[]

Andaͤchtige
Betrachtungen
aus dem Buche der
Natur und Schrift

Zum Preiſe
des herrlichen Schoͤpfers

Beſtehend
in erbaulichen Gedichten.


Zweyter Theil.

[figure]


Hildesheim,: 1747.
Gedrukt und verlegt durch C. J. H. Hartz, E. H. Edl. Rahts priv. Buchdr.

[][]

Dem
Hochwuͤrdigen
in GOtt Andaͤchtigen und Hochgelahrten
Herrn
HERRN
Johann Dieterich
Winklern

Der heiligen Schrift Hochberuͤhmten
Doctor, der Evangeliſchen Kirchen zu Hil-
desheim Superintendenten, des hieſigen
Conſiſtorii oberſten Beiſizzern,
Und
des Andreaniſchen Gymnaſii und der Schu-
len zu St. Lambert Ephori, der zu Jena
bluͤhenden lateinſchen Geſellſchaft Hochan-
ſehnlichen Mitgliedes
[]Seinem
Hochzuehrenden Herrn Superinten-
denten und Hochgeneigten Goͤnner
Uebergiebet
dieſe Poeſien
Zum Zeugnis

einer wahren Hochachtung.


Der Verfaſſer.


[]
Hochwuͤrdiger!

mein Trieb, der waget warlich
viel,

Da ich mich unterſteh der Andacht Saiten-
ſpiel,

Das meine Einfalt ruͤhrt, mit dem verſtimm-
ten Klingen,

Fuͤr dein bemerkend Ohr, in matten Thon
zu bringen.

Die Schuldigkeit befahl, die arme Schuͤch-
ternheit,

Die wiederrieth es mir: in dieſem Wette
Streit

Frug mein bewegt Gemuͤth: Ob ich auch werth
zu ſchaͤzzen

Die Lieder Dir zu weihn, die niedrig, klaͤglich
aͤchzen,

Und oͤfters knarrend gehn; da ſuͤſſe Melo-
dein,

Dein Ohr ſchon laͤngſt vergnuͤgt, dein Her-
ze nur erfreun,

Da was nicht lieblich ſchallt, in denen Dich-
ter Choͤren,

Auch Dir, nicht angenehm, nicht reitzend
im Zuhoͤren:

Die
[]
Die Schuͤchternheit die ſprach: zuruͤk mit
deinem Klang

Der matt und elend geht: der Gottheit Lob-
geſang,

Muß, wenn er ſoll gefalln, das Herze feu-
rig ruͤhren

Und im entflammten Trieb zum Siz des
Schoͤpfers fuͤhren.

Den Liedern fehlt das Feur, das in die Her-
zen glimmt,

Ob ſie aus Andacht gleich, zu GOttes
Ruhm beſtimmt;

Sie ruͤhren kein Gemuͤth, daß jemahls an-
gehoͤret,

Wie man die Gottheit recht, in Lobgeſaͤn-
gen ehret.

Sie wandte ferner ein: bedenkeſt du denn
nicht,

Wie manch erhabnes Lied und herrliches Ge-
dicht,

Von erſter Jugend an in deſſen Ohr erklun-
gen,

Da jener Elbe-Schwan der Gottheit Ruhm
beſungen;

Da Brokkes Saitenſpiel, ſo oft das Herze
ergoͤzt,

Das jederman gefaͤllt, in heiligs Feuer
ſezt;

Wie kan beim hellen Thon, ein heiſch und
dumſicht Lallen,

Bei
[]
Bei einem Schwang-Geſang ein ſchnatternd
Lied gefallen?

So ſprach Hochwuͤrdiger! die Schuͤch-
ternheit zu mir,

Da ich mir vorgeſezt, mit deines Nahmens
Zier,

Aus Ehrfurcht blos erwekt, mein Liederbuch
zu ſchmuͤkken:

Um Dir dadurch den Trieb des Herzens ab-
zudruͤkken.

Des Herzens Trieb befahl und zeigte deine
Huld

Die Dankbarkeit wies mir die Summe mei-
ner Schuld;

Und darum wage ichs den Abtrag meiner
Pflichten,

Fuͤr die genoßne Gunſt, im Wollen zu ent-
richten,

Du kenneſt meinen Trieb auch in den nie-
dren Choͤrn,

Den hocherhabnen GOtt, den Schoͤpfer
zu verehrn;

Du billigeſt den Zwek, den HErrn der Herr-
lichkeiten,

Den die Natur und Schrift uns zeiget, aus-
zubreiten.

Nim was die Redlichkeit, in reiner Neigung
bringt,

Bis ihr ein beßres Lied in hoͤhern Thon ge-
lingt

Nim
[]
Nim es zum Unterpfand, daß der der die-
ſes ſchreibet,

Jn wahrer Hochachtung ſtets dein Verehrer
bleibet;

Mein Blat das redet nichts, zu deines Nah-
mens Ruhm

Du brauchſt mein Loblied nicht, weil Fa-
mens Heiligthum

Schon dein Verdienſt erkannt; des Him-
mels gnaͤdig Walten,

Sei Deine Sonn und Schild, dich bluͤhend
zu erhalten!

Johann Juſt Ebeling.


[]
Geneigter Leſer!

Hier uͤbergebe ich dir den
Zweiten Theil meiner
Poeſien, welche die Eh-
re des herrlichen Schoͤp-
fers zum Zwek haben, und
deine Erbauung befoͤrdern ſollen. Jch koͤn-
te dieſelben ohne Vorrede deinen Haͤnden uͤber-
laſſen, wenn ich nicht fuͤr noͤtig hielte, die Urſa-
che zu zeigen, warum ich ſie ſo eilfertig
den Preſſen uͤberliefere, ſo bald ſie aus
einer fluͤchtigen Feder gefloſſen. Der Herr
Ver-
[]Vorrede.
Verleger, welcher ſie zu ſeiner Abſicht ge-
brauchet, fordert von mir eine ſolche Eil-
fertigkeit, welche ich nunmehr ohne ſeinem
Schaden nicht aͤndern kan. Als die Vorſe-
hung mich die Stille des Landlebens mit
meiner jezigen Lehramte verwechſeln hies,
wurde von mir verlanget, die kleine Gabe
der Dichtkunſt zu erwekken, und damit dem
Allerhoͤchſten zu dienen. Jch ſahe dieſes als
eine bequeme Gelegenheit an, mein gerin-
ges Vermoͤgen demjenigen zu heiligen, wel-
chem es gehoͤret, da ich in meiner Jugend
ſolche oft, der Welt zu gefallen, zur Ehre
der Menſchen genuzzet hatte. Jch entſchlos
mich alſo dazu: lies aber mein Saitenſpiel
ſo lange ruhen, bis die beſtimmten Mona-
the bald heran naheten, da ich den erſten
Theil liefern ſolte. Jch kennete die Hinder-
niſſe noch nicht und die Verrichtungen,
die mit meinem hieſigen Amte verknuͤpfet,
und dachte daher, ich wuͤrde Stunden ge-
nug uͤbrig haben, darin ich zur Ehre des
Schoͤpfers ein Lied ſingen koͤnnte. Allein
nunmehr habe ich es anders erfahren, und
muß jezo den Trieb zwingen, worauf man
bei der Dichtekunſt ſonſt zu warten pfleget,
da ich alle acht Wochen einen Theil verfertigen
ſoll. Wenn du dieſe Umſtaͤnde bemerken
wilſt; ſo hoffe von dir ein geneigters Ueber-
ſehen
[]Vorrede.
ſehen der Fehler, die in die Gedichte ſowoll,
als in dem Abdruk eingefloſſen. Wilt du
aber meine Uebereilung anklagen, daß ich
ohne Ueberlegung meine Arbeit angefangen:
ſo werde dir nicht weitlaͤuftig wiederſprechen.
Sind wir Menſchen nicht ſo geartet, daß
wir im Nachſehen kluͤger ſind, als vorhero
wenn wir etwas anfangen? Jch erkenne
daß dieſes ein Gemuͤthsfehler ſey, der mir
anklebet. Zeit und Erfahrung wird mich
beſſern. Jch bin voͤllig zufrieden, wenn du
nur meine Begierde GOtt und den Naͤch-
ſten zu dienen, aus meiner Bemuͤhung er-
kennen wirſt. Jch verlange nichts mehr, als
dich aus den Schlummer zu erwekken, und
dir die Augen zu eroͤfnen: damit du erken-
nen moͤgeſt, daß die Werke des HErrn
gros ſind, und werth, daß ſie mit Luſt
betrachtet worden. Und wenn ich mich
nicht gaͤnzlich betriege, ſo wirſt du dazu hin
und wieder auch in meinen eilfertig nieder
geſchriebenen Gedanken Ermunterung fin-
den. Die Welt iſt ja leider mit ſolchen Ge-
dichten uͤberhaͤuffet, die uns zu der ſchluͤp-
frigen Eitelkeit verleiten. Und wenn wir
uns uͤber die Menge der geiſtlichen Gedichte
beſchweren wollen; ſo muͤſſen wir erſt ſu-
chen diejenigen aus dem Wege zu raͤumen,
die da ſuchen unſer Augenmerk von dem Ziel
zu
[]Vorrede.
zu ruͤkken, daß uns die himmliſche Beruf-
fung vorhaͤlt. Der Allerhoͤchſte kan nicht
genug geprieſen werden, und ihm gefaͤllt
auch das Opfer der Einfalt woll, welches
ihm mit reinen Herzen dargebracht wird.
Drum alles was Odem hat lobe dem HErrn
Halleluja!


Hildesheim,
den 29ten April 1747.


Der
[[1]]

Der Sommer.


[figure]
Angenehme Sommerszeiten! euer
feuerreicher Strahl,

Von der Sonnen Glut entſprun-

gen, der belebt Feld, Berg und Thal;

Der erwaͤrmet die Natur, durch
den Einflus ſeiner Guͤte,

Und erhizt bei dem was lebt, ein
friſch wallendes Gebluͤte.

Eure Anmuth naͤhrt die Triebe,
die der Lenzen angeflammt,

Und verdoppelt das Ergoͤzzen, das aus den Ge-
ſchoͤpfen ſtammt,

Das der Vater alles Lichts, in dem Fruͤhling, wie
verjuͤnget,

Aus dem Schoos der Erde zeugt, und nun zu der
Reiffe bringet.

Eure holde Liebligkeiten, womit ihr die Welt be-
ziert,

Womit ihr die Sinnen weidet, und des Geiſtes
Auge ruͤhrt,

Zweyter Theil. ADie
[2]Der Sommer.
Die entzuͤnden meinen Trieb, dem die heilgen An-
dachts-Pflichten,

Der euch uns zur Luſt geſchenkt, wie es billig zu
entrichten.

Wenn der Lichts-Monarch die Sonne, ſein recht feu-
rig Angeſicht,

Zu des Krebſes Zeichen kehret, und mit ſeiner Hiz
durchbricht;

Wenn er durch den rothen Mund des erhizten Loͤ-
wen brennet,

Und die Jungfrau gluͤend macht, da er durch den
Thierkreis rennet:

So ſind dieſe Anmuts-Zeiten da, wo man den Som-
mer fuͤhlt,

Wo die ſchwuͤle Hiz erwaͤrmet, und der ſanfte Schat-
ten kuͤhlt;

Alsdenn lebet die Natur, die uns ſpeiſt mit ihren
Bruͤſten,

Und den ganzen Tag erquikt, mit den Vorwurf
ſuͤſſer Luͤſten.

O! du Schoͤpfer aller Dinge! O! wie herrlich iſt
dein Nath,

Der die Einrichtung der Zeiten, weislich abgemeſ-
ſen hat,

Und dieſelbe ſo regiert, daß man in den Tages-
ſtunden

Nichts als guͤldne Wonne ſieht; daß man wenn
das Licht verſchwunden,

Jn den ſtill und duͤſtren Naͤchten, bis zur frohen
Morgen-Glut,

Da die Welt ſich wieder reget, ſanft und ſuͤß auf
Polſtern ruht.

Auf! laſt uns die Sommerluſt, zu des Allerhoͤch-
ſten Ehren,

Von
[3]Der Sommer.
Von den Morgen bis zur Nacht, wie ſie folget, ſehn
und hoͤren.

Kaum hat ſich in dieſen Tagen lichter Sonnen-
Glanz verſtekt,

Da die Nacht die Schatten breitet; ſo wird wie-
derum erwekt

Das vergnuͤgte Morgenroth, deſſen lichte Purpur-
ſtrahlen

Dieſe ſchwarze Demmerung allgemaͤhlig uͤbermah-
len.

Es geht aus den dunklen Tieffen erſt ein rother Strahl
hervor,

Der durch das Gewoͤlke ſchimmert, der ſteigt im-
mer mehr empor:

Da macht Licht und Finſternis, an den dunklen
Himmels-Bogen,

Ein von Licht durchſtrahltes Grau, bis die Schat-
ten ſind entflogen.

Dieſes roth entglomne Prangen, gruͤſſet die ent-
ſchlafne Welt,

Als ein froher Morgenbote und erhellt das gruͤne
Feld:

Darauf zeigt ſich wiederum mit den ſanften Blik
die Sonne,

Und verklaͤrt ſich allgemach mit der Schimmerreichen
Wonne.

Da ſchwingt ſie mit ſchnellen Lauffen, ihren hei-
tren Anmuthsſtrahl,

Ueber die erhabnen Berge, und erwekt das Feld
und Thal:

Welch ein Anblik voller Luſt! ruͤhret die erwekten
Sinnen,

Man ſieht in den feuchten Thau, lauter Seegens
ſtroͤme rinnen.

A 2Auf!
[4]Der Sommer.
Auf! entſchlafne Erdenbuͤrger! auf ermuntert eur
Geſicht!

Da das Auge dieſer Erden, das verneute Sonnen-
licht

Alles in den Schimmer ſezt! Auf, erwegt das Feld,
die Auen,

Seht, die frohen Wunder an, ſeht hier lauter Per-
len thauen.

Seht durchſtrahlte Tropfen rollen, ſeht wie lieblich
alles blizt

Wie die naſſen Berge rauchen, wie der Anger Feu-
er ſprizt,

Wenn das Licht den Thau durchſcheint; ſeht wie
ſich der Schimmer bildet,

Der hie alles bunt gefaͤrbt, da verſilbert, uͤberguͤl-
det.

Wer kan dieſes blendend Spielen, auf den friſchen
Feldern ſehn,

Ohne HErr! der Sonnen Sonne, deinen Na-
men zu erhoͤhn,

Da in Millionen Zahl, auf den Auen, Aekern,
Huͤgeln

Sich in jeden Troͤpfgen Thau, lauter kleine Son-
nen ſpiegeln,

Die in funkelnden Criſtallen, von der Sonnen Ge-
genſchein,

Von den groſſen Himmels Lichte, lauter kleine Bil-
der ſeyn.

Wenn dies guͤldne Feurwerk glimmt, das von Son-
nenlicht herſtammet,

Und mit tauſend Farben ſpielt; ſo wird dadurch
angeflammet

Jn der Bruſt der Andachts-Zunder, da ein dank-
bahres Gemuͤt,

Durch
[5]Der Sommer.
Durch die Kreatur entzuͤndet, auf derſelben Schoͤp-
fer ſieht,

Der der Brunquell alles Lichts, und da muß in
unſern Herzen,

Auch zu ſeinen Ruhme gluͤhn, des Gebetes Raͤu-
cherkerzen.

Welch ein freudiges Empfinden, uͤber dieſer Som-
merluſt,

Reget ſich in unſrer Seelen, und ergoͤzzet unſre
Bruſt,

Wenn des Himmels Heiterkeit, lauter ſuͤſſe Biſams
Duͤfte,

An den fruͤhen Morgen haucht, und damit die ſtil-
len Luͤfte

Als mit holden Duͤnſten fuͤllet; da was aus den
Kraͤutern zieht,

Wenn die ſanften Weſten ſaͤuſeln, wie ein lieblich
Rauckwerk gluͤht

Und uns den Geruch erquikt. O! ein angenehmes
Blaſen,

Das die Lebens Geiſter ſtaͤrkt, kreucht unſichtbar
durch die Naſen

Zum Gehirn den Siz der Seelen, daß dies geiſtig
Labſahl ſchmekt.

Und durch die erregten Nerven uns zur Munterkeit
erwekt.

Alles lacht in der Natur, wenn die Sonne hoͤher
ſteiget,

Und ſich in vollkomnen Glanz an den Firmamente
zeiget;

Dieſe frohe Munterkeiten wekken denn des Mor-
gens fruͤh,

Aus den ſanft empfundnen Schlummer und erfri-
ſchen, Menſch und Vieh,

A 3Daß
[6]Der Sommer.
Daß ſie aus den Lagern gehn, worin ſie die Nacht
verhuͤllet;

Weil durch warme Heiterkeit, das was lebt, mit
Luſt erfuͤllet.

Alles regt ſich voller Freuden, das Gevoͤgel fliegt
hervor,

Und ſchwingt ſich mit hellen Hauſſen in die freie Luft
empor,

Es erfuͤllt mit ſuͤſſen Klang, Wald und Feld, die
von den Schallen,

Wollgeſtimmter Melodein, allenthalben wieder-
hallen,

Und das lnſtige Gefieder ſchwingt ſich auf der duͤn-
nen Bahn,

Bald in jene blaue Ferne, wo es frei erzehlen
kan,

Was es vor ein Trieb ergoͤzt; bald geht es zum
dunklen Schatten,

Jn den kuͤhlen Aufenthalt der Gebuͤſche ſich zu
gatten

Mit den ſtillen Buhlerinnen, die nach ihren Frei-
er girrn,

Und um ſeine zarte Liebe, klaͤglich thun und lokkend
ſchwirrn.

Bald rauſcht dieſes leichte Volk, wiederum aus ih-
ren Neſte,

Und kuͤhlt die erhizte Bruſt, durch den ſchmeichel-
haften Weſte,

Der die Sonnen Hizze mildert, die nun immer
ſtaͤrker brennt,

Wenn ihr feurig Angeſichte nach den Mittags Zir-
kel rennt.

Da der Voͤgel muntres Heer in den Oberkreiſen
ſchwebet,

Macht
[7]Der Sommer.
Wacht der niedre Schwarm auch auf, der die Welt
noch mehr belebet;

Hie ſumßt eine Schaar von Wespen, da ein blin-
des Fliegen Heer,

Hie brummt eine Kaͤfer Menge da ſaußt bei der
Wiederkehr,

Mit der ſuͤſſen Laſt beſchwert; eine Menge kleiner
Bienen:

Dieſes toͤßende Geraͤuſch kan uns zum Vergnuͤgen
dienen,

Wenn wir bei den Sommerszeiten, die belebte
Welt anſehn,

Auf ihr freudiges Bewegen ein betrachtend Auge
drehn.

Wenn wir achtſam das beſchaun, was vor freudi-
ges Gefuͤhle,

Jn den Thieren ſich erregt, was vor muntre Gau-
kelſpiele

Jn der freien Luft zu ſehen: ſo erkennen wir da-
bei,

Das der Anmuths-volle Sommer, Menſch und
Vieh ergoͤzlich ſei.

Sehen wir den Schauplaz an, den ſich die Natur
bereitet,

Wie zur ſchoͤnen Sommerszeit alles ausſtaffirt, be-
breitet,

Mit des Graſes Kunſtgewirke, ausgeſchmuͤkt und
uͤberdekt:

So wird durch die Augenweide unſer Herz zur Luſt
erwekt.

Das iſt recht die Kroͤnungszeit, da das Jahr uns
zu erfreuen,

Sich in Feierkleidern zeigt, und mit den Tapece-
reien

A 4Alle
[8]Der Sommer.
Alle Flaͤchen ausgeſchmuͤkket. Alles, wo man nur
hinblikt,

Jſt mit ſeinen Puz gezieret, uͤberbluͤmet, ausge-
ſtikt.

Wenn wir auf die Anger gehn, in die gruͤn be-
wachſnen Wieſen,

So deucht uns, wir gingen da, in verneuten Pa-
radieſen:

Auf des Graſes ſammtnen Dekken, die mit Blu-
men untermengt,

Draus bald Gold, bald Silber ſtrahlet, mit roth,
blau und falb geſprengt,

Liegen in der ſtolzen Ruh, ſo viel Anmuths-volle
Heerden,

Die den Schauern ihrer Luſt ein vergnuͤgtes Luſt-
ſpiel werden.

Wenn die ausgeblizten Strahlen ihnen unertraͤg-
lich ſeyn,

Bloͤkken die bewollten Schaafe, bei der Hizze un-
gemein,

Bis ſie ein gekuͤhltes Bett, an den Baͤchen untern
Linden;

Oder untern Pappelbaum ein recht ſchattigt Schirm-
dach finden.

Allda lagern ſie ſich ſtille in den ſanften Schatten
her,

Rupfen die noch friſchen Keimen, bis ſie wie von
ohngefehr

Ein ſanft rieſelnd Murmeln hoͤrn; alsdenn werden
ſie gleich innen,

Das da im beſchilften Bach vor ſie Labſalsſtroͤme
rinnen.

Jhre lechzende Begierde ſchlurft das Waſſer, wird
geſtillt,

Jh-
[9]Der Sommer.
Jhre Hizze wird von innen, wie von auſſen abge-
kuͤhlt,

Und ſie werden wieder friſch, legen ihre ſanften
Glieder,

Wiederum, als wie vergnuͤgt in das Graſe-Bette
nieder.

Dieſe Ruh bleibt ungeſtoͤhret, bis etwan ſich ihr
Geſchrei,

Nach den Stall und Huͤrden ſehnet, wenn die Ta-
geszeit vorbei;

Oder wenn ein Streit entſteht unter denen geilen
Boͤkken,

Da ſie bei gewagten Kampf, nach den Schiedes-
richter bloͤkken:

Damit ſie ſich nicht die Koͤpfe, bei den an einander
prelln

Der mit Grim geſteiften Stoͤſſe, in der Naſerei
zerſchelln.

Abermahl ein neues Spiel, ſieht man an der ſuͤſ-
ſen Muͤhe,

Auf der gruͤnen Weide an, da die fresbegiergen
Kuͤhe

Schmazzend ihren Hals ausſtrekken und den weiten
Magen fuͤlln,

Bis ſie endlich die Begierde, nach den fetten Kle-
en ſtilln:

Alsdenn lagern ſie ſich auch, liegen bei der ſchwuͤ-
len Hizze,

Als geſaͤttigt ausgeſtrekt, in den lauen Dampf und
Schwizze,

Jm Vergnuͤgen misvergnuͤget, bis die frohe Mit-
tagszeit,

Da ſie werden ausgemolken, ſie von ihrer Laſt be-
freit.

A 5Da
[10]Der Sommer.
Da die Eitern ausgeleert, bleiben ſie in Graſe lie-
gen,

Bis etwan ein Muͤkkenſtich oder Heer von blinden
Fliegen

Sie in ihrer Ruhe ſtoͤhret, da ſie denn mit ihren
Bruͤlln,

Die ſonſt ſtillen Weiden ſchrekken und die ſchwuͤle
Luft erfuͤlln.

Schwaͤrmmt das ſtachlicht Muͤkken-Heer auf ſie
los mit wilden Raſen,

So bewegt ſich Kopf und Schwanz dieſe Feinde
wegzublaſen,

Die in blinder Wut verlezzen. Haben ſie genug
gekriegt,

Und nach einen langen Streite, endlich dieſen
Schwarm beſiegt,

So ſind ſie mit ſuͤſſer Luſt, da der heiſſe Schmerz
vergeſſen,

Wiederum darauf bedacht ihre Wanſte voll zu freſ-
ſen.

Welch ein angenehmes Wuͤhlen! das man an den
Viehe ſieht,

Das die ſaftig-fetten Keimen aus der Erde rupfend
zieht,

Das mit emßiger Begier ſeine Futterung verzeh-
ret,

Und indem es ſich erhaͤlt, Menſchen Nahrungs-
Milch beſcheret.

Wunderbarlich ſind die Triebe, an dergleichen
zahmen Vieh,

Wunderbar die Milchgefaͤſſe, darin das, was ſie
mit Muͤh

Von den Anger abgerupft, gleichſam wird verdaut,
geſeiget,

Bis
[11]Der Sommer.
Bis die Milch durch den Canal in die weichen Eu-
tern ſteiget.

O! das zeigt uns deine Guͤte, die du gnugſam kund
gethan,

Und dein weiſeſtes Verhalten, groſſer Schoͤpfer!
deutlich an;

Deine Guͤt und weiſe Macht, wird auf Kraͤuter-
reichen Wieſen,

An den Blumen, Gras und Kraut, an den Vie-
he ſelbſt geprieſen,

Das darauf der Sommer weidet, der des Himmels
Heiterkeit,

Uns zum Nuz und zum Vergnuͤgen auf denſelben
ausgeſtreut.

Dieſes laͤſt die Sommerszeit in den luſtig gruͤnen
Auen,

Jeden Schauer der Natur mit vergnuͤgten Augen
ſchauen.

Wer in ſolchen Luſtrevieren, die erquikkend, rei-
zend, ſchoͤn,

Wo die Anmuth unſre Sinnen weidet, ſich wird
recht beſehn,

Der erheitert das Gemuͤt und ſieht ſolche Lieblig-
keiten,

Die uns durch die Kreatur, zum erhabnen Schoͤp-
fer leiten.

O! ihr Seegens-volle Anger! wo bei heiſſer Son-
nen Glut,

Ein zufriedener Silvander, in belaubten Schatten
ruht,

Jhr koͤnnt uns ein frohes Herz, und ein rechtes
Beiſpiel geben,

Von den ſichren Aufenthalt, derer die zufrieden
leben.

Bei
[12]Der Sommer.
Bei euch iſt in Sommertagen, eine rechte guͤldne
Zeit,

Darin ſich ein frommer Hirte, ob der ſtillen Raſt
erfreut,

Der ein folgſam Vieh regiert, und entfernt von
Gram und Leide,

Auf den Schauplaz der Natur eine frohe Augen-
weide

Tag vor Tag zum Vorwurf waͤhlet, und was ſein
Gemuͤthe fuͤhlt,

Auf den duͤnnen Haberrohre, in die freien Luͤfte
ſpielt,

Da er in der Einſamkeit, ſich dem langen Tag
verkuͤrzet,

Und mit der vergnuͤgten Luſt, ſeine trocknen Spei-
ſen wuͤrzet.

Wir verlaſſen eure Triften, ſuchen einen Aufent-
halt,

Da die Mittags-Sonne brennet, in den dick be-
laubten Wald,

Wo die ſtille Andacht wohnt unter den erhabnen
Eichen,

Untern ſtolzen Fichtenbaum, unter niedrigen Ge-
ſtraͤuchen.

Da iſt die gewuͤnſchte Kuͤhlung, in den dichten
Lorbeer-Hain,

Wo die Sonne ruͤkwerts prallet mit den Feuerrei-
chen Schein,

Da das brennend Ungemach uns nicht auf die
Scheitel ſchieſſet,

Noch der ausgedrungne Schweis, mehr auf unſern
Ruͤkken flieſſet.

Angenehme Sommerlauben! dichte Waͤlder! ihr
komt mir,

Als
[13]Der Sommer.
Als bequeme Sonnen-Daͤcher, in der ſchwuͤlen
Hizze fuͤr,

Die nach unſers Schoͤpfers Rath, auf der Berge
ſteilen Hoͤhen

Fuͤr den muͤden Wanderer wol gewebte Luſt-Al-
leen.

Hier entſpringt aus Fels und Stein, manche fri-
ſche Labungsquelle,

Die als wie in Sprudeln kocht, und doch kuͤhl und
klar und helle:

Dabei ſezzet ſich vergnuͤget, ein von Durſt ermat-
tet Herz,

Und vertreibt durch gierig Schoͤpfen, den vorher
empfundnen Schmerz,

Und preißt bei der Silberfluth, die des Durſtes
Qual geſtillet,

Den, der aller Guͤte Born, woraus alles Labſal
quillet.

Hier in dem geweihten Tempel, wo die GOttheit
ihre Spur,

Ehrfurchtsvoll uns merken laͤſſet, wo jedwede
Kreatur,

Die Vernunft und Odem hat, einen heilgen Schau-
der fuͤhlet

Dient ein jedes gruͤnes Blat, uns zum Faͤcher, der
uns kuͤhlet

Bei des Sommers Brand und Hizze. Dieſes merkt
das ſcheuche Wild

Das den ſchlauen Jaͤger fuͤrchtet und die Angſt
von Herzen bruͤllt,

Wenn das Windſpiel es verliert, es verkreucht ſich
unter Hekken,

Die mit einen friſchen Laub ſie in ſanften Schatten
dekken.

Wenn
[14]Der Sommer.
Wenn die ſtille Luft ſich reget, in der Baͤume Gip-
fel rauſcht,

Sieht man wie die ſcheuche Rehe ihre Ohren ſpizt
und lauſcht,

Ob vielleicht ein Treiber koͤmt, der ihm ſeine Ruh
misgoͤnnet,

Es erhebt ſich zu der Flucht, eh mans denkt, iſts
fort gerennet.

Ob es gleich der Wind getaͤuſchet; ſo war doch die
Ahndung da,

Ein nach Wild begierger Jaͤger, war mit ſeinen
Spuͤrhund nah,

Und belebete den Wald, durch ſein Horn bei deſſen
Schallen,

Gaben Klippen, Baum und Buſch ein recht luſtig
Wiederhallen.

Dies ermunternde Gethoͤne wekte alle Thiere
auf,

Die ſich in den Schatten kuͤhlten, und die mit ge-
ſchwinden Lauf,

Die bewachſne Rennebahn, von des Jaͤgers Trieb
bewogen,

Und von jaͤher Furcht geſpornt, ohne Aufenthalt
durchflogen.

Die beliebten Saͤngerinnen, die die ſuͤſſe Mittags
Ruh,

Auf den dichten Gipfeln halten, kamen auch geſchwind
herzu

Sahen dieſen Aufſtand an, dehnten die erfriſchten
Kehlen,

Fingen durch den Luſtgeſang an die Triebe zu er-
zaͤhlen

Die ſie in der Bruſt verſpuͤren, wenn ſie in den
kuͤhlen Hain,

Un-
[15]Der Sommer.
Unter blaͤtterreichen Hauben, vor der Glut beſchir-
met ſeyn.

Dieſe frohe Munterkeit, dieſer Wollklang ſuͤſſer
Lieder,

Dieſes lispelnde Geraͤuſch, dieſes klappernde Ge-
fieder

Das den ſtillen Wald erreget, macht zur ſchwuͤ-
len Sommerszeit,

Ein Gemuͤhte aufgewekket, das ſich in dem Schoͤp-
fer freut,

Der bei heiſſen Sonnenbrand, der die duͤnne Luft
durchgluͤhet,

Ueber ſeine Kreatur, ſolche Anmuths-Dekken zie-
het.

Welch ein Schauplaz neuer Wunder, wird auf
den beſaamten Feld

Den vor Luſt entzuͤkten Augen in dem Sommer
vorgeſtellt!

Auf! laſt uns die Schaͤzze ſehn, die zum Nuzzen
und Vergnuͤgen,

Auf den breiten Seegens-Tiſch wollgedekter Aekker
liegen.

Welch ein Vorwurf ruͤhrt die Sinne, wenn die
Sonn die Himmels-Uhr

Jhre heitren Anmutsſtrahlen wirft auf die bewachſne
Flur!

Da wird man mit Luſt gewahr, wie die Fruͤchte
im Gefilden,

Durch den hellen Gegenſchein ſich mit tauſend Far-
ben bilden.

Wenn wir von erhabnen Huͤgeln ſolche Felder uͤber-
ſehn,

Die mit aufgekeimten Saaten, als im Seegen
traͤchtig ſtehn:

So
[16]Der Sommer.
So bewegt das Mannigfalt von den Fruͤchten und
Getraide,

Sein von Anmuth wallend Herz, durch die ſchoͤn-
ſte Augenweide.

Es duͤnkt uns in dieſer Ferne, als wenn das be-
ſaamte Land,

Mit den tuͤrkſchen Kunſtgewirke, mit Tapeten uͤber-
ſpannt;

Hie iſt eine Lage gruͤn, da der Blumen bunte
Spizzen

Wie ein heller Silberſtrahl, wie erhabnes Stick-
werk blizzen.

Da laͤſt ſich ein rothes Feuer, dort ein blaulicht
Flammen ſehn,

Von den roth und blaugemahlten Blumen, die
darzwiſchen ſtehn:

Dort iſt die Tapecerei, wieder anders uͤbermah-
let,

Die wie ein verguͤldtes Tuch, koſtbar in die Augen
ſtrahlet,

Das mit Ranken durchgebluͤmet. Wirft man den
vergnuͤgten Blik,

Auf die breiten Gegenden die in Bluͤte ſtehn, zu-
ruͤk;

So ſieht man die bunte Pracht allenthalben herrlich
glimmen

Und in einer heiſſen Glut, wie in glatten Meere
ſchwimmen.

Wenn die Erndte Zeit ſich naͤhert, und die Hal-
men ſich geſteift

Die die Sonne endlich troknet, und mit ihren
Koͤrnern reift:

So verdoppelt ſich die Luſt, wenn wir bei den ſanf-
ten Wehen,

Auf
[17]Der Sommer.
Auf dem gelben Akkerfeld, die bewegten Halmen ſe-
hen.

Da wallt unſer Herz von Freude, wenn der Wind
die Frucht bewegt,

Und ein lispelndes Geziſche in den Aehren-Meer
erregt,

Und gleichſam den Landman ſagt, daß die Zeit an
ihren Seegen,

Den der Sommer reif gemacht, nun die Siechel
anzulegen.

Es entſteht ein muntres Jauchzen; man wird bald
der Schnitter Schaar,

Die recht froh zu Felde ziehet, in der Erndte-Zeit
gewahr,

Und die ganze Dorfſchaft kommt, die die Senſen
ſcharf gewezzet,

Welche die bewegte Fauſt, mit begierger Luſt an-
ſezzet.

O’ ein angenehmes Kriegen! wo die Erndte-Sie-
chel blinkt,

Und auf jeden Schlag die Beute mit den Feind dar-
nieder ſinkt.

Wo ein luſtigs Feldgeſchrei! ohne alles Blutver-
gieſſen,

Wo von der beſchwizten Fauſt, zwar die heiſſen
Tropfen flieſſen,

Doch aus keinen Wunden rinnen. Welch ein
Schauſpiel giebt das Feld,

Da der Landmann ſeine Voͤlker, wie zur Schlacht
in Ordnung ſtellt:

Da folgt immer Schlag auf Schlag, Hieb auf
Hieb, und Bliz auf Blizzen

Wenn ſie mit geſchwenkten Arm, durch die dorren
Halmen rizzen

Zweyter Theil. BUnd
[18]Der Sommer.
Und in Garben zu ſich ziehen. Welch ein emßiges
Gewuͤhl!

Und das in der ſchwuͤlen Hizze: doch die Arbeit, wird
zum Spiel

Weil ſie in der Aehren-Meng, die ſie froh zuſam-
men binden,

Einen fetten Lebens-Mark, wieder ſich zu ſtaͤrken
finden.

Dieſe Hofnung ſtaͤrkt das Herze und erwekket in der
Bruſt

Der beſchweißten Schnitter Freude; ihre Muͤhe
wird zur Luſt

Wenn ſie mit geruͤhrten Sinn den geſchenkten Nah-
rungsſeegen,

Den der fette Boden traͤgt und von Hoͤchſten flieſt,
erwegen.

O! ein luſtiges Gewimmel! iſt es gleich recht ſchwuͤl
und heis,

So bleibt dennoch unermuͤdet, ihr vergnuͤgter Ernd-
te-Fleis,

Einer bindet, jener haͤuft und ſtellt in geſchwinden
Wandeln,

Die geknuͤpften Garben auf, und macht reiche See-
gens-Mandeln;

Daran eine Aehren-Menge, die auf ihren Halmen
haͤngt,

Ein betrachtendes Gemuͤte zu dem hoͤchſten Geber
lenkt,

Wenn ſie wie mit Fingern zeigt, daß von den be-
ſtirnten Hoͤhen,

Als der GOttheit lichten Thron, ſie und alle Ding,
entſtehen.

Wenn das Feld mit ſolchen Hauffen, als mit Kro-
nen ausgeſchmuͤkt,

Dar-
[19]Der Sommer.
Daran ein geruͤhrtes Auge ſo viel Wunder hat er-
blikt,

Als der Koͤrner groſſe Zahl; ſo ſind da die Erndte-
Wagen,

Dieſe reiche Felderfrucht in die Scheuren einzutra-
gen.

Man bepakt die weiten Leitern, und legt immer
Schicht auf Schicht,

Die beſchaͤumten Pferde ziehen, und das raſchelnde
Gewicht

Rollt, wenn gleich die Achſe knarrt, fort auf den
beſtaͤubten Wegen,

Die beim muntren Pferde Trab, hintern Wagen
ſich erregen,

Und geſtaͤubte Wolken machen, die ſich wiederum
verziehn,

Wenn die aufgehaͤuften Laſten, gaͤnzlich aus dem
Felde fliehn.

O! vergnuͤgte Sommerluſt! da das Feld ſo wird
erreget,

Wenn man die gedeihte Frucht in die Vorrathskam-
mern traͤget;

Hie rauſcht von bewegten Senſen, der getrofne duͤr-
re Halm

Da in Luͤften wiederhallet, der erfreuten Schnitter
Pſalm,

Den ſie mit den Jubel-Chor, aus gedorrten Gau-
men zwingen,

Darin ſie des Schoͤpfers Ruhm, der das Feld ge-
baut, beſingen.

Da knarrt der gedrukte Boden, von des Wagens
Laſt beſchwert,

Der mit raſſelnden Geraͤder uͤber ſeine Flaͤchen
faͤhrt;

B 2Die-
[20]Der Sommer.
Dieſes freudige Geſchrei, wird durch das Geklatſch
verwirret,

Das des Fuhrmans Peitſche macht, damit er die
Pferde ſchirret

Wenn ſie nicht in Fluͤchten rennen. Dieſe frohe
Munterkeit,

Macht die Felder immer rege, bis die dunke Abends-
zeit

Jeden zu der Ruhe weiſt; Alsdenn gehen die ge-
ſchnitten,

Unter jauchzenden Geſchrei, freudig wieder zu den
Huͤtten

Wo ſie die erſchoͤpften Glieder, die von ſaurer Ar-
beit mat,

Wiederum von neuen ſtaͤrken, auf der weichen La-
gerſtat.

Wenn der Morgen wieder graut und die Poſt des
Tages bringet,

Wird der Felder rege Luſt abermahl als wie verjuͤn-
get,

Bis der Seegen eingeſcheuret, den der Vorſicht
Gnadenhand,

Bei des Sommers warmer Milde, ihren Kindern
zugewandt.

GOtt! der du als Brunn des Lichts, woraus al-
les Gute quillet,

Durch der Sonnen rege Glut, jenen Luftkreis an-
gefuͤllet,

Der durch ſein erwaͤrmend Hauchen Geiſt und Blut
zur Luſt anfacht,

Wie gar gros iſt deine Guͤte, deine Weisheit, dei-
ne Macht!

Himmel, Erde, Wald und Feld, das beſchaͤumte
Reich der Wellen,

Sind
[21]Der Sommer.
Sind von deinen Wundern voll, die ſich uns vor
Augen ſtellen.

Du allweiſer Zeit-Regierer, ordneſt alles herrlich
an,

Du giebſt bei des Sommers Hizze, was den Gaum
erfriſchen kan.

Schieſt des Himmels heitrer Strahl uns recht
brennend ins Geſichte:

So ſchenkſt du uns zu der Zeit manch erquikkendes
Gerichte

Das mit ſolchen Saft erfuͤllet, der uns kuͤhlet, labt
und ſpeiſt,

Und auf deine weiſe Guͤte, allemahl zuruͤkke
weiſt.

O! ihr Gaͤrten eure Frucht, laͤſſet den erhizten Keh-
len,

Nicht an dem erfriſchend Obſt, nicht an ſaftgen
Beeren fehlen,

Die uns wie in ſchoͤnen Schaalen wunderbarlich
ſind geſchenkt

Woraus uns die ewge Liebe, als mit ſuͤſſen Nectar
traͤnkt.

Euer Schattenreiches Dach, das aus Laubwerk iſt
verbunden,

Giebet uns bei ſchwuͤler Luft kuͤhlende Erquikkungs-
ſtunden.

Eure ſammtnen Graſe-Dekken die natuͤrlich, rei-
zend, ſchoͤn,

Sind die Polſter ſuͤſſer Ruhe, worauf wir uns
ſanfte drehn,

Wenn der Weſtwind uns einwiegt, und mit fri-
ſchen Laube kuͤhlet,

Darin ſein unſichtbahr Hauch mit gelinden Blaſen
ſpielet.

B 3Men-
[22]Der Sommer.
Menſchen! wenn ihr ſolch Vergnuͤgen zu der Som-
merszeit genießt,

O! ſo denket an die Quelle, woraus ſolch Ergoͤzzen
fließt,

Laſſet durch den Sonnenſtrahl, eure Andacht euch
entzuͤnden,

Merket auf die hoͤchſte Guͤt, bei dem freudigen Em-
pfinden,

Das ſich in den Adern reget; dankt der ewgen
Guͤtigkeit,

Fuͤr die ſuͤſſen Gnadengaben der beliebten Sommers-
zeit;

Preiſet ſeine groſſe Macht, die den Schauplaz die-
ſer Erden,

Bei des Sommers warmer Luſt laſſen zum Gewaͤchs-
haus werden.

Ruͤhmet ſein allweiſes Walten, das im Luſthaus
dieſer Welt,

Denen Luſtbegiergen Sinnen, ſo viel Anmuth vor-
geſtellt.

Lernet daran einzuſehn, wie uns zum vergnuͤgten
Leben,

Die ſtets wuͤrkende Natur, Mittel ſattſam darge-
geben;

Und wie unſers Schoͤpfers Wille, uns darum ſo
viel beſchert,

Daß wir ſeine Guͤte ſchmekten, die uns uͤberfluͤßig
naͤhrt.

Lernet wie wir ſchuldig ſeyn, Jhn mit frohen An-
dachtstrieben

Als das allerhoͤchſte Gut, zu erkennen und zu lie-
ben.

Wenn die Sommerszeit verſtrichen, ſo folgt auf
den warmen Tag,

Bald
[23]Der Sommer.
Bald der truͤbe Herbſt und Winter mit den Froſt
und Kaͤlte nach:

Laſt euch dies ein Denkbild ſeyn, das mit denen
Sommer-Jahren,

Auch die Munterkeit vergeht. Man muß auf dem Win-
ter ſparen,

Wenn die Zeit der reichen Erndte, Boden, Faß
und Keller fuͤllt;

Wenn der Brunquell aller Gaben, von den See-
gen uͤberquillt:

So muß man bei friſcher Kraft der noch muntren
Leibesſaͤfte

Als zur rechten Erndte-Zeit, treiben ſein Berufs-
geſchaͤfte.

Hier ſind immer Zeiten-Wechſel, und der Son-
nen Unbeſtand,

Macht die Aendrungs-volle Erde, wie uns allen
wol bekand,

Zu den groſſen Jnbegrif, wo die Eitelkeit regie-
ret;

Dadurch wird der rege Sinn das zu ſuchen, ange-
fuͤhret

Was beſtaͤndig ewig dauret. Dieſes iſt nur da zu
ſehn,

Wo ſich die vollkomnen Zirkel guͤldner Ewigkeiten
drehn;

Jn der ſeelgen Geiſter-Welt, wo die ewge Sonn
zu ſchauen,

Wo es immer Sommer bleibt, dort in Salems gruͤ-
nen Auen.


B 4Die
[24]
Die mannigfaltige
Weisheit GOttes
im Reiche der Gnaden
Bei der Offenbahrung des Erloͤſers
und ſeiner Lehre
Als eine Fortſezzung des lezten Gedichtes im erſten
Theile.

[figure]
Jch will nunmehr weiter ſingen,

Von den wunderbahren Dingen

Die im Neuen Teſtament

Uns der Hoͤchſten Weisheitsſtrahlen

Klaͤrlich vor die Augen mahlen

An der Kirchen Firmament,

Wo die helle Gnadenſonne,

Sich verklaͤrt in guͤldner Wonne.

JEſus kam, der ward gebohren,

Der was Adam hat verlohren,

Gluͤklich wieder hergeſtellt:

Engel muſten zum Erſtaunen,

Jn den Luͤften auspoſaunen,

Es ſei da, das Heil der Welt,

Das nach dem vollbrachten Ringen,

Wuͤrde Frieden wiederbringen.

Welch
[25]im Reiche der Gnaden.
Welch ein weiſes Vorſichts Fuͤgen

JEſus muſt in Krippen liegen,

Als ein Kind das arm und blos!

Von dem alle Ding entſtehen,

Die im Reich der Macht zu ſehen;

Den der Himmel nicht umſchloß,

Noch die Erde konnte faſſen,

Der ward elend und verlaſſen.

Wenn ich dieſen Heiland ſehe,

So zeigt er der GOttheit Hoͤhe

Doch bei ſeiner Niedrigkeit,

Er war arm; die Seraphinen

Muſten ihn im Elend dienen,

Da er uns im Fleiſch erfreut:

Das kann uns die Lehre geben,
GOttes Weisheit zu erheben.

Luft und Himmel ward erreget,

Und die Erde ward beweget

Als er in dem Fleiſch erſchien:

Hie iſt abermahl zu finden

Jn den dunklen Vorſichtsgruͤnden

Des Allweiſeſten Bemuͤhn,

Aller Welt dadurch zu lehren,

JEſum als ihr Heil zu ehren.

Juden konten leichtlich ſchlieſſen

Und bei ihrer Schazzung wiſſen,

Daß die Zeit des Heils ſehr nah;

Da der Scepter war verlohren,

War ihr Koͤnig auch gebohren

Und in der Erfuͤllung da;
B 5Was
[26]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.

Was einſt Jacobs Geiſt geſehen,

War zu Betlehem geſchehen.

Wenn wir auf des Heilands Leben,

Nur im Glauben Achtung geben;

Wie das Evangelium;

Daran wir recht glaͤuben ſollen,

Jn die ganze Welt erſchollen:

So muß man zu GOttes Ruhm,

Dies Bekaͤnntnis glaͤubig bringen:

GOtt iſt weiſ in allen Dingen.

Menſchen muͤſſen ſeinen Willen,

Ohne Wiederſtand erfuͤllen,

Wenn die Allmacht ſie bewegt:

Aber durch ein maͤchtig Zwingen,

Einen zu den Glauben bringen

Den GOtt uns hat vorgelegt,

Heiſt der Menſchheit freies Waͤhlen,

Wieder die Natur zu quaͤlen.

Wenn des Hoͤchſten Gnadenſtimme,

Mit den Bliz von ſeinen Grimme,

Mit den Donner ſeiner Macht,

Zugleich waͤre auspoſaunet;

So waͤr alle Welt erſtaunet,

Zu des Heilands Lehr gebracht:

Aber Chriſti Reich der Liebe

Braucht nicht Zwang, nur ſtarke Triebe.

Darum waren arme Lehrer,

Seine groſſen Reichs-Vermehrer,

Von dem Geiſt der Kraft geruͤhrt;

Die vor aller Welt verachtet,
Wur-
[27]im Reiche der Gnaden.

Wurden hie geſchikt geachtet,

Und mit Gaben ausgeziert,

Daß die Weisheit dieſer Erden,

Muſte lauter Torheit werden.

O! wie weiſe iſt das Weſen,

Das Apoſtel auserleſen,

Die kein Wiſſen aufgeblaͤht,

Die von keiner Macht geſtaͤrket;

Weil man daraus klaͤrlich merket,

Daß der JEſus der erhoͤht,

Ueber alle Wolken ſizzet,

Sie gelehret und beſchuͤzzet.

Juden, Heiden, Weiſe, Tohren,

Alle hatten ſich verſchworen,

Chriſti Lehr und Heiligthum,

Zu zernichten, zu zerſtoͤhren,

Alle wuͤtend zu verheeren,

Die das Evangelium

Als die reine Warheit kannten,

Und ſich daher Chriſten nannten.

Aber hie war GOttes Finger;

Der ein ſiegender Bezwinger,

Ueber Hoͤll und Teuffel war,

Konnte ihre Wuth bald legen,

Daß ſie mit geſchaͤrften Degen,

Wie ans der Geſchichte klar,

Nie vermogten zu beſiegen,

Die mit Geiſtes Schwertern kriegen.

Seht dies an ihr tollen Spoͤtter,

Wer war der Apoſtel Retter,
Die
[28]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.

Die ſich gegen alle Welt,

Ohne eine Macht zu haben,

Nur mit Lehr und Wundergaben,

Jhren Bruſtſchild aufgeſtellt:

Und dennoch iſt es gelungen,

Daß ſie Liſt und Macht bezwungen.

Wie der Bliz, wenn er entbrennet,

Flammend durch die Luͤfte rennet;

So ging auch des Hoͤchſten Wort,

Mit dem Wundervollen Brande,

Durch der Erden finſtre Lande,

Als ein Licht im Glanze fort,

Da von Feurreichen Zungen,

Chriſti Warheits-Lehren klungen.

Seht! wie eure Liſt zernichtet,

Die mit eitlen Luͤgen dichtet,

Was der Warheit ſchaden kann.

Woher ſind die weiſen Lehren,

Die wir von dem Heiland hoͤren?

Sehet die Apoſtel an,

Die die Niedrigſten der Erden,

Muͤſſen JEſus Boten werden.

Haͤtte GOtt die auserleſen,

Die der Welt nach klug geweſen,

So hies es: des Heilands Lehr

Jſt mit klugen Wiz erſonnen.

Dieſer Einwurf iſt zerronnen,

Das kann euch zu GOttes Ehr,

Seiner Weisheit lichte Strahlen,

Deutlich vor die Augen mahlen.

Haͤt-
[29]im Reiche der Gnaden.
Haͤtte er die auserkohren,

Die als Koͤnige gebohren,

Die mit Schwerdt und Macht verſehn:

Alsdenn wuͤrdet ihr einwenden,

Daß mit Macht und ſtarken Haͤnden,

Die Bekehrung ſei geſchehn;

Dieſes Einwurfs ſtark Gewichte,

Machte GOtt auch hie zu nichte.

Welche Weisheit-volle Blikke,

Sehen wir in dem Geſchikke,

Das des Heilands Reich beſtimmt;

Wenn man nur geruͤhrt beſchauet,

Wie es auf ſein Blut gebauet,

Wie die Kirch im Blute ſchwimmt;

Wie ſie, wenn ſie unterlieget,

Dennoch Hoͤll und Welt beſieget.

Es iſt kund aus der Geſchichte,

Was vor ſchroͤkliche Gerichte,

Chriſti Kirch erduldet hat:

Sie war wie ein Schif im Stuͤrmen,

Doch das goͤttliche Beſchirmen,

Lehret uns den weiſen Rath,

Der die Flut alſo umdaͤmmet,

Daß ſie es nicht umgeſchwemmet.

Maͤrtrer Blut, das ward zum Saamen,

Woraus gleichſam Chriſten kamen;

Wenn die Wut darauf bedacht,

Wahren Glauben zu erſtikken;

Reine Lehr zu unterdruͤkken:

Doch wie wol hats GOtt gemacht;
Der
[30]Die mannigfaltige Weisheit GOttes

Der den Sturmwind ſo gedrehet,

Daß die Kirch dadurch beſtehet.

Wie ein Wind durch ſtuͤrmend Raſen,

Pflegt die Fakkeln anzublaſen,

Daß die Glut viel heller brennt:

So ſind in Verfolgungs-Zeiten,

Bei der Feinde Wiederſtreiten

Chriſti Glieder nicht getrennt;

Sondern dieſer Kreuzes-Orden,

Jſt dadurch viel groͤſſer worden.

So hat ſelbſt die Wuht der Feinde,

Des Erloͤſers treue Freunde,

Jn der Glaubens-Kraft beſtaͤrkt;

Die wie Gold in Feur bewaͤhret,

Jn der Truͤbſal nur verklaͤret.

Wer dies alles recht bemerkt,

Der ſieht von des Hoͤchſten Fuͤgen,

Darin weiſe Spuren liegen.

Wenn die, die den Heiland kannten,

Jn den heiſſen Flammen brannten;

Wenn die fromme Chriſten Schaar,

Alle Henkers Qual erlitte,

Und im Glauben freudig ſtritte,

So ward dadurch offenbahr

Daß die ewgen Warheits Lehren,

Auch in Leiden Kraft beſcheren.

Dieſes ruͤhrete die Seelen,

Die durch Peinigen und Quaͤlen

Chriſti Untergang geſucht;

Und die durch ergrimmtes Wuͤten
Chri-
[31]im Reiche der Gnaden.

Chriſten hakten, koͤpften, brieten

Und den Heiland ſelbſt verflucht,

Wurden auf den Schaugeruͤſten,

Oefters Sanftmuts-volle Chriſten.

Hoͤchſte Weisheit! dein Regieren,

Jſt hierinnen klar zu ſpuͤren

Daß in der Verfolgungs-Zeit

Die gedruͤkte Kirch erhoben

Und bei ihrer Feinde Toben,

Doch den Saamen ausgeſtreut

Der jemehr er weggeraͤumet,

Deſto bluͤhender gekeimet.

Bei ſo harten Wiederſtande,

Von des Teuffels Rott und Bande

Siegte die Religion,

Die dem Fleiſch und Blut zuwieder.

Es vermehrten ſich die Glieder

Die des Kreuz-Reichs Marterkron,

Durch des Geiſtes Trieb bewogen,

Gold und Schaͤzzen vorgezogen.

Nach den truͤben Finſterniſſen,

Die ſich doch verklaͤren muͤſſen,

An der Kirchen Firmament;

Sahe man die Gnaden-Sonne

Die mit Strahlenreicher Wonne,

Der Gewitter Dunſt zertrennt:

Nach den ſchwarzen Ungeluͤkke,

Sah man helle Freuden Blikke.

Selbſt die Hohen dieſer Erden,

Muſten Chriſti Schuͤler werden,
Wie
[32]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.

Wie die Weisheit es gelenkt;

Die auf wunderbahre Weiſe,

Des verborgnen Schikſals Gleiſe,

Mit der Erden Kugel ſchwenkt;

Daß das endlich muß geſchehen,

Was ſie vorher auserſehen.

Als ſich erſt die hohen Thronen,

Und der Fuͤrſten Ehrenkronen,

Zu des Heilands Lehr geneigt;

Folgten auch die Unterthanen,

Die bei Chriſti Kreuzes-Fahnen,

Schwoͤrend ihre Treu bezeugt:

Daß ſie den, der laͤngſt erſchienen,

Wolten ſtets als Koͤnig dienen.

O! wie wunderbahr, wie weiſe,

Sing ich zu des Hoͤchſten Preiſe,

Sind die Koͤnige bekehrt;

Daß ſie JEſum angenommen

Und zu dem Erkenntnis kommen;

Welches uns die Wege lehrt

Dort ein ewigs Reich zu erben,

Wenn wir dieſer Welt abſterben.

Menſchen, die im Gluͤkke ſpielen,

Und im Erden-Kothe wuͤhlen,

Nur auf Eitelkeit bedacht;

Die von Herſchſucht aufgeblaſen,

Die in Wolluſt ſchaumend raſen,

Die die Ewigkeit verlacht;

Hat die Weisheit die regieret,

Wunderbahr herum gefuͤhret.

Wenn
[33]im Reiche der Gnaden.
Wenn die Koͤnige gekrieget,

Und den Feind mit Macht beſieget,

Hat GOtt die Gelegenheit

Oftermahls alſo geleitet,

Daß ſie dadurch zubereitet

Chriſti groſſe Herrlichkeit

Jn der Demut zu erkennen,

Den, als ihren HErrn zu nennen.

Wenn man nur die Zeitgeſchichte,

Die glaubwuͤrdigen Berichte,

Der verfloßnen Jahre ſieht;

So ſieht man die weiſen Spuren,

Wie GOtt um die Kreaturen

Und ihr ewges Heil bemuͤht:

Da er wider alles Denken,

Sie zu Chriſto weis zu lenken.

O! die wunderbahren Gaͤnge,

Breite, Hoͤhe, Tieffe, Laͤnge,

Der verborgnen Vorſehung,

Die ſich bei den Chriſtenthume,

Offenbahrt zu ihren Ruhme,

Sehn wir mit Verwunderung,

Jndem es ohn alles Zwingen,

Jhrer Weisheit muß gelingen.

Dies Volk wurde ſo bewogen,

Zu des Heilands Lehr gezogen,

Jenes wieder anders noch:

Jrdiſche Begebenheiten,

Gluͤk und Ungluͤk, Fried und Streiten,

Zwang ſie in das ſanfte Joch,
Zweyter Theil. CDas
[34]Die mannigfaltige Weisheit GOttes

Das der Heiland uns zum Seegen,

Pflegt aus Liebe aufzulegen.

Was der Menſchen Wiz erſehen,

Pfleget oft nicht zu geſchehen,

Ofte aber gilt ihr Rath:

Beides weis GOtt ſo zu fuͤgen,

Wie ers, ihnen zum Vergnuͤgen

Weislich vorgeſehen hat:

Auch das Boͤſe dieſer Erden,

Muß uns oft zum Guten werden.

Jn der Welt und ihren Reichen,

Jn dem Chriſtenſtaat imgleichen

Gehet oft viel boͤſes vor.

Es entſtehen oft Rebellen,

Die wie grauſe Meeres-Wellen

Jhre Wirbel drehn empor:

Was aus dieſer Wuth entſpringet,

Laͤſt GOtt zu, daß es gelinget.

Hier iſt doch ein weiſes Walten,

Das in jeglichen Anſtalten,

Den verborgnen Finger zeigt:

Und das boͤſe, was entſponnen,

Aus des Satans Pful geronnen,

Wird von GOtt alſo geneigt;

Daß es wieder ihren Willen,

Muß der Weisheit Zwek erfuͤllen.

CHriſti Reich, ſein heilger Tempel

Giebet uns davon Exempel;

Kaum ward es gepflanzt, gebaut:

So ward bei den guten Saamen,
Bei
[35]im Reiche der Gnaden.

Bei des Heilands Lehr und Namen,

Satans Unkraut, angeſchaut,

Da die falſchen Kezzereien,

Trespen untern Weizen ſtreuen.

Da entſtand ein heilig Kriegen,

Unter Warheit, unter Luͤgen,

Unter Licht und dunklen Dampf

Und die Kirche ward ein Himmel,

Da des Jrrgeſtirns Gewimmel,

Bei den innerlichen Kampf,

Sich von Zeit zu Zeit vemehrte,

Und der Warheit Schein verkehrte.

Ach! ſeufzt hie die Turteltaube,

Die gedruͤkte Kirch, der Glaube

Wird nunmehro unterdruͤkt;

Warheit die im Glanz gefunkelt,

Wird wo nicht durchaus verdunkelt,

Doch mit Blendwerk falſch geſchmuͤkt:

Und wird durch die Jrrungen,

Jmmer mehr und mehr verdrungen.

Wie laͤſt GOttes weiſe Guͤte,

Dieſes Unkrauts giftge Bluͤte

Auf den Kirchen-Akker ſtehn?

So muß ja des Weizens Seegen,

Sich verdorrt zu Boden legen

Und verwelkend untergehn;

So wird ja die Warheitslehren,

Satans Luͤgengeiſt zerſtoͤhren.

Nein, im Reiche der Genaden,

Wird des Jrthums boͤſer Schaden
E 2Von
[36]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.

Von der Weisheit doch genuͤzt:

Jndem wieder falſche Lehrer,

Wieder ſchaͤdliche Verkehrer,

Wahrer Glaube iſt beſchuͤzt;

Da der Kezzer Finſterniſſen,

Jhn nur mehr erhellen muͤſſen.

Wie der Schatten im Geſichte,

Mehr erhellt den Strahl vom Lichte

Den der Mahler Pinſel zieht;

Wie bei ſolchen Dunkelheiten,

Sich die Zuͤge hell ausbreiten,

Und daraus die Schoͤnheit bluͤht:

So dient auch des Jrrthums Schwaͤrze

Einer lichten Glaubens-Kerze.

Daß des Jrrwahns Fechterſtreiche,

Des Erloͤſers Gnadenreiche

Und der Warheit vortheilhaft;

Jſt daraus ganz klar zu ſehen,

Weil der Feinde Wiederſtehen

Dieſen Nuzzen laͤngſt geſchaft;

Daß bei ihren Einwendungen,

Warheit ſtaͤrker durchgedrungen.

Des Unglaubens ſtumpfe Waffen,

Pflegen ihn nur ſelbſt zu ſtraffen,

Wenn er durch der Warheit Bliz,

Als von jaͤhen Schlag geruͤhret,

Bogen, Schild und Pfeil verlieret.

Da entbloͤſſet uns ſein Wiz

Nur die Schande boͤſer Herzen,

Die in Glaubensſachen ſcherzen.

Wenn
[37]im Reiche der Gnaden.
Wenn der Hoͤllen finſtre Rotten,

Chriſti Lehr und Glauben ſpotten,

So gereicht das ihm vielmehr,

Und der Chriſten frommen Schaaren,

Die das reine Wort bewahren,

Statt der Schande, nur zur Ehr;

Weil ſie durch die Spoͤttereien,

Jhre Ohnmacht ſelbſt ausſchreien.

Weisheit die zum Beſten lenket,

Wenn der Menſche boͤſes denket,

Hie zeigt ſich uns abermahl

Von der Vorſicht klugen Schluͤſſen,

Die wir ſtets verehren muͤſſen,

Und von dir ein lichter Strahl,

Da die Glaubensſtreitigkeiten

Jmmer neuen Sieg bereiten!

Feinde die den Glauben ſtuͤrmen,

Treiben ſolchen zu beſchirmen

Nur zur Gegenwehre an.

Durch der Wiederſacher Bogen,

Sind die Lehrer ſtets bewogen;

Und wer Warheit pruͤfen kan

Gruͤndlicher das vorzutragen,

Wenn ſie nach Beweisthum fragen.

Manche ſchoͤne Warheits-Lehre,

Dadurch unſers Schoͤpfers Ehre

Herrlich wird vor aller Welt,

Waͤre nicht in ſolchen Lichte,

Wenn nicht Spoͤtter vors Gerichte,

Jhres Wizzes ſie geſtellt,
C 3Die
[38]Die mannigfaltige Weisheit GOttes

Die denn andre angetrieben,

Sich im Glaubenskampf zu uͤben.

Daß ſo viele Glaubenshelden,

Davon die Geſchichte melden,

Die die Schanze wol beſchuͤzt;

Die der Spoͤtter Spies zerbrochen,

Womit ſie ſo ſchreklich pochen

Zeigt, wie ſehr der Streit genuͤzt,

Denn wer will in Glauben ſiegen,

Muß zuvor mit Feinden kriegen.

Wird ein Schwerd am Stein gewezzet

So wird es doch nicht verlczzet,

Sondern vielmehr ſcharf und glat:

So gehts auch in Glaubensſachen,

Die darinnen Zweiffel machen,

Muͤſſen nach der Weisheit Rath,

Nur die Warheit mehr erhellen,

Der ſie ſich zuwieder ſtellen.

Wie viel freudige Bekenner,

Finden ſich, wenn ein Zertrenner,

Chriſti Reich zum Aufſtand dringt;

Da ſieht man des Glaubens-Triebe

Und was edle Warheits-Liebe

Vor erwuͤnſchte Fruͤchte bringt:

Da die was ſie wollen ſpalten,

Nur verbinden und erhalten.

Jhr die ihr zum Aergerniſſe

Macht, die mannigfaltgen Riſſe

Die des Heilands Reich zertheilt:

Wenn ihr dieſes nur bemerket
So
[39]im Reiche der Gnaden.

So ſeid ihr dadurch beſtaͤrket,

Daß ihr euch ſehr uͤbereilt,

Weil das Boͤß im Reich der Gnaden,

Nicht dem Guten koͤnnen ſchaden.

Auf ſo mannigfaltgen Wegen,

Sprieſt des Allerhoͤchſten Seegen

Jn des Heilands Kirchenſtaat,

Denn die Weisheit ſtets regieret,

Und beſchuͤzt, vermehrt, gezieret:

Wer davon Erfahrung hat

Wird das mit geruͤhrter Seelen
GOtt zum ewgen Ruhm erzaͤhlen.

Weislich weis er ſolche Herzen,

Die mit Buß und Glauben ſcherzen,

Als ein Wild ins Nez zu ziehn.

Guͤnſtig Gluͤk, bald Ungeluͤkke,

Brauchet er zum Liebes-Strike,

Damit haͤlt er, die ihn fliehn:

Ob ſie aus den Laſter-Schlingen,

Wiederum heraus zu bringen.

O! ihr vormahls tollen Suͤnder

Die ihr nunmehr GOttes Kinder,

Seht zuruͤk auf eure Bahn;

Denket nach, wie ihr geruͤhret,

Wie ihr aus den Schlund gefuͤhret,

Drin die Seel verderben kan:

Muͤſt ihr nicht mit Luſt bekennen:

GOtt ſey weiſ und gut zu nennen?

Jhr liegt nun in ſeinen Armen,

Da ſein weisliches Erbarmen,
C 4Euch
[40]Die mannigfaltige Weish. GOttes im Reiche der G.

Euch der Kindſchaft Recht geſchenkt

Sein recht vaͤterliches Sehnen,

Brachte euch zu Buß und Thraͤnen,

Und hat euch zu ſich gelenkt;

Daß ihr ſtat der Zorngerichte,

Nun genieſt des Glaubens-Fruͤchte.

Chriſten! ruͤhmt die weiſe Liebe,

Die in euch die heilgen Triebe,

Durch des Wortes Kraft erregt;

Preiſt und lobet deſſen Nahmen,

Der ſo wunderbahren Saamen,

Durch den Geiſt ins Herz gelegt,

Zeigt die Fruͤchte in den Leben,

So wird GOtt euch Gnade geben.


Die
[41]
Die
angenehme Morgenroͤthe
Und
das Vergnuͤgen
beim Aufgang der Sonne.

[figure]
Der Morgenroͤthe ſchimmernd Pran-
gen

Verkuͤndiget des Tages Licht,

Da ſie mit ihren Roſenwangen,

Durch Nacht und Schatten freu-
dig bricht.

Sie oͤfnet ihre guͤldne Thoren;

Dadurch der Tag wird neu ge-
bohren

Und wirft den aufgeglomnen Strahl,

Der in den dunklen Luftkreis ſchwimmet,

Jm weis und rothen Farben glimmet,

Aus einen tieffen Abgrunds-Thal.

Sie dehnet ihre hellen Fluͤgel,

Und ſchwingt ſich immer hoͤher auf,

Bis ſie der Erden hohe Huͤgel

Beſtrahlt in ihren fruͤhen Lauf.

O! was vor angenehmes Glaͤnzen,

Der Berge Gipfel ſind mit Kraͤnzen,

Von Purpurroſen uͤberſtreut,

Bald ſcheints, als wenn von ihren Spizzen,

Die funkelnden Rubinen blizzen,

O! hoͤchſtvergnuͤgte Morgenzeit.

C 5Der
[42]Die angenehme Morgenroͤthe.
Der Aufgang der geſtrahlten Roͤthe,

Erhebt ſich bis ins feuchte Feld,

Wo ſie der Aekker Kunſttapete,

Die die Natur gewirkt, erhellt.

Die bleichen Farben von dem Lichte,

Falln wie ein Silber ins Geſichte;

Wenn in den tieffen Thal und Au,

Das Licht die Finſternis verdrenget,

Sich in die dunklen Schatten menget,

Entſteht ein demmricht klares Grau.

Der Naͤchte Flor wird weggezogen,

Je hoͤher das entglomne Licht,

An den verklaͤrten Himmelsbogen,

Erhebt ſein feurigs Angeſicht.

Die Schleier, die den Wald verſtekket,

Und ihren gruͤnen Kranz bedekket,

Die werden nunmehr abgethan,

Und was mit gruͤnen Schmuk gebildet,

Sieht man am Morgen wie verguͤldet,

Jn Strahlenreicher Wonne an.

O! welch ein uͤberirdiſch Glimmen,

Der Fluͤſſe naſſes Element,

Sieht man in regen Luſtfeur ſchwimmen,

Als wie ein flieſſend Gold das brennt:

Daß, wenn ſich in bewegten Flaͤchen,

Der Morgenroͤthe Strahlen brechen,

Mit tauſendfachen Farben ſtrahlt,

Und des verjuͤngten Lichtes Bronnen,

Das Bild der aufgegangnen Sonnen,

Jn einen Fluthen Spiegel mahlt.

Auf
[43]Die angenehme Morgenroͤthe.
Auf Buͤrger der entſchlafnen Erde,

Jezt koͤnnt ihr mit Vergnuͤgen ſehn;

Was durch das Allmachts-Wort: Es werde

Jm Anfang aller Ding geſchehn,

Da aus den truͤben Finſterniſſen,

Das Licht ſich offenbahren muͤſſen.

Seht! wie der GOttheit feurig Bild,

Die Schatten nach den Weſten jaget,

Des Tages frohe Poſt anſaget,

Da es von Oſten aufwerts quillt.

Verlaßt doch die gedruͤkten Pfuͤle,

Da eure Leiber gnug erquikt:

Und ſeht die frohen Wunderſpiele,

Die man in der Natur erblikt.

Verklaͤret die geſchloßnen Augen,

Damit ſie recht zu ſehen taugen,

Wie lieblich das beſtirnnte Zelt,

Daraus wenn Nacht und Schatten fliegen,

Zu GOttes Ruhm, uns zu vergnuͤgen,

Sich zeigt das Auge dieſer Welt.

Wohlan! der Schlaf iſt weggentiſchet,

Drum ſtrekt des Geiſtes Kraͤfte an,

Der matte Leib iſt nun erfriſchet;

Drum preiſt den GOtt der es gethan.

Gebrauchet die erblikten Wunder,

Entflammet doch den Andachtszunder,

Jn eurer GOtt geweihten Bruſt;

Bemerkt die Strahlenreiche Wonne,

Erblikt darin der Sonnen Sonne,

Das iſt die beſte Sommer-Luſt.

O!
[44]Die angenehme Morgenroͤthe.
O! merket mit erwachten Sinnen,

Auf die belebte Munterkeit,

Die von den blauen Himmels-Zinnen,

Jn heitren Glanz wird ausgeſtreut.

Seht wie die Felder, wie die Auen

Von Seegens-vollen Balſam thauen

Wie? iſt nicht alles Wunderſchoͤn

Ein jedes Troͤpfgen dieſer Naͤſſe,

Laͤſt uns der Sonnen Wundergroͤſſe,

Jn ſeinen kleinen Spiegel ſehn.

Jhr ſehet an den Graſes Spizzen,

An Blumen, Laub, den Perlen-Thau,

Und daraus ſolche Strahlen blizzen,

Die gruͤnlich roth, bald gelblich blau.

O! welche kleine Wunderſonnen

Entſtehn aus Tropfen die geronnen,

Jn einer ſanft und kuͤhlen Nacht,

Denkt dabei nach, in dem Gemuͤhte,

Wie uns des Hoͤchſten Vater-Guͤte

Die ſich in allen zeigt, anlacht.

Die friſchen ausgehauchten Duͤfte,

Die aus den feuchten Kraͤutern gehn,

Die als ein Rauchwerk in die Luͤfte,

Und wie ein Lebens-Balſam wehn,

Die geben durch ihr lieblich Blaſen,

Der Lunge Kraft und Luft der Naſen

Die ihren ſuͤſſen Auswurf ſchmekt;

Es ſcheint als wenn die Sonnenſtrahlen

Auf Feld und Wieſen Raͤucherſchaalen

Mit Weirauch, in den Brand geſtekt.

Dies
[45]Die angenehme Morgenroͤthe.
Dies deucht mir kann uns dieſes lehren,

Es bringe jede Kreatur

Ein lieblich Opfer dem zu Ehren,

Der HErr, im Reiche der Natur.

Wir fuͤhlen ihr erfriſchtes Hauchen,

Wir ſehn ſie als Altaͤre rauchen,

Ach moͤchten wir uns auch bemuͤhn;

Der Andacht heilge Raͤucherkerzen,

Jn unſern GOtt geweihten Herzen,

Zum Dienſt des Schoͤpfers anzugluͤhn.

Wir ſehen die Natur in Flammen,

Wenns Morgenlicht den Tag anfacht:

Ach! wuͤrde auch von uns zuſammen,

Die Sommerszeit ſo hingebracht,

Daß wir von Himmelsſtrahl geruͤhret,

Stets daͤchten: Menſch auch dir gebuͤhret

Jn heiſſer Andacht den zu ehrn,

Von deſſen unſichtbahren Weſen

Wir allenthalben Wunder leſen,

Empfinden, merken, ſchmekken, hoͤrn.

Hoͤrt, wie der Voͤgel muntres Singen,

Durch ihren hellen Wunderklang.

Euch treibt ein Danklied dem zu bringen,

Den man in frohen Lobgeſang,

Mit Herz und Munde muß verehren.

Jhr freudig zwitſchern kan uns lehren,

Wie GOtt die Kreatur erfreut

Der durch den guͤldnen Strahl von Morgen,

Die Schrekgeſpenſter ſchwarzer Sorgen,

Mit ihrer truͤben Nacht zerſtreut.

Auf!
[46]Die angenehme Morgenroͤthe.
Auf! auf! erheitert das Gemuͤthe

Durch den vergnuͤgten Sonnenſchein;

Und laſt des Hoͤchſten Wunderguͤte,

Den Vorwurf eurer Sinnen ſeyn.

Der Vorhang iſt nun weggezogen,

Seht nun die blauen Himmelsbogen,

Jn ihrer guͤldnen Klarheit an,

Wie man in den gewoͤlbten Breiten,

Den groſſen HErrn der Herrlichkeiten

Als unſichtbar, doch kennen kan.

O! ſeht an den beperlten Gruͤnen,

Wie unſer Schauplaz ſchoͤn geſchmuͤkt,

Da GOtt die ſchwarzen Nacht-Maſchinen

Durch ſeine Allmacht weggeruͤkt.

O! was vor eine rege Freude,

O! was vor bunte Augenweide

Geneuſt der Menſch in dieſer Welt,

Da alles wunderſchoͤn gebildet,

Bemahlt, verſilbert, uͤberguͤldet,

Und reizend, lieblich dargeſtellt!

Wer dieſe Wunder nicht wil ſehen,

Jſt warlich keiner Augen wehrt;

Wer daran GOtt nicht wil erhoͤhen,

Was er uns hat zur Luſt beſchert,

Der muͤſte in den Finſterniſſen,

Die Unempfindlichkeit ſtets buͤſſen,

Die wieder die Natur ſich ſtreubt;

Der muͤſte wohnen in den Grenzen,

Wo weder Sonn noch Monden glaͤnzen,

Wo alles finſter, ſchrekhaft bleibt.

Das
[47]Die angenehme Mdrgenroͤthe.
Das Licht legt den geregten Sinnen

Stets neue Wunderdinge fuͤr

An den ſapphirnen Himmels-Zinnen,

Auf unſrer Erde Luſtrevier.

Ja, allenthalben wo wir gehen,

Wohin wir unſre Augen drehen,

Da iſt ein Vorwurf ſuͤſſer Luſt,

Wodurch als wie ein Strom durch Roͤhren,

Die Stroͤme reger Freude kehren,

Die denn erquikken Herz und Bruſt.

So viel Vergnuͤgen ſtammt vom Lichte,

Das alle Dinge ſichtbar macht,

Aus deſſen feurigen Geſichte

Strahlt aller Kreaturen Pracht.

Bedenkt, wie herrlich jene Wonne,

Da GOTT! der aller Sonnen Sonne

Des Himmels Wohnungen erhellt;

Was werden wir vor Wunder ſchauen,

Jn jenen immer gruͤnen Auen

Der vollenkomnen Geiſterwelt?

Erwegt: ſo oft ihr freudig ſehet

Wie das verjuͤngte Morgenlicht,

Aus ſeinen dunklen Tieffen gehet,

Mit Purpurrothen Strahl ausbricht,

Wie aller Zeiten Nacht verſchwindet,

Wenn ſich einſt wiederum einfindet,

Die Sonne der Gerechtigkeit;

Wenn CHriſtus kommt, vor deſſen Fluͤgeln,

Die Sterbgewoͤlber ſich entriegeln

Da er den Staub erwekt, verneut.

So
[48]Die angenehme Morgenroͤthe.
So wie die Sonn im Aufgang ſtrahlet

Die Nacht und ſtillen Schatten trennt;

Wenn ſie der Erden Rund bemahlet

Und durch ihr himmliſch Feuer brennt:

So wird die Nacht des Todes weichen,

Wenn des Erloͤſers letztes Zeichen

Des juͤngſten Tages Poſten bringt;

So wird der Todes-Schlaf verſchwinden,

Und die aus ihrer Kluft entbinden,

Dadurch der Strahl der Allmacht dringt.

O! hoͤchſtvergnuͤgte Freudenſtunden,

Wann bringt ihr dieſes Gnadenlicht,

Da wir der Erden Laſt entbunden

Den Heiland ſehn von Angeſicht?

Wann ſich die Leibes Augen ſchlieſſen,

Wann uns in Grabes Finſterniſſen,

Verhuͤllt des Schlafes Bild, der Todt;

Dann kommt die Zeit uns zu erwekken,

Darnach Begierd und Hals zu ſtrekken,

Dann kommt das ewge Morgenroth.


Anre-
[49]
Anrede an den herrlichen GOtt
um Abwendung ſchreklicher Un-
gewitter.

[figure]
Herrlich biſt du, groſſer GOtt! in
dem Himmel und auf Erden,

Dort bei denen Seraphinen ſieht
man deine Majeſtaͤt,

Und durch deine Kreatur muſt du
gros auch bei uns werden,

Weil der Himmel, Sonn, Geſtirne, Erd und al-
les dich erhoͤht:

Was wir mit dem Augen ſehn, was wir mit dem
Geiſt erblikken,

Muß dich Schoͤpfer der Natur! herrlich uns ins
Herze druͤkken.

Deine Wetter, ſtrenger GOtt! die der Luft-
kreis in ſich ſchlieſſet

Als das Ruͤſthaus deines Grimmes, kommen uns
ſehr ſchreklich vor;

Wenn dein Arm das Hagel-Korn, auf die gruͤ-
nen Felder ſchieſſet,

Wenn der Bliz das Auge blendet und der Donner
uns ins Ohr

Mit der Schreckens-Stimme bruͤllt: So muß bei
ſo harten Streichen,

Auch ein Felſenhartes Herz, HERR! fuͤr dei-
nem Zorn erweichen.

Zweyter Theil DScho-
[50]Anrede an den herrlichen GOtt.
Schone uns mit dieſem Thon, denn wir ken-
nen ſchon die Stimme,

Die mit drohenden Getoͤßen uns vor Angſt zu Bo-
den ſchlaͤgt;

Wir erbeben vor dem Zorn, und vergehn vor dei-
nem Grimme

Davor ſelbſt der Himmel fliehet, und ſich Erd und
Meer bewegt.

Strekke deinen Allmachts-Arm, aus mit guͤtigen
Erbarmen,

Und laß deine Gnadenſtimme hoͤren den beklomnen
Armen.

Gib uns in den feuchten Thau auf dem Felde
als in Spiegeln,

Deine Guͤte anzuſehen; gib uns warmen Sonnen-
ſchein,

Laß die Luft die Hagel droht, dieſen Sommer feſt
verriegeln,

Zeig uns deiner Allmacht Wunder, und laß alles
fruchtbar ſeyn:

Damit Aue Wald und Feld ſammt den Koͤrnerrei-
chen Halmen

Dir ſtat unſer Klagelied bringen lauter Freuden-
Pſalmen.


Die
[51]

Die
heilige Garten-Schule
der lehrenden Blumen.


(Matth. VI. 28-30.)

Schauet die Lillien auf dem Felde, wie ſie
wachſen: ſie arbeiten nicht auch ſpin-
nen ſie nicht. Jch ſage euch daß auch
Salomo in aller ſeiner Herrlichkeit
nicht bekleidet geweſen iſt, als derſel-
ben eins. So denn GOtt das Gras
auf dem Felde alſo kleidet, daß doch
heute ſtehet und morgen in den Ofen
geworfen wird: ſolte er daß nicht viel-
mehr euch thun?


[figure]
Jhr Menſchen! die ihr euch entfernet,

Von aller eitlen Luſt der Welt,

Und mit Vergnuͤgen emſig lernet,

Was das Naturbuch in ſich haͤlt;

Die ihr mit forſchenden Bemuͤhen,

Nach der geſchaͤftgen Bienen Art,

Den Honig ſucht daraus zu ziehen,

Worin derſelbe liegt verwahrt:

Kommt her ihr koͤnnt in Feld und Auen.

An Blumen holde Lehrer ſchauen.

D 2Die
[52]Die heilige Garten-Schule
Die Gaͤrten die ihr jezt erblikket,

Sind eine Schule der Natur,

Darin in Bildern abgedruͤkket,

Der Gottheit unſichtbare Spur.

Hier koͤnnt ihr von dem hoͤchſten Weſen,

Von ſeiner Vollenkommenheit,

Die Ehrfurchts-volle Warheit leſen:
Es iſt ein HErr der Herrlichkeit,

Dies lehrt euch zu des Schoͤpfers Ruhme,

Der Anblik einer jeden Blume.

Fragt nur: woher ſie ſind entſproſſen,

Da ſie zuſammen Wunderſchoͤn

Woher der Farben Schmuk gefloſſen,

Der auf der Blaͤtter Sammt zu ſehn:

Wer hat in den ſo kleinen Saamen,

So viele Blaͤtter eingefaßt,

Und ſie als wie in glatte Rahmen,

Jn zarte Zwiebeln eingepaßt:

So werden ſie euch ſaͤmmtlich weiſen,

Den GOtt den ſie als Schoͤpfer preiſen.

Fragt: wer ſie in gepreßten Falten

Der Haͤutgens, ordentlich gelegt;

Wer ſie zur Winters-Zeit erhalten

Wenn ſie die kalte Erde hegt:

Wer ſie, wenn Schnee und Eis verlohren,

Der Fruͤhling alles fruchtbar macht:

Und ſie der Erden Schoos gebohren,

Geſchmuͤkt mit ſolcher bunten Pracht:

Sie werden euch in Glanz und Strahlen,

Den Schoͤpfer fuͤr die Augen mahlen.

Jhr
[53]der lehrenden Blumen.
Jhr Thoren! die ihr albern kluͤgelt,

Faſt alles, doch den GOtt nicht ſeht,

Der ſich in allen abgeſpiegelt,

Wohin ihr eure Augen dreht:

O! moͤchtet ihr die Bluͤmchens fragen,

Die koͤnten eure Lehrer ſeyn;

Die wuͤrden euch zur Schande ſagen:

Wir ſtimmen darin uͤberein,

Auf unſern Blaͤttern iſt zu leſen:
Es iſt ein ewig wuͤrkend Weſen.

Ein Werk das zeugt von ſeinen Meiſter,

Die Zeichnung, Bildung und Figur,

An einen Kunſtwerk kluger Geiſter

Entdekt uns ihres Wizzes Spur.

Die wie Apelles, kuͤnſtlich mahlen,

Der Farben Miſchung recht verſtehn,

Die laſſen ihres Wizzes Strahlen,

Jn jeden Bild und Zuͤgen ſehn;

Die Werke die ſie nur gebildet,

Die haben ſie auch abgeſchildet.

Der Meiſter deſſen weiſer Finger,

Die Bilder der Natur gemahlt,

Jſt in der Kunſt auch nicht geringer

Woraus ſein Bild recht deutlich ſtrahlt:

Er zeigt uns an den Koſtbarkeiten,

Die jeder an der Blum erblikt

Das Urbild der Vollkommenheiten,

Das ſein unendlich Weſen ſchmuͤkt;

Jn ihrer Bildung, Form und Zuͤgen,

Sehn wir des Schoͤpfers Groͤſſe liegen.

D 3O!
[54]Die heilige Garten-Schule
O! welch ein wunderbahr Geſpinſte,

Jſt nicht ein zartes Blumen Blat,

Das ſo viel wollgewirkte Kuͤnſte,

Als duͤnne Faͤdgens an ſich hat.

Man nehme nur die feinſten Stoffen,

Die eine kluge Hand geſtrikt;

Wie weit ſind ſolche uͤbertroffen

Wenn man auf eine Blume blikt?

Man kan dieſelben unterſcheiden,

Als grobes Tuch und zarte Seiden.

O! welche ſchoͤne Schildereien,

Damit die Blumen ausgeziert,

Dagegen alle Mahlereien

Mit groben Pinſeln nur geſchmiert.

Die Farben ſind ſo ſanft vermenget,

Woraus die Schoͤnheit ſelbſten bluͤht:

So wunderbarlich durchgeſprenget

Als wenn ein fluͤßig Gold drauf gluͤht;

Als wenn von allen Edelſteinen,

Die Strahlen ſich darin vereinen.

Jhr ſchoͤnen Kinder, unſre Freude,

Die ihr in Gold und Silber blizt,

Jn Scharlach, Purpur, gelber Seide,

Wie auf ſmaragdnen Thronen ſizt;

Die ihr in weiſſen Attlas prahlet

Jn Violet, in Himmelblau

Mit tauſend andere Farben ſtrahlet,

Wer hat euch euren Wunderbau

Mit ſolchen Farben ausgefchmuͤkket,

Wer hat eur Kleid ſo ausgeſtikket?

Sie
[55]der lehrenden Blumen.
Sie lehren all mit einem Munde,

Daß ſie der Allmacht Meiſterſtuͤk;

Sie weiſen uns zum ſchwarzen Grunde,

Als ihrer Mutter Schoos zuruͤk,

Und fragen: Ob wir glauben koͤnnen,

Da ſo viel himmliſches ſie ziert

Daß man ſie muͤſſe Kinder nennen

Die von ſich ſelbſt die Erd gebiehrt:

Und ob der Saft den ſie geſogen,

Mit ſolcher Pracht ſie angezogen?

Wie vielerlei braucht eine Pflanze,

Eh ſie zu ihrer Form gelangt;

Eh ſie mit ihrer Bluͤthen Kranze

Nach ihrer Art und Bildung prangt:

Es muß des Schoͤpfers reicher Seegen,

Die Erde dazu erſt formirn,

Von auſſen Waͤrme, Luft und Regen,

Durch ſie in zarte Keimen fuͤhrn,

Und durch ein Allmachts-volles Walten,

Die Ordnung ihrer Art erhalten.

Der Schoͤpfer hat im erſten Tagen,

Der Schoͤpfung alles ausgedacht:

Und da die Erde Frucht getragen,

Sah er das alles gut gemacht:

Die Blumen heben aus der Erde

Jhr eingehuͤlltes Haupt hervor

Und auf ein einzig Wort: Es werde

Stund da das groſſe Blumen Chor,

Die in den Schmuk und bunten Kraͤnzen,

Als Zeugen ſeiner Allmacht glaͤnzen.

D 4Die
[56]Die heilige Garten-Schule
Die Weisheit die die Welt regieret,

Legt ſich in zarter Blumen Bau,

Der unſre Sinnen, Herze ruͤhret

Durch ihre Einrichtung zum Schau.

Ein unbegreiflich groſſes Wiſſen,

Zeigt ſich an ihren Mannigfalt,

An ihren wollgeorndten Riſſen,

An netter Bildung und Geſtalt,

An ihren ſteten Aenderungen,

An ihren Farben, Pracht, Miſchungen.

Welch eine ungezaͤhlte Menge,

Welch mannigfaltge Blumen Art,

Hat GOtt zum ſchimmernden Gepraͤnge,

Jn unſern Luſtrevier verpaart,

Wie viele ſind auf Feldern, Auen,

Wie viele ſind in gruͤnen Wald,

Als Wunder der Natur zu ſchauen;

Wie viele die den Aufenthalt,

Auf den erhabnen Bergen finden,

Wie viele in den tieffen Gruͤnden?

Wie viele ſind in Morgenlande

Wie viele in der Mittags-Welt,

Da ſich aus dem erhizten Sande

Ein feurig Blumen Heer darſtellt;

Wie viele die in fremder Erden,

Die unſer Auge nie geſehn,

Zur Seltenheit gebohren werden,

Und ihres Schoͤpfers Ruhm erhoͤhn,

Die auch den unbekehrten Wilden,

Des Hoͤchſten weiſe Macht abbilden.

Die
[57]der lehrenden Blumen.
Die ihr der Weiſen Macht Verehrer,

Aus Andacht GOtt in Blumen ſucht,

Fragt nur die holden Gaͤrten-Lehrer,

Als eurer Schaubuͤhn eigne Frucht:

Die zeigen euch in ihren Bildern,

So viele Mannigfaltigkeit:

Daß der ſie alſo koͤnnen ſchildern,

Ein HErr von Vollenkommenheit;

Die geben uns ſein weiſes Weſen,

Jn einen Abdruk klar zu leſen.

O! welche Kunſt! iſt hier verbunden,

Die alles ſchoͤn zuſammen fuͤgt;

Wie weislich iſt das ausgefunden,

Daß alles nach der Ordnung liegt,

Als wenn nach den beſtimmten Groͤſſen,

Nach Zirkel, Maasſtab, nach der Schnur,

Ein jedes Theilgen abgemeſſen,

An dieſen Bildern der Natur.

Wer kan die Einrichtung anſehen,

Ohn GOttes Weisheit zu erhoͤhen?

Wie wunderbahr ſind die Figuren,

Die man nicht ohn Erſtaunen ſieht,

So vielfach, als die Kreaturen,

Daran die Weisheit ſich bemuͤht.

Wer kan dieſelben uͤberzehlen,

Die eine ewge weiſe Macht,

Durch alles wuͤrkendes Befehlen,

Auf einem Beet herfuͤrgebracht,

Die all aus einen Boden ſprieſſen,

Nach ihrer Art doch wachſen muͤſſen.

D 5Wir
[58]Die heilige Garten-Schule
Wir ſehen hier in ſchoͤnſter Ruͤnde,

Der einen foͤrmliche Geſtalt,

Als wenn darum ein Zirkel ſtuͤnde,

Wornach die wachſende Gewalt,

Jn dem Entwikkeln ſich gerichtet.

Da ſprieſſen lauter Herzen aus

Hie ſind die Blaͤtter glatt geſchichtet;

Da Zungenfoͤrmig, rollend, kraus;

Dort haͤngen weiſſe Silberglokken,

Hie ſeh ich, deucht mir, gelbe Lokken.

Da ſehe ich gemahlte Koͤcher,

Dort die geſpizten Pfriemen gleich;

Hie ſind gewachſne Silber-Becher

Die innerlich an Golde reich:

Da haͤngen Diamantne Ringe

Hie Kronen, Kerzen, und was mehr

Vor wollgeſtalte Wunder-Dinge,

Der Schoͤpfer ſich zu ſeiner Ehr,

Als Bilder der Natur geſchnizzet,

Woraus der Weisheits-Schimmer blizzet.

Wie geht das zu, erfahrne Weiſe!

Sagt mir, des Saamens Einrichtung,

Beſchreibt das kuͤnſtliche Gehaͤuſe,

Und die verborgne Wikkelung

Des Keimgens, der aus Zwiebeln gehet,

Und ſeinen Nahrungsſaft genieſt,

Sich regend in die Hoͤhe drehet,

Und ſolche Wunder-Formen ſprieſt?

Jhr ſchweigt und laſt die Blumen lehren:

Was unerforſchlich doch zu ehren.

Wir
[59]der lehrenden Blumen.
Wir ſehen in den warmen Lenzen,

Und in der ſchwuͤlen Somerzeit,

So viele bunte Tokken glaͤnzen,

Jn angebohrner Herrlichkeit;

So bald ſie nur in gruͤnen Wiegen,

Die auf der Mutter Schooße ſtehn,

Als neugebohrne Kinder liegen,

Kan man ſie ſchon in Schmukke ſehn,

Jn ſolchen Schmuk der ſchoͤn zu nennen,

Von den die Kunſt und Farben kennen.

Jhr prangt mit unſchaͤzbaren Schaͤzzen,

Als keine Fuͤrſten Tochter kan,

Und wer ſich will in Luſt ergoͤzzen,

Der ſeh nur euren Hofſtat an,

Jhr Blumen! die kein Sammt noch Seide,

Nein, ein viel ſchoͤners Kunſtwerk ziert,

Weil jedes Stuͤk an euren Kleide,

Zugleich das Aug und Herze ruͤhrt,

Und immer, wenn wir es betrachten,

Zugleich bewegt euch hoch zu achten.

Jhr Weber ruͤhmet eure Kuͤnſte,

Ruͤhmt den der ſie mit Wiz erdacht;

Beſeht der Blumen Kunſtgeſpinſte,

Das hat die Weisheit ſelbſt gemacht.

Jhr Schildrer! die ihr recht verſtehet,

Wie man die Farben miſchen muß,

Den Schatten mahlt, das Licht erhoͤhet,

Die Farben trennt in ihren Fluß

Und wiederum vereint, verbindet,

Seht, was ihr hier vor Farben findet.

Hier
[60]Die heilige Garten-Schule
Hier ſehet ihr ein Gold das bluͤhet,

Und das dabei im Schimmer ſtrahlt;

Da Silber-Farbe welche gluͤhet,

Von Sonnen-Firnis uͤbermahlt:

Dort blizzen funkelnde Criſtallen,

Darzwiſchen wie in Glut und Brand,

So wunderſame Strahlen fallen

Wie aus geſchlifnen Diamant,

Daß man von ferne ſolte meinen,

Die Blumen waͤrn von Edelſteinen.

Hier prangt ein Purpur dunkler Roͤthe,

Mit gruͤnen Strichen durchgeflammt;

Da eine blaue Kunſttapete,

Die wie ein durchgewirkter Sammt.

Dort deucht mir ſeh ich weiſſe Seide

Mit Himmel-blauen Glanz gemiſcht;

Da merk ich an den Liljen-Kleide,

Ein Gold das nur daran gewiſcht;

Hie findet ſich von andern Sorten,

Ein Heer mit ſchoͤn geſtikten Borten.

Und dieſe Wunderſchoͤne Floren,

So mannigfaltig durchgeſprengt;

Die werden aus der Erd gebohren,

Welch Wunder! wenn man dies bedenkt.

Ein ſchwarzer Grund gieſt ſeine Saͤfte,

Jn die entſprosnen Stengel ein;

Und der Natur verborgne Kraͤfte,

Gebaͤhren einen ſolchen Schein:

So kan aus ſchwarzen Feuchtigkeiten,

Der Schoͤpfer allen Schmuk bereiten.

O!
[61]der lehrenden Blumen.
O! ewge Weisheit, deine Strahlen,

Die werden badurch offenbahr:

Dein Finger muß die Blumen mahlen

Das iſt aus allen Zuͤgen klar.

Die Farben zeigen ihren Meiſter,

Die Schoͤnheit dich als Kuͤnſtler an,

Die auch der Pinſel kluger Geiſter,

Zwar ſchildern, nimmer treffen kan:

Und darum bluͤht zu deinen Ruhme,

Jn ihren Schmukke jede Blume.

Jhr angenehmen Schildereien,

Gemahlte Bilder der Natur,

Jhr wachſet um uns zu erfreuen,

O! zeiget uns der Guͤte Spur,

Die euch mit ſolcher Pracht geſchmuͤkket

Woraus die holde Anmut lacht;

Jhr lehrt ſchon wenn man euch erblikket

Daß euch die Liebe blos gemacht,

Uns Menſchen durch euch bunte Tokken,

Zur Gegenliebe anzulokken.

Die Vater-Guͤte ſchenkt uns Roſen,

Und Liljen, Nelken mancher Art;

Die Augen dadurch liebzukoſen,

Weil ſie hie Glanz und Schmuk verpaart.

Sie giebt ſo mannigfaltge Menge,

Nach jeder Art gewebt, geziert.

Hat ſie nicht darum dies Gepraͤnge,

So reizend uns zur Luſt formirt,

Das wir daran erkennen ſollen

Wie er uns hat vergnuͤgen wollen?

O!
[62]Die heilige Garten-Schule
O! ja der Schoͤpfer der uns liebet,

Zeigt ſeine ewge Vater-Guͤt,

Da er uns holde Blumen giebet;

Wenn ein betrachtendes Gemuͤt

Die ſuͤß empfundne Luſt erweget,

Die ſich bei Anmuhts-vollen Schau

Jn ſeinen Herzen freudig reget:

So merkt es daß der Blumen Bau,

Durchs Auge ſelbſt den Geiſt behage,

Der Liebe Zeichen an ſich trage.

Wie lieblich iſt der Dunſt den Naſen,

Der durchs Gehirn den Geiſt vergnuͤgt,

Wenn durch ein geiſtig Duͤften, Blaſen,

Ein Balſam aus den Blumen fliegt!

Wer riecht hier nicht, daß GOtt die Liebe,

Und ſeinen Menſchen-Kindern hold,

Wenn er uns zum erquikten Triebe,

So manches friſches Labſal zollt?

Kan man nicht das empfundne Rauchen,

Zum Zeugnis ſeiner Guͤte brauchen?

Jhr Blumen ſcheint mir wie Altaͤre,

Worauf bei ſtiller Abenszeit,

Der Schoͤpfer ſich zu ſeiner Ehre,

Vornemlich Ambra ausgeſtreut.

Wenn wir am Tag uns ſatt geſehen,

An eurer wollgeſchmuͤkten Pracht;

So muͤſſen eure Duͤfte wehen,

Und uns vergnuͤgen bei der Nacht;

Wenn wir uns in der Hizze kuͤhlen,

Und eur gewuͤrztes Hauchen fuͤhlen.

Jhr
[63]der lehrenden Blumen.
Jhr Menſchen die ihr von den Morgen,

Bis zu dem Abend euch ſtets plagt;

Und durch ein ſchwarzes Heer von Sorgen,

Jn Zweifelung, Furcht das Herze nagt;

Kommt her und lernt der Vorſicht Walten,

An dieſer Blumen bunte Tracht;

Wie kann der euch nicht auch erhalten

Der dieſe ſo gewebt, gemacht?

O! Zweifler ſeht der Vorſicht Zeugen,

Jn Blumen aus der Erde ſteigen.

Bedenkt des ewgen Vaters Milde,

Verzagte die der Gram beſiegt

Schaft er euch nicht nach ſeinen Bilde,

Warum ſeid ihr denn misvergnuͤgt?

Jhr glaubt, daß GOtt euch ganz vergeſſen,

Der ſonſten alle Ding ernaͤhrt,

Und jedem ſeines Leibes Eſſen,

Und Kleid und Nahrung gnug beſchert:

Jhr irrt, der Vorſicht wuͤrkend Sehen,

Muß uͤber alle Dinge gehen.

Geht nur in einen Blumen-Garten,

Da koͤnnt ihr den Beweisthum ſehn,

Jhr findet da ſo manche Arten,

Von Blumen ſchoͤn gekleidet ſtehn.

Wer hat derſelben Schmuk geſponnen,

Womit ſie praͤchtig angethan;

Wo iſt die Nahrung hergeronnen,

Die ſie mit Saft erhalten kan;

Wie ſeht ihr nicht der Vorſicht Spuren,

Jn dieſen kleinen Kreaturen?

Sie
[64]Die heilige Garten-Schule
Sie ſagen euch mit einen Munde,
Wir ſtammen von der Vorſicht her,

Die uns aus einen ſchwarzen Grunde,

Sehr weislich, nicht von Ohngefehr,

Aus unſrer Mutter Schoos gezogen.

Die Allmacht ſtellet alle Jahr,

Aus Liebe gegen euch bewogen,

Uns euch ſo woll gekleidet dar,

Damit ihr ſeine Aufſicht merket,

Und dadurch euch im Glauben ſtaͤrket.

Wir ſind der Vorſicht Meiſterſtuͤkke,

Die zu der Erden Zier erwaͤhlt;

Wirft er auf uns ſein Aug zuruͤkke,

Den doch das edle Leben fehlt;

So koͤnnt ihr daraus richtig ſchlieſſen,

Der Vater der euch Odem giebt,

Wird euch auch zu erhalten wiſſen;

Der Menſchen mehr als uns geliebt,

Der wird euch auch durch ſeinen Seegen

Das Brodt beſchern, ein Kleid anlegen.

Lernt, wenn ihr dieſes Heer betrachtet,

Das GOtt ohn all ihr Sorgen ſchmuͤkt,

Daß der den Hoͤchſten nur verachtet,

Der denkt: er ſey durch ſich begluͤkt.

Wie viele ſind die blindlings meinen,

Daß ſie vor ſich allein beſtehn,

Und daß ein jeder auf die Seinen

Ohn GOttes Vorſicht koͤnne ſehn.

Jhr Tohren! lernet anders denken:
GOtt iſts, der muß euch alles ſchenken.

So
[65]der lehrenden Blumen.
So wenig ſich die Blumen kleiden;

So wenig koͤnnt ihr euch ernaͤhrn;

Der Hoͤchſte muß zu Speis und Freuden,

Euch alles mittelbahr beſchern.

Waͤr das von jeden ſelbſt erzielet,

Was er zum Eigenthum genieſt;

Womit er herrlich prangt und ſpielet;

So wuͤrde das, was waͤchſt und ſprieſt,

Auch von ſich ſelbſt die Farben haben,

Die doch des Hoͤchſten Gnadengaben.

So giebeſt du O! weiſes Weſen,

Jn ſchoͤner Blumen Herrlichkeit,

Uns deiner Vorſicht Macht zu leſen,

Und wuͤrkſt in uns Zufriedenheit.

Wir ſchlieſſen: der GOtt der da kleidet

Der Fruͤhlings-Kinder bunte Schaar,

Woran ſich Herz und Auge weidet;

Der macht uns durch ihr Sinnbild klar:

Wir Menſchen ſollen ihm vertrauen,

Er werde unſre Wollfahrt bauen.

Jedoch der Schmuk der ſchoͤnſten Nelken,

Der Tulpen-Blaͤtter guͤldne Pracht,

Die muͤſſen heute ſchon verwelken,

Wenn ſie uns geſtern angelacht.

Die noch in friſcher Bluͤte ſchienen,

Als Koͤnige im Blumen-Reich;

Die ſehn ſchon den entfaͤrbten Mienen

Der Todten, die erblaſſet gleich,

Sie wachſen, bluͤhen und vergehen

Sie prangen, fallen ab, verwehen.

Zweyter Theil. EEin
[66]Die heilige Garten-Schule
Ein trauriges betruͤbtes Scheiden,

Entzeucht ſie aus dem Luſtrevier,

Wo wir in ſuͤß und ſtillen Freuden,

Bewundert ihrer Blaͤtter Zier.

Betruͤbter Wechſel dieſer Zeiten

Der Schauplaz, wo die Luſt regiert,

Wird in dem Land der Eitelkeiten,

Gar bald aus dem Geſicht entfuͤhrt;

Das lernen wir ſtat bunter Tokken,

Sehn wir nun nichts als Todes-Glokken.

Da wo vorher ein klarer Spiegel,

Und Abglanz aller Lieblichkeit,

Sind eh mans meint, des Todes-Huͤgel;

Wo Blum und Schoͤnheit ausgeſtreut

Wo Luſtgefilde auf der Erden,

Muß bald wie es das Schikſal fuͤgt,

Ein Kirchhof der Verweſung werden,

Wo Glanz und Pracht im Staube liegt,

Und wo die Blumen im Erblaſſen,

Die Lehren uns zuruͤkke laſſen:

Jhr Menſchen! lernet in dem Tempel

Des bunten Reiches der Natur,

An uns der Eitelkeit Exempel,

Was eine ſchoͤne Kreatur,

Wie lange ihre Daurung waͤhret,

Jm Lande dieſer Sterblichkeit:

Wir haben euch, was GOtt, gelehret,

Lernt nun noch, was ihr ſelber ſeid;

Seht wie ihr uns in vielen gleichet,

Wie ihr, gleich uns entſteht, verbleichet.

Der
[67]der lehrenden Blumen.
Der Schoͤpfer macht uns aus der Erde,

Die uns auch beide Nahrung ſchaft,

Die ſeiner Allmacht wuͤrkend Werde,

Erhaͤlt in ihres Wachsthums Kraft.

Wir bluͤhen auf; ihr wachſt imgleichen,

Jm Lenzen ſind wir ſchoͤn geſchmuͤkt:

Jhr auch, wenn man der Jugend Zeichen

Auf rothen Wangen noch erblikt;

Wir glaͤnzen, wenn wir luſtig gruͤnen,

Jhr bruͤſtet euch mit euren Mienen.

Kaum ſind wir aus der Erd gekrochen,

Und haben uns der Welt gezeigt;

Kaum ſind die Knospen durchgebrochen

So iſt das Ziel ſchon oft erreicht.

Der Winde ſtuͤrmiſch kaltes Blaſen,

Saugt uns mit ihren duͤrren Braus,

Wenn ſie von Oſt und Norden raſen,

Die Sonn mit ihrer Hizze aus;

Da oft die fluͤchtgen Lebensſtunden,

Bei uns nur fliegende Secunden.

So gehts euch auch, wie viele ſterben,

Die kaum des Lebens Othem ziehn;

Da ſie durch innren Wurm verderben,

Wie Roſen die im Bluͤhn, verbluͤhn.

Der Krankheit Uebel die euch quaͤlen,

Davon der Saame bei euch liegt;

Die Uebel die nicht zu erzaͤhlen,

Die haben viele ſchon beſiegt,

Und in dem Staub zuruͤk gezogen,

Wenn ſie kaum Nahrungs-Milch geſogen.

E 2Wir
[68]Die heilige Garten-Schule
Wir moͤgen auf der gruͤnen Stangen,

Als unſrer Bluͤten ſteiffen Thron,

Mit noch ſo groſſen Anſehn prangen,

Wir muͤſſen doch zulezt davon.

Wie gehts euch anders Potentaten

Die ihr auf hohen Thronen blizt

Umringt von Mauren und Soldaten,

Womit ihr eure Pracht beſchuͤzt?

Der Tod durchwuͤhlt die Eingeweide

Ob ihr gleich ſtekt in Purpurkleide.

Wenn Schoͤnheit einen Freibrief haͤtte,

Vor nichtiger Vergaͤnglichkeit;

So waͤren unſre Blumen Bette,

Gewis von Untergang befreit:

Jedoch die Schoͤnſten ſind nicht minder,

Dem Untergang, wie andre nah;

Jhr bluͤhet eitle Menſchen Kinder,

Wie bald iſt euer Ende da;

Wir wiſſen nicht wie lang wir ſtehen,

Jhr auch nicht, wenn ihr ſolt vergehen.

So aͤhnlich ſind wir nach dem Leben,

So aͤhnlich auch in dem Vergehn,

Da wir euch ſtets ein Beiſpiel geben,

Wie bald es ſei um euch geſchehn.

Uns raft auf einmahl aus den Wege,

Der Wolkenbruͤche ſtrenge Flut,

Wenn Donner, Bliz, und Hagelſchlaͤge

Mit ihrer ſtuͤrmeriſchen Wut,

Mit ihren ausgelaßnen Wettern,

Uns, ohne Aufenthalt zerſchmettern.

Es
[69]der lehrenden Blumen.
Es iſt mit uns gar bald zum Ende,

Wenn ein aus Luſt gereizter Thor,

Ein ſpielend Kind die giergen Haͤnde,

Legt an die aufgegruͤnnte Flor.

Wir ſind dahin von unſern Plaͤzzen,

Wenn man zum Hauptſchmuk uns erwaͤhlt,

Abreiſt, die Naſe zu ergoͤzzen,

Zuſammen haͤuft, im Bande quaͤlt;

Da wir, wenn wir die Haͤupter neigen,

Das Bildnis eures Todes zeigen.

Hie ſeht ihr Menſchen! Blumen-Leichen,

Vom Schikſal ploͤzlich hingeraft,

Das ſind von euren Sterben, Zeichen,

Wenn euch in eurer beſten Kraft

Die Hand des Allerhoͤchſten ruͤhret,

Und durch ein ploͤzlich Ungeluͤk,

Den Schauplaz dieſer Welt entfuͤhret.

So kan in einem Augenblik,

Ein Stichflus, oder andres Leiden,

Bei euch, den Geiſt und Koͤrper ſcheiden.

Wenn Peſt und andre ſtrenge Seuchen,

Des Himmels hartes Strafgericht,

Vom Haus zu Haus im Finſtern ſchleichen;

So loͤſcht gar bald eur Lebens-Licht.

Und wenn die Krieges Schwerdter blinken,

So faͤllt oft eine groſſe Zahl,

Die gleichſam wie im Blut ertrinken,

An einem Tage auf einmahl;

Da liegen oͤfters ganze Heeren,

Als wenn ſie Gras und Blumen waͤren.

E 3So
[70]Die heilige Garten-Schule
So koͤnnen wir an dem Verweſen,

Der Blumen unſre Nichtigkeit,

Als wie in einem Spiegel leſen;

So zeigt die Lenz und Sommerzeit,

Wie viele in den Fruͤhlings-Jahren,

Des blaſſen Todes kalte Hand,

Jn ihrer beſten Bluͤt erfahren,

Und wie kein Anſehn, Pracht und Stand,

Uns von des Grabes kalten Bette,

Und der Vermoderung errette.

Jhr Menſchen die ihr euch verwoͤhnet,

Gefaͤllt euch dieſe Lehr-Art nicht,

Wenn euch die Blume, die euch kroͤnet,

Zualeich von Tod und Grabe ſpricht?

O zittert nicht vor dieſen Lehren,

Davor ſonſt die Natur erſtarrt,

Jhr koͤnnt im kuͤnftgen Fruͤhling hoͤren

Daß ſie nur kurze Zeit verſcharrt,

Und daß die Allmacht ihre Floren,

Verjuͤngt und wieder neu gebohren.

Jhr glaubt die Blumen ſind verflogen,

Der Staub ſey in ein Nichts verweht,

Jhr irrt, ſie ſind uns nur entzogen,

Bis daß die Winterszeit vergeht:

Da bluͤhen ſie aus ihren Saamen,

Daraus ſie gleichſam auferſtehn

Und laſſen uns in gruͤnen Rahmen,

Jhr eingefaßtes Bildnis ſehn:

Dann koͤnnen ſie die Lehre geben,

Der Menſch der ſtirbt, wird wieder leben.

O!
[71]der lehrenden Blumen.
O! Zweifler merkt, was da geſchiehet,

Wenn ſich der Blumen Heer verjuͤngt;

Wenn die Natur von neuen bluͤhet,

Und das verlohrne wiederbringt.

Du ſiehſt der Blumen Kirchhof keimen,

Sie ſteigen aus der Gruft empor,

Wie kanſt du denn ſo albern traͤumen,

Es kaͤme dir ohnmoͤglich vor,

Daß Menſchen aus den Schoos der Erden,

Einſt koͤnten auferwekket werden.

Kommt nur in dieſe Blumen-Schule,

Da lernet ihr die Warheit bald,

Die euch ſo oft von Predigtſtuhle,

Unglaublich in die Ohren ſchallt.

Hier in der Gaͤrten gruͤnen Tempel

Lernt ihr was GOttes Allmacht kan,

Und ſeht im deutlichen Exempel

Der Auferſtehung Vorbild an,

Wie? ſolte GOtt an uns nicht weiſen,

Was wir an Blumen ſehn und preiſen?

Was wir in Gaͤrten, Feldern, Auen,

Jm Pflanzenreiche der Natur,

Mit freudiger Bewundrung ſchauen

An einer jeden Kreatur,

Das wird an uns dereinſt erfuͤllet.

Jch glaͤube dieſes ganz gewis

Und ob der Tod uns gleich einhuͤllet,

Jn ſeines Vorhangs Finſternis:

So ſoll bei ſchwindelnden Gedanken,

Doch dieſe Hofnung nimmer wanken.

E 4Bluͤht
[72]Die Traͤume derer die da glauben
Bluͤht woll ihr Blumen unterdeſſen

Jhr Prediger der Sterblichkeit!

Ach! Schoͤpfer laß uns nicht vergeſſen,

Wenn uns derſelben Schmuk erfreut,

Daß wir daran mit Nuz und Seegen,

HErr! deine Guͤt und weiſe Macht,

Und deiner Vorſicht Kraft erwegen,

Die alles hat herfuͤr gebracht;

Gib daß wir Tod und Auferſtehen,

An ihnen ſtets betrachtend ſehen.


Die Traͤume derer die da glau-
ben daß die Seele nach dem To-
de ſchlaffe.


[figure]
Die Welt wird meiſt regiert von
einen falſchen Wahn,

Der Menſchen Aberwiz irrt
von der rechten Bahn;

Jndem er meint zu ſehn, iſt er
oft doch erblindet,

Da er ſtatt Warheits-Schein
des Jrthums Schatten findet.

Was eitler Wiz erdacht, gefaͤllt dem meiſten woll;

Weil man das ſehen will, was man nur glauben
ſoll.

Das menſchliche Gehirn von Einbildung betrogen,

Gleicht einer Wageſchal, die leicht wird uͤberwogen

Von
[73]daß die Seele nach dem Tode ſchlaffe.
Von duͤnner Spreu, von Wind. Ein ungereimt
Gedicht,

Das gegen Warheit liegt, hat ofte mehr Gewicht

Als dieſes Gruͤnde hat: man kan es klaͤrlich ſehen

Wenn wir was dieſer glaͤubt, und jener meint,
durchgehen.

Nur ein Exempel iſt, hie zum Beweis genug,

Als ich einſt einen Mann von ſcharfen Wizze frug,

Jn was vor einen Stand die Seele wuͤrde kom-
men,

Wenn ſie aus ihren Leib in GOttes Hand ge-
nommen;

Sprach er in einen Schlaf, in eine ſtille Ruh;

Er ſezte zum Beweis den albern Grund hinzu:

Weil ihr die Sinnen fehln; ſo kan ſie auch nicht
denken,

So muß der Schoͤpfer ſie in tieffen Schlaf verſen-
ken.

Wenn ſie im Koͤrper wohnt; ſo iſt die Denkungs-
kraft,

Die richtige Vernunft, der Seelen Eigenſchaft.

Jch ſprach: Mein Freund! kehrts um; ſo wird
ſichs beſſer reimen,

Denn jezt ſchlaͤft eure Seel, das merk ich aus den
Traͤumen,

Die ſie jezt phantaſirt; ihr wißt nicht was ihr
meint

Weil euch als blos im Traum, die Seele ſchlafend
ſcheint,

Jch wuͤnſche daß ihr bald von euren Traum erwa-
chet,

Und wachend uͤberdenkt, was ihr vor Grillen ma-
chet.


E 5Die
[74]
Die
Schaubuͤhne der Welt.

Die Welt wird auf den Opern-Buͤhnen,

An den veraͤnderten Maſchinen,

Die ſich bald ſo, bald anders drehn

Jn kleinen Abris abgebildet,

Was hier geſchicht, wird da geſchildet

Und in der Nachahmung geſehn.

Der Schauplaz zeiget uns bald Freude,

Und giebt vergnuͤgte Augenweide,

Bald zeigt er uns ein Trauerſpiel.

Hier auf der Welt iſt Luſt und Weinen,

Und wenn die Freuden-Sonnen ſcheinen,

Folgt bald ein ſchmerzliches Gefuͤhl.

Man muß des Narren Torheit lachen,

Der oft mit ungereimten Sachen,

Ein luͤſtern Ohr im Spiel erquikt,

Wenn wir der Menſchen Handlung ſehen,

Erwegen, was hie, da geſchehen,

So hat man Torheit nur erblikt.

Oft ſtellt ſich mit erhabnen Mienen,

Ein Thraſo auf die Opern-Buͤhnen,

Und pauſtet nichts, als eitlen Wind;

Er iſt von Dunſt gleichſam geſchwollen

Und zeigt, was wir nicht glaͤuben wollen,

Daß oft die Menſchen Prahler ſind.

Ein
[75]Die Schaubuͤhne der Welt.
Ein Croͤſus kommt mit guͤldnen Schaͤzzen

Und betet ſeinen Mammons-Goͤzzen

Jn tiefſter Ehrerbietung an.

Er glaubt der koͤnne ihn beſchuͤzzen,

Er ſagt: Wer iſt der deſſen Blizzen,

Und Allmacht wiederſtehen kan?

Ein jeder ſiehet ſeines gleichen,

Jn allen Oertern, Laͤndern, Reichen,

Wenn man die Welt nur recht beſchaut.

Wie viele ſind die GOtt zwar kennen

Doch mehr zum ſchnoͤden Goldklump rennen

Dem Herz und Sinn Alltaͤre baut.

Der Schauplaz aͤndert die Gardienen,

Und Croeſus der erſt reich erſchienen,

Jſt nun ein armer Bettelmann.

Der Abgott den er ſehr geliebet,

Entfleucht und er erkennt betruͤbet.

Wie bald ſichs mit uns aͤndern kan.

Wie viele ſind in Bettel-Orden,

Die vorher reich nun arm geworden

Und durch den Wechſel erſt gelehrt,

Daß ſie das Zweifelhafte Gluͤkke

Und ihre falſche Zauber-Blikke,

Zwar ſehr und doch umſonſt geehrt.

O! wie entzuͤkket den die Liebe,

Der auf den Schauplaz ſeine Triebe

Jn angeflammter Wallung zeigt;

Er wuͤnſcht auf ewig ſeiner Schoͤnen,
Als
[76]Die Schaubuͤhne der Welt

Als ein getreuer Knecht zu froͤhnen,

Wenn ſie ihm nur in Huld geneigt.

Er ſchwoͤrt mit hundert tauſend Eiden,

Daß er bei allen Woll und Leiden

Jhr ſtets ergeben und getreu,

Jedoch es heiſt was bald entſtehet,

Verbluͤht auch bald, verwelkt, vergehet,

Die Liebe iſt hier ſchon vorbey.

Jndem man von der Treue handelt

Da wird die Buͤhne gleich verwandelt

Die feurge Liebe ſcheint nun blaß,

Und zeigt in einen Augenblikke

Des Herzens falſche Luſt und Tuͤkke,

Jn einen moͤrderriſchen Haß.

Wie ofte wird das noch erfuͤllet,

Daß wenn die wilde Luſt geſtillet

An deſſen Statt ein Zorn-Feur brennt,

Wie bald wird nicht die Treu verlohren,

Die Menſchen doch ſo theur beſchworen,

Wenn ſich ihr loſes Band zertrennt?

Der Schauplaz ſei auch wie er wolle,

So wird doch ſtets die Heuchler-Rolle,

Darauf nach alter Art geſpielt.

Der eine iſt durch ſein Verſtellen

Ein Fuͤrſt und Herre der Geſellen,

Den er mit Majeſtaͤt befiehlt.

Der Schein der angeflammten Lichter,

Die Larven blenden die Geſichter,
Das
[77]Die Schaubuͤhne der Welt.

Das Flittergold der falſchen Pracht;

Die machen die Comoͤdianten,

Zu koͤniglichen Anverwandten,

Daruͤber jeder billig lacht.

Allein wenn wir dagegen ſehen,

Was vor Verwandelung geſchehen

Und noch geſchiehet in der Welt,

Wie die Verſtellung hie regieret,

Jn was vor Masken ſie ſich zieret,

So ſieht man manchen armen Held.

Der will die ganze Welt regieren,

Was heiſt das anders, als agiren?

Und jener glaubt das, was er meint,

Daß muͤſſe er auf dieſer Erden,

Da er zum Schau ſich ſtellt, auch werden,

Weil er ſich gros, nicht andern ſcheint.

O! welche groſſe Heucheleien,

Sind in der Welt und ihren Reihen,

Jn jeden Stande anzuſehn;

Vom Schaaf das Kleid, von Wolf das Herze,

Und lachen bei den aͤuſren Schmerze,

Das heiſt den Mantel kuͤnſtlich drehn.

O! waͤr das Stellen und Verſtellen,

Nur hinter denen Opern Schwellen

Als ihren eignen Siz verbannt!

Allein die falſchen Einbildungen,

Sind allenthalben durchgedrungen

Beherſchen einen jeden Stand.

Wie
[78]Die Schaubuͤhne der Welt.
Wie viele machen nicht den Tempel,

Durch Heuchelei und Schein-Exempel

Zu einen eitlen Opern-Haus.

Die Phariſaͤer alter Zeiten,

Der Abſchaum von den heilgen Leuten,

Die gehn noch jezt da ein und aus,

Der Ehrgeiz kommt mit heilgen Haͤnden,

Der Armut Gaben auszuſpenden,

Warum? weil es hie wird geſehn

Die Bosheit voll von Greul und Fluche,

Singt aus den heilgen Pſalter-Buche,

Und ſchimpft nur GOtt ſich zu erhoͤhn.

Der Hochmut ſchlaͤgt die Augen nieder,

Die Zankſucht ſinget Sanftmuts-Lieder

Und beide bleiben kuͤhn und ſtolz.

Wie brennen hier die Andachts-Flammen,

Die doch aus kalten Herzen ſtammen,

Und ſcheinen wie ein faules Holz.

Wer mit den Glauben Poſſen treibet,

Und dennoch Glaubens-Buͤcher ſchreibet,

Jſt warlich ein Comoͤdiant

Wie viele ſind die Kreuze tragen,

Und den Gekreuzigten abſagen,

Die GOtt und auch der Welt bekannt?

Wie gros iſt nicht die Heuchler Liſte,

Die gar des Luſtſpiels Schaugeruͤſte,

Jn Gotteshaͤuſern auferbaun,

Da ſie bei dem verſtellten Beten,
Nur
[79]Die Schaubuͤhne der Welt.

Nur vor des Hoͤchſten Antliz treten,

Der Eva Toͤchter zu beſchaun.

Wie viele ſind von falſchen Frommen,

Die nur zu heilgen Tempeln kommen,

Damit die lange Zeit verfliegt,

Wie viele daß ſie nur anhoͤren,

Ein Klangſpiel wollgeſtimmter Choͤren,

Daran ſich ihr Gehoͤr vergnuͤgt.

Wie viele kommen nur zuſamen,

Den Kleider Puz da auszukramen,

Wo ihn ein groſſer Hauffe ſieht;

Wie viele ſind, die uns verborgen,

Den einſtens jenes Tages Morgen

Der Larven falſchen Schein abzieht?

Es braucht nicht an Gerichtes-Plaͤzzen,

Comoͤdien Haͤuſer aufzuſezzen;

Es wird da oft ohn dem agirt,

Der Richterſtab umſonſt gebrochen,

Und die Gerechtigkeit beſtochen,

Wie im Triumphe aufgefuͤhrt.

Man ſpielet oft mit den Gewichte,

Weil der Gerechtigkeit Geſichte,

Vom ſchwarzen Stahr verdunkelt iſt,

Weil da nur alles nicht zu ſehen,

Wie ſich die Staats-Maſchinen drehen,

Ein jeder durch die Brille lieſt.

An Fuͤrſten-Hoͤfen dieſer Erden,

Da Opern ſehr geliebet werden,
Wird
[80]Die Schaubuͤhne der Welt.

Wird auch manch Luſtſpiel aufgeſtellt,

Was da in Spiele anzuſehen,

Jſt auch woll wuͤrklich da geſchehen,

Wo nichts als Opern-Luſt gefaͤllt.

Die abentheurlichen Gedichte,

Der Helden traurige Geſchichte,

Sind zwar in Fabeln eingehuͤllt,

Doch was die Maske oft erzaͤhlet,

Was den und jenen Held gequaͤlet,

Weiſt dieſes, deren Ebenbild.

Und wer von muntren Hofe-Leben,

Will richtige Beſchreibung geben,

Der nenn es eine Comoͤdie,

Wo die verlarvten Eitelkeiten,

Beſtaͤndig um die Wette ſtreiten,

Wo Luſt in Laſt, und Ruh in Muͤh.

Hie herſchen die Verſtellungs-Kuͤnſte,

Man kauft, verkauffet blaue Duͤnſte,

Und wer ſich da am tiefſten buͤkt,

Gedenket ſich empor zu ſchwingen,

Wer freundlich iſt, legt andern Schlingen,

Und wird vom dritten doch beruͤkt.

Hie ſeufzt der Reichthum nach Erbarmen,

Hie findet man verkehrte Armen,

Woran das Gold und Silber ſtrahlt,

Hie ſieht man ofte Schoͤnheit prangen

Die laͤngſtens in Geſicht vergangen,

Und Menſchen die nur ſchoͤn gemahlt.

Hie
[81]Die Schaubuͤhne der Welt.
Hie ſind ſo viele tapfre Helden,

Die ihren Ruhm der Nachwelt melden,

Daß ſie die ganze Welt bekriegt,

Die jeden Feind den ſie gefunden,

Ertappt, geſchlagen, uͤberwunden,

Und dennoch ſich nicht ſelbſt beſiegt.

Hier redt man anders, als man denket,

Hier nimt man, wenn man willig ſchenket;

Hier rennt man krum zu ſeinen Ziel,

Hier ſteigt man hoch, um tief zu ſinken,

Hier laͤuft man um hernach zu hinken,

Das iſt der Hoͤfe Opern-Spiel.

Die kleine Welt agirt imgleichen,

Der ſpielet die Perſon des Reichen

Der herrlich und in Freuden lebt;

Der ſeinen Himmel allhie ſuchet,

Der ſo lang donnert, blizt und fluchet,

Bis daß er ſich in Wein begraͤbt.

Und jener winſelt ſtets dagegen,

Kan ſich vor Angſt und Schmerz kaum regen,

Stellt vor den armen Lazarus,

Sein Leben gleicht den Trauerſpielen,

Die zwar betruͤbt, doch endlich zielen,

Auf einen angenehmen Schlus.

Die Schaubuͤhn iſt oft ſo geſchmuͤkket,

Daß man die Wildnis drauf erblikket,

Der Tyger, Loͤwen Aufenthalt.

Wenn man von Mordgeſchichten handelt,
Zweyter Theil. FSieht
[82]Die Schaubuͤhne der Welt.

Sieht man wie ſich ein Menſch verwandelt,

Jn eine viehiſche Geſtalt.

Wie ofte ſieht man auf der Erden,

Daß Menſchen wilde Thiere werden,

Es ſchaͤumet ihr vergiftet Blut

Jm Zorn, als wenn ſie Loͤwen, Baͤren

Und Woͤlfe, ja noch aͤrger waͤren,

Bei ihrer Raſerei und Wuth.

Wie viele Menſchen ſind zu finden,

Die ſich in einem Fuchspelz winden,

Mit Liſt und Macht das an ſich ziehn;

Wornach ſich andre die da leben,

Und ſich der Redlichkeit beſtreben,

Vergeblich und umſonſt bemuͤhn.

Wie ofte auf den Buͤhnen Affen,

Die liſtig thun und ſchmeichelnd gaffen,

Jn Menſchen Kleidern zu beſehn:

So findet man an allen Enden,

Wohin wir nur die Augen wenden,

Dergleichen hin und wieder gehn.

Die Torheit und ein albern Weſen,

Laͤſt ſich oft aus den Mienen leſen,

Die dieſe Affenmaͤßig zeigt:

Und jene die von Hochmuts-Orden,

Jſt gar ein menſchlich Pfau geworden,

Weil ſie ſtets bruͤſtend einher ſteigt.

So ungereimte Wunderſachen,

Die kluge Menſchen thoͤricht machen,
Sind
[83]Die Schaubuͤhne der Welt.

Sind auf den Schauplaz dieſer Welt,

Jn mancherlei Verwandelungen,
(Die ſonſt als Fabeln nur beſungen,)

Jn Warheit oͤfters dargeſtellt.

Wie iſt nun nicht die Welt zu nennen,

Ein Opernhaus, darin wir rennen

Bald hie, bald da nach Neuigkeit?

Ein Schauplaz, wo wenn das verſchwunden,

Sich ſchon was anders eingefunden,

Wo man ſtets ſpielt von Krieg und Streit.

Ein jeder Menſch muß hie agiren,

Und ſich nach der Perſon auffuͤhren,

Dazu er iſt von GOtt beſtimmt;

Er muß darauf ſo lange wallen

Als es den Schoͤpfer wird gefallen,

Bis daß ſein Spiel ein Ende nimmt.

Wer die Perſon alſo vorſtellet,

Daß es den andern woll gefaͤllet,

Wird zwar gekroͤnt mit Ehrenpreis:

Man jauchzt ihm nach, wenn er abgehet;

Allein ſo bald der Schall verwehet,

Vertroknet oft ſein Lorbeer-Reis.

Viel beſſer iſt es, daß wir ſtreben

Jn unſern Handeln, unſern Leben

Nach jenen Lob der Ewigkeit,

Dahin wir werden aufgenommen,

Wenn wir von dieſen Schauplaz kommen,

Zur herrlichen Vollkommenheit.

F 2Wer
[84]Die Schaubuͤhne der Welt.
Wer woll gelebt, erlangt die Krone,

Wenn ihn zu ſeinen Gnaden-Throne

Ruft die erhabne Majeſtaͤt,

Auf deſſen Wink die Erden-Buͤhne

Und eine jegliche Maſchine

Die aufgeſtellt, zulezt vergeht.

Mein GOtt! laß mich allhie ſo wandeln

Und auf der Erden Schauplaz handeln,

So wie mir deine Lehre heiſt

Gib daß ich nicht HErr! dein Geſezze,

Mit Vorſaz und Betrug verlezze,

Und ſtets gedenke, Wer du ſeißt.

Bewahr mich vor der Heuchler Rolle,

Die wie ein Wolf in Schaafes Wolle

Sich vor der Welt nur heilig ſtelln:

Bewahr mich aber auch hingegen,

Vor denen, die auf boͤſen Wegen

Sich zu der Spoͤtter-Rott geſelln.

Du biſt mein HErr! der mich regieret,

Den Wink den folg ich, der mich fuͤhret,

Jch leb in deiner Vorſehung.

Soll ich hier Trauer-Stunden zaͤhlen,

So iſt mein Troſt der kan nicht fehlen:

Die Welt iſt voller Aenderung.


Die
[85]

Die
weiſe Guͤte GOttes

bei der
Zulaſſung des Boͤſen
in dem Leben des Erzvaters Joſephs

erwogen.


[figure]
Der Gottheit Ehrfurchts-volle Tieffen, kan
keiner auf den Grund einſehn,

Und ſeiner Vorſicht dunkle Wege, kan
kein Menſch voͤllig hier verſtehn;

Wer ſich mit blinder Dreiſtigkeit er-
kuͤhnt dieſelben zu ermeſſen,

Der muß was GOtt iſt, und was wir, in eit-
len Hochmuts-Trieb vergeſſen.

Der arme Menſch traut ſeinem Wizze und ſeiner
Klugheit allzuviel,

Wenn er von allen was GOtt handelt, den Grund,
die Urſach wiſſen will;

Da komt er in ein Labirinth, da er von rechten
Wege irret,

Und folget einen falſchen Licht, das ihn nicht leuch-
tet, nur verwirret;

Da dreht er viele Zweifels-Knoten, womit er den
Verſtand umſchlingt,

Womit er ſich und andre ſtrikket, und gaͤnzlich in
Verwirrung bringt.

F 3Da-
[86]Die weiſe Guͤte GOttes
Daher entſpringt der eitle Wahn: woher der Ur-
ſprung alles Boͤſen,

Das iſt das Raͤthſel jeder Zeit, das will er durch
Vernunft aufloͤſen.

Daher entſtehn die eitlen Fragen: Warum der Schau-
plaz dieſer Welt,

Ein Garte der mehr ſcharfe Dornen, als ſuͤſſe Ro-
ſen in ſich haͤlt:

Warum ſo vieles Ungeluͤk das wir an den und
jenen ſehen,

Da GOtt doch alle Ding regiert, in ſeinen Rei-
che koͤnn entſtehen?

Sie denken eine ewge Guͤte, iſt um der Menſchen
Woll bemuͤht,

Die Weisheit hat ſo helle Augen, daß nichts ge-
ſchicht, was ſie nicht ſieht.

Der Allmacht wuͤrkender Befehl, kan alles augen-
bliklich enden,

GOtt traͤgt der Rache Donnerkeil, und ihren Bliz
in ſeinen Haͤnden.

Was ſich demſelben wiederſezzet zerſchmettert gleich
vor ſeinen Grimm

Was ſeinen Willen wiederbellet, verſtummt vor
ſeiner Schrekkensſtimm.

Und dennoch ſehn wir hie und da, das Boͤſe auf der
Erde toben,

Das vielen Guten ſchaͤdlich iſt; warum wird es
nicht weg gehoben?

Wenn GOtt das Gute ernſtlich liebet, wenn er
das, was geſchiehet, weiß,

Und wenn ein jeder muß gehorchen, der Allmacht
Willen und Geheis:

So kan es ja nicht anders ſeyn, GOtt muß das
aus dem Wege raͤumen,

Was
[87]bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Was hier im Reiche boͤſes iſt. So pflegt der Men-
ſchen Wiz zu traͤumen

Und weil das nicht ſo gleich geſchiehet; ſo macht er
den verkehrten Schlus,

Daß GOtt der hoch im Himmel wohnet, ſich nichts
um uns bekuͤmmern muß.

Wie irrig iſt doch der Verſtand, der ſich auf falſche
Schluͤſſe gruͤndet,

Und das was ſich hie gar nicht reimmt, in dem Ge-
hirn zuſammen bindet.

Zuerſt ſchlieſt man aus falſchen Grunde, ſoll GOt-
tes Machtreich recht beſtehn,

So muß es darin wie wir denken, nach unſrer al-
bern Meinung gehn,

Die Allmacht muß die Bosheit ſteurn, den Weizen
von dem Unkraut retten,

Solt er daruͤber gleich die Frucht die gut, verder-
ben und ausjetten.

Jhr Menſchen, die ihr alſo ſchlieſſet, bedenkt den
Zuſtand dieſer Welt,

Jſt ſie nicht gleich dem Weizen-Akker, darauf der
(*)Feind ſich eingeſtellt,

Und Dorn und Dieſteln ausgeſtreut, die mit den
Weizen aufgelauffen:

Soll GOttes wuͤrkende Gewalt, das Unkraut
alſobald ausrauffen,

So wird der Weize auch verlezzet. Ein Koͤnig der
da gut regiert,

Der Weisheit Regelmaas betrachtet, mit Klugheit
ſeinen Scepter fuͤhrt

Der Laͤnder Wollfahrt uͤberſieht, der muß auch oft
ohn ſein Verſchulden,

Das Boͤſe das im Staat aufgeht, mit einer wei-
ſen Klugheit dulden,

F 4Sonſt
[88]Die weiſe Guͤte GOttes
Sonſt wird gar oft das Band der Voͤlker, das in-
einander ſchlingt, zertrennt,

Wenn er mit den gerechten Flammen, das Boͤſe
alſobald verbrennt.

Geſezt es waͤr ein Unterthan, der durch ein unver-
nuͤnftig Wuͤten,

Durch Liſt, durch tobende Gewalt, dem Landes-
Herren wiederſtritten,

Der Fuͤrſte wenn er ihn beſtrafte, durch ſeiner
Knechte blizzend Schwerd,

Der haͤtte dadurch auch die Frommen der ganzen
Stadt zugleich verheert,

Und dieſen Fall zuvor geſehn, wie waͤren die gerech-
ten Proben,

Dadurch er andre mit verderbt, die es doch nicht
verdient, zu loben?

Jhr laſſet dieſe That nicht gelten, und nennt ſie Un-
vorſichtigkeit;

Jhr glaubt vielmehr ein weiſer Koͤnig, erwarte ei-
ne andre Zeit,

Da er die Wuͤrkung ſeines Grimms, an denen die
ihn frevelnd haſſen,

Kan ohn der frommen Untergang, zur Rettung
ſeiner Ehr auslaſſen.

Gedenkt ſo macht es der Regierer, der dieſer gan-
zen Weit gebeut,

Er duldet das verfluchte Boͤſe, das unſer Erbfeind
ausgeſtreut;

Er laͤſt es eine Zeitlang zu, daß Suͤnder wuͤten,
und im Kriegen,

Der Frommen duͤnngeſaͤte Schaar, durch ihre Liſt
und Macht beſiegen,

Damit nicht ſeines Grimmes Knechte, wie leider
gar zu oft geſchehn,

Das
[89]bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Das Gute mit dem Boͤſen tilgen, aus heilgen Ei-
fer ſich verſehn.

Des ewgen Weſens heilge Guͤt ertraͤgt gar oft die
boͤſen Suͤnder,

Warum? weil er aus Langmuth liebt, die von ihm
weggelofnen Kinder

Er ſucht ſie wieder anzulokken, durch ſein erbar-
mendes Bemuͤhn,

Wenn ſie wie wild und ſcheuche Rehen, in wilde
Dornen-Hekken fliehn,

Er faͤhet ſie durch ſeinen Zug, ſie kehren um in
Reu und Buſſe,

Und fallen dem, den ſie erzuͤrnt, in tief gebeugten
Sinn zu Fuſſe;

Der Suͤnder aͤndert ſeinen Wandel, er nuͤzt nun-
mehr dem Kirchenſtaat,

Den er in unbekehrten Stande, durch Aergernis
geſchadet hat.

Hat GOtt nun Unrecht hier gethan, daß er die
Straffe aufgehoben,

Weil er im Licht zuvor geſehn, des Suͤnders Herz
und Beßrungs-Proben?

Verlezzet er ſein heilges Weſen, wenn er das Boͤ-
ſe lange traͤgt,

Damit das Gute nicht verderbe, was es dabei
noch in ſich hegt?

Wie wendet ihr dagegen ein: Ob GOtt auch wie
man zwar gedenket,

Das Boͤſe wuͤrklich in der That, zu einen guten
Zwek gelenket:

So ſehet nur in die Geſchichte der alten Zeit, und
neuen Welt,

Da werden uns viel tauſend Proben, dies zu be-
weiſen, vorgeſtellt.

F 5Doch
[90]Die weiſe Guͤte GOttes.
Doch nur ein Beiſpiel anzuſehn, gedenkt was Jo-
ſeph einſt begegnet,

Wie er in bange Noth geſtuͤrzt, von GOtt erhoͤ-
het und geſegnet.

Die Liebe des geneigten Vaters, erwekte ihm der
Bruͤder Groll,

Sie ſezten ihn in Angſt und Wehe, als er einſt
frug nach ihren Woll

Der Haß des Neides Misgeburt, entflammte in
der Bruͤder Seele,

Verſchwoͤrung zu der Rachbegier, die Unſchuld warf
man in die Hoͤle

Als ein Gefaͤngnis, bis zum Tode. Jedoch der
Trieb der Menſchlichkeit

Erregte hier noch das Gewiſſen, und zog die Hand
die ſchon bereit

Zum Mord, durch die Natur zuruͤk, der Reſt der
bruͤderlichen Liebe

Erſtikte noch in ihren Blut, der Rache moͤrderliche
Triebe.

Sie lieſſen Joſeph aus der Grube, verkauften ihn
zum Knechtſchaftsſtand,

Er kam, als wenn ihn GOtt verlaſſen, als Scla-
ve in Egyptenland.

Hier denket, wer nicht weiter ſieht: Regieret GOt-
tes guͤtig Walten,

Warum bewegt ihn nicht die Qual, des Jacobs, je-
nes frommen Alten

Der ſeines liebſten Sohns beraubet, der klaͤglich
winſelt, aͤngſtlich klagt,

Da man ihn Joſeph iſt zerriſſen und von dem Wild
zerfreſſen, ſagt.

Warum laͤſt ſeine Guͤte zu, daß wilde Bosheit ſol-
ches Schrekken,

Und
[91]bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Und daß der Kinder Trug und Liſt dem Vater ſol-
che Angſt erwekken?

Gerechter Himmel deine Schluͤſſe, ſpricht hier, die
blinde Menſchlichkeit

Die ſind ohnmuͤglich gut zu nennen, noch bei uns
von Verdacht befreit,

Du kanſt des Greiſen bange Noth, ſein aͤngſtlich
Haͤnderingen, Klagen,

Der truͤben Augen Zaͤhrengus, dabei ſein Herz be-
klemmt, ertragen,

Und wirſt doch nicht darob geruͤhrt; du kanſt der
Bruͤder Schalkheit ſehn,

Und laͤſt ſie bei der Schaden-Frende, in heimlichen
Ergoͤzzen gehn:

Du ſiehſt die Unſchuld wird gedruͤkt; und Joſeph
koͤmmt in fremden Lande,

Da er die reine Tugend liebt, ob ſeiner Gottesfurcht
in Bande,

Regiereſt du den Kreis der Erden, ſo muͤſt es bil-
lig anders gehn?

So denken die des Hoͤchſten Wege, wie er uns fuͤh-
ret nicht verſtehn

Kommt ſehet erſt den Ausgang an, ſo werdet ihr
in GOttes Schluͤſſen,

Wenn er das Boͤſe gleich zulaͤßt, die Guͤte doch
bewundern muͤſſen.

Des Joſeph armes Sclaven-Leben, war nicht ſo
elend, als man denkt,

Weil ihn die Vorſicht Huld und Liebe des Herrn,
zu ſeinen Troſt geſchenkt;

Der Keuſchheit reines Probeſtuͤk, das brachte ihn
zwar in die Ketten,

GOtt ließ es darum weislich zu, ihn herrlich wie-
der zu erretten,

Er
[92]Die weiſe Guͤte GOttes
Er war in dem Gefangenhauſe, der ewgen Vorſicht
Gnaden Blik,

Sah doch in ſeinen finſtern Kerker, und gab ihm
auch in Elend Gluͤk,

Er ward den andern fuͤrgeſezt, die in den Ketten
liegen muͤſſen,

Vor ihre Unvorſichtigkeit, vor ihre Uebelthat zu
buͤſſen.

Hier in dem Fortgang der Geſchichte, ſieht man
den Strahl der Vorſehung,

Der ſich nun immer mehr ausbreitet, man merkt
nun mit Verwunderung,

Wie GOtt die Menſchen weislich fuͤhrt, und wie
er die Begebenheiten,

Die an ſich ſelber boͤſe ſind, dennoch zum Guten
weiß zu leiten.

Daß Joſeph erſt erniedrigt wurde, daß muſte da-
rum nur geſchehn,

Damit die Weisheit deſto beſſer, ihn konte in der
Welt erhoͤhn.

Sie ſchenkte ihn den Gnaden-Geiſt, der Traͤume
Deutung klar zu ſagen,

Die ſie in deren Sinn erwekt, die mit ihm in Ge-
faͤngnis lagen,

Er kuͤndigte dem Oberſchenken, die koͤnigliche Gna-
de an,

Dem Becker daß er haͤngen ſolte, wie ihm in Traum
ward kund gethan;

Und beides traf auch richtig ein, der Schenke wur-
de angenommen,

Den brauchte GOtt zu ſeinen Rath mit Joſeph
bald zum Ziel zu kommen;

Der HErr der alle Dinge ſiehet, in ihrer unſicht-
bahren Spur,

Der
[93]bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Der alle kuͤnftgen Folgen kennet, die noch entſtehn
in der Natur

Der wolte, daß das Seegensland nach ſieben fett
und reichen Jahren

Als ein gerechtes Strafgericht, ſo lang den Kum-
mer ſolt erfahren.

Dies ward in einen dunklen Traume den Pharao
zuvor geſagt,

Und als er ſeine Zeichendeuter, umſonſt nach den
Verſtand befragt,

Da fiel den Schenken wieder ein, daß ein Hebreer das
verſtuͤnde,

Was man bei keinen weiſen Mann in ganzen Koͤ-
nigreiche fuͤnde.

Da trennten ſich die dunklen Wolken, die Joſephs
Gluͤckes-Sonn verdekt,

Der Koͤnig der von ihm gehoͤret, ward durch ge-
heimen Trieb erwekt,

Den weiſen Juͤngling auch zu ſehn, die Gnade gab
ihn ihren Seegen,

Und er vermochte gleich den Traum, nach ſeiner Deu-
tung auszulegen.

Welch ein veraͤndertes Geſchikke, ein Sclave wird
ein groſſer Herr

Der im Gefaͤngnis tief geſeſſen, beſteigt die Stuffen
hoher Ehr,

Und wird ein koͤniglicher Rath, der nahe an den
Throne ſizzet,

Und durch die Klugheit das regiert, was des Mo-
narchens Scepter ſchuͤzzet.

Sehn wir der Schikkung weiſes Fuͤgen, wie wun-
derbar daſſelbe ſpielt,

Jn Joſeph krummen Lebens-Lauffe, und wie es
doch zum Guten zielt:

So
[94]Die weiſe Guͤte GOttes
So muͤſſen wir geruͤhrt geſtehn, daß GOtt der
alle Ding regieret,

Das Boͤſe, wenn er es zulaͤſt, dennoch zum gu-
ten Zwekke fuͤhret

Er laͤſſet uͤber ſeine Kinder, oft alle Truͤbſals-Wet-
ter gehn,

Damit ſie nach den truͤben Wolken, die Sonne de-
ſto heller ſehn;

Er fuͤhrt ſie in einen Thraͤnen-Thal, nach Bochim;
weil er ſie beſtimmet,

Nach Elim wo ein voller Bach, zu ihrer Luſt und
Labſal ſchwimmet;

Er laͤſſet ſie durch Kreuzes-Wege auf harten Stei-
nen einher gehn,

Damit ſie nach der ſchweren Reiſe, ein Land voll
Milch und Honig ſehn.

Dies zeiget, der in Unſchuld ſiegt, des Herz ein
GOtt geweihter Tempel,

Der Joſeph, der der Bosheit Raub, in einen herr-
lichen Exempel.

Die Welt gleicht einen Jrregarten, und dem ver-
wirrten Labirinth,

Worin die Quer und Kreuzes-Wege, ſo wunderbar
vermenget ſind,

Daß man gar keinen Ausgang ſieht, weil die ver-
wirrten Lauben, Hekken,

Wenn uns des Weges Weiſer fehlt, der uns den-
ſelben zeigt, verdekken.

Der HErr der uͤber alles ſiehet, und auch nach ſei-
nen Willen fuͤgt,

Dem Anfang, Fortgang und das Ende, auf ein-
mahl vor den Augen liegt,

Der ſieht wie alles kommen muß, befoͤrdert unſern
Nuz in Schaden,

Und
[95]bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Und Heiligkeit iſt ſeine Schnur, die Weisheit iſt
ſein Leitungsfaden,

Damit er uns verborgen fuͤhret, wie uns der kla-
re Ausgang lehrt,

Den man Verwundrungs-voll erkennet, wenn al-
les ſich zum Ziele kehrt.

Und dies noch weiter einzuſehn, ſo gebe man nur
mit Bedacht,

Auf GOttes wunderbahre Wege, bei Jſraels Ge-
ſchlechte acht.

Die Theurung kam drauf in das Land, und fraß
mit ihren duͤrren Munde,

Den Vorrath des Getreides weg, den ſie in Ca-
nans Grenzen funde.

Da ſuchte jeder vor ſein Leben, bei allgemeiner
Hungers Noth,

Bei Joſeph der zuvor geſammlet, das Korn zu ſei-
nen Nahrungs-Brod,

Des alten Jacobs ſein Geſchlecht, begab ſich auf
die lange Reiſe,

Und ſuchte in Egyptenland beim unbekannten Jo-
ſeph Speiſe,

Der Vater der den Sohn verlohren, und den Ver-
luſt gekraͤnkt, beweint,

Des Himmels hart Geſchik beklaget, erfaͤhrt wie
gut es GOtt gemeint,

Der liebſte Sohn muß ihn ernaͤhrn, damit vorhin
ſein Troſt verſchwunden,

Er hoͤrt zulezt das Joſeph lebt, und in Egypten wie-
derfunden.

Die Bruͤder die ihm laͤngſt verkauffet, die kauffen
von ihm bei der Noth,

Als einen theuren Landes-Vater in Demut zu der
Nahrung Brod

Den
[96]Die weiſe Guͤte GOttes
Den ſie vorhin verfolgt, gehaßt den muͤſſen ſie mit
Ehrfurcht lieben,

Den ſie vorhin in Noth gebracht, der muß ſie wie-
derum betruͤben.

Seht das Vergeltungsrecht des Hoͤchſten, der Bru-
der muſte ſich verſtelln,

Sie mit Gefangenſchaft bedrohen; da muſten ſie
das Urtheil faͤlln,

(*)Das haben wir dadurch verdient, daß
wir den Bruder lieſſen quaͤlen

Als wir mit falſcher Luſt anſahn, die Kuͤm-
merniſſen ſeiner Seelen.

Doch endlich brach ſein liebreich Herze, das von ge-
heimen Seufzern wund,

Er machte ſich mit Freuden-Thraͤnen, als der ver-
lohrne Joſeph kund,

Und zeigte wie des Hoͤchſten Wink, zum Guten
alles weiß zu lenken,

Wenn Menſchen in der argen Welt, mit Liſt auf
lauter Boͤſes denken;

Der alte Jaeob der von Kummer, und vielen Jah-
ren matt gedruͤkt,

Sieht den gefundnen Joſeph wieder, wird durch
ſein Angeſicht erquikt,

Und lebt gleichſam von neuen auf, da er vorher
mit grauen Haaren,

Die Sorge, Furcht und Schmerz gebleicht, ge-
wuͤnſchet in ſein Grab zu fahren.

Jhr die ihr euch ſo leicht verirret, wenn ihr ver-
nuͤnftig uͤberdenkt,

Wie der Erhalter aller Dinge, des Schikſals krum-
me Spheren lenkt;

Erwegt wie doch der Ausgang zeigt, daß er kein
Freund der boͤſen Sachen,

Viel-
[97]bei der Zulaſſung des Boͤſen.
Vielmehr durch ſeine Weisheit ſucht, was wir ver-
dorben, gut zu machen.

Lernt wie wir leicht in Glauben ſcheitern, wenn
wir uns auf die tieffe See,

Des goͤttlichen Verhaͤngnis wagen; wenn wir die
Breite, Laͤnge, Hoͤh,

Mit unſres Geiſtes duͤſtren Blik, da wir das eig-
ne Nichts vergeſſen,

Aus einen blinden Frevelmuth, nach unſrer Ein-
bildung ermeſſen.

Lernt hie, wie man bei allen Dingen, den Aus-
gang erſt erwarten muß,

Eh man von den verborgnen Wegen, von GOt-
tes Rath und dunklen Schlus,

Ein Urtheil der Gedanken faͤllt; weil wir ſonſt leicht
aus Torheit fehlen,

Das Jrrlicht blendender Vernunft, zu unſern richt-
gen Fuͤhrer waͤhlen.

Es iſt nicht moͤglich, daß wir Menſchen auf dieſer
Unterwelt einſehn,

Warum der Hoͤchſte zugelaſſen, daß dies verhindert,
das geſchehn,

Wer dies aus Aberwiz verlangt, der will was er
nicht faßt, erfragen,

Und ſich in ſeiner Einbildung zu GOttes dunklen
Vorhang wagen,

Dahinter der Verſtand erblindet, und die Vernunft
den Schwindel kriegt.

Wenn ſie ſich gar zu hoch erhebet, und uͤber ihre
Grenzen fliegt;

Genug in dieſer Sterblichkeit, daß uns von GOt-
tes Wunderwegen,

Erfahrung und die heilge Schrift, Exempel vor die
Augen legen,

Zweyter Theil. GDie
[98]Die weiſe Guͤte GOttes bei der Zulaſſung des Boͤſ.
Die voll von ſeiner weiſen Guͤte. Wer haͤtt an Jo-
ſeph das gedacht,

Daß GOtt bei ſeinem Ungeluͤkke, es dennoch weiſ
und wohl gemacht,

Wie wir aus der Geſchichte ſehn; ſo macht ers
auch in andern Dingen

Es muß ihn jezt noch eben ſo, nach ſeinen weiſen
Rath gelingen.

Und koͤnnen wir es nicht begreiffen, warum uns
dieſes wiederfaͤhrt,

Gedult! die Dunkelheit vergehet, wenn ſie ein
helles Licht verklaͤrt.

Der Offenbahrung klares Wort hat uns, was die
Vernunft verſchweiget,

Als eine leuchtende Latern, in heller Deutlichkeit
gezeiget:

Sie lehret uns ein heilig Weſen, daß ein gerechter
Zebaoth,

Das nach der Weisheit ſtets regieret, und ſich be-
weiſet als ein GOtt

Der guͤtig und barmherzig iſt. Sie lehrt ohn alles
Wiederſtreiten,

Das was uns in der Welt betrift, wird er zu un-
ſerm Beſten leiten:

Denn nichts geſchicht in ſeinen Reiche, was nicht
ſein ſehend Auge merkt,

Wenn dieſes nur das Herze glaͤubet; ſo wird die
Zuverſicht geſtaͤrkt,

Die einer weiſen Vorſicht traut; und auf dem Fels
von ſolchen Gruͤnden,

Kan unſre Wollfahrt allemahl, wie Noaͤ Schif die
Ruhſtat finden.


Das
[99]
Das gute Gewiſſen.
[figure]
Was kan uns auf dieſer Erden,

Alle Leiden, und Beſchwerden,

Alle Plagen, alle Noth

Ja! den fuͤrchterlichen Todt,

Alle Bitterkeit verſuͤſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Was iſt gut in boͤſen Zeiten,

Bei der Peſt von falſchen Leuten,

Wenn man unter Meſech wohnt,

Da man Guts mit Boͤſen lohnt,

Was iſt gut vor Judas-Kuͤſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Was braucht man vor die Verlaͤumden,

Die uns offenbahr anfeinden,

Oder die uns Nezze ſtelln,

Um uns heimlich zu beſchnelln,

Vor der Neider Schlangen-Biſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Wenn man in betruͤbten Stande;

Wenn der Krankheit harte Bande

Einen ſiechen Koͤrper quaͤln,

Was kan man alsdenn erwaͤhln,

Sich zu einen ſanften Kuͤſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Was kan uns Vergnuͤgen geben,

Wenn wir aus dem eitlen Leben,
G 2Zu
[100]Das gute Gewiſſen.

Zu der Ewigkeit fortgehn;

Wenn wir Chriſti Richtſtuhl ſehn,

Davor wir erſcheinen muͤſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Was ſtaͤrkt uns, wenn unſer Herze,

Bei des Koͤrpers heiſſen Schmerze,

Sich mit Schrekkensbildern plagt;

Wenn das Fleiſch und Blut verzagt,

Vor des Grabes Finſterniſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Alles muͤſſen wir verlaſſen,

Wenn wir ſterbend hier erblaſſen,

Und der Geiſt von Feſſeln loß.

Was wird bei dem lezten Stoß,

Nicht von uns mit weggeriſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Was verſichert uns den Himmel,

Wenn wir dieſes Weltgetuͤmmel

Mit dem lezten Blik beſchaun;

Und daß wir in Salems Aun,

Werden ewge Ruh genieſſen?
Antw: gut Gewiſſen.

Gut Gewiſſen bringt Vergnuͤgen,

Auf der Welt, in Todes-Zuͤgen;

Bei dem Leiden aller Zeit,

Jn der kuͤnftgen Ewigkeit,

Darum will ich nimmer miſſen
gut Gewiſſen.


Der
[101]

Der Akker
ein Bild des menſchlichen Herzens.


[figure]
Der Menſch die kleine Welt, ſieht ſtets
die groſſe an,

Darin das kleinſte Stuͤk zum Lehr-
bild dienen kan,

Wenn man es recht beſchaut: Man
kan des Hoͤchſten Weſen,

Und ſeine Herrlichkeit an jeden Din-
ge leſen.

Die Kreaturen ſind, wie Spiegel drin ſich zeigt,

Wie gros des Hoͤchſten Macht, wie ſehr er uns
geneigt;

Wie weiſe deſſen Huld, den wir als Schoͤpfer eh-
ren,

Kan uns der Erden-Bau, des Himmels Stern-
kreis lehren.

Der GOtt der alle Welt, mit Herrlichkeit erfuͤllt,

Zeigt uns alſo von ſich manch ſichtbar Ebenbild,

Wir koͤnnen aber auch von uns viel Bilder ſehen,

Wenn wir das Reich der Macht, zu unſrer Luſt
durchgehen.

Der Dinge Aehnlichkeit, die frommer Wiz ein-
ſieht,

Der jeden Vorwurf nuͤzt, und draus Erbauung
zieht,

Macht uns die Welt zum Buch darin wir viele
Lehren,

Zur Seelen Beſſerung erkennen, ſehn und hoͤren.

G 3Der
[102]Der Akker
Der Lehrer der ſelbſt GOtt, die ewge Weisheit
heiſt,

Der uns die Warheit lehrt, zur Beſſerung an-
weißt,

Fuͤhrt uns oft in die Welt darinnen zu erblikken,

Die Dinge die das Herz der Sterblichen abdruͤkken.

Er fuͤhrt uns in das Feld, und weiſet unſern Sinn,

Ein achtſames Gemuͤt, zu einem Akker hin,

Hier bald zum ſteinigten, da zu dem guten Lande,

Da wir ein Bildnis ſehn, von unſers Herzens
Stande.

Sieht man den Akker an, eh er wird umge-
ſcharrt,

So iſt deſſelben Flaͤch, rauh, ungebahnt und hart,

Der Pflug, der ihn durchwuͤhlt, der muß ihn erſt
bequemen,

Daß er das Saamenkorn, kan in dem Schoos auf-
nehmen

Und bleibt er ungeduͤngt, von fetter Fruchtbarkeit,

So wird das Saamenkorn vergeblich ausgeſtreut,

Wird es nicht tief verſtekt; ſo kan man leicht er-
meſſen,

Es wird von Voͤgel-Raub uns wieder weggefreſſen.

Und taugt der Boden nichts, iſt er wie Fels und
Stein;

So dringt der Wurzelkeim nicht tief genug hinein;

Bekommt er keine Kraft, empfaͤngt er keinen Re-
gen,

So waͤchſet auch nicht auf der eingeſaamte Segen;

Hingegen von ſich ſelbſt ohn daß wir uns bemuͤhn,

Sehn wir aus ſeinem Schoos, das boͤſe Unkraut
bluͤhn;

Die Dorn und Dieſteln ſind, ohn Pflanzen, oh-
ne Graben,

Auf
[103]ein Bild des menſchlichen Herzens.
Auf einem Akkerſtuͤk in Ueberflus zu haben,

Dies iſt o! Menſch ein Bild von unſers Herzens
Stand,

Was iſt es von Natur? ein unfruchtbahres Land,

Das Dorn und Dieſteln bringt, und lauter La-
ſter zeuget,

Wozu das Herz von ſelbſt aus eignen Trieb genei-
get.

Wer ſeinen Akker baut, und hofft ein froh Gedein,

Der laͤſt das Saamenkorn niemahls vergeblich
ſtreun,

Er pfluͤgt die Furchen erſt, zerreibt die Erden-
Kloͤſſe,

Und zieht daruͤber her, die Egg und Walzen-Preſſe.

Ach! moͤchte jederman auf dieſe Sorgfalt ſehn,

Die man beim Akker braucht; und dabei in ſich
gehn,

Ob man ſich ſo bemuͤh um ſeine theure Seele:

So wuͤrden wir gewahr des ſichren Herzens Fehle.

Der Heiland ſtellet dir o! Menſch, du eitler Thor,

Darum den Akkerbau zu einem Gleichnis vor,

Damit du kennen lernſt, was wir vor Hinderniſſen,

Aus unſern traͤgen Herz vorhero raͤumen muͤſſen,

Eh ſeines Wortes Kraft, die Seele fruchtbar
macht.

O! wuͤrde dies von uns nur allezeit bedacht;

So wuͤrden Tugenden in unſern Wandel bluͤhen,

Des Unkrauts Laſterbrut, aus unſern Herzen fliehen.

Man ſiehet auf dem Feld ſehr viele Aekker an,

Worauf das Saamenkorn im Fels nicht wachſen
kan:

Das iſt ein klares Bild, von dem verſtokten Herzen,

Die GOttes Wort anhoͤrn, und nur daruͤber
ſcherzen.

G 4Man
[104]Der Akker
Man findet, daß das Korn, das an dem Weg hin-
faͤllt,

Da keinen Wachsthum hat; weil er nicht iſt be-
ſtellt

Geduͤngt und umgefluͤgt; weil es die Voͤgel kriegen,

Die da ſtets hin und her nach ſolcher Nahrung flie-
gen.

Was hier die Voͤgel thun, das thut der Satan
da

Der unvermerket laurt, und jeder Seele nah,

Der die Gedanken regt, mit lauter fremden Din-
gen,

Die denn die Saamenkraft der Warheit ganz ver-
dringen.

Ein Akker bringt nicht Frucht, wo Dorn und Die-
ſteln ſtehn,

Daß kan man alle Jahr, in der Erfahrung ſehn,

Der Saame wird erſtikt, wenn er kaum aufge-
ſchoſſen;

Weil Unkraut, Dieſteln, Dorn, deſſelben Saft
genoſſen.

Das iſt des Herzens Bild, daß ſich mit Sorgen
quaͤlt,

Dem immer, wenn es gleich genug erlangt, doch
fehlt.

Das ſtets auf zeitliches, mit innren Kummer den-
ket,

Begierde, Trieb und Luſt nach eitlen Schaͤzzen len-
ket.

Ein Herz das ſo geſinnt, erſtikket alſo fort

Der Warheit heilgen Trieb, die Kraft von GOt-
tes Wort,

Das ein Gemuͤthe zieht, von irdiſchen Getuͤmmel,

Zu der Vollkommenheit, zu jenem Freuden-Himmel.

Ein
[105]ein Bild des menſchlichen Herzens.
Ein Akker wilder Frucht, wo wucherndes Unkraut,

Die Wurzeln eingeſenkt, wird ſchwerlich rein ge-
baut;

Reißt man es oben ab; ſo keimmt die Wurzel wie-
der,

Und haͤlt die gute Frucht in ihren Wachsthum nie-
der:

Das iſt des Herzens Bild, das eitle Luſt bethoͤrt,

Das eine Laſter-Brut, als im verborgnen naͤhrt,

Die endlich doch ausſchlaͤgt, das Gute unterdruͤk-
ket,

Und in die eitle Welt den ſchnoͤden Sinn entruͤk-
ket.

Der Akker der beſtellt, der voller Fruchtbarkeit,

Der ſeinen Saamen naͤhrt, der darin ausgeſtreut,

Und reinen Boden hat, der ſprieſſet ſeine Saaten,

Die durch den Gnadenſchein des Himmels wohl ge-
rathen.

Es waͤchſt und bluͤht die Frucht, des Seegens Fuͤl-
le-Horn

Ergieſſet durch den Halm ein fettes Nahrungskorn,

So daß des Saamens Frucht die einfach ausgeſaet,

Durch himmliſches Gedein, wird hundertfach ge-
maͤhet.

Das iſt ein ſchoͤnes Bild von Seelen, drin die Kraft

Der Warheit freudig treibt und reichen Nuzzen
ſchafft;

Ach! moͤchte meine Seel, niemahls ihr Heil ver-
ſaͤumen,

Ein guter Akker ſeyn, und viele Fruͤchte keimen!

Des Himmels Gnaden-Geiſt, den uns der Hei-
land ſchenkt,

Der durch verborgne Kraft der Menſchen Herze
lenkt,

G 5Der
[106]Die Thautropfen des Feldes,
Der ſteh mir dazu bei, daß ich in Luſt und Leiden,

Mich moͤge nur allein an ſeinen Worte weiden.


Die
Thautropfen des Feldes,

als
kleine Spiegel der GOttheit.
[figure]
Der Thau das Kind der Morgenroͤthe,

Liegt auf der gruͤnen Feld-Tapete

Und ſchimmert in den klaren Schein,

Als wenn die Tropfen Perlen ſeyn.

O! welch ein Anblik guͤldner Wonne

Entſtehet, wenn das Licht der Sonne,

Jn deſſen hellen Ruͤnde ſtrahlt:

Mir deucht ich ſeh dein Angeſichte,

O GOtt im Thau und dieſem Lichte,

Als wie im Spiegel abgemahlt.

Es wird der Thau aus Dunſt gebohren,

Der in der kuͤhlen Nacht gefroren,

Und rollend ſich in Troͤpfgen ſenkt,

Des Morgens gruͤne Saaten traͤnkt.

Es ſtrahlt aus dieſer klaren Naͤſſe,

Mein Schoͤpfer! deine Wundergroͤſſe,
Die
[107]als kleine Spiegel der GOttheit.

Die ſich in das Gemuͤte druͤkt:

Und ſehen die entzuͤkten Sinnen,

So viele Criſtallinen rinnen:

So deucht uns, daß wir dich erblikt.

Es laͤſt uns jeder Tropfe leſen,

Du ſeiſt ein liebreich guͤtig Weſen,

Daß durch des Thaues Balſamkraft,

Den Saaten friſche Nahrung ſchaft.

Erblikket ein geruͤhrt Gemuͤte,

Die klaren Spiegel deiner Guͤte;

So wird es inniglich erfreut;

Es deucht uns daß dein Gnadenſeegen,

Wenn ſich die Tropfen wimmernd regen,

Das Feld mit Manna uͤberſtreut.

Wie wunderbahr wird man entzuͤkket,

Wenn ſich die Sonn darin abdruͤkket,

Und durch die Strahlenreiche Pracht,

Den Thau zu kleinen Sonnen macht,

Die Silbertropfen uͤberguͤldet,

So mannigfaltig faͤrbt und bildet.

O HErr! wenn dies das Aug erwegt;

So wird dem Geiſt durch Thau-Criſtallen,

Und durch ihr glaͤnzend Wiederprallen,

Der Allmacht Bildnis eingepraͤgt.

Wenn man mit Andacht uͤberdenket,

Wie feuchter Thau die Felder traͤnket,

Und wie ſein klebricht fettes Naß,

Erfriſcht das aufgekeimmte Graß:

So ſehn wir auf den gruͤnen Fluren,

Der Weisheit wunderbare Spuren,
Jn
[108]Die Thautropfen des Feldes,

Jn allen Furchen eingedruͤkt;

So merken wir ein weiſes Walten,

Daß Vieh und Menſchen zu erhalten,

Die Frucht mit Seegensthau erquikt.

Der ſchwuͤlen Sommer-Tage Hizze,

Verdorrt durch die geſtrahlten Blizze

Der Sonne, Garten, Wald und Feld;

Doch wenn des Himmels Tieffe ſchwellt,

Und ſich in kuͤhlen Thau ergieſſet,

Und uͤber das verdorrte flieſſet,

So ſchenkt der Nahrungsreiche Saft,

Der Ausflus einer weiſen Guͤte,

Der Waͤlder, Feld und Garten-Bluͤte,

Jn dem Naturreich, neue Kraft.

So wunderbar, ſo herrlich, weiſe,

Jſt zu des Schoͤpfers Ruhm und Preiſe

Die Zeugung von dem Seegens-Thau,

Der da erhaͤlt den Akkerbau:

Die Tropfen die von oben quillen,

Die zeugen von des Schoͤpfers Willen,

Der weislich alles hat erbaut,

Und durch der Vorſicht wachend Sorgen,

Die Felder naͤhret alle Morgen,

Wenn er im Durſt ſie lechzend ſchaut.

Der Thau laͤſt oft in ſeinen Guͤſſen,

Ein freſſend Gift auf Fruͤchte flieſſen,

Daß wenn es auf den Bluͤten ſchwimmt,

Vom Sonnenſtrahl wird angeglimmt,

Und denn der Bluͤten Kraft verzehret,

Die Aekker dort, die Frucht verheeret
Dar-
[109]als kleine Spiegel der GOttheit.

Darob das Herz ſich ſchon gefreut;

Wenn dies geſchicht, ſo kan man ſchauen,

Jm Meel-Thau, auf dem Feld und Auen.

Die Spiegel der Gerechtigkeit.

So machen GOttes Strafgerichte,

Jn der Natur oft das zunichte,

Was ſeine Guͤte uns gezeigt,

Die uns zu unſern Woll geneigt:

O! moͤchten an des Hoͤchſten Werken,

Die Suͤnder ſich zur Warnung merken,

Wie er das Boͤſe haßt und flieht,

Und wie da, wo ſich Bosheits-Suͤnden,

Die ſeine Huld verachten, finden

Auch bald ſein Feuer-Eifer gluͤht.

Jedoch des Allerhoͤchſten Milde,

Laͤßt ſich in dieſem Seegens-Bilde,

Zur Sommerszeit am liebſten ſehn,

Wenn Feld und Aun bethauet ſtehn.

O! moͤchten wir der Gottheit Spiegel,

Auf den begraßten Thal und Huͤgel,

Jn Gaͤrten, Feldern, Wald und Aun,

Die doch ſo herrlich, ſchimmernd glaͤnzen,

Wie Perlen, an den Mirtenkraͤnzen,

Mit Andacht ihr zum Ruhm beſchaun!

Wenn wir das Feld am Morgen gruͤſſen,

So ſehn wir ſchoͤne Perlen flieſſen

Zur Nahrung auf das duͤrre Land,

Wenn ſie der Sonnen Wunderbrand

Zerſchmelzt, ſo werdens Perlentraͤnke:

Wenn ich mit Andacht dies bedenke,
So
[110]Die Thautropfen des Feldes,

So ruͤhrt O! Schoͤpfer deine Guͤt,

Die unſer Feld mit Perlen naͤhret,

Daß uns denn Speiß und Trank beſcheret,

Mein dankbegieriges Gemuͤt.

Man wuͤnſcht ſich oft vor ſeine Luͤſte,

Das Manna, das in jener Wuͤſte

Wie Thau aufs ganze Lager floß

Und Jſrael als Brod genoß:

Wir ſehen noch die Seegens-Wunder,

Es thauet noch die Luft jetzunder

Daß was ſich in die Fruͤchte ſenkt,

Wodurch uns GOtt nach alter Weiſe

Vom Himmel Brodt gibt zu der Speiſe,

Und Nahrung, die uns labend traͤnkt.

Laß ſtets o! GOtt durch Thaucriſtallen

Als wie durch Zuͤndungs-Spiegel fallen,

Jn mein Gemuͤt den Andachtsſtrahl,

Damit ich kuͤnftig allemahl,

Dadurch entzuͤnde in dem Herzen,

Der Seufzer heilge Raͤucher-Kerzen,

Und ſeh ich deinen Seegen thaun,

So laß mich auch dabei bemerken,

Wie du zwar groß in deinen Werken,

Doch vollenkommen nie zu ſchaun.

Biſt du ſo ſchoͤn in kleinen Spiegeln,

Was werden wir auf Salems Huͤgeln,

Jn jener Ewigkeit gewahr,

Da du uns ſtellſt dein Antliz dar.

Du glaͤnzeſt ſchoͤn im Sonnen-Lichte

Wie herrlich mag dein Angeſichte
Auf
[111]Die gruͤne Saaten.

Auf jenen Tabors Hoͤhen ſeyn,

Jedoch wer kan das hier beſchreiben,

Da alles noch muß Stuͤkwerk bleiben,

Da wir uns blos aufs Kuͤnftge freun.


Die gruͤne Saaten.


[figure]
Des Schoͤpfers weiſe Wundermacht, die
allenthalben da zu ſehen,

Wohin wir nur das Augenlicht, auf die-
ſen groſſen Schauplaz drehen,

Erblikt man mit Verwunderung auf ei-
nen ausgeſpannten Feld,

Da ſich der Hofnung Seegensbild, die gruͤne Saat
ſchon eingeſtellt.

Das Herze wird darob vergnuͤgt, die Augen wer-
den recht erquikket,

Wenn man der Aekker friſches Gruͤn, in einer Ebe-
ne erblikket.

Zuerſt, wenn jedes Korn gekeimmt, bricht die ge-
keimmte Spiz hervor,

Und ſteigt mit ſeinem gruͤnen Blat, wie eine klei-
ne Pfrim empor,

Die Saat die immer dichter wird, bedekt den ſchrof-
fen Grund der Erden,

Wir ſehn im wachſendem Gedein ſie taͤglich immer
groͤſſer werden,

Bis
[112]Die gruͤne Saaten
Bis ſie der Mutter ſchwarzen Schoos, mit gruͤnen
Kleidern ausgeſchmuͤkt,

Die hin und wieder ſind verbraͤmmt, und allent-
halben ausgeſtikt

Mit gelber Blumen hellen Gold. Und wenn dar-
auf die Sonne ſtrahlet,

Sieht man ein gruͤn geſpanntes Tuch, mit vielen
Farben uͤbermahlet.

Jemehr das Auge darauf ſchaut, jemehr bewundert
es das Gruͤn.

Jemehr der Geiſt es uͤberdenkt, jemehr vergnuͤget
ihm das Bluͤhn

Daraus die frohe Hofnung keimmt, daß uns in
Koͤrnerreichen Aehren,

Des Schoͤpfers weiſe Macht und Guͤt, werd un-
ſer Nahrungsbrodt beſcheren.

Die Saat die immer groͤſſer wird, die Sonne, Thau
und Regen hat,

Die breitet ſich nun weiter aus, und wird ein Zun-
genfoͤrmig Blat,

Und wenn die Luft dieſelbe regt; ſo deucht mir daß
die gruͤnen Flaͤchen,

Mit lauter Zungen angefuͤllt, zu GOttes Lobe
gleichſam ſprechen:

Des Schoͤpfers wuͤrkend Allmachts-Wort,
das Saamenkoͤrner fruchtbar macht,

Hat uns nunmehro aus der Erd, als unſern
Schooß herfuͤrgebracht;
Wir haben nun das Feld bedekt, mit einen
gruͤnen Hofnungskleide,
Und geben dem der uns beſchaut, die ange-
nehmſte Augenweide,
So machts der Schoͤpfer der Natur, der
ſeine Kreaturen ſchmuͤkt,

Er
[113]Die gruͤne Saaten.
Er hat euch ſeine Wunderguͤt, in alle Sin-
nen eingedruͤkt

Anjezo koͤnt ihr ſolche ſehn, in kurzen koͤn-
net ihr ſie ſchmekken,
O! Menſchen laſt euch nur dadurch, zu eu-
res Gebers Ruhm erwekken!

Die Erndte iſt in Hofnung da, fleht ſeine
ewge Guͤte an,

Die uns zu eures Lebens Nuz durch ih-
ren Schuz erhalten kan;

Der Schoͤpfer zeigt euch, wie er will, aus
lauter Liebe euch verſorgen,

Drum ſorget nicht im Zweifelmuth, fuͤr ei-
nen annoch kuͤnftgen Morgen:

Denkt aber nicht in Sicherheit, da ihr der
Felder Flor anſeht:

Hier haben wir ſchon Ueberflus, weil alles
auf dem Wachsthum ſteht,

Die Hofnung iſt noch allemahl, mit einer
bangen Furcht verbunden,

Heut bluͤht ſie ſchoͤn zu eurer Luſt, und
Morgen kan ſie ſeyn verſchwunden.
Wie bald wird unſre gruͤne Flor vom ſtren-
gen Hagelſchlag zerſtuͤkt,
Von Waſſerguͤſſen uͤberſchlammt, von Sturm
und Wetter unterdruͤkt.
Und was die Allmacht ſonſten braucht, die
Hofnung von den Seegensfruͤchten,
Wenn ſie ſchon herrlich aufgegruͤnnt, zu
eurer Strafe, zu zernichten:

Drum dienet euren GOtt mit Furcht, und
wenn ihr euch mit zittern freut,

So ſchaft die ewge Vaterguͤt, daß unſre
gruͤne Saat gedeit.

Zweyter Theil.
[114]
Die blaue Korn-Blume.
[figure]
Auf, mein Herz der Felder Seegen,

Der in ſeinen Wachsthum bluͤht,

Als die Sproſſen ewger Guͤt,

Zu betrachten, zu erwegen!

Hier hat unſre Speiß und Freude

Uns der Hoͤchſte vorgelegt:

Da der Akker alle beide,

Luſt und Nuzzen reichlich traͤgt,

Wo ſich als auf Speiſe-Tiſchen,

Frucht und Blumen lieblich miſchen.

Da wo fette Aehren wallen,

Mit dem ſuͤſſen Korngericht,

Muͤſſen uns auch ins Geſicht,

Manche ſchoͤne Blumen fallen.

Dieſes druͤkt uns deine Guͤte,

Weiſer Vater! die uns naͤhrt,

Durch die Augen ins Gemuͤte,

Die uns uͤberzeugend lehrt,

Wie du auch uns mit Ergoͤzzen,

Wilt das Nahrungs Brodt aufſezzen.

Eine jede Akker-Blume,

Jſt auf dem beſaamten Feld,

Als ein Herold aufgeſtellt,

Und prangt zu des Hoͤchſten Ruhme;

Aber keine von den allen,

Die an Farben mannigfalt,
Will
[115]Die blaue Korn-Blume.

Will mir lieblicher gefallen,

Von Geruch, und an Geſtalt;

Als die Korn-Blum, die im Glanze,

Gleichet einem blauen Kranze.

Sieht man ſie etwan von Ferne,

Zwiſchen einer gruͤnen Saat,

Die noch keine Aehren hat,

Scheinen ſie als blaue Sterne,

Die des Himmels Farben tragen,

Und der Felder Schmuk erhoͤhn;

Wenn wir nach der Deutung fragen,

Warum ſie in Felde ſtehn:

So deucht mir, daß ſie uns weiſen,

Welchen wir als GOtt zu preiſen.

Der im Himmel herrlich thronet,

Stellt uns die geſtirnte Zier,

An der blauen Kornblum fuͤr;

Der da uͤber Sternen wohnet,

Will uns an derſelben lehren,

Daß das gruͤn beſaamte Land

Uns auch zeige den zu ehren,

Der im Himmel nur bekandt:

Daß wir ſchuldig in dem Gruͤnen,
GOtt der himmliſch iſt, zu dienen.

Die in blinder Einfalt ſtekken,

Denken daß ein Akkerman

Sich die Fruͤchte geben kan,

Die der Schoͤpfer muß erwekken.

Denn ſie glauben durch das Saͤen,

Wenn der Akker umgewuͤhlt,
H 2Wuͤr-
[116]Die blaue Korn-Blume.

Wuͤrde ein geſegnet Maͤhen,

Als von ſelbſt darauf erzielt:

Moͤchten dieſe andre Lehren

Von der blauen Kornblum hoͤren:

Dieſe ſpricht: die albern Blinden,

Die nicht wiſſen, daß die Saat,

Einen hoͤhern Urſprung hat,

Koͤnnens hier beſchrieben finden.

An uns, als an blauen Sternen,

Sehet ihr des Himmels Bild,

Daraus koͤnt ihr glaͤubig lernen,

Daß die Saat vom Himmel quillt:

Denn zu Pflanzen und Begieſſen,

Muß des Himmels Seegen flieſſen.

Wenn man dieſe Blum beſchauet,

Wenn ſie von dem Stengel frei,

So ſieht man daß ſie faſt ſey,

Als ein Fuͤlle-Horn gebauet;

Da ich ſie alſo erwogen

Fiel mir der Gedanke ein,

Daß die blauen Wolken-Bogen,

Alles Seegens Fuͤllhorn ſeyn;

Weil daher die Fruͤchte quillen,

Die uns Hand und Magen fuͤllen.

Ja des Himmels Gnadenſeegen,

Giebt allein dem Akkerbau,

Sein Gedeien durch den Thau,

Durch den Sonnenſchein und Regen.

Draus entſteht, was wir genieſſen,

Und die Blumen die da bluͤhn,
Zwi-
[117]Die blaue Korn-Blume.

Zwiſchen Korn und Frucht entſprieſſen,

Und den fetten Saft einziehn,

Koͤnnen zum geſunden Leben,

Mittel, die uns dienlich geben.

Dies im Beiſpiel zu beweiſen,

Dient der Kornblum Nuzbarkeit,

Die ohn allen Wiederſtreit,

Als ein Mittel anzupreiſen.

Wenn in ungeſunden Tagen,

Fluͤſſe ſich zum Haupt geſelln;

Wann uns ſolche ſchmerzlich plagen,

Wenn der Kopf, die Wangen ſchwelln:

Laͤſt man ſie im Feur verbrennen,

Durch den Dampf den Schwulſt zu trennen.

Was ſie mehr vor Nuzzen haben,

Machet uns der Aerzte Mund,

Die ſie haͤufig brauchen, kund;

So ſind Schoͤpfer deine Gaben

Zeugen von der groſſen Guͤte,

Die das Feld fuͤr uns ernaͤhrt.

Gib daß mein gereizt Gemuͤthe,

Wenns dich in Geſchoͤpfen ehrt,

Wenn es an die Kornblum denket,

Werde Himmel an gelenket.


H 3Die
[118]

Die
Weisheit GOttes
an einem Kornhalm.


[figure]
Man ſaget, daß ein Atheiſte, (*) den man
ſchon lange ſo genannt,

Vor ſeinem ſcharfen Hals-Gerichte, aus
Furcht doch einen GOtt bekannt,

Und ſeinen Nichter zeigen wollen: Man koͤnn aus
einen Strohhalm leſen

Es ſei ein GOtt der alles ordne, ein weiſes und
allmaͤchtig Weſen.

Was er vielleicht ſich zu erretten, geſagt, iſt doch
gewißlich wahr,

So viele Halmen auf den Felde, ſo viele Zeugen
ſtellt GOtt dar

Von ſeiner GOttheit ewgen Weſen, da uns der
Halmen ſchwanke Roͤhren,

Des Schoͤpfers Daſein, Macht und Guͤte, und
Weisheit ohne Zweiffel lehren.

Er waͤchſet aus dem Saamenkorne, der ihn in ſei-
ne Haͤute ſchlieſt,

Woraus er denn in feuchten Schooße der Erde, durch
dem Keim entſprieſt,

Von der verborgnen Frucht genaͤhret, ſich ausein-
ander dehnt und bluͤhet,

Und durch des Wachsthums rege Saͤfte, bis zur
gemeßnen Hoͤhe ziehet.

Wenn
[119]an einem Kornhalm.
Wenn man dies mit Vernunft erweget; ſo zeiget ſich
ein GOtt daran,

Weil weder Sonne, Luft und Erde, ihn von ſich
ſelbſt nicht bilden kan.

Wer ſolte, wenn wirs nicht geſehen, woll dies als
eine Warheit glaͤuben

Es koͤnne ein ſo kleiner Saame, aus ſich ſo langen
Halmen treiben?

Man ſieht des Allerhoͤchſten Wunder, wenn man
mit Achtſamkeit bedenkt,

Wie er ſich auf dem ſchwanken Fuſſe, ſo ſteif zu
ſeiner Hoͤhe lenkt,

Wie kuͤnſtlich er iſt ausgehoͤlet; wie ſich dadurch
die Saͤfte ſeigen,

Die durch der Wurzeln hohle Spizzen, zwar un-
ſichtbahr, doch wuͤrklich ſteigen,

Jn ſeiner Roͤhre circuliren, bis daß die Aehre draus
entſteht,

Die ſich mit allen ihren Theilen, gleich einen Kopf
darauf erhoͤht.

Hier aͤuſert ſich vor unſern Augen, ein Allmachts-
volles weiſes Walten,

Wenn man vernuͤnftig uͤberdenket, wie er die Aeh-
re koͤnne halten,

Die von der Koͤrner Laſt beſchweret, daß dadurch
nicht der Halm zerknikt,

Weil ihn die Aehre durchs Gewichte der vielen Koͤr-
ner niederdruͤkt.

Der Schoͤpfer hat aus weiſen Gruͤnden, den Halm
mit Knoten feſt verſehn,

Damit er, wenn er wird beſchweret, dennoch kan
immer aufrecht ſtehn,

Die Knoten ſind wie ſtarke Bande, die ſich jemehr
die Koͤrner reiffen

H 4Je-
[120]Die Weisheit GOttes
Jemehr die Aehr zu Boden lenket, mit ihren har-
ten Weſen ſteiffen.

Die Knoten ſizzen an der Stelle, wo ſonſt bei druͤk-
kenden Gewicht,

Ein Rohr von ſolcher Halmen Laͤnge, am erſten
knikket und zerbricht;

Dies lehret uns ein weiſer Meiſter, der alles reiflich
uͤberſchauet,

Hat hie es kuͤnſtlich abgemeſſen als er die Halmen
Roͤhr gebauet.

Die Knoten ſind ſo eingerichtet, daß ſie der ſtarken
Winde Wehn,

Und dem gepreßten Hauch der Luͤfte, der ſie an-
blaͤßt, nicht wiederſtehn;

Die Halmen koͤnnen ſich doch beugen, die dem em-
pfundnen Zug ausweichen,

Sonſt braͤche ſie der Winde Blaſen, dem ſie nicht
an der Staͤrke gleichen.

Sie wallen wie der Wind ſich drehet, und wenn
derſelbe iſt geſtillt,

So ſieht man wie der volle Akker, von ſeinen Fruͤch-
ten gleichſam ſchwillt,

Es richtet ſich der Halmen Menge, allmaͤhlig wie-
der in die Hoͤhen,

Dabei wir denn von neuen wieder, der Knoten
groſſen Nuzzen ſehen.

Wie weislich hat es GOtt gefuͤget, daß er die
Halmen duͤnn gemacht,

Denn dadurch wird dem Feldbeſizzer, ein groͤßrer
Seegen eingebracht;

Weil auf dem abgemeßnen Akker, ſo viele tauſen-
de zu finden,

Die ſich in ihren engen Grenzen, recht dichte, in
die Hoͤhe winden,

Und
[121]an einem Kornhalm.
Und gleichſam eine Wand formiren. O! welch ein
heller Weisheits-Strahl,

Faͤllt dadurch in ein achtſam Auge, wenn man die
groſſe Halmen Zahl

Jm Feldbezirke uͤberſiehet, wenn wir dabei mit
Luſt erwegen,

Wie durch die Einrichtung vermehret, der Felder
reicher Nahrungs-Seegen.

O! moͤchten wir uns von dem Schlaffe, den die Ge-
wohnheit zeigt, befrein;

So wuͤrden uns die ſchwanken Halmen, ſtets auf-
geſtellte Lehrer ſeyn,

Die von der hoͤchſten Weisheit zeugen, wenn ſie
ſich in gepflanzten Schichten,

Als ausgedehnte Zeigerfinger, zum Himmel, GOt-
tes Stuhle richten.

Wenn ſie von ſtarker Luft erreget, ſo fluͤſtern ſie zu
GOttes Ehr

Wenn ich ihr Lispeln ſonſt verſtanden, uns zu er-
muntern, dieſes her:

Jhr Menſchen die ihr hier auf Erden, ſo
viele Wunderdinge ſchauet,

Die GOttes Weisheit eingerichtet, und ſei-
ne ewge Macht erbauet.

O! haltet ſie doch nicht geringe, ſie ſind es
warlich alle werth,

Daß ihr darauf die Augen lenket, mit An-
dacht drauf die Sinnen kehrt.

Wir Halmen werden ſo verachtet, man tritt
uns Achtlos mit den Fuͤſſen,

Da wir doch, zu der Menſchen Leben, und
ihren Beſten ſprieſſen muͤſſen.

Wir ſind des Himmels Seegens-Roͤhren,
darin er eure Nahrung gießt,

H 5Die
[122]Die Weisheit GOttes
Die ihr wenn ſie vom Licht der Sonnen, ge-
kocht, in Meel und Brod genießt,

Jhr ſaugt aus uns die ſuͤſſen Traͤnke, und
ſchoͤpfet eure Lebenskraͤfte,

Durch uns vom Himmel aus der Erde; ihr
labet euch durch unſere Saͤfte,

Drum denket zu des Schoͤpfers Preiſe, was
GOtt an uns, fuͤr euch gethan,

Betrachtet ſeiner Weisheit Wunder, ſo oft
ihr uns nur ſehet an.

Erwegt wie wunderbar wir wachſen, wie
uns der Schoͤpfer auferziehet,

Wie kuͤnſtlich er den Keim entwikkelt, der
aus zerſprungnen Koͤrnern bluͤhet.

Er zieht uns durch die Sonnenſtrahlen, und
durch den Einflus duͤnner Luft,

Auf eine recht verborgne Weiſe, aus unſrer
ſchwarzen Todtengruft,

Wenn wir mit unſern gtuͤnen Spizzen, durch
die zerriebnen Akkerflaͤchen,

Als Kinder aus der Mutterſchooſſe, mit auf-
gequollnen Triebe brechen.

Genieſſen wir denn erſt die Sonne, ſo ſtei-
gen wir in unſern Lauf,

Nach einer uns beſtimmten Laͤnge, in un-
ſerm Wachsthum hoͤher auf;

Die Erde naͤhrt uns durch die Wurzel, die
ſich als Fuͤſſe weiter breiten,

Durch ihre Oefnungen einſaugen, was ſie
zu uns durch Roͤhren leiten.

Je groͤſſer wir im Wachsthum worden, je-
mehr verbreitet ſie ſich aus,

Damit wir nicht zu Boden fallen, bei ei-
nem ſtarken Winde Braus.

Die
[123]an einem Kornhalm.
Die Wurzeln ſind wie krumme Fuͤſſe, die
uns durch ein allmaͤchtig Walten,

Anſtat der eingefuͤgten Klammern, ſtets fe-
ſte in der Erde halten.

Die Vorſicht welche uns bereitet, hat uns
mit Blaͤttern auch verſehn,

Darin wir als in warmen Windeln, bei un-
ſrer zarten Jugend ſtehn,

Damit uns nicht die rauhe Kaͤlte, der Froſt
der kuͤhlen Nacht verduͤrbe,

Und unſre aufgegruͤnnte Bluͤte, vor ihrer
rechten Zeit verſtuͤrbe.

Wir ſind in dieſen Dekken ſicher, bis wir
die Feſtigkeit erlangt,

Und bis auf unſrer aͤuſern Spizze, die Aehr
als eine Krone prangt.

Wenn ſich die Koͤrner erſt geſezzet, ſo iſt die
Wurzel wie erſtorben,

Und ſchlieſſet unſre ofne Roͤhren, die durch
ſie gnugſam Saft erworben:

Dann kocht des Himmels Strahl und Hizze,
den eingeſognen Nahrungsſaft

Jn uns als wie in einem Kolben, daraus
er euch das Meel erſchaft,

Das wie ein weiſſer Saft gerunnen, und
durch den Strahl vom Sonnenlichte

Auf eine wunderbare Weiſe erſt klebricht
wird, hernachmahls dichte.

Wir kommen endlich zu der Reiffe, wenn
ſich das Gruͤnn an uns verliert,

Wir werden durch die Sonn gebleichet, die
uns mit ihren Golde ziert,

Da ſeht ihr in dem guͤldnen Lichte, auf eu-
ren Feldern guͤldne Roͤhren,

Wo-
[124]Die Weisheit GOttes an einem Kornhalm.
Wodurch der Schoͤpfer euch zurufet: Jhr
Menſchen lernet mich zu ehren,

Der euch ſo wunderbar verſorget, aus guͤld-
nen Halmen reichlich ſpeiſt,

Und euch daran die Fuͤlle-Hoͤrner, zum Zeug-
niß ſeiner Liebe weißt.

Gefaͤllt euch dieſes ſanfte Wallen, wenn ſich

die guͤldnen Halmen ſchwenken;

So muͤßt ihr mit geregten Herzen, dabei an
ihren Geber denken;

Ruͤhmt auf dem Feldern ſeinen Nahmen, und
laßt der Lieder ſuͤſſes Schalln,

Jn den begraßten Anmuths-Wieſen, in
dichten Waͤldern wiederhalln:

Hier ſehet ihr im Weltbuch Blaͤtter, ge-
ſchwaͤnzte Noten ſind die Halmen,

Was fehlen noch auf dieſen Blaͤttern? der
Menſchen frohe Lobes-Pſalmen.


Ge-
[125]

Gedanken
uͤber
ein faules und bei der Nachtzeit ſchei-
nendes Holz.


[figure]
Jch ſah von Ohngefehr, da ſchon die
Dunkelheit,

Auf unſrer Erden-Flaͤch die Schat-
ten ausgeſtreut,

Jm Garten untern Buſch, ein Ding das gluͤhte
liegen,

Jch wußt nicht, was es war; weil leicht die Sin-
ne triegen,

Wenn man ins Dunkle ſieht. Jch dachte nach dem
Schein,

Muͤſt es ein brennend Klump von feurgen Kohlen
ſeyn.

Jch lief von Furcht gejagt, dies ungewohnte Bren-
nen,

Jm Buſche anzuſehn, genauer zu erkennen.

Jch ging, ich kam, ich ſah, da war kein Feur
noch Brand,

Weil ich nur faules Holz ſtat feurger Kohlen fand

Das zu der Nachtzeit ſcheint; als ich es recht er-
wogen,

Fand ich, daß mich der Schein mit leeren Nichts
betrogen.

So
[126]Gedanken uͤber ein faules
So geht es uͤberall, es wird manch Ding der Welt,

Jm Traum der Einbildung, uns herrlich vorgeſtellt,

Wenn es mit falſchen Schein, als wie mit Dunſt
umſponnen;

Wenn mans vernuͤnftig ſieht, iſt es in Nichts zer-
ronnen.

Wie mancher Menſche iſt, der ſich in Schmuk und
Pracht,

Der Welt vor Augen ſtellt, und ſich recht herrlich
macht?

Er glaͤnzet wie die Sonn, und funkelt wie die
Sterne,

Doch nur, wenn unſer Aug geblendet, durch die
Ferne.

Sehn wir ihn in der Naͤh; iſt er ein faules Holz,

Der Glanz den er abſtrahlt, iſt nur ein eitler Stolz,

Von auſſen guͤldner Schmuk von innen faule Kno-
chen,

Die wie ein muͤrbes Holz gar leicht zermalmt, zer-
brochen.

Das faule Holz mahlt ſchoͤn ein uͤbertuͤnchtes Grab,

Und einen Heuchel-Chriſt, mit ſeinen Wandel ab.

Ein Schein-Chriſt brennt gleichſam, von lauter heil-
gen Flammen,

Die ohne Feur und Kraft, aus kalten Herzen
ſtammen.

Er glaͤnzt von auſſen ſchoͤn, iſt eifrig im Gebet,

Wenn er zu ſeinem GOtt mit andern Menſchen
fleht.

Der Andacht aͤuſrer Schein, der ſtrahlt aus ſei-
nem Mienen;

Doch ohne inre Glut. Will er dem Hoͤchſten dienen,

So dienet er ſich ſelbſt, und legt auf dem Altar,

Zu ſeinen eignen Ruhm, der Falſchheit Opfer dar.

Er
[127]und bei der Nachtzeit ſcheinendes Holz.
Er iſt in Worten heiß, und friert in ſeinen Wer-
ken,

Er haſſet jederman; doch laͤſt er ſichs nicht merken.

Wenn man von Ferne ihn, in ſeiner Andacht ſieht:

So brennt er lichter Loh, als wie ein Feur, das
gluͤht;

So iſt er Moſe gleich, des Angeſicht geſtrahlet,

Doch nur auf ſolche Art, wie ihn der Mahler
mahlet.

Der Heiland ſagt mit Recht: wer gute Fruͤchte hegt,

Der iſt ein guter Baum; wer aber keine traͤgt

Jſt einem faulen gleich. Wer einen Heuchler nen-
net,

Der nennt ein Holz das ſcheint, und in der That
nicht brennet.


Ueber
[128]
Ueber die Worte:
Der am Kreuz iſt meine Liebe.
[figure]
Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Denn er hat mich treu geliebt,

Da er ſich mit freien Triebe,

Als ein Buͤrge willig giebt.

O! mein theurer Freund der Seelen,

Du im Blut gefaͤrbtes Lamm

Dich will ich zum Braͤutigam,

Und zum Eigenthum erwaͤhlen,

Nunmehr ſoll ohn falſchen Schein,

Meines Herzens Walſpruch ſeyn:

Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Weil er an der Suͤnder ſtatt,

Die vergiften Schlangen-Hiebe,

Als ein Held erduldet hat.

Er hat ja ſein Blut und Leben,

Als ein koſtbar Loͤſegeld,

Fuͤr mich und der ganzen Welt,

Fuͤr die Feinde hingegeben:

Dadurch bin ich ihm verpflicht,

Daß mein Herz aus Jnbrunſt ſpricht:
Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Den ich zwar bisher veracht,
Und
[129]Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Und noch leider oft betruͤbe,

Doch er hat mich rein gemacht,

Er hat ſeine Gnaden-Armen,

Die am Kreuze ausgeſpannt,

Zu mich Suͤnder doch gewand,

Und ſchließt mich in ſein Erbarmen:

Darum bin ich herzlich froh,

Darum heißt mein Wahlſpruch ſo:

Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Ob die Welt gleich ſchnoͤde fraͤgt:

Warum ich mich dem verſchriebe,

Der ein ſchandbar Kreuze traͤgt.

Du machſt Welt mit Satans-Rotten,

Sein von Blut beſtroͤmmt Geſicht,

Sein geſchwollnes Augenlicht,

Als ein Fluch und Scheuſal ſpotten,

Jch ſeh ihn im Glauben an,

Als den allerliebſten Mann,

Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Und er nimmt ſich meiner an,

Daß in dem Verſuchungs-Siebe,

Satan mich nicht ſchaden kan,

Sucht die Hoͤlle mich zu ſichten,

So ſtaͤrkt ſeine Wunderguͤt;

Mein bewegtes Herz, Gemuͤt

Daß ſie mich nicht kan zernichten.

Es bewahret mich ſein Schuz,

Darum ſag ich ihr zum Truz:
Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Zweyter Theil. JDer
[130]Ueber die Wotte:
Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Liebe iſt nach meinem Sin,

Eine Tugend, die ich uͤbe,

Weil ich hier auf Erden bin:

Kom ich hin nach Salems Auen,

Steige ich auf Tabors Hoͤhn,

Werd ich ihn verklaͤret ſehn,

Und auf ſeinen Throne ſchauen:

Doch ſo lang ich in der Zeit,

Sage ich in Freud und Leid,

Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Wolte GOtt! daß dieſes Wort,

Meine lezte Loſung bliebe,

Wenn ich komme an dem Port,

Da der Tod mich wird hinfuͤhren:

Doch verſtummt, alsdenn mein Mund,

So macht doch das Herze kund,

So lang es ſich noch wird ruͤhren,

Daß mein feſter Wahlſpruch ſey:

Jch bin meinem JEſu treu,

Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Der am Kreuz iſt meine Liebe,

Nunmehr ein und allemahl,

Wenn mich auch die Welt begruͤbe,

Jn die groͤſte Noth und Qual.

Jch weis, wenn ich muß erblaſſen,

Und mein ſchwindelndes Geſicht,

Jn der lezten Angſt zerbricht,

Daß er mich dann werd umfaſſen:
Da
[131]Der am Kreuz iſt meine Liebe.

Da ſeh ich im Stuhl das Lamm,

Den gekroͤnten Braͤutigam,
Der im Himmel meine Liebe.


Die
betrachtenswuͤrdige Korn-Aehre
ein Zeuge
goͤttlicher Weisheit

[figure]
Wenn ich der Aehren lieblich Wallen,

Auf den gereiften Feldern ſeh,

Wie ſie hier wanken, da ſanft fallen

Wie ſie ſich lenken in die Hoͤh;

So ſehe ich auf den Gefilden,

Ein ausgebreitet Seegens-Meer,

Und ſolche trokne Wellen bilden,

Darin ſich ſpiegelt GOttes Ehr;

Woraus die Wunderguͤte quillet,

Die unſer Herz mit Luſt erfuͤllet:

Wenn auf den ſchlanken, regen Roͤhren,

Die Haͤupter die von Korn gedruͤkt,

Von Wind bewegt, zu Boden kehren;

So ſcheints als wenn ſich jede buͤkt;

Als wenn ſie bei dem Niederſinken,

Die Menſchen, die voruͤber gehn,
J 2Mit
[132]Die betrachtenswuͤrdige Korn-Aehre

Mit ihren Zeigefinger winken,

Die Erden-Mutter anzuſehn,

Woraus ſie mit dem Korn entſprieſſen,

Das Menſchen theils und Vieh genieſſen.

Sie zeigen uns den Schoos der Erden,

Daraus ihr Halm, das Fuͤlle-Horn,

Und ſie zugleich gebohren werden,

Mit ihren naͤhrnden Wunderkorn:

Damit wir aber nicht gedaͤchten,

Als wenn ſie aus der Erd allein,

Die Seegensreiche Nahrung braͤchten;

So richten ſie ſich insgemein,

Mit ihren wallenden Gewimmel,

Auch wiederum geſteift zum Himmel.

Sie lehren mit geſtrekten Spizzen,

Vom Himmel ſtamme ihr Gedein;

Der Hoͤchſten Obhut ihr Beſchuͤzzen,

Muß ihnen ſtat des Schirmdachs ſeyn.

Der Einflus von des Himmels Milde,

Der Wolken Thau und Regen-Guß,

Bekroͤne ſie auf dem Gefilde

Mit Seegensreichen Ueberflus;

Und aus der Sonn, des Lichtes Bronnen,

Sey ihre Treibekraft geronnen.

Sie zeugen von dem hoͤchſten Weſen,

Der ſie und alle Ding gemacht,

Und geben uns auch klar zu leſen,

Daß der ſie nur herfuͤrgebracht,

Der weiſe ſey in ſeinem Walten,

Der alles kuͤnſtlich auferbaut,
Der
[133]ein Zeuge goͤttlicher Weisheit.

Der kluͤglich ſey in den Anſtalten,

Die ſeine Vorſicht uͤberſchaut:

Und aus dem erſten zubereiten,

Gewuſt den Entzwek herzuleiten.

Wie herrlich iſt der Bau der Aehren,

Wie weislich ihre Einrichtung!

Ein Blik, der kan uns dieſes lehren,

Zur heiligen Verwunderung.

Wie ſchoͤn iſt dieſes Kunſtgehaͤuſe,

Aus zarten Huͤlſen-Stof formirt,

Und nach der Baukunſt weiſer Weiſe,

Jn netter Ordnung aufgefuͤhrt,

Da ſich die Koͤrner in den Ekken,

Als wie in ein Futtral verſtekken.

Es paſſet alles Schicht auf Schichte,

Wo ein Korn uͤbern andern ſtekt,

Daß uns das ſuͤſſe Meel-Gerichte

Jn ſeinen Huͤlſen Schlauch verdekt

Sie ſind nach unſerm Maas der Augen,

Jn gleicher Lage eingeſenkt,

Wie weislich? das muß dazu taugen

Daß wenn der Halm die Aehre traͤnkt,

So faßt das Korn zu gleicher Groͤſſe,

Jn jeder Reihe ſeine Naͤſſe.

Wie wunderbarlich ſind die Schachte,

Darin das Korn verwahret liegt;

Wenn ich durchs Fernglas dies betrachte;

So wird darob mein Geiſt vergnuͤgt.

Es lieget gleichſam eingewunden,

Mit weichen Dekken uͤberſpannt,
J 3Wie
[134]Die betrachtenswuͤrdige Korn-Aehre

Wie weiſe iſt das ausgefunden,

So bleibt es frei vor Sonn und Brand,

Vor ſtarker Luft, und Feuchtigkeiten,

Die wieder ſeinen Wachsthum ſtreiten.

Und koͤnnten die geſtrahlten Blizze

Der Sonn, ein Korn zu ſtark beruͤhrn;

So wuͤrd es bei der duͤrren Hizze,

Gar allen friſchen Saft verliern,

So wuͤrd es ganz und gar verſengen,

Jn dieſer innerlichen Glut.

Und koͤnnte in die Hoͤlen drengen,

Der Regentropfen feuchte Flut,

So wuͤrd es nicht die Naͤß ertragen,

Vielmehr verfaulen, und ausſchlagen.

Die ſchoͤn gebauten Aehren Cellen,

Die Vorrathskammern ewger Guͤt,

Die ſind gleichſam verſchanzt mit Waͤllen,

Davor der Raͤuber Heer entflieht.

Es ſind theils lang, theils kurze Spizzen,

Die vor der Raupen giergen Wuth,

Die Koͤrner in den Aehren ſchuͤzzen,

Und will der Wuͤrmer rege Brut,

Den Kopf nach einem Korn ausſtrekken,

So muß ſie gegen Stachel lekken.

Dies zeigt des Schoͤpfers weiſes Fuͤgen,

Der ſo viel Wunder aufgeſtellt,

Die uns theils nuͤzzen, theils vergnuͤgen,

Die er recht wunderbar erhaͤlt.

Ach! moͤchten uns die vielen Aehren,

Stat vieler tauſend Zungen ſeyn,
Die
[135]ein Zeuge goͤttlicher Weisheit.

Die uns ermuntern den zu ehren,

Der ſeiner Weisheit hellen Schein,

Am Himmel, auf der Erd gewieſen;

So wuͤrde GOtt vielmehr geprieſen.

O! GOtt du biſt ein weiſer Meiſter,

Der alle Dinge woll gemacht,

Die in der Welt der ſelgen Geiſter,

Und hier bei uns herfuͤrgebracht.

Wohin wir nur hinſehn und blikken,

Da bringt uns deiner Haͤnde Werk

Jn ein verwunderndes Entzuͤkken;

Wohin wir unſer Augenmerk,

Jm Reiche der Natur hinwenden,

Sind Wunder da, von deinen Haͤnden.

Laß mich an denen Kreaturen,

Die uns der Felder Schanplaz zeigt,

Bemerken deiner Weisheits Spuren,

Der Guͤte die uns iſt geneigt.

Sehr weislich haſt du uns beſcheret,

Das Korn zu unſern Nahrungsbrodt;

Und uns mit Ueberflus ernaͤhret,

Bewahrt vor duͤrrer Hungersnoth.

O! moͤchten wir in unſern Dingen,

Auch alles weislich vollenbringen.


J 4Die
[136]

Die kuͤnſtliche Spinne
mit ihren kuͤnſtlichen Geweben.


[figure]
Recht wunderbar iſt es im Reiche der Na-
tur,

Daß die veraͤchtliche, verworfne Krea-
tur,

Die man mit Ekkel ſieht, die groͤßten
Wunder heget,

Zum Zeugnis weiſer Macht an allen Gliedern traͤ-
get

Die Thiere, die man ſonſt, das Ungeziefer nennt,

Weil man derſelben Werth und Schoͤnheit nicht
erkennt,

Sehn wir als Greuel an, die Ekkel uns gebaͤhren,

Wenn wir von Ohngefehr, darauf die Augen keh-
ren

Und dieſe ſind dennoch der Allmacht Meiſterſtuͤk

Und fordern billig auch, daß wir mit unſern Blik

Und Andacht ſie beſehn; weil wir des Hoͤchſten
Wiſſen,

Nebſt ſeiner weiſen Macht, in allen forſchen muͤſſen.

Die ſcheuche Zaͤrtlichkeit, verdekket das Geſicht,

Wenn eine Spinne laͤuft, und achtet ſolche nicht,

Da doch dies Rennethier, recht wunderbar formi-
ret,

Und nach des Schoͤpfers Zwek recht weislich ausge-
zieret.

Woll-
[137]mit ihren kuͤnſtlichen Geweben.
Wollan! laſt uns ſie ſehn! und ſeid nicht Ekkelhaft:

Es iſt betrachtens werth, was unſer Schoͤpfer ſchaft.

Was er gemacht iſt gut, und alle irrn und fehlen,

Die der Jnſecten Art, mit zu dem Boͤſen zaͤhlen.

Der Spinnen Wunderbau, iſt zwiefach anzuſehn,

Weil ſie aus Kopf und Bruſt am Vordertheil beſtehn,

Der mit dem Hintertheil wie durch ein Nez ver-
bunden,

Das wie ein duͤnner Drat recht zaͤrtlich iſt gewunden.

Der Vordertheil iſt hart, mit Schalen uͤberſezt

Damit er nicht ſo leicht, werd eingedruͤkt, verlezt,

Wenn ſie im ſchnellen Lauf, bald hie, bald da hin-
rennet

An einen Gegenſtand, den ſie vorher nicht kennet.

Das Hintertheil iſt nur mit duͤnner Haut belegt,

Den ſie mit leichter Muͤh im Lauffe fort bewegt,

Der ſchluͤpfrig; aber rauh von uͤberwachſnen Haaren,

Wie jeder der ſie ſieht in Anblik kan erfahren.

Der Kopf iſt wunderbar, man ſeh die Augen nur;

So ſieht man alſobald des weiſen Schoͤpfers Spur,

Aus dieſen haͤutigen durchſichtigen Criſtallen,

Jn ein geruͤhrt Gemuͤt mit Luſt zuruͤkke prallen.

Sie ſind nicht zugedekt, dagegen wol verwahrt,

Die Augenlieder fehln, drum ſind die Augen hart

Beſtehn, wie man gleich ſieht aus lauter glatten
Schalen,

Dadurch genießt die Spinn des aͤuſren Lichtes
Strahlen.

Sie bleiben unbewegt: doch dieſes ſchadet nicht;

Weil ſie acht Augen hat, darin der Schein ſich
bricht,

Zwei hinten, zwei ſind vorn, gedoppelt an den
Seiten,

Und dieſe all beſtehn aus duͤnn gewebten Haͤuten.

J 5Durch
[138]Die kuͤnſtliche Spinne
Durch dieſer Augen Zahl, wird jeder Gegenſtand,

Von einer jeden Seit, der Spinne gleich bekannt.

Wer merket hieraus nicht, zu ihres Schoͤpfers
Preiſe,

Daß der der ſie gemacht, ſey maͤchtig, herrlich,
weiſe?

Am Vorderkopf wird man zwei Stacheln auch ge-
wahr

Wie Saͤgen ausgehakt, die wie ein duͤnnes Haar,

Und dennoch wol geſchaͤrft, als wie ein Mordge-
wehre,

Und wenn ſie ausgeſtrekt, ſind ſie wie eine Scheere,

An deren jeden Spiz ſich eine Klaue zeigt,

Die ſich wie eine Kling an einem Meſſer beugt

Wenns eingeſchlagen wird. Und unter dieſen Spiz-
zen,

Zeigt eine Oefnung ſich draus ihre Gifte ſprizzen.

Man ſiehet dieſes zwar als Kleinigkeiten an,

Allein wer nur bedenkt, der dieſes ſchaffen kan

Der muß ein Weſen ſeyn, das vieles uͤberdenket,

Wenns ein ſo kleines Werk ſo ſchoͤn zuſammen
ſchraͤnket.

Der Fuͤſſe hat ſie acht, damit ſie ſich ſtets ſchwenkt,

Und dieſe ſind auch ſchoͤn, nach ihren Zwek gelenkt,

Sie ſind am Ende krum, woran dreifache Klauen,

Die gleich beweglich ſind, wie Naͤgel anzuſchauen.

Ein Nagel iſt ſehr klein, ſieht aus, als wie ein Horn,

Und wie am Hahnen Fuß ein krum gebogner Sporn,

Damit haͤlt ſie ſich feſt, an ihren duͤnnen Kuͤn-
ſten,

Jch meine an den Zart verworrenen Geſpinſten.

Die andren Klauen ſind, mit Zakken ſtark ver-
ſehn,

Durch deren Huͤlfe ſie im Haͤngen leicht fortgehn,

Die
[139]mit ihren kuͤnſtlichen Geweben.
Die Spizzen koͤnnen ſie in glatte Koͤrper ſchlagen

Damit ſie ſich getroſt ſo gar auf Spiegel wagen,

Und lauffen hurtig fort, und haͤngen ſich daran,

Und lauffen ohne Fall, auf dieſer glatten Bahn.

Sie koͤnnen ſie ſo gar bei umgekehrten Ruͤkken,

Jm Haͤngen uͤberall, auch wo ſie ſind eindruͤkken.

Es ſieht ſehr kuͤnſtlich aus, wenn man ſie lauffen
ſieht,

Vornemlich wenn ein Feind, den ſie nachjaͤgt weg-
flieth,

So eilt ſie wie im Flug, und an dem glatten Hoͤ-
hen,

Kan ſie im Augenblik ſich vielmahl anders drehen.

So zakkicht ihre Klaun, damit ſie ſich fortraͤgt,

So zart ſind ſie dabei, und wenn man dies erwegt;

So ſchlieſſet man gar leicht, daß ſie durch vieles
Rennen,

Dieſelben im Gebrauch, gar bald abnuͤzzen koͤn-
nen:

Damit dies nicht geſcheh; ſind ſie mit Balln ver-
ſehn,

Die nah an Klauen ſind, worauf ſie oͤfters gehn,

Und wie mit ſanften Tritt ganz leiſe einher fahren,

Dabei ſie ihre Klaun einziehen und erſparen.

Wenn man dies abermahl, mit ſtiller Luſt erwegt,

So ſieht man welche Kunſt, in dieſes Thier gelegt,

Und macht daraus den Schlus: Ein Meiſter der
allweiſe,

Zeigt ſeiner Haͤnde Werk, an dieſem Kunſtgehaͤuſe,

Der es ſo klein formirt und doch dabei belebt,

Daß es gar ſchnell fortrennt, am glaͤttſten Flaͤchen
klebt.

Doch laſt uns weiter gehn, die Spinne mehr be-
trachten;

So
[140]Die kuͤnſtliche Spinne
So werden wir vielleicht, dieſelben hoͤher achten,

Als ſonſten nicht geſchieht. Sie hat noch uͤberdem

Zwei Fuͤſſe, die zwar nicht zum Gehen ſind bequem,

Doch ebenfals ſehr nuͤz, damit greift ſie im Streite,

Den Feind im Grimme an, damit faßt ſie die
Beute,

Wornach ſie hungrig iſt, und ſie ſo gierig ſucht,

Wornach ſie eifrig ſtrebt, wenn ſie auf ihrer Flucht,

Die ſie im Raub erjagt, wenn es ihr iſt gegluͤkket,

Daß ſie in ihren Garn ein andres Thier beſtrikket.

So kuͤnſtlich als dies Thier durch eine weiſe Macht,

Nach ſeinen Zwek gelenkt, und gut herfuͤrgebracht;

So kuͤnſtlich iſt der Trieb, den wir an Spinnen
finden,

Auch ſich ein duͤnn Geweb, das ſchoͤn geformmt,
zu winden.

Wenn man ein Spinngeweb, mit Achtſamkeit an-
ſieht,

Wie ſeine Faͤdgens gehn, wie es ſich dreht und
zieht,

So ſieht man eine Kunſt, die warlich ſonder glei-
chen,

Und Menſchen Haͤnde nicht an Zaͤrtlichkeit erreichen.

Wer dieſes uͤberdenkt, daß ein ſo dummes Thier,

Ein Regelmaͤßiges Geſpinſte bring herfuͤr,

Der muß Verwundrungs-voll dabei gleich einge-
ſtehen,

Er habe, GOttes Macht und Weisheit dran erſehen.

Auf laſſet uns mit Luſt, darauf die Augen kehrn,

Wie ſie die Faden dreh, zum Ruhm des Schoͤpfers
hoͤrn.

Wir wiſſen daß das Garn, was ſie aus ſich herſpin-
nen,

Maß aus dem Bauche gehn, und daraus gleichſam
rinnen.

Man
[141]mit ihren kuͤnſtlichen Geweben.
Man wird am Unterbauch der Spinnen Eiter ſehn,

Die fuͤnffe an der Zahl, woraus viel kleine gehn,

Die oͤfnen, ſchlieſſen ſie nach ihren Luſt und Willen,

Daraus ein klebricht Naß und dikke Saͤfte quillen,

Womit ſie angefuͤllt. Gehn die Sprizloͤcher auf,

So rinnt daraus der Saft; dann eilt ſie fort im Lauf

Und zieht den Faden nach, der aus dem Saft entſtehet,

Denn ſie erſt feſt gemacht, und immer laͤnger drehet

Bis ſie die Eiter ſchlieſt. Jſt dieſe wieder zu,

So hat ſie dennoch nicht von ihrer Arbeit Ruh;

So bleibet ſie dennoch an dieſen Faden haͤngen,

Steigt immer hoͤher auf, bis ſie durch das Ver-
mengen

Ein duͤnn Gewebe macht, daß wie ein Raͤuber Neſt,

Wenn man es recht beſchaut in unſern Augen laͤßt.

Es iſt daſſelbige recht liſtig angeleget,

Wenn man denn innren Theil allwo ſie liegt, erweget.

Wer hat ihr das gelehrt, daß ſie ſo nach der Kunſt,

Den Faden drehen kan: damit der duͤnne Dunſt

So woll geſtrikket ſey? Wir muͤſſen eingeſtehen,

Daß dieſes alles ſo durch die Natur geſchehen.

Allein was heiſt Natur, und ihr verborgner Zug,

Der eine Spinne treibt, daß ſie ſo liſtig klug?

Mir deucht wir koͤnnen hier ein ewig weiſes Weſen,

Der ihr dies eingepraͤgt, in klaren Zuͤgen leſen.

Man ſehe nur einmahl der Spinnen Handlung an,

Die man nicht gnug beſehn, nicht gnug bewundern
kan.

Sie ſieht den Plaz ſich aus in dies und jene Ekken,

Ein Raubneſt aufzubaun, darin ſich zu verſtekken.

Die Eiter oͤfnet ſich, es flieſt ein Tropfen fort,

Der klebet ſich ſo gleich an den beſtimmten Ort,

Dann geht ſie weiter hin und laͤſt das Spruͤzloch
flieſſen,

So
[142]Die kuͤnſtliche Spinne
So weit der Faden ſich der Laͤng nach ſoll ergieſſen,

Da macht ſie ſolchen auch mit ihren Safte feſt;

Spannt ihn hernachmahls aus, da ſie ihn haͤngen
laͤſt.

Daneben klebet ſie mit ihren Eiterſaͤften

Den andern wieder an, die ſie ſo anzuheften,

Jn freier Luft gelernt. Sind dieſe erſt verknuͤft;

So ſieht man wie die Spinn auf dieſen Seilen huͤpft

Und ſie zuſammen zieht, und von einander lenket,

Wie ſie es haben will, nach ihren Trieben denket.

Sie zieht ſtets Faden aus, und haͤngt ſie immer auf,

Bey ihren hurtigen und nimmer muͤden Lauf,

Und da iſt denn ihr Garn am Weberſtul gebunden,

Und das Geruͤſt geſpannt, daß weiter wird gewunden.

Darauf iſt ſie bemuͤht, um des Gewebes Rand,

Laͤſt alle Eiter loß, und bringet ihn zum Stand,

Befeſtiget ihn ſtark mit den gefloßnen Strikken,

Die ſie gar fuͤglich weis in ein ſtark Seil zu ruͤkken,

Die Spinne iſt recht klug; und weis auch dieſes wol,

Daß das verwahrt ſeyn muß, was feſte halten ſol,

Drum macht ſie es auch feſt, daß es nicht kan verwehen

Wenn etwa Luft und Wind durch ſeine Hoͤlen ge-
hen.

Wie wunderbahr iſt nicht ein ſolches Nez geſtrikt,

Wenn man es auſſenwerts nur obenhin erblikt;

Man ſeh es aber auch wie es von innen ſcheinet,

Wie jeder Faden ſich zum Mittelpunct vereinet

Allwo die Spinne liegt, die alſobald verſpuͤrt

Wenn ſich an dem Geweb der kleinſte Faden ruͤhrt.

Dann lauret ſie auf Raub, und faßt es mit den
Krallen,

Was als ein dummes Thier iſt in ihr Garn gefal-
len.

Und davon lebet ſie in ihrer ſtillen Ruh,

Und
[143]mit ihren kuͤnſtlichen Geweben.
Und ſieht nur immer fort dem Spiel der Muͤkken zu

Die ihre Beute ſind, und die gar leichtlich fangen,

Wenn ſie erſt in dem Nez mit ihren Fluͤgeln hangen.

Die Spinnen halten auch, wenn es will moͤglich
ſeyn,

Jhr zart gewebte Neſt von allen Staube rein,

Der durch die Menge ſchwer, es leicht ſo druͤkken
koͤnnte,

Daß ſich das fein Geweb aus ſeiner Ordnung
trennte.

Doch, wenn es ja zerreiſt, von Menſchen wird zerſtoͤhrt,

Wie ihnen taͤglich faſt in Zimmern wiederfaͤhrt;

So ſind ſie gleich bereit nach ſolcher Art zu drehen,

Wie wir vorhero ſchon, nicht ohne Luſt geſehen.

Gewis, wer dies bedenkt, der ſiehet daran klar,

Daß GOtt in jedem Ding beſonders wunderbar,

Daß er ein dummes Thier, das wir mit Spott be-
lachen,

Koͤnn durch verborgnen Trieb zu einen Kuͤnſtler machen.

Wenn wir die Spinnen ſo, als ſein Geſchoͤpf an-
ſehn;

So werden wir in ihr auch ſeinen Ruhm erhoͤhn:

Und in der Kreatur, und ihren Kunſtgeweben,

Den Meiſter jeder Kunſt, der droben wohnt, erheben.

Wie ſelten das geſchicht, iſt leider gnug bekannt,

Weil man dieſelbigen als einen Greul verbannt.

Jch gebe gerne zu, daß wir die Spinnen fliehen,

Daß wir von ihnen auch gar keinen Nuzzen ziehen;

Weil ihr Geweb nichts taugt, und alle ihre Kunſt,

Jſt wenn mans recht beſieht ein zart geſtrikter
Dunſt:

Allein wir koͤnten auch von denen Spinnen lernen,

Die wir als giftig ſcheun, davon wir uns entfer-
nen.

Die
[144]Die kuͤnſtliche Spinne
Die Menſchen ſind oft ſelbſt den Spinnen wuͤrklich
gleich,

Jhr Thun iſt eitles Nichts; ob es an Kunſt ſchon
reich:

Man ſeh Gelehrte an, ihr fleißiges Beſtreben,

Bringt oͤfters nichts hervor als ſchoͤne Spinneweben,

Wenn ſie bey Tag und Nacht durch forſchendes
Bemuͤhn

Aus ihren feuchten Hirn, ſo zarte Grillen ziehn,

Die keiner nutzen kan, da ſie doch aͤngſtlich kreißen,

Bei einer Misgeburth, die leichtlich zu zerreiſſen.

Diejenigen die nichts als Torheit ausgedacht,

Und ſich daruͤber doch ſo viele Muͤh gemacht,

Sind denen Spinnen gleich, die ſchoͤn doch nichts
geſponnen:

So kommen mir die vor, die Lehren ausgeſonnen,

Die weiter zu nichts nuz, als daß man ſie vergißt,

Wenn man aus Neubegier, ihr leeres Raͤthſel ließt.

Die Spinne macht Geweb, die Muͤkken zu beſtrik-
ken,

Da ſie mit ihrer Liſt die Einfalt auch beruͤkken.

So machen es die auch, die mit Spizfindigkeit,

Als Spoͤtter voller Gift Lehrſaͤzze ausgeſtreut,

Die durch die falſche Kunſt des aufgeblaͤhten Wiſſen,

Durch blendende Vernunft und durch verwirrtes
Schlieſſen,

Die Einfalt oft bethoͤrn. Die ſo die Welt verfuͤhrn,

Und ſich mit einem Lob der ſtarken Geiſter ziern,

Die ruͤhmen ihre Kunſt und des Verſtandes Gaben,

Die ſie vor anderen von GOtt empfangen haben.

Sie ſagen: wer darf ſich, wie wir woll unterſtehn,

Ein ſolches Lehr-Gebaͤu ſo kuͤnſtlich auszuſehn?

Die GOttes-Lehrer ſeyn, das ſind nur dumme Koͤpfe:

Wir aber ſind allein recht wizzige Geſchoͤpfe.

Jhr
[145]mit ihren kuͤnſtlichen Geweben.
Jhr Spoͤtter prahlet nicht, ſeht eine Spinne an,

Die eben das auch ſo, ja noch woll beſſer kan.

Der Spinnen Eigenſchaft iſt daß ſie ſich bemuͤhen,

Auch aus der ſchoͤnſten Blum, aus Roſen Gift zu
ziehen:

Und dieſes thut ihr auch, wenn ihr die Schrift be-
nagt,

Und bei den klaͤrſten Licht, doch uͤber Schatten klagt;

Jhr koͤnnt die Heilge Schrift und ihre Warheits-
Lehren,

Als einen ſuͤſſen Saft in bittres Gift verkehren;

Die Schuld die liegt an euch, weil in euch boͤſes ſtekt,

Was Wunder daß eur Gift auch GOttes Wort
beflekt.

Der Spinnen Art iſt es, daß ſie Gewebe drehen,

Woran viel arge Liſt und zarte Kunſt zu ſehen:

Das trift auch bey euch ein, ihr ſeid auch warlich klug,

Allein zum Boͤſen nur, zur Schalkheit und Betrug:

Wer euch aus Einfalt folgt, der wird gar oft be-
trogen,

Und in ein Labirinth verkehrter Lehr gezogen.

Die Welt die liſtig iſt, vor Spinnen ſich verwahrt,

Zeigt leider oft genug an Menſchen Spinnen-Art;

Der Wizzigen Geſchaͤft iſt, wie ſie Nezze ſtellen,

Damit die Redlichkeit und Einfalt zu beſchnellen:

Jedoch man ſieht auch oft, das Spinnen Faden
drehn,

Darin ſie wie beſtrikt, in ihrem Nez vergehn:

So gehts den Boͤſen auch, die ſich damit beruͤkken,

Was ſie nur aufgeſtellt, die Einfalt zu beſtrikken.


Zweyter Theil.
[146]

Die Herrlichkeit der Lillien.


(Matth. VI. 28. 29.)
Schauet die Lillien auf dem Felde, wie ſie
wachſen. ‒‒ Jch ſage euch daß auch Sa-
lamo in aller ſeiner Herrlichkeit nicht
bekleidet geweſen iſt, als derſelben
eins.

[figure]
Holde Lillie, ſchoͤne Blume!

Prange zu des Schoͤpfers Ruhme,

Der dein weiſes Unſchuldskleid,

Mit ſo groſſer Herrligkeit,

Wundernswuͤrdig ausgeſchmuͤkket;

Wenn ich dich mit regen Sinn

Aller Blumen Koͤnigin!

Auf dem gruͤnen Thron erblikket:

So deucht mir, es kan dein Funkeln,

Aller Fuͤrſten Glanz verdunkeln.

Ja die Schrift das Buch der Warheit,

Ruͤhmet deinen Glanz und Klarheit,

Und des Hoͤchſten Lehrers Mund,

Macht uns deine Schoͤnheit kund.

Unſer Sinn wird uͤberfuͤhret,

Daß der Koͤnig Salomon,

Der auf einem guͤldnen Thron,

Mehr als Koͤniglich gezieret,

Keine ſolche Pracht gewieſen,

Als uns wird an dir geprieſen.

Dieſes
[147]Die Herrlichkeit der Lillien
Dieſes Koͤnigliche Prangen

War mit manchen Schmuk behangen;

Salomonis Purpur-Kleid,

Schimmerte mit Herrlichkeit:

Und ſein majeſtaͤtiſch Weſen,

Borgte Anſehn, Pracht und Schein,

Von ſo manchen Edelſtein:

Alles war recht auserleſen,

Heitre Blizze, bunte Strahlen,

Koͤnnten ihn recht herrlich mahlen.

Wie ſeid ihr, ihr Erdenkinder,

Salomonis Ueberwinder,

Uebertrift eur Attlaskleid,

Den beſtrahlten Purpur weit?

Ja! wir muͤſſen es geſtehen,

Wer euch, wenn ihr bluͤht, beſchaut,

Kan den, der euch auferbaut,

Und eur Meiſterſtuͤk beſehen:

Denn eur Schmuk iſt auserleſen,

Und ein angebohrnes Weſen.

Eurer Blaͤtter zart Geſpinſte,

Offenbahrt uns Wunderkuͤnſte;

Uebertrift noch den Attlas;

Wenn man durchs Vergroͤßrungs-Glaß

Jhre Zaͤrtlichkeit beſiehet,

Und die Faden dran erwegt,

Wie ſie wunderbar gelegt;

Wie dadurch ein Lichtſtrahl gluͤhet:

So muß man geruͤhrt erkennen,

Daß ihr herrlich ſeid zu nennen.

K 2Man
[148]Die Herrlichkeit der Lillien.
Man wird auf den glatten Flaͤchen,

Wenn ſich dran die Strahlen brechen,

Viele Kuͤgelchen gewahr,

Die durchſichtig, ſchimmernd klar:

Wer dies ſieht, der ſolte meinen,

Daß auf einem Lillien-Blat,

So viel als es Hoͤhen hat,

So viel Edelſteine ſcheinen;

Und daß es mit Regenbogen,

Von dem Schoͤpfer uͤberzogen.

Ja! von einem jedem Ende,

Wo ich mich hindreh und wende,

Blizt hervor ein ſolcher Schein,

Worin alle Farben ſeyn,

Die im Regenbogen ſtrahlen:

Denn die Blaͤsgen ſind gefuͤllt,

Und was darin naſſes quillt,

Flieſt darin als wie in Schalen,

Und kann durch der Sonnen Blikken,

Solche Pracht ins Auge ſchikken.

Weiſer Schoͤpfer! Sonnen Sonne!

Warum haſt du ſolche Wonne,

Solche Herrlichkeit und Pracht,

Fuͤr die Lillien ausgedacht?

Du haſt ſie ſo ſchoͤn geſchmuͤkket,

Wie der tauſendſte kaum ſieht,

Der wenn eine Lillie bluͤht,

Sie nur obenhin erblikket,

Moͤchten wir dein herrlich Weſen

Darin als im Spiegel leſen!

Pran-
[149]Die Herrlichkeit der Lillien.
Pranget nicht mit eurem Kleide,

Menſchen! wenn ihr Sammt und Seide,

Eurem Koͤrper angelegt;

Weil ihr, wenn ihrs recht erwegt,

An der Lillien gleiches ſehet,

Ja! ſie iſt noch mehr bekraͤnzt,

Weil draus jede Farbe glaͤnzt,

Ob ſie morgen gleich vergehet:

Lernet daran eitle Seelen,

Fuͤr euch beßren Schmuk zu waͤhlen.

Sucht ihr wollgeſchmuͤkte Tokken

Jedes Augen anzulokken,

Durch der Kleider aͤuſre Zier;

So ſtellt euch die Lillien fuͤr,

Die den Vorzug ſchon gewonnen;

Und ihr weiſes Attlas-Kleid,

Angebohrner Herrlichkeit,

Jſt viel feiner noch geſponnen,

Als der Zierath den ihr liebet,

Der euch Schmuk und Anſehn giebet.

Wer als Menſch ſich will erheben,

Find im Tugenhaften Leben,

Seinen Sch[m]uk und Adelſtand;

Wer der Tugend anverwandt,

Jſt viel herrlicher zu ſchaͤzzen,

Als der, der des Schoͤpfers Bild,

Jn verbraͤmmte Dekken huͤllt,

Und ſich ſuchet zu ergoͤzzen,

An dem Schmuk der eitlen Sachen,

Die doch keinen ſchoͤner machen.

K 3Wolt
[150]Die Herrlichkeit der Lillien.
Wolt ihr nicht den Lillien weichen,

Jhrer Schoͤnheit Schmuk erreichen,

So ſeid ſtets darnach bemuͤht,

Wie ihr ſchwarze Laſter flieht.

Dieſe weiſſe Unſchuldsfarbe,

Die an ihrer Blaͤtter Sammt,

Reinlich ſtrahlt und lieblich flammt,

Lehrt euch: Flieht der Laſter Narbe;

Wer der reinen Tugend froͤhnet,

Jſt mit Lillien Schmuk gekroͤnet.

Aeuſre Schoͤnheit, innre Guͤte,

Jſt bey dieſer Garten Bluͤte,

Auf das herrlichſte vereint:

Wenn ſie wie ein Silber ſcheint,

Das mit Edelſtein behangen;

So kann unſre Naſe auch,

Jhres Kelches ſuͤſſen Rauch

Jhre Ausduͤnſtung auffangen,

Die in das Gehirne fliegen,

Und die Seele ſelbſt vergnuͤgen.

Trachtet auch in eurer Jugend,

Daß bey eurer Schoͤnheit, Tugend

Pracht und Nuz verſchwiſtert ſey;

So kommt ihr den Lillien bey.

Da ihr ſo in Anſehn bluͤhet,

So wird eures Nahmens Ruhm,

Wenn die aͤuſre Schoͤnheits-Blum,

Endlich welkt von hinnen fliehet,

Dennoch unverlezt beſtehen,

Und nicht leichte untergehen.


Ho-
[151]

Homo pulvis \& umbra.
Der Menſch gleicht Staub und
Schatten.


[figure]
Jch bin ein Menſch, ein duͤnn
gewebter Schatten,

Ohn allen Wiederſpruch kan ich
mich damit gatten,

Heiſt es nicht in der Schrift,

daß GOtt den Menſch gemacht,

Aus einer rothen Erd den Leib
herfuͤrgebracht?

Nicht Adam nur allein, wir ſind ja allzuſammen,

Nichts als ein eitler Staub; weil wir daraus her-
ſtammen.

Hebt ſich die Sonn hinweg; ſo fliegt der Schat-
tenrauch,

Ein ſchoͤnes Ebenbild! ſo gehts den Menſchen auch;

Jſt er zuvor aus Erd, durchs Schoͤpfers Macht
gezogen,

Nun ſtirbt er, und ſcheint uns, als wie ein Dunſt
verflogen.

Regt ſich der Menſchen Leib, der Seelen leimern
Haus,

Jn einem Augenblik blaͤſt er den Odem aus.

Kroͤnt dich o Menſch! ein Gluͤk; ſo ſiehe zu der
Erden,

Hier ſiehſt du, was du biſt und was du bald muſt
werden.

K 4Sieh
[152]Der Menſch gleicht Staub und Schatten.
Sieh ſtets die Erde an, die deine Mutter iſt;

Traͤumt dir ein Schattenbild: Denk daß du ſolches
biſt,

Und uͤberlege ſtets; ſo leicht ein Staub verwehet,

Reiſt auch dein leimern Haus, das wie ein Staub
vergehet.

Traum, Schatten fliegen fort; Es laͤſt dies Sin-
nenſpiel

Zur Lehre dir zuruͤk: So iſt dein Lebens-Ziel.


Die
[153]

Die
Auferſtehung JEſu
der
Grund der Glaͤubigen zu ihrer ſeeli-
gen Auferſtehung.


(Hiob c. XIX. 25. 26. 27.)
Jch weiß, daß mein Erloͤſer lebet, und er
wird mich hernach aus der Erden auf-
erwekken. Und werde darnach mit
dieſer meiner Haut umgeben werden,
und werde in meinem Fleiſche GOtt
ſehen. Denſelben werde ich mir ſehen
und meine Augen werden ihn ſchauen,
und kein Fremder.

[figure]
Der Heiland lebt! er ſteht, er ſieget!

Des Grabes Dekkel ſpringt entzwei,

Zum Zeugnis daß die Hoͤll bekrieget,

Der Teuffel uͤberwunden ſey.

Des Todes Bande ſind zerſprungen,

Der Feind womit der Held gerungen,

Liegt nun in blaſſer Ohnmacht da:

Das Hoͤllen Heer fleugt aus dem Streite,

Laͤſt fahren die erhaſchte Beute,

Des Glaubens Jubel-Lied heiſt nun Victoria.

Ziſcht
[154]Die Auferſtehung JEſu der Grund
Ziſcht ihr, ihr Teuffel wie die Schlangen/

So ziſcht euch nunmehr ſelber aus;

Der Held den ihr zuvor gefangen,

Zerbricht nun eur Gefangenhaus.

Es iſt eroͤfnet und zerſprenget;

Durch ſeiner Allmachts Bliz verſenget

Falln ſeines Leibes Feſſeln ab.

Er ſtehet frei, durchdringt die Riegel,

Vernichtiget des Grabes Siegel

Zum Zeugnis daß ſein Grab, ſey keines Todten
Grab.

Der Held wacht auf! die Erde bebet,

Die zu der Hut beſtellte Schaar,

Die von der Frechheit ſonſt belebet,

Wird dies Verwundrungsvoll gewahr:

Jhr Muth zerrinnt wie Wachs am Lichte,

Ob dem gemerkten Schrekgeſichte;

Die Furcht betaͤubet Herz und Sinn;

Die Bangigkeit durchkreucht die Glieder,

Zieht ſie im kalten Schaudern nieder:

Da faͤllt Muth, Huͤter, Lanze hin.

Ein froher Bote von dem Himmel,

Poſaunt das Evangelium

Daß JEſus lebt: Und das Getuͤmmel

Der Feinde liegt erſtarrt und ſtum:

Doch ſeines Kleides blizzend Brennen,

Belebt ſie ſchleunig fort zu rennen;

Sie lauffen zu der Moͤrderſtadt,

Verkuͤndigen was da geſchehen

Was ſie erſtaunend angeſehen,

Und daß das nun erfuͤllt, was man befuͤrchtet hat.

Jhr
[155]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.
Jhr Feinde! traurt bey Freudentagen,

Und hoͤrt mit bangen Zittern an,

Was euch der Huͤter bebend Zagen,

Vor Schrekkenspoſt erzaͤhlen kan.

Das Grab darin ihr den geleget,

Der eure Miſſethaten traͤget;

Das Grab daran eur Siegel haͤngt,

Bewahrt nicht mehr die Todtenbeine,

Dieweil der Lebensfuͤrſt durch Steine,

Zum Zeugnis ſeiner Macht, ſich unbegreiflich
drengt.

Triumph! Triumph! kommt bloͤde Seelen,

Die ihr des Heilands Todt bedaurt,

Beym Haͤnderingen, Herzensquaͤlen,

Ganz troſtlos um denſelben traurt:

Ermuntert euch bey euren Sehnen,

Und wiſcht das Salz vergoßner Thraͤnen,

Aus dem geſchwollnen Angeſicht:

Denn der, den euer Herze liebet,

Um deſſen Todt ihr euch betruͤbet,

Lebt wiederum im Sieg; drum trauret laͤnger
nicht.

Jhr zweiffelt voller Furcht und Freude!

Doch kommt und ſeht das Grab iſt leer:

Der Herold in dem Strahlen-Kleide,

Verkuͤndigt euch die frohe Maͤhr;

Ein Juͤngling der im Grabe ſizzet,

Jn heitren Strahlen munter blizzet

Traͤgt eine frohe Liverey:

Der Himmelsbote ſelbſten lehret:

Daß der, den ihr als todt verehret,

Zu enres Herzens Troſt, ſchon auferſtanden ſey.

Jhr
[156]Die Auferſtehung JEſu der Grund
Jhr hoft es, und die ſchwarzen Duͤnſte,

Der truͤben Trauer-Nacht vergehn:

Jhr koͤnnt nun durch das Flor-Geſpinſte

Das Morgenroth der Freude ſehn:

Es klaͤret ſich ſchon alles wieder,

Die Munterkeit wallt durch die Glieder,

Und ſchlieſt euch, bey des Blutes Lauf,

Das vorher durch die Furcht gehemmet,

Eur Herz mit banger Angſt umklemmet,

Das Auge des Gemuͤts von neuen wieder auf.

Jhr glaubt! weil ihr die Lebens-Sonne,

Verklaͤrt in lichten Strahlen ſpuͤrt,

Die euer Herz mit neuer Wonne,

Nach truͤber Finſternis geruͤhrt.

Drum jauchzt, frolokt in muntren Mienen,

Da euch der Lebensfuͤrſt erſchienen,

Der ſich aus ſeiner Gruft erhebt,

Und durch ſein ſiegreich Auferſtehen,

An alle laͤſt den Troſt ergehen,

Daß nun der Todt erliegt; da der Erloͤſer lebt.

Es mag die Bosheit immer ſchnauben,

Daß JEſus lebe ſey Betrug;

Sprecht Frevler! daß ihr dies zu glauben,

Nach eurer Einſicht viel zu klug.

Jhr moͤget mit des Satans Rotten,

Des Glaubens aͤchte Einfalt ſpotten,

Eur Geiffern wird euch ſchon belohnt;

Weil der der von des Todes Banden,

Warhaftig ſiegreich auferſtanden,

Jn ſeiner Majeſtaͤt, als euer Richter thront.

Die
[157]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.
Die Warheit lacht dem Heer der Hoͤllen,

Das ihre feſte Stadt beſtuͤrmmt;

Sie bleibt bey allen Wiederbellen,

Durch ihren ſichren Grund beſchirmmt.

Raßt immerhin! die heilgen Buͤcher,

Sind vor dem Untergange ſicher;

Der Glaube ſieget doch zulezt:

Die Zeugen, die ihr Blut und Leben,

Fuͤr dieſe Warheit hingegeben,

Vernichtigen den Wiz der ſich ihr wiederſezt.

Sagt nicht ihr Spoͤtter! daß ſie luͤgen,

Sie ſind von dieſem Vorwurf frei;

Wie ſprecht ihr! daß uns koͤnn betriegen,

Das Blendglas truͤber Phantaſei?

Wir wollen euch dies eingeſtehen:

Allein es iſt hier nicht geſchehen;

Wie uns ihr langes Zweiffeln lehrt:

Sie wollen wie ſie ſelbſten ſchreiben,

Von Furcht betaͤubt, daß ſelbſt nicht glaͤuben,

Was ſie ſo oft geſehn; wovon ſie viel gehoͤrt.

Sie krochen in verborgne Winkel,

Der Heiland kam auch da hinein;

Wie kann denn dies ein falſcher Duͤnkel,

Ein Traum verwirrter Seelen ſeyn,

Wenn Zweifler, durch ein klares Wiſſen,

Was ſie nicht glaͤuben, glauben muͤſſen?

Wenn ſie recht ſinnlich uͤberfuͤhrt,

Daß ſich der JEſus, den ſie kennen,

Den ſie den todten Meiſter nennen,

So oftermahls gezeigt? Heiſt das dennoch geirrt?

Wer
[158]Die Auferſtehung JEſu der Grund
Wer etwas ſiehet, fuͤhlt und hoͤret,

Und oftermahls daſſelbe merkt;

Und ſich aus Vorſaz nicht bethoͤret,

Der wird zulezt dadurch beſtaͤrkt;

Daß er das wuͤrklich auch empfunden,

Daß er zu glauben ſich verbunden,

Daher iſt dieſe Lehre klar:

Was die Apoſtel oft geſehen,

Gehoͤrt, empfunden, iſt geſchehen

Sie zeugen JEſus lebt: Drum iſt daſſelbe wahr.

Die Warheit treibt ſie zum Bekennen,

Daß JEſus lebe ſey gewis;

Drum muͤſſe man ihn Heiland nennen

Der jenes Reich der Finſternis

Durch ſeine Wunderkraft verheeret,

Des Teufels Werke ganz zerſtoͤhret.

Und was ſie mutig auspoſaunt,

Das konten ſie mit Wunderwerken,

Der GOttheit Siegel ſtets beſtaͤrken:

So das daruͤber ward die ganze Welt erſtaunt:

So ſchnell ein Bliz die Luft durchrennet,

So ſchnell ging ihre Predigt fort:

So wie der was er ruͤhrt, anbrennet;

So muſten auch an jedem Ort

Der Feuer-Zungen Wundergaben

Die Wirkung an den Herzen haben,

Die vorher haͤrter als Metall.

Durch dieſe Lehr, durch dieſe Zeichen,

Die Sinnen ruͤhren, Herzen weichen

Entſtand ein heilig Feur zu Satans Sturz und
Fall.

Das
[159]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.
Das Hoͤllenkind der Aberglaube

Ward ſeinen Untergang gewahr,

Und dadurch kam die Turteltaube,

Die Kirche Chriſti in Gefahr;

Sie ward geſcheucht, gejagt, gedruͤkket:

Und dennoch iſt es ihr gegluͤkket,

Sie bleibet dennoch unverſehrt.

Ja! in dem grimmgen Drachenklauen,

Kan man ſie unverlezzet ſchauen:

Weil JEſus ſie gend lebt; ſo wird die Hoͤll zerſtoͤhrt.

Die Tempel zittern, ſinken, fallen,

Die Goͤzzenbilder werden ſtum;

Man hoͤrt dagegen lieblich ſchallen,

Das ſuͤſſe Evangelium:

Man bauet zu des Heilands Ehre,

Jm Herzen Lob und Dank-Altaͤre,

Worauf ein heilges Opfer glimmt:

Man glaͤubt ein Opfer ewger Gnade,

Man traut der wahren Bundeslade,

Bei deren Aufrichtung des Dagons Fall beſtim̃t.

So ſiegen die geſandten Helden,

Jm Krieg des HErrn ohn Schwerdt und Macht,

Wie uns der Zeit Geſchichte melden

Wer haͤtte dieſes je gedacht?

Zwoͤlf arme Maͤnner, die verlaſſen,

Die koͤnnen ſolch ein Herze faſſen,

Daß ſie ſich freudig unterſtehn,

Die Hoͤll und Erde aufzufodern,

Die in verſchwornen Wuͤten lodern:

Wie kan man nicht daran des Hoͤchſten Wir-
kung ſehn?

Das
[160]Die Auferſtehung JEſu der Grund
Das Schwerd des Geiſtes iſt die Staͤrke,

Damit beſiegen ſie die Welt;

Die Mauren ſind die Wunderwerke,

Woran die Wuth zuruͤkke faͤlt.

Die Warheit iſt ihr Schild und Bogen,

Damit ſie in den Streit gezogen;

Des Himmels Obhut iſt ihr Schuz;

Die Feuerkraft der reinen Lehre

Beſiegt der Feinde Mordgewehre,

Und der Apoſtel Schaar beut Welt und Teu-
feln Truz.

Sie ſterben in des Hoͤchſten Kriegen,

Die Feinde jauchzen im Triumph;

Jedoch zu fruͤh; weil ſie doch ſiegen,

Jhr Blut macht ihre Waffen ſtumpf.

Jhr Blut wird bald an ſie gerochen,

Der Richterſtab iſt ſchon gebrochen,

Der ihren Untergang beſtimmt.

Die Kirche ſiegt die JEſum ehret,

Der Maͤrtrer Blut, das wird erhoͤret,

Das wie ein fetter Thau auf Zions Huͤgeln
ſchwimmt.

Der Heiland winkt! ſo bald iſt ſtille,

Das tobende Verfolgungs-Meer;

Es kommt zu ihm der Heiden Fuͤlle,

Und hoͤrt begierig ſeine Lehr.

Es gehn nunmehr nach Weſt und Oſten,

Des Gnadenreiches Friedenspoſten;

Es faͤllt des Afterglaubens Trohn;

Daſelbſt die Fuͤrſten dieſer Erden,

Jn CHriſti Joch gebeuget werden;

Es ſiegt die Kreuzesfahn und die Religion.

Jhr
[161]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.
Jhr Frevler! hoͤret auf zu ſpotten,

Vergeblich iſt doch eur Bemuͤhn,

Des Heilands Lehre auszurotten:

Er lebt: und ſie wird immer bluͤhn.

Jhr habt aus vielen hundert Jahren,

Viel tauſend Zeugen, zu erfahren,

Wie er ſein Gnadenreich beſchuͤzt:

Bemerket dies um zu erkennen,

Daß der, den wir Erloͤſer nennen

Gewislich auferwekt, zur Rechten GOttes ſizt.

Jhr bleibt bey euren albern Kluͤgeln,

Und werdet es zu ſpaͤt bereun;

Wenn er die Graͤber wird entriegeln,

Darinnen wir zerſtaͤubet ſeyn.

Dann wird der Urtheilsſpruch geſprochen,

Von dem, den eure Zung geſtochen,

Die von der Hoͤlle angeflammt:

Dann werdet ihr zum ewgen Spotte,

Wenn ihr mit eurer Laͤſtrer-Rotte,

Seid zu dem Schwefelpful, zur ewgen Glut
verdammt.

O! jauchzet! die ihr freudig glaͤubet,

Daß JEſus wieder auferwekt;

Weil er euch nun den Freibrief ſchreibet,

Daß eurer Suͤnden Schuld bedekt.

Der Buͤrge lag fuͤr uns in Banden,

Und da er wieder auferſtanden,

Sind wir von unſern Schulden frei:

Der Schuld-Thurm ſteht nun wieder offen,
Zweyter Theil. LUnd
[162]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Und dadurch kan man glaͤubig hoffen,

Daß unſre Suͤndenſchuld durch ihm bezahlet
ſey.

Laſt in den Huͤtten der Gerechten,

Das Jubel-Lied der Freiheit hoͤrn;

Und trennt euch von den Hoͤllen Knechten,

Die falſchen Wahn und Jrrthum lehrn.

Sprecht: Laſt uns nun ein Danklied bringen,

O! HErre, hilf laß woll gelingen:

Es oͤfnet ſich des Himmels Thor,

Mir deucht ich hoͤr ein Jubiliren,

Ein unbeſchreiblich Muſiciren,

Jn jener Seeligen verklaͤrten Geiſter-Chor.

Sie ſingen von des Helden Siege,

Der als ein Loͤw aus Juda kaͤmpft,

Und der in ſeinen blutgen Kriege

Der Teufel Wuth und Macht gedaͤmpft;

Sie ſingen: Nun iſt uͤberwunden,

Jn ewger Finſternis gebunden,

Der Satanas, ſein Hoͤllen Heer:

Triumph! die Schlange iſt zerknikket,

Jhr giftger Kopf iſt eingedruͤkket,

Dem Lamm das lebt und ſiegt; Sey Lob,
Preiß, Ruhm und Ehr.

Laßt dieſes Siegeslied erſchallen,

Jhr Glaͤubigen in dieſer Welt!

Laßt das auf Erden wiederhallen,

Was dort erthoͤnt in Salems Zelt;

Jauchzt Zions Buͤrger! in den Huͤtten:

Der Satanas iſt nun beſtritten,
Da
[163]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.

Da JEſus lebt, und ſiegreich prangt,

Wir ſind in ſeinem Kreuzes-Orden,

Aus Sclaven freie Kinder worden,

Der Glaube ſiegt durch ihn, und hat die Kron
erlangt.

Der Heiland lebt, wir werden leben,

Das Grab das unſern Leib verſchlingt,

Wird uns verklaͤret wieder geben,

Wenn einſt die Feldpoſaune klingt.

Wir koͤnnen dieſes freudig glaͤuben,

Wenn unſre Glieder gleich zerſtaͤuben.

Das Haupt erwacht; die Glieder auch,

Die Todten ſind in ſeinen Haͤnden,

Und wird ſich dieſer Weltlauf enden;

So oͤfnet ſich alsdenn der Erden finſtrer Bauch.

Was lacht ihr Spoͤtter? unſer Glaube,

Jſt ohne allen Wiederſtreit;

Sagt nicht, daß bey des Todes Raube,

Sich zeige die Ohnmoͤglichkeit!

Eur Wahnwiz haͤuffet Schwierigkeiten,

Die dem, der glaubet nichts bedeuten:

Der Heiland lebt, das iſt gewis,

Und wir ſind ſeines Hauptes Glieder,

Die ſammlet er dereinſten wieder,

Aus der verborgnen Kluft der tieffen Finſternis.

Sagt nicht: Wir ſind ſchon laͤngſt verflo-
gen,

Des Koͤrpers Theile ſind zerſtreut,

Jn andre Koͤrper eingezogen

Verduftet durch die lange Zeit;
L 2Vom
[164]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Vom Meer verſchlukt, vom Thier zerfreſſen,

Von andern Menſchen eingegeſſen,

Jm Reiche der Natur zertheilt,

Jm weiten Raum der Luft zerſprenget,

Veraͤndert, tauſendfach vermenget:

Laſt dieſes alles ſeyn: ihr ſchlieſt doch uͤbereilt.

Der Allmacht unſichtbahres Walten,

Das wuͤrket alles was entſteht,

Und das kann alles das erhalten,

Was nach dem Augenſchein vergeht.
GOtt weis wo Koͤrper in den Luͤften,

Jn Erd und Meeren ſich verduͤften,

Kein Staub kan ſeinem Aug entfliehn,

Es bleibet alles in dem Kreiſe

Des Weltraums, was in dem Gehaͤuſe

Deſſelben nun zerſtreut, kan er zuſammen
ziehn.

Hat er aus Nichts den Ball der Erde,

Den Bau des Himmels dargeſtellt;

Schafft ſeiner Allmacht wuͤrkend Werde,

Das groſſe Wunderhaus der Welt,

Wo unbeſtimmte Millionen,

Belebter Kreaturen wohnen;

Wie ſolt es denn ohnmoͤglich ſeyn,

Daß er nicht wuͤſte in den Gruͤnden

Die Theilgen wiederum zu finden?

Der Glaube ſpricht hie Ja, und die Vernunſt
nicht Nein.

Ein Kuͤnſtler bringt durch ſeine Haͤnde,

Ein Raͤderwerk, das ganz zerſtuͤkt,
Jn
[165]der Glaͤubigen in ihrer Auferſtehung.

Jn ſein geformtes Kunſtgebaͤnde

Wenn er die Theile nur erblikt.

Er weis wo jedes hingehoͤret,

Was in der Werkſtadt, wie zerſtoͤhret,

Verwirret durcheinander ſtekt.

Er hat bey ſeinem Raͤderwerke,

Das zum beſtaͤndgen Augenmerke,

Hebt die Verwirrung auf, wenn er die Hand
dran ſtrekt.

Wie ſolte GOtt daß auch nicht koͤnnen,

Das Weſen das allmaͤchtig heiſt?

So waͤr er ja kein GOtt zu nennen,

Dafuͤr ihn doch ein jeder preiſt.

Erweget dies in den Gedanken:

Die Macht die an ſich keine Schranken,

Kan alles, was ſie nur gebeut.

Was in Oſt, Weſt, in Suͤd und Norden

Von jedem Leib zerſtreuet worden:

Das ruft ſein Wink herbei, wenn alles wird
verneut.

Denkt nicht daß die Veraͤnderungen,

Die in Naturreich ſtets geſchehn,

Die Menſchen Koͤrper ſo verſchlungen,

Daß ſie zulezt in Nichts vergehn.

Es werden unſre Haut und Knochen

Von Moder angefault, zerbrochen,

Zermalmt, verwandelt, und zerſtoͤhrt;

Es mag derſelbe in den Jahren

Bald hie bald da zerſtreut, hinfahren,

So wird er dennoch nicht, ins vorge Nichts
verkehrt.

L 3Geſezt
[166]Die Auferſtehung JEſu der Grund
Geſezt! er fliegt in alle Theile

Des Weltraums, weht durch Erd und Luft;

Geſezt aus meines Koͤrpers Faͤule,

Entſteht ein ſolcher Nahrungs-Duft,

Der ſich in Kraut und Pflanzen ſezzet,

So bleibt er dennoch unverlezzet.

Geſezt ein Theil der von mir faͤhrt

Wird in den andern Leib verwandelt;

Jch weiß das GOtt ſtets weislich handelt,

Daß dieſes mir nichts nimmt; weil mein Leib
wird verklaͤrt.

Die Allmacht kan das wieder trennen,

Was ineinander iſt gefuͤgt;

So lang ich dieſe werde nennen,

Macht mich kein Zweiffel misvergnuͤgt.

Die Kunſt kan Gold und Silber ſchmelzen,

Metalle in einander welzen,

Daß draus ein neuer Koͤrper wird;

Sie kan durch Zuſaz zu dem Beiden,

Sie wieder von einander ſcheiden,

Und jedes bleibet doch, das ſich vorher ver-
liert.

Kan dies ein Kunſterfahrner Meiſter,

Wenn ſeine Tiegel feurig gluͤhn;

Was darf ſich denn der Geiſt der Geiſter

Der weiſe Schoͤpfer drum bemuͤhn,

Wenn er zu einem jeden Weſen,

Die Theile will zuſammen leſen,

Die Stuͤkke zu dem Koͤrper ſind,

Die mir vor andern angehoͤren;
Dies
[167]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.

Dies ſtuͤzt ſich auf Erfahrungs-Lehren,

Wer dies nicht glauben will, iſt warlich ſe-
hend blind.

Geſezt, ein wilder Menſchenfreſſer,

Ein menſchlich Wolf, ein Canibal; (*)

Ein Ungeheuer im Gewaͤſſer,

Verzehre einen uͤberal:

Man werd ein Theil von ſeinem Leibe,

Man bleibt doch auf der Erden Scheibe,

Und er vergehet doch zulezt:

Der Schoͤpfer weis wo ich geblieben,

Wie, wo mein Staub zertheilt, zerrieben:

Er ſtellt das wieder her, was man vernichtigt
ſchaͤzt.

O! ſaget nicht ihr albern Tohren,

Daß der, den ſolcher Wuͤtrich ſchlingt,

Jm Reich der Moͤglichkeit verlohren,

Den keine Allmacht wieder bringt:

Jhr denkt bey den ergrimmten Morden,

Sey ja der Leib gefreſſen worden,

Verwandelt durch die Dauungs-Kraft;

Er waͤre alſo durchgedrungen,

Nach der Natur Veraͤnderungen,

Jn ſeines Freſſers Leib, in deſſen Blut und
Saft.

Jhr ſchlieſt daraus, wenn dieſer ſtirbet,

Eh er den Raub im Dunſt ausſtreut,
L 4Und
[168]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Und in den Moder ſchnell verdirbet;

So ſaͤh man die Unmoͤglichkeit:

Daß durch der Vorſicht weiſes Walten,

Koͤnn jeder ſeinen Leib behalten:

Des einen Koͤrper, der verzehrt,

Waͤr in den andern ja geblieben,

Und da er in dem Bauch zerrieben,

So waͤre er dadurch zum andern Leib verkehrt.

So wizzig dieſer Einwurf ſcheinet,

So falſch iſt doch der ſeichte Schlus,

Weil das nicht ſo, als wie mans meinet,

An jenen Tag geſchehen muß.

Wahr iſt daß, das da ausgeſaͤet,

Auch dreinſten wieder auferſtehet:

Jedoch in dem verklaͤrten Stand.

Der Schoͤpfer wird den der gefreſſen,

Von dem, der ihn zuvor gegeſſen,

Schon ſcheiden, ob uns gleich, wies zugeht,
unbekandt.

Die Grundbildung von einer Pflanze

Stekt ſchon in einen Saamen-Korn;

So auch der Menſch iſt ſchon das Ganze,

Wenn er zwar klein und zart gebohrn:

Die weſentlichen Theile bleiben,

Die ſich nur aus einander treiben

Zur Groͤſſe die das Wachsthum macht;

Und wird ein Menſch etwan verzehret,

So daß ſein Fleiſch den andern naͤhret;

So bleibt ſein Urſtof doch, den GOttes Huld
bewacht.

O!
[169]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.
O! Spoͤtter! die der Wahn betrogen,

Prahlt doch nicht, daß euch die Vernunft

Das zu beſtreiten, blos bewogen,

Was ihr in eurer albern Zunft

Vollkommen hier begreiffen wollet,

Da ihr in Demut glaͤuben ſollet:

Auch die Vernunft die richtig denkt,

Erkennt, daß GOtt uns koͤn das Leben,

Dem Geiſt den Koͤrper wieder geben,

Den er durch die Geburth ſo wunderbar ge-
ſchenkt,

Jhr glaubt das nicht, und eur Gewiſſen,

Der Richter der im Herzen ſizt,

Der nagt euch mit verborgnen Biſſen,

So daß ihr oft in Aengſten ſchwizt,

Wenn ihr an euren Todt gedenket,

Der euch in ſeine Gruft verſchrenket.

Sagt an, warum ſeid ihr betruͤbt,

Jhr fuͤhlet ſchon in euren Herzen,

Den Peiniger, der euch mit Schmerzen,

Dereinſten das beſtraft, was ihr hie ausgeuͤbt.

Raßt immer hin, eur giftig Spotten,

Schadt unſrer Glaubens-Warheit nicht;

Sie bleibt und iſt nicht auszurotten,

Ob ihr ein Thor gleich wiederſpricht.

Jhr ſeid verzweiffelnde Veraͤchter,

Und euer ſchnoͤdes Hoͤhngelaͤchter,

Wird in ein Weinen noch verkehrt,

Wenn eure jezt verſtokte Seele,
L 5Aus
[170]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Aus ihren Leib, als einer Hoͤle,

Zur Hoͤllen-Finſternis verruchter Geiſter faͤhrt.

Dereinſten wenn der Weltbau ſinket

Die Himmels Feſte ſchmetternt kracht,

Und wenn des Schoͤpfers Allmacht winket,

Jhr, im Poſaunen Klang erwacht;

So ſeht ihr die verlachte Warheit

Zu euren Schrekken in der Klarheit;

So ſehet ihr das JEſus lebt;

So werdet ihr in tieffen Schluͤnden,

Ob ihrs gleich wuͤnſcht; kein Grab mehr finden,

Weil alles was verſtekt, ſich an das Licht er-
hebt.

Was duͤnket euch? wie muͤſt ihr zittern,

Wenn JEſus auf den Wolken faͤhrt;

Und wenn in feurgen Ungewittern,

Der Weltbau ſchmelzend wird verzehrt.

Furcht, Schaam, Verzweiffelung und Zagen,

Die folternden Gewiſſens-Plagen

Der Hoͤllen ſiedend Schweffel-Meer,

Des Heilands fuͤrchterliche Blizze,

Der Ausſpruch von dem Richter-Sizze:

Dies alles ſchrekket euch ſammt aller Teufel
Heer.

Zu ſpaͤt! verfluchte Hoͤllenbraͤnde!

Bereut ihr da, was hier geſchehn;

Die Glaubenszeit iſt da zum Ende;

Denn muͤſt ihr wieder Willen ſehn,
Wie
[171]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.

Wie albern euer Wiz gekluͤgelt,

Da eure Gruft, durch den entriegelt

Der uͤber Todt und Grab geſiegt;

Durch den, der da er uͤberwunden,

Des Todes Schluͤſſel wieder funden,

Und nun erloͤſen kan, was in den Graͤbern
liegt.

Begluͤkte! die mit Freuden hoͤren,

Von dem erwachten Menſchen Sohn

Wie troſtreich, ſind die Warheitslehren,

Der chriſtlichen Religion,

Fuͤr euch; o hoͤchſt zufriedne Seelen!

Die keine bange Zweifel quaͤlen:

Jhr lebet in Zufriedenheit

Und wenn die lezten Todes-Stunden,

Den Geiſt vom Koͤrper los gebunden;

So freuet ihr euch ſchon auf die Erwekkungs
Zeit.

Der lezte Feind iſt aufgehoben,

Der Fuͤrſt des Schrekkens, ohne Pein;

Jhr freuet euch bey ſeinen Toben,

Und ſchlaft in ſanften Frieden ein:

Wenn die Natur ſo aͤngſtlich kirret,

Wie eine Turteltaube girret;

So iſt der Geiſt dennoch vergnuͤgt:

Er iſt durch Glaubens-Kraft befluͤgelt,

Und durch des Geiſtes Trieb verſiegelt,

Und weiß daß denn ſein Leib, in ſtiller Ruhe
liegt.

Es ſchwindeln die gebrochnen Sinnen,

Der Geiſt faͤhrt aus, der Leib ſchlaͤft ein,
Der
[172]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Der Geiſt der kommt nach Salems Zinnen

Darf weder Grab noch Moder ſcheun.

Der Leib wird zwar mit ſeinen Staube,

Jm welken Reſt, dem Tod zum Raube:

Doch aber ohne Untergang;

Der Glaube lehrt euch freudig denken:

Man wird mich in ein Ruhbett ſenken

Bis daß mich JEſus wekt, durch den Poſau-
nen Klang.

Wer alſo ſtirbt, das heiſt kein Sterben,

Der Suͤndenleib kommt nur ins Grab,

Die Huͤlſen der Natur verderben,

Es fallen nur die Schalen ab.

Der Leib der wie ein Korn geſaͤet,

Erſtirbt: dieweil er auferſtehet,

Verwelket und wird ausgeſtreut:

Damit er in den frohen Lenzen,

Koͤnn herrlich und verklaͤret glaͤnzen,

Wenn GOttes ewge Macht, ihn aufzuſtehn
gebeut.

So ſieht ein Glaubens-Held ſein Ende,

Als einen Lebens Anfang an,

Der ſterbend die gefalltnen Haͤnde,

Ums Kreuz des Mittlers ſchlingen kan:

Die dunkle Gruft iſt eine Kammer,

Darin er vor der Zeiten Jammer

Jn einem ſtillen Frieden wohnt;

Das Grab iſt die Verwahrungs-Hoͤle,

Da die von Feſſeln freie Seele,

Jm Schloß der Ewigkeit, bey GOtt im Him-
mel thront.

Jhr
[173]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.
Jhr ruht: das Ende iſt beſtimmet,

Die Wolken hemmen ihren Lauf,

Das Feuer, das vielleicht ſchon glimmet,

Entzuͤndet ſich, frißt alles auf:

Des Himmels rege Feuerballen

Zerſchmelzen und vergehn mit Knallen;

Der Schweffel ſchwangre Donner bruͤllt,

Mit Blizzen die ſtets Strahlen ſchieſſen,

Worin die Elemente flieſſen,

Wird die getrennte Luft des Weltraums ange-
fuͤllt.

Wenn dieſe Schrekkens-Donner rollen,

Dafuͤr der Erden Grund erbebt;

Die Donner die zerſchmettern ſollen,

Was nach dem Untergange ſtrebt;

So kommt das fuͤrchterliche Schuͤttern

Und reißt mit ſeinen Schrekgewittern

Der Erden feſte Saͤulen ein;

Der Meere ſiedend, ziſchend Brauſen,

Erregt ein Herzbeklemmend Sauſen:

Doch dieſes alles wird fuͤr euch, nicht ſchrekhaft
ſeyn.

Der Koͤnig aller Herrlichkeiten,

Laͤßt ſich mit allen Engeln ſehn,

Verkuͤndiget das End der Zeiten,

Die mit der Welt zugleich vergehn.

Sein Allmachts Wink, der das entſiegelt,

Was Erde, Meer und Luft verriegelt,

Erregt der Todten groſſe Schaar,

Kaum hat ſein Ruff die duͤſtren Bogen
Der
[174]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Der ſtillen Graͤber durchgezogen:

So ſtellt das Todte ſich gleich als lebendig dar.

Jhr eilet aus dem finſtren Lande,

Da die Verweſung herrſcht hervor,

Und ſchwinget im verklaͤrten Stande,

Eur ausgeſchlafnes Haupt empor.

O! welch ein Blik, der euch entzuͤkket!

Jhr werdet ſchnell der Glut entruͤkket,

Die ſich um alle Koͤrper welzt,

Jhr ſeid befreit von Dampf und Flammen,

Die Engel bringen euch zuſammen,

Wenn euer Grabes Stein, der euch bedekt,
zerſchmelzt.

Jhr ſeht den Koͤnig auf dem Throne,

Umringt mit ſeiner Geiſter Pracht,

Den ihr in ſeiner Dornen Krone,

Als euren Mittler hochgeacht.

Jhr ſehet ihn der Sonnen Sonne,

Das Licht das euch mit ewger Wonne,

Mit nie geſchmekter Luſt erquikt;

Jhr ſeht an dieſem frohen Morgen,

Das was der Glaube euch verborgen,

Der auf der Unterwelt nur durch ein Fern-
Glas blikt.

Jhr ſeht in dem umſtrahlten Glanze,

Den Himmels-Koͤnig der euch liebt,

Der mit dem unverwelkten Kranze,

Euch Palmen ſeines Sieges giebt.

Die Thronen ſind fuͤr euch gebauet,

Die ihr auf Zions Berge ſchauet,
Jhr
[175]der Glaͤubigen zu ihrer Auferſtehung.

Jhr ſeid nun Fuͤrſten jener Welt,

Und herrſcht da ihr mit ihm geſtritten;

Jhr ſiegt da ihr, mit ihm, gelitten,

Da euch die Ewigkeit in ihrem Schooße haͤlt.

Da ſehet ihr die Seraphinen,

Der ſeelgen Geiſter groſſe Schaar,

Und feiret mit dem Cherubinen,

Ein unaufhoͤrlich Jubel-Jahr:

Da werdet ihr in Engel-Choͤren,

Den Klang der Siegeslieder hoͤren,

Den kein noch ſterblich Ohr vernimmt;

Da werdet ihr in Salems Auen,

Die Kirche im Triumphe ſchauen,

Die hier im Streite ringt, im Blut der Maͤr-
trer ſchwimmt.

Wie wird mir! teuſcht mich ein Geſichte,

Ein durch den Schlaf erzeugter Traum!

Mir deucht ich ſeh in Himmels-Lichte,

Der Ewigkeit verdekten Raum;

Wo ungezaͤhlte Millionen

Mit unſchaͤzbahren Gnadenkronen,

Um einem hohen Stuhle ſtehn.

Der Vorhang wird mir weggezogen,

Jch ſehe einen Siegesbogen

Dadurch des Helden Ruhm, den Heiland zu
erhoͤhn.

Es zeigt ein Held ſich auf dem Stuhle,

Darunter Todt und Teufel liegt,

Als wie in einem ſchwarzen Pfule,

Die dieſer Held mit Macht beſiegt.
Nach
[176]Die Auferſtehung JEſu der Grund

Nach einem ſchroͤklichen Gebruͤlle,

Entſteht auf einmahl eine Stille,

Ein Abgrund ſpaltet ſich entzwei.

Darin der Todt und Teufel fallen:

Jch hoͤr draus Ach und Weh erſchallen,

Und merke daß daſelbſt der Boͤſen Hoͤlle ſey.

Die Stille iſt gleich aufgehoben,

Jm Himmel thoͤnt Victoria,

Ein Jauchzen, da ſie alle loben

Den ich im Glanz des Stuhles ſah:

Jhr Lied hieß: Dem am Kreuzes Stamme

Fuͤr uns erwuͤrgten GOttes-Lamme

Sey Lob und Preis, ſey Ehr und Ruhm.

Der, der im Helden-Muth erſtanden,

Hat uns befreit vom Todesbanden:

Als ich dies angehoͤrt verſchwand das Heilig-
thum.

Die Sehnſucht ſprach, als ich erwachte

Und dem was ich im Traum geſehn,

Mit ſuͤß empfundner Luſt nachdachte:

So werd ich JEſum auch erhoͤhn,

Der auch fuͤr mich hat uͤberwunden.

O! eilet ihr beſtimmten Stunden,

Da meinen Leib der Moder dekt:

Da JEſus lebt, ſcheu ich kein Sterben

Durch ihn werd ich die Krone erben,

Durch ihn werd ich dereinſt, aus meinem Staub
erwekt.


Der
[177]

Der Regen.


(Jerem. V. 24.)
Laſſet uns doch den HErrn unſern GOtt
fuͤrchten, der uns Fruͤhregen und
Spatregen giebet, und uns die Ernd-
te treulich und jaͤhrlich behuͤtet.

[figure]
Weiſer Schoͤpfer! dein Regieren,

Deine Guͤt und Wundermacht,

Jſt im Regen auch zu ſpuͤren,

Den du weislich ausgedacht,

Dadurch alles zu erquikken,

Das in Hizze will erſtikken:

Das du aber lechzend traͤnkſt,

Wenn du Thau und Regen ſchenkſt.

Wenn wir Andachtsvoll erwegen,

Wie im Reiche der Natur

Wird gezeugt der feuchte Regen;

So ſehn wir der Vorſicht Spur.

Jn der Kette aller Dinge,

Jſt kein Haͤkgen ſo geringe,

Es treibt alles mit zum Ziel,

Den der Schoͤpfer haben wil.

Aus der Erde, aus den Seen,

Ziehen unaufhoͤrlich fort,
Zweyter, Theil. MDuͤn-
[178]Der Regen.

Duͤnſte zu den duͤnnen Hoͤhen

Als zu den Verwahrungs Ort,

Da ſie durch den Strahl der Sonnen,

Wie in ein Geweb geſponnen,

Und durch ihr erheitert Gluͤhn,

Wolkicht ſich zuſammen ziehn.

Dieſe ausgeſpannten Schlaͤuche,

Dieſes rege Wolken Heer,

Dieſe aufgequollne Baͤuche,

Dieſes aufgezogne Meer

Schwebt im Kreis der duͤnnen Luͤfte,

Senkt ſich auf ſo leichte Duͤfte,

Wird bald hin, bald her gedreht,

Wie der Zug der Winde weht.

Wer haͤlt dieſe Himmels-Quellen?

Schoͤpfer! deine Allmachts-Hand

Die ohn alle Ufer ſchwellen,

Sind durch deine Kraft umſpannt:

Es kan ſie dein Wink umdaͤmmen,

Und ihr ploͤzlich Fallen hemmen,

Da der Wolken ſchwere Fluth,

Gar auf keinen Pfeiler ruht.

Kein Verſtand kan das ergruͤnden,

Wie der Wolken ſchwere Laſt,

Auf den Fittgen leichter Winden

Wie auf Wagen aufgefaßt:

Sieht man die gethuͤrmten Wogen,

So ſind ſie als wie verflogen

Und in einen Augenblik,

Sind ſie wiederum zuruͤk.

Wenn
[179]Der Regen.
Wenn die Luft der Wolken Fluͤſſe

Durch den Druk nicht mehr aufhaͤlt;

So entſtehen Regen Guͤſſe

Die da traͤnken Wald und Feld.
GOtt! du Geber alles Guten

Dieſe Tropfenreiche Fluten,

Koͤnnen unſern Augenſchein,

Spiegel deiner Weisheit ſeyn.

Wir erſehn dein weiſes Fuͤgen,

Daß der Regen Tropfen-weis,

Wie aus hohlen Sprengekruͤgen

Auf allmaͤchtigen Geheis,

Durch die duͤnnen Luͤfte drenget;

So wird alles ſanft beſprenget,

Und nicht wenn es wird genaͤhrt,

Durch den ſtarken Fall beſchwert.

Wenn die Wolken ſich zertrennten,

Und ein Strom herunter fiel,

Ohne Tropfen abwerts rennten:

So wuͤrd dieſer Fluth Gewuͤhl,

Alles ja zu Boden ſchmeiſſen,

Duͤnne Saaten niederreiſſen,

Ja! die Frucht die wuͤrd erſaͤuft,

Und mit Nahrung uͤberhaͤuft.

Dieſes an den zarten Bluͤthen,

Die in Feld und Garten ſtehn,

Wunderbarlich zu verhuͤten,

Hat der weiſe GOtt erſehn,

Daß von denen Himmels-Zinnen,

Feuchte Regentropfen rinnen
M 2Die
[180]Der Regen.

Die zwar haͤuffig, doch ſehr klein,

Nahrhaft, doch ſehr duͤnn und rein.

Wenn der Sonnen feurig Brennen,

Das bepfluͤgte Land beſcheint,

Muß es ſich in Kloͤſſe trennen,

Es zerberſtet, wird zerſteint,

Und ſo kan der Schoos der Erden,

Nicht in Seegen fruchtbar werden:

Darum giebt GOtt dieſen Saft,

Und zum Wachsthum friſche Kraft.

Schoͤpfer! deine Wunderguͤte

Feuchtet ſtets die Felder an,

Daß ein dankbahres Gemuͤthe,

Dich nie gnugſam preiſen kan,

Aus den Sonnenſchein und Regen,

Keimmt hervor der Felder Seegen,

Dadurch wird die Frucht genaͤhrt,

Die uns Brodt und Trank beſchert.

Jn dem die ſo feurgen Blizze

Brennen die entflammte Welt,

Und die ſchwuͤle Sommer-Hizze

Sich am heftigſten einſtellt,

Zieht ſie durch ihr heiſſes Flammen,

Duͤnſte wiederum zuſammen,

Daraus ein Gewoͤlk entſteht,

Das im Regen dann zergeht.

Und kommt dieſes Regenwetter,

So wird alles abgekuͤhlt:

Da erfriſchen ſich die Blaͤtter,

Die der Sonnenſtrahl durchwuͤhlt.
Was
[181]Der Regen.

Was vorhero welk geſchienen,

Faͤnget wieder an zu gruͤnen,

Und wird, wie man ſichtbar merkt,

Durch des Regens Kraft geſtaͤrkt.

Wenn die Felder traͤchtig ſtehen,

Jn der aufgegruͤnnten Flor,

Kan man nicht ohn Luſt anſehen,

Wie der Keim ſich ſtrekt hervor;

Wenn des Himmels Veſte quillet,

Und die Erd mit Saft anfuͤllet:

Alsdenn wird die Frucht belebt,

Die ſich munter aufwerts hebt.

Man empfindet ein Vergnuͤgen,

Wenn man dieſes klebricht Naß;

Siehet auf dem Feldern liegen

Wenn es haͤngt an Laub und Graß:

Da ſieht man die Tropfen rinnen,

Die das Urtheil unſrer Sinnen,

Stat der Diamanten ſchaͤzt

Womit GOtt das Feld beſezt.

Kommt man in die naſſen Felder,

Wenn der Regen Frucht und Saat,

Und das Laub der dichten Waͤlder,

Feuchtet und getraͤnket hat;

So kan man, da alles kuͤhle,

Durch ein ſchaudrigtes Gefuͤhle,

An ſich merken, was vor Kraft,

Regen, Feld und Fruͤchten ſchaft.

Die Natur iſt, wie verjuͤnget,

Wenn in heiſſer Sommerszeit
M 3Durch
[182]Der Regen.

Durch die Luft der Regen dringet,

Und den Saft der Fruchtbarkeit.

Welch ein ſchaudrigtes Vergnuͤgen,

Wenn alsdenn die Duͤfte fliegen,

Da das Feld im Dampfe raucht,

Und die friſche Kraft aushaucht.

Alsdenn wenn die Tropfen rollen,

Durch der Furchen ofnen Mund,

Wird uns, wenn wir hoͤren wollen,

Rauſchend GOttes Guͤte kund

Da zu uns die Regenbaͤchen,

Wie in ſanften Murmeln ſprechen:

Menſchen! merkt, was dieſe Fluth,

Euch vor groſſen Vortheil thut.

Dieſer Saft den GOtt geſchenket,

Durch der Fruͤchte Halmen ſteigt;

Naͤhrt euch, der euch ſpeißt und traͤnket!

Denkt, wie ſehr er euch geneigt:

Da ſein Allmachts-Wort: Es werde,

Durch die feucht und ſchwangre Erde,

Jn dem Reiche der Natur,

Stets erhaͤlt die Kreatur.

Laß mich Schoͤpfer ſtets erwegen,

Daß du unſer Vater ſeiſt,

Der mit reichen Nahrungsſeegen,

Seine Menſchenkinder ſpeißt:

Der da ſo viel tauſend Arten

Vieh, die alle auf ihn warten,

Durch der Wolken Feuchtigkeit,

Wie mit Manna labt, erfreut.

Laß
[183]Der Regen.
Laß mich aber auch bedenken,

Daß durch Thau und Sonnenſchein,

Wie du weißlich weiſt zu lenken,

Fruͤchte keimen, und gedein:

Wird es denn in meinen Leben,

Viele truͤbe Wolken geben

Nun! der muß in Thraͤnen ſaͤn,

Der da will in Freuden maͤhn.

Wechſelhafte Witterungen,

Sind der Feld-Frucht ſehr bequem,

Des Naturreichs Aenderungen,

Sind uns ſelbſten angenehm:

Aus den Sonnenſchein und Regen,

Sprieſt und waͤchſet unſer Segen:

Naͤſſe und ein warmer Strahl,

Nuͤzzet Wald, Feld, Berg und Thal.

Ebenfals iſt uns ſehr nuͤzze,

Wenn das wechſelhafte Gluͤk,

Mit den heitren Anmuths Blizze

Sich von uns entfernt zuruͤk.

Jn den heiſſen Sonnentagen,

Jſt ſehr ſchwer das Gluͤk zu tragen,

Weil es, wenn es uns anlacht,

Oft in Guten traͤge macht.

Soll das Feld in Seegen bluͤhen;

So muß auch am Firmament,

Wenn der Sonnen feurig Gluͤhen,

Jn den langen Tagen brennt,
M 4Sich
[184]Der Regen.

Sich ein Wolkendunſt anſpinnen,

Und im Regen abwerts rinnen:

Sonſten wird ohn dieſes Naß,

Welk das aufgekeimmte Graß.

So muß in dem Reich der Gnaden,

Nach des Gluͤkkes Sonnenſchein,

Oft ein Ungluͤk, Schmerz und Schaden

Einem Chriſten nuzbar ſeyn.

Soll das Herze Fruͤchte bringen,

Muß es oft in Leiden ringen.

Regen, Schein, und Freud und Leid,

Bringt die beſte Erndte-Zeit.


Der
[185]

Der
bunt gefaͤrbte Regenbogen.


(1 Moſ. VIIII. 13. 14.)
Meinen Bogen habe ich geſezzet in den
Wolken, der ſoll das Zeichen ſeyn
des Bundes. Zwiſchen mir und der
Erden. Und wenn es komt, daß ich
Wolken uͤber die Erde fuͤhre, ſo ſol
man meinen Bogen ſehen in den Wol-
ken.

[figure]
Jch ſah nicht ohne innre Luſt, im aus-
geſpannten Luftrevieren,

Wie nach den bloſſen Augenſchein,
die Regenbogen ſich formiren:

Der Wolken dik gewebter Schleier
brach von der Laſt beſchweret loß,

Da durch ein troͤpfelndes Gedraͤn-
ge, die Feuchtigkeit herunter floß.

Die Sonne die dadurch verhuͤllt, und durch die
truͤbe Luft umzogen,

Ging bey den Regnen wieder auf; da ſah ich einen
Regenbogen.

Jch ſtand gleichſam im Mittelpuncte, an einer Seite
war der Schein,

Und an der anderen die Wolken, die mit den Naß
gefuͤllet ſeyn:

M 5Da
[186]Der bunt gefaͤrbte Regenbogen
Da denn die Sonn in Regen ſchien, und ſich bey
dem gebrochnen Strahlen,

Jn Tropfen durch den Gegenſchlag, ſo bunt gefaͤrb-
te Bogen mahlen.

Die das Naturreich unterſuchen, die haben laͤngſt
mit Grund geſehn,

Daß nicht die bunten Regenbogen, in den erhab-
nen Wolken ſtehn,

Wie woll die bloͤde Einfalt meint, daß ſich am
himmliſchen Gefilden,

Dergleichen die aus Dunſt beſtehn, wie ausgeſpann-
te Zeichen bilden

Wir wiſſen, daß in Regentropfen, ſich das ent-
glomne Sonnenlicht

Als wie in einer holen Flaͤche, im Ein- und Aus-
gang doppelt bricht;

Da zeiget ſich der bunte Schein, der wie ein run-
der Boge gehet,

Und ſich, wie unſerm Augen duͤnkt, in den gewoͤlb-
ten Luftkreis drehet.

Der Farben durchgeſtreifte Zuͤge, ſind wenn wir
ſie genau beſehn,

Als wie am ausgeſpannten Tuche, in wollgemahl-
ter Ordnung ſchoͤn:

Der aͤuſre Rand iſt roth gemahlt, woran die gelbe
angewiſchet

Dann folgt ein gruͤn gezogner Strich daran die
blaue iſt gemiſchet,

Am Ende ſtrahlt der Purpur Schein in ſeiner dun-
kel-blaſſen Roͤthe,

Als wenn der Bogen ſo gewirkt, wie eine kuͤnſtli-
che Tapete.

Jch hatte dabey die Gedanken: Es muͤſſe in dem
Sonnenſchein,

Jn
[187]Der bunt gefaͤrbte Regenbogen.
Jn dieſen groſſen Wunderlichte die Miſchung aller
Farben ſeyn,

Die in den Bogen anzuſehn, und in den Gegen-
ſchlag zertrennen,

Wenn durch der Tropfen rundes Naß die ausgebliz-
ten Strahlen rennen.

Bei dieſer ſchoͤnen Augenweide, die mir des Re-
genbogens Pracht,

An einen truͤben Sommer-Tage, zu meiner See-
len-Luſt gemacht,

Durchbrach ein heller Andachtsſtrahl, mein durch
den Gram umwoͤlktes Herze,

Vertrieb in einem Augenblik das Sorgen-Heer mit
Angſt und Schmerze;

Es fiel mir aus dem Bibel-Buche, mit innigen
Vergnuͤgen ein,

Daß die gefaͤrbten Regenbogen, die Zeichen ewger
Gnade ſeyn,

Die GOtt dem menſchlichen Geſchlecht, das ſei-
ner Rechte Bund verlezzet,

Aus Liebe und Barmherzigkeit, zum ſichren Denk-
mal aufgeſezzet;

Daß ſein Erbarmen nie aufhoͤret, wenn man da-
hin die Zuflucht nimmt,

Wenn die verdorbne Welt in Laſtern, als wie in
einer Suͤndfluth ſchwimmt.

Er iſt ein Zeichen daß die Welt, die durch die Bos-
heit ganz verdorben,

Durch eine Suͤndflut abgeſpuͤlt, und wie in einen
Pful geſtorben,

Da GOtt der Wolken Schlauch zerbrochen, der
alles ploͤzlich weggeſchwemmt,

Und dadurch die verdorbnen Menſchen, in ihren
Suͤnden-Lauf gehemmt.

Ach!
[188]Der bunt gefaͤrbte Regenbogen.
Ach! daͤchte jeder noch daran; ſo wuͤrde dieſes Gna-
denzeichen,

Ein Prediger der Buſſe ſeyn, und das verſtokte
Herz erweichen,

Das durch die Gnade ſicher worden. Man ſaget
daß der Ueberreſt,

Vom blinden Judenthum gewohnet, wenn ſich dies
Zeichen ſehen laͤſt,

Doch nur nach bloſſer Heuchler Art, mit Klagen,
Seufzen, Angſt und Weinen

Als ſolche die da Buſſe thun, fuͤr ihren Schoͤpfer
zu erſcheinen.

Alsdenn geſtehn ſie, daß die Gnade, ſie nur aus
Lieb und Huld geſchont;

Sonſt waͤren ſie auch ſchon vertilget, nach ihrer
Bosheit abgelohnt.

Sie meinen daß des Hoͤchſten Nahm, im Regen-
bogen eingedruͤkket;

Drum wird er auch aus blinder Furcht, nicht von
den Juden angeblikket.

Wer frei von falſchen Aberglauben, in reiner An-
dacht ſich erwekt,

Der ſieht dran ein Gnadenzeichen, das ihm dabey
doch heilſam ſchrekt.

Man denke dabey nur zuruͤk, bey dieſen bunten Luft-
Geſichte

An die verdorbne erſte Welt, und an das harte
Strafgerichte,

Das ihren Untergang beſtimmet: Man ſeh den Re-
genbogen an,

Der uns durch Bildung ſeiner Farben, die roth und
gruͤn ſind lehren kan:

Wie Liebe und Gerechtigkeit, in GOtt den Aller-
hoͤchſten Weſen;

Das
[189]Der bunt gefaͤrbte Regenbogen.
Das iſt in einem Sinnenbild an Regenbogen gleich
zu leſen.

Der Feuerſtrahl der ſchnellen Rache, blizt aus der
rothen Farb hervor,

Der aber durch das Gruͤn gemildert: das Bild der
Liebe hebt empor.

So ſteht der Gnadenbund ſtets feſt, durch dem, der
durch der Juden Morden,

Ein Heiland voller Gnad und Guͤt, im Sterben der
Erloͤſer worden;

Um deſſen Stuhl ein Regenbogen, als eine Sinn-
ſchrift iſt gemahlt, (*)

Weil draus Gerechtigkeit und Guͤte, aufs lieblich-
ſte vereinigt ſtrahlt.

So oft du Menſch! den Bogen ſiehſt; ſo denke an
den Bund der Gnaden,

Davon der Grund und Mittler iſt, der da geheilt
den Seelen Schaden.

Bedenke daß das hoͤchſte Weſen, ein GOtt von
groſſer Gnad und Treu:

Doch aber auch in ſeiner Rache ein Zebaoth der
Boͤſen ſey.


Das
[190]
Das
goͤttliche Aufſehn
uͤber die Kirche
bey einer Kirchen Viſitation abgeſungen.

[figure]
Der Vorſicht Auge ſchlummert nicht

Das uͤber Zion wacht;

Weil es durch Finſternis und Nacht

Mit ſeinen Strahlen bricht.

Der Hoͤchſte will ſein Zion ſtets erfreun,

Er ſucht es heim, bekroͤnet es mit gnaͤdigen Gedein,

Er laͤſſet pflanzen, und durch das Begieſſen,

Den Seegen ſprieſſen.

Soll die Kirch in Seegen bluͤhen;

So muß GOtt Hausvater ſeyn,

Und bey ſeiner Vorſicht Walten

Durch die Lehrer ſie erhalten:

Denn auf deren treu Bemuͤhen

Folgt noch immer das Gedein.

GOtt liebt die Seinen,

Und laͤſt ſein Wort zur Lehr, zum Leben,

Wie eine Leuchte ſcheinen;

Er wird auch ferner geben
Von
[191]Das goͤttliche Aufſehn uͤber die Kirche.

Von ſeinen heilgen Hoͤhen

Daß wir davon noch reiche Fruͤchte ſehen.

Es bluͤht zwar leider uͤberall

Das Unkraut, das der Feind auf GOttes Akker
ausgeſaͤt:

Allein getroſt! es liegt der Hoͤllen Belial,

Und JEſus der ihn ſtuͤrzt, der ſiegt

Jn ſeiner Majeſtaͤt

Und dadurch wird zulezt das Unkraut doch bekriegt

Die Erndte kommt, da wird der Weizen herrlich
ſtehen

Das Unkraut in dem Feur das ewig brennt, vergehen.

O! ſegne Heiland deine Lehren,

Und gib zum Worte ferner Kraft;

O! laß die Jugend, laß die Alten,

Sich woll in Chriſtenthum verhalten;

Und gib daß wir uns erſt bekehren,

Eh uns der Tod von hinnen raft!


Die
[192]

Die Liebe.


[figure]
Des Schoͤpfers weiſer Zwek, da er
die Welt gemacht,

War aller Menſchen Gluͤk; dar-
auf er ſtets bedacht;

Weil ſeine ewge Guͤt, dies
Wohnhaus ſo geſchmuͤkket,

Daß man darinnen noch viel
herrliches erblikket.

Die Vorſicht gab die Welt ihm zum Beſizze ein,

Daß er und ſein Geſchlecht, bey ſeinen Gnaden-
ſchein

Jn unverruͤkter Luſt, das ſtets genieſſen ſolte,

Was er als Oberherrr nach ſeiner Weisheit wolte.

Er druͤkte in ſein Herz ſein goͤttlich Ebenbild,

Da ward der Menſchen Geiſt mit Licht und Glanz
erfuͤllt;

Er floͤßte in ſein Herz, des Himmels reine Triebe,

Worauf das Gluͤk beruht, die GOtt- und Men-
ſchen-Liebe.

Die Liebe iſt ein Band, das GOtt und Menſch
vereint;

Ein Feur das waͤrmt und naͤhrt, und wo daſſelbe
ſcheint,

Da ſtrahlt mit heitren Blik in einer guͤldnen Won-
ne,

Den Menſchen immer an, des Himmels Gnaden-
Sonne

Allein ſeid dem der Gift, der Schlangen uns be-
flekt;

Der Satan in uns hat die Suͤnde angeſtekt;

Da
[193]Die Liebe.
Da iſt der arme Menſch aus ſeinen Gluͤksſtand
kommen,

Da hat der bittre Has, das Herze eingenommen.

GOtt iſt das hoͤchſte Gut, das durch die Lieb allein,

Sich uns zu eigen ſchenkt zu unſerm gluͤklich ſeyn:

Wer durch den Has verfuͤhrt, durch ſcheelen Neid
geblendet,

Der wird von dieſer Quell in Jrthum abgewendet;

Der ſucht was ihm vergnuͤgt, und trift es doch
nicht an

Weil man in Pfuͤzzen nicht, ſein Labſal finden kan,

Das in den Quellen flieſt. Der Erden eitle Guͤter,

Sind wenn man ſie recht ſchmekt, nicht ſuͤſſe, ſon-
dern bitter.

Sie ſind ein Wermuth-Salz, mit Zukker untermiſcht,

Ein bittres Aloe mit Candis uͤberwiſcht,

Damit labt ſich der Menſch; und wird doch nur ge-
quaͤlet;

Weil ihm die wahre Lieb zum hoͤchſten Gute fehlet.

Wer ſeinen Schoͤpfer haßt, das wahre Freuden-
licht,

Von falſchen Wahn betaͤubt, der liebt ſich ſelber
nicht:

Und wenn er Ruhe ſucht, wird er in dem Gewiſſen,

Von Furcht und Angſt gejagt, von Furien gebiſſen.

Die Furcht folgt Suͤndern nach, ſcheucht ſtets den
bloͤden Geiſt,

Der zwiſchen GOtt und uns das Liebesband zer-
reiſt:

Ach! moͤchte jederman der Liebe Vortheil kennen;

So wuͤrde keiner leicht derſelben Band zertrennen:

Da GOtt ſich uns verknuͤpft: wo Liebe gegen
GOtt,

Da iſt Zufriedenheit auch in der groͤßten Noth;

Zweyter Theil. NWo
[194]Die Liebe.
Wo wahre Liebe fehlt, kan man auf ſanften Kuͤſ-
ſen,

Beim Schlaf der Sicherheit auch keine Ruh ge-
nieſſen:

Alsdenn lebt man vergnuͤgt, wenn uns der Schoͤpfer
freund,

Es foltert uns die Angſt, wenn er uns zornig
ſcheint.

O! Menſchen trachtet doch das hoͤchſte Gut zu lie-
ben;

So kan euch keine Noth und keine Angſt betruͤben.

Die Ruhe des Gemuͤths, die Seel und Leib erhaͤlt,

Jſt warlich unſchaͤzbar, das Beſte in der Welt;

Wer dieſes Kleinod ſucht, wird es nicht ehr erlan-
gen,

Er hab erſt GOtt und Menſch zu lieben angefan-
gen.

Des Hoͤchſten Abſicht iſt, daß man des andern
Wol,

Aus Lieb und Luſt geruͤhrt, allhie befoͤrdern ſol;

Drum hat er in das Herz die Liebe ausgegoſſen,

Das aber leider jezt in Gift und Haß zerfloſſen.

Es wolte daß der Menſch dem andern hold und treu,

Jn reiner Luſt geneigt, des andern Engel ſey:

Allein der Haß regiert, zeugt Feindſchaft, Rotten,
Morden.

Und dadurch iſt der Menſch, des andern Teufel
worden.

Die Liebe iſt der Grund, ohn welcher nichts be-
ſteht;

Weil durch den Has und Neid, der Staat zu truͤm-
mern geht,

Den GOttes Huld erbaut. Wir koͤnten ruhig
wohnen,

Es
[195]Die Liebe.
Es waͤren in der Welt der Fuͤrſten guͤldne Thronen,

Mit Schwerdtern nicht beſezt; mit Lanzen nicht
umringt,

Wenn keine Feindſchaft da, die zu derſelben dringt.

Die Welt waͤr ohne Furcht, von Sorgen weit ent-
fernet,

Wenn jeder Menſch als Menſch zu lieben nur ge-
lernet.

Die Staͤdte ſind bewacht, von ſtarken Mauren feſt,

Warum? weil uns die Furcht nichts Gutes hoffen
laͤſt;

Weil das Geſellſchaftsband durch Haß und Neid
zerriſſen:

So hat man Veſtung, Wall und Mauren bauen
muͤſſen;

So muß ein jedes Haus mit Riegeln ſeyn verſehn,

Und durch die feſte Thuͤr der Bosheit wiederſtehn

Wo wahre Liebe wohnt und Treue auf den Gaſſen,

Die ſich mit Lieblichkeit in Freundſchaftskuß um-
faſſen

Da waͤr noch in der Welt, das ſchoͤne Paradies:

Der Ort wo Bitterkeit gewuͤrzt von Liebe ſuͤß:

Allein wir ſuchen noch in dieſen Eitelkeiten

Die Jnſel ſichrer Ruh und der Zufriedenheiten;

Denn dieſe ganze Welt, der Nord und Suͤder Pol,

Der viele Laͤnder hegt, iſt ſtets von Feindſchaft voll:

Wo die im Herzen kocht, von Galle uͤberflieſſet,

Da iſt der Wohnplaz nicht, da man die Ruh ge-
nieſſet.

Wenn jederman bedacht, wie er in Lieb allein

Den andern nuͤzlich waͤr; ſo wuͤrde Sonn und
Schein

Des dauerhaften Gluͤks die truͤben Wolken min-
dern,

N 2Die
[196]Die Liebe.
Die uns an wahrer Ruh der Seel, des Leibes hin-
dern.

Wo wahre Liebe wohnt; da iſt kein Zank und Streit;

Wo dieſes Feuer brennt, da pauſt kein falſcher Neid,

Da ſuchet man auch nicht den Naͤchſten zu verlaͤum-
den,

Und ihn in Ruh und Gluͤk, aus Misgunſt anzu-
feinden.

Die Liebe freuet ſich bey eines andern Wohl,

Wenns einem uͤbel geht, da iſt ſie Traurens voll.

Sie traͤgt des andern Laſt; bedekt des andern Feh-
ler,

Sezt dem der es verdient, des Lobes Ehren Maͤhler.

Die Liebe treibt uns an zur Uebung der Gedult,

Verſagt nie, wo ſie kan, dem andern ihre Huld:

Sie ſchlieſt die Duͤrftigkeit in ausgeſpannte Armen,

Und hilft das Elend auf, mit thraͤnenden Erbar-
men.

Sie lindert Schmerz und Noth, die einen andern
plagt,

Und ſtaͤrkt den der nach Troſt in heiſſer Sehnſucht
fragt:

Sie dienet wo ſie kan, und daß iſt ihr Vergnuͤgen,

Wenn ſie den andern kan ohn Eigennuz beſiegen.

Sie brennt in ſtetem Trieb, und fuͤhlet in der Bruſt,

Wenn ſie dem andern nuͤzt, drob eine ſuͤſſe Luſt.

O! Tugend moͤchteſt du doch da anjezo thronen,

Wo deine Schuͤler ſeyn, das heiſt wo Chriſten
wohnen!

Wie gluͤklich wuͤrde denn, wie ruhig unſre Welt,

Die da du biſt entfernt, ein elend Krieger-Zelt.

Jhr Chriſten denket nach! wer will ein Chriſte
heiſſen,

Der muß vor allen ſich der Liebe recht befleiſſen;

Wo
[197]Der Neid.
Wo keine Liebe iſt, da fehlt der Glaube auch,

Da iſt ſtat Licht und Schein, nur Schatten, Ne-
bel, Rauch.

Ein wahrer Chriſte ſeyn, und keine Liebe kennen,

Das heiſſet eine Glut, die ohne Glanz und Bren-
nen.


Der Neid.
[figure]
Der ſchiele Neid mit duͤrren Wangen,

Ziſcht nach der Art verfluchter
Schlangen,

Und ſpruͤzzet die mit Geiffer an,

Die ihnen nichts zu Leid gethan:

Er wirft nach eines andern Gluͤkke

Ganz haͤmiſch ſeine Zauberblikke,

Und graͤmmt ſich bey des andern Wol,

Stellt ſich vor Unmuth raſend toll;

Er lacht von auſſen, weint in Herzen,

Vergnuͤgt ſich bei empfundnen Schmerzen.

Das iſt das Bild, das wie der Schatten

Da wo ſich Licht und Koͤrper gatten

Sich findet, bey der Tugend ſteht,

Und ſtets da, wo das Gluͤkke geht:

Der Neid der iſt ein Kind der Hoͤllen,

Und ſuchet die ſtets anzubellen

Die von dem Himmel ſind geſchmuͤkt,

Und durch des Hoͤchſten Huld begluͤkt.
N 3Er
[198]Der Neid.

Er trachtet tugendhafte Seelen,

Wie eine Furie zu quaͤlen.

Der erſte Neider iſt ohn Zweiffel,

Der Menſchenfeind der falſche Teufel

Der Eva zu dem Fall gebracht,

Und alle nakt und arm gemacht.

Von Laͤſtern fuͤhrt er ſeinen Nahmen;

Die Neider ſind ſein Schlangen-Saamen,

Die er mit ſeinen Gift beflekt,

Mit dieſer Seuche angeſtekt;

Sie ſind bemuͤht, ſich zu erfreuen,

Jhr Gift auf andre auszuſpeien.

Die Laſter ſind der Tugend Feinde,

Sie ſtreiten wieder die die Freunde

Der Froͤmmigkeit, im ſteten Krieg;

Und kaͤmpfen immer um den Sieg.

Der Geiz verfolgt die milde Guͤte

Die Ehrſucht ein ſittſam Gemuͤthe

Die Wolluſt greift die feurig an,

Die reiner Keuſchheit zugethan.

Die Luͤge ſumßt um die Geſchichte,

Wie eine Wespe an dem Lichte.

Der Zorn blaͤſt ſeine Feuerflammen,

Geht mit der Sanftmuth auch zuſammen,

Der Has und die Verſoͤhnlichkeit,

Sind mit einander ſtets in Streit.

Die Falſchheit hat der Warheit Weſen,

Als ihre Feindin auserleſen,

Mit einem Wort: der Laſter Brut,

Die in des einem Herzen ruht
Steht
[199]Der Neid.

Steht ſolcher Tugend ſtets entgegen

Die andre ihr zuwieder hegen.

So wie ein Wolf die Laͤmmer jager,

Der Fuchs an Vieh von Federn naget,

Der Habicht hintern Voͤgeln her;

Bey ihren Flug und Wiederkehr:

So ſind die Laſterhaften Seelen,

Die ſich zu ihren Feind erwaͤhlen,

Die Tugend die das Laſter hoͤhnt,

Der man als ein Leibeigner froͤhnt:

Die andern laſſen ſie frei gehen,

Die ihnen nicht ſo wiederſtehen.

Der Neid das grimmge Ungeheuer,

Blaͤßt ſeiner Wuth entflammtes Feuer:

Auf alle Tugendhafte ein;

Sie moͤgen mildreich, ſittſam ſeyn.

Ein Neider iſt ein Feind von allen,

Denn keiner kan ihm wolgefallen,

Der ſich der Tugend treu ergiebt,

Und den der Himmel wieder liebt;

Und wird er gleich mit Macht erhoben,

Will er doch keinen andern loben.

Das iſt die Art der wahren Liebe,

Sie wuͤnſcht nach ihrem regen Triebe,

Das alles Gute ſey gemein:

Der Neid begehret es allein.

Er wuͤnſcht in deſſen keine Gaben,

Als die, die andere ſchon haben
N 4Er
[200]Der Neid.

Er ſieht was andere gethan,

Durchs Glas das nur verkleinert an: (*)

Hingegen weis er ſeine Sachen,

Durchs Fernglas uͤbergros zu machen. (**)

Er wuͤnſcht daß alle Ehrenkronen,

Die das Verdienſt allhie belohnen;

Auf ſeinen Haupt alleine ſtehn:

Und andere verachtet gehn.

Der Neid beweiſet ſeine Tuͤkke,

Und freut ſich ob dem Ungeluͤkke

Das ſeinen armen Naͤchſten plagt;

Er lacht wenn der ganz troſtlos klagt,

Und wenn die Armen aͤngſtlich weinen,

Kan er dabey ganz munter ſcheinen.

Er pflegt zwar alles zu beflekken,

Mit ſeiner Zunge anzuſtekken,

Was ſich der Tugend nur befleißt,

Die bey ihm Schand und Laſter heiſt:

Vornemlich pflegt er zu beſpruͤzzen,

Die durch die Tugend vieles nuͤzzen;

Die herrlich glaͤnzen in der Welt,

Sind ihm am meiſten blos geſtellt:

Er iſt den Muͤkken gleich zu ſchaͤzzen,

Die ſich auf ſchoͤne Blumen ſezzen.

Der
[201]Der Neid.
Der Neid iſt luͤgenhaft im Dichten

Und frech die Unſchuld zu vernichten;

Daruͤber ſeine Zung entflammt,

Der wird gleich ohnverhoͤrt verdammt:

Und wenn ſein Gift das aus ihm quillet,

Nicht ſeinen boͤſen Zwek erfuͤllet,

Des andern Nahmen nicht verlezt;

So wird er gar in Wuth geſezt:

Alsdenn ſucht er ohn zu erroͤhten,

Den, den er haßt, wol gar zu toͤdten.

Die Rachbegierde iſt beym Neide,

So wie die falſche Schadenfreude;

Ein Neider ſtiftets gerne an,

Wenn er nur einen morden kan

Daß Cains Wuth durch Blutvergieſſen

Den Todt zur Suͤnde machen muͤſſen,

Der ſonſt der Suͤnden Strafe iſt,

Das war des falſchen Neides Liſt,

Der ihn ſo ſchaͤndlich angetrieben,

Den Mord am Bruder auszuuͤben.

Ein falſcher Wahn muß ihn bethoͤren,

Sein Misvergnuͤgen zu vermehren:

Das Boͤſe das der Neider thut,

Jſt ſtets nach ſeiner Meinung gut.

Das Gute muß ſtets Boͤſe heiſſen

Darum die andern ſich befleiſſen:

Und wenn es ſeiner Wuth gelingt,

Daß er der Tugend Ungluͤk bringt:

So iſt er doch dabey vergnuͤget,

Wenn er auch ſelbſten mit erlieget.

N 5So
[202]Der Neid.
So elend ſind die Leidenſchaften,

Die in des Neiders Seele haften,

Er ſucht in Niedertraͤchtigkeit

Die Quelle der Zufriedenheit.

O! wie verblendet ſind die Seelen,

Die Schlam und Staub ſich auserwaͤhlen!

Und darum in den Pfuͤzzen wuͤhln,

Die heiſſe Galle abzukuͤhln!

Die ſich in Schmuz und Unflat ſtekken,

Damit ſie andre nur beflekken.

Erſtikt, erſtikt des Neides Triebe,

Und trachtet nach der wahren Liebe

Das Eigenthum der Menſchlichkeit!

Der Neider lebt in ſteten Streit,

Und muß wenn reine Tugend ſieget,

Und ſich an GOtt und Menſch vergnuͤget,

Mit inren Harm ſich ſelbſt verzehrn,

Und ſich mit andrer Luſt beſchwern:

Und darum iſt ohn allen Zweifel,

Der Neid der aller aͤrmſte Teufel.

Wer eines andern Vortheil ſuchet,

Und keinem dem es wol geht fluchet

Vergnuͤgt ſich, wie ein Menſche ſol,

Zugleich an eines andern Wol:

Und ſo genieſſen alle beide,

An einen Gute ihre Freude;

So kan man ſich die ganze Welt,

Worin viel Gutes vorgeſtellt,

Und das Vergnuͤgen fremder Sachen,

Durch Liebe ganz zu eigen machen.


Die
[203]

Die
Stimme GOttes
im Hagel.


[figure]
Die Luft iſt eine Ruͤſtungskammer, dar-
in der Koͤnig aller Welt,

Der ſtarke Zebaoth die Waffen, wo-
mit er die beſtraffet, haͤlt

Die ſeiner Allmacht wiederſtehn; eroͤf-
net er ſie in dem Grimme;

So hoͤrt man die Gerechtigkeit, mit ihrer ſtarken
Donnerſtimme.

Das ſind die bruͤllenden Carthaunen, die mit den
ſchreklichen Gethoͤn,

Aus den von Schwefel ſchwangren Luͤften, als wie
aus groſſen Moͤrſern gehn;

Das ſiedend Feur, der ſchnelle Bliz entflammt bey
ſeines Grimmes Wettern

Und droht die boͤſe ſichre Welt, in grauſen Dam-
pfe zu zerſchmettern.

Dies Zeughaus des erhabnen Schoͤpfers, iſt auch
mit Kugeln angefuͤllt,

Das ſind die runden Hagelkoͤrner, die wenn der
Donner ſchreklich bruͤllt

Mit einem pfeiffenden Geheul, von Wind und Wir-
beln ſtark getrieben,

Jn einen Augenblik bereit die Strafgerichte auszu-
uͤben,

Die
[204]Die Stimme GOttes im Hagel.
Die die Gerechtigkeit befiehlet. Sie werden in der
Luft gebohrn,

Aus denen flatterhaften Flokken des Schnees die
von Wind gefrorn,

Der ſie in ihren Fall auffaͤngt, verhaͤrtet und zu-
ſammen treibet

Wie durch Erfahrung woll gepruͤft, der lehrt, der
die Natur beſchreibet.

Die Kugeln des gefrornen Regens, die Klumpen
ſind ein hartes Eis,

Die nach des Allerhoͤchſten Willen, auf ſeiner ſtren-
gen Macht Geheis,

Mit haͤuffig praſſelnden Geraͤuſch, wenn wir vor
bangen Schrekken zagen,

Der gruͤnen Hofnung fuͤſſe Frucht, der Aekker Korn
zu Boden ſchlagen.

Wenn ſolch ein ſtrenges Hagel-Wetter, das Land
mit heiſſer Hungers-Noth,

Bey dik geſchwaͤrzten Regenwolken, im Fruͤhling
oder Sommer droht:

So merkt der Landman daß ein GOtt, und der
der in den Staͤdten wohnet,

Daß in dem Reiche der Natur, ein Herrſcher der
in Wolken thronet,

Der alle Dinge ſtets regieret, und den ein jedes
Element,

Luft, Erde, Feuer und das Gewaͤſſer, als ſeinen
HErrn und Schoͤpfer kennt.

Und bricht der Hagelregen loß; ſo ſieht ein jeder ſein
Gerichte,

Und wie die Allmacht was gebaut, zu unſrer Stra-
fe macht zu nichte;

Der Luftkreis huͤllet ſich ins Dunkle, verdekt der
Sonnen ſtrahlend Licht,

Das
[205]Die Stimme GOttes im Hagel.
Das Sinnbild von des Hoͤchſten Gnade; wenn ſolch
ein Hagelſtrom ausbricht.

Die Wolken oͤfnen ihren Schlauch, da hoͤrt man
wenn die Hagel fallen,

Auf dem beſaamten Akkerfeld des Allerhoͤchſten
Stimm erſchallen,

Die zu dem Landmann ſchreklich ruffet: Sieh, wie
die Hofnung nun vergeht,

Die dich als einen eitlen Goͤzzen, mit lee-
ren Duͤnſten aufgeblaͤht;

Du dachteſt da der gruͤne Schmuk ſich auf
dem Felde dir gewieſen,

Daß iſt es was ich ausgeſaͤt; und nicht es
ſey der GOtt geprieſen,

Der unſre Felder ſo bekroͤnet; und uns mit
gnaͤdigen Gedein,

Bey einer fett und reichen Erndte, kan durch
der Koͤrner Meng erfreun.

Die Allmacht offenbahret ſich, die durch den ſtren-
gen Hagel zeiget,

Wie ſie was ſie erheben will, ganz klaͤglich in dem
Staub gebeuget:

Sie ſchlaͤgt durch die gefrorne Kugeln, die Bluͤthen
in den Schutt und Graus,

Und driſcht das Korn oft vor der Reiffe, auf denen
breiten Feldern aus;

Und die Gerechtigkeit die ſtaͤupt das Feld, daß es
die fuͤhlen,

Die von der Eitelkeit beherrſcht, wie Wuͤrmer in
der Erde wuͤhlen:

Und laͤſt die an dem Staube kleben, an den zerknikten
Halmen ſchaun,

Die Torheit derer Menſchen-Kinder, die auf ſo
ſchwanke Stuͤzzen baun.

Als-
[206]Die Stimme GOttes im Hagel.
Alsdenn zerſchmelzt der Bauren Stolz, bey ihrer
Felder Niederlage,

Verkehrt ſein wildes Jubel-Lied, in eine bange Jam-
merklage;

Wenn dieſe Schrekkensſtimme thoͤnet, und von den
Wind begleitet, pfeift,

Und von des Hoͤchſten Wink getrieben, durch ſei-
ne gruͤne Saaten ſtreift.

Die Halmen liegen eingeknikt, der Muth iſt auch
damit geſunken,

Der ſonſt den Landman taumelnd macht, der von
der Einbildung betrunken,

Er haͤtte ſchon das in den Scheuren, worauf die
Hofnung ſich geſteift,

Daß noch bey ungewiſſer Bluͤte, in mancherlei Ge-
fahren reift.

Der Schoͤpfer der im Zorn zwar ſtraft; ſchleuſt
doch bey gnaͤdigen Erbarmen,

Die Menſchen die da zu ihm ſchrein, in ſeine vaͤ-
terliche Armen.

Er gieſſet aus den ſtrengen Hagel, der alles was der
Akker traͤgt,

Wenn ſie in groſſer Menge raſſeln, in einem mahl
zu Boden ſchlaͤgt:

Doch aber zeigt ſich ſeine Guͤt, bey ſeines ſtrengen
Eiffers Grimme,

Wenn Hagel-Wetter wo entſtehn in einer treuen
Warnungs-Stimme.

Er laͤſt zum Zeugnis ſeiner Gnade, die Hagel nicht
auf einen Stoß,

Nein! nur in einen ſanften Fallen, oft auf die
gruͤnen Felder loß

Da denn die Koͤrner nicht ſo ſtark; und nicht ſo
viel zu Boden druͤkken,

Als
[207]Die Stimme GOttes im Hagel.
Als wenn ſie in geſchwinden Flug, das was ſie faſ-
ſen gleich zerknikken.

Er ſtaͤupet oft nur eine Seite und laͤſt die andre ohn-
geſtaͤupt,

Zum Zeugnis, daß er in dem Zorne, dennoch ein
guͤtger Vater bleibt.

Vertilget er die Winterfrucht; ſo laͤſt er wol aus
lauter Gnaden,

Das was in warmen Sommer keimmt, frei von
den ſchweren Hagel-Schaden:

Ja! ſeine Guͤt die ohne Schranken, verriegelt oft
die dikke Luft,

Wenn des erſchroknen Suͤnders Herze in Thraͤnen
um Genade ruft.

Ein Wind treibt oft in ſchneller Flucht die Wolken
die zuſammen gehen,

Das gleichſam aller Hagel ſchmelzt, wenn ſanft und
laue Weſten wehen.

Beherrſcher aller Kreaturen! du biſt in allen Din-
gen gros,

Bedaͤchte daß ſtets unſre Seele! erwegte das der
Erden-Kloß,

Der Erd und Himmel ſtuͤrmen will; ſo wuͤrden wir
an deinen Werken,

Den mit der Guͤt vermiſchten Ernſt, zu unſrer Beſ-
ſerung bemerken.

Der Luͤfte ausgeſpannte Grenzen, die keines Men-
ſchen Auge mißt,

Sind voll von deinen Schrekkensſtimmen, womit
du den der dich vergiſt,

Jn Augenblikke lernen kanſt; daß du ein GOtt der
uns regieret,

Und alles was in der Natur entſteht zu ſeinen Ziele
fuͤhret.

Du
[208]Die Stimme GOttes im Hagel.
Du winkſt den Donner; er muß knallen und iſt
auf deinen Wink bereit;

Du ziehſt die Wolken nur zuſammen: ſo regnet es
zu gleicher Zeit.

Der Winde kuͤhler Hauch der blaͤßt; ſo bald ſind da
die Hagelſchloſſen,

Sie gehn auf deinem Eifer loß; ſo ſind ſie ſchon aufs
Land geſchoſſen:

Und unſre Hofnung liegt zertruͤmmert. Solls wie-
der klares Wetter ſeyn:

So blikt das Sonnenlicht im Glanze, mit ſeinen
heitren Anmuths-Schein.

Da du ein Herrſcher der Natur, der Fruͤchte auf
den Feldern giebet,

Der in die Gnaden Arme ſchleuſt, den der ihn recht
von Herzen liebet:

So laß uns dieſes ſtets bedenken: Ohn dich kan kei-
ne Muͤh gedein,

Was du uns giebeſt kan man ſammlen; Es hilft
uns nichts das Saamen ſtreun;

Weil nichts ohn deinen Seegen waͤchſt: Wir muͤſ-
ſen bey dem Akkerbauen

Auf deine Vaterguͤte ſehn; ſo koͤnnen wir auch
Fruͤchte ſchauen.

Wir hoffen daß du dieſe Erndte: die uns der Felder
Anmuth weißt.

Uns gnaͤdiglich erhalten werdeſt; ſo wird der Menſch,
das Vieh geſpeiſt:

Bewahre ſie vor Hagelſchlag; ſo wird man in den
Schnitter Choͤren,

Zu deines groſſen Nahmens Ruhm, manch Freuden-
volles Danklied hoͤren.


Die
[209]

Die
Lehrreiche Weltſchule.


[figure]
Wir leben in der Welt, die eine Schule
iſt,

Worin man Buͤcher hat, darin der
fleißig lieſt,

Der GOtt erkennen will, das aller-
hoͤchſte Weſen:

Den wir ſelbſt in der Welt, wo er beſchrieben,
leſen.

Die Welt, die iſt ein Buch und jede Kreatur

Jſt einem Buchſtab gleich, im Reiche der Natur.

Der Himmel iſt ein Blat, im A. B. C. der Ster-
nen;

Kan man des Hoͤchſten Macht, und Guͤt und Weis-
heit lernen.

Die Erd iſt vol[l]er Schrift; da lieſt man allgemein,

Der ſie gebaut, erhaͤlt, muß gros und herrlich ſeyn.

Das Meer iſt Taffeln gleich, auf deſſen glatten
Hoͤhen,

Wir GOttes Majeſtaͤt mit Luſt gebildet ſehen.

Die Berge, Garten, Feld ſind gleich den breiten
Blaͤttern,

Baum, Fruͤchte, Laub und Kraut ſind die gemahl-
ten Lettern,

Die wunderbar geſchmuͤkt mit Pracht, mit Glanz
und Schein,

Die GOtt darum geſchmuͤkt: damit wir fleißig
ſeyn:

Zweyter Theil. OEr
[210]Die Lehrreiche Weltſchule.
Er lokt dadurch uns an, zum fleißigen Studiren,

Wie man die Kinder thut, die lieber Buchſtabi-
ren,

Jn einen Buch das ſchoͤn, mit Bildern durchge-
mahlt,

Von deſſen aͤuſren Rand das Gold ins Auge ſtrahlt.

Die Lettern der Natur ſind groß und klein geſchrie-
ben,

Doch alle Weisheits voll. Ach! moͤchten wir uns
uͤben

Die Deutung zu verſtehn, denn jeglicher Buchſtab,

Druͤkt uns ein ganzes Wort, ja viele Sachen
ab,

Die wenn wir ſie alſo nach unſrer Art beſchreiben,

Nicht nach dem Hauptinhalt, auf ganzen Bogen
bleiben.

Jm Reiche der Natur iſt lauter Bilderſchrift,

Davon man aber doch die Deutung leichtlich trift;

Wenn man nur aufmerkſam in ſtiller Luſt erweget,

Wer uns dieſelbigen zum Leſen vorgeleget.

Alsdenn ſo ſehen wir, wir leſen hie und da,

Denn allerhoͤchſten GOtt, den groſſen Jehovah.

Das zweyte Buch das iſt, durch GOttes Geiſt
getrieben

Von einer heilgen Zahl der Maͤnner aufgeſchrieben,

Die uns den Weg gelehrt, wie man aus dieſer
Welt,

Ganz richtig kommen kan, zu jenem Himmels Zelt,

Da wir der Zeit entfliehn, die Pilgrimſchaft der
Erden,

Und in der Ewigkeit vollkomne Buͤrger werden.

Drum ſiehe lieber Menſch! was du zu lernen haſt;

Und wenn du dieſes recht, hier in der Schule
faßt;

So
[211]Die Lehrreiche Weltſchule.
So biſt du erſt geſchikt, in jene Welt zu kommen,

So wirſt du in die Schaar der Seelgen, aufge-
nommen,

Die dort vollkommen ſind. Die Welt-Schul le-
get dir,

Was du zu lernen haſt in dreien Stuͤkken fuͤr:

Erkenne einen GOtt wie er ſich ſelbſt beſchrie-
ben,

Jn der Natur und Schrift, ihn zu verehrn, zu lie-
ben:

Erkenne dich auch ſelbſt als eine kleine Welt;

Warum der Schoͤpfer dir, die groſſe dargeſtellt.

Sieh dein Verderben an, das dein Gewiſſen fuͤh-
let,

Wenn deine Sinnligkeit im Laſterkothe wuͤhlet.

Lern endlich wie du dich aus dem Verder-
ben ziehſt,

Durch welches Huͤlfe du, der Eitelkeit entfliehſt;

Durch welches Mittel man zu ſeinen GOtt gelan-
get,

Der in der Ewigkeit vollkomnen Lichte pranget.

Wenn du dies alles recht in dieſer Welt bedacht;

So biſt du ſchon gelehrt in dieſer Schul gemacht,

Biß du mehr hoͤren wirſt dort vor des Hoͤchſten
Stuhle.

Die Welt iſt ferner auch die ſtete Uebungs-
ſchule,

Worin man, was man weis, nach unſers Schoͤp-
fers Schlus:

Jn Worten und der That zur Uebung bringen muß.

Wer etwas lernen will, der wird nach ſeinen Wiſ-
ſen,

Die Probe durch die That, auch oͤfters machen
muͤſſen;

O 2Sonſt
[212]Die Lehrreiche Weltſchule.
Sonſt blaͤht das Wiſſen auf; wir duͤnken uns ge-
lehrt,

Weil man die Wiſſenſchaft mit ihren Lehren hoͤrt:

Das iſt doch nicht genug. GOtt nach den Nah-
men nennen,

Das heiſt noch lange nicht das hoͤchſte Weſen ken-
nen.

Wo das Erkenntnis iſt, das den Verſtand erhellt,

Da wird der Will bewegt; das Urtheil bald gefaͤllt:

Du muſt das alſo thun; und dich darinnen uͤben,

GOtt als das hoͤchſte Gut, das du erkennſt auch
lieben.

Wenn man die Uebungen, die uns hier auferlegt,

Nach ihren Stuͤkken recht, die wir zu thun, er-
wegt;

So ſind ſie allgemein, und auch beſondre Pflich-
ten,

Die jeder GOtt, ſich ſelbſt, und andren zu entrich-
ten.

Was wir allhie zu thun, iſt theils ins Herz ge-
druͤkt;

Und wird noch deutlicher in dem Geſez erblikt,

Das auf den Taffeln ſteht: und darauf iſt geſchrie-
ben:

Wir ſollen GOtt den HErrn, uns und den
Naͤchſten lieben.

Was jeder uͤben ſol nach ſeinen Amt und Stand,

Wird in der Schul gelehrt, iſt aus der Schrift
bekannt.

Wer dieſe Pflichten treibt, wird in der Schul der
Erden,

Durch Uebung erſt geſchikt, vollkommen dort zu
werden.

Nun lieber Menſch! ſey treu zur Uebung ſtets bereit,

Den
[213]Die Lehrreiche Weltſchule.
Denn Uebung bringt allein, die wahre Fertigkeit.

GOtt hat uns Trieb genug zum tugendhaften Le-
ben,

Worauf die Uebung geht, in ſeinem Wort gegeben.

So wie in einer Schul, des Lehrers ſanfte Guͤt,

Nicht leichte beſſern kan, ein fluͤchtiges Gemuͤt;

Er zwing es dann durch Zucht: ſo muß bey uns
imgleichen,

Der Schoͤpfer ſeinen Zwek, durch Zuͤchtigung er-
reichen.

Die Welt iſt alſo noch, wenn wir ſie recht anſehn,

Als eine Kreuzesſchul darin viel auszuſtehn.

Der Schoͤpfer pruͤfet uns, und laͤſt uns oͤfters
ſchwizzen;

Auf einer Marterbank in dieſer Schule ſizzen.

Da lernt man die Gedult, das ſchwere A. B. C.

Da fuͤhlet Fleiſch und Blut manch fuͤrchterliches
Weh.

Wilſt du, mein lieber Menſch! dich von dem Kreuz
entfernen,

So muſt du fleißig ſeyn, in Ueben und in Lernen:

Und weil du das nicht biſt; ſo legt der Schoͤpfer
dir,

Die Ruthe ſeiner Zucht, Noth, Kreuz und Truͤb-
ſal fuͤr.

Die Ruthe ziehet oft die allerfroͤmmſten Kinder,

Und Truͤbſahl kehrt oft um die allerfrechſten Suͤn-
der.

Ein Schuͤler wird gelobt, der fleißig, fromm und
ſtill,

Der das mit Sorgfalt thut, ſo wie ſein Lehrer will:

Mein Menſch! beweiſe dich getreu in dieſer Schule,

So wirſt du dreinſt geruͤhmt, vor Chriſti Richter-
ſtuhle:

O 3Folg
[214]Die Lehrreiche Weltſchule.
Folg hier in Demuth ſtets dem, der die Welt re-
giert,

Der uns zwar wunderbar, doch treu und ſeelig
fuͤhrt:

Lern was du lernen ſolt, und ſey auch bey dem
Wiſſen

Des Glaubens, allemahl, auf richtig Thun befliſſen.

Gefaͤllt dem Schoͤpfer es, daß dir bey Angſt und
Pein,

Die Welt worin du lebſt, ſoll eine Kreuz-Schul
ſeyn;

Halt nur geduldig aus; GOtt pflegt auch im Be-
truͤben,

Jndem er auf uns ſchlaͤgt, nach Vater-Art zu lie-
ben;

Wenn er dich gnug gepruͤft; gelaͤutert und bewaͤhrt,

Geuͤbet auf der Welt, in ihrer Schul gelehrt;

So giebt er dir hernach die ſchoͤne Ehren-Krone,

Zum Zeichen ſeiner Huld, zu einem Gnadenlohne;

Alsdenn gelangeſt du zu Salems gruͤnen Aun,

Wo du nicht lernen ſolt; Nein! alles klar anſchaun:

Da wird die Luſt geſtillt, in jenen Geiſter Choͤren,

Da deine Lernbegier, wird neue Wunder hoͤren,

Die hier auf dieſer Welt, kein Auge je geſehn,

Die unausſprechlich ſind, und keiner kan verſtehn:

Und da die Lehrer ſind der unvollkomnen Erden,

Jn jener Geiſterwelt gar gerne Schuͤler werden.

Gib! Herrſcher aller Welt! daß ich hier fleißig ſey,

Zum Lernen ſtets erwekt, in Ausuͤbung getreu;

Geduldig in dem Leid; ſo werd ich nach den Jah-
ren,

Die mir zur Prob beſtimmt, was hier verdekt,
erfahren.


Die
[215]

Die Seele
das koſtbarſte Kleinod der Menſchen.


(Matth. XVI. 26.)
Was huͤlfe es dem Menſchen, wenn er die
ganze Welt gewoͤnne, und naͤhme
Schaden an ſeiner Seele?

[figure]
Der Menſche iſt im Erden-Kreiſe,

Das allerkuͤnſtlichſte Gehaͤuſe,

Ein ſich bewegend Wunderbild,

Mit Wunderwerken angefuͤllt.

Aus allen Gliedern, allen Sinnen;

So wie von auſſen; als von innen,

Wird ſeines Meiſters Macht, Verſtand,

Zwar gros, doch nie genug bekandt,

Jemehr wir uns nur ſelbſt betrachten,

Je herrlicher muß man ſich achten.

Des Leibes aͤuſerlich Gebaͤude;

Die innre Kunſt der Eingeweide,

Jſt unvergleichlich, Wunderſchoͤn;

Kan ihres Schoͤpfers Ruhm erhoͤhn.

Der Augen leuchtende Criſtallen,

Worin des Lichtes Strahlen fallen;

Sind Wunderſpiegel der Natur;

Man ſeh das Ohrgehaͤuſe nur;
O 4So
[216]Die Seele

So wird man ganz erſtaunt geruͤhret,

Der Wiz ins Labirinth gefuͤhret.

Wer kan die Wunder all entdekken,

Die ſich in dem Gehirn verſtekken;

Die in der Naſen Hoͤlen ſind,

Die man an einer Zunge find:

Die die gewoͤlbte Bruſt verhehlet,

Die durch der Knochen Band umpfaͤlet;

Die in gelenkten Arm zu ſehn,

Die unſers Koͤrpers Wirbel drehn;

Die an dem wolgefuͤgten Beinen,

Uns zur Verwunderung erſcheinen?

Wer kan der Lungen ihr Bewegen,

Des Herzens zappelndes Erregen

Bemerken, ohne zu geſtehn,

Man muͤſſe GOttes Macht dran ſehn?

Wer kan der Adern zarte Roͤhren

Erwegen, und den Pulsſchlag hoͤren:

Wer ſiehet der Gedaͤrme Band,

Das kuͤnſtlich liegt und ausgeſpannt,

Der nicht die Weisheit dran erweget,

Die jedes Glied zum Schau geleget?

Ja! alles Koͤrperlich Geſpinſte,

Zeigt uns ſtets wunderbahre Kuͤnſte;

Woraus ganz ſichtbarlich erhellt;

Daß wir ein Wunder dieſer Welt,

Ein Bauwerk das ein hoͤchſtes Weſen,

Zu ſeinem Meiſterſtuͤk erleſen,

Dran alle Theile wol gemacht,

Die weislich vorher ausgedacht;
Die
[217]das koſtbarſte Kleinod der Menſchen.

Die weislich an einander ſizzen,

Daß ein Glied kan den andren nuͤzzen:

Jedoch! in dieſer Leibes Hoͤle,

Jſt ein belebter Geiſt, die Seele,

Die nach Vernunft und klarer Schrift,

Des Koͤrpers Schoͤnheit uͤbertrift.

Dies iſt der Geiſt der uns belebet,

Weit uͤber alle Thiere hebet

Die nur die Sinnlichkeit regiert;

Dies iſt der Geiſt den man verſpuͤrt,

Wenn in uns richtige Jdeen,

Und Schluͤſſe der Vernunft entſtehen.

Die Seele iſt durch GOttes Milde

Als die Copei von ſeinem Bilde,

Dem Menſchen wunderbar geſchenkt,

Und ſeinem Koͤrper eingeſenkt.

Wie herrlich war der Menſchen Adel,

Als ſie noch ohne allem Tadel,

Von Finſternis, Verkehrtheit frei.

Jedoch! daß ſie noch koſtbar ſei,

Ein Kleinod daß nie gnug zu preiſen,

Jſt augenſcheinlich zu beweiſen.

Die Seele kan noch richtig denken,

Jhr Auge auf dem Schoͤpfer lenken,

Durch ſie erkennen wir die Welt,

Die uns der Schoͤpfer fuͤrgeſtellt;

Durch ſie wird unſer Leib bewogen,

Dem ſchnellen Untergang entzogen;

Durch ſie empfinden wir was gut,

Durch ſie verſpuͤren wir die Glut
O 5Der
[218]Die Seele

Der aufgewallten Freuden-Triebe,

Das Angenehme bey der Liebe.

Die Seele lenket unſre Sinnen,

Wo durch ſo viele Stroͤme rinnen,

Von Labſal und Zufriedenheit,

Die uns die Kreatur verleiht:

Durch ihr Licht ſehen wir die Guͤte

Des Schoͤpfers, worin das Gemuͤte

Die beſte Ruheſtat bemerkt;

Durch ſie allein wird man beſtaͤrkt,

Das GOtt die Quell der Seeligkeiten,

Woher der Dinge Seyn zu leiten.

Die Seele giebt uns zu genieſſen,

Was Luft und Erde in ſich ſchlieſſen

Und machet uns durch den Verſtand,
GOtt, Welt und auch uns ſelbſt bekant:

Jhr Vorzug zeigt ſich auch in Willen,

Was der begehrt, das muß erfuͤllen,

Der Koͤrper den ſie ſtets regiert,

Durch die Gedanken lenkt und fuͤhrt.

Wer dies erwegt, der muß bekennen,

Sie ſey was herrliches zu nennen.

Der Koͤrper muß dreinſt in der Erden,

Zu Staub und Aſche wieder werden,

Woraus die Allmacht ihn gebaut;

Es welket ſeine glatte Haut;

Der Glieder Band das wird zerriſſen,

Wie wir aus der Erfahrung wiſſen:

Jedoch! der Geiſt der in ihm wohnt,

Darin als ſeinem Sizze thront:
Ent-
[219]das koſtbare Kleinod der Menſchen.

Entflieht den Tod den Fuͤrſt des Raubes

Beſiegt die Herrſchaft ſeines Staubes.

Es bleibt der Geiſt doch unzerſtoͤhret,

Wenn gleich der Leibes Bau verheeret;

Wie Truͤmmer in einander faͤllt;

Weil ihm der Schoͤpfer ſtets erhaͤlt.

Unſterblichkeit iſt vor ſein Weſen,

Zum Schmuk und Eigenthum erleſen,

Die Seele bleibt, die Denkungskraft,

Jſt ihre ewge Eigenſchaft:

Sie wird durch keine Aenderungen,

Jn ein zerflatternd Nichts verſchlungen.

Dies iſt der Vorzug vor die Seele

Daß ſie in keiner Grabes Hoͤle

Den Untergang zu fuͤrchten hat;

Sie geht nach ihres Schoͤpfers Rath:

So bald des Koͤrpers Bau zerſtuͤkket,

Dahin wo ſie ſein Antliz blikket,

Wenn ſie auf dieſer Unterwelt,

Des Hoͤchſten Recht und Zeugnis haͤlt,

Und durch des Heilands Gnade ſieget,

Und der Begierden Heer bekrieget.

Wenn ſie den Hoͤchſten recht erkennet,

Jn ihr das Feur der Liebe brennet

Wenn ſie im allerhoͤchſten Gut,

Durch dieſer Liebe Neigung ruht;

So kann den Menſchen nichts mehr fehlen,

Nichts mit den bangen Kummer quaͤlen;

So trift ihm kein betruͤbt Geſchik

Von einem wahren Ungeluͤk:
Viel-
[220]Die Seele

Vielmehr muß ihn das groͤſte Leiden,

Die Quelle ſeyn der groͤſten Freuden.

Hingegen iſt kein Gluͤk zu ſpuͤren,

Wenn wir der Seelen Heil verliehren,

Wenn man die ganze Welt beſizt;

Weil alsdenn uns kein Gut mehr nuͤzt:

Wann unſers Geiſtes Wol verlohren,

So waͤr es beſſer nie gebohren:

Man haͤtte nie die Welt erblikt;

Denn wuͤrden wir zwar nicht begluͤkt:

Doch aber auch in ſchwarzen Gruͤnden,

Kein ewiges Verderben finden.

Der Seelen Kleinod, ihre Gaben,

Sind die wir zu bewahren haben;

Wer dies behaͤlt iſt ſchoͤn geziert,

Wer dieſes beſte Theil verliehrt;

Der muß in ewgen Finſterniſſen,

Die Straffe des Verluſtes buͤſſen.

Wer es bewahrt, bewahrt ſein Heil

Und ſeines Gluͤkkes ſchoͤnſtes Theil.

Der kann wenn Leib und Glieder ſterben,

Des Himmels Ehren-Krone erben.

Und dennoch ſind die Menſchen Kinder,

So elend und verdorbne Suͤnder:

Und geben ihre Seele hin,

Um einer ſchoͤden Luſtgewin.

Sie laſſen dieſes Kleinod fahren,

Jn ihrer eitlen Jugend Jahren,

Um eine Wolluſt dieſer Welt,

Die ihrem ſchnoͤden Sinn gefaͤllt,
Sie
[221]das koſtbarſte Kleinod der Menſchen.

Sie ſind bereit um Lekkerbiſſen

Der Welt, der Seelen Gut zu miſſen.

Ein andrer der nach Schatten rennet,

Die Ehre ſeinen Abgott nennet;

Sieht ſeine Seel geringe an,

Wenn er davor nur tauſchen kan,

Die Einbildung daß man erhoͤhet,

Wenn man auf Ehrenſtuffen ſtehet.

Der dritte der den Goldklump liebt,

Darum er Leib und Leben giebt,

Jſt willig einen blanken Hauffen,

Vor ſeine Seele einzukauffen.

So blindlings handeln leider viele,

Die wie in einem Kinderſpiele,

Der Seelen Werth gering geacht,

Und dadurch ſich ums Wol gebracht:

Ach! moͤgten wir doch ſtets erwegen,

Wie viel an unſrer Seel gelegen;

So wuͤrden wir uns recht bemuͤhn,

Der Suͤnder Reizung zu entfliehn!

Die uns wenn es der Hoͤll gelinget,

Auf ewig um die Seele bringet.


An-
[222]

Anrede
an diejenigen die ſich mit bangen Nah-
rungsſorgen quaͤlen.


[figure]
Zweifler! die ihr alle Morgen
durch die Sorgen

Eure Tage truͤbe macht;

Obgleich GOttes Gnadenſonne
Euch mit Wonne

Durch das Himmels-Licht anlacht.

Gehet in die gruͤnen Felder,
in die Waͤlder

Jn die Gaͤrten, in die Aun,

Da koͤnt ihr die bangen Grillen
in euch ſtillen,

Und an Frucht und Baͤumen ſchaun,

Daß ein ewig weiſes Walten
zu erhalten

Menſch und Viehe ſey bemuͤht:

Denn ihr ſeht, aus Feld und Baͤumen
Seegen keimen

Der zu unſrer Nahrung bluͤht.

Hoͤrt der Voͤgel zwitſchernd Klingen,
Sie beſingen

Jhren Schoͤpfer der ſie naͤhrt;

Sie ſind froh auf ihrer Reiſe
Da GOtt Speiſe

Auf
[223]die ſich mit bangen Nahrungsſorgen quaͤlen.
Auf dem Feld im Flug beſchert,

Jhr als Menſchen! wolt den Schlummer
durch den Kummer

Jn der ſtillen Nacht zerſtoͤhrn:

Und an frohen Sonnen-Tagen
Euch noch plagen

Wer euch wird mit Brodt ernaͤhrn?

Nur getroſt! der Hoͤchſte wachet
Und er machet,

Daß man Brodts die Fuͤlle hat:

Wenn uns bittre Armuth quaͤlet,
alles fehlet,

Weis er dennoch Huͤlf und Rath.

Er giebt Speiſe allem Viehe
ohne Muͤhe

Solt ers nicht dem Menſchen thun?

Er als ein getreuer Vater
und Berather.

Wird doch nimmer eher ruhn;

Als bis er nach Vater-Weiſe
Brodt und Speiſe

Und als ſeinen Kindern giebt:

Wer dies glaͤubt mit feſten Sinne,
Wird ſtets inne,

Daß ihm GOtt der Hoͤchſte liebt.

Laſt des Kummers Dunſt verfliegen,
Jm Vergnuͤgen

Findet man ſtets Ueberflus:

Aber wenn man unzufrieden
iſt hienieden

Steter Hunger beim Genus.

GOtt der liebt ein frohes Herze
das vom Schmerze

Eit-
[224]Anrede
Eitler Sorgen ſich befreit;

Wer ihn ſucht mit truͤben Mienen
recht zu dienen

Kennt nicht ſeine Herrlichkeit.

Darum faſſet ins Gemuͤte,
ſeine Guͤte

Fleht dieſelbe bruͤnſtig an;

Treibet fleißig eur Gewerbe
als das Erbe,

Dadurch er euch naͤhren kan.


Gedan-
[225]

Gedanken
uͤber eines frommen Predigers J.C.H.
Beitrag zum irdiſchen Vergnuͤgen.


[figure]
Ein Herz das ſeinen Schoͤpfer liebt,

Das ſich in reiner Andacht uͤbt,

Das kan auf Bergen in den Gruͤn-
den,

Jn Gaͤrten, Auen, Wald und Feld,

Jn allen Dingen dieſer Welt,

Ein Feur zum Andachtsopfer finden.

Jch ſeh dein Buch O! werther Mann!

Davon als den Beweisthum an;

Jch wuͤnſche daß deſſelben Lehren,

Des Leſers Herze dahin ziehn,

Sich ſo wie du ſtets zu bemuͤhn,

Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu ehren.


Zweyter Theil.Anre-
[226]
Anreden an GOtt uns ſeine Ei-
genſchaften auf dem Feldern ſe-
hen zu laſſen.

I.Die Guͤte.
[figure]
Unſrer Felder reiffe Bluͤte,

Zeuget GOtt von deiner Guͤte,

Womit du die Menſchen naͤhrſt:

Ach! laß uns bey dieſem Seegen,

Den du giebeſt wol erwegen,

Wie du uns auch dadurch lehrſt,

Uns zum Guten zu erwekken,

Da wir deine Guͤte ſchmekken.

II.Die Allmacht.
GOtt du kanſt uns in den Aehren,

Die wir eingeſammlet lehren,

Deine groſſe Wundermacht;

Gib daß wir ſtets mit Bedacht

An den Fruͤchten die wir eſſen

Andachtsvoll die Groͤß ermeſſen,

Die mit Seegen unſer Feld,

Und dadurch auch uns erhaͤlt.

III. Weis-
[227]Anreden an GOtt.
III.Weisheit.
Weiſer GOtt! wie wunderbar,

Giebeſt du uns alle Jahr,

Unſre Nahrung aus der Erden,

Da, wenn wir den Saamen ſtreun,

Unter himmliſchen Gedein,

Unſre Felder fruchtbar werden;

Laß uns deine Weisheit ſehn,

An den Fruͤchten die entſtehn,

Damit wir an deinen Gaben,

Moͤgen Leib und Seele laben.

IIII.Gerechtigkeit.
Gerechter GOtt! mit deiner Ruthe,

Staͤupeſt du das Akkerfeld,

Damit die verfluchte Welt,

Jhrer Suͤnden wegen blute:

Laß uns HErr! doch nicht erfahren,

Deine Strafgerechtigkeit,

Wie in den vergangnen Jahren,

Sondern gib uns Gnadenzeit.

V.Warhaftigkeit.
Wunder GOtt! du haſt verſprochen,

Jaͤhrlich eine Erndte-Zeit;

Das haſt du noch nie gebrochen,

Laß uns die Warhaftigkeit,
P 2Dei-
[228]Anreden an GOtt.

Deines Worts an deinen Werken,

Auf dem Felde wol bemerken:

Damit uns dies alle Jahr,

Mache deine Warheit klar.

VI.Vorſehung.
Schoͤpfer! deine Vorſehung,

Kan man mit Bewunderung,

An den wunderbaren Werken,

Deiner Schoͤpfung ſtets bemerken:

Zeig uns auch auf unſrer Flur,

Jhre Andachtsvolle Spur,

Da dein Gnaden-volles Walten,

Uns darauf die Frucht erhalten.


Seuf-
[229]
Seufzer
nach einer geloͤſchten Feuersbrunſt an
einem Orte, der haͤuffig mit Feur
beſtraffet.

[figure]
Gerechter GOtt! die Feuer-Stimme,

Hat uns gezeigt mit ihren Grimme,

Wie ſchreklich ſey dein ſtrenger Zorn:

Doch deine Gnade hat den Born,

Zur Stillung wiederum geſchaffen,

Uns nicht mit Untergang zu ſtraffen.

Dein Feur das wuͤtend um ſich brennet,

Von einem Haus zum andern rennet,

Friſt alles, was ſein Brand beruͤhrt:

Dies haben wir auch oft verſpuͤrt;

Und da wir uns doch nicht gebeſſert;

So haſt du es mit Recht vergroͤſſert.

Du ſtaͤupeſt die mit deiner Ruthen,

Die noch von alten Wunden bluten;

Wo es noch raucht, entſteht dein Brand

Ach! zieh zuruͤk die ſchwere Hand!

Du hoͤreſt Vater unſer Weinen,

Und laͤſt ſtat Feuer, Gnade ſcheinen.

Wir danken Dir daß du die Flammen,

So gnaͤdig wieder druͤkſt zuſammen,
P 3Und
[230]Seufzer nach einer geloͤſchten Feuersbrunſt.

Und ihre Funken noch gewehrt,

Daß ſie uns nicht gar aus verheert;

Daß du die in der Truͤbſal ſchwizzen,

Noch laͤſt in ihren Haͤuſern ſizzen.

Wir wollen nunmehr Andachtskohlen,

Von den verbrannten Staͤdten hohlen

Auf unſers Herzens Brandaltar:

Beſchuͤz uns ferner vor Gefahr;

Gib daß wir ſtets hier auf der Erden,

Dadurch gelaͤutert, froͤmmer werden.


Gedan-
[231]

Gedanken
uͤber einen alten Mann der vom Wa-
gen todt gefallen.


[figure]
Hier liegt ein alter Greis, der ploͤzlich
zwar geſtorben,

Doch wie ein Simeon das Himmelreich
erworben:

Ein Fall vom Wagen hat ſein Lebens-
band zerſtuͤkt;

Doch ward die Seel dadurch zu JEſu hingeruͤkt:

Die Engel haben ihn, wie auf Eliaͤ Wagen,

Und den entbundnen Geiſt in Abrams Schoos ge-
tragen:

Jhr Menſchen lernt daran in GOttes Wegen
gehn;

So wird eur Todesfall ein ſeelig Auferſtehn.


Bey
[232]

Bey dem Grabe eines ehrlichen
und Recht liebenden Mannes.


[figure]
Hier ruht Nathanael in einer Friedens-
kammer,

Er ſchied zwar fruͤh hinweg; doch
wurd er frei von Jammer;

Sein Herze ſuchte ſtets, was recht und billig war,

Und dadurch kuͤrzte er ſich ſeine Lebens-Jahr.

Er lebte in der Welt in Kedars boͤſen Huͤtten,

Da er bis in den Tod vor billig Recht geſtritten.

Nun iſt er in der Ruh und laͤſt uns dies zur Lehr:

Wers Boͤſe aͤndern will, der ſterbe nur viel-
mehr.


Grab-
[233]

Grabſchrift
einer Mutter, die an dem Begraͤb-
nistage ihres einzigen Sohns er-
kranket und geſtorben.


[figure]
Ruh wol du Seelige! du wirſt geſaͤt
in Thraͤnen,

Den Tod befoͤrdert dir, dein Kum-
mer-volles Sehnen:

Da naſſe Kuͤmmernis das matte Herze frißt,

Und dir des Sohnes Tod ein Weg zum Grabe iſt.

Doch CHriſti Kuͤmmernis, ſein trauriges Gebaͤr-
den,

Das heiligt deine Noth und der Natur Beſchwer-
den:

Auf deine Thraͤnen Saat, folgt nun die Erndte-
freud

Die deine Seel genieſt in jener Ewigkeit.

Dein Leib iſt in dies Grab verweslich ausgeſaͤet

Daraus er dreinſt verklaͤrt durch CHriſtum aufer-
ſtehet.


Auf
[234]

Auf das Grab einer Perſohn die
in Kindesnoͤthen geſtorben.


[figure]
Sieh! Wandrer! ſchaue hier der Rahel
Grabmahl an,

Die in der Erde liegt, der Mutter
Schoos begraben:

Die ſelbſt ein Todten Grab des Kindes heiſſen kan;

Weil ſie den Tod hier muß, an deſſen Tode haben.

Sie ſtarb nach GOttes Rath der unerforſchlich
bleibt,

Damit ſie ewiglich bey ihm dort koͤnte leben;

GOtt lies ſie in der Angſt; darin ſie iſt entleibt:

Damit er ihr darauf koͤnnt immer Freude geben,

Er hat ihr alle Luſt bey ihrer Laſt verſagt:

Damit er ſolche bald mit Himmels-Luſt verpflege:

Wie wunderlich ſcheint GOtt! doch wer die Seel-
ge fragt

Der hoͤrt: zwar wunderbar doch gut ſind GOttes
Wege.

Nun Wandrer gehe hin bemerke dieſes Grab

Daß ein erſtorbnes Kind der eignen Mutter gab

Hier liegt ein todtes Kind in Mutterleib begraben,

Die beide ihre Ruh in Mutter Schooſſe (*) haben.


Auf
[235]

Auf eine verſtorbne fromme
Jungfer.

uͤber
Offenbahr. Joh. XIX. 7. 8. 9.


[figure]
So freu dich Himmels-Braut, in
deiner weiſſen Seide,

Womit dein JEſus dich der
Seelen nach geziert;

Geneus nach deiner Laſt, die
ſuͤſſe Himmels-Weide,

Da dich dein Braͤutigam durch
Truͤbſal hingefuͤhrt.

Du haſt hier auf der Welt im Trauerkleid geweinet,

Und eine lange Zeit in Kuͤmmernis gequaͤlt:

Der Regen iſt vorbei, da deine Sonne ſcheinet

Da dich der Heiland hat zum Eigenthum erwaͤhlt.

Der Keuſchheit Ehrenkranz, der Tugend reine Mir-
ten,

War deine ſchoͤnſte Tracht, worin du hier geglaͤnzt:

Nun wird dein Braͤutigam, darum die Palmen
guͤrten,

Womit er die durch ihm geſieget, dort bekraͤnzt.

Du wohneſt in der Schaar die jenem Lamme ſingen,

Womit du dich allhier in ewger Treu vermaͤhlt:

Wol dem der Fleiſch und Blut, wie du, wird recht
bezwingen,

Der wird von Chriſto auch zur Himmels-Braut er-
waͤhlt.


Lob
[236]
Lob GOttes
Aus dem Buche der Natur
in einer freien poetiſchen Ueberſezung des
hundert und vierten Pſalms.

1. v.
[figure]
Auf Seele lobe GOtt! den HErrn der
Herrligkeit;

Denn Du o! groſſer GOtt! biſt
herrlich weit und breit:

Du glaͤnzeſt in den Schmuck der
Vollenkommenheiten

Die ſich in aller Welt, zu deinem Ruhm ausbreiten.

2.
Ein undurchdringlich Licht, iſt als wie ein Ge-
wand

Vor Dich Unendlicher! als eine Dek geſpannt;

Du dehnſt den Himmel aus, und ſeine blaue Bo-
gen,

Die wie ein Teppich ſind mit bunten Schein bezogen.

3.
Der Wolken Waſſerſchlauch ſtellt in dem Lufft-
revier

Ein flieſſend Wunder-Meer mit ſeinen Duͤnſten
fuͤr;
Du
[237]aus dem Buche der Natur.

Du brauchſt der Wolken-Dunſt, zu Deiner Gott-
heit Wagen,

Und wirſt gleichſam von Wind als Fittgen fort-
getragen.

4.
Du machſt das Geiſter-Heer, daß dir zu Dien-
ſte ſteht,

Daß ſie dem Winde gleich, der ſchnel von dannen
geht:

Du machſt die Engelſchaar, die Dir ſtets freudig
dienen,

Zu einem ſtarken Chor entflammter Seraphinen.

5.
Du biſt ein groſſer HErr, der dieſe Unterwelt,

Den ſchweren Ball der Erd, auf feſten Grund ge-
ſtellt:

Ob er gleich ſchwebend liegt; ſo kan er doch nicht
ſinken,

Bis ihn zum Untergang Dein Allmachts-Wort
wird winken.

6.
Der Erdball iſt von Dir mit Tieffen uͤber-
dekt,

Er ſchwimmt gleichſam im Meer, darin er ausge-
ſtrekt,

Der Fluthen Ungeſtuͤm, die Wirbel-vollen Wogen,

Die rauſchen in die Hoͤh, wenn ſie Berg an geflogen.

7.
Jedoch! ſo bald Du draͤuſt; ſo ſinkt die rege
Fluth,
Die
[238]Lob GOttes

Die ſchwellend ſich gethuͤrmt, auf ſteilen Bergen
ruht.

Dein Donner ſchlaͤgt darein, das iſt Dein ſtrenger
Wille

So faͤllt es in den Grund, und ſteht im Uffer ſtille.

8.
Der Berge ſteile Hoͤh ſtrekt ſich ſehr hoch hervor

Der Gipfel ſchroffe Spitz ſteigt in die Lufft empor:

Du machſt ſie unten breit die ſchwere Laſt zu tragen,

Und auch zu wiederſtehn, wenn dran die Stroͤme
ſchlagen.

9.
Du haſt der Uffer Rand dem Meer zum Damm
geſetzt,

Damit die Erde nicht durch ihre Fluth verletzt;

Da ſonſt das naſſe Reich der aufgeſchaͤumten Wel-
len

Den troknen Erden-Ball wuͤrd immer uͤberſchwellen.

10.
Du laͤſt durch Dein Befehl in Thaͤlern Brun-
nen quelln,

Woraus in Gruͤnden denn die ſanften Baͤchen
ſchwelln,

Die wie ein Silber rolln, durch gruͤne Auen flieſſen,

Und im geſchlungnen Flus ſich in die Seen gieſſen.

11.
Damit traͤnkſt Du das Thier das auf den Feld
ſich naͤhrt,

Das ſonſt bei ſatter Koſt der heiſſe Durſt be-
ſchwert.
Da-
[239]aus dem Buche der Natur.

Damit erquikkeſt Du, das Wild, die Hirſch und
Rehen,

Die lechzend ausgedorrt, nach friſchen Quellen gehen.

12.
Der Voͤgel zwitſchernd Heer, das auf den Zwei-
gen ſitzt,

Und ſich mit Laub bedeckt, indem die Sonne blizt,

Das ſingt mit Munterkeit, an denen kalten Baͤchen,

Die in ihr ſuͤß Geſchrei, mit ſtillen Murmeln ſpre-
chen.

13.
Du laͤſſeſt in der Nacht der Berge Gipfel thaun,

Und traͤnkſt mit Perlen-Safft die Felder, Gaͤrten,
Aun,

Die Deiner Allmacht Krafft mit Fruͤchten ange-
fuͤllet,

Womit der Menſch, das Vieh des Hungers Plage
ſtillet.

14.
Das Gras das keimt hervor mit ſeiner gruͤnen
Zier,

Das legeſt Du dem Vieh zu ſeiner Nahrung fuͤr;

Durch Deine Seegenskrafft muß jede Art der
Saaten,

Das Du zum Brodt beſtimmt zur Menſchen Nutz
gerathen.

15.
O! uͤberſchwengliche, allmaͤchtge Guͤtigkeit!

Die uns mit Rebenſafft, mit Wein das Herz er-
freut!
Die
[240]Lob GOttes

Die Oel zum Labſal giebt, und Brodt zur Leibes-
ſtaͤrke:

O! GOtt! wie gros ſind doch! der Guͤte Wunder-
werke.

16.
Du fuͤllſt die Baͤume an mit einem friſchen Saft,

Du giebeſt ihnen ſtets zu ihrem Wachsthum Krafft;

Man ſieht durch Deine Macht der Cedern ſchlanke
Hoͤhen,

Am hohen Libanon bis an die Wolken gehen.

17.
Die Voͤgel niſten da in ſtiller Sicherheit,

Wenn ſie im Cederzweig ihr Wohnhaus ausge-
ſtreut;

Die Reiger wohnen da, auf hohen Tannen Gip-
feln,

Und ſuchen ihren Schutz auf den belaubten Wipfeln.

18.
Die Gemſen naͤhren ſich auf ihrer Berge Spitz

Die Steinklufft iſt bequem zu einem Wohnungs-
ſitz

Fuͤr die Caninichen, die in den hohlen Gruͤnden,

Jn der geſpaltnen Klufft die ſichre Zuflucht finden.

19.
Durch dich ſcheint uns der Mond, darnach das
Jahr beſtimmt;

Der Sonnen feurig Meer das an der Veſte ſchwimmt,

Muß ſich in ſeinem Lauf ſtets wunderbarlich drehen,

Und unſerm Horizont des Abends untergehen.

20.
[241]aus dem Buche der Natur.
20.
Alsdenn verdekkeſt du uns mit den Flor der Nacht,

Der uns zur Ruhe weiſt, das Wild erſt munter
macht,

Das aus den Loͤchern geht, und durch die Waͤlder
rennet,

Wenn es recht kuͤhle iſt, die Nacht die Hitze tren-
net.

21.
Der Loͤwe der mit Recht der Thiere Koͤnig
heiſt,

Der was ſein Klaue faßt in feurgen Grimm zer-
reiſt,

Kreucht aus der Hoͤhl hervor, da er nach Raube
bruͤllet,

Bis ihn der Schoͤpfer hat den giergen Hals ge-
fuͤllet.

22.
So bald am Firmament der Sonnen guͤldnes
Licht,

Jm fruͤhen Morgenroth, in hellen Tag ausbricht;

So fliehn die Loͤwen fort; und kriechen in die Hoͤh-
len,

Die ſie zum Auffenthalt des lichten Tages waͤh-
len.

23.
Das Sonnenlicht erwekt die Menſchen aus der
Ruh

Dann gehen ſie vergnuͤgt auf ihre Arbeit zu:

Da muß von Morgen an, bis in die Nacht ſtets
pfluͤgen,
Zweiter Theil. QDer
[242]Lob GOttes

Der Landman der ſich will an fetter Frucht ver-
gnuͤgen.

24.
O! HErr! wie gros und viel, hat Deine
weiſe Macht

Jm Umkreis dieſer Erd, zum Nutz herfuͤr gebracht,

Die Deiner Guͤter voll, die weislich allzuſammen,

Jn ihrer Ordnung ſind, wie ſie von Dir herſtam-
men.

25.
Das weite Waſſerreich der Meere tieffer
Schlund,

Macht uns ein ſchuppigt Heer von vielen Fiſchen
kund,

Die wimmeln in der See, die gehn in kleinen Fluͤſ-
ſen,

Sind gros und kleiner Art, die wir zum Theil ge-
nieſſen.

26.
Da auf dem breiten Meer, auf ihrer glatten
Bahn,

Sieht man den ſchnellen Lauf der vielen Schiffe
an;

Da ſieht man wie in Scherz die Wallfiſch in den
Wellen,

Zu Deiner Allmacht Preis, bald auf bald nieder
ſchwellen.

27.
Und alles was da lebt ſieht HErr! auf deine
Hand,
Weil
[243]aus dem Buche der Natur.

Weil deine milde Guͤt der Kreatur bekandt;

Ein jedes will von dir des Lebens Nahrung haben,

Und ſich zur rechten Zeit mit ſeiner Speiſe laben.

28.
Wenn du die Hand aufthuſt, die vielen Vorrath
hat,

So werden ſie geſpeißt von deiner Guͤte ſatt;

So haben ſie genug bei freudigen Genuſſe,

Und leben ganz getroſt in ſteten Ueberfluſſe.

29.
Verbirgſt Du deiner Guͤt liebaͤugelnd Ange-
ſicht,

So iſt das Schrekken da, das jedes Herz zer-
bricht;

Zeuchſt du den Odem weg, ſo muß was lebt, erſter-
ben,

Verfaulen in den Staub, und wie im Schut ver-
derben.

30.
Und wenn Dein Odem haucht; ſo ſchaffet Dei-
ne Macht,

Die alles was da iſt, aus nichts herfuͤrgebracht;

Du machſt daß die Geſtalt der Erde ſich verjuͤn-
get,

Die gleich auf Dein Geheis verneurte Fruͤchte brin-
get.

31.
Des Hoͤchſten Ehre iſt unendlich, keine Zeit

Schlieſt ſie in Zirkeln ein, ſie bleibt in Ewigkeit
Q 2Der
[244]Lob GOttes aus dem Buche der Natur.

Der HErr vergnuͤget ſich, wie wir mit Luſt be-
merkken,

An jeder Kreatur, an ſeiner Haͤnde Werkken.

32.
Schaut er die Erde an, ſo bebt ſie uͤberall

Sie zittert vor dem Blik, doch ohne Sturz und Fall:

Und wenn ſein ſtrenger Bliz die ſteilen Berge ruͤhret;

So wird daran ein Rauch voll Majeſtaͤt geſpuͤret.

33.
So lang ich hier noch bin, erheb ich Lebenslang,

Den HErrn der Herrligkeit mit meiner Liederklang

Jch will den hoͤchſten GOtt durch meiner Dicht-
kunſt Proben,

Von nun an immerfort, mit Harf und Cymbeln loben.

34.
O! ſaͤh ich das mein Lied, mein mattes Sai-
tenſpiel

Den Koͤnig aller Welt mit ſeinem Klang gefiel:

Jch freue mich des HErrn; es muͤſſe ihn mein Lallen,

Das aus den Herzen ſtammt, zu ſeinem Ruhm ge-
fallen.

35.
Der Suͤnder groſſe Zahl vergehe mehr und mehr,

Und der gottloſen Hauff, die Schaͤnder ſeiner Ehr.

Lob meine Seel den HErrn, und laß bei deinem Sin-
gen

Zu ſeiner Gottheit Ruhm ſtets Halleluja klingen.


Die
[245]

Die
GOtt gefaͤllige Augenluſt


[figure]
Die Augenluſt hat GOtt den Suͤnden zu-
geſellt,

Wodurch der arme Menſch den Schoͤp-
fer misgefaͤllt:

Johannes (*) ſchreibet klar, man muͤſſe ſie ent-
fliehen,

Wenn man ſein Herz der Welt will, wie man muß
entziehen.

Und wuͤrklich iſt es wahr: der Augen heller Blik,

Bringt manche boͤſe Luſt in unſer Herz zuruͤk:

Sie ſind den Fenſtern gleich, die taͤglich offen ſte-
hen,

Wodurch die Duͤnſtungen verdorbner Luͤfte wehen.

Die Augen ſind ein Glas und laſſen jeden Schein,

Der ſie mit Luſt anſtrahlt zur Herzens Kammer ein;

Es kan durch dieſes Paar durchſichtiger Criſtallen,

Ein Funke der gleich brennt in unſre Seelen fallen,

Worin der Zunder ſtekt von einer boͤſen Luſt,

Wie jedem der ſein Herz recht kennt von ſelbſt bewuſt;

Ein Zunder der leicht faͤngt, und ehe man es meinet,

Jn ſeiner vollen Glut und feurgen Brunſt erſcheinet.

Wer dieſe Sinnen Thuͤr, nicht wol verwahrt, be-
ſchuͤzt:

Der wird dadurch gar leicht zur boͤſen Luſt verhizt:

Jſt erſt die Flamme da; ſo ſind nicht leicht zu zwin-
gen,

Q 3Als
[246]Die GOtt gefaͤllige Augenluſt.
Die Wallungen die dann uns zu der Suͤnde brin-
gen.

Als Eva erſt die Frucht, die ihr verboten war,

Mit luͤſtern Blikken fah; da kam ſie in Gefahr;

Da ward ſie bald darauf, von der Begier bemei-
ſtert,

Die des Verſtandes Aug mit blauen Dunſt beklei-
ſtert.

Sie nahm in Luͤſternheit, die ihr verbotne Frucht,

Die lieblich anzuſehn; ſo wie die Schlang geſucht,

Die durch das Aug in ihr die boͤſe Luſt erreget,

Da war der Fall geſchehn. Wenn man dies nur
erweget;

So ſieht man wie gar leicht das Auge uns ver-
fuͤhrt,

Wenn ein bezaubernd Bild die hohle Flaͤche ruͤhrt.

Wie manche Dina wird ins Wolluſt Nez geſtrik-
ket,

Wenn ſie mit freien Sinn, nach Hemors Juͤngling
blikket(*)

Wie viele kommen nicht durch blendendes Me-
tal,

Das ſchnoͤden Geiz erregt, zum ſchweren Suͤnden-
fall;

Wenn wo ein Goldklump blizt; der Abgott dieſer
Erden,

Kan einer daran leicht ein ſchaͤndlich Raͤuber wer-
den,

Den die Begier betaͤubt, daß er es ſehnlich greift,

Und ſich dadurch ein Strik um ſeine Kehle ſchlaͤuft.

Auf mannigfaltge Art kan uns das Aug verfuͤhren,

Daß wir durch einem Blik der Freiheit Gut verlie-
ren.

Dies
[247]Die GOtt gefaͤllige Augenluſt.
Dies iſt die Augenluſt, die GOttes weiſer Rath,

Dem menſchlichen Geſchlecht als boͤß verboten hat;

Die ſeinem Aug ein Greul, weil dadurch unſre
Sinnen,

Der Seelen, dem Verſtand die Herrſchaft abge-
winnen.

Die ſchnoͤde Augenluſt iſt fuͤndlich, dadurch man,

Zu einer boͤſen That den Vorſaz faſſen kan;

Die unſer Herz erregt, und den Verſtand verblen-
det,

Des Willens rege Kraft zum boͤſen Ziele wendet:

Die unſer freien Geiſt mit ihrer Macht betaͤubt,

Und in das Sclaven Joch der Leidenſchaften treibt.

Die rechte Augenluſt, wird nicht von GOtt ver-
achtet,

Wenn man die Welt mit Luſt, wie ſichs gebuͤhrt
betrachtet.

Der Schoͤpfer hat das Paar der Augen uns ge-
ſchenkt,

Als Spiegel in das Haupt, der Seelen Siz ver-
ſchraͤnkt,

Dadurch der edle Geiſt, das Weltgebaͤud erblik-
ket,

Das ihm auf manche Art mit holder Luſt erquik-
ket.

Die Augenluſt gefaͤllt, dem Allerhoͤchſten wol,

Wenn wir, wie jeder Menſch nach ſeinen Pflich-
ten ſoll,

Jn jeder Kreatur, in denen tieffen Gruͤnden

Des blaugewoͤlbten Raums des Schoͤpfers Bildnis
finden.

Wer nach den Himmel ſieht, ſchaut die ſaphirne
Bahn,

Jn wunderbaren Glanz entflammter Lichter an,

Q 4Der
[248]Die GOtt gefaͤllige Augenluſt.
Der ſieht ein groſſes Heer von ſchimmernden La-
ternen,

Bey einer dunklen Nacht an denen guͤldnen Ster-
nen;

Der ſiehet hie und da, ein ſchoͤn gemahlt Ge-
wand,

Das GOttes weiſe Macht in Luft-Kreis ausge-
ſpannt.

Der Farben Mannigfalt von dem geſtrahlten Lich-
te,

Das durch die Wolken ſcheint, vergnuͤgt uns durch
Geſichte.

Das Herze wird erfreut, nach der verſchwundnen
Nacht,

Wenn uns das Morgenroth mit frohen Blik an-
lacht;

Es wird in ſich vergnuͤgt, wenn mit den heitren
Prangen,

Der groſſe Fuͤrſt des Lichts, am Tage aufgegan-
gen.

Wer dieſes Luftrevier, die ſtrahlenreiche Pracht,

Zur Weide des Gemuͤths, zu ſeinem Vorwurf
macht,

Und dabei ſich bemuͤht den Schoͤpfer zu erken-
nen,

Kan ſeine Augenluſt recht GOtt gefaͤllig nennen.

Der Erden weiter Raum, der groſſe Wunderbau,

Legt uns viel ſchoͤnes auch, zu unſrer Luſt zum
Schau:

Jm Reiche der Natur ſind unſers Schoͤpfers Ga-
ben,

Darum ſo ſchoͤn geſchmuͤkt; weil wirs vor Augen
haben.

Wohin wir unſer Aug im Kreis der Erden drehn,

Da
[249]Die GOtt gefaͤllige Augenluſt.
Da ſieht man uͤberall nichts, was nicht wunder-
ſchoͤn

Es iſt uns unverwehrt, bei Luſt und ſtillen Freu-
den,

An jeder Kreatur das Aug und Herz zu weiden.

Wer auf dem gruͤnen Feld die dichte Saat erblikt,

Die mit der Blumen Gold gleichſam iſt ausgeſtikt,

Der wird darob vergnuͤgt; und wer dabei erwe-
get,

Wie GOttes weiſe Macht uns darin vorgeleget,

Der dienet ſeinem GOtt, bey freudigen Gebrauch,

Mit ſeinen aͤuſren Sinn, mit ſeinen Augen auch.

Wer ſchoͤne Blumen liebt, die GOttes Finger
mahlet,

Davon der Farben Glanz in unſre Augen ſtrahlet,

Der kan bei dieſer Luſt, des Schoͤpfers Ruhm er-
hoͤhn,

Die Kinder der Natur, mit Andachts-Trieb be-
ſehn:

Wer dieſes fleißig thut, der ſieht an Kreaturen

Zu ſeiner Herzensluſt, der Vorſicht Wunderſpu-
ren.

Wer ſchoͤne Fruͤchte ſieht, und dabei uͤberdenkt,

Wie uns des Schoͤpfers Guͤt, dieſelbigen ge-
ſchenkt;

Und ſich dadurch erwekt zur wahren Gegenliebe,

Entzuͤndet durch das Aug die reinen Andachts-
Triebe.

Und dieſe Augenluſt, kan unſern GOtt allein,

Woraus ſein Ruhm entſpringt, an uns gefaͤllig
ſeyn:

Und alſo koͤnnen wir, bei allen andern Sachen,

Auf GOtt gefaͤllge Art, uns ein Vergnuͤgen ma-
machen.

Q 5Al-
[250]Die GOtt gefaͤllige Augenluſt.
Allein mein lieber Menſch! erwege thuſt du das,

Gebraucheſt du alſo der Augen Wunderglas?

Du ſiehſt was ſchoͤn iſt an, du labeſt deine Sin-
nen,

Dadurch der Schoͤpfer laͤſt Erquikkungsſtroͤme
rinnen,

Und weiter gehſt du nicht aus traͤgen Unbedacht:

Du denkeſt ſelten wol bei allen Schein und Pracht,

Die deine Augen ruͤhrt, woher das alles quillet,

Was dein begierig Aug mit ſchoͤnen Bildern fuͤllet.

Und dieſe Blindheit kan den Schoͤpfer nie gefalln:

Der aus der Kreatur laͤſt ſolche Schoͤnheit pralln:

Mit Augen des Gemuͤts die Herrlichkeit zu ſehen,

Die Strahlen ſeiner Pracht, die dir vor Augen
ſtehen.

Wer ſein Vergnuͤgen ſucht in Dingen dieſer Welt,

Und nicht dabei bedenkt, wer ſie uns dargeſtellt;

Der ſieht und ſieht auch nicht; der ſieht mit Schal-
kes-Augen,

Die nach der heilgen Schrift vor unſern GOtt
nichts taugen;

Der ſiehet als ein Vieh, das etwas ſtarr anblikt,

Die bloſſe Sinnlichkeit dadurch vergnuͤgt, ent-
zuͤkt.

Sieh! Menſche! als ein Menſch! und brauche dein
Geſichte,

Nebſt deines Geiſtes Aug, nebſt des Verſtandes
Lichte;

So kanſt du doppelt ſehn; beſieh die Kreatur,

Die dieſe Welt geſchmuͤkt, bemerk die Wunderſpur

Die GOtt von ſeiner Guͤt und Macht darin ge-
druͤkket:

So bringt die Luſt auch Nuz, die Aug und Herz
entzuͤkket.



[251]

Gedanken
bei dem Anblik eines mit Bohnen be-
ſaamten Akkers.


[figure]
Hier quillt des Seegens Fuͤllehorn

Der reichen Guͤte Wunderborn

Und duftet durch ein ſanftes Bla-
ſen,

Stets Balſam in die hohle Naſen.

Die Lunge wird vergnuͤgt ge-
druͤkt,

Das Auge wird vergnuͤgt erquikt;

Wenn ich der Bohnen weiſe Bluͤte,

Als holde Spiegel deiner Guͤte,

O! Schoͤpfer! auf dem Akker ſeh,

Da ich aus Luſt ſpatzieren geh.

Das Rokkenfeld prangt ſchon mit Aehren,

Die uns mit guͤldnen Zungen lehren,

Daß du es ſeiſt der uns ernaͤhrt;

Dein Seegen wird dadurch vermehrt

Daß du dem Vieh auch Futter giebeſt,

Und zeigſt wie du das alles liebeſt,

Was deine Wunderhand gemacht,

Als du die Welt herfuͤr gebracht.

Dies Bohnenfeld das jetzo bluͤhet,

Und Wachsthum aus der Erde ziehet

Jſt warlich die Betrachtung werth,

Die uns HErr! deine Weisheit lehrt.

Vierekkicht ſind des Stengels Roͤhren,

Die ihre Spizzen aufwerts kehren,

Die
[252]Gedanken bei dem Anblik
Die hie und da mit Laub beſezt;

Die Bluͤthen dran man ſich ergoͤzt,

Die ſind recht wunderbahr geleget,

Wenn man die Wikkelung erweget.

Des Stengels aufgeſchlungnes Haupt,

Das iſt mit gruͤner Zier belaubt,

Mit einer gruͤnen Kron bekraͤnzet,

Die lieblich in die Augen glaͤnzet.

Nnd wenn des Wachsthums Treibekraft.

Aus Bluͤten erſt die Schoten ſchaft;

So ſieht man HErr! dein weiſes Fuͤgen,

Durch die Betrachtung mit Vergnuͤgen.

Der Bohnen wollgeorndte Zahl,

Waͤchſt da in einen Futteral

Da jede in dem Fache ſtekket,

Recht wol verwahrt, recht ſanft bedekket.

Jch dachte warum iſt die Frucht,

Die nur das Vieh zur Nahrung ſucht:

So feſt bewahrt und eingeſchloſſen

Und in den Schooten ausgeſproſſen?

Es fiel mir in den Denken ein,

Daß dieſes muͤſſe noͤtig ſeyn.

Und daß des weiſen Schoͤpfers Sorgen,

Aus weiſen Grund ſie ſo verborgen.

Die Bohnenfrucht die keimet leicht,

Wenn man ſie nur in Waſſer weicht

Und wenn ſie nicht in Capſeln laͤgen;

So wuͤrde Naͤſſe, Thau und Regen

Gar haͤuffig in die Bohnen ziehu,

Und daraus friſche Keimen bluͤhn;

Die wenn ſie in der Faͤulung ſterben

Mit ſich die ganze Frucht verderben:

So aber da ſie wol verwahrt,

Sind ſie zur Winterskoſt verſpart,

Da-
[253]eines mit Bohnen beſaamten Akkers.
Dadurch das Maſtvieh zu erhalten.

O! Schoͤpfer alle die Anſtalten,

Die wir beſchaun in der Natur

Die geben uns ſo manche Spur,

Darin wir ſichtbahr ſehen koͤnnen,

Du ſeiſt ein weiſer GOtt zu nennen,

Laß mich dies nie mit Luſt anſehn,

Ohn deinen Nahmen zu erhoͤhn;

Und ſeh ich deine Wunderguͤte;

So gieb ein dankbares Gemuͤthe,

Das dich an einem jeden Ort

Wo es dieſelbe ſieht, ſo fort,

Mit wahrer Herzens Andacht preiſe,

Das dir die Menſchenpflicht beweiſe!


Die
[254]
Die ſchnell entſtandnen und
ſchnell vergangnen Waſſerblaſen.

[figure]
Jch ſaß an einen gruͤnen Rande

Des Baches, der mit gelben Sande

Auf ſeinen Boden angefuͤllt,

Das Waſſer das daruͤber quillt

Das ſprudelte auf Kieſelſteinen,

Da ſah ich Waſſer-Blaſen ſcheinen.

Die Blaſen hat ich kaum geſehen,

Wie ſie ſich in die Ruͤnde drehen,

Mit manchen Farben lieblich ſpieln,

Da ſie gleich von einander fieln,

Und im zerplatzen ſich verlohren,

Da ſie ein Waſſerfall gebohren.

Jch dachte ſo ſind auch die Blikke,

Von einem ſcheinenden Geluͤkke

Das oft im Lebenslauf entſteht

Und ploͤzlich wiederum vergeht.

Es lacht uns an, als wie verguͤldet,

Und iſt doch blos aus Schaum gebildet.


Die
[255]

Die
wunderbahre Vermehrung
des Getraides
als eine ſinnliche Vorſtellung der goͤttlichen
Unendlichkeit.


[figure]
Nicht ohn bewunderndes Vergnuͤgen wird
man in einem jeden Jahr,

Wie das Getraide ſich vermehret, auf
jedem Seegensfeld gewahr:

Ein Koͤrnchen das da ausgeſaͤt,
ſprießt wieder eine ganze Aehren,

Worin die Koͤrner zwanzigfach, ja hundertfach ſich
wol vermehren.

Es ſtekket in den Saamenkoͤrnern, ſo viel verborg-
ne Wunderkraft

Daß jedes kan mehr Aehren ſprieſſen, wie man
des Saamen Eigenſchaft,

Jn vielen Proben angeſehn; Auf eines Halmen
ſchlanken Stuͤzzen,

Sieht man bisweilen hie und da, ein Buͤſchel vie-
ler Aehren ſizzen,

Man ſieht dies an als ſeltne Proben der oͤfters ſpie-
lenden Natur,

Allein mit meines Geiſtes Augen, ſeh ich die Ehr-
furchts-volle Spur

Der
[256]Die wunderbahre Vermehrung des Getraides.
Der wunderbahren GOttheit an, die uns darin den
groſſen Seegen

Von ſeiner groſſen Schoͤpfers-Kraft hat wollen vor
die Augen legen.

Man zaͤhle dieſe Saamenkoͤrner, die aus dem einz-
gen Korn entſtehn:

Man ſtreu dieſelben in die Aekker; ſo wird man ſie
vermehret ſehn.

Man ſaͤe dieſe groſſe Zahl was wird man nicht in
zwanzig Jahren,

Fuͤr eine aufgehaͤufte Meng aus einem einzgen Korn
erſparen.

Und welch ein Hauffe wird erwachſen, wenn man
ſie wiederum ausſaͤt:

Und damit tauſend Jahr und druͤber in ſeinen Rech-
nungen fortgeht.

Da ſtuzt der ganz verſchlungne Sinn, bei einem
ungeheuren Hauffen

Von Koͤrnern die doch insgeſamt, aus einen Korn
hervor gelauffen.

Die Zahl ſteigt ins Unendliche, es faßt ſie keine
Zieffer mehr,

Man ſieht von vielen Millionen ein aufgehaͤuftes
Zahlenheer.

Das Auge des Verſtandes merkt, bey dem faſt
ſchwindelnden Gedanken,

Die GOttheit habe ihn gezeigt: Es ſey ein Weſen
ohne Schranken

Das kein Begrif kan uͤberſehen, und keine Den-
kungskraft erreicht,

Auch ſo wie ſie ſich in Geſchoͤpfen des Reiches der
Natur gezeigt;

O! unermeßlich All! O! GOtt! du biſt ein ewger
Geiſt zu nennen

Den
[257]Die wunderbahre Vermehrung des Getraides.
Den wir in Unvollkommenheit, nur blos allein be-
wundern koͤnnen.

Wir denken an des Abgrunds Tieffen, die unſern
Geiſt in dich verſchlingt,

Den die Unendlichkeit betaͤubet mit Ehrfurcht gleich
zuruͤkke bringt

Wir laſſen dieſen Ausſpruch hoͤrn: Wer wird ſich
noch wol traͤumen laſſen

Ein Weſen das unendlich iſt, in der Vernunft Be-
zirk zu faſſen.

Jhr Narren die ihr dieſes wollet, und euch zu ſei-
nen Tieffen wagt,

Bedenket eh ihrs euch erkuͤhnet, was weislich ein
Apoſtel (*)ſagt:

Berechnet mir zuerſt die Zahl der Koͤrner, die aus
einem ſprieſſen,

Nach einen angenomnen Saz, ſo wie ſie ſich ver-
mehren muͤſſen,

So lange als das Feld gebluͤhet; ſo lang die Frucht
des Akkers reift:

Jhr ſagt: Wer kan die Zahlen faſſen, ſie ſind zu
gros, zu ſehr gehaͤuft:

Wollan! wie waget ihr euch denn, aus Thorheit
die ſich ſelbſt vergeſſen,

Des Schoͤpfers unermeßne Groͤs, die doch unend-
lich auszumeſſen.


Zweyter Theil.
[258]

Daß die Wollthat GOttes, die
er uns bei der Erndte bewieſen, vie-
len eine unerkandte Wollthat ſey.


[figure]
Als ich zur Erndte-Zeit der Fel-
der reiffe Luſt,

Zur Weide des Gemuͤths, in
vorgen Jahr beſchaute,

Ergoͤzte ſich das Herz in der
bewegten Bruſt,

Als ich den Landman ſah, wie
er die Garben haute.

Der Halmen dichte Saat, die
voller Aehren hing,

Und von der Koͤrner Laſt ſich faſt zu Boden lenkte,

Schien wie ein wallend Meer, nach dem der Luft-
Hauch ging,

Der in gar ſanften Zug ſich durch die Aehren dreng-
te.

Der Siecheln blanker Strahl, worauf die Sonne
fiel,

Von ſtarker Schnitter Hand, bald ſo bald ſo re-
gieret,

Erwekte durch den Blik mir manches Sinnenſpiel:

Doch ward ich allemahl dadurch zu GOtt gefuͤh-
ret.

Die Andacht regte ſich, bei dieſem Seegensblik,

Die Felder ſchienen mir gleich aufgeſchlagnen Blaͤt-
tern

Jch
[259]Die unerkandte Wollthat GOttes.
Jch laß des Schoͤpfers Groͤs auf jedem Akkerſtuͤk;

Die Halmen dienten mir ſtat der geſchriebnen Let-
tern.

Jch fand hier uͤberall, im Leſen nur allein:

Der dieſes Feld gebaut, erfuͤllt mit Frucht und Saa-
men,

Daß muß ein groſſer HErr voll Guͤt, Macht, Weis-
heit ſeyn,

Ein groſſer Jehovah, ein GOtt von groſſen Nah-
men.

Mein Menſche denke nur, was thut ein Akkers-
mann:

Er ſaͤt den Saamen aus, verſcharrt ihn in die Er-
de,

Wer giebt die Treibekraft, die er nicht geben kan,

Daß Korn in ihren Schoos erſterbend fruchtbar
werde?

Betrachte dieſes nur: So gleich erblikkeſt du:

Es muß ein ſolcher ſeyn, von dem das her entſprin-
get:

Und giebeſt du mir dies, als eine Warheit zu;

So frage wer iſt es, der uns die Fruͤchte bringet?

Da zeigt der Schoͤpfer ſich an ſeiner Kreatur,

Mit ſeiner Herrlichkeit, die man bewundernd mer-
ket:

Man ſehe nur ins Feld des Reiches der Natur:

So wird man davon gleich auf manche Art beſtaͤr-
ket.

So wie der Schein bezeugt, der Sonnen guͤldne
Zier,

Wenn ihre Fenerkraft uns in die Augen ſtrahlet;

So ſtrahlt auch GOttes Groͤs durch jedes Feld
herfuͤr,

Das ſeine Herrlichkeit uns vor die Augen mahlet.

R 2Wie
[260]Die unerkandte Wollthat GOttes.
Wie wunderbar iſt es, wenn man ein Koͤrnchen
ſieht,

Daß durch den Nahrungsſaft ſich auseinander
ſchlieſſet,

Jn einem ſchlanken Halm durch ſeinen Boden zieht,

Und in der Aehren-Kopf zu vielen Koͤrnern ſprieſſet!

Muß man die weiſe Macht nicht daran ſichtbahr
ſehn,

Wenn man nur aufmerkſam dies alles uͤberdenket?

Muß man nicht Ehrfurchtsvoll und uͤberzeugt ge-
ſtehn,

Daß GOtt uns nur allein der Felder Frucht ge-
ſchenket?

Die ewge Guͤtigkeit, die das was lebt, ernaͤhrt,

Die uͤberſchuͤttet uns mit Seegensreichen Halmen,

Drum Menſchen danket dem, der euch dies hat be-
ſchert,

Mit Herzen und mit Mund, preißt ihn mit Lob und
Pſalmen.

Allein ſo ſichtbahrlich das Seegensreiche Feld

Den Brunnen alles Guts den Schoͤpfer abgedruͤk-
ket;

So deutlich er darauf ſein Daſeyn vorgeſtellt;

So wird er dennoch nicht wie ſichs gebuͤhrt, erblik-
ket.

Man ſieht gemeiniglich die Feldfrucht darum an,

Ob ihre Koͤrner ſchon in denen Aehren reiffen:

Und iſt dies erſt geſchehn; ſo geht der Akkersman

Die fette Halmenfrucht in Mandeln aufzuhaͤuffen.

Er denkt, daß komme her von ſeinem ſauren
Schweis

Den er beim Akkerbau, bei vieler Muͤh vergoſ-
ſen:

Die Halmen waͤren nur von ſeinem regen Fleis,

Und
[261]Die unerkandte Wollthat GOttes.
Und blos durch ſeine Saat, durch ſeine Hand ent-
ſproſſen.

Die Unempfindlichkeit, als der Gewohnheits Kind,

Zeigt ſich zur Erndte-Zeit wenn man das Feld be-
trachtet;

Da ſieht man offtermahls, wie unachtſam, wie blind,

Man ſelbſten in Geſchoͤpf den groſſen GOtt ver-
achtet.

Der Schnitter muntre Schaar, wird recht dadurch
ergoͤtzt,

Wenn ſie das guͤldne Feld mit ſchweren Aehren ſie-
het;

Sie ziehet freudig aus, die Sicheln ſind gewetzt,

Damit die ſchlanke Fauſt die Halmen nieder zie-
het.

Das ganze Feld erthoͤnt vom jauchzenden Geſchrei,

Das an der Berge Hoͤh vergnuͤglich wiederhallet:

Allein man hoͤre nur, was doch der Jnhalt ſey

Der Lieder, deren Thon bald hie, bald da er-
ſchallet:

So iſt es leider offt ein wilder Jubel-Klang,

Ein ſuͤndlich Buhlenlied, ein quakſendes Gewaͤſche;

Ein lallendes Gethoͤn, und ein verwirrt Geſang,

Nach Art der ſumpfigten in Koth verſteckten Froͤſche.

Man ſingt und Jubilirt aus einer eitlen Luſt,

Da das erhizte Blut von Sonnenglanz entzuͤndet;

Es fuͤhlet ihren Trieb die aufgewallte Bruſt;

Weil man zur Erndte-Zeit dan wieder Nahrung fin-
det.

Man lacht und ſcherzet nur nach Weltgeſinnter Art;

Weil man bekraͤnzet iſt, als wie am Hochzeits-
Tage:

Und weil der Landmann nichts an guter Nahrung
ſpart;

R 3So
[262]Die unerkandte Wollthat GOttes.
So wird die Luſtbarkeit, die Wuͤrze ſaurer Plage.

Jch ſchweige billig hier von andrer Ueppigkeit

Die auf den Feldern wird zur Erndte-Zeit begangen,

Und was die Wolluſt da vor Schlummer-Koͤrner
ſtraͤut,

Der eitlen Jugend Herz ins geile Nez zufangen.

Heiſt das nicht undankbahr; wenn GOtt uns Ga-
ben giebt

Der Suͤnd und Eitelkeit das Herze einzuweihen?

Wie ſchaͤndlich iſt es nicht, wenn ein Kind dem be-
truͤbt,

Der es nach Vaterguͤt mit Gaben will erfreuen?

Wer in dem Heiligthum vor GOttes Angeſicht,

Da ſtille Andacht wohnt, den frechen Laſtern froͤh-
net,

Der ſcheuet keinen GOtt und iſt ein Boͤſewicht

Weil er der Gottheit lacht; und ihr Geſez ver-
hoͤhnet:

Der Felder Heiligthum, der Tempel der Natur,

Lehrt GOttes Gegenwart, und die muß uns ver-
binden,

Des Schoͤpfers Herrligkeit, an ſeiner Kreatur

Mit Ehrfurcht anzuſehn, mit Andacht zu empfin-
den.

Der Halmen ſchlanke Meng, die ſtrekt ſich Him-
mel an,

Und zeigt uns Fingern gleich, daß der im Himmel
wohne,

Der uns erhalten will, und auch erhalten kan,

Jm Himmel wo er herſcht auf ſeinem lichten Throne.

Und dennoch finden wir, daß viele nur ihr Herz,

An eine reiche Erndt, als ihren Abgott hangen,

Und bei dem innren Gram und den geſuchten
Schmerz,

Des
[263]Die unerkandte Wollthat GOttes.
Des Geizes, mit dem Korn, als einen Goͤzen
pragen.

Heiſt das wol dankbar ſeyn, wenn man des Hoͤch-
ſten Guͤt

Zum boͤſen Zwekke kehrt, zur Eitelkeit anwendet,

Und ſein verdorbenes, unartiges Gemuͤt,

Das GOtt durch Gaben lokt, dem Satan doch
verpfaͤndet?

Die Erndte wenn ſie reich; macht viele gar zu ſatt,

Daß ſie dem Geber offt und ihre Pflicht vergeſſen;

Daß ſie nicht eingedenk, wer es gegeben hat,

Was ſie ganz unachtſam ohn Dankbegier auffreſ-
ſen.

Bewahre uns o! HErr! vor der Undankbarkeit,

Laß mich bei iedem Korn das uns ernaͤhrt, erwe-
gen;

Und wenn der Weizentrank das Herz labt und er-
freut,

Daß wir im Brodt und Trank genieſſen deinen
Seegen!

So ſeh und ſchmekke ich daß du ſehr freundlich biſt,

So eß und trinke ich, als einem Menſch gebuͤhret:

Wer aber ißt und trinkt, und dabei GOtt ver-
gißt,

Der lebet als ein Schwein, das keine Wolthat ſpuͤ-
ret.


Die
[264]

Die
Stimme GOttes im Donner.


(Pſ. XXIX. 3. 4.)
Der GOtt der Ehren donnert. Die
Stimme des HErrn gehet mit Macht;
die Stimme des HErrn geht herr-
lich.

[figure]
Der rege Kreis der ſchwuͤlen Luͤfte,

Wodurch die Sonne feurig gluͤht,

Verſchlingt in ſeinem Raum die
Duͤfte,

Die Licht und Strahl zur Hoͤhe
zieht,

Des groſſen Lichtes blitzend Flam-
men

Lokt aus der Erden Schoos zuſammen,

Den Schwefel-Dunſt der darin liegt:

Der durch die Waͤrme los gezogen,

Als leichter Stof zum blauen Bogen,

Zur duͤnn gewebten Hoͤhe fliegt.

Die Wolken die zuſammen rennen,

Beſchwaͤrzen ienen Oberkreis;

Der Schweffel faͤnget an zu brennen

Auf ſeines Schoͤpfers Machtgeheis.

Die fuͤrchterliche Welt die zittert,

Dieweil die Luft ſo drohend wittert,

Sie ſiehet auf der duͤſtren Bahn,

Des Hoͤchſten ſchnellen Wolken Wagen,
Noch
[265]Die Stimme GOttes im Donner.

Noch eh er raſſelt, ſchon mit Zagen,

Als eines Wetters Vortrab an.

Der HErr erſcheint in ſeinem Grimme,

Des ſchnellen Blizzes Feuerſtrahl

Entzuͤndet ſich, und GOttes Stimme

Erſchuͤttert Berge, Wald und Thal.

Auf eine fuͤrchterliche Stille,

Enthoͤnnt des Donners ſtark Gebruͤlle

Und rollet durch den ſchwarzen Dufft:

Der Bliz verkuͤndigt wieder Schlaͤge,

So bald iſt alles wieder rege,

Jn dem zerborſtnen Schlauch der Lufft.

Da Bliz auf blizzen Knall auf knallen,

Erbebt des Himmels Firmament,

Das durch des Feuers flieſſend Wallen,

Gleichſam in lichten Flammen brennt:

Es ſprudeln die entglomnen Guͤſſe,

Der Schweffel ſchwangren Wolken-Fluͤſſe

Und gehn entſezlich hin und her,

Es ziſcht und pfeift mit dem Geheule,

Es flattern die geſtrahlten Pfeile,

Noch aus dem feurgen Schweffel-Meer.

Die Lufft wird dadurch ausgedehnet,

Und ſchnell bewegt und fort gedruͤkt:

Der Donner raſſelt und erthoͤnet,

Davor die ganze Welt erſchrikt.

Der Berge ſtarre Fuͤſſe beben,

Als wolten ſie ſich weiter heben;

Der Meereswellen Wirbel-Fluht

Faͤngt bei des Himmels grauſen Stuͤrmen,
R 5Er-
[266]Die Stimme GOttes im Donner.

Erſchreklich an, ſich auf zu thuͤrmen,

Und ſchaͤumt bei des Gewitters Wuth.

Es wanken die beſaamten Felder,

Dadurch der Blizzen Schrekſtrahl faͤhrt,

Es krachen die belaubten Waͤlder;

Als wuͤrden ſie ganz umgekehrt,

Ein Strahl faͤhrt aus, durchſtreicht die Eichen,

Da liegt der Gipfel mit Geſtraͤuchen,

Und ſchlaͤgt bei einem tauben Knall

Den nahen Tannenbaum darnieder,

Und der faͤllt auf die Buͤche wieder,

Die das Geſtraͤuch zerbricht im Fall.

Der Espenbaum der immer zittert,

Wenn ſich ein leichter Wind erregt,

Der rauſchet da der Wald erſchuͤttert,

Sein Laub wird zwiefach ſchnell bewegt.

Die Blaͤtter an den Haſenpappeln,

Die fangen gleichſam an zu zappeln,

Wenn der gerollte Donner kracht,

Da Schlag auf Schlag ganz knatternd ſchallet,

Der in den Gipfeln wiederhallet,

Dadurch ſein Schrekken groͤſſer macht.

Die ſchwarze Lufft die voller Hitze

Blaͤßt aus den dunklen Pful ſtets aus

Dies ſchuͤtternd Strahlen-Heer der Blitze,

Das ſchnell als Schlagen foͤrmig, kraus,

Jn ſchlingender Bewegung brennet,

Und ploͤtzlich wieder ruͤckwerts rennet.

So gleich verſchlieſſet ſich der Schlund;

Doch da die heiſſen Dunkelheiten,
Noch
[267]Die Stimme GOttes im Donner.

Noch immer mit einander ſtreiten;

So ſpeit ihr Feuerreiche Mund.

Der Nachklang komt von den Carthaunen

Die graͤßlich in die Ohren gehn;

Das ſind der Hoͤchſten Macht Poſaunen

Und der Gerechtigkeit Gethoͤn:

Vor dieſen harten Donner-Knallen,

Sieht man hier Mauren zitternd fallen;

Da dort ein ſchlanker Thurm ſich regt:

Dort ſinkt ein Haus mit ſeinen Seulen

Das Bliz und Donner wie mit Keilen

Durch die Erſchuͤttrung niederſchlaͤgt.

Es ſprengen ſich die hellen Faͤcher

Der Fenſter, wenn der Donner thoͤnt;

Es plazzen hie die Ziegeldaͤcher,

Da Wind und Luft ſo ſchreklich droͤhnt.

Dort geht ein Strohdach auf in Flammen,

Die aus den Schweffelduͤnſten ſtammen,

Und leichtlich in Entzuͤndung gehn;

Da laͤſt der Guß der ſtrengen Blizze,

Sich um der hohen Thuͤrmer Spizze,

Mit graͤßlich blauen Strahlen ſehn.

Von der Gewalt der Elemente,

Zerſchellt der Fels, zerſchmelzt das Erz;

Die Menſchen glauben alles brennte,

Es bebt davor ihr feiges Herz.

Die Zungen kleben an dem Gaume,

Es ſchwindelt, wie in bangen Traume,

Der durch den Schall betaͤubter Wiz,

Es heben ſich die Augenlieder,
Sie
[268]Die Stimme GOttes im Donner.

Sie wanken, ſchlieſſen ſich gleich wieder,

Bei einem ausgefahrnen Bliz.

Die Bosheit die beſtaͤndig fluchet,

Mit Donner, Bliz und Hagel droht,

Wird aͤngſtlich from und kirr, ſie ſuchet,

Wie ſie entflieh den nahen Tod;

Das Felſen-Herz das muß erweichen,

Bei ſolchen harten Donnerſtreichen,

Das wie ein weiches Wachs zerrint.

Es ſtarren ob den ſtrengen Scheine,

Der Ohnmacht nah, der Frevler Beine,

Sie lernen daß ſie Suͤnder ſind.

Da faͤngt der Richter an zu pochen,

Der donnernd durchs Gewiſſen ſpricht;

Und zeigt was ihre Luſt verbrochen,

Die ſonſt der Ehrfurcht Riegel bricht.

Da muͤſſen ſie mit Schrekken hoͤren,

Es ſei ein GOtt der zu verehren,

Die Warheit die ſie ſonſt verlacht.

Da lernen ſie den anzubeten,

Der durch ſo ſchrekliche Trompeten,

Sich als ein Herrſcher kund gemacht.

Da hoͤrt man, wenn des Hoͤchſten Wagen,

Der Donner durch die Luͤfte faͤhrt,

Wie jeder ſeufzt mit bangen Klagen,

Und im Gebet zum Schoͤpfer kehrt.

Durch ſeines Grimmes Schrekkenskeile,

Entſteht ein jaͤmmerlich Gehaͤule

Da jeder um Erbarmung ruft;

Weil die erblaßten Angeſichter,
Beim
[269]Die Stimme GOttes im Donner.

Beim Schein der vielen Schwefellichter,

Eroͤfnet ſehn, der Hoͤllen Kluft.

Jhr Frevler! tolle Himmelsſtuͤrmer!

Wie ſeid ihr nunmehr ſo verzagt;

Wie ruft ihr nun zu dem Beſchirmer,

Darnach ihr ſonſt gar nichts gefragt?

Jhr hoͤrt die Schrekkens-Donner rollen,

Und glaͤubt, was ihr nicht glauben wollen,

Es ſei ein ſtarker Zebaoth

Jhr ſpuͤrt den Dampf aus ſeinen Naſen,

Da die Gewitter ſchreklich raſen:

Nun ſagt ihr: Ach! es iſt ein GOtt.

Es iſt ein GOtt, weil ſeine Stimme,

Erſtaunend ins Gehoͤre dringt;

Und bei des Blizzens ſchnellen Grimme,

Jn Feld, im Wald und Thaͤlern klingt.

Es iſt ein GOtt! er iſt zu merken,

An dem entflammten Feuerwerken

Die ihm zu Ehren angebrandt,

Er zeiget durch des Luftkreis Toben,

Daß ihm die Elemente loben,

Die Werke ſeiner Allmachts Hand.

Die ſchnelle Wirkung in Gewittern,

Lehrt uns, daß er allmaͤchtig ſey,

Auf deſſen Wink die Felſen ſplittern,

Die ſtaͤrkſten Mauren gehn entzwei.

So bald ſein Bliz ſich nur entzuͤndet,

Sich wie die Feuerſchlangen windet.

Zerſchmelzt des Eiſens Feſtigkeit,

Durchdringt der Baͤume harte Roͤhren:
Und
[270]Die Stimme GOttes im Donner.

Und laͤſt uns in den Donner hoͤren,
GOtt iſt ein GOtt der Herrlichkeit.

Es ſchlaͤgt die Flamme in die Haͤuſer

Und ihre Riegel ſtehn in Glut,

Und brennen wie die duͤrren Reiſer,

Jn ausgegoßner Feuer-Flut.

Des Schweffels ſtreng bewegte Duͤfte,

Entziehn der Naſen ihre Luͤfte;

So ſtarrt der Puls verſtokter Lauf,

Das Herze wird geſchwind umklemmet,

So gleich iſt deſſen Schlag gehemmet,

Da giebt der Menſch den Geiſt ſchon auf.

Jm Augenblik iſt ſein Gebeine

Zermalmet, die der Bliz verſengt,

Und bei den kaum entglomnen Scheine,

Wie Faͤſerchen zertheilt, zerſprengt;

Die Haͤute als die aͤuſren Dekken,

Worin die ſtarken Knochen ſtekken,

Sind unverlezzet anzuſehn.

So machet GOttes Zorn-Gerichte,

Jm Bliz und Donner ſie zunichte,

Wie vielmahl iſt das nicht geſchehn?

Was hoͤret ihr in dem Geruͤchte,

Das von des Blizzes Wuͤrkung ſchreit?

Was ſehet ihr? ein Schrekgeſichte

Der goͤttlichen Gerechtigkeit:

Der HErr giebt uns durch dieſes Brennen

Den ſtarken Eifer zu erkennen,

Damit er als ein Zebaoth,

Die Bosheit ſchrekt, die Spoͤtter lehret,
Den
[271]Die Stimme GOttes im Donner.

Den Frevler ſtraft, der ihn nicht hoͤret,

Wenn er in ſanfter Warnung droht.

O! ſagt es mir, ihr tollen Spoͤtter,

Warum ihr, wenn es kracht und knallt,

Bei dem ergrimmten Bliz und Wetter,

So furchtſam gleich zu Boden fallt;

Jhr wolt von keinen Schoͤpfer wiſſen,

Nach eures albern Wizzes Schluͤſſen,

Und dennoch, wenn der Donner bruͤllt,

Der Strahl durch dikke Wolken ſchieſſet,

Von Morgen bis zum Abend flieſſet,

Jſt euer Herz mit Angſt erfuͤllt.

Ein Nero (*) der GOtt nicht geſcheuet

Und ſein Gerichte ausgelacht:

Erzittert, wenn ſein Donner dreuet,

Und wird doch dadurch bang gemacht.

Er muſt aus Angſt den Kopf verhuͤllen,

Wenn er nur ſah die Wolken ſchwillen;

Und wenn die Wetters Stimme kam,

So muſt er ſich aus Furcht verſtekken,

Das Haupt mit dikken Polſtern dekken;

So wurde dieſer Wuͤttrich zahm.

So geht es allen frevlen Seelen,

Der Donner dringt in ſie hinein,

Und lernet ſie mit bangen Quaͤlen,

Es muß ein GOtt und Richter ſeyn.

Ein HErr, ein Koͤnig aller Welten,

Vor deſſen Zorn und grimmgen Schelten,
Die
[272]Die Stimme GOttes im Donner.

Die Koͤnige der Erden fliehn,

Vor deſſen Arm vor deſſen Plagen,

Die groͤſte Macht die Heeres Wagen,

So gleich von ihren Kampfplaz ziehn.

Der Donner lehrt daß Himmel, Erde,

Dem ewgen Schoͤpfer unterthan,

Und daß ſich keiner finden werde,

Der ſich ihm wiederſezzen kan.

Er kan ſo bald bei ſeinen Wittern,

Der Fuͤrſten ſtarke Burg erſchuͤttern,

Als er der Niedren Zelt zerſchmeiſt;

Er kan ſo leicht durch flammend Brennen,

Pallaͤſte von einander trennen,

Als er ein leimern Haus zerreiſt.

Er kan ſo bald ein Heer zerſchellen,

Als einen der alleine geht,

Er kan ſo bald den Starken faͤllen,

Als der auf ſchwachen Fuͤſſen ſteht.

Es muͤſſen Cedern vor ihm weichen,

Und die bemoosten ſtarken Eichen,

Zerſplittert er durch einem Hauch;

Der Loͤw erſtikt vor ſeinen Flammen,

Ja! alle Kreatur zuſammen,

Zergeht in ſeinem Schweffelrauch.

GOtt iſt es der die Luft regieret,

Und ſeinen Donner rollend lenkt,

Dahin in ſeinem Fluge fuͤhret,

Wohin ſein Allmachts Wink gedenkt.

Er muß auf ſeinen Wink entſtehen,

Fort rollen, wiederum vergehen:
So
[273]Die Stimme GOttes im Donner.

So bald ſein Wille es gebeut,

Wie? koͤnnen wir nicht daraus lehren,

Wenn wir die Donnersſtimme hoͤren:

Daß GOtt ein HErr der Herrlichkeit?

Von Furcht und Angſt beklomne From-
men,

Ermuntert euch und bebet nicht,

Wenn ſchroͤkliche Gewitter kommen,

Weil GOtt zu euch in Gnaden ſpricht.

Der HErr bleibt doch in ſeinem Wetter,

Eur Schild und Schirm, und eur Erretter,

Und wenn ſein Bliz ja! einen faßt,

So wird der Geiſt im feurgen Wagen,

Zum Siz der Ewigkeit getragen,

So bald der Koͤrper ſtikt, erblaßt.

Lernt Jhn auch bei dem Donner lieben:

Denn wenn ſein ſchaubend Wetter kracht;

So duͤrfet ihr euch nicht betruͤben;

Weil euch ſein Antliz ſtets anlacht.

Wie bringt das Wetter vielen Schaden;

So iſt es auch ein Bild der Gnaden.

Der Donner und des Blizzens Grimm,

Laͤſt uns das weiſeſte Regieren,

Des Schoͤpfers ſtets zum Beſten ſpuͤren,

Und iſt auch eine Gnadenſtimm.

Wie viele werden nicht bekehret,

Erwekt aus ihrer Sicherheit,

Wenn man den Donner bruͤllen hoͤret,

Den Blizzen ſieht, der Flammen ſpeit?

Und laͤſt er ſeine Strahlen ſchieſſen,

So trift er dadurch manch Gewiſſen,
Zweyter Theil. SRuͤhrt
[274]Die Stimme GOttes im Donner.

Ruͤhrt es zur ſeelgen Aenderung;

So kan die Weisheit Donner, Blizzen

Zur Wollfahrt derer Suͤnder nuͤzzen,

Zu ihrer Seelen Beſſerung.

Die ewigen Vollkommenheiten,

Die Strahlen ſeiner Majeſtaͤt

Die werden alle Jahres-Zeiten

Jm Reiche der Natur erhoͤht.

Auch ſeine Weisheit iſt zu ſehen,

Wenn Blizzen ſcheinen, Donner gehen

Weil dieſe Stimmen ſeiner Macht,

Das Zeughaus worin ſeine Waffen,

Die boͤſe Welt im Grim zu ſtraffen,

Zu unſern Nuz auch ausgedacht.

Der Donner muß den Kreis der Luͤfte

Reinigen, der Schweffel naͤhrt;

Zertheilet er die boͤſen Duͤfte;

So wird ein Regen uns beſchert,

Der alles das erquikkend kuͤhlet,

Was lechzend, heiſſe Duͤrre fuͤhlet;

Der Donner muß mit ſeinen Knall,

Die Duͤnſte aus den Wolken bringen,

Die Felder lukker machen, duͤngen:

Er nuͤzt alſo dem Erden-Ball.

Wir wuͤrden viele Gnadengaben,

Jm Reiche der Natur entbehrn,

Die unſern Koͤrper reichlich laben,

Bei dem Erquikken auch ernaͤhrn,

Wenn nicht die feurgen Witterungen,

So wunderbare Aenderungen
Jn
[275]Die Stimme GOttes im Donner.

Jn Luft und Erde eingedruͤkt,

Es wird dadurch die Luft erreget,

Die was ſie nahrhaft in ſich heget,

Alsdenn im Schwung zur Erde ſchikt.

Wir wuͤrden in viel ſchweren Seuchen,

Die aus der boͤſen Luft entſtehn,

Mit enger Bruſt ſchwindſuͤchtig keichen,

Erkranken und wol gar vergehn,

Wenn nicht von ſeiner Schweffelbuͤrde,

Die truͤbe Luft geſaͤubert wuͤrde,

Die uns ſtets friſchen Odem haucht:

Die Weisheit laͤſt in den Gewittern,

Den Luftkreis wallen und erſchuͤttern,

Dadurch der boͤſe Dunſt verraucht.

Es folgt darauf ein milder Regen,

Ein fettes und begeiſtert Naß,

Und traͤuffelt ſeinen reichen Seegen,

Auf Saaten, Fruͤchte, Klee und Gras.

Der Donnerſtrahl muß in den Kreiſen

Der hohen Luft vergehn, und weiſen,

Wie GOtt im Grim auch guͤtig ſey;

Es muß der Bliz ohn anzubrennen,

Sich in den weiten Raum zertrennen,

Die Erd, bleibt von Entzuͤndung frei.

Die Sonne zeigt mit ihrem Bilde,

Den Gnadenſtrahl der Guͤte Schein,

Auf den bewaͤſſerten Gefilde,

Und floͤßt uns die Gedanken ein:

Das ewge Weſen iſt die Liebe,

Und zeigt uns ſeine Vater-Triebe,
S 2Die
[276]Die Stimme GOttes im Donner.

Die Treue und Erbarmung an,

Er dekket uns mit ſeinen Fluͤgeln,

Wenn er die Wolken will entrigeln,

Daß uns kein Wetter ſchaden kan.

Es wachſen bei den ſtrengen Schloſſen,

Der drohenden Gerechtigkeit,

Dennoch die reichen Seegens-Sproſſen,

Jn einer ſchwuͤlen Sommerszeit.

Drum koͤnnen wir ohn aͤngſtlich Grauen,

Jm Wetter ſeiner Guͤte trauen,

Er iſt der Frommen Schild und Lohn,

Und oͤfnen ſich die Ruͤſtungskammern,

So hoͤrn ſie, wenn die Boͤſen jammern,

Der ewgen Liebe Gnadenthon.

Jhr Menſchen! laßt das bange Schrekken,

Das des Gewitters Stimm erregt,

Bei euch das Herz zur Bus erwekken,

Und denkt daß GOttes Stunde ſchlaͤgt;

Hoͤrt in den Donner ſolche Glokken,

Die euch zur wahren Buſſe lokken,

Erinnert euch den Donnerſchlag,

Auf deſſen ſchmetterndes Erſchallen,

Dreinſt Himmel, Erde bebend fallen:

Denn kommt der Dinge juͤngſter Tag.

Denn werdet ihr die Stimme hoͤren,

Kommt Menſchen! kommt nun zum Gericht,

Denn ſehet ihr in Engel-Choͤren,

Den Richter, der eur Grab zerbricht.

O! woll euch! wenn ihr glaͤubig ſehet,

Den Heiland, eh die Welt vergehet:
So
[277]Die Stimme GOttes im Donner.

So werdet ihr mit Freudigkeit,

Dereinſten ihn in Glanz erblikken,

Verklaͤret ihn entgegen ruͤkken,

Bereitet euch auf dieſe Zeit.


Die
ſelten bluͤhende Aloe.


[figure]
Das praͤchtige Gewaͤchs, die ſeltne
Aloe,

Schlingt ſich bewunderns-werth,
zu einer ſolchen Hoͤh,

Als keine Pflanze thut, und ihre rare Bluͤte,

Zeigt manches Sinnenbild, dem forſchenden Ge-
muͤte.

Sie waͤchſet eigentlich in einem fremden Land

Jm heiſſen Africa, allwo der Sonnenbrand

Viel feuriger als hie in unſrer Gegend gluͤhet,

Der eine Aloe zu ſeiner Hoͤhe ziehet.

Man findet ſie auch da, in jener neuen Welt,

Die man vors reichſte Theil des Erden-Kreiſes
haͤlt:

Allwo ſie nuzbar iſt; wo ſie zum frohen Leben,

Kan Kleidung, Nahrung, Haus, und was man
braucht hergeben.

Der dikke Stamm reicht Holz zu einer Huͤtte dar.

S 3Die
[278]Die ſelten bluͤhende Aloe.
Die Blaͤtter geben Scheu, die Faͤdgen geben gar,

Wie Woll und Flachs bei uns, die allerſchoͤnſten
Dekken,

Worin die Mohren ſich, als in ein Kleid verſtek-
ken.

Die Stacheln die daran, ſind denen Nageln gleich:

Es iſt die Aloe von ſchoͤnen Saͤften reich

Daraus entſteht ein Wein; aus deſſen Suͤßigkeiten,

Auch wenn ſie klebricht hart, ein Zukker herzulei-
ten;

Der Saft wird durch die Sonn, zum Eßig-Trank
gemacht,

Da aus der Suͤßigkeit ein Saur herfuͤrgebracht.

Die Wurzeln dienen da mit ihren langen Straͤn-
gen,

Wie Strikke die man braucht, zum Binden, zum
Gehaͤngen,

Und andern Dingen mehr. Der hart und dikker
Aſt,

Der in den Blaͤttern liegt, in ihr Geweb gefaßt,

Giebt eine ſuͤſſe Koſt, durch ein gekochtes Gaͤhren,

Womit die Mohren ſich als einer Speiſe naͤhren.

Wie Wundernswuͤrdig iſt wenn man erwegt, be-
denkt,

Daß GOtt ſo vielerlei an einer Pflanze ſchenkt,

Daß jene Wilden gnug, zur Kleidung, ſich zu la-
ben,

Und mit der Aloe des Lebens Nothdurft haben!

Der ſchoͤne Wunderbau, die wollgeorndte Pracht,

Die dieſe Pflanze ſchmuͤkt, den Augen herrlich
macht,

Hat die Begierd erregt, daß ſie in unſrer Erde,

Als eine Seltenheit mit Kunſt verpflanzet werde.

Es iſt der Kunſt gegluͤkt. Man ſtellet ihre Zier,

Jn
[279]Die ſelten bluͤhende Aloe.
Jn Fuͤrſten Gaͤrten auf; allwo die Neubegier,

Nach ihrer Bluͤthe hoft, die ſie in langen Jahren,

Wenn ſie auch wol gepflegt, mit kurzer Luſt erfah-
ren.

Des Stammes Untertheil iſt ſchoͤn und Blaͤtter-
reich,

Die Blaͤtter ſind ſehr dik und lang als wie ein Zweig

Und haͤngen um den Stam, bis an die Erde nieder,

Der Stam geht in die Hoͤh woran nur hin und
wieder

Die zarten Sproͤslein gehn, bis daß der Kranz ſich
zeigt

Da aus der jeden Seit ein ſchoͤnes Zweiglein ſteigt,

Woraus die Bluͤte komt, die gruͤnlich gelbe Blu-
me;

Es ſieht die Aloe faſt wie im Heiligthume,

Der guͤldne Leuchter aus, woran die Zweige ſtehn

So wie ans Leuchters Schaft, die guͤldnen Ampeln
gehn.

Dies Wunder-voll Gewaͤchs, komt ſelten zu der
Bluͤthe,

Und darin ſezzet man deſſelben Preis und Guͤte;

Es traͤgt hie keine Frucht, und wenn es herrlich
bluͤht,

Und ſo viel Augen lokt, und gleichſam an ſich zieht.

So pflegen unteu erſt, die Floren ſich zu zeigen,

Die denn ſo immer fort, bis zu der Spizze ſteigen.

Und wenn ſie ausgebluͤht, ſo falln die Blaͤtter ab,

Wenn ſie am ſchoͤnſten prangt; iſt das Verweſungs-
Grab

Der Aloe bald da; die Stengel die vergehen,

Die Herrlichkeit verfleugt die man zuvor geſehen.

Was zeigt uns dieſe Frucht vor gute Lehren an,

Wovon die Aloe ein Sinnbild geben kan?

S 4Mir
[280]Die ſelten bluͤhende Aloe.
Mir deucht man kan daran dies zu der Lehre waͤh-
len:

So gehts wenn im Gemuͤt, durch viele Muͤh und
Quaͤlen

Sich in dem Stand begiebt, an einen Ort hin-
wagt,

Dazu man ungeſchikt: Alda wird man geplagt:

So wie die Aloe die Bluͤten zu erzwingen,

Sie kommen endlich woll: Alleine Frucht zu brin-
gen,

Das geht gar ſelten an. Jn einem fremden Land,

Allwo ihr Boden iſt, iſt ihre Bluͤt bekandt.

Von Fruͤchten weis man nicht in unſern kalten
Norden,

Wo ſie mit Kunſt und Fleis ſind hin verſezzet wor-
den,

Die bringt ſie an dem Ort, wo ſie iſt hinbeſtimmt,

Jm Reiche der Natur. Wenn man dies Bildnis
nimmt,

So iſt denſelben gleich der ſich ſo muß bequemen,

Jn einer fremden Luft, Bedienung anzunehmen,

Dazu er nicht geſchikt, und von Natur geneigt:

Es waͤhret lang genug, eh ſich die Bluͤte zeigt,

Die gute Hofnung giebt. Der Aloe ihr Prangen,

Jſt herrlich; ob daran gleich keine Fruͤchte hangen.

Jhr gleicht ein ſolcher Menſch der in dem Chriſten-
thum,

Nach dem Erkenntnis ſchoͤn: allein deſſelben Ruhm

Wenn man die Fruͤchte ſucht, in ſeinen ganzen Le-
ben,

Gewislich nicht verdient, ihn herrlich zu erheben.

Die Aloe die bluͤht, wenn ſie des Gaͤrtners Fleis,

Mit vieler Sorgfalt, Muͤh, bei ſeinem ſauren
Schweis.

Be-
[281]Die ſelten bluͤhende Aloe.
Beſtaͤndig wartet, pflegt: Ein Suͤnder giebt im-
gleichen,

Nach einer langen Zeit, vielleicht noch Beßrungs-
Zeichen.

Der Heiland iſt bemuͤht um ſeinen Gnadenſtand,

So wie ein Gaͤrtner thut; Er ſezt in gutes Land

Den unfruchtbahren Baum, er ſuchet ihn mit See-
gen,

Zu ſeiner Fruchtbringung aufs Beſte zu verpflegen.

Doch wie die Aloe nach vielen Jahren bluͤht,

Jn ihrer Bluͤte welkt; ſo iſt ein ſolch Gemuͤth,

Es zeigt die Beßrung erſt bei ſeinen hohen Jahren,

Es will erſt fruchtbahr ſeyn, bei ſeinen grauen
Haaren:

Da ſcheint es endlich noch, er wolle ſich bekehrn,

Er wolle noch zulezt den wahren Schoͤpfer ehrn:

Dem Naͤchſten ſeine Pflicht wie ſichs gebuͤhrt, er-
weiſen,

Und ſeines Gaͤrtners Fleis in guten Fruͤchten prei-
ſen.

Er faͤnget an zu bluͤhn! allein nur kurze Zeit,

Wenn ſich die Welt bei ihm auf gute Fruͤchte frent:

So muß er ploͤzlich drauf, im Bluͤhen untergehen,

Wie eine Aloe; ſo iſts mit ihm geſchehen.

Ein jeder der hier noch im Reich der Gnaden lebt,

Den des Erloͤſers Treu, wie einen Baum um-
graͤbt,

Beduͤnget, fruchtbahr macht, der bring bei Zeiten
Fruͤchte,

Sonſt faͤllt er noch zulezt, ins ſchwere Zorn-Ge-
richte.


Die
[282]

Die Welt ein Land der Eitelkeit.


[figure]
Wer dieſe Welt anſieht, das Haupt
Geſchoͤpf erweget,

Den Menſchen und ſein Thun ſich
recht vor Augen leget,

Der findet alſobald, wie wahr der
Koͤnig (*)ſagt

Der ihre Eitelkeit in ſeiner Schrift beklagt.

Der Erden Wunderbau iſt herrlich ausgezieret,

Den eine ewge Macht nach weiſen Rath regieret,

Zur Wohnung und zur Luſt iſt er bequem gemacht,

Und zur Ergoͤzlichkeit fuͤr uns recht ausgedacht.

Die Sinnen finden hier die allerſchoͤnſte Weide,

Die Augen ſehen ſtets Gelegenheit zur Freude,

Das Ohr das wird erquikt durch manchen Zauber-
klang,

Durch einen lieblichen vermiſchten Luſtgeſang,

Wenn in der Fruͤhlings-Zeit, im Sommer ganze
Schaaren,

Von Voͤgeln in der Luft mit hellen Stimmen fah-
ren.

Der ſuͤſſe Blumen-Duft, der in den Luͤften fliegt,

Vergnuͤget das Gehirn, wenn man denſelben
riecht.

Die Zunge labet ſich an ſaftig ſuͤſſen Fruͤchten,

Und buͤſſen ihre Luſt an mancherlei Gerichten.

Allein ſo reizend ſchoͤn, dies unſern Sinnen iſt;

So bleibet dennoch wahr, was man im Worte lieſt.

Das
[283]Die Welt ein Land der Eitelkeit.
Das GOttes Geiſt geredt: Man kan das eitle
Weſen,

An jeder Kreatur, an jedem Dinge leſen.

Es iſt die Welt ein Land das voller Eitelkeit,

Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit.

Das Aug iſt nimmer ſatt, es will in ſeinem Se-
hen,

Jemehr es immer ſieht, doch immer weiter gehen.

So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnuͤgen
ſchmekt

So wird er nicht geſtillt, vielmehr dadurch erwekt

Und gleichſam angeflammt, dasjenige zu haben,

Das da vermoͤgend iſt die Seele recht zu laben.

Ein jeder Menſche merkt im irdiſchen Gewuͤhl,

Er komme in der Welt nicht zum erwuͤnſchten Ziel,

Er muͤſſe immerfort, bei allen ſeinen Trachten,

Dennoch in dem Genus nach hoͤhern Gute ſchmach-
ten.

Dies lehrt uns deutlich ſchon, es ſey ohn allen
Streit,

Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit.

Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtſam
ſiehet,

Der Menſchen ihr Geſchaͤft, wornach man ſich be-
muͤhet.

Der eine wuͤhlet ſtets in einem Element,

Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung
nennt;

Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde,

Mit einem gelben Koth ganz uͤberhaͤuffet werde.

Er ſammlet immer mehr, und wird doch nimmer
ſatt,

Er wuͤnſchet immer mehr, wenn er genug ſchon
hat.

So
[284]Die Welt ein Land der Eitelkeit.
So wie der Hauffe waͤchſt; ſo waͤchſet das Verlan-
gen,

Mit einem eitlen Koth, in dieſer Welt zu prangen,

Jſt das nicht Eitelkeit? Jemehr der Geiz beſizt,

Jeweniger wird es zu ſeinem Wol genuͤzt,

Er ſuchet ſeine Ruh, den Kummer zu beſiegen,

Und ſammlet dennoch nur zu ſeinem Misvergnuͤ-
gen.

Die Armuth haͤuffet ſich wenn ſich ſein Gut ver-
mehrt,

Weil man in Ueberflus ihn immer klagen hoͤrt:

Ein ſolcher Erdenwurm, muß Koth mit Muͤh er-
werben,

Und plagt ſich Lebenslang um misvergnuͤgt zu ſter-
ben.

Ein andrer ſieht die Welt, als einen Schauplaz
an,

Allwo der gluͤklich iſt, der nur hoch ſitzen kan,

Er rennt mit Angſt und Schweis, mit Kummer
und Beſchwerden,

Nach einem Ehrenziel um nur geplagt zu werden.

Ee greift nach eitlen Dunſt, und merket in der
Hoͤh,

Er habe Woll geſucht, gefunden Angſt und Weh,

Er jagt den Schatten nach, der ihm in Glanz be-
trogen,

Und wenn er ihn erlangt; ſo iſt der Schein verflo-
gen.

Er klimmet in die Hoͤh die er ſich vorgeſtellt,

Da merkt er, erſt zu ſpaͤt, wie eitel dieſe Welt,

Der Schwindel nimt ihn ein, er faͤnget an zu ſin-
ken,

Und muß zu ſeinem Spott, oft als ein Kruͤppel
hinken.

Der
[285]Die Welt ein Land der Eitelkeit.
Der dritte glaubt er ſei vollkommen erſt begluͤkt,

Wenn ihn der Wolluſt Nez ins Labirinth geſtrikt,

Er rennet Tag und Nacht, ein Paradies zu fin-
den,

Er rennet immer zu nach Art der armen Blinden,

Da ihn die Einbildung, als wie ein Jrrlicht
fuͤhrt,

Dem er ſo lange folgt, bis daß er ſich verliehrt.

Er kommt ins Paradies, genieſſet ſeine Freude:

Doch wenn ers recht beſieht; ſo iſt er auf der
Weide,

Worauf das Vieh ſich naͤhrt, das da vergnuͤgt und
ſatt,

Allwo der Menſche nichts, zu ſeiner Nahrung hat.

Er ſchmekt den Bitter-Klee und lernet auch erken-
nen,

Die Welt die muͤſſe man kein Paradies mehr nen-
nen.

Wer hie auf Erden lebt, der muß ſich ſtets be-
muͤhn,

Von aller Eitelkeit ſein Herze abzuziehn,

Die Dinge dieſer Welt nach ihrer Ordnung brau-
chen,

Bei der Erinnerung, daß ſie wie Dunſt verrau-
chen.

Des Schoͤpfers weiſer Zwek, will das wir gluͤk-
lich ſeyn,

Drum fuͤhrt er uns allhie ins Land der Pruͤfung
ein,

Da wir nebſt Suͤßigkeit auch manches Bittre
ſchmekken,

Jn uns den regen Trieb zum Himmel zu erwek-
ken.

Wer dieſe Unterwelt, ſo wie man ſoll, beſchaut.

Der
[286]Die Welt ein Land der Eitelkeit.
Der merkt, wie weislich ſie, zu unſern Woll er-
baut:

Wir ſollen was vergnuͤgt, und uns gefaͤllt empfin-
den,

Und dadurch die Begier zum Ewigen entzuͤnden.

Drum muß bei Freude Leid, bei Luſt auch Schmer-
zen ſeyn,

Bisweilen truͤbe Nacht, nach heitren Sonnenſchein:

Der Wechſel dienet uns, damit wir daraus lernen,

Jn dieſer Welt zu ſeyn, und ſich der Welt entfer-
nen.
[figure]
Was
[287]

Was Leben heiſſe?


[figure]
Nicht alle leben auf der Erden,

Die in die Welt gebohren werden,

Die auf derſelben Schauplaz ſtehn,

Und wiederum von hinnen gehn.

Der Ausſpruch, wird wol mancher
meinen,

Jſt ungegruͤndet, zu verneinen.

Allein, die ihr alſo urtheilt

Jhr ſchlieſſet warlich uͤbereilt.

Jch will euch von den Menſchen Leben,

Die richtige Beſchreibung geben:

Der lebet wer ſich auf der Welt,

So wie ſein Schoͤpfer will, verhaͤlt,

Und die ihm aufgetragnen Pflichten,

Jn Emßiakeit ſucht zu verrichten.

Wenn man des Schoͤpfers Zwek bedenkt,

So iſt das Leben uns geſchenkt,

Daß wir ihn auf der Welt betrachten,

Und in Erkenntnis herrlich achten,

Wir ſtehen im Geſellſchafts-Band

Und jeder muß nach ſeinem Stand,

Den Neben-Menſchen redlich lieben,

Und ſich im wahren Guten uͤben.

Wir leben wenn wir uns bemuͤhn,

Den Hinderniſſen zu entfliehn,

Die
[288]Was Leben heiſſe?
Die uns allhie im Wege ſtehen,

Zum ewgen Leben einzugehen.

Bedenket dies und ſaget mir,

Wie viele ſind im Welt-Revier,

Die keine Lebenspflicht beweiſen,

Und als umſonſt von dannen reiſen.

Sie ſehen dieſe Welt nur an,

Und haben darin nichts gethan:

Drum wird das eine Warheit bleiben,

Man kan auf ihre Graͤber ſchreiben:

Seht Leſer! todte Menſchen an,

Die wenig auf der Welt gethan,

Und nichts mehr koͤnt ihr allhie leſen,

Als daß ſie lange da geweſen.

Von der Geburt bis an die Bahr,

Sind ſechszig, ſiebzig, achzig Jahr

Jn ihren Lauffe faſt verſtrichen;

Und da ſie wiederum verblichen,

So iſt wenn man gleich rechnet viel,

Ein Tag ihr ganzes Lebens-Ziel.


Die
[289]

Die Gelegenheit.


[figure]
Das Beſte an der ſchnellen Zeit,

Die unvermerket uns verſchwin-
det

Jſt eben die Gelegenheit,

Die man gar ſelten wieder findet.

Die Zeit gleicht einem ſtrengen Flus,

Der mit den Tropfen weiter ſchieſſet,

Da in deſſelben regen Guß

Bisweilen eine Perle flieſſet.

Wer ſolche nicht ſo gleich auffaͤngt,

Wenn ſie vor ihn voruͤber eilet,

Der ſieht, wenn ers hernach bedenkt,

Daß er zu lange ſich verweilet.

Der Strom nimmt ſie ſo gleich mit hin

Und laͤſſet im Voruͤbergehen,

Den leicht zu fangenden Gewin,

So bald, wol gar nicht wiederſehen.

Der Zeitlauf gehet nicht zuruͤk,

Und in dem Lauf der ſchnellen Stunde,

Entſtehet oft ein Augenblik,

Und eine fluͤchtige Secunde

Darinenn uns das Gluͤk anlacht,

Wer alsdenn als ein Fauler traͤumet:

Nimt es nicht aufmerkſam in acht,

Hat die Gelegenheit verſaͤumet.


Zweyter Theil.Der
[290]

Der
groͤſſeſte Betrieger.


[figure]
Die Welt iſt voller Liſt, beſpannt mit
Nez und Strikken,

Ein Menſche ſuchet ſtets den andern
zu beruͤkken,

Man irrt nicht, wenn man ſagt, daß die Betrie-
gerei,

Der Menſchen groͤſte Kunſt und Haupt-Bemuͤhung
ſei:

Doch in der groſſen Zahl, die ſich auf Trug befleiſ-
ſen,

Kan ein Scheinheiliger, ein Erzbetrieger heiſſen.

Jn dem er ſich verſtellt in falſcher Froͤmmigkeit,

Huͤllt er ein Wolfes Herz ins ſanfte Schafeskleid,

Jn dem er heilig prahlt, in Andacht feurig ſchei-
net,

Jm Herzen tuͤkkiſch lacht, von auſſen klaͤglich wei-
net:

So ſtellt er ſich vor GOtt; als wie ein Frommer
an,

Der doch mit ſeinem Aug ins Herze ſehen kan.

Er meinet daß er ihm ſo gnaͤdiglich anſehen,

Und ſo erkuͤhnt er ſich, GOtt ſelbſt zu hinterge-
hen

Der ſeine Tuͤkke ſieht, und ſeine Falſchheit kennt

Der weiß wie kalt ſein Herz, obgleich die Zunge
brennt.

Welch
[291]Der groͤſſeſte Betrieger.
Welch ſchaͤndlicher Betrug! das Aug beruͤkken
wollen,

Dafuͤr wir Ehrfurchts-voll uns allzeit ſcheuen ſol-
len.

Ein Heuchler, bildet uns, durch ſeinen aͤuſren
Schein,

Er ſei ein frommer Menſch der GOtt recht fuͤrch-
te ein,

Und er betriegt die Welt mit ſeinem eitlen Prahlen,

Er iſt ein Heiliger nur mit gemahlten Strahlen.

Die Einbildung naͤhrt ihn, es ſaͤhe jederman,

Jhn als den Heiligſten vom erſten Range an,

Und jeder merket doch gar bald die Heuchler-Rolle,

Die Wolfsklau zeiget ſich auch durch die Schafes
Wolle.

Und er betriegt ſich ſelbſt indem er gar vermeint,

Er ſei ein Heiliger, wie er von auſſen ſcheint,

Der Hoͤchſte werde ihn um ſeiner Andacht willen,

Mit einen Seegensſtrom das gierge Herze ſtillen.

Er hoft und kriegt doch nichts; dieweil; der Zeba-
oth,

Den Heuchlern Ach und Weh! zum ewgen Flu-
che droht.

Und weil ſie nicht recht warm, nur laulicht ſind zu
nennen,

So ſpeiet er ſie aus, wird ſie nicht lieben koͤnnen.

So iſt ein falſcher Wahn, der aͤrgeſte Betrug,

Er will geſegnet ſeyn und wird zulezt zum Fluch:

Mit einen Wort er ſucht darin nur ſein Vergnuͤgen

Wie er moͤg GOtt und Welt, und auch ſich ſelbſt
betriegen.

Wer dieſes recht bedenkt, der muß ſo gleich geſtehn:

Wer Heuchler ſehen wird, muß Erzbetrieger ſehn.


T 2Die
[292]

Die
wahre Froͤmmigkeit.


[figure]
Von Herzen allen Schein verfluchen,

Und GOtt nur zu gefallen ſuchen,

Den Naͤchſten lieben jederzeit;

Jn Demuht und Gelaſſenheit,

Des Schoͤpfers Ordnung Wink und Willen

Mit wahrer Lieb und Luſt erfuͤllen

Und leiden was er auferlegt:

Wer dieſe Eigenſchaften hegt,

Der kan mit recht ein Frommer heiſſen

Und wer ſich dabei wird befleiſſen

Das Herz von Dingen dieſer Welt,

Und was dem Hoͤchſten misgefaͤllt,

Wie ſichs gebuͤhret, abzuziehen;

Der wird durch redliches Bemuͤhen

Jn ſeiner Kraft durch ihn beſtehn,

Und in das Himmelreich eingehn.


Der
[293]

Der durch die Guͤte GOttes
erwekte Reid der Menſchen

oder:
Der Mißbrauch der Guͤte GOt-
tes der von einigen Blumen-Lieb-
habern begangen wird.


[figure]
Die Kinder der Natur, die Blumen
kommen mir;

So oft ich ſolche ſeh, als klare Zeu-
gen fuͤr,

Die wie mit einem Mund zum Ruhm
des Schoͤpfers lehren:

Er ſei von uns als GOtt, das heiſt als gut zu
ehren.

Erweget ſie nur recht ein aufmerkſam Gemuͤth;

So kommen ſie uns vor, als Sproſſen ſeiner Guͤt,

Die er uns Hauffen-weis an allen Orten giebet,

Weil er den Menſchen hold, und ſie als Kinder liebet.

Die Blumen zeigen uns des Schoͤpfers Guͤtigkeit,

Weil ihr gefaͤrbter Schmuk das Auge ſehr erfreut;

Die Menge zeiget uns wie ſehr er uns gewogen,

Weil er mit ihrer Zier Feld, Wieſen, Wald be-
zogen,

Die Gaͤrten ausgepuzt: indem das gruͤne Land,

T 3Mit
[294]Der Mißbrauch der Guͤte GOttes.
Mit einem ſammtnen Tuch von Graß gewirkt, be-
ſpannt

Und mit der Blumen Gold recht herrlich ausge-
ſchmuͤkket,

Mit Silberfarbnen Glanz recht koſtbar ausgeſtik-
ket,

Und andren Farben mehr die die Natur gemahlt,

Woraus des Hoͤchſten Guͤt uns ſtets ins Auge
ſtrahlt.

Der Schauplaz ſteht uns frei, daß wir die Luſt
genieſſen,

Die Duͤfte ſchenkt er uns, die ins Gehirne flieſſen,

Und den Geruch erfreun, der ihre Lieblichkeit,

Begierig in ſich zieht zur holden Fruͤhlings-Zeit.

Des Schoͤpfers Meinung iſt, daß wir an ſeinen
Gaben,

Die jedem unverwehrt, ſo Aug als Herze laben:

Und darum hat er auch in Wald und freien Feld,

So vielen Blumen-Schmuk zum Zierrath aufge-
ſtellt.

Die Menſchen haben auch die Augen dran ergoͤz-
zet,

Und aus der fremden Welt ſie hie und da verſezzet,

Und Gaͤrten angelegt, durch ihrer Luſt Bemuͤhn,

Der ſchoͤnſten Blumen Art vor ſich ſelbſt aufzu-
ziehn.

Da waͤhlen ſie die aus, die ſie als Koͤniginnen,

Von einer jeden Art vor andern lieb gewinnen.

Sie ſchaffen Saamen an, und Zwiebeln draus der
Fleis

So mancherlei erzielt, die roth, gelb, gruͤn und
weis;

Und die vor andern ſchoͤn nach ihrer Meinung
glaͤnzen;

Die
[295]Der Mißbrauch der Guͤte GOttes.
Die pflegen ſie mit Ruhm vor andern zu bekraͤn-
zen.

Wird eine theur geacht; als eine Seltenheit:

So muß des Hoͤchſten Guͤt den haͤmiſch bittren
Neid

Gar oft Gelegenheit zu einer Suͤnde geben,

Die ſchaͤndlich fuͤr uns iſt, wenn wir als Menſchen
leben.

Es iſt bei einigen, die man Blumiſten heiſt,

Daß ſie dieſelbe Blum, die man als herrlich preißt,

Nicht leichtlich einen Freund in ſeinen Garten goͤn-
nen:

Sie wollen nur davon ſich als Beſizzer nennen.

Und wenn ſie von der Art den groͤſten Ueberflus,

So theilen ſie doch nicht mit andern den Genus;

Ein andrer ſol ſie nicht in ſeinem Garten haben,

Und ſich nicht an den Glanz, den man bewundert
laben.

Man wirft ſie lieber weg, und laͤßt ſie untergehn,

Damit ſie nur nicht auch bei andern ſei zu ſehn.

Das iſt der Mißgunſt Art, der pflegt es zu ver-
drieſſen,

Wenn andere mit ihr ein gleiches Gut genieſſen;

Jch weis die Neidiſchen, die wenden dabei ein,

Sonſt wuͤrde ihre Blum und Schoͤnheit zu gemein.

Was ſchoͤn iſt bleibet ſchoͤn, und kan uns doch ver-
gnuͤgen,

Und ſolte auch die Art in allen Gaͤrten liegen.

Man merkt die Einbildung, was ſelten, das ſei
ſchoͤn,

Die kan nach der Vernunft nicht gar zu wol be-
ſtehn.

Die Meinung die regiert; nach ihres Wahns Ge-
ſezzen,

T 4Pflegt
[296]Der Mißbrauch der Guͤte GOttes.
Pflegt man der Dinge Preis und ihren Werth zu
ſchaͤzzen.

Die Eigenliebe will die Blume ſol allein,

Die koſtbar wird geſchaͤzt, in ihren Garten ſeyn:

Darum zerreiſſet man des guͤtgen Schoͤpfers Ga-
ben,

Die ſeltne Art vor ſich zur Augenluſt zu haben.

Die ewge Guͤtigkeit, die uns die Blumen giebt,

Zeigt uns im Beiſpiel an, daß ſie ja alle liebt,

Und wenn ſie uns mehr ſchenkt, als wir davon ver-
langen,

So iſt es nicht erlaubt, damit allein zu prangen.

Man laſſe andern auch der Blumen ſeltnes Schoͤn

Zu ihres Schoͤpfers Ruhm, mit uns zugleich be-
ſehn,

Das ſchadet keinen nicht, und waͤren gleiche Arten,

Die uns ſo angenehm, in jeden Blumen-Gar-
ten.

Es nimmt der deinen nicht der Farben Mannifalt,

Noch ſeine Lieblichkeit, Geruch, Form und Ge-
ſtalt:

Und ſage was du wilt, es wird dir dein Gewiſſen

Des Neides Bitterkeit auch hierin zeigen muͤſſen.

Wer andern das nicht goͤnnt, was GOttes Guͤte
ſchenkt

Der iſt des Guts nicht werth, das GOtt ihm zu-
gelenkt.

Wer ſo die Blumen liebt, der iſt den Dornen-
ſtraͤuchen

Die ſchoͤne Roſen naͤhren, hierinnen zu vergleichen.

Wer von ihm Roſen nimmt, ſich zum Vergnuͤgen
pfluͤkt

Dem wird gar oft der Dorn, in ſeine Hand ge-
druͤkt,

Der
[297]Der Mißbrauch der Guͤte GOttes.
Der Buſch der kan doch nicht die Roſen vor ſich
nuͤzzen

Und dennoch pflegt er ſie ſo ſtachlicht zu beſchuͤzzen.

Wer ein Blumiſte iſt, und hat das in Gebrauch,

Daß er was ſchoͤn verſagt, der iſt ein Dornenſtrauch

Der ungern Roſen giebt: Der Strauch laͤſt ſie ver-
wehen,

Und ein Blumiſte laͤſt ſie lieber untergehen.

Wer als ein Menſche liebt, der goͤnnt dem andern
auch,

Der Blumen ſchoͤnen Schmuk derſelben ſuͤſſen
Hauch:

Und wer ſo neidiſch iſt, der haͤtte wol verdienet,

Daß ſeine Luſt vergeh, die ihm alleine gruͤnet.



[298]

Gedanken
bei
dem Anblik eines leeren Feldes.


[figure]
Zur holden Fruͤhlings-Zeit war hier
noch alles gruͤn,

Der Sommer kam heran da ward
der Felder bluͤhn,

Jn ſcheinend Gold verkehrt, das
hatte kaum zu prangen

Mit ſeinen gelben Schmuk im Reif-
fen angefangen:

So kam der Schnitter an mit ſeinem ſcharffen
Schwerd,

Und hat den Halm zerhaut und ſeine Pracht zer-
ſtoͤhrt.

Die Wagen folgten nach, als ſie ins Seil gebun-
den,

Das Feld iſt nunmehr leer, als wenn die Frucht ver-
ſchwunden.

Die Stoppeln ſind noch da, die mit der Zeit ver-
gehn,

So iſt vom Jahres Wuchs im Felde nichts zuſehn.

Es wird mit andern Korn, das Feld als neu beſaͤet,

Das aus den vorgen ſtammt, und wiederum auf-
gehet.

Mir deucht ich ſehe hier an dieſem Akkerfeld

Ein Bildnis ruͤhrend an, von der bewohnten Welt.

Die Menſchen die gebohrn, die fangen an zu bluͤ-
hen,

Die Zeit verlaͤuft geſchwind, da ſie von dannen ziehen,

Nach-
[299]eines leeren Feldes.
Nachdem ſie reif genug; und ihre Zeit beſtimmt,

Da kommt der Todt heran, der ſie von hinnen nimmt.

Jn einen Lauf der Zeit, von zweimahl funfzig Jahren,

Sind keine uͤbrig mehr; wir ſind ſchon weggefahren.

Der Saame der von uns in dieſer Zeit entſprieſt,

Der bluͤhet wieder auf, und wenn man uns vergißt,

So iſt an ſolchen ſtets doch auf der Welt zu leſen,

Daß wir hier auch gebluͤht, und einmahl da geweſen.

Und ſolte ſolcher gleich in ſeiner Bluͤt verbluͤhn,

Eh er zur Reiffe kommt, auch dieſer Welt entfliehn:

So iſt das unſer Troſt: wir koͤnnen nicht vergehen,

Wir werden wiederum dereinſten auferſtehen.


Ueber-
[300]

Ueberſchrift
an die mit Fruͤchten gefuͤlleten Scheu-
ren.


[figure]
Dies iſt des Landmans Vorraths-Kammer,

das Schazhaus, wo ſein Reichthum liegt,

So lang dieſelbe angefuͤllet; ſo lange le-
bet er vergnuͤgt.

Hier liegt ein esbar Gold verwahrt; hier
ſind des Seegens Fuͤllehoͤrner,

Die beſſer als des Tagus Sand; hier ſind verguͤld-
te Saamenkoͤrner

Die guͤldne Muͤnzen uͤbertreffen. Man ißt und trin-
ket jene ein

Und koͤnnen, wie man dieſe brauchet, auch dazu
gleichfals nuͤzlich ſeyn,

Man kan den reichen Ueberflus an andre wiederum
verhandeln,

Und dadurch dieſes Seegenskorn in Gold und Sil-
ber auch verwandeln.

Die Proviant-Schaz-Zeuge-Haͤuſer, die in den groſ-
ſen Staͤdten ſtehn,

Die kan man auf dem platten Lande, in einer Scheur
vereinigt ſehn.

Hier haben Kleidung, Brodt und Geld, und was
man brauchet zum Gewerbe

Die Leute die den Akker baun, vom zugemeßnen
Theil und Erbe.

Hier
[301]an die mit Fruͤchten gefuͤlleten Scheuren.
Hier nehmen ſie auch was ſie brauchen, als der
beſtimmten Quell heraus:

Drum kan man jede Scheure nennen, der Hoͤch-
ſten Guͤte Seegenshaus:

Drum muß an ihren Eingang ſtehn: Hier ſieht
man daß an GOttes Seegen,

Ohn welchen unſer Thun und Muͤh umſonſt,
vor andern ſei gelegen.


Der
[302]
Der Wind.
[figure]
GOtt! wir koͤnnen in den Winden

Deine groſſe Herrlichkeit,

Deine Macht und Weisheit finden;

Ohne allen Wiederſtreit,

Biſt du in den ſtarken Brauſen,

Und auch in den ſanften Sauſen

Unſichtbahr doch anzuſehn,

Weil ſie auch von dir entſtehn.

Winde ſind ein Strom von Duͤften,

Eine ſtark bewegte Flut,

Die in fortgetriebnen Luͤften

Durch der Sonnen heiſſe Glut,

Aus den Meeren aufgezogen

Ausgedehnet, fort bewogen,

Die kein Auge ſiehet an,

Aber doch empfinden kan.

Wenn die Luft ganz kalt erfroren

Und ſich drauf zuſammen zieht,

Wird der Winde Braus gebohren,

Der im Hauchen weiter flieht:

Wenn die Duͤnſte aufwerts ſteigen,

Und ſich durch die Schwere neigen,

So ſtoßt wieder Duft auf Duft,

Und macht Wind in dikker Luft.

Wenn
[303]Der Wind.
Wenn des Himmels blauer Bogen,

Mit der Wolken Dunſt-Gewand,

Wie mit ſchwarzen Flor umzogen,

Und mit Schleiern uͤberſpannt:

Alsdenn werffen ſie die Blikke

Von dem Sonnenlicht zuruͤkke,

Da die Luft denn wird verduͤnnt,

Und macht dehnend wieder Wind.

Wenn der Sonnen Feuerſtrahlen

Durch gewebte Luͤfte gehn

Dunſt auf Dunſt zu vielen mahlen

Dichte an einander drehn;

Oder aus einander treiben,

Eines an das andre reiben:

So entſteht ein ſtarker Flus,

Daraus Wind entſpringen muß.

Dieſe und noch andre Quellen

Sind im Reiche der Natur,

Woraus Winde gleichſam ſchwellen,

Deren ganz verborgne Spur

Kein Verſtand noch kan ergruͤnden,

Und der Wiz wird ſchwerlich finden,

Wie der Weg des Windes geht,

Der durch alle Kreiſe weht.

Jn der Kluͤfte dunklen Baͤuchen

Jſt uns vieles noch verdekt,

Und wer weis in welchen Schlaͤuchen,

Sein verborgner Hauch verſtekt.

Was wir aber davon wiſſen,

Wird uns klaͤrlich zeugen muͤſſen,
Daß
[304]Der Wind.

Daß der groſſe Zebaoth,

Sei auch aller Winde GOtt.

Was die Heiden albern traͤumen,

Von den Wind-Gott Aeolus,

Wie er ihre Wuth koͤnn zaͤumen

Wie er ihren ſtarken Gus

Nach Gefallen koͤnn regieren,

Kan uns auf die Schluͤſſe fuͤhren,

Daß ihr blindes Aug geſehn,

Wind muͤß auch von GOtt entſtehn.

O! du Weſen aller Weſen!

Geiſt der Geiſter! Deine Ehr,

Die an allen iſt zu leſen,

Was der Himmel, Erde, Meer

Jn den Grenzen eingeſchloſſen,

Die aus deiner Macht gefloſſen;

Deine Ehre ſpuͤrt man auch

Jn der Winde kuͤhlen Hauch.

Als ein Dampf aus deinen Naſen,

Jſt des Windes hauchend Wehn,

Und ſein unſichtbahres Blaſen,

Mit Bewundrung anzuſehn.

Er zeugt HErr! von deiner Staͤrke

Wenn man nur zum Augenmerke

Seines Hauches Wirkung nimmt,

Wenn er durch den Luftkreis ſchwimmt.

Menſchen! die das nicht erwegen,

Sehen auf der Luͤfte Bahn,

Wenn die Winde ſich erregen,

Darin nichts beſonders an.
Ja!
[305]Der Wind.

Ja! ſie denken daß die Erde,

Nur dadurch beſtuͤrmet werde:

Und beklagen ſich dabei,

Daß der Wind uns ſchaͤdlich ſei.

Man beſchwert ſich wenn ſein Stuͤrmen,

Durch den Luftkreis tobend dringt

Und von denen Haͤuſern, Thuͤrmen,

Ziegel auf die Erde bringt:

Ja! man will ſo gar in Winden,

Nichts was ſie uns nuͤzzen finden,

Und man murret, wenn er brauſt

Und uns etwas hart anſaußt.

Heiſt das nicht den Schoͤpfer ſchmaͤhen,

Der doch alles woll gemacht

Und der Winde kraͤuſelnd Wehen,

Weislich fuͤr uns ausgedacht?

Man berechne nur die Gaben,

Die wir durch den Windbraus haben,

Da wir ohne Luft und Wind,

Nichts auf Erden nuͤzze ſind.

Da GOtt durch ein weiſes Walten’

Alles das, was Odem hegt,

Auf dem Erdkreis will erhalten,

So muß er die Luft bewegt

Duͤnſte in dem Umlauf ſtellen,

Daß ſie kraͤuſeln, weben, ſchwellen:

Wuͤrde dieſes nicht geſchehn,

Muͤſten wir gar bald vergehn.

Waͤr kein Wind in denen Luͤften,

Bliebe alle Feuchtigkeit
Zweyter Theil. UDampf
[406[306]]Der Wind.

Dampf und Qualm ſo aus den Gruͤften

Aufwerts geht, ja allezeit

Unbeweglich; und im Wallen

Wuͤrd es immer dahin fallen,

Durch die Schwere unterdruͤkt,

Wo es vorher aufgeruͤkt.

Und ſo muͤſten die da leben

Jn dem ungeſunden Rauch,

Jhren Geiſt gar bald aufgeben;

Weil der Luͤfte weiter Schlauch,

Aus den Pfulen vieles ſauget,

Das da ſtinkt und gar nichts tauget,

Vor die Bruſt; weil der Geſtank

Machet unſern Koͤrper krank.

Friſche Luft ernaͤhrt die Lungen,

Als ein Balſam reicher Guͤt,

Und wenn die in uns gedrungen,

Wird ermuntert das Gebluͤt:

Wenn wir vielen Dunſt einſchnauben,

So iſt leichtlich auch zu glauben,

Daß der Koͤrper wird verzehrt,

Wenn ihn boͤſe Luft beſchwert.

Dieſes wuͤrde ſtets geſchehen

An den Oertern, in der Stadt,

Wo ſtets Dampf, wo ſtille Seen,

Wo man einen Kirchhof hat;

Weil da boͤſe Ausduͤnſtungen,

Haͤuffig ſich zur Hoͤh geſchwungen

Die dem Koͤrper allemahl

Wuͤrden wie ein Gift zur Qual.

Ler-
[307]Der Wind.
Lernet hier den Vortheil kennen,

Warum GOtt den Wind geſchaft,

Dieſe Duͤnſte zu zertrennen

Durch die mitgetheilte Kraft;

Und durch ein erfriſchtes Blaſen,

Gieſſet er in unſre Naſen

Lebens-Odem welcher rein,

Von den faulen Duͤnſten, ein.

Wenn kein ſtarker Wind vorhanden,

Fiele das was Regen bringt,

Dahin wo der Dunſt entſtanden,

Der ſich in die Hoͤhe ſchwingt:

Und ſo wuͤrde zu den Meeren

Aller Regen wiederkehren;

Weil aus Meeren, Fluͤſſen, Sen,

Regenwolken aufwerts gehn.

Alsdenn wuͤrden alle Fruͤchte

Jn dem ausgedorrten Land,

Laub und Gras und Kraut zu nichte,

Zu der Sommerszeit verbrandt;

Alsdenn muͤſten wir erſterben

Und in Hungers-Noth verderben;

Wenn kein Thau und Regen waͤr,

Stuͤnden alle Felder leer.

Hier muß ſich von neuen zeigen,

Daß die Winde nuzbar ſeyn:

Denn wenn Duͤnſte aufwerts ſteigen,

Durch der Sonnen heitren Schein;

Muß der Wind auf ſeinen Schwingen

Sie in weite Laͤnder bringen,
U 2Wo
[308]Der Wind.

Wo der Dunſt zulezt zerfließt,

Und in Regen ſich ergießt.

Er jaͤgt wie mit ſchnellen Fluͤgeln

Von der See die Duͤnſte fort,

Bringet ſie zu Thal und Huͤgeln,

Ueber einen troknen Ort,

Da es thauet, regnet, ſchneiet:

Wodurch dann das Land gedeiet

Da der fette Nahrungsſaft,

Keimen, Saaten, Fruͤchte ſchaft.

Wird die Luft durch Wind bewogen,

So kommt in das kalte Land,

Jmmer warme Luft gezogen

Und es wird im Gegenſtand,

Kaͤlte wieder fortgeſchikket

Durch den Wind dahin geruͤkket,

Wo man ſtete Hizze fuͤhlt,

Da ſie den was warm abkuͤhlt.

Solten alle die Anſtalten

Jn dem Reiche der Natur,

Uns nicht von des Schoͤpfers Walten,

Zeigen eine weiſe Spur?

O! ihr Tohren! o! ihr Blinden,

Merket nur den Nuz der Winden:

So muͤßt ihr bei ihren Wehn,

Jhres Schoͤpfers Ruhm erhoͤhn.

Welch ein Vortheil iſt zu ſehen,

Den der Wind uns ferner bringt,
Auf
[309]Der Wind.

Auf der Berge ſteilen Hoͤhen,

Da er groſſe Muͤhlen zwingt,

Und die Raͤder welzend treibet,

Und das Korn zum Brodt zerreibet;

Da er ohne groſſe Muͤh,

Nahrung ſchaft vor Menſch und Vieh.

Auch bei andern Kunſtmaſchinen

Kan der Winde ſtarke Kraft,

Menſchen zu der Nahrung dienen;

Sie ſind denen Vortheilhaft

Die durch ihr geſchwind Bewegen

Bloͤkke von einander ſaͤgen,

Denen, die zum Bau den Stein,

Zubereiten, machen klein.

Durch des Windes ſtarke Fluͤgel,

Geht das Schif ins fremde Land,

Und durchſtreicht der Fluthen Spiegel,

Wenn die Seegel ausgeſpannt.

Durch ihn kan der Kaufman handeln,

Und in weite Laͤnder wandeln,

Die von uns ſind abgetrennt,

Weil die See darzwiſchen rennt.

Keine Schiffarth koͤnt beſtehen,

Und ſo fiele der Gewinn,

Ohn der Winde nuzbar Wehen,

Bei der Handelſchaft ganz hin.

Wenn wir dieſes uͤberlegen,

So ſieht man was vor ein Segen,
U 3Dar-
[310]Der Wind.

Daraus fuͤr der Welt entſpringt,

Wenn er in die Seegel dringt.

Durch ihn kommt ein Volk zum andern,

Daß das Waſſer hat zertheilt,

Durch ihn kan man hurtig wandern,

Daß man ſich nicht lang verweilt;

Durch ihn kan man ſchwere Waaren,

Leichte uͤbers Meer wegfahren,

Die ſonſt kommen theur zu ſtehn,

Wenn ſie auf der Axe gehn.

Hieraus iſt die weiſe Guͤte,

Eines groſſen Schoͤpfers klar,

Hieraus ſiehet das Gemuͤte,

An dem Winde offenbahr,

Daß der HErr zu unſern Beſten,

Jn den Oſt, Nord, Suͤd und Weſten

An den Gegenden der Welt,

Luft und Wind in Ordnung haͤlt.

Was die Schiffer noch bemerken

Von der Winde Einrichtung,

Kan das Herz darin beſtaͤrken,

Daß aus ihrer Aenderung,

Das allweiſeſte Regieren,

Mit Verwunderung zu ſpuͤren,

Das der Winde Zug ſo lenkt,

Wie es uns zu nuͤzzen denkt.

Auf den weit entfernten Meeren,

Wiſſen alle Schiffer wol,
Nach
[311]Der Wind.

Nach den feſtgeſezten Lehren,

Wie an dies und jenem Pol

Sich die Winden auf den Wellen,

Zur beſtimmten Zeit einſtellen:

Wenn er aus den Norden braußt

Oder aus den Weſten ſaußt.

Denn die Winde auf den Seen,

Gehen gleichſam nach der Schnur,

Da ſie ſich beſtaͤndig drehen

Nach beſtimmter Zeit der Uhr.

Wo dies nicht auf denen Kuͤſten,

Die erfahrnen Schiffer wuͤſten:

So wuͤrd nach dem Augenſchein,

Jhre Landung faͤhrlich ſeyn.

Die den Wind im Meer erwegen,

Merken bald die Ordnung an,

Die ſein hauchendes Erregen,

Da hat zur geſezten Bahn.

Da ſind Winde die ſtets wehen,

Und aus einer Gegend gehen;

Andre aber auf dem Meer,

Gehn geordnet hin und her (*)
U 4Dieſer
[312]Der Wind.
Dieſer Lauf iſt unvergleichlich,

Fuͤr den Schifman eingericht:

Wenn der Wind als unbeſchreiblich,

Aus der einen Gegend bricht;

So weis er nach ſeinen Wehen

Seines Schiffes Lauf zu drehen:

Und ſo komt er an das Land

Ohne ſtarken Wiederſtand.

Preißt ihr Schiffer! ruͤhmt von Herzen,
GOttes Weisheit, auf der Bahn,

Da ihr ſeht das ſanfte Scherzen,

Und der Winde Saͤuſeln an.

Wenn ihr gleich den ſchnellen Pfeilen,

Sehet euer Schif fort eilen,

Und der Winde Lauf bedenkt;

Denkt auch, wer ihn ſo gelenkt!

Lernet bei den Ungewittern,

Da ein Sturm das Meer bewegt,

Wer das ſprudelnde Erſchuͤttern,

Durch dem Windebraus erregt:

Da habt ihr zum Augenmerke,

Eures Schoͤpfers Wunderſtaͤrke;

Jn dem tobenden Orkan,

Seht ihr GOttes Allmacht an.

Kaum hoͤrt ihr ſein grauſes Heulen,

So ſieht eur entfaͤrbt Geſicht,

Wie die Fluthen ſich zertheilen,

Wie das Waſſer ſteigt und bricht,
Wie
[313]Der Wind.

Wie die aufgeſchaͤumten Wellen,

Schnauben, durcheinander ſchwellen,

Welzend in die Hoͤhe gehn,

Kraͤuſeln, ſich in Wirbel drehn.

Wie die Fluthen ziſchend ſchaͤumen,

Wird eur Auge denn gewahr,

Wenn ſie ſich erſchroͤklich baͤumen,

Und mit drohender Gefahr

Gleich den abgerißnen Thuͤrmen,

Ueber eure Schiffe ſtuͤrmen,

Da ihr bei dem Niederfall,

Sinket in des Abgrunds Thal.

Solche Macht ſtekt in den Winden,

Wenn ihr Schnauben daher faͤhrt,

Und in denen tieffen Schluͤnden,

Die gewelzten Sprudel mehrt.

Alsdenn treibt er ſtarke Wogen,

Bis zum blauen Wolken-Bogen

Und wirft ſie aus ihrer Hoͤh,

Wieder in den Schoos der See.

Und vor ſeinen harten Streichen,

Wenn er ſeine Wirbel dreht,

Muß auch auf der Erde weichen,

Was dem Braus entgegen ſteht.

Schießt er in die tieffen Gruͤfte,

So zerſpalten ſich die Kluͤfte,

Alles wo ſein Zug hindringt

Wenn er raſet, faͤllt, zerſpringt.

U 5Wenn
[314]Der Wind.
Wenn der HErr! die Wirbelfluthen,

Seiner Winde brauſen laͤſt,

So iſt vor den ſcharfen Ruthen

Seiner Strafe nichts zu feſt,

Nichts zu hart, nichts zu verſchloſſen:

Kommen ſie heran geſchoſſen;

So wird alles durch die Kraft,

Wie ein Staub mit weggeraft.

Das erzuͤrnte Heer der Luͤfte,

Faͤhrt auf einmahl ſchroͤklich loß

Und das Blaſen ſtrenger Duͤfte,

Komt mit dem gepreßten Stoß:

So muß Thurm und Haus mit Knallen,

Bau, Gemaͤurer, niederfallen,

Die er wie auf Fluͤgeln traͤgt,

Und durch ſeinen Zug zerſchlaͤgt.

Sonderlich in denen Laͤndern,

Wo der Luͤfte Gleichgewicht,

Schneller, ſtaͤrker zu veraͤndern,

Sieht man wenn der Wind durchbricht,

Was aus ſeinen Wirbel-Wehen,

Vor ein Ungluͤk kan entſtehen;

Wie er alles gleich zerſchmeiſt,

Umwirft, und zu Boden reiſt.

Jn den heiſſen Morgenlande

Nimt er bei den ſtrengen Lauf,

Ganze Laſten von dem Sande

Der die Wuͤſten dekket, auf:
Wirft
[315]Der Wind.

Wirft ſie ploͤzlich auf die Erden,

Da den oͤfters ganze Heerden,

Die da reiſen (*) gleich bedekt,

Werden in den Sand verſtekt.

HErr! der du auf Winden faͤhreſt!

Hieraus ſiehet jederman

Wie du uns in Winden lehreſt,

Was dein Arm verrichten kan.

Wilt du ſtraffen, die dich haſſen,

Kanſt du nur den Wind los laſſen,

Der in deinen Strafgericht,

Alles auf einmahl zerbricht.

Ja! vor deinen grimgen Schelten,

Wallt das duͤnne Element,

Beben Erd und Waſſer-Welten,

Und das Feur das wuͤtend brennt.

Du biſt gros auch in den Winden,

Nicht vollkommen zu ergruͤnden:

Zwar ein groſſer Zebaoth:

Aber ein verborgner GOtt.

Wenn der Winde tobend Raſen,

Erd und Meer in Wallung ſezt;

So bleibt bei dem ſtarken Blaſen

Unſre Welt oft unverlezt.

Jhm
[316]Der Wind.

Jhm gebeut dein Gnaden-Wille,

Augenbliklich iſt er ſtille;

Du biſt GOtt, den Meer und Wind,

Allemahl gehorſam ſind.

Laß uns daran glaubig merken,

Daß das Auge deine Macht

Bei den wunderbahren Werken

Der Natur, ſtets uns bewacht:

Und daß du der Winde Heere,

Auf der Erden, auf dem Meere,

Faſſeſt wie in einem Schlauch,

Spaͤrreſt in der Berge Bauch!

Woher ihre ſtarke Schaaren

Kommen, kan kein Menſche ſehn,

Und wohin ſie wieder fahren,

Koͤnnen wir auch nicht verſtehn:

Hier ſtuzt alles unſer Wiſſen,

Und das wird uns lehren muͤſſen,

Daß dem menſchlichen Verſtand

Vieles bleibet unbekant.

Aus der Wirkung kan man ſpuͤren,

Daß ein Wind die Luft erfuͤllt;

Das iſt HErr! von dem Regieren

Deiner Vorſehung, ein Bild!

Ob ſie uns gleich iſt verborgen,

So merkt man dein wachend Sorgen,

Dennoch in der ganzen Welt,

Die dein ſtarker Arm erhaͤlt.

Zweifler
[317]Der Wind.
Zweifler! hoͤret auf zu Schmaͤlen

Die ihr dieſes traͤumen heiſt,

Wenn ihr hoͤrt im Wort erzaͤhlen:

Daß des Hoͤchſten Gnaden Geiſt

Durch das Wort die Menſchen lehre,

Aendre, beßre und bekehre;

Die ihr ſpoͤttiſch ſeine Macht,

Die in Seelen wirkt, verlacht.

Warum wolt ihr das verlachen,

Da im Reiche der Natur

Nimmermehr iſt auszumachen,

Wie der Winde dunkle Spur

Jn den Luͤften muͤſſe gehen?

Warum wolt ihr den verſtehen,

Was das Allerhoͤchſte Gut

Jn dem Reich der Gnaden thut?

Dies Geheimnis von den Winden,

Kan kein menſchlicher Verſtand,

Und kein Wiz allhie ergruͤnden,

Es bleibt nns noch unbekant:

Dennoch hoͤret ihr ſein Sauſen,

Und bemerket aus dem Brauſen

Daß ein Luftſtrom muͤſſe gehn,

Koͤnt ihr gleich den Weg nicht ſehn.

Schließt auch ſo bei denen Lehren,

Deren Grund verborgen bleibt:

Jch will GOtt im Glauben ehren,

Und da er uns deutlich ſchreibt,
Jn
[318]Der Wind.

Jn des Geiſtes wahren Worten:

Daß er ſey an allen Orten;

So nehm ich das glaͤubig an,

Ob ichs gleich nicht faſſen kan.

Lernet bei des Windes Regen

Das aus dunklen Hoͤlen geht:

So ſind auch in GOttes Wegen,

Wie er unſer Schikſahl dreht

Viele uns verborgne Gruͤnde:

Denket bei den Hauch der Winde:

Gros iſt GOttes Majeſtaͤt

Weil ihn Luft und Wind erhoͤht.


Der
[319]

Der
ſtolze Pfau.


[figure]
Ein Pfau den die Natur, mit ſchoͤnen Fe-
dern ſchmuͤkt,

Mit einem langen Schweif vor andern
hat begluͤkt,

Weis ſeinen Vorzug wol, er dreht die
langen Kehlen,

Als wolt er ſeine Pracht der ganzen Welt erzaͤh-
len.

Er bruͤſtet ſich damit und dehnet ſeinen Schwanz,

Damit ein jeder ſeh den Strahlenreichen Glanz:

Und alsdenn blizt ſein Schweif gleich einen Regen-
bogen

Der in der Luft erſcheint, mit Farben uͤberzogen.

Der Finger der Natur der ihn alſo gemahlt,

Das bald ein feurig Gold, daraus ein Saphir
ſtrahlt,

Bald ein ſchmaragdnes Gruͤn, von ſeinen Federn
ſcheinet,

Hat aller Farben Schmuk hier wunderbahr verei-
net.

Nachdem vom Sonnenlicht, dies ſchoͤn geſchwaͤnz-
te Rad,

Das hin und wieder geht, der Strahlen Abglanz
hat;

Nach-
[320]Der ſtolze Pfau.
Nachdem veraͤndern ſich der Federn bunte Strah-
len,

Die ſich bald gelb, meiſt gruͤn vor unſern Augen
mahlen.

Wahr iſt es daß der Schweif am Pfau recht Wun-
derſchoͤn,

Und daß er Schimmerreich und lieblich anzuſehn:

Allein er glaͤnzet nur, von auſſen an den Fluͤgeln

Die um und um beſezt mit lauter Blendungs-Spie-
geln.

Und ſieht etwa der Pfau die ſchwarzen Fuͤſſe an,

Die garſtig anzuſehn, die er nicht leiden kan;

So faͤllt der ſtolze Sinn, da lernet er erkennen,

Was ſchoͤnes an ihm iſt, ſey nur ſein Kleid zu nen-
nen.

Gewis! ein wahres Bild von Menſchen in der
Welt,

Die durch den leeren Wind des Stolzes aufge-
ſchwellt,

Die in dem Lauf der Welt mit Guͤtern ſind begluͤk-
ket,

Hingegen aber nicht mit Tugend ausgeſchmuͤkket.

Die bilden ſich gar viel, auf ihrem blanken Schein,

Auf ihren reichen Schaz, auf ihren Goldklump
ein.

Da ihnen Tugend fehlt, und Wiz, Geſchiklichkeiten,

So muß der Kleider Schmuk ſie in der Welt
ausbreiten.

Der Pfau iſt auch ein Bild von deren Eitelkeit,

Die falſcher Duͤnkel triegt, als wenn ein herrlich
Kleid

Das in das Auge prahlt, ſie koͤnte ſchoͤner ma-
chen:

Sie bruͤſten ſich damit, daruͤber kluge lachen.

Sie
[321]Der ſtolze Pfau.
Sie meinen weil ihr Leib mit ſchoͤnen Schmuk ver-
huͤllt:

So wuͤrden ſie dadurch der Schoͤnheit Ebenbild;

Sie wollen Stand und Rang, nicht nach Verdienſt
und Gaben,

Nur nach verbraͤmten Schmuk erborgter Schoͤn-
heit haben.

Jhr Tokken! lernet doch hie euren albern Sinn,

Komts auf die Kleider an, ſo tretet unten hin:

Der Pfau das ſchoͤne Thier; wird mit den ſchwarzen
Fuͤſſen,

Fuͤr euch nach dieſem Schlus zuerſt hertreten muͤſſen.

So folget ihr erſt nach; ſo ſeid ihr recht geſtellt,

Weil denn ein gleiches Paar, ſich gleich und gleich
geſellt.

Jhr Tohren lernet doch euch eurer Torheit ſchaͤmen,

Und wolt ihr euch recht ſehn; ſo muͤſt ihr Spiegel
nehmen;

Daran ein Todten-Kopf mit ſchwarzen Staub ge-
mahlt,

So ſeht ihr was ihr ſeid, wenn euch das Kleid um-
ſtrahlt,

Beſchaut beim aͤuſren Glanz der Schoͤnheit, auch
das Herze,

Womit iſt das geſchmuͤkt? mit eitler Laſter-Schwaͤr-
ze.


Zweyter Theil.Die
[322]

Die Gedult.


(Sprichw. Sal. c. XVI. 32.)
Ein Geduldiger iſt beſſer, denn ein Star-
ker und der ſeines Muths Herr iſt,
denn der Staͤdte gewinnet.

[figure]
Gedult iſt eine ſeltne Tugend,

Beim grauen Alter, bei der Jugend

Und wird daher ein Kraut genennt,

Das nicht ein jeder Garten kennt.

Ein ſolch Gemuͤt das Leiden, Plagen,

Ohn Murren, ruhig kan ertragen,

Jſt warlich in der eitlen Welt,

Ein vollenkomner, groſſer Held.

Wer GOtt und Naͤchſten recht will lieben,

Der muß auch dieſe Tugend uͤben;

Die Welt gleicht einem Labirinth,

Darin viel Dornen-Hekken ſind:

Und wollen wir da Roſen brechen;

So werden uns auch Dornen ſtechen:

Allein der Menſchen Eigenſin,

Verlangt ohn Schaden den Gewin.

Wir wollen unſern ſchnoͤden Willen,

Die Regung der Begierden ſtillen,
Und
[323]Die Gedult

Und wuͤnſchen ſteten Sonnenſchein:

Da wir verdorbne Suͤnder ſeyn

So muͤſſen wir uns auch bequemen

Von GOttes Hand das anzunehmen,

Was er uns, da wir ihn betruͤbt,

Als ein beſcheidnes Theil noch giebt.

Das gruͤne Paradies der Erden,

Hat muͤſſen eine Wuͤſte werden,

Da Suͤnd und Tod die Herrſchaft fuͤhrt,

Und leider unſer Herz regiert:

Auf den Verluſt der ſuͤſſen Freuden,

Folgt immer ein empfindlich Leiden:

Das aber wiederum vergeht,

Wenn ſich die Schikſahls-Sphere dreht.

Die Menſchen die das nicht bedenken,

Die wollen ſich nur ſelbſten kraͤnken:

Und klagen ihren Schoͤpfer an,

Der ihnen nichts zu Leid gethan.

Wir ſelbſten flechten unſre Strikke

Zu unſern eignen Ungeluͤkke:

Ein kluger und ein weiſer Mann,

Ertraͤgt was er nicht aͤndern kan.

Die Leiden die uns heftig plagen,

Daruͤber wir ſo aͤngſtlich zagen,

Sind Folgen unſrer Suͤnden-Schuld:

Was hilft da nun die Ungedult?

Und wenn wir noch ſo aͤngſtlich weinen,

Den Saft vertroknen im Gebeinen;
X 2So
[324]Die Gedult.

So wird die Plage nicht vergehn,

Die wir auf Erden auszuſtehn.

Wahr iſt es, daß in Kedars Huͤtten,

Auch viele Fromme viel gelitten,

Durch Meſechs ſchwere Suͤndenſchuld,

Was iſt hier noͤtig? die Gedult.

Die lindert die gedruͤkten Herzen,

Und kuͤhlet ſie in heiſſen Schmerzen;

Gedult iſt der geplagten Seel

Ein Balſamreiches Lindrungs-Oel.

Wenn GOtt ein Kreuz uns auferleget

So komt es, wenn mans recht erweget

Von einer lieben Vaters Hand;

Die Welt iſt ein Egypten Land,

Darin wir Ziegelſteine brennen,

Und wollen wir uns Chriſten nennen:

So muͤſſen wir bei aller Pein,

Jn Hofnung doch geduldig ſeyn.

Als Chriſten ſind wir in den Orden

Des Kreuzes, eingeſchrieben worden:

Und auf der rauhen Dornenbahn,

Jſt nur der Weg nach Canaan:

Der Herzog unſrer Seeligkeiten,

Der zeigt uns wie wir ſollen ſtreiten:

Sein Beiſpiel lehrt uns allemahl,

Gedult die mindre unſre Qual.

Wer ſeinen Leiden will entfliehen,

Der wird ſich doch umſonſt bemuͤhen:
Es
[325]Die Gedult.

Es findet ja der Sieg nicht ſtat,

Wo man nicht erſt gekaͤmpfet hat.

Und wenn uns eine Noth betroffen,

So iſt das Stilleſeyn und Hoffen

Das Beſte das man in der Welt,

Dem quaͤlenden Gemuͤth vorhaͤlt.

Ein Kranker der auf harten Phuͤlen,

Sich ſucht durch Ummuth abzukuͤhlen,

Verdirbet ſich dadurch noch mehr;

Und welzet er ſich hin und her:

So wird er keine Lindrung ſpuͤren,

Vielmehr die Kraft noch gar verlieren:

Es iſt die beſte Arzenei

Daß er ſtill und geduldig ſey.

Den Hoͤchſten in den Leiden ehren,

Und ſich nicht uͤber ihn beſchweren,

Jſt warlich eine Chriſtenpflicht,

Die ihm das Vater-Herze bricht:

Hingegen der in Unmuth heulet,

Wenn er mit ſeiner Huͤlf verweilet,

Der macht, daß ſeiner Vorſicht Schlus,

Die Leidens-Zeit verlaͤngern muß.

Wer Dornen die ihn ſchmerzend ſtechen,

Jn Unmuth ſuchet zu zerbrechen,

Der druͤkket ſie nur tieffer ein,

Und machet ſeinen Schmerz zur Pein:

Hingegen wer gedultig ſiehet,

Wie er ſie aus den Finger ziehet,
X 3Der
[326]Die Gedult.

Der wird viel leichter mit der Zeit,

Vom ſchmerzlichen Gefuͤhl befreit.

Da ein Menſch eines andern Teuffel,

So muß das ohne allen Zweiffel,

Den Frommen ſchmerzlich wehe thun:

Soll dabei das Gemuͤte ruhn.

So muß es reiflich uͤberlegen,

Es koͤnne nach den weiſen Wegen

Der Vorſicht, ob wirs gleich nicht ſehn,

Auch dieſes uns zum Nuz geſchehn.

Die Unſchuld wird oft misvergnuͤget,

Wenn ſie der Bosheit unterlieget,

Das Joch das ſcheint ihr viel zu ſchwer:

Da regt ſich der Begierden Heer,

Verdrus und Kummer, Zorn und Klagen,

Die folternden Gemuͤtes-Plagen,

Verdoppeln im bewegten Herz

Den durch den Has empfundnen Schmerz.

Und dieſe ſtrenge Leidenſchaften,

Die in der Seelen wuͤtend haften,

Verderben ein geplagt Gemuͤt

Vergiften gleichſam das Gebluͤt:

Es faͤngt der Adern Saft in Wellen

Zu ſchaͤumen, ſchreklich aufzuſchwellen:

Was folgt aus dieſer Witterung,

Vor Schmerzensvolle Aenderung?

Die Lebens-Geiſter ſind vergiftet,

Und in dem Zorn doch nicht geluͤftet,
Der
[327]Die Gedult.

Der Leidenſchaften innre Pein

Die nimmt ſo gleich den Koͤrper ein,

Wo ihre Wuth recht angefangen,

Da ſind ſie wie die Feuerſchlangen:

Aus deren Bis ein Jaͤſcht herflieſt,

Der ſich bis an das Herz ergießt.

Da wird das Blut zu ſehr umdaͤmmet,

Das Herze wird mit Angſt beklemmet,

Und wenn es wie im Stuͤrmen raßt

Wird es von Wirbeln aufgefaßt:

Da folget Schwindel, Schlag, Verlaͤhmen,

Ein ſchneller Tod aufs zornigs Graͤmen:

Die Puls wird nicht ſo ſehr bewegt,

Wenn man ſein Leiden willig traͤgt.

Gedult iſt bei den bangen Quaͤlen,

Die beſte Linderung der Seelen,

Und wenn uns ein Affect bekriegt,

So wird er dadurch bald beſiegt.

Wir muͤſſen allemahl gedenken,

Die Vorſicht, weis es ſo zu lenken,

Das alles uns zum Beſten nuͤzt,

Wenn man in harten Leiden ſchwizt.

Menſch wilt du dieſe Tugend uͤben,

Wenn Welt und Bosheit dich betruͤben:

So ſieh ſtets auf der Vorſichts Spur

Beherſche des Gemuͤths Natur;

Und ſuche den bewegten Willen,

Durch des Verſtandes Licht zu ſtillen:

Denn durch deſſelben Heiterkeit,

Wird alles Traur-Gewoͤlk zerſtreut.

X 4Beden-
[328]Die Gedult.
Bedenke da du biſt gebohren,

So biſt du als ein Menſch erkohren:

Die Fehler deiner Menſchlichkeit,

Die bringen dir auch manches Leid.

Mit wem wilt du in Leiden ſtreiten,

Mit GOtt und mit den andern Leuten

O! Thorheit! trage deine Schuld,

Nur ſtille ohne Ungedult.

Sieh an die herrlichen Exempel,

Der Heiligen, der Tugend-Tempel

Die ihren Schoͤpfer treu geliebt,

Jm Leiden die Gedult geuͤbt:

Sie ſind in Truͤbſahl recht bewaͤhret,

Und haben uns dadurch gelehret,

Daß eine ſchoͤne Ehren-Kron,

Sey der Gedult beſtimmter Lohn.

Gedult in ſeiner Angſt zu haben,

Und ſich damit in Leiden laben,

Jſt ein Geſchenke aus der Hoͤh,

Und nur des Himmels Panacee.

Auf Bergen, in den tieffen Gruͤnden,

Jſt dieſes Kraͤutlein nicht zu finden:

Drum fleh des Geiſtes Gnade an,

Die dich geduldig machen kan.


Die
[329]

Die
Kaiſer-Krone.


[figure]
Seh ich eine Kaiſer-Krone,

Auf des hohen Stengels Throne,

Wie ſie ſich in ihrer Pracht,

Untern Blumen herrlich macht:

So bewegt mich ihre Blume,

Zu des groſſen Schoͤpfers Ruhme.

Sie ſteht auf den Blumen-Beeten

Als auf ſammtnen Kunſttapeten

Der Natur, da auf dem Gruͤn,

Um ſie her viel Blumen bluͤhn,

Die gleichſam zu ihren Fuͤſſen,

Als ganz niedrig wachſen muͤſſen.

Nahme, Bildung, andre Zeichen,

Lehren mich ſie zu vergleichen

Mit den Fuͤrſten dieſer Welt,

Die auf Thronen ſind geſtellt,

Die vor andern auf der Erden,

Unſern Augen herrlich werden.

Jch ſeh um ſie Blaͤtter hangen,

Die wie ſcharfe Schwerdter prangen,

Und der Blik der gab mir ein,

Daß ſie wie Trabanten ſeyn,

Die diejenigen beſchuͤtzen,

Die auf hohen Thronen ſitzen.

X 5Jhre
[330]Die Kaiſer-Krone.
Jhre rothe Purpur-Bluͤthe,

Druͤckte mir in das Gemuͤthe,

Ein recht Lehrreich Sinnbild ein,

Wie die Fuͤrſten muͤſſen ſeyn:

Jch ſah ſie zu ihren Zweigen,

Das Geſicht herunter neigen.

Wenn die Fuͤrſten von den Hoͤhen,

Auf die Unterthanen ſehen,

Mit der Gnade Angeſicht;

So erfuͤllen ſie die Pflicht,

Die ſie nach den weiſen Schluͤſſen

Jhres Schoͤpfers, leiſten muͤſſen.

An den Kaiſer-Kronen Spizzen,

Sah ich einen Buͤſchel ſizzen,

Der gleich einem gruͤnen Graß,

Daran hing ein troͤh felnd Naß,

Das beim Strahl der heitren Sonnen,

Lieblich kam herab geronnen.

Dieſer Thau, da er zerfloſſen,

Fiel gar ſanfte auf die Sproſſen

Derer niedren Blumen hin,

Dabei kam mir in den Sin

Dieſer Wunſch: Ach! moͤcht auf Erden,

Jeder Fuͤrſt ihr aͤhnlich werden!

Moͤchten ſie des Himmels Seegen,

Auch auf Unterthanen legen,

Der von den beſtirnten Zelt,

Auf die hohen Haͤupter faͤllt:
Als-
[331]Die Kaiſer-Krone.

Alsdenn wuͤrden im Gedeien,

Niedre ſich der Hohen freuen.

Jch beſah die innre Ruͤnde,

Was ich in der Blume fuͤnde;

Gukte in den Kelch hinein,

Da criſtalne Augen ſeyn,

Die beim Anruͤhrn gleich den Guͤſſen

Der gethraͤnten Perlen, flieſſen.

Ach! dacht ich in meiner Seelen,

Was vor innren Gram und Quaͤlen,

Was vor untermiſchtes Leid,

Jſt wol oft im Purpurkleid,

Und beim Heer der ſchwarzen Sorgen,

Jn der Fuͤrſten Herz verborgen!

Bei dem aͤuſren Schein der Freude,

Schwimmt das Herz gar oft im Leide,

Und von einem hohen Stand,

Jſt der Gram nicht weggebannt:

Aeuſre Luſt und innre Wehen,

Sind bei Kronen anzuſehen.

Doch der Kaiſer-Kronen Augen

Sind, wenn wir ihr Naß nur ſaugen

Honig ſuͤß, erquiklich ſchoͤn:

Daran iſt die Lehr zu ſehn;

Wie erquiklich Fuͤrſtenthraͤnen,

Bei der Unterthanen Sehnen.

Wenn die Noth bei jeden Stande

Sich anfindet in dem Lande,
Die
[332]Die Kaiſer-Krone.

Die der Fuͤrſt nicht hemmen kan:

Seh ers nur mitleidig an:

So iſt ein gethraͤnt Erbarmen,

Doch ein Troſt vor ſeine Armen.

Merklich iſt es anzuſehen,

Daß da Graſes Spizen ſtehen

Wo die Kaiſer-Krone haͤngt:

Wenn man dieſes uͤberdenkt:

So kan es von Fuͤrſten Leben,

Uns dies noch zur Lehre geben:

Gras und Kraut ſind Wapen-Schilder,

Und uns ſtete Sinnenbilder

Nichtiger Vergaͤngligkeit,

Lehrer unſrer Lebens-Zeit,

Auch gekroͤnnten Haͤuptern Zeichen,

Daß ihr Purpur muͤß erbleichen.

Auch auf den erhabnen Thronen,

Wird der Todt ſie nicht verſchonen,

Bei der Kronen Herrligkeit,

Muß ein Fuͤrſt auch jederzeit

Auf das Gras die Augen lenken,

Und ſein Nichtigſeyn bedenken.


Die
[333]

Die
Tieffen der Gottheit.


(Roͤm. XI. 33.)
O! welch eine Tieffe des Reichthums bei-
de der Weisheit und Erkenntnis GOt-
tes! wie gar unbegreiflich ſind ſeine
Gerichte, wie unerforſchlich ſind ſeine
Wege!

[figure]
Herrlich! unbegreiflich Weſen!

Ewig undurchdringlich Licht!

Dich hab ich zum Ziel erleſen,

Laß dir doch mein Lobgedicht,

Und mein ungeſtimmtes Lallen,

Das die Ohnmacht bringt, gefallen:

Floͤß mir durch den Gnadenſchein,

Deines Geiſtes Triebe ein.

Geiſt der Geiſter! Sonnen Sonne!

Kein Verſtand begreift dein Bild

Und mein Witz wird vor der Wonne

Deiner Herrligkeit verhuͤllt.

Wil ich nur an dich gedenken,

Muß ich mich zum Abgrund ſenken,

Wo man ſich erſtaunnt verliert,

Und nichts als nur Ehrfurcht ſpuͤrt.

Ohne
[334]Die Tieffen der Gottheit.
Ohne ſchwindelnd banges Grauen,

Kan mein Geiſt dich nicht anſehn:

Und mein ich dich anzuſchauen

Muß er gleich zuruͤkke gehn:

Jezt deucht mir das ich entzuͤkket,

Deiner Hoheit Glanz erblikket:

Doch es fliegt des Geiſtes Blik

Starrend wiederum zuruͤk.

Wil ich mich gleich ſelbſt vergeſſen,

Und mit reger Denkungs-Kraft,

Wagen an die tieffen Groͤſſen

Einer einzgen Eigenſchaft:

O! ſo merken die Gedanken,

Jhre eingeſpannten Schranken.

Und geſtehn daß du ein Geiſt,

Der ganz unbegreiflich heiſt.

Da erkennet meine Seele,

Und der tief verſchlungne Sinn,

Wenn ich dich zum Vorwurf waͤhle,

Nicht was du, nur was ich bin:

Wil ich HErr! an dich gedenken,

Und den Geiſt von Koͤrpern lenken;

So trift er den Abgrund an,

Darin er nichts ſehen kan.

Ehrfurchtsvolle Dunkelheiten

Sind um deiner Majeſtaͤt;

Deren unermesne Weiten

Sind fuͤr uns zu ſehr erhoͤht.

Waget ſich das arme Wiſſen,

Zu den heilgen Finſterniſſen:
So
[335]Die Tieffen der Gottheit.

So faͤlt mir ſtets wieder ein,
GOtt wil nur bewundert ſeyn.

Du biſt warlich unermeßlich,

Und wirſt in den tieffen Grund

Da du dich verbirgſt, vortreflich

Und dennoch als herrlich kund.

Muß der Seelen Aug erblinden,

Daß dich ſuchet zu ergruͤnden:

So faßt Erd und Himmel nicht,

Deiner Gottheit groſſes Licht.

Geh ich zu den Sternenbuͤhnen

Jm Gedanken, du biſt da,

Jn der Welt der Seraphinen,

Duͤnkeſt du mir wieder nah.

Steigt mein Sin in tieffe Gruͤfte

Der verborgnen Erden-Kluͤfte,

Dein unſichtbahr Angeſicht

Zeigt auch da ſein Augenlicht.

Wil ich gleich zu denen Meeren,

Als der Erden aͤuſren Rand

Auf des Geiſtes Fluͤgeln kehren,

Da biſt du mir auch bekandt:

Auf der Berge hohen Huͤgeln,

Finde ich als wie in Spiegeln

Deiner Groͤs Unendlichkeit,

Hoheit und Volkommenheit.

Wil ich aber weiter gehen,

Deine Herrligkeit recht ſchaun:

Bleibt der Wiz auf einmahl ſtehen,

Und verſpuͤrt ein banges Graun.
Weil
[336]Die Tieffen der Gottheit.

Wil ich mich hier traͤumen laſſen,

Die Algegenwart zu faſſen;

O! ſo ſtarrt der ſcheuche Sin,

Und ich weis nicht wo ich bin.

Denk ich nach um zu begreiffen,

Deines Weſens Ewigkeit,

Wil ich Jahr auf Jahre haͤuffen

Sez ich immer Zeit auf Zeit,

Nehm ich Millionen Zahlen,

Tauſend Millionen mahlen;

Und gedoppelt einſt ſo viel,

So tref ich den noch kein Ziel.

Wil ich dieſer Zieffern Heeren,

Und die ungeheure Zahl,

Jmmer immer fort vermehren:

So find ich doch allemahl,

Bei des Wizes vielen Zaͤhlen,

Noch ſo viele Zahlen fehlen

Und fang ich von neuen an:

So iſt doch noch nichts gethan.

Endlich merkt bei dieſen Groͤſſen,

Der verduͤſterte Verſtand,

Daß ohnmoͤglich auszumeſſen,

Was uns gaͤnzlich unbekand.

Du als der Unwandelbahre

Biſt in keine Zahl der Jahre

Einzuſchlieſſen, Geſtern, Heut,

Jſt bei dir ſtets Ewigkeit.

Kei-
[337]Die Tieffen der GOttheit.
Keine Zeiten, keine Stunden,

Meſſen dein ſtets ewges Sein,

Keine Jahre die verſchwunden

Faſſen dich in Zirkeln ein.

Morgen iſt bei dir wie heute,

Keine Laͤnge keine Breite

Die umſchraͤnket deinen Geiſt,

Der unendlich, ewig heiſt.

Denk ich den Vollkommenheiten

Jn der Stille weiter nach,

Und den Strahl der Herrlichkeiten:

So umgiebt mich allgemach,

Wiederum ein neuer Schatten,

Wo ſich Licht und Dunkel gatten;

Und dein Licht wirft allemahl

Mich ins tieffe Abgrunds-Thal.

Sehe ich auf deine Haͤnde,

Die das Bild der Allmacht ſind,

So ſind ich auch da kein Ende,

Und mein Geiſt wird wieder blind:

Will ich mir die hellen Strahlen

Der Allwiſſenheit abmahlen:

O! mein bloͤdes Angeſicht,

Wird geblendet durch dein Licht.

So wie unſer Aug die Strahlen

An der Sonne nie ertraͤgt;

So gehts mir auch allemahlen,

Wenn mein Geiſt dich recht erwegt.
Zweyter Theil. YEr
[338]Die Tieffen der GOttheit.

Er wird wenn er heiter denket,

Wie durch einem Bliz verſenket

Jn den Abgrund, wo dein Bild,

Sich ins heilge Dunkle huͤllt.

Kaum kan er ſich aus dem Schrekken,

Den die Ehrfurcht eingejagt,

Durch dein Licht geſtaͤrkt erwekken:

So will er doch unverzagt

Durch den Weg der Kreaturen,

Finden GOttes Hoheit Spuren:

Er ſieht vieles darin an,

Was ihm GOtt abbilden kan.

Aber auch in dieſen Spiegeln,

Welche Erd und Himmel ſind,

Wird der Wiz bei ſeinem Kluͤgeln,

Abermahl von neuen blind.

Steigt er wie auf hohen Leitern,

Sein Erkentnis zu erweitern:

So iſt kein Geſchoͤpf ſo klein,

Es giebt mir die Warheit ein:

GOtt will ſich allhier nicht faſſen

Sondern in der dunklen Spur,

Nur allein bewundern laſſen;

Darum giebt die Kreatur,

Ebenfals von GOttes Hoͤhen

Vieles das nicht einzuſehen:

Himmel, Erde, alles ſpricht:

GOtt iſt ein unſichtbahr Licht.

Man
[339]Die Tieffen der GOttheit.
Man kan dich in deinen Werken,
Schoͤpfer! HErr der ganzen Welt!

Maͤchtig, weiſe, guͤtig merken;

Weil du darin vorgeſtellt:

Aber aller Dinge Koͤnig!

Der Verſtand iſt viel zu wenig,

Vollenkommen zu verſtehn,

Was wir klar vor Augen ſehn.

Wenn wir zu den Himmels-Hoͤhen,

Zu den tieffen Luft-Revier,

Ein geſchaͤrftes Auge drehen;

Stellen uns daſſelbe fuͤr

Was in den entfernten Gruͤnden,

Noch verborgenes zu finden,

So zeigt uns die Sternen Bahn,

Tieffen deiner GOttheit an.

Meſſen wir des Himmels Kreiſe,

An den blaugewoͤlbten Rund,

Was macht uns das Luft-Gehaͤuſe,

Nicht vor viele Tieffen kund?

Wer iſt der in jener Ferne,

Zaͤhlt das Heer der lichten Sterne,

Wer iſt der uns richtig lehrt

Wie die Welt ſich dreht und kehrt?

Wer iſt der uns kan erzaͤhlen

Aller Kreaturen Kraft?

Wenn wir nur die Erde waͤhlen,

Wer kan uns die Eigenſchaft,
Y 2Ei-
[340]Die Tieffen der GOttheit.

Eines einzgen Krauts recht lehren,

Darin wir den Schoͤpfer ehren?

Kein Verſtand ergruͤndet das,

Was verbirgt ein Stengel Gras.

Denk ich nach wie GOtt regieret,

Dieſen Bau der ganzen Welt,

Wie er das zum Zwekke fuͤhret,

Was die Vorſehung erhaͤlt:

Wie er uns als Menſchen leitet,

Und aus Boͤſen Guts bereitet,

O! ſo ſeh ich allemahl

Dunkler Tieffen groſſe Zahl.

Seh ich nur das Heer der Suͤnder

Die wie Lorbeer-Baͤume bluͤhn;

Seh ich wie die froͤmſten Kinder,

Jn den Truͤbſahls-Offen gluͤhn:

Und will den Verſtand befragen;

Warum GOtt das koͤnn ertragen,

Alſobald ſieht hier mein Geiſt,

Wie ſich eine Tief aufſchleuſt.

Seh ich die Veraͤnderungen,

Jn dem Reich der Vorſehung,

Wie oft werd ein Land verſchlungen,

So komt die Verwunderung

Und betaͤubet meine Sinnen,

Da werd ich gleich wieder innen:
GOttes Raht ſieht keiner ein,

Er will nur bewundert ſeyn.

Die-
[341]Die Tieffen der GOttheit.
Dieſer ſteigt und jener ſinket,

Wie des Schikſals Sphere geht,

Die wenn GOttes Vorſicht winket

Sich im Augenblik verdreht.

Was zum Troſt der eitlen Zeiten,

Vor die ſpaͤten Ewigkeiten,

Als ein Denkmal aufgeſezt,

Wird im Augenblik verlezt.

Und daſſelbe bleibet ſtehen,

Was auf leichten Grund gebaut,

Und wird bey dem Untergehen,

Gleichſam wieder neu geſchaut.

Alle dieſe Wunderdinge,

Die da ſcheinen gros, geringe

Alle dieſe kommen mir,

Wie verborgne Tieffen fuͤr.

Wagt ſich das begierge Wiſſen

Jn der Hoͤchſten Macht-Gericht

Zu der Vorſicht dunklen Schluͤſſen,

Was vor Tieffen ſieht es nicht?

Was vor Raͤthſel kuͤnftger Zeiten,

Sind in den Begebenheiten

Dieſer Welt? was wird geſchehn,

Eh dies Rund wird untergehn?

Nimmermehr -- was wilt du wagen,

Bloͤder Geiſt halt ploͤzlich ein!

Du kanſt nicht den Glanz ertragen

Von der GOttheit Sonnenſchein:
Y 3Schweig
[342]Die Tieffen der GOttheit.

Schweig und faſſe dein Gemuͤthe,

Denke GOtt iſt reich von Guͤte,

Des Verſtandes enger Kreis,

Faßt nicht was GOtt ſieht und weis.

Auch der GOttheit dunkle Tieffen,

Gleichen einem breiten Meer,

Woraus Seegensſtroͤme trieffen:

Es gereicht zu ſeiner Ehr,

Daß wir eingeſtehen muͤſſen

Daß wir nichts mehr von ihm wiſſen,

Als was jezt nur dem Verſtand,

Aus Natur und Schrift bekant.

Eine GOttheit zu ergruͤnden,

Das heiſt blos Ohnmoͤglichkeit;

Und ſich das kuͤhn unterwinden,

Das heiſt aus Verwegenheit,

Etwas klaͤrlich faſſen wollen,

Was wir hier nur glaͤuben ſollen,

Da das Auge nicht geſchikt,

Daß es einen GOtt erblikt.

Das Erkenntnis ihn zu lieben,

Haben wir in dieſer Welt,

Wer ſich darin wird recht uͤben,

Komt in jenes Himmels-Zelt,

Dort in den verklaͤrten Auen,

Jſt er deutlicher zu ſchauen:

Wo des Abgrunds Dunkelheit,

Jmmer helle Strahlen ſtreut.

Seh-
[343]Die Tieffen der GOttheit.
Sehnet euch ihr regen Sinnen,

Von des Koͤrpers Laſt befreit,

Nach den lichten Himmels-Zinnen,

Der verklaͤrten Ewigkeit.

Schwinge deiner Sehnſucht Fluͤgel,

Geiſt! nach jenem Sternen-Huͤgel,

Wo die Tieffen erſt vergehn,

Und der GOttheit Licht zu ſehn!

Doch ſo lange du im Wallen,

Jn der Unvollkommenheit,

Trachte dem ſtets zu gefallen,

Der ein HErr der Herrlichkeit.

Jhr gefluͤgelten Gedanken,

Bleibt in den gemeßnen Schranken,

Und wagt euch mit euren Sin,

Nie zu GOtt ohn Ehrfurcht hin!

Ewig undurchdringlich Weſen,

Laß mich deine Herrlichkeit,

An den Kreaturen leſen;

Gib daß ich hier in der Zeit,

Dich in deinem Bibelbuche,

Weiter zu erkennen ſuche:

Daß ich aber deine Hoͤh,

Dabei ohne Vorwiz ſeh!

Was ich nicht vermag zu kennen,

Davon kehre meinen Blik;

Laß mich nicht in Tieffen rennen,

Sondern ziehe mich zuruͤk;
Y 4Laß
[344]Die Tieffen der GOttheit.

Laß mich nur im Heilgen bleiben,

Wenn mich will der Wiz antreiben,

Jn das Heiligſte zu gehn:

Hier hab ich genug zu ſehn.

Laß mich Andachts-voll betrachten,

Wie du ein verborgner GOtt,

Der im Dunklen hoch zu achten:

Laß mich groſſer Zebaoth

Bei den ſchwindelnd bangen Grauen,

Dein Licht auch dabei anſchauen;

Zeig mir deine Herrlichkeit,

Auch hienieden in der Zeit.

Wenn das Sterbliche verſchlungen,

Und das Stuͤkwerk dreinſt vergeht,

Wird mein Lied das matt geklungen,

Jn der Geiſter-Welt erhoͤht,

Da ſoll mein hier kindiſch Lallen,

Dir, im hoͤhern Chor erſchallen,

Wenn dein Licht mir das anzeigt,

Was Natur und Schrift verſchweigt.


Der
[345]

Der Zorn.


(Jacob. I. 20.)
Des Menſchen Zorn thut nicht was vor
GOtt recht iſt.

[figure]
Ein flatternd Feuer im Gemuͤte,

Ein ſchaͤumend Wallen im Gebluͤte,

Jn unſrer Adern Wunderborn,

Erregt der fuͤrchterliche Zorn:

Den Zorn entflammt die Eigen-
liebe,

Die Rachſucht ſtaͤrket ſeine Triebe,

Die zaͤrtliche Empfindlichkeit

Begleitet ihn zu jeder Zeit,

Die Hofnung ſucht durch ſpize Dornen,

Jhn auch noch ferner anzuſpornen.

Das iſt der Zorn, das Kind der Hoͤllen,

Der das Gebluͤt pflegt aufzuſchwellen,

Und das Gemuͤt in Wallung ſezt,

So bald es ſich nur duͤnkt verlezt.

Ein Wort ſezt ihn in Dampf und Flammen,

Da Stolz und Rachbegier zuſammen,

Wie Pech und Schweffel Feuer ſpein,

Und Licht und Dampf und Stank ausſtreun:

Der Zorn der pflegt bei ſeinen Wittern,

Nicht andre, ſondern ſich zu ſplittern.

O! ſtuͤrmiſch rauhe Leidenſchaften

Die in der Menſchen Seele haften,

Jhr Feinde der Zufriedenheit,
Y 5Unhol-
[346]Der Zorn.

Unholden aller Menſchlichkeit!

Entfernet euch aus denen Seelen,

Jhr kommt das Herze nur zu quaͤlen,

Und wenn ihr unſern Trieb vergnuͤgt,

So habet ihr uns ganz beſiegt,

Und macht uns gleich den wilden Thieren,

Da wir die Menſchlichkeit verliehren.

Ein Zorniger bei ſeinem Brennen,

Jſt nicht ein Menſche mehr zu nennen,

Ein Loͤw, ein Tyger, Wolf und Baͤr,

Ein Baſilisk, und was noch mehr

Vor fuͤrchterliche Thiere leben,

Die uns derſelben Bildnis geben:

Denn wo die Wuth das Herz erregt,

Das Blut gleich Meereswellen ſchlaͤgt,

Kan die Vernunft ja nicht regieren,

Die bei uns muß das Ruder fuͤhren?

O! eilet alle aus dem Wege,

Hier wird der Zorn im Adern rege,

Er bricht ſchon los, und das Geſicht,

Umwoͤlkt das tieffe Augenlicht:

Das Blut erroͤthet ſchon die Wangen,

Das Auge wil gleich Feuer fangen,

Der Lebensſaft der ſchlaͤgt zuruͤk;

Ein blaſſer Baſilisken Blik

Glimmt durch, und iſt nicht mehr zu zaͤumen,

O! ſehet den Beſeßnen ſchaͤumen.

Wie raſet nicht der blinde Eiffer,

O! was vor Gift, o! was vor Geiffer

Sprizt wie ein Jaͤſcht aus ſeinen Mund

Und macht das boͤſe Herze kund.
Er
[347]Der Zorn.

Er flucht und ſchmaͤhlt, er tobt und bellet,

Da er ſich gleich dem Hunde ſtellet,

Der grimmig in die Steine beißt,

Damit man ihn verlezt und ſchmeißt:

Er ſchilt, er laͤſtert, droht und heulet,

Bis ſich die Witterung zertheilet.

Gleich wie ein Meer wenn es erbittert,

Jn ſeinen Uffern ſchreklich wittert

Die Wellen welzt und tobend baͤumt,

Die es in Ziſchen ausgeſchaͤumt:

Die Wellen an die Klippen rennet,

Daran der Fluthen Wuth zertrennet,

Und wiederum von Wind erregt,

Von neuen an dieſelben ſchlaͤgt,

Bis es mit einem naſſen Pochen,

Der Riegel Damm entzwei gebrochen:

So wuͤten die mit Zorn und Grimme,

Bald ihres Eifers Donner Stimme

Erheben, und bald Wirbel drehn,

Die bei dem Herzen ſtille ſtehn.

So raſen der Affecten Heere

Jm aufgewalten Adern-Meere,

Und brechen bei dem Sturm und Braus,

Zulezt in Ueberſchwemmung aus,

Da alles was entgegen ſtehet,

Durch ihm zerſchellt, zu Boden gehet.

Beſinnet euch ihr albern Tohren,

Das was ihre andern habt geſchworen,

Das trift euch ſelbſt und da ihr droht,

Beſtimmet ihr euch ſelbſt den Tod.
Jhr
[348]Der Zorn.

Jhr wolt, o! blind und tolles Wagen!

Mit eurer Wuht den Fels zerſchlagen,

Es ſollen oft Erz, Marmel, Stein

Durch euren Grim zerbrochen ſeyn:

Jhr rennt; daran ihr prallt zuruͤkke,

Der Fels bleibt ſtehn; ihr brechts Genikke.

Ein zorniger der ſchadt ſich ſelber,

Und oͤfnet ſich die Sterbgewoͤlber

Wo er als Staub und Aſche liegt,

Von kleinen Wuͤrmern wird beſiegt.

Der alles wil zu Boden ſchlagen,

Der muß ſich ſelbſt im Grim zernagen

Bis er den welken Ueberreſt,

Den Maden dreinſt zur Beute laͤſt;

Die Seele in die Hoͤlle bringet,

Die feurig in die Flammen ſpringet.

Jhr prahlt von dem gerechten Eifer,

Und ziehet eurem grimgen Geifer,

Das Kleid der reinen Tugend an,

Jhr denkt: ihr habet recht gethan,

Wenn ihr mit eurem ſtrengen Wuͤten,

Der Bosheit Raſerei beſtritten:

Allein ihr irrt. Der Zorn taugt nicht,

Wenn er das Boͤſe gleich zerbricht;

Gerechter Eiffer wird verſpuͤrret,

Wo Liebe und Gedult regieret.

Wer Ungerechtigkeit beſieget,

Und ſeine Jchheit nicht bekrieget,

Der iſt, wenn er die ganze Welt

Beherrſchet, doch kein groſſer Held.
O!
[349]Der Zorn.

O! merket dies bei euren Raſen,

Und ſtilt das Schnauben eurer Naſen,

Die Sanftmuth beſſert nur allein,

Und wer gedenkt ein Held zu ſeyn,

Der muß ſich erſt darauf beſinnen,

Wie er am beſten kan gewinnen.

Wo Wuth und Rachbegierde funkeln,

Da muß ſich der Verſtand verdunkeln,

Und wo das Licht der Seelen fehlt,

Da wird nie guter Rath gewaͤhlt:

Wo die Affecten Meiſter ſpielen,

Da wird man nie den Zwek erzielen,

Man druͤkt den Pfeil ins eigne Herz,

Und macht ſich ſelber Gram und Schmerz,

Und wenn wir uns ſelbſt zitternd machen,

So kan der Feind uns frei auslachen.

Bedenket dies bei euren Pochen,

Und laßt zuerſt das Blut verkochen,

Das ſiedend in den Adern brennt,

Eh ihr den Feind entgegen rennt.

Und von der Leidenſchaft befreiet,

So thuet, was euch nie gereuet;

Was euch als wahre Chriſten ziert,

Die ſanfte Neigung nur regiert:

Erſtikket durch des Geiſtes Triebe

Den Zorn, erregt das Feur der Liebe.

Jhr muͤßt, wenn eure Adern ſchwellen,

Euch erſt vor einem Spiegel ſtellen;

So wird die Feuerrothe Wut,

Eh ſie den Naͤchſten Schaden thut
Von
[350]Der Zorn.

Von Scham gedaͤmpft, zuruͤk getrieben;

Lernt nur vernuͤnftig euch zu lieben,

So wird eur zorniges Geſicht,

Schon vor des Herzens Selbſtgericht,

Als ſchamroth wiederum erbleichen;

So wird eur hartes Herz erweichen.

Koͤnnt ihr den aufgebrachten Willen,

Der Adern Wallung noch nicht ſtillen,

So ruffet den Erloͤſer an,

Der Wind und Meer bald ſtillen kan.

Gedenket an die Todes-Stunden,

Und eilet zu des Heilands Wunden,

Da findet ihr der Liebe Flut,

Loͤſcht damit eures Zornes Glut:

So iſt das Feuer bald geſtillet,

Was in verdorbnen Blute ſchwillet.


Das
[351]

Das
dankbahre Herz bei der Empfin-
dung der Guͤte GOttes nach
vollbrachter Erndte.


(Pſ. XXXIV. 9.)
Schmekket und ſehet, wie freundlich der
HErr iſt: wol dem der auf ihm trauet.

[figure]
Groſſer Schoͤpfer! deine Gaben,

Und die Sproſſen deiner Guͤt

Die die Zungen reichlich laben,

Die erfreuen das Gemuͤth,

Treiben mich in holden Singen,

Ein Dankopfer Dir zu bringen.

Welch ein uͤberreicher Seegen,

Deiner ewgen Guͤtigkeit,

Hat uns durch ein wallend Regen,

Fetter Frucht, das Herz erfreut!

Da der Felder dichte Halmen,

Uns bewegt zu Lob und Pſalmen!

Nunmehr ſind ſie eingeſcheuret,

Und der Mund genieſſet ſchon,

Was die Allmacht hat verneuret:

Nunmehr ſol mein Jubelthon,

Aus vergnuͤgter Seele flieſſen,

Da wir deines Guts genieſſen.

Va-
[352]Das dankbahre Herz.
Vater! ſolte nicht die Seele,

Satt von deiner Guͤte ſeyn,

Da durch leibliche Canaͤle

Deines Seegens Gnadenſchein,

Da durch koͤrperliche Sinnen,

So viel Wolluſtſtroͤme rinnen?

Wir genieſſen lauter Wunder,

Die die weiſe Allmacht zeigt,

Und daraus entbrennt der Zunder

Der das Herz zur Liebe neigt:

Du giebſt uns das Korngerichte,

Nim davor der Andacht Fruͤchte.

So viel Koͤrner, ſo viel Halmen,

Uns die Erndte hat beſchert;

So viel Lob und Dank und Pſalmen,

Verdient der, der uns ernaͤhrt!

Waͤren alle Glieder Zungen,

Wuͤrdeſt Du nicht gnug beſungen.

So viel Nahrungsreiche Biſſen,

Aus der Koͤrner Mark entſtehn,

Und wir dieſes Jahr genieſſen:

So viel muß man dich erhoͤhn!

Moͤchte doch der Zungen Schmekken,

Dazu meinen Geiſt erwekken!

Auf mein Herz! ſtets zu bedenken,

Was die Vorſicht hat gethan;

So wird ſie die Triebe lenken,

Da ſie alles lenken kan,

Daß ich koͤnn aus reiner Seelen,

Was mein Mund geſchmekt, erzaͤhlen!


Re-[[353]]

Appendix A Regiſter
der in dem zweiten Theile befindlichen
Poeſien.


  • Der Sommer Pag.1
  • Die mannigfaltige Weisheit GOttes, im Reiche
    der Gnaden bei der Offenbahrung des Erloͤſers 24
  • Die angenehme Morgenroͤthe 41
  • Anrede an den herrlichen GOtt um Abwendung
    ſchreklicher Ungewitter 49
  • Die heilige Garten-Schule der lehrenden Blu-
    men 51
  • Die Traͤume derer, die da glauben, daß die See-
    le nach dem Tode ſchlafe 73
  • Die Schaubuͤhne der Welt 74
  • Die weiſe Guͤte GOttes bei der Zulaſſung des
    Boͤſen 85
  • Das gute Gewiſſen 99

Zweyter Theil. ZDer
[[354]]Regiſter.
  • Der Akker ein Bild des menſchlichen Herzens 101
  • Die Thautropfen des Feldes, als Spiegel der
    Gottheit 106
  • Die gruͤne Saaten 111
  • Die blaue Kornblume 114
  • Die Weisheit GOttes an einem Kornhalm 118
  • Gedanken uͤber ein faules und bei der Nachtzeit
    ſcheinendes Holz 125
  • Ueber die Worte: Der am Kreuz iſt meine
    Liebe 128
  • Die betrachtenswuͤrdige Korn-Aehre ein Zeuge
    goͤttlicher Weisheit 131
  • Die kuͤnſtliche Spinne mit ihren Geweben 136
  • Die Herrligkeit der Lilien 146
  • Der Menſch gleicht Staub und Schatten 151
  • Die Aufferſtehung JEſu der Grund der Glaͤu-
    bigen zu ihrer ſeeligen Aufferſtehung 153
  • Der Regen 177
  • Der buntgefaͤrbte Regenbogen 185
  • Das goͤttliche Aufſehen uͤber die Kirche 190
  • Die Liebe 192
  • Der Neid 197
  • Die Stimme GOttes im Hagel 203
  • Die Lehrreiche Weltſchule 209
  • Die Seele das Koſtbahrſte Kleinodt der Men-
    ſchen 205
  • Anrede an diejenigen die ſich mit bangen Nah-
    rungsſorgen quaͤlen 222
  • Gedanken uͤber J. C. H. Beitrag zum irdiſchen
    Vergnuͤgen 225
  • Anreden an GOtt uns ſeine Eigenſchaften auf
    den Feldern ſehen zu laſſen 226
  • Seufzer nach einer geloͤſchten Feuersbrunſt 229

Der
[[355]]Regiſter.
  • Gedanken uͤber einem alten Man der vom Wa-
    gen todt gefallen 231
  • Grabſchrift eines ehrlichen Mannes. 232
  • Grabſchrift einer Mutter die an dem Begraͤbnis
    Tage ihres einzigen Sohnes geſtorben 233
  • Auf das Grab einer Perſohn die in Kindesnoͤ-
    then geſtorben 234
  • Auf eine verſtorbene fromme Jungfer 235
  • Lob GOttes aus dem Buche der Natur in einer
    poetiſchen Ueberſetzung des 104. Pſalms 236
  • Die Gottgefaͤllige Augenluſt 245
  • Gedanken bei dem Anblik eines mit Bohnen be-
    ſaamten Akkers. 251
  • Die ſchnel entſtandnen und ſchnel vergangnen
    Waſſerblaſen 254
  • Die wunderbahre Vermehrung des Getraides 255
  • Daß die Wolthat GOttes, die er uns durch die
    Erndte bewieſen, vielen eine unerkandte Wol-
    that ſey 258
  • Die Stimme GOttes im Donner 264
  • Die ſelten bluͤhende Aloe 277
  • Die Welt ein Land der Eitelkeit 282
  • Was Leben heiſſe 287
  • Die Gelegenheit 289
  • Der groͤſſeſte Betrieger 290
  • Die wahre Froͤmmigkeit 292
  • Der Misbrauch der Guͤte GOttes der von eini-
    gen Blumenliebhabern begangen wird 293
  • Gedanken bei dem Anblik eines leeren Feldes 298
  • Ueberſchrift an die mit Fruͤchten gefuͤlleten
    Scheuren 390
  • Der Wind 302
  • Der ſtolze Pfau 319

Z 2Die
[[356]]Regiſter.
  • Die Gedult 322
  • Die Kaiſerkrone 329
  • Die Tieffen der Gottheit 333
  • Der Zorn 333
  • Das Dankbahre Herz bei der Empfindung der
    Guͤte GOttes nach volbrachter Erndte 351

[[357]]
Notes
(*)
Matth. XIII. 24-30.
(*)
1 Moſ. 42, 21.
(*)
Julius Caͤſar Vaninus.
(*)
Die Canibalen ein wildes Volk welches Men-
ſchen friſſet.
(*)
Offenb. Joh. c. 4. 3.
(*)
Microſopium pflegt man ein ſolches Glas zu
nennen, welches die Dinge die ſich demſelben
darfiellen, verkleinert.
(**)
Ein ſolches Glas daß die Dings vergroͤſſert,
welches man Macroſcopium heiſſet.
(*)
Nemlich die Erde die unſer aller Mutter iſt.
(*)
1 Joh. II. 16.
(*)
1 Moſ. XXXIIII. 1. 2.
(*)
Paulus im Brieffe an die Roͤmer c. XI. 33.
(*)
Suetonius in dem Leben des Kaiſers Nero.
(*)
Salomo im Prediger Buche c. 1.
(*)
Diejenigen Winde welche immer aus einer Ge-
gend wehen, werden von dem Schifleuten Paſſad
Winde genennet: Diejenigen aber die ein
Halbjahr aus der einen Gegend, und das andre
Halbejahr ordentlich aus der entgegen ſtehenden
Gegend wiederkommen nennen ſie Moußons oder
Bewegungen.
(*)
Man nennet ſolche Caravanen, die durch die
Arabiſchen Wuͤſten als Handelsleute Truppenwei-
ſe zu ihrer Sicherheit reiſen; weil ſich da die Jſ-
maeliten oder raͤuberiſche Voͤlker aufhalten, die
von Jſmael ihren Urſprung herleiten.

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CC-BY-4.0
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). Ebeling, Johann Justus. Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjjf.0