaphyſik nach ſeiner Weiſe
gezeigt, daß derſelbe durch die ſtrenge Demonſtration
auf Antinomien, deren uͤbrige Beſchaffenheit an den
gehoͤrigen Orten beleuchtet worden iſt, fuͤhre; aber auf
die Natur dieſes Demonſtrirens ſelbſt, das an einen
endlichen Inhalt geknuͤpft iſt, hat er nicht reflectirt;
das eine aber muß mit dem andern fallen. In ſeinen
Anfangsgruͤnden der Naturwiſſenſchaft hat
er ſelbſt ein Beyſpiel gegeben, eine Wiſſenſchaft, welche
er auf dieſe Weiſe der Philoſophie zu vindiciren gedach-
te, als eine Reflexionswiſſenſchaft und in der Methode
derſelben zu behandeln. — Wenn Kant mehr der Mate-
rie nach, die vormalige Metaphyſik angriff, ſo hat ſie
Jacobi vornemlich von Seiten ihrer Weiſe zu demon-
ſtriren angegriffen, und den Punkt, worauf es ankommt,
aufs lichteſte und tiefſte herausgehoben, daß nemlich
ſolche Methode der Demonſtration ſchlechthin in den Kreis
der ſtarren Nothwendigkeit des Endlichen gebunden iſt,
und die Freyheit, das iſt, der Begriff, und da-
mit alles, was wahrhaft iſt, jenſeits derſelben
liegt, und von ihr unerreichbar iſt. — Nach dem Kan-
tiſchen Reſultate iſt es der eigenthuͤmliche Stoff der Me-
taphyſik, der ſie in Widerſpruͤche fuͤhrt, und das Un-
zureichende des Erkennens beſteht in ſeiner Subjecti-
vitaͤt
, nach dem Jacobiſchen iſt es die Methode und
ganze Natur des Erkennens ſelbſt, das nur einen Zu-
ſammenhang der Bedingtheit
und Abhaͤngig-
keit
erfaßt, und daher dem, was an und fuͤr ſich und
das abſolut-Wahre iſt, ſich unangemeſſen zeigt. In
der That, indem das Princip der Philoſophie der un-
endliche freye Begriff
iſt, und aller ihr Inhalt
allein auf demſelben beruht, ſo iſt die Methode der be-
griffloſen Endlichkeit nicht auf jenen paſſend. Die
Syn-
[361]II.Kapitel. Das Erkennen.
Syntheſe und Vermittlung dieſer Methode, das Be-
weiſen
bringt es nicht weiter als zu einer der Frey-
heit gegenuͤberſtehenden Nothwendigkeit, — nem-
lich einer Identitaͤt des Abhaͤngigen, welche nur
an ſich iſt, es ſey daß ſie als innerliche oder als
aͤuſſerliche aufgefaßt werde, worin dasjenige, was
die Realitaͤt daran ausmacht, das Unterſchiedene und in
die Exiſtenz getretene ſchlechthin ein ſelbſtſtaͤndig-
Verſchiedenes
und daher Endliches bleibt. Darin
kommt alſo dieſe Identitaͤt ſelbſt nicht zur Exiſtenz
und bleibt das nur innerliche, oder ſie iſt das nur
aͤuſſerliche, indem ihr beſtimmter Inhalt ihr gegeben
iſt; — in beyden Anſichten iſt ſie ein abſtractes und
hat die reelle Seite nicht an ihr ſelbſt, und iſt nicht als
an und fuͤr ſich beſtimmte Identitaͤt geſetzt; der
Begriff, um welchen es allein zu thun, und der das
an und fuͤr ſich unendliche iſt, iſt ſomit aus dieſem Er-
kennen ausgeſchloſſen.


In dem ſynthetiſchen Erkennen gelangt alſo die
Idee nur inſoweit zu ihrem Zweck, daß der Begriff
nach ſeinen Momenten der Identitaͤt und den
realen Beſtimmungen, oder nach der Allge-
meinheit
und den beſondern Unterſchieden, — fer-
ner auch als Identitaͤt, welche Zuſammenhang
und Abhaͤngigkeit des Verſchiedenen iſt, — fuͤr
den Begriff
wird. Aber dieſer ſein Gegenſtand iſt
ihm nicht angemeſſen; denn der Begriff wird nicht als
Einheit ſeiner mit ſich ſelbſt in ſeinem Ge-
genſtande oder ſeiner Realitaͤt
; in der Noth-
wendigkeit iſt ſeine Identitaͤt fuͤr ihn, in der aber nicht
ſelbſt die Beſtimmtheit, ſondern als ein ihr aͤuſſer-
licher, d. i. nicht durch den Begriff beſtimmter Stoff
iſt, in welchem er alſo nicht ſich ſelbſt erkennt. Ueber-
haupt iſt alſo der Begriff nicht fuͤr ſich, nach ſeiner Einheit
nicht
[362]III.Abſchnitt. Idee.
nicht zugleich an und fuͤr ſich beſtimmt. Die Idee
erreicht deßwegen in dieſem Erkennen die Wahrheit noch
nicht, wegen der Unangemeſſenheit des Gegenſtandes zu
dem ſubjectiven Begriffe. — Aber die Sphaͤre der Noth-
wendigkeit iſt die hoͤchſte Spitze des Seyns und der
Reflexion; ſie geht an und fuͤr ſich ſelbſt in die Freyheit
des Begriffes, die innere Identitaͤt geht in ihre Mani-
feſtation, die der Begriff als Begriff iſt, uͤber. Wie
dieſer Uebergang aus der Sphaͤre der Nothwendig-
keit in den Begriff an ſich geſchieht, iſt bey Betrach-
tung der erſtern gezeigt worden, ſo wie er auch als die
Geneſis des Begriffs zu Anfang dieſes Buchs
ſich dargeſtellt hat. Hier hat die Nothwendigkeit
die Stellung, die Realitaͤt oder der Gegenſtand
des Begriffes zu ſeyn, wie auch der Begriff, in den ſie
uͤbergeht, nunmehr als Gegenſtand deſſelben iſt. Aber
der Uebergang ſelbſt iſt derſelbe. Er iſt auch hier nur
erſt an ſich und liegt noch auſſer dem Erkennen in
unſerer Reflexion, d. h. iſt deſſen noch innere Nothwen-
digkeit ſelbſt. Nur das Reſultat iſt fuͤr ihn. Die Idee,
inſofern der Begriff nun fuͤr ſich der an und fuͤr ſich
beſtimmte iſt, iſt die praktiſche Idee, das Handeln.


B.
Die Idee des Guten.

Indem der Begriff, welcher Gegenſtand ſeiner ſelbſt
iſt, an und fuͤr ſich beſtimmt iſt, iſt das Subject ſich
als Einzelnes beſtimmt. Er hat als ſubjectives wie-
der die Vorausſetzung eines an ſich-ſeyenden Anders-
ſeyns; er iſt der Trieb ſich zu realiſiren, der Zweck,
der ſich durch ſich ſelbſt in der objectiven Welt Ob-
jecti-
[363]II.Kapitel. Das Erkennen.
jectivitaͤt geben und ſich ausfuͤhren will. In der theo-
retiſchen Idee ſteht der ſubjective Begriff, als das All-
gemeine
, an- und fuͤr ſich Beſtimmungs-loſe,
der objectiven Welt entgegen, aus der er ſich den be-
ſtimmten Inhalt und die Erfuͤllung nimmt. In der
praktiſchen Idee aber ſteht er als Wirkliches, dem Wirk-
lichen gegenuͤber; die Gewißheit ſeiner ſelbſt, die das
Subject in ſeinem An- und fuͤr-ſich-Beſtimmtſeyn hat,
iſt aber eine Gewißheit ſeiner Wirklichkeit, und der Un-
wirklichkeit
der Welt; nicht nur das Andersſeyn
derſelben als abſtracte Allgemeinheit, iſt ihm das Nich-
tige, ſondern deren Einzelnheit und die Beſtimmungen
ihrer Einzelnheit. Die Objectivitaͤt hat das Sub-
ject hier ſich ſelbſt vindicirt; ſeine Beſtimmtheit in ſich iſt
das Objective, denn es iſt die Allgemeinheit, welche
ebenſowohl ſchlechthin beſtimmt iſt; die vorhin objective
Welt iſt dagegen nur noch ein geſetztes, ein unmittel-
bar
auf mancherley Weiſe beſtimmtes, aber das, weil
es nur unmittelbar beſtimmt iſt, der Einheit des Begrif-
fes in ſich entbehrt, und fuͤr ſich nichtig iſt.


Dieſe in dem Begriffe enthaltene, ihm gleiche, und
die Foderung der einzelnen aͤuſſerlichen Wirklichkeit in ſich
ſchlieſſende Beſtimmtheit, iſt das Gute. Es tritt mit
der Wuͤrde auf, abſolut zu ſeyn, weil es die Totalitaͤt
des Begriffes in ſich, das Objective zugleich in der Form
der freyen Einheit und Subjectivitaͤt iſt. Dieſe Idee
iſt hoͤher als die Idee des betrachteten Erkennens, denn
ſie hat nicht nur die Wuͤrde des Allgemeinen, ſondern
auch des ſchlechthin Wirklichen. — Sie iſt Trieb, in-
ſofern dieſes Wirkliche noch ſubjectiv, ſich ſelbſt ſetzend
iſt, nicht die Form zugleich der unmittelbaren Vor-
ausſetzung hat; ihr Trieb ſich zu realiſiren, iſt eigentlich
nicht ſich Objectivitaͤt zu geben, dieſe hat ſie an ſich
ſelbſt, ſondern nur dieſe leere Form der Unmittelbar-
keit.
[364]III.Abſchnitt. Idee.
keit. — Die Thaͤtigkeit des Zwecks iſt daher nicht gegen
ſich gerichtet, um eine gegebene Beſtimmung in ſich auf-
zunehmen und ſich zu eigen zu machen, ſondern vielmehr
die eigene Beſtimmung zu ſetzen, und ſich vermittelſt des
Aufhebens der Beſtimmungen der aͤuſſerlichen Welt die
Realitaͤt in Form aͤuſſerlicher Wirklichkeit zu geben. —
Die Willens-Idee hat als das ſelbſtbeſtimmende fuͤr
ſich
den Inhalt in ſich ſelbſt. Dieſer iſt nun zwar
beſtimmter Inhalt, und inſofern ein endliches
und beſchraͤnktes; die Selbſtbeſtimmung iſt weſent-
lich Beſonderung, da die Reflexion des Willens in
ſich als negative Einheit uͤberhaupt auch Einzelnheit im
Sinne des Ausſchlieſſens und des Vorausſetzens eines
Andern iſt. Die Beſonderheit des Inhalts iſt jedoch
zunaͤchſt unendlich durch die Form des Begriffs, deſſen
eigene Beſtimmtheit er iſt, und der in ihm die negative
Identitaͤt ſeiner mit ſich ſelbſt, hiemit nicht nur ein Be-
ſonderes, ſondern ſeine unendliche Einzelnheit hat. Die
erwaͤhnte Endlichkeit des Inhalts in der praktiſchen
Idee iſt damit eins und daſſelbe, daß ſie zunaͤchſt noch
unausgefuͤhrte Idee iſt; der Begriff iſt fuͤr ihn das
an und fuͤr ſich ſeyende; er iſt hier die Idee in der
Form der fuͤr ſich ſelbſt ſeyenden Objectivitaͤt; ei-
nestheils iſt das Subjective darum nicht mehr nur ein
geſetztes, Willkuͤhrliches oder Zufaͤlliges, ſondern ein
Abſolutes; aber anderntheils hat dieſe Form der
Exiſtenz, das Fuͤrſichſeyn
, noch nicht auch die
des Anſichſeyns. Was ſo der Form als ſolchen
nach, als Gegenſatz erſcheint, erſcheint an der zur ein-
fachen Identitaͤt
reflectirten Form des Begriffes,
d. i. am Inhalt, als einfache Beſtimmtheit deſſelben;
das Gute ob zwar an und fuͤr ſich geltend, iſt dadurch
irgend ein beſonderer Zweck, der aber durch die Realiſi-
rung nicht erſt ſeine Wahrheit erhalten ſoll, ſondern
ſchon fuͤr ſich das Wahre iſt.


Der
[365]II.Kapitel. Das Erkennen.

Der Schluß der unmittelbaren Realiſirung ſelbſt
bedarf hier keiner naͤhern Ausfuͤhrung; er iſt ganz nur
der oben betrachtete Schluß der aͤuſſerlichen Zweck-
maͤſſigkeit
; nur der Inhalt macht den Unterſchied
aus. In der aͤuſſerlichen als der formellen Zweckmaͤſ-
ſigkeit war er ein unbeſtimmter endlicher Inhalt uͤber-
haupt, hier iſt er zwar auch ein endlicher, aber als ſol-
cher zugleich abſolut geltender. Aber in Anſehung des
Schlußſatzes, des ausgefuͤhrten Zwecks, tritt ein weite-
rer Unterſchied ein. Der endliche Zweck kommt in ſei-
ner Realiſirung ebenſoſehr nur bis zum Mittel;
da er nicht in ſeinem Anfange ſchon an und fuͤr ſich be-
ſtimmter Zweck iſt, bleibt er auch als ausgefuͤhrt ein
ſolches, das nicht an und fuͤr ſich iſt. Iſt das Gute
auch wieder als ein Endliches fixirt, und weſentlich
ein ſolches, ſo kann es auch, ſeiner innerlichen Unend-
lichkeit unerachtet, dem Schickſale der Endlichkeit nicht
entgehen; — ein Schickſal, das in mehrern Formen er-
ſcheint. Das ausgefuͤhrte Gute iſt gut durch das, was
es ſchon im ſubjectiven Zweck, in ſeiner Idee iſt; die
Ausfuͤhrung gibt ihm ein aͤuſſerliches Daſeyn; aber da
diß Daſeyn nur beſtimmt iſt, als die an und fuͤr ſich
nichtige Aeuſſerlichkeit, ſo hat das Gute in ihr nur ein
zufaͤlliges, zerſtoͤrbares Daſeyn, nicht eine ſeiner Idee
entſprechende Ausfuͤhrung erreicht. — Ferner da es ſei-
nem Inhalte nach ein beſchraͤnktes iſt, ſo gibt es auch
des Guten mehrerley; das exiſtirende Gute iſt nicht nur
der Zerſtoͤrung durch aͤuſſerliche Zufaͤlligkeit und durch
das Boͤſe unterworfen, ſondern durch die Colliſion und
den Widerſtreit des Guten ſelbſt. Von Seiten der ihm
vorausgeſetzten, objectiven Welt, in deren Vorausſetzung
die Subjectivitaͤt und Endlichkeit des Guten beſteht, und
die als eine Andere ihren eigenen Gang geht, iſt ſelbſt
die Ausfuͤhrung des Guten Hinderniſſen, ja ſogar de[r]
Unmoͤglichkeit ausgeſetzt. Das Gute bleibt ſo ein S[o]l-
len;
[366]III.Abſchnitt. Idee.
len; es iſt an und fuͤr ſich, aber das Seyn als
die letzte, abſtracte Unmittelbarkeit, bleibt gegen daſſelbe
auch als ein Nichtſeyn beſtimmt. Die Idee des
vollendeten Guten iſt zwar ein abſolutes Poſtulat,
aber mehr nicht als ein Poſtulat, d. i. das Abſolute
mit der Beſtimmtheit der Subjectivitaͤt behaftet. Es
ſind noch die zwey Welten im Gegenſatze, die eine ein
Reich der Subjectivitaͤt in den reinen Raͤumen des
durchſichtigen Gedankens, die andere ein Reich der Ob-
jectivitaͤt in dem Elemente einer aͤuſſerlich mannichfalti-
gen Wirklichkeit, die ein unaufgeſchloſſenes Reich der
Finſterniß iſt. Die vollſtaͤndige Ausbildung des unauf-
geloͤßten Widerſpruchs, jenes abſoluten Zwecks, dem
die Schranke dieſer Wirklichkeit unuͤberwindlich
gegenuͤberſteht, iſt in der Phaͤnomenologie des Geiſtes
S. 548 ff. naͤher betrachtet worden. — Indem die Idee
das Moment der vollkommenen Beſtimmtheit in ſich
enthaͤlt, ſo hat der andere Begriff, zu dem der Begriff
ſich in ihr verhaͤlt, in ſeiner Subjectivitaͤt zugleich das
Moment eines Objects; die Idee tritt daher hier in die
Geſtalt des Selbſt-Bewußtſeyns, und trift nach
dieſer einen Seite mit deſſen Darſtellung zuſammen.


Was aber der praktiſchen Idee noch mangelt, iſt
das Moment des eigentlichen Bewußtſeyns ſelbſt, daß
nemlich das Moment der Wirklichkeit im Begriffe, fuͤr
ſich die Beſtimmung des aͤuſſerlichen Seyns er-
reicht haͤtte. — Dieſer Mangel kann auch ſo betrachtet
werden, daß der praktiſchen Idee noch das Moment
der theoretiſchen fehlt. In der letztern nemlich
ſteht auf der Seite des ſubjectiven, vom Begriffe in ſich
angeſchaut werdenden Begriffs nur die Beſtimmung der
Allgemeinheit; das Erkennen weiß ſich nur als
Auffaſſen, als die fuͤr ſich ſelbſt unbeſtimmte Iden-
titaͤt des Begriffs mit ſich ſelbſt; die Erfuͤllung, d. i. die
an
[367]II.Kapitel. Das Erkennen.
an und fuͤr ſich beſtimmte Objectivitaͤt iſt ihr ein Ge-
gebenes
, und das wahrhaft-Seyende die un-
abhaͤngig vom ſubjectiven Setzen vorhandene Wirklich-
keit. Der praktiſchen Idee dagegen gilt dieſe Wirklich-
keit, die ihr zugleich als unuͤberwindliche Schranke ge-
genuͤberſteht, als das an und fuͤr ſich Nichtige, das erſt
ſeine wahrhafte Beſtimmung und einzigen Werth durch
die Zwecke des Guten erhalten ſolle. Der Wille ſteht
daher der Erreichung ſeines Ziels nur ſelbſt im Wege
dadurch, daß er ſich von dem Erkennen trennt, und die
aͤuſſerliche Wirklichkeit fuͤr ihn nicht die Form des Wahr-
haft-Seyenden erhaͤlt; die Idee des Guten kann daher
ihre Ergaͤnzung allein in der Idee des Wahren finden.


Sie macht aber dieſen Uebergang durch ſich ſelbſt.
In dem Schluſſe des Handelns iſt die eine Praͤmiſſe
die unmittelbare Beziehung des guten Zweckes
auf die Wirklichkeit
, deren er ſich bemaͤchtigt und
in der zweyten Praͤmiſſe als aͤuſſerliches Mittel gegen
die aͤuſſerliche Wirklichkeit richtet. Das Gute iſt fuͤr
den ſubjectiven Begriff das Objective; die Wirklichkeit
in ihrem Daſeyn ſteht ihm nur inſofern als die unuͤber-
windliche Schranke gegenuͤber, als ſie noch die Be-
ſtimmung unmittelbaren Daſeyns, nicht ei-
nes Objectiven nach dem Sinne des An und fuͤr ſich-
ſeyns hat; ſie iſt vielmehr entweder das Boͤſe oder
Gleichguͤltige, nur Beſtimmbare, welches ſeinen
Werth nicht in ſich ſelbſt hat. Dieſes abſtracte
Seyn, das dem Guten in der zweyten Praͤmiſſe ge-
genuͤberſteht, hat aber die praktiſche Idee bereits
ſelbſt aufgehoben; die erſte Praͤmiſſe ihres Han-
delns iſt die unmittelbare Objectivitaͤt
des Begriffes, wornach der Zweck ohne allen Wi-
derſtand ſich der Wirklichkeit mittheilt, und in einfa-
cher, identiſcher Beziehung mit ihr iſt. Es ſind
in-
[368]III.Abſchnitt. Idee.
inſofern alſo nur die Gedanken ihrer beyden Praͤmiſſen
zuſammen zu bringen. Zu dem, was in der erſten von
dem objectiven Begriffe unmittelbar ſchon vollbracht iſt,
kommt in der zweyten zunaͤchſt nur diß hinzu, daß es
durch Vermittlung, hiemit fuͤr ihn geſetzt wird. Wie
nun in der Zweckbeziehung uͤberhaupt der [ausgefuͤhrte]
Zweck zwar auch wieder nur ein Mittel, aber umge-
kehrt das Mittel auch der ausgefuͤhrte Zweck iſt, ſo iſt
gleichfalls in dem Schluſſe des Guten, die zweyte Praͤ-
miſſe ſchon unmittelbar in der erſten an ſich vorhan-
den; allein dieſe Unmittelbarkeit iſt nicht hinreichend,
und die zweyte wird ſchon fuͤr das erſte poſtulirt; —
die Ausfuͤhrung des Guten gegen eine gegenuͤberſtehende
andre Wirklichkeit iſt die Vermittlung, welche weſentlich
fuͤr die unmittelbare Beziehung und das Verwirklichtſeyn
des Guten nothwendig iſt. Denn ſie iſt nur die erſte
Negation oder das Andersſeyn des Begriffs, eine Ob-
jectivitaͤt, welche ein Verſenktſeyn des Begriffs in die
Aeuſſerlichkeit waͤre; die zweyte iſt das Aufheben die-
ſes Andersſeyns, wodurch die unmittelbare Ausfuͤhrung
des Zwecks, erſt Wirklichkeit des Guten als des fuͤr ſich-
ſeyenden Begriffes wird, indem er darin identiſch mit
ſich ſelbſt, nicht mit einem Andern, hiemit allein als
freyer geſetzt wird. Wenn nun der Zweck des Guten
dadurch doch nicht ausgefuͤhrt ſeyn ſollte, ſo iſt diß ein
Ruͤckfall des Begriffs in den Standpunkt, den der Be-
griff vor ſeiner Thaͤtigkeit hat, — den Standpunkt der
als nichtig beſtimmten und doch als reell vorausgeſetzten
Wirklichkeit; — ein Ruͤckfall, welcher zum Progreß in
die ſchlechte Unendlichkeit wird, ſeinen Grund allein darin
hat, daß in dem Aufheben jener abſtracten Realitaͤt diß
Aufheben eben ſo unmittelbar vergeſſen wird, oder daß
vergeſſen wird, daß dieſe Realitaͤt vielmehr ſchon als die
an und fuͤr ſich nichtige, nicht objective Wirklichkeit vor-
ausgeſetzt iſt. Dieſe Wiederhohlung der Vorausſetzung
des
[369]II.Kapitel. Das Erkennen.
des nicht ausgefuͤhrten Zweckes nach der wirklichen Aus-
fuͤhrung des Zweckes beſtimmt ſich daher auch ſo, daß
die ſubjective Haltung des objectiven Begriffes
reproducirt und perennirend gemacht wird, womit die
Endlichkeit
des Guten, ſeinem Inhalte, ſo wie ſeiner
Form nach als die bleibende Wahrheit, ſo wie ſeine Ver-
wirklichung ſchlechthin immer nur als ein einzelner
Act nicht als ein allgemeiner erſcheint. — In der
That hat ſich dieſe Beſtimmtheit in der Verwirklichung
des Guten aufgehoben; was den objectiven Begriff noch
begraͤnzt, iſt ſeine eigene Anſicht von ſich, die durch
die Reflexion auf das, was ſeine Verwirklichung an
ſich
iſt, verſchwindet; er ſteht nur ſich ſelbſt durch die-
ſe Anſicht im Wege, und hat ſich daruͤber nicht gegen
eine aͤuſſere Wirklichkeit, ſondern gegen ſich ſelbſt zu
richten.


Die Thaͤtigkeit in der zweyten Praͤmiſſe nemlich,
die nur ein einſeitiges Fuͤr ſichſeyn hervorbringt, da-
her das Product als ein ſubjectives und einzel-
nes
erſcheint, darin ſomit die erſte Vorausſetzung wie-
derhohlt wird, — iſt in Wahrheit ebenſoſehr das Setzen
der an ſich ſeyenden Identitaͤt des objectiven Be-
griffs und der unmittelbaren Wirklichkeit. Dieſe letztere
iſt durch die Vorausſetzung beſtimmt, nur eine Realitaͤt
der Erſcheinung zu haben, an und fuͤr ſich nichtig, und
ſchlechthin vom objectiven Begriffe beſtimmbar zu ſeyn:
Indem durch die Thaͤtigkeit des objectiven Begriffs die
aͤuſſere Wirklichkeit veraͤndert, ihre Beſtimmung hiemit
aufgehoben wird, ſo wird ihr eben dadurch die bloß
erſcheinende Realitaͤt, aͤuſſerliche Beſtimmbarkeit und Nich-
tigkeit genommen, ſie wird hiemit geſetzt, als an und
fuͤr ſich ſeyend. Es wird darin die Vorausſetzung uͤber-
haupt aufgehoben, nemlich die Beſtimmung des Guten,
als eines bloß ſubjectiven und ſeinem Inhalte nach be-
A aſchraͤnk-
[370]III.Abſchnitt. Idee.
ſchraͤnkten Zwecks, die Nothwendigkeit, ihn durch ſub-
jective Thaͤtigkeit erſt zu realiſiren, und dieſe Thaͤtigkeit
ſelbſt. In dem Reſultate hebt die Vermittlung ſich ſelbſt
auf, es iſt eine Unmittelbarkeit, welche nicht die
Wiederherſtellung der Vorausſetzung, ſondern vielmehr
deren Aufgehobenſeyn iſt. Die Idee des an und fuͤr
ſich beſtimmten Begriffs iſt hiemit geſetzt, nicht mehr bloß
im thaͤtigen Subject, ſondern ebenſoſehr als eine unmit-
telbare Wirklichkeit, und umgekehrt dieſe, wie ſie im Er-
kennen iſt, als wahrhaftſeyende Objectivitaͤt zu ſeyn.
Die Einzelnheit des Subjects, mit der es durch ſeine
Vorausſetzung behaftet wurde, iſt mit dieſer verſchwun-
den; es iſt hiemit itzt als freye, allgemeine Iden-
titaͤt mit ſich ſelbſt
, fuͤr welche die Objectivitaͤt
des Begriffes ebenſoſehr eine Gegebene, unmittelbar
fuͤr daſſelbe Vorhandene iſt, als es ſich als den an
und fuͤr ſich beſtimmten Begriff weiß. In dieſem Re-
ſultate iſt hiemit das Erkennen hergeſtellt, und mit
der praktiſchen Idee vereinigt, die vorgefundene Wirk-
lichkeit iſt zugleich als der ausgefuͤhrte abſolute Zweck
beſtimmt, aber nicht wie im ſuchenden Erkennen, bloß
als objective Welt ohne die Subjectivitaͤt des Begriffes,
ſondern als objective Welt, deren innerer Grund und
wirkliches Beſtehen der Begriff iſt. Diß iſt die ab-
ſolute Idee.


Drit-
[371]

Drittes Kapitel.
Die abſolute Idee
.


Die abſolute Idee, wie ſie ſich ergeben hat, iſt
die Identitaͤt der theoretiſchen und der praktiſchen, wel-
che jede fuͤr ſich noch einſeitig, die Idee ſelbſt nur als
ein geſuchtes Jenſeits und unerreichtes Ziel in ſich
hat; — jede daher eine Syntheſe des Stre-
bens
iſt, die Idee ſowohl in ſich hat als auch nicht
hat, von einem zum andern uͤbergeht, aber beyde Ge-
danken nicht zuſammenbringt, ſondern in deren Wider-
ſpruche ſtehen bleibt. Die abſolute Idee als der ver-
nuͤnftige Begriff, der in ſeiner Realitaͤt nur mit ſich ſelbſt
zuſammengeht, iſt um dieſer Unmittelbarkeit ſeiner ob-
jectiven Identitaͤt willen einerſeits die Ruͤckkehr zum Le-
ben
; aber ſie hat dieſe Form ihrer Unmittelbarkeit eben-
ſoſehr aufgehoben, und den hoͤchſten Gegenſatz in ſich.
Der Begriff iſt nicht nur Seele, ſondern freyer ſub-
jectiver Begriff, der fuͤr ſich iſt und daher die Per-
ſoͤnlichkeit
hat, — der praktiſche, an und fuͤr ſich
beſtimmte, objective Begriff, der als Perſon undurch-
dringliche, atome Subjectivitaͤt iſt, — der aber ebenſo-
ſehr nicht ausſchlieſſende Einzelnheit, ſondern fuͤr ſich
Allgemeinheit und Erkennen iſt, und in ſeinem
Andern ſeine eigene Objectivitaͤt zum Gegenſtande
hat. Alles Uebrige iſt Irrthum, Truͤbheit, Meynung,
Streben, Willkuͤhr und Vergaͤnglichkeit die [abſolute]
A a 2Idee
[372]III.Abſchnitt. Idee.
Idee allein iſt Seyn, unvergaͤngliches Leben, ſich
wiſſende Wahrheit
, und iſt alle Wahrheit.


Sie iſt der einzige Gegenſtand und Inhalt der
Philoſophie. Indem ſie alle Beſtimmtheit in ſich
enthaͤlt, und ihr Weſen diß iſt, durch ihre Selbſtbeſtim-
mung oder Beſonderung zu ſich zuruͤckzukehren, ſo hat
ſie verſchiedene Geſtaltungen, und das Geſchaͤft der Phi-
loſophie iſt, ſie in dieſen zu erkennen. Die Natur und der
Geiſt, ſind uͤberhaupt unterſchiedene Weiſen, ihr Da-
ſeyn
darzuſtellen; Kunſt und Religion ihre verſchiede-
nen Weiſen, ſich zu erfaſſen und ein ſich angemeſſenes
Daſeyn zu geben; die Philoſophie hat mit Kunſt und
Religion denſelben Inhalt und denſelben Zweck; aber ſie
iſt die hoͤchſte Weiſe, die abſolute Idee zu erfaſſen, weil
ihre Weiſe die hoͤchſte, der Begriff, iſt. Sie faßt daher
jene Geſtaltungen der reellen und ideellen Endlichkeit,
ſo wie der Unendlichkeit und Heiligkeit in ſich, und be-
greift ſie und ſich ſelbſt. Die Ableitung und Erkenntniß
dieſer beſondern Weiſen iſt nun das fernere Geſchaͤft der
beſondern philoſophiſchen Wiſſenſchaften. Das Logi-
ſche
der abſoluten Idee kann auch eine Weiſe derſel-
ben genannt werden; aber indem die Weiſe eine be-
ſondere
Art, eine Beſtimmtheit der Form bezeich-
net, ſo iſt das Logiſche dagegen die allgemeine Weiſe,
in der alle beſondern aufgehoben und eingehuͤllt ſind.
Die logiſche Idee iſt ſie ſelbſt in ihrem reinen Weſen,
wie ſie in einfacher Identitaͤt in ihren Begriff einge-
ſchloſſen, und in das Scheinen in einer Formbe-
ſtimmtheit, noch nicht eingetreten iſt. Die Logik ſtellt
daher die Selbſtbewegung der abſoluten Idee nur als
das urſpruͤngliche Wort dar, das eine Aeuſſerung
iſt, aber eine ſolche, die als Aeuſſeres unmittelbar wie-
der verſchwunden iſt, indem ſie iſt; die Idee iſt alſo
nur in dieſer Selbſtbeſtimmung, ſich zu vernehmen,
ſie
[373]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
ſie iſt in dem reinen Gedanken, worin der Unter-
ſchied noch kein Andersſeyn, ſondern ſich vollkom-
men durchſichtig iſt und bleibt. — Die logiſche Idee
hat ſomit ſich als die unendliche Form zu ihrem
Inhalte; — die Form, welche inſofern den Gegenſatz
zum Inhalt ausmacht, als dieſer die in ſich gegange-
ne und in der Identitaͤt aufgehobene Formbeſtimmung
ſo iſt, daß dieſe concrete Identitaͤt gegenuͤber der als
Form entwickelten ſteht; er hat die Geſtalt eines An-
dern und Gegebenen gegen die Form, die als ſolche
ſchlechthin in Beziehung ſteht, und deren Beſtimmt-
heit zugleich als Schein geſetzt iſt. — Die abſolute Idee
ſelbſt hat naͤher nur dieß zu ihrem Inhalt, daß die
Formbeſtimmung ihre eigene vollendete Totalitaͤt, der
reine Begriff, iſt. Die Beſtimmtheit der Idee und
der ganze Verlauf dieſer Beſtimmtheit nun, hat den Ge-
genſtand der logiſchen Wiſſenſchaft ausgemacht, aus wel-
chem Verlauf die abſolute Idee ſelbſt fuͤr ſich hervor-
gegangen iſt; fuͤr ſich aber hat ſie ſich als diß gezeigt,
daß die Beſtimmtheit nicht die Geſtalt eines Inhalts
hat, ſondern ſchlechthin als Form, daß die Idee hier-
nach als die ſchlechthin allgemeine Idee iſt. Was
alſo hier noch zu betrachten kommt, iſt ſomit nicht ein
Inhalt als ſolcher, ſondern das Allgemeine ſeiner
Form, — das iſt, die Methode.


Die Methode kann zunaͤchſt als die bloſſe Art
und Weiſe
des Erkennens erſcheinen, und ſie hat in
der That die Natur einer ſolchen. Aber die Art und
Weiſe iſt als Methode nicht nur eine an und fuͤr
ſich beſtimmte
Modalitaͤt des Seyns, ſondern als
Modalitaͤt des Erkennens geſetzt als durch den Be-
griff
beſtimmt, und als die Form, inſofern ſie die
Seele aller Objectivitaͤt iſt, und aller ſonſt beſtimmte
Inhalt ſeine Wahrheit allein in der Form hat. Wenn
der
[374]III.Abſchnitt. Idee.
der Inhalt wieder der Methode als gegeben und als
von eigenthuͤmlicher Natur angenommen wird, ſo iſt
ſie wie das Logiſche uͤberhaupt in ſolcher Beſtimmung
eine bloß aͤuſſerliche Form. Aber es kann hin-
gegen nicht nur auf den Grundbegriff vom Logiſchen ſich
beruffen werden, ſondern der ganze Verlauf deſſelben,
worin alle Geſtalten eines gegebenen Inhalts und der
Objecte vorgekommen ſind, hat ihren Uebergang und
Unwahrheit gezeigt, und ſtatt daß ein gegebenes Object
die Grundlage ſeyn koͤnnte, zu der ſich die abſolute
Form nur als aͤuſſerliche und zufaͤllige Beſtimmung ver-
hielte, hat ſich dieſe vielmehr als die abſolute Grund-
lage und letzte Wahrheit erwieſen. Die Methode iſt
daraus als der ſich ſelbſt wiſſende, ſich als das
Abſolute, ſowohl Subjective als Objective, zum Ge-
genſtande habende Begriff
, ſomit als das reine
Entſprechen des Begriffs und ſeiner Realitaͤt, als eine
Exiſtenz die er ſelbſt iſt, hervorgegangen.


Was hiemit als Methode hier zu betrachten iſt, iſt
nur die Bewegung des Begriffs ſelbſt, deren Natur
ſchon erkannt worden, aber erſtlich nunmehr mit der
Bedeutung, daß der Begriff Alles, und ſeine Be-
wegung die allgemeine abſolute Thaͤtigkeit,
die ſich ſelbſt beſtimmende und ſelbſt realiſirende Bewe-
gung iſt. Die Methode iſt deßwegen als die ohne
Einſchraͤnkung allgemeine, innerliche und aͤuſſerliche Wei-
ſe, und als die ſchlechthin unendliche Kraft anzuerken-
nen, welcher kein Object, inſofern es ſich als ein
Aeuſſerliches, der Vernunft fernes und von ihr unab-
haͤngiges praͤſentirt, Widerſtand leiſten, gegen ſie von
einer beſondern Natur ſeyn, und von ihr nicht durch-
drungen werden koͤnnte. Sie iſt darum die Seele
und Subſtanz
, und irgend etwas iſt nur begriffen
und in ſeiner Wahrheit gewußt, als es der Methode
voll-
[375]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
vollkommen unterworfen iſt; ſie iſt die eigene
Methode jeder Sache ſelbſt, weil ihre Thaͤtigkeit der
Begriff iſt. Diß iſt auch der wahrhaftere Sinn ihrer
Allgemeinheit; nach der Reflexions-Allgemeinheit
wird ſie nur als die Methode fuͤr Alles genommen;
nach der Allgemeinheit der Idee aber iſt ſie ſowohl die
Art und Weiſe des Erkennens, des ſubjectiv ſich
wiſſenden Begriffs, als die objective Art und Weiſe,
oder vielmehr die Subſtantialitaͤt der Dinge, —
d. h. der Begriffe, inſofern ſie der Vorſtellung und
der Reflexion zunaͤchſt als Andere erſcheinen. Sie
iſt darum die hoͤchſte Kraft oder vielmehr die ein-
zige
und abſolute Kraft der Vernunft nicht nur, ſon-
dern auch ihr hoͤchſter und einziger Trieb, durch
ſich ſelbſt in Allem ſich ſelbſt
zu finden und zu
erkennen. — Hiemit iſt zweytens auch der Unter-
ſchied
der Methode von dem Begriffe als
ſolchem
, das Beſondere derſelben, angegeben. Wie
der Begriff fuͤr ſich betrachtet wurde, erſchien er in ſei-
ner Unmittelbarkeit; die Reflexion oder der ihn
betrachtende Begriff
fiel in unſer Wiſſen. Die
Methode iſt diß Wiſſen ſelbſt, fuͤr das er nicht nur als
Gegenſtand, ſondern als deſſen eigenes, ſubjectives Thun
iſt, als das Inſtrument und Mittel der erkennenden
Thaͤtigkeit, von ihr unterſchieden, aber als deren eigene
Weſenheit. In dem ſuchenden Erkennen iſt die Me-
thode gleichfalls als Werkzeug geſtellt, als ein auf
der ſubjectiven Seite ſtehendes Mittel, wodurch ſie ſich
auf das Object bezieht. Das Subject iſt in dieſem
Schluſſe das eine und das Object das andere Extrem,
und jenes ſchließt ſich durch ſeine Methode mit dieſem,
aber darin fuͤr ſich nicht mit ſich ſelbſt zuſammen.
Die Extreme bleiben verſchiedene, weil Subject, Me-
thode und Object nicht als der eine identiſche Be-
griff
geſetzt ſind, der Schluß iſt daher immer der for-
mel-
[376]III.Abſchnitt. Idee.
melle; die Praͤmiſſe, in welcher das Subject die Form
als ſeine Methode auf ſeine Seite ſetzt, iſt eine un-
mittelbare
Beſtimmung und enthaͤlt deswegen die
Beſtimmungen der Form, wie wir geſehen, der Defi-
nition, Eintheilung u. ſ. f. als im Subjecte vorge-
fundene
Thatſachen. Im wahrhaften Erkennen da-
gegen iſt die Methode nicht nur eine Menge gewiſſer
Beſtimmungen, ſondern das An- und fuͤr- ſich beſtimmt-
ſeyn des Begriffs, der die Mitte nur darum iſt, weil
er ebenſoſehr die Bedeutung des Objectiven hat, das im
Schlußſatze daher nicht nur eine aͤuſſere Beſtimmtheit
durch die Methode erlangt, ſondern in ſeiner Identitaͤt
mit dem ſubjectiven Begriffe geſetzt iſt.


1. Das, was die Methode hiemit ausmacht, ſind die
Beſtimmungen des Begriffes ſelbſt und deren Beziehun-
gen, die in der Bedeutung als Beſtimmungen der Me-
thode nun zu betrachten ſind. — Es iſt dabey
erſtens von dem Anfange anzufangen. Von dem-
ſelben iſt bereits bey dem Anfange der Logik ſelbſt, wie
auch vorhin beym ſubjectiven Erkennen geſprochen und
gezeigt worden, daß wenn er nicht willkuͤhrlich und mit
einer kategoriſchen Bewußtloſigkeit gemacht wird, zwar
viele Schwierigkeiten zu machen ſcheinen kann, jedoch
von hoͤchſt einfacher Natur iſt. Weil er der Anfang
iſt, iſt ſein Inhalt ein Unmittelbares, aber ein
ſolches, das den Sinn und die Form abſtracter
Allgemeinheit
hat. Er ſey ſonſt ein Inhalt des
Seyns oder des Weſens oder des Begriffes, ſo
iſt er inſofern ein aufgenommenes, vorgefun-
denes, aſſertoriſches
, als er ein unmittelba-
res
iſt. Vors erſte aber iſt er nicht ein unmittel-
bares der ſinnlichen Anſchauung oder der Vor-
ſtellung
, ſondern des Denkens, das man, wegen
ſeiner Unmittelbarkeit auch ein uͤberſinnliches, inner-
liches
[377]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
liches Anſchauen nennen kann. Das Unmittelbare
der ſinnlichen Anſchauung iſt ein Mannichfaltiges
und Einzelnes. Das Erkennen iſt aber begreiffen-
des Denken, ſein Anfang daher auch nur im Ele-
mente des Denkens
; ein einfaches und allge-
meines
. — Von dieſer Form iſt vorhin bey der De-
finition die Rede geweſen. Bey dem Anfang des endli-
chen Erkennens wird die Allgemeinheit, als weſentliche
Beſtimmung gleichfalls anerkannt, aber nur als Denk-
und Begriffsbeſtimmung im Gegenſatze gegen das Seyn
genommen. In der That iſt dieſe erſte Allgemeinheit
eine unmittelbare, und hat darum ebenſoſehr die
Bedeutung des Seyns; denn das Seyn iſt eben dieſe
abſtracte Beziehung auf ſich ſelbſt. Das Seyn bedarf
keiner andern Ableitung, als ob es dem Abſtracten der
Definition nur daraus zukomme, weil es aus der ſinn-
lichen Anſchauung oder ſonſt woher genommen ſey, und
inſofern es monſtrirt werde. Dieſes Monſtriren und
Herleiten betrift eine Vermittlung, die mehr als ein
bloſſer Anfang iſt, und iſt eine ſolche Vermittlung, die
nicht dem denkenden Begreiffen gehoͤrt, ſondern die Er-
hebung der Vorſtellung, des empiriſchen und raͤſonniren-
den Bewußtſeyns, zu dem Standpunkte des Denkens iſt.
Nach dem gelaͤufigen Gegenſatze von Gedanken oder Be-
griff und Seyn erſcheint es als eine wichtige Wahrheit,
daß jenem fuͤr ſich noch kein Seyn zukomme, und daß
diß einen eigenen vom Gedanken ſelbſt unabhaͤngigen
Grund habe. Die einfache Beſtimmung von Seyn iſt
aber ſo arm an ſich, daß ſchon darum nicht viel Auf-
hebens davon zu machen iſt; das Allgemeine iſt unmit-
telbar ſelbſt diß Unmittelbare, weil es als abſtractes
auch nur die abſtracte Beziehung auf ſich iſt, die das
Seyn iſt. In der That hat die Foderung, das Seyn
aufzuzeigen, einen weitern innern Sinn, worin nicht
bloß dieſe abſtracte Beſtimmung liegt, ſondern es iſt
da-
[378]III.Abſchnitt. Idee.
damit die Foderung der Realiſirung des Begriffs
uͤberhaupt gemeynt, welche nicht im Anfange ſelbſt
liegt, ſondern vielmehr das Ziel und Geſchaͤfte der gan-
zen weitern Entwicklung des Erkennens iſt. Ferner
indem der Inhalt des Anfangs durch das Monſtriren
in der innern oder aͤuſſern Wahrnehmung gerechtfertigt
und als etwas Wahres oder Richtiges beglaubigt wer-
den ſoll, ſo iſt damit nicht mehr die Form der Allge-
meinheit als ſolche gemeynt, ſondern ihre Beſtimmt-
heit
, wovon gleich zu ſprechen nothwendig iſt. Die
Beglaubigung des beſtimmten Inhalts, mit dem
der Anfang gemacht wird, ſcheint ruͤckwarts deſſelben
zu liegen; in der That aber iſt ſie als Vorwartsgehen
zu betrachten, wenn ſie nemlich zum begreiffenden Er-
kennen gehoͤrt.


Der Anfang hat ſomit fuͤr die Methode keine an-
dere Beſtimmtheit, als die, das Einfache und Allgemei-
ne zu ſeyn; diß iſt ſelbſt die Beſtimmtheit, wegen der
er mangelhaft iſt. Die Allgemeinheit iſt der reine, ein-
fache Begriff, und die Methode als das Bewußtſeyn
deſſelben weiß, daß die Allgemeinheit nur Moment und
der Begriff in ihr noch nicht an und fuͤr ſich beſtimmt
iſt. Aber mit dieſem Bewußtſeyn, das den Anfang nur
um der Methode willen weiter fuͤhren wollte, waͤre dieſe
ein Formelles, in aͤuſſerlicher Reflexion geſetztes. Da ſie
aber die objective, immanente Form iſt, ſo muß das Un-
mittelbare des Anfangs an ihm ſelbſt das Mangel-
hafte, und mit dem Triebe begabt ſeyn, ſich weiter zu
fuͤhren. Das Allgemeine gilt aber in der abſoluten
Methode nicht als bloß abſtractes, ſondern als das ob-
jectiv-Allgemeine, d. h. das an ſich die concrete
Totalitaͤt
, aber die noch nicht geſetzt, noch nicht
fuͤr ſich iſt. Selbſt das abſtracte Allgemeine als ſol-
ches, im Begriffe, d. i. nach ſeiner Wahrheit betrachtet,
iſt
[379]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
iſt nicht nur das Einfache, ſondern als Abſtractes
iſt es ſchon geſetzt als mit einer Negation behaf-
tet. Es gibt deswegen auch, es ſey in der Wirklich-
keit
oder im Gedanken, kein ſo Einfaches und ſo
Abſtractes, wie man es ſich gewoͤhnlich vorſtellt. Sol-
ches Einfache iſt eine bloſſe Meynung, die allein in
der Bewußtloſigkeit deſſen, was in der That vorhanden
iſt, ihren Grund hat. — Vorhin wurde das Anfangen-
de als das Unmittelbare beſtimmt; die Unmittelbar-
keit des Allgemeinen
iſt daſſelbe, was hier als
das Anſichſeyn ohne Fuͤrſichſeyn ausgedruͤckt
iſt. — Man kann daher wohl ſagen, daß mit dem Ab-
ſoluten
aller Anfang gemacht werden muͤſſe, ſo wie
aller Fortgang nur die Darſtellung deſſelben iſt, inſofern
das Anſichſeyende der Begriff iſt. Aber darum
weil es nur erſt an ſich iſt, iſt es ebenſoſehr nicht
das Abſolute, noch der geſetzte Begriff, auch nicht die
Idee; denn dieſe ſind eben diß, daß das Anſichſeyn
nur ein abſtractes, einſeitiges Moment, iſt. Der Fort-
gang iſt daher nicht eine Art von Ueberfluß; er waͤre
diß, wenn das Anfangende in Wahrheit ſchon das Ab-
ſolute waͤre; das Fortgehen beſteht vielmehr darin, daß
das Allgemeine ſich ſelbſt beſtimmt, und fuͤr ſich das
Allgemeine, d. i. ebenſoſehr Einzelnes und Subject iſt.
Nur in ſeiner Vollendung iſt es das Abſolute.


Es kann daran erinnert werden, daß der Anfang,
der an ſich concrete Totalitaͤt iſt, als ſolcher auch
frey ſeyn, und ſeine Unmittelbarkeit die Beſtimmung
eines aͤuſſerlichen Daſeyns haben kann; der
Keim des Lebendigen, und der ſubjective
Zweck
uͤberhaupt, haben ſich als ſolche Anfaͤnge ge-
zeigt, beyde ſind daher ſelbſt Triebe. Das Nicht-
Geiſtige und Nicht-Lebendige dagegen iſt der concrete
Begriff nur als reale Moͤglichkeit; die Urſache
iſt
[380]III.Abſchnitt. Idee.
iſt die hoͤchſte Stuffe, in der der concrete Begriff als An-
fang in der Sphaͤre der Nothwendigkeit, ein unmittel-
bares Daſeyn hat; aber ſie iſt noch kein Subject, das
als ſolches ſich auch in ſeiner wirklichen Realiſirung er-
haͤlt. Die Sonne z. B. und uͤberhaupt alles Nicht-
lebendige ſind beſtimmte Exiſtenzen, in welchen die reale
Moͤglichkeit, eine innere Totalitaͤt bleibt, und die Mo-
mente derſelben weder in ſubjectiver Form in ihnen
geſetzt ſind, und inſofern ſie ſich realiſiren, eine Exi-
ſtenz durch andere Koͤrperindividuen erlangen.


2. Die concrete Totalitaͤt, welche den Anfang macht,
hat als ſolche in ihr ſelbſt den Anfang des Fortgehens
und der Entwicklung. Sie iſt als Concretes in ſich
unterſchieden
; wegen ihrer erſten Unmittelbar-
keit
aber ſind die erſten Unterſchiedenen zunaͤchſt Ver-
ſchiedene
. Das Unmittelbare iſt aber als ſich auf ſich
beziehende Allgemeinheit, als Subject, auch die Ein-
heit
dieſer Verſchiedenen. — Dieſe Reflexion iſt die
erſte Stuffe des Weitergehens, — das Hervortreten der
Differenz, das Urtheil, das Beſtimmen uͤber-
haupt. Das Weſentliche iſt, daß die abſolute Methode
die Beſtimmung des Allgemeinen in ihm ſelbſt findet
und erkennt. Das verſtaͤndige endliche Erkennen ver-
faͤhrt ſo dabey, daß es von dem Concreten das, was
es bey dem abſtrahirenden Erzeugen jenes Allgemeinen
weggelaſſen, nun eben ſo aͤuſſerlich wieder aufnimmt.
Die abſolute Methode dagegen verhaͤlt ſich nicht als
aͤuſſerliche Reflexion, ſondern nimmt das Beſtimmte aus
ihrem Gegenſtande ſelbſt, da ſie ſelbſt deſſen immanentes
Princip und Seele iſt. — Diß iſt es, was Plato von
dem Erkennen foderte, die Dinge an und fuͤr ſich
ſelbſt zu betrachten
, theils in ihrer Allgemeinheit,
theils aber nicht von ihnen abzuirren, und nach Um-
ſtaͤnden, Exempeln und Vergleichungen zu greiffen, ſon-
dern
[381]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
dern ſie allein vor ſich zu haben, und was in ihnen
immanent iſt, zum Bewußtſeyn zu bringen. — Die Me-
thode des abſoluten Erkennens iſt inſofern analytiſch.
Daß ſie die weitere Beſtimmung ihres anfaͤnglichen All-
gemeinen ganz allein in ihm findet, iſt die abſolute
Objectivitaͤt des Begriffes, deren Gewißheit ſie iſt. —
Sie iſt aber ebenſoſehr ſynthetiſch, indem ihr Ge-
genſtand, unmittelbar als einfaches allgemeines
beſtimmt, durch die Beſtimmtheit, die er in ſeiner Un-
mittelbarkeit und Allgemeinheit ſelbſt hat, als ein An-
deres
ſich zeigt. Dieſe Beziehung eines Verſchiede-
nen, die er ſo in ſich iſt, iſt jedoch das nicht mehr, was
als die Syntheſe beym endlichen Erkennen gemeynt iſt;
ſchon durch ſeine ebenſoſehr analytiſche Beſtimmung
uͤberhaupt, daß ſie die Beziehung im Begriffe iſt, un-
terſcheidet ſie ſich voͤllig von dieſem Synthetiſchen.


Dieſes ſo ſehr ſynthetiſche als analytiſche Moment
des Urtheils, wodurch das anfaͤngliche Allgemeine
aus ihm ſelbſt, als das Andere ſeiner ſich beſtimmt,
iſt das Dialektiſche zu nennen. Die Dialektik
iſt eine derjenigen alten Wiſſenſchaften, welche in der
Metaphyſik der Modernen, und dann uͤberhaupt durch
die Popular-Philoſophie ſowohl der Alten als der Neuern,
am meiſten verkannt worden. Von Plato ſagt Dio-
genes Laërtius, daß wie Thales der Urheber der Natur-
philoſophie, Sokrates der Moralphiloſophie, ſo ſey Pla-
to der Urheber der dritten zur Philoſophie gehoͤrigen
Wiſſenſchaft, der Dialektik geweſen; — ein Ver-
dienſt, das ihm vom Alterthume hiemit als das Hoͤchſte
angerechnet worden, das aber von ſolchen oft gaͤnzlich
unbeachtet bleibt, die ihn am meiſten im Munde fuͤhren.
Man hat die Dialektik oft als eine Kunſt betrachtet,
als ob ſie auf einem ſubjectiven Talente beruhe, und
nicht der Objectivitaͤt des Begriffes angehoͤre. Welche
Ge-
[382]III.Abſchnitt. Idee.
Geſtalt und welches Reſultat ſie in der Kantiſchen Phi-
loſophie erhalten, iſt an den beſtimmten Beyſpielen ih-
rer Anſicht ſchon gezeigt worden. Es iſt als ein un-
endlich wichtiger Schritt anzuſehen, daß die Dialektik
wieder als der Vernunft nothwendig anerkannt worden,
obgleich das entgegengeſetzte Reſultat gegen das, welches
daraus hervorgegangen, gezogen werden muß.


Auſſer dem, daß die Dialektik gewoͤhnlich als etwas
zufaͤlliges erſcheint, ſo pflegt ſie dieſe naͤhere Form zu
haben, daß von irgend einem Gegenſtande, z. B. Welt,
Bewegung, Punkt u. ſ. f. gezeigt wird, es komme dem-
ſelben irgend eine Beſtimmung zu, z. B. nach der Ord-
nung der genannten Gegenſtaͤnde, Endlichkeit im Raume
oder der Zeit, an dieſem Orte ſeyn, abſolute Nega-
tion des Raumes; aber ferner eben ſo nothwendig auch
die entgegengeſetzte, z. B. Unendlichkeit im Raume und
der Zeit, nicht an dieſem Orte ſeyn, Beziehung auf
den Raum ſomit Raͤumlichkeit. Die aͤltere eleatiſche
Schule hat vornemlich ihre Dialektik gegen die Bewe-
gung angewendet, Plato haͤufig gegen die Vorſtellungen
und Begriffe ſeiner Zeit, insbeſondere der Sophiſten,
aber auch gegen die reinen Kategorieen und Reflexions-
Beſtimmungen; der gebildete ſpaͤtere Skepticismus, hat
ſie nicht nur auf die unmittelbaren ſogenannten Thatſa-
chen des Bewußtſeyns und Maximen des gemeinen Le-
bens, ſondern auch auf alle wiſſenſchaftlichen Begriffe
ausgedehnt. Die Folgerung nun, die aus ſolcher Dia-
lektik gezogen wird, iſt uͤberhaupt der Widerſpruch
und die Nichtigkeit der aufgeſtellten Behauptungen.
Diß kann aber in doppeltem Sinne Statt haben, —
entweder im objectiven Sinne, daß der Gegenſtand,
der ſolchermaſſen ſich in ſich ſelbſt widerſpreche, ſich auf-
hebe und nichtig ſey; — diß war z. B. die Folgerung
der Eleaten, nach welcher z. B. der Welt, der Bewegung,
dem
[383]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
dem Punkte die Wahrheit abgeſprochen wurde; —
oder aber im ſubjectiven Sinne, daß das Erkennen
mangelhaft ſey
. Unter der letztern Folgerung wird
nun entweder verſtanden, daß es nur dieſe Dialektik
ſey, welche das Kunſtſtuͤck eines falſchen Scheines vor-
mache. Diß iſt die gewoͤhnliche Anſicht des ſogenannten
geſunden Menſchenverſtandes, der ſich an die ſinn-
liche
Evidenz und die gewohnten Vorſtellungen
und Ausſpruͤche haͤlt, — zuweilen ruhiger, wie Dio-
genes der Hund, die Dialektik der Bewegung durch ein
ſtummes Auf- und Abgehen in ihrer Bloͤſſe zeigt, oft
aber in Harniſch daruͤber geraͤth, es ſey bloß als uͤber
eine Narrheit, oder wenn es ſittlich wichtige Gegenſtaͤnde
betrift, als uͤber einen Frevel, der das weſentlich Feſte
wankend zu machen ſuche, und dem Laſter Gruͤnde an
die Hand zu geben lehre, — eine Anſicht, die in der ſo-
kratiſchen Dialektik gegen die ſophiſtiſche vorkommt, und
ein Zorn, der umgekehrt wieder ſelbſt den Sokrates das
Leben gekoſtet hat. Die poͤbelhafte Widerlegung, die,
wie Diogenes that, dem Denken das ſinnliche Be-
wußtſeyn
entgegenſetzt, und in dieſem die Wahrheit
zu haben meynt, muß man ſich ſelbſt uͤberlaſſen; inſo-
fern die Dialektik aber ſittliche Beſtimmungen aufhebt,
zur Vernunft das Vertrauen haben, daß ſie dieſelben,
aber in ihrer Wahrheit, und dem Bewußtſeyn ihres
Rechts aber auch ihrer Schranke, wieder herzuſtellen
wiſſen werde. — Oder aber das Reſultat der ſubjecti-
ven Nichtigkeit betrift nicht die Dialektik ſelbſt, ſondern
vielmehr das Erkennen, wogegen ſie gerichtet iſt; und
im Sinne des Skepticismus, ingleichen der Kantiſchen
Philoſophie, das Erkennen uͤberhaupt.


Das Grundvorurtheil hiebey iſt, daß die Dialektik
nur ein negatives Reſultat habe, was ſogleich
ſeine naͤhere Beſtimmung erhalten wird. Zunaͤchſt iſt
uͤber
[384]III.Abſchnitt. Idee.
uͤber die angefuͤhrte Form, in der ſie zu erſcheinen
pflegt, zu bemerken, daß ſie und ihr Reſultat nach der-
ſelben den Gegenſtand, der vorgenommen wird,
oder auch das ſubjective Erkennen betrifft, und die-
ſes oder den Gegenſtand fuͤr nichtig erklaͤrt, dagegen die
Beſtimmungen, welche an ihm als einem Dritten
aufgezeigt werden, unbeachtet bleiben, und als fuͤr ſich
guͤltig vorausgeſetzt ſind. Auf diß unkritiſche Verfah-
ren iſt es ein unendliches Verdienſt der kantiſchen Phi-
loſophie die Aufmerkſamkeit gezogen, und damit den An-
ſtoß zur Wiederherſtellung der Logik und Dialektik, in
dem Sinne der Betrachtung der Denkbeſtimmungen
an und fuͤr ſich
, gegeben zu haben. Der Gegen-
ſtand, wie er ohne das Denken und den Begriff iſt, iſt
eine Vorſtellung oder auch ein Nahmen; die Denk- und
Begriffsbeſtimmungen ſind es, in denen er iſt, was
er iſt. In der That kommt es daher auf ſie allein
an; ſie ſind der wahrhafte Gegenſtand und Inhalt der
Vernunft und ein ſolches, als man ſonſt unter Gegen-
ſtand und Inhalt im Unterſchiede von ihnen verſteht,
gilt nur durch ſie und in ihnen. Es muß daher nicht
als die Schuld eines Gegenſtands oder des Erkennens
genommen werden, daß ſie durch die Beſchaffenheit
und eine aͤuſſerliche Verknuͤpfung ſich dialektiſch zeigen.
Das eine und das andere, wird auf dieſe Weiſe als
ein Subject vorgeſtellt, in das die Beſtimmungen
in Form von Praͤdicaten, Eigenſchaften, ſelbſtſtaͤndigen
Allgemeinen ſo gebracht ſeyen, daß ſie als feſt und fuͤr
ſich richtig erſt durch die fremde und zufaͤllige Verbin-
dung in und von einem Dritten, in dialektiſche Verhaͤlt-
niſſe und in Widerſpruch geſetzt werden. Ein ſolches
aͤuſſerliches und fixes Subject der Vorſtellung und des
Verſtandes, ſo wie die abſtracten Beſtimmungen, ſtatt
fuͤr Letzte, ſicher zu Grunde liegen bleibende angeſehen
werden zu koͤnnen, ſind vielmehr ſelbſt als ein Unmit-
tel-
[385]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
telbares, eben ein ſolches Vorausgeſetztes und Anfan-
gendes zu betrachten, das wie vorhin gezeigt, an und
fuͤr ſich ſelbſt der Dialektik unterliegen muß, weil es als
Begriff an ſich zu nehmen iſt. So ſind alle als feſt
angenommenen Gegenſaͤtze, wie z. B. Endliches und Un-
endliches, Einzelnes und Allgemeines, nicht etwa durch
eine aͤuſſerliche Verknuͤpfung in Widerſpruch, ſondern,
ſind, wie die Betrachtung ihrer Natur gezeigt, vielmehr
an und fuͤr ſich ſelbſt das Uebergehen; die Syntheſe
und das Subject, an dem ſie erſcheinen, iſt das Pro-
duct der eigenen Reflexion ihres Begriffs. Wenn die
begriffloſe Betrachtung bey ihrem aͤuſſerlichen Verhaͤlt-
niſſe ſtehen bleibt, ſie iſolirt und als feſte Vorausſetzun-
gen laͤßt, ſo iſt es vielmehr der Begriff, der ſie ſelbſt
ins Auge faßt, als ihre Seele ſie bewegt und ihre Dia-
lektik hervorthut.


Diß iſt nun ſelbſt der vorhin bezeichnete Stand-
punkt, nach welchem ein allgemeines Erſtes an und
fuͤr ſich betrachtet
, ſich als das Andre ſeiner ſelbſt
zeigt. Ganz allgemein aufgefaßt, kann dieſe Beſtim-
mung ſo genommen werden, daß hierin das zuerſt Un-
mittelbare
hiemit als Vermitteltes, bezogen
auf ein andres, oder daß das Allgemeine als ein Be-
ſonderes geſetzt iſt. Das zweyte, das hiedurch ent-
ſtanden, iſt ſomit das Negative des Erſten; und in-
dem wir auf den weitern Verlauf zum Voraus Bedacht
nehmen, das erſte Negative. Das Unmittelbare
iſt nach dieſer negativen Seite in dem Andern unter-
gangen
, aber das Andere iſt weſentlich nicht das leere
Negative
, das Nichts, das als das gewoͤhnliche
Reſultat der Dialektik genommen wird, ſondern es iſt
das Andere des Erſten, das Negative des Un-
mittelbaren
; alſo iſt es beſtimmt als das Vermit-
telte, — enthaͤlt
uͤberhaupt die Beſtimmung
B bdes
[386]III.Abſchnitt. Idee.
des Erſten in ſich. Das Erſte iſt ſomit weſentlich
auch im Andern aufbewahrt und erhalten. —
Das Poſitive in ſeinem Negativen, dem Inhalt der
Vorausſetzung im Reſultate feſtzuhalten, diß iſt das
Wichtigſte im vernuͤnftigen Erkennen; es gehoͤrt zugleich
nur die einfachſte Reflexion dazu, um ſich von der ab-
ſoluten Wahrheit und Nothwendigkeit dieſes Erforderniſ-
ſes zu uͤberzeugen, und was die Beyſpiele von Be-
weiſen hiezu betrifft, ſo beſteht die ganze Logik darin.


Was hiemit nunmehr vorhanden iſt, iſt das Ver-
mittelte
, zunaͤchſt oder gleichfalls unmittelbar genom-
men, auch eine einfache Beſtimmung, denn da das
Erſte in ihm untergegangen, ſo iſt nur das Zweyte
vorhanden. Weil nun auch das Erſte im Zweyten
enthalten, und dieſes die Wahrheit von jenem iſt,
ſo kann dieſe Einheit als ein Satz ausgedruͤckt werden,
worin das Unmittelbare als Subject, das Vermittelte
aber als deſſen Praͤdicat geſtellt iſt, z. B. das End-
liche iſt unendlich, Eins iſt Vieles, das
Einzelne iſt das Allgemeine
. Die inadaͤquate
Form ſolcher Saͤtze und Urtheile aber faͤllt von ſelbſt in
die Augen. Bey dem Urtheile iſt gezeigt worden,
daß ſeine Form uͤberhaupt, und am meiſten die unmit-
telbare des poſitiven Urtheils unfaͤhig iſt, das Spe-
culative und die Wahrheit in ſich zu faſſen. Die naͤchſte
Ergaͤnzung deſſelben, das negative Urtheil muͤßte we-
nigſtens ebenſoſehr beygefuͤgt werden. Im Urtheile hat
das Erſte als Subject den Schein eines ſelbſtſtaͤndigen
Beſtehens, da es vielmehr in ſeinem Praͤdicate als ſei-
nem Andern aufgehoben iſt; dieſe Negation iſt in dem
Inhalte jener Saͤtze wohl enthalten, aber ihre poſitive
Form widerſpricht demſelben; es wird ſomit das nicht
geſetzt, was darin enthalten iſt; was gerade die Abſicht,
einen Satz zu gebrauchen, waͤre.


Die
[387]III.Kapitel. Die abſolute Idee.

Die zweyte Beſtimmung, die Negative oder
Vermittelte, iſt ferner zugleich die Vermittelnde.
Zunaͤchſt kann ſie als einfache Beſtimmung genommen
werden, aber ihrer Wahrheit nach iſt ſie eine Bezie-
hung
oder Verhaͤltniß; denn ſie iſt das Negative,
aber des Poſitiven und ſchließt daſſelbe in ſich.
Sie iſt alſo das Andre nicht als von einem, wogegen
ſie gleichguͤltig iſt, ſo waͤre ſie kein Anderes, noch eine
Beziehung oder Verhaͤltniß; — ſondern das Andre an
ſich
ſelbſt, das Andre eines Andern; darum
ſchließt ſie ihr eigenes Andres in ſich, und iſt ſomit
als der Widerſpruch, die geſetzte Dialektik
ihrer ſelbſt
. — Weil das Erſte oder Unmittelbare
der Begriff an ſich, daher auch nur an ſich das Ne-
gative iſt, ſo beſteht das dialektiſche Moment bey ihm
darin, daß der Unterſchied, den es an ſich enthaͤlt,
in ihm geſetzt wird. Das Zweyte hingegen iſt ſelbſt
das Beſtimmte, der Unterſchied oder Verhaͤlt-
niß; das dialektiſche Moment beſteht bey ihm daher
darin, die Einheit zu ſetzen, die in ihm enthalten
iſt. — Wenn deßwegen das Negative, Beſtimmte, das
Verhaͤltniß, Urtheil und alle unter diß zweyte Moment
fallenden Beſtimmungen, nicht fuͤr ſich ſelbſt ſchon als
der Widerſpruch und als dialektiſch erſcheinen, ſo iſt es
bloſſer Mangel des Denkens, das ſeine Gedanken nicht
zuſammenbringt. Denn das Material, die entgegen-
geſetzten
Beſtimmungen in Einer Beziehung, ſind
ſchon geſetzt, und fuͤr das Denken vorhanden. Das
formelle Denken aber macht ſich die Identitaͤt zum Ge-
ſetze, laͤßt den widerſprechenden Inhalt, den es vor ſich
hat, in die Sphaͤre der Vorſtellung, in Raum und Zeit
herab fallen, worin das Widerſprechende im Neben- und
Nach-einander, auſſer einander gehalten wird, und
ſo ohne die gegenſeitige Beruͤhrung vor das Bewußtſeyn
tritt. Es macht ſich daruͤber den beſtimmten Grundſatz,
B b 2daß
[388]III.Abſchnitt. Idee.
daß der Widerſpruch nicht denkbar ſey; in der That
aber iſt das Denken des Widerſpruchs, das weſentliche
Moment des Begriffes. Das formelle Denken denkt
denſelben auch factiſch, nur ſieht es ſogleich von ihm
weg, und geht von ihm in jenem Sagen nur zur ab-
ſtracten Negation uͤber.


Die betrachtete Negativitaͤt macht nun den Wen-
dungspunkt
der Bewegung des Begriffes aus. Sie
iſt der einfache Punkt der negativen Bezie-
hung
auf ſich, der innerſte Quell aller Thaͤtigkeit, le-
bendiger und geiſtiger Selbſtbewegung, die dialektiſche
Seele, die alles Wahre an ihm ſelbſt hat, durch die es
allein Wahres iſt; denn auf dieſer Subjectivitaͤt allein
ruht das Aufheben des Gegenſatzes zwiſchen Begriff und
Realitaͤt und die Einheit, welche die Wahrheit iſt. —
Das zweyte Negative, das Negative des Negativen, zu
dem wir gekommen, iſt jenes Aufheben des Widerſpru-
ches, aber iſt ſo wenig als der Widerſpruch, ein Thun
einer aͤuſſerlichen Reflexion
, ſondern das in-
nerſte, objectivſte Moment
des Lebens und Gei-
ſtes, wodurch ein Subject, Perſon, Freyes
iſt. — Die Beziehung des Negativen auf ſich
ſelbſt
, iſt als die zweyte Praͤmiſſe des ganzen
Schluſſes zu betrachten. Die erſte kann man, wenn
die Beſtimmungen von analytiſch und ſynthetiſch
in ihrem Gegenſatze gebraucht werden, als das analy-
tiſche
Moment anſehen, indem das Unmittelbare ſich
darin unmittelbar zu ſeinem Andern verhaͤlt, und
daher in daſſelbe uͤbergeht oder vielmehr uͤbergegan-
gen iſt; — obgleich dieſe Beziehung, wie ſchon erin-
nert, eben deßwegen auch ſynthetiſch iſt, weil es ihr
Anderes iſt, in welches ſie uͤbergeht. Die hier be-
trachtete, zweyte Praͤmiſſe kann als die ſynthetiſche
beſtimmt werden, weil ſie die Beziehung des Unter-
ſchie-
[389]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
ſchiedenen als ſolchen auf ſein Unterſchiede-
nes
iſt. — Wie die Erſte das Moment der Allge-
meinheit
und der Mittheilung, ſo iſt die zweyte
durch die Einzelnheit beſtimmt, die zunaͤchſt aus-
ſchlieſſend und als fuͤr ſich und verſchieden, ſich auf das
Andere bezieht. Als das Vermittelnde erſcheint
das Negative, weil es ſich ſelbſt und das Unmittelbare
in ſich ſchließt, deſſen Negation es iſt. Inſofern dieſe
beyden Beſtimmungen nach irgend einem Verhaͤltniſſe
als aͤuſſerlich bezogen genommen werden, iſt es nur das
vermittelnde Formelle; als die abſolute Negativitaͤt
aber iſt das negative Moment der abſoluten Vermitt-
lung, die Einheit, welche die Subjectivitaͤt und Seele iſt.


In dieſem Wendepunkt der Methode kehrt der Ver-
lauf des Erkennens zugleich in ſich ſelbſt zuruͤck. Dieſe
Negativitaͤt, iſt als der ſich aufhebende Widerſpruch,
die Herſtellung der erſten Unmittelbarkeit,
der einfachen Allgemeinheit; denn unmittelbar iſt das
Andre des Andern, das Negative des Negativen, das
Poſitive, Identiſche, Allgemeine. Diß zwey-
te
Unmittelbare iſt im ganzen Verlauffe, wenn man
uͤberhaupt zaͤhlen will, das Dritte, zum erſten Un-
mittelbaren und zum Vermittelten. Es iſt aber auch
das Dritte zum erſten oder formellen Negativen, und
zur abſoluten Negativitaͤt oder dem zweyten Negativen;
inſofern nun jenes erſte Negative ſchon der zweyte Ter-
minus iſt, ſo kann das als Dritte gezaͤhlte auch als
Viertes gezaͤhlt, und ſtatt der Triplicitaͤt die ab-
ſtracte Form als eine Quadruplicitaͤt genommen
werden; das Negative oder der Unterſchied iſt auf
dieſe Weiſe als eine Zweyheit gezaͤhlt. — Das Dritte
oder das Vierte iſt uͤberhaupt die Einheit des erſten
und zweyten Moments, des Unmittelbaren und des Ver-
mittelten. — Daß es dieſe Einheit, ſo wie daß die
gan-
[390]III.Abſchnitt. Idee.
ganze Form der Methode eine Triplicitaͤt iſt, iſt zwar
ganz nur die oberflaͤchliche, aͤuſſerliche Seite der Weiſe
des Erkennens; aber auch nur dieſe, und zwar in be-
ſtimmterer Anwendung aufgezeigt zu haben, denn die
abſtracte Zahlform ſelbſt iſt bekanntlich ſchon fruͤh, aber
ohne Begriff, und daher ohne Folge aufgeſtellt wor-
den, — gleichfalls als ein unendliches Verdienſt der
Kantiſchen Philoſophie anzuſehen. Der Schluß, auch
das Dreifache, iſt als die allgemeine Form der Vernunft
immer erkannt worden, theils aber galt er uͤberhaupt
als eine ganz aͤuſſerliche, die Natur des Inhalts nicht
beſtimmende Form, theils da er im formellen Sinne
bloß in der verſtaͤndigen Beſtimmung der Identitaͤt
ſich verlaͤuft, fehlt ihm das weſentliche, dialektiſche
Moment, die Negativitaͤt; dieſes tritt aber in der
Triplicitaͤt der Beſtimmungen ein, weil das Dritte die
Einheit der zwey erſten Beſtimmungen iſt, dieſe aber,
da ſie verſchiedene ſind, in Einheit nur als aufge-
hobene
ſeyn koͤnnen. — Der Formalismus hat ſich
zwar der Triplicitaͤt gleichfalls bemaͤchtigt, und ſich an
das leere Schema derſelben gehalten; der ſeichte Un-
fug und das Kahle des modernen philoſophiſchen ſoge-
nannten Conſtruirens, das in nichts beſteht, als
jenes formelle Schema, ohne Begriff und immanente
Beſtimmung uͤberall anzuhaͤngen, und zu einem aͤuſſerli-
chen Ordnen zu gebrauchen, hat jene Form langweilig
und uͤbel beruͤchtigt gemacht. Durch die Schaalheit die-
ſes Gebrauchs aber kann ſie an ihrem innern Werthe
nicht verlieren, und es iſt immer hoch zu ſchaͤtzen, daß
zunaͤchſt auch nur die unbegriffene Geſtalt des Vernuͤnf-
tigen aufgefunden worden.


Naͤher iſt nun das Dritte das Unmittelbare aber
durch Aufhebung der Vermittlung, das Ein-
fache durch Aufheben des Unterſchiedes, das
Po-
[391]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
Poſitive durch Aufheben des Negativen, der Begriff,
der ſich durch das Andersſeyn realiſirt, und durch Auf-
heben dieſer Realitaͤt mit ſich zuſammengegangen, und
ſeine abſolute Realitaͤt, ſeine einfache Beziehung auf
ſich hergeſtellt hat. Diß Reſultat iſt daher die
Wahrheit. Es iſt ebenſoſehr Unmittelbarkeit
als Vermittlung; — aber dieſe Formen des Urtheils;
das Dritte iſt Unmittelbarkeit und Vermittlung, oder
es iſt die Einheit derſelben, ſind nicht vermoͤgend,
es zu faſſen, weil es nicht ein ruhendes Drittes, ſon-
dern eben als dieſe Einheit, die ſich mit ſich ſelbſt ver-
mittelnde Bewegung und Thaͤtigkeit iſt. — Wie das
Anfangende das Allgemeine, ſo iſt das Reſultat
das Einzelne, Concrete, Subject; was jenes
an ſich, iſt dieſes nun ebenſoſehr fuͤr ſich, das All-
gemeine iſt im Subjecte geſetzt. Die beyden erſten
Momente der Triplicitaͤt ſind die abſtracten, un-
wahren Momente, die eben darum dialektiſch ſind, und
durch dieſe ihre Negativitaͤt ſich zum Subjecte machen.
Der Begriff ſelbſt iſt, fuͤr uns zunaͤchſt, ſowohl das
An ſich ſeyende Allgemeine, als das Fuͤr ſich ſeyende
Negative, als auch das Dritte an und fuͤr ſich ſeyende,
das Allgemeine, welches durch alle Momente des
Schluſſes hindurchgeht; aber das Dritte iſt der Schluß-
ſatz, in welchem er durch ſeine Negativitaͤt mit ſich ſelbſt
vermittelt, hiemit fuͤr ſich als das Allgemeine und
Identiſche ſeiner Momente geſetzt iſt.


Diß Reſultat, hat nun als das in ſich gegangene
und mit ſich identiſche Ganze, ſich die Form der
Unmittelbarkeit wieder gegeben. Somit iſt es
nun ſelbſt ein ſolches, wie das Anfangende ſich be-
ſtimmt hatte. Als einfache Beziehung auf ſich iſt es
ein Allgemeines, und die Negativitaͤt, welche die
Dialektik und Vermittlung deſſelben ausmachte, iſt in
die-
[392]III.Abſchnitt. Idee.
dieſer Allgemeinheit gleichfalls in die einfache Be-
ſtimmtheit
zuſammengegangen, welche wieder ein An-
fang ſeyn kann. Es kann zunaͤchſt ſcheinen, daß diß Er-
kennen des Reſultats eine Analyſe deſſelben ſeyn und da-
her diejenigen Beſtimmungen und deren Gang wieder
aus einanderlegen muͤſſe, durch den es entſtanden und
der betrachtet worden iſt. Wenn aber die Behandlung
des Gegenſtands, wirklich auf dieſe analytiſche Weiſe ge-
macht wird, ſo gehoͤrt ſie der oben betrachteten Stuffe
der Idee, dem ſuchenden Erkennen, an, das von ſeinem
Gegenſtand nur angibt, was iſt, ohne die Nothwen-
digkeit ſeiner concreten Identitaͤt und deren Begriff.
Die Methode der Wahrheit aber, die den Gegenſtand
begreift, iſt zwar, wie gezeigt ſelbſt analytiſch, da ſie
ſchlechthin im Begriffe bleibt, aber ſie iſt ebenſoſehr ſyn-
thetiſch, denn durch den Begriff wird der Gegenſtand
dialektiſch und als Anderer beſtimmt. Die Methode
bleibt an der neuen Grundlage, die das Reſultat als
der nunmehrige Gegenſtand ausmacht, dieſelbe, als bey
dem vorhergehenden. Der Unterſchied betrifft allein
das Verhaͤltniß der Grundlage als ſolcher; ſie iſt diß
zwar itzt gleichfalls, aber ihre Unmittelbarkeit iſt nur
Form, weil ſie zugleich Reſultat war; ihre Beſtimmt-
heit als Inhalt iſt daher nicht mehr ein bloß aufgenom-
menes, ſondern abgeleitetes und erwieſenes.


Hier iſt es erſt, wo der Inhalt des Erkennens
als ſolcher in den Kreis der Betrachtung eintritt, weil
er nun als abgeleiteter der Methode angehoͤrt. Die
Methode ſelbſt erweitert ſich durch diß Moment zu ei-
nem Syſteme. — Zunaͤchſt mußte fuͤr ſie der An-
fang in Anſehung des Inhalts ganz unbeſtimmt ſeyn;
ſie erſcheint inſofern als die nur formelle Seele, fuͤr
und durch welche der Anfang ganz allein nur ſeiner
Form nach, nemlich als das Unmittelbare und Allge-
mei-
[393]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
meine beſtimmt war. Durch die aufgezeigte Bewegung
hat der Gegenſtand eine Beſtimmtheit fuͤr ſich ſelbſt
erhalten, die ein Inhalt iſt, weil die in die Einfach-
heit zuſammengegangene Negativitaͤt die aufgehobene
Form iſt, und als einfache Beſtimmtheit, ihrer Entwick-
lung, zunaͤchſt ihrem Gegenſatze ſelbſt gegen die Allge-
meinheit, gegenuͤberſteht.


Indem nun dieſe Beſtimmtheit die naͤchſte Wahr-
heit des unbeſtimmten Anfangs iſt, ſo ruͤgt ſie denſelben
als etwas unvollkommenes, ſo wie die Methode ſelbſt,
die von demſelben ausgehend nur formell war. Diß
kann als die nunmehr beſtimmte Foderung ausgedruͤckt
werden, daß der Anfang, weil er gegen die Beſtimmt-
heit des Reſultats, ſelbſt ein Beſtimmtes iſt, nicht als
Unmittelbares, ſondern als Vermitteltes und Abgeleitetes
genommen werden ſoll; was als die Foderung des un-
endlichen ruckwarts gehenden Progreſſes im Beweiſen
und Ableiten erſcheinen kann; ſo wie aus dem neuen
Anfang, der erhalten worden iſt, durch den Verlauf der
Methode gleichfalls ein Reſultat hervorgeht, ſo daß
der Fortgang ſich eben ſo vorwarts ins Unendliche
fortwaͤlzt.


Es iſt ſchon oft gezeigt worden, daß der unend-
liche Progreß uͤberhaupt der begriffloſen Reflexion ange-
hoͤrt; die abſolute Methode, die den Begriff zu ihrer
Seele und Inhalt hat, kann nicht in denſelben fuͤhren.
Zunaͤchſt koͤnnen ſchon ſolche Anfaͤnge wie Seyn, We-
ſen, Allgemeinheit
von der Art zu ſeyn ſcheinen,
daß ſie die ganze Allgemeinheit und Inhaltsloſigkeit ha-
ben, welche fuͤr einen ganz formellen Anfang, wie er
ſeyn ſoll, erfodert wird, und daher als abſolut erſte
Anfaͤnge keinen weitern Ruͤckgang fodern und zulaſſen.
Indem ſie reine Beziehungen auf ſich ſelbſt, Unmittel-
bare
[394]III.Abſchnitt. Idee.
bare und Unbeſtimmte ſind, ſo haben ſie allerdings den
Unterſchied nicht an ihnen, der an einem ſonſtigen An-
fange ſogleich zwiſchen der Allgemeinheit ſeiner Form
und ſeinem Inhalte geſetzt iſt. Aber die Unbeſtimmt-
heit, welche jene logiſche Anfaͤnge zu ihrem einzigen
Inhalte haben, iſt es ſelbſt, was ihre Beſtimmtheit
ausmacht, dieſe beſteht nemlich in ihrer Negativitaͤt,
als aufgehobener Vermittlung; die Beſonderheit von die-
ſer gibt auch ihrer Unbeſtimmtheit eine Beſonderheit,
wodurch ſich Seyn, Weſen und Allgemeinheit
von einander unterſcheiden. Die Beſtimmtheit nun, die
ihnen zukommt, iſt ihre, wie ſie fuͤr ſich genommen wer-
den, unmittelbare Beſtimmtheit, ſo gut als die
irgend eines Inhalts, und bedarf daher einer Ablei-
tung; fuͤr die Methode iſt es gleichguͤltig, ob die Be-
ſtimmtheit als Beſtimmtheit der Form oder des In-
halts
genommen werde. Es faͤngt deßwegen in der
That fuͤr die Methode keine neue Weiſe damit, daß ſich
durch das erſte ihrer Reſultate ein Inhalt beſtimmt ha-
be; ſie bleibt hiemit nicht mehr noch weniger formell
als vorher. Denn da ſie die abſolute Form, der ſich
ſelbſt und Alles als Begriff wiſſende Begriff iſt, ſo iſt
kein Inhalt, der ihr gegenuͤbertraͤte, und ſie zur einſei-
tigen, aͤuſſerlichen Form beſtimmte. Wie daher die In-
haltsloſigkeit jener Anfaͤnge ſie nicht zu abſoluten An-
faͤngen macht, ſo iſt es aber auch nicht der Inhalt, der
als ſolcher die Methode in den unendlichen Progreß
vor- oder ruͤckwaͤrts fuͤhrte. Von einer Seite, iſt die
Beſtimmtheit, welche ſie ſich in ihrem Reſultate er-
zeugt, das Moment, wodurch ſie die Vermittlung mit
ſich iſt, und den unmittelbaren Anfang zu ei-
nem Vermittelten
macht. Aber umgekehrt iſt es
die Beſtimmtheit, durch welche ſich dieſe ihre Ver-
mittlung verlauft; ſie geht durch einen Inhalt als
durch ein ſcheinbares Andre ihrer ſelbſt, zu ihrem
An-
[395]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
Anfange ſo zuruͤck, daß ſie nicht bloß denſelben aber als
einen beſtimmten wieder herſtellt, ſondern das Re-
ſultat iſt ebenſoſehr die aufgehobene Beſtimmtheit, ſomit
auch die Wiederherſtellung der erſten Unbeſtimmtheit, in
welcher ſie angefangen. Diß leiſtet ſie als ein Sy-
ſtem der Totalitaͤt
. In dieſer Beſtimmung iſt ſie
noch zu betrachten.


Die Beſtimmtheit, welche Reſultat war, iſt, wie ge-
zeigt worden, um der Form der Einfachheit willen, in
welche ſie zuſammengegangen, ſelbſt ein neuer Anfang;
indem er von ſeinem vorhergehenden, durch eben die-
ſe Beſtimmtheit unterſchieden iſt, ſo waͤlzt ſich das Er-
kennen von Inhalt zu Inhalt fort. Vors erſte beſtimmt
ſich diß Fortgehen dahin, daß es von einfachen Be-
ſtimmtheiten beginnt, und die folgenden immer reicher
und concreter
werden. Denn das Reſultat enthaͤlt
ſeinen Anfang, und deſſen Verlauf hat ihn um eine
neue Beſtimmtheit bereichert. Das Allgemeine macht
die Grundlage aus; der Fortgang iſt deßwegen nicht
als ein Flieſſen von einem Andern zu einem An-
dern
zu nehmen. Der Begriff, in der abſoluten Me-
thode erhaͤlt ſich in ſeinem Andersſeyn, das Allge-
meine in ſeiner Beſonderung, in dem Urtheile und der
Realitaͤt; es erhebt auf jede Stuffe weiterer Beſtim-
mung die ganze Maſſe ſeines vorhergehenden Inhalts,
und verliert durch ſein dialektiſches Fortgehen nicht nur
nichts, noch laͤßt es etwas dahinten, ſondern traͤgt al-
les Erworbene mit ſich, und bereichert und verdichtet
ſich in ſich.


Dieſe Erweiterung kann als das Moment des
Inhalts und im Ganzen als die erſte Praͤmiſſe ange-
ſehen werden; das Allgemeine iſt dem Reichthume des
Inhalts mitgetheilt, unmittelbar in ihm erhalten.
Aber
[396]III.Abſchnitt. Idee.
Aber das Verhaͤltniß hat auch die zweyte, negative oder
dialektiſche Seite. Die Bereicherung geht an der Noth-
wendigkeit
des Begriffes fort, ſie iſt von ihm ge-
halten, und jede Beſtimmung iſt eine Reflexion in ſich.
Jede neue Stuffe des Auſſerſichgehens, das heißt,
der weitern Beſtimmung, iſt auch ein In- ſich-
gehen, und die groͤſſere Ausdehnung, ebenſoſehr
hoͤhere Intenſitaͤt. Das Reichſte iſt daher das
Concreteſte und Subjectivſte, und das ſich in
die einfachſte Tiefe zuruͤcknehmende, das Maͤchtigſte und
Uebergreiffendſte. Die hoͤchſte zugeſchaͤrfteſte Spitze iſt
die reine Perſoͤnlichkeit, die allein durch die ab-
ſolute Dialektik, die ihre Natur iſt, ebenſoſehr Alles
in ſich befaßt
und haͤlt, weil ſie ſich zum Frei-
ſten macht, — zur Einfachheit, welche die erſte Unmit-
telbarkeit und Allgemeinheit iſt.


Auf dieſe Weiſe iſt es, daß jeder Schritt des
Fortgangs im Weiterbeſtimmen, indem er von dem
unbeſtimmten Anfang ſich entfernt, auch eine Ruͤck-
annaͤherung
zu demſelben iſt, daß ſomit das, was
zunaͤchſt als verſchieden erſcheinen mag, das ruͤck-
warts gehende Begruͤnden
des Anfangs, und
das vorwartsgehende Weiterbeſtimmen deſ-
ſelben in einander faͤllt und daſſelbe iſt. Die Metho-
de, die ſich hiemit in einen Kreis ſchlingt, kann aber
in einer zeitlichen Entwicklung es nicht anticipiren, daß
der Anfang ſchon als ſolcher ein abgeleitetes ſey; fuͤr
ihn in ſeiner Unmittelbarkeit iſt es genuͤgend, daß er
einfache Allgemeinheit iſt. Inſofern er diß iſt, hat er
ſeine vollſtaͤndige Bedingung; und es braucht nicht de-
precirt zu werden, daß man ihn nur proviſoriſch
und hypothetiſch gelten laſſen moͤge. Was man
gegen ihn vorbringen moͤchte, — etwa von den Schran-
ken der menſchlichen Erkenntniß, von dem Erforderniß,
ehe
[397]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
ehe man an die Sache gehe, das Inſtrument des Er-
kennens kritiſch zu unterſuchen, — ſind ſelbſt Voraus-
ſetzungen
, die als concrete Beſtimmungen
die Foderung ihrer Vermittlung und Begruͤndung mit
ſich fuͤhren. Da ſie hiemit formell nichts vor dem An-
fange
mit der Sache, gegen den ſie proteſtiren, vor-
aus haben, und vielmehr wegen des concretern Inhalts
einer Ableitung beduͤrftig ſind, ſo ſind ſie nur fuͤr eitle An-
maſſungen zu nehmen, daß auf ſie vielmehr als etwas
anderes zu achten ſey. Sie haben einen unwahren In-
halt, indem ſie das als endlich und unwahr Bekannte
zu einem Unumſtoͤßlichen und Abſoluten machen, nemlich
ein beſchraͤnktes, als Form und Inſtrument
gegen
ſeinen Inhalt beſtimmtes Erkennen; dieſes un-
wahre Erkennen iſt ſelbſt auch die Form, das Begruͤnden,
das ruͤckwarts geht. — Auch die Methode der Wahr-
heit weiß den Anfang als ein Unvollkommenes, weil
er Anfang iſt, aber zugleich diß Unvollkommene uͤber-
haupt, als ein Nothwendiges, weil die Wahrheit nur
das Zu-ſich-ſelbſt-kommen durch die Negativitaͤt der Un-
mittelbarkeit iſt. Die Ungeduld, die uͤber das Be-
ſtimmte
, es heiſſe Anfang, Object, Endliches, oder
in welcher Form es ſonſt genommen werde, nur hin-
aus, und unmittelbar ſich im Abſoluten befinden will,
hat als Erkenntniß nichts vor ſich, als das leere Ne-
gative, das abſtracte Unendliche; — oder ein gemeyn-
tes
Abſolutes, das ein gemeyntes iſt, weil es nicht
geſetzt, nicht erfaßt iſt; erfaſſen laͤßt es ſich nur
durch die Vermittlung des Erkennens, von der das
Allgemeine und Unmittelbare ein Moment, die Wahr-
heit ſelbſt aber nur im ausgebreiteten Verlauf und im
Ende iſt. — Fuͤr das ſubjective Beduͤrfniß der Unbe-
kanntſchaft und deren Ungeduld kann wohl eine Ueber-
ſicht des Ganzen zum Voraus gegeben werden, —
durch eine Eintheilung fuͤr die Reflexion, die von dem
All-
[398]III.Abſchnitt. Idee.
Allgemeinen nach der Weiſe des endlichen Erkennens
das Beſondere, als ein Vorhandenes und in der
Wiſſenſchaft zu erwartendes angibt. Doch gewaͤhrt diß
mehr nicht als ein Bild der Vorſtellung; denn der
wahrhafte Uebergang vom Allgemeinen zum Beſondern
und zu dem an und fuͤr ſich beſtimmten Ganzen, worin
jenes erſte Allgemeine ſelbſt nach ſeiner wahrhaften
Beſtimmung wieder Moment iſt, iſt jener Weiſe der Ein-
theilung fremde, und iſt allein die Vermittlung der
Wiſſenſchaft ſelbſt.


Vermoͤge der aufgezeigten Natur der Methode ſtellt
ſich die Wiſſenſchaft als einen in ſich geſchlungenen
Kreis dar, in deſſen Anfang, den einfachen Grund,
die Vermittlung das Ende zuruͤckſchlingt; dabey iſt die-
ſer Kreis ein Kreis von Kreiſen; denn jedes ein-
zelne Glied, als Beſeeltes der Methode, iſt die Reflexion
in- ſich, die, indem ſie in den Anfang zuruͤckkehrt, zu-
gleich der Anfang eines neuen Gliedes iſt. Bruchſtuͤcke
dieſer Kette ſind die einzelnen Wiſſenſchaften, deren
jede ein Vor und ein Nach hat, — oder genauer ge-
ſprochen, nur das Vor hat, und in ihrem Schluſſe
ſelbſt ihr Nach zeigt.


So iſt denn auch die Logik in der abſoluten Idee
zu dieſer einfachen Einheit zuruͤckgegangen, welche ihr
Anfang iſt; die reine Unmittelbarkeit des Seyns, in
dem zuerſt alle Beſtimmung als ausgeloͤſcht oder durch
die Abſtraction weggelaſſen erſcheint, iſt die durch die
Vermittlung, nemlich die Aufhebung der Vermittlung
zu ihrer entſprechenden Gleichheit mit ſich gekommene
Idee. Die Methode iſt der reine Begriff, der ſich nur
zu ſich ſelbſt verhaͤlt; ſie iſt daher die einfache Be-
ziehung auf ſich
, welche Seyn iſt. Aber es iſt
nun auch erfuͤlltes Seyn, der ſich begreiffende
Begriff
, das Seyn als die concrete, eben ſo
ſchlecht-
[399]III.Kapitel. Die abſolute Idee.
ſchlech[t]hin intenſive Totalitaͤt. — Es iſt von dieſer
Idee zum Schluſſe nur noch diß zu erwaͤhnen, daß in
ihr erſtlich die logiſche Wiſſenſchaft ihren eige-
nen Begriff erfaßt hat. Bey dem Seyn, dem An-
fange ihres Inhalts erſcheint ihr Begriff als ein dem-
ſelben aͤuſſerliches Wiſſen in ſubjectiver Reflexion. In
der Idee des abſoluten Erkennens aber iſt er zu ihrem
eigenem Inhalte geworden. Sie iſt ſelbſt der reine
Begriff, der ſich zum Gegenſtande hat, und der, indem
er ſich als Gegenſtand die Totalitaͤt ſeiner Beſtimmun-
gen durchlaͤuft, ſich zum Ganzen ſeiner Realitaͤt, zum
Syſteme der Wiſſenſchaft ausbildet, und damit ſchließt,
diß Begreiffen ſeiner ſelbſt zu erfaſſen, ſomit ſeine Stel-
lung als Inhalt und Gegenſtand aufzuheben, und den
Begriff der Wiſſenſchaft zu erkennen. — Zweytens
iſt dieſe Idee noch logiſch, ſie iſt in den reinen Gedan-
ken eingeſchloſſen, die Wiſſenſchaft nur des goͤttlichen
Begriffs. Die ſyſtematiſche Ausfuͤhrung iſt zwar
ſelbſt eine Realiſation, aber innerhalb derſelben Sphaͤre
gehalten. Weil die reine Idee des Erkennens inſofern
in die Subjectivitaͤt eingeſchloſſen iſt, iſt ſie Trieb,
dieſe aufzuheben, und die reine Wahrheit wird als letz-
tes Reſultat auch der Anfang einer andern Sphaͤ-
re und Wiſſenſchaft
. Dieſer Uebergang bedarf hier
nur noch angedeutet zu werden.


Indem die Idee ſich nemlich als abſolute Einheit
des reinen Begriffs und ſeiner Realitaͤt ſetzt, ſomit in
die Unmittelbarkeit des Seyns zuſammennimmt, ſo iſt
ſie als die Totalitaͤt in dieſer Form, — Natur. —
Dieſe Beſtimmung iſt aber nicht ein Gewordenſeyn
und Uebergang, wie, nach oben, der ſubjective Be-
griff in ſeiner Totalitaͤt zur Objectivitaͤt, auch der
ſubjective Zweck zum Leben wird. Die reine
Idee, in welcher die Beſtimmtheit oder Realitaͤt des Be-
griffes ſelbſt zum Begriffe erhoben iſt, iſt vielmehr ab-
ſo-
[400]III.Abſchnitt. Idee.
ſolute Befreyung, fuͤr welche keine unmittelbare Be-
ſtimmung mehr iſt, die nicht ebenſoſehr geſetzt und der
Begriff iſt; in dieſer Freyheit findet daher kein Ueber-
gang Statt, das einfache Seyn, zu dem ſich die Idee
beſtimmt, bleibt ihr vollkommen durchſichtig, und iſt
der in ſeiner Beſtimmung bey ſich ſelbſt bleibende Begriff.
Das Uebergehen iſt alſo hier vielmehr ſo zu faſſen, daß
die Idee ſich ſelbſt frey entlaͤßt, ihrer abſolut ſicher
und in ſich ruhend. Um dieſer Freyheit willen iſt die
Form ihrer Beſtimmtheit eben ſo ſchlechthin frey, —
die abſolut fuͤr ſich ſelbſt ohne Subjectivitaͤt ſeyende
Aeuſſerlichkeit des Raums und der Zeit. —
Inſofern dieſe nur nach der abſtracten Unmittelbarkeit
des Seyns iſt und vom Bewußtſeyn gefaßt wird, iſt ſie
als bloſſe Objectivitaͤt und aͤuſſerliches Leben; aber in
der Idee bleibt ſie an und fuͤr ſich die Totalitaͤt des Be-
griffs, und die Wiſſenſchaft im Verhaͤltniſſe des goͤttli-
chen Erkennens zur Natur. Dieſer naͤchſte Entſchluß
der reinen Idee ſich als aͤuſſerliche Idee zu beſtimmen,
ſetzt ſich aber damit nur die Vermittlung, aus welcher
ſich der Begriff als freye aus der Aeuſſerlichkeit in ſich
gegangene Exiſtenz emporhebt, in der Wiſſenſchaft
des Geiſtes ſeine Befreyung durch ſich vollendet, und
den hoͤchſten Begriff ſeiner ſelbſt in der logiſchen Wiſſen-
ſchaft, als dem ſich begreiffenden reinen Begriffe, findet.

Appendix A Verbeſſerungen.


  • S. 224. letzte Zeile, ſtatt: Totalitaͤt; ſo lies: Totalitaͤt iſt ſo
  • S. 324. Z. 3. v. unten ſtatt: Xm—I—I lies: Xm—1—I


[401]

Appendix B Anhang.


In der Verlagshandlung iſt ferner erſchienen,
und durch jede gute Buchhandlung zu
haben:


  • Betrachtungen uͤber den gegenwaͤrtigen Zuſtand der
    Philoſophie in Deutſchland uͤberhaupt, und uͤber
    die Schellingiſche Philoſophie im Beſondern.
    gr. 8. 1813. 1 thlr. 6 gr. oder 1 fl. 57 kr.

Die Schellingiſche Philoſophie hat ungeachtet ei-
nes vieljaͤhrigen Kampfes mit ihren zahlreichen Gegnern
einen entſchiedenen Einfluß auf alle Anſichten von der
Religion, Wiſſenſchaft und Kunſt errungen, und Keiner
kann ſie nun mehr ignoriren, wenn er ſich ein ſelbſt-
ſtaͤndiges Urtheil uͤber den gegenwaͤrtigen Zuſtand der
hoͤhern Kultur in Deutſchland bilden will. Nichts deſto
weniger herrſchen uͤber ſie unter ihren Anhaͤngern und
Gegnern die verſchiedenartigſten und mit unter verkehr-
teſten Meinungen, welche in vielfacher Ruͤckſicht ſehr
nachtheilig auf das Ganze zuruͤckwuͤrken. Um ſo will-
C ckom-
[402] kommener muß allen Freunden der philoſophiſchen Wiſ-
ſenſchaften und einer wahren hoͤhern Bildung eine Schrift
ſeyn, in welcher die ſo viel beſprochene und ſo wenig
gekannte Schellingiſche Philoſophie ſowohl in Beziehung
auf die gleichzeitigen Philoſopheme als nach ihrer Ei-
genthuͤmlichkeit und ihrem Zuſammenhange mit andern
Wiſſenſchaften mit Umgehung unverſtaͤndlicher Kunſt-
ausdruͤcke ſo faßlich dargeſtellt iſt, als es wohl noch
in keinem zu dieſem Zwecke erſchienenen Werke ge-
ſchehen iſt.


  • Kritik der Schrift „Darſtellung des Weſens der
    Philoſophie des Hrn. Friedr. Koͤppen“ von
    Friedr. Schafberger, nebſt Darlegung der eige-
    nen Anſichten des Verfaſſers. gr. 8. 1813.
    1 thlr. oder 1 fl. 36 kr.

Dieſe eben ſo gruͤndlich als geiſtreich verfaßte
Pruͤfung der Philoſophie eines Mannes, der von viel-
ſeitiger Wirkung auf die Nation iſt, verdient um ſo mehr
die allgemeine Aufmerkſamkeit, da dieſe Philoſophie mit
der eines andern Gelehrten von großem Ruf und Ein-
fluß in der genaueſten Verbindung ſteht; weshalb vor-
liegende Schrift als ein merkwuͤrdiger Beitrag zu dem
juͤngſt begonnenen großen Kampf auf dem Gebiet deut-
ſcher Philoſophie zu betrachten iſt.


Kalk-
[403]
  • Kalkreuth, Graf von, der Dialog. gr. 8. 1811.
    1 thlr. 21 gr. oder 3 fl. 30 kr.

Ewig wird uns der goͤttliche Platon ein unerreich-
tes Muſter des philoſophiſchen Dialogs bleiben. Als
ein ſchoͤner Fortſchritt zu dieſem hohen Ziele darf gegen-
waͤrtiges Werk empfohlen werden. Gleich befriedigend
fuͤr die Anforderungen der Wiſſenſchaft und Kunſt wer-
den hier die hoͤchſten Aufgaben der Philoſophie in freyer
lebendiger Mittheilung entwickelt. Mit geiſtreicher Leich-
tigkeit und wahrhaft platoniſcher Kunſt leitet jedes die-
ſer tiefſinnigen Geſpraͤche ſich ein, und nicht ſelten
wird der Leſer auf Stellen treffen, die, aus der Tiefe der
Weltanſchauung hervorgegangen, als ewige Geſtirne in
Platons unſterblichen Dialogen zu glaͤnzen verdienten.


  • Allgemeine Zeitſchrift von Deutſchen fuͤr Deutſche,
    herausgegeben von F. W. J. Schelling. 4 Hefte,
    gr. 8. 4 thlr. 16 gr. oder 7 fl. 12 kr.
  • Hegel, Dr. G. W. Fr. Wiſſenſchaft der Logik. I. Band
    1te Abtheil. (Die Lehre vom Seyn.) 1 thlr. 12 gr.
    oder 2 fl. 24 kr.
    • I. Band 2te Abtheilung. (Die Lehre vom Weſen.)
      1 thlr. 6 gr. oder 2 fl.
    • II. Band. (Die Lehre vom Begriff.) 2 thlr. 6 gr.
      oder 3 fl. 48 kr.
    • Das ganze Werk, 68 Bogen ſtark, koſtet complett
      5 thlr. — oder 8 fl. 12 kr.

[][][][]
Notes
*)
In einem franzoͤſiſchen Berichte, worin der Befehlshaber an-
gibt, daß er den ſich bey der Inſel gewoͤhnlich gegen Mor-
gen erhebenden Wind erwartete, um ans Land zu ſteuern,
kommt der Ausdruck vor: le vent ayant été longtems
ſans exiſter;
hier iſt der Unterſchied blos aus der ſonſti-
gen Redensart, z. B. il a été longtems ſans m’écrire,
cutſianden.
*)
Z. B. Wolfs Anfangsgruͤnde der Baukunſt heißt
der achte Lehrſatz
Ein Fenſter muß ſo breit ſeyn, daß zwey Perſonen gemaͤch-
lich neben einander in demſelben liegen koͤnnen.

Beweiß.
*)
Beweiß.
Denn man pflegt ſich oͤfters mit einer anderen Perſon an
das Fenſter zu legen, und ſich umzuſehen. Da nun der Bau-
Meiſter den Haupt-Abſichten des Bau-Herrens in allem ein
Genuͤge thun ſoll (§. 1.); ſo muß er auch das Fenſter ſo
breit machen, daß zwey Perſonen gemaͤchlich neben einander
in demſelben liegen koͤnnen.
W. z. E.

Deſſelben Anfangsgruͤnde der Fortification:
Der zweyte Lehrſatz.
Wenn der Feind in der Naͤhe campiret, und man vermu-
thet, er werde durch einen Succurs die Feſtung zu entſetzen
ſuchen; ſo muß eine Circumvallations-Linie um die ganze
Feſtung herumgezogen werden.

Beweiß.
Die Circumvallations-Linien hindern, daß niemand in das
Lager von auſſen hineindringen kann (§. 311). Diejenigen
aber, welche die Feſtung entſetzen wollen, verlangen in das
Lager von auſſen hineinzudringen. Wenn man ſie alſo ab-
halten will, muß eine Circumvallations-Linie um das Lager
gezogen werden. Derowegen wenn der Feind in der Naͤhe
campiret, und man vermuthet, er werde durch Succurs die
Feſtung zu entſetzen ſuchen, ſo muß das Lager in Circum-
vallations-Linien eingeſchloſſen werden. W. z. E.

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CC-BY-4.0
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Hegel, Georg Wilhelm Friedrich. Wissenschaft der Logik. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjn5.0