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Des Knaben
Wunderhorn
.

Alte deutſche Lieder


[][[1]]
Des Knaben
Wunderhorn

[figure]

Alte deutſche Lieder



Heidelberg,: beÿ Mohr u. Zimmer.
Frankfurt beÿ J. C. B. Mohr

1806.

[[2]][[3]]

Sr. Excellenz
des Herrn Geheimerath von Göthe
.


Auf dem Reichstage zu Augsburg geſchah ein guter
„Schwank von Gruͤnenwald, Singer an des Herzogs
„Wilhelmen von Muͤnchen Hof. Er war ein guter Mu-
„ſikus und Zechbruder, nahm nicht fuͤr gut was ihm an
„ſeines gnaͤdigen Fuͤrſten und Herren Tiſch aufgetragen
„ward, ſunder ſucht ſich anderswo gute Geſellſchaft, ſo
„ſeines Gefallens und Kopfs waͤre, mit ihm tapfer daͤmpf-
„ten und zechten, kam ſo weit hinein, daß alle Geſchenke
„in der Schenken fuͤr naſſe Waar und gute Bislein da-
„hin gingen; nach mußt die Maus bas getauft werden,
„er macht dem Wirth bey acht Gulden an die Wand.
„Als der Wirth erfuhr, daß der Herzog von Muͤnchen
„ſammt andern Fuͤrſten-Herren aufbrechen wollte, ſo kam
„er zu dem guten Gruͤnenwald, fodret ſeine angeſchriebene
„Schuld. Lieber Wirth, ſagt Gruͤnenwald, ich bitt euch
„von wegen guter und freundlicher Geſellſchaft, ſo wir
„nun lang zuſammen gehabt, laſſen die Sach alſo auf
„diesmal beruhen, bis ich gen Muͤnchen komm, denn ich
„bin jetzt zumal nicht verfaßt, wir haben doch nicht ſo
„gar weit zuſammen, ich kanns euch alle Tag ſchicken, denn
„ich hab noch Kleinod und Geld zu Muͤnchen, das mir
[[4]] „die Schuld fuͤr bezahlen moͤcht. Das gunn dir Gott,
„ſagt der Wirth, mir iſt aber damit nicht geholfen, ſo
„woelln ſich meine Glaͤubiger nicht bezahlen laſſen mit
„Worten, nemlich die, von denen ich Brod, Wein,
„Fleiſch, Salz, Schmalz, und andere Speiſen kaufe;
„komm ich auf den Fiſchmarkt, ſehen die Fiſcher bald, ob
„ich um baar Geld oder auf Borg kaufen woͤll; nimm
„ichs auf Borg, muß ichs doppelt bezahlen. Ihr Geſellen
„aber ſetzt euch zum Tiſch, der Wirth kann euch nicht
„genug auftragen, wenn ihr gleichwohl nicht ein Pfenning
„in der Taſchen habt. Drum merk mich eben, was ich
„auf diesmal geſinnet bin. Willt du mich zahlen mit
„Heil, wo nicht, will ich mich dem naͤchſten zu meins
„gnaͤdigen Fuͤrſten und Herrn von Muͤnchen Secretarien
„verfuͤgen, derſelbig wird mir wohl Weg und Steg an-
„zeigen, damit ich zahlt werd.“


„Dem guten Gruͤnenwald war der Spieß an Bauch
„geſetzt, wußt nicht wo aus oder wo an, dann der Wirth
„ſo auch mit dem Teufel zur Schulen gangen, war ihm
„zu ſcharf. Er fing an die allerſuͤßeſten und glatte-
„ſten Wort zu geben, ſo er ſein Tag je ſtudieren und
[[5]] „erdenken mocht, aber alles umſonſt war. Der Wirth
„wollt aber keineswegs ſchweigen, und ſagt: ich mach
„nicht viel Umſtaͤnd, glattgeſchliffen iſt bald gewetzt, du
„haſt Tag und Nacht wollen voll ſein, den beſten Wein,
„ſo ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir muͤſſen
„auftragen, drum ſuch nur nicht viel Maͤus, haſt du
„nicht Geld, ſo gib mir deinen Mantel, dann ſo will ich
„dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in beſtimm-
„ter Zeit nicht kommſt, werd ich deinen Mantel auf der
„Gant verkaufen laſſen, dieß iſt der Beſcheid mit einander.
„Wohlan ſagte Gruͤnenwald, ich will der Sache bald Rath
„finden. Er ſaß nieder, nahm ſein Schreibzeug, Papier,
„Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:


„Ich ſtund auf an eim Morgen,

„Und wollt gen Muͤnchen gehn,

„Und war in großen Sorgen,

„Ach Gott waͤr ich davon,

„Mein Wirth, dem war ich ſchuldig viel,

„Ich wollt ihn gern bezahlen,

„Doch auf ein ander Ziel.

[[6]]
„Herr Gaſt ich hab vernommen,

„Du woͤlleſt von hinnen ſchier,

„Ich laß dich nicht weg kommen,

„Die Zehrung zahl vor mir,

„Oder ſetz mir den Mantel ein,

„Demnach will ich gern warten,

„Auf die Bezahlung dein.

„Die Red ging mir zu Herzen,

„Betruͤbt ward mir mein Muth,

„Ich dacht, da hilft kein Scherzen,

„Sollt ich mein Mantel gut

„Zu Augsburg laſſen auf der Gant

„Und blos von hinnen ziehen,

„Iſt allen Singern ein Schand.

„Ach Wirth nun hab Gedulte

„Mit mir ein kleine Zeit,

„Es iſt nicht gros die Schulde,

„Vielleicht ſich bald begeit,

„Daß ich dich zahl mit baarem Geld,

[[7]]
„Drum laſſe mich von hinnen,

„Ich zieh nicht aus der Welt.

„O Gaſt! das geſchieht mit nichten,

„Daß ich dir borg dießmal,

„Dich hilft kein Ausred-Dichten,

„Tag Nacht wollſt du ſeyn voll,

„Ich trug dir auf den beſten Wein,

„Drum mach dich nur nicht muͤßig,

„Ich will bezahlet ſeyn.

„Der Wirth, der ſah ganz krumme,

„Was ich ſang oder ſagt,

„So gab er nichts darumme,

„Erſt macht er mich verzagt,

„Kein Geld wußt ich in ſolcher Noth,

„Wo nicht der fromm Herr Fuker

„Mir hilft mit ſeinem Rath.

„Herr Fuker laßt Euch erbarmen

„Mein Klag und große Pein

[[8]]
„Und kommt zu Huͤlf mir Armen,

„Es will bezahlet ſeyn

„Mein Wirth von mir auf dieſen Tag,

„Mein Mantel thut ihm gefallen,

„Mich hilft kein Bitt noch Klag.

„Den Wirth thaͤt bald bezahlen

„Der edel Fuker gut,

„Mein Schuld ganz uͤber alle,

„Das macht mir leichten Muth,

„Ich ſchwang mich zu dem Thor hinaus,

„Adie du kreidiger Wirthe,

„Ich komm dir nimmer ins Haus.“

„Dies Liedlein faßt Gruͤnenwald bald in ſeinen
„Kopf, ging an des Fukers Hof, ließ ſich dem Herrn an-
„ſagen; als er nun fuͤr ihn kam, thaͤt er ſeine gebuͤhr-
„liche Reverenz, demnach ſagt er: Gnaͤdiger Herr, ich
„hab vernommen, daß mein gnaͤdiger Fuͤrſt und Herr
„allhie aufbrechend auf Muͤnchen zu ziehen will. Nun
„hab ich je nicht von hinnen koͤnnen ſcheiden, ich hab
[[9]] „mich dann mit Euer Gnaden abgeletzet. Habe Deren zu
„lieb ein neues Liedlein gedicht, ſo Euer Gnad das be-
„gehrt zu hoͤren, wollt ichs Deren zu letze ſingen. Der
„gute Herr, ſo dann von Art ein demuͤthiger Herr war,
„ſagt: Mein Gruͤnenwald ich wills gern hoͤren, wo ſind
„deine Mitſinger, ſo dir behuͤlflich ſeyn werden, laß ſie
„kommen. Mein Gnaͤdiger Herr, ſagt er, ich muß al-
„lein ſingen, dann mir kann hierin weder Baß noch Dis-
„kant helfen. So ſing her, ſagt der Fuker. Der gute
„Gruͤnenwald hub an und ſang ſein Lied mit ganz froͤh-
„licher Stimm heraus. Der gut Herr verſtund ſein
„Krankheit bald, meinet aber nit, daß der Sach ſo gar
„waͤr, wie er in ſeinem Singen zu verſtehn geben hat,
„darum ſchickt er eilend nach dem Wirth; als er nun die
„Wahrheit erfuhr, bezahlt er dem Wirth die Schuld,
„errettet dem Gruͤnenwald ſeinen Mantel, und ſchenkt
„ihm eine gute Zehrung dazu. Die nahm er mit Dank
„an, zoge demnach ſeine Straße, da erhob ſich ein Wind,
„der ſelbigen Mantel recht luſtig vor dem Hauſe des
„armſeligen Wirthes aufblies, war aber dem Wirthe
[[10]] „entgegen, warf ihm auch die Fenſter zuſammen: darum
„Kunſt nimmer zu verachten iſt.“


„(Aus dem Rollwagenbuͤchlein.)“


Wir ſprechen aus der Seele des armen
Gruͤnewald
, das oͤffentliche Urtheil iſt wohl
ein kuͤmmerlicher Wirth
, dem unſre Namen
als Mantel dieſer uͤbelangeſchriebenen Lieder
die Schuld nicht decken moͤchten
. Das Gluͤck
des armen Singers
, der Wille des reichen
Fuker geben uns Hoffnung
, in Eurer Exzel-
lenz Beifall ausgeloͤſt zu werden.


L. A. von Arnim. C. Brentano.

[[11]]

Des Knaben
Wunderhorn
.


[[12]][[13]]

Das Wunderhorn.


Ein Knab auf ſchnellem Roß

Sprengt auf der Kaiſrin Schloß,

Das Roß zur Erd ſich neigt,

Der Knab ſich zierlich beugt.

Wie lieblich, artig, ſchoͤn

Die Frauen ſich anſehn,

Ein Horn trug ſeine Hand,

Daran vier goldne Band.

Gar mancher ſchoͤne Stein

Gelegt ins Gold hinein,

Viel Perlen und Rubin

Die Augen auf ſich ziehn.

Das Horn vom Elephant,

So gros man keinen fand,

So ſchoͤn man keinen ſing

Und oben dran ein Ring,

Wie Silber blinken kann

Und hundert Glocken dran

Vom feinſten Gold gemacht,

Aus tiefem Meer gebracht.

[14]
Von einer Meerfey Hand

Der Kaiſerin geſandt,

Zu ihrer Reinheit Preis,

Dieweil ſie ſchoͤn und weiſ'.

Der ſchoͤne Knab ſagt auch:

„Dies iſt des Horns Gebrauch:

„Ein Druck von Eurem Finger,

„Ein Druck von Eurem Finger

„Und dieſe Glocken all,

„Sie geben ſuͤßen Schall,

„Wie nie ein Harfenklang

„Und keiner Frauen Sang,

„Kein Vogel obenher,

„Die Jungfraun nicht im Meer

„Nie ſo was geben an!“

Fort ſprengt der Knab bergan,

Ließ in der Kaiſrin Hand

Das Horn, ſo weltbekannt;

Ein Druck von ihrem Finger,

O ſuͤßes hell Geklinge!

[14]

Des Sultans Toͤchterlein und der
Meiſter der Blumen
.


Altes fliegendes Blatt aus Koͤlln.


Der Sultan hatt' ein Toͤchterlein,

Die war fruͤh aufgeſtanden,

Wohl um zu pfluͤcken die Bluͤmelein

In ihres Vaters Garten.

Da ſie die ſchoͤnen Bluͤmelein

So glaͤnzen ſah im Thaue,

Wer mag der Bluͤmlein Meiſter ſeyn,

Gedachte die Jungfraue.

Er muß ein großer Meiſter ſeyn,

Ein Herr von großen Werthen,

Der da die ſchoͤnen Bluͤmelein

Laͤßt wachſen aus der Erden.

Ich hab' ihn tief im Herzen lieb,

O duͤrft ich ihn anſchauen!

Gern ließ ich meines Vaters Reich

Und wollt ſein Gaͤrtlein bauen.

Da kam zu ihr um Mitternacht

Ein heller Mann gegangen,

„Thu auf, thu auf, viel ſchoͤne Magd,

„Mit Lieb bin ich umfangen.

[16]
Und ſchnell die Magd ihr Bettlein ließ,

Zum Fenſter thaͤt ſie gehen,

Sah Jeſum ihr viel ſchoͤnes Lieb

So herrlich vor ſich ſtehen.

Sie oͤffnet ihm voll Freudigkeit,

Sie neigt ſich tief zur Erden,

Und bot ihm freundlich gute Zeit,

Mit ſittſamen Geberden.

„Woher, woher, o Juͤngling ſchoͤn?

„In meines Vaters Reichen

„Mag keiner dir zu Seite gehn,

„Sich keiner dir vergleichen.

„Viel ſchoͤne Magd, du dachteſt mein,

„Um dich bin ich gekommen

„Aus meines Vaters Koͤnigreich,

„Ich bin der Meiſter der Blumen.

„O Herr, o Herr, wie weit, wie weit

„Iſts zu des Vaters Garten?

„Dort moͤgt ich wohl in Ewigkeit

„Der ſchoͤnen Blumen warten.

„Mein Garten liegt in Ewigkeit

„Und noch viel tauſend Meilen,

„Da will ich dir zum Brautgeſchmeid

„Ein Kraͤnzlein roth ertheilen.“

Da nahm er von dem Finger ſein

Ein Ring von Sonnengolde

[17]
Und fragt, ob Sultans Toͤchterlein

Sein Braͤutlein werden wollte.

Und da ſie ihm die Liebe bot,

Sein Wunden ſich ergoſſen,

O Lieb, wie iſt dein Herz ſo roth,

Dein Haͤnde tragen Roſen.

Mein Herz, das iſt um dich ſo roth,

Fuͤr dich trag ich die Roſen,

Ich brach ſie dir im Liebestod,

Als ich mein Blut vergoſſen.

Mein Vater ruft, nun ſchuͤrz dich Braut,

Ich hab dich laͤngſt erfochten,

Sie hat auf Jeſus Lieb vertraut,

Ihr Kraͤnzlein war geflochten.

Tell und ſein Kind.


Abgeſchrieben vom Giebel eines Hauſes in Arth in der Schweiz, durch
Arnim, ſ. Franzoͤſiſche Miszellen III. B. S. 82.


Tell.
Zu Ury bey den Linden

Der Vogt ſteckt auf den Huth,

Und ſprach: Ich will den finden,

Der dem kein Ehr anthut.

Ich that nicht Ehr dem Huthe,

Ich ſah ihn kuͤhnlich an,

2.
[18]
Er ſagt: Du trauſt dem Muthe,

Will ſehn, ob du ein Mann! —

Er faßt den Anſchlag eitel,

Daß ich nun ſchieß geſchwind

Den Apfel von dem Scheitel

Meinem allerliebſten Kind.

Kind.
Ach Vater, was hab' ich gethan,

Daß du mich alſo bindeſt an?

Tell.
Mein Kind ſchweig ſtill, mein Herz ſchonſt groß,

Ich hoff, es ſoll mein Pfeilgeſchoß

Kein Schaden dir bereiten,

Du traͤgſt kein Schuld und ich kein Suͤnd,

Ruf nur zu Gott mit mir mein Kind,

Gott wird den Pfeil ſchon leiten.

Halt auf dein Haupt, richt dich nur auf,

In Gottes Namen ſchieß ich drauf,

Der gerechte Gott ſoll leben!

Kind.
Ach Vater mein, Gott mit uns haͤlt,

Der Apfel von dem Scheitel faͤllt,

Gott hat den Segen geben.

[19]

Großmutter Schlangenkoͤchin.


Aus muͤndlicher Ueberlieferung in Maria's Godwi. Bremen 1802.
II. B. S. 113. abgedruckt.


Maria, wo biſt du zur Stube geweſen?

Maria, mein einziges Kind!

Ich bin bey meiner Großmutter geweſen,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

Was hat ſie dir dann zu eſſen gegeben?

Maria, mein einziges Kind!

Sie hat mir gebackne Fiſchlein gegeben,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

Wo hat ſie dir dann das Fiſchlein gefangen?

Maria, mein einziges Kind!

Sie hat es in ihrem Krautgaͤrtlein gefangen,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

Womit hat ſie dann das Fiſchlein gefangen?

Maria, mein einziges Kind.

Sie hat es mit Stecken und Ruthen gefangen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

Wo iſt dann das Uebrige vom Fiſchlein hinkommen?

Maria, mein einziges Kind!

Sie hats ihrem ſchwarzbraunen Huͤndlein gegeben,

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

[20]
Wo iſt dann das ſchwarzbraune Huͤndlein hinkommen?

Maria, mein einziges Kind!

Es iſt in tauſend Stuͤcke zerſprungen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

Maria, wo ſoll ich dein Bettlein hin machen?

Maria, mein einziges Kind!

Du ſollſt mir's auf den Kirchhof machen.

Ach weh! Frau Mutter, wie weh!

Jeſaias Geſicht.


Von Martin Luther. Aus dem J! neueroͤffneten Schatze der Kinder Gottes.
Zittau 1710. S. 393.


Jeſaia dem Propheten dies geſchah,

Daß er im Geiſt den Herren ſitzen ſah

Auf einem hohen Thron und hellen Glanz,

Seines Kleides Saum den Chor fuͤllet ganz,

Es ſtunden zween Seraph bey ihm dran,

Sechs Fluͤgel ſah er einen jeden han,

Mit zween verbargen ſie ihr Antlitz klar,

Mit zween bedeckten ſie ihre Fuͤße gar,

Und mit den andern zween ſie flogen frey,

Gegenander ruften ſie mit großem Schrey:

Heilig iſt Gott der Herr Zebaoth,

Sein Ehr die ganze Welt erfuͤllet hat.

Von dem Geſchrey zittert Schwell und Balken gar,

Das Haus auch ganz voll Rauchs und Nebels war.

[21]

Das Feuerbeſprechen.


Muͤndlich.


Zigeuner ſieben von Reitern gebracht,

Gerichtet verurtheilt in einer Nacht,

Sie klagen um ihre Unſchuld laut,

Ein Jud haͤt ihnen den Kelch vertraut.

Die Rathsherrn ſprechen das Leben leicht ab

Sie brachen dem ſechsten ſchon den Stab,

Der ſiebent ihr Koͤnig ſprach da mit Ruh:

„Ich hoͤr' wohl in Luͤften den Voͤgeln zu!

„Ihr ſollt mir nicht ſengen ein Haͤrlein vom Kleid,

„Bald kraͤhet der rothe Hahn ſo weit!“

Da bricht die Flamme wohl uͤber wohl aus,

Aus allen vier Ecken der Stadt ſo kraus.

Der rothe Hahn auf die Spitze geſteckt,

Er kraͤhet, wie jener, der Petrum erweckt,

Die Herren erwachen aus Suͤnden Schlaf,

Gedenke, der Unſchuld, der harten Straf.

Die Herren ſie ſprechen zum Manne mit Flehn,

Er moͤge beſprechen das feurige Wehn,

Er moͤge halten den feurigen Wind,

Sein Leben ſie wollten ihm ſchenken geſchwind.

Den Todesſtab da entreiſt er gleich,

Den Herren damit giebt Backenſtreich,

Er ruft: „Was gießet ihr ſchuldlos Blut?

„Wie wollet ihr loͤſchen die hoͤlliſche Glut?

[22]
„Das Kindlein vom Stahle die Funken gern zieht,

„Der Fromme im Steine das Feuer wohl ſieht,

„Was ſpielt ihr mit Dingen, die ſchneidig und ſpitz,

„Der rothe Hahn wohl unter euch ſitzt.

Jezt ſpricht er: „Willkommen du feuriger Gaſt,

„Nichts greife weiter, als was du haſt,

„Das ſag ich dir Feuer zu deiner Buß,

„Im Namen Chriſti, des Blut hier auch floß.

„Ich ſage dir Feuer bey Gottes Kraft,

„Die alles thut und alles ſchafft,

„Du wolleſt alſo ſtille ſtehn,

„Wie Chriſtus wollt im Jordan ſtehn.

„Ich ſag dir Feuer, behalt dein Flamm,

„Wie einſt Maria die heilge Dam

„Hielt Jungfrauſchaft ſo keuſch ſo rein,

„So ſtelle Flamm deine Reinigung ein.“

Da flog der rothe Hahn hinweg,

Da nahm der Wind den andern Weg,

Das Feuer ſank in ſich zuſamm,

Der Wundermann ging fort durch die Flamm.

Der arme Schwartenhals.


Friſche Liedlein. Nuͤrnberg 1505. Quer 8. mit Muſik.


Ich kam vor einer Frau Wirthin Haus,

Man fragt mich, wer ich waͤre,

[23]
Ich bin ein armer Schwartenhals,

Ich eß und trink ſo gerne.

Man fuͤhrt mich in die Stuben ein,

Da bot man mir zu trinken,

Die Augen ließ ich umher gehn,

Den Becher ließ ich ſinken.

Man ſetzt mich oben an den Tiſch,

Als ich ein Kaufherr waͤre,

Und da es an ein Zahlen ging,

Mein Saͤckel ſtand mir leere.

Da ich des Nachts wollt ſchlafen gahn,

Man wieß mich in die Scheuer,

Da ward mir armen Schwartenhals,

Mein Lachen viel zu theuer.

Und da ich in die Scheuer kam,

Da hub ich an zu niſteln,

Da ſtachen mich die Hagendorn,

Dazu die rauhen Diſteln.

Da ich zu Morgens fruͤh aufſtand,

Der Reif lag auf dem Dache,

Da mußt ich armer Schwartenhals

Meins Ungluͤcks ſelber lachen.

Ich nahm mein Schwerd wohl in die Hand,

Und guͤrt es an die Seiten,

Ich armer mußt zu Fuße gehn,

Weil ich nicht hatt' zu reiten.

[24]
Ich hob mich auf und ging davon

Und macht mich auf die Straßen,

Mir kam ein reicher Kaufmanns-Sohn,

Sein Taſch mußt er mir laſſen.

Der Tod und das Maͤdchen im Blumen-
garten.


Fliegendes Blat aus Coͤlln.


Es ging ein Maͤgdlein zarte

Fruͤh in der Morgenſtund

In einen Blumengarten,

Friſch, froͤhlich und geſund,

Der Bluͤmlein es viel brechen wollt,

Daraus ein Kranz zu machen,

Von Silber und von Gold.

Da kam herzu geſchlichen

Ein gar erſchrecklich Mann,

Die Farb war ihm verblichen,

Kein' Kleider hatt' er an,

Er hatt' kein Fleiſch, kein Blut, kein Haar,

Es war an ihm verdorret

Sein Haut, und Flechſen gar.

Gar haͤßlich thaͤt er ſehen,

Scheußlich war ſein Geſicht,

Er weiſet ſeine Zaͤhne

Und that noch einen Schritt,

[25]
Wohl zu dem Maͤgdlein zart,

Das ſchier fuͤr großen Aengſten,

Des grimmen Todes ward.

„Nun ſchick dich Maͤgdlein, ſchick dich,

„Du muſt mit mir an Tanz!

„Ich will dir bald aufſetzen,

„Ein wunderſchoͤnen Kranz,

„Der wird dir nicht gebunden ſein

„Von wohlriechenden Kraͤutern,

„Und zarten Bluͤmelein.

„Der Kranz, den ich aufſetze,

„Der heißt die Sterblichkeit;

„Du wirſt nicht ſeyn die letzte,

„Die ihn traͤgt auf dem Haupt;

„Wie viel allhie gebohren ſeyn,

„Die muͤſſen mit mir tanzen

„Wohl um das Kraͤnzelein.

„Der Wuͤrmer in der Erde

„Iſt eine große Zahl,

„Die werden dir verzehren

„Dein Schoͤnheit allzumahl,

„Sie werden deine Bluͤmlein ſeyn,

„Das Gold, und auch die Perlen,

„Silber und Edelſtein.

„Willſt du mich gerne kennen

„Und wiſſen, wer ich ſey?

[26]
„So hoͤr mein Nahmen nennen,

„Will dir ihn ſagen frey:

„Der grimme Tod werd ich genannt,

„Und bin in allen Landen,

„Gar weit und breit bekannt.

„Die Senſe iſt mein Wappen,

„Das ich mit Rechte fuͤhr,

„Damit thu ich anklopfen

„Jedem an ſeine Thuͤr,

„Und wenn ſein Zeit iſt kommen ſchon,

„Spaͤt, fruͤh, und in der Mitten,

„'S hilft nichts, er muß davon!“

Das Maͤgdlein voller Schmerzen,

Voll bittrer Angſt und Noth,

Bekuͤmmert tief im Herzen,

Bat: „Ach du lieber Todt,

„Wollſt eilen nicht ſo ſehr mit mir,

„Mich armes Maͤgdlein zarte

„Laß laͤnger leben hier!

„Ich will dich reich begaben,

„Mein Vater hat viel Gold,

„Und was du nur willſt haben

„Das all du nehmen ſollt!

„Nur laſſe du, das Leben mir,

„Mein allerbeſte Schaͤtze,

„Die will ich geben dir!“

[27]
„Kein Schatz ſollt du mir geben,

„Kein Gold noch Edelſtein!

„Ich nehm dir nur das Leben,

„Du zartes Maͤgdelein,

„Du muſt mit mir an meinen Tanz,

„Daran noch kommt manch Tauſend,

„Bis daß der Reihn wird ganz.“

„O Tod, laß mich beim Leben,

„Nimm all mein Hausgeſind!

„Mein Vater wird dirs geben,

„Wenn er mich lebend findt,

„Ich bin ſein einzigs Toͤchterlein,

„Er wuͤrde mich nicht geben

„Um tauſend Gulden fein.“

„Dein Vater will ich holen

„Und will ihn finden wohl,

„Mit ſeinem Hausgeſinde,

„Weiß, wenn ich [kommen] ſoll,

„Jetzund nehm ich nur dich allein:

„O zartes Maͤgdlein junge,

„Du muſt an meinen Reihen.“

„Erbarm dich meiner Jugend,“

Sprach ſie mit großer Klag,

„Will mich in aller Tugend,

„Ueben mein Lebetag.

„Nimm mich nicht gleich dahin jetzund,

[28]
„Spar mich noch eine Weile,

„Schon mich noch etlich' Stund!“

Drauf ſprach der Tod: „mit nichten,

„Ich kehr mich nicht daran,

„Es hilft allhier kein Bitten,

„Ich nehme Frau und Mann!

„Die Kinderlein zieh ich herfuͤr,

„Ein jedes muß mir folgen,

„Wenn ich klopf an die Thuͤr.“

Er nahm ſie in der Mitten,

Da ſie am ſchwaͤchſten was,

Es half bey ihm kein Bitten,

Er warf ſie in das Graß,

Und ruͤhrte an ihr junges Herz

Da liegt das Maͤgdlein zarte,

Voll bittrer Angſt und Schmerz.

Ihr Farb that ſie verwandlen,

Ihr Aeuglein ſie verkehrt

Von einer Seit zur andern

Warf ſie ſich auf der Erd,

All Wolluſt ihr vergangen war,

Kein Bluͤmlein mehr wollt holen

Wohl aus dem gruͤnen Graß.

[29]

Nachtmuſikanten.


Narren-Meß von Abraham a St. Clara. Wien 1751. III. T. S. 89.


Hier ſind wir arme Narrn

Auf Plaͤtzen und auf Gaſſen,

Und thun die ganze Nacht

Mit unſrer Muſick paſſen.

Es giebt uns keine Ruhe

Die ſtarke Liebes-Macht,

Wir ſtehen mit dem Bogen

Erfroren auf der Wacht;

Sobald der helle Tag

Sich nur beginnt zu neigen,

Gleich ſtimmen wir die Laut,

Die Harfen und die Geigen.

Mit dieſen laufen wir

Zu mancher Schoͤnen Hauß,

Und legen unſern Kram,

Papier und Noten aus.

Der erſte gibt den Tackt,

Der andre blaͤßt die Floͤten,

Der dritte ſchlaͤgt die Pauck',

Der viert ſtoͤßt die Trompeten.

Ein andrer aber ſpielt

Theorb und Galiſchan

Mit gar beſonderm Fleiß,

So gut er immer kann.

[30]
Wir pflegen auch ſo lang

An einem Eck zu hocken,

Bis wir ein ſchoͤn Geſpenſt

Hin an das Fenſter locken;

Da faͤngt man alsbald an

Vor der Geliebten Thuͤr

Verliebte Arien

Mit Pauſen und Suspir.

Und ſollten vor der Wacht

Wir endlich weichen muͤſſen,

So macht man ſtatt der Haͤnd',

Die Laͤufe mit den Fuͤßen.

Und alſo treiben wirs

Oft durch die lange Nacht,

Daß ſelbſt die ganze Welt

Ob unſrer Narrheit lacht.

Ach ſchoͤnſte Phillis hoͤr

Doch unſer Muſiciren,

Und laß uns eine Nacht

In deinem Schoos pauſiren.

Die widerſpenſtige Braut.


Bei Elwert. S. 17.


Ich eß' nicht gerne Gerſte,

Steh auch nicht gern fruͤh auf,

[31]
Eine Nonne ſoll ich werden,

Hab keine Luſt dazu;

Ei ſo wuͤnſch ich dem

Des Ungluͤcks noch ſo viel,

Der mich armes Maͤdel

Ins Kloſter bringen will.

Die Kutt iſt angemeſſen,

Sie iſt mir viel zu lang,

Das Haar iſt abgeſchnitten,

Das macht mir angſt und bang;

Ei ſo wuͤnſch ich dem

Des Ungluͤcks noch ſo viel,

Der mich armes Maͤdel

Ins Kloſter bringen will.

Wenn andre gehen ſchlafen

So muß ich ſtehen auf,

Muß in die Kirche gehen,

Das Gloͤcklein leiten thun;

Ei ſo wuͤnſch ich dem

Des Ungluͤcks noch ſo viel,

Der mich armes Maͤdel

Ins Kloſter bringen will.

[32]

Kloſterſcheu.


Limpurger Cronik. „In ſelbiger Zeit (1359.) ſang und pfif man
dieſes Lied.“


Gott geb ihm ein verdorben Jahr,

Der mich macht zu einer Nonnen,

Und mir den ſchwarzen Mantel gab,

Den weißen Rock darunter,

Soll ich ein Noͤnnchen werden

Dann wider meinen Willen,

So will ich auch einem Knaben jung

Seinen Kummer ſtillen,

Und ſtillt er mir den meinen nicht,

So ſollt es mich verdrießen.

Der vorlaute Ritter.


Muͤndlich.


Es waren drey Geſellen,

Die thaͤten, was ſie woͤllen,

Sie hielten alle drey

Viel heimlichen Rath,

Wer wohl in dieſer Nacht

Das beſte Maͤdel haͤtt.

Der Juͤngſte der darunter,

Der ſprach da auch ſehr munter,

Wie ihm noch geſtern ſpaͤt

[33]
Ein Maͤdel zugeredt.

Er ſtiege dieſe Nacht,

Wohl in ihr Federbett.

Das Maͤdel kam geſchlichen

Und waͤre faſt verblichen,

Sie hoͤrte an der Wand,

Nur ihre eigne Schand,

Sie weinte heimlich aus,

Sie lief zuruͤck nach Haus.

Die Nacht war bis zur Mitten,

Der Ritter kam geritten,

Er klopfet freundlich an,

Mit ſeinem goldnen Ring:

„Ey ſchlaͤf'ſt du oder wachſt,

„Mein auserwaͤhltes Kind.“

„Was waͤre, wenn ich ſchliefe,

„Und dich heut nicht einließe?

„Du haſt mir geſtern ſpaͤt

„Ein falſche Red gethan.

„Ich ſchlafe heute Nacht,

„Wenn du vorm Fenſter wachſt.“

„Wo ſoll ich denn hinreiten?

„Es regnet und es ſchneiet,

„Es geht ein kuͤhler Wind,

„Nun ſchlafen alle Leut

„Und alle Buͤrgers Kind,

„Mach auf du ſuͤßes Kind!“

3.
[34]
„Reit du nach jener Straße,

„Reit du nach jener Heyde,

„Wo du gekommen biſt,

„Da liegt ein breiter Stein,

„Den Kopf darauf nur leg,

„Traͤgſt keine Federn weg.“

Die ſchwarzbraune Hexe.


Fliegendes Blat.


Es blies ein Jaͤger wohl in ſein Horn,

Wohl in ſein Horn,

Und alles was er blies das war verlorn.

Hop ſa ſa ſa,

Dra ra ra ra,

Und alles was er blies das war verlorn.

Soll denn mein Blaſen verloren ſeyn?

Verloren ſeyn?

Ich wollte lieber kein Jaͤger ſeyn.

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

Er zog ſein Netz wohl uͤber den Strauch,

Wohl uͤber den Strauch,

Sprang ein ſchwarzbraunes Maͤdel heraus.

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

„Schwarzbraunes Maͤdel entſpringe mir nicht,

„Entſpringe mir nicht,

[35]
„Hab' große Hunde die holen dich.“

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

„Deine großen Hunde die holen mich nicht,

„Die holen mich nicht,

„Sie wiſſen meine hohe weite Spruͤnge noch nicht“

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

„Deine hohe Spruͤnge die wiſſen ſie wohl,

„Die wiſſen ſie wohl,

„Sie wiſſen, daß du heute noch ſterben ſollſt.“

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

„Sterben ich nun, ſo bin ich todt,

„So bin ich todt,

„Begraͤbt man mich unter die Roͤslein roth.“

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

„Wohl unter die Roͤslein, wohl unter den Klee,

„Wohl unter den Klee,

„Darunter verderb ich nimmermehr.“

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

Es wuchſen drey Lilien auf ihrem Grab,

Auf ihrem Grab,

Die wollte ein Reuter wohl brechen ab.

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

Ach Reuter, laß die drey Lilien ſtahn,

Die Lilien ſtahn,

Es ſoll ſie ein junger friſcher Jaͤger han.

Hop ſa ſa ſa, u. ſ. w.

[36]

Der Dollinger.


Kurzgefaßte Nachrichten von denen in den Ringmauern der Stadt Regens-
burg gelegenen Stiftern. Reg. 1723. S. 172. u. 173.


Es ritt ein Tuͤrk aus Tuͤrkenland,

Er ritt gen Regensburg in die Stadt,

Da Stechen ward, vom Stechen ward er wohl bekandt.

Da ritt er vor des Kayſers Thuͤr,

„Iſt jemand hier, der komm herfuͤr,

„Der ſtechen will um Leib und Seel, um Gut und Ehr

„Und daß dem Teufel die Seele waͤr.“

Da waren die Stecher all verſchwiegen,

Keiner wollt dem Tuͤrken nicht obliegen,

Dem leidigen Mann

Der ſo treflich Stechen kann.

Da ſprach der Kayſer zorniglich:

„Wie ſteht mein Hof ſo laͤſterlich,

„Hab ich kein Mann,

„Der Stechen kann

„Um Leib und Seel, um Gut und Ehr,

„Und daß unſerm Herrn die Seele waͤr?“

Da ſprang der Dollinger hervor,

„Wohl um, wohl um, ich muß hervor,

„An den leidigen Mann,

„Der ſo treflich ſtechen kann.“

Die fuͤhrten gegen einander

Zwey ſcharfe Speer,

Das Eine ging hin, das Andere her.

[37]
Da ſtach der Tuͤrk den Dollinger ab,

Daß er an dem Ruͤcken lag.

„O Jeſu Chriſt ſteh mir jetzt bey,

„Steck mir ein Zweig, ſind ihrer drey.

„Bin ich allein, und fuͤhr mein Seel ins Himmelreich.“

Da ritt der Kayſer zum Dollinger ſo behend,

Er fuͤhrt ein Kreutz in ſeiner Haͤnd,

Er ſtrichs dem Dollinger uͤbern Mund

Der Dollinger ſprang auf, war friſch und geſund.

Da ſtach der Dollinger den Tuͤrken ab.

Daß er auf dem Ruͤcken lag.

„Du beruͤhmter Teufel nun ſteh ihm bey.

„Sind ihrer drey, bin ich allein

„Und fuͤhr ſein Seel in die bittere Pein.“

Liebe ohne Stand.


Feiner Almanach II. Band S. 10.


Es ritt ein Ritter wohl durch das Ried,

Er hob wohl an ein neues Lied,

Gar ſchoͤne thaͤt er ſingen,

Daß Berg und Thal erklingen.

Das hoͤrt des Koͤnigs ſein Toͤchterlein

In ihres Vaters Luſtkaͤmmerlein,

Sie flochte ihr Haͤrlein in Seiden,

Mit dem Ritter wollte ſie reiten.

[38]
Er nahm ſie bey ihrem ſeidenen Schopf

Und ſchwung ſie hinter ſich auf ſein Roß.

Sie ritten in einer kleinen Weile

Wohl vier und zwanzig Meilen.

Und da ſie zu dem Wald 'naus kamen,

Das Roͤßlein das will Futter han.

„Feins Liebchen, hier wollen wir ruhen,

„Das Roͤßlein, das will Futter.“

Er ſpreit ſein Mantel ins gruͤne Gras,

Er bat ſie, daß ſie zu ihm ſaß,

„Feins Liebchen, ihr muͤſſet mich lauſen,

„Mein gelbkrauß Haͤrlein durchzauſen.“

Des haͤrmt ſich des Koͤnigs ſein Toͤchterlein,

Viel heiße Thraͤnen ſie fallen ließ,

Er ſchaut ihr wohl unter die Augen,

„Warum weinet ihr, ſchoͤne Jungfraue?“

„Warum ſollt ich nicht weinen und traurig ſeyn,

„Ich bin ja des Koͤnigs ſein Toͤchterlein;

„Haͤtt ich meinem Vater gefolget,

„Frau Kayſerin waͤr ich geworden.“

Kaum haͤtt ſie das Woͤrtlein ausgeſagt,

Ihr Haͤuptlein auf der Erden lag,

„Jungfraͤulein haͤttſt du geſchwiegen,

„Dein Haͤuptlein waͤr dir geblieben.“

Er kriegt ſie bey ihrem ſeidenen Schopf,

Und ſchlenkert ſie hinter den Hollerſtock:

[39]
„Da liege feins Liebchen und faule,

„Mein junges Herze muß trauren.“

Er nahm ſein Roͤßlein bei dem Zaum,

Und band es an einen Waſſerſtrom.

„Hier ſteh mein Roͤßlein und trinke,

„Mein jung friſch Herze muß ſinken.“

Gaſtligkeit des Winters.


Muͤndlich.


Der Winter iſt ein ſcharfer Gaſt,

Das merkt ich an dem Dache;

Mein Lieb gab mir ein Kraͤnzelein

Von Perlen fein,

Das hab ich von ihr tragen

An meinem Bart und Kragen.

Der Sommer iſt ein ſanfter Gaſt,

Es troͤpfelt von dem Dache;

Mein Lieb gab mir ein Kraͤnzelein

Im Sonnenſchein,

Da iſt es aufgethauet,

Von Eis war es erbauet.

Ja traue nur dem Schleicher nicht,

Viel lieber ſcharfe Worte;

Der Sommer giebt wohl Kraͤnzelein

[40]
Von Blumen fein,

Zu ihr kann ich nicht gehen,

Vom langen Tag geſehen.

Zu Oſtern, als die Faſten aus,

Da laͤngerten die Tage;

Mein Lieb gab mir ein Unterpfand,

Zween Aermlein blank,

Darin ſollt ich mich ruͤſten,

Zu unſres Winters Luͤſten.

Was acht ich der Waldvoͤglein Sang,

Und aller Klaͤffer Zungen;

Lieg ich in meinen Aermlein blank,

Ich weiß ihr Dank,

Ich kann von ihr dann traͤumen;

Wie lange wird ſie ſaͤumen?

Die hohe Magd.


Hallorenlied in Halle, wahrſcheinlich noch aus ihren fruͤhern Wohnplaͤtzen.
Herr Buchhaͤndler Hendel ſoll mehrere derſelben haben.


Ein Magd iſt weiß und ſchone,

Gott fuͤhrt den hoͤchſten Preiß,

Und die ihm dient, zum Lohne

An Kuͤnſten wird ſie reich,

Geht jungfraͤulich bei Frauen

Dort auf den gruͤnen Auen,

Gluͤck zu mein edler Zweig!

[41]
Ihr Leib war angebildet

Mit Keuſchheit uͤbergroß,

Schwang ſich in ihren Willen,

Schwang ſich in ihren Schooß,

Er war ſo ſtark von Kraͤften,

Von meiſterlichen Geſchaͤften —

Gott ſchuf wohl Himmel und Erd.

Ein Kind nach Adams Weiſe

An ihren Bruͤſten lag,

Es war ein alter Greiſe,

Erſchuf den erſten Tag,

Es ward ein ſtarker Ritter,

Sein Leiden ward ihm bitter,

Erlitt groß Ungemach.

Sein Seit ward ihn zerſchnitten

Mit einem ſcharfen Speer,

Damit hat er zerſplitten

Die Hoͤlle ſamt der Erd.

Gott troͤſtet den Gefangnen,

Drey Wuͤnſche waren ihm ergangen

Gegen dieſe heilige Zeit.

Gott ſtieg aus ſeinem Grabe,

Ein Fuͤrſt war wohlgemuth,

Mit ſeinem Kreuz und Stabe,

Drey Faͤhnlein ſchwenkt er roth,

That ſich gen Himmel kehren,

[42]
Nach tugendlichen Ehren

Stand ihm Herz, Muth und Sinn.

O Stern, o Glanz! o Krone,

O Himmel aufgethan!

Maß gab ihr Gott zum Lohne,

Drey Chorengel Lobgeſang,

Bekleidet ihn mit Sonne,

Maria war voll Wonne,

Wie hell ſcheint uns der Mond!

Liebe ſpinnt keine Seide.


Bragur VI. B. II. Ab. S. 77.


Es fuhr ein Maͤgdlein uͤbern See,

Wolt brechen den Feiel und gruͤnen Klee,

Mit ihrn ſchneweiſſen Haͤnden,

Der Sommer hat ſchier ein Ende.

Ein Ritter kam dort her geritten,

Er gruͤßte ſie nach Schwaͤbſchen Sitten,

Er gruͤßt ſie da alleine:

„Ich fuͤhr euch mit mir heime.“

„Ach Ritter, ihr ſeyd hochgeborn,

„So fuͤrcht ich meines Vaters Zorn,

„Ich fuͤrcht ihn alzuſehre,

„Verliere vielleicht mein Ehre.

„Ach Vater lieber Vater mein,

„So weck mich bei dem Mondeſchein,

[43]
„Ich weiß gut Laͤmmer-Weide,

„So fern auf jener Haide.“

Vater.
„Die Laͤmmerweid die du wohl weiſt,

„Macht mir mein Laͤmmer und Schaf nicht feiſt,

„Du muſt hier heime bleiben,

„Muſt ſpinnen die braune Seiden.“

Maͤdchen.
„Die Seide, die ich ſpinnen muß,

„Bringt meinem Herzen ſchwere Buß,

„Der Ritter muß mir werden,

„Sein gleich lebt nicht auf Erden.“

Der dieß Lied neu geſungen hat,

Durch Lieb kam er in große Noth,

Er iſt gar kaum entronnen,

Die Magd hat er gewonnen.

Huſarenglaube.


Fliegendes Blat aus dem letzten Kriege mit Frankreich.


Es iſt nichts luſtger auf der Welt,

Und auch nichts ſo geſchwind,

Als wir Huſaren in dem Feld,

Wenn wir beym Schlachten ſind.

Wenns blitzt und kracht dem Donner gleich

Wir ſchießen roſenroth,

[44]
Wenns Blut uns in die Augen laͤuft,

Sind wir ſternhagelvoll.

Da heiſts: Huſaren insgemein

Schlagt die Piſtolen an,

Greift durch, den Saͤbel in der Hand

Haut durch den naͤchſten Mann.

Wenn ihr das Franſche nicht verſteht,

So macht es euch bequem,

Das Reden ihm ſogleich vergeht,

Wie ihr den Kopf abmaͤht.

Wenn gleich mein treuer Kammerad,

Muß bleiben in dem Streit,

Huſaren fragen nichts darnach,

Sind auch dazu bereit;

Der Leib verweſet in der Gruft,

Der Rock bleibt in der Welt,

Die Seele ſchwingt ſich durch die Luft

Ins blaue Himmelszelt.

Der Rattenfaͤnger von Hameln.


Muͤndlich.


Wer iſt der bunte Mann im Bilde,

„Er fuͤhret Boͤſes wohl im Schilde,

„Er pfeift ſo wild und ſo bedacht;

„Ich haͤtt mein Kind ihm nicht gebracht!“

[45]
In Hameln fochten Maͤus und Ratzen

Bey hellem Tage mit den Katzen,

Es war viel Noth, der Rath bedacht,

Wie andre Kunſt zuweg gebracht.

Da fand ſich ein der Wundermann,

Mit bunten Kleidern angethan,

Pfif Ratz und Maͤus zuſam ohn Zahl,

Erſaͤuft ſie in der Weſer all.

Der Rath will ihm dafuͤr nicht geben,

Was ihm ward zugeſagt ſo eben,

Sie meinten, das ging gar zu leicht

Und waͤr wohl gar ein Teufelsſtreich.

Wie hart er auch den Rath beſprochen,

Sie draͤuten ſeinem boͤſen Pochen,

Er konnt zuletzt vor der Gemein

Nur auf dem Dorfe ſicher ſeyn.

Die Stadt von ſolcher Noth befeyet,

Im großen Dankfeſt ſich erfreuet,

Im Betſtuhl ſaßen alle Leut,

Es laͤuten alle Glocken weit.

Die Kinder ſpielten in den Gaſſen,

Der Wundermann durchzog die Straſſen,

Er kam und pfif zuſamm geſchwind

Wohl auf ein hundert ſchoͤne Kind.

Der Hirt ſie ſah zur Weſer gehen,

Und keiner hat ſich je geſehen

[46]
Verloren ſind ſie an dem Tag

Zu ihrer Aeltern Weh und Klag.

Im Strome ſchweben Irrlicht nieder,

Die Kindlein friſchen drin die Glieder,

Dann pfeifet er ſie wieder ein,

Fuͤr ſeine Kunſt bezahlt zu ſeyn.

„Ihr Leute, wenn ihr Gift wollt legen,

„So Huͤtet doch die Kinder gegen,

„Das Gift iſt ſelbſt der Teufel wohl,

„Der uns die lieben Kinder ſtohl.“

Schuͤrz dich Gretlein.


Friſche Liedlein.


Nun ſchuͤrz dich Gretlein ſchuͤrz dich,

„Wohl auf mit mir davon,

„Das Korn iſt abgeſchnitten,

„Der Wein iſt eingethan.“

„Ach Haͤnßlein, liebes Haͤnßlein,

„So laß mich bey dir ſein,

„Die Wochen auf dem Felde,

„Den Feiertag beim Wein.“

Da nahm ers bey den Haͤnden,

Bey ihrer ſchneeweiſſen Hand

Er fuͤhrt ſie an ein Ende,

Da er ein Wirthshaus fand.

[47]
„Nun Wirthin, liebe Wirthin,

„Schaut um nach kuͤhlem Wein,

„Die Kleider dieſes Gretlein

„Muͤſſen verſchlemmet ſein.“

Die Gret hub an an zu weinen,

Ihr Unmuth der war groß,

Daß Ihr die lichten Zaͤhren

Ueber ihr Wenglein floß.

„Ach Haͤnßlein, liebes Haͤnßlein,

„Du redteſt nicht alſo,

„Als du mich heim ausfuͤhreſt

„Aus meines Vaters Hof.“

Er nahm ſie bey den Haͤnden,

Bey ihrer ſchneeweiſſen Hand,

Er fuͤhrt ſie an ein Ende,

Da er ein Gaͤrtlein fand.

„Ach Gretlein, liebes Gretlein,

„Warum weinſt du ſo ſehr,

„Reuet dich den freier Muth,

„Oder reut dich dein Ehr?“

„Es reut mich nicht mein freier Muth,

„Darzu auch nicht mein Ehr;

„Es reuen mich mein Kleider,

„Die werden mir nimmermehr.“

[48]

Das Lied vom Ringe.


Elwert. S. 117.


Es waren drey Soldaten,

Dabey ein junges Blut,

Sie hatten ſich vergangen,

Der Graf nahm ſie gefangen,

Setzt ſie bis auf den Tod.

Es war ein wackres Maͤdelein

Dazu aus fremdem Land,

Sie lief in aller Eilen

Des Tags wohl zehen Meilen

Bis zu dem Grafen hin.

„Gott gruͤß Euch, edler Herre mein,

„Ich wuͤnſch Euch guten Tag,

„Ach! wolt Ihr mein gedenken

„Den Gefangnen mir zu ſchenken

„Ja ſchenken zu der Eh.“

„Ach nein, mein liebes Maͤdelein,

„Das kann und mag nicht ſein,

„Der Gefangne der muß ſterben,

„Gott's Gnad muß er ererben

„Wie er verdienet hat.“

Das Maͤdel drehet ſich herum

Und weinet bitterlich,

Sie lief in aller Eilen

[49]
Des Tags wohl zwanzig Meilen,

Bis zu dem tiefen Thurm.

„Gott gruͤß Euch ihr Gefangnen mein,

„Ich wuͤnſch Euch guten Tag!

„Ich hab fuͤr Euch gebeten,

„Ich kann Euch nicht erretten,

„Es hilft nicht Gut noch Geld.“

Was hat ſie unter ihrem Schuͤrzelein?

Ein Hemdlein war ſchneeweiß,

„Das nimm du Allerliebſter mein,

„Es ſoll von mir dein Brauthemd ſein,

„Darin lieg du im Tod.“

Was zog er von dem Finger ſein?

Ein Ringlein, war von Gold,

„Das nimm du Huͤbſche, du Feine,

„Du Allerliebſte meine,

„Das ſoll dein Trauring ſein.“

„Was ſoll ich mit dem Ringlein thun,

„Wenn ichs nicht tragen kan?“

„Leg es in Kiſten und Kaſten,

„Und laß es ruhen und raſten

„Bis an den juͤngſten Tag.“

„Und wenn ich uͤber Kiſten und Kaſten komm,

„Und ſehe das Ringlein an,

„Da darfs ichs nicht anſtecken,

4.
[50]
„Das Herz moͤcht mir zerbrechen,

„Weil ichs nicht aͤndern kann.“

Der Ritter und die Magd.


Fliegendes Blat.


Es ſpielt ein Ritter mit ſeiner Magd,

Bis an den hellen Morgen.

Bis daß das Maͤdchen ſchwanger war,

Da fing es an zu weinen;

„Wein' nicht, wein' nicht, braun's Maͤdelein,

„Dein Ehr will ich dir zahlen,

„Ich will dir geben den Reitknecht mein,

„Dazu fuͤnfhundert Thaler.“

„Den Reitknecht und den mag ich nicht,

„Will lieber den Herrn ſelber;

„Wann ich den Herrn nicht ſelber krieg,

„So geh ich zu meiner Mutter,

„In Freuden bin ich von ihr gangen,

„In Trauer wieder zu ihr.“

Und da ſie vor die Stadt Augsburg kam,

Wohl in die enge Gaſſe,

Da ſah ſie ihre Mutter ſtehn,

An einem kuͤhlen Waſſer.

[51]
„Biſt du willkommen liebs Toͤchterlein,

„Wie iſt es dir ergangen,

„Daß dir dein Rock von vorne ſo klein,

„Und hinten viel zu lange?“

„Und wie es mir ergangen iſt,

„Das darf ich Euch wohl ſagen:

„Ich hab mit einem Edelherrn geſpielt,

„Ein Kindlein muß ich tragen.“

„Haſt du mit einem Edelherrn geſpielt,

„Das ſollſt du niemand ſagen.

„Wenn du dein Kindlein zur Welt gebierſt,

„Ins Waſſer wollen wirs tragen.“

„Ach nein, ach nein, liebe Mutter mein,

„Das wollen wir laſſen bleiben.

„Wann ich das Kind zur Welt gebaͤhr,

„Dem Vater will ich zuſchreiben.

„Ach Mutter, liebe Mutter mein,

„Machet mir das Bettlein nicht zu klein,

„Darin will ich leiden Schmerz und Pein,

„Dazu den bittern Tod.“

Und da es war um Mitternacht,

Dem Edelherrn traͤumt es ſchwer:

Als wenn ſein herzallerliebſter Schatz

Im Kindbett geſtorben waͤr.

[52]
„Steh auf, ſteh auf, lieb Reitknecht mein,

„Sattle mir und dir zwey Pferd,

„Wir wollen reiten bey Tag und Nacht,

„Bis wir den Traum erfahren.“

Und als ſie uͤber die Heid 'naus kamen,

Hoͤrten ſie ein Gloͤcklein laͤuten.

„Ach großer Gott vom Himmel herab,

„Was mag doch dieß bedeuten.“

Als ſie vor die Stadt Augsburg kamen,

Wohl vor die hohe Thore,

Hier ſahen ſie vier Traͤger ſchwarz,

Mit einer Todenbahre.

„Stellt ab, ſtellt ab, ih Traͤger mein,

„Laßt mir den Todten ſchauen,

„Es moͤcht meine Herzallerliebſte ſein

„Mit ihren ſchwarzbraunen Augen.

„Du biſt fuͤrwahr mein Schatz geweßt,

„Und haſt es nicht geglaubet.

„Haͤtt dir der liebe Gott das Leben geſchenkt,

„Fuͤrwahr ich haͤtt dich behalten.

„Haſt du gelitten den bittern Tod,

„Jezt leid ich große Schmerzen.“

Er zog das blanke Schwerdt heraus

Und ſtach es ſich ins Herze.

[53]
„O nein! o nein! o Edelherr!

„Nein das ſollt ihr laſſen bleiben,

„Es hat ſchon manches liebe Paar,

„Von einander muͤſſen ſcheiden.“

„Macht uns, macht uns ein tiefes Grab,

„Wohl zwiſchen zwey hohe Felſen.

„Da will ich bey meinem herzliebſten Schatz,

„In ſeinem Arm erſtehen.“

Sie begruben ſie auf den Kirchhof hin,

Ihn aber unter den Galgen.

Es ſtunde an kein Vierteljahr,

Eine Lilie waͤchſt auf ſeinem Grabe.

Es ſtund geſchrieben auf den Blaͤttern da,

Beyd waͤren beyſammen im Himmel.

Heinriche Konrade der Schreiber
im Korb
.


Aus Bragur IV. B. 2. Ab. S. 93.


Es ging ein Schreiber ſpatzieren aus

Wohl an dem Markt da ſteht ein Haus,

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Er ſprach: „Gott gruͤß euch Jungfrau fein,

„Nun wollt ihr heut mein Schlafbuhl ſein?“

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

[54]
Sie ſprach: „Kommt ſchier her wiedere,

„Wann ſich mein Herr legt niedere.“

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Wohlhin, wohlhin gen Mitternacht,

Der Schreiber kam gegangen dar.

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Sie ſprach: „Mein Schlafbuhl ſollſt nicht ſein,

„Du ſetz'ſt dich dann ins Koͤrbelein.“

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Dem Schreiber gefiel der Korb nicht wohl,

Er durft ihm nicht getrauen wohl.

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Der Schreiber wollt gen Himmel fahren,

Da hatt' er weder Roß noch Wagen.

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Sie zog ihn auf bis an das Dach,

Ins Teufels Nahm fiel er wieder herab.

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Er fiel ſo hart auf ſeine Lend',

Er ſprach: „Daß dich der Teufel ſchaͤnd'!“

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

„Pfui dich, pfui dich, du boͤſe Haut!

„Ich haͤtt dir das nicht zugetraut.“

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

[55]
Der Schreiber gaͤb ein Gulden drum,

Daß man das Liedlein nimmer ſung.

Heinriche Konrade der Schreiber im Korb.

Erndtelied.


Katholiſches Kirchenlied.


Es iſt ein Schnitter, der heißt Tod,

Hat Gewalt vom hoͤchſten Gott,

Heut wezt er das Meſſer,

Es ſchneidt ſchon viel beſſer,

Bald wird er drein ſchneiden,

Wir muͤſſens nur leiden.

Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

Was heut noch gruͤn und friſch da ſteht,

Wird morgen ſchon hinweggemaͤht:

Die edlen Narciſſen,

Die Zierden der Wieſen,

Die ſchoͤn' Hiazinten,

Die tuͤrkiſchen Binden.

Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

Viel hundert tauſend ungezaͤhlt,

Was nur unter die Sichel faͤllt,

Ihr Roſen, ihr Liljen,

Euch wird er austilgen,

Auch die Kaiſer-Kronen,

[56]
Wird er nicht verſchonen.

Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

Das himmelfarbe Ehrenpreiß,

Die Tulipanen gelb und weiß,

Die ſilbernen Glocken,

Die goldenen Flocken,

Senkt alles zur Erden,

Was wird daraus werden?

Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

Ihr huͤbſch Lavendel, Roßmarein,

Ihr vielfaͤrbige Roͤſelein.

Ihr ſtolze Schwerdliljen,

Ihr krauſe Baſiljen,

Ihr zarte Violen,

Man wird euch bald holen.

Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!

Trotz! Tod, komm her, ich fuͤrcht dich nicht,

Trotz, eil daher in einem Schnitt.

Werd ich nur verletzet,

So werd ich verſetzet

In den himmliſchen Garten,

Auf den alle wir warten.

Freu' dich du ſchoͤns Bluͤmelein.

[57]

Ueberdruß der Gelahrtheit.


Opitz.


Ich empfinde faſt ein Grauen,

Daß ich, Plato, fuͤr und fuͤr

Bin geſeſſen uͤber dir;

Es iſt Zeit hinaus zu ſchauen,

Und ſich bey den friſchen Quellen

In dem Gruͤnen zu ergehn,

Wo die ſchoͤnen Blumen ſtehn,

Und die Fiſcher Netze ſtellen.

Wozu dienet das Studieren?

Als zu lauter Ungemach?

Unterdeſſen laͤuft der Bach

Unſers Lebens, uns zu fuͤhren,

Ehe wir es inne werden,

Auf ſein leztes Ende hin,

Dann koͤmmt ohne Geiſt und Sinn

Dieſes alles in die Erden.

Hola, Junge geh und frage,

Wo der beßte Trunk mag ſeyn,

Nimm den Krug, und fuͤlle Wein.

Alles Trauren, Leid und Klage

Wie wir Menſchen taͤglich haben,

Eh' der Strom uns fortgerafft,

Will ich in den ſuͤßen Saft

Den die Traube gibt, vergraben.

[58]
Kaufe gleichfalls auch Melonen,

Und vergiß des Zuckers nicht;

Schaue nur daß nichts gebricht.

Jener mag der Heller ſchonen,

Der bey ſeinem Gold und Schaͤtzen

Tolle ſich zu kraͤnken pflegt,

Und nicht ſatt zu Bette legt:

Ich will, weil ich kann, mich letzen.

Bitte meine guten Bruͤder

Auf Muſik und auf ein Glas:

Kein Ding ſchickt ſich, duͤnkt mich, daß,

Als ein Trunk und gute Lieder.

Laß' ich ſchon nicht viel zu erben,

Ey ſo hab ich edlen Wein,

Will mit andern luſtig ſeyn,

Wann ich gleich allein muß ſterben.

Schlacht bey Murten.


Von Veit Weber, aus Diebold Schillings Beſchreibung der
Burgundiſchen Kriege. Abgedruckt von Koch in der neuen Littera-
tur und Volkskunde I. B. S. 93. Von Bodmer in den altengli-
ſchen und altſchwaͤbiſchen Balladen. II. B. S. 241.


Die Zeitung flog von Land zu Land,

Vor Murten liegt Burgund!

Und jeder eilt fuͤrs Vaterland,

Zu ſtreiten mit Burgund.

[59]
Im Feld vor einem gruͤnen Wald,

Rief Knecht und Reutersmann,

Laut rief von Lothringen Renald:

„Wir wollen vorne dran.

„Die Fuͤhrer hielten kurzen Rath,

„Doch duͤnkt er uns zu lang;

„Wann endigt ſich der lange Rath,

„Iſt ihnen etwa bang?

„Schon ſteht die Sonn am Himmel hoch,

„Nicht traͤg im blauen Zelt,

„Und wir verziehen immer noch,

„Zu hauen in dem Feld!

„Zwar furchtbar knallte Karls Geſchuͤtz,

„Man gab darum nicht viel;

„Man achtete nicht in der Hitz,

„Ob der und jener fiel.

„Im weiten Kreiſe blizt das Schwerdt,

„Auslangt der lange Spieß;

„Blut duͤrſtete das breite Schwerdt,

„Blut trank der lange Spieß.

„Der Welſche kaͤmpfte kurze Zeit,

„Der Knecht und Ritter lief;

„Das weite Feld ward uͤberſtreut

„Mit Speeren Kniees tief.

„Der floh zum Strauch — der floh zum Hayn

„Vorm hellen Sonnen-Licht,

[60]
„Viel ſprangen in die See hinein,

„Und duͤrſteten doch nicht.

„Sie ſchwammen wie der Enten Schaar

„Im Waſſer hin und her,

„Als waͤr es wilder Entenſchaar

„Schoß man ſie im Geroͤhr.

„Auf Schiffen fuhr man in den See,

„Schlug ſie mit Rudern todt.

„Das Waidwort war nur Ach und Weh,

„Die gruͤne See ward roth.

„Viel klommen auf die Baͤume hoch,

„Die ſchoß man wie die Kraͤhn;

„Die Fittich fehlten ihnen noch,

„Sie mocht der Wind nicht wehn.

„Zwo Meilen lang bedeckte ſich,

„Das Land mit Tod und Blut

„Das Land, der Strauch, die Roſe glich

„Dem ſchwarzen Menſchenblut.

„Den Bergen war die Sonne nah,

„Die uns den Sieg gebracht;

„Die Welſchen, die man leben ſah,

„Die dankten es der Nacht.

„Ein Lager einem Marktplatz gleich

„Kam in der Schweizer Hand.

„Karl machte ſchnell den Bettler reich,

„Im armen Schweizerland.

[61]
„Schachzabel iſt ein Koͤnigsſpiel,

„Jezt ſpielts der Eidgenoß,

„Er nahm ihm ſeiner Fenden viel,

„Die Seite ſtand ihm bloß.

„Die Rochen halfen ihm nicht viel,

„Die Roſſe litten Noth;

„Er wende ſich, wohin er will,

„Schachmatt iſt ihm gedroht.“

Der hatte ſelbſt die Hand am Schwerdt,

Der dieſen Reim gemacht;

Bis Abends maͤht' er mit dem Schwerdt,

Des Nachte ſang er die Schlacht.

Er ſchwang die Saiten und das Schwerdt,

Ein Fiedler und Soldat,

Den Herren und den Maͤdchen werth,

Dem Taͤnzer und Praͤlat.

Die mich gebahr, das gute Weib,

Sie kuͤßte mich, und Veit,

Heiß Veit, ſo ſprach das gute Weib!

Veit heiß ich immerſeit.

Liebesprobe.


Fliegendes Blat.


Es ſah eine Linde ins tiefe Thal,

War unten breit und oben ſchmal,

[62]
Worunter zwey Verliebte ſaßen,

Vor Lieb' ihr Leid vergaßen.

„Feins Liebchen wir muͤſſen von einander,

„Ich muß noch ſieben Jahre wandern;“

„Mußt du noch ſieben Jahr wandern,

„So heurath ich mir keinen andern.“

Und als nun die ſieben Jahr um waren,

Sie meinte ihr Liebchen kaͤme bald,

Sie ging wohl in den Garten,

Ihr feines Liebchen zu erwarten.

Sie ging wohl in das gruͤne Holz,

Da kam ein Reuter geritten ſtolz;

„Gott gruͤße dich Maͤgdlein feine,

„Was machſt du hier alleine.

„Iſt dir dein Vater oder Mutter gram,

„Oder haſt du heimlich einen Mann?“

„Mein Vater und Mutter ſind mir nicht gram,

„Ich hab' auch heimlich keinen Mann.

„Geſtern wars drey Wochen uͤber ſieben Jahr,

„Da mein feines Liebchen ausgewandert war.“

„Geſtern bin ich geritten durch eine Stadt,

„Da dein feins Liebchen hat Hochzeit gehabt.

„Was thuſt du ihm denn wuͤnſchen,

„Daß er nicht gehalten ſeine Treu?“

„Ich wuͤnſch ihm ſo viel gute Zeit,

„So viel wie Sand am Meere breit.“

[63]
Was zog er von ſeinem Finger?

Ein'n Ring von reinem Gold gar fein.

Er warf den Ring in ihren Schooß,

Sie weinte, daß der Ring gar floß.

Was zog er aus ſeiner Taſchen?

Ein Tuch ſehr weiß gewaſchen.

„Trockne ab, trockne ab dein Aeugelein,

„Du ſollſt hinfort mein eigen ſeyn.

„Ich thu dich nur verſuchen,

„Ob du wuͤrd'ſt ſchwoͤren oder fluchen;

„Haͤtt'ſt du einen Fluch oder Schwur gethan,

„So waͤr ich gleich geritten davon.“

Der Falke.


Muͤndlich.


Waͤr ich ein wilder Falke,

Ich wollt mich ſchwingen auf,

Und wollt mich niederlaſſen

Vor meines Grafen Haus.

Und wollt mit ſtarken Fluͤgel,

Da ſchlagen an Liebchens Thuͤr,

Daß ſpringen ſollt der Riegel,

Mein Liebchen traͤt herfuͤr.

„Hoͤrſt du die Schluͤſſel klingen,

„Dein Mutter iſt nicht weit,

[64]
„So zieh mit mir von hinnen

„Wohl uͤber die Heide breit.“

Und wollt in ihrem Nacken

Die goldnen Flechten ſchoͤn

Mit wilden Schnabel packen,

Sie tragen zu dieſer Hoͤhn.

Ja wohl zu dieſer Hoͤhen,

Hier waͤr ein ſchoͤnes Neſt,

Wie iſt mir doch geſchehen,

Daß ich geſetzet feſt.

Ja truͤg ich ſie im Fluge,

Mich ſchoͤß der Graf nicht todt,

Sein Toͤchterlein zum Fluche,

Das fiele ſich ja todt.

So aber ſind die Schwingen

Mir alleſamt gelaͤhmt,

Wie hell ich ihr auch ſinge,

Mein Liebchen ſich doch ſchaͤmt.

Die Eile der Zeit in Gott.


Fliegendes Blat.


Der Commandant zu Groswardeyn,

Der haͤtt' ein einzig Toͤchterlein,

Thereſia ihr Nahmen war,

Gott'sfuͤrchtig, zuͤchtig, keuſch und klar.

[65]
Sie war von ihrer Jugend an

Der Andacht alſo zugethan,

Mit Beten, Singen allezeit

Lobt ſie die heilig' Dreifaltigkeit.

Wenn ſie nur Jeſum nennen hoͤrt,

So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt,

Auf Jeſum war ihr Thun gericht,

Zu ſeiner Braut ſie ſich verpflicht.

Ein edler Herr thaͤt um ſie freyn,

Der Vater gab den Willen drein

Die Mutter zu der Tochter ſpricht:

„Mein Kind, nur dieſen laſſe nicht.“

Die Tochter ſprach: „Ach Mutter mein!

„Das kann und mag ja nicht ſo ſeyn,

„Mein Braͤutigam iſt ſchon beſtellt,

„Derſelb' iſt nicht auf dieſer Welt.“

Die Mutter ſprach: „Ach Tochter mein!

„Ach thu uns nicht zuwider ſeyn!

„Wir ſind nunmehr zwey alte Leut,

„Mit Geld hat uns Gott auch erfreut.“

Die Tochter fing zu weinen an:

„Ich hab ſchon einen Braͤutigam,

„Dem ich mich hab verſprochen ganz,

„Zu tragen meinen Jungfernkranz.“

Der Vater ſprach: „Es kann nicht ſeyn,

„Mein Kind, das bilde dir nicht ein,

5.
[66]
„Wo willt du bleiben mit der Zeit,

„Sehr alt ſind wir ſchon alle beyd.“

Der edle Herr bald wieder kam,

Da ſtellte man die Hochzeit an,

Denn alles war voraus bereit,

Die Braut war voller Traurigkeit.

Sie ging in ihren Garten fruͤh,

Da fiel ſie nieder auf die Knie,

Sie rief von ganzem Herzen an

Jeſum, ihren liebſten Braͤutigam.

Sie lag auf ihrem Angeſicht,

Viel Seufzer ſie zu Jeſu ſchickt.

Der liebſte Jeſus ihr erſchien,

Und ſprach: „Schau, meine Braut, vernimm:

„Du ſollt jezt und in kurzer Zeit,

„Bey mir ſeyn in der wahren Freud,

„Und mit den lieben Engelein

„In voller Freud und Wonne ſeyn.“

Er gruͤßt die Jungfrau wunderſchoͤn,

Die Jungfrau thaͤt vor ihme ſtehn,

Schamhaftig, ſchlaͤgt die Augen nieder,

Empfing gar ſchoͤne Jeſum wieder.

Der Juͤngling an zu reden fing,

Verehrt ihr einen goldnen Ring;

„Schau da, mein' Braut zum Liebespfand,

„Tragt dieſen Ring an Eurer Hand.“

[67]
Die Jungfrau da ſchoͤn' Roſen brach,

„Mein Braͤutigam,“ zu Jeſu ſprach:

„Hiermit ſey du von mir beehrt,

„Ewig mein Herz ſonſt keinen begehrt.“

Da gingen die verliebte Zwey,

Brachen der Blumen mancherley;

Jeſus da ſprach zu ſeiner Braut:

„Kommt! meinen Garten auch beſchaut.“

Er nahm die Jungfrau bey der Hand,

Fuͤhrt ſie aus ihrem Vaterland,

In ſeines Vaters Garten ſchoͤn,

Darinnen viele Blumen ſtehn.

Die Jungfrau da mit Freud und Luſt

Koͤſtliche Fruͤchte hat verſucht,

Kein Menſch ſich nicht einbilden kann,

Was da fuͤr edle Fruͤchte ſtehn.

Sie hoͤrt da Muſik und Geſang,

Die Zeit und Weil wird ihr nicht lang,

Die ſilberweiße Baͤchelein,

Die fließen da ganz klar und rein.

Der Juͤngling ſprach' zu ſeiner Braut:

„Meinen Garten habt ihr nun beſchaut,

„Ich will Euch geben das Geleit

„In Euer Land, es iſt nun Zeit.“

Die Jungfrau ſchied mit Traurigkeit,

Kam vor die Stadt in kurzer Zeit,

[68]
Die Waͤchter hielten ſie bald an,

Sie ſprach: „Laßt mich zum Vater gehn.“

Wer iſt ihr Vater, man ſie fragt?

„Der Commandant“ ſie frei ausſagt,

Der Eine Waͤchter aber ſpricht:

„Der Commandant kein Kind hat nicht.“

An ihrer Kleidung man erkannt,

Daß ſie auch ſey von hohem Stand,

Ein Waͤchter ſie gefuͤhret hat

Bis vor die Herren in der Stadt.

Die Jungfrau ſagt und blieb dabey,

Der Commandant ihr Vater ſey,

Und ſey ſie nur erſt vor zwey Stund

Hinausgegangen da jetzund.

Den Herren nahm es Wunder ſehr,

Man fragt, wo ſie geweſen waͤr,

Ihr's Vaters Nahm, Stamm und Geſchlecht,

Das mußte ſie erklaͤren recht.

Man ſuchte auf die alte Schrift,

Unter andern man auch dies antrift,

Daß ſich ein Braut verloren hat

Zu Groß-Wardein in dieſer Stadt.

Der Jahre Zahl man bald nachſchlaͤgt,

Hundert und zwanzig Jahr austraͤgt,

Die Jungfrau war ſo ſchoͤn und klar,

Als wenn ſie waͤre fuͤnfzehn Jahr.

[69]
Dabey die Herren wohl erkannt,

Daß dies ein Werk von Gottes Hand,

Man trug der Jungfrau vor viel Speis,

Im Augenblick ward ſie ſchneeweis.

„Nichts leibliches ich mehr begehr,“

Sie bat, „bringt mir den Prieſter her,

„Daß ich empfang vor meinem End

„Den wahren Leib im Sacrament.“

Sobald nun dieſes iſt geſchehn,

Viel Chriſten-Menſchen es geſehn,

Ward ihr ohn alles Weh und Schmerz

Gebrochen ab ihr reines Herz.

Das Rautenſtraͤuchelein.


Muͤndlich.


Gar hoch auf jenem Berg allein

Da ſteht ein Rautenſtraͤuchelein,

Gewunden aus der Erden

Mit ſonderbar Geberden.

Mir traͤumt ein wunderlicher Traum,

Da unter dieſem Rautenbaum,

Ich kann ihn nicht vergeſſen,

So hoch ich mich vermeſſen.

Es wollt ein Maͤdchen Waſſer holen,

Ein weiſſes Hemdlein hatt ſie an,

[70]
Dadurch ſchien ihr die Sonnen,

Da uͤberm kuͤhlen Bronnen.

Waͤr ich die Sonn, waͤr ich der Mond,

Ich bliebe auch, wo Liebe wohnt;

Ich waͤr mit leiſen Tritten,

Wohl um Feinslieb geſchritten.

Die Nonne.


Muͤndlich.


Stund ich auf hohen Bergen

Und ſah wohl uͤber den Rhein,

Ein Schifflein ſah ich fahren,

Der Ritter waren drey,

Der juͤngſte, der darunter war,

Das war ein Grafenſohn,

Haͤtt' mir die Eh verſprochen,

So jung als er noch war.

Er that von ſeinem Finger herab,

Ein Ringlein von Golde ſo roth:

„Nimm hin, du Huͤbſche, du Feine,

„Trag ihn nach meinem Tod!“

„Was ſoll ich mit dem Ringlein thun,

„Wenn ichs nicht tragen darf?“

„Ey ſag, du haſts gefunden,

„Drauſſen im gruͤnen Gras;“

[71]
„Ey das waͤre ja gelogen,

„Stuͤnd mir gar uͤbel an,

„Viel lieber will ich ſagen:

„Der jung Graf waͤr mein Mann.“

„Ey, Jungfer, waͤrt ihr ein wenig reich,

„Waͤrt ihr ein edler Zweig,

„Fuͤrwahr ich wollt euch nehmen,

„Wir waͤren einander gleich!“

„Und ob ich ſchon nicht reiche bin,

„Aller Ehren bin ich voll.

„Meine Ehr will ich behalten,

„Bis daß meins Gleichen kommt.“

„Kommt aber deines Gleichen nicht,

„Was faͤngſt du darnach an?“

„Darnach geh ich in das Kloſter,

„Zu werden eine Nonn'“

Es ſtund wohl an ein Vierteljahr,

Dem Grafen traͤumts gar ſchwer,

Als ob ſein herzallerliebſter Schatz

Ins Kloſter zogen waͤr.

„Steh auf, ſteh auf, lieb Reitknecht mein!

„Sattel mir und dir ein Pferd,

„Wir wollen reiten uͤber Berg und Thal,

„Das Maͤdel iſt alles werth.“

Und als ſie vor das Kloſter kamen,

Sie klopften ans hohe Haus:

[72]
„Komm' raus, du Huͤbſche, du Feine,

„Komm nur ein wenig raus.“

„Was ſoll ich aber drauſſen thun?

„Hab ich ein kurzes Haar!

„Mein Haar iſt abgeſchnitten,

„Es iſt vergangen ein Jahr.“

Der Graf entſezt ſich in der Still,

Saß da auf einem Stein',

Er weint die hellen Thraͤnen,

Konnt ſich nicht wieder freun.

Mit ihren ſchneeweiſſen Haͤndelein

Graͤbt ſie dem Grafen ein Grab,

Aus ihren ſchwarzbraunen Aeugelein!

Sie ihm das Weihwaſſer gab.

So muß es allen Junggeſellen gehn,

Die trachten nach großem Gut!

Sie haͤtten als gern ſchoͤne Weiber,

Sind aber nicht reich genug.

Rewelge.


Muͤndlich.


Des Morgens zwiſchen dreyn und vieren

„Da muͤſſen wir Soldaten marſchieren

„Das Gaͤßlein auf und ab;

[73]
„Tralali, Tralaley, Tralala,

„Mein Schaͤtzel ſieht herab.

„Ach Bruder jetzt bin ich geſchoſſen,

„Die Kugel hat mich ſchwer getroffen,

„Trag mich in mein Quartier,

„Tralali, Tralaley, Tralala,

„Es iſt nicht weit von hier.

„Ach Bruder ich kann dich nicht tragen,

„Die Feinde haben uns geſchlagen,

„Helf dir der liebe Gott;

„Tralali, Tralaley, Tralala,

„Ich muß marſchieren in Tod.

„Ach Bruͤder! ihr geht ja voruͤber,

„Als waͤr es mit mir ſchon voruͤber,

„Ihr Lumpenfeind ſeyd da;

„Tralali, Tralaley, Tralala,

„Ihr tretet mir zu nah.

„Ich muß wohl meine Trommel ruͤhren,

„Sonſt werde ich mich ganz verlieren;

„Die Bruͤder dick geſaͤet,

„Tralali, Tralaley, Tralala,

„Sie liegen wie gemaͤht.“

Er ſchlaͤgt die Trommel auf und nieder,

Er wecket ſeine ſtillen Bruͤder,

Sie ſchlagen ihren Feind,

[74]
Tralali, Tralaley, Tralala,

Ein Schrecken ſchlaͤgt den Feind.

Er ſchlaͤgt die Trommel auf und nieder,

Sie ſind vorm Nachtquartier ſchon wieder,

Ins Gaͤßlein hell hinaus,

Tralali, Tralaley, Tralala,

Sie ziehn vor Schaͤtzels Haus.

Da ſtehen Morgens die Gebeine

In Reih und Glied wie Leichenſteine,

Die Trommel ſteht voran,

Tralali, Tralaley, Tralala,

Daß Sie Ihn ſehen kann.

Faſtnacht.


Feiner Almanach.


Die Faſtnacht bringt uns Freuden zwar

Vielmehr denn ſonſt ein ganzes halbes Jahr,

Ich mach mich auf und thaͤt ſpazieren gehen,

An einen Tanz,

Mir ward ein Kranz

Von Bluͤmlein Glanz,

Des erfreut ich mich gar ſehr.

Ich bot der Jungfrau meinen Gruß,

Ganz freundlich trat ſie mir auf meinen Fuß,

Sie ſprach: „Gut Geſell, wenn ich dir ſagen ſollt,

[75]
„Wenn du nur wollſt,

„Ich waͤr dir hold.

„Kein Silber und Gold

„Iſt meiner Lieb ein Sold.

„Hinter meins Vaters Hof ſteht ein Thuͤr,

„Da iſt weder Schloß noch Riegel dafuͤr,

„Da geh hinein, daß man dich nicht ſeh noch ſpuͤr,

„Sie iſt geſchmiert,

„Daß ſie nicht klirrt,

„Kein Menſch dich irrt,

„Tritt froͤhlich hinein zu mir.“

Des Nachts hob ſich ein Wetter groß,

Das uͤber Berg und tiefe Thal herfloß,

Deſſelben Wegs mich nie keinmahl verdroß;

Ich ſtahl mich aus,

Still wie ein Maus,

Und kam ins Haus,

Und lebt im Saus,

Mit der Lieben die ganze Nacht.

Die Diebsſtellung.


Muͤndlich.


Maria in den Garten trat,

Begegnen ihr drey Juͤngling zart.

Der erſte war Sankt Daniel,

Dann Raphael, dann Michael.

[76]
Sankt Daniel zu ihr da lacht,

Die Jungfrau ſpricht: „Was haſt gelacht?“

Sankt Daniel ſpricht: „Ich wacht zu Nacht,

„Zwey Dieb die hatten ſich erdacht:

„Vermaſſen ſich wohl zu geſchwind,

„Zu ſtehln dein allerliebſtes Kind.“

Sie ſpricht: „Das wird nun werden gut,

„Dann wer mein Kindlein ſtehlen thut,

„Den muͤſt ihr binden an die Schwell,

„Daß er nicht kann von ſeiner Stell.“

„Sankt Raphael, Sankt Michael,

„Ihr bindet ihn da an die Stell.“

Sankt Daniel ſprach: „Ey ſeht nur an,

„Da ſtehen ſie noch Mann fuͤr Mann.

„Der Schweiß der laͤuft von ihnen ſehr,

„Die wagen umzuſehn nicht mehr,

„Gebunden ſind in eiſerm Band,

„An Gottes Erd, von Gottes Hand,

„Sie ſtehen da wie Stock und Stein,

„Bis ſie die Stern gezaͤhlet ein,

„Bis ſie den Sand am Meer gezaͤhlt,

„Die ungebornen Kind der Welt.“

[77]
Maria ſie aus Banden nahm,

Wer Rechtes thut hat keine Scham.

Waſſersnoth.


Muͤndlich.


Zu Koblenz auf der Bruͤcken

Da lag ein tiefer Schnee,

Der Schnee der iſt verſchmolzen,

Das Waſſer fließt in See.

Es fließt in Liebchens Garten,

Da wohnet niemand drein,

Ich kann da lange warten,

Es wehn zwey Baͤumelein.

Die ſehen mit den Kronen

Noch aus dem Waſſer gruͤn,

Mein Liebchen muß drin wohnen,

Ich kann nicht zu ihr hin.

Wenn Gott mich freundlich gruͤßet

Aus blauer Luft und Thal,

Aus dieſem Fluſſe gruͤßet,

Mein Liebchen mich zumal.

Sie geht nicht auf der Bruͤcken,

Da gehn viel ſchoͤne Fraun,

Sie thun mich viel anblicken,

Ich mag die nicht anſchaun.

[78]

Tambursgeſell.


Fliegendes Blat.


Ich armer Tambursgeſell,

Man fuͤhrt mich aus dem Gewoͤlb,

Ja aus dem Gewoͤlb,

Waͤr ich ein Tambur blieben,

Duͤrft ich nicht gefangen liegen,

Nicht gefangen liegen.

O Galgen, du hohes Haus,

Du ſiehſt ſo furchtbar aus,

So furchtbar aus,

Ich ſchau dich nicht mehr an,

Weil i weiß i gehoͤr daran,

Daß i gehoͤr daran.

Wenn Soldaten vorbey marſchieren,

Bey mir nit einquartieren,

Nit einquartieren,

Wann ſie fragen wer i g'weſen bin:

Tambur von der Leib-Kompanie,

Von der Leib-Kompanie.

Gute Nacht ihr Marmelſtein,

Ihr Berg und Huͤgelein,

Und Huͤgelein,

Gute Nacht ihr Offizier,

Korporal und Musketier,

Und Musketier.

[79]
Gute Nacht ihr Offizier,

Korporal und Grenadier,

Und Grenadier.

Ich ſchrei mit heller Stimm,

Von Euch ich Urlaub nimm,

Ja Urlaub nimm.

David.


Fliegendes Blat von Kloſter Einſiedeln.


Ich war der Kleinſte meiner Bruͤder,

Und meines Vaters juͤngſter Sohn;

Ich ſtellte kuͤhn mich dem zuwider,

Vor dem ein Schaͤflein laͤuft davon:

Ich mußte meinem Vater ſeyn

Ein Huͤter ſeiner Laͤmmerlein.

Hierbey hab ich mir eingerichtet

Ein Harfenſpiel mit meiner Hand,

Und meinem Gott ein Buch gedichtet;

Wer aber macht es ihm bekannt?

Wer ſaget meinem Herrn es an,

Daß ich die Pſalter harfen kann?

Du ſelber, Herr! haſt mich gehoͤret,

Was meiner Saiten Spiel vermag,

Und was mich deine Furcht gelehret,

Da ich bey deinen Schafen lag:

[80]
Um dieſes haſt du mich gebracht,

Und mich zum Koͤnig dann gemacht.

Ob ich von meinen Bruͤdern allen

Der Kleinſte gleich geweſen bin,

So hat doch keiner dir gefallen,

Als ich nur, David war dir fein,

Ich mußte von den Schafen gehen,

Und unter einer Krone ſtehen.

Ich der Geringſte mußt es wagen

Mit dem geharniſchten Goliath,

Und ihm das boͤſe Haupt abſchlagen,

Das dich und mich gehoͤhnet hat:

Er ſchwur bey ſeinem Goͤtzen mir

Den Tod, und ſelbſt ſtarb er dafuͤr.

Sein Schwerdt hab ich ihm ausgezogen,

Und ihm vom Leib den Hals entzweyt,

Daß ihm der Geiſt iſt ausgeflogen,

Mit ungeſtuͤmmer Grauſamkeit:

Hiemit hat meine Siegeshand

Die Schmach von Iſrael gewandt.

Sollen und Muͤſſen.


Muͤndlich.


Ich ſoll und muß ein Buhlen haben,

Trabe dich Thierlein, trabe,

[81]
Und ſollt ich ihn aus der Erde graben,

Trabe dich Thierlein, trabe.

Das Murmelthierlein hilft mir nicht,

Es hat ein muͤrriſch Angeſicht,

Und will faſt immer ſchlafen.

Ich ſoll und muß ein Buhlen erringen,

Schwinge dich Falke, ſchwing dich,

Du ſollſt mir ihn aus den Luͤften bringen,

Schwinge dich Falke, ſchwing dich.

Das Turteltaͤublein hilft mir nicht,

Schnurren und girren kann ich nicht,

Sein Leben muß es laſſen.

Ich ſoll und muß ein Buhlen finden,

Laufe mein Huͤndlein, laufe,

Und ſollt ich ihn fangen mit meinen Winden,

Laufe mein Huͤndlein, laufe.

Der edle Hirſch er hilft mir nicht,

Sein Horn iſt mir zu hoch gericht,

Er moͤchte mich erſtechen.

Ich ſoll und muß ein Buhlen haben,

Schalle mein Hoͤrnlein, ſchalle,

Und wen du rufſt, der muß mich laben,

Schalle mein Hoͤrnlein, ſchalle.

Drey ſchoͤne Thierlein ſtellen ſich,

Die holt kein Hund, kein Falke nicht,

Die muß ich ſelber fangen.

6.
[82]
Ich ſoll und muß ein Roͤßlein haben,

Nimm mich Jaͤgerlein, nimm mich,

Ich moͤcht gern durch die Waͤlder traben,

Nimm mich, Jaͤgerlein nimm mich.

Trabſt du gern, ſo nimm mein Roß,

So waͤr ich dann das Elßlein los,

Ade, Ade, mein Roͤßlein!

Ich ſoll und muß ein Falken kriegen,

Nimm mich, Jaͤgerlein nimm mich,

Der muß mit mir zum Himmel fliegen,

Nimm mich, Jaͤgerlein uimm mich.

Nimm hin, nimm hin mein Federſpiel,

Lieb Baͤrbelein du warſt zu viel,

Ade, Ade, mein Falke.

Ich ſoll und muß ein Kuͤßlein haben,

Kuͤß mich, Jaͤgerlein kuͤß mich,

Du ſollſt und mußt einen Jaͤger haben,

Kuͤß mich, Jungfraͤulein kuͤß mich.

Die dritt, die dritt, die nenn ich nicht,

Sie hat ein klares Angeſicht,

Und ſoll mir nicht erroͤthen.

[83]

Liebesdienſt.


Muͤndlich durch die guͤtige Bemuͤhung des Herrn A. B. Grimm aus Schluͤch-
tern bei Heilbronn, eines Studierenden in Heidelberg, dem wir noch einige
andere verdanken.


Es war ein Markgraf uͤber dem Rhein,

Der hatte drey ſchoͤne Toͤchterlein;

Zwey Toͤchterlein fruͤh heirathen weg,

Die dritt hat ihn ins Grab gelegt.

Dann ging ſie ſingen vor Schweſters Thuͤr:

„Ach braucht ihr keine Dienſtmagd hier?“

„Ei Maͤdchen, du biſt mir viel zu fein,

„Du gehſt gern mit den Herrelein.“

„Ach nein! ach nein! das thu ich nicht,

„Daß ich ſo mit den Herrlein geh!“

Sie dingt das Maͤgdlein ein halbes Jahr,

Das Maͤgdlein dient ihr ſieben Jahr.

Und als die ſieben Jahr um warn,

Da wurd das Maͤgdlein taͤglich krank;

„Sag Maͤgdlein, wenn du krank willſt ſeyn,

„So ſag mir, wer ſind die Aeltern dein?“

„Mein Vater war Markgraf uͤber dem Rhein,

„Und ich bin ſein juͤngſtes Toͤchterlein.“

„Ach nein! ach nein, das glaub ich nicht,

„Daß du meine juͤngſte Schweſter biſt!“

„Und wenn du mir's nicht glauben willſt,

„So geh nur an meine Kiſte hin,

[84]
„Daran wird es geſchrieben ſtehn.“

Und als ſie an die Kiſte kam,

Da rannen ihr die Backen ab:

„Ach bringt mir Weck, ach bringt mir Wein,

„Das iſt mein juͤngſtes Schweſterlein!“

„Ich will auch kein Weck, ich will auch kein Wein,

„Will nur ein kleines Laͤdelein,

„Darin ich will begraben ſeyn.“

Geht dir's wohl, ſo denk an mich.


Muͤndlich.


Er.
Wenn ich geh vor mir auf Weg und Straßen,

Sehen mich ſchon alle Leute an,

Meine Augen gießen helles Waſſer,

Weil ich gar nichts anders ſprechen kann.

Ach wie oft ſind wir beyſamm geſeſſen

Manche liebe halbe ſtille Nacht,

Und den Schlaf den hatten wir vergeſſen,

Nur mit Liebe ward ſie zugebracht.

Spielet auf ihr kleinen Muſikanten,

Spielet auf ein neues neues Lied,

Und ihr Toͤne, liebliche Geſandten,

Sagt Ade, weil ich auf lange ſcheid.

[85]
Muſikanten.
Ach in Trauren muß ich ſchlafen gehn,

Ach in Trauren muß ich fruͤh aufſtehn,

In Trauren muß ich leben meine Zeit,

Dieweil ich nicht kann haben, die mein Herz erfreut.

Sie.
Ach ihr Berg und tiefe, tiefe Thal,

Seh ich meinen Schaz zum lezten Mahl?

Die Sonne, der Mond, das ganze Firmament,

Die ſollen mit mir traurig ſeyn bis an mein End.

Muſikanten.
Ach in Trauren muß ich ſchlafen gehn,

Ach in Trauren muß ich fruͤh aufſtehn,

In Trauren muß ich leben meine Zeit,

Dieweil ich nicht kann haben, die mein Herz erfreut.

Sie.
Geht dirs wohl, ſo denke du an mich,

Gehts dir uͤbel, ach ſo kraͤnkt es mich,

Wie froh wollt ich ſchon ſeyn, wenns wohl dir geht,

Wenn ſchon mein jung friſch Leben in Trauren ſteht.

Er.
Ach ihr Berge und tiefe tiefe Thal,

Ach ihr ſeht mein Lieb noch tauſendmal,

Ach tauſendmal ihr tiefe tiefe Thal,

Ihr ſteht doch ewig ferne, ich nur bin ihr nah.

[86]

Der Tannhaͤuſer.


Venus-Berg von Kornmann, dann in Praͤtorii Bloksberg-Verrichtung.
Leipzig, 1568. S. 19-25.


Nun will ich aber heben an,

Vom Tannhaͤuſer wollen wir ſingen,

Und was er wunders hat gethan,

Mit Frau Venuſſinnen.

Der Tannhaͤuſer war ein Ritter gut,

Er wollt groß Wunder ſchauen,

Da zog er in Frau Venus Berg,

Zu andern ſchoͤnen Frauen.

„Herr Tannhaͤuſer, Ihr ſeyd mir lieb,

„Daran ſollt Ihr gedenken,

„Ihr habt mir einen Eid geſchworen,

„Ihr wollt nicht von mir wanken.“

„Frau Venus, ich hab' es nicht gethan,

„Ich will dem widerſprechen,

„Denn niemand ſpricht das mehr, als Ihr,

„Gott helf mir zu den Rechten.“

„Herr Tannhaͤuſer, wie ſaget ihr mir!

„Ihr ſollet bey uns bleiben,

„Ich geb Euch meiner Geſpielen ein,

„Zu einem eh'lichen Weibe.

„Nehme ich dann ein ander Weib,

„Als ich hab in meinem Sinne,

[87]
„So muß ich in der Hoͤllen-Gluth,

„Da ewiglich verbrennen.“

„Du ſagſt mir viel von der Hoͤllengluth,

„Du haſt es doch nicht befunden,

„Gedenk an meinen rothen Mund,

„Der lacht zu allen Stunden.“

„Was hilft mich Euer rother Mund,

„Er iſt mir gar unmehre,

„Nun gib mir Urlaub Frau Venus zart,

„Durch aller Frauen Ehre.“

„Herr Tannhaͤuſer, wollt Ihr Urlaub han,

„Ich will Euch keinen geben,

„Nun bleibet edler Tannhaͤuſer zart,

„Und friſchet Euer Leben.“

„Mein Leben iſt ſchon worden krank,

„Ich kann nicht laͤnger bleiben,

„Gebt mir Urlaub Fraue zart,

„Von Eurem ſtolzen Leibe.“

„Herr Tannhaͤuſer nicht ſprecht alſo,

„Ihr ſeyd nicht wohl bey Sinnen,

„Nun laßt uns in die Kammer gehn,

„Und ſpielen der heimlichen Minnen.“

„Eure Minne iſt mir worden leid,

„Ich hab in meinem Sinne,

„O Venus, edle Jungfrau zart,

„Ihr ſeyd ein Teufelinne.“

[88]
„Tannhaͤuſer ach, wie ſprecht Ihr ſo,

„Beſtehet Ihr mich zu ſchelten?

„Sollt ihr noch laͤnger bei uns ſeyn,

„Des Worts muͤßt Ihr entgelten.

„Tannhaͤuſer wollt Ihr Urlaub han,

„Nehmt Urlaub von den Greiſen,

„Und wo Ihr in dem Land umbfahrn,

„Mein Lob das ſollt Ihr preiſen.“

Der Tannhaͤuſer zog wieder aus dem Berg,

In Jammer und in Reuen:

„Ich will gen Rom in die fromme Stadt,

„All auf den Pabſt vertrauen.

„Nun fahr ich froͤhlich auf die Bahn,

„Gott muß es immer walten,

„Zu einem Pabſt, der heißt Urban,

„Ob er mich wolle behalten.

„Herr Pabſt Ihr geiſtlicher Vater mein,

„Ich klag Euch meine Suͤnde,

„Die ich mein Tag begangen hab,

„Als ich Euch will verkuͤnden.

„Ich bin geweſen ein ganzes Jahr,

„Bey Venus einer Frauen,

„Nun will ich Beicht und Buß empfahn,

„Ob ich moͤcht Gott anſchauen.“

Der Pabſt hat einen Stecken weiß,

Der war vom duͤrren Zweige:

[89]
„Wann dieſer Stecken Blaͤtter traͤgt,

„Sind dir deine Suͤnden verziehen.“

„Sollt ich leben nicht mehr denn ein Jahr,

„Ein Jahr auf dieſer Erden,

„So wollt ich Reu und Buß empfahn,

„Und Gottes Gnad erwerben.“

Da zog er wieder aus der Stadt,

In Jammer und in Leiden:

„Maria Mutter, reine Magd,

„Muß ich mich von dir ſcheiden,

„So zieh ich wieder in den Berg,

„Ewiglich und ohn Ende,

„Zu Venus meiner Frauen zart,

„Wohin mich Gott will ſenden.“

„Seyd willkommen Tannhaͤuſer gut,

„Ich hab Euch lang entbehret,

„Willkommen ſeyd mein liebſter Herr,

„Du Held, mir treu bekehret.“

Darnach wohl auf den dritten Tag,

Der Stecken hub an zu gruͤnen,

Da ſandt man Boten in alle Land,

Wohin der Tannhaͤuſer kommen.

Da war er wieder in den Berg,

Darinnen ſollt er nun bleiben,

So lang bis an den juͤngſten Tag,

Wo ihn Gott will hinweiſen.

[90]
Das ſoll nimmer kein Prieſter thun,

Dem Menſchen Mistroſt geben,

Will er denn Buß und Reu empfahn,

Die Suͤnde ſey ihm vergeben.

Misheirath.


Muͤndlich.


Die Waſſerruͤben und der Kohl,

„Die haben mich vertrieben wohl,

„Haͤtt' meine Mutter Fleiſch gekocht,

„Ich waͤr geblieben immer noch.

„Wenn ich nur einmal Jaͤger waͤr,

„Drey ſchoͤne Flinten kauft ich mir,

„Drey ſchoͤne Flinten, einen Hund,

„Ein ſchoͤnes Maͤdchen kugelrund.“

Die ſchoͤne Jaͤgrin fand er bald,

Auf ſeinem Weg im dichten Wald,

Die Jungfer war wohl kugelrund,

Sie nahm ihn ohne Flint und Hund.

Er geht mit ihr vor Mutters Haus,

Die Mutter gukt zum Schornſtein raus:

„Ach Sohn! ach lieber Sohne mein,

„Was bringſt mir fuͤr ein Stachelſchwein?“

„Es iſt fuͤrwahr kein Stachelſchwein,

„Es iſt die Herzallerliebſte mein!“

[91]
„Iſt es die Herzallerliebſte dein,

„Bring ſie zu mir in Saal herein.

„Ich will auftragen Ruͤb und Kohl.“

„Frau Mutter, das der Henker hohl,

„Ich bin Mosje, den Kohl veracht,

„Den Schluͤſſel gebt, das Huhn ich ſchlacht.“

Die Alte haͤlt den Jungen auf,

Springt zu und haͤlt zehn Finger drauf:

„Du Bub, das Huͤhnlein leget frey

„Mir alle Tag vier golden Ey.

„Der Bub will alle Tage mehr,

„Nun ſchleppt er gar ein Maͤdchen her.',

„Nun dann Frau Mutter gebet her,

„Ein ander Fleiſch, das ich verehr.“

Die Alte winkt ihm freundlich zu,

Der Sohn ſich ſetzt in guter Ruh,

Sie ſchlachtet einen Kater ab,

Und bratet ihn am Zauberſtab.

Die Jaͤgrin ſprach: „Herr Braͤutigam,

„Solch Wildprett iſt mir gar zu zahm,

„Es widerſteht mir dies Geſchlecht,

„Ich bleib Mamſell und eß was recht.“

„Was Wildpret!“ ſchreit der Braͤutigam,

Der Kater war von edlem Stamm,

„Dies iſt und bleibt das Wildpret mein!“

Die Jaͤgrin laͤuft in'n Wald hinein.

[92]
„Was doch der Braut mocht kommen ein,

„Das Weggehn war nun gar nicht fein!“

Sie ſetzen ſich zum Braten hin,

Uneins und doch in einem Sinn.

Die Alte lehrt dem Sohn beim Mahl:

„Die Welt wird vornehm auf einmal,

„Dir war die magre Wildkatz recht,

„Ihr ſchien der fette Kater ſchlecht.“

Wiegenlied.


Ottmars Volksſagen. Bremen 1800. S. 43 und 44


Buko von Halberſtadt,

Bring doch meinem Kinde was,

Was ſoll ich ihm bringen?

Rothe Schuh mit Ringen,

Schoͤne Schuh mit Gold beſchlagen,

Die ſoll unſer Kindchen tragen.

Hurraſo, Burra fort,

Wagen und ſchoͤn Schuh ſind fort,

Stecken tief im Sumpfe,

Pferde ſind ertrunken,

Hurra, ſchrei nicht Reitersknecht,

Warum faͤhrſt du auch ſo ſchlecht!

[93]

Frau Nachtigal.


Fliegendes Blat.


Nachtigal ich hoͤr dich ſingen,

Das Herz moͤcht mir im Leib zerſpringen,

Komme doch und ſag mir bald,

Wie ich mich verhalten ſoll.

Nachtigal ich ſeh dich laufen,

An dem Baͤchlein thuſt du ſaufen,

Du tunkſt dein klein Schnaͤblein ein,

Meinſt es waͤr der beſte Wein.

Nachtigal wo iſt gut wohnen,

Auf den Linden, in den Kronen,

Bei der ſchoͤn Frau Nachtigal,

Gruͤß mein Schaͤtzchen tauſendmal.

Die Juden in Paſſau.


Aus einem geſchriebenen geiſtlichen Liederbuche in der Sammlung
von Clemens Brentano.


Mit Gott der allen Dingen,

Ein Anfang geben hat,

So heben wir an zu ſingen,

Ein wunderliche That.

Der Chriſtoph Eißenhammer

Durch ſein groß Miſſethat

Fing an ein großen Jammer

Zu Paſſau in der Stadt.

[94]
Zun Juden thaͤt er laufen,

Und fragen ſie behend:

„Ob ſie nit wollten kaufen,

„Das heilig Sakrament?“

Alsbald ſie Antwort gaben:

„Er ſolls ihnen bringen nun,

„Sie wollten ihm mit Gaben,

„Ein voͤllig Gnuͤge thun.“

In ſtuͤrmiſcher Nacht, im Finſtern,

Brach er die Thuͤre auf,

Von unſer Frauen Muͤnſter,

Nahm acht Partikel raus.

Um einen Gulden merk eben,

Er ſie alle acht verkauft,

Daß einer, wie zu ſehen,

Auf dreyßig Pfennig lauft.

Die Juden ließens zum Tempel,

Bald tragen auf den Altar,

Ein Meſſer ſie auszogen,

Und ſtachen grimmig drein.

Bald ſahen ſie herausfließen,

Das Blut ganz mild und reich,

Geſtalt ſich ſehen ließe,

Eim jungen Kindlein gleich.

Das brachte großen Schrecken,

Sie gingen bald zu Rath:

[95]
Zwo Hoſtien zu ſchicken,

Gen Salzburg in die Stadt.

In die Neuſtadt auch zwo ſenden,

Zwo ſchickten ſie gen Prag,

Zwo hielten ſie bei Haͤnden,

Haͤtten daruͤber Frag.

Sie meinten und verhofften,

Chriſtum auszutilgen gar,

Drum heizten ſie ein Ofen,

Worin die Hoſtien warn.

Doch ſeht vor ihren Augen

Flogen zwey Engel raus,

Dazu zwo ſchoͤne Tauben,

Das machte Furcht und Grauß.

Chriſtoph, der Uebelthaͤter,

In Suͤnden hart verblendt

Wie Judas der Verraͤther,

Stiehlt weiter was er findt.

Als er zu Germansbergen

Angriff den Kirchenſtock,

Ergriffen ihn die Schergen,

Sie ſchlugen ihn in Stock.

Da er nun lag gefangen,

Zu Paſſau im Oberhaus,

Was er je haͤtt begangen,

Bekennt er frey heraus.

[96]
Da wurden die Unthaten

Der Juden auch vermehrt,

Wie ſie gerathen hatten,

Das Sakrament entehrt.

Dem Biſchof ging zu Herzen

Solch laͤſterliche That,

Darauf ohn alles Scherzen,

Er nach ihnen greifen laͤßt.

Da haben ſie bekennet,

Daß ſie das Sakrament,

Geſtochen und gebrennet,

Und in drey Staͤdt geſendt.

Zwar vier aus den Gefangnen,

Haben ſich weiſen lahn,

Die Seeligkeit zu erlangen,

Den Glauben genommen an.

Die andern ſind verbrennet:

Die vier, ſo ſich bekehrt,

Die Chriſten ſich genennet,

Die gab man zu dem Schwerdt.

Chriſtoph ders angefangen,

Das Sakrament verkauft,

Wurd auch mit heiſſen Zangen,

Nach etlich Wochen geſtraft.

[97]

Kriegslied gegen KarlV.


Vergleiche Hartleder S. 425. S. 423. eine merkwuͤrdige Stelle uͤber den
Trommelſchlag der deutſchen Landsknechte: Die uͤbrigen Trommelſchlaͤge,
damit ein jeder etwas Neues auf die Bahn bringt, ſind ungeſchickt und
laͤcherlich, der alte, welchen ich allein fuͤr loͤblich halte, iſt wenn man
nach jeden fuͤnf gleichen Schlaͤgen etwas inne haͤlt: Top, top, top, top
top: top, top, top, top, top. Durch ſolchen Trommelſchlag werden bei-
des die Gemuͤther zur Freud und Tapferkeit erweckt, hilft auch den Leibes-
kraͤften nicht wenig. Der gemeine Haufen pflegt bei ſolchen fuͤnf Schlaͤ-
gen etliche Worte zu brauchen, als:


Huͤt dich Baur ich komm,

Mach dich bald davon;

Hauptmann gieb uns Geld,

Waͤhrend wir im Feld,

Maͤdel komm heran,

Fuͤg dich zu der Kann.

A.


Es geht ein Butzemann im Reich herum,

Didum, Didum,

Bidi, Bidi, Bum!

Der Kaiſer ſchlaͤgt die Trum

Mit Haͤnden und mit Fuͤßen,

Mit Saͤbeln und mit Spießen!

Didum, Didum, Didum.

Ach Karle großmaͤchtiger Mann,

Wie haſt ein Spiel gefangen an,

Ohn Noth in Teutſchen Landen?

Wollt Gott, du haͤttſt es baß bedacht,

Dich ſolchs nicht unterſtanden.

7.
[98]
Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Ach Karle ſieh dich beſſer vor,

Bedenk den Feind vor deinem Thor,

Wenn du zu Pabſt Gefallen

Solch greulich Mord willſt richten an,

Wovon die Land erſchallen.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Ach denke an Pabſt Hildebrandt,

Er regte Krieg im Teutſchen Land,

Den Kaiſer zu vertreiben,

Und hetzte an viel Fuͤrſten ſtark,

Im Bann mußt er ſtets bleiben.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Der Pabſt zum Kaiſer waͤhlen ließ,

Ein Fuͤrſten Rudolph Kaiſer hieß,

Ein Kron thaͤt er ihm ſenden,

Gebot den Fuͤrſten allzugleich,

Von Heinrich ſich zu wenden.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Da ward vergoſſen großes Blut,

Als ſich beſchuͤtzt der Kaiſer gut,

Und Rudolph hat verloren

Die Schlacht und ſeine rechte Hand,

Mit der er falſch geſchworen.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Ach Hildebrand der feyert nicht,

Des Kaiſers Sohn er auch anricht,

[99]
Den Vater zu verjagen,

Das Reich darob zerriſſen ward,

Viel edles Volk erſchlagen.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Der Kaiſer muß vorm Papſte ſtehn,

Im Suͤnderhemd ganz nackt im Schnee,

Der Papſt der ließ ihn ſtehen,

Er lag in ſeiner Buhlen Schooß,

So wird es dir noch gehen.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Ach denk der ganze Kaiſerſtamm

Durch Paͤpſte [in] groß Jammer kam,

Die Teutſche Macht zerriſſen,

Willſt du fuͤr ihre Buͤberey,

Noch den Pantoffel kuͤſſen?

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Wir haben auch auf unſrer Seit'

Ein ſtarken Held, der fuͤr uns ſtreit,

Von Macht iſt nicht ſeins Gleichen,

Gott's ewiger Sohn mit ſeinem Heer,

Dem mußt du doch noch weichen.

Es geht ein Butzemann u. ſ. w.

Dieß Liedlein iſt in Eil gemacht,

Einem jungen Landsknecht wohlgeacht

Zu freundlichem Gefallen;

Von einem, der wuͤnſcht Gluͤck und Heil

Den frommen Landsknechten allen.

[100]
Als ging der Butzemann im Reich herum,

Didum, Didum,

Bidi, Bidi, Bum!

Der Kaiſer ſchlug die Trumm,

Mit Haͤnden und mit Fuͤßen,

Die Kirchen uns wollt ſchließen,

Didum, Didum, Didum!

Der Bettelvogt.


Muͤndlich.


Ich war noch ſo jung, und war doch ſchon arm,

Kein Geld hat ich gar nicht, daß Gott ſich erbarm,

So nahm ich meinen Stab und meinen Bettelſack,

Und pfiff das Vaterunſer den lieben langen Tag.

Und als ich kam vor Heidelberg hinan,

Da packten mich die Bettelvoͤgte gleich hinten und vornen

an;

Der eine packt mich hinten, der andre packt mich vorn;

„Ey ihr verfluchte Bettelvoͤgt, ſo laßt mich ungeſchorn.“

Und als ich kam vors Bettelvogt ſein Haus,

Da ſchaut der alte Spitzbub zum Fenſter heraus,

Ich dreh mich gleich herum und ſeh nach ſeiner Frau:

„Ey du verfluchter Bettelvogt, wie ſchoͤn iſt deine Frau.“

Der Bettelvogt der faßt einen grimmen Zorn,

Er laͤßt mich ja ſetzen im tiefen tiefen Thurm,

[101]
Im tiefen tiefen Thurm bey Waſſer und bey Brodt,

„Ey du verfluchter Bettelvogt, krieg du die ſchwerſte

Noth!“

Und wenn der Bettelvogt geſtorben erſt iſt,

Man ſollt ihn nicht begraben wie 'nen andern Chriſt,

Lebendig ihn begraben bey Waſſer und bey Brodt,

Wie mich der alte Bettelvogt begraben ohne Noth.

Ihr Bruͤder ſeyd nun luſtig, der Bettelvogt iſt todt,

Er haͤngt ſchon im Galgen ganz ſchwer und voller Noth,

In der verwichenen Woch am Dienſtag um halber neun,

Da haben ſie 'n gehangen in Galgen feſt hinein.

Er haͤtt die ſchoͤne Frau beynahe umgebracht,

Weil ſie mich armen Lumpen freundlich angelacht.

In der vergangenen Woch, da ſah er noch hinaus,

Und heut bin ich bei ihr in ſeinem Haus.

Von den klugen Jungfrauen.


Schuppis Schriften S. 277.


Wachet auf, ruft uns die Stimme

Der Waͤchter ſehr hoch auf der Zinne,

Wach auf du Stadt Jeruſalem,

Mitternacht heißt dieſe Stunde,

Sie rufen uns mit hellem Munde:

„Wohlan der Braͤutigam koͤmmt,

„Steht auf, die Lampen nehmt!

[102]
„Halleluja!

„Macht euch bereit

„Zu der Hochzeit,

„Ihr muͤſſet ihm entgegen gehn.“

Sie hoͤrn die Waͤchter ſingen,

Die Herzen all vor Freuden ſpringen,

Sie wachen und ſtehn eilend auf;

Ihr Freund der kommt vom Himmel praͤchtig,

Von Gnaden ſtark, von Wahrheit maͤchtig,

Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.

„Nun komm du werthe Kron,

„Herr Jeſu, Gottes Sohn!

„Hoſtana:

„Wir folgen all,

„Zum Freuden-Saal,

„Und halten mit das Abendmahl.“

Muͤllers Abſchied.


Muͤndlich.


Da droben auf jenem Berge,

Da ſteht ein goldnes Haus,

Da ſchauen wohl alle Fruͤhmorgen

Drey ſchoͤne Jungfrauen heraus;

Die eine, die heißet Eliſabeth,

Die andre Bernharda mein,

Die dritte, die will ich nicht nennen,

Die ſollt mein eigen ſeyn.

[103]
Da unten in jenem Thale,

Da treibt das Waſſer ein Rad,

Das treibet nichts als Liebe,

Vom Abend bis wieder an Tag;

Das Rad das iſt gebrochen,

Die Liebe, die hat ein End,

Und wenn zwey Liebende ſcheiden,

Sie reichen einander die Haͤnd.

Ach Scheiden, ach, ach!

Wer hat doch das Scheiden erdacht,

Das hat mein jung friſch Herzelein

So fruͤhzeitig traurig gemacht.

Dies Liedlein, ach, ach!

Hat wohl ein Muͤller erdacht;

Den hat des Ritters Toͤchterlein

Vom Lieben zum Scheiden gebracht.

Abt Neithards und ſeiner Muͤnche Chor.


Manuſcript Neithards des Minneſaͤngers, ſaͤmmtliche Streiche mit den Bau-
ren enthaltend, in meiner Bibliothek.


C. Brentano.


Ich will mich aber freuen gegen dieſen Mayen,

Der mir gar uͤppiglichen Muth ſoll verleihen,

Das ſey eim Bauer und ſeinen Geſellen leide.

Ich habe der Lieben gedient alſo lange,

Oft und viel mit meinem neuen Geſange,

Die gelben Bluͤmelein bracht ich ihr von der Heyde.

[104]
Die trug ſie gar huͤbſchlich zu dem Tanze,

Alle meine Hoffnung mußt mir werden ganze,

Da ich ſie ſah die ſaͤuberliche Magd.

Ich kam zu der Lieben ſchon gegeſſen,

Wohl vier und zwanzig Bauern, die hatten ſich vermeſſen,

Von ihne da ward ſchaͤmlich ich verjagt.

In einer weiten Stube mit Gedraͤnge,

Die weite Stube ward mir viel zu enge,

Und meines Lebens haͤtte ich naͤchſt verſagt.

Aller meiner Noth konnt ich nicht bedenken,

Um und um hin lief ich an den Baͤnken,

Bis daß ich doch die recht Thuͤr erſchreite.

Meines Unfalls Rath haͤtt ich bald vergeſſen,

Meine weiten Spruͤng die waren ungemeſſen,

Die ich vor den alten Gauchen hin ſchreite.

Dahin gen Wien, da eilt ich alſo balde,

Haͤtt ich einen Laden Tuchs mit Gewalte,

Bey hundert Ellen, darum zahlt ich gut.

Und zehn Ellen mehr, darum wollt ichs nicht laſſen,

Darum ſo wollt ich uͤppiglichen ſtoſſen

Die vier und zwanzig Bauren hochgemuthe.

Und haͤtt ich einen Schneider mit zweien Knechten,

Die mir ſchnitten die Kleider alſo gerechte,

Vier und zwanzig Kutten mußten ſie tragen.

[105]
Die eine kurz, die andere wohl gelaͤnget,

Als Gott ihnen ihr Gewaͤchs nun hat verhaͤnget,

Und oben weit gefalten um den Kragen,

Die fuͤnf und zwanzigſt Kutten will ich ſelber tragen,

Daß man fuͤr den Abt mich muͤſſe anſagen,

Wann ich in dem Land mit ihnen umfahre.

Und haͤtt ich einen Scherer alſo gute,

Der mir die Bauern beſcheret die Bauern hochgemuthe,

Ich wollt ihnen ſcheeren die alten Bauern-Haare.

Noch ſo muß ich hahen viererley Dinge,

Oben eine Platte und darum einen Ringe,

Gleichwie ein Moͤnch auf Erden ſoll ſeyn.

Noch ſo hab ich der Abentheuer nicht gare,

Er hieß ihm bringen ein Oſterwein ſo klare,

Und ein Schlaftrinken goß er ihnen darein.

Alſo war das Abentheuer bereitet,

Und auf einem Karren ſchnelle geleitet,

Wohl zu dem gruͤnen Anger hin.

Zum gruͤnen Anger unter der ſchoͤnen Linden,

Da ließen ſich die Bauren allſammt finden,

Ihrer vier und zwanzig, das war ihr Ungewinn.

Der erſte der ſprach, wollt ihr den Neithard ſehen,

Der ander ſprach, ja muͤſt ihm Leid geſchehen,

Und meld ſein nicht, es muß an ſein Leben gahn.

[106]
Er zog die Gugel von der Platten gare,

Der dritt ſprach, es iſt ein Moͤnch fuͤrwahre,

Und iſt in unſerm Land ein fremder Mann.

Er zuckt die Gugel gar nieder auf den Ruͤcken,

Er trat zu den Bauren gar voll Tuͤcken,

Wie bald trat Engelmayer zu ihm dar.

Er ſprach: „Gruͤß euch Gott Kinder, wollt ihr trinken?

„Guten Oſterwein will ich euch ſchenken.“

Da bot er ihnen das Schlaftraͤnklein dar.

Sie trunken alle den Oeſterwein gar vaſte,

Je laͤnger, je mehr, ſo mehret ſich ihr Laſter,

Sie lagen alle vor tod an einer Schaar.

Die Meſſer und die Schwerdt begunnt er ihnen rauffen,

Die dicken Stecken mit den großen Knauffen,

Guͤrtel und Taſchen nahm er von ihnen gar.

Alſo wurden ihrer vier und zwanzig beſchoren,

Rock und Mantel haͤttens all verlohren,

Vier und zwanzig Kutten ſtieß er ihnen an.

Sie lagen bis an den vierten Tag ohne Sinnen,

Allererſt da wurden ſie's wohl innen,

Und hoͤrt, wie einer ſprach der alten Knaben.

Der greift da mit der Hand wohl auf das Haare:

„Nun freut euch alle, ich bin ein Moͤnch fuͤrwahre,

„Und will uns Morgen eine Fruͤhmeß haben.“

[107]
Der andere ſprach: „So ſing uns das Amte,

„Das helfen wir dir Bruder alleſammte,

„Als wir vor und nach dem Pfluge gethan haben.“

Der Neithard kam wohl zu den Bauren getreten:

„Ihr liebe Kind wer hat euch her gebeten,

„Daß ihr ſo liegt in Gottes Ordnung hie.“

„Nun lieber Herr, das hat uns Gott erſchaffen,

„Wir ſind all worden hie zu Pfaffen,

„Und ſind dazu gar wenig doch gelehrt.“

„Ihr lieben Kind, zum Lernen ſeyd ihr junge,

„In meinem Mund trag ich eine gelehrte Zunge,

„Und gute Lehre geb ich euch nun hie.“

Mit guten Worten bracht er's auf die Straße,

Dahin gen Wien, ſo ſie Gott immer haſſe,

Wohl auf die Bruͤcke vor des Herzogs Thor.

Er ſtellt ſie vor das Thor wohl auf die Bruͤcken,

Er kehrt ihnen die Gelaͤnder wohl an den Ruͤcken:

„Nun lieben Bruͤder wartet mein hiervor.

„So will ich gehen zu Herzog Otten grade,

„Daß er uns bald mit einer Zell berathe,

„Darin wollen wir ſingen grob und klar.

„Lieber Herzog Otto, ich bin ein Prieſter worden,

„Und habe mir geſtiftet ſelbſt einen neuen Orden,

„Draußen ſtehn meine Bruͤder all in einer Schaar.

[108]
„Nun lieber Herr verleiht ein Zell mir balde,

„Daß man mich fuͤr einen rechten Abten halte.“

Herr Otto ſprach: „Ich hab ein leeren Tempel ſtahn.

„Wohl auf drey Saͤulen iſt er weidentlich geſchicket,

„Ein offen Muͤnſter, daraus man weite blicket,

„Darauf muß Engelmayer ſein Amte han.“

„Ach lieber Herr, dort hats kein rechten Schalle,

„Den Bruͤdern moͤchte wohl die Stimme fallen,

„Und wuͤrd dem Abten ſelbſt der Gugelhals zu enge.“

„So weiß ich noch ein Chor fuͤr deine Knaben,

„Da mag ein jeder leicht ſein Nothdurft haben,

„Und durch die Brillen ſchauen auf die Laͤnge.“

Nun hob ſich an ein Singen gar ungleiche,

Mit großen Scheitern begannen ſie ſich ſtreichen,

Herr Otto ſprach: „Wir ſtehen recht ſicher weit davon.“

Der erſte ſang von Ochſen und von Rindern,

Der andere ſprach und ſang von Menſchen und von Kindern,

Die machen zu Haus an ſeines Vaters Thor.

Der dritt der ſang: „Nun fahr ich aus dem Lande,

„Dieſes Laſters hab ich immer Schande,

„Es werden ſein die Freunde mein gewahr.“

Die andern Herrn, genannt die Bruͤder Otte,

Deren einer ſang: „Haͤtt ich ein Topf voll Schotten

„Von meiner Mutter, ich fraͤß ihn alle gar.“

[109]
Der Engelmayer ſang und zerrt ſein Kutten oben:

„Der Neithard hat mich in ein Sack geſchoben,

„Deß hab ich Schand und Laſter immerdar.“

Sie wurden Zornes voll ohn Freſſen und ohn Saufen,

Begunnten ſich einander aus boͤſem Muth zu raufen,

Und waren doch geſchoren ohne Haar.

Der Herzog ſprach: „Nun fertig' ſie von hinnen,

„All mein Hofgeſind muß ſchier entrinnen,

„Es ſind gar ungefuͤge Moͤnch fuͤrwahr.“

Da rief Herr Neithard vom Fenſter nieder:

„Verkuͤndets aller Welt ihr frommen Bruͤder,

„Und laßt euch nicht wachſen lauter graue Haar.

Mit Murren zogen ſie wie eine Wetterwolken,

Ihre vierbeinicht Schweſtern ſtanden ungemolken,

Ohn Urlaubnehmen ward Fluchen nicht geſpart.

Sie huben ſich zum Thor hinaus zu traben,

Die alten dummen ſteifen Akkerknaben,

Tanzten in ihren langen Kutten

Wie Winzer in den Butten,

Darnach warens Bauren hinten nach wie vor.

Von zwoͤlf Knaben.


Friſche Liedlein.


Mein Mutter zeihet mich,

Zwoͤlf Knaben freyen mich.

[110]
Der Erſt der thaͤt mir winken,

Der ander mein gedenken,

Der Dritt der tratt mir auf den Fuß,

Der Viert bot mir einen freundlichen Gruß,

Der Fuͤnft bot mir das Fingerlein,

Der Sechſt der muß mein eigen ſeyn,

Der Siebent bot mir das rothe Gold,

Der Acht war mir von Herzen hold,

Der Neunt lag mir an meinem Arm,

Der Zehnt der war noch nicht erwarmt,

Der Elfte war mein ehlich Mann,

Der Zwoͤlft ging in der Still davon.

Die zwoͤlf Knaben gut,

Zwoͤlf Knaben gut,

Dieſelbigen zwoͤlf Knaben gut,

Die fuͤhrten einen guten friſchen freien Muth.

Was machen zwoͤlfe hie?

Ein Dutzend machen ſie.

Kurze Weile.


Friſche Liedlein.


So wuͤnſch ich ihr ein gute Nacht,

Bei der ich war alleine,

Kein traurig Wort ſie zu mir ſprach,

[111]
Da wir uns ſollten ſcheiden:

„Scheid nicht mit Leid,

„Gott weiß die Zeit,

„Die Wiederkehr bringt Freuden.“

Da ich am juͤngſten bei ihr war,

Ihr Angeſicht wollt roͤthen,

Das hat die rothe Sonn gethan,

Als wir in Scheidens-Noͤthen;

Viel Scherz viel Schmerz,

Brach ihr das Herz,

Das bin ich innen worden.

Das Maͤgdlein an der Zinnen ſtand,

Hub klaͤglich an zu weinen:

„Gedenk daran du junger Knab,

„Laß mich nicht lang allein,

„Kehr wieder bald,

„Dein lieb Geſtalt,

„Loͤſt mich aus ſchweren Traͤumen.“

Der Knabe uͤber die Heyde ritt,

Sein Roͤßlein warf er rumme:

„Gedenk daran mein feines Lieb,

„Dein Red werf du nicht umme,

„Beſchertes Gluͤck

„Nimm nie zuruͤck,

„Ade ich fahr mein Straßen.“

Der uns das Liedlein neu es ſang,

Von Neuem hats geſungen,

[112]
Das hat gethan ein freier Knab,

Iſt ihm gar wohl gelungen,

Er ſingt uns das,

Darzu noch baß

Hats Maͤgdlein uͤberkommen.

Kriegslied des Glaubens.


Muͤndlich nach Martin Luther Lieder. Zittau 1710. S. 502. und Phil. von
Rittewald II. Band S. 691.


Ein feſte Burg iſt unſer Gott,

Ein gute Wehr und Waffen,

Er hilft uns frei aus aller Noth,

Die uns jetzt hat betroffen;

Der alte boͤſe Feind,

Mit Ernſt es jetzt meint,

Groß Macht und viel Liſt

Sein grauſam Ruͤſtung iſt;

Auf Erd iſt nicht ſeins Gleichen.

Und wenn die Welt voll Teufel waͤr,

Und wollten uns verſchlingen,

So fuͤrchten wir uns nimmermehr,

Es ſoll uns doch gelingen;

Der Feind von dieſer Welt,

Wie wild er ſich ſtellt,

Thut er uns doch nichts;

Er ſcheuet ja das Licht,

Ein Wort das kann ihn faͤllen.

[113]
Gott Ehr und Preis, der uns zu Gut,

Den Feind durch uns will ſchlagen,

Und uͤber uns hat treue Hut

Auf ſeinem Feuerwagen;

Sein ganz himmliſch Heer

Rondet um uns her,

Lobſingt, lobſinget ihm,

Lobſingt mit heller Stimm:

Ehr ſey Gott in der Hoͤhe!

Sein Wort ſie ſollen laſſen ſtehn,

Kein Dank dafuͤr nicht haben,

Wir haben es wohl eingeſehn

Mit ſeinem Geiſt und Gaben.

Nehmen ſie den Leib,

Gut, Ehr, Kind und Weib,

Laß fahren dahin,

Sie haben keinen Gewinn;

Das Reich muß uns doch bleiben!

Lob, Ehr und Preis ſey ſeiner Macht,

Sein iſt die ewge Beſte,

Er wacht und ſchillert Tag und Nacht,

Daß alles geht aufs Beſte;

Jeſus iſt ſein Wort,

Ein heimlich offen Wort,

Ihn ruft Wacht zu Wacht

Zum Troſt durch die Nacht,

Bis alle Voͤgel ihm ſingen.

8.
[114]

Tabakslied.


Muͤndlich.


Wach auf! Wach auf, der Steuermann koͤmmt,

Er hat ſein großes Licht ſchon angezuͤndt.

Hat ers angezuͤndt, ſo giebts einen Schein,

Damit ſo fahren wir ins Bergwerk ein.

Der Eine graͤbt Silber, der Andre graͤbt Gold,

Dem ſchwarzbraunen Maͤgdlein ſind wir hold.

Tabak! Tabak! aͤchtadliges Kraut!

Tabak! Tabak! du ſtinkendes Kraut.

Wer dich erfand, iſt wohl lobenswerth,

Wer dich erfand, iſt wohl pluͤgelnswerth.

Das fahrende Fraͤulein.


Muͤndlich.


O weh der Zeit, die ich verzehrt

Mit meiner Buhler Orden,

Nachreu iſt worden mein Gefaͤhrt,

Ich bin zur Thoͤrin worden.

Mich reut die Schmink und falſcher Fleiß,

Den ich darauf gewendet,

Die Sonne ſchien, ich baut auf Eis,

So war ich ſchier verblendet.

[115]
Wie wird es heiß, fort zieht das Eis,

Und meine goldnen Schloͤſſer,

Wie ruft es doch im Fluſſe leis,

Da drunten waͤr es beſſer.

Und wie ſie in das Waſſer faͤllt,

Da hat ſie feſt gehalten,

Der Liebſte, dem ſie nachgeſtellt,

An ihres Schleyers Falten.

Laß mir den Schleyer, halt mich nicht,

Laß ſtill mich 'nunter ziehen,

Denn mein verſtoͤrtes Angeſicht,

Das wuͤrde nach dich ziehen.

Der Strom iſt ſtark, ſein Arm zu ſchwach,

Sie will den Schleyer nicht laſſen,

So zieht verlorne Liebe nach,

Er wollte ſie nicht verlaſſen.

Betteley der Voͤgel.


Storchs- und Schwalben-Winter-Quartier durch Johann Praͤtorium.
Frankfurt 1676. S. 187.


Es iſt kommen, es iſt kommen

Der gewuͤnſchte Fruͤhlings-Both,

So uns alles Leid benommen

Und die kalte Winters-Noth,

Welcher gute Stunden bringet,

Und ein gutes Jahr bedinget.

[116]
Kommen iſt die liebe Schwalbe,

Und das ſchoͤne Voͤgelein,

Deſſen Bauch iſt weiß und falbe,

Deſſen Ruͤcken ſchwarz und fein;

Schauet wie es rummer flieget,

Und ſich bittend zu euch fuͤget.

Wollet ihr nicht ſeyn gebeten,

Und mit etwas Eſſelwaar

Kommen hie heraus getreten,

Zu uns oder dieſer Schaar?

Gebt ihr aus des Reichen Haus,

Nicht ein wenig Wein heraus?

Oder einen Korb mit Kaͤſen,

Oder auch ein wenig Korn;

Daß wir wiederum geneſen,

Und uns quicken mit dem Born?

Weil die Schwalbe ohne Speiſen

Sich nicht laͤſſet abeweiſen.

Oder ſollen wir viel lieber

Euch die Thuͤr und Pforte laͤhmen?

Oder ſollen wir hinuͤber

Steigen, und die Jungfer nehmen?

Welche, weil ſie klein zu nennen,

Wir gar wohl wegtragen koͤnnen.

Oder wollt ihr euch beſinnen,

Dennoch uns noch was verehrn;

[117]
So kann ſie uns wohl entrinnen,

Und ſich, wenn ſie groͤßer, wehren;

Laßt der Schwalb die Thuͤr aufhalten,

Wir ſind Junge und nicht Alte.

Die Greuelhochzeit.


Fliegendes Blat.


In Frauenſtadt ein harter Mann,

Es war ein reicher Buͤrgersſohn,

Der hat ſich auserſehen

Ein reiches Maͤdchen huͤbſch und fein,

Er dacht, die ſollt ſein eigen ſeyn;

Der Handſchlag war geſchehen.

Als man bei etlich Wochen Zeit,

Oeffentlich die zwey junge Leut

Dreymal verkuͤndigt hatte,

Das Maͤdchen war betruͤbet ſehr,

Wollt ihren Braͤutigam nicht mehr,

Doch kam die Reu zu ſpaͤte.

Ein Schuhknecht that ihr gehen nach,

Welchem ſie auch die Eh verſprach,

Und liebet ihn dermaſſen,

Hat ihm verſprochen vielmal ſchon:

Eh ſie behielt den Buͤrgersſohn,

Wollt ſie das Leben laſſen.

[118]
Zur Hochzeit war nun alles bereit't,

Da man die zwey verlobte Leut

Wollte zur Kirche fuͤhren,

Die Braut zu ihrem Braͤutigam ſpricht:

„Du weißt ich will dich haben nicht.“

Da war groß Lamentiren.

Der Braͤutigam wohl zu ihr ſprach:

„Mein liebes Kind! bedenk die Sach,

„Was du mir haſt verſprochen.

„Schick dich mein Schatz, thu mit mir gehn,

„Laͤßt du mich hier in Schanden ſtehn,

„So bleibts nicht ungerochen.“

Allein ſie wollt nicht folgen ihm,

Der Braͤutigam voll Zorn und Grimm,

Thaͤt in die Kammer gehen;

Alsbald er thaͤte ein Piſtol

Mit zweyen Kugeln laden wohl,

Das niemand thaͤte ſehen.

Indem ſo ging der Kirchgang an,

Es freute ſich ein Jedermann,

Und wollte gerne ſehen,

Daß alles moͤchte werden gut,

Machten der Braut ein'n guten Muth,

Sie thaͤt zur Kirche gehen.

Als nun die Braut und Braͤutigam,

Und alles Volk zur Kirche kam,

[119]
Der Prieſter thaͤte gehen,

Wie ſonſt gebraͤuchlich, zum Altar,

Darauf kam das verlobte Paar,

Und thaͤten vor ihm ſtehen.

Als er die Brant gefraget nun,

Ob ſie den Junggeſellen ſchoͤn,

Zu ihrem Mann wollt haben?

Darauf die Braut antwortet bald:

„Eh ich zum Mann ihn haben wollt,

„Eh geb ich auf mein Leben.“

Kaum ſie das Wort geredet wohl,

Der Braͤutigam nahm das Piſtol,

Es thaͤt ihn ſo verdrießen,

Daß er die Braut vor dem Altar,

Da alles Volk zugegen war,

Thaͤte darnieder ſchießen.

Drauf war der Braut ihr Bruder da,

Als er die Schweſter erſchoſſen ſah,

Zog aus der Scheide ſein Meſſer,

Stach mit großem Schmerz

Dem Braͤutigam auch durch das Herz,

Da lagen alle beyde.

Da ward ein großes Mordgeſchrey,

Das Volk lief eilend alles herbey,

Es waren zwey Partheyen.

Die Eine hielt zum Braͤutigam,

[120]
Die Andere ſich der Braut annahm,

Da war ein klaͤglich Schreyen.

Man ſchlug, man haut, man ſtach darein,

Man ſchonte weder Groß noch Klein,

Mit Meſſer, Saͤbel und Degen,

Oft manches trug ein'n Fetz davon,

Sieben Perſonen Weib und Mann,

Todt in der Kirchen lagen.

Als nun der Hader haͤtt' ein End,

Ein Jedes hebet auf die Haͤnd,

Und that nach Hauſe gehen.

Jedermann fuͤhrte große Klag,

Und ſprach: Ich hab mein Lebetag

Kein ſolche Hochzeit geſohen.

Der vortreffliche Stallbruder.


Muͤndlich.


Wenn der Schaͤfer ſcheeren will,

Stellt er ſich hinter die Hecke,

Scheert dem Schaaf die Wolle ab,

Steckt ſie in die Saͤcke.

Faͤngt zu tanzen an, zu ſingen,

Blaͤſt auf ſeinem Dudeldu:

„Lieber Bruder dir ichs bringe,

„Lieber Bruder trink dir's zu.

[121]
„Was ich trag auf Haͤnden mein,

„Iſt ein Glaͤßlein kuͤhlen Wein;

„Floͤg doch ein Voͤglein uͤbern Rhein,

„Braͤcht's dem lieben Stallbruder mein.

„Stallbruder mein, du biſt wohl werth,

„Daß man dich auf'm Altar verehrt,

„Haſt ein Paar Waͤngelein

„Wie ein Rubin,

„Augen wie Schwarzenſtein,

„Zaͤhne wie Elfenbein,

„Biſt gar ein kluger Kerl,

„Wie ich es bin.“

Unerhoͤrte Liebe.


Martin Opitz.


Iſt irgend zu erfragen

Ein Schaͤfer um den Rhein,

Der ſehnlich ſich beklagen

Muß uͤber Liebespein,

Der wird mir muͤſſen weichen,

Ich weiß ſie plagt mich mehr,

Niemand iſt mir zu gleichen,

Und liebt er noch ſo ſehr.

Es iſt vorbey gegangen

Faſt jetzt ein ganzes Jahr,

[122]
Daß Eine mich gefangen

Mit Liebe ganz und gar,

Daß ſie mir hat genommen

Gedanken, Muth und Sinn,

Ein Jahr iſt's, daß ich kommen

In ihre Liebe bin.

Seitdem bin ich verwirret

Geweſen fuͤr und fuͤr,

Es haben auch geirret

Die Schaafe neben mir,

Das Feld hab ich verlaſſen,

Gelebt in Einſamkeit,

Hab alles muͤſſen haſſen,

Warum ein Menſch ſich freut.

Nichts hab ich koͤnnen ſingen,

Als nur ihr klares Licht,

Von ihr hab ich zu klingen

Die Lauten abgericht,

Wie ſehr ich ſie muß lieben

Und ihre große Zier,

Das hab ich faſt geſchrieben

An alle Baͤume hier.

Kein Trinken und kein Eſſen,

Ja nichts hat mir behagt,

Ich bin nur ſtets geſeſſen,

Und habe mich beklagt:

In dieſem ſchweren Orden

[123]
Veraͤndert alles ſich,

Die Heerd' iſt mager worden,

Und ich bin nicht mehr ich.

Sie aber hat die Sinnen

Weit von mir abgekehrt,

Iſt gar nicht zu gewinnen,

Hat mich noch nie erhoͤrt;

Da doch was ich geſungen

Weit in das Land erſchallt,

Und auch mein Ton gedrungen

Bis durch den Boͤhmer Wald.

Die Schaafe, die am Fluſſe

Im tiefſten Graſe ſtehn,

Sie horchten meinem Gruße,

Sie wollen zu mir gehn;

Es ſammelt ſich die Menge,

Es winken mir die Fraun,

Doch ſelbſt in dem Gedraͤnge,

Kann ich die Lieb nicht ſchaun.

Was ſoll mein Lied erſchallen?

Viel lieber bin ich ſtill,

Der Liebſten zu gefallen

Ich einig ſingen will:

Weil alles ſie auf Erden

Allein zuſammenhaͤlt,

Kann ihre Gunſt mir werden,

So hab ich alle Welt.

[124]

Das Baͤumlein.


Friſche Liedlein.


Ein Baͤumlein zart,

Geſchlachter Art,

Von edlem Stamm,

Und gutem Nahm,

Nach ſeiner Natur

Ganz rein und pur,

Kein ſuͤßer Frucht

Nie Menſch verſucht,

Wer moͤcht es lahn

Und nicht begehren Frucht davon.

O mein! O mein!

Ich gab mich ihr ins Herz hinein,

In ihrem gruͤnen Roͤckelein.

Aus feſtem Grund,

In ſchoͤnem Rund,

Dieß Baͤumlein zart,

Gezieret ward,

Die Aeſtlein ſchlecht,

Schwank und gerecht,

Gruͤn adlich fein

Die Blaͤtter ſein,

Der Fruͤchte Zier

Waͤr ſuͤßer mir,

Als Zucker oder Malvaſier.

O mein! O mein!

[125]
Ich gab mich ihr ins Herz hinein,

In ihrem gruͤnen Roͤckelein.

So ich beſinn,

Was gut Gewinn,

Dies Baͤumlein klug,

Mit Nutz und Fug,

Eh es im Gart

Verſperret ward,

Ertragen hat,

Iſt Freud verzehrt

Des Herzens mein,

Ich ſchrei in Pein,

Gott ſegn dich zarts Baͤumelein.

O mein! O mein!

Senk Zweigelein,

Daß ich mich ſchwenk zu dir hinein!

Lindenſchmidt.


Aus Meißners Apollo. Juny 1794. S. 173.


Es iſt nicht lange daß es geſchah,

Daß man den Lindenſchmidt reiten ſah,

Auf einem hohen Roſſe.

Er reitet den Rheinſtrom auf und ab;

Er hat ihn gar wohl genoſſen.

„Friſch her ihr lieben Geſellen mein!

„Es muß jezt nur gewaget ſeyn,

[126]
„Wagen das thut gewinnen,

„Wir wollen reiten Tag und Nacht,

„Bis wir die Beute gewinnen!“

Dem Marggrafen von Baden kam neue Maͤhr,

Wie man ihm ins Geleit gefallen waͤr,

Das thaͤt ihm ſehr verdrießen.

Wie bald er Junkern Kasparn ſchrieb:

Er ſollt ihm ein Reißlein dienen.

Junker Kaſpar zog'n Baͤuerlein eine Kappe an;

Er ſchickt ihn allezeit vorn dran,

Wohl auf die freie Straßen,

Ob er den edlen Lindenſchmidt findt,

Denſelben ſollt er verrathen.

Das Baͤuerlein ſchiffet uͤber den Rhein,

Er kehret zu Frankenthal ins Wirthshaus ein:

„Wirth, haben wir nichts zu eſſen?

„Es kommen drey Wagen, ſind wohl beladen,

„Von Frankfurt aus der Meſſen.“

Der Wirth der ſprach dem Baͤuerlein zu:

„Ja, Wein und Brod hab ich genug!

„Im Stalle da ſtehen drey Roſſe,

„Die ſind des edlen Lindenſchmidts,

„Er naͤhrt ſich auf freyer Straßen.“

Das Baͤuerlein gedacht in ſeinem Muth,

Die Sache wird noch werden gut,

Den Feind hab ich vernommen.

[127]
Alsbald er Junkern Kaſpar ſchrieb,

Daß er ſollt eilends kommen.

Der Lindenſchmidt haͤtt einen Sohn,

Der ſollt den Roſſen das Futter thun,

Den Haber thaͤt er ſchwingen:

„Steht auf, herzlieber Vater mein!

„Ich hoͤr die Harniſche klingen.“

Der Lindenſchmidt lag hinterm Tiſch und ſchlief,

Sein Sohn der thaͤt ſo manchen Rief,

Der Schlaf hat ihn bezwungen:

„Steh auf, herzliebſter Vater mein!

„Der Verraͤther iſt ſchon gekommen.“

Junker Kaſpar zu der Stuben eintrat,

Der Lindenſchmidt von Herzen ſehr erſchrack:

„Lindenſchmidt gieb dich gefangen!

„Zu Baden, an den Galgen hoch,

„Daran ſollſt du bald hangen.“

Der Lindenſchmidt war ein freier Reitersmann,

Wie bald er zu der Klingen ſprang:

„Wir wollen erſt ritterlich fechten!“

Es waren der Bluthund allzuviel,

Sie ſchlugen ihn zu der Erden.

„Kann und mag es dann nicht anders ſeyn,

„So bitt' ich um den liebſten Sohn mein,

„Auch um meinen Reutersjungen,

[128]
„Haben ſie jemanden Leid's gethan,

„Dazu hab ich ſie gezwungen.“

Junker Kaſpar, der ſprach nein dazu:

„Das Kalb muß entgelten der Kuh,

„Es ſoll dir nicht gelingen!

„Zu Baden, in der werthen Stadt,

„Muß ihm ſein Haupt abſpringen!“

Sie wurden alle drey nach Baden gebracht,

Sie ſaßen nicht laͤnger als eine Nacht;

Wohl zu derſelben Stunde,

Da ward der Lindenſchmidt gericht,

Sein Sohn und Reutersjunge.

Lied vom alten Hildebrandt.


Eſchenburgs alte Denkmaͤhler S. 439.


Ich will zu Land ausreiten,“

Sprach Meiſter Hildebrandt,

„Wer wird die Weg mir weiſen

„Gen Bern wohl in das Land?

„Unkund ſind ſie geworden

„Mir manchen lieben Tag,

„In zwey und dreyßig Jahren

„Frau Utten ich nicht ſah.“

„Willt du zu Land ausreiten,“

Sprach Herzog Amelung,

„Was begegnet dir auf der Heiden?

[129]
„Ein ſtolzer Degen jung.

„Was begegnet dir in der Marke?

„Der junge Hildebrandt,

„Ja ritteſt du ſelb zwoͤlfe,

„Von ihm wuͤrdſt angerannt.“

„Und rennet er mich an,

„In ſeinem Uebesmuth,

„Zerhau ich ſeinen gruͤnen Schild,

„Das thut ihm nimmer gut,

„Zerhau ihm ſeine Bande,

„Mit einem Schriemenſchlag,

„Daß er's ein ganzes Jahr

„Der Mutter klagen mag.“

„Und das ſollt du nicht thun!“

Herr Dieterich wohl ſpricht,

„Denn dieſer junge Hildebrandt

„Iſt mir von Herzen lieb.

„Zu ihm ſollſt freundlich ſprechen,

„Wohl durch den Willen mein,

„Daß er dich laſſe reiten,

„So lieb ich ihm mag ſeyn.“

Da er zum Roſengarten reit,

Wohl in der Berner Mark,

Er kam in viel Arbeit;

Von einem Helden ſtark,

Von einem Helden jung,

Ward er da angerannt.

9.
[130]
„Nun ſage mir, viel Alter,

„Was ſuchſt in Vaters Land?

„Du fuͤhrſt den Harniſch eben,

„Wie eines Koͤnigs Kind,

„Du machſt mich jungen Helden

„Mit ſehnden Augen blind;

„Du ſollſt daheime bleiben,

„Beym guten Hausgemach,

„Bey einer heißen Glute.“

Der Alte lacht und ſprach:

„Sollt ich daheime bleiben

„Bey gutem Hausgemach?

„Ich bin in allen Tagen

„Zu reiſen aufgeſezt,

„Zu reiſen und zu fechten

„Bis auf mein Heimefahrt;

„Das ſag ich dir, viel Junger,

„Drauf grauet mir der Bart.“

„Dein Bart will ich ausraufen,

„Das ſag ich, alter Mann,

„Daß dir dein roſenfarbnes Blut

„Die Wangen uͤberlaͤuft;

„Dein Harniſch und dein gruͤnes Schild

„Mußt du mir hierauf geben,

„Dazu auch mein Gefangner ſeyn,

„Willt du behalten Leben.“

[131]
„Mein Harniſch und mein gruͤnes Schild

„Mich haben oft ernaͤhrt;

„Ich traue Chriſt vom Himmel wohl,

„Ich will mich deiner wehren!“

Sie ließen von den Worten,

Und zogen ſcharfe Schwerdt,

Was dieſe zwey begehrten,

Des wurden ſie gewaͤhrt.

Ich weiß nicht, wie der Junge

Dem Alten gab ein'n Schlag,

Deß ſich der alte Hildebrandt

Von Herzen ſehr erſchrack,

Sprang hinter ſich zuruͤcke,

Wohl etlich Klafter weit:

„Nun ſag du mir, viel Junger,

„Den Streich lehrt' dich ein Weib!“

„Sollt ich von Weibern lernen,

„Das waͤre mir ja Schand',

„Ich hab viel Ritter, Grafen,

„In meines Vaters Land;

„Auch ſind viel Ritter, Grafen,

„An meines Vaters Hof,

„Was ich nicht lernet hab,

„Das lern' ich heute noch.“

Er nahm ihn in der Mitte,

Da er am ſchwaͤchſten war,

Und ſchwang ihn dann zuruͤcke,

[132]
Wohl in das gruͤne Gras.

„Nun ſage mir, viel Junger,

„Dein Beichtvater will ich ſeyn,

„Biſt du ein junger Wolfinger,

„Von mir ſollt du geneſen.

„Wer ſich an alte Keſſel reibt,

„Empfahet gerne Rahm,

„Alſo geſchiehet dir Jungen

„Von mir altem Mann;

„Dein Geiſt mußt du aufgeben,

„Auf dieſer Heiden gruͤn,

„Das ſag ich dir gar eben,

„Du junger Helde kuͤhn.“

„Du ſagſt mir viel von Woͤlfen,

„Die laufen in das Holz,

„Ich bin ein edler Degen

„Aus deutſchem Lande ſtolz.

„Mein Mutter heißt Frau Utte,

„Die edle Herzogin,

„Und Hildebrandt der Alte,

„Der liebſte Vater mein.“

„Heißt deine Muttrr Utte,

„Die edle Herzogin,

„So bin ich Hildebrandt der Alte,

„Der liebſte Vater dein!“

Aufſchloß er ſeinen gruͤnen Helm,

Kuͤßt ihm auf ſeinen Mund,

[133]
„Nun muß es Gott gelobet ſeyn!

„Wir ſind noch beid' geſund.“

„Ach Vater, liebſter Vater!

„Die Wund die ich geſchlagen,

„Die wollt ich dreimal lieber

„An meinem Haupte tragen.“

„Nun ſchweig, mein lieber Sohn!

„Der Wunden wird wohl Rath,

„Nun muß es Gott gelobet ſeyn,

„Der uns zuſammen bracht!“

Das waͤhrte nun von Neune

Bis zu der Vesperzeit,

Allda der junge Hildebrandt,

Zu Bernen einher reit.

Was fuͤhrt er auf dem Helme?

Von Gold ein Kreuzelein.

Was fuͤhrt er auf der Seiten?

Den liebſten Vater ſein.

Er fuͤhrt ihn zu der Mutter Haus,

Ihn oben an zu Tiſch,

Und bot ihm Eſſen und Trinken,

Das daͤucht der Mutter fremd.

„Ach Sohne, liebſter Sohne mein!

„Der Ehren iſt zu viel,

„Du ſetzeſt den gefangnen Mann

„Ja oben an den Tiſch.“

[134]
„Nun ſchweige, liebſte Mutter,

„Und hoͤret was ich ſage:

„Er haͤtt' mich auf der Heiden,

„Schier gar zu tod geſchlagen.

„Nun hoͤrt mich, liebe Mutter!

„Gefangen ſollte ſeyn,

„Herr Hildebrandt der Alte,

„Der liebſte Vater mein?

„Ach Mutter, liebſte Mutter!

„Ihm biethet Zucht und Ehr.“

Da hub ſie an zu ſchenken,

Und trugs ihm ſelber her.

Er trank, und hatt' im Munde,

Von Gold ein Ringelein,

Das fiel da in den Becher

Der lieben Frauen ſein.

Friedenslied.


Fliegendes Blat aus dem ſiebenjaͤhrigen ſchleſiſchen Kriege.


Angenehme Taube,

Die der Vaͤter Glaube

Laͤngſt geſehen hat;

Laſſe dich hernieder,

Hier ſind Jeſu Glieder,

Hier iſt Gottes Stadt;

Halte Raſt,

[135]
Erwuͤnſchter Gaſt

In den Herzen,

Die verlangen,

Dich jetzt zu empfangen.

Setze dich auf jeden,

Und laß deinen Frieden

Ueberalle ſeyn;

Wie du dich erhebeſt,

Auf dem Waſſer ſchwebeſt,

So kehr bey uns ein.

Zeig uns hier

Das Oehlblatt fuͤr,

Als ein hoͤchſt erwuͤnſchtes Zeichen,

Daß die Fluthen weichen.

Was du abgebrochen,

Iſt uns laͤngſt verſprochen,

Und dieß edle Blat

Iſt vom Lebensbaume,

Der in Edens Raume

Laͤngſt gegruͤnet hat.

Traͤuft es doch

Vom Oehle noch,

Welches Jeſus laſſen fließen,

Als er leiden muͤſſen.

O Geruch des Lebens!

Der uns nicht vergebens

[136]
Unſer Herz erquickt;

Dieſes Oehlblatt kuͤhlet,

Daß man Lindrung fuͤhlet,

Wenn das Kreuze druͤckt.

Es giebt Kraft und Lebensſaft,

Wenn es wohl wird aufgebunden,

Heilt es alle Wunden.

Bothe von dem Himmel,

Dringe durchs Getuͤmmel,

Dieſer eitlen Welt;

Und mach eine Stille,

Daß ein Herz, ein Wille,

Uns zuſammen haͤlt.

Laß das Blat,

Das dein Mund hat,

Unſer aller Lippen ruͤhren,

Deine Stimme fuͤhren.

Macht die Feuerſchlange,

Uns gleich angſt und bange,

Hat ſie doch nicht Macht,

Unſern Leib zu toͤdten,

Jetzt in Kriegesnoͤthen,

Weil ja Jeſus wacht.

Jeſus ſchuͤtzt,

Wenns kracht und blitzt,

Jeſus will die Seinen decken,

Wenn Kanonen ſchrecken.

[137]
Nun du Himmelstaube,

Unſer aller Glaube

Nimmt dich zu uns ein;

Wohneſt du bei keinen,

Als nur bey den Reinen,

Ach ſo mach uns rein.

Taubenart

Bringt Himmelfahrt,

Bring uns den lieben Frieden

Von dem Sternen-Huͤgel.

Friedenslied.


Fliegendes Blat aus dem lezten Kriege mit Frankreich.


Suͤße, liebe Friedenstaube,

Die du ſchnell den Oehlzweig bringſt,

Wenn du vor des Geyers Raube,

Frey den kleinen Fittig ſchwingſt!

Iſt es wahr, daß du den Kluͤften

Deines Elends dich entziehſt,

Und von Hoffnung aus den Luͤften,

Froh auf unſre Fluren ſiehſt?

Komm, verzeuch nicht, laß dich nieder,

Unſre Herzen oͤffnen ſich,

Gieb uns Fried und Eintracht wieder,

Und du findeſt ſie fuͤr dich.

Laß das holde Zweiglein fallen!

Denn, ſobald es Wurzeln ſchlaͤgt,

[138]
Sehn wir Heil und Wohlgefallen

In den Fruͤchten, die es traͤgt.

Wo es bluͤht, toͤnt durch die Waͤlder

Kein entheilgend Beil zum Fall,

Und die ſaatenreiche Felder

Thuͤrmt kein Spat zu Schanz und Wall.

Suͤße Fruͤhlingsbluͤmchen ſprießen,

Unzertreten, vor uns auf,

Und die Baͤche, die hier fließen,

Faͤrbt kein Blut in ihrem Lauf.

Schmachtend ſeufzt nach ſeinem Schatten,

Das von Gram verſenkte Gluͤck,

Zarten Muͤttern, treuen Gatten,

Bringt er ihren Wunſch zuruͤck;

Vaͤter, vaterloſen Kleinen,

Und den Juͤngling ſeiner Braut;

Alle, wo ſie ja noch weinen,

Weinen vor Entzuͤcken laut.

Nun, du holde Friedenstaube!

Die du uns den Oehlzweig bringſt,

Wenn du vor des Geyers Raube,

Frey den kleinen Fittig ſchwingſt!

Komm, verzeuch nicht! Laß dich nieder!

Unſre Herzen oͤffnen ſich,

Gib der Welt den Frieden wieder,

Und nimm ihn dann auch fuͤr dich.

[139]

Drey Schweſtern, Glaube, Liebe, Hoffnung.


Gaſſenhauer, Reuter und Bergliedlein, chriſtlich veraͤndert durch Dokter
Knauſten. Frankfurt am Mayn 1571. S. 27.


Es wollt ein Jaͤger jagen,

Dort wohl vor jenem Holz,

Was ſah er auf der Heiden?

Drey Fraͤulein huͤbſch und ſtolz.

Die erſte hieß Frau Glaube,

Frau Liebe hieß die zweyt,

Frau Hoffnung hieß die dritte,

Des Jaͤgers wollt ſie ſeyn.

Er nahm ſie in der Mitte,

Sprach: „Hoffnung nicht von mir laß!“

Schwanks hinter ſich zuruͤcke,

Wohl auf ſein hohes Roß.

Es fuͤhrt ſie gar behende

Wohl durch das gruͤne Gras,

Behielts bis an ſein Ende,

Und nimmer reut ihm das.

Hoffnung macht nicht zu Schanden,

Im Glauben feſt an Gott,

Dem Naͤchſten geht zu Handen

die Liebe in der Noth.

Hoffnung, Liebe und Glaube,

Die ſchoͤnen Schweſtern drey,

Wenn ich die Lieb anſchaue,

Ich ſag die groͤßt ſie ſey.

[140]

Der engliſche Grus.


Fliegendes Blat.


Es wollt gut Jaͤger jagen,

Wollt jagen auf Himmels Hoͤhn,

Was begegnet ihm auf der Heiden,

Maria, die Jungfrau ſchoͤn.

Der Jaͤger, den ich meine,

Der iſt uns wohl bekannt,

Er jagt mit einem Engel,

Gabriel iſt er genannt.

Der Jaͤger bließ in ſein Hoͤrnlein,

Es lautet alſo wohl:

„Gegruͤßt ſeyſt du Maria,

„Du biſt aller Gnaden voll.

„Gegruͤßt ſeyſt du Maria,

„Du edle Jungfrau fein,

„Dein Leib ſoll dir gebaͤhren,

„Ein kleines Kindelein.

„Dein Leib ſoll dir gebaͤhren,

„Ein Kindlein ohn einen Mann,

„Das Himmel und die Erde

„Einsmals zwingen kann.“

Maria die viel reine,

Fiel nieder auf ihre Knie,

Dann bat ſie Gott vom Himmel:

„Dein Will geſcheh allhie.“

[141]
„Dein Will der ſoll geſchehen,

„Ohn Pein und ſonder Schmerz.“

Da empfing ſie Jeſum Chriſtum

Unter ihr jungfraͤuliches Herz.

Vertraue.


Muͤndlich.


Es iſt kein Jaͤger, er hat ein Schuß,

Viel hundert Schrot auf einen Kuß:

„Feins Lieb, dich ruhig ſtelle,

„Und willſt du meinem Kuß nicht ſtehn,

„So kuͤßt dich mein Geſelle.“

„Mein Kuß iſt leicht, wiegt nur ein Loth,

„Du wirſt nicht bleich, du wirſt nicht roth,

„Du brauchſt dich nicht zu ſchaͤmen,

„Ich will den ſchwarzen Vogel dir

„Vom Haupt herunter nehmen.“

„Feins Lieb ſitz ſtill im gruͤnen Moos,

„Der Vogel faͤllt in deinen Schoos,

„Wohl von des Baumes Spitzen;

„In deinem Schooſe ſtirbt ſich gut,

„Feins Lieb bleib ruhig ſitzen.“

Sie wollt nicht trauen auf ſein Wort,

Brauns Maͤdelein wollt ſpringen fort,

Der Schuß ſchlug ſie darnieder;

[142]
Der ſchwarze Vogel von dem Baum

Schwang weiter ſein Gefieder.

„Mein Kuß iſt leicht, wiegt nur ein Loth,

„Du wirſt nicht bleich, du wirſt nicht roth,

„Brauchſt dich nicht mehr zu ſchaͤmen,

„In deinem Schooße ſtirbt ſichs gut.“

Er thaͤt ſichs Leben nehmen.

Das Leiden des Herren.


Fliegendes Blat.


Chriſtus, der Herr im Garten ging,

Sein bittres Leiden bald anfing,

Da trauert Laub und gruͤnes Gras,

Weil Judas ſeiner bald vergas.

Sehr faͤlſchlich er ihn hinterging,

Ein ſchnoͤdes Geld dafuͤr empfing,

Verkaufte ſeinen Gott und Herrn,

Das ſahen die Juden herzlich gern.

Sie gingen in den Garten hin,

Mit zornigem und boͤſem Sinn,

Mit Spieß und Stangen die loſe Rott,

Gefangen nahmen unſern Gott.

Sie fuͤhrten ihn ins Richters Haus,

Mit ſcharfen Striemen wieder raus,

Gegeiſelt und mit Dorn gekroͤnt,

Ach Jeſu! wurdeſt du verhoͤhnt.

[143]
Ein ſcharfes Urtheil ſprachen ſie,

Indem der ganze Haufe ſchrie:

„Nur weg, nur weg, nach Golgatha,

„Und ſchlagt ihn an das Kreuze da.“

Er traͤgt das Kreuz, er traͤgt die Welt,

Er iſt dazu von Gott beſtellt,

Er traͤgt es mit gelaßnem Muth,

Es ſtroͤmet von ihm Schweis und Blut.

Erſchoͤpfet will er ruhen aus,

Vor eines reichen Juden Haus,

Der Jude ſtieß ihn ſpottend weg,

Er blickt ihn an, geht ſeinen Weg.

Herr Jeſus ſchwieg, doch Gott der bannt

Den Juden, daß er zieht durchs Land,

Und kann nicht ſterben nimmermehr,

Und wandert immer hin und her.

Ans Kreuz ſie hingen Jeſum bald,

Maria ward das Herze kalt:

„O weh, o weh! mein liebſtes Herz,

„Ich ſterb zugleich von gleichem Schmerz.“

Maria unterm Kreuze ſtund,

Sie war betruͤbt von Herzens-Grund,

Von Herzen war ſie ſehr betruͤbt

Um Jeſum, den ſie herzlich liebt.

„Johannes, liebſter Juͤnger mein,

„Laß dir mein' Mutter befohlen ſeyn,

[144]
„Nimm ſie zur Hand, fuͤhr ſie von dann,

„Daß ſie nicht ſchau mein Marter an.“

„Ja, Herr, das will ich gerne thun,

„Ich will ſie fuͤhren allzuſchoͤn,

„Ich will ſie troͤſten wohl und gut,

„Wie ein Kind ſeiner Mutter thut.“

Da kam ein Jud und Hoͤllenbrand,

Ein Speer fuͤhrt er in ſeiner Hand,

Gab damit Jeſu einen Stoß,

Daß Blut und Waſſer daraus floß.

Nun buͤck dich Baum, nun buͤck dich Aſt,

Jeſus hat weder Ruh noch Raſt;

Ach traure Laub und gruͤnes Gras,

Laßt euch zu Herzen gehen das!

Die hohen Berge neigten ſich,

Die ſtarken Felſen riſſen ſich,

Die Sonn verlor auch ihren Schein,

Die Voͤglein ließen ihr Rufen und Schreyn.

Die Wolken ſchrien Weh und Ach!

Die Felſen gaben einen Krach,

Den Todten oͤffnete ſich die Thuͤr,

Und gingen aus den Graͤbern fuͤr.

[145]

Der Schweizer.


Fliegendes Blat.


Zu Straßburg auf der Schanz,

Da ging mein Trauren an,

Das Alphorn hoͤrt ich druͤben wohl anſtimmen,

Ins Vaterland mußt ich hinuͤber ſchwimmen,

Das ging nicht an.

Ein Stunde in der Nacht

Sie haben mich gebracht:

Sie fuͤhrten mich gleich vor des Hauptmanns Haus,

Ach Gott, ſie fiſchten mich im Strome auf,

Mit mir iſts aus.

Fruͤh Morgens um zehn Uhr

Stellt man mich vor das Regiment;

Ich ſoll da bitten um Pardon,

Und ich bekomm doch meinen Lohn,

Das weiß ich ſchon.

Ihr Bruͤder allzumahl,

Heut ſeht ihr mich zum leztenmahl;

Der Hirtenbub iſt doch nur Schuld daran,

Das Alphorn hat mir ſolches angethan,

Das klag ich an.

Ihr Bruͤder alle drey,

Was ich euch bitt, erſchießt mich gleich;

Verſchont mein junges Leben nicht,

10.
[146]
Schießt zu, daß das Blut 'raus ſpritzt,

Das bitt ich Euch.

O Himmelskoͤnig Herr!

Nimm du meine arme Seele dahin,

Nimm ſie zu dir in den Himmel ein,

Laß ſie ewig bey dir ſeyn,

Und vergiß nicht mein.

Pura.


Aus einem Geſangbuche der Wiedertaͤufer v. J. 1583. S. 53.


Als ich gen Antiocha kam,

Ein Jungfrau, Pura war ihr Nahm,

Ein Chriſtin ward gefunden,

Die ward vor den Kaiſer bracht,

Der ſprach zur boͤſen Stunde:

„Geht, fuͤhrt ſie in ein Schandhauß ein,

„Die Jungfrau zuͤchtig, keuſch und rein,

„In Spott und Schmach zu ſchaͤnden.“

Die Jungfrau rief in dieſer Noth

Zu Gott, und wandt die Haͤnde.

„Errette mich, du Sohn David!

„Vor Schand und Suͤnd, Herr mich behuͤt,

„Laß dich meins Leids erbarmen!

„Das bitt ich dich durch Jeſum Chriſt,

„Komm bald zu Huͤlf mir Armen!“

[147]
Die Klag erhoͤrt ein Engel fein,

Als Juͤngling ging er zu ihr ein,

Sprach: „Jungfrau ſey ohn' Sorgen,

„Von mir ſollſt bleiben unberuͤhrt,

„Wart mit Geduld bis Morgen,

„So will ich helfen dir davon,

„Bald leg du meine Kleider an,

„Und geh aus dieſem Hauſe.“

So tauſchten ſie denn ihr Gewand,

Sie gieng, er blieb ohn Grauſen.

Betrunken in des Kaiſers Wein,

Trat bald ein Kriegsknecht zu ihm ein,

Thaͤt ſuͤndlig auf ihn dringen,

Der Juͤngling rang in Gotteskraft,

Und thaͤt ihn niederringen.

Des ward der Kaiſer ſehr ergrimmt,

Als er vom Knecht die Klag vernimmt,

Laͤßt greifen ſie und binden.

O Wunder groß! O Wunder groß!

Ein Juͤngling thaͤt er finden.

„Biſt du ein Chriſt?“ der Kaiſer fragt,

„Ich bin getauft,“ der Juͤngling ſagt,

„Von ihr bin ich getaufet.

„Sie gehet frey und unberuͤhrt,

„Euch Heiden all zu taufen.“

[148]
Der Kaiſer bald das Urtheil ſprach,

Daß man ihn tauf, in Flammen nach,

Ward bald dem Henker geben;

Der fuͤhrt ſogleich ihn aus der Stadt,

Wollt nehmen ihm ſein Leben.

Da nun erſieht die Pura fromm,

Daß man ihn da wollt bringen um,

Lief ſie in dieſen Noͤthen,

In ſchneller Eil auf die Richtſtadt,

Wollt ihren Freund erretten.

„Ich ſchuldig bin an deinem Tod!“

Sprach dieſe Jungfrau in der Noth,

„Herzlieber Bruder meine!

„Darum fuͤr dich ich ſterben will,

„Ich rett das Leben deine.“

Der Juͤngling zuͤchtig Antwort gab:

„Ach Pura laß zu bitten ab,

„Ich ſterben will alleine,

„Und preiſen heut mit meinem Blut,

„Gott unſern Vater reine.“

Die Jungfrau zuͤchtig zu ihm ſprach:

„Ich leid fuͤr dich des Todes Schmach,

„Zu Lob des Herren Namen,

„Der helf uns wieder gnaͤdiglich

„In ſeinem Reich zuſammen.“

[149]
Bald das erhoͤrt der Wuͤterich,

Daß dieſe Chriſten williglich

Zum Tod ergeben waͤren,

Ja eins fuͤr'n andern ſterben wolln,

Ließ er ſie beyde toͤdten.

Der Juͤngling bey der Jungfrau ſtand,

Das Feuer loͤſet ihr Gewand,

Doch von dem Scheiterhaufen

Gen Himmel fuͤhrt ſie ſeine Hand,

Drauf Heiden laſſen ſich taufen.

Die kluge Schaͤferin.


Muͤndlich.


Schaͤferin.
Ich ſchlaf allhie,

Bey meinem Vieh,

Ich ſchlaf im Moos,

Dem Gluͤck im Schoos;

Dein Schloß ich ſchau,

Es liegt vor mir,

Zu ſagen ſchier,

Wie kuͤhler Thau.

Kommt Morgenroth

So lob ich Gott,

Das Feldgeſchrey

[150]
Wird jubelnd neu

Beym goldnen Lohn,

Die Morgenſtund

Hat Gold im Mund,

Baut mir den Thron.

Koͤnig.
Vom Schloß ich zieh,

Zu dir ich flieh,

Lieb Schaͤferin,

Nach deinem Sinn

Mein Scepter wird

Ein Hirtenſtab,

Und was ich hab,

Dich Schaͤfrin ziert.

Schaͤferin.
Ich Schaͤferin,

Mit leichtem Sinn,

Sing ruhig fort

Mein ſinnig Wort:

Ein jeder bleib

Bey ſeiner Heerd,

Den Koͤnig ehrt

Kein Schaͤferweib.

[151]

Ritter St. Georg.


Aus einem geſchriebenen geiſtlichen Liederbuche vom Jahre 1601. in der
Sammlung von Clemens Brentano.


In einem See ſehr groß und tief,

Ein boͤſer Drach ſich ſehen ließ.

Dem ganzen Land er Schrecken bringt,

Viel Menſchen und viel Vieh verſchlingt,

Und mit des Rachens boͤſem Duft

Vergiftet er ringsum die Luft.

Daß er nicht dringe zu der Stadt,

Beſchloß man in gemeinem Rath,

Zwey Schaaf zu geben alle Tag,

Um abzuwenden dieſe Plag.

Und da die Schaaf ſchier all dahin,

Erdachten ſie noch andern Sinn,

Zu geben einen Menſchen dar,

Der durch das Loos gewaͤhlet war.

Das Loos ging um ſo lang und viel,

Bis es aufs Koͤnigs-Tochter fiel.

Der Koͤnig ſprach zu'n Burgern gleich:

„Nehmt hin mein halbes Koͤnigreich!

„Ich gebe auch an Gut und Gold,

„Von Silber und Geld ſo viel ihr wollt,

[152]
„Auf daß mein Tochter, die einig Erb,

„Noch lebe, nicht ſo boͤß verderb.“

Das Volk ein groß Geſchrey beginnt:

„Einem andern iſt auch lieb ſein Kind!

„Haͤltſt du mit deiner Tochter nicht

„Den Schluß, den du ſelbſt aufgericht,

„So brennen wir dich zu der Stund

„Sammt deinem Pallaſt auf den Grund.“

Da nun der Koͤnig Ernſt erſah,

Ganz leidig er zu ihnen ſprach:

„So gebet mir doch nur acht Tag,

„Daß ich der Tochter Leid beklag.“

Darnach ſprach er zur Tochter ſein:

„Ach Tochter, liebſte Tochter mein!

„So muß ich dich jetzt ſterben ſehn,

„Und all mein Tag in Trauren ſtehn.“

Da nun die Zeit verſchwunden war,

Lauft bald das Volk zum Pallaſt dar,

Und drohet ihm mit Schwerdt und Feuer,

Sie ſchrien hinauf gar ungeheuer:

„Willſt du um deiner Tochter Leben,

„Dein ganzes Volk dem Drachen geben?“

Da es nicht anders moͤcht geſein,

Gab er zuletzt den Willen drein.

[153]
Er kleidet ſie in koͤniglich Wat,

Mit Weinen und Klagen er ſie umfaht.

Er ſprach: „Ach weh mir armen Mann!

„Was ſoll ich jetzund fangen an?

„Die Hochzeit dein war ich bedacht

„Zu halten bald mit herrlicher Pracht,

„Mit Trommeln und mit Saitenſpiel,

„Zu haben Luſt und Freuden viel.

„So muß ich mich nun dein verwegen,

„Und dich dem grauſen Drachen geben.

„Ach Gott, daß ich vor dir waͤr todt,

„Daß ich nicht ſeh dein Blut ſo roth.“

Er gab ihr weinend manchen Kuß,

Sein Toͤchterlein fiel ihm zu Fuß:

„Lebt wohl, lebt wohl Herr Vater mein!

„Gern ſterb ich um des Volkes Pein.“

Der Koͤnig ſchied mit Ach und Weh,

Man fuͤhrt ſein Kind zum Drachenſee.

Als ſie da ſaß in Trauren ſchwer,

Da ritt der Ritter Georg daher.

„O Jungfrau zart! gieb mir Beſcheid,

„Warum ſtehſt du in ſolchem Leid?“

Die Jungfrau ſprach: „Flieh bald von hier!

„Daß du nicht ſterben mußt mit mir.“

[154]
Er ſprach: „O Jungfrau fuͤrcht dich nicht,

„Vielmehr mit Kurzem mich bericht,

„Was deuts, daß ihr allein da weint,

„Ein großes Volk herum erſcheint?“

Die Jungfrau ſprach: „Ich merk ohn Scherz,

„Ihr habt ein mannlichs Ritter Herz;

„Was wollt ihr hier verderben,

„Und mit mir ſchaͤndlich ſterben.“

Dann ſagt ſie ihm, wie hart und ſchwer,

Wie alle Sach ergangen waͤr.

Da ſprach der edle Ritter gut:

„Getroͤſtet ſeyd, habt freien Muth!

„Ich will durch Huͤlf von Gottes Sohn,

„Euch ritterlichen Beiſtand thun.“

Er bleibet feſt, ſie warnt ihn ſehr,

Da kam der greuliche Drach daher.

„Flieht Ritter! ſchont das junge Leben,

„Ihr muͤßt ſonſt euren Leib drum geben.“

Der Ritter ſitzt geſchwind zu Roß,

Und eilet zu dem Drachen groß.

Das heilige Kreuz macht er vor ſich,

Gar chriſtenlich und ritterlich,

Dann rannt er an mit ſeinem Spieß,

Den er tief in den Drachen ſtieß,

[155]
Daß gaͤhling er zur Erden ſank,

Und ſaget Gott dem Herren Dank.

Da ſprach er zu der Jungfrau zart:

„Der Drache laͤßt von ſeiner Art.

„Drum fuͤrcht euch gar nicht dieſes Falls,

„Legt euren Guͤrtel ihm um den Hals.“

Als ſie das thaͤt, ging er zu Stund,

Mit ihm wie ein gezaͤhmter Hund.

Er fuͤhrt ihn ſo zur Stadt hinein,

Da flohen vor ihm groß und klein.

Der Ritter winket ihnen, ſprach:

„Bleibt hie und fuͤrchtet kein Ungemach.

„Ich bin darum zu euch geſendt,

„Daß ihr den wahren Gott erkennt.

„Wann ihr euch dann wollt taufen lahn,

„Und Chriſti Glauben nehmen an,

„So ſchlag ich dieſen Drachen todt,

„Helf euch damit aus aller Noth.“

Alsbald kam da durch Gottes Kraft:

Zur Tauf die ganze Heidenſchaft.

Da zog der Ritter aus ſein Schwerdt,

Und ſchlug den Drachen zu der Erd.

Der Koͤnig bot dem heilgen Mann

Viel Silber und Gold zu Ehren an,

[156]
Das ſchlug der Ritter alles aus,

Man ſolls den Armen theilen aus.

Als er nun ſchier wollt ziehen ab,

Die Lehr er noch dem Koͤnig gab:

„Die Kirche Gottes des Herren dein,

„Laß dir allzeit befohlen ſeyn.“

Der Koͤnig baute auch mit Fleiß,

Der Mutter Gottes zu Lob und Preis,

Eine Kirche ſchoͤn und herrlich groß,

Aus der ein kleiner Brunn herfloß..

Die Pantoffeln.


Friſche Liedlein.


Ein Maͤgdlein zu dem Brunnen ging,

Und das war ſaͤuberlichen

Das Maͤgdlein in Pantoffeln ging,

Ganz ſacht kam ſie geſchlichen.

Begegnet ihr ein ſtolzer Knab,

Der gruͤßt ſie herziglichen,

Sie ſetzt das Kruͤglein neben ſich,

Und fraget, wer ich waͤre?

Weil ich ihr nicht recht ſchwatzen kann,

Sie ſchneidt mir bald ein Kappen,

Kein Tuch daran ward nicht geſpart,

Kann einen hoͤflich zwacken.

[157]
Das Maͤgdlein von dem Brunnen geht,

Laß traben die, laß traben,

Die vorne in Pantoffeln gehn,

Die ihnen hinten ſchlappen.

Xaver.


Trutz Nachtigal von Spee. Seite 94.


Als nach Japon weit entlegen,

Xaver dachte, Gottes Mann,

Alle waren ihm entgegen,

Fielen ihn mit Worten an,

Wind und Wetter, Meer und Wellen,

Mahlten ſeinen Augen dar,

Redten viel von Ungefaͤllen,

Von Gewitter und Gefahr.

„Schweiget, ſchweiget von Gewitter,

„Ach, von Winden ſchweiget ſtill:

„Nie, noch wahrer Held, noch Ritter

„Achtet ſolcher Kinderſpiel:

„Laſſet Wind und Wetter blaſen,

„Flamm der Lieb, vom Blaſen waͤchſt,

„Laſſet Meer und Wellen raſen,

„Wellen gehn zum Himmel naͤchſt.

„Ey doch laſſet ab von Scherzen,

„Schrecket mich mit keiner Noth,

„Noch Soldat, noch Krieges-Herzen,

[158]
„Fuͤrchten nimmer Kraut und Loth;

„Spieß und Pfeil, und bloße Degen,

„Rohr, Piſtol und Buͤchſen-Speiß,

„Macht Soldaten mehr verwegen

„Und ſie lockt zum Ehren-Preiß.

„Laſſet ihre Hoͤrner wetzen,

„Wind, und Wetter ungeſtuͤm,

„Laßt die Wellen brummend ſchwetzen

„Und die Trommeln ſchlagen um,

„Nord und Suͤden, Oſt und Weſten,

„Kaͤmpfen laßt auf ſalzgem Feld;

„Nie wirds dem an Ruh gebrechen,

„Der nur Fried im Herzen haͤlt.

„Wer wills uͤber Meer nicht wagen,

„Ueber tauſend Waſſer wild,

„Dem es mit dem Pfeil und Bogen,

„Noch viel tauſend Seelen gilt?

„Wem will grauſen vor den Winden,

„Fuͤrchten ihre Fluͤgel naß?

„Der nur Seelen denkt zu finden,

„Seelen ſchoͤn, ohn alle Maaß.

„Eya ſtark und freche Wellen,

„Eya ſtark und ſtolze Wind',

„Ihr mich nimmer ſollet faͤllen,

„Euch zu ſtehn, ich bin geſinnt,

„Seelen, Seelen muß ich haben,

„Sattle dich nur hoͤlzern Roß,

[159]
„Du muſt uͤber Wellen traben,

„Auf ihr Segel, Anker los!“

Wachtelwacht.


Fliegendes Blat.


Hoͤrt wie die Wachtel im Gruͤnen ſchoͤn ſchlagt,

Lobet Gott, lobet Gott!

Mir kommt kein Schauder, ſie ſagt,

Fliehet von einem ins andre gruͤn Feld,

Und uns den Wachsthum der Fruͤchte vermeldt,

Rufet zu allen mit Luſt und mit Freud:

Danke Gott, danke Gott!

Der du mir geben die Zeit.

Morgens ſie ruft, eh der Tag noch anbricht:

Guten Tag, guten Tag!

Wartet der Sonnen ihr Licht;

Iſt ſie aufgangen, ſo jauchzt ſie vor Freud,

Schuͤttert die Federn, und ſtrecket den Leib,

Wendet die Augen dem Himmel hinzu,

Dank ſey Gott, dank ſey Gott!

Der du mir geben die Ruh.

Blinket der kuͤhlende Thau auf der Heid,

Werd ich naß, werd ich naß!

Zitternd ſie balde ausſchreit,

Fliehet der Sonne entgegen und bitt,

Daß ſie ihr theile die Waͤrme auch mit,

[160]
Laufet zum Sande und ſcharret ſich ein,

Hartes Bett, hartes Bett!

Sagt ſie, und legt ſich darein.

Kommt nun der Waidmann mit Hund und mit Bley,

Fuͤrcht mich nicht, fuͤrcht mich nicht!

Liegend ich beyde nicht ſcheu,

Steht nur der Waizen, und gruͤnet das Laub,

Ich meinen Feinden nicht werde zum Raub,

Aber die Schnitter die machen mich arm,

Wehe mir, wehe mir!

Daß ſich der Himmel erbarm.

Kommen die Schnitter, ſo ruft ſie ganz keck:

Tritt mich nicht, tritt mich nicht!

Liegend zur Erde geſtreckt.

Flieht von geſchnittenen Feldern hindann,

Weil ſie ſich nirgend verbergen mehr kann,

Klaget, ich finde kein Koͤrnlein darin,

Iſt mir leid, iſt mir leid!

Flieht zu den Saaten dahin.

Iſt nun das Schneiden der Fruͤchte vorbey,

Harte Zeit! harte Zeit!

Schon kommt der Winter herbey.

Hebt ſich zum Lande zu wandern nun fort

Hin zu dem andern weit froͤhlichern Ort

Wuͤnſche indeſſen dem Lande noch an:

Huͤt dich Gott, huͤt dich Gott!

Fliehet in Frieden bergan.

[161]

Das Todaustreiben.


Muͤndlich.


So treiben wir den Winter aus,

Durch unſre Stadt zum Thor hinaus,

Mit ſein Betrug und Liſten,

Den rechten Antichriſten.

Wir ſtuͤrzen ihn von Berg und Thal,

Damit er ſich zu tode fall,

Und uns nicht mehr betruͤge,

Durch ſeine ſpaͤten Zuͤge.

Und nun der Tod das Feld geraͤumt

So weit und breit der Sommer traͤumt,

Er traͤumet in dem Mayen,

Von Bluͤmlein mancherleyen.

Die Blume ſproßt aus goͤttlich Wort,

Und deutet auf viel ſchoͤnern Ort,

Wer iſts der das gelehret?

Gott iſts, der hats beſcheeret.

Zauberlied gegen das Quartanfieber.


Reichard's Geiſterreich. I. B. S. 145.


Steh dir bey der himmliſche Degen,

„Jedweden halben, darin eben,

„Der Leib ſey dir beinern,

„Das Herz ſey dir ſteinern,

11.
[162]
„Das Haupt ſey geſtahlet,

„Der Himmel geſchildet,

„Die Hoͤlle verſperret,

„Alls Uebel ſich von dir verirret!“

Alſo ſagte Tobias zum Sohn,

Und ſandt ihn nach Simedion.

Gott ſandt ihn heim mit gutem Muth,

Zum Vater heim, zum eignen Gut.

Zauberformel zum Feſtmachen
der Soldaten
.


Daſ. S. 145.


Holunke, wehre dich!

Probatum est.

Aufgegebne Jagd.


Friſche Liedlein.


Erſter Jaͤger.
Ich ſchwing mein Horn ins Jammerthal,

Mein Freud iſt mir verſchwunden,

Ich hab gejagt, muß abelahn,

Das Wild lauft vor den Hunden,

Ein edel Thier in dieſem Feld

Haͤtt ich mir auserkohren,

Das ſchied von mir als ich es meld,

Mein Jagen iſt verloren.

[163]
Fahr hin Gewild in Waldes-Luſt,

Ich will dich nimmer ſchrecken,

Und jagen dein ſchneeweiſſe Bruſt,

Ein ander muß dich wecken,

Mit Jagdgeſchrey, und Hundebiß,

Daß du kaum moͤgſt entrinnen:

Halt dich in Hut, ſchoͤns Maidlein gut,

Mit Leid ſcheid ich von hinnen.

Zweyter Jaͤger.
Kein Hochgewild ich fahen kann,

Das muß ich oft entgelten;

Noch halt ich ſtets auf Jaͤgers-Bahn,

Wiewohl mir Gluͤck kommt ſelten:

Mag ich nicht han ein Hochwild ſchoͤn,

So laß ich mich begnuͤgen,

Am Haſenfleiſch, nichts mehr ich weiß,

Das mag mich nicht betruͤgen.

Wers Lieben erdacht.


Muͤndlich.


Knabe.
Zum Sterben bin ich,

Verliebet in dich,

Deine ſchwarzbraune Aeugelein,

Verfuͤhren ja mich:|:

[164]
Biſt hier oder biſt dort,

Oder ſonſt an eim Ort,

Wollt' wuͤnſche, konnt rede,

Mit dir ein Paar Wort. :|:

Wollt' wuͤnſche es waͤr Nacht,

Mein Bettlein waͤr gemacht,

Ich wollt mich drein legen,

Feins Liebchen darneben,

Wollt ſ' herzen daß ſ' lacht.

Mein Herz iſt verwund't,

Komme Schaͤtzl' machs geſund,

Erlaub mir zu kuͤſſen

Dein'n purpurrothen Mund. :|:

Dein purpurrother Mund,

Macht Herzen geſund,

Macht Jugend verſtaͤndig,

Macht Todte lebendig,

Macht Kranke geſund.

Maͤdchen.
Meine Mutter hat nur

Ein ſchwarzbraune Kuh,

Wer wird ſie denn melken,

Wenn ich heurathen thu. :|:

Saͤnger.
Der dies Liedchen gemacht,

Hat's Lieben erdacht,

[165]
Drum wuͤnſch ich mein feins Liebchen,

Viel tauſend gute Nacht. :|:

Ein Rundgeſang von des Herrn Weingarten.


Handſchrift im Beſitze von Clemens Brentano.


Ich weiß mir einen ſchoͤnen Weingarten,

Darinnen da iſt gut Weſen:

Wohlauf, wir wollen drin arbeiten,

Die Weinbeer wollen wir leſen.

Wohlauf, mit mir zum Weingarten,

Dann es iſt an der Zeit,

Daß wir die Weinbeer brechen,

Weil faſt der Tag herſcheint.

So ſollen wir gern drin arbeiten,

Die Zeit, die geht dahin,

Wer ſich darin verſaͤumet hat,

Sie koͤmmt ihm herwieder nie.

Wer ſich darin verſaͤumet,

Wie ihm darum geſchieht,

Zu ihm ſpricht Gott der Herre:

Geh hin, ich kenn' dich nicht.

Die Weinbeer, die ſind ſuͤße,

Der Wein iſt lauter klar,

Den haben die heilgen Engel

Einer Jungfrau vom Himmel herbracht.

[166]
Es war kein Mann ſo elend nicht,

Und auch ſo tief verwundt,

Geneußt der edlen Traͤublein er,

Fuͤrwahr er wird geſund.

So wolln wir nicht weiter fragen,

Und auch nicht mehr begehren,

Wenn uns von den edlen Weinbeeren

Ein Traͤublein moͤchte werden.

Das Weinkorn, das hochheilige,

Das kam vom Himmel herab,

Einer Jungfrau unter ihr Herze,

Die war heilig und klar.

Sie trug es unverborgen

Bis an den Weihnachttag,

Da ward der Wein geboren,

Der alle Ding vermag.

Cedron's Klage.


Spee Trutz Nachtigal. S. 225.


Da nun Abends in dem Garten,

Daphnis uͤberfallen war,

Und nun keinen Grimm erſparte,

Stark bewehrte Moͤrderſchaar,

Hube ſuͤßlich an zu weinen,

Ein ſo gar beruͤhmter Bach,

[167]
Ließ die liebe Sternen ſcheinen,

Er dem Daphnis trauret nach.

Cedron hieß der Bach mit Namen,

Wohnt an einem hohen Stein:

Oft zu ihm Geſellen kamen,

Damals war er doch allein,

Saß in ſeinen gruͤnen Gruͤften,

Straͤhlet ſeine Binſenhaar,

Spielet gar mit ſanften Luͤften,

Dacht an keine Kriegsgefahr.

Rohr, und Gras, und Waſſerblaͤtter,

Deckten ſeine Schulter bloß,

Stark er ſich bey feuchtem Wetter,

Lehnt auf ſeinen Eimer groß,

Doch weil er faſt muͤd gelaufen,

Dazumal in ſtarkem Trab,

Er ein wenig wollt verſchnaufen,

Goß den Eimer langſam ab.

Nahm ein Roͤhrlein wohl geſchnitten,

Spielet ſeinen Waͤſſerlein,

Sie zum Schlafen thaͤt er bitten,

Wollt ſie ſuͤßlich ſaufen ein:

Eya, meine Waͤſſer ſchlafet,

Schlafet meine Waͤſſerlein,

Nicht mit Augen immer gaffen,

Eya, ſchlafet, ſchlafet ein.

[168]
Kaum nun waren eingeſchlafen

Seine matten Waͤſſerlein,

Bald erklungen Wehr und Waffen,

Flamm und Fackel gaben Schein,

Nur von tollen vollen Knechten,

Voll war alles uͤberall,

Nur von Jauchzen, Springen, Fechten,

Thal und Ufer gaben Schall.

Cedron erſtens gar erſchrecket,

War der Waffen ungewohnt,

Bald er ſeine Waſſer wecket,

Wollte der Gefahr entgehn,

Wie die Pfeil vom Bogen zielen,

Lief er ab, auf naſſer Meil,

Rohr und Eimer ihm entfielen,

Fiel auch ſelbſt in blinder Eil.

Doch weil nachmals er verſpuͤret,

Es nicht wider ihn gemeint,

Und nur Daphnis werd gefuͤhret,

Daphnis vom bekannten Feind;

Ließ er ab von ſtrengem Laufen,

Faſſet eine Weidenruth,

Seine Waſſer trieb zu Haufen

Und beklagt das junge Blut.

Traurig hub er an zu klagen,

Bließ auf einem holen Ried,

[169]
Herz und Muth ihm war zerſchlagen,

Sang mit Schmerzen folgend Lied:

Ach, und ach, nun muß ich klagen,

Daphnis, o du ſchoͤnes Blut!

Ach, und ach, bin gar zerſchlagen,

Brochen iſt mir Herz und Muth.

Daphnis, o du ſchoͤner Knabe,

Daphnis mir ſo lang bekannt,

Oft bey mir du ſchnitteſt abe,

Ried, und Roͤhrlein allerhand,

Viel du deren haſt verſchlißen,

Wann du ſpieleſt deiner Heerd,

Seind im Blaſen viel zerſplißen,

Waren mehr denn Goldes werth.

Oft bey mir die Weide nahmen,

Deine Schaͤflein ſilberweiß,

Oft zu mir auch trinken kamen,

In den Sommertagen heiß,

Wann dann ſpielteſt deinen Schaafen,

Und die Roͤhrlein blieſeſt an,

Gunten meine Waͤſſer ſchlafen,

Wankten oft von rechter Bahn.

Auch die Wind ſich gunten legen,

Banden ihre Fluͤgel ab,

Kaum den Athem thaͤten regen,

Wie dann oft geſpuͤret hab,

[170]
Auch die Schaaf mit Luͤſten aßen,

Suͤßer wurden Laub und Gras,

Ja des Weidens oft vergaßen,

Deine Stimm viel ſuͤßer was.

Auch die Voͤglein kamen fliegen,

Kam auch manche Nachtigal,

Deinem Spielen, will nicht luͤgen,

Hoͤrten zu mit großer Zahl,

Saßen gegen deine Geige,

Saßen dir auf deinem Rohr,

Thaͤten ihnen freundlich neigen,

Dann das link, dann rechtes Ohr.

Schoͤne Sonn, du deinen Wagen,

Ließeſt in gar lindem Lauf,

Wann bey reinen Sommertagen,

Dir nur Daphnis ſpielet auf,

Schoͤner Mond, du deine Sternen

Morgens fuͤhrteſt ab zu ſpaͤt,

Wann auch Daphnis dir von Ferne,

Je zu Nachten ſpielen thaͤt.

Schoͤne Sonn magſt nunmehr trauren,

Daphnis dir nicht ſpielet mehr,

Daphnis iſt von boͤſen Laurern

Hingeruͤckt ohn Wiederkehr;

Schoͤner Mond magſt nunmehr klagen,

Daphnis raſtet im Verhaft,

[171]
O des ſchweren Eiſenkragen!

O der kalten Kettenkraft.

Mond und Daphnis, ihr allbeiden

Oft enthieltet euch vom Schlaf,

Kamet in Geſellſchaft weiden,

Du die Sterne, er die Schaf,

Nicht hinfuͤhro wacht allbeyde,

Schlaf, o matter Mond! entſchlaf,

Nie zuſammen werdet weiden,

Du die Sterne, er die Schaf.

Ach ihr Schaͤflein, wer wird huͤten,

Wer ſoll euch nun treiben auf?

Hirten ſolcher Mild und Guͤte

Sind nicht alſo guten Kaufs.

O des jung und ſchoͤnen Knaben,

Hirt und Schuͤtzen gleiche gut,

Wer ſoll ſeinen Stecken haben?

Taſchen, Horn und Winterhut?

Wer ſoll haben ſeinen Bogen?

Wer den Koͤcher, Pfeil und Bolz?

Die von ihm ſo weit geflogen,

Nie gefehlet in dem Holz.

Wer ſoll haben ſeine Geigen,

Dulzian und Mandolin?

Ach fuͤr Trauren muß ich ſchweigen,

Ach ade! muß fließen hin.

[142[172]]

Fruͤhlingsbeklemmung.


Spee Trutz Nachtigal, Coͤlln 1660. S. 34.


Der truͤbe Winter iſt vorbey,

Die Kranich wiederkehren,

Nun reget ſich der Vogelſchrey,

Die Neſter ſich vermehren;

Laub allgemach

Nun ſchleicht an Tag,

Die Bluͤmlein ſich nun melden,

Wie Schlaͤnglein krumm,

Gehn laͤchelnd um

Die Baͤchlein kuͤhl in Waͤlden.

Der Bruͤnnlein klar, und Quellen rein,

Viel hie, viel dort erſcheinen,

All ſilberweiße Toͤchterlein

Der hohen Berg und Steinen;

In großer Meng

Sie mit Gedraͤng,

Wie Pfeil von Felſen zielen,

Baldrauſchens her,

Nicht ohn Geplerr,

Und mit den Steinlein ſpielen.

Die Jaͤgerin, Diana ſtolz,

Auch Wald- und Waſſer-Nymphen,

Nun wieder friſch im gruͤnen Holz

Gehn ſpielen, ſcherzend ſchimpfen;

Die reine Sonn

[143[173]]
Schmuͤckt ihre Kron,

Den Koͤcher fuͤllt mit Pfeilen;

Ihr beſte Roß

Laͤßt lauffen los

Auf marmorglatten Meilen.

Mit ihr die kuͤhlen Sommerwind,

All Juͤngling ſtill von Sitten,

In Luft zu ſpielen ſeyn geſinnt,

Auf Wolken leicht beritten;

Die Baͤum und Aeſt

Auch thun das beſt,

Bereichen ſich mit Schatten,

Wo ſich verhalt

Das Wild im Wald,

Wenns will von Hitz ermatten.

Die Meng der Voͤglein hoͤren laßt

Ihr Schir von Tire Lire,

Da ſauſet auch ſo mancher Aſt,

Als ob er muſicire;

Die Zweiglein ſchwank,

Zum Vogelſang,

Sich auf- und nieder neigen,

Auch hoͤret man

Auf gruͤnem Plan,

Spazieren Laut und Geigen.

Wo man nur ſchaut, faſt alle Welt

Zu Freuden ſich thut ruͤſten,

[174]
Zum Scherzen alles iſt geſtellt,

Schwebt alles faſt in Luͤſten;

Nur ich allein

Leid ſuͤße Pein,

Unendlich werd gequaͤlet,

Seit ich mit dir,

Und du mit mir,

O Jeſu, dich vermaͤhlet.

Lobgeſang auf Maria.


Von Balde, nach dem deutſchen Muſaͤum.


Ach wie lang hab ich ſchon begehrt,

Maria, dich zu loben!

Nicht zwar als wie du wirſt verehrt,

Im hohen Himmel oben;

Dieß waͤr umſonſt! Mein' arme Kunſt

Wuͤrd an der Harfe hangen,

Und dieſes Lied, ſo ſehr ſie gluͤht,

In tiefem Ton anfangen.

Demuͤthig ſey von mir gegruͤßt!

Nimm gnaͤdig an dies Gruͤßen,

Von dir ſo viel der Gnaden fließt,

Als immer her kann fließen;

Der dich erwaͤhlt hat, und gewollt

An deinen Bruͤſten ſaugen,

[175]
So ſchoͤn Er iſt, ſo ſchoͤn Du biſt,

Er ſcheint dir aus den Augen.

Was in der Welt ſo mannigfalt

Iſt zierlichs ausgefloſſen,

Hat uͤber ihre Wohlgeſtalt

Sich ringsum reich ergoſſen,

Des Himmels Kraft, der Erden Saft,

Den Durchglanz eingeboren,

Von dem empfing, den ſie empfing,

Vom Sohn, den ſie geboren.

Zwoͤlf Stern' um ihr glorwuͤrdig Haupt,

Als Krone, ringsum ſchweben,

Und jauchzen: Uns iſt es erlaubt

Allein ſie zu umgeben!

Sie triebe ab nicht Schwerdt, nicht Stab,

So feſt thun ſie verharren;

Sie ließen eh des Himmels Hoͤh,

Als ihre Stelle fahren.

Denn ihre Freud' und Herzensluſt,

Iſt, dieß Geſicht anſchauen,

Den Mund, den Gott ſo oft gekuͤßt,

Die Augen und Augbraunen,

Die Liljenhaͤnd' Lefzen vermengt

Mit Honig und mit Roſen,

Die ſuͤße Red, die von ihr geht,

Iſt uͤber all Liebkoſen.

[176]
Dem Palmbaum ihre Laͤnge gleicht,

Die Wange Turteltauben,

Und ihren ſuͤßen Bruͤſten weicht

Der Wein aus edlen Trauben;

Ganz Hiazinth, von keiner Suͤnd,

Noch groß, noch klein beladen,

Das Adams-Gift, das alle trifft,

Hat ihr nicht koͤnnen ſchaden.

O Fuͤrſtentochter! o wie ſchoͤn

Die Tritt ſind, die du zaͤhleſt!

Welch einen Feſttag wird begehn,

Dem du dich einſt vermaͤhleſt!

Dein Braͤutigam wird bei dem Lamm

Andern Geſang anſtimmen,

Er wird in Freud und Suͤßigkeit

Ein Fiſch im Meere ſchwimmen.

O daß noch von Siena viel

Der Bernhardini waͤren,

Die, deren einig End und Ziel

Iſt dieſe Braut zu ehren,

Er ſchenkte ihr all ſein Begier,

Luſt, Hoffnung, Freud und Schmerzen,

Trug, wie ich ſing', den liebſten Ring,

Den Diamant im Herzen.

Hintan mit dir du Erdgeſtalt,

Mit Milch und Blut gewaſchen,

[177]
Die doch zulezt welk wird und alt,

Und dann zu Staub und Aſchen;

Beſonders die mit falſcher Muͤh,

Sich Schoͤnheit nur erdichtet,

Und uns ins Herz, in bitterm Scherz,

Den ſuͤßen Giftpfeil richtet.

Sag auch hiemit den Parzen ab,

Die mir bisher geſponnen,

Bei denen ich an meinem Grab

Verloren, nicht gewonnen.

Falſch und untreu ſind alle drey

Heimlich mit mir umgangen;

An ihr Geſpinnſt, an ihre Kunſt

Sollt ich mein Leben hangen?

Nein, wenn der Athem mir wird ſchwer,

Daß ichs nicht mehr kann leiden,

Soll mir den Faden nimmermehr

Derſelben Ein' abſchneiden;

Dein ſchoͤne Hand, dein milde Hand,

O Jungfrau auserkohren,

Schneid oder ſchon, ſtraf oder lohn,

Sonſt iſt alles verloren.

Wenn mir geſchwaͤcht ſind alle Sinn',

Und die Umſtehenden ſagen:

Jezt ſcheidet er, jezt iſt er hin,

Der Puls hoͤrt auf zu ſchlagen!

12.
[178]
Dein ſchoͤne Hand, dein milde Hand,

O Mutter meines Lebens,

Gleit uͤber mich, erquicke mich,

Sonſt iſt es Alls vergebens.

Abſchied von Maria.


Muͤndlich.


Ihrer Hochzeit hohes Feſt

Graͤfin Elsbeth ſtill verlaͤßt,

Geht mit reich geſchmuͤcktem Haupt

Wo die Waldkapell erbaut.

Bringet Blumen, preiſet laut,

Ach wie oft ſie da erbaut,

Preißt Maria Geberin,

Ihres Gluͤcks in frommen Sinn.

Was ſie haͤlt an dem Altar,

Iſt es Angſt? Sie fuͤhlt es klar,

Ihre Stunde geht vorbei,

Ihr Gebet ſtroͤmt immer neu.

„O Maria, welches Leid,

„Lezte Blumen bring ich heut,

„Daß ich reiſe, ſchmerzet mich,

„Ob ich wiederſehe dich?

„O Maria, jezt iſt Zeit,

„Daß ich wieder von dir ſcheid,

[179]
„Fort ich muß, auf lange fort,

„Ach Ade du Gnadenort!

„Schau Maria, Mutter mein!

„Laß mich dir befohlen ſeyn;

„Ach es muß geſchieden ſeyn,

„Von dir und deinem Kindelein.

„O du gnadenreiches Bild!

„O Maria, Mutter mild!

„O wie hart ſcheid ich von dir,

„Wie ſo gern blieb ich allhier.

„Meine Zunge iſt mir ſchwer,

„Meine Augen voller Zaͤhr,

„Nicht mehr hell iſt meine Stimm,

„Gute Nacht, ich Urlaub nimm.

„O Maria, neue Pein

„Spuͤr ich in dem Herzen mein,

„Daß ich jetzund ſcheiden ſoll,

„Darum bin ich trauervoll.

„O du mein lieb Herzelein,

„Muß es ſo geſchieden ſeyn?

„Ade nun mit der Mutter dein,

„Gute Nacht lieb Herzelein!

„O Maria, noch die Bitt,

„Mich im Tod verlaſſe nit,

„Sey gegruͤßet tauſendmal,

„Ach Ade viel tauſendmal!“

[180]
Alſo lange betet ſie,

Und ſchon lange ſahe ſie

Ueber ſich ein blankes Schwerdt:

Ihr Gebet doch ruhig waͤhrt.

Sie vergißt des Schwerdtes Tuͤck,

In der Gnade ſchwebt ihr Blick,

Als der Raͤuber ſie gehoͤrt,

Er ſie im Gebet nicht ſtoͤrt.

Als er ihren Blick vernahm,

Schwere Reu ihn uͤberkam,

Legte ab ſein Schwerdt, ſein Spies,

Auf die Knie ſich niederließ.

„Hoher Worte fromme Schaar

„Schuͤzt den Schmuck in deinem Haar,

„Schuͤzt dein Leben gegen mich,

„Edle Frau, ach bet fuͤr mich.“

„O Maria, noch die Bitt,

„Dieſen Suͤnder verlaſſe nit,

„Loͤſe ihn von Schuld und Quaal,

„Ach Ade viel tauſendmal.“

Und als ſie nun von ihm ging,

Schien ihm alle Welt gering,

Buͤßt als frommer Bruder ſchwer,

Hoͤrt, ſein Gloͤcklein ſchallet her.

[181]

Eheſtand der Freude.


Seladons (Greflingers) weltliche Lieder. Frankfurt 1651. S. 60.


Laſſet uns ſcherzen

Bluͤhende Herzen,

Laſſet uns lieben

Ohne Verſchieben,

Lauten und Geigen

Sollen nicht ſchweigen,

Kommet zum Tanze,

Pfluͤcket vom Kranze.

Druͤcket die Haͤnde,

Legt euch zum Ende,

Gebet Euch Kuͤſſe,

Tretet die Fuͤße,

Machet euch froͤhlich,

Machet euch ehlich,

Laſſet die Narren

Einſam verharren.

Ehlich zu werden

Dienet der Erden,

Ledige Leute

Mangeln der Freude;

Jeder muß ſterben,

Machet euch Erben

Euerem Gute,

Namen und Blute.

[182]
Laſſet der Grauen

Murren und Schauen,

Rathen und Wiſſen,

Wenig erſprieſſen;

Eben ſie ſelber

Waren auch Kaͤlber,

Bluͤhende Herzen

Laſſet uns ſcherzen.

Amor.


Muͤndlich.


Des Nachts da bin ich gekommen,

Treibt mit mir ein Buͤbchen viel Scherz,

Wie Amor mir iſts vorgekommen,

Verwundet, verbindet mein Herz.

Ich dacht, was ſollt ich nun machen,

Wenn ich mein klein Buͤbchen gedenk,

So hoͤr ich die Flamme ſchon krachen,

Schier alle Minuten ihm ſchenk.

Ich kann es bei Tage nicht finden,

Des Nachts da ſucht es mich heim,

Ich will ihm die Augen verbinden,

Dann wird es bei Tage auch mein.

[183]

Romanze vom großen Bergbau der Welt.


Im Ton: Wie ſchoͤn leucht uns der Morgenſtern.


Der durch das geiſtliche Schlegel andaͤchtige Berg-Reihen das Gedinge ſei-
nes Glaubens herausſchlagende Bergmann. Anno 1712. S. 56-61.


Auf! richtet Augen, Herz und Sinn

Zu jenen blauen Bergen hin,

Da Gott der Berg-Herr thronet!

Fahrt von der Erde tiefen Bahn

In gruͤnen Hoffnungs-Kleidern an,

Wo milder Segen wohnet;

Betet, tretet

Im Gemuͤthe

Zu der Guͤte,

Die beſchweret,

Was den Leib und Geiſt ernaͤhret.

Gott hat in dieſem Erdenball

So mancher Erze reichen Fall

Mit weiſer Hand verborgen.

Gold, Silber, Kupfer auf ſein Wort,

Streicht in den edlen Gaͤngen fort,

Die Menſchen zu verſorgen,

Maͤchtig, praͤchtig

Durch die Floͤtzen

Heißt er ſetzen

Die Metallen,

Daß ſein Ruhm muß herrlich ſchallen.

[184]
Es ſteht ſo manches rauhe Land

In Werken ſeiner Wunder-Hand

Macht, Kraft und Weisheit ſpielen,

Wo man kein zartes Bluͤmchen ſpuͤrt,

Kein Fruͤhlings-Gras ſich gruͤn auffuͤhrt,

Muß die Natur erzielen,

Lichte, dichte

Berggeſchicke

Zum Geluͤcke,

Die erweiſen,

Wie man ſoll den Schoͤpfer preiſen.

Es ſtreicht in dieſem Erdenhaus

Im Erz zu hellen Tage aus

Des großen Vaters Liebe,

Die wittert vor bei Tag und Nacht,

Aus jeden Stollen, Kluft und Schacht;

Die weiſſen Quarzgeſchiebe

Geben eben

Wie die Gaͤnge

Durch die Menge

Zu erkennen,

Was wir Vater-Guͤte nennen.

Denn da ſieht ihren milden Gott

Die Armuth nach dem herben Spott,

Und vielen Zaͤhren-Triefen.

Wenn das Vermoͤgen iſt verwuͤſt,

[185]
Und alle Mittel zugebuͤßt,

Kommt aus der ſchwarzen Tiefen

Letzlich, ploͤtzlich

Reiche Beute

Fuͤr die Leute,

Die vertrauen

Gott, und glaͤubig auf ihn bauen.

Drum rufen wir auch dieſen an,

Der fuͤndige Gebirge kann

Eroͤffnen und erhalten;

Er wolle mit der Segens-Hand

Auch uͤber unſer Sachſenland

Forthin genaͤdig walten;

Hoͤren, Lehren,

Wenn wir ſchuͤrfen

Und beduͤrfen

Huͤlf und Rathen,

Sonſt iſts nichts mit unſern Thaten.

O großer Grundherr aller Welt!

Weil deine Vorſicht uns erhaͤlt

Auch von der Erden Schaͤtzen;

Beſcheere gutes Erz allhier,

Und laß die Gaͤnge, Macht und Zier

In ewge Teufen ſetzen.

Kluͤglich, tuͤglich

Laß uns bauen

[186]
Ohne Grauen,

Mittel finden,

Und den Mangel uͤberwinden.

Zaͤhl uns in Aſſers Stamm mit ein,

Und laß uns ſo geſegnet ſeyn,

Daß Erz an Schuhen klebe,

Daß ſich kein edler Gang abſchneid,

Und uns vergnuͤge jederzeit,

Viel reichen Vorrath gebe.

Groͤß're, beß're,

Sieh aufs Gleiche,

Daß der Reiche

Dem nicht ſchade,

Der beduͤrftig deiner Gnade.

Doch bitten wir dich, Herr! zugleich,

Mach' uns zuerſt am Geiſte reich,

Mit himmliſcher Genuͤge;

Daß unſer Gang zu dir gericht,

Die Stunde ja veruͤcke nicht,

Noch tauſend Mittel kriege,

Handel Wandel,

Sey gerichtig

Und vorſichtig

Laß uns bleiben,

Weil wir hier das Bergwerk treiben.

[187]
Schenk uns nur, allerhoͤchſter Hort!

Was Chriſtus hat gefoͤrdert dort

Aus ſeiner Leidens-Grube,

Da er zum Lebens-Gange brach,

Und hieß uns alle folgen nach,

Die Beuten, die er hube,

Muthig, blutig,

Durch die Kluͤfte

Seine Huͤfte

Hilft uns wallen,

Wenn des Leibes Schacht muß fallen.

Die Welt iſt unſer Golgatha,

Wo ein Kreuzgang dem ander nah:

Laß Zion uns erblicken,

Und Karmel, da in ſtolzer Ruh,

Elias ruft der Knappſchaft zu,

Weit von den Erdgeſchicken:

Gluͤck auf! Blick auf!

Komm gefahren

Vor den Jahren,

Komm in Spruͤngen

Von ber Sabaths-Schicht zu ſingen.

Drum fuͤhr' uns einſt, wie Simeon,

Auf einer ſanften Fahrt davon,

Zu deinen Friedenszechen,

Wo man das neugeborne Kind,

[188]
Auch den Erz-Engel maͤchtig find,

Und Freuden-Gold kann brechen:

Oedes, ſchnoͤdes,

Muͤſſen merken

Die Gewerken

Hier in Hoffen,

Bis ſie dort den Gang getroffen.

Huſarenbraut.


Fliegendes Blat aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege.


Wir Preuſſiſch Huſaren, wann kriegen wir Geld?

Wir muͤſſen marſchiren ins weite Feld,

Wir muͤſſen marſchiren dem Feind entgegen,

Damit wir ihm heute den Paß noch verlegen.

Wir haben ein Gloͤcklein, das lautet ſo hell,

Das iſt uͤberzogen mit gelbem Fell,

Und wenn ich das Gloͤcklein nur laͤuten gehoͤrt,

So heißt es: Huſaren, auf euere Pferd!

Wir haben ein Braͤutlein uns auserwaͤhlt,

Das lebet und ſchwebet ins weite Feld,

Das Braͤutlein, das wird die Standarte genannt,

Das iſt uns Huſaren ſehr wohl bekannt.

Und als dann die Schlacht voruͤber war,

Da einer den andern wohl ſterben ſah!

Schrie einer zum andern: Ach! Jammer, Angſt und Noth,

Mein lieber Kamerad iſt geblieben todt.

[189]
Das Gloͤcklein es klinget nicht eben ſo hell,

Denn ihm iſt zerſchoſſen ſein gelbliges Fell,

Das ſilberne Braͤutlein iſt uns doch geblieben,

Es thuet uns winken, was hilft das Betruͤben.

Wer ſich in Preuſſiſchen Dienſt will begeben,

Der muß ſich ſein Lebtag kein Weibchen nicht nehmen:

Er muß ſich nicht fuͤrchten vor Hagel und Wind,

Beſtaͤndig verbleiben und bleiben geſchwind.

Das Straßburger Maͤdchen.


Fliegendes Blat.


Es trug das ſchwarzbraun Maͤdelein

Viel Becher rothen Wein,

Zu Straßburg auf der Straßen,

Begegnet ihr allda

Ein wunderſchoͤner Knab,

Er thut ſie wohl anfaſſen.

„Laß ab, laß ab, ey laſſe ab,

„Mein wunderſchoͤner Knab,

„Mein Muͤtterlein thut ſchelten,

„Verſchuͤtte ich den Wein,

„Den rothen kuͤhlen Wein,

„Der Wein thut ſehr viel gelten.“

Bald hat das ſchwarzbraun Maͤdelein,

Verloren ihr Pantoͤffelein,

[190]
Sie kanns nicht wieder finden,

Sie ſuchet hin, ſie ſuchet her,

Verliere nicht den andern mehr,

Noch unter dieſer Linde.

Denn zwiſchen zwey Berg und tiefe Thal,

Ins gruͤne ebne Thal,

Da fließt ein ſchiffreich Waſſer,

Wer ſein Feinslieb nicht will,

Wen ſein Feinslieb nicht will,

Die muͤſſen ſich fahren laſſen.

Zwey Roͤſelein.


Muͤndlich am Neckar.


Knabe. Geh ich zum Bruͤnnelein,

Trink aber nicht,

Such ich mein Schaͤtzelein,

Finds aber nicht.

Setz ich mich ſo allein

Aufs gruͤne Gras,

Fallen zwei Roͤſelein

Mir in den Schoß.

Dieſe zwei Roͤſelein

Gelten mir nicht,

Iſts nicht mein Schaͤtzelein,

Die ſie mir bricht?

[191]
Dieſe zwei Roͤſelein

Sind roſenroth,

Lebt noch mein Schaͤtzelein,

Oder iſts todt.

Wend ich mein Aeugelein

Rum und um her,

Seh ich mein Schaͤtzelein

Beim andern ſtehn.

Wirft ihn mit Roͤſelein,

Treffen mich thut,

Meint ſie waͤr ganz allein,

Das thut kein gut.

Waͤrſt du mein Schaͤtzelein,

Waͤrſt du mir gut?

Steck die zwei Roͤſelein

Mir auf den Hut.

Maͤdchen. Wirſt doch nicht reiſen fort,

Haſt ja noch Zeit.

Knabe. Ja ich will reiſen fort,

Mein Weg iſt weit.

Hin, wo ihr treue Lieb

Kein Maͤgdlein bricht.

Maͤdchen. Schatz nimm zu Hauß vor Lieb,

Hin findſt du nicht.

Roͤßlein am Strauche bluͤhn

Ewig doch nicht,

[192]
Lieb iſt ſo lang nur gruͤn,

Bis man ſie bricht.

Nimm die zwei Roͤſelein

Auf deinen Hut,

Ewig beinander ſein

Thut auch kein gut.

Wenn die zwei Roͤſelein

Nicht mehr ſind roth,

Werf ſie in Fluß hinein,

Denk ich waͤr todt.

Knabe. Biſt du todt alzumahl,

Thut mirs nicht leid,

Untreu findt uͤberall,

Wen ſie erfreut.

Das Maͤdchen und die Haſel.


Herder's Volkslieder. I. B. S. 109.


Es wollt ein Maͤdchen Roſen brechen gehn,

Wohl in die gruͤne Heide,

Was fand ſie da am Wege ſtehn?

Eine Haſel, die war gruͤne.

„Guten Tag, guten Tag, liebe Haſel mein,

„Warum biſt du ſo gruͤne?“

„Hab' Dank, hab' Dank, wackres Maͤgdelein,

„Warum biſt du ſo ſchoͤne?“

[193]
„Warum daß ich ſo ſchoͤne bin,

„Das will ich dir wohl ſagen:

„Ich eß' weiß Brod, trink kuͤhlen Wein,

„Davon bin ich ſo ſchoͤne.“

„Ißt du weiß Brod, trinkſt kuͤhlen Wein,

„Und biſt davon ſo ſchoͤne:

„So faͤllt alle Morgen kuͤhler Thau auf mich,

„Davon bin ich ſo gruͤne.“

„So faͤllt alle Morgen kuͤhler Thau auf dich,

„Und biſt davon ſo gruͤne?

„Wenn aber ein Maͤdchen ihren Kranz verliert,

„Nimmer kriegt ſie ihn wieder.“

„Wenn aber ein Maͤdchen ihren Kranz will behalten,

„Zu Hauſe muß ſie bleiben,

„Darf nicht auf alle Narrentaͤnz' gehn;

„Die Narrentaͤnz' muß ſie meiden.“

„Hab Dank, hab Dank, liebe Haſel mein,

„Daß du mir das geſaget,

„Haͤtt' mich ſonſt heut auf'n Narrentanz bereit,

„Zu Hauſe will ich bleiben.“

Die Koͤnigstochter aus Engelland.


Kirchengeſaͤnge. Coͤln 1625. S. 672.


Vionetus in Engelland

War Koͤnig maͤchtig ſehr,

13.
[194]
Sein Tochter, Urſula genannt,

Der Jungfrauſchaft ein Ehr;

Weil ſie mit Chriſti Blut erkauft,

Und nach des Hoͤchſten Will getauft,

Hat ſie ſich ihm vermaͤhlt allein,

In Keuſchheit ſtets zu dienen rein.

Sieh da, eins Heidniſchen Koͤnigs Sohn,

Nach Urſula ſtand ſein Sinn,

Fragt, ob ſie wollte ſeinen Thron,

Als ſeine Koͤnigin?

Verhieß ihr Land und wilde See,

Sehr große Schaͤtze zu der Eh',

Sonſt wollt er ſtreiten mit Gefahr

Um ihre ſchoͤne Jugend klar.

Als Vionetus dies erhoͤrt,

Bekuͤmmert er ſich hart,

Sein Reich wollt halten unzerſtoͤrt

Von Heiden boͤſer Art,

Darzu ſein Tochter fromm und ſchoͤn,

Wollt er dem Mann nicht zugeſtehn,

Jedoch des Fuͤrſten Drohwort groß,

Dem Herzen ſein gab harten Stoß.

Urſula in ihr Zimmer trat,

Ausgoß vor Gott ihr Herz,

Sich in des Herren Willen gab,

Ohn Trauren und ohn Schmerz;

[195]
In einen Schlaf fiel ſie zur Hand,

Alsbald ihr Gott ein Engel ſandt,

Derſelbig bracht ihr gute Maͤhr,

Was Gott der Herr von ihr begehr.

Nachdem ſie wohl war unterricht,

Durch Engeliſche Lehr,

Von Stund zu ihrem Vater ſpricht,

Mit froͤhlicher Gebaͤrd:

„Sey nicht betruͤbt, Gott iſt mit uns,

„Vor ihm beſteht kein Macht, noch Kunſt,

„Kein Menſch mag je verlaſſen ſeyn,

„Der nur auf ihn vertraut allein.

„Ich will den Juͤngling nehmen an,

„Doch unter dem Beding:

„Daß du ſammt meinem Braͤutigam

„Verſchaffeſt mir geſchwind,

„Zehn Fuͤrſtliche Jungfraͤulein zart,

„Zu den Eilftauſend guter Art,

„Adlich, jung, ſchoͤn und tugendreich,

„Zu Gottes Ehr, im Himmelreich.

„Dazu eilf Schiff gar wohl verſehn

„Mit Ruͤſtung allerhand,

„Daß wir drey Jahr von dannen ziehn,

„So fern in fremde Land,

„Und unſrer Keuſchheit heilgen Preis

„Erhalten rein durch dieſe Reiß,

[196]
„Dem Braͤutigam im Himmels-Thron,

„Herrn Jeſu Chriſt, Mariaͤ Sohn.“

Da nun der Koͤnig dis verſtund,

Ward er von Herzen froh,

Der Heiden Botſchaft in der Stund

Sprach unverzaget zu:

„Will euer Fuͤrſt mein Tochter han,

„So ſoll er ſich erſt taufen lahn,

„Und geben Jungfraun edler Art,

„Und Schiffe zu der großen Fahrt.“

Die edle Botſchaft Urlaub nahm,

Wohl zu derſelben Weil,

Zu ihres Koͤnigs Sohne kam

Geſchwind in aller Eil,

Da hielt man Spiel und Freuden-Feſt,

Der junge Prinz erkennen laͤſt,

Er ſei bereit ein Chriſt zu ſein,

Und ſich gar bald zu ſtellen ein.

Eilend die Koͤnge gleicher Hand,

Die eilf Schiff kaufen ein,

Erkieſen auch durch ihre Land,

Die Zahl der Jungfraͤulein;

Da ſchauet man viel junges Blut,

An Ehr und Adel trefflich gut,

Sie eilen nun in wenig Tag,

Der neuen Koͤnigin ſchon nach.

[197]
St. Urſula ſie froh umfangt,

Die edelen Geſpielen gut,

Dem lieben Gott von Herzen dankt,

Fuͤr all dies keuſche Blut,

Zeigt ihnen ihr Vorhaben an,

Gab allen auch recht zu verſtehn,

Was zu der Seeligkeit gehoͤr,

Damit ſie nie die Suͤnde ſtoͤr.

Sie nahmen all den Glauben an,

Und liebten Keuſchheit ſehr,

Das Vaterland auch gern verlahn,

Und gaben ſich aufs Meer,

Da ſchifften ſie ſich froͤhlich hin,

Zu ſuchen geiſtlichen Gewinn,

Jezt kommt ein Wind von Gottes Hand,

Der ſezt ſie an ein fremdes Land.

Den Rheinſtrom ſie da ohne Schad

Auffuhren ſicherlich,

Bis ſie nach Coͤlln zur heilgen Stadt,

O Coͤlln, des freue dich!

Zu Urſula da ein Engel ſchon

Sagt: „Reiſet fort und kommt gen Rom,

„Verrichtet eure Andacht dort,

„Kehrt wieder dann zu dieſem Ort.“

Des andern Tags am Morgen fruͤh,

Sprach ſie ſo gnadenreich:

[198]
„Was mir verkuͤndet in der Ruh,

„Das hoͤret an zugleich,

„Wir ziehn gen Rom und wieder her,

„Nach Gottes Will und Engelslehr;

„Fuͤr Alles wird uns dann zu Lohn,

„Jungfraulichkeit und Marterkron.“

Da hoͤrt man von den Jungfraun ſchoͤn,

Dankſagung und groß Lob,

Daß Gott ſie wollt zu ſich erhoͤhn,

Durch Noth und Maͤrtrer-Tod.

Gen Baſel ſchifften auf dem Fluß,

Dann giengen ſie zu Fuß,

Bis daß ſie kommen in die Stadt,

Da Petrus ſeinen Sitz noch hat.

Als ſie ihr Andacht da verricht

In jungfraͤulicher Still,

Sie haben ſich zuruͤck gericht,

Gen Coͤln nach Gottes Will;

Von Hunnen da mit Schwerdt und Pfeil

Getoͤdtet ſind zu ihrem Heil,

Darum ſie jezt mit Engeln rein,

Hell ſingen, jubiliren fein.

Schall der Nacht.


Simpliciſſimi Lebenswandel. Nuͤrnberg 1713. I. B. S. 28.


Komm Troſt der Nacht, o Nachtigall!

Laß deine Stimm mit Freuden-Schall

[199]
Aufs lieblichſte erklingen,

Komm, komm, und lob den Schoͤpfer dein,

Weil andre Voͤgel ſchlafen ſeyn,

Und nicht mehr moͤgen ſingen;

Laß dein Stimmlein

Laut erſchallen, denn vor allen

Kannſt du loben

Gott im Himmel, hoch dort oben.

Obſchon iſt hin der Sonnenſchein,

Und wir im Finſtern muͤſſen ſeyn,

So koͤnnen wir doch ſingen

Von Gottes Guͤt und ſeiner Macht,

Weil uns kann hindern keine Nacht,

Sein Loben zu vollbringen.

Drum dein Stimmlein

Laß erſchallen, denn vor allen

Kannſt du loben

Gott im Himmel, hoch dort oben.

Echo, der wilde Wiederhall,

Will ſeyn bei dieſem Freudenſchall,

Und laͤßet ſich auch hoͤren;

Verweiſt uns alle Muͤdigkeit,

Der wir ergeben allezeit,

Lehrt uns den Schlaf bethoͤren.

Drum dein Stimmlein

Laß erſchallen, denn vor allen

[200]
Kannſt du loben

Gott im Himmel, hoch dort oben.

Die Sterne, ſo am Himmel ſtehn,

Sich laſſen Gott zum Lobe ſehn,

Und Ehre ihm beweiſen;

Die Eul' auch, die nicht ſingen kann,

Zeigt doch mit ihrem Heulen an,

Daß ſie auch Gott thu preiſen.

Drum dein Stimmlein

Laß erſchallen, denn vor allen

Kannſt du loben

Gott im Himmel, hoch dort oben.

Nur her, mein liebſtes Voͤgelein!

Wir wollen nicht die faulſten ſeyn,

Und ſchlafen liegen bleiben,

Vielmehr bis daß die Morgenroͤth

Erfreuet dieſe Waͤlder-Oed,

In Gottes Lob vertreiben;

Laß dein Stimmlein

Laut erſchallen, denn vor allen

Kannſt du loben

Gott im Himmel, hoch dort oben.

[201]

Große Waͤſche.


Friſche Liedlein und muͤndlich.


Der Mai will ſich mit Gunſten,

Mit Gunſten beweiſen,

Pruͤf' ich an aller Voͤgelein Geſang,

Der Sommer koͤmmt, vor nicht gar lang

Hoͤrt ich Frau Nachtigal ſingen,

Sie ſang recht wie ein Saitenſpiel:

„Der Mai bald will

„Den lichten Sommer bringen, und zwingen

„Die Jungfraͤulein zu Springen und Singen.

„Jedoch ſo ſind die Kleider

„Mir leider zerriſſen,

„Ich ſchaͤme mich vor andrer Maͤgdlein Schaar,

„Mit meinen Schenklein geh ich bar,

„Weil ich grad waſchen wollte,

„Der Reif und auch der kalte Schnee

„That mir wohl weh,

„Ich will als Waſchgeſellen beſtellen,

„Die Jungfraun an den hellen Waldquellen.

„Komm, komm, lieb, lieb, Agnette,

„Margretha, Sophia,

„Eliſabetha, Amaleya traut,

„Sibilla, Lilla, Frau Gertraut,

„Kommt bald ihr Maͤgdlein ſchoͤne,

„Kommt bald und waſcht euch ſaͤuberlich,

„Und ſchmuͤcket mich.“

[202]
Da kamen die Jungfrauen im Thaue

Sich waſchen und beſchauen, ja ſchauen.

Ich dank Frau Nachtigallen,

Vor Allen mein Gluͤcke,

Daß ſie zum Waſchen rief die holde Schaar,

Mit ihren Schenklein giengens bar,

Das Waſſer ward nicht truͤbe,

Der Jugendglanz, der Maienſchnee

That ihm nicht weh;

Doch mich wirds nicht mehr kuͤhlen im Schwuͤlen,

Im Sommer werd ichs fuͤhlen, ja fuͤhlen.

Der Palmbaum.


Simon Dach.


Annchen von Tharau iſt, die mir gefaͤllt,

Sie iſt mein Leben, mein Gut und mein Geld.

Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz

Auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz.

Annchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut,

Du meine Seele, mein Fleiſch und mein Blut!

Kaͤm' alles Wetter gleich auf uns zu ſchlahn,

Wir ſind geſinnet, bei einander zu ſtahn.

Krankheit, Verfolgung, Betruͤbniß und Pein,

Soll unſrer Liebe Verknotigung ſeyn.

[203]
Recht als ein Palmenbaum uͤber ſich ſteigt,

Je mehr ihn Hagel und Regen anficht,

So wird die Lieb in uns maͤchtig und groß,

Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth.

Wurdeſt du gleich einmal von mir getrennt,

Lebteſt da, wo man die Sonne kaum kennt;

Ich will dir folgen, durch Waͤlder, durch Meer,

Durch Eis, durch Eiſen, durch feindliches Heer.

Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,

Mein Leben ſchließ ich um deines herum.

Der Fuhrmann.


Fliegendes Blat.


Es thaͤt ein Fuhrmann ausfahren,

Wohl vor das hohe hohe Haus,

Da guckt die Schoͤne dort,

Ja dort, zum hohen Fenſter raus.

Der Fuhrmann ſchwenkte ſein Huͤtel,

Bot der dort einen guten, guten Tag;

Schoͤn Dank, ſchoͤn Dank, Herr Fuhrmann,

Spannt nur aus, bleibt heut noch da.

Frau Wirthin, iſt ſie darinnen,

Hat ſie gut Bier, gut Bier und Wein,

Schenk ſie der Schoͤnen dort,

Ja dort, von dem allerſuͤßten ein.

[204]
Was zog er aus ſeiner Taſche,

Drey hundert Dukaten an Gold,

Gab ſie der Schoͤnen dort, ja dort,

Sie ſollte ſich kaufen einen rothen Rock.

Sie ſtieg auf hohe Berge,

Schaut runter aufs tiefe tiefe Thal,

Sie ſieht den falſchen Fuhrmann, ja Fuhrmann,

Bey dem ſchwarzbraunen Maͤgdlein ſtehn.

Die dort, die wandte ſich umme,

Ihre Aeuglein wurden, wurden naß,

Fahr nur hin, du falſcher Fuhrmann, ja Fuhrmann,

Dieweil du mich betrogen haſt.

Pfauenart.


Eſchenburgs alte Denkmaͤhler S. 463.


Leucht't heller denn die Sonne,

Ihr beiden Aeugelein!

Bei dir iſt Freud und Wonne,

Du zartes Jungfraͤulein,

Du biſt mein Augenſchein,

Waͤr ich bei dir allein,

Kein Leid ſollt mich anfechten,

Wollt allzeit froͤhlich ſeyn!

Dein Gang iſt aus dermaßen,

Gleichwie der Pfauen Art;

Wenn du gehſt auf der Straßen,

[205]
Gar oft ich deiner wart,

Ob ich gleich oft muß ſtehen

Im Regen und im Schnee,

Kein Muͤh ſoll mich verdrießen,

Wenn ich dich Herzlieb ſeh.

Der Schildwache Nachtlied.


Muͤndlich.


Ich kann und mag nicht froͤhlich ſeyn,

„Wenn alle Leute ſchlafen,

„So muß ich wachen,

„Muß traurig ſeyn.“

„Ach Knabe du ſollſt nicht traurig ſeyn,

„Will deiner warten

„Im Roſengarten,

„Im gruͤnen Klee.“

„Zum gruͤnen Klee, da komm ich nicht,

„Zum Waffengarten

„Voll Helleparten

„Bin ich geſtellt.“

„Stehſt du im Feld, ſo helf dir Gott,

„An Gottes Segen

„Iſt alles gelegen,

„Wers glauben thut.“

„Wers glauben thut, iſt weit davon,

„Er iſt ein Koͤnig,

[206]
„Er iſt ein Kaiſer,

„Er fuͤhrt den Krieg.“

Halt! Wer da? Rund! Wer ſang zur Stund?

Verlohrne Feldwacht

Sang es um Mitternacht:

Bleib mir vom Leib!

Der traurige Garten.


Friſche Liedlein.


Ach Gott, wie weh thut Scheiden,

Hat mir mein Herz verwundt,

So trab ich uͤber Heiden,

Und traure zu aller Stund,

Der Stunden der ſind alſoviel,

Mein Herz traͤgt heimlich Leiden,

Wiewohl ich oft froͤhlich bin.

Haͤt mir ein Gaͤrtlein bauet,

Von Veil und gruͤnem Klee,

Iſt mir zu fruͤh erfroren,

Thut meinem Herzen weh;

Iſt mir erfrorn bei Sonnenſchein

Ein Kraut Je laͤnger je lieber,

Ein Bluͤmlein Vergiß nicht mein.

Das Bluͤmlein, das ich meine,

Das iſt von edler Art,

[207]
Iſt aller Tugend reine,

Ihr Muͤndlein das iſt zart,

Ihr Aeuglein die ſind huͤbſch und fein,

Wann ich an ſie gedenke,

So wollt ich gern bei ihr ſeyn.

Mich duͤnkt in all mein Sinnen,

Und wann ich bei ihr bin,

Sie ſey ein Kaiſerinne,

Kein lieber ich nimmer gewinn,

Hat mir mein junges Herz erfreut,

Wann ich an ſie gedenke,

Verſchwunden iſt mir mein Leid.

Huͤt du dich.


Feiner Almanach I. B. S. 113.


Ich weiß mir'n Maͤdchen huͤbſch und fein,

Huͤt du dich!

Es kann wohl falſch und freundlich ſeyn,

Huͤt du dich! Huͤt du dich!

Vertrau ihr nicht, ſie narret dich.

Sie hat zwei Aeuglein, die ſind braun,

Huͤt du dich!

Sie werd'n dich uͤberzwerch anſchaun,

Huͤt du dich! Huͤt du dich!

Vertrau ihr nicht, ſie narret dich.

[208]
Sie hat ein licht goldfarbnes Haar,

Huͤt du dich!

Und was ſie red't, das iſt nicht wahr,

Huͤt du dich! Huͤt du dich!

Vertrau ihr nicht, ſie narret dich.

Sie hat zwei Bruͤſtlein, die ſind weiß,

Huͤt du dich!

Sie legt ſ'hervor nach ihrem Fleiß,

Huͤt du dich! Huͤt du dich!

Vertrau ihr nicht, ſie narret dich.

Sie giebt dir 'n Kraͤnzlein fein gemacht,

Huͤt du dich!

Fuͤr einen Narr'n wirſt du geacht,

Huͤt du dich! Huͤt du dich!

Vertrau ihr nicht, ſie narret dich.

Die myſtiſche Wurzel.


Katholiſche Kirchengeſaͤnge. Coͤln 1625. S. 91.


Von Jeſſe kommt ein Wurzel zart,

Daraus ein Zweig von Wunderart,

Der Zweig ein ſchoͤnes Roͤslein bringt,

Das wunderlich vom Zweig entſpringt.

Die Wurzel der Stamm Davids iſt,

Maria, du das Zweiglein biſt,

Dein Sohn, die Blum, die ſchoͤne Ros,

Iſt Gott und Menſch in deinem Schos.

[209]
Der heilig' Geiſt von dir allein,

Erſchaffen hat das Kindlein fein,

Gleichwie die Sonn durch ihre Kraft,

Allein von Zweiglein Roſen ſchafft.

O Wunderwerk! auf einem Stiel

Stehn Roͤslein und auch Blaͤtter viel,

O Wunderwerk! in Gottes Sohn

Sind zwei Naturen in Perſon.

Roth iſt die Ros, gruͤn iſt das Blat,

Ein Zweiglein gleichwohl beide hat,

Alſo man zwei Naturen findt,

Und ein Perſon in dieſem Kind.

O Zweig! dich ziert die ſchoͤne Blum,

Die Ros dir bring[t] Lob, Ehr und Ruhm,

Die Ros das Zweiglein nicht verſtellt,

Dein Jungfrauſchaft dein Kind erhaͤlt.

Raͤthſel.


Kurzweilige Fragen S. 23.


Es iſt die wunderſchoͤnſte Bruͤck,

Daruͤber noch kein Menſch gegangen,

Doch iſt daran ein ſeltſam Stuͤck,

Daß uͤber ihr die Waſſer hangen,

Und unter ihr die Leute gehn

Ganz trocken, und ſie froh anſehn,

Die Schiffe ſegelnd durch ſie ziehn,

14.
[210]
Die Voͤgel ſie durchfliegen kuͤhn;

Doch ſtehet ſie im Sturme feſt,

Kein Zoll noch Weggeld zahlen laͤßt.

Wie kommt es, daß du traurig biſt?


Muͤndlich.


Jaͤger.
Wie kommts, daß du ſo traurig biſt,

Und gar nicht einmal lachſt? :,:

Ich ſeh dir's an den Augen an,

Daß du geweinet haſt.

Schaͤferin.
Und wenn ich auch geweinet hab,

Was geht es dich denn an? :,:

Ich wein', daß du es weißt, um Freud,

Die mir nicht werden kann.

Jaͤger.
Wenn ich in Freuden leben will,

Geh' ich in gruͤnen Wald, :,:

Vergeht mir all mein Traurigkeit,

Und leb wie's mir gefaͤllt.

Schaͤferin.
Mein Schatz ein wackrer Jaͤger iſt,

Er traͤgt ein gruͤnes Kleid, :,:

Er hat ein zart roth Muͤndelein,

Das mir mein Herz erfreut.

[211]
Jaͤger.
Mein Schatz ein holde Schaͤfrin iſt,

Sie traͤgt ein weißes Kleid, :,:

Sie hat zwei zarte Bruͤſtelein,

Die mir mein Herz erfreun.

Beide.
So bin ich's wohl, ſo biſt du's wohl

Feins Lieb, ſchoͤns Engelskind,

So iſt uns allen beiden wohl,

Da wir beiſammen ſind.

Unkraut.


Muͤndlich.


Unkraut. Wie kommt's, daß du ſo traurig biſt,

Und gar nicht einmahl lachſt?

Ich ſeh dir's an den Augen an,

Daß du geweinet haſt.

Gaͤrtner. Und wer ein'n ſtein'gen Acker hat,

Dazu 'nen ſtumpfen Pflug,

Und deſſen Schatz zum Schelmen wird,

Hat der nicht Kreutz genug?

Unkraut. Doch wer mit Katzen ackern will,

Der ſpann die Maͤus voraus,

So geht es alles wie ein Wind,

So faͤngt die Katz die Maus.

[212]
Hab all mein Tag kein Gut gethan,

Hab's auch noch nicht im Sinn;

Die ganze Freundſchaft weiß es ja,

Daß ich ein Unkraut bin.

Der Wirthin Toͤchterlein.


Muͤndlich.


Bey meines Buhlen Kopfen,

Da ſteht ein guͤldner Schrein,

Darin da liegt verſchloſſen,

Das junge Herze mein,

Wollt Gott, ich haͤtt den Schluͤſſel,

Ich wuͤrf ihn in den Rhein.

Waͤr ich bey meinem Buhlen,

Wie moͤcht mir baß gefein.

Bey meines Buhlen Fuͤßen,

Da fleußt ein Bruͤnnlein kalt,

Wer des Bruͤnnlein thut trinken,

Der juͤngt und wird nicht alt;

Ich hab des Bruͤnnleins trunken,

Viel manchen ſtolzen Trunk,

Nicht lieber wollt ich wuͤnſchen

Meines Buhlen rothen Mund.

In meines Buhlen Garten,

Da ſteht viel edle Bluͤth,

Wollt Gott, ſollt ich ihr warten,

[213]
Das waͤr meins Herzens Freud

Die edlen Roͤßlein brechen,

Denn es iſt an der Zeit.

Ich trau ſie wohl zu erwerben,

Die mir am Herzen leit.

In meines Buhlen Garten,

Da ſtehn zwey Baͤumelein,

Das ein das traͤgt Muskaten,

Das andre Naͤgelein;

Muskaten die ſind ſuͤße,

Die Naͤglein riechen wohl,

Die geb ich meinem Buhlen,

Daß er mein nicht vergeß.

Und der uns dieſen Reihen ſang,

So wohl geſungen hat,

Das haben gethan zween Hauer,

Zu Freiberg in der Stadt;

Sie haben ſo wohl geſungen

Bey Meth und kuͤhlem Wein,

Dabey da iſt geſeſſen,

Der Wirthin Toͤchterlein.

Wer hat dies Liedlein erdacht.


Muͤndlich.


Dort oben in dem hohen Haus,

Da guckt ein wacker Maͤdel raus,

[214]
Es iſt nicht dort daheime,

Es iſt des Wirths ſein Toͤchterlein,

Es wohnt auf gruͤner Heide.

Und wer das Maͤdel haben will,

Muß tauſend Thaler finden,

Und muß ſich auch verſchwoͤren,

Nie mehr zu Wein zu gehn,

Des Vaters Gut verzehren.

Wer hat denn das ſchoͤne Liedel erdacht,

Es habens drei Gaͤns uͤbers Waſſer gebracht,

Zwei graue und eine weiſſe;

Und wer das Liedlein nicht ſingen kann,

Dem wollen ſie es pfeifen.

Doktor Fauſt.


Fliegendes Blat aus Coͤln.


Hoͤrt ihr Chriſten mit Verlangen,

Nun was Neues ohne Graus,

Wie die eitle Welt thut prangen,

Mit Johann dem Doktor Fauſt,

Von Anhalt war er geboren,

Er ſtudirt mit allem Fleiß,

In der Hoffarth auferzogen,

Richtet ſich nach aller Weiß.

Vierzig tauſend Geiſter,

Thut er ſich citiren,

[215]
Mit Gewalt aus der Hoͤllen.

Unter dieſen war nicht einer,

Der ihm koͤnnt recht tauglich ſeyn,

Als der Mephiſtophiles geſchwind,

Wie der Wind,

Gab er ſeinen Willen drein.

Geld viel tauſend muß er ſchaffen,

Viel Paſteten und Confekt,

Gold und Silber was er wollt,

Und zu Straßburg ſchoß er dann,

Sehr vortreflich nach der Scheiben,

Daß er haben konnt ſein Freud,

Er thaͤt nach dem Teufel ſchieben,

Daß er vielmal laut aufſchreit.

Wann er auf der Poſt thaͤt reiten,

Hat er Geiſter recht geſchoren,

Hinten, vorn, auf beiden Seiten,

Den Weg zu pflaſtern auserkohren;

Kegelſchieben auf der Donau,

War zu Regensburg ſein Freud,

Fiſche fangen nach Verlangen,

Ware ſein Ergoͤtzlichkeit.

Wie er auf den heiligen Karfreitag

Zu Jeruſalem kam auf die Straß,

Wo Chriſtus an dem Kreuzesſtamm

Haͤnget ohne Unterlaß,

Dieſes zeigt ihm an der Geiſt,

Daß er waͤr fuͤr uns geſtorben,

[216]
Und das Heil uns hat erworben,

Und man ihm kein Dank erweißt.

Mephiſtophles geſchwind, wie der Wind,

Mußte gleich ſo eilend fort,

Und ihm bringen drey Ehle Leinwand,

Von einem gewiſſen Ort.

Kaum da ſolches ausgeredt,

Waren ſie ſchon wirklich da,

Welche ſo eilends brachte

Der geſchwinde Mephiſtophila.

Die große Stadt Portugall,

Gleich ſoll abgemahlet ſein;

Dieſes geſchahe auch geſchwind,

Wie der Wind:

Dann er mahlt uͤberall,

So gleichfoͤrmig,

Wie die ſchoͤnſte Stadt Portugall.

„Hoͤr du ſollſt mir jetzt abmahlen,

„Chriſtus an dem heiligen Kreuz,

„Was an ihm nur iſt zu mahlen,

„Darf nicht fehlen, ich ſag es frei,

„Daß du nicht fehlſt an dem Titul,

„Und dem heiligen Namen ſein.“

Dieſen konnt er nicht abmahlen,

Darum bitt er Fauſtum

Ganz inſtaͤndig: „Schlag mir ab

„Nicht mein Bitt, ich will dir wiederum

„Geben dein zuvor gegebene Handſchrift.

[217]
„Dann es iſt mir unmoͤglich,

„Daß ich ſchreib: Herr Jeſu Chriſt.“

Der Teufel fing an zu fragen:

„Herr, was gibſt du fuͤr einen Lohn?

„Haͤts das lieber bleiben laſſen,

„Bey Gott findſt du kein Pardon.“

Doktor Fauſt thu dich bekehren,

Weil du Zeit haſt noch ein Stund,

Gott will dir ja jetzt mittheilen

Die ewge wahre Huld,

Doktor Fauſt thu dich bekehren,

Halt du nur ja dieſes aus.

„Nach Gott thu ich nichts fragen,

„Und nach ſeinem himmliſchen Haus!“

In derſelben Viertelſtunde

Kam ein Engel von Gott geſandt,

Der thaͤt ſo froͤhlich ſingen,

Mit einem engliſchen Lobgeſang.

So lang der Engel da geweſen,

Wollt ſich bekehren der Doktor Fauſt.

Er thaͤte ſich alsbald umkehren,

Sehet an den Hoͤllen Grauß;

Der Teufel hatte ihn verblendet,

Mahlt ihm ab ein Venus-Bild,

Die boͤſen Geiſter verſchwunden,

Und fuͤhrten ihn mit in die Hoͤll.

[218]

Muͤllertuͤcke.


Muſikaliſches Kunſt-Magazin von J. F. Reichardt. I. B. S. 100.


Es ging ein Muͤller wohl uͤbers Feld,

Der hatt' einen Beutel und hatt' kein Geld,

Er wird es wohl bekommen.

Und als er in den gruͤnen Wald kam,

Drey Moͤrder unter dem Weidenbaum ſtahn,

Die hatten drey große Meſſer.

Der eine zog ſeinen Beutel heraus,

Drey hundert Thaler zahlt er draus:

„Nimm hin fuͤr Weib und Kinder.“

Der Muͤller dacht in ſeinem Sinn,

Es waͤr zu wenig fuͤr Weib und Kind:

„Ich kanns euch nicht drum laſſen.“

Der andere zog ſeinen Beutel heraus,

Sechs hundert Thaler zahlt er draus:

„Nimm hin fuͤr Weib und Kinder.“

Der Muͤller gedacht in ſeinem Sinn,

Es waͤr genug fuͤr Weib und Kind:

„Ich kanns euch wohl drum laſſen.“

Und als er wieder nach Hauſe kam,

Sein Weibchen hinter der Thuͤre fand,

Fuͤr Weh konnt ſie kaum reden.

[219]
„Weibchen, ſchick dich hin, und ſchick dich her,

„Du ſollſt mit mir in gruͤnen Wald gehn,

„Zu deines Bruders Freunde.“

Und als ſie in den gruͤnen Wald kamen,

Drey Moͤrder unter dem Eichbaum ſtanden,

Die hatten drey bloße Meſſer.

Sie kriegten ſie bey ihrem krausgelben Haar,

Sie ſchwungen ſie hin, ſie ſchwungen ſie her:

„Jung Fraͤulein du muſt ſterben.“

Sie hatt' einen Bruder, war Jaͤger ſtolz,

Er jug das Wild wohl aus dem Holz,

Er hoͤrt' ſeiner Schweſter Stimme.

Er kriegt ſie bey ihrer ſchneeweißen Hand,

Er fuͤhrt ſie in ihr Vaterland:

„Darin ſollſt du mir bleiben.“

Und als drey Tag herummer waren,

Der Jaͤger den Muͤller zu Gaſte ladet —

Zu Gaſt war der geladen. —

„Willkommen, willkommen lieb Schwaͤgerlein,

„Wo bleibet denn mein Schweſterlein?

„Daß ſie nicht mit iſt kommen.“

„Es iſt ja heut der dritte Tag,

„Daß man ſie auf den Kirchhof trug,

„Mit ihrem Kindlein kleine.“

[220]
Er hatt' das Wort kaum ausgeſagt,

Sein Weibchen ihm entgegen trat,

Mit ihrem Kindlein kleine.

„Du Muͤller, du Mahler, du Moͤrder, du Dieb!

„Du haſt mir meine Schweſter zu den Moͤrdern gefuͤhrt,

„Gar bald ſollſt du mir ſterben.“

Der unſchuldige Tod des jungen Knaben.


Fliegendes Blat.


Es liegt ein Schloß in Oeſterreich,

Das iſt ganz wohl gebauet,

Von Silber und von rothem Gold,

Mit Marmorſtein gemauert.

Darinnen liegt ein junger Knab,

Auf ſeinen Hals gefangen,

Wohl vierzig Klafter unter der Erd,

Bei Ottern und bey Schlangen.

Sein Vater kam von Roſenberg,

Wohl vor den Thurm gegangen:

„Ach Sohne, liebſter Sohne mein,

„Wie hart liegſt du gefangen!“

„Ach Vater, liebſter Vater mein,

„So hart lieg ich gefangen,

„Wohl vierzig Klafter unter der Erd,

„Bey Ottern und bey Schlangen.“

[221]
Sein Vater zu dem Herrn hinging,

Sprach: „Gebt mir los den Gefangnen,

„Drey hundert Gulden geben wir,

„Wohl fuͤr des Knaben Leben.“

„Drey hundert Gulden die helfen euch nicht,

„Der Knabe der muß ſterben,

„Er traͤgt von Gold eine Kett' am Hals,

„Die bringt ihn um ſein Leben.“

„Traͤgt er von Gold eine Kett' am Hals,

„Die hat er nicht geſtohlen,

„Hat ihm ein zart Jungfrau verehrt;

„Dabey ſie ihn erzogen.“

Man bracht den Knaben aus dem Thurm,

Gab ihm die Sakramente:

„Hilf reicher Chriſt vom Himmel hoch,

„Es geht mit mir am Ende.“

Man bracht ihn zum Gericht hinaus,

Die Leiter muß er ſteigen:

„Ach Meiſter, liebſter Meiſter mein,

„Laß mir eine kleine Weile!“

„Eine kleine Weile laß ich dir nicht,

„Du moͤchteſt mir entrinnen,

„Langt mir ein ſeiden Tuͤchlein her,

„Daß ich ſeine Augen verbinde.“

„Ach meine Augen verbinde mir nicht,

„Ich muß die Welt anſchauen,

[222]
„Ich ſeh ſie heut und nimmermehr,

„Mit meinen ſchwarzbraunen Augen.“

Sein Vater beim Gerichte ſtand,

Sein Herz wollt ihm zerbrechen:

„Ach Sohne, liebſter Sohne mein,

„Dein'n Tod will ich ſchon raͤchen.“

„Ach Vater, liebſter Vater mein,

„Meinen Tod ſollt ihr nicht raͤchen,

„Bracht meiner Seele ſchwere Pein,

„Um Unſchuld will ich ſterben.

„Es iſt nicht um das Leben mein,

„Noch um meinen ſtolzen Leibe,

„Es iſt um meine Frau Mutter daheim,

„Die weinet alſo ſehre.“

Es ſtund kaum an den dritten Tag,

Ein Engel kam vom Himmel,

Sprach: Nehmt ihn vom Gerichte ab,

Sonſt wird die Stadt verſinken!

Es waͤhret kaum ein halbes Jahr,

Der Tod, der ward gerochen,

Es wurden auf drey hundert Mann

Des Knaben wegen erſtochen.

Wer iſts, der uns das Liedlein ſang,

So frey iſt es geſungen?

Das haben gethan drey Jungfraͤulein,

Zu Wien im Oeſterreiche.

[223]

Ringlein und Faͤhnlein.


Aus einer ungedruckten Sammlung Minnelieder in meinem Beſitz. — C. B.


Vor Tags ich hoͤrt, in Liebes Port, wohl dieſe
Wort

Von Waͤchters Mund erklingen:

„Iſt Jemand je, verborgen hie, der achte wie

„Er moͤg' hindannen ſprengen,

„Der Tag gar hell, will kommen ſchnell,

„Wer liebend ruht, in Frauen Hut,

„Laß bald das Bett erkalten.“

„Das Firmament, ſchnell und behend, von Orient,

„Im weiſſen Schein herpranget,

„Fuͤrwahr ich ſag', aus gruͤnem Hag, der Lerchen Schlag,

„Den jungen Tag empfanget.

„Drum eil' vom Ort, wer noch im Hort

„Der Liebe ſey, eh Jammers-Schrei

„Den Muth ihm moͤg zerſpalten.“

Des Waͤchters Kund in Herzensgrund mich tief ver-
wundt,

Und all mein Freud zerſtoͤret,

Des Lichtes Neid, will daß ich ſcheid, hoͤr ſuͤße Maid,

Sie will vor Leid nicht hoͤren!

Sich zu mir ſchmuͤckt, gar ſchaͤmlich blickt,

Und nicht mehr ſchlief, gar ſchnell ich rief:

„Ach Gott, wir han verſchlafen!“

[224]
Zur Hand ſich ragt, die werthe Magd, hierauf ſie
ſagt:

„Gut Waͤchter laß dein Schimpfen!

„Um alle Welt, den Tag nicht meld, eh daß das Feld

„In kuͤhlem Thau thut glimmen.

„Die Zeit iſt klein, daß ich und mein

„Geſelle gut, hie han geruht

„In ehrenreicher Wonne.“

Der Waͤchter ſprach: „Frau thu zur Sach, denn
„Feld und Dach

„Hat kuͤhler Thau umgeben,

„Seit du nun haſt ein fremden Gaſt, ſo hab nicht Raſt,

„Heiß' ihn von dannen ſtreben.

„Ich ſeh manch Thier in dem Revier

„Von Hohl zu Hohl ja ſchluͤpfen wohl,

„Das zeiget mir die Sonne.“

Erſt ward zur Stund, uns Jammer kund im Freu-
denbund,

Da wir den Tag anſahen,

Wohl Mund an Mund, gar ſuͤß verwundt im Kuß ge-

ſund,

Und liebliches Umfahen,

Ward Liebes-Scherz in Scheidens-Schmerz,

Gar treu getheilt und ſchnell ereilt.

Ach edle Frucht du weiblich Zucht, hin auf die
Flucht

Muß ich mich leider kehren,

[225]
Gott durch ſein Guͤt, dir wohl behuͤt dein rein Gemuͤth,

Dein Heil moͤg er dir mehren,

Fuͤrwahr ich will, bis an mein Ziel,

Dein Diener ſeyn, Gnad! Fraue mein,

Mit Wiſſen will ich ſcheiden.

Allda zur Hand, ihr Haͤnd ſie wand, mehr Leids ich
fand,

Ihr Aeuglein wurden fließen,

Traut Buhle hoͤr, was ich begehr, bald wiederkehr,

Der Treu laß mich genießen;

Das gelobt ich ihr, ſie ſprach zu mir:

„Ich hab dich hold, vor allem Gold,

„Mir kann dich niemand leiden.“ (d. h. verleiden.)

Ein Fingerlein, von Edelſtein, aus ihrem Schrein,

Gab mir die ſuͤße Fraue,

Des Schloßs ein End, ſie mit mir rennt, bis ich mich
trennt

An einer gruͤnen Aue,

Sie ließ wohl hoch, ſo lang ſie noch

Mich konnt erſehn, ihr Tuͤchlein wehn,

Dann ſchrie ſie laut: „O Waffen!“

Seit macht mit Fleiß, jed Faͤhnlein weiß, im Kampfe
heiß,

Mich ihrer Lieb gedenken,

Auf Todes-Au, in rothem Thau, ſeh ich mein Frau,

Ihr Tuͤchlein traurig ſchwenken;

Den Ring ich ſchau, ich ſtech und hau,

15.
[226]
Hindurch ich dring und zu ihr ſing:

„Mein Leib iſt dir behalten.“

Die Hand.


Antiquarius des Elbſtroms. Frankfurt 1741. S. 616.


Sieh, ſieh du boͤſes Kind!

Was man hier merklich findt,

Die Hand, die nicht verweßt,

Weil der, des ſie geweſt,

Ein ungerathnes Kind,

Drum beſſre dich geſchwind.

Den Vater ſchlug der Sohn,

Drum hat er dies zum Lohn,

Er ſchlug ihn mit der Hand,

Nun ſiehe ſeine Schand,

Die Hand wuchs aus der Erd,

Ein ew'ger Vorwurf waͤhrt.

Martinsgans.


Friſche Liedlein.


Nach Gras wir wollen gehn,

Die Voͤgel ſingen ſchoͤn,

Der Gutzgauch frey,

Sein Melodey,

Hallt uͤber Berg und Thal,

Die Muͤhle klappt zumal;

[227]
Der Muͤller auf der Obermuͤhl,

Der hat der fetten Gaͤnſe viel,

Die Gans hat einen Kragen,

Die wolln wir mit uns tragen.

Der beſte Vogel, den ich weis,

Das iſt die fette Gans,

Sie hat zwei breite Fuͤße,

Dazu den langen Hals,

Und noch ihr Stimmlein ſuͤße,

Ihr Fuͤß ſeyn gel,

Ihr Stimm iſt hell,

Der Hals iſt lang,

Wie ihr Geſang:

Gickack, Gickgack, Gickgack, Gickgack,

Wir ſingen am St. Martins-Tag.

Die Mutter muß gar ſeyn allein.


Von Martin Luther aus dem J! neu-eroͤffneten herrlichen Schatze der Kin-
der Gottes. Zittau bey David Richtern 1710. S. 492.


Sie iſt mir lieb, die werthe Magd,

Und kann ihr nicht vergeſſen, :,:

Lob, Ehr und Zucht von ihr man ſagt,

Sie hat mein Herz beſeſſen,

Ich bin ihr hold,

Und wenn ich ſollt

Groß Ungluͤck han,

[228]
Da liegt nichts an,

Sie will mich des ergetzen

Mit ihrer Lieb und Treu an mir,

Die ſie zu mir will ſetzen,

Und thun all mein Begier.

Sie traͤgt von Gold ſo rein ein Kron,

Drin leuchten hell zwoͤlf Sterne, :,:

Ihr Kleid iſt wie die Sonne ſchoͤn,

Das glaͤnzet hell und ferne,

Und auf dem Mond

Ihr Fuͤße ſtahn;

Sie iſt die Braut,

Dem Herrn vertraut,

Und ihr iſt weh und muß gebaͤren

Ein ſchoͤnes Kind, den edlen Sohn,

Und aller Welt den Herrn,

Dem iſt ſie unterthan.

Das thut dem alten Drachen Zorn,

Und will das Kind verſchlingen, :,:

Sein Toben iſt doch ganz verlorn,

Es kann ihm nicht gelingen.

Das Kind iſt doch

Gen Himmel hoch

Genommen hin,

Und laͤſſet ihn,

Auf Erden faſt ſehr wuͤten:

Die Mutter muß gar ſeyn allein,

[229]
Doch will ſie Gott behuͤten,

Und rechter Vater ſeyn.

Der ſtolze Schaͤfersmann.


Elwert S. 43.


Und als der Schaͤfer uͤber die Bruͤcke trieb,

Warum?

Ein Edelmann ihm entgegen ritt:

Hopp, hopp, hopp entgegen ritt.

Der Edelmann thaͤt ſein Huͤtlein ab,

Warum?

Er bot dem Schaͤfer 'n guten Tag:

Hopp, hopp, hopp 'n guten Tag.

Ach Edelmann laß dein Huͤtlein ſtahn,

Warum?

Ich bin ein armer Schaͤfersmann:

Hopp, hopp, hopp ein Schaͤfersmann.

Biſt du ein armer Schaͤfersmann,

Warum?Und haſt doch Edelmanns Kleider an:

Hopp, hopp, hopp Edelmanns Kleider an.

Was geht dich's lumpigen Edelmann an,

Warum?

Wenn ſie mein Vater bezahlen kann:

Hopp, hopp, hopp bezahlen kann.

[230]
Der Edelmann ward voll Grimm und Zorn,

Warum?

Er ſchmiß den Schaͤfer in tiefſten Thurn:

Hopp, hopp, hopp in tiefſten Thurn.

Als es des Schaͤfers ſein Mutter erfuhr,

Warum?

Da macht ſie fruͤh ſich auf die Spur:

Hopp, hopp, hopp auf die Spur.

Ach Edelmann, gieb meinen Sohn heraus,

Warum?

Ich will dir geben eine Tonne Golds:

Hopp, hopp, hopp eine Tonne Golds.

Eine Tonne Golds iſt mir kein Geld,

Warum?

Der Schaͤfer ſoll lenken ins weite Feld:

Hopp, hopp, hopp ins weite Feld.

Und als es dem Schaͤfer ſein Vater erfuhr,

Warum?

Er machte ſich fruͤh wohl auf die Spur:

Hopp, hopp, hopp wohl auf die Spur.

Ach Edelmann gieb meinen Sohn heraus,

Warum?

Ich will dir geben zwey Tonnen Golds:

Hopp, hopp, hopp zwey Tonnen Golds.

Zwey Tonnen Golds iſt mir kein Geld,

Warum?

[231]
Der Schaͤfer ſoll lenken ins weite Feld;

Hopp, hopp, hopp ins weite Feld.

Und als das des Schaͤfers Schatz erfuhr,

Warum?

Sie machte ſich fruͤh wohl auf die Spur:

Hopp, hopp, hopp wohl auf die Spur.

Ach Edelmann gieb meinen Schatz heraus,

Warum?

Ich will dir geben ein Perlenſtrauß:

Hopp, hopp, hopp 'n Perlenſtrauß.

Ein Perlenſtrauß koſtet mir viel Geld,

Warum?

Der Schaͤfer ſoll lenken bei dir ins Feld:

Hopp, hopp, hopp bei dir ins Feld.

Wenn ich ein Voͤglein waͤr.


Herders Volkslieder I. B. S. 67.


Wenn ich ein Voͤglein waͤr,

Und auch zwei Fluͤglein haͤtt,

Floͤg ich zu dir;

Weils aber nicht kann ſeyn,

Bleib ich allhier.

Bin ich gleich weit von dir,

Bin ich doch im Schlaf bei dir,

Und red mit dir;

[232]
Wenn ich erwachen thu,

Bin ich allein.

Es vergeht keine Stund in der Nacht,

Da mein Herze nicht erwacht,

Und an dich gedenkt,

Daß du mir viel tauſendmal

Dein Herze geſchenkt.

An einen Boten.


Feiner Almanach. II. B. S. 106.


Wenn du zu meim Schaͤtzel kommſt,

Sag: Ich ließ ſie gruͤßen;

Wenn ſie fraget, wie mirs geht?

Sag: auf beyden Fuͤßen.

Wenn ſie fraget: ob ich krank?

Sag: ich ſey geſtorben;

Wenn ſie an zu weinen fangt,

Sag: ich kaͤme morgen.

Weine nur nicht.


Elwerts alte Reſte. S. 41.


Weine, weine, weine nur nicht,

Ich will dich lieben, doch heute nicht,

Ich will dich ehren ſo viel ich kann,

Aber's Nehmen, 's Nehmen,

Aber's Nehmen ſteht mir nicht an.

[233]
Glaube, glaube, glaube nur feſt,

Daß dich mein Treu niemals verlaͤßt,

Allzeit beſtaͤndig, niemals abwendig,

Will ich treu ſeyn,

Aber gebunden, das geh ich nicht ein.

Hoffe, hoffe, hoffe mein Kind,

Daß meine Worte aufrichtig ſind,

Ich thu dir ſchwoͤren,

Bei meiner Ehren,

Daß ich treu bin;

Aber's Heirathen, 's Heirathen,

Aber's Heirathen iſt nie mein Sinn.

Keuzlein.


Muͤndlich.


Ich armes Keuzlein kleine,

Wo ſoll ich fliegen aus,

Bey Nacht ſo gar alleine,

Bringt mir ſo manchen Graus:

Das macht der Eulen Ungeſtalt,

Ihr Trauern mannigfalt.

Ich wills Gefieder ſchwingen

Gen Holz in gruͤnen Wald,

Die Voͤglein hoͤren ſingen

In mancherley Geſtalt.

[234]
Vor allen lieb ich Nachtigal,

Vor allen liebt mich Nachtigal.

Die Kinder unten glauben,

Ich deute Boͤſes an,

Sie wollen mich vertreiben,

Daß ich nicht ſchreien kann:

Wenn ich was deute, thut mir's leid,

Und was ich ſchrei, iſt keine Freud.

Mein Aſt iſt mir entwichen,

Darauf ich ruhen ſollt,

Sein Blaͤttlein all verblichen,

Frau Nachtigal geholt:

Das ſchafft der Eulen falſche Tuͤck,

Die ſtoͤret all mein Gluͤck.

Weinſchroͤdter-Lied.


Muͤndlich bey Heidelberg.


Weinſchroͤdter, ſchlag die Trommel,

Bis der bittre Bauer kommet,

Mit den Grenadieren

Muſt du fortmarſchiren,

Mit dem blauen Reiter,

Auf die Galgen-Leiter:

Weinſchroͤdter, du muſt hangen,

Biſt bey Nacht zu Wein gegangen;

Weinſchroͤdter, ſchlag die Trommel,

[235]
Bis dein bittrer Tod gekommen.

Wollt ihr den Dragoner ſehn,

Auf der leeren Treppen ſtehn?

Morgen thun ſien henken,

Der wird dran gedenken;

Ey ſo ſchlag der Kukuk drein,

Lieber kein Dragoner ſeyn.

Maykaͤfer-Lied.


Muͤndlich in Heſſen. In Niederſachſen ſagen ſie Pommerland, ſ. Volksſagen
von Ottmar (Nachtigal). Bremen 1800. S. 46.


Maykaͤfer flieg,

Der Vater iſt im Krieg,

Die Mutter iſt im Pulverland,

Und Pulverland iſt abgebrannt.

Marienwuͤrmchen.


Muͤndlich.


Marienwuͤrmchen ſetze dich,

Auf meine Hand, auf meine Hand,

Ich thu dir nichts zu Leide.

Es ſoll dir nichts zu Leid geſchehn,

Will nur deine bunte Fluͤgel ſehn,

Bunte Fluͤgel, meine Freude.

Marienwuͤrmchen fliege weg,

Dein Haͤuschen brennt, die Kinder ſchrein

[236]
So ſehre, wie ſo ſehre.

Die boͤſe Spinne ſpinnt ſie ein,

Marienwuͤrmchen flieg hinein,

Deine Kinder ſchreien ſehre.

Marienwuͤrmchen fliege hin

Zu Nachbars Kind, zu Nachbars Kind,

Sie thun dir nichts zu Leide;

Es ſoll dir da kein Leid geſchehn,

Sie wollen deine bunte Fluͤgel ſehn,

Und gruͤß ſie alle beyde.

Der verlorne Schwimmer.


Muͤndlich.


Es wirbt ein ſchoͤner Knabe

Da uͤberm breiten See,

Um eines Koͤnigs Tochter,

Nach Leid geſchah ihm Weh.

„Ach Knabe, lieber Buhle,

„Wie gern waͤr ich bey dir,

„So fließen nun zwey Waſſer

„Wohl zwiſchen mir und dir.

„Das eine ſind die Thraͤnen,

„Das andre iſt der See,

„Es wird von meinen Thraͤnen,

„Wohl tiefer noch der See.“

[237]
Ja wie auf dem Pokale

Zum Spiel ein Lichtlein ſchwebt,

Wenn es beim hohen Mahle,

Auf Koͤnigs Wohlſeyn geht.

So ſetzt ſie auf das Waſſer

Ein Licht auf leichtes Holz,

Das treibet Wind und Waſſer,

Zu ihrem Buhlen ſtolz.

Als der es aufgefangen,

Er rief aus voller Bruſt:

„Mein Stern iſt aufgegangen,

„Ich ſchiff ihm nach mit Luſt.“

Das Lichtlein auf den Haͤnden,

Er ſchwamm zum Liebchen her,

Wo mag er hin ſich wenden,

Ich ſeh ſein Licht nicht mehr?

Liegt er in ihrem Schooße,

Sein Lichtlein wendet ab?

Liegt er im Waſſerſchloſſe,

In einem naſſen Grab?

Die Prager Schlacht.


Fliegendes Blat aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege.


Als die Preuſſen marſchirten vor Prag,

Vor Prag, die ſchoͤne Stadt.

[238]
Sie haben ein Lager geſchlagen,

Mit Pulver und mit Bley ward's betragen,

Kanonen wurden drauf gefuͤhrt,

Schwerin hat ſie da kommandirt.

Darauf ruͤckte Prinz Heinrich heran,

Wohl mit achzig tauſend Mann:

„Meine ganze Armee wollt ich drum geben,

„Wenn mein Schwerin noch waͤr am Leben!“

O, iſt das nicht eine große Noth,

Schwerin iſt geſchoſſen todt!

Drauf ſchickten ſie einen Trompeter hinein:

Ob ſie Prag wollten geben ein?

Oder, ob ſie's ſollten einſchießen?

Die Buͤrger ließen ſichs nicht verdrießen,

Sie wollten die Stadt nicht geben ein,

Es ſollte und muͤßte geſchoſſen ſeyn.

Wer hat dies Liedlein denn erdacht?

Es habens drey Huſaren gemacht,

Unter Seydlitz ſind ſie geweſen,

Sind auch bey Prag ſelbſt mitgeweſen:

Victoria, Victoria, Victoria,

Koͤnig von Preuſſen iſt ſchon da!

[239]

Fruͤhlingsblumen.


Bragur I. B. S. 358. Geiſtlich veraͤndert in den Gaſſenhauern von Heinrich
Knaußer. Frankfurt 1571. S. 32.


Herzlich thut mich erfreuen,

Die froͤhliche Sommer-Zeit,

All mein Gebluͤt erneuen,

Der May in Wolluſt freut,

Die Lerch thut ſich erſchwingen

Mit ihrem hellen Schall,

Lieblich die Voͤgel ſingen,

Dazu die Nachtigall.

Der Kukuk mit ſeinem Schreien,

Macht froͤhlich jedermann,

Des Abends froͤhlich reihen,

Die Maͤdlein wohlgethan,

Spazieren zu den Brunnen,

Bekraͤnzen ſie zur Zeit,

Alle Welt ſich freut in Wonnen,

Mit Reiſen fern und weit.

Es gruͤnet in dem Walde,

Die Blumen bluͤhen frey,

Die Roͤßlein auf dem Felde,

Von Farben mancherley,

Ein Bluͤmlein ſteht im Garten,

Das heißt, Vergiß nit mein,

Das edle Kraut zu warten,

Macht guten Augenſchein.

[240]
Ein Kraut waͤchſt in der Aue,

Mit Namen Wohlgemuth,

Liebt ſehr die ſchoͤnen Frauen,

Dazu die Holder-Bluͤth,

Die weiß und rothe Roſen,

Haͤlt man in großer Acht,

Thut's Geld darum verloſen,

Schoͤne Kraͤnze daraus macht.

Das Kraut, Je laͤnger je lieber,

An manchem Ende bluͤht,

Bringt oft ein heimlich Fieber,

Wer ſich nicht dafuͤr huͤt,

Ich hab es wohl vernommen,

Was dieſes Kraut vermag,

Doch kann man dem vorkommen,

Wem lieb iſt jeder Tag.

Des Morgens in dem Thaue,

Die Maͤdlein graſen gehn,

Gar lieblich ſich anſchauen,

Bey ſchoͤnen Bluͤmlein ſtehn,

Daraus ſie Kraͤnzlein machen

Und ſchenkens ihrem Schatz,

Thun freundlich ihn anlachen,

Und geben ihm ein Schmatz.

Darum lob ich den Sommer,

Dazu den Mayen gut,

[241]
Der wendet allen Kummer,

Und bringt viel Freud und Muth,

Der Zeit will ich genießen,

Dieweil ich Pfenning hab,

Und den es thut verdrießen,

Der fall die Stiegen herab.

Kukuk.


Fliegendes Blat.


Der Kukuk auf dem Birnbaum ſaß,

Kukuk, es mag ſchneien oder regnen, ſo wird er nicht naß.

Der Kukuk rief, wird naß.

Der Kukuk fliegt uͤbers Nachbar ſein Haus,

Kukuk, ſchoͤn Schaͤtzel, biſt drinnen, komm zu mir heraus,

Der Kukuk, der Kukuk iſt draus.

Ich ſteh dir nicht auf und laß dich nicht rein,

Kukuk, du moͤchſt mir der rechte Kukuk nicht ſeyn,

Der Kukuk, der Kukuk nicht ſeyn.

Der rechte Kukuk der bin ich ja ſchon,

Kukuk, bin ich doch meines Vaters ſein einziger Sohn,

Des Kukuk, des Kukuk ſein Sohn.

Sein einziger Sohn der bin ich ja ſchon.

Kukuk, zieh nur beim Schnuͤrlein,

Geh rein zum Thuͤrlein,

Geh ſelber herein,

Der Kukuk iſt mein.

16.
[242]

Die Frau von Weiſſenburg.


Aus Meißner's und Canzler's Quartalſchrift fuͤr aͤltere Literatur. II. S. 102.
Brotuff's Marsburger Chronik.


Was wolln wir aber ſingen,

Was wollt ihr fuͤr ein Lied,

Ein Lied von der Frauen von Weiſſenburg,

Wie ſie ihren Herrn verrieth.

Sie ließ ein Briefelein ſchreiben,

Gar fern ins Thuͤringer Land,

Zu ihrem Ludewig Buhlen,

Daß er da kaͤm zur Hand.

Er ſprach zu ſeinem Knechte:

Du, ſattel mir mein Pferd,

Wir wollen zur Weiſſenburg reiten,

Es iſt nun Reitens werth.

„Gott gruͤs euch Adelheid ſchoͤne,

„Wuͤnſch euch ein guten Tag:

„Wo iſt eur edler Herre,

„Mit dem ich kaͤmpfen mag?“

Die Frau lenkt ihren Herren,

Im Schein falſches Gemuͤths,

Er reitet Nachts ganz ſpaͤte

Mit Hunden nach dem Ried.

Da Ludewig unter die Linde kam,

Ja unter die Linde ſo gruͤn,

[243]
Da kam der Herr von der Weiſſenburg

Mit ſeinen Winden ſo kuͤhn.

„Willkommen Herr von der Weiſſenburg,

„Gott geb euch guten Muth,

„Ihr ſollt nicht laͤnger leben,

„Denn heut dieſen halben Tag.“

„Soll ich nicht laͤnger leben,

„Denn dieſen halben Tag,

„So klag ichs Chriſto vom Himmel,

„Der all Ding wenden mag.“

Sie kamen hart zuſammen,

Mit Wort und Zorn ſo groß,

Daß einer zu dem andern

Sein Armbruſt abe ſchoß.

Er ſprach zu ſeinem Knechte:

„Nun ſpann dein Armbruſt ein,

„Und ſchieß den Herrn von der Weiſſenburg,

„Zur linken Seiten ein.“

„Warum ſoll ich ihn ſchießen,

„Und morden auf dem Plan,

„Hat er mir doch ſein Lebelang,

„Noch nie kein Leid gethan.“

Da nahm Ludewig den Jaͤgerſpieß

Selber in ſeine Hand,

Durchrannt' den Pfalzgraf Friederich,

Unter der Linden zur Hand.

[244]
Er ſprach zu ſeinem Knechte:

„Reiten wir zur Weiſſenburg,

„Da ſind wir wohl gehalten,

„Nach unſerm Herz und Muth.“

Da er nun gegen die Weiſſenburg kam,

Wohl unter das hohe Haus,

Da ſah die falſche Fraue,

Mit Freuden zum Fenſter aus.

„Gott gruͤs euch, edle Fraue,

„Beſcher euch Gluͤck und Heil,

„Eur Will, der iſt ergangen,

„Todt habt ihr euren Gemahl.“

„Iſt denn mein Will ergangen,

„Mein edler Herre todt,

„So will ichs nicht eher glauben,

„Ich ſeh denn ſein Blut ſo roth.“

„Er zog aus ſeiner Scheiden,

„Ein Schwerdt von Blut ſo roth;

„Sieh da, du edle Fraue,

„Ein Zeichen von ſeinem Tod.“

Sie rang ihr weiſſe Haͤnde,

Rauft aus ihr gelbes Haar:

„Huͤlfreicher Chriſt vom Himmel,

„Was hab ich nun gethan!“

Sie zog von ihrem Finger,

Ein Ringelein von Gold:

[245]
„Nimm hin, du Ludewig Buhle,

„Gedenk da meiner Huld.“

„Was ſoll mir doch das Fingerlein,

„Das veracht gewonnen Gold,

„Wenn ich daran gedenke,

„Mein Herz wird nimmer hold.“

Des erſchrack die Frau von der Weiſſenburg,

Faßt einen traurigen Muth:

„Verlaß mich holder Fuͤrſte nicht,

„Mein edler Herr iſt todt.“

Frommer Soldaten ſeligſter Tod.


Morhof von der deutſchen Poeſie. Leipzig 1718. S. 313.


Viel Krieg hat ſich in dieſer Welt

Mancher Urſach erhoben;

Demſelben hat Gott zugeſellt,

Die Muſik, ihn zu loben.

Ihr erſt Erfinder war Jubal,

Des Lamechs Sohn mit Namen,

Erfand Drometen- und Pfeifenſchall,

Konnt ſie ſtimmen zuſammen.

Die Muſik gut,

Erweckt den Muth,

Friſch unverzagt,

Die Feind verjagt,

Ruft ſtark, dran, dran,

[246]
An Feind hinan,

Brecht maͤchtig durch,

Schlagt Gaſſe und Furch,

Schießt, ſtecht und haut alles nieder,

Daß keiner aufſteht wieder.

Als dort Eliſa weiſſagen ſollt,

Da Iſrael Durſt litte,

Sprach er: Mir bald ein Spielmann holt,

Der ſpielt nach Davids Sitte.

Auch ſpielt vor ihm des Herren Hand,

Er thaͤte Troſt weiſſagen:

Ohn Regen, floß groß Waſſer durchs Land,

Der Feind wurd auch geſchlagen.

Drom, drari, drom,

Pom, pom, pom, pom,

Droml und Pfeifen gut

Macht Helden Muth,

Erweckt Propheten,

Reizt die Poeten;

In Fried und Streit,

Hoͤrt mans allezeit,

Muſikam ſoll man ehren,

Man kann ihr nicht entbehren.

Man ſchreibt, daß wenn Timotheus,

Nach der Dorier Weiſe thaͤt ſingen,

Als ein beruͤhmter Muſikus,

Konnt' er in Harniſch bringen,

[247]
Alexandrum Magnum den Held,

Streit ſatt konnt er nicht werden,

Bis er zwang faſt die ganze Welt,

Bekriegt den Kreis der Erden.

Timotheus

Mileſius

Konnt' gewaltig ſing'n,

That mit aufbring'n

Alexandrum,

Regem Magnum,

Daß er in Wuth,

Und Heldenmuth

Faßſt Schild, Schwerdt und Kriegs-Waffen,

Im Grimm die Feind zu ſtrafen.

Ob theils gleich wollten weichen ab,

Wie oftmals iſt geſchehen:

Jedoch ein Loͤwenmuth ich hab'

Und vorn ſollt ihr mich ſehen:

Der Kern ſpringt vor, die Spreu bleibt hint'n,

Laßt herzhaft hier drein ſchlagen,

Sie werden ſich wohl wiederum wenden,

Ihr Bruͤder thut nicht verzagen.

Kierieleiſon,

Pidi, pom, pom, pom,

Lerm, Lerm, Lerm, Lerm,

Sich keiner herm,

Wirſt gleich gepfezt,

[248]
Vom Feind verlezt,

Solchs thu jezt gar nicht achten,

Hilf nur die Feind abſchlachten.

Gott ſelbſt iſt vorne mit uns dran,

Thut ſelber fuͤr uns ſtreiten,

Der Feind nicht laͤnger ſtehen kann,

Weicht ab auf allen Seiten:

Ihr Bruͤder, ſetzt nur muthig drein,

Die Feinde thun verzaget ſeyn,

Der Sieg und Preis ſey unſer,

Drom, Drari, Drom,

Komm, Bruder komm,

Pomp, Pomp, Pomp, Pomp,

Freu dich mein Comp,

Hilf friſch nachjag'n,

Thu wackr drein ſchlag'n,

Acht nicht der Beut,

Sie hat ihr Zeit,

Wir wollns noch wohl finden,

Bleib keiner nicht dahinten.

Gott Lob, ihr werthen Kriegesleut,

Und ſtreitbarn Helden gute,

Den Sieg hab'n wir erhalten heut,

Habt nur ein guten Muthe,

Raubt und beutet was jeder findt,

Doch theilts fein friedlich aus,

Damit ihr Eltern, Freund, Weib und Kind

[249]
Was ſchickt, oder bringt zu Haus.

Bidi, Bom, Bom, Bom,

Feldſcherer komm,

Und mich verbind,

Bin halber blind.

Hie ſteckt ein Pfeil,

Zieht aus in Eil.

Verbind mich vor,

Sonſt koſt's mein Ohr.

Verbind mich auch:

Pech, Feur und Rauch!

Laß mich vorgehn,

Kann nicht laͤnger ſtehn.

Lieber gebt her zu trinken,

Mein Herz will mir verſinken.

Ein Wundarzt hat drei Angeſicht,

Wird erſt fuͤr Gott gehalten,

So oft ein Schaden wuͤtet und ſticht,

Koͤmmt er in Engelsgeſtalten,

Wenn man ihn aber zahlen ſoll,

Undank thut ſich bald finden:

Wollt, daß ihn dieſer und jener holt,

Oder muͤſt gar verblinden!

Undank, Undank

Macht Gutthat krank,

Iſt ein groß Laſter

Fuͤr heilſame Pflaſter,

[250]
Halt den Arzt werth,

Der verſtaͤndig ihn ehrt,

Des Arztes Kunſt

Soll bringen Gunſt,

In großer Noth

Schafft dir ihn Gott,

Kein Arztgeld ſoll man ſparen,

Gott woll' uns all' bewahren.

Kein ſelger Tod iſt in der Welt,

Als wer vorm Feind erſchlagen

Auf gruͤner Heid, in freiem Feld,

Darf nicht hoͤren groß Wehklagen;

Im engen Bett ſonſt einer allein

Muß an den Todesreihen,

Hier aber findt er Geſellſchaft fein,

Falln mit wie Kraͤuter im Maien;

Ich ſag ohn Spott,

Kein ſelger Tod

Iſt in der Welt,

Als ſo man faͤllt

Auf gruͤner Heid,

Ohn Klag und Leid,

Mit Trommeln Klang,

Und Pfeifen Geſang

Wird man begraben,

Davon wir haben

Unſterblichen Ruhm.

[251]
Die Helden fromm,

So ſetzen Leib und Blut

Dem Vaterland zu gut.

Die Roſe.


Chriſtian Weiſens drei kluͤgſten Leute. Leipzig 1684. S. 234.


Die Roſe bluͤht, ich bin die fromme Biene,

Und ruͤhre zwar die keuſchen Blaͤtter an,

Daher ich Thau und Honig ſchoͤpfen kann,

Doch lebt ihr Glanz und bleibet immer gruͤne,

Und alſo bin ich wohlgemuͤth,

Weil meine Roſe bluͤht.

Die Roſe bluͤht, Gott laß den Schein verziehen,

Damit die Zeit des Sommers langſam geht,

Und weder Froſt noch andere Noth entſteht,

So wird mein Gluͤck in dieſer Roſe bluͤhen,

So klingt mein ſuͤßes Freuden-Lied:

Ach, meine Roſe bluͤht!

Die Roſe bluͤht, und lacht vor andern Roſen

Mit ſolcher Zier und Herzempfindlichkeit,

Daß auch mein Sinn ſich zu der Pflicht erbeut,

Mit keiner Blum im Garten liebzukoſen,

Weil Alles, was man ſonſten ſieht,

In dieſer Roſe bluͤht.

[252]

Die Judentochter.


Muͤndlich.


Es war eine ſchoͤne Juͤdin,

Ein wunderſchoͤnes Weib,

Sie hatt' ein ſchoͤne Tochter,

Ihr Haar war ſchoͤn geflochten,

Zum Tanz war ſie bereit.

„Ach, liebſte, liebſte Mutter!

„Was thut mir mein Herz ſo weh!

„Ach, laßt mich eine Weile

„Spazieren auf gruͤner Heide,

„Bis daß mir's beſſer wird.“

Die Mutter wandt den Ruͤcken,

Die Tochter ſprang in die Gaß,

Wo alle Schreiber ſaßen:

„Ach liebſter, liebſter Schreiber!

„Was thut mir mein Herz ſo weh.“

„Wenn du dich laͤſſeſt taufen,

„Luiſa ſollſt du heiſſen,

„Mein Weibchen ſollſt du ſeyn.“

„Eh ich mich laſſe taufen,

„Lieber will ich mich verſaufen,

„Ins tiefe, tiefe Meer.

„Gut Nacht, mein Vater und Mutter,

„Wie auch mein ſtolzer Bruder,

„Ihr ſeht mich nimmermehr!

[253]
„Die Sonne iſt untergegangen

„Im tiefen, tiefen Meer.“

Drei Reiter am Thor.


Muͤndlich.


Es ritten drei Reiter zum Thor hinaus,

Ade!

Feins Liebchen ſchaute zum Fenſter hinaus,

Ade!

Und wenn es denn ſoll geſchieden ſeyn,

So reich mir dein goldenes Ringelein,

Ade! Ade! Ade!

Ja, ſcheiden und laſſen thut weh.

Und der uns ſcheidet, das iſt der Tod,

Ade!

Er ſcheidet ſo manches Jungfraͤulein roth,

Ade!

Und waͤr doch geworden der liebe Leib,

Der Liebe ein ſuͤßer Zeitvertreib,

Ade! Ade! Ade!

Ja, ſcheiden und laſſen thut weh.

Er ſcheidet das Kind wohl in der Wieg,

Ade!

Wenn werd ich mein Schaͤtzel doch kriegen?

Ade!

Und iſt es nicht Morgen? Ach waͤr es doch heut,

[254]
Es macht uns allbeiden gar große Freud,

Ade! Ade! Ade!

Ja, ſcheiden und laſſen thut weh.

Schlachtlied.


Weckherlin S. 244. Phil. von Sittewald II. Th. S. 574.


Friſch auf, ihr tapfere Soldaten!

Ihr, die ihr noch mit teutſchem Blut,

Ihr, die ihr noch mit fruͤhem Muth

Belebet, ſuchet große Thaten.

Ihr Landsleut, ihr Landsknecht, friſch auf!

Das Land, die Freiheit ſich verlieret,

Wo ihr nicht muthig ſchlaget drauf,

Und uͤberwindend triumphiret.

Der iſt ein Teutſcher wolgeboren,

Der von Betrug und Falſchheit frey,

Hat voll der Redlichkeit und Treu,

Nicht Glauben, nicht Freiheit verloren.

Ha, fallet in ſie, ihre Fahnen

Zittern aus Furcht, ſie trennen ſich,

Ihr boͤſe Sach haͤlt nicht den Stich,

Drum zu der Flucht ſie ſich ſchon mahnen.

Groß iſt ihr Heer, boͤs ihr Gewiſſen,

Groß iſt ihr Zeug, klein iſt ihr Glaub,

[255]
Friſch auf! Sie zittern wie das Laub,

Und waͤren gern ſchon ausgeriſſen.

Herr von Falkenſtein.


Fliegendes Blat, auch abgedruckt in Herders Volksliedern I. Th. S. 232.


Es reit der Herr von Falkenſtein,

Wohl uͤber ein' breite Haide.

Was ſieht er an dem Wege ſtehn?

Ein Maͤdel mit weiſſem Kleide.

„Wohin, wohinaus du ſchoͤne Magd?

„Was machet ihr hier alleine?

„Wollt ihr die Nacht mein Schlafbule ſeyn,

„So reitet ihr mit mir heime.“

„Mit euch heimreiten, das thu' ich nicht,

„Kann euch doch nicht erkennen.“

„Ich bin der Herr von Falkenſtein,

„Und thu mich ſelber nennen.“

„Seyd ihr der Herr von Falkenſtein,

„Derſelbe edle Herre,

„So will ich euch bitten um'n Gefang'n mein,

„Den will ich haben zur Ehe.“ —

„Den Gefangnen mein, den geb ich dir nicht,

„Im Thurn muß er vertrauren.

„Zu Falkenſtein ſteht ein tiefer Thurn,

„Wohl zwiſchen zwo hohen Mauren.“ —

[256]
„Steht zu Falkenſtein ein tiefer Thurn,

„Wohl zwiſchen zwei hohen Mauren,

„So will ich an den Mauren ſtehn,

„Und will ihm helfen trauren.“ —

Sie ging den Thurm wohl um und wieder um:

„Feinslieb, biſt du darinnen?

„Und wenn ich dich nicht ſehen kann,

„So komm ich von meinen Sinnen.“

Sie ging den Thurm wohl um und wieder um,

Den Thurm wollt ſie aufſchließen:

„Und wenn die Nacht ein Jahr lang waͤr;

„Keine Stund thaͤt mich verdrießen!

„Ei duͤrft ich ſcharfe Meſſer tragen,

„Wie unſers Herrn ſein Knechte,

„Ich thaͤt mit'm Herrn von Falkenſtein,

„Um meinen Herzliebſten fechten!“ —

„Mit einer Jungfrau fecht ich nicht,

„Das waͤr mir immer ein Schande!

„Ich will dir deinen Gefangnen geben;

„Zieh mit ihm aus dem Lande!“ —

„Wohl aus dem Lande, da zieh ich nicht,

„Hab niemand was geſtohlen:

„Und wenn ich was hab liegen lahn,

„So darf ichs wieder holen.“

[257]

Das roͤmiſche Glas.


Muͤndlich.


Stand ich auf einem hohen Berg,

Sah wohl den tiefen, tiefen Rhein,

Sah ich ein Schifflein ſchweben,

Viel Ritter tranken drein.

Der juͤngſte, der darunter war,

Hob auf ſein roͤmiſches Glas,

Thaͤt mir damit zuwinken:

„Feins Lieb, ich bring dir das!“

„Was thuſt du mir zutrinken,

„Was bietſt du mir den Wein,

„Mein Vater will mich ins Kloſter thun,

„Soll Gottes Dienerin ſeyn.“

Des Nachts wohl um die halbe Nacht,

Traͤumt es dem Ritter ſo ſchwer,

Als ob ſein herzallerliebſter Schatz

Ins Kloſter gangen waͤr.

„Knecht, ſattle mir und dir zwei Roß,

„Mein Haupt iſt mir ſo ſchwer,

„Ich leerte gar viel mein roͤmiſch Glas,

„Das Schiff gieng hin und her:

„Mir traͤumt', ich haͤtt' eine Nonn geſehn,

„Ich trank ihr zu mein Glas,

„Sie wollt nicht gern ins Kloſter gehn,

„Ihr Aeuglein waren naß.

17.
[258]
„Halt an! Halt an am Kloſterthor!

„Ruf mir mein Lieb heraus!“

Da kam die aͤltſte Nonn hervor,

„Mein Lieb ſoll kommen heraus.

„Kein Feinslieb iſt hier innen,

„Kein Feinslieb kann heraus.“

„Und wenn kein Feinslieb drinnen iſt,

„So ſteck ich an das Haus.“

Da kam Feinslieb gegangen,

Schneeweis war ſie gekleidt:

„Mein Haar iſt abgeſchnitten,

„Leb wohl in Ewigkeit!“

Er vor dem Kloſter niederſaß,

Und ſah ins tiefe, tiefe Thal,

Verſprang ihm wohl ſein roͤmiſch Glas,

Verſprang ihm wohl ſein Herz.

Rosmarien.


Muͤndlich.


Es wollt die Jungfrau fruͤh aufſtehn,

Wollt in des Vaters Garten gehn,

Roth Roͤslein wollt ſie brechen ab,

Davon wollt ſie ſich machen,

Ein Kraͤnzelein wohl ſchoͤn.

Es ſollt ihr Hochzeitskraͤnzlein ſeyn:

„Dem feinen Knab, dem Knaben mein,

[259]
„Ihr Roͤslein roth, ich brech euch ab,

„Davon will ich mir winden,

„Ein Kraͤnzelein ſo ſchoͤn.“

Sie gieng im Gruͤnen her und hin,

Statt Roͤslein fand ſie Rosmarien:

„So biſt du, mein Getreuer hin!

„Kein Roͤslein iſt zu finden,

„Kein Kraͤnzelein ſo ſchoͤn.“

Sie gieng im Garten her und hin,

Statt Roͤslein brach ſie Rosmarien:

„Das nimm du, mein Getreuer, hin!

„Lieg bei dir unter Linden,

„Mein Todtenkraͤnzlein ſchoͤn.“

Der Pfalzgraf am Rhein.


Muͤndlich.


Es wohnt' ein Pfalzgraf an dem Rhein,

Der ließ verjagen ſein Schweſterlein,

Da kam der Kuͤchenjung zu ihm:

„Willkommen! Willkommen, Pfalzgraf am Rhein!

„Wo iſt dein ſchoͤnes Schweſterlein?“

„Mein Schweſterlein die kriegſt du nicht,

„Sie iſt dir viel zu adelich,

„Und du gehoͤrſt zur Kuͤch hinein.“

„Warum ſollt ich ſie kriegen nicht,

„Sie hat von mir ein Kindelein.“

[260]
„Hat ſie von dir ein Kindelein,

„Soll ſie nicht mehr mein Schweſter ſeyn.“

Er ließ ſie geißeln drei ganzer Tag,

Bis man ihr Lung und Leber ſah:

„Hoͤr auf, hoͤr auf, es iſt genug,

„Es gehoͤrt dem Koͤnig aus Engelland.“

„Gehoͤrt es dem Koͤnig von Engelland,

„So koſtet mich's mein ganzes Land,

„Mein ganzes Land iſt nicht genug,

„Mein Leben muß auch noch darzu.“

Es ſtund nicht laͤnger als drei Tag' an,

Da kam der Koͤnig aus Engelland:

„Willkommen, willkommen Pfalzgraf am Rhein,

„Wo iſt, wo iſt dein Schweſterlein?“

„Mein Schweſterlein, die iſt ſchon todt,

„Sie liegt begraben roͤslinroth.“

„Liegt ſie begraben roͤslinroth,

„So mußt du leiden den bittern Tod.“

Selbſt zog er ſein ſchweres goldnes Schwerdt,

Und ſtach es dem Pfalzgrafen durch ſein Herz:

„Hat ſie muͤſſen leiden den bittern Tod,

„So mußt du leiden den Schmerz.“

[261]

Vogel Phoͤnix.


Aus einem alten Buche ohne Titel.


Phoͤnix, der edle Vogel werth,

Hat ſeines Gleichen nicht auf Erd,

Um ſeinen Hals iſt's goldgelb klar,

Sein Leib und Fluͤgel Purpur gar;

Hat auf dem Haupte eine Kron,

Der hoͤchſte Baum ſein hoher Thron.

Er wohnt und lebet lang allein,

Dann ſtellen ſich viel Voͤgel ein.

Die Voͤgel ſammeln fuͤr ihn frey

Den Weihrauch und die Specerey,

Von edlem Holz wohlriechend Aeſt,

Sie machen aus dem alln ein Neſt.

Dann ſchwingt er druͤber ſein Gefieder

Am Sonnenglanze auf und nieder.

Wenn er das Rauchwerk ſo gezuͤndt,

Die Flamme ſich zur Hoͤhe windt.

Dann laͤßt er ſich herab zur Gluth,

Verbrennt ſich willig wohlgemuth.

Alsdann in ſeiner Aſche wird

Ein leuchtend Wuͤrmlein erſt formirt,

Darnach ein Vogel rein und pur,

Dem vor gen gleich in der Natur.

[262]
Chriſtus, des Himmels Phoͤnix rein,

Hat ſo gewohnt auf Erd' allein,

Ein Adler ſtark, der uͤberwand

Hoͤll, Teufel, Suͤnd und Todesband.

Sein Gottheit iſt die guͤldne Farb,

Und ſein Verdienſt uns Heil erwarb.

Das Purpur-Kleid er hat auch an,

Auf ſeinem Haupt die Dornenkron.

Aus rechter Lieb inbruͤnſtiglich

Er opfert darauf willig ſich.

Und man begrub ihn ehrlich frey,

Mit koͤſtlich edler Specerey.

Alſo des Himmels Phoͤnix lag,

Im Grab, bis an den dritten Tag,

Alsdann er wieder lebend wurd'

Durch ſeine ew'ge Geiſtsgeburt.

Der unterirdiſche Pilger.


Aus Bruckmanns Beſchreibung aller Gebirge.


Ein Pilger wollt ausſpuͤren

Der Erd' Metallen-Geiſt,

Da hieß man ihn ſpaziren,

Ins Bergwerk man ihn weiſt,

Da fuͤhrten ihre Schicht

[263]
Vier Maͤnner mit zwei Weibern,

Die truͤgen in den Leibern,

Worauf ſein Herz gericht.

Er glaubts und fuhr in Stollen,

Da fand er einen Held,

Deß Fauſt vom Stahl geſchwollen,

Zum Schlegel ſich wohl ſtellt,

An Kleidung war er roth:

Nachdem der Krieg geendet,

Zur Arbeit er ſich wendet,

Wollt er nicht leiden Noth.

Der fuhr mit harten Worten,

Den fremden Landsmann an,

Sprach:„Wer zeigt dir die Pforten,

„Die keiner treffen kann?

„Wer ſtaͤhlet deinen Muth,

„Dich ſo ohn Furcht zu wagen?

„Wen ſuchſt du wegzutragen,

„Hat deine Bruſt auch Blut?“

Der Gaſt erſchrack daruͤber,

Doch gab er Antwort drauf,

Sprach freundlich zu ihm:„Lieber!

„Mein Held, halt mich nicht auf:

„In den Berg ſoll ich gehen;

„Vier Maͤnner ſtark von Leibern

„Die ſollen mit zwei Weibern

„Allhier in Arbeit ſtehn.

[264]
„Die Stuffen die ſie puchen,

„Die ſollen der Zeuch ſeyn,

„Den alle Weiſen ſuchen,

„Aus dem der Weiſen Stein

„Wird kuͤnſtlich zugereicht,

„Drum bin ich hergezogen;

„Werd ich auch ſeyn betrogen?

„Krieg ich ihn, oder nicht?“

„Du haſt wohl recht vernommen,

„Sagt ihm der erſte klar:

„Vier Maͤnner ſind herkommen

„Mit dem Fraun-Zimmer-Paar,

„Und haben, was du willt

„Beſonders und zuſammen,

„Weil wir von einem Stammen:

„Doch merke, was es gilt.

„Ich zweifle noch am Kriegen,

„Wir habens tief verſteckt,

„Den kannſt du zwar beſiegen

„Ders leichtlich dir entdeckt,

„Ich geb es warlich nicht,

„Es ſey denn daß im Kaͤmpfen,

„Du meine Macht kannſt daͤmpfen

„Und mich dein Schwerdt hinricht.

„Hier, hier in der Herzkammer

„Trag ich den edlen Schatz:

„Kannſt du mit deinem Hammer

[265]
„Dir dazu machen Platz,

„So buͤß ich leider ein:

„Denn dieſes muß mir geben,

„Kraft, Nahrung, Staͤrk und Leben,

„Und allen, die hier ſeyn.“

„Du biſt ein harter Knorren,

„Hub drauf der Pilger an,

„Ich bleib itzt unverworren

„Mit dir, du Krieges-Mann,

„Wiewohl ich koͤnnte thun,

„Wie David mit der Schleuder,

„Doch ich ſchon' unſer beider,

„Und will dich laſſen ruhn.“

„Ich rath dirs, ſprach der Hauer,

„Tritt mir nicht auf den Fuß,

„Mein Liebchen ſieht auch ſauer,

„Im Fall ſie kaͤmpfen muß;

„Reiz ihre Waffen nicht,

„Iſt mein Zorn Leuen-Werke,

„So thut ſie Leuin-Werke,

„Wenn man auf ſie loß ſticht.

„Laß unſern Hauptmann ſitzen,

„Laß ſeine Frau zu Ruh:

„Was kann ein Koͤnig nuͤtzen?

„Die Koͤnigin dazu?

„Ihr Pralen iſt zu groß,

„Kannſt du gleich was erheben,

[266]
„So muſt du viel ausgeben,

„Eh dein Gewinn ſteht bloß.

„Doch wirſt du weiter gehen,

„Ins innerſte Gemach,

„Wirſt du ſehn andre ſtehen,

„Die fuͤllen Dach und Fach:

„Bewaͤltigeſt du ſie,

„So kannſt du froͤhlich leben,

„Und deinem Naͤchſten geben,

„Was er darf ſpaͤt und fruͤh!“

Der Fremde fuhr bald weiter,

Und lief den Strecken nach,

Kein Menſch war ſein Begleiter,

Er fand ein neues Dach;

Da ſtand ein glaͤnzend Mann,

Mit Kleidung wohl verſehen,

Den ſprach der Gaſt mit Flehen,

Gleich wie den erſten an.

Der Knappe gab ihm wieder,

Mit Nein! Nein! nur Beſcheid:

„Sollt ich und meine Bruͤder,

„Uns toͤdten vor der Zeit,

„Das iſt zu viel begehrt:

„Der Koͤnig ſelbſt muß ſterben,

„Die Koͤnigin verderben,

„Wird dir dein Wunſch gewaͤhrt.“

[267]
Dem Fremden ſtach das Fuͤnkeln

Des Mannes ins Geſicht,

Daß er zu allen Winkeln,

Im Augenblicke richt,

Ob jemand zu der Hand,

Der ſeinen Sinn moͤcht merken,

Und ihn von ſeinen Werken,

Abtreiben mit Beſtand.

Er dacht ihn umzubringen,

Zu rauben ſeinen Schatz,

Meint, es wuͤrd ihm gelingen,

Weil er ſo kriegte Platz,

Den Koͤnig auf die Bahr,

Sammt dem Gemahl zu legen,

Dieweil durch jenes Regen,

Auch lebte dieſes Paar.

Weil er nun ganz alleine,

Greift er den Knappen an,

Der mit dem klaren Scheine,

Die Fremden reizen kann;

Stoͤßt nach der Gurgel frei,

Der ſchreit, Gewalt zu ſparen,

Er will ihm offenbahren,

Was ihm annehmlich ſey.

Der Gaſt ließ ſich erbitten,

Und fragte: Was er ſey?

Der ſprach: „Hinein geſchritten!

[268]
„Da ſitzet an der Reih

„Ein alt kißgrauer Mann,

„Der hat mehr von den Schaͤtzen,

„Der kann dich baß ergoͤtzen,

„Als ich dir zeigen kann.

„Es wird dir frei gelingen,

„Die vorgeſetzte Sach,

„Und kannſt ihn leicht bezwingen,

„Weil er von Alter ſchwach:

„Der iſts, der Huͤter iſt

„An koͤniglicher Pforten,

„Dem man ein zu antworten,

„Den Schluͤſſel hat erkießt.“

Der Fremde ging von dannen,

Fand endlich einen Greiß,

Der leicht zu uͤbermannen,

Ohn alles Blut und Schweiß,

Sein Kittel war gering,

Er ſah beſchmutzt, elende,

Und lehnt ſich an die Waͤnde,

Betruͤbt, weils ihm ſo ging.

Der Pilger ſprach ingleichen,

Ihn um den Handſtein an,

Er moͤcht ihm den doch reichen;

Der Geiſt ſprach: „Lieber Mann,

„Gehſt du dem Zeuge nach,

„Nach dem die Herrn und Fuͤrſten,

[269]
„Unmenſchlich brennend duͤrſten,

„Wie Tantalus am Bach?

„In mir kannſt du ihn haben,

„Ich bin ſchwach! ſonder Muͤh,

„Weil ich die theuren Gaben,

„Im Magen trag allhie,

„Davon mir Nahrung koͤmmt,

„Und aller andrer Leibe;

„Nicht, wie der mit dem Weibe,

„Der uͤber dich ergrimmt.

„Derſelbe traͤgts im Herzen,

„Und ſchleußts inwendig ein,

„Doch macht es mir viel Schmerzen,

„Soll ich Gewaͤhrs-Mann ſeyn?

„Mein Grab iſt ja dein Stoß,

„Ach ſchone meines Lebens!

„Was wuͤrgſt du mich vergebens?

„Ich bin alt, arm und bloß.

„Ich bin der Kinder-Freſſer,

„Was Noth, daß du viel lochſt?

„Mein Nachbar hat viel beſſer,

„Was du ſo emſig ſuchſt;

„Drum prahlt er alſo ſehr,

„Er iſt, ſchau nur ein Lager,

„Der Koͤnigin Herr Schwager,

„Was willt du ferner mehr?

[260[270]]
„Haſt du den uͤbertaͤubet,

„So haſt du mehr Gewinn,

„Wie ſehr er ſich auch ſtraͤubet,

„Nimmſt du ſein Reichthum hin,

„Viel eher, als bei mir,

„Mir Armen und Verachten,

„Ich geb es zu betrachten,

„Was meines Stands-Gebuͤhr.“

Der Pilger trug Erbarmen,

Ließ ſich dies machen weiß,

Dacht heimlich: Von dem Armen,

Erhalt ich keinen Preiß,

Eh will ich mit Gewalt

Durch ritterliches Kaͤmpfen,

Den naͤchſten Nachbar daͤmpfen,

Giebt ers nicht alſobald.

Geſegnet ſo den Alten,

Und geht von ihm hinweg:

Der mocht ſich nicht enthalten,

Weil jener von dem Zweck

In Eil verfuͤhret war,

Daß er nicht in der Stille,

Sich in der grauen Huͤlle,

Zulachte, gut und gar.

Bei ſo geſtalten Sachen,

Sah unſer Gaſt zuruͤck,

Und ſah den Schmutzbart lachen,

[261[271]]
Rief lachend: „Altes Stuͤck,

„Was lachſt du mich viel aus?

„Sieh da! Biſt du der Schleicher,

„Der manchen armen Streicher

„Gebracht um Hof und Haus?

„Kannſt du den Jaͤcken ſtechen,

„So ſtech ich dir ihn auch,

„Den Hals will ich dir brechen,

„Wie hart auch dir der Bauch,

„Treib denn mit andern Spott:

„Den Schatz muſt du mir geben,

„Wie lieb dir auch dein Leben:

„Und ſtieß ihn alſo todt.“

Dis war des Reiſens Ende,

Der Pilger kam anheim,

Und grub in eine Blende,

Den jetzt geſungnen Reim.

Wer ſich mit dieſer Sach,

Einmahl auch will beſachen,

Schau auf des Alten Lachen,

Natur die ſpricht: Mir nach!

Herr Olof.


Fliegendes Blat.


Herr Olof reitet ſpaͤt und weit,

Zu bieten auf ſeine Hochzeitleut';

[262[272]]
Da tanzen die Elfen auf gruͤnem Land,

Erl-Koͤnigs Tochter ihm reicht die Hand.

„Willkommen, Herr Olof, was eilſt von hier?

„Tritt her in den Reihen und tanz mit mir.“

„Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,

„Fruͤh Morgen iſt mein Hochzeittag.“

„Hoͤr an, Herr Olof, tritt tanzen mit mir,

„Zwei guͤldene Sporen ſchenk ich dir,

„Ein Hemd von Seide ſo weiß und fein,

„Meine Mutter bleichts mit Mondenſchein.“

„Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,

„Fruͤh Morgen iſt mein Hochzeittag.“

„Hoͤr an! Herr Olof tritt tanzen mit mir,

„Einen Haufen Goldes ſchenk ich dir.“

„Einen Haufen Goldes nehm ich wohl,

„Doch tanzen ich nicht darf noch ſoll.“

„Und willt, Herr Olof, nicht tanzen mit mir,

„Soll Seuch und Krankheit folgen dir.“

Sie thaͤt einen Schlag ihm auf ſein Herz,

Noch nimmer fuͤhlt er ſolchen Schmerz.

Sie hob ihn bleichend auf ſein Pferd,

„Reit heim nun zu deinem Braͤutlein werth.“

Und als er kam vor Hauſes Thuͤr,

Seine Mutter zitternd ſtand dafuͤr.

[263[273]]
„Hoͤr an, mein Sohn, ſag an mir gleich,

„Wie iſt dein Farbe blaß und bleich!“

„Und ſollt ſie nicht ſeyn blaß und bleich,

„Ich traf in Erlen Koͤnigs Reich.“

„Hoͤr an mein Sohn, ſo lieb und traut,

„Was ſoll ich nun ſagen deiner Braut?“

„Sagt ihr, ich ſey im Wald zur Stund,

„Zu proben da mein Pferd und Hund.“

Fruͤh Morgen und als es Tag kaum war,

Da kam die Braut mit der Hochzeitſchaar.

Sie ſchenkten Meet, ſie ſchenkten Wein,

„Wo iſt Herr Olof, der Braͤutigam mein?“

„Herr Olof, er ritt in den Wald zur Stund,

„Er probt allda ſein Pferd und Hund.“

Die Braut hob auf den Scharlach roth,

Da lag Herr Olof, und er war todt.

Ewigkeit.


Katholiſche Kirchengeſaͤnge. Coͤlln 1625. S. 620.


O Ewigkeit, o Ewigkeit!

Wie lang biſt du, o Ewigkeit,

Doch eilt zu dir ſchnell unſre Zeit,

Gleich wie das Heerpferd zu dem Streit,

18.
[264[274]]
Nach Haus der Bot, das Schiff zum Geſtad,

Der ſchnelle Pfeil vom Bogen ab.

O Ewigkeit, u. ſ. w.

Gleich wie an einer Kugel rund,

Kein Anfang und kein End iſt kund;

Alſo, o Ewigkeit an dir,

Noch Ein- noch Ausgang finden wir.

O Ewigkeit, u. ſ. w.

Du biſt ein Ring unendlich weit,

Dein Mittelpunkt heißt Allezeit,

Niemahl der weite Umkreiß dein,

Weil deiner nie kein End wird ſeyn.

O Ewigkeit, u. ſ. w.

Hinnehmen koͤnnt ein Voͤglein klein,

All ganzer Welt Sandkoͤrnlein ein:

Wenns nur eins naͤhm all tauſend Jahr,

Nach dem waͤr nichts von ihr fuͤrwahr.

O Ewigkeit, u. ſ. w.

In dir, wenn nur all tauſend Jahr

Ein Aug vergoͤß ein kleine Thraͤn,

Wuͤrd wachſen Waſſer ſolche Meng,

Daß Erd und Himmel waͤr zu eng.

O Ewigkeit, u. ſ. w.

Den Sand im Meer und Tropfen all,

Sind nur ein Bruch der einen Zahl;

[265[275]]
Allein ſchwitzt uͤber dir umſonſt,

Die tiefſte Meß- und Rechenkunſt.

O Ewigkeit, u. ſ. w.

Hoͤr Menſch: So lange Gott wird ſeyn,

So lang wird ſeyn der Hoͤllen Pein,

So lang wird ſeyn des Himmels Freud,

O lange Freud, o langes Leid!

Der Graf und die Koͤnigstochter.


Aus Meißner's Apollo. Juny 1794. S. 165.


O daß ich koͤnnt' von Herzen

Singen eine Tageweiß,

Von Lieb' und bittern Schmerzen!

Merkt auf, merkt auf mit Fleiß,

Wie's einer Koͤnigstochter ging

Mit einem jungen Grafen!

Nun hoͤrt groß Wunderding!

An ihres Vaters Tafel

Saß mancher Ritter werth,

Doch liebte ſie den Grafen

Vor allem was auf Erd,

Was Gott durch ſeine Weisheit ſchuf;

Aus heimlichem bangem Herzen

Thaͤt ſie ſo manchen Ruf.

„Herr Gott, ſend mir das Gluͤcke,

„Daß er mein Herz erkenn!

[266[276]]
„Loͤs mir auf Band und Stricke

„Der edlen Venuſin!“

Und was ihr in dem Herzen lag,

Das lag wohl auch dem Grafen

Im Sinn bei Nacht und Tag.

Keins klagt dem andern offen,

Was ihm am Herzen lag;

Ein jeder thaͤte hoffen

Einen guten Freudentag,

Der doch zuletzt mit Jammer kam,

Sie ſchrieben ſich Liebesbriefelein,

Ganz frei und ohne Scham.

Darin ſie ſich gemeldet

Von einem Brunnen kalt,

Der lag ſo weit im Felde,

Vor einem gruͤnen Wald,

Wer ehe kaͤm zu des Brunnens Fluß,

Der ſollte des andern warten;

Alſo war ihr Beſchluß.

Die Jungfrau thaͤt ſich zieren

In einen Mantel weis,

Ihre Bruͤſt' thaͤt ſie einſchnuͤren,

Vermacht mit allem Fleis

Auch ſprach die edle Jungfrau ſchon:

„Kein Mann ſoll mir's aufreißen,

„Denn eines Grafen Sohn!“

[267[277]]
Sie kam wohl zu dem Brunnen,

Sie fand viel Luſt und Freud,

Sie dacht: „Ich hab gewonnen!

„Mein Trauern iſt zerſtreut,

„Aus aller Noth bin ich erloͤßt,

„O daß ich ſaͤh hertreten

„Mein Hoffnung und mein Troſt.“

Zur Hand lief aus dem Walde,

Eine grimme Loͤwin her.

Die Jungfrau ſah ſie balde,

Sie lief von dannen fern,

Und kam nicht wieder denſelben Tag;

Ihren Mantel ließ ſie liegen,

Daraus kam Noth und Klag.

Die Loͤwin warf ihre Jungen

Wohl auf den Mantel gut,

Der Mantel ward durchdrungen

Von Schweiß und rothem Blut.

Darnach die Loͤwin wieder ging

Zu Walde mit ihren Jungen,

Da kam der Juͤngeling.

Wie er den Mantel gefunden,

Beſprengt mit Blute ſo roth,

Da ſchrie er laut zur Stunden:

„O weh! meine Liebe iſt todt,

„Wie ſie mich nicht gefunden hat,

[268[278]]
„Hat ſie ſich ſelbſt getoͤdtet.

„O weh, der großen Noth!

„Nun mag es Gott erbarmen!“

Thaͤt er ſo manchen Ruf:

„O weh, o weh mir Armen,

„Seither daß Gott mich ſchuf!“

Sein Schwerdt das zog er aus der Scheid:

„Nun koͤmmts mit mir zu Ende,

„Heilig Dreyfaltigkeit!

„Wie haſt du meiner vergeſſen,

„Wo iſt das edle Weib?

„Sie haben die Thiere gefreſſen,

„So gilts auch meinen Leib!

„Sie iſt durch mich geſtorben hie,

„Will ich ihren Leib bezahlen!“

Er fiel auf beyde Knie.

„Gott ſegne dich, Mond, und Sonne,

„Desgleichen Laub und Gras!

„Gott geſegne dich, Freud und Wonne

„Und was der Himmel beſchloß!“

Sein Schwerdt das ſtach er durch ſein Herz:

„Es ſoll kein Frauenbilde,

„Durch mich mehr leiden Schmerz!“

Die Sonne ſank zum Abend,

Die Jungfrau wieder kam

Wohl zu dem Brunnen gelaufen,

[269[279]]
Ein toͤdtlich Herz vernahm,

So bitterliche Klage fuͤrwahr;

Sie rang ihre ſchneeweiße Haͤnde,

Rauft aus ihr gelbes Haar.

Die Jungfrau thaͤt ſich neigen

Wohl auf den Grafen ſchoͤn:

„Gott geſegne dich, Erb und Eigen

„Und dich koͤniglich Kron!

„Desgleichen, Feuer, Waſſer, Luft und Erd!

„Indem thaͤt ſie aufſpringen,

„Und zog aus ihm ſein Schwerdt.

„Haſt du durch mich aufgeben

„Land, Leute, Ehr und Gut;

„Verloren hier dein Leben,

„Vergoſſen auch dein Blut,

„Weil du gemeint, ich ſey ermordt,

„So will ich bey dir bleiben

„Ewiglich hier und dort.“

Das Schwerdt das thaͤt ſie ſtechen

Durch ihr betruͤbtes Herz.

Gott woll nicht an ihr raͤchen,

Den Tod mit ewgem Schmerz!

Denn es wahrlich am Tage liegt,

Die Lieb uͤberwindet alle Dinge

In dieſer betruͤbten Zeit.

[270[280]]

Moriz von Sachſen.


Die Geſchichten und ritterlichen Thaten Moritz Herzogs zu Sachſen, durch
Leonhardt Reutter. 1553. Flugſchrift.


Mir kam ein ſchwerer Unmuth an,

Ich konnt mich ſelber nicht verſtan,

Und wuſte ſelbſt nicht wie mir was,

Ganz traurig auf mir ſelber ſaß,

Ging in die Stadt wohl hin und wieder,

Mir war nicht recht, ich legt mich nieder,

Und muſt dem Ungluͤck geben Raum,

Da fiel mir ein ein ſchwerer Traum.

Deucht mich, wie ich zu Freiberg,

Noch war mein Herz mir alſo ſchwer,

Vermeint ich wollt zur Kirchen nun,

Vielleicht wuͤrd' man ein Predigt thun,

Ich kam zum Dom, war ganz verdroſſen,

Da warn alle Thuͤrn verſchloſſen,

Ich dacht es muß nicht recht da ſeyn,

Doch klopft ich an, man ließ mich ein.

Mich fragten, was ich wollt ſo bald?

Die ganze Kirch haͤtt' traurig Geſtalt,

Mit ſchwarzem Gewand bezogen war

Die Vorkirche und auch der Altar,

Viel Wappen ſah ich rummer hangen.

Mit Trauren mein Herz wurd' umfangen,

Ich ging ſchnell zu der Kirchen aus,

Daͤucht mich, ich wollt' zum Thor hinaus,

Zum Spitalholz ſtand mein Begehr.

[271[281]]
Da ſah ich erſt ein traurig Heer,

Wenig Volk, viel Faͤhnlein dabei,

Die waren von Farben mancherlei,

Waren zerriſſen und zerplundert,

In meinem Traume es mich ſehr wundert,

Was doch das all bedeuten thaͤt?

Funfzehn ſchwarze Faͤhnlein man haͤtt,

Die trug man um ein Leich herum,

Ich erſchrack ſehr, und ſah mich um,

Da ſah ich ein Haufen in ſchwarzem Kleid,

Die trugen alleſamt groß Leid,

Und wollten auch mitgehn zu Grab.

Nach der Leich, da ritt ein Knab,

Der hatt einen ſchwarzen Harniſch an,

Daͤucht mich es war ein Edelmann,

In der Hand hatt' er ein bloßes Schwerdt,

Die Spitze kehrt' er zu der Erd,

Und ſaß ſo gewaltig verdroſſen,

Auch war der Harniſch durchſchoſſen,

Hinten unter dem Guͤrtel 'nein,

Ich dacht, weß mag die Leiche ſeyn?

Von ferne ſah ich ein heidniſch Weib,

Von hohem Blick, von ſtolzem Leib,

Mit Schwerdt und Harniſch ſamt Sturmhauben,

Gekleidet wie ein Kriegesmann,

Sie ſah mich alſo traurig an.

Ich ſprach: „Ach Frau, thut mir erlauben,

„Auf daß ich euch moͤcht reden an.“

[272[282]]
Sie ſprach: „Was willſt du von mir han,

„Jezund in meinem großen Leid,

„Ich geb dir uͤbelen Beſcheid.

„Mir iſt betruͤbet all mein Sinn.“

Die Sturmhaub wurf ſie traurig hin,

Sie wandt ihre Haͤnd und rauft' ihr Haar,

Ich fragt': „Weß iſt die Todtenbahr?“

Sie antwort' mir nach kurzer Friſt:

„Des Herzog Moritz Leich es iſt,

„Den du gekannt ſo manchen Tag.

Ich ſprach: „Nun ſey es Gott geklagt,

„Ich hab ihn gekannt, das glaubet ihr,

„Ein Wappen gab ſein Gnade mir;

„Wie iſt er kommen um ſein Leben?“

Sie konnt vor Weinen kein' Antwort geben,

Sprach ſchluchzend: „Folg und geh mit mir,

„Groß Wunder will ich ſagen dir,

„Wie ſich der Fuͤrſt in aller That,

„Ritterlich wohl gehalten hat,

„Er war ein theurer Held ganz werth,

„Seines Gleichen lebt jetzt nicht auf Erd,

„Allein daß er zu leicht geglaubt,

„Das hat ihm auch ſein Leben geraubt.“

Und wand ihr Haͤnde ſehr zu Gott,

Sie ſprach: „Das iſt ein großer Spott,

„Das viel auf beiden Achſeln tragen,

„Doch darf man's vor der Welt nicht ſagen,

„Das hat den Fuͤrſten ums Leben bracht,

[273[283]]
„Ach, ach, ich hab es lang bedacht.“

Ich ſprach: „Frau, eins verzeiht mir noch,

„Und ſaget mir, wie heißt ihr doch?“

Zur Antwort ſagte ſie mir gefliſſen,

Und ſprach: „Ich heiße Frau Pallas,

„Bin eine Goͤttin des Kriegs zur Hand,

„That dieſem Fuͤrſten auch Beiſtand,

„Denn aller Krieg, den er anfing,

„Letzlich zufrieden wohl ausging.“

Ach wie hatt ich im Traum ein Klag;

Indem brach an der helle Tag.

Noch konnt ich mich gar nicht bedeuten,

Da that man ſchon zur Predigt laͤuten,

Ich erwacht von dem Glocken Ton,

Stund ſchnell auf, und zog mich an,

Dacht dem Traum nach in meinem Sinn,

Ging auch ſchnell gen Freiberg hin.

Da fand ich alles in der Stadt,

Wie mir die Frau geſaget hat,

Ach, wie weh war mir zu Muth,

Daß der theure Fuͤrſt ſo gut,

So ſchaͤndlich war ums Leben kommen,

Das hat mich ſchmerzlich uͤbernommen.

[274[284]]

Ulrich und Aennchen.


Herders Volkslieder. I. 79.


Es ritt einſt Ulrich ſpazieren aus,

Er ritt wohl vor lieb Aennchens Haus:

„Lieb Aennchen, willſt mit in gruͤnen Wald?

„Ich will dir lehren den Vogelſang.“

Sie gingen wohl mit einander fort,

Sie kamen an eine Haſel dort,

Sie kamen ein Fleckchen weiter hin,

Sie kamen auf eine Wieſe gruͤn.

Er fuͤhrte ſie ins gruͤne Gras,

Er bat, lieb Aennchen niederſaß,

Er legt ſeinen Kopf in ihren Schoos,

Mit heißen Thraͤnen ſie ihn begoß.

„Ach Aennchen, liebes Aennchen mein,

„Warum weinſt du denn ſo ſehr um ein'n?

„Weinſt irgend um deines Vaters Gut?

„Oder weineſt um dein junges Blut?

„Oder bin ich dir nicht ſchoͤn genug?“

„Ich weine nicht um meines Vaters Gut,

„Ich wein' auch nicht um mein junges Blut,

„Und, Ulrich, biſt mir auch ſchoͤn genug.

„Da droben auf jener Tannen,

„Eilf Jungfrauen ſah ich hangen.“

„Ach Aennchen, liebes Aennchen mein,

„Wie bald ſollſt du die zwoͤlfte ſeyn.“

[275[285]]
„Soll ich denn nun die zwoͤlfte ſeyn?

„Ich bitt, ihr wollt mir drei Schrei verleihn.“

Den erſten Schrei und den ſie that,

Sie rufte ihren Vater an,

Den andern Schrei und den ſie that,

Sie ruft ihren lieben Herr Gott an,

Den dritten Schrei und den ſie that,

Sie ruft ihren juͤngſten Bruder an.

Ihr Bruder ſaß beim rothen kuͤhlen Wein,

Der Schall der fuhr zum Fenſter hinein:

„Hoͤret ihr Bruͤder alle,

„Meine Schweſter ſchreit aus dem Walde.“

„Ach Ulrich, lieber Ulrich mein,

„Wo haſt du die juͤngſte Schweſter mein?“

„Dort oben auf jener Linde,

„Schwarzbraune Seide thut ſie ſpinnen.“

„Warum ſind deine Schuh ſo blutroth?

„Warum ſind deine Augen ſo todt?“

„Warum ſollten ſie nicht blutroth ſeyn?

„Ich ſchoß ein Turteltaͤubelein.“

„Das Turteltaͤublein, das du erſchoßt,

„Das trug meine Mutter unter ihrer Bruſt,

„Das trug meine Mutter in ihrem Schooß,

„Und zog es mit ihrem Blute groß.“

Lieb Aennchen kam ins tiefe Grab,

Schwager Ulrich auf das hohe Rad,

[276[286]]
Um Aennchen ſungen die Engelein,

Um Ulrich ſchrieen die Raben allein.

Vom vornehmen Raͤuber.


Deutſches Muſeum. 1778. II. B. S. 459.


Was wollen wir aber heben an

Von Fritſchen dem jungen Edelmann,

Hat manchen ſtolzen Ritt gethan,

Bis es ihm ſchlecht gelungen.

Fritſche zu ſeinem Knechte ſprach:

„Sattle mir beide Pferde,

„Wir wollen nach Goͤrlitz auf die Straßen reiten,

„Die Fuhrleute wollen wir ſchauen.“

Da ſie nach Goͤrlitz auf die Straßen kamen,

Die Wagen wollten ſie aufhauen,

So bließ der Waͤchter auf ſeinem Horn,

Auf dem Rathhausthurme.

Fritſche zu ſeinem Knechte ſprach:

„Ich fuͤrchte wir ſeyn verrathen,

„Wenn wir zu Seidenberg blieben,

„So aͤßen wir Geſotten und Gebraten.“

Fritſche zu ſeinem Knechte ſprach:

„Ey Knecht ſieh dich ein wenig um,“

Er ſah den Hauptmann von Goͤrlitz herreiten

Von allen Seiten mit Leuten.

[277[287]]
Der Hauptmann wider den Fritſchen ſprach:

„Fritſche gib du dich gefangen,

„Zu Goͤrlitz ſteht ein lichter Galgen hoch,

„Daran ſollt du Fritſche hangen.“

„Daß ich zu Goͤrlitz hangen ſoll,

„Deß laß dich Gott erbarmen,

„So reun mich nichts als meine Stiefel

„Dazu meine gute Geſellen und Sporn.“

„Je reun dich nichts als deine Stiefel und Sporn,

„Dazu deine guten Geſellen,

„Reun dich nicht mehr deine kleinen Kinder,

„Dazu deine ſchoͤne Jungfrauen?“

Der geiſtliche Kaͤmpfer.


Aus einem Manuſcript in der Sammlung von Clemens Brentano.


Groß Lieb thut mich bezwingen,

Daß ich muß heben an,

Von einem Kaͤmpfer ſingen,

Der war ſo wohlgethan.

Den Kaͤmpfer will ich nennen,

Daß ihr koͤnnt merken wie,

Und eigentlich erkennen,

Chriſt Gottes Sohn allhie.

Der Kaͤmpfer tugendreiche,

Nahm ſich vor einen Sinn,

[278[288]]
Aus ſeines Vaters Reiche,

Schickt er ſeinen Boten hin.

Zu einer ſchoͤn Jungfrauen,

Wohl in dem Morgenland,

Die wollt er gerne ſchauen,

Da er ſein Boten ſandt.

Wollet ihr ſie auch kennen,

Die Jungfrau minniglich,

Gabriel thut ſie nennen,

Und ſpricht gar tugendlich,

Da er ſie gruͤßt geſchwinde,

Sprach Ave Maria,

Mit Worten alſo linde,

Plena gratia.

Er pflag auch ſuͤßer Worte,

Bey der Jungfrauen rein,

Bis ſie aufſchluß die Pforte,

Und ließ ihn zu ſich ein.

Die Jungfrau beruͤhrt ihr Herze,

Und ſprach: „Ach wer iſt der,

„Der in froͤhlichem Scherze,

„Begehrt zu mir her.“

Der Bot der antwortt ſchiere:

„Er iſt gewaltiglich,

„Er kommt herab zu dire,

„Er macht euch alle reich.“

[279[289]]
Maria ſprach mit Zuͤchten:

„Ich thu keins Manns Begehren!“

„Sollſt mit maͤgdlichen Fruͤchten,

„Ein Kind ohn Mann gebaͤren.

„Gott Sohn von Ewigkeite,

„Der kommt herab zu dir,“

Sie ſprach: „Ich bin bereite,

„Nach deinem Wort geſchehe mir.“

Die Welt die ſtand in Sorgen

Mehr dann fuͤnf tauſend Jahr,

In Hoͤllengrund verborgen,

Bis kam der Kaͤmpfer klar.

Das wollt er wieder kehren (wenden),

Der edel Kaͤmpfer werth,

Sein Blut um uns verehren,

Und kam herab auf Erd.

Durch uns ſo ward er junge,

Wohl bey der reinen Maid,

Vom hoͤchſten Thron entſprungen,

Aus Gottes Ewigkeit.

Bey ihr war er zur Zeite

Wohl drey und dreyßig Jahr,

Eh daß er ging zu Streite,

Der edle Kaͤmpfer klar.

Darnach ward man ihn ſpuͤren,

Bey der Jungfrauen klar,

19.
[280[290]]
Darum thaͤt ſich aufruͤhren,

So gar ein große Schaar.

Sie thaͤten ihn auch fahen,

So gar mit ſcharfer Wehr,

Er ward auch hart geſchlagen,

Der edel Kaͤmpfer hehr.

Mit Geißlen und mit Ruthen,

Ein Kron mit ſcharfem Dorn,

Das litt er durch ſein Guͤte,

Und ſuͤhnt damit den Zorn.

Ein Urtheil ward geſprochen

Wohl zu derſelben Zeit,

Sein Seite ward durchſtochen,

Geſchlagen ans Kreuz ſo breit.

Da ſtand Maria elende,

Und ſah den Kaͤmpfer an,

Sie rang ihr ſchneeweiß Haͤnde,

Sprach: „Wem willſt mich hie lahn (laſſen).“

Er ſprach zu ihr mit Schmerze:

„Sieh Weib, das iſt dein Sohn!“

Damit brach ihm ſein Herze,

Den Kaͤmpfer bet ich an.

Daß er uns woͤll behuͤten,

Wohl vor der ewgen Pein,

Maria durch dein Guͤte,

So thu uns Huͤlfe-Schein.

[281[291]]
Das ſey zu Lob geſungen,

Maria der reinen Magd,

Von ihr iſt uns gelungen,

Das ſey ihr Lob geſagt.

Duſle und Babeli.


Herder's Volkslieder. I. S. 139.


Es haͤtte ein Bauer ein Toͤchterli,

Mit Name hieß es Babeli,

Es haͤtt ein Paar Zoͤpfle, ſie ſind wie Gold,

Drum iſt ihm auch der Dusle hold.

Der Dusle lief dem Vater nach:

„O Vater, wollt ihr mir's Babele lahn?“

„Das Babele iſt noch viel zu klein,

„Es ſchlaͤft dies Jahr noch wohl allein.“

Der Dusle lief in einer Stund,

Lief abe bis gen Solothurn,

Er lief die Stadt wohl auf und ab,

Bis er zum oͤberſten Hauptmann kam:

„O Hauptmann lieber Hauptmann mein,

„Ich will mich dingen in Flandern ein.“

Der Hauptmann zog die Seckelſchnur,

Gab dem Dusle drey Thaler draus.

Der Dusle lief wohl wieder heim,

Heim zu ſein'm liebe Babelein:

[282[292]]
„O Babele liebes Babele mein,

„Jezt hab i' mi' dungen in Flandern ein.“

Das Babele lief wohl hinters Haus,

Es greint ſich ſchier ſein Aeugele aus:

„O Babele, thu doch nit ſo ſehr,

„I' will ja wieder kommen zu dir!

„Und komm ich uͤbers Jahr nit heim,

„So will ich dir ſchreiben ein Briefelein.

„Darinnen ſoll geſchrieben ſtehn:

„Ich will min Babele wieder ſehn!“

Der eiferſuͤchtige Knabe.


Herder's Volkslieder. I. B. S. 38. aus dem Elſaſſo.


Es ſtehen drey Stern' am Himmel,

Die geben der Lieb' ihren Schein:

„Gott gruͤß euch, ſchoͤnes Jungfraͤulein,

„Wo bind' ich mein Roͤſſelein hin?“

„Nimm du es, dein Roͤßlein, beim Zuͤgel, beim Zaum,

„Bind's an den Feigenbaum.

„Setz dich ein' kleine Weile nieder,

„Und mach mir eine kleine Kurzweil.“

„Ich kann und mag nicht ſitzen,

„Mag auch nicht luſtig ſeyn,

„Mein Herz iſt mir betruͤbet,

„Feinslieb von wegen dein.“

[283[293]]
Was zog er aus der Taſchen?

Ein Meſſer, war ſcharf und ſpitz,

Er ſtachs ſeiner Lieben durchs Herze,

Das rothe Blut gegen ihn ſpritzt.

Und da ers wieder herauſſer zog,

Von Blut war es ſo roth:

„Ach reicher Gott vom Himmel,

„Wie bitter wird mir der Tod!“

Was zog er ihr abe vom Finger?

Ein rothes Goldringelein,

Er warfs in flieſſend Waſſer,

Es gab ſeinen klaren Schein:

„Schwimm hin, ſchwimm her, Goldringelein!

„Bis an den tiefen See!

„Mein Feinslieb iſt mir geſtorben,

„Jzt hab ich kein Feinslieb mehr.“

So gehts, wenn ein Maͤdel zwei Knaben lieb hat,

Thut wunderſelten gut;

Das haben wir Beyd' erfahren,

Was falſche Liebe thut.

Der Herr am Oelberg und der Himmelsſchaͤfer.


Trutz Nachtigal von Spee. S. 211.


Der Schaͤfer.
Mond des Himmels treib zur Weide

Deine Schaͤflein guͤlden gelb,

[284[294]]
Auf gewoͤlbter blauer Heide

Laß die Sterne walten ſelbſt,

Ich noch neulich ſo thaͤt reden,

Da zu Nacht ein ſchwacher Hirt,

Aller Wegen, Steg und Pfaͤden,

Sucht ein Schaͤflein mit Begierd.

Und der Mond hoͤrt' was ich ſagte,

Nahm ein lind geſtimmtes Rohr:

Das er blaſend zaͤrtlich nagte,

Spielte ſeinen Sternen vor.

Der Mond.
Auf ihr Schaͤflein, auf zur Heiden

Weidet reines Himmelblau,

Daß nachher, wenn wir hier ſcheiden,

Von euch fließt der Morgenthau.

Ach wer aber dort im Garten

Liegt mit ſeinem Hirtenſtab!

Wer will ſeiner dorten warten!

Schaut ihr Sternlein, ſchaut herab,

Haltet, haltet, ich nicht fehle:

Es iſt Daphnis wohl bekannt.

Eja, Daphnis, mir erzaͤhle,

Daphnis, was will dieſer Stand?

Weidet meine Schaͤflein, weidet!

Ich mit ihm noch reden muß,

Weidet meine Sterne, weidet!

[285[295]]
Daphnis liegt in harter Buß,

Daphnis thu' die Lippen ruͤhren,

Eja, nicht verbleibe ſtumm,

Daphnis, laß dich dannen fuͤhren,

Eja, nicht verbleibe ſtumm.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Daphnis liegt in Aengſten groß,

Daphnis Pein und Marter leidet,

Wollt', er laͤg im Mutterſchos!

Er dem Felſen liegt in Armen,

Liegt auf harten Steinen bloß:

Ach dort wird er nie erwarmen!

Fuͤrcht, daß er ſein Haupt zerſtoß.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Daphnis ſpaltet mir das Herz:

Wer mag haben ihn beleidet?

Weinen moͤchten Stein und Erz;

Kalter Wind, halt ein die Fluͤgel,

Ruͤhre nicht das kranke Blut,

Meide jenen Berg und Huͤgel,

Daphnis liegt ohn Schuh und Hut.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Daphnis leidet Angſt und Noth,

Daphnis dopple Thraͤnen weinet,

Perlen weiß, Korallen roth.

Perlen von den Augen ſchießen,

Schießen hin ins gruͤne Gras.

[286[296]]
Von dem Leib Korallen fließen,

Fließen in den Boden bas.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Niemand hats gezaͤhlet gar,

Niemand hat es ausgekreidet,

Wie die Zahl der Tropfen war,

Nur der Boden wohl erquicket,

Durch den weiß und rothen Trank,

Dankend ihm entgegen ſchicket,

Roſen roth, und Lilien blank.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Daphnis tief in Aengſten liegt,

Duft noch Farben unterſcheidet,

Achtet keiner Bluͤmlein nicht.

O was Marter mir erſcheinet!

Hoͤr zu bluten einmal auf,

Ach es iſt genug geweinet.

Nicht mit Blut die Bluͤmlein tauf.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Wer doch hat es ihm gethan?

Niemand meine Frag beſcheidet.

Du mir Daphnis, zeig es an.

Daphnis kann fuͤr Leid nicht ſprechen,

Seufzet manchen Seufzer tief,

Ihm das Herz will ganz zerbrechen,

Ach daß niemand helfend lief.

[287[297]]
Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Schon ein engliſch Edelknab,

Stark durch Luft und Wolken ſchneidet,

Eilet hin in vollem Trab,

Er ihm ſinget ſuͤße Reimen,

Mit gar ſuͤßem Stimmlein ſchwank,

Auch den Kelch nicht thut verſaͤumen,

Zeiget einen Kraͤutertrank.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Alles, alles iſt umſonſt,

Er doch allen Troſt vermeidet,

Sang und Becher bleibt umſonſt.

O du frommer Knab von oben,

Du nur mehreſt ihm die Pein,

Doch ich deine Treu muß loben,

Gott! dirs muß geklaget ſeyn.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

O der traurig fromme Hirt!

Er den Becher jetzund meidet,

Morgen ihn es reuen wird,

Er ſich jezt gar will befreien,

Weigert, was man trinket zu,

Duͤrft vielleicht wohl morgen ſchreien:

Ach wie ſehr mich duͤrſtet nun!

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Daphnis bleibet ſchmerzenvoll,

[288[298]]
Ich befehle euch entkleidet,

Reiſſet aus die guͤldne Woll,

Nur euch kleidet pur in Kohlen,

Pur in lauter ſchwarz Gewand,

Von dem Scheitel auf die Sohlen

Euch gebuͤhret ſolcher Stand.

Weidet meine Schaͤflein,

Daphnis fuͤhret ſtarkes Leid,

Iſt vom Vater hoch vereidet,

Hoch, mit wohl bedachtem Eid,

Er doch wollte wieder bringen,

Ein verloren Schaͤflein ſein,

Ach wenn ſollte das mißlingen,

Er ja ſtuͤrb fuͤr lauter Pein.

Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Daphnis wird verfolget ſtark.

Boͤs Geſinde ihn beneidet,

Trachtet ihm nach Blut und Mark.

O was dorten, was fuͤr Stangen,

Wehr und Waffen nehm ich wahr!

O vielleicht will man ihn fangen,

Wahrlich, wahrlich, iſt Gefahr!

Der Schaͤfer.
Weidet meine Schaͤflein, weidet,

Sprechen wollte bleicher Moud,

Ja nicht weidet, ſondern ſcheidet,

Er da ſprach, und wollte gehn,

[289[299]]
Scheidet, ſcheidet, meine Schaaren,

Kann vor Leid nicht ſchauen zu,

Dich nun wolle Gott bewahren,

Daphnis wer kann bleiben nun!

Drauf Ade der Mond wollt ſpielen,

Da zerſprang das matte Rohr:

Augentropfen ihm entfielen,

Huͤllte ſich in Trauerflor.

Und weil eben dazumahlen,

Er trat an in vollem Schein,

Gleich vertauſchet er die Strahlen,

Vollen Schein, gen volle Pein.

Auch die Sterne weinen, kamen

Goſſen ab all ihren Schein,

Schein und Thraͤnen floſſen ſammen,

Reihn zum blauen Feld hinein,

Machten eine weiße Straßen,

So noch heut man ſpuͤren mag:

Dann der Milchweg hinterlaſſen,

Iſt der ſchoͤnſten Thraͤnen Bach.

Abſchied von Bremen.


Muͤndlich.


O Bremen, ich muß dich nun laſſen,

O du wunderſchoͤne Stadt,

[290[300]]
Und darinnen muß ich laſſen

Meinen allerſchoͤnſten Schatz.

Wir haben oft beiſamm geſeſſen,

Manche ſchoͤne Monden-Nacht,

Manchen Schlaf zuſamm vergeſſen,

Und die Zeit ſo zugebracht.

Mein Koffer rollt, der Morgen kuͤhlet,

Ach, die Straßen ſind ſo ſtill,

Und was da mein Herze fuͤhlet,

Nimmermehr ich ſagen will.

Der Weg mich ſchmerzlich wieder lenket

Hin, wo Liebchen ſah herab,

Daß ſie ja noch mein gedenket,

Druͤck ich zwei Piſtolen ab.

Bald jagt vor dir in dieſen Gaſſen,

Manches Windlein duͤrren Staub,

Meine Seufzer ſinds, ſie laſſen

Vor dir nieder trocknes Laub.

So ſteh ich wirklich nun im Schiffe,

Meinen Koffer ſeh ich drauf,

Wie der Schiffer herzhaft pfiffe,

Zogen wir wohl Anker auf.

Ich ſeh den Sturmwind rauſchend gehen,

O mein Schiff hat ſchnellen Lauf,

Wird es wohl zu Grunde gehen,

Wanket nicht Gedanken drauf.

[291[301]]

Aurora.


Martin Opitz.


Wer ſich auf Ruhm begiebet,

Und freie Tage liebet,

Der liebt Aurorens Licht;

Dann Gras muß Blumen bringen,

Der Voͤgel leichtes Singen

Durch alle Luͤfte bricht.

Wer Waffen traͤgt und krieget,

Wer an den Ketten lieget,

Wer auf dem Meere wallt,

Wer voll iſt ſchwerer Sorgen,

Der ſpricht: Wann wird es morgen?

Aurora komm doch bald!

Laß mich nur dies erlangen,

Wann ich mein Lieb umfangen,

So halt den Zuͤgel an,

Halt an die hellen Blicke,

Bis ich zuvor mein Gluͤcke

Wie recht, gebrauchen kann.

Werd ein Kind.


Hiſtorie der Wiedergebornen. 1742. S. 18.


Klein und arm an Herz und Munde

Mußt du ſeyn, wenn Chriſtus ſoll

Gehen auf in deinem Grunde:

[292[302]]
Denn die Roſe und Viol

Waͤchſt im Thal der niedern Seelen,

Die nichts hohes hier erwaͤhlen!

Moͤgſt du nur ſo ſeyn demuͤthig,

Wie die niedre Sarons Blum,

Dennoch ſtehen ehrerbietig

Und vor Gott gebuͤcket krumm:

Alſo moͤgſt du bald die Gaben

Seines Geiſtes in dir haben.

Wenn dich aber hoch beflecket

Deiner Weisheit ſtolzer Witz,

Sich alsdann vor dir verſtecket

Wahrer Wahrheit klarer Blitz:

Wenn der Buchſtab dich gefangen,

Kannſt du nicht zum Geiſt gelangen.

Werd ein Kind, werd arm und kleine,

Sey nicht hoch noch weiſ' bei dir,

Setze dich in Staub und weine,

Bis dich Gott zur Schule fuͤhrt,

Da ſein Geiſt die Arm' und Bloͤden

Weislich lehret von ihm reden.

Der ernſthafte Jaͤger.


Feiner Almanach I. B. S. 77.


Es wollt ein Jaͤger jagen

Ein Hirſchlein oder ein Reh,

[293[303]]
Drei Stuͤndlein vor dem Tagen,

Ein Hirſchlein oder ein Reh.

„Ach Jaͤger, du haſt kein verſchlafen,

„Lieber Jaͤger, jezt iſt es Zeit;

„Dein Schlaf thut mich erfreuen

„In meiner ſtillen Einſamkeit.“

Das thaͤt den Jaͤger verdrießen,

Dieweil ſie ſo reden thaͤt,

Er wollt das Jungfraͤulein erſchießen,

Dieweil ſie ſo reden thaͤt.

Sie fiel dem Jaͤger zu Fuͤßen,

Auf ihre ſchneeweiſſe Knie:

„Ach Jaͤger thu mich nicht erſchießen!“

Dem Jaͤger das Herze wohl brach.

Sie thaͤt den Jaͤger wohl fragen:

„Ach edler Jaͤger mein,

„Darf ich ein gruͤn Kranz fern tragen,

„In meinem goldfarbenen Haar?“

„Gruͤn Kraͤnzlein darfſt du nicht tragen,

„Wie ein Jungfraͤuelein traͤgt,

„Ein ſchneeweiß Haͤublein ſollſt tragen,

„Wie ein jung Jaͤgersfrau traͤgt.“

[294[304]]

Der Mordknecht.


Feiner Almanach. I. B. S. 126.


Es reit ein Herr und auch ſein Knecht,

Wohl uͤber ein Heide, die war ſchlecht,

Ja ſchlecht!

Und alles was ſie redeten da,

War all's von einer wunderſchoͤnen Frauen,

Ja Frauen!

„Ach Schildknecht, lieber Schildknecht mein,

„Was redſt von meiner Frauen?

„Ja Frauen!

„Und fuͤrchteſt nicht mein braunen Schild,

„Zu Stuͤcken will ich dich hauen,

„Vor mein'n Augen.“

„Euern braunen Schild den fuͤrcht ich klein,

„Der lieb Gott wird mich wohl behuͤten,

„Behuͤten!“

Da ſchlug der Knecht ſein'n Herrn zu todt,

Das geſchahe um Fraͤuleins-Guͤte,

Ja Guͤte!

„Nun will ich heim gehen landwaͤrts ein,

„Zu einer wunderſchoͤnen Frauen,

„Ja Frauen!

„Ach Fraͤulein, gebt mir Boten-Lohn,

„Euer edler Herr und der iſt todt,

„So fern auf breiter Heide,

„Ja Heide!“

[295[305]]
„Und iſt mein edler Herre todt,

„Darum will ich nicht weinen,

„Ja weinen!

„Den ſchoͤnſten Buhlen, den ich hab,

„Der ſitzt bei mir daheime,

„Mutter alleine.“

„Nun ſattel mir mein graues Roß,

„Ich will von hinnen reiten,

„Ja reiten!“

Und da ſie auf die Heide kam,

Die Lilien thaͤten ſich neigen,

Auf breit'r Heiden.

Auf band ſie ihm ſein blanken Helm,

Und ſahe ihm unter ſein' Augen,

Ja Augen.

„Nun muß es Chriſt geklaget ſeyn,

„Wie biſt ſo ſehr zerhauen,

„Unter dein Augen.

„Nun will ich in ein Kloſter ziehn,

„Will 'n lieben Gott fuͤr dich bitten,

„Ja bitten!

„Daß er dich ins Himmelreich woll lahn,

„Das geſcheh durch meinetwillen,

„Schweig ſtillen!


Wer iſt's, der uns den Reihen ſang,

Matthias Jaͤger iſt er genannt,

20.
[296[306]]
Beim Trunk hat er's geſungen,

Geſungen!

Er iſt ſein'm Widerſacher von Herzen Feind,

Zu ihm kann er nicht kommen,

Ja kommen.

Der Prinzenraub.


Taͤnzels eurioͤſe Bibliothek. 1705. S. 783.


Wir wolln ein Liedel heben an,

Was ſich hat angeſpunnen,

Wie's im Pleißnerland gar ſchlecht war beſtallt,

Als den jungen Fuͤrſt'n geſchah Gewalt,

Durch Kuntzen von Kauffungen.

Der Adler hat auf'm Fels gebaut

Ein ſchoͤnes Neſt mit Jungen,

Und wie er einſt geflogen aus,

Holt ein Geyer die Jungen heraus,

Drauf ward's Neſt leer gefunden.

Wo der Geyer auf'm Dache ſitzt,

Gedeihen die Kuͤchlein ſelten,

Es war da ein ſeltſam Narrenſpiel,

Welcher Fuͤrſt ſeinen Raͤthen traut zu viel,

Muß oft es ſelber entgelten.

Altenburg, du feine Stadt,

Dich thaͤt er mit Untreu meinen,

Da in dir war'n all' Hofleut voll,

[297[307]]
Kam Kunz mit Leitern und Buben toll,

Und holt die Fuͤrſten ſo kleine.

Was blaſt dich, Kunz, fuͤr Unluſt an,

Daß du ins Schloß einſteigeſt?

Und ſtiehlſt die zarten Herren heraus,

Als der Kurfuͤrſt eben nit war zu Haus,

Die zarten Fuͤrſten-Zweige.

Es war wohl als ein Wunderding,

Wie ſich das Land beweget,

Was da auf'n Straßen war'n fuͤr Leut',

Die den Raͤubern folgten nach in Zeit,

All's wibbelt, kribbelt, ſich beweget.

Im Walde dort ward Kunz ertappt,

Da wollt er Beeren naſchen;

Waͤr er in der Haſt wacker fortgeritten,

Daß 'n die Koͤhler nit gefangen haͤtten,

Haͤtt er ſie kunt verpaſchen.

Ab'r ſie wurden ihm wieder abgejagt,

Und Kunz mit ſeinen Geſellen

Auf Gruͤnhain, in unſers Herrn Abts Gewalt

Gebracht, und auf die Zwika geſtellt,

Und muſte ſich laſſen prellen.

Dafuͤr fiel ab gar mancher Kopf,

Und keiner der Gefangnen

Kam aus der Haft ganzbeinigt davon,

[298[308]]
Schwerdt, Rad, Zang'n, Strick, die war'n ihr Lohn,

Man ſah die Ruͤmpfe hangen.

So geht's, wer wider die Obrigkeit

Sich unbeſonnen empoͤret.

Wers nicht meint, ſchau an Kuntzen,

Sein Kopf thut z' Freiberg noch runterſchmunzen,

Und Jedermann davon lehret.

Gott thu den frommen Chriſten alles Guts,

Und laß die jungen Herren,

In kein Feindes Hand mehr alſo komm'n,

Geb auch der Frau Churfuͤrſtin viel Fromm'n,

Daß wir uns in Ruhe ernaͤhren.

Naͤchte.


Eſchenburgs alte Denkmahle. S. 455.


Naͤchten, da ich bei ihr was,

Schwazten wir, dann dies, dann das,

Auch ſehr freundlich zu mir ſaß,

Sagt', ſie liebt' mich ohn' all Maaß.

Naͤchten, da ich von ihr ſcheid,

Freundlich wir uns herzten beyd',

Mir verhieß bei ihrem Eid,

Mein zu ſeyn in Lieb und Leid.

Naͤchten, da ich von ihr ging,

Sie mich freundlich ganz umfing,

[299[309]]
Dazu ferne mit mir ging,

Alles war ſehr guter Ding.

Heute, da ich zu ihr kam,

Da war alles wieder zahm,

Boͤs Beſcheid ich da bekam,

Mußt abziehn mit Spott und Scham.

Der Spaziergang.


Martin Opitz.


Kommt laßt uns aus ſpazieren,

Zu hoͤren durch den Wald,

Die Voͤgel muſiziren,

Daß Berg und Thal erſchallt.

Wohl dem der frey kann ſingen,

Wie du, du Volk der Luft,

Mag ſeine Stimme ſchwingen,

Zu der, auf die er hofft.

Mehr wohl dem der frey lebet,

Wie du, du leichte Schaar,

In Troſt und Angſt nicht ſchwebet,

Iſt außer der Gefahr.

[300[310]]

Das Weltende.


Muͤndlich.


Ob ich gleich kein Schatz nicht hab,

Will ich ſchon ein finden,

Geh ichs Gaͤßlein auf und ab,

Bis zur großen Linden.

Als ich zu der Linden kam,

Saß mein Schatz daneben:

„Gruͤß dich Gott, herzlieber Schatz!

„Wo biſt du geweſen?“

„Schatz, wo ich geweſen bin,

„Darf ich dir wohl ſagen,

„War in fremde Lande hin,

„Hab gar viel erfahren.

„Sah am Ende von der Welt,

„Wie die Bretter paßten,

„Noch die alten Monden hell

„All in einem Kaſten.

„Sahn wie ſchlechte Fiſchtuch aus,

„Sonne kam gegangen,

„Tipte nur ein wenig drauf,

„Brannt mich wie mit Zangen.

„Haͤtt ich einen Schritt gethan,

„Haͤtt ich nichts mehr funden,

„Sage nun mein Liebchen an

„Wie du dich befunden.“

[301[311]]
„Ich befand mich in dem Thal,

„Saßen da zwey Haſen,

„Fraßen ab das gruͤne Gras

„Bis zum duͤrren Raſen.

„In der kalten Wintersnacht,

„Ließeſt du mich ſitzen,

„Ey mein ſchwarzbraun Aeugelein,

„Muſt du Waſſer ſchwitzen.

„Darum reiſ' in Sommernacht,

„Nur zu aller Welt Ende,

„Wer ſich gar zu luſtig macht,

„Nimmt ein ſchlechtes Ende.“

Bayriſches Alpenlied.


Ariel's Offenbahrungen. S. 201. 207.


Der Franz laͤßt dich gruͤßen

Gar hoch und gar feſt,

Vom Palmbaum hoch ſprießen

Gar vielerley Aeſt.

Mit gruͤnblauer Seiden

Ein Kraͤnzlein haͤngt dran,

Drum ſollt du wohl meiden

Ein anderen Mann.

Ja Maͤdel, ſein Lieben

Nimmt ſonſt mal ein End,

[302[312]]
Wie Roͤslein da druͤben,

Die Reif hat verbrennt.

Im Thal liegt noch Nebel,

Die Alpen ſind klar,

Doch wird er bald ſehen,

Was unten iſt wahr.

Er ſieht wohl die Schwalben,

Sie ziehen dann nieder

Die Kuͤh von den Alpen,

Sie kommen auch wieder.

Jezt klingeln ſie, gruͤßen,

Sie haben gut Haus,

Viel Bruͤnnlein drin fließen,

Ein Golddach iſt drauf.

Das Haus iſt ganz offen,

Kein Ringel dafuͤr,

Der Franz thut wohl hoffen,

Du klopfſt an die Thuͤr.

Am buxbaumern Tiſchlein,

Drauf ſtehn zwey Glas Wein;

Er ſchenkt klaren Wein ein,

Er ſaget was fein.

Er redet was wahr iſt,

Er trinket was klar iſt,

Er liebet was fein iſt:

Lieb Maͤdel er gruͤßt dich.

[303[313]]

Jaͤger Wohlgemuth.


Friſche Liedlein.


Es jagt ein Jaͤger wohlgemuth,

Er jagt aus friſchem freien Muth

Wohl unter gruͤnen Linden,

Er jagt derſelben Thierlein viel,

Mit ſeinen ſchnellen Winden.

Er jagt uͤber Berg und tiefe Thal,

Unter den Stauden uͤberall.

Sein Hoͤrnlein thaͤt er blaſen,

Sein Lieb wohl auf den Jaͤger harrt,

Dort auf der gruͤnen Straßen.

Er ſpreit den Mantel in das Gras,

Bat, daß ſie zu ihm nieder ſaß,

Mit weiſſem Arm umfangen:

„Gehab dich wohl mein Troͤſterin,

„Nach dir ſteht mein Verlangen.

„Uns nezt kein Reif, uns kuͤhlt kein Schnee,

„Es brennen noch im gruͤnen Klee,

„Zwei Roͤslein auf der Heiden,

„In Liebesſchein, in Sonnenſchein,

„Die zwei ſoll man nicht ſcheiden.“

[304[314]]

Der Himmel haͤngt voll Geigen.


Bairiſches Volkslied.


Wir genießen die himmliſchen Freuden,

Drum thun wir das Irdiſche meiden,

Kein weltlich Getuͤmmel

Hoͤrt man nicht im Himmel,

Lebt alles in ſanfteſter Ruh;

Wir fuͤhren ein engliſches Leben,

Sind dennoch ganz luſtig daneben,

Wir tanzen und ſpringen,

Wir huͤpfen und ſingen,

Sanct Peter im Himmel ſieht zu.

Johannes das Laͤmmlein auslaſſet,

Der Metzger Herodes drauf paſſet,

Wir fuͤhren ein gedultigs,

Unſchuldigs, gedultigs,

Ein liebliches Laͤmmlein zum Tod.

Sanct Lucas den Ochſen thut ſchlachten,

Ohn einigs Bedenken und Achten,

Der Wein koſt't kein Heller

Im himmliſchen Keller,

Die Engel, die backen das Brod.

Gut Kraͤuter von allerhand Arten,

Die wachſen im himmliſchen Garten,

Gut Spargel, Fiſolen,

Und was wir nur wollen,

Ganze Schuͤſſel voll ſind uns bereit

[305[315]]
Gut Aepfel, gut Birn und gut Trauben,

Die Gaͤrtner, die alles erlauben.

Willſt Rehbock, willſt Haſen?

Auf offner Straßen,

Zur Kuͤche ſie laufen herbei.

Sollt' etwa ein Faſttag ankommen,

Die Fiſche mit Freuden anſtroͤmen,

Da laufet Sanct Peter

Mit Netz und mit Koͤder

Zum himmliſchen Weiher hinein;

Willſt Karpfen, willſt Hecht, willſt Forellen,

Gut Stockfiſch und friſche Sardellen?

Sanct Lorenz hat muͤſſen

Sein Leben einbuͤßen,

Sanct Marta die Koͤchin muß ſeyn.

Kein Muſik iſt ja nicht auf Erden,

Die unſrer verglichen kann werden,

Eilftauſend Jungfrauen

Zu tanzen ſich trauen,

Sanct Urſula ſelbſt dazu lacht,

Cecilia mit ihren Verwandten,

Sind treffliche Hofmuſikanten,

Die engliſche Stimmen

Ermuntern die Sinnen,

Daß Alles fuͤr Freuden erwacht!

[306[316]]

Die fromme Magd.


Die lautere Wahrheit von Ringwaldt. S. 290.


Eine fromme Magd von gutem Stand,

Geht ihrer Frauen fein zur Hand,

Haͤlt Schuͤſſel, Tiſch und Teller weis,

Zu ihrem und der Frauen Preiß.

Sie traͤgt und bringt kein neue Maͤhr,

Geht ſtill in ihrer Arbeit her,

Iſt treu und eines keuſchen Muths,

Und thut den Kindern alles Guts.

Sie iſt auch munter, hurtig, friſch,

Verbringet ihr Geſchaͤfte riſch,

Und haͤlts der Frauen wohl zu gut,

Wenn ſie um Schaden reden thut.

Sie hat dazu ein fein Geberd,

Haͤlt alles ſauber an dem Heerd,

Verwahrt das Feuer und das Licht,

Und ſchlummert in der Kirche nicht.

Jagdgluͤck.


Fliegendes Blat.


Es ritt ein Jaͤger wohlgemuth,

Wohl in der Morgenſtunde,

Wollt jagen in dem gruͤnen Wald

Mit ſeinem Roß und Hunde;

[307[317]]
Und als er kam auf gruͤner Heid,

Da fand ſein Herze Luſt und Freud,

Im Mayen,

Am Reihen,

Sich freuen alle Knaben und Maͤgdelein.

Der Kukuk ſchreit,

Der Auerhan falzt,

Dazu die Turteltauben,

Da fing des Jaͤgers Roͤßlein an

Zu ſchnarchen und zu ſchnauben,

Der Jaͤger dacht in ſeinem Muth,

Das Jagen kann noch werden gut,

Im Mayen,

Am Reihen,

Sich freuen alle Knaben und Maͤgdelein.

Der Jaͤger ſah ein edles Wild,

Friſch, hurtig und geſchwinde,

Es war ein ſchoͤnes Frauenbild,

Das ſich allda ließ finden;

Der Jaͤger dacht in ſeinem Sinn:

Zu dieſem Walde jag ich hin;

Im Mayen,

Am Reihen,

Sich freuen alle Knaben und Maͤgdelein.

„Ich gruͤß euch Jungfrau, huͤbſch und fein,

„Von Tugend reich und ſchoͤne,

„Was ich in dieſem Wald erſchleich,

[308[318]]
„Das mach ich mir zu eigen.

„Ach, edler Jaͤger, wohlgeſtalt,

„Ich bin nunmehr in eurer Gewalt,

„Im Mayen,

„Am Reihen,

„Sich freuen alle Knaben und Maͤgdelein.“

Er nahm ſie bei ihrer ſchneeweißen Hand,

Nach Jaͤger Manier und Weiſe,

Er ſchwang ſie vorne auf ſein Roß,

Gluͤck zu! wohl auf die Reiſe.

Drum iſt das Gluͤck ſo kugelrund,

Deß freut ſich mancher, der mir kund,

Im Mayen,

Am Reihen,

Sich freuen alle Knaben und Maͤgdelein.

Kartenſpiel.


Fliegendes Blat.


O verfluchte Ungluͤcks-Karten,

Aendert ſich das Spiel noch nicht,

Soll ich denn ſchon wieder paſſen,

Nie bekommen einen Stich?

Noch ein Trumpf ich thaͤt erheben,

Wie ich luſtig kam zum Spiel,

War die Karte, ach vergeben,

Und ich hat die Kart zu viel.

[309[319]]
Dieſe Dam waͤr mein geweſen,

Aber ich kam viel zu ſpaͤt,

Vor mir einer hat geſeſſen,

Der die Dam gewonnen hat.

Ey ſo will ich gleich aufhoͤren,

Nehm die Dam ein jeder hin,

Ich aus ihrem Mund muß hoͤren,

Daß der rechte Bub nicht bin.

O ihr Schippen thut euch ſchaͤrfen,

Macht im Geldſack mir ein Grab,

Herzen will ich ferne werfen,

Hebe nimmer wieder ab,

Auf das Grab viel Kreuz will ſtellen,

Fall ich armer Bub ins Grab,

Auf den Eckſtein ſchreibt Geſellen:

„Herzens-Dame ſtach ihn ab.“

Fuͤr funfzehn Pfennige.


Feiner Almanach. I. B. S. 103.


Das Maͤgdlein will ein Freier habn,

Und ſollt ſien aus der Erde grabn,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Sie grub wohl ein, ſie grub wohl aus,

Und grub nur einen Schreiber heraus,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

[310[320]]
Der Schreiber hatt' des Gelds zu viel,

Er kauft dem Maͤgdlein, was ſie will,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Er kauft ihr wohl ein'n Guͤrtel ſchmal,

Der ſtarrt von Gold wohl uͤberall,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Er kauft ihr einen breiten Hut,

Der waͤr wohl fuͤr die Sonne gut,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Schreiber.
Wohl fuͤr die Sonn', wohl fuͤr den Wind,

Bleib du bei mir, mein liebes Kind,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Bleibſt du bei mir, bleib ich bei dir,

All' meine Guͤter ſchenk ich dir,

Sind funfzehn Pfennige.

Maͤdchen.
Behalt dein Gut, laß mir mein'n Muth,

Kein andre leicht dich nehmen thut,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Schreiber.
Dein guten Muth den mag ich nicht,

Hat traun von treuer Liebe nicht,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

[311[321]]
Dein Herz iſt wie ein Taubenhaus,

Fliegt einer nein, der andre aus,

Fuͤr funfzehn Pfennige.

Der angeſchoſſene Kukuk.


Feiner Almanach. II. S. I.


Ich hoͤr' eine wunderliche Stimm:

Kukuk!

Von Fern im Echo ich vernimm:

Kukuk!

So oft ich dieſe Stimm anhoͤr,

Macht mirs allmal noch Freude mehr:

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Den Vogel muß ich treffen an,

Kukuk!

Weil er ſo lieblich ſingen kann,

Kukuk!

Sollt ich den Wald auf alle Seit

Und auch die Buͤſche auslaufen heut,

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Was ſchau ich dort im gruͤnen Gras?

Kukuk!

Iſt es ein Fuchs oder iſts ein Has?

Kukuk!

Ich weiß nicht ſoll ich ſchießen drein,

21.
[312[322]]
Oder ſoll ichs noch laſſen ſeyn?

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Ich bin zwar ein gut Jaͤgersmann,

Kukuk!

Und traue mich doch nicht heran,

Kukuk!

So ein gar junges ſchoͤnes Thier

Hab ich noch nicht getroffen hier.

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Weil nun das Schießen Jaͤgers Brauch,

Kukuk!

So will ich endlich ſchießen auch,

Kukuk!

Mein Buͤchſen die ſind ſchon geladen,

Daß dirs nicht moͤg am Leben ſchaden,

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Nun liegſt du Vogel getroffen hier,

Kukuk!

Komm immerfort in mein Revier,

Kukuk!

So oft ich dich im Wald erblick,

So ſchieß ich dich im Augenblick.

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Der Vogel hat mich recht erfreut,

Kukuk!

Ums Pulver iſt mirs gar nicht leid,

Kukuk!

[313[323]]
Wenn ich ihn nur vermerken thue,

So ſchrey ich'm den Namen zu:

Kukuk! Kukuk! Kukuk!

Warnung.


Muͤndlich.


Der Kukuk auf dem Zaune ſaß,

Es regnet ſehr und er ward naß,

Da kam ein hoher Sonnenſchein,

Der Kukuk, der ward huͤbſch und fein,

Dann ſchwang er ſein Gefieder

Wohl uͤbern See hinuͤber.

Kukuk, Kukuk, Kukuk.

Da wandte er ſich ſchnelle her,

Er ſang ſo traurig, bange, ſchwer:

„Von rothem Gold ein Ringelein,

„Ließ ich im Bett der Liebſten mein,

„Ich ſchwing nicht mein Gefieder,

„Bis mir das Ringlein wieder.

„Kukuk, Kukuk, Kukuk.“

„Ach Goldſchmidt, lieber Goldſchmidt mein,

„Schmied' mir von Gold ein Ringelein,

„Schmied mir ihn an die rechte Hand,

„Ich nehm ihn mit ins Vaterland,

„Dann ſchwing ich mein Gefieder,

[314[324]]
„Wohl uͤbern See hinuͤber.

„Kukuk, Kukuk, Kukuk.“

„Ach Kukuk, lieber Kukuk mein,

„Schmied ich dich an ein Ringelein,

„Schmied ich dir an die rechte Hand,

„Du kannſt nicht ziehn ins Vaterland,

„Schwingſt nimmer dein Gefieder,

„Da uͤbern See hinuͤber:

„Kukuk, Kukuk, Kukuk.“

Das groſſe Kind.


Muͤndlich.


Ich hoͤrt ein Fraͤulein klagen,

Fuͤrwahr ein weiblich Bild,

Ihr Herz wollt ihr verzagen,

Durch einen Juͤngling mild.

Das Fraͤulein ſprach mit Liſten:

„Er liegt an meinen Bruͤſten

„Der Allerliebſte mein.

„Warum ſollt ich aufwecken

„Den Allerliebſten mein,

„Ich fuͤrcht es moͤcht erſchrecken

„Das junge Herze ſein;

„Er iſt mein Herz-Geſelle,

„Er liegt an ſeiner Stelle,

„Wie gern ich bey ihm bin.

[315[325]]
„Er iſt mein Kindlein kleine,

„Er athmet noch ſo heiß,

„Und daß er nur nicht weine,

„Ich ſang ihn ein ſo leis!“

Das Fraͤulein ſagt mit Liſten:

„Es ſchlaͤft an meinen Bruͤſten,

„Der Allerliebſte mein.“

Das heiſſe Afrika.


Schubart.


Auf, auf! ihr Bruͤder und ſeyd ſtark!

Der Abſchiedstag iſt da,

Schwer liegt er auf der Seele, ſchwer!

Wir ſollen uͤber Land und Meer,

Ins heiße Afrika. :,:

Ein dichter Kreis von Lieben ſteht,

O, Bruͤder! um uns her.

Uns knuͤpft ſo manches theure Band,

An unſer teutſches Vaterland,

Drum faͤllt der Abſchied ſchwer. :,:

Dem bieten graue Eltern noch,

Zum leztenmal die Hand,

Den koſen Bruͤder, Schweſter, Freund,

Und alles ſchweigt, und alles weint,

Todtblaß von uns gewandt. :,:

[316[326]]
Und wie ein Geiſt ſchlingt um den Hals,

Das Liebchen ſich herum,

Willſt mich verlaſſen liebes Herz,

Auf ewig, und der bittre Schmerz,

Machts arme Liebchen ſtumm. :,:

Iſt hart! Drum wirble du Tambur,

Den Generalmarſch drein;

Der Abſchied macht uns ſonſt zu weich!

Wir weinen kleinen Kindern gleich,

Es muß geſchieden ſeyn. :,:

Lebt wohl! Ihr Freunde, ſehn wir uns

Vielleicht zum leztenmal,

So denkt: Nicht fuͤr die kurze Zeit;

Freundſchaft iſt fuͤr die Ewigkeit,

Und Gott iſt uͤberall. :,:

An Teutſchlands Grenzen fuͤllen wir

Mit Erden unſere Hand,

Und kuͤſſen ſie, das ſey der Dank

Fuͤr deine Pflege, Speiß und Trank,

Du liebes Vaterland. :,:

Wann denn des Meeres Woge ſich,

An unſerm Schiff zerbricht,

So ſegeln wir gelaſſen fort,

Dann Gott iſt hier, und Gott iſt dort,

Und der verlaͤſt uns nicht. :,:

[317[327]]
Und ha, wenn ſich der Tafelberg,

Aus blauen Duͤften hebt,

So ſtrecken wir empor die Hand,

Und jauchzen: Land, ihr Bruͤder, Land!

Daß unſer Schiff erbebt. :,:

Und wenn Soldat und Offizier,

Geſund ans Ufer ſpringt,

Denn jubeln wir: Hurra! Hurra!

Nun ſind wir ja in Afrika,

Und alles dankt und ſingt. :,:

Wir leben drauf in fernem Land,

Als Teutſche brav und gut:

Und ſagen ſoll man weit und breit,

Die Teutſchen ſind doch brave Leut:

Sie haben Geiſt und Muth. :,:

Und trinken auf dem Hoffnungs-Kap,

Wir ſeinen Goͤtter-Wein!

So denken wir von Sehnſucht weich,

Ihr fernen Freunde, dann an euch:

Und Thraͤnen fließen drein. :,:

Das Wiederſehen am Brunnen.


Muͤndlich.


Es war einmal ein junger Knab,

Der hat gefreit ſchon ſieben Jahr

[318[328]]
Um ein fein Maͤdlein, das iſt wahr,

Er konnt ſie nicht erfreien.

„Ey komm den Abend junger Knab,

„Wenn finſtre Nacht und Regen iſt,

„Wenn niemand auf der Gaſſe iſt,

„Herein will ich dich laſſen.“

Der Tag verging, der Abend kam,

Der junge Knab geſchlichen kam,

Er klopfet leiſe an die Thuͤr:

„Steh auf, ich bin dafuͤre.

„Ich hab ſchon lang geſtanden hier,

„Ich ſtand allhier wohl ſieben Jahr.“

„Haſt lang geſtanden, das iſt nicht wahr,

„Ich hab noch nicht geſchlafen.

„Ich hab gelegn und hab gedacht,

„Wo nur mein Schatz noch bleiben mag,

„Er macht mir allzulang, zu lang,

„Mir wird ganz angſt und bange.“

„Wo ich ſo lang geblieben bin,

„Das darf dir wohl geſaget ſeyn,

„Bey Bier und Wein, wo Jungfern ſeyn,

„Da bin ich allzeit gerne.“

Es war wohl um die Mitternacht,

Der Waͤchter fing zu laͤuten an:

„Steh auf, wer bey Feinsliebchen liegt,

„Der Tag kommt angeſchlichen.“

[319[329]]
Das Buͤrſchlein auf die Leiter ſprang,

Und ſchaut die Stern am Himmel dicht:

„Ich ſcheide nicht bis Tag anbricht,

„Bis alle Sterne ſchwanden.“

Er ſah das Morgenſternlein nur,

Als ſich der Knab von ihr gewandt,

Das Maͤgdlein Morgens fruͤh aufſtand,

Ging an den kuͤhlen Brunnen.

Begegnet ihr derſelbig Knab,

Der Nachts bey ihr geſchlafen hat,

Viel guten Morgen boten hat:

„Gut Morgen mein Feinsliebchen.

„Wie haſt geſchlafen heute Nacht?“

„Ich hab gelegn in Liebchens Arm!

„Ich hab geſchlafen, daß Gott erbarm,

„Mein Ehr hab ich verſchlafen!“

Das Haſſelocher Thal.


Muͤndlich.


Des reichen Schloſſers Knab,

Ging mit dem Muͤller aus,

Ging Abends ſpaͤt nach Haus

Durchs Haſſelocher Thal,

Bey Haßloch durch den Wald,

Wohl durch den dicken Wald.

[320[330]]
Der Knab holt Naͤgel her,

Ein hundert aus der Stadt,

Die Taſche war ihm ſchwer,

Ein Groſchen noch drein hat:

„Im Hundert, luſtig ſpricht,

„Find ichs klein Groͤſchel nicht.“

Der Muͤller denket ſchnell,

Er denkt der Naͤgel nicht,

Die Naͤgel klingern hell,

Zum armen Knaben ſpricht:

„Es iſt wohl ſchwer dein Geld,

„Ich nehm dir ab dein Geld.“

Der junge Knabe ſpricht:

„Die hundert Gulden Geld,

„Die trage ich noch ſelbſt.“

Der boͤſe Muͤller ſpricht:

„So muſt du ſterben bald,

„Muſt ſterben hier im Wald.“

Er gab ihm keine Bitt,

Er gab ihm gleich drey Stich:

„Ach Vetter, liebſter mein,

„Kann es nicht anders ſeyn,

„Gedenk an Berg und Thal,

„Wo wir gegangen her durch Berg und Thal.“

„Ich ſeh nicht Berg und Thal,

„Ich ſeh dran meine Qual,

[321[331]]
„Die hundert Gulden ſchnell

„Verwandelt in Naͤgel ſchwarz,

„Ich find den Nagel bald,

„Daß ich mich haͤng im Wald!“

Abendlied.


Muͤndlich.


Nun laßt uns ſingen das Abendlied,

Denn wir muͤſſen gehn,

Das Kaͤnnchen mit dem Weine,

Laſſen wir nun ſtehn.

Das Kaͤnnchen mit dem Weine,

Das muß geleeret ſeyn,

Alſo muß auch das Abendlied

Wohl fein geſungen ſeyn.

Wohl unterm gruͤnen Tannenbaum,

Allda ich froͤhlich lag,

In mein feins Liebchens Armen

Die lange liebe Nacht.

Die Blaͤtter von den Baͤumen

Die fallen nun auf mich,

Daß mich mein Schatz verlaſſen hat,

Das freuet wohl mich.

Daß mich mein Schatz verlaſſen hat,

Das koͤmmt wohl daher,

[322[332]]
Sie dacht ſich zu verbeſſern,

Betrog ſich gar ſehr.

Des Abends, wenn es dunkel wird,

Steht er wohl vor der Thuͤr,

Mit ſeinem blanken Schwerdte,

Als wie ein Offizier.

Mit ſeinem blanken Schwerdte,

Gleich einem rechten Held,

Mit ihm will ich es wagen,

Ins weite, weite Feld.

Mit ihm will ich es wagen,

Zu Waſſer und zu Land,

Daß mich mein Schatz verlaſſen hat,

Das bringt mir keine Schand.

Das Abendlied geſungen iſt,

Das Kaͤnnchen iſt geleert,

Laß ſehn nun wie du Kerl ausſiehſt.

Mit deinem blanken Schwerdt.

Der Scheintod.


Muͤndlich.


Des Jerman Weizers Fraue ward

Mit großer Angſt beſchweret,

Von wunderbarer Krankheit Art,

Auch ſollt ſie bald gebaͤhren,

[323[333]]
Sie betet: Waͤr das Kind zur Welt,

Darnach, wenn's Gott dem Herrn gefaͤllt,

Wollt ſie auch gerne ſterben.

Sie ſtarb zu ihrer Kinder Leid,

Ward in ein Grab getragen,

Die Kinder gingen lange Zeit

Vielmal an allen Tagen,

Wohl auf den Kirchhof zu dem Grab,

Sie weinten ſich die Aeuglig ab,

Im Hauſe ſtill zu bleiben.

Als nun die Frau neun Tage lang,

Im Grabe hat gelegen,

Die Kinder nahmen ihren Gang,

Zum Kirchhof thaͤten gehen,

Da hoͤrten ſie ein lieblich Stimm

Auf ihrer Mutter Grab vernimm,

Ein Kinder-Liedlein ſingen.

Nun ſchlaf mein liebes Kindelein,

Sangs mit der Mutter Tone,

Die Kinder liefen freudig heim,

Mit einer Blumenkrone:

„O Vater, lieber Vater mein!

„Geh mit uns auf den Kirchhof ein,

„Die Mutter ſinget ſchoͤne.

„Sie wiegt im Grab ein Kindelein,

„Darum wir Blumen tragen.“

[324[334]]
„Ihr lieben Kinder bleibt daheim,

„Eur Mutter ſchlaͤft ohn Klagen.“

Die Kinder ließen keine Ruh,

Der Vater ging dem Grabe zu,

Thaͤt auch die Stimme hoͤren.

Ein uͤberlieblich reine Stimm,

Er hoͤrt an dieſem Orte,

Mit Wunderkraft, mit frohen Grimm

Er reiſſet auf die Pforte,

Er hebet auf den ſchweren Stein,

Den eichnen Sarg er ſchlaget ein,

Dann ſtuͤrzt er betend nieder.

Es lag die ſchoͤne Fraue da,

Das Kind an ihrer Seite,

Die andern Kinder treten nah,

Sie thaͤt die Arme breiten:

„Herzlieber Mann, dein Kind nimm an,“

Er ſah es voller Freuden an,

„Und laß dich nicht entſetzen.“

Das Kindlein lacht den Vater an,

Sie gingen all nach Hauſe,

Ein Bad man thaͤt anrichten denn,

Man ladet viel zum Schmauſe.

Gelehrte kamen auch heran,

Zu ſchauen das Mirakel an,

Zu hoͤren ohne Grauſen.

[325[335]]
Da nahm ſie einen Becher Wein,

Dann gruͤßte ſie die Freunde,

Und ſprach:„O Tod, du boͤſer Schein!

„Ich ſchien wohl todt, ihr weintet,

„Ich wachte auf, und war allein,

„Ich lag im engen Kaͤmmerlein,

„Ein Kind hatt ich geboren.“

Sie ſprach und dankte Gott ſo rein:

„Dreymal in einem Tage,

„Bracht mir ein kleines Knaͤbelein,

„Die Speis zum Glockenſchlage,

„Daß ich mein Soͤhnlein naͤhren konnt,“

Und ſprach:„Neun Tage wart zur Stund,

„Du geheſt aus dem Grabe:

„Doch laͤnger nicht als noch drey Jahr,

„Wirſt du noch bleiben leben,

„Du ſollſt es zeigen an fuͤrwahr,

„Den Boͤſen allen die leben;

„Sie ſollen ſich bekehren all,

„Von Fluchen, Laͤſtern allzumal,

„Der juͤngſte Tag iſt nahe.“

Romanze von den Schneidern.


Fliegendes Blat.


Es ſind einmal drey Schneider geweſen,

O Je, es ſind einmal drey Schneider geweſen,

[326[336]]
Sie haben ein Schnecken fuͤr ein Baͤren angeſehen,

O Je, O Je, O Je!

Sie waren deſſen ſo voller Sorgen, O Je, u. ſ. w.

Sie haben ſich hinter ein Zaun verborgen, O Je, u. ſ. w.

Der erſte ſprach: Geh du voran, O Je, u. ſ. w.

Der andre ſprach: Ich trau mich nicht vor, O Je, u. ſ. w.

Der dritte der war wohl auch dabey, O Je, u. ſ. w.

Er ſprach: der frißt uns alle drey. O Je, u. ſ. w.

Und als ſie ſind zuſammen kommen, O Je, u. ſ. w.

So haben ſie das Gewehr genommen. O Je, u. ſ. w.

Und da ſie kommen zu dem Streit, O Je, u. ſ. w.

Da macht ein jeder Reu und Leid, O Je, u. ſ. w.

Und da ſie auf ihn wollten hin, O Je, u. ſ. w.

Da ging es ihnen durch den Sinn: O Je, u. ſ. w.

„Heraus mit dir du Teuxels Vieh, O Je, u. ſ. w.

„Wann du willt haben einen Stich.“ O Je, u. ſ. w.

Der Schneck, der ſtreckt die Ohren heraus, O Je, u. ſ. w.

Die Schneider zittern, es iſt ein Grauß. O Je, u. ſ. w.

Und da der Schneck das Haus bewegt, O Je, u. ſ. w.

So haben die Schneider das Gewehr abgelegt, O Je, u. ſ. w.

Der Schneck der kroch zum Haus heraus, O Je, u. ſ. w.

Er jagt die Schneider beym Plunder hinaus. O Je, u. ſ. w.

[327[337]]

Naͤchtliche Jagd.


Muͤndlich.


Mit Luſt thaͤt ich ausreiten

Durch einen gruͤnen Wald,

Darin da hoͤrt ich ſingen,

Drey Voͤglein wohlgeſtalt.

Und ſind es nicht drey Voͤgelein,

So ſind's drey Fraͤulein fein;

Soll mir das ein nicht werden,

So gilts das Leben mein.

Die Abendſtrahlen breiten

Das Goldnetz uͤbern Wald,

Und ihm entgegen ſtreiten

Die Voͤglein, daß es ſchallt;

Ich ſtehe auf der Lauer,

Ich harr auf dunkle Nacht,

Es hat der Abendſchauer

Ihr Herz wohl weich gemacht.

Ins Jubelhorn ich ſtoſſe,

Das Firmament wird klar,

Ich ſteige von dem Roſſe

Und zaͤhl die Voͤgelſchaar.

Die ein iſt ſchwarzbraun Anne,

Die andre Baͤrbelein,

Die dritt hat keinen Namen,

Die ſoll des Jaͤgers ſeyn.

22.
[328[338]]
Da druͤben auf jenem Berge,

Da ſteht der rothe Mond,

Hier huͤben in dieſem Thale,

Mein feines Liebchen wohnt.

Kehr dich Feinslieb herumme,

Beu ihm den rothen Mund,

Sonſt iſt die Nacht ſchon umme,

Es ſchlaͤgt ſchon an der Hund.

Hier liegt ein Spielmann begraben.


Muͤndlich.


Guten Morgen Spielmann,

„Wo bleibſt du ſo lang?“

Da drunten, da droben,

Da tanzten die Schwaben,

Mit der kleinen Killekeia,

Mit der großen Kum Kum.

Da kamen die Weiber

Mit Sichel und Scheiben,

Und wollten den Schwaben

Das Tanzen vertreiben,

Mit der kleinen Killekeia,

Mit der großen Kum Kum.

Da laufen die Schwaben

Und fallen in Graben,

Da ſprechen die Schwaben:

[329[339]]
Liegt ein Spielmann begraben,

Mit der kleinen Killekeia,

Mit der großen Kum Kum.

Da laufen die Schwaben,

Die Weiber nachtraben,

Bis uͤber die Grenze,

Mit Sichel und Senſe:

„Guten Morgen Spielleut,

„Nun ſchneidet das Korn.“

Knabe und Veilchen.


Muͤndlich.


Knabe.
Bluͤhe liebes Veilchen,

Das ſo lieblich roch,

Bluͤhe noch ein Weilchen,

Werde ſchoͤner noch.

Weiſt du was ich denke,

Liebchen zum Geſchenke,

Pfluͤck ich Veilchen dich,

Veilchen freue dich!

Veilchen.
Brich mich ſtilles Veilchen,

Bin die Liebſte dein,

Und in einem Weilchen

Werd ich ſchoͤner ſeyn!

[330[340]]
Weiſt du, was ich denke,

Wenn ich duftend ſchwenke

Meinen Duft um dich:

Knabe liebe mich!

Der Graf im Pfluge.


Adelung's Magazin der deutſchen Sprache. II. B. 3. Stuͤck. S. 114.


Ich verkuͤnd euch neue Mehre,

Halt Frieden bei der Kann.

Zu Rom da ſaß ein Herre,

Ein Graf gar wohlgethan,

Der war von reicher Habe,

War mild und tugendhaft,

Wollt ziehen zum heiligen Grabe,

Nach Ehren und Ritterſchaft.

Sein Frau erſchrack der Mehre,

Sie blickt den Grafen an:

„Gnad mir edler Herre,

„Dazu mein ehelich Mann,

„Mich nimmt Wunder ſehre,

„Was euch die Ritterſchaft ſoll,

„Habt ihr doch Gut und Ehre,

„Und alles, was ihr wollt.“

Er ſprach zu ſeiner Frauen:

„Nun ſpar dich Gott geſund,

„Alles will ich dir vertrauen,

[331[341]]
„Allhie zu dieſer Stund.“

Alſo ſchied er von dannen,

Der edle Graf ſo hart,

Groß Kummer ſtand ihm zu handen,

Eins Koͤnigs Gefangner er ward.

Er mocht ihm nicht entfliehen,

Das war ſein groͤſte Klag,

Im Pflug da muſt er ziehen,

Viel laͤnger denn Jahr und Tag,

Erlitt viel Hunger, und ſchwere

Ward ihm die große Buß.

Der Koͤnig reit vor ihm here,

Der Graf fiel ihm zu Fuß.

Der Koͤnig ſprach:„Mit nichten“

Sprach noch dem Grafen Hohn:

„Es hilft dir doch kein Bitten,

„Schwoͤr ich bey meiner Kron;

„Und fieleſt du alle Morgen,

„Taͤglich auf deine Knie,

„Du moͤchteſt nicht ledig werden,

„Denn deine Frau waͤr hie.“

Der Graf erſchrack der Mehre,

Groß Leid er ihm gedacht:

„Bring ich mein Frauen here,

„So wird ſie mir geſchwaͤcht,

„Und ſoll ich hier noch bleiben,

„So gilt es meinen Leib,

[332[342]]
„Darauf ſo will ich ſchreiben,

„Will ſchicken nach meinem Weib.“

Einer der war an dem Hofe,

Der hat die Gefangen in Hut,

Dem uͤbertrugs der Grafe,

Verhieß ihm Hab und Gut,

Ein Brief ſchreibt der behende,

Macht ſeiner Frauen klar,

Sein Kummer moͤcht niemand wenden,

Denn ſie kaͤm ſelber dar.

Der Bote zog ohne Trauern,

Wohl uͤber das wilde Meer,

Zu Rom fand er die Frauen,

Den Brief den gab er ihr:

Den thaͤt ſie ſelber leſen,

Gar heimlich und gar bald,

Sie verſtund ihres Herren Weſen,

Ihr Herz ward ihr gar kalt.

Ein Brief ſchrieb ſie wieder weiſe

Sogar behendiglich,

Wie ſie nicht moͤchte reiſen;

Es waͤr ja unmoͤglich,

Daß eine Frau moͤcht fahren

Wohl uͤber das wilde Meer,

Kein Gut wollt ſie nicht ſparen,

An ihrem Grafen Herrn.

[333[343]]
Der Bote thaͤt ſich eilen,

Wohl wieder heim ins Land,

Die Frau die ſtand in Leiden,

Gar wohl ſie das empfand.

Sogar in ſtiller Sache

Thaͤt ſie das alles gerne.

Sie ließ ein Kutten machen,

Sich eine Platte ſcheeren.

Die Frau konnt leſen und ſchreiben,

Und andre Kurzweil viel,

Sie konnte Harfen und Geigen,

Und ander Saitenſpiel:

Da hing ſie an ihr Seiten,

Harfen und Lauten gut,

Dem Boten that ſie nachreiten,

Fuhr uͤbers Meer voll Muth.

Sie zogen der Tage viele,

Die Frau gar wunneſam

Aufm Meere hub an zu ſpielen,

Jedermann da Wunder nahm.

Der Bot ſaß ihr genuͤber,

Den ihr der Graf geſchickt,

Die Augen gingen ihr uͤber,

Sie kannt ihn, er ſie nicht.

Der Bote ſprach mit Sinnen

Wohl zu dem Moͤnche ſein:

[334[344]]
„Herr wollt ihr Gut gewinnen,

„So ziehet mit mir heim,

„Zu einem Koͤnig reiche,

„Der gibt euch reichen Sold;

„Er laͤſt euch Speiſe reichen,

„Als lang ihr bleiben wollt.“

Der Bot ließ nicht davon,

Wie ſehr der Moͤnch ihn bat.

Sie zogen mit einander,

Wohl an des Meers Geſtad,

Sie zogen alle beide

Viel Berg und tiefe Thal,

Die Frau im Moͤncheskleide,

Wohl vor des Koͤnigs Saal.

Der Koͤnig kam gegangen

Mit Rittern und Knechten viel,

Die Frau ward ſchoͤn empfangen

Mit ihrem Saitenſpiel,

Da ſchlug ſie auf der Laute

Gar freudenreiche Wort,

Die Heiden ſprachen all uͤberlaute:

Nie haͤtten ſies ſchoͤner gehoͤrt.

Der Moͤnch ſaß oben am Tiſche,

Sie hatten ihn lieb und werth,

Man gab ihm Wildpret und Fiſche,

Und was ſein Herz begehrt;

[335[345]]
Da ſie das alſo ſahe,

Dacht ſie in ihrem Muth,

Da ihr ſo guͤtlich geſchahe:

Mein Sach wird werden gut.

Da ſchlug ſie auf der Harfe,

Und macht ein friſch Geſang,

Gar hoͤflich und gar ſcharfe,

Daß hell der Pallaſt erklang,

Die Heiden muſten ſpringen,

Damit, da ward es Nacht,

Wohl unter denſelben Dingen,

Ward dem Grafen die Botſchaft bracht.

Dem Grafen kam die Mehre

Von ſeinem ſchoͤnen Weib,

Wie ſie nicht kam dahere,

Es waͤr ihr unmoͤglich;

Viel Schand waͤr unter den Heiden,

Sie kaͤm in große Noth,

Der Graf der gedacht im Leide,

Nun muß ich leiden den Tod.

Die Frau war an dem Hofe,

Bis an den andern Tag,

Da ſah ſie nach dem Grafen,

Es war ihr groͤſte Klag;

Da ging ſie an die Zinne,

Gar heimlich unermeldt,

[336[346]]
Sie ward ihres Grafen inne,

Den Pflug zog er im Feld.

Wohl zu derſelben Stunde,

Hob ſie viel heiß zu weinen an,

Daß ſie ihm nicht helfen konnte,

Wie ſie gern haͤt gethan;

Sie war gar unverdroſſen,

Sang ſchoͤner jeden Tag,

Vier Wochen war ſie im Schloſſe,

Eh ſie da Urlaub nahm.

Der Koͤnig wollte lohnen,

Den Moͤnch wollt lohnen wohl,

Ihn kroͤnt mit goldner Krone,

Viel Gelds, ein Schuͤſſel voll:

„Nimm hin mein lieber Herre,

„Laſt's euch verſchmaͤhen nicht.“

Der Moͤnch wehrt ſich gar ſehre:

„Iſt nicht meines Ordens Sitt!“

Der Moͤnch der ſprach mit Sitten:

„Ich will kein ſolchen Sold,

„Ein Gab will ich erbitten,

„Iſt nicht um rothes Gold,

„Und nicht um Edelgeſteine,

„Noch ſonſt um andern Rath,

„Dort um den Menſchen alleine,

„Ders Feld umpfluͤget hat.“

[337[347]]
Der Koͤnig ſprach mit Fuge:

„Herr nehmt ihn in Gewalt.“

Man bracht den Grafen vom Pfluge,

Wohl vor den Koͤnig bald,

Da ſprach der Koͤnig mit Treuen,

Und gab dem Grafen Rath:

„Dank du dem Abentheuer,

„Der dich erloͤſet hat.“

Die Frau ſtand an dem Meere,

Wohl an dem andern Tag,

Der Graf ließ nicht davone,

Wollt ziehen zum heiligen Grab,

Wiewohl er haͤt nicht mehre,

Weder Habe noch ander Gut,

Noch half ihm Gott der Herre,

Uebers Meer er fahren thut.

Der Graf kam heim gegangen,

Beſtaͤubt und aͤrmiglich,

Es hat ihn ſchoͤn empfangen,

Die Fraue ſaͤuberlich:

„Ein Brief hab ich dir geſchrieben

„In Kummer und großer Noth,

„Da biſt du daheime blieben,

„Du achteſt nicht, ob ich todt.“

Die Frau die ſprach mit Zuͤchten:

„Herr, das iſt alles wahr;

[338[348]]
„Im Brief habt ihr geſchrieben,

„Von eurem Kummer gar,

„Das laſſet euch nicht reuen,

„Traut lieber Herre mein,

„Ich durft dem Boten nicht trauen,

„Ich fuͤrchtet der Ehren mein.“

Der Graf, der war daheime,

Bis an den andern Tag,

Sein Freund die kamen, ihn gruͤßen,

Sie fuͤhrten der Fraue Klag,

Wie ſie unzogen waͤre,

So lange und ſo ſpaͤt,

Bald hin und wieder heime,

Weiß niemand was ſie ſchaffen hat.

Die Frau ſprang auf gar ſchnelle,

Wohl von dem Tiſche drat,

Sie ging in ihre Kammer,

Sie legt die Kutte an,

Sie nahm in ihre Haͤnde

Die Lauten und Harfen gut,

Recht wie ſie hat geſtanden

Vorm Koͤnig wohlgemuth.

Sie trat hinein mit Schalle,

Wohl durch die Thuͤr geſchwind,

Sie thaͤt ſie gruͤßen alle,

Die da geſeſſen ſind,

[339[349]]
Der Graf erfreuet ſich balde,

Da er ſie wieder ſah:

„Das iſt der Abentheuer,

„Der mich erloͤſet hat!“

Da ward die Frau bald jehe:

„Herr, das iſt alles wahr,

„Ihr habt mich wohl geſehen,

„Vorm Koͤnig, offenbar,

„Der Koͤnig der thaͤt ſprechen,

„Wohl zu derſelben Sach;

„Du Gefangner und Gebundner,

„Geh aus ohn Ungemach.“

Die Freund erſchracken gar ſehre,

War ihnen ſchwere Buß,

Sie ſtanden auf von dem Tiſche,

Und fielen der Frauen zu Fuß,

Sie thaͤten ſie faſt bitten,

Daß ſie ihnen das vergebe,

Alſo wird Fraun abgeſchnitten,

Ihr Treu und auch Ihr Ehr.

Drey Winterroſen.


Feiner Almanach. I. B. S. 126.


Es ritt ein Herr mit ſeinem Knecht,

Des Morgens in dem Thaue,

Was fand er auf der Heide ſtehn?

Ein wunderſchoͤne Jungfraue.

[340[350]]
„Gott gruͤß euch Jungfrau huͤbſch und fein,

„Gott gruͤß euch Auserwaͤhlte,

„Wollt Gott ich ſollt heut bey euch ſeyn,

„In euren Armen ſchlafen.“

„In meinen Armen ſchlaft ihr nicht,

„Ihr bringt mir denn drey Roſen,

„Die in dem Winter wachſen ſind,

„In voller Bluͤt erſchloſſen.“

Er ſchwang ſich in den Sattel frei,

Dahin ſo thaͤt er traben,

Da wo die rothen Roͤslein ſtehn,

Um Fraͤuleins Gunſt zu haben.

Der Roͤslein warn nicht mehr denn drey,

Er brach ſie an den Stielen,

Er ſchuͤtt ſie der Magd in Geren frei,

Nach allem ihren Willen.

Da ſie die rothen Roͤslein ſah,

Gar freundlich thaͤt ſie lachen:

„So ſagt mir edle Roͤslein roth,

„Was Freud koͤnnt ihr mir machen?“

„Die Freud, die wir euch machen wohl,

„Die wird ſich auch ſchon finden,

„Jetzund geht ihr ein Maͤgdlein jung,

„Aufs Jahr mit einem Kinde.“

„Geh ich mit einem Kindelein,

„So muß es Gott erbarmen,

[341[351]]
„Hab ich doch nur eine halbe Nacht,

„Geſchlafn an deinen Armen.“

„So klage nicht mein Toͤchterlein,

„Und weine nicht ſo ſehre,

„Es iſt geſchehn; manch Jungfraͤulein

„Kam noch zu großen Ehren.“

Das hat geſungen ein Reuter gut,

Ein Berggeſell hat ihn verdrungen,

Er trinkt viel lieber den lautern Wein,

Denn Waſſer aus kuͤhlem Brunnen.

Der beſtaͤndige Freyer.


Fliegendes Blat.


Andreas lieber Schutzpatron,

Gib mir doch nur einen Mann!

Raͤche doch jezt meinen Hohn,

Sieh mein ſchoͤnes Alter an!

Krieg ich einen oder keinen? — Einen.

Einen krieg ich? Das iſt ſchoͤn!

Wird er auch beſtaͤndig ſeyn?

Wird er auch zu andern gehn?

Oder ſucht er mir allein

Und ſonſt keiner zu gefallen? — Allen.

Allen? Ey das waͤr nicht gut!

Iſt er ſchoͤn und wohlgeſtalt?

[342[352]]
Iſts ein Menſch der viel verthut?

Iſts ein Witwer? Iſt er alt?

Iſt er hitzig oder kaͤltlich? — Aeltlich.

Aeltlich? Aber doch galant?

Nun ſo ſage mir geſchwind:

Wer iſt ihm denn anverwandt,

Und wer ſeine Freunde ſind?

Sind ſie auch von meines Gleichen? — Leichen.

Leichen? Ey, ſo erbt er viel!

Hat er auch ein eignes Haus,

Wenn er mich nun haben will:

Und wie ſieht es drinnen aus?

Iſt es auch von huͤbſcher Laͤnge? — Enge.

Enge? Ey wer fragt darnach?

Wenn er nur ein groͤßres ſchafft.

Und wie ſtehts ums Schlafgemach?

Iſt das Bette auch von Tafft,

Wo ich drinnen liegen werde? — Erde.

Erde? Das klingt wunderlich,

Iſt ein ſehr nachdenklich Wort!

Andreas, ach! ich bitte dich,

Sage mir doch auch den Ort,

Wo du ihn haſt aufgehoben: — Oben.

Oben hat er ſeinen Platz?

Nun, ſo merk' ich meine Noth,

Der mir jezt beſchriebene Schatz

[343[353]]
Iſt vielleicht wohl gar ſchon todt,

Iſt mir ſonſt nichts uͤbrig blieben? — Lieben.

Lieben ſoll ich nun das Grab?

Ach! wie manches Herzeleid,

Weil ich keinen haben mag,

Hier in dieſer Sterblichkeit,

Keinen Krummen, keinen Lahmen! — Amen.

Von Hofleuten.


Schoͤne neue Lieder mit Muſik von Orlando di Laſſo. Muͤnchen 1576.
III. T. S. 21.


Ich ſprech, wenn ich nicht luͤge,

So ſollt ihr glauben mir,

Ihr habt oft ſehen Fliegen,

Das iſt ein ſolches Thier.

Wenn man ein Koſt richt anne,

Sie ſey ſaur oder ſuͤß,

Sind ſie die erſten dranne,

Mit Haͤnden und mit Fuͤß.

Kommt dann ein Kraͤmer here

Mit guter Specerey,

Mit Zucker und Latwere,

Sind ſie die erſten frey.

Und die das Maul drin ſchlagen,

Verſuchens um und um,

23.
[344[354]]
Und wenn mans dann thut jagen,

So gebns kein Heller drum.

Wo man hat Bier und Mete,

Da iſt den Fliegen wohl,

Sie kommen ungebeten,

Und ſaufen ſich auch voll.

Daß manche thut ertrinken,

Im Becher und im Glas,

Kommt raus, ſo thut ſie hinken,

Die Kleider ſind ihr naß.

Iſt einer dann beſchoren,

Und hat ein kurzes Haar,

Die Fliegen um ihn bohren,

Sieht man im Sommer zwar.

Es muß ſich einer oft wehren,

Will er Fried vor ihn han,

Sie thuns Fuͤrſten und Herren,

Es hilft dafuͤr kein Zaun.

Auch ich umfliege eine,

Und ſie erwehrt ſich mein,

Doch find ich ſie alleine,

So iſt ſie dennoch mein.

[345[355]]

Lied beym Heuen.


In den friſchen Liedlein Georg Forſters. Nuͤrnberg 1565. II. XXV. iſt ſchon
der Anfang eines ganz aͤhnlichen Lieds:


Es haͤtt ein Biedermann ein Weib,

Ihr Tuͤck wollt ſie nit lan,

Das macht ihr grader ſtolzer Leib,

Daß ſie bat ihren Mann,

Und daß er fuhr ins Heu, ins Heu,

Nach Gromat in das Gey.

Der Mann der wollt erfuͤllen,

Der Frauen ihren Willen,

Er ſtieg zu aller oͤberſt,

Wohl auf die Dillen,

Er ſprach, er wollt ins Heu, ins Heu,

Nach Gromat in das Gey.

Muͤndlich.


Es hatte ein Bauer ein ſchoͤnes Weib,

Die blieb ſo gerne zu Haus,

Sie bat oft ihren lieben Mann,

Er ſollte doch fahren hinaus,

Er ſollte doch fahren ins Heu,

Er ſollte doch fahren ins

Ha ha, ha; ha, ha, ha, Heidildey,

Juch heyſaſa,

Er ſollte doch fahren ins Heu.

Der Mann der dachte in ſeinem Sinn:

„Die Reden die ſind gut!

„Ich will mich hinter die Hausthuͤr ſtelln,

„Will ſehn, was meine Frau thut,

„Will ſagen, ich fahre ins Heu, u. ſ. w.

[346[356]]
Da kommt geſchlichen ein Reitersknecht

Zum jungen Weibe hinein,

Und ſie umpfanget gar freundlich ihn,

Gab ſtraks ihren Willen darein.

„Mein Mann iſt gefahren iſts Heu, u. ſ. w.

Er faßte ſie um ihr Guͤrtelband,

Und ſchwang ſie wohl hin und her,

Der Mann, der hinter der Hausthuͤr ſtand,

Ganz zornig da trat herfuͤr:

„Ich bin noch nicht fahren ins Heu, u. ſ. w.

„Ach trauter herzallerliebſter Mann,

„Vergieb mir nur dieſen Fehl,

„Will lieben fuͤrbas und herzen dich,

„Will kochen ſuͤß Muhs und Mehl;

„Ich dachte du waͤreſt ins Heu, u. ſ. w.

„Und wenn ich gleich gefahren waͤr

„Ins Heu und Haberſtroh,

„So ſollt du nun und nimmermehr

„Einen andern lieben alſo,

„Der Teufel mag fahren ins Heu, u. ſ. w.

Und wer euch dies neue Liedlein pfif,

Der muß es ſingen gar oft,

Es war der junge Reitersknecht,

Er liegt auf Graſung im Hof,

Er fuhr auch manchmal ins Heu, u. ſ. w.

[347[357]]

Des Antonius von Padua Fiſchpredigt.


Nach Abraham a St. Clara. Judas, der Erzſchelm. I. S. 253.


Antonius zur Predig

Die Kirche findt ledig,

Er geht zu den Fluͤſſen,

Und predigt den Fiſchen;

Sie ſchlagn mit den Schwaͤnzen,

Im Sonnenſchein glaͤnzen.

Die Karpfen mit Rogen

Sind all hieher zogen,

Haben d' Maͤuler aufriſſen,

Sich Zuhoͤrens befliſſen:

Kein Predig niemalen

Den Karpfen ſo gfallen.

Spitzgoſchete Hechte,

Die immerzu fechten,

Sind eilend herſchwommen

Zu hoͤren den Frommen:

Kein Predig niemalen

Den Hechten ſo gfallen.

Auch jene Phantaſten

So immer beym Faſten,

Die Stockfiſch ich meine

Zur Predig erſcheinen.

Kein Predig niemalen

Dem Stockfiſch ſo gfallen.

[348[358]]
Gut Aalen und Hauſen

Die Vornehme ſchmauſen,

Die ſelber ſich bequemen,

Die Predig vernehmen:

Kein Predig niemalen

Den Aalen ſo gfallen.

Auch Krebſen, Schildkroten,

Sonſt langſame Boten,

Steigen eilend vom Grund,

Zu hoͤren dieſen Mund:

Kein Predig niemalen

Den Krebſen ſo gfallen.

Fiſch große, Fiſch kleine,

Vornehm' und gemeine

Erheben die Koͤpfe

Wie verſtaͤndge Geſchoͤpfe:

Auf Gottes Begehren

Antonium anhoͤren.

Die Predigt geendet,

Ein jedes ſich wendet,

Die Hechte bleiben Diebe,

Die Aale viel lieben.

Die Predig hat gfallen,

Sie bleiben wie alle.

Die Krebs gehn zuruͤcke,

Die Stockfiſch bleiben dicke,

[349[359]]
Die Karpfen viel freſſen,

Die Predig vergeſſen.

Die Predig hat gfallen,

Sie bleiben wie alle.

Die Schlacht bey Sempach.


Von Halb Suter Tſchudi. I. 529. Die aͤltern Kriegs- und Schlachtlieder der
Deutſchen fordern eine eigne Sammlung; aus Tſchudi eilf, bey
Diebold Schilling fuͤnf, die Seeſchlacht der Vitalienbruͤder aus Canz-
ler, die Schlacht bey Ingolſtadt aus Schaͤrtlin, am Kremmerdamm
aus Buchholz, der Nuͤrnberger Krieg aus Canzler, die Grumbacher
Fehde, der Wirtemberger Krieg u. a m. haben ſich bey uns angehaͤuft,
wir konnten nur die Ausgezeichneten aufnehmen, ungerichtet keins
unbedeutend.


Die Biene kam geflogen, macht in der Lind ihr Neſt,

Es redet der gemeine Mann, das deutet fremde Gaͤſt.

Da ſah man wie die Beſte bey Williſow hell brennt,

Den Herzog mit dem Heere ein jeder daran kennt.

Sie redeten zuſammen in ihrem Uebermuth,

Die Schweizer wollen wir toͤdten, das jung und alte Blut.

Sie zogen her mit Schalle von Surſee aus der Stadt,

Sie fangen an zu ziehen mit ihrem koͤſtlichen Waat:

„Ihr niederlaͤndiſch Heeren, ihr zieht ins Oberland,

„Werdet ihr euch da ernaͤhren, es iſt euch unbekannt.

„Ihr ſolltet euch nach Beichte vorher noch umme ſehen,

„Im Oberlaͤndchem Streite moͤcht euch wohl Weh geſchehen.“

[350[360]]
„Wo ſizt denn nur der Pfaffe dem einer da beichten

muß?“

„Zu Schweiz iſt er im Felde, er giebt einem ſchwere Buß,

„Er wird gar ſchwere Hand auf eure Koͤpfe legen,

„Mit Helleparten giebt er euch den beſten Segen.“

An einem Montag fruͤhe, als man die Maͤdchen ſahe,

Jezt ſicheln in dem Thau, ſie waren Sempach nahe.

Die Herren von Luzerne, ſich ſtreckten feſtiglich,

An Mannheit gar ein Kerne, ſah keiner hinter ſich.

Ein Herr von Haſenburg zum Herzog alſo ſprach:

„Das Voͤlklein ich beſchaut, ſie ſind gar unverzagt.“

Da redet Ochſenſtein: O Haſenburg, o Haſenherz!

Der Haſenburg der ſagt: Wir wollen ſehn den Scherz.

Sie banden auf die Helme und thaͤten ſie vorher tragen,

Von Schuchen hieben die Schnaͤbel, man fuͤllt damit 'nen

Wagen.

Zuſammen ſie dann ſprachen: „Das Voͤlkchen iſt zu klein,

„Wenn wir die Bauern ſchlagen, das Lob wird klein nur

ſeyn.“

Die biedern Eidgenoſſen Gott riefen im Himmel laut,

Ein Regenbogen gar helle vom hohen Himmel ſchaut.

Und Herz und Sinn iſt wachſen von hoher Manneskraft,

Daß ſie ſich tapfer kehrten jezt gegen die Ritterſchaft.

[351[361]]
Der Loͤw fing an zu bruͤllen, zu ſchmuͤcken ſeinen Wadel,

Sie fingen an zu ſchießen die Herren da von Adel.

Sie griffen mit langen Spießen, der Schimpf war gar

nicht ſuͤß,

Die Aeſte von hohen Baͤumen fielen vor ihre Fuͤß.

Des Adels Heer war feſt, ihr Ordnung dick verhagt,

Das verdroß die frommen Gaͤſte, ein Winkelried da ſagt:

„He werd ihr genieſſen lon,

„Min fromme Kind und Frauen, ſo will ich ein Frevel

beſton,

„Truͤen lieben Eidgnoſſen, min Leben verlur ich mit,

„Sie hand ihr Ordnung gſtoſſen, wir moͤgens zu brechen

nit;

„He, ich will ein Inbruch han,

„Des wellend ihr min Gſchlecht in ewig genieſſen lan“

Hiemit ſo thut er faſſen, ein Arm voll Spieß behend,

Den Seinen macht er ein Gaſſen, ſein Leben hat ein End.

Er brach des Loͤwen Muth mit ſeinem theuren Blut,

Sein mannlich tapfer Sterben war den vier Waldſtaͤdten

gut.

Sie brachen ein ſo ſchnelle des Adels Ordnung bald,

Mit Hauen und mit Stechen: Gott ſeiner Seelen walt.

Der Loͤw fing an zu mauen, zu treten hinter ſich,

Der Stier ſtarzt ſeine Brauen und gab ihm noch ein

Stich.

[352[362]]
Da ließ er ihm das Panner, da ließ er ihm die Weid,

Zu Koͤnigsfeld im Kloſter viel liegen begraben mit Leide.

Der Herzog Luͤpolt wollte es gar fuͤrſtlich wagen,

Da er an die Bauern kam, ſie haben ihn todt geſchlagen.

Die Kuh die ſprach zum Stiere: Ach ſollt ich dir nicht

klagen,

Mich wollt auf deinem Refiere ein Herr gemolken haben,

Da hab ich ihm den Kuͤbel ſo eben umgeſchlagen,

Ich gab ihm eins zum Ohre, daß ihr ihn muͤßt begraben.

Ein Herre war entronnen, der war ein Herr von Ehren,

Er kam zu boͤſer Stund bey Sempach zu dem See,

Er klopft mit ſeinem Knecht da an bey Hans von Rot:

„Nun thus durch Gott und Geld, fuͤhr uns aus aller

Noth.“

Faſt gern, ſprach Hans von Rot, des Lohnes war er

froh,

Den er verdienen ſollt, faͤhrt uͤbern See alſo.

Er rudert ſtark und ſchnelle, da er gen Notwyl war,

Da winkt der Herr dem Knechte, er ſollt ihn erſtechen gar.

Das wollt der Knecht vollbringen, am Schiffmann in der

That,

Hans Rot ſieht's in dem Schatten, das Schifflein er um-

trat.

Sie wollten ſich noch halten, er warf ſie in den See:

„Nun trinket liebe Herren, ihr erſtecht kein Schiffmann mehr.

[353[363]]
„He, zween Fiſch ich heute im See gefangen habe,

„Ich bitt nur um die Schuppen, das Fleiſch iſt ſchlechte

Gabe.“

Es kam ein Bote endlich nach Oeſterreich geſandt:

„Ach edle Frau von Oeſterreich, min Herr liegt auf dem

Land,

„Ach edle Frau er lieget vor Sempach blutig roth!“

„Ach reicher Chriſt vom Himmel, was hoͤr ich große Noth.“

Halb Suter unvergeſſen, alſo iſt er genannt,

Z'Lucern iſt er geſeſſen, alſo ſehr wohl bekannt;

Er war ein froͤhlich Mann, das Lied hat er gedichtet,

Als ab der Schlacht er kam, wo Gott der Herr gerichtet.

Algerius.


Von Hans Buͤchel, aus einem alten Geſangbuche der Wiedertaͤufer. S. 179.


Algerius ſagt Wunderding:

„Wo andre ſchreien, weinen,

„An dieſem Ort ich Freud empfing,

„Im Gefaͤngniß mir erſcheinet

„Das Himmelheer,

„Viel Maͤrtirer

„Tagtaͤglich bey mir wohnen,

„In Freud und Wonn,

„In Gnadenſonn,

„Seh ich den Herren thronen.“

[354[364]]
„Obs Vaterland, ſie fragten an,

„Ob Freund und auch Verwandten,

„Ob ſeine Kunſt er laſſen kann?“

Er ſprach zu den Geſandten:

„Vom Vaterland

„Mich keiner bannt,

„Es iſt am Himmelsthrone,

„Allda die Feind

„Mir werden Freund,

„In einer Muſik Tone.

„Kein Medizin, Kunſt, Meiſterſchaft,

„Mag keinem hier gelingen,

„Der nicht erkennet Gottes Kraft,

„In ſeiner Kraft kann ſchwingen.“

In Zorn und Grimm

Sie deuten ihm,

Sie wollten ihn verbrennen,

Algerius ſagt:

„In Flammenmacht,

„Werdt ihr mich erſt erkennen!“

Doppelte Liebe.


Muͤndlich.


Nicht lang es iſt,

In Faſtnacht-Friſt,

Hab ich mir auserkoren,

[355[365]]
Zwey Jungfraun zart,

Von guter Art

Und tugendlich geboren.

Am Abend ſpat

Schneeweiß ihr Waat,

Durchaus ganz wohlgezieret,

Ich ihnen gern

In Zucht und Ehrn

Gefaͤllig haͤtt' hofieret.

Doch durft ich nicht,

Dieweil es Sitt

Ein jeder Zeit zu halten;

Nach Klagens Brauch

Darum ich auch

Den lieben Gott ließ walten.

Und ſchmuͤckt mich ſehr,

Als ob ich waͤr,

Ein Sohn der armen Frauen,

Mit kleinem Ruhm,

Recht wie die Blum

Den Winter in der Auen.

Vor beyder Thuͤr

Ich ſtehe hier,

So zwiſchen beyden Frauen,

Ganz graͤmlich ſchier,

Wies Muͤllerthier

Zwey Buͤndel Heu mag ſchauen.

[356[366]]
Schleich auf den Zehn

Zum Schlafen gehn,

Vor großem Leid und Kummer;

In dem bedacht

In ſelbig Nacht

Den ſchoͤn und edlen Sommer.

In kurzer Zeit

Er breitet weit

Die Blum auf gruͤner Heiden,

Manch ſchoͤnen Strauch,

Darin ich auch

Mich hoff mit Luſt zu weiden.

Die gefaͤhrliche Mannſchettenblume.


Muͤndlich.


Es ſtand ein Baum im Schweizerland,

Der trug Manſchettenblumen,

Die erſte Blume die er trug,

Die war des Koͤnigs Tochter.

Des Bauers Sohn darunter war,

Der thaͤte um ſie freyen,

Er freyte laͤnger als ſieben Jahr,

Er konnte ſie nicht erfreyen.

Der Bauernſohn ſteigt auf das Neſt,

Da oben auf dem Baume,

[357[367]]
Der Koͤnig haͤlt ihn am Mantel feſt:

„Was willſt mit meiner Tochter?

„Sie iſt viel hoͤher geboren als du,

„Von Vater und von Mutter.“

„Iſt ſie viel hoͤher geboren als ich,

„So bin ich viel hoͤher geſtiegen.“

„Und wenn du auch mein Rath ſchon biſt,

„Du biſt doch nicht vom Blute.“

„Ey Koͤnig was du jetzo biſt,

„Das dankeſt du meinem Blute!“

„Ich dank dir mein Schloß in Oeſterreich,

„Da ſollſt du Koͤnig werden,

„Ich ſchlag dich zum Ritter mit duͤrrem Zweig,

„Das Kettlein ſoll dir auch werden.

„Und uͤber dem Schloß noch hoͤher hinaus,

„Sie ſollen hinauf dich ziehen,

„Da haſt du uͤber den Wolken ein Haus,

„Gewitter unter dir ziehen.“

„Und haͤtt es des Koͤnigs Tochter gethan,

„Kein Koͤnig ich wuͤrd uͤber alle,

„So gehts wer gerne freyen thaͤt,

„Und kann doch keiner gefallen.“

[358[368]]

Der Faͤhndrich.


Fliegendes Blat.


Marſchiert ihr Regiment

Nun in das Feld,

In aller Welt

Viel Krieg iſt heuer zu finden.

Bey der Frau Wirthin Nachts,

Sie kehrten ein:

„Wollen luſtig ſeyn,

„Das Maͤdchen ſchlaͤft allein.“

Und als das Maͤdchen nun

Vom Schlaf erwacht,

Und ſich bedacht,

Da fing ſie an zu weinen.

„Ey ſchwarzbraun Maͤdchen ſagt,

„Was weint ihr hier?“

„Ein ſchoͤner Offzier,

„Hat mir genommen mein Ehr!“

Der Hauptmann ein braver Mann,

Die Trommeln ruͤhrt,

Die Trommeln ruͤhrt,

Den Feldmarſch laͤſt er ſchlagen.

Er ließ marſchieren ſie,

Zu zwey und drey,

Zu drey und zwey,

Auf daß ſie ihn erkenne.

[359[369]]
„Mamſell erkennt ihr ihn?“

„Ich kenn ihn wohl

„So ſchoͤn und voll,

„Er thut die Fahne ſchwenken.“

Der Hauptmann, ein ſolcher Mann

Den Galgen baut,

Den ihr weit ſchaut,

Den Faͤhndrich dran zu haͤngen.

„O liebſter Kammerad,

„Wenn einer fragt,

„Ihr ihm doch ſagt,

„Ich waͤr mit Ehrn erſchoſſen.“

Des andern Tages kam

Des Faͤhndrichs Frau:

„Mein Mann nicht ſchau,

„Wo iſt er denn geblieben?“

„Dort drauſſen vor dem Thor,“

Sie ſagten an,

„Den armen Mann,

„Zwey Jaͤger ihn erſchoſſen.“

So geht es in der Welt,

Wenn man verliebt,

Wenn man verliebt,

Muß man ſein Leben laſſen.

24.
[360[370]]

Schmaͤhlied gegen die Schweizer.


Von Iſenhofer von Walzhut bei Tſchudi.II. 412.


Wohlauf ich hoͤr ein neu Getoͤn,

Der edlen Voͤgel Sang,

Ich trau es werde nun ganz ſchoͤn,

Unwetter hat ſo lang

Geregnet auf der Heide,

Die Blumen ſind erfrorn,

Dem Adel, als zum Leide,

Die Bauern zuſammen ſchworen.

Die Wolken ſind zum Berg gedruͤckt,

Das ſchafft der Sonne Glanz,

Den Bauern wird ihr Gewalt entruͤckt,

Das thut der Pfauen Schwanz;

Nun Kuh ſo laß dein Lugen,

Geh heim, hab gut Gemach,

Den Herren ekelt dein Mugen,

Trink aus dem Muͤhlenbach.

Und bliebeſt du daheime,

Du haͤtteſt gute Weid,

Und dich betruͤbte keiner,

Und dir geſcheh kein Leid,

Du thatſt zu weit ausbrechen,

Das thut dem Adel Zorn,

Das kommt von deinem Stechen,

Man ſchlaͤgt dich auf dein Horn.

[361[371]]
Die Bauern treiben Wunder,

Ihr Uebermuth iſt groß,

In Schwitz und Glarus beſunder,

Niemand iſt ihr Genoß;

Sie tragen jezt die Krone,

Vor Ritter und vor Knecht,

Wird ihnen nun der Lohne,

Das iſt nicht wider Recht.

Der uns dies Liedlein hat gemacht,

Der iſt von Iſenhofen,

Die Bauern hatten ſein kein Acht,

Als er ſaß hinterm Ofen,

Und horchet ihrem Rathe,

Und was ſie wollten treiben,

An einem Abend ſpate,

Er will es nicht verſchweigen.

Ein Bauer ſah im Glaſe

Den hellen Farbenſchein,

Er warf, als ob er raſe

Hinaus es in den Rhein:

„O Pfauenſchwanz ich ſehe

„Dich doch an allem Ort,

„So ſoll es dir auch gehen.“

Er ſprach ein grimmig Wort.

Sie ſprachen: „Wir ſind Herren

„Von unſrem Land und Leut,

„Der Koͤnig ſoll es nicht wehren,

[362[372]]
„Wir geben um ihn nichts;

„Er wollte uns gern ſpalten,

„Und das liegt an dem Tag,

„Das Buͤndel Ruthen ſoll halten,

„Doch mancher Herr noch klag.“

Und fruͤhe vor dem Morgen

Ich hob mich von dannen bald,

Ich lief dahin mit Sorgen,

Wohl oben durch den Wald,

Und da ich kam auf die Heide,

Da hab ich dies geſungen,

Den Frommen nicht zu Leide,

Daß Feld und Wald erklungen.

Um die Kinder ſtill und artig zu machen.


Feiner Almanach. I. B. S. 145.


Es kam ein Herr zum Schloͤßly

Auf einem ſchoͤnen Roͤßly,

Da lugt die Frau zum Fenſter aus

Und ſagt: „Der Mann iſt nicht zu Haus.

„Und niemand heim als Kinder

„Unds Maͤdchen auf der Winden.“

Der Herr auf ſeinem Roͤßly,

Sagt zu der Frau im Schloͤßly:

„Sinds gute Kind, ſinds boͤſe Kind?

„Ach liebe Frau, ach ſagt geſchwind.“

[363[373]]
Die Frau, die ſagt: „Sehr boͤſe Kind,

„Sie folgen Muttern nicht geſchwind.“

Da ſagt der Herr: „So reit ich heim,

„Dergleichen Kinder brauch ich kein.“

Und reit auf ſeinem Roͤßly,

Weit, weit entweg vom Schloͤßly.

Geſellſchaftslied.


Muͤndlich.


Dieterlein. Wohlauf ihr Narren, zieht all mit mir,

Zieht all mit mir,

Wohl heuer in dieſem Jahre,

In dieſem Jahre.

Alle. Habens gern gethan,

Thuns noch einmals,

Was gehts dich denn an?

Dich gehts gar nichts an!

Was fragſt denn du darnach?

Was haſt denn du davon?

Dieterlein. Bin ich ein Narr, bins nicht allein,

Achts ſicher klein,

Wollt Gott, ich waͤr nur ein Narre,

Nach meinem Sinne.

Alle. Haͤttſt gern ſo gethan,

Thaͤtſt noch einmal, u. ſ. w.

[364[374]]
Dieterlein. Wollt Gott, ich waͤr ein kleins Voͤgelein,

Waldvoͤglein klein,

Zur Lieben wollt ich mich ſchwingen,

Ins Fenſter ſpringen.

Alle. Haͤttſt gern gethan, u. ſ. w.

Dieterlein. Wollt Gott, ich waͤr ein klein Kaͤtzelein,

Klein Kaͤtzelein,

Gar lieblich wollt ich ihr mauſen

In ihrem Hauſe.

Alle. Haͤttſt gern gethan, u. ſ. w.

Dieterlein. Wollt Gott, ich waͤr ein klein Huͤndelein,

Huͤndelein klein,

Gar treulich wollt ich ihr jagen,

Die Hirſch und Haſen.

Alle. Haͤttſt gern gethan, u. ſ. w.

Dieterlein. Wollt Gott, ich waͤr ein klein Pferdelein,

Artig Zeltelein,

Gar ſanfte wollt ich ihr traben,

Zu ihrem Knaben.

Alle. Haͤttſt gern gethan, u. ſ. w.

Dieterlein. Zu ihrem Knaben ins Kaͤmmerlein,

Ins Kaͤmmerlein,

Gern wuͤrd ich dann ſehen,

Euch Herren gehen.

Alle. Drauf trinken wir alle

Dieſen Wein mit Schalle,

[365[375]]
Dieſer Wein vor anderm Wein,

Iſt aller Welt ein Fuͤrſte,

Trink mein lieber Dieterlein,

Und daß dich nimmer duͤrſte,

Trinks gar aus,

Trinks gar aus.

Dieterlein. Der Wein ſchmeckt wohl,

Macht mich oft trunken,

Darum ſoll man ihn loben,

Mir iſt verkuͤndt,

Ein ſeltſam Spiel,

Ein Vogel auf dem Brunnen,

Ein ſeltſam Fang,

Macht mich oft ſiech,

Vor Lachen muß ich ſchweigen,

Kurz Griff ſind auf der Lauten.

Alle. So trinken wir die liebe lange Nacht,

Bis daß der liebe lichte Morgen wacht.

Bis zu dem lichten Morgen

Wir ſingen,

Und ſpringen,

Und ſind nun froh,

Und leben alſo

Ohn alle ſchwarze Sorgen.

Dieterlein. Ich bin der Koͤnig der Thoren,

Zum Trinken auserkoren,

[366[376]]
Und ihr, ihr ſeyd erſchienen,

Mich Fuͤrſten zu bedienen.

Spann Jaͤger dein Gefieder,

Schieß mir das Wildpret nieder,

Erhebet dann die Stimme,

Und ſingt mit rechtem Grimme.

Ins Horn, ins Horn, ins Jaͤgerhorn,

Und wer es hoͤrt der wird zum Thorn,

Und ſpringt und ſingt mit Schalle,

Drauf trinken wir wohl alle.

Alle. So ſpringt und ſingt mit Schallen,

Der Koͤnig ſoll leben vor allen.

Das Gnadenbild Mariaͤ-Huͤlf bey Paſſau.


Procopii Mariale festivale. S. 9.


Es wohnt ein ſchoͤnes Jungfraͤulein

Bekleidet mit Sammt und Seiden,

Ob Paſſau in ein Kirchel klein,

Auf einer gruͤnen Heiden,

Dort auf dem Kapuziner-Berg,

In Gnaden ſie verbleibet,

Mit Zeichen und mit Wunderwerk

Ihr meiſte Zeit vertreibet.

Aus fremden Landen fuͤhrt ſie her,

Erzherzog Leopoldus,

[367[377]]
Ihr zu erzeigen alle Ehr,

Das war ſein groͤſte Wolluſt.

Den ſchoͤnen Sitz hat ihr bereit,

Ein edler Herr von Schwendi,

Jezt genießt er in der Seligkeit,

Ihr muͤtterliche Haͤnde.

Auf ihrem Haupt traͤgt ſie ein Kron,

Von Gold und Edelſteinen,

Von Silber iſt gemacht ihr Thron,

Auf dem thut ſie erſcheinen,

Jeſus der wahre Gottes Sohn,

In ihren Armen wohnet,

Die Seel, die ihm und ihr thut ſchoͤn,

Bleibt wohl nicht unbelohnet.

An ihr iſt nichts denn Heiligkeit,

Und majeſtaͤtiſch Leben,

Ganz engliſch iſt ihr Reinigkeit,

Demuͤthig doch darneben,

Ihr Urſprung iſt ſehr adelich,

Von koͤniglichem Stamme,

Ich darf ſie nennen oͤffentlich,

Maria heißt ihr Namen.

Vor ihr die Engel neigen ſich,

Weil ſie Gott ſelber ehret,

Dienſtwillig ſie erzeigen ſich,

Sobald ſies nur begehret,

Die Kaiſer beugen ihre Knie,

[368[378]]
Die Koͤnig ſie ſchoͤn gruͤßen,

Fuͤrſten und Herrn ruͤhmen ſie,

Und fallen ihr zu Fuͤßen.

Es ſtehn vor ihrem Angeſicht,

Viel tapfre Edelknaben,

Zu ihrem Dienſt dahin gericht,

Die Schild in Haͤnden haben.

Wie Engel ſtehen ihr ſo nah,

Der Ablaß und die Gnade,

Die gruͤßen uns von Ferne da,

Und hin zu ihr uns laden.

Mit vielen zarten Bluͤmelein,

Iſt ſie gar fein umſtecket,

Mit Naͤgeln und mit Roͤſelein

Wird ihr Altar bedecket,

Davon das ganze Kirchel ſchier

Ueberaus lieblich ſchmecket,

Damit das Volk durch ſolche Zier

Zur Andacht werd erwecket.

Oft Muſikklang und Orgelſpiel

Thut man da bey ihr hoͤren,

Aemter und Litaneien viel,

Haltet man ihr zu Ehren,

Ihr viel Perſonen immerdar

Lichter und Ampeln brennen,

Durch welche ſie ſich ganz und gar

Zu ihrem Dienſt bekennen.

[369[379]]
Dort ſieht man durch die Sommerzeit,

Prozeſſion und Fahnen,

Die Prediger nach Gelegenheit

Das Volk zur Buß vermahnen,

Sie, Reich und Arm, Mann, Weib und Kind,

Loben und benedeien.

Und ſo ſie beichten ihre Suͤnd,

Thut mans ihnen verzeihen.

Allda ſich in ein Kloͤſterlein,

Nicht weit von ihr gelegen,

Viel arme Diener ſchließen ein,

Allein von ihretwegen;

Daß ſie ohn alle Hinderniß

Der Jungfrau moͤgen pflegen,

Und letzlich nach gethaner Buß,

Erwerben ihren Segen.

Sie hat ein kleines Gloͤckelein,

Gar wunderſchoͤn es klinget,

Gleich wie ein kleines Waldvoͤgelein

In aller Fruͤh es ſinget,

Sobald es hoͤrt ein liebreichs Herz,

Vor Freuden es aufſpringet:

Das Volk es locket hinaufwaͤrts,

Wanns in die Luft ſich ſchwinget.

Sie liegt mir an dem Herzen mein,

Holdſelig von Gebaͤrden

Wollt Gott, ich koͤnnt ihr Diener ſeyn,

[370[380]]
So lang ich leb auf Erden,

Drum ſofern iſt in mir was Guts,

Und auch ſogar das Leben,

Bis auf den lezten Tropfen Bluts

Will ich gern fuͤr ſie geben.

Den Bogen ſie mit Liebes-Pfeil,

Die Herzen durchzuſchießen,

Geſpannt zu halten alleweil,

Laͤſt ſie ſich nicht verdrießen.

Verbreitet ihres Sohnes Licht,

Die Seelen zu gewinnen,

Ihr große Macht darauf ſie richt,

Spart keinen Fleiß hierinnen.

Wer nur anſieht ihr ſchoͤn Geſtalt,

Der thut ſich gleich verlieben,

Als waͤr an ihr Magnets Gewalt,

So wird er angetrieben,

Viel tauſend Leut ſo manche Meil,

Ihr zu Gefallen reiſen,

Zu kurz iſt ihnen Zeit und Weil,

Wann ſie ihr Ehr erweiſen.

Den ſie nur freundlich blicket an,

Den hat ſie ſchon gewonnen,

Ihr Anblick ihn bald fangen kann,

Kommt nimmer gern von dannen,

Nicht wenig thun bekennen das

Von Boͤſen und von Frommen;

[371[381]]
Meinen, es zieh ſie weiß nicht was,

So ſind ſie eingenommen.

Geb Gott, daß ſtets an dieſem Ort,

Sein Name werd geprieſen,

Daß ihm ſogar mit keinem Wort,

Ein Unehr werd bewieſen,

Das liebe Kindlein Jeſus Chriſt,

Der Mutter zu gefallen,

Woll helfen thun zu jeder Friſt,

All die zur Jungfrau wallen.

Geh du nur hin, ich hab mein Theil.


Fliegendes Blat.


Huſar. Wohlan die Zeit iſt kommen,

Mein Pferd das muß geſattelt ſeyn,

Ich hab mirs vorgenommen,

Geritten muß es ſeyn.

Geh du nur hin, ich hab mein Theil,

Ich lieb dich nur aus Narrethei;

Ohne dich kann ich wohl leben,

Ohne dich kann ich ſchon ſeyn.

So ſetz ich mich aufs Pferdchen,

Und trink ein Glaͤschen kuͤhlen Wein,

Und ſchwoͤr bey meinem Baͤrtchen,

Dir ewig treu zu ſeyn: Geh du u. ſ. w.

[372[382]]
Maͤdchen. Du glaubſt, du biſt der Schoͤnſte,

Wohl auf der ganzen weiten Welt,

Und auch der Angenehmſte,

Iſt aber weit gefehlt: Geh du nur hin u. ſ. w.

In meines Vaters Garten,

Waͤchſt eine ſchoͤne Blume drin,

So lang will ich noch warten,

Bis die noch groͤßer iſt. Geh du nur u. ſ. w.

Beyde. Du denkſt ich werd dich nehmen,

Ich habs noch nicht im Sinn,

Ich muß mich deiner ſchaͤmen,

Wenn ich in Geſellſchaft bin;

Geh du nur hin, ich hab mein. u. ſ. w.

Verlorene Muͤhe.


Schwaͤbiſch.


Sie. Buͤble, wir wollen auſſe gehe,

Wollen unſre Laͤmmer beſehe,

Komm, liebs Buͤberle,

Komm, ich bitt.

Er. Naͤrriſches Dinterle,

Ich geh dir holt nit.

Sie. Willſt vielleicht à Biſſel naſche,

Hol dir was aus meiner Taſche;

Hol, liebs Buͤberle,

Hol, ich bitt.

[373[383]]
Er. Naͤrriſches Dinterle,

Ich naſch dir holt nit.

Sie. Thut vielleicht der Durſt dich plage,

Komm, will dich zum Brunne trage;

Trink, liebs Buͤberle,

Trink, ich bitt.

Er. Naͤrriſches Dinterle,

Es duͤrſt mich holt nit.

Sie. Thut vielleicht der Schlaf dich druͤcke,

Schlaf, ich jag dir fort die Muͤcke;

Schlaf, liebs Buͤberle,

Schlaf, ich bitt.

Er. Naͤrriſches Dinterle,

Mich ſchlaͤferts holt nit.

Sie. Gelt, ich ſoll mein Herz dir ſchenke,

Immer willſt an mich gedenke;

Nimms, lieb Buͤberle,

Nimms, ich bitt.

Er. Naͤrriſches Dinterle,

Ich mag es holt nit.

Starke Einbildungskraft.


Muͤndlich.


Maͤdchen. Haſt geſagt du willſt mich nehmen,

Sobald der Sommer kommt:,:

[374[384]]
Der Sommer iſt gekommen,

Du haſt mich nicht genommen,

Geh Buble, geh nehm mich! Gelt ja

Du nimmſt mich noch.

Bube. Wie ſoll ich dich denn nehmen,

Und wenn ich dich ſchon hab:,:

Denn wenn ich halt an dich gedenk,

Denn wenn ich halt an dich gedenk,

So mein ich, ſo mein ich, ich mein,

Ich waͤr bey dir.

Die ſchlechte Liebſte.


Muͤndlich.


Jetzunder geht mir mein Trauern an,

Die Zeit iſt leider kommen,

Die mir vor'm Jahr die Liebſte war,

Iſt ſchlecht mir vorgekommen.

Mein Herz iſt von lauter Eiſen und Stahl,

Dazu von Edelſteinen.

Ach wenn doch das mein Schatzliebchen erfuͤhr,

Es wuͤrde trauren und weinen.

Es trauert mit mir die Sonne, der Mond,

Dazu die hellen Sterne,

Die haben den lebenden, ſchwebenden

Luſtgarten an dem Himmel.

[375[385]]
Mein Garten von lauter Luſt war erbaut,

Auf einem ſchwarzen Sumpfe,

Und wo ich lebend und ſchwebend vertraut,

Da iſt ein Irrlicht verſunken.

Wollt Gott, daß fruͤh ich geſtorben waͤr,

In meinen jungen Jahren,

So waͤre mir all mein Lebetag,

Kein groͤßre Freud wiederfahren.

Es iſt nicht hier ein kuͤhler Brunn,

Der mir mein Herz thaͤt laben,

Ein kuͤhler Brunn zu aller Stund,

Er flieſt aus meinem Herzen.

Maria auf der Reiſe.


Procopii Mariale festivale. S. 447.


Ey wie ſo einſam, wie ſo geſchwind?

Jungfrau Maria nicht ſo eile;

Ringfertig, wacker, als wie der Wind,

Ach, warum laͤſt dir nicht der Weile?

Hoch ſind die Berg, ſehr rauh iſt der Weg,

Dazu auch manche lange Meile,

Zart ſind die Fuͤß, gibt oft ſchmale Steg,

Jungfrau Maria nicht ſo eile.

Maria.
„Warum ſo einſam und ſo geſchwind,

„Will ich dir herzlich gern anzeigen,

25.
[376[386]]
„Weil du mich fragſt mein liebes Kind,

„Will ich die Urſach nicht verſchweigen,

„Jungfrauen wills gebuͤhren gar nicht

„Viel untern Leuten umzuziehen,

„Eben darum viel Boͤſes geſchicht,

„Weil ſie die Leut bey Zeit nicht fliehen.

„Durch das Gebuͤrg uͤber Berg und Thal,

„Thut ſich mein Geiſt in Gott erſchwingen,

„Als wie ein himmliſche Nachtigal

„Ich das Magnifikat thu ſingen,

„Wer gern allein iſt, und betet gern,

„Der thut ſein Zeit gar ſchoͤn zubringen.“

Menſch, unſer Frauen die Kunſt ablern!

Gott geb, daß dir es moͤg gelingen.

Adelnsſucht.


Friſche Liedlein.


Mancher jetzund nach Adel ſtrebt,

Haͤtt er nicht Geld,

Wuͤrd oͤfter um ſich ſchauen,

Gedenken wer ſein Vater war,

Ders ganze Jahr

Den Acker muſte bauen;

Der jetzund ſich

So gar hoͤflich

Beyn Leuten thut aufſchmuͤcken,

Haͤlts nicht dafuͤr,

[377[387]]
Als wenn man ſpuͤr,

Daß er den Pflug kann zwicken.

Wenn er nun kommt zum Abendtanz,

So gilt ſein Kranz

Mehr denn der andern allen.

Er kruͤmmt ſich faſt nach Adelsſitt,

Sein gemeßner Tritt

Thut ihm ſelbſt wohlgefallen.

Wer haͤtt vertraut,

Daß ſolches Kraut

In Doͤrfern auch ſollt wachſen?

Wenn er nur ſpricht,

Er iſt erwiſcht,

Iſt baͤuriſch ausgelaſſen.

Weisheit die thut ihm viel zu leid,

Giebt boͤs Beſcheid,

Wenn mans ihm nicht will glauben,

Duͤnkt ſich in aller Sach geſcheit,

Doch fehlts ihm weit,

Sieht aus wie ſaure Trauben.

Im Spiegel-Glas,

Wird ſehen das,

Der Kittel ihn bas zieret,

Den ſeiden Waat,

Den Adelsſtaat,

Zu baͤuriſch Art verfuͤhret.

[378[388]]

Abſchiedszeichen.


Muͤndlich.


Wie ſchoͤn bluͤht uns der Mayen,

Der Sommer faͤhrt dahin,

Mir iſt ein ſchoͤn Jungfraͤuelein

Gefallen in meinen Sinn.

Bey ihr ja waͤr mir wohl,

Wann ich nur an ſie denke,

Mein Herz iſt freudenvoll.

Wenn ich des Nachts lieg ſchlafen,

Mein Feinslieb kommt mir fuͤr,

Wenn ich alsdann erwache,

Bey mir ich niemand ſpuͤr;

Bringt meinem Herzen Pein,

Wollt Gott, ich ſollt ihr dienen,

Wie moͤcht mir das geſein.

Bey ihr da waͤr ich gerne,

Bey ihr da waͤr mirs wohl;

Sie iſt mein Morgenſterne

Strahlt mir ins Herz ſo voll.

Sie hat ein rothen Mund,

Sollt ich ſie darauf kuͤſſen,

Mein Herz wuͤrd mir geſund.

Ich werf mit Roſenblaͤttern

In Liebchens Fenſter ein:

Ey ſchlafe oder wache,

[379[389]]
Ich moͤchte bey dir ſeyn!

Das Fenſterlein ſteht auf

Wie bey dem Vogelſteller,

Ich wag mich nicht hinauf.

Wollt Gott, ich faͤnd im Garten

Drey Roſen auf einem Zweig,

Ich wollte auf ſie warten,

Ein Zeichen waͤr's mir gleich;

Das Morgenroth iſt weit,

Es ſtreut ſchon ſeine Roſen,

Adie meine ſchoͤne Maid.

Die Ausgleichung.


Muͤndlich.


Der Koͤnig uͤber Tiſche ſaß,

Ihm dienten Fuͤrſten, Herren,

Viel edle Frauen ſchoͤn und zart,

So ſaßen ſie paarweis.

Da man das erſte Eſſen aß,

Da kam in hohen Ehren,

Ein Maͤdchen jung, von edler Art,

Alſo in kluger Weis.

Den Becher, den ſie ſchwebend haͤlt,

Von Golde ausgetrieben,

Der Koͤnigin ſie reicht ihn dar,

Die Koͤnigin ſchenkt ein,

[380[390]]
Ihn vor den Koͤnig liebreich ſtellt:

„Das trink auf treue Liebe!“

Da kommt ein Knab mit gelbem Haar,

Traͤgt einen Mantel fein.

Der Koͤnig biethet dar ſogleich

Den Mantel weiß und eben,

Der Koͤnigin als Ehren-Dank:

„Wie ſchoͤn wird er dir ſtehn!“

Drauf will er trinken alſogleich,

Da ſprizt der Wein daneben,

Sie will den Mantel legen an,

Der Mantel ſteht nicht ſchoͤn.

Der Koͤnig und die Koͤnigin

Verwundern ſich gar ſehre,

Der Koͤnig ſieht den Becher an,

Den Mantel ſie ablegt;

Da fanden ſie dann beyder Sinn,

Geſchrieben hell und here:

„Nur treue Lieb draus trinken kann.“

„Die Treu den Mantel traͤgt.“

Der Koͤnigin bracht ein Zwerglein klein,

Des Bechers Goldgemiſche,

Dem Koͤnig lehrt die Feye ſein,

Des Mantels alten Brauch;

Der Schimpf ſoll nun auch allen ſeyn,

Und Herrn und Fraun am Tiſche

[381[391]]
Verſuchten auch den Becher Wein,

Den Mantel alſo auch.

Den Herren wird der Bart ſo naß,

Der Mantel Fraun entſtellet,

Bis auf die juͤngſte Fraue ſchoͤn,

Dem aͤltſten Herrn vertraut,

Dem wird der weiße Bart nicht naß,

Der Mantel leicht geſellet

Sich jedem Bug der Fraue ſchoͤn,

Daß man treu Lieben ſchaut.

Den Becher laͤſt der Koͤnig gleich

Dem Ritter voller Treue,

Die Koͤnigin das Maͤntelein,

Der Fraue, die ihn trug,

Zum Zwerglein ward der Ritter gleich,

Sein Fraͤulein wird zur Feye,

Den Becher und den Mantel fein,

Sie nahmen voller Trug.

Sie goſſen aus den Becher Wein,

Ein Troͤpflein auf den Mantel,

Und gaben ihn der Koͤnigin,

Den Becher leer dem Koͤnig.

Gleich trank der Koͤnig daraus Wein,

Der Koͤnigin paßt der Mantel,

Vergnuͤgt ward da die Koͤnigin,

Vergnuͤgt ward da der Koͤnig.

[382[392]]
Nun prunkten ſie noch manches Jahr,

Mit Becher und mit Mantel,

Und jeder Ritter trank ihn wohl,

Er ſtand wohl jeder Frau.

Doch wuchs mit jedem neuen Jahr,

Der Flecken in dem Mantel,

Der Becher klang wie Blech ſo hohl,

Sie ſtellten beydes zur Schau.

Petrus.


Muͤndlich am Neckar.


Der Herr der ſtellt ein Gaſtmahl an,

Mit ſeinen Juͤngern alln,

Sie gingen in ein Garten,

Wo luſtig jedermann.

Als die Juden den Herrn gefangen nahmen,

Da laufen die Juͤnger davon,

Den Petrus hat einer am Mantel ertapt:

„Glatzkopf, jezt hab ich dich ſchon.“

Der Petrus zieht ſein Sabel,

Er wollte ſie hauen allhie,

Er haut ganz miſerabel,

Die mehrſt Hieb gehn darneben.

Der Herr gab ihm ein Deuter:

„Ach Petrus ſteck ein dein Schwerdt,

[383[393]]
„Du biſt ein Erzbaͤrnhaͤuter,

„Dein Schneid iſt kein Teufel werth.“

Das wollte den Petrus verdrießen,

Daß er erſt der Niemand ſollt ſeyn,

Er zog heraus ſein Sabel,

Und hieb ganz ſakeriſch drein.

Der Malchus ſtund darneben,

Und hat ſich nicht umgeſchaut,

Dem hat er aͤ Taͤſcherl aufs Dach auf geben,

Und Ohr-Watſchl putz weggehaut.

Der Malchus faͤngt protz und zu weinen an,

Und ſchrie da uͤberlaut:

„Herr, heil mir doch mein Ohr wieder an,

„Der Glatzkopf hat mirs weggehaut.“

Der Herr der nahm des Malchus Ohr

Und wollts gleich wieder kuriren,

Auf einmal ſprang der Petrus hervor,

Faͤngt an zu raiſoniren:

„Was hat mich denn mein Haun genuzt,

„Da waͤr ich ja ein Hans,

„Was ich ſo ſakriſch hab zammen gepuzt,

„Das machſt du gleich wieder ganz.“

Er gieng bey des Kaiſers Kohlenfeuer,

Da ſaſſen die Juden dick,

Da fuͤhrt der Teufel die Dienſtmagd her,

Der Petrus kennet ſie nicht.

[384[394]]
„Aha, du biſt auch einer,

„Der mit im Garten war!“

Der Petrus luͤgt wie Stahl und Band,

Sprach: „Hoͤr, es iſt nicht wahr.“

Gott gruͤßt euch Alter.


Fliegendes Blat.


Gott gruͤß euch Alter, ſchmeckt das Pfeifchen?

„Weißt her! — Ein Blumenkopf

„Von rothem Thon mit goldnem Reifchen:

„Was wollt ihr fuͤr den Kopf?“

„O Herr, den Kopf kann ich nicht laſſen,

„Er koͤmmt vom bravſten Mann,

„Der ihn, Gott weiß es, einem Baſſen,

„Bey Belgrad abgewann.

„Da, Herr, da gab es rechte Beute,

„Es lebe Prinz Eugen!

„Wie Grummet ſah man unſre Leute

„Der Tuͤrken Glieder maͤhn.“

„Ein andermal von euren Thaten!

„Hier, Alter, ſeyd kein Tropf:

„Nehmt dieſen doppelten Dukaten

„Fuͤr euren Pfeifenkopf.“

„Ich bin ein armer Kerl, und lebe

„Von meinem Gnadenſold,

[385[395]]
„Doch, Herr! den Pfeifenkopf, den gebe

„Ich nicht um alles Gold.

„Hoͤrt nur: Einſt jagten wir Huſaren,

„Den Feind nach Herzensluſt,

„Da ſchoß ein Hund von Janitſcharen

„Den Hauptmann in die Bruſt.

„Ich hob ihn flugs auf meinen Schimmel,

„Er haͤtt' es auch gethan,

„Und trug ihn ſanft aus dem Getuͤmmel

„Zu einem Edelmann.

„Ich pflegte ſein. Vor ſeinem Ende

„Reicht er mir all ſein Geld,

„Und dieſen Kopf, druͤckt mir die Haͤnde,

„Und blieb im Tod noch Held.

„Das Geld muſt du dem Wirthe ſchenken,

„Der dreymal Pluͤndrung litt,

„So dacht' ich, und zum Angedenken,

„Nahm ich die Pfeife mit.

„Ich trug auf allen meinen Zuͤgen,

„Sie wie ein Heiligthum,

„Wir mochten weichen oder ſiegen

„Im Stiefel mit herum.

„Vor Prag verlohr ich auf der Streife

„Das Bein durch einen Schuß,

„Da griff ich erſt nach meiner Pfeife,

„Und dann nach meinem Fuß.“

[386[396]]
„Ihr ruͤhrt mich, Alter, bis zu Zaͤhren,

„O ſagt, wie hieß der Mann?

„Damit mein Herz auch ihn verehren

„Und ihn beneiden kann.“

„Man hieß ihn nur den tapfern Walter,

„Dort lag ſein Gut am Rhein.“

„Das war mein Ahne, lieber Alter,

„Und jenes Gut iſt mein!

„Kommt, Freund! Ihr ſollt bey mir nun leben,

„Vergeſſet eure Noth,

„Kommt, trinkt mit mir von Walters Reben

„Und eßt von Walters Brod.“

„Nun top! Ihr ſeyd ſein wahrer Erbe,

„Ich ziehe morgen ein,

„Und euer Lohn ſoll wenn ich ſterbe

„Die Tuͤrkenpfeife ſeyn!“

Schwere Wacht.


1. Jungfrau und Waͤchter.


Aus einer Sammlung ungedruckter Minnelieder im Beſitz von C. B.


Von hoher Art ein Fraͤulein zart,

Hoͤrt ich dem Waͤchter klagen,

Aus Herzens-Qual, zum erſtenmal

Wollt ſie die Liebe wagen,

Sie ſprach: „Geſelle mein Ungefaͤlle

[387[397]]
„Iſt nah und bringt mir Schmerzen,

„Ach Waͤchter gut, ein argen Muth

„Trag ich in meinem Herzen.“

„Einem werthen Mann, dem wuͤnſch ich an,

„Viel Gluͤck und Heil mit Treuen,

„Sein Tugend groß findt niemand blos,

„Auf ihn iſt wohl zu bauen,

„Daß er wohl ſey alles Wandels frey,

„Ein Mann von hohen Ehren.“

„O Waͤchter mein, mag es wohl ſeyn,

„So hilf mir Freude mehren.

„Gut, Waͤchter! ich kann ihn ohne dich,

„In mein Gemach nicht bringen,

„O wolle mir nach meiner Begier,

„Mein Leid nun helfen wenden,

„Ich ſag fuͤrwahr, daß immerdar

„Mit Gab ich dir's vergelte,

„Koͤmmt er herbey, gut Waͤchter frey,

„Den Gaſt gen niemand melde.“

Der Waͤchter ſprach: „Zart Frau ich lach,

„Thut mirs nicht uͤbel kehren,

„Meine Treu ich gab auf all mein Hab

„Ein Eid mußt ich wohl ſchwoͤren,

„Und mit der Hand ich mich verband,

„Des Herren Schad zu wenden,

„Frau, daß ich thu, muth mir nicht zu,

„So darf mich niemand ſchelten.

[388[398]]
„Mein Herr gebot mir auf den Tod,

„Da er von hier wollt ſcheiden,

„Zu wachen wohl, ich Waͤchter ſoll

„Es thun bey meinem Eide,

„Er ſprach: Mit Schall ſing, ruf und kall,

„Sey munter an der Zinnen,

„Hab in der Hut, mein Schloß und Gut,

„So lang ich bin von hinnen.

„Er ſprach noch mehr, bey Treu und Ehr,

„Thu's ehrlich mit mir meinen,

„Wollt hier ein Gaſt eindringen faſt,

„So werf ihn todt mit Steinen,

„Falſch Weg und Steg mit Sorg verleg,

„Den Schaden mein zu wehren,

„Huͤt Waͤchter recht, getreuer Knecht,

„Dein Gut will ich dir mehren.

„Frau, ihr wißt wohl, daß ich nicht ſoll,

„Thun Schaden mit Untreuen,

„Dem Herren mein, es braͤcht mir Pein,

„Und wuͤrd mich ſelbſten reuen.“

„Deinem Ungefaͤll, Waͤchter Geſell,

„Will ich nun wohl vorkommen,

„Folg meiner Lehr, mein Jungfrau Ehr

„Soll mir ſeyn unbenommen.

„Dazu dein Leib ſoll durch mich Weib,

„Mit Lieb wohl ſeyn behuͤtet,

„Du ſieheſt ſonſt das Maͤgdlein nie

[389[399]]
„Die hoch dein Lieb verguͤtet,

„Der werthe Gaſt dein Leid und Laſt

„Wird nehmen mit von hinnen,

„Das Maͤgdlein gut, bringt dir den Muth,

„Laß uns all drey gewinnen.“

2. Der luſtige Geſelle.


Friſche Liedlein.


Die Sonn die iſt verblichen,

Die Stern ſind aufgegangn,

Die Nacht, die kommt geſchlichen,

Frau Nachtigal mit ihrem Sang,

Der Mond iſt aufgegangen,

Da ruft ein Waͤchter gut:

„Und welcher hat Verlangen,

„Und iſt mit Lieb umfangen,

„Der mach ſich auf die Fahrt!“

Das erhoͤret ein Geſelle,

Der ſchreit dem Waͤchter zu:

„Ach Waͤchter traut Geſelle,

„Gib deinen Rath dazu,

„Wie ich das ſoll angreifen,

„Daß ich kaͤm vor die Thuͤr?“

„Gar heimlich ſollſt du ſchleichen,

„Ehe der Waͤchter thaͤt pfeifen,

„Daß man dich gar nicht ſpuͤr.“

[390[400]]
Der Knab trat gar verborgen,

Vor ihr Schlafkaͤmmerlein,

Er ſprach zu ihr mit Sorgen:

„Zart ſchoͤnes Jungfraͤulein,

„Neu Mehr will ich euch ſagen,

„Da iſt kein Zweifel an,

„Es lieget einer im Hage,

„Der fuͤhrt ein ſchwere Klage,

„Es mag euer Buhle ſeyn.“

Die Jungfrau ſprach mit Sinnen:

„Es hat dich ſonſt gedeucht,

„Der Mond hat mir geſchienen,

„Die Stern han mir geleucht.“

„Der Mond der hat geſchienen,

„O zartes Jungfraͤulein,

„Er liegt in gruͤner Aue,

„Sein Leib iſt ihm zerhauen,

„In großen Treuen zwar.“

Die Jungfrau ſchrack gar ſehre,

Ihr Herz war Leides voll,

Sie wollt kein Freud mehr hoͤren,

Die Botſchaft ſchmerzt ihr wohl,

Ein Hemd thaͤt ſie umſcheuren,

Ein Hemdlein, das war weiß,

Den Knaben ſie erblicket,

Ihr Herz vor Freud erquicket,

Gehrt ihn mit ganzem Fleiß.

[391[401]]
Der Knab der thaͤt ſich ſchmiegen,

Gar freundlich an ihre Bruſt,

Sie thaͤt den Knaben druͤcken

Mit ihrem freundlichen Kuß,

Der Knab fing an zu ringen

Mit der Jungfrauen zart,

Der Waͤchter an der Zinnen,

Fing an ein Lied zu ſingen,

Ein ſchoͤne Tageweiß:

„Geſegn dich Gott im Herzen,

„Zart edles Fraͤuelein,

„Du bringſt meinem Herzen Schmerzen,

„Es mag nicht anders ſeyn,

„Von dir muß ich mich ſcheiden,

„Zart edles Fraͤuelein,

„Ich ſchwing mich uͤber Heiden,

„In Braun will ich mich kleiden,

„Durch Veil und gruͤnen Klee.“

3. Variazion.


Friſche Liedlein.


Aus hartem Weh, klagt ſich ein Held,

In ſtrenger Hut verborgen:

„Ich wuͤnſch ihr Heil, die mir gefaͤllt,

„Komm ſchier loͤß mich aus Sorgen,

„O weiblich Bild, wie ſchlaͤfſt ſo lang,

26.
[392[402]]
„Willſt du die Klag nicht hoͤren,

„Laß dich erwecken mein Geſang,

„Dein Lieb will mich bethoͤren.“

Ein freier Waͤchter hoͤrt die Mehr,

Lag ſtill an ſeiner Zinnen,

Er fragt, wer hier verborgen waͤr,

So hart nach Lieb thaͤt ringen:

„Ey komm her Held, willt mir vertraun,

„Dein Klag hilf ich dir decken,

„Sehnſt dich ſo hart nach meiner Frau,

„Ohn Zweifel ſollſt du auf mich baun,

„Freundlich will ichs auferwecken.“

„Mein Trauen gaͤnzlich zu dir ſetz,

„Waͤchter, o freyer Geſelle!

„Mein Kleid laß ich dir hie zuletz,

„Mach uns kein Ungefaͤlle:

„Geh huͤbſchlich dar, nimm dir der Weil,

„Laß auch dein Geſpan nicht merken,

„Die Thuͤrmer ſehn aus Langeweil,

„Schau daß dich keiner uͤbereil.“

„Zu Hoffnung thu mich ſtaͤrken.“

„Wach auf, herzallerliebſte Frau,

„Hoͤrt jaͤmmerliche Schmerzen,

„Es ſingt ein Held vor gruͤner Au,

„Fuͤrwahr thu ich nicht ſcherzen.

„Legt an euer Wad, beſorgt euch nicht,

„Euch ſoll nichts wiederfahren,

[393[403]]
„Merkt eben dem zu ſein Gedicht,

„Wie ihn ein Liebe aneficht,

„Euer Liebe thut ſelbſt bewahren.“

Der Held hub an zum drittenmal,

Groß Freud thaͤt er da nehmen,

Er nahet zu des Herren Saal,

Dabey ſie ſollt erkennen,

Daß er ihr treuer Diener waͤr,

Sollt Geſellſchaft mit ihm pflegen:

„Ach Waͤchter, ich hoͤr gute Maͤhr!

„An deiner Red ſpuͤr ich kein Gefaͤhr,

„Schweig ſtill, huͤt uns vor Sorgen.“

Die Frau den Held gar ſchoͤn empfing,

Kuͤßt ihn an ſeinem Munde,

Zu rechter Lieb er mit ihr gunt,

Macht ihr viel Freud und Wonne,

Der Waͤchter ſprach: „Nun lieget ſtill,

„Kein Sorgen thut euch nahen,

„Fuͤrwahr ich euch des Tages Ziel,

„Mit ganzen Treuen nennen will,

„Ich will euch nicht verfuͤhren.“

Sie lagen lang in großer Luſt,

Ihr Freud thaͤt ſich nur mehren,

Er griff ihr lieblich an ihr Bruſt:

„Thu dich zu mir herkehren.“

„Ich hoͤr Antwort, der Waͤchter ſchreit,

„Daß wir uns muͤſſen ſcheiden,

[394[404]]
„Es nahet warlich nach der Zeit,

„Daß ich von dir muß in die Weit,

„In Schwarz will ich mich kleiden.“

Der Waͤchter ſah am Firmament,

Daß ſich die Nacht wollt enden:

„Ein ſcharfer Wind von Orient,

„Thut uns den Tag herſenden,

„Die Haͤhnlein kraͤhen auf dem Hag,

„Die Huͤndlein wollen jagen,

„Die Nachtigal ſizt auf dem Zweig

„Singt uns eine ſuͤße Melodei,

„Steht auf es will nun Tagen.“

Aus ſuͤßem Schlaf da ward erweckt,

Ein Fraͤulein minniglichen:

„Ach wie ſo ſehr hat mich erſchreckt,

„Ein Wunder tugendlichen,

„Der Ehren Gunſt, der Liebe Kunſt,

„Die Stern ſind abgewichen,

„Nun ſcheid von mir, mein hoͤchſter Hort,

„Red' vor mit mir ein freundlich Wort,

„Der Tag hat uns erſchlichen.“

„Ach und auch Weh, klagt ſich ein Held,

„Wie ſoll ichs uͤberwinden;

„Dazu noch wie einm ſchoͤnen Weib,

„Ich muß den Tag verkuͤnden.“

Gar ſehr erſchrack die Auserwaͤhlt,

Nahm Urlaub von dem Reinen,

[395[405]]
Ihr Herz hat ſich zu ihm geſellt,

Das Fraͤulein thaͤt vor ihrem Held,

Gar heftiglichen weinen.

„Geſegn dich Gott der uns beſchuf,“

Redt es die ſchoͤne Fraue:

„Nach dir ſteht mir mein taͤglich Ruf,

„Behuͤt dich Gott vor Leide.

„Und ſpar mich zu dein Wiederfahrt,

„Laß dich darmit nichts merken,

„Dein Scheiden kraͤnkt mich alſo hart,

„Ich fuͤrcht es wird geſtiftet Mord,

„Die Lieb laͤſt ſich nicht decken.“

4. Beſchluß.


Herders Volkslieder. I. T. S. 118.


Es wollt das Maͤdchen fruͤh aufſtehn

Und in den gruͤnen Wald ſpazieren gehn.

Und als ſie nun in den gruͤnen Wald kam,

da fand ſie einen verwundeten Knabn.

Der Knab der war von Blut ſo roth,

Und als ſie ſich verwand, war er ſchon todt.

„Wo krieg ich nun zwey Leidfraͤulein,

„Die mein fein Knaben zu Grabe weinn?

„Wo krieg ich nun ſechs Reuterknabn,

„Die mein fein Knaben zu Grabe tragn?

[396[406]]
„Wie lang ſoll ich denn trauren gehn?

„Bis alle Waſſer zuſammen gehn!

„Ja alle Waſſer gehn nicht zuſammn,

„So wird mein Trauren kein Ende han.“

Der Pilger und die fromme Dame.


Fliegendes Blat.


Es reiſt ein Pilgersmann nach Morgenland hinaus,

Er kam vor eines Edelmannes Haus,

Kam vor ſein Haus, vor ſeine Thuͤr,

Trat eine ſchoͤne Dam herfuͤr.

Er ſprach ſie an um eine gute Gab,

Was eine ſolche Dam vermag:

„Ich kann dir halt nichts geben,

„In mein Schlafkaͤmmerlein laß ich dich legen.“

Der Pilgersmann war von Herzen froh,

Sein Mantel er ſogleich auszog,

Sie ſchlafen bey einander die liebe lange Nacht,

Bis daß das Haͤmmerlein ſechs Uhr ſchlaͤgt.

„Ey Bettelmann ſteh auf, es iſt ſchon Zeit,

„Die Voͤgelein ſingen auf gruͤner Heid.“

„Ey laß ſie betteln und pfeifen oder nicht,

„Von meiner Allerliebſten ſcheid ich nicht.“

Und als der Pilgersmann zum Hof raus kam,

Der Edelmann vom Jagen zuruͤcke kam:

[397[407]]
„Ich wuͤnſche euch das ewige Leben,

„Die Fraue hat mir ſchon Gab gegeben.“

„Ey Frau, was haſt du denn dem Bettelmann gegeben,

„Daß er mir wuͤnſcht das ewge Leben.“

„Ich hab ihm nichts gegeben als dies oder das,

„So viel mein zarter Leib vermag.“

„Ey Frau, laß den Bettelmann fein nimmer in dein Haus,

„Lang ihm ſeine Gabe zum Fenſter hinaus,

„Binds ihm an eine lange Stange an,

„Daß er zu dir nicht langen kann.“

„Ey Mann, er bringt ja Segen in dein Haus,

„Es geht der fromme Mann ins Morgenland hinaus.“

„Und zieht er hin, ſo laß ihn gehn,

„Er moͤchte ſonſt gar ſtille ſtehn.“

Hochzeitlied auf Kaiſer Leopoldus und Claudia Felix.


Von Abele in ſeiner kuͤnſtlichen Unordnung. Nuͤrnberg 1675.
I. T. S. 319.


Kaiſer. Spring, ſpring mein liebſtes Hirſchelein,

Bald wollen wir dich faͤllen

Mit Pfeilen viel, in Wald hinein

Will dir mein Lieb nachſtellen,

Kein Raſt noch Ruh laß ich mir zu,

Bis daß ich dich kann ſchießen;

Spring Hirſchlein fort auf ein ſchoͤn Ort,

Mein Rohr wird dich bald gruͤßen.

[398[408]]
Claudia. Auf hohe Berg ſpring ich geſchwind,

Kein Wind ſoll mich ereilen,

Den Pfeilen viel mein Lauf entrinnt,

Wann ich verricht viel Meilen,

Berg und Thaͤler ſind mir zu klein,

Alls kann ich uͤberſpringen,

Gar hurtig ſind die Laͤuflein mein,

Die Stein von ihnen klingen.

Kaiſer. Mein Rohr ich jezt mit Freuden ſpann,

Wann will ich dich bald machen,

Aufzogen iſt aufs Rohr der Hahn,

Das Pulver wird bald krachen,

Mein muſt du ſeyn, ich dich nicht laß,

Spring fort mit allen Vieren,

Jezt ſchieß ich drein, du liegſt im Gras,

Du kannſt nicht mehr ſtolziren.

Claudia. Verwund bin ich, kann fort nicht mehr,

Jaͤger! Du haſt mich troffen!

Dein Kugel hat durchdrungen ſehr,

Mein Herz das ſtehet offen,

Dein Kunſt ich jezt genug erfahr,

Aus iſts mit meinem Springen,

Ledig komm ich nicht aus Gefahr,

Die Jaͤger mich umringen.

Singer. Fuͤrcht dich nicht, Claudia Felix!

Jaͤger zwar dich umringen,

[399[409]]
Annehmlich iſt dein Augen Blitz,

Kannſt wacker herum ſpringen.

Der große Kaiſer Leopold,

Der will von allen Gefahren,

Verſichern dich, er iſt dir hold,

Dich ſchuͤtzen und bewahren.

Spring, ſpring, ſpring keuſches Hirſchelein,

Die Freiheit iſt gefangen,

Jaͤger auf ſuͤßes Muͤndelein,

Gibt ein Kuß mit Verlangen,

Du biſt zwar uͤber Berg und Thal,

Mit hurtig Muth geſprungen,

Gehoͤrt hat nun dein froͤhlich Schall,

Der Sprung iſt jezt mißlungen.

Das Hirſchlein in geſchwinder Eil,

Lief uͤber Berg und Huͤgel,

Als wie ein abgeſchoßner Pfeil,

Bewaffnet mit Luftfluͤgel,

Der Jaͤger aber iſt behend,

Das Hirſchlein iſt gefallen,

Dem ſchoͤnen Wildpret er nachrennt,

Sie iſt zu ſeim Gefallen.

Claudia noch in Jungfrau Stand,

Man muſte ihr nachſchauen,

Hat durchgejagt den Ufer-Sand,

Und die begruͤnten Auen,

[400[410]]
Diana keuſch iſt mir nicht leid,

Gluͤckſelig ſey auf Erden,

Verwechsle nun dein freies Kleid,

Du ſollſt ein Mutter werden.

Nur allein in deinem Lob Ruhm,

Schau wie die Waͤlder gruͤnen,

Was mehrs zu deinem Eigenthum,

Alls wuͤnſchet dir zu dienen,

Du biſt der Tugend heller Schein,

Vor dir ſich Himmel neiget,

Leopold iſt geſchloſſen ein,

Dein treues Herz bezeiget.

Von der gebundnen Wieſen Bahn

Brechet Roſen, Narciſſen,

Daß ſie ſanft genug gehen kann,

Streut zu ihren Fuͤßen,

Du biſt ein rechtes Blumenlicht,

Dein Lob ſoll nicht vergehen,

Andacht iſt beſtrahlt, weichet nicht,

So lang die Sternen ſtehen.

Die Steine fuͤhlen Liebes Kraft,

Der Himmel hat verbunden,

Daß ſelbe halten Schwaͤgerſchaft,

Wechſelt genuͤglich die Stunden,

Luft und Erde ſchreien Gluͤck zu!

Liebt nun, ihr Liebſte! liebet,

[401[411]]
Liebet und genießet der Ruh,

Und euch niemals betruͤbet.

Flora ſticket ein Purpurkleid,

Mit Veilchen und Narciſſen,

Selbſten die Goͤtter ſind erfreut,

Vieh und Wild iſt ausgeriſſen.

Auch Gras und Kraͤuter ſind verliebt,

Die ſtumme Waſſer-Schaaren,

Schauet! wie alles ſich noch giebt,

Und in Lieb weis zu paaren.

Mit ihrem uͤberſuͤßen Thon,

Die Wunder-Lerche ſinget,

Zu Gott allein den Schoͤpfer an,

Die hohe Luft durchdringet;

Die Lieb ſey bei euch immer neu,

Lebet wohl beyde Herzen,

Aus zweien, ſodann komme drei,

Dies verdient der Liebe Scherzen.

Tauſend Gluͤck, fruchtbringende Strahl,

Allda ſtetig Anſchauen,

Wuͤnſchet herzlich der Wiederſchall,

Und blumenreiche Auen,

Gruͤnet ihr Felder uͤberall,

Dies Wunſch-Lied muß ich ſingen,

Die Nimph iſt nun in Kaiſers-Saal,

Laß wacker Stimm erklingen.

[402[412]]
Schoͤn rein iſt der Kriſtallen-Bach,

Liefland lieblich in Gruͤnden,

Und ſich verfolgend nach und nach,

Kann ſchlanke Wege finden,

Und das ſchmaragdengruͤne Feld,

Mit Blumenzier verſetzet,

Anlachet euch die ſchoͤne Welt,

Herz und Augen ergoͤtzet.

Der dick belaubten Schatten-Zucht,

Seyd begruͤßet hohe Fohren;

An wuͤnſche ich allreife Frucht,

Gruͤnet lang ohn Verdorren;

Ihr Fichten und du Erlen-Stamm,

Die Baͤum zum Leben dienen

Geſichert ſeyd vor Feuers-Flamm,

Bluͤhet, fruchtet und gruͤnet.

Gelobet ſey du Wald-Gebaͤu;

Ihr hoch belaubte Eichen!

Benetze ſie mit Himmels-Thau,

An Himmel ſie ſchier reichen.

Und der vergoldte Sonnen-Glanz,

Will euch taͤglich anſchauen,

Umwindet er ſein Strahlen-Kranz,

Erfreuen ſich die Auen.

Hoͤret ihr Hirſchen, Gemſen, Reh,

Hoͤrt ihr Voͤgel auf den Baͤumen;

[403[413]]
Begruͤnet iſt der Garten-Klee,

Ihr ſollt euch nicht lang ſaͤumen,

Weil die Sonne nun heißer ſcheint,

Die Feigen-Baͤume lauben,

Und der edle Reben-Saft weint,

Hoͤret die Turteltauben.

Diana nun gieb her zum Tanz,

Mit Veilchen und Narciſſen,

Dein unverwelkten Jungfrau-Kranz,

Die Lieb hat alles zerriſſen,

Die Jag-Goͤttin in aller Eil,

Hat gluͤcklich abgeſchoſſen,

Leopold ihre Liebes-Pfeil,

Hat mildentlich genoſſen.

Es ſchweben die Voͤgel empor,

Mit ihrem krauſen Gezitzer

Und bringen erſtaunend hervor,

Ihr flattrendes Gezwitzer,

Es wimmelt der Fluth wallendes Heer,

Den hohen Gott zu preißen,

Erfuͤllet das ſchweifende Meer

Muſcheln zu fernen Reiſen.

Die Wurzel, Kraͤuter, Blumen, Fluhr,

Sich uͤberhaͤuft vermehren,

Die zahm und wilde Thier-Natur,

Huͤpfet dem Gott zu Ehren,

[404[414]]
Uns Menſchen kommt alles zu gut,

Kein Freude kann uns trennen,

Von Oſten, Weſten, Nord und Suͤd,

Dein goͤttlich Kraft erkennen.

Sobald der goldne Sonnen-Glanz

An jener Himmels-Zinnen,

Steht und bluͤhet der Ehe-Kranz,

So will er ſtetig gruͤnen,

Der Silberbach ſich merklich gießt

Mit uͤberhaͤuften Quellen,

Mit ſtarkem Liſpeln herumfließt,

Er faͤngt ſich an zu ſchwellen.

Die Erd, Waſen und Luft ſich paart,

Und manches Thier zuſammen,

Vermenget ſich die Blumen-Art,

Tanzen und wuͤnſchen Amen.

Vom Himmel ab der Perlen-Thau,

Faͤllt ſuͤß auf falbe Matten,

Befruchtet die friſch gruͤne Au,

Die Baͤume geben Schatten.

O Wunder großer Leopold!

Die hellen Aug-Kriſtallen,

Sey mir lieb, leib und immer hold,

Laß ſie dir nie mißfallen,

Vor deiner Gnade hohem Thron,

Genieß ich deine Strahlen,

[405[415]]
Von dir hab ich mein Hoffnungs-Kron

In dein Gnad laß mich wallen.

Es krauſelt und ſaͤuſelt der Schall,

Sein Stimme uͤberſteigen,

Es liſpelt, wiſpelt Nachtigall

Orgel, Lauten und Geigen,

Singe wacker, Reuter zum Pferd,

Vor dir muß alles ſchweigen,

Großer Leopold, du biſts werth;

Vor dir wir uns thun neigen.

Binken kann zwar der luſtig Fink,

Amſel, und Miſtler pſalliren,

Aber uͤberwunden der Zink,

Jedes Geſchoͤpf verſpuͤren,

Die goͤttlich Gnad ſey immer neu,

Laßt uns von Voͤgeln lernen,

Mit euch aufwachſe die Liebs-Treu,

So Schoͤpfers Lob vermehret.

Der Lenz, der bunte Blumen-Mann,

Mit Saft und Kraft erfuͤllet,

Iſt laͤngſten ſchon gekommen an,

Den rauhen Nord geſtillet,

Es hat der ſilberklare Bach,

Den Harniſch ausgezogen,

Es jagt die Flut, der Flute nach,

Immen Honig geſogen.

[406[416]]
Steigt die Lerche (Oeſterreich) wies Gluͤck,

wie viel mehr,

Zu Claudia's Ergoͤtzlichkeit,

Sie bringt vom blauen Himmel her,

Den Fruͤhling, die Freude allezeit,

Das Gluͤck in ſich wird vermehrt,

So mehret auch die Liebe,

Die ſchoͤnſte Welt iſt dunkel und leer.

Gute Nacht, braucht der Liebe!

Antwort Mariaͤ auf den Gruß der Engel.


Procopii Mariale festivale. S. 368.


Zwey Nachtigallen in einem Thal

Oftmals zuſammen ſtimmen,

Sie ſingen mit ſo ſuͤßem Schall,

Daß es recht Wunder nimmet:

Sie modulieren in die Welt,

Keine der andern weichet,

Den Tod ſie lieber leiden thaͤt,

Eh ſie der andern ſchweiget.

Zwey Nachtigallen ich ſingen hoͤr,

Ein Engel kommt vom Himmel,

Nach Nazareth, nicht ungefaͤhr,

Ins jungfraͤuliche Zimmer,

O wie ſo lieblich ſingt er an,

Das Jungfraͤulein Maria:

[407[417]]
Kein menſchlich Zung beſchreiben kann

Die ſuͤße Harmonie.

Was war nicht fuͤr ein Echo da,

Wie ſtimmten ſie zuſammen,

O waͤr ich doch geweſen nah,

Es wuͤrde mich entflammen.

Kein ſuͤßres Lied im Himmelreich,

Wird nimmermehr gehoͤret,

Als wenn die Selgen allzugleich

Wollen, was Gott begehret.

Ritter Peter von Stauffenberg
und die Meerfeye
.


Wahrhafte Geſchichte Herrn P. v. St. Straßburg bey B. Tobias Erben 1595.


I.Romanze.
Voruͤber zieht manch edler Aar,

Herr Peter ein theurer Ritter war,

Er war ſo keuſch, er war ſo rein,

Wie ſeines Antlitz edler Schein,

Er war bereit zu jeder Zeit,

Zu Schimpf, zu Ernſt, zu Luſt, zu Streit.

In junger Kraft, in fremdem Land,

Sein Mannheit machte ihn bekannt,

Als er nach Hauſe kehrt zuruͤck,

Bedenkt in ſich ſein hohes Gluͤck,

27.
[408[418]]
Langſam zur Burg hinauf thut reiten,

Was ſieht ſein Knecht zu einer Seiten?

Er ſieht ein ſchoͤnes Weib da ſitzen,

Von Gold und Silber herrlich blitzen,

Von Perlen und von Edelſtein,

Wie eine Sonne reich und rein,

Der Knecht winkt ſeinen Herrn zu ſich:

„Gern diente dieſer Fraue ich!“

Der Ritter gruͤßt in großer Zucht,

Er druͤckt an ſich die edle Frucht:

„Ihr ſeyd es Ritter, edler Herr,

„Das Wunder das mich treibet her,

„In allen Landen, wo ihr wart,

„Hab ich euch gluͤcklich ſtets bewahrt.“

„Kein ſchoͤner Weib hab ich erblickt,

„Ich lieb euch wie es aus mir blickt.

„Ich ſah euch oft im tiefſten Traum,

„Jezt glaub ich meinen Sinnen kaum,

„Wollt Gott, ihr waͤrt mein ehlich Weib,

„In Ehren dient ich eurem Leib.“

„Nun ſo wohl hin, ſprach da die Zart:

„Auf dieſe Red hab ich gewart,

„Ich zog dich auf mit Liebeskraft,

„Die alles wirkt, die alles ſchafft,

„Ich bin die Deine, ewig dein,

„Doch muſt du auch der Meine ſeyn.

[409[419]]
„Nie darfſt du nehmen ein ander Weib,

„Dir eigen iſt mein ſchoͤner Leib,

„In jeder Nacht, wo du begehrſt,

„Und Macht und Reichthum dir beſchert,

„Ein ewig endeloſes Leben,

„Will ich durch meine Kraft dir geben.

„Unangefocht wirſt du nicht bleiben,

„Man wird dich treiben, dich zu weiben,

„Wo dus dann thuſt, red ich ohn Zagen,

„So biſt du todt in dreyen Tagen;

„Sieh weg von mir und denke nach,

„Was dir dein eignes Herze ſagt.“

„Nun herzigs Weib iſt dem alſo,

„So werdet meiner Treue froh,

„Was ſoll ich fuͤr ein Zeichen haben,

„Daß ihr von mir wollt nimmer laſſen?“

„So trag von mir den goldnen Ring,

„Vor Ungluͤck ſchuͤtzet dich der Ring.“

Mit ſpielendem Kuß er Abſchied nahm,

Zur Meſſe er nach Nußbach kam,

Da ging er mit den Kreuzer auch,

Und nahte ſich dem Weiherauch,

Sein Leib und Seel er Gott befahl,

Er ſollt ihn ſchuͤtzen uͤberall.

II.Romanze.
Als er auf Stauffenberg nun kam,

Schnell ſprang da ab der edle Mann,

[410[420]]
Ein jeder wollt ihn ſehen, hoͤren,

Ein jeder wollt ihn hoͤher ehren,

Von ſeinen Dienern große Eil,

Von Fraun und Maͤdchen groß Kurzweil.

Zu Bette trachtet nur der Herr,

Nach ſeiner Frau verlangt er ſehr,

Viel herrlich Rauchwerk ward gemacht,

Das Bett verhaͤngt mit großer Pracht,

Den Dienern bald erlauben thaͤt,

Daß ſie ſich legten all zu Bett.

Er zog ſich ab, ſezt ſich aufs Bett,

Und zu ſich ſelber alſo redt:

„O haͤtt ich ſie im Arm allein,

„Die heut ich fand auf hohem Stein!“

Als er die Worte kaum noch ſprach,

Die Schoͤne er mit Augen ſah.

Viel froher Minne ſie begehn,

Sie mochten einander ins Herze ſehn,

Wenn einer thaͤt dem nachgedenken,

So moͤchte ihn wohl die Sehnſucht kraͤnken.

Als er erwachte, glaubt ers kaum,

Er fand den Ring, ſonſt wars ein Traum.

III.Romanze.
„Ihr wiſſet nun zu dieſer Friſt,

„Daß unſer Geſchlecht im Abgang iſt,

„So nehmt ein Weib, beruͤhmt und reich,

[411[421]]
„Ihr ſeyd ſchon jedem Fuͤrſten gleich,

„Wir bringen euch viel Fraͤulein ſchoͤn,

„Die euch gar gerne alle ſehn.“

Herr Peter war erſchrocken ſehr,

Sein Bruder ſchweigt, da ſprach der Herr:

„Ich dank euch edle Bruͤder mein,

„Doch kann es alſo noch nicht ſeyn,

„Zur Kaiſerkroͤnung geh ich hin,

„Nach Ruhm und Ehre ſteht mein Sinn.“

Die Meerfey gab ihm dieſen Rath,

Sie hat es ihm voraus geſagt,

Sie giebt ihm Gold und edlen Schmuck,

Wie keiner ihn ſo herrlich trug,

Sie kuͤſſet ihn und warnet ihn,

Daß er ſich nicht geb Weibern hin.

IV.Romanze.
Der Zierlichſte meinte ein jeder zu ſeyn,

Der Stauffenberger zog auch ein,

Seins Gleichen war zugegen nicht,

Der ſo zierlich einher ritt,

Der Koͤnig nahm ſein eben wahr,

Dazu die Frauen ernſthaft gar.

Trommeten fingen an zu blaſen,

Die Pferde fingen an zu toſen,

Da luſtig ward ſo Roß als Mann,

Wie das Turnier gefangen an,

[412[422]]
Herr Peter alle darnieder rennt,

Er macht dem Rennen bald ein End.

Als nun der Abend kam herbey,

Von neuem ging Trommetenſchrey,

Als ſie zu Hof gegeſſen hatten,

Den fuͤrſtlichen Tanz ſie allda thaten,

Des Koͤnigs Baſe ſchoͤn geziert,

Den erſten Dank in Handen fuͤhrt.

Von Gold und Perlen dieſen Kranz,

Dem Ritter ſezt ſie auf zum Tanz,

Thaͤt auf das gelbe Haar ihm ſetzen,

Thaͤt freundlich ihm den Finger pfetzen,

Gab ihre Lieb ihm zu verſtehn,

Durch manchen Blick ſchoͤn anzuſehn.

V.Romanze.
Der Koͤnig lag in ſeinem Bett,

Des Nachts ſeltſam Gedanken haͤtt,

Und ſeine Gedanken gingen ein

In ſeiner Baſe Schlafkaͤmmerlein,

Und immer ſchwerer kamen wieder,

Wie Bienen ziehn vom Schwaͤrmen nieder.

Am Morgen ſchickt er ſeinen Zwerg,

Zu Peter Herrn von Stauffenberg:

„Die Baſe mein von hoher Art,

„Die Fuͤrſtin, jung und reich und zart,

„Die will ich geben euch zum Weib,

„Mit ihrem Kaͤrntnerland und Leut.“

[413[423]]
Kein Wort kam aus des Ritters Mund,

Erſchrocken ſtand er da zur Stund:

„Mein Red halt mir fuͤr keinen Spott,

„Und nimm hiemit zu Zeugen Gott,

„Daß es mein ewger Ernſt fuͤrwahr,

„Daß euer die Fuͤrſtin ganz und gar.“

Herr Peter ſprach mit großen Treuen,

Der hohe Lohn koͤnnt ihn nicht freuen,

Wie er der Meerfey ſchon verlobt,

Der Untreu ſey der Tod gelobt,

Sonſt ſey er frey von Noth und Leid,

Mit Gut und Geld von ihr erfreut.

„Weh eurer Seele an dem Ort,

„Sie iſt verloren hier und dort,

„Seht Gottes Auge nimmermehr,

„Wenn ihr euch nicht von ihr abkehrt;

„Sollt ihr 'nen Geiſt zum Weibe haben,

„Nie werden euch die Kinder laben.

„Dem Teufel ſeyd ihr zugeſellt,

„Ihr armer Mann! Ihr theurer Held!“

So ſprach der Biſchof und der Koͤnig,

Der Ritter ſagt darauf zum Koͤnig:

„Es geht mir tief zu meinem Herzen,

„Und Gottes Gnad will nicht verſcherzen.“

Herr Peter ward verlobt ſogleich,

An Gold und edlen Steinen reich,

[414[424]]
O heller Glanz der Jungfrau fein,

Wem ſtrahlet er mit Freudenſchein.

Nach Stauffenberg ſie ziehen fort,

Zu feyern ihre Hochzeit dort!

Ihr duͤſtren Waͤlder auf dem Wege,

Was ſtreckt die Aeſte ihr entgegen,

Viel froher Schaaren ziehen ja,

Mit hellem Klange fern und nah,

Mit bunten Baͤndern, Scherz und Streit,

Iſt alles Luſt, iſt alles Freud.

VI.Romanze.
Auf Stauffenberg zur erſten Nacht,

Zur ſchoͤnen Frau ſein Herze dacht,

Alsbald an ſeinem Arme lag,

Die ſein mit ſteten Treuen pflag,

Sie weinte, ſprach: „Nun wehe dir,

„Du folgteſt gar zu wenig mir.

„Daß du ein Weib nimmſt zu der Eh,

„Am dritten Tag du lebſt nicht mehr,

„Ich ſag dir was geſchehen muß,

„Ich laſſe ſehen meinen Fuß,

„Den ſollen ſehen Frau und Mann,

„Und ſollen ſich verwundern dran.

„So nun dein Aug den auch erſieht,

„So ſollſt da laͤnger ſaͤumen nicht,

„Denn es ſich immer anders wendt,

[415[425]]
„Empfangt das heilge Sakrament,

„Du weiſt, daß ich dir Glauben halten,

„Auf ewig ſind wir nun zerſpalten.“

Mit naſſem Aug ſie zu ihm ſprach:

„Herr denket fleißig nach der Sach,

„Ihr dauret mich im Herzen mein,

„Daß ich nicht mehr kann bey euch ſeyn,

„Daß mich nun nimmer ſieht ein Mann,

„Ich fall in ewger Liebe Bann.“

Dem Ritter liefen die Augen uͤber:

„Soll ich denn nie dich ſehen wieder,

„So ſeys geklagt dem hoͤchſten Gott,

„Der ende balde meine Noth,

„Ach daß ich je zu Ruhm gekommen,

„Daß mich ein fuͤrſtlich Weib genommen.“

Sie kuͤßte ihn auf ſeinen Mund,

Sie weinten beide zu der Stund,

Umfingen einander noch mit Lieb,

Sie druͤckten zuſammen beyde Bruͤſt:

„Ach ſterben das iſt jezt euer Gewinn,

„Ich nimmermehr wieder bey euch bin!“

VII.Romanze.
Kein Hochzeit je mit ſolcher Pracht,

Gehalten ward bis tief in die Nacht,

Viel Lieder und viel Saitenſpiel,

Man hoͤrte in dem Schloſſe viel,

[416[426]]
Und alles bey dem Tiſche ſaß,

Man war da froͤhlich ohne Maaß.

Sie ſaßen da im großen Saal,

Alsbald da ſah man uͤberall,

Die Maͤnner ſahens und die Frauen,

Sie konnten beyde es anſchauen,

Wie etwas durch die Buͤhne ſtieß,

Ein Menſchen-Fuß ſich ſehen ließ.

Blos zeigt er ſich bis an die Knie,

Kein ſchoͤnern Fuß ſie ſahen nie,

Der Fuß wohl uͤberm Saal erſcheint,

So ſchoͤn und weiß wie Elfenbein,

Der Ritter ſtill ſaß bey der Braut,

Die ſchrie auf und ſchrie laut.

Der Ritter, als er den Fuß erſah,

Erſchrack er und ganz traurig ſprach:

„O Weh, o Weh, mir armem Mann!“

Und wurde bleich von Stunde an.

Man bracht ihm ſein kriſtallnes Glas,

Er ſah es an und wurde blaß.

Er ſah in dem kriſtallnen Pokale,

Ein Kind das ſchlief beym lauten Mahle,

Es ſchlief vom Weine uͤberdeckt,

Ein Fuͤßchen hat es vorgeſtreckt,

Doch wie der Wein getrunken aus,

So ſchwand das Kindlein auch hinaus.

[417[427]]
Der Ritter ſprach: „Der großen Noth,

„In dreyen Tagen da bin ich todt.“

Der Fuß, der war verſchwunden da,

Ein jeder trat der Buͤhne nah,

Wo doch der Fuß waͤr kommen hin,

Kein Loch ſah man da in der Buͤhn.

All Freud und Kurzweil war zerſtoͤrt,

Kein Inſtrument wurd nimmer gehoͤrt,

Aus war das Tanzen und das Singen,

Turnieren, Kaͤmpfen, Fechten, Ringen,

Das alles ſtill darnieder leit,

Die Gaͤſte fliehn in die Felder weit.

Die Braut nur bleibt bey ihrem Mann,

Der Ritter ſieht ſie traurig an;

„Geſegne dich du edle Braut,

„Du beibeſt bey mir, haſt mir vertraut.“

„Durch mich verliert ihr euer Leben,

„In geiſtlichem Stand will ich nun leben.“

Das heilge Oel empfing er dann,

Nach dreyen Tagen rief der Mann:

„Mein Herr und Gott in deine Haͤnd,

„Ich meine arme Seele ſend,

„Mein Seel thu ich befehlen dir,

„Ein ſanftes Ende giebſt du mir.“

Ein Denkmahl ward ihm aufgericht,

Von ſeiner Frau aus Liebespflicht,

[418[428]]
Dabey ſie baut die Zelle klein,

Und betet da fuͤr ihn ſo rein:

Oft betend kam die Meerfey hin,

Sie ſprach mit ihr aus gleichem Sinn.

Des Schneiders Feyerabend
und
Meiſtergeſang
.


Altes Lied in meinem Beſitz. C. B.


Und als ich ſaß in meiner Zell und ſchreib,

Da kamen drey Beginnen

So alte heil'ge Weib.

Sie laſen mir vor

Den ſchnellen grimmen Tod.

Ich bin ein armer Schneider,

Und leid' es wohl durch Gott,

Da hatt ich armer Schneider

Fuͤr ſie und mich kein Brod.

Die Erſte ſpann, den Faden dreht die Zweyt,

Die Dritte hielt die Scheere

Zum Schneiden ſchon bereit,

Sie laſen mir vor:

Zum ſchnellen grimmen Tod

Bereit dich armer Schneider,

Das Sterben thut dir Noth,

[419[429]]
Dieweil du armer Schneider

In deinem Sack kein Brod.

Und als ich hungrig ſaß in meiner Zell und ſchreib,

Da ſtiegen durch die Decke

Drey junge ſchoͤne Weib,

Sie ſangen mir vor

Wohl von der Ewigkeit,

Da haͤtt ich armer Schneider

Noch lange lange Zeit.

Gebt Brod mir armen Schneider,

Mein Weg iſt noch gar weit.

Die Erſte trug ein Speer, ein Saitenſpiel

Die Dritt, ein Lorbeerzweig die Zweyt,

Das war die Ewigkeit.

Die erſte ſang mir vor:

„Der Speer in gutem Streit,

„Der traͤgt das Lorbeerzweiglein,

„Der traͤgt die Ewigkeit!“

O haͤtt ich armer Schneider

Ein Staͤrkung in dem Streit.

Des zuͤrnt die alte Katz und knappet mit der Scheer,

Da ſteckt ich ſie zum Fenſter naus,

Auf meinem guten Speer,

Da las ich ihr vor:

„Dein ſchneller grimmer Tod,

„Trifft nicht mich tapfern Schneider,

„Ich fechte wohl um Gott,“

[420[430]]
Wer giebt mir muͤden Schneider

Zur Staͤrkung nun ein Brod.

Da reichte mir die Dritt das Lorbeerzweigelein,

Mein Haupt das war zu dicke,

Der Lorbeer war zu klein.

Die Zweyte ſang mir vor:

„Haͤtſt du die Harfe mein,

„Es muͤſt' der Kranz ſich weiten,

„Schluͤg' Gottes Finger drein!“

Ach haͤtt ich armer Schneider

Ein Truͤnklein rheinſchen Wein.

Da trat in meine Zell ein ſchoͤnes Jungfraͤulein,

Was trug ſie auf den Haͤnden?

Ein Becher Gotteswein.

Der ſang ich wohl vor,

Mein Harfe klang auch rein,

Der Lorbeer thaͤt ſich breiten,

Schloß uns in Schatten ein,

Sie warf mir armen Schneider

Ins Glas ihr Fingerlein.

Nun ſitze ich in meiner Zell und ſing

Und leere meinen Becher,

Da klingt der Buhlen Ring.

Den Alten ſing ich vor,

Sie ſchlafen nickend ein,

Mein Lieb nimmt ihren Faden,

Spinnt alte Zeit hinein,

[421[431]]
Und ſpinnt mir armen Schneider,

Ein Brauthemd obendrein.

Die Alte, die zum Fenſter naus nun knappet mit der

Scheer,

Die iſt der Werkſtadt Zeichen,

Lockt gut Geſellen her.

Ich ſinge ihnen vor,

Wie doch der grimme Tod

Nur ſey ein Baͤrenhaͤuter,

Vor Sang und Streit, und Gott,

Das bracht mich frommen Schneider

Wohl wieder an das Brod.
[[432]][[433]]

Von Volksliedern.


28.
[[434]][[435]]

Von Volksliedern.


An
Herrn Kapellmeiſter Reichardt
.


Wenn das Volk beym Einzuge ſeines Helden die Pferde vom
Wagen ſpannt, ſo thut es das wohl nicht, weil es beſſer ihn
zu ziehen meint, eben ſo ſpreche ich von Volksliedern im All-
gemeinen nur darum, einen guten Sinn zu bewaͤhren nicht
aber die wichtigen Unterſuchungen uͤber Einzelne derſelben zu
verdraͤngen oder aufzugeben; daß ich zu Ihnen ſpreche, findet
in unſrer Befreundung ſein Recht und in der Sache ſeinen
Grund. Haben Sie doch Selbſt mehr gethan fuͤr alten deutſchen
Volksgeſang, als einer der lebenden Muſiker, haben Sie ihn
doch nach ſeiner Wuͤrdigkeit den leſenden Staͤnden mitgetheilt,
haben Sie ihn doch ſogar auf die Buͤhne gebracht, in allem
Hohen iſt kein Ueberdruß, ſo werden Sie Sich gern wieder mit
mir zu einer hohen und herrlichen guten Sache hinwenden —
Ich fuͤhre ihnen manche Beobachtung vor, aus verſchiedenen
Zeiten, aus verſchiedenen Gegenden, alle einig in dem Glauben,
daß nur Volkslieder erhoͤrt werden, daß alles andre vom Ohre
aller Zeit uͤberhoͤrt wird. — Was iſt erhort? — Alles was
[426[436]] geſchieht, was nur entfallen, nicht vergeſſen werden kann, was
nicht ruht, bis es das Hoͤhere hervorgebracht, das iſt erhoͤrt.
Wohl wuſte ich das lange nicht, viele werden es mir nie glau-
ben, denn jeglicher muß ſelbſt im Schweis ſeines Angeſichts den
Kreis der Zeit um und um bis zum Anfange in ſich durchlaufen,
ehe er weiß, wie es mit ihr ſteht und wie mit ihm! — Was
ich unſre Zeit nenne, was in allen lebt, als Methode, was
keinem ein Wunder, das faͤngt mir in der Welt der Nachgedan-
ken mit Kirchenliedern an, lange von mir nicht gehoͤrt, bleiben
ſie mir doch gegenwaͤrtig. Ich hoͤrte ſie als Kind von meiner
Waͤrterin beym Ausfegen der Zimmer, das in gleichem Zuge
ſie begleite, mir ward dabey ganz ſtill, ich muſte oft an ſie
denken, jezt moͤgen Kinder ſie ſeltener hoͤren, und ich weiß
nicht, was ſie ſtatt ihrer denken moͤgen. Nachher hoͤrte ich in
geſelligen Kreiſen allerley Lieder in Schulzens Melodieen, wie
ſie damals in raſchen Pulſen des Erwachens ſich verbreiteten,
mein Hofmeiſter ruͤhmte ſie naͤchſt Gellert, mir war es nur
ums Ausſchreien darin zu thun, die Langeweile der Welt kuͤm-
merte mich nicht. Jezt muß ich ſagen, ſie ſind nicht ohne Bey-
ſtand geweſen gegen das damalige Streben zu Krankheit und
Vernichtung (die Sentimentalitaͤt *), es war doch darin ein
[427[437]] wahrer Ton, wie im derben Lachen aus Herzensgrund. Nach-
her ſcheint mir die Kraft wunderlich zerriſſen, vieles geht glaͤn-
zend voruͤber, da ſteht die Menge mit offnem Munde, dann
ſinkt es unter im Hexenkeſſel uͤberſchaͤtzter Wiſſenſchaft, worin
ſie damals uͤberkocht wurde. Was mir im Worte lieb, das
hoͤrte ich nie allgemein ſingen, und die ſchoͤnen Melodieen
pfiff ich lieber nach, die falſchen Kukuk-Eyer zu verdraͤngen,
welche dem edlen Singevogel ins Neſt gelegt. Hoͤrte ich von
Gebildeten nach Ihrer Eingebung zum Fluͤgel ſingen: Kennſt
du das Land, wo die Zitronen bluͤhen, da ſah ich die vier
Waͤnde umher wie herkuliſche Seulen, die nun fuͤr lange Zeit
den thaͤtigen lebhaften Theil des Volkes von dem feurigen Bette
der Sonne trennen. Sah ich dann ſtill vor ſich jemand den
wunderbaren Fiſcher (Goͤthe's) leſen, es war mir, als ſaͤhe ich
den herrlichen Gedanken halb ziehen halb ſinken ins Waſſer,
keine Luft wollte ſich ihm geſtatten. — So ging es dem Herr-
lichen, waͤhrend die ſchlechten Worte zum Theater ſich erhoben,
das damals mit Redensarten national werden wollte, in der
That aber immer fremder wurde der Nation, zulezt ſich ſogar
einbildete uͤber die Nation erhaben zu ſeyn (wohl einiger Fuß
hoher Bretter willen, wie das Hochgericht uͤber die Stadt.) Ja
wie ein Wiederhall fuͤhrte der edle Klang dieſe ſchlechten Worte
durch die Gaſſen, und die ernſten blauen Chorſchuͤler, wenn ſie
vor dem Hauſe ſich zuſammenſtellten, waren von dem Streit
des Doktors und Apothekers, des Poeten und Muſikers befan-
gen. Ein ſchoͤnes Lied in ſchlechter Melodie behaͤlt ſich nicht,
und ein ſchlechtes Lied in ſchoͤner Melodie verhaͤlt ſich und ver-
*)
[428[438]] faͤngt ſich bis es herausgelacht; wie ein Labirinth iſt es, einmal
hinein, muͤſſen wir wohl weiter, aber aus Furcht vor dem Lind-
wurm der drin eingeſperrt, ſuchen wir gleich nach dem auslei-
tenden Faden. So hat dieſe leere Poeſie uns oft von der Mu-
ſik vielleicht die Muſik ſelbſt herabgezogen. Neues muſte dem
Neuen folgen, nicht weil die Neuen ſo viel Neues geben konn-
ten, ſondern weil ſo viel verlangt wurde: ſo war einmal einer
leichtfertigen Art von Liedern zum Volke Bahn gemacht, die nie
Volkslieder werden konnten. In dieſem Wirbelwind des Neuen,
in dieſem vermeinten urſchnellen Paradiesgebaͤren auf Erden
waren auch in Frankreich (ſchon vor der Revolution, die dadurch
vielleicht erſt moͤglich wurde), faſt alle Volkslieder erloſchen, noch
jezt ſind ſie arm daran, was ſoll ſie an das binden, was ihnen
als Volk feſtdauernd? Auch in England werden Volkslieder ſel-
tener geſungen; auch Italien ſinkt in ſeinem nationalen Volks-
liede, in der Oper durch Neuerungsſucht der leeren Leute; ſelbſt
in Spanien ſoll ſich manches Lied verlieren und nichts Bedeuten-
des ſich verbreiten. — O mein Gott, wo ſind die alten Baͤume,
unter denen wir noch geſtern ruhten, die uralten Zeichen feſter
Grenzen, was iſt damit geſchehen, was geſchieht? Faſt ver-
geſſen ſind ſie ſchon unter dem Volke, ſchmerzlich ſtoßen wir uns
an ihren Wurzeln. Iſt der Scheitel hoher Berge nur einmal
ganz abgeholzt, ſo treibt der Regen die Erde hinunter, es
waͤchſt da kein Holz wieder, daß Deutſchland nicht ſo weit ver-
wirthſchaftet werde, ſey unſer Bemuͤhen.


Wo ich zuerſt die volle, thateneigene Gewalt und den Sinn
des Volksliedes vernahm, das war auf dem Lande. In warmer
Sommernacht weckte mich ein buntes Geſchrey. Da ſah ich aus
meinem Fenſter durch die Baͤume, Hofgeſinde und Dorfleute,
wie ſie einander zuſangen:


[429[439]]
Auf, auf, ihr Bruͤder und ſeyd ſtark!

Der Abſchiedstag iſt da,

Wir ziehen uͤber Land und Meer

Ins heiſſe Afrika.

Sie brachen ab und auf zu ihren Regimentern, zum Krie-
ge. Damals klang manches daran, was mir ſo in die Ohren
gefallen, alles reizte mich hoͤher was ich von Leuten ſingen hoͤr-
te, die nicht Saͤnger waren, zu den Bergleuten hinunter bis
zum Schornſteinfeger hinauf. Spaͤter ſah ich den Grund ein,
daß in dieſen ſchon erfuͤllt, wonach jene vergebens ſtreben, auf
daß ein Ton in vielen nachhalle und alle verbinde *), der hoͤchſte
[430[440]] Preis des Dichters wie des Muſikers, ein Preis der nicht im-
mer jedem Verdienſte gefaͤllt (wie manche Blume wird zertreten,
aber das friſche Wieſengras bringt tauſend), aber auf lan-
ge Zeit gar nicht erſchlichen werden kann, ſo daß jedes hundert-
jaͤhrige Lied des Volkes entweder im Sinn oder in Melodie, ge-
woͤhnlich in beyden tauget. —


Und als ich dieſes feſte Fundament noch unter den Wellen,
die alten Straßen und Plaͤtze der verſunkenen Stadt noch durch-
ſchimmern ſah, da hoͤrte ich auf, mich uͤber die großentheils
mislungenen Verſuche vieler Dichter und Muſiker, beſonders
des Theaterweſens zu aͤrgern. Vielleicht wuͤrde einmal das Vor-
treffliche ſonſt gar nicht entſtehen, gar nicht verſtanden werden!
Wo etwas lebt, da dringt es doch zum Ganzen, das eine iſt
Bluͤte das andre Blat, das dritte ſeine ſchmierige Wurzelfaſern,
alle drey muͤſſen vorhanden ſeyn, auch die ſaubern Fruͤchtchen,
die abfallen. Stoͤrend und ſchlecht iſt nur das Verkehrte in ſich,
der Baum mit der Krone eingepflanzt, er muß eine neue Krone,
eine neue Wurzel treiben, oder er bleibt ein duͤrrer Stab. Die-
ſer Art von wahrer Stoͤrung iſt die Beſchraͤnkung aller Theater-
erſcheinungen in Klaſſen und fuͤr Klaſſen der buͤrgerlichen Geſell-
*)
[431[441]] ſchaft, die entweder ganz unfaͤhig der Poeſie, oder unbeſtimmt
in ihrem Geſchmacke geworden. Beſchraͤnkung iſt aber das Tu-
gendprincip der Schwachheit, das Allgemeine verdammet ſie,
darum kann das Ueberſchwengliche nie von ihr gefordert werden.
Der Einfluß davon iſt unbegrenzt, denn indem die Schauſpieler
das Gemeine vornehm machen wollen, machen ſie das Ungemeine
auch nichts weiter als vornehm (ſie laſſen Muͤller und Schorn-
ſteinfeger ſich an einander abreiben). So ſuchen nun die Kuͤnſt-
ler aller Art um in gleichen Verhaͤltniſſen zu leben, wie ſie die-
ſelben gewoͤhnlich darſtellen, da ihren Lohn, wo ſie ſelten hinge-
hoͤren und nimmermehr hineinpaſſen ſollten, wo es der Zweck
des ganzen muͤhevollen Lebens, ſich ſo leiſe wie moͤglich neben
einander wegzuſchieben, ſie denken nicht, daß die beſten Stein-
ſchneider Sklaven, die beſten altdeutſchen Mahler zuͤnftig waren.
Daher das Abarbeiten ihrer edelſten Kraft an Formen des An-
ſtandes, die ihnen ſich ſelbſt gegeben, wenn ſie wirklich etwas
Wuͤrdiges geben: Daher das Bemuͤhen der Kunſtſaͤnger zu ſin-
gen, wie Vornehme gern reden moͤchten, ganz dialektlos, das
heiſt, ſie wollen ſingen ohne zu klingen, ſie moͤchten blaſen auf
einem Saiteninſtrumente. O ihr lebendigen Aeolsharfen, wenn
ihr nur ſanft waͤret; und wenn ihr ſanft waͤret, o haͤttet ihr
doch Ton. Dem geſchickten Kuͤnſtler ſind die Dialekte Tonar-
ten *), er vernachlaͤßigt keine, wenn er gleich nur in einer ſich
ſelbſt vorgezeichnet finden kann, das heutige Theater treibt ſie aus
einander nach Suͤden und Norden, Oſten und Weſten, keiner
kann ſich fuͤgen dem Fremden, da doch alle einander in Volks-
liedern begegnen, wie Luſtkaͤhne, die eben erſt vom gemeinſchaft-
[432[442]] lichen Geſpraͤche im Dunkeln auseinander treiben, bald wieder
zuſammen, ſich gleich wieder verſtehen durch Aneignen und Wei-
terſtreben, wenn auch in jedem das Geſpraͤch ſich anders gewen-
det. — Hinter dem Vornehmen Anſtande, hinter der vornehmen
Sprache verſteckt, ſcheiden ſie ſich von dem Theile des Volks,
der allein noch die Gewalt der Begeiſterung ganz und unbe-
ſchraͤnkt ertragen kann, ohne ſich zu entladen, in Nullheit oder
Tollheit. Unſre heutige Theater und Konzert-Theilnehmer,
wie wuͤrden ſie auseinander ſpringen, bey wahrer reiner Kunſt-
hoͤhe, ſie wuͤrden umſinken in der reinen Bergluft, oder fuͤhl-
los erſtarren. Ruft nicht dieſen Ton, ihren eigenen menſchlichen
Ton hinein ihr Saͤnger, ſie wuͤrden ſpringen wie Glaͤſer, die
tauſendmal an einander geſtoßen, doch nur zerſungen werden
koͤnnen mit ihrem Ton! — Sey ruhig gutes Publikum, den
Ton haben deine Saͤnger laͤngſt verloren, das Lebende von dem
Todten zu ſcheiden, dabey kannſt du noch das Heil deiner ſchlaf-
fen Seele in (dem engliſchen Salzflaͤſchchen) ihrer hoͤheren Kritik
ſuchen, in den wenigen vortrefflichen Formeln, welche die ganze
Welt packen und ſie in der Gravitation zwiſchen Ernaͤhrung
und Zeugung erhalten, worin ihr wie Muͤcken ſpielt. — Mit
großer Bravur koͤnnen wohl dieſe vortrefflichen Kunſtſaͤnger
ihren Kram ausſchreien und ausſtoͤhnen, man verſuche ſie nur
nicht mit einem Volksliede, da verfliegt das Unaͤchte, laßt ſie
auch nicht mit einander reden, ſie ſingen wohl noch mit ein-
ander, aber mit dem Sprechen geht der Teufel los. Entweder
haben ihre Sangſtuͤcke ſo unbedeutenden Charakter, daß er gar
nicht verfehlt werden kann, oder wenn wir zum rechten Ver-
ſtande davon kaͤmen, wir wuͤrden ſie hinunter jagen von ihren
Bretern, und uns lieber ſelbſt hinſtellen, zu ſingen, was uns
einfiele und allen wohlgefiele, Ball ſchlagen, ringen ſpringen
und trinken auf ihre Geſundheit. — Wollt ihr Saͤnger uns mit
[433[443]] der Inſtrumentalitaͤt eurer Kehle durch Himmel und Hoͤlle aͤng-
ſtigen, denkt doch daran, daß dicht vor euch ein großes phyſika-
liſches Kabinet von geraden und krummen hoͤlzernen und blecher-
nen Roͤhren und Inſtrumenten ſteht, die alle einen hoͤheren,
helleren, dauerndern, wechſelndern Ton geben als ihr, daß aber
das Abbild des hoͤchſten Lebens oder das hoͤchſte Leben ſelbſt,
Sinn und Wort, vom Ton menſchlich getragen, auch einzig
nur aus dem Munde des Menſchen ſich offenbaren koͤnne. Ver-
ſteckt euch eben ſo wenig hinter welſchen Liedern, dem einheimi-
ſchen Gefuͤhl entzogen ſeyd ihr dem Fremden nur abgeſchmackt.
Nein, es iſt kein Vorurtheil der Italiaͤner, daß jenſeit der Al-
pen nicht mehr Italiaͤniſch geſungen werde, daß ſelbſt nationale
Saͤnger ihren reinen italiaͤniſchen Geſang in der Fremde verlie-
ren: Denkt auch daran, daß es gar nichts ſagt, fremde Spra-
chen melodiſcher zu nennen, als daß ihr unfaͤhig ſeyd und un-
wuͤrdig der euern. Das weiß ich wohl, die Kunſtuͤbung erbt
ohne meinen Rath, wie die Pocken, in allen kraͤnklichen Rei-
zungen der Staͤdtlichkeit, Philoſophie und Liederlichkeit auf alle
Wohlgeſittete, die ſich den Bart nicht ſcheren, wenn er lang,
ſondern wenn ihr Tag gekommen; nicht einheizen, wenn ſie
frieren, ſondern wenn ihre Stunde kommen, ja es giebt ordent-
liche Regiſter uͤber die Kunſt auf dem Ruͤcken aller der bunt-
jaͤckigen Leute, denen die alten Komoͤdienzettel auf den Ruͤcken
geklebt, ich meine die Journaliſten. Wie vielmal dieſe Voͤgel-
ſcheuchen mit ihren unmaßgeblichen Meinungen ſich drehen, wo-
hin der Schlauch der Kunſtſpritzen ſich wendet, die Kunſt wen-
det ſich ſelten mit der Noth unſrer Zeit zu einer reinen Thaͤtig-
keit, ſie iſt faſt nie nothwendig, ſondern den meiſten eine boͤſe
Angewohnheit (wie der Schnupf-Tabak, die Leute verwundern
ſich, wie ſchnell ſie den Geſchmack aufgeben, wenn ſie die Doſe
einmal in eine andre Taſche ſtecken). Es muͤſte ſonderbar in
[434[444]] ihren Winter hinein bluͤhen, wenn ihnen ſo der Sinn fuͤr das
Große eines Volks aufgehen ſollte und fuͤr ſein Beduͤrfniß,
darum ſind eigentlich die Kuͤnſtler aller Art der Welt ſo uͤber-
fluͤßig, wie ſie gegenſeitig aͤrmlich, zufrieden, wenn einer ſie
verſteht unter tauſenden, gluͤcklich, wenn dieſer eine keinen
Ueberdruß an ihnen erlebt: Mag nur keine neue Voͤlkerwande-
rung kommen, was wuͤrde von dem allen bleiben, — ſicher kei-
ne Arbeniſche Ruinen!


Wir ahnden es ſchon hier, was wir in unſrer Geſchichte
nachgehend ſo allgemein durchgreifend fanden, es wird wohl ein
ſehr allgemeines Verhaͤltniß zur fruͤheren Geſchichte ihm Grund
legen. Denken wir dem nach, auf dem dunklen ſchwankenden
Schiffe der Gedanken, ſehen wir uns um nach den Wunder-
blumen, nach den Waſſerlilien, was die fernen Kuͤſten umgab,
da ſehen wir nur eine Stelle erleuchtet, dahin ſieht des Steuer-
manns Auge, es iſt die Windroſe, ſie ſchwebet feſt und wandel-
los und fuͤhrt uns wohl weit weg! Die Erde iſt umſchifft, wir
haben kein heimliches Grauen mehr vor dem Weltende, es liegt
feſt und ſicher vor uns, wie unſer Tod, es iſt in aller Welt ein
Verbinden getrennter Elemente, welche die innere Kraft jedes
Einzelnen ſchwaͤcht, nur mit hoͤchſter Anſtrengung jedes Einzel-
nen gluͤcklich beendigt werden kann. — Vielleicht mag dies blos
allgemein ſeyn, und darum gar nichts, aber ſo iſt der Ueber-
gang immer von ſich zur Welt, ich will ihn wenigſtens nicht
verſchweigen, vielleicht daß einer ihn mit mir fand. — Zunaͤchſt
haͤngt wohl dieſes Herabſinken ſchoͤnerer Bildung mit einer all-
gemeinen großen Erſcheinung der vorigen Jahrhunderte zuſam-
men, ich meine mit dem allgemeinen Klage- und Elend-Weſen.
Dieſes ſonderbare Bewuſtſeyn, wie ein Traͤumender laͤſt es das
Gluͤck aus der Hand fallen, weil ihm traͤumet, es falle, er muͤſſe
darnach greifen und nun haͤlt es Gluͤck und Traum fuͤr nichts,
[435[445]] weil es ihm nicht fortdauert. Als vorzeiten die Flagellanten in
Selbſtgeiſſelung wehklagend durch alle Straßen den Strom der
Voruͤbergehenden in ihren Ton hineinriſſen *), ſo verſtummte
in dieſer ſpaͤteren Selbſtpeinigung der Furcht noch einmal aller
edle Gemuͤthston. Die Regierungen glaubten es ihre Pflicht
dieſen Jammer zu ſtillen, ſtatt ihn in ſich ausgehen zu
laſſen, aber ſie waren demſelben Zeitgeiſte unterworfen, ſtatt
einer hoͤheren Thaͤtigkeit machten ſie gegenthaͤtige (antipoetiſche)
Bemuͤhungen, das Fieber ſollte ſich ſchwaͤcher zeigen, indem ſie
die geſammte Kraft des Koͤrpers minderten, von dem Zwecke des
Fiebers hatten ſie keine Vorſtellung, es war ihnen ein Miß-
verhaͤltniß weiter nichts. Die nothwendigen Laſten des buͤrger-
lichen Vortheils wurden Einheimiſchen wie Fremden verſteckt
und heimlich, das Regierungweſen ſchien daher den Regierten
dunkel und ſuͤndig. Nochmehr, es wurden ihnen Grenzen des
Nothwendigen geſezt, man ſchnitt die Freude davon ab — ſo
ward ihrem Leben aller Werth genommen, es entſtand eine
Sehnſucht nach dem Tode, an ſich ſelbſt Tod, der mit ſeinem
Knochenarm dem Lebenden eine Fallgrube graͤbt. In der Liebe
iſt keine Furcht, ſagt Johannes, es war dieſe Klage uͤber die
Selbſtentleibung von Deutſchland, wie jene der Chrimhilde,
welche immer neue Verzweiflung herbeyfuͤhrte. Die Spaltung
war gemacht, der Keil eingetrieben, bald ſollte der Staat nicht
[436[446]] mehr fuͤr die Einwohner, ſondern als Idee vorhanden ſeyn,
manches Volk kannte ſeinen eignen Namen nicht mehr und wo
ein Staat ſich ſelbſt geboren, da ſah man, daß die andern ei-
gentlich nur noch Namen waren. Dieſes Elendſeyn wurde ſo
auffallend, wie aus wurmſtichigem Holze der gelbe Staub, allen
hing es an, die auch vom Holze keinen Splitter, die Sentimen-
talitaͤt war nur eine Faͤrbung, ganz erſcheint es in der klaͤglichen
Sprache der niedern Staͤnde vieler Gegenden. Weisheit wurde
es den freudigen Augenblick wie Ungluͤckszeichen zu meiden,
waͤhrend ſeiner feſteſten Dauer ſein Vergehen voraus zu ſehen,
und den kuͤnftigen hellen Blick des Gluͤckes zu truͤben, mit der
Erinnerung, es gab noch einen helleren. Jeder wuſte uͤber ſein
Leben etwas zu ſagen, nur hatte keiner Leben, ſo wurde das Le-
ben verachtet, der Tod gefuͤrchtet, und die Gentalitaͤt bey dieſer
Aermlichkeit in Vollerey geſezt *). So war dieſe eitle Weis-
[437[447]] heit (wie die Petersburger Maͤgde um Schminke betteln ſollen)!
So wurde auf einmal die ganze Welt arm, ſchlechte Zeit,
ſchlechte Sitten und Weltuntergang, verkuͤndet in allem Frieden,
in allem Ueberfluß, in allem Fruͤhling. Weil keiner dem Dran-
ge ſeiner Natur, ſondern ihrem Zwange nachleben wollte und
konnte: ſo wurde ſchlecht Geld und kurze Ehle in Gedanken, wie
auf dem Markte. Kein Stand meinte, daß er wie die Fruͤchte
der Erde durch ſein nothwendiges Entſtehen trefflich gut ſey,
ſondern durch einige Taufformeln vom Zwecke ihres Geſchaͤfts
So wollte der Adel das Blut verbeſſern, die Kaufleute bildeten
ſich ein, eigentlich nur zur ſittlichen Kultur der Welt zu gehoͤ-
ren, die Gruͤbelnden, in ihren Worten ſey Seligkeit, die aber
alles verachteten, meinten es beſonders getroffen zu haben. Es
ließe ſich viel ſagen uͤber die allgemeinen Aſpekten dieſer Phaͤno-
mens, gehen wir nur in die naͤchſte Gemaͤhldeſammlung eines
alten Hauſes, wie auf einmal wahre Haͤßlichkeit, und mahleri-
ſche Falſchheit in die Welt gekommen. Wichtiger iſt es, die
Wirkungen dieſer allgemeinen Erſcheinung im Volksliede zu be-
obachten, ſein gaͤnzliches Erloͤſchen in vielen Gegenden, ſein
Herabſinken in andern zum Schmutz und zur Leerheit der be-
fahrnen Straße *).


Da alles, wie wir ſahen, klagend und gebrechlich erſchien,
*)
[438[448]] ſo verloren die Regierungen alle Achtung, alles Vertrauen zu
dem Einzelnen; was nicht durch allgemeinen Widerſpruch und
Aufruhr ſich verdammte, das ſchien der Aufmerkſamkeit unwuͤr-
dig, und dieſer allgemeine Widerſpruch wurde durch druͤckende
Verbote in ſeiner Aeußerung, ſelbſt dem beſtgeſinnten Herrſcher
ſo lange unhoͤrbar gemacht, bis ſeine Wuth, nicht ſein beſſerer
Wille alles uͤberſchrieen. Wem der Zufall zu einer wirkſamen
Stelle verhalf, dem glaubte man einen ſolchen vollſtaͤndigen
Volksverſtand angetauft, daß ſich das ganze Volk in ihm aus-
ſpreche. Freilich, wenn einer nur reden darf, ſo redet er im-
mer am kluͤgſten, die Muͤhe verſchiedene Sinne zu vereinigen,
wie es in der Berathſchlagung verſucht, in der Geſetzgebung
ausgefuͤhrt wird, ward ganz uͤberfluͤßig dadurch, man verwun-
derte ſich uͤber das kinderleichte Regierungsgeſchaͤft. Das Volk
kam dahin, die Geſetze, wie Sturmwind, oder irgend eine an-
dre unmenſchliche Gewalt zu betrachten, wogegen Waffnen, oder
Verkriechen, oder Verzweifeln diente. In dieſem Sinne wurde
lange geglaubt, viele zuſammen koͤnnten etwas werden, was
kein Einzelner darunter zu ſeyn brauche, ſo ſollte ſich kein ein-
zelner Krieger bilden, ſie wurden zur Ruhe und zum naͤhrenden
Leben eingepfercht, ſie muſten dem ewigen Streite gegen die
Barbaren entſagen. Man wollte keinen Krieger, doch wollte
man Kriegsheere, man wollte Geiſtlichkeit, aber keinen einzelnen
Geiſt. So wurde das Thaͤtige und Poetiſche im Lehr- und
Wehrſtande allmaͤhlig aufgehoben, wo nicht die allmaͤchtige Noth
alle Kraͤfte luͤftete, nur der Naͤhrſtand konnte nicht ſo unum-
ſchraͤnkt vernichtet werden, naͤhren muſte ſich doch jeder, ſo kuͤm-
merlich es ſeyn mochte. Darum finden wir auch das neuere
Volkslied, wo es ſich entwickelt, dieſem angeſchloſſen in maͤßiger
Liebe, Gewerb- und Handelsklagen, Wetterwechſel und gepfluͤg-
tem Fruͤhling. Aber ſo wenig die Glieder ohne den Magen, ſo
[439[449]] wenig war der Magen ohne die andern Glieder in jener uralten
Fabel, auch der Naͤhrſtand wurde enger, freudeleerer, beduͤrfti-
ger, befangener in dem Herkommen; nirgend leiſteten Feld,
Haus- und Werkarbeit, wies ihre Beſtimmung, die Nothdurft
des Menſchen mit geringerer Noth zu beſtreiten. Die Scheidung
zwiſchen Freude und Beduͤrfniß war einmal gemacht, es iſt das
Eigenthuͤmliche des Boͤſen, wie der Krankheit, wo es erſcheint,
da erſcheint es ganz, in ganzer Thaͤtigkeit, das Gute hingegen
und die Geſundheit wie Sterne dunkeler Nacht wird ſelten nicht
ſichtbar, dafuͤr leuchtet ſie ewig, waͤhrend der fliegende feurige
Drache in Funken zerſtiebt. Die Bauern mochten klagen daß
ihnen alle Freude milder Gabe genommen, die ſingenden from-
men Bettler wurden wie Miſſethaͤter eingefangen und gefangen
geſezt; verkappt, ſtill und heimlich mußte nun Armuth umher-
ſchleichen. Wenigſtens haͤtte das doch eine aufrichtige oͤffentliche
Unterſuchung erfordert, ob wir auf der Bildungsſtufe uns be-
finden, wo ſein eigner Herr nicht ſeyn kann, der ſich nicht ſelbſt
ernaͤhren kann. Vielleicht wuͤrde ſich finden, daß keiner mehr
ſein eigner Herr, daß alle bereits eingefangen in einem großen
Arbeitshauſe: Wozu alſo das Arbeitshaus im Arbeitshauſe! —
Ich greife unter dem Vielen nur heraus, was mir am naͤch-
ſten. — Wo es Volksfeſte gab, da ſuchte man ſie zu entweihen
durch Abnehmung alles lebendigen Schmuckes, oder durch un-
geſchicktes Umfaſſen, wobey ſie ihn zerbrechen, oder bis ſie ge-
faͤhrlich ſchienen in uͤbler Nachrede. Schauſpiel, Gaukelſpiel
und Muſik, wie die Stadt ſie zur Verſoͤhnung fuͤr ihre Ein-
kerkerung braucht, und das Land, wie es ſich daran freut in
dreytaͤgiger Hochzeit, in taggleichen nachtgleichen Kirmes, alles
dies wurde Eigenthum einzelner, um es beſteuern zu koͤnnen,
und durch den einen Schritt einem ſtrengen, aͤußern Drange,
einer fremden Beſtimmung, einem Stolze unterworfen, als
29.
[440[450]] waͤre ſolche Luſt etwas fuͤr ſich, ohne die, welche ſie hoͤren, als
waͤren ſie Meiſtergilden wie jene Alten *). Neue Feſte konnten
unter den Umſtaͤnden ſo wenig als neue Spruͤchwoͤrter allgemein
werden, die Roheit aͤußerte ihr uͤberfluͤßiges Leben in privilegir-
ter Unzucht. Freude und Geiſt blieben in einzelnen Kreiſen ver-
ſchloſſen, ein Spott gegen die andern und ſelbſt verſpottet; die
beſtehenden oͤffentlichen Vergnuͤgen, Maskenbaͤlle, Vogelſchießen,
Einzuͤge wurden meiſtens antheilloſere Formen, wie alte heili-
ge Chriſtbaͤume armer Familien, immer wieder beleuchtet,
immer duͤrrer in Blaͤttern. Die Volkslehrer, ſtatt in der Reli-
gion zu erheben, was Luſt des Lebens war und werden konnte,
erhoben ſchon fruͤh gegen Tanz und Sang ihre Stimme: wo ſie
durchdrangen zur Verodung des Lebens und zu deſſen heimlicher
Verſuͤndigung, wo ſie uͤberſchrieen, zum Schimpf der Religion.
Der Naͤhrſtand, der einzig lebende, wollte thaͤtige Haͤnde, wollte
Fabriken, wollte Menſchen die Fabrikate zu tragen, ihm waren
die Feſte zu lange Ausrufungszeichen, und Gedankenſtriche, ein
Komma meinte der, haͤtte es auch wohl gethan. Noch mehr,
ſeine Beduͤrftigkeit wurde den andern Staͤnden Geſetz (ſie muſten
alle zur Geſellſchaft mediziniren), weil der Naͤhrſtand eines
feſten Hauſes bedarf, ſo wurde jeder als Taugenichts verbannt,
der umherſchwaͤrmte in unbeſtimmtem Geſchaͤfte, als wenn dem
Staate und der Welt nicht gerade dieſe ſchwaͤrmenden Lands-
knechte und irrenden Ritter, dieſe ewige Voͤlkerwanderung ohne
Grenzverruͤckung, dieſe wandernde Univerſitaͤt und Kunſtverbruͤ-
derung zu ſeinen beſten ſchwierigſten Unternehmungen allein
[441[451]] taugten. Es iſt genug traͤger Zug im Menſchen gegen einen
Punkt, aber ſelten iſt die Thaͤtigkeit, welche durch Einoͤden
zieht und Samen wunderbarer Blumen ausſtreut, zu beyden
Seiten des Weges, wo er hintrifft, allen gegeben, wie der
Thau, wie der Regenbogen: doch wo er, vom Winde getragen,
hinreicht, da endet die unmenſchliche Einoͤde, es kommen gewiß,
die ſich unter den Blumen anſiedeln, um aus ihnen Luſt und
Leben zu ſaugen. — Warum zieht es uns in Buͤchern an, was
wir von den erſten Entdeckungsreiſen, von den Weltfahrten,
von ziehenden Schauſpielern, inſonderheit was wir von dem
wunderbaren Wandel des Zigeuner-Reichs leſen, im Kriege
aͤchte Soldaten, im Frieden zutrauliche Aerzte (deſſen die ge-
lernten ſich jezt faſt alle entwoͤhnt); ich erinnere mich noch ihrer
naͤchtlichen Feuer im Walde, wie ſie mir aus der Hand wahr
ſagten. Und ſagten ſie mir etwas Gutes, ſo ſage ich wieder
Gutes von ihnen. Wie die kleinen Zwerge, wovon die Sage
redet *), alles herbeyſchafften, was ſich ihre ſtaͤrkeren Feinde zu
Feſten wuͤnſchten, ſich ſelbſt mit Brodrinden des Mahles begnuͤ-
gend, aber einmal fuͤr wenige Erbſen, die ſie aus Noth vom
Felde naͤchtlich ablaſen, jaͤmmerlich geſchlagen und aus dem Lan-
de verjagt wurden, wie ſie da naͤchtlich uͤber die Bruͤcke weg-
trappelten, einer Schaafheerde zu vergleichen, wie jeder ein
Muͤnzchen niederlegen muſte und wie ſie ein Faß damit fuͤllten:
So danken wir die mehrſten unſrer Arzeneyen den Zigeunern **),
[442[452]] die wir verſtoßen und verfolgt haben: Durch ſo viel Liebe konn-
ten ſie keine Heimath erwerben! —


Auch die hellen Triangel der Boͤhmiſchen Bergleute klingen
den Kindern nicht mehr, am Leitbande darnach zu treten: die
treuen heilgen Drey Koͤnige begruͤßen ſie nicht mehr! — Aber
was rede ich von Kindern, waͤhrend die Politiker zehnmal in
einer Viertelſtunde zwiſchen Aufklaͤrung und Verfinſterung die
Welt wenden laſſen, weil es in ihre Koͤpfe aus allen Ecken
hineinblaͤſt, den alten Staub zu heben und wegzutreiben, viel-
leicht iſt in der Zeit anders geſchehen, was nicht bemerkt wurde,
eben weil es geſchah? — Das Wandern der Handwerker wird
beſchraͤnkt, wenigſtens verkuͤmmert, der Kriegsdienſt in fremdem
Lande hoͤrt ganz auf, den Studenten ſucht man ihre Weisheit allent-
halben im Vaterlande auszumitteln und zwingt ſie voraus darin zu
bleiben, waͤhrend es gerade das hoͤchſte Verdienſt freyer Jahre, das
Fremde in ganzer Kraft zu empfangen, das Einheimiſche damit aus
zugleichen. Dafuͤr wird dem Landmann gelehrt, was er nicht
braucht, Schreiben, Leſen, Rechnen, da er wenig Gutes mehr
zu leſen, nichts aufzuſchreiben, noch weniger zu berechnen hat.
In der Stadt macht die koͤrperliche Uebung druͤckender geiſti-
ger Anſtrengung Platz, um Kinder in die Plaͤtze der Maͤnner
einzuſchieben. Es mag verkehrt ſeyn *), wie zuweilen die Alten
[443[453]] in den Schulen behandelt worden, aber Wahnſinn iſt es, waͤh-
rend die Gebildeten ſich ihrer als Meiſter ruͤhmen und Aeltern
aus Gewohnheit ihnen wohl wuͤnſchen, daß unwiſſende Vorſte-
her dieſe einzige uns uͤbrige feſte hiſtoriſche Wurzel ausreiſſen:
Sind denn Kinder Kartenblaͤtter, die thoͤrichte Spieler einander
an den Kopf werfen? — Was erſcheint, was wird, was ge-
ſchieht? — Nichts? — Immer nur die Sucht der Boͤſen die
Welt ſich, und alles der Nichtswuͤrdigkeit in der Welt gleich zu
machen, alles aufzuloͤſen, was enger als ein umzaͤuntes Feld,
an den Boden des Vaterlandes bindet, der Gedanke, es iſt
derſelbe Boden, auf dem wir in Luſt geſprungen. Wer ſo
denkt, wird feſt und herrlich ſich und ſeinen Nachkommen bauen,
wem aber die Baukunſt fehlt, dem fehlt ein Vaterland. Wer
nun fuͤhlt, daß ſeinem beſſern Leben ein Vaterland fehlt; geh'
in die Komoͤdie, ſagt mancher, da iſt poetiſcher Genuß, da
ſingt's und klingts! — Aber was iſt das poetiſcher Genuß? —
Wo das Weſen dem Leben ausgegangen, da ſendet es einen
Schatten zu unſrer Furcht, daß wir uns ſelber nicht vergeſſen:
So iſt unſer Schauſpiel vom wahren Volksſchauſpiel ein fratzen-
hafter Schatten; und kein Volksſchauſpiel kann entſtehen, weil
es den Kuͤnſten kein Volk giebt; die aͤußere Noth hat ſie ver-
bunden nicht innere Luſt, ſonſt waͤre ein Volk, ſo weit man
deutſch am Markte reden hoͤrt. Wiſſet, Kuͤnſtler ſind nur in
*)
[444[454]] der Welt, wenn ſie ihr nothwendig, ohne Volksthaͤtigkeit iſt
kein Volkslied und ſelten eine Volksthaͤtigkeit ohne dieſes, es
hat jede Kraft ihre Erſcheinung, und was ſich voruͤbergehend
in der Handlung zeigt, das zeigt in der Kunſt ſeine Dauer
beym muͤſſigen Augenblicke. Kritik iſt dann ganz unmoͤglich, es
giebt nur Beſſermachen und Anerkennen, nichts ganz Schlech-
tes; unendlich viel laͤſt ſich dann in der Kunſt thun, wenig
daruͤber ſagen denn ſie ſpricht zu allen und in allen wieder,
kein Vorwurf iſt dann das Gemeine, ſo wenig es den Waͤldern
Vorwurf, daß ſie alle gruͤn, denn das Hoͤchſte, das Schaffende
wird das Gemeinſte, der Dichter ein Gemeingeiſt, ein spiritus
familiaris
in der Weltgemeine. —


Daß aber Volksthaͤtigkeit wirklich fehle, wer zweifelt, es
fehlt an Krieg, es fehlt an Frieden, eine unerſchwingliche Laſt
waͤlzt ſich den Sohnen auf! — Daß ich klage, werden Sie
ſagen, was ich ſelbſt als die hoͤchſte Laͤſterung des Jahrhunderts
angeklagt; wer kann ſich freymachen allein, aber drein wettern
moͤchte ich koͤnnen mit Fluch und Blitz: Blau Feuer, ſagte der
wackere Schaͤrtlin, alle Kopiſterey und Kortiſaney zerriſſen, wir
wuͤrden alle reich! Seit ich denken kann, merke ich einen immer
langſamern Gang menſchlicher Thaͤtigkeit, wie die Stunden der
Ruhe und Nahrung einander verdraͤngen und beeintraͤchtigen, ſo
haben alle Leidenſchaften und Liebhabereyen ihre kuͤrzere Perio-
de, geringeren Grad; die meiſten ſpringen von ihrem Geſchaͤfte
ab, wie duͤrres Holz vom Heerd, ja viele dringen nie bis zu
der Einigkeit der Welt mit ſich vor, wo eines ſie erfuͤllen und
befriedigen kann, das ſind die ſehnenden, waͤhnenden Embryo-
nen von Menſchen, wenigen iſt Jugend, wenigen Alter. Wie
die Balken unſrer Decken heutiges Tags von einem ſonſt unbe-
kannten Schwamme verſchwaͤcht werden, ſo werden die Menſchen
um uns ploͤtzlich hohl und leer, da ſie noch kaum angefangen zu
[445[455]] tragen und zu ſtuͤtzen, zu leiſten und zu ſtreben. Wo ſeyd ihr
verſunken? Ihr liegt verloren im Allgemeinen, im Weltmeere
mit tauſend Schaͤtzen. Den Stoͤrchen moͤchte ich zuwinken:
Bleibt weg, holt keinen aus dem großen Waſſer auf die Welt,
er ſehnt und treibt ſich doch wieder hinein, wie es auch ebbend
vor ſeinem Fuße fliehen mag. Aber es giebt nur einen Teufel
und viel Engel, iſt wohl noch Rettung, iſt die Wahl nur eure
Qual?—Ob ſich etwa die Welt ausruht zum Auſſerordentlichen?
Das Speculiren, was ſo ernſthaft genommen wird, macht es
wahrſcheinlich, denn dies iſt der Traum der Thaͤtigkeit, nur
der Morgentraͤume ſind wir uns bewußt. Wenn ich Abends im
Winterſturm beim Schauſpielhauſe *) voruͤberziehe, wo Licht
und Leben erloſchen, ich denke wohl, die ſtille Uhr uͤber den
langwierigen Stunden wird einmal anſchlagen, der hohe Dekkel
ſich eroͤffnen vom Sarge, die Larve wird durchbrochen von ei-
nem bunten Chor, die neue Bande aufſteigen, ausfliegen durch
das Land, fliegen auf allen Toͤnen, alle erwecken, die ſchon
ſchlafen gegangen! Das Eis haͤlt lange, ehe es bricht und traͤgt
viel, aber wer nur einmal uͤber das glatte Eis durch alle wun-
derbare Bahnverſchlingungen ſeiner Vorlaͤufer feſt dahingefah-
ren, wo ſeine Augen den Schein der Sonne vor ſich her ſprin-
gen ſahen, er ahndet das freudige Leben im freyen Strom —
zu ſchwimmen darin, zu ſegeln darauf, hindurch dem rauchenden
Hirſche nachzureiten, dann bey ihm auszuruhen im Gruͤnen, die
Sterne darin zu ſehen, kommen und untertauchen in ewiger
Witterung. Ja, wer nur einmal im Tanze ſich verloren und
vergeſſen, wer einen Luftball ruhig wie die Sonne emporziehen
[446[456]] ſah, den lezten Grus des Menſchleins darin empfing, der e-
mals vom jubelnden Taktſchlage der Janitſcharen hingeriſſet,
einen Feind gegen ſich den muthigen Freund neben ſich glaubte,
der die Reiter auf Wolken gegen ſich anſprengen ſah, unwtier-
ſtehlig, wie ein Trompetenſtoß den maͤchtigen Strom hemnte;
der etwa gar im Sonnenſcheine einer Kriegsflotte Anker-Lichten
ſah, wo wenige Augenblicke hinreichten voll Weben und Leben
auf Maſten und Stangen, dieſe goldenen Schloͤſſer und Galle-
rieen, alle wie Floſſen eines Fiſches ruhig in das luftbegrenzte
Meer hinſchwinden zu ſehen, alles Dinge, die uns umgeben,
uns begegnen, der muß an eine hoͤhere Darſtellung des Lebens,
an eine hoͤhere Kunſt glauben, als die uns umgiebt und be-
gegnet, an einen Sonntag nach ſieben Werktagen *), den jeder
fuͤhle, der jedem frommt. Und waͤren ſie tauſendmal nicht ge-
hoͤrt, es brauchen nur einmal, wenn dieſer Tag gekommen, und
dieſe Morgenſtunde, alle Thuͤrmer herunterpoſaunen zu dem
Liede der Schuͤler, zu den Glocken, wie wir auch ſanft ruhen,
wir werden doch lieber erwachen, da wird alles anſpringen, da
wird die Laſt ſich heben, wie die Anker bey dem einfachen Liede
der Matroſen, wenn ſie nur alle zuſammen ſingen. Was ich
hoffe iſt kein leerer Traum, die Geſchichte hat es ſo oft bewaͤhrt,
wie das reine Streben der Menſchen in gewiſſen Perioden ſie-
gend und ſingend hervortritt, Kunſtwerke gefunden, erfunden
und hoͤher verſtanden werden! Wer kann ſich enthalten, zu
glauben, wo er in eine heiſſe Glashuͤtte tritt, einige rothe Netze
um ihn ziehen, andere maͤchtig das Glas fuͤr ihn aufblaſen, was
da aus dem rothen Feuer durchſichtig werde, ſey ein Jubelbe-
[447[457]] cher, ihn im heißen Netze zu kuͤhlen: und iſt es nun gekuͤhlt,
ſo iſt es ein elendes gebrechliches zitterndes Singglas kein Glas
wobey er ſingen kann. Es ſind der Singglaͤſer doch endlich ge-
nug gemacht, wir werden endlich alle zuſammenſchlagen zum
Pokal? Bricht aus den Springkugeln dazu die Spitze, daß ſie
zu Staub zerfallen, in dem lange ſchon die große Zahl der
Dichter, Schauſpieler und Saͤnger ſcheinlebend umherverkauft
wurde. — Hoͤrt nur, wie die Zugvoͤgel ſchoͤn ſingen dem neuen
Fruͤhling: da ziehen ſchon die wackern Handwerksgenoſſen mit
Buͤndel und Felleiſen in langen Reihen uͤber den Weg; wie ſie
zuſprechen bey ihrem Zeichen; wie die Fenſterſcheiben und das
goldene Schild vom echten Grundbaß erzittern, wo ſie ſingen
iſt keine Halbſtimmigkeit, wo Deutſche gebraucht werden, von
London bis Moskau und Rom, kein halbſinniges Lied:


Friſch auf, ihr Burſche! wandert mit,

Holt Buͤndel und Felleiſen,

Doch eh wir mit dem lezten Schritt

Der Stadt den Ruͤcken weiſen,

Schenk Maͤdchen uns noch Kuß und Wein,

Drauf mit der Sonn zu reiſen.

Liebesroſe, Lied 18.


Es iſt mir wohl begegnet im Herbſte, wenn ſchon alles faſt ſtill
und abgefallen, einen dichten krauſen Baum mit ſich umrunge-
nen Aeſten, von Staaren wie durchdrungen, klingen und gleich-
ſam auffliegen zu ſehen, ſo ſangen mir deutſche Handwerker
luͤftend ins Herz bey dumpfer Nachtluft hollaͤndiſcher Kanaͤle,
ein kleines Segel flatterte von ihrem Geſange, an bunten Baͤn-
dern ſchien das Schiff ſchneller fortgezogen. Wer hat ſo etwas
nicht oͤfter erlebt und ſey es auch nur im Traume? So hoͤrte
ich auch uͤber die Londonbruͤcke Hannoͤverſche Fluͤchtlinge: ein
freyes Leben — hinſingen, als ich mit Sehnſucht nach meinem
[448[458]] Vaterlande den Waſſerſpiegel herabſah, da ſchien mir auch jener
Boden befreundet mit ſeiner zornigen rothen Abendſonne. —
Noch nicht ganz erdruͤckt von der ernſthaften Dummheit die ihr
aufgebuͤrdet, lebt euch das froͤhliche geſangreiche Symbol des
werkthaͤtigen Lebens, die Freimaurerey. Noch ſtehen mitten
inne als Kuͤnſtler und Erfinder der neuen Welt die herrlichen
Studenten; ſie beften die hoͤchſten Bluͤthen ihrer friſchen Jahre
ſich an den bezeichnenden Hut und laſſen die farbigen Blaͤtter
hinwehen weit uͤber Berg und Thal und in die Waſſer. — Auch
die Baͤnke der rauchenden Wachſtuben werden nicht immer von
den Muſen gemieden, und wenn ſie auch zuweilen nicht hinein
koͤnnen, ſo ſehen ſie doch nach ihrem Lieblingsſitz durch die Fen-
ſter: wenn die uͤberwachte Schildwache Nachts ein ſchauerliches
Anſchlagen der Gewehre hoͤrt, ſie ſpielen mit den blanken ſchnell-
fertigen, lebendigen Gewehren. Es wird eine Zeit kommen, wo
die druͤckende langweilige Waffenuͤbung allen die hoͤchſte Luſt und
Ehre, das erſte der oͤffentlichen Spiele, hoͤchſte Kraft und Zier-
lichkeit zu einem Tanze verbunden ausdruͤcket. Fuͤr jede Thaͤtig-
keit giebt es einen Preis, wer dieſen kennt, hat jene. Wer hat
es erlebt, was den Schwindelnden auf glattem Stege haͤlt, un-
ter ihm brauſet der Strom, Felſen und Baͤume drehen ſich
uͤber ihm, — ein maͤchtiger Marſch haͤlt ihn, faͤllt er ihm zur
rechten Zeit ein, und aller Schwindel verſchwindet; wie die
Tritte hinter ſeinem Ruͤcken. So begreift man Taillefers Ge-
ſang, der in jener beruͤhmten Schlacht bey Haſtings, England
fuͤr Wilhelm eroberte, indem er die unerſchuͤtterliche Ordnung
der Sachſen durchſchrie. So mag auch wohl die Macht der ru-
miſchen Verſe geweſen ſeyn. Wir begreifen nun leicht, wie
unſere gebildetere Zeiten bey der Vernachlaͤßigung des aͤrmeren
Lebens (denn das ſind die unteren Klaſſen jetzt) ſo viele leere
Kriegslieder entſtehen ſahen, waͤhrend jeder der fruͤheren deut-
[449[459]] ſchen Kriege in dem gemeinſamen Mitwirken Aller zu großer
That herrliche Geſaͤnge hervorrief. Wer hat es je vor- oder
nachgedichtet, was Zinkgref *) aus aller braven Landsknechte
Mund im oͤden dreiſſigjaͤhrigen Kriege, lehrend uns zu Gemuͤthe
fuͤhrt:


Drum gehe tapfer an, mein Sohn, mein Kriegsgenoſſe,

Schlag ritterlich darein, dein Leben unverdroſſen

Fuͤrs Vaterland aufſez, von dem du frey es auch

Zuvor empfangen haſt, das iſt der Deutſchen Brauch.

Dein Herz und Auge laß mit Eifers Flamme brennen,

Kein menſchliche Gewalt wird dich vom andern trennen.

Es weht von deinem Haupt die Fahne bald hinweg,

Der Jugend Uebermuth, der Unordnung erweckt.

Kannſt du nicht fechten mehr, du kannſt mit deiner Stimme,

Kannſt du nicht rufen mehr, mit deiner Augen Grimme

Den Feinden Abbruch thun in deinem Heldenmuth,

Nur wuͤnſchend, daß du theur verkaufen moͤgſt dein Blut.**)

Im Feuer ſey bedacht, wie du das Lob erwerbeſt,

Daß du in maͤnnlicher Poſtur und Stellung ſterbeſt,

An deinem Ort beſtehſt feſt mit den Fuͤßen dein,

Und beiß die Zaͤhn zuſamm und beyde Lefzen ein.

Daß deine Wunden ſich lobwuͤrdig all befinden,

Da vorne auf der Bruſt, und keine nicht dahinten,

[450[460]]
Daß dich dein Feind der Tod im Tod bewundernd zier,

Dein Vater im Geſicht dein ernſtes Leben ſpuͤr.

Mein Sohn, wer Tyrannei geuͤbriget will leben,

Muß ſeines Lebens ſich freiwillig vor begeben,

Wer nur des Tods begehrt, wer nur friſch geht dahin,

Der hat den Sieg und dann das Leben zu Gewinn.

Ja wir fuͤhlen es, wie die Sprache unter dem gewaltigen
Triebe in ſolchen Punkten ſich weitet, wir ſehen dagegen die
ruhige ſinkende Erde aſiatiſcher Steppen in der ſtillen Verſteine-
rung (Steinfermentation) allmaͤhlig allem lebenden Eindrucke
ſich verſchließen, jene Freiheit alter Sprache, die Starrheit der
heutigen, ſie ſagen mehr, als ich ſagen mag. Doch dieſes wie
ſo manches andere wunderbare Lied iſt aus den Ohren des Vol-
kes verklungen, den Gelehrten allein uͤbrig blieben, die es nicht
verſtehen, alle Volksbuͤcher ſind ſo fortdauernd blos von unwiſ-
ſenden Speculanten beſorgt, von Regierungen willkuͤhrlich leicht-
ſinnig *) beſchraͤnkt und verboten, daß es faſt nur ein Zufall,
oder ein hohes Schickſal, wie uns ſo manches Wunderſchoͤne in
dieſen Tagen angemahnt hat, zu fuͤhlen und zu wiſſen, zu ahn-
den, zu traͤumen was Volkslied iſt und wieder werden kann,
das Hoͤchſte und das Einzige zugleich durch Stadt und Land **).
[451[461]] Aber in den Gelehrten, wie ſie vom Volke vergeſſen, ſo liegt
gegenſeitig in ihnen der Verfall des Volks, das tiefere Sinken
der Gemuͤther, die Unfaͤhigkeit mit eigenwilliger froher Erge-
benheit dienen und mit unbeſorgtem allgemeinen Willen zu be-
fehlen, ja bis zur Unfaͤhigkeit des Vergnuͤgens, was die tiefſte
Entartung andeutet, die faſt aufgegebene Freiheit des Lebens.
— Die Gelehrten indeſſen verfaſſen ſich uͤber einer eigenen vor-
nehmen Sprache, die auf lange Zeit alles Hohe und Herrliche
vom Volke trennte, die ſie endlich doch entweder wieder vernich-
ten oder allgemein machen muͤſſen, wenn ſie einſehen, daß ihr
Treiben aller echten Bildung entgegen, die Sprache als etwas
Beſtehendes fuͤr ſich auszubilden, da ſie doch nothwendig ewig
fluͤſſig ſeyn muß, den Gedanken ſich zu fuͤgen, der ſich in ihr
offenbahrt und ausgießt, denn ſo und nur ſo allein wird ihr
taͤglich angeboren, ganz ohne kuͤnſtliche Beihuͤlfe. Nur wegen
dieſer Sprachtrennung in dieſer Nichtachtung des beſſeren poeti-
ſchen Theiles vom Volke mangelt dem neueren Deutſchlande
großentheils Volkspoeſie, nur wo es ungelehrter wird, wenig-
ſtens uͤberwiegender in beſondrer Bildung der allgemeinen durch
Buͤcher, da entſteht manches Volkslied, das ungedruckt und un-
geſchrieben zu uns durch die Luͤfte dringt, wie eine weiſſe Kraͤhe:
wer auch gefeſſelt vom Geſchaͤfte, dem laͤſt ſie doch den Ring
niederfallen des erſten Bundes. Mit wehmuͤthiger Freude uͤber-
kommt uns das alte reine Gefuͤhl des Lebens, von dem wir
nicht wiſſen, wo es gelebt, wie es gelebt, was wir der Kind-
**)
[452[462]] heit gern zuſchreiben moͤchten, was aber fruͤher als Kindheit zu
ſeyn ſcheint, und alles, was an uns iſt, bindet und loͤßt zu ei-
ner Einheit der Freude. Es iſt, als haͤtten wir lange nach der
Muſik etwas geſucht und faͤnden endlich die Muſik, die uns
ſuchte! —


Es wird uns, die wir vielleicht eine Volkspoeſie erhalten,
in dem Durchdringen unſerer Tage, es wird uns anſtimmend
ſeyn, ihre noch uͤbrigen lebenden Toͤne aufzuſuchen, ſie kommt
immer nur auf dieſer einen ewigen Himmelsleiter herunter, die
Zeiten ſind darin feſte Sproſſen, auf denen Regenbogen Engel
niederſteigen, ſie gruͤßen verſoͤhnend alle Gegenſaͤtzler unſrer
Tage und heilen den großen Riß der Welt, aus dem die Hoͤlle
uns angaͤhnt, mit ihrem Zeigefinger zuſammen. Wo Engel
und Engel ſich begegnen, das iſt Begeiſterung *), die weiß von
keinem Streit zwiſchen Chriſtlichem und Heidniſchem, zwiſchen
Helleniſchem und Romantiſchem, ſie kann vieles begreifen und
was ſie begreift, ganz, und rein, ein Streit des Glaubens
wird ihr Wahnſinn, weil da der Streit aufhoͤrt, wo der Glau-
[453[463]] be anfaͤngt; noch wahner der Streit uͤber Kunſt *), welche nur
ein Ausdruck des ewigen Daſeyns. Wo Kugel auf Kugel
trift, da ſinken beyde eintraͤchtig zuſammen, wie die Hexame-
ter zweyer Homeriden. — Wen die Muſik nur einmal wirklich
beruͤhrt, den draͤngt und treibt ſie etwas aufzuſuchen, was nicht
Muſik **), worin ſie ihre veruͤbereilende Macht binden kann.
Im Alterthume ſcheint die Muſik der Plaſtik naͤher verbunden,
vor den Goͤtterbildern toͤnend zu erſcheinen, war ein Feſt, die
Memnonſeule iſt uns ein Symbol dafuͤr; vielleicht war Muſik
eben ſo in der Zeit der Mahlerey dieſer ſehr wahr; allgemeiner
iſt Muſik und urſpruͤnglicher (bey uns beſonders an den Ufern
der Donau) dem Tanze, (am Rheine) dem Worte verbun-
den ***). Der deutſche Tanz, das einfache Zeichen der Annaͤhe-
rung, Verbindung und Aneignung waͤchſt an den Ufern der
[454[464]] Donau, bis zur reichſten inneren Bedeutſamkeit im oberoͤſter-
reichiſchen Laͤndriſchen, die Muſik waͤchſt und wetteifert mit ihm
in hoher Erfindſamkeit und der Sinn beſchraͤnkt ſich immer feſter
auf die gemeinſchaftliche eigne Bildung des Volks *). Es iſt
nicht jene wohlige frohmuͤthige Zaͤrtlichkeit durch Schwaben und
Oeſterreich, die uns in den unzerriſſenen Gegenden des Rheins
ergreift, es iſt oͤfter ein Spott der Liebe in der Liebe, ein
Uebermuth, der ſich verzagt ſtellt, ein Kind das ſich vor unſern
Augen hinter einen Strauch ſtellt, heraus rufend: Wo bin ich?
So iſt Melodie und auch ihr Wort, wo ſie zu Worten kommt,
in der Liebe (die ſich ſelbander Einſamkeit iſt), beym Weine,
beym Jagdtreiben, auf Wallfahrten, oder wo das Alter die
Sehnen der Fuͤße abſpannt:


Es iſt nit lang, daß es g'regnet hat,

Die Baͤumli troͤpfle noch,

Ich hab einmal ein Schaͤtzl gehabt,

Ich wollt ich haͤtt es noch.

Dagegen ſingen wohl die Jungen:


In dem Waſſer ſchnalzt der Fiſch,

Luſtig wer noch ledig iſt.

Was von den Sizilianern erzaͤhlt wird, die ſpielende Freu-
digkeit, in der alles zum Liede wird und ohne die Nichts ein
[455[465]] Lied, die findet ſich faſt dort allein, wo ein Blat mit Reimen,
die ſie an Bildern, oder in Jagdbuͤchern abſuchen *), jung und
alt erfreut. Als zwey eigenthuͤmliche Wiederklaͤnge dieſes Sinns,
welche ſtatt zu wiederholen, die Worte umkehren ſind die tief-
gefuͤhlten Berglieder der Bayriſchen und Tyroler Alpen zu hoͤren,
ſo auch die rein witzigen Lieder, wie ſie zur Zeit des Faſchings
in den Tanzkellern der Wiener Vorſtaͤdte umgehen, die kommen
und gehen wie die Wuͤnſche, wie die Sorgen der Zeit, ohne
der Ewigkeit eingedruckt zu werden **)


30.
[456[466]]

Vom Tanze verlaſſen in der Sommereinſamkeit, zu einfach
anderer Kunſt ſingt der Hirte an den Quellen des Rheins dem
ewigen Schnee zu:


Iſt noch ein Menſch auf Erden,

So moͤcht ich bey ihm ſeyn.

So klingen die Quellen des Rheins hinunter, dann immer
neuen Quellen und Toͤnen verbunden, vom luſtigen Neckar an-
gerauſcht, ein maͤchtiger Strom, der von Mainz mit dem wein-
froͤhlichen ſingenden Mayn verbunden, nur geſchieden von ihm
durch Farbe, doppelſtimmig die vergangene Zeit in heutiger
Friſche umſchlingt, eine ſinnreiche Erinnerung fuͤr uns. Stau-
nend ſaß ich da unter den luſtigen Zechern im vollen Markt-
ſchiffe, ſah drey wunderlichen Mu [...]ker mit immer neuem Liede
zu, jeder ihrer Zuͤge eine alte ausgeſpielte Saite, jeder ihrer
Toͤne ein ausgebiſſen Trinkglas, ewig hin und zuruͤck geht das
Schiff, ihre Wiege, ihr Thron, ſie ſinds, die dieſe arme wuͤſte
Marktwelt (wie Kraut und Ruͤben unter einander geworfen) zu
einem wechſelnden, lauten und ſtillen Gedanken-Chore verbin-
den, daß neben ihnen die ruhigen reichern Dorfer wie unerreich-
bare Sterne und Monden, ohne Sehnſucht, ohne Preis vor-
**)
[457[467]] uͤberſchwimmen. Das Wunderbare hat immer einen fremden
Uebergang, der Zauberſtab unterſcheidet ſich erſt von einem ge-
woͤhnlichen Stabe nur durch die Farbe, ſo mag auch dieſe Kunſt
uns nur vorbereiten auf jene hoͤhere am Rheine, der endlich
ermuͤdet vom wechſelnden Reiz, wie das Gold im Sande ſich
verliert. Hier zwiſchen den Bergen beym Oſtein leben noch alle
die hochherzigen Romanzen, die Herder und Elwert geſammelt *),
viel ſchoͤnere noch, die eben nur ſelten gehoͤrt werden, weil ſie
nur ſelten wahrhaft ſich fuͤgen; ſie ſind in dem Munde der
meiſten Schiffer und Weinbauern gleich der pastorella gentil,
der zingarella und aͤhnlichen in Italien. Wie die Jacht mit
den Reiſenden durch das Waſſer ſchaͤumt, in jeder Uferkruͤm-
mung von den Truͤmmern der Vorzeit einen Wiederhall aufruft,
ſo wechſeln die Lieder, und wo ſie ausſteigen:


Der Kukuk mit ſeinem Schreyen,

Macht froͤhlich jedermann,

Des Abends froͤhlich reihen

Die Maidlein wohlgethan,

Spazieren zu den Brunnen,

[458[468]]
Bekraͤnzen ſie zur Zeit,

All Volk ſucht Freud und Blumen,

Mit Reiſen fern und weit.

Kennſt du das Land wo die Zitronen bluͤhen? Italien iſt
entdeckt, wo der Wein reift an allen Orten. Und als ich im
mittellaͤndiſchen Meere ſchiffte, der Schiffer ſein Lied ſang auf
alles, was uns traf, Windſtille und Seekrankheit, bis ihm der
Sturm das Lied von der Lippe blies, da floß der Rhein. Ganz
beſonders iſt es aber der Rhein, wenn ſich die Winzer zur
ſchoͤnſten aller Ernten im alten Zauberſchloſſe der Giſella, Nachts
verſammeln, da flammt der Heerd, die Geſaͤnge ſchallen, der
Boden bebt vom Tanz:


Da droben am Huͤgel

Wo die Nachtigal ſingt,

Da tanzt der Einſiedel,

Daß die Kutt in die Hoͤh ſpringt.

Viele der Singweiſen deuten auf einen untergegangenen
Tanz, wie die Truͤmmer des Schloſſes auf eine Zauberformel
deuten, die einmal hervortreten wird, wenn ſie getroffen und
geloͤſt. Durch die luſtige Schaar der Winzer zieht dann wohl
ein Frankfurter mit der Guitarre, ſie ſammeln ſich um ihn,
ſie ſtaunen dem Koͤnig von Tule, der Becher ſtuͤrzt in den
Rhein, der Ernſt ihres Lebens wird ihnen klar, wie wir klar
ſehen in wunderbaren Gedanken durch dunkle Nacht. — Wo
Deutſchland ſich wiedergebiert, wer kann es ſagen, wer es in
ſich traͤgt, der fuͤhlt es maͤchtig ſich regen. — Als wenn ein
ſchweres Fieber ſich loͤſt in Durſt, und wir traͤumen das lang-
gewachſene Haar in die Erde zu pflanzen, und es ſchlaͤgt gruͤn
aus [und] bildet uͤber uns ein Laubdach voll Blumen, die ſchoͤnen
weichen den ſpaͤten ſchoͤneren, ſo ſcheint in dieſen Liedern die
Geſundheit kuͤnftiger Zeit uns zu begruͤßen. Es giebt oft Bil-
[459[469]] der, die mehr ſind als Bilder, die auf uns zuwandeln, mit
uns reden, waͤre ſo doch dieſes! Doch bewaͤhrt die tiefe Kunſt-
verehrung unſerer Zeit, dieſes Suchen nach etwas Ewigem,
was wir ſelbſt erſt hervorbringen ſollten, die Zukunft einer Re-
ligion, die dann erſt vorhanden, wenn alle darin als Stufen ei-
nes erhabenen Gemuͤths begriffen, uͤber das ſie ſelbſt begeiſtert
ausflorirt. In dieſem Gefuͤhle einer lebenden Kunſt in uns
wird geſund, was ſonſt krank waͤre, dieſe Unbefriedigung an
dem, was wir haben, jenes Klagen der Zeit. Wir denken um-
her und werden aufmerkſam, wie ſo vieles uns nimmer abge-
ſtoßen, wenn wir es nicht verkehrt angezogen, wie der groͤßere
Theil der Welt, eine fremde Atmoſphaͤre, durch unſere Luft
haͤtte hindurch gehen koͤnnen, fuͤr uns unſchwer, fuͤr uns un-
warm, keine Macht uͤber uns habend, als unſre Furcht davor.
Große Kunſt des Vergeſſens, in dir ſcheidet ſich alle fremde Pe-
ſtilenz von unſrer Heimath, fort mit dem Fremden im Frem-
den, die Welt klimatiſirt ſich uns, fort mit dem Fremden im
Einheimiſchen! Nur darum iſt Italien uns Italien, weil es
kraͤftig genug war, lange das Fremde zu uͤberſehen: von ſeinen
Schauſpielen her klingen noch die Lieder allen durch die Gaſſen,
und die Handwerker, die vor den Thuͤren arbeiten, lernen ſie
den Voruͤbergehenden ab, Eitelkeit kennen ſie dabey nicht, denn
ſie kennen die Freude darin. Da mag die Muſik wohl den gif-
tigen Biß der Tarantel heilen. — Darum kann ich auch der
Englaͤnder nicht zuͤrnen, die uͤber eine Miniſterveraͤnderung kaum
aufmerken, waͤhrend ein italieniſches Muſikwunder im hoͤchſten
Glanze vor ihnen erſcheint, ſie muͤſten ihr Hoͤchſtes opfern,
wenn ſie dieſe Goͤttergunſt erhalten wollten. Hoͤren ſie doch m[it]
herzlicher Theilnahme jedem rothbemaͤntelten Weibe an der S [...]-
ſenecke zu, das von Maria von Schottland ſingt, jagen ſie doch
dem Jagdhorn eifrig nach und regen die Fuͤße, wo die ſchotti-
[460[470]] ſche Sackpfeife ſich hoͤren laͤßt. Nein, eine hoͤhere Muſik giebt
es wohl nicht, als die der Matroſen von Lord Nelſons Sieg,
wie ſie die Huͤte ſchwenken und die Stimmen, daß die Wolken
verziehen von ihrem Konzertſaale, wo Wagenrollen der Akkord
und Grundbaß. Ich denke mir dabei die Worte des Kaiſers: *)
„Heiliger Gott! Heiliger Gott, was iſt das? Der ein hat eine
„Hand, ſo hat der andre ein Bein, wenn ſie dann erſt zwo
„Haͤnd haͤtten und zwey Bein, wie wollt ihr dann thun?“


Noch lehrreicher iſt vielleicht die Zuſammenſtellung der Wa-
liſchen Bardengeſchichte mit den Schottiſchen Saͤngern **). Jene
lebten in einer feſten Kunſtverbindung, hatten vieljaͤhrigen Un-
terricht, Ehre, Fuͤrſtengunſt, aber ſeit ſie von der Religion ge-
ſchieden, treten ihre Geſaͤnge faſt nur im aͤuſſerſten Elende ſchoͤn
und rein hervor; das nur laͤutert ſie zur Wahrheit, dagegen
entſtanden bey ihnen ſonſt nur laͤcherliche Streitigkeiten fuͤr Har-
monie gegen Melodie, Machtſpruͤche und alles das kritiſche
Elend, was nachahmend auch bey uns uͤber der Poeſie ***) ſchwebt.
[461[471]] Nur da geachtet, wo ſie recht und ganz gehoͤrt wurden, ohne
Kunſtregel und Schule blieben die Schottiſchen Baͤnkelſaͤnger dem
Großen und der Erfindung treu, ſo konnte ihnen auch die Form
nicht fehlen. Die Waͤliſchen klagten immer, die Kunſt ſterbe
aus, ſie war aber ſchon in ihnen ausgeſtorben; die Schotten
hatten viel Groͤßeres zu klagen und zu freuen, denn die Kunſt
lebte ihnen; bey jenen mußte ein Geſez den Schuͤlern verbie-
then, ihre Lehrer in der Begeiſterung nicht zu rupfen und aus-
zulachen: dieſe brauchten keinen ſolchen wunderlichen Anlauf zur
Poeſie, wer dichtete, dem war dies Natur und Leben, wobey er
keine Geſichter ſchnitt. Die Lieder der Waͤliſchen konnten durch
einen tollen Eroberer faſt vertilgt werden, dieſe Schottiſchen le-
ben ſich noch aus dem Herzen des Volks in den Mund unſterb-
lich. — Wenn nun ſo einfache leichte Kunſt viel wirkt, wie
kommt es, daß oft die ſchwere gehaͤufte ſogenannte Kunſt nichts
leiſtet? Wer nicht das Hoͤchſte will, kann auch das Kleinſte
nicht; wer nur fuͤr ſich ſchafft in ſtolzer Gleichguͤltigkeit, ob es
einer faſſe und trage, wie ſoll er andre erfaſſen und ergreifen;
wer nur um jenes Voͤlkchen buhlt, das immer laͤuft und klap-
pert, ſich immer was zu ſagen hat und eigentlich nie etwas
ſagt; ſie gleiten beide ab, nicht weil die Welt wirklich Eis,
ſondern weil ſie die beiden Eispole aufſuchen. — Auch muͤſſen
wir oft denken, es iſt unendlich leicht, recht kuͤnſtlich zu ſcheinen,
wenn man das Leichte ſchwer, das Schwere leicht nimmt; doch
was iſt dieſer Schein? Er waͤre das Weſen, wenn es nicht er-
***)
[462[472]] ſchiene *). Solch eine Spiegelung nach oben nach unten, wie
ſie leer, ſo voruͤbergehend iſt ſie, und doch geht darin Morgen-
ſtrahl und Leben, Auſſicht und Hoffnung auf, ein ewiges geiſti-
ges Menſchenopfer. Sehe jeder nur frey und ganz, wie er ge-
ſtellt, und einer iſt dem andern nothwendig, keinem iſt das
aſtraliſche Verhaͤltniß entzogen, jeder iſt ein Kuͤnſtler, der das
mittheilen kann, was ihm eigenthuͤmlich im All, die andern zu
erklaͤren. Dem aber ſind die Aſpecten beſonders guͤnſtig, dem
ein wichtiges allgemeines Wirken muͤhlos vorbereitet, der ohne
Arbeit erndtet und alle ernaͤhrt im gottaͤhnlichen Leben: So wird
es dem, der viel und innig das Volk beruͤhrt, ihm iſt die
Weisheit in der Bewaͤhrung von Jahrhunderten ein offnes Buch
in die Hand gegeben, daß er es allen verkuͤnde, Lieder, Sagen,
Spruͤche, Geſchichten und Prophezeihungen, Melodieen **), er
[463[473]] iſt ein Fruchtbaum, auf den eine milde Gaͤrtnerhand weiße und
rothe Roſen eingeimpft zur Bekraͤnzung. Jeder kann da, was
ſonſt nur wenigen aus eigner Kraft verliehen, maͤchtig in das
Herz der Welt rufen, er ſammelt ſein zerſtreutes Volk, wie es
auch getrennt durch Sprache, Staatsvorurtheile, Religionsirr-
thuͤmer und muͤßige Neuigkeit, ſingend zu einer neuen Zeit un-
ter ſeiner Fahne. Sey dieſe Fahne auch nicht geſtickt mit Tro-
phaͤen, vielleicht nur das zerriſſene Segel der ſchiffenden Argo-
nauten, oder der verſezte Mantel eines armen Singers *), wer
ſie traͤgt, der ſuche darin keine Auszeichnung, wer ihr folgt,
der finde darin ſeine Schuldigkeit, denn wir ſuchen alle etwas
Hoͤheres, das goldne Flies, das allen gehoͤrt, was der Reich-
thum unſres ganzen Volkes, was ſeine eigene innere lebende
Kunſt gebildet, das Gewebe langer Zeit und maͤchtiger Kraͤfte,
den Glauben und das Wiſſen des Volkes, was ſie begleitet in
Luſt und Tod, Lieder, Sagen, Kunden, Spruͤche, Geſchichten,
Prophezeihungen und Meloͤdieen, wir wollen allen alles wieder,
geben, was im vieljaͤhrigen Fortrollen ſeine Demantfeſtigkeit
bewaͤhrt, nicht abgeſtumpft, nur farbeſpielend geglaͤttet, alle
Fugen und Ausſchnitte hat zu dem allgemeinen Denkmahle des
groͤßten neueren Volkes, der Deutſchen, das Grabmahl der Vor-
zeit, das frohe Mahl der Gegenwart, der Zukunft ein Merk-
mahl in der Rennbahn des Lebens: Wir wollen wenigſtens die
Grundſtuͤcke legen, was uͤber unſre Kraͤfte andeuten, im feſten
Vertrauen, daß die nicht fehlen werden, welche den Bau zum
Hoͤchſten fortfuͤhren und Der, welcher die Spitze aufſetzt allem
Unternehmen. Was da lebt und wird, und worin das Leben
haftet, das iſt doch weder von heute, noch von geſtern, es war
und wird und wird ſeyn, verlieren kann es ſich nie, denn es
[464[474]] iſt, aber entfallen kann es fuͤr lange Zeit, oft wenn wir es
brauchen, recht eifrig ihm nachſinnen und denken. Es giebt eine
Zukunft und eine Vergangenheit des Geiſtes, wie es eine Ge-
genwart des Geiſtes giebt, und ohne jene, wer hat dieſe?


Berlin im Januar 1805.


Ludwig Achim von Arnim.


Nachſchrift an den Leſer.


Herr Kapellmeiſter Reichardt hat einen Theil des vorſtehenden Sendſchrei-
bens in ſeiner geachteten muſikaliſchen Zeitung bekannt gemacht; er for-
derte bei dieſer Gelegenheit von mir den Abdruck des Ganzen. Wie er-
freulich iſt es mir, etwas zu thun, was ihm lieb und wuͤrdig ſchien, in-
dem ich zugleich fuͤr den Zweck dieſer Betrachtungen der Volkslieder durch
die Sammlung aus dem Wunderhorne mitwirke. Von dieſer unſrer Samm-
lung kann ich nur mit ungemeiner Neigung reden, ſie iſt mir jezt das
liebſte Buch, was ich kenne, nicht was mein Freund Brentano und ich
dafuͤr gethan, ungeachtet es gern geſchehen, ſondern was innerlich darin
iſt und weht, die friſche Morgenluft altdeutſchen Wandels. Waͤr ich ein
Bienenvater, ich wuͤrde ſagen, es war der lezte Bienenſtock, er wollte
eben wegſchwaͤrmen, es hat uns wohl Muͤhe gemacht, ihn im alten Hauſe
zu ſammeln, bewahrt ihn, ſtoͤrt ihn nicht, genießt ſeines Honigs wie
recht. Unrecht iſt es, fuͤr die einzelne Schoͤnheit einer Gegend aufzuwek-
ken, den ſie in ſchoͤnere Traͤume vertieft, darum kein naͤheres Wort uͤber
die bedeutende Schoͤnheit jedes einzelnen dieſer Lieder, blos literariſche
Merkwuͤrdigkeit iſt meines Wiſſens keins, jedes athmet, pulſirt in ſich, lau-
ter friſche, ſpielende, ringende Kinder, keine hoͤlzerne Puppen, die ſelbſt-
echte Dichter, aus Angewohnheit des Bildens, ihren echten Kindern nach-
machen. — Dem verſtaͤndigen Leſer wird dies zum aufmerkenden Leſen ge-
nuͤgen; was die Recenſeuten anbelangt, ſie leſen dies ſo wenig als das
uͤbrige, wir leſen ſie dafuͤr eben ſo wenig, ſo ſind wir miteinander im
ewigen Frieden.


Heidelberg im Juli 1805.


[465[475]]

Appendix A Lieder-Anfaͤnge.


Appendix B Seite


  • Ach Gott wie weh thut Scheiden 206
  • Ach wie lang hab ich ſchon begehrt 174
  • Algerius ſagt Wunderding 353
  • Als ich gen Antiocha kam 146
  • Als nach Japan weit entlegen 157
  • Als die Preuſſen marſchirten vor Prag 237
  • Andreas lieber Schutzpatron 341
  • Annchen von Tharau iſts die mir gefallet 202
  • Angenehme Taube 134
  • Antonius zur Predig 347
  • Auf. auf ihr Bruͤder und ſeyd ſtark 315
  • Aus hartem Weh, klagt ſich ein Held 391
  • Auf! richtet Augen Herz und Sinn 183
  • Bey meines Buhlen Kopfen 212
  • Bluͤhe liebes Veilchen 329
  • Buͤble, wir wollen auſſe gehn 372
  • Buko von Halberſtadt 92
  • Chriſtus der Herr im Garten ging 142
  • Da droben auf jenem Berge 102
  • Da nun Abends in dem Garten 166
  • Das Maͤgdlein will ein Freyer haben 309
  • Der Franz laͤſt dich gruͤßen 301
  • Der Herr der ſtellt ein Gaſtmahl an 382
  • Der Kommandant zu Gros-Wardein 64
  • Der Koͤnig uͤber Tiſche ſaß 379
  • Seite
  • Der Kukuk auf dem Birnbaum ſaß 241
  • Der Kukuk auf dem Zaune ſaß 313
  • Der May will ſich mit Gunſten 201
  • Der Sultan haͤtt ein Toͤchterlein 15
  • Der truͤbe Winter iſt vorbey 142
  • Der Winter iſt ein ſcharfer Gaſt 39
  • Des Jerman Weizers Fraue ward 322
  • Des Morgens zwiſchen dreyn und vieren 72
  • Des Nachts da bin ich gekommen 182
  • Des reichen Schloſſers Knab 319
  • Die Biene kam geflogen 349
  • Die Faſtnacht bringt uns Freuden viel 74
  • Die Roſe bluͤht, ich bin die fromme Biene 251
  • Sie Sonne, die iſt verblichen 389
  • Die Waſſerruͤben und der Kohl 90
  • Die Zeitung flog von Land zu Land 58
  • Dort oben in dem hohen Haus 213
  • Ein Baͤumlein zart 124
  • Ein feſte Brug iſt unſer Gott 112
  • Ein fromme Magd von gutem Stand 306
  • Ein Knab auf ſchnellem Roß 13
  • Ein Maͤgdlein zu dem Brunnen ging 156
  • Ein Magd iſt weiß und ſchoͤne 40
  • Ein Pilger wollt ausſpuͤren 262
  • Es blies ein Jaͤger wohl in ſein Horn 34
  • Es fuhr ein Maidlein uͤbern See 42
  • Es geht ein Butzemann 97
  • Es ging ein Muͤller wohl uͤber Feld 218
  • Es ging ein Maͤgdlein zarte 24
  • Es ging ein Schreiber ſpazieren aus 53
  • Es hatte ein Bauer ein ſchoͤnes Weib 345
  • Es hatte ein Bauer ein Toͤchterly 281
  • Es iſt nicht lange, daß es geſchah 125
  • Es iſt ein Schnitter der heißt Tod 55
  • Es iſt die wunderſchoͤnſte Bruͤck 209
  • Es iſt kein Jaͤger er hat ein Schuß 141
  • Es iſt kommen, es iſt kommen 115
  • Es iſt nichts luſtigers auf der Welt 43
  • Es jagt ein Jaͤger wohlgemuth 303
  • Es kam ein Herr zum Schloͤßly 362
  • Es liegt ein Schloß in Oeſterreich 220
  • Es reiſt ein Pilgersmann nach Morgenland hinaus 398
  • Es reit ein Herr und auch ſein Knecht 294
  • Es ritt ein Herr mit ſeinem Knecht 339
  • Seite
  • Es ritten drey Reiter zum Thor etc. 253
  • Es ritt ein Tuͤrk aus Tuͤrkenland 36
  • Es ritt einſt Ulrich ſpazieren aus 274
  • Es reit der Herr von Falkenſtein 255
  • Es ritt ein Jaͤger wohlgemuth 37
  • Es ritt ein Ritter wohl durch das Ried 306
  • Es ſtand ein Baum im Schweizerland 356
  • Es ſtehen drey Stern am Himmel 282
  • Es ſah eine Linde ins tiefe Thal 61
  • Es ſind einmal drey Schneider geweſen 325
  • Es ſpielt ein Ritter mit ſeiner Magd 50
  • Es trug das ſchwarzbraune Maͤgdelein 189
  • Es thaͤt ein Fuhrmann ausfahren 203
  • Es war einmal ein junger Knab 317
  • Es war ein Markgraf uͤber dem Rhein 83
  • Es war eine ſchoͤne Juͤdin 252
  • Es waren drey Geſellen 32
  • Es waren drey Soldaten 48
  • Es wirbt ein ſchoͤner Knabe 236
  • Es wollt die Jungfrau fruͤh aufſtehn 258
  • Es wollt ein Maͤdchen fruͤh aufſtehn 395
  • Es wollt ein Maͤdchen Roſen brechen gehn 192
  • Es wollt ein Jaͤger jagen 139
  • Es wollt gut Jaͤger jagen 140
  • Es wollt ein Jaͤger jagen 292
  • Es wohnt ein Pfalzgraf an dem Rhein 259
  • Es wohnt ein ſchoͤnes Jungfraͤulein 366
  • Ey wie ſo einſam, wie ſo geſchwind 375
  • Friſch auf, ihr tapfern Soldaten 254
  • Gar hoch auf jenem Berg allein 69
  • Geh ich zum Bruͤnnelein 190
  • Gott gruͤß euch Alter, ſchmeckt das Pfeifchen 384
  • Gott geb ihm ein verdorben Jahr 32
  • Groß Lieb thut mich bezwingen 277
  • Guten Morgen Spielmann 308
  • Haſt geſagt, du willſt mich nehmen 373
  • Herr Olof reitet ſpaͤt und weit 261
  • Herzlich thut mich erfreuen 239
  • Hier ſind wir arme Narren 29
  • Hoͤrt ihr Chriſten mit Verlangen 214
  • Hoͤrt wie die Wachtel im Gruͤnen ſchoͤn ſchlaͤgt 159
  • Ich armer Tambursgeſell 78
  • Ich armes Keuzlein kleine 233
  • Ich empfinde faſt ein Grauen 57
  • Seite
  • Ich eß nicht gerne Gerſte 30
  • Ich hoͤr ein wunderliche Stimm 311
  • Ich hoͤrt ein Fraͤulein klagen 314
  • Ich kam vor einer Frau Wirthin Haus 22
  • Ich kann und mag nicht froͤhlich ſeyn 205
  • Ich ſchlaf allhie 149
  • Ich ſchwing mein Horn ins Jammerthal 162
  • Ich ſoll und muß ein Buhlen haben 80
  • Ich ſprech wenn ich nicht luͤge 343
  • Ich ſtund auf an eim Morgen 5
  • Ich verkuͤnd euch neue Mehre 330
  • Ich war der kleinſte meiner Bruͤder 79
  • Ich war noch ſo jung, und war doch ſchon arm 100
  • Ich will mich aber freuen gegen etc. 103
  • Ich will zu Land ausreiten 128
  • Ich weiß mir 'n Maͤdchen huͤbſch und fein 207
  • Ich weiß mir einen ſchoͤnen Weingarten 165
  • Jeſaia dem Propheten das geſchah 20
  • Jezunder geht mir mein Trauern an 374
  • Ihrer Hochzeit hohes Feſt 178
  • In Frauenſtadt ein harter Mann 117
  • In einem See ſehr groß und tief 151
  • Iſt irgend zu erfragen 121
  • Klein und arm an Herz und Munde 291
  • Kommt laßt uns ausſpazieren 299
  • Komm Troſt der Nacht, o Nachtigal 198
  • Laſſet uns ſcherzen 181
  • Leucht heller denn die Sonne 204
  • Mancher jezund nach Adel ſtrebt 376
  • Maria in den Garten trat 75
  • Maria wo biſt du zur Stube geweſen 19
  • Marienwuͤrmchen ſetze dich 235
  • Marſchirt ihr Regiment 358
  • Maykaͤfer flieg 235
  • Mein Mutter zeihet mich 109
  • Mir kam ein ſchwerer Unmuth an 270
  • Mit Gott vor allen Dingen 93
  • Mit Luſt thaͤt ich ausreiten 327
  • Mond des Himmels treib zur Weiden 283
  • Naͤchten da ich bey ihr was 298
  • Nach Gras wir wollen gehen 226
  • Nachtigal ich hoͤr dich ſingen 93
  • Nicht lang es iſt 354
  • Nun laſſet uns ſingen das Abendlied 321
  • Seite
  • Nun ſchuͤrz dich Gretlin, ſchuͤrz dich 46
  • Nun will ich aber heben an 86
  • O Bremen, ich muß dich nun laſſen 289
  • O daß ich koͤnnt von Herzen 265
  • O Ewigkeit, o Ewigkeit 263
  • O verfluchte Ungluͤckskarten 309
  • O Weh der Zeit die ich verzehrt 114
  • Ob ich gleich kein Schatz nicht hab 300
  • Phoͤnix der edle Vogel werth 261
  • Sieh, ſieh du boͤſes Kind 226
  • Sie iſt mir lieb die werthe Magd 227
  • So treiben wir den Winter aus 161
  • So wuͤnſch ich ihr ein gute Nacht 110
  • Spring, ſpring mein liebſtes Hirſchelein 397
  • Stand ich auf einem hohen Berg 257
  • Steh dir bey der himmliſche Degen 161
  • Stund ich auf hohen Bergen 70
  • Suͤſſe liebe Friedens-Taube 137
  • Und als der Schaͤfer uͤber die Bruͤcke etc. 229
  • Und als ich ſaß in meiner Zell und ſchreib 418
  • Viel Krieg hat ſich in dieſer Welt 245
  • Vionetus in Engelland 193
  • Von hoher Art ein Fraͤulein zart 386
  • Von Jeſſe kommt ein Wurzel zart 208
  • Vor Tags ich hoͤrt in Liebesport 223
  • Voruͤber zieht manch edler Aar 407
  • Wach auf, wach auf, der Steuermann kommt 114
  • Wachet auf, ruft uns die Stimme 101
  • Waͤr ich ein wilder Falke 63
  • Was wolln wir aber ſingen 242
  • Was wollen wir aber heben an 276
  • Weine, weine, weine nur nicht 232
  • Weinſchroͤter ſchlag die Trommel 234
  • Wenn der Schaͤfer ſcheren will 120
  • Wenn du zu meinem Schaͤtzgen kommſt 232
  • Wenn ich ein Voͤglein waͤr 231
  • Wenn ich geh vor mir auf Weg und Straßen 84
  • Wer iſt der bunte Mann im Bilde 44
  • Wer ſich auf Ruhm begiebet 291
  • Wie ſchoͤn bluͤht uns der Mayen 378
  • Wie kommt daß du ſo traurig biſt 210
  • Wir genießen die himmliſchen Freuden 304
  • Wir Preußiſch Huſaren wann kriegen 188
  • Wir wollen ein Liedlein heben an 296
  • Seite
  • Wohlan die Zeit iſt kommen 371
  • Wohlauf ich hoͤr ein neu Getoͤn 360
  • Wohlauf ihr Narren 363
  • Zigeuner ſieben von Reutern gebracht 21
  • Zu Koblenz auf der Bruͤcken 77
  • Zu Strasburg auf der Schanze 145
  • Zu Uri bey den Linden 17
  • Zum Sterben bin ich 163
  • Zwey Nachtigallen in einem Thal 406

[][][]
Notes
*)
Ich verſtehe hier unter Sentimentalitaͤt das Nachahmen und Aufſuchen
des Gefuͤhls, das Schauſpielen mit dem Edelſten, was nur im Spiele
damit verloren gehen kann, nicht verſtehe ich darunter jene Sentimen-
talitaͤt, das menſchliche Gefuͤhl wie es im Einzelnen ſich ausdruͤckt, wo-
gegen die Neuntoͤdter, die philoſophiſchen Schuͤler wohl ſchreiben (auch
wohl wirken, wenn kein lebendiger Volksgeiſt es aufhebt), und darinn
zuſammen kommen, mit der erſten ſchimpflichen Sentimentalitaͤt zu
demſelben Mittelpunkte, zur Seligkeit eines Steins in Unempfaͤnglich-
keit und Unfruchtbarkeit der Luſt. Keine Schule iſt hiemit beſonders
beſtimmt, ſondern alle, denn wie die Begeiſterung der Pythia mit Er-
mattung verbunden, ſo den Philoſophen die Schuͤler. Die Philoſophen
*)
ſind ewige Nilmeſſer einer entwichenen Gottesfluth und Erhebung, ihre
Schuͤler wollen aber das Unmoͤgliche leiſten, zu meſſen was nicht mehr
vorhanden iſt.
*)

Ich kann mich nicht enthalten die wunderbar herrliche Vorrede Georg
Forſters zu ſeinen friſchen Liedlein, Nuͤrnberg 1552., als eines meiner
liebſten Herzblaͤtter zur Erlaͤuterung des Geſagten mitzutheilen.


„Freundlicher lieber Singer, und der edlen Muſik Liebhaber. Es
„ſind in einigen Jahren unter andern Geſaͤngen ſo bisher gedruckt wor-
„den, mancherley Teutſche Liederbuͤchlein durch den Druck ausgegangen,
„wie aber die zum Theil ſeyn, will ich denen, ſo des Geſanges einen
„Verſtand haben zu bedenken geben.


„Ich uͤbergebe mein Liederbuͤchlein, damit alte Teutſche Lieder, ſo
„doch noch, wenn ich ſagen duͤrfte, ſchier die beſten ſind, ſammt ihren
„Meiſtern, welche mit der Muſik auferzogen, umgegangen, und ihr
„Leben damit beſchloſſen haben, nicht ganz und gar vergeſſen, und an
„ihrer ſtatt nicht viel ungereimte neue Kompoſitionen, die doch gar
„keine rechte Teutſche liederiſche Art haben, gebraucht wuͤrden; ſondern
„daß ich auch die mit ſolchen ſchlechten Liedern zerſtoͤrte, ſchoͤne und
„liebliche Kunſt der Muſik, welche bey den Alten ehrlich, und in großen
„Wurden gehalten, moͤchte erhalten und foͤrd[e]rn. Inſonderheit dieweil
„bey allen Froͤhlichkeiten und Kurzweilen, friſche gute Teutſche Lieder
„zu ſingen, oder auf den Inſtrumenten zu brauchen gebraͤuchlich: Durch
„welches denn viel unnutzes Geſchwaͤtz, unflaͤtiſch Zutrinken, darzu
„zaͤnkiſch und haderlich Spielen, und andere Laſter moͤchten verhindert
„werden. Wie ich denn oft von einem trefflichen theuren Manne gehoͤrt
„habe, als er ſagt, daß unter allen Kurzweilen, damit man die Zeit
„zu vertreiben fuͤhrt, er kein goͤttlichere, ehrlichere, und ſchoͤnere

*)

„Kurzweil wuͤſte, denn die liebliche Muſik, daß alle andere Kurzweile,
„als Spielen, Fechten, Ringen, Springen, dahin gericht waͤren, daß
„ſich ein jeder nur aufs beſte befließe, damit er dem, mit welchem er
„ſolch Kurzweil uͤbet, moͤchte uͤberliegen, angewinnen, und zu bevor-
„theilen, daraus denn mancher Unrath und Zank und Hader entſprin-
„ge. Die Muſik aber hat kein andres Fuͤrhaben, denn
daß ſie gedaͤchte, wie ſie nur die Einigkeit der Stim-
men mit allem Fleiß moͤchte erhalten, und aller Miß-
hellung wehren.“


Der ſchoͤnen Auswahl dieſes Mannes dankt unſre Sammlung meh-
rere der beſten Lieder, woraus zu erſehen, daß Verdienſt nicht unter-
gehen kann.

*)
Lorenz Medicis (Life of Medicis by Roscoe I. 296.) der in der Welt
zu Hauſe, wie ein andrer in ſeinen vier Waͤnden, verſtand den Werth
des Dialekts und ſchrieb zuerſt in der Bauernſprache ſeines Landes.
*)
Herr Koch, dem ich bey dieſer Gelegenheit fuͤr manche literariſche Mit-
theilung meinen Dank abſtatte, bemerkt den Einfluß der Flagellanten
auf den Untergang vieler weltlicher Lieder in ſeinem ſchaͤtzbaren Hand-
buche. Sie entſtanden waͤhrend der großen Peſtzeiten. Merkwuͤrdig
iſt, daß in zwey ſehr verſchiedenen Chroniken, in der Straßburger und
der Limpurger, immer daſſelbe ganz ſchlechte Lied von ihnen angefuͤhrt
wird. Vielleicht ſtammen aus den damaligen Geſinnungen die allgemein
verbreiteten Todtentaͤnze.
*)
Es wuͤrde angenehm lauten, alles durchzugehen, was zu verſchiedenen
Zeiten genialiſch genannt worden, wo aus dem zerſplitterten Geiſte
der lebende Baum entwickelt wurde: Kennen doch viele erſt ſeine Fe-
ſtigkeit aus dem Gewichte, wodurch es zerreißt. Dem Takte nach ſezte
man Genie in ſchnelle, ſtoßweiſe, wenn gleich noch ſo unbedeutende
Produktion, in pralende Schwatzhaftigkeit, und unvermoͤgende Plan-
macherey, ſein Boden ſchien der Schmutz jeder Art, den Voruͤberziehen-
den muſte es ſeine Fruͤchte auf den Kopf fallen laſſen, in allem Sturm
ſeine Blaͤtter ſchlaff und jaͤmmerlich ſenken, in der Ruhe immer rau-
ſchen, als wenn ein Sturm ginge. Die Voͤgel die zutraulich darauf
niſteten tuͤckiſch hinunter werfen, ſchnell empor in falſches unbrauchbares
Holz muſte es ſchießen, um ſchnell zu fallen. Wer verwundert ſich nach
ſolchen Antichriſten Talent verhaßt, Nichtigkeit geehrt zu finden. Die
Wortſpielerey unſrer Zeit hat Kunſt und Genie einander entgegen-
geſezt; viel Kunſt und wenig Genie, wird von den elendeſten Nach-
ahmereyen geſagt. Keiner iſt ohne Genie, wenn gleich manche Werke der
ohne ſind, der eine kann die Tropfen zaͤhlen, dem andern iſts ein Platz-
*)
Die verkehrten Verſuche einiger Gutgeſinnten zur Herſtellung und Er-
munterung des Volksliedes durch Sammlungen, die weder den niedern
Staͤnden gefielen, noch die hoͤheren befriedigte, uͤbergehe ich, meine
Achtung in gleichem Sinne ihrem Sinne zu bezeugen.
*)
regen, der eine ſteht im Nordlichte, der andre ſiehts in der Ferne.
Wenn Genie das Schaffende genannt werden kann, ſo iſt Kunſt die
Art der Erſcheinung dieſes Geſchaffenen. Genie ohne Kunſt, waͤre
Luſt ohne Beſchraͤnkung, Kunſt ohne Genie waͤre ein Punkt ohne alle
Dimenſion.
*)
Sie tragen viele vortreffliche Inſtrumente bey ſich, warum verachten ſie
Landesinſtrumente, wie den Dudelſack: den Hochlaͤndern nahm man
das Schwerdt, weil ſie gewoͤhnlich das Gewehr w[e]gwarfen und damit
fochten, auf den Schiffen weiß man es jezt wieder zu gebrauchen.
*)
Otmars Volksſagen. Bremen 1800. S. 327. Eine Sammlung aus einem
keinen Flecken von Deutſchland, die bis auf einzelne Zuſaͤtze und Wort
uͤberfluß als Muſter aͤhnlicher aufgeſtellt werden kann. Es iſt wie eine
neue Welt ſchoͤner Erfindung, aber von den meiſten vergeſſen, weil es
weder Veilchenſyrup noch Teufelskoſt, ſondern weil es uns fuͤhrt zu
den Veilchen, auch wohl in die Behauſung des Teufels.
**)
Ihr Lehrling war Paracelſus.
*)
Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,
ſo iſt es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutſchen war nichts,
des Lateins zu viel, des Griechiſchen zu wenig. Verkehrt nenne ich der
Annaͤherung Schulen nationale Geſchichte, das Eigenſte des Volks den
Alten nachzubilden, da doch dieſe nur wegen dieſer erſchoͤpfenden Natio-
nalitaͤt vortrefflich ſind. Bis jetzt ſind unſre Chroniken unſre einzigen Hi-
ſtoriker, alle andern in conventioneller Ziererey und Anſicht verſunken, und
dieſe werden in Schulen ebenſo wenig zugelaſſen, als die nationalen epi-
ſchen Gedichte, ja es moͤchte den meiſten Schulmaͤnnern ſehr wunderlich
noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla-
*)
mation als alle Hallerſche Gedichte aufſtellte. Aber wie die Jungen in
unſrer Zeit ganz alt unter einander thun muͤſſen, um in die Geſellſchaft
der Alten gefuͤhrt zu werden, und in aller Schlechtigkeit ſich fruͤh abzugluͤ-
hen, ſo impft man ihnen einen aͤſthetiſchen Ausſchlag fruͤh ein, die
natuͤrliche Verehrung und das Gefuͤhl deſſen zu unterdruͤcken, was wir
ſelbſt nur im gluͤcklichen Augenblicke hervorzubringen vermoͤgen. So
moͤchte freylich mancher dieſer Knaben mit edler Herablaſſung dieſer
Lieder laͤcheln.
*)
Dies bezieht ſich auf den eigenthuͤmlichen ſargartigen Bau des neuen
Berliner Schauſpielhauſes, an andern Orten haben ſie vielleicht die
Form nicht, aber denſelben todten Inhalt, wie viele haben auch nicht
die Uhr uͤber der Scene, aber dieſelbe Langeweile.
*)
Der gewoͤhnliche Sonntag wird jezt auch in die Arbeit hinein geriſſen,
darum ſieben Werktage, der Kalender iſt wirklich nicht in Frankreich
allein geaͤndert.
*)
Phil. von Sittewald Strafſchriften. II. B. S. 573.
**)

Bey dem theuren Blutverkaufen der alten Landsknechte iſt die Verglei-
chung mit den heutigen von Land zu Land ſich ſtehlenden und angewor-
benen Soldaten ſehr traurig; jene kannten ganz den Werth ihres Le-
bens, ließen es ſich wohl bezahlen, dieuten ihre Zeit mit Ehre, dem
Tode mit Bewuſtſeyn, — dieſe ſtuͤrzen ſich fuͤr einen friſchen Trunk in
einen friſchen Rock, und ſehen beym Eintritt in das Thor, wie ſie hin-
auslaufen koͤnnen, wenn der Krieg ſie uͤberraſcht, als welchen ſie gar
nicht anſehen moͤgen.
*)
Es waͤre mir leicht einige zu nennen, bey denen recht gute kraͤftige alte
Buͤcher verboten, die ſeichteſten dafuͤr eingefuͤhrt, doch hilft das nichts,
vielleicht hilft ihnen dieſe Betrachtung, um ſchlechte moraliſche Komoͤ-
dien-Lieder und Schriften dem Volke nicht weiter aufzudringen, daß
keiner uͤber das Heiligſte ſchlecht ſchreiben kann, der nicht ſelbſt ſchlecht
iſt, ſie werden dann auch den Widerſtand des Volks gegen neue Geſang-
buͤcher verſtehen lernen.
**)
Warum Tiek vor allen fruͤhern Bearbeitern und Herausgebern ein un-
ſterbliches Verdienſt zukommt, das wird jedem mitfuͤhlenden Leſer ſeine
herrliche Einl[e]itung zu den Calenbuͤrgern bewaͤhren; nicht Neugierde,
ſondern reiner Sinn fuͤr ihren Werth beſtimmte ihn, er hielt das Große
**)
vom Gemeinen frey. Ich wuͤrde der beiden Jahrgaͤnge des von Nicolai
beſorgten feinen Almanachs mit Lob erwaͤhnen, wenn nicht durch die
angebefteten ſchlechten Spaͤſſe, wunderliche Schreibart und Ironie ge-
gen Herder die Wirkung dieſer ſchaͤtzbaren Sammlung aufgehoben wor-
den.
*)
Sie weiß nichts davon, daß die Alten das Schoͤne geſucht und die Neuen
das unterlaſſen: Ob es wohl einer kann laſſen das Schoͤne nicht zu fin-
den, oder es kann finden, wenn er es ſucht! Alles was mit Luſt im
Gemuͤthe ſich aufthut und findet iſt ſchoͤn, ſey es Himmel oder Hoͤlle,
nur das Zufaͤllige iſt haͤßlich, aus kindiſchen Strichen wird nie ein
Apollokopf, und ein Mahler der aus willkuͤhrlichen Punkten Gruppen
zeichnet, macht hoͤchſtens eine Klingenprobe ſeines Genies, ſo der Dich-
ter aus Endreimen. Der Mahler benuzt was ihm die Erfahrungen uͤber
die Farben geben, der Farbe in ſeinem verſchloſſenen Auge ſich zu naͤ-
hern, der Dichter was ihm die Sprache giebt, ſchaffend im widerſtre-
benden Stoff, der Reimer legt witzig zuſammen, was lange ſchon vor-
handen, er leimt eine Blume aus verſchiedenen Blaͤttern zuſammen,
die Fugen nennt er Originalitaͤt, die Leute verwundern ſich erſt dar-
uͤber, dann ſehen ſie, daß alles daran welkt.
*)
Aſſonanz und andre Aeußerungen der Spracheinigung ſind den Gebilde-
ten bis auf unſre Zeit fremd geweſen, von den ſimpeln Recenſenten
verſpottet, von ihren Freunden geheimnißvoll angeprieſen, das Volks-
lied hat ſie ohne Anmaßung, erkennt ſie ohne Zwang, und zeigt ſogar
ihren beſſeren Gebrauch in Werken, die nicht fuͤr die Aſſonanz gewirkt
ſind, ſondern nur in der Aſſonanz werden konnten.
**)
Sie hat in der Erfindung der Harmonie ein eichenfeſtes Haus ſich er-
baut, nicht in der Harmonie, wie ſie in Buͤchern ſteht, ſondern wie ſie
im Kopfe guter Inſtrumental-Komponiſten, oder ſolcher Tonkuͤnſtler
klingt, welche die Stimme als Inſtrument gebraucht haben, in Kirchen-
muſiken. Daraus folgt aber nicht die Nothwendigkeit dieſer Harmonie,
wo die Muſik wieder im Worte gebunden erſcheint.
***)
Aus einem ſehr erklaͤrlichen Misverſtaͤndniſſe bey denen, die einer der
Kuͤnſte nur maͤchtig ſich gern gnuͤgen wollten, entſtand muſikaliſche
Poeſie und poetiſche Muſik, wenn aber etwas Poeſie werden koͤnnte,
waͤre es nicht Muſik geworden, und umgekehrt. Dieſe beyden edlen
Sinne des Geiſtes befinden ſich dabey wie in der Fabel Storch und
Fuchs bey gleicher Schuͤſſel.
*)
Wie nur ſehr große Kuͤnſtler andre fremde Meiſterwerke lieben koͤnnen,
ſo hat auch der Haufe dort eine Abneigung gegen fremdartige Muſik.
So lieb es mir waͤre, wenn der gute Geiſt der Zeit am Wiedermuſiziren
der Volkslieder ſich rechtſchaffen uͤbte, ſo traurig iſt mir, daß ich viele der
beſten Volksmelodieen aus: Unkenntniß nicht mittheilen kann, weil
doch vielleicht nur eine große innere Melodie fuͤr jedes vorhanden, ob die
fruͤher oder ſpaͤter einem Menſchen ins Ohr faͤllt, das kann keiner ſagen,
aufhorchen kann jeder.
*)
Ein trefflicher Aufſatz uͤber Arbeits-Handwerks-Kinderlieder und Tanz-
lieder, der beſonders den Unterſchied zwiſchen dem deutſchen Tanze und
dem Reihentanze, ſo wie die eigene Natur des Schleifers mit Enthu-
ſiasmus entwickelt (im Bragur III. T. S. 207-284.) iſt leider nicht
vollendet, viele der dort erwaͤhnten Lieder wuͤnſchte ich gerne ganz mit-
theilen zu koͤnnen.
**)

Doch zur Probe einige aus dem Jahre 1802.


1) Aus einem raͤthſelhaften Quodlibet, oder eine Kaskonade:


Potz tauſend, ſchaut fort laͤuft die Katz,

Geh Plaſl lauf, halts auf,

Ein jeder Menſch hat ſeinen Schatz,

In dieſem Lebenslauf.

Als d' Jungfer noch ein Jungfer war,

Hats keine mehr ſeyn moͤgen,

Ich wuſt es alles auf ein Haar,

Ihr Pelz der hing voll Regen.

2) Aus einer Beſchreibung der Neuigkeiten im Prater:


Auch iſt eine Huͤtte, wie ihr wohl wißt,

Da laͤſt man ſich waͤgen, wie ſchwer als man iſt,

Ich ging auch einmal hin,

Z' wiſſen, wie ſchwer ich bin?

Der Kerl war ein Flegel, er ſprach: Hoͤrts der Herr,

Sie ſind gewiß ein Schneider und ſind gar nicht ſchwer.
**)
Wer damit nicht zufrieden, noch mehr ſehen will,

Geh grade von da aus zum Ringlſpil,

Da drehen ſich zwey und zwey

Rund herum in der Reih,

Oft ſchreien die Medeln, nicht gar ſo geſchwind,

Es iſt nicht wegen meiner, es iſt wegens Kind.

Das Verhaͤltniß dieſer Lieder zu den Nationalopern der dortigen
Vorſtaͤdte, wird ſchon aus dieſen Proben fuͤhlbar, die meiſten dieſer
Singeſpiele ſind der Anlage nach ſchoͤn, ungeſchickt und leer in der
Sprache, gewoͤhnlich aber nur durch Fortſetzungen unangenehm.

*)
Ungedruckte Reſte alten Geſanges von Elwert. Marburg 1781. wo er
dieſelben Lieder als Herder mittheilt, ſind ſie beſſer, Herder konnte ſich
der Kritik nicht entladen. Elwert ſagt ſehr klar: Der Menſch nur, der
im wehenden Abendwind den Schlafgeſang der Voͤgel belauſcht, nur
der konnte in voller Wehmuth zum Liebchen ſeufzen: Wenn ich ein
Voͤglein waͤr und nur zwey Fluͤgel haͤtt, floͤg ich zu dir. Aber es kamen
andre Zeiten und die Volkslieder erſtarben in meinem Kopfe unter dem
Wuſte von wiſſenſchaftlichem Unkraute. Alle Blumen in euren Gaͤrten
ſind Kinder des Feldes und Waldes. Sie hatten ſanfte Farben von
der Natur, aber ſie luxurirten zulezt und wurden oft grell durch uͤber-
fluͤßigen Saft. Tauſend ſolcher Straͤußer bluͤhen im hohen Graſe, un-
ſre Gelehrten ſtolpern vorbey, indem ſie die hohen Felſen meſſen, Thuͤr-
me, Stadte und all die großen Wunder der Natur anſtaunen.
*)

Goͤtz von Berlichingens ritterliche Thaten. S. 117.
**)

Vergl. Relicks of the Welsh Bards by Ed. Jones.
***)
Zur Ehre der Deutſchen kann man ſagen, daß ſie nicht Erfinder dieſer
Hoͤllenkuͤnſte der Rezenſirbuden und des kritiſchen Waſchweibergeſchwaͤtzes
ſind, ungeachtet dergleichen Mode bey ihnen inſonders gefaßt. Doch
ſind hiebey immer noch wie ein Wirthshaus erſter Klaſſe von einem der
vierten zu unterſcheiden, die ernſthaften Dikaſterien, wo freylich auch
oft die Akten uͤber Stadtneuigkeiten vergeſſen werden, von den telegra-
phiſchen Buͤreaus aller literariſchen Miſere durch ganz Deutſchland. Dem
freyen Sinne fuͤr Kunſt und Wiſſenſchaft ſind auch dieſe lezteren an ſich
lieb als Wiedererſcheinung einer gewiſſen Gelehrſamkeitseinbildung, die
wohl jedem als Kind der Gelehrſamkeit vorausgeht, aber dieſer freye
Sinn iſt ſelten, der groͤſte Theil der Leſer nimmt an Kunſt und Wiſſen-
ſchaften gar keinen Theil, ihn reizt nur das Handelnde, das Bewegliche
***)
in den Gelehrten, er kommt endlich zu der wohlgefaͤlligen Meinung,
daß die ganze Gelehrtenrepublik nichts als ein Ameiſenhaufen ſey, der
alles belaufe, kneife und beſchmutze, um einigen armſeligen Weihrauch
zuſammen zu bringen.
*)
Der Schein, was iſt der, dem das Weſen fehlt?

Das Weſen, waͤr es? Wenn es nicht erſchiene?

Goͤthe's Eugenie.


Auch das iſt wahr, jedes an ſeiner Stelle.

**)
Dieſe Sammlung ſey dem Leſer eine Probe von dem, was wir wuͤnſchen.
Wer der Gelegenheit und Luſt ermangelt, was er entdeckt, bekannt zu
machen, dem erbiethen wir uns, mein Freund Clemens Brentano in
Heidelberg und ich in Berlin (abzugeben im Viereck n. 4.) zur ſchnellen
Herausgabe. Die zahlreichen Schweizer-Lieder (beym Staubbach wurden
mir unzaͤhlige geſungen, aber ich konnte keines verſtehen und heraus-
bringen), verdienten ganz beſonders eine treue Aufzeichnung von einem
wuͤrdigen Gelehrten des Landes, es giebt große Heldengedichte noch
unter dem Volke, ſo lieſt ein alter Mann in Meiringen ein ſehr merk-
wuͤrdiges Gedicht uͤber die Entſtehung des Voͤlkchens den Reiſenden vor.
Sehr willkommen wuͤrden mir klargedachte Zeichnungen zu dieſen Ge-
dichten ſeyn, die in ihrer geſtaltreichen beſtimmten Darſtellung dem
Zeichner ein Schatz von Erfindung ſeyn koͤnnen, wenn er ihn beſprechen
und heben kann. Ihn aufmerkſam auf ſolche einzelne Bilder zu machen,
wuͤrde vielleicht das Vergnuͤgen rauben und ihm nur die Arbeit laſſen.
*)
Vergl. die Zueignung des Buches.

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TextGrid Repository (2025). Arnim, Achim von. Des Knaben Wunderhorn. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjjv.0