des
neunzehnten Jahrhunderts
Reſultate
vereinigter Denker
uͤber
Philoſophie und Geſchichte
der
Freimaurerei.
Bei Heinrich Froͤlich.
[[II]][[III]]
Vorrede.
„Die Frei-Maurerei hat in unſern Tagen
die Aufmerkſamkeit der Maͤnner von Geiſt und
Herz erweckt. Der Denker, der Freund der
Geſchichte des menſchlichen Verſtandes, ſo wie
der Theilnehmer an der Sache der Menſchheit,
kann ſie ihr nicht verſagen. Sie ſelbſt iſt zur
Wiſſenſchaft geworden; ſie iſt, wie jede
menſchliche Anſtalt, der Reinigung, der Er-
leuchtung, der Erweiterung und der Verbeſſe-
rung faͤhig; ſie verdient naͤher gekannt, unter-
ſucht, und — auch außer den Logen bearbeitet
zu werden.
Wenn man betrachtet: Wie und was die
k. Kunſt im Ganzen und im Einzelnen nach
Zeit- und Ortbeſtimmungen iſt oder war, ſo
ergiebt ſich eine Geſchichte —; und wenn
man unterſucht: Wie und was ſie nothwendig
und uͤberall ſeyn ſoll, eine Philoſophie und
Kritik der Frei-Maurerei.
* 2
[IV]
Dazu Beitraͤge zu liefern iſt der Zweck
einer Schrift, welche unter dem Titel:
Eleuſinien
des neunzehnten Jahrhunderts
erſcheinen wird, und welche auf die Theilnahme
der Maurer aller Art und Kunſt beſcheidne
Anſpruͤche macht.
Nur Wahrheit und Vielſeitigkeit kann ihr
Augenmerk und ihr Karakter ſeyn, wenn ſie
den Namen einer maureriſchen Schrift tra-
gen will; aber ſie wird, grade um deswillen,
eben ſo wenig Maurern irgend eines Syſtems
das Wort verſagen, als ſie ſelbſt von einem
feſten Standpunkte wanken wird.“
So kuͤndigte der Herausgeber dieſe maure-
riſche Schrift an, und nun beginnt er ſein Ver-
ſprechen zu leiſten. Dies iſt der Inhalt des
erſten Baͤndchens:
- No. 1. Philoſophie der Maurerei, Briefe
an Conſtant.
Es ſind die Ideen eines der erſten Phi-
loſophen und allgemein geachteten Denkers,
welche er vor einiger Zeit in der Form
[V] muͤndlicher Vortraͤge aufgeſtellt, und wo-
durch er die Maurerei, — auch fuͤr Nicht-
Maurer, — philoſophiſch begruͤndet hat.
Er hat ſie dem Herausgeber der Eleuſinien
unbedingt uͤberlaſſen. Dieſem gehoͤren nur
einige Erweiterungen, z. B. der zweite
Brief, einige erlaͤuternde Zuſaͤtze, und was
die gewaͤhlte Einkleidung forderte; nicht
die Schaͤrfe der Deduktion und die Neu-
heit und Fruchtbarkeit der Ideen, die beſon-
ders in den folgenden Briefen jeden den-
kenden Leſer uͤberraſchen wird. — Gewiß
bleiben ſie nicht ohne wohlthaͤtige Wirkun-
gen; auch iſt es eine auffallende Erſchei-
nung, daß im Weſentlichen die Reſultate
einer kritiſchen Geſchichtsforſchung mit denen
einer rein-philoſophiſchen Deduktion faſt
in einem Punkte zuſammen treffen. - No. 2. Ueberſicht der Geſchichte der Mau-
rerei. 1. Alte Geſchichte. 2. Des
achtzehnten Jahrhunderts, beſon-
ders in Deutſchland.
In dem Vorbericht zum Bibliothek-Kata-
logus der LL. Z. z. N. und Fr. z. g. K. in K. ſteht
folgende merkwuͤrdige Stelle:
„Bis jetzt haben wir noch keine Geſchichte
[VI] der Maurerei, inſofern dieſe aus oͤffent-
lich bekantgewordenen Quellen ge-
ſchrieben werden kann; und doch waͤre
es nicht bloß fuͤr die Bruͤder des
Ordens, ſondern uͤberhaupt fuͤr
jeden denkenden Weltbuͤrger eine
ſehr wichtige Sache, daß dieſe
geſchrieben wuͤrde. Denn eine Geſell-
ſchaft, die in allen chriſtlichen Laͤndern in
und außer Europa ausgebreitet iſt; die
gewiß in unſern Tagen eine Million Mit-
glieder zaͤhlt; deren Wirkſamkeit von ſo
vielen Seiten fuͤr die Menſchheit ſo wich-
tig und wohlthaͤtig geweſen iſt; und deren
Freunde und Feinde mit gleichem Eifer
fuͤr und wider ſie geſtritten haben, ver-
dient unleugbar eine philoſophiſche Dar-
ſtellung aller derjenigen Thatſachen, die
von ihr bekannt geworden ſind. Sie ver-
dient, daß die verſchiedenen Sekten, in
welche ſie zerfallen iſt, die Grundſaͤtze,
wovon dieſe ausgegangen ſind, der Ein-
fluß, den ſie auf den Geiſt des Zeitalters
entweder wirklich oder angeblich gehabt
haben, mit ſtrenger Unpartheilichkeit, aber
auch mit gehoͤriger Sachkenntniß gepruͤft,
gewuͤrdigt und dargeſtellt werden. Dies
kann aber nur von einem Manne geſche-
[VII] hen, dem alle, oder die meiſten zerſtreuten
Huͤlfsmittel zu Geboten ſtehen.“
Dieſe ſo beſchriebene, hoͤchſt wuͤnſchens-
werthe Geſchichte der Maurerei, als eines Thei-
les der Geſchichte des menſchlichen Verſtandes
und ſeiner Verirrungen, wollte der Herausgeber
der Eleuſinien nicht ſchreiben. Er ſetzte ſich
keinen andern Zweck, als: aus den gedruckten
Buͤchern, die ihm vor Augen kamen, alle ange-
gebenen Data zu einer Geſchichte der Maurerei,
ohne Auswahl und Kritik zu ſammlen,
und ruhig, ſelbſt mit den Worten der verſchied-
nen Verfaſſer, neben einander zu ſtellen; alle
Quellen aber, die ihm perſoͤnlich offen ſtanden,
ſo wie ſeine eignen Ideen und Kenntniſſe bei
dieſem Sammlergeſchaͤfte zu beſeitigen. Es iſt
nicht ſeine Schuld, wenn die Frucht deſſelben
mager und vielleicht unſchmackhaft ausgefallen
iſt. Er verbuͤrgt, weder vor Maurern noch vor
Nicht-Maurern, die dieſe Blaͤtter leſen, ein
einziges Factum, da er blos als Referent das
zerſtreute Bekannte nach der Zeitfolge zuſammen
geſtellt hat; aber er glaubt, daß dieſe Ueber-
ſicht fuͤr den erfahrnen Maurer in vielem Be-
tracht eine fruchtbare Anſicht gewaͤhren koͤnne,
wenn er die aufgeſtellten Thatſachen in ihrer
Folge, mit einem durch anderweitige Kenntniſſe
geſchaͤrften Auge anſieht; abſondert, hinzuſetzt,
[VIII] berichtiget. Er glaubt, daß ſie fuͤr dieſen
reich an bedeutenden Winken, und fuͤr den Un-
erfahrnen und Nicht-Maurer in der Art beleh-
rend ſeyn werde, daß er einſieht, er koͤnne aus
den oͤffentlichen Quellen nichts Befrie-
digendes uͤber dieſen Gegenſtand ſchoͤpfen.
Aber es iſt der Maurerwelt eine kritiſche
Geſchichte der Freimaurer-Bruͤder-
ſchaft, wie ſie der Vorredner zu dem ange-
fuͤhrten Katalog beſchreibt, und als dringendes
Beduͤrfniß aufſtellt, verſprochen. Es hat dies
ein Mann gethan, der alle, an eine ſolche Ge-
ſchichte gemachten Anforderungen kennt, dem
wirklich die meiſten und wichtigſten Huͤlfsmittel
zu Gebote ſtehen, der mit der tiefſten Sach-
kenntniß, den ruhigen Blick des Forſchers, den
Scharfſinn der Kritik und die Kaͤlte der ſtreng-
ſten Unpartheilichkeit verbindet, — der erſte
maureriſche Schriftſteller, Br. Feßler, in der
Vorrede zu ſeinen ſaͤmmtlichen Schriften
uͤber Freimaurerei, wirklich als Ma-
nuſkript fuͤr BB. gedruckt Berlin 1801.
S. III.
Aber — und er hat den Herausgeber zu
dieſer Erklaͤrung ſelbſt autoriſirt — er wird
dieſe kritiſche Geſchichte der Freimau-
rer-Bruͤderſchaft von ihrem erſten Urſprunge
an, bis auf die neuſten Zeiten, aus entſchei-
[IX] denden, ihm von vielen BB. und Logen vor-
gelegten Gruͤnden, nie dem Drucke uͤber-
geben, ſondern nur an Logen-Archive
im Manuſkript uͤberlaſſen, wenn der LMſtr,
mit zwei ſeiner vertrauteſten BB., ſich mit ihm
ſelbſt uͤber die nothwendig zu ſetzenden Bedin-
gungen vereinigt hat.
BB, welche den Gang und Stand der
Maurerei kennen, werden wiſſen, welche Auf-
ſchluͤſſe ſie aus dieſen hoͤchſtwichtigen Ueberlie-
ferungen, und gerade von dieſer Art der Mit-
theilung, zu erwarten haben. Es iſt noch nicht
die Zeit, daß die maureriſche Geſchichte, als
ein Zweig der Geſchichte des Geiſtes und der
Menſchheit uͤberhaupt auftrete; aber es iſt hohe
Zeit, daß die Maurer ſelbſt uͤber den Urſprung
und den Fortgang der Bruͤderſchaft, ins helle
Licht kommen, und dadurch feſtſtehende Krite-
rien ihres Urtheils erhalten.
- No. 3. Maureriſcher Lebenslauf des Bru-
ders — t, im Orden a*** genannt.
Moͤchten doch alte und erfahrne Maurer
ihren juͤngern Bruͤdern oft ſolche Vermaͤcht-
niſſe hinterlaſſen! Sie wuͤrden durch die
Aufſtellung ihrer Erfahrungen gewiß fuͤr
Viele wohlthaͤtig wirken, wenn ſie auch
nicht immer einen ſo merkwuͤrdigen Beitrag
[X] zur Aufklaͤrung ſpecieller Ordens-Geſchich-
ten, als der gegenwaͤrtige Lebenslauf, lie-
fern ſollten. Die Bruͤderſchaft zaͤhlt in
ihrer Mitte viel merkwuͤrdige Maͤnner, und
das Leben derer, die fuͤr ſie beſonders
thaͤtig geweſen ſind, hat immer etwas aus-
gezeichnetes, man moͤchte ſagen, roman-
tiſches. Eine Gallerie merkwuͤrdiger Mau-
rer muͤßte ſehr unterhaltend und unter-
richtend ſeyn. - No. 4. Hoͤhere Grade.
Das Daſeyn hoͤherer Grade iſt, ſelbſt
in der nicht-maureriſchen Welt, bekannt
genug, eben ſo der Unfug, der hie und
da mit ihnen getrieben worden iſt und
wird; es iſt daher Zeit, ein bedeutendes
und vernuͤnftiges Wort daruͤber oͤffentlich
zu ſagen, damit Profane und uͤbelunter-
richtetete Maurer ſich nicht laͤnger durch
ein vornehmes Achſelzucken von einem ern-
ſten Urtheile losmachen koͤnnen; es iſt Zeit
ihnen anzudeuten, daß die Maurerei nie
hinter ihrem Zeitalter zuruͤckbleiben koͤnne,
und daß der Unterſchied zwiſchen h. Gra-
den, wie man ſie gewoͤhnlich aus alter
Praxis und ſelbſt aus Druckſchriften kennt,
und h. maureriſchen Erkenntnißſtufen,
[XI] ein hoͤchſt bedeutender und weſentlicher Un-
terſchied ſey. Der Herausgeber hat alſo
nicht Anſtand genommen, die beiden
Stimmen, wovon die eine die gerechten
Klagen uͤber jene referirt, die andre die
Wichtigkeit dieſer darthut, hier ſprechen
zu laſſen. — Die Aufſaͤtze ſind von zwei
verſchiedenen Verfaſſern. - No. 5. u. 6. ſpricht fuͤr ſich ſelbſt.
(Kuͤnftig Worte von dem ehrwuͤrdigen
Bode ſelbſt.) - No. 7. Reden und Gedichte.
Der Zweck maureriſcher Reden iſt Beleh-
rung und Erbauung der BB. Wo dieſe
nicht die Wirkung einer ſtehenden Anſtalt iſt,
dort ſpielen die Reden eine wichtigere Rolle.
Doch ſollte man nicht unterlaſſen, die Mau-
rerei als eine Schule wahrer Beredſamkeit zu
benutzen. Leere Deklamationen, Vortraͤge
uͤber ganz allgemeine Wahrheiten, ſo wie
Einwirkung auf Gefuͤhle und ſogenannte Her-
zenserſchuͤtterungen, haben den maureriſchen
Karakter nicht. Es kann nur Vorleſun-
gen (die den Zweck der Belehrung haben)
und Feſt-Reden geben; von beiden liefert
der Herausgeber eine Probe, und er dankt
beſonders dem verdienten Verfaſſer der erſte-
[XII] ren, fuͤr die Erlaubniß ſeine, bisher nur als
Manuſkript gedruckte Vorleſung, einem
groͤßern Publikum mittheilen zu duͤrfen.
Das Gebiet der maureriſchen Poeſie
iſt lange noch nicht kultivirt genug. Selbſt
an vollkommnen Liedern (in deren Ruͤckſicht
die Freimaurerei doch ein großes Verdienſt
um das geſellige Leben hat) ſind die Maurer
noch arm; und ſie wuͤrden noch aͤrmer ſeyn,
wenn ſie ſich die Lieder der beſten Dichter,
die moraliſchen Inhalts ſind, nicht angeeig-
net haͤtten. Eine ſolche Aneignung iſt auch
mit den hier abgedruckten Gedichten geſche-
hen. Der Herausgeber wird jeden Beitrag
maureriſcher Poeſie gern aufnehmen. - No. 8. Memorabilien.
Vermiſchten Inhalts.
Der Herausgeber wuͤnſcht dieſer Unterneh-
mung die Theilnahme ſeiner BB. Er gehoͤrt als
ſolcher keiner Parthei an, und wird jede noͤthig-
ſcheinende Berichtigung, ſo wie uͤberhaupt jeden
Beitrag zu den Eleuſinien, der in wahrem mau-
reriſchen Geiſte geſchrieben iſt, (eingeſandt unter
Addreſſe der Verlags-Buchhandlung) mit Ver-
gnuͤgen aufnehmen. Vielleicht in einem halben
Jahre erſcheint das zweite Baͤndchen; die weitere
Fortſetzung wird von dem Beifalle des maure-
riſchen Publikums abhaͤngen. Die Abſicht des
Herausgebers iſt allein, ſeinen BB. und der guten
Sache der Maurerei nuͤtzlich zu werden.
Geſchrieben den 9. Maͤrz 1802.
I.
Briefe an Konſtant.
Erſter Brief.
Ich nehme Deine Frage auf, Konſtant, und will
Dir mit aller mir moͤglichen Strenge beantwor-
ten, was Du nur fragen kannſt. Du wirſt ent-
weder mich noͤthigen, durch eine vollſtaͤndige Be-
leuchtung der Sache, meine Vorliebe fuͤr ſie auf-
zugeben, oder Dich, ihr Deine Achtung zu ſchen-
ken. Laß es uns Beide auf dieſe Gefahr immer
wagen; wir werden an Wahrheit gewinnen, was
wir etwa an vorgefaßten Meinungen verlieren
ſollten. Ich werde dabei nicht vergeſſen, daß Du
ein Ungeweihter biſt, und ſonach alle die kleinen
Vortheile verlieren, die meine Deduktion durch
dein Gefuͤhl haben koͤnnte; vergiß auch Du nur
Deine maureriſche Gelehrſamkeit und Deine Buͤ-
cher, und gieb dadurch die vermeinten Vortheile
auf, die Du durch etwanige hiſtoriſche Kennt-
Erſtes Baͤndch. A
[2] niß, uͤber den bloß philoſophirenden Maurer zu
haben vermeineſt.
Du kannſt billiger Weiſe nicht fordern, daß
ich Dir eine andre Kenntniß vom Orden zuge-
ſtehen ſoll, als: daß er exiſtirt. Was Du aus
Deinen Buͤchern von der Art ſeiner Exiſtenz wiſ-
ſen willſt, kann ich ſchon um deswillen nicht aner-
kennen, weil alle dieſe Leſereien kein Wiſſen in
Dir erzeugt und Dich allein in Widerſpruͤche und
Zweifel verwickelt haben. Welchem Deiner Schrift-
ſteller ſollſt Du denn auch trauen, da Du kei-
nen Maasſtab haſt, ſie zu pruͤfen, und kein
Medium, ſie zu vereinigen? Und ſo viel Du
auch glauben, oder, wie Du ſprichſt, nach hi-
ſtoriſcher Kritik wahrſcheinlich oder wahr-
ſcheinlicher finden magſt: ſo berufe ich mich
doch auf Dein eignes Gefuͤhl, wenn ich behaupte,
daß Deine wahre Kenntniß der Sache, ſtreng
genommen, nicht uͤber ihre Exiſtenz hinausgeht.
Dies iſt mir aber auch vollkommen genug,
und ich lade Dich nur ein, an dieſe ſichre Kennt-
niß, eben ſo ſichre Schluͤſſe anzureihen; und
wir wollen doch finden, — was der Freimaurer-
Orden an und fuͤr ſich ſelbſt iſt? — Das nun
wohl eben nicht, aber doch das: was er an und
fuͤr ſich ſelbſt ſeyn kann, oder, wenn Du willſt,
ſeyn ſoll.
Dieſe Frage wird Dich uͤberraſchen, weil Du
ſie noch nie gethan haſt, aber ſie iſt, nach dem
Obigen, die einzige, die Du thun kannſt. Was
der Orden iſt, das lerne meinetwegen aus dem
[3] „zerſchmetterten Frei-Maurer,“ wenn es Dir ge-
nuͤgt; was er ſeyn kann, vermagſt Du aus ei-
ner beſſeren Quelle zu ſchoͤpfen, aus Deiner Ver-
nunft. Aber wenn Du es weißt, ſo wirſt Du,
bei einiger Konſequenz, nicht glauben, daß er an
und fuͤr ſich ſelbſt wirklich ſo ſey, als er es,
nach Deiner folgerichtigen Ueberzeugung, ſeyn
kann; Du wirſt es wenigſtens nicht behaupten
(aber auch nicht verneinen) koͤnnen, weil Du
um deswillen ein Eingeweihter ſeyn muͤßteſt. Du
wuͤrdeſt eher mit vollem Rechte ein maureriſcher
Geſetzgeber ſeyn, als dieſe Behauptung mit eini-
gem Rechte wagen koͤnnen.
Laß uns auf dieſem Felde, wo alles ſchwankt,
nach einem feſten Punkte ſuchen, auf welchem
unſer Fuß ſicher ſtehen kann, und uns von un-
beſtrittenen Thatſachen ausgehen.
Du weißt, daß in den erſten Decennien des
achtzehnten Jahrhunderts, und zwar in London, eine
Geſellſchaft oͤffentlich hervortritt, die wahrſcheinlich
ſchon fruͤher entſtanden iſt, von der aber keiner
zu ſagen weiß, woher ſie komme, was ſie ſey
und was ſie wolle? Sie verbreitet ſich, ohnerach-
tet deſſen, unbegreiflich ſchnell und wandert uͤber
Frankreich und Deutſchland in alle Staaten des
chriſtlichen Europa, ja ſelbſt nach Amerika. Maͤn-
ner aus allen Staͤnden, Regenten, Prinzen,
Adliche, Gelehrte, Kuͤnſtler, Kaufleute, treten in
ihren Bund, Katholiken, Lutheraner und Kalvi-
niſten laſſen ſich einweihen, und nennen ſich
Bruͤder untereinander.
A 2
[4]
Die Geſellſchaft, die, man weiß nicht warum,
wenigſtens, wie ich Dich zu glauben bitte, ſehr
zufaͤllig, ſich Frei-Maurer-Geſellſchaft nennt, zieht
die Aufmerkſamkeit der Regierungen auf ſich, ſie
wird in den meiſten Reichen, z. B. in Frank-
reich, in Italien, den Niederlanden, in Polen,
Spanien, Portugall, Oeſterreich, Bayern, Nea-
pel, verfolgt, mit dem Banne zweier Paͤbſte be-
legt, uͤberall mit den widerſprechendſten Beſchul-
digungen uͤberhaͤuſt und jeder Verdacht, der dem
großen Haufen verhaßt iſt, und bei ihm verhaßt
macht, auf ſie geworfen. Aber ſie erhaͤlt ſich un-
ter allen dieſen Stuͤrmen; ſie breitet ſich in neue
Reiche aus und wird aus den Hauptſtaͤdten in Pro-
vinzialſtaͤdte verpflanzt, wo man ſie vorher kaum
dem Namen nach kannte. Sie findet unerwar-
tet an dem einen Orte Schutz und Unterſtuͤtzung,
wenn ſie an dem andern unterzugehen in Ge-
fahr iſt. Sie wird dort als die Feindin der Throne
und die Anſtifterin der Revolutionen verſchrieen,
und gewinnt hier das Vertrauen der beſten Re-
genten.
So gelangt ſie herauf bis zu unſern Tagen.
Du ſiehſt, wie in dieſem Zeitalter die Mitglie-
der dieſer Geſellſchaft, ſich endlich einmal ernſt-
lich fragen: woher kommen wir doch? was ſind
wir und was wollen wir? Du ſiehſt, wie ſie
von allen Orten her ſich verſammlen, um ſich
dieſe Fragen zu beantworten; wie ſie mit ern-
ſten Mienen einander anblicken, jeder von ſeinem
Nachbar die Antwort erwartet, und endlich alle
[5] entweder laut oder ſtillſchweigend, geſtehen, daß
keiner von ihnen, den Zuſammengekommenen, es
wiſſe. Was thun ſie nun? — Sie reiſen nach
Hauſe, erklaͤren ihren Bruͤdern die allgemeine
Unwiſſenheit, entlaſſen ſich gegenſeitig ihrer Ver-
pflichtungen und gehen, mit einiger Scham, aus-
einander? — Keinesweges! der Orden dauert fort
und verbreitet ſich, nach wie vor.
Die Geſellſchaft erleidet noch haͤrtere Dinge.
Die Frage nach ihrem Geheimniß wird dringen-
der, es wird in oͤffentlichen Schriften, z. B. dem
entdeckten Geheimniß der Freimaurer, der geſtuͤrz-
ten, der verrathenen Freimaurerey, zur allgemei-
nen Kenntniß gebracht; man erhebt die Abſicht
einiger maureriſchen Sekten zur vollkommnen Ge-
wißheit, andrer zur Wahrſcheinlichkeit; man fin-
det, daß hie und da die Maurerei nur zur Huͤlle
verwerflicher Zwecke gedient habe und zieht dieſe
Zwecke in ihr, ſie toͤdtendes, Licht. Was wird
nun geſchehen? — Die Freimaurer werden ſich
von dem verrathenen Geheimniſſe losſagen und,
um ſich von allem Verdacht unredlicher Zwecke
auf einmal zu befreien, die Logen ſchließen und
den „zerſchmetterten Freimaurer“ in ihre Biblio-
thek ſtellen. — Nein! die Geſellſchaft dauert fort,
als ob nie ein Wort uͤber ſie geſprochen, kein
Buchſtabe uͤber ſie gedruckt waͤre und das Still-
ſchweigen in ihr unverbruͤchlich gehalten wuͤrde.
Endlich zerreißt ſich die Geſellſchaft ſelbſt in
ihrem Innern, alle Einheit hoͤrt auf, ſie ſpalten
ſich in Sekten, die ſie Syſteme nennen, verketzern
[6] ſich gegenſeitig, thun ſich in den Bann, und wie-
derholen das Spiel mit einer allein ſeligmachen-
den Kirche. Der ehrliche Servati fragt: Und
wollte ich ein Freimaurer werden, wo ſind die aͤch-
ten Meiſter zu Hauſe? und weiß in ſeinem dicken
Buche keine Antwort zu geben; indeß die Mau-
rer aller Farben und Zeichen einmuͤthig antwor-
ten: Nirgends! nirgends, als bei uns.
Was erfolgt nun? Der Ungeweihte, der doch
ſonſt noch, wenigſtens vor dem Brudernamen
Ehrfurcht hatte, findet jetzt die ſich verfolgenden
und verketzernden Maurer — laͤcherlich, und es
faͤllt auf die Maurerei etwas, das ſchlimmer iſt,
als alle Verfolgung — kalter Spott und Hohn
der feinen Welt. Nun wird doch ohne Zweifel
die Aufloͤſung der wunderbaren Geſellſchaft erfol-
gen? — Wiederum Nein! ſie erhaͤlt und verbrei-
tet ſich wie immer, und mancher feige Bruder,
der uͤber und uͤber erroͤthen wuͤrde, wenn man in
einem feinen Zirkel ſagte: er ſei Freimaurer, geht
nach wie vor gewiſſenhaft in die Loge.
Sieh, Konſtant, ſo ſteht es mit dem Orden,
deſſen Geheimniß du ergruͤnden willſt; uͤber den
Verfolgung und Spott, Unwiſſenheit und Verrath
nichts vermoͤgen. — So wie man zuweilen im
Spaß geſagt hat: das groͤßte Geheimniß der Frei-
maurer iſt, daß ſie keins haben; ſo kann man mit
Recht ſagen: das offenbarſte und dennoch geheimſte
Geheimniß der Freimaurer iſt, daß ſie ſind und
daß ſie fortdauren. Denn — was iſt es doch,
was kann es doch ſeyn, das alle dieſe Menſchen
[7] von der verſchiedenſten Denkart, Lebensweiſe und
Bildung zuſammen verbindet und unter tauſend
Schwierigkeiten, in dieſer Zeit der Erleuchtung
und Erkaltung, bei einander erhaͤlt?
Laß uns weiter gehen, und dieſe Maͤnner ſelbſt
naͤher betrachten. Es ſind vielleicht lauter Schwach-
koͤpfe, Schwaͤrmer, Heuchler, Intriguanten oder
Herrſchſuͤchtige, die ſich untereinander verbunden
haben. Nun dann, ſo iſt es begreiflich, wie ſich
der unredliche Schlaukopf mit Narren verbinden
kann, um ſie zu ſeinen Abſichten zu lenken oder
wenigſtens, ſich an ihrer Thorheit zu beluſtigen;
begreiflich, wie der Herrſchſuͤchtige den Schwaͤr-
mer bei ſeiner Geheimnißſucht fangen und ſeinem
Stolze zu gefallen, den Mann, der ſonſt an
Rang und Anſehn uͤber ihm ſteht, unter ſeine
Befehle nehmen kann; begreiflich, wie der Intri-
guant ſich mit Schwachkoͤpfen verbinden kann,
um dieſe ſagen und — zahlen zu laſſen, was ihm
gefaͤllt. Aber Nein! — in allen Zeitaltern finden
ſich die weiſeſten, redlichſten, durch Talent, Kennt-
niſſe, und Charakter ehrwuͤrdigſten Maͤnner im
Orden, uͤberall ſind Mehrere — iſt gewiß Einer —
unter den Bruͤdern, dem Du Dich mit vollem
Vertrauen als dem Fuͤhrer und Leiter Deines Le-
bens in die Arme werfen wuͤrdeſt.
Doch — ich laſſe keinen moͤglichen Einwurf
zur Seite liegen — dieſer weiſe und redliche Mann
kann durch irgend einen Zufall und in irgend ei-
ner Jugendlaune in einen Orden gerathen ſeyn,
der ihm nach ſeinem innern Weſen unbekannt war.
[8] Er wird mit ihm bekannt, findet, daß es Nichts
ſey, und auf eine kindiſche Spielerei hinauslaufe.
Er kann nicht zuruͤck, eine gewiſſe Eitelkeit verhin-
dert ihn, ſich als einen Getaͤuſchten darzuſtellen;
ſeine innere Schaam aber verleitet ihn, ſich der
leeren Sache hinzugeben, und — er zieht ſich ohne
Aufſehen in aller Stille zuruͤck. — Iſt dies die
wahre Geſchichte aller redlichen und weiſen Maͤn-
ner im Orden, ſo — ſtehen wir hier, am Ende
unſerer Unterſuchungen, wir ſchaͤmen uns, daß wir
den Orden auch nur ſo weit unſerer Aufmerkſam-
keit gewuͤrdigt haben, und uͤberlaſſen ihn mit be-
daurendem Laͤcheln den gutmuͤthigen Schwaͤrmern
und den ſelbſtſuͤchtigen Intriguanten.
Aber das iſt ſie nicht, ſo wahr Deine Erfahrun-
gen ſind, und die meinen. Die wahrhaft weiſen
und redlichen Maͤnner, die wir kennen, ſind im
Orden vorwaͤrts geſchritten, haben ſich ernſtlich
mit ihm beſchaͤftigt, fuͤr ihn ſich abgearbeitet, und
ſogar andre wichtige Zwecke aufgeopfert.
Und nun ſtehe ich auf dem Punkte, den ich
fuͤr Dich, den Nicht-Maurer, und fuͤr jede konſe-
quente Vernunft, fuͤr feſt und ſicher halte:
So wahr auch nur Ein ohnſtreitig
weiſer und tugendhafter Mann ſich
ernſthaft mit dem Frei-Maurer-Orden
beſchaͤftigt, ſo wahr iſt er kein Spiel,
ſo gewiß hat er einen, und zwar ern-
ſten und erhabenen Zweck.
So haͤtten wir denn den Standpunkt gefunden,
[9] von welchem aus wir alles uͤbrige uͤberblicken, und
unſern Fuß mit Bedacht weiter ſetzen koͤnnen.
Doch ehe wir dies thun, hoͤre ich dich ſo ſpre-
chen: Es iſt wahr, weiſe und tugendhafte Maͤn-
ner beſchaͤftigen ſich ernſthaft mit dem Orden;
es iſt Faktum. Aber womit beſchaͤftigen ſie ſich?
mit dem Orden, wie er iſt, oder wie und was
er, und zwar durch ſie, werden kann? Arbeiten
ſie vielleicht nur dahin, aus ihm etwas zu machen,
und auf die tabula rasa der Frei-Maurerei etwas
zu ſchreiben, das ihrer wuͤrdig iſt? Iſt dies, ſo
haſt Du durch deine Deduktion nur das Bekannte
bewieſen, daß der Weiſe und Tugendhafte nicht
ſpielt, fuͤr die Frei-Maurerei aber nichts gewonnen.“
Alles, Konſtant, was ich bei Dir fuͤr ſie gewinnen
kann; und ich faſſe, da ich Dir nicht anders ant-
worten kann, ob es gleich fuͤr meinen Endzweck
vollkommen hinreichend iſt, meinen Satz ſo:
So gewiß ſich weiſe und tugendhafte Maͤn-
ner je ernſthaft mit dem Frei-Maurer-Orden
beſchaͤftigten, ſo gewiß kann er einen ver-
nuͤnftigen, guten, erhabener Zweck haben.
Dieſen — moͤglichen oder wirklichen — Zweck wol-
len wir nun finden, indem wir auf dieſem Wege
fortwandeln. Was nehmlich der weiſe und tugend-
hafte Mann wollen koͤnne, was er nothwendig
wollen muͤſſe, das koͤnnen wir wiſſen, ſo gewiß
die Weisheit und Tugend nur Eine iſt, und be-
ſtimmt durch ewige Geſetze der Vernunft. Wir
duͤrfen ſonach nur unterſuchen:
[10]was der weiſe und gute Mann in einer ſolchen
Verbindung beabzwecken koͤnne
und wir haben den einzig moͤglichen Zweck des
Frei-Maurer-Ordens mit demonſtrativer Gewiß-
heit gefunden.
Erwaͤge dies, mein theurer Freund, und ſage
mir, ob Du dich mit mir auf dieſe Entdeckungs-
reiſe einſchiffen willſt. Du wirſt ſchon wachen
helfen, daß unſre Fahrt ohne Umwege und Ver-
irrungen in grader Richtung bis ans Ziel gehe.
Lebe wohl.
Zweiter Brief.
Du biſt mit mir zufrieden, Konſtant, aber Du
meinſt doch, daß ich zu Anfange meines Briefs
die Geſellſchaft in Abſicht ihrer Fortdauer zu wun-
derbar, und gegen das Ende des Briefs ſie,
in Abſicht ihres Zwecks, beinahe zu natuͤrlich
dargeſtellt habe; Du meinſt, es habe den Anſchein,
als wenn wir beide den Frei-Maurer-Orden erſt
erfinden wollten. — Fuͤr deine Zufriedenheit danke
ich Dir, auf das uͤbrige antworte ich Dir mit
Kurzem. Ich habe die Fortdauer des Ordens we-
der wunderbar, noch ſein Weſen natuͤrlicher als —
natuͤrlich darſtellen wollen; willſt Du Dich uͤber
jene verwundern, ſo habe ich ſo lange nichts
dagegen, bis Du nicht mit mir ſein Daſeyn na-
[11] tuͤrlich gefunden, bis Du nicht erwogen haſt,
daß eben das Etwas, was der Weiſe im Orden
beabzwecken kann, wohl allein ſeine Exiſtenz, trotz
aller jener Schwierigkeiten und Gefahren, er-
halten und geſichert habe. Erfinden wollen wir
den Orden eben nicht; nur finden, unter welchen
Bedingungen ſeine Exiſtenz fuͤr den Weiſen und
Tugendhaften zureichend begruͤndet werde; und
wenn dies hie und da ein Frei-Maurer oder ein
ganzes Syſtem nicht wiſſen ſollte, ſo wollen
wir es fuͤr ſie finden; und in dieſem Falle koͤnn-
teſt Du nicht ganz unrecht haben, wenn Du ſag-
teſt: Wir haͤtten fuͤr dieſe Frei-Maurer den Frei-
Maurer-Orden erfunden.
Du haſt geſehen, daß ich geneigt bin, nur
das fuͤr Zweck des Ordens anzuerkennen, was der
Weiſe und Tugendhafte als ſolchen anerkennen
kann. Laß uns doch zufoͤrderſt zuſehen, was nach
dieſer Vorausſetzung der Zweck des Frei-Maurer-
Ordens nicht ſeyn koͤnne. — Fuͤrchte nicht, daß
dies eine unnuͤtze Digreſſion ſeyn werde; dieſe Un-
terſuchung wird uns nicht nur alles abſchneiden,
worauf wir unſern Blick nicht zu richten haben,
ſondern nebenher auf alles das hindeuten, was
man zu gewiſſen Zeiten, dem Orden als Zweck
untergeſchoben, oder auch als ſolchen angenommen
oder angegeben hat. Dieſe Ruͤckſicht, ſoll mich
leiten und einſchraͤnken, damit ich nicht in Ge-
fahr gerathe alle Moͤglichkeiten erſchoͤpfen zu wol-
len; wie denn auch von notoriſch boͤſen Zwecken
uͤberhaupt gar nicht die Rede ſeyn ſoll.
[12]
Nach meiner Vorausſetzung kann ſonach der
Frei-Maurer-Orden nicht eine Anſtalt ſeyn, die
zur Abſicht hat, gewiſſe einzelne Seelenkraͤfte des
Menſchen, z. B. ſein Gedaͤchtniß, ſeine Urtheils-
kraft, ſeinen Verſtand, oder ſeinen Geſchmack zu
uͤben. Es waͤre uͤberfluͤſſig dergleichen zu un-
ternehmen, da in Schulen, auf Univerſitaͤten und
in oͤffentlichen Schriften und Anſtalten genug da-
fuͤr geſorgt iſt; es waͤre laͤcherlich, bei erwach-
ſenen Maͤnnern in einigen Stunden des Monats
thun zu wollen, was zur Zeit der Erziehung, oder
durch eigne Geiſtesthaͤtigkeit geſchehen muß, es
waͤre abentheuerlich, ſich zu dieſem Zwecke von
der oͤffentlichen Geſellſchaft abzuſondern und in
einen geheimen Bund zu treten. Und unſer Weiſe
will nichts Ueberfluͤſſiges, nichts Laͤcherliches, nichts
Abentheuerliches. Eben ſo geht er nicht darauf
aus, (wie man ſpricht) Aufklaͤrung zu ver-
breiten, (wie man von den Illuminaten behaup-
tete), weil das, was an dieſem Geſchaͤfte taugt,
nach der Lage der Dinge und des Zeitalters,
oͤffentlich gethan werden kann und ſoll.
Die Frei-Maurerei kann ferner nicht ſeyn
eine Schule ſeltner Kunſte und geheimer
Wiſſenſchaften, in welcher uͤbernatuͤrliche und
uͤbermenſchliche Geheimniſſe gelehrt und mitge-
theilt werden. Nicht blos, weil es unmoͤglich iſt,
Dinge, von deren Exiſtenz wir nichts wiſſen, zu
einem Gegenſtande der Lehre und der Tradition
zu machen; ſondern auch, weil es unredlich iſt,
[13] die Geiſtestraͤgheit, die Habſucht, die Wunder-
ſucht und andre verderbliche Leidenſchaften durch
dergleichen Vorſpiegelungen zu naͤhren, den Ver-
ſtand zu verblenden und die Sittlichkeit in ihrem
Grunde zu verderben. Sonach kann unſer weiſe
und gute Mann nie zugeben, daß der Orden,
dem Er ſich hingiebt, ſich mit Bereitung von
Wunderarzneien, Lebensbalſamen und Uni-
verſaltinkturen beſchaͤftige, ſchon deswegen, weil
er einen ehrenvollen Tod hoͤher achtet, als ein
ſchaͤndliches Leben, welches er durch ſolche Kuͤnſte
zu Jahrhunderten ausdehnen koͤnnte; daß er durch
geheime Operationen, die ſich dem Auge der Che-
miker entziehen, den Stein der Weiſen ſuche
nicht blos, weil er weiß, daß dieſer Meſſias nie
erſcheinen und allen Zauberformeln ewig trotzen
wird, ſondern weil er alle die Kuͤnſte der traͤgen
Habſucht verachtet, in der Kraft ſeines Geiſtes,
ſo lange er ſie fuͤhlt, den wahren Stein der Wei-
ſen gefunden hat, und ihm eine wahrhaft gute
Geſinnung mehr werth iſt, als wenn er alles
Metall der Erde in Gold verwandeln koͤnnte;
endlich wird er ſich nicht einer Geſellſchaft wid-
men, die nach der traurigen Kunſt forſcht, ſich
mit ſogenannten Geiſtern in Verbindung
zu ſetzen, und durch ihre Huͤlfe ſich dem Ewi-
gen naͤher zu bringen, oder ſich die Kraͤfte der Na-
tur unterthan zu machen, weil er von dieſen Gei-
ſtern uͤberall nichts weiß, weil er ihre Huͤlfe in
allen Dingen verachtet, und ihm eine gewon-
nene Wahrheit, ein abgelegter Irrthum, mehr gilt,
[14] als wenn er alle Engel und Erzengel nennen *) und
mit ihnen converſiren koͤnnte. — Wahrlich, ſo
wahr irgend ein Weiſer und Tugendhafter ſich
irgend in einem Zeitalter mit Frei-Maurerei
beſchaͤftigt hat — dies kann nicht Maurerei
ſeyn! Roſenkreuzerei und * * * iſt ſo wenig, als
Illuminatismus — Freimaurerei.
Eben ſo wenig iſt ſie eine verborgene kirch-
liche oder myſtiſche Sekte. Was die Kirche
leiſten ſoll, und was die kirchlichen Sekten leiſten
wollen, das iſt bekannt, und der vernuͤnftige Mann
[15] wird ſich in dieſes Geſchaͤft nicht einmiſchen. Dieſe
oͤffentlichen Anſtalten — ſie moͤgen nun vollkom-
men oder unvollkommen ſeyn — koͤnnen durch eine
geheime Geſellſchaft nicht gefoͤrdert werden, und
es waͤre gelind geſprochen, eine Albernheit, ihnen
dadurch entgegenarbeiten zu wollen. Die
Aufklaͤrung, die ſich damit beſchaͤftigt, dieſe oder
jene Dogmen einer kirchlichen Sekte zu widerle-
gen, oder die Falſchheit einer ganzen Religions-
parthei zu demonſtriren, iſt — Verfinſterung. Der
weiſe und gute Mann wird auf keine Weiſe
fuͤr oder wider irgend eine Sekte Parthei neh-
men, nie die kirchlichen Gegenſtaͤnde (wenn er
nicht beſondern Beruf dazu hat) zu denen ſeines
Sinnens und Handelns waͤhlen, noch weniger
aber ſich in die Untiefen eines ſinnleeren und
irreligioͤſen Myſticismus verſenken. Wenn Du alſo
hoͤrſt, daß irgend eine Maureriſche Sekte ſich irgend
einmal die Ausbreitung der Roͤmiſch-Katholi-
ſchen Kirche und Hierarchie zum Zweck
gemacht habe, oder noch mache: ſo glaube mit
feſter Zuverſicht, daß dies nicht Maurerei ſey;
wenn Du, als Frei-Maurerei alten Syſtems dar-
geſtellt, folgendes liefeſt: „Die Natur wurde dem
Moſes als das Hintertheil der Gottheit gezeiget. —
Das Licht der innern Welt iſt der Abglanz von
Jeſu. Die innere Welt gebahr die aͤußere. Die
Verwandſchaft zwiſchen beiden iſt dahero innig
und groß. Der Uebergang vom Untern zum Obern
geſchieht durch Mittel-Subſtanzen. Jeſu verklaͤrte
Menſchheit iſt die erſte dieſer Subſtanzen von
[16] oben herab, wie das Naturlicht von unten hin-
auf. Die Vereinigung beider, nebſt der Thron-
folge des goͤttlichen Geiſtes iſt Zweck der Wieder-
geburt, und dieſe der Weg zum Kleinod der
aͤußern Natur —“ *) und wenn Dir dies
ſelbſt im Hamburger unpartheiiſchen Korreſpon-
denten als einzig wahre Maurerei, mit Aengſt-
lichkeit angeprieſen wuͤrde, denke an Deinen Wei-
ſen, und entſcheide mit Sicherheit, ob dies Mau-
rerei ſeyn koͤnne.
Eben ſo kann Politik in keiner Ruͤckſicht
ihr Gegenſtand ſeyn; ſey es um der beſtehenden
Ordnung
[17] Ordnung und Staatsgewalt entgegen zu arbeiten
oder ihr durch geheime Mittel zu Huͤlfe zu kom-
men, ſei es, die Staatsverfaſſung oder den Re-
genten *) zu veraͤndern oder in die Raͤder der
Verwaltung mit unſichtbarer Hand einzugreifen. —
Niemand als unſer Weiſer iſt entfernter von dem
Duͤnkel, durch Einwirkung auf Staatsverfaſſung
etwas fuͤr die Menſchheit fordern zu wollen; er
weiß, daß es Verbrechen iſt, von dem Standpunkte
des Privatmanns aus, ihr in irgend einer Art
entgegen zu wirken und ihre hoͤchſte Autoritaͤt zu
ſchwaͤchen, oder ihr anders, als durch ſtrenge Pflicht-
erfuͤllung, in Handhabung der Gerechtigkeit und
Beſchuͤtzung des Eigenthums und andrer Rechte
der Staatsbuͤrger zu Huͤlfe zu kommen; er iſt
von der Vergangenheit belehrt, daß ein Namens-
wechſel kein Gluͤckswechſel iſt, und daß große Um-
wandelungen nur durch große und allgemeine Ur-
ſachen hervorgebracht worden ſind. Er weiß was
gut iſt, aber nicht, was gluͤcklich macht; und
iſt frei von dem Duͤnkel, tauſende gluͤcklich
machen oder erziehen zu wollen. Die Politik
liegt außer ſeinen Kreiſen; **) ſtatt der Lenker von
Erſtes Baͤndch. B
[18] Staatsangelegenheiten, will er nur guter Buͤrger
und Menſch ſeyn; ſtatt der Sorge um allgemeine
Wohlfahrt, fuͤhlt er nur die fuͤr ſeine Pflicht und
die Wohlfahrt der Seinen. — Wo man Dir irgend,
offenbar oder kuͤnſtlich verſteckt, politiſche Zwecke
fuͤr den maureriſchen verkaufen will, da ſchuͤttle
den Staub von Deinen Fuͤßen. Du haſt es
dort mit Unkundigen, mit Schwaͤrmern, mit
Selbſtſuͤchtigen zu thun, nicht mit Deinem Wei-
ſen, nicht mit Maurerei.
Vielleicht aber koͤnnte Befoͤrderung des
aͤußeren Gluͤcks der Zweck des Ordens ſein?
Vielleicht wollen die Bruͤder ſich gegenſeitig zu
Aemtern empfehlen, vielleicht errichtet man Ton-
tinen, oder vielleicht erhalten die Aeltern und
Oberen Penſionen aus dem Schatze, nach welchen
die Juͤngeren ſtreben. — Das erſtere mag ehe-
mals, hin und wieder zufaͤllig geſchehen ſeyn, denn
bei der groͤßeren Verbreitung des Ordens iſt ganz
natuͤrlich hier nichts mehr zu hoffen oder zu fuͤrch-
ten, aber es waͤre thoͤricht, ſich dies als Zweck der
Verbindung zu denken; das andre iſt — verſucht und
vergeſſen; das dritte — ſoll in einem gewiſſen Syſtem
uͤblich ſein, an andern Orten herrſcht vollkommne
Gleichheit der Leiſtungen; und glaubſt Du denn, daß
der Mann der uns fuͤr den Orden garantirt, ſich ſo
weit erniedrigen wuͤrde, eine Penſion aus Beitraͤ-
gen anzunehmen oder darauf zu lauren?
[19]
Aber ſo wird es endlich doch Befoͤrderung des
innern Gluͤcks ſein? Das, wonach St. Nicaiſe
rang, wohin er nach tauſend Irrwegen, Taͤu-
ſchungen und Leiden gefuͤhrt wurde und woran er
S. 272 des bekannten Buches ſchreibt: „Ich ſahe
mich am Ziel aller meiner Wuͤnſche, und ich ward
vollkommen uͤberzeugt, daß der Orden weit mehr
gewaͤhrt, als er verſpricht, daß von ihm in einem
weit vollkommneren Grade geſagt werden kann,
was die Heiden ehedem von ihren Geheimniſſen
ſagten: daß man dadurch lerne, mit Ver-
gnuͤgen leben, und mit einer beſſeren
Hoffnung ſterben“ oder wie er S. 382. ſpricht:
„Auch die hoͤchſte Stufe der Geheimniſſe hat
nichts anders zur Abſicht, als die Menſchen
beſſer zu machen. *)“ Wahrlich! das iſt doch
ein großer, erhabener Zweck, fuͤr den ja der Weiſe
und Tugendhafte durch ſein ganzes Leben arbei-
tet, nach dem alle Menſchen ſtreben, und fuͤr
den es ſich wohl verlohnt — —
In eine geheime oder wenigſtens geſchloſſene
Geſellſchaft zu treten? — Wird denn die Tugend
gelehrt? oder wenn ſie gelehrt wird, thun dies
nicht unſre Prediger und Philoſophen hinlaͤng-
B 2
[20] lich und vollſtaͤndig? — Kann die Tugend erleich-
tert und wie bei einem Leiden oder Ungluͤck, ihre
Laſt durch Theilnahme vermindert werden? Oder
iſt die Tugend nicht vielmehr, das eigenſte, ge-
heimſte Geſchaͤft des Menſchen, welches er kaum
mit Einem geliebten Herzen, geſchweige denn mit
einer Geſellſchaft von Bekannten theilen kann? —
Er kann in der Geſellſchaft mehr Schicklichkeit,
A [...]ndigkeit und Scheu lernen, ſich zu einem
geſetzten, und rechtlichen Betragen gewoͤhnen;
er kann viel ſchoͤne und ſogenannte nuͤtzliche
Spruͤche und Reden hoͤren, aber nicht tugend-
haft werden; und wenn er mit Vergnuͤgen zu
leben und mit einer beſſeren Hoffnung zu ſterben
„nicht anderswo und vor ſeiner Aufnahme gelernt
hat“ — im Orden moͤchte er’s ſchwerlich lernen. —
Gewiß, in eine moraliſch-aſcetiſche Geſellſchaft,
die es auf die Tugend und das Beſſerwerden,
als einzigen und letzten Zweck angelegt, moͤchte
unſer weiſe und gute Mann, wohl eben ſo wenig
ſich einweihen laſſen, als Socrates in die Eleu-
ſiniſchen Myſterien.
„Nun ſo bleibt als Zweck dieſes wunderbaren
Ordens nichts uͤbrig, als — Nichts! und er hat
nur nebenher die Vortheile einer guten und froͤh-
lichen Geſellſchaft.“ — So wahr, antwortet unſer
Weiſer und Tugendhafter, ich mit dieſem, uͤbrigens
ganz natuͤrlichen, Orden mich beſchaͤftige, und
mich ihm hingebe, ſo wahr iſt ſein Zweck und
Ziel — Etwas, und die gute Geſellſchaft iſt und
bleibt ein — Nebenher.
[21]
Es bleibt uns nun nichts anders uͤbrig, Kon-
ſtant, als dieſes Etwas zu ſuchen und alle uͤbri-
gen Nebenher, vom Goldmachen und Geiſterſe-
hen an, bis auf die Tafellogen, dort liegen zu
laſſen, wohin ſie gehoͤren. Sollten Dir uͤbrigens
noch andre ſolche Dinge einfallen, die irgend ein-
mal und von irgend einem muͤßigen Kopfe als
Ordenszweck angegeben und aufgeſtellt worden
ſind, ſo laß Dir Deine Fragen, nur von unſerm
Garant beantworten.
Fuͤr jetzt will ich noch gleichſam als Nach-
ſchrift zu dieſem Briefe, ein allgemeines maure-
riſches Vorurtheil andeuten, welches beſonders
meine Bruͤder in Deutſchland grauſam irre gefuͤhrt
hat. Wer ſich von dieſem Vorurtheil nicht los-
machen kann, der iſt wahrlich fuͤr den Ordens-
zweck verloren. Man glaubt:
das Ordensgeheimniß ſey an irgend einem
Orte oder bei gewiſſen Perſonen verwahrt
und man duͤrfe nur recht emſig ſuchen, oder
(wie St. Nicaiſe lehrt) recht großes Gluͤck
haben, ſo wuͤrden einem die Augen aufge-
than und das erhabne Geheimniß ſei gefunden.
Bald hat man es in Londen bei der Großen
Mutterloge, bald in Schottland, bald in Frank-
reich z. B. bei den Vaͤtern von Clermont in
Auvergne, auf dem Berge Heredon u. ſ. w.,
bald (wie Herr v. Waͤchter) in Italien, bald in
Schweden, bald bei zwoͤlf oder ſechzehn Auser-
waͤhlten, die in allen Laͤndern zerſtreut leben und
ſich nur untereinander kennen und cooptiren, geſucht.
[22] Was man gefunden hat, ſind vielleicht einige Bei-
traͤge zur Geſchichte oder zu den Mythen des
Ordens; aber nach ſeinem Geheimniß ſchauen die
Meiſter der Kunſt noch immer vergeblich aus. —
Quod quaeris, hic est,
es liegt Dir nahe, feſt verwahrt, allen Kuͤnſten
der Liſt und der Gewalt trotzend. Dort wollen
wir es aufſuchen.
Dritter Brief.
Was der Weiſe und Tugendhafte uͤberhaupt
wollen koͤnne, was er nothwendig wollen muͤſſe,
das wiſſen wir; wollen wir nun auch den Zweck
des Frei-Maurer-Ordens wiſſen, ſo haben wir
zu unterſuchen, was jener in einer ſolchen (von
der oͤffentlichen großen Geſellſchaft abgeſonderten)
Verbindung beabzwecken koͤnne: — ſo ſagte ich
am Schluſſe meines erſten Briefs, und Du
warſt uͤber die Konſequenz dieſer Folgerung mit
mir einverſtanden. Laß es uns nun naͤher erwaͤgen.
Das, was der Weiſe und Tugendhafte will,
was ſein Zweck iſt, iſt der Endzweck der Menſch-
heit. Der einzige Zweck des menſchlichen Da-
ſeyns auf der Erde iſt, weder Himmel noch Hoͤlle;
ſondern allein die Menſchheit, die wir hier an
uns tragen, und ihre hoͤchſtmoͤgliche Ausbil-
dung. Etwas anders kennen wir nicht; und was
[23] wir goͤttlich, teufeliſch, thieriſch nennen, iſt nichts —
als menſchlich. Was nicht in dem Zwecke der
moͤglichſt groͤſten Ausbildung enthalten iſt, was
ſich auf ihn nicht bezieht, oder ſich zu ihm ent-
weder als Theil oder als Mittel verhaͤlt, kann
der Zweck keines Menſchen ſeyn, kann ſich
der Weiſe und Tugendhafte weder im Allgemein-
ſten noch im beſonderſten Falle, als Zweck, ſetzen;
was uͤber oder unter der Menſchheit liegt, liegt
außer den Kreiſen ſeines Denkens, Strebens
und Thuns.
In irgend einem Maaße wird jener Zweck in
allen Menſchen, ohne daß ſie ihn deutlich denken
und abſichtlich befoͤrdern, blos durch ihre Geburt
zum Lichte des Tages, und durch ihr Leben in
der Geſellſchaft erreicht. Es ſcheint, als ob es
nicht ihr Zweck, ſondern ein Zweck mit ihnen
waͤre. Aber der Beſonnene denkt ſich ihn deut-
lich, es iſt ſein Zweck, ihn macht er ſich zum be-
dachten Ziele alles ſeines Thuns.
Wie wird er in der großen menſchlichen Ge-
ſellſchaft befoͤrdert? Wirkt alles gradezu und ohne
Umwege, mit vereinigten Kraͤften auf ihn hin?
So ſcheint es nicht. Sie denkt und arbeitet nicht
mit der Klarheit und Beſonnenheit, wie der ein-
zelne Weiſe; auf ihr laſten die Schulden der Vor-
welt, und mit dieſer Suͤhne beſchaͤftigt, hat ſie
kaum Zeit, fuͤr eine Nachkommenſchaft zu arbei-
ten, die wieder fuͤr eine andere zu arbeiten haben
wird. Sie muß den großen Kampf beſtehen, mit
der widerſpenſtigen Natur und der traͤgen Zeit;
[24] ſie will uͤber beide den Vortheil gewinnen und hat
ihr Geſchaͤft einer nachtheiligen, aber unvermeid-
lichen Bedingung unterworfen:
Sie hat das Ganze der menſchlichen
Ausbildung in Theile getrennet, die
Zweige und Geſchaͤfte derſelben unter
ſich vertheilt, und jedem Stande ſein
beſonderes Feld der Mitwirkſamkeit an-
gewieſen. Wie in einer Fabrik Zeit und Ko-
ſten dadurch erſpart werden, daß der eine Arbei-
ter ſein Leben hindurch nur dieſe Art von Feder,
Stift, Rad oder Gefaͤß macht, nur dieſe Farbe
auftraͤgt, nur dieſe Maſchine treibt und lenkt:
und ein andrer ebenfalls ſein ganzes Leben hin-
durch dieſe andere Art von Arbeit verrichtet, die
zuletzt ein ihnen allen unbekannter Werkmeiſter
zu einem Ganzen vereinigt: eben ſo ergeht es
in der großen Werkſtaͤtte der menſchlichen Aus-
bildung. Jeder Stand arbeitet und ſchafft etwas
fuͤr alle uͤbrigen, das außerdem jeder fuͤr ſeinen
Antheil und fuͤr ſeine Perſon ſelbſt thun muͤßte;
und dieſe ſchaffen nunmehr wieder fuͤr ihn, wozu
der fuͤr ihr Wohl anderweitig Beſchaͤftigte, weder
Zeit noch Geſchick hat.
Zum Heile und zur Ausbildung des Ganzen
leitet alle Arbeiten der Einzelnen die unſichtbare
Hand der Vorſehung. — So ſteigt der Gelehrte
hinab in die Tiefen des Geiſtes und der Wiſſen-
ſchaft, um zu Tage zu foͤrdern, was nach einigen
Zeitaltern, allen gelaͤufig und nuͤtzlich ſeyn wird,
indeß der Landmann und der Handwerker ihn
[25] ſpeiſen und kleiden; der Staatsbeamte verwaltet
das Recht, das ohne ihn die Gemeine ſelbſt ver-
walten muͤßte, und der Krieger vertheidigt den
Wehrloſen, der ihn ernaͤhrt, gegen fremde Gewalt.
Jeder Einzelne bildet ſich nun vorzuͤg-
lich nur fuͤr den Stand, den er gewaͤhlt
hat. Von Jugend auf wird er durch Wahl oder
Zufaͤlligkeiten ausſchließlich fuͤr eine Lebensart be-
ſtimmt, die Erziehung wird fuͤr die beſte gehal-
ten, die den Knaben am zweckmaͤßigſten auf ſei-
nen kuͤnftigen Beruf vorbereitet; alles das bleibt
zur Seite liegen, was mit dieſem nicht in der
naͤchſten Beziehung ſteht, oder was in ihm, wie
man ſagt, nicht gebraucht werden kann. Der
zum Gelehrten beſtimmte Juͤngling verwendet
ſeine ganze Zeit auf Erlernung der Sprachen und
Wiſſenſchaften, und zwar mit Auswahl derer, die
zum kuͤnftigen Broderwerb erforderlich ſind, ſogar
mit ſorgfaͤltiger Beſeitigung derer, die die Bil-
dung zum Gelehrten im allgemeinen erfordert.
Alle uͤbrigen Lebensarten und Geſchaͤfte ſind ihm
fremd, wie dieſe ſich unter einander fremd ſind.
Der Arzt hat ſeine ganze Aufmerkſamkeit nur auf
die Medicin, der Juriſt auf die Geſetzgebung ſei-
nes Landes, der Kaufmann auf den beſtimmten
Zweig ſeines Handels, der Fabrikant nur auf die
Hervorbringung ſeines Fabrikats gerichtet. In
ſeinem Fache weiß er das Noͤthige, und zwar mit
groͤßerer Klarheit und Gruͤndlichkeit; es iſt ihm
dies alſo beſonders lieb, er betrachtet es als ſein
erworbnes Eigenthum; er lebt in ihm, wie in ei-
[26] ner Heimath. — Und dies alles iſt gut, jeder
thut daran ſeine Schuldigkeit, das Gegentheil
wuͤrde nicht nur alle Vortheile der Geſellſchaft
aufheben, ſondern auch dem Einzelnen, wie dem
Ganzen, verderblich ſeyn.
Aber daraus entſteht bei allen noth-
wendig eine gewiſſe Halbheit und
Einſeitigkeit, welche, zwar nicht
nothwendig, aber doch gewoͤhnlich in
Pedanterei uͤbergeht. — Pedanterei, die
man gewoͤhnlich (vielleicht weil ſie hier ſichtbarer,
vielleicht weil man hier intoleranter iſt) nur dem
gelehrten Stande beimißt, herrſcht in allen Staͤn-
den und ihr Grundprinzip iſt allenthalben daſſelbe,
nehmlich folgendes: die ſeinem beſonderen Stande
eigenthuͤmliche Bildung fuͤr gemein menſchliche
Bildung zu halten und dahin zu ſtreben, daß ſie
es wirklich werde. So achtet der pedantiſche
Gelehrte nur Wiſſenſchaft und ſetzt allen andern
Werth herab; ſeine Vortraͤge und Geſpraͤche in
gemiſchten Geſellſchaften gehen darauf hinaus,
ſeinen Zuhoͤrern einige Partikel ſeiner Gelehrſam-
keit beizubringen und ſie nach ſeiner Praͤciſion im
Denken luͤſtern zu machen. Der pedantiſche Kauf-
mann verachtet dagegen den Gelehrten und ruft:
Nur Rechnen und Geld! Geld iſt die Loſung des
vernuͤnftigen und gluͤcklichen Lebens. Der Krieger
verachtet beide, preißt allein koͤrperliche Staͤrke
und Gewandtheit, kriegeriſchen Muth und Be-
hauptung der Ehre nach ſeinem Begriffe, und
haͤtte nicht uͤbel Luſt, einen jeden, der das Maaß
[27] haͤlt, zu enrolliren. Die Theologen vorzuͤglich
(denn ihr Stand hat, aus Liebe zum Himmel
oder aus Furcht vor der Hoͤlle, unter allen den
meiſten Einfluß erhalten) beſtreben ſich ſeitdem
ſie ſind, alle Menſchen, bis zu den Dorfkindern
herab, zu gruͤndlichen Theologen und taktfeſten
Dogmatikern zu erziehen. — „Trachtet vor allem
nach dem Reiche Gottes, das uͤbrige iſt Kleinig-
keit!“ ſagen die Theologen und mit ihnen alle
uͤbrigen Staͤnde, — und wir wiſſen, was ſie un-
ter dem Gottesreiche verſtehen!
So herrſcht uͤberall eine, hier nuͤtzliche dort
ſchaͤdliche, Einſeitigkeit, ſo iſt jedes Individuum
nicht blos ein Gelehrter, ſondern ein Theolog
oder Juriſt oder Arzt, nicht blos ein Religioſer,
ſondern ein Katholik, ein Lutheraner, ein Jude
oder ein Muhamedaner; nicht blos ein Menſch,
ſondern ein Politiker, ein Kaufmann, ein Krie-
ger; und ſo wird uͤberall durch die hoͤchſtmoͤgliche
Standesbildung, die hoͤchſtmoͤgliche Ausbildung
der Menſchheit (der hoͤchſte Zweck des menſchli-
chen Daſeyns) gehemmt; ja ſie muß gehemmt
werden, weil jeder die unerlaͤßliche Pflicht auf
ſich hat, ſich fuͤr ſein abgeſondertes Geſchaͤft, ſo
vollkommen als moͤglich zu bilden, und dieſes ohne
die Gefahr der Einſeitigkeit beinah unmoͤglich iſt.
Nach dieſen Vorausſetzungen kehren wir nun
zur Frei-Maurerei zuruͤck, um uns nicht mehr
von ihr zu trennen, und bauen darauf einige be-
deutende Folgerungen. — Was ich Dir in meinem
zweiten Briefe in Beiſpielen, zu einem andern
[28] Zwecke, darlegte, wird Dir nun als konſequente
Folgerung aus dem Geſagten klarer hervorgehen.
Die Maurerei nehmlich kann keinen
der Zwecke beabſichtigen, mit denen noto-
riſch und offenbar irgend ein in der
menſchlichen Geſellſchaft beſtehender
Stand, Einrichtung oder Ordnung ſchon
beſchaͤftigt iſt; ſie kann keiner andern Verbin-
dung in den Weg treten oder zur Seite gehen
wollen; denn dann waͤre ſie uͤberfluͤßig, indem
ſie thun wollte, was ſchon ohne ſie geſchieht. —
Sie duͤrfte ſich nicht damit entſchuldigen, daß die
oͤffentliche Anſtalt, der ſie zur Seite gehen und
deren Zweck ſie adoptiren wollte, mangelhaft und
fehlerhaft waͤre. Es iſt leere Anmaßung, das als
Nebengeſchaͤft beſſer machen zu wollen, was an-
dre, als Hauptgeſchaͤft nicht beſſer machen koͤnnen;
es iſt Thorheit, uͤber Anſtalten ein Verdammungs-
Urtheil zu ſprechen, die man vielleicht nur nach
ihrem Aeußeren, nicht nach den unumgaͤnglichen
Schwierigkeiten kennt, die ſie in dem Objekt ih-
rer Wirkſamkeit finden. Jede dieſer Anſtalten
im Staate traͤgt den Keim des Beſſeren in ſich
und ſtrebt nach der Vollkommenheit, und es kann
fuͤr die Maurerei uͤberall nur die Frage ſeyn: Ob
eine Anſtalt fuͤr einen gewiſſen Zweck da iſt, nicht,
wie gut ſie iſt; denn dafuͤr haben andre zu ſor-
gen. Wollte ſie in einen fremden Plan thaͤtig ein-
greifen, ſo wuͤrde ſie nur Unordnung verbreiten,
indem ſie die Ausfuͤhrung deſſelben ſtoͤrte und ver-
wirrte; ſie waͤre hoͤchſtſchaͤdlich, indem ſie
[29] dies noch dazu im Geheim thun muͤßte, da ja
oͤffentlich kein einzelner Zweig der menſchlichen
Bildung bekannt iſt, den ſie uͤbernommen haͤtte.
Eine ſolche Geſellſchaft, ſie moͤchte ſich nun
mit kirchlichen oder politiſchen, philoſophiſchen, ge-
lehrten oder merkantiliſchen Gegenſtaͤnden beſchaͤf-
tigen, koͤnnte der Weiſe und Tugendhafte nicht
unterſtuͤtzen, er muͤßte vielmehr, nachdem ihm ihr
verwirrendes Daſeyn bekannt worden waͤre, ſie zu
Grunde richten. Und dazu wuͤrde es keiner wei-
teren Muͤhe beduͤrfen, als der, ſie nur anzu-
zeigen; denn es iſt das hoͤchſte Intreſſe der gan-
zen menſchlichen Geſellſchaft und jedes Zweiges
derſelben, des Staats, der Kirche, des gelehrten
und handelnden Publikums, eine ſolche Verbin-
dung zu vernichten, ſo bald ſie ihr bekannt wird.
So waͤre denn jeder Zweck, mit dem irgend
ein Stand in der Geſellſchaft ſchon beſchaͤftigt iſt,
von der Maurerei gaͤnzlich und unbedingt ausge-
ſchloſſen; und es waͤre eben ſo thoͤricht und laͤcher-
lich, wenn ſich ihre Glieder im Geheim damit
beſchaͤftigen wollten, gute Schuhe zu machen, als,
den Staat im Ganzen oder im Einzelnen zu re-
formiren. Jeder Maurer, der dies laͤugnen wollte,
wuͤrde nicht nur ſeinen guten Willen und ſeine
maureriſche Einſicht, ſondern ſeinen geſunden Ver-
ſtand in Verdacht ſetzen.
Aber irgend einen Zweck muß ſie doch ha-
ben; denn ſonſt waͤre ſie eine eitle, leere Spiele-
rei und der Weiſe und Tugendhafte koͤnnte ſich
eben ſo wenig mit ihr befaſſen, als wenn ſie ſich
[30] den obengenannten ſchaͤdlichen Zweck ſetzte. Dies
aber koͤnnte nur ein ſolcher Zweck ſeyn
fuͤr den die groͤßere menſchliche Ge-
ſellſchaft gar keine beſondre Anſtalt
hat, ein Zweck, fuͤr den ſie ſeiner (des
Zwecks) und ihrer (der Geſellſchaft) Na-
tur nach, gar keine beſondre Anſtalt
haben kann.
Denn koͤnnte ſie eine ſolche Anſtalt haben, ſo
kaͤme es dem Weiſen und Tugendhaften viel-
mehr zu, dieſe Anſtalt in dem Schooße der gro-
ßen Geſellſchaft zu veranlaſſen, und ſie aus ihm
hervorgehen zu laſſen, als ſein Ziel durch Abſon-
derung von dieſer Geſellſchaft befoͤrdern zu wol-
len. Die Natur der großen Geſellſchaft und die
Natur des in ihren Kreis gehoͤrigen Zwecks,
erforderte es unbedingt, daß er den Staat auf
dieſen, faſt unbegreiflicher Weiſe, bisher vergeſſe-
nen Zweig ſeiner Wirkſamkeit aufmerkſam machte;
dieſem muͤßte er es dann wieder unbedingt uͤber-
laſſen, ob er die Anſtalten dafuͤr treffen wolle oder
nicht; auf keinen Fall duͤrfte er mit einer Geſell-
ſchaft ſich abſondern, um fuͤr dieſen Zweck thaͤtig
zu ſeyn, weil er auf keinen Fall fuͤr dieſe Art
der Wirkſamkeit gehoͤrt.
Es iſt nun die Frage, ob es einen ſolchen,
vernuͤnftigen und guten Zweck geben koͤnne, fuͤr
welchen die groͤßere Geſellſchaft, ihrer Natur nach,
keine beſondre Anſtalt haben kann, und welches
dieſer Zweck ſey — und der einzig moͤgliche Zweck
[31] der Maurerei, (rein, als abgeſonderte Geſell-
ſchaft betrachtet) waͤre gefunden. Wir wollen ſehen.
Vierter Brief.
Ich werde ſogleich deine Vermuthung: ob ich
etwa die Frei-Maurerei als Selbſtzweck auf-
zuſtellen gedenke, naͤher beleuchten, wenn ich dir
die zweite Folgerung aus unſrer obigen Betrach-
tung uͤber die groͤßere menſchliche Geſellſchaft, als
den Schlußſtein dieſer Gedankenreihe, werde vor-
gelegt haben.
Wir haben es als ein Uebel erkannt, daß die
Bildung in der groͤßeren Geſellſchaft und fuͤr ſie,
zugleich immer mit einer gewiſſen Einſeitigkeit und
Halbheit verbunden ſei, die der hoͤchſtmoͤglichen,
d. i. rein menſchlichen Ausbildung im Wege ſtehe
und den einzelnen Menſchen, wie die geſammte
Menſchheit, am gluͤcklichen Fortſchreiten zum Ziele
hindre. — Nur nachdem Du dies erkannt und
Dich von dem einſeitigen Gedanken von der Nuͤtz-
lichkeit der Einſeitigkeit in der Geſchaͤftsbetreibung
los gemacht haſt, kann ich hoffen, daß Du mei-
nen Schluß konkludent finden, und die Sache
mit Deinem Gefuͤhl umfaſſen werdeſt.
Es iſt uns nun ein Zweck gegeben, den die
groͤßere menſchliche Geſellſchaft gar nicht beab-
[32] ſichtigen kann, indem er uͤber ſie hinausliegt
und durch die Exiſtenz der Geſellſchaft erſt auf-
geſtellt wird, ein Zweck, der nur durch Ausge-
hen von der Geſellſchaft und Abſonde-
rung von ihr erreicht werden kann, der Zweck:
die Nachtheile der Bildungsweiſe in
der groͤßeren Geſellſchaft wieder auf-
zuheben und die einſeitige Bildung
fuͤr den beſonderen Stand in die
gemein menſchliche Bildung, in die
allſeitige des ganzen Menſchen, als
Menſchen zu verſchmelzen.
Dieſer Zweck iſt groß, denn er hat das zum
Gegenſtande, was dem Menſchen das intereſ-
ſanteſte iſt; er iſt vernuͤnftig, denn er druͤckt
eine unſrer heiligſten Pflichten aus; er iſt moͤg-
lich, denn alles iſt moͤglich, was wir ſollen; er
iſt in der großen Geſellſchaft zu erreichen faſt
unmoͤglich, wenigſtens aͤußerſt ſchwer, da Stand,
Lebensart, Verhaͤltniſſe, den Menſchen mit feinen,
aber feſten Banden verſtricken und ihn, oft ohne
daß er ſie gewahr wird, in einem Kreiſe herum-
ziehen, ſtatt daß er vorwaͤrts gehen ſollte; er iſt
ſonach nur durch Abſonderung von ihr zu errei-
chen. Nicht durch immerwaͤhrende Abſonderung,
weil daraus eine neue Einſeitigkeit entſtehen, weil
dadurch die Vortheile der etwa gewonnenen rein
menſchlichen Bildung fuͤr die Geſellſchaft verlo-
ren gehen wuͤrde, und weil es allein darauf abge-
ſehen iſt, beide Bildungsarten zu verſchmelzen,
und die noͤthige Standesbildung dadurch zu erhoͤ-
hen.
[33] hen. Nicht durch Zuruͤckziehen in die Einſamkeit —
denn dieſe verſtaͤrkt unſre Einſeitigkeit mehr, als
daß ſie ſie aufhebt und uͤberzieht unſer Herz mit
einer egoiſtiſchen Rinde. — Alſo allein durch Zutritt
zu einer von der groͤßeren abgeſonderten Ge-
ſellſchaft, die keinem unſrer Verhaͤltniſſe in
jener ſchadet, und welche die Veranſtaltung getrof-
fen hat, uns zu Zeiten den Zweck der Menſch-
heit vor Augen und ans Herz zu legen, ihn zu
dem gedachten Unſrigen zu machen, und welche
durch tauſend Mittel dahin arbeitet, uns von
unſern Standes- und Geſellſchaftsunarten zu ent-
woͤhnen und unſre Bildung zu einer rein-menſch-
lichen zu erheben.
Dieß oder keiner iſt der Zweck der Frei-Mau-
rer-Geſellſchaft, ſo gewiß Weiſe und Tugendhafte
ſich mit derſelben befaſſen. — Der Maurer,
der als Menſch gebohren ward, und durch die
Bildung ſeines Standes, durch den Staat und
durch ſeine uͤbrigen geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe
hindurchging, ſoll auf dieſem Boden wieder ganz
und durchaus zum Menſchen gebildet werden. —
Dies kann allein die Abſicht einer abgeſonderten
Geſellſchaft ſein; und dies beantwortet uns die
aufgeſtellte Frage: Was iſt der Frei-Maurer-Or-
den an und fuͤr ſich ſelbſt oder, wenn Du lieber
willſt, was kann er ſeyn?
„Aber, ſagſt Du, Dieſer Zweck iſt theils zu
weit, theils zu enge. Jenes, weil er auch auf
andern Wegen, durch Nachdenken, Reiſen, Um-
hertreiben unter Menſchen und im geſelligen Le-
Erſtes Baͤndch. C
[34] ben erreicht werden kann; dieſes, weil keine Ge-
ſellſchaft irgend einer Art, ihrer Natur nach, die
vollkommne Erreichung deſſelben bewirken kann.“
Auf jenes, woruͤber in der Folge erſt das erfor-
derliche Licht kommen wird, antworte ich fuͤr jetzt
nur kurz dieſes: Der Menſch kann ſich auf den
angegebenen Wegen abſchleifen und eine Tournure
erhalten, die uͤber ſeinen Stand hinausgeht; er
kann den Pedantismus aus ſeinem Aeußeren zu
verwiſchen lernen, und ſeine Denkungsart zu
einer groͤßern Allgemeinheit erheben, als zuvor.
Aber ſein Juneres bleibt durch dieſes alles unbe-
ruͤhrt; er geht fort auf ſeinen alten Wegen, nur
hinter Zaͤunen und eleganten Waͤnden. Durch
bloßes Nachdenken kann er vielleicht den Stan-
desgeiſt in ſich verwiſchen, aber ſeinem individuellen
Charakter, der vom Charakter der reinen Menſch-
heit noch ſehr verſchieden iſt, deſto groͤßere Hart-
naͤckigkeit geben. Das, was hier in allem Ernſte ge-
wirkt werden ſoll, kann nur in einer abgeſonderten
Geſellſchaft geſchehen wie wir ſie deducirt haben,
und wie Du ſie Dir bald, mit mir, nach ihrer
ganzen Wirkſamkeit denken wirſt. — Der zweite
Einwurf, den Du angedeutet haſt, iſt wichtiger;
und ich ſetze zu meiner obigen Angabe des Zwecks
ſogleich die bedeutende Einſchraͤnkung hinzu:
in wie fern eine ſolche Bildung durch
eine ausdruͤcklich fuͤr dieſen Zweck er-
richtete Geſellſchaft moͤglich iſt.
Es giebt nehmlich eine gemeinmenſchliche Art der
Bildung, uͤber welche jeder nur ſich ſelbſt, ſein
[35] Gewiſſen und Gott zum Zeugen und Richter
nimmt, die fuͤr die ſittliche Freiheit. Du
kennſt daruͤber meine Ueberzeugung. — „Jeder,
der es redlich mit ſich ſelbſt meint, ſo ſchrieb ich
vor einigen Jahren an einem andern Orte, muß
ſich unablaͤßig ſelbſt beobachten, und an ſeiner
Veredelung arbeiten; dies muß ihm durch Uebung
gleichſam natuͤrlich geworden ſeyn. Aber dies Ge-
ſchaͤft ſcheint, ſeiner Natur nach, keiner Mitthei-
lung faͤhig zu ſeyn. Ich kam zu einem Maler,
den ich arbeiten ſehen wollte, er zeigte mir alle
ſeine Gemaͤlde, ſelbſt die noch nicht vollendeten;
aber, ſo ſehr ich ihn auch darum bat, ſo wollte
er doch vor meinen Augen nicht daran arbeiten,
er verſicherte: die Werke des Genies gelaͤngen nur
in der Einſamkeit. Dies fuͤhrte mich auf das
Werk des moraliſchen Genius in uns, und ich
ahnete die Wahrheit, daß man auch dabei al-
lein ſeyn muͤſſe. Ich fand es immer mehr be-
ſtaͤtigt, daß das wahre Beſtreben, ſich zu vered-
len, ſehr zart und ſchamhaft ſey, daß es ſich in
ſelbſt zuruͤckziche und ſich gar nicht mittheilen
koͤnne. — Nie hatte ich meine Verbeſſerung in
Worte vor mir ſelbſt gebracht: wie wollte ich
ſie doch vor andern in Worte kleiden! Genug,
ich handelte anders, und meine Freunde, wie
ich ſelbſt, erkannten das Wachsthum der Pflanze
nur an ihren Fruͤchten. — Sonach ſoll man nie ſeine
Verbeſſerung zur Schau tragen, ſich nie zu einem
bloßen Bekenntniß ſeiner Fehler erniedrigen, ſon-
dern ſie ablegen. Ekeln ſoll uns vor ihnen; dann
C 2
[36] werden wir ſie nicht gleichſam hin und herwen-
den, um ſie recht beſtimmt und zierlich auszu-
druͤcken. Wollte man ſich, aus mißverſtandnem
Pflichtgefuͤhl, einem gewiſſen Heldengeiſte in der
Freundſchaft (oder zu Gunſten eines Geſellſchafts-
zwecks) doch dazu zwingen, ſo wuͤrde man ſich nur
mit ihnen vertraut machen, ſie lieb gewinnen, we-
nigſtens das Daſeyn von Fehlern nicht mehr fuͤrch-
ten, die man ſo laut verdammt hat, wenigſtens
ſich ſelbſt mit dem Geſtaͤndniſſe beſtechen, indem
man es ſich als Verbeſſerung ſelbſt anrechnete.“
Und ſo iſt es. Seine Bildung fuͤr ſittliche Frei-
heit zu einer geſellſchaftlichen Angelegenheit zu
machen, daruͤber mit andern zu ſprechen, ſich von
ihnen zur Rechenſchaft ziehen zu laſſen und ihnen
zu beichten oder ſich beichten zu laſſen, zerruͤttet
das Gemuͤth von Grund aus; denn es verletzt
die heilige Schaam, es macht zum ſchaͤndlichſten
Heuchler, dem, vor ſich ſelbſt; und eine Geſellſchaft,
die ſich damit befaßte, fuͤhrte in der That zur fin-
ſterſten Moͤnchsaſcetik. — Alſo mit dieſer Bildung
zur reinen Menſchheit hat es die Maurerei nicht
zu thun, ſo wie keine Geſellſchaft, die nicht aus
Schwaͤrmern beſteht, und welche das Horaziſche
Insani sapiens nomen ferat, aequus iniqui,
Ultra, quam satis est, virtutem si petat
ipsam*)
verſtanden hat.
[37]
Alles was nach irgend einem Unterſchiede unter
den Menſchen, ſei es an Kunſtfertigkeit, ſei es an
Kenntniſſen oder an Tugend ausſieht, iſt gegen die
Maurerei profan; was aber die ſittliche Freiheit
betrifft, dagegen iſt ſelbſt die Maurerei profan
und unheilig; denn jene iſt das Allerheiligſte, wo-
gegen ſogar das Heilige gemein iſt. — Dieſen fe-
ſten und durchaus beſtimmten und in ſich klaren
Begriff muͤſſen wir allerdings zum Kanon der
Maurerei und zu einem Princip einer Kritik al-
les Maureriſchen machen, wenn wir eine ſolche
Kritik aufzuſtellen haͤtten.
Ein anderes iſt freilich, um auch dies kurz
anzudeuten, die Bildung des Geiſtes und der
Triebe zur Empfaͤnglichkeit fuͤr Moralitaͤt,
die Bildung der aͤußeren Sitten und der aͤußeren
Geſetzmaͤßigkeit. Dieſe gehoͤrt allerdings zur Mau-
rerei.
Nun wird das Bild der Maurerei, wie ſie
an und fuͤr ſich ſelbſt iſt, oder einzig ſeyn kann
und ſoll, vor Deiner Seele ſtehen. — Ich zeichne
dies Bild noch mit einigen Zuͤgen. Hier treten
Maͤnner aus allen Staͤnden frei zuſammen und
*)
[38] bringen die Bildung, die jeder nach ſeiner Indi-
vidualitaͤt, in ſeinem Stande, erwerben konnte,
auf einen Haufen. Jeder bringt und giebt, was
er hat: der denkende Kopf, beſtimmte und klare
Begriffe, der handelnde Mann Fertigkeit und
Leichtigkeit in der Kunſt des Lebens, der Reli-
gioͤſe ſeinen religioͤſen Sinn, der Kuͤnſtler ſeinen
kuͤnſtleriſchen Enthuſiasmus. Aber keiner giebt es
auf dieſelbe Weiſe, wie er es in ſeinem Stande
erhalten hat und in ſeinem Stande fortpflanzen
wuͤrde. Jeder laͤßt gleichſam das Einzelne und
Specielle liegen, und holt das heraus, was es
als Reſultat in ſeinem Innern gewirkt hat; er
beſtrebt ſich, ſeinen Beitrag ſo zu geben, daß er
an jedes Mitglied der Geſellſchaft gelangen koͤnne;
und die ganze Geſellſchaft bemuͤht ſich, dieſes ſein
Beſtreben zu unterſtuͤtzen und eben dadurch ſeiner
bisher einſeitigen Bildung allgemeine Brauchbar-
keit und Allſeitigkeit zu geben. In dieſer Ver-
bindung empfaͤngt jeder in demſelben Maaße, als
er giebt; grade dadurch, daß er giebt, wird ihm
gegeben, nehmlich die Fertigkeit, geben zu koͤnnen.
Halte dies Bild feſt in Deiner Seele, Kon-
ſtant! und es werden ſich Dir entzuͤckende Aus-
ſichten uͤber die Wirkſamkeit einer ſolchen Geſell-
ſchaft eroͤffnen. Lebe wohl.
[39]
Fuͤnfter Brief.
Jetzt erſt beantworte ich Dir Deine Frage: Kann
man die Freimaurerei nicht als Selbſtzweck auf-
ſtellen? ob Du ſie gleich ſchon zuruͤckgenommen
haſt; blos weil es mir zu einigen Nebenbeſtim-
mungen Anlaß giebt.
Du biſt, wie Du auch geſtehſt, auf dieſe Idee
durch Vergleichung der Frei-Maurerei mit der
Religion gefallen. Was iſt der Zweck der Kirche,
kann man fragen. — Die Befoͤrderung der Re-
ligion. Was iſt der Zweck der Religion? Ohne
Zweifel ſie ſelbſt, denn ſie iſt blos das Reſultat,
die Forderung des harmoniſchen Geiſtes und Her-
zens, das Produkt unſrer Beſonnenheit, die hoͤchſte
Bluͤthe unſrer Vernunft, der Wuͤrde unſrer Na-
tur. Wozu ſoll ſie noch gut ſeyn oder als Mittel
dienen, was beendzwecken? So iſt der Orden
der Freimaurer da, um die Freimaurerei zu
erhalten, zu cultiviren; ſie ſelbſt iſt nicht zu et-
was gut, ſie iſt an und fuͤr ſich ſelbſt gut, nicht
Mittel zu irgend einem Zwecke. Was ſoll ſie
noch weiter beabſichtigen? Was ſie wirkt und wir-
ken kann, was ſie in ihm hervorgebracht hat und
in andern hervorbringen ſoll, das muß der wahre
Maurer kennen; und dies iſt — Frei-Maurerei.
Sonach waͤre es uͤberhaupt vergeblich nach ei-
nem Zwecke derſelben zu fragen, dieſe Frage zu
beantworten und den Begriff eines ſolchen Zweckes
(wie wir gethan haben) aufzuſtellen; ſie waͤre
[40] um ihrer ſelbſt willen da, ſie ſollte ſchlechthin
ſeyn und waͤre ein Beſtandtheil des Abſoluten.
Es giebt einen gewiſſen Sinn, in welchem
dieſe Behauptung gar wohl gedacht werden kann,
in welchem ſie wahr und wichtig iſt. Aber ſie
ſcheint nicht beſtimmt genung ausgedruͤckt zu ſeyn.
Man ſpricht oft, ob mit philoſophiſcher Praͤciſion,
will ich hier nicht beſtimmen, von einem weite-
ſten und weiten, engen und engſten Sinne der
Worte und Saͤtze in der Philoſophie. So koͤnnte
jemand ſagen: Wenn ich die Maurerei Selbſt-
zweck nenne, ſo meine ich die Maurerei in der
engſten Bedeutung. Dies aber iſt mir grade
jene gemeinſame, reinmenſchliche Bildung, die Du
als den Zweck der Maurerei aufgeſtellt haft.
Sonach iſt mir ihr Zweck — ſie ſelbſt.
Die Sache iſt richtig, aber die Worte ſind et-
was unverſtaͤndlich. — Der Menſch iſt Selbſt-
zweck und jene rein menſchliche Bildung iſt eine
ſchlechthin geforderte Weiſe des Menſchen,
da zu ſeyn, ſonach ein Beſtandtheil deſſen, was
Selbſtzweck iſt, oder des Abſoluten. Aber ſollte
wohl jemand Maurerei und gemeinmenſch-
liche Bildung fuͤr gleichbedeutende Ausdruͤcke
anerkennen? Die maureriſche Geſinnung, (nach-
dem man nehmlich vors erſte den Ausdruck auf
die ſo eben angegebne Weiſe erklaͤrt hat) kann
Selbſtzweck genannt werden, aber heißt denn
Maurerei oder Frei-Mauerorden, ſo viel als mau-
reriſche Geſinnung? Die Maurerei iſt keine Bil-
dung oder Geſinnung, ſondern eine Geſellſchaft
[41] oder Verbindung. Ich kann nicht ſprechen: der
Bruder NN. hat nach ſeiner Freimaurerei dieſe
loͤbliche That gethan, ſondern ſie iſt ein Beweis
ſeiner guten maureriſchen Geſinnung; oder: der
Herr NN. hat die Frei-Maurerei in ſich, ohne
in den Orden aufgenommen zu ſeyn, obwohl er
die wahre (maureriſche) Geſinnung einer gemein-
menſchlichen Bildung haben kann. — Da nun
aber das Wort Maurerei die Verbindung anzeigt,
ſo kann ſie nicht Selbſtzweck, ſondern nur Mittel
genannt werden, denn die Verbindung fuͤr den
angegebnen Zweck, iſt nur Mittel und ſoll nicht
ſchlechthin ſeyn, ſondern nur unter der Bedingung
eines gewiſſen Zuſtandes der Welt, wie er nun
eben gegenwaͤrtig iſt.
Denn, nur weil der Zweck, den die abgeſon-
derte Geſellſchaft ſich vorſetzt, in der groͤßeren
wie ſie gegenwaͤrtig iſt, nicht erreicht werden kann,
wird die abgeſonderte Geſellſchaft geſtiftet. Aber
die groͤßere Geſellſchaft iſt nicht nothwendig
ſo, wie ſie iſt. Sie kann im Vernunftgebiete
ganz anders, zum wenigſten ohne die oben ange-
gebne Bedingung in der Bildung der Individuen
gedacht werden; ſie ſoll vielmehr ſtets zum Beſ-
ſeren fortſchreiten, und dieſes Beſſere beſteht ganz
beſonders auch in der Gleichheit und Harmonie
der Ausbildung aller Individuen. Thut ſie dies,
ſo wird in eben dem Maaße, als ſie darin fort-
ſchreitet, die abgeſonderte Geſellſchaft weniger noth-
wendig; und wie ſie ihr Ziel erreicht hat, uͤber-
fluͤßig und unſtatthaft. Kann man nun von ei-
[42] ner ſo relativen Sache ſagen, ſie ſei ein Beſtand-
theil des Abſoluten?
Man koͤnnte ſagen, es ſey Zweck der geſamm-
ten Menſchheit, eine einzige große Verbindung zu
bilden, wie gegenwaͤrtig die Maureriſche — ſeyn
ſollte. *) Aber ſelbſt die bloße Exiſtenz der Mau-
rerei beweißt, daß das, was wir Selbſtzweck ge-
nannt haben, noch gar nicht erreicht ſey.
Das Beiſpiel, deſſen man ſich fuͤr jene Be-
hauptung bedient, ſoll das Gegentheil derſelben in
ein helleres Licht ſetzen. Man ſagt: man koͤnne
nicht nach einem Zwecke der Religion (oder be-
ſtimmter: der Religioſitaͤt, der religioͤſen Geſin-
nung) wohl aber nach einem Zwecke der Kirche
fragen. Ganz richtig! aber dem Begriffe der
Religioſitaͤt entſpricht ja eben nicht der Begriff der
Maurerei, ſondern vielmehr der, der reinmenſch-
lichen Bildung; dem der Kirche aber grade der
der Maurerei oder (welches einerlei iſt) des Frei-
maurer-Ordens. — Maurerei bedeutet alſo (um
alles kurz zuſammen zu faſſen) nicht die Geſin-
nung, ſondern die Verbindung; dieſe aber, um
die Geſinnung hervorzubringen, iſt bedingt durch
etwas Zufaͤlliges, das eben ſo wohl auch nicht
ſeyn koͤnnte und in der That nicht ſeyn ſollte.
Die Maurerei iſt ſonach nicht Selbſtzweck, ſo
wenig, als, nach jener eignen Meinung, die Kirche;
[43] und man kann bei beiden, mit allem philoſophi-
ſchen Rechte, nach ihren Zwecken fragen und ſie
deutlich und beſtimmt angeben.
Ich hoffe dies in Anſehung der Maurerei ge-
than zu haben. Aber wir ſind noch nicht am
Ende. Wir haben nicht nur noch zu unterſu-
chen, was und wie die Maurerei ſowohl auf ihre
Glieder, als auf die Welt wirke; ſondern auch
die oben aufgeſtellten Grundſaͤtze ausfuͤhrlicher
auseinander zu ſetzen und weiter anzuwenden, da-
mit ſie zur Beurtheilung des gegenwaͤrtigen Zu-
ſtandes der Maurerei und des maureriſchen Be-
tragens faͤhiger und hinreichend werden.
Ich rechne darauf, daß Dich dies alles, als
Weltbuͤrger und Menſch, intereſſirt, Konſtant,
und hoffe von Dir, daß Du Dir die (maureri-
ſche). Geſinnung, nach welcher alles, was die
Menſchheit und ihre Ausbildung betrifft, Auf-
merkſamkeit und Theilnahme erweckt, und welche
Dich mir ſo lieb macht, erhalten werdeſt, auch
wenn Du nie in eine Loge eingehen ſollteſt.
Lebe wohl.
[[44]]
2.
Ueberſicht der Geſchichte der Maurerei.
I.
Alte Geſchichte.
287.
St. Alban fuͤhrt die erſten Baumeiſter und
Maurer in Groß-Brittannien ein, und vereinigt
ſie zu einer Geſellſchaft. „Bei der Ankunft des
Keiſers Carauſius (Caracalla) in Brittannien
(287.), erhielten die Maurer durch einen ofnen Brief
die Freiheit, ein General-Concilium zu verſamm-
len, welchem St. Alban perſoͤnlich als Groß-Mei-
ſter vorſaß, und mehreren Aufnahmen beiwohnte.“
Free-Masons Calendar. for 1775.
600.
Stand Auguſtin, Erzbiſchof von Canterbury,
(der nach England gekommen war, um Ethelbert,
Koͤnig von Kent zu taufen) an der Spitze der
[45] Maurer, als der Grund zu der alten Kathe-
dralkirche zu Canterbury und 602 zu der zu R[o]che-
ſter gelegt wurde.
Free-Mas. Cal. for 1775.
680.
Verſchiedene erfahrne Maurer und Baumei-
ſter kommen aus Frankreich nach England, welche
ſich unter ſich ſelbſt in Logen vertheilen, unter
Anfuͤhrung Bennets, Abts zu Wirral, den
Kenred, Koͤnig von Mercia ernannte, die Auf-
ſicht uͤber die Arbeiten zu fuͤhren. l. c.
856.
Kam die Maurerei, unter Beguͤnſtigung des
heiligen Swithin, welchem der ſaͤchſiſche Koͤnig
Ethelwolph auftrug, einige heilige Gebaͤude
zu renoviren, wieder in Flor. (nachdem ſie unter
der Heptarchie gelegen hatte.) l. c.
872.
Die Kunſt erhaͤlt an Koͤnig Alfred Greg.
von 872—900) einen eifrigen Befoͤrderer und
Beſchuͤtzer. Er ſtiftete auch die Univerſitaͤt zu
Oxford. l. c.
900.
Edward, Alfreds Nachfolger, uͤberließ die
Sorge fuͤr die Kunſt dem Gemahl ſeiner Schwe-
ſter Ethred und ſeinem gelehrten Bruder Ethel-
ward, welche die Univerſitaͤt Cambridge ſtifteten.
l. c.
[46]
924.
Athelſtane, Sohn und Nachfolger Ed-
wards, ernennt ſeinen Bruder Edwin zum
Patron der befreiten Maurer, welchem er auch
einen Freiheitsbrief fuͤr ſie ertheilt, vermoͤge deſ-
ſen ſie jaͤhrlich zu Yorck eine allgemeine Verſamm-
lung halten durften. l. c.
925.
[Athelſtan, Enkel Alfreds und EduardI.
laͤßt aus Frankreich Maurer und Baumeiſter nach
England kommen, ſtellt ſeinen Bruder Edwin an
ihre Spitze, und giebt ihnen Freiheiten und eigne
Jurisdiktion.]
926.
Prinz Edwin haͤlt als Großmeiſter zu York
die erſte große Loge der befreiten Maurer, und
laͤßt Konſtitution und Geſetze entwerfen. Hier
wurden (nach dem erwaͤhnten Frei-Maurer-Ca-
lender) viele alte Schriften in griechiſcher, lateini-
ſcher und andern Sprachen zuſammen gebracht,
aus denen die Konſtitution der engliſchen Logen
ein Auszug ſeyn ſoll.
960.
Die Kunſt der freien Maurer bluͤht unter
dem Schutze Edgars, und dem Groß-Meiſter-
thum Dunſtan’s. Nach dem Tode Edgars
(975) ſank ſie auf beinah 50 Jahre zuruͤck.
Free M. A. 1775.
[47]
1041.
Die Kunſt bluͤhte auf unter Edward, mit
dem Beinamen Confeſſor. Er baute die Weſt-
minſter-Abtei von neuem, und machte den Leo-
frik, Carl of Coventry zum Oberaufſeher der
Arbeiten. Unter dieſem trefflichen Architekten kam
auch die Abtei zu Coventry und verſchiedne andre
Gebaͤude zu Stande. l. c.
1066.
Wilhelm der Eroberer gelangt zur engliſchen
Krone. Er ernannte den Biſchof von Rocheſter,
Gundulph und Roger de Montgomery zu
gemeinſchaftlichen Schutzherrn der Maurer, welche
um dieſe Zeit ſowohl in der Civil- als Kriegsbau-
kunſt große Meiſter waren. Unter ihrer Aufſicht
wurde die Bruͤderſchaft gebraucht, den Tower zu
London zu bauen, welcher unter der folgenden
Regierung zu Stande kam. l. c.
1087.
William Rufus erbaut die Londner Bruͤcke
von neuem, ſo wie den Pallaſt und die große
Halle zu Weſtminſter.
1135.
Koͤnig Stephanus ließ durch die Bruͤder-
ſchaft eine Kapelle zu Weſtminſter erbauen, wor-
inn ſich jetzt das Haus der Gemeinen verſamm-
let; unter Direktion Gilberts de Clara,
[48] Marquis von Pembrocke, der damals die Auf-
ſicht uͤber die Logen fuͤhrte. l. c.
1155.
Der Groß-Meiſter der Tempel-Ritter, der
damals die Aufſicht uͤber die freien Maurer hatte,
bedient ſich derſelben, um den Tempelhof in Fleet-
Street zu errichten. l. c.
1199.
Bis zu dieſem Jahre ſtand die Bruͤderſchaft
unter dem Patronat des Tempelherrn-Ordens;
Peter de Colechurch ward nun zum Groß-
Meiſter der Maurer ernannt. Er fing an die
Londner Bruͤcke von Steinen aufzufuͤhren, welche
1209.
von William Alcmain vollendet ward.
Unter Peter de Rupibus und ſeinem De-
putirten Geoffrey Fitz-Peter, bluͤht die Kunſt
zur Zeit Heinrichs des II. und ſeines Nach-
folgers.
1220.
Waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit HeinrichsIII.
ward der Anfang mit Erbauung der Weſtminſter-
Abtei gemacht.
1272.
Bei der Thronbeſteigung Eduard’s I. ſtan-
den an der Spitze der Bruͤderſchaft: Walther
Giffard, Erzbiſchof v. York, Gilbert de Clare,
Carl
[49]Carl of Glouceſter, und Ralph Lord of
Monthermer, welche auch den Bau der Weſt-
Muͤnſter-Abtei dirigirten.
1307.
Ward Walther Stapleton, Biſchof von
Exeter zum Patron der Bruͤderſchaft ernannt,
unter deſſen Direktion die Collegien Exeter und
Oriel zu Oxford, Clare-Hall zu Cambridge
u. a. Gebaͤude aufgefuͤhrt wurden.
1314.
Einige fluͤchtige Bruͤder des Tempelherrn Or-
den muͤſſen ſich in den Brittiſchen Inſeln verber-
gen und eine Zeitlang als gemeine Maurer arbei-
ten um ihr Leben zu erhalten.
Si Fabula vera est!
1357.
William a Wickham, nachmaliger Biſchof
von Wincheſter erbaut an der Spitze von 400
freien Maurern das Schloß zu Windſor.
1358.
EduardIII. ſtudirt und verbeſſert die Ein-
richtung und die alten Geſetze der Geſellſchaft,
und fuͤgt dem alten Originalgeſetzbuche verſchiedne
weiſe Verordnungen bei. Die Logen waren zu
zahlreich geworden. Eduard, als Groß-Mei-
ſter verſammlete daher die große Loge, wobei
die Lords des Reichs (beinah alle Maurer) gegen-
Erſtes Baͤndch. D
[50] waͤrtig waren, und ließ Verordnungen, Geſetze
fuͤr die Logen und die Bruͤder entwerfen.
1375.
Robert a Barham erbaut mit 250 Mau-
rern St. Georges Hall u. a.
1377.
RichardII. (der ſeinem Großvater Edward
III. folgt) beſtaͤtigt William a Wickham in
der Groß-Meiſterſchaft, der darauf Weſtminſter-
Hall in der heutigen Geſtalt und zu Oxfort zwei
neue Kollegien (dieſe auf eigne Koſten) erbaute.
1413.
Starb HeinrichIV., welcher Thomas
Fitz-Allen, Earl of Surrey zum Groß-
Meiſter ernannt hatte. Unter ſeinem Nachfolger
HeinrichV., hatte Heinrich Chicheley,
Erzbiſchof von Canterbury die Direktion der Logen.
1425.
Das Parlament in den buͤrgerlichen Unruhen
(waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit HeinrichsVI.)
verbietet alle Verſammlungen der freien Mau-
rer in Logen und Kapiteln, bei Gefaͤngnißſtrafe.
Aber die Acte wird nicht in Kraft geſetzt, und
die Verfolgungen hoͤren mit der Aufnahme Hein-
richsVI. auf. Er ernannte William Wane-
fleet, Biſchof von Wincheſter zum Groß-
Meiſter, und ließ viele Colledges erbauen.
[51]
1441
William St. Clair, Earl of Orkney
and Cathneß, Baron of Roslin, wird von
JacobII. K. von Schottland zum Landes-
Groß-Meiſter der Frei-Maurer in dieſem Koͤ-
nigreiche ernannt, und kurz hernach dieſe Stelle
ſogar ſeiner Familie erblich gegeben. Die erſte,
oder Mutterloge, war dazumal zu Kilwinning
in Weſtſchottland, welche die große Loge dieſes
Koͤnigreichs noch jetzt mit dem Namen ihrer
Mutterloge beehrt.
Sammlung fuͤr die fr. u. ang. Mau-
rer in Deutſchland 1776. S. 6.
1442.
HeinrichVI. von England wird in die Bruͤ-
derſchaft aufgenommen; er verbeſſert ihre Ver-
ordnungen und beſchuͤtzt ſie. Eine Menge der
vornehmſten Englaͤnder folgt ſeinem Beiſpiele.
1471.
Kam durch den Groß-Meiſter Richard
Beauchamp, Biſchof von Sarum, die Bruͤder-
ſchaft wieder in Aufnahme, da ſie in den vorheri-
gen buͤrgerlichen Unruhen ſehr zerruͤttet gewe-
ſen war.
1473.
Den 16. Auguſt
werden durch eine Akte die Frauenzimmer aus
den Logen ausgeſchloſſen.
D 2
[52]
1485.
Kommt HeinrichVII. auf den Thron. Die
Bruͤderſchaft kommt unter dem Patronat des
Heermeiſters und der Ritter vom heil. Johan-
nes zu Rhodus (Maltha) wieder in Achtung.
Der Groß-Meiſter der Maltheſerritter haͤlt
eine groß Verſammlung; ſie waͤhlten K. Hein-
rich zu ihrem Protektor.
1502.
Den 24. Januar
wird im koͤnigl. Pallaſte eine große Loge errichtet,
der Koͤnig dirigirt als Groß-Meiſter die Arbeit,
und legt in feierlicher Prozeßion den Grundſtein
zu der beruͤhmten Kapelle an der Oſtſeite der
Weſtminſter-Abtei, die von ihm den Namen hat.
1509.
HeinrichVIII. beſtellt den Kardinal Wol-
ſey zum Groß-Meiſter; er baut Hamptoncourt,
Whitehall, das Chriſtchurch-Collegium zu Oxfort,
welche, nebſt andern Gebaͤuden bei ſeinem Fall
1530 der Krone anheim fielen.
1530.
Thomas Cromwell, Carl of Eſſex wird
Groß-Meiſter und beſchaͤftigt die Bruͤderſchaft bei
Auffuͤhrung des St. James Pallaſts, Chriſts-
Hoſpital und des Kaſtels zu Greenwich.
[53]
1540.
Unter Direktion des John Touchet, Lord
Audley, welcher nach Cromwells Enthaup-
tung die Groß-Meiſter-Wuͤrde uͤbernommen hatte,
blieb die Frei-Maurerei im Flor, und die Bruͤ-
derſchaft hatte Arbeit bei der Erbauung des
Magdalenen-Collegii zu Cambridge und andrer
Werke.
1552.
Nach Eduard Seymour, Herzog von
Sommerſet, welcher enthauptet wurde, ward
John Poynet, Biſchof von Wincheſter
Patron oder Groß-Meiſter der Bruͤderſchaft, bis
1553. (der letzte bis auf Eliſabeth.)
1561.
Die Koͤnigin Eliſabeth verfolgt die befrei-
ten Maurer, und ſendet Bewaffnete am Johan-
nistage (den 27. December) nach York, um die
Loge zu zerſtoͤren. Der Groß-Meiſter Thomas
Sackville ladet einige der vornehmſten Officiere
zur Loge ein, welche ſodann durch ihren Bericht,
die Koͤnigin fuͤr die Maurer gewinnen. Er ſelbſt
ſtellt der Koͤnigin vor, daß die Maurer nichts
anders, als eine Geſellſchaft geſchickter Architekten
und Kuͤnſtler waͤren, die in vollkommner Ein-
tracht und bruͤderlicher Freundſchaft lebten, ohne
ſich in Staats- und Kirchenangelegenheiten zu
miſchen.
[54]
eod.
Veraͤnderung in den Ritualen, um der Koͤni-
gin den Argwohn zu benehmen, als ob die Frei-
Maurer-Ceremonien eine Verwandſchaft mit papi-
ſtiſchen Gebraͤuchen haͤtten.
v. Nicolai Tempelherrn, 2. Th. S. 229.
1567.
Sir Thomas Sackville reſignirt und
Francis Ruſſel, Earl of Bedford wird
zum Groß-Meiſter in Norden, und Sir Tho-
mas Gresham (der Erbauer der koͤniglichen
Boͤrſe) zum Groß-Meiſter in Suͤden erwaͤhlt.
1603.
JakobI., Protektor des Ordens in Schott-
land und Groß-Meiſter der Logen des Reichs.
Ihn zu repraͤſentiren waͤhlt die Schottiſche große
Loge einen Deputirten Groß-Meiſter und jeder
Meiſter giebt ihm vier Livres (de redevance.)
1607.
Inigo Jones, General-Intendant der Koͤ-
niglichen Gebaͤude, errichtet als Groß-Meiſter ver-
ſchiedene Logen nach einem neuen Plane, erneuert
die jaͤhrlichen Feſttage der Geſellſchaft und fuͤhrt die
vierteljaͤhrigen großen Zuſammenkuͤnfte ein.
Sammlung fuͤr ꝛc. S. 7.
Er legt in Gegenwart des Koͤnigs den Grund-
ſtein zu Whitehall. Unter ihm kommen die erſten
Architekten aus allen Gegenden nach England.
[55] Logen werden mit vortrefflichen Lokalgeſetzen kon-
ſtituirt, und nach dem Muſter der akademiſchen
Schulen der Zeichner und Maler in Italien ein-
gerichtet.
Free-Mas. Alm.
1614 und 1616.
Ausgabe der: „Allgemeinen und Generalre-
form der ganzen weiten Welt, benebenſt der Fama
fraternitatis des loͤblichen Ordens des Roſenkreu-
zes“ und: „Chymiſche Hochzeit Chriſtiani Ro-
ſenkreuz.“ (von Valentin Andreaͤ.)
1617.
Valentin Andreaͤ giebt ſeine Invitatio
fraternitatis Chriſti heraus und ſtiftet eine Ge-
ſellſchaft der Verehrer des Guten zu Bewirkung
ſeiner guten Abſichten. (Fraternitatem Chriſti)
Zugleich erklaͤrt er ſich gegen die Roſenkreuzer in
ſeinem Turris Babel, Mythologia Christiana
ꝛc. und ſagt ſich von dem Unſinn ſeiner ſeynwol-
lenden Anhaͤnger los.
v. Nicolai l. c. S. 176 und 186.
eod.
Erſcheinung des Buchs: Die ganze Kunſt und
Wiſſenſchaft der von Gott hocherleuchten Frater-
nitaͤt Chriſtiani Roſenkreuz ꝛc. durch Theophi-
lum Schweighart.
1618.
Bis hieher war Inigo Jones jaͤhrlich wie-
[56] der zum Groß-Meiſter erwaͤhlt worden, worauf
ihm William Earl of Pembrocke folgte, der
bis 1630 im Amte blieb.
eod.
Erſcheinung des Buchs: Entdeckung des Col-
legii und der Axiomen der erleuchteten Bruͤder-
ſchaft Chriſtian Roſenkreuz.
Um dieſe Zeit: Robert Fludd in England,
ein mediciniſch-theologiſcher Schwaͤrmer (theils
nach Paracelſus theils nach den Gnoſtikern oder
vielmehr Manichaͤern) — † 1637. — Mlchael
Mayer, Leibarzt und Alchymiſt Kaiſer Ru-
dolphs — † 1622 — Roſenkreuzer, nach eige-
nem Syſteme.
v. Nic. l. c. I. Th. S. 177. 178. und
Brucker’s Hist. Phil. Tom. IV. p. 691.
Baco’s Ideen, die er in der neuen Atlan-
tis vorgetragen, vermiſchen ſich mit den Ideen
vom Roſenkreuze.
1620.
Roſenkreuzer-Schweſtern. Die Nachricht
von ihnen in dem Buche: Frauenzimmer der
Schweſtern des roſenfarbnen Kreuzes, d. i.
kurze Entdeckung von der Beſchaffenheit dieſes
Frauenzimmers, was fuͤr Religion, Wiſſenſchaft
goͤttlicher und natuͤrlicher Dinge, was fuͤr Hand-
werken und Kuͤnſte, Arzney ꝛc. darinnen zu
finden ſind ꝛc. Parthenopolis 1620. 8vo.
[57]
1622.
Geheime Geſellſchaft von Alchymiſten im Haag
unter dem Namen Roſenkreuzer, deren Stifter
Chriſtian Roſe genannt wird, und welche
vorgeben, daß ſie in Amſterdam, Nuͤrnberg,
Hamburg, Danzig, Mantua, Venedig und Er-
furt Zuſammenkuͤnfte hielten.
v. Nic. l. c. I. S. 181. ꝛc.
1630.
Collegium Rosianum, geſtiftet von einem
gewiſſen Roſius, an den Grenzen der Dauphine,
und bekannt gemacht durch D. Peter Mor-
mius, unter dem Titel: die Verborgenſten und
bisher unentdeckten Geheimniſſe der ganzen Natur
von dem Collegium Rosianum. Leiden 1630.
v. Servati Bruchſtuͤcke zur Geſchichte
der Frei-Maurer. S. 322.
eod.
Heinrich Danwers, Earl of Danby,
Groß-Meiſter.
1633.
Thomas Howard, Earl of Arundel,
Groß-Meiſter.
1635
Francis Ruſſel, Earl of Bedford, Groß-
Meiſter.
[58]
1636.
Inigo Jones wird wegen ſeiner großen Ver-
dienſte um die Bruͤderſchaft aufs neue gewaͤhlt und
bleibt es bis an ſeinen Tod 1646.
1640.
Wahrſcheinlich das Jahr der Entſtehung der
Frei-Maurerei, nach der Vermuthung mehrerer. —
Von jetzt an, wie man ſagt, haͤufige Spuren der-
ſelben; vorher keine.
1646
Vereinigung mehrerer Gelehrten, nach Baco’s
Meinung, die philoſophiſchen und phyſikaliſchen
Wiſſenſchaften exoteriſch zu betreiben; woraus
nach 14 Jahren die koͤnigl. Geſellſchaft der Wiſ-
ſenſchaften in London entſteht.
Gegengeſellſchaft zu London, dieſe Wiſſenſchaf-
ten, nach Art der Roſenkreuzer, eſoteriſch und
geheim zu cultiviren und das Salomoniſche
Haus zu errichten. Sie verſammlen ſich in
Maſon’s Hall, dem Zunfthauſe der Maurer,
treten, nach Londner Sitte, in die Maurerzunft,
bedienen ſich maureriſcher Zeichen und nennen
ſich free-and accepted Masons.
Nic. l. c. I., S. 188 ꝛc. 191. 195. II,
S. 197 ꝛc.
eod.
Der beruͤhmte Alterthumskenner und Roſen-
kreuzer Elias Ashmole wird in den neuent-
[59] ſtandnen Orden aufgenommen. Er war noch,
(wie er in ſeinem 1717 gedruckten Tagebuche er-
zaͤhlt) 1682 d. 11. Maͤrz in einer ▭ in Maſon’s
Hall zu London.
Ueber ſeine antiquariſchen Dienſte, die er der
Maurerei geleiſtet v. l. c. S. 196.
1649.
Die Koͤniglich Geſinnten unter Cromwell
waͤhlen die Decke der Freimaurer-Geſellſchaft fuͤr
ihre Verſammlungen und errichten einen gehei-
men Ausſchuß. l. c. I. S. 200 ꝛc.
1660 circa.
Die geheime Geſellſchaft der Freunde des Koͤ-
nigs macht zur Zeit des ſchottiſchen Kriegs einen
noch engeren Ausſchuß fuͤr die ſchottiſchen
Geſchaͤfte, und waͤhlt ſich neue Sinnbilder, Zei-
chen und Worte. l. c. I. 203 und 204.
1663.
Chriſtoph Wren wird Groß-Oberaufſeher
der Frei-Maurer. Er iſt der eſoteriſchen Lehrart
nicht geneigt. l. c. II. S. 238. u. I., 212.
Nach andern bildet er ſelbſt aus einer alten
Tempelherrn Maſſoney (die ſich ſeit dem 12
und 13. Seculo immer in London erhalten haben
ſoll) die Frei-Maurergeſellſchaft.
eod.
Die Freien-Maurer erhalten die Erlaubniß,
[60] die St. Paulskirche zu London zu erbauen. Der
Bau wird nach Sir Chriſtoph Wrens
Grundriß unternommen, der Grundſtein 1675
gelegt und das ganze Gebaͤude 1710 vollendet.
Sammlung fuͤr d. fr. u. ang. Maurr. P. 8.
Er baute auch mit der Bruͤderſchaft das Chel-
ſeahoſpital und den Greenwich-Pallaſt.
eod.
Die Geſellſchaft der Frei-Maurer nimmt nach
der (einige Jahre vorher) wieder hergeſtellten koͤ-
niglichen Wuͤrde (Carl II. war ſelbſt auf ſeinen
Reiſen in die Bruͤderſchaft aufgenommen worden)
in einer allgemeinen Verſammlung Maasregeln zu
ihrer Aufrechthaltung. — Ein Graf v. St. Al-
ban wird als der Urheber der neuen Einrichtung
genannt.
1674.
George Villiers Duke of Buckingham,
Großmeiſter; aber Wren leitete eigentlich die
Arbeiter der Bruͤder.
1677.
War die Frei-Maurer-Geſellſchaft, als ge-
heime Geſellſchaft, noch ſo unbekannt, daß man
ſie blos als einen Theil der Maurer-Zunft be-
trachtete, zu welcher ſie auch oͤffentlich gehoͤrte.
Free-Maſon hieß damals auch ein zuͤnftiger
Maurer, und wird in Coles engliſch-lat. Lexicon
(London 1677) gradezu durch Caͤmentarius uͤber-
ſetzt.
[61]
1680 circa.
Mißlicher Zuſtand der Geſellſchaft; ſie droht,
ſich aufzuloͤſen.
1685.
Wren wird zum Groß-Meiſter erwaͤhlt.
eod.
Die Frei-Maurer vernichten viele alte Pro-
tocolle und Akten, um Entdeckungen zu verhuͤten.
Freemaſon’s Almanac von 1777.
eod.
Merkwuͤrdige Veraͤnderung in der bisherigen
Einrichtung, und in den Sinnbildern. Statt
des Salomoniſchen Hauſes, ſetzt man den ſa-
lomoniſchen Tempel; zu welcher ſymboliſchen
Auslegung vielleicht der damalige Bau der St.
Pauls-Kirche zu London und die vielen Verfol-
gungen und Verdrießlichkeiten, die ihr Baumeiſter
Cph. Wren erleiden mußte, die Veranlaſſung
gegeben.
Nic. I, S. 210. 214. II, S. 199. 222.
1690.
Chriſtoph Wren errichtet, nach dem
Free-Masons Calendar, for 1775, die Frei-
maurer-Geſellſchaft.
1691.
Die aͤlteſte conſtituirte Loge, nach Sa-
[62] muel Prichard: Masonry dissected, being
a universal and genuine description of all
its branches from the original to this pre-
sent time. London 1731. wo er ſagt: vor 1691
habe man von constitued lodges und quaterly
communications nichts gehoͤrt. Als eine ſolche
nennt er die zu King’s Amrs in St. Paul’s
Church-Yard. (jetzt The Mitre genannt.)
l. c. II. S. 240.
1693.
WilhelmIII. Koͤnig von England wird zum
Freimaurer aufgenommen. Er beſtaͤtigt Chri-
ſtoph Wren als Groß-Meiſter und beguͤnſtigt
die Logen, beſonders eine zu Hampton Court,
welche waͤhrend des Baus des neuen Theils des
Pallaſtes daſelbſt gehalten wurde. Wren baute
Kenſingtons Pallaſt u. a.
1696.
Den 6. Mai
fand der beruͤhmte John Locke, eine alte ſehr
ſchaͤtzbare Freimaurer-Handſchrift in der Bodle-
janiſchen Bibliothek, welche ihn ſelbſt bewog, ſich
ſogleich in London zum Frei-Maurer aufnehmen
zu laſſen. Dieſe Handſchrift iſt nach Locke’s Be-
rechnung vom Jahr 1436 und hat alle Kennzei-
chen des Alterthums und der Aechtheit.
Sammlung f. d. fr. u. a. M. S. 8.
[63]
1697.
Die Frei-Maurer halten eine Generalverſamm-
lung und feiern ein großes Feſt, wobei ſich viele
hohe und edle Bruͤder einfinden.
II.
Data zu einer Geſchichte der Freimaurerei
im 18ten Jahrhunderte,
beſonders in Deutſchland.
1702.
Nach dieſem Jahr gerieth die Freimaurerei in
Verfall; die Zahl der Logen verminderte ſich und die
Feier des Johannisfeſtes wurde gaͤnzlich unterlaſſen.
Nur die alte Loge St. Paul und einige andre,
verſammleten ſich noch, beſtanden aber nur aus
wenig Mitgliedern. Daher faßte man den Be-
ſchluß, daß das Privilegium der freien Maurer
ſich nicht laͤnger blos auf Architekten und arbei-
tende Maurer einſchraͤnken, ſondern, daß man
Maͤnner von allerlei Staͤnden zulaſſen wolle,
welche geloben wuͤrden, die Wuͤrde des Ordens,
als einer alten, ehrwuͤrdigen Geſellſchaft zu un-
terſtuͤtzen.
Free-Masons Almanac for 1775.
[64]
1716.
Sogenannte Reſtauration der großen Loge in
London. — Die dort befindlichen Logen, nehm-
lich: die in der Tavern zur Gans, bei der Pauls-
kirche; in der zur Krone, zum Apfel und zum
Koͤmer, vereinigen ſich, nach dem Abgange Wren’s,
unter dem neuen Groß-Meiſter Anton Sayer.
1717.
Den 24. Juni
wird die große Loge zu London wieder hergeſtellt
und Anthony SayerEsq. zum Groß-Mei-
ſter erwaͤhlet. — Man beſchließt, ſich zuſammen
zu halten, die jaͤhrlichen großen Verſammlungen
und Feſte wieder zu erneuern, die alten Gewohn-
heiten und Gebraͤuche der Bruͤderſchaft in eine
feſte Ordnung zu bringen und nur ſolche Ritualia
feſt zu ſetzen, als ſich fuͤr diejenigen Mitglieder
paßten, aus denen jetzt die Logen beſtaͤnden.
l. c.
1719.
Der erſte Groß-Meiſter nach der Reform
(von einigen George Payne, von andern
Joh. Theoph. Desaguiliers genannt) ſamm-
let viele alte Schriften, die Maurerei betreffend.
Free. Mas. Alm. 1777.
Man nennt dieſe Zeit die Periode des groͤße-
ſten Glanzes, den der Orden gehabt hat.
1720.
[65]
1720.
Den 27. December.
Das Amt eines deputirten Groß-Meiſters in
England wird erneuert und dem jedesn: aligen
Groß-Meiſter die Macht ertheilt, ſeinen depu-
tirten Groß-Meiſter und die beiden Großaufſe-
her ſelbſt zu ernennen.
eod.
Mittwochs den 4. Mai
feiert die große Loge der neuen (modern) engli-
ſchen Frei-Maurerei ihr jaͤhrliches Feſt.
Britt. Mercury Vol. XVII. N. 22.
eod.
Den 24. Juni oder Juli
werden von aͤngſtlichen Bruͤdern verſchiedne wich-
tige alte Handſchriften verbrannt. — Veraͤnderung
im Innern.
1721.
Das Jahr der eigentlichen Bekanntwerdung
der Frei-Maurerey in ihrer jetzigen Geſtalt.
Jacob Anderſon bearbeitet die Geſchichte
und Einrichtungen der Maurerei auf Befehl des
Groß-Meiſters Herzogs von Montagu aus al-
ten Ordensſchriften. — „Weil der Groß-Meiſter
und die Großbeamten von 16 Logen (verſamm-
let den 29. Sept. zu King’s-Arms) in allen Ab-
ſchriften der alten gothiſchen Konſtitutionen Maͤn-
gel fanden, ſo erhielt er Befehl, ſie in eine neue
Erſtes Baͤndch. E
[66] und beſſere Methode zu bringen.“ Am 27. De-
cember bekamen vierzehn gelehrte Bruͤder den
Auftrag, des Br. Anderſon Manuſcript zu un-
terſuchen und Bericht zu erſtatten.
Cf. Servati l. c. S. 294 und 304.
1722.
Den 25. Maͤrz in der vollen Verſammlung
der großen Loge ward nach dem guͤnſtigen Bericht
der Comitée, das Anderſonſche Werk unter Au-
toritaͤt der großen Loge dem Druck uͤbergeben.
eod.
Erſte ſichre Spur von conſtituirten Logen.
Nic. l. c. II. S. 240.
Es wird feſtgeſetzt, daß jede Loge ein Konſti-
tutions-Patent von der großen Loge zu London
haben muͤſſe, wenn ſie fuͤr aͤcht anerkannt wer-
den wolle. Doch waren außer London mehrere
Logen, die an dem neuen Groß-Meiſterthum kei-
nen Theil nahmen, der alten Yorker Konſtitu-
tion treu blieben, und keine anderen Oberen, als
ihre Logenbeamten uͤber ſich erkannten.
1723.
Erſcheinung des erſten Konſtitutions-Buches
der Frey-Maurer, (gr. 4. 13½ Bogen) wodurch
ſie zuerſt oͤffentlich als Geſellſchaft bekannt wer-
den. „Am 17. Jan. legt der Großvorſteher An-
derſon das gedruckte Werk der großen Loge (be-
ſtehend aus den Großbeamten und den Deputir-
[67] ten von 26 Logen) vor, welches, nebſt der Zu-
gabe, von der alten Manier, eine Loge zu errich-
ten, nochmals gebilligt wird.“ — Der beruͤhmte
Phyſiker Desaguiliers wird dabei als depu-
tirter Großmeiſter genannt.
eod.
Den 24. Juni.
Einſetzung der Aemter, eines Groß-Schatz-
Meiſters und Groß-Sekretaͤrs in London. Groß-
Stewards werden vorgeſchlagen und feſtgeſetzte
Geſundheiten eingefuͤhrt.
eod.
Den 16. November.
Zwoͤlf Groß-Stewards werden jaͤhrlich er-
nannt. (nach andern 1728.)
1724
wird in England auf Vorſchlag des Grafen von
Dalkeith, ein Hauptfond fuͤr arme und kranke
Frei-Maurer errichtet. (dabei erſt, nach andern,
ein Groß-Schatzmeiſter beſtellt.)
Den 24. Februar
in der Verſammlung der großen Loge unter dem
Groß-Meiſter Lord Krawfurd, traͤgt Ander-
ſon auf eine neue Ausgabe des Konſt. Buchs an,
und erhaͤlt Befehl, ſeine Materialien dazu den
Großbeamten vorzulegen.
E 2
[68]
1725.
Die drei Englaͤnder: Lord Derwentwater,
Sir MaskelyneEsq., und Maſter He-
guerty errichten bei dem engliſchen Speiſewirth
Huͤre in Paris die erſte Loge in Frankreich und
veranlaſſen dadurch die ungemeſſene Ausbreitung,
ſo wie die vielen Abaͤnderungen in den Ordens-
einrichtungen.
Encyclopédie. Art. Franc-Maçons.
eod.
errichten die engliſchen Frei-Maurer eine beſondre
Almoſen-Deputation. Es wird eine Vorſchrift
zu Austheilung der milden Beitraͤge gegeben.
1726
wird das Amt eines Provinzial-Groß-Meiſters
errichtet. (Dieſer iſt in der ihm angewieſenen
Provinz der unmittelbare Repraͤſentant des Groß-
Meiſters mit der Macht, Logen zu konſtituiren.)
1227.
Die Autoritaͤt der großen Engliſchen Landes-
Loge, unter dem Groß-Meiſterthum des Lord
Coleraine allgemein anerkannt. Es wird eine
Deputation nach Madrid geſandt, um daſelbſt eine
Loge zu ſtiften.
Sammlung ꝛc. S. 11.
1728.
Einſetzung von (zwoͤlf) Groß-Stewards.
[69]
eod.
Der Groß-Meiſter Lord Kingſtone ſendet
das erſte Konſtitutions-Patent nach Oſtindien.
1730.
Lord Kingſton, der in London Groß-Mei-
ſter geweſen war, errichtet eine große Loge zu
Dublin und wird ſelbſt zum Groß-Meiſter von
Irrland gewaͤhlt. Die große Loge zu London,
welche ein Univerſal-Groß-Meiſterthum projectirt,
erklaͤrt das Irrlaͤndiſche fuͤr konſtitutionswidrig.
kann aber gegen ihre Maurerei nichts einwenden.
eod.
Merkwuͤrdige Reiſe des Schottlaͤnders Ram-
ſay nach England. — Er war, nach ſeinem Ue-
bertritt zur katholiſchen Religion, Hofmeiſter der
zwei Prinzen des Praͤtendenten zu Rom; war
Kanzler der großen Loge in Frankreich, und machte
in England den Vorſchlag: daß jedes Mitglied der
Geſellſchaft (die er durch ganz Europa auf 3000
ſchaͤtzte) jaͤhrlich zehn Louisd’or zur Befoͤrde-
rung ihres Hauptzwecks geben ſollte.
v. Nic. l. c. S. 232 — 236.
eod.
Unter dem Groß-Meiſterthum des Lord King-
ſton’s werden die erſten Logen in Oſtindien und
Amerika geſtiftet.
Sammlung ꝛc. l. c.
[70]
1731.
Den 29. Januar.
Der Herzog von Norfolk ſchickt von Vene-
dig, nebſt 20 Pfd. Sterl. Almoſenbeitrag, an die
Gr. L. zu London ein großes in Blau und Gold
praͤchtig eingebundenes Logenbuch in Fol., und
das alte Leibſchwerdt Guſtav Adolphs, welches
nachher auch der Herzog Bernhard von Wei-
mar gefuͤhrt hatte, mit beider Helden Namen auf
der Klinge und dem Norfolkiſchen Wappen auf
der Scheide, mit Silber eingelegt. Dieſes
Schwerdt iſt gegenwaͤrtig des engliſchen Groß-
Meiſters Staatsſchwerdt.
Sammlung S. 12.
eod.
Neue Konſtitutionen in den engliſchen
Logen; eine Folge der Ramſayſchen Reiſe — and
most reasonable to think it will be expended
towards the forming another System of Ma-
sonry, the old Fabrik being so ruinous,
that, unleß repair’d by some occult Mystery.
Prichard. l. c. S. 29.
Nic. l. c. S. 241.
eod.
Kaiſer FranzI, als reiſender Prinz, wird
unter dem Groß-Meiſter Lovel, in einer außer-
ordentlichen Loge, auf Robert Walpole’s
Landhauſe in Norfolk mit dem Herzog von New-
[71] caſtle zum Meiſter befoͤrdert. (Die zwei andern
Grade hatte er ſchon im Haag erhalten.)
Nach andern, z. B. Free-Mas. Alm. 1775.
wird er im Haag, in einer, von der G. L. zu
London geſtifteten Loge aufgenommen und noch
in demſelben Jahre in London zum Mſtr. Gr.
befoͤrdert.
1733.
Lord Sackwille, Duke of Middleſex,
ſtiftet zu Florenz eine Loge.
1735
in der, am 31. Maͤrz gehaltetzen großen Loge, be-
kommt Anderſon den Befehl, in der neuen
Ausgabe des Konſt. B. auch die Patrone der
alten Maurerei, ſeit dem Anfange der Zeit, ſo
wie die Groß-Meiſter und Groß-Beamte, ſeit
dem Groß-Meiſter Montagu aufzufuͤhren.
eod.
Die Frei-Maurerei wird in den vereinigten
Niederlanden aufgehoben und ſelbſt der Name:
Frei-Maurer verboten.
In Amſterdam ward eine Loge, die ſich den-
noch verſammlete, aufgehoben. Der gefangene
Mſtr. und die beiden A. bekraͤftigten Tags drauf
vor dem Magiſtrat eidlich: daß die Frei-Maurer
friedliche, dem Vaterlande und Landesherrn treu
ergebne Unterthanen waͤren, daß ſie untereinan-
der in der groͤſten Einigkeit lebten, Heuchelei und
[72] Betrug verabſcheuten, daß die Einſetzung der
Bruͤderſchaft ſehr alt und hoͤchſtehrwuͤrdig waͤre ꝛc.
Sie koͤnnten zwar ihre beſondere Gebraͤuche und
Geheimniſſe nicht offenbaren, aber doch aufs hei-
ligſte verſichern: daß ſie weder den goͤttlichen noch
menſchlichen Geſetzen zuwider waͤren; daß ſie ſich
erboͤten, eine der Magiſtratsperſonen unter ſich
aufzunehmen, welcher ihnen hernach daſſelbe be-
kraͤftigen wuͤrde. — Hierauf wurden die B B.
auf freien Fuß geſtellt und der Stadtſekretaͤr zur
Loge geſendet. Nach ſeiner Aufnahme ſtattete er
einen fuͤr die Geſellſchaft ſo vortheilhaften Bericht
ab, daß kurz hernach faſt der ganze Magiſtrat
ſich in dieſelbe aufnehmen lies.
Sammlung ꝛc. S. 13 und 14.
eod. circa.
Erſte deutſche Loge (St. Georg. nachher Ab-
ſalom genannt, zu Hamburg) durch die ſchotti-
ſchen Lords Keith und Marshall geſtiftet.
Die naͤchſtaͤlteſte iſt die zu den drei Roſen zu
Sachſenfeld.
1736.
Altes und neues engliſches Syſtem. —
unter dem Groß-Meiſterthum des Grafen v. Lou-
don, entſtehen Streitigkeiten bei den Wahlen der
Groß-Beamten; eine Anzahl Bruͤder ſtiften; mit
Berufung auf die alte Yorker Conſtitution, neue
Logen, verwerfen die Reſtauration von 1716 (oder
1717) und entziehen ſich der großen Loge von
London.
[73]
eod.
Das Anderſonſche Conſtitut.-Buch erſcheint
zu Haag, von Joh. Kuenen, deput. Groß-
Meiſter der Logen in Holland, ins franzoͤſiſche
uͤberſetzt.
eod.
Unter dem Groß-Meiſter Lord Loudon
wird die erſte Loge in Africa errichtet.
eod.
Den 15. October
reſignirt der letzte erbliche Groß-Meiſter von
Schottland aus der Familie St. Clair, welcher
der letzte ſeines Stammes war, und uͤberlaͤßt die
neue Wahl eines Groß-Meiſters der Freiheit der
B B. Saͤmmtliche vier und dreißig arbeitende
Logen ſenden dazu Abgeordnete, welche aus Er-
kenntlichkeit am 30. November eben denſelben
William St. Clair of Roslin zu ihrem
Landes-Großmeiſter waͤhlen, welchem alsdann
1737 Georg Earl of Cromarthy folgt.
1737.
Den 25. Jan. billigt die große Loge abermals
die neue Ausgabe des Conſtitutions-Buchs.
eod.
Ludwig XV. Koͤnig von Frankreich, hebt in
[74] ſeinen Landen die Frei-Maurerei auf und erklaͤrt
ſelbſt den Umgang mit Frei-Maurern fuͤr ſtrafbar.
eod.
Den 5. November.
Friedrich, Prinz von Wallis, Vater K.
GeorgIII., wird in einer dazu beſonders
errichteten Loge zu Kew zum Frei-Maurer auf-
genommen.
1738.
Den 25. Januar.
Erſcheinung der neuen Ausgabe des Konſt. B.
eod.
Bannbulle und Exkommunikation der Frei-
Maurer von Pabſt Clemens dem XII.
eod.
In Schweden werden die Frei-Maurer-Ver-
ſammlungen bei Lebensſtrafe verboten.
eod.
Kaiſer CarlVI. hebt die Frei-Maurerei in
Flandern auf, und verjagt die Frei-Maurer.
eod.
FriedrichII. wird in der Nacht zwiſchen
dem 14. und 15. Auguſt zu Braunſchweig, im
Korniſchen Hotel, durch eine Deputation von
[75] Hamburg, wobei der Baron v. Bielefeld,
Bar. v. O. u. v. L., der regierende Graf von
der Lippe-Buͤckeburg, Graf v. K. und Bar. v. A.
gegenwaͤrtig waren, mit allen Feierlichkeiten in
den Orden aufgenommen.
eod.
Einwanderung der Frei-Maurerei in die
Preußiſchen Staaten; jedoch ins geheim weil
K. Friedrich WilhelmI. dagegen eingenom-
men war.
1739.
AuguſtII., Koͤnig v. Pohlen, verfolgt die
Frei-Maurer auf Veranlaſſung der Paͤbſtlichen
Bulle und laͤßt die Exkommunikation an allen
Kirchen anſchlagen.
eod.
Die BB., die ſich als unzufrieden 1736 aus
der Londner Gr. L. entfernt hatten, erwaͤhlen ſich,
als ſelbſtſtaͤndige Frei-Maurer, einen eignen Groß-
Meiſter, machen ein neues Geſetzbuch, ertheilen
Patente zu Errichtung neuer Logen ꝛc.
1740.
PhilippV., Koͤnig von Spanien, laͤßt
Frei-Maurer, als ſolche, ins Gefaͤngniß werfen.
eod.
Staͤrkere Einfuͤhrung der Maurerei in Deutſch-
[76] land durch den damaligen Krieg. — Stiftung der
L. Abſalom.
eod.
Der Br. Luttmann bringt aus London ein
Patent zu Errichtung einer Mutter-Loge in den
drei Graden nach Hamburg und fuͤr ſich das Pa-
tent als Groß-Meiſter von Hamburg und Nie-
derſachſen.
eod.
Den 13. September.
Gruͤndung der ▭ aux Trois Globes in Ber
lin, unter dem Vorſitz des Br. Baron v. Bie-
lefeld und der Mitſtiftung des Geh. R. Jordan.
Sie erhaͤlt, als der erſte Maurer-Tempel in den-
Preuß. Landen ein koͤnigl. Protektorium und ſtif-
tet noch in dieſem Jahre zwei Tochterlogen.
eod.
Die Frei-Maurerei wird von der hollaͤndiſchen
Geiſtlichkeit verfolgt, die Regierung aber ſteuert
dem Gewiſſenszwange und verbietet alle Fragen
an Beichtkinder uͤber Frei-Maurerei. Es entſtehen
in wenig Jahren viel neue Logen in den verei-
nigten Niederlanden, die ihre Konſtitutionen theils
aus England theils aus Schottland bekommen.
Sammlung ꝛc. S. 18.
eod.
Unter dem Groß-Meiſter Earl of Kintore
[77] werden Provïnzial Groß-Meiſter in Barbados,
Hamburg und Rußland konſtituirt.
1741.
Im Florentiniſchen, Parmeſaniſchen, auf Mal-
tha und in andern Gegenden von Italien wird
die Inquiſition gegen die Frei-Maurer excitirt.
eod.
Die erſte deutſche Ausg. des And. Conſt.
B. Frankfurt a. M. (die zweyte ebendaſelbſt 1743.
die dritte 1762. und ein zweiter Theil von Klein-
ſchmidt. 1784. 8.)
eod.
Den 24. Juni
feſtgeſetzt, daß der Groß-Schatz-Meiſter, Groß-
Sekretaͤr und Groß-Schwerdttraͤger oder Ceremo-
nien-Mejſter ordentliche Mitglieder der Gr. L.
ſeyn und jaͤhrlich erwaͤhlt werden ſollen.
eod.
In Hamburg der Schottl. A.Grad durch den
Grafen v. Schmettau, als erſtem Urheber des
Sch.-Meiſters eingefuͤhrt und 6 Monate ſpaͤter
die ⊠ Judica errichtet.
1742.
Den 20. Maͤrz.
Freiherr von Hund wird zu Frankfurt am
Mayn in den Orden aufgenommen.
[78]
1743.
Johann Koͤnig von Portugall, verfolgt die
Frei-Maurer und laͤßt ſie ins Gefaͤngniß ſetzen.
eod.
Freiherr v. Hund iſt Meiſter vom St. einer
neuen Loge zu Paris. — Erſter Urſprung des
Tempelherrn-Syſtems der ſtr. Obſ.
eod.
Neue Ausgabe des Anderſonſchen Konſtitutions-
Buchs.
eod.
Stiftung der L. St. George in Hamburg.
1744.
Die ▭ aux Trois Globes erhaͤlt von ihrem
koͤniglichen Groß-Meiſter das Praͤdikat einer
großen koͤniglichen Mutterloge zu den drei Welt-
kugeln.
eod.
Die BB. zu Antigua bauen ein praͤchtiges
Logenhaus und erhalten von London aus den
Namen der Großen Joh. L. zu Antigua.
1746.
Die Gr. L. zu den drei Weltk. zu Berlin hat
ſchon vierzehn Tochterlogen zu Berlin, Meiningen,
Frankf. a. d. O., Breßlau, Dresden, Neuſchatel,
Halle ꝛc.
[79]
1747.
Den 3. April.
Die oͤffentlichen Prozeſſionen der Frei-Maurer
in England an den Feſten, werden aufgehoben.
1747.
Den 11. Auguſt.
Der Herzog von Holſtein (im J. 1740 von
K. FriedrichII. in den O. aufgenommen) wird
Vice-Groß-Meiſter der gr. ▭ aux Trois Glo-
bes; er revidirt und rektificirt ihre Statuten,
welche den 16. Maͤrz 1748 publicirt werden.
1748.
Den 10 Juni.
Reinſtallirung der Stewards-Loge bei der gr.
Mutterloge zu den drei Weltkugeln.
1749 — 1756.
Allmaͤhlige Einfuͤhrung des Tempelherrn-Sy-
ſtems in Deutſchland durch Hr. v. Marſchall
(zu Altenburg und Naumburg) und den
Baron v. Hund.
1751.
Junius.
BenedictXIV. beſtaͤttigt die Bann-Bulle
ClemensVII., mit Aufrufung des weltlichen
Arms.
In Erfolg derſelben ſtiftet Clemens Auguſt
Herzog in Baiern und Kurfuͤrſt zu Koͤlln den
[80] Mopsorden, welcher ſich einige Zeit in Frankreich
und Deutſchland verbreitet. — Etwas beſſer iſt
der franzoͤſiſche Orden l’Espérance, fuͤr die
Frauen der Maurer geſtiftet. Er hat zwey Grade
und iſt auch nach Deutſchland z. B. bis Goͤttin-
gen, Braunſchweig ꝛc. gekommen.
eod.
Den 2. Jul.
wird die Frei-Maurerei in Spanien, auf An-
trag des Joſeph Torrubia, Reviſors des
heil. Officiums ꝛc. bei der Inquiſition, durch ein
koͤnigliches Dekret verbannt.
1752.
Die Loge de l’Amitié zu Berlin, vorher
geſtiftet durch die von FriedrichII. berufenen
franzoͤſiſchen Gelehrten und Kuͤnſtler, faͤngt an,
in franzoͤſiſcher Sprache, oͤffentlich zu arbeiten.
1753.
In dieſem Jahre gab es ſchon in der ſtr. O.
Priores, Subpriores, Praefecte, Comthurs; das
Syſtem exiſtirte alſo ſchon vollkommen, nur im
Kleinen; auch war ſchon fruͤher ein templ. Ka-
pitel zu Unwuͤrde in der O.-Lauſitz.
Fortſ. des Anti. S. N. S. 80. u. 121.
1754.
Den 24. September.
Stiftung der ▭ Concorde oder zur Eintracht.
Den
[81]
eod.
Den 27. Jun.
Die neue Ausgabe des Konſtitutionsbuch wird
John Entick aufgetragen.
1755.
Die Loge de l’Amitié affiliirt ſich, mit Bei-
behaltung ihrer eignen Verfaſſung, mit der Loge
zu den drei Weltkugeln.
eod.
Den 13. Maͤrz.
Hr. v. Hund laͤßt ein Praͤliminar-Regulativ zu
Errichtung einer Penſionenkaſſe in ſeine Provinz
provisorie ergehen.
Anti S. N. dritter Th. p. 18.
eod.
Den 20. Maͤrz.
Die Engl. gr. Loge erklaͤrt verſchiedne Ver-
ſammlungen von B B., die ſich fuͤr alte Frei-
Maurer ausgegeben hatten und bei der Unter-
ſuchung nicht richtig befunden wurden, fuͤr unaͤcht.
eod.
Eine alte Dresdner Loge nimmt das Tempel-
herrn-Syſtem an, und reformirt ihre Sitten.
Servati l. c. S. 164. 65.
Auch waren ſchon dergleichen Kapitel, ohne
Erſtes Baͤndch. F
[82] Wiſſen des Hr. v. Hund, zu Braunſchweig
Hamburg, Coppenhagen, Roſtock, Prag, ꝛc.
Anti Saint Nicaise. S. XXXVII.
1755.
Den 24. Jul.
Einfuͤhrung der großen, foͤrmlichen Certificate
in England.
1756.
Epoche der Verbreitung franzoͤſiſcher hoͤherer
Grade in Deutſchland, durch den ſiebenjaͤhrigen
Krieg.
eod.
Den 19. Juni.
Trennung der L. Concorde von ihrer Mutter-
L. zu den drei Weltk.
eod.
Alle arbeitende Logen in den vereinigten Nie-
derl. treten im Haag zu einer gr. Landes-Loge
zuſammen.
eod.
Den 27. December.
v. Hund publicirt eine Erlaͤuterung des er-
waͤhnten Praͤliminar-Kaſſenregulativs mit Ab-
aͤnderungen und Erweiterungen.
A. S. N. l. c.
[83]
1757.
Den 2. May.
B. v. Prinzen wird zum vorſitzenden Mei-
ſter der ▭ zu d. drei W. gewaͤhlt, unterſucht
d. 17. Jun. in einer Stew. ▭ ihren Activ.-u.
Paſſiv-Zuſtand und bringt alles wieder in Ordnung.
1758.
Neu franzoͤſiſche und halb engliſche Maurerei
hoͤherer Grade in Berlin durch den Marquis von
Lernay (nach andern Chev. Ville de Lermet)
und v. Prinzen; mit Hindeutung auf die Phi-
losophia arcani und den Stein der Weiſen.
„Der vermeinte Tempelherrn-O., welcher 1758
durch einen franzoͤſiſchen Marquis de Bernez,
(im O. Eques a Turri aurea genannt) einen
ausgemachten Jeſuitenfreund zuerſt eingefuͤhrt
wurde, mußte auf Befehl der unbekannten Obern
das Signum solis oder ☉ zum Zeichen anneh-
men, unter welchem Bilde auch der O. der Je-
ſuiten vorgeſtellt wird.“
Prozeß zw. D. Stark und den Herausgebern
der Berl. Mon. Berl. 1787. S. 17.
„Dieſer Abbee Bernez zu Turin iſt an
Hunds Stelle zum Heer-Meiſter gewaͤhlt und
ihm in den LL. gehuldigt worden.“
Ebendaſ. S. 89.
eod.
Entick’s Ausgabe des Konſtitutionsbuchs.
Sie wird zum Vortheil der Armen verkauft.
F 2
[84]
1759.
Den 26. Juni. kommt Schroͤpfer, als Kuͤ-
per im Hotel de Saxe, nach Leipzig.
1760.
Vollkommnere Einwanderung der franzoͤſiſchen
Maurerei nach Deutſchland mit der Armee des
Herzogs v. Broglio.
Soupçonnirte Einwirkung der Jeſuiten auf
die Maurerei; durch die bei der Armee angeſtell-
ten Mitglieder dieſer Geſellſchaft.
1761
Schroͤpfer etablirt ſich als Weinſchenk zu
Leipzig.
eod.
Den 12. April.
Die L. de l’Amitié aux Trois Colombes
als Tochter L. der Gr. L. zu den drei Weltk.
geſtiftek.
eod.
Den 20. May.
Stiftung eines maureriſchen Tribunals,
als einer oberſten Ordensbehoͤrde fuͤr die Preußi-
ſchen Staaten, durch eine feierliche Reunions-
Acte. B. v. Prinzen Groß-Meiſter.
1762.
Errichtet der Marquis de Lernais zu Ber-
[85] lin ein Großes Kapitel der Ritter von Jeruſalem,
auf den Fuß, wie es damals zu Amiens und
andern franz. Staͤdten uͤblich war.
1762 und 1763.
Streitigkeiten unter den Berliner Logen. Die
▭ de l’Amitié trennt ſich von den drei Weltku-
geln und der ▭ Concorde, und arbeitet in die-
ſer Zeit ſeltner, weil ein großer Theil ihrer Bruͤ-
der abgegangen war.
eod.
Zu London werden 14 BB. wegen Gemein-
ſchaft mit Winkellogen ausgeſtoßen.
Free Mas. Alm. 1775.
1763.
Der maureriſche Apoſtel Roſa verbreitet ſein
Syſtem von Berlin aus, formt viele Logen um,
und errichtet Kapitel zu Braunſchweig, Hamburg,
Koppenhagen ꝛc. Er behauptet, das Ordensge-
heimniß beſtehe in Alchemie, Theosophie,
Cosmosophie, Mechanik ꝛc., jedoch mit dem
Geſtaͤndniß, es ſelbſt nicht zu wiſſen.
vergl. oben Jahr 1755.
eod.
Auf einem ſaͤchſiſchen Convente wird B. v.
Hund als Provinzial-Groß-Meiſter der deut-
ſchen Frei-Maurer anerkannt.
Saint Nicaise p. 173.
Schubart’s Mißion.
[86]
eod.
Die Mitglieder des Maureriſchen Tribunals bei
der Gr. L. zu den drei Weltk. in Berlin, legen
nach dreijaͤhrigen Arbeiten ihre Aemter nieder,
und es tritt eine ſechsjaͤhrige Anarchie ein.
1764.
Den 16. Maͤrz
errichten einige Bruͤder der alten Loge de l’amitié
zu Berlin, nach einem Patent von der Loge Pu-
rita zu Braunſchweig, eine neue Loge, die ſich
bald vermehrt. Mit ihr affiliiren ſich die Logen
zu Bourdeaux, Aix in Provence, Eduard zu
Dresden und andre, und ernennen Repraͤſentan-
ten bei derſelben.
eod.
Die K. K. Maria Thereſia hebt in ihren
Staaten die Frei-Maurerei auf, weil der Logen-
Meiſter ſich weigert, der Regierung von ihrer in-
nern Einrichtung Kenntniß zu geben.
eod.
Johnſon a Fuͤnen, der ſich fuͤr einen Eng-
laͤnder ausgab und behauptete, von den Obern
in Schottland abgeſchickt zu ſeyn, um alle deut-
ſchen Logen zu reformiren, hatte vorzuͤglich die
Idee verbreitet: die Maurerei ſei Fortſetzung des
T. H. O; die Chevaliers Prétres ſeien auf die
Schottiſchen Inſeln geflohen; die Miliz des Tem-
pels aber ſolle nur wieder oͤffentlich auftreten,
[87] dann wuͤrden die Clerici ſich nicht laͤnger verber-
gen, ſondern ihre geretteten Schaͤtze und hohen
Wiſſenſchaften (Geiſterſehen, Goldmachen ꝛc.) in
ihren Schoos niederlegen. Zugleich gab er eine
Liſte der ununterbrochnen Groß-Meiſter von Ja-
cob Molai bis auf ſeine Zeiten und nannte ver-
ſchiedne Weiſe in Italien und im Orient, als
Mitglieder des Ordens. Er machte, beſonders in
Jena, Proſelyten, ſchrieb an alle Logen, klagte,
daß ſie ſich von den Berlinern irre fuͤhren ließen,
behauptete, er habe, als Heer-Meiſter allein die
Befugniß, Ritter zu ſchlagen, und forderte De-
putirte nach Jena.
cf. Servati l. c. S. 449. ꝛc.
Er wird durch v. Hund (der nun unter dem
Ordensnamen Eques ab ense auftritt und ſich
mit v. Schubart vereinigt) nach Altenberg bei
Jena berufen, um ſich zu legitimiren. Dort ent-
deckt (1764) v. Hund, daß dieſer ſogenannte
Johnſon, ehmals Sekretaͤr in Bernburg gewe-
ſen ſey, und den Fuͤrſten betrogen habe; ſich im
ſiebenjaͤhrigen Kriege bald als Jude, bald unter
dem Namen Leucht, in Sachſen herum getrie-
ben habe; Bedienter bei dem Br. ab aquila ru-
bra geweſen und deſſen Papiere entwandt, auch
damit den v. H. eine Zeitlang getaͤuſcht habe;
daß ſein wahrer Name Becker und ſeine Ab-
ſicht Betrug ſey. — Er ergreift die Flucht, wird
in Magdeburg eingeholt und als Kaſſenpluͤndrer,
falſcher Muͤnzer ꝛc. auf die Wartburg geſetzt.
[88]
eod.
Um dieſe Zeit ſpielen die Franzoſen und Hol-
laͤnder mit einer ungeheuren Menge von Graden
fort, ohne weiter etwas Ernſthaftes dabei zu ſu-
chen. — Andre deutſche Logen, beſonders die
Frankfurter, arbeiten ungeſtoͤrt nach dem engli-
ſchen Syſtem.
eod.
Joh. Chriſtian Schubart v. Kleefeld,
erklaͤrt, in der Qualitaͤt eines beſtaͤndig abgeordne-
ten Groß-Meiſters, der Mutter-Loge zu den drei
Weltkugeln in Berlin dieſen Johnſon oͤffentlich
fuͤr einen Betruͤger.
Anti S. Nic. S. 180.
1765.
Den 27. Juli
wird der Herzog von York in der ▭ de l’ami-
tie zum Frei-Maurer aufgenommen. Die Loge
nimmt ihm zu Ehren den Namen: La Royale
York de l’amitié an.
eod.
Die Hamburger und Braunſchweiger L. L.
verlaſſen das engliſche Syſtem und treten zur
ſtrikten Obſervanz.
1766.
Die Loge R. Y. de l’a erhaͤlt von der großen Loge
[89] zu London eine feierliche Konſtitution, und wird
unter dem 24. Junius 1767, als Nro. 330 des
Londner Verzeichniſſes eingetragen.
eod.
Der D. Medicinaͤ Ellermann, durch Adoption
ſeiner Mutter Bruder von Zinnendorff ge-
nannt, im ſiebenjaͤhrigen Kriege Stabsmedicus
und hernach General-Stabs-Medicus in Berlin,
bei der ſtrikten Obſervanz Eques a Lapide Ni-
gro genannt, auch altſchott. Ober-Meiſter der ▭
zu den drei Weltkugeln, erklaͤrt die ſtr. Obſ. fuͤr
Betrug, und ſich fuͤr den Stifter eines neuen
Syſtems, wozu er die Rituale (Acten) durch
den Sekretaͤr der ſchwediſchen Loge, Eklef, heim-
lich erhalten. Er laͤßt ſich ein engliſches Privile-
gium geben, und erklaͤrt alle uͤbrige Maurerei fuͤr
unaͤcht. Mehrere Logen von der ſtr. Obſ. treten
zu ſeiner Parthei.
cf. Servati S. 462 ꝛc.
eod.
Einfuͤhrung der Intoleranz in die Maurerei.
eod.
Den 9. Auguſt.
Die gr. L. zu den drei W. nebſt ihrer Tochter
L. Concorde treten der ſtrikten Obſervanz bei.
eod.
Den Obern der ſtr. O. wird ein Plan vorge-
[90] legt, nach welchem durch Geldbeitraͤge der B B.
binnen fuͤnf Jahren Leibrenten entſtehen koͤnnten,
um, beſonders aͤrmere B B. zu unterſtuͤtzen. —
Er wurde von den meiſten Logen verworfen.
1767.
Erſcheinung der Clericorum Ordinis Tem-
plar und Erbieten, die Geheimniſſe von den Vaͤ-
tern in Auvergne dem Syſtem der ſtrikten Obſer-
vanz mitzutheilen.
v. d. Brief des Br. J. A. St. an den
B. v. Hund. Wismar d. 31. Maͤrz 1767
im Anti St. Nicaise II. Th. S. 10. f.
eod.
Vierte Ausgabe des Konſtitutions-Buchs. Der
Anhang dazu 1776.
eod.
Erſte Gruͤndung des Illum. O. durch Weis-
haupt.
1768.
Schroͤpfer etablirt ſein beruͤchtigtes Kaffee-
haus.
eod.
v. Schubart zieht ſich ganz von der Maurerei
zuruͤck.
eod.
Den 29. October.
Der Riß zu einem neuen Hauſe wird in der
[91] Engl, großen Loge vorgelegt und der Bau deſſel-
ben beſchloſſen; jedoch erſt 1774 der Bauplatz dazu
erkauft.
1769.
Die große franzoͤſiſche Landesloge ſchließt mit
der engliſchen einen Vereinigungs-Vertrag.
1770.
Den 25. April.
Die große Loge im Haag ſchließt einen Verei-
nigungstraktat mit der oberſten großen Loge von
England, wodurch jene die Macht erhaͤlt, in ganz
Holland und den davon abhaͤngigen Kolonien neue
Logen zu ſtiften und zu konſtituiren.
eod.
Den 27. December.
Herr v. Zinnendorff errichtet aus zwoͤlf
Logen eine große Loge zu Berlin, macht den Br.
K. zum Groß-Meiſter und ſich zum deputirten
Groß-Meiſter ſeines Syſtems.
1771.
Herr von Zinnendorff begehrt, unterm
29. Maͤrz und 29. October anhaltend, eine Kon-
ſtitution von London.
1772.
Konvent zu Kohlo (einem dem Generalfeld-
zeugmeiſter Gr. v. Bruͤhl gehoͤrigen Ritter-Gu-
[92] the in der Nieder-Lauſitz, ohnweit Pfoͤrten), auf
welchem der H. F. v. B. zum generellen Obern
aller Logen der ſtrikten Obſ. und der Eques ab
ense zum ſpeciellen Oberen der Ober- und Nieder-
ſaͤchſiſchen, daͤniſchen und kurlaͤndiſchen Logen der
ſtr. Obſ. ernannt wird.
Die Clerici machen auf dieſem Konvent
nicht den gewuͤnſchten Fortſchritt.
eod.
Erbauung eines Logenhaufes zu Barbados.
eod.
Schroͤpfer faͤngt an Loge zu halten.
eod.
Den 8. Januar.
v. Zinnendorff haͤlt unter Berufung auf
eine ſchwediſche, in Chiffern geſchriebene Konſtitu-
tution, eine deutſche Loge im Locale der franz. Loge
Royale York de l’amitié, um die in London
verſagte maureriſche Anerkennung durch das Zeug-
niß dieſer Loge zu bewirken; zu welchem Ende er
das Original-Protokoll der Loge R. Y. heimlich
wegnimmt und nach London ſendet.
eod.
Ausarbeitung der Zinnendorffiſchen Acten (Ri-
tuale, Verordnungen) durch die Bemuͤhung eini-
ger Bruͤder zu Berlin.
[93]
eod.
Den 5. Juli.
Herzog Friedrich wird Groß-Meiſter der
Preußiſchen Staaten bei der gr. L. zu d. 3 W.;
das Altſchott. Directorium der ſtr. Obſ. nimmt
ſeinen Sitz in Braunſchweig und Br. Woͤllner
wird Ober-Meiſter deſſelben.
1773.
Den 30. November.
Die Zinnendorfiſche große Loge erhaͤlt durch
ihren gegenwaͤrtigen Groß-Meiſter Prinzen Lud-
wig Georg Carl von Heſſen Darmſtadt, die
geſuchte Anerkennung von London und nimmt die
Firma einer großen Landesloge von Deutſchland an.
eod.
Leucht ſtirbt ploͤtzlich auf der Wartburg.
1774.
Den 19. Mai.
Vereinigung der ▭ Royale York mit der
Zinnend. großen Loge, auf Vorſchlag der großen
Loge zu London; worauf bald (d. 6. October)
deſto heftigere Inſulten von der einen Seite er-
folgen.
eod..
Den 16. Juli.
In Erfolg der Londner Konſtitution erhaͤlt die
[94] große Landes-Loge ein Allerh. Koͤnigl. Protecto-
rium.
eod.
Den 8. October.
Schroͤpfer erſchießt ſich im Roſenthal, in ſei-
nem 35. Jahre.
eod. circa.
Verfolgung der Frei-Maurer in Danzig.
1775.
Konvent zu Braunſchweig. — Legitimation des
Eq. ab Ense.
v. Servati l. c. S. 468. ꝛc.
eod.
Den 1. Mai.
Legte der engl. Groß-Meiſter Lord Petre,
nach einer feierlichen Prozeſſion in Great-Queen
Street, Lincoln’s Innfields, den Grundſtein zu
dem Hauſe der gr. Loge, wobei eine Kollekte ge-
ſammlet und Reden gehalten wurden.
eod.
Den 30. Juni.
Der regierende Herzog Ernſt zu Sachſen-
Gotha und Altenburg wird zum Groß-Meiſter
der Zinnendorfiſchen gr. Loge erwaͤhlt.
eod.
Das Amt eines Groß-Kapellans wird bei der
engl. gr. L. wieder erneuert und beſetzt.
[95]
eod.
Die Kleriker trennen ſich von der ſtrikten Ob-
ſervanz.
eod.
B. v. Gugomos tritt in Oberdeutſchland auf.
Er nennt ſich einen Geſandten der unbekannten
Obern, oder des heiligen Stuhls, in Cypern,
namentlich zu Nicoſia, Hoherprieſter, Ritter,
Dux ꝛc. beruft einen Konvent, verſpricht Geiſter-
Erſcheinungen, Goldmachen, Entdeckung der Tem-
pelherrn-Schaͤtze, Wunder aller Art. Sein Be-
trug wird entdeckt, er fluͤchtet, und thut nachher
Widerruf.
v. Servati S. 265 und 473.
eod.
Bar. v. Waͤchter, (Eq. a ceraso) wird
von der altſchott. Loge von Franken aus nach Ita-
lien geſchickt, um das Ordens-Geheimniß aufzu-
ſuchen, oder, nach andern, die B B. der ſtr. Obſ.
in Italien genauer mit denen in Franken zu ver-
binden. (Vorher war ſchon ein Graf C. — in
aͤhnlichen Abſichten dorthin gegangen.) Er errich-
tete einige Kapitel in Italien, lebte am Hofe des
Praͤtendenten und entdeckte den Ungrund aller
Erzaͤhlungen uͤber jenen, den Kilmanrock, den
Sekretaͤr Approſi ꝛc. und alle uͤbrigen Stuͤtzen
des deutſchen T. H.-Syſtems. Er ſelbſt aber
kam mit großem Reichthum zuruͤck, woruͤber er
erklaͤrte: daß ſeine wichtigen Kenntniſſe kein Frei-
[96] Maurer-Geheimniß und ſein freies Eigenthum
ſeyen.
l. c. S. 268. 288. 477. 487.
eod.
Roſenkreuzer bilden eine große Maurer-Par-
thei. — Martiniſten zu Lion und Paris. — Die
beiden Buͤcher: Des Erreurs et de la Verite von
St. Martin und Tableau naturel.
eod.
Der Fuͤrſt-Biſchof von Hildesheim Fr. Wilh.
v. Weſtphal verbietet ſeinem Klerus und feinen
Beamten den Beſuch der Logen, wegen der paͤbſtl.
Bullen.
1776.
Die Vereinigung der ▭ la Royale York de
l’amitié mit der gr. Landes-Loge wird durch die
Erkenntniſſe der gr. L. zu London vom 15. Jun.
1776 und 11. Apr. 1778 wieder aufgehoben und
die ▭ Royale York, in ihren alten Gerechtſamen
beſtaͤttigt.
eod.
Den 23. Mai.
Der neue praͤchtige Verſammlungsſaal der gr.
Loge von England wird vom Groß-Meiſter Lord
Petre Baron von Writte und den uͤbrigen
Groß-Officianten, in Gegenwart von 150 Da-
men und 400 Bruͤdern feierlich, mit den gewoͤhn-
lichen Cerimonien eingeweiht.
eod.
[97]
1776.
Trat der Ritter a Cygno triumphante auf,
welcher Rom und Florenz, als Orte der Aufbe-
wahrung goͤttlicher Geheimniſſe anwies.
Prozeß ꝛc. S. 186.
eod.
Den 30. Juni.
Der Herz. Ernſt von Gotha und Altenburg
wird aufs neue zum Groß-Meiſter der großen L.
Loge erwaͤhlt.
eod.
Neue Ausgabe des engliſchen Konſtitutions-
Buchs.
eod.
In England wird das Amt eines Groß-Ar-
chitecten eingeſetzt.
eod.
Den 8. November.
v. Hund ſtirbt zu Meiningen im 55. Jahre
ſeines Alters, und wird zu Melrichsſtadt, einem
Staͤdtchen im Biſtum Wuͤrzburg, drei Stunden
von Meiningen begraben.
eod.
Anfang der Neapolitaniſchen Verfolgungen.
Erſtes Baͤndch. G
[98]
1777.
Die große Loge von Schweden erklaͤrt durch
Abgeſandte in Berlin (vermittelſt einer Akte vom
29. Julius) die Patente, welche Hr. von Zin-
nendorff von ihr erhalten haben wollte, und
worauf er die Befugniß, ein neues Syſtem in
Deutſchland zu gruͤnden, baute, fuͤr unaͤcht.
1778.
Seit dieſem Jahré ohngefaͤhr, die heimlichen
Machinationen der unbekannten Obern des O. der
Gold- und Roſenkreuzer.
Nicolai Vorr. zum LVI. B. der N. A. d. B.
eod.
Die Franzoͤſiſchen Maurer verlaſſen immer
mehr die alte engliſche Konſtitution und ſchwaͤr-
men nach eigner Erfindung. Eine große Anzahl
franzoͤſiſcher Logen, beſonders in Elſaß und Lo-
thringen, haben ſich mit der ſtr. Obſ. vereinigt
und ſich unter den Schutz des Duc de Chartres
begeben. Aber auf dem Convent zu Lion ſchaffen
ſie das T. H. Syſtem, aus Furcht ab, nennen
ſich Chevaliers bienfaisants de la Sainte Cité,
bleiben mit der ſtr. Obſ. als beſondre Provinz in
Verbindung, haben aber eigne myſterioͤſe Grade.
v. Archives Mytho — hermetiques.
eod.
Die Loge Royale York, nach Zuruͤcknahme ih-
[99] rer alten Rechte, faͤngt (d. 14. Jan.) an, auch
deutſch zu arbeiten.
1779.
Der D. St. giebt ſich Muͤhe, die zu Mitau
befindlichen B B. der ſtr. O. mit den Klerikern
zu vereinigen, aber vergeblich.
Fortſetzung des Anti S. Nic. S. 146.
1780.
Illuminaten in Bayern.
eod.
Anfang der Vereinigung der ſogenannten Aſia-
tiſchen Bruͤder zu einem geſellſchaftlichen Koͤr-
per (geſchloſſen im J. 1784); verbunden, zu Fort-
pflanzung der aͤchten Erklaͤrung aller maureriſchen
Symbole, Zeichen und Woͤrter.
eod.
Erſter oͤffentlicher Angriff auf das T. H. Sy-
ſtem durch das Buch: der Stein des Anſtoßes
und Fels der Aergerniß, von St.
eod.
Den 9. September.
Erſtes Circulare des Herz. Ferdinand v. B.
als Einladung zu einem Convente.
1781.
FerdinandIV. Koͤnig von Neapel verfolgt
die Frei-Maurer.
G 2
[100]
1781.
Erſcheinung des fanatiſchen Buchs: Vom
Zwecke des Fr. M. O., in welchem auf unbe-
kannte Vaͤter hingewieſen wird, welche geheime
Wiſſenſchaften inne haben. (Von St.)
1782.
Derſelbe Verf. giebt das Werk: Ueber alte
und neue Myſterien heraus, welches voll unver-
ſtaͤndlicher und heimlicher Winke iſt.
eod.
Der Eques a ceraso erklaͤrt ſich bereit, in
den Schoß der Frei-Maurerei, welche jetzt gar
nichts wiſſe, einen Theil ſeiner Kenntniſſe nieder-
zulegen, will ſich aber nur einem kleinen Zirkel
ſelbſtgewaͤhlter B B. eroͤffnen, und mit dieſen
dem Orden eine neue Einrichtung geben. — Wird
aus Furcht vor Jeſuiten nicht angenommen.
v. Beitrag zur neuſten Geſch. des F. M. O.
Berlin 1786. S. 150.
eod.
Joh. Willhelm v. Zinnendorff ſtirbt
zu Berlin.
eod.
Joh. Peter Gogel zu Frankfurt a. M.,
Provinzial-Groß-Meiſter des Fraͤnkiſchen, Ober-
und Nieder-Rheiniſchen Kreiſes, ſtirbt. Dadurch
erliſcht das von London aus eingeſetzte Provin-
[101] zial-Groß-Meiſterthum, welches eine Nebenver-
anlaſſung zur Entſtehung der eclectiſchen Maure-
rei wird.
1783.
Convent zu Wilhelmsbad bei Hanau, woran
die ſtr. Obſ., eine Parthei deutſcher Roſenkreuzer
und (durch Freih. v. Knigge) die Illuminaten
Theil nahmen; — um den wahren Zweck der
Frei-Maurerei zu beſtimmen und zu unterſuchen,
ob ſie eine Fortſetzung des Tempelherrn-Ordens
und das wahre Geheimniß bei den unbekannten
Obern der heutigen Tempelherrn zu ſuchen ſey.
Nach 30 Sitzungen werden jene Fragen verneint,
und das Temp.-Hrn.-Syſtem abgeſchaft.
eod.
Circulare der Eclectiker, von der Prov.-
Loge zu Frankfurt am Mayn (unterm 18. Maͤrz)
und der Prov.-L. zum Reichs-Adler in Wetzlar.
(Unterm 21. Maͤrz.)
Abgedruckt Servati S. 494.
eod. circa.
Konvent in Paris, ausgeſchrieben von der
Loge des amis réunis daſelbſt, mit Einladung
an alle erleuchteten Bruͤder, ihre myſtiſchen Schaͤtze
mit den ihren zu vereinigen.
eod.
Den 28. Januar.
Neapolitaniſches Edikt, worinn alle bisherigen
[102] Angaben, Strafen und Dekrete, in maureriſchen
Angelegenheiten, aufgehoben, der Junta aber auf-
gegeben wird, darauf ferner zu invigiliren, als
auf eine Sache, die der Religion und dem Staate
verdaͤchtig werden kann.
1784.
Den 22. Juni.
Edikt des Churfuͤrſten Carl TheodorIV.
von Bayern, gegen alle unbeſtaͤtigte und unzu-
laͤſſige Kommunitaͤten.
eod.
Noorthoucks Ausgabe des Anderſonſchen Konſt.-
Buchs.
eod.
Von dieſem Jahre an, die Angriffe der Berl.
Monatsſchrift auf den heimlichen Katholicismus.
1785.
Den 2. Maͤrz.
Neues Edikt in Baiern gegen Frei-Maurer
und Illuminaten; Verbot aller Zuſammenkuͤnfte
und Geldſammlungen. (In dem Edikte wird die
Geſellſchaft eine, von ihrem erſten Inſtitut allzu-
weit abgeartete, genannt.)
eod.
Den 16. Auguſt.
Wiederholtes Edikt ebendaſelbſt, mit der Auf-
[103] forderung an die Praͤſidenten und Mitglieder der
Collegien, ſich in acht Tagen als Illuminaten zu
melden und der Geſellſchaft zu entſagen.
1785.
In Venedig wird die Frei-Maurerei verb[o]ten,
und der Logen-Meiſter mit Gattin und Kindern
verbannt.
eod.
Den 12. December.
Cabinets-Ordre Kaiſer JoſephsII. in mau-
reriſchen Angelegenheiten, worinn verordnet wird:
Daß in Hauptſtaͤdten nur hoͤchſtens drei Logen
ſeyn, die Liſten der Mitglieder und Anzeige der Ver-
ſammlungstage eingereicht, und die Logen-Meiſter
jaͤhrlich der Regierung angezeigt werden; alle Regie-
rungsſtellen aber den Freimaurern vollkommne
Aufnahme, Schutz und Freiheit angedeihen laſſen
ſollen.
eod.
Erſcheinung des Saint-Nicaise und im fol-
genden Jahre des Anti Saint-Nicaise.
eod.
Erſcheinung des Buchs: Die theoretiſchen Bruͤ-
der, oder zweite Stufe der Roſenkreuzer und ihre
Inſtruktion. Athen.
1786.
Der hoͤchſte Grad der engliſchen Maurerei
[104] (Royal Arche) faͤngt an in Deutſchland bekannt
zu werden; nicht lange vorher (circa 1777) in
England.
1786.
Vom 6. November 1786 bis zum 16. Auguſt 87.
der Prozeß uͤber den Verdacht des heimlichen
Katholizismus zwiſchen D. und Ober-Hof-Pre-
diger Stark und den Herausgebern der Berl.
Monatsſchrift.
1788.
Le Bauld de Nans wird Groß-Beamter der
Loge Royale York, und erwirbt ſich um dieſelbe
große Verdienſte.
1789.
Erſcheinung des Code Maçon ou Statuts
et Reglements pour l’usage de la ꝛc. ▭ Franc.
Royale York de l’Amitié; redigé par le
Bauld de Nans.
eod.
Den 25. October.
Wird der ſogenannte eklektiſche Bund durch den
Br. Auguſt v. Graͤfe beendigt und die Prov.-
L. zur Einigkeit in Frankfurt a. M. mit der gro-
ßen L. in London vereinigt.
1792.
Die Loge Clarence in London erklaͤrt: daß
ſie bei ihren Zuſammenkuͤnften keine aufruͤhreri-
ſchen Geſpraͤche dulden wuͤrde. Da es ohnehin
[105] ein Grundgeſetz des Ordens iſt, alle politiſchen
Materien zu verbannen, ſo werden die andern
engl. Logen uͤber jene Erklaͤrung ſo empoͤrt, daß
ſie erklaͤren: Die Loge Clarence ſey nicht aͤcht,
ſondern gehoͤre zu einem neuen, allein in Eng-
land bekannten Syſteme, deſſen Anhaͤnger von
den großen Logen in Schottland und Irland
nicht anerkannt wuͤrden.
1793.
Den 13. December.
Joh. Joachim Chriſtoph Bode, ſtirbt
zu Weimar.
1794.
Ausgabe des: Syſtems der Frei-Maurer-
Loge Wahrheit und Einigkeit zu den drei gekroͤn-
ten Saͤulen in Prag.
1796.
Der D. und Prof. Feßler erhaͤlt von dem
Conseil ſublime der Loge R. Y. zu Berlin den
Auftrag, ihre Verfaſſung und Rituale zu revidi-
ren, bei welchem Geſchaͤft ihm eine Kommiſſion
von ſieben Bruͤdern zugegeben wird.
eod.
Den 9. Februar.
Die gr. National-Mutter-Loge zu den drei
Weltk. erhaͤlt ein koͤnigl. Protektorium.
[106]
1797.
Den 3. Junius.
Wahl des gedachten Br. Feßler’s zum
Deputirten Groß-Meiſter dieſer Loge.
eod.
Den 3. Auguſt.
Erſter bedeutender Schritt, die Geſellſchaft
der Frei-Maurer zu einer, im vollkommenſten
Verſtande rechtlichen Geſellſchaft zu erheben,
durch den: Grundvertrag oder Fundamen-
tal-Konſtitution der großen Mutter-
Loge R. Y. zur Freundſchaft und aller
mit ihr vereinigten Logen.
eod.
Die gedachte Loge legt S. Majeſtaͤt dem Koͤ-
nige ihre Konſtitution pflichtmaͤßig vor und erhaͤlt
unter dem 29. December dſ. J. und dem 4. Ja-
nuar 1798 fuͤr ſich und ihre Tochter-Logen, alle
die Rechte, welche die andern Berliniſchen Mut-
ter-Logen durch Koͤnigliche Protektoria vormals
erhalten haben.
1798.
Den 11. Juni.
Die Loge Royale York giebt ſich die rechtliche
Verfaſſung einer großen Loge.
[107]
1798.
Den 28. October.
Feierliche Inſtallation des G. R. v. Sellen-
tin als Groß-Meiſter dieſes Logenvereins.
Beſchrieben in den Jahrbuͤchern ꝛc.
eod.
Den 20. October.
Koͤnigliches Edikt uͤber die geheimen Geſell-
ſchaften, als Regulativ fuͤr die Frei-Maurer in
den Preußiſchen Staaten; worinn nur diejenigen
Logen anerkannt und geſchuͤtzt werden, welche ſich
zu dem Syſtem einer der drei großen und Mut-
ter-Logen: zu den drei Weltkugeln, der Zinnen-
dorfiſchen Landes-Loge und Royale York bekennen,
und dieſe großen Logen fuͤr ihre Tochter-Logen
reſponſabel gemacht werden.
1799.
Neue Verfinſterungsverſuche durch die Z. und
Roſenkreuzer. Die große L. der Frei-Maurer
zu Berlin, R. Y. zur F. genannt, wird im Ham-
burger Korreſpondenten Nro. 167 auf
den Hirtenbrief an die wahren und aͤchten
Frei-Maurer alten Syſtems 5785., ein
Buch worinn der Geiſt Chryſophirons blaͤſt, ver-
wieſen.
1800.
Den 13. Junius.
Vollendung der rechtlichen Verfaſſung der Frei-
[108] Maurerei durch die: Durchaus revidirte (zweite)
Ausgabe des Grundvertrags der großen Frei-
Maurer-Loge R. Y. zur Freundſchaft und deren
Geſetze.
1800.
Den 31. December.
Die große Frey-Maurer-Loge R. Y. zur
Fr. fuͤhrt bey allen Logen ihres Vereins das aͤlteſte
aͤchte engliſche Ritual der drey Sct. Johannis-
Grade ein.
[[109]]
3.
Maureriſcher Lebenslauf des Bruders a ***
Von ihm ſelbſt aufgeſetzt.*)
Im Jahr 17**, als ich mich auf meinen Rei-
ſen und meiner Kunſt wegen in H. aufhielt, wo
ich in die Bekanntſchaft und ich moͤchte ſagen,
[110] Freundſchaft mehrerer angeſehener Maͤnner, die
zugleich Maurer waren, gekommen war, faßte
ich den Entſchluß, mich auch einer Geſellſchaft
einverleiben zu laſſen, von der ich immer viel
Gutes gehoͤrt hatte. Die Bewegungsgruͤnde zu
dieſem Entſchluſſe, waren eben nicht weit herge-
holt. Ich glaubte, der Orden ſei eine freund-
ſchaftliche Verbindung, in welcher ſich die Men-
ſchen, mehr, als ſonſt gewoͤhnlich, einander naͤher-
ten, ſich gegenſeitig erheiterten und unterſtuͤtzten;
ja, ich hoffte, durch die Bruͤder, welche Kuͤnſtler
waren, ſelbſt fuͤr meine Kunſt zu gewinnen. Daß
nichts Boͤſes und Unerlaubtes bei der Sache
waͤre, ſchloß ich aus der Theilnahme der wuͤrdi-
gen Maͤnner, die ich als Mitglieder kannte. Dieſe
Urſachen gab ich auch dem beruͤhmten D. J —
an, bei welchem ich mich meldete. Er hatte die
Guͤte, mich ſelbſt bei der Loge vorzuſchlagen, aber
als die Stimmen gezaͤhlt wurden, ſo erſtaunte er
nicht wenig, daß ich mit zwei negativen Stim-
men durchgefallen war. Er konnte ſich dieſen
Vorfall nicht erklaͤren, er aͤußerte ſeinen Unwillen,
mit dem Beiſatz: Er muͤſſe doch wohl wiſſen,
wer ſich zur Aufnahme qualificire, und veranſtal-
tete eine zweite Stimmenſammlung, in welcher
ich durchging. Nach Verlauf der geſetzmaͤßigen
Zeit ward ich in der ▭ A. vom D. W. — der
ſtatt des Mſtr. v. St. D. J — arbeitete aufge-
nommen und der in der Maurerei ſo wichtige
und beruͤhmte E. a L. conv. hielt bei dieſer
Gelegenheit eine vortreffliche Rede, die mir immer
[111] in Gedanken geblieben iſt. Als ich nach meiner
Reception im Vorzimmer war, wurde mir auf
einmal der Umſtand klar, den ſich der Hochw.
B. J — nicht hatte erklaͤren koͤnnen. Der Br.
Z. mein ſehr guter Freund, der damals erſter
Vorſt. war, kam zu mir, freute ſich, mich als
Bruder zu begruͤßen und eroͤffnete mir, daß er
die Urſach geweſen ſey, daß ich beinah durchge-
fallen waͤre. Er und ein andrer B. haͤtten vor
einiger Zeit einen Kandidaten gehabt, dem durch
eine Kabale die Aufnahme verweigert worden
waͤre; daruͤber waͤren ſie ſo boͤſe geworden, daß
ſie ſich vorgenommen, es ſolle in Jahr und Tag
kein andrer Kandidat durchgehen. Nun habe er
ſeinen (des Br. — t.) Namen uͤberhoͤrt, und es
ſey ſo gekommen. *) Ich war damit ganz wohl
[112] zufrieden, ob ich mich gleich wunderte, wie die
beiden B B. einen ſolchen Vorſatz hatten faſſen
koͤnnen.
In dem Jahre, welches ich noch in H. zubrachte,
beſuchte ich fleißig die Logen, freute mich uͤber
das, was ich ſah und hoͤrte, erhielt den zweiten
Grad und reiſte als ein angehender, aber ſehr
eifriger Maurer nach B., wohin ich von dem B.,
der bei meiner Aufnahme die Rede gehalten hatte,
wichtige Empfehlungen mitnahm.
Die dortige L. hatte in ihrem Schoße ſehr
angeſehene Mitglieder, darunter der wuͤrdige Laf —
bei dem ich wohnte, und der B. C.; aus deren
Geſpraͤchen ich meine Begriffe und Kenntniſſe in
der Maurerei ſehr erweiterte. Die vornehmſten
Glieder der L., ſchienen mir damals im chymiſchen
Syſtem zu arbeiten, daher ich mir auch, als ich
dort durch den Mſtr. v. St. L — den dritten Gr.
erhielt, die Frage erklaͤrte:
Ob
*)
[113]Ob dem Kandidaten ſein Leben lieb ſey?
worauf die Antwort gegeben wurde:
Der Ob. B. Mſter a. W. hat alle ſeine
Tage gezaͤhlet.
Ich war nun Mſtr., aber ich wußte weder uͤber
den gegenwaͤrtigen Zuſtand des Ordens, noch uͤber
ſeine Geſchichte, noch uͤber ſein Innres, mehr,
als was mir die erfahrnen BB. aus gutem Wil-
len und in Privatgeſpraͤchen hatten zukommen
laſſen, denn zu ihren hoͤheren Arbeiten, die ſie
privatim betrieben, zogen ſie mich nicht. Ich
hatte indeß mancherlei erfahren, was mir in der
Folge nuͤtzlich war, hielt mich an das Gute, was
ich ſah, und ließ mich um das, was ich nicht
verſtand, unbekuͤmmert.
Nach dem Ende des ſiebenjaͤhrigen Krieges,
gieng ich wieder nach H. zuruͤck. Um dieſe Zeit
hatte die Maurerei manche Schickſale erfahren
und es war viel Verwirrung in ſie gekommen.
Daruͤber hoͤrte ich nun in H. von den guten und
einſichtsvollen B B. große Klagen und mehrere
z. B. D. v. E. D. J —, B. und andre eroͤffne-
ten mir, daß Anſtalten getroffen wuͤrden, die Un-
ordnungen wieder aufzuheben, das Corps zu ſaͤu-
bern und nur die zu behalten, welche man fuͤr
aͤcht und gut finde. Man lud mich ein, der gu-
ten Sache beizutreten, und ich bezeugte meine
Bereitwilligkeit, wenn ich erſt gehoͤrt haͤtte, was
man vorhabe. Ich ward in das Hotel St. Peters-
burg beſchieden. Dort fand ich den Hochw. B
Sch —, (den ich vorher ſchon als hannoͤveriſchen
Erſtes Baͤndch. H
[114] Kriegs-Commiſſaͤr in B. gekannt hatte) und die
beiden, mir als rechtſchaffne Maͤnner bekannten
B B. P. und St. Sie waren in dem Ordenshabit
gekleidet; jener trug ein rothes Kleid mit goldnen
Schleifen, dieſe hatten blaue Kleider und karmoi-
ſin-atlaßne Weſten mit goldnen Treſſen beſetzt.
Dieſe wuͤrdigen B B. ließen ſich nun weitlaͤufti-
ger uͤber den Unfug in der Maurerei aus, den beſon-
ders die franzoͤſiſchen Officiers mit Aufnahmen ohne
Unterſchied und mit Austheilung von Graden
aller Art getrieben und dadurch die aͤchte Maure-
rei ſehr korrumpirt haͤtten. Es ſei daher ein
Konvent zu K. gehalten worden, worauf der B.
Sch. ausgeſandt worden waͤre, die Logen zur
Ordnung zuruͤckzubringen und zu etwas Beſſerem
zu vereinigen. Der Orden, fuhr man fort, habe
allerdings groͤßere Zwecke; und außer der Morali-
taͤt, richte man ſein Augenmerk auch auf irrdi-
ſche Vortheile. Alsdann wurde ich gefragt: Ob
ich unbekannte Obere anerkennen und einer ſtren-
geren (ſtrikten) Obſervanz beitreten wolle? —
Ich erklaͤrte freimuͤthig; daß ich im Orden frei-
lich etwas anders ſuche, als ich bis jetzt gefun-
den, und ich daher ſehr gern einer ſtrengeren
Ordnung beitreten wuͤrde. Wegen des oͤkonomi-
ſchen Plans aber erklaͤrte ich mich dahin: daß
die Sache wohl Anſtoß geben wuͤrde, weil die
oͤffentliche Treue und Glaube nicht ſo befeſtigt
waͤre, daß man in die unpartheiiſche Verwaltung
der Einkuͤnfte und Ausſpendung der Emolumente
kein Mißtrauen hegen und die Zuruͤckſetzung der
[115] entfernten z. B. hieſigen B B. nicht fuͤrchten
ſollte. — Man verſicherte mich dagegen, daß man
alle ſolche Zweifel bald unſtatthaft finden werde;
und ich unterzeichnete meinen Namen auf einer
Liſte, wo ich ſchon viel Namen mir wohl bekann-
ter und rechtſchaffner Maͤnner fand. Dann wurde
ich entlaſſen.
Nach einiger Zeit ward ich auch in Thaͤtigkeit
geſetzt und erhielt Arbeiten fuͤr die Loge, welche
ich als Geheimniß behandeln mußte. Zur Be-
lohnung dafuͤr ertheilte man mir den vierten Gr.,
bei welcher Gelegenheit mir die vorhergehende
Feierlichkeit ſehr merkwuͤrdig war. — Die ganze
⊠ war verſammlet. Der Hochw. Br. J — als
Groß-Meiſter, mit allen moͤglichen Ordens-In-
ſignien, Baͤndern und Kleinoden geziert, oͤffnete
ſie und hielt eine lange Rede, ohngefaͤhr folgen-
den Inhalts:
Er habe in London die drei Grade der Joh.-
Maurerei erhalten, und es ſei ihm bei ſeiner
Abreiſe von da (circa 1718 — 20) das Pa-
tent als Groß-Meiſter von H. und N. S.
ertheilt worden. Als ſolcher habe er auch in
H. eine Loge geſtiftet. Bei ſeinem maureri-
ſchen Leben habe er aber gefunden, daß auf
dem gewoͤhnlichen Wege der gute Zweck nicht
ganz erreicht werde; er habe ſich alſo nach-
her an das Roſaſche Syſtem angeſchloſſen
und uͤberhaupt gefunden, daß die ganze
Maurerei in Deutſchland nicht viel
aͤlter ſeyn koͤnne, als von der Zeit
H 2
[116]ſeiner Miſſion in Deutſchland. So
waͤre er auch mit dem bekannten Leucht,
genannt Johnſon, bekannt geworden, den
er um ſo eifriger kultivirt, weil er gehoͤrt
habe, daß die Bereitung einer Univerſal-
medicin und alchymiſtiſche Arbeiten der Zweck
der hoͤheren Maurerei ſeyn ſolle. Vermittelſt
ſeiner gemachten Erfahrungen aber wiſſe er,
daß auch darinn nichts liege, ſondern daß
der Orden vielmehr einen wichtigeren Zweck
haben muͤſſe. Nun haͤtten die erfahrenſten
und erleuchteſten Maurer einen Konvent zu
K. gehalten, und von da aus den hier gegen-
waͤrtigen Hochw. B. Sch. ausgeſandt, um
nicht nur ihn, ſondern auch die angeſehen-
ſten und erfahrenſten B B. in H. vom wah-
ren Zweck zu unterrichten, ſie zur Theilnahme
aufzufordern, in den hohen Orden aufzuneh-
men, und die Loge zu reformiren. Zum Un-
terſchiede haͤtten ſie den Namen der ſtr. O.
angenommen.
Nun las er eine Schrift vor, welche die Be-
dingungen der Aufnahme in dieſe neue Ordnung
enthielt, welche ohngefaͤhr darauf hinausliefen:
1) Unbedingter Gehorſam gegen die unbekannten
hohen Obern. 2) Unbedingte Erfuͤllung der Auf-
traͤge des Ordens und Geheimhaltung derſelben.
3) Daß daher keiner aufgenommen werden ſolle,
der nicht ſein eigener Herr ſey (das wurde dahin
erklaͤrt: Der unter Subordination eines Privat-
manns ſtuͤnde z. B. Kaufmanns-Diener, damit
[117] ſie nicht gehindert wuͤrden, die erhaltenen Befehle
z. B. zu Reiſen, zu erfuͤllen). 4) Daß jeder ver-
bunden ſeyn ſolle, alles, was er von maureriſchen
Inſignien, Buͤchern, Manuſcripten ꝛc. beſaͤße,
dem Orden einzuhaͤndigen.
Nach dieſem legte er alle ſeine Inſignien,
Baͤnder und Schuͤrzen, auf den Altar, ermahnte
die ihm gleich bekleideten B B., daſſelbe zu thun
und von dieſem Firlefanz (wie er es nannte) Ab-
ſchied zu nehmen. Nachdem dies geſchehen war,
machte er bekannt, daß der Hochw. B. V. g.
und C. p.Sch. eine Loge des vierten Gr. eroͤff-
nen und mich befoͤrdern wuͤrde.
Ich mußte nun abtreten und meine Praͤpara-
tion enthielt die Wiederholung der von dem B.
J. vorgetragenen Ideen, worauf ich m. d. St.
u. d. H. in die Loge eingefuͤhrt wurde. Dort
— — — — — — —
— — — — — — —
— — — — — — —
Der Hochw. B. Sch. ſchloß feinen Vortrag mit
Begeiſterung und rief mit aufgehobenem H. aus:
Nun, meine lieben Bruͤder! was ſagen Sie davon?
Darauf antwortete der Br. B*d* mit ſeiner
witzigen Art, ganz trocken: Was der Loͤwe
ſagt, *) und der Hw. B. Sch. ſchien dieſe Ant-
wort zu fuͤhlen.
[118]
Einige Tage nach dieſer Begebenheit reiſte ich
nach B. zuruͤck: Dorthin nahm ich ein Schreiben
an den Mſtr. v. St. Br. L. mit, mit dem Auf-
trage, es ihm in voller, geoͤffneter ▭ zu uͤberge-
ben und den Inhalt muͤndlich, als Augenzeuge,
zu beſtaͤttigen. Die Loge wurde gehalten und ich
uͤbergab mein Schreiben. Darinn wurde von der
neuen Reform und dem Zutritt der ▭ A. in H.
zur ſtr. Obſ. Nachricht gegeben und die ▭ in B.
ebenfalls dazu eingeladen. Ich beſtaͤttigte den
Inhalt und verſicherte, daß ich allerdings eine
groͤßere Ordnung gefunden. — Nun waren die
angeſehenen B B. Laf. C. und L. ſchon Mitglie-
der des neuen Syſtems und hatten ſchon die In-
ſignien deſſelben. Der Br. v. K. aber, welcher
den Titel eines Hollaͤndiſchen Obriſten fuͤhrte und
in der Loge das Amt eines Deputirten Groß-
Meiſters bekleidete, war wenig mit der neuen
Veraͤnderung zufrieden, weil er (wie mir es nach-
her die B B. erklaͤrten) bei ſeinem Aufenthalt in
B. von den Unordnungen in der Kaſſe Nutzen
gezogen und nun wohl ſahe, daß bei einer neuen
Ordnung die Quelle verſiegen wuͤrde. Dieſer Br.
nun ſprach uͤber die ſogenannte ſtr. O., und beſon-
ders uͤber die unbekannten Obern in einem ſehr
anzuͤglichen Tone, ja er warf die Frage auf, ob
*)
[119] ich, der ich geſtaͤndlich zu einem andern Syſteme
gehoͤre, dieſer L. beiwohnen koͤnne? Worauf ihm
der Hochw. B. L. unter andern mit Eifer ant-
wortete: daß Er das wiſſen muͤſſe. Ueberhaupt
wurde dieſe Verſammlung ſehr tumultuariſch, da
der B. v. K. auch einige B B. auf ſeiner Seite
hatte, und die Sache wurde noch nicht an dieſem
Tage, aber doch einige Zeit darauf, durchgeſetzt.
Denn als ich darauf nach R — g gegangen
war und einen zuruͤckgelaſſenen Freund ſchriftlich
gefragt hatte: Ob der Krieg noch fortdaure, ant-
wortete er mir: Die hoͤheren B B. haͤtten eine
Zuſammenkunft gehalten und im Ganzen ſei jetzt
Waffenſtillſtand. Bei der zugenommenen Ord-
nung aber gewinne die gute Sache immer mehr
Freunde, auch habe die ▭ ſchon ein eignes Haus
gekauft ꝛc.
In R — g ſelbſt beſuchte ich die ▭ zu den
drei Schluͤſſeln, die ſich vor kurzem erſt etablirt
und durch den Br. Sch. eine hollaͤndiſche Konſti-
tution von der Haager-Loge erhalten hatte. Sie
war eigentlich franzoͤſiſchen Urſprungs, arbeitete
aber mit vieler Anſtaͤndigkeit.
Von dort aus gieng ich auf einen groͤßeren
maureriſchen Schauplatz, ich reiſte nehmlich nach
L. Hier war der Uebertritt der ▭ z. d. 3. P.
zur ſtrikten Obſervanz eben vollendet. D. H. war
Mſtr. v. St. geweſen; da er aber verſchiedenen B B.
anſtoͤßig war, er auch ein bischen in ſeinen oͤkonomi-
ſchen Umſtaͤnden derangirt war und mit der Sprache
nicht fort konnte: ſo mußte er dahin diſponirt
[120] werden, ſeinen Poſten aufzugeben. Dies hatte ſeine
Schwierigkeiten. Nach der Ordenseinrichtung iſt
nehmlich der Mſtr. v. St. immer zugleich Provi-
sor domorum, mit welcher Charge einige Emolu-
mente z. E. jaͤhrlich hundert Rthl. Gehalt, verbun-
den waren. Dies iſt aber nur von den Meiſtern
der Mutter-Logen zu verſtehen. Ich werde mich
daher naͤher daruͤber erklaͤren. Keine Loge durſte
nehmlich uͤber dreißig Mitglieder ſtark ſeyn; waren
deren mehrere, ſo wurde eine neue Loge geſtiftet,
ein neuer Meiſter eingeſetzt und die alte Loge
mußte einige Mitglieder abgeben. Dieſe wurde
aber als eine Tochter-Loge angeſehen und der
Meiſter einer ſolchen, wenn er nicht Ritter war,
mußte wenigſtens den vierten Grad haben, weil
die oͤkonomiſchen Verhandlungen der Loge, wie
der Armen-Kaſſen, alle in den vierten Grad ver-
legt waren. Von hier aus gingen die Rechnun-
gen ſodann in den innern O. uͤber, da der große
oͤkonomiſche Plan dieſem Grade noch nicht bekannt
war und man hier nur eine ohngefaͤhre, allge-
meine Notiz von demſelben hatte. Die Meiſter
einer ſolchen ausgeſetzten oder Tochter-Loge nun,
hatten keine Cmolumente.
So ſchwuͤrig es alſo war, den B. H. zur
Reſignation zu bewegen, ſo bewirkte ſie der innre
Orden dennoch und ſetzte die Wahl des Hochw.
B. E. als Meiſter v. St. zum Wohle der Loge,
durch.
Durch einen ehmaligen Schulkameraden, den
B. B — r wurde ich hier wieder in die Maure-
[121] rei verflochten. Bald bei meiner erſten Meldung
und dem dabei vorfallenden Examen ward ich vor
den BB. W — g (welcher engliſcher Sprach-Meiſter
war) und Z — ſch und ihrem Anhang, als den
groͤßten Gegnern der ſtr. O. gewarnt. Ich ward
ins Noviziat und ſogleich darauf als Armiger
aufgenommen, arbeitete fuͤr die L. in meiner
Kunſt und hatte auch Gelegenheit manches Wich-
tige zu erfahren, indem ich fuͤr das bedeutende
Archiv des B. Polykarpus L. ſchrieb.
Einige Jahre giengen ohne Zank, in der groͤ-
ſten Ordnung hin. Der neue Meiſter v. St.
machte durch ſeine vortrefflichen Vortraͤge die Ver-
ſammlungen intereſſant und ſorgte uͤberhaupt auf
alle Weiſe fuͤr die Wuͤrde der Loge. Man gieng
ſogar damit um, hier ein unabhaͤngiges Kapitel,
welches mit Klerikern verſehen waͤre, zu errich-
ten. — Die late Obſervanz kam damals noch im
Schiff zuſammen. Da ſie aber keine Theilneh-
mer fanden, ſo ſchloſſen ſie ihre Loge und behal-
fen ſich ſeitdem blos mit Schimpfen.
Die erſte Stoͤrung machte jetzt der beruͤchtigte
Schroͤpfer, wozu unſer Meiſter v. St. in ei-
ner St. Joh. ▭ an Weihnachten die unſchuldige
Veranlaſſung gab. Er gebot nehmlich bei der
Tafel ▭ Stillſchweigen, lies die dienenden Bruͤ-
der abtreten und ſagte ohngefaͤhr folgendes: „Er
muͤſſe uns etwas bekannt machen, uns Vorſicht
empfehlen und uns warnen. Es ſey hier ein
Koffetier, Namens Schroͤpfer aufgetreten, der ſich
ruͤhme, mit den wahren Ordens-Obern in Verbin-
[122] dung zu ſtehen und den Auftrag haben wolle,
hier eine aͤchte Loge zu etabliren. Schon ſeit ei-
niger Zeit halte er hier Aufnahmen. Beſonders
aber hielten ſich einige Iſerloher zur Meßzeit an
ihn, ſodann unterſtuͤtze ihn ein gewiſſer B — g
aus Frkf. a. M., und er wiſſe, daß ſogar ver-
ſchiedne hier verſammlete B B. ſeiner Loge beige-
wohnt haͤtten. Er rechne, fuhr er fort, auf un-
ſre Verſchwiegenheit, daher wolle er uns ſagen,
auf welchem Wege er zur Kenntniß davon ge-
kommen ſey. Es habe ſich nehmlich ſchon vor
mehrerer Zeit ein Mann aus Iſerlohe bei ihm
zur Aufnahme gemeldet, den er aber zur Geduld
verweiſen muͤſſen. Da er ihn vor etlichen Tagen
geſprochen und ſich an ſein damaliges Geſuch
erinnert habe, ſo habe dieſer geantwortet: Seine
Wuͤnſche waͤren bereits erfuͤllt, denn er ſey in
Schroͤpfers Bekanntſchaft gekommen, der ihn
nicht nur vor ihrer Loge gewarnt, ſondern ihm
auch wichtige Dinge vom Orden, deſſen wahrer
Groß-Meiſter er (Schroͤpfer) ſey, anvertraut
haͤtte. — Durch dieſen Umſtand habe er alſo die
Sache beſtimmt erfahren; nur muͤſſe er ſich bil-
lig wundern, daß die B B. unſrer Loge, die je-
nen Verſammlungen beigewohnt, nicht die ſchul-
dige Anzeige davon gemacht haͤtten.“ Dieſes
machte unter den gegenwaͤrtigen B B. eine ge-
waltige Senſation und als die Tafel ▭ aufgeho-
ben war, fragte einer den andern: Herr! wer
iſts? Man nannte mir, als ſolche, die dem
Schroͤpferſchen Club beigewohnt, die B B. Sch — l
[123] und Br — r. — Dieſen Angriff erfuhr Schroͤpfer
ſogleich und er wurde dadurch bewogen, oͤffentlich
aufzutreten. Er fuhr emſiger fort, zu werben,
aufzunehmen, und die Maurerei zu profaniren.
Er ſprach oͤffentlich auf ſeinem Kaffeehauſe von
ihren Geheimniſſen, log unverſchaͤmt und ver-
wirrte die beſten Freunde. Beſonders ruͤhmte er
ſeine hoͤheren Kenntniſſe, ſchimpfte auf die geſetz-
maͤßigen Logen, und unterſtuͤtzte ſeine Behaup-
tungen durch die Kenntniß und Erzaͤhlung aller-
hand kleiner geheimer Begebenheiten, die er durch
ſeine Geiſter wiſſen wollte. Welch ein Geiſt ſeine
Klique belebte, ſah man auch aus dem Beneh-
men des obengenannten B. Sch — l, der einige
Tage nach obigem Vorfall in der ▭ (um die
Neujahrs-Meſſe) zu unſerm Meiſter v. St. kam,
und ihn conſtituirte: Wie er es wagen koͤnne, ei-
nen ſolchen Mann, wie Schroͤpfer, als Betruͤger
zu ſchildern, da er vielmehr und ſeine Loge Be-
truͤger waͤren; worauf jener ihm ganz kaltbluͤtig
erwiederte, daß er einen Mann von ſolchem Ka-
rakter, der nur Aufſehen machen wollte, um ſein
Kaffeehaus zu heben, junge Leute an ſich locke,
um ſie zu pluͤndern und zu ruiniren ꝛc. nicht fuͤr
einen guten Maurer, ſondern fuͤr einen Betruͤger
halten muͤſſe.
Bald darauf kam mir die Schroͤpferſche An-
gelegenheit perſoͤnlich naͤher. Mein Freund B—r,
bei dem ich wohnte, ward durch Sch — l und
Br — r mit dem Wundermanne bekannt, und
durch ſeinen Hang zum Wunderbaren bald naͤher
[124] an ihn attachirt. Er trat zu der Geſellſchaft, hielt
ſich im Anfang ſtill, uͤbernahm aber nachher das
Sekretariat, welches um ſo mehr gut beſetzt ſeyn
muſte, da Schroͤpfer, ſo gut er auch ſchwatzen
und raͤſonniren konnte, nicht im Stande war,
eine Zeile ordentlich und zuſammenhaͤngend zu
ſchreiben. Mein Freund war bisher ein ordentli-
cher und wirthſchaftlicher Mann und ein guter
Hausvater geweſen, der Abends regelmaͤßig zu
Hauſe blieb und alle Ausſchweifungen verabſcheute.
Seit jener ungluͤcklichen Bekanntſchaft aber, ward
er unordentlich, ſchwaͤrmte oft halbe, ja ganze
Naͤchte, und kam betrunken nach Hauſe. Seine
gute Frau litt dadurch außerordentlich, und ſeine
ganze Familie ward beſtuͤrzt und mißmuthig. Ich
hielt es endlich fuͤr Pflicht, ihm daruͤber Vorſtel-
lungen zu machen. Dies benutzte er, um ſich zu
rechtfertigen, indem er mir die herrlichen Sachen
ruͤhmte, welche er geſehen und gehoͤrt hatte, Wun-
derdinge von Schroͤpfers Kenntniſſen erzaͤhlte und
mir zu verſtehen gab, daß er ſorgen wolle, wenn
ich der Geſellſchaft beitreten wollte. — Dieſer
Gedanke war mir ſelbſt nicht mehr fremd; ich
glaubte bei naͤherer Kenntniß der Geſellſchaft und
durch eine Art von Theilnahme beſſer auf meinen
Freund B — r wirken zu koͤnnen; und dann hatte
wohl auch Schroͤpfer ſelbſt meine Neugierde ge-
ſpannt. Ich ſagte alſo zu B — r, daß ich ſeine
Bekanntſchaft zu machen wuͤnſchte. Br. ſchien
daruͤber Freude zu haben, und ſchickte mich zu
Sch — l, den ich ſchon lange, aber nicht von der
[125] vortheilhafteſten Seite kannte. Sch — fuͤhrte
mich in ſeine kleine finſtre Schreibſtube, wo ich
auch Br — r fand; ich gab ihm meinen Wunſch
zu erkennen; er verſprach mir Gewaͤhrung, und
erzaͤhlte mir, jedoch mit einem gewiſſen Halbdun-
kel, ſo viel Außerordentliches, daß mir die Haare
zu Berge ſtanden. Zugleich ſchimpfte er gewaltig
auf alle Maurerei, und erzaͤhlte mir, ob er gleich,
wie ich wuſte, nur den dritten Gr. hatte, alle
Geheimniſſe des hohen Ordens; welche er wahr-
ſcheinlich durch Schroͤpfers Geiſter wiſſen wollte,
wahrſcheinlich aber von B — r erfahren hatte.
Als ich Abſchied nahm, ward ich auf einen Abend-
beſuch eingeladen.
Einige Tage darauf bekam ich die beſtimmte
Invitation nach 6 Uhr auf ein Abendeſſen, und
B — r kuͤndigte mir an: Schroͤpfer wuͤrde mich
bei dieſer Gelegenheit unterſuchen. Da ich eben
daſſelbe im Sinne hatte, ſo ſchaͤrfte ich meine
Aufmerkſamkeit auf alle Gegenſtaͤnde. Ich kam
hin, fand eine ordentlich aufgeputzte Stube mit
einem Erker; in der Mitte ſtand ein Tiſch, auf
dem Tiſche eine große Punſchterrine, italieniſcher
Sallat u. d. gl.: in jeder Ecke des Tiſches noch
ein brennendes Licht und unter dem Trimeaux
zwei Glaͤſer mit Waſſer. Außer einigen Bekann-
ten, war noch ein junger Menſch da, der als
Handlungsburſche in der L — hrſchen Handlung
ſtand. Bald nach mir kam Schroͤpfer; ein großer,
unterſetzter, wohlgebildeter, gutgewachſener und
ſehr anſehnlicher Mann. Er freute ſich, mich hier
[126] zu finden und war uͤberhaupt ſehr artig. Im
Anfang fuͤhrte man gleichguͤltige Diskurſe, dann
wandte er das Geſpraͤch auf die Unſterblichkeit
der Seele und das Leben nach dem Tode. Zu-
gleich wurde fleißig getrunken. Waͤhrend dieſer
Geſpraͤche gieng Schroͤpfer zuweilen vor den Spie-
gel, nahm ein Glas Waſſer, ſah es an, koſtete,
und trank oder ſpuckte aus. Durch den Sallat,
Punſch und die andern ſchoͤnen Sachen ward es
mir weichlich um den Magen, und da einmal die
andern beſonders ſtanden, angelegentlich ſprachen
und lachten, und mir es immer uͤbler wurde, trat
ich unvermerkt in den Erker, machte das kleine
Fenſter auf und — ein Beneficium naturae
machte mich wieder nuͤchtern. Ich gieng ſodann
mit erneuter Beſonnenheit wieder ins Zimmer,
miſchte mich unter die Geſellſchaft; worauf mich
Schr. uͤber meine Meinung von der menſchlichen
Seele und von Geiſtern zu examiniren anfing.
Ich antwortete nach ſeinen Ideen, die er ſchon
vorhin angeſtoßen hatte, gab ihm aber auch zu
erkennen, daß ſein Galimathias ſo trivial waͤre,
daß ich dieſe Sachen ſchon auf der Schule ge-
wuſt haͤtte. Nach Mitternacht giengen wir, und
ich zu meinem Gluͤck, ganz nuͤchtern, auseinander.
Am andern Tage (Freitags) fragte mich B — r
um mein Sentiment, worauf ich ihm blos im
allgemeinen antwortete: ich koͤnne noch nicht ur-
theilen, aber etwas Neues habe ich nicht erfahren.
Auf meine Frage: wasdie Waſſerglaͤſer und das oͤf-
tere Trinken bedeute, eroͤffnete er mir: Schroͤpfer
[127] koͤnne durchs Waſſer ſehen; bliebe das Waſſer
rein, ſo ſey der Kandidat wuͤrdig, wuͤrde es aber
truͤbe, ſo affektire er nur, und ſey der Aufnahme
nicht wuͤrdig. (Woraus ich ſchloß, daß dies Expe-
riment nicht ganz untruͤglich ſey). Zugleich ſetzte er
hinzu, Schroͤpfer ſey von mir erbaut und habe
meine Reception ſchon auf kuͤnftigen Dienſtag
angeſetzt.
Eigentlich war es gar mein Ernſt nicht, mich
in dieſe Geſellſchaft aufnehmen zu laſſen. Da
nun B — r in der Sonnabends-Nacht nicht nach
Hauſe kam, und er Sonntags noch an den Fol-
gen des naͤchtlichen Schwaͤrmens laborirte, ſo
nahm ich Gelegenheit ihm zu ſagen: er ſolle die
Sache nicht zu ſchnell treiben. Ich muͤßte vor-
her wiſſen, ob ich meinen uͤbrigen maureriſchen
Verbindlichkelten dadurch entgegen traͤte. Dieſe
Frage machte ihn ſtutzig und er geſtand offen,
daß es bei ihnen gerade auf den Untergang des
Frei-Maurer-Ordens abgeſehen ſey. Eine Offen-
herzigkeit war nun der andern werth, und ich
ſagte mich freimuͤthig von ihnen los, weil bei ih-
nen Worte und Handlungen ſo wenig uͤberein-
ſtimmten; hielt ihm ſeinen unordentlichen Lebens-
wandel vor und erinnerte ihn an ſeine Verpflich-
tung als Socius. Er kam dadurch in Verlegen-
heit, weil er mich in der Schroͤpferſchen Geſell-
ſchaft vorgeſchlagen, ward ſichtbar kaͤlter gegen
mich und ſagte mir: Man wuͤrde ſich zu revan-
giren wiſſen. Zugleich ſchimpfte er auf die M.
[128] und nannte uns die rothen Bruͤder von Crom-
wells Garde.
Seitdem trieb Schroͤpfer ſein Unweſen noch
aͤrger und drohte, das „infame Komplott von
T. H.“ wie er es nannte, zu denunciiren. In
der Stadt logen ſie uͤberall, behaupteten, durch
den P. H — z, welcher ihr Mitglied ſey, die An-
zeige bei Hofe gemacht zu haben; beim kaiſerli-
chen Hofe ſelbſt wolle man es dahin bringen, daß
der Orden infam kaſſirt wuͤrde; der ihre hingegen
gehe auf Tugend und Reinheit der Seele, wo-
durch allein man Einfluß auf Geiſter erhalte. —
Dies alles wurde dem hohen O. bekannt; man
berief ein Kapitel im Hauſe des O. A. R. T.;
die Drohungen wurden vorgetragen, die Bosheit
der Leute in Erwaͤgung gezogen und fuͤr noͤthig
befunden, die Sache den hohen O. Obern zu D.
z. B. v. W., v. H — l, v. H — z anzuzeigen und
Verhaltungsregeln einzuholen. Ich ſelbſt wurde
aufgefordert, meiner Pflicht gemaͤß, ſogleich en
Courier nach D. zu reiſen, das Protocoll mitzu-
nehmen und muͤndlichen Rapport abzuſtatten. —
Da man die Wuth und Niedertraͤchtigkeit der
Schroͤpferſchen Bande kannte, und nicht abzuſe-
hen war, wozu ſie die Verzweiflung treiben koͤnnte,
ſo muſte die Reiſe, beſonders da ich bei B — r
wohnte, ſchnell und heimlich unternommen werden.
Wie ich gieng und ſtand, ſetzte ich mich in dem
ſchlechteſten Wetter im Februar auf den Wagen,
der mich vor dem Gr. Thore erwartete, fuhr die
ganze Nacht hindurch und kam fruͤh um ſechs
Uhr
[129] Uhr an. Sogleich gab ich meine Depeſche an den
Hw. B. v. H — z, an welchen ſie addreſſirt war,
ab, und wurde um zehn Uhr ins K. gerufen, wo
ich die angeſehenſten und erfahrenſten Mitglieder
deſſelben verſammlet fand. Das Protokoll ward ver-
leſen und ich erſtattete meinen muͤndlichen Bericht.
Man erſtaunte uͤber die Frechheit dieſer Menſchen,
hielt zwar ihre Drohungen fuͤr Schreckſchuͤſſe,
ſandte aber doch eine Deputation an den Durchl.
Protector den H. C. v. C. — Am Abend bekam
ich die Antwort, nebſt einem Kiſtgen, worinn das
Portrait des genannten H. B. war. Um ſechs
Uhr reiſte ich wieder ab und war am andern
Morgen zu Hauſe.
Noch denſelben Nachmittag verſammlete der
H. Mſt. v. St. das ganze K. bei ſich. Man
verlas die erhaltnen Depeſchen, worinn die B B.
ermahnt wurden, ſich an jene Drohungen nicht
zu kehren und der M. v. St. den Auftrag erhielt,
das beikommende Portraͤt des erhabnen Protectors
in voller ▭ zu oͤffnen, oͤffentlich aufzuhaͤngen und
die Loge ſeines Schutzes zu verſichern. — Dies
geſchah bald darauf in einer Lehrl. ▭ mit aller
Feierlichkeit, woraus auch von den B B. kein
Geheimniß gemacht werden durfte.
Dies that aber eine ganz entgegengeſetzte Wir-
kung, denn ſtatt, daß die Schropferſche Geſell-
ſchaft ſich durch dieſen angeſehenen Namen haͤtte
abſchrecken laſſen, ſo kamen ſie dadurch ſo in
Wuth, daß ſie drohten, den M. v. St. zu er-
morden. Ja, Schroͤpfer war ſo verwegen, zu
Erſtes Baͤndch. J
[130] ihm zu gehen und ihm zu ſagen: Wenn er nicht
mit allen von ihnen excludirten B B. in die ▭
gelaſſen wuͤrde, ſo wuͤrde er (der Mſtr. v. St.)
und einige andre es mit dem Leben bezahlen.
Sie wuͤrden gewiß Wort halten, denn aus dem
Schafott machten ſie ſich nichts ꝛc. Der Praͤfect
berief bei dieſer Lage der Sachen das ⊠, und
da er ſelbſt eine obrigkeitliche Perſon war, ſo
verbarg er ſeine Verlegenheit nicht. Er ſagte:
Man muͤſſe dieſen Menſchen alles zutrauen, und
um kein oͤffentliches Spektakel zu geben, ſo bat
er die B B., doch dieſe Herrn einzulaſſen; er ſelbſt
wolle ſein Tab. entheiligen und (da es E. ſtand-
haft ausſchlug) bei dieſer traurigen Gelegenheit
den H. fuͤhren. — Es hielt hart, die B B. dazu
zu diſponiren, aber zu der Beruhigung dieſes ge-
achteten B. uͤbernahmen die determinirteſten Mit-
glieder das ekelhafte Geſchaͤft, von dem man oben-
drein Unannehmlichkeiten vermuthete. Der Br.
v. H. und ich erklaͤrten uns, dabei die Stellen
der V. einnehmen zu wollen.
Die ▭ wurde um ſechs Uhr angeſetzt. Der
H. B. T. eroͤffnete ſie und ſodann wurden die
vier Herren: Schroͤpfer, Sch — l, B — r und
L — k (welcher letztre als ein unmoraliſches Glied
ausgeſchloſſen worden war) gemeldet. Schroͤ-
pfer kam mit allen ſeinen Kreuzen und Baͤn-
dern, und mit geladenen Piſtolen. Der M. v.
St. ſagte ihnen: Sie waͤren eingelaſſen worden,
um ihnen einen Beweis der Vertraͤglichkeit zu
[131] geben, und daß man nichts gegen ſie haͤtte: Die
▭ wurde bald darauf wieder geſchloſſen.
Ueber dieſe Nachgiebigkeit gloriirten ſie her-
nach nicht wenig, blieben aber dabei, ſie wuͤrden
ihre Plane doch verfolgen und ſtießen beſonders
gegen mich ſehr harte Drohungen aus; welches
mich auch bewog, nie anders, als mit Piſtolen
verſehen auszugehen und endlich auch, L. wieder
zu verlaſſen.
Vorher muß ich noch bemerken, daß, wie die
D — ner B B. zur Oſtermeſſe kamen, der hohe Or-
den im ⊠ eine Proteſtation gegen die Idee depo-
nirte: als ob man geſonnen ſey, den alten T. O.
mit allen ſeinen Beſitzungen zu retabliren. Man
erklaͤrte im Gegentheil feierlichſt, daß ſie nur ad
normam T — riorum arbeiten wollten und als
getreue Diener des Staats, fuͤr ſeine politiſche
und religioͤſe Verfaſſung auch den letzten Bluts-
tropfen vergießen wuͤrden.
Von L. gieng ich wieder nach H. zuruͤck, wo
ich einige Wochen nach Oſtern ankam. Ich be-
ſuchte ſogleich den Br. B. und erfuhr von ihm,
daß D. J. entſchloſſen ſey, die indeß geſchloſſen
geweſene Loge wieder zu eroͤffnen, daß ſchon eine
Zuſammenkunft deshalb geweſen ſey und er naͤch-
ſtens alle B B. dazu einladen laſſen werde. Auf
meine Frage: Warum man ſo lange nicht gear-
beitet habe, erfuhr ich folgendes: Der oͤkonomi-
ſche Plan ſei an allem Schuld. Auf Veranlaſ-
ſung der Zudringlichkeiten von Seiten des Con-
vents zu K. nehmlich, wegen der Emolumente
J 2
[132] des H. M. v. H. waͤre eine ſehr ſtuͤrmiſche Ka-
pitular-Verſammlung gehalten worden, in welcher
der Br. D — r, Vorſteher der ▭ St. G., er-
klaͤrt habe: daß mit ſeinem Willen kein Pfennig
mehr weggeſchickt werden ſollte und wer noch da-
von ſprechen wollte, ein H — fott ſey. Darauf
habe der Gr. M. J. erklaͤrt: Er wolle die ▭
ſchließen, bis er ſehe, was das Ganze fuͤr einen
Gang nehmen werde. Dies habe große Senſa-
tion gemacht und ſei vielen unangenehm geweſen.
Die an Maurerei gewoͤhnte H — r Welt, habe
nun eine Winkelloge beſucht, welche ein gewiſſer
Ruſſiſcher Ofizier, Namens Roſenberg, zu
ſeinem Nutzen, etablirt hatte. Dieſer R. haͤtte
den B B. der untern Klaſſe eine ſchwediſche
Konſtitution vorgezeigt, die wenigſten aber haͤtten
daran geglaubt. So ſey die Sache lahm fortge-
gangen; man haͤtte dort alles ohne Unterſchied,
ſogar Juden aufgenommen, und ſei uͤberhaupt in
der Auswahl gar nicht ekel geweſen, habe aber
auch der ▭ eben keine Achtung erworben. Dies
ſey ſo fortgegangen, bis der K. v. Schw. in Be-
gleitung ſeines Miniſters Sch. durch H. gereiſt.
Dieſen Zufall habe R. benutzt, den K. und Sch.
in ſeine ▭ invitirt und alles gethan, um die ▭
recht brillant zu machen, z. B. nur die anſehnli-
chen und wohlgekleideten B B. dazu genommen,
andern gerathen, ſich Kleider zu borgen ꝛc. Wirk-
lich ſei auch Sch. zur ▭ gekommen; die ganze
Stadt ſei davon voll geweſen; man habe dieſen
Beſuch als Anerkennung ihrer Rechtmaͤßigkeit ge-
[133] nommen und dadurch ſei alles, was Maurerei
treiben wollen, dieſer ▭ zugefallen. — Dies
ſey, fuͤgte er hinzu, der bisherige Zuſtand der
hieſigen Maurerei; jetzt aber, da ſie aus Sach-
ſen, Kurland u. a. O. die Nachricht haͤtten, daß
das neue Syſtem ſich hielte und verbreitete, ſo
wuͤrden ſie ihre Logen wieder eroͤffnen und ſich
mit Abaͤnderung des oͤkonomiſchen Plans, der
ohnedies geſcheitert waͤre, wieder an das Syſtem
anſchließen.
Waͤhrend dieſer Verhandlungen, wo noch ein
großer Theil der B B. zweifelhaft waren und der
Wiedereroͤffnung nicht ſogleich beitreten wollten,
weil ſie des Gezaͤnks ſatt waͤren, war ich in H.
angekommen. Es kamen auch bald einige der
angeſehenſten B B. an mich z. B. Sch — r,
G — ts, D. T — f und forderten mich auf, ihnen
aus Sachſen getreu zu referiren, da man ihnen
von dem daſigen Flor des O. ſo viel Gutes geſagt
haͤtte. Ich that das, und erzaͤhlte ihnen, wie ich
alles in guter Ordnung und in Flor gefunden,
und wie ich nicht zweifelte, daß ſich die Sache
erhalten wuͤrde. Die Nachrichten, die ich ihnen
gab, bewog auch dieſe drei bedeutenden B B.,
welche einen großen Anhang hatten, der ▭ bei-
zutreten und die erſte Verſammlung ſchon war
ſehr glaͤnzend.
In L. waren indeß ſeit der Zeit meiner Ab-
reiſe, wie ich aus einem Briefe an B. erfuhr,
ſonderbare Dinge vorgegangen. Der H. v. C.,
als Protektor des Ordens, hatte an Schroͤpfer,
[134] welcher waͤhrend der Oſter-Meſſe ſein Weſen ſehr
arg getrieben hatte, ſchreiben und ihm befehlen laſ-
ſen: er ſolle ſich aller maçonniquen Sachen ent-
halten, ſich ruhig verhalten und ſeinen Namen
nie nennen, ſonſt wuͤrde er ihn nachdruͤcklich zuͤch-
tigen laſſen. Schroͤpfer aber trieb es ſo arg,
wie zuvor. Daher bekam der Oberſt des Regi-
ments der Kurfuͤrſtin Befehl, ihn aufheben zu
laſſen, und dem Auditeur des Regiments Sch — t
zu uͤberliefern, welcher ihm durch zwei Unter-Offi-
ciere funfzig Pruͤgel auf den H. ſollte zuzaͤhlen laſ-
ſen. Dieſer Auftrag wurde treulich erfuͤllt; und da
Schroͤpfer einmal des Abends aus dem L — ſchen
Garten, wo ſehr angenehm gelebt wurde, nach
Hauſe gehen wollte, ward er aufgehoben und
zum Auditeur gebracht. Dieſer las ihm den Be-
fehl vor und ließ Schroͤpfern auf das ſchon
bereit gehaltene Stroh legen. Er bat und flehte,
man ſolle ſich ſeiner Kinder erbarmen ꝛc. Nach-
dem er zwoͤlf Hiebe erhalten hatte, quittirte er uͤber
funfzig und wurde entlaſſen. Dieſe Quittung ward
an B. eingeſchickt, und man ſprach in H. viel
pro und contra uͤber die Recht- und Unrecht-
maͤßigkeit dieſer Procedur; (wobei B. meinte:
Das einzige Unrechte dabei waͤre nur dies, daß er
ſie nicht alle gekriegt haͤtte) Einige Tage darauf
ſtand die Schroͤpferſche Quittung in der von
Claudius herausgegebenen Zeitung mit diploma-
tiſcher Genauigkeit abgedruckt.
Dadurch aber waͤre ich beinah wieder in einen
verdruͤßlichen Handel verwickelt worden. Nach
[135] der L. Michaelis-Meſſe ließ ſich nehmlich bei mir
ein Mann, der ein Uhrenhaͤndler aus Neufchatel
war und den ich als Bruder kannte, bei mir
melden. Da ich eben nicht zu Hauſe geweſen
war, ſo beſuchte ich ihn des andern Morgens um
eilf Uhr in ſeinem Logis, wobei ich jedoch, da ich
mir nichts Gutes verſah, meine Piſtolen nicht
vergeſſen hatte. Er empfing mich ganz artig,
bald aber nach den erſten Komplimenten, fieng er
mit impoſanter Miene von der „verfluchten In-
ſinuation in den Zeitungen“ (wie er es nannte)
zu reden an und erklaͤrte, daß er mich fuͤr den
Anſtifter dieſer Infamie hielte. Ich entgegnete
ihm: daß ich ſeine Ausdruͤcke zwar fuͤr etwas
ſtark hielte, glaubte aber mit einem ehrlichen
Manne zu ſprechen, und hoffte, daß alles, was
wir jetzt verhandelten, unter uns bleiben wuͤrde,
weil ichs ſatt haͤtte, mir in der Maurerei weiter
Ungelegenheiten zuzuziehen. Ueber jene Inſinua-
tion aber, fuhr ich fort, ſei er in voͤlligem Irr-
thum. Ich haͤtte nicht nur keinen Theil daran,
ſondern hielte ſie auch fuͤr verwerflich und ich
haͤtte meine Gedanken ſchon am gehoͤrigen Orte
geſagt. Was uͤbrigens die ganze Schroͤpferſche
Maçonnerie betraͤfe, ſo ließe ich ſie auf ihrem
Werth und Unwerthe beruhen. Ich fuͤr mein
Theil haͤtte nur, wegen der großen Unmoralitaͤt
des Schroͤpfer und ſeiner Vertrauten, Beden-
ken getragen, ihnen beizutreten.
„Herr! — fieng er auf einmal an — Sie
ſcheinen mir ein ehrlicher Mann zu ſeyn. Aber
[136] in L. ſprechen ſie nicht ſo von Ihnen.“ Und von
dem Augenblick waren wir in vertrauten, freund-
ſchaftlichen Geſpraͤchen. Er fragte mich um meine
naͤhere Meinung von Schr., und erzaͤhlte mir
manches von ihren Gebraͤuchen z. B. daß der
Recipiend die Reiſen wuͤrklich uͤber Land machen
und bei einem ſteinernen Kreuze, in Geſellſchaft
des zuletzt Aufgenommenen, ſelbſt im groͤſten Regen,
beten muͤſſe, daß die Logen knieend gehalten wuͤr-
den, jeder betend ein Kruzifix in der Hand hielte,
daß gewiſſe Figuren in Daͤmpfen erſchienen und
ſie von außen ſonderbares Geraͤuſch hoͤrten, dabei
auch viel Punſch traͤnken; daß ſie aber, als Mau-
rer, bei offnen Thuͤren arbeiteten ꝛc. — Wir
gingen ſodann als gute Freunde auseinander und
er nahm oͤffentlich zuruͤck, was er geſtern gegen
mich geſprochen hatte.
Die Logen A. und St. G. gingen indeß ihren
Gang fort und ich arbeitete fleißig in ihnen.
Die Anhaͤnger des Roſenberg aber waren
tuͤckiſch, arbeiteten gegen uns auf alle Weiſe,
ſprachen oͤffentlich von T. H. und wollten bewei-
ſen, daß wir keine Frei-Maurer waͤren. Die
Zaͤnkereien in Berlin zwiſchen Theden und von
Zinnendorf, der ſich zum Stifter einer neuen
Sekte aufgeworfen hatte, kamen dazu und ver-
mehrten die Verwirrung. Die ſogenannten Schwe-
diſchen B B. (Roſenberger) ſuchten durch den
Kaufmann H — bury, der eben in London war,
eine engliſche Konſtitution, als Landes-Loge von
Deutſchland zu erſchleichen, und da ſie meinten,
[137] unſre Logen nicht beſſer ſtuͤrzen zu koͤnnen, als
wenn dem Br. J. das Gr.-Mſtr. Patent abge-
nommen wuͤrde, ſo trugen ſie bei der großen
Loge in London darauf an, es ihm abzufordern.
Dieſe gab ihnen auch wirklich ein Commissoriale,
dies zu thun: *) Da damals unſre Logentage immer
in den Zeitungen bekannt gemacht wurden, ſo
wuſten ſie alſo auch die Roſenberger, und ſie
benutzten einen ſolchen Tag, um ihren Plan aus-
zufuͤhren. Mitten in der Loge ward der B. J.
herausgerufen; der W. h. Br. meldete zugleich,
es ſeinem Notarius darein, der dieſen Hochw. Br.
perſoͤnlich ſprechen muͤſſe. Unſer Br., der Licen-
tiat D — r, ein ſehr geſchickter Advokat, ſchoͤpfte
daraus Verdacht, bat es ſich aus, an J. ſtatt
hinausgehen zu duͤrfen, uͤbernahm das Schreiben,
welches vom Engliſchen Geſandten kommen ſollte
und brachte es zur Loge, wo es oͤffentlich verleſen
wurde. Der B. D — r bat ſich wieder aus, ihm
die ganze Verhandlung zu uͤberlaſſen; worauf die
Arbeits- und Tafell. vergnuͤgt fortging. Am andern
Tage fuhr D — r zum engl. Geſandten, und
fragte: ob das Schreiben miniſteriell uͤbergeben
ſeyn ſolle? Dieſer verneinte dies beſtimmt und
ſagte, es ſei blos ein beigeſchloſſener Brief, deſſen
[138] Inhalt er auch nicht kenne. D — r berief ſich
nun auf den H. F. v. B. und gab zu erkennen,
daß man ſolche Ungezogenheiten von jener Par-
thei nicht laͤnger dulden wuͤrde. — Darauf bekam
jener Notarius ein foͤrmliches Proteſtations-Schrei-
ben, und nun waren ſie ſtill.
Die Schwediſchen hatten ſich unter der Zeit
durch ihre bekannten Mittel ausgebreitet, und
mehrere Logen geſtiftet. Aber bei der ſtr. Obſ.
waren theils die angeſehenſten und wuͤrdigſten
Maͤnner, theils war bei der Gegenparthei das
Reich uneinig. Dies ging ſogar ſo weit, daß
zehn bis zwoͤlf ihrer beſten Mitglieder, und unter
dieſen ihr Stifter Roſenberg an uns kamen,
und bei uns um Aufnahme baten. Er hatte
ihnen nehmlich, unter ihren Zaͤnkereien geſagt:
Er werde ihnen einen Wind in die L. laſſen, der
Zeitlebens ſtinken ſollte! und dieſe Drohung fuͤhrte
er nun durch ſeinen Uebertritt aus. Dieſe Be-
gebenheit erregte bei unſern Kapitularen eine
ſtarke Senſation und man disputirte viel daruͤber,
ob ſie aufgenommen werden ſollten oder nicht.
Der B. v. E — r war aus perſoͤnlichen Gruͤnden
dawider, aber die Meinung derer, welche mein-
ten, man muͤſſe die dargebotne Hand zur Ver-
ſoͤhnung annehmen, drang durch. In einer Lehr-
ling-Recept. L. in St. G. wurden dieſe B B.
feierlich eingefuͤhrt; wobei einer aus ihnen einge-
laden wurde, die Stelle aus dem (ſehr merk-
wuͤrdigen) Konſtitutions-Buche, wo von Mau-
rerei im Allgemeinen und uͤber den Zweck
[139] derſelben die Rede iſt, ſelbſt vorzuleſen. — So
hart uͤbrigens der Schlag fuͤr die Schwediſchen
war, ſo fielen ſie doch dadurch nicht, ſondern
arbeiteten nach ihrer Weiſe fort.
Ich blieb diesmal fuͤnf viertel Jahr in H.,
wo ich außer fleißigem Logenarbeiten, auch fuͤr
das L — r Archiv thaͤtig war und unter andern
mehrere franzoͤſiſche Grade abſchrieb, z. B. den
Esperancier, Pomme Verd, die Rituale des
Schiffsordens und die ſogenannten Akten der
ſchwediſchen Maurerei. Sodann ging ich wieder
nach R — g, und zwar uͤber L.
Dort wohnte ich wieder bei B — r, welcher,
nach ſeiner Ehrlichkeit alle Animoſitaͤt vergeſſen,
auch ſich von Schroͤpfer getrennt hatte. Die
Urſachen dieſer auffallenden Erſcheinung waren,
theils weil Schr. ihm trotz ſeines Dringens kein
einziges ſeiner Verſprechen erfuͤllt und ihm auf
ſeine Fragen nach den Ordens-Obern nur durch
Ausfluͤchte geantwortet hatte, *) theils auch weil
laͤſtige Geldgeſchaͤfte unter ihnen obwalteten. —
In demſelben Hauſe wohnte Schroͤpfers Bru-
der der Banquier Wolfgang Schr., ein bra-
ver Mann, der an den Thorheiten ſeines Bruders
keinen Theil nahm. Bei einem Beſuche, den ich
dieſem machte, fand ich ihn ſelbſt, als Herr Obri-
[140] ſten, (wie er ſich ſeit einiger Zeit nennen ließ)
in franzoͤſiſcher Uniform. Wider mein Vermu-
then empfing er mich ſehr freundſchaftlich, ladete
mich in ſeine Loge ein und war ſogar erboͤtig, da
ich bald abreiſen wollte, die auf morgen angeſetzte
Loge, auf heut anſagen zu laſſen. Ich lehnte es
aber ab, weil ich ſeit jenem Auftritt in H. wuſte,
daß darinn mit Beten und dem Namen Gottes
Mißbrauch getrieben wurde. Seine Freundlichkeit
erklaͤrte ich mir uͤbrigens allein aus meinem und
ſeinem Verhaͤltniß zu B — r, wo er wahrſchein-
lich durch mich mit jenem wieder anknuͤpfen oder
andre aͤhnliche Zwecke erreichen wollte.
Von R — g reiſte ich nach W., wo ich durch
einen daſigen Mſtr. v. St. das tragiſche Ende
Schroͤpfers erfuhr, von welchem ich hier eine
Erzaͤhlung einſchalten will, nachdem ich vorher
die veranlaſſenden Urſachen kuͤrzlich angegeben habe.
Schroͤpfer konnte ſo ſchwatzen und raͤſonni-
ren, daß die kluͤgſten Leute und ſelbſt der Mnſtr.
v. W — b, hintergangen wurden und in dieſem
die Idee entſtand, es muͤſſe hinter ſeinem Sy-
ſtem doch etwas ganz ſolides ſtecken. Um dahin-
ter zu kommen, ſo uͤbernahmen es die alten und
angeſehenen B B. L — r und M — e in L. ihn
zu dechiffriren, und weil man vor den unglaub-
lichen Luͤgen und Spiegelfechtereien, bei denen ſich
vorzuͤglich Fr — ch gebrauchen ließ, nicht hinter
die Wahrheit kommen konnte, ſo machten jene
beiden unter ſich aus: daß keiner von ihnen allein
bei Schr. Arbeiten gegenwaͤrtig ſeyn und jeder
[141] auf etwas beſonders ſeine Aufmerkſamkeit richten
wolle; auch ließen ſie ihn auf allen Schritten
beobachten. Dies hatte aber auf ihn nicht viel Ein-
fluß. Aber eine andre Begebenheit ward bedeu-
tender. Er ſagte, er muͤſſe auf Befehl ſeiner
Obern eine Reiſe machen und borgte dazu von
du B. tauſend Stuͤck Louisd’or. Zum Unterpfande
gab er ihm einen verſiegelten Kaſten, worinn alle
Ordensgeheimniſſe verwahrt ſeyn ſollten. Die
beſtimmte Zeit von 6 — 8 Wochen verfloß und
Schroͤpfer kam nicht zuruͤck. Da es endlich
geſchah, erſchien er als franzoͤſiſcher Obriſter, gab
das Kaffeehaus auf, blieb aber dort wohnen. Da
ſeine Anhaͤnger uͤber dieſe neue Erſcheinung erſtaun-
ten, erzaͤhlte er ihnen, beſonders B — der,
auf Koſten der Ehre ſeiner Mutter, daß er der
Sohn eines franzoͤſiſchen Prinzen ſey, welcher bei
Hofe dafuͤr geſorgt habe, ihm dieſen Charakter zu
verſchaffen. Den B B. von Adel war dieſe Ko-
moͤdie willkommen, denn ſie meinten nun, in
groͤßerer Vertraulichkeit mit ihm leben zu koͤnnen;
ſie machten daher Miene, als ob ſie es glaubten
und ſchlugen alle Wege des vertrauten Umgangs
ein, ihn zur Sprache zu bringen. Als er in D.
war, ſah man ſogar den H. v. C., v. L — n,
v. H — tz u. a. mit ihm Arm in Arm auf der
Straße gehen. Aber ſo ſein ſie es auch anfingen,
ſo war er doch noch feiner, und hielt ſie mit dem
Vorgeben hin, daß die Zeit noch nicht da waͤre,
wo ſeine Obern ihn zur Mittheilung des letzten
Geheimniſſes autoriſirt haͤtten. — Indeß war
[142] bei du B. der Zahlungs-Termin der tauſend
Louisd’or laͤngſt verfloſſen, und da ihm bange
ward, ließ er, um ſein Unterpfand zu unterſuchen
in Gegenwart eines Notarius den Kaſten oͤffnen
und fand — alte Waͤſche und Steine. Um ſich
nicht laͤcherlich zu machen, ſo verſchmerzte er vor
der Hand ſtillſchweigend dieſe Atrappe. — Die
Herbſtmeſſe kam unter der Zeit naͤher und da
ſeinen Anhaͤngern, wie ſeinen Gegnern, die Zeit
zu lang wurde, ſo addreſſirten ſie ſich an den
franzoͤſiſchen Geſandten zu D., informirten ihn
von der ganzen Lage der Sachen und es ward
folgender Plan zu ſeiner Demaskirung gemacht:
Acht Tage vor der Meſſe ſchrieb der franzoͤſiſche
Geſandte an Schroͤpfer einen Brief des In-
halts: Er habe gehoͤrt, daß er als Obriſt in
franzoͤſiſchen Dienſten ſtaͤnde und bedaure, daß
er bei ſeinem Aufenthalt in D. nicht ſeine Be-
kanntſchaft gemacht habe, weil er ſonſt nicht unter-
laſſen haben wuͤrde, ihm die erforderlichen Hon-
neurs zu machen. Er wolle aber das Verſaͤumte
nachholen. Er wuͤrde mit dem Hofe in acht
Tagen zur Meſſe kommen; dort boͤte er ihn,
ihm ſeine Legitimationspapiere vorzulegen, denn
(ſchloß er) er wuͤrde es nimmermehr zugeben,
daß die Armee ſeines Koͤnigs durch einen Avan-
tuͤrier beſchimpft wuͤrde. „Dieſer Brief ſetzte
ihn in Schrecken, und wurde die Veranlaſſung
zu ſeinem verzweifelten Entſchluſſe. Legitimiren
konnte er ſich nicht, das Exempel von Leucht
ſchwebte ihm vor den Augen, ſicher war er nir-
[143] gends, zugleich fuͤrchtete er, daß du B. alle
Tage aufwachen wuͤrde, und endlich wuſte er
nicht mehr, wie er den Zudringlichkeiten ſeiner
Anhaͤnger ausweichen ſollte. So ſtuͤrmte alles
auf ihn ein und fuͤhrte ihn zu ſeinem letzten
Schritt, den er jedoch mit aller Beſonnenheit
that. Am Abende verſammlete er alle ſeine Bruͤ-
der, und hielt bei offnen Fenſtern und Thuͤren
eine maureriſche Lehrlings-Loge. Nachdem er die
uͤbrigen entlaſſen hatte, ſchwelgte er mit ſeinen
Vertrauten bis nach Mitternacht. Um zwey Uhr
etwa entfernte er ſich von ihnen, mit den Wor-
ten: Er wolle nun die Anſtalten machen, um
ihnen noch dieſen Morgen das ganze Geheimniß
des Ordens aufzudecken, da der ſo ſehnlich er-
wuͤnſchte Zeitpunkt erſchienen ſey. Zwiſchen ſechs
und ſieben Uhr kam er ganz heiter wieder und
gegen acht Uhr, nach eingenommenem Fruͤhſtuͤck,
forderte er die B B. v. B — der, Fr — ch,
P — i u. a. mit den Worten: „Nun will ich
Euch etwas zeigen, was ihr von mir nimmer-
mehr erwartet haͤttet,“ auf, ihn zu begleiten.
Luſtig und vergnuͤgt ging er mit ihnen aufs Ro-
ſenthal zu und gab unterwegs an P — i ein ver-
ſiegeltes Billet, mit dem Auſtrage, es beim Her-
eingehen an D. M — e abzugeben. Bald beim
Eingange des Roſenthals, bat er ſie ſtill zu ſtehen
und ſagte: Er wuͤrde ſich einen Augenblick ent-
fernen; ſie moͤchten ihm aber nicht eher nachge-
hen, als bis er ihnen ein Zeichen gaͤbe. Sie
warteten, und hoͤrten bald nach ſeinem Weggange,
[144] in einem etwa zwanzig Schritte entfernten Buſche,
einen dumpfen Knall. Sie hielten dies fuͤr das
gegebene Zeichen, eilten hin und fanden ihn in
ſeinem Blute. — Seine Sorge fuͤr einen guten
Anſtand, die ihn im Leben ſo ſehr beſchaͤftigte,
hatte ihn auch hier nicht verlaſſen; um ſich nicht
zu defiguriren, hatte er eine ſilberne Kugel genom-
men und damit ſie ihm nicht den Hirnſchaͤdel
zerriß, die Piſtole nur ſchwach geladen. Sie hatte
ihm auch wirklich nur einen Zahn ausgeſchlagen,
und die Kugel ſaß inwendig im Kopfe. Die
Empfindungen ſeiner Anhaͤnger, die mit ihm auch
alle ihre abentheuerlichen Hoffnungen verlohren
hatten, kann man ſich wohl vorſtellen.
In W. lebte ich uͤbrigens von aller Maurerei
entfernt, und gieng bald wieder nach R — g zu-
ruͤck. Dort beſuchte ich die ſchon genannte Loge
ſehr fleißig. Sie arbeitete mit Ordnung und An-
ſtand und ſchien zu dem Clermontiſchen Syſtem
zu gehoͤren, in welchem Ordensbaͤnder und Bi-
joux die Hauptſache ausmachten.
Im drauffolgenden Fruͤhjahr reiſte ich nach L.
zuruͤck. Hier fand ich ſchon einige Verwirrung
in der ▭. Einige B B. glaubten, man habe
ſich in der Schroͤpferſchen Geſchichte nicht gut ge-
nommen und ſich compromittirt; andre und be-
ſonders aͤltere B B., die an das Wahlſyſtem ge-
woͤhnt waren und nach und nach auch an den H.
zu kommen wuͤnſchten, erklaͤrten ſich beſtimmt ge-
gen die perpetuirlichen Meiſter und Vorſteher.
Es trennte ſich alſo ein großer Theil, ſtiftete eine
neue
[145] neue Loge und nahm die Konſtitution von den
Zinnendorfiſchen in Berlin. *) Die beiden Logen
arbeiteten uͤbrigens ruhig neben einander fort.
Ueber D., wo ich alles in beſter Ordnung und
vielen Eifer fand, gieng ich im Maͤrz des naͤch-
ſten Jahres nach B., wo nichts merkwuͤrdiges
vorfiel. Nur hatte ſich eine traurige Intoleranz
in die Maurerei eingeſchlichen, da die Zinnendor-
fer die B B. meines Syſtems in ihren Logen
nicht zuließen, um das Compelle intrare der roͤ-
miſch-katholiſchen Kirche zu beobachten. In der
Folge kam durch die bekannten Hofkonnexionen
die ſogenannte Vereinigung zu Stande, wo aber
die Gutmuͤthigkeit und Ehrlichkeit allein auf Sei-
ten der ſtrikten Obſervanz war.
Nach einiger Zeit machte ich in der Epoche
des Wilhelmsbades-Konvents eine Reiſe nach F.
a. M. Nach den Berichten derer hieſigen B B.,
die beim Konvent geweſen waren, lies ſich abneh-
men, daß alle (nehmlich die dort verſammlet wa-
ren) nicht gewuſt hatten, was ſie wollten. Ein
gewiſſer Gugomos, der von der R — r Loge
dorthin geſchickt war, ſchien mit ſeinem chymiſchen
Erſtes Baͤndch. K
[146] Syſtem die meiſte Aufmerkſamkeit erweckt zu ha-
ben. Uebrigens hatte man auf dem Konvent,
wo der Br. Sch — z, im Namen des H. v. B.
praͤſidirte, zwar beſchloſſen, das T. H. Syſtem
einzupacken: es bleibt aber der Soupçon, daß
der Orden unter wenigen, engverbundnen B B.
ſtillſchweigend fortgefuͤhrt wird. — In F. waren
eigentlich zwei Logen, eine von der ſtr. O. und
eine Zinnendorfiſche. Nun aber gieng man dar-
auf aus, eine ſogenannte eklektiſche Loge zu eta-
bliren, blos bis in den dritten Grad zu arbeiten,
ſich um den Reſt nicht zu kuͤmmern, die Oecono-
mica aber einem Ausſchuſſe zu uͤbergeben, wel-
ches in der Folge auch durchgeſetzt wurde und
das eklektiſche Syſtem hervorbrachte.
Von hieraus reiſete ich ſodann nach B — n,
wo mir die Maurerei die angenehmſten Stunden
ſchenkte. Die Loge (von der ſtr. O.) war nicht
nur in der ſchoͤnſten Ordnung, ſondern die B B.
lebten auch untereinander in freundſchaftlicher Ge-
ſelligkeit. Verſchiedne von ihnen z. B. Sch — r,
O — s, D. Ol — s hatten eine Sonnabendsge-
ſellſchaft errichtet, welche einem jeden Wirth der
Reihe nach nicht mehr als 2 Thlr. koſten durfte;
ſobald er einen groͤßeren Aufwand machte, mußte
er 10 Thlr. in die Logen-Armen-Kaſſe geben.
Dabei waren ſie von 6 Uhr Abends bis 12 ſehr
froͤhlich bei einander. Noch jetzt erinnere ich mich
der unter dieſen guten Bruͤdern verlebten Stun-
den mit Vergnuͤgen.
Nachdem ich hier vom October bis nach Jo-
[147] hannis geblieben war, gieng ich nach H., um von
da uͤber B. L. und R. zu meinen Freunden zu
reiſen und die naͤheren Anſtalten zu einem feſten
Etabliſſement zu machen, nach dem ich mich ſchon
ſehr ſehnte.
In H. hatte die Loge eine ſehr wohlthaͤtige
Richtung genommen. In jeder ▭ mußte konſti-
tutionsmaͤßig ein Mediciner ſeyn, der die Pflicht
hatte, nebſt dem B. Hoſpitalier, jeden kranken
B. zu beſuchen. Zugleich muſte er bei toͤdtlichen
Krankheiten dem Mſtr. v. Stuhl Anzeige machen,
welcher dafuͤr ſorgte, daß alle die Maurerei be-
treffenden Sachen abgeholt wurden und der
Wittwe, Namens der Loge, zwei bis drei Louis-
d’or dafuͤr auszahlen lies. Bei einer ſolchen Ge-
legenheit, wo D. T. die Pflege des kranken B.
L—nn hatte, ſagte dieſer den Tag vor ſeinem
Tode: Er moͤchte dem Br. J. von einem Ster-
benden danken, daß er ihn in den Orden aufge-
nommen; denn er wuͤßte ſich in ſeinem Leben
auf keine gute Handlung zu beſinnen, außer
der, welche durch die Maurerei veranlaßt wor-
den; welches ihm nun ſeinen Tod ſehr erleichtre.
In B. fand ich meine alten Freunde und
B B. z. B. v. M — l, v. B — n u. a., welche
mir die naͤhere Nachricht von dem in Wilhelms-
bad aufgehobnen T. H. O. gaben; bei welcher
Gelegenheit mir auch T — n, M — d u. a. ihre
zum Theil zerbrochnen, zum Theil umgearbeiteten
Ringe zeigten. Alle wuͤnſchten das Andenken
daran zu verbannen; ſo wie auch D. v. E. in
K 2
[148] H. ſchon bitter geklagt hatte, daß ſie ſo bei der
Naſe herumgefuͤhrt worden waͤren. Durch alles
dieſes wurde ich auch kalt, und da ich den Som-
mer uͤber zu P. lebte, ſo kam ich ſelten in eine ▭.
Im Winter war ich wieder etwas thaͤtiger und
beſuchte auch einigemal die ▭ R. Y., wo Le B.
de N. den H. fuͤhrte. Dieſe ▭ gehoͤrte mit zu
den ordentlichſten, die ich geſehen habe.
Auf der Ruͤckreiſe hatte ich noch eine ſehr an-
genehme maureriſche Unterhaltung in M — gen,
wo ſonſt v. H. als Regierungs-Sekretaͤr gelebt hatte,
und wo er auch geſtorben war, und wo jetzt noch
der ehmalige Stiftsſekretaͤr im hohen O., Br.
J — i lebte. Bei ihm ſah ich das rothe Buch
(das Verzeichniß aller Ritter, mit ihren O. Na-
men, Beſchreibung ihrer Wappen ꝛc.); zugleich
gaben uns die zwiſchen Sp — n und St — k aus-
gebrochenen Streitigkeiten viel Stoff zu einer
ernſten Unterhaltung, wobei J — i es fuͤr unrecht
erklaͤrte, daß man dieſe Ordens-Sachen vors
große Publikum gebracht haͤtte.
Seitdem bin ich mehr Zuſchauer, als thaͤtiger
Theilnehmer in der Maurerei geweſen. Meine
Erfahrungen ſetzen mich in den Stand, alles ohne
Verwunderung anzuſehen, und bis jetzt iſt mir
noch nichts Neues auf dieſem Felde vorgekommen.
Ich wuͤnſche nur das Eine, daß die B B. ſich
aller unnuͤtzen Zaͤnkereien enthalten, alle Verfol-
gungen untereinander, wodurch ſie ſich nur laͤ-
[149] cherlich und bei Profanen veraͤchtlich machen, auf-
geben, blos das Weſentliche der Maurerei im
Auge behalten, und ſich als Bruͤder und Kinder
eines Vaters lieben moͤgen. Uebrigens wird
es mich niemals reuen, Maurer geworden zu
ſeyn.
[[150]]
4.
Hoͤhere Grade.
I.
Nach den Stufen der Maurerei, die von St.
J. d. T. den Namen traͤgt, folgen bei allen Lo-
gen-Syſtemen (dem Eklektiſchen ausgenommen)
noch andre von unbeſtimmter Zahl, welche ge-
woͤhnlich im Allgemeinen die hoͤheren Grade
oder (wie bei dem Syſtem der ſtr. O.) der hohe
Orden genannt werden. Sie huͤllen ſich, mehr
als jene, in ein heiliges Dunkel; die Pforten zu
ihren Tempeln oͤffnen ſich Wenigeren; die Arbei-
ten darinn ſind ſeltner; und jeder Wunſch hofft
von ihnen ſeine Befriedigung. So feſt auch das
Urtheil des denkenden Maurers uͤber Zweck und
Verfaſſung der Bruͤderſchaft, ſo berichtigt und gruͤnd-
lich es auch uͤber Symbole, Konſtruction, Ten-
denz und Arbeiten der drei unteren Grade ſeyn
mag: ſo ungewiß und ſchwankend iſt es doch ge-
woͤhnlich in dem Felde der hoͤheren, wo es von
allem verlaſſen wird, worauf es ſicher ruhen koͤnnte
[151] und wo es allein einer raͤthſelvollen Hiſtorie uͤber-
geben wird, die wieder von andern Hiſtorien ihre
Enthuͤllung erwartet. — Es iſt noͤthig, das Ur-
theil daruͤber zu befeſtigen und das uͤbrige, was
nicht in ein folgerichtiges Urtheil paßt, der Be-
gehrlichkeit der Neugier und der Eitelkeit zu uͤber-
laſſen.
Wir uͤbergehen fuͤr jetzt die Fragen: Soll es
H. Gr. geben? und wenn es ihrer giebt, was
und wie ſollen ſie ſeyn? indem wir uns hier blos
mit ihrer Hiſtorie beſchaͤftigen und unterſuchen,
was ſie bisher geweſen ſind. Es iſt nicht unſre
Schuld, wenn dieſe Betrachtungen nicht ſo troͤſt-
lich ausfallen, als man ſie hie und da wuͤnſchen
moͤchte.
Bisher waren die hoͤheren Gr. theils das Netz,
mit welchem die B B. der unteren Gr. beſtrickt
wurden, theils die Urſache der Zerruͤttungen und
Streitigkeiten im Orden, theils die Scene der
Herrſchſucht, der Schwaͤrmerei und eines gefaͤhr-
lichen Aberglaubens. — Ehe wir dieſe anſcheinend
harte Behauptung im Einzelnen erweiſen, wer-
fen wir einen Blick auf ihre Geſchichte, in ſo
fern ſie allenfalls auch ein ganz Ungeweihter wiſ-
ſen koͤnnte.
Ob vor Entſtehung der H. G. zwei oder drei
Stufen oder nur eine, im Orden exiſtirten; ob
die dritte vielleicht erſt eine Folge der vierten und
die zweite ſodann eine Folge der dritten war, dieſe
Unterſuchung, ſoviel Licht ſie auch uͤber die unte-
ren Stufen verbreiten koͤnnte, laſſen wir hier zur
[152] Seite liegen, indem wir blos annehmen, daß vor
Entſtehung der h. Gr., ſchon eine geheime Geſell-
ſchaft, unter dem Namen der Frei-Maurer da
war, und daß die neue Anſtalt die aͤltere zu ei-
ner Vormauer und Deckung fuͤr ſich benutzte,
ohne vielleicht mit ihr in einem weſentlichen und
innern Zuſammenhange zu ſtehen.
Die erſte Spur von einem hoͤheren Grade,
dem wir den Namen eines ſchottiſchen geben
wollen, findet ſich in dem beruͤhmten und epoken-
maͤßigen Maurerjahre 1764. Dieſer alte ſchotti-
ſche Grad wurde wahrſcheinlich aber nicht in
Schottland, ſondern zu Paris, in der Zeit nach
Koͤnig Jacobs II. Tode geſtiftet; juͤnger war ein
andrer vierter Gr., der, ob er gleich mit jenem
im Ganzen einerlei Tendenz hatte, doch von ihm
verſchieden iſt, und ſodann zu einem fuͤnften
erhoben wurde. Sobald einmal das Signal zur
Einfuͤhrung innrer Myſterien in die Maurerei
gegeben war, gab es der Veranlaſſungen und
Gegenſtaͤnde genung, damit fortzufahren. Im
dritten Jahrzehend des achtzehnten Jahrhunderts
fing man in Frankreich an, beſonders in Bezug
auf die dort ſo viel Intereſſe erregenden ſchotti-
ſchen politiſchen Begebenheiten, neue Grade zu
erbauen und ſie hinter die ſchon vorhandenen zu
ſtellen, wodurch ſie eine, vielleicht nur zufaͤllige
hoͤhere Wichtigkeit erhielten. Dieſe Grade ſind es
uͤbrigens, welche dem ſonderbaren, und den Mei-
ſten unerklaͤrlichen Ritterweſen in der Mau-
rerei den Urſprung gaben, welches ſogar hie und
[153] da auf eine ziemlich abentheuerliche Weiſe bis in
die unteren Gr. ausgedehnt worden iſt. Alles
was ſich darauf bezieht, iſt zufaͤllig und wird von
denen, die einen tieferen Blick in die Geſchichte
des Ordens gethan haben, mit allem Rechte be-
ſeitiget.
Bis ins vierte Jahrzehend blieben dieſe Grade
in Frankreich und Großbrittanien; dort wander-
ten ſie, als hohes Geheimniß, durch die ſchotti-
ſchen Lords Keith und Marshall in Deutſch-
land ein, jedoch ohne in der deutſchen Maurer-
welt eine große Senſation zu machen.
Unterdeſſen hatte ſich der Standpunkt in der
Maurerei veraͤndert; der alte Zweck war theils
vergeſſen, theils unſtatthaft geworden. Man fand
es nuͤtzlich, bedeutende Maͤnner aus den hoͤheren
Staͤnden zu gewinnen und ihnen etwas zu geben,
was ihren gangbaren Ideen konform waͤre; dem
großen Haufen der Maurer ſelbſt war die wahre
Bedeutung der Hieroglyphen entruͤckt, die ſpaͤter
eingefuͤhrte allegoriſch-moraliſche Deutung derſel-
ben, die freilich mehr Ver- als Enthuͤllung war,
genuͤgte ihnen nicht und ihre Erwartungen wur-
den mannigfaltig geſpannt: genung, man brachte,
ob zufaͤllig oder in einer nothwendigen Folge, un-
terſuchen wir nicht, den alten Orden der Tem-
pelherrn mit dem der Frei-Maurer in Ver-
bindung; ſoviel ſcheint indeß gewiß zu ſeyn, daß
dieſe Einfuͤhrung des Tempelherrn-Ordens in die
Maurerei, die weit aͤlter iſt, als die, welche in
Deutſchland zu unſern Zeiten geſchah, nur als
[154]Mittel zu andern Zwecken diente. Doch war
dieſe Einfuͤhrung nicht offenbar und unverhuͤllt,
und nur wenige wuſten um dies Geheimniß.
Aber die Anſpielungen darauf wurden in mehre-
ren Graden haͤufiger und merklicher; zu ihnen
geſellten ſich, um allen alles zu werden, noch
Winke und Hindeutungen von ſehr verſchiedener
Art. Nebſt den Hinweiſungen auf Kuͤnſte und
Wiſſenſchaften, fand der Liebhaber, je nachdem
ſein Geiſt lieber in hoͤheren oder niederen Regio-
nen ſchwaͤrmte, Anſpielungen und Winke auf Al-
chemie, Magie, Theoſophie, Politik, Geld- und
Waarengeſchaͤfte, welche ihn nach den hoͤheren
und hoͤchſten Aufſchluͤſſen luͤſtern machten.
So entſtand, beſonders in Frankreich, um
die ungeſtuͤmen Neugierigen hinzuhalten, den Rei-
chen den Ordenszweck durch die richtigen Zahlun-
gen, die ſie leiſten muſten, wichtig zu machen, und
den B B. etwas zu ſpielen zu geben, ein Grad
nach dem andern, von allen Farben und Figu-
ren; ſo daß die Uebergluͤklichen die geſehenen
und gehoͤrten Herrlichkeiten nicht alle behalten
konnten, und am Ende ſo viel, als am Anfange
wuſten.
Zur Zeit der franzoͤſiſchen Invaſion in Deutſch-
land, beſonders um das Jahr 1756, ward end-
lich Deutſchland ſo gluͤcklich, dieſe Schaͤtze in ſeine
Grenzen einzuſchließen. Ein franzoͤſiſcher Kriegs-
kommiſſair ſoll die erhabne Speculation gemacht
und auf einem Wagen die Decorationen zu fuͤnf
und vierzig Graden bei ſich gefuͤhrt und ſie von
[155] Strasburg bis Hamburg fuͤr gutes Geld ausge-
theilt haben. Von dieſer Zeit datiren ſich die
hoͤheren maureriſchen Kenntniſſe der Deutſchen;
jede Loge wollte hoͤhere Grade haben und der Br.
Mſtr., der vorher ruhig in ſeinen drei Graden
gearbeitet hatte, fing an, ſich ſeines bl. Sch. zu
ſchaͤmen.
Die Verwirrung ward immer groͤßer; mit ihr
das Gefuͤhl der Nichtbefriedigung bei den Beſſe-
ren. Man ward lauer gegen die Johannismau-
rerei, Unordnung und Zwieſpalt drang in die Lo-
gen ein. Es kam Kunde des franzoͤſiſchen T. H.
Syſtems nach Deutſchland; die ſtr. O. bemaͤch-
tigte ſich deſſelben und erwarb ſich das große Ver-
dienſt um die deutſche Maurerei: Ordnung und
Zucht in die Joh.-Logen und Einheit in die Ar-
beiten und ihre Tendenz zu bringen. — Es haͤtte
ihr gelingen koͤnnen, dem Orden ſeine Wuͤrde
vorzubereiten, wenn nicht aus ihrer Mitte eine
neue Sekte hervorgegangen waͤre, die, ohne ir-
gend eine bedeutende Abweichung in den Ritua-
len der unteren Grade aufzuſtellen, mit ihrer
totalen Verſchiedenheit in den hoͤheren, den Glau-
ben an Infallibilitaͤt und einen aͤcht prieſterlichen
Verfolgungsgeiſt verband. Zufaͤllige Urſachen und
einige Vorſchritte zu einer beſſeren Verfaſſung,
unterſtuͤtzten das Gluͤck der neuen Sekte, — und
die Spaltung in der deutſchen Maurerwelt, war
durch die hoͤheren Grade vollendet.
Auf dem letzten maurer. Konvente abrogirte,
nach mancherlei vorhergegangenen Schickſalen, die
[156] ſtr. O. ihr adoptirtes Syſtem und ſchrenkte ſich
vorlaͤufig faſt allein auf Ausuͤbung der unteren
Gr. ein. Zweierlei Wirkungen hatte dieſer Schritt
auf die hoͤheren Gr. Die eine, daß eine Parthei
ſich ganz von ihnen losſagte, ſich nur zu den drei
erſten ſymboliſchen Graden bekannte, und mit
Eifer fuͤr eine rechtliche Verfaſſung, Geſetze und
zweckmaͤßige, wohlthaͤtige Thaͤtigkeit arbeitete; die
andre unbedeutendere, daß eine Geſellſchaft zu-
ſammentrat, welche, ſtatt aller h. Gr., welche
die Enthuͤllung der unteren gewoͤhnlich enthalten
ſollen, ſich der einzig aͤchten Erklaͤrung der mau-
reriſchen Symbole, als ihres uralten und unbe-
ſtrittenen Eigenthums ruͤhmte.
Jetzt haben, außer den Hamburgiſchen verei-
nigten Logen und den Eklektikern, alle Syſteme
ihre hoͤheren Grade. Die Engliſchen Maurer ha-
ben ihre R. A., die franzoͤſiſchen ihre alten Elus
und Chevaliers, die National-Mutterloge zu den
drei Weltkugeln und die große Loge der Freimau-
rer, genannt Royale York, feiern regenerirte
und veredelte Myſterien, die große Landes-Loge
ertheilt ihre hoͤheren Grade nach ihrem modificirten
ſchwediſchen Ritual.
Noch immer aber fahren dieſe hoͤheren Gr.
fort, ihren alten Einfluß auf die Joh.-Maurerei
zu aͤußern, ſo manches Uebel, welches die Frei-
Maurerei druͤckt, zu erhalten und ihre Fortſchritte
zur Vollkommenheit und Eintracht zu verzoͤgern.
Folgende ſind die Klagen, die gegen ſie erhoben
werden:
[157]
1) Die h. Gr. ſpannen ungebuͤhrlicher Weiſe
die Neugier der Bruͤder unterer Grade und in-
dem ſie ihre Wuͤnſche auf etwas Unbekanntes rich-
ten, zerſtreuen ſie die Aufmerkſamkeit auf das
Dargebotene und auf die Aufforderung zum Han-
deln und Denken in dem bekannten Kreiſe. Man
halte die Joh.-Arbeiten fuͤr Kleinigkeit, fuͤr einen
bloßen Vorhoff des Innern; man verachte ihre
Symbole und Verfaſſung, und ertrage dies alles
mit einem vormehmen Ekel, nur weil man es als
eingefuͤhrte Stufe, zu dem Hoͤheren zu gelangen
betrachte. Wer dies erreicht zu haben glaube, ſo
wenig er auch befriedigt worden ſeyn mag, koͤnne
ſich eines gewiſſen Duͤnkels nicht erwehren, der
um ſo trauriger ſey, weil ſein Objekt ſo leer ſey,
zu einer geheimen Geringſchaͤtzung der anderen
B B. verleite und dadurch der bruͤderlichen Gleich-
heit unter Maurern verderblich werde. Es kraͤnke
entweder die Rechte der uͤbrigen B B. und erſchlaffe
ihnen Eifer, wenn ſie von gewiſſen Arbeiten in
ihrem Logenlokale ausgeſchloſſen werden, oder es
reize ihre Eiferſucht nach eben ſolchen ausſchließen-
den Vorrechten.
2) Die h. Gr. naͤhren eine unmaureriſche
Herrſchaft in den Logen und verhindern jeden rein
rechtlichen Zuſtand in der Maurerei. Es ſei nehm-
lich bekannt, daß nicht die conſtitutionsmaͤßigen
Beamten der Logen, ſondern die B. B. hoͤherer
Grade die Regierung in den Haͤnden haͤtten, und
daß jene entweder nur als letztere einen Macht-
antheil ausuͤbten, oder die letztern unmittelbar und
[158] uͤber jene eine, auf unbekannte Vorrechte gegruͤn-
dete Herrſchaft behaupteten. In dem einen Sy-
ſtem habe jeder Schottiſche Meiſter, als ſolcher,
bedeutende Vorrechte, in dem andern duͤrfe kein
Logen-Meiſter ernannt werden, der nicht Mit-
glied des hohen O. ſey, und ſolcher behaupte ſeine
Wuͤrde deswegen auf Lebenszeit. Daher auch
die ▭ Wahrheit und Einigkeit in Prag in ihrem
Syſtem (Philadelphia 1594. S. 9.) ausdruͤcklich
erklaͤrt habe:
Daß die Verbindung der ſogenannten ſchotti-
ſchen Maurerei mit der blauen nie ſo weit
gehen duͤrfe, daß die Schotten, als Schot-
ten, die Joh. ▭ regieren, am allerwenig-
ſten das Oeconomicum eigenmaͤchtig ver-
walten.
woraus man ſieht, daß dieſes wohl hie und da
geſchehen ſeyn muͤſſe. Daher auch Statuten
folgender Art dem Geiſte der Maurerei
vollkommen zuwider waͤren:
(Auszug aus den Geſetzen, Rechten und
Freiheiten der Schott. Mſtr.
- Art. 1. Schott. Mſtr. werden diejenigen B B.
F.-Mrr. genannt, welche durch Mittheilung
der erfahrnen B B. bekannte, aber den B B.
der niedern Grade unbekannte Geheim-
niſſe, *) vermittelſt der Erhaltung dieſes Gra-
[159] des, von der Unterwuͤrfigkeit gegen die △
und Zuſammenkuͤnften der niedern Grade
frei erkannt worden ſind, *) und Erlaubniß
erhalten haben, ohne Freiheits-Brief, Fr.-
Mrr.-Lehrl., Geſ. und Mſtr. auf und anzu-
nehmen. Sie haben ihre beſonderen Geheim-
niſſe, **) welche ihrem Grade vorbehalten
ſind und nichts iſt ihnen von demjenigen ver-
borgen, was bei den B B. Fr.-Mrn.-Lehrl.
G. und M., desgleichen den Schott. Mitbr.
und Geſ. bearbeitet wird. - Art. 5. Sobald man Schott. Mſtr. iſt, bedarf
man keiner Konſtitution; denn man beſitzt
die Gerechtigkeit aufzunehmen, und die Ge-
ſellſchaft der △ St. Johannis zu re-
gieren***) durch die Schottl. Mſtr-Wuͤrde
ſelbſt.
*) - Art. 6. Sie ſind nicht verpflichtet, ſich in irgend
einer Fr.-Mrr. L. der niedern Gr. einzufin-
den, als in derjenigen, welche ſie ſelbſt re-
gieren, *) wo ſie eins von den gewoͤhnlichen
Aemtern verrichten oder aufgenommen wor-
den ſind. Doch ſind ſie gleichfalls hiervon
frei erkannt, dafern der Hammer in eine Hand
gefallen, welcher nicht mehr, als Meiſter
iſt. **) - Art. 7. (Beſtimmt ihren Rang, und wem ſie
nur „den Vortritt“ zu geben haben.) - Art. 10. — Kein Sch. M. kann in einer andern
△ den andern fiskaliſiren, vielweniger kommt
es
***)
[161] es einem B. von niederen Gr. zu, einen
Sch. M. zu fiskaliſiren, welcher davon frei
geſprochen iſt, *) und nur allein in ſeiner be-
ſonderen ⊠ und von Sch. Mſtrn gerichtet
werden kann. - Art. 12. Wenn ein Sch. M. Loge formirt, hat
er Gerechtigkeit, ſo lange er ſelbſt den Ham-
mer fuͤhrt, von ſechzehn vorgeſchlagenen Su-
chenden vier von dieſen Angemeldeten, da-
fern Er es ihnen goͤnnen will, ohne Um-
ſtimmung und Abgabe anzunehmen. **) - Art. 14. Ein Sch. M. hat die Freiheit, an dem-
jenigen Orte, wo eine △ geoͤffnet iſt, heim-
lich △ zu halten und in eines Sch.-Mſtrs.
Erſtes Baͤndch. L
[162] Gegenwart einen Fremden anzunehmen, und
ihm an einem und demſelben Tage
den L. G. und M. Gr. ohne die Abgaben,
welche ſonſt der △ zufallen muͤßten zu er-
theilen. *) - Art. 17. Der Sch. M. hat die Erlaubniß bei
der Aufnahme in heimlicher △ die Abgaben
zu empfangen und auf ſolche Art in allen
drei Gr. Maurer aufzunehmen, bis daß er
ſich die noͤthigen Werkzeuge, ordentlich △
zu halten, anſchaffen kann. **)
Daß es uͤbrigens mit allem dieſem Ernſt ſey,
und daß die andern B B. dieſe Gerechtigkeiten in
Demuth annehmen muͤſſen, ſieht man aus:
- Art. 25. Wenn ein Sch. M. als Gr.-Mſtr. ei-
[163] nen H. entgegen nimmt, (uͤbernimmt) wel-
cher vorher in eines bloßen Meiſters Haͤnden
geweſen iſt, ſo laͤßt er, wenn er zum erſten-
male den H. fuͤhrt, durch den Secretaͤr den
5., 6, 10. und 14. Artikel dieſer Rechte und
Freiheiten verleſen.
Es iſt zu glauben, daß dieſe Privilegien unter
B B., wo nicht ausdruͤcklich abgeſchaft, doch ver-
altet und nur, wie die Bisthuͤmer in partibus
infidelium, ad piam recordationem und als
ein Ritualſtuͤck beibehalten ſeyn moͤgen. Wenig-
ſtens waͤre es zu unſern Zeiten unerhoͤrt, wenn
die reſpektable Geſellſchaft der Johannis-Maurer
ſolche Eingriffe in die rechtliche Verfaſſung, auf
die jede Geſellſchaft halten muß, wenn ſie rechts-
beſtaͤndig ſeyn will, ohne lauten Widerſpruch dul-
dete. Doch was iſt nicht alles moͤglich, wenn
folgende Geſchichte wahr iſt:
Die L. X. arbeitet in den drei Joh. Gr.,
zugleich aber ſind auch einige ihrer Mitglie-
der in die hoͤheren eingeweiht und zu einem
K. konſtituirt. Das geht nun eigentlich die
B B. der L. X. nichts an, aber die hoͤher
graduirten B B. (welche, als ſolche, auf Treu
und Glauben angenommen werden muſten)
haben die Muͤhwaltung uͤber ſich genommen,
die St. Joh. L. zu regieren und dieſe glaubt —
daß es ſo ſeyn muͤſſe. Ihre maureriſche In-
ſtanz findet aber, daß das nicht ſo ſeyn
muͤſſe, ſagt dies den erhabnen B B., weiſt
außerdem noch einige ihrer Anmaßungen
L 2
[164]zuruͤck und macht Anſtalt, ſie ein bischen zu
reformiren. Daß dies die erhabnen BB.
uͤbelnehmen, iſt begreiflich; ſie bringen ihre
wehmuͤthigen Klagen nun vor ihre St. Joh.
L. und dieſe — ſagt, daß ſie eine Sache gar
nichts anginge, von der ſie nichts verſtuͤnde,
daß ſie zu ihrer Regierung ſchon ihren Mſtr.
v. St. und ihre Beamten und ihr oberſtes
Collegium habe und daß ſie allerdings nicht
von einigen ihrer Mitglieder regiert ſeyn
wollte, die ſie nur als ihres Gleichen kenn-
ten? — Nichts von alle dem: Die St. Joh.
L. geraͤth in Aufruhr, ſchreit, daß ſie aller-
dings von ihren erhabnen BB. regiert wer-
den wolle, daß das oberſte Collegium frevel-
haft handle, die wohl hergebrachten Rechte
und ſchoͤne Myſterien ihrer Hochw. B., von
denen ſie freilich nicht urtheilen koͤnnten, ver-
aͤndern zu wollen, verlaͤumdet und verfolgt
die vernuͤnftigen Mitglieder, die der Anrei-
zung der Leidenſchaft kein Gehoͤr geben,
und reißt ſich zur Liebe der hoͤheren Grade
von ihre Mutter-Loge und deren Syſtem
los, um zu einem andern uͤberzugehen, das —
ihnen, an ihrem Orte gar keine hoͤheren
Grade zulaͤßt!!
Iſt dieſe hier nur angedeutete, aber (nach der
Verſicherung des Referenten) in ihrem Detail
noch dreimal wunderbarere Geſchichte, wahr, ſo
fuͤhrt ſie einen ſtarken Beweis, theils, wie feſt
die H. Gr. ihre Herrſchaft uͤber die Gemuͤther
[165] und die LL. gegruͤndet haben, theils, wie wenig
die Joh. Mſtr. ihre Rechte kennen. Sie wuͤrde
uͤberhaupt eine der aller-lehrreichſten in der gan-
zen Geſchichte der Maurerei ſeyn und zu vielen
bedeutenden Folgerungen und Winken Anlaß geben,
wenn diejenigen, die es koͤnnen, ſie aktenmaͤßig
bekannt machen wollten.
Wir wenden uns zur dritten Klage gegen die
h. Gr. Sie ſeyen ſagt man nehmlich
3) die Urſach der Streitigkeiten im O. uͤber-
haupt, die Urſach der Spaltungen in Syſteme
und der Zunder, der das Feuer der Feindſchaft
zwiſchen ihnen unterhaͤlt. Die B B. der drei
St. Joh. Gr., welche Gelegenheit gehabt haben.
die Arbeiten verſchiedner Logen zu beſuchen, ſoll-
ten ſich doch einmal ernſtlich fragen: Ob doch
die kleinen Unterſchiede, die ſie hie und da wahr
genommen haben, im Stande waͤren, ein unter-
ſchiedenes Syſtem zu begruͤnden? Ob dieſe Ab-
weichungen (dergleichen man ſogar in LL. eines
Syſtems findet) ſo weſentlich ſeyen, daß man
daruͤber eine große Anzahl erwachſener, denkender
Maͤnner und B B. verketzern, oder von ihnen
verketzert werden koͤnne! — Sie ſollten doch, wo
dieſe Verketzerung ſtatt finde, nachforſchen, ob
ſie nicht immer in Behauptungen und Zeugniſſen
hoͤher graduirter B B. ihre erſte Quelle habe, und
ob die andern lieben B B. dies nicht nur nach-
ſpraͤchen, um ihre maureriſchen Kenntniſſe und
Orthodoxie zu verrathen? — Sie wuͤrden es
dann wohl aus eigner Erfahrung wahrnehmen
[166] (wie es denn auch durch naͤhere Kenntniß der
Dinge vollkommen beſtaͤttigt wird): daß die Un-
terſchiede der Syſteme, die gegenſeitigen Verketze-
rungen und Streitigkeiten, ob man es gleich nie
oͤffentlich ſagt, keinesweges in den drei ihnen
bekannten Graden, ſondern allein in den hoͤheren
ihren Grund haben.
Beſucht man die Arbeiten der verſchiedenen
Syſteme in den Joh. Gr., beſonders wie es jetzt
iſt, ſo iſt es, als wenn die Maurer auf der gan-
zen Erde nur eine Heerde waͤren und einen Hir-
ten haͤtten; tritt man aber nur einen Schritt
uͤber den dritten Gr. hinaus, ſo iſts, als wenn
man bei jedem beſonderen Syſtem in eine andre
Welt traͤte. Die B B., die hier arbeiten, muͤſ-
ſen freilich einen ſehr anſchaulichen Begriff vom
Unterſchiede der Syſteme haben; allein was geht
dies die B B. der Joh. L L. an, die ſich ſo gern
an der allgemeinen Bruderliebe erfreuen? Aber
freilich, jene B B. haben die Praͤſumtion hoͤherer
Kenntniſſe fuͤr ſich und — wenn man dies nicht
glauben wollte — ſie haben groͤßeren Einfluß,
ſind der Ordens-Regierung naͤher, — — und ſo
gilt denn auch hier, wo man es vielleicht nicht ver-
muthete, das Horaziſche:
Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi.
Moͤchte man doch das Beiſpiel der Großen L.
in London nachahmen! Sie, die keine Notiz von
unſern h. G. in Deutſchland einnimmt, konſtitu-
irt jede St. Joh. L., die ſich ihr als maureriſch
[167] manifeſtirt, laͤßt ſie, ſo abweichend es auch von
dem ihrigen ſeyn mag, nach dem Ritual arbeiten,
was ſie etwa hat, und, weit entfernt, ſie wegen
kleiner oder großen Abweichungen, von ihrem
Syſtem auszuſtoßen, vereinigt ſie alle, die nur
maureriſch arbeiten, in einen großen Bruder-
bund. Was aber thun die deutſchen Maurer?
Wir wollen darauf wieder mit einer kurzen Ge-
ſchichte antworten.
Die L. Y. lebte mit der L. Z. in dem
beſten Vernehmen, obgleich die letztre von
der erſteren in den Ritualen der drei St.
Joh. Gr. ſo verſchieden war, als man nur
ſeyn kann, und weiter von einander entfernt,
als Frankreich von Schweden liegt; die L.
Y. erkannte aber die B B. der L. Z. als
wahre, aͤchte Maurer und liebe Bruͤder.
Als jedoch die L. Z. nach einiger Zeit ihr
Ritual der Joh. Arbeiten, aus Gruͤnden,
beinah ganz dem Ritual der L. Y. aßi-
milirt, Ordnung und Wuͤrde in ihre Ar-
beiten eingefuͤhrt, und faſt allen Unterſchied
aufgehoben hatte, — that die L. Y. die L.
Z. in den Bann!
Das iſt ein Raͤthſel! — Aufloͤſung: Die L. Z.
hatte zu gleicher Zeit ihre h. Gr. reformirt!
Dieſe und aͤhnliche Betrachtungen bewogen
wahrſcheinlich die Hochw. Gr. Landes-Loge zu
Berlin in ihrem Schreiben an die Hochw. Gr.
[168] Loge Royale York zur Freundſchaft, folgende
hoͤchſt merkwuͤrdige Worte zu ſagen: *)
„Es giebt faſt keinen Irrthum, keine Schwach-
heit, keine Bosheit, welche nicht unter dem
ehrwuͤrdigen Namen der Frei-Maurerei ver-
breitet worden. Wir haben Goldmacherei,
Geiſterſeherei, Fanatismus, Irreligioͤſitaͤt und
Pabſtthum, Revolution und Giftmiſcherei
unter dieſem Mantel erblickt; und wem
anders iſt dieſer Unfug zuzuſchreiben, als
denjenigen, welche mit verwegener, freveln-
der Hand die Urverfaſſung des Ordens erſchuͤt-
terten,**)deſſen Einrichtungen und Gebraͤuche
abzuaͤndern und angeblich zu verbeſſern wag-
ten, und den verderblichen (?) Grundſatz ver-
breiteten, daß auch der ehrwuͤrdige Frei-
Maurer Orden ſich dem Reformations-Geiſte
der neuen Jahrhunderte unterwerfen muͤſſe.***)
Nicht immer, jedoch leider in den mehrſten
Faͤllen, lag bei ſolchen Verſuchen und Mei-
nungen Bosheit zum Grunde, in den beſſe-
[169] ren Faͤllen aber gewiß Mangel an Kenntniß
vom Orden.“
„So entſtanden nach und nach, und noch
taͤglich unter der mittelbaren oder unmittelba-
ren Direction der unverſoͤhnlichſten Feinde
des Ordens — der Feinde der Wahrheit —
die unzaͤhligen Syſteme und die
ungeheure Anzahl der ſogenanten
hoͤheren Grade und eben da-
durch der immer weiter um ſich freſſende
Krebsſchaden des Ordens, den dieſe unſre
unverſoͤhnlichen Feinde ſo klug und aushar-
rend zu benutzen wiſſen, um ihren großen
Endzweck, die Ausrottung unſers Bundes
zu erreichen.“
Was beduͤrfen wir weiter Zeugniß! — Hier
nennt eine große Loge, die in ihrem Schooße
gewiß wohl unterrichtete Bruͤder hat, die h. Gr.
als die Quelle der meiſten Verwirrungen im O.
und die Werkzeuge, deren ſich ſeine Feinde bedie-
nen, ihn in ſeinen Grundpfeilern zu untergraben.
„Aus eben dieſem wichtigen Grunde ſagt daher
eine andre große Loge, *) iſt es die hoͤchſte Zeit,
dieſem verderblichen Weſen durch angewieſene
Geſetze entgegen zu arbeiten. Dieſe Geſetze ſelbſt
aber unter dem Namen von Neuerungen zu ver-
werfen, ſchiene uns, wenn man dies von uns
verlangte, ein heimliches Einverſtaͤndniß mit jenen
Feinden des Ordens anzuzeigen.“
[170]
Dieſe Hochw. Gr. L., welche wahrſcheinlich
keinen Grund fand, die h. Gr. ganz abzuſchaffen
(welches auch die andern Syſteme nicht gethan
haben) fand ſich bewogen, den „freſſenden Krebs-
ſchaden des Ordens“ durch beſtimmte und ſtrenge
Geſetze auszurotten, und, wenigſtens in ihrem
Kreiſe, alle bisher ſo gerechte Klagen uͤber den
ſchaͤdlichen Einfluß der h. Gr. mit einem kuͤh-
nem Schnitt abzuſchneiden. Es ſcheint Ihr voͤl-
lig gelungen zu ſeyn, indem ſie in ihrem Grund-
vertrage (Th. I. Abschn. I. §. 5. pag XVII.)
folgendes Geſetz aufſtellte:
„Um nun das Verhaͤltniß zwiſchen der Mau-
reriſchen Verfaſſung und dem Kenntnißſchatze
genauer zu beſtimmen, erklaͤrt die G. F. M.
L. R. Y. Z. F.
- 1) Daß der Kenntnißſchatz oder die bei dem
Syſteme der Gr. L. R. Y. anerkannten
und uͤblichen hoͤheren Grade, mit der
Verfaſſung und Verwaltung der großen
Loge oder der beſondern St. Joh. Logen,
nicht in dem geringſten innern und
weſentlichen Zuſammenhange ſtehen. - 2) Daß die maureriſche Verfaſſung, Verwal-
tung und Direktion, ſowohl der großen
L., als auch der einzelnen St. Joh. Logen
dieſelbe bleiben muͤſſe, wenn auch in Zu-
kunft die Gr. L. durch Umſtaͤnde und
Verhaͤltniſſe genoͤthigt wuͤrde, die Ausſpen-
dung der h. Gr. bei ihrem Syſteme, fuͤr
eine Zeit oder fuͤr immer einzuſtellen.
[171]
- 3) Daß der Beſitz hoͤherer Grade nie das
Recht geben koͤnne, an den Angelegenhei-
ten der Maureriſchen Verfaſſung Theil zu
nehmen oder in die Direktion der St Joh.
Logen einzuwirken.
Durch dieſes Geſetz ſcheint der ſchaͤdliche Ein-
fluß der h. auf die niedern Gr. gaͤnzlich gehoben
zu ſeyn. Nun hat die Eitelkeit der B B. keinen
Spietraum mehr; ſelbſt die Neugier iſt durch
anderweitige Erklaͤrungen dieſer Hochw. Gr. Loge
beſchraͤnkt worden; die h. Gr. geben kein Anſe-
hen, keine Macht, naͤhren ſonach die Herrſchſucht
nicht und koͤnnen nicht leicht zu irgend einem
Streite Gelegenheit geben. — Wenn wir alſo
die Nachtheile der h. Gr. vollſtaͤndig aufgezaͤhlt
haben, ſo iſt ihnen hier vollſtaͤndig begegnet;
denn alles uͤbrige z. B. ihre innre Wuͤrde oder
Leerheit, haben ſie allein mit ſich ſelbſt auszuma-
chen. Es kommt allein darauf an, daß ſie keine
anderen Rechte kraͤnken und zu keinen Thorhei-
heiten verleiten; und dieſes iſt durch obiges Ge-
ſetz abgeſchnitten. — Daher ſcheinen jene erfahrne
Maurer, welche die hoͤheren Gr. unbedingt ver-
werfen, in ihrem Haſſe zu weit zu gehen, und
ſie nur von der einen Seite, der, ihrer bishe-
rigen Geſchichte, anzuſehen.
[172]
II.
Noch eine Stimme uͤber die h. Gr.
Niederreißen iſt leicht, neu bauen lohnend; in
medio virtus. Wer aus allem, was mit Fug
und Recht gegen die ſogenannten h. Gr. geſagt
und erwieſen werden kann und jedem erleuchteten
Bruder, dem Wahrheit ehrwuͤrdiger iſt, als Taͤu-
ſchung, bekannt iſt, ſchließen wollte: Wenn die
ſogenannten h. Gr. nicht in dem Weſen und in
der Tendenz der Frei-Maurerei liegen, ſo bedarf
es auch keiner hoͤheren Erkenntniß-Stufen,
der waͤre uͤberall mit ſich noch nicht einig, war-
um er Frei-Maurer geworden iſt und wozu er
es bleibt.
Wer da glaubt: da dieſer oder jener unterrich-
tete Bruder, ſeinen Mitgenoſſen einige Reſul-
tate ſeines Forſchens und Nachdenkens, eine
oder die andre Anſicht, die er fuͤr ſich von
der Fr--Mri aufgefaßt hat, freundſchaftlich und
bruͤderlich mittheilt, ſo hat dieſer oder jener erleuch-
tete Bruder alles geſagt, was man uͤberhaupt,
von dem Innern der Fr.-Mri zu wiſſen braucht,
oder wiſſen kann; es iſt daher nicht noͤthig, ſich
um hoͤhere Erkenntnißſtufen, welche in dieſem
oder jenem Logenbunde aufgeſtellt ſind, zu bewer-
ben: der beweiſt nur ſeine Vorliebe fuͤr die Ar-
muth des Geiſtes, und ſucht ein Maͤntelchen, um
ſeine Denk-Lern- und Arbeitſcheue zu bedecken.
[173]
Es iſt daher noͤthig, den Begriff von den
ſogenannten hoͤhern Graden und von reellen
maureriſchen Erkenntniß-Stufen zu beſtim-
men, und den eben ſo wichtigen, als weſentlichen
Unterſchied zwiſchen beiden aufzuſtellen.
Ein hoͤherer Grad iſt eine aus verſchiede-
nen Ceremonien, ſymboliſchen Formeln und hie-
roglyphiſchen Bildern in neuern Zeiten zuſammen-
geſetzte Myſterie, in welcher Ceremonien, Formeln
und Hieroglyphen moraliſch gedeutet, die Enthuͤl-
lung ihres eigentlichen Sinnes aber, und
die voͤlligen Aufſchluͤſſe erſt in einem noch hoͤhe-
ren Grade verheißen werden. Der darauf fol-
gende hoͤhere Grad beſteht aus eben ſolchen Be-
ſtandtheilen, die abermal nach einer gewoͤhnlichen
trivialen Moral erklaͤrt werden, deren eigentliche
Deutung aber ſofort auf einen noch hoͤheren
Grad verwieſen wird; welches dann ſo lange von
Grad zu Grad fortgehet, als es dieſem oder jenem
Logen-Syſtem nothwendig ſcheint, ſeine letzten
und hoͤchſten Aufſchluͤſſe durch mehr oder weniger
hoͤhere Grade ſymboliſch vorzubilden. — Dieſe
letzten und hoͤchſten Aufſchluͤſſe, welche ſodann den
Schlußſtein des ganzen Logen-Syſtems ausma-
chen, ſind ſelbſt nichts anders, als eine erdichtete,
aller Zeit- und Menſchengeſchichte widerſprechende,
jede Pruͤfung der Kritik ſcheuende Hiſtorie des
Ordens, von denjenigen erfunden, welche die
immer hoͤher ſteigende Wißbegierde der Bruͤder
nicht anders zu befriedigen wußten, oder von
der traurigen Ueberzeugung geleitet wurden, daß
[174] die Menſchen uͤberall die Taͤuſchung mehr lieben,
als die Wahrheit, und ſelbſt das Gute nur durch
die Huͤlle der Taͤuſchung ſehen wollen.
Dieſe hoͤheren Grade, dieſe letzten und
hoͤchſten Aufſchluͤſſe liegen außer dem Weſen und
der Tendenz der Fr.-Mri, ſchaden der guten
Sache der Bruͤderſchaft und entfernen endlich
fruͤh oder ſpaͤt jeden helldenkenden und zugleich
rechtſchaffnen Mann von ihr.
Das Verderben der Zeit oder vielmehr der
Menſchen, hat die, in ihrem Weſen und in ihrer
Tendenz ganz einfache Frei-Maurerei zur Wiſſen-
ſchaft d. i. zu einer hoͤchſt lehrreichen und intereſ-
ſanten Geſchichte der Verirrungen des menſchlichen
Geiſtes gemacht. Eben darum aber iſt es auch noth-
wendig, daß diejenigen dirigirenden maureriſchen Be-
hoͤrden, denen es mehr um die Befriedigung, als
um das Geld der Bruͤder zu thun iſt, irgend ein
Verhaͤltniß fuͤr gute, wißbegierige, der Wahrheit
und der guten Sache der Frei-Maurerei treuer-
gebenen Bruͤder aufſtellen, in welchem die in den
verſchiednen Logen und Logen-Syſtemen zu Dog-
men erhobenen Dichtungen und Meinungen uͤber
das Weſen und das Ziel der Maurerei geſichtet,
gepruͤft, berichtiget werden; in welchem die Gene-
ſis und Geſchichte der Frei-Maurer-Bruͤderſchaft
entwickelt und ſie auf ihren wahren Zweck zuruͤck-
gefuͤhrt wird; in welchem, mit bruͤderlicher Auf-
richtigkeit, der Urſprung und die geheimen Trieb-
federn der verſchiedenen Spaltungen unter den
mannigfaltigen maureriſchen Syſtemen aufgedeckt,
[175] die verſchiedenen Verfaſſungen und Einrichtungen
andrer Logen und Syſteme bekannt gemacht, be-
ſcheiden beurtheilt und gerecht gewuͤrdiget werden.
Dies Verhaͤltniß heißt hoͤhere Erkenntniß.
Stufe; dies Verhaͤltniß iſt wahre Wohlthat fuͤr
den durch die drei St. Joh. Gr. durchgefuͤhrten
Maurer, der ohne dieſe Huͤlfe vor der Menge
Scheidewege, die ſich ihm jenſeits der Meiſter-
ſchaft zeigen, entweder in voͤllige Gleichguͤltigkeit
gegen die Bruͤderſchaft, oder in Verzweiflung
gerathen muß, weil er es entehrend fuͤr den menſch-
lichen Verſtand haͤlt, eher eine Parthei zu ergrei-
fen, bevor er noch weiß, welche die wahre und
beſte ſey.
Hoͤhere maureriſche Erkenntniß-Stufen
ſind alſo: eine in Abſchnitte eingetheilte, doku-
mentirte, wahre Geſchichte alles deſſen, was die
verſchiedenen Logen-Syſteme aus der Frei-Mau-
rer-Bruͤderſchaft gemacht haben; eine Geſchichte,
in welcher die ſogenannten hoͤheren Grade, die
erſt ſeit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts auf
die drei St. Joh. Gr. gepflanzt worden ſind, voll-
ſtaͤndig dargelegt, beurtheilt, enthuͤllt, berichtiget
und mit den vorgeblichen letzten Aufſchluͤſſen oder
dem ſogenannten innern und hoͤhern Orden ver-
glichen werden; eine Geſchichte, welche mit einer
kritiſch ausgemittelten und erwieſenen Darſtellung
des Urſprungs und des Fortganges der Frei-Mau-
rer-Bruͤderſchaft bis auf unſre Zeiten endiget,
Dieſem in Abſchnitte eingetheilten, reellen und
wahren Unterricht mag immer eine, auf die edleren
[176] Gefuͤhle des Menſchen berechnete Initiation
von rein moraliſcher Tendenz, in der nichts ver-
ſprochen, auf nichts Hoͤheres hingewieſen, nichts
unerklaͤrt gelaſſen wird, vorausgeſchickt werden.
Der Unterricht der Erkenntniß-Stufen erleuch-
tet den Verſtand, und verwahrt ihn vor Verir-
rungen; die Initiation erwaͤrmt das des Guten
empfaͤngliche Herz, legt demſelben das Weſen der
Frei-Maurerei naͤher und verwahrt es vor Er-
kaltung.
Einleuchtend iſt nun der weſentliche Unter-
ſchied, der zwiſchen den ſogenannten hoͤheren Gra-
den und den hoͤheren maureriſchen Erkenntniß-
Stufen obwaltet; einleuchtend, die Ungereimtheit
der Aeußerungen derjenigen, die da ſagen moͤch-
ten: Gut, da es keine hoͤheren Grade mehr giebt,
ſo bedarf ich auch keiner hoͤheren Erkenntniß-
Stufen mehr, oder, was eben ſo viel hieße: Da
man mich nicht mehr taͤuſchen will, ſo bekuͤmmre
ich mich auch um die reine Wahrheit nicht; ein-
leuchtend iſt es, daß diejenigen Logen nicht mit
Worten ſpielen, welche den hoͤheren Graden
aller Logen-Syſteme die Anerkennung und Ach-
tung verſagen und dafuͤr in ihrem Innerſten
Erkenntniß-Stufen in dem aufgeſtellten
Sinne errichten.
Wahr bleibt es indeſſen, daß man eben dieſe
hoͤheren maureriſche Erkenntniß-Stufen mit Fug,
Recht und Wahrheit, die eigentlichen hoͤheren
Grade nennen koͤnnte. Aber warum ſich eines
Wor-
[177] Wortes, einer Benennung bedienen, welche, ihres
verhaßten Nebenbegriffes wegen, in der Seele
des unterrichteten Maurers einen hoͤchſt unange-
nehmen Eindruck immer wieder erneuern und
gleichſam verewigen muß; und den weniger Unterrich-
teten ſo leicht zu einer Verwechſelung des Gleißen-
den mit dem Wahren verleiten kann.
[[178]]
5.
Maureriſche Menſchenwuͤrdigung.
Fragment eines Briefs.
— — Unter andern vorzuͤglichen Einrichtungen,
die mir bei der guten Loge J. z. E. beſonders
gefallen haben, und die es beweiſen, daß man
im Orden alles, was den Menſchen angeht, ernſt-
hafter nimmt, als im gemeinen Leben, iſt auch
die Art und Weiſe, wie dieſe L. ihrer verewigten
Bruͤder gedenkt. Da hoͤrt man keine Panegyriken,
wie in Kloͤſtern, wo jeder Moͤnch, der durch ſein
ganzes Leben nur gegeſſen, getrunken, Pſalmen
geſungen und geſchlafen hat, nach ſeinem Hinſter-
ben zum Heiligen erhoben wird; noch die verwegne
Seelenzergliederung eines nachgeaͤften Todtenge-
richts der alten Aegyptier. Da iſt Wahrheit, Hu-
manitaͤt, und Achtung gegen die Grenzen des
menſchlichen Verſtandes in der Menſchen-Beur-
theilung harmoniſch miteinander vereinigt. Ich
[179] enthalte mich, Dir die eindringenden, jedes fuͤhlende
Herz tief ergreifenden Cerimonien zu beſchreiben,
die, ohngeachtet die Maurerei ſelbſt nichts von
einer Todtenfeier heimgegangner Bruͤder weiß,
doch ſo hoch maureriſch ſind, — um dir nur die
Wuͤrdigung dreier verſtorbner Bruͤder, welche der
dazu beſtimmte Redner an einem heiligen Stand-
orte vorgetragen hat, vollſtaͤndig mittheilen zu
koͤnnen.
Aufgefordert von dem Mſtr v. St. that und
erfuͤllte er folgendermaßen ſeine Pflicht:
„Nicht die Verhaͤltniſſe verklaͤrter Bruͤder,“ ſo
ſprach er, nicht das Wichtige, Glaͤnzende, Große, was
ſie durch dieſe zu faͤlligen Verhaͤltniſſe in der buͤrger-
lichen Geſellſchaft und in den Kreiſen ſogenannter
guter Leute waren; ſondern das Cinzige Hohe,
was ſie, unabhaͤngig von Zufall und aͤußern An-
trieben, durch ſich ſelbſt, durch die Selbſtthaͤ-
tigkeit ihres Geiſtes und die Selbſtſtaͤn-
digkeit ihres Characters geworden ſind,
dieß ſoll ihr Andenken unter uns begruͤnden, dieß
ſoll das Bewußtſeyn, daß wir in innigerer Ver-
bindung mit ihnen geſtanden haben, in ein an-
genehmes Gefuͤhl verwandeln; dieß und nur dieß
ſoll uns in dem herzerhebenden Glauben beſtaͤr-
ken, daß uns nur ihre Geſtalten verſchwunden ſind,
keinesweges aber unſer vereinigtes Hinwirken mit
ihnen auf eine moraliſche Welt abgebrochen iſt.
Darum ſoll ich nicht das Maaß ihrer Talente,
ihrer Kraͤfte, ihres Gluͤckes, ſondern den Maaß-
ſtab angeben, den ſie ſich ſelbſt fuͤr die Er-
M 2
[180]fuͤllung ihrer Lebenspflichten geſetzt ha-
ben. — Ich ſoll den Gewinn berechnen
und wuͤrdigen, welchen ihre Maureri-
ſche Thaͤtigkeit der Bruͤderſchaft erwor-
ben hat. — Ich ſoll den Verluſt beſtim-
men, welchen wir Zuruͤckgebliebenen in
unſerm gemeinſchaftlichen Wirken durch
ihre Heimkehr in das Vaterland erlit-
ten haben.
Im reinen Gefuͤhle der Liebe gegen die Ver-
klaͤrten; im unbeſtechlichen Gefuͤhle der Achtung
fuͤr Wahrheit und Gerechtigkeit; im tief empfun-
denen Gefuͤhle meiner eigenen ſittlichen Gebrechen,
gehorche ich der ſtrengen und ſchweren Aufforde-
rung, als beſchraͤnkter Menſch, vor Menſchen, die
oft genug uͤber ihre eigenen ſittlichen Bloͤßen er-
roͤthen oder erſchrecken, drei nunmehr verklaͤrte
Menſchen nach den drei vorgeſchriebenen Geſichts-
puncten zu wuͤrdigen.
Den Maaßſtab fuͤr die Erfuͤllung der Lebens-
pflichten ſetzt ſich jeder Menſch ſelbſt; muß ſich
jeder Menſch ſelbſt ſetzen, denn jeder von Andern
erborgte oder von Andern aufgedrungene Maaßſtab
iſt fuͤr ihn ſchon darum unrichtig und unbrauch-
bar, weil die Richtigkeit und Brauchbarkeit deſ-
ſelben, von der Beſchaffenheit und dem Umfange
der Einſichten, ſo wie von dem Grade der Ent-
wickelung der moraiiſchen Kraft eines jedweden
abhaͤngt. Der Maaßſtab alſo, nach dem jeder
Menſch die Pflichten ſeines Lebens erfuͤllen ſoll
oder erfuͤllet hat, iſt das Erzeugniß ſeines eigenen
[181] Geiſtes; er liegt in ſeinem Innerſten, kein ande-
rer Sterblicher darf es wagen, uͤber den Gehalt
deſſelben zu entſcheiden. Jeder hat die Richtigkeit
deſſelben lediglich vor ſeinem Gewiſſen und vor
Gott zu erproben.
Ob dieſes Erproben unſeren heimgegangenen
Bruͤdern leicht oder ſchwer gefallen ſeyn duͤrfte;
dieß, trauernde Bruͤder, laſſet uns zu unſerer ei-
genen Belehrung aus dem Gehalt ihrer characte-
riſtiſchen Aeußerungen und aus dem Schein ihrer
Thaten folgern.
Liebreiche Schonung und Nachſicht gegen alle
Menſchen war der ſtaͤrkſte Characterzug unſeres
verewigten Bruders B. Es war zugleich der herr-
ſchende, denn er ward unter allen Umſtaͤnden und
Verhaͤltniſſen ſichtbar. Nie wagte Er es, aus ein-
zelnen Thaten, ſelbſt wenn ihm ſein ſittliches Ge-
fuͤhl Mißbilligung derſelben geboth, uͤber den ſitt-
lichen Werth des Menſchen abzuſprechen. Der
anmaßende, ſtrenge Beurtheiler ſeiner Nebenmen-
ſchen fand an ihm den entſchiedenſten Gegner.
Dieſer ſchoͤne und edle, in ſeine ganze Handlungs-
weiſe einfließende Characterzug konnte nur, ent-
weder in einer mehr als gewoͤhnlichen Geiſtes-
ſchwaͤche und Stumpfſinnigkeit, oder in einer in-
nigern Kenntniß ſeiner ſelbſt, und der daraus
nothwendig folgenden tieferen Menſchenkenntniß,
ſeinen Grund haben. Im erſtern Falle mußte
ſeine Handlungsweiſe in Bezug auf andere Men-
ſchen unbeſtaͤndig, ſchwankend, ſich ſelbſt wider-
[182] ſprechend; im letztern Falle konnte ſie nicht anders
als uͤberall beſtimmt, gleichfoͤrmig, ſtandhaft und
conſequent ſeyn: So aber war ſeine Handlungsweiſe
gegen andere Menſchen; Wahrheit und Gerech-
tigkeit weiſen uns alſo ſelbſt auf die letztere Quelle
ſeiner characteriſtiſchen nachſichtsvollen Menſchen-
ſchonung. Hatte es nun B. in der Kenntniß
ſeiner ſelbſt, und durch dieſe in der Kenntniß des
Menſchen uͤberhaupt weiter gebracht: ſo konnte
der Maaßſtab ſeiner Pflichten gegen ſich ſelbſt
und gegen andere weder aus Mangel an Einſich-
ten unrichtig, noch durch die uͤberwiegende Macht
der Eigenliebe verfaͤlſcht ſeyn. Wir wiſſen nicht,
wie ſtreng Er in ſeinen Forderungen an ſich ſelbſt
war, — denn dieß liegt uͤberall außer dem Geſichts-
kreis des Sterblichen, und nur der vermeſſene
Selbſtling, der ſich ſelbſt noch durchaus ein Raͤth-
ſel iſt, kann die Thorheit begehen, in das Innere
ſeines Nebenmenſchenſchauen zu wollen; — wir ſind
aber alle Zeugen, daß er in ſeinen Forderungen
und Anſpruͤchen an andere Menſchen maͤßig, be-
ſcheiden und nachſichtsvoll war. Er hat die
Quellen der Widerſpruͤche zwiſchen Einſichten und
Gefuͤhlen, zwiſchen Verſtand und Herz, zwiſchen
erkannten Grundſaͤtzen und practiſch gewordenen
Antrieben in ſeinem eigenen Selbſt aufgedeckt und
ausgemeſſen. In ſeinem Innern hat er die
Gruͤnde gefunden, warum die Menſchen in ihrer
Handlungsweiſe bald gegen ihre beſſere Ueberzeu-
gung, ihren Gefuͤhlen und Leidenſchaften, bald,
gegen die maͤchtigſten Regungen eines richtigen
[183] Gefuͤhls, einer irrigen Ueberzeugung folgen; an
ſich ſelbſt hat er zu oft die Macht der Einwirkung
aͤußerer Umſtaͤnde, die Staͤrke des Einfluſſes ein-
ſeitiger Anſichten der Dinge, die Gewalt des Tem-
peraments, der Laune, der Vorurtheile auf den
Willen des Menſchen erfahren, als daß er bei
der Beurtheilung und Behandlung Anderer, die
Berechnung dieſer gegeneinander wirkenden Kraͤfte
haͤtte außer Acht laſſen ſollen. Ihm war alſo die
Welt kein Aufenthalt reißender Thiere, kein Tum-
melplatz mannigfaltiger Boͤſewichter; ſondern ein
großes Krankenhaus, deren einen Theil uͤber alle
Hoffnung der Geneſung weggeſchrittene Wahnſin-
nige, den andern mehr oder weniger der Gene-
ſung ſich naͤhernde Kranke bewohnten. Fuͤr die
erſtern hatte er nur Mitleiden, fuͤr die letztern
ſeinen Kraͤften angemeſſene Bereitwilligkeit zu hel-
fen. Menſchenhaß und Menſchenverachtung kannte
der nicht, der ſich ſelbſt zu gut kannte. Wo
Schonung und Nachſicht gegen Menſchen aus
Selbſtkenntniß entſpringen, und eben dadurch
herrſchender Charakterzug geworden iſt, dort iſt
der Grund zu allen Handlungen und Aufopfe-
rungen der geſellſchaftlichen Tugend gelegt. Und
hierin hat B. nach Maßgabe ſeiner Einſichten in
die verwickelten Verhaͤltniſſe des geſellſchaftlichen
Lebens keine Forderung der Pflicht unerfuͤllt ge-
laſſen. Wir kannten ihn alle als den vertraͤglich-
ſten Geſellſchafter, als den bereitwilligſten Wohl-
thaͤter, als einen treuen Arbeiter, als einen auf-
richtigen Freund, als einen ruhigen beſcheidenen
[184] Vertheidiger deſſen, was er fuͤr wahr und Recht
hielt. — Er kannte die Pflicht, in der Ausbil-
dung ſeines Geiſtes fortzuſchreiten, mithin den
Grund, den Umfang und den Gehalt ſeiner mo-
raliſchen Einſichten, oͤfters zu uͤberſchauen, zu pruͤ-
fen, zu berichtigen: aber ein beſchwerliches und
ermuͤdendes Amt beſchraͤnkte ſeine Zeit und ſeine
Kraft zu dieſem hoͤchſten und heiligſten Geſchaͤft
des Menſchen. Mehr alſo in ſeinen aͤußern Ver-
haͤltniſſen, als in ſeinem Willen lag der Grund,
aus dem Neigungen und Leidenſchaften bald uͤber
die ſchwaͤchere Einſicht, bald uͤber die beſſere Ue-
berzeugung in ihm bisweilen ſiegen konnten. Ließ
ihm der Drang aͤußerer Umſtaͤnde ſeine voͤllige
Geiſtesruhe und Beſonnenheit, ſo fand das Gute
in ihm unfehlbar ſeinen warmen Anhaͤnger und
Befoͤrderer, die Wahrheit ihren freimuͤthigen Be-
kenner, das Recht ſeinen beherzten Vertheidiger.
Entbehren und Genießen ſind die Wen-
depunkte des menſchlichen Lebens, und die beiden
Grenzpunkte aller Lebensweisheit. Die Fertigkeit
zu entbehren wird dem Menſchen fruͤher oder ſpaͤter
von dem ſtrengen Geſetze der Nothwendigkeit auf-
gedrungen. Er hat nichts weiter dabei zu thun,
als ſich demſelben mit Anſtand und Wuͤrde
zu unterwerfen. Und hierin koͤnnen es auch ganz
gewoͤhnliche Menſchen ziemlich weit bringen. Aber
die Kunſt zu genießen muß muͤhſam erlernt
und anhaltend geuͤbt werden. Die Meiſter in
dieſer Kunſt ſind ſo ſelten, daß nur der mit ſich
ſelbſt voͤllig unbekannte Thor ſie uͤberall ſehen
[185] will; der Weiſe iſt froh, wenn er unter zehn Ge-
nießenden auch nur einen Lehrling der Kunſt er-
kennt. Der Mangel dieſer Kunſt fuͤhrt entweder,
auf allmaͤhlige Zerſtoͤhrung des Koͤrpers, oder
auf voͤllige Abſtumpfung des Geiſtes, oder auf
beides zugleich. Welchen Grad unſer verewigter
B. in dieſer Kunſt erreicht hat, geziemt uns we-
der zu unterſuchen noch zu beſtimmen: aber ſo-
viel iſt gewiß, daß bei allen Genuͤſſen ſeines Le-
bens ſein Geiſt der Wahrheit offen, ſein Herz
des Guten und ſittlich Schoͤnen empfaͤnglich blieb.
Wahrhaftigkeit war der edelſte Zug in dem
Charakter unſeres verewigten Bruders K., und
Wahrheit des Charakters war die erſte und uner-
laͤßlichſte Bedingung, die er von jedem forderte,
der auf ſeine Aufmerkſamkeit und Achtung An-
ſpruch machte. Wer etwas ſcheinen wollte, was
er nicht war, oder nicht ſeyn konnte, war nicht
der Mann ſeines Herzens. Die Natur hatte ihn
mit einer ziemlichen Anlage zur Penetration aus-
geſtattet. Er lebte von ſeiner fruͤheſten Jugend
an viel mit Menſchen; und in den mannigfalti-
gen und verwickelten Verhaͤltniſſen des menſchli-
chen Lebens entwickelte er dieſe Anlage zur Kraft.
Er ſchien oft ungebildet und hart, weil er nicht
ſelten lieber auf das antwortete, was die Men-
ſchen dachten, als was ſie ſprachen; und ſie
oͤfters mehr nach dem behandelte, was ſie waren,
als was ſie ſcheinen wollten. Eben dieſe
[186] herrſchende Liebe zur Wahrheit aber, verbunden
mit einem in den meiſten Faͤllen gluͤcklich und
richtig beobachtenden Scharfſinn, ſtellte ihn oft
der Gefahr bloß, jetzt in ſeinem Urtheil uͤber
Menſchen, jetzt in der Art ſie zu behandeln, Un-
gerechtigkeiten zu begehen, die er ſich aber immer
ſelbſt am ſchwerſten verzieh. Die Ueberzeugung
von ſeiner Schuld, — und dafuͤr machte ihn ſeine
Guthmuͤthigkeit leicht empfaͤnglich, — ließ ihn
nie ohne tiefe Ruͤhrung und gab ihm den Muth,
ſeinen Irrthum freimuͤthig zu bekennen. Er hatte
in Schulen wenig gelernt; ſeine Einſichten waren
das Erzeugniß ſeiner eigenen Geiſtesthaͤtigkeit.
Dieſe und ſein richtiges Gefuͤhl begruͤndete in
ihm ſeine unbedingte Achtung fuͤr Wahrheit und
Gerechtigkeit; ſie zeichnete ihm den Maaßſtab ſei-
ner Handlungsweiſe und ſeiner Pflichterfuͤllung
vor. Entruͤckte ihm denſelben auch bisweilen Nei-
gung und Leidenſchaft, ſo war er doch rechtſchaf-
fen genug, es ſeinen Freunden, vor allem aber
ſich ſelbſt zu geſtehen. Er haͤtte ſich in ſeiner ei-
genen Werthſchaͤtzung in dem Verhaͤltniß fuͤr
ſchlechter gehalten, in dem er ſich auf dem Willen
ertappt haͤtte, beſſer zu ſcheinen als er war.
Menſchen, denen entweder die Mittel, oder die
Kraft, oder der Witz zu genießen fehlte, glaubten
ſich berechtigt, ihn wegen ſeines oft verrathenen
Hanges zum Genuſſe geringer ſchaͤtzen zu duͤrfen;
aber ſie bedachten nicht, daß alle Aeußerungen
des Menſchen nichts weiter ſind, als der Wieder-
ſchein ſeiner Welt, die er ſich in ſeinem Inner-
[187] ſten nach Maaßgabe ſeiner Einſichten, ſeiner
Eigenthuͤmlichkeiten und ſeiner Beduͤrfniſſe bil-
det. Zuverlaͤßig war die Welt, die ſich K. in ſei-
nem Innerſten gebaut hatte, ein Reich der Ruhe,
der Anmuth, der Wonne, der Freude und des
Frohſinnes. Gefiel uns der ſchoͤne Abglanz die-
ſer Welt, wenn K. die Thraͤne der Duͤrftigkeit
trocknete, wenn er dem unſchuldig Leidenden Troſt
einfloͤßte, den Verkannten oder Gekraͤnkten, mit
maͤnnlicher Feſtigkeit vertheidigte und der Freund-
ſchaft Opfer brachte; warum wollten wir ſchel-
ſuͤchtig die Augen abwenden, wenn ſie uns in ſei-
nem Beſtreben, die Freuden des Lebens zu ge-
nießen, entgegenſtrahlte. Ob aber ſeine Welt,
oder die, welche der ernſtere, kaͤltere Mann in
ſeinem Herzen herumtraͤgt, die beſſere ſey, dar-
uͤber gebuͤhrt nur dem ewigen Weltenrichter das
Urtheil; und kein Sterblicher darf es wagen, ihm
die Wagſchale zu entreißen. K. hat vor ihm ge-
ſtanden, und er wird einen gelinden Richterſpruch
erhalten haben. Denn ſeine Welt hat ihn fuͤr
das Reich der Wahrheit nie gleichguͤltig, und fuͤr
das Reich des Guten nie kalt und ſtumpf ge-
macht.
Recht thun und Niemanden fuͤrchten,
war die herrſchende Lebensmaxime unſeres heimge-
gangenen Bruders S. Die aͤußere Form, in die er
ſein Rechtthun einkleidete, war die eben ſo zufaͤllige,
als nothwendige Wirkung der aͤußern Umſtaͤnde
und Verhaͤltniſſe, unter welchen er zum Manne
[188] heranreifte. Es mußte ſich unter denſelben eine
gewiſſe Strenge in ſeinem Charakter feſtſetzen; und
nur durch anhaltenden maͤnnlichen Kampf, konnte
er, bey der Staͤrke ſeiner Kraft und ſeines Tem-
peraments, verhindern, daß dieſe Strenge nie in
unerbittliche Haͤrte ausartete. Achtung und Ei-
fer fuͤr das Recht gaben ihm alſo den Maaßſtab
fuͤr ſeine Handlungsweiſe und ſeine Pflichten; und
nie war ein Anſehen der Perſon ſo maͤchtig, oder
die Ausſicht auf einen Vortheil ſo reizend, um ihn
ſeinem Gewiſſen zu entreißen. Gegen nieman-
den uͤbte er dieſe ſtrenge Rechtlichkeit mit wenigerer
Schonung aus, als gegen ſich ſelbſt; und dies
entſchuldigt ſeine ſtrengen Anforderungen an An-
dere, die ihm bisweilen in ſeinem Eifer entfuh-
ren. Bei voͤlliger Ruhe ſeines, durch jedes Un-
recht leicht zu erſchuͤtternden Herzens kannte er
aus Schonung und Nachſicht. Dafuͤr buͤrgen uns
ſeine eigenen Worte, die durch ihre Kunſtloſigkeit
und Nacktheit von allem Anſtrich der Kunſt und
allem Schmucke der Beredſamkeit, volle Glaub-
wuͤrdigkeit fordern. In einer unſerer Verſamm-
lungen empfahl er uns folgende, durch ſeine ei-
gene Praxis bewaͤhrte ſittliche Maßregel. „Je-
„den Abend vor dem Cinſchlafen, ſprach er, denke
„man ſich alle ſeine Handlungen des vergange-
„nen Tages durch, unterſuche alles dabei genau,
„ohne ſich im geringſten dabei zu ſchonen, ob und
„was man fuͤr Bewegungsgruͤnde dabei gehabt,
„ſo und nicht anders zu handeln; welche Veran-
„laſſungen dies oder jenes hervorgebracht, ob man
[189] „ſeinen Nebenmenſchen nicht beleidiget oder ge-
„ſchadet, und wenn dies geſchehen, wie es wieder
„gut zu machen, und dergleichen Selbſtbetrach-
„tungen mehr. — Dann ſchließt ſich gewoͤhnlich
„das Herz auf, man findet ſich ſtrafbar oder
„man freuet ſich des erfochtenen Sieges uͤber ſich
„ſelbſt. Beides merke man ernſthaft und genau,
„um bei vorkommenden gleichen oder aͤhnlichen Um-
„ſtaͤnden richtige Anwendung davon zu machen.
„Man dringe immer tiefer in ſein Innerſtes ein,
„vielleicht kommt man auf den Grund. Endlich
„fuͤrchtet man ſich vor ſich ſelbſt, thut nichts ohn-
„bedacht, und ſo iſt man dem Ziele ſehr nahe,
„ein guter Menſch zu werden. Das eigenliebige
„Herz ſpielt einem dabei manchen Poſſen, aber an-
„haltender ſtrenger Eifer im Richten ſeiner eigenen
„Handlungen, gewaͤhrt endlich ruhige Zufrieden-
„heit mit ſich ſelbſt, ſogar beim Straucheln, weil
„man ſich daran gewoͤhnt hat, ſeine Fehler wie-
der gut zu machen.“ — Ich habe dieſen, die in-
nigſte Ueberzeugung und an ſich ſelbſt gemachte
Erfahrungen ankuͤndigenden Worten nichts mehr
hinzuzuſetzen; und ich habe uͤberall uͤber unſere
verklaͤrte Bruͤder genug geſagt, um in uns den
Glauben zu begruͤnden, ſie werden die Richtigkeit
des Maaßſtabes, nach welchem ſie handelten und
ihre Pflichten erfuͤllten, vor dem Richterſtuhle des
Ewigen erprobt haben. Ich habe durchaus nichts
Unwahres geſagt. Wem es ſcheint, daß ich man-
ches Wahre verſchwiegen habe, der bedenke vor-
her, ehe er mich der beleidigten Wahrheit und
[190] Gerechtigkeit anklagt, daß die Sittlichkeit oder
Unſittlichkeit aller menſchlichen Handlungen einzig
und allein von der Guͤte der Geſinnung und von
der Reinigkeit und Rechtſchaffenheit des Herzens
abhaͤngt; uͤber die Wirklichkeit aber oder den Man-
gel derſelben dem ewigen Richter die Entſcheidung
ausſchließend zuſtehet. Es iſt Zeit, daß wir auf-
hoͤren, in unſern Urtheilen uͤber Lebendige und
Todte, in das Amt des Gewiſſens, und in die
Rechte der Gottheit eingreifen zu wollen!
Ich ſoll nun den Gewinn berechnen, welchen
die Maureriſche Thaͤtigkeit unſerer verklaͤrten Bruͤ-
der der Bruͤderſchaft erworben hat.
Ordnung und Geſetz waren dem Bruder B.
heilige Worte, deren volle Bedeutung tief in ſei-
nem Herzen lag. Mochte ein von ihm gemachter
Vorſchlag noch ſo viele Gruͤnde fuͤr ſich haben,
mochte er noch ſo ſehr fuͤr denſelben eingenommen
ſeyn, er vertheidigte ihn nicht laͤnger, als bis er
von der Mehrheit angenommen oder verworfen
war: im letztern Falle hatte Er weder den Eigen-
duͤnkel, ihn durch allerhand Social-Kuͤnſte durch-
ſetzen zu wollen, noch die kindiſche Eitelkeit, ſich
daruͤber gekraͤnkt zu zeigen. Oft erklaͤrte Er:
„Nicht das iſt das Gut der Bruͤderſchaft, was
„mir gut ſcheint; ſondern das, was der durch
„die Mehrheit der Stimmen angekuͤndigte allge-
„meine Wille fuͤr das Gut der Geſellſchaft er-
„klaͤrt.“ — Mochte ein Geſetz noch ſo ſehr ſei-
[191] nen Wuͤnſchen oder Neigungen entgegengeſetzt
ſeyn, er wagte es nie gegen daſſelbe zu handeln,
wenn es ihm bekannt war; und unterwarf ſich
demſelben unbedingt, wenn es ihm verkuͤndiget
wurde. Autoritaͤt und perſoͤnliche Ruͤckſichten, die
den gemeinen Logenbruder oft einzig und al-
lein in ſeinen Urtheilen und Handlungen leiten,
kannte B. nicht; denn er war freier Maurer.
Mochte ſich an den Geſetzen, dem heiligen Palla-
dium wahrer Maureriſchen Freiheit vergreifen, wer
da wollte; Bruder B. erhob ſeine Stimme wider
ihn, ohne zu erwaͤgen, wie nahe oder wie fern
der Angreifer ſeinem Herzen oder ſeinen ander-
weitigen Verbindungen war. Nie widerſprach er
er einer Meinung, weil er etwa der Perſon, die
ſie [äuße]rte, nicht guͤnſtig war; nie gab er einem
Vorſchlag ſeinen Beifall, weil er in manchen an-
dern Dingen der Autoritaͤt oder dem Verdienſte
des Vorſchlagenden die Anerkennung nicht verſagen
konnte. Wahrer Superioritaͤt des Geiſtes und
Characters leiſtete er mit Freuden, was er ihr
ſchuldig war; er glaubte ſich ſelbſt dadurch zu er-
heben, wenn er das aͤchte Verdienſt anderer an-
erkannte, und war fern von jener republicaniſchen
Frechheit, die eine Feindin jeder Groͤße, ſelbſt der-
jenigen, die zur Erhaltung des Ganzen unentbehr-
lich iſt, nicht ehe ruhet, als bis ſie dieſelbe ſich
gleich, das iſt klein und nichtswuͤrdig gemacht hat.
Die Geſetze waren ihm zu ehrwuͤrdig, als daß er
ſie jemals zum Mittel herabgewuͤrdigt haͤtte, ſei-
nen Witz ſpielen zu laſſen, oder Bruͤder, die etwa
[192] ſeinen Abſichten haͤtten entgegen ſeyn koͤnnen, zu
chikaniren. Die Logenverſammlungen beſuchte er
ſeit dem Jahre 17 … ſo fleißig und anhaltend-
daß ich ihm das Zeugniß geben muß: er hat un-
geachtet der Rauhigkeit der Witterung, und der
Kraͤnklichkeit ſeines Koͤrpers nicht eine einzige ander-
weitigen Gemuͤthserholungen nachgeſetzt. Hier
fand er Nahrung fuͤr ſeinen Geiſt und ſein Herz;
was er hier ſammelte, hielt er fuͤr die Ewigkeit
gewonnen. So war Br. B. in unſern Kreiſen
ein Muſter der Ordnung, der Geſetzlichkeit, der
unpartheiſchen Freimuͤthigkeit, der Beſcheidenheit
und der thaͤtigen Anhaͤnglichkeit an das Gute.
Die Geſetze hatten an ihm einen aufrichtigen
Verehrer und unermuͤdeten Vertheidiger, die juͤn-
gern Bruͤder einen ſichern Wegweiſer, die aͤltern
einen eifrigen Mitarbeiter. Die Bruͤderſchaft hat
durch ihn gewonnen.
Thaͤtiger war Bruder K. in fruͤhern Zeiten
als in ſpaͤtern. Mit ſeinem richtigen Verſtande,
ſeinen Erfahrungen und Einſichten, ſeinem ſchnel-
len Durchblicke unterſtuͤtzte er damals die Vorſte-
her der Bruͤderſchaft unermuͤdet, und half ihnen
ſo manchen boͤſen Anſchlag gegen dieſelbe verei-
teln, ſo manches Hinderniß des Wohlſtandes aus
dem Wege raͤumen, ſo manchen Vortheil er-
reichen und feſt halten. Die Formen, unter wel-
chen die Frei-Maurerei damals ausgeuͤbt wurde,
waren nicht ſo beſchaffen, daß ſie ſeinen Verſtand
befrie-
[193] befriedigen, ſein Herz intereſſiren, und ihm den
Glauben an eine hoͤhere Realitaͤt der Koͤniglichen
Kunſt einfloͤßen konnten. Um ſo geſpannter
war ſeine Aufmerkſamkeit, als der allgemeine
Wille der Bruͤderſchaft im Jahre 17 … eine an-
dere Geſtalt und Ordnung der Dinge einzufuͤh-
ren begann. Bruder K. ſollte wieder anfangen
zu lernen, ſollte dort Realitaͤt anerkennen, wo
er bis dahin nur leere Formen gefunden hatte;
blinder Glauben und der Autoritaͤt nachbeten,
war nie ſeine Sache; er wollte ſehen, pruͤfen,
vergleichen; Er forderte Pruͤfung ſeiner Gruͤnde
und offene Darlegung der Gegengruͤnde. Die
Vorſteher der Bruͤderſchaft fanden daher an ihm
bei jeder ihrer neuern Verfuͤgungen einen beherz-
ten Gegner; er blieb es aber nur ſo lange, bis
er von der Guͤte ihrer Sache uͤberzeugt war, oder
wenigſtens ihnen keine Gruͤnde mehr entgegen
ſetzen konnte. Dieſes Streben und Entgegenſtre-
ben, dieſer Kampf des Verſtandes gegen Verſtand
war reichhaltig an Belehrung fuͤr die Bruͤder-
ſchaft, gruͤndete die gute Sache feſter, und befoͤr-
derte nicht nur die allgemeine Annehmung, ſon-
dern bei vielen auch die richtige Erkenntniß der-
ſelben. Indeſſen ganz zufrieden war Bruder K.
mit der Form der Bruͤderſchaft nie; der Grund
davon lag theils darin, daß er ſeine Individuali-
taͤt gar zu leicht auf andere uͤbertrug, mithin
glaubte, was ſeinetwegen zur Erhaltung der gu-
ten Ordnung nicht noͤthig war, waͤre auch fuͤr
alle Andere uͤberfluͤßig; theils darinn, daß er den
Erſtes Baͤndch. N
[194] Werth der Sache beinahe immer von dem Werthe
der Perſon abhaͤngig machte. Seine Unzufrieden-
heit floß alſo nur aus reinem Irrthume des Ver-
ſtandes, nicht aus boͤſer Geſinnung oder Verir-
rung des Herzens. Dieß war immer offen, ge-
rade, bieder und theilnehmend, und ſo war auch
ſeine Maureriſche Laufbahn fuͤr die Bruͤderſchaft
fruchtbar an Gewinn.
Bruder S. gehoͤrte zu den wuͤrdigen aͤlteſten Bruͤ-
dern dieſer Loge, durch deren tiefe Einſichten in
das Weſen der Freimaurerei, reife Erfahrungen
und thaͤtige Mitwirkung der gegenwaͤrtige Zuſtand
der Bruͤderſchaft einzig und allein herbeigefuͤhrt,
begruͤndet und erhalten werden konnte; wie Er
dabei dachte und handelte moͤgen uns abermahl
ſeine eigenen Worte, als die ſicherſten Buͤrgen
fuͤr ſeine Geſinnung, offenbaren. „Bruͤder, ſprach
„er in einer unſerer Verſammlungen, die ihr mit
„dieſem oder jenem Bruder, mit dieſer oder je-
„ner Anordnung unzufrieden ſeid; — muß man denn
„gleich zu dem aͤußerſten ſchreiten, alles verach-
„ten, alles tadeln, gar nichts gut heißen, nie
„mehr zur Loge kommen oder gar ſeinen Abſchied
„fordern? Auf was Art und Weiſe ſeid ihr denn
„von den guten Abſichten der arbeitenden Bruͤder
„zu uͤberzeugen, oder wie wollt ihr ſie von eu-
„rem guten Willen uͤberfuͤhren, wenn ihr euch den
„Arbeiten entziehet; wie wollt ihr von dieſer oder
„jener vorgefaßten Meinung zuruͤckkommen, wenn
[195] „ihr die thaͤtigen Bruͤder fliehet, Ihr wuͤnſcht
„gewiß alle, daß das Ganze beſtehe, wie iſt dieß
„moͤglich, wenn ihr nicht alle Hand anleget, und
„es nur Wenigen uͤberlaſſet, die Stuͤtzen zu hal-
„ten? Wie koͤnnt ihr dabei noch ſo unbillig ſeyn,
„und auch dieſe wenigen verſchreien, wenn ſie
„ganz andere Maßregeln genommen, als welche
„euch, ohne Kenntniß der Sache, die richtigen ſchie-
„nen? Wenn ihr nicht zur Arbeit kommt und
„eure Gedanken mitgetheilt habt, ſo iſt es eine
„wahre Ungerechtigkeit, die arbeitenden Bruͤder
„zu tadeln, bitter zu beurtheilen, und ſie wohl
„gar uͤberall anzufeinden. Lieben Bruͤder, werft
„die Feſſeln der Vorurtheile ab, beſonders, da
„ſeit kurzem mancher Grund dazu ſich nicht mehr
„vorfindet. Folget meinem gut gemeinten Rath,
„uͤberleget im Stillen die Beweggruͤnde eurer
„Entfernung, pruͤfet ſie mit Strenge, fraget euch
„ernſtlich, ob es eurer Wuͤrde nicht angemeſſener
„iſt, durch Eifer und Anhaͤnglichkeit das gluͤcklich
„angefangene Gebaͤude zu unterſtuͤtzen, als das-
„ſelbe aus Mangel an Bruderliebe und Vertrauen
„unvollendet einſtuͤrzen zu laſſen,“ — Worte die
der reine Abdruck eines rechtſchaffenen Herzens
ſind, verfehlen ſelten ihren Zweck; und ſo erklaͤrte
ſich denn auch unſer Bruder nie ohne den er-
wuͤnſchten Erfolg fuͤr die gute Sache. Man wußte,
daß ſeinen Augen vor der Majeſtaͤt derſelben jede
perſoͤnliche Ruͤckſicht verſchwand; man war von
ſeiner Unfaͤhigkeit, Nebenabſichten unter die Sorge
fuͤr das allgemeine Wohl zu verſtecken, gewiß;
N 2
[196] man war zum voraus uͤberzeugt, daß er ſo wie
er ſprach, dachte und handelte: man hoͤrte ihn
mit Achtung und folgte ihm mit Bereitwilligkeit.
Die Bruͤderſchaft gewann durch ihn an Wohl-
ſtand, Feſtigkeit und Ordnung.
Endlich ſoll ich den Verluſt beſtimmen, den
wir Zuruͤckgebliebenen durch das Heimkehren un-
ſerer Bruͤder in unſerm gemeinſchaftlichen Wirken
erlitten haben.
Die Maureriſche Wirkſamkeit wird hier nur
angefangen; dort, wo unſere Bruͤder jetzt ſind,
wird ſie raſcher fortgeſetzt und vollendet. Der
Tod unterbricht zwiſchen den Zuruͤckgebliebenen
und Heimgekehrten nur die Erſcheinung des Wir-
kens, nicht die moraliſche Wirkſamkeit ſelbſt; dieſe
iſt eben ſo hoch uͤber den kleinen Raum zwiſchen
der Wiege und dem Sarge erhaben, als die mo-
raliſche Welt unendlich uͤber denſelben ausgedehnt
iſt. So viel alſo unſer Herz und unſere geſelligen
Kreiſe durch das Verſchwinden unſerer geliebten
Bruͤder an Genuß und Freude verlohren haben:
ſo iſt fuͤr unſer gemeinſchaftliches, nicht fuͤr die
Zeit, ſondern fuͤr die Ewigkeit berechnet es, nicht
auf dieſe Sinnenwelt beſchraͤnktes, ſondern auf
eine hoͤhere Welt hingerichtetes, moraliſches Wir-
ken, ihr Hinſcheiden in das Reich des Lichtes
und der Erkenntniß, mehr ein Gewinn als ein
Verluſt. Die Verklaͤrten haben, zu der Aufnahme
von Maͤnnern ihre Zuſtimmung gegeben, an de-
[197] nen Wahrheit und Recht, Ordnung und Geſetz
nicht minder aufrichtige Verehrer nnd beherzte
Vertheidiger finden werden. Sie aber werden
dort fortſchreiten an Erkenntniß und Liebe des
Wahren und des Guten; ſie werden mit Se-
gen uͤber uns die Fruͤchte unſerer Maureriſchen
Wirkſamkeit aufnehmen, und uns den Genuß
derſelben vorbereiten. Sie werden die Bluͤthen
unſeres Glaubens in Fruͤchte des Wiſſens und
Erkennens verwandeln; ſie werden dort fortſetzen
und ausbilden, was wir hier, in die Grenzen der
Sinnlichkeit eingeſchloſſen, unvollendet und un-
vollkommen laſſen muͤſſen.
Wollen wir in heiliger Verbindung mit ih-
nen bleiben, ſo ſei uns ihr Andenken ehrwuͤrdig.
So wie ſie jetzt ununterbrochen und der Gewalt
der Sinnlichkeit entbunden, dort im Reiche des
Lichtes zur Vollendung fortſchreiten, ſo ſollen ſie
uns hier als Vorbilder vorſchweben, wenn Pflicht
uns ruft, wenn Leidenſchaft und Willkuͤhr von
der graden Bahn der Geſetzmaͤßigkeit uns abfuͤh-
ren wollen. Sie ſind nun von den Irrthuͤmern
des Verſtandes befreyet, an denen wir hienieden
noch oft kraͤnkeln. Wollen wir uns mit Recht
Bruͤder der Verklaͤrten nennen, ſo laſſet uns ar-
beiten, daß wir der Offenheit, Aufrichtigkeit und
Rechtſchaffenheit ihres Herzens gleich kommen.“
Ich ſetze nichts hinzu, gel. Br.! Du wirſt
des Stoffs zum Nachdenken in dieſem trefflichen
Vortrage genung gefunden; du wirſt dir ein voll-
[198] ſtaͤndiges, ſcharf abgeſchnittenes Bild von den drei
verewigten Bruͤdern, ohne ſie ſelbſt perſoͤnlich ge-
kannt zu haben, in deiner Seele entworfen, du
wirſt die Kunſt der Menſchenkenntniß, die Deli-
kateſſe in der Menſchenbeurtheilung und zugleich
die Achtung fuͤr Menſchenwerth und die Grenzen
menſchlicher Einſicht, erkannt und bewundert und
fuͤr deine eigne Menſchenkenntniß viel gewonnen
haben. Es iſt ein Muſter, welches der wuͤrdige
Redner der Bruͤderſchaft gegeben hat, und wel-
ches die Bruͤderſchaft der Welt giebt,
denn nur in ihrem Schooße konnte ſich ein
ſolches Muſter erzeugen. — Moͤchten ſo alle Lo-
gen ihre verſtorbenen Bruͤder wuͤrdigen und feiern!
M.
[[199]]
6.
Johann Joachim Chriſtoph Bode.
Wenn es unſere Pflicht iſt, das Andenken derer
zu feiern, die ſich um den Orden verdient machten,
ſo muͤſſen wir zuerſt des Mannes gedenken, der
(wie Herder von ihm ſagte) „mit dem Kopfe
eines Mannes und dem Herzen eines Kindes“
auch ihn umfaßte, fuͤr ſeine Reinigung und Ver-
beſſerung raſtlos arbeitete, und durch Rath und
That auf eine große Anzahl von Bruͤdern einen
wohlthaͤtigen Einfluß hatte. Niemand kannte die
ſpecielle Geſchichte des Ordens beſſer, als er, kein
Privatmann war je mit einem ſo reichen Archive
verſehen, niemand war thaͤtiger, ſeine Kenntniſſe
zu vermehren und ſich ſeltene und koſtbare Quellen
des Wiſſens zu eroͤffnen. Er war einer der thaͤ-
tigſten Befoͤrderer des neueingefuͤhrten Syſtems,
ſo lang er an ſeine Realitaͤt glaubte; er ward ſein
ruͤſtigſter Zerſtoͤrer, als er dieſen Glauben aufge-
geben hatte. Ob er uͤberhaupt bis zur wahren
Hoͤhe des Ordens-Zwecks gedrungen ſey, ob er
ſich nur begnuͤgt habe, die Hiſtorie zu ergruͤnden
[200] und ſeine daruͤber aufgeſtellte, ſehr ſcharfſinnige
Hypotheſe zu befeſtigen, das wiſſen wir nicht:
aber das wiſſen wir, daß er ſich mit aller Kraft
und auf mannigfachen Wegen dem eingeſchlichnen
Aberglauben, dem Pfaffenthum, der Geiſterſeherei
und allen dieſen klaͤglichen Verirrungen des menſch-
lichen Geiſtes und des ehrw. O. widerſetzte und
dieſe uͤppig aufgeſchoßne Hyder bis in ihre letzten
Schlupfwinkel verfolgte.
Seine Lebensgeſchichte iſt ſonderbar (noch ſonder-
barer iſts, daß dies der Fall bei den meiſten Lebens-
geſchichten merkwuͤrdiger Maͤnner im O. iſt). Sie
iſt noch ſehr wenig bekannt; in der Denkſchrift
auf ihn, (die wir zugleich benutzen wollen) iſt
ſie nur mit einigen, obgleich kraftvollen Strichen
bezeichnet. Wir geben die folgenden Beitraͤge,
die wir aus dem Munde eines ſeiner alten Be-
kannten erhalten haben, und die manche indivi-
duelle Zuͤge liefern, mehr, mit dem Wunſche an
ſeine noch lebenden Freunde, ſie zu vermehren
und (wo es noͤthig ſeyn ſollte) zu berichtigen, als
in der Meinung, etwas Vollſtaͤndiges und Be-
friedigendes uͤber ihn zu liefern.
Er ward 1730 den 16. Januar bei Braun-
ſchweig in der Huͤtte ſeines Vaters, der Hand-
langer bei der Ziegelbrennerei war, gebohren. Als
er etwas erwachſen war, nahm ihn ſein Groß-
vater auf einem benachbarten Dorfe zu ſich und
lies ihn ſeine Schafe huͤten. Aber „man ſchalt
ihn ungelehrig (ſagt die Denkſchrift) weil er zu
ehrgeizig war, um Anſtelligkeit zur Landarbeit zu
[201] zeigen. Man ſchickte ihn in die Stadt zuruͤck,
weil man verzweifelte, einen guten Bauer aus
ihm zu ziehen. Was er Jahre lang von ſeiner
frommen Mutter gebeten hatte, ward ihm gewaͤhrt.“
Er kam in die Lehre zu dem Stadt-Muſikus W.
in Braunſchweig, wo er ſechs traurige Lehrjahre
auszuſtehen hatte.
Auch hier zog er ſich den Vorwurf der Untaug-
lichkeit zu, und ſein Lehrmeiſter empfahl ihn nach
der Lehrzeit an das hannoͤveriſche Regiment Prinz
Karl, welches zu Stade in Garniſon lag. Dort
erſt entwickelten ſich ſeine muſikaliſchen Talente;
er uͤbte ſich unermuͤdet, beſonders auf Inſtrumen-
ten, zu denen er als Hautboiſt nicht verpflichtet
war, und bildete ſich bald zum Virtuoſen. Auch
verheuratete er ſich hier zum erſtenmale.
Auf einer Reiſe nach Hamburg kam er zufaͤl-
liger Weiſe in die Bekanntſchaft des Syndicus
Schubak, eines ſehr gebildeten Mannes und eines
Freundes der Muſik. Dieſer veranſtaltete zu ſeiner
Unterſtuͤtzung ein Concert, worinn er ſich produci-
ren ſollte. Da dies in der Regimentsuniform nicht
wohl geſchehen konnte, ſo borgte er ſich einen Rock
von Bruͤſſeler Kammelot mit Aufſchlaͤgen von drap
d’ argent und eine dergleichen Weſte vom Kleider-
ſoͤller, und ſpielte vortrefflich. „Das ſieht man
ſchon aus dem Rocke, antwortete S., daß er ein
Virtuos iſt“ als ihn Schubak gefragt hatte: Wie
er ihm gefiele?
Er ward bekannt in Hamburg und glaubte
hier ſein Fortkommen zu finden. Daher nahm er
[202] den Abſchied vom Regimente, zog nach Hamburg,
gab Muſikſtunden und fing an ernſtlich zu ſtudiren.
Beſonders ſchnelle Fortſchritte machte er in den
neueren Sprachen.
Seine Liebe zu den Wiſſenſchaften erweckte
in ihm den Wunſch, ſich ihnen auf einer Univer-
ſitaͤt ganz zu widmen. Sein Goͤnner und Freund
veranſtaltete es, daß er nach Helmſtaͤdt gehen konnte.
Frau und Kinder nahm er mit, ließ ſie aber auf
einem Dorfe bei der Stadt, und beſuchte ſie nur
alle Sonnabend. Er ernaͤhrte ſich und die Seinen
groͤſtentheils durch Muſikſtunden die er gab. *)
Der edle Stockhauſen, ſagt die Denkſchrift, ward
ſein Lehrer, Rathgeber, Freund; Helmſtaͤdt die
Saͤugamme ſeines wißbegierigen Geiſtes.
Eben dieſe Schrift faͤhrt fort mit einer Nach-
richt, von der unſere Traditionen ſchweigen: „Den
in Braunſchweig Verkannten nahm Celle auf;
was Helmſtaͤdt angefangen hatte, vollendete Celle.
Frankreichs, Italiens und Brittaniens Sprachen
oͤffneten dem Durſtigen nie verſiegende Quellen;
arbeitſam durchwachte Naͤchte lehrten ihn die
Schaͤtze ſeiner Mutterſprache finden, und bereite-
ten, was er ſelbſt nicht ahnete, den Schriftſteller
der Nation. Celle horchte mit Wohlgefallen ſei-
[203] ner Muſik, wenn er bei Schulfeierlichkeiten den
ernſten Muſen die hold’, zaͤrtlich-verſchwiſterte Ton-
kunſt zufuͤhrte.“
Bode ging nach Hamburg zuruͤck, und gab
Unterricht auf der Floͤte, Violine, dem Klavier
und in der franzoͤſiſchen Sprache. Frau und Kin-
der waren geſtorben. In dieſer Zeit fing er an,
die Engliſche Sprache zu ſtudieren. Sein heitrer
Genius zauberte in ſeinen Geſellſchaften die Froͤh-
lichkeit um ihn her; ſeine Genialitaͤt verſchmaͤhte
die Genauigkeit im Verhaͤltniſſe zwiſchen Einnahme
und Ausgabe. Mehrere tauſend Mark Schulden
ſetzten ihn in nicht geringe Verlegenheiten.
Ein nuerwarteter Zufall riß ihn heraus. Fuͤr
den jungen Grafen Schimmelmann ward ein
Hofmeiſter geſucht, der ihn auf Reiſen begleiten
ſollte. Bode ward dazu vorgeſchlagen; er nahm
es an und gab ſeine Informationen auf. Die
ihm beſtimmte Stelle erhielt aber ein Hr. v. P — l,
und er ward durch 1000 daͤniſche Dukaten ent-
ſchaͤdigt.
Seine engliſche Sprachkunde brachte ihn in
die Bekanntſchaft eines vornehmen Hauſes in Ham-
burg. Er gewann die Liebe einer reichen Erbin;
ohngeachtet aller Anſtrengungen ihrer Familie heu-
rathete er ſeine zweite Frau, und verſchmaͤhte die
2000 Dukaten, die man ihm, im Fall ſeines Ab-
ſtehens, geboten hatte.
Obgleich ſeine Gattin ein Vermoͤgen von 100000
Mk. hatte, ſtudierte und arbeitete er doch ſo fort,
als wenn er keinen Pfennig gehabt haͤtte. In
[204] dieſer Periode uͤberſetzte er den Triſtram Shandy,
lernte ſpaniſch, und verdeutſchte den Gil Blas.
Nach etwa zwei Jahren einer gluͤcklichen Ehe
ſtarb ſeine Gattin an den Folgen eines Sturzes
vom Pferde. Er war ihr Univerſalerbe, gab aber
der Familie den groͤßten Theil ihres Vermoͤgens
zuruͤck.
Ein Verdruß, den er mit ſeinem Verleger hatte,
gab ihm Gelegenheit, eine eigne Buchdruckerei an-
zulegen, in welcher er unter andern den Wands-
becker Boten druckte.
Auch ſeine dritte Ehe mit der Tochter des
Buchhaͤndler Bohn, ward bald durch den Tod
getrennt.
„In ſchneller Aufeinanderfolge, ſagt die Denk-
ſchrift, ward der arme eingewanderte Buͤrger,
Buchdrucker, Buchhaͤndler, Schriftſteller, Vorſte-
her eines zahlreichen zu edlen Zwecken verbruͤderten
Bundes, Rathgeber, Freund, Liebling der Edlen
Hamburgs. So verlebte er zwanzig thaͤtige
Jahre.“
Raſtlos arbeitete er in der Maurerei, die ſeine
Aufmerkſamkeit erweckt hatte und verdiente. Von
ſeiner beſonderen Thaͤtigkeit zeigen die Reiſen,
die er, allein um ihrentwillen, nach Paris, Leip-
zig u. a. O. machte.
Ueber ſeine Reiſe nach Paris ſagt der Recenſ. von
Mounier’s Buche de l’ influence attribuée aux
Philosophes, aux francs Maçons, et aux Illumi-
nés sur la revol. de Fr. A. L. Z. n. 344. 1801.
„Die Verbindung der Illuminaten mit den
[205] Jacobinern in Paris, iſt ein abgeſchmacktes
Hirngeſpinſt. Bode und Buſch reiſten nach
Paris im J. 1787, als der Illuminanten-
Orden ſchon voͤllig getrennt war, zufolge ei-
ner Einladung der Loge des Philathes an
die deutſchen Frei-Maurer, um ihnen zur
Entdeckung des Urſprungs der Freimauerei zu
helfen. Bode mag vielleicht der Illuminaten
hier in der Abſicht erwaͤhnt haben, um die
Geſinnungen der Mitglieder der Loge zu erfor-
ſchen; aber er dachte nicht daran, Proſelyten
zu machen; vielweniger nahmen die Pariſer
Logen das Illuminaten-Syſtem an, das kei-
neswegs in ihrem Geſchmacke war. Bode
hielt ſich auch nur einige Wochen in Paris
auf und aͤußerte bei ſeiner Zuruͤckkunft Miß-
vergnuͤgen uͤber ſeine Verhaͤltniſſe mit den
dortigen Frei-Maurern.“
„An der deutſchen Union nahm er ſo we-
nig Theil, daß er vielmehr in der bekannten,
aber anonym herausgegebnen Schrift Mehr
Noten als Text den Plan angriff und in
der Geburt vereitelte.“
Seine Bekanntſchaft mit der Graͤfin v. Bern-
ſtorff ward innige Freundſchaft. Ihr folgte er
nach Weimar, in den Kreis der auserwaͤhlteren
Lieblinge der Muſen.
„Hier, in wohlthaͤtiger Unabhaͤngigkeit, pfluͤckte
er die lieblichſten Bluͤthen des Geiſtes fremder Na-
tionen und band ſie zum Kranze fuͤr ſein Vater-
land; wirkte in ſtiller Thaͤtigkeit fuͤr Tugend, Auf-
[206] klaͤrung und Menſchenwohl; griff, wo die liebreiche
Warnung nicht fruchtete, nach der Geißel des
Spotts; entlarvte die Gaukler und Betruͤger;
ſprach, ſchrieb und reiſete zur Ausbreitung des
Reiches der Wahrheit.“
„Seine literariſchen Arbeiten, wodurch er fuͤr
eine zahlreiche Schriftſteller-Klaſſe Muſter und
Vorbild geworden iſt, waren ihm nur Nebenge-
ſchaͤft und Spiel muͤßiger Stunden. Arbeit war
ihm die Auffindung verborgener Lehre, und die
Verkuͤndigung der aufgefundenen durch Wort und
Schrift. Nie hatte er vom Staate ein Amt be-
gehrt, ſtets das ihm angetragne verbeten. Aber
er hatte ſich ſelbſt ein Amt geſchaffen. Feind aller
hierarchiſchen Taͤuſchung *) und aller im Dun-
keln ſchleichender Geheimnißjagd, blieb er dreyßig
Jahre der unbeſtochne, unerſchuͤtterliche Prediger
der aus den Irrgaͤngen des betrogenen Betrugs
hervorgegrabenen Wahrheit. Mit kraftvoller Hand
zerbrach er die Goͤtzen, vor welchen tauſend Leicht-
glaͤubige die Kniee beugten, achtete weder das
Kraͤchzen der Raben, noch den Grimm der Adler,
die am Raube ſich weideten; geißelte die Bosheit,
belehrte die Schwachheit. — Was er zertruͤm-
merte, wird keine Gewalt ergaͤnzen,
keine Liſt wieder umſchmelzen koͤnnen.
Eingeſunken ſind die mitternaͤchtlichen Hallen der
truͤgeriſchen Geheimniſſe.“ Amen!
Er ſtarb den 13. December 1793.
[[207]]
7.
Reden und Gedichte.
a
Klugheit und Gerechtigkeit, die Grundfeſten einer
Loge. Eine Vorleſung. vom Br. Feßler.
Vorgetragen den 15. Juni 1800.
Zum zweiten Mahle, meine Bruͤder, feiern wir
den großen Tag, deſſen Andenken uns Allen in
eben dem Verhaͤltniſſe erfreulich ſeyn muß, in
dem jedem unter uns ſeine Wuͤrde als Maurer
heilig iſt. — Dieſen Augenblick habt ihr die Ge-
ſchichte dieſes Tages gehoͤrt: es war zugleich die
Geſchichte Eures feſten und freien Maurer-Sin-
nes, es war die Geſchichte des herrlichſten Sie-
ges nach einem Kampfe, der mit der hoͤchſten
Anſtrengung vereinigter Kraͤfte gefuͤhrt, und mit
unerſchuͤtterlicher Standhaftigkeit ausgehalten wor-
den war. Die Feier dieſes Tages, die Feier die-
ſes Sieges iſt unſerm edlern Selbſtgefuͤhle ganz
[208] vorzuͤglich nahe gelegt; denn wir ſind es, die
fuͤr die Aufſtellung und Begruͤndung des hoͤhern
Ordens-Verhaͤltniſſes gekaͤmpft haben, welches der
Reinheit und Rechtlichkeit unſers maureriſchen
Syſtems angemeſſen, welches der Kraft und der
Wuͤrde der meiſten Mitglieder unſers Bruder-
Bundes geziemend war. Wir ſind noch hier;
nur wenige Mitgenoſſen unſerer Arbeit und unſe-
res Kampfes ſind ihrer Vollendung naͤher geruͤckt.
Aber auch wir Zuruͤckgebliebenen werden heim
gehen: Wird dann das Werk, das wir ge-
baut haben, noch ſtehen? Werden auch
unſre Nachkommen mit Segnung unſe-
res Namens dieſen Tag noch feyern?
So, meine Bruͤder, fragte ich heute vor einem
Jahre; und Euer ungetheilter Beifall ward mir,
als ich mit Ja, antwortete: wenn wir den
Muth haben, uns in unſerer wahren Ge-
ſtalt zu ſehen, und das feine Gewebeder
Selbſttaͤuſchung zu zerreißen; wenn wir
redlich genug ſind, uns ſelbſt zu geſtehen,
daß wir bis jetzt nur aufgeſtellt haben,
was wir ſeyn ſollen, nicht was wir ſind.
Werden auch unſere Nachkommen dieſen Tag
noch feyern? — So frage ich heute wieder
auf dieſer heiligen Staͤtte, nachdem die Arbeiten
eines Jahres unſer Werk dem Ziele der Vollkom-
menheit naͤher gebracht haben. — Sie werden
ihn mit ſegnendem Andenken unſerer Verdienſte
feyern, und unſer Werk wird beſtehen,
ſo lange Klugheit die Maßregeln zur
Erhal-
[209]Erhaltung deſſelben erfindet. — Unſer
Werk wird beſtehen, ſo lange Gerechtig-
keit die Ausfuͤhrung der erfundenen
Maßregeln leitet.
Der Weiſe der Ideenwelt weiß, wie Alles
ſchlechthin ſeyn ſoll: der Weiſe der wirklichen
Welt uͤberſchaut in dem Lichte ſeines Ideals,
wie Alles dem gegebenen Stoffe gemaͤß allmaͤhlig
werden kann, und nimmt aus dem Heiligthume
der Klugheit, was das ausgedehnte Reich der
ſtrengen Spekulation nicht geben kann. Der
Erſtere loͤſt Geſellſchaften auf, wenn er ſie zu
ſich hinaufreißen will: der Letztere bildet und
befeſtiget ſie, wenn er Reſignation genug beſitzt,
ſie mit ſeiner Kraft nur unterſtuͤtzen zu wollen. —
Die Erfindungen der Klugheit werden in der
Ausfuͤhrung zu elenden Raͤnken einer gemeinen
Seele, wenn die Ausfuͤhrenden den Maßſtab der
Gerechtigkeit zerbrechen: die Herrſchaft der Ge-
rechtigkeit wird erniedrigender Zwang, wenn der
gerechte Mann die Fackel der Klugheit von ſich
wirft. Raͤnke und Zwang muͤſſen nothwendig
ein Werk zerſtoͤren, welches nur durch die Wirk-
ſamkeit freier Kraͤfte entſtanden iſt, nur durch
die Selbſtthaͤtigkeit freier Kraͤfte beſtehen kann.
Unſer Werk alſo wird beſtehen, ſo
lange Klugheit die Maßregeln zur Er-
haltung deſſelben erfindet.
Wenn ich von dieſer heiligen Stelle zu Euch,
Geweihte der Wahrheit, von Klugheit ſpreche,
und die feſte Fortdauer des maureriſchen Syſtemes
Erſtes Baͤndch. O
[210] der Großen Freym. Loge R. Y. z. Freundſchaft
nur von den Maßregeln derſelben abhaͤngig erklaͤre,
ſo kann wohl nicht die Rede ſeyn von dem Sy-
ſteme jener vorſichtigen, wohlberechneten Betruͤge-
rei, durch welches der gewandte Kluͤgling die
Menſchen zur freiwilligen Befoͤrderung ſeines Ei-
gennutzes fortzieht. Verſchlagenheit, Schlauheit,
Liſt und Tuͤcke ſind das unzertrennliche Gefolge
dieſer Afterklugheit, die nur dem Feigen und
Nichtswuͤrdigen geziemt, der die beherzte Offen-
heit erſt betruͤgen muß, um ſie zur Dienerin ſei-
ner niedrigen Abſichten herab zu wuͤrdigen. Fern
ſei von dem Heiligthume der Maurerei alles ſchein-
bar Gute und Nuͤtzliche, was nur ſo bewirkt
werden koͤnnte! Ich ſpreche von der aͤchten Klug-
heit des Maurers, welche ihn die Menſchen ſo
behandeln lehrt, daß ſie ſich mit freiem Willen
und vernuͤnftigem Vertrauen zur Befoͤrderung
moraliſcher Zwecke hingeben. Sie iſt die groͤßte
aͤußere Kultur, die hoͤchſte Stufe der reinmenſch-
lichen Bildung, das untruͤgliche Certifikat des
Berufes, auf freie Menſchen zu wirken, und
menſchliche Anſtalten ſicher und gewiß zu ihrem
Zwecke zu leiten.
Dieſe aͤchte Klugheit giebt dem Maurer die
Wagſchale der Ueberlegung in die Hand, um
den Zweck ſeiner Handlungen mit der Zulaͤſſigkeit,
Tauglichkeit und Wirkſamkeit der Mittel gegen
einander abzuwiegen. Sie leihet ihm das Fern-
glas der Vorſichtigkeit, um alle Hinderniſſe
und Folgen ſeiner Entwuͤrfe ſchnell und beſtimmt
[211] zu erforſchen. Sie verſieht ihn mit dem Richt-
ſcheit der Behutſamkeit, um alles Zweckwi-
drige in ſeinen Anordnungen oder Handlungen
zu bemerken. So ausgeruͤſtet tritt er auf und
handelt: kein Schein, kein Glanz blendet ſeinen
praktiſchen Beobachtungs-Geiſt; keine Furcht,
kein Erſtaunen, keine Begierde, kein Unmuth
reißt ihn aus dem Zuſtande der klarſten Beſon-
nenheit. Weniger mit ſeinen eigenen Ideen und
Entwuͤrfen, als mit der wirklichen Lage der Dinge
beſchaͤftigt, ergreift und bemaͤchtigt er ſich des
Sichtbaren und Gegenwaͤrtigen, ohne das Un-
ſichtbare und Zukuͤnftige ſeinem Blicke entſchwin-
den zu laſſen. Er haͤlt es fuͤr die Energie einer
edeln Seele, ſich uͤber die immer kraͤnkelnde Wirk-
lichkeit zu erheben, und ſich Ideale des unbedingt
Guten und ſchlechthin Großen zu ſchaffen. Er
haͤlt es des Weiſen wuͤrdig, in einſamen und
Geſchaͤfts-leeren Stunden ſich an der Beſchauung
ſelbſtgeſchaffener Ideale zu weiden; aber er iſt
zu ernſthaft und zu weiſe, um gegen die Unmoͤg-
lichkeit zu kaͤmpfen, und dem gegebenen, tauſen-
derlei Bedingungen unterworfenen Stoffe ſeine
Ideale auch nur Theilweiſe aufflicken zu wollen.
Pflegen, Bilden und Erhalten, nicht Zerſtoͤren
und Schaffen iſt ſein Geſchaͤft. Das goldene Zeit-
alter der allgemein herrſchenden Weisheit iſt das
Ziel ſeiner Wuͤnſche, die Sehnſucht darnach be-
zeichnet ſeine ganze Handlungsweiſe; aber wenn
das ſtolze Kind ruft: „mach mich zum Schoͤp-
fer deines Reiches!“ betet er nur mit maͤnn-
O 2
[212] licher Ergebenheit: „Dein Reich komme zu
uns.“ Ihm genuͤgt es, wenn man ſich unter ſei-
ner Leitung, doch ſelbſt gehend, auch nur kurzen
Schrittes demſelben naͤhert.
Hier ſteht das Bild des aͤcht klugen Maurers,
freilich nur in einigen Hauptzuͤgen, fluͤchtig hin-
gezeichnet, doch kennbar genug, um auf die Wirk-
ſamkeit der Maßregeln zu ſchließen, welche er zur
Erhaltung unſeres Werkes erfinden wird. Er
wird unſere Kraͤfte wecken, und die freien Regun-
gen derſelben durch Herbeiſchaffung der mannig-
faltigſten Umſtaͤnde beguͤnſtigen; der unkluge Mau-
rer wird ſie erſticken, und uns unter dem zerſtoͤ-
renden Spiel ſeiner uͤberſpannten Kraft vernich-
ten. Der Erſtere wird die verſchiedene, jedem
unter uns eigenthuͤmliche Handlungsweiſe in Har-
monie zu bringen, und zum Zwecke des großen
Ganzen zu benutzen wiſſen; der Letztere wird
die ihm eigenthuͤmliche Handlungsart fuͤr die ſchlecht-
hin richtige erklaͤren, wird ſie uns aufdringen,
und uns aus Perſonen in Sachen verwandeln
wollen. Jener wird unſern Verſuchen im Hin-
aufklettern zu den Hoͤhen der Weisheit mit fro-
hem wohlwollenden Lacheln zuſehen; Dieſer
kann uns nur mit ernſter, ſteifer, pedantiſcher
Miene jetzt rechts, dann links befehlen, oder mit
eitler Selbſtgenuͤgſamkeit unſeres noch ſchwachen
Vermoͤgens ſpotten. Der Erſtere wird vor dem
Opferaltare der Weisheit das Gold annehmen,
welches die wenigen Auserwaͤhlten unter uns der
Goͤttin darbringen konnten, ohne das Silber
[213] oder Kupfer zu verachten, welches wir uͤbrigen
unſerer duͤrftigen, doch muͤhſam erworbenen Habe
entzogen haben. Er weiß, wozu jedes zu brau-
chen iſt, und wird, großherzig, jedes an ſeinem
Orte zum Schmucke oder zum Nutzen des Hei-
ligthumes anwenden. Der Letztere wird haſtig
nach dem Golde greifen, und, von dem Glanze
deſſelben bezaubert, unſer Silber und Kupfer fuͤr
elende Kothklumpen erklaͤren, und ſie wegwerfen.
Jener wird uns belehren, ohne uns unſere
Unwiſſenheit oder unſern Irrthum vorzuwerfen,
oder uns mehr als einen theilnehmenden Freund
in ſich ahnden zu laſſen. Dieſer wird mit der
Forderung, ſeine Ueberlegenheit anzuerkennen,
anfangen, mit Vorwuͤrfen der Unwiſſenheit und
des Irrthumes fortfahren, und mit verachtender
Zurechtweiſung endigen. Wir werden dieſen
fliehen: entruͤſtet uͤber ſeine abgewieſenen Forde-
rungen, wird er ſich zuruͤckziehen, und uͤber un-
ſere Verderbtheit klagen. Um jenen werden wir
uns ſammeln, unſer Herz jeder ſeiner Einwir-
kungen oͤffnen, ihn lieben, und ihm die Beloh-
nung ſeiner Selbſtverlaͤugnung in der unaus-
loͤſchlichen Erkenntlichkeit einer ſchoͤnen Seele dar-
bringen.
So lange alſo noch mehrere ſo aͤcht kluge
Maurer unter uns und unſern Nachkommen leben,
ſo lange wir und die Erben unſerer Arbeiten
ihnen mit Achtung begegnen, und mit edlem
Vertrauen ihnen die Leitung unſerer Angelegen-
heiten uͤbertragen, ſo lange wir und die uns fol-
[214] genden Diener dieſes Heiligthumes nur ſelbſt
faͤhig ſeyn werden, den Werth der aͤchten Klug-
heit anzuerkennen, ſo lange es unſern im Lichte
des fl. St … adoptirten Soͤhnen und Enkeln
gluͤckt, ſolche Repraͤſentanten und Vollzieher des
Geſetzes zu waͤhlen, wie diejenigen ſind, zu wel-
chen ich vorzuͤglich ſpreche, und die gegenwaͤr-
tig dies Heiligthum erleuchten, waͤhrend die
Bruͤder zum Zwecke des Ordens arbeiten: ſo lange
wird ein dicht geſchloſſener Kreis wuͤrdiger Mau-
rer in dieſem Tempel unverruͤckt ſtehen bleiben;
Liebe, Thaͤtigkeit und Selbſtbeherrſchung werden
den Mittelpunkt ausmachen, aus dem ſich alles
zu einem weiſen Zuſammenhange, zu einer
feſten Eintracht, und zu einer ſchoͤnen Ueber-
einſtimmung vereinigen ſoll. So lange wird un-
ſer Werk fortdauern, denn aͤchte Klugheit
wird immer die Maßregeln zur Erhal-
tung deſſelben erfinden. Aber die Erfin-
dungen der Klugheit werden in der Ausfuͤhrung
zu elenden Raͤnken einer gemeinen Seele, wenn
die Ausfuͤhrenden den Maßſtab der Gerechtigkeit
zerbrechen. Unſer Werk alſo wird beſte-
hen, ſo lange Gerechtigkeit die Ausfuͤh-
rung der erfundenen Maßregeln leitet.
Was Einer oder Wenige zur Erhaltung unſers
Bundes erfinden, ſoll immer von Mehrern oder
von Allen ausgefuͤhrt werden, und dieſe Ausfuͤh-
rung frommet dem Ganzen nur dann, wenn ſie
von der Gerechtigkeit geleitet wird. Wenn alſo
auch Eure und Eurer Nachkommen Wahl zu
[215] Vorſtehern und Bundeswaͤchtern, uͤberall nur den
aͤcht klugen Maurer trifft, ſo iſt immer noch we-
nig oder gar nichts geſchehen, wenn Eure und
Eurer Nachkommen Gerechtigkeit die Gewaͤhlten
nicht unterſtuͤtzt, und ihnen die Erfuͤllung ihrer
Pflicht moͤglich macht. Man kann Niemanden
ſagen, ſey klug! als dem, der es ſchon iſt. Na-
tur, Gluͤck und Verdienſt muͤſſen ſich zu Gunſten
desjenigen vereinigt haben, der mit Recht den
Nahmen eines aͤcht klugen Mannes fuͤhrt. Man
kann aber jedem ſagen, ſei gerecht, denn er
darf nur ernſtlich wollen, und er iſt es.
Die Gerechtigkeit welche zur Erhaltung aller
Geſellſchaften unentbehrlich iſt, beſteht in der Faͤ-
higkeit und Bereitwilligkeit, jedem das Seinige
zu geben: ſie muß der Beurtheilung, der
Wuͤrdigung und der Behandlung Anderer
die Form geben. Sie muß gerade in der Geſell-
ſchaft der Maurer, der es an allen Zwangsmit-
teln fehlt, zum uͤberall thaͤtigen Lebensprincip er-
hoben werden.
Ich fordere daher als unerlaͤßliche Bedingung
der Fortdauer unſers Bundes Erſtens Gerechtig-
keit in der Beurtheilung derjenigen, die
ihre Kraͤfte mit den unſrigen zur Erhaltung des
Ganzen vereinigen ſollen. Dieſe Beurtheilung
erſtreckt ſich auf ihre Faͤhigkeiten und Kraͤfte, auf
ihre Maximen, Abſichten, Aeußerungen und Hand-
lungen. Jede Ungerechtigkeit, die in Beurtheilung
derſelben begangen wird, untergraͤbt allmaͤhlig die
Grundfeſten unſers Werkes, und bereitet die ge-
[216] wiſſe Aufloͤſung deſſelben vor. Ungerechte Beur-
theilung der Faͤhigkeiten und Kraͤfte Anderer be-
wirkt diejenige Zuruͤckſetzung, durch welche ſo man-
cher beſcheidene und doch kraftvolle Mann in das
Dunkel der Unthaͤtigkeit verwieſen, und der guten
Sache an ihm eine maͤchtige Stuͤtze entzogen wird.
Ungerechte Beurtheilung der Maximen, Ab-
ſichten, Aeußerungen und Handlungen begruͤndet
in dem Beurtheiler erniedrigendes Mißtrauen,
und rechtfertigt in dem Beurtheilten die Verach-
tung. Der rechtſchaffene, kraftvolle Mann giebt
ſich mit edler Offenheit und ohne Eigennutz den
Dienſten anderer hin. Die Region, in der er
lebt, und aus der er wirkt, iſt zu hoch, als daß
der Opferrauch des Dankes zu ihm hinaufſteigen
koͤnnte. Mit voͤlliger Verzichtleiſtung auf Dank
findet er ſeine Belohnung in dem Bewuſtſeyn,
Menſchen ſich hingegeben zu haben, die ſeiner
wuͤrdig ſind. Nur Ungerechtigkeit nennt er Un-
dank, und empfindet denſelben weniger in Bezie-
hung auf ſich, als um derentwillen, denen er
dienen ſoll, und denen er nur unter der Bedin-
gung, ſie achten zu koͤnnen, dienen darf. Da
aber Ungerechtigkeit von der einen Seite noth-
wendig von der andern Verachtung erzeugt, ſo
wuͤrde ungerechte Beurtheilung der Maximen,
Abſichten, Aeußerungen und Handlungen immer
gerade die wuͤrdigſten und kraftvolleſten Mitar-
beiter von uns entfernen, und unſer Werk in ſei-
ner eigentlichen Grundfeſte zerſtoͤren.
Ich fordere als unerlaͤßliche Bedingungen der
[217] Fortdauer unſeres Bundes Zweytens: Gerech-
tigkeit in der Wuͤrdigung des Verdien-
ſtes derjenigen, die ihre Kraͤfte mit den unſrigen
zur Begruͤndung und Erhaltung des Ganzen ver-
einiget haben.
Die vorzuͤglichen Quellen, aus welchen die
Ungerechtigkeit in der Wuͤrdigung des Verdienſtes
fließt, ſind: Ueberſchaͤtzung ſeines verdienſt-
loſen Selbſtes; — entſchiedene Vorliebe
fuͤr das Neue; — einſeitige Anhaͤnglich-
keit an das Außerordentliche und Glaͤn-
zende. Der verdienſtloſe Selbſtling ſieht uͤberall
nichts, als ſich. Sein Auge iſt ein erhaben ge-
ſchliffenes Glas, welches ihm ſein naͤchſtes Ich
unendlich vergroͤßert, aber alles, was in einiger
Entfernung vor ihm liegt, unkenntlich macht. Die
ganze Welt iſt ihm ein ungeheurer Hohlſpiegel,
in dem er nur ſeine eigene Geſtalt groß und ge-
rade, alles uͤbrige aber, was uͤber, neben und
hinter ihm liegt, verkehrt, verkleinert, verunſtal-
tet ſieht. — Die entſchiedene Vorliebe fuͤr das
Neue wuͤrde die Maurergeſellſchaft einer Klicke
aberglaͤubiſcher Moͤnche gleich machen, denen der
neue Heilige immer der Heiligſte iſt. Nur ihm
erſchallen nun ihre ſchwaͤrmeriſchen Lobgeſaͤnge,
nur ihm duftet der Weihrauch ihrer Anbetung;
der aͤltere Heilige iſt vergeſſen, Staub und Un-
rath decken ſeine Bildſaͤule. — Die einſeitige
Anhaͤnglichkeit an das Außerordentliche und Glaͤn-
zende verraͤth Einſeitigkeit der Bildung und des
Charakters. — Aus welcher dieſer drei Quellen
[218] auch die Ungerechtigkeit der Wuͤrdigung des Ver-
dienſtes fließen, und durch Ueberſchaͤtzung oder
durch Geringſchaͤtzung begangen werden mag,
immer ſchreckt ſie den verdienſtvollen Mann zuruͤck,
ſchneidet die Sehnen ſeiner Wirkſamkeit ab,
macht ſeinen Wirkungskreis zu einem todten un-
fruchtbaren Moorgrund, aus welchem ſich nach
einem heißen Tage nur des Nachts bisweilen ein
Flaͤmmchen empor ſchwingt, welches aber den auf
ihm wandernden Fremdling nur irre fuͤhrt.
Ich fordere als unerlaͤßliche Bedingung der
Fortdauer unſeres Bundes endlich Gerechtig-
keit in der Behandlung derjenigen, die ihre
Kraͤfte mit den unſrigen zur Begruͤndung und
Erhaltung des Ganzen vereiniget haben.
Jede ungerechte Behandlung erniedriget weni-
ger den Behandelten, als den Behandelnden. Un-
gerechte Behandlung nenne ich das tuͤckiſche Auf-
lauern auf die Worte und Handlungen des Recht-
ſchaffenen, und das willkuͤhrliche Deuten derſel-
ben. Ferner Schmeicheleien und Vergoͤtterungen,
die den Mann, der mit ſeiner Kraft auch ſeine
Beſchraͤnktheit fuͤhlt, empoͤren, und die entweder
nur von der wirklichen Dummheit des Schmeich-
lers, oder von der, bei dem Geſchmeichelten nur
vorausgeſetzten Dummheit eingegeben werden kann;
Verſagung endlich der Anerkennung des dargeleg-
ten Werthes, aus dem armſeligen Grunde, den
Mann von Verdienſt nicht eitel, nicht ſtolz zu
machen. Die Ungerechtigkeit in der Behandlung
[219] iſt fuͤr die Erhaltung des Ganzen die nachtheiligſte,
gerade weil die gerechte Behandlung durch Erzie-
hung, durch Verhaͤltniſſe und durch Umgang mit
der Welt zur leichteſten gemacht wird, mithin die
Verſagung derſelben immer eine auffallende Be-
ſchraͤnktheit des Geiſtes und Niedrigkeit des Her-
zens vorausſetzt. Wo aber dieſe die Handlungs-
weiſe mehrerer Glieder eines Ganzen beſtimmen,
dort iſt der rechtſchaffene kraftvolle Mann ſich es
ſelbſt ſchuldig, ſich zuruͤckzuziehen.
So lange alſo der Geiſt der Klugheit die
Vorgeſetzten unſers Bundes beleben, und der Geiſt
der Gerechtigkeit alle Mitglieder deſſelben beherr-
ſchen wird, ſo lange trotzt unſer Werk der Ver-
gaͤnglichkeit und der Aufloͤſung. Wir, geliebte
Bruͤder, die wir hier in dieſer feierlichen Stunde
verſammelt ſind, werden nicht alle auf einmahl
heimgehen; die wir zuruͤcklaſſen, werden die Zahl
der Aechtklugen vermehren, und die Ihnen an-
vertraute Bruͤderſchaft dem Heiligthume einer
unbeſtechlichen Gerechtigkeit immer naͤher fuͤhren.
Wird der humane Ton unter den Beſſern immer
herrſchender, aͤußert ſich die Indignation gegen
alles Unſchickliche, Beleidigende, und die Wuͤrde
des Maurers Erniedrigende, immer ernſter und
edler, ſo iſt es ein gewiſſes Zeichen, daß die
Herrſchaft der Klugheit und der Gerechtigkeit
feſter gegruͤndet, und unſer Werk, das Syſtem
unſers großen Bundes, des Beifalls, der Ach-
tung und der Verehrung wuͤrdiger, ſo wie ſeiner
Fortdauer gewiſſer geworden iſt. Brruͤder! Ihr
[220] habt Euern Geiſt der Wahrheit, Euer Herz dem
Rechte geweiht, unſer Werk wird beſtehen, denn
die Klugheit wird immer die Maßregeln
zur Erhaltung deſſelben erfinden, und
die Gerechtigkeit wird die Ausfuͤhrung
der erfundenen Maßregeln leiten.
II.
Rede am letzten Abende des Jahres 1799
in der allgemeinen Verſammlung gehal-
ten v. Br. GrR.
So ſtehen wir denn an dem offnen Grabe eines
Jahres, wie an dem Grabe eines Koͤnigs, der
durch 365 Tage uͤber eine ganze Welt regierte.
Sein Lauf iſt geſchloſſen, ſein Scepter zerbrochen,
und immer hoͤrbarer toͤnen durch die furchtbare
Stille der Nacht, die ermattenden Athemzuͤge des
Sterbenden. — Angethan mit unſerm Schmuck,
erleuchtet von den drei gr. L. ꝛc. wollen wir den
Scheidenden, als Maurer begraben.
Wie viel iſt geſchehen, als dieſer Koͤnig regierte! —
Seinen Namen wird die Geſchichte nicht vergeſſen;
unter ihm wird ſie die Staats-Veraͤnderungen
ganzer Reiche, die Schickſale ganzer Nationen,
die Tode von Tauſenden, die in Einem Tage
fielen, den Untergang ganzer Staͤdte, die Ver-
[221] wuͤſtungen bluͤhender Laͤnder erzaͤhlen. — Sei-
nen Namen nennen die Jahrbuͤcher der Familien,
die Tagbuͤcher der Einzelnen, mit Trauer und
Freude. Dort ſteht er unter den Anzeigen vom
Tode des Vaters, der der Beſchuͤtzer und Ernaͤh-
rer einer großen Familie war; des einzigen Kin-
des, das die einzige Freude der Mutter ſeyn ſollte;
der Gattin, mit der ihr Freund ſeine ganze Welt
begrub: — Dort iſt er unter die Anzeigen einer
gluͤcklich geſchloſſenen Ehe, der froͤhlichen Ge-
burt eines langerſehnten Kindes, unter dem Dank
eines durch thaͤtige Menſchlichkeit Geretteten,
unter der Urkunde, die dem Talent und der Red-
lichkeit Unterhalt, Ehre und zweckmaͤßige Wirk-
ſamkeit ſichert, die Jubilaͤen langer, gluͤcklicher Ehen
und redlicher Amtsfuͤhrung verzeichnet. — Einſt
ſpricht noch nach langen Jahren mancher (und
ſein Auge glaͤnzt im Feuer der Erinnerung): Im
Jahr 1799 ward ich gluͤcklich! Mancher (und
ſein Auge fuͤllt ſich mit nie verſiegenden Thraͤnen):
Dort ward ich elend!
Welch ein Lebenslauf des Sterbenden! —
Mit wie viel Verdienſt, mit welchen Seegnun-
gen ſeiner Unterthanen, mit welchen Freudenthraͤ-
nen ſeiner Kinder geſchmuͤckt: aber auch, mit wel-
cher Schuld, mit welchem Jammer, mit welchen
Verwuͤnſchungen belaſtet, geht dieſer Koͤnig zu
Grabe! — —
Aber wie? Iſt es denn die Geſchichte eines
Fremden, die wir erzaͤhlen, iſt es das Grab
eines uns fernen Mannes das gegraben iſt? Nein!
[222] es iſt unſere Geſchichte, es iſt unſer Grab!
Wir uͤbergeben unſer Schickſal, unſer Verdienſt,
und unſre Schuld, unſere Freude und unſern
Jammer von 365 Tagen der Nachwelt; fuͤr uns
ſchließt die Vergangenheit ihr ehernes Thor, un-
ſere Rechnung der Ehre und der Schande, des
Verdienſtes und der Schuld, des Gluͤcks und des
Ungluͤcks, fuͤr einen langen Zeitraum, iſt in dem
Buche des Ewigen geſchloſſen, und wir ſind (nichts
iſt gewiſſer) um ein Jahr dem Tode und dem
gaͤnzlichen Abſchluſſe unſerer irdiſchen Rechnung
naͤher geruͤckt.
So ſtehen wir denn hier auf dem ernſten
Standpunkte zwiſchen Vergangenheit und Zukunft.
So feſſelt das tiefe Grab unſern Blick, das bald
verſchuͤttet wird, um dicht neben dem aufgeworfe-
nen Huͤgel ein neues zu beginnen, das taͤglich
tiefer wird. — Iſt es ſtolze Freude, oder ſtra-
fende Reue, was unſre Bruſt erfuͤllt?
Reue ermattet. — Wer unter der Verſchul-
dung nicht auch ſeine Kraft verlohr, wer da weiß,
wie der uͤber Vergehungen trauernde Genius der
Menſchheit zu verſoͤhnen iſt, der hebt, im Ver-
trauen auf ſeine zwar verletzte, aber unverlorne
Wuͤrde, die Augen maͤnnlich empor, und ver-
ſchmaͤht die Reue, die das Herz erſchlafft und die
Arme zur That laͤhmt.
Mit feyerlichem Ernſt auf der Stirn, mit frei
erhobnem Auge, das Gefuͤhl der Thatkraft in ſei-
ner Bruſt, ſteht der M. an ſeinem immer offnen
Grabe; er fragt, was er verloren, was er zu
[223] gewinnen hat, und was ſeine Wuͤrde fordert.
Unter die hoͤrbaren Fluthen der Zeit, denkt er
an das allein Stetige in ſeinem Innern; und
unter dem Schwanken einer ganzen Welt, ſucht
er ſeinen Standpunkt auf unerſchuͤtterlichem
Grunde. — So ſteht er auf der Grenze zweyer
Jahre mit Ernſt und unter großen Erwaͤgungen; —
aber auch mit Freude? —
Koͤnnen wir uns freuen, wenn dieſer Augen-
blick uns ſtaͤrker, als irgend ein anderer, an die
Kuͤrze des Lebens erinnert? — „Ein kom-
mendes Jahr, wie weit hin dehnt ſich ſein Raum
vor uns aus, und ach! wie ſchwindet er, wenn
wir zuruͤck ſehn!“ — Es ſcheint der Raum einer
Stunde, wenn wir es nach den Thaten meſſen,
deren wir uns heller erinnern. — Noch einige
ſolcher Stunden, und unſere Laufbahn auf der
bekannten Erde iſt geſchloſſen! — Kurz iſt das
Leben, aber lang die Pflicht, lang unſere Wuͤn-
ſche, Plane und Hoffnungen. — Oder ſind wir ſo
ſtolz, zu glauben, daß wir in ſo kurzer Zeit, die
uns noch bevorſteht, die Vollkommenheit errei-
chen werden, die wir nach Maßgabe unſrer
Kraft und Voruͤbung erreichen ſollen?
Koͤnnen wir uns freuen, wenn wir am Schluſſe
des Jahres berechnen, wie viel dieſes Zeitraums
wir uns zugeeigenet, wie viel wir davon
unſerm Leben hinzugeſetzt und wie viel wir da-
von verloren haben? — Die Zeit iſt das einzige
Gut mit dem es ehrenvoll iſt zu geizen; und mit
welchem ſind wir verſchwenderiſcher! Nicht genug,
[224] daß wir der Natur einen großen Theil unſers
Tages fuͤr die Ernaͤhrung und Erhaltung unſers
Koͤrpers hingeben muͤſſen; wir verwenden einen
noch groͤßern auf ſelbſt gewaͤhlte Kleinigkeiten,
Geſchaͤfte ohne Gewinn fuͤr Geiſt und Herz, auf
die Thorheiten einer ſelbſtgeſchaffenen Schicklich-
keits-Pflicht, die Langeweile gehaltloſer Konver-
ſation und leerer Gaſtmaͤhler, auf Krankheiten,
die wir uns ſelbſt zugezogen, auf unnuͤtzen Kum-
mer, thoͤrichte Freude und kindiſche Begierlich-
keit. *) — So vergeht uns ein Tag nach dem
andern, und ſelten kommt einer, an deſſen Schluſſe
wir mit frohem Selbſtbewuſtſein ſagen koͤnnen:
Wir haben gelebt, nicht bloß geathmet.
Koͤnnen wir uns freuen, wenn traurige, bit-
tre Erinnerungen uns am Ende des Jahres
zuſtroͤmen, wenn wir auf der Schwelle des Neuen
fuͤhlen, daß wir den geheimen Kummer, der ſich
um unſer Herz lagerte, das Elend, was in den
verfloſſenen Tagen das Schickſal ſchwer auf unſern
Nacken legte, mit hinuͤber in das anbrechende
Jahr, und in unſere ganze irdiſche Zukunft neh-
men werden? — Wie Mancher ſteht heut arm
und einſam auf dieſer Schwelle, der noch vor
einem Jahre reich und gluͤcklich am Herzen der
Liebe und Freundſchaft lag! Wie Mancher, der
noch bei dem letzten Jahresſchluſſe ſtolz ſich in
eignem
[225] eignem Fahrzeuge auf ſanften Wellen wiegte, ſpielt
jetzt in ſtiller Verzweiflung auf der nakten Klippe
mit den letzten Truͤmmern des zerſchellten Schiffes!
Wie Mancher ward in wenig Tagen dieſes Jah-
res um ſein ganzes Gluͤck und alle ſeine Hoff-
nungen betrogen!
Sollen wir endlich uns freuen, wenn wir
mit Gewißheit fuͤhlen: wir ſind um den langen
Zeitraum von 365 Tagen, dem gewiſſen Tode
naͤher gekommen? — Oder haben wir alle es in
den hoͤhern Myſterien des Lebens gelernt, das
Leben zu lieben, ohne den Tod zu fuͤrchten? Iſt
die Gewißheit ſeiner unaufhaltſamen Annaͤherung
einem Jeden im Genuſſe des Lebens angenehm,
der Verluſt eines ſo koſtbaren Zeitraums fuͤr ſein
Leben, ſeine Geſchaͤfte und Genuͤſſe, erfreulich?
Aber, meine Bruͤder, mag uns die gegenwaͤr-
tige Stunde immer an die Kuͤrze des Lebens
erinnern. Wir wiſſen es, daß es lang genug,
daß es uns reichlich genug zur Vollendung der
groͤßeſten Thaten der Freundſchaft, des Edelmuths,
der Aufopferung, zugetheilt iſt; daß deſſen Leben
das laͤngſte iſt, der, was ihm davon zu Theil
ward, gebraucht. — Wir athmen nicht durch
uns ſelbſt, aber wir leben durch uns ſelbſt;
den Jahren koͤnnen wir nicht gebieten, ſich den
unſrigen zuzugeſellen, aber wir koͤnnen das kuͤr-
zeſte Leben zu dem laͤngſten machen; und wenn
wir kurz leben, ſind wir nicht Duͤrftige, ſondern
Verſchwender. — Nicht Runzeln, nicht weiße
Haare, nicht Urenkel bezeichnen ein langes Leben,
Erſtes Baͤndch. P
[226] nur eine lange Exiſtenz. Der iſt nicht weit ge-
ſchifft, den bald nach dem Auslaufen die Stuͤrme
auf lange Irrfahrten, und von dieſen zuruͤck an
den alten Strand jagten; der iſt kein Meiſter
der Tonkunſt geworden, der nur die immer wie-
derkehrenden Toͤne einer gemeine Melodie hervor-
zubringen gelernt hat. — Mag alſo uns immer-
hin ein verſchwundenes Jahr an die Kuͤrze der
Zeit erinnern; wir verſtehen es, durch Erforſchung
der Wahrheit, durch die Kultur des Schoͤnen,
durch gute Geſinnungen und durch Thaten un-
ſer Leben zu verlaͤngern. Mag der Strom der
Zeiten brauſend daherſtuͤrzen, und in ſeinen Wir-
beln das bunte Spielwerk bejahrter Kinder, die
Monumente der Eitelkeit und der Thorheit, die
ſchwer errungenen Trophaͤen der klugen Liſt und
der ſtolzen Gewalt, in den ewigen Abgrund fort-
reißen: wir ſtehn ruhig am Ufer, und wandern
ſtill und uͤber die Macht ſeiner Wellen erhaben,
unſerm Ziele zu. Wir gebieten der Zeit, uns
ihre Schaͤtze zu oͤffnen; wir wiſſen, daß ſie unter
allen irdiſchen Guͤtern, das allertheilbarſte iſt;
und, indem wir keine Viertelſtunde fuͤr klein achten,
indem wir nicht der naͤchſten Stunde zutheilen,
was die gegenwaͤrtige leiſten kann, indem wir
keinen Augenblick uns ſelbſt und unſere Pflicht
aus den Augen verlieren: — legen wir eine
ſchoͤne Geſinnung, eine gewonnene Wahrheit,
ein erhebendes Gefuͤhl und eine gute That, nach
der andern, in den Schatz unſers Lebens; und
ſo haben wir vielleicht funfzig Jahre geathmet
[227] und gelebt, wenn Andere achtzig Jahre geathmet
und kaum fuͤnfe gelebt haben.
Wir haben viel von unſerer Zeit verloren,
was wir dem Koͤrper, der an die blinde Natur
gefeſſelt iſt, hingeben mußten; aber noch mehr
haben wir gewonnen. Wir haben manche Stunde
fuͤr unſern Geiſt und unſer Herz ungenutzt vor-
uͤbergehen laſſen, aber wir haben keinen ganzen
Tag verſchwendet. Wir haben nicht taͤglich neue
Wahrheiten entdeckt, alte Zweifel vernichtet, Tha-
ten des Heroismus und der Seelengroͤße geuͤbt,
und Anſtalten begruͤndet, die auf ganze Menſchen-
alter hinaus gluͤckliche und ſeegensvolle Wirkun-
gen verbreiten; aber wir haben taͤglich in unſe-
rer inneren Geſchichte eine Linie gezogen, die einen
Fortſchritt bezeichnet, haben mit Beſonnenheit
unſre moraliſche Kraft verſtaͤrkt, uns im Guten
feſter begruͤndet, und durch unſer Beiſpiel, durch
unſre zur Humanitaͤt veredelte Guͤte, durch ein
herzliches Wort und eine freundliche That, unſern
Kindern, Gattinnen und Freunden die Tugend
liebenswuͤrdiger, und uns ſelbſt achtenswerther
gemacht. So haben wir, unter der Beobachtung
unſerer Pflicht, leben, und, was noch mehr iſt,
ſterben gelernt; und wer dieſe erhabne Tugend
verſteht, dem iſt der Tag nicht zu lang, das
Jahr nicht zu kurz, der berechnet ſein Leben nicht
nach Zahlen, ſondern nach dem ſelbſterworbenen
Gewinn, den ihm keine Zeit und kein Schickſal
entreißen kann. Der ſieht ohne Furcht ſein Haar
bleichen, ſeine Kniee wanken und ohne Zittern
P 2
[228] ein Jahr nach dem andern uͤber ſeinem Scheitel
dahinſchwinden; dem iſt jeder neue Morgen, als
neuer Ruf zur Pflichtuͤbung, ein frohes Geſchenk
des Ewigen, der begruͤßt jeden Abend mit hei-
term Muthe, als waͤr’ es ſein letzter. Nein, der
feiert unter Zagen und heimlichen Vorwuͤrfen den
Schluß der Jahre nicht.
Fuͤhrt die letzte Stunde des Jahres uns die
Trauerbilder verlorner Freuden, und bitterer
Schickſale vor unſer matt geweintes Auge; — o
ſo wollen wir ſie feſt und ernſt anblicken: aber
ſie ſollen uns nicht als furchtbare Geſpenſter ver-
folgen, die eine feindſeelige Gottheit aus dem
Orkus rief, uns mit ihren Schrecken niederzu-
ſchlagen. — War der Verluſt, der uns im Laufe
des ſcheidenden Jahres traf, nur klein und traf
er nur unſer Aeußeres; nun, ſo fuͤhlen wir gewiß
ſchon am Schluſſe deſſelben die heilende Hand der
Zeit; ſo iſt das, was im erſten Augenblick des
Schmerzes uns unertraͤglich ſchien, in der min-
derlebhaften und verſchoͤnernden Erinnerung, uns
zur wehmuͤthigen Freude geworden; ſo hat uns
ein guter Gott ſchon auf mannigfachen Wegen
ſeinen reichen Erſatz zugefuͤhrt; ſo hat das Gefuͤhl
unſerer verſtaͤrkten Kraft uns fuͤr den erſetzlichen
oder unerſetzlichen Verluſt getroͤſtet. Wir haben
vielleicht an der Achtung der wenigen Edlen
gewonnen, was wir an der Schaͤtzung der Menge
verloren; an Genuͤgſamkeit, haͤuslicher Ruhe und
ſtiller Zufriedenheit doppelt wieder erhalten, was
uns die Laune des Gluͤcks an Bequemlichkeit,
[229] Glanz und Ueberfluß entzog; unſer Freund hat
uns ſchon mit doppelten Gaben ſeines Herzens
erſetzt, was der Undank, die Falſchheit, die Ver-
kennung, die kalte Herzloſigkeit uns entzog; un-
ſere Kinder und Zoͤglinge, wenn wir kaum mehr
hofften, ſie nach unſerer Weiſe gut zu ſehen,
haben vielleicht ſchon uns belehrt, daß unſere
Wege nicht immer die einzigen ſind, und ſo un-
ſere Hoffnung durch eigene Guͤte aufs neue
erweckt. Unſere Bruͤder haben uns ſchon das
Vertrauen an die Menſchheit wiedergegeben, das
traurige Erfahrungen auf dem Schauplatze des
Eigennutzes und des Undanks uns entreißen woll-
ten; die Maurerei ſelbſt hat uns an geheiligten
Altaͤren fuͤr den Unmuth, der uns auf den un-
fruchtbaren Heerſtraßen, die durch die große Wuͤſte
der Welt ziehen, ergriff, ſchon reichlich entſchaͤ-
digt. — Und ſo wird das Leid des Jahres uns
zur Freude, und, bereichert an Erfahrungen und
wahrer Lebensweisheit, treten wir mit verſtaͤrktem
Muthe in das neue. — — War aber das Lei-
den, das uns begegnete, anderer Art, traf es
unſer innerſtes Weſen, und fuͤhlen wir, daß es
nicht mit irgend einem Jahre, ſondern erſt mit
unſerm Leben enden werde; fuͤhlen wir, daß die
Bande, die unſer Herz mit der Welt verknuͤpften,
zerriſſen ſind, und daß wir nur haltlos, ohne
innere Theilnahme und voll Sehnſucht nach dem
Einzigen auf ihr wandeln: — o ſo wollen wir
glauben, daß der ewige Vater grade dies Schickſal
zu unſerer hoͤheren Bildung herbeifuͤhrte, daß
[230] grade dieſer endloſe Kummer, dieſe unaustilgbare
Sehnſucht, die uns in Disharmonie mit unſerm
Platze und unſerm Herzen ſetzt, nothwendig ſei,
uns auf den herrlichſten Standpunkt unſers Le-
bens hinzuleiten. Unter dieſen Gefuͤhlen gedeiht
die Groͤße der Geſinnung; dieſe Leiden loͤſen
ſanft die Bande, die den unſterblichen Geiſt ans
Irrdiſche knuͤpfen; dieſe Schmerzen erhalten das
Herz weich und gut, verknuͤpfen es mit dem Him-
mel, und bereiten es fuͤr ſeine Seeligkeit.
Wir ſind endlich um 365 Tage dem Tode
naͤher geruͤckt —; alſo auch unſerm Vaterlande,
dem wahren Leben, dem Fortſchreiten vom Scheine
zur Wirklichkeit, dem Lichte des Geiſtes, der Ruhe
unſers Herzens und — unſern Vorangegange-
nen. Wohin uns der fl. St. winkt, wo das
Ziel unſerer Reiſen ſteht, wohin der ganze Adel
unſrer Natur uns draͤngt, wonach unſer Herz
in ſeinen edelſten Regungen ſich ſehnt, wo unſere
Freunde uns erwarten: — dorthin zu gehen ſoll-
ten wir uns ſcheuen, dieſem Himmel um einen
ſo großen Schritt naͤher gekommen zu ſeyn, ſoll-
ten wir zittern? Nein, ein anderes Todtenop-
fer ſind wir den heiligen Manen unſerer Ver-
klaͤrten ſchuldig, und unſere Feſte, wenn Theil-
nahme ihnen vergoͤnnt iſt, ſollen ihre Seeligkeit
nicht truͤben.
Mit ſolchem Muthe ſteht der M. am Grabe
eines geſtorbenen Jahres, ſo hat er mit wohl-
geſchliffener K. ſein Herz gegen irrdiſche Begier
verwahrt, ſo hat er ſeinen Geiſt mit dem W. M.
[231] des Guten und Wahren nach dem Himmel ge-
richtet, und ſeine Kl. weiß und rein von niedri-
gem Schmutze erhalten. So erwartet er den
ernſten Schl. des gr. Mſtrs, der ihm eine neue
L. der Arbeit, des Denkens und der That eroͤf-
net, und ihn in der Reihe der Geiſter in Ord-
nung ſtellt.
Als ein treuer Haushalter uͤbernimmt er den
neuen Schatz der ihm zu weiſer Verwaltung an-
vertraut ward; er ſorgt dafuͤr, mehr einzuſam-
meln, als er ausgiebt; er ſorgt, an Leben zu ge-
winnen, was er an Zeit ausgeben muß. Er
weiß, daß das erſt ſein iſt, was er wirklich zuruͤck-
gelegt hat. Die Gegenwart iſt kurz, und nur
in Augenblicken uns zugetheilt, die Zukunft zwei-
felhaft; nur die Vergangenheit iſt gewiß, uͤber
ſie hat das Schickſal ſeine Macht verloren, und
kein Gott fuͤhrt fie zuruͤck oder aͤndert ſie. So
ſorgt er denn durch weiſen und emſigen Gebrauch
der Zeit fuͤr ſein wahres, ewig ſichres Eigenthum.
So iſt die ganze Zeit ſein: die Vergangenheit
durch Thaten und Erinnerung, die Gegenwart
durch den Gebrauch, die Zukunft durch das
Geſetz ſeines Willens; ſo tritt er durch See-
lengroͤße heraus aus den Schranken menſch-
lichen Schwaͤche; ſo bahnt ihm die der Weisheit
den Weg zur Unſterblichkeit, und ſetzt ihn auf
den Platz, von dem ihn Niemand vertreiben
kann. — Thoͤricht iſt es, zu leben, als wuͤrden
wir ewig hier ſeyn; thoͤricht, zu leben, als muͤß-
[232] ten wir morgen davon. Darum begehrt der
Weiſe das Irrdiſche nicht als ein Unſterblicher,
und haͤlt es nicht feſt, als ein Sterblicher. Er
verachtet nicht, was der andere Theil ſeiner Na-
tur fordert, aber er giebt ſich ihm nicht hin; er
umfaßt die Pflichten, die ihm ſeine Verhaͤltniſſe
im Einzelnen auflegen, aber er vergißt ihren
Grund nicht, der ihn auf das Hoͤhere leitet;
er horcht in den großen Akkorden der Natur nur
den Harmonien mit Wonne, die aus einer andern
Welt in ſie heruͤber toͤnen. So nimmt er die
Gabe der Freude mit dankbarer Hand an, ſo
genießt er das Gute und Schoͤne mit Maͤßigung
und Wuͤrde, ſo ertraͤgt er das Unabwendbare
und gebietet frei, wie ein Koͤnig in ſeinem Kreiſe.
Und wenn auch ihm die letzte Stunde im letzten
Tage des letzten Jahres ſchlaͤgt, ſo reicht er freu-
dig dem kommenden Engel die Hand entgegen,
und uͤbt als Meiſter die Kunſt, die er durch
ſein ganzes Leben voruͤbte, die ihm die Lehrerin
des wahren Lebens war, die Kunſt zu ſterben.
Auch von uns, meine Bruͤder, ſagen vielleicht
einſt unſere Kinder, unſere Freunde, oder die
Jahrbuͤcher des O.: im Jahr 1800 ſtarb unſer
Vater, unſer Freund, unſer Bruder. — Wie
ſoll der Nekrolog ihrer Herzen unſere Namen
bezeichnen? — Unſere Herzen antworten darauf;
und froͤhlich ergreifen wir aus des Ewigen Va-
terhand das Geſchenk eines neuen Jahres, in dem
wir durch neuen Eifer der Liebe, die Liebe unſe-
[233] rer Bruͤder, unſerer Freunde, Gattinnen und
Kinder verdienen koͤnnen.
Auch unſern Namen nennt vielleicht inner-
halb Jahresfriſt ein ernſter Bothe des Todes;
auch wir liegen vielleicht bald, wie jetzt einer der
Unſrigen, der noch vor Kurzem unter uns wan-
delte, auf dem Lager, mit ſterbendem Auge, und
wollen entſchlummern; und gewiß! uns Alle ver-
eint die Feier des neuen Jahrhunderts nicht in
dieſem Tempel, die heut die Feier des Jahres
rief. — Moͤge uns, wenn wir unſern Sch. und
unſere K. abgelegt haben, die Hand der Liebe
und der Gerechtigkeit einen frohen Kranz win-
den! — Sey uns willkommen neues Jahr, wo
wir ihn durch Fleiß im Guten, durch reinen
Willen, durch Werke der Wohlthaͤtigkeit, der Hin-
gebung und aͤchten Bruderliebe verdienen koͤnnen.
So ſey auch mir willkommen. So ſchmerz-
haft, als dein Vorgaͤnger wirſt du und keiner
deiner Nachfolger mir ſeyn. Keiner deiner Mon-
den wird in ſeinem beſchraͤnkten Raume die hoͤchſte
menſchliche Freude und das hoͤchſte irrdiſche Elend
ſo zuſammen draͤngen, als es der Junius des
bald vergangenen that; keiner wird, wie dieſer,
mich die Thraͤnen der Wonne kennen lehren, um
fuͤr ſie mein Auge auf immer zu vertrocknen.
Sey auch du mir in deinem Grabe geſegnet! das
groͤſte Opfer meines Lebens iſt gebracht; du haſt
mich gelehrt, die Zukunft, wenn nicht zu wuͤn-
ſchen, doch nicht zu fuͤrchten, und ſie dem Schick-
ſale mit Reſignation zu uͤbergeben, ſie nach Ge-
[234] fallen zu ordnen. Sey mir in dieſer ernſten
Stunde geſegnet; einſt werde ich deinen Gang
ganz verſtehn! — Du haſt mir ja ſchon Viel
gegeben. In dieſen heiligen Kreis von Maͤnnern
und Bruͤdern haſt du mich gefuͤhrt, die mich mit
warmem Herzen und mit einem Vertrauen em-
pfingen, das edlen Maͤnnern ziemt, und die Ge-
weihten der hoͤheren Myſterien des Lebens ehrt:
— — — — — —
— — — — — —
Darum ſei mir in deinem Grabe geſegnet! Mein
Schmerz ſoll deinen Schlaf nicht ſtoͤren. Dort,
wo wir uns und unſere Verklaͤrten wiederſehen,
werde ich auch dich (ich hoff’ es zu Gott!) einſt
wiederfinden.
[235]
III.
An einen jungen Freund, als er ſich in
den Orden aufnehmen laſſen wollte.*)
IV.
Archimedes und der Schuͤler.
V.
Trauerlied.*)
Voß.
[[240]]
8.
Memorabilien.
I.
Stelle zur Beherzigung, aus einem ver-
geſſenen Flugblatte.
Folgende Stelle aus einem vergeſſenen Flugblatte
(Hingeworfene Gedanken eines freien Mannes
uͤber den in der Voßiſchen Blumenleſe fuͤr das
Jahr 1776. befindlichen Anhang, die Freimaurerei
betreffend. 12. pag. 29 f.) verdient der Vergeſſen-
heit entriſſen und den Freimaurern, beſonders den
Verketzerern unter ihnen, zur Beherzigung em-
pfohlen zu werden, damit ſie wiſſen, was unbe-
fangene Nichtmaurer uͤber ſie denken und unbefangne
Maurer mit tiefem Schmerze fuͤhlen.
„Es gab gutherzige Leute, die ſich ſonſt nach
Eurem Orden draͤngten, weil ſie ihn in allen
Euren Schriften immer als den ſtillen Zu-
fluchtsort aller verkannten Tugend, als den
heili-
[241]heiligen Tempel der Bruderliebe ruͤhmen hoͤr-
ten. Dieſe guten Menſchen waren ſo treu-
herzig, daß ſie ſich ſogar nicht einmal durch
das aͤußerliche, ſehr unzweideutig nichtswuͤr-
dige Betragen einer großen Anzahl Eurer
Ordensglieder abhalten ließen, doch immer zu
glauben, daß die Ordensverfaſſungen dennoch
ſehr loͤblich und vertrefflich ſeyn koͤnnten, ob
ſich die Glieder deſſelben gleich die Freiheit
erlaubten, nichts weniger, als loͤblich gegen
einander ſelbſt, im buͤrgerlichen Leben zu han-
deln. Und ſo vermehrte ſich die Anzahl Eu-
rer Glieder doch immer und demnach auch
wohl Euer innerer Wohlſtand —*). Aber
nun, da ihr ſelbſt geſteht, Ihr koͤnntet
Euch ſpalten, ſo faͤllt der ganze Nimbus
Eurer Vortrefflichkeit, und der Begriff, den
gute Seelen ehedem noch von der ſeeligen
Abgeſchiedenheit hatten, in welcher Ihr in
Euren Logen lebtet, dahin. Nun wirds bald
die ganze Erde wiſſen, daß Aſtraͤens Zeiten,
wovon Ihr in all Euren Liederchen dudeltet,
eine ſchoͤne Schimaͤre iſt, die vielleicht dem
Jahre 2440 aufbehalten iſt. Und was ſollen
wir nun zu der Parthei unter Euch ſagen,
welche verfolgen will? und die ſeyd Ihr!**)
Erſtes Baͤndch. Q
[242]Nicht einmahl fuͤr gewoͤhnliche Menſchen,
ſondern vielmehr fuͤr ſehr ſchlimme Leute muͤſ-
ſen wir Euch halten. Es kann keinen Fall
geben, wo Verfolgung einer Sekte, die der
großen Geſellſchaft der Erde keinen Ein-
trag thut, (und daß ihn die Sekte, die Ihr
zerſtoͤhren wollt,*)thue, das habt Ihr gleich-
wohl noch nicht bewieſen) ſich rechtfertigen
ließe. Was haben andre Menſchen von Euch
zu gewarten, wenn Ihr gegen eine von Euch
abtruͤnnig gewordene Sekte, wie Ihr ſie nennt,
Euch ausdruͤcklich zum Zerſtoͤhren verbindet?
Und das alles wollt Ihr obendrauf im Ange-
ſicht der ganzen Erde thun? In den Staaten
des allerduldendſten Fuͤrſten?**)In einem
Koͤnigreich, wo Ihr kein Mauſeneſt zu zerſtoͤ-
ren das Recht habt, wollt Ihr gute Buͤrger
(die keiner Seele unter uns was arges thun,
die ſelbſt Euch nicht, wenigſtens nicht ſo un-
verſchaͤmt oͤffentlich wie Ihr, Haß und Ver-
folgung drohen) unter dem Titel: Sekte
zerſtoͤhren? Zeigt uns zufoͤrderſt das Gefaͤhr-
[243] liche derſelben; das heißt, zeigt uns, in wie
fern ſie, als von Euren, uns unbekannten
Gebraͤuchen abgehend, der menſchlichen Ge-
ſellſchaft ſchaͤdlich ſey. Denn, wenn ſie wei-
ter nichts gethan hat, als daß ſie ſich von ſo
ehrlichen Bruͤdern mit der Inquiſitions-
Fackel in der Hand und der Domini-
kanermoral im Herzen, getrennt hat;
und ſich nichts um Eure Lord ſchaften, Groß-
und Landes-Logenſchaften kuͤmmert: ſo iſt das
noch lange kein Verbrechen, weshalb Ihr ſie
vor der deutſchen Nation belangen, oder gar
mitten in ihrem Schoos, unter dem Schutz
ſo vieler Fuͤrſten,*)feindlich behandeln koͤnnt.
Dieſen und uns iſt ſie, trotz ihrer Ketzerei,
ganz recht, und wirds auch wohl bleiben, ſo
lange ſie ſich ſo friedfertig und duldend, auch
uͤberhaupt, als Buͤrger betrachtet, ſo wie bis-
her betragen hat. Ihr haͤttet demnach weiſe
gethan, wenn Ihr uns das Maul mit Eu-
rer Fehde nicht aufgeſperrt haͤttet;**)denn
was wiſſen wir nun im Grunde mehr, als
daß Ihr Euch den allerlaͤcherlichſten Gedanken
[244] habt beigehen laſſen, Eure Großlogenſchaft
allenthalben hin zu traͤtſchen, wo Ihr nichts
zu befehlen habt, und dadurch auf Eure Un-
koſten was zu lachen zu geben? Und das koͤn-
nen wir auf allen Fall geſchehen laſſen. Ob
wir ein ander Poſſenſpiel ſehen, oder das
Eurige, das gilt uns am Ende gleich.
Wer uͤbrigens ein Menſchenfeind waͤre,
dem gaͤbt Ihr eine treffliche Gelegenheit, eine
Schandſchrift auf die menſchlichen Tugenden
zu machen und Euch zum Muſter zu nehmen,
da Ihr die letzten unter allen Sterblichen —
aus Klugheit ſchon die letzten! — haͤttet ſeyn
ſollen, die Grundſaͤtze aller Sittlichkeit und
aller geſellſchaftlichen Sicherheit und Gluͤckſe-
ligkeit zu untergraben und Euch obendrein
damit viel zu wiſſen. ꝛc. ꝛc.
II.
„Trinkt, den Orden zu erheben,
Nach euch (nurwohl) bekanntem Maas.“
Dieſe beiden Verſe, aus dem Liede: „Maurer,
aͤchter Weisheit Kinder,“ welches in einigen Lo-
gen als Schlußlied pflegt geſungen zu werden,
ſind den meiſten BB. unverſtaͤndlich. Es iſt nehm-
lich
[245] lich nirgends in den LL. von einem vorgeſchriebnen
Maaße im Trinken die Rede, jeder ſchenkt ſich
nach Gefallen ein und iſt nur an die allgemeinen
Regeln, welche Geſundheit und Anſtaͤndigkeit vor-
ſchreiben, gebunden. Dieſe Undeutlichkeit wird noch
durch die Variante: Nur, vermehrt, und man
ſieht nicht ein, wie das Maaß im Trinken, welches
nur dem Trunkenbolde ein Geheimniß iſt, auf ein-
mal unter die Freimaurer-Geheimniſſe kommt.
Den Aufſchluß dieſer Dunkelheit glaube ich in
einer Stelle von Erich Servati’s Bruchſtuͤcken zur
Geſchichte der deutſchen Freimauerei gefunden zu
haben. Er macht S. 211 zu einer Stelle des
Anti-St. Nicaiſe, wo er von der ſtrikten Obſer-
vanz ſpricht, folgende Anmerkung:
Dieſe Reform der alten Freimaurerei, beſtand
bloß in der Einbildung, daß die aͤchte Mau-
rerei die geheime Fortſetzung des T. H. O.
ſey, in Vermehrung der Stufen durch neue
Ehrenſtellen der Ritter und Komthure, in
Forderung mehrerer Receptionsgelder, und
im Gebrauch kleinerer Geſundheits-
Glaͤſer. Denn faſt ſchien es, erzaͤhlt er ſelbſt
A. St. N. S. 28., daß die Art maureriſch
zu trinken, das groͤßte Geheimniß des Ordens
ausmachte. Man kann ſich leicht vorſtellen,
daß, da das ſtarke Trinken bis gegen die
Mitte des 18. Jahrhunderts unter den Deut-
ſchen noch ſehr gebraͤuchlich war, das Geheim-
niß maureriſch zu trinken, von den deutſchen
Maurern ſehr kultivirt wurde; und es ſahen
Erſtes Baͤndch. R
[246]daher die meiſten deutſchen Logen den engli-
ſchen, wie ſie St. Nicaiſe beſchrieben, ganz
aͤhnlich. Baron von Hund (faͤhrt Servati
fort) ein denkender Kopf und Feind des
Trunks, verbeſſerte dieſen Fehler;
aber gewißlich nicht durch Einfuͤhrung eines
Ritterordens, indem man eher wohlthaͤtige
als nuͤchterne Ritter findet. Dafuͤr ſind
wir ihm un[d] ſeinen Mitreformatoren war-
men Dank ſchuldig, daß ſie durch Zerſtoͤrung
der maureriſchen Trinkgelage, die Nuͤchtern-
heit, ſelbſt in der profanen Welt, befoͤrdert
haben. Gewiß, von den vierziger Jahren,
koͤnnte man ganze Baͤnde Toaſts oder maure-
riſcher Geſundheiten aufweiſen.
Sonach wuͤrde obenangefuͤhrtes Lied der ſtrik-
ten Obſervanz zugehoͤren und jener Vers ein Aus-
druck der von ihr eingefuͤhrten groͤßeren Nuͤchtern-
heit bei den Tafellogen ſeyn. Jetzt hat er freilich
ſeine (geſchichtliche) Bedeutung verlohren, und
das Trinken der Freimaurer ſteht jetzt eben ſo we-
nig in ſchlimmem Ruſe, als das der Deutſchen.
Auch haben jene, beſonders unſere Landsleute, es
vorzuͤglich noͤthig, ſich in dem Rufe der Nuͤchtern-
heit zu erhalten; nicht, weil ſie als Deutſche
den Verdacht leichter erwecken koͤnnen, ſondern
weil die Meinung des profanen Publikums von
ihrer Sache, eine andre iſt, als in andern Laͤn-
dern z. B. in England, wo die Freimaurer-Klubbs
nur fuͤr Trinkgelage gehalten werden. Dies wird
[247] klar durch eine hierher gehoͤrige Stelle in Kants
Anthropologie S. 73. wo er ſagt:
„Weiber, Geiſtliche und Juden betrinken ſich
gewoͤhnlich nicht, wenigſtens vermeiden ſie
ſorgfaͤltig allen Schein davon, weil ſie buͤr-
gerlich ſchwach ſind und Zuruͤckhaltung noͤthig
haben, (wozu durchaus Nuͤchternheit erfor-
dert wird). Denn ihr aͤußerer Werth beruht
bloß auf dem Glauben Anderer an ihre
Keuſchheit, Froͤmmigkeit und ſeparatiſtiſche
Geſetzlichkeit. Denn was das letztere betrifft
ſo ſind alle Separatiſten, d. i. ſolche,
die ſich nicht bloß einem oͤffentlichen
Landesgeſetz, ſondern noch einem be-
ſonderen (ſektenmaͤßig) unterwerfen,
als Sonderlinge und vorgeblich aus-
erleſene, der Aufmerkſamkeit des Ge-
meinweſens und der Schaͤrfe der
Kritik vorzuͤglich aus geſetzt; koͤnnen
alſo auch in der Aufmerkſamkeit auf
ſich ſelbſt nicht nachlaſſen, weil der
Rauſch, der dieſe Behutſamkeit weg-
nimmt, fuͤr ſie ein Skandal iſt.“
Man ſieht, wie genau dieſe Stelle auf die
Freimaurer paßt, die von ihren Arbeiten bei dem
profanen Publikum gern eine gute Meinung, daß
ſie nehmlich ſich mit etwas Ernſthaftem und nicht
bloß mit geſelligen Vergnuͤgungen beſchaͤftigen,
erhalten wollen. Indeſſen herrſcht unter ihnen
daruͤber nur eine ſtillſchweigende Konvention und
ich kenne keine maureriſchen Trinkgeſetze in Ruͤck-
[248] ſicht des Maßes und der Enthaltſamkeit; wenn
man nicht Tit. VI. Abſchn. 2. der engliſchen Old-
Marks hieher rechnet, der alſo lautet:
Nach dem Schluſſe der Loge mbget ihr froͤh-
lich und mit allem Anſtande vergnuͤgt ſeyn;
ihr moͤgt euch einander nach Vermoͤgen und
mit Vermeidung alles Uebermaßes bewirthen;
keinen Bruder aber ſollt ihr noͤthigen, uͤber
ſein Beduͤrfniß zu eſſen oder zu trinken, oder
mit euch zu bleiben, wenn er weggehen will.
Denn ob ihr gleich nach den Logenſtunden
wie andre Menſchen zu betrachten ſeyd, ſo
koͤnnte doch der uͤble Nachruf eures Betra-
gens, der Bruͤderſchaft, wiewohl unbilliger
Weiſe, beigemeſſen werden.*)
Uebrigens ſteht ein ſehr leſenswerther Aufſatz:
Ueber den Zweck und Werth der Tafello-
gen uͤberhaupt, vom Br. Rhode in den Jahr-
buͤchern der Gr. L. R. Y. zur Freundſchaft vom
Jahre 179 8/9. Er ſchließt ſeine Betrachtungen uͤber
die Geſundheiten und Geſaͤnge bei den mau-
reriſchen Mahlen, mit folgenden ſchoͤnen Worten:
Ich werde mich huͤten, nun noch das Bild
einer Maurertafel zu entwerfen, wie ſie nicht
ſeyn ſollte; von der der gute Genius der
Nuͤchternheit und der Maͤßigkeit entflicht,
und dem Daͤmon der Schwelgerei Platz macht.
[249] Wozu ſollte dies auch bei Maͤnnern nutzen,
die laͤngſt beim Genuſſe der Weisheit, und
bei der Freude den Grazien huldigten,
und von ſelbſt denen ihr Misfallen bezeigen
werden, die ſich an beiden verſuͤndigen.
Und ſo iſt wohl alles erklaͤrt, was bei den Worten:
Trinkt, den Orden zu erheben,
Nach euch wohl bekanntem Maas.
gedacht werden koͤnnte.
— r.
III.
Maureriſche Unwiſſenheit.
Es exiſtirt eine ſonderbare Schrift, die den
Titel fuͤhrt: Die Freimaͤurerei, der Weg zur
Hoͤlle. Eine Predigt, worinn deutlich aus
Schrift und Vernunft gezeigt wird, daß alle,
die zu dieſem Orden gehoͤren, in einem Stande
der Verdammniß ſind. 1768. 8. (Text aus
Offenb. Joh. 17, 5.)
Dieſe Predigt iſt leider nicht einmal ſo poſſirlich,
daß man daruͤber lachen koͤnnte, ſie erweckt eben
ſo wenig Ernſt, und alſo einen reinen Ekel, ſie
enthaͤlt aber eine Stelle die manchen gelehrten
und ununterrichteten Maurer ſtutzig machen koͤnnte.
Es heißt S. 29.
[250]
Betrachten wir ſie, (die Frei-Maurer) von
der Seite der wiſſenſchaftlichen Erkenntniſſe,
ſo werden wir ſie in der klaͤglichſten Unwiſ-
ſenheit finden. Sie ſagen uns, daß eine L.
drei Thuͤren hat, eine nach Oſten, die andre
nach Weſten und die dritte nach Suͤden,
aber keine nach Norden, warum? Weil, ſa-
gen ſie, die Sonne nie in der Gegend ſchei-
net. Sie wiſſen nicht, daß jenſeits des
Wendecirkels des Steinbocks die Sonne eben
ſo gut aus Norden ſcheint, als ſie an dieſer
Seite des Wendezirkels des Krebſes aus Suͤ-
den ſcheint. Ein andres Beiſpiel ihrer Un-
wiſſenheit iſt noch merkwuͤrdiger, da es ſich
auf einen der einfachſten Erfahrungsſaͤtze in
der Meßkunſt bezieht. Sie ſagen, (wo?) daß
die Peripherie der Saͤulen des Tempels zwoͤlf
Ellenbogen waren, und ihre Dicke vier Dau-
men, wodurch ſie die Peripherie eines Cir-
kels hundertmal groͤßer, als ſeinen Diameter
machen, ob es gleich bekannt iſt, daß das
Verhaͤltniß nicht groͤßer iſt, als etwa drei
gegen eins“
Und ein drittes Beiſpiel von Unwiſſenheit iſt
noch merkwuͤrdiger, das: daß ein Mann, der
uͤber Maurerei ſchreibt, nicht einmal weiß, daß
die maureriſche Sprache ſymboliſch verſtanden
und erklaͤrt werden muͤſſe. Die Kenntniß der
Hiſtorie, welche dieſen ſymboliſchen Ausdruͤcken
zum Grunde liegt, wollen wir uͤbrigens ſo wenig
[251] verlangen, als wir die Wichtigkeit dieſer Hiſtorie
zu betheuren gedenken. — Darauf aber kann man
ſich verlaſſen, daß die Sonne, die in jenen Aus-
druͤcken gemeint iſt, wirklich nie aus Norden ge-
ſchienen hat.
[]
Appendix A
Gedruckt, bei M. L. Pauli.
[][][]
moniſch in dem Donnergeſang der Erzengel, denn
er, der Maurer, kennt ſie, und ruft ihrer Etliche mit
Namen. Die Thronen, die Herrſchaften, die Fuͤr-
ſtenthuͤmer, die Gewaltigen, die ganze Rangordnung
der Heerſcharen des Gottes Zebaoth unterſcheidet
er, obgleich noch mit Sterblichkeit umhuͤllt. Seine
Kunſt lehrt ihn dies. (!) ꝛc.“
„Mein Gott! der Maurer iſt ein ſterblicher Menſch,
und die goͤttliche Kunſt erhebt ihn uͤber die ganze
Natur. Der traͤge Erdball und der hellglaͤnzende
Seraph ſind die beiden Grenzen ſeiner anſchauen-
den Kenntniſſe und ſeiner Macht. — Ich wag’
es, ſie zu nennen. Er will, und die Materie
gehorcht. Koͤrper verwandeln ſich, und
Geiſter zittern vor ihm. Ich falle ſtaunend
auf mein Antlitz zur Erde, und kuͤſſe voll Ehrfurcht
den Staub unter meinen Fuͤßen.“ (Aus einer unge-
druckten Rede eines ſehr beruͤhmten Mannes, die
wir vielleicht einmal ganz liefern.)
Briefe an die wahren und aͤchten Frei-Maurer
alten Syſtems, (neue Auflage 1785.) welche den
Plan zu dem ganzen Werke enthalten ſoll. — Die
Frechheit uͤberſteigt allen Glauben, mit welcher dieſer
myſtiſch-theologiſche Unſinn vor Kurzem noch, als
das Schiboleth der allein wahren Maurerei, und
als gruͤndliche Widerlegung der neuſten Schritte
zur Regeneration des Ordens, oͤffentlich aufgeſtellt
wurde. Das iſt aber voͤllig unglaublich, daß dieſes
Buch wirklich den Weisheitskern einer gewiſſen Mau-
reriſchen Sekte, die durch ihre aͤchtpapiſtiſche In-
toleranz beruͤchtigt iſt, enthalten ſolle. — Es wird
noͤthig ſeyn, kuͤnftig dieſe ſeltne Erſcheinung, die
durch jene Zeitungsannonce eine Art von Bedeu-
tung erhalten hat, naͤher zu charakteriſiren.
Cromvell, Ritter St. George ꝛc.
Maurerei von Politik ſtark und oͤffentlich er-
klaͤrt, und hat daran, in Ruͤckſicht des Zeital-
ters und der Eingeweihten, wohl gethan; man
hat dieſe Proteſtation aller politiſchen Zwecke
wenigſtens etwas ſehr uͤberfluͤßiges gethan.
der; indeß die andre große Haͤlfte nur die Ge-
legenheit ſich zu vergnuͤgen, Bekanntſchaften zu
machen, und alte Bekannte zu treffen, in den
Logenhaͤuſern ſucht.
Der Weiſe zieht den Namen eines Thoren ſich
zu, und Ariftid wird ungerecht,
ſobald er ſelbſt die Tugend weiter treibt als
recht iſt.
(Wieland.)
oder:
wenn er die Tugend ſelbſt mit Aengſtlichkeit
auf falſchen Wegen ſucht.
bole hinzudeuten.
ders —t, im Orden a *** genannt, iſt ſehr merk-
wuͤrdig, und wir danken ſeinem Freunde fuͤr die
Mittheilung dieſes hoͤchſt wichtigen Aktenſtuͤcks. Sach-
kenner werden ihm, ohne weitere Verbuͤrgung, die
Authenticitaͤt anſehen. Noch leben viele der darinn
vorkommenden Perſonen, daher war es noͤthig,
Namen und Jahrszahlen zu verſchweigen; die Sa-
chen ſind mit der groͤßten Treue erzaͤhlt und mit
gewiſſenhafter Genauigkeit wiedergegeben. Die Re-
flexionen daruͤber uͤberlaſſen wir den aufmerkſamen
Leſern.
D. H.
der Geſetze:
§. 8. Der Proponent uͤberreicht dem zweiten Auf-
ſeher der L. ſeinen Vorſchlag ſchriftlich.
§. 11. Dieſer holt zuvor die Beiſtimmung des
Mſtrs v. St., des Repraͤſ., des erſten Aufſ. und
der beiden Cenſoren ein.
§. 12. Nach geſchehener oͤffentlicher Propoſition
wird nach gegebener Einwilligung der Anweſenden,
der Name des Kand. auf die Tafel geſetzt.
§. 13. Weder der Groß-Meiſter, noch der Dep.
Groß-Meiſter, noch irgend ein Logen-Meiſter darf
einen Suchenden vorſchlagen.
auf der Tafel.
§. 18. In der Zeit zwiſchen dem Vorſchlage und
der Ballotation theilen die B B. dem zweiten Aufſ.
ihre Einwendungen mit.
§. 19. Nicht eher, als nach helleuchtend ausge-
fallner Kugelung darf der Name des Proponenten
genannt werden.
A. d. H.
Grade: Meliora praesumo. — Br. B. hatte vor-
durchſehen, auch hin und wieder Unzufriedenheiten
mit einzelnen Punkten der Reformation geaͤußert.
A. d. V.
zu London gegen die ſchwediſchen B B. haben ihr
dieſe in der Folge ſchlecht gelohnt.
A. d. V.
genannt.
D. V.
lich eine Art von Wahl, wie ſie es nennen, oder
vielmehr Loos, ſtatt findet, und alſo mehrere die
Ausſicht haben, Mſtr. von St. werden zu koͤnnen,
hat wohl das Meiſte zur Empfehlung dieſes Syſtems
beigetragen.
d. V.
als die Rituale der bei ihnen uͤblichen ſchott. Grade.
zu ſeyn das Gluͤck haben, ſind in Unterwuͤrfig-
keit? — Alſo, die Beſuchung der Joh.-Arbeiten
iſt eine Laſt, von welcher man durch ein Privilegium
frei erkannt werden kann?
Rechte und Freiheiten, eins der groͤßeſten!
es bedeutet nur: ſtatt des M. v. St. den H. zu fuͤh-
heim gehalten wird; das iſt gleichguͤltig. Aber
darauf kommt es an, daß dieſes Etwas auch Etwas
ſey.
A. d. E.
tung zu nehmen.
ſchen Worten hervor! Welch ein veraͤchtliches Weſen
muß den erhabnen Sch. M. ein Bruder ſeyn, der
nicht mehr, als Mſtr. iſt! — Alſo, dann hoͤrt
die Verpflichtung auf, der Geſellſchaft in einem
Amte zu dienen, dann hoͤrt der Dank gegen die L.
auf, in der man aufgenommen iſt, ſo bald das
Loos (!) einen bloßen Mſtr. auf den St. geſetzt
hat? — Man kann ſich bei dieſen vornehmen Mei-
ſtern nicht enthalten, an den baroniſirten Buͤrger zu
denken.
genten zu viel; das haben ſich noch andre vorbehal-
ten. Wo bleibt aber das Wahlrecht der J. △?
der L. vergeht? — In dem Geſetzbuche eines andern
Syſtems heißt es (S. 83): „Jeder Bruder, ohne
Ausnahme, iſt verpflichtet, in Uebertretungsfaͤllen
ſich der von dem Geſetze ſelbſt auf die Uebertretung
geſetzten oder von dem Beamten-Kollegio ihm geſetz-
lich zuerkannten Strafe willig zu unterwerfen. Offen-
bare Widerſpenſtigkeit zeigt Verachtung des Geſetzes,
und loͤſt das Band zwiſchen der Loge und dem Bru-
der auf.“
keit gegen die uͤbrigen B B., die jene vier auch ge-
gen ihren Willen, wenigſtens ohne ihre Zuſtimmung
in ihre Gemeinſchaft aufnehmen muͤſſen. — Wozu
giebt man doch Aufnahme-Geſetze, da eine unbe-
kannte Macht ſie nach Willkuͤhr aufheben kann?
dem koͤnigl. Edikte, nach welchem uͤberall keine heim-
lichen maureriſchen Verſammlungen gehalten werden
ſollen; man muͤßte denn glauben, daß Anordnungen
des Monarchen uͤber maureriſche Gegenſtaͤnde nichts
gelten!! — Wie wohlthaͤtig iſt auch hier jenes
Edikt! denn es iſt nicht zu berechnen, welche Ver-
wirrung die Ausuͤbung jener Freiheit in dem recht-
lichen Zuſtande einer L. anrichten muͤßte.
aber man kann leicht erachten, wie angenehm die
heimliche L. der oͤffentlichen ſeyn mag. — We-
nigſtens aber dient doch dieſe Maasregel dazu, wie-
der zu ſeinem fuͤr die ſch. Gr. ausgelegten Gelde
zu kommen.
Koͤthen bei Aue S. 42.
die h. W. Gr. L. vorzuͤglich die hoͤheren Grade u.
ihre Stifter.
des Ordens zu ſeyn.
ſtaͤdt zuerſt das Beduͤrfniß der Wiſſenſchaften, auch
ſagt ſie nichts von ſeinem fruͤheren Aufenthalt zu
Stade und Hamburg.
in Bezug auf Bode verſtehen.
ler iſt aus den Horen. Jahrgang 1785. 11. St.
Beide ſind ſo vollwichtigen Inhalts, ſo ganz auf
unſern Gegenſtand, mit kleinen Veraͤnderungen, an-
wendbar, daß wir uns nicht enthalten koͤnnen, ſie
den Maurern, als fuͤr ſie geſchrieben, vorzulegen.
Das erſte iſt uͤberſchrieben: Einem jungen Freunde,
als er ſich der Weltweisheit widmete.
d. H.
Marcellus gegen Syrakus bediente.
fiſchen Parthei oder den BB. der ſogenannten großen
Landes-Loge.
jetzt unter der Direction der hw. gr. L. zu den drei
Weltkugeln in Berlin arbeitet. Da aber die gr. L. L.
dieſes Syſtem nun anſcheinend tolerirt, ſo hat ſie
dafuͤr geſorgt, die Wahrheit dieſer Stelle nicht un-
tergehen zu laſſen, indem ſie fuͤr jetzt die große Loge
Royale York zur Freundſchaft verketzert und verfolgt.
derholten landesvaͤterlichen Schutz des gerechteſten
Regenten, deſſen Unterthanen alle dieſe verfolgenden
und verfolgten Maurer ſind.
Voſſiſchen Blumenleſe.
entgehen.
- License
-
CC-BY-4.0
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- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2025). Fessler, Ignaz Aurelius. Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjm4.0