[[1]]
Sammlung
Critiſcher, Poetiſcher,
und anderer geiſtvollen
Schriften,

Zur Verbeſſerung
des Urtheiles und des Witzes
in den Wercken
der Wohlredenheit und der Poeſie.

Neuntes Stuͤck.


Zuͤrich: ,

Bey Conrad Orell und Comp.1743.
[[2]][3]

Von dem Zuſtande der deutſchen
Poeſie bey Ankunft Martin Opitzens.


JCh habe die deutſche Poeſie des ſechszehn-
den Jahrhunderts in ihrem ſchoͤnſten Lichte
vorgeſtellet, ſo wie ſelbige in Sebaſtian
Brands und Johann Fiſcharts Gedichten ausge-
ſehen hat, wann man die Augen von den zuſammen-
geſchraͤnckten Woͤrtern, und dem holperichten
Sylbenmaſſe abwendet. Dieſe beyde ſind in dem
innerlichen Weſen der Poeſie von niemandem ih-
res Welt-Alters uͤbertroffen worden; ich rede von
denen, welche ſich durch eigene Schrifften einen
Nahmen gemachet haben, der Reinicke Fuchs,
der Froſchmaͤuſeler, der Muͤcken- und Ameiſſen-
Krieg kommen hier in keine Rechnung, weil ſie
bloſſe Ueberſetzungen ſind; und was das aͤuſſerli-
che anlanget, ſo haben die Verfaſſer dieſer letztern
Gedichte in der harten Sprache, und dem holperig-
ten Tonmaſſe vor jenen nichts, oder ein ſehr we-
niges zum voraus. Gegen dem Ausgange des
ſechszehnden Jahrhunderts, und beym Anfange des
naͤchſt darauf folgenden waren zu Straßburg und
Heydelberg, wo Opitz ſeiner Muſe die Erſtlinge
geopfert hatte, Paul Meliſſus, Peter Denaiſius
und Rudolf Wekerlein als geſchickte Poeten be-
kannt, von welchen man damahls glaubete, daß
ſie der deutſchen Poeſie eine beſſere Geſtalt gege-
ben haͤtten, als ſie in den Gedichten ihrer Vorfah-
ren gehabt hatte. Von dem erſtern ſind 1572.
die fuͤnfzig erſtern Pſalmen Davids ausgegangen,
A 2in
[4]Von dem Zuſtande der Poeſie
in welchen er Lobwaſſers Ueberſetzung, die ihm zu
waͤſſerig und zu hart vorgekommen, zu uͤbertreffen
geſucht, aber nach Opitzens Urtheil deſſelben Feh-
ler nicht vermeiden koͤnnen. Man kan von ſeinem
poetiſchen Vermoͤgen aus folgenden Liedern ur-
theilen, die ihn zum Verfaſſer haben.


MOrgens eh s’Tages Schein anbricht

Mit Purpurfarbem hellem Licht,

So glaͤntzt herfuͤr deins Mundes Roͤth,

Wie vor der Sonn die Morgenroͤth

Mit roſinfarben Wangen

Huͤbſch, luſtig, klar, aufgangen.

Ein ſchoͤn karfuncklet huͤbſch Geſtirn

Dein’ Aeuglein ſind an deiner Stirn;

Dein guͤldnes Haupt iſt wohl formirt,

Wie s’Himmels Runde ſchoͤn geziert.

Von deiner Aeuglein glitzen

Feurflammen rausher ſpritzen.

Recht wie die Straln und ſchnelle Pfeil

Dieſelben ſchieſſen her in Eil,

Han mir verſehrt mein junges Hertz,

Doch lindert ſich der bruͤnſtig Schmertz’,

Wann ich dein Antlitz ſchaue,

Holdſeligſte Jungfraue.

Gruͤneſt und bluͤheſt aller Ding,

Gleichwie ein Lorbaum im Fruͤhling,

Wie eine Tanne waͤchßt gerad

Dein werther Leib in gleicher Wad:

Dein’ Arme beyd ſind eben

Wie zwo neuer Weinreben.

Ach daß, was anruͤhrn deine Haͤnd,

Jn rothe Roͤslein ſey gewendt,

Und
[5]bey Ankunft Martin Opitzens.
Und weiſſe Lilglein wachſen fein,

Wo deine Fuͤß hingangen ſeyn:

Von deins Munds Athem ſuͤſſe

Braun Violbluͤt entſpriſſe.

Ruhm, Preiß, Ehr und Lob ich dir gib,

Fuͤr andern alln, hertzliebſtes Lieb,

Dein Tugend leucht an allem End,

Wie der Vollmond am Firmament;

Biſt aller Jungfraun Zierde,

Meins Hertzens innre Girde.

Edler ich ſchaͤtz dein Gunſt und Hold,

Dann Silber und das beſte Gold;

Dein Freundlichkeit und ſchoͤn Geberd

Jſt mehr dann alle Perlen werth:

Es gilt dein Zucht viel reine

Mehr dann all edle Steine.

Treuhertzig ſeyn ohn arge Liſt,

Der rechten Lieb Wahrzeichen iſt:

Wann gleicher Maß nicht liebeſt mich,

Laß zu, daß ich nur liebe dich.

Mein Hertz geb dir zu eigen,

Dein Hertz zu mir thu neigen.

All Augenblick dein eindenck bin

Jn meim Gemuͤth und in meim Sinn.

Des Tags biſt mir ein helle Sonn,

Des Nachts ein klarſcheinender Mon:

Thuſt (liebſtes M.) mir geben

Von deinem Glantz mein Leben.


ROth Roͤslein wolt ich brechen

Zum huͤbſchen Kraͤntzelein:

Mich Doͤrner thaten ſtechen

Hart in die Finger mein.

A 3Noch
[6]Von dem Zuſtande der Poeſie
Noch wolt ich nit lan ab;

Jch gunt mich weiter ſtecken

Jn Stauden und in Hecken:

Darinn mirs Wunden gab.


2.
O Doͤrner krumm und zacket,

Wie habt ihr mich zerſchrunt?

Wer unter euch kommt nacket,

Der iſt gar bald verwundt.

Sonſt zwar koͤnt ihr nichts mehr:

Jhr keiner Haut thut ſchonen,

Noch niedlicher Perſonen,

Wanns gleich ein Goͤttin waͤr.


3.
Sie hats wol ſelbs erfahren,

Die ſchoͤne Venus zart,

Als ſie ſtuhnd in Gefahren,

Und ſo zerritzet ward.

Daher die Roͤslein weiß

Von Bluttrieffenden Nerben

Begunten ſich zu ferben:

Den man verjeht den Preiß.


4.
Jch thu ein Roſe loben,

Ein Roſe Tugend voll.

Wolt mich mit ihr verloben,

Wanns ihr gefiele wol.

Jhrs gleichen findt man nicht

Jn Schwaben und in Francken:

Mich Schwachen und ſehr Krancken

Sie Tag und Nacht anficht.


5.
Nach ihr ſteht mein Verlangen,

Mein ſehnlich Hertzegird:

Am Creutz laͤßt ſie mich hangen,

Meins Lebens nimmer wird.

Zwar bald ich todt muß ſeyn.

Je weiter ſie mich meidet,

Je laͤnger mein Hertz leidet.

Jſt das nit ſchwere Pein?

6. Ach
[7]bey Ankunft Martin Opitzens.
Ach liebſter Schatz auf Erden,

Warum mich quaͤleſt ſo?

Zu Theil laß dich mir werden,

Und mach mich endlich fro.

Dein will ich eigen ſeyn.

Jn Lieb und Treu mich binde,

Mit deiner Hand mir winde

Ein Roſenkraͤntzelein.

Von Peter Denaiſius, einem Doctor der Rech-
ten von Straßburg, haben einige vorgegeben, daß
Opitz die Jdee eines reinen deutſchen Verſes von
ihm empfangen habe. Dieſer hat folgendes Hoch-
zeit-Lied auf Doctor Lingelsheimer verfertiget:


GLuͤckſelig muß man preiſen,

Die gleiche Lieb und Treu

Einander thun erweiſen,

Stetigs und ohne Reu.

Jn Noth und ſchweren Zeiten

Troͤſt eins des andern Leid,

Jn Lieb und Froͤlichkeiten

Mehrt eins des andern Freud.

Jſt keinem angelegen

Was wohl und weh ihm thut,

Des andern Gluͤck dargegen

Nimmt und gibt ihm den Muth.

Das ſuͤß ihn iſt gemeine,

Das bitter jedes wolt

Haben fuͤr ſich alleine,

Wanns druͤber ſterben ſolt.

Alceſtis uns kan geben

Deſſen ein Richtigkeit,

Die fuͤrs Admeti Leben

Ward in den Tod bereit,

Die toͤdlich Wund ihrs Hertzen

Arria gar nicht acht,

A 4Des
[8]Von dem Zuſtande der Poeſie
Des Stichs ſie fuͤhlt den Schmertzen,

Der Paͤtum um hat bracht.

Wie ſich zuſammen reimen,

Neglein und Roßmarein,

Weinreben zu Ruͤſtbaͤumen,

Koͤſtliche Wuͤrtz in Wein,

So ſchicken ſich zuſammen

Ein Mann und ehlich Weib,

Die werden in Gotts Nahmen

Ein Sinn, ein Seel, ein Leib.

Wie Roſen an den Hecken,

Friſch Weiden am Geſtad,

Wie Trauben an den Stoͤcken,

Wie Zimmet und Muſcat,

Alſo thut ſich vergleichen

Der werthe Lingelsheim,

Und die nit hat ihrs gleichen

Agnes die Jungfrau rein.

Agnes die ſchoͤn und zarte

Aus loͤblichem Geſchlecht

Erbohren, und von Arte

Zun Tugenden gerecht.

Fromm, zuͤchtig, keuſch und guͤtig,

Verſtaͤndig, klug, bedacht,

Still, freundlich und anmuͤthig,

Ohn allen Stoltz und Pracht.

Unnoth hie viel zu loben

Diß auserleſen Paar,

Jhr Ruhm und Preiß erhoben

Bleibt ohn das immerdar.

Hochzeiter und Vertraute

Jſt keins am andern gfaͤhrt,

Der Braͤutgam iſt der Braute,

Die Braut des Braͤutgams werth.

Gott woll ihn beyden geben

Jn Fried und Einigkeit

Mit Gſundheit langes Leben,

Daß kuͤnfftig auch zur Zeit,

Wann
[9]bey Ankunft Martin Opitzens.
Wann ſie werden veralten,

Jhr Lieb verjuͤnge doch,

Wann ſie werden verkalten,

Jhr Lieb, als vor, brenn noch.

Doch laßt euch nicht gefehren,

Ob wohl biß in das Grab

Die Lieb ſich kan vermehren,

So nimmt doch s’uͤbrig ab,

Das uͤbrig, das ihr beyde

Schaͤtzt fuͤr das Principal,

Fuͤr Waſſer, und fuͤr Weide,

Fuͤr Lufft, fuͤr alls zumahl.

Die Roͤslein muß man brechen

Dieweil der Fruͤhling waͤhrt,

Wer rennen will und ſtechen,

Muß noch wohl ſeyn zu Pferdt.

Thut euch der Zeit gebrauchen,

Eh s’Alter kommt herbey,

Eh dann ihr doͤrfft der Lauchen,

Der Raut, und Saturey.

Secht an, und mercket eben

Die Voͤglein ohne Ruh,

Wie ſie ihr kurtzes Leben

Mit Lieben bringen zu,

Die holdſelige Dauben

Mit ihren Schnebelein

Stets an einander klauben,

Streichlend die Fluͤgelein.

Thut Mund mit Mund beſchlieſſen

Wie Muſcheln an der Bach,

Mit Armen und mit Fuͤſſen

Thuts gruͤnem Ebheu nach,

Laßt Bettſtatt wacker krachen,

Kein Muſic beſſer laut,

Und wers wolt anders machen,

Der bleib nur ohne Braut.

A 5Ru-
[10]Von dem Zuſtande der Poeſie

Rudolf Weckerlein wird von Philandern von
Sittewald mit vielem Lobe angezogen. Von ihm
iſt das Cartel des ehrwerbenden deutſchen jun-
gen Adels:


WJr kommen nicht hieher, uns ſelbſten viel zu ruͤhmen,

Oder durch fremde Sprach die Wahrheit zu verbluͤmen,

Als ob wir kaͤmen jetzt aus einem End der Welt,

Oder wieder-belebt vom Eliſiſchen Feld.

Nein. Teufel ſind wir nicht, noch Rieſen, noch Halb-Goͤtter,

Noch Helden, noch Wildleut, noch unſers Lands Verſpoͤtter,

Das teutſche Reich bekannt iſt unſer Vaterland,

Teutſch ſind wir von Geburt, von Stamme, Hertz und Hand.

Was dient es, fremden Preiß und Nahmen zu entlehnen,

Teutſchland bedarff ſich nicht mit Auslaͤndern beſchoͤnen,

Wie dann die Welt wohl weiß, daß es zu aller Zeit

Treffliche Leut genug hatte zum Fried und Streit.

Darum, ob wir wohl jung, nicht ſonders viel erfahren,

Begehren wir doch nicht unſere Faͤuſt zu ſpahren,

Sondern erſcheinen nur in unſrer teutſchen Tracht,

Mit teutſch-redlichem Muth, um unſer erſte Macht

An dieſen Rittern hier (die ſo hoch triumphieren)

Jhrer Begierd gemaͤß, gewaffnet zu probieren,

Verhoffend zweifelsfrey, daß dieſe erſte Prob,

Vollendend ihren Ruhm, anfangen ſoll das Lob,

So man von nun an wird durch die Streich unſrer Wehren

Unter dem Firmament taͤglich erſchallen hoͤren.

Das Sylbenmaß in dieſen Gedichten iſt gantz nach
der Frantzoͤſiſchen Manier. Man muß darinnen
keine Abwechslung der hohen und der tiefen Syl-
ben ſuchen, ſondern mit der richtigen Anzahl der
Sylben, dem Abſchnitte und dem Reime vorlieb
nehmen. Auf mehrers haben die Verfaſſer nicht
geſehen. Sie hatten nichts weniger in Gedan-
ken, als uns ein Tonmaß von eitel Jamben zu ge-
ben. Jhre Meinung war ohne Zweifel, daß der
Leſer
[11]bey Ankunft Martin Opitzens.
Leſer im Ausſprechen jeder Sylben ihren eignen
Klang laſſen ſollte, dadurch der Vers nicht allein
Jamben, ſondern daneben auch Trocheen, und Dac-
tyle bekoͤmmt. Nach dem Urtheile Frantzoͤſiſcher
Ohren vermieden ſie hiermit den Eckel, der von
der Monotonie beſtaͤndig gleichtoͤnender Fuͤſſe ent-
ſteht. Folgende vier Oden ſind auch von Weker-
leins Muſe; Sie haben nicht allein in dem Syl-
benmaſſe, ſondern auch in den Gedancken etwas
beſonderes und lebhaftes.


Von des Todes Gewißheit, und der
Tugend Unſterblichkeit.

MAn findet nichts vollkommen in der Welt,

Wir Menſchen ſind mit Sorgen, Pein und Plagen

All Ort und Zeit, in Staͤdten, auf dem Feld,

Vom Himmel, Lufft, Meer, und uns ſelbſt geſchlagen:

Ja auch der Goͤtter Macht

Hat ihr Wohnung vollkommen

Und ſelig nicht gemacht.

Wer hat nicht wahrgenommen,

Wie Sonn und Mond gemein

Verfinſtern ihren Schein?

Und wie des Himmels Zeichen

Offt mangelhafft verbleichen?

Mit wie viel Angſt, Gefahren, Muͤh und Noth

Sind ohn Ablaß wir Menſchen umgegeben?

Dieſe mit Liſt man uͤbergibt dem Tod,

Jener hertzhafft verkrieget ſelbſt ſein Leben.

Dieſer aus viel Verdruß

Und Trauren will verderben,

Jener erbaͤrmlich muß

Jn der Gefaͤngniß ſterben.

Etlich duͤrſtig nach Gut

Fliehen vor der Armuth,

Und ihren Geitz verſincken,

Wann ſie im Meer ertrincken.

Dieſe
[12]Von dem Zuſtande der Poeſie
Dieſe mit Waſſer, Gifft, Schwerdt oder Strick

Selbſt uͤber ſich ein ſchrecklich Urtheil ſprechen,

Und rettend ſich von zu ſchwerem Ungluͤck

Zweiffeln ſie nicht ſich wider ſich zu raͤchen.

Jene kommen mit Zwang

Jn dieſes Lebens Leiden,

Finden gleich den Ausgang,

Und andre Muͤh vermeiden,

Oder ſich in ihr Grab,

Eh ſie einige Gab

Des Tags ſelig genieſſen,

Jn Mutter-Leib beſchlieſſen.

Der Tod gewiß klopffet mit einem Bein

An groſſer Herrn Wolcken-tragende Schloͤſſer,

Und armer Leut liegende Huͤttelein,

Und iſt fuͤr beyd weder boͤſer noch beſſer.

Den Leib ein Tod allein

Mit unheilbaren Plagen,

Unentfliehlicher Pein,

Und undienſtlichen Klagen,

Aengſtiget Tag und Nacht,

Und die Seel wird gebracht

Vor Minos, der kein Flehen

Mehr pfleget anzuſehen.

Der Weg iſt breit in das finſtere Hauß,

Offen die Thuͤr, daß man hinein ſtets gehet,

Aber wiedrum zu entrinnen daraus,

Hierauf das Werck, hierauf die Muͤh beſtehet.

Der Tugend Weg iſt ſchmahl,

Mit Dornen wohl verſchloſſen,

Gering iſt die Anzahl,

Deren die unverdroſſen

Und durch der Goͤtter Gunſt,

Und der Tugend Einbrunſt,

Von dem Poͤffel entzogen

Zu dem Geſtirn geflogen.

Der, deß Hertz mit Tugend gewaffnet iſt,

Gleich wie, Potzheim, dein edles Hertz zu ſehen,

Der kan des Gluͤcks Zorn, Wanckelmuth, und Liſt

Veſt, wie ein Fels, unzaghafft widerſtehen:

Er iſt allzeit forchtloß,

Vor dem Strahl unverblichen,

Weiß-
[13]bey Ankunft Martin Opitzens.
Weißheit macht ſein Hertz groß,

Stets ſiegreich, unvergliechen,

Er, der fuͤr ſeinen Lohn

Sucht der Seligkeit Cron,

Und ſich ſelbſt uͤberlebet.

Ueber den fruͤhen Tod einer Fraͤulein.
DEin Leben, deſſen End uns plaget,

War wie ein Tag ſchoͤn und nicht lang,

Ein Stern vor des Morgens Aufgang,

Die Roͤthin waͤhrend weil es taget,

Ein Seufftz aus einer edlen Bruſt,

Ein Klag aus Lieb, nicht aus Unluſt,

Ein Nebel, den die Sonn verjaget.

Ein Staub der mit dem Wind entſtehet,

Ein Thau in des Sommers Anbruch,

Ein Lufft mit lieblichem Geruch,

Ein Schnee der Fruͤhlings-Zeit abgehet,

Ein Blum die friſch und welck zugleich,

Ein Regenbog von Farben reich,

Ein Zweig welchen der Wind umwehet.

Ein Schaur in Sommer-Zeit vergoſſen,

Ein Eiß an heiſſem Sonnenſchein,

Ein Glaß alſo bruͤchig als rein,

Ein Waſſer uͤber Nacht verfloſſen,

Ein Blitz zumahl geſchwind und hell,

Ein Strahl ſchieſſend herab gar ſchnell,

Ein Gelaͤchter mit Leid beſchloſſen.

Ein Stimm die lieblich dahin faͤhret,

Ein Widerhall der Stimm in Eil,

Ein Zeitvertreiben mit Kurtzweil,

Ein Traum der mit dem Schlaff aufhoͤret,

Ein Flug des Vogels mit Begier,

Ein Schatt, wann die Sonn ſticht herfuͤr,

Ein Rauch welchen der Wind zerſtoͤret.

Alſo
[14]Von dem Zuſtande der Poeſie
Alſo dein Leben (ſchnell verflogen)

Hat ſich nicht anderſt dann ein Tag,

Stern, Morgenroͤth, Seufftz, Nebel, Klag,

Staub, Thau, Lufft, Schnee, Blum, Regenbogen,

Zweig, Schaur, Eiß, Glaß, Blitz, Waſſerfall,

Strahl, Gelaͤchter, Stimm, Widerhall,

Zeit, Traum, Flug, Schatt und Rauch verzogen.

Auf den neuen Garten.
KAnſt du wohl gluͤckſeliger ſeyn,

O du ſtets geſegneter Garten?

Du darffeſt auf den Sonnenſchein

Nicht wie ſonſt ander Gaͤrten warten.

Dann deiner eignen Sonnen Glantz

Kan all deine Gewaͤchs erlaben,

Und deine Gaͤng, Stoͤck, und Baͤum gantz

Mit bequemer Jahrs-Zeit begaben.

Der Fruͤhling ihres Angeſichts

Kan dich mit Gilgen, Roſen, zieren,

Daß dir an Blumen mangle nichts,

Wann alle Gaͤrten ſchon gefrieren.

So wird dein Grund mit gruͤnem Luſt,

Wo ſie nur ihren Fuß hinſetzet,

Wie deine Zweig und Aeſt mit Bluſt

Und Frucht durch ihre Hand ergetzet.

Und ſie in dir macht, daß ab dir

Sich Himmel und Erden erquicken,

Und daß du, aller Gaͤrten Zier,

Sie all mit Blumen kanſt erquicken.

Ja wann ſie, (aller Blumen Ruhm,)

Jn dir deine Gewaͤchs betrachtet,

Werden kaum gegen ſolcher Blum

Deine Blumen wie Graß geachtet.

Das
[15]bey Ankunft Martin Opitzens.
Das Braut-Lied.
ALs Filander mit groſſem Luſt

Die lang-begehrte edle Bluſt

Seiner ſtandhafften Lieb errungen:

Hat ein Hauff Liebelein gar laut

Dem Braͤutigam und ſeiner Braut

Zu Ehren dieſes Lied geſungen.

O daß ihr moͤget allezeit

Einig, in keinem andern Streit,

Dann nur in Liebes-Streite, leben,

Darinnen eines jeden Hertz

Dem andern moͤg Wolluſt und Schertz

Fuͤr Schertz und Wolluſt wieder geben.

Durch Kuͤß von ſuͤſſem Nectar feucht

Das Hertz und Seel von Freuden leicht

Solt ihr euch nehmen und mittheilen:

Jhr ſolt durch tiefwundende Kuͤß,

Jhr ſolt durch ſuͤßheilende Biß,

Verwunden euch und wieder heilen.

Des einen Mund, ſoll mit Wolluſt

Des andern Hertz auf ſeiner Bruſt

Zu nehmen, ihm die Bruſt aufſpalten.

Des andern Hertz ſoll mit dem Mund

Durch ſuͤſſe Kuͤß verwundend wund

Der andern Bruſt ſich nicht enthalten.

Mit euern Armen ſtarck und zart,

Mit euern Gliedern ſanfft und hart

Solt ihr einander froh umfaſſen:

Und ſolt einander auch fuͤrhin

Nicht mehr, dann mit ſuͤſſerm Gewinn

Wieder umzufaſſen, verlaſſen.

Deinen ererbten Heldenmuth

Nicht dein ererbtes Helden-Blut

Solt du, junger Held, jetzund ſpahren.

Lieb,
[16]Von dem Zuſtande der Poeſie
Lieb, lieber Schertz, lieblicher Glimpff,

Liebkoſen, Kuͤtz, kuͤtzlender Schimpff

Werden ſie dir machen willfahren.

Wann aber ein ſolchs nicht genug,

Solt du Kuͤhner mit gutem Fug

Dein freundliche Feindin anfallen:

Und laß dir ihre Scham und Zucht,

Jhr Klagen, Flehen und Ausflucht

Gefallen wohl und doch mißfallen.

Die Muͤh nimmt durch den Schweiſſe zu,

Die Ruh iſt ſuͤſſer nach Unruh,

Und ſuͤſſer die Kuͤß, ſo genetzet:

Alſo wird dein leidige Freud,

Alſo wird ihr freudiges Leid,

Durch beyder Leid und Freud ergoͤtzet.

Ach wie forchtſam ſcheinet ſie doch?

Ach wie zittert ſie ab dem Joch?

Darunter deine Arm ſie binden:

Nun kan dein Mund (duͤrſtig) zumahl

Von Seufftzen und Zehren ein Mahl

Auf ihrem Mund und Augen finden.

Koͤſtliches Mahl! Goͤttliche Speiß!

Himmliſches Getraͤncke! mit Fleiß

Jn ſo reiche Gefaͤß gegoſſen!

Gefaͤß ſo ſchoͤn, daß auch kein Gott

Aus ſchoͤnern in der hoͤchſten Noth

Der Nahrung noch Artzney genoſſen.

Damit nun ihrer Suͤſſigkeit,

Und anreitzender Lieblichkeit,

Du und auch ſie moͤgeſt genieſſen,

So laß dich kein Bitt um Anſtand,

Kein Widerſtehen ihrer Hand

Fangen, verhindern, noch verdrieſſen.

Geh fang nur muthig an die Schlacht,

Gebrauch doch nicht zu groſſe Macht,

Sie nicht zu ſehr gleich zu erſchrecken,

Son-
[17]bey Ankunft Martin Opitzens.
Sondern gebrauch Weil, Liſt, Betrug,

Falſche Flucht, Angriff, und Aufzug,

Damit die Veſtung zu entdecken.

Wann dann mit zitterender Stimm,

Wann dann mit gleißneriſchem Grimm

Sie dich wird arg, frech und boͤß nennen;

Hoͤr doch nicht auf mit vollem Luſt

Jhre Stirn, Mund, Hals, Wangen, Bruſt,

Mit tauſent Kuͤſſen anzurennen.

Sie mag lang ſagen, es iſt gnug,

Es iſt gnug, ſeyd ein wenig klug,

Und dir mit beyden Haͤnden wehren,

Damit ſie doch nicht unten lig,

Haͤng du gleichwohl ſtets nach dem Sieg,

Durch welchen ſich die Lieb muß mehren.

Alſo in dieſem heiſſen Streit

Begierig nach der ſuͤſſen Beut

Kanſt du den Sturm wiedrum erneuen,

Und laß von ihrer Bruſt und Schoß

Weiß, rund, ſteiff, glatt, und mangelloß,

Dein geile Haͤnde nichts abſcheuen.

Wann du ſo nah nun bey dem Platz,

Solt du Kuß auf Kuß, Schmatz auf Schmatz,

Schmuck auf Schmuck, Lieb auf Lieb loß ſchieſſen,

Alsdann ſolt du dein Blut, den Lohn

Der Lieb nemlich die Myrten-Kron

Zu’rlangen, hertzhafftig vergieſſen.

Mehr dann Stern in der klaren Nacht,

Mehr dann Blumen, des Fruͤhlings Pracht,

Mehr denn Bienen auf Hybla fliegen,

Sollen gantz tieffgruͤndende Kuͤß,

Sollen ſuͤß empfindende Biß

Jhr vergebliche Forcht betriegen.

Aechtzen mit geilſchimpfender Schmach

Und Laͤchlen mit ſchertzender Sprach,

Und Poſſen ſollen da nicht fehlen:

[Crit. Sam̃l. IX. St.] BSeuff-
[18]Von dem Zuſtande der Poeſie
Seuftzen, Schmaͤtz, Bitten, Klag und Lob,

Schimpff, Ernſt, und Schertz, zuͤchtig und grob,

Du mit einander ſolt vermaͤhlen.

Alſo durch der Lieb rechte Kunſt

Wird ſie ihr artige Ungunſt

Artiger nach und nach verkehren,

Und endlich frey von Forcht und Zorn

Mit Gilgen, Roſen, ohne Dorn,

Dein Leib durch ihren Leibe ehren.

Dazumahl auf ein neue Art

Muſt du mit kuͤſſen lang und hart

Jhre Seel aus ihr in dich ziehen:

Und ſie wird auch auf gleiche Weiß

Sich und dich mit lieblichem Fleiß

Zu ſaͤttigen, ſich ſehr bemuͤhen.

Dazumahl frecher dann zuvor

Erheb du das Panier empor,

Und fange weiter an zu ſtreiten:

Ueb aller ſuͤſſen Schalckheit Stuͤck,

Ueb aller ſuͤſſen Boßheit Tuͤck,

Und greiff ſie an auf allen Seiten.

Gebrauch Liſt auf Liſt, Schmach auf Schmach,

Biß ſie froh iſt, daß ſie zu ſchwach,

Und zu verlieren ſcharmuͤtzieret,

Gebrauch Kunſt, Staͤrck, Betrug und Macht,

Zwing ſie zu einer freyen Schlacht,

Da ihr beyd ſieget und verlieret.

Alſo euer ſtets friſcher Muth

Soll dieſes ſuͤſſen Kampfs ohn Blut

Euch wieder und wieder gewaͤhren,

Und, ſo offt Phoͤbe ihren Glantz

Macht neunmahl halb und neunmahl gantz,

Euer Geſchlecht durch euch vermehren.

So
[19]bey Ankunft Martin Opitzens.

So fand Opitz die beſte Poeſie bey den Deut-
ſchen in kleinen einzeln Stuͤcken beſchaffen, als er
in die poetiſche Welt ankam. Er war damit ſehr
uͤbel zufrieden, die geradebrechte Sprache, das
Sylbenmaß, die gedrungene Reimen, die ſeltſame
Art zu reden, mißfielen ihm in der Seele. Und
in dem Jnhalt fand er auch den Geiſt und Ge-
ſchmack nicht, welcher vielmehr, als Tonmaß und
Reimen ein Gedicht poetiſch machet. Nach ſei-


„nem Urtheil hatten die Deutſchen undanckbar
„gegen ihrem Lande, undanckbar gegen ihrer al-
„ten Sprache, ihr noch zur Zeit die Ehre nicht
„angethan, daß die angenehme Poeſie auch durch
„ſie haͤtte reden moͤgen. Er ſcheuet ſich nicht zu
„ſagen, waͤren ihm nicht etliche wenige Buͤcher
„vor vielen hundert Jahren in deutſchen Reimen
„geſchrieben, zu Handen kommen, doͤrfte er zwei-
„feln, ob jemahls dergleichen bey ihnen uͤblich
„geweſen. Dann, ſagt er, was insgemein von
„jetzigen Verſen herumgetragen wird, weiß ich
„wahrlich nicht, ob es mehr unſerer Sprache zu
„Ehren, als Schanden angezogen werden koͤnne.


Durch dieſe alten Buͤcher, in welchen er die Poe-
ſie zuerſt in der deutſchen Sprache reden gehoͤret,
verſteht er keine andern, als die wenigen, die aus
dem Schwaͤbiſchen Welt-Alter uͤbrig geblieben.
Er gedencket derſelben in ſeinem Ariſtarch mit aus-
druͤcklichen Worten: Superſunt etiamnum, ſagt
er, non pauca, quæ Melchior Goldaſtus, vir in
commodum ac gloriam Germaniæ natus, eruit an-
te aliquot annos è ſitu \& publicavit.
An demſel-
ben Orte hat er auch etliche Zeilen aus dem Mar-
B 2ner
[20]Von dem Zuſtande der Poeſie
ner zu einer Probe angefuͤhrt, was die deutſche
Sprache in der Poeſie vermoͤgte. Er urtheilet
davon, ejus eſſe amœnitatis, ut nos pœnitere ſer-
monis noſtri non debeat,
er beweinet aber zugleich,
tam felicem poetandi Spiritum plane interceptum
fuiſſe.
Er erwaͤhnet dieſer und einiger andern
Schrifften von dieſem Alter auch mit vielem Lobe
in ſeiner Proſodie.


„Ueber dies, ſagt er, ſind
„eines ungenannten Freyherrns von Wengen,
„Juncker Winsbeckens, Reimars von Zweter,
„der ein Pfaͤltziſcher von Adel, und bey Kaͤiſer
„Friedrichen dem Erſten, und Heinrichen dem
„Sechsten aufgewartet hat, Marners, auch
„eines Edelmanns, Meiſter Sigeherrens, und
„anderer Sachen noch vorhanden, die manchen
„ſtattlichen lateiniſchen Poeten an Erfindung und
„Zier der Rede beſchaͤmen.„


Und nach dieſen
Worten ſetzet er aus Walter von der Vogelweide,
Kaiſer Philippſen geheimen Rath, einen Ort, von
dem er ſagt:


„Es werde daraus leichtlich zu ſe-
„hen ſeyn, wie hoch ſich ſelbige vornehme Maͤn-
„ner, ungeachtet ihrer adelichen Ankunft und
„Standes, der Poeterey angemaſſet.„


Opitz fand vornehmlich zwo Urſachen, welche
die Deutſchen gehindert, daß ſie die Poeſie in ih-
rer Sprache zu treiben, ſo ſchaͤndlich verabſaͤumet
hatten. Erſtlich die Vorurtheile, von welchen ſie
eingenommen waren, daß die Poeſie eine eitele,
unnoͤthige und vergebliche Wiſſenſchaft ſey, welche
uͤber dies mit mythologiſchen Grillen, heydniſchem
Goͤttertand, verliebten Ausſchweiſſungen angefuͤl-
let waͤre. Hernach die Beſchuldigungen, daß
das
[21]bey Ankunft Martin Opitzens.
das Deutſche dermaſſen grob und hart waͤre, daß
es nicht fuͤglich in die gebundene Art zu ſchreiben
gebracht werden koͤnnte. Er meinte aber auch, daß
dieſe Vorurtheile und Beſchuldigungen zu zernich-
ten nichts weiters, als ein Mann vonnoͤthen waͤre,
der ſich der Poeſie in unſerer Mutterſprache mit
einem rechten Fleiß und Eifer anmaſſete; Und er
faſſete den großmuͤthigen Vorſatz, daß er ſelber ihr
dieſen Dienſt thun wollte. Er gab ſich in ſeinen
Vorreden, in ſeinem Ariſtarch, in ſeiner Proſodie
alle Muͤhe, die Vorzuͤge der Poeſie, ihre Schaͤtzbar-
keit, ihren Nutzen zu erweiſen, ferner die Tuͤchtig-
keit der deutſchen Sprache allen Zierrathen der
Poeſie, insbeſondere denen, die von dem Wohl-
klange und der Harmonie entſtehen, Statt und
Platz zu geben. Aber er zeigete dieſes zu einer
nachdruͤcklichern Ueberzeugung durch ſeine eigenen
Exempel, in welchen er die Jdee, die er ſich in ſei-
nem Gemuͤthe, von einer recht-beſchaffenen Poe-
ſie, und einem reinen Jambiſchen Verſe, entworf-
fen hatte, durch das Werck vor Augen legete.
Jn dieſem letztern Stuͤcke hatte ein deutſcher Edel-
mann, Nahmens Ernſt Schwabe von der Heide,
denſelben Einfall gehabt, und um dieſelbe Zeit
angefangen, die Vers-Arten von eitel Jamben
einzufuͤhren, ohne daß Opitz einige Gemeinſchaft
mit ihm gehabt, oder davon gewußt habe; Aber
er brachte es darinnen bey weitem nicht zu der Voll-
kommenheit, zu welcher Opitz nochmahls geſtie-
gen, nachdem er ſeine Jdee davon durch die Be-
kanntſchafft mit Daniel Heinſius, und durch Le-
ſung der Niederlaͤndiſchen Gedichte deſſelben aus-
gebeſſert hatte.


B 3Die
[22]Von dem Zuſtande der Poeſie

Die erſte Sammlung Opitziſcher Gedichte kam
1624. zu Straßburg durch Beſorgung Doctor
Zinkgraͤfen in 4to. zum Vorſchein, nachdem einige
davon ſeit 1618. einzel im Drucke erſchienen wa-
ren. Opitz hatte ſeine Einwilligung darein gege-
ben; und ſie mit einer eigenen Vorrede an den Le-
ſer begleitet, welche ich hier deßwegen ausſchrei-
ben will, weil das Buch ſich beynahe aus den Bi-
bliothecken verlohren hat, und die Vorrede ſelbſt
zu Bekraͤftigung verſchiedener Sachen dienet, die
ich oben angezogen habe.


WAnn ich mir, guͤnſtiger Leſer, gegenwaͤr-
tiger Zeit Gelegenheit, was die freyen
Kuͤnſte belanget, fuͤr Augen ſtelle, muß ich
mich hefftig verwundern, daß, da ſonſt wir
Deutſchen keiner Nation an Kunſt und Ge-
ſchicklichkeit bevor geben, doch biß jetzund nie-
mand unter uns gefunden worden, ſo der
Poeſie in unſerer Mutter-Sprache ſich mit ei-
nem rechten Fleiß und Eifer angemaſſet. Die
Jtaliaͤner haben erſtlich die Lateiniſche Sprach
zu unſerer Voreltern Zeiten wieder auf die
Beine gebracht, und doch darneben ihrer ei-
genen nicht vergeſſen. Der ſinnreiche Petrar-
cha hat mehr Lob durch ſein Toſcaniſch erja-
get, als durch alles das, was er ſonſten je-
mahls geſchrieben. Sannazarius, welcher der
Poeten Adler Virgilio ziemlich nahe gegraſet,
hat mit ſeiner trefflichen Arcadia allen ſeinen
Landsleuten die Augen aufgethan, und allen Roͤ-
mern
[23]bey Ankunft Martin Opitzens.
mern Trotz gebotten. Jn Franckreich hat der
beruͤhmte Ronſardt durch ſeine Poeſie die Ge-
muͤther wie faſt verzaubert, und iſt von ſei-
nem Koͤnig mit reichen Einkommen begabet
worden. Barthaſius hat durch ſein ſchoͤnes
und ſchweres Werck ſolch Lob eingelegt, als
waͤre er der vornehmſte Griechiſche oder La-
teiniſche Poet geweſen. Des Edlen Herrn
Sidney Areadia macht die Engellaͤnder faſt
ſtoltz mit ihrer Sprach. Wie hoch der Nie-
derlaͤndiſche Apollo, Daniel Heinſius, geſtiegen
ſey, kan ich mit meinen niedrigen Sinnen
nicht ergruͤnden, und will hier in Erwaͤhnung
ſeiner meine Feder zuruck halten, daß ich ſein
werthes Lob und Ehre, die er durch ſeine
uͤbernatuͤrliche Geſchicklichkeit verdienet, mit
meiner Zungen Unmuͤndigkeit nicht verkleinere.
So koͤnnen der Amſterdamer Achilles und
Polyxena, Theſeus und Ariadne, Granida
Gerhard von Velſen, Roderich und Alfon-
ſus, Griane, Spaniſcher Brabander, Lu-
cella, ſtummer Ritter, Jthys, Polyxena,
Jſabella, und andere faſt dem Seneca, und
Terentio dem hoͤflichſten unter allen Lateini-
ſchen Scribenten, an die Seite geſetzt wer-
den. Wir Deutſchen allein undanckbar ge-
gen unſerm Lande, undanckbar gegen unſerer
alten Sprache, haben ihr noch zur Zeit die
Ehre nicht angethan, daß die angenehme Poe-
B 4ſie
[24]Von dem Zuſtande drr Poeſie
ſie auch durch ſie haͤtte reden moͤgen. Und
waͤren nicht etliche wenige Buͤcher vor vielen
hundert Jahren in teutſchen Reimen geſchrie-
ben, mir zu Handen kommen, doͤrffte ich
zweiffeln, ob jemahls dergleichen bey uns uͤb-
lich geweſen. Dann was insgemein von jezi-
gen Verſen herum getragen wird, weiß ich
wahrlich nicht, ob es mehr unſerer Sprache
zu Ehren, als Schanden angezogen werden
koͤnne. Wiewohl ich keines Wegs in Abre-
de bin, daß viele ſtattliche Jngenia ſeyn moͤ-
gen, die unſerer Mutter-Sprache auch dieß-
falls wohl maͤchtig, und ſie nach Wuͤrden zu
tractiren wuͤßten. Warum aber ſolches biß
anhero zuruck geſtellet, kan ich eigentlich bey
mir nicht ermeſſen. Dann daß ich es der Poe-
ſie ſelber, als einer unnoͤthigen und vergebli-
chen Wiſſenſchafft zuſchreiben ſolte, glaube ich
nimmermehr, daß einiger verſtaͤndiger dieſem
unbeſonnenen Urtheil Beyfall geben koͤnne.
Dieſe fuͤrtreffliche Art zu ſchreiben iſt vor Al-
ters ſo hoch geſchaͤtzt worden, daß auch der
Weltweiſeſte Menſch, Socrates, an ſeinem
Ende ſie fuͤr die Hand zu nehmen ſich unter-
ſtanden, und vermeynt, er koͤnne die Un-
ſterblichkeit der Seelen eher nicht empfinden,
dann wann er durch die Poeterey, als naͤchſte
Stafel zu derſelben, dahin gelangte. Und
daß ich nicht beruͤhre, was Plato dießfalls
wei-
[25]bey Ankunft Martin Opitzens.
weiter erzehlet, ſo mit Verwunderung zu le-
ſen, wiſſen alle Gelehrte, wie von Anfang her
auf eben dieſe Kunſt ſo viel gehalten worden,
daß man die Poeten eine heimliche Zuſammen-
kunfft und Verbuͤndnuß mit den Goͤttern zu
haben geargwohnet, und ihre Schrifften als
Orackel und Propheceyungen gehalten hat.
Jtem, daß Homerus der Brunnen-Quell und
Urſprung aller Weißheit zu ſeyn geſchaͤtzet wor-
den. Daß der groſſe Alexander, deßgleichen
die Sonne nicht beſchienen, eben dieſes Ho-
meri Gedichte allezeit unter ſein Hauptkuͤſſen
gelegt, und auf ſo einem edlen Schatz wohl
zu ruhen vermeinet. Daß vorgegeben wor-
den, Orpheus, weil er durch dieſes Mittel die
noch unbezwungene und verwildete Hertzen zu
guten Sitten und der Tugend angewieſen,
habe die unbaͤndigen Thiere ſamt Bergen,
Wuͤſten und Waͤldern mit ſeinem Geſang be-
weget. Und was ſonſten hin und wieder bey
den Griechen zu finden. Bey den Roͤmern
auch iſt Virgilius in ſolch Anſehen kommen,
daß, wie Quintilianus, oder wer er iſt, mel-
det, als man etliche ſeiner Verſe offentlich ver-
leſen, das gantze Volck aus ſonderlicher Wuͤr-
digung aufgeſtanden, und daß ihm, wann er
gegenwaͤrtig geweſen, ſolche Ehr als Kaͤyſer
Auguſto ſelbſt widerfahren ſey. Daß ich des
weiſen Moyſis Lobgeſanges, der Pſalmen, des
B 5hohen
[26]Von dem Zuſtande der Poeſie
hohen Lieds Salomonis, und anderer Oerter
in Heil. Schrifft geſchweige, welche nicht weni-
ger poetiſch, und mit ſolcher Zierlichkeit ge-
ſchrieben ſind, daß ſie ſo weit uͤber alle welt-
liche Gedichte ſteigen, ſo weit die himmliſchen
Dinge alle irrdiſche Eitelkeit uͤbertreffen. Daß
der Heil. Geiſt auch zwar die Lehre der Hey-
den verworffen hat, aber nicht die Worte,
wie St. Ambroſius klaͤrlich erweiſet, und in
der alten Ueberſetzung der Bibel noch zu ſehen;
da denn Gigantes, Valles Titanum, Sire-
nes, filiæ Sirenum, Cocytus,
πνεῦμα πῦ-
θωνος, und dergleichen, ſo von den Poeten ent-
lehnet, noch zu finden ſeyn. Ja daß offter-
mahls, wie Plutarchus gar recht berichtet,
durch Vulcanus, Bacchus, Venus und andere
Nahmen, nichts als das Feuer, der Wein,
die Liebe, und ihre Tugend oder Laſter zu er-
kennen gegeben wird. So habe ich der Goͤt-
ter hierinnen ſo zum beſten gedacht, daß ich
mir fuͤr meine Perſon ſolch Lob nicht begehre:
Wie ſie dann auch offte verhoͤnet werden von
ihren eigenen Scribenten. Welches Euripi-
des vor allen meiſterlich gelernet, bey welchem
das ſchoͤne berauſchte Buͤbichen Cyclops un-
ter andern vom Bacchus ſagt:


Θεὸς δ᾽ἐν ἀσκῶ πῶς γέγηϑ᾽ ὄικους ἔχων
Was fuͤr ein Gott mag der wohl ſeyn/
So wohnet in der Flaſche Wein?


Dar-
[27]bey Ankunft Martin Opitzens.

Daraus man wohl ſehen kan, wie gut ſie
es mit ihren Goͤttern gemeinet. Letztlich ach-
te ich auch nicht, daß bey uns einiger Menſch
mehr gefunden wird, der nicht ſiehet die groſſe
Blindheit, darinnen die armen Heyden ge-
ſteckt ſind, daß ſie auch ihre Suͤnden angebet-
tet, ihre Laſter fuͤr Goͤtter gehalten, Thiere
und Beſtien in Himmel geſetzt, zu welchen un-
ter andern auch Sileni Eſel, wie Aratus mel-
det, ſoll gelanget ſeyn. Wiewohl daſſelbe
nicht ſonderlich zu beklagen, weil ihr noch ein
ziemlich Theil auf der Erden blieben. Wel-
ches ich allein vor diejenigen ſetze, die mit der
Venus lieber umgehen, und ſie ſo lieben als lo-
ben; und vor die ſo ohne Wiſſenſchafft ih-
rem Urtheil folgen, wie ſie dann auch urthei-
len nach ihrem Verſtande. Jſt demnach die-
ſe ausbuͤndige Diſciplin aus ihrer eigenen
Schuld von uns nicht hindan geſetzt worden.
So kan man auch keineswegs zugeben, es
ſey unſer Teutſches dermaſſen grob und hart,
daß es in dieſe gebundene Art zu ſchreiben nicht
koͤnne fuͤglich gebracht werden: weil noch biß
auf dieſe Stund im Helden-Buch und ſonſten
dergleichen Gedichte und Reimen zu finden ſind,
die auch viel andere Sprachen beſchaͤmen ſol-
ten. Jhm ſey aber doch wie ihm wolle, bin
ich die Bahn zu brechen, und durch dieſen
Anfang unſerer Sprache Gluͤckſeligkeit zu er-
wei-
[28]Von dem Zuſtande der Poeſie
weiſen bedacht geweſen. Solches auch deſto
ſcheinbarer zu machen, hab ich einen ziemli-
chen Theil dieſes Buͤchleins aus fremden
Sprachen uͤberſetzen wollen; daß man aus
Gegenhaltung derſelben die Reinigkeit und
Zier der unſeren beſſer erkennen moͤchte. Wie-
wohl ich mich gar nicht gebunden; angeſehen
ſonderlich der alten Lateiner Exempel, die mit
dem Griechiſchen Weſen auch nicht anderſt
umgegangen. Warum mir aber mehr von
Liebes-Sachen, als andern wichtigern Mate-
rien anzuheben gefallen, achte ich nicht, daß
ich weitlaͤuffig erzehlen doͤrffe, weil ſonderlich
der Anfang jedwedern Dings von Freundlich-
keit und Liebe (welcher ein jeglicher durch
verborgene Gewalt der Natur, derer groͤſſeſte
Unterhalt ſie iſt, verbunden) muß gemacht
werden: Will nichts ſagen, daß nicht allein
die Exempel der edelſten Poeten von allen Zei-
ten her fuͤr Augen ſeyn: ſondern daß auch ge-
meiniglich die Unterrichtung von Weißheit,
Zucht und Hoͤflichkeit unter dem betrieglichen
Bilde der Liebe verdeckt lieget: daß alſo der
Jugend die Lehre der Tugenden durch dieſe
verbluͤmte Weiſe eingepflantzet wird, und ſie
faſt unwiſſend darzu gelanget. So hoffe ich
auch nicht, daß, die ſonſten von Geſchicklich-
keit der Poeten viel halten, ſie um dieſer ihrer
alten Freyheit willen verwerffen werden. Jſt
auch
[29]bey Ankunft Martin Opitzens.
auch Plato, der unter andern in ſeinen ſchoͤ-
nen Verſen ihm wuͤnſchet der Himmel zu wer-
den, daß er Aſterien genugſam beſchauen koͤn-
te, nicht zu verdammen: Jſt Cicero, der in
ſeinem Tuſculano von Liebes-Sachen ſoll ge-
ſchrieben haben: Jſt Plinius, der ſeine Carmi-
na (die er nichts weniger als ernſthafft zu ſeyn
bekennet) ſelber commentiret: Jſt Apulejus,
deſſen ausbuͤndige Buhler-Verſe noch vorhan-
den, ſamt ſo groſſen Helden, hohen Seelen,
weiſen und fuͤrnehmen Leuten nicht zu verſtoſ-
ſen, wie viel mehr ich, der ich angeſehen mei-
ne bluͤhende Jugend, die keuſche Venus mit
den gelehrten Muſis zugleich verehret habe?
Wo aber noch dieſe Entſchuldigung nicht gel-
ten mag; hoffe ich kuͤnfftig wohl zu erweiſen,
wie ſehr die irren, ſo aus dem Anfange von
kuͤnfftigem zu urtheilen ſich unterſtehen. Un-
beſonnene Urtheile habe ich jederzeit mehr zu
verachten als zu achten pflegen: und iſt niemand
unweiſer, als der auf eines jeglichen Gutſpre-
chen ſiehet, und wer er ſey, von andern er-
fahren will. Es werden vielleicht auch hier
nicht wenig Sachen gefunden werden, ſo dem
andern an der Guͤte der Worte und Erfin-
dung nicht gleichen, weil ſie zum Theil vor die-
ſer Zeit geſchrieben worden. Hoffe aber, ſie
ſollen doch nicht von allen verworffen werden.
Es ſind viel Fruͤchte, von denen man zwar
nicht
[30]Von dem Zuſtande der Poeſie
nicht leben kan, dennoch aber werden ſie oh-
ne Luſt und ſondere Ergetzlichkeit nicht angeſe-
hen. Daß ich der Ungleichheit der Meinun-
gen nicht gedencke, daß dieſem jenes, jenem
dieſes gefaͤllt, und einer Roſen, der andere
Doͤrner lieſet. Jſt mein Fuͤrnehmen gera-
then, hoffe ich nicht, daß mich jemand tadeln
werde: wo nicht, ſo bin ich dennoch zu ent-
ſchuldigen, weil ich unſerer Sprache Wuͤrde
und Lob wieder aufzubauen mich unterfangen.


Martin Opitz.

Die vornehmſten Gedichte in dieſer Samm-
lung ſind Dan. Heinſii Lobgeſang Jeſu Chriſti;
deſſelben Lobgeſang des Bacchus; die Luſt des
Feldbaues; Zlatna; an die deutſche Nation; an
die Jungfrauen in Deutſchland; Fruͤhlings Klag-
Gedichte; der gekreutzigte Cupido; ꝛc. Auch ſein
Ariſtarch iſt dazu gedruckt worden. Unter den
kleinern Stuͤcken iſt eine ziemliche Anzahl ſolcher,
die Opitz nachgehends weggeworffen hat, ſo daß
ſie in keiner von den folgenden Auflagen mehr er-
ſcheinen.


Dieſe Sammlung hat der Herausgeber mit
einem Anhange ausgeſuchter Gedichte anderer deut-
ſchen Poeten verſtaͤrcket, und ich habe diejenigen,
die ich oben von Meliſſus, Denaiſius, und We-
kerlein mitgetheilet habe, eben daſelbſt gefunden.
Zinkgraͤfe ſagt in einer kleinen Vorrede zu dieſem
An-
[31]bey Ankunft Martin Opitzens.
Anhange,

„er habe ihn, wie die freygebigen
„Verkaͤuffer, als eine Zugabe mitgegeben, zu
„einem Muſter und Vorbilde, wornach man ſich
„in der deutſchen Poeterey hinfuͤr etlicher maſſen
„zu reglieren habe.„

Alleine ſie ſind viel be-
quemer, den Vorzug der Opitziſchen Gedichte,
auch in deſſen allererſten Verſuche, durch den groſ-
ſen Unterſcheid, der ſich zwiſchen ſeinen und die-
ſen Gedichten befindet, vor Augen zu legen. Jch
verſtehe dieſes nicht alleine von denen Stuͤcken,
die von den eben erwaͤhnten aͤltern Scribenten ver-
fertiget worden, ſondern auch von den uͤbrigen,
die ſolche Maͤnner zu Verfaſſern haben, welche Opi-
zens Muſter naͤher vor Augen hatten, und ſeine
neue Manier poetiſch zu ſchreiben, und den Ton
der Sylben in Acht zu nehmen, aus ſeinem eige-
nen Mund vernehmen koͤnnen, Maͤnner, deren
Nahmen der Nachwelt durch Opitzens Gedichte
bekannter geworden ſind, als durch ihre eigenen.


Ohne Zweifel mache ich den Leſer mit dieſen Wor-
ten begierig, etwas von dieſen Gedichten zu ſehen,
damit ſie dieſe beruͤhmte Freunde Opitzens auch aus
den Wercken ihres Geiſtes kennen lernen.


Heinrich Alb. Hamilton, ein Daͤhne, dem
Opitz ſeinen Lobgeſang Jeſu Chriſti zugeſchrieben,
hat folgendes Gedichte auf die Naſe ſeiner Lieb-
ſten verfertiget:


ACh daß ich moͤchte ſeyn die ſchoͤnſte Blum der Erden

Voll koͤſtliches Geruchs, ach daß ich koͤnte werden

Der Weide gaͤntzlich gleich, die Flora aus ihr Schooß,

Da Jo war in Noth, nach Jovis Will ausgoß!

Ach daß ich jetzund haͤtt der Blaͤtter Art und Tugend,

Damit Cupido ſelbſt in ſeiner Mutter Jugend

Den
[32]Von dem Zuſtande der Poeſie
Den Polſter hat gefuͤllt, darauf die erſte Nacht

An ihre Seiten zart Adonis ward gebracht!

Wie wolt ich mich in Eil ſo lieblich riechend geben,

Und rund um den Altar mit ſuͤſſer Kraft umſchweben,

Um den Altar, der ziert ihrs Antlitz Tempel klar

Mehr als die andere, doch kundbar Schoͤnheit, Schar.

Vielleicht wuͤrd mich dann auch Fortun ſo guͤnſtig fuͤhren,

Daß ich koͤnt ungefehr den Purpur-Bogen ruͤhren,

Welchen Cupido laͤngſt fuͤr ſeinen hat begehrt,

Wofehrn nicht Daphnes Reu und Phoͤbi Treu gewehrt.

Ach wie bin ich umſonſt! Jezt alles thut erkalten,

Des Winters Boreas kein Bluͤmlein kan erhalten,

Keiner Viol Geruch und keiner Naſen ſchon

Mein Wunſch erfuͤllen mag, dann ach ich muß darvon.

Wer Caſpar Kirchnern nicht kennt, muͤßte
Opitzen nicht kennen, der ſeiner an ſo vielen Oertern
gedencket, und doch nirgend mit einem feinern Lo-
be, als in dem Gedichte, das er auf ſeine Ver-
maͤhlung aufgeſetzet, wo er folgende Zeilen von ihm
geſchrieben:


Wo iſt nun die Natur, wo ſind die groſſen Sinnen,

Mit derer Hoheit ihr zuvor erſchoͤpffen koͤnnen

Den Grund der Wiſſenſchaft? Wo iſt der Weisheit Zier,

Mit der ihr, hoher Geiſt, giengt vielen andern fuͤr?

Wo iſt der Circkel dann, mit welchem ihr der Sternen,

Und Himmels Eigenſchafft gepfleget zu erlernen?

Von dieſem iſt nun folgendes Gedichte:


ALs Jupiter die Welt hat gaͤntzlich ausgemachet,

Und auf dem Erden-Kreiß ſchon alles gruͤnt und lachet,

Wand er ſich dreymal um, und ſchauet hin und her,

Ob in dem groſſen Hauß irgend ein Mangel waͤr.

Es fehlet noch ein Ding: Er ließ ein Thier furkommen,

Das nun faſt uͤberall die Welt hat eingenommen,

Ein artiges Geſpenſt, darnach ein jeder rennt,

Welches in unſerm Land ein Jungfrau wird genennt.

Ein
[33]bey Ankunft Martin Opitzens.
Ein Thier das um den Mund, vornemlich in der Zungen

Traͤgt ein verborgen Gifft, damit es Alt und Jungen

Anſtecket und verblendt, und mit eim ſuͤſſen Schmertz

Kommt ungewarnter Sach gekrochen in das Hertz.

Das uns je mehr nachzieht, je mehr wir von ihm fliehen,

Und je mehr von uns flieht, je mehr wir ihm nachziehen.

Ein freundliche Feindin, ein feindliche Freundin,

Die ohne Zauberey verzaubert unſern Sinn.

O wunderlich Geſpenſt, das uns ohn Feur entzuͤndet,

Und ohne Strick und Band Gemuͤth und Seele bindet,

Welches Band nicht zerreißt, und zuͤgen tauſend dran,

Welch Feuer Mayn und Rhein nimmer verleſchen kan.

Herr Braͤutigam ihr koͤnnt mir ſolches helffen zeugen,

Den ein ſo kleines Feur ſo bald hat koͤnnen beugen,

Ein bitterſuͤſſes Thier hat euch niedergefaͤllt,

Und euch in leidig Freud, in freudig Leid geſtellt.

Jungfrau Anna die ſchoß die hellglaͤntzende Stralen

Von ihrer Augen Sonn, uͤber des Sandes Thalen,

Ueber des Tragheims Berg, uͤber des Bobers Fluß,

Das Liebes-Fieber euch von dieſem Schein anſtieß.

Der Brand kam in das Hertz, all eur Gedancken ſchwommen

Mitten in dieſem Feur, ihr wußt nicht zu bekommen

Zu euer Kranckheit Hilff, noch Troſt zu euer Pein,

Weil alles beydes war zu tieff gewurtzelt ein.

Wolan Herr Braͤutigam, wolt ihr werden curiret,

So ſchickt nach der die euch in diß Elend gefuͤhret,

Euer Kranckheit ich gleich Achillis Wunden acht,

Die niemand heilen konnt, als der ſie hat gemacht.

Und ihr o Jungfrau Braut, wendet das groſſe Klagen,

Kuͤhlt was ihr habt gebrennt, heilt was ihr habt geſchlagen;

Wo ihr nicht ſelber ſeyd des Krancken Doctorin,

So faͤhret er dahin ohn Huͤlff und Medicin.

Die ſchoͤne Nacht kommt an, der Mond ſitzt auf den Wagen,

Und thut mit vollem Lauff des Himmels Feld durchjagen,

Die guͤldnen Lichter hat der Himmel aufgeſteckt,

Weil ſich die Sonn ſchon laͤngſt zu Bette hat gelegt.

Wolan es iſt nun Zeit, daß ihr eur Kranckheit ſtillet,

Und mit Freuden den Lauff der Ewigkeit erfuͤllet,

Und ſchwitzt das Fieber aus, und lindert eure Pein,

Die auf kein ander Weiß kan recht vertrieben ſeyn.

[Crit. Sam̃l. IX. St.] C
[34]Von dem Zuſtande der Poeſie
Nun ihr Jungfrauen all, ihr muͤßt uns Platz verleihen,

Weicht die ihr fuͤhrt die Braut, ſie muß ein andern Reyen,

Nun troͤſt ſie noch zuletzt, gebt ihr den letzten Kuß,

Das ander das ihr laßt, der Braͤutigam thun muß.

Nun geht hin Jungfrau Braut, ich will euch Buͤrgen geben,

Daß ihr in dieſem Streit behalten ſolt das Leben.

Nun fuͤrcht euch nicht ſo ſehr, es hat hie keine Noth,

Es iſt nur Schimpf und Scherz, der Streit gilt nicht zum Tod.

Nun geht hin Jungfrau Braut, legt dieſen Namen nieder,

Geht nun ein Jungfrau hin, und kommt ein Mutter wieder.

Geht doch, geht Jungfrau Braut, und laßt das Sorgen ſeyn,

Jch hoffe, daß gewiß morgen ſoll beſſer ſeyn.

Seht Venus ſelber kommt mit ihrem Volck gegangen,

Die fliegen hin und her, und tragen groß Verlangen,

Ein jeder wuͤnſchet ihm, daß er die Ehre haͤtt,

Daß er die neue Braut moͤcht fuͤhren erſt zu Bett.

Der erſte fuͤhrt ſie fort, der ander thut ſehr traben,

Und macht ins Bett ein Grab, darinn er will begraben

Die Jungfrauſchafft, die nun ſehr traurig ſich beweiſt,

Und ſoll in kurtzer Zeit aufgeben ihren Geiſt.

Der dritte traͤgt die Kertz, der vierte will auffangen

Die Thraͤnen, die die Braut laͤßt rinnen von den Wangen.

Der fuͤnfte loͤſet ihr den Leibes-Guͤrtel auf,

Weil nun die Jungfrauſchafft vollbracht hat ihren Lauff.

Die ſchoͤne Venus ſelbſt lacht uͤber dieſen Dingen,

Und wuͤnſchet ihr viel Gluͤck, und heißt ihr Kinder ſingen:

Komm Hymen, Hymen komm. Sie fuͤhret ſelbſt die Braut,

Gibt ihr den letzten Kuß, und ſinget uͤberlaut:

Nun geht, ihr Kinder, geht, und ſchmeckt die ſuͤſſe Gaben,

Die Venus und ihr Sohn euch eingeſchencket haben;

Geht hin, ihr Kinder geht, und euch holdſelig paart,

Mit lieblichem Gekuͤß nach einer Dauben Art.

Geht hin, ihr zwey, und kommt wiedrum mit euer dreyen,

Geht mit einander an den ſchoͤnen Liebe-Reyen,

Und bringt herfuͤr ein Thier, das durch der Goͤtter Gunſt

Voll ſey der Mutter Treu, voll ſey des Vaters Kunſt.

Fol-
[35]bey Ankunft Martin Opitzens.

Folgendes von Balth. Venator kan ſich durch
ſeinen ſcharffſinnigen Jnnhalt fuͤr ſich ſelbſt em-
pfehlen, ohne daß wir es durch des Verfaſſers
Freundſchaft mit Opitzen ſchuͤtzen doͤrffen:


LAß Buͤndniß Buͤndniß ſeyn, die groſſen Herrn behagen,

Da Land und Land wird eins, ſich friedlich zu betragen,

Und da man Gut und Blut zuſammen ſetzen will,

Wo etwann einer kaͤm, dem Fehd und Krieg gefiel.

Es iſt ein zweifflich Ding, auf Buͤndniß ſich verlaſſen,

Dieſelbe brechen offt, gantz unverhoffter maſſen,

Wen findſt du der da haͤlt, was er dir hat geſchworn?

Du ſuchſt ihn dann bey den, die vor uns warn geborn.

Bißweilen trennt die Furcht, was einmal iſt verglichen,

Bißweilen macht das Geld durch Buͤndniß einen Strichen,

Bißweilen Ungluͤck auch dieſelbe ſchneidt entzwey;

So bald Gefahr ſich regt, ſind Buͤndniß wie ein Ey.

Das iſt ein feſter Bund, da ſich die Lieb geſellet,

Da ſich die Liebe ſelbſt fuͤr einen Zeugen ſtellet,

Da Lieb iſt ſelbſt der Eid, das Pittſchafft und die Hand,

Der Unterhaͤndler ſelbſt, der Both und Abgeſandt.

Jn dieſem Fall hat nichts das boͤſe Gluͤck zu hoffen,

Hie hat das Gluͤck gar offt die Hoͤrner abgeloffen,

Je mehr daſſelbig wuͤth, je ſtaͤrcker wird die Treu,

Durch ungerade Tag wird nur die Liebe neu:

Gleich wie die rauhe Kaͤlt, ſo durch und durch thut ſchneiden,

Mag zwey in einem Bett durch ſein Gewalt nicht ſcheiden;

Je mehr die Winters-Zeit die zarte Leiber druckt,

Je mehr und mehr alsdann die Lieb zur Liebe ruckt.

Ein Jungfrau ſaß allein, und ſang von Liebs-Gedancken,

Sie ſprach: Von dir, mein Hertz, begehr ich nicht zu wancken,

Und muß ich mit dir gehn, durch Feuer, Schnee und Kaͤlt,

Und durch das wilde Meer, wie zornig es ſich ſtellt.

Jch dacht in meinem Sinn, ob es ſolt moͤglich ſcheinen:

Jch fragt die Braut darum, ſie that es nicht verneinen,

Sie ſprach, die Kaͤlt iſt warm, ſie ſprach, die Hitz iſt kuͤhl,

Wann ich die Liebe nur in meinem Hertzen fuͤhl.

Jch fragt den Braͤutigam, er ſolt ſein Meynung ſagen,

Er antwort mir geſchwind, ich ſolt mich ſelber fragen?

C 2Jch
[36]Von dem Zuſtande der Poeſie
Jch ſchwieg und gieng davon, dacht unterwegs bey mir,

Wie nun, Herr Braͤutigam, wer ſagt die Sachen dir?

Wir erkennen in dieſem Gedichte den Geiſt des
geſchickten Mannes, auf welchen Opitz ſich in fol-
genden Zeilen beruffen hat:


Lobt er und Erato mein neues Saitenſpiel,

Der gantze Helicon mag bleiben wie er will.

Die meiſten Gedichte in dieſer Sammlung ſind
von Zinckgraͤfen ſelbſt, dem Mann, von welchem
Opitz geſagt:


Und da das Vaterland Verfolgung leiden muß,

Bringſt du es wiederum durch Schreiben auf den Fuß.

Das beſte darunter wird wohl die Vermah-
nung zur Dapferkeit ſeyn, die er nach Art der
Elegien des Tyrtaͤus geſtellt hat:


KEin Tod iſt loͤblicher, kein Tod wird mehr geehret,

Als der, durch den das Heil des Vaterlands ſich nehret,

Den einer willkomm heißt, dem er entgegen lacht,

Jhn in die Arme nimmt, und doch zugleich veracht.

Ein ſolcher ſtehet ſteiff mit unverwendten Fuͤſſen,

Er weichet niemand nicht, ſein Feinde weichen muͤſſen,

Ein ſolcher Mann der iſt der Stadt gemeines Gut,

Der Widerſaͤcher Grauß, des Lands wehrhaffte Hut:

Er kan der Schlachten Fluth bezwingen nach ſeim Willen,

Mit ſeiner Gegenwart des Feindes Trotzen ſtillen,

Sein unverzagtes Hertz iſt ſeinem Vaterland

Ein unerſtiegne Burg, des Volckes rechte Hand.

Mit ſeines Leibes Maur ſperrt er den wilden Feinden

Gleich vornen an der Spitz den Zugang zu den Freunden;

Verſchertzt die Freyheit nicht um einen Hut voll Fleiſch,

Um eine Hand voll Blut, um einen Mund voll Geiſt;

Begehrt des Lebens nicht auf niedrige Gedinge,

Haͤlt unbarmhertziger Leut Gnade fuͤr geringe,

Sucht
[37]bey Ankunft Martin Opitzens.
Sucht ſeiner Feind Freundſchafft mit ſeinem Schaden nicht,

Sein hohe Seel ſteht nur auf Gottes Gnad gericht.

Es geh ihm, wie es woll, er iſt geruͤſt zu leiden

Das gut und boͤſe Gluͤck; und weil er nicht kan meiden,

Das er doch endlich muß, das er nur einmahl kan,

Sucht er recht wuͤrdiglich ſein Tod zu legen an;

Friſcht an die Seinigen mit Worten und mit Wercken,

Thut ihrer Tugend Schaͤrff mit Feuerblicken ſtaͤrcken,

Und lehret ſie, es ſey viel beſſer einer ſterb,

Als daß das gantze Volck und Vaterland verderb;

St [...]rbt ungerochen nicht, weiß daß er wird zur Erden

Tod auf ſeim todten Feind ligend gefunden werden:

Beſorgt nicht daß der Feind ſtarck, er hingegen ſchwach,

Verlaͤßt ſich auf die Staͤrck ſeiner gerechten Sach.

Die gute Sach ihn troͤſt, ſolt auch der Feind obſiegen,

So werd die Wahrheit doch mit nichten unten liegen,

Sein Unſchuld ſelber ſich zu einem Buͤrgen ſtellt,

Daß ſie doch endlich noch behalten werd das Feld.

Wann er die Winde nun ſiht mit den Faͤhnlein ſpielen,

Da thun erſt Zorn und Luſt all Adern in ihm fuͤhlen,

Jndem er ſicher iſt, daß der in ſeiner Macht

Des Feindes Leben hat, der ſeines ſelbſt nicht acht.

Acht fuͤr die beſte Kunſt, wann er nicht frey kan leben,

Daß er doch ſterbe frey: thut immer vorwarts ſtreben,

Sein ungeſaͤumte Fauſt macht beyder Seiten Platz,

Biß ſie errungen hab den vorgeſetzten Schatz,

Geſtraffet den Unbill durch zugelaßne Rache,

Dringt durch, auf daß ſie ſich unuͤberwindlich mache,

Und durch ein ſchoͤnen Sieg, oder ein ſchoͤnen Tod,

Sich hab verſicheret vor allem Feindes Spott.

Wie ihr die Sonn, wann ſie am allertieffſten ſtehet

Zum Untergang geneigt, am allergroͤſten ſehet:

So auch erzeiget ſich in ſeinem letzten Streit

Sein unerſchrocken Hertz mit doppler Herrlichkeit:

Vergiſſet ſeiner ſelbſt in ſeinem Geiſt entzuͤcket,

Des Himmels Vorgeſchmack des Lebens Luſt verdruͤcket,

Erfuͤllt mit Ewigkeit, mit lauter Freud entzuͤndt,

Durch ſeinen Tod die Furth zum rechten Leben findt.

Es folgt das gantze Volck, das auf ihn thaͤte bauen,

Der Leichen traurig nach, der Leichen von Jungfrauen

(Den er ihr Ehr bewahrt, die er vor Schand behuͤt)

Mit Kronen aufgeziert, mit Blumen uͤberſchuͤtt.

C 3Jhn
[38]Von dem Zuſtande der Poeſie
Jhn klaget Jung und Alt, das Lande thut beweinen

Zwar ihne nicht ſo ſehr, als ſelbſt ſich und die Seinen,

Die dieſer Saͤul entſetzt, die dieſen Arm verlohrn,

So ihn’n zur Aufenthalt und Rettung war geborn.

Sein Kinder und Geſchlecht ſeintwegen hochgeprieſen

Geliebt von jedermann, und jedermann gewieſen

Sein Grab, das Dapferkeit fuͤrtrefflich zugericht,

Erleuchtet durch der Ehr unausloͤſchliches Liecht.

Sein Ruhm fuͤllt alle Land: liegt ſchon ſein Leib vergraben

Bleibt doch ſein edler Nam an Himmel hoch erhaben,

Erhaben an den Thron der wahren Herrlichkeit,

Umgeben mit dem Glantz unſterblicher Klarheit.

Ein ſolchen huͤbſchen Tod beſchert Gott nur den Frommen:

Wer knechtiſch iſt geſinnt, muß unter Herren kommen,

Die ihn mit einem Zaum nach ihrem Willen fuͤhrn,

Weil er der Freyheit muͤd ſich ſelbſt nicht mag regiern.

Seht den verdienten Lohn der Weichling und Verraͤther,

Die ſetzen aus dem Gleiß der Redlichkeit der Vaͤter,

Die das unſchuldige Blut der Nachkommenheit

Verſclaven in das Joch der fremden Dienſtbarkeit.

Es iſt zulang gewart, ſie werdens nicht entkommen,

Es iſt zu ſpath gewehrt, wanns Hertz ſchon iſt genommen;

Wann Wolluſt, Geitz, Haß, Forcht hat dieſe Veſtung ein,

All andre Veſtungen gewiß vergeblich ſeyn.

O weh des Hertzenleids! o weh des ſchweren Leiden!

Wo von dem Weib der Mann, vom Mann das Weib geſcheiden,

Wo von den Elteren die zarte Kinderlein,

Ein Freund vom anderen verjagt, getrennt muß ſeyn:

Wo fremd Unkeuſchheit man muß ihren wuͤſten Willen

An ſeinen Toͤchteren und Weibern ſehn erfuͤllen,

Darff druͤber ſeufftzen nicht, darff weder ſehn noch hoͤrn,

Muß vor Troſtloſigkeit ſich in ſich ſelbſt verzehrn;

Darff ſich in ſeinem Creutz mit weinen nicht ergetzen,

Darff mit der Freyheit ſich mit keinem Thraͤnen letzen,

Wann von ihm weichen will der ungeſchaͤtzte Schatz:

Muß leiden, daß ihn reit auch der geringſte Fratz;

Und mit dem Rucken dann das ſeinig noch anſehen,

Und alſo leer und bloß an Bettelſtabe gehen,

Verlaſſen Haus und Hof zuſamt dem Vaterland,

Ziehen, da niemand ihm, er niemand iſt bekannt:

Mit ſeinen Eltern grau, mit ſeiner lieben Frauen,

Und unerzogner Zucht das bitter Elend bauen,

Bey
[39]bey Ankunft Martin Opitzens.
Bey jedermaͤnniglich verſchmaͤhet und verhaßt,

Und, wo er kommet hin, ein unwillkommer Gaſt.

Seins Stammens Achtbarkeit man drauſſen wenig achtet,

Vor Unmuth all Anmuth der Schoͤnheit ihm verſchmachtet,

Niemand ſich ſein annimmt, und meynet jedermann,

Gott nehme ſich auch ſelbſt keines vertriebnen an.

Mit einem Wort, das recht Feg-Opfer dieſer Erden,

Der Auswuͤrffling der Welt er mag genennet werden,

Ein Stiefkind aller Freud, ſein Leben voller Hohn;

Ein recht Tragoͤdia geſpielt durch ein Perſon.

Es ſcheuet keiner ſich ihm Leide zuzufuͤgen,

Jhm zu verweiſen ſein Unfall, ihn zu betriegen,

Wer ligt der ligt, vor ihm laufft maͤnniglich vorbey,

Denckt nicht, wie nah viell icht ſein eigen Ungluͤck ſey.

O w [...]h und aber weh, wann noch die Fuͤll des Kummers

Den harten Stand beſchleußt, der Hunger alles Hungers,

Wo man des Troſts beraubt, des wahren Seelen-Brot;

Ein ſolches Volck das iſt gleich als lebendig tod.

Drum gehet dapfer an, ihr meine Kriegsgenoſſen,

Schlagt ritterlich darein; eur Leben unverdroſſen

Vors Vaterland aufſetzt, von dem ihr ſolches auch

Zuvor empfangen habt, das iſt der Tugend Brauch.

Eur Hertz und Augen laſt mit Eiferflammen brennen,

Keiner vom andern ſich menſchlich Gewalt laß trennen,

Keiner den anderen durch Kleinmuth ja erſchreck,

Noch durch ſein Flucht im Heer ein Unordnung erweck.

Kan er nicht fechten mehr, er doch mit ſeiner Stimme,

Kan er nicht ruffen mehr, mit ſeiner Augen Grimme

Den Feinden Abbruch thu, in ſeinem Heldenmuth

Nur wuͤnſchend, daß er theur verkauffen moͤg ſein Blut.

Ein jeder ſey bedacht, wie er das Lob erwerbe,

Daß er in maͤnnlicher Poſtur und Stellung ſterbe,

An ſeinem Ort beſteh feſt mit den Fuͤſſen ſein,

Und beiß die Zaͤhn zuſamm und beyde Lefftzen ein:

Daß ſeine Wunden ſich lobwirdig all befinden

Davornen auf der Bruſt, und keine nicht dahinden,

Daß ihn der Tode ſelbſt auch in dem Tode zier,

Und man in ſeim Geſicht ſein Ernſt noch lebend ſpuͤr.

So muß wer Tyranney geuͤbriget will leben,

Er ſeines Lebens ſich freywillig vor begeben,

C 4Wer
[40]Von dem Zuſtande der Poeſie
Wer nur des Tods begehrt, wer nur friſch geht anhin,

Der hat den Sieg, und dann das Leben zu Gewinn.

Tyrtaͤus hat etliche Gedichte verfertiget, wor-
innen er der Dapferkeit ein ungemeines Lob bey-
legete; er erhob die Liebe des Vaterlandes, und
die Unerſchrockenheit derer wackern Kriegesmaͤn-
ner, welche in dem Gefechte das Schrecken und
den Tod durch alle Glieder und Reihen mit ſich
fuͤhreten, bis in den Himmel. Er ermunterte
diejenigen, welche den Muth verlohren hatten,
auf ein neues, und belebete ſie mit neuer Hoff-
nung, wann ſie in etlichen Schlachten das Hertz
ſowohl als das Feld verlohren hatten. Er ſtellete
in ſeinen Gedichten die Vortheile vor, welche ein
Krieges Mann dem Vaterlande mittheilet, wann
er mit Verachtung aller Gefahr und des Todes
ſelbſt vornen an dem Heere dapfer ſtreitet.


„Ein
„ſolcher, ſagt Tyrtaͤus in einem Gedicht, bele-
„bet alle, die um ihn herum ſechten, mit einer
„großmuͤthigen Kuͤhnheit, und man ſieht gantze
„Regimenter vor ihm fliehen: Faͤllt er unter den
„Streichen des Feindes, was vor Ruhm em-
„pfaͤngt nicht daher ſein Vaterland, ſeine Mit-
„buͤrger, und ſeine Verwandten? Alte und Jun-
„ge beweinen ihn; Jedermann iſt in der Trauer,
„ſein Grab bleibt auf ewig beruͤhmt, und der
„Nachklang ſeiner großmuͤthigen Thaten koͤmmt
„auf die ſpaͤtheſten Nachkommen. Die helden-
„muͤthigen Thaten werden nicht in den Staub
„begraben, und der Tod ſelbſt wird dieſen uner-
„ſchrockenen Kriegern zu einem Gewaͤhrmann
„der
[41]bey Ankunft Martin Opitzens.
„der Unſterblichkeit. Wenn er ungeachtet der Ge-
„fahr, die das Leben der Kriegenden beſtaͤndig
„begleitet, das Gluͤck hat, ſeinen Sieg zu uͤberleben,
„ſo iſt niemand, der ihn nicht verehre, und er
„ſtirbt erſt nach einem Leben, worinnen er An-
„nehmlichkeit und Anmuth vollauff genoſſen hat.„


Man kan aus dieſer Probe von der Natur der
Gedichte des Tyrtaͤus urtheilen. Alle die kleinen
Stuͤcke, die davon uͤbrig geblieben, ſind dieſem
gleich, und es iſt offenbar, daß Zinckgraͤfe ſie vor
Augen gehabt hat.




[42]Martin Opitzens

Martin Opitzens
Verworffene Gedichte.


OPitz war mit der Straßburgiſchen Auflage
ſeiner Gedichte, die von Zinckgraͤfen be-
ſorget worden, ziemlich uͤbel zufrieden,
ungeachtet er ſeine Einwilligung darein gegeben,
und eine eigene Vorrede darzu geſchrieben hatte.
Eine Urſache deſſen mag die Unvollkommenheit
derſelben geweſen ſeyn, welche er mit zunehmendem
Erkaͤnntniß ſeiner unwirdig gehalten; eine andere
die ziemlich groſſe Freyheit, womit er in einigen
Stuͤcken von Liebes-Sachen geredet hat. Von
der erſtern berichtet er uns ſelbſt in dem fuͤnften
Capitel ſeiner Proſodie mit dieſen Worten: Mei-
ner deutſchen Poematum halber, die unlaͤngſt zu
Straßburg ausgegangen, und zum Theil vor et-
lichen Jahren von mir ſelber, zum Theil in mei-
nem Abweſen von andern ungeordnet und unuͤber-
ſehen zuſammen geleſen worden, bitte ich alle die,
denen ſie zu Geſichte kommen ſind, ſie wollen die
vielfaͤltigen Maͤngel und Jrrungen, ſo darinnen
ſich befinden, beydes meiner Jugend, (angeſehen
daß viel darunter iſt, welches ich, da ich noch faſt
ein Knabe geweſen, geſchrieben habe) und dann
denen zurechnen, die aus keiner boͤſen Meinung
meinen guten Nahmen dadurch zu erweitern be-
dacht geweſen ſeyn. Jch verheiſſe hiermit eheſtens
alle dasjenige, was ich von dergleichen Sachen
bey
[43]Verworffene Gedichte.
bey Handen habe, in gewiſſe Buͤcher abzutheilen,
und zu Rettung meines Geruͤchtes, welches wegen
voriger uͤbereilten Edition ſich mercklich verletzt be-
findet, durch oͤffentlichen Druck jedermann gemei-
ne zu machen.


Die andere Urſache, nemlich den Buhleriſchen Jn-
halt wird man hauptſaͤchlich in denen Stuͤcken wahr-
nehmen, welche er in den folgenden Auflagen lieber
ausgeſchloſſen, als ausgebeſſert hat. Er hatte zwar
die Licentz derſelben ſchon bey der erſten Ausgabe er-
kannt, und dafuͤr eine geſchickte Apologie in der Vor-
rede (an dem Ende derſelben) geſchrieben, womit er
die Sache gut zu machen verhoffet.


Allein dieſe Schutzrede mag nachgehends ihm
oder den ernſtlichern Leſern nicht zulaͤnglich geſchie-
nen haben; Das iſt gewiß, daß er nicht wenige
Stuͤcke von dieſem verliebten Jnnhalt ausgeſtri-
chen, und in allen folgenden Auflagen zuruckbe-
halten hat.


Jch habe mich dieſe beyden Urſachen nicht ab-
halten laſſen, die weggeworffenen Stuͤcke nach ei-
ner Zeit von 120 Jahren wieder hervorzuſuchen,
worzu ich mich durch folgende Betrachtungen ge-
nugſam berechtiget gehalten habe. Erſtlich halte
ich davor, es ſey des Verfaſſers Geſchmack, Rei-
nigkeit und Zaͤrtlichkeit, ſowohl was die Licentz der
Verſe, als der Gedancken anlangt, durch dieſe
Ausmuſterung, die er, ſo viel an ihm geſtanden
war, bewerckſtelliget hat, genugſam in Sicher-
heit geſtellt, und vor allem Tadel verwahrt
worden.


Durch
[44]Martin Opitzens

Durch gegenwaͤrtigen Druck kommen ſie auch
nur in weniger und meiſtens nur ſolcher Leute Haͤn-
de, bey welchen Opitzens Verdienſte auſſer al-
lem Streit ſind. Daneben ſind ſie hier ziemlich
verſteckt, und fallen unter einer ſolchen Menge
verſchiedener poetiſcher und critiſcher Schrifften
nicht ſo ſtarck ins Auge. Jn der neuen Auflage
von Opitzens poetiſchen Wercken, die in unſrer
Stadt vorgenommen worden, haͤtten dieſe jugend-
liche Verſuche deſſelben neben ſeinen reiffern und
ſtaͤrckern Gedichten eine deſto ſchlechtere Figur
gemacht. Man hat ſie mit denſelben nicht ver-
mengen, und doch auch nicht Urſache geben wol-
len zu klagen, daß man etwas von Opitzen hinter-
halten habe. Dieſes haͤtten uns Leute nicht ver-
zeihen koͤnnen, welche fuͤr Opitz eine ſo aberglaͤu-
bige Hochachtung haben, wie einige Catholicken
fuͤr ihre Heiligen, ſo daß ſie auch ſeinen Hut, ſeine
Feder, ſeinen Schreibzeug mit Gold erkauffen
wuͤrden.


Was den buhleriſchen Jnnhalt derſelben an-
langt, ſo hoffe ich, man werde ihn nur verliebt,
aber nicht zugleich ſchluͤpferig oder unzuͤchtig finden.
Diejenigen, denen man vorgegeben, daß ſein ſtaͤrckſter
Affect die Liebe zur Wolluſt geweſen, werden darin-
nen nichts finden, das dieſen boͤſen Verdacht recht-
fertige, man wolle dann alle Poeten, die in dem
Affecte der aͤuſſerſten Liebe geſchrieben haben, der
Wolluͤſtigkeit bezuͤchtigen.


Endlich duͤncket es mich fuͤr den Poeten ein
beſonderer Ruhm, daß er den Muth gehabt, beſ-
ſere Gedancken zu verwerffen, als viel andere die
ihn
[45]Verworffene Gedichte.
ihn verachtet, geſchrieben haben; und fuͤr den Le-
ſer eine angenehme und nuͤtzliche Bemuͤhung, die er-
ſten Grade ſeines Zunehmens in der poetiſchen Kunſt
zu beobachten, und den abſonderlichen Fehlern
nachzudencken, welche ihn in jeglichem Stuͤcke be-
wogen haben moͤgen, daſſelbe zu verwerffen.


Martin Opitzens Elegie
aus Dan. Heinſii Monobiblo.
Jhr aber wiſſet nichts als nur auf Gut zu ſinnen,

Und zieht bald uͤber Feld, bald durch das wilde Meer,

Ja wohin auch die Sonn hat niemals reichen koͤnnen,

Da bringet ihr das Gold, den ſchoͤnen Koth, anher.

Und ich bedarff diß nicht, was ihr an allen Enden

Zu Land und Waſſer ſucht, das hab ich ſchon bey mir;

Mein Gut iſt, daß ich ſterb in meiner Liebſten Haͤnden,

Die Straſſe wandel ich gar ſicher fuͤr und fuͤr.

Dann jetzund wird mein Geiſt von ihrem Geiſt empfangen,

Wann er das ſchoͤne Thor des Mundes kommt hinein,

Jetzund ergeh ich mich bey den liebreichen Wangen,

Da Venus und ihr Sohn perſoͤnlich wohnhaft ſeyn.

Bald hat ſie mir, ich ihr, den zarten Hals umgeben,

Und ſchau, wie die Natur ſo trefflich ſie geziert,

Bald in den Aeugelein enthalt ich mir das Leben,

Dahin werd ich zugleich mit Sinn und Muth gefuͤhrt.

Wie
[46]Martin Opitzens
Wie der ſo unverſchuldt ſein Vaterland verlaſſen,

Muß ſuchen einen Weg der ihm gantz unbekandt,

Geht uͤber Berg und Thal durch angenehme Straſſen,

Nichts achtend, als allein ſein liebes Vaterland:

Wann er dann ungefehr erblicket einen Bronnen,

Der ſonſt verborgen iſt in mitten in dem Wald,

Befreyet vor der Hitz und Ungedult der Sonnen,

Da nichts als nur das Wild hat ſeinen Aufenthalt,

So iſt er wolgemuth, vergiſſet aller Dinge,

Erforſchet nur den Quell des Bruͤnneleins mit Fleiß,

Und wuͤnſcht, daß ihn alldar der ſanffte Schlaf umringe,

Weil er vor groſſer Luſt ſich ſelber auch nicht weiß.

Nicht weniger auch mich, weil ich ſo ſehr geirret

Durch Freud und hoͤchſte Luſt der ſuͤſſen Liebes-Pein,

Weil mein Gemuͤthe ſich in Wolluſt gantz verwirret,

Wird nichts nicht machen loß, als nur der Tod allein.

Auf Herrn Matthei Ruttarti, und
Jgfr. Anna Namßlerin Hochzeit.
Jhr vielgeliebtes Paar, die ihr die enge Straſſen

Der alten Ewigkeit ſolt gehen, und verlaſſen

Dasjenige ſo euch nicht wiederkommen kan,

Und eurer Jungfrauſchaft den letzten Tod thut an;

Jhr vielgeliebtes Paar, ihr heute noch Jungfrauen;

Die ihr euch nach euch ſelbſt werdt morgen fruͤh umſchauen;

Die
[47]Verworffene Gedichte.
Die ihr einander ſolt daſſelbe ſtellen ein,

Davon ein jeglichs doch behalten wird das ſein.

Jhr vielgeliebtes Paar, bitt wollet mir verzeihen,

Daß ich (wie gern ich will und ſoll) nicht kan einweihen

Euer unmuͤſſig Feſt mit Roͤmiſchem Gedicht.

Apollo zoͤrnt mit mir, will mich mehr kennen nicht.

Entſchuldiget mich euch: Jch ſchweere bey der Schoͤnen,

Der Schoͤnen, von der ich mein Leben muß entlehnen,

Die mich fuͤhrt im Triumph, die mir nimmt meinen Geiſt,

Und ihn, wenns ihr geliebt, auch wiederkommen heißt;

Jch ſchweere bey dem Licht das ſie laͤßt freundlich blicken

Von ihrer Augen Sonn, und mich mir ſelbſt entzuͤcken,

Daß Venus zu mir kam (es iſt noch nicht ein Jahr)

Am ſchoͤnen Waſſerberg mit ihrer gantzen Schaar.

Sie bat, ich wolt ihr Kind laſſen bey mir einkehren,

Und es die deutſche Sprach, ſo gut ichs wißte, lehren.

Jch gab ihr guten Troſt, ſie gab mir ihren Sohn:

Sie hofft auf meinen Fleiß, ich hofft auf treuen Lohn.

So kommt zwar unverhofft der Knab in Eil geflogen,

Alsbald er aber nur bey mir iſt eingezogen,

Legt er die Fluͤgel ab, kein Eſſen nicht begehrt,

Thut wie er waͤr zu Hauß, macht Feuer auf den Herd.

Jch muß gedultiglich des Gaſtes nur gewohnen:

Wiewol er ſeinen Wirth thut ziemlich ſchlecht belohnen:

Das
[48]Martin Opitzens
Das Hertze zuͤndt er an, die Augen macht er blind:

Man findt nicht die man ſucht, man ſucht nicht die man findt,

Jſt das der Danck? Jch ließ an mir nichts nicht erwinden,

Jn kurtzer Zeit konnt er ſich in die Sprache finden,

Letztlich vor meine Muͤh er ſich ſelbſt in mich drang,

Und nahm mir mein Gemuͤth und Sinn. Jſt das der Dank?

O Pein, o ſuͤſſe Pein, o Leiden ohne Freuden,

O Feuer ohne Brand, o Freuden ohne Leiden!

Das liebliche Geſpenſt, ſo man allhier zu Land

Jungfrau zu taͤuffen pflegt, ward mir durch ihn bekannt.

Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß mich der Sonnen Wagen,

Um das glaͤſerne Feld des Himmels moͤchte tragen:

Wie wuͤrd ich halten offt auch mitten in der Flucht,

Daß ich den ſchoͤnen Glantz an ihr beſchauen mocht.

Wie offt hab ich gewuͤnſcht, daß ich doch werden ſolte

Ein Bien, ein kleine Bien, und leſen wenn ich wolte

Aus ihrem rothen Mund den honigſuͤſſen Thau,

Deßgleichen man nicht findt in der Welt groſſen Au.

So wuͤrd mein Seel in ihr, ihr Seel in meine kommen,

So wuͤrde mir mein Schmertz durch ihren Schertz benom̃en,

So wuͤrde mir die Pfort des Lebens aufgemacht,

So waͤr mir die Nacht Tag, ſo waͤr mir der Tag Nacht.

So wuͤrd ich freudiglich mit lebendem Tod ſterben,

So wuͤrd ich in der Welt den Himmel noch ererben:

Der Tod, den ich mir wuͤnſch, der Himmel den ich mein,

Jſt in der Liebſten Schoß gar ſanffte ſchlaffen ein:

Das
[49]Verworffene Gedichte.
Das iſt der Tod, den ich will lieber als das Leben,

Das iſt des Himmels Schloß, darinnen ich will ſchweben,

Darein Cupido ſelbſt wird tragen meinen Geiſt,

Das iſt der Goͤtter Land, da ihr Tranck innen fleußt.

Das iſt der reiche Grund, drein Jupiter geſencket

Des Goldes Regenbach, dabey die Venus traͤncket

Die zarten Daͤubelein, darinn der Nymphen Chor

Sich badet, ja das iſt der Luſt und Freuden Thor.

Diß alles ſollet ihr, Herr Braͤutigam, erlangen,

Diß alles werdet ihr euch muͤſſen unterfangen

Hertzliebe Jungfrau Braut, in eurer Armen Band

Werdet ihr nehmen ein der wahren Liebe Pfand,

Den Zoll, den theuren Zoll, den man muß Venus geben,

So fern man trachten will dem Tode nach dem Leben.

Geht, geht, Herr Braͤutigam, geht Jungfrau Braut, geht an:

Heut Jungfrau, morgen Weib: heut Braͤutgam, morgen Mañ.

Hochzeit-Gedichte.
Nachdem die Welt gegruͤndt, und ihr Termin geſteckt,

Nachdem die ſchoͤne Luft rundum ſich ausgeſtreckt,

Und auch die wilde See, die nah und weit zu kommen

Pflegt nach des Monats Lauf, ihr Oerter eingenommen,

Sah Jupiter hinab, und ſpuͤrete niemand,

Der diß gewaltig Hauß braͤcht unter ſeine Hand.

Drum von ſeins Vaters des Saturnus Leib er hiebe

Das Theil ſo ſchaͤndlich iſt, doch noͤthig in der Liebe,

[Crit. Sam̃l. IX. St.] DUnd
[50]Martin Opitzens
Und warff es in das Meer, daraus ein Schaum herkam,

Davon das geile Weib, die Venus, Urſprung nam,

Das geile Weib, das Weib, das aller Goͤtter Sinnen,

Mit ihrem blinden Kind hat liſtig rauben koͤnnen.

Sie haben gantz und gar gebracht in kurtzer Zeit

Das menſchliche Geſchlecht in ihre Dienſtbarkeit.

Sie thaͤten uͤber dieß ein aͤrger Weſen fuͤhren,

Beweiſen ihre Macht auch an den ſtummen Thieren,

So daß nun uͤberall durchaus nichts leben kan,

Es muß ihr und dem Kind allzeit ſeyn unterthan,

Das Kind, das loſe Kind, das mit dem Pfeil und Bogen,

So ſehr viel hundert Jahr iſt durch die Lufft geflogen,

Und hat ſein groſſes Reich gewaltig ſtarck vermehrt,

Ja auch die Mutter ſelbſt ohn alle Scheu verſehrt.

Das Joch mußt ihr doch auch noch angeworffen werden,

Von ihrem eignen Sohn, der Herr iſt dieſer Erden,

Und Printz der weiten Welt, der haͤlt die Luft vor ſein,

Die zierlich iſt gewirckt mit lichten Sternelein,

Die mit der Strahlen Glantz gehn auf der weiſſen Straſſen,

Und in der holen Kaut Lufft, Erd und See umfaſſen.

Nun laßt uns doch beſehn, wohin der ſchoͤne Sohn,

Der groſſe kleine Gott gebauet ſeinen Thron.

Er hat ihm auserwehlt der Augen Thron zu eigen,

Die uns ſein Koͤnigreich, als klare Spiegel, zeigen.

Der Augenapfel iſt die Kugel dieſer Welt,

Das Waſſer aber, das der Apfel in ſich haͤlt,

Das
[51]Verworffene Gedichte.
Das ſind die milden Quell, ſo aus den Bergen ſchieſſen,

Und durch das gruͤne Thal mit ſanftem rauſchen flieſſen.

Der Circkelrunde Krantz, der um den Apfel geht,

Das iſt die wilde See, die nach der Erden ſteht:

Der Augen weiſſer Platz, ſo ſich umher ergeuſſet,

Das iſt die klare Lufft, die Erd und See beſchleuſſet.

Es iſt ein Wunderding, daß das viert Element

Auch in den Augen nicht von andern iſt getrennt,

Das Feuer, ſo durchs Meer gantz hell und lieblich blicket,

Und mit dem ſchoͤnen Schein uns Muth und Sinn entzuͤket;

Das Feuer, ſo den Weg ihm durch die Augen nimmt,

Und unvermerckter Sach in unſer Hertze koͤmmt:

Da ruht es ohne Ruh, da hebt es an zu brennen,

Daß wir der Liebe Krafft, und uns in uns nicht kennen.

Was Wunder iſt es dann, daß er mit ſeinem Band,

Die Welt bezwungen hat durch ſeine ſchwache Hand,

Der tauſend Welten hat, die Augen, da er zeugen,

Und klaͤrlich darthun kan, wie er uns koͤnne beugen?

Diß iſts, das euch bezwang, diß iſts, Herr Braͤutigam,

Diß iſt die neue Welt ſo euer Hertz einnahm.

War euch auch wol zu Muth, gabt ihr euch auch verlohren,

Als die vier Element zugleiche ſich verſchworen,

Zu liefern eine Schlacht, die in der Augen Welt

Sich alle laͤgerten, und gaben ſich zu Feld?

Jhr habt euch wahrlich wol die Rechnung machen koͤnnen,

Daß vier ſo ſtarcke Feind euch wuͤrden angewinnen.

D 2Jhr
[52]Martin Opitzens
Jhr thut auch was ihr wollt, ihr brauchet alle Kunſt,

Jch halte nur darfuͤr die Arbeit ſey umſonſt.

Bey dreyen waͤre Rath, dem vierten zu entfliehen,

Dem Feuer, weiß ich nicht, ob man ſich darff bemuͤhen.

Was laufft ihr viel und ſucht? die Hilff iſt bey der Hand;

Wer hie geneſen will, der muß doch zu dem Brand,

So erſtlich ihn entzuͤndt: diß ſeyn Achilles Wunden,

Die niemand heilt, als der, von dem man ſie empfunden.

Was gibet man denn an? das Bitten iſt das beſt,

Es iſt ein Hertz von Stein, ſo ſich nicht biegen laͤßt.

Nicht laͤngſt hab ich gehoͤrt von einer Feldgoͤttinnen,

Wie ihr, Herr Braͤutigam, habt pflegen zu beginnen

Ein ſehnlich Klagelied, daß Wald, Feld, Berg und Thal

Es haben wiederholt mit klaͤglichem Nachſchall.

Die Nymfen haben es mit Wehmuth auch vernommen,

Und mein Aſterie hats laſſen mir zukommen:

All mein Leiden, Lieb und Schmertze

Hat mein Hertze

Gantz umringt mit Traurigkeit.

Als ein forchtſam Hirſch muß eilen

Fuͤr den Pfeilen,

Flieg und renn ich jederzeit.

Jch vollfuͤhre meine Klage

Nacht und Tage,

Denckend an der Liebe Quall,

Stets
[53]Verworffene Gedichte.
Stets die Thraͤnen mich begieſſen,

Die da flieſſen,

Als zwey Baͤche von Cryſtall.

Wollt ihr demnach, Jungfrau, geben

Meinem Leben

Hilff und Troſt in dieſem Leid,

So erbarmt euch doch bey Zeiten,

Thut bereiten

Nach dem Trauren Luſt und Freud.

Eh daß ſich bey mir beginnen

Alle Sinnen

Zu verliehrn, und aller Muth.

Rettet mich von dem Elende,

Eh das Ende

Selbſt bey mir das beſte thut.

Ach Printzeßin, ach Jungfraue,

Euch ich traue,

Jhr ſeyd meine Medicin

Vor das weinen, vor das klagen,

Laßt mich ſagen,

Daß ich euer Diener bin.

Wie ſolte ſie ihm thun? ihr werdet doch gewaͤhrt,

Kein Mannes-Tropfen faͤllt vergebens zu der Erd,

Und was iſt beſſer Rath, eins hat gebrannt das ander,

Als daß ihr nun zugleich geneſet mit einander?

D 3Geht
[54]Martin Opitzens
Geht an, ihr liebes Paar, was tretet ihr beyſeit?

Es iſt jetzund gleich recht, jetzt iſt die beſte Zeit,

Daß ihr die Hitze leſcht. Was wollt ihr viel verziehen?

Was wollt ihr ſelber das, ſo ihr gewuͤnſchet, fliehen?

Was iſt es, Jungfrau Braut, wollt ihr zuruͤcke gehn?

Es hilfft gewiß euch nicht, ihr muͤſſet doch geſtehn,

Es iſt nun fort mehr alt, daß man nicht kan vertreiben

Zugleich der Liebe Brunſt, und dannoch Jungfrau bleiben.

Der Braͤutigam der kommt, er gehet auf euch zu,

Jungfrau, es iſt das beſt, ihr gebet euch zu Ruh.

Es iſt der naͤchſte Rath, daß man ein Hertze faſſe,

Und was man nicht vermag zu halten, willig laſſe.

Trett ab, ihr Jungfraͤulein, die Braut hat jetzt nicht Zeit,

Laßt ſie zu Bette gehn, hoͤrt auf von eurem Streit,

Zu einem andern Streit muß ſie ſich jetzund kehren.

O daß wir alleſamt in ſolchem Streiten waͤren!

Ein Gebet, daß Gott die Spanier wiede-
rum vom Rheinſtrom wolle treiben, 1620.
Schlag doch, du ſtarcker Held, die ſcheußlichen Maranen,

So leyder! ihre Zelt und Blutgefaͤrbten Fahnen

Auch jetzt in Deutſchland bracht, an unſern ſchoͤnen Rhein,

Der Waffen tragen muß, vor ſeinen guten Wein.

Es iſt genug geſpielt mit eiſernen Ballonen,

Du groſſer Capitain, hoͤr auf, fang an zu ſchonen,

Es
[55]Verworffene Gedichte.
Es iſt genug, genug, die Goͤtter ſind verheert

Durch die, ſo ſie gemacht, Stadt, Dorff, und Feld verkehrt.

Laß die, durch deren Grimm die Stroͤme kaum gefloſſen

Von Leichen zugeſtopfft, nicht ausgehn ungenoſſen,

Und mache kund, daß der, der dir zugegen ſtrebt,

Stuͤrtzt, oder bleibt er ja, ihm ſelbſt zur Straffe lebt.

Sonnete.
Aus dem Lateiniſchen Adeodati Sebaͤ.
Heint als der Monde war in ſeinen Kreiß gezogen,

Und mich der ſuͤſſe Schlaf umfangen durch die Nacht,

Ward mir mein Augentroſt im Traume fuͤrgebracht,

Als laͤge ſie bey mir an meine Bruſt gebogen,

Jhr Hertze war in mich, mein Hertz in ſie geflogen;

Fand aber gaͤntzlich nichts, wie ich des Morgens wacht,

Und hielt die Lacken in den Armen, drum ich lacht,

Als ich recht innen ward, daß ich ſo ſehr betrogen.

Verraͤther, loſer Traum, warum denn fleuchſt du bald?

Laß mich doch laͤnger ſehn die liebliche Geſtalt,

Laß ſich doch mehr bey mir diß ſchoͤne Vorbild ſaͤumen.

Betrieger, krieg ich nichts als Hohn und Spott von ihr,

Und ihrer Schoͤnheit Roſ’, ach bitt ich, laß doch mir

Drey tauſend Jahr ſo ſuͤß, ohn alles Wachen, traͤumen.


Die Liebe kraͤnckt mein Hertz, der Krieg das Vaterland,

Der Krieg mit Haß und Zorn, die Liebe mit dem Bogen;

D 4Die
[56]Martin Opitzens
Die Liebe ſaugt mich aus, der Krieg hat ausgeſogen

Uns und die Nachbarſchaft mit Anſtoß allerhand;

Die Liebe ſteckt mich an, der Krieg ſteckt Staͤdt in Brand;

Die Lieb iſt liſtiglich in mein Gemuͤth geflogen,

Mars hat durch falſchen Schein das Vaterland betrogen;

Die Lieb iſt blind, im Krieg iſt ofte nicht Verſtand.

Es iſt ungluͤcklich Volck die ſolche Herren ehren,

Die Liebe lohnt mit Leyd, der Krieg mit viel verheeren,

Es pfleget beyderſeits nicht koͤſtlich zuzugehn,

Begeb ich mich ins Feld, Durſt, Hunger mich begleitet,

Folg ich der Liebe nach, die Liebſte mich beſtreitet,

Es iſt der beſte Rath, ich laſſe beydes ſtehn.

Als ihm ſeine Aſterie geſchrieben.
Wer ſollte dieſes wol in ſein Gemuͤthe bringen,

Daß unter weiß und ſchwartz verborgen ſolche Freud?

Daß nur ein einig Brieff nem alle Traurigkeit?

Kan auch der Augenluſt ſo weit ins Hertze dringen?

Jch weiß die Sinne faſt nicht hoͤher mehr zu ſchwingen,

Und habe wol mit Fleiß geleſen jederzeit,

Was von der Liebe nur gefunden weit und breit,

Es hat mich aber nichts vermocht ſo ſehr zu zwingen;

Der Griech Anacreon, der Sappho ſchoͤn Gedicht,

Und auch Ovidius ſind ihm zu gleichen nicht,

Der kuͤnſtlich Amadis iſt nie ſo hoch gegangen.

Gluͤck-
[57]Verworffene Gedichte.
Gluͤckſelig iſt die Hand, die dieſen Brief gemacht,

Gluͤckſelig ich die Dint und auch die Feder acht,

Und mehr gluͤckſelig mich, der ich ihn hab empfangen.

Bedeutung der Farben.
Weiß, iſt gantz keuſche Reinigkeit,

Leibfarbe, Weh und Schmertzen leiden,

Meergruͤne, von einander ſcheiden,

Schwartz, iſt Betruͤbniß, Angſt, und Leid,

Roth, innigliche Liebes-Brunſt,

Und Himmelblau, ſehr hohe Sinnen,

Bleich Leichfarb, argen Wahn gewinnen,

Gelb, End und Ausgang aller Gunſt,

Haarfarbe, deutet auf Geduld,

Bleich Aſchenfarben, heimlich Huld,

Braun, aller Liebe gantz vergeſſen,

Gruͤn, Hoffnung; Und weil jetzund ich

Gebrauche dieſer Farbe mich,

Jſt wol mein Zuſtand zu ermeſſen.

Oden und Lieder.


Auf Leid kommt Freud.
Sey wolgemuth, laß trauren ſeyn,

Auf Regen folget Sonnenſchein,

Es gibet endlich doch das Gluͤck

Nach toben einen guten Blick.

D 5Vor
[58]Martin Opitzens
Vor hat der r[a]uhe Winter ſich

An uns erzeiget grimmiglich,

Der gantzen Welt Revier gar tief

Jn einem harten Traume ſchlief.

Weil aber jetzt der Sonnen Licht

Mit vollem Glantz herauſſer bricht,

Und an dem Himmel hoͤher ſteigt,

Auch alles froͤlich ſich erzeigt,

Das froſtig Eyß muß gantz vergehn,

Der Schnee kan gar nicht mehr beſtehn,

Favonius der zarte Wind,

Sich wieder auf die Felder findt,

Die Saate gehet auf mit Macht,

Das Graſe gruͤnt in vollem Pracht,

Die Baͤume ſchlagen wieder aus,

Die Blumen machen ſich heraus,

Das Vieh in Feldern inniglich,

Das Wild in Buͤſchen freuet ſich,

Der Voͤgel Schaar ſich froͤlich ſchwingt,

Und lieblich in den Luͤften ſingt;

So ſtelle du auch trauren ein,

Mein Hertz, und laß dein Zagen ſeyn,

Vertraue Gott, und glaube feſt

Daß er die Seinen nicht verlaͤßt.

Ulyſſes auch, der freye Held,

Nachdem er zehn Jahr in dem Feld

Vor
[59]Verworffene Gedichte.
Vor Troja ſeine Macht verſucht,

Zog noch zehn Jahr um in der Flucht.

Durch Widerwaͤrtigkeit im Meer,

Ward er geworffen hin und her,

Noch blieb er ſtandhafft allezeit,

Jn Noth und Tod, in Lieb und Leid.

Die Circe mit der Zauber-Kunſt,

Bracht ihn niemals zu ihrer Gunſt,

Auch der Syrenen ſuͤſſer Mund

Und Harffen ihn nicht halten kunt.

Er warff doch endlich von ſich noch

Des rauhen Lebens ſchweres Joch,

Penelopen er wieder fand,

Und Jthacen ſein Vaterland;

So biß du auch getroſt, mein Hertz,

Und uͤberſteh des Gluͤckes Schertz,

Trau Gott, ſey nur auf ihn bedacht,

Die Hoffnung nicht zu ſchanden macht.

Auf der Edlen Jungfrauen Anna Maria
Gaislerinne Hochzeit.
Gaislerinne
Die Buchſtaben verſetzt:
Ein rein Glas:
Freylich, freylich iſt ein Glas,

Edle Jungfrau, alles das,

Was
[60]Martin Opitzens
Was in eurer beſten Zier,

Als die Sonne, leuchtet fuͤr.

Schaut, wie ſchoͤn die Sternen all

Leuchten aus des Himmels Saal,

Wie der Mond ſein bleiches Haar

Ausgebreitet gantz und gar,

Wie die groſſe weite Welt

Schlaͤfrig in die Bette faͤllt,

Wie die Waſſer ſtehen ſtill,

Wie ſich nichts bewegen will.

Eh der Voͤgel Lobgeſang

Wiedertoͤnt mit hellem Klang,

Eh der lichte Venus-Stern

Sich laͤßt ſehen weit und fern,

Eh die ſchoͤne Morgenroͤth

Aus dem ſuͤſſen Schlaf aufſteht,

Und entdecket ihren Schein,

Wird das Glas zubroͤchen ſeyn.

Chanſonnette.
Mit Liebes-Brunſt behafftet ſeyn,

Jſt wahrlich eine ſchwere Pein,

Es iſt kein Schmertz auf dieſer Erd,

Der recht mit ihm verglichen werd:

Drum
[61]Verworffene Gedichte.
Drum will ich mich Gantz emſiglich

Von dem Ley’en Allzeit ſcheiden,

Und die ſuͤſſe Gifft vermeiden.

Auf daß nun nicht die ſchnoͤde Brunſt

Mich laſſe zu ihr tragen Gunſt,

Soll Venus mich nicht treffen an

Auf irgend einer Liebes-Bahn.

Der Tugend Weg Jſt ein ſchoͤn Steg,

Darauf eben Jch will ſchweben,

Und ihr gantz verpflichtet leben.

Recht und gar wol auch Pallas blieb

Allzeit befreyet von der Lieb,

Sie gab dem Feuer niemals Raum,

Und hielte ſich in ſtetem Zaum.

Auf gruͤner Heyd Sie allezeit

Mit dem Hetzen Sich thaͤt letzen,

Und frey aller Sorg ergetzen.

Jch will ins kuͤnfftig fleiſſig auch

Nachfolgen dieſer Goͤttin Brauch,

Denn Venus iſt die groͤſte Laſt,

Cupido iſt ein ſchaͤdlich Gaſt.

Wen e[r] einmahl Nur bringt zu Fall,

Muß verderben, Oft auch ſterben,

Und fuͤr Freuden Schmertz ererben,

Alſo belohnt er alle doch,

Die ſich ergeben ſeinem Joch,

Und
[62]Martin Opitzens
Und diß bedenck ich offt und viel,

Es mag lieb haben wer da will,

Jch bleibe mein. Allzeit allein,

Offt nach ſchertzen. Kommen Schmertzen,

Wohl dem der das thut behertzen.

Die Jagd des Cupido.
Jn der ſchoͤneſten der Zeiten,

Wann verjuͤngt wird alle Welt,

Wann die Flora Blumen ſpreiten

Thut, durch Wieſen, Wald und Feld,

Kam der Venus Sohn gegangen,

Eh ſich Lucifer eraͤugt,

Eh Aurora ihre Wangen

Und goldgelbes Haare zeigt.

Venus lag ohn Sorg und Zagen

Gantz des ſanften Schlafes voll,

Mutter, ſagt er, ich geh jagen,

Unterdeß gehabt euch wohl.

Da erwachte die Goͤttinne,

Sprach: Cupido liebes Kind,

Weil du dieſes haſt im Sinne,

Sey es gerne dir verguͤnt,

Und ich wuͤnſche daß dein Bogen

Richtig ſchieſſe fuͤr und fuͤr.

Wann
[63]Verworffene Gedichte.
Wann du dann diß Werck vollzogen,

Komm auch wieder her zu mir.

Diß derhalben zu vollfuͤhren,

War er bald zur Jagd bereit,

Nicht zur Jagd nach wilden Thieren,

Wie Adonis vor der Zeit,

Sondern daß er moͤchte zwingen,

Dieſe groſſe weite Welt,

Und in ſeine Netze bringen,

Was der Himmel in ſich haͤlt.

Als der Zephyrus vernommen,

Was das Kind geſonnen waͤr,

Jſt er mit der Aura kommen,

Zu verkuͤnden dieſe Maͤhr.

Doch thaͤt er ſich ploͤtzlich naͤhen,

Eh man fuͤr ihm fliehen kunnt:

Eh man ſeiner ſich verſehen,

Hatt er ſchon ſehr viel verwundt.

Alſo wird ſehr offt betrogen

Die gelehrte Nachtigall,

Eh ſie kaum hinzu geflogen,

Jſt ſie kommen ſchon zu Fall,

Jupiter, der Donnerkeile

Nur fuͤr Spiel und Schertze haͤlt,

Ward
[64]Martin Opitzens
Ward durch dieſes Kindes Pfeile

Jn der Buhler Zahl geſtellt.

Phoͤbus hatte Kunſt und Witzen,

Plutus war an Golde reich,

Es konnt ihnen doch nicht nuͤtzen,

Es war Amor alles gleich.

Mars der ſonſt ſich auszuruͤſten

Und zu ſtreiten war bedacht,

Sauget an der Venus Bruͤſten,

Und vergaß der Krieges-Macht.

Bacchus wußte nichts von Trauben,

Gantz entzuͤndt in ſuͤſſer Pein,

Mußte Liebes-Speiſe klauben,

Thraͤnen gieſſen vor den Wein.

Eolus ließ Nord und Oſten,

Pan ließ Schaf und Hirten ſtehn.

Goͤtter und Goͤttinnen mußten

Nach des Kindes Willen gehn.

Alle Menſchen wurden innen,

Wie Cupido ſehr geſchwind,

Wie er ihren Muth und Sinnen

Mit dem Pfeil regieren kuͤnt.

Alles wurde gantz verheeret,

Alles war mit Leyd erfuͤllt,

Biß
[65]Verworffene Gedichte.
Biß ſich hat der Tag gekehret,

Und die Sonn ihr Haupt verhuͤllt,

Da flog Amor heim zur Stunden,

Zeigte ſeiner Mutter an,

Wie er alles uͤberwunden,

Wie ihm alles unterthan.

Bald hat ſie ihn angenommen,

Und am Nectar voll gemacht,

Biß der ſuͤſſe Schlaff iſt kommen,

Und ihn hat zu Ruh gebracht.

Das Fieber-Liedlein.
Naͤchſt als zugleiche lagen

Zwey Lieb in Fiebers Schmertz,

Sprach er: ich bin zu tragen

Fuͤr dich bereit, mein Hertz,

Fuͤr dich bin ich bereit zu leiden,

Und ſoll ſich meine Seele ſcheiden.

Er lag in heiſſer Flammen,

Die Sprache ließ ſchon nach,

Die Hitze kam zuſammen,

Der Puls ſchlug ſehr gemach;

Empfund doch mitten in dem Leiden,

Weil er bey ihr war, Luſt und Freuden.

[Cr[i]t. Sam̃l. IX. St.] ESie
[66]Martin Opitzens
Sie ſchlug die Augen nieder,

Als er fiel in den Tod;

Er wandte hin und wieder

Sein Haupt in letzter Noth,

Sein Hertz ward matt, die Adern ſprungen,

Der Geiſt ward auszufahrn gezwungen.

Sie ſprach: mein Lieb, mein Leben,

Jch ſchwimme, wegen dein:

Und ich, er ſagt, muß geben

Fuͤr dich mein Seelelein.

So iſt er in der Schoß geſtorben,

Die er ſo treulich hatt erworben.

An ſeine Buhlſchaft.
Auf die Weiſe: Angelica die Edle.
ASterie du Edle Schaͤferin

Werd ich dich ſehen ſchier?

Jn deiner Huld ich gantz verſchloſſen bin,

Und lebe weit von dir.

Nur bey den wilden Thieren,

Und in dem wuͤſten Wald,

Muß ich mein Leben fuͤhren,

Das iſt mein Auſenthalt.

Kein ſchoͤner Baum, kein zartes Bluͤmelein,

Kein Ort mich troͤſten mag,

Kein
[67]Verworffene Gedichte.
Kein kalter Brunn mit ſpringender Fontein,

Erleſchet meine Plag,

Mein Augen auch wie Brunnen

Sind gantz von Thraͤnen naß,

Auch faſt gar ausgerunnen

Durch Weinen ohne Maaß.

Kein Rath noch Huͤlff ohn dich mein Hertz erfreut,

Kein edler Lauten-Klang,

Kein gruͤner Platz erquicket mich in Leyd,

Kein lieblicher Geſang,

Voll Zittern, Furcht und Zagen

Jſt mir die gantze Welt,

Nur trauren, ſeufftzen, Klagen

Alleine mir gefaͤllt.

Ach komm, ach komm du ſehr gewuͤnſchter Tag,

Jhr Stunden eilet fort,

Daß ich doch bald mit Freuden kommen mag

Zu meines Lebens Hort!

Laß Eolus die Winde

Mich fuͤhren von dem Land,

Neptunus gieb geſchwinde

Mich in der Liebſten Hand!

Gehabt euch wol ihr Nymphen in der Heyd!

O Pan ich muß von dir!

Gehabt euch wohl, mein Schiff iſt ſchon bereit,

Das mich von hinnen fuͤhr,

E 2Ad[ie]
[68]Martin Opitzens
Adie ich will verlaſſen

Der Weisheit Lob und Ehr,

Minerva mag mich haſſen,

Mein Augentroſt iſt mehr.

Von der Cynthia Thraͤnen.
ACh Cupido, leideſt du

Daß die Zehren immerzu

Dieſer klahren Augen Glantz

Waͤſſern, und verſchwemmen gantz!

So der Thraͤnen weite Flut

Ausloͤſcht ihres Feuers Glut,

Sage wo man kuͤnfftig kan

Deine Fackel zuͤnden an?

Ueberſchriften.


Epigramma an die Naturkuͤndiger.
WAnn nicht das Kuͤſſen was zum ſchmacken helffen kunnt,

Ey warum kuͤſſen wir dann immer auf den Mund?

An ihren gantzen Leib.
MEin Lieb, hat dein Geſicht ſo weit mich koͤnnen bringen,

Wie ſollte denn wol nicht dein gantzer Leib mich zwingen?

Uber ſeiner Buhlſchafft Bildniß.
JE ſchoͤner dieſes Bild fuͤr allen anzuſchauen,

Je ſchoͤner iſt mein Lieb fuͤr anderen Jungfrauen.

Aus
[69]Verworffene Gedichte.
Aus dem Hollaͤndiſchen.
DJeweil man muß, zu kriegen himmliſch Gut,

Die Suͤnde beichten und beklagen,

Und zu entfliehn der Hoͤllen heiſſe Glut

Jn ſeinem Hertzen Reue tragen,

So bitt ich doch, o meines Lebens Schein,

Gebt mir mein Hertz, das ich verließ bey euch,

Wollt aber ihrs behalten ja allein,

So beichtet mein und eure Suͤnd zugleich.

Auf einen Kuß.
ACh ſchicke mir doch zu, ein Kuͤſſichen, mein Leben,

Fuͤrchtſt du, daß auf dem Weg es jemand moͤcht aufheben?

Ey druck auf meinen Mund dein zartes Muͤndelein,

So wird es vor Gefahr der Diebe ſicher ſeyn.

Gottfriede von Kuͤnrath
Die Buchſtaben verſetzt:
Kein Freund treu, ohn Gott:
JSt dir das blinde Gluͤck geneiget und gewogen,

Will jeder bey dir ſeyn an Freundſchaft vorgezogen;

Verſchlaͤget dich der Wind ins weite Meer der Noth,

So ſteht es wuͤſt, und dann iſt kein Freund treu, ohn Gott.

E 3Fleuch
[70]Martin Opitzens

FLeuch wo dir hingeliebt, wohin du nur kanſt kommen,

Fleuch mein Gemuͤthe, fleuch Luft, Feuer, Waſſer, Erd,

Du magſt doch nicht entgehn, dein Vorſatz wird verkehrt,

Weil dich mein Lieb in ſich ſchon gaͤntzlich eingenommen.


ALs dich, o werthe Kron, der Hirte Paris ſach,

Erſchrack er, und fieng an: O Venus halt gemach,

Gib mir den Apfel her, dir iſt zuviel geſchehen,

Die ſchoͤne Nymf hab ich vorhin noch nie geſehen.

Auf die Stadt Breßlau.
ALs Themis aus der Welt zu ziehn ihr vorgenommen,

Soll unterweges ſie auch ſeyn nach Breßlau kommen,

Und weil ſie hat vermeynt, ſie ſey nun allbereit

Jm Himmel, iſt ſie da noch biß auf dieſe Zeit.


Epigramma Ovveni.
An die ſo ſich ſchmincken.
DJe ihr mit Farb anſtreicht euch eure Zierlichkeit,

Bekennet recht, daß ihr nur Staub und Aſche ſeyd.

An den Schlaf.
JCh wach allhie mit ſehnlichem Verlangen,

Du ſanfter Schlaf haſt gantz mein Lieb umfangen,

Er-
[71]Verworffene Gedichte.
Erblickt ſie dich mit einem Aeugelein,

So wirſt du bald von ihr vertrieben ſeyn.

An die Cynthia.
DU gabeſt mir zwey Kuͤß, ich gab dir wieder zwey,

Jezt zoͤrneſt du mit mir, und ſchlaͤgſt die Augen nieder,

Weil ich nun hoͤr, daß es dir zu entgegen ſey,

Geb ich dir deine zwey, gieb du mir meine wieder.

Von der Aſterie Ringe.
WJe dieſer Ring von Gold geſchmiedet iſt zuſammen,

Wie dieſer edle Stein ſcheint gleich den Feuerflammen,

So iſt auch dein Gemuͤth ſo hart als Gold und Stein,

Und dein Geſichte ſcheint ein helle Fackel ſeyn.

An den Abendſtern.
ACh jetzund wollt ich gleich zu meiner Buhlſchaft gehen,

Nun weicht die Sonne weg, und du wilt auch entſtehen,

Du ſchoͤner Abendſtern, die ſpaͤthe Nacht bricht an,

So daß ich heute nicht zu ihr gelangen kan.

Antwort des Abendſterns.
JCh ſonſten Heſperus, hab jetzund mich gewendet,

Und werde Lucifer, ich bin vorher geſendet,

Sey nicht beſtuͤrtzt, daß ich den alten Lauf verkehr,

Weil deine Sonne kommt, ſo geh ich fuͤr ihr her.

E 4Die
[72]Martin Opitzens
Die Augen der Aſterie.
ALs Aſteris bey Nacht den Himmel angeſehen,

Hat ſie der Sternen Zahl vermehrt durch ihren Schein,

Vermagſt du das, mein Lieb, wie mag es dann geſchehen,

Daß mein Geſicht vergeht von deinen Aeugelein?

Grabſchrift eines Kaufmanns.
JCh machte Rechnung wohl, es koͤnte mir nicht fehlen,

Jch wolte richtig Geld fuͤr mein Credit auszehlen,

Des Todes ich vergaß, der dann ohn all Geduld

Mich bald verarreſtirt allein um ſeine Schuld.

Eines Ertrunckenen.
HJer hat der Tod gefuͤhrt vor ſeinen Urtheltiſch

Den, welcher in der Flut iſt jaͤmmerlich verſuncken,

Und hat ohn allen Durſt zu tode ſich getruncken,

Die Urſach, halt ich, ſey, er ſchwamm, und war kein Fiſch.

Eines Kochs.
WJe wird die Welt doch uͤberall verkehret,

Hie hat ein Koch im Grabe ſeine Ruh,

Der mancherley von Speiſen richtet zu,

Jezt haben ihn die Wuͤrme roh verzehret.

Eines Blaſebalckmachers.
OLieber Menſch, dein Leben ja betrachte,

Hier liget, der die Blaſebaͤlge machte,

Jezt
[73]Verworffene Gedichte.
Jezt aber nun zulezt es doch ſich findt,

Dem Meiſter, ſchau, gebriſt noch ſelber Wind.

Eines Jaͤgers.
JN dieſer holen Klufft geſuchet hat ſein Laͤger,

Ein grauſamer Tyrann und Feind der wilden Thier,

Jezt hat er wiederum auch ſeinen Lohn darfuͤr.

Der Tod der war ſein Hund, die Kranckheit war ſein Jaͤger,

So iſt der Jaͤger nun, wie kuͤhn er ſey und ſtarck,

Gejaget durch den Tod hier unter dieſen Sarck.

Eines Schmiedes.
JHr Freunde, glaubet allzumahl,

Koͤnt Eiſen, Feuer, Flamm, und Stahl

Des grimmen Todes Macht obſiegen,

Jch wollte wohl jezt hier nicht liegen.

Eines Boten.
EJn Poſt-Bot hat allhier ihm ſeine Ruh genommen,

Weil er dem Tode nicht vermochte zu entkommen.

Eines andern.
WJe iſt alles ſo voll Jammer,

Dieſer ſtarb gar unverſehn,

Und auch wie es iſt geſchehn,

War der Doctor in der Kammer.

Eines andern.
DEr Tod vollbracht hat ſeine Luſt,

Es hat den Geiſt hier aufgegeben,

E 5Der
[74]Mart. Opitz. Verworff. Gedichte.
Der, ſo darum abſterben muſt,

Daß er nicht laͤnger konnte leben.


WAs lieb ich doch ſo ſehr die Heiden und die Wuͤſten?

Was laß ich mich nach den Waldgoͤttinnen geluͤſten?

Mein Lieb die uͤbertrift doch aller Waͤlder Zier,

Diana weichet auch an Schoͤnheit ſelber ihr.

Was laß ich mir ſo ſehr die Bluͤmelein gefallen?

Mein Lieb hat doch allein die Blum der Blumen allen,

Deßgleichen nie zuvor iſt kommen an den Tag,

O wie gluͤckſelig iſt der, ſo ſie brechen mag?


DJe keuſche Lieb iſt dieſes Lebens Sonne,

So unſer Hertz erquickt mit Freud und Wonne;

Der rothe Mund iſt ihr Altar; der Kuß,

Das Opfer, ſo man ihr verehren muß.

Eliſabethe geborene Kunradinne.
Du biſt Helena, gar eben eine
Krone.
WEr will bekennen nicht, Jungfrau, daß in dir wohne

Der Tugend Ebenbild, der Spiegel aller Zier,

Die Goͤttin Venus ſelbſt an Sitten weichet dir,

Ja du biſt Helena, gar eben eine Krone.

[[75]]

Genaue
Pruͤffung
Der

Gottſchediſchen Ueberſetzung
Horazens
Von der
Dichtkunſt.


[[76]][[77]]

Vorrede.


ES iſt zwar eine eckelhafte und verdruͤß-
liche Arbeit, in einer uͤberſezten Kunſt-
ſchrift, die nichts anders iſt, als ein Gemiſche
von Fehlern, alle verkehrten Ausdruͤckungen,
und regelloſen Abweichungen ſowohl in den Be-
griffen als derſelben Verbindung genau aufzu-
zeichnen, und ſo deutlich aus einander zu ſetzen,
daß man zugleich die Ordnung und die Schoͤn-
heiten der Grundſchrift empfindlich macht:
Aber wenn ein geſchickter Mann ſich dieſe Muͤ-
he nimmt, ſo iſt es von vortrefflichem Nuzen;
zwar nicht fuͤr den, der gepruͤffet wird, als der
zu dergleichen Empfindung kein Naturell hat,
ſondern fuͤr diejenigen unbefeſtigten Koͤpfe, die
durch das praleriſche Geſchwaͤze des Ueberſe-
zers von den geſunden und natuͤrlichen Begrif-
fen des Originals auf hundert Jrrwege abge-
fuͤhrt worden. Jn dieſer Betrachtung verdienet
der Verfaſſer folgender Pruͤffung des Gottſche-
diſchen Horazens allen Danck, daß er ſeine Ge-
duld, die zu Aufraͤumung dieſes Chaotiſchen
Schuttes noͤthig war, bis auf ein Hundert Verſe
unterhalten hat. Er hat mir bekennet, daß ihm
dieſes nicht moͤglich geweſen waͤre, wenn er ſeinen
arbeitſamen Fleiß nicht bald mit der Jronie,
bald mit einer andern Figur belebet und aufge-
muntert haͤtte: dennoch ſey ſeine Geduld mit
dieſen hundert Verſen voͤllig zu Ende gegangen,
und er zweifle, ob er ſobald wieder eine gnug-
ſame Doſe neuer Geduld werde ſammeln koͤn-
nen,
[[78]] nen, als er noͤthig haͤtte die Pruͤffung des zweyten
Hunderts des Gottſchediſ. Horazens vorzunehmen,
oder wie er wohl ehe in Gedancken gehabt, deſſelben
Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen in die Elemente,
woraus ihre Subſtantz beſtehet, aufzuloͤſen.


Jndeſſen wird man in gegenwaͤrtiger Pruͤffung
den Verdacht bekraͤftiget ſehen, der in den neuen
Vorreden zum deutſchen Longinus erwecket wor-
den, daß Hr. Gottſched aus Ueberſezungen uͤber-
ſeze,
und insbeſondere das Latein nicht verſtehe;
Er kennet wahrhaftig den Horaz nebſt den andern
groſſen Maͤnnern, die er vor die Vaͤter ſeiner Kin-
der ausgiebt, nur von weitem uud obenhin.
Man darff nur den Vorbericht, womit er ſeine Ue-
berſetzung einfuͤhret und anbefiehlt, einſehen, ſo wird
man ſolche haͤmiſche und widerſinnige Urtheile von
dem Werthe dieſer Horaziſchen Grundſchrift an-
treffen, dergleichen in keinem andern als des Ueber-
ſetzers Kopf Platz haben koͤnnen, in welchem die Be-
griffe von Unordnung und Schoͤnheit ſich gar
wohl mit einander vertragen. Es war nur ſeine
Liſt, daß er Horazens Dichtkunſt vorne an ſeiner eig-
nen gedruckt hat, der Leſer ſollte ſich daher eine ge-
naue Bekanntſchaft zwiſchen ihnen beyden einbilden,
und die Guͤtigkeit haben, daraus zu ſchlieſſen, daß
die Gottſchediſche Dichtkunſt mit der Horaziſchen
auf einerley Natur, einerley Geſchmack und Grund-
ſaͤtze aufgefuͤhret waͤre. Nun mag zwar vordeſſen
ein halbes Dutzend leichtglaͤubiger Magiſter ſich ha-
ben verfuͤhren laſſen, Hrn. Gottſchedens verwirrtes
Miſchmaſch und ſeichtes Geſchwaͤtze vor Horaz in
flieſſendes Deutſch uͤberſezt anzunehmen, aber
kuͤnftig hat es keine Gefahr mehr, daß jemand den Horaz oder
ſonſt einen guten Scribenten mit dergleichen leichtſinnigem
Wahn beſchimpfen werde, nachdem die Lehrſchriften des
Hr. Profeſſors der Dichtkunſt ſo wacker ausgeklopfet worden,
daß ſie izo durch und durch geſehen werden koͤnnen.


[79]

Pruͤffung der Ueberſetzung
von Horazens Dichtkunſt.


Fuͤrwahr ein artig Bild!1 Es ſteht ein Menſchenkopf Note:

Auf
[80]Pruͤffung der Ueberſetzung
2
Note: V. 1. Es ſteht ein Menſchenkopf)
Horatz ſtellet euch einen Mahler vor, der vor euern
Augen ein abentheurliches Bild von Stuͤcke zu Stuͤcke ver-
fertiget: Jhr ſehet, wie er bey dem Kopf eines Menſchen
anfaͤngt, demſelben einen Pferdehals unterſetzt, dieſen an-
ſtatt der Maͤhne mit bunten Federn ausſchmuͤcket; her-
nach die Glieder von verſchiedenen Thieren in einen Leib
zuſammen verbindet, und endlich da er bey einem ſchoͤ-
nen Weiberangeſicht das Gemaͤhlde angeleget hatte, es mit
einem Fiſchſchwantze beſchlieſſet. Hr. Gottſched hingegen
ſtellet euch dieſes abentheurliche Bild als wircklich fertig
vor Augen, und damit ihr in Betrachtung deſſelben nicht
irre werdet, ſo bemuͤhet er ſich euch ein Stuͤck nach dem
andern gleichſam mit dem Finger vorzuweiſen; dahin die-
nen die eingeſchalteten Flick-Formeln: Es ſteht ‒ ‒ den
Kropf bedeckt ‒ ‒ hernach erblickt man ‒ ‒ von oben
zeigt ‒ ‒ von unten wirds.
Wodurch er die Zuſchauer
dieſes Gemaͤhldes zwingen kan, daß ſie eben dasjenige ſe-
hen muͤſſen, was ſie wircklich ſehen. Da hingegen Ho-
ratz durch das jungere ſi velit, ſo unbarmherzig iſt, daß
er auch den bloſſen Vorſatz eines ſolchen Mahlers ſchon
als laͤcherlich verurtheilt.

Auf
[81]von Horazens Dichtkunſt.
Auf eines Pferdes Hals. Den dicken Vogelkropf 3

Bedeckt ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder:4

Hernach erblicket man verſchiedner Thiere Glieder.

Von oben zeigt ein Weib ihr ſchoͤnes Angeſicht.
5.

Von unten wirds ein Fiſch. 5 Jhr Freunde, lacht doch nicht!

Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen. 6

Jndeſ-
[Crit. Sam̃l. IX. St.] F.
[82]Pruͤffung der Ueberſetzung
Jndeſſen glaubet mir,7 ihr trefflichen Piſonen,

Dafern
8
[83]von Horazens Dichtkunſt.
Dafern mein Wort was gilt, daß eine tolle Schrift,9

Wo weder Haupt noch Schwanz geſchickt zuſam̃en trifft,
10.
10

Und
11


F 2
[84]Pruͤffung der Ueberſetzung
Und nicht mehr Ordnung herrſcht12, als wenn ein Kranker traͤu-

(met,

Sich unvergleichlich wohl zu ſolchem Bilde reimet.

Jch weiß wol was man glaubt. Man ſpricht und bleibt dabey:13

Ein
14


[85]von Horazens Dichtkunſt.
Ein Maler und Poet folgt ſeiner Phantaſey:

Er kan ſich ſeiner Kunſt nach eigner Luſt bedienen,
15.

Und ſich durch Geiſt und Witz, was ihm beliebt, erkuͤhnen.15

Ganz
16

F 3
[86]Pruͤffung der Ueberſetzung
Ganz recht, ich geb es zu, und mach es ſelber ſo.

Allein man miſche nie das Feuer in das Stroh.17

Kein
18

[87]von Horazens Dichtkunſt.
Kein Tiger zeug ein Lamm, kein Adler hecke Schlangen.19

Doch
20

F 4
[88]Pruͤffung der Ueberſetzung
Doch m[a]nches Dichters Schrift wird praͤchtig angefangẽ,
20.
21

Man ſchmuͤckt ſie hin und her mit Edelſteinen aus,

Beſchreibt Dianens Haͤyn, Altar und Goͤtterhaus,

Entwirft mit groſſer Kunſt des Rheinſtroms Waſſerwogen,22

Und malt der Farben Glanz im bunten Regenbogen.

Das alles iſt ſchon gut; nur hier gehoͤrts nicht her.
25.
23

Dort



[89]von Horazens Dichtkunſt.
Dort ſtuͤrzt ein wilder Sturm den Schiffer in das Meer:24

Geſetzt, du koͤnnteſt nun Cypreſſenwaͤlder ſchildern,25

Was hilft dir dieſe Kunſt? da ſich in deinen Bildern

Der
26


F 5
[90]Pruͤffung der Ueberſetzung
Der Schiffbruch zeigen ſoll27, den jener fuͤr ſein Geld,

Nach uͤberſtandner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt.
30.
28

Dein
29


[91]von Horazens Dichtkunſt.
Dein ſtolzer Anfang pralt von ſeltnen Wunderſachen,30

Wie reizt uns denn hernach der magre Schluß zum Lachen?

Kurz, alles was du ſchreibſt muß ſchlecht und einſach ſeyn.31

Doch, Piſo, truͤgt uns oft des Guten falſcher Schein.

Die
32


[92]Pruͤffung der Ueberſetzung
Die Kuͤrze macht mich ſchwer33. Man will natuͤrlich ſingen,
35.

Und
34

[93]von Horazens Dichtkunſt.
Und leyret lahm und matt. Der ſtrebt nach groſſen Dingen,

Und
35
36
[94]Pruͤffung der Ueberſetzung
Und blaͤht ſich ſchwuͤlſtig auf. Wenn jener furchtſam ſchreibt

Geſchieht es, daß er gar am Staube kleben bleibt.37

Wer ſich bemuͤht, ein Ding ſehr vielfach vorzuſtellen,38

Malt leicht den Stoͤhr ins Holz, den Eber in die Wellen.
40.

So


[95]von Horazens Dichtkunſt.
So leicht iſt es geſchehn, auch wenn man ſich bemuͤht

Von Fehlern frey zu ſeyn, daß ſich der Kiel verſieht.39

Man laͤßt ein Fechterſpiel aus dichtem Erzte gieſſen;40

Da
41


[96]Pruͤffung der Ueberſetzung
Da hat der Stuͤmper nun die Naͤgel an den Fuͤſſen42

Und
43

[97]von Horazens Dichtkunſt.
Und jedes Haar des Haupts ſehr kuͤnſtlich ausgedruͤckt;
45.
44

Die Bildung uͤberhaupt iſt plump und ungeſchickt,

Weil Ordnung und Geſtalt und Stellung gar nichts taugen.45

Viel lieber wuͤnſch ich mir, bey ſchwarzem Haar und Augen,

Ein ſcheußlich Angeſicht und krummes Naſenbein,

Als


[Crit. Sam̃l. IX. St.] G
[98]Pruͤffung der Ueberſetzung
Als daß ein Vers von mir, wie dieſes Bild ſoll ſeyn.
50
46

Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl verſteht,47

Verſuchts, wie weit die Kraft von euren Schultern geht,

Und uͤberlegt es wohl: So wird nach klugem Waͤhlen,

Den Schriften weder Kunſt, noch Licht, noch Ordnung fehlen.48

Mich



[99]von Horazens Dichtkunſt.
Mich duͤnkt, daß ſich allda der Ordnung Schoͤnheit zeigt,
55.

Wenn
49
G 2
[100]Pruͤffung der Ueberſetzung
Wenn man das Wichtigſte von vorne zwar verſchweigt,

Doch raͤthſelhaft entdeckt50; und klug im Unterſcheiden

Die ſchoͤnſten Sachen wehlt, die ſchlechten weis zu meiden.

Jn

[101]von Horazens Dichtkunſt.
Jn neuer Woͤrter Bau51, ſey kein Poet zu kuͤhn;

Das aͤltſte laͤßt ſich oft auf neue Sachen ziehn,
60.

Nur muß die Redensart des Schreibers Sinn erklaͤren.52

Doch
53


G 3
[102]Pruͤffung der Ueberſetzung
Doch ſollten Kunſt und Fleiß ein neues Ding gewaͤhren,54

So ſtellt mans ungeſcheut durch einen Ausdruck dar,

Der unſern Vaͤtern noch was unerhoͤrtes war.

Wer dieß beſcheiden thut, dem kan mans nicht verwehren.
65.

Zuweilen kan man auch der Woͤrter nicht entbehren,

Die Griechenland uns leiht.55 Was Plautus und Caͤcil

Vorzeiten Macht gehabt, das kan ja auch Virgil.

Hat Ennius uns nicht manch neues Wort gelehret?

Hat Cato das Latein nicht ebenfalls vermehret,
70.

Und manche Redensart zu Rom in Schwang gebracht?

Wie koͤmmts denn, daß man itzt ein ſolches Weſen macht,

Wenn ichs zuweilen thu? Wer hat mich hier zu ſchelten?

Ein neuer Ausdruck muß gleich neuen Thalern gelten.56

So



[103]von Horazens Dichtkunſt.
So wie es alle Jahr belaubten Waͤldern geht;
75.

Das welcke Laub faͤllt ab, das neue Blatt entſteht:

So gehts den Sprachen auch. Ein altes Wort verſchwindet,

Jndem ſich unvermerckt ein neuer Ausdruck findet.57

Dem Tode ſind nicht nur wir Menſchen unterthan,

Sein Arm greift alles das, was menſchlich heiſſet, an.
80.

Hier laͤßt ein Julius den neuen Hafen bauen,

Dem ſich bey Sturm und Fluth die Flotten anvertrauen,

Ein
58

G 4
[104]Pruͤffung der Ueberſetzung
Ein koͤnigliches Werck! Was kan Auguſtus thun?

Er trocknet Seen aus, und kann nicht eher ruhn,59

Als bis wir, wo der Wind die Flaggen pflegt zu wehen,
85.

Ein fruchtbar Ackerland und fette Wieſen ſehen.

Noch mehr, er aͤndert gar der Tyber alten Lauf,

Und ſchraͤnckt die Fluthen ein.60 Das allzumal hoͤrt auf;

Der groͤßten Wercke Pracht muß endlich untergehen:

Wie koͤnnten denn der Zeit die Sprachen widerſtehen?
90.
61

So
62



[105]von Horazens Dichtkunſt.
So manch verlegnes Wort, das laͤngſt vergeſſen war,

Koͤmmt wieder an das Licht, und ſtellt ſich ſchoͤner dar,

Und was man itzo braucht, das wird man einſt vergeſſen;

Kurz, Sprachen muͤſſen ſich nach der Gewohnheit meſſen.63

64


[106]Nachricht von einigen

Nachrichten von einigen neuen
Schrifften.


FOlgende Schrifften, von denen mir zwar mei-
ſtens nur die Titel mitgetheilet worden, ſchei-
nen mir von einer Natur zu ſeyn, die mit den Ab-
ſichten gegenwaͤrtiger Sammlung allerdings uͤber-
einſtimmt. Jch will ſie dem Leſer in der Hoff-
nung ankuͤndigen, daß die Verfaſſer mir ſelbige
anvertrauen und vergoͤnnen werden, ſie kuͤnfftig
nach und nach in dieſer Monatſchrift an das Licht
zu ſtellen.


Der Antichriſt des Witzes, oder die Geſchich-
te von der geiſtlichen Hierarchie in Dingen, die
Geiſt und Witz anbelangen. Jn dieſem Wercke
werden die Mittel und Staats-Regeln erzehlet,
durch welche die herrſchenden Poeten ſich uͤber den
Verſtand und das Urtheil erhoben, durch was vor
Anſtalten und Verfaſſungen ſie ſich bey der Herr-
ſchafft erhalten, und wie dapfer ſie den Nachſtel-
lungen und Ueberfaͤllen ihrer Gegner widerſtan-
den haben.


Von der Geburt, dem Wachsthum und dem
A [...]ter der Grillen, oder phyſicaliſche Beſchrei-
bung, wie die Grillen erſtlich gleich dem Froſch-
le [...]che mit einem halben Leben in dem Kopfe des
Dichters als Embryones liegen; wie man ſie
gleich nach ihrer Geburt ſchreyen lehret; wie ſie her-
nach, wenn ſie halb ausgewachſen ſind, in den
Rei-
[107]neuen Schrifften.
Reimen zu paaren in Ordnung geſtellet werden,
und auf poetiſchen Fuͤſſen dem Boden nach krie-
chen lernen; endlich wie ſie nach einem dreytaͤgi-
gen Leben durch ihre eigene Bloͤdigkeit einfallen,
und Angeſichts verſchwinden.


Die neueſte Art der Complimente mit nach-
druͤcklichen Exempeln aus den Schrifften Gottſch.
Schwab. Schwartzens, und anderer hoͤflicher Leu-
te belebet.


Von dem Regimente des Storchen uͤber die
Froͤſche. Dieſes Werck iſt voll politiſcher Grund-
regeln, die in einer hiſtoriſchen Form vorgetra-
gen werden. Es wird umſtaͤndlich erzehlt, wie der
Storch auf den vortrefflichen Einfall gekommen,
bey dem Volck der Froͤſche gantz willkuͤhrliche
Geſetze einzufuͤhren, welche keinen Grund in dem
Wohlſeyn, oder der Beduͤrfniß derſelben haben,
ſondern eine bloſſe Erfindung des Gehirns und des
Eigenſinns ſind: und was vor groſſer Nutzen
daher fuͤr die Perſon des Regenten entſtanden,
wie er dadurch in den Stand gekommen, der Un-
terdruckung einen Titel zu geben; der Tugend des
Gehorſams Gelegenheit gegeben, in ihrem ſchoͤn-
ſten Lichte zu erſcheinen, und neue Rechte erlan-
get, ſeine Tafel-Guͤter zu vermehren ꝛc.


Unterſuchung eines Gewiſſensfalles, wie eine
geſchickte Freundin ſich zu verhalten haͤtte, falls
ſie die Unordnung und das Elend in den Schriff-
ten ihres Freundes, theils durch die Kraft ihres
eigenen Verſtandes, theils aus den Straff- und
Lehrſchriften ſeiner Gegner erkennete; ob ſie die
Par-
[108]Nachricht von einigen
Partey der Wahrheit oder der Freundſchafft er-
greiffen ſollte.


Die elenden Poeten Deutſchlands auf einem
Gaſtgebothe mit Apollo, dem Momus, und dem
Silenus.


Beweis, daß eine artige Luͤgen erlaubt ſey,
wann der Ruhm und das Anſehen eines herrſchen-
den Dichters damit gerettet werden kan; daß man
im uͤbrigen alle Falſchheit vermeiden, und Treue
und Glauben halten muͤſſe.


Vollſtaͤndiges Verzeichniß der Spottnamen
und Scheltworte, welche den ſchweitzeriſchen
Kunſtrichtern von denjenigen angehaͤnget worden,
welche ſie befliſſen geweſen waren, verſtaͤndiger zu
machen.


Kurze Liſte derjenigen deutſchen Poeten, wel-
che nicht um das Brod, noch aus Schuldigkeit,
ſondern krafft ihres Naturells und um die Ehre
geſchrieben haben.


Beweis, daß es keine Schande ſey, die deut-
ſche Sprache nicht zu verſtehen. Es wird aus dem
Hauptgrunde bewieſen, weil ſo viele Ertzvaͤter,
Propheten, Weltweiſe, Heilige und Helden ſie
nicht verſtanden haben.


Unterſuchung, wie viel ein Beweis, der in der
ſchweitzeriſchen Mundart abgefaſſet iſt, dadurch
von ſeiner Buͤndigkeit verliehre.


VIN-
[109]neuen Schrifften.

VINDICIÆ HALLERIANÆ, oder Rettung der
Sprache Hr. Hallers, die von gewiſſen Sprachrich-
tern der Haͤrtigkeit, der Zweydeutigkeit, und der
Dunckelheit angeklaget worden.


Die Muͤtze, eine Erzehlung aus dem Lande
der Feyen. Die Nymfe Nefeline hatte den Koͤ-
nig Laurin mit einer Muͤtze beſchenckt, ſo die Tu-
gend hatte, daß ein jeder, der ſich damit den Kopf
warm machete, in eine hertzliche Zufriedenheit mit
allen ſeinen Einfaͤllen verzuͤcket ward. Eine ande-
re Nymfe, Nahmens Guſtoſa, nahm ihm dieſe be-
truͤgliche Kappe, und gab ihm fuͤr dieſelbe eine ande-
re, die von der Kraft war, daß ſie den Kopf von
abgeſchmackten Einfaͤllen und falſchen Gedancken
reinigte. Dem Koͤnig Laurin ſchmeckete izo keine
Zeile mehr von ſeinen vorigen Geburten, er war
mit ſeinen beſten Gedancken niemahls zufrieden, er
arbeitete langſam, und ſtrich mehr Verſe wieder
aus, als er behielt. Jndeſſen hatte die neue
Muͤtze nur den Geſchmack geheilet, das Hertz war
verderbt geblieben. Er bedaurete den Verluſt ſei-
nes Jrrthums, und verlangete nach ſeiner vori-
gen Gluͤckſeligkeit. Guſtoſa fand ſich dadurch be-
leidiget, und warff ihm ſeine alte Muͤtze wieder zu.


[[110]]
Notes
1
V. 1. Fuͤrwahr ein artig Bild)
Laß mir das eine treffliche Ueberſetzung ſeyn, wenn die
erſte Zeile ſchon einer Entſchuldigung bedarff! Hr. Gott-
ſched
hat ſelbſt vor noͤthig erachtet, dieſen Zuſatz von ſei-
ner Erfindung in folgender Anmerckung zu entſchuldigen:
„Dieſe Worte hat der Grundtext nicht. Horaz faͤngt
„gleich an, ſein Gleichniß von einem ſeltſamen Gemaͤhl-
„de vorzutragen. Allein da ſichs im Deutſchen nicht in
„einen eintzigen Satz bringen ließ, und alſo zertrennet
„werden mußte; ſo macht dieſer Anfang den Leſer auf-
„merckſam, und ſagt ihm kurtz, was er zu gewarten habe.„
Er haͤlt dieſes eingeflickte Hemiſtichium um ſo viel unſtraͤfli-
cher, weil ſich das Horaziſche Gemaͤhlde doch in der Ue-
berſetzung nicht wohl in einen eintzigen Satz haͤtte zwin-
gen laſſen, und alſo zertrennt werden muͤſſen. Das iſt,
er moͤchte gerne die Freyheit ſeiner Ausſchweiffungen mit
dem ungezwungenen Weſen der deutſchen Sprache bemaͤn-
teln. Geſetzt aber, es waͤre mehr der Natur der deutſchen
Sprache, als dem Unvermoͤgen des Ueberſetzers zuzu-
ſchreiben, daß das Horatzianiſche Gleichniß-Bild in dem
Verfolge in verſchiedene Abſaͤtze zertrennt worden; was
giebt ihm dieſes fuͤr Freyheit ohne Noth noch weiter aus-
zuſchweifen, und dem Gemaͤhlde neue Lappen anzuflicken?
Haͤtte ihn dieſe nothwendige Abweichung von der Grund-
ſchrift, die in der verſchiedenen Art beyder Sprachen ge-
gruͤndet war, nicht deſto behutſamer machen ſollen? Al-
lein Hr. Gottſched begnuͤget ſich mit dieſer kahlen Ent-
ſchuldigung nicht, ſondern behauptet, daß dieſer Zuſatz,
den er der Horatziſchen Vorſtellung geliehen, die verbor-
gene Kraft habe, die Leſer recht aufmerckſam zu machen,
2
weil er ſie nicht lange im Zweifel laſſe, was ſie zu gewar-
ten haben. Es iſt nemlich ein geheimer Kunſtgriff dieſes
Lehrers und ſeiner Schuͤler, daß ſie aus einem billigen Miß-
trauen in die Kraft ihrer Vorſtellungen, und aus Mitlei-
den fuͤr die bloͤde Einſicht ihrer Leſer gemeiniglich vorher
ankuͤndigen, was man zu gewarten habe, und was ihre
folgenden Vorſtellungen fuͤr einen Eindruck machen ſollen.
Auf ſolche Weiſe bekoͤmmt jeder Redeſatz ſeine eigene Pro-
poſition. Sie werden ihre Erzehlungen insgemein mit die-
ſen und dergleichen Formeln anheben: Jch will euch nun
eine recht ſeltſame und abentheurliche Geſchichte erzehlen!
Sehet da ein wunderbares und laͤcherliches Bild! Ecou-
tez un bon mot!
Sie ſagen euch allezeit vorher, was ſie
ſagen wollen: welches unfehlbar die Wuͤrckung haben muß,
daß es die Aufmerckſamkeit reitzet, zumahl bey ſo dummen
Leſern, die etwas dannzumahl noch kaum recht faſſen koͤn-
nen, wenn man es ihnen gleich zweymahl geſagt hat.
3
V. 2. Den dicken Vogelkropf)
Dieſes iſt wiederum ein Gottſchediſcher Zuſatz, der ſei-
nen zureichenden Grund darinne hat, weil ihm Horazens
Bild noch nicht abentheurlich genug vorkam.
4
V. 3. Ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder)
Dieſer vollſtaͤndige poetiſche Ausdruck verdunckelt das
einfaͤltige Horatziſche varias plumas ungemein: Man muß
es nicht dahin mißdeuten, als ob es einen bunten
Schmuck aus lauter weiſſem oder aus gleichfarbigtem Ge-
fieder geben koͤnnte: Das farbigt hier iſt ein poetiſches
Beywort, welches dienet den poetiſchen Begriff und zu-
gleich das Sylbenmaß des Verſes recht vollſtaͤndig zu
machen.
5
V. 6. Von unten wirds ein Fiſch)
Dieſes haͤtte Hr. Gottſched durch ein Kupfer erklaͤren
ſollen.
6
V. 6. 7. ... Jhr Freunde, lacht doch nicht,
Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen.)

Dieſes gibt Horaz nur ſchlechtweg:
Spectatum admiſſi riſum teneatis amici!
Hr. Gottſched hingegen hat neben der kernhaften Ueberſe-
zung annoch vor noͤthig erachtet, dieſe Stelle mit einer
Anmerckung zu beleuchten, wo er euch ein Geheimniß aus
7
V. 8. 9. Jndeſſen glaubet mir)
Hr. Gottſched bezeuget in dem Vorbericht zu dieſer
Horatziſchen Dichtkunſt, er habe bey ſeiner Ueberſetzung
die Regel ſtets vor Augen gehabt: Ein Ueberſetzer muͤſſe
kein Paraphraſt oder Ausleger werden. Eine uͤberzeugen-
de Probe davon kan uns gegenwaͤrtige Stelle an die Hand
geben, wo er das Horaziſche Credite mit vollem Nachdruck
alſo uͤberſetzet:
Jndeſſen glaubet mir ....
Dafern mein Wort was gilt.
....
Denn dieſes iſt insgemein die wahre Urſache des Unglau-
bens, daß man nicht gleich eines jeden Wort bey ſich was
8
der Antiquitaͤt entdecket, welches niemand als ſeinen Schuͤ-
lern unbekannt ſeyn mag: „Nemlich, daß die Alten ihre
„neuverfertigten Stuͤcke zur oͤffentlichen Schau ausgeſtel-
„let haben, um die Urtheile der vorbeygehenden daruͤber
„zu vernehmen.„ Wobey er, ſeine unerhoͤrte Anmer-
kung glaubwuͤrdig zu machen, ſich auf die Hiſtorie vom
Apelles und dem Schuſter beruffet. Es iſt nur Schade,
daß ſich dieſe geheime Anmerckung aus dem entfernteſten
Alterthum mehr auf ſeine eigene Ueberſetzung, als auf Ho-
ratzens Grundtext gruͤndet: Denn ich wollte wetten doͤrf-
fen, daß Hr. Gottſched der erſte waͤre, dem bey Anlaß
dieſes lateiniſchen Verſes Spectatum admiſſi \&c. Apelles
und der Schuſter in den Sinn gekommen. Doch ich ver-
ſtehe erſt recht, was die Worte in dem Vorbericht zu die-
ſer deutſchen Ueberſetzung ſagen wollen: Daß ihm unter
anderm auch die von Horaz angebrachten Alterthuͤmer
die Arbeit der Ueberſezung recht ſauer gemacht.

Denn es kan ohne recht ſaures Nachdencken nicht zuge-
hen, aus dem Horaziſchen Spectatum admiſſi Amici den
Griechiſchen Schuſter heraus zu bringen, oder zu beweiſen,
daß die alten Maler ihre Gemaͤhlde zur oͤffentlichen Schau
ausgeſtellt haben. Sonſt iſt die deutſche Ueberſetzung:
Wir wollen mit Geduld des .. Thorheit ſchonen.
eine neue Probe von dieſes Kunſtrichters critiſcher Gefaͤllig-
keit und Geduld auch mit dem aͤrmſten Stuͤmper.
9
V. 9. Daß eine tolle Schrift)
Hr. Gottſched iſt in der Anwendung der geſchickteſten
Beywoͤrter gar nicht karg: und er weiß dadurch allemahl
dem Beduͤrffniß ſeiner Leſer geſchickt vorzukommen. Beym
Horatz muß man erſt aus der Beſchreibung, die er von
einer ſolchen Schrift machet, ſchlieſſen, daß ſie eine tolle
Schrift ſey. Der Hr. Ueberſetzer aber iſt ſo guthertzig,
daß er uns davon zum voraus berichtet, und uns die Muͤ-
he uͤberhebet, dergleichen Schluͤſſe durch eigenes Nachden-
ken heraus zu bringen. Wobey ich nicht unerinnert laſſen
kan, daß durch die beygefuͤgte Anmerckung uͤber das Wort
Schrift, die Zweydeutigkeit, die in dem lateiniſchen Aus-
druck ſtecket, wo das Wort Liber gebraucht wird, aus der
Antiquitaͤt vollkommen erlaͤutert wird.
10
V. 10. Wo weder Haupt noch Schwanz geſchickt
zuſammen trifft.)

Horaz redet de fictis vanis ſpeciebus, d. i. von ſol-
chen erdichteten Bildern und poetiſchen Gemaͤlden, die kei-
ne Wahrſcheinlichkeit haben, und daher gantz abentheur-
lich ausſehen, ut nec caput nec pes uni reddatur formæ,
wo die Glieder eines ſolchen Bildes aus gantz verſchiede-
nen Stuͤcken, von einer regelloſen Fantaſie ohne Abſicht,
und nicht etwann nach einem gewiſſen Urbild oder Muſter,
ſondern gantz willkuͤhrlich in einen Leib zuſammen ver-
bunden werden. Horatz ſiehet damit zuruͤck auf das
Deſinit in piſcem mulier formoſa ſuperne.
Aber unſer Ueberſetzer iſt weit kuͤhner, er ſchreibet nach
ſeiner ungebundenen poetiſchen Freyheit ſo gar der Schrift
ſelbſt ein Haupt und einen Schwanz zu. Und weil er
11
gelten laͤßt. Sonſt iſt die Verbindung dieſes Satzes mit
dem vorhergehenden durch das Zeitwort Jndeſſen nicht
aus der Acht zu laſſen.
12
V. 11. Und nicht mehr Ordnung herrſcht)
Horaz ſagt: Einem ſo abentheurlichen Gemaͤhlde, als
er oben eingefuͤhret, ſey eine Schrift vollkommen aͤhnlich,
in welcher ſolche unwahrſcheinliche Bilder erdichtet wer-
den, dergleichen die verwirrte Phantaſie eines Krancken in
dem Schlafe aushecket, wo weder Haupt noch Fuß nach
einer gleichen Zeichnung geſtaltet, oder nach Einer Abſicht
zuſammen geordnet worden.
13
V. 13. Jch weiß wol, was man glaubt. Man ſpricht ꝛc.
Dieſes iſt wiederum ein Zuſatz von Gottſchediſcher Er-
14
ſich von den groͤſten Bewunderern des Horazen uͤberre-
den laſſen, daß dieſe poetiſche Dichtkunſt ohne alle Ord-
nung geſchrieben ſey,
ſo hatte er deſto weniger Urſache
ſich Bedencken zu machen, in ſeiner Ueberſetzung die Ho-
raziſchen Saͤtze nach Belieben, und wie es die Nothdurft
der ſo heilig beobachteten Sprachrichtigkeit und Reinig-
keit im Sylbenmaſſe und in den Reimen
jedesmahl
erfoderte, zu vermiſchen und zu verwerffen, damit auch in
dieſem Kunſtgriffe der unordentlichen Vermiſchung ſei-
ne Ueberſetzung einen Vorzug uͤber die Grundſchrift erlan-
gen moͤchte. Und es wird nicht fehlen, die groͤſten Be-
wunderer der Gottſchediſchen Poeſie werden ihm das Ge-
genrecht wiederfahren laſſen, und ihm einmuͤthig das Lob
zugeſtehen, daß ſeine Ueberſetzung ohne alle Ordnung
geſchrieben ſey, er habe ſich an keinen Zwang einer
philoſophiſchen
oder vernuͤnftigen Einrichtung binden
wollen, ſondern als ein Poet nach Veranlaſſung ſei-
ner Einfaͤlle bald dieſes bald jenes
wider den Sinn ſei-
ner Grundſchrift verſetzet und vermiſchet: Doch alles, was
er ſage, ſey hoͤchſt vernuͤnftig,
auch die Unordnung
und Vermiſchung ſelbſt nicht ausgenommen.
15
V. 14. 15. 16. Das bekannte:
‘...... Pictoribus atque Poetis
Quidlibet audendi ſemper fuit æqua poteſtas.

Giebt Hr. Gottſched mit dieſen Verſen:
Ein Maler und Poet folgt ſeiner Phantaſey;

Er kan ſich ſeiner Kunſt nach eigner Luſt bedienen,

Und ſich durch Geiſt und Wiz, was ihm beliebt, erkuͤhnẽ.

Der lateiniſche Poet ſagt in fremdem Nahmen nach einem
damahls herrſchenden Vorurtheile: Es ſey doch jederzeit den
Poeten, ſowohl als den Mahlern, erlaubt geweſen, die
gemeine Ordnung der Dinge zu verlaſſen, und durch kuͤh-
16
findung, davon in dem Grundtexte nicht ein Wort ſtehet;
der aber vortrefflich dienet den folgenden Einwurff, den
Horaz nur plattweg ohne eine Vorrede beyſetzet, geſchickt
einzufuͤhren. Vielleicht muß dahin gedeutet werden, was
an dem Ende der beygefuͤgten Anmerckung mit dieſen Wor-
ten ausgedruͤcket wird: Dieß ſind nicht Horatii (oder wie
in der neueſten verbeſſerten Auflage geleſen wird: Hora-
zens) ſondern eines Stuͤmpers Worte.
Hr. Gott-
ſched weiß, was die Leute glauben, und er hat dabey die
Gutheit, daß er eben kein Geheimniß daraus machen
will. Jch bitte aber, man wolle dieſen Vers nicht ſo faſt
in Abſicht auf die Gedancken, als auf den Wohlklang,
und die ungezwungene Fluͤſſigkeit betrachten; ſo wird man
mir geſtehen muͤſſen, daß er einer von denen iſt, die man
bey aller ihrer Unvernunft und Niedertraͤchtigkeit
der Gedancken fuͤr ſchoͤn
halten muß, und man wird
daraus erkennen, wie befliſſen Hr. Gottſched geweſen, ſich
vor dem Eckel der zaͤrtlichſten deutſchen Ohren zu
huͤten.
Man ſehe den Vorbericht nach.
17
V. 18. Allein man miſche nie das Feuer in das Stroh.)
Beym Horaz heißt es: Sed non ut placidis coëant im-
mitia.
d. i. Man ſoll nicht zahmes und wildes, hiemit
18
ne und wunderbare Erdichtungen die Leſer zu uͤberraſchen.
Hr. Gottſched hergegen fuͤhret einen Stuͤmper redend ein,
dem giebt er folgenden Ausſpruch in den Mund: „Ein
Mahler und ein Poet folge ſeinem eigenen Kopf, er mahle
oder dichte, wenn ihn die Luſt ankoͤmmt; und erkuͤhne ſich
auf eine geiſt- und ſinnreiche Art hervor zu bringen, was
ihm nur immer beliebt;„ Allein der Gottſchediſche Stuͤm-
per muß ſeinen Horatz nicht recht gefaſſet haben, der in
ſeinem lateiniſchen Text durch die poteſt[o]rem quidlibet au-
dendi,
die Kuͤhnheit in der Dichtung oder das Ungemeine
und Wunderbare verſtehet. Doch wer wollte ſolches einem
Stuͤmper nicht zu gute halten: zumahlen da Hr. Gottſched
in ſeinem Vorbericht rund bekennet: Es iſt nicht eines
jeden Werck, ſich mit dem Latein der alten Poeten
ſo bek mit zu machen, daß er ſeinen Horaz ohne
Muͤhe verſtehen, geſchweige dann mit Luſt leſen
koͤnnt.
Jch kan mich nicht entbrechen, hier des Hrn.
von Eckards Ueberſetzung dieſer Stelle annoch beyzufuͤgen;
und mit Hrn. Gottſched in dem Vorberichte auszuruffen:
Welcher es nun beſſer oder ſchlechter getroffen habe,
mag der geneigte Leſer ſelbſt beurtheilen:
Doch ſoll
man wiſſen, daß die genaue Kenntniß der Eckardiſchen Ue-
berſetzung den Hrn. Gottſched vornemlich vermoͤgen hat, ei-
ne neue zu wagen. Beym Eckard heißt es:
Ein Maler und Poet kan zwar nach altem Brauch

Erdichten was er will. Wir wiſſens, geben auch

Dieſelbe Freyheit uns, und goͤnnen ſie den andern,

Doch muß nicht ganz und gar ſie aus den Schrancken

wandern.

Der groͤſte Fehler dieſer Ueberſetzung in Vergleichung mit der
Gottſchediſchen mag wohl die allzu groſſe Deutlichkeit ſeyn.
19
V. 19. Kein Tiger zeug ein Lamm, kein Adler hecke
Schlangen.)

Dieſer Gottſchediſche Imperativus hat ſeine Beziehung
nicht auf die Natur, ſondern auf die Schrift eines Poe-
ten: Denn Gottſched will nicht den Thieren, ſondern den
Poeten Maßregeln fuͤrſchreiben. Jn der nachlezten Aus-
gabe lieſet man zeugt, heckt. Aber ſeit einigen Jahren
iſt dem Ueberſetzer der Imperativus gelaͤuffiger worden.
Jn dem Grundtext wird dieſe Verbindung widerwaͤrtiger
Thiere durch das geminentur gar deutlich dem Poeten zu-
geſchrieben.
20
nicht Dinge von widerwaͤrtiger Natur mit einander verbin-
den, und alſo bey dem Wunderbaren in der Dichtung die
Wahrſcheinlichkeit nicht gaͤntzlich aus den Augen ſetzen:
Und dieſen allgemeinen Lehrſatz erlaͤutert er hernach mit
zwey Beyſpielen:
‘......... Non ut
Serpentes avibus geminentur, tigribus agni.

Weil nemlich in der Natur, und darum auch in wahr-
ſcheinlichen Fabeln, ein Tiger und ein Lamm, eine
Schlange und die Voͤgel, ſich nicht wohl mit einander ver-
tragen, und niemals in Freundſchaft mit einander leben.
Der deutſche Ueberſetzer hergegen verwandelt den Lehrſatz
in ei[n] ganz abſonderliches Exempel, von unbeſeelten Dingen,
die ob ſie gleich gantz widerwaͤrtiger Natur ſind, gleich-
wohl taͤglich zuſammen vermiſcht werden. Das Feuer
wird in das Stroh gemiſchet, wenn man das Stroh an-
zuͤndet: Will nun Hr. Gottſched verbieten, daß man kein
Stroh mehr anzuͤnde, oder den Dichter einer Kuͤhnheit
bezuͤchtigen, der erzehlet, man habe Stroh angezuͤndet,
welches ja auf keine andere Weiſe moͤglich iſt, als daß
man Feuer in das Stroh miſche.
21
V. 20. Doch manches Dichters Schrift wird praͤchtig
angefangen.)

Der lateiniſche Poet koͤmmt hier auf die ſtolze Vermeſ-
ſenheit derjenigen Dichter ſeiner Zeit, die in ihren Ge-
dichten nicht nach einem Plan, oder nach Abſichten gear-
beitet, ſondern ſich eingebildet, es ſey in der Poeſie alles
willkuͤrlich, das vornemſte komme darauf an, daß man
etwas wagen doͤrffe, und ein wenig prahlen und groß thun
koͤnne, das ſind die Incœpta gravia \& magna profeſſa:
Od man nun was dergleichen aus der Ueberſetzung errathen
koͤnne, das will ich dem Urtheil des Leſers uͤberlaſſen.
22
V. 23. Entwirft mit groſſer Kunſt des Rheinſtroms
Waſſerwogen.)

Das heißt in dem Lateiniſchen gantz einfaͤltig Aut flumen
Rhenum.
Aber den vorhergehenden Vers,
Et properantis aquæ per amœnos ambitus agros,

in welchem der Poet die kuͤnſtliche Beſchreibung einer Ba-
che ausfuͤhrlich nachahmet, hat unſer deutſche Ueberſetzer
gaͤntzlich weggelaſſen, doch ſo geſchickt, daß es niemand
leicht mercken kan, der nur die deutſche Ueberſetzung
lieſet.
23
V. 25. Das alles iſt ſchon gut; nur hier gehoͤrts
nicht her.)

Es iſt freylich an dem, daß Horaz die poetiſchen Schil-
dereyen fuͤr ſich ſelbſt betrachtet hier nicht tadelt; ſondern
24
V. 26 ‒ ‒ 30. Dort ſtuͤrzt ein wilder Sturm den ꝛc.)
Wenn ich nicht irre, ſo will Horaz ferner zeigen, daß
die Kunſt der poetiſchen Schildereyen, ſonderlich in patheti-
ſchen Stuͤcken, wo man den Affect erregen ſoll, den Poe-
ten leicht zu Ausſchweiffungen verleiten koͤnne, wenn ſie
nicht ſehr behutſam und mit vielem Verſtand gebraucht wer-
den: Als wenn z. E. einer um Geld gedungen waͤre, die er-
littene Noth eines Menſchen in einem Schiffbruch ſo beweg-
lich vorzuſtellen, daß ſie bey jedermann Mitleiden erwecken
ſollte; Dieſer aber wuͤrde ſeine gantze Kunſt in Beſchrei-
bung angenehmer Gegenſtaͤnde, als etwann eines Cypreſ-
ſenwalds, bey dem der Nothleidende endlich ans Land ge-
ſtiegen, erſchoͤpfen, anſtatt daß er alle die beſondere die Ge-
fahr des Schiffbruchs vergroͤſſernden Umſtaͤnde gantz lebhaft
und beweglich ausdruͤcken ſollte. Es iſt beynahe eben das,
was Perſius in ſeiner I. Satyre v. 88. angemercket hat:
Men’ moveat? quippe, \& cantet ſi naufragus, aſſem
Protulerim. Cantas, cum fracta te in trabe pictum
Ex humero portas?
25
V. 27. Geſezt, du koͤnnteſt nun Cypreſſenwaͤlder ꝛc.)
Es mag freylich wohl ſeyn, daß Horaz durch die Cypreſ-
ſen
hier insgemein etwas habe andeuten wollen, das eben
26
nur daß ſie uͤbel angebracht, und nicht am rechten Orte
ſtehen: Sed nunc non erat his locus: Angeſehen er in
dieſer Dichtkunſt ſelbſt nicht nur die Aehnlichkeit zwiſchen
der Mahlerkunſt und Poeſie vietfaͤltig treibet; ſondern ſich
auch als einen geſchickten Mahler wircklich erwieſen hat.
Wie ferne im uͤbrigen die poetiſche Schilderkunſt zu dem
Weſen der Poeſie mitgehoͤre, das hat Horaz hier eben ſo we-
nig entſcheiden wollen, als der deutſche Ueberſetzer geſchickt
geweſen, ſolches zu eroͤrtern. Leſet ſeine Anmerckung nach.
27
V. 28. 29. Da ſich in deinen Bildern der Schiff bruch ꝛc.
Horaz fodert weit mehr durch das Si fractis navibus
exſpes enatat:
Da er eben durch das einzige Beywort
exſpes alle die Gefahr vergroͤſſernden Umſtaͤnde in eins zu-
ſammen faſſet; und will, daß der poetiſche Mahler durch
ſeine bewegliche Vorſtellung der Gefahr, dem Leſer alle
Vermuthung einer moͤglichen Rettung abſchneide. Der
Hr. von Eckard hat dieſes weit gluͤcklicher und geſchickter
ausgebildet, wenn er ſagt:
..... Geſezt, du ſchilderſt gut

Cypreſſenwaͤlder ab. Wie aber, armes Blut,

Wird es dir dann ergehn, wenn du des Meeres Raſen,

Ein ganz zerſcheitert Schiff, der tollen Winde blaſen,

Und wie den Schiffer kaum ein Bret noch bringt empor,

Geſchicklich mahlen ſollſt?
28
V. 29. 30. Den jener fuͤr ſein Geld, nach uͤberſtand-
ner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt.)

Beym Horaz heißt es einfaͤltig: Aere dato qui pingitur.
Hergegen hat der deutſche Ueberſetzer hier abermahl gewie-
ſen, wie man ohne eine paraphraſtiſche Kaltſinnigkeit, den-
noch ohne Noth plauderhaft ſeyn koͤnne. Gewiß iſt, daß
29
nicht die nothwendigſte Verbindung mit der folgenden Be-
ſchreibung eines Schiffbruchs haͤtte: Doch laͤßt ſichs nicht
wohl begreiffen, daß ſie gar keine Beziehung auf den Schiff-
bruch haben ſollten, oder daß die getroffene Wahl unter ſo
vielen andern Dingen, die eben ſo wenig mit einem Schiff-
bruch in Verbindung ſtehen, auf die Cypreſſen ohne eini-
gen Grund ſollte gefallen ſeyn. Hier haͤtte demnach der
deutſche Ueberſetzer wenigſtens in einer beygefuͤgten Anmer-
kung die Gruͤnde dieſer Wahl aus dem Alterthum erklaͤ-
ren ſollen: Nunc erat his locus. Allein wo ihn ſein Bond,
und die deutſche Acerra verlaͤßt, da waget er es nicht bald
uns geheime Nachrichten aus der Antiquitaͤt mitzutheilen.
30
V. 31. 32. Dein ſtolzer Anfang pralt ꝛc.)
Jch muß faſt glauben, daß Hr. Gottſched befuͤrchtet habe,
die figuͤrliche Vorſtellung ſeines lateiniſchen Dichters moͤgte
fur ſeine deutſchen Leſer zu unergruͤndlich ſeyn: Und daß
er folglich aus bloſſer Guthertzigkeit das emblematiſche
Bild in ſeine Elemente aufgeloͤßt, und darinnen von Hrn.
Eckart, dem er doch oͤfters, als Horazen folget, abgewi-
chen ſey.
31
V. 33. Kurz, alles was du ſchreibſt, muß ſchlecht und
einfach ſeyn.)

Dieß iſt der Schluß, womit Horaz, als mit einer Haupt-
Regel ſeine bisherige critiſche Vorſtellung beſchließt:
Denique ſit quidvis, ſimplex duntaxat \& unum.

Simplex, d. i. unvermengt, nicht aus vielen ungleichen
Stuͤcken zuſammengeflickt: et unum, d. i. nach einem
Plan und nach einer Haupt-Abſicht ausgefuͤhrt. Denn ob-
gleich ein jedes Gedicht aus verſchiedenen beſondern Stuͤcken
beſtehet, ſo muß dennoch je eines in dem andern, alle zu-
ſammen aber in der Haupt-Abſicht gegruͤndet ſeyn, damit
ſie nur ein gantzes ausmachen. Es iſt mithin eine rechte
Luſt zu ſehen, wie Hr. Gottſched dieſe Horaziſche Grund-
Regel in einer beygefuͤgten Anmerckung bald auf den Wohl-
ſtand in der Kleidung, bald auf die Fabel in einem Helden-
gedichte, oder Schauſpiele zuzueignen gewußt hat: Unge-
achtet Horaz hier mehr auf die Wahl und die geſchickte Zu-
32
der verungluͤckte Schiffer, wenn er die Gefahr nicht
uͤberſtanden haͤtte,
ſondern in dem Schifbruch zu Grund
gegangen waͤre, kein Gedicht mehr zu verarbeiten wuͤrde be-
ſtellt haben.
33
V. 35. Die Kuͤrze macht mich ſchwer.)
Hier hat Hr. Gottſched Horazens Sinn nicht ſo faſt durch
die Ueberſetzung erklaͤren, als vielmehr mit einem Exempel
erlaͤutern wollen: Es iſt auch in der That dieſe Ueberſetzung
ziemlich dunckel und zweydeutig: Denn man moͤgte ſie leicht
dahin mißdeuten, als ob Hr. Gottſched von einer gar kur-
zen Statur, und faſt zwergemaͤßig, dabey aber corpulent
und volleibig waͤre: wenigſtens koͤnnten diejenigen ſpitzfuͤndi-
gen deutſchen Leſer, welche das bekannte Spruͤchlein: Me-
caͤnaten haben allzeit ihre Maronen gefunden,
von
welſchen Caſtanien verſtanden haben, nach ihrer Hermeneu-
tick dieſes Hemiſtichium nicht wohl anders aufnehmen. Es
34
ſammenordnung und Einrichtung der Materie nach einer ge-
wiſſen Zeichnung und Abſicht uͤberhaupt, als auf die be-
ſondere Form eines Gedichtes ſein Abſehen gerichtet hat.
Dabey aber iſt gantz unerhoͤrt, daß dieſe horaziſche Regel
einen Grund an die Hand geben ſollte, des Ovidius Buͤ-
cher von den Verwandlungen, als allzu bunt und kauder-
welſch durch einander gemiſcht, zu verwerffen, darum weil
darinne wohl etliche hundert Fabeln ſtehen:
Gerade
als ob des Aeſopus oder Phaͤders Fabeln darum nichts
taugten, weil dieſe ſinnreichen Dichter mehr als eine gedich-
tet haben: Da doch eine jede Fabel fuͤr ſich ſelbſt ein Ganzes
iſt, obgleich derſelben etliche hundert in einem Buche bey-
ſammen ſtehen. Was aber das in der neuen Auflage hin-
ten angeflickte haͤmiſche Urtheil von Miltons Paradies be-
langet, welches beynahe das einzige iſt, ſo dem Verfaſſer in
der gantzen Critiſchen Dichtkunſt als eigen zugehoͤret, ſo iſt
daſſelbe eine Wirckung von einem gewiſſen Morbo chronico,
der ihn erſt ſeit An. 1740. uͤberfallen hat, und ihm unter-
weilen das Gehirn ſo uͤbel zerruͤttet, daß er meynt, er ſehe
geiſtlich und weltlich, Chriſtlich und Heidniſch, alt und
neu, ſehr ſeltſam durch einander lauffen,
ja gar Himmel,
Erden und Hoͤlle gantz unter einander vermiſcht. Auch die-
ſen Vers hat Hr. von Eckard nicht uͤbel getroffen:
Eins wehle, wenn du ſchreibſt, auf eins muß alles gehn.
35
iſt darum ſehr wohl gethan geweſen, daß Hr. Gottſched in
der zweyten Auflage ſeines Verſuches einer Critiſchen Dicht-
kunſt fuͤr die Deutſchen den Lateiniſchen Text des Horatius
gleich gegenuͤber beydruͤcken laſſen, damit diejenigen Leſer,
denen das Latein noch eben ſo gelaͤuffig iſt als ihm, ſeine
Ueberſetzung daraus verſtehen lernen. Er muß auch ſelbſt
gefuͤrchtet haben, es moͤgte dieſer zweydeutige Ausdruck ſei-
nem majeſtaͤtiſchen Anſehen in der Einbildung vieler Leute
nachtheilig ſeyn, er hat deßwegen in der dritten Herausgabe
dieſen Vers gantz umgegoſſen!
Streb ich der Kuͤrze nach; mein Vers wird dunckel
klingen.
36
V. 36. Wer leichte Sachen liebt, wird niedertraͤchtig
ſingen.)

Alſo heißt es in der letzten Auflage. Allein das Horazi-
ſche Lenia oder Lævia geht nicht auf die Sachen, ſondern
auf die Rede oder den Ausdruck, und bezeichnet eine an-
genehme leichtflieſſende Schreibart, die durch nichts rauhes
und harttoͤnendes unterbrochen wird: Nervi deficiunt ani-
mique,
will nicht ſagen niedertraͤchtig; ſondern matt,
ſeicht, ohne Nachdruck und Leben.
Es iſt daher dieſe
verbeſſerte Ueberſetzung minder ertraͤglich, als die erſtere:
Man will natuͤrlich ſingen und leyret lahm und matt.
So ungluͤcklich aber Hr. Gottſched geweſen iſt, Horazens
Sinn in ſeiner Ueberſetzung zu treffen: So gluͤcklich iſt er
hingegen, dieſe Horaziſche Anmerckung durch ſein Exempel
zu bekraͤftigen: Er macht ſich allerorten, inſonderheit
auch in dem Vorberichte zu dieſer Dichtkunſt die groͤſte Ehre
davon, daß er in die Zunſt der Sectantium lenia und
levia mitgehoͤre, und faſt alle ſeine Reimen, die er doch
den angehenden deutſchen Poeten als Muſter von ſeinen
Regeln anpreiſet, zeugen genugſam, quod nerv deficiant
animique.
Perſius hat von dieſem Gottſchediſchen Ge-
ſchmack geprophezeyet:
Quis populi ſermo eſt? quis enim? niſi carmina molli
Nunc demum numero fluere, ut per læve ſeveros
Effundat junctura ungues.
37
V. 37. 38. Wenn jener furchtſam ſchreibt, geſchieht es,
daß er gar am Staube kleben bleibt)

Hr. Gottſched mahnet mich hier an die plauderhaften Troͤ-
delweiber, die ihre Erzehlungen mit der ſo beliebten Formel:
Was geſchieht! verknuͤpfen. Dieſe Formel ſo geſchieht
es daß
dienet aber vornemlich den Vers leichtflieſſend zu
machen, und den Eckel der zarten deutſchen Ohren zu ver-
huͤten: Man laſſe dieſe Formel weg, ſo wird ein jeder der Oh-
ren hat, bald verſpuͤren, wie holpericht der Vers klinget.
Eckart, deſſen Ueberſetzung doch die Gottſchediſche veran-
laſſet hat, giebt dieſes viel nachdruͤcklicher:
Traut man ſich gar nichts zu, ſo kriecht man auf der
Erden.

Man wuͤrde faſt glauben, daß dieſe beyden Ueberſetzer beym
Horaz geleſen haͤtten:
Serpit humi cautus nimium, timidusque procellæ.
Allein da Gottſched in ſeinen beyden Editionen lieſt tutus
nimium,
ſo muß ich es einer ſtraͤfflichen Nachlaͤßigkeit zu-
ſchreiben, daß er ſeinen deutſchen und verkleideten Horaz
ſo ſehr ſtuͤmmlet: Er wird ja nicht glauben, daß tutus
nimium
eben daſſelbe ſey, was timidus. Horaz will hier-
mit anzeigen, daß eine kriechende und niedertraͤchtige
Schreibart ſowohl von einem allzugroſſen Vertrauen auf
ſich ſelbſt, und daher entſtehender Nachlaͤßigkeit, als von
einem allzugroſſen Mißtrauen und verzagter Furchtſamkeit,
da man gar nichts wagen darf, entſtehen koͤnne.
38
V. 39. Wer ſich bemuͤht, ein Ding ſehr vielfach vorzu-
ſtellen.)

Rem prodigialiter variare, heißt nicht bloß, etwas
vielfach vorſtellen:
Sondern es gehet auf das Ungemei-
ne und Wunderbare; da man eine und eben dieſelbe Sa-
39
V. 41. So leicht (bald) iſt es geſchehn, auch wenn man
ſich bemuͤht,
Von Fehlern frey zu ſeyn, daß ſich der Kiel verſieht.)

Es braucht in der That eine feine Kunſt und groſſe
Geſchicklichkeit, wenn man kurtz ohne Dunckelheit, flieſſend
ohne Mattigkeit, erhaben ohne Schwulſt, behutſam ohne
Niedertraͤchtigkeit, und ungemein ohne Verletzung der
Wahrſcheinlichkeit ſchreiben will: Warum? Dieſe Fehler
graͤnzen mit den Tugenden gar nahe zuſammen, und eine
angſthafte Behutſamkeit ſelbige zu vermeiden, wenn ſie nicht
durch die Kunſt geleitet wird, ſtuͤrzet uns nicht ſelten mit-
ten darein: Das iſt Horazens Meinung mit dem Verſe:
In vitium ducit culpæ fuga, ſi caret arte.

Hr. Gottſched hat das ſi caret arte als uͤberfluͤſſig gaͤntz-
lich weggelaſſen, und den Horaz nur dahin erklaͤrt, als ob
er ſagen wollte: Daß ein Poet, aller Behutſamkeit unge-
achtet, gleichwohl nicht ohne Fehler ſeyn koͤnne. Aber
dieſes heißt vielmehr einem andern ſeine Meinung andich-
ten, als eines andern Meinung durch eine treue Ueberſe-
zung erklaͤren.
40
V. 43. Man laͤßt ein Fechterſpiel aus dichtem Erzte
gieſſen.)

Jch kan gar nicht errathen, was Hr. Gottſched geſehen
haben muß, als er dieſen und die vier folgenden Reimen
41
che immer in einem fremden und ſeltſamern Licht vorſtel-
len moͤchte, maſſen das Kindiſche und Froſtige, wie Longin
ſchon angemercket hat, eben aus einer Begierde allzeit
etwas neues und ungemeines zu ſagen entſpringt. Der
Hr. von Eckard hat dieſes wiederum nicht uͤbel getroffen:
Wer ſtets entzuͤcken will, und viel auf Wunder haͤlt,
Stellt leicht den Stoͤhr ins Holz, den Ochſen in den Belt.
42
V. 44. Die Naͤgel an den Fuͤſſen.)
Wollte jemand fragen, ob denn ungues nur die Naͤgel
an den Fuͤſſen, und nicht eben ſo wohl die an den Haͤn-
den bezeichne? So kan ich nur ſo viel ſagen, daß die
Fuͤſſe hier ihren zureichenden Grund in dem Reinwort
gieſſen haben.
43
hingeſchmieret hat: Es muß einer gar kein Latein verſtehen,
wenn er nicht mercken kan, daß Horaz von einem Gieſſer
redet, der circa Ludum Aemilium gewohnet hat, dem er
zwar das Lob beyleget, daß er die Naͤgel und die weichen
Haare an einem Bild gar kuͤnſtlich und natuͤrlich ausdruͤ-
ken koͤnne, dabey aber nicht im Stande ſey, ein ganzes
Bild in ſeiner rechten Symmetrie aufzuſtellen. Sein Bond
haͤtte ihn dieſes lehren, und Hr. von Eckard haͤtte ihn vor
einem ſolchen Schnitzer, der kaum einem Schuͤler zu ver-
zeihen iſt, verwahren koͤnnen. Dieſer giebt den Vers:
Aemilium circa ludum Faber imus, oder unus \&c.

Seht an der Rennebahn den guten Gieſſer an,

Der Naͤgel und das Haar gar kuͤnſtlich bilden kan.

Aber Gottſched wollte kurzum einen Stuͤmper haben, und
muß das Lateiniſche ſo verſtanden haben, als ob es ſtuͤhn-
de: Faber, qui circa ludum ab Aemilio datum ære ex-
primendum occupatur.
Es iſt darum auch das Bekaͤnnt-
niß, welches er wegen dieſes Fehlers in der Vorrede zu
der zweyten Auflage ableget, deſto merckwirdiger, weil er
daſelbſt die Offenbarung dieſes Schnitzers einem werthen
Freunde und groſſen Kenner des Alterthums verdan-
ket, auch dabey erinnert, daß es heiſſen ſollte:
Beym Fechterplaz Aemils laͤßt man ſich Bilder gieſſen.

Und doch ungeachtet dieſes Bekaͤnntniſſes, welches in der
neuen Auflage gantz feyrlich wiederholet worden, hat man
in der Ueberſetzung den alten Schnitzer wieder ſtehen laſ-
ſen; woraus man gantz ſicher ſchlieſſen kan, wie viel Sorg-
falt auf die Ausbeſſerung dieſer Ueberſetzung von Zeit zu
Zeit verwendet worden.
44
V. 45. Und jedes Haar des Haupts ſehr kuͤnſtlich aus-
gedruͤckt)

Hr. Gottſched hat hier ſeine Ueberſetzung ſo einrichten muͤſ-
ſen, damit er Anlaß haͤtte die luſtige Anmerckung, die an
dem Rande ſteht, beyzufuͤgen: Denn was Horazen belan-
get, ſo tadelt er die kuͤnſtliche Ausdruͤckung der Naͤgel und
der Haare nicht als nichtswuͤrdige Kleinigkeiten; ſondern
er will nur ſo viel ſagen, daß die Kunſt eines ſolchen Gieſ-
ſers noch ſehr unvollkommen ſey. So iſt auch der lateini-
ſche Ausdruck \& molles imitabitur ære capillos gantz
poetiſch, und fuͤr den Gieſſer ſehr ruͤhmlich: Da insbeſon-
dere das Beywort Molles von groſſer Deutlichkeit iſt, und
anzeiget, daß der Gieſſer die Haare ſo kuͤnſtlich in hartem
Erzt auszudruͤcken wiſſe, daß man ſich faſt verreden ſollte,
die Haare waͤren natuͤrlich und weich.
45
V. 46. 47. Die Bildung uͤberhaupt iſt plump und
ungeſchickt. ꝛc.)

Jn der neueſten Auflage heißt es: Die ganze Bildung
nur
ꝛc. Von welcher Aenderung man zweifelsfrey den Grund
in den verwehnten Ohren des Ueberſetzers ſuchen muß:
Geſtalt Summa operis noch eher die Bildung, den rohen
Plan, und die Form des Wercks uͤberhaupt bezeichnet,
als das gantze wircklich ausgearbeitete Werck: nam pone-
re totum opus neſciet.
Gottſched, wann er dieſe Worte
alſo uͤberſetzet:
Weil Ordnung und Geſtalt und Stellung gar nichts
taugen,

erkuͤhnet ſich demnach von einem Wercke zu urtheilen, das nie-
mahls zur Welt gekommen iſt.
46
V. 50. Als daß ein Vers von mir, wie dieſes Bild ſoll
ſeyn.)

Wenn dieſe Stelle einen Verſtand haben ſoll, ſo muß
man hier durch einen Vers ein gantzes Gedicht verſtehen:
Wer ſiehet aber nicht, daß dieſe Figur hier gantz ungeſchickt
angebracht worden? Sonſt gehet die Vergleichung Hunc ego
me, ſi quid componere curem, non eſſe velim,
nicht
auf das Bild, quod totum nunquam poſitum eſt; ſondern
auf den Fabrum ſelbſt: Horaz ſagt; Wenn er je ein poeti-
ſches Werck auszufuͤhren gedaͤchte, ſo moͤchte er in der
Kunſt dieſem Gieſſer nicht aͤhnlich ſeyn; eben ſo wenig
als einem Bilde, das neben ſchoͤnen ſchwarzen Haaren und
Augen eine ſcheußliche und ungeſtalte Naſe hat, die das
gantze Angeſicht verſtellet.
47
V. 51. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr
wohl verſteht.)

Es iſt eben das, was Hr. von Eckard ſchon zuvor noch
kuͤrzer gegeben hat:
Schreibt nur was ihr verſteht und das Geſchick euch goͤnnt.’

Es iſt aber dieſe Art des Ausdrucks zu unbeſtimmt. Ho-
raz ſagt viel einfaͤltiger: Jhr Dichter, wehlet euch eine Ma-
terie, die ihr geſchickt auszufuͤhren vermoͤget: damit es euch
nemlich nicht gehe, wie dem oben eingefuͤhrten Gieſſer.
48
V. 53. 54. So wird nach klugem Waͤhlen, den Schrif-
ten weder Kunſt, noch Licht, noch Ordnung fehlen.)

Die Ueberſetzung haͤnget hier gar uͤbel zuſammen; es iſt in
dem vorhergehenden gar kein Wort von einer Wahl geredet
49
worden, darauf ſich hier der Nachſatz beziehen koͤnnte:
Gottſched hat nur gewarnet, die Dichter ſollten nicht alles
unterfangen, ſondern ihre Kraͤfte zuerſt pruͤffen, und die
Sache reiflich uͤberlegen. Nun will ſich die Folge: So
wird nach klugem Wehlen: ꝛc.
mit dem Vorderſatz gar
nicht reimen. Daneben ſchreibt er den Vortheil, der aus
einer guten Wahl natuͤrlicher Weiſe herflieſſen ſoll, nicht
dem Poeten, wie Horaz, ſondern der Schrift ſelbſt zu, die
doch in dieſem Fall noch als ungebohren betrachtet werden
muß: Und endlich zertrennet er den doppelten Vortheil, den
Horaz anfuͤhret in drey Abſaͤtze. Horaz redet nur de facun-
dia,
welches unſtreitig auf die Worte und einen geſchickten
Ausdruck gehet; und de ordine lucido, d. i. von einer ſol-
chen Verfaſſung der Materie, wodurch dieſelbe in ihr rechtes
Licht geſetzt wird. Der Hr. von Eckard, den er doch ziem-
lich veraͤchtlich tractirt, und weit uͤbertroffen zu haben
glaͤubet, hat dieſe Fehler groͤſtentheils gluͤcklich vermieden,
und den Verſtand nicht uͤbel ausgedruͤckt:
Habt ihr denn recht gewaͤhlt, ſo doͤrft ihr euch nicht

quaͤlen,

Euch wird an Worten nicht, noch auch an Ordnung

fehlen.

Es iſt auch die Verwirrung, die Gottſched in ſeine Ueber-
ſetzung gebracht hat, um ſo viel ungeſchickter, weil ſie uns die
Eintheilung und Verknuͤpfung der folgenden Saͤtze des
Horazen, die ſich auf dieſen doppelten Vortheil gruͤndet,
gaͤntzlich aus den Augen ruͤcket; Maſſen er erſtlich von dem
Nutzen einer guten Ordnung, und dann von dem, was bey
dem Ausdruck und dem Gebrauch der Woͤrter fuͤr Behutſam-
keit zu beobachten ſey, unterſchiedlich handelt. Jch bin
allzeit angeſtanden, ob das rem potenter legere in dem
Sinn, wie es gemeiniglich genommen wird, mit dem latei-
niſchen Gebrauch uͤbereinſtimme: Denn man ſagt wohl pru-
denter eligere;
aber potenter iſt ganz ungewoͤhnlich: Jch
bin darum auf die Gedancken und die Vermuthung gefallen,
res potenter lecta bezeichne hier, was man wohl geleſen
und fleißig ſtudiert hat.
50
V. 56. Wenn man das wichtigſte von vorne zwar ver-
ſchweigt, doch raͤthſelhaft entdeckt)

Es iſt ſo ferne, daß man aus dieſem Stuͤcke der ſo ge-
nannten deutſchen Ueberſetzung ſollte errathen koͤnnen, wel-
che Lateiniſche Verſe dadurch ſollten erklaͤrt worden ſeyn;
daß man nicht einmahl wiſſen kan, was der Ueberſetzer habe
ſagen wollen. Es laͤßt in der That nicht bloß raͤthſelhaft,
ſondern gantz wiederſinnig, dasjenige was man ver-
ſchweigt raͤthſelhaft entdecken.
Jn der beygefuͤgten An-
merckung, wo er ohne Grund dieſe Horaziſche Stelle auf
das Epiſche Gedichte und die Tragoͤdie insbeſondere ziehen
will, (da doch offenbar iſt, daß Horaz von der Ordnung
uͤberhaupt redet) ſtoͤßt er ſeine Ueberſetzung wieder voͤllig
uͤber einen Hauffen, wenn er anmercket, daß man in ei-
nem Epiſchen und theatraliſchen Stuͤcke gleich von
vorne, obgleich nur dunckel melden muͤſſe, wovon
es handle; da inzwiſchen die voͤllige Aufloͤſung der
ganzen Verwirrung ganz aufs letzte bleiben muͤſſe.

Es waͤre denn Sache, daß etwas verſchweigen, und es
wiewohl nicht ausfuͤhrlich melden gleichguͤltige Redens-
arten waͤren. Zwar kan man endlich noch aus der abſon-
derlichen Zueignung dieſer Stelle auf das Epiſche und Thea-
traliſche Gedichte wohl mercken, wohin Hr. Gottſched mit
ſeinem raͤthſelhaften Ausdruck zielet; er will nemlich eben das
zu verſtehen geben, was Horaz unten von Homers Gedichte
allen Epiſchen Dichtern zum Beyſpiel angemercket hat:
Nec gemino bellum Trojanum orditur ab ovo:

Semper ad eventum feſtinat, \& in medias res.

Non ſecus ac notas, auditorem rapit: \& quæ

Deſperat tractata niteſcere poſſe, relinquit.

Allein ſo gehts, wo man ſich einmahl dergleichen ſeltſame
Traͤume in den Kopf geſetzet hat, als wir von Hr. Gottſched
angemercket haben, da er nemlich in dem Vorbericht zu die-
51
V. 59. Jn neuer Woͤrter Bau)
Jch bitte hier nur anzumercken, wie die Metapher, deren
ſich der Lateiniſche Poet bedienet, ohne Vergleichung geſchick-
ter iſt, als der Gottſchedianiſche Woͤrter-Bau: Er ver-
gleicht die Woͤrter mit dem Saamen, der ausgeſtreuet wird,
und will, daß die neuen Woͤrter in einer Schrift nur duͤnne
und mit Behutſamkeit geſaͤet ſeyn ſollen. Sonſt iſt dieſe gan-
ze Stelle bis auf den 67. Vers in dem IIten Theile der Criti-
ſchen Dichtkunſt Hrn. Prof. Breitingers auf dem 213. Blat
u. f. in ein helles Licht geſetzt worden.
52
V. 61. Nur muß die Redensart des Schreibers Sinn
erklaͤren)

Dieſes iſt eine ſo ſeltſame und unerhoͤrte Regel, an die Ho-
raz wohl nicht gedacht haben mag, und deren Erfindung wir
lediglich der philoſophiſchen Einſicht Hrn. Prof. Gottſcheds,
als eines oͤffentlichen Lehrers der Welt-Weißheit und Dicht-
kunſt zu dancken haben.
53
ſer Ueberſetzung gantz keck vorgiebt: Die groͤſten Bewun-
derer Horazens geſtehen, daß dieſes Werckgen ohne
alle Ordnung geſchrieben ſey.
Es iſt freylich an dem,
daß die Lateiniſchen Verſe nicht ohne alle Schwierigkeit ſind,
und daß es unter den Criticis noch nicht ausgemachet, wie man
dieſe Verſe eigentlich eintheilen und abſetzen ſoll: Doch iſt
ſo viel gewiß, daß Horaz hier nichts anders lehren will, als,
man muͤſſe eben nicht alles ſagen, was man ſagen koͤnnte,
ſondern allemahl nur ſo viel, als ſich zu unſerm Vorhaben
ſchicket, und das mehrere auf eine andere Gelegenheit ver-
ſparen: welches der Hr. von Eckard wiederum nicht uͤbel ge-
troffen:
Sag was du ſagen muſt: doch halt auch viele Stuͤcke
Die du wol ſagen kanſt, vors erſte noch zuruͤcke.
54
V. 62. Doch ſollten Kunſt und Fleiß ein neues Ding
gewaͤhren.)

Jn dieſer Ueberſetzung kan ich wiederum nichts von dem
philoſophiſch-poetiſchen Ausdruck des lateiniſchen Dichters ge-
wahr werden:
‘..... Si forte neceſſe eſt,
Indiciis monſtrare recentibus abdita rerum.

Er betrachtet die Worte als Zeichen der Gedancken und Sa-
chen; und achtet gar nicht vor noͤthig hier zu lehren, wie neue
Sachen koͤnnen entdeckt werden.
55
V. 67. Die Griechenland uns leiht)
Wie unbeſtimmt und kahl iſt dieſes gegen dem lateiniſchen:
Si græco fonte cadant parce detorta.
56
V. 74. Ein neuer Ausdruck muß gleich neuen Thalern
gelten.)
57
V. 77. 78. Ein altes Wort verſchwindet, indem ſich
unvermerckt ein neuer Ausdruck findet.)

Man darff nur das Lateiniſche zu Rath ziehen, ſo wird man
bald ſehen, daß dieſes eine elende Translatio puerilis ſey: Ho-
raz ſagt auf eine recht poetiſche Art:
Ita verborum vetus interit ætas,

Et juvenum ritu florent modo nata, vigentque.

Jn dieſem gantzen Stuͤcke von dem 75. bis auf den 100. Vers
hat ſich Horaz als einen geſchickten poetiſchen Mahler erwie-
ſen, und den Satz von der Unbeſtaͤndigkeit und leichten Ver-
aͤnderung der Sprachen und Woͤrter mit praͤchtigen Bildern
in Abſicht auf den Unbeſtand aller menſchlichen Dinge aus-
geſchmuͤckt. Dieſes poetiſche Stuͤck hat er mit der Verglei-
chung von dem Laube der Baͤume, welches alle Jahre abfaͤllt,
eingefuͤhrt; und in dem Nachſaze dieſer Vergleichung den Le-
ſer durch die kraͤftigſten Ausdruͤckungen zu der folgenden poe-
tiſchen Erweiterung vorbereitet. Allein dieſes ſind lauter un-
erkannte Schoͤnheiten fuͤr unſern Ueberfetzer, angeſehen er
dieſes gantze Stuͤck ſo matt und nachlaͤßig uͤberſetzet hat, daß
es zu erbarmen iſt: welches um ſo viel ſtraͤfflicher iſt, da ſein
58
Der Hr. von Eckard hat dieſes noch deutlicher gegeben:
.... Die Reden ſind wie Geld,

Da neues altem gleich, wenns nur die Probe haͤlt.
59
V. 84. Er trocknet Seen aus, und kan nicht eher ruhn ꝛc.)
Das Wunderbare, welches in dem Lateiniſchen herrſchet,
iſt hier gaͤntzlich verwahrloſet.
.. Sterilisve palus prius aptaque remis

Vicinas urbes alit, et grave ſentit aratrum.
60
V. 87. Noch mehr, er aͤndert gar der Tyber alten Lauf,
und ſchraͤnckt die Fluthen ein.

Das curſum frugibus iniquum iſt gaͤntzlich ausgelaſſen,
und das Doctus iter melius gantz geſchwaͤcht. Das letzte
giebt der Hr. von Eckard:
Heißt ihn in Schrancken gehn.
61
V. 90. Wie koͤnnten denn der Zeit die Sprachen wider-
ſtehen?

Auch dieſe Stelle hat der Hr. von Eckard nicht ungluͤcklich
uͤberſetzt:
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Vorgaͤnger, der Hr. von Eckard, einige Stellen mit einer
poetiſchen Munterkeit recht lebhaft ausgedruͤcket hat: als z. E.
So gehts den Woͤrtern auch; bald ſiehet man ſie ſtehn

Jn ihrem Jugend Flor, bald abgelebt zerfallen.

Der Tod behaͤlt ſein Recht an uns ſo wohl als allen,

Was immer unſer heißt. ....
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V. 99. Kurz, Sprachen muͤſſen ſich nach der Gewohn-
heit meſſen.)

Neben dem, daß der deutſche Ausdruck ziemlich undeut-
lich iſt, ſo iſt auch dieſer Vers mit eben dem Fehler behaf-
tet, daß er den Nachdruck der Grundſchrift gaͤntzlich verwahr-
loſet. Jch darf mich nicht ſcheuen, des Hrn. von Eckards
Verſe auch hier den Gottſchediſchen an die Seite zu ſetzen:
.... Man wird nach unſern Tagen
Viel wiederkommen und auch viel verfallen ſehn,
Die izt bey jedermann in vollen Ehren ſtehn;
Wenn dem gemeinen Brauch, der hier Geſeze giebet,
Und Oberherrſcher iſt, es dermahleinſt beliebet.
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Gehts nun den Thaten ſo, was wollen Worte klagen,
Daß man ſie uͤberlebt?
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Bodmer, Johann Jakob. Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjn2.0