[][][][][][][[III]]
Die
Conſtructionen in Stein.


Mit 500 Holzſchnitten.

Leipzig.:
G. Knapp, Verlagsbuchhandlung.
1878.

[[IV]][[V]]

Vorrede zur zweiten Auflage


Bei Bearbeitung der erſten Auflage des „Handbuch der
Bauconſtruktionslehre
“ leitete mich der Gedanke, den Studiren-
den des Baufaches — den Akademikern, Gewerbe- und Baugewerks-
ſchülern — ein Compendium zu geben, welches die hauptſächlichſten
im Hochbauweſen vorkommenden Conſtruktionen in ſyſtematiſcher
Reihenfolge enthalten ſollte. Um dies Ziel möglichſt zu erreichen,
ſchien es mir nöthig, einerſeits die Conſtruktionselemente, d. h. haupt-
ſächlich die Holzverbindungen, Balkenlagen, Dächer, Steinverbände,
graphiſche Conſtruktionen bei Gewölben, Bedachungen ꝛc., ausführlich
zu beſprechen, andererſeits den knapp gehaltenen Text mit recht
vielen, der Praxis entnommenen Beiſpielen zu verdeutlichen, und die
Figuren in kleinem, aber doch deutlichem Maßſtabe ſo zu zeichnen,
daß der Studirende die Anwendung und Verbindung der in ſpeciellem
Falle beſprochenen Conſtruktion mit ihrer Umgebung klar erkenne.


Dieſe Grundſätze hielt ich auch bei Bearbeitung der zweiten Auf-
lage meines „Handbuch der Bauconſtruktionslehre“ feſt; gleichzeitig
habe ich nicht unterlaſſen, einzelne wichtige Abſchnitte, ſo z. B. die
Conſtruktionen in Holz und Stein, die in der erſten Auflage je nur
5—6 Druckbögen einnahmen und daher allzu knapp waren, ganz
umzuarbeiten und ſehr zu vermehren. Die beiden erwähnten Ab-
ſchnitte ſind jetzt auf das vier- bis fünffache erweitert, und auch
die Abſchnitte „Bedachungen“ und „Innerer Ausbau“ haben eben-
falls eine beträchtliche Vermehrung erhalten. Abſchnitt „Hilfscon-
ſtruktionen“ der erſten Auflage iſt in der zweiten Auflage mit einigen
anderen Abſchnitten vereinigt, ſo z. B. in Zimmerconſtruktionen mit
den Dachausmittelungen, in Steinconſtruktionen mit den Bögen und
Gewölben u. ſ. w.


Eine ganz beſondere Vermehrung hat das Werk durch die Auf-
nahme der in Oeſterreich allgemein gebräuchlichen Conſtruktionen
erhalten, von denen man in Deutſchland noch ſehr wenig Kenntniß
hat, obgleich ſie ohne Zweifel manche vortreffliche Eigenſchaften
beſitzen. Um die Entſtehung dieſer abweichenden Conſtruktionen zu
[VI]Vorrede.
erklären, habe ich an den betreffenden Stellen die Bauordnungen
der Kronländer beigefügt. Die Aufzählung der deutſchen Bauord-
nungen war nicht thunlich, weil dieſe einerſeits ſehr zahlreich und
faſt in allen Städten verſchieden ſind, andererſeits zur Zeit in einer
Reihe von Bezirken umgeändert werden; immerhin habe ich manch-
mal die berliner Bauvorſchriften notirt.


Obgleich die öſterreichiſchen Conſtruktionen gerade durch die eigen-
artigen Bauordnungen ein nationales Gepräge erhalten haben und
in Deutſchland nicht direct nachahmungsfähig ſind, glaubte ich doch
zur Aufnahme derſelben verpflichtet zu ſein, da auch ſelbſt in Oeſter-
reich nur wenige Werke exiſtiren, welche die neueren Conſtruktionen
ſyſtematiſch und ausführlich beſprechen — dies gilt insbeſondere von
den Dachconſtruktionen; in dieſem Werke habe ich verſucht, ſowohl
die deutſchen, als auch die öſterreichiſchen Dächer nach gleichem Princip
zuſammenzuſtellen und zu entwickeln.


In Bezug auf Abſchnitt „Conſtructionen in Eiſen“ ſei bemerkt,
daß dort nur die elementaren Anordnungen — Säulen, Träger,
einfache Dächer — dargeſtellt ſind und daher großartige Conſtruk-
tionen, wie z. B. Hallendächer u. ſ. w., unberückſichtigt bleiben, zumal
dieſe bereits in „Brandt, Lehrbuch der Eiſenconſtruktionen“ erſchöpfend
behandelt wurden.


Wegen der bedeutenden Vermehrung des ganzen Werkes habe
ich auf Veranlaſſung des Herrn Verlegers, dem ich hier für die gute
Ausſtattung meinen Dank ſage, die zweite Auflage des „Handbuch
der Bauconſtruktionslehre“ in drei von einander unabhängigen
Bänden bearbeitet, ſo daß dem Unbemittelten die Anſchaffung eines
einzelnen Bandes geſtattet iſt.


Das ganze Werk enthält ſonach:


  • 1. Band: Conſtruktionen in Holz (Zimmerarbeiten),
  • 2. Band: Conſtruktionen in Stein (Maurer- und Steinmetzen-
    arbeiten),
  • 3. Band: Conſtruktionen in Eiſen,
    Treppenconſtruktionen,
    Innerer Ausbau,
    Grundbau (Fundirung und Grundirung).

Brünn, im November 1876.
G. Wanderley.


[[VII]]

Inhalts-Verzeichniß.


  • Erſtes Kapitel.
  • Seite
  • Die umſchließenden und ſtützenden Conſtructionstheile
    (Mauern und Pfeiler)
    2
  • Die Mauern aus gebrannten Ziegeln 2
  • Das volle Mauerwerk 6
  • Der Schornſteinverband 7
  • Der Blockverband 8
  • Der Kreuzverband 11
  • Der polniſche oder gothiſche Verband 11
  • Der holländiſche Verband 12
  • Der Strom- oder Diagonalſchichtverband 13
  • Der figurirte Verband 13
  • Das Mauerende14
  • Volles Mauerende beim Blockverbande 15
  • Volles Mauerende mit Kreuzverband 17
  • α) bei Anwendung von Dreiquartieren 17
  • β) bei Anwendung der Kopfſtücke 18
  • Mauerenden mit Fenſter- reſp. Thüranſchlägen 20
  • Die Mauerecken26
  • 1) Eckbildungen im Blockverbande mit Dreiquartieren 27
  • 2) Eckbildungen im Blockverbande mit Kopfſtücken oder Riemchen 31
  • 3) Eckbildungen im Kreuzverbande mit Dreiquartieren 33
  • 4) Eckbildungen im Kreuzverbande mit Kopfſtücken 34
  • 5) Die nicht rechtwinkligen Mauerecken 38
  • Die Kreuzung der Mauern42
  • 1) Die Kreuzung einer Außenmauer mit einer Innenwand 42
  • 2) Die Kreuzung der Innenwände 46
  • Die Pfeiler und Säulen aus Ziegeln49
  • a) Die Pfeilerverbände 49
  • b) Die Säulenverbände 51
  • c) Die Pfeilervorlagen 54
  • Seite
  • Die Hohlmauern56
  • 1) Mauern mit Iſolirſchichten 57
  • 2) Mauern aus Hohlſteinen 63
  • 3) Mauern aus poröſen Ziegeln 67
  • Die Schornſteine oder Rauchfänge68
  • 1) Allgemeine Betrachtungen 68
  • 2) Die polizeilichen Vorſchriften 70
  • a) Preußen 70
  • b) Oeſterreich 73
  • Bauordnung für Bukowina 74
  • Bauordnung für Galizien 76
  • Bauordnung für Mähren 78
  • Bauordnung für Graz 78
  • Bauordnung für Wien 79
  • 3) Die Schornſteine in Wohngebäuden 80
  • a) Die Vorgelege 81
  • b) Die Schornſteine 83
  • α) die weiten Schornſteine 83
  • β) Die engen Schornſteine 85
  • γ) Die Anlage der Schornſteine 93
  • 4) Die Fabrikſchornſteine 97
  • Die Höhe 98
  • Der Querſchnitt 99
  • Der Bau der Fabrikſchornſteine 101
  • Conſtructionsverhältniſſe 102
  • Das Mauern der Kamine 106
  • Die Anordnung des Verbandes 107
  • Die Materialien 110
  • Die Aufmauerung 111
  • Die Mauern von Feld- und Bruchſteinen114
  • Die Feldſteine oder Felſenmauern 114
  • Die Mauern und Pfeiler aus Werk- oder Schnittſteinen120
  • 1) Geſchichtliches 121
  • 2) Die Werkzeuge des Steinmetzen u. die Bearbeitung des Werkſteines 127
    Das kleine und das große Brecheiſen, das Spitz- oder Boſſir-
    eiſen, die Zweiſpitze, der Schlag, das Kröneleiſen, das Zahneiſen,
    das Scharireiſen, das Rutheiſen, der eiſerne Schlägel, der hölzerne
    Schlägel, die Fläche, der Stock- oder Kraushammer.
  • Seite
  • Die Bearbeitung des Werkſteines 131
  • 3) Der Steinverband 134
  • bei Quaderverblendung 137
  • bei Plattenverblendung 141
  • Der Steinverband für Ufermauern und Brückenpfeiler 147
  • 4) Das Verſetzen der Werkſteine 148
  • Die Laufkrahne 149
  • Die Gerüſte 151
  • Die Hebegeſchirre 155
  • Das Verklammern und Verdübeln der Werkſteine 157
  • Das Mauern mit Ziegeln158
  • 1) Der Mörtel 158
  • 2) Das Mauern 160
  • Die Fugenſtärke 160
  • Das Vermauern 160
  • Das Ausfugen 162
  • Die Herſtellung des Mauerwerkes 165
  • Die Stein- und Kalkaufzüge 169
  • Die Baugeräthe 174
  • Die Bauzäune 174
  • Die Baugerüſte 176
  • Verbundene Gerüſte, Stangengerüſte, Leitergerüſte, fliegende
    und Hängegerüſte, 176—181.
  • Die Stärke der Mauern181
  • Allgemeine Betrachtungen 181
  • Allgemeine Regeln 189
  • Verſchiedene polizeiliche Vorſchriften über die Mauerſtärken 198
  • Bauordnung für Böhmen, Czernowitz, Lemberg, Kärnthen,
    Klagenfurt, Mähren, Oeſterreich ob der Enns und unter der
    Enns, Linz, Berlin, 198—206.
  • Verputz der Mauern und Decken206
  • Der äußere Putz 207
  • Der Filzputz 208
  • Der Spritzputz 208
  • Putz auf Bruchſteinmauern 209
  • Putz auf Lehmwänden 209
  • Putz auf Fachwänden 210
  • Berohrung und verſchalte Decken 210
  • Zweites Kapitel.
  • Seite
  • Die deckenden Conſtruktionstheile. (Die Bögen.)211
  • Die Bogenformen 212
  • Conſtruktion der Spitzbogenlinien 215
  • Zeichnen der Ovalen und Eilinien 216
  • Conſtruktion der Korbbogenlinien 217
  • Conſtruktion der Elipſe 219
  • Conſtruktion der einhüftigen Bogenlinien 223
  • Die Ausführung der Bögen 227
  • Die Bögen aus Ziegeln228
  • Der Verband der halbkreisförmigen Gurtbögen 229
  • Der Verband der flachen Gurtbögen 231
  • Der Verband der Spitzbögen 233
  • Der Verband der Ringbögen 234
  • Die Kämpfer der Bögen 236
  • Verband der Entlaſtungsbögen 237
  • Die Stärke der Bögen 242
  • Die Bögen aus Schnitt- oder Werkſteinen 243
  • Die Gewölbe249
  • Benennung der Gewölbetheile 249
  • Gewölbearten 251
  • Tonnengewölbe 255
  • Form deſſelben 255
  • Ermittelung der Durchdringungskurven 257
  • Conſtruktion der Tonnengewölbe 260
  • Ziegeltonnengewölbe 260
  • Das volle Halbkreis-Tonnengewölbe 262
  • Das volle Halbkreis-Tonnengewölbe bei Brücken und Bierkellern 263
  • Das volle Halbkreis-Tonnengewölbe in Hauskellern 265
  • Das volle Ziegel-Tonnengewölbe über Corridoren 269
  • Das flache oder gedrückte Ziegel-Tonnengewölbe 277
  • Bruch- und Werkſteingewölbe 286
  • Quader- oder Werkſtein-Tonnengewölbe 286
  • Bruchſtein-Tonnengewölbe 286
  • Die einhüftigen Tonnengewölbe 287
  • Die aufſteigenden Tonnen 287
  • Die Lehrgerüſte 293
  • Seite
  • Die üblichen Dimenſionen der Tonnengewölbe 295
  • Kegelgewölbe 296
  • Das preußiſche Kappengewölbe 296
  • Pfeilhöhe, Stärke und zuläſſige Spannweite 297
  • Allgemeine Regeln für das Projektiren 297
  • Anordnung der Kappengewölbe 298
  • Preußiſche Kappen über Corridoren 311
  • Anwendung der flachen Tonnen bei Erd-Iſolir-Kappen 312
  • Umgekehrte flache Tonnen 313
  • Die anſteigenden Kappengewölbe 313
  • Conſtruktion und Ausführung der preußiſchen Kappengewölbe 315
  • Die Kufwölbung 315
  • Die Schwalbenſchwanzeinwölbung 318
  • Die Gräteneinwölbung 320
  • Ringförmige Einwölbung auf Rutſchlehrbögen 320
  • Die Moller’ſche Einwölbung 322
  • Oeffnungen in den Kappen 323
  • Das Kloſtergewölbe 324
  • Graphiſche Conſtruktion 325
  • Anwendung, Einwölbung und Conſtruktion 326
  • Beiſpiele von Kloſtergewölben 331
  • Das Muldengewölbe 333
  • Syſtem und Conſtruktion der Muldengewölbe 334
  • Spiegelgewölbe 334
  • Syſtem und Conſtruktion 335
  • Kuppelgewölbe 337
  • Syſtem und graphiſche Conſtructionen 337
  • Kuppeln aus den 4., 6. und 15 Jahrhunderten 347
  • Conſtruktion der Kuppelgewölbe 355
  • Empiriſche Angaben über die Dimenſionen derſelben 371
  • Das böhmiſche Gewölbe 373
  • Einwölbung derſelben 377
  • Verwendung der böhmiſchen Gewölbe 381
  • Verzeichnen derſelben 384
  • Die böhmiſche Kappe 385
  • Syſtem und graphiſche Conſtruktionen 385
  • Die Einwölbung der böhmiſchen Kappe 388
  • Verwendung und B iſpiele 391
  • Seite
  • Verzeichnen der böhmiſchen Kappen 399
  • Das Kreuzgewölbe 400
  • Syſteme und graphiſche Conſtruktionen 400
  • Conſtruktion 410
  • Die Verwendung der Kreuzgewölbe 431
  • Das Verzeichnen der Kreuzgewölbe im Grundriſſe 441
  • Die Sterngewölbe 445
  • Syſteme und graphiſche Conſtruktionen 445
  • Die Netzgewölbe 457
  • Die Fächergewölbe 458
  • Die Niſchengewölbe 461
  • Die Ausführung der Gewölbe 462
  • Gußgewölbe 463
  • Das Trockenlegen der Keller 468
  • Die maſſiven Thurmſpitzen 474
  • Drittes Kapitel.
  • Die Thür- und Fenſteröffnungen479
  • Viertes Kapitel.
  • Die Geſimſe490
  • Die Plinthen- oder Sockel-Geſimſe 491
  • Die Gurt- und Band-Geſimſe 491
  • Das Hauptgeſims 493
  • Nachtrag497

[[1]]

Zweiter Abſchnitt.
Der Steinbau.


Unter Steinbau verſteht man diejenige Bauart, bei welcher man
ſich ſowohl der natürlichen Steine, als auch der künſtlich präparirten
ſteinartigen Bauſtoffe bedient. Zu den Erſteren gehören die auf dem
Felde zerſtreut liegenden Granitſteine, die ſogenannten Findlinge,
ſowie die aus größeren Brüchen ſtammenden Granit-, Syenit-, Kalk-
und Sandſteine jeglicher Gattung; zu den Letzteren *) zählt man die
aus Thon geformten Ziegeln, welche ſowohl in gebranntem, als auch
ungebranntem Zuſtande benutzt werden. Die Be- und Verarbeitung
dieſer verſchiedenen Materialien erfordert beſondere Geſchicklichkeit und
wird durch Profeſſioniſten ausgeübt, nach denen man vielfach den
Steinbau eintheilt in:


  • 1) Maurerarbeiten,
  • 2) Steinmetzarbeiten.

Während die Steinmetzer ſich lediglich mit der Bearbeitung der
Werk- und Bruchſteine beſchäftigen und dieſe, wenn ſie in größeren
Mengen und Dimenſionen beim Baue vorkommen, auch verſetzen,
pflegen die Maurer blos mit den Ziegeln zu manipuliren und in
einigen Gegenden, wo einzelne Conſtructionstheile, wie z. B. Geſimſe,
Treppen und Sockelbekleidungen aus natürlichen Steinen hergeſtellt
werden, auch die, von dem Steinmetzer im Bruche oder in der Werk-
ſtätte zugerichteten Werkſteine, auf dem Bau ordnungsmäßig an die
richtige Stelle zu bringen. Ferner exiſtiren in vielen Diſtricten, wo
die rohen Bruchſteine und Felſen zu Fundamenten, und ſogar auch
zu größerem Mauerwerk Verwendung finden, ſogenannte „Stein-
hauer
“, denen es obliegt, die ganz unregelmäßigen Steine etwas
lagerſchichtig zu bearbeiten und einzelne Theile, wie z. B. Sockelbe-
kleidungen aus Granit, Granitſtufen u. ſ. w., ebenflächig zu bahnen.


Wanderley, Bauconſtr. II 1
[2]Erſtes Kapitel.

Der Steinbau zerfällt in drei verſchiedene Conſtruktionsgattungen,
nämlich:


  • 1) in umſchließende und ſtützende,
  • 2) in bedeckende,
  • 3) in bekrönende und beendigende Conſtruktionstheile und
  • 4) in ſonſtige Theile, welche zu mehreren dieſer Abtheilungen
    gehören.

Man rechnet zu ad. 1 die Mauern, Pfeiler und Säulen,


  • zu ad. 2 die Bögen und Gewölbe,
  • zu ad. 3 die verſchiedenen Geſimſe und
  • zu ad. 4 die Thüren, Fenſter und ſonſtigen Nebenarbeiten.

Streng genommen gehören auch die Treppen, Steinfußböden und
Steinbedachungen zum Steinbau; da dieſe aber im 3. Bande dieſes
Werkes beſprochen werden, finden ſie hier keine Berückſichtigung.


Erſtes Kapitel.
I. Die umſchließenden und ſtützenden Conſtruktionstheile
(Mauern und Pfeiler)


ſind die wichtigſten Gegenſtände eines Gebäudes, ſie ſollen nicht allein
das Innere des Gebäudes gegen alle Witterungseinflüſſe ſchützen,
ſondern auch die Decken (und das Dach) tragen, und bedürfen daher
einer genügenden Stärke. Dieſe hängt ab einestheils von der Be-
ſchaffenheit der Materialien, anderntheils von der Länge und Höhe
der einzelnen Geſchoſſe (Stockwerke), ſowie von der, durch die Etagen-
und Dachgebälke entſtehenden Belaſtung.


A.Die Mauern aus gebrannten Ziegeln.


Behufs zweckmäßiger Verlegung im Verbande erhalten die Ziegel
eine parallel-epipediſche Form, und zwar in der Weiſe, daß die Seiten
ſich annähernd zu einander verhalten:
Die Dicke: Breite: Länge wie
1 : 2 : 4.


Seit Einführung des Metermaßes in Deutſchland (1870) und
Oeſterreich (1876), werden die Ziegelſteine dem Metermaße entſprechend
geformt; leider iſt es aber nicht gelungen, in dieſen beiden großen
Reichen dem Normalziegel die gleiche Größe zu geben.


[3]Das Ziegelmauerwerk: Steinformat.

Legt man für die Stärke (s) der Stoßfugen — dieſe ſind die
verticalen Fugen zwiſchen den Steinen — 1zm zu Grunde, ſo ſoll das
Steinmaß haben:
eine Länge l = 2b + 1 s
„ Breite
„ Dicke


Die Steindicke iſt für den Verband der vollen Mauern ganz
beliebig und kommt lediglich an den Ecken des ſogenannten „Roll-
ſchichtverbandes“ in Betracht, bei welchem die zwei flach aufeinander
liegenden Ziegel zz (Fig. 1) die Höhe eines hochkantig geſtellten

Figure 1. Fig. 1.


Steines (r) haben müſſen. Die beiden Flachſchichten zz plus Fugen-
ſtärke ſind gleich
2 d + 1 s = b (einer Ziegelbreite).
Dieſer Bedingung entſpricht nur der öſterreichiſche Ziegel.


In Deutſchland gilt als Normalziegelformat das von dem
„Verein für die Fabrikation von Ziegeln ꝛc. in Berlin“ empfohlene
und von dem „Verbande der deutſchen Architekten- und Ingenieur-
Vereine,“ ſowie von den Regierungen adoptirte Format von
25zmLänge, 12zmBreite und 6,5zmDicke.


Als Fugenſtärke wird angenommen für die Lagerfugen 1,2zm und
für die Stoßfugen 1zm, ſo daß 13 aufſteigend gemauerte Schichten
(in Oeſterreich heißen dieſe „Schaaren“) gerade 1m hoch werden.


1*
[4]Erſtes Kapitel.

Für die Mauerſtärke legt man folgende Maße zu Grunde:
1 Stein ſtark = 25zm
1½ „ „ = 38zm
2 „ „ = 51zm
2½ Stein ſtark = 64zm
3 „ „ = 77zm
3½ „ „ = 90zm
4 Steine ſtark = 102zm
4½ „ „ = 116zm
5 „ „ = 129zm


Der Inhalt eines deutſchen Normalziegels beträgt 1950kbzm, ſo
daß alſo bei durchſchnittlich 3 % Bruch erforderlich ſind, für:


  • 1 laufenden Meter Rollſchicht   = 13—14 Stück,
  • 1 kbmvolles Mauerwerk  = 400 „
  • 1 kbm von gewöhnlichen Oeffnungen durchbrochenes
    Mauerwerk   = 300 „
  • 1 □mvolles Mauerwerk, ½ Stein ſtark   = 50 „
  • 1 □m desgl. 1 Stein ſtark   = 100 „
  • 1 □m desgl. 1½ Stein ſtark   = 150 „
  • 1 □m desgl. 2 Stein ſtark   = 200 „
  • 1 □mFachwerk ½ Stein ſtark zur Ausmauerung = 35 „
  • 1 □m desgl. zur Ausmauerung und Verblendung = 90 „
  • 1 □m desgl. zur Ausmauerung ohne Verblendung = 75 „

Der deutſche Normalziegel entſpricht in den Breiten- und Längen-
dimenſionen den oben aufgeſtellten Proportionen, nämlich:
die Länge l = 2 (12 + 1) = 25zm und
die Breite .

Man kann mit ihm aber den Rollſchichtenverband nicht gut anlegen,
denn ſelbſt bei einer Lagerfugenſtärke von nur 1zm, geben
zwei Flachſchichten plus 1zm Fuge = (2 . 6,5) + 1 = 14zm,
während b ſelbſt nur 12zm mißt!


Abgeſehen von dieſem Uebelſtande, gewährt dagegen der deutſche
Normalziegel den nicht zu unterſchätzenden Vortheil, daß die Mate-
rialmaſſe bequem nach Quadratmetern, anſtatt nach Kubikmetern,
berechnet werden kann. In Oeſterreich beſchloß der „Architecten-
und Ingenieur-Verein in Wien“ im Jahre 1874, das in der ganzen
Monarchie bis dahin allgemein übliche Steinformat von annähernd
12″ Länge, 6″ Breite und 3″ Dicke umzuändern auf:
29zmLänge, 14zmBreite und 6,5zmDicke.
Die Stärke der Stoß- und Lagerfugen wurde, wie in Deutſchland,
ebenfalls auf 1zm beziehungsweiſe 1,2zm feſtgeſetzt, ſo daß auf 1m
Mauerhöhe 13 Schaaren kommen.


[5]Das Ziegelmauerwerk: Steinformat.

Der einzige Nachtheil dieſes Formats beruht lediglich in der un-
bequemen Berechnung des vollen Mauerwerks nach Kubikmetern;
hingegen bietet das correkte Verhältniß zwiſchen den Längen-, Brei-
ten- und Dicken-Dimenſionen manche Vortheile, nämlich:


  • Länge 1 = (2 . 14) + 1 = 29zm
  • Breite
  • Dicke ,

folglich beim Rollſchichtverband:
zwei Schaaren = (2 . 6,5) + 1 = 14zm hoch.


Die Mauerſtärke mit öſterreichiſchen Ziegeln wird ohne Ver-
putz
in Abſtufungen von halben Ziegellängen ſowohl in den Plänen,
als auch in Berechnungen, mit der zuläſſigen Annäherung von höch-
ſtens ½ bis 1zm angegeben:


  • Die ½ ſteinige Mauer mit 15zm
  • „ 1 „ „ „ 30zm
  • „ 1½ „ „ „ 45zm
  • „ 2 „ „ „ 60zm
  • „ 2½ „ „ „ 75zm
  • „ 3 „ „ „ 90zm u. ſ. w.

Die Dicke des Wandputzes
mißt im Durchſchnitt auf je-
der
Wandfläche 2zm.


Der öſterreichiſche Normal-
ziegel hat 2639 kbzm Inhalt,
ſomit erfordert der Kubikmeter
volles Mauerwerk ca. 295—
300 Ziegel incl. 3 % Bruch.


Um einen Verband für
eine beſtimmte Mauer-
dicke und Länge
anlegen zu
können, ſind außer den gan-
zen Steinen
auch Theil-
ſteine
erforderlich, welche in
der Weiſe hergeſtellt werden,

Figure 2. Fig. 2.


daß man den ganzen Ziegel entweder der Länge nach in zwei
gleiche Theile
(Fig. 2 A) oder der Breite nach in Ein-, Zwei-
[6]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
oder Drei-Quartierſtücke (Fig. 2 B—D) zerlegt. Der Theilſtein
Fig. A heißt Kopfſtück oder Riemchen.


Bei Herſtellung einer Mauer iſt zu beachten, ob ein volles
Mauerwerk
, eine Wandecke oder nur ein einfaches Mauerende
mit ſenkrechtem Abſchluſſe, und mit oder ohne Fenſter- reſp.
Thüranſchlag hergeſtellt werden ſoll. Betrachten wir zunächſt


I.Das volle Mauerwerk.

Bei allem Mauerwerk liegen die Steine in den verſchiedenen
Schaaren oder Schichten bald parallel, bald normal zur Langmauer

Figure 3. Fig. 3.


(Fig. 3). In erſterem Falle
ſieht man in der Anſicht
die ganze Länge des Zie-
gels und heißen die Steine
Läufer (l)“, in letzterem
Falle ſind nur die Köpfe
ſichtbar und nennt man die
Steine s, weil ſie die da-
rüber- oder darunterlie-
genden Läuferreihen anker-
artig verbinden, „Bin-
der
“ oder „Strecker“. Da hiernach der Verband der halben oder
ganzen Ziegellänge entſprechen muß, kann jede Mauer nur das
Vielfache einer Ziegelbreite
, d. h. ½, 1, 1½, 2, 2½ ꝛc. Ziegel
ſtark ſein.


Diejenigen Fugen, welche horizontal, d. h. zwiſchen den Lager-
flächen liegen, heißen „Lagerfugen“; „Stoßfugen“ befinden ſich
in verticaler Stellung zwiſchen den Lang- und Stirnſeiten der Ziegeln.


Die hauptſächlichſtenallgemeinenRegeln für das Ver-
bandlegen
ſind:


  • erſtens: Die Stoßfugen von zwei direct auf einanderliegenden
    Schaaren oder Schichten dürfen weder im Innern der Mauer,
    noch in der Vorder- und Hinteranſicht derſelben zuſammentreffen;
  • zweitens: im Innern einer Mauer ſollen möglichſt viele Strecker
    liegen, die ſich um das halbe Längen- und Breitenmaß bedecken;
  • drittens: jede Mauer ſoll möglichſt viele ganze Steine enthalten;
  • viertens: die Stoßfugen in den einzelnen Schaaren gehen in ho-
    rizontaler Richtung geradlinig durch;

[7]Volles Mauerwerk des Schornſteinverbandes.
  • fünftens: in der Anſicht wechſeln in je zwei auf einanderfolgen-
    den Schichten Läufer- und Binderreihen mit einander ab; nach
    der Lage der Steine in der vorderen Reihe heißt die ganze
    durchgehende Schicht Binder- reſp. Strecker- oder Läufer-
    ſchicht
    ;
  • ſechstens: im Mauerwerk ſollen die Stoßfugen möglichſt abwech-
    ſelnd liegen; dieſer Regel entſpricht der Kreuzverband am meiſten.
    Nach der Art und Weiſe, wie die Stoßfugen in der Mauer
    liegen, unterſcheidet man:
    • den Schornſteinverband,
    • den Streckerverband,
    • den Blockverband,
    • den Kreuzverband,
    • den polniſchen oder gothiſchen Verband,
    • den holländiſchen Verband,
    • den Strom- oder Feſtungsverband und
    • den figurirten Verband.

1) Der Schornſteinverband

wird nur bei einer ½ Stein ſtarken Wand und bei ½ Ziegel-Schorn-
ſteinwänden angewendet; er läßt ſich blos mit Läufern ausführen
(Fig. 4). In der Anſicht ſieht man ganze Steinlängen. Das Ab-
brechen der Mauer geſchieht auf
½ Ziegellänge mit „Verzahnung
oder „Schmatzen“ (öſterreichiſch);
dieſelbe kann ſowohl eine „ſte-
hende
“ (wie a in Fig. 5) oder
liegende“, d. h. „abgetreppte“,
ſein.


Die ½ Ziegel ſtarken Wände
kommen als kurze und unbelaſtete
Scheidewände vielfach vor, es

Figure 4. Fig. 4.


dürfte aber anzurathen ſein, bei ihrer Herſtellung einen etwas hy-
drauliſchen Mörtel zu gebrauchen. Die Verwendung des Schorn-
ſteinverbandes bei Kaminen (Schornſteinen) zeigen wir weiter unten
ausführlicher.


[8]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
2) Der Streckerverband

iſt beſonders in Oeſterreich bei 1 Ziegel ſtarken Mauern ganz allge-
mein gebräuchlich und beſteht in allen Schaaren ausſchließlich aus
Streckern oder Bindern, die ſich um eine Ziegelbreite überdecken
(Fig. 5 A); in der Anſicht ſind allenthalben Köpfe ſichtbar. Wie
wir ſehen, entſpricht dieſer Verband der oben aufgeſtellten fünften
Regel nicht und iſt er in der That auch mangelhaft, da wegen
des Fehlens ſämmtlicher Läufer ein Lostrennen der Stoßfugen

Figure 5. Fig. 5 A—B.


leicht ſtattfindet. Aus dieſem Grunde ſollte man den Strecker-
verband nie machen und lieber den in Fig. 5 B dargeſtellten Ver-
band wählen. In Deutſchland trifft man den Streckerverband ſel-
ten an. In Fig. 5 A giebt die Anſicht den Grundriß, den Quer-
ſchnitt einer 1 ſtarken Mauer im Streckerverband.


3) Der Blockverband

hat von allen Verbänden die weiteſte Verbreitung gefunden, obgleich
er an Zweckmäßigkeit dem Kreuzverband etwas nachſteht. Im Block-
verbande iſt jede dritte Schicht ebenſo wie die erſte, und mit ihr ſo

Figure 6. Fig. 6.


gleichliegend, daß ſämmtliche
Stoßfugen ſowohl der erſten,
dritten und fünften Schaar,
als auch der zweiten, vierten
und ſechsten Schaar in der-
ſelben verticalen Ebene über
einander ſind. Der Blockver-
band unterſcheidet ſich vor-
nemlich dadurch vom Strecker-
verband, daß in Erſterem ſtets Läufer- und Binderſchicht mit einander
abwechſeln, wodurch in der Maueranſicht „Blöcke“ entſtehen, die ſich
[9]Volles Mauermerk des Strecker- und Blockverbandes.
beſtändig wiederholen. Die Anſicht eines ſolchen Blockverbandes verge-
genwärtigt Fig. 6. Die Schmatzen oder Verzahnungen ſind entweder wie
in Fig. 5 B bei a ſtehend auf ¼ Steinlänge oder liegend (b) in Ab-
ſtufungen von je zwei Schaaren, welche ¼ reſp. ¾ Steinlängen vor-
ſpringen. Die Regeln für die Anlage eines vollen Mauerwerks im
Blockverbande heißen:


erſtens: Läuferſchichten müſſen mit Binderſchichten abwechſeln;


zweitens: iſt die Mauer das Vielfache einer Steinlänge ſtark,
ſo lege man in die Binderſchicht ſo viele Strecker hintereinander, als
die Mauer ganze Steinlängen zur Dicke hat; hingegen in die Läufer-
ſchicht kommen
bei 1 Stein ſtarken Wänden
zwei Läuferreihen nebeneinander;
bei 2 Stein ſtarken Wänden
ſowohl an der Vorder- als auch Hinteranſicht der Mauer, je eine
Läuferreihe und dazwiſchen eine Streckerreihe;
bei 3 Stein ſtarken Wänden
liegen im Innern der Mauer zwiſchen den beiden äußeren Läuferreihen
zwei Streckerreihen u. ſ. w.


Figure 7. Fig. 7 A—D.

Die Regel ſagt demnach: wenn die Mauer mehr als. 1 Stein ſtark
iſt, ordne man in der Läuferreihe im inneren Mauerwerk ſtets ſo
[10]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
viele Streckerreihen hintereinander an, als die Mauer ganze Ziegel-
längen weniger 1 Ziegel zur Stärke hat.


Den vorſtehenden Bedingungen entſprechen die Verbände in
Fig. 5 B und 7 A—D.


Fig. 5 B iſt eine 1 Stein ſtarke Mauer; die Läufer- und Strecker-
ſchaaren wechſeln immer ab und liegen beziehungsweiſe übereinander.
Im Grundriß iſt die Streckerſchaar punktirt angegeben.


  • Die Mauer in Fig. 7 A hat 2 Ziegel zur Stärke,
  • „ „ „ „ B „ 3 „ „ „
  • „ „ „ „ C „ 4 „ „ „
  • „ „ „ „ D „ 5 „ „ „ u. ſ. w.

Drittens: Beträgt die Mauerdicke das Vielfache einer Stein-
breite
, dann legt man in die Läuferſchaar an die Vorderſeite eine
Läuferreihe und hinter dieſe ſo viele ganze Steine als Strecker, wie die
Mauer halbe Steinlängen weniger 1 Steinbreite zur Dicke hat, alſo:


  • bei 1½ ſtarken Wänden vorne 1 Läufer, dahinter 1 Strecker (Fig. 8 A),
  • „ 2½ „ „ „ 1 „ „ 2 „ (Fig. 8 B),
  • „ 3½ „ „ „ 1 „ „ 3 „ (Fig. 8 C),
  • „ 4½ „ „ „ 1 „ „ 4 „ (Fig. 8 D),
  • u. ſ. w.

Figure 8. Fig. 8 A—D.

Die Streckerſchaar wird ebenſo und nur mit der geringen Modifi-
cation gemacht, daß an der Vorderanſicht die Strecker und an der hinteren
[11]Volles Mauerwerk des Krenz- und polniſchen Verbandes.
Seite die Läufer liegen, die in den punktirten Schaaren der Fig. 7
A—D verdeutlicht ſind; in den Mauerquerſchnitten ſind die Läufer-
köpfe dunkel ſchraffirt.


4. Der Kreuzverband

beſitzt den Vorzug, daß in ihm eine häufigere Verwechſelung der
Stoßfugen ſtattfindet, als im Blockverbande, und zwar wird dies da-
durch erreicht, daß man jede zweite Läuferſchaar gegen die
vorhergehende in der Längenrichtung der Mauer um ½ Steinlänge
verſchiebt. Dadurch entſteht eine regelmäßig liegende Abtreppung
von ¼ Stein; in der ſtehenden Verzahnung (Schmatzen) fehlt in
zwei Schaaren ¼ Stein, dazwiſchen in einer Schaar ½ Stein.
Beſondere charakteriſtiſche Erkennungszeichen des Kreuzverbandes ſind:


  • erſtens die durch die Verſchiebung entſtandenen Kreuze in der
    Maueranſicht (Fig. 9) und
  • zweitens die gleichmäßige Abtreppung der Stoßfugen um ¼ Stein
    (dies geſchieht allerdings auch beim Streckerverband, ſiehe
    Fig. 5 A).

Für das volle Mauerwerk gelten die beim Blockverbande aufge-
zählten Regeln gleichfalls (ſiehe Fig. 6, 7 A—D und 8 A—D), nur
hat man auf die bereits er-
wähnte Verſchiebung der zwei-
ten Läuferſchaar zu achten,
um in der äußeren Anſicht
Kreuze, anſtatt Blöcke zu
erhalten. Im Uebrigen ver-
weiſen wir bezüglich des
vollen Mauerwerks auf die
Fig. 18 und 19.


Figure 9. Fig. 9.

Die Mauerquerſchnitte bleiben ganz ebenſo wie in Figuren 5 B,
7 und 8.


5) Der polniſche oder gothiſche Verband

unterſcheidet ſich weſentlich von den bisher genannten Verbänden, da
in ihm die Stoßfugen einer Schaar in der Längenrichtung der Mauer
nicht durchgehen, was dadurch veranlaßt wird, daß in der halben
Schaar (Schicht) Läufer und Binder (Strecker) wechſeln (Fig. 10).
Obgleich dieſer Verband ſchon wegen des Zuſammentreffens um eine
¼ Steinlänge der Stoßfugen zweier auf einander folgender Schaaren
[12]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
ein mangelhafter iſt, dürfte der Umſtand, daß bei 1½, 2½ Stein u. ſ. w.
ſtarken Wänden viele Dreiquartierſtücken nothwendig ſind, ihn geradezu

Figure 10. Fig. 10.


unbrauchbar machen. In
der That findet der polniſche
Verband beim Ziegelmauer-
werk höchſt ſelten und auch
dann nur Verwendung, wenn
das Aeußere in figurirtem
Verbande beſonderer Art aus-
gebildet werden ſoll. Manch-
mal benutzt man ihn zum
Verblenden des Bruchſteingemäuers, auch iſt er ſeines gefälligen
Anſehens wegen für das Quadermauerwerk beliebt. — Doch davon
ſpäter bei den Mauern aus Schnittſteinen.


6) Der holländiſche Verband

Figure 11. Fig. 11.

wird ebenfalls ſelten benutzt
und iſt in der Binder-
(Strecker-) ſchicht ebenſo wie
im Blockverbande, dagegen
ſetzt ſich die Läuferſchicht ab-
wechſelnd aus Läufern und
Streckern zuſammen (Fig. 11).
Der holländiſche Verband be-
ſteht ſomit aus der Combi-
nation des Block- und polniſchen Verbandes.


Figure 12. Fig. 12.
[13]Volles Mauerwerk des holländ., Strom- u. figurirten Verbandes.
7) Der Strom- oder Diagonalſchichtverband,

auch Feſtungsverband genannt, weil er nur für Feſtungsmauern
zweckmäßig erſcheint, enthält die meiſte Verwechſelung der Fugen;
ſein Aeußeres zeigt den Block- reſp. Kreuzverband, im Innern da-
gegen wechſeln ſechs Schaaren mit einander in der Weiſe ab, daß
in vier Schichten ſich die Ziegel in einem Winkel von 45° überkreuzen
und in zwei Schaaren die regelrechte Kreuz- reſp. Blockſchicht ganz
durchgeht.


In Fig. 12 zeigt die äußere Anſicht den Blockverband; B—E ſind
die abwechſelnden Diagonalſchichten.


8) Der figurirte Verband

kann bei allen vorſtehenden Verbänden angewandt werden und dient
nur zum Schmucke großer Flächen der maſſiven und Riegel-Wände;

Figure 13. Fig. 13 A—F.


mit Hilfe von farbigen und gla-
ſurten Steinen vermag man die
ſchönſten Wirkungen auf einfache
Weiſe zu erzielen. Oefters begnügt
man ſich mit farbigen Streifen,
vielfach wird aber auch die ganze
Wand mit Zugrundelegung des
gewöhnlichen Mauerverbandes ge-
muſtert.


Die Figuren 13 A—F zeigen
die mannigfachſten Motive für die
verſchiedenen Verbände: A und D

Figure 14. Fig. 14.


[14]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
beim Kreuzverband, F oben Block- und unten Kreuzverband; E Strecker-
verband u. ſ. w.; Fig. 14 den Netzverband.


II.Das Mauerende.

Die gegenſeitigen Verſchiebungen der einzelnen Schichten machen ſich
ganz beſonders an dem Ende der Mauer geltend, indem hier für
jede Verbandart eine ganz beſtimmte Lage der Steine erforderlich iſt.
Wir wiſſen bereits, daß das abgebrochene Ende einer Mauer eine
Verzahnung (in Oeſterreich „Schmatzen“ genannt) bildet, welche im
Schornſteinverband nach Fig. 15 A mit ½ Steinen-, im Block-, go-

Figure 15. Fig. 15 A—C.


thiſchen und holländiſchen Ver-
band nach Fig. 15 B mit ¼ und
im Kreuzverbande nach Fig. 15 C
mit etwa ¼ und ½ Steinen
breiten Abſätzen entſteht. Beim
Abſchluß des Mauerendes iſt
man daher darauf bedacht, dieſe
Verzahnung mittelſt Theilſteinen
ſo zu ſchließen, daß dennoch ein
regelrechter Verband, ſowohl an
den Außenflächen, als auch innerhalb der Mauer, verbleibt und die
Stoßfugen zweier aufeinander liegender Schaaren niemals zuſammen-
treffen. Zu dieſem Behufe bedient man ſich der in Fig. 2 dargeſtellten
Theilſteine, und je nachdem vorwiegend Dreiquartiere (Fig. 2 D)
oder Kopfſtücke (Fig. 2 A) Verwendung finden, unterſcheidet man:
Verband mit Dreiquartieren und
„ mit Kopfſtücken oder Riemchen.

Die hierfür allgemein giltigen Regeln lauten:


  • erſtens: an dem Ende müſſen möglichſt große Steine liegen,
  • zweitens: die Dreiquartiere ordnet man ſtets in der Läuferſchaar an,
  • drittens: die Kopfſtücke befinden ſich ſtets in der Streckenſchicht,
  • viertens: die Kopfſtücke dürfen niemals am äußerſten Ende ſein.

1) Volles Mauerende beim Blockverbande.

Die Regeln heißen:


α) bei Benutzung der Dreiquartiere:

  • erſtens: in die Laufſchicht lege man an das äußerſte Ende ſoviele
    Dreiquartiere hintereinander, als die Mauer das Vielfache
    einer Steinbreite dick iſt (ſiehe d d in Fig. 16 A);

[15]Volles Mauerende beim Blockverbande.

zweitens: an das Ende der Streckerſchicht lege man, wenn die Mauer


  • 1 Ziegel ſtark iſt, nur ganze Steine,
  • 1½ „ „ „ ſowohl an die vordere, als auch hintere
    Mauerſeite zwei Dreiquartiere neben-
    einander;
  • 2 „ „ „ ebenſo wie bei 1½ Ziegeln, außerdem aber
    zwiſchen die Dreiquartiere noch 1 gan-
    zer Stein als Läufer;
  • 2½ „ „ „ ebenſo wie bei 1½ Ziegeln, außerdem aber
    zwiſchen die Dreiquartiere noch 2 ganze
    Steine als Läufer, u. ſ. w.

Figure 16. Fig. 16 A—F.

Die vorſtehend ſcizzirten Figuren 16 A—F geben einige Ver-
bände nach dieſen Vorſchriften, und zwar:


  • Fig. A iſt das volle Ende einer 1 Stein ſtarken Mauer,
  • B „ „ „ „ „ 1½ „ „ „
  • C „ „ „ „ „ 2 „ „ „

[16]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
  • Fig. D iſt das volle Ende einer 2½ Stein ſtarken Mauer,
  • E „ „ „ „ „ 3 „ „ „
  • F „ „ „ „ „ 3½ „ „ „

In dieſen Verbänden ſind s die Strecker und l die Läuferſchichten.


β) Bei Benutzung der Riemchen ſagen die Regeln:

  • erſtens: in der Läuferſchaar (l) liegen am äußerſten Ende ſo viele
    ganze Steine hintereinander, als die Mauer halbe Ziegel-
    längen zur Dicke hat (Fig. 17 A—F);
  • zweitens: in der Streckerſchaar (s) ordnet man an:
    • bei 1 Stein ſtarken Wänden hinter dem erſten ganzen Strecker
      ein Kopfſtück (k) (Fig. 17 A),

Figure 17. Fig. 17 A—F.

  • bei 1½ Stein ſtarken Wänden an dem Ende zwei Drei-
    quartiere hintereinander, daneben zwei Kopfſtücke und
    neben dieſen wiederum zwei Dreiquartiere hintereinan-
    der (Fig. 17 B),
  • bei 2 Stein ſtarken Wänden verfahre man wie vorhin und
    lege man außerdem noch den Dreiquartier q und den
    Zweiquartier z (Figur 17 C) an,

[17]Volles Mauerwerk mit Kreuzverband.
  • bei 2½ Stein ſtarken Mauern gleichfalls wie in Fig. 17 B,
    mit Hinzuſetzen der zwei Dreiquartiere q q und des gan-
    zen Steins g.

Obgleich vorſtehende Verbände nach einer, für alle Fälle giltigen
Regel angelegt ſind, kann bei 2 Stein ſtarken Mauern der Verband
zweckmäßiger nach Fig. 17 G gemacht werden, in welchem, mit Ver-
meidung der Dreiquartiere, ſowohl in der Strecker- als auch Läufer-
ſchaar, nur Kopfſtücke benutzt werden; der Fig. 17 C gegenüber hat
man etwas weniger verhauene Steine. Für alle übrigen Mauer-
dicken ſind die gegebenen Verbände die beſten.


2) Volles Mauerende mit Kreuzverband.

Der oben mitgetheilten Definition des Kreuzverbandes zufolge,
weicht dieſer in jeder zweiten Läuferſchaar von dem Blockverbande ab.
In 1, 2 und 3 Steinen ſtarken Wänden befinden ſich die Kreuze an
der hinteren und vorderen Mauerfläche in gleicher Höhe, hingegen in
1½, 2½, 3½ Steinen ſtarken Mauern liegen die Kreuze an beiden
Seiten um eine Schaar ungleich hoch.


Die ſeitliche Verſchiebung des Läufers um einen halben Stein
wird bewirkt:


α) bei Anwendung von Dreiquartieren

  • erſtens: indem man, wenn die Mauer nur durch ganze Stein-
    längen theilbar iſt, in jede zweite Läuferſchaar ſowohl neben
    dem vorderen, als auch neben dem hinteren Dreiquartier ein
    Zweiquartier legt; es wird ſomit in nur 1 Stein ſtarken
    Wänden hinter den Dreiquartieren ein ganzer Ziegel anſtatt
    der zwei halben nothwendig ſein;
  • zweitens: indem man, wenn die Mauer das Vielfache einer Stein-
    breite ſtark iſt, in jede dritte und vierte Schaar, in erſtere
    neben dem vorderſten, in letzte neben dem hinterſten Drei-
    quartier, ein Zweiquartier bringt.
  • Fig. 18 A giebt die 4. Schaar zu einer 1 Stein ſtarken Mauer,
  • B „ „ „ „ „ 1½ „ „ „
  • C „ „ „ „ „ 2 „ „ „
  • D „ „ „ „ „ 2½ „ „ „
  • E „ „ „ „ „ 3 „ „ „
  • F „ „ „ „ „ 3½ „ „ „

im Kreuzverband mit Dreiquartieren.


Wanderley, Bauconſtr. II. 2
[18]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Die dritte Schaar für die 1½, 2½ u. ſ. w. ſtarken Wände,
welche an der hintern Seite gleichfalls den Kreuzverband zeigen ſollen,

Figure 18. Fig. 18 A—F.


wird erlangt, wenn man in ſie, d. h. in die Streckerſchaar, neben
den hinterſten Dreiquartier ein Zweiquartier bringt.


β) Bei Anwendung der Kopfſtücke

geſchieht das Verbandlegen im Kreuzverbande, wie ſoeben mitgetheilt
wurde, jedoch mit der Modification, daß an das Ende der Läufer-

Figure 19. Fig. 19 A—F.


ſchaar keine Dreiquartiere, ſondern ganze Ziegel kommen, was übrigens
bereits in Fig. 17 (in den Läufer-Schaaren l) ſtattfand.


[19]Volles Mauerwerk im Kreuzverband.
  • Fig. 19 A giebt die 4. Schaar einer 1 Stein ſtarken Mauer,
  • B „ „ „ „ 1½ „ „ „
  • C „ „ „ „ 2 „ „ „
  • D „ „ „ „ 2½ „ „ „
  • E „ „ „ „ 3 „ „ „
  • F „ „ „ „ 3½ „ „ „

Bezüglich der 1½, 2½ u. ſ. w. ſtarken Wände mit Kreuzverband
an der hinteren Wandfläche gilt das ad α mitgetheilte Verfahren.


Figure 20. Fig. 20 A—H.

Als Mauerenden rechnet man nicht nur die geraden Abſchlüſſe
der inneren Thürleibungen, wie ſolche z. B. Fig. 20 A—H veran-
ſchaulichen, ſondern auch die freiſtehenden, viereckigen Pfeiler von be-
liebiger Stärke, (ſiehe Fig. 59 u. ſ. w.).


2*
[20]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
3) Mauerenden mit Fenſter- reſp. Thüranſchlägen.

Nur in gewöhnlichen und ſehr anſpruchsloſen Gebäuden (länd-
lichen Bauten) ſetzt man die Thür- und Fenſterzargen (in Oeſterreich
heißt Zarge: „Stock“) zwiſchen die vollausgemauerten Mauerenden
(wie Fig. 20 A—H), dagegen in Bauten beſſerer Art ordnet man
beſondere Anſchläge (Mauerfalze) an. Man läßt dann die Fenſter
meiſtens eine halbe Ziegellänge und die Thüren eine ganze Ziegel-
länge zurückſpringen, macht die Breite des Anſchlags (Falz), je
nachdem ſogenannte „einfache“ oder „doppelte“ Fenſter Verwendung
finden und ob in letztem Falle nur das innere oder die beiden Fenſter
nach inwendig aufgehen, gleich ¼—½ der Ziegellänge.


Einfache Fenſter und auch doppelte, bei denen die äußeren
Flügel nach außen aufſchlagen, erhalten ¼ Ziegellänge Anſchlag
(Fig. 21 A).


Doppelte Fenſter, welche ſich ganz nach inwendig öffnen laſſen,
müſſen mindeſtens ½ Ziegellänge als Anſchlag bekommen (Fig. 21 B),
damit der innere Fenſterrahmen ſoweit ſeitwärts gerückt werden kann,
daß die äußeren Flügel durch die inneren paſſiren können. (Näheres
hierüber ſiehe im Abſchnitt: Der innere Ausbau im 3. Bande.)


Figure 21. Fig. 21 A—C.

Der Thüranſchlag beträgt meiſtens ½ Ziegel, häufig auch
1 Ziegel (Fig. 21 C).


Betrachten wir zunächſt


a) den Fenſteranſchlang von ¼ Stein Breite und ½ Stein
Tiefe
bei Anwendung von Dreiquartieren. Da der Anſchlag nur
ein modifizirtes volles Mauerende iſt, gelten hier die dort angeführ-
ten Regeln mit der geringen Abänderung, daß


  • erſtens in der Binderſchicht neben den vorderſten Strecker ein
    [Quartierſtück] und
  • zweitens in die Laufſchicht an Stelle des vorderſten Dreiquartiers
    ein ganzer Ziegel

zu liegen kommen.


[21]Thür- und Fenſteranſchlag.

Die Fig. 22 A—H zeigen Fenſteranſchläge für 1—3½ Stein
ſtarke Wände; in Fig. D und H ſpringt der Anſchlag 1 Stein zurück.


Die linke Hälfte der Verbände giebt die beiden Schichten des Block-
verbandes, in der rechten Hälfte iſt die dritte (die punktirte) Schaar
ebenſo wie die erſte links, hingegen erhält die vierte (ausgezogene)
Schaar für den Kreuzverband noch die Zweiquartiere h. Die Ver-

Figure 22. Fig. 22 A—H.


tikal-Projection der Wand zeigt gleichfalls an beiden Seiten dieſe ver-
ſchiedenen Verbandarten; V iſt die vordere, J die hintere Anſicht der
Mauerfläche.


b) Fenſteranſchlag von ½ Stein Breite und Tiefe.


Für den Blockverband legt man


  • erſtens in die Streckerſchaar neben den äußerſten Ziegel einen
    Zweiquartier z (Fig. 23 die 1. und 3. Schaar),

[22]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
  • zweitens in die Läuferſchicht an das Ende nur Dreiquartiere, und
    außerdem in die letzte Reihe, falls die Mauer durch ganze
    Ziegellängen theilbar iſt, noch einen Zweiquartier a.

Im Kreuzverbande verändert ſich nur die vierte Schaar, d. h. ſtets
die zweite Läuferſchaar, in der Art, daß hinter dem erſten ganzen
Läufer ein Zweiquartier b erforderlich iſt (Fig. 23, 4. Schaar).


Figure 23. Fig. 23 A—C.

Figure 24. Fig. 24 A—B.

Dieſe Regel erkennen wir in den Verbänden Fig. 23 A—C für
1, 1½ und 2 Stein ſtarke Mauern; es ſind ſämmtliche vier Schaa-
ren gegeben.


c) Thüranſchläge von ½ Stein Breite und 1 Stein
Tiefe
. Bei Herſtellung des Blockverbandes kommt (Fig. 24)


  • in die erſte Schicht (Strecker) neben die Dreiquartiere der End-
    bildung ein ganzer Stein (a) als Strecker zu liegen, und
    ordnet man
  • in der zweiten Schaar, wenn die Mauer durch halbe Stein-
    längen theilbar in, hinter dem zweiten Dreiquartier ein
    Zweiquartier z, und wenn die Mauer ganze Steinlängen
    zur Stärke hat, in der hinterſten Läuferreihe neben dem
    Dreiquartier, noch einen anderen Zweiquartier b an.

[23]Thür- und Fenſteranſchlag.

Beim Kreuzverbande iſt die dritte Schaar gleich der erſten und
erhält die vierte Schaar anſtatt der erwähnten Zweiquartiere z und b
nur einen ganzen Stein d, welcher ſtets neben die beiden vorder-
ſten Dreiquartiere gehört. Die Fig. 24 A—B veranſchaulichen dieſe
Vorſchriften; gleichfalls ſind die Verbände Fig. 25 B—D nach dieſen

Figure 25. Fig. 25 A—D.


Regeln gebildet. A iſt die Anſicht und zwar rechts im Kreuz- links
im Blockverbande.


d) Thüranſchläge von 1 Stein Tiefe und Breite haben
am Ende der 1. und 3. Schaar neben den Dreiquartieren zwei ganze
Steine gg als Strecker, in der zweiten Schaar neben den vorderſten
Dreiquartieren zwei ganze Steine g' g' als Läufer und bei Herſtellung

Figure 26. Fig. 26 A—C.


des Kreuzverbandes in der 4. Schaar, neben den beiden vorderen
Dreiquartieren einen ganzen Stein (s) als Strecker, und innerhalb
[24]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
der Mauer noch den Zweiquartier a, außerdem wenn die Mauer
2, 3 u. ſ. w. ſtark iſt, in der hinterſten Läuferreihe neben dem Drei-
quartier einen anderen Zweiquartier b.


Figure 27. Fig. 27.

Auch dieſe Regel erkennen wir in den Figuren 26 A—C. End-
lich geben die Beiſpiele Fig. 27 und 28 zwei Anordnungen für Thür-

Figure 28. Fig. 28.


anſchläge von 1 Stein Breite und 1½ Stein Tiefe (Fig. 27), ſowie
für 1½ und 1½ Stein Vorſprung und Breite (Fig. 28).


e) Thür- und Fenſteranſchläge mit abgeſchrägter
innerer Leibung
. Sehr häufig kommt es vor, daß die inneren
Thür- reſp. Fenſterleibungen abgeſchrägt werden, um einerſeits die

Figure 29. Fig. 29.


Thürflügel beſſer zurückſchlagen zu können,
andererſeits mehr Licht im Innern des Zim-
mers zu erlangen. Bei dem Anlegen des
Verbandes entſtehen dadurch keine beſon-
dern Schwierigkeiten, vielmehr gilt der
Grundſatz: man laſſe zuerſt die innere Ab-
ſchrägung ganz unberückſichtigt und lege
den Verband für eine rechtwinklige Fenſter-
oder Thürendigung an, alsdann ſchneide
man ſo viel von der Ecke weg, als die Ab-
ſchrägung beträgt, ohne eine weitere Ver-
änderung vorzunehmen. Dies veranſchaulichen die Skizzen (1. und
2. Schaar) Fig. 29.


[25]Thür- und Fenſteranſchlag mit Formſteinen.

f) Thür- und Fenſterendigungen mit Formſteinen ſind
in der norddeutſchen Backſteinarchitektur ganz allgemein gebräuchlich;

Figure 30. Fig. 30.


der Verband weicht von dem mit geraden Ziegeln durchaus nicht ab
und wird nur in der Weiſe modifizirt, daß an die Stelle der gewöhn-

Figure 31. Fig. 31.


[26]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
lichen viereckigen Backſteine die ſogenannten „Form- oder Profil-
ſteine“ kommen. Einige Beiſpiele dieſer Art geben die Fig. 30 und 31
A—C in Anſichten, Querſchnitten und Grundriſſen.


III.Die Mauerecken

ſind die wichtigſten Theile des Mauerwerkes, ſie können ſowohl recht-,
ſtumpf- oder ſpitzwinklig ſein.


Die wichtigſten Regeln bei Anlage eines Mauerwinkels oder
mehrerer zu einem ganzen Gebäude gehörender Ecken lauten:


  • Erſtens: In zwei auf einanderfolgenden Schichten (Schaaren)
    wechſeln Läufer- mit Binder- (Strecker-) ſchichten ab.
  • Zweitens: In einer und derſelben Schaar müſſen ſämmtliche
    gleichliegende Wände entweder nur Strecker- oder nur Bin-
    derſchichten haben; hieraus folgt, daß an den Ecken nach
    einer Seite hin die Strecker- und nach der anderen die Läufer-
    ſchaaren laufen. Die conſequente Befolgung dieſer Regel
    erleichtert das Verbandlegen ganz ungemein, zumal wenn
    man bedenkt, daß die Maurer ſtets an den Ecken zu arbeiten
    beginnen. Die Benennung der Schaar geſchieht nach der
    Lage der Steine an der äußeren Wandfläche; ſieht man hier
    nur Köpfe, ſo heißt die Schaar eine „Strecker- oder Binder-
    ſchaar“ (auch in 1½, 2½ u. ſ. w. ſtarken Wänden), ſind
    ausſchließlich Läufer ſichtbar, dann erhält die Schaar nach
    dieſen ihren Namen.
  • Drittens: Bei Anwendung von Dreiquartieren greifen die Lauf-
    ſchichten immer über die andere Mauerſeite, ſonach ſtoßen
    die Streckerſchaaren gegen die Läuferſchichten.

Die vorſtehenden Hauptregeln verdeutlichen wir in den Figuren 32
A—F. Fig. 32 A ſtellt einen einfachen, mit vier Wänden um-
ſchloſſenen Raum dar, l bezeichnet die Läufer- und s die Strecker-
ſchaaren. Erſtere gehen in der Längenrichtung der Mauer ganz durch.
Auch wenn der Raum ſchiefwinklig iſt und die Mauern in beliebiger
Richtung liegen, findet dieſelbe Regel Anwendung; dies erkennen
wir in den Grundrißanordnungen Fig. 32 C—F.


Schließen zwei Wände einen ſtumpfen Winkel ein, ſo können beide
die gleiche Schaarart erhalten; daſſelbe geſchieht auch, wenn zwei
Mauern einen ſpitzen Winkel bilden. Die mannigfachſten Fälle füh-
ren die Beiſpiele 32 C—F vor, in welchen bald an dem ſpitzen,
[27]Die Mauerecken.
bald an dem ſtumpfen Winkel zwei Strecker- oder zwei Läuferſchaaren
zuſammentreffen oder Läufer- und Binderſchaaren abwechſeln. End-

Figure 32. Fig. 32 A—F.


lich geben wir noch eine, der Gebäudeeinrichtung entſprechende Grund-
form (Fig. 33 u. 34) mit Quer- und Scheidemauern, welche einige
Schornſteine begrenzen. Die Mauern haben verſchiedene Stärken
und ſind theilweiſe mit Pfeilerperſtärkungen verſehen.. Die Lauf-
ſchichten reichen durch die Mauern, die Binderſchichten ſtoßen gegen
die Läuferſchichten. In Fig. 33 liegen die Läuferſchichten horizontal
auf der Buchfläche, in 34 dagegen vertikal.


1. Eckbildungen im Blockverbande mit Dreiquartieren.

  • Erſte Regel: An das Ende der Läuferſchicht lege man ſo viele
    Dreiquartiere nebeneinander, als die Mauer halbe Stein-
    längen zur Breite hat.

Die Fig. 35 A—H giebt in


  • A eine Mauerecke von 1 und 1 Stein Stärke,
  • B „ „ „ 2 „ 2 Steinen „
  • C „ „ „ 3 „ 3 „ „
  • D „ „ „ 4 „ 4 „ „
  • E „ „ „ 1½ „ 1½ „ „
  • F „ „ „ 2½ „ 2½ „ „
  • G „ „ „ 3½ „ 3½ „ „
  • H „ „ „ 4½ „ 4½ „ „

[28]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
Figure 33. Fig. 33.

[29]Die Mauerecken.
Figure 34. Fig. 34.

[30]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Eine allgemeine Anwendung haben die vorſtehenden Verbände
gefunden in Fig. 33 u. 34, woſelbſt die Mauern die verſchiedenſten

Figure 35. Fig. 35 A—H.


Stärken haben Am Ende der Laufſchichten (Fig. 34) ab, cd, er,
gh, ik, lm, no, pq und bei s und r ſind Dreiquartiere angelegt,
[31]Die Mauerecken.
alsdann folgen die ganzen Steine. Wir ſehen in dieſen Ver-
bänden


  • erſtens in einer Schaar die Läuferreihe nach der einen, die
    Streckerreihe nach der andern Seite laufen,
  • zweitens an dem Ende einer jeden Läuferſchaar ſo viele Drei-
    quartiere nebeneinander liegen, als die Mauer Steinbreiten
    ſtark iſt.

Die punktirten Linien in Fig. 35 geben die Steine der Grund-
ſchaar
an, während die ausgezogenen Steine zur Verbandſchaar
gehören.


Die Vorder-Anſicht der Ecke zeigt in der 1. Schaar nur Köpfe,
in der 2. Schaar einen Dreiquartier neben dem ganzen Läufer; die
Seiten-Anſicht hat in der Ecke der 1. Schaar einen Dreiquartier,
daneben die Läufer und in der 2. Schaar nur Köpfe.


2) Eckbildungen im Blockverband mit Kopfſtücken
oder Riemchen
.

Wie bereits oben geſagt wurde, gilt als hauptſächlichſte Bedingung
bei Benutzung der Kopfſtücke, daß dieſe ſtets in die Strecker-
ſchicht
gleich hinter den, am äußerſten Ende der Mauer befindlichen
ganzen Strecker gelegt werden. Demnach wären nur folgende neue
Regeln aufzuzählen:

Figure 36. Fig. 36 A—E.
  • Erſtens: Die Läuferſchaaren gehen nicht ganz durch, ſondern grei-
    fen nur mit der vorderen Läuferreihe über die andere Mauer,
    während die Streckerſchaar gegen dieſe Läuferreihe ſtößt und
    ſomit letztere ſcheinbar zur Streckerſchaar gehört. In Fig. 36
    A—E iſt dieſe wichtige Regel chematiſch illuſtrirt; die Läufer-
    ſchaaren ſind ſchraffirt, die Streckerſchaaren weiß bezeichnet.
    Neben die durchgehende vordere Läuferreihe kommen die
    Kopfſtücke k hintereinander zu liegen und zwar derart, daß
  • zweitens: wenn die Mauerſtärke durch ganze Steinlängen theil-
    bar iſt und ſomit kein Reſt verbleibt, alſo bei 1, 2, 3 u. ſ. w.
    Steinlängen, man ſo viele Kopfſtücke hintereinander bringt,
    [32]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
    als die Mauer ganze Steine zur Stärke hat. Die durch-
    laufende Läuferſchaar beſteht auch an der Ecke nur aus gan-
    zen Ziegeln (ſiehe A und D in Fig. 36).

Dieſe Regel macht die Fig. 37 A—D erſichtlich, worin


  • Fig. A eine 1 und 1 Stein ſtarke Mauerecke,
  • B „ 2 „ 2 „ „ „
  • C „ 3 „ 3 „ „ „
  • D „ 4 „ 4 „ „ „

Figure 37. Fig. 37 A—D.

darſtellen. In der Anſicht liegt innerhalb der Streckerſchaar gleich
hinter dem erſten Kopf ein Riemchen.


  • Drittens: Falls die Mauer das Vielfache einer Steinbreite, alſo
    1½, 2½, 3½ u. ſ. w. Ziegel ſtark iſt, ordnet man wie vorhin
    in der Streckerſchaar neben der durchgehenden Läuferſchaar
    1, 2, 3 u. ſ. w. Kopfſtücke (k) hintereinander an, außerdem
    legt man in die hintere Läuferreihe der Streckerſchaar hinter
    das letztere Kopfſtück ein Dreiquartier d, wie Fig. 36 B, C
    und E zeigen.

[33]Eckbildungen im Blockverbande mit Eckſtücken oder Riemchen.

In Fig. 38 giebt


  • Fig. A eine 1½ und 1½ Stein ſtarke Mauerecke,
  • B „ 2½ „ 2½ „ „ „
  • C „ 3½ „ 3½ „ „ „
  • D „ 4½ „ 4½ „ „ „

Figure 38. Fig. 38 A—D.

Nach den vorſtehenden Regeln vermag der Studirende alle Mauer-
ecken von beliebiger Stärke zuſammen zu ſetzen.


3) Eckbildungen im Kreuzverbande mit Dreiquartieren.

Schon mehrfach haben wir erwähnt, daß der Kreuzverband nur
eine Vervollkommnung des Blockverbandes iſt, und daß in beiden
die 1. und 2. Schaar ganz gleich ſind, dagegen im Kreuzverbande
noch die 3. und 4. Schicht hinzukommen, um an beiden Außenflächen
Wanderley, Bauconſtr. II. 3
[34]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
der Ecke eine Verſchiebung der Läuferreihen in der 1., 5., 9., 13. u. ſ. w.
Schaar zu erreichen. Daher heißen die Regeln:


  • Erſtens: in dem Kreuzverband ſind die erſten beiden Schaaren
    ganz ebenſo wie die des Blockverbandes, die dritte und vierte
    Schaar unterliegen in der Weiſe einer Modifikation,
    • α) daß bei 1, 2, 3 u. ſ. w. Ziegel ſtarken Wänden neben
      die Dreiquartiere der Läuferſchaar ſo viele ganze Ziegel
      hintereinander gelegt werden, als die Mauer ganze
      Steinlängen zur Stärke hat, und
    • β) daß bei 1½, 2½, 3½ u. ſ. w. ſtarke Mauern ein halber
      Stein (Zweiquartier g) ſowohl neben den erſten Drei-
      quartier (ſiehe E—H in Fig. 39) der Läuferſchaar, als
      auch in die innere Ecke der Streckerſchaar gebracht wird.

    Letzteres geſchieht, um auch an der inneren Mauerfläche den Kreuz-
    verband zu erhalten; wenn dagegen die innere Fläche im Block-
    verbande bleiben ſoll, iſt der innere Zweiquartierſtein g un-
    nöthig.

Die Anwendung der genannten Regeln erkennt man in den Fi-
guren 39 A—H, und zwar giebt:


  • Fig. A die 3. u. 4. Schaar einer 1 und 1 Stein ſtarken Mauerecke
  • B „ „ „ „ „ „ 2 „ 2 Steinen „ „
  • C „ „ „ „ „ „ 3 „ 3 „ „ „
  • D „ „ „ „ „ „ 4 „ 4 „ „ „
  • E „ „ „ „ „ „ 1½ „ 1½ „ „ „
  • F „ „ „ „ „ „ 2½ „ 2½ „ „ „
  • G „ „ „ „ „ „ 3½ „ 3½ „ „ „
  • H „ „ „ „ „ „ 4½ „ 4½ „ „ „

im Kreuzverbande.


4. Eckbildungen im Kreuzverbande mit Kopfſtücken.

Die Regeln hierfür lauten folgendermaßen:


Außer den ſchon im Blockverbande vorhandenen Kopfſtücken iſt


  • α) in Mauern von 1, 2, 3 u. ſ. w. Steinen Stärke in der Läufer-
    ſchaar ein Zweiquartier ſowohl in der vorderſten Läufer-
    reihe gleich neben dem erſten ganzen Stein, als auch in
    der hinterſten Läuferreihe unmittelbar an der Ecke erfor-
    derlich.

[35]Eckbildungen im Kreuzverbande mit Kopfſtücken.

Hiernach ergiebt ſich, daß in 1 Stein ſtarken Wänden die beiden
erwähnten Zweiquartiere unmittelbar nebeneinander zu liegen kommen

Figure 39. Fig. 39 A—H.


3*
[36]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
und man dann anſtatt derſelben einen ganzen Ziegel vermauert.
Dies erkennen wir in der Fig. 40 A, während die Verbände in

Figure 40. Fig. 40 A—D.


Fig. 40 B—D dem Wortlaut nach der obigen Regel vollſtändig ent-
ſprechen.


  • β) Hat die Mauer eine Dicke von 1½, 2½, 3½ u. ſ. w. Stei-
    nen, ſo unterliegt die ſoeben mitgetheilte Vorſchrift einer
    geringen Abänderung, indem man den hinterſten Zwei-
    quartier nicht in die hintere Ecke, ſondern neben den für
    den Verband ohnehin erforderlichen Dreiquartier bringt;
    der vordere Zweiquartier erhält dieſelbe Lage wie in 1,
    2, 3 u. ſ. w. Steinen ſtarken Wänden.

Die Verbände in Fig. 41 A—D zeigen das hier geſchilderte Ver-
fahren:


  • Fig. A iſt eine 1½ und 1½ Stein ſtarke Mauerecke,
  • B „ „ 2½ „ 2½ Steinen „ „
  • C „ „ 3½ „ 3½ „ „ „
  • D „ „ 4½ „ 4½ „ „ „

im Kreuzverband mit Kopfſtücken.


[37]Eckbildungen im Kreuzverbande mit Kopfſtücken.

Falls die inneren Wandflächen nicht im Kreuzverbande zu ſein
brauchen, fallen die inneren Zweiquartiere ganz aus, ohne daß da-
durch der Verband an den äußeren Wandflächen eine Aenderung
erleidet. Die Hinweglaſſung des inneren Zweiquartiers empfiehlt
ſich beſonders in 1½—1½ Steinen ſtarken Mauerecken, denn wie
Fig. 41 erſichtlich macht, beſteht die Ecke aus vielen Theilſteinen,
welche ſich üderdecken. Wenn man nun bedenkt, daß in der Praxis

Figure 41. Fig. 41 A—D.


die Steine niemals gleichmäßig und gleich groß gehauen werden, ſo
fällt der Nachtheil des Verbandes in Fig. 41 A ſofort auf. Es
iſt deshalb beſſer, in der 3. und 4. Kreuzſchaar der 1½—1½
Stein ſtarken Mauerecken die beiden inneren Zweiquartiere nicht
in der Ecke, ſondern etliche, z. B. vier, Steinbreiten ſeitlich anzu-
bringen.


[38]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
5. Die nicht rechtwinkligen Mauerecken

werden im Allgemeinen nach den bisher gegebenen Regeln angelegt.
Dieſe laſſen ſich aber in vielen Fällen nicht conſequent durchführen
und gelten daher die nachſtehenden Hauptregeln:


  • erſtens: an der Spitze darf niemals eine Fuge ſein;
  • zweitens: alle Stoßfugen ſtehen ſenkrecht zur Wandfläche und
    vermeidet man an der Außenfläche alle ſpitzen Winkel;
  • drittens: der Fugenverband iſt ſtets einzuhalten;
  • viertens: man muß möglichſt wenig Theilſteine benutzen;
  • fünftens: ſtoßen Läufer- und Streckerſchaaren zuſammen, ſo läuft
    die vorderſte Läuferreihe der Läuferſchaar immer durch.

Außer dieſen allgemeinen Regeln exi-
ſtiren noch ſpecielle für ſtumpf- und ſpitz-
winklige Mauerecken. Dieſe heißen für


ſpitzwinklige Mauerecken:

Falls Läufer- und Streckerſchaaren zuſam-
mentreffen, läßt man die vordere Läufer-
reihe an der Ecke ſo beginnen, daß die Länge
des Eckſteins gleich iſt der ſchrägen Kopf-
fläche + ¼ Ziegel, alſo 1 = q + ¼ Zie-
gellänge (Fig. 42).


Figure 42. Fig. 42.

Solche ſpitzwinklige Ecken zeigen die Verbände in Fig. 43 A—F
und zwar iſt


  • in A eine 1 und 1½ Stein ſtarke Mauerecke,
  • B „ 1½ „ 1½ „ „ „
  • C „ 1½ „ 2 „ „ „
  • D „ 1½ „ 2½ „ „ „
  • E „ 2 „ 2½ „ „ „
  • F „ desgleichen „ „ „

dargeſtellt.


Erwähnt ſei noch, daß die mit a bezeichneten Zweiquartiere in
den vorderen Läuferreihen für die Herſtellung des Kreuzverbandes
in der Anſicht vorhanden ſind.


Die gebrochenen ſpitzwinkligen Ecken

werden ſo behandelt, als wenn drei Wände zuſammenſtoßen; dem-
nach wechſeln principiell Läufer- und Streckerreihen in derſelben Schaar
[39]Die ſpitzwinklichen und gebrochenen ſpitzwinkligen Mauerecken.

Figure 43. Fig. 43 A—F.


Figure 44. Fig. 44 A—C.


[40]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
ab, wie die Fig. 44 A—C zeigen, welche die Verbände für Mauer-
ecken von 1½ und 1½ Stein, 1½ und 2 Steinen wiedergeben; die
abgebrochenen Spitzen ſind theils drei, theils vier halbe Steinlängen
breit. Der Zweiquartier a iſt nur für den Kreuzverband einge-
ſchoben.


Sowie die gebrochenen Ecken etwa 1m breit ſind, entſtehen zwei


ſtumpfwinklige Mauerecken.

Zur Herſtellung derſelben gilt der Grundſatz: man laſſe in der
Streckerſchicht die eine Stoßfuge vom inneren Winkel aus ſenkrecht

Figure 45. Fig. 45 A—J.


zur Wandfläche durchgehen und theile von dieſer Fuge aus nach der
Ecke hin die Steine ein.


[41]Die ſtumpfwinkligen Mauerecken.

Nach dieſer Vorſchrift ſind die Verbände (Fig. 45 A—D) ge-
macht worden, während in E—H die durchgehende Stoßfuge in der

Figure 46. Fig. 46.


Figure 47. Fig. 47.


Läuferſchaar ſich befindet; in Fig. J iſt die Lage des vorderen Läu-
fers für die Steineintheilung maßgebend geweſen. Auch hier dienen
[42]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
die Zweiquartiere a für den Kreuzverband an der hinteren Wand-
fläche.


Endlich führen wir die Anwendung der ſtumpfwinkligen Mauer-
ecken in zwei Beiſpielen vor: in dem einen Falle (Fig. 46) ſind die
Ecken pfeilerartig hergeſtellt und ſtehen beide Pfeiler ſo nebeneinander,
daß ſie gemeinſchaftlich eine Mauerniſche bilden. In dem anderen
Beiſpiele (Fig. 47) gehören die Ecken einem fünfſeitigen Vorbau,
wie ſolcher bei vorſpringenden Treppenhäuſern und ſchmalen Zimmern
häufig vorkommt.


IV. Die Kreuzung der Mauern.

Wenn eine innere Wand gegen eine äußere ſtößt, oder zwei innere
Wände ſich ſchneiden, ſo entſteht eine Mauerkreuzung, die entweder
recht- oder ſchiefwinklig ſein kann, je nachdem die Mauern ſenkrecht
oder ſchräge zuſammentreffen. Die rechtwinklichen Mauerkreuzungen
ſind die häufigſten, da man ſelbſt bei unregelmäßig geſtalteten Ge-
bäuden den Zimmern eine rechteckige Grundform zu geben pflegt.


Bei allen Mauerkreuzungen ſpielen folgende Regeln eine wichtige
Rolle:


  • erſtens: die Läuferſchaar geht durch und die Streckerſchaar ſtößt
    ſtumpf gegen dieſelbe;
  • zweitens: damit ein regelmäßiger Fugenverband ſtattfinde, greift
    die Läuferſchaar eine ¼ Ziegellänge in die Streckerſchaar.
  • Betrachten wir demnächſt

1) Die Kreuzung einer Außenmauer mit einer
Innenwand
.

Die übergreifende Läuferſchaar der Innenwand wird zuerſt ge-
zeichnet und am Ende, d. h. an der Außenſeite der Umfaſſungs-
mauer, ganz ebenſo wie eine Mauerendigung ausgebildet. Somit
ordnet man am äußerſten Ende der übergreifenden Läuferſchicht ſo
viele Dreiquartiere nebeneinander an, als die kreuzende Innenwand
halbe Steinlängen zur Dicke hat.


Als Regel gilt daher, daß die Läuferſchaar über die Streckerſchaar
greift, ſo daß die Dreiquartiere der Läuferſchaar in der Maueranſicht
als zu der Streckerſchaar gehörig ausſehen.


Dies erkennen wir in den Figuren 48 A—M, welche dar-
ſtellen in:


[43]Die Kreuzung der Außenmauer mit einer Innenwand.
Figure 48. Fig. 48 A—M.

[44]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
  • A die Kreuzung der Mauern von 1 und 1 Stein Stärke,
  • B „ „ „ „ „ 1 „ 1½ „ „
  • C „ „ „ „ „ 1 „ 2 „ „
  • D „ „ „ „ „ 1½ „ 1 „ „
  • E „ „ „ „ „ 1½ „ 1½ „ „
  • F „ „ „ „ „ 1½ „ 2 „ „
  • G „ „ „ „ „ 2 „ 1 „ „
  • H „ „ „ „ „ 2 „ 1½ „ „
  • J „ „ „ „ „ 2 „ 2 „ „
  • K „ „ „ „ „ 2½ „ 1 „ „
  • L „ „ „ „ „ 2½ „ 1½ „ „
  • M „ „ „ „ „ 2½ „ 2 „ „

Obgleich, wie erſichtlich iſt, die Dreiquartiere ſtets in der Streckerſchicht
der Umfaſſungsmauer liegen, findet man auch vielfach die Dreiquar-
tiere hinter der vorderſten Streckerreihe angeordnet (wie Fig. 49
angiebt). Hierdurch entſteht zwar kein fehlerhafter Verband, wir können
ihn aber doch nicht billigen, weil dieſe Methode keiner feſten Regel

Figure 49. Fig. 49.


unterliegt; denn einerſeits iſt die durchlaufende Läuferſchaar der
Innenwand nichts weiter als eine gerade Endigung und muß ſie
ſomit nach den hierfür giltigen Regeln gemacht werden, andererſeits
wird die Verſchiebung der Dreiquartiere bei 1 Stein ſtarken Um-
fangswänden (Fig. 48 A) nicht möglich ſein und müſſen in dieſem
Falle die Dreiquartiere dennoch an der Außenfläche der Umfangs-
wand liegen.


Die Verbände Fig. 48 A—M (Fig. D—F ausgenommen) re-
präſentiren die beiden Schaaren des Blockverbandes; falls man
die innere Scheidewand im Kreuzverbande ausführen will, muß
man in die 4. Schaar gleich hinter die Dreiquartiere


[45]Die Kreuzung einer Außenmauer mit einer Innenwand.
  • erſtens: bei 1, 2, 3 u. ſ. w. ſtarken Mauern ſo viele ganze Ziegel
    legen, als die Mauer ganze Steinlängen dick iſt, wie es in
    Fig. 48 D und F geſchehen;
  • zweitens: bei 1½, 2½ u. ſ. w. ſtarken Mauern in die Läufer-
    reihe gleich hinter den erſten Dreiquartier einen Zweiquartier
    legen (ſiehe Fig. 46 E).

Bedient man ſich für den ganzen Verband anſtatt der Dreiquar-
tere nur der Riemchen oder Kopfſtücke, dann fallen die Drei-

Figure 50. Fig. 50 A—E.


quartiere ſelbſtverſtändlich ganz fort und an ihre Stelle treten die
ganzen Steine der Streckerſchaar. Um aber dennoch das Einbinden
der Läuferſchaar um ¼ Stein in die Streckerſchaar zu erlangen, läßt
man die einbindende Quermauer, wenn die Umfangsmauer ganze
Ziegellängen zur Stärke hat, über die hintere Streckerreihe, und bei
1½, 2½, 3½ u. ſ. w. Stein ſtarken Umfangsmauern, über die hin-
tere Läuferreihe reichen, woſelbſt in den 1, 2, 3 u. ſ. w. ſtarken Quer-
mauern ſo viele Kopfſtücke hintereinander angeordnet werden, als die
Quermauer ganze Ziegel ſtark iſt; hingegen in 1½, 2½ u. ſ. w.
ſtarken Quermauern kommt an das Ende der Läuferreihe ein Dreiquar-
tier zu liegen.


[46]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Die Anwendung dieſer Vorſchriften veranſchaulichen die Figu-
ren 50 A—E, in denen Mauern von verſchiedenen Stärken zuſam-
menſtoßen.


Einige Schwierigkeiten entſtehen, wenn drei Wände ſchräge zuſammen-
treffen, wie z. B. in Fig. 51; eine beſondere Regel giebt es für dieſen

Figure 51. Fig. 51.


Fall nicht, vielmehr gelten auch hier die allgemeinen Grundſätze. Der
Zweiquartier a iſt für den Kreuzverband eingeſchoben.


2. Kreuzung der Innenwände.

Die Anordnung des Verbandes der ſich kreuzenden Innenwände
iſt ſehr einfach: man zeichne zuvor die Läuferſchaar und verſchiebe
dann die Steine der Streckerſchaar um ¼ Steinlänge im Verbande,
wie dies in den Figuren 52 A—M ſtattgefunden hat.


  • A giebt die Kreuzung von zwei 1 und 1 Stein ſtarken Mauern,
  • B „ „ „ „ „ 1 „ 1½ „ „ „
  • C „ „ „ „ „ 1 „ 2 „ „ „
  • D „ „ „ „ „ 1½ „ 1½ „ „ „
  • E „ „ „ „ „ 1½ „ 2 „ „ „
  • F „ „ „ „ „ 1½ „ 2½ „ „ „
  • G „ „ „ „ „ 2 „ 2 „ „ „
  • H „ „ „ „ „ 2 „ 2½ „ „ „
  • J „ „ „ „ „ 2 „ 3 „ „ „
  • K „ „ „ „ „ 2½ „ 1 „ „ „
  • L „ „ „ „ „ 2½ „ 2½ „ „ „
  • M „ „ „ „ „ 2½ „ 2 „ „ „

In den vorſtehenden Beiſpielen überkreuzen ſich zwei Wände ganz
und gar; meiſtens iſt die Kreuzung gebrochen und nimmt die Mauer-
[47]Kreuzung der Innenwände.
ſtärke an dieſen Stellen ab. Solche Anordnungen erkennen wir in
den Figuren 53 A—D.


Figure 52. Fig. 52 A—M.

[48]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Bei Herſtellung der Kreuzſchaaren legt man entweder Zweiquar-
tiere in die Läuferſchaar oder Kopfſtücke und Dreiquartiere (letztere

Figure 53. Fig. 53 A—D.


in die Läuferreihe der 1½, 2½ u. ſ. w. ſtarken Wände) in die
Streckerſchaar.


Figure 54. Fig. 54 A—C.

[49]Die Pfeiler und Säulen aus Ziegeln. Die Pfeilerverbände.

Für innere Wände, welche ſchräge zuſammenſtoßen, geben die
Fig. 54 A—C die Art des Verbandes an.


In den meiſten Fällen ſind Schornſteine in der Kreuzung der
inneren Mauern vorhanden, wodurch die Lage der Steine etwas
anders ausfällt, indem man innerhalb der Läuferſchaaren die zwei
gegenüber befindlichen Schornſteinſeiten als Mauerendigungen an-
nimmt. — Doch hiervon weiter unten bei „Schornſteinen.“


V.Die Pfeiler und Säulen aus Ziegeln.

a)Die Pfeilerverbände

werden nach verſchiedenen Regeln hergeſtellt, je nachdem der Pfeiler-
querſchnitt viereckig oder polygonal geſtaltet iſt, und gewöhnliche oder
ſogenannte Verblend- reſp. Formſteine zur Verwendung gelangen.
Im Allgemeinen betrachtet man die viereckigen Pfeiler als kurze
Wände mit zwei vollen Mauerendigungen, ſo daß die für die
letzteren gegebenen Regeln auch bei Pfeilerverbänden Giltigkeit
haben. Ferner mauert man die Pfeiler meiſtens blos im Blockver-
bande, und iſt der Kreuzverband überhaupt nur bei ſolchen Pfeilern
ausführbar, welche eine Breite von mindeſtens 3½ Steinlängen
haben.


Figure 55. Fig. 55 A—O.

Die mannigfachſten Pfeilerverbände mit Anwendung von Drei-
quartieren ſind in Fig. 55 A—O dargeſtellt, und zwar:


  • A iſt ein Pfeiler von 1 Stein Breite, 1 Stein Tiefe,
  • B „ „ „ „ 1 „ „ 1½ „ „
  • C „ „ „ „ 1 „ „ 2 „ „

Wanderley, Bauconſtr. II. 4
[50]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
  • D iſt ein Pfeiler von 1 Stein Breite, 2½ Stein Tiefe,
  • E „ „ „ „ 1 „ „ 3 „ „
  • F „ „ „ „ 1½ „ „ 1½ „ „
  • G „ „ „ „ 1½ „ „ 2 „ „
  • H „ „ „ „ 1½ „ „ 2½ „ „
  • J „ „ „ „ 1½ „ „ 3 „ „
  • K „ „ „ „ 2 „ „ 2 „ „
  • L „ „ „ „ 2 „ „ 2½ „ „
  • M „ „ „ „ 2 „ „ 3 „ „
  • N „ „ „ „ 2½ „ „ 2½ „ „ im Blockverbande,
  • O „ „ „ „ 2½ „ „ 3½ „ „ im Kreuzverbande.

Fig. 56 zeigt den Verband des 1½ und 2 Stein ſtarken Pfeilers
in iſometriſcher Anſicht.


Wenn in einem Gebäude viele Pfeiler vorkommen, dürfte es zweck-
mäßig ſein, in der Ziegelei beſonders geformte Dreiquartiere zu be-
ſtellen, um den Verhau der ganzen Ziegel zu vermeiden.


Figure 56. Fig. 56.

Vielfach haben die Pfeiler mehrere Vorſprünge, wie z. B. bei den
Gurt- und Schildbogenpfeilern der Gewölbeanlagen u. ſ. w.; der

Figure 57. Fig. 57.


Figure 58. Fig. 58.


Verband ergiebt ſich von ſelbſt, wenn man an die Enden der Läufer-
ſchaaren Dreiquartiere legt und den Innenraum mit ganzen Ziegeln
ausmauert (Fig. 57 und 58).


[51]Die Pfeiler und Säulen aus Ziegeln.

Der Verband läßt ſich auch mit Kopfſtücken ausführen, doch ver-
dienen die Dreiquartiere den Vorzug, weil ſie den Pfeilerquerſchnitt
nicht in ſchmale Streifen zerlegen. In der Praxis werden die Drei-
quartiere am häufigſten benutzt.


Für die Herſtellung des Verbandes der polygonalen Pfeiler
kommt es darauf an, ob der Pfeiler verputzt werden oder in rohem
Mauerwerk
(als Ziegelrohbau) ſtehen bleiben ſoll.


Im erſtern Falle benutzt man gewöhnliche Ziegel für die Theil-
ſteine, im letztern Falle bedient man ſich der Verblendziegel.


Beim Verputz kommt es nicht ſo genau darauf an, wenn die
behauenen Seiten nach der Außenſeite gewendet ſind; der Verband
wird beiſpielsweiſe nach Fig. 59 A erreicht und geſchieht die Ver-
wechſelung der Fugen zweier übereinander liegender Schaaren durch
das Drehen jeder oberen Schaar um 45°, wie Fig. 59 B andeutet.


Figure 59. Fig. 59 A u. B.

Figure 60. Fig. 60 A u. B.

Hingegen beim ſogenannten „Rohbau“ ordnet man zwei verſchie-
dene Verbände an, die miteinander abwechſeln; die erforderlichen
Theilſteine ſind beſonders geformte Ziegel. Unter dieſen Verhält-
niſſen bietet der Verband keine Schwierigkeit und wird er nach den
in Fig. 60 A—B gegebenen Anordnungen für alle Pfeilerſtärken
leicht herſtellbar ſein.


b)Die Säulenverbände

weichen im Prinzip von den vorigen nicht weſentlich ab und auch bei
ihnen iſt die äußere Behandlung des Pfeilers maßgebend.


Beim Verputz derſelben braucht man nur die Lage der Steine
in einer Schaar feſtzuſtellen, alle anderen Schichten werden um einen
halben Rechten gedreht (ſiehe Fig. 61 und 62 A—D). Die Ver-
ſetzung der kleinen Steine x x wird dadurch erlangt, indem man ſie
in den beiden erſten Schaaren A B direct übereinander anordnet;
in der Schicht C kreuzen ſich die Fugen in einem Winkel von 45°.


4*
[52]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

In dem in Rohbau ausgeführten Säulenverbande liegen die
ſämmtlichen äußeren Steine radial und wird der innere Kern mit ge-

Figure 61. Fig. 61 A—E.


Figure 62. Fig. 62 A—E.


wöhnlichen Steinen im Verbande ausgefüllt (Fig. 63). Bei Her-
ſtellung ſolcher Pfeiler hat man genau darauf zu achten, daß ſämmt-
liche Fugen lothrecht übereinander treffen; zu dieſem Behufe iſt es
nöthig, an einigen Stellen die Lothrechte mittelſt einer Schnur, die
oben an einem feſten Gerüſte, unten an der Säulenbaſis befeſtigt
iſt, zu bezeichnen, damit der Arbeiter die Fugentheilung einhalten
kann


[53]Die Pfeiler und Säulen aus Ziegeln.

Die außerhalb verputzten profilirten oder Bündel-
Säulen
werden möglichſt aus ganzen Steinen angefertigt, und je
nach der Profilirung geſchieht die
Drehung entweder in 45°, oder in
90°. Untenſtehend illuſtriren (Fig.
64) wir den Verband der Bündel-
pfeiler über den Emporen in der
Zionskirche (entworfen vom königl.
Baumeiſter A. Orth in Berlin);

Figure 63. Fig. 63.


ſie ſind aus harten Mauerſteinen hergeſtellt, die Kanten wurden erſt
nachträglich angehauen, weil das Lothen und genau ſenkrechte
Mauern bei den vollen Kanten bequemer und ſicherer iſt. Die

Figure 64. Fig. 64.


Schichtenlage wechſelt in der Weiſe, daß bei jeder Schicht der Verband
um 90° gegen die vorhergehende verſetzt wird. Nach Orth kann man
ſolche in verlängertem Cementmörtel hergeſtellte Säulen mindeſtens
ebenſo ſtark machen, als Säulen aus feſtem Sandſtein, weil bei letz-
teren in den Lagerfugen ſelten die, meiſtens mit flüſſigem Cement
untergoſſenen, Flächen ſo genau aufeinander ſchließen, wie dieſes iu
einem guten Mörtelbette des Ziegelmauerwerks der Fall iſt.


[54]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Für die Bündel-Säulen aus Formſteinen geben wir die
in Fig. 65 dargeſtellte Anordnung, welche keiner weiteren Erläuterung
bedarf.


Figure 65. Fig. 65.
c)Die Pfeilervorlagen

kommen ſehr häufig vor, entweder zur Verſtärkung des Mauerwerks,
oder als architektoniſchen Schmuck (Liſenen u. ſ. w.); in beiden Fällen
haben ſie verſchiedene Breiten und Vorſprünge. Der Verband ge-
ſchieht nach den früher erwähnten Regeln; weſentlich erleichtert wird
das Verbandlegen, wenn man den Grundſatz befolgt, daß in der
Streckerſchaar der Verband der Pfeilervorlage durch die ganze Mauer-
dicke reichen muß und hier der Pfeiler iſolirt erſcheint.


Nach dieſer hauptſächlichſten Vorſchrift wurden die Verbände
Fig. 66 A—F gemacht; es ſollen beiſpielsweiſe die Pfeiler x, y, z
½ Ziegellänge vorſpringen, x hat eine Breite von 1½ Stein, y von
2 Steinen und z von 2½ Stein. Hierzu gehören die Schaaren B a, c, e
für den Block- und C b, d, f für den Kreuzverband; letzterer kann
aber ſelbſtverſtändlich nur in dem Zwiſchenmauerwerk erſichtlich ſein,
da, wie bereits erwähnt wurde, der Kreuzverband erſt bei 3½ Stein
ſtarken Pfeilern ausführbar iſt.


Falls die Pfeiler x—z 1 Stein vorſpringen, benutzt man den
Verband Fig. D g—i. Die Anſicht A bleibt in dieſem Falle ebenſo
[55]Die Pfeiler und Säulen aus Ziegeln.

Figure 66. Fig. 66 A—F.


Figure 67. Fig. 67 A—B.


[56]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
wie für B u. C. In den Figuren E F geben wir bei k, l, m mehrere
Vorlagen von verſchiedenen Breiten und mit mehreren Abſätzen.


Figure 68. Fig. 68 A—B.

Zum Schluſſe reproduziren wir in den Figuren 67 A B und 68 A B
noch einige Beiſpiele der Pfeilervorlagen an den Ecken und in der
Mitte der Wände.


VI.Die Hohlmauern.

Seit etwa vier Dezennien hat man angefangen Hohlmauern her-
zuſtellen, um einerſeits die Gebäude mit warmen und trockenen
Umfangsmauern zu umgeben, andererſeits ſolche Wände, die frei
ſchweben ſollen, leichter zu machen.


Im erſtern Falle iſt die ringsum eingeſchloſſene atmoſphäriſche
Luft als ſchlechter Wärmeleiter benutzt, indem innerhalb des gewöhn-
lichen Mauerwerks ſchmale Luftſpalten, ſogenannte „Iſolirſchichten“,
hergeſtellt ſind, welche mit der äußeren Luft nicht communiziren.


Im zweiten Falle bedient man ſich entweder der „Hohl- reſp.
Lochſteine“, oder der leichten poröſen Ziegel.


[57]Die Hohlmauern mit Luftſchichten.
1) Mauern mit Luft- oder Iſolirſchichten

werden neuerdings in Norddeutſchland (Hannover, Schleswig-Hol-
ſtein u. ſ. w.) bei ſehr vielen freiſtehenden, den rauhen Witterungs-
einflüſſen ausgeſetzten Gebäuden angewendet und haben ſich dort
ausgezeichnet bewährt. Der Verfaſſer dieſes Werkes lebte vor einigen
Jahren in Norddeutſchland und kann aus Erfahrung die nachſtehen-
den von ihm oft ausgeführten Verbände anempfehlen.


Die Hohlmauer wird durch die Iſolirſchicht, welche meiſtens
¼ Ziegellänge zur Breite erhält, in zwei Theile zerlegt; die äußere
Wand muß mindeſtens 1 Stein ſtark ſein, weil die ½ Ziegel ſtarken
Wände ſehr leicht durchnäßt werden. Die innere Mauerhälfte bedarf
nur ½ Stein zur Stärke.


In der Regel macht man die beiden Hälften der


  • 1½ Ziegel ſtarken Wände außerhalb 1 Stein, innerhalb ½ Stein
  • 2 „ „ „ „ 1 „ „ 1 „
  • 2½ „ „ „ „ 1½ „ „ 1 „

ſtark; die ¼ oder ½ Stein breite Iſolirſchicht liegt zwiſchen den
beiden Mauerhälften, welche mittelſt Ankerſteinen (ſo heißen die durch-
greifenden Binder oder Strecker) zuſammengehalten werden. Damit
die Ankerſteine die Feuchtigkeit von der äußeren nach der inneren
Mauer nicht übertragen, werden die inneren Köpfe der Ankerſteine
getheert; dies geſchieht vielfach ſchon in den Ziegeleien, öfters aber
auch erſt auf dem Bauplatze, indem man die Ziegelköpfe gehörig heiß
macht und in heißen Steinkohlentheer etwa 8—10zm tief eintaucht.


Die Hohlſchichtenanordnung vertheuert den Bau nur höchſt un-
bedeutend; rechnen wir für pr. □m Mauerfläche im Ganzen 16 Binder-
ſteine, dann ſind in Wirklichkeit (bei ¼ Stein Iſolirſchichtbreite) blos
16/4 = 4 ganze Steine mehr nothwendig, als beim vollen Mauer-
werk. Eine 1½ Stein ſtarke Backſteinmauer enthält pr. □m 150 Stück
Ziegel des deutſchen Normalmaßes, wonach ſich die Herſtellungs-
koſten einer vollen Mauer zur Hohlſchichtmauer verhalten wie
1 : 1,0266
Die Arbeitslöhne ſind für beide Mauerarten gleich (bei ausgeſchrie-
benen Submiſſionen waren die Offerten für Vollmauern ebenſo wie
für Hohlmauern), dagegen würde das Heißmachen und Theeren
pr. Mille der Binderſteine (1 Tonne Steinkohlentheer à 9,6 Reichs-
mark, 2 Arbeitsleute à 2,1 Reichsmark) mit 6,5 Reichsmark zu be-
rechnen ſein. Somit würde beiſpielsweiſe, wenn 1 Mille Ziegel für
[58]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
35 Reichsmark käuflich ſind, das Hohlmauerwerk wie nachſtehend mehr
koſten als das volle: bei einer 1½ Stein ſtarken Mauer kommen
900 Steine auf 6 □m Mauerfläche, außerdem noch 4 . 6 = 24 Anker-
ſteine; da incl. Betheeren pr. 1 Mille Ankerſteine mit 41,5 Reichsmark
veranſchlagt werden müſſen, ſo erhöht ſich der Preis des ganzen Hohl-
mauerwerks pr. 1 Mille der ſämmtlichen Ziegel um etwa 1,2 Reichs-
mark.


Durch die Hohlſchichtenanordnung wird die Solidität der Mauer
allerdings etwas vermindert; da jedoch bei 1½ Stein ſtarken Mauern
im oberen Geſchoſſe ohnehin ſchon eine ſehr große Stabilität vorhan-
den iſt, kann die Schwächung der Mauer durch die Hohlſchichten
nicht in Betracht kommen.


Verfaſſer ließ öfters die ganze Umfangswand zweiſtöckiger Wohn-
gebäude (freiſtehende) mit 4m hohen Etagen vom Parterrefußboden
bis zur Dachtraufe 1¾ Stein incl. ¼ Stein Iſolirſchicht und im
Keller 2 Steine als Vollmauer ausführen und hat gefunden, daß
dieſe Mauerſtärken genügende Sicherheit gewähren.


Figure 69. Fig. 69 A—G.

Die Fig. 69 A—G zeigen in B und C den Eckverband mit Fen-
ſteranſchlag einer 1 Stein ſtarken Mauer im Blockverbande, in welcher
hinter jedem Ankerſtein ein Quartierſtück liegt. Soweit die Ankerſteine
in der inneren Mauerhälfte ſtecken, werden ſie in Theer getaucht; i zeigt
[59]Die Hohlmauern mit Luftſchichten.
die ¼ Stein breite Iſolirſchicht. Bei dieſem Verbande kommen die
Ankerſteine neben jedem Läufer vor; falls die Mauer nur wenig be-
laſtet wird, könnte man den Verband in
Fig. 70 A—D wählen, in welchem in
der einen Schaar die Ecke voll ausge-
mauert iſt. Die Anſicht Fig. 70 A zeigt
den polniſchen Verband. Die 1 Stein
ſtarken Wände mit Iſolirſchichten ſind
aber unzweckmäßig, weil, wie bereits er-
wähnt wurde, die äußere dünne Mauer
bei jedem heftigen Regen vollſtändig
durchnäßt wird; vermindern kann man
dieſen Uebelſtand durch einen Verputz
der äußeren Wandfläche mit Kalk- oder
Cementmörtel.


In den Figuren 69 D—G ſind keine
Ankerſteine vorhanden, ſondern trennt

Figure 70. Fig. 70 A—D.


die Iſolirſchicht i beide Mauerhälften vollſtändig; dieſes Verfahren iſt
aber nur bei Wänden, die nicht allzuhoch und mindeſtens 2 Stein
ſtark ſind, anzurathen. Einen ſehr zweckmäßigen Verband zeigt
Fig. 71 A D für eine 1½ Stein ſtarke Mauer; die Schaaren A u. D
gelten für den Blockverband, und C B für den Kreuzverband.
Ebenſo wie in Fig. 70 ſind auch hier die Zwei- und Einquartiere
ſchwarz bezeichnet, um ſie von den Dreiquartieren beſſer unterſcheiden
zu können.


Während in Fig. 69 und 70 die Quartierſtücke in der inneren
Mauerhälfte liegen, ordnet man ſie in Fig. 71 in der äußeren
Mauer an, wo ſie einen beſſeren Halt finden; die Ankerſteine
kommen hinter dem dritten reſp. vierten Strecker vor. Vor jedem
Ankerſtein liegt ein Dreiquartier.


Mauern, die weniger als 4m hoch und über 1½ Stein ſtark ſind, legt
man auch wohl im Zickzackverband an (Fig. 72 A B). Hierbei wird
die innere ½ Stein ſtarke Mauerhälfte in Entfernungen von 1—1,5m
auf 1 Stein verſtärkt. Wo die nach inwendig vortretende ½ Stein
dicke Pfeilervorlage vorhanden iſt, nimmt an dieſen Stellen die Stärke
der äußeren Mauerhälfte um ½ Stein ab, ſo daß die Iſolirſchicht
im Zickzack hin und her läuft. Um die beiden Mauerhälften mitein-
ander zu vereinigen, vermauert man an mehreren Stellen (etwa 1m aus-
[60]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Figure 71. Fig. 71 A—D.


Figure 72. Fig. 72 A—B.


[61]Die Hohlmauern mit Luftſchichten.
und übereinander) durchgehende Eiſenſchienen an, die vorher entweder
verzinkt oder mit Mennige gut beſtrichen werden.


Figure 73. Fig. 73.

In den Figuren 73—76 geben wir noch einige der vorſtehenden
Verbände in iſometriſcher Anſicht wieder, ohne auf die nähere Be-
ſchreibung derſelben weiter einzugehen.


Figure 74. Fig. 74.

[62]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Eine Maueranordnung ganz beſonderer Art veröffentlichte der
Verfaſſer dieſes Werkes in „ländliche Wirthſchaftsgebäude“*) im
2. Bande, Kapitel: „Rindviehſtälle“; ſie ſtammt vom Ingenieur Hampe
in Wien und wurde vor einigen Jahren bei einem großen Rindvieh-
ſtalle auf einer Herrſchaft des Fürſten Liechtenſtein bei Prag zuerſt
ausgeführt. Herr Hampe, dem wir perſönlich die genaue Beſchrei-
bung dieſer intereſſanten Anlage verdanken, ſtellte drei Mauern von
je ½ Stein (15zm) Dicke ſo nebeneinander her, daß zwiſchen ihnen

Figure 75. Fig. 75.


Figure 76. Fig. 76.


wiederum ein Zwiſchenraum von 10zm verblieb; ſonach beträgt die
ganze Mauerſtärke (3 . 15) + (2 . 15) = 55zm. Die Steine in jeder
Mauer, und wiederum die Mauern unter ſich, werden mit ſchwalben-
ſchwanzartigen Dippeln (Dübeln) miteinander verbunden und erhalten
auf dieſe Weiſe, zumal die Dippeln in gutem Kalkmörtel liegen, eine
feſte und unverſchiebbare Lage. Aeußerlich iſt das Gebäude mit Kalk-
mörtel verputzt worden.


[63]Die Hohlmauern aus Hohlſteinen.
2) Mauern aus Hohlſteinen.

Die Hohlſteine wurden ſchon von den Römern bei ihren Bade-
anlagen (Thermen) als Kanäle für die Zuführung der warmen Luft
benutzt; auch in Pompei hat man die Hohlſteine in circa 40zm Länge
in ſolchen Gebäuden angetroffen. Die intereſſanteſte Verwendung
fanden die Hohlſteine in Geſtalt von Töpfen bei den Gewölben einiger
byzantiniſcher Kirchen. Das Grabmal der Mutter (heilige Helena)
Conſtantins (306) iſt mit birnförmigen Krügen von 60zm Durchmeſſer
und 108zm Länge überwölbt; auch die von Theodorich in den Jahren
520—560 zu Ravenna erbaute Kirche San Vitale hat eine Kuppel,
welche theilweiſe aus liegenden, ſpiralförmig ineinander geſteckten
Töpfen beſteht und mit großen 21zm breiten und 58zm langen Töpfen
hintermauert iſt (ſiehe „Geſchichtliches bei Gewölbeanlagen“). Die
röhrenartigen Hohlſteine wurden zuerſt im vorigen Jahrhundert in Paris
bei einigen Fabrikanlagen, die feuerſicher überdeckt werden ſollten, benutzt;

Figure 77. Fig. 77. A—B.


Figure 78. Fig. 78.


ähnliche Lochſteine, aber viereckig am Kopfe ge-
formt (Fig. 77 A), verwendete man im palais
royal.
Die Hohlſteine mit runder Oeffnung
(Fig. 77 B) ſollen zuerſt in Ungarn im Ge-
brauche geweſen ſein. Dieſe ſind jedenfalls
die beſten und werden ſolche mit drei Löchern
am meiſten empfohlen (Fig. 78.)


Figure 79. Fig. 79.

In höchſt origineller Weiſe ſind die im Jahre 1850 von Mr. Ro-
berts, Architekt der Geſellſchaft zur Verbeſſerung der Lage der arbei-
tenden Claſſen erfundenen Hohlſteine, die nach dem Patent-bonded-
brickwork
(Mauerwerk nach patentirtem Ziegelverbande) zuerſt bei
den in der londoner Ausſtellung 1851 exponirten Arbeiterhäuſern an-
[64]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
gewendet wurden. Fig. 79 zeigt den Verband für dicke Mauern mit
den Zwiſchenſteinen a; in dünnen Mauern bleiben letztere ganz fort.
Bei den erwähnten Arbeiterhäuſern ſind die Mauern nur dünn und
ſelbſt die Decken mit Hohlſteinen gewölbt. Näheres über die Arbei-
terwohnungen und die Anwendung ſolcher Hohlſteine kann nachge-
leſen werden in der „Zeitſchrift für Bauweſen“, Jahrgang II, Seite 38,
Blatt 13 und 14.


Neuerdings hat man ſich überzeugt, daß die Lochſteine nicht den
großen Nutzen gewähren, welchen man allſeits vor 10—20 Jahren
von ihnen erwartete, denn


  • erſtens: ſind ſie etwa 25 % theurer als Vollziegel;
  • zweitens: beſitzen ſie keine große Tragfähigkeit, die Feſtigkeit des
    vollen Ziegels verhält ſich zu der des Lochſteines wie 17 : 11;
  • drittens: leichte Zerbrechlichkeit;
  • viertens: haftet der Putz an den glatten Wänden der Maſchinen-
    ſteine nicht gut.

Immerhin haben die Hohlſteine manche Vorzüge, welche unter
Umſtänden recht zur Geltung kommen können, nämlich:


  • 1. die Wände trocknen bald aus;
  • 2. die Hohlſteine halten den Schall gut ab;
  • 3. do. die Feuchtigkeit,

aus welchem Grunde man ſie gern zu Iſolirſchichten verwendet.


Die Lochſteine erhalten das Format der Vollziegel, damit man beide
Arten zuſammen vermauern kann. Außer der runden Höhlung (Fig. 78)

Figure 80. Fig. 80 A—D.


kommen auch viereckige vor (Fig. 80 A B und 82), welche neben- und
übereinander angebracht werden. Die beſten mit viereckiger Höhlung
ſind wie Fig. 80 A B geſtaltet. Die Oeffnungen befinden ſich am
[65]Mauern aus Hohlſteinen.
beſten in dem Binder, d. h. in der Längenrichtung des Steins
(Fig. 72 A B). Unvortheilhaft ſind ſolche Lochſteine, bei denen die
Löcher in der Breite des Ziegels durchgehen (Fig. 80 C D), da dieſe

Figure 81. Fig. 81.


bedeutend eher zerbrechen. Erfahrungsmäßig müſſen alle Wandun-
gen und Stege der Hohlziegel gleiche Stärke erhalten, damit ſie
gleichmäßig austrocknen, ſchwinden und reißen können. Um wider-
ſtandsfähige Ziegel zu erhalten, iſt eine Wandſtärke des Thons von
1,5—2zm angemeſſen. Die Hohlziegel eignen ſich, da ſie auf zwei
gegenüber befindlichen Seiten offen ſind, nur für das glatte und
volle Mauerwerk. Ecken, Fenſter- und Thüreinfaſſungen, Pfeiler-
vorlagen u. ſ. w. kann man mit ihnen nicht ausführen, ſondern
hierzu bedient man ſich der vollen
Steine, was übrigens von keinem
beſonderen Nachtheile iſt.


Die Verwendung der Hohlſteine
geſchieht meiſtens entweder zu Iſo-
lirſchichten
oder Verblendun-
gen
des Mauerwerks. In erſterem
Falle ſtellt man die Ziegel auf die
hohe Kante, wobei ſelbſtverſtändlich
mit dem Cementmörtel nicht geſpart
werden darf, da die Steine in kei-
nem Verbande mit den Mauerwerk
ſtehen. Dieſe Manipulation geſchieht
nach Fig. 82.


Derartige Iſolirſchichten, welche
die Feuchtigkeit des Mauerwerks vom

Figure 82. Fig. 82.


Wohnraume abhalten ſollen, ordnet man vielſach in bewohnten Keller-
räumen an; auch vor der Fenſterbrüſtung (Parapet) leiſten ſie gute
Wanderley, Bauconſtr. II. 5
[66]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
Dienſte, zumal dieſelbe öfters nur 1 Ziegel ſtark iſt. Die Fig. 83
illuſtritt dieſe beiden Verwendungsarten.


Figure 83. Fig. 83. Maßſtab: 1/80 der natürl. Größe.

Der Verblendung des Mauerwerks geſchieht in der Regel
mit Hohlſteinen, da dieſe den Vorzug beſitzen, wegen der dünnen
Wandungen ſehr gut gebrannt werden zu können. Während in den
vorigen Beiſpielen (Fig. 82—83) die Hohlſteine nur vorgeklebt wur-
den, müſſen ſie bei der Verblendung mit dem Vollmauerwerk in
gutem Verbande ſtehen (Fig. 84). Die Verblendung mit ſolchen
Steinen geſchieht meiſtens nachträglich, d. h. erſt wenn das äußere
[67]Mauern aus Hohlſteinen.
Mauerwerk ſo weit fertig iſt, daß keine hinabfallende Steinſtücke die
Verblendung beſchädigen. Man beginnt dann mit der Verblendung
am oberen Saume der Façade und
beendet die Arbeit am Sockel. Bis
zur Verblendung bleibt das rohe
Mauerwerk in „ſtehender Verzah-
nung“ (Schmatzen), und es erhellt
hieraus, daß die Mauerſtärke einer,
erſt nachträglich zu verblendenden
Umfangsmauer derart ſein muß,
daß der volle rohe Mauerkern, wozu
alſo die vortretenden Schmatzen
nicht gehören, die genügende Feſtig-
keit beſitze.


Man erkennt auch, daß eine
ſolche Mauerei ſehr koſtſpielig
ausfällt — nichtsdeſtoweniger kann
man ſie in Berlin an Communal-
und Staats-Gebäuden ſehr häufig

Figure 84. Fig. 84.


ſehen, bei denen großer Werth auf die äußerſt ſorgfältige Herſtellung
des äußeren Rohbaues gelegt wird (Berlin kann auf die meiſter-
hafte Technik des feinen Ziegelbaues in der That ſtolz ſein).


Immerhin iſt man in Berlin neuerdings bemüht, den koſtſpie-
ligen Rohbau dadurch etwas wohlfeiler zu machen, indem man die
Verblendung auf ¼ und ¾ Stein in der Weiſe vornimmt, daß die
Strecker die Länge eines Dreiquartiers und die Läufer die Breite
eines Quartierſtückes erhalten; äußerlich bleibt dann der gewöhn-
liche Mauerverband ſichtbar.*) Die Verblendſteine werden mit Ce-
mentmörtel eingeſetzt.


3) Mauern mit poröſen Ziegeln.

Die poröſen Ziegel werden hergeſtellt, indem man leicht brenn-
bare Beſtandtheile, wie Holz- und Steinkohlenpulver, Sägeſpähne,
ausgelauchte Gerberlohe, gemahlene Kiefernrinde, Torf, Flachs- und
Hanfſcheben dem Thone beimengt; beim Brennen der Thonſteine
5*
[68]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
verbrennen dieſe Stoffe gleichfalls und es verbleiben viele kleine
Oeffnungen innerhalb der Steine. Demgemäß ſind die poröſen Ziegel
bedeutend leichter als die gewöhnlichen Backſteine, und eignen ſich
erſtere ganz beſonders zur Ausführung von Wölbungen in höher
gelegenen Theilen des Gebäudes, wo man keine ſtarke Widerlager
anbringen kann. Ferner verwendet man ſie gerne für freiſchwebende
Hängewerkswände und maſſive Mauern auf Traverſen. Ihrer großen
Poröſität wegen verbinden ſie ſich ſehr gut mit Mörtel. Der höhere
Preis der poröſen Ziegel mag es wohl, daß ſie im allgemeinen
ſelten Verwendung finden, obgleich ſie nicht zu verkennende Vor-
theile gewähren.


Beim Gewölbebau kommen wir auf die poröſen Ziegel nochmals
zurück.


Ein weſentlicher Beſtandtheil der Mauern ſind


VII.Die Schornſteine oder Rauchfänge,

auch Rauchſchlote und Kamine genannt.


1) Allgemeine Betrachtungen.

Sie dienen nicht allein für einen regelmäßigen und lebhaften, zur
Verbrennung erforderlichen, Zutritt von Luft unter den Roſt des
Ofens, ſondern ſie erfüllen noch einen zweiten, ebenſo wichtigen Zweck,
indem ſie die Luft, welche zur Verbrennung gedient hat und mit
Kohlenſäure und brennbaren Dämpfen erfüllt, dem Gedeihen der
Pflanzen wie auch der Geſundheit der Menſchen ſchädlich ſein würde,
wenn ſie ſich in zu geringer Höhe verbreitete, aus dem Bereiche der
Wohnungen in eine ſolche Höhe führen, daß ſie, ohne weiter läſtig
zu fallen, vom Winde ergriffen und vertheilt wird; dieſes letzteren
Zweckes wegen erhalten die Schornſteine häufig eine größere Höhe,
als zur Bewirkung des erforderlichen Luftzuges nothwendig wäre.
Ohne auf die mancherlei aufgeſtellten Theorien bezüglich der beſten
Größenverhältniſſe der Schornſteine näher einzugehen, geben wir in
Folgendem einige Vorſchriften, wie ſolche von den Theoretikern auf-
geſtellt wurden, um bei praktiſchen Ausführungen als Richtſchnur zu
dienen, obgleich auch dieſe Vorſchriften ziemlich abweichend ſind,
indem auf die Beſtimmung der beſten Größenverhältniſſe gar man-
cherlei Umſtände einwirken, wie z. B. die verſchiedene Beſchaffenheit
des Brennmaterials u. ſ. w. Es ſind dieſe Vorſchriften jedoch
[69]Die Schornſteine: Allgemeine Betrachtungen.
immerhin geeignet, die Grenze anzugeben, innerhalb welcher man
ſich zu bewegen hat, um nicht auffallende Verſtöße zu begehen.


Die Zugkraft eines Schornſteines, d. h. die Geſchwindigkeit der
Luftbewegung in ihm, hängt von der Höhe des Schornſteines, von
dem Gewichtsunterſchiede zweier durch den Schornſteinmantel ge-
trennter Luftſäulen ab, von denen die eine, den Schornſtein füllende
Luftſäule die wärmere und leichtere, die andere, um und außer-
halb des Schornſteines vorhandene, die kältere, alſo die ſchwerere iſt.


Außer der Wärme der inneren Luftſäule wirkt auf die ausſtrö-
mende Luft auch die mit den höheren Luftſchichten zunehmende Ge-
ſchwindigkeit und deren mehr oder weniger waagerechte Richtung,
welche die ausſtrömenden Luftmaſſen mit ſich fortreißen, daher auch
oben weitere Oeffnungen des Kopfes des Schornſteins dies Fortreißen
befördern und von unten nach oben hin weiter ausgeführte Schorn-
ſteine in dieſer Hinſicht zweckmäßiger, als gleichweite wären; doch
kommen erſtere in der Praxis nicht vor.


Da nun der Gewichtsunterſchied und alſo auch die Geſchwin-
digkeit der Luftbewegung mit der Höhe des Schornſteines wächſt
(quadratiſch, wonach in einem doppelt ſo hohen Schornſteine die Ge-
ſchwindigkeit vierfach, in einem dreifach höheren neunfach größer iſt),
ſo iſt es zunächſt die Höhe des Schornſteins, welche einen Einfluß
auf die Wirkung deſſelben hat, und muß man daher dem Schorn-
ſteine ſtets die größtmöglichſte Höhe geben, will man ein mächtiges
Element des Zuges gewinnen, das nur eine geringe Koſtenvermeh-
rung veranlaßt.


Es ſei z. B. ein Schornſtein von 14 Metern Höhe, deſſen innere
Luftſäule dergeſtalt erwärmt werde, daß ihre durchſchnittliche Dichtigkeit
die Hälfte der Dichtigkeit der äußeren Luft betrage, und alſo die den
Schornſtein füllende Luftſäule halb ſo ſchwer ſei, als eine gleich große
Säule der äußern Luft. Es wird nun die Luft mit einer Kraft unten
in den Schornſtein einſtrömen, die dem Gewichte einer gleich ſtarken
7 Meter hohen Säule gleichkommt. Bei einem Schornſtein von 18 Meter
Höhe würde unter gleichem Verhältniſſe dieſer Gewichtsunterſchied dem
Gewichte einer Luftſäule von 9 Meter Höhe gleich ſein.


Die nutzbringende Höhe eines Schornſteines hat aber auch eine
Grenze, über die hinauszugehen von Nachtheil für die Zugkraft iſt und
die als die größte Höhe (Maximalhöhe) eines Schornſteines zu be-
trachten iſt.


[70]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Die warme Luft, welche aus dem Feuerraume in den Schornſtein
führt, kühlt ſich während ihres Emporſteigens allmählig ab, ſie wird
alſo immer dichter und deshalb ſchwerer; bei entſprechender Höhe des
Schornſteines würde ſie zuletzt die gleiche Temperatur, d. h. die gleiche
Dichtigkeit und Schwere der äußeren Luft erreichen. Bis hierher
wirkt die Höhe des Schornſteins vortheilhaft auf den Zug, bei einer
größeren Höhe würde nun aber eine Luftſäule entſtehen, die mit der
entſprechenden äußeren keinen Gewichtsunterſchied hat, und folglich
den Zug nicht mehr vergrößert. Andrerſeits aber wirkt ſie inſofern
nachtheilig, als bei dem Heben dieſer nutzloſen Luftſäule die Reibung
derſelben gegen die Schornſteinwandungen überwunden werden muß,
und dieſe hierzu nöthige Kraft für die Wirkung des Schornſteins
verloren geht. — Betrachten wir zunächſt die Schornſteine in
Wohngebäuden
.


2) Die polizeilichen Vorſchriften

ſind in den meiſten Ländern verſchieden. Nachfolgend geben wir die
wichtigſten Vorſchriften für Preußen und Oeſterreich.


a) Preußen.

Die Bau-Ordnung für die Stadt Berlin enthält im neunten
Abſchnitt von §§ 66—85 folgende Beſtimmungen:


§ 68. Offene Feuerungen mit Rauchmänteln. Offene Feuerungen
müſſen Rauchmäntel von mindeſtens gleichem Umfange erhalten, welche maſſiv oder
ganz von Metall, oder mit Metall bekleidet ſind, oder mindeſtens 1,0 Meter über
dem Heerd liegen müſſen.


§ 69. Entfernung vom Holzwerk. Geſchloſſene Feuerungen, welche in
Ziegeln oder Kacheln ausgeführt, oder mit ſolchen durchweg bekleidet ſind, müſſen
von allem freien Holzwerk mindeſtens 30 Zentimeter, von feuerſicher bekleideten
mindeſtens 15 Zentimeter entfernt bleiben. Von eiſernen Oefen, von offenen Heer-
den, von Kochlöchern, ſowie von allen Feuer- und Aſchfallthüren und von Einſteige-
und Reinigungsthüren muß alles freie Holzwerk mindeſtens 60 Centimeter ent-
fernt bleiben. Eine geringere Entfernung, aber nicht unter 30 Zentimeter, iſt ſtatt-
haft, wenn das Holzwerk durch Rohrputz oder Metall feuerſicher bekleidet wird.


§ 70. Rauchgemäuer größerer Feuerungen. Das Rauchgemäuer größerer
Feuerungen, als Dampfkeſſel, Siedepfannen, Backöfen und dergleichen, muß von den
umgebenden Wänden, wenn dieſelben maſſiv ſind, mindeſtens 8 Zentimeter, von mit
Rohrung bekleideten Decken, ſowie von eben ſolchen Holz- und Bretterwänden min-
deſtens 60 Zentimeter entfernt bleiben.


§ 71. Feuergefährliche Werkſtätten ꝛc. In Tiſchlerwerkſtätten, in Watten-
fabriken, ſowie in allen andern Räumen, wo feuergefährliche Gewerbe betrieben oder
leicht brennbare Stoffe gelagert werden, dürfen offene Feuerungen gar nicht, ge-
ſchloſſene nur dann angelegt werden, wenn ſie von außen zu heizen ſind, oder ein
[71]Die Schornſteine: Bauordnung für Berlin.
ringsum abſchließbares Vorgelege erhalten. Die Wände und Decken dieſer Vorge-
lege müſſen maſſiv oder von Metallblech, die Fußböden entweder gewölbt oder feuer-
ſicher, d. h. mit doppelten in Verband gelegten Dachſtein- oder Ziegelſchichten ge-
deckt ſein.


§ 72. Feuerungsthüren, Vorpflaſter. Alle Oeffnungen zu Feuerungen
oder Aſchenfällen, ſowie zum Einſteigen oder Reinigen der Schornſteine, müſſen durch
metallene oder wenigſtens mit Blech beſchlagene Thüren dicht verſchließbar einge-
richtet werden. Vor Feuer- oder Aſchfallthüren muß ein Vorpflaſter oder eine feſte
Metallplatte in einer Breite von mindeſtens 50 Zentimeter und zu beiden Seiten
30 Zentimeter über die Oeffnung vortretend, angebracht ſein. An offenen Feuerun-
gen muß dieſe Sicherung in 50 Zentimeter Breite durchgehend hergeſtellt werden.
Vor Stubenöfen, welche vom Zimmer aus geheizt werden, genügen tragbare Vor-
ſätze von Metall. Alle Feuerungen, welche von außen geheizt werden, ſind ent-
weder mit einem Vorgelege nach der im § 61 beſchriebenen Art zu verſehen oder
müſſen doppelte, mindeſtens 25 Zentimeter von einander abſtehende Thüren von
Metall erhalten.


§ 73. Metallene Rauchröhren. Eiſerne Oefen. Metallene Rauchröh-
ren dürfen weder ſeitwärts durch die Umfaſſungsmauern in’s Freie ausmünden,
noch aufwärts durch eine Zwiſchendecke aus Holz geführt werden, ſondern ſind inner-
halb des Stockwerkes nach feſtſtehenden Schornſteinen zu leiten und mit den zum
Reinigen erforderlichen Einrichtungen zu verſehen. Dabei müſſen ſie in der ganzen
Länge ihres Laufes an allen Seiten von jenem freien Holzwerk mindeſtens 50 Zenti-
meter, von ſolchem mit Rohrputz oder mit Blech bekleideten mindeſtens 15 Zenti-
meter entfernt bleiben. In kleinen Baulichkeiten ohne Zwiſchendecken iſt die Durch-
führung der eiſernen Rauchröhre ſowohl durch das Dach, als durch die Wände ſtatt-
haft, wenn dieſelben ſo iſolirt werden, daß auf 30 Zentimeter von dem Rauchrohre
keine brennbaren Stoffe vorhanden ſind. Das Ziehen freiliegender Rauchröhren,
ſowie das Aufſtellen eiſerner Oefen in Räumen, in denen leicht entzündliche Gegen-
ſtände aufbewahrt oder verarbeitet werden, wie in Tiſchlerwerkſtätten, Wattenfabriken
oder dergl., iſt jedoch nicht geſtattet.


§ 74. Maſſivbau der Schornſteine oder Rauchkanäle. Schornſteine,
Kanäle für erwärmte Luft, Dunſt-, Dampf- und Qualmröhren aus Räumen, in
welchen ſich Feuerungen befinden, müſſen entweder aus Ziegeln gemauert, oder aus
einem andern feuerſicheren Material hergeſtellt, unter allen Umſtänden aber durch
ein feuerſicheres Material unterſtützt ſein. Auch im Innern derſelben ſind brenn-
bare Materialien durchaus unzuläſſig. Iſt jedoch für dergleichen Röhren eine ſtarke
Erhitzung möglich, ſo müſſen dieſelben von allen leicht entzündlichen Gegenſtänden
mindeſtens 50 Zentimeter entfernt ſtehen und nicht allein an den Durchgangspunkten
durch Holzdecken, ſondern auch innerhalb der Geſchoſſe und des Dachraumes derart
feuerſicher umſchloſſen werden, daß alle brennbaren Stoffe mindeſtens 30 Zentimeter
entfernt bleiben.


§ 75. Weite und Form der Rauchröhren. Die lichte Weite und die
Form des Querſchnittes der aus Ziegeln oder aus gebranntem Thon gefertigten
Rauchröhren, iſt, je nachdem die Reinigung derſelben durch Befahren oder mittelſt
[72]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
mechaniſcher Vorrichtungen von oben herab erfolgen ſoll, feſtzuſetzen. Für Steige-
rohre muß der Querſchnitt rechtwinkelig ſein und den Seiten im Lichten mindeſtens
ein Maß von 42 und 47 Zentimeter gegeben werden. Für ruſſiſche Rohre iſt ein
rechtwinkliger und ein runder Querſchnitt von einer lichten Weite nicht unter
14 Zentimeter und nicht über 21 Zentimeter geſtattet. Abweichungen von dieſen
Maßen ſind nur mit Erlaubniß des Polizei-Präſidiums zuläſſig, wenn die ordnungs-
mäßige Reinigung geſichert oder erlaſſen wird. Dampfſchornſteine können beliebigen
Querſchnitt haben. Wird das Lichtmaß der ſteigbaren Schornſteine über 60 Zenti-
meter ausgedehnt, ſo ſind beſondere Vorkehrungen zur Erleichterung des Verkehrs
erforderlich. Ruſſiſche Rohre müſſen auf der ganzen Länge gleichen [Querſchnitt]
haben. Kreisrunde Querſchnitte müſſen mit entſprechenden Formſteinen ausgeführt
oder mit Röhren von gebranntem Thon ausgefüttert ſein. Die letzteren dürfen nur
in ganz ſenkrechten Schornſteinen angewendet werden. Die inneren Wandungen aller
Schornſteine ſind möglichſt glatt herzuſtellen oder zu putzen.


§ 76. Geſchleiſte Röhren. Geſchleifte Röhren, welche nur in ganz maſſiven
Wänden ſtatthaft ſind, müſſen entweder an den Stellen, wo ihre Neigung ſich ändert,
mit Reinigungsthüren verſehen oder unten mindeſtens 45 Grad gegen die Waage
liegen. An den Brechpunkten ſind die Ecken abzurunden.


§ 77. Beſteigbare Schornſteine für Räucherkammern ꝛc. Schorn-
ſteine für Räucherkammern, Leimküchen, Backöfen und andere Glanzruß abſetzende
Feuerungen müſſen beſteigbar ſein.


§ 78. Wraſenrohr in Küchen, Qualmfänge. In Küchen mit engen
Schornſteinen iſt ein beſonderes Rohr zum Abzug der Waſſerdämpfe anzulegen.
Wraſenrohre und Qualmfänge, welche keine Feuerungen aufnehmen, können in be-
liebigem Querſchnitt angelegt werden. Erhalten dieſelben aber die Durchſchnitte der
Rauchrohre, ſo ſind ſie in jeder Beziehung wie dieſe auszuführen.


§ 79. Schornſteinwangen und Scheidungen, Iſolirung. Die Wan-
gen und Scheidungen gemauerter Schornſteine ſind, wenn nicht bei freiſtehenden
Röhren eine größere Stärke bedingt wird, mindeſtens ½ Stein ſtark anzulegen, iſt
für dieſelben aber eine ſtarke Erhitzung, wie bei Backſchornſteinen oder beſondere
Veranlaſſung zu Bränden, wie bei Räucherkammern zu erwarten, ſo müſſen die
Wangen durchweg einen Stein ſtark ſein. Wangen unter einem Stein Stärke dürfen
nirgends mit Holzverbandſtücken in unmittelbare Berührung treten; der Zwiſchen-
raum gegen dieſelben muß mit einer doppelten, in Verband gelegten Dachſtein-
ſchicht ausgefüllt werden, wenn derſelbe nicht durchweg wenigſtens 10 Zentimeter
weit iſt. Daſſelbe gilt von Kanälen zur Leitung erwärmter Luft und ähnlichen
Anlagen. Alles Schornſteinmauerwerk muß durchweg in vollen Fugen gemauert
und von Außen geputzt oder gefugt werden.


§ 80. Schornſteinköpfe. Schornſteine, welche gerade durch den Dachforſt
treten, müſſen dieſen um 30 Zentimeter überragen; ſolche aber, welche die Dach-
fläche an anderen Stellen durchbrechen, über dieſer an der Höhe liegenden Seite
eine Höhe von mindeſtens 50 Zentimeter haben, oder doch mindeſtens 30 Zentimeter
über den Forſt hinausgehen.


[73]Die Schornſteine: Bauordnung für Berlin.

§ 81. Schornſteine in feuergefährlichen Räumen. Maſſive Schorn-
ſteine, welche durch Gelaſſe zur Aufbewahrung leicht entzündlicher Gegenſtände führen,
ſind in einer Entfernung von wenigſtens 30 Zentimeter mit einem durchſichtigen
Latten- oder ähnlichem Verſchlage durch die ganze Länge des Gelaſſes dergeſtalt zu
umgeben, daß der Zwiſchenraum frei bleibt.


§ 82. Eingegangene Schornſteine. Eingegangene Schornſteine, oder ſolche,
deren Benutzung unzuläſſig iſt, müſſen oben vermauert werden.


§ 83. Rauchbeläſtigung. Alle Schornſteine müſſen eine ſolche Höhe haben,
und die zugehörigen Feuerungen müſſen ſo eingerichtet ſein, daß jede Beläſtigung
durch Rauch, Ruß oder dergleichen, möglichſt vermieden wird. Anderen Falls müſſen
auf Verlangen des Polizei-Präſidiums dergleichen Anlagen zweckentſprechend verändert
oder beſeitigt werden.


Schornſteine, innerhalb 3,0 Meter von der öffentlichen Straße oder von der nach-
barlichen Grenze, müſſen von dem Straßenpflaſter oder von dem Erdboden ab eine
Höhe von mindeſtens 12 Meter erhalten, welche nach dem Ermeſſen des Polizei-
Präſidiums auf 8,0 Meter ermäßigt werden kann. Neue Schornſteine oder bereits
vorhandene, an welchen neue Feuerungen angelegt werden, müſſen auf Verlangen
des Polizei-Präſidiums 1,0 Meter über dem Sturz nachbarlicher Thür- oder Fenſter-
öffnungen hinausgeführt werden, wenn ſie von denſelben weniger als 5,0 Meter ent-
fernt ſind und dieſe Erhöhung zur Beſeitigung oder Vermeidung von Rauchbeläſtigung
geboten erſcheint.


§ 84. Anzahl der Feuerungen an einem Schornſteinrohr. In ein
Schornſteinrohr, deſſen Querſchnitt 14 Zentimeter lang und 14 Zentimeter breit iſt,
dürfen nur 3 Rauchröhren gewöhnlicher Ofenfeuerungen geleitet werden. Bei zu-
nehmender Weite ſind für jede Ofenfeuerung mindeſtens 65 □Zentimeter erforderlich.
Eine Kochofen- oder Waſchkeſſel-Feuerung iſt in dieſer Beziehung der Feuerung von
3 gewöhnlichen Heizöfen gleich zu ſetzen.


§ 85. Reinigung der Schornſteine. Jede Schornſtein-Anlage muß ſo
eingerichtet werden, daß dieſelbe ordnungsmäßig gereinigt werden kann. Beſteigbare
Schornſteine müſſen an ihren unteren Enden verſchließbare Einſteige-Oeffnungen
haben, wenn dieſelben nicht unmittelbar über offenen Heerden liegen. Enge Schorn-
ſteinrohre müſſen ſowohl an ihrem unteren Ende, als auch über dem oberſten Dach-
boden Seitenöffnungen mindeſtens von der Größe des Querſchnittes erhalten, welche
mit eiſernen Thüren ſicher zu verſchließen ſind. Schornſteinaufſätze, Kappen oder
ſonſtige Schutzvorrichtungen, ſowie auch Räucherſtangen und dergleichen innerhalb
der Rauchrohre ſind nur ſo weit ſtatthaft, als ſie die ordnungsmäßige Reinigung
nicht hindern.


b) Oeſterreich.

Die Bauordnung für Böhmen ſchreibt vor:

§ 39. Die Fußböden in den Küchen müſſen unter dem Herde und mindeſtens
0,6 Meter um den Herd feuerſicher gelegt ſein.


§ 40. Für Rauchfänge ohne Unterſchied gilt die Beſtimmung, daß die Wand-
ſtärke mindeſtens durchgehends 1 Ziegelbreite enthalte und das Mauerwerk vom
Dachbodenpflaſter an auch auf der Außenſeite verputzt ſei.


[74]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Das Aufſetzen der Rauchfänge auf Balken, das Schleppen oder Schleifen der-
ſelben auf Hölzern, das Einziehen hölzerner Stangen zum Räuchern, ſowie das Ein-
laſſen jedes wie immer gearteten Holzwerkes in das Gemäuer der Rauchfänge iſt
ſtrengſtens unterſagt.


§ 41. Schliefbare Rauchfänge müſſen mindeſtens 48 Zentimeter im Quadrate,
runde (ruſſiſche) mindeſtens 16 Zentimeter im Durchmeſſer haben, und müſſen alle
Rauchfänge in ihrer Höhe mindeſtens 0,6 Meter über den Dachfirſt ausgeführt
werden.


Die innere Fläche der Rauchfänge muß glatt fein und ſind ſolche auch thunlichſt
ſenkrecht herzuſtellen. Schleifungen unter 60 Grad zur Horizontallinie dürfen nicht
ſtattfinden.


§ 42. Bei Anlagen runder Rauchfänge muß vorgeſorgt werden, daß das Putzen
oder Reinigen derſelben vom Dache aus, wo nöthig durch Errichtung von Laufbrücken,
ermöglicht werde.


Das Anbringen von Putzthürchen innerhalb der Dachbodengelaſſe iſt unbedingt
unterſagt; doch müſſen ſolche an der Stelle, wo der runde Rauchfang beginnt, an-
gebracht werden, um den abgekehrten Ruß beſeitigen zu können.


§ 43. Rauchfänge müſſen ſo angelegt ſein, daß jede Gruppe von Heizungen in
den einzelnen Geſchoſſen ihren eigenen Rauchfang erhält.


§ 44. Es iſt durchaus verboten, Rauchröhren aus den Häuſern gegen die Gaſſe
oder die Hofräume auszumünden. Derlei Rauchröhren ſind, wo ſie etwa noch be-
ſtehen, binnen eines behördlich feſtgeſetzten Zeitraumes zu beſeitigen.


§ 45. Rauchkammern ſollen beſonders gut gewölbt und mit eiſernen Thüren
verſchloſſen ſein. Die Fußböden darin ſollen mit Ziegeln belegt und die eiſernen
Fleiſchſtangen dem Rauchſchlotte nicht allzu nahe gebracht werden.


§ 46. Räumlichkeiten, welche in Wohngebäuden für große Feuerungsanlagen
beſtimmt ſind, müſſen nicht nur gewölbt ſein, ſondern auch einen feuerſicheren Fuß-
boden erhalten; bei minderen Feuerungsanlagen iſt es dagegen genügend, wenn nur
die nächſten Umgebungen der Feuereſſen, namentlich der Rauchmantel, dann der
Fußboden zunächſt dem Feuerherde feuerſicher hergeſtellt werden. Im Uebrigen iſt
darauf zu ſehen, daß die Ausgänge aus den Feuerwerksſtätten, beſonders in den
Städten, nicht auf die Gaſſe der Straße, ſondern nach Thunlichkeit gegen die Hof-
räume zu angelegt werden.


Die Keſſelhäuſer bei größeren Etabliſſements mit Dampfbetrieb ſind, wo thun-
lich, außerhalb der übrigen Gebäude und abgeſondert in ungewölbten blos leicht
überdeckten Räumen, jedoch ſo anzulegen, daß die Keſſelfeuerung ſelbſt vollkommen
geſchloſſen ſei.


Bauordnung für Bukowina:

§ 45. Für Rauchfänge ohne Unterſchied gilt die Beſtimmung, daß mindeſtens
16 Zentimeter von der Lichte des Rauchſchlottes jedes Holzwerk entfernt bleiben muß.
Das Mauerwerk der Rauchfänge muß auf der Außenſeite überall, wo Holzwerk
unmittelbar an demſelben anliegt, ſonſt aber vom Dachbodenpflaſter an durchgehendes
verbrämt oder perputzt werden.


[75]Die Schornſteine: Bauordnung für Oeſterreich.

§ 46. Schliefbare Rauchfänge müſſen inwendig wenigſtens 48 Zentimeter im
Quadrat enthalten; ſie ſind aus Mauerwerk mit der halben Ziegellänge auszu-
führen, und müſſen wenigſtens 0,6 Meter über dem Dachfirſt erhöht ſein. *)


Rauchfänge, die für größere Feuerungen dienen, wie z. B. bei Bäckern, Hafnern
und ſonſtigen Feuerarbeitern, müſſen ſo gebaut werden, daß die Nachbarſchaft durch
den Rauch nicht beläſtigt wird. Sie ſind mit einer Klappe oder einem Schieber
zu verſehen.


An hohen freiſtehenden Rauchfängen müſſen Steigeiſen angebracht ſein.


§ 47. Nur in den Gebäuden, welche nach den Beſtimmungen des § 31 erbaut
ſind, iſt der Bau und die Benutzung der engen (ruſſiſchen) Rauchfänge unter fol-
genden Vorſchriften geſtattet:


  • 1) Enge ruſſiſche Rauchfänge müſſen rund ſein. Für einfache geſchloſſene
    Feuerungen dürfen ſie nicht unter 15 Zentimeter im Durchſchnitte haben.
    Für mehrere Oefen oder Feuerungen müſſen ſie wenigſtens 21 Zentimeter
    im Durchſchnitt haben.
  • 2) In jedem Geſchoſſe hat jede Heizgruppe ihren eigenen Rauchfang zu erhalten,
    welcher bis über das Dach für ſich aufgeführt werden muß.
  • 3) Die innere Fläche enger Rauchfänge muß möglichſt glatt ſein.
  • 4) Dieſe Rauchfänge ſind möglichſt ſenkrecht herzuſtellen. Schleifungen unter
    60 Grad gegen die Horizontallinie dürfen in der Regel nicht ſtattfinden;
    ſollten aber ſolche ausnahmsweiſe bewilligt werden, ſo müſſen an den
    Punkten, wo die Ziehung geſchieht, Putzthürchen angebracht werden, und
    es iſt am Beginne der Abweichung von der verticalen Linie Vorſorge
    gegen die Beſchädigung der inneren Schornſteinwandung durch das Auf-
    ſchlagen der Putzbürſtenkugel zu treffen.
  • 5) Jede enge Rauchröhre muß unten, wo ſie anfängt. und auf dem oberſten
    Dachboden behufs der Reinigung von dem ſtaubartigen Ruße mit einer
    Seitenöffnung von erforderlicher Größe, und zwar auf dem Dachboden
    1,25 Meter über dem Dachbodenpflaſter oder den Lauftreppen verſehen ſein.
    Dieſe Oeffnungen ſind mit zwei von einander getrennten, eiſernen, in
    Falzen ſchlagenden, zum Abſperren eingerichteten Putzthürchen genau zu
    verſchließen. Inſofern in der Nähe der Putzthürchen Holzwerk nicht ver-
    mieden werden kann, muß daſſelbe mit Eiſenblech verſchlagen werden.

§ 48. Die Zuſammenziehung mehrerer ſchliefbarer Rauchfänge in einem Rauch-
ſchlott und die Einmündung der Rauchröhren in den Rauchmantel der Küche oder
in den Rauchfang eines zweiten Wohngebäudes iſt nicht geſtattet. Auch dürfen keine
langen eiſernen Rauchröhren durch mehrere Wohnbeſtandtheile in entfernte Rauch-
fänge geführt werden.


Bei Neubauten iſt es gänzlich unterſagt, Rauchröhren aus den Häuſern gegen
die Gaſſe oder gegen den Hof auszumünden. Auf die Gaſſe ausmündende Rauch-
röhren, wo ſie etwa noch beſtehen, ſind binnen eines vom Magiſtrate feſtzuſetzenden
Termins abzuſtellen.


[76]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Der Fortbeſtand von auf den Hof ausmündenden Rauchrohren kann, wenn keine
Bedenken wegen Feuersgefahr oder aus Geſundheitsrückſichten obwalten, geſtattet
werden.


Bauordnung für Galizien.

§ 23. a) Wenn Küchen nicht gewölbt ſind, und keine ſogenannte engliſche Spar-
herde erhalten, ſondern nur offene Feuerherde, ſo müſſen dieſe mit einem feuerſicheren
Mantel überdeckt ſein, der mindeſtens 0,3 Meter die Seiten des Kochherdes über-
ragen ſoll. In dieſen Mantel ſind nach Zuläſſigkeit die Rauchröhren der Oefen zu
leiten. — Der Abſtand dieſer Ofenröhren von den Plafonds muß wenigſtens
45 Zentimeter betragen.


b) Der Fußboden ringsum den Herd iſt auf 0,6 Meter Breite mit Ziegeln oder
Steinen oder ſonſt in feuerſicherer Weiſe auszupflaſtern. Ebenſo ſind die Einheizen
und Heizeingänge zu pflaſtern, die letztern noch zu überwölben und die Zugänge
beider mit verſchließbaren Thüren zu verſehen, welche, wenn ſie von Holz ſind, an
der Innenſeite mit Blech überzogen und an ſteinerne Gewände oder Eiſenrahmen
mit Vermeidung allen Holzes befeſtigt ſein müſſen.


c) Gemauerte Backöfen für Gewerbszwecke müſſen einen aus feuerfeſtem Material
conſtruirten Herd erhalten und mit einem doppelten Gewölbe verſehen werden.


Backöfen für Hauszwecke ſind mit denſelben Vorſichten wie die Küchenherde an-
zulegen


d) Heizöfen, die unmittelbar am Fußboden ſtehen, müſſen einen 0,3 Meter hohen
überpflaſterten Herd erhalten; — wenn ſie auf hölzernen Fußgeſtellen ſtehen, ſo
genügt derſelbe mit 16 Zentimeter Höhe; — eiſerne Oefen, die nicht auf Füßen
ſtehen, ſind auf ein volles 16 Zentimeter hohes Fundament zu ſtellen.


e) Ueber größere Heizungen für gewerbliche Zwecke, Trockenkammern u. dergl.,
ſind jederzeit gehörig detaillirte Pläne zu verſchaffen und wird die Bewilligung zu
deren Ausführung von dem Urtheile der hierzu berufenen Behörden abhängig ge-
macht, denen es auch zuſteht, allenfällige Vorſichten und Bedingungen anzuordnen.


Schliefbare Rauchfänge.


§ 24. a) Die Rauchfänge müſſen in der Regel ſchliefbar, daher 48 Zentimeter
im lichten quadratiſchen [Querſchnitte] weit ſein, ſie müſſen ½ Ziegellänge dicke Ein-
faſſungsmauern erhalten und 1,25 Meter über den Dachfirſt emporragen.


b) Das Schleifen der Rauchfänge auf hölzerner Unterlage, ſowie überhaupt das
in einem kleineren Winkel als 60 Grade (gegen die Horizontallinie), ferner das
Zuſammenziehen von Rauchleitungen aus mehreren Geſchoſſen in einen und den-
ſelben Rauchſchlott iſt unterſagt.


c) In das Mauerwerk der Rauchfänge dürfen durchaus keine Hölzer eingelaſſen
werden, und es muß jedes Holzwerk wenigſtens 16 Zentimeter von der inneren Wand
des Rauchfanges, — jedes Eiſenwerk wenigſtens 8 Zentimeter davon entfernt ſein.


§ 25. Die Erbauung von engen, runden ſogenannten ruſſiſchen Rauchfängen
wird von der Bewilligung der Behörden abhängig gemacht, und iſt daher in dem
Bauplane erſichtlich, zu machen.


Als Bedingung für die Herſtellung dieſer engen Rauchfänge wird feſtgeſetzt, daß
ſie nur dort ſtattfinden dürfen, wo das Dach des betreffenden Hauſes mit feuer-
[77]Die Schornſteine: Bauordnung für Oeſterreich.
ſicherem Material gedeckt iſt; und in Nachbar-Scheidemauern nur dann, wenn auch
das Nachbarhaus eine feuerſichere Eindeckung beſitzt.


Hierbei gelten übrigens folgende Modalitäten:


a) Dieſelben dürfen nur bei geſchloſſenen Feuerungen angewendet werden; —
für offenes Feuer werden ſie nicht geſtattet.


b) In einen und denſelben Rauchſchlott dürfen nur Rauchfangröhren eines und
deſſelben Geſchoſſes einmünden.


c) Enge Rauchfänge ſollen in der Regel — beſonders bei neuen Bauten, ſelbſt
wenn ſie die Beſtimmung für ein oder das andere der oberen Geſchoſſe haben, jedes-
mal vom Erdgeſchoſſe aus aufgeführt werden; empfohlen wird es jedoch, dieſelben bis
in den Keller hinabzuführen.


d) Die Querſchnittsfläche dieſer engen Rauchfänge muß kreisrund und glatt
ausgeführt ſein, damit ſich der Ruß ſo wenig als möglich anſetzen kann.


e) Enge Rauchfänge müſſen, ſo wie die ſchliefbaren, aus feuerſicherem Materiale
wovon jedoch Metalle ausgeſchloſſen ſind, gebaut und wie die ſchliefbaren, wenigſtens
1,25 Meter über den Dachfirſt erhöht ſein; ſollen möglichſt ſenkrecht angelegt werden
und nur unter beſonderen Umſtänden iſt eine Ziehung bis zum Winkel von höch-
ſtens 60 Graden geſtattet.


f) Das Mauerwerk enger Rauchfänge muß ebenſo wie bei ſchliefbaren, wenigſtens
½ Ziegellänge dick ſein, und muß über dem Dachbodenpflaſter von außen gehörig
beworfen und verputzt werden.


g) Der Durchmeſſer enger, runder Rauchröhren für eine Heizung wird auf
15 Zentimeter im inneren Lichten feſtgeſtellt, welches Maß jedoch überſchritten werden
darf, wenn in einer Gruppe unter einem und demſelben Heizverſchluſſe ſtehend, zwei
oder mehrere Heizungen in einen Rauchſchlott münden. — In einem ſolchen Falle
iſt eine angemeſſene Erweiterung der Durchſchnittsfläche auf 22 Zentimeter im Durch-
meſſer zugeſtanden.


Andere Dimenſionen als 15 Zentimeter oder 21 Zentimeter innere Lichte werden
nicht geſtattet.


h) Wenn enge Rauchfänge durch den Dachraum oder durch hohe Stockwerke
freiſtehend ohne Verbindung mit den Mauern aufgeführt werden, ſoll die Dimen-
ſion der Pfeiler für jeden ſpeciellen Fall ausgemittelt werden.


Wenn es für nöthig erkannt werden ſollte, ſind die frei über die Dachfläche auf-
gehenden Rauchfänge durch eiſerne Schließen zu befeſtigen.


i) Jede enge Rauchröhre muß unten, wo ſie anfängt und über dem oberſten
Dachboden — behufs der Reinigung vom ſtaubartigen Ruße — mit einer Seitenöffnung
von der lichten Breite des Rauchſchlottes und wenigſtens 30 Zentimeter Höhe ver-
ſehen werden. Dieſe Oeffnungen ſind mit eiſernen in Falze ſchlagenden doppelten
Thürchen — zum Sperren eingerichtet — genau zu verſchließen; dieſe Thürchen
ſind mit der Nummer des Geſchoſſes, oder in größeren Häuſern, ſelbſt der Wohnung
zu bezeichnen, für welche der Rauchſchlott gehört. Sie dürfen nie an ſolchen Stellen
angebracht werden, wo Dachgehölze anſtoßen.


k) Unter den Reinigungsthürchen iſt, wenn der Dachboden eine Holzbrücke erhält,
eine Blechtafel von wenigſtens 1,25 Meter im Gevierte anzubringen.


[78]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
Bauordnung für Mähren:

§ 34. Für Rauchfänge (Schornſteine) gilt die Beſtimmung, daß die Wandſtärke
mindeſtens durchgehends 1 Ziegelbreite erhalte und das Mauerwerk innerhalb des
Dachbodenraumes auf der Außenſeite verputzt ſei.


Das Aufſetzen der Rauchfänge auf Balken, das Schleppen oder Schleifen auf
Hölzern, das Einziehen hölzerner Stangen zum Räuchern, ſowie das Einlaſſen jedes
wie immer gearteten Holzwerkes in das Gemäuer der Rauchfänge iſt unterſagt.


Offene Herde (Lichtherde, Kutzer) mit einem theils aus Brettern zuſammenge-
ſetzten und theils gemauerten Rauchabzuge werden nicht geſtattet. Die in Wohn-
ſtuben beſtehenden ſind nur dann zu dulden, wenn ſie mit einem vorſchriftsmäßig
gemauerten Rauchfange ohne Einſchlauchung in einen andern Rauchzug verſehen
werden und dieſer Rauchfang eine Vorrichtung zum Sperren mit einer eiſernen
Klappe erhält.


§ 35. Schliefbare Rauchfäuge müſſen mindeſtens 48 Zentimeter im Quadrate,
enge (ruſſiſche) mindeſtens 16 Zentimeter im Durchmeſſer haben. Alle Rauchfänge
ſind in ihrer Höhe mindeſtens 1,25 Meter über das Dach auszuführen. Die innere
Fläche der Rauchfänge muß glatt ſein und ſie ſind womöglich ſenkrecht herzuſtellen.
Schleifungen unter 60 Graden zu Horizontalen ſind unzuläſſig.


Dachrauchfänge und überhaupt Rauchfänge für große Feuerungen ſind ſo zu
bauen, daß die Nachbarſchaft nicht beläſtigt wird. Sie ſind mit einer Klappe oder
einer Schiebe zu verſehen.


§ 36. Die ruſſiſchen Kamine ſind behufs der Reinigung mit doppelten eiſernen
und ſperrbaren Putzthürchen im Dachbodenraum zu verſehen. Die Putzthürchen
ſind von allem Holzwerke möglichſt fern zu halten und ſelbes iſt, wo deſſen Nähe
unvermeidlich, durch feuerſicheres Material zu ſchützen.


Zur Reinigung der ruſſiſchen Kamine können auch Laufgalerien (Laufbrücken)
am Dachfirſt angebracht werden, wodurch die eiſernen Putzthürchen im Dachboden-
raume entfallen.


Ruſſiſche Kamine können übrigens nur bei feuerfeſten, feuerſicher eingedeckten
Gebäuden in Anwendung kommen.


§ 37. Rauchfänge ſind ſo anzulegen, daß jede Gruppe von Heizungen in den
einzelnen Geſchoſſen ihren eigenen Rauchfang erhält.


Bauordnung für Graz beſtimmt:

§ 43. 1) Enge ruſſiſche Rauchſchlotte müſſen kreisrund ſein, dürfen für einzelne
nicht unter 16, für 2 bis 4 Heizungen aber nicht unter 23 Zentimeter im Durch-
meſſer erhalten, dürfen nur für geſchloſſene Feuerungen in Anwendung kommen und
nicht in Zimmern beginnen.


2) Jede Heizgruppe der einzelnen Geſchoſſe hat ihren eigenen Rauchſchlott zu
erhalten.


3) Die innere Fläche der engen Rauchſchlotte muß möglichſt glatt ſein und es
dürfen zur Ausführung derſelben nur Mauer- oder Formziegel verwendet werden.
Nur ausnahmsweiſe in alten Gebäuden, wo die erforderliche Dicke der Mauer nicht
[79]Die Schornſteine: Bauordnung für Oeſterreich.
vorhanden iſt und eine allfallige Verſtärkung mit zu großen Koſten verbunden wäre,
können gut conſtruirte Röhren gebraucht werden.


4) Derlei Rauchſchlotte von mehr als 16 Zentimeter Durchmeſſer dürfen nur
in einem Mauerwerk angebracht werden, deſſen Dicke mindeſtens 2 Ziegel beträgt;
für den Fall jedoch, daß hiebei derartige Formziegel in Anwendung kommen, daß die
Rauchſchlottmauer von der inneren bis zur äußeren Fläche noch eine Dicke von
½ Ziegellänge erhält, genügt auch eine Mauerſtärke von 1½ Ziegel.


5) Dieſe Rauchſchlotte ſind möglichſt ſenkrecht herzuſtellen. Schleifungen unter
60 Graden mit Horizontalen dürfen in der Regel nicht ſtattfinden, ſollten aber ſolche
ausnahmsweiſe bewilligt werden, ſo ſind an den Punkten, wo die Ziehung geſchieht,
Putzthürchen, jedoch immer nur außer den Wohnzimmern anzubringen und es iſt
im Beginne der Abweichung von der verticalen Linie Vorſorge gegen die Beſchädigung
der inneren Schornſteinwandung durch das Aufſchlagen der Kugel zu treffen.


6) Jeder enge Rauchſchlott muß unten, wo er anfängt und auf dem oberſten
Dachboden behufs der Reinigung von dem ſtaubartigen Ruße mit einer Seiten-
öffnung von erforderlicher Größe und zwar auf dem Dachboden 1,25 Meter ober
dem Dachbodenpflaſter oder den Lauftreppen verſehen ſein.


Die Oeffnungen ſind mit gußeiſernen oder zwei von einander getrennten, in
Falz ſchlagenden ſchmiedeeiſernen Thürchen zu verſehen.


Die Thürchen, welche im Dachraume angebracht ſind, müſſen ein Vorlegeeiſen
mit einer gußeiſernen Rolle zum Ablaſſen und Aufziehen der Putzmaſchine erhalten,
und es muß deren Lichte genau 24 Zentimeter breit und 40 Zentimeter hoch ſein.
Auch müſſen ſie eine ſichere Sperre erhalten, die nur dem Kaminfeger zugängig
ſein darf.


Bei Gruppen ſolcher Putzthürchen müſſen dieſe überdieß mittelſt eines Ver-
ſchluſſes, welcher alle deckt, verſchiebbar ſein.


Ueberhaupt ſollen die Putzthürchen nie innerhalb der Parteiböden, ſondern ſtets
von den Communicationsgängen zugänglich angebracht werden, inſofern in der Nähe
der Putzthürchen Holzwerk nicht vermieden werden kann, muß daſſelbe mit Eiſen-
blech beſchlagen und überhaupt der Boden unter den Putzthürchen mit unverbrenn-
barem Material belegt werden. Alle Putzthürchen im Dachraume ſind mit der be-
züglichen Stockwerks- und Wohnungsnummer zu verſehen.


Bezüglich der Putzthürchen in Kellern gelten die obigen Beſtimmungen über
Verſchluß und Bezeichnung.


Bauordnung von Wien beſtimmt:

§ 47. Für Rauchfänge ohne Unterſchied gilt die Beſtimmung, daß zwiſchen dem
Holzwerke und der lichten Oeffnung des Rauchſchlottes mindeſtens eine Mauerziegel-
breite und ein ſtehender Dachziegel angebracht ſein muß, und zwar in der Weiſe,
daß der letztere die Lager- und Stoßfugen der Mauerziegel deckt. Das Mauer-
werk der Rauchfänge muß auf dem Dachboden verbrämt oder verputzt ſein.


Die Rauchfänge ſind ſo anzulegen, daß jeder bewohnbare Raum geheizt werden kann.


§ 48. Schliefbare Rauchfänge müſſen mindeſtens 48 Zentimeter im Quadrate
in der inneren Lichte enthalten.


[80]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

§ 50. Bezüglich des Baues und der Benntzung der engen Rauchfänge iſt ſich
an folgende Vorſchriften zu halten:


  • 1) Enge Rauchfänge müſſen für geſchloſſene Feuerungen wenigſtens einen Quer-
    ſchnitt von 36 Quadratzollen haben und ihre geringſte Breite muß 16 Zentimeter
    betragen, wenn dieſelben höchſtens für 2 Feuerungen dienen; für 3—4 Feuerungen
    muß der Querſchnitt mindeſtens 48 Quadratzoll betragen; mehr als 4 Feuerungen
    dürfen in keinem Falle in einen engen Rauchfang geleitet werden.
    Für offene und außergewöhnliche Feuerungen:
  • 2) In der Regel hat jede Heizgruppe der einzelnen Geſchoſſe und Wohnungen
    ihren eigenen Rauchfang zu erhalten.
  • 3) Die Rauchfänge ſind möglichſt ſenkrecht herzuſtellen. Schleifungen unter
    60 Grad mit der Horizontallinie dürfen in der Regel nicht ſtattfinden, ſollten aber
    ſolche ausnahmsweiſe bewilligt werden, ſo müſſen an den Punkten, wo die Ziehung
    geſchieht, Putzthürchen angebracht werden und es iſt am Beginne der Abweichung von
    der verticalen Linie Vorſorge gegen die Beſchädigung der inneren Schornſteinwandung
    durch das Aufſchlagen der Kugel an den Putzbürften zu treffen.
  • 4) Jede enge Rauchröhre muß an ihrem unteren Ende und auf dem oberſten
    Dachboden 0,9 Meter ober dem Dachbodenpflaſter oder den Lauftreppen mit zwei
    von einander getrennten eiſernen im Falze ſchlagenden Putzthürchen von 40 Zentimeter
    Höhe und von der Breite des Schlottes verſehen ſein.

Dieſe Thürchen ſind mit der bezüglichen Wohnungs- und Stockwerksnummer zu
verſehen und ſind nie innerhalb des verſperrten Bodenraumes, ſondern ſtets von den
Communicationsgängen zugänglich anzubringen.


Inſoferne in der Nähe der Putzthürchen Holzwerk nicht vermieden werden kann,
muß daſſelbe mit Eiſenblech beſchlagen werden.


3) Die Schornſteinanlage in Wohngebäuden

verdient die größte Aufmerkſamkeit ſeitens des Technikers. Wegen
der Feuerſicherheit müſſen die an die Schornſteine angrenzenden
Wände mindeſtens 0,5m von den Schornſteinen ab maſſiv gemauert
ſein (ſiehe die Fig. 198—202 im I. Bande „Zimmerconſtruktion“, Capitel
Riegelwände); in einigen Gegenden iſt 1m vorgeſchrieben. In Küchen
macht man wenigſtens die Wände ringsum den Feuerherd maſſiv und
den Fußboden in einem Abſtande von 0,6m vom Herde feuerſicher.


Der Herd liegt am beſten ſo, daß einerſeits das Licht von der
linken Seite auf ihn falle, andererſeits die Zugluft nicht zu ihm
gelangen kann. Der Herd erhält daher ſeinen Platz nicht dicht an
der Küchenthür, ſondern in einer Ecke.


Zur beſſeren Ableitung des Dunſtes bringt man über dem Feuer-
herd (in Oeſterreich ſelten) einen Rauchmantel an, der meiſtens
aus Zinkblech beſteht und trichterartig nach den Wraſen- oder Dunſt-
[81]Die Vorgelege.
rohr führt (Fig. 85). Das Dunſtrohr liegt neben dem Schornſtein-
rohr und hat ½ Ziegel Geviert im Querſchnitt. Der Abſtand des
Rauchmantels vom Fußboden beträgt 2,1m.


α) Die Vorgelege.

In den früheren Zeiten (vor circa 50 Jahren) pflegte man die
Zimmer von Vorgelegen auszuheizen, welche noch jetzt in ganz alten
Gebäuden im Gebrauche ſind. Man gelangt zu ihnen vom Corridor
aus und verſchließt ſie mittelſt einer, innerhalb mit Eiſenblech be-
ſchlagenen Thür, die in einen 2zm tiefen Falz einſchlägt. Neuerdings
werden Vorgelege nur dort angelegt, wo man den Bewohnern die
Arbeit des Heizens erſparen will, wie z. B. in Fremdenzimmern,
Schlöſſern u. ſ. w., in welchen die Vorgelege in den dicken Mauern
verſteckt bleiben. Seitdem aber die Centralheizungen (Warm- und
Heißwaſſerheizungen) verbeſſert und beliebt geworden ſind, werden
die Vorgelege auch in herrſchaftlichen Häuſern immer ſeltener anlegt.


Da das Vorgelege gleichzeitig als Schornſtein dient, wird es, in
der Höhe von 2m vom Fußboden entfernt, überwölbt. Letzterer iſt
mit einem Ziegelpflaſter bedeckt. In der Regel ſind die Vorgelege
0,9m lang und 0,75m breit. Kleinere, vor denen man beim Heizen

Figure 85. Fig. 85.


Figure 86. Fig. 86.


ſtehen bleiben muß, heißen „Heizkamine“; dieſe werden mit einem
Herde, der 3zm niedriger iſt, als die obere Ofenthür, vollſtändig
ausgemauert. Ein Heizkamin bedient höchſtens zwei Oefen und
Wanderley, Bauconſtr. II. 6
[82]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
dürfte beſonders in den Wohnungen der ärmeren Leute als Koch-
herd zweckmäßig ſein. Meiſtens macht man ihn 0,5m tief und 0,45—
0,6m breit. Die Wangen, d. h. Umfangsmauern ſowohl der Heiz-
kamine, als auch der Vorgelege müſſen in mehrſtöckigen Häuſern
genau übereinander ſtehen, was durch „Schleppen“ oder „Auskragung“
geſchieht. Leider entſtehen auf dieſe Weiſe ſchiefe Flächen in der Ecke
des Corridors; um dieſe zu verſtecken, pflegt man die ganze Schorn-
ſteinanlage zu untermauern und mit Niſchen zu verſehen, welche als
Wandſchränke dienen. Das Syſtem der Ueberkragung erkennen wir
in Fig. 86; a ſind die in das Vorgelege führenden Ofenröhren.


Eine Vorgelegeanordnung, welche auch für die moderne Bauweiſe
noch zuläſſig erſcheint, entnehmen wir dem Werke: „Menzel-Schwatlo,
der Steinbau“ (Fig. 87—89); Fig. 89 giebt die Vorgelege- und

Figure 87. Fig. 87.


Figure 88. Fig. 88.


Figure 89. Fig. 89.


Röhrenlage des unterſten Stockwerks, Fig. 88 eines darüberliegenden
zweiten, Fig. 87 die des dritten und vierten Stockwerks. Die Röhren
der verſchiedenen Stockwerke ſind immer untereinander fortgezogen,
ſo daß im oberſten Stockwerke (Fig. 87) die Röhre bei A diejenige
[83]Die Schornſteine: Die Vorgelege.
iſt, welche im unterſten Stockwerke (Fig. 89) unmittelbar auf dem
Vorgelege v anfängt (ſiehe auch das Syſtem in Fig. 86). Sollte
aber ein ſolches Vorgelege in einem Hauſe von nur zwei Stockwerken
ausgeführt werden, ſo würde die Anlage in der Weiſe modificirt,
daß die mit g h in Fig. 88 und i k in Fig. 89 bezeichneten Mauern
in dem erſten und zweiten Stockwerk wegbleiben. Die Niſche b c e d
kann man auch ausmauern; F iſt ebenfalls eine große Niſche, in
welcher auch der Stubenofen ſtehen könnte.


Die Heizung der Stubenöfen innerhalb der Stuben hat den Vor-
gelegen gegenüber den überwiegenden Vortheil der Lufterneuerung
(der natürlichen Ventilation). Aus dieſem Grunde, und auch weil
die Vorgelege viel Platz beanſpruchen, heizt man jetzt die Oefen direkt
vom Zimmer aus und ſind dann nur


b) die Schornſteine

zur Abführung des Rauches nothwendig.


Hierbei unterſcheidet man


  • erſtens: weite Schornſteine und
  • zweitens: enge Schornſteine.

Die weiten Schornſteine werden vom Schornſteinfeger gereinigt,
indem er in ſie hinein klettert, d. h. ſie „befährt“; daher heißen dieſe
Rauchfänge auch „ſchliefbare“ oder „befahrbare“ Schornſteine.


Die engen Rauchſchlotte dagegen werden von oben mit zwei,
ſich überkreuzenden, an einer 3 Kilo ſchweren Kugel befeſtigten, Beſen,
die an einer Leine hängen, gefegt und heißen daher auch „Lein-
ſchornſteine“
oder, da ſie zuerſt in Rußland zur Ausführung ge-
langten, „ruſſiſche Röhren“.


α) Die weiten Schornſteine waren bis vor 50 Jahren aus-
ſchließlich im Gebrauche und werden neuerdings nur in ländlichen
Gebäuden bei „offenen Herden“, ſowie für große Küchen- und Waſch-
keſſelfeuerungen angewendet. Damit die Schornſteinfeger in den
Rauchfang klettern können, muß derſelbe, je nachdem er von er-
wachſenen oder jungen Rauchfangkehrern befahren werden ſoll, ganz
beſtimmte Maße erhalten, welche geſetzlich vorgeſchrieben ſind.


In Preußen galt bisher beim alten Ziegelformat von 10″ rhl.
Länge als Regel, daß die ſchliefbaren Schornſteine 18″ rhld. im
Quadrat oder 18/16″ rhld. im Rechteck meſſen mußten; in Oeſter-
reich
iſt in allen Kronländern eine lichte Weite von 18/18″ wiener
vorgeſchrieben.


6*
[84]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Seit Einführung des Metermaßes und Abänderung des Ziegel-
formats ſind die vorgeſchriebenen Dimenſionen modificirt worden
und zwar
auf 42 und 47zm im Rechteck,
oder 47 und 47zm, reſp. 45 und 45zm im Quadrat.


Wenn die fahrbaren Rauchfänge über 55zm im Lichten weit ſind,
bringt man in den Ecken Aufſteigeeiſen an.


Die Wangen, d. h. Wände der Schornſteine, werden ſtets nur
½ Ziegel ſtark gemacht.


Der Steinverband der weiten Rauchfänge kann verſchiedenartig
ſein und hängt nicht nur von der Dicke der Mauern, die mit dem
Schornſtein in Verbindung ſtehen, ſondern auch von der Lage der
Röhren ab (in der Mitte oder Ecke der Mauer), und außerdem noch
davon, ob mehrere und wie viele Schornſteine nebeneinander herge-
ſtellt werden.


Figure 90. Fig. 90 A—C.

Die nachſtehenden Beiſpiele geben die mannigfachſten Fälle:


  • Fig. 90 A iſt 1½ Stein im Geviert, oder
    • mit deutſchen Normalziegeln 40/40zm weit im Lichten,
    • „ öſterreichiſchen „ 46/46zm „ „ „

[85]Die Schornſteine: Steinverband.
  • Fig. 90 B iſt 1¾ und 1½ Stein im Rechteck oder
    • mit deutſchen Normalziegeln 40/47zm weit im Lichten,
    • „ öſterreichiſchen „ 46/54zm „ „ „
  • Fig. 90 C iſt 1¾ Stein im Geviert oder
    • mit deutſchen Normalziegeln 47/47zm weit im Lichten,
    • „ öſterreichiſchen „ 54/54zm „ „ „

Die Buchſtaben a u. b geben die Schaaren innerhalb der Mauer,
c u. d den Verband des freiſtehenden Schornſteins im Dachboden.


Bei Fig. A ſteckt der Schornſtein ganz in einer 2½ Ziegel (oder
nach deutſchen Steinen 64zm, nach öſterr. Steinen 75zm) ſtarken Mauer;
bei B iſt die Mauer nur 2 Steine oder 51zm, beziehungsweiſe 60zm
ſtark und tritt der Schornſteinkaſten ½ Steinlänge vor; bei C hat die
Mauer nur eine Breite von 1½ Ziegel reſp. 38zm, beziehungs-
weiſe 45zm.


Meiſtens ordnet man die Schornſteine in den Zimmerecken an
(Fig. 91) und gehören dann die Schornſteinwandungen den ſich
kreuzenden Wänden an.


Figure 91. Fig. 91.

Bezüglich des Verbandes hat man die bei den Mauerendigungen
mitgetheilten Regeln zu befolgen.


β) Die engen Schornſteine, ſogenannten ruſſiſchen Röhren
oder Leinſchornſteine, wurden vor etwa 50 Jahren in Deutſchland
zuerſt ausgeführt; man erkannte bald ihre bedeutenden Vorzüge und
ſind ſie daher ſeit dieſer Zeit in allen Neubauten für gewöhnliche
Stubenöfen ausſchließlich im Gebrauche. Ihr Nutzen beſteht darin,
[86]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
daß der Rauch durch enge Rohre weit ſchneller emporſteigt, als durch
weite und ſomit der „Zug“ ein beſſerer iſt.


Damit die Rauchfangkehrer mit ihren Beſen alle Schornſteine
reinigen können, hat die Baupolizei in ſämmtlichen Staaten die Weite
der Röhren geſetzlich vorgeſchrieben.


Die früher in Preußen üblichen Maße waren: 6/6″—6/8″ und
8/8″; nach Einführung des Metermaßes beträgt die lichte Weite
15/15—15/21 oder 21/21zm. Dieſelben Dimenſionen gelten auch in
Oeſterreich, wo beſonders die Steinbreite von 14zm die Anlage der
ruſſiſchen Röhren weſentlich erleichtert.


Die engen Schornſteine erhalten entweder einen viereckigen
oder kreisförmigen Querſchnitt; letzterer iſt in Oeſterreich und
vielen Diſtrikten Deutſchlands ſehr gebräuchlich und heißen nach ihm die
Schlotte dann „Cylinder“. Die viereckigen Röhren haben den Vortheil,
daß ſie ſich leichter herſtellen laſſen, die runden dagegen „ziehen“
beſſer und geſtatten eine gründliche Reinigung.


Die Aufmauerung der runden Röhren geſchieht derart, daß
man einen 0,5—1m langen Holzklotz vom Durchmeſſer der Röhre
loſe mit einmauert und, nachdem vier bis ſechs Schaaren aufgeführt
ſind, in die Höhe zieht. Die Rauchfänge werden innerhalb mit Kalk-
mörtel berappt (verbrämt); daſſelbe geſchieht auch an den Außenſeiten
der im Bodenraume freiſtehenden Schornſteinkaſten. Jedoch das
Schornſteinende, welches über das Dach hinaus ragt, bleibt ſtets
ungeputzt und wird blos ausgefugt, da der äußere Putz wegen des
bedeutenden Temperaturunterſchiedes zwiſchen der äußeren Luft und
der Gaſe innerhalb der Röhren, ſowie wegen der beſtändigen Näſſe
durch Regen u. ſ. w., immer abfällt.


Die Wandſtärke der engen Röhren beträgt bei Stuben- und
Küchenfeuerungen ſtets ½ Ziegel, auch wenn mehrere Schornſteine
nebeneinander ſtehen. Durchaus verwerflich iſt es, die Scheide-
wand zwiſchen zwei Schornſteinröhren, welche ebenfalls ½ Ziegel ſtark
ſein muß, aus hochkantig aufeinander geſtellten Ziegeln zu machen.
Solche „Zungen“-Wände ſind nur bei „Dunſtröhren“ geſtattet,
welche keiner Reinigung bedürfen.


Einzelne Röhren, die im Dachbodenraume ſehr weit freiſtehen,
erhalten an den beiden gegenüberſtehenden Seiten Wangen von
1 Stein Stärke. Bilden mehrere enge Röhren zuſammen einen „Schorn-
ſteinkanen“, ſo iſt dieſe Verſtärkung nicht erforderlich; auch die weiten
[87]Die Schornſteine: Steinverband der ruſſiſchen Röhren.
Schornſteine haben immer ſo viel Grundfläche, daß ſie ohne die Ver-
ſtärkung der Wangen ſchon hinreichend ſtabil ſtehen.


Daß alles Holzwerk von den Schornſteinwandungen fern bleiben
muß, ferner „Reinigungsthüren“ erforderlich ſind und dieſe theilweiſe
durch „Laufbühnen“ (ſehr zu empfehlen) auf dem Dache erſetzt werden
können, wobei die Reinigung von der oberen Mündung aus ſtatt-
findet, wurde bereits in den oben mitgetheilten „polizeilichen Vor-
ſchriften“ Preußens und Oeſterreichs angegeben und verweiſen wir
auf die betreffenden §§.


Alle Schornſteinröhren müſſen von unten auf fundamentirt werden,
damit ſie beim Abbrennen des Hauſes mit den Mauern vereint bleiben;
deshalb iſt es geſetzlich unzuläſſig, einen Schornſtein auf Balken zu
ſetzen. Ferner darf ſich der Schornſtein ſich niemals an die Dach-
conſtruktion anlehnen.


Hinſichtlich des Schornſteinverbandes bemerken wir, daß für
enge Röhren dieſelben Regeln gelten wie für weite; bei erſteren
muß man die Lücken öfters mit Quartierſteinen ausfüllen, um eine
regelmäßige Fugenverwechſelung zu erlangen.


Wenn es irgend angeht, ordnet man, um die Vorſprünge zu ver-
meiden, die Rauchröhren innerhalb der dicken Mauern an; dies iſt beſon-

Figure 92. Fig. 92.


ders zuläſſig in 1½ Stein ſtarken Wänden aus öſterreichiſchen Normal-
ziegeln von 14zm Breite (Fig. 92), wobei incl. der durchgehenden 1zm
[88]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
dicken Langfuge die Weite 15zm mißt. Im vorliegenden Falle iſt die
Röhre 21zm breit; man könnte ſie aber auch auf 16zm reduciren.
Die Schaaren a b c ſind für den Kreuzverband eingerichtet, wie die
Anſicht d zu erkennen giebt. In Fig. 93 A befinden ſich zwei Röhren

Figure 93. Fig. 93 A—B.


von 15/21zm Weite nebeneinander in einer 2 Stein ſtarken Mauer; die
Schaaren a b gelten für den freiſtehenden Schornſteinkaſten im Dach-
bodenraume; die Rauchröhren haben in Fig. B eine Weite von ¾
Steinen im Geviert.


Dieſer Anordnung analog wird der Verband gemacht, wenn drei

Figure 94. Fig. 94.


Figure 95. Fig. 95.


und mehr Rauchröhren neben einander ſtehen ſollen. Fig. 94 enthäl
drei Röhren von je ½ Stein Weite in einer 1½ Stein ſtarken Wand
[89]Die Schornſteine: Steinverband der ruſſiſchen Röhren.
in Fig. 95 ſind die Röhren ½ und ¾ Stein weit und innerhalb
einer 2 Stein ſtarken Wand angelegt. Dieſes Verhältniß würde bei
Verwendung der deutſchen Steine em-
pfehlenswerth ſein und entſpricht einer
Weite von 14 und 14/19zm. In einer
1 Stein ſtarken Wand (Fig. 96) ſpringen
die ruſſiſchen Röhren ſtets ½—¾ Stein
vor, je nachdem die lichte Weite ½ oder
¾ Stein gemacht wird.


Noch weniger ſteckt der Schornſtein
in ½ Stein ſtarken Mauern, auch ſelbſt
wenn er ſich in den Mauerecken befindet

Figure 96. Fig. 96.


(Fig. 97 u. 98); behufs Vermehrung der Stabilität der Mauerecken
macht man vielfach die eine Wandung 1 Stein ſtark (Fig. 98).


Figure 97. Fig 97.

Figure 98. Fig. 98.

Auch Röhren von ¾ Stein im Querſchnitt treten in 1½ Stein
dicken Mauern mit der einen Wandung ¼ Stein vor (Fig. 99); größer
iſt dieſer Vorſprung, wenn die Röhre an einer Seite eine 1 Stein ſtarke
Wandung (Fig. 100) beſitzt. In 2 Stein dicken Wänden ſpringt
der Schornſteinkaſten ſodann nur ¼ Stein vor (Fig. 101).


Im Allgemeinen trachtet man danach, die Schornſteine ganz in
den Mauerkreuzungen anzulegen, da ſie hier den Balkenlagen ſelten
hinderlich und außerdem noch für zwei nebeneinander liegende Zimmer
verwendbar ſind. Den einfachſten Fall erkennen wir in Fig. 102;
öfters kommt auch die Anordnung in Fig. 103 vor.


Wenn mehrere, nur 1 Stein ſtarke Wände zuſammenſtoßen, iſt
das Vorſpringen einer Schornſteinkante unvermeidlich und hilft man
ſich dann durch die Anordnung einer Ofenniſche aus (Fig. 104).


[90]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Sehr oft mauert man weite und enge Röhren nebenein-
ander
; beiſpielsweiſe findet dies ſtatt, wenn Küchen neben Wohn-

Figure 99. Fig. 99.


Figure 100. Fig. 100.


Figure 101. Fig. 101.


zimmern liegen und für die Spaarherde fahrbare Rauchſchlotte
angelegt werden. Den beſten Platz hierfür bieten die Ecken und
[91]Die Schornſteine: Steinverband der ruſſiſchen Röhren.
je nach der Lage der ſich kreuzenden Wände, ſowie nach der An-
zahl der engen und weiten Rohre, kommen die mannigfachſten An-
ordnungen vor.


Figure 102. Fig. 102.

In Fig. 105 ſind zwei weite und zwei enge Rohre vorhanden.


Eine ſehr gute Anordnung veranſchaulicht Fig. 106, bei welcher
die Röhren in der Kreuzung der vier Mauern verſteckt ſind.


Figure 103. Fig. 103.

Bis jetzt haben wir nur Rauchfänge mit rechteckigen oder quadra-
tiſchen Querſchnitten beſprochen; wie aber bereits erwähnt wurde,
können letztere auch kreisförmig ſein. Die Vortheile ſolcher Cy-
linder ſind bereits oben aufgezählt worden.


Zu den Verbänden der ringförmigen Röhren bedient man
ſich meiſtens der gewöhnlichen Ziegel, welche um einen runden Klotz
gemauert werden. Auf die Bindefähigkeit des Mörtels kommt es hier-
bei aber am meiſten an, da die verhauenen Ziegel eine ſehr unregel-
[92]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
mäßige Geſtalt haben. Um die innere Fläche glatt herſtellen zu
können, verwendete man manchmal Formſteine. Dieſe haben ſich in
der Praxis nicht bewährt und ſind auch zu koſtſpielig. Die Fig. 107
zeigt den Cylinderverband mit gewöhnlichen Ziegeln.


Figure 104. Fig. 104.

Figure 105. Fig. 105.

Da der Rauch deſto ſchneller emporſteigt, je weniger Reibungs-
hinderniſſe er zu überwinden hat, wurde von einigen Technikern an-
empfohlen, für die Rauchröhren cylindriſche Thonröhren, welche
mittelſt Falzen ineinander greifen und vollſtändig ummauert werden,
[93]Die Anlage der Schornſteine.
anzuwenden (Fig. 108); aber auch dieſe Methode hat keine allgemeine
Verbreitung gefunden, weil ſie complicirt und theuer iſt.


Figure 106. Fig. 106.

Figure 107. Fig. 107.

γ) Die Anlage der Schornſteine
erfordert ſogleich beim Entwerfen des Grund-
riſſes einige Berückſichtigung, denn was nutzt
ein Gebäude, wenn es ſich durch die un-
zweckmäßige Lage der Schornſteine nicht
erwärmen läßt?


Unzweckmäßig liegt der Schornſtein un-
mittelbar an Thüren, da dann der Ofen
meiſtens im Wege ſteht; fehlerhaft iſt es,

Figure 108. Fig. 108.


den Schornſtein in Außenwänden anzubringen, weil nicht nur die
Rauchgaſe im Schornſtein ſchnell erkalten und der „Zug“ ein mangel-
hafter ſein wird, ſondern auch beim Emporführen des Rauchfanges
öfters die Mauerlatten, Drempelwandfetten (Mauerbank), Rinnen u. ſ. w.
[94]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
unterbrochen werden müſſen. Auch gilt der Grundſatz, daß die Schorn-
ſteine ſich ſtets 0,9m über den Dachforſt erheben müſſen, damit die,
durch den auf die Dachfläche ſtoßenden Wind erzeugten wirbelnden,
Luftſtrömungen das Hinausſteigen des Rauches nicht erſchweren oder
gar verhindern. Schornſteine, die in den Außenwänden liegen, müſſen
daher ſehr hoch über die Dachfläche geführt werden, um gut func-
tioniren zu können.


Ferner hat man darauf zu achten, daß die Schornſteine nicht in
der Nähe oder gerade in der Dachkehle (Ixe) aus der Dachfläche
treten.


Am beſten ordnet man die Rauchfänge im Innern des Hauſes unweit
des Dachforſtes an. Sollte dies aber nicht möglich ſein, ſo werden die
Schornſteine „geſchleppt“, „gezogen“ oder „geſchleift“.


Manchmal muß das Schleifen auch geſchehen, um einer Fette ꝛc. aus-
zuweichen; in dieſem Falle erhält der Schornſtein eine geringe Neigung
nach Fig. 109. Doch darf das Schleppen nie über die punktirten
Linien geſchehen, wenn der Schornſtein ſich im Gleichgewicht halten
ſoll. Bei einer größeren Neigung iſt eine Unterſtützung erforderlich,
welche entweder aus einem Bogen oder vollem Mauerwerk (Fig. 110)
beſtehen kann; letzteres beſitzt die größte Solidität. Die Unterſtützung

Figure 109. Fig. 109.


Figure 110. Fig. 110.


iſt aber nicht immer möglich, weil öfters das Auflager hierzu fehlt.
Unter ſolchen Umſtänden muß das Schleppen ganz unterbleiben und
ſogleich bei der Grundrißanlage für die zweckmäßige Lage des Kamins
geſorgt werden. Zuweilen liegen zwei Rauchfänge ſo gegenüber,
daß ſie ſich gegenſeitig ſtützen können (Fig. 111). Die Wölbung, welche
[95]Die Anlage der Schornſteine.
die Schleifung der Röhre bildet, wird über Lehrbögen ½ Ziegel ſtark
eingemauert.


Geſchleifte Schornſteine dürfen niemals unter einem Winkel von
45° liegen, weil ſie ſich ſonſt ſchwer reinigen laſſen. Bei jeder

Figure 111. Fig. 111.


Schleifung muß eine Reinigungskappe vorhanden ſein. Das Schleppen
auf Holzunterlager darf nie geſchehen.


Hinſichtlich der Anzahl und Größe der Schornſteinröhren
ſei noch erwähnt, daß man in der Regel zur Abführung des Rauches
eines Stubenofens gewöhnlicher Größe 12 □'' rhld. oder 80 □zm
rechnet; ſomit genügt ein Kamin


  • von 16zm im Quadrat oder 256zm Querſchnitt für drei Oefen,
  • „ 20zm „ „ „ 400zm „ „ vier

Erfahrungsmäßig ziehen ſolche Röhren am beſten, die für Oefen,
dienen, welche in derſelben Etage ſtehen. Hat das Gebäude ſonach
drei Etagen, ſo ordnet man drei Kamine nebeneinander an, auch
wenn nur ein oder zwei Oefen in jedem Stockwerk vorhanden ſind.
Solche Anlagen, bei denen die Oefen eines Schornſteines in meh-
reren Etagen übereinander ſtehen, pflegen mangelhaft zu ſein. Nur
dann liefern ſie gute Reſultate, wenn die Weite des Querſchnitts größer
genommen wird, z. B. für zwei Oefen ein 20/20zm weites Rohr.


Dies iſt zuläſſig, wenn in einem zweiſtöckigen Gebäude in jedem
Stockwerke nur ein Ofen zu einem Schornſteine gehört; hierdurch
wird an Material und — ſparſame Hausbeſitzer ſehen auch darauf
— an Schornſteinfegergeld geſpart.


Für kleinere Herde und ſolche von mittlerer Größe reicht ſchon
ein Rohr von 20/20zm im Querſchnitt aus; für größere Herde legt
man aber befahrbare Kamine an.


[96]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Das Einrauchen der Schornſteine iſt eine Plage, welche
den Aufenthalt in einer Wohnung geradezu unmöglich machen kann.
Mangelhafte Feuerungsanlagen zeigen den Fehler, daß der Rauch
aus dem Schornſteine nicht abzieht, ſondern bei jeder Gelegenheit in
die Wohnung zurückzieht. Um dies zu vermeiden, gelten im All-
gemeinen folgende Grundſätze:


  • a) Jedes offene Feuer muß einen beſonderen Schornſtein beſitzen.
    Wenn mehrere übereinander liegende Küchen mit offener
    Feuerung verſehen ſind (die ſogenannten Sparherde und
    Stubenöfen haben geſchloſſene Feuerung), erhält jede einen
    fahrbaren Schornſtein für ſich.
  • b) Bei geſchloſſenen Feuerungen kann man in ein Rohr mehrere
    Oefen leiten. Es iſt beſſer, die Oefen in eine Etage zu
    bringen und darauf zu achten, daß die Einſtrömungsöffnungen
    in gleicher Höhe liegen.
  • c) Weite und enge Röhren dürfen niemals unter einem kleineren
    Winkel als 45° gezogen werden, weil ſonſt die Reibungs-
    hinderniſſe zu bedeutend ausfallen.
  • d) Feuerungen, welche beſtändig im Betriebe ſind, wie z. B. bei
    Backöfen, Braukeſſeln u. ſ. w., erhalten je ein beſonderes
    Rohr, welches bis über das Dach reicht.
  • e) Jedes Rohr muß mindeſtens 0,5m über den Dachforſt ſteigen.
  • f) Je höher ein Schornſtein in freier Luft ſteht, deſto mehr kühlen
    die Rauchgaſe in ihm ab und raucht er ein. Deshalb iſt es
    vortheilhaft, die Schornſteine bis zum Dachfirſt unter dem
    Dach aufzuführen. Bei flachen Dächern kann man die Röhren
    aber auch in der Mitte der Dachfläche hinausbringen.
  • g) Man pflegt gern mindeſtens zwei Röhren nebeneinander anzu-
    legen, damit ſie ſich gegenſeitig erwärmen und das Dach
    nicht zu oft unterbrochen wird.
  • h) Jeder Schornſtein muß vor dem Gebrauche vollſtändig ausge-
    trocknet ſein.
  • i) Lange Schornſteine ziehen beſſer als die kurzen, deshalb rauchen
    die Schornſteine einſtöckiger Gebäude eher ein, als die der
    zweiſtöckigen.
  • k) Weite Röhren rauchen eher ein als enge.
  • l) Unter Umſtänden iſt es zweckmäßig, Kappen, welche ſich vor
    den Wind ſtellen, anzubringen. Dieſe haben aber den Nachtheil,
    [97]Die Fabrikſchornſteine.
    daß, wenn ſie einroſten, der ganze Apparat mehr ſchadet
    als nutzt.

4) Die Fabrikſchornſteine

gehören zwar nicht zum Wohnhausbau, den wir in dieſem Werke
insbeſondere berückſichtigen, ſie ſpielen aber in dem heutigen Bau-
weſen eine ſo große Rolle, daß wir nicht umhin können, die allge-
meinen Grundſätze für die Erbauung derſelben anzugeben.


Die Schornſteine dienen, wie bereits bemerkt, dazu, um die zur
Erhaltung der Verbrennung nöthige Erneuerung der Luft zu bewirken,
und um die nicht verbrannten Theile fortzuführen. Sie erheben ſich
meiſtens ſenkrecht vom Ofen aus und ſtehen mittelſt des „Fuchſes“
(dieſer iſt das Ende der Feuerzüge und bildet den Uebergang in den
Kamin) in ſo naher Verbindung mit den Zügen, als es nur immer
möglich iſt. Die Saugkraft im Schornſteine oder die Geſchwindigkeit,
mit welcher die äußere Luft unter den Roſt der Feuerung tritt, iſt
zunächſt abhängig von dem Gewichtsunterſchied zwiſchen der warmen
Luft in dem Schornſtein und einer gleichfachen Luftſäule von der
Temperatur der äußeren Luft. Dieſer Unterſchied wächſt mit der Höhe
des Schornſteins.


Da aber die Schornſteine auch den Ruß und Rauch aus dem
Feuerungslokal und dem Bereich der Wohnungen bringen und häufig
ſogar über andere Wohnungen fortführen ſollen, ſo werden ſie
meiſtens höher gemacht, als nöthig wäre, um den Luftzug zu ver-
anlaſſen.


Weil der Luftzug allein durch die Temperaturunterſchiede außer-
halb und innerhalb des Schornſteins bewirkt wird, ſo müſſen alle
Mittel angewendet werden, um eine Abkühlung der Schornſteine zu
verhüten. Daher müſſen die Schornſteine aus Ziegelſteinen aufge-
führt werden, inwendig glatt und ohne Biegung ſein, um die Be-
wegung des Rauches ſo wenig als möglich zu ſtören.


Ferner müſſen ſehr hohe Schornſteine, welche einen ſtarken Zug
liefern ſollen, mit rundem Querſchnitte gemacht werden, weil ſie
dann bei dem größten Querſchnitt gleichzeitig die geringſte Abkühlungs-
fläche beſitzen.


Hingegen haben viereckige Schornſteine den Vorzug der leich-
teren und billigeren Bauart, zumal man für ſie keine beſonderen
Formſteine gebraucht.


Wanderley, Bauconſtr. II. 7
[98]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Nächſt der Kreisform iſt das vielſeitige Polygon (Acht- u. ſ. w.
Eck) in Hinſicht der Reibungswiderſtände und Abkühlung am beſten.


Die wichtigſten Reſultate der theoretiſchen Unterſuchungen über
die Zugkraft der Schornſteine geben wir in nachſtehender kurzer Zu-
ſammenſtellung:


Die Geſchwindigkeiten des Zuges in den Schornſteinen ver-
halten ſich bei gleichen Temperaturunterſchieden wie die Quadrat-
wurzeln aus den Höhen der Schornſteine, d. h.
oder in Worten: ein Schornſtein, welcher 36m zur Höhe hat, hat im
Vergleich zu einem Schornſteine von 25m Höhe eine Zugkraft, welche
ſich verhält wie:
.


Die Geſchwindigkeiten verhalten ſich ferner bei gleicher Schorn-
ſteinhöhe wie die Quadratwurzeln aus den Temperaturen, oder:

In Wirklichkeit wird die Geſchwindigkeit, welche man durch Rech-
nung erhält, niemals erreicht, und zwar aus Gründen der Reibung
im Schornſteine.


Will man alſo den Zug durch eine größere Höhe des Schorn-
ſteines vergrößern, ſo muß man gleichzeitig den Querſchnitt erweitern,
weil ſonſt die Vortheile der Erhöhung verloren gehen durch die Nach-
theile der großen Reibung.


Aus dieſem Grunde ſollte man eigentlich in Wohngebäuden den
Abſtand der Ofeneinmündung in den Schornſtein bis zum Schornſtein-
kopfe nicht größer machen als:


  • bei 16zm im Quadrat 10—12m
  • „ 21zm „ „ 15—20m;

woraus alſo folgt, daß in dreiſtöckigen Gebäuden für die untere Etage
nur 20/20zm weite Kamine anzulegen wären.


Die Höhe der Fabrik-Schornſteine ſollte niemals unter
18m betragen, wenn die Maſchine auch nur wenige Pferdekraft hat;
man nimmt in der Regel noch für 4 Pferdekraft 20m an. Bei ge-
ringer Höhe entweichen aus der Eſſe Rauchwolken, welches immer ein
Zeichen mangelhafter Anlage oder nachläſſiger Führung iſt. Denn
Rauch iſt unverbrannter Brennſtoff, welcher noch Dampf entwickeln
[99]Die Fabrikſchornſteine.
ſollte, alſo ein koſtſpieliger Artikel iſt. Die Höhe H wird folgender-
maßen beſtimmt: nennt man


  • T° C die Temperatur im Schornſteine,
  • t° C dito der äußeren Atmoſphäre,
  • d den inneren Durchmeſſer oder die Seite des Quadrats der Schorn-
    ſteinmündung in Metern,
  • H die Höhe der Schornſteinmündung vom Roſte an gerechnet in
    Metern,
  • l den Geſammtweg der heißen Gaſe vom Roſt bis zum Schorn-
    ſtein in Metern und
  • v die Geſchwindigkeit pr. Minute der in den Roſt einſtrömenden
    Luft in Metern,

ſo ſtrömen die Verbrennungsprodukte aus dem Schornſteine mit der
Geſchwindigkeit V pr. Minute:
Metern.


Bei gemauerten Schornſteinen iſt meiſt T — t = 285° und der
Querſchnitt der Mündung = ⅗ der freien Roſtfläche, woraus ſich d
beſtimmt.


Das Volumen der ausſtrömenden Luft iſt im Mittel = 2¼ des
der eintretenden, alſo
;
und wenn v = 60m pr. Minute angenommen wird, iſt V = 225m,
folglich
Meter und
oder Meter,

wobei Q die Anzahl der Cub.-Liter des pro Minute im Dampfkeſſel
zu verdampfenden Waſſers bezeichnet.


Der Querſchnitt des Schornſteins in der oberen Mündung iſt
¼ der totalen Roſtfläche groß zu machen (totale Roſtfläche heißt die
ganze Oberfläche des Roſtes, dagegen der Zwiſchenraum zwiſchen
den einzelnen Stäben freie Roſtfläche heißt; bei Kohlenfeuerung
nimmt man das Verhältniß der freien zur totalen Roſtfläche wie
1 : 4 bis 1 : 3 an). Dieſe Größe iſt indeſſen als Minimum anzu-
ſehen; man thut wohl, namentlich wenn nur eine Feuerung in den
Schornſtein geht, den Querſchnitt etwas zu erweitern, und zwar des-
7*
[100]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
halb, damit man im Stande iſt, bei Vergrößerung der Anlage zwei
oder drei Feuerungen mehr hinein zu leiten.


Das Uebermaß des Zuges läßt ſich leicht durch „Schieber“ oder
„Regiſter“ ausgleichen. In größeren Fabriken legt man ſchon bei
der Erbauung mehrerer Oefen einen gemeinſchaftlichen Schornſtein
an, wodurch der Koſtenpunkt weſentlich vermindert wird und die
Oefen auch einen regelmäßigen Zug bekommen; nur dürfen ſie nicht
alle gleichzeitig beſchickt werden. Der Querſchnitt eines ſolchen Ka-
mins muß gleich ſein der Summe aller Querſchnitte des für einen
Ofen ſpeciell nöthigen Schornſteins.


Somit bezieht ſich das Q in der zuletzt genannten Formel auf
die Geſammtleiſtung der ſämmtlichen Keſſel, und 1 auf die Geſammt-
länge der Züge.


Beim Einleiten mehrerer Feuerungen in einen Schornſtein iſt die
Vorſicht zu gebrauchen, daß die Gasſtröme von zwei verſchiedenen

Figure 112. Fig. 112.


Feuerungen beim Eintritt in
den Kamin ſich niemals ſcharf-
kantig treffen, ſondern dann erſt
mit einander in Berührung
kommen, wenn ſie eine und die-
ſelbe Richtung angenommen ha-
ben. Dies kann man leicht durch
„Zungen“ oder „Diagonaldirek-
tionsplatten“ erzeugen; erſtere
kommen bei kleinerem Quer-
ſchnitt, letztere bei größerem
Querſchnitt des Kamins zur An-
wendung.


Die Anordnung ſolcher Di-
rektionsplatten · veranſchaulicht
Fig. 112. In vorliegendem Falle
iſt eine ausgeführte Anlage dar-
geſtellt; der quadratiſche Schorn-
ſtein hat unten eine äußere Breite
von 4,5m, der Fuchs (die Rauchzu-
leitung einer jeden Feuerung) iſt 0,9m breit, 1,5m hoch und die innere
Weite des Kamins beträgt 1,5m. In diagonaler Richtung ſtehen
zwei Platten von 1,5—2m Höhe, von der Sohle des Fuchſes an gerechnet;
[101]Die Fabrikſchornſteine.
in Wirklichkeit liegt die Sohle des Schornſteines noch 0,6m tiefer,
damit in der Vertiefung der mitgeführte Ruß ſich niederſchlägt. Die
Decke über dem Fuchs beſteht aus einem 1 Stein dicken Halbkreis-
gewölbe.


Nach dem Obigen muß die Weite der Fabrikſchornſteine ſo groß
ſein, als die (Weite) Summe der freien Zwiſchenräume des Roſtes.


Die Höhe eines Schornſteines für Dampfkeſſel beträgt allgemein
von 4 Pferdeſtärken an mindeſtens gleich 18m und bei geringen ſtaub-
förmigen Brennſtoffen 24m. Praktiker machen bei geringer Kohlen-
ſorte mit 8—15zm Schichthöhe und wenn 1 m Roſtfläche für 10
Pferdeſtärken nöthig iſt:


  • Schornſteinhöhe 19m bei 0,47m oberer lichten Weite und 10 Pferdeſt.
  • „ 23m „ 0,48m „ „ „ „ 12 „
  • „ 28m „ 0,61m „ „ „ „ 16 „
  • „ 31m „ 0,76m „ „ „ „ 20 „

Der Bau der Fabrikſchornſteine. Die Schornſteine werden
entweder von Stein oder von Eifen ausgeführt. Die letzteren kühlen
ſich mehr ab, als die erſteren und erfordern daher, um gleiche Zug-
kraft mit den gemauerten Schornſteinen zu bekommen, einen größeren
Aufwand von Brennmaterial. Die Reibung iſt in beiden Kaminorten
gleich groß, weil ſich ſowohl die Ziegelfläche, als auch die Eiſenfläche
ſofort mit Ruß überzieht.


Die Herſtellungskoſten der ſteinernen Kamine ſind zwar etwas
größer, als die der eiſernen, jedoch erfordern letztere bedeutende Re-
paraturen und häufige Oelfarbenanſtriche mit der theuren Diamant-
farbe. Während die Dauer der ſteinernen Kamine unbegrenzt iſt,
hängt dieſelbe bei eiſernen Schornſteinen von der Intenſität der
Flamme ab. Die Vortheile ſtehen entſchieden auf Seite der gemauer-
ten Schornſteine.


Die eiſernen Fabrikſchlotte werden überhaupt nur ausgeführt:


  • 1) bei ſchlechtem Baugrunde, der einen ſchweren maſſiven Schorn-
    ſtein nicht tragen könnte;
  • 2) wenn zur Erbauung der maſſiven Kamine keine Zeit vorhan-
    den iſt;
  • 3) bei unverhältnißmäßig hohen Ziegelpreiſen;
  • 4) für proviſoriſche Anlagen, welche alſo nur kurze Zeit im Be-
    triebe ſein ſollen und ſpäter der eiſerne Schornſtein mit Nutzen
    verkauft werden kann.

[102]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

In dieſem Werke wollen wir nur die Conſtruktion der ſtei-
nernen Schornſteine
beſprechen. Wie bereits bemerkt wurde, kann
der Querſchnitt entweder rund, quadratiſch oder vieleckig
ſein; weil aber die Kamine immer weiter gemacht werden, als nöthig
iſt, ſo iſt es in der Praxis in Hinſicht auf die Reibungswiderſtände
ganz gleichgiltig, welche Form der Querſchnitt erhält. Die viereckigen
Kamine ſind billiger herzuſtellen, als alle übrigen. Sind Formſteine
in der Gegend der Bauſtelle nicht gangbar, ſo kann man wegen des
Behauens annehmen, daß ein runder Schornſtein um circa 15 %
theurer ausfällt, als ein gleich großer viereckiger.


Bezüglich der Conſtruktionsverhältniſſe der Kamine gilt
Folgendes:


Bezeichnet


  • d den inneren oberen Durchmeſſer eines runden oder die Seite
    eines quadratiſchen Schornſteines,
  • H die ſenkrechte Höhe,

ſo macht man


  • den inneren unteren Durchmeſſer D = d + 0,017 H.

[Einige Praktiker geben den großen Fabrikſchornſteinen innerhalb eine Böſchung
von 4 bis 4,5zm und außerhalb eine Böſchung von 6 bis 8zm auf 3,5m Schorn-
ſteinhöhe, alſo 1/80 reſp. 1/60—1/40. H. Häufig findet hierfür auch die Regel Anwen-
dung, den äußeren unteren Durchmeſſer um 1/30, den inneren um 1/60 der Schorn-
ſteinhöhe ſtärker als die betreffenden oberen Durchmeſſer anzunehmen. Es würde
demzufolge z. B. bei einem 30m hohen Schornſtein von 0,6m inneren und 0,9m
äußeren Durchmeſſer oben der untere, innere Durchmeſſer 0,6 + 30/60 = 0,60 +
0,50 = 0,10m und der äußere 1,1m + 30/30 = 2,1m betragen.]


An der oberen Mündung des Schornſteins wird die Mauerſtärke
je nach der Höhe des Schornſteins ½ Stein bis 1 Stein gemacht,
d. h. 12zm reſp. 25zm (bezüglich in öſterreichiſchen Ziegeln 14zm reſp.
29zm), ſo daß der äußere Durchmeſſer oben wird:

Der Neigungswinkel der äußeren Schornſteinfläche beträgt etwa
2—2½ Grad an der Lothrechte, was annähernd einem Steigungs-
verhältniß von 1/25 bis 1/30 entſpricht.


Nach dem berliner „Architekten-Kalender“ erhalten 20m hohe Fa-
brikſchornſteine am unteren Ende die Mauerſtärke von 2 Steinen,
[103]Die Fabrikſchornſteine.
bei 30—33m Höhe 2½—2¾ Stein; zum oberen Ende hin vermin-
dert ſich die Wandſtärke in Abſätzen von je ½ Stein. Schornſteine
über 50m Höhe müſſen mit Rückſicht auf den Winddruck beſtimmt
werden. Die nöthige Anleitung hierzu giebt der königl. Baumeiſter
K. Wilke in der Holzminder Zeitſchrift, Jahrgang 1874, Seite 82;
abgedruckt iſt dieſer Artikel im „Deutſchen Jahrbuch der Baugewerbe“
Jahrgang 1874, Seite 452; denſelben Fall betrachtet Profeſſor Ritter
mit graphiſcher Statik im Deutſchen Jahrbuch der Baugewerbe 1874,
Seite 392.


Hinſichtlich der Stabilität ſei erwähnt, daß der Winddruck auf
einen Cylinder 0,57 desjenigen Druckes beträgt, der gegen eine Fläche
von gleicher Größe mit der Projection des Cylinders ausgeübt wird.
Hiernach beſitzen runde Kamine eine bedeutend größere Standfeſtig-
keit als viereckige von ſonſt gleichen Dimenſionen.


Um dem Studirenden die Conſtruktion des ſteinernen Kamines
vorzuführen, ſei hier ein Beiſpiel mitgetheilt. Zunächſt ſind fol-
gende Daten erforderlich.


Erfahrungsmäßig verdampft:


  • 1 Kilogr. Steinkohle   5—7 Kilogr. Waſſer,
  • 1 „ Holz   2,5—2,7 „ „
  • 1 „ Torf   3—4 „ „
  • 1 „ Braunkohle   3,5—5 „ „
  • 1 „ Coaks   4,7—5,8 „ „

Um eine beſtimmte Menge dieſer Brennmaterialien zu verbrauchen,
iſt im Ganzen eine totale Roſtfläche nothwendig:

Behufs Beſtimmung der Menge der durch die Roſtöffnungen zu-
ſtrömenden Luftmenge dient folgende Formel:


  • f die freie Oeffnung der Roſtfläche pr. 100 Kilogr. Brennmaterial,
    die pr. Stunde verbrannt wird in □m,

[104]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
  • q die doppelte theoretiſche Luftmenge, welche zu 100 Kilogr. Brenn-
    material erfordern in Cbm. (Die einfache theoretiſche Luft-
    menge von 0° und 760 mm Druck für die Verbrennung
    • von 1 Kilogr. Coaks beträgt 7,441 Cbm
    • „ 1 „ Holzkohle „ 8,016
    • „ 1 „ Torf „ 4,044
    • „ 1 „ luft. Holz „ 3,466
    • „ 1 „ Steinkohle „ 6,977—8,045 Cbm),
  • v die Geſchwindigkeit pr. Sekunde der in den Roſt einſtrömenden
    Luft in Metern,

ſo iſt


Hierbei nimmt man zweckmäßig für gewöhnliche ſtation. Keſſel
v = 0,8—1m pr. Sekunde an.


In der Regel nimmt man den Steinkohlenverbrauch an pr. Stunde
und Pferdekraft bei Maſchinen


  • ohne Expanſion und ohne Condenſation = 5—6,5 Kilogr.
  • mit „ „ „ „ = 4—5 „
  • „ „ „ mit „ = 2,5—3,5 „
  • bei guten Wolf’ſchen Maſchinen … = 1,75—2 „

Danach braucht beiſpielsweiſe eine Wolf’ſche Dampfmaſchine von
35 Pferdekräften zur Erzeugung des nothwendigen Dampfes pr. Stunde
an Steinkohlen = 35 . 2 = 70 Kilogr.


Zur Verbrennung derſelben muß man in der Feuerung einen
Roſt anlegen mit
totaler Größe.


Die freie Roſtfläche pr. 100 Kilogr. Brennmaterial beſtimmt ſich
nach obiger Formel
oder
ſomit f für 70 Kilogr. . Alſo die
freie Roſtfläche verhält ſich zur totalen wie 1 : 3 bis 1 : 4.


Wie wir oben bereits mehrfach erwähnten, ſoll die obere Schorn-
ſteinmündung mindeſtens gleich der Summe der Zwiſchenräume des
Roſtes groß ſein, alſo im vorliegenden Falle 0,3 □m.


[105]Die Fabrikſchornſteine.

Hiernach ergiebt ſich


  • bei runden Schornſteinen ein Durchmeſſer von 0,7m,
  • bei viereckigen Schornſteinen eine Seite von circa 0,6m.

Figure 113. Fig. 113.

Nehmen wir an, der Geſammt-
weg der heißen Gaſe vom Roſt bis
zum Schornſteine (alſo die Geſammt-
länge der Feuerzüge mit Ein-

Figure 114. Fig. 114.


ſchluß des Fuchſes) betrage 20m, ſo muß der runde Schornſtein eine
Höhe erhalten nach pag. 99 von:
Meter oder
.

Um für alle Fälle ſichere Reſultate zu erhalten, empfiehlt es ſich, die
Höhe um etwa 4m [...] zu vermehren.


[106]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Bei 24m Höhe betragen die Dimenſionen (Fig. 113):


  • d = 0,7m; d1 (wenn jede Schornſteinwandung ½ Ziegel ſtark an-
    genommen wird) = 0,94m;
  • D = d + 1/60 H = 0,7 + (1/60 . 24) = 1,10m;

jede untere Wandſtärke = jeder oberen plus 1/40 H, ſomit 0,12 + 0,6
= 0,72m; demnach
D1 = 2 (0,72) + D = 2 (0,72) + 1,10 = 2,54m.


Die weitere Conſtruktion des Schornſteins geſchieht auf folgende
Weiſe (Fig. 114): man theile die Höhe des Schornſteins, welche man
als gerade Linie ſenkrecht vom Erdboden aufträgt, in Geſchoſſe von
4—4,5m ein, trage aber rechts und links von dieſer Linie die halbe
lichte Weite des Schornſteinrohres ab und fange von dem oberſten
Punkte mit ½ reſp. 1 Steinſtärke an; alsdann mache man jedes
tiefere Geſchoß ½ Ziegel ſtärker und begrenze auf dieſe Weiſe die
Konturen des Schornſteins.


Nun ordne man auf beliebige Höhe etwa ¼ bis ⅕ der ganzen
Schornſteinlänge den Unterbau lothrecht an. Derſelbe iſt unten
mit einem Plinthenvorſprung, oben entweder mit einer einfachen Ab-
fafung oder beſſer mit einem paſſenden Geſimſe verſehen. Ebenſo
führt man das innere Rohr im Unterbau lothrecht hinab und ändert
danach die Abböſchung, indem man die erſte in der Zeichnung bei-
behält. Auch wenn der Schornſtein rund oder vieleckig gemacht wird,
erhält der Unterbau einen quadratiſchen Querſchnitt. Der Abſatz
über dem Unterbaugeſims wird entweder als Waſſerſchlag ſchräg
ablaufend in Cement und Dachziegeln oder mit einer Rollſchicht in
Cementmörtel, oder mit Sandſtein- reſp. Schieferplatten abgedeckt.


Zum Reinigen wird unten im Kamine eine Oeffnung von min-
deſtens 0,6m Weite und Höhe freigelaſſen und dieſelbe nach dem
jedesmaligen Gebrauche zugemauert.


Um das Beſteigen im Innern zu ermöglichen, werden in der
einen Ecke eiſerne Stäbe in horizontaler Lage in den Höhenabſtänden
von 0,6m leiterartig eingemauert.


Das Mauern der Kamine geſchieht in der Weiſe, daß man von
den Ecken und in der Mitte einer jeden Seite den Verband anlegt
und dann von der Mitte aus verbandmäßig eintheilt. Die Aus-
gleichung der in jeder Schicht ſich verändernden Längen findet durch
Einlegen eines behauenen Quartierſtücks ſtatt; dabei iſt der Verband
mittelſt Kopfſtücken vorzuziehen.


[107]Die Fabrikſchornſteine.

Die Schornſteine erhalten, des beſſeren Anſehens wegen, in ihrem
oberen Ende eine Ausladung (Schornſteinkopf, auch Kranz ge-
nannt). Der Kranz wird ſowohl aus gebrannten Mauerſteinen,
als auch aus Sandſteinen, zuweilen ſelbſt auch aus Schmiede-
oder Gußeiſen angefertigt. Dieſes letztere
Material dürfte zur Anfertigung des gan-
zen Kranzes nicht zu empfehlen ſein, weil
es durch ſeine Schwere die durch ſtarke
Winde veranlaßten Schwankungen des
Schornſteines vermehren würde. Dahin-
gegen iſt ein aus Sandſtein gefertigter
Kranz vorzuziehen, wenn die einzelnen
Stücke dicht zuſammen gearbeitet und mit
kupfernen Klammern verbunden werden.
Wird der Kranz indeß von gebrannten
Mauerſteinen aufgeührt, ſo muß er oben
noch mit einer Deckplatte verſehen werden,
damit auf der oberen Fläche keine Fugen
frei liegen, die, vom Regen bald ausge-
ſpült, in das Schornſteinmauerwerk Feuch-
tigkeit dringen laſſen, wodurch deſſen Zer-
ſtörung beſchleunigt wird.


Die Anordnung des Verbandes
geſchieht ebenſo, wie bei hohlen Pfeilern;
bei viereckigen Kaminen ſtoßen vier kurze
Mauern zuſammen, in denen Läufer- mit
Streckerſchaaren miteinander abwechſeln (Fig.
115 A — B u. Fig. 116).


In Fig. 117 A — D geben wir die ganze
Dampf-Schornſteinanlage; der Schornſtein
ſteht zum Theil innerhalb des Kohlenrau-
mes, er könnte aber auch ganz frei ſtehen,
was, da die ungleich hohen Mauer-

Figure 115. Fig. 115 A u. B.


Figure 116. Fig. 116.


maſſen ſich ungleich „ſetzen“, im allgemeinen beſſer iſt. Der Schorn-
ſtein hat im Unterbau einen viereckigen, darüber einen achteckigen
Querſchnitt. Die Figuren 115 A B zeigen die Verbände des Unter-
baues und Fig. 118 die des achtſeitigen Theils. Um im achteckigen
Mauerkörper von den Ecken aus die Stoßfugen jeder Schicht ſo zu
[108]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Figure 117. Fig. 117 A — B.


[109]Die Fabrikſchornſteine.
erhalten, wie es die Regeln des Kreuzverbandes bedingen, wurden
die Eckſteine e und e1 nach zwei verſchiedenen Formen (Schablonen)

Figure 118. Fig. 117 C — D.


Figure 119. Fig. 118 A — B.


gehauen, von denen die eine der Kopfſchicht, die andere der Läufer-
ſchicht angehört. Dabei wird aber der Eckſtein e1 der Streckerſchicht
nur wenig über den darunter liegenden Läufer hinausgreifen und
wenig feſte Verbindung in der Ecke gewähren. Ein in doppelter
Hinſicht beſſeres Verfahren beim Verbande ſolcher achteckigen Mauern

Figure 120. Fig. 119.


Figure 121. Fig. 120.


dürfte es ſein, wenn man an den Ecken nur eine Sorte von Form-
ſteinen und zwar wie f in Fig. 119 und g in Fig. 120 verwendet
[110]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.
und dieſe abwechſelnd nach rechts und links mit der längeren
Seite legt.


Dieſe Anordnung iſt aber nur dann ausführbar, wenn man in
nahe belegenen Ziegeleien beſonders geformte Steine zu dieſem Zwecke
nach eigener Beſtellung erhalten kann, da die Länge dieſes Form-
ſteines länger iſt, als die gewöhnliche Steinlänge. Die Vortheile ſind:


  • erſtens, daß man nur eine Formſteinſorte gebraucht und da-
    durch mancher Aufenthalt beim Mauern erſpart wird und
  • zweitens, daß an den Ecken ein beſſerer Verband erreicht wird.

Figure 122. Fig. 121.

In Fig. 121 geben wir noch
den Verband eines Schornſteinun-
terbaus, der innerhalb cylindriſch
und außerhalb achteckig iſt und
profilirte Kanten hat.


Zu den runden Kaminen be-
dient man ſich für die äußeren
Schaaren ſtets der Formſteine,
welche aber den Bau weſentlich
vertheuern.


Der Verband iſt ebenſo wie
der der kreisrunden vollen Mauern;
Läufer- und Streckerſchichten wech-
ſeln miteinander ab (Fig. 122), bei kleinen Durchmeſſern hingegen
mauert man die Steine nur als Strecker und bekommen die Ziegel
die Geſtalt der Brunnenſteine, damit die Fugen möglichſt klein ge-
macht und die Steine nicht behauen werden.


Einen zweckmäßigen Verband für beide Schaaren und 2 Ziegel
ſtarke Schornſteinwände giebt Fig. 123.


Bezüglich der Materialien ſei erwähnt, daß hart gebrannte
Mauerſteine (ſogenannte Klinker) als ſchlechte Wärmeleiter hierzu am
beſten ſind; von Bruchſteinen eignen ſich die Sandſteine am beſten,
während Grauwacken und Schiefer weniger anzuempfehlen ſind.


Da die Geſchwindigkeit der Luftbewegung in einem Schornſteine
von der Lufttemperatur der in demſelben befindlichen Luft abhängig
iſt, muß die innere Luftſäule möglichſt vor Erkältung geſchützt werden,
indem man den Schornſtein aus Materialien ausführt, welche die
Wärme ſchlecht leiten und indem man das Mauerwerk möglichſt dicht
mit engen und vollen Lager- und Stoßfugen anfertigen läßt. Zu-
[111]Die Fabrikſchornſteine.
weilen wendet man bei größeren Schornſteinen Hohlmauerwerk an
und füllt die Zwiſchenräume mit ſchlechten Wärmeleitern, wie Aſche
u. d. m.


Figure 123. Fig. 122.

Die Aufmauerung erfolgt bis 15—18m Höhe auf Gerüſten,
welche aus Stangen zuſammengeſetzt ſind. Bei Schornſteinen über

Figure 124. Fig. 123.


18m iſt die lichte Weite ſo groß, daß die Arbeiter im Schornſtein
ſtehen, „über den Rand“ arbeiten. Die Materialien werden dann
entweder von Außen oder von Innen (letzteres beſſer) in die Höhe
[112]Erſtes Kapitel. Das Ziegelmauerwerk.

Figure 125. Fig. 124.


gezogen. In der Baugewerk-
zeitung 1874 wird die Erbauung
von Dampfſchornſteinen ohne
äußere Rüſtung nach einer Me-
thode, die ſich in Greiz bewährt
hat, auf folgende Weiſe beſchrie-
ben (Fig. 124 A — C).


Bei dem Hochmauern des
Schornſteins, in Entfernungen
von 6 Ziegelſchichten übereinan-
der, bringt man nach beiſtehender
Skizze ſogenannte Steigeiſen von
circa 15—20mm ſtarkem Rund-
eiſen, 16—18zm im Lichten weit,
32—36zm lang, an; in dieſe
ſteckt man den Krahn zum He-
ben der Materialien und ver-
keilt ihn nach Erfordern. Die
Bohlen der Fußrüſtung liegen
auf zwei, in die Lagerfugen ein-
geſteiften, je nach der Weite des
Schornſteins entſprechend ſtarken
Stabeiſen.


Das ganze Verfahren bietet
den Vortheil, daß ein einſeitiger
Zug oder Schub im Schornſtein
vermieden wird, letzterer ſtets
zu beſteigen iſt und Reparatu-
ren leicht ausgeführt werden
können.


In den Zeichnungen giebt
A eine Darſtellung der Befeſti-
gung des Krahnes in den Steig-
eiſen durch Keile im Grundriſſe,
Fig. B desgleichen in der Anſicht.


Die Böſchungen, ſowohl
die innere, als auch die äußere,
werden durch beſondere Schablo-
[113]Die Fabrikſchornſteine.
nen, welche auf einer Seite gehobelt und auf der andern mit
der Böſchung verſehen ſind, bezeichnet. Die Latte iſt etwa 2m lang.
Die Berechnung der Abſchrägung geſchieht folgendermaßen: Der
Kamin ſei außerhalb oben 1,2m, unten 4m breit, bei einer Höhe von
40m. Alsdann beträgt die äußere Böſchung oder
140zm. Somit ergiebt ſich die für die Latte von 200zm er-
forderliche Abböſchung (x) des Schornſteines aus der
Proportion:
4000 : 140 = 200 · x
x
= 7zm (Fig. 125).


Die Latte ſelbſt wird dann unten 10zm, oben 17zm
breit gemacht und mit einem Bleilothe (oder einer Libelle)
verſehen, um ſie ſtets ſenkrecht aufſtellen zu können.


Die innere Mauerfläche wird nicht ſtetig verjüngt,
ſondern in Abſätzen nach den Steindimenſionen aufgeführt,
wodurch alſo im Innern bei jedem Geſchoß Abtreppungen
entſtehen, die dem Zuge durchaus nicht hinderlich ſind
Die Abſätze werden der leichteren Mauerung wegen und
um Material zu ſparen, gemacht.


Die Kamine bleiben außen und innen ohne Kalk-
putz, weil dieſer der Erhitzung auf die Dauer keinen Wider-
ſtand leiſtet. Der Verputz von Chamottemehl und Thon
widerſteht zwar der Hitze, aber nicht der abwechſelnden

Figure 126. Fig. 125.


Feuchtigkeit. Dagegen iſt es ſehr gut, den Schornſtein auf Sockel-
höhe innerhalb mit feuerfeſten Steinen zu verblenden, die darauf
folgenden Schichten in Lehm zu mauern und ſchließlich den ganzen
Kamin außerhalb gut auszufugen. Das Ausfugen geſchieht ſogleich
beim Mauern.


Von großer Wichtigkeit iſt die ſorgfältige Fundirung der Schorn-
ſteine, denn das Fundament kann nie feſt genug ſein. Bei gutem Bau-
grunde macht man die Fundamentſohle ſo groß, daß pr. □m gewachſener
Erdboden nicht mehr als mit 20000 Kilogr. belaſtet wird; die Ver-
breitung des Fundaments geſchieht in Abſätzen von je 4 Schichten
Höhe, ſo daß die Fundamentkante mit der Terrainoberfläche einen
Winkel von 60 Grad bildet.


Bei ſchlechtem Baugrunde findet die Fundirung am beſten auf
Pilotirung (Pfahlroſt) ſtatt.


Wanderley, Bauconſtr. II. 8
[114]Erſtes Kapitel. Das Bruchſteinmauerwerk.

Nicht ſelten tragen die fehlerhaften Fundamente an dem Schief-
werden
der Schornſteine die Schuld; ſolche Uebelſtände müſſen aber
ſofort beſeitigt werden, was in der Regel, wenn ſie nur in geringem
Maße auftreten, durch Sägenſchnitte und Keile geſchieht.


Eine intereſſante Reparatur und Geraderichtung des ſchief gewor-
denen, 103½m hohen Schornſteins in Barmen theilt die „Zeitſchrift
für Bauweſen“, Jahrgang 1869 mit (ſehr leſenswerther Bericht!).


B.Die Mauern von Feld- und Bruchſteinen.


Für dieſelben verwendet man entweder die ſogenannten „Leſe-
ſteine
“ (Feldſteine oder Findlinge) oder die Steine von ganz un-
regelmäßiger Form aus den Steinbrüchen.


Die Feldſtein- oder Felſenmauern.

Die Feldſteine, auch Findlinge genannt, ſind erratiſche Blöcke,
welche auf freiem Felde in kleinen Dimenſionen und vielfach auch an
den Seeküſten in koloſſaler Größe vorgefunden werden; man nimmt
an, letztere ſeien in früheren Zeiten durch Eisblöcke aus dem Norden
dort hingeführt worden. Meiſtens haben die Findlinge eine unregel-
mäßige Geſtalt und müſſen ſie erſt etwas lagerſchichtig geſprengt
werden. Die von ſolchen Steinen erbauten Mauern beſitzen eine
geringe Feſtigkeit und macht man ſie daher ſelten höher als 1,5m;
gewöhnlich dienen die Feldſteine nur zu dicken Fundamentmauern.


Freiſtehende Feldſteinmauern erhalten


  • bei 1,5m Höhe 0,7m zur Stärke,
  • „ 1m „ 0,5m „ „
  • „ 0,5m „ 0,3m „ „

Beim Mauern achtet man darauf, daß die großen Steine in die
Ecke kommen und die gar zu unebenen Seiten etwas lagerſchichtig
gehauen werden; die Zwiſchenräume füllt man mit kleinen Steinen
und Mörtel aus.


An Material iſt erforderlich:


  • für 1 Cbm volles Fundamentmauerwerk 1,3 Cbm regelmäßig aufge-
    ſetzte Steine und 160 Liter gelöſchter Kalk.

Wirklich brauchbar und vortheilhaft ſind die Bruchſteine dann erſt,
wenn ſie einigermaßen lagerſchichtige Flächen erhalten haben. In
dieſer Weiſe waren ſie ſchon bei den Bauten im Alterthum und Mittel-
alter gebräuchlich und werden ſie auch jetzt noch in bruchſteinreichen
Gegenden häufig für mehrſtöckige Gebäude verwendet.


[115]Die Feldſtein- und Felſenmauern.

Auch hierbei erfordert der Verband eine beſondere Sorgfalt; zu
dieſem Behufe kommen die größten und flachſten Steine, welche durch

Figure 127. Fig. 126.


Figure 128. Fig. 127.


die ganze Mauer reichen, in die Ecken (Fig. 126 zeigt den unregel-
mäßigen Verband mit nur ſehr wenig bearbeiteten Steinen). Beſon-
8*
[116]Erſtes Kapitel. Das Bruchſteinmauerwerk.
ders bei freiſtehenden Mauern hat man darauf zu achten, daß die
vorderen Ecken immer aus ganz großen Steinen beſtehen, deren Breite
wenigſtens gleich der Mauerdicke mißt; nur bei außerordentlich dicken
Mauern reichen auch kleinere Steine aus. Fig. 127 giebt den Ver-
band und die Anſicht eines Mauerwerks mit nicht ganz regelmäßigen
Granitſtücken; die untere Schaar iſt punktirt angedeutet. So wie in
Fig. 126, greifen auch in dieſem Beiſpiele dünnere Steine, die manch-
mal hochkantig liegen, durch das Mauerwerk als Strecker. Im all-
gemeinen gilt aber die Regel, daß, je regelmäßiger das Mauerwerk
hergeſtellt wird, deſto häufiger Binder- und Läuferſchaaren miteinander
abwechſeln müſſen. Dies erkennen wir in Fig. 128, welche einen
ziemlich regelmäßigen Verband darſtellt.


Figure 129. Fig. 128.

In den Fundamenten beſteht die Grundſchicht eigentlich nur aus
ganzen und großen Steinen, damit der Druck ſich gleichmäßig auf
den ganzen Untergrund vertheile. Die kleineren Steine bringt man
mit ihren ſchmalen Seiten in die Front, damit ſie gleichſam wie
„verzwickt“ in der Mauer ſitzen.


Nachdem die unterſte Schaar durchgeſtreckt iſt, werden die Fugen
und Oeffnungen zuerſt mit trockenen Steinzwicken, d. h. ohne Mörtel,
ſo dicht ausgeſchlagen, daß man an keiner Stelle mit einer Brech-
ſtange den Grund erreichen kann. Die noch übrig gebliebenen kleinen
Oeffnungen ſchlägt man mit trockenem Ziegelbruch (aus den Ziegeleien)
aus, um eine ziemlich ebene, trockene und vor allen Dingen reine
[117]Die Feldſtein- und Felſenmauern.
Oberfläche zu erhalten, auf welche das mit Mörtel aufzuführende
Mauerwerk kommt. Damit die Arbeiter zu allen Seiten des Fun-
damentgemäuers gelangen können, muß die Baugrube eine ſolche
Weite haben, daß zwiſchen den Wänden derſelben und dem Mauer-
werk ein hinreichender Raum verbleibt.


Das Verbandlegen geſchieht ſowohl im Innern, als auch an den
Fronten; nothwendig iſt es, möglichſt viele Binder anzuordnen und
zwar mindeſtens bei jedem vierten Stein. Zwiſchen dieſen werden
kürzere und längere Steine im Verbande eingemauert. An den
Fronten muß man den Verband ebenfalls einhalten, d. h. die Steine
werden ſo placirt, daß die vertikalen Fugen nicht aufeinander ſtoßen.
Weil die Binder meiſtens weiter entfernt liegen, wird mit ihnen der
Verband noch beſonders eingehalten. Der regelmäßige und gute
Verband in den Ecken darf nicht vernachläſſigt werden, denn die
guten Ecken gleichen die mangelhaften Stellen in den andern Theilen
des Mauerwerks einigermaßen aus. Man mauert auch wohl die
Ecken mit Ziegeln aus (Fig. 129), und zwar vornehmlich in ſolchen

Figure 130. Fig. 129.


Figure 131. Fig. 130.


Fällen, wenn ganze Gebäude von Spreng- reſp. Bruchſteinen ausge-
führt werden ſollen und große Eckſteine fehlen. Die Ziegelecke beſteht
dann entweder aus einem kräftigen Pfeiler, der in das innere Mauer-
werk etwas [eingreift] (Fig. 129), oder ſie wird mit drei bis vier
Schaaren hoher Verzahnung (Schmatzen) (nach Fig. 130) hergeſtellt.
Die erſtere Methode verdient jedenfalls den Vorzug.


[118]Erſtes Kapitel. Das Bruchſteinmauerwerk.

Manchmal führt man die verzahnten Ecken aus Werkſteinen oder
aus ziemlich regelmäßig behauenen Steinen aus, was, wenn die

Figure 132. Fig 131.


einzelnen Blöcke etwa 0,6m lang
ſind, unter Umſtänden empfeh-
lenswerth ſein kann (Fig. 131).


Die Abgleichung der Bruch-
ſteinmauern geſchieht von den
Maurern meiſtens mit kleinen
Steinen und Zwickern, weil es
ihnen zu mühſam iſt, große
Steine ſo zu legen, daß ſelbige
mit ihrer Oberfläche in die Ebene
der Abgleichung zu liegen kom-
men. Da aber dieſe kleinen
Steine durch die Handhabung
während der Ausführung der
Stockwerksmauern ſich löſen und
verſchieben, alſo kein feſtes Lager bilden, ſo verdient dieſes Verfahren
keine Nachahmung.


Der Mörtel zu den von Spreng- und Bruchſteinen aufgeführten
Mauern richtet ſich hinſichtlich ſeines Waſſergehaltes nach der Porö-
ſität der Steinart; ſaugen dieſelben, wie z. B. der Granit, gar kein
Waſſer auf, ſo muß der Mörtel möglichſt trocken ſein, ſaugen ſie
dagegen ſehr viel Waſſer auf, wie z. B. der Tuffſtein, ſo bereitet
man den Mörtel flüſſiger. Bei harten Steinen empfiehlt ſich eine
Zugabe von Cement zum Mörtel; es genügen 8—10 Liter Cement
auf 1 Cbm Mauermaſſe. Das überflüſſige Waſſer im Mörtel wird
durch das Verzwicken im Innern mit Ziegelbrocken (ſogenannte Kla-
motten) etwas entfernt.


Bevor der Bruchſtein verlegt wird, muß man ſein Lager reinigen
und demnächſt dünn mit Mörtel beſtreichen; man läßt ihn ſodann
langſam auf ſein Lager herabgleiten, rückt ihn ſchnell in die paſſende
Lage und giebt ihm einige ſchwache Stöße, damit ſich der Mörtel
theils in die noch nicht ganz ausgefüllten Höhlungen, theils aus den
Fugen dringe und der Stein nicht im Mörtel, ſondern auf und an
den benachbarten Steinen ruhe. Das Eintreiben der äußeren Zwicken,
die immer nur klein ſein dürfen, weil man die größeren einmauert,
muß erſt an ſolchen Mauertheilen vorgenommen werden, die ſich 1—1,2m
[119]Die Feldſtein- und Felſenmauern.
unter der oberen in Arbeit begriffenen Schicht befinden. Das Ver-
zwicken der Schichten unter der Abgleichung unterbleibt demnach
ſo lange, bis die Etagenmauern u. ſ. w. auf ihnen errichtet ſind.
Bei einer guten Bruchſteinmauer ſollen die äußeren Fugen, die übrigens
ſtets mit Cementmörtel verſtrichen werden und zwar nach Vollendung
und dem Setzen der ganzen Mauer, möglichſt dünn ſein. Mauern,
die der Feuchtigkeit oder Näſſe ausgeſetzt ſind, fugt man aber ſofort
mit Cementmörtel aus. Bei freiſtehendem Mauerwerk geſchieht das
Ausfugen am beſten nach einigen Monaten, denn das Ausfugen,
bevor das Waſſer aus dem Innern verdunſtet iſt, veranlaßt, daß die
ausgefugten Stellen abbröckeln.


Zum Schluſſe ſei noch eine beſondere Art Mauerwerk beſchrieben,
welches in Abſtänden von 0,7—1m mit zwei bis vier Ziegelſchaaren
abgeglichen wird (Fig. 132). Dieſes Verfahren trifft man ganz be-

Figure 133. Fig. 132.


ſonders in ſolchen Diſtrikten an, wo die Fundament- und auch die
in der Erde ſteckenden äußeren Kellermauern von Bruchſtein ausge-
führt werden; ſo z. B. in Oeſterreich, wo ſelbſt in Wien die Keller-
mauern der größten Gebäude aus gemiſchten Materialien beſtehen.
Eine ſolche Mauerei gewährt den Vortheil, daß das Bruchſteingemäuer
in beſtimmten Höhen ganz gleichmäßig abgeſchichtet — abgeglichen —
werden kann. In der Regel beginnt man das Banket des Kellerfunda-
ments mit zwei oder drei Ziegelſchaaren, hierauf kommt das Bruchſtein-
mauerwerk in einer Höhe von 0,8m, ſodann wieder darüber vier
Ziegelſchaaren u. ſ. w. Uebrigens iſt dies Mauerwerk durchaus keine
[120]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Erfindung der Neuzeit; bereits Vitruv beſchreibt es als opus incertum.
Ueberreſte hiervon (Fig. 133) fanden ſich in dem Gebiete von Tivoli

Figure 134. Fig. 133.


vor. Dieſes römiſche Mauerwerk
von ungleichen Bruchſteinen von
Travertin hat etwas Aehnlichkeit
mit dem gleich- und ungleichreihigen
Mauerwerk (isodomum und pseu-
disodomum
) der Griechen; denn
obgleich die Steine ſehr ungleich
ſind, ſo ſind ſie doch in Reihen und
mit gedeckten Fugen vermauert.
Die drei Backſteinreihen, welche
durch die ganze Dicke der Mauer
reichen und von Höhe zu Höhe
wieder vorkommen, ſcheinen eine
treffliche Vorſorge gegen das Reißen
ſolcher Mauern zu ſein.


Bei ſolchem Bruchſteingemäuer
werden auch die Theile in der Nähe
der Fenſterumfaſſungen von Zie-
geln gemacht, oder wenn die ganze
Plinthe (der Sockel oder Zockel)
ebenfalls aus Bruchſteinen beſteht,
ordnet man vielfach die in Fig. 134
dargeſtellte Conſtruktion an.


C.Die Mauern und Pfeiler aus Werk- oder
Schnittſteinen
.


Werkſtein oder Schnittſtein heißt jeder ganz ebenflächig und in
beſtimmten Dimenſionen bearbeiteter Sandſtein-, Kalkſtein-, Granit-
und Marmor-Block. Meiſtens bedient man ſich der Kalk- und Sand-
ſteine, ſelten des Granits, da dieſer, ſeiner bedeutenden Härte wegen,
ſich ſchwer bearbeiten läßt und nur ganz einfache Profile, wie z. B.
Abfaſung u. ſ. w. erhalten kann. Der Werkſtein darf niemals ſofort,
wenn er aus dem Bruche kommt, zu Bauten verwendet werden, viel-
mehr gilt als Regel, daß er etwa ein Jahr freilagern muß, damit
er ſeine Erdfeuchtigkeit verliere. Am beſten iſt es, den Werkſtein ſo
zu verwenden, wie er im Bruche gelegen hat.


[121]Geſchichtliches.
1) Geſchichtliches.

Schon die Alten ſtellten die Mauern aus großen Werkſteinen mit
polygonalem Querſchnitt her und nannten ſolche opus polygon; in
dieſem Mauerwerk kommen gar keine Horizontalſchichten vor, ſondern

Figure 135. Fig. 134.


ſind die 2, 5—3 und oft 5m langen Steine ſo behauen, wie ihre Form
es am beſten geſtattete. Derartige koloſſale Mauern, die ſogenannten
Cyklopenmauern, ſtehen noch jetzt in Griechenland und Unteritalien,
ſo z. B. zu Argos, Cora u. ſ. w. Augenſcheinlich liegt die Urſache
dieſer Technik nicht etwa in der Ungeſchicklichkeit der Arbeiter, ſondern
in dem Beſtreben, eine den feindlichen Wurfgeſchoſſen widerſtands-
fähige Schutzmauer herzuſtellen, welche, wenn auch einige Steine
hinausgeſchoben ſein ſollten, in ſich ſelbſt eine genügende Standfeſtig-
keit behält. Falls nämlich im Mauerwerk eine Lücke entſtehen ſollte,
ſtützen ſich die nachbarlichen Steine einander ab.


Auch in Unteritalien iſt dieſe Bauart bei den älteſten Baudenk-
mälern üblich geweſen. Die Steinart iſt faſt allenthalben, z. B. in
Cora, Paleſtrina, Arpino u. ſ. w. der Travertin.


Später gingen die Griechen von dieſer Art zu mauern ab und
führten nicht blos die Tempelgebäude und andere Prachtmonumente,
[122]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
ſondern auch die Stadtmauern in Quadern auf, wie z. B. die Stadt-
mauer von Meſſene im Peloponnes, von Syrakus, von Paeſtum u. ſ. w.
Die weſentlichſten Regeln, welche die Alten hierbei befolgten, ſind
nach Plinius folgende: Bei dem Bau mit Quadern gab man den
Steinen ein ſolches Verhältniß in der Länge zur Breite, daß die Fugen
in den Reihen übereinander gut gedeckt wurden; auch ſah man darauf,
daß die Steine in einer Reihe die gleiche Höhe erhielten. Hingegen
weichen öfters die verſchiedenen Reihen in der Höhe von einander
ab, ſo z. B. iſt in dem von Marmor ausgeführten dünnen Quader-
mauerwerk des Tempels der Veſta zu Rom (Fig. 135) je die dritte
Reihe nur halb ſo hoch, als die übrigen.


Figure 136. Fig. 135.

In dünnen Mauern ordnete man nur eine Steinreihe an (wie
Fig. 135 und 136). Das Beiſpiel in der letzten Figur ſtammt vom
Tempel der Juno zu Gabii, die Mauer iſt in röthlichem, vulkaniſchem
Tufſtein und ganz ſchlicht in der äußeren Oberfläche gebaut. Mauern
von größerer Stärke erhielten Läufer und Binder und zwar in der
Weiſe, daß entweder in einer Reihe lauter Läufer und in der anderen
darüber ausſchließlich Strecker zu liegen kamen, wie z. B. in Fig. 137
(Quadermauer in dem grauſchwärzlichen vulkaniſchen Tufſtein, zwei
[123]Geſchichtliches.
Stein dick, im Blockverbande, mit ſchräger und ſtark vertiefter Fugen-
ränderung, von der Umfaſſungsmauer des Forum Nervae zu Rom),

Figure 137. Fig. 136.


worin b die Strecker, a die Läufer bedeuten, oder indem man in
derſelben Reihe die Läufer mit den Streckern abwechſeln ließ.


Figure 138. Fig. 137.

Bei Quadermauern von beträchtlicher Dicke, wie z. B. bei Thürmen,
Feſtungsbauten, Stadtmauern, ſtarken Pfeilern u. ſ. w. befolgte man
[124]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
mehrere Verfahren. Die eine Methode beſtand darin, daß die inneren
und äußeren Quaderwände durch etwa 0,6m ſtarke Querwände, die in
gewiſſen Abſtänden ſich wiederholen, miteinander verbunden wurden;
letztere ſind entweder gleichfalls Quader-, oder Ziegel- reſp. Bruch-
ſteine. Es entſtanden auf dieſe Weiſe hohle Räume, welche meiſtens
mit einem Gemiſch von kleinen Bruchſteinen und reichlichem Mörtel
allmählich ausgefüllt wurden, wie beiſpielsweiſe die alten Ring-
mauern von Paeſtum (Fig. 138) zeigen.


Figure 139. Fig. 138.

Die andere Methode kommt meiſt nur bei den ſehr dicken Mauern
vor, z. B. bei dem Grabmale der Caecilia Metella unweit Rom,
gewöhnlich Capo di Bove genannt. Die äußere Front in Quadern
von Travertin iſt im Blockverband gemauert. Das Innere beſteht
ganz aus einer gleichartigen Füllung von kleinen Bruchſteinen und
Mörtel; die Strecker (b) reichen zur Hälfte in die Füllungmaſſe hinein
und ſind ſo mit derſelben verbunden (Fig. 139). Die Quadern
wurden trocken verſetzt, d. h. ohne Mörtel, weshalb eine ſehr genaue
Abgleichung und Bearbeitung nöthig war. In einigen Monumenten
halten ſich die Steine nur durch ihre eigene Schwere und Lage in
[125]Geſchichtliches.
der Mauer, hingegen in anderen werden ſie von Pflöcken überein-
ander und durch Klammern und Schwalbenſchwänze (Dübeln) neben-
einander befeſtigt. Manchmal fertigte man die Pflöcke aus einem,

Figure 140. Fig. 139.


wahrſcheinlich ölbaumenen Holze, öfters aber auch aus Eiſen und
Bronze an; aus den letzten Materialien beſtehen auch die in die
Oberfläche des Steines eingelegten Klammern und Schwalbenſchwänze.
Das Vergießen der eiſernen und erzenen Verbindung geſchah ſchon
ſehr früh mit Blei.


Die äußere Anſicht der Quadern iſt bei den Monumenten bald
ſo glatt, daß man die Fugen kaum wahrnimmt, bald mehr oder
weniger rauch gelaſſen, ſo daß die Spuren des Meißels noch überall
zu ſehen und ſowohl die ſenkrechten, als auch horizontalen Fugen
ſehr vertieft ſind (Fig. 137); in anderen Bauten iſt zwar die Ober-
fläche glatt, aber jeder Stein mit einem ſchräg vertieften Rand um-
zogen (Fig. 135).


Nach der Form und Lage der Steine gaben die Römer dem
Mauerwerk verſchiedene Namen; z. B. ſolches, welches aus Steinen
mit feſt quadratiſchen Köpfen verſehen war, hieß: opus quadratum;
das opus isodomum benannte man die im polniſchen Verbande
liegenden Steine (Fig. 139); in opus pseudisodomum haben ſämmt-
[126]Erſtes Kapitel. Das Werkſteiumauerwerk.
liche Schichten verſchiedene Höhe und ſind die Steine von ganz un-
gleicher Länge. Das opus rusticum kommt beſonders in fortifika-
toriſchen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den
Auflags- ſowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet,
die Ränder ebenfalls ſcharfkantig hergeſtellt; der mittlere Theil der
Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben ſtehen; das opus
rusticum
heißt vielfach auch „Buckelſteinmauerwerk“.


In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkſtein-
bau (in Norddeutſchland ausgenommen) durch die „Bauhütten“ zur
hohen Vervollkommnung. Außer den ſorgfältig bearbeiteten Steinen
bei den Kirchen, Paläſten, Stiften, Rathhäuſern und Patrizier-
häuſern zu Andernach, Limburg, Nürnberg, Bonn, Straßburg, Köln,
Mettlach, Wien, Maulbronn u. ſ. w., kommen auch die Buckelſteine
an den Burgen und Feſtungsthürmen (z. B. Wiener Thor zu Hain-
burg, das Erenthor von Köln u. ſ. w.) vor. Auch zur Zeit der
italieniſchen Renaiſſance ſpielte der Quaderbau eine große Rolle.
Während in Rom beſonders an den Gebäudeecken liſenenartige
Boſſagen (ſtark profilirte Blöcke) angewendet wurden (wie z. B. beim
Palaſte Farneſe, der theilweiſe vom Florentiner Ant. da Sangollo
und im dritten Stockwerke von Michel Angelo ſtammt, ferner Palaſt
Verospi u. ſ. w.), und häufig nur das untere Stockwerk kräftige
Quaderungen erhielt, dagegen die oberen Stockwerke entweder blos
mit Pfeilerſtellungen und glatten Mauerflächen (wie z. B. einige Pa-
läſte von Balth. Peruzzi, einem Schüler von Bramente) oder durch
Pfeilerſtellungen und ſchwache Wand-Quaderungen (Palaſt Giraud)
ausgezeichnet werden, iſt das Vorhandenſein ſehr ſtarker Quadern
in allen Stockwerken, welche oben mit einem weitausladenden Haupt-
geſims bekrönt und unter den Bogenfenſtern mit kräftigen Geſimſen
von einander getrennt ſind, das charakteriſtiſche Erkennungszeichen
der „florentiniſchen“ Bauweiſe. Drei Paläſte ſind es vornehmlich,
welche in dieſer Hinſicht am meiſten hervorragen, die Paläſte Strozzi,
Riccardi und Pitti. Die Vorderſeite des Palaſtes Riccardi beſteht in
der unteren Etage aus großen, ſtark vortretenden und faſt unbearbeiteten
Buckelſteinen; der Palaſt Strozzi dagegen hat gleichmäßigere und
weniger vortretende Quadern, welche der Façade ein überaus ehrwür-
diges Anſehen verleihen. Bei den Bauten der ſpäteren florentini-
ſchen Bauweiſe wurden die Quadern ſehr ſchön ſauber und ganz
ebenflächig hergeſtellt (Fig. 140). Solche Quadern heißen „Boſſage“.


[127]Geſchichtliches.

Erwähnt muß noch werden, daß die von Alberti ausgeführten
Bauten ſich mehr dem Charakter der Renaiſſançe in Rom anſchließen
und nur fein gegliederte Quaderungen be-
ſitzen, welche, die Bogenfenſter umſäumend,
der eleganten Pfeilerſtellung ſämmtlicher
Geſchoſſe als Hintergrund dienen — z. B.
Palaſt Rucellai in Florenz.


Die wichtigſten venetianiſchen Bauten
haben gar keine Boſſage (nur zuweilen am
Sockel), ſondern zeigen den reichſten und
edelſten Säulenbau, der überhaupt in der

Figure 141. Fig. 140.


Renaiſſançenepoche geſchaffen worden iſt (Paläſte Grimani und Ven-
dramin, alte Bibliothek S. Markus u. ſ. w.).


Mit dem Verfall der Baukunſt nahm im 17. und 18. Jahrhundert
auch die Quaderbautechnik ab, und verdrängte der Putz den Sandſtein;
jedoch in der Mitte unſeres Jahrhunderts begann man die alte Quader-
bautechnik zu pflegen und auf die Höhe zu bringen, welche ihr gebührt
(z. B. Kölner Dom, Votivkirche in Wien, Börſe in Berlin u. A. m.).


2) Die Werkzeuge des Steinmetzen und die
Bearbeitung des Werkſteines
.

Man unterſcheidet bei der Bearbeitung des Sandſteins:


  • Das Flächen oder Spitzen,
  • „ Scharriren,
  • „ Reinarbeiten und
  • „ Schleifen.

Die Granitflächen werden „geſtockt“, dann „geſchliffen
und nur höchſt ſelten „polirt“.


Die Geräthe, derer ſich der Steinmetz zu ſeinen Arbeiten bedienen
muß, ſind folgende (Fig. 141):


Das kleine Beitzeiſen (Fig. A) iſt 16zm lang, 1,5zm im Quadrat
ſtark und dient zum Einhauen ſchwacher Falze, um denjenigen Theil
des Steines zu bezeichnen, welcher fortgenommen werden ſoll.


Das große Beitzeiſen (Fig. B) iſt in der Schärfe 2,5zm breit
und circa 20zm lang; das Halbeiſen unterſcheidet ſich von den
vorigen dadurch, daß ſeine Schneide nur 2zm zur Breite hat.


Das Spitz- oder Boſſireiſen (Fig. C) hat 16, 20 bis 23zm
zur Länge, iſt unten zugeſpitzt und circa 2,5zm ſtark, in der Regel
[128]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.

Figure 142. Fig. 141.


[129]Die Bearbeitung des Werkſteines.
quadratiſch, zuweilen rund im Querſchnitt; es dient zum Abhauen
von größeren oder kleineren Steinſtücken, und zwar beſonders zur
Bearbeitung eines Steines aus dem Rohen zum Abboſſiren, Spitzen
oder Flächen.


Die Zweiſpitze (Fig. D) hat eine Länge von 43—45zm, iſt in
der Mitte 4zm und 2,5zm ſtark, endet zu beiden Seiten in vierkantig
zugerichteten, etwas gebogenen Spitzen und hat einen 27—30zm langen
hölzernen Stiel.


Der Schlag oder das Schlageiſen (Fig. E, Fig. F giebt eine
andere Form deſſelben) iſt 16—21zm lang, 2zm im Quadrat ſtark,
hat eine 4—3,5zm breite Schärfe und dient zur Herſtellung eines
„Schlages“; um nämlich die Außenſeite oder das Lager eines Steines
zu bearbeiten, wird etwa 1,3zm von der Front des Steins ein „Riß“
gemacht, längs welchem ein Streifen bearbeitet wird, der ſo breit
wie das Schlageiſen iſt und ein „Schlag“ genannt wird.


Das Kröneleiſen (Fig. G) beſteht aus einem Stiele, an dem
ein Schlitz ſich befindet, in welchem 13 bis 15 ſchwache Spitzeiſen von
etwa 23zm Länge mittelſt des Keiles d befeſtigt werden und dient
zum Nacharbeiten derjenigen Flächen, welche mit dem Spitzeiſen oder
mit der Zweiſpitze bereits bearbeitet ſind; auch wird es zum Verar-
beiten des Scharrireiſens benutzt.


Das Zahneiſen (Fig. H) iſt 16—19zm lang, 1,2zm im Quadrat
ſtark und hat unten eine „gezahnte“ ſtumpfe Schneide; es wird ge-
braucht, wo man das Kröneleiſen ſeiner Größe wegen nicht anwenden
kann; die Arbeit heißt „Zähneln“.


Das Scharrireiſen (Fig. J) iſt 14—16zm lang, hat einen 8zm
langen Griff, eine 8—9zm breite Schneide und wird nach dem Krönel-
eiſen angewendet. Die gekrönelte Fläche wird nämlich mit demſelben
noch einmal überarbeitet, indem damit ſchmale parallele Streifen
eingehauen werden, welche in regelmäßigen Reihen die ganze Fläche
des Steines bedecken und nun „ſcharrirte“ Flächen heißen.


Das Nutheiſen (Fig. K) iſt 18—23zm lang und hat unten eine
ſchmale Schneide, die zum Einarbeiten der Nuthen unter den Geſims-
gliedern gebraucht wird.


Der eiſerne Schlägel (Fig. L mit einer Bahn, M mit zwei
Bahnen) iſt ein Hammer, der 12—14zm lang und 4,5zm quadratiſch im
Querſchnitt ſtark iſt. Er wird zum Treiben des Beitz-, Spitz-, Zahn- und
Wanderley, Bauconſtr. II. 9
[130]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Nutheiſens bei allen harten Steinarten, z. B. Marmor, Granit, ge-
braucht.


Der hölzerne Schlägel (Fig. N), auch Klöpſel oder Klippel
genannt, dient zum Treiben aller Meiſel bei der Bearbeitung des
Sandſteines und der nicht feſten Steinarten; er wird aus Weiß-
buchenholz gefertigt, bildet eine Halbkugel, die mit einem hölzernen
Stiel verſehen iſt.


Die Fläche (Fig. O u. P) iſt ein ſchwerer Hammer von 13—21zm
Länge, der an beiden Enden eine 4—7zm breite Schneide hat;
Fig. Q iſt eine kleinere Fläche; beide werden zur Bearbeitung des
Granits benutzt; die Arbeit heißt: „flächen“.


Der Stock- oder Kraushammer (Fig. R) dient gleichfalls zum
Ebenen der Granitflächen; er iſt 13zm lang, 4zm im Quadrat groß;
die Arbeit heißt: „ſtocken“.


Wir kommen nun zur Beſchreibung des Verfahrens, deſſen
ſich die Steinmetzen bedienen, die Sandſteinquadern winkel-
recht zu behauen
. Einen Quaderſtein winkelrecht zu behauen, iſt
zwar die einfachſte Arbeit eines Steinmetzen, denn es iſt hierzu nur
erforderlich, den Stein nach der vorgeſchriebenen Größe auszumeſſen
und das Ueberflüſſige abzuhauen; die Schwierigkeit hierbei beſteht
jedoch darin, den Stein ſo zu behauen, daß alle Seitenflächen gerade
Ebenen, d. h. nicht windſchief ſind, daß alle prismatiſchen Körper recht-
winklige Ecken haben und daß der Stein in allen Kanten die verlangten
Abmeſſungen beſitze. Alle hierzu erforderlichen Arbeiten laſſen ſich in
zwei Manipulationen theilen: nämlich den überflüſſigen
Theil des Steines abzuſprengen
und die Flächen zu
ebenen
. Den erſten Zweck erreicht der Steinmetz mit dem Spitz-
eiſen
(Fig. 41 C), welches keilartig in den Stein eindringt und das
Uebrige in großen Stücken abſprengt; ſollen nur kleine Stücke ent-
fernt werden, ſo geſchieht dies mit der Zweiſpitze (Fig. 141 D).
Während dieſer Arbeit wird oft das „Richtſcheit“, d. h. eine
winkelrecht und ganz gerade bearbeitete Latte von etwa 4zm Dicke,
6—8zm Höhe, auf den Stein gelegt, um zu prüfen, ob die Fläche
auch eben behauen wird. Das Spitzeiſen ſowohl, als auch die Zwei-
ſpitze laſſen noch merkliche Erhöhungen ſtehen, die mit dem Krönel-
eiſen
(Fig. 141 G) entfernt werden; es fällt beim Gebrauche in
einem ſpitzen Winkel auf den Stein und läßt dieſen noch in einem ge-
wiſſen Grade ungleich, jedoch fängt mit dem Kröneleiſen das Ebenen der
[131]Die Bearbeitung des Werkſteines.
Oberfläche ſchon an. Dieſes Unebene haut der Steinmetz mit ſolchen
Eiſen ab, die gerade Schneiden haben und hat man hierbei die Erfahrung
gemacht, daß es am vortheilhafteſten iſt, wenn nach und nach breitere
Eiſen angewendet werden. Zuerſt geſchieht die Arbeit mit den Beitz-
eiſen
(Fig. 141 A u. B), hierauf mit dem Schlageiſen (Fig. 141 E)
und endlich mit dem Scharrireiſen (Fig. 141 J). Sodann ebnet
der Steinmetz die Fläche ſoweit, bis ſie nur noch geſchliffen oder mit
Reifen verſehen wird, die parallel nebeneinander liegen und die ganze
Fläche bedecken. Soll nun ein Stein an allen ſechs Seiten behauen
werden, ſo „bankt“ der Steinmetz ihn auf zwei Böcke ſo auf, daß er
ihn bequem im Stehen bearbeiten kann. In der vorhin beſchriebenen
Art ebnet er die obere Seite deſſelben und macht an einer Seite
dieſer Fläche einen „Schlag“, d. h. er ebnet einen ſchmalen Streifen
der Fläche, auf welchem das Richtſcheit ſeiner Länge und Breite nach
bequem liegen kann. Auf den „Schlag“ legt er ein „Richtſcheit“ und
auf diejenige Seite des Steines, die dem Richtſcheit gegenüber iſt,
wird ein zweites auf den rauhen Stein gelegt. Es wird nun von
dem erſten Richtſcheite auf das zweite, welches mit jenem von gleicher
Stärke iſt, „viſirt“, wonach man leicht bemerken wird, ob die Fläche
eine Ebene ſei oder nicht. Iſt dieſe Fläche geebnet, ſo wird der Stein
ausgemeſſen. Vorausgeſetzt, man findet, daß auf jeder Seitenfläche
ein Stück von dem Steine abgearbeitet werden könne, welches 0,7zm
dick iſt, ſo haut der Steinmetz um den ganzen Umfang der Fläche
einen „Schlag“ oder vielmehr einen „Falz“ aus, der 0,7zm tief und
etwa ebenſo breit iſt. Durch dieſen Einſchnitt wird nicht nur die
Dicke des Stückes beſtimmt, welches von der Fläche abgehauen wer-
den ſoll, ſondern der Abgang wird dadurch genöthigt, nur ſo tief bei
der Arbeit abzuſpringen, als vorgehauen wurde.


Das „Boſſiren“ oder erſte „rauhe Zuſpitzen“ der Werkſtücke ge-
ſchieht in einigen Steinbrüchen folgendermaßen: Es wird zuerſt das
Lager h Fig. 142 A, wie vorhin geſagt wurde, bearbeitet, alsdann
eine Linie a c vorgeriſſen, ſo daß das verlangte Werkſtück voll wird,
ohne zu viel Abgang, ſogenannte „abzuhauenden Poſten“, zu veran-
laſſen. Nun hält ein Arbeiter ein Richtſcheit b a längs dem Kopfe
oder kleinem Haupte k ſo an, daß es entweder mit der Schichtung
des Steines zuſammenfällt, oder, wenn dieſe nicht vorhanden iſt,
rechtwinklig auf h iſt; im erſten Falle wurde angenommen, daß die
Fläche b ſenkrecht die Schichtung ſchneidet. Hierauf hält ein anderer
9*
[132]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Arbeiter an den k gegenüber ſtehenden Kopf in dem Punkte c eben-
falls ein Richtſcheit an, und zwar ſo, daß das Richtſcheit bei a rechts,

Figure 143. Fig. 142 A—C.


das bei c links der Linie a c ſteht. Ferner wird das bei c aufge-
ſtellte Richtſcheit nach dem bei a aufgeſtellten „einviſirt“ oder „er-
ſehen“, wie dieſes die Linie m n andeutet. Decken ſich die beiden
inneren Seiten der Richtſcheite, ſo reißt man auch längs des zweiten
Richtſcheits eine Linie herunter; nach dieſen drei Linien beſtimmt ſich
die zu boſſirende Lagerfläche l. Die Bearbeitung dieſer Fläche ge-
ſchieht folgendermaßen: Mit dem Spitz- oder Beitzeiſen werden
die überſtehenden Kanten des Poſtens längs den Linien a c, a b u. ſ w.
ſchräg abgehauen, indem man dieſe Linien, welche Kanten des Qua-
ders werden ſollen, genau einhält. Wenn nämlich in Fig. 142 A
A
der Quader, a der Poſten, der entfernt werden ſoll, und c die
Kante des Quaders iſt, ſo fällt die Seite c e des Poſtens in der
Richtung c d fort, um die Kante c gegen jedes Ausſpringen zu hin-
dern, ſie alſo ſcharf zu erhalten. Der auf dieſer, an allen vier Seiten
abgekanteten Fläche ſtehende Poſten wird nun mit dem Boſſireiſen
abgeſpitzt. Hierbei muß der Boſſirer an der erſten Ecke, z. B. bei g
Fig. 142 C, die erſten Schläge mit der Spitze einwärts führen, damit
die Kante nicht ausſpringe, ſodann wendet er ſich und führt ebenſo
alle übrigen Schläge wieder nach Innen, wie Fig. 142 C andeutet.
Soll der Stein allenthalben volle Kanten erhalten, ſo muß die Seite l
nicht ganz herunter boſſirt werden, weil ſonſt die unteren Ecken m
[133]Die Bearbeitung des Werkſteines.
und n ausſpringen würden. Aus den Punkten 1, 2, 3, 4 der boſſirten
Seite l werden die Maße, Striche oder Punkte 1′, 2′, 3′, 4′ bemerkt,
und nach dieſen die Umfangslinien 1′, 2′, 3′, 4′ der entgegen geſetzten
Fläche l' aufgeriſſen, und eben ſo, wie bei l geſagt wurde, bearbeitet;
daſſelbe geſchieht auch mit den beiden Köpfen k, k'. Sollen dieſe,
an den vier Seiten nur bis zur Hälfte vollkantig bearbeiteten Steine
allenthalben volle Kanten erhalten, ſo wendet man ſie um und legt
ſie auf das bisher obere Lager, um die Linien auf das nun obere
Lager aus den vorhandenen Punkten auf den Seitenflächen ausziehen
und die weitere Bearbeitung der noch zur Hälfte unvollendeten Seiten-
flächen in derſelben Art, wie vorhin geſchah, fortſetzen zu können.


Bei Platten (Fig. 143 A) wird auf der Oberfläche o eine Linie g a
als Seitenkante angeriſſen, ihr gleichlaufend in gegebener Entfernung

Figure 144. Fig. 143 A—B.


desgleichen die Kante i h, hierauf g i winkelrecht auf g a und gleich-
laufend mit g i die Kante h a aufgetragen. Man kantet dann um
den Umfang g i h a und boſſirt vorſichtig die Seitenflächen ganz
herunter. Nach Vollendung der Seitenflächen oder Stoßfugen der
Platte oder Schale ſtellt man den Stein auf (wie in Fig. 143 B),
um die Oberfläche o zu boſſiren. Wie die Zeichnung erſichtlich macht,
wird die Ebene ebenſo mittelſt Richtſcheiten erſehen, wie bei den Werk-
ſtücken geſchah, und da hier keine Kante ausſpringen darf, muß man
das Lager nur zur Hälfte herunter „boſſiren“, alsdann den Stein
wenden und ebenſo, wie bei den Quadern mitgetheilt wurde, fertig
boſſiren. Beim Boſſiren der Fugenfläche iſt das Umwenden der
Platte nicht nöthig, man boſſirt vielmehr ganz herab, weil das untere
[134]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Lager der Platten rauh bleibt, und dieſelben am Ende der Arbeit
nur verdickt, d. h. ſo weit unten „abgeſpitzt“ werden, daß die erfor-
derliche Dicke bleibt, die verſchieden ſein kann, je nachdem die Platten
in Sand oder Mörtel zu liegen kommen. Gewöhnlich unterwinkelt
man die Fugen der Platten etwas, d. h. ſie werden nach unten ein
wenig erweitert, damit ſie oben etwas beſſer aneinander paſſen und
ſchließen.


3) Der Steinverband.

Es verſteht ſich von ſelbſt, daß nicht nur die Steinſchichten einer
geraden Mauer horizontal, ſondern auch die Lager- und Stoßfugen
der einzelnen Blöcke gerade Ebenen ſein müſſen. Ferner verbinden
ſich die Steine deſto inniger mit einander, je größere Flächen ſie be-
ſitzen. Erfahrungsmäßig haben ſich folgende Dimenſionen am beſten
bewährt (Fig. 144):

Figure 145. Fig. 144 A—H.

Die Höhe eines Steines ſchwankt zwiſchen 0,2—0,7m.


[135]Der Steinverband in vollen Mauern.

Mauern von nicht zu großer Dicke (bis 1 m) führt man in fand-
ſteinreichen Gegenden, ſowie in der Nähe der Steinbrüche (und falls
Ziegelſteine nicht vorhanden ſind, wohl auch noch dickere) ganz und
gar aus Werkſteinen auf; hat man große Steine zur Verfügung, ſo
wird die Mauer ausſchließlich aus dieſen zuſammengeſetzt, wobei der
Verband (Fig. 145 A) zu Grunde liegt (opus isodomon). Die Um-
ſtände ſind aber ſelten ſo günſtig, daß es möglich wäre, dieſe Art
des Verbandes in Anwendung zu bringen; man trachtet aber ſtets

Figure 146. Fig. 145.


danach, ihn möglichſt zu erlangen, indem man vermeidet, Steine von
ſehr verſchiedenen Dimenſionen und Schichten von ſehr ungleicher
Höhe mit einander zu vereinigen. Einen anderen Verband ſtellt
Fig. 145 B dar; hier ſind alle Steine gleich hoch und alle Schichten
gleich. In der Anſicht bilden die Steine abwechſelnd Rechtecke und
Quadrate; zwiſchen je zwei Läufern liegt ein Strecker. Dieſer Ver-
band hat den Uebelſtand, daß im Innern einige Fugen aufeinander
treffen (vergleiche auch mit Fig. 10 im 2. Bande d. Werkes).


Die verſchiedenartigſten Verbände illuſtriren wir in Fig. 146 A — H:


  • in A wechſeln zwei Schichten von 15 und 30 zm Höhe mit ein-
    ander ab; die Länge der mittleren Steine mißt 42 zm, die
    Eckſteine ſind 55 zm lang;
  • in B weicht der Verband von dem letzten in der Weiſe ab, daß
    jeder vierte Stein nur 26 zm breit iſt;
  • in C haben alle Schaaren die gleiche Höhe und ſind die Steine,
    bis auf jeden vierten in jeder Schaar, von gleicher Länge;
  • in D wechſeln in jeder Schaar Strecker mit Läufern ab;

u. ſ. w.


[136]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.

In allen ſandſteinarmen Gegenden pflegt man die Mauern nur
außerhalb mit Werkſteinen zu „verblenden“, hingegen den hin-

Figure 147. Fig. 146 A — H.


teren Theil der Mauer entweder von Bruchſteinen oder Ziegeln in
regelmäßigem Verbande auszuführen.


Die Verblendung kann nun auf zweierlei Weiſen geſchehen:
entweder bedient man ſich blos der dünnen Platten oder der voll-
ſtändigen Quadern. Solches Mauerwerk aus gemiſchten Materialien
hat aber immer den Uebelſtand, daß die Hintermauerung ſich be-
deutend mehr ſetzt, als die Verblendung.


Bei Benutzung der [Quadervormauerung] muß man auf
das Einbinden der Strecker, die den Namen „Ankerſteine“ führen,
beſonders achten; je häufiger das Einbinden ſtattfindet, deſto ſolider
[137]Der Steinverband bei Quaderverblendung.
und haltbarer erweiſt ſich das geſammte Mauerwerk. Die mannig-
fachſten Anordnungen dieſer Art zeigen die Figuren 147 A — E, in

Figure 148. Fig. 147 A — E.


welchen die Schaaren bald gleiche und bald verſchiedene Höhen haben
und theils die Binder (was in der Regel geſchieht), theils die Läufer
(und zwar in den niedrigen Schichten) als Ankerſteine dienen. Auch
befinden ſich die letzteren nicht alle in einer Reihe nebeneinander,
ſondern ſie wechſeln ab.


Die Hintermauerung geſchieht nach Fig. 148, wenn die Anker-
ſteine die ganze Mauerdicke zur Länge haben; außerdem bemerken
[138]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
wir, daß die Läuferköpfe mit Verſatz in die Ankerſteine greifen.
Dieſes Verfahren wird bei Gebäuden des Hochbaus niemals, ſondern
ausſchließlich beim Waſſerbau befolgt, wie z. B. bei Brückenpfeilern,

Figure 149. Fig. 148.


Quaimauern u. ſ. w. Im Hochbau ſtoßen die Läufer ſtumpf gegen die
Strecker. Meiſtens greifen die Strecker nicht ganz durch die Gebäude-
mauern, ſondern erhalten in einer Schaar 0,40 — 0,45 m und in
der anderen 0,20 — 0,30 m zur Dicke und bilden durchlaufende Schmatzen
(Verzahnung), in welche die Hintermauerung eingreift.


Dies erkennen wir in Fig. 149, welche die Parterreetage eines
zwei- bis dreiſtöckigen Gebäudes darſtellt; dieſelbe iſt 0,75 m; die
Mauerdicke in der Plinthe beträgt 1 m. Zur beſſeren Verdeutlichung
der ganzen Conſtruktion geben wir in Fig. 150 eine Anſicht (in klei-
nerem Maßſtabe) zu dieſem Querſchnitte. Jeder Quader iſt 0,7 m hoch
und 1,45 m lang (alſo außergewöhnlich groß) und in einer Schaar
44 zm, in der anderen 22 zm dick; die Kanten ſind in 45° abgefaſt. Da
die hintere Steinfläche nicht ſichtbar iſt, werden blos die Lager-
und Stoßfugen, ſowie die äußere Fläche glatt und ebenflächig bear-
beitet. Die Verbindung der Steine geſchieht in der weiter unten
geſchilderten Weiſe.


Aehnlich geſchah die Herſtellung der Quaderverblendung bei der
Reſidenz in München (Fig. 151 A Querſchnitt, B Grundriß in ver-
ſchiedenen Schaarenhöhen). Die ſchmälere Schaarenreihe iſt 55 zm,
die Ankerſchaar 88 zm dick; die Blockhöhe beträgt auch hier 0,7 m.
Jeder Block hat eine ſehr kräftige Boſſirung, die 13 zm vorſpringt;
[139]Der Steinverband bei Quaderverblendung.
die ganze Nuthenbreite mißt
30 zm. Damit die Läuferreihe
eine höchſt ſolide Lage erhalte,
ſind immer zwei Läuferſteine
bei d mittelſt eines Gabel-
ankers vereint und mit dem
Ziegelmauerwerk verankert.
Die Ankerſteine hingegen ha-
ben nur eine Klammerver-
bindung über ihren Stoß-
fugen b (hierüber weiter un-
ten ausführlicher). Die Hin-
termauerung hinter den Anker-
ſteinen iſt 0,43 m, und hinter
den Läufern 0,87 m ſtark. Der
Stein S gehört ſchon zum
Sockel. Oefters werden die
Sockel von nicht mehr als
1,5 m Höhe (incl. Geſimſe) mit
ganzen Quadern belegt, die
nur mit vertikalen Stoßfugen
zuſammentreffen; ein derar-
tiges Beiſpiel zeigt Fig. 152.
Zunächſt liegt ganz unten ein
Plinthenſtein als Läufer, der
13 zm vorſpringt. Alsdann
brachte man hierauf abwech-
ſelnd die 0,48 m Binderſteine
und die 0,2 m dicken platten-
artigen Werkſtücke, welche mit
Verſatz in den Stein t und
mit Falz in den Plinthenſtein
greift, damit letzterer einen
beſſeren Halt bekomme. Der
Stein t unter dem Sockelgeſims
g iſt lediglich angeordnet wor-
den, um die Höhe der vertikalen
Sockelſteine zu vermindern.


Figure 150. Fig. 149.

[140]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.

Will man die Frontwände eines Gebäudes gegen die Witterungs-
einflüſſe mehr ſchützen, als dies mit dem gewöhnlichen Mörtelputz

Figure 151. Fig. 150.


Figure 152. Fig. 151 A — B.


geſchehen kann, und ſcheut man die bedeutenden Koſten, welche durch
den vollſtändigen Quaderbau erwachſen, ſo kommt die Platten-
[141]Der Steinverband bei Plattenverblendung.
verblendung oder Bekleidung zur Verwendung. Beſonders iſt
dieſes Verfahren bei den Sockeln und Unterbauten üblich und zuläſſig.


Der einfachſte Fall entſteht, wenn, wie
in Fig. 153 A — C, nur eine etwa 0,5 m
Platte mit einem einfachen Obergliede
vor das Mauerwerk gelegt und mit
dieſem mittelſt Cement gehörig zuſammen-
geklebt wird. Immerhin darf bei jeder
Platte eine Verankerung (a in Fig. 154),
deren Splint im Mauerwerk ſteckt, nicht
fehlen, weil ſonſt ſich die Platten ablöſen
würden. Die Anker ſind von Eiſen und
verzinkt. Die Platte erhält 10 — 15 zm
zur Stärke.


Bedeutend beſſer iſt es ſchon, wenn
die Platten oben an ſteinernen Ankern,
welche gleichfalls das Sockelgeſims bil-
den, ihren Halt finden (Fig. 153 B);
alsdann greift das zapfenartige Platten-

Figure 153. Fig. 152.


Figure 154. Fig. 153 A — D.


[142]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
ende in die, an der Unterfläche des Sockelſteins befindliche, Nuthe.
Die Anordnung einer eiſernen Verankerung nach Fig. 154 dürfte auch

Figure 155. Fig. 154.


Figure 156. Fig. 155.


Figure 157. Fig. 156.


hier empfehlenswerth ſein. Sollte der Sockel mehr als 1 m zur
Höhe haben, ſo kann man in der Mitte eine etwa 20 zm hohe Anker-
[143]Der Steinverband bei Plattenverblendung.
platte ganz horizontal durchgehen laſſen und ſelbige ſchwalbenſchwanz-
artig die Plattenkanten feſthalten.


Damit auch die untere Kante einen ſicheren Stand bekommt, em-
pfiehlt es ſich, erſtere mit einem Falze in den Plinthenſtein zu ſtellen
(Fig. 155 u. 156). (In Fig. 153 D wurde der Sockel mit einem Kalk-
bewurf verſehen und ſind nur das Sockelgeſims g und die Plinthe h
von Werkſtein.) Mit der Anordnung in Fig. 155 analog ſcheint
die Conſtruktion Fig. 156 zu ſein; der vortretende Plinthenſtein
iſt 36 zm breit, 16 zm hoch, auf ihm ſteht die 16 zm dicke Platte mit
einem Falze, und oben wird letztere vom Sockelgeſimsſtein mittelſt
einer geringen Abſchrägung gehalten.


Figure 158. Fig. 157.

Die Anordnung der in Fig. 154 dargeſtellten oberen Verankerung
der Platten macht Fig. 157 bei A genau erſichtlich; an dem Ende der
[144]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Platten p und q ſind Löcher hergeſtellt, in welche die Krallen des
gabelartigen Ankers eingreifen; das andere Ende des Ankers iſt nach
oben umgebogen und im Mauerwerk vermauert. Der Eckſtein m
hat eine größere Dicke als die Platten p und q; in ihm ſteckt die
Spitze des rechtwinkligen Gabelankers, deſſen beide Arme im Bruch-
ſteinmauerwerk der Eckſtein feſthält. In ähnlicher Weiſe wurde der
Radabweiſer n verankert; der Anker hierzu hat nur einen Arm und
ſteckt mit einem langen Plint im Stein; auf dieſem ſteht das Haus-
thürgewände, deſſen Profil bereits dicht über dem Prellſteine n be-
ginnt. Beachtenswerth dürfte noch die Verbindung der Platten p
und o mittelſt Falzen in den Steinen m und n ſein; bei a, b und c
iſt dieſe Falzverbindung genau zu erkennen.


Wenn die Plinthe über 2 zm hoch iſt oder keine großen Platten vor-
handen ſind, kann man die kleinen Platten mittelſt Nuthen und

Figure 159. Fig. 158.


Zapfen zuſammenſchieben. Eine derartige Vereinigung zeigt Fig. 158,
welche ohne weitere Erklärung hinreichend verſtändlich iſt. Selbſt-
[154[145]]Der Steinverband bei Plattenverblendung.
verſtändlich wäre auch in dieſem Beiſpiele eine ſichere Verankerung
zu empfehlen.


Zum Schluſſe geben wir noch die Sockelconſtruktion am natur-
hiſtoriſchen Muſeum in Paris (Fig. 159 A — B); der Sockel iſt bis

Figure 160. Fig. 159 A — B.


zum Geſimſe 2,11 m hoch; die Plinthe beſteht aus 26 zm dicken Läufern
und 44 zm breiten Bindern; das Mauerwerk iſt oben 66 zm, unten im
Sockel 1 m dick.


Die Läuferſteine des Sockelgeſimſes, als auch der Plinthe ſind mit
dem Bruchſteinmauerwerk verankert.


Fig. 159 A giebt den Querſchnitt mit den Läuferſteinen; Fig. B
desgleichen mit den Streckern.


Wanderley, Bauconſtr. II. 10
[146]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.

An ſolchen Orten, wo das Mauerwerk vom Wellenſchlag getroffen
wird, pflegt man, um den Steinen eine ſehr ſichere Lage zu geben,
die Verbindung derſelben untereinander durch „Verſatzung“ vorzu-
nehmen und zwar in der Art, daß die Köpfe der Läufer in die Bin-
derſteine eingreifen. Solche Conſtruktionen trifft man gewöhnlich bei
Ufermauern, Brückenpfeilern, Leuchtthürmen u. ſ. w. an.


Im Nachfolgenden veranſchaulichen wir einige übliche Fälle:
Fig. 160 A — C geben recht-, ſtumpf- und ſpitzwinklige Ecken. In A

Figure 161. Fig. 160 A — C.


liegt in der Ecke ein großer Stein, der durch die Anker a b, a c eine
unverſchiebbare Lage erhält; die ganze Mauer iſt 1,25 m dick; die
Binder reichen nicht durch das ganze Mauerwerk. Die Läufer ſtoßen
ſo gegen die Binder, daß die Köpfe der letzten eine ſchwalbenſchwanz-
artige Geſtalt bekommen. Alle Steine werden untereinander ver-
dübelt. In ähnlicher Weiſe iſt die Conſtruktion in Fig. 160 B u. C.


Nach gleichem Prinzip ſind die Verbände der Brückenpfeiler
(Fig. 161 A — E) mit rechtwinkligen, halbkreis- und ſpitzbogenförmig
geformten Enden hergeſtellt worden. In Pfeilern von nur 1,5 m Dicke
(Fig. B) bringt man an die Spitze einen ganzen Stein a; in größeren
Pfeilerbreiten hingegen ordnet man mehrere Steine nebeneinander
an, die recht feſt verdübelt werden. Manchmal greifen die Binder
auch ganz durch den Pfeiler (Fig. C bei b), wodurch eine äußerſt
ſolide Verbindung entſteht.


[147]Der Steinverband für Ufermauern und Brückenpfeiler.

Da bei geböſchten Mauern die horizontal liegenden Werk-
ſteinſchaaren mit der Außenfläche ſpitze Winkel bilden, welche

Figure 162. Fig. 161 A — E.


bei dem Verſetzen der Steine leicht abbrechen, giebt man jedem
äußeren Stein eine, theilweiſe zur Außenmauer vertikal gerichtete,

Figure 163. Fig. 162 A — B.


Lagerfläche. Zwei Methoden ſind hierbei gebräuchlich, entweder
Fig. 162 A oder B; die Anordnung in B verdient unter allen Um-
10*
[148]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.

Figure 164. Fig. 163.


ſtänden den Vorzug, weil die ſogenannten Haken-
ſteine in A leicht brechen.


Die Säulen von Werkſteinen werden,
wenn ſie nicht zu groß und dick ſind, ganz und gar
(von der Baſis bis zum Kapital) aus einem ein-
zigen Sandſteinblock angefertigt. Säulen und Pfeiler
über 5 m Höhe und 0,6 m Durchmeſſer ſetzt man aus
mehreren 0,5—1 m hohen Trommeln zuſammen,

Figure 165. Fig. 164.


welche miteinander gut verdübelt
werden (Fig. 163).


Größere Doppelpfeiler be-
ſteben auch in einer Schaar aus
mehreren Blöcken, wodurch an
Material geſpart wird (Fig. 164);
beide Werkſtücke werden gut mit
einander verklammert.


4) Das Verſetzen der Werkſteine

iſt mit einigen Schwierigkeiten verbunden und erfordert viel Sorg-
falt, damit die bearbeiteten Werkſtücke unbeſchädigt und ohne großen
Zeitverluſt an die für ſie beſtimmten Stellen kommen. Kleinere
Werkſtücke, die nicht zu weit transportirt und zu hoch gehoben wer-
den ſollen, kann man an ihren Ort tragen, größere dagegen wer-
den auf Walzen gelegt und zur Arbeitsſtelle gerollt. Zu dieſem Be-
hufe wird der Stein auf ein genügend ſtarkes Unterlager gelegt,
welches an allen Seiten wenigſtens 16 zm vor den Stein hervorragt;
damit der Stein gegen Beſchädigung geſchützt liege, iſt eine gute
Strohbettung erforderlich.


Bei größerer Entfernung der Werkſtücke von dem Orte ihrer Ver-
wendung reichen die Walzen nicht aus, weshalb die proviſoriſchen
Eiſenbahnen, auf denen Transportwagen hin und her laufen, noth-
wendig ſind; doch kommen ſolche Vorkehrungen beim Hochbau ſehr
ſelten, deſto häufiger aber beim Brückenbau vor.


Von dem Transportwagen hebt man die Quadern mittelſt Hebe-
geſchirren
oder beweglichen Krahnen (Schlitten und Winde)
auf, und transportirt man ſie nach dem Verſetzungsorte. Ein ſolcher
„Krahn“ oder „Schlitten“ ſieht folgendermaßen aus: z. B. es
ſeien die Steine zu einer im Aeußern 8 m breiten Brücke in die
[149]Die Laufkrahne zum Verſetzen der Werkſteine.
Höhe zu ziehen. Hierzu ordnet man zu beiden Seiten der Brücke
ein feſtes und ſicher geſtelltes, gut abgebundenes (vom Zimmermann)
Gerüſt an, auf deſſen oberſten Holmen, welche mindeſtens in der
Höhe der zu erbauenden Brücke (von der Sohle ab) liegen, je eine
Eiſenſchiene (vielfach Winkeleiſen) lagert. Der Krahn läuft mittelſt
Rollen in der Längenrichtung der Brücke hin und her (Fig. 165 A — C),
wenn man mittelſt der Kurbel k das Rädergetriebe in Bewegung
ſetzt. Da die Steine auch in der Breitenrichtung an jede beliebige
Stelle verlegt werden ſollen, muß eine andere kleine „Winde“

Figure 166. Fig. 165 A — C.


die Brücke in der Querrichtung beſtreichen. Zu dieſem Behufe ſind
die hinreichend ſtarken (im vorliegenden Falle bei 8,9 m freiliegender
Länge 45 zm hohen und 35 zm breiten) Balken b erforderlich, welche
die Fahrgleiſe der kleinen Winde tragen. Oefters ſind dieſe Balken b
nach Fig. 153 D im 1. Bande, armirt, und können dann die Hölzer
ſchwächer ſein. Fig. 165 A zeigt die Anſicht, B den Grundriß und C
den Querſchnitt; der Abſtand zwiſchen den Balken b beträgt min-
deſtens 0,75 zm.


Eine andere einfache Krahnconſtruktion zeigt Fig. 166, die nach
der vorſtehenden Auseinanderſetzung keiner Beſchreibung bedarf.


[150]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.

Falls nur Steine von mittlerer Größe Verwendung finden
und nur die Geſimſe u. ſ. w. aus Werkſteinen beſtehen, ſo braucht
das Gerüſt nicht allzu ſtark zu ſein; Laufkrahne ſind dann überflüſſig,
denn die einzelnen Steine werden direkt an den Verwendungs-
ort hinangerollt und mittelſt Flaſchenzügen bis zur erforderlichen

Figure 167. Fig. 166.


Höhe gewunden. Daher muß die Laufbahn eines jeden Stockwerks
ſich beinahe in der Höhe der betreffenden Geſimſe befinden. Ein
derartiges Gerüſt führen wir in Fig. 167 A — B vor; daſſelbe wurde
ganz in dieſer Weiſe für den Bau der königl. neuen Münze in Berlin
conſtruirt. Der Grundriß dieſes Gebäudes iſt ein ſehr großes Quadrat
und liegt frei; ringsum ſtand die Rüſtung, welche im Verhältniß zu
ihrer Höhe (21 m) eine ſehr geringe Tiefe (noch nicht 2,5 m) erhielt,
damit die Paſſage auf der Straße nicht unterbrochen wurde. Von
Etage zu Etage war das Gerüſt im Querſchnitt (ſiehe Fig. A) durch
Andreaskreuze verſtrebt, deren Streben ſeitlich an die Stiele und an
die verlängerten Balken angeblattet und an den Kreuzungspunkten
verbolzt wurden. Die Binderſtiele reichen nur von Geſchoß zu Ge-
ſchoß, ſind oben durch ein gemeinſchaftliches Rahmholz verbunden,
auf welchem die Balken ruhen. Die Stiele der folgenden Etage ſtehen
unten auf den Balken und reichen oben bis in das folgende Rähm.
Zwiſchen je zwei Stielen, von Rähm zu Rähm reichend, iſt eine Strebe
angebracht, die man hätte ſchräger anbringen müſſen.


Sehr vortheilhaft wäre es geweſen, wenn etliche Hauptſtreben
durch alle Etagen gereicht hätten, um die Gefahr der Längen-
[151]Die Gerüſte zum Verſetzen der Werkſteine.

Figure 168. Fig. 167 A — B.


[152]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
verſchiebung noch mehr zu vermindern. Immerhin hat dieſes Gerüſt,
wie wir uns ſelbſt überzeugten, ſeinen Zweck hinreichend erfüllt.


Intereſſanter als das ſoeben geſchilderte Gerüſt iſt die Rüſtung
zum Bau der königlichen Nationalgallerie in Berlin
, die
wir auf der lithographirten Tafel 1 darſtellen und der preußiſchen
„Zeitſchrift für Bauweſen“ (1873) entnehmen. Die Mauern des er-
wähnten Gebäudes wurden wegen der koloſſalen Werkſtücke, welche
zur Verwendung gelangten, von beiden Seiten mit einer vollſtändig
abgebundenen Rüſtung verſehen; beide Rüſtungen waren dann an
geeigneten Stellen durch gemeinſchaftliche Zangenhölzer untereinander
verbunden. Das innere Gerüſt ſtand auf dem Kellergewölbe, das
äußere aber auf dem Straßenpflaſter, daher letzteres um 5 m tiefer
reichte als jenes. Die ganze Höhe zerfiel in fünf Etagen; die unterſte
derſelben war mit 5 zm ſtarken Bohlen belegt, um die Werkſtücken darauf
lagern zu können. Oben trugen die beiden Gerüſte einen, mittelſt
Rädern auf Schienen laufenden und mit Armirung verſtärkten
„Schlitten“ s. Auch dieſe Balken trugen oben ein Schienenſyſtem,
auf welchem die „Winde“ (w) in ſeitlicher Richtung bewegt wer-
den konnten.


Wegen der Nähe des Fluſſes, auf welchem die Materialien her-
beikamen, und da der Bau nur durch eine breite, aber wenig belebte
Straße vom Fluſſe getrennt iſt, wurde die Hauptrüſtung durch ein
niedriges Gerüſt, das oben ebenfalls einen Fahrkrahn trägt, mit der
Ausladeſtelle in Verbindung gebracht. Die Conſtruktion dieſer Rüſtung
mußte ſo eingerichtet werden, daß der Verkehr der Straße möglichſt
wenig gehemmt ward. Ueber dem Straßendamme befand ſich des-
halb ein ſolid hergeſtelltes Hänge- und Sprengewerk zur Unter-
ſtützung der oberſten Etage, welche die Winde w' trug. Zugleich
trat die Rüſtung ſoweit in die Spree, daß die zu entladenden Kähne
bequem unter die Rüſtung fahren konnten. Dieſer Theil des Ge-
rüſtes ruhte daher auf zwei Reihen eingerammter Pfähle, und konnten
die Steine mit Hilfe des Fahrkrahnes (Schlittens) direkt aus dem
Kahne gehoben und bis zur Hauptrüſtung transportirt werden, wo-
ſelbſt der Krahn der Hauptrüſtung ſie in Empfang nahm und bis
zur Stelle der Verwendung brachte.


Ein einfacher Windebaum für Werkſtücke ꝛc., wie in nebenſtehender
Skizze (Fig. 168) dargeſtellt, wird in Brüſſel faſt allgemein benutzt
und entnehmen wir ihn der „Baugewerkszeitung“ 1876 Nr. 35. Er
[153]Die Gerüſte zum Verſetzen der Werkſteine.
iſt ſehr bequem zu handhaben, auch geht der Betrieb mit dem-
ſelben ſehr leicht von ſtatten. Der Haupttheil an dem Krahne iſt
ein runder, aus einem Stück beſtehender Baum, welcher unten in
einer Schwelle ruht und durch zwei Streben derart befeſtigt iſt, daß
er nach rechts oder links hin nicht ausweichen kann. An ſeinem
oberen Ende, welches die in Brüſſel allgemein üblichen 6ſtöckigen
Häuſer noch um ein Beträchtliches überragt, ſind ſtarke Seile befeſtigt,
mittelſt welcher demſelben jede beliebige zum Hauſe geneigte Lage

Figure 169. Fig. 168.


[...]urch Anziehen oder Nachlaſſen gegeben werden kann. Gewöhnlich
reichen vier Seile aus, von denen das eine quer über die Straße
geht und in der Nähe des Rinnſteins durch Erdkloben, an welchen
ſich eine Windevorrichtung befindet, befeſtigt iſt; das entgegengeſetzte
Seil findet ſeinen Halt auf dem Boden ſelbſt. Dieſe beiden Seile
ſind zum Verſtellen des Baumes da. Die beiden rechts und links
abgehenden Seile ſind nur vorhanden, um den Baum gegen ſeitliches
Ausweichen zu ſichern. Zum Aufziehen der Werkſtücke ꝛc. iſt am
oberen Ende des Baumes, unter dem Befeſtigungspunkt der Seile,
ein kräftiger Flaſchenzug mit eiſernen Kolben und eiſerner Kette an-
gebracht. Das eine Ende der Kette faßt das hinaufzuziehende Werk-
ſtück, das andere geht auch zunächſt nach unten und wird dann ſeit-
lich zu einer Windetrommel geleitet.


Gegen feſte Gerüſte, wie ſolche in Deutſchland üblich ſind, dürfte
dieſer Windebaum zunächſt den Vorzug größerer Billigkeit haben,
dann aber auch den leichter ſeitlicher Verſchiebbarkeit. In einer
[154]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
Viertelſtunde kann man ihn um 3 m nach rechts oder links ſchieben,
was möglich iſt, ohne daß die Befeſtigungspunkte der Seile verlegt
zu werden brauchen. Die Seile werden nur nachgelaſſen oder an-
gezogen.


In Bezug auf die Tragfähigkeit dieſes Windebaums iſt zu be-
richten, daß 20 — 30 Centner ſchwere Werkſtücke von zwei Männern
in nicht allzu langer Zeit bis in die 6. Etage gehoben werden.


Zur Befeſtigung des Baumes, was nur in ſeltenen Fällen zu
geſchehen hat, ſind an demſelben Stufen in Form von angeſchraubten
Knaggen angebracht.


Die Befeſtigung des Hebetaus (oder der Hebekette) an
dem Steine
erfordert beſondere Vorſicht.


In den allermeiſten Fällen, und bei nicht zu weichen Steinen,
bedient man ſich hierzu der Wölfe und Steinklauen.


Die Fig. 169 ſtellt einen ſolchen Wolf dar; er beſteht aus zwei
Seiten- (s) und einem Mittelſtücke (m), dem Bügel und dem Splint-

Figure 170. Fig. 169.


bolzen. Bei ſeinem Gebrauche wird zunächſt ein entſprechend großes
ſchwalbenſchwanzförmiges Loch im Steine hergeſtellt, ſodann ſteckt
man in dieſes zuerſt die Seitenſtücke und hiernach das Mittelſtück
hinein; durch den Splintbolzen des Bügels verbindet man die drei
Theile miteinander. Zieht man nun mittelſt eines Taues, welches
am Bügel befeſtigt iſt, den Stein in die Höhe, ſo keilt ſich der Wolf
zwiſchen die Wände des Loches und kann dieſer, wenn der Stein
nicht abſplittert, nicht hinausgezogen werden, ſo daß der Block folgen
muß, wenn das Tau in die Höhe gezogen wird.


[155]Die Hebegeſchirre zum Verſetzen der Werſteine.

Obgleich ein ſolcher Wolf ſehr ſicher wirkt und daher den Vorzug vor
allen andern verdient, kommt er doch nicht ſo häufig zur Verwendung,
weil er zu complizirt iſt.


Einfacher iſt der „Hebelwolf“ (Fig. 170 A); beim Hineinſtecken
in das Loch wird er oben auseinander geöffnet, er ſchließt ſich
unten und geht bequem in das Loch; ſodann zieht man das Tau an,

Figure 171. Fig. 170 A u. B.


Figure 172. Fig. 171.


damit die Klaue ſich unten ſpaltet und gegen die Wandungen preßt.
Selbſtverſtändlich gewährt dieſe Anordnung nicht eine ſolche Sicher-
heit, wie der Wolf in Fig. 169. Der Hebelwolf leiſtet aber ganz
beſondere Dienſte beim Verſetzen der Werkſteine unter Waſſer, wo
alſo der Apparat ſelbſtthätig wirken muß.


Eine dritte Art beſteht aus einem Keile und einem Parallelſtück
(Fig. 170 B); der Keil wird zuerſt hineingeſteckt, alsdann das Parallel-
ſtück. Der Keil hängt an einer Kette a, das andere Stück iſt an
einem Tau befeſtigt.


Manchmal benutzt der Steinmetzer auch die „Teufelsklaue“;
dieſelbe iſt aber ſehr unſicher und daher durchaus nicht zu empfehlen.


Weiche Steinarten, bei denen zu befürchten iſt, daß die Löcher
beim Heben ausreißen möchten, werden mittelſt Tauen (Fig. 171)
gehoben, die man um den Quader ſchlingt. Damit die Kanten mög-
lichſt geſchont werden, legt man einige Strohbüſchel unter die Taue.


Die Werkſteine werden am beſten trocken verſetzt; zuweilen
bringt man wohl Mörtel auf das horizontale Lager, jedoch geſchieht
[156]Erſtes Kapitel. Das Werkſteinmauerwerk.
dies nicht, um die Steine zuſammen zu kitten, ſondern um die Un-
ebenheiten der Lagerflächen auszugleichen.


Nach dem Verſetzen verſtreicht man die Fugen von außen, da dies
aber bei den dünnen Fugen ſehr ſchwierig iſt, pflegt man an den
Seiten der großen Steine kleine Löcher auszuhöhlen und von hieraus
das Vergießen vorzunehmen, oder auch die Steine durch Eichenholz-
ſpähne etwas auseinander zu halten (Fig. 172 A) und dann die
Fugen auszufüllen (vergießen). Die kleinen Steine verlegt man wie
die Ziegel, mit 1 — ½ zm dicken Fugen. Die ſchweren Steine werden
mit Hebezeug aufgepaßt und in die Höhe gehoben, ſodann bringt
man etwas Mörtel auf die Lagerfläche und ſetzt man den Stein
in die richtige Lage.


Vielfach kommen die ſchweren Steine auf einige dünne und 4 — 5 zm
große Bleiplatten zu liegen, damit die Steinkanten ſich nicht zu
ſehr drücken.


Von einigen Technikern wird anempfohlen, um recht dichtſchließende
Fugen zu erhalten, die Steine zu „unterwinkeln“ (Fig. 172 B).

Figure 173. Fig. 172 A — B.


Dieſes Verfahren iſt aber durchaus verwerflich, denn dadurch brechen
nicht nur die ſcharfen Kanten ſehr leicht ab, ſondern wird auch das
Vergießen der Fugen beträchtlich erſchwert.


Der mechaniſche Verband iſt bei kleinen Steinen unerläßlich,
bei ſchweren und ganz großen Steinen aber nicht unbedingt erforder-
lich. Dieſer Verband geſchieht einerſeits mittelſt „Dübeln, Dippeln
oder Dollen“, andererſeits mittelſt „Klammern.“


Die Dollen können ſowohl aus Stein, Holz oder Metall gefertigt
ſein; ſie ſind cylindciſch oder prismatiſch. Die ſteinernen Dollen läßt
[157]Das Verklammern und Verdübeln der Werkſteine.
man beim Bearbeiten des Steins am Material ſtehen. Die „Dübeln“
erhalten meiſtens eine ſchwalbenſchwanzförmige Geſtalt (Fig. 173) und
beſtehen aus Eiſen, welches aber des Roſtens wegen gut verzinkt werden
muß. Das Roſten hat den Nachtheil, daß dadurch ein Ausſprengen
des Steines erfolgen kann. Die Dollen verwendet man nur bei
Pfeilern und Säulen, deren aufeinanderliegende Trommeln mittelſt
Dollen gegen die Verſchiebung geſichert werden.


Im vollen Mauerwerk verbindet man die nebeneinanderliegenden
Steine mit „Klammern“; dieſelben beſtehen am beſten aus Kupfer
oder Bronze, doch wird meiſtens verzinktes Eiſen verwendet. Das
Verklammern geſchieht nach der in Fig. 174 dargeſtellten Weiſe. Zu
dieſem Zwecke arbeitet man in jedem Steine ein 5 — 6 zm großes Loch

Figure 174. Fig. 173.


Figure 175. Fig. 174.


Figure 176. Fig. 175.


aus, in welches die Klammer eingreift. Das „Vergießen“ ge-
ſchieht mit verſchiedenen Materialien, nämlich mit Schwefel, Gyps,
Blei oder Asphalt.


Schwefel iſt nicht zu empfehlen, weil ſich bei Eiſenklammern
leicht Schwefeleiſen bildet; Gyps kann nur im Trockenen Verwendung
finden. Meiſtens benutzt man Blei; dieſes wird aber beim Erkalten
kleiner im Volumen und muß deshalb nach dem vollſtändigen Er-
kalten mit einem Hammer und Keil feſt geſtampft werden. Wenn
man die Klammern oder Dübeln an den vertikalen Seiten des Steins
anbringt, ſo muß man zuerſt ein „Lehmneſt“ (Fig. 175) bauen, um
das Vergußmaterial bequem einbringen zu können.


Das Vergießen darf nicht eher geſchehen, bis das Klammerloch
gehörig ausgetrocknet iſt, weil ſich ſonſt ſtörende Waſſerdämpfe bilden.


Ein vorzügliches Vergußmaterial liefert der Asphalt; dieſer
ſchützt das Eiſen vor Roſt, iſt aber nicht ſtabil und erweicht beim Ein-
fluß der Wärme.


[158]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

Wo es daher auf Feſtigkeit ganz beſonders ankommt, z. B. bei
Geländern, empfiehlt ſich das Blei ganz beſonders.


Beim großen Obelisk zu Rom wurden Schwalbenſchwanz-Dübeln
benutzt. Dieſelben ſind zwar complizirt und koſtſpielig, bieten aber
eine ſehr große Feſtigkeit und haben ſich ganz beſonders beim Auf-
ziehen und Verſetzen der Steine bewährt, indem das Tau leicht um-
gebunden werden konnte.


Bei Leuchtthürmen kommen ebenfals ſehr intereſſante Verbindungen
vor; ſo z. B. beim Leuchtthurme zu Ediſtone. Derſelbe ſteht 14 engl.
Meilen (26 Kilometer) von Plymouth entfernt. Im Jahre 1670
wurde dort zuerſt ein hölzerner Thurm gebaut, der mit eiſernen Zug-
ſtangen im Meeresfelſen ſeinen Halt fand; 1703 verſchwand der Thurm
durch eine Springfluth. Abermals erbaute man in den Jahren
1703 — 1705 einen hölzernen Thurm, der aber fünfzig Jahre ſpäter
verbrannte. John Meautou kam darauf auf die glückliche Idee, den
Leuchtthurm aus Granit zu erbauen. Die einzelnen Steine greifen
mit Schwalbenſchwänzen ineinander. Die vertikale Verbindung der
Schaaren geſchieht mittelſt 16 Stück Ketten.


D.Das Mauern mit Ziegeln.


1) Der Mörtel.

Zum Mauern benutzt man gewöhnlich den kohlenſauren Kalk (Aetz-
kalk), der bis zur Rothgluth erhitzt, alsdann mit Waſſer gelöſcht wird,
wobei er die Kohlenſäure abgiebt. Da aber der Kalk nicht allein
verwendet werden kann, iſt ein Sandzuſatz erforderlich. Der auf
dieſe Weiſe entſtehende Kalkmörtel enthält in der Regel 2 — 3
Theile Sand und 1 Theil gelöſchten Kalk. Die Erhärtung des
Mörtels geſchieht zunächſt durch das Austrocknen, dann durch das
mechaniſche und chemiſche (durch Aufnahme der Kohlenſäure aus der
Luft) Kleben.


Die von Manger (Berlin) gemachten Verſuche über die Miſchungs-
verhältniſſe von Kalk und Sand führten zu folgenden Ergebniſſen:


  • a. Für Ziegelmauerwerk über der Erde, zu welchem die Ziegel
    nur mit der Hand aufgedrückt oder mit einigen Schlägen des
    Maurerhammers feſtgelegt werden, iſt das mittlere Verhältniß
    der Kalk- zur Sandmiſchung wie 1 : 3, das höchſte wie 1 : 1 ⅓,
    das niedrigſte wie 1 : 4½; es giebt das mittlere Verhältniß
    ein gutes, feſtes und dauerndes Mauerwerk, das an Kalkzu-
    [159]Der Mörtel.
    ſatz höhere ein noch feſteres, aber nur langſam erſtarrendes,
    das an Kalkzuſatz geringere Verhältniß ein minder feſtes,
    aber in kürzerer Zeit erſtarrendes Mauerwerk.
  • b) Für Mauerwerk unter der Erde kann 1 Theil Kalk und 3 Theile
    Sand als ein ausreichend hohes, 1 Theil Kalk und 4 Theile
    Sand als das mittlere Miſchungsverhältniß angeſehen wer-
    den, und letzteres rechtfertigt ſich, weil die Kohlenſäure zu
    dem unter der Erde liegenden Mörtel nur langſamen und
    ſparſamen Zugang hat, denn in dieſem Mauerwerk werden
    die Fugen ſtärker gepreßt, als die oberen und ſchieben ſich
    die Sandkörner inniger zuſammen und an die Steine, zumal
    auch der unter der Erde gelegene Mörtel lange genug weich
    bleibt, um jedem Drucke nachzugeben.
  • c) Für Mauerwerk von dichten und beſonders großen Bruchſteinen
    braucht der Mörtel weniger fett zu ſein, wie für Ziegel oder
    poröſe Bruchſteine, weil auch hier die Luft weſentlich durch
    die Fugen, alſo ſparſamen Zugang hat und weil große
    Steine ſchon durch ihr Gewicht eine ſtarke Preſſung auf den
    Mörtel ausüben.

Für Mauern, die der Feuchtigkeit oder gar der Näſſe ausgeſetzt
ſind, oder eine außerordentliche Feſtigkeit erhalten ſollen, muß man
den hydrauliſchen Kalk oder Cementmörtel gebrauchen, der
gleichfalls einen Sandzuſatz enthält, und zwar ſo viel, daß die Zwi-
ſchenräume zwiſchen den Sandkörnern von dem Cemente gerade aus-
gefüllt werden. Dies findet am beſten ſtatt bei einem Verhältniſſe
von 1 Theile Cement und 3 — 4 Theilen Sand; ein geringerer Sand-
zuſatz erſchwert das Arbeiten mit dem Cementmörtel, der dann zu
ſchnell, ſo zu ſagen „unter der Hand“ abbindet. Aus dieſem Grunde
darf man vom Cementmörtel nie mehr anmachen, als in kurzer Zeit
ſchnell verbraucht werden kann.


Der Gypsmörtel beſteht aus gebranntem ſchwefelſauren Kalk
(Gyps). Das Brennen des Gypſes geſchieht nur, um den geringen
Waſſergehalt aus ihm zu entfernen; hierzu genügt ſchon eine Tem-
peratur von etwa 100 — 120° (bei einer größeren Hitze wird der Gyps
todtgebrannt). Nach dem Brennen wird der Gyps in eine pulverartige
Maſſe gemahlen, die ſofort wieder verhärtet, ſobald ſie mit etwas Waſſer
begoſſen wird. Die Verwendung dieſes Mörtels darf aber nie im
Naſſen geſchehen, weil er ſonſt aufweicht. Nur der franzöſiſche Gyps,
[160]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
welcher etwas thonhaltig iſt, widerſteht der Feuchtigkeit einigermaßen
und nimmt eine bedeutende Härte an, ſo daß er an manchen Orten
den Cement zu erſetzen vermag.


Der Lehmmörtel wird gebraucht, wo die Hitze auf das Mauer-
werk einwirkt, ſo z. B. bei Feuerungen, in denen kein anderer Mörtel
feuerbeſtändig iſt. Der Lehm hat die Eigenſchaft, ſobald er der Hitze
ausgeſetzt iſt, zu erhärten, wobei er gleichzeitig „ſchwindet“, d. h. im
Volumen kleiner wird.


Die Vermengung von Lehm und Kalkmörtel darf nie vorge-
nommen werden, da beide ſich weder mechaniſch noch chemiſch ver-
binden.


Wo das Schwinden des Lehms nachtheilige Folgen hat, erhält der
Lehm einen Zuſatz von Chamottemehl; bei Dampfkeſſelfeuerungen
u. ſ. w., in welchen die Hitze einen ſehr hohen Grad erreicht, wider-
ſteht nur der Mörtel aus Chamotte oder feuerfeſtem Thone.


Der zum Kalkmörtel zu verwendende Sand muß ein reiner,
ſcharfer Flußſand und frei von Humustheilen ſein; ebenſo wenig darf
er Lehm oder Thon enthalten. Zuweilen verwendet man auch ge-
pochten Quarz oder gepochte Schlacken. Durchaus unbrauchbar hat
ſich zum Mörtel der Meerſand gezeigt, weil derſelbe erſtens rundlich
iſt, zweitens ſehr viel Salztheile enthält und dieſe ſehr bald den
Salpeterfraß erzeugen; auch ſind die mit Meerſand gemauerten Wände
ſtets feucht.


2) Das Mauern.

a) Die Fugenſtärke. Bezüglich der Fugenſtärke haben wir
ſchon früher allgemeine Angaben gemacht; den neuen Normalſteinen
anpaſſend, hat die techniſche Welt das Uebereinkommen getroffen, in
Zukunft alle Stoßfugen 1 zm und die Lagerfugen 1,2zm ſtark zu
machen, ſo daß eine 1 m hohe Mauer mit 65 mm dicken Ziegeln gerade
13 Schaaren (Schichten) enthalten wird.


Es ſei hier die Bemerkung hinzugefügt, daß allzu dicke Lagerfugen
ein ſtarkes Setzen des Gebäudes veranlaſſen; freilich haben die mei-
ſten Ziegel-Bauten der Römer faſt 2,5 — 5 zm ſtarke Fugen, doch konnte
dies nur bei dem ausgezeichneten Mörtelmaterial, nämlich der Puzzelan-
erde, zuläſſig ſein.


b) Das Vermauern der Steine geſchieht im Allgemeinen folgen-
dermaßen: Gut bereiteter Mörtel enthält jederzeit bedeutend mehr Waſſer,
als er zu ſeiner Erhärtungun bedingt bedarf; dieſer Mehrbetrag an
[161]Das Vermauern der Steine.
Waſſer muß ſchnell von den Ziegeln aufgenommen werden, damit die
Erhärtung des Mörtels ſofort nach dem Verlegen des Ziegels be-
ginnen kann. Immerhin darf dieſer dem Mörtel nicht zu viel Waſſer
entziehen, weil ſonſt gar keine Erhärtung erfolgen und die Steine
ſpäter in ſtaubigem Sande liegen würden.


Deshalb müſſen die Ziegel, bevor man ſie vermauert, genäßt
werden, was ſich nach ihrer Beſchaffenheit richtet. So z. B.
ſaugen ſehr harte Ziegel (Klinker) zufolge ihrer dichten Textur nur
wenig Waſſer aus dem Mörtel an, und braucht man dieſelben daher
auch nur wenig anzufeuchten; poröſe Ziegel dagegen bleiben längere
oder kürzere Zeit im Waſſer liegen, was einestheils von dem
Feuchtigkeitsgehalt des Mörtels, anderntheils von der Witterung
abhängt (in heißen und trockenen Tagen länger, als bei regneriſcher
Witterung). Das Benäſſen geſchieht am beſten in der Art, daß die
Steine, etwa zehn Stück, vor ihrer Verwendung von dem Maurer
in einen neben ihm auf dem Gerüſte ſtehenden Waſſereimer einige
Sekunden lang getaucht und alsdann eine kurze Zeit wieder auf das
Brettergerüſt geſtellt werden, damit das überflüſſige Waſſer abträufelt.


Die Stelle, auf welche ein Ziegel zu liegen kommt, wird mit dem
Pinſel (Quaſt) ſtark angenäßt; alsdann bringt der Maurer auf ſie
ſo viel Kalkmörtel, als für eine gute Lagerfuge erforderlich iſt. Der
Maurer greift hierauf den Ziegel mit der linken Hand ſo an, daß
eine Ziegeldiagonale ſenkrecht zu ſtehen kommt, beſtreicht beide Seiten
des Steins, welche die Stoßfugen bilden ſollen, mittelſt der Kelle
ganz und gar, aber nicht zu dick, mit Mörtel, bringt nun den Stein
auf ſein Lager, rüttelt ihn etwas (aber ſchnell) in daſſelbe ein und
richtet ihn mit leiſen Hammerſchlägen in die Flucht, wobei der über-
flüſſige Kalk aus den Stoßfugen und der Lagerfuge hervorquillt.
Endlich wird mit der flachen Seite der Mauerkelle der Mörtel theil-
weiſe in die etwa noch leergebliebenen Zwiſchenräume der Fugen
zurückgedrückt und der überflüſſige Mörtel über eine kurze Mauer-
fläche dünn vertheilt. Eine auf ſolche Weiſe hergeſtellte Mauer beſitzt
allenthalben volle Fugen, iſt ſolid und dicht und entſpricht, ſoweit
die Ausführung des Inneren in Betracht kommt, allen Anforderungen.
Leider geben ſich die Maurer ſelten die nöthige Mühe beim Vermauern
der Steine; ſie unterlaſſen nicht nur das Annäſſen der Ziegel, ſon-
dern bringen den Mörtel ſo mangelhaft an den Stein, daß man
häufig durch die Stoßfugen ſehen kann!!


Wanderley, Bauconſtr. II. 11
[162]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

Man unterſcheidet volle und offene Fugen; die vollen Fugen
(Fig. 176 B) geben zwar dem friſchen Mauerwerk ein angenehmes
Anſehen, ſind aber nicht ſo gut als die offenen Fugen (Fig. 176 A).

Figure 177. Fig. 176.


da beim Verputzen der Wände der Mörtel in die offenen Fugen ein-
dringt und der Wandputz beſſer feſt haftet.


c.Das Ausfugen. Bei ſolchen Gebäuden, die äußerlich ohne
Verputz, alſo im ſogenannten „Ziegelrohbau“, bleiben ſollen, iſt das
ſorgfältige Ausfüllen und Verſtreichen der Fugen, das ſogenannte
„Ausfugen“, von großer Wichtigkeit, weil ſonſt die Näſſe ungehindert
in das Mauerwerk dringen würde. Viele Techniker verwerfen das
ſpätere Ausfugen und geben dem Ausfugen ſogleich nach dem Auf-
mauern einiger Schaaren den Vorzug, indem ſie behaupten, daß dann
die Ziegel und der Mörtel innerhalb der Fugen noch die hinreichende
Feuchtigkeit beſäßen, um mit dem Ausfugenmörtel in innige Verbin-
dung treten zu können; auch erſpart man die Koſten der doppelten
Rüſtung. Die meiſten Bauten der mittelalterlichen Backſteinarchitektur,
welche beſonders in Meiſter Haaſe (Hannover) ihren Vertreter ge-
funden hat, und von deſſen Schülern (Schultz, Otzen u. ſ. w.) in
ganz Norddeutſchland mit vielem Erfolg kultivirt wird, werden ohne
ſpätere Ausfugung in Weißkalkmörtel ausgeführt. Hingegen die von
der berliner Schule ausgegangene Backſteinarchitektur, mit ihren zier-
lichen, der Antike entnommenen Details, verträgt die, dem gothiſchen
Backſteinrohbau eigene, derbe Behandlung nicht. Bei den berliner
Backſteinbauten werden daher die mit ausgezeichneten Formziegeln her-
geſtellten Mauern ſehr ſauber ausgefugt. Man trifft dort die verſchieden-
artigſten Fugenformen an (Fig. 177 A — G); bald ſpringen ſie recht-
eckig zurück (A), bald rund, bald ſtabförmig vor (Fig. D E). Letzteres
[163]Das Ausfugen.
Verfahren iſt aber ſehr unzweckmäßig, dagegen ſind die Skizzen A',
C, B, F, G beſſer. Das Verſtreichen der Fugen geſchieht mit dem
Fugeneiſen, deſſen Spitze ſich nach der Fugenform zu richten hat.


Figure 178. Fig. 177 A — G.

Es wird empfohlen, die Fugen nicht mit einem eiſernen, ſondern
mit einem hölzernen Inſtrument nach nebenſtehender Form (Fig. 178)
zu reinigen, weil das Eiſen die Steinkanten zu ſehr glättet und dann
der einzubringende Fugenmörtel weniger
gut haftet. Auch das ſtarke Reiben
(Poliren) der Fugen ſoll nicht gut ſein,
weil hierdurch dem Mörtel zu ſchnell
Waſſer entzogen wird und die Güte des-
ſelben leiden dürfte, zumal auch bei
Kalkmörtel ein gewiſſer Theil Waſſer
zum Erhärten nothwendig iſt. Das
Reinigen der Fugen braucht ohnehin nur
bis etwa 2 zm Tiefe zu geſchehen.


Bei den ganz vorzüglich ausgeführten
Rohbauten der großen Eiſenbahnbrücke

Figure 179. Fig. 178.


über die Weichſel bei Dirſchau wurde das Ausfugen nach dem jedes-
maligen Aufmauern von 4 — 5 Schaaren (Schichten) ſofort (mit Ce-
ment) vorgenommen, alſo ehe der Mörtel in den Fugen erhärtet war
und Schmutzflecken noch abgewiſcht werden konnten, bevor ſie trock-
neten. Zum Aus- und Abwiſchen der aufgekratzten Fugen bediente
man ſich des Werges. Obgleich der Arbeiter dann zwei verſchiedene
Arbeiten in unmittelbarem Wechſel vorzunehmen hat, wird doch der
nicht zu unterſchätzende Vortheil erzielt, daß das Ausfugen gleich auf
derſelben Rüſtung, und zwar bevor der zum Mauern verwendete
11*
[164]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
Mörtel erhärtet, geſchieht, ſo daß der Fugenmörtel ſich noch mit dem
in friſchem Zuſtande befindlichen inneren Mörtel beſſer verbinden
kann. Immerhin dürfte es im Intereſſe der Sauberkeit des Mauer-
werks anzurathen ſein, nach Vollendung des Mauerns von oben
herunter mit dem Auskratzen, Reinigen und Abwaſchen (mittelſt des
kurzen Beſens und ſehr verdünnter Salzſäure) und dann erſt mit
dem Ausfugen ſelbſt zu beginnen. Dabei darf aber das Feuchthalten
und demnächſtige Begießen der Fugung nicht unterbleiben, wenn die
Fugung dem Wechſel der Temperatur widerſtehen, nicht abblättern
oder riſſig werden ſoll. Viele Techniker warnen auch vor der Ver-
wendung des Cements zum Fugenmörtel, weil derſelbe raſch abbindet
und man ohnehin nicht im Stande iſt, den angemachten Mörtel ſchnell
zu verbrauchen. Man muß daher immer nur wenig Fugenmörtel
zur Zeit anrühren. Nach unſerer Erfahrung dürfte aber ein geringer
Cementzuſatz zum Kalkmörtel wohl anzurathen ſein.


Nach der deutſchen Bauzeitung geſchah das Ausfugen des Pfarr-
hauſes (von Otzen) der Nordgemeinde zu Altona folgendermaßen:
Sowohl an dem Pfarrhauſe, ſowie an der neugebauten Norderkirche
iſt jedes ſpätere Verſtreichen der Fugen vermieden. Um indeſſen bei
dem kleinen Format der Steine den ſtörenden Einfluß der weißen
Fugen zu vermeiden, iſt die äußere Verblendſchicht in einem Mörtel
gemauert, der durch Caput mortuum roth gefärbt war. Wie ſich
herausgeſtellt hat, iſt das ſcheinbar umſtändliche Verfahren keineswegs
zeitraubend geweſen; der Mörtelkaſten erhielt zwei Abtheilungen, aus
welchem die Maurer nach kurzer Uebung mit Leichtigkeit beide Be-
dürfniſſe befriedigten. Die Reinigung des Mauerwerks gelang weit
leichter als bei Anwendung von weißem Mörtel, und durch den Zuſatz
des Eiſenoxyds hat der Mörtel der Verblendſchicht eine ganz außer-
ordentliche Härte angenommen.


Beim Bau der Synagoge (von Knoblauch) in Berlin, die aus
gelben ſchönen Verblendſteinen beſteht, iſt der Fugenmörtel mit Umbra
gefärbt und dadurch ein dunkelbrauner warmer Thon erzielt worden.
Beim berliner Rathhaus, deſſen äußere Fronten mit dunkelrothen
Ziegeln verblendet ſind, iſt ein ſehr harmoniſch wirkender Fugen-
mörtel zur Verwendung gekommen, gemiſcht aus Kalkmörtel mit wenig
Caput mortuum und mehr engliſch Roth. Der Kalkmörtel darf vor
dem Fugen nicht zu fett ſein, weil dann die Oberfläche Riſſe erhält,
auch die Verbindung mit den Steinen eine mangelhafte ſein wird.


[165]Die Herſtellung des Mauerwerks.

d. Bei Herſtellung des Mauerwerks muß der Polierer zu-
nächſt ſein „Hochmaß“ ſuchen; d. h. er muß gewiſſe Diſtanzen, wie
z. B. von Geſims zu Geſims, oder von Fenſterbrüſtung bis Fenſter-
bogen u. ſ. w., von der Zeichnung abgreifen und in natürlicher
Größe auf einer ſauber hergeſtellten Latte von etwa 4 — 5 m Länge
genau abſtecken und hierauf die Ziegelſchaaren, nämlich bei 65 mm
dicken Ziegeln auf 1 m genau 13 Schaaren, einzeln angeben. (Um
hierbei nicht in Verlegenheit zu kommen, iſt es dringend nöthig, ſchon
beim Entwerfen der Façaden im Backſteinrohbau darauf zu achten,
daß die Geſims-, Fenſter-, Sockel- u. ſ. w. Höhen genau der Schaaren-
eintheilung entſprechen.) Das Hochmaß giebt ſonach die Fugenan-
zahl (wenn ein Reſt verbleibt, ſo wird dieſer auf die Fugen des
ganzen Hochmaßes vertheilt), ſowie die Höhe beſtimmter Gegenſtände
an, z. B. Kämpferhöhe der Thür- und Fenſterbögen, der Gurtbogen,
Gewölbeanfänge, die Band- und Brüſtungsgeſimſe, die Quadern u. ſ. w.
Der Polierer muß daher ſtets die Hochmaßlatte zur Hand haben, ſie
häufig am Mauerwerk aufſtellen, um die Höhe der Schaaren den
Geſellen anzugeben. Zuerſt beginnen die Maurer immer an den
Ecken des Gebäudes, der Thüren und Fenſter zu mauern, indem ſie
hier etwa 1 m hoch das Mauerwerk in liegender Abtreppung genau
nach der Hochmaßeintheilung aufführen. Da von der ſorgfältigen
Ausführung der Ecken die Güte des übrigen Zwiſchen-Mauerwerks
abhängt, poſtirt der Polierer hier die geſchickteſten Leute.


Die Herſtellung des Zwiſchenmauerwerks geſchieht nach der Schnur,
d. h. die Maurer mauern die Schaaren ſo, daß die Oberfläche der-
ſelben in der Höhe einer angeſpannten Schnur liegt; dieſe Schnur
hängt über zwei Nägeln, welche in den zuſammengehörenden Fugen
der zwei gegenüberſtehenden Mauerecken ſtecken und iſt an beiden
Ecken mit Gewichten (angebundenen Steinen, oder Bleiloth) ange-
ſpannt. Die Maurer müſſen dann noch darauf achten, daß die
äußere Steinreihe mit dem übrigen Mauerwerk „in der Flucht“ bleibe
und außerdem die Blöcke reſp. Kreuze des Verbandes ſenkrecht über-
einander kommen. Zu dieſem Behufe verwenden die Arbeiter recht
fleißig das Bleiloth, das Richtſcheit und die Setzwaage. Damit das
Gebäude ſich allenthalben gleichmäßig ſetze, werden die inneren als
auch äußeren Mauern in annähernd gleicher Höhe aufgeführt; durchaus
verwerflich iſt es daher, wenn, beſonders bei kleinen Gebäuden, nur
einige Wände aufſteigen, andere dagegen liegen bleiben. In der
[166]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
Regel führt man das Mauerwerk in 1,25 — 1,6 m Höhe gleichmäßig
in die Höhe; dieſes Maß entſpricht der „Rüſtungshöhe“, welche bei
bequemer Mauerung 1,3 m nicht überſteigen ſollte, häufig aber, durch
das Unterlegen eines proviſoriſchen Gerüſtes, beſtehend aus Back-
ſteinen, Kalkkaſten u. ſ. w., alſo durch ein „Nothgerüft“, auf 1,6 m
erhöht wird. Falls beim Backſteinrohbau Doſſirungen oder Biegungen
und Winkel vorkommen, ferner das Mauerwerk, wie z. B. bei Treppen-
häuſern, eckig iſt, muß man dieſes nach Schablonen mauern; daſſelbe
gilt für eckige Pfeiler.


Wenn Ziegel- und Bruchſtein-Mauern von ſehr verſchiedenen
Höhen nebeneinander [aufgeführt] werden, wie z. B. Thürme neben
Kirchenmauern, ſo iſt die Gefahr des verſchiedenen Setzens beider
Theile vorhanden, was auf das Geſammtmauerwerk einen ſehr nach-
theiligen Einfluß ausübt. Aus dieſem Grunde pflegt man ſolche
Mauern vom Fundamente an ganz unabhängig von einander herzu-
ſtellen. Dieſelbe Vorſichtsmaßregel gilt, wenn neues Mauerwerk
neben altes Gemäuer zu ſtehen kommt; das neue Mauerwerk ſtößt
ſtumpf gegen das alte.


Dennoch kann manchmal beim Backſteinrohbau erwünſcht ſein, um
eine paſſende Verwechſelung der Fugen zu erlangen, daß das neue
Mauerwerk mit Verzahnung (Schmatzen) in das alte eingreife.
Hierbei iſt die Vorſicht zu beachten, daß das neue Mauerwerk in
niedrigeren Schichten aufgeführt werde, von denen jede Schicht für
ſich vollkommen austrocknen muß, bevor die demnächſt folgende ver-
mauert wird; hierdurch geht aber viel Zeit verloren. Selbſtverſtänd-
lich müſſen die Ziegel in dem alten und neuen Mauerwerk genau
übereinſtimmen, wenn beide in vollkommen gutem Verbande ſtehen
ſollen. Haben ſomit die Ziegel der alten Mauern ein anderes For-
mat als die neuerdings üblichen, ſo müſſen die neu zu benutzenden
Steine nach dem alten Format geſtrichen werden, woraus die Koſt-
ſpieligkeit des geſchilderten Verfahrens noch mehr hervorgeht.


Die Tüchtigkeit und Qualification eines Polierers reſp. Baufüh-
rers erkennt man beſonders daran, ob er die Geſellen zweckmäßig
zu beſchäftigen und bei der Arbeit aufzuſtellen weiß; namentlich gilt
dies von den Maurern, welche ſich nicht im Wege ſtehen dürfen und
doch gegenſeitig in die Hände arbeiten müſſen, damit die ganze Ar-
beitsverrichtung gleichmäßig und ohne Störungen und Stockungen
vorwärts ſchreite.


[167]Die Herſtellung des Mauerwerks.

Sache des Polierers iſt es auch, dafür zu ſorgen, daß die Mauern
rechtzeitig fertig ſind, wenn die Zimmerleute die Balken für die
Zwiſchendecken und das Dachgebälk heranſchaffen und verlegen wollen.
Die Zimmerer dürfen an der Arbeit nicht geſtört werden, aber gleich-
zeitig müſſen die auf dem Bau vorhandenen Maurergeſellen hin-
reichend beſchäftigt ſein. In ſolchen Fällen kommen die Maurer
meiſtens nach den Giebeln, während die Zimmerleute die Balken auf
die Langſeiten verlegen. Wenn eine Mauer aus irgend einem Grunde
nicht mit aufgeführt werden ſoll, ſo läßt man am beſten in der anderen
Quermauer, an der Stelle, wo die liegenbleibende Mauer ſpäter ein-
greifen ſoll, die Lochverzahnung (Schmatzen) ſtehen.


Bezüglich der Leiſtungsfähigkeit der Maurergeſellen nimmt man
allgemein an, daß ein guter Geſelle bei Accordarbeit 800 Ziegel von
25 zm Länge in einem Tage vermauert, wenn die Wände ſtark ſind
und keine Oeffnungen enthalten; ferner nur 700 Ziegel bei mehreren
Ecken und Oeffnungen, 500 Ziegel bei vielen Oeffnungen, Vorlagen
und gewölbten Bögen u. ſ. w.


Um die Anzahl der anzuſtellenden Geſellen und Arbeitsleute zu
beſtimmen, befolgt man den Erfahrungsſatz:


  • auf 2 bis 3 Maurer gehört 1 Arbeiter (Handlanger) zum Heran-
    bringen des Kalkes und der Steine;
  • auf 8 bis 12 Maurer rechnet man 1 Kalkſchläger zur Bearbei-
    tung des Mörtels;
  • auf 15 bis 20 Geſellen rechnet man 1 Polierer.

Iſt der Bau nicht weitläufig, ſo kann ein tüchtiger und umſichtiger
Polierer 30 Geſellen beaufſichtigen und für die nöthigen Anlagen,
die Eintheilungen, Lehrgerüſte u. ſ. w. vorbereiten.


Wenn beiſpielsweiſe ein Gebäude von zwei Stockwerken und Keller-
geſchoß mit etwa 800,000 Steinen hergeſtellt werden ſoll und ein
Maurer täglich 550 Ziegel vermauert, ſo ſind im Ganzen annähernd
1500 Tagewerke für die Herſtellung der Mauern erforderlich. Voraus-
geſetzt, daß das Gebäude contractlich in 4 Monaten, vom 1. April
bis 1. Auguſt, unter Dach zu bringen wäre, ſo iſt ein Zeitraum von
rund 100 Tagen zur Erfüllung des Contractes gelaſſen und müſſen
demnach 15 Maurergeſellen, 5 — 7 Stein- und Kalkträger, 1 Kalk-
ſchläger zur Bereitung des Kalkes (welchem noch die Kalkträger ab-
wechſelnd mithelfen) und 1 Polierer, der gleichzeitig etwas mitarbeitet,
ununterbrochen beſchäftigt ſein.


[168]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

Die hohen Arbeitslöhne der Maurergeſellen und Bau-Arbeitsleute
haben ſchon wiederholt die Bauunternehmer auf die glückliche Idee
gebracht, die bereits bei Waſſer- und Brückenbauten angewendeten
mechaniſchen Apparate in etwas modifizirter Weiſe auch bei „Hoch-
bauten“ zu benutzen. Beſonders iſt man in dieſer Hinſicht in Lon-
don und Paris, dann in Berlin und Hamburg mit gutem Beiſpiele,
wenn auch nur zaghaft, vorangegangen.


So z. B. wird der Mörtel mittelſt einer Mörtelmaſchine, die ihre
Arbeit viel gleichmäßiger macht, als die Menſchenhände, bereitet. Man
hat hierzu die mannigfachſten Apparate benutzt, bald mit liegendem,
bald mit ſtehendem Cylinder nach Art der holländiſchen Kleimühle,
wie ſolche in Ziegeleien zum Kneten des Thones üblich ſind; manch-
mal werden die Mörtelmaſchinen entweder mit Kollerwerk (zwei
vertical ſtehende Mühlſteine, die an den beiden Enden einer Welle
befeſtigt ſind und von einem Pferdegeſpann ſo umgedreht werden,
daß ſie die Mörtelmaſſe gehörig vermengen), oder mit Harken,
welche, ganz ebenſo wie die Kalkkrücken, die Maſſe umrühren, verſehen.


Eine Mörtelmaſchine letzterer Art ſtellte ſich der Maurermeiſter
Robitz in Berlin her und iſt beſchrieben in „Wanderley, ländliche
Wirthſchaftsgebäude“ Fig. 18. Ausführlich werden die Mörtelma-
ſchinen vom Ingenieur Kopka beſprochen in „Haarmann’ſche Zeit-
ſchrift“ 1872.


Neuerdings beginnt man in Berlin den Kalkmörtel für viele Bauten
an einem Orte mittelſt Maſchinen zu fabriciren und mit geſchloſſenen
Wagen nach den Bauten zu ſchaffen; ob dies aber praktiſch iſt, muß
die Zeit lehren.


Auch für das Hinaufziehen der Materialien hat man die ver-
ſchiedenartigſten Maſchinen conſtruirt, welche wir leider wegen des
hier nur karg bemeſſenen Raumes nicht ausführlich vorführen können.
Das Prinzip derſelben beſteht aber darin, daß ein hölzerner oder
eiſerner Behälter an einem Taue mittelſt einer Winde in die Höhe
gezogen wird. Hierzu iſt ein feſt abgebundenes, ſolid aufgeſtelltes
Gerüſt von der Höhe des ganzen Gebäudes erforderlich; oben iſt eine
große Seiltrommel befeſtigt, auf welche ſich das Tau aufwickelt. Das
Aufziehen ſelbſt geſchieht entweder mit Pferdegöpel, oder mit Dampf-
maſchine (Lokomobile); ſehr zweckmäßig iſt es, eine Gasmaſchine
zum Betrieb des Aufzugapparates aufzuſtellen, was in Paris allge-
mein geſchieht.


[169]Die Stein- und Kalkaufzüge.

In Paris wendet man auch die ſelbſtthätigen Aufzüge mit
Erfolg an und zwar in der Weiſe, daß an den beiden Enden des
Aufzugtaus, welches nur die ganze Gebäudehöhe zur Länge hat, je
ein Behälter befeſtigt iſt, der einen Kaſten für die Ziegel oder den
Mörtel enthält. Mittelſt einer Rohrleitung wird das Waſſer der
Hochdruckwaſſerleitung nach jeder Gerüſthöhe geleitet; windet man
nun den einen Behälter in die Höhe, ſo wird er geleert und dann
von der Waſſerleitung aus mit Waſſer ſo lange gefüllt, daß er ſo
ſchwer wird, wie der untere Eimer mit Kalk- oder Steinfüllung.


In Berlin wird ſeit einigen Jahren ein von dem Maſchinenfa-
brikanten C. Schneitler (Berlin) conſtruirter Aufzug: die „Berliner
Bauwinde“, gebraucht, welche in Fig. 179 dargeſtellt iſt. Auf einem

Figure 180. Fig. 179.


feſten Holzgeſtell, das durch eiſerne Bolzen verſtärkt iſt, ſind zwei
eiſerne Wellen übereinander gelegt, von denen die untere ein Stirn-
trieb- und Sperrrad, außerdem an jedem Ende eine ſchmiedeeiſerne
Kurbel trägt. Auf die obere Welle iſt eine Drahtſeilſcheibe und neben
dieſer ein Stirnrad aufgekeilt, welches letztere in den Trieb der
[170]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
unteren Welle eingreift. Zur Seite des Sperrrades iſt die doppelt
wirkende Sperrvorrichtung angebracht.


Die Drahtſeilſcheibe nimmt ein 15 mm ſtarkes Drahtſeil von 60m
Länge auf, welches ſo angeordnet iſt, daß bei einer Tour ein ge-
füllter Kaſten gehoben wird und ein leerer zurückgeht. Zu jeder Bau-
winde gehören zwei ſtarke, mit Eiſen beſchlagene und mit Handgriffen
verſehene Holzkaſten, ſowie zwei Kaſten gleichen Inhaltes von Winkel-
eiſen und Blech; alle Kaſten ſind mit vier eiſernen Haken verſehen,
mittelſt welchen ſie an einen Doppelbügel gehängt werden, der durch
Rolle und Bolzen mit dem Drahtſeil verbunden wird.


Die Kaſten werden, gefüllt mit Steinen oder Kalk, auf Schieb-
karren, wie ſolche die Schiffer beim Ausladen von Steinen anwenden,
unter den Aufzug der Winde gebracht, mit dem Seile verbunden und
in die Höhe gewunden. Der heruntergehende Kaſten wird dann wieder
zur Füllung abgefahren. Auf der Arbeitsſtätte werden die Kaſten
entweder getragen oder gefahren oder können auch auf gelegter Bretter-
bahn fortgerollt werden, wenn ſie mit Rollen von hartem Holze ver-
ſehen ſind. In dieſer Anwendung können, nach den bisherigen Er-
fahrungen, mit einer Bauwinde, die durch vier Arbeiter bedient wird,
täglich 5000 Steine und der dazu nöthige Kalk in die zweite und
dritte Etage gehoben werden.


In ganz Oeſterreich iſt ein, ſeit etwa zwanzig Jahren vom Stadt-
baumeiſter Lorompay conſtruirter Aufzug für Ziegel allgemein bei
jedem größeren Bau im Gebrauche. Derſelbe erklärte ſeinen Apparat
in der Forſter’ſchen Zeitſchrift folgendermaßen: „Das dringende Be-
dürfniß, bei der in Wien üblichen ſchnellen Bauweiſe die Ziegel in ſtets
hinreichender Menge nach den Gerüſten der verſchiedenen Stockwerke
zur Bearbeitung bereit zu halten, veranlaßte mich, über Verbeſſerung
der bereits ſchon öfter in Gebrauch gekommenen Paternoſterwerke
reiflich nachzudenken. Die Aufführung des Mauerwerks bei einem
ſehr bedeutenden und mehreren kleinen Bauten, mit der ich zu gleicher
Zeit beſchäftigt war, beſtimmten mich, mehrfache Verſuche anzuſtellen,
bei denen mich der k. k. Hofmechanikus Anton Burg und deſſen Sohn
ſehr kräftig unterſtützten, und die mehr oder weniger brauchbare Re-
ſultate gaben, bis ich endlich, aus überzeugenden Gründen, die ganze
Vorrichtung ſo in Anwendung brachte, wie ſie die Zeichnung darſtellt.
Die Trommel a (Fig. 180 und 181), worüber eine Kette läuft, unter-
warf ich vielen Veränderungen, und es bewährte ſich die viereckige
[171]Die Stein- und Kalkaufzüge.

Figure 181. Fig. 180.


[172]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
Form als die dazu geeignetſte, obwohl ich ſelbſt früher der irrigen
Meinung war, daß fünf- und mehreckige Formen, der ſtumpfen Winkel

Figure 182. Fig. 181.


Figure 183. Fig. 182.


wegen, den leichten Gang der Kette befördern müßten. Dem Schwanken
der Kette, welches der bedeutenden Höhe von 10 Klaftern (19 M.)
wegen, bei jeder Form der Trommel ſtattfand, half ich durch Einlegen
der Walzen b ab.“


Die Kettenglieder c (Fig. 182) ſind aus Weißbuchenholz ange-
fertigt, und zur beſſeren Dauerhaftigkeit bei den Augen d d mit einem
Eiſenbeſchlage verſehen. Die Käſten e e ſind von ſtarkem Eiſenblech,
und damit ſie zwei Ziegel bequem faſſen können, 18 zm lang, 16zm breit
und 21 zm hoch. Dann ſagte Lorompay weiter:


„Ich gab der Anfertigung hölzerner Kettenglieder vor eiſernen,
der größeren Wohlfeilheit wegen und auch darum den Vorzug, weil
die bedeutendere Schwere eine vermehrte Reibung an der Trommel-
achſe verurſacht hätte. Für die Dimenſion der Glieder fand ich eine
Länge von 12 Zoll (32 zm) als die zweckmäßigſte bei einer Kaſtenent-
fernung von 0,65 m. An der Kurbel iſt ein Schwungrad f angebracht,
welches das gezahnte Rad g in Bewegung ſetzt, und das durch die
Vorlage h (Fig. 183) zum plötzlichen Stillſtande gebracht werden
kann. Man mißbilligte, daß die ganze Vorrichtung eines Menſchen
bedürfe, der oben auf dem Gerüſte die mit Ziegeln gefüllten Käſten
[173]Die Stein- und Kalkaufzüge.
entleere, wogegen ich einwende, daß ſich die Kette dann von der
Kurbel in einer ſchiefen und nicht ſenkrechten Richtung abwinden
müßte, um nicht durch das ſenkrechte Herausfallen der Ziegel den

Figure 184. Fig. 183.


unten befindlichen Werkleuten gefährlich zu werden, und daß
dieſer Umſtand die Vorrichtung viel mehr compliciren als vereinfachen
würde, und da ohnedies ein Individuum nothwendig iſt, welches die
durch den unausgeſetzten Gang der Vorrichtung ſich anhäufende
Ziegelmaſſe vertheilen muß, ſo kann zugleich von dieſem das Heraus-
nehmen der Ziegel aus den Käſten leicht beſorgt werden; ich habe
mich auch deshalb vorläufig zu keiner Veränderung in Bezug der
gemachten Einwürfe veranlaßt gefunden.“


Schließlich dürfte es nicht unwillkommen ſein, vergleichsweiſe die
Reſultate dieſer Verfahrungsart und der anderen ſonſt in Gebrauch
ſtehenden anzugeben. Mit dieſer Vorrichtung ziehen 4 Mann in 12
Arbeitsſtunden 14,000 Stück Ziegel auf eine Höhe von 5 — 6 Klaf-
tern (10 — 12 M.).


Mit dem Klobenrade, nach Art der Ziegeldecker, bringen drei Mann
in derſelben Zeit nur 3800 Stück auf dieſelbe Höhe, und auf die ge-
wöhnliche Weiſe mittelſt Handreichung von einem Tagelöhner und 14
Tagelohnbuben, die auf Leitern ſitzen, wurden bei übrigens gleichen
Umſtänden 10,500 Stück in die Höhe gebracht Die Koſten verhalten ſich


  • mit der erwähnten Vorrichtung gezogen wie 1,
  • mit dem Klobenrade gezogen   3
  • und auf Leitern hinaufgereicht   3½.

[174]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

e.Die Baugeräthe, welche theils der Maurermeiſter den Ge-
ſellen und Handlangern liefert, theils letztere ſich ſelbſt halten, heißen
folgendermaßen:


  • 1) Für das Ausſchachten der Fundamente:
    • Kummkarren, circa 0,10 — 0,15 Cbm loſe Erde enthaltend,
    • Rüſtböcke von 1,4 m Höhe, 1,8 m Höhe,
    • hölzerne Waſſerrinnen für Grundwaſſerableitung,
    • verſtählte Hacken oder Picken,
    • Wurfſchippen,
    • Blechſpaten [mit] hölzernem Stiel,
    • verſtählte eiſerne Keile zum Spalten alter Fundamentmauern.
  • 2) Zu den Maurergeräthen gehören:
    • Die Löſchbanken, Kalkkaſten, Hacken, Mollen, Schippen und
      Spaten und die Werkzeuge: Picken, Schälhammer, Maurer-
      hammer, Kelle, Setzeiſen, Setzwage, Winkelholz, Reibebrett
      (für den Decken- und Wandputz), Kartätſche, Weißpinſel,
      Sprengpinſel (zum Bewäſſern des Mauerwerks), Schnür-
      rolle, Fluchtſchnure, Bleiloth u. ſ. w.

f.Die Bauzäune und Baugerüſte. Damit die Ausführung
baulicher Arbeiten den Verkehr auf der Straße nicht beeinträchtige
oder gar gefährde, ſind in faſt allen größeren Orten hiefür Seitens
der Straßen-Polizei Reglements erlaſſen, deren allgemeiner Inhalt
ungefähr folgendermaßen lautet:


Bauzäune müſſen feſt und aus gutem Materialien errichtet, ins-
beſondere dürfen dazu nicht Latten- oder Brettſtücken verwendet wer-
den, auch dürfen nach Außen weder Holzſtücke noch Nägel vortreten.
In der Regel dürfen Bauzäune (ſo in Berlin) nicht über 2 m vor
die Bauflucht treten; hat das Grundſtück keinen Hof, und müſſen
demnach die Baumaterialien außerhalb abgeſetzt werden, ſo iſt ein
Vortreten bis auf 3 m, falls die Verkehrsverhältniſſe dies ſonſt er-
lauben, zuläſſig. Vor dem aufgeſtellten Bauzaun muß von dem
Bürgerſteige ein Theil (zwiſchen Bauzaun und Goſſe), mindeſtens
1 m breit, für die Fußgänger frei bleiben. Tritt der Bauzaun näher
als 1 m an den Rinnſtein (Goſſe), ſo iſt dieſer durch einen ebenen
und ſorgfältig auf gezimmerten Unterlagen feſtgelegten Brettgang,
welcher bis an den Bauzaun reicht, mindeſtens 1 m breit ſein und in
gleicher Höhe mit dem Bürgerſteig liegen muß, abzudecken, ſo daß
gleichſam eine Fortſetzung des letzteren gebildet wird. Dieſer Brettgang
[175]Die Maurergeräthe, Bauzäune und Baugerüſte.
iſt gegen den Fahrdamm durch ein Geländer von 1m Höhe zu ſchützen
und ebenfalls vor Beginn der Arbeiten herzuſtellen. Granitplatten
dürfen in den Fahrdamm, um die Beſchädigung des Dammpflaſters
zu verhüten, nicht eingelaſſen werden.


Wenn die abzuladenden Wagen nicht ſogleich auf die Bauſtelle
ſelbſt fahren können, ſondern außerhalb der Goſſe reſp. der Barriere
des Brettganges ſtehen bleiben, ſo muß, damit die Paſſanten nie ge-
nöthigt werden, um den Wagen herum und über den Straßendamm
zu gehen, ein Schutz gegen herabfallende Materialien vorhanden ſein
und ſomit der Bauzaun noch mit einem mindeſtens 1,3m breiten, nach
Innen geneigten Schutzdach verſehen werden. In Berlin ſchreibt
die Straßenpolizei dann noch vor, daß, wenn der Bauzaun den Rinn-
ſtein überſchreitet, die auf dem Bürgerſteige liegende Granitplatte für
den Verkehr frei gelaſſen werden muß, und zwar wird ein Durch-
gang von wenigſtens 2m Breite, verſehen mit einer aus doppelten
Brettern beſtehenden, in ſenkrechter Richtung 3m vom Bürgerſteige
entfernten Decke, hergeſtellt.


Beim Abbruch von Gebäudetheilen an der Straße muß zum Schutze
des Publikums jederzeit ein Bauzaun aufgeſtellt werden, da eine ein-
fache Abſperrung des Bürgerſteiges oder Aufſtellung von Wachen
nicht geeignet iſt, um Unglücksfälle zu vermeiden.


Selbſtverſtändlich müſſen alle Bauzäune ſo rein ſein, daß die
Vorübergehenden ſich nicht, ohne ihr eigenes Verſchulden, beſchmutzen.
Sofern die Bauſtelle genügenden Raum zur Aufſtellung des etwa
täglich erforderlichen Bau-Materials bietet, beſeitigt man den Bau-
zaun nach Vollendung des Erdgeſchoſſes; der Verkehr auf dem Bürger-
ſteige iſt ſodann durch ein Schutzdach oder einen beſonders feſten
Belag des aufzuſtellenden Gerüſtes zu ſchützen. Wenn die Bauarbeiten
für längere Zeit nach der Rohbau-Abnahme oder beim Beginn des
Winters eingeſtellt werden, ſind die Baugerüſte und Bauzäune zu
beſeitigen und die Bürgerſteige wieder ordnungsgemäß zu renoviren.
Sodann verſchlägt man die von der Straße aus zugänglichen Oeffnungen
des Gebäudes mit Brettern und ſchließt man die Bauſtellen an den
etwa freiliegenden Seiten und Hintergrenzen durch einen etwa 2m
hohen Zaun (berliner Vorſchrift). Nur in nicht regulirten und un-
gepflaſterten Straßen kann der erſte Bauzaun, ſofern er den Verkehr
nicht hemmt, beſtehen bleiben.


[176]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.

In Wien gilt nur eine ſehr kurze Vorſchrift für die Aufſtellung
der Bauzäune (Planken); dieſelbe heißt: „Die Einplankung iſt in
ihren äußerſten Grenzen in der Regel 6 Schuh (2m) von der Bau-
linie feſtzuſetzen. Der Baubehörde bleibt es übrigens vorbehalten,
wenn es die öffentlichen Rückſichten gebieten, von dem Maße abzu-
gehen. Um die allenfalls nöthige Hinterlegung des Baumaterials
außerhalb der Einplankung muß wegen Anweiſung eines Material-
platzes bei der Behörde beſonders nachgeſucht werden.


Das Sandwerfen, Kalklöſchen und Mörtelmachen auf freier Gaſſe
iſt verboten.“


Für alle anderen Kronländer lautet die Vorſchrift ebenſo, nur
daß in Mähren, Lemberg u. ſ. w. von dem Abſtand des Bauzauns
vom Gebäude gar keine Rede iſt und im übrigen die weiteren Vor-
kehrungen dem Ermeſſen der Polizei überlaſſen bleiben.


g.Die Baugerüſte ſollen über einem öffentlichen Wege ſo an-
gebracht werden, daß unter demſelben die Benutzung des Weges durch
das Publikum frei bleibt, weshalb in einer Höhe von 3m vom Erd-
boden ein Schutzdach zur Verhinderung des Herabfallens von Ma-
terialien, Schutt, Flüſſigkeit u. ſ. w. vorhanden ſein muß. Schutzdächer
ordnet man mindeſtens 60zm über die größte Breite des Gerüſtes, ſie
dürfen niemals über den Rinnſtein nach dem Straßendamme hinüber
treten, müſſen von allen freien Seiten mit einer 60zm hohen ge-
ſchloſſenen Brüſtung verſehen und mit 3zm ſtarken Brettern derartig
doppelt abgedeckt ſein, daß die oberſten Bretter die Fugen der unteren
höher bedecken.


Man unterſcheidet verſchiedene Gerüſtarten, nämlich: 1. Ver-
bundene Gerüſte,
2. Stangengerüſte, 3. Leitergerüſte,
4. Bockgerüſte, 5. fliegende Gerüſte, 6. Hängegerüſte.


Verbundene Gerüſte (ſiehe Fig. 167 und Tafel 1) ſind ſolche,
die ganz und gar aus rechtſeitigen, regelrecht bearbeiteten Hölzern
beſtehen; bei der Conſtruktion derſelben gelten die allgemein bekannten
Zimmermannsregeln. Vornehmlich muß man bedacht ſein, daß die
Längen- und Querverſchiebung durch gute Strebenverbindungen ver-
hindert werde. Verbundene Gerüſte wendet man dann an, wenn auf
denſelben die Windevorrichtungen zum Aufziehen der Werkſteine ſtehen
ſollen. Dieſe Gerüſtart kommt daher nur bei Werkſteinbauten vor,
da ihre Herſtellung für gewöhnliche Bauzwecke zu koſtſpielig iſt.


[177]Die Baugerüſte.

Stangengerüſte ſind die gebräuchlichſten und reichen für ge-
wöhnliche Zwecke in den allermeiſten Fällen aus. Unter Stangen-

Figure 185. Fig. 184 AB.


gerüſte verſteht man diejenigen, welche aus unbearbeiteten und mittelſt
Strängen und Draht aneinander befeſtigten Baumſtangen beſtehen
Wanderley, Bauconſtr. II. 12
[178]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
(Fig. 184 AB). Bei ihrer Herſtellung und ihrem Gebrauche ſind
folgende Vorſchriften zu beachten: in der Figur 184 heißt aRüſt-
ſtangen,
bStreichſtangen und cQuerriegel (Netzbäume,
[Netzriegel]). Es müſſen die dazu zu benutzenden Baumſtangen
an ihrem oberen Ende mindeſtens einen Durchmeſſer von 10zm haben
und die Spießbäume oder Rüſtſtangena im Verhältniß zur
Höhe des zu berüſtenden Gebäudes vom oberen Ende nach unten zu
an Stärke zunehmen, mindeſtens 1m tief eingegraben und zur Ver-
hinderung des Einſinkens auf ſtarke, gut unterſtopfte Brettſtücken
geſtellt und mit Erde und Steinen feſt umſtampft werden. Ihre
Entfernung von einander und von dem zu berüſtenden Gebäude darf
nicht über 3m betragen. Soll ein Spießbaum durch Verbindung mit
einem anderen verlängert (d. h. aufgeſetzt, gepfropft) werden, ſo
ſchiebt man die beiden Enden beider Bäume auf eine Länge von
mindeſtens 2m nebeneinander und verbindet man dieſelben durch
Draht oder eiſerne Ziehbänder. Der obere angebundene Spießbaum
muß auf einer Streichſtange b ſtehen und durch ſtarke Knaggen un-
terſtützt oder von Streichſtange zn Streichſtange bis zum Erdboden
auf ein feſtes Unterlager abgeſteift ſein. Die Steifen müſſen ſo ſtark
ſein oder ſo mit dem unteren Spießbaum verbunden werden, daß ſie
ſich nach keiner Seite hin biegen können.


Mindeſtens an jedem Stockwerke des berüſteten Gebäudes, jeden-
falls nicht mehr als 5m von einander entfernt, ſind zwiſchen den
Spießbäumen Längenverbindungen zu bringen. Hierzu dürfen, wenn
ſie nicht unbelaſtet bleiben, angenagelte Bretter, wenn ſie jedoch be-
laſtet werden ſollen, Streichſtangenb, d. h. Baumſtangen von
mindeſtens 10zm Durchmeſſer, benutzt werden, welche man an den
Spießbäumen a a durch Kreuzbänder von Strängen befeſtigt und
gegen den Erdboden, wie oben angegeben wurde, abſteift. Bei
Rüſtungen, die länger als 3 Monate ſtehen, muß jedes dritte Kreuz-
band aus Eiſendraht beſtehen. Falls eine Streichſtange der Länge
nach nicht ausreicht, müſſen die Enden der zuſammengeſtoßenen Streich-
ſtangen 1m über einander weg ragen, ſodann zweimal unter ſich
mit Stangen verbunden und dann an einen Spießbaum a befeſtigt
werden.


Die Netzriegelc c, d. h. die Stangen, welche die Streichſtangen
mit dem Mauerwerk verbinden und auf welche die Gerüſtbretter zu
liegen kommen, dürfen nicht über 2m von einander entfernt ſein, und
[179]Die Baugerüſte.
befeſtigt man ſie ſo, daß ſie ſich weder auf den Streichſtangen noch auf
ihrem Mauerauflager hin und her oder ſeitwärts bewegen können.


Der Gerüſtbelag, d. h. die Gerüſtbretter, welche den Fußboden
der einzelnen Gerüſtlagen bilden, hat mindeſtens eine Stärke von
4zm und liegt ſo auf dem Gerüſte, daß die Bretter nicht aufkippen
oder ausweichen können; desgleichen ſind ſie ſo dicht nebeneinander
zu legen, daß das Herabfallen der Materialien oder Werkzeuge ver-
hindert wird.


Die Diagonalverſtrebungen ſind zur Verhütung der Längen-
und Seitenverſchiebung unerläßlich. Abſteifungen von dem Fahr-
damme aus ſind nur ſo weit zuläſſig, als durch ſie der Straßen-
verkehr nicht gehindert wird.


Die Leitern, behufs Verbindung der Gerüſtetagen, müſſen aus
geſundem, nicht überſpähnigem Holze gearbeitet, mit unbeſchädigten
Sproſſen verſehen und an der Stelle, wo ſie aufſtehen, ſowie an der
oberen, wo ſie anliegen, ſo befeſtigt ſein, daß ſie unten weder ab-
rutſchen, noch oben überſchlagen können. Mittelſt einigen gut befeſtigten
Steifen verhindert man das Biegen der Leitern.


Leitergerüſte werden in Oeſterreich ganz allgemein zu Repa-
raturarbeiten (Renovirung des Putzes u. ſ. w.) an der Façade be-
nutzt. Trotzdem dieſe Gerüſte ſehr bequem und einfach ſind, hat man
ſie bis jetzt in Deutſchland noch nirgends angewendet. Ihre Con-
ſtruktion iſt folgendermaßen: in Oeſterreich wendet man Leitern an,
welche die ganze Gebäudehöhe, alſo häufig 15 — 18m, zur Länge
haben; das Zuſammenbinden mehrerer kleiner Leitern geſchieht ſelten.
Dieſe langen Leiter ſind 58 — 62zm breit, beſtehen aus den Sproſſen
von gewöhnlicher Stärke und aus zwei Seitenbäumen von faſt
quadratiſchem Querſchnitt (mit abgerundeten Kanten) mit 9 — 10zm
Seite. Der Querſchnitt nimmt nach oben hin faſt gar nicht ab. Um
die Leiter aufzuſtellen, wird ſie zuerſt flach auf die Erde dicht neben
das Gebäude gelegt und von hieraus mittelſt Windetau, welches über
eine, an einem aus dem Dachboden ragenden Balken befeſtigte, Rolle
läuft, in die Höhe gezogen. In Entfernungen von 3,75 — 4,5m kommt
je eine Leiter zu ſtehen, und zwar entweder direkt auf das Straßen-
pflaſter oder auf einige breite Holzklötze; oben wird ſie ganz einfach
von einem Balken gehalten. Letzteren ſteckt man dicht über dem
Hauptgeſims durch das Dach etwa 1m weit hinaus. Auf die Sproſſen
legt man die Rüſtbretter b. Fig. 185 zeigt dieſes Verfahren; A iſt
12*
[180]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
der Querſchnitt, B die Längenanſicht. Obgleich die Diagonalver-
ſtrebungen (d) mittelſt Latten ganz zweckmäßig wären, hat der Ver-
faſſer ſolche doch ſelten geſehen, vielmehr begnügen ſich die Maurer,

Figure 186. Fig. 185.


die Verbindung zwiſchen den Leitern an einigen Stellen durch ver-
tikal angenagelte Rüſtbretter herzuſtellen.


Bockgerüſte dienen nur zu Rüſtungen bis zu 5m Höhe und zu
allen Bauausführungen ohne Ausnahme. Die Böcke müſſen durch
Befeſtigung des Belages (Bretter), die Füße der Böcke durch Ver-
ſtrebungen gegen das Verſchieben geſichert und ſo ſtark angefertigt
ſein, daß ſie die jedesmalige Belaſtung ſicher zu tragen vermögen.
Die Entfernung der Böcke, ſowie die Stärke der Bretter iſt ebenſo
wie bei den Stangengerüſten.


Fliegende Gerüſte ſind ſolche, welche an ſtehenden Gebäuden
auf Baumſtangen oder Balken (Netzriegel) ruhen, die aus dem Ge-
bäude vorgeſchoben ſind und nicht durch Steifen vom Erdboden aus
geſtützt werden. Die Netzriegel müſſen gegen Gerüſte, Balkenlagen,
Gewölbe oder andere feſte Gegenſtände im Innern der Gebäude ſo
abgeſteift und von ſolcher Stärke und Tragfähigkeit ſein, daß eine
Bewegung oder Schwankung derſelben nach irgend einer Seite hin
nicht ſtattfinden kann, ſie ſind mit einer, 1,0 Meter hohen Brüſtung
und mit einem Belag zu verſehen. Dieſe Gerüſte dürfen nur zu
[181]Die Baugerüſte.
Reparaturen, zur Reinigung und weniger erheblichen Arbeiten an
Façaden, Dächern und Geſimſen gebraucht und mit Materialien ſoweit
belaſtet werden, als zur Fortſetzung der Arbeit unumgänglich noth-
wendig iſt.


Hängegerüſte. Zu gleichen Zwecken, inſonderheit zum Abputzen
der Häuſer unter denſelben Bedingungen, ſind auch zu benutzen die
beweglichen, aus zuſammengeſtemmten Schwellen und Riegeln mit
feſtem Belag conſtruirten Hängegerüſte, d. h. Fußböden, welche mittelſt
Tauen an Balken (Auslegern) hängen, die aus bereits ſtehenden
Gebäuden vorgeſteckt ſind; der Fußboden kann je nach dem Bedürfniß
höher gezogen und tiefer gelaſſen werden. Die Streckbäume zu dieſen
Gerüſten müſſen mindeſtens 26zm ſtark ſein und höchſtens eine Ent-
fernung von 3,0m von einander haben. Die Riegelhölzer, welche den
Gerüſtbelag tragen, müſſen mit eiſernen Bügeln von 2zm Stärke an den
von den Streckbäumen herunterhängenden Tauen befeſtigt ſein; der Belag
muß aus 4zm ſtarken, genau gefugten Brettern beſtehen. Bezüglich der
erforderlichen Brüſtung, ſowie über die Abſteifung der Streckbäume
gelten die oben für Brüſtung, reſp. Netzriegel, angegebenen Vor-
ſchriften.


E.Die Stärke der Mauern.


1) Allgemeine Betrachtungen.

Bezüglich der Mauerſtärken weichen die Meinungen der Bautech-
niker bedeutend von einander ab; während einige ſchon eine geringe
Stärke für hinreichend erachten und, um möglichſt ökonomiſch zu
bauen, Häuſer mit möglichſt ſchwachen Mauern ausführen wollen, er-
eifern ſich andere für die dicken Wände. Wie in ſo vielen Fällen, liegt
auch bei dieſer Controverſe das Vernünftige in der Mitte beider
Anſchauungen.


In den meiſten Ländern hat die Baupolizei durch etliche Vor-
ſchriften der leichtſinnigen Bauſpeculation und dem Unverſtande einiger
Bautechniker Schranken geſetzt, da es jedoch kaum möglich iſt, für alle
vorkommenden Fälle giltige Normen aufzuſtellen, ſo behält der Tech-
niker noch immer genug freie Hand, um hier und dort nach eigenem
Ermeſſen handeln zu können.


Zwei wichtige Punkte ſind bei Feſtſtellung der Mauerſtärken im
Auge zu behalten:


  • erſtens: Da die fortwährend im Steigen begriffenen Material-
    preiſe und Arbeitslöhne die Herſtellungskoſten des Gebäudes
    [182]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.
    ohnehin beträchtlich vermehren, ſo daß ſchon jetzt die Miethen
    für viele Geſellſchaftsklaſſen faſt unerſchwinglich ſind und viel-
    fach 20 — 25 % des ganzen Einkommens verſchlingen, iſt die
    Wohnungsfrage ein ſehr wichtiger Factor der ſocialen Verhält-
    niſſe geworden und im Intereſſe derſelben haben beſonders die
    Bautechniker die Verpflichtung, mit ihrem Einfluß auf die beſtmög-
    lichſte Löſung der Wohnungsfrage hinzuarbeiten; dies geſchieht
    einestheils auch durch richtige Verwendung der Materialmaſſen.

Da hingegen


  • zweitens die Umfangs- und einige innere Mauern vornehmlich
    die Witterungseinflüſſe von den Wohnräumen fern halten und
    letztere geſund und wohnlich machen ſollen, ſo darf die Wand-
    dicke nicht geringer als ein gewiſſes Minimum ſein, weil ſonſt
    nicht nur die Feuchtigkeit durch die Wand dringen würde, ſon-
    dern auch behufs Erwärmung der Räume ſo viel Brennma-
    terial erforderlich wäre, daß die Ausgaben hierfür ſehr hoch
    ausfallen. Dieſes Minimum beträgt aber 1½ Ziegel.

Weiß ſagt in einem intereſſanten Aufſatze *) recht treffend unge-
fähr Folgendes:


a) Die hin und wieder geäußerte und auf Schätzung oder ober-
flächliche Rechnung geſtützte Anſicht, daß es vortheilhaft ſein würde,
den Umfaſſungen unſerer Wohnungen weſentlich größere Dicke, als
bisher üblich, zu geben, weil dadurch die Heizungskoſten beträchtlich
vermindert werden, iſt unrichtig. Wenn auch die Koſten bei Anwen-
dung ſtarker Mauern geringer ausfallen, ſo wird dieſe Erſparniß
doch durch die Mehrkoſten für die ſtärkere Mauer in dem Maße pa-
ralyſirt, daß es ſogar vortheilhaft erſcheint, die Mauerdicken möglichſt
gering zu nehmen.


b) Bei Anwendung von gewöhnlichen Oefen oder ſonſtigen, billig
zu beſchaffenden Heizapparaten, ſollte die Mauerdicke nicht geringer
als 1 — 1½′ (0,3 — 0,45m), bei Anwendung koſtſpieliger Heizſyſteme,
wie Warmwaſſer- und Dampfheizapparaten, nicht größer als 1½ — 2′
(0,45 — 0,6m) genommen werden.


In den meiſten Fällen wird daher die Anforderung der
Stabilität allein über die zu wählende Dicke der Mauern
[183]Allgemeine Betrachtungen.
entſcheiden, und wird es in der Regel aus ökonomiſchen Rückſichten
nicht vortheilhaft ſein, über die zum Tragen der Laſt erforderliche
Dicke hinauszugehen. Hierzu kommt noch der Umſtand, daß Räume
mit übermäßig ſtarken Mauern, namentlich während der Uebergangs-
periode vom Sommer zum Winter und vom Winter zum Sommer
als Entſtehungsſtätten von Erkältungen anzuſehen ſind und den Voll-
zug der natürlichen Ventilation (Porenventilation) verhindern. Daß
nämlich auch die Poren der Mauern hindurch ein Luftwechſel ſtatt-
findet, beweiſt der von Pettenkofer angeſtellte Verſuch, durch eine
1½′ (0,45m) dicke Mauer ein Licht auszublaſen. Bei ſehr ſchwachen
Mauern kann dagegen die unverhältnißmäßige Abkühlung, welche
durch das Eindringen der kalten Luft von Außen entſteht, durch Be-
kleben der Wände mit Tapeten weſentlich gemildert werden. *)


Sowohl die inneren, als auch die äußeren Wände müſſen den
ſtatiſchen Geſetzen entſprechen; hierbei ſind maßgebend:


  • 1. die Güte und Art des Baumaterials,
  • 2. die Höhe und Anzahl der Stockwerke und
  • 3. die Belaſtung, welche einestheils durch das Eigengewicht der
    Mauermaſſen, anderntheils durch die Balkenlagen (Zwi-
    ſchendecken) und das Dachwerk entſteht.

Die Höhe der Etagen ſchwankt meiſtens zwiſchen 3 — 5m und
ergiebt ſich aus der Benutzungsweiſe der Räume (Etagenhöhe der
bürgerlichen Gebäude beträgt im Lichten 3,25 — 3,75m).


[184]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.

Die Materialien widerſtehen, je nach ihrer Dichtigkeit, verſchiedenen
Preſſungen, ſo z. B. beträgt die zuläſſige Inanſpruchnahme auf Druck
pr. □zm in Kilogramm:


  • Poröſe, leicht gebrannte Mauerziegel   3 — 4 Kilogr.
  • „ hart „ „   7 „
  • gewöhnliche gute „ „   6 „
  • gut gebrannte Thonſteine   10 „
  • in Berlin
    gebräuchlich
    • gute Rathenower Ziegel   14 „
    • Hegerminder Klinker   25 „
    • Rüdesdorfer Kalkſtein   23 „
  • Rother Nebraer Sandſtein   16 „
  • Heller „ „   35 „
  • Rother Sandſtein aus Halle   30 „
  • Seeberger weißer Sandſtein   36 „
  • Sandſtein von Udelfangen bei Trier   55 „
  • Heilbronner Sandſtein   27 „
  • Tufſtein aus dem Brohtthale   6 „
  • Trachit vom Drachenfels   20 „
  • Baſaltlava von Niedermendig   45 „
  • Granit   45 „
  • Marmor   22 — 44 „
  • Baſalt   75 „
  • Cementklotz, 2 Theile Sand, 1 Theil Cement,
    lufttrocken   3 „
  • dito 3 Monate alt   9 „
  • Glas   75 „
  • Nach berliner baupolizeilichen Vorſchriften:
    • Ziegelmauerwerk in Kalk   7 „
    • beſtes Ziegelmauerwerk in Cement   14 „

Hiernach darf der gewöhnliche Ziegel höchſtens mit 6 Kilogramm
p. □zm gedrückt werden; dieſe Inanſpruchnahme entſpricht, wenn das
Gewicht eines Cubikmeters (1 Million Cbzm) Ziegelmauerwerks 1600
Kilogramm beträgt, einer Steinſäule oder „Materialbelaſtungs-
höhe
(h) von:
1600 : 1000000 = 6 : h, oder
,

mit 1 □zm Baſis.


[185]Allgemeine Betrachtungen.

Auf dieſe Weiſe kann man für jedes beliebige Material die zu-
läſſige Belaſtungshöhe für die unterſte Fläche pr. 1 □zm finden.


Praktiſchen Werth hat die Materialbelaſtungshöhe für Thürme, hohe
Schornſteine u. ſ. w.; beiſpielsweiſe habe ein Thurm eine Höhe von 60m,
dann muß bis auf 20m Höhe ein viel härterer Ziegel (mit etwa
9 — 10 Kilogr. Druckfeſtigkeit pr. 1 □zm) verwendet werden, als in
dem oberen Thurmtheile; hierbei wurde aber die Belaſtung der Thurm-
ſpitze (aus Stein oder Holz) noch nicht berückſichtigt.


In den allermeiſten Fällen ſind unſere bürgerlichen Gebäude höch-
ſtens 20m hoch, ſo daß das Material im Fundament nur eine Stein-
laſt von 3 Kilogr. pr. 1 □zm Baſis trägt.


Nach berliner baupolizeilichen Vorſchriften beträgt das Gewicht
eines Quadrat-Meters Balkendecke in Wohnräumen, einſchließlich der
zufälligen Belaſtung, 500 Kilogramm.


Nehmen wir beiſpielsweiſe ein Gebäude an mit 6m tiefem Vorder-
zimmer, ſo beträgt pr. lfd. Meter und bei einem Stockwerk von 4m
Höhe incl. Zwiſchendecke, der Druck der oberſten Balkenlagen
und des Daches
(letzteres gleich dem Gewichte einer Balkenlage
angenommen)
Kilogr.


Dieſe Belaſtung drückt auf eine 1 Ziegel = 25zm breite und 1m
lange Mauer pr. 1 □zm mit
Kilogr.


Da aber das Mauerwerk nicht allenthalben ganz voll, ſondern
mit vielen Oeffnungen verſehen iſt, ſo wird das wirkliche vorhandene
Mauerwerk ſtärker belaſtet; und zwar, bei der Annahme, daß die
Pfeiler zwiſchen den Fenſtern gleich der Fenſterbreite ſind (Fig. 186),
kommt auf pr. □zm die doppelte Belaſtung = 2,4 Kilogr. Die rück-
wirkende Inanſpruchnahme dieſes Mauerwerks geſchieht ſonach mit
einer Materialbelaſtungshöhe von nur 15m, und jedenfalls wird pr.
zm Mauerfläche im Ganzen nicht über 3 Kilogramm belaſtet.


Es folgt hieraus, daß, wenn Mauern nur ein Stockwerk zur Höhe
und blos die Decke nebſt Dach zu tragen haben, eine Mauerſtärke
von 1 Stein (25zm), gut im Kalkmörtel hergeſtellt, ſtets ausreicht
und das Material nur halb ſo viel beanſprucht wird, als polizeilich
geſtattet iſt.


[186]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.

Immerhin würde man der Witterungseinflüſſe (Näſſe, Kälte, Hitze)
wegen, den Umfangsmauern der Wohngebäude jedenfalls eine Stärke

Figure 187. Fig. 186.


von 1½ Ziegel (25zm in Deutſchland, 29zm in Oeſterreich lang)
geben.


Figure 188. Fig. 187.

Verfolgen wir aber den Fall für ein
dreiſtöckiges Gebäude: Jedes Stockwerk
habe 4m Höhe, die Tiefe der Gaſſenzimmer
betrage 6m (Fig. 187). Wir nehmen wieder
an, daß die Fenſterpfeiler gleich den Fenſter-
breiten, und zwar gleich 1m meſſen (alſo
ein ungünſtiges Verhältniß), und daß ſomit
die Materialinanſpruchnahme eine doppelte
iſt, da die Fenſterbögen die, auf ſie ver-
theilte Balkenbelaſtung u. ſ. w. auf die 1m
breiten Pfeiler übertragen. Es würde dann
der Druck der Zwiſchendecken und des Daches,
auf 1m Frontlänge, bezogen ſein:


  • im III. Stock in der Höhe von
    Kilogr.
  • im II. Stock in der Höhe von
    Kilogr.
  • im I. Stock in der Höhe von
    Kilogr.

[187]Allgemeine Betrachtungen.

Das Materialgewicht beträgt pr. □zm Baſis


  • von d bis c = 4m Etagenhöhe = 0,6 Kilogr.,
  • von d bis b = 8m „ = 1,3 „
  • von d bis a = 12m „ = 1,9 „

Somit muß die theoretiſche Mauerdicke bei 100zm Mauerlänge min-
deſtens ſein, wenn pr. □zm nur mit 6 Kilogr. gedrückt werden ſoll:


  • im III. Stock = — 5,5zm,
  • im II. Stock = = 9,6zm,
  • im I. Stock = — 14,7zm.

Da jedoch die Mauer nicht voll, ſondern mit Oeffnungen, und
zwar im Verhältniß von 1 : 1, verſehen iſt, muß die Dicke verdoppelt
werden und zwar


  • im III. Stock auf 2 . 5,5 = rund 11zm,
  • II. „ „ 2 . 9,6 = „ 20zm,
  • I. „ „ 2 . 14,7 = „ 30zm.

Obgleich dieſe, auf die Druckfeſtigkeit berechneten, Dimenſionen
theoretiſch wohl richiig erſcheinen, ſind ſie in der Praxis doch nicht
zuläſſig, weil man einerſeits die Maurerarbeiten von mittlerer
Qualität zu Grunde legen muß, andererſeits das dünne Mauerwerk,
wenn auch nicht zerdrückt, ſo doch zerknickt werden würde. Aus dieſem
Grunde verdoppelt man die theoretiſch berechneten Stärken und be-
trägt die Mauerſtärke der 3,5m im Lichten hohen Etagen:


  • im III. Geſchoß mindeſtens 25 — 38zm oder 1 — 1½ Ziegel,
  • II. „ „ 38 — 53zm „ 1½ — 2 „
  • I. „ „ 53 — 68zm „ 2 — 2½ „

Die weiter unten mitgetheilten polizeilichen Vorſchriften ſchreiben
vor, für die Außenmauer des oberen Geſchoſſes eine Stärke von
1½ Stein und für alle darunter liegende Geſchoſſe ½ Ziegel mehr,
oder, wenn die Räume nicht groß ſind (kleine Zimmer), für je zwei
untere Geſchoſſe ½ Ziegel mehr.


Falls die Gebäude nicht aus Ziegeln, ſondern von anderen Ma-
terialien erbaut werden, verhalten ſich die Stärken untereinander:

[188]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.

Die Stärke ſoll im Minimum ſein bei


  • ad a wenn die Arbeit ſehr ſorgfältig = 20zm,
  • ad c desgl. mindeſtens = 45zm,
  • ad d  = 65zm.

2) Allgemeine Regeln

a)nach Rondelet in Werthen, welche die Grenzen angeben, bis
zu welchen man gehen darf.


Es bedeutet in Folgendem:


  • s die Mauerſtärke in Metern,
  • l die freie Mauerlänge in Metern,
  • h die Mauerhöhe in Metern,
  • n einen aliquoten Theil = , deſſen Größe ſiehe unter n.

α) Freiſtehende Mauern. Mauern, welche an ihren Enden
ohne Unterſtützung ſind:


  • für ſtarke Mauern s = ⅛ h, hier alſo n = 8,
  • für mittelſtarke „ s = 1/10 h, „ „ n = 10,
  • für ſchwache „ s = 1/12 h, „ „ n = 12.

β) Umfangsmauern. Mauern, die an den Enden durch Quer-
mauern geſtützt werden:
Unbelaſtete Mauern:


Erſtens: Bei geradlinigen Mauern. (Fig. 188.)
Man mache die Länge der Mauer l = ef,
„ ziehe die Höhe „ „ h = a ee f, theile a e in 8,10 oder

Figure 189. Fig. 188.


12 Theile, je nachdem man ſtarke, mittel-
ſtarke oder ſchwache Mauern haben will,
trage auf a f einen ſolchen Theil (hier
ac = a b = n = ⅛ h) ab, ziehe durch
c, c da e, ſo iſt e d die verlangte Stärke
s oder es iſt:
wo n = 8, 10 oder 12 bedeutet.


Zweitens: Bei kreisrunden Mauern iſt e f = l = 1/12 der
Peripherie oder ¼ des Durchmeſſers (D) zu ſetzen und die Conſtruk-
tion wie in Fig. 188 auszuführen, oder es iſt:
wo n wiederum = 8,10 oder 12 gilt.


[189]Allgemeine Regeln.

Belaſtete Mauern:


  • Erſtens: Mauern zu Gebäuden, die nur 1 Geſchoß hoch ſind:
    Sind die Mauern in ihrer Höhe nicht unterſtützt, jedoch
    von Balken belaſtet, die eine Verankerung bilden, ſo iſt
    für l die lichte Gebäudetiefe t zu ſetzen, oder:
    .
    Sind die Mauern in irgend einer Höhe unterſtützt, ſo daß
    die darüberliegende Höhe h1 iſt, ſo:
    .

Zweitens: Mauern zu Gebäuden, welche mehrere Geſchoſſe hoch
ſind. Iſt t die lichte Gebäudetiefe, h die Höhe des oberſten Geſchoſſes
bis unter das Dach, ſo iſt:


  • wenn das Gebäude nur ein Zimmer in der Tiefe hat,
    ,
  • wenn das Gebäude zwei Zimmer in der Tiefe hat,
    ,

unter s1 iſt die Mauerſtärke des oberen Geſchoſſes verſtanden.


γ) Trennende Mauern, d. h. Mittelmauern, welche das Ge-
bälk tragen:
.


Beiſpiel: Das Gebäude habe drei Geſchoſſe von je 4m (incl.
Zwiſchendecke) zur Höhe; es liegen zwei Zimmer hintereinander von
je 6m Tiefe nebeneinander, ſomit:
.


b)Nach Redtenbacher wird die Mauerdicke der Wohn- und
Fabriksgebäude beſtimmt, wenn


  • t die Tiefe des Gebäudes in verticaler Richtung zur Gebäude-
    mitte gemeſſen,
  • h1, h2, h3 u. ſ. w. die Höhen der Stockwerke in der Reihen-
    folge von oben nach unten gezählt, und
  • s1, s2, s3 die Mauerſtärken der einzelnen Stockwerke be-
    deuten:
    [190]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.
    u. ſ. w.

Nach dieſen Formeln wurde die nachſtehende Tabelle berechnet:


Wenn jedes Stockwerk 4m hoch gemacht wird, ſo geben obige
Formeln folgende Mauerſtärken in Metern:

c)Praktiſche Erfahrungsſätze zur Beſtimmung der
Mauerſtärken.
Die Umfangsmauern werden bei maſſiven Ge-
bäuden, wenn dieſelben nur 1 Stockwerk und nur 3,5m hoch ſind,
und keine großen Räume umſchließen, d. h. die Mauer nicht über
5,5m frei iſt, 1 Stein ſtark gemacht. Um die Kälte abzuhalten, macht
man ſie aber bei Wohngebäuden 1½ Stein und für Bruchſtein
mindeſtens 45zm dick. Iſt das obere Geſchoß nicht über 4,4m hoch
und ſind die Räume nicht über 6m tief, und ſo viel Scheidemauern
vorhanden, daß die Frontmauern nicht über 9,5m freiſtehen, ſo genügt
bei gewöhnlicher Verankerung der Balkenlage eine Stärke von 1½
Stein unter allen Umſtänden. Die Drempelwand hat meiſtens
1 Ziegel zur Stärke, ſie wird öfters aber auch, wenn ſie die Mauer-
bank tragen und ſomit die hölzernen Knieſtockwände beim Dachgeſpärre
fortbleiben, entweder in 2m Entfernung mit ½ Stein dicken Mauer-
vorlagen verſehen, oder ganz und gar 1½ Stein dick. Letzteres geſchieht
beſonders dann, wenn die Geſimſe weit ausladen und von Sandſtein
[191]Allgemeine Regeln.
hergeſtellt werden. Für kleine Wohnungen auf dem Lande genügen
1 Stein dicke Außenwände.


Bei mehreren Stockwerken wird die Umfangsmauer einer jeden
tieferen Etage bei Ziegeln ½ Stein und bei Bruchſtein 12,5zm ſtärker
gemacht, als die darüber befindliche. Falls die Räume aber nicht
über 4m hoch, 5m tief und die Frontmauern nicht mehr als 7,5m frei
ſtehen, ſo bekommen immer zwei aufeinander folgende Etagen die
gleiche Mauerſtärke, etwa im IV. und III. Stock 1½ Ziegel, im II.
und I. Stockwerk 2 Ziegel.


Daſſelbe gilt auch ſelbſt bei größeren Zimmertiefen und Breiten,
wenn die Wände durch Balken nicht belaſtet ſind.


Treppenhausmauern richten ſich bezüglich ihrer Stärke nach
der Größe und Breite der Treppenhäuſer. Bei gewöhnlichen zwei-
armigen Treppen, deren Podeſte an der Außenmauer liegen, erhält
die Außenmauer in den beiden oberen Geſchoſſen 1½ Stein, in den
unteren 2 Steine zur Stärke und ordnet man den Mauerabſatz unter
dem Podeſt an.


Die beiden Langmauern werden eben ſo ſtark, wenn ſie belaſtet
ſind, und befinden ſich die Abſätze nach der Seite der Wohnräume
unter den Balkenlagen.


Vielfach werden alle inneren Umgrenzungsmauern des Treppen-
hauſes in der ganzen Höhe gleich ſtark gemacht, und zwar bei ſolider
Verankerung und Mauerung mit Cementmörtel 1 Stein, beſſer
1½ Stein.


Die gleiche Stärke erhalten ſolche Treppenhausmauern, die eine
dreiarmige Treppe, welche ganz innerhalb des Hauſes liegt, umſchließen
und keine Balken tragen. Ruhen Balken auf ihnen, ſo beginnt man
oben in zwei Geſchoſſen mit 1½ Ziegel und legt man dann bei den beiden
folgenden Geſchoſſen ½ Ziegel hinzu. Falls die dreiarmige Treppe
oder eine gewundene zweiarmige Treppe an eine Außenmauer ſtoßen,
und ſomit der Mauerabſatz unter einem Podeſte nicht verſteckt werden
kann, muß die ganze Treppenhausmauer in gleicher Stärke von unten
bis oben hin reichen. Die Mauerdicke wird dann ½ Ziegel ſchwächer
gemacht, als die mittlere Steindicke einer etagenartig abgeſetzten Mauer.
Bei maſſiven Treppen, deren Sandſteinſtufen im Mauerwerk ſtecken
und ſich freiſchwebend halten, ſind ſtets in den oberen Geſchoſſen
1½ Stein, in den unteren 2 Stein ſtarke, in Cementmörtel herzu-
ſtellende Mauern erforderlich.


[192]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.

Hohe Wände mit Pultdächern, welche frei ſtehen, müſſen
bei Stuhlwänden 1 Stein ſtark, fehlen letztere, ſo daß die Wand
ganz maſſiv
iſt, durchweg 1½ — 2 Stein ſtark ſein. Nichtfrei-
ſtehende
Pultdächer werden wie Grenzgiebel betrachtet.


Die Seiten- oder Giebelmauern kann man, da ſie keine Be-
laſtung durch die Balkenlagen ꝛc. erhalten, ½ Stein ſchwächer anlegen,
als die Frontmauern; auch können mehrere Etagen gleiche Stärke
bekommen. Im Dachboden ordnet man meiſtens 1½ Stein ſtarke
Giebelmauern an; bei großer Länge werden ſie mit Vorlagen ver-
ſtärkt; falls die Geſimſe aber weit ausladen, haben die Giebelwände
im Dachboden dieſelbe Stärke, wie die Seiten-Drempelwände.


Unter 1 Stein nimmt man freiſtehende Giebel, der durchſchla-
genden Feuchtigkeit wegen, nie an.


Giebelmauern, welche Walme tragen, ſind wie Frontmauern
zu behandeln.


Gemeinſchaftliche Giebelmauern (ſolche, welche bei zwei anein-
ander ſtehenden Gebäuden die Scheidewand bilden) erhalten 1 Stein
zur Stärke.


Scheidemauern bekommen, falls ſie unbelaſtet bleiben, durch
mehrere Stockwerke nur 1 Stein zur Stärke; nur bei hohen Sälen,
Treppenhäuſern ꝛc. iſt eine entſprechende größere Stärke nöthig.


Häufig erſetzt man die maſſiven Scheidemauern durch eine Fach-
werkswand. In Berlin erhalten die Scheidemauern, wenn ſie nicht
über 6m lang ſind und mit guten Ziegeln in verlängertem Cement-
mörtel bei guter Verankerung ausgeführt werden, bei 3 Stockwerk
hohen Gebäuden in ſämmtlichen Stockwerken eine Stärke von ½ Stein.
Für die Thüröffnungen, welche man gewöhnlich übereinander anlegt,
fügt man je zwei Stiele ein, die von Geſchoß zu Geſchoß reichen
(Hirnholz auf Hirnholz) und von den Balken der Geſchoſſe zangen-
artig umfaßt und gehalten werden.


Auch den Mittelwänden muß man eine hinreichende Stärke
geben, da auf ihnen die ſämmtlichen Balken ruhen; beſonders eignet
ſich die Mittelwand vermöge ihrer Stärke zur Aufnahme von Schorn-
ſtein- und Ventilationsröhren. Beim Vorhandenſein einer Mittel-
wand erhält letztere dieſelbe Stärke wie die Umfangsmauer; die ge-
ringſte Stärke iſt im Erdgeſchoß ½ Stein ſchwächer, als die der
Umfangsmauer. Sind zwei Mittelmauern vorhanden, ſo kann eine
jede derſelben durch alle Stockwerke 1½ Stein zur Stärke erhalten;
[193]Allgemeine Regeln.
befindet ſich eine Mittelmauer in der Mitte des Gebäudes, die andere
aber ſo, daß die Entfernung von der nächſten Umfaſſungsmauer nicht
mehr als 4,7m beträgt ſo kann die Stärke der mittelſten Mittel-
mauer nur 1½ Stein, die der anderen 1 Stein betragen.


Die Brandmauern, welche Feuerungen einſchließen, werden
1½ Ziegel ſtark gemacht.


Freiſtehenden Mauern giebt man mindeſtens 1/12, beſſer 1/10
(bei Ziegeln), ⅛ der Höhe (bei Bruchſteinmauerwerk) zur Stärke.
Für ſehr lange Mauern iſt der Winddruck zu berückſichtigen. Bei
Pfeiler-Mauern, von etwa 3m Höhe und 4 — 5m Abſtand der Pfeiler,
genügt, bei der Pfeilerſtärke von 2 Stein, eine 1 Stein ſtarke Füllung.


Die Thurmmauern; zur Beſtimmung ihrer Stärken theilt man
ſie in Etagen von 6 — 10m Höhe ein; hiervon erhält dann die oberſte
Etage 2½ — 3 Stein zur Stärke und jedes tieferliegende Geſchoß
½ Ziegel mehr. Beiſpielsweiſe ſei erwähnt, daß bei der Thomas-
Kirche in Berlin (vom Baurath Adler ausgeführt) die 41m hohen
Thürme unten dicht über dem Terrain 1,31m dick gemacht wurden;
die Thürme haben aber keine Pyramidenhaube.


Für die Stabilität der Mauern iſt die häufige und gegenſeitige
Verankerung an den durchgehenden Deckenbalken von größter Wichtig-
keit; die Verankerung geſchieht mindeſtens bei jedem dritten oder vierten
Tram, d. h. in Entfernungen von 3,0 — 4,5m.


Im Nachſtehenden geben wir eine Tabelle für die Mauerſtärken,
in welcher die vorſtehenden Angaben zum Ausdruck gelangt ſind:
(große [Räume] nennen wir ſolche über 3,5 — 4,25m Höhe, 6m Tiefe und 8m Breite,
kleine Räume ſolche unter 6m Tiefe, 7m Breite und 3,5m Höhe.)


Wanderley, Bauconſtr. II. 13
[194]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.

d)Plinthen- und Fundamentmauern. Diejenige Mauer,
welche von der Terrainoberfläche bis zu dem Parterrefußboden reicht,
heißt Plinthen- oder Sockel- (auch Zockel-) Mauer.


Ganz allgemein erhält dieſe ½ Ziegel mehr zur Stärke, als die
Parterremauer, und zwar einestheils um die allmählige Verbreitung
des Mauerwerks nach unten hin vorzubereiten, behufs beſſerer Ver-
theilung des Mauerdrucks auf das Fundament, anderntheils um ſo-
wohl die Feuchtigkeit der Erde, als auch das Spritzwaſſer von dem
Innern des Kellers fernzuhalten.


Die Höhe der Plinthe, d. h. der Abſtand vom Terrain bis zum
Parterrefußboden, ſchwankt, je nach der Benutzungsweiſe des Kellers
[195]Stärke der Plinthen- und Fundamentmauern.
und der Bedeutung des Gebäudes zwiſchen 0,5—1,5m (in Fig. 83
in dieſem Bande ſehen wir beiſpielsweiſe 1,25m).


Falls das Gebäude keinen Keller erhält, wird das Plinthenmauer-
werk (p in Fig. 189 A) ½ Ziegel (oder 12—15zm bei Bruchſteinen) ſtärker
als a, und macht man das in dem Erdboden ſteckende Mauerwerk
(f in Fig. 189 A), das ſogenannte Fundamentmauerwerk, aber-

Figure 190. Fig. 189 A—D.


mals ½ Ziegel reſp. 12—15zm breiter. Beſitzt das Fundamentmauer-
werk bereits eine ſolche Breite, daß es das Gewicht der geſammten
Umfangsmauer incl. Extrabelaſtung u. ſ. w. auf den gewachſenen
Erdboden übertragen kann, ohne dieſen pr. □m mit mehr als mit
25—30000 Kilogr. zu drücken, dann iſt ein weiterer Abſatz über-
flüſſig und mauert man das Fundament f wie in Fig. 189 C ange-
geben. Im anderen Falle erhält das Fundament entweder ein Banket b
(Fig. 189 A, B und D), welches ſich ebenfalls um ½ Ziegel reſp.
13*
[196]Erſtes Kapitel. Das Mauern mit Ziegeln.
15zm ausbreitet, oder es wird auch noch jedesmal ½ Ziegel (15zm bei
Bruchſtein) abgeſetzt — „abgetreppt“ —, wie Fig. 189 A und D zeigen.
Jede Abtreppung mißt in der Höhe 0,3—0,5m. Das Banket b macht
man 0,2—0,3m hoch und etwa 12—20zm im Ganzen breiter, als das
untere Fundament.


In den meiſten Fällen ſtellt man die Plinthe, noch häufiger auch
das Fundament und Banket, von Bruchſteinen her.


Daß auf jedem Plinthenmauerwerk eine Iſolirſchicht
liegen muß, haben wir bereits bei den Riegelwänden
geſagt
(ſiehe Seite 111 im 1. Bande dieſes Werkes).


Wenn ein Kellergeſchoß (welches meiſtens 2,5—3m zur Höhe hat)
angelegt werden ſoll, iſt eine Abtreppung innerhalb des Mauerwerks
nicht geſtattet, ſondern die Plinthe und das Fundament gehen in
gleicher Stärke (was meiſtens ſtattfindet) vertikal hinab (Fig. 190 A, B),
oder die Abtreppung geſchieht nach Außen (Fig. 190 C). Die Ab-

Figure 191. Fig. 190 A—C.


treppung macht man beſonders dann, wenn es auf eine Verbreitung
der Banketſohle ankommt.


In Oeſterreich, wo die Etagenmauern ohnehin ſchon, zufolge der
polizeilichen Vorſchriften, bedeutende Stärken beſitzen, hat auch die
Fundamentmauer eine ſolche Breite, daß eine beſondere Verbrei-
tung behufs Vertheilung der Laſt auf das Erdreich gar nicht er for-
derlich iſt; in der Regel bleibt das Banket ebenfalls weg, und ſieht
der Querſchnitt einer Fundamentmauer wie Fig. 190 B aus, alſo
[197]Stärke der Plinthen- und Fundamentmauern.
f = p + ½ Stein, vielfach auch nur f = p. Das Fundament
der Außenwände beſteht dann aus zwei bis vier Ziegelſchaaren und
0,5m hohem Bruchſteingemäuer, welche beide miteinander abwechſeln.


Die Mittel- und Scheidewände werden
im Kellergeſchoß gleichfalls ½ Ziegel ſtark
gemacht, und erhalten Banketverbreitungen.


Von großer Wichtigkeit iſt es, daß alle
Mauern auf dem gewachſenen Boden ſtehen,
weshalb die Humuserde abgetragen werden
muß, ehe der Maurer mit den Banket- reſp.
Fundamentmauern beginnt. Auch ſoll die Fun-
damentſohle, um gegen Froſt geſchützt zu ſein,
mindeſtens 0,8m, beſſer 1m im Erdboden ſtecken.


Wie bereits erwähnt, darf der gewachſene
(guter) Erdboden mit höchſtens 30000 Kilogr.
belaſtet werden; unterſuchen wir nun, wie groß
hiernach die Fundamentbaſis eines vierge-
ſchoſſigen Gebäudes ſein muß. Nach Fig. 191
hat jedes Geſchoß 4m Höhe, das Kellergeſchoß
3,5m. Die Mauer beginnt oben mit 1½
Ziegeln und endet unten mit 3½ Ziegeln nach
deutſchem Normalformat (25zm). Die Fenſter-
öffnungen laſſen wir unbeachtet. Sonach ent-
hält (1 Cbm Ziegelmauer = 400 Ziegel) die
Mauer an Steinen pr. lfd. Meter Front:


  • im IV. Geſchoß 150 . 4 . 1 = 600 Stück,
  • III. „ 200 . 4 . 1 = 800 „
  • II. „ 250 . 4 . 1 = 1000 „
  • I. „ 300 . 4 . 1 = 1200 „
  • „ Kellergeſchoß 350 . 4 . 1 = 1400 „
  • zuſammen 5000 Stück.

Figure 192. Fig. 191.

  • Da 400 Stück auf 1 Cbm gehen und dieſes 1600 Kilogr.
    wiegt, beträgt ſomit Geſammtgewicht der Ziegel = 20000 Kilogr.
  • Gewicht der Zwiſchendecken und des Daches: Ange-
    nommen das Gewicht des Daches ſei gleich den der
    Zwiſchendecke, und letztere wiege pr. □m 500 Kilogr.
    (baupolizeilich zuläſſiges Gewicht in Berlin),
    und die Zimmertiefe meſſe 6m, demnach Extra-
    belaſtung: 5 . 500 . 1 . 3   = 7500 „

[198]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.
  • Obgleich in unſerm Beiſpiel ein preußiſches Kappen-
    gewölbe gezeichnet iſt, welches auf die Außen-
    wände gar nicht drückt, ſetzen wir doch einen
    Gewölbedruck (pr. lfd. Gebäudefront) mit . . 3000 Kilogr.
    an, folglich beträgt

Geſammtdruck der Fundamentſohle auf das Erdreich:
20000 + 7500 + 3000 = 30500 Kilogr.


Hieraus geht hervor, daß, um den Geſammtdruck auf das gewach-
ſene tragfähige Erdreich ſicher übertragen zu können, in dieſem Falle
die Fundamentſohle 1m breit ſein muß, und daß die Verbreitung
ohne Schwierigkeit mit ½ Ziegel geſchehen kann, da die untere Fun-
damentbreite bereits 3½ Ziegel beträgt. Auf ähnliche Weiſe wird
die Banketbreite der anderen Mittel- und Scheidewände beſtimmt.


Falls der Boden die nöthige Tragfähigkeit nicht beſitzt, ermittelt
man zunächſt mittelſt Probelaſtung die zuläſſige Belaſtung pr. □m
und wählt dann eine der im 3. Bande dieſes Werkes, Abſchnitt: „Fun-
dirungen“ beſchriebenen Fundirungsmethoden.


Bevor wir dieſen Gegenſtand verlaſſen, ſollen noch


e)die verſchiedenen baupolizeilichen Vorſchriften über
die Mauerſtärken
mitgetheilt werden:


A.Oeſterreich.

Bauordnung für Böhmen:

§. 58. Bei jedem neuen Wohngebäude iſt die Mauerſtärke vorzugsweiſe zu
beachten. Da aber die Beſtimmung derſelben von der Höhe der Stockwerke, den
Dimenſionen und Conſtruktionen der Gewölbungen und der Decken, der Tiefe der
Tracte, der Breite des Gebäudes und anderen Verhältniſſen abhängig iſt, ſo werden
mit Beachtung der bisherigen Gepflogenheit hierüber nur die nachfolgenden allge-
meinen Vorſchriften feſtgeſetzt:


a) Wenn in dem oberſten Stockwerke die Zimmertiefe 6m*) nicht überſchreitet,
ſo müſſen in dieſem Stockwerke die Hauptmauern aus Stein 0,61m und aus Zie-
geln, welche die bisher vorgeſchriebenen Dimenſionen haben, 1½ Ziegel ſtark ſein.


Falls die Zimmertiefe in dem gedachten Stockwerke überſchreitet, ſo muß die
Dicke der Steinmauern 0,68m, die Dicke der Ziegelmauern aber 2 Ziegel betragen.


b) Mit jedem Stockwerke nach abwärts müſſen die Hauptmauern um min-
deſtens ¼ Ziegel verſtärkt werden, und ſind in den Fundamenten um volle 16zm
ſtärker zu halten als im Erdgeſchoſſe.


Bei Anwendung der [Dippelboden] muß die Verſtärkung der Hauptmauern bei
jedem Geſchoſſe nach abwärts ebenfalls 16zm betragen.


[199]Bauordnung für Oeſterreich.

c) Die nach der Ausdehnung und Structur des Baues erforderliche Mauer-
ſtärke iſt in den Bauentwürfen in Antrag zu bringen und bei dem amtlichen Ban-
augenſcheine ſtreng zu prüfen.


Namentlich hat die Behörde über die Abweichungen von den für die Mauer-
ſtärke beſtimmten Normalmaßen (a und b) dann zu entſcheiden, wenn entweder
andere als die bisher üblichen Conſtruktionen oder auch Ziegel von kleineren als den
bisher vorgeſchriebenen Dimenſionen in Anwendung kommen ſollen.


d) Zwiſchenpfeiler, welche, falls ſie aus Ziegel-Mauerwerk beſtänden, die nöthige
Widerſtandsfähigkeit nicht beſäßen, müſſen von Quaderſteinen oder aus Eiſen her-
geſtellt werden, und ſind im Bauplane erſichtlich zu machen.


e) Die zur Anlage der Gebäude ausgehobenen Gründe haben die Bauführer
ſorgfältig zu prüfen und nach den örtlichen Verhältniſſen die Fundamente ſicher
anzulegen.


Grundröſte und Verbürſtungen dürfen nur dann angewendet werden, wenn ſie
ſtets unter Waſſer bleiben, daher ſie auch immer unter das Niveau des kleinſten
Waſſerſtandes gelegt werden müſſen.


Ufermauern, oder die Grundmauerwerke bei Mühlen, Fabriken und andern
Gebäuden, deren Fuß von fließendem Waſſer beſpült wird, müſſen zur Verhütung
der Unterwühlung an der Waſſerſeite mit einer Bürſtenwand verſichert, wenigſtens
bis über den höchſten Waſſerſtand aus Quadern oder behauenen Steinen mit hydrau-
liſchem Kalke oder einem anderen gleich brauchbaren Bindungsmittel ausgeführt
werden.


f) Die Mittelmauern haben eine ſolche Stärke zu erhalten, daß, unbeanſtandet
ihrer Stabilität, der im § 40 für die Herſtellung der Rauchfänge enthaltenen allge-
meinen Anordnung, wonach wenigſtens 16zm von der Lichte jedes Rauchſchlottes
alles Holzwerk entfernt gehalten werden muß, vollkommen Genüge geleiſtet werde.


§ 59. Wo die Aufführung von vollem Mauerwerke Schwierigkeiten unterliegt,
kann zur Abtheilung einzelner Localitäten in den Stockwerken zwiſchen je zwei
feuerfeſten Abtheilungswänden die Errichtung einer Scheidewand, welche theilweiſe
aus Holz beſteht, jedoch von beiden Seiten mit einem vollen Mörtelverputze ver-
ſehen ſein muß, dann bewilligt werden, wenn in der Nähe keine Feuerung ange-
bracht wird (Vorſchriften über Riegelwände ſiehe 1. Band d. Werkes Seite 145).


Bauordnung für Czernowitz lautet:

§ 35. Bei dem Baue von Häuſern muß die Dicke der Hauptmauern den Ver-
hältniſſen des Bauobjectes angemeſſen ſein; das Grundmauerwerk iſt aber um 16zm
ſtärker zu halten und ſoll jedenfalls wenigſtens 1m tief unter den Erdhorizont
reichen.


§ 36. Mittel- und Zwiſchenmauern dürfen weder ganz noch zum Theile auf
Dippelböden aufgeſtellt werden.


Abtheilungswände aus Holz ſind nur zwiſchen zwei feuerfeſten Abth eilung-
wänden geſtattet, wenn ſie nicht in der Nähe von Feuerſtellen gelegen ſind.


[200]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.
Bauordnung für Lemberg (Galizien) beſtimmt:

§ 18. a) Alle Wände eines neu zu erbauenden Hauſes müſſen aus hartem
Materiale hergeſtellt werden; die Aufführung von Fach-, Riegel- oder Holzwänden
iſt in der Regel nicht geſtattet. — Sollte bei ſchon beſtehenden Gebäuden die Auf-
führung einer ſolchen Wand zum Behufe einer Umſtaltung nothwendig werden, ſo
iſt ſpeciell hierzu die Bewilligung anzuſuchen.


b) Die Fundamentmauern müſſen auf gutem Grunde, oder wenn derſelbe in
entſprechender Tiefe nicht erreicht werden kann, auf Röſten angelegt und ihrer
ganzen Ausdehnung nach ohne Zwiſchenräume oder Unterbrechungen (Pfeilerfundirung)
hergeſtellt und beiderſeits wenigſtens um 8zm ſtärker gehalten werden, als die eben-
erdigen Mauern.


c) Die Hauptmauern der Wohngebäude müſſen im oberſten Stockwerke wenig-
ſtens 0,45m dick ſein, und ſind in jedem Stockwerke nach abwärts um je 15zm
zu verſtärken.


d) Wenn Pfeiler an den Hauptmauern in einer geringeren Breite als von 0,9m
vorkommen, dann ſind dieſelben aus Stein herzuſtellen.


e) Zwiſchen je zwei Häuſern ſind ſogenannte Brand- oder Feuermauern aus-
zuführen. Dieſe müſſen eine Dicke von wenigſtens 30zm und nach Bedarf Ver-
ſtärkungspfeiler erhalten und 30zm über die Dachreſche und den Dachfirſt hinaus-
ragen. — Bei ſehr langen Gebäuden ſind auch die Mittelmauern als Feuermauern
in der Art aufzuführen, daß der Zwiſchenraum zwiſchen je zweien derſelben höch-
ſtens 10—15 Klafter betrage.


Es verſteht ſich übrigens von ſelbſt, daß in den Feuermauern keine wie immer
Namen habende Oeffnungen beſtehen dürfen.


§ 19. Die Außenwände der Häuſer ſind in der Regel mit Mörtel zu verputzen;
die Tüngung mit einer Kalkweiße oder mit grellen Farben iſt nicht geſtattet.


Die Bauordnung für Kärnthen lautet:

§ 43. Jedes Haus muß ſeine eigenen ſelbſtändigen hinreichend ſtarken Umfang-
mauern beſitzen. Die Beſtimmung der erforderlichen Mauerſtärke iſt von verſchie-
denen Umſtänden, als: von der Höhe der Stockwerke, von der Tiefe des Gebäudes,
von der Größe der Räume, ferner von den vorkommenden Gewölbungen von der
ſonſtigen beſonderen Belaſtung der Gebäude abhängig, weßhalb die anzuwendende
Dicke der Mauern der Beſtimmung des Bau- oder Maurermeiſters und dem Er-
meſſen der Baucommiſſion vorbehalten bleiben muß, und hier nur die Beſtimmung
für die Mauerdicke bei gewöhnlichen Wohngebäuden vorgezeichnet werden kann,
und zwar:


Die Hauptmauern eines ebenerdigen Gebäudes oder des oberſten Geſchoſſes
eines mehrſtöckigen Hauſes mit einer Tract- oder Zimmertiefe von 6m und darunter
erhalten eine Dicke von wenigſtens ½ Ziegel, falls aber die Zimmertiefe in dieſem
Stockwerke 6m überſchreitet, eine Dicke von 2 Ziegel.


Hauptmauern, aus Bruchſteinen oder aus Bruchſteinen mit Ziegeln gemiſcht,
müſſen jedoch um 16zm ſtärker und dürfen niemals unter 2 Ziegel dick ſein.


[201]Bauordnung für Oeſterreich.

Bei Anwendung von Dippelböden muß die Hauptmauer mit jedem Geſchoſſe
abwärts die Stärke der Hauptmauern um 8zm zunehmen, im Fundamente aber
jedenfalls um 16zm ſtärker gehalten werden, als im Erdgeſchoſſe.


Nachdem übrigens durch die Beſchaffenheit der Bauten, der gewählten Decken-
conſtruktionen, durch die Anwendung von Gewölben oder beſonderen Materialien
rückſichtlich der Mauerverſtärkungen nach unten Ausnahmen eintreten können, ſo
ſteht der betreffenden Behörde in ſolchen ſpeciellen Fällen die Entſcheidung über
deren Geſtattung zu.


Mittelmauern, die zwiſchen zwei Gebäudetracten zur Auflage der beiderſeitigen
Zimmerdecken beſtimmt ſind, erhalten im oberſten Geſchoſſe, wenn ſie von Ziegeln
hergeſtellt werden, dort wo nicht darin enthaltene Rauchfänge eine größere Stärke
erfordern, eine Dicke von 1 Ziegel, wenn ſie aber von Stein oder gemiſchtem Mauer-
werke hergeſtellt werden, eine Dicke von 1½ Ziegel, und in jedem Stockwerke ab-
wärts eine Verſtärkung von 16zm, indem die beiderſeitige 16zm Deckenauflage durch
den Abſatz des Mauerkörpers und durch die Verſetzung der Hohlkehle gewonnen wird.


Stirnmauern an den beiden ſchmalen äußeren Seiten der Gebäude, worauf
die Feuermauer des Daches aufzuführen kommt, erhalten im oberſten Stockwerke
die Stärke von 1½ Ziegel, und nach abwärts von 2 Ziegel. In der Regel ſoll
jedes Haus ſeine eigene Stirnmauer erhalten; treten jedoch Umſtände ein, welche
die Herſtellung einer gemeinſchaftlichen Mauer erfordern, und erklären die Nach-
barn in einer zur grundbücherlichen Einverleibung auf ihren Häuſern geeigneten
Urkunde ihr Einverſtändniß über die gemeinſchaftliche Benutzung, ſo hat die gemein-
ſchaftliche Mauer im oberſten Geſchoſſe die gleiche Dicke zu erhalten, und iſt, wenn
dieſelbe etwa gleichzeitig zur Auflage der beiderſeitigen Zimmerdecken zu dienen hat,
von Stockwerk zu Stockwerk abwärts in gleicher Weiſe, wie dies für Mittelmauern
vorgezeichnet iſt, zu verſtärken.


Scheidemauern können, wenn die Zimmertiefe nicht über 6m beträgt, mit einer
Stärke von 16zm hergeſtellt werden.


Haben jedoch die Scheidemauern die Zimmerdecken zu tragen, ſo müſſen die-
ſelben im oberſten Geſchoſſe mit einer Stärke von 30zm hergeſtellt werden und in
den unteren Stockwerken in gleicher Art, wie dies für die Mittelmauern vorgezeichnet
iſt, verſtärkt werden (Vorſchriften über Riegelwände ſiehe 1. Band S. 146).


Die Bauordnung für Klagenfurt beſtimmt:

§ 52. Die Mauerſtärken ſind abhängig von der Belaſtung der Mauern, von
dem verwendeten Materiale, von der Höhe der Stockwerke und der Conſtruktion
der Decken, es können daher nur die nachfolgenden allgemeinen Beſtimmungen feſt-
geſetzt werden:


a) Die Hauptmauern, ſowie alle inneren Mauern an den Stellen, wo ſie
Rauchfänge enthalten, müſſen wenigſtens 45zm ſtark ausgeführt werden. Die Haupt-
mauer des oberſten Stockwerkes muß, wenn die Zimmertiefe 6m überſchreitet, min-
deſtens 2 Ziegel ſtark ſein. Es können die Hauptmauern in mehreren Stockwerken
gleiche Mauerſtärke erhalten. Bei dreiſtöckigen Gebäuden dürfen die Hauptmauern
[202]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.
zu ebener Erde und im erſten Stock nicht unter 60zm, bei vierſtöckigen Gebäuden
nicht unter 75zm ausgeführt werden.


Bei letzteren ſind die Hauptmauern des zweiten und dritten Stockes mindeſtens
2 Ziegel ſtark auszuführen.


Jene Theile der Hauptmauern, welche nicht als Auflagen für Deckenconſtruk-
tionen dienen, können durch alle Stockwerke 48zm Stärke haben.


Dieſes gilt für neues Ziegelmauerwerk, bei Stein- oder gemiſchtem Mauerwerk
ſind obige Dimenſionen um 16zm zu verſtärken.


b) Bei Anwendung gewölbter Decken auf eiſernen Trägern kann die Mauer-
ſtärke in ſämmtlichen Stockwerken und zu ebener Erde bei einer Zimmertiefe von
6m 48zm betragen, bei größeren Zimmertiefen 60zm, vorausgeſetzt, daß die Trag-
fähigkeit des Mauerwerkes nachgewieſen iſt.


c) Die Fundamentmauern ſind in jedem Falle um 15zm ſtärker als im Erd-
geſchoſſe zu machen.


d) Bei Ziegelmauerwerk müſſen die Mauerſtärken dem Ziegelmaße entſprechen;
es dürfen daher nur Mauern in der Stärke von ½, 1, 1½, 2, 2½, 3 Ziegeln u. ſ. w.
ausgeführt werden.


e) Lichthofmauern müſſen, wenn ſie als directes Auflager hölzerner Decken-
conſtruktionen dienen, oder wenn dieſelben Wohnungsbeſtandtheile nach außen ab-
ſchließen, mindſtens 45zm ſtark ſein; im andern Falle bedürfen dieſelben nur einer
Stärke von 30zm.


f) bei Dippelböden muß, wenn die Auflagmauer nach oben noch fortgeſetzt
wird, zwiſchen den beiderſeitigen 15zm Auflagern auf der Mittelmauer ein Zwiſchen-
raum von wenigſtens 30zm ſein.


g) bei allen anderen Deckenconſtruktionen als Dippelböden müſſen die Mittel-
mauern mindeſtens folgende Dimenſionen erhalten:


Bei drei- oder vierſtöckigen Häuſern in allen Stockwerken 60zm Stärke, bei
Gebäuden mit weniger Stockwerken 45zm. Sind die Mittelmauern im Erdgeſchoſſe
aus Ziegeln hergeſtellt und vielfach durchbrochen, ſo müſſen ſie daſelbſt entſprechend
verſtärkt werden.


h) Scheidemauern, die einzelne Beſtandtheile einer Wohnung trennen, haben
eine Stärke von mindeſtens 15zm, trennen ſie jedoch Wohnungen, ſo haben ſie
mindeſtens eine Stärke von 30zm zu erhalten.


i) Mittelmauern, welche nur die Dicke von höchſtens zwei Stockwerken zu
tragen haben, oder als Deckauflager gar nicht dienen, können bei Anwendung von
Trammböden, inſoweit keine Rauchfänge darin ſind, eine Stärke von 30zm haben;


k) über Abweichungen von den vorſtehenden Normen bei Anwendung anderer
Conſtruktionen und Materialien, als: Stein, Cement, Eiſen u. ſ. w. entſcheidet über
Nachweis der genügenden Feſtigkeit und Stabilität die Behörde.


Die Bauordnung für Mähren ſagt:

§ 22. Die nach Ausdehnung und Structur des Baues erforderliche Mauer-
ſtärke iſt im Bauplane in Antrag zu bringen und bei der Localcommiſſion zu
prüfen. Insbeſondere hat die Behörde auch dann zu entſcheiden, wenn andere als
die bisher üblichen Conſtruetionen in Anwendung kommen ſollen.


[203]Bauordnung für Oeſterreich.

Für die Mauerſtärke gilt die Regel:


a) wenn im oberſten Stockwerke die Zimmertiefe 6m nicht überſchreitet, ſo
müſſen in dieſem Stockwerke die Hauptmauern aus Stein 60zm und aus Ziegeln
45zm ſtark ſein.


Falls die Zimmertiefe in dem gedachten Stockwerke 6m überſchreitet, ſo muß
die Dicke der Steinmauer 70zm, die Dicke der Ziegelmauern 60zm betragen.


b) mit jedem Stockwerke nach abwärts müſſen die Hauptmauern um 8—15zm
verſtärkt werden, und ſind in den Fundamenten um volle 15zm ſtärker zu halten,
als im Erdgeſchoſſe.


Abweichungen von der vorſtehenden Regel ſind nur mit ausdrücklicher Geneh-
migung der Behörde geſtattet.


In der Regel ſoll zwar jedes Haus ſeine eigenen Hauptmauern erhalten; wenn
jedoch Umſtände eintreten, welche im Einverſtändniſſe der Nachbarn die Herſtellung
einer gemeinſchaftlichen Mauer nothwendig machen, ſo muß dieſelbe ſo verſtärkt
werden, daß ſie auf beiden Seiten eine eigene und ſichere Auflage für die Dach-
und Bodenhölzer gewährt.


Bauordnung für Oeſterreich ob der Enns lautet:

§ 31. Bezüglich der Mauerſtärke ſind folgende allgemeine Vorſchriften zu
beachten:


1) Bei Anwendung von Ziegeln muß die Hauptmauer im oberſten Stocke, falls
die Zimmertiefe in letzterem 6m nicht überſchreitet, eine Dicke von wenigſtens 45zm,
bei Verwendung von Steinen von wenigſtens 55zm, falls aber die Zimmertiefe in
dieſem Stockwerke 6m überſchreitet, eine Dicke von 60zm und aus Steinen von
wenigſtens 70zm erhalten.


2) Die Ve [...]rſtärkung der Hauptmauer von oben nach abwärts richtet ſich nach
der Art der Decken zwiſchen den einzelnen Stockwerken und nach der Belaſtung des
Gebäudes.


Bei Dippelboden iſt ſie auf 15zm zu beſtimmen.


Die Mauern im Fundamente müſſen aber jedenfalls um 15zm ſtärker als jene
im Erdgeſchoſſe gehalten werden.


3) Jedes Haus muß auf eigenem Grunde durch eine hinreichend ſtarke Feuer-
mauer vom anſtoßenden Nachbarhauſe getrennt, es muß dieſelbe 30zm über die
Dachfläche des Hauſes erhöht und oben nicht unter 30zm ſtark ſein, nach unten
ſich aber ſo verſtärken, daß ſie an und für ſich ohne Rückſicht auf die Nachbarmauern
die nöthige Stabilität beſitzt.


Dachgehölze darf in der Feuermauer nicht eingelaſſen oder mit derſelben in
Verbindung gebracht werden.


Zur Abtheilung einzelner Localitäten in den Stockwerken zwiſchen je zwei
Abtheilungsmauern wird die Errichtung einer Scheidewand, welche theilweiſe aus
Holz ſein darf, dann geſtattet, wenn in der Nähe derſelben keine Feuerung ange-
bracht iſt.


[204]Erſtes Kapitel. Die Stärke der Mauern.
Bauordnung für Linz beſtimmt:

§ 48. Die Beſtimmung der Mauerſtärke hängt von ſo verſchiedenen Verhält-
niſſen, als von der Höhe der Stockwerke, von den Dimenſionen und Conſtruktionen
der Decken, von der Tiefe der Tracten u. ſ. w. ab, daß ſie hier nur auf die nach-
folgenden allgemeinen Vorſchriften beſchränkt werden kann:


a) Werden Ziegel von den bisher vorgeſchriebenen Dimenſionen verwendet, ſo
muß die Hauptmauer im oberſten Stockwerke, falls die Zimmertiefe in dieſem Stock-
werke 6m nicht überſchreitet, eine Dicke von wenigſtens 45zm, falls aber die Zimmer-
tiefe in dieſem Stockwerke 6m überſchreitet, eine Dicke von 60zm erhalten.


b) Die Verſtärkung der Hauptmauer von oben nach abwärts wird bei Anwen-
dung von Dippelböden mit jedem Geſchoſſe abwärts auf 15zm feſtgeſetzt, bei allen
anderen Deckenconſtruktionen von Holz muß in dem Stockwerke abwärts die Stärke
der Hauptmauer um 8zm zunehmen, oder auf eine andere Weiſe für die ſichere
Balkenauflage geſorgt werden.


Die Mauern im Fundamente müſſen aber jedenfalls um 15zm ſtärker als jene
im Erdgeſchoſſe gehalten werden. Bei Umbauten alter Häuſer, insbeſondere bei
Stockaufſetzungen, wo man Dippelböden oder analoge ein 15zm breites Auflager,
erfordernde Deckenconſtruktionen anwenden müßte und nicht in der Lage wäre, die
oben vorgeſchriebenen 15zm Abſätze herzuſtellen, iſt es geſtattet, in den Stockwerken,
deren Mauern noch gehörig belaſtet ſind, bei blos 8zm Mauerverſtärkung das 15zm
Auflager durch eine um 8zm über der Mauerflucht vorſpringende, hinreichend feſte
Conſtruktion aus vorgeſchobenen Ziegelſchaaren, oder in anderer ſtabiler Weiſe
zu bilden.


Damit dieſes Auskunftsmittel zuläſſig ſei, müſſen die Mauern für einſeitige
Ausladung wenigſtens 1 Ziegellänge, für beiderſeitige Geſimsvorſprünge wenigſtens
1½ Ziegellänge zur Stärke haben, und in jedem Falle durch eine darauf ſtehende
Mauer hinreichend belaſtet ſein.


c) Ueber die Abweichungen von dieſen Maßen (a und b) durch Anwendung von
anderen als den bisher üblichen Conſtruktionen, oder durch Verwendung von
Ziegeln von kleineren als den bisher vorgeſchriebenen Dimenſionen entſcheidet die Behörde.


Die nach Ansdehnung und Structur des Baues erforderliche Mauerſtärke iſt
in den Bauentwürfen in Antrag zu bringen, in den Plänen zu cotiren und bei dem
amtlichen Bauaugenſcheine (§ 16) ſtreng zu prüfen.


d) Zwiſchenpfeiter, welche, falls ſie aus Ziegeln hergeſtellt würden, die gehörige
Widerſtandsfähigkeit nicht beſäßen, müſſen von Stein oder Eiſen hergeſtellt werden,
und ſind im Bauplane erſichtlich zu machen.


e) Die Mittelmauern haben eine Stärke zu erhalten, daß, unbeſchadet ihrer
Stabilität, den im erſten Satze des § 40 enthaltenen Beſtimmungen vollkommen
Genüge geleiſtet werde. Zwiſchen den beiderſeitigen Balkenauflagern auf den Mittel-
mauern muß ein Zwiſchenraum von wenigſtens einer Ziegellänge ſein.


Da Dippelböden auch auf den Mittelmauern nicht eingemauert werden dürfen,
ſo iſt auf die Bildung des 15zm Auflagers nach Abſatz b) die gehörige Rückſicht zu
nehmen, oder es müßten die Mittelmauern in jedem Stockwerke entſprechend ver-
ſtärkt werden.


[205]Bauordnung für Berlin.

f) Jedes Haus muß auf eigenem Grunde durch eine hinreichend ſtarke Feuer-
mauer vom Nachbarhauſe getrennt ſein.


Dieſelbe muß 24zm über die Dachfläche des hauſes erhöht, und von oben
nicht unter 30zm ſtark ſein, nach unten aber ſich ſo verſtärken, daß ſie an und für
ſich ohne Rückſicht auf die Nachbarmauern die nöthige Stabilität beſitzt.


Bauordnung für Oeſterreich unter der Enns lautet:

§ 47. Jedes neu zu erbauende Haus muß ſeine eigenen ſelbſtändigen, hin-
reichend ſtarken Umfaſſungsmauern beſitzen.


Bei dem Baue von Häuſern mit Stockwerken muß die Dicke der Hauptmauer
im oberſten Stockwerke, falls die Zimmertiefe in dieſem Stockwerke 6m nicht über-
ſchreitet, wenigſtens 45zm, falls aber die Zimmertiefe in dieſem Stockwerke 6m
überſchreitet, eine Dicke von 60zm betragen.


Uebrigens hat bei Bruchſteinbauten die competente Behörde nach der örtlichen
Beſchaffenheit des Materials eine etwaige ſtärkere Mauerdicke zu beſtimmen.


Die Mauerſtärken der unteren Stockwerke ſind abhängig von der Beſchaffenheit
des Materiales, von der Belaſtung der Mauern, der Höhe der Stockwerke und von
der Conſtruktion der Decken.


Die Fundamentmauern ſind in jedem Falle um 15zm ſtärker als die Mauern
zu ebener Erde anzulegen.


Die nach der Ausdehnung und Structur des Baues erforderliche Mauerſtärke
iſt in den Bauentwürfen in Antrag zu bringen, zu cotiren und bei dem amtlichen
Bauaugenſcheine ſtreng zu prüfen.


Bei Dippelböden muß zwiſchen den beiderſeitigen Auflagern auf den Mittel-
mauern ein Zwiſchenraum von wenigſtens 30zm ſein.


Abtheilungsmauern im Innern des Gebäudes, wenn ſie nicht die Fortſetzung
der Mauer des unteren Geſchoſſes bilden, dürfen nur bei Anwendung ſolcher Con-
ſtruktionen, welche genügende Sicherheit gewähren, auf Dippelbäume aufgeſetzt werden.


B.Die Bauordnung für Berlin enthält:

§ 52. Umfaſſungswände höherer Gebäude. Ueber 10,0m hohe Um-
faſſungswände müſſen wenigſtens bis zum Fußboden des oberſten Stockwerkes maſſiv
aufgeführt werden. Die Umfaſſungswände des Dachraumes und diejenigen des darunter
liegenden Stockwerkes, mit Ausnahme der Wände an den Treppen, ſind in maſſiv
verblendetem Fachwerk zuläſſig. Geneigte Dachwände dürſen weder ausgemauert,
noch maſſiv verblendet werden.


§ 53. Innere Wände. Die inneren Wände, welche Balkenlagen tragen,
müſſen bei Gebäuden von über 10,0m Fronthöhe in unverbrennlichem Material aus-
geführt werden.


§ 54. Anwendung von Holzwerk in Wänden ꝛc. In maſſiv auszu-
führenden Wänden müſſen alle Oeffnungen mit unverbrennlichem Material überdeckt
ſein. Hölzerne Träger und Stiele zur Unterſtützung von Balkenlagen ſind in Ge-
bäuden von über 10,0m Fronthöhe nur zuläſſig, wenn über denſelben keine Wohn-
räume liegen. In Theatern oder in Gebäuden, in welchen eine größere Anzahl von
[206]Erſtes Kapitel. Der Verputz der Mauern und Decken.
Menſchen ſich zu verſammeln pflegen, für Speicher, Fabrikgebäude und ſolche, in
denen feuergefährliche Gewerbe betrieben werden, können alle nicht maſſiven Wände,
ſowie Träger und Stiele von Holz ohne Unterſchied der Höhe dieſer Gebäude nach
der Beſtimmung des Polizei-Präſidiums überhaupt ausgeſchloſſen werden.


§ 60. Brandmauern. In ausgedehnten Gebäuden, in welchen leicht brenn-
bare Stoffe gelagert oder verarbeitet werden, ſind in Entfernungen von höchſtens
50m bis über die Dachfläche hinausgehende Brandmauern erforderlich. Ausnahmen
ſind nach der Beſtimmung des Polizei-Präſidiums zuläſſig, wenn die Feuerſicherheit
durch andere Mittel ausreichend gewahrt wird. Brandmauern müſſen durchweg in
unverbrennlichem Material, mindeſtens 1 Stein ſtark, ausgeführt werden, es darf
kein Holzwerk in denſelben liegen und ſie dürfen Oeffnungen nur dann haben, wenn
dieſe mit doppelten eiſernen Thüren verſchließbar ſind.


§ 65. Alle Gebäude müſſen binnen Jahresfriſt nach der zweiten Abnahme in
den geputzten äußeren Flächen mit einem das Blenden verhütenden Anſtrich ver-
ſehen werden.


F.Der Verputz der Mauern und Decken.

Um einerſeits das Innere eines Gebäudes wohnlich zu machen,
andererſeits das äußere Mauerwerk vor Näſſe zu ſchützen und zu
decoriren, werden ſowohl die äußeren, als auch die inneren Wand-
flächen mit einem Kalkbewurf verſehen.


Nur dort, wo das Ziegelmaterial in ausgezeichneter Güte vor-
kommt, oder man ſich nur der Werkſteine für die äußeren Mauern
bedient, fällt der Verputz an den äußeren Wänden ganz fort und
bleiben die Façaden im ſogenannten „Ziegelrohbau“ reſp. „Schnitt-
ſteinbau“ ſtehen.


Der Ziegelrohbau gelangte bis jetzt eigentlich nur in Nord-
deutſchland zur Entwickelung und hat ſich dort ſelbſt bei Bauten, die
bereits aus dem Mittelalter ſtammen, wie z. B. in Lübeck, Danzig,
Stettin, Brandenburg, Chorin, Braunſchweig u. ſ. w., ſehr gut be-
währt; in Mittel- und Norddeutſchland (Hamburg, Berlin u. ſ. w),
ſowie in ganz Oeſterreich hingegen, iſt der Putzbau vorherrſchend, und
wird der Werkſtein entweder gar nicht, oder blos für einzelne
Architekturtheile (Hauptgeſimſe, Ecken der Fenſterverdachungen, Sohl-
und Brüſtungsgeſimſen, Säulen) verwendet. Den Werk- reſp.
Steinbau trifft man vornehmlich in Mittel- und Süddeutſchland
in der Nähe der Sandſteinbrüche an. In Mitteldeutſchland, beſon-
ders Heſſen, und im Rheinlande werden die äußeren Wände vielfach
ausſchließlich von Bruchſteinen hergeſtellt und dann äußerlich
geputzt.


[207]Der Verputz der Mauern und Decken.

Alſo der äußere Putz kann unter Umſtänden fortbleiben, der
innere Bewurf iſt aber unbedingt erforderlich, weil ſonſt die nackten
Wände ein unfreundliches Anſehen habe und die Localitäten ganz
unwohnlich ſein würden.


Eine Mauer darf nicht eher geputzt werden, bis ſie ſich vollſtändig
geſetzt hat und ausgetrocknet iſt. Im Aeußeren, wo der Putz der
Einwirkung der Witterung ausgeſetzt ſteht, muß der Kalk von beſter
Qualität ſein; beſonders gilt dieſes von der Wetterſeite und von allen
Gebäuden, welche eine hohe Lage haben und dem Schlagregen aus-
geſetzt ſind. Solche Mauertheile, die vermöge ihrer Lage niemals
ganz trocken werden können, erhalten am beſten einen Cementbewurf.


Zur Anfertigung des Kalkputzes eignen ſich die wärmeren Jahres-
zeiten am beſten, damit der Bewurf ſo ſchnell als möglich trocknet;
nur zum Cementmörtelputz wählt man die kühlen Jahres- und Tages-
zeiten. Im Innern der Gebäude iſt man weniger mit den Putz-
arbeiten an die Jahreszeit gebunden; ſelbſtverſtändlich dürfen dieſe
aber bei Froſtwetter nicht ſtattfinden, auch dann nicht, wenn die
Räume geheizt werden. Damit der Putz auf der Mauer genügend
hafte, bleiben die Fugen während des Mauerns nach außen hin 1—2zm
frei; in dieſe Vertiefungen dringt der Anwurf hinein. Bei altem
Mauerwerk müſſen daher ſämmtliche Kalkfugen ſorgfältig ausgekratzt
werden. Die Erfahrung lehrt, daß Ziegel, die einmal Kalk angezogen
haben, es zum zweiten Male nur ſchwer thun; ſoll daher der ſchad-
hafte Putz auf einer Mauer erneuert werden, ſo muß ſie zuvor mit
einem trockenen Ziegel abgerieben werden.


Der Putz darf nicht ſtark auf die Mauer kommen, ſonſt fällt er
ab, 3zm iſt die größte Stärke.


Da der Putz die Unebenheiten des Mauerwerks ausgleichen ſoll,
er aber nur 2zm ſtark aufgetragen wird, iſt es von Wichtigkeit, die
Mauer vom Anfange an im Lothe und ohne Einbiegungen und Buckel
auszuführen.


Bevor das Putzen beginnt, muß der Arbeiter, um das Haften des
Putzes zu ermöglichen, die Mauer mit einem Beſen, vornehmlich in den
Fugen, ſorgfältig vom Staube reinigen; ſodann wird die Mauer mit
dem Maurerpinſel angenäßt und demnächſt der Mörtel mittelſt der Kelle
ſtark an die Wand geworfen. Bei glatt zu putzenden Wänden putzt man
zuerſtin ſteigender Richtung der Mauer einige 12—16zm breite Streifen, die
ſämmtlich genau in einer und derſelben Ebene liegen müſſen; zu dieſem
[208]Erſtes Kapitel.
Behufe werden zuvörderſt die äußeren Streifen nach dem Lothe genau
aufgetragen, alsdann mit dem Richtſcheit die dazwiſchen liegenden
gerichtet und die Zwiſchenfelder beworfen und mittelſt des Richt-
ſcheits abgeglichen. Hiernach ebnet der Maurer mit dem kleinen Reibe-
brette alles ſauber und beſpritzt gleichzeitig diejenigen Strecken, die
zu ſtark getrocknet waren, immer wieder mit dem Maurerpinſel (den
er mit der linken Hand regiert), um ſie mit dem Reibebrette nochmals
überreiben zu können.


Die Putzflächen, welche ſehr ſauber ſein ſollen, werden nachträglich
nochmals „gefilzt“, d. h. mittelſt Reibebrettern, welche mit Filz be-
nagelt ſind, ſorgfältig nachgeputzt. Zu dem letzteren Anwurf dieſes
Filzputzes nimmt der Maurer am liebſten ſehr feinen Sand und einen
Gypszuſatz, etwa ſo viel wie zu dem Deckenputz. Der Filzputz
wird neuerdings vielfach ausgeführt.


Bei untergeordneten Räumen, z. B. Dachböden, Dachkammern,
Schornſteinwandungen im Dachraume, ſowie in landwirthſchaftlichen
Gebäuden aller Art, begnügt man ſich damit, den Kalkanwurf bloß
mit der Kelle glatt zu ſtreichen und nicht weiter mit dem Reibebrette
zu ebenen; dieſes Verfahren heißt: berappen oder verbrähmen.
Die Wände erhalten hierdurch eine rauhe Oberfläche und eignen ſich
daher nicht für Wohn- und beſſere Räume.


Der Façadenputz beſteht häufig aus einem etwa 2—3zm ſtarken
Rappputz, der ſogleich nach dem Auftragen des Mörtels mit einem
ſtumpfen Beſen gleichmäßig betupft wird; es entſtehen dadurch kleine
Vertiefungen, welche das Anſehen haben, als wären ſie durch ſtarkes
Anſpritzen mit Waſſer entſtanden, woher man dieſe Art des Putzes
auch Spritzwerk oder Spritzputz nennt.


Falls vorſpringende Boſſen und Quaderungen herzuſtellen ſind,
ſo iſt es nothwendig, zuvor die Vertiefungen im rauhen Mauerwerk
auszuſparen und zwar ſoweit, daß der Putz allenthalben nur unge-
fähr 2—3zm aufgetragen zu werden braucht. Die Art eines ſolchen
Putzes geben die Figuren 192 A—C zu erkennen. Um hierbei die
Nuthen genau und ſcharf, parallel und lothrecht anbringen zu können,
befeſtigt man an den Grenzen derſelben zwei Putzlatten 11 (Fig. 192 D)
von 2—3zm Dicke und 5—6zm Breite, an welchen eine, aus Eiſen-
blech gefeilte und an einem hölzernen Schlitten befeſtigte, Schablone
hin und her gezogen wird; der Maurer wirft ſo lange Mörtel (der
an Feinheit zunimmt) in die Vertiefung, bis das Profil ſauber
[209]Der Verputz der Mauern und Decken.
hervortritt. Sodann werden die Felder zwiſchen den Nuthen
verputzt.


Figure 193. Fig. 192 A—D.

Selbſtverſtändlich beginnt die Putzarbeit am oberſten Saume
der Wand.


Bruchſteinmauern können nur dann einen Verputz erhalten,
wenn die Steine, aus denen erſtere beſtehen, ſich mit dem Mörtel genügend
verbinden, ſo daß der Putz an ihnen haften bleibt; iſt dieſes nicht der Fall,
dürfte nur das Ausfugen anzurathen ſein, wobei aber der Maurer
ſich hüten muß, daß die Mörtelmaſſe nicht auf den Steinen ſitzen
bleibt. Denn dieſelbe löſt ſich leicht ab und reißt den Fugenmörtel
gleichfalls heraus. Daher iſt es gut, den ringsum anklebenden
Mörtel bei Zeiten, d. h. ſo lange er nicht erhärtet, mit der Kelle zu
entfernen. Zur Ausfugung bedient man ſich des friſch angemachten
Cementmörtels, weil der Kalkmörtel nur mangelhaft feſthaftet.


Das Putzen der Lehmwände hat viel Schwierigkeit, wenn man
dieſelben mit einem Anwurfe von Kalkmörtel bewerfen will, da erfah-
rungsmäßig Lehm und Kalk keine Verbindung mit einander eingehen.
Am meiſten zu empfehlen wäre, die Lehmwände nur mit Lehmmörtel (in
Waſſer verdünnter Lehm) dünn zu bewerfen und glatt zu reiben. Zu
dieſem Behufe wird eine in Lehm- (egyptiſchen Ziegeln) oder Luft-
Wanderley, Bauconſtr. II. 14
[210]Erſtes Kapitel.
ziegeln aufgeführte Mauer mit vollen Fugen gemauert, man benäßt
demnächſt die Fronten und bereibt ſie ſo lange, bis Fugen und
Luftſteine in der Art miteinander verbunden ſind, daß eine ebene
Fläche entſteht.


Fachwände ſollte man nur im Innern mit Einſchluß des Holzes
putzen; im Aeußeren vermag auch die ſorgfältigſte Ausführung den Putz
vor dem Verderben nicht hinreichend zu ſchützen. Das Putzen der
äußeren Fachwerks- (Riegel-) Wände beſchränkt ſich daher nur auf
die Ziegelfelder zwiſchen dem Holzwerk; letzteres wird am beſten mit
guter Oelfarbe mehrere Male geſtrichen. Um jedoch auch im Innern
des Gebäudes auf das Holzwerk der Riegelwände einen Putz bringen
zu können, muß dieſes zum Feſthalten des Putzes empfänglich gemacht
werden, was auf mehrere Arten geſchehen kann: Das einfachſte Ver-
fahren beſteht darin, daß man das Holzwerk mit der Kreuzaxt
aufpickt“, wodurch in Entfernungen von etwa 3zm viele ſchuppen-
artige Splitter entſtehen, an denen der Anwurf allerdings nur ſehr
unvollkommen haftet. Etwas beſſer iſt das „Benageln“; zu dieſem
Zwecke werden hölzerne Nägel in Entfernungen von 3zm von einander
in der Art in das Holz geſchlagen, daß ihre oberen, ſtärkeren Enden
etwa 1,2zm hervorragen; an die ſo „bezweckte“ Holzoberfläche wird
dann der Mörtel geworfen.


Die vorzüglichſte Haftung jedoch giebt die „Berohrung.“ Man
kann das Rohr ſowohl in der Länge, als auch in der Quere der Bau-
hölzer anbringen; am beſten iſt es, die Rohrhalme normal zu den
Langfaſern des Holzes, alſo in der Quere zu befeſtigen, weil dann das
Rohr unverändert bleibt, wenn das Holzwerk zuſammentrocknet.


Das Rohr wird in der Halmbreite nebeneinander gelegt und zwar
mit Abwechſelung der Spitzen- und Stammenden; hierauf befeſtigt
man mit breitköpfigen „Rohrnägeln“ den ausgeglühten Eiſendraht im
Zickzack (ſiehe Fig. 211 im 1. Bande dieſes Werkes).


Verſchalte Decken werden in gleicher Weiſe berohrt; dabei
kommen die Drahtzüge über das Rohr 10—15zm, und die Rohrnägel
10zm auseinander. Da auch in der beſten Schalung die Bretter ſich
ſtets werfen, ſo iſt eine doppelte Berohrung am beſten, wobei die
zweite Lage quer über die erſte gelegt und jede beſonders mit Draht
beſponnen und benagelt wird. Zum Rohrputz, ſowohl an den Wän-
den, als auch an den Decken, nimmt man guten Kalkmörtel mit etwas
Gipszuſatz.


[211]Der Verputz der Mauern und Decken.

Ein guter Putz beſteht aus zwei, auch wohl aus drei Lagen;
die erſte Lage kommt unmittelbar auf die Mauerfläche, nachdem vor-
her die Fugen gereinigt und die Mauer angenäßt wurde, damit der
Anwurf um ſo beſſer hafte. Zu dieſer erſten Lage nimmt man Mörtel
von altem gelöſchten Kalke, der tüchtig verrührt wird und ein wenig
fetter iſt, d. h. mehr Kalk enthält, als der Mörtel zu dem gewöhn-
lichen Mauerwerk. Der Kalk zum Putze muß mindeſtens 3 Monate,
beſſer 6—9 Monate, im Voraus ſorgfältig gelöſcht ſein, damit alle
Kalkſtücke ſich gut „aufſchließen“. Man wirft die erſte Mörtellage
kräftig gegen die Mauer und beſtreicht ſie nur mit der Kelle, damit
die Oberfläche rauh bleibe. Iſt dieſer rauhe Bewurf trocken, ſo trägt
man die zweite Lage auf. Hierzu muß der Mörtel magerer ſein, als der
zu dem vorigen Bewurfe gemachte, d. h. er enthält mehr Sand. Dieſe
zweite Lage reibt der Maurer mit dem Reibebrett ganz eben, wonach
der Putz als fertig angeſehen werden kann.


Bei Herſtellung eines glatten und ſchönen Anwurfs überzieht man
die zweite Lage nochmals mit einem feinen Mörtel, der abermals
abgerieben wird.


Im Innern der Gebäude bekommt der Mörtel zum feinen Wandputz
Gipszuſatz. Einen ſehr dauerhaften Putz, der ſogar 6—10zm auf
getragen werden kann, giebt eine Vermiſchung von 1 Theil geſchlemm-
ten Sandes und 2 Theilen Gips, mit etwas Kalk. *)


Zweites Kapitel.
Die deckenden Conſtruktionstheile.


Die Ueberdeckung großer und kleiner Mauer-Oeffnungen und
Räume geſchieht am zweckmäßigſten mittelſt Gewölben. Das einfachſte
und kürzeſte Gewölbe iſt der Bogen.


A.Die Bögen


dienen entweder zur Ueberdeckung der Maueröffnungen, oder als
Widerlager für größere Gewölbe; ſie haben die Aufgabe, die Laſt
auf zwei Stützpunkte zu übertragen und zwar in der Weiſe, daß das
14*
[212]Zweites Kapitel. Die Bögen.
Material nicht relativ (d. h. nicht auf Durchbiegung), ſondern rück-
wirkend (d. h. auf Druck) beanſprucht wird. Dies kann nur geſchehen,
wenn der Bogen aus keiligen Steinen beſteht, deren Auflagsflächen
nach dem Centrum des Bogens gerichtet ſind; dann wird die Laſt
ſich gleichmäßig nach beiden Seiten hin von einem Steine zum anderen
bis auf das volle Mauerwerk fortpflanzen.


Figure 194. Fig. 931.

In Fig. 193 machen die eingezeichneten Pfeile die Fortpflanzung
der Drucke im Bogen erſichtlich.


1) Die Bogenformen.

Die Bögen können jede beliebige krumme Biegung erhalten; am
häufigſten trifft man den Halbkreis (voller Bogen oder Zirkel-
bogen
) an, da dieſer, wegen der radialen Lage der Fugen, ſich am
beſten herſtellen läßt. Alsdann kommen die flachen Kreisabſchnitte
vor, nämlich die hohen und flachen (Fig. 194 A—B) Segment-,
Stich
- oder Romanatbögen. Der Halbkreis ſchließt ſich an die

Figure 195. Fig. 194 A—C.


vertikale Begrenzungslinie ſtetig an; die Stelle, wo beide ſich berühren
(bei k) heißt „Widerlagspunkt“ oder „Kämpferpunkt“ und die
[213]Die Bogenformen.
unterſte Auflagsfläche des Bogens iſt das „Widerlager“, welches bei
Halbkreiſen und allen ſich ſtetig anſchließenden Bögen (wie Korb-
bogen, Ellipſen, Spitzbogen) horizontal liegt. Bei den Segmentbögen
hingegen hat das Widerlager eine geneigte Lage, die aber immer nach
dem Mittelpunkt des Hauptbogens gerichtet iſt. Während die Höhe
des Halbkreiſes gleich der halben Spannweite mißt, iſt bei allen
Segmentbogen die ganze Länge der Spannweite (s) immer ein Viel-
faches von der ſogenannten „Pfeilhöhe“ p. Meiſtens wählt man ein
Verhältniß von s : p = 3 : 1 oder 5 : 1, aber auch 8 : 1 bis 12 : 1.


Sehr flache Segmentbögen, welche ſich faſt der geraden Linie
nähern, heißen „ſcheitrechte“ oder „ſcheitelrechte Bögen
(Fig. 195); ſelbſtverſtändlich können dieſe nicht ganz horizontal ſein,

Figure 196. Fig. 195.


ſondern ſie erhalten eine geringe „Stechung“ (Anhöhung) nach der Mitte
hin, welche aber ſo gering iſt, daß ſie beim Verputzen vollſtändig ver-
ſchwindet und dann die Ueberdeckung horizontal erſcheint.


Außer dieſen Bogenformen giebt es noch gedrückte und über-
höhte Bögen, welche ſich der vertikalen Wand ſtetig an-
ſchließen
, alſo mit dieſer tangiren.


a)Conſtruktion der Bogenlinien. Man unterſcheidet zwe
verſchiedene Bogenarten, nämlich:


  • erſtens, Bögen, welche aus mehreren Kreisſtücken zuſammengeſetzt
    ſind und
  • zweitens: Bögen, welche aus Brennpunkten conſtruirt werden.

Zur erſteren Gattung gehören die Spitzbögen, Korbbögen,
Ovalen
und Eilinien.


Der Spitzbogen oder altdeutſche Bogen kennzeichnet ſich
von allen anderen darin, daß an ſeiner höchſten Stelle eine „Spitze
vorhanden iſt, welche ihm den Namen giebt. Bei der Conſtruktion
unterſcheidet man die verſchiedenen Stylperioden; in der Entwickelungs-
[214]Zweites Kapitel. Die Bögen.
periode der gothiſchen Bauweiſe kommen meiſt gedrücktere Verhältniſſe vor
und in der Blüthezeit ſind die in Fig. 196 u. 197 gezeichneten Verhält-
niſſe vorwiegend; in Fig. 196 wird die Spannweite in vier gleiche
Theile zerlegt, von denen drei Theile aus den Mittelpunkten o und p
als Radien dienen; in Fig. 197 gilt die ganze Spannweite o p als
Radiumlänge, ſo daß man mit derſelben ein gleichſeitiges Dreieck bilden

Figure 197. Fig. 196.


Figure 198. Fig. 197.


kann. Die Meiſter der Spätgothik liebten es, die Bögen recht ſchlank zu
machen. wodurch die „lanzettförmigen“ Spitzbögen (Fig. 198) entſtanden.


Figure 199. Fig. 198.

Ganz unconſtruktiv ſind die in der „engliſchen Gothik“ oder
in dem „Tudorſtyl“ üblichen Spitzbogenarten, nämlich die „Tu-
dorbögen
“ (Fig. 199 A). Dieſelben haben eine gedrückte Form und
[215]Conſtruktion der Bogenlinien.
werden nach den in der Figur angegebenen Buchſtaben conſtruirt.
In ſtatiſcher (und in ſtyliſcher) Hinſicht gehören auch die „geſchweiften

Figure 200. Fig. 199 A — B.


Spitzbögen“ oder „Eſelsrücken“ der Spätgothik, wie ſolche in Nürnberg
häufig ſind, zu den denkbar ſchlechteſten Bogenformen (ſiehe Fig. 199 B).


Der Korbbögen bedient man ſich nur bei gedrückten Gurten mit
einer Pfeilhöhe von ⅓—⅛ der Spannweite; die Ovale kommt
ſowohl bei gedrückten, als auch überhöhten Bogen vor, und zwar
dient im erſten Falle die kleine Axe als Baſis und die halbe große
Axe als Pfeilhöhe; die Eilinie endlich verwendet man nur bei ſtark
überhöhten Bögen, und zwar die kleine Axe in der Baſis, die große
Axe, von der kleinen Axe bis zur Eiſpitze, als Pfeilhöhe.


Das Zeichnen der Ovalen und der Eilinien. Die Eilinien
und Ovalen ſind krumme, in ſich ſelbſt zurückkehrende, aus einer be-
ſtimmten Anzahl Kreisſtücke beſtehende, Linien.


Eine Ovale entſteht, wenn die ſenkrecht ſtehenden Hauptaxen die
Figur in vier ganz gleiche Theile zerlegen, hingegen wird die Eilinie

Figure 201. Fig. 200.


Figure 202. Fig. 201.


gebildet, wenn die durch die kleine Axe getrennten Hälften ver-
ſchieden ſind.


[216]Zweites Kapitel. Die Bögen.

Fig. 200. Eine Ovale zu zeichnen, wenn die Hauptaxe a b
gegeben iſt.


1. Aufl. Theile die Gerade a b in drei gleiche Theile, beſchreibe
mit der Zirkelöffnung a 1 aus den Punkten 1 und 2 Kreiſe, welche
ſich in d und c kreuzen, verbinde dann d mit 1 und 2, ebenfalls c
mit 1 und 2, verlängere dieſe Linien bis e und ziehe ſchließlich mit
c e aus c und d Kreisbögen, ſo entſteht die Ovale.


Fig. 201.


2. Aufl. Theile die Gerade a b in 4 Theile, ziehe mit der Zirkel-
öffnung a 1 aus den Punkten 1 und 3 Kreiſe, errichte in 2 eine Senk-
rechte, verbinde die Punkte 1 und 3 mit c und verlängere dann dieſe
Linie bis zu e und d, ſo ſind 1 und 3 Mittelpunkte zu den kleinen
Kreiſen, und d Mittelpunkte zu den großen Kreisbögen, welche die
Ovale bilden.


Fig. 202 A und B geben die Conſtruktion von zwei verſchiedenen
[Ovalen], bei welchen die kleine Axe a b zur großen c c ſich wie 3 : 4
verhält. Man theile die kleine Axe in 6 und die große in 8 gleiche
Theile, verbinde in Fig. 202 A die Punkte 1 und 5 auf der kleinen
Axe mit dem Punkte 2 auf der großen Axe und beſchreibe aus den
letzteren Punkten Kreisbögen, wie in der Figur zu erſehen iſt. Bei
Fig. 202 B werden 1 und 5 auf der kleinen Axe mit 5 auf der großen
Axe zu Mittelpunkten angenommen, ſo iſt bei Fig. 202 A das Ende
der Ovale ſpitzer, als dasjenige bei Fig. 202 B.


Figure 203. Fig. 202.

Figure 204. Fig. 203.

Fig. 203. Conſtruktion einer Eilinie; die kleine Axe a b ſei
gegeben.


Aufl. Man halbire die Gerade a b in d und mache einen Kreis,
ziehe die große Axe, verbinde a und b mit c, verlängere dieſe Ver-
bindungslinien bis e, beſchreibe aus a und b mit der Zirkelöffnung
[217]Conſtruktion der Korbbögen.
a b die Kreisbögen b e und a e' und zeichne ſchließlich mit e c den
Bogen e e', dann iſt e'bfae die gewünſchte Eilinie.


Der Korbbogen iſt eine aus mehreren Kreisbögen zuſammen-
geſetzte gedrückte Bogenlinie. Er wird aus 3, 5, 7, 9 oder 11 Mittel-
punkten conſtruirt. Die große Axe heißt die Spannweite, und die
halbe kleine Axe die Pfeilhöhe des Bogens, und in der Regel ſind
beide Hauptmaße gegeben.


Im Nachſtehenden ſollen nur die wichtigſten Conſtruktionen gezeigt
werden.


Fig. 204. Einen Korbbogen aus 3 Mittelpunkten zu zeichnen,
wenn die Spannweite gegeben iſt.


Aufl. Die Spannweite a b theile man in drei gleiche Theile,
halbire a b in d, errichte hierauf eine Senkrechte und mache c d = ed =
⅓ a b.
Dann theile man a b in IV Theile, verbinde e mit I und III,

Figure 205. Fig. 204.


Figure 206. Fig. 205.


verlängere dieſe Verbindungslinie bis g, ſo werden die kleinen Bögen
a g aus den Punkten I und III, und der Bogen g e g aus c be-
ſchrieben.


Fig. 205. Einen Korbbogen aus 3 Mittelpunkten zu conſtruiren,
wenn Spannweite und Pfeilhöhe gegeben ſind.


Aufl. Die gegebene Spannweite a b werde in c halbirt, hierauf
eine ſenkrechte (gleich der Pfeilhöhe) d c errichtet und von d aus eine
Parallele d g mit a b, und in a eine Senkrechte a g gezogen. Dann
beſchreibe man aus gmit der Zirkelöffnung g a einen Kreisbogen a i,
trage i d nach g h, verbinde h mit d, bringe den Winkel g d h an a i,
ſo daß h d in k geſchnitten werde, halbire k a in l und errichte hierauf
die Senkrechte m m, welche a b in f ſchneidet. Schließlich wird k
mit f verbunden und bis c verlängert, wodurch dann die Bögen a k
aus f und k d aus e conſtruirt werden.


[218]Zweites Kapitel. Die Bögen.

Fig. 206. Einen Korbbogen aus neun Mittelpunkten zu zeichnen,
wenn die Spannweite a b gegeben iſt.


Aufl. Die Gerade A B werde in o halbirt, hierauf eine Senk-
rechte gefällt. Dann theile man ½ A B in dreizehn gleiche Theile und
bringe auf die Senkrechte abwärts IV Theile, je vier einzelne kleinere
Theile groß, alſo im Ganzen 16 kleine Theile. Verbinde dann die

Figure 207. Fig. 206.


Figure 208. Fig. 207.


Figure 209. Fig. 208.


Punkte I mit 10, II mit 9, III mit 7 und IV mit 4, verlängere die
Verbindungslinien und beſchreibe ſchließlich aus den Punkten 10, c, b, a
und IV ꝛc. Kreisbögen, ſo entſteht der gewünſchte Korbbogen.


Fig. 207. Korbbogen aus 7 Punkten. Man mache A F'
und B F je = der Pfeilhöhe C O, theile F F' in fünf gleiche Theile,
beſchreibe aus O mit O2 den Halbkreis, wodurch E beſtimmt wird,
verbinde E mit 2, halbire E2 und G, verbinde 3 mit G und ver-
[219]Conſtruktion der Ellipſe.
längere G3 über G hinaus, halbire G E in H, verbinde 4 mit H und
verlängere H4 bis J. Nun beſchreibe man aus 2 mit dem Radius
A2 den Bogen A L, aus G mit G L den Bogen L M, aus J mit J M
den Bogen M N und aus K mit K N den Bogen N N1 u. ſ. w.


Fig. 208. Korbbogen aus 11 Punkten. Man theile die
große Axe in 43 gleiche Theile, mache M a = 5/43, a b = 4/43, b c =
3/43, c d = 2/43 und d I = 1/43; ferner M n = n p = r q = g r =
r s
= 9/43; man verbinde n mit I, d mit p, c mit q, b mit r, a mit s,
ſo entſtehen die Mittelpunkte I, II, III, IV, V u. ſ. w.; ebenſo findet
man I', II', III', IV', V' u. ſ. w. Beſchreibt man nun I mit A I den
Bogen A N, aus II mit P II den Bogen N P, aus III mit Q III den
Bogen P Q u. ſ. w., ſö erhält man den Korbbogen.


Die Conſtruktion der Ellipſe.

Eine Ellipſe entſteht, wenn ein gerader kreisförmiger Cylinder in
geneigter Richtung zur Baſis, alſo ſchräge, durchſchnitten wird.


Je nach der Lage der Schnittebene wird das Verhältniß der
großen Axe zur kleinen ein größeres oder kleineres ſein.


Die Ellipſe unterſcheidet ſich von der Ovale und dem Korbbogen
darin, daß ſie nicht, wie dieſe, aus einzelnen Kreisbögen, welche aus
zu beſtimmenden Mittelpunkten zu beſchreiben ſind, ſondern aus vielen
einzelnen Punkten beſteht, die in einer fortlaufenden Kurve vereinigt
werden.


Außerdem hat die Ellipſe noch eine beſondere Eigenſchaft; nimmt
man z. B. irgend einen Punkt in ihrer Peripherie an, ſo iſt die
Summe der zwei Strahlen, welche nach zwei auf der großen Axe in
gleicher Entfernung von einander liegenden Punkten führen, ſtets
gleich der Größe der ganzen Axe. Die beiden Punkte auf der großen
Axe heißen „Brennpunkte“. Hierauf beruht die nachfolgende Con-
ſtruktion.


Fig. 209. Conſtruktion einer Ellipſe, wenn die große Axe A B
und die kleine C D gegeben ſind.


Aufl. Zuerſt müſſen die Brennpunkte beſtimmt werden; dies
geſchieht, indem man mit der halben großen Axe, alſo mit A m aus
dem Endpunkte D der kleinen Axe einen Kreisbogen beſchreibt, wel-
cher die große Axe in x und y ſchneidet, dann ſind dieſe die Brenn-
[220]Zweites Kapitel. Die Bögen.
punkte. Ferner theile man m y und m x in beliebige Theile von ver-
ſchiedener Größe, z. B. 1 bis 5 und 1 a bis 5 a; alsdann beſchreibe

Figure 210. Fig. 209.


man mit der Zirkelöffnung 1 B aus dem Brennpunkte y einen Kreis-
bogen, und einen andern mit 1 A aus x, ſo daß die Schneidungs-
punkte I und I Punkte für den Umfang der Ellipſe ergeben. In der-
ſelben Weiſe wird man mit den Zirkelöffnungen 2 B aus y und 2 A
aus x, dann mit 3 B aus y und 3 A aus x ꝛc. fortgefahren, wodurch
die Punkte I, II, III, IV und V entſtehen, welche mit A, C, B und D
vereinigt, die Ellipſe darſtellen.


Fig. 210. Conſtruktion der Ellipſe ohne Brennpunkte (nach der
ſogenannten Gärtner-Ellipſe).


Aufl. C D ſei die kleine Axe und A B die große Axe, welche ſich
in E ſchneiden. Man beſchreibe mit A E aus E einen Kreis, ebenſo
mit C E, ziehe eine beliebige Anzahl Durchmeſſer, welche den innern
Kreis in I und II ꝛc., und den äußern in 1 und 2 ꝛc. kreuzen, zeichne
aus 1 und 2 ꝛc. Parallelen mit C D, und aus I und II ꝛc. Parallelen
mit A B in der Weiſe, daß die Durchſchneidungspunkte d entſtehen,
verbinde alsdann die Punkte A d d C d d B d d D d d A mit einander,
aus freier Hand oder mittels des Kurvenlineals, ſo erhält man eben-
falls eine Ellipſe.


Außer dieſen beiden Conſtruktionen kommt noch die Ellipſe nach
der Vergatterung vor.


Dieſelbe wird am häufigſten im Hochbau angewendet und beſon-
ders bei der Ausmittelung der Schild- reſp. Diagonal-Bögen von
Kreuz- und Kloſtergewölben.


Wenn beiſpielsweiſe ein unregelmäßig geſtalteter Raum mit ver-
ſchieden langen Seiten Maueröffnungen von ungleicher Breite, aber
[221]Conſtruktion der Ellipſen.
gleicher Höhe erhalten ſoll, ſo legt man die mittlere Bogenweite zu
Grunde und ordnet über dieſer einen Halbkreis an. Um die anderen
Bögen, welche theils gedrückt, theils überhöht ſein werden, zu erlangen,

Figure 211. Fig. 210.


Figure 212. Fig. 211.


wird der Radius des Halbkreiſes in beliebige, gleich große Theile
zerlegt (z. B. wie in Fig. 211 mit e geſchehen iſt), hierauf errichtet
man Lothe bis zur Halbkreisperipherie, z. B. a a', b b', c c', d d';
ſodann theile man die halben Spannweiten der übrigen Bogen-
öffnungen B C D ebenfalls in je 4 gleiche Theile und errichte dann
die Lothe a a', b b', c c', d d', welche denen des Halbkreiſes A gleich
ſind. B, C, D werden dann Ellipſen ſein, welche dem Halbkreiſe A
vollſtändig entſprechen.


Eine mit Bleiſtift gezeichnete Ellipſe wird am ſchnellſten mittelſt
der Feder aus freier Hand ausgezogen, was jedoch ſelbſt geübten
Zeichnern nicht immer ſo gelingt, daß die Linie der Gleichheit und
Reinheit der geraden Linien gleichkommt. Zwar benutzen viele Tech-
niker das Kurvenlineal, jedoch auch dieſes erfordert eine geſchickte
Handhabung und Geduld. Wir geben daher in Fig. 212 eine An-
ordnung, Ellipſen auch mit der Reißfeder und dem Zirkel aus-
zuziehen.


In Fig. 212 ſei A C B D eine in Blei gezeichnete Ellipſe. Man theile
den Quadranten A C in zwei oder mehrere Theile, hier in drei, und
ziehe die Sehnen C m, m p, A p; nun halbire man C m in n und lege
durch den Halbirungspunkt n auf C m eine Normale, bis die Ver-
längerung der C m in o geſchnitten wird, ſo iſt o der Mittelpunkt
für den Bogen m C m'; halbirt man auch die Sehne m p in q und
führt auf m p eine Normale, bis die erſtere, d. h. n o in r geſchnitten
[222]Zweites Kapitel. Die Bögen.
iſt, ſo giebt r den Mittelpunkt für den Bogen m p; ebenſo erhält man
den Mittelpunkt für den Bogen A p u. ſ. w.


Figure 213. Fig. 212.

Sind ſtatt der Ellipſe nur ihre Punkte beſtimmt, dann verbinde
man ſie durch Gerade und betrachte ſie als Sehnen; das Uebrige
geſchieht wie zuvor.


Bemerken wollen wir noch, daß man allenthalben, wo man nicht
durchaus Ellipſen conſtruiren muß, ſtets Korbbögen oder Ovalen
annimmt, die theoretiſch als Ellipſen gelten.


Zuweilen kommt es vor, daß die Widerlager (Kämpfer) der Bögen
nicht in gleicher, ſondern in verſchiedenen Höhen liegen; dies kann der
Fall ſein, bei Treppenbögen u. ſ. w. Derartige Bögen heißen „hüf-
tige
“ oder „einhüftige Bögen.“


Der einhüftige Bogen kann auf zweierlei Weiſe conſtruirt
werden:


  • 1. aus zwei, drei und mehr Kreisbögen und
  • 2. aus Ellipſen.

Die letzte Art eignet ſich beſonders für Unterwölbung der maſſiven
Treppen innerhalb der Gebäude.


Bei der Conſtruktion können entweder nur die Spannweite und
die Höhe der Hüften oder auch noch die Steigung des zu unter-
ſtützenden Bautheiles, z. B. der Treppen, maßgebend ſein.


Conſtruktion eines einhüftigen Bogens, wenn die Spannweite a b
gegeben iſt. Fig. 213.


[223]Conſtruktion der einhüftigen Bögen.

Aufl. Man theile die Gerade a b in drei Theile, ziehe die Senk-
rechte d c im Punkte 2, mache die Senkrechte c d = 2 The le, fälle
auf b eine Senkrechte e b, zeichne die Parallele f e, ſo iſt e die Höhe
der Hüfte. Alsdann beſchreibe man mit der Zirkelöffnung a d aus d
den Viertelkreis a c, und aus f mit f c den Viertelkreis c e, ſo iſt
a c e der einhüftige Bogen.


Figure 214. Fig. 213.

Figure 215. Fig. 214.

Fig. 214. Einen einhüftigen Bogen zu zeichnen, wenn die Spann-
weite und die Neigung des zu unterſtützenden Gegenſtandes gegeben ſind.


Aufl. Die Spannweite ſei = a b, die Neigung = d e.


Man errichte in a ein Loth, ebenſo in b, ſo daß die geneigte
Gerade in d und e geſchnitten werde, mache d f = a b und e g = f e,

Figure 216. Fig. 215.


halbire den Winkel f d a ſo, daß die Halbirungslinie die Gerade a b
in c ſchneidet, ferner ziehe die Parallele h g, halbire den Winkel f e g
[224]Zweites Kapitel. Die Bögen.
ſo, daß die Parallele h g in h durchkreuzt werde, dann ſind c und h
Mittelpunkte der Kreisbögen, welche den einhüftigen Bogen bilden.


Fig. 215. Einen einhüftigen Bogen zu conſtruiren, bei welchem
die Spannweite, die Steigung und der Höhenunterſchied der Hüften
gegeben ſind; der Höhenunterſchied betrage gleich der Hälfte der Spann-
weite. Dieſer Fall kann ſehr häufig bei Treppenconſtruktionen vor-
kommen.


Aufl. Der Scheitelpunkt f wird beſtimmt, indem man f c = c a
macht; dann errichte man von f auf die Gerade a b eine Senkrechte, welche
a c in g ſchneidet, nehme den Punkt k beliebig an und beſchreibe aus
demſelben mit f k einen Kreis, welcher die verlängerte e b in l und m,
ſowie die verlängerte f k g in h ſchneidet. Mache alsdann b p = b o
und t b = b l, ferner trage man den Unterſchied der Sehne n p und
des Durchmeſſers f h von b nach v, verbinde t mit v und ziehe m r
parallel t v. Schließlich wird b s = b r gemacht und k mit s ver-
bunden und bis i verlängert, dann ſind g, k und s Mittelpunkte der
Kreisbögen a f, f i und i b, aus welchen ſich der einhüftige Bogen zu-
ſammenſetzt.


Figure 217. Fig. 216.

Fig. 216. Einen einhüftigen elliptiſchen Bogen zu zeichnen, wenn
Spannweite, Steigung ꝛc. gegeben ſind.


[225]Conſtruktion der einhüftigen Bögen.

Die Conſtruktion dieſes Bogens iſt ſehr zu empfehlen, da ſie in
allen Fällen anwendbar iſt.


Aufl. Die Gerade A B wird in M halbirt, alsdann in M ein
Lothriß F M gemacht, auf A B wird in M eine Senkrechte errichtet,
welche C D in O ſchneidet, und in L O = ½ A B = M A abgeſteckt.
Ferner wird L M in N halbirt, dann N mit F verbunden und ver-
längert; mit der Zirkelöffnung N M wird aus N ein Kreisbogen be-
ſchrieben, welcher die verlängerte N F in H durchſchneidet. Dann liegt
in der Richtung M H die große Axe der zu zeichnenden Ellipſe. Um
die Länge der halben Axe zu erhalten wird N G = N F gemacht,
alsdann iſt G M = M Y gleich der halben Länge der großen Axe.


Auf dieſe Axe X Y wird eine Senkrechte errichtet und die halbe
kleine Axe V M = M W = F M gemacht. Schließlich müſſen die
Brennpunkte geſucht und die Ellipſe in der Weiſe conſtruirt werden,
wie Fig. 209 angiebt.


Fig. 217. Es ſei A B als Breite und B C als Höhe zu geben.
Man halbire A B in D, errichte in D die C D ≠ A B, halbire den
Winkel A M N und ziehe die Halbirungslinie, bis die A B in H ge-
ſchnitten wird, ſo iſt H der Einſatzpunkt für den Bogen A F G; man
verbinde zuletzt G mit H und führe aus C die C J ∥ A B, ſo iſt J der
zweite Einſatzpunkt für den Bogen G C.


Figure 218. Fig. 217.

Figure 219. Fig. 218.

Fig. 218. Die Breite A B gegeben, die Höhe C B beliebig ange-
nommen. Man verlängere A B über B hinaus, ſo daß B C1 = B C
wird, halbire A C1 in D, nach E D ≠ A B in D, dann iſt D der
Mittelpunkt für den Bogen A E; man ziehe ferner durch C die
C F ∥ A B.


Fig. 219. Die Weite a b; Steigung a c und Höhe a d = b c ge-
geben. Theile b c in vier Theile, mache b g = ¼ von b c, ziehe
Wanderley, Bauconſtr. II. 15
[226]Zweites Kapitel. Die Bögen.
g f ∥ b c, halbire g f in h, beſchreibe aus h mit h g einen Halbkreis,
theile ihn in drei gleiche Theile, und ziehe i f l, k i m und g k n, ſo
iſt l f der Mittelpunkt für den Bogen c l, i der für l m, k der für
m n und g der für den Bogen a n.


Figure 220. Fig. 219.

Figure 221. Fig. 220.

Fig. 220. Durch Strahlen. Es ſeien A E, A C, A B beliebig.
Theile A E in eine beliebige und die E D in eine doppelt ſo große
Anzahl gleicher Theile; verbinde O der A E mit 1 der E D, 1 der
A E mit der 2 der E D, 2 der A E mit 3 der E D u. ſ. w., ſo wird
ein ſteigender Bogen gebildet, wie dies die Figur zeigt.


Fig. 221 A B. Durch Vergatterung. A iſt zweckmäßig; es
wird über die Spannweite in horizontaler Richtung die Linie a e ge-

Figure 222. Fig. 221 A—B.


zogen und alsdann ein Halbkreis geſchlagen, den Halbkreis theilt man
in beliebig viele Lamellen ein, ſodann werden die Höhen l l' nach m l'',
[227]Die Ausführung der Bögen.
k k' nach n k'', f f' nach o f'', g g' nach p g'', h h' nach q h'' vertical
hinaufgetragen, wodurch die Punkte des einhüftigen (elliptiſchen)
Bogens entſtehen. Bei B befindet ſich der Halbkreis gerade über
der anſteigenden Linie a b (der Halbkreis iſt punktirt), dann zieht
man zunächſt in den Theilpunkten auf a b die Normalen m m', l l',
k k', f f', g g', h h', n n'; ferner errichtet man Lothrechte in m l k f g h n,
mache m m'' = m m', l l'' = l l', k k'' = k k', f f'' = f f', g g'' = g g',
h h'' = h h' und n n'' = n n'.


2. Die Ausführung der Bögen. Obgleich die Korbbögen und
Ovalen den großen Vorzng beſitzen, daß die Fugeneintheilung nur
nach wenigen Mittelpunkten gerichtet iſt und man daher, wenn die
Mittelpunkte ganz nahe liegen, in ihnen eine Schnur befeſtigen kann,
um die radiale Fugenrichtung zu erhalten, ſo fällt dieſer Vortheil
bei großen Bögen ganz fort, und wählt man für dieſe lieber
die elliptiſche Form, weil letztere ſich viel leichter conſtruiren
läßt. Bei geringer Spannweite, etwa bis 2,5m, geſchieht das
Aufreißen“ der Lehrbögen mit dem Stangenzirkel, bei größeren
Weiten nimmt man beſſer Schnüre. Das Aufreißen findet auf
einem gedielten Schnur- oder Reißboden ſtatt. Lehrbögen
von mittlerer Größe fertigen die Maurer an, die größeren wer-
den vom Zimmermann zuſammengeſchlagen*). Da die Mittel-
punkte, beſonders die der flachen Korbbögen, häufig ſo weit entfernt
liegen, daß das Aufreißen der Bögen ſehr umſtändlich wird, benutzt
man meiſtens die Ellipſenform für die größeren Bögen und Gurte

Figure 223. Fig. 222.


im Innern des Gebäudes. Die Herſtellung des hierzu erforderlichen
Lehrbogens geſchieht folgendermaßen (Fig. 222): G G' iſt die Spann-
15*
[228]Zweites Kapitel Die Bögen.
weite des Bogens reſp. die große Axe der Ellipſe; ſodann muß man
die Brennpunkte beſtimmen, was dadurch geſchieht, indem man mit
der halben großen Axe (alſo mit H G) von J aus einen Bogen ſchlägt,
der die Linie G G' in K und K' ſchneidet und die Brennpunkte an-
giebt. Alsdann nimmt man eine Schnur von der ganzen Länge der
Spannweite G G' und befeſtigt ihre beiden Enden in den Brenn-
punkten K K'. Beim Anſpannen der Schnur beſchreibt man mit
einem Bleiſtift die Ellipſe G J L G'.


Der Lehrbogen ſelbſt wird verſchiedenartig conſtruirt; bei kleiner
Spannweite legt man einige Bretter nebeneinander, die von Leiſten

Figure 224. Fig. 223.


zuſammengehalten werden, wie die Fig. 225, 229
u. 230 veranſchaulichen. Große Lehrbögen be-
ſtehen aus mehreren Bohlenlagen, die ſich gegen-
ſeitig abſpreizen (Fig. 222 u. 232). Das Brett
F F' (Fig. 222) hält den Lehrbogen unten, und
J H desgleichen in der Mitte. Für flache Seg-
mentbögen genügt ein einziges Brett (Fig. 223),
welches der Bogenweite M N und der Pfeil-
höhe Q R entſprechend ausgeſchnitten wird.
P N iſt der Radius des Stichbogens.


In der Regel macht man die Länge des Radius gleich der Bogen-
weite, alſo P N = M N, ſodann beträgt der Winkel M P N = 60°, und
die Pfeilhöhe Q R mißt ein ⅛ der Spannweite (⅛ M N).


a)Die Bögen aus Ziegeln.

Der Verband der Gurtbögen ohne Fenſter- und Thüran-
ſchlag iſt ganz ebenſo wie der, der rechteckigen Pfeiler, und verweiſen
wir auf die dort gegebenen Beiſpiele (Fig. 55 A—O). Da dieſe
Verbände für 1½ Stein breite Bögen viel Bruch geben, pflegt man
häufig (in Oeſterreich immer) die nebenſtehenden Verbände zu wählen

Figure 225. Fig. 224 A—B.


(Fig. 224 A—B), welche zwar nicht ganz correkt ſind, da theilweiſe
Fuge auf Fuge trifft, jedoch in Anbetracht, daß der Mörtel ohnehin
[229]Der Verband der Gurtbögen.
die größte Rolle bei Gewölben und Bögen ſpielt, im Intereſſe der
Materialerſparniß wohl zuläſſig wären.


Im Allgemeinen gelten folgende Regeln für Bogenverbände:


  • erſtens: die Centralfugen (das ſind ſolche, welche verlängert
    mit der Axe des Gewölbes zuſammenfallen) müſſen durch die
    ganze Tiefe oder Länge des Bogens gehen, alſo in der Stirn
    deſſelben centrale, in der Leibung mit der Axe parallele
    Fugen bilden.
  • zweitens: die Stoßfugen zweier benachbarter Schaaren dürfen
    weder im Innern, noch in der Leibung des Bogens zu-
    ſammen fallen.

Da die gewöhnlichen Ziegeln parallelepipediſch ſind, im Bogen
aber radial liegen müſſen, ſtellt man die keilförmige Zuſpitzung in
den Lagerfugen ſo her, daß die Fugenſtärke nach oben zunimmt,
etwa oben 2zm, unten 0,8—1zm. Bei Verwendung von Formſteinen
beſtellt man in der Ziegelei keilförmige Wölbſteine nach Art der
Brunnenſteine.


Das Aufklaffen der Fugen geht wohl für Segmentbögen an, be-
ſonders für ſolche mit geringer Pfeilhöhe; hingegen in Halbkreis-
bögen mit geringem Durchmeſſer iſt das Klaffen ſo ſtark, daß es
durch den Kalkmörtel nicht ausgeglichen werden kann, ſondern die
Steine durch Verhau eine keilförmige Geſtalt erhalten müſſen. (Man
vergleiche Fig. 225 A und B.) Da dies aber umſtändlich iſt, begnügt

Figure 226. Fig. 225 A—B.


man ſich meiſtens mit dem einfacheren Verfahren, nur jeden zweiten
Ziegel zu behauen.


[230]Zweites Kapitel. Die Bögen.

Der Halbkreisbogen hat die einfachſte Conſtruktion; die unteren
Lagerflächen in der Höhe des Mittelpunktes liegen ganz horizontal.

Figure 227. Fig. 226.


Nur bei geringer Stärke der Wider-
lager liegt der Gewölbefuß höher
und beſteht das untere Bogenſtück
aus ausgekragten Steinen (Fig.
226); daſſelbe geſchieht, wenn zwei
Halbkreiſe ſich auf einen ſchwachen
Pfeiler ſtützen, der den beiden Bögen
ein ausreichendes Auflager verſagt
(Fig. 227).


Bis etwa 1,5m Spannweite iſt
der in Fig. 225 gegebene Lehrbogen
zuläſſig; er beſteht aus drei bis vier
aufeinander geſtellten Brettern, die
von zwei Streben und einer verticalen Latte zuſammengehalten werden.
Bei Bögen von 1 Stein Tiefe genügt ein ſolcher Lehrbogen; von
1½ Stein Tiefe an ſind jedoch zwei erforderlich. Die Lehrbögen
ruhen auf den Brettern b, die mittelſt Steifen, wie Fig. 228 zeigt,

Figure 228. Fig. 227.


einen ſichern Stand bekommen. Die Aufſtellung und Anordnung der
Lehrgerüſte bei Segmentbögen geſchieht nach Fig. 228, ein Brett a iſt
ausgeſchnitten und wird von den Brettern b b, welche von der
Steife c feſt gegen die Wand gepreßt werden, unterſtützt.


Während in Fig. 225 der Bogen 1 Stein zur Stärke hat, iſt er
[231]Der Verband der Gurtbögen.
in Fig. 228 1½ Stein hoch; man ſieht ſonach in der Anſicht abwech-
ſelnd zwei Köpfe und drei Dreiquartiere.


Figure 229. Fig. 228.

Aehnlich wie in Halbkreisbögen, wird der Verband auch in Korb-
bögen gemacht (Fig. 229).


In dieſem Beiſpiel iſt der Korbbogen aus drei Mittelpunkten a b c
geſchlagen; die Punkte a c befinden ſich noch auf dem Lehrbogen d d,

Figure 230. Fig. 229.


für b muß man außerhalb des Lehrbogens einen feſten Punkt (mit
einem Nagel) feſtſetzen (etwa an der gegen die Unterſtützungsbretter ver-
ſtrebten Latte), um mittelſt einer Schnur die Richtung der Lagerflächen
zu erhalten. Die nebenſtehenden Skizzen (Fig. 230 A—B) machen
dieſes Verfahren erſichtlich.


Von geringer Tragfähigkeit ſind die ſcheitrechten (ſcheitelrechten)
Bögen; die Solidität derſelben hängt lediglich von der Güte des Mörtels
[232]Zweites Kapitel. Die Bögen.
ab (am beſten mit etwas Cementzuſatz). Den äußeren Verband eines
ſolchen Bogens zeigt die Fig. 231; der Mittelpunkt der radialen

Figure 231. Fig. 230 A—B.


Centralfugen liegt auf dem Unterſtützungsbrette b in der Entfernung
der ganzen Bogenweite (nach Fig. 223). Das Lehrgerüft beſteht aus
einem Brette a, das in der Mitte etwas aufgeſchnitten wird, damit

Figure 232. Fig. 231.


es leicht in die Höhe gedrückt („geſtochen“) werden kann. Sowohl
an den Enden, als auch in der Mitte unterſtützen einige Bretter b
das Gerüſtbrett a.


Ganz beſondere Sorgfalt erfordert die Herſtellung der Spitzbögen,
in deren Spitze die Steine eine zweckmäßige Lage erhalten müſſen
(Fig. 232). Die Fugen des unteren Bogentheils ſind nach dem
Punkte gerichtet, aus welchem die Spitzbögen geſchlagen wurden; am
oberen Theile hingegen hört man mit der Schaar p m und r n auf
und mauert man den Schluß nach dem Punkte x. Beſſer wäre es,
von p' bis p aus dem Mittelpunkte x' zu wölben und die Spitze
m p q r n mit einzelnen Ringen von je ½ Stein Dicke herzuſtellen
(Fig. 233 A). Von vielen Technikern wird empfohlen, die oberſte
Spitze ganz von Sandſtein auszuführen (Fig. 233 B); jedoch in An-
[233]Der Verband der Spitzbögen.

Figure 233. Fig. 232.


Figure 234. Fig. 233 A—C.


[234]Zweites Kapitel. Die Bögen.
betracht, daß dieſes Material in vielen Diſtrikten nicht gangbar iſt,
dürfte Fig. A wohl für die meiſten Verhältniſſe den Vorzug verdienen.
Im Mittelalter wurden die Spitzbögen einfach nach Fig. 233 C ein-
gewölbt, wobei in der Mitte eine verticale Fuge entſtand; dieſes Ver-
fahren giebt ein regelmäßiges Gemäuer, es ſieht gut aus und wird
noch jetzt vielfach nachgeahmt.


Figure 235. Fig. 234 A—E.

Wir machen noch auf den Lehrbogen b in Fig. 232 aufmerkſam:
derſelbe eignet ſich für Spannweiten über 1,5m, und beſteht aus zu-
ſammengenagelten Bohlenſtücken, die ſich im Verbande überdecken,
[235]Der Verband der Spitzbögen.
Unten hält eine Latte c die Bogenſchenkel zuſammen und ſteht der
Lehrbogen auf Kreuzhölzern. (Ueber die Ausrüſtung der Bögen ſiehe
bei den Gerüſten (Zimmerconſtruktion 1. Band, Seite 302 und bei
den Tonnengewölben im 2. Bande).


Bei Spitzbögen bis 1,25m Weite bedient man ſich der Lehrbögen,
die ähnlich wie Fig. 225 conſtruirt ſind.


Wenn der Bogen eine ſolche Tiefe hat, daß zwei Lehrbögen nicht
im Stande ſind die Steine genügend zu unterſtützen, dann ſtellt
man an jeder Seite des Bogens ein Lehrgerüſt auf und bringt man
auf dieſelben die 2zm ſtarken Latten. Selbſtverſtändlich hat man dann
beim Aufreißen des Bogens darauf zu achten, daß die doppelte Latten-
ſtärke von der Bogenweite in Abzug kommt.


Bögen von mehr als 2 Stein Stärke und mit ſtarker Krümmung
müſſen aus ſehr keilig zugehauenen Steinen beſtehen; um dies zu
vermeiden, ordnet man lieber mehrere Ringe übereinander an
(Fig. 234 A—E).


Dieſelben beſitzen jedoch eine geringere Tragfähigkeit als ein ein-
ziger Bogen von der Geſammthöhe der Ringe, und müſſen daher von
vorneherein eine größere Höhe erhalten, als den Bögen mit nur
einem Ringe zukommt.


Wenn zwei Bögen ſich gegen ein gemeinſames ſchmales Wider-
lager ſetzen, kragt man zuvor das Mauerwerk etwas aus, um ein
paſſendes Auflager zu ſchaffen (Fig. 235 A), oder man ſtellt den
Kopf des Pfeilers aus Sandſtein her (Fig. 235 B); dies geſchieht

Figure 236. Fig. 235 B—A.


beſonders bei Anlage großer Oeffnungen in den Gebäudefrontwänden
für die Schauläden (Fig. 236).


Eine andere Anordnung dieſer Art, jedoch mit Segmentbogen,
deren Sandſteinwiderlager auf eiſernen Säulen ruhen, zeigt Fig. 237.


[236]Zweites Kapitel. Die Bögen.

Beide Beiſpiele ſind ſchon in der Zeichnung ſo verſtändlich genug,
daß ſie keiner weiteren Beſchreibung bedürfen.


Figure 237. Fig. 236.

Falls zwei Bögen gegen einen l Stein ſtarken Pfeiler ſtoßen,
wäre unter Umſtänden, mit Anwendung von Cementmörtel, die Bogen-
mauerung nach Fig. 238 zuläſſig; die Mittelpunkte der flachen Seg-
mentbögen ſind für die Bogenmauerung maßgebend, indem die
Centralfugen des rechten Bogens nach dem Mittelpunkt des linken
Bogens, und umgekehrt, laufen; über dem Pfeiler ſtoßen die beiden
Bögen ſchwalbenſchwanzartig gegen einander.


Starkbelaſtete Bögen und Gurte mit geringer Bogenſtärke werden
mittelſt Entlaſtungsbögen entlaſtet; je größer die Pfeilhöhe der-
ſelben iſt, deſto mehr vermögen ſie die Laſt von den unteren Bögen
abzuhalten. Die Halbkreisform dürfte für Entlaſtungsbogen die
beſte ſein; ſie läßt ſich aber wegen der geringen Höhe zwiſchen den
[237]Der Verband der Entlaſtungsbögen.
oberen Fenſterbrüſtungen und dem Sturz der unteren Fenſteröffnun-
gen ſelten anordnen.


Figure 238. Fig. 237.

Figure 239. Fig. 238.

In Fig. 239 werden zwei halbkreisförmige Bögen, welche in der
Mitte auf einem ſchmalen Pfeiler ruhen, entlaſtet. In Wirklichkeit
trägt der große Bogen das ganze Gewicht des Mauerwerks und
[238]Zweites Kapitel. Die Bögen.
dienen die kleinen Bögen nur als Fenſterabſchlüſſe. Das Mauerwerk
zwiſchen dem Entlaſtungsbogen und den kleinen Bögen darf man erſt

Figure 240. Fig. 239.


nach dem vollſtändigen Austrocknen und Setzen des Entlaſtungs-
bogens herſtellen. Zweckmäßig wäre es, den Entlaſtungsbogen mit
hydrauliſchem Mörtel zu mauern.


Fig. 240 veranſchaulicht die häufigſte Anordnung der Entlaſtungs-
bögen; ein nur 1 Ziegel ſtarker Segmentbogen überdeckt die Oeffnung,

Figure 241. Fig. 240.


darüber befindet ſich ein höherer, 1½ Stein ſtarker Entlaſtungsbogen.
Ausgezeichnete Dienſte leiſten die Entlaſtungsgurte über ſcheitrechten
[239]Der Verband der Entlaſtungsbögen.
Bögen; Fig. 241 führt einen ſolchen Fall vor. Die Hauptſtützen ſind
von Sandſteinen gefertigt, zwiſchen dieſen ſteht eine eiſerne Säule,

Figure 242. Fig. 241.


die einen Sandſteinblock als Widerlager der ſcheitrechten Bögen trägt,
welch’ letztere durch einen großen Entlaſtungsbogen gegen den
Druck des oberen Mauerwerks geſichert werden. Dieſer Anordnung
analog, ſcheint Fig. 242 zu ſein; der Entlaſtungsbogen hat nur eine
kleine Spannweite, weil die geringe Höhe bis zur Fenſterbrüſtung
einen größeren Bogen nicht geſtattet.


Auch die ſtarken Entlaſtungsbögen kann man, um das Klaffen der
Fugen zu verhindern, aus mehreren Ringen übereinander ausführen
(Fig. 243). Die unteren Bögen über den Oeffnungen haben die
[240]Zweites Kapitel. Die Bögen.

Figure 243. Fig. 242.


Figure 244. Fig. 243.


[241]Verband und Anordnung der Entlaſtungsbögen.
Korbbogenform und ſtützen ſich gegen die Sandſteinwiderlager k.
Dieſe Anordnung dürfte beſonders in ſandſteinreichen Gegenden an-
zuempfehlen ſein, da die Mauerung des unteren Theiles der kleinen
Korbbögen mit Schwierigkeit verbunden iſt.


Vielfach benutzt man den Entlaſtungsbogen, um weite ſcheitrechte
Bogen aufzufangen; zu dieſem Zwecke hängt eine eiſerne Flachſchiene
a a (Fig. 244) an einer eiſernen Rundſtange b b, die über dem Scheitel
des Entlaſtungsbogen von einem breiten Splint c c gehalten wird.

Figure 245. Fig. 244.


In dieſer Figur bezeichnet d d das Lehrgerüſt und e e e das Unter-
ſtützungsbrett zu demſelben.


Für noch größere Spannweiten wird empfohlen, in der Mitte der
Oeffnung einen Sandſteinblock (b) aufzuhängen, welcher den rechts
und links herzuſtellenden ſcheitrechten Bögen als Widerlager dient
(Fig. 245). Hierbei muß man aber beachten, daß die Einwölbung
der letzteren erſt nach dem vollſtändigen Setzen des großen Bogens
ſtattfinden darf.


Für die Bogendimenſionen geben wir folgende allgemeine Regeln:


Die Regeln für die Stärke der halbkreisförmigen Gewölbe und Bögen
gelten annähernd auch für ſolche mit Segmentform, wenn man ſtatt
der Spannweite den Durchmeſſer des Kreiſes in Rechnung ſtellt, deſſen
Theil das flache Gewölbe oder der flache Bogen iſt.


Sämmtliche Bögen und Gewölbe ſind bis zu ⅔ der Höhe des
Gewölbes als hintermauert anzunehmen.


Wanderley, Bauconſtr. II. 16
[242]Zweites Kapitel. Die Bögen.

Bögen, welche die im Hochbau gewöhnlich vorkommenden Be-
laſtungen durch Umfaſſungsmauern und Mittelmauern von 3—4 Stock-

Figure 246. Fig. 245.


werken zu tragen haben, erhalten im Scheitel die in folgender Tabelle
enthaltenen Stärken:

Die vorſtehenden Stärken können als Maxima angeſehen werden
und laſſen ſich bei nicht zu großen Belaſtungen und gutem Material
entſprechend reduziren. Man geht mit mittelguten Backſteinen ge-
[243]Die Bögen aus Schnitt- oder Werkſteinen.
wöhnlich nicht über eine lichte Weite von 11,5m und giebt den Bögen
über 8,5m im Scheitel eine Stärke von 1/15—1/12 der Lichtweite.


Den ſcheitelrechten Bögen legt man einen Kreisbogen, der
einen Mittelpunktswinkel von 60° hat, zu Grunde und beſtimmt
hiernach die Stärke.


Sämmtliche Bögen müſſen eine Breite erhalten, die größer
als 1/17 der lichten Weite iſt.


Widerlagsſtärke der Bögen. Als ungefähren Anhalt kann
man für belaſtete Bögen annehmen, daß die Widerlagsſtärke bei


  • überhöhten und Spitzbögen   1/5 ½ — 1/6
  • halbkreisförmigen Bögen   1/5 — 1/5 ½
  • flachen Bögen mit einer Pfeilhöhe von mindeſtens ¼ der
    lichten Weite   1/4 — 1/4½
  • flachen Bögen mit einer Pfeilhöhe von mindeſtens ⅛ der
    lichten Weite   1/3½ — 1/4
  • ſcheitrechten Bögen   1/3 — 1/4

der lichten Weite beträgt.


Bei Widerlagern, die höher als 2,5—3,2m ſind, hat man die
oben erhaltenen Stärken noch um ⅙ der Höhe zu vergrößern. Sind
die Widerlager ſtark belaſtet oder kragt man dieſelben nach dem Bogen
zu aus, ſo können die angegebenen Stärken reduzirt werden.


b)Die Bögen aus Schnitt- oder Werkſteinen

kommen eigentlich nur in ſandſteinreichen Gegenden vor, zumal ihre
Anfertigung ſchon mit bedeutenden Koſten verbunden iſt. Für die
Herſtellung des Schnittſteinbogens gebraucht man, wenn die Steine
ſo ſchwer ſind, daß ſie von einigen Leuten nicht gehoben und verſetzt
werden können, ein feſtes, vom Zimmermann abgebundenes Arbeits-
gerüſt (ſiehe Fig. 167), ferner ſehr ſolid hergeſtellte Lehrbögen,
welche ähnlich conſtruirt werden, wie die früher mitgetheilten Lehr-
gerüſte für Tonnengewölbe (ſiehe Fig. 445—447 im 1. Bande „Zim-
merconſtruktionen“ dieſes Werkes) und endlich einen Laufkrahn mit
Winde (Fig. 165). Eine große Rolle ſpielen die Werkſteinbögen im
Brücken- und Viaduktbau.


Für die Bogenform eignen ſich die Halbkreis-, Spitz- und Seg-
mentbögen am beſten, weil man bei dieſen die ſämmtlichen Steine
16*
[244]Zweites Kapitel. Die Bögen.
nach einer Schablone anfertigen kann; weniger vortheilhaft ſind die
Korbbögen. Auch die elliptiſchen Bögen vermeidet der Conſtrukteur,
da alle Steine eines Bogenſchenkels verſchiedene Formen und von
einander ganz abweichende Lagerflächen haben, ſomit ſehr viele
Schablonen erforderlich ſind. Am einfachſten wird der Segment-
bogen (Fig. 246) conſtruirt, wenn die oberen Kanten der

Figure 247. Fig. 246.


Steine mit einer Schaaroberfläche horizontal abſchließen. Dadurch
entſtehen zwar ungleich lange Wölbſteine nach verſchiedenen Schablonen,
man vermeidet aber die ſpitz zulaufenden Kanten an den horizontalen
gegen den Bogen ſtoßenden Werkſteinen, welche beim Transport leicht
abbrechen.


Die Gebäudeunterbauten (Sockel) haben meiſtens nur kleine Fen-
ſter, deren Ueberwölbung mit einigen Steinen geſchieht. Fig. 247
zeigt einen ſolchen Fall, bei dem jeder Bogen nur aus zwei Steinen
beſteht. Die Wand ſelbſt hat eine Quaderplattenverblendung, hingegen
das Gewölbe ſetzt ſich aus durchgehenden Blöcken zuſammen.


Im Mittelalter pflegten die Steinmetzmeiſter häufig nur die oberen
Kanten der Wölbſteine gerade zuzurichten und ſo zu verſetzen, wie
Fig. 248 u. 249 angeben. Die Bogenanfänge (b) ſind aus großen
Werkſtücken hergeſtellt, während die anderen Bogenſteine abwechſelnd
[245]Die Bögen aus Schnitt- oder Werkſteinen.

Figure 248. Fig. 247.


Figure 249. Fig. 248.


[246]Zweites Kapitel. Die Bögen.
in die horizontalen Schaaren des Gemäuers eingreifen. Dieſe Me-
thode verdient Nachahmung, weil ſie die Eintheilung der Wölbſteine
weſentlich erleichtert.


Figure 250. Fig. 249.

Sollen die oberen Wölbſteine gerade mit der
Schichtenhöhe aufhören, wie z. B. in Fig. 250,
ſo iſt eine zweckmäßige Steineintheilung nur
dann zu bewerkſtelligen, wenn man die centrale
Fugenrichtung ganz aufgiebt, was zwar nicht

Figure 251. Fig. 250.


correct erſcheint, aber immerhin die Solidität der kleinen Werkſtein-
bögen nicht beeinträchtigt.


Weit günſtiger geſtaltet ſich die Werkſteineintheilung bei Aus-
führung der Wandflächen von Ziegeln oder Bruchſteinen, welche
ſchließlich überputzt werden, ſo daß nur die Sandſtein-Bogenumfaſſung
ſichtbar bleibt (Fig. 251). Man giebt in dieſem Falle die Fugen-
richtung von dem Mittelpunkte aus an und ſetzt für jeden Wölbſtein
eine beliebige Länge feſt.


Die Ueberdeckung einer 2,1m weiten Maueröffnung mit einem
Spitzbogen macht Fig. 252 erſichtlich. Der Bogen ſelbſt beſteht aus
gleich großen Werkſtücken, die an der inneren Kante abgefaſt ſind
(ſiehe das ſchraffirte Profil); an der äußeren Bogenkante läuft ein
Geſimsprofil herum, welches ſich an der Wand in horizontaler Rich-
tung weiter fortſetzt. Innerhalb der Bogenöffnung befindet ſich ein
[247]Die Bögen aus Schnitt- und Werkſteinen.
ſteinerner Fenſterſtock (zwei Spitzbögen und oben eine Kreisroſette),
deſſen einzelne Sandſteinſtücke mit einander gut verklammert ſind.


Figure 252. Fig. 251.

Figure 253. Fig. 252.

Die Bögen werden auch häufig mit ſogenannten Hakenſteinen zu-
ſammengeſetzt (Fig. 253), um ihnen eine größere Feſtigkeit zu geben
(Fig. 253 L); ſolche Bögen haben ſich aber nicht bewährt, weil die
[248]Zweites Kapitel. Die Bögen.
Haken bei dem Setzen des Mauerwerks ſich ſpannen und ſchließlich
abbrechen.


Die Fig. 253 veranſchaulicht außerdem noch das Verfahren, wie man
jedem einzelnen Steine ſeine beſondere Geſtalt geben kann; man zerlege

Figure 254. Fig. 253.


zuerſt die innere Bogenleibung in gleich große Theile von ungerader
Zahl (hier ſieben) und beſtimme die Fugenrichtung und Steingröße.
[249]Die Bögen aus Schnitt- und Werkſteinen.
Beiſpiesweiſe wird der Stein f h i e c hergeſtellt, indem man zuerſt
einen Sandſteinblock mit den parallelen und ebenen Flächen f u s t
und p q r v (K') zurichtet. Die Höhe f t in K' entſpricht der größten
Steinhöhe h e und laſſen ſich die Abſchrägungen und Abrundungen,
in der Weiſe wie Fig. K vergegenwärtigt, mittelſt der Schablone
leicht herſtellen. Daſſelbe Verfahren gilt für die Steine J, L und M.


B.Die Gewölbe.


Die bogenartige Ueberdeckung der Oeffnungen und beliebig ge-
ſtalteter Räume, welche mit hinreichend ſtarken Mauern umgeben
ſind, geſchieht mit Gewölben.


Gewölbte Decken kommen hauptſächlich vor über Kelleranlagen,
Corridoren, Gängen, Treppenhäuſern (in Oeſterreich auch ſehr häufig
über Wohnräumen und Magazinen), und außerdem noch überall, wo
die leicht brennbaren Holzdecken nicht zweckmäßig erſcheinen.


1) Benennung der Gewölbetheile. Jeder Beſtandtheil des
Gewölbes hat ſeinen beſonderen Namen (Fig. 254 A—B).


Figure 255. Fig. 254 A—B.

a) Die inneren Begrenzungslinien zwiſchen dem Gewölbe und
den verticalen Wänden, alſo die Linien k k', heißen: Anlauf
(öſterreichiſch) Kämpferlinie; die einzelnen Punkte in dieſer Linie
heißen: Anlauf- reſp. Kämpferpunkte.


b) Die höchſte Stelle (s) der inneren Gewölbefläche heißt: Schei-
telpunkt
oder Schlußpunkt.


[250]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

c) Die horizontale Linie, welche durch dieſen Punkt und parallel
zur Gewölbslänge geht, heißt: Scheitellinie.


d) Die Horizontale m m', welche in der Höhe der, zur Cylinder-
fläche gehörenden Mittelpunkte liegt, heißt: Axe.


e) Die Bogenlinie k s k ſelbſt heißt: Wölbungslinie.


f) Zwei in einer zur Axe m m' normal gerichteten horizontalen
Ebene liegende Kämpferpunkte k k heißen: zuſammengehörende
Kämpferpunkte
(ſiehe Fig. 255 A—B).


Figure 256. Fig. 255 A—B.

Figure 257. Fig. 256.

g) Die kürzeſte horizontale Entfernung zwiſchen den beiden zu-
ſammengehörenden Kämferpunkten, heißt: SpannweiteS.


h) Die ſenkrechte Höhe des Scheitelpunktes s über der Verbin-
dungslinie zweier zuſammengehöriger Kämpferpunkte, heißt: Pfeil-
höhe
p (Fig. 254 und 256). Bei einhüftigen Gewölben und Bögen
wird der Abſtand von der niedrigſten Kämpferlinie gemeſſen.


i) Die normale Entfernung der inneren und äußeren Bogenlinie
heißt: Gewölbeſtärke oder Gewölbedicke(d).


k) Die innere Gewölbefläche (J) heißt: die Leibung oder In-
trados
.


l) Die äußere Gewölbefläche (E) heißt: der Rücken oder Ex-
trados
.


m) Die Endfläche des offenen Gewölbes heißt: Stirne, Haupt
oder Schild.


n) Die Ebene e e (Fig. 257 A—B), welche die Hintermauerungs-
höhe angiebt, heißt: Ebene der Abgleichung, Hintermauerung
oder Nachmauerung. Beim Brücken liegt ſie meiſtens ſchräge
(Fig. 257 C).


[251]Benennung der Gewölbetheile.

o) Die Ebene k k (Fig. 254), welche durch einen oder beide gegen-
überliegende Kämpferpunkte geht, heißt: Gewölbsanfang oder
Widerlagsebene.


p) Die Fläche k w dagegen heißt: Widerlagsfläche, Gewölbe-
ſohle, Gewölbefuß
(Füßel auf wieneriſch).


Figure 258. Fig. 257 A—C.

q) Jede Mauer W, gegen welche das Gewölbe ſich anlegt, heißt:
Widerlagsmauer.


r) Die einzelnen Steine, aus denen das Gewölbe zuſammengeſetzt
wird, heißen Wölbſteine.


s) Der erſte Stein a, auf dem Gewölbefuß liegend, heißt: An-
fänger
- oder Kämpferſtein.


t) Der Stein t in der oberſten Spitze des Gewölbes heißt:
Schlußſtein.


u) Jede Hälfte eines Gewölbes, welche durch eine verticale, durch
die Scheitellinie gelegte Ebene gebildet wird, heißt: Gewölbe-
ſchenkel
; dieſelben ſind in der Regel ſich gleich, bei einhüftigen Ge-
wölben (Fig. 256) reſp. Bögen aber ungleich.


v) Wenn ein Gewölbe durch eine Ebene normal zur Axe ge-
ſchnitten wird, ſo erhält man den Querſchnitt.


w) Den verticalen Schnitt in der Längenrichtung des Gewölbes
und durch die Axe nennt man Längenſchnitt.


x) Ein Gewölbe, bei dem die Stirnen ſichtbar ſind, wie z. B. bei
Brücken, heißt: ein offenes.


y) Ein Gewölbe ringsum mit Mauern iſt: ein geſchloſſenes.


2) Gewölbearten. Das cylindriſche Tonnengewölbe iſt
das Element aller Gewölbearten; aus ihm wird durch den flachen
Cylinderabſchnitt mit einer ⅓—⅕ Pfeilhöhe das flache Tonnen-
[252]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
reſp. Segmentgewölbe und, falls die Pfeilhöhe ⅙—1/12 der
Bogenſehne zur Länge hat, das preußiſche Tonnengewölbe,
oder die preußiſche Kappe gebildet.


Die Tonnengewölbe können alle Bogenformen und Grundfiguren
erhalten; bald ſind letztere quadratiſch, rechteckig, bald länglich, wink-
lich, rund und ſpiralförmig aufſteigend. Alle dieſe Modificationen
beſprechen wir weiter unten bei Tonnengewölben ausführlicher.


Schneidet man das Tonnengewölbe in der Richtung der Diago-
nalen a b des Raumes zweimal ſenkrecht durch (Fig. 258), ſo ent-
ſtehen vier Theile, von denen je zwei gegenüber befindliche Theile ſich
gleich ſind und k k „Kappen“ und w w „Wangen“ heißen. Die
Kappen haben den Bogen a b zum Querſchnitt nnd die horizontalen
Scheitellinien m s und s m; die Wangen hingegen beſitzen gar keine

Figure 259. Fig. 258.


Figure 260. Fig. 259.


Stirnöffnung, ſondern liegen an den horizontalen Widerlagslinien a b;
in der Richtung m s erhält man die halben Tonnen zum Querſchnitt,
in welchem s der höchſte Punkt (Scheitelpunkt) iſt.


Je nach der Zuſammenſtellung der Kappen oder Wangen unter-
einander entſtehen die mannigfachſten Gewölbearten.


Bringt man mehrere (mindeſtens drei) Kappen ſo zuſammen,
deren Scheitelpunkte in gleicher Höhe liegen, ſo bekommt man das
Kreuzgewölbe (Fig. 259), in welchem die Kappen auch ungleiche
Weiten haben können, und die Bogenform einer jeden Kappe nach
der Vergatterung ſich ergiebt.


[253]Die Gewölbearten.

Die Bogenform wird aber ſtets normal zur Kappenaxe ange-
nommen, auch ſelbſt dann, wenn die Stirn ſchräge zur Axe gerichtet
ſteht wie a b in Fig. 260 D. Fig. 260 giebt die Horizontalprojection

Figure 261. Fig. 260.


der mannigfachſten Kreuzgewölbe; a b iſt die Spannweite der Kappen,
x x die Axe derſelben.


Die Horizontalprojectio-
nen
der Kappendurchdringungen
geben ſtets gerade Linien; die
Durchdringung erſcheint an dem Ex-
trados als eine Vertiefung oder Ein-
biegung nach Innen, und heißt:
Diagonal-, Kehl- oder Ixen-
bogen
(letzterer Ausdruck in Oeſter-
reich). Ein ſolcher Bogen iſt in den
meiſten Fällen eine halbe Eillipſe,
welche nach der Vergatterung aus
dem halben Kappenquerſchnitt con-
ſtruirt wird.


Die Vervielfachung des Bogen-
ſyſtems als tragbare Rippen führt
auf die Entwickelung der Stern-
gewölbe
(Fig. 261), welche weiter
unten näher dargeſtellt ſind.


Figure 262. Fig. 261.

[254]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Die Zuſammenſetzung von mindeſtens drei Wangen in der Weiſe,
daß die Scheitelpunkte und Widerlagslinien je in gleichen Höhen liegen,
giebt ein Kloſtergewölbe (in Oeſterreich wird dieſes häufig
„Kappengewölbe“ genannt). Brauchbar ſind dieſe Gewölbe für alle
polygonale Grundformen (Fig. 263).


Wo zwei Wangen zuſammentreffen, iſt eine Biegung nach Außen,
der ſogenannte „Grat“ vorhanden, nach welchem der ganze Bogen
auch „Gratbogen“ oder „Diagonalbogen“ heißt.


Macht man die Pfeilhöhe des Kloſtergewölbes bedeutend größer
als eine halbe Spannweite, ſo entſteht ein Kuppelgewölbe, deſſen

Figure 263. Fig. 263.


Grundriß viele Seiten haben kann. Geht die polygonale Grund-
fläche in ein Unendlichvieleck über, d. h. in eine ſich ſtetig wiederholende
Krumme (Kreis, Ellipſe, Ovale, Eilinie), dann nimmt die Leibungs-
fläche eine glatte Rundung an und alle ſcharfen Gratkanten verſchwin-
den. Bei dem [kreisförmigen] Grundriſſe und Querſchnitte erhält man
ein Halbkugelgewölbe und ein horizontaler Kugelabſchnitt heißt
ein flaches Kuppelgewölbe. Wenn ein volles Halbkugel- oder
ein volles elliptiſches Kuppelgewölbe an den Seiten von verticalen
Ebenen, die ſich berühren, ſo geſchnitten wird, daß eine quadratiſche,
rechteckige oder polygonale Grundform entſteht, dann nennt man
dieſe Gewölbeart:


  • a) wenn der Durchmeſſer über 4,5—6m groß iſt, ein Kuppelge-
    wölbe über polygonaler Grundform
    ,
  • b) wenn der Durchmeſſer unter 4,5m mißt, ein böhmiſches Ge-
    wölbe
    oder böhmiſches Platzel (der letztere Ausdruck in
    Oeſterreich üblich);

findet dieſelbe Prozedur bei einem horizontalen Kugelabſchnitt ſtatt,
dann bekommt man eine böhmiſche Kappe oder ein preußiſches
Platzel
(öſterreichiſch).


[255]Das Tonnengewölbe.

Andere Entwickelungen mit Anwendung der Wangen und der
ſcheitelrechten Gewölbe enthalten noch die Muldengewölbe und die
Spiegelgewölbe, welche wir weiter unten näher betrachten.


I. Das Tonnengewölbe,

auch Cylinder-, Zirkel- oder Kufengewölbe genannt, wird
im Waſſer- und Brückenbauwefen gerne angewendet, da es ſich leicht
herſtellen läßt und von allen Gewölben die größte Tragfähigkeit be-
ſitzt; im Hochbauweſen wurde das Tonnengewölbe früher ſehr häufig
benutzt, jetzt findet es in Deutſchland nur ſelten, deſto öfter aber in
Oeſterreich Verwendung zur Ueberdeckung der Kellerräume, Gänge
und Magazine, obgleich hierfür andere Gewölbearten meiſtens zweck-
mäßiger ſind.


1) Form des Tonnengewölbes. Die Tonnengewölbe ſind
liegende halbe Cylinder; eine Cylinderfläche entſteht, wenn eine gerade
Linie, eine Curve berührend, ſich fortbewewegt und dabei parallel mit
ihrer erſten Lage bleibt. Die gerade Linie heißt die Erzeugende,
die Curve hingegen die Leitlinie. Iſt die Curve ein Kreis oder
eine Ellipſe und ſteht deren Ebene ſenkrecht auf der Erzeugenden, ſo
entſteht ein kreisförmiger oder elliptiſcher Cylinder (Tonne), und die
durch den Mittelpunkt des Kreiſes oder der Ellipſe gedachte Gerade
heißt Axe oder Drehaxe des Cylinders.


Man kann ſich eine Cylinderfläche auch auf eine zweite Art ent-
ſtanden denken, indem ſich nämlich eine Curve auf der genannten
Axe ſo fortbewegt, daß ſie immer parallel in ihrer erſten Lage bleibt.
Bei dieſer Erzeugungsart iſt die Axe die Leitlinie und die Curve die
Erzeugende. Bewegt ſich nun nach dieſem Geſetze ein Halbkreis, deſſen
Verbindungslinien der Endpunkte horizontal iſt, an einer durch deſſen
Mittelpunkt gehenden Geraden fort, ſo entſteht die Leitungsfläche für
das halbkreisförmige Tonnengewölbe. Iſt die Wölblinie
eine halbe Ellipſe, ſo heißt das Gewölbe ein elliptiſches Tonnen-
gewölbe
, und je nach der horizontalen Lage der großen oder
kleinen Axe, unterſcheidet man ein flaches und ein überhöhtes
elliptiſches
Tonnengewölbe. Statt der Ellipſe wird ſehr häufig ein
Korbbogen für die Wölbungslinie vorgezogen, weil die Beſtimmung
der Fugenrichtung bei letzterem bequemer iſt und weil der Korbbogen
bei der Unbeſtimmtheit ſeiner Form einen ſehr großen Spielraum in
[256]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſeiner Geſtaltung zuläßt, er daher Gelegenheit giebt, den lichten
Raum unter dem Gewölbe je nach Erforderniß zu vergrößern, was
bei anderen Curven, die nach beſtimmten geometriſchen Geſetzen er-
zeugt ſind, nicht der Fall iſt.


Uebrigens beſitzt die Ellipſe dieſe Biegſamkeit in noch höherem
Grade als der Korbbogen, und wird ihre Verwendung bei großen
Spannweiten, bei welchen die Mittelpunkte für die Korbbögen zu weit
entfernt liegen, den Vorzug verdienen. Bemerkt ſoll aber noch werden,
daß Tonnengewölbe aus Werkſteinen niemals nach einer Ellipſe con-
ſtruirt werden dürfen.


Bildet die Wölbungslinie einen ſogenannten Spitzbogen, ſo heißt
das Gewölbe ein ſpitzbogiges Tonnengewölbe. Ferner ge-
hören die ſteigenden Tonnengewölbe noch hierher, und man unter-

Figure 264. Fig. 264.


Figure 265. Fig. 265


ſcheidet das aufſteigende Tonnengewölbe mit horizontalem
Gewölbeſcheitel
(auch einhüftiges genannt) und das ſteigende
Tonnengewölbe
mit ſteigendem Gewölbeſcheitel und Axe
(Fig. 264). Die Kämpferlinien ſteigen hier parallel mit der Gewölbe-
axe; dieſes Gewölbe findet aber nur bei Ueberdeckung und Unter-
ſtützung der Treppen Anwendung. Alle bisher betrachteten Gewölbe
heißen gerade Gewölbe, weil die Horizontalprojection der Stirnen
derſelben ſenkrecht zur Gewölbeaxe ſtehen.


Iſt dies nicht der Fall, ſo heißen dieſelben ſchiefe Gewölbe
(Fig. 265). Dieſe kommen eigentlich nur beim Brückenbau vor, wo man
ſie aber, ihrer ſchwierigen Herſtellung wegen, möglichſt ſelten anordnet.
Die bisher erwähnten Tonnengewölbe ſind die wichtigſten mit horizon-
taler
und geneigter Axe; es giebt aber auch Tonnengewölbe mit
[257]Das Tonnengewölbe. Ermittelung der Durchdringungscurven.
verticaler Axe, welche beiſpielsweiſe ausgeführt werden, wenn
einem horizontalen, oder unter einem Winkel geneigten Drucke (Erd-
reſp. Waſſerdruck) widerſtanden werden ſoll; natürlich wird hierbei
die Leibung ziemlich concav ſein müſſen. Neuerdings benutzt man der-
artige Tonnen- reſp. Stichbogengewölbe häufig bei verſenkten Lichtkaſten
vor den Kellerfenſtern, ſowie bei Iſolirſchachten vor den Fundamenten.


Das Tonnengewölbe kann übergehen in ein Ringgewölbe
(Fig. 266), wenn deſſen Axe übergeht in eine horizontal liegende Curve,
z. B. in eine kreisförmig, elliptiſch
oder ſchraubenförmig geſchloſſene
Linie. Dieſe Gewölbe ſind aber nicht
mehr nach Cylinderflächen gebildet. Die
eingeſchriebenen Buchſtaben geben die
Projectionen an.


2) Ermittelung der Durchdrin-
gungscurven
. Bevor wir zur Be-
ſprechung der Conſtruktionen übergehen,
ſollen noch einige Beiſpiele vorgeführt
werden, in denen die allgemeinen Grund-
ſätze für das Austragen und Ermitteln
der Durchdringungslinien erſichtlich ſind.


Figure 266. Fig. 266.

Figure 267. Fig. 267.

Figure 268. Fig. 268 A und B.

In Fig. 267 und 268 A und B ſind die Durchdringungen halb-
kreisförmiger Tonnengewölbe, mit gleichen Halbmeſſern, deren Axen
alle in einer horizontalen Ebene liegen, gegeben. Die einzelnen Durch-
Wanderley, Bauconſtr. II. 17
[258]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
dringungslinien x y und v w werden in ihren Horizontalprojectionen
gerade Linien ſein müſſen, weil aus der darſtellenden Geometrie bekannt
iſt, daß die Projectionen der Durchdringungscurven zweier kreisförmi-
gen Cylinder mit gleichen Halbmeſſern, deren Axen ſich ſchneiden, dem-
nach in einer Ebene liegen, auf dieſer Ebene gerade Linien geben, in
allen anderen Fällen aber Curven (ſiehe Fig. 270). Die Diagonal-
linien ſelbſt ſind leicht durch Vergatterung zu finden; es ſind dieſelben
in die horizontalen Projectionen der Figuren umgelegt.


Das eben angegebene Geſetz bezüglich der Durchdringungscurve
zweier kreisförmiger Cylinderflächen mit gleichen Halbmeſſern gilt eben-
falls, wenn ſich die Axen in horizontaler Lage unter irgend einem
Winkel durchſchneiden.


Fig. 269 zeigt nun zwei ſich nicht rechtwinklich, aber in horizon-
taler Lage durchdringende halbkreisförmige Tonnengewölbe mit gleichen

Figure 269. Fig. 269.


Halbmeſſern. Der höchſte Punkt der beiden Durchdringungslinien
wird offenbar über dem Durchſchnittspunkte x der beiden Scheitel-
linien der Tonnengewölbe ſein; x y und x z ſind dann die horizon-
talen Projectionen der Durchdringungscurven, deren wahre Größe,
wie auch Verticalprojectionen nun leicht durch Vergatterung aus dem
Halbkreiſe m a' o abzuleiten ſind.


Man denke ſich nämlich, um dieſe Durchdringung zu erhalten, beide
Cylinderflächen durch verticale zuſammengehörige Hülfsebenen ſenkrecht
[259]Das Tonnengewölbe: Ermittelung der Durchdringungscurven.
zur Cylinderaxe geſchnitten, dann geben die Durchſchnittspunkte die
Durchdringungscurve.


Fig. 270 zeigt zwei ſich rechtwinklig durchdringende halbkreisför-
mige Tonnengewölbe mit gleichen Durchmeſſern, deren Axen ſich jedoch
nicht ſchneiden, und davon das eine ein ſteigendes Gewölbe mit ſtei-
gender Axe iſt.


Die horizontale Projection der Durchdringungscurve wird dar-
geſtellt, wenn man ſich wieder beide Cylinderflächen durch verticale
Ebenen parallel zur Axe C D geſchnitten denkt, von denen der hori-
zontale Cylinder nach dem Halbkreiſe, der ſteigende Cylinder nach zur

Figure 270. Fig. 270.


Axe x y parallelen Geraden geſchnitten werde, deren gemeinſchaftliche
Durchſchnittspunkte in je einer Hülfsebene Punkte für die Kurven ſind.


Nach den bisher gegebenen Beiſpielen von Durchdringungen der
Tonnengewölbe laſſen ſich nun leicht alle übrigen möglichen Fälle aus-
arbeiten, z. B. wenn die Tonnengewölbe verſchiedene Halbmeſſer haben,
dann ſich ſchneidende oder nicht ſchneidende, rechtwinklich oder unter
irgend einem andern Winkel ſich kreuzende, horizontale oder ſteigende
Axen haben; die Wölbungslinien können auch Segmentbögen, Ellipſen,
Spitzbögen u. ſ. w. ſein. In allen Fällen wende man, um die Durch-
dringungscurven zu erhalten, verticale oder horizontale Hülfsebenen
an, oder ganz allgemein: wenn ſich zwei ganz beliebige Tonnenge-
17*
[260]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
wölbe durchdringen, nehme man Ebenen zu Hülfe, welche beide Cy-
linderflächen nach geraden Linien ſchneiden.


Um die Richtung dieſer Hülfsebenen zu finden, nehme man an belie-
biger Stelle des Grundriſſes einen Punkt an, lege durch dieſen zwei Gerade,
welche parallel zur Erzeugenden der beiden Cylinder fallen, und lege
durch dieſe zwei Gerade eine Ebene; parallel mit letzterer müſſen dieſe
Hülfsebenen gehen, um der genannten Anforderung zu entſprechen.


3) Die Conſtruktion der Tonnengewölbe iſt im Allgemeinen
abhängig, erſtens von dem Orte, an dem das Gewölbe verwendet
wird, zweitens von dem Material, drittens von der Bogen-
form
und viertens von der Verbindungsweiſe mit anderen
Gewölben
und Conſtruktionstheilen.


Das Tonnengewölbe beſteht aus der Zuſammenſetzung vieler
Bögen von gleicher Spannweite, Pfeilhöhe, Bogenform und Stärke.
Die Stärke des Gewölbes ändert die Conſtruktion durchaus nicht, und
kann von ½ Ziegel anfangend ſo groß ſein, als für die Tragfähig-
keit nöthig erſcheint. Im Hochbau kommen aber ſelten Gewölbe über
1½—2 Ziegel Stärke vor, dagegen ſind ſolche beim Brückenbau in
allen Bogenformen gebräuchlich.


A. Ziegel-Tonnengewölbe.

Der Verband in ſolchen Gewölben wird ganz ebenſo wie im
vollen Mauerwerk gemacht, wobei es vornehmlich auf die regelmäßige

Figure 271. Fig. 271 A—F.


[261]Das Ziegel-Tonnengewölbe: Der Gewölbeverband.
Fugenverwechſelung ankommt. Schwache Gewölbe verſtärkt man mit
½—1 Stein vorſpringenden Verſtärkungsbögen, welche ſich in be-
ſtimmten Entfernungen wiederholen. Die Fig. 271 A—C giebt drei
verſchiedene Verbände für ½, 1 und 1½ Stein ſtarke Tonnen. Die
Verſtärkungsbögen werden nach den früher, bei den Mauervorlagen
gegebenen Regeln (ſiehe Fig. 66) angelegt und treten entweder an der
inneren Leibung, oder am Rücken ½—1 Stein vor; der letzte Fall iſt
beſonders bei Kellergewölben üblich und wird in der Figur 271 E D
veranſchaulicht. Kleine Gewölbe behalten durchweg die gleiche Stärke,
in größeren dagegen nimmt die Dicke nach dem Widerlager zu, was
dadurch geſchieht, indem man in gewiſſen Abſtänden die Wölbung um
½ Ziegel verſtärkt (ſiehe Fig. 271 F).


Figure 272. Fig. 272 A—D.

Offene Tonnen, wie z. B. Brückengewölbe, müſſen an der Stirne
verbandmäßig abſchließen; denn jeder Abſchluß geſchieht wie bei den
[262]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Mauerenden, mit Benutzung von Dreiquartieren, wie die Skizzen
Fig. 272 A—D in zwei Schaaren darſtellen.


1) Das volle Halbkreis-Tonnengewölbe dient meiſtens
zur Ueberdeckung großer Räume und außerdem noch, wenn auf dem
Gewölberücken eine bedeutende Laſt ruht, wie z. B. zu Brauerei-
kellern, Wege- und Flußüberbrückungen u. ſ. w.


Obgleich in dieſem Werke nur Hochbauconſtruktionen beſprochen
werden, nehmen wir doch keinen Anſtand, auch eine in Ziegeln aus-
geführte Brücke (Fig. 273 ſtellt eine ſolche über die Bließ dar) vor-
zuführen, da dieſe die Tonnenconſtruktion am beſten erſichtlich macht.

Figure 273. Fig. 273.


Das hier mitgetheilte Beiſpiel beſteht aus drei halbkreisförmigen
Tonnengewölben, von denen die beiden ſeitlichen nur 4,6m weit ſind,
die mittlere Tonne aber eine 11,8m weite Oeffnung hat. Die Brücken-
[263]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe bei Brücken und Bierkellern.
breite beträgt circa 10m, welches Maß gleichzeitig die Länge einer
jeden Tonne repräſentirt. Die mittlere Tonne iſt 0,9m ſtark und
ſtützt ſich auf ſolide, niedrige Werkſteinpfeiler, welche auch den kleinen
Gewölben theilweiſe als Widerlager dienen. Die Kämpfer der letz-
teren liegen circa 2,5m höher, als die der weiten Tonne, d. h. die
Widerlagsflächen befinden ſich in verſchiedenen Höhen. Die kleinen

Figure 274. Fig. 274.


Tonnengewölbe ſind 0,6m ſtark. Um an Hintermauerungsmaterial
zu ſparen, ordnete man die durch die ganze Brücke reichenden
Röhren (r) an. Außerdem ſteigt die Hintermauerung von den kleinen
[264]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Gewölben nach dem Scheitel der großen Tonne an, um einerſeits die
Materialmaſſe zu vermindern, andererſeits den Abfluß des durch die
Aufſchüttung ſickernden Tagewaſſers zu ermöglichen. Aus gleichem
Grunde werden die oberen Ziegelſchaaren der Abgleichung in Cement
gemauert und mit einem Asphalteſtrich bedeckt.


Auch der Lagerbierkeller des Brauereibeſitzers Friebe in Klein-
burg (Fig. 274) enthält hohe Halbkreis-Tonnen. Der Grundriß iſt
nach der Linie A B und der Querſchnitt nach C D gedacht; die Plan-
dispoſition beſteht aus den acht parallel liegenden 7m breiten Lagerbier-
kellern L, aus den querliegenden ebenfalls 7m breiten Eiskellern E und
dem 3,75m breiten Mittelgange. Alle Kellerräume, mit Ausnahme
der Vorräume v, ſind mit Halbkreis-Tonnen überdeckt und vom
Pflaſterboden bis zum Gewölbeſcheitel 5m hoch; mithin ſetzen ſich die
Gewölbe auf ein ringsum 2m hoch aufgeführtes Mauerwerk, welches
in den Außenmauern 1,4m, und in den Mittelmauern 1,1m ſtark iſt.
Die Außenwände der Eisräume ſind mit Luftſchichten verſehen. Zur
Ventilirung der Lagerbierkeller dienen die Mauerſchlitze z, welche
ſchlottartig in die Höhe ſteigen und an der Mündung eine Schutz-
haube haben. Im Thurm y werden die Fäſſer hinaufgezogen. Die
Scheitel der Keller liegen faſt in Terrainhöhe, darüber wurde die
Erde 5m hoch angeſchüttet.


Die Kelleranlagen zu Wohngebäuden wurden früher ganz
allgemein mit vollen Tonnengewölben entweder nach dem Halbkreiſe

Figure 275. Fig. 275.


oder dem hohen Korbbogen überdeckt. Da jedoch die hohen Tonnen
die Kellerräume beträchtlich beengen und unbrauchbar machen, pflegt
[265]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe in Hauskellern.
man ſeit geraumer Zeit in den Ländern und Städten, wo die poli-
zeilichen Vorſchriften das Bewohnen der Kellerräume geſtatten, oder
wo man der theueren Miethen wegen gezwungen iſt, jeden Raum
des Hauſes auszunutzen, und den Keller zu gewerblichen Zwecken
einzurichten, andere, nämlich flachere, Gewölbearten anzuordnen.


Immerhin kommen die vollen Tonnen in Oeſterreich und Süd-
deutſchland noch öfters vor, aus welchem Grunde wir ſie hier näher
beſchreiben.


Die Figur 275 zeigt ein paſſendes
Beiſpiel; das Gebäude hat nur eine
Mittelmauer, welche in gleichen Abſtän-
den von den Langmauern entfernt ſteht.
Im Keller iſt die Mittelmauer 3 Stein;
die Langmauern ſind je 3½ Stein dick.
Die Breite der Kellerräume beträgt 4,75m;
für das Gewölbe wurde eine 2,1m hohe
Pfeilhöhe angenommen. Obgleich das
Gewölbe ſcheinbar auf der Kellerſohle
ruht, beginnt die Wölbung etwa 0,4m

Figure 276. Fig. 276.


über der Sohle und iſt das Mauerwerk bis dahin horizontal nach
einer Schablone (wie Fig. 276 zeigt) ausgekragt.


Bei jedem Kellerfenſter wird das Gewölbe ausgeſpart und eine
ſogenannte „Stichkappe“ s angeordnet.


Die genaue Zeichnung eines hohen Korbbogen-Tonnengewölbes
vergegenwärtigen die Fig. 277—280; Fig. 277 iſt ein Theil des
Grundriſſes, Fig. 278 der Längenſchnitt nach a b, Fig. 279 und 280
zwei Querſchnitte.


Das Gewölbe beginnt unmittelbar neben den Mauern direct auf
der Kellerſohle und iſt durchgehends ½ Ziegel ſtark. Dicht an der
Seite eines jeden Fenſters ſind die 1 Stein breiten und ½ Stein
vortretenden Verſtärkungsbögen s angeordnet und ſchließt die Nach-
reſp. Hintermauerung w ab, wodurch neben jedem Fenſter eine ver-
ticale, vom Verſtärkungsbogen s unterſtützte dreieckige Wand w ent-
ſteht. Letztere dient gleichzeitig als Widerlager der Stichkappen l m n
(ſiehe Fig. 277, 279 und 280). Damit bei den Thür- und Fenſter-
öffnungen das nicht ganz hinabreichende Gewölbe (ſiehe Grundriß
Fig. 277) gehalten werde, ſind die ½ Stein ſtarken Widerlags-
bögen o (Fig. 280) erforderlich, welche ſich gegen die Verſtärkungs-
[266]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
bögen s anlegen. Bei der Ausführung der Tonnengewölbe werden
nur die Widerlagsbögen e in Cement gleichzeitig mit dem Gewölbe

Figure 277. Fig. 277.


hergeſtellt, dagegen die Stichkappen und das Gewölbeſtück i e erſt
ſpäter, nachdem das ganze Gewölbemauerwerk ſich geſetzt hat und
trocken geworden iſt, eingewölbt.


Figure 278. Fig. 278.

Manchmal verſtärkt man das Zwiſchengewölbe i und e noch mit
einem anderen Bogen v (ſiehe Fig. 277, 279 und 280), welcher ſich
gegen den Widerlagsbogen o ſtützt; der Nutzen dieſes Zwiſchenbogens
v iſt aber ſo gering, daß es zweckmäßiger erſcheint, ihn ganz fort-
zulaſſen.


Die Einwölbung der Stichkappen kann auf verſchiedene Arten
ſtattfinden; nämlich erſtens: mit anſteigend und mit parallelen
Fugen (wie bei n), zweitens: horizontal und auf den Schwalben-
ſchwanz (wie bei l). Die letztere Manier macht Fig. 280 genau erſichtlich.


[267]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe in Hauskellern.
Figure 279. Fig. 279.

[268]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Figure 280. Fig. 280.

[269]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe über Corridoren ꝛc.

Dieſe Stichkappen, welche nach Art der „preußiſchen Kappengewölbe“
conſtruirt ſind, werden bei dieſer Gewölbeart ausführlich beſprochen.


Oefters bekommen die Zwiſchengewölbe
(wie bei m in Fig. 277) keinen Widerlags-
bogen, ſondern greifen im Verbande in die
Stichkappen ein, welche in dieſem Falle
Ohren heißen. Wo Ohren und Gewölbe
ſich ſchneiden, entſtehen zwei Gratep q und
q r (Fig. 277 bei m).


Nur über hohen Corridoren und

Figure 281. Fig. 281.


Gängen ordnet man volle Tonnen an; öfters kommen ſie über
Hauseingängen, Kapellen u. ſ. w. bis 3m Spannweite vor.

Figure 282. Fig. 282 A—C.


[270]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
So z. B. giebt Fig. 282 A—C den Grundriß einer Hausdurchfahrt
von 2,5—3,5m Breite mit einer halbkreisförmigen Tonnendecke; zur
Verſchönerung der Decke, ſowie um den Druck des ganzen Gewölbes
anſtatt auf die ganze Mauer, nur auf einige verſtärkte Stellen zu
übertragen, durchdringen einige Kegel die Tonne, wodurch ſteigende
Stichkappen (s) entſtehen. An Stelle der Kegel könnte man auch
Cylinder (Fig. 283) oder hohe elliptiſche Bögen, Spitzbögen und
Segmentbögen in die Tonne ſchieben (Fig. 284 A—C). Auch könnte

Figure 283. Fig. 283.


die Spitze des Kegels im Innern des Raumes liegen, woraus ſich
die nach Außen anſteigenden Stichkappen ergeben (Fig. 284 D); dieſe
Anordnung hat den Vortheil, daß die Stirne der Stichkappen keinen
Druck auf die Mauer ausüben. In den meiſten Fällen beſtimmt
die architektoniſche Anordnung der Räume die Form und Lage der
Stichkappen. Bezüglich der Ermittelung der Durchdringungscurve
in der Vertical- reſp. Horizontalprojection ſei erwähnt, daß man im
Querſchnitt zuvor den ganzen Kegel angeben muß; man lege ſodann
Ebenen m bis s in geneigter Lage, welche alle durch die Kegelſpitze
gehen und die Leibung der Tonne (Fig. 285) in 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8
ſchneiden. Durch dieſe Punkte bringe man die verticalen Schnitt-
linien a, b, c, d, e, f und g, welche normal zur Kegelaxe gerichtet
ſind. Die Anſicht der Durchdringung in der Verticalprojection B
erhält man, wenn man vom Mittelpunkt z aus Halbkreiſe ſchlägt
mit Radien, welche gleich der Kegelhöhe in den Schnittebenen a b c
bis g ſind und wenn man aus den Punkten 1, 2, 3 bis 8 Horizon-
tallinien zieht, welche die zu den betreffenden Ebenen a bis g ge-
[271]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe über Corridoren ꝛc.
hörigen und aus z geſchlagenen Bögen in I, II, III, IV bis VIII
ſchneiden. Die Verbindung dieſer Schnittpunkte giebt die Durch-
dringungscurve in B.


Die Horizontalprojection C ergiebt ſich, wenn die Ebenen a bis g
hinabgezogen werden und man von der Mittellinie aus die Längen h I,

Figure 284. Fig. 284 A—D.


i II, k III, l IV ꝛc. nach h 1′, i 2′, k 3′, l 4′ u. ſ. w. abträgt; auch die
Fig. 286 zeigt eine ähnliche Conſtruktion.


Wird die Leibung eines Gewölbes durch eine Kegelfläche, oder
einen Theil einer ſolchen gebildet, ſo entſteht das Kegelgewölbe
oder koniſche Gewölbe, welche, ebenſo wie bei Cylindergewölben,
halbkreisförmig, elliptiſch u. ſ. w. ſein können. Derartige Anordnungen
[272]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
können bei Fenſter- und Thüröffnungen mit ſchrägen innern Leibungen
vorkommen.


Es ſei die innere cylindriſche Gewölbefläche ſenkrecht auf der ver-
ticalen Projectionsebene, ihre Axe Q' Q'' liege in der horizontalen
Projectionsebene und ſtehe daher auf A X normal (Fig. 286).


Figure 285. Fig. 285 A—C.

Die innere koniſche Gewölbefläche hat ihre Spitze in der horizon-
talen Projectionsebene. Der Halbmeſſer der Cylindergrundfläche ſei
O'' b und jener des Kegelparallelkreiſes ſei d'' u. Um die Durchſchnitts-
linie der koniſchen und der cylindriſchen Gewölbefläche zu erhalten,
wende man ſolche Hülfsebenen an, die ſenkrecht auf der Axe A X der
Projectionsebenen ſtehen, dieſe Ebenen ſchneiden die Kegelfläche in
[273]Das volle Halbkreis-Tonnengewölbe.
lauter Kreislinien und die Cylinderflächen nach geraden Linien; je
zwei Durchſchnittspunkte dieſer Flächen liegen dort, wo die Kreislinie

Figure 286. Fig. 286.


von der Geraden (Erzeugenden) geſchnitten wird; es liegen alſo die
Durchſchnittspunkte dieſer Flächen in den Anfangs- und Endpunkten
Wanderley, Bauconſtr. II. 18
[274]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
jener Sehnen, die parallel zur Kreuzrißebene ſind. Auch erhält man
einen Durchſchnittspunkt k', wenn man durch Q' u' die parallele
Hülfsebene zur verticalen Projectionsebene legt, ſie ſchneidet dann
die Kegelfläche in der geraden Erzeugenden und die Cylinderfläche
in einer Kreislinie.


Die Hülfsebene I ſchneidet die Kegelfläche in einem Kreiſe vom
Halbmeſſer f'' e'' und die Cylinderfläche in der geraden Erzeugenden
m' p' oder m'' p''; um die horizontale Projection der beiden Durch-
ſchnittspunkte zu erhalten, beſchreibe man mit dem Halbmeſſer f'' e''
aus der Kreuzprojection Q''' einen Kreis, projicire in die Kreuzriß-
projectionsebene die Gerade (Erzeugende), längs welcher die Cylinder-
fläche geſchnitten wurde, wonach ſich die Durchſchnittspunkte m'' und
p''', welche der Kreuzprojection der Durchdringungscurve angehören,
ergeben.


Legt man jetzt die Hülfsebene II wieder normal auf A X, dann
ſchneidet ſie die Kegelfläche in einer Kreislinie vom Halbmeſſer h'' g'',
und die Cylinderfläche längs der Erzeugenden in s' n' s'' n''. Man
erhält nun die Kreuzrißprojection s''' und n''' der Durchſchnittspunkte
beider Flächen, wenn man aus Q''' mit dem Halbmeſſer h'' s'' den
Kreisbogen h''' s''' n''' zieht, der die Kreuzrißprojectionen s''' n''' der
Cylinder-Erzeugenden in den oben [benannten] Punkten ſchneidet.
Verbindet man die Punkte c''' m''' s''' k''' n''' p''' und l''' durch eine
continuirliche Curve, ſo gelangt man zur Kreuzrißprojection der
Durchſchnittscurve beider Flächen.


Um die horizontale Projection l' p' n' k' s' ꝛc. der Durchſchnitts-
curve zu erhalten, ziehe man r' p' = r' m' = r''' p''' = r''' m''', n' s'
= n''' s'''
.


Die Fig. 287 A—C giebt den Grundriß C und die Schnitte A B
einer kleinen, mit einem ſpitzbogigen Tonnengewölbe überdeckten Ka-
pelle; unten befinde tſich eine ebenfalls überwölbte Gruft. Der Spitzbogen
iſt aus den Punkten a a conſtruirt; die Gewölbe-Mauerung ſelbſt
reicht nicht bis zu den Kämpferlinien hinab, ſondern ſetzt ſich auf
das ausgekragte Mauerwerk, wodurch das Widerlager verſtärkt und
der Gewölbeſchub (da die wirkliche Bogenweite kleiner geworden iſt)
bedeutend vermindert wird. Das ½ Stein ſtarke Gewölbe wurde
an den beiden Enden und in der Mitte mit Verſtärkungsbögen ver-
ſehen, welche nach inwendig vorſpringen und eigentlich nur für die ar-
chitektoniſche Gliederung der inneren Gewölbefläche vorhanden ſind.


[275]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe über Corridoren ꝛc.

Vielfache Verwendung fanden die hohen Tonnen mit und ohne
Stichkappen in den Privathäuſern und Paläſten der italieniſchen

Figure 287. Fig. 287 A — C.


Renaiſſançe. Die nachfolgenden Figuren veranſchaulichen einige
einfache Beiſpiele *), die dem Zwecke dieſes Buches entſprechen:


Fig. 288 A iſt der Durchſchnitt und B der Grundriß der Hofhalle
der Villa zu S. Giustino; die Halle umgiebt zwei Seiten des Hofes,
ſie hat 6,5m Breite und ein Tonnengewölbe, welches bei jeder Säule
von Kegeln durchbrochen wird, ſo daß der Druck des Gewölbes auf
den Säulenköpfen ruht.


18*
[276]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Fig. 289 A B zeigt die Ueberdeckung der Durchfahrt und einer
großen offenen Halle des palazzo Vitelli a porta S. Egidio zu Città
di Castello.
Die Decke der Durchfahrt beſteht aus einem einfachen

Figure 288. Fig. 288.


halbkreisförmigen Tonnengewölbe, desgleichen iſt die Halle mit dieſem
Gewölbe von oben abgeſchloſſen. Die Scheitel der das Tonnenge-
wölbe durchdringenden Stichkappen liegen in derſelben Höhe wie die
der Tonnenſcheitel (ſiehe den Querſchnitt).


Auch das zierliche Luſthaus, das ſogenannten palazzino beim pallazo
Vitelli
, beſitzt eine große freie Halle (Fig. 290) und ein Tonnenge-
wölbe, welches durch Stichkappen von der Größe der Bogenöffnungen
durchkreuzt wird.


[277]Das volle Ziegel-Tonnengewölbe über Corridoren ꝛc.

Zum Schluſſe ſtellen wir noch die Grundriſſe von zwei kleinen
italieniſchen Kirchen dar, welche theilweiſe Tonnengewölbe zur Decke

Figure 289. Fig. 289.


haben, ſo z. B. Fig. 291 A Chiesa di Buonconsiglio und Fig. B
S. Michele Arcangelo,
beide in Città di Castello.


In neuerer Zeit geſchieht die Ueberdeckung der Kellerräume meiſtens


2. mit flachen oder gedrückten Tonnen, welche ſowohl
nach der flachen Korbbogen- oder nach der Segment-Linie conſtruirt
werden können und im erſten Falle flache Korbbogen-Tonnen,
im anderen Segment-Tonnen heißen. Oefters kommen beide
Gattungen nebeneinander zur Verwendung, und zwar die Segment-
Tonnen über den ſchmäleren Räumen.


Die flachen Tonnen haben den Vortheil, daß bei etwa ⅓—⅕
Pfeilhöhe ihre Widerlager noch etwa 2,5—1,5m vom Fußboden ab-
[278]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
bleiben und ſomit der Kellerraum ziemlich geräumig iſt. Eine der-
artige Anordnung zeigt Fig. 292; rechts und links ſind die Tonnen

Figure 290. Fig. 290.


Figure 291. Fig. 291.


nach Segmentbögen mit ⅓ und ¼ der Spannweite zur Pfeilhöhe
conſtruirt, über dem Gange befindet ſich eine halbkreisförmige Tonne,
[279]Das flache oder gedrückte Ziegel-Tonnengewölbe.
welche faſt bis zu den Widerlagern der Segmenttonnen hinab reicht.
Die Gewölbe greifen in das Mauerwerk nicht hinein, ſondern legen
ſich gegen eine horizontale
Auskragung. Die Gewölbe
ſind in der Mitte ½ Ziegel,
am Ende 1 Ziegel ſtark, und
in Entfernungen von 1,5 —
2m verſtärken einige ½ Stein
vorſpringende Verſtärkungs-
bögen den mittleren Ge-
wölbetheil. An den Fenſtern
befinden ſich die Widerlags-
bögen v und w, welche den
Gewölbeſchub auffangen.


Die Anlage der flachen
Korbbogen-Tonnen iſt der
vorſtehenden in Fig. 292 ganz
analog nur daß die Bogen-
form ſich der verticalen Mauer
ſtetig anſchließt, und dadurch
der Gewölbeſchub beſſer auf
die Widerlager übergeht.


Immerhin haben die Keller-
mauern der drei- bis vier-
ſtöckigen Gebäude eine ſolche
Stärke, daß ſie auch den Schub
der weit geſpannten, flachen
Tonnen ſicher aufnehmen
können und demgemäß, in
Hinſicht der Stabilität gleich-
giltig iſt, ob Segment- oder
Korbbögen Verwendung fin-
den. Die genaue Conſtruktion
eines Korbbogengewölbes ver-
gegenwärtigen die Fig. 293

Figure 292. Fig. 292.


und 294 im Detail mit eingezeichneten Steinfugen; Fig. 294 zeigt
die innere Anſicht gegen das Fenſter. Der Gewölbefuß beginnt bei
a und wird ſoweit das Mauerwerk mittelſt einer Schablone (Fig. 276)
[280]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 293. Fig. 293.


[281]Das flache oder gedrückte Ziegel-Tonnengewölbe.
horizontal ausgekragt. Das fertige Gewölbe bekommt noch die Nach-
mauerung w. Bei jedem Kellerfenſter mauert man zuerſt den 1½ Ziegel
breiten Bogen b, gegen den ſich die aufſteigende Stichkappe (h) ſtützt.
Um letztere vom Drucke des darüber ſtehenden ſchweren Mauerwerks zu

Figure 294. Fig. 294.


befreien, iſt der Entlaſtungsbogen c
erforderlich.


Im Uebrigen bedürfen die ge-
nau gezeichneten Figuren keiner
beſonderen Erläuterung, und fügen
nur noch die Bemerkung hinzu, daß
das in Fig. 293 und 294 darge-
ſtellte Gewölbe in Oeſterreich ganz
allgemein gebräuchlich iſt.


Wenn das Kellerfenſter gerade
in der Scheitelhöhe des Gewölbes
liegt, kann die Stichkappe auch die
in Fig. 295 gezeigte Ausbildung
erhalten; die Stichkappe iſt korb-
bogenartig und geht mit horizon-
talem Scheitel bis zur höchſten Stelle
des Gewölbes.


Zum Schluſſe reproduziren wir
noch einige Beiſpiele der flachen
Tonnen über Gängen
ꝛc.:
Fig. 296 iſt eine Segmenttonne
mit ¼ der Spannweite zur Pfeil-
höhe; die Gewölbeſtärke mißt in der
Mitte ½, am Widerlager 1 Stein.
In Abſtänden von 1,4—2,5m kom-
men nach unten vorſpringende Ver-
ſtärkungsbögen vor, welche ſich ge-
gen Pfeiler ſtützen. Um die Wider-
lagsmauern nicht zu ſchwächen,
greifen die Gewölbe an ihren Enden
mit ½ Ziegel breiter Verzahnung
in die Mauer. An der Außen-
mauer ſind Stichkappen vorhanden,
welche den Gewölbeſchub auf die
[282]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 295. Fig. 295.


Figure 296. Fig. 296.


[283]Das flache oder gedrückte Ziegel-Tonnengewölbe.
mittelſt Pfeilern verſtärkten Stellen übertragen. Auf dem Gewölbe liegt
die Erdauſſchüttung, hierauf ſind die Polſterhölzer und der Fußboden.


Einen ähnlichen Fall enthält 297 mit der geringen Modification,
daß das flache Tonnengewölbe nach einem Korbbogen mit ⅓ der

Figure 297. Fig. 297.


Spannweite zur Pfeilhöhe conſtruirt iſt. In der Mitte hat die Tonne
½ Stein, am Ende 1 Stein zur Stärke, außerdem ſind noch Ver-
ſtärkungsbögen vorhanden. Das Gewölbe ſetzt ſich mit Verzahnung
auf eine Mauerauskragung. Ueber jedem Fenſter iſt eine anſteigende
flache Stichkappe erforderlich, deren Verbindung mit dem Gewölbe
die eingezeichnete Fugentheilung im Grundriß erſichtlich macht. Auf
dem Extrados des Gewölbes ruht die Nachmauerung m; das Ge-
wölbe trägt dann noch die Beſchüttung und den Fußboden nebſt
Polſterhölzern.


[284]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Endlich zeigt Fig. 298 noch eine Anordnung, die in Oeſterreich
in den mannigfachſten Variationen über Zimmern, Waarengewölben
u. f. w. häufig vorkommt. Den vorliegenden Fall ſahen wir in einigen
Amtsſtuben des Parterregeſchoſſes der Statthalterei zu Brünn. Der

Figure 298. Fig. 298.


ganze, etwa 7,5m breite Raum iſt mit einem Tonnengewölbe über-
deckt, über jedem Fenſter befindet ſich eine Stichkappe, welche ſich
gegen die Nachmauerung des Gewölbes ſtützt. Da die Fenſter in
Abſtänden von circa 2m vorkommen, löſt ſich in Wirklichkeit der ganze
untere Theil des Gewölbes in Gurtbögen auf; hierdurch wird der
Schub auf einzelne kräftige Mauerkörper übertragen und die Anlage
der Fenſter weſentlich erleichtert.


3) Allgemeine Regeln für das Tonnengewölbe, be-
ſonders in Kellern
. Die Tonnen überdecken die Räume in der
ganzen Tiefe; letztere giebt auch gleichzeitig die Spannweite der
Gewölbe an, und liegen ſomit ſehr häufig große Tonnen neben
kleinen. Im Allgemeinen ordnet man die Tonnenaxen parallel mit
den Lang- und Mittelmauern, da dieſe, zufolge ihrer größeren Stärke,
ſich beſſer zu Widerlagern eignen, als die Scheidemauern. Beim
Zeichnen des Querprofils nimmt man die Scheitel ſämmtlicher
Tonnen in gleicher Höhe
an, und giebt man jedem Gewölbe nach
Maßgabe der Spannweite eine ſolche Pfeilhöhe, daß die Wider-
lager (in Oeſterreich „Anläufe“ genannt) möglichſt in eine Horizon-
tale zu liegen kommen. Dies gilt beſonders für Segmentgewölbe,
während bei Korbbögentonnen die Anläufe verſchieden hoch ſein können,
ſofern die Differenz 0,6m nicht überſchreitet. Für die Widerlager
kragt man das Mauerwerk in der Bogenrichtung mittelſt einer
[285]Allgemeine Regeln für das Ziegel-Tonnengewölbe.
Schablone aus. Die Einwölbung des Gewölbes ſelbſt geſchieht erſt,
nachdem das ganze Gebäude „unter Dach“ iſt, die Zwiſchendecken
bedeckt und mit Schutt belegt ſind, damit einerſeits die Mauern ſich
vollſtändig geſetzt haben, andererſeits herabfallende Geräthe oder Ma-
terialien das Gewölbe nicht beſchädigen können. Die Erfahrung hat
lehrt, daß die Gewölbe beim Einſtürzen zunächſt in einer beſtimmten
Fuge brechen; dieſe nennt man „Brechungsfuge“, die bei halbkreis-
förmigen Gewölben von gleichmäßiger Stärke ungefähr unter 50°
vom Scheitel, bei flacheren Gewölben tiefer, bei höheren, höher liegt.
Zur Vermeidung dieſes Bruches werden die Gewölbe bis zur
Brechungsfuge „hintermauert“ oder „nachgemauert“. Die Hinter-
oder Nachmauerung geſchieht bis zur Brechungsfuge in horizontalen
Schichten (Schaaren), oder ſie wird nach einer Tangente, die etwas
oberhalb der Brechungsfuge beginnt, ſchräg abgeglichen.


Eine Nachmauerung iſt aber nur von Nutzen bei den ſich ſtetig
anſchließenden Bogenformen. Bei allen anderen (Segmentbögen)
erſcheint ſie als überflüſſige Laſt unnöthig.


Ein unbelaſtetes Tonnengewölbe kann bis 5m Spannweite
½ Ziegel ſtark ausgeführt werden; bei größerer Länge ordnet man
in Entfernungen von 1,5—2m die 1—1 ½
Stein breiten Verſtärkungsgurten an, welche
½ Ziegel nach oben oder unten vortreten.


Falls Tonnengewölbe „Kaſſetten“ er-
halten ſollen, treten in der Kaſſettenbreite die
Verſtärkungsgurte nach Innen hervor, und
macht man die dazwiſchen angelegten Tonnen
in den Kaſſettenhöhen ſoviel dicker, als die
Kaſſettenſtegdicke beträgt (Fig. 299). Doch
kommen ſolche Conſtruktionen in Kelleranlagen
niemals vor.


Die gedrückten Korbtonnen erhalten bis
3m Spannweite nur ½ Ziegel zur Stärke,
von 3m an werden die unteren Gewölbeſchenkel
1 Stein ſtark gemacht; in beiden Fällen ſind

Figure 299. Fig. 299.


noch die Verſtärkungsbögen nöthig; ähnlich verhält es ſich mit Seg-
menttonnen unter ⅓ Pfeilhöhe.


Bei belaſteten Gewölben läßt man die Stärke vom Scheitel
nach dem Widerlager wachſen, und zwar bei Hau- oder Werk-
[286]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſteinen nach einer Bogenlinie, deren Mittelpunkt ½ oder ¼ des
Radius der inneren Wölblinie tiefer liegt, als der Mittelpunkt der letz-
teren; bei Backſteinen wird der Rücken abgeſetzt, nämlich bei kleinen
Gewölben im Scheitel ½ Ziegel, am Widerlager 1 Stein, bei größeren
Gewölben im Scheitel ½ Ziegel, in der Mitte des Gewölbeſchenkels
1 Stein und am Widerlager 1 ½ Stein.


B.Die Bruch- und Werkſtein-Gewölbe.

Bis jetzt haben wir die Ausführung in Ziegeln angenommen, zu-
weilen bedient man ſich im Hochbau auch der Bruchſteine, niemals
aber der Werkſteine, die eigentlich nur beim Brückenbau Verwen-
dung finden.


1. Bei den Quader- und Werkſteintonnengewölben
kommt es beſonders auf die genaue Bearbeitung der Lagerflächen
eines jeden keilförmigen Wölbſteines an, während die genaue Her-
richtung der Stirn- und inneren Leibungsflächen zwar wünſchens-
werth, aber für die Solidität des Gewölbes nicht durchaus noth-
wendig iſt. Immerhin wird man auch auf eine ſauber herzuſtellende
Leibung und gut ſchließende Stoßfugen ſehen müſſen. Für alle
Quader- oder Werkſteintonnengewölbe eignen ſich nur die Kreis- und
Segmentlinien, da bei dieſen Bogenformen die ſämmtlichen Werk-
ſteine nach einer Schablone bearbeitet werden können, was bei Korb-
bögen nur umſtändlich, und bei Ellipſen gar nicht möglich iſt. Das
Verſetzen der Quaderwölbſteine geſchieht mittelſt Laufkrahnen, die ſich
nach allen Richtungen hin bewegen laſſen (ſiehe Fig. 165 u. 166 d.
Bandes)


2. Die Bruchſtein-Tonnengewölbe wendet man in den
Kellern der Wohngebäude nur in bruchſteinreichen Diſtricten an.
Auch hierbei iſt die Kreisform die beſte und muß das Lehrgerüſt ſolid
ſein. Es dürfte nothwendig ſein die rohen Bruchſteine vor ihrer
Verwendung etwas lagerflächig zu bearbeiten und allen in einer
Schaar (Schicht) befindlichen Steinen die gleiche Dicke zu geben. In
der Nähe der Widerlager benutzt man die größten, im Scheitel die
kleineren Steine. Auf das Verbandlegen muß geachtet werden. Die
Kellergewölbe von Bruchſteinen bekommen im Scheitel mindeſtens
0,3—04m zur Stärke. Der Mörtel muß etwas hydrauliſch ſein, da
reiner Kalkmörtel ſich mit Bruchſtein ſchlecht verbindet. Wenn zwiſchen
den einzelnen, ungleich großen Steinen geringe Zwiſchenräume ver-
bleiben, füllt man letztere mit kleinen Steinenſtücken und Cement-
[287]Die Werk- und Bruchſtein-Tonnengewölbe.
mörtel aus. Bei Quadergewölben werden die Fugen nur mit
Cementbrei vergoſſen.


Sehr wichtig iſt es, daß der Schlußſtein gut ſchließt. Zu dieſem
Behufe nimmt man für den Schluß der Bruchſteingewölbe einen etwas
größeren keilförmigen Stein, der tüchtig mit einem Hammer, aber mit
einem hölzernen, weil der eiſerne die Steine zerſchlägt, einge-
trieben wird.


C.Die einhüftigen Tonnengewölbe

werden ebenſo hergeſtellt wie die gleichſchenkligen, nur daß bei erſteren
der kürzere Schenkel ſchwächer zu ſein braucht als der längere, und
an dieſer Seite das Widerlager dicker gemacht wird.


D.Die aufſteigenden Tonnen

kommen, ebenſo wie die einhüftigen, nur zur Unterſtützung der Treppen
vor, ſie ſehen aber beſſer aus und eignen ſich daher beſonders für

Figure 300. Fig. 300.


reich decorirte Treppenanlagen. Ein vornehmes Beiſpiel dieſer Art
iſt die berühmte Doppeltreppe (Fig. 300) der Sala a croce greca im
[288]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Vatikan. Von der Durchfahrt bei b führt der mittlere Treppenarm
nach der Kuppel-Kreuzhalle a, der ſogenannten Sala a croce greca
und über die Seitenarme c gelangt man nach der Sala della Biga
über m. Der Weg über n führt nach dem Museo Gregoriano. Die
Breite des mittleren Theils von a mißt 8,25m; die Tiefe der an-
liegenden, mit halbkreisförmigen Tonnen überdeckten Seitenniſchen
beträgt 3m; der mittlere Treppenarm iſt 3,45m breit, die Seitenarme c
je über 2m. Die Höhe des Scheitels der Kuppel über dem Raum a
beträgt circa 14m. Jeder Treppenarm iſt mit anſteigenden Tonnen
überdeckt; die mittleren Tonnen der übereinander befindlichen mitt-
leren Arme ruhen auf anſteigenden Architraven, die von Säulen
unterſtützt werden.


Uebrigens kommt es häufig vor, daß anſtatt der anſteigenden Ge-
wölbe, viele kurze Bögen mit anſteigenden Kämpfern nebeneinander
angeordnet werden, theils um die Ausführung zu erleichtern, theils
zur Vermehrung der Tragfähigkeit.


Figure 301. Fig. 301.

Ein ſehr einfaches Beiſpiel dieſer Art veranſchaulicht Fig. 301,
welche ohne Text genügend verſtändlich ſein dürfte.


Meiſtens kommen ſolche Anordnungen bei Unterſtützung der
Treppen vor, und halfen ſich beſonders die Meiſter des Mittelalters
[289]Die aufſteigenden Tonnen.
auf dieſe Weiſe aus der Verlegenheit. Die Fig. 302 und 303 geben
einige übliche Anordnungen; bei A ſind die Bögen ſpitzbogig, bei C
dagegen halbkreisförmig.


Figure 302. Fig. 302.

Figure 303. Fig. 303.
Wanderley, Bauconſtr. II. 19
[290]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
E.Die ſchiefen Tonnengewölbe (Fig. 304)

finden im Hochbau gar keine Verwendung, öfters aber bei Brücken-
bauten. Die Herſtellung derſelben iſt mit vielen Schwierigkeiten ver-
bunden, beſonders ſind die ſchiefen Werkſteinbrücken ſehr complicirt
in der Ausführung. Da dieſer Gegenſtand mit wenigen Worten
nicht behandelt werden kann und er außerdem dem Zwecke dieſes
Buches, welches beſonders Hochbauconſtruktionen beſpricht, zu fern
liegt, verweiſen wir auf die ſehr inſtruktive und ausführliche Arbeit

Figure 304. Fig. 304.


des Ober-Inſpectors der k. k. General-Inſpection für öſterr. Eiſen-
bahnen, Herrn Hoffmann in der „Allgemeinen Bauzeitung“ 1871. *)


Bei ſchiefen Tonnen aus Ziegeln kann man ſich übrigens viel-
fache Erleichterungen verſchaffen; von allen bis jetzt vorgeſchlagenen
Auskunftsmitteln verdient die von Sarazzin (Vortrag, gehalten im
Architecten-Verein zu Berlin) bei den ſchiefen Brücken der Berliner
Verbindungsbahn befolgte Anordnung umſomehr am meiſten Nach-
ahmung, als bei derſelben die im Gewölbe wirkenden Druckkräfte
[291]Die ſchiefen Tonnengewölbe.
günſtig auf die Widerlager vertheilt werden. Herr Sarazzin be-
gründet die Vortheile ſeiner Conſtruktion folgendermaßen: Der Druck
im Gewölbe wird auf dem kürzeſten Wege, in der Richtung des nor-
malen Querſchnittes, auf die Widerlager übertragen, gleichgiltig, ob
das Gewölbe als normales oder ſchiefes ausgeführt iſt. Nur in den
Endzwickeln des ſchiefen Gewölbes trifft der Geſammtdruck an der
ſtumpfen Ecke einen Theil a b (Fig. 304) des Widerlagers an der
ſpitzen Ecke theoretiſch dieſe Ecke ſelbſt, reſp. es findet hier, wenn die
Kräfte in Thätigkeit treten, eine Verbreiterung des Druckes ſtatt.
Die Drucklinien werden alſo in der Abwickelung annähernd Radien
um einen Mittelpunkt o ſein, welcher in der Verlängerung der Stirn-
linie über die ſpitze Ecke des Widerlagers hinausliegt. Die Lager-
fugen müſſen demnach um dieſen Mittelpunkt conſtruirt werden,
wenn ſie normal zum Drucke ſtehen ſollen. Durch dieſes Verfahren
iſt man dann im Stande, den regelrechten Verband ſtets einhaltend,
die ſchiefe Wölbung aufzugeben und dagegen die normale anzu-
nehmen. Das Austragen der Lagerfugen in den ſchief zu wölbenden
Theilen geſchah bei Gewölben von geringer Spannweite auf einer,
aus zuſammengeklebtem Ellenpapier hergeſtellten Fläche in natürlicher
Größe, und übertrug man den Riß direct auf die Schalung in der
Weiſe, daß in Abſtänden von 0,3m kleine Nägel eingeſchlagen wurden,
nachdem das Papier vorher in dieſen Punkten durchlocht worden
war, um es noch für andere Gewölbe nochmals benutzen zu können.
Die ſo markirten Punkte wurden alsdann auf der Schalung mit
langen elaſtiſchen Linealen (1,5—2m im Quadrat ſtark aus gerad-
faſerigem Kiefernholze) verbunden.


Bei größeren Gewölbſpannweiten kann man die Lagerfugen direct
auf der Schalung angeben, wenn die dazu erforderlichen Maße in den
radialen Schnitten vorher berechnet und die Fugentheilung auf dieſe
Radien vermerkt worden ſind (Fig. 305). Auch kann man parallel
zu den Widerlagern, etwa im Scheitel, noch eine Theilung vornehmen,
wenn die Fig. 305 ſtark ausgezogenen Maße für jeden Theil be-
rechnet worden.


Hat das Gewölbe nur eine geringe ſchiefe Lage, dann laſſen ſich
die Kreisbögen direct mit dem Schwunglineal ausziehen, wobei die
Fugentheilung des geraden Gewölbetheils als Lehre dient und man
am Ende des Schwunglineals ein kurzes Brettſtück ganz normal
befeſtigen muß; dreht man das Lineal x y z (Fig. 304) ſo, daß das
19*
[292]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Brett an den Bogen tangirt, reſp. parallel mit a' c' liegt und in die
Lage y z' kommt, dann iſt die Fugencurve gleichfalls beſtimmt.


Figure 305. Fig. 305.

Die in der Nähe der Widerlager befindlichen Stirnſteine müſſen
ſämmtlich ſtumpf reſp. ſpitz geſchliffen werden. Damit die Lagerfugen
nicht zu ſcharf gebogen ſind, darf das Stück e d (Fig. 304) nicht
zu klein ſein; je größer c d wird, deſto größere Länge erhält der
Radius a o.


Bei den Brücken der Berliner Verbindungsbahn ward c d zu 1,88m
angenommen (Winkel o a b = 60°); die Spannweite betrug 4,7m, die
Pfeilhöhe 1,25m.


F.Das Verzeichnen der Tonnengewölbe im Grundriſſe

geſchieht, indem man den Wölbbogen umklappt, damit der Arbeiter
danach ganz genau die Lehrbögen anzufertigen und aufzuſtellen
vermag. Wenn zwei Bögen ſich ſchneiden, muß die Durchdringungs-
[293]Die Lehrgerüſte.
linie im Grundriſſe ebenfalls angegeben werden. Die Diagonalbögen
pflegt man in wirklicher Größe nicht umzuklappen, da ſie ſich aus
dem Prinzipalbogen (ſo heißt der der Wölbung zu Grunde liegende
Bogen) leicht nach der Vergatterung ermitteln laſſen. Das Verzeichnen
der Wölbungslinien kann man in den früher mitgetheilten Grund-
riſſen erkennen und brauchen wir daher an dieſer Stelle kein be-
ſonderes Beiſpiel vorzuführen.


G.Die Lehrgerüſte

ſpielen eine große Rolle; ſie müſſen ſolid und feſt ſein, beſonders bei
Bruchſtein- oder Werkſteingewölben. Zu dieſem Behufe ſtellt man
in gewiſſen Abſtänden die gezimmerten Lehrbögen auf und legt man
auf dieſe die Schalbretter, welche einen Cylindermantel bilden.


Figure 306. Fig. 306.

Schon ſeit den älteſten Zeiten wird in der Rheingegend eine Art
von Lehrbögen zu Kellergewölben benutzt, die ebenſo zweckmäßig wie
einfach ſind. Dieſelben beſtehen aus einer rohen, kaum etwas be-
waldkanteten Schwelle von 13/21 zm Dicke (Fig. 306); je nach der
[294]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Größe des Rüſtbogens, werden darin Löcher ungefähr 2,5—5 zm weit
und 8—10 zm tief gebohrt, ſodann Stäbe von 5—8 zm Dicke, 0,3—0,45m
von einander entfernt, mit dem zugeſpitzten Ende nach der Richtung
der Radien eingeſchlagen, und die oberen Enden nach der Form des
Bogens abgeſchnitten, über welche nun gewöhnliche tannene Lat-
ten von 2 zm Dicke und 4 zm Breite gebogen auf den Stößen über-
ſchnitten und auf jedem Stabe mit einem leichten Nagel befeſtigt
werden. (Man weicht die Latten vorher 12—24 Stunden im Waſſer
ein, um ſie biegſamer zu machen.) Die auf dieſe Weiſe erhaltenen
Lehrbögen werden 0,6m von Mitte zu Mitte von einander entfernt
aufgeſtellt, mit den zur Belattung der Schieferdächer gebräuchlichen
2 zm dicken, 21 zm breiten, 2,8m tannenen Schalbrettern beſchalt, und
auf dieſe Schalung Gewölbe von 0,3—0,6m dick aus Bruchſteinen
ausgeführt.


Solche Lehrgerüſte laſſen ſich noch bei einem 10—11m weiten
und 3—5m hohen Gewölbe anwenden.


Schwerlich kann man Rüſtungen der Art einfacher und wohlfeiler
conſtruiren. Die Schwelle bleibt trotz ihrer Durchlochung immer
noch als Wandholz brauchbar; die Stäbe ſind aus Brandholz ge-
nommen oder von Abfällen geſpalten und nach gemachtem Gebrauch
Brandholz wie zuvor; die Latten ſind ebenfalls zu benutzen und der
Arbeitslohn beträgt eine Kleinigkeit.


Bei größeren Gewölben ſcheint es jedoch beſſer, auf den Schwellen
eine Art Dachgeſpärr mit zwei oder mehreren Streben zu errichten
und die Stäbe in die Sparren zu bohren. Die Stäbe werden auf
dieſe Weiſe kürzer, können mithin aus gewöhnlichem Aſt- oder Reidelholz
verfertigt, und die Schwellen ebenfalls aus leichtem 10—13 zm ſtarken
Sparrholz gemacht werden, weil ſie in drei Punkten, nämlich an
beiden Enden und in der Mitte, durch untergeſtellte Pfoſten oder
Stelzen Unterſtützung erhalten. Unter dieſer Mitte bringt man ein
paar Keile an, welche den bedeutenden Nutzen haben, daß, wenn ſie
gleich nach dem Schluſſe des Gewölbes gelöſt werden, nun gerade an
dieſer Stelle der Lehrbogen ſich am ſtärkſten, an den Widerlagern
aber faſt gar nicht ſenkt, mithin die Senkung des neuen Gewölbes
gerade ſo erfolgt, wie es ſein muß.


Außer den vorgeführten Lehrbögen kann man auch die weiter
oben dargeſtellten Conſtruktionen benutzen (ſiehe auch 5. Kapitel im
1. Bande „Zimmerconſtruktionen“ dieſes Werkes).


[295]Die Aufſtellung der Lehrbögen.

Die Aufſtellung der Lehrbögen geſchieht in 1—2m Ent-
ſernung ſtets normal zur Gewölbeaxe. Dies gilt beſonders für
ſchiefe Gewölbe, welche allerdings beim Hochbau ſelten vorkommen.
Bei den ringförmigen Gewölben ſtehen die Lehrbögen radial zum
Mittelpunkt des Ringes. Für anſteigende Tonnen ſtellt man die
Lehrbögen auf und zwar ganz lothrecht ſo, daß bei kreisförmigen
Tonnen-Querſchnitten die Lehrbögen elliptiſch geformt ſind.


Das Herausnehmen der Gewölberüſtungen muß vor-
ſichtig geſchehen, vornehmlich dürfen die Gewölbe durch Schläge nicht
erſchüttert werden, und hat man daher die Keile ſehr behutſam zu
entfernen. Vor dem plötzlichen Abbrechen der Gerüſte löſt man zu-
nächſt die Keile etwas und betrachtet man die Senkung, welche
dann leicht zu erkennen giebt, ob die Rüſtung überhaupt entfernt
werden darf.


Die Ausrüſtung der in Kalkmörtel gemauerten Gewölbe kann
in zwei bis drei Wochen, der in Cementmörtel gemauerten in drei
bis fünf Tagen ſtattfinden.


H.Die im Hochbau üblichen Dimenſionen der
Tonnengewölbe
.

Halbkreisförmige und hohe Korbbogen-Tonnengewölbe, die nur den
Fußboden eines oberen Stockwerkes tragen, brauchen bis 4,5m Spann-
weite nur ½ Stein, bei größerer Spannweite 1 Stein zur Stärke
im Scheitel
, wobei dann entweder die Stärke nach den Wider-
lagern hin zunimmt, oder in Abſtänden von je 2—2,5m einige nach
oben reſp. unten vorſpringende Verſtärkungsbögen eingelegt werden.


Die Widerlagsſtärke beträgt:


  • beim ſpitzbogigen Gewölbe   ⅙ — 1/7 der Spannweite,
  • „ halbkreisförmigen Gewölbe   — ⅙ „ „
  • bei flachen Gewölben mit der Pfeilhöhe
    von mindeſtens ¼ der Spannweite ¼ — „ „
  • desgleichen ⅛ der Spannweite   ⅓ — „ „

[296]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Wenn die Widerlager höher als 2,5—5m ſind, wird die ſoeben
mitgetheilte Widerlagsſtärke um ⅙—⅛ der Widerlagshöhe ver-
mehrt.


Nach Rondelat ſoll die Scheitelſtärke ſein, wenn 1 die Spann-
weite des Gewölbes bezeichnet:


  • für Ziegeltonnengewölbe:
  • d = 1/36 1 für die bis zur halben Höhe hintermauerten Gewölbe,
  • d = 1/48 1 für voll hintermauerte Gewölbe;
  • für Bruchſteingewölbe

wird nach dieſen Formeln anſtatt jeder Ziegellänge 0,4zm geſetzt.


Nach Peronnet ſoll die Scheitelſtärke der Schnittſteinge-
wölbe
ſein:
d = 0,035 1 + 0,32zm bei Spannweiten bis 2,25m,
d = 1/24 1 bei Spannweiten über 2,25m.


II.Kegel-Gewölbe

haben in conſtruktiver Hinſicht ſehr viele Aehnlichkeit mit den Tonnen-
gewölben. Das Kegelgewölbe wird nach der Kegelmantelfläche ge-
bildet und iſt von dieſer die Fugenrichtung abhängig, indem die
Lagerfugen zur Kegelaxe geneigt liegen, die Stoßfugen parallele
Kegelabſchnitte bilden müſſen, deren Mittelpunkte ſich bei kreisför-
migem Kegelquerſchnitte in der Kegelaxe befinden.


Die unbequeme Herſtellung dieſes Gewölbes wird durch die in
der Längenrichtung keilförmig geſtalteten Steine hervorgerufen.


Die Kegelgewölbe kommen als ſelbſtſtändige Conſtruktionstheile
nicht vor, ſondern nur in Verbindung mit anderen Gewölben. Einige
Fälle haben wir bereits früher bei den Figuren 281, 284 und 285
vorgeführt. Ferner ſind Kegelgewölbe nützlich beim Uebergang eines
Achtecks in Sechseck, Achtecks in Quadrat, wobei es auf eine Unter-
ſtützung des ſchwebenden vortretenden Mauerwerks ankommt.


III.Das preußiſche Kappengewölbe,

in Oeſterreich öfters flaches Tonnengewölbe genannt, iſt zwar auch
ein flacher Cylinderabſchnitt und in dieſer Hinſicht dem Tonnenge-
wölbe ähnlich, es kann aber der Einwölbung wegen nicht immer zu
den eigentlichen Tonnengewölben gerechnet werden.


[297]Das preußiſche Kappengewölbe.

a)Pfeilhöhe. Das Kappengewölbe, vielfach nur „preußiſche
Kappe“ titulirt, hat ſelten ⅕, in der Regel ⅙—⅛, vielfach ſogar
1/10—1/12 von der Spannweite zur Pfeilhöhe; letztere hängt übri-
gens nicht nur von der Kappenweite, ſondern auch von der auf dem
Gewölbe ruhenden Belaſtung ab.


  • Preußiſche Kappengewölbe bis etwa 2,5m
    Spannweite erhalten, wenn ſie nur eine
    dünne Beſchottung und die Belaſtung eines
    gewöhnlichen Zimmers zu tragen haben ⅛—1/10 Pfeilhöhe,
  • desgleichen bis 3m  ⅙—⅛ „
  • desgleichen bis 4m  ⅙ „
  • bei größerer Belaſtung, etwa durch Waaren,
    ſtets   ⅙ „
  • bei 2m Spannweite und gar keiner Belaſtung,
    wie z. B. über Treppenhäuſern, oder wenn
    das Gewölbe von Balken entlaſtet wird 1/10—1/12 „

in welchem Falle die Mauerung mit Cementmörtel wünſchenswerth
wäre.


b)Die Stärke und zuläſſige Spannweite. Die Stärke
der Kappe beträgt (in Kelleranlagen) bei 2,5m Kappenweite immer
nur ½ Stein; bis 3m Spannweite kommen noch Verſtärkungsbögen
hinzu; bis 4m Spannweite macht man die in der Nähe der Wider-
lager befindlichen Theile 1 Stein ſtark, und über 4m Spannweite
wird die Kappe am Rücken abgeſetzt, und zwar im Scheitel ½ Stein,
alsdann 1 Stein und an den Widerlagern 1½ Stein.


In Kelleranlagen geht man ungern über 3m Spannweite hinaus;
zu dieſem Behufe werden die größeren Räume mittelſt Traverſen und
Gurten in kleinere Abtheilungen zerlegt.


c) Folgende allgemeine Regeln dürfen beim Projectiren der
Kappengewölbe in Kellern nicht unbeachtet bleiben:


  • 1. Die Widerlager ſämmtlicher Kappen müſſen in gleicher Höhe
    liegen;
  • 2. man hat darauf zu achten, daß die Kappenſpannweiten nicht
    zu ungleich ausfallen;
  • 3. wünſchenswerth iſt es, die Kappen in gleicher Richtung ſo
    anzuordnen, daß die Scheitel parallel zu liegen kommen,
    um dadurch eine gleichmäßige Vertheilung des Gewölbe-
    ſchubs zu erlangen;

[298]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
  • 4. wegen der geringen Pfeilhöhe laſſen ſich Stichkappen über
    den Fenſtern nicht gut anbringen und empfiehlt es ſich
    daher die Kappenſtirnen an den Fenſterſeiten anzunehmen;
  • 5. die Pfeilhöhe der Kappen in Kellern beträgt am zweck-
    mäßigſten 1/7 bis ⅛ der Spannweite; bei ſtark belaſteten
    Kappen iſt ⅙ beſſer;
  • 6. wenn die Kappe über 5m lang iſt, ſtellt man in Entfernung
    von 3—4m eine Verſtärkungsgurte her, welche die Kappe
    der Länge nach abkürzt und auf dieſe Weiſe verſtärkt;
  • 7. die Nach- oder Hintermauerung geſchieht in der Höhe der
    Bruchfuge; dieſe liegt etwa in der Richtung von 50° von
    der Gewölbeaxe aus (Fig. 307) in dem Winkel A C B; es
    Figure 307. Fig. 307.

    iſt aber beſſer, über den mit Schutt und Fußboden be-
    laſteten Kappen die Nachmauerung fortzulaſſen, da das
    Gewölbe ohnehin ſchon genügend beſchwert iſt;
  • 8. die Widerlagsfläche des Gewölbes iſt ſtets nach dem Mittel-
    punkt des Segmentbogens gerichtet;
  • 9. falls die Fußböden auf den 16/16m ſtarken Polſter- reſp. Lager-
    hölzern ruhen, verlegt man letztere ſo auf die Aufmauerung
    der Gurtbögen, daß ſie etwa 12zm von dem oberen Kappen-
    ſcheitel entfernt bleiben und die Kappe ſelbſt nicht gedrückt
    wird (in Oeſterreich bringt man auf das Gewölbe zuerſt
    die Beſchottung, alsdann die 8/8zm dicken Polſterhölzer in
    Entfernung von 1m).

d)Anordnung der Kappengewölbe. Nach Aufzählung der
weſentlichſten Bedingungen, auf die es bei Aufſtellung des Projects
beſonders ankommt, gehen wir zur Betrachtung ſpecieller Bei-
ſpiele
über.


Die Fig. 308 giebt das Princip der Kappengewölbe. Fig. 309
ſtellt den Grundriß eines Kellers dar; A A ſind die Gurte zur Unter-
[299]Die Anordnung der Kappengewölbe.
ſtützung der Erdgeſchoßmauern. Die übrigen Gurte zerlegen die
größeren Räume in kleinere und können ſchwächer als A A ſein.

Figure 308. Fig. 308.


Ueber dem Corridor ordnet man die Kappe in der Längenrichtung
deſſelben an; in den Seitenräumen hingegen wird der Abſtand zwiſchen

Figure 309. Fig. 309.


zwei Gurten zur Kappenſpannweite angenommen und die Kappe mit
ihrem Scheitel normal zur Außenfront eingewölbt. Aus dieſem Grunde
zeigt der Querſchnitt nach S F über dem Gange den Segmentbogen und
über den Seitenräumen die gerade Scheitellinie der Kappe (Fig. 309).


Im Allgemeinen achtet man ſogleich beim Entwerfen des Grund-
riſſes darauf, daß die Kellerfenſtermitten und die Kappenaxen mög-
lichſt zuſammentreffen.


Bei Beſtimmung der Scheitel- und Widerlagsſtärke zu den
Gurtbögen kommt in Betracht, ob die Gurte durch die Scheidemauern
der oberen Geſchoſſe belaſtet ſind oder nur den Kappen als Stütz-
[300]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
mauer reſp. Widerlager dienen; in erſterem Falle erhält der Gurt-
bogen eine beträchtlich größere Pfeilhöhe und Widerlagsſtärke, als in
letzterem. Am liebſten vermeidet man die großen Oeffnungen unter
den Scheidemauern und ordnet man anſtatt derſelben volles Mauer-
werk an.


Bezeichnet: w die Widerlagsſtärke (incl. Mauerſtärke), s die Spann-
weite, h die Pfeilhöhe, b die Breite, d die Höhe des Gurtbogens,
a die Breite des Zwiſchenpfeilers, ſo iſt (Fig. 310)


Der Wandpfeiler muß auch ſelbſt dann, wenn ſchon die Mauer-
dicke für w ausreicht, mindeſtens ½ Ziegel vorſpringen. Anſtatt der
Ziegelpfeiler a könnte man auch ſchmälere Sandſteinpfeiler, welche
der Druckfeſtigkeit (pr. □zm 16—30 Kilogr.) entſprechen, oder eiſerne
Säulen anordnen (ſiehe Fig. 319).


Die Aufſtellung der Gurtbögen bildet den hauptſächlichſten Theil
bei Anlage der Kappengewölbe; die nachſtehenden Figuren geben
etliche von einander abweichende Beiſpiele:


Anwendung der preußiſchen Kappengewölbe in Kellern.
Eine einfache Anordnung zeigt Fig. 311 A—C; B iſt der Grundriß
des Kellergeſchoſſes, A dergleichen des Erdgeſchoſſes. In letzterem
bedeutet a Entree, f Flur, s Saal; die Saaldecke wird von eiſernen
Säulen in 4m Entfernung unterſtützt, nach deren Aufſtellung ſich
die Anordnung der Pfeiler im Kellergeſchoß ergiebt. Der Fuß-
boden des Einganges liegt etwa drei Stufen über dem äußeren
Terrain, alsdann beſteigt man acht Stufen, welche in der Mitte auf
[301]Anwendung der preußiſchen Kappengewölbe in Kellern.
der Mauer n ruhen. Außer dem Gewölbe über dem Kellercorridor
ſind ſämmtliche Kappen parallelliegend und normal zu den Außen-
und Mittelmauern gerichtet. Alle Kappen unter den Sälen haben

Figure 310. Fig. 310 A—C.


die gleiche Spannweite, nämlich 3,6m, und ſtützen ſich gegen 1½ Stein
ſtarke Gurte, die nach Korbbögen gemauert ſind. In der Mitte der
Kappen wurden die Bögen v angeordnet, welche den Zweck haben,
die ſeitliche Verſchiebung der Pfeiler und Gewölbe zu verhindern.
Alle Kappen ſind durchweg ½ Ziegel ſtark.


Eine gleichfalls einfache Gewölbeanlage enthält Fig. 312; auch
hier geben wir den Grundriß des Erdgeſchoſſes, um nach ihm die
Anordnung des Kellergeſchoſſes beſſer erklären zu können. Die un-
bedeckt gebliebenen Eſtraden e e reichen mit ihren Fundamenten ganz
hinab und vergrößern das Kellergeſchoß. In der Mitte des Kellers
[302]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 311. Fig. 311 A—C.


[303]Anwendung der preußiſchen Kappengewölbe in Kellern.
befindet ſich der quer durchgehende Corridor c, zu beiden Seiten
deſſelben liegen die übrigen Räume, welche unter den Zimmern s,

Figure 312. Fig. 312.


[304]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
w und z mit einigen, normal zu den Außenwänden gerichteten Wän-
den getheilt ſind. Letztere dienen gleichzeitig als Widerlager der
Kappen; die Mauer m beſitzt, da der Raum n eine größere Breite
hat, als die übrigen Abtheilungen, nicht die genügende Stärke und
iſt mittelſt Bögen verſtärkt worden.


D bezeichnet die Durchfahrt und iſt nicht unterkellert. Der Quer-
ſchnitt gilt für die Schnittlinie x x. Unter den Zimmern v v ruhen
die Kappen von 1,5m Spannweite auf Traverſen (Eiſenſchienen),
welche Anordnung im 3. Bande d. Werkes Abſchnitt „Eiſenconſtruk-
tionen“ näher beſprochen und illuſtrirt wird.


Die Anordnung der ſoeben erwähnten Verſtärkungsbögen geſchieht
ſehr häufig, um Räumen von verſchiedenen Breiten die gleiche Kappen-
weite zu geben. Fig. 313 veranſchaulicht dieſes Verfahren.


Figure 313. Fig. 313.

Auch die complicirten Grundrißformen verurſachen in der Anlage
der Kappen keine weſentlichen Schwierigkeiten: ſo z. B. würde man in
Fig. 314 die im Kellergeſchoß angegebene (die punktirten Linien deuten
die umgeklappten Wölbbögen an) Kappenlage wählen; unter den
Zimmern s ſtehen im Keller zwei Gurtbögen g g, gleichfalls unter v v,
während unter w und z die Kappen auf Traverſen ruhen. Unter y
theilt eine Mauer den Kellerraum in zwei gleiche Theile, jedoch nicht
allein der Kappenwiderlager wegen, ſondern um mehr nützbare Räume
zu bieten. Die Einwölbung der anderen Localitäten verdeutlichen
die punktirten Linien.


[305]Anwendung der preußiſchen Kappengewölbe in Kellern.

Auch bei dem in Fig. 315 dargeſtellten unregelmäßigen Grundriß
ergiebt ſich die Lage der Kappen von ſelbſt und iſt letztere in der Zeich-
nung ohne weiteren Text
hinreichend verſtändlich.
Erwähnt ſoll noch werden,
daß, wenn die Niſche n
nicht vorhanden wäre, man
anſtatt der quergeſtellten
Gurtbögen eine Gurten-
reihe nach Fig. 310 C in
der Längenrichtung des
Raumes anordnen könnte.
Ebenſo ließe ſich eine Tra-
verſe zur Unterſtützung der
Kappen verwenden.


In Fig. 316 weicht die
Ueberwölbung der Räume
lediglich unter dem ovalen
Saale s von den ſonſt
üblichen Anordnungen ab;
es ſind zwei Gurte in der
Querrichtung aufgeſtellt, die
den Kellerraum in drei Ab-
theilungen zerlegen. Die
Durchfahrt D iſt nicht un-
terkellert.


Einige andere Gewölbe-
anordnungen enthält die in
Fig. 317 ſkizzirte Kelleran-
lage; das zu demſelben ge-
hörige Erdgeſchoß gaben
wir bereits bei den Balken-
lagen im 1. Bande d. W.

Figure 314. Fig. 314.


Fig. 106. Alle Räume, bis auf zwei, nämlich l und k, haben Kappen-
gewölbe; die letztgenannten Lokalitäten, von denen l eigentlich nur
die Erweiterung des ſich kreuzenden Corridors iſt, ſind mit Kloſtre-
gewölben bedeckt, von denen weiter unten (ſiehe Fig. 334 und 335)
noch ausführlicher die Rede ſein wird.


Wanderley, Bauconſtr. II. 20
[306]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Figure 315. Fig. 315.

[307]Anwendung der preußiſchen Kappengewölbe in Kellern.
Figure 316. Fig. 316.

20*
[308]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Nach der Baugewerkszeitung 1870 hat Baumeiſter F. Harniſch in
Berlin das Kappengewölbe zum Unterkellern eines Hofes in der

Figure 317. Fig. 317.


nachſtehenden motivirten Weiſe angewendet: Bei der gebotenen größt-
möglichen Ausnutzung der Baufläche in Berlin hat ſich das Unter-
kellern der Höfe als ſehr rentabel erwieſen. Bisher war es üblich,
die Kappen gegen Gurtbögen oder Eiſenſchienen zu legen; da dieſe
Methoden einerſeits den Raum ſehr verſperren und die Höhe ver-
[309]Anwendung der preußiſchen Kappengewölbe in Kellern.
mindern, andererſeits koſtſpielig ſind, befolgte Harniſch das nachfol-
gende Verfahren, welches wir übrigens im Princip weiter oben
bei den Durchdringungen der Tonnengewölbe darſtellten: Die
Hauptkappen (Fig. 318) werden durch andere normal zu den

Figure 318. Fig. 318.


erſteren gerichtete Kappen verbunden. Sie machen die Träger ent-
behrlich und laſſen zu gleicher Zeit die Höhe des Gewölbes ge-
[310]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
winnen; die Umfaſſungswände und Pfeilerreihen bilden die Wider-
lager. Ihnen parallel laufen die Gewölbeſchichten, die in den Graten
zuſammenſtoßen. Die Einſchalung iſt etwas koſtſpieliger als bei
gewöhnlichen Kappen, wird aber reichlich durch die oben erwähnten
Vortheile aufgewogen. Die Hauptkappen wurden zuerſt eingeſchalt;
die Querkappen erforderten dazu etwas längere Zeit und Holzver-
ſchnitt. Es iſt keineswegs nöthig, die ganze Fläche gleichzeitig ein-
zuſchalen, man kann dies gut von Pfeiler zu Pfeiler thun, doch müſſen
dann alle Pfeiler abgeſpreizt werden. Das ſo ausgeführte erſte Ge-
wölbe hat 27,5zm Pfeilhöhe und iſt ½ Ziegel ſtark in Cement gewölbt.

Figure 319. Fig. 319.


Die Pfeiler ſind 2 Stein ſtark. Das Gewölbe hat ſich ſelbſt gegen
Laſtwagen vollkommen dauerhaft und ſicher erwieſen.


[311]Anwendung der preußiſchen Kappen über Corridoren ꝛc.

Die Anwendung der preußiſchen Kappen über Corri-
doren, Zimmern
u. ſ. w. unterſcheidet ſich von dem, in den vor-
genannten Beiſpielen gegebenen Verfahren nicht weſentlich; im Allge-
meinen vermeidet man die Spannweiten über 2,5m, weil ſonſt zu ſtarke
Widerlagsmauern erforderlich ſind. Einen ſehr häufig vorkommenden
Fall erkennen wir in Fig. 319, in welcher der ſeitliche 2,5m breite Gang
mit einer preußiſchen Kappe bedeckt worden iſt; da die Widerlags-
mauern in den Etagen die genügende Stärke nicht beſitzen, um dem
Kappenſchub hinreichenden Widerſtand leiſten zu können, ſind in Ent-
fernung von 2m Schließen (Zugſtangen) zum Auffangen des Gewölbe-
ſchubs angeordnet worden. Die Kappen ſind ½ Ziegel ſtark und
ohne Verſtärkungsrippen ausgeführt.


Weit vortheilhafter wäre es, die Kappenaxen normal zur Außen-
mauer zu verlegen und zwar derartig, daß in 1,5—2m Entfer-
nungen Traverſen verlegt werden, auf welche
die Kappenanläufe zu liegen kommen, wie
die Skizze Fig. 320 angiebt. Auf dieſe Weiſe
erleiden die Mauern gar keinen Seitenſchub,
ſondern macht ſich nur ein verticaler Druck
geltend.


Wie bereits erwähnt wurde, können die
Kappen auch eine ſolche Lage erhalten, daß
die Axe entweder anſteigt oder auch ganz
vertical zu ſtehen kommt; in letzterem Falle
befinden ſich die Anläufe und die Axe in einer
verticalen Ebene.


Die beiden letzten Anordnungen finden wir
ſehr häufig bei Iſolirung der äußeren Funda-
mente vom feuchten Erdboden und in den

Figure 320. Fig. 320.


Fig. 321 und 322 veranſchaulicht. In dem Beiſpiel Fig. 321 legt ſich
eine lange Kappe, deren Widerlager vertical übereinander liegen,
gegen die Außenmauer, wodurch ein linſenförmiger Luftkanal entſteht;
die Kappe hält die Erde von der Gebäudemauer ab und den Keller
trocken. Zwiſchen dem Iſolirkanal und der äußeren Luft ſind einige
Circulationsſchläuche b vorhanden, damit im Sommer die Luft im
Kanal gehörig austrockne. Bei feuchter Witterung wird die äußere
Mündung des Schlauches b mittelſt einer Klappe geſperrt. Um auch
das Aufſteigen der Erdfeuchtigkeit durch das Bruchſteinbanquett zu
[312]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
verhindern, trennt eine Asphaltiſolirſchicht a das Kellermauerwerk
vom Banquett.


In Fig. 322 hat die Kappenaxe eine verticale Stellung und ſind
kleinere beſonders vorgemauerte Pfeiler als Widerlager für die ver-
ticalen Kappen vorhanden. Meiſtens giebt man den „Erdiſolirkappen“,

Figure 321. Fig. 321.


Figure 322. Fig. 322.


je nach dem Erddrucke, 1/10—⅙ Pfeilhöhe und ½ Stein zur Stärke;
bei mehr als 1m Höhe macht man ſie 1—1½ Ziegel ſtark. Auch in
Fig. 322 hat die Asphaltiſolirſchicht a denſelben Zweck wie in Fig. 321;
b iſt der Lüftungsſchlauch, welcher auch mit dem Keller ſelbſt com-
municirt. Auf der oberen Mündung der Kappe liegt eine Deckplatte.


Wenn die Kellerſohle eines Gebäudes unter dem „Grundwaſſer-
niveau“ liegt, iſt bei der gewöhnlichen Abpflaſterung des Kellerbodens
das Eindringen des ſteigenden Grundwaſſers in den Keller unver-
meidlich, und zwar ſelbſt dann, wenn die Wände und der Kellerfuß-
boden mit Cement ſorgfältig abgeputzt ſind; denn das ſteigende
Grundwaſſer übt einen ſo gewaltigen Druck gegen eine ſolche Keller-
ſohle aus, daß dieſe ſich aufbaucht, ſodann Riſſe bekommt und das
Waſſer in den Keller eindringen läßt.


[313]Anwendung der preußiſchen Kappen über Corridoren ꝛc.

Das einzige Mittel, welches aber bei guter Ausführung immer
hilft, beſteht darin, daß man die Außenflächen der Fundamentwände
gut mit Asphalt belegt und innerhalb mit Cement ſorgfältig putzt,
alsdann, und dies dürfte die Hauptſache ſein, unter der Kellerſohle ein
umgekehrtes Kappengewölbe anordnet, deſſen Seiten ſich gegen die

Figure 323. Fig. 323.


feſten Wände ſtützen. Dieſes Verfahren erklärt die Fig. 323 und
bezeichnet a in ihr die eben geſchilderte Kappe. Zur größeren Sicher-
heit mauert man zwei Kappen übereinander und ordnet man zwiſchen
ihnen eine Asphaltſchicht an, welche durch die Fundamente reicht
und an den Außenflächen derſelben hinaufſteigt.


Daß die Kappen, ſowie alles in der Erde ſteckende Fundament-
mauerwerk in gutem Cementmörtel hergeſtellt werden muß, verſteht
ſich von ſelbſt.


Die anſteigenden Kappengewölbe dienen zur Unterſtützung
der maſſiven Backſteintreppen, welche in ſandſteinarmen Diſtricten,
wie z B. in Norddeutſchland, ganz allgemein üblich ſind. Einen
ſolchen Fall giebt Fig. 324 A—C zu erkennen; A ſtellt den Grund-
riß des 1. Stockwerks, B des Parterres und C den Querſchnitt durch
[314]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
die Treppenanlage nach der Schnittlinie x y. Die Treppe iſt zwei-
armig; eine maſſive Mittelmauer trennt beide Arme von einander.

Figure 324. Fig. 324 A — C.


Die Treppe beginnt in dem Keller und reicht bis zu dem Dachboden,
woſelbſt eine horizontale Kappe den oberen Abſchluß des Treppen-
[315]Conſtruktion u. Ausführung der preußiſchen Kappengewölbe.
hauſes bildet. Bei jedem Austritt (obere Stufe eines Treppenarmes)
und Antritt (untere desgl.) ſind flache Gurtbögen vorhanden, welche
der anſteigenden Kappe einen ſicheren Halt bieten, welch’ letzterer
allerdings nicht unbedingt erforderlich iſt, da die Kappen ſich gegen die
mittlere Scheidewand und die Treppenhauswände anlegen. Auch die
Ruheplätze (Podeſte) liegen auf Kappen, und zeigt daher dieſes Beiſpiel
eine mannigfaltige Verwendung dieſer Gewölbeart. Im Uebrigen ver-
weiſen wir auf Abſchnitt „Treppenconſtruktionen“ im 3. Bande d. W.,
woſelbſt derartige Anordnungen ausführlicher mitgetheilt ſind.


Die anſteigenden Kappen können auch ſo ſein, daß die Scheitel-
linien ganz horizontal, die Widerlagslinien aber in verſchiedenen
Höhen liegen.


e)Die Conſtruktion und Ausführung der preußiſchen
Kappengewölbe
. Beſondere Beachtung verdient die Einwölbung
der Kappen; dieſe kann nach fünf verſchiedenen Methoden ge-
ſchehen
:

Figure 325. Fig. 325.

Erſtens: Die Kufwölbung haben wir bereits bei Herſtellung
der Tonnengewölbe geſchildert; ſie beſteht aus Läuferſchaaren, deren
Lagerflächen radial, d. h. nach dem Kreismittelpunkt gerichtet ſind.
[316]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Die Läuferſchaaren liegen in paralleler Richtung mit der Gewölbeaxe
und wechſeln verbandmäßig mit einander ab. Die Einwölbung ge-
ſchieht immer auf verſchalten oder belatteten Lehrbögen, welche in etwa
1—1,5m Entfernung ſtehen. Dieſes Verfahren veranſchaulichen die
Fig. 325, 326 A B und 327 A. Da im vorliegenden Falle bei 2,25m

Figure 326. Fig. 326 A—B.


Kappenbreite die Pfeilhöhe circa 26zm beträgt, laſſen ſich die Lehr-
bögen l, wenn noch etwa 2½zm für die Lattenſtärke in Abzug kommen,
[317]Conſtruktion u. Ausführung der preußiſchen Kappengewölbe.

Figure 327. Fig. 327 A—B.


[318]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ganz gut aus einem einzigen Brette herſtellen. Die Lehrbögen ſtehen,
wie Fig. 326 B zeigt, 1m auseinander und ruhen mit ihren Enden auf
den Hölzern r r, die ihrerſeits wiederum von vier Pfoſten s geſtützt
werden. Die Stützpfoſten ſtehen auf Keilen (k), welche man beim
Abreißen des Gerüſtes zuerſt entfernt. Fig. 326 B giebt den Längen-
ſchnitt durch das Gewölbe und Fig. 327 A veranſchaulicht den Grund-
plan der Einlattung nebſt einem Stück der Einwölbung w. Die Wider-
lagsflächen v der Kappen (ſiehe Fig. 325) ſind nach dem zum Kreis-
ſegment gehörigen Mittelpunkt c gerichtet.


Die Gurtbögen können alle Bogenformen erhalten, meiſtens nimmt
man den Segmentbogen (ſiehe Fig. 312) an; in dem vorliegenden
Beiſpiel (Fig. 325 und 326) haben die Gurtbögen G eine gedrückte
Korbbogenform. Fig. 326 A ſtellt den Gurtbogen allein mit der
Bogenrüſtung dar, auch in Fig. 325 iſt der Gurtbogen im Quer-
ſchnitt erſichtlich. Die Gurt-Lehrbögen werden von drei Stielen unter-
ſtützt und lagern mit ihren Enden auf einigen Holzklötzen; mittelſt
Keilen kann man die Lehrbögen jederzeit ſenken oder heben. Auf den
Gurtbögen wird die Nachmauerung m m bis über das Kappenwider-
lager v v aufgeführt welch’ letzteres man ſogleich bei Herſtellung der
Nachmauerung und der Gurtbögen nach einer Schablone ausſpart.
Hierbei muß aber beachtet werden, daß die unterſte Widerlags-
kante mindeſtens
8zmüber dem Gurtbogenſcheitel be-
ginne
.


Die Einwölbung „auf den Kuf“ war bis vor etwa 25 Jahren
ganz allgemein gebräuchlich; ſeit dieſer Zeit ſind beſſere Methoden
in Anwendung, ſodaß jetzt die Kufwölbung eigentlich nur noch bei
offenen Gewölben und bei Kappen über 4m Spannweite ſtattfindet.


Die Uebelſtände der Kufwölbung ſind:


  • a) geringe Verſpannung in der Längenrichtung der Kappe;
  • b) das Wölben auf einer vollſtändigen Einſchalung der Ein-
    lattung der Lehrbögen, und daher ziemlich koſtſpielige
    Herſtellung.

Bei Anfertigung mehrerer, nebeneinander liegender Kappen iſt es
nöthig, entweder alle Kappen gleichzeitig in Angriff zu nehmen oder
gegenſeitig abzuſteifen, damit der Kappenſchub das ſchwache Wider-
lager nicht fortſchiebe.


Zweitens: Die Schwalbenſchwanzeinwölbung der Kap-
pen unterſcheidet ſich von der Kufwölbung vornehmlich in der ab-
[319]Conſtruktion u. Ausführung der preußiſchen Kappengewölbe.
weichenden diametralen Richtung der Lagerfugen, indem man bei der
Schwalbenſchwanzeinwölbung von den Ecken aus zu mauern beginnt
(Fig. 327 B). Auf dieſe Weiſe entſtehen ſehr viele kleine, ¼ Stein
breite Bögen, welche entweder ſich gegen die berührenden Lang- und
Stirnmauern anlegen oder theilweiſe in der Scheitellinie a a der Kappe
zuſammenſtoßen und im Zickzack in einandergreifen. Auf dieſe Weiſe
wird die zu ſchließende Oeffnung immer enger, bis endlich in der
Mitte nur einige Steinſtücke zum Schließen der Kappe ausreichen.
Fig. 327 B zeigt die Einwölbung ſo genau, daß ſie keiner weiteren
Erklärung bedarf.


Streng genommen ſind die im Grundriß gezeichneten geraden
Linien ſchief, da die Linien, welche die Lagerflächen erzeugen, ſtets
normal zu der Bogenlinie, die elliptiſch iſt, ſein müſſen und die man
erhält, wenn in dem Punkt, für welchen man die Fugenrichtung ſucht,
die Mantelfläche durch eine ſenkrechte Ebene unter 45° zur Axe ge-
ſchnitten wird — jedoch, da die Abweichung von der geraden Linie
in flachen Kappen ganz unbedeutend ausfällt, beachtet man ſie in
der Praxis gar nicht. Wie bereits erwähnt, dienen bei dieſer Ein-
wölbung die Stirnmauern auch als Widerlagsmauern, weil der Schub
des Gewölbes die Mauern in ſchräger Richtung zu ihrer Flucht trifft.
Die Einwölbung beginnt in allen Ecken gleichzeitig; in der Scheitel-
linie und in der Mittellinie normal zur Axe werden die Schichten
zuſammengeſtoßen.


Die Vorzüge dieſer Einwölbung, gegen die „auf den Kuf“, ſind
folgende:


  • a) es iſt keine durchgehende Brechungsfuge vorhanden;
  • b) die durchgehenden Lagerfugen ſind kürzer und daher ſetzt
    ſich das Gewölbe weniger;
  • c) der Kappendruck vertheilt ſich auf alle Umgrenzungsmauern,
    deshalb brauchen die Langmauern nicht ſo ſtark zu ſein,
    wie bei der Kufwölbung, und erhält die ganze Kappe
    eine beſſere Verſpannung;
  • d) es liegt im Belieben des Conſtrukteurs, ſowohl der Scheitel-
    linie, als auch den Widerlagslinien eine geringe Stechung
    nach der Mitte hin zugeben, um dadurch dem ſtarken Setzen
    der Kappe in der Mitte vorzubeugen;

[320]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
  • e) man braucht keine Einſchalung oder Einlattung, ſondern es
    genügen ſchon die Lehrbögen allein zur richtigen Her-
    ſtellung des ganzen Gewölbes (ſiehe Fig. 327 B).

Drittens: Von Breymann wird in ſeinem Handbuch „Baucon-
ſtruktionslehre“ eine andere Schwalbenſchwanzwölbung vorgeſchlagen,
bei welcher der Arbeiter in der Mitte zu wölben beginnt und hierzu
die Richtung der Steine von der Mitte aus rechtwinklig annimmt,
ſodaß die kürzeren Fugen zu Lagerfugen, die durchgehenden zu Stoß-
fugen werden. Dieſes Verfahren verdeutlicht die Fig. 328 und wird

Figure 328. Fig. 328.


dann zweckmäßig ſein, wenn die Kappenwiderlager nicht höher als
bis zur Oberkante der Widerlagsfläche ausgeführt werden ſollen.


Viertens: Ringförmige Einwölbung auf Rutſchlehr-
bögen
. Hierbei haben die Lager- und Stoßfugen dieſelbe Richtung
wie bei der Kufeinwölbung, aber es gehen die Stoßfugen von Wider-
lager zu Widerlager durch und die Lagerfugen wechſeln verband-
mäßig ab (Fig. 329 A—C). Dieſe Einwölbung iſt jetzt faſt allent-
halben ganz allgemein gebräuchlich und beſitzt allen anderen gegen-
über folgende Vortheile:


  • a) wie in Fig. 327 B fehlt auch hier die durchgehende Brechungsfuge;
  • b) es kommen nur ein Viertel ſoviel Lagerfugen vor, mithin iſt
    die Preßbarkeit des Mörtels von geringerem Einfluſſe
    beim Setzen der Kappe;
  • c) durch die Reibung und Bindekraft des Mörtels wird bei der
    großen Berührungsfläche der Steine in den Stoßfugen ein
    bedeutender Theil des Schubs aufgehoben;

[321]Ringförmige Einwölbung auf Rutſchlehrbögen.
  • d) man bedarf bei dieſer Einwölbung gar keiner verſchalten
    oder feſtſtehenden Bogenrüſtung, ſondern die Einwölbung
    Figure 329. Fig. 329 A—C.

    geſchieht auf Rutſchbögen; zu jedem Gewölbe braucht
    man nur einen Rutſchbogen, der für jede neue Schaar
    auf Latten fortgeſchoben wird. Die Befeſtigung der
    Figure 330. Fig. 330.

    Latten geſchieht mittelſt Bankeiſen (Fig. 330). Die Ringe
    reichen nicht in gerader Richtung von einem Widerlager
    zum anderen, ſondern ſind etwas gebogen (Fig. 329 B C);
    dadurch ſchiebt die Kappe ein wenig gegen die Stirnmauern
    Wanderley, Bauconſtr. II. 21
    [322]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
    und entſteht in der Mitte des Kappenfeldes ein linſen-
    förmiger Schlitz, der an der weiteſten Stelle höchſtens
    eine Steinlänge mißt und mit der gewöhnlichen Kufwöl-
    Figure 331. Fig. 331.

    bung (e) geſchloſſen wird. Wie
    bereits erwähnt, verdient die
    ringförmige Einwölbung auf
    Rutſchbögen bei Kellergewölben
    vor allen anderen Methoden
    den Vorzug.

Fünftens: Moller hat, um
den Schub der Kappe ganz
und gar aufzuheben und in
einen verticalen Druck zu ver-
wandeln, die Hinter- (reſp.
Nach-) mauerung bis zur
Scheitelhöhe des Kappenrückens
im Verbande mit dem Ge-
wölbe hergeſtellt, und zwar in
der Weiſe (Fig. 331), daß die
eine Schaar aus Läufern (l), die
andere aus Streckern beſteht;
letztere iſt mit der Nachmauerung
vereinigt und ſchließt mit der
oberen, von der Nachmauerung
beſtimmten horizontalen Linie a f
ab. Die Nachmauerung über
den Läuferſchaaren ſetzt ſich aus
hochkantig geſtellten Ziegeln zu-
ſammen und reicht bis in das
Widerlagsmauerwerk abc hinein;
in der Streckerſchaar iſt das Wi-
derlager f h g zwar iſolirt ge-
mauert, es erhält aber durch
den Mörtel mit dem übrigen
Mauerwerk eine feſte Lage.
Ueberhaupt ſpielt hierbei die
Bindekraft des Mörtels eine
große Rolle, und wäre be-
[323]Oeffnungen in den Kappen.
ſonders die Verwendung des Cementmörtels anzurathen. Solche
Gewölbe hat Moller bei 3m Spannweite und 0,4m Pfeilhöhe in der
Mitte ½ Stein ſtark gemacht und auf nur 1 Stein ſtarke Wider-
lagsmauern geſetzt!


f)Oeffnungen in den Kappen. Vielfach kommt es vor, daß
in den Kappen Oeffnungen angebracht werden ſollen für Kellertreppen,
Windeaufzüge, Fenſter, Thüren u. ſ. w. Als Grundſatz gilt hierbei,
daß an den Stellen, wo das Gewölbe durchbrochen wird, der frei-
ſchwebende Kappentheil ein genügendes Widerlager erhalten muß;
dieſes geſchieht durch Einlegen der ½—1 Stein ſtarken Bögen, welche
ſich entweder ganz ſchließen (wie Fig. 332 B C) oder gegen die Um-
fangsmauer ſtützen (Fig. 332 A C). Oefters ſollen Linſengläſer in

Figure 332. Fig. 332 A—E.


der Mitte des Gewölbes vorhanden ſein, um den Kellerraum von
oben zu erhellen; zu dieſem Behufe wird entweder eine runde (Fig. A)
oder eine viereckige Oeffnung (Fig. D) an der Stelle des Schluß-
21*
[324]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſteines angeordnet, in welche ein eiſerner Kaſten hineinpaßt. Für
Windeaufzüge werden die Oeffnungen bei Schwalbenſchwanzwölbung
nach Fig. A und bei der Kufwölbung nach Fig. C ausgeſpart.


Auch wenn das Gewölbewiderlager auf das Fenſter trifft, muß
man einen Stützbogen wölben und zwar in der Weiſe, daß ein 1 Stein
ſtarker Bogen den Gewölbeſchub aufnimmt, und eine anſteigende
Stichkappe die entſtandenen Lücken ausfüllt (Fig. 333).


Figure 333. Fig. 333.

Figure 334. Fig. 334.
IV.Das Kloſtergewölbe.

(In Oeſterreich auch häufig Kappengewölbe genannt.)


Bereits weiter oben haben wir entwickelt, daß das Kloſtergewölbe
aus der Zuſammenſetzung von Wangenſtücken beſteht. Die Grund-
form kann eine beliebige ſein, quadratiſch, polygonal, regelmäßig oder
unregelmäßig.


a)Graphiſche Conſtruktionen. Wie aus der Entſtehung des
Kloſtergewölbes ſchon hervorgeht, muß daſſelbe ſo viele Widerlags-
mauern haben, als Umfangsſeiten vorhanden ſind; das Kloſterge-
wölbe iſt demnach immer ein geſchloſſenes Gewölbe. Bei Herſtellung
eines ſolchen Gewölbes muß, wenn die Grundfläche unregelmäßig iſt,
zuerſt die Wölbungslinie in einer Ebene ſenkrecht auf eine der Um-
[325]Graphiſche Conſtruktion der Tonnengewölbe.
fangsmauern feſtgeſetzt werden (ſiehe Fig. 334), aus der man die Form
der Diagonalbögen ableitet (Viertelkreiſe); letztere werden alsdann
aus dem Hauptbogen mittelſt Vergatterung ausgetragen.


Die Geſtalt dieſes Kloſtergewölbes giebt zu erkennen, daß daſſelbe
nur einen höchſten Punkt hat, nämlich den Scheitelpunkt; dieſer liegt
ſtets über dem Schwerpunkt des Raumes. Verbindet man im Grund-
riſſe des zu überwölbenden Raumes den Schwerpunkt mit allen Ecken
des Polygons, ſo entſtehen die Horizontalprojectionen der Diagonal-
oder Gratlinien.


Denkt man ſich nun wieder durch den Scheitelpunkt mehrere ver-
ticale Ebenen ſenkrecht auf die Umfaſſungsmauern des Gewölbes ge-
legt und zieht man ferner vom Schwerpunkte aus Linien ſenkrecht auf
die einzelnen Polygonſeiten, dann ergeben ſich die [kürzeſten] Richtun-
gen für die Wölbungslinie, alſo die Quadranten a a' e, von denen
wiederum alle übrigen Bögen abgeleitet werden können.


Fig. 335 zeigt ein Kloſtergewölbe über einem regelmäßigen ſechs-
eckigen Raume.


Figure 335. Fig. 335.

Die Ableitung des Gratbogens geſchieht auch hier nach der Ver-
gatterung. Es wird z. B. die Sehne ½A B in 7 Theile von a bis h
getheilt, hierauf werden die Senkrechten a a', b b' ꝛc. errichtet, dann
[326]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
die Horizontalprojection des Diagonalbogen a x in ebenſo viele gleiche
Theile getheilt, hierauf ebenfalls Senkrechte gezogen und letztere gleich
den Höhen a a' b b' c c' ꝛc. gemacht, ſo erhält man die halbe in der
Richtung der Diagonale a x gelegene Ebene oder den Diagonalbogen
in wirklicher Größe. Um nun die halben Diagonalbögen über a x in der
Verticalprojection zu erhalten, werden die Punkte von a bis x lothrecht
projicirt, alsdann von der Horizontalfläche x x in der Verticalprojection
die Höhen a a' b b' ꝛc. abgetragen, wie in der Zeichnung zu erſehen iſt.


Soll der Segmentbogen feſtgeſtellt werden, und ſind nur die
Punkte A und B und die Pfeilhöhe a a' gegeben, ſo verlängere man
die Senkrechte a a', verbinde man a' mit B, nehme man dieſelbe als
Sehne des halben Segmentbogens an, errichte man auf a' B ein Loth
m n, welches die verlängerte Pfeilhöhe trifft, dann iſt n der Mittel-
punkt des Segmentbogens A a' B.


b)Anwendung. Das Kloſtergewölbe findet im Allgemeinen
wenig Anwendung, da es nur über quadratiſchen und regelmäßigen
polygonalen Räumen gut ausſieht und die Anlage der Fenſter und
Thüren erſchwert. Bereits in Fig. 317 ſind Kloſtergewölbe über den
Räumen l und k vorhanden; das Gewölbe über k hat eine ganz
regelmäßige achtſeitige Geſtalt nach Art von Fig. 325, über l dagegen
iſt die Grundform unregelmäßig und fünfſeitig.


Beim Kloſtergewölbe ſind alle Umfangsmauern gleichzeitig Wider-
lagsmauern, die in ihrer Mitte den ſtärkſten Schub erleiden, wenn
das Gewölbe auf den Kuf gemauert iſt. Das hohe Kloſtergewölbe
beſchränkt die Ausnutzung des Raumes noch mehr als das volle
Tonnengewölbe. Sämmtliche Wände müſſen als Widerlagsmauern
dieſelbe Stärke erhalten, wie bei Tonnengewölben von gleichen Ab-
meſſungen, da man die Wände nicht wohl von der Mitte aus, wo
ſie am meiſten in Anſpruch genommen ſind, nach den Ecken hin
ſchwächer machen kann. Die Fenſter- und Thüröffnungen werden
ebenſo gemacht, wie bei den Tonnengewölben.


c)Einwölbung und Conſtruktion. Die Einwölbung des
Kloſtergewölbes geſchieht auf zwei Arten: „auf den Kuf“ und
auf den Schwalbenſchwanz.“


1. Die erſtere Methode veranſchaulichen die nächſten Beiſpiele:


Auf Tafel II iſt die allgemeine Conſtruktion eines hohen Kloſter-
gewölbes in Grundriſſen und Querſchnitten gegeben. Der Raum hat
eine quadratiſche Grundform; A giebt die untere Anſicht des Gewölbes
[327]Einwölbung und Conſtruktion der Kloſtergewölbe.

Figure 336. Fig. 336.


[328]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
mit dem Steinfugenſchnitt, B zeigt die obere Anſicht des Extrados mit
der Nachmauerung, C ſtellt den Querſchnitt nach der Schnittlinie S S,
D nach S T. In letzterem Querſchnitt (D) ſieht man einen Theil des
Extrados. Den Diagonalſchnitt durch dieſes Gewölbe giebt Fig. 336.


Beim Zuſammentreffen der Schichten in der Kehle (Ixe) muß die
Stoßfuge der einen Schaar der einen Wange ſich genau der Lager-
fuge der gleich hohen Schicht der anderen Wange anſchließen. Es
greifen daher die Schichten der einen Wange abwechſelnd in die an-
dere Wange über. Die Steine müſſen hierzu nach einer doppelten
Schmiege gehauen werden, wobei in den Kehlen aber immer ein Stück
an dem einen Steine fehlt, welches vorhanden ſein müßte, wenn ſich

Figure 337. Fig. 337.


Figure 338. Fig. 338.


die inneren Leibungen in der Kehllinie vollſtändig ſchneiden ſollen
(Fig. 337).


Der auf dieſe Weiſe ſich bildende hohle Winkel wird beim Putzen
des Gewölbes ausgefüllt. Der Rücken kann vollſtändig nach der rich-
tigen Extradosfläche abgearbeitet werden, da es aber auf deſſen Aus-
ſehen nicht ankommt, kann im Grat die vortretende Steinecke auch
ſtehen bleiben.


Für die Einwölbung auf den Kuf iſt eine vollſtändige Einſchalung
oder Einlattung der Lehrbögen erforderlich. Man ſtellt zuerſt einen
ganzen Diagonallehrbogen b auf und unterſtützt denſelben in der
Mitte mit einem Stiele m („Mönch“), alsdann legt man gegen dieſen
Bogen in der anderen diagonalen Richtung zwei halbe Diagonal-
bögen a a. Sodann ordnet man die ſogenannten Hauptbögen c und
die „Schiftbögen“ s an, welche an den Stellen, wo ſie gegen die
[329]Einwölbung und Conſtruktion der Kloſtergewölbe.
Diagonalbögen anſtoßen, ebenfalls mit „Mönchen“ unterſtützt werden.
Dieſes Gerippe wird ſodann eingeſchalt oder belattet (Fig. 338).


2. Für die Schwalbenſchwanzeinwölbung iſt eine Ver-
ſchalung nicht erforderlich. Hierbei müſſen die Steine wegen der
bedeutenden Krümmung der Leibung ſehr ſtark verhauen werden und
in den Kehlen von einer Wange in die andere überbinden. In
der Mitte der Wangen werden die Schichten zuſammengeſtoßen.
In Bezug auf die Richtung der Lager- und Stoßfugen gilt hier
daſſelbe was beim Kappengewölbe geſagt worden iſt mit der geringen
Modification, daß hier die Windſchiefe, wegen der ſtärkeren Krümmung
der Mantelfläche, erſichtlicher ausfällt.


Der Vortheil dieſer Einwölbung beruht beſonders in der doppelten
Spannung im Grat (Kehle). Die Materialerſparniß kommt aber
kaum in Betracht.


Die Schwalbenſchwanzwölbung findet bei maſſiven Herdmänteln
Verwendung, wie die Fig. 339 und 340 in der Anſicht und dem

Figure 339. Fig. 339.


Grundriſſe veranſchaulichen. Das Gewölbe iſt nur halb es trägt
oben den befahrbaren Schornſtein und ſtützt ſich unten auf die Eichen-
[330]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
holzbalken, welche bei b überblattet ſind; a iſt die Herdmauer und
h der Feuerherd ſelbſt. Erwähnt ſei übrigens, daß ſolche offene

Figure 340. Fig. 340.


Feuerungsanlagen nur noch in ländlichen Arbeiterhäuſern eingerichtet
werden, und wir dieſes Beiſpiel blos der Einwölbung halber hier
vorgeführt haben.


3. Ein Kloſtergewölbe ganz beſonderer Art entſteht, wenn
man von einem gewöhnlichen Kloſtergewölbe über einem quadratiſchen
Raum die vier Ecken durch ſenkrechte Ebenen auf die Verbindungs-
linien der Mittelpunkte der Grundſeiten abſchneidet; man erhält dann
ein Gewölbe, welches einem Kreuzgewölbe ſehr ähnlich ausſieht und
den größten Theil ſeines Schubes auf die Winkel des überwölbten
Raumes überträgt (Fig. 341). Wenn dann der urſprüngliche Kloſter-

Figure 341. Fig. 341.


gewölbequerſchnitt ein Halbkreis iſt, werden die Schildbögen (Anläufe)
über e f, f g, l g, e l, Spitzbogen und die Kehlbogen m h und k n Ellipſen
[331]Beiſpiele von Kloſtergewölben.
ſein. Selbſtverſtändlich laſſen ſich in der Richtung f l und e g alle
Bogenformen zu Grunde legen und die anderen Bögen nach der Ver-
gatterung ermitteln. Dieſe Einwölbung eignet ſich für alle Kloſter-
gewölbe mit ſchwachen Widerlagsmauern, da hierbei der Gewölbeſchub
größtentheils nach den Ecken übergeht — allerdings geht dabei das
Charakteriſtiſche des Kloſtergewölbes ganz verloren.


d)Beiſpiele. Eine hübſche Verwendung hat das Kloſtergewölbe
gefunden in der Capella de Vitelli in S. Francesco zu Città di
Castello
in Umbrien (Fig. 342); die Capelle iſt im Grundriſſe qua-

Figure 342. Fig. 342.


dratiſch geſtaltet und mit einem halbkreisförmigen, 7,5m breiten Klo-
ſtergewölbe überdeckt, welches ſich auf das elegante Gebälk ſtützt. Jede
Wange wird von einer Stichkappenlünette durchbrochen, damit die
Halbkreisfenſter angebracht werden konnten.


Intereſſant iſt auch die Conſtruktion des Kloſtergewölbes über
einem Bilderſaale in der vom Königl. Baumeiſter v. d. Hude ausge-
[332]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
führten Kunſthalle zu Hamburg. Das Gewölbe (Fig. 343) bietet be-
ſonders in ſeinem unteren Theile einige von den ſonſt üblichen An-
ordnungen abweichende Conſtruktionen; oben iſt es offen, für das
den Saal zu erhellende Oberlicht. Dem Gewölbe liegt die Halbkreis-

Figure 343. Fig. 343.


bogenlinie zu Grunde. Zur Verſchönerung der inneren Gewölbe-
fläche, ſowie um den Gewölbeſchub nur auf einzelnen Stellen zu über-
tragen, iſt der untere Theil durch Stichkappen durchbrochen, deren
Kämpfer auf breiten Conſolen ruhen. Uebrigens haben die Stichkappen
in Wirklichkeit nur ſehr wenig zu tragen, da das durchgehende eiſerne
Traverſengerippe, beſtehend aus den Traverſen t und t', den Ge-
wölbedruck aufnimmt und unſchädlich macht.


Die ganze Decke iſt ſehr reich und elegant mit Stückaturung und
Malerei geſchmückt.


[333]Syſtem der Muldengewölbe.
V.Das Muldengewölbe.

Längliche Räume, welche zur Ueberwölbung mit Kloſtergewölben
nicht geeignet ſind, laſſen ſich ganz gut mit Muldengewölben überdecken.


a)Syſtem. Dieſes Gewölbe entſteht, wenn gegen die Stirnen eines
Tonnengewölbes Wangenſtücke gelegt werden, welche nach derſelben
Bogenlinie wie die Tonne gewölbt ſind (Fig. 344). Flache Bögen

Figure 344. Fig. 344.


kommen hierbei nie vor, ſondern entweder Halbkreiſe oder Korbbögen.
Die Grundform dieſes Raumes kann ſowohl rechtwinklig, als auch
trapezförmig ſein, ſo daß die eingeſchobenen Wangen entweder
ſenkrecht oder geneigt zur Axe des Tonnengewölbes liegen.


In Fig. 345 iſt ein Muldengewölbe über trapezförmigem
Raume dargeſtellt.


Figure 345. Fig. 345.

Die Durchdringung der Cylinderflächen zeigt ſich im Grundriſſe
als gerade Linien (Grat- oder Diagonallinien).


[334]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Der gerade Querſchnitt m n iſt hier als ein Halbkreis angenommen,
und die Wölbungslinien, von den Punkten a a ſenkrecht auf die beiden
andern geneigten Seiten des Trapezes gezogen, ſind beiſpielsweiſe
Viertelkreiſe deſſelben Halbkreiſes.


Um daher die Endpunkte a'—a' der Scheitellinie zu erhalten,
ziehe man in gleichen Entfernungen parallele Linien zu den geneigten
Seiten des Trapezes, und findet man dann im Durchſchnitt dieſer mit der
Scheitellinie die geſuchten Punkte a'—a'. Die Linien a—e ſind die
Horizontalprojectionen der Diagonalbögen, deren wirkliche Längen
leicht aus der Vergatterung herzuleiten ſind. Um die Vergatterung
zu erhalten, theile man die halbe Spannweite des Halbkreiſes in be-
liebig große Theile, und errichte die Senkrechten d d', c c', b b und a a;
man theile dann die halben Diagonalen mittelſt Parallelen in dem-
ſelben Verhältniſſe ein, errichte darauf Senkrechte, mache dieſelben ent-
ſprechend den Höhen des Halbkreiſes und verbinde die Punkte a', b',
c', d', e' zu einer Curve, ſo giebt dieſe die Diagonallinie in wirk-
licher Größe.


b)Bezüglich der Conſtruktion gilt hier daſſelbe, was bei
den Tonnen- und Kloſtergewölben mitgetheilt wurde.


Figure 346. Fig. 346.

Für die Einwölbung iſt eine vollſtändige Einſchalung erforderlich,
deren Lehrgerüſt die Fig. 346 im Grundriß veranſchaulicht.


VI.Das Spiegelgewölbe

zerfällt in zwei Theile, in den unteren und in den oberen (Fig. 347).


a)Syſtem. Der untere Theil iſt ein herumlaufendes halbes
Kloſtergewölbe von geringen Dimenſionen; der obere Theil a b d c
beſteht aus einem flachen, faſt horizontalen Kloſtergewölbe und heißt
Spiegel.“ Fig. 347 giebt ein Spiegelgewölbe über einem unregel-
[335]Syſtem und Conſtruktion der Spiegelgewölbe.
mäßigen Raume; c d e f iſt der Spiegel, der gefunden wird, wenn
der Abſtand a b an allen Seiten gleich iſt und die Linien c d, c f,
f e und e d mit den Seiten des Raumes parallel liegen.


Figure 347. Fig. 347.

b)Conſtruktion. Der untere Theil des Spiegelgewölbes wird
ſeiner Abſtammung gemäß „auf den Kuf“ gemauert und erſcheint als
die Fortſetzung der Wand reſp. als große Hohlkehle. Um das Mauer-
werk nicht zu ſchwächen, wird die Kehle theilweiſe durch Auskragung
der Ziegeln gebildet. Die Einwölbung des Spiegels geſchieht am beſten
auf den Schwalbenſchwanz mit mindeſtens 1/36 der Diagonale zur
Stechung (Pfeilhöhe). Bei Beſtimmung des Querſchnittes eines Spie-
gelgewölbes legt man die Korbbogenlinie zu Grunde, indem man
den Spiegel durch eine gering gebogene Linie aus einem weitentfern-
ten Mittelpunkte erſetzt. In der Regel pflegt man den Spiegel von
der Hohlkehle durch ein kleines Geſims zu trennen, und die gebogene
Spiegelfläche mit Gipsmörtel ſcheitrecht auszugleichen. Die Einwöl-
bung geſchieht auf einer vollſtändigen Einſchalung; auch hängt die
Solidität des Gewölbes hauptſächlich von der ſorgfältigen Arbeit
und der Bindekraft des Mörtels ab. Am beſten wäre es, zu dem
ganzen Gewölbe nur Cementmörtel zu verwenden.


Die Stärke der Hohlkehlen beträgt meiſtens 1 Ziegel, die des
Spiegels aber nur ½ Stein.


Die genaue Conſtruktion nebſt dem Fugenſchnitt erkennen wir in
Fig. 348.


Die Einwölbung auf den Kuf findet bis zur Linie a a ſtatt, als-
dann beginnt die Schwalbenſchwanzwölbung im Spiegel ſelbſt.


[336]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Die Breite des Spiegels macht man bei Ausführung in Ziegeln
nicht gern über 3,5m; bei größern Spannweiten iſt es jedenfalls beſſer,

Figure 348. Fig. 348.


die ganze Decke aus Holz anzufertigen und zu verſchalen oder, wenn
man durchaus eine maſſive Decke conſtruiren will, Eiſenconſtruktionen
in reichlichem Maße zu verwenden Lange Spiegelgewölbe werden mit
Verſtärkungsbögen, die in Abſtänden von 3—4m vorkommen und in der
flachen Korbbogenlinie von einer Hohlkehle zur anderen reichen, verſehen.


Es bedarf keines Nachweiſes, daß die Ziegelgewölbe ſich ſelbſt
nur eben halten können und daher auch eine fremde Belaſtung nicht
tragen dürfen.


Bei reicher Ausſtattung des Gewölbes ordnet man in der Hohl-
kehle einige vortretende profilirte Bögen an (wie bei den Tonnen- und
[337]Syſtem und praphiſche Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
Kappengewölben), wodurch Kaſſetten entſtehen, oder man löſt die
ganze Hohlkehle in Stichkappen auf.


VII.Das Kuppelgewölbe.

a)Syſtem und graphiſche Conſtruktionen. Bewegt ſich
um eine verticale Gerade eine einfach gekrümmte Curve, deren Ebene
durch dieſe Gerade geht, in der Weiſe, daß jeder Punkt derſelben
während dieſer Bewegung von der gegebenen Geraden dieſelbe Ent-
fernung behält, ſo entſteht ein Rotationskörper; die Curve a c iſt
die Erzeugende, die verticale Linie a b hingegen die Drehachſe (Fig. 349).


Wird [nun] ein ſolcher Rotationskörper
einem Gewölbe zu Grunde gelegt, dann
nennt man das Gewölbe ein Kuppel-
gewölbe
; iſt beiſpielsweiſe die erzeugende
Curve ein Halbkreis, deſſen Verbindungs-
linie der beiden Endpunkte horizontal iſt,
und durch deſſen Mittelpunkt die verticale
Drehaxe geht, ſo heißt das Gewölbe ein
kugelförmiges Kuppelgewölbe oder
Kugelgewölbe; wenn die Curve a c

Figure 349. Fig. 349.


eine Ellipſe, eine Parabel, ein Korbbogen u. ſ. w. iſt, führt das Ge-
wölbe den Namen: ein ellipſoidiſches, paraboliſches ꝛc. Kuppelgewölbe.


Man kann ſich ein elliptiſches Kuppelgewölbe über einem elliptiſchen
Grundriſſe auch ſo entſtanden denken, daß die erzeugende Curve

Figure 350. Fig. 350.


Figure 351. Fig. 351.


x y x ſich um eine große Axe x x (Fig. 350) dreht und letztere ſtets
horizontal bleibt. Sodann giebt jeder Schnitt x in normaler Richtung
Wanderley, Bauconſtr. II. 22
[338]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
zur großen Axe einen Kreis und jeder Schnitt parallel zur Axe x x
eine Ellipſe.


Es iſt ſehr leicht einzuſehen, daß alle Gewölbeformen mit verticaler
Drehaxe einen horizontalen Kreis zur Kämpferlinie haben müſſen,
demnach eine kreisförmige Umfaſſungsmauer zu Widerlagern er-
fordern. Man kann dieſe Gewölbeformen auch über eckige
Räume anwenden
, wie wir nun gleich bei den einzelnen Beiſpielen
ſehen werden.


Fig. 351 zeigt das Kugelgewölbe über einem kreisförmigen Raume.
Die Querſchnitts-Curve, welche die Leibung erzeuget, nennt man
die Wölbungslinie, und dieſe iſt hier der Halbkreis a c' b.


Denkt man ſich aus einer großen Kugelfläche mittelſt einer horizonta-
len Ebene eine Kalotte abgeſchnitten und benutzt man dieſe als Leibung
für ein Gewölbe, ſo entſteht ein flaches Kugelgewölbe oder eine
flache Kuppel (Fig. 352). Es läßt ſich aber auch hierbei jede
andere Curve als Erzeugende für eine ſolche Gewölbeform anwenden.


Figure 352. Fig. 352.

Manchmal pflegt man die Leibungsfläche eines Kugelgewölbes auf
irgend eine Art zu verzieren, wie das nachfolgende Beiſpiel veran-
ſchaulicht.


[339]Syſtem und graphiſche Conſtruktion der Kuppelgewölbe.

In Fig. 353 A und B ſei ein vollſtändiges Kugelgewölbe gegeben,
und im Grundriß deſſelben irgend eine aus geometriſchen Formen
gebildete Figur zur Verzierung des Gewölbes gezeichnet; es ſoll nun

Figure 353. Fig. 353 A—B.


dieſe Figur auf das Gewölbe in der Weiſe übertragen werden, daß
ſie entweder als Rippen oder als Malerei ſichtbar bleibe; ferner ſoll
die Größe der einzelnen Rippen beſtimmt werden.


Dieſe Conſtruktion wird noch mehrfach in ſpäteren Beiſpielen An-
wendung finden, aus welchem Grunde die Erklärung hier möglichſt
allgemein gehalten werden ſoll.


Vor Allem ſind folgende Geſetze feſtzuſtellen:


Jeder Schnitt einer Kugel durch eine Ebene in beliebiger Lage
giebt einen Kreis; geht die Ebene durch den Mittelpunkt der Kugel,
ſo zeigt die Schnittfläche den größten Kreis. Geht ſie nicht durch den
Mittelpunkt, ſo entſtehen Halbkreiſe, deren Durchmeſſer gleich der Sehne
der Kugelgrundfläche ſind, welche durch die Durchſchneidung der ver-
ticalen Schnittebene und der Kugelgrundfläche gebildet wird.


In dem gegebenen Gewölbe ſind zweierlei Rippen, nämlich über
a c und über a b, vorhanden; da die Rippe über a c in einer durch
22*
[340]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
den Mittelpunkt gehenden Verticalebene liegt, ſo muß erſtere nach dem
größten Kreiſe der Kugel, nämlich nach der Wölbungslinie, ge-
krümmt ſein.


Die genaue Conſtruktion der einzelnen Rippen in der verticalen
Projection geſchieht am einfachſten mittelſt Vergatterung, die in dem
nachſtehenden Beiſpiel noch erſichtlich wird (Fig. 354).


Figure 354. Fig. 354.

Wir finden hier die Verbindung eines Tonnengewölbes mit einem
Kuppelgewölbe, und zwar wird darin ein Kugelgewölbe von einem
halbkreisförmigen Tonnengewölbe, deſſen Axe horizontal liegt und
durch den Mittelpunkt des erſteren geht, durchdrungen.


Die Durchdringungscurve der Cylinder- und Kugelfläche iſt, da
die Axe der erſteren durch den Mittelpunkt der letzteren reicht, ein
Halbkreis und zwar der Ergänzungshalbkreis der Cylinderfläche. Der-
ſelbe projicirt ſich im Grundriſſe als eine gerade Linie a b, während
er in der Verticalprojection als Halbellipſe erſcheint.


Letztere läßt ſich mittelſt Vergatterung aus dem Querſchnitte des
halbkreisförmigen Tonnengewölbes ermitteln, wie in der Figur hin-
reichend deutlich erſichtlich iſt.


[341]Syſtem und graphiſche Conſtruktion der Kuppelgewölbe.

Es laſſen ſich nun noch verſchiedenartige Modificationen anordnen,
ſtets aber iſt immer der Satz feſtzuhalten, daß durch beide ſich durch-
dringende Gewölbeformen Hülfsebenen zu legen ſind, welche das
Cylindergewölbe nach einer geraden Erzeugenden, das Kuppelgewölbe
nach einem Kreis oder ſonſt einer conſtruirten Curve ſchneiden.


Aehnlich verhält es ſich, wenn das Kugelgewölbe durch Vertical-
ebenen nach Halbkreiſen ſchneidet, deren Durchmeſſer gleich den Seiten
der Grundfigur ſind.


Fig. 355 zeigt das Princip einer ſolchen Gewölbeform über einem
quadratiſchen Raum und giebt die nähere graphiſche Conſtruktion für
ein ſolches Kuppelgewölbe.


Die Wölbungslinie iſt ein Halbkreis, deſſen Durchmeſſer gleich der
Diagonale des Quadrates mißt. Die Kämpferlinien an den Umfaſſungs-
mauern beſtehen aus vier congruenten Halbkreiſen, welche in den

Figure 355. Fig. 355.


Ecken zuſammenlaufen. Es iſt nun auch bei dieſen Gewölben, wenn
die Schildmauern offen ſein ſollen, e f der Gurtbogen, welcher hier
gleichzeitig als Widerlager dient. Der Gurtbogen ſteht um das
Stückchen a b vor der Schildlinie des Gewölbes, damit noch ein hin-
reichendes Widerlager übrig bleibe.


[342]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Wenn der Pfeiler quadratiſch werden ſoll (Fig. (355 A—C), ſo
muß man, um den Vorſprung a b zu erhalten, den Durchmeſſer e f
der Wölbungslinie etwas größer, als die Diagonale des Qua-
drates angiebt, machen. Iſt der Vorſprung a b gegeben, ſo pro-
jicire man g' nach g, um den Radius der Wölbungslinie angeben
zu können.


Um den verticalen Diagonalſchnitt zu zeichnen, beſchreibe man
erſt mit dem Radius c b über d e einen Halbkreis und zeichne
man die Schildbögen über f d und f e in der Anſicht mittelſt Ver-
gatterung.


Die hier gegebene Gewölbeform gehört eigentlich nicht mehr zu
den Kuppelgewölben, wir reihen ſie hier aber dennoch ein, weil ſie
den Uebergang zu den folgenden bildet.


Figure 356. Fig. 356.

Figure 357. Fig. 357.

Sehr oft werden nämlich die Gewölbe nach Fig. 355 auch in der
Weiſe conſtruirt, daß die über den vier Widerlagsbögen befindliche
Kalotte von den zwiſchen denſelben liegenden Zwickeln durch horizon-
tale Cylinder (Geſims) getrennt werden, wie in Fig. 356 A und B
gezeigt iſt.


Die Wölbungslinie der vier Zwickel oder Pendentifs (m) hat
die Diagonale x y des Quadrates zum Durchmeſſer, während die der
[343]Syſtem und graphiſche Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
Kalotte ſelbſt einen größeren Durchmeſſer a—b beſitzt, welcher von der
Höhe des Geſimſes abhängt. Streng genommen hat man ſich zwei Halb-
kugeln mit geringem Durchmeſſerunterſchied übereinander zu denken, von
denen der obere flache Kuppelabſchnitt den Namen „Kalotte“ führt.


Statt der Kalotte, deren Mittelpunkt mit demjenigen der Halbkugel-
baſis zuſammen fällt, findet man auch öfters eine größere Kalotte,
deren Mittelpunkt höher liegt,
und welche ſogar in eine Halb-
kugel übergehen kann, wie Fig.
357 A und B zeigt. Die vier
Zwickel bilden den Uebergang
von der quadratiſchen Grund-
form in die kreisförmige; manch-
mal findet man auch zwiſchen
den vier Zwickeln und dem Ku-
gelgewölbe, noch eine verticale
cylindriſche Mauer, den ſoge-
nannten Tambour, angeordnet.


Eine ſolche Löſung zeigt
Fig. 358 und 359; der Tambour
kann eine beliebige Höhe haben,
manchmal iſt er nur 1m hoch,
meiſtens aber bedeutend höher
und dient er dann zur Auf-
nahme der ſeitlichen Lichtöff-
nungen.


Wir wollen nun noch ein-
zelne Verbindungen betrachten,
die ſehr häufig bei ſogenannten
Kirchenkuppeln Anwendung fin-
den. Soll das Kugelgewölbe
in Stein ausgeführt werden, ſo

Figure 358. Fig. 358.


iſt die einfachſte Ausführung eines ſolchen Gewölbes die, daſſelbe in
horizontale Ringe zu theilen, deren Lagerfugen horizontale Kreiſe bilden,
die Lagerflächen gehören abgeſchnittenen kurzen Kegeln an, welche ihre
Spitzen in dem Mittelpunkte der Halbkugel haben. Die Stoßfugen ſtellen
verticale Meridian-Ebenen dar. Es geht nun aus dieſer Conſtruktion
hervor, daß jeder Ring, wenn der letzte Stein deſſelben verſetzt iſt,
[344]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
im Gleichgewicht ſich befindet, und daß das Kugelgewölbe
nicht, wie ein Tonnengewölbe, durch Schlußſteine geſchloſſen zu

Figure 359. Fig. 359.


ſein braucht, ſondern in jeder beliebigen Schichtung offen bleiben
kann.


Auf dieſe Thatſache geſtützt, entſtand denn auch die Anwendung
der ſogenannten Laternen über den Kuppelgewölben.


Figure 360. Fig. 360.

Man findet nämlich nicht ſelten auf einem
ſolchen oben offenen Kugelgewölbe eine cylin-
driſche Mauer, welche oft wegen der Beleuch-
tung mit Fenſteröffnungen durchbrochen oder
durch Säulenſtellungen erſetzt ſind; die Laternen
laſſen ſich dann wiederum durch ein kleines
Kuppelgewölbe ſchließen. Fig. 360 zeigt dieſes
Princip, bei welchem die Grundform des Rau-
mes gleichgiltig bleibt.


Wie ſchon in Fig. 357 gezeigt und hierbei
näher erklärt wurde, wird bei einem Kugelge-
wölbe über einem quadratiſchen Raume die
obere Kalotte weggeſchnitten und auf dem
kreisförmigen Ring, der durch Herauswölbung
der vier Zwickel nach einer Kugelfläche mit der
Diagonale als Durchmeſſer aus den Ecken
[345]Syſtem und graphiſche Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
hervorgebracht wurde, eine cylindriſche Mauer oder auch ein neues
ganzes Kugelgewölbe aufgeführt. Solche Verbindungen von Ge-
wölben kommen ſehr oft bei Kirchenkuppeln in der Durchkreuzung
des Längen- und Querſchiffes, oder auch über großen Treppen-
räumen ꝛc. vor.


Figure 361. Fig. 361.

Nicht ſelten findet man bei dieſen Kuppeln den viereckigen Durch-
kreuzungsraum übergeführt in einen achtſeitigen Raum, und dieſen
ſodann durch ein Kreuz-, Kloſter- oder Kuppelgewölbe geſchloſſen.
Fig. 361 A—C zeigt ein ſolches Beiſpiel. Der Uebergang vom vier-
eckigen Raum in den achteckigen kann auf verſchiedene Weiſe ſtatt-
finden, z. B. iſt dies in Fig. 361 mit einem Theil eines Cylinder-
gewölbes geſchehen, welches entſteht, wenn ſich eine gerade Linie
parallel zur Diagonale l o, von der Ecke n aus, an den Kreisbogen
[346]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
parallel zum Schildbogen n m als Leitlinie fortbewegt. Ein Schnitt
l o ſenkrecht zur Axe dieſes Cylindergewölbes wird ein Theil einer
Ellipſe ſein, die ſich leicht aus dem Kreisbogen n m ableiten läßt.


Der achteckige Raum iſt dann nach oben hin durch ein achteckiges,
halbkreisförmiges Kuppelgewölbe abgeſchloſſen. Fig. 362 A — D zeigt
den Uebergang vom viereckigen Raum in den achteckigen, hervorgebracht

Figure 362. Fig. 362.


durch vier in den Ecken befindliche niſchenförmige Kugelgewölbe. Der
achteckige Raum iſt oben durch ein Kugelgewölbe, deſſen Wölbungs-
linie einen Halbkreis mit der Diagonale des Achtecks als Durchmeſſer
bildet, geſchloſſen. Die zuſammengehörigen Punkte ſind in der Figur
mit gleichartigen Buchſtaben bezeichnet.


Solche und viele ähnliche Verbindungen von Gewölbeformen findet
man bei Kirchen- und anderen großen Gewölben ſehr häufig vor; der
Uebergang von einem viereckigen Raum in einen achteckigen, wovon
wir eben einige Anordnungen näher betrachteten, zeigt ſich auch außerdem
noch an Kirchenthürmen ꝛc. An denſelben wird dies meiſtens durch
mehrere aus den Ecken parallel zur Diagonale des Grundquadrates
[347]Kuppeln aus den 4., 6. und 15. Jahrhunderten.
herausgewölbte Stichbogengewölbe hervorgebracht, indem man die
treppenartig übereinander vorſpringenden Gurten bis unter die Baſis
der Achtecksmauer führt.


b)Kuppeln aus den 4., 6. und 15. Jahrhunderten. Be-
vor wir zur Conſtruktion der Kuppelgewölbe übergehen, ſollen einige
aus der ſpätrömiſchen, byzantiniſchen und mittelalterlichen Zeit ſtam-
mende Kuppelanlagen vorgeführt werden, deren Technik und Syſtem auch
für die neueren Kuppel-Ausführungen im höchſten Grade lehrreich ſind.


Eine einfache Anlage, beſtehend aus einem kreisförmigen Mittel-
raum von 11,5m Durchmeſſer und einem ringsum laufenden Gange,
zeigt die Kirche S. Constanza, welche im Anfang des 4. Jahrhunderts
zur Zeit des erſten chriſtlichen Kaiſers Conſtantin des Großen, außer-
halb der Mauern Roms an der Via Nomentana über den Katakomben
den heil. Agneſa erbaut wurde und noch jetzt in einigermaßen gutem
Zuſtande erhalten iſt (Fig. 363). Der mittlere Raum hat einen hohen

Figure 363. Fig. 363.


Tambour und ein Halbkugelgewölbe, welches bis zum Scheitel circa
20m über dem Fußboden ſteht. Ueber dem Rundgang befindet ſich
ein ringförmiges Tonnengewölbe. Der Tambour ruht auf kräftigen
Ziegelbögen, die ihrerſeits von vierundzwanzig, paarweiſe zuſammen-
[348]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſtehenden Granitſäulen geſtützt werden. Die Kuppelconſtruktion iſt
verhältnißmäßig leicht, und weicht von allen früheren Anlagen dieſer
Art vortheilhaft ab; ſie zeigt ein von den Römern bei den Tonnen-
gewölben häufig ausgeführtes Wölbungsſyſtem, welches darin beſteht,
daß Bögen, gleichſam Rippen, eingewölbt und unter ſich mit durch-
laufenden quadratiſchen Binderſteinen verbunden ſind. Dieſe Binder-
ſteine kommen in der Regel bei jeder zwölften Schaar vor und bilden

Figure 364. Fig. 364.


gleichſam Kaſten, welche mit
Mörtelwerk ausgefüllt wer-
den. Dieſes Gußwerk beſteht
aus Ziegelſtücken und gutem
Mörtel, und ſtampfte man
es, nicht radial, d. h. in der
Lage der Steine, ſondern ho-
rizontal ein; zu dem Mörtel
verwendete man meiſtens Tuff.
Die in der Kuppel (Fig. 363)
angedeutenden punktirten Li-
nien laſſen dieſe Conſtruk-
tionsweiſe erkennen.


Das Gewölbe ſetzt ſich
aus vierundzwanzig anſteigen-
den Rippenbögen zuſammen,
welche im Scheitel zuſammen-
treffen; ſieben durchlaufende,
horizontale Giebelringe ver-
binden die einzelnen Rippen
mit einander. Die Zwiſchen-
räume ſind mit Mörtelguß-
werk ausgefüllt. Der Ge-
wölbefuß liegt in der Höhe
des Kugelmittelpunktes und
hat ſomit die Kuppel die Ge-
ſtalt einer vollen Halbkugel.


Die Kirche von S. Vitala zu
Ravenna (Fig. 364), erbaut
in dem zweiten Viertel des ſechsten Jahrhunderts, zeigt im Grundplan
eine achteckige Centralanlage mit einem zweiſtöckigen Umgang und einem
[349]Kuppeln aus den 4., 6. und 15. Jahrhunderten.
Mitteltheil; letzterer hat ein Kugelgewölbe zur Deckecke, welches acht
Fenſteröffnungen enthält. Dieſe löſen den unteren Theil der Kuppel
in acht Pfeiler auf, für deren Auflager der Uebergang des achteckigen

Figure 365. Fig. 365.


Raumes in die Kreislinie nach der in Fig. 365 gezeigten Weiſe er-
reicht wurde.


Die Kuppelconſtruktion ſelbſt bietet viel Intereſſantes; ſie beſteht aus-
ſchließlich aus Töpfen, wie wir bereits ſchon bei Beſprechung der Hohlſteine
auf Seite 63 d. Bandes erwähnten. Das Gewölbe hat oben zwei und an
den Widerlagern drei Bögen von ſpiralförmig in einander geſteckten
Töpfen (nach Fig. 366) von je 8zm Durchmeſſer, 15—18zm Länge; das

Figure 366. Fig. 366.


Figure 367. Fig. 367.


obere Ende der Töpfe iſt offen, das untere ſchraubenartig geſtaltet. Die
ſenkrechten Widerlager und die Nachmauerung beſtehen ebenfalls aus
größeren Töpfen von 21zm im Durchmeſſer und 62zm Länge, und welche
[350]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
an der Oeffnung zwei Henkel (Fig. 367) haben. Das Detail des unteren
Gewölbes zeigt die Fig. 368. Alle Zwiſchenräume, ſowohl in der Nach-
mauerung, als in dem Gewölbe, ſind mit einem Puzzelaneguß ausgefüllt.


Figure 368. Fig. 368.

Zur Feſtigkeit des Gewölbes tragen die in den acht Ecken ange-
legten Strebepfeiler t (Fig. 364) bedeutend bei.


Faſt zur ſelben Zeit, als die Kirche S. Vitale entſtand, wurde in
Conſtantinopel vom Kaiſer Juſtinian die Agia Sophia erbaut — ein
Bauwerk, deſſen kühnes Gewölbe noch jetzt mit Bewunderung ange-
ſtaunt wird.


Wie der Grundriß Fig. 369 zeigt, bildet ein großer quadratiſcher,
31,5m weiter Raum a den Kern der ganzen Anlage; um ihn grup-
piren ſich rechts und links zwei weite Halbkreiſe b.


[351]Kuppeln aus den 4., 6. und 15. Jahrhunderten.

Um der, über dem Raume a befindlichen Kalotte, welche beinahe
die Form einer vollen Halbkugel hat, ein ſicheres Auflager zu ver-
ſchaffen, geht die quadratiſche Grundform oben mittelſt vier Penden-

Figure 369. Fig. 369.


[352]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
tifs p, die aus allen vier Ecken emporſteigen, in einen Kreis über.
(Die graphiſche Conſtruktion hierzu ſiehe in Fig. 355—357). Das
Bekrönungsgeſims der Pendentifs oder Zwickeln iſt von Werkſteinen
angefertigt worden. Das Wölbſyſtem erkennen wir in Fig. 370 noch

Figure 370. Fig. 370.


beſſer; a iſt die Kalotte, p ſind die Pendentifs oder Zwickel, und die
übrigen Buchſtaben paſſen mit der Bezeichnung im Grundriſſe.


Die Kalotte beſteht aus vierzig am Intrados etwas vortretenden
1,1m breiten, 4,75m hohen Pfeilern, welche die [Begrenzung] der 1,5m
breiten Fenſter bilden, und mittelſt Bögen verbunden ſind. Dieſe
Pfeiler treten ungefähr 16zm vor und ſetzen ſich bis zum Gewölbe-
ſcheitel fort, wobei der Vorſprung gleichfalls geringer und ſchließlich
im Scheitel ganz verſchwindet. Die Gewölbeſtärke beträgt im Scheitel
0,6m, dicht über den Fenſtern 0,83m. Zu der Wölbung der Kalotte
benutzte man im unteren Theile Ziegel von 62zm Länge, 23zm Breite
und 5zm Dicke. Die Pendentifs ſind hintergoſſen, und die ſtark be-
laſteten Pfeiler beſtehen aus Schnittſtein.


Auch in der romaniſchen Bauperiode waren Kuppelgewölbe vielfach
gebräuchlich. Ein intereſſantes Beiſpiel liefert das Münſter zu Aachen,
welches unter Karl dem Großen von 796—804 erbaut wurde. Der
Grundriß iſt ein Centralbau und hat viel Aehnlichkeit mit S. Vitale
zu Ravenna. Rings um den achteckig geſtalteten Mittelraum befindet
ſich ein zweiſtöckiger Umgang (Fig. 371), der unten mit Kreuzge-
wölben, oben mit Kegelgewölben überdeckt iſt. Eine achtſeitige
Kuppel mit halbkreisförmigem Querſchnitte bedeckt den achtſeitigen
Mittelbau.


Zwei andere hervorragende Kirchen der ſpätromaniſchen Epoche haben
ebenfalls ein Kuppelgewölbe über der Kreuzung des Lang- und
Querſchiffes; wir meinen den Dom zu Speyer und das Münſter zu
[353]Kuppeln aus den 4., 6. und 15. Jahrhunderten.

Figure 371. Fig. 371.


Figure 372. Fig. 372 A—B.


Wanderley, Bauconſtr. II. 23
[354]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Freiburg (Fig. 372 A B). Bei beiden Kirchen (A zu Speyer, B zu
Freiburg) ſcheint das Münſter zu Aachen auf die Geſtalt der Kuppel
einen Einfluß gehabt zu haben; die Kuppel hat eine achtſeitige Grund-
form und einen ſpitzbogigen Querſchnitt.


Beachtenswerth iſt der Uebergang der quadratiſchen Grundform
in das Achteck.


Die großartigſte Entwickelung fanden die Kuppeln in der Re-
naiſſance-Epoche; vornehmlich verdient die Kuppel des im Jahre 1454
vollendeten florentiner Domes zuerſt genannt zu werden, da bei ihr das
bereits bei dem florentiner Baptiſterium (gebaut zwiſchen den fünften
bis ſechsten Jahrhundert) gegebene Princip der Doppelkuppel, näm-
lich die Verbindung der inneren Kuppel mit dem pyramidalen reſp.
kuppelartigen, ſteinernen Dache, zuerſt charakteriſtiſch durchgeführt
wurde. Die florentiner Doppelkuppel erhebt ſich über einen acht-
ſeitigen Tambour nach einem Spitzbogen mit etwa 39m Radius; die
ganze Spannweite der Kuppel beträgt 40m. Die äußere Kuppel mißt
1,20m, die innere 2,26m in der Dicke; beide werden mit Rippen ver-
bunden, die treppenartig zwiſchen den beiden Schaalen emporſteigen.
Die Ausführung der Kuppel iſt mit der Kuppel der S. Vitale nicht un-
ähnlich; es ſteigen nämlich in jeder Ecke eine doppelte Rippe und
innerhalb einer jeden Wange drei Ziegelrippen, nach oben ſich ver-
jüngend, in die Höhe; dieſelben werden mit ſieben horizontalen, 0,6m
ſtarken Verſpannungsringen, welche als ſcheitrechte Bögen von Rippe
zu Rippe reichen, verbunden. Oben auf der Kuppel ſteht eine Laterne.


Nach ähnlichem Syſtem baute Michel Angelo die Rieſenkuppel der
St. Peterskirche zu Rom. Näheres hierüber enthalten die Werke:
„Breymann, Mauerconſtruktion“ und „Lübke, Architecturgeſchichte.“


Zum Schluſſe weiſen wir noch auf die originellen Doppelkuppeln
über dem Invalidendom zu Paris (von Manſard) und über S. Paul
zu London (von Christopher Wren) hin. Der Invalidendom hat zwei
halbkreisförmige Kuppeln übereinander, die jedoch mit einander in
keiner Verbindung ſtehen. Die innere Kuppel iſt oben ganz offen,
ſodaß man den oberen Theil des reich bemalten Intrados der zweiten
Kuppel ſehen kann. Das Licht dringt durch die am Fuße der äußeren
Kuppel befindlichen Fenſter. Die äußere maſſive Kuppel wird noch
von einer hölzernen Kuppel geſchützt. Die Londoner St. Paul-Kuppel
beſteht aus einer inneren Halbkreiskuppel, auf deren Fuß ſich eine
hohe, faſt kegelförmige, oben rund geſchloſſene Kuppel ſetzt. Die innere
[355]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
Kuppel hat oben eine nicht allzu große Oeffnung, durch welche der
Intrados der äußeren Kuppel erſichtlich wird. Kleine Fenſter laſſen
das Licht durch dieſe Kuppel dringen. Die dritte äußere hölzerne
Schutzkuppel trägt noch eine ſchlanke Laterne.


c) Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe. Bei allen Kuppel-
und Kugelgewölben kommt nur die ſogenannte „Kufeinwölbung“ zur
Verwendung. Betrachten wir zunächſt das volle Kugelgewölbe: Da
bei der Kufwölbung als Regel gilt, daß alle Lagerfugen nach dem
Centrum des Bogens, reſp. nach der Gewölbeaxe gerichtet ſein müſſen,
ſo folgt hieraus, daß bei Kugelgewölben ſämmtliche Lagerfugen vom
Centrum der Halbkugel ausgehen. In der Praxis beachtet man dieſe
Vorſchrift ganz ſtrenge, und zwar in der Weiſe, indem man (Fig. 373)

Figure 373. Fig. 373.


innerhalb des Raumes den Centrum an einem Bockgerüſt markirt, hieran
eine Latte l befeſtigt und die Latte gleich dem Radius der Kugel
macht. Beim Mauern braucht man dann nur die Steine bis an die
Lattenſpitze zu ſchieben, um die innere Kugelfläche genau herzuſtellen.
Ein Lehrgerüſt iſt hierbei ganz überflüſſig, da die Steine von ſelbſt
aufeinander liegen bleiben und durch den Mörtel hinreichend gehalten
werden. Ueberhaupt können die Steine nach dem Schluſſe eines
Ringes nicht hinabrutſchen, denn vermöge ihrer centralen Lage
23*
[356]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, deſſen Spitze im Kugel-
mittelpunkt liegt; jeder Ring iſt ſomit ein nach unten gerichteter Keil.
Aus dieſem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen
bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager-
und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geſchieht auch bei kleinen
Kuppeln, während bei großen Durchmeſſern die keilförmige Zu-
ſpitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird.


Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geſchieht nur bei
kleinen Kuppeln, für größere Kuppeln benutzt man einen um die ver-
ticale Axe drehbaren Lehrbogen. Da der Schluß des Gewölbes faſt hori-
zontal zu liegen kommt, empfiehlt es ſich den oberen Gewölbetheil ganz

Figure 374. Fig. 374.


offen zu laſſen und ringsum mit einem Ringe zu ſchließen. Der
Letztere heißt „Nabel“, der ſowohl aus Werkſtein, Ziegeln oder
gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante
einen Falz erhält (Fig. 374).


Für die Fenſteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be-
liebig gebogene Stichkappen; auch können Durchdringungen von meiſt
kleineren Tonnen- und Kegelgewölben vorkommen, und laſſen ſich
die Schnittlinien am Intrados mit Hilfe der darſtellenden Geometrie
leicht beſtimmen Ein einfaches und daher beachtenswerthes Beiſpiel
führen wir in Fig. 375 und 376 vor; es iſt das Kugelgewölbe über
dem Veſtibul des ſtädtiſchen Bades zu Karlsruhe (ſehr intereſſante An-
lage, entworfen vom Architecten Durm). Die Rotunde hat einen Durch-
meſſer von 11,4m; bis zu dem Gewölbe iſt die Rotunde äußerlich
quadratiſch, dagegen in der Höhe des Gewölbewiderlagers beginnt
die Kreisform, wie der Grundriß (Fig. 376) erſichtlich macht. Das
Gewölbeauflager beſteht aus großen, miteinander verdübelten Werk-
ſteinen. Auch die äußere, in einfachen und eleganten Verhältniſſen
componirte Pilaſter-Architektur, in welcher Fenſter und Niſchen mit-
einander abwechſeln, ſetzt ſich aus Werkſteinen zuſammen. Die Con-
ſtruktion dieſer vorgeblendeten Schnittſteinwand iſt in den Zeichnungen
genau wiedergegeben. Die Gewölbeſtärke beträgt unten l Stein,
[357]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
oben ½ Stein und wird noch durch ½ Stein am Rücken vorſprin-
gende Bögen verſtärkt. Die Fenſteröffnungen bilden verticale Mauer-
abſchlüſſe mit Halbkreisüberdeckungen und wechſeln mit den Bögen b
gleichmäßig ab. Zwiſchen dieſen Bögen ſteigen l Stein ſtarke Ver-
ſtärkungsbögen bis zum Sandſteinnabel hinauf, während das Ge-
wölbe ſelbſt nur ½ Stein dick iſt. Bis zu den Fenſterſcheiteln iſt das
Gewölbe mit Bruchſteinen in Cement hintermauert worden.


Figure 375. Fig. 375.

Auf dem oberſten Sandſteinring A (Fig. 375) ruht das flache
eiſerne Schutzdach, welches wir hier fortgelaſſen haben.


Originell iſt die Art und Weiſe, wie man den ſtarken Gewölbe-
ſchub vollſtändig aufgehoben hat; es wurde nämlich in den inneren
[358]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Auflagſandſteinring ein ſchmiedeeiſerner Ring gut eingelaſſen und
vergoſſen (Fig. 377). Gegen dieſen Ring ſtützt ſich der Gewölbefuß

Figure 376. Fig. 376.


ſo, daß der Schub ganz aufgehoben und in einen verticalen Druck
verwandelt wird.


Die Einwölbung von Kuppelgewölben über krummlinig begrenzte
Grundriſſe (Ellipſen, Ovalen u. ſ. w.) iſt gleichfalls eine ringförmige.
Wird die Leibungsfläche durch Drehung deſſelben Profils um die
große horizontale Axe (ſiehe Fig. 350) gebildet, ſo werden die Kegel-
mantelflächen der Lagerfugen nicht mehr eine gemeinſchaftliche Spitze
haben; die ſämmtlichen Lagerfugen deſſelben Ringes haben dann ver-
[359]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
ſchiedene Steigungen und bilden ſomit eine windſchiefe Fläche. Letztere
wird im Allgemeinen aber ſo unbedeutend ſein, daß ſie für die Aus-
führung unberückſichtigt bleiben kann, zumal ſie in der Fugenſtärke
ganz verſchwindet.


Wie wir geſehen haben, können Kugelgewölbe auch über quadra-
tiſche Räume kommen; die Kugel wird dann durch die verticalen Wände
ſo abgeſchnitten, daß krumme Widerlagslinien (öſterreichiſch: „Anläufe“),
oder Schildlinien entſtehen. Diejenigen Theile des Gewölbes, welche

Figure 377. Fig. 377.


aus den Winkeln hervortreten, heißen, ſoweit ſie bis zu der Ebene,
welche in der Höhe der Scheitelpunkte der Anlänfe liegt, anſteigt:
Zwickel oder Pendentifs, welche man durch einiges in horizon-
talen Schichten vorgekragtes Mauerwerk ausführt. Ueber den Penden-
tifs beginnen die vollen Ringe des oberen Gewölbetheils, reſp. der ſoge-
nannten „Kalotte“. Für ſolche Gewölbe ſind nur zwei Lehrbögen in den
diagonalen Richtungen und vier Lehrbögen an den Schildlinien er-
forderlich, nach denen die Zwickel horizontal mit dem Widerlags-
mauerwerk im Verbande herausgemauert werden. Die ſo hergeſtellten
Zwickel haben das Beſtreben nach Innen zu fallen, was aber von
der mit centralen Fugen gemauerten Kalotte, die ſich gegen die Zwickel
ſtemmt, verhindert wird. Durch dieſes Gegeneinanderdrücken gelangen
die Gewölbemaſſen in einen Gleichgewichtszuſtand und geht der Ge-
wölbeſchub in einen verticalen Gewölbedruck über, ſodaß die Wider-
lagsmauern nur verhältnißmäßig ſchwach zu ſein brauchen.


Eine ſolche Conſtruktion ſtellt die Fig. 378 A — C für einen 3m
weiten Raum dar; die Mauern ſind von Bruchſteinen ausgeführt, und
bis zur Linie a b (Fig. A) reicht die horizontale Mauerung der Pen-
tentifs. Fig. C giebt den Grundriß in der Höhe von Linie a b, Fig. B
[360]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
iſt der Querſchnitt und Fig. C der Diagonalſchnitt mit den Pen-
dentifs (p).


Die hinreichende Stabilität dieſer Gewölbemauerung bei ſchwachen

Figure 378. Fig. 378 A — C.


[361]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
Mauern hängt ganz beſonders von der ausgezeichneten Güte des
Mörtels und von der ſorgfältigen Arbeit ab; Cementmörtel für einen
Theil des Mauerwerks und die Zwickel, ſowie für die Kalotte, wäre
dringend anzuempfehlen.


Uebrigens ſind derartige Gewölbe mit nur 0,3m Widerlagsmauern
vom Baurath Moller über das Treppenhaus im Palais des Prinzen
Carl von Heſſen gebracht worden und haben ſich gut bewährt; das
Treppenhaus hat 5,25m im Quadrat und bei zwei Stockwerk Höhe
nur 0,3m ſtarke Mauern!! Die Kalotte wurde l Stein ſtark gemacht.
Eine andere von Moller im Theater zu Mainz ausgeführte Kuppel
über einem 9m weiten quadratiſchen Treppenraum von 15m Höhe hat
oben nur 0,75m ſtarke Mauern; Ziegel-Kalotte iſt l Stein ſtark; Zwickel
und Mauer ſind in Bruchſtein ausgeführt.


Zur Trennung der Kalotte von den Zwickeln bringt man häufig,
wie in Fig. 356 und 357 gezeigt wurde, oberhalb der Zwickel ein
Geſims an, wobei dann entweder der Durchmeſſer für die Kalotte
um die Geſimshöhe verlängert oder aus einem höher liegenden
Mittelpunkte, als der des Pendentifs, conſtruirt werden muß. Man
erhält dann eine hohe Kalotte, die ſogar (wie Fig. 357) in eine Halb-
kugel übergehen kann.


Zuweilen verziert man die Kuppelleibung mit Rippen, die aber
conſtruktiv nicht begründet ſind, ſondern nur aufgemalt oder mit
Gipsſtuck angeſetzt werden; hierbei laſſen ſich die Linien nach Fig. 353
ermitteln und kann man im Grundriß jede beliebige ſternartige Figur
zu Grunde legen. Einen ſolchen Fall zeigt auch Fig. 379 A — B.
Hier befindet ſich über den Zwickeln ein Geſims, auf welches ſich eine
verzierte Kalotte ſetzt. Um die Verzierung in der Verticalprojection
zu zeichnen, muß erſtere zuvor in der Horizontalprojection gegeben
ſein. Den Aufriß findet man dadurch, daß man durch die betreffenden
Seiten im Grundriſſe verticale Ebenen legt, welche ſtets Halbkreiſe
geben. Im Uebrigen veranſchaulicht die Zeichnung die ganze gra-
phiſche Conſtruktion.


Sehr häufig findet man auch Kugelgewölbe durch ſogenannte
Kaſetten verziert, deren Darſtellung nun auch hier gezeigt wer-
den ſoll.


Am ſchwierigſten iſt die Beſtimmung der Anzahl und Breite der
Kaſetten und Stege; man erhält dieſe am beſten nach dem Emy’ſchen
Verfahren folgendermaßen:


[362]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Man beſtimme im Grundriſſe (Fig. 380 A und B) die Anzahl und
Breite der aufſteigenden Stege und Kaſettenreihen (an der Kuppel des
Pantheon ſind 28 aufſteigende und 5 horizontale Kaſetten, giebt

Figure 379. Fig. 379.


140 Kaſetten); und markire ſodann im Aufriſſe (Verticalprojection)
Fig. 380 A den erſten, unmittelbar auf dem Kämpfergeſimſe befindlichen
und durch die Geſimsausladung bedingten Sockel, um den Punkt t
zu erhalten. Man verlängere nun y M und x M, welche eine auf-
ſteigende Kaſettenreihe einſchließen, nach Außen und betrachte dieſe
Linien als Tangenten an einem biliebig angenommenen Kreiſe wegd.


Durch das Centrum a errichte man die Senkrechte I und II, in
welcher die Centra ſämmtlicher Kreiſe liegen müſſen, die zur Einthei-
lung der Verticalprojection des Gewölbes nöthig ſind. Der erſte
[363]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
Kreis wird gleich dem wegd der Art gezogen, daß die verlängerte
M' t oder M' p denſelben berührt, ſo wird der Durchſchnitt s der
oberen Tangente M' o mit der Kugel die obere Kante des erſten Ka-

Figure 380. Fig. 380.


ſettenringes geben. Wir haben ſomit in x y die Breite und in s t
die Höhe der Kaſetten der erſten Reihe. Oder betrachtet man M e
und M d als Horizontalprojectionen, M' o und M' p als Verticalpro-
jectionen eines um den Kreis wegd beſchriebenen Conus, ſo wird
die Durchſchnittslinie deſſelben mit der Gewölbefläche eine Curve geben,
[364]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
deren vier Tangenten die Kaſette einſchließen. In ähnlicher Weiſe
verfährt man, um die verticale Projection s r des zweiten Steges zu
beſtimmen. Die angenommene Stegbreite iſt x y'; man conſtruire
wieder den Kreis i c f b, und ziehe hieran die Tangente M X' und M y'.
Wird derſelbe Kreis in der Verticalprojection tangirend an M' o ge-
zogen, ſo wird der Durchſchnitt der oberen Tangente M' n mit der
Gewölbefläche die obere Kante r des Steges beſtimmen.


Durch Wiederholung des vorgeführten Verfahrens erhält man die
Punkte l und v u. ſ. w., bis die Kaſetten ſo klein werden, daß ihre
Anlage kleinlich erſcheinen würde. Der Scheitel des Gewölbes bleibt
alsdann platt, oder er wird, wie beim Pantheon, mit einem Oberlicht
verſehen, oder man ſchließt dieſe Durchbrechung mit einer zurück-
geſetzten flachen Kuppel, welche zur Aufnahme eines Gemäldes die-
nen kann.


Vorſtehende Conſtruktion beruht auf dem Geſetze: betrachtet man
M e und M d als die Riſſe zweier Meridianebenen, welche eine auf-
ſteigende Reihe Kaſetten einſchließen, ſo berühren die Tangenten alle
Kegel, welche man in die Kugel wegd in verſchiedener Lage zu ziehen
vermag, vorausgeſetzt daß ihr Mittelpunkt in der Senkrechten I, II
bleibt. Da die Durchſchnittslinie dieſer Kegel mit dem Indrados
der Gewölbefläche Kreiſe bilden, die in M e und M d berührt werden,
ſo muß eine ſtetige Verjüngung derſelben gegen den Gewölbeſcheitel
ſtattfinden.


Sehr beachtenswerth iſt noch die erſt vor zehn Jahren (1867 vollendete)
erbaute Kuppel der Thomaskirche in Berlin (ausgeführt vom Baurath
Adler); auf dem lithographirten Blatt III haben wir den oberen Theil der
Kuppel (nach dem Specialwerk: Die Thomaskirche von Adler, Berlin,
Ernſt \& Korn) dargeſtellt. Dem Text entnehmen wir folgende Be-
ſchreibung im Auszuge:


Durch die Aufführung von zwölf ſtarken, unterhalb durchbrochenen,
oben durch kleine, nach Außen anſteigende Tonnengewölbe t verbun-
dene Wandpfeiler, iſt ein Umgang gewonnen worden, welcher vom
Kirchendachbodenraum aus bequem zugänglich iſt und den auf andere
Weiſe im Innern nicht leicht zu gewinnenden Zugang zu der Vierungs-
kuppel zweckmäßig vermittelt. Denn eine vertical geſtellte eiſerne
Steigleiter innerhalb einer der ſüdweſtlichen Pfeilerniſchen führt leicht
und unmittelbar zu der Zwerggallerie (z) der Kuppel und von dort
durch Wandthüren in den Bodenraum des Zeltdaches, auf die Kuppel-
[365]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
wölbung und bis zur ſteinernen Kugelſpitze, welche das Kreuz trägt.
In den Niſchen des durch Wandpfeiler gebildeten Tambours ſind
Rundbogenfenſter angebracht worden, welche die Kuppel ſelbſt be-
leuchten ſollen. Für die Erhellung der unteren Kirche dienen fünfzehn
große Doppelfenſter über den Emporen und ſechszehn kleinere Rund-
bogenfenſter unter denſelben. Durch den Wunſch, aus Sparſamkeits-
rückſichten das Terrain möglichſt eng und knapp zu bauen und Sa-
kriſtei und Taufkapelle dicht an den Kirchenkörper ohne Zwiſchenlegung
großer Strebemauern anzuſchließen, ſowie die Vorliebe für halbkreis-
förmige Kreuzflügel führten zu einer ſchmiedeeiſernen Hilfscon-
ſtruktion bei der Anlage des Kuppellylinders (Tambours) über den
vorgekragten Zwickeln. Der Schub, welchen die von dem hohen
Kuppeltambour belaſteten Bögen erzeugen, erheiſchte nicht unbeträcht-
liche Widerlager. Solche erheben ſich von ſelbſt nach Weſten hin in
den geraden Mauern des Langhauſes; ſie waren minder gut in den
gekrümmten Umfangsmauern der Kreuzflügel, und ſie erſchienen knapp,
weil mehrfach durchbrochen, in der Richtung nach Oſten, wo der
Kirchenkörper mit ſchwach vortretenden Strebepfeilern ſich über den
niedrigen Hinterräumen (Sakriſtei und Taufkapelle) erhebt. Es er-
ſchien deshalb rathſam, von der Unterſtützung der Vierungspfeiler
durch die Beſchlußmauern Abſtand zu nehmen und die Pfeiler ſelbſt
wenigſtens durch den Kuppelbau in möglichſt verticaler Rich-
tung
zu belaſten. Zur Erreichung dieſes Zweckes wurden nach ſpe-
cieller Angabe des Oberbaurath J. W. Schwedler, dem berühmten
Conſtrukteur vieler eiſerner Dächer und Erfinder eines wichtigen
Brückenſyſtems, dicht über den Scheiteln der Vierungsbögen drei
ſchmiedeeiſerne Umſchließungsringe
(r) von je 16zm Höhe und
26mm Stärke um den viereckigen, aber an den Ecken etwas abgerun-
deten Vierungskörper gelegt. Ihre Aufbringung gleich nach Aus-
rüſtung der Vierungsbögen geſtattete, was für den Baubetrieb be-
ſonders werthvoll war, eine ſichere und bequeme Außenbrüſtung der
halben Zeltdächer auf den Kreuzflügeln nach Vollendung der Kuppel
und zuletzt die nachträgliche, aber wetterſichere Herſtellung der hier
befindlichen Halbkuppeln. Im Zuſammenhange mit der Ringanlage
wurde die Maſſe des den Kuppelcylinder tragenden Mauerwerks nach
Möglichkeit verringert und in der Form eines gegliederten Syſtems
mit zwölf Pfeilern hergeſtellt. Aus jedem Vierungspfeiler entwickeln
ſich drei andere Pfeiler, welche mit möglichſt ſanfter Neigung gegen
[366]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
die Verticale ſich an einen unterhalb der Kuppelfenſter angeordneten
vollen Mauerring viermal, ſtets oberhalb der Vierungsbögen mit
einer den ſtatiſchen Verhältniſſen entſprechenden größeren Stärke als
in den benachbarten über den Vierungspfeilern befindlichen Theilen
ſtützen. Oberhalb dieſes Mauerringes ſteigt der Kuppelbau mit
zwölf ſenkrechten Pfeilern im gegliederten Syſteme auf und trägt die
überhöhte von einer ſteinernen Kegelſpitze belaſtete Mittelkuppel.
Durch dieſe Strucktur (welche wir hier des geringen Raumes wegen
nicht wiedergeben können, und daher auf das betreffende Blatt in dem
genannten Specialwerke verweiſen müſſen) gelang es auf ſehr ſinnreiche
Weiſe, den Zwickelring, welcher die Zwickelgewölbe abſchließt und den
inneren Umgang trägt, von der Laſt des Kuppelbaues zu befreien, zu-
mal in der Detailausführung des Mauerwerks auf die Richtung des
Druckes bei Anordnung der Lagerfugen im Mauerwerk möglichſt Rück-
ſicht genommen wurde. Da aber in derſelben Höhe der Abſchluß des
Vierungsquadrats, welches als Unterbau der Kuppel außen ſichtbar
gemacht worden iſt, überwölbt werden mußte, um die nothwendige
Abpflaſterung zu tragen, ſo wurde über jeden Vierungspfeiler den
vorgenannten drei geneigten Pfeilern ein vierter ſenkrechter hinzuge-
fügt und zwiſchen dieſem und den drei übrigen entſprechende Gewölbe
eingeſpannt. Wegen der Complizirtheit dieſer Anlage und der Schwie-
rigkeit, Lehrbögen anzubringen, mußte dieſer Gewölbebau freihändig
und nach ſpecieller Anlage durch die beſten Arbeiter erfolgen. Zu-
letzt wurden ähnliche flachgeſpannte ſchiefe Tonnengewölbe (g) zwiſchen
den inneren Pfeilern erforderlich, um den gewünſchten Umgang mit
ſeiner Gittergallerie in etwas geringerer Höhe, dicht über dem Kuppel-
kranze herzuſtellen.


Weniger Arbeit verurſachte die Kuppel-Conſtruktion ſelbſt; die
zwölf nach Innen vortretenden Tambourpfeiler ſind über den Fenſtern
durch Wölbung verbunden, und tragen einen homogenen gemauerten
Ring, welcher die Baſis der Kuppel bildet. Die Querſchnittsform
des Kuppelgewölbes iſt ein Spitzbogen aus zwei Kreisſegmenten ge-
bildet, welche ſo gewählt ſind, daß der Winkel zwiſchen den ſich ſchnei-
denden Kreisbögen dem Gewichte der im Scheitel aufgeführten ſtei-
nernen Kegelſpitze entſpricht. Zu den vier Kuppelpfeilern verwendete
man die beſten Rathenower Ziegel, hingegen ſind die Vierungsbögen
von Freienwalder Ziegeln, und die Kuppel von Greppiner poröſen
Ziegeln hergeſtellt worden.


[367]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.

Der beſſeren Akuſtik wegen, wurde die Kuppel mit ſtarken einge-
bundenen Rippen und Schlußringen verſehen, überhaupt nach einer
möglichſt vollſtändigen Zerſtreuung der Schallſtrahlen durch Einſchnei-
dungen und Abſtufungen der einzelnen Raumtheile, ſowie durch ſtarke
Reliefgliederung der Hauptpfeiler und Bögen geſtrebt. Zur Sicherung
gegen Regen und Schnee iſt die Kuppel mit Cement peputzt und mit
ſtarker Dachpappe bedeckt. Ueber der ganzen Kuppelanlage befindet
ſich dann noch das zeltförmige Schutzdach (mit Schiefer eingedeckt).


Die bis jetzt beſprochenen Kuppelanlagen haben einen kreisför-
migen Querſchnitt und kugelartige Intrados; die Kuppeln können
aber auch vieleckig ſein im horizontalen Querſchnitte.


Dem Zwecke dieſes Buches wird es entſprechen, wenn wir noch
einige kleinere Beiſpiele dieſer Art vorführen.


So z. B. zeigt Fig. 381 den Kapellenraum der iſraelitiſchen Kapelle
auf dem Begräbnißplatze zu Dresden (entworfen von E. Gilſe, Pro-
feſſor der Architektur an der Königl. Kunſt-Akademie zu Düſſeldorf).
Der Kapellenraum iſt unten quadratiſch geſtaltet und mit einer acht-
ſeitigen Kuppel bedeckt. Zu dieſem Behufe wurde in den Ecken je eine
kegelartige Auskragung angeordnet, welche den Eckwangen der Kuppel
ein genügendes Auflager bieten (Fig. 382).


In den zwei Hauptaxen des 9,5m weiten Raumes ſind in der
Kuppelhöhe mehrere dreitheilige Fenſter angelegt worden und ſtützen
ſich die in dieſer Richtung hinabgehenden Wangen theilweiſe gegen
Stichkappen. Die Kuppel wurde durchweg ½ Ziegel ſtark gemauert,
mit Verſtärkungsbögen in den Graten, die oben gegen einen Sand-
ſteinnabel ſtoßen. Aeußerlich geht der quadratiſche Raum oberhalb
der Kegelauskragungen in ein Achteck über.


Eine reichere Geſammtanlage bietet das vom verſtorbenen genialen
Oberbaurath Stühler vor etwa funfzehn Jahren für die Gräfin Henkel
zu Wolfsberg entworfene Mauſoleum (Fig. 383—385), welches hier
in [Grundriß], in Querſchnitt und in theilweiſer Seitenanſicht darge-
ſtellt wird.


Man betritt zuerſt den Eingang e und ſchreitet auf der mittleren
Treppe t in die Kapelle c, welche Fig. 383 im Längenſchnitt vorführt;
an dieſe grenzt eine halbkreisförmige Niſche mit dem Altar. Die
Treppen g g führen in eine unterhalb der Kapelle befindliche über-
wölbte Gruft, welche unſere Zeichnung des knappen Raumes wegen
nicht wiedergiebt.


[368]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Die Kapelle c hat eine quadratiſche Grundform mit 8,5m Seite;
hierüber erhebt ſich der hohe, mit einer niedrigen Scheingallerie be-

Figure 381. Fig. 381.


krönte achtſeitige Tambour theils auf den Umgrenzungsmauern der
Kapelle, theils auf den halbkreisförmig abgeſchloſſenen Kegelüber-
kragungen, deren Spitzen in den Ecken des Quadrates liegen. Das
[369]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.
Gebälk der oberen niedrigen Pfeilerſtellung trägt die achtſeitige, nach
einem Halbkreiſe gebildete Kuppel, die nur an den Graten mit vor-
tretenden Rippen verſehen iſt.


Um aber die ganze Kuppel mit Tageslicht erhellen zu können,
ſetzen ſich die Kuppelwangen auf halbkreisförmige Stichkappen, in
deren Schildmauern Kreisfenſter angebracht ſind. Aeußerlich läuft

Figure 382. Fig. 382.


vor dieſen Fenſtern eine Zwerggallerie herum und geht der quadra-
tiſche Raum in ein Achteck über (ſiehe die Seitenanſicht Fig. 385).


Eine hölzerne, mit Metall bedeckte Schutzkuppel bekrönt den ganzen
Aufbau.


Wanderley, Bauconſtr. II. 24
[370]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Figure 383. Fig. 383.

[371]Die Conſtruktion der Kuppelgewölbe.

d) Schließlich ſtellen wir noch folgende empiriſche Angaben
für die Dimenſionen der Kuppelgewölbe
zuſammen:

Figure 384. Fig. 384.

Kuppelgewölbe über quadratiſche Räume erhalten:

Beim Pantheon in Rom beträgt die Stärke im Scheitel 1/30, am
Kämpfer 1/7 der Spannweite; bei der Sophienkirche in Conſtantinopel
iſt die Stärke im Scheitel 1/52 des Durchmeſſers.


Das Widerlager wird ⅙—⅛ des Durchmeſſers ſtark gemacht.


Nach Rondelet ſoll das Widerlager eines Kuppelgewölbes die
Hälfte der Stärke eines entſprechenden Tonnengewölbes erhalten.


Die Widerlager der Kuppel der Peterskirche in Rom ſind 1/11,
der Nikolaikirche in Potsdam 1/9, der Sophienkirche in Conſtantinopel
⅛ und des Pantheon in Rom 1/7 der Spannweite ſtark gemacht
worden.


24*
[372]
Figure 385. Fig. 385.
[373]Das böhmiſche Gewölbe.
VIII.Das böhmiſche Gewölbe

wird in Oeſterreich ganz allgemein „Platzelgewölbe“ genannt und
entſteht, wie Fig. 386 und 355 zu erkennen geben, wenn man ſich in
einer Halbkugel irgend eine zu überwölbende Grundfläche gezeichnet
denkt, deren Endpunkte in dem Umfange eines nicht allzugroßen
Kreiſes liegen, und wenn man auf jede Seite dieſer Grundfläche eine
verticale Ebene errichtet.


Figure 386. Fig. 386.

Figure 387. Fig. 387.

Aber auch ſolche Gewölbe, bei denen die Eckpunkte nicht in der
Kreisperipherie, ſondern innerhalb des Kreiſes ſind, können böhmiſche
Gewölbe ſein, wie Fig. 387 zeigt.


a) Graphiſche Conſtruktionen. Die Herſtellung der einzelnen
Schildbögen iſt ſehr einfach, wenn man ſich nach den oben angege-
benen Geſetzen für die Kugelabſchnitte richtet, und verweiſen wir noch
auf die Zeichnung Fig. 355.


Die böhmiſchen Gewölbe oder Platzelgewölbe laſſen ſich auch über
vieleckige Räume ſpannen, nur iſt darauf zu achten, daß der Mittel-
punkt ſtets in der Projection des Schwerpunktes liege.


Der Radius der Wölbungslinie wird ſtets gleich der halben
Diagonale des Polygons ſein.


Soll nun ein böhmiſches Gewölbe über einen unregelmäßigen
Raum (Fig. 388) conſtruirt werden, ſo muß zunächſt der Schwer-
punkt C des zu überwölbenden Raumes geſucht und alsdann die
größte Diagonale als Radius (C c) der Halbkuppel angenommen
[374]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
werden; ferner ſind über a b, b c, c d, d a Ebenen zu legen, welche
die Kugel als Halbkreiſe vertical ſchneiden; man klappe letztere in die
horizontale Ebene um, ziehe auf a, b, c und d Senkrechte, wodurch

Figure 388. Fig. 388.


die Schildbögen a' m b', b' m c', c m d' und d' m a' entſtehen. Der
Kämpferpunkt c wird in der Baſis der Halbkugel ſelbſt liegen.


Es gilt alſo als Geſetz: um die Schildbögen reſp. Anläufe zu er-
halten, lege man verticale Ebenen durch die Halbkugel in der Richtung
der Seiten des Raumes, ſodann erhält man Kreisſehnen, die gleich
dem Halbmeſſer des betreffenden Kugelabſchnittes ſind.


Das Platzel- oder böhmiſche Gewölbe kann nach allen Bogen-
linien gebildet werden, wie die nachfolgenden Beiſpiele beweiſen.


So z. B. kommt das Rotations-Ellipſoid ſehr häufig vor; um die
Anläufe zu erhalten, befolgt man die Regel: alle verticalen Schnitte
in paralleler Richtung zur kleinen Axe der Grundellipſe geben ſtets
Kreisbögen. Hiernach werden die einzelnen Linien in den Anläufen
geſucht; die Anläufe über den kurzen Seiten des Raumes ergeben
ſich von ſelbſt und ſind immer entweder ganze Halbkreiſe (wenn die
Ecken des Raumes in der Peripherie der Grundellipſe ſtehen) oder
Kreisſegmente. Um nun die Punkte a b c d (Fig. 389) zu beſtimmen,
lege man zuerſt durch die Punkte a', b', c,' d' die Ebenen e, el, ell, elll,
welche die Grundellipſe ſchneiden.


[375]Graphiſche Conſtruktionen der böhmiſchen Gewölbe.

Die Schnitte zu dieſen Ebenen erhält man mit Zuhilfenahme der
Radien r r, r' r' u. ſ. w. Man ſchlage mit dem Radius r r einen Bogen

Figure 389. Fig. 389.


B bis die Seite des Raumes geſchnitten wird, bringe ſodann die Ab-
ſtände h, hl, hll u. ſ. w. (mit Parantheſe bezeichnet) von al, bl, cl ꝛc.,
nach , al, all ꝛc., um die Punkte b, c, d ꝛc. zu erhalten. Die Ver-
bindung dieſer Punkte geben einen Schildbogen reſp. Anlauf, der immer
eine Ellipſe iſt. Der Gewölbeſcheitel x x wird gleich der halben Grund-
ellipſe gemacht (vergleiche das Princip dieſes Gewölbes mit Fig. 350).


Ganz nach derſelben Methode werden die Anläufe (überhaupt jeder
beliebiger Punkt) eines Eigewölbes beſtimmt (Fig. 390). Die
Eiform liegt allerdings ſelten dem Platzel- reſp. böhmiſchen Gewölbe
[376]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
zu Grunde, da bei ihr niemals (oder doch nur ausnahmsweiſe) die
ſämmtlichen Kämpferpunkte in gleicher Höhe liegen und dann das Ge-

Figure 390. Fig. 390.


wölbe unſymmetriſch bleibt. Anſteigende Gewölbe unter Treppen u. ſ. w.
kann man aber mit Erfolg nach der Eiform conſtruiren, aus welchem
Grunde wir ſie hier darſtellen. Auch hier gilt als Regel: alle ver-
ticalen Schnitte normal zur großen Axe geben Kreiſe (ſiehe Querſchnitt
C in Fig. 390), nach denen ſich die Punkte a', b', c', d' u. ſ. w. in
den Anläufen auf die gleiche Weiſe wie in Fig. 389 leicht finden
laſſen. Die Anläufe über den kurzen Seiten des Raumes ſind immer
ganze Kreiſe oder Kreisbögen.


Zuweilen ordnet man ebenſo wie bei den Kugelgewölben (Fig. 353
und 379) an dem Intrados des böhmiſchen Gewölbes Rippen (bemalt
oder mit Stuck angeſetzt) an (Fig. 391); zu dieſem Behufe zeichnet
man zuerſt im Grundriſſe einen regelmäßigen Stern von beliebiger
Geſtalt, deſſen Spitzen b und c die Seiten des Grundraumes be-
rühren. Um das Stück a b an der Leibung hinauf projiciren zu
[377]Graphiſche Conſtruktionen der böhmiſchen Gewölbe.
können, wird in dieſer Richtung eine Schnittebene gelegt, welche den
Grundkreis ſchneidet; die Sehne c d dient als Durchmeſſer des nieder-

Figure 391. Fig. 391.


geklappten Kugelabſchnittes d a' a' e. Mittelſt der Vergatterung werden
die Linie a b nach b a' in Querſchnitt A hinaufgetragen.


b) Bezüglich der Einwölbung unterſcheidet ſich das böhmiſche oder
Platzel-Gewölbe ſehr weſentlich von dem Kuppel- und Kugelgewölbe;
während bei dem letzteren die Wölbung in centraler Richtung „kufartig“
mit kegelförmigen Ringen ſtattfindet, werden die böhmiſchen oder
Platzelgewölbe auf den „Schwalbenſchwanz“ in der Weiſe
hergeſtellt, daß die Ziegelſchichten ſegmentförmig aus den Ecken nach
der Gewölbemitte anſteigen. Dies veranſchaulicht Fig. 392, welche
wir dem Werke des Profeſſors E. Ringhoffer: „Lehre vom Hochbau“
entnommen haben. Die Wölbung beginnt in den Ecken und ſteigt
mit parallelen Lagerfugen bis zum Gewölbeſcheitel, und die vier, aus
den Ecken gewölbten Theile ſtoßen mit Zickzack zuſammen. Bei ganz
quadratiſchem Grundriſſe liegen die Enden a a eines jeden, gegen die
Gurtbögen ſich anlegenden Segmentbögen in gleicher Höhe.


[378]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Wenn das böhmiſche Gewölbe Gurtbögen zu Widerlagern hat, muß
jeder Anlauf mindeſtens ¼ Ziegel von der Unterkante des Bogens ent-
fernt bleiben, damit er einen hinreichenden Halt bekomme (Fig. 393).

Figure 392. Fig. 392.


Beim Zeichnen eines ſolchen Gewölbes ſteckt man dann zuerſt über
dem Scheitel des durchgeſchnittenen Gurtbogens 8zm an und
nimmt den Radius für den Grundkreis der Halbkugel von hier an
bis zum Mittelpunkt des in der Anſicht ſichtbaren Gurtbogens; die
Peripherie des Grundkreiſes liegt in dieſem Falle nicht in den Ecken
des Raumes, ſondern etwas weiter hinaus (ſiehe auch Fig. 355), wie
in dem Grundriſſe erſichtlich iſt.


In der Regel pflegt man die Schwalbenſchwanzwölbung im Grund-
riſſe mit geraden Linien darzuſtellen; dieſes iſt aber genau genommen
unrichtig, da jede Schaar einen Segmentbogen bildet, welcher in der
Kugelfläche liegt. Würde man demnach durch den Mittelpunkt des Ge-
wölbes eine Ebene ſo legen, daß ſie die Punkte a a in Fig. 392 berührt,
dann geht die Ebene bei correcter Wölbung auch durch die betreffende
[379]Die Einwölbung der böhmifchen Gewölbe.
Lagerfuge. Es folgt hieraus, daß eine in verſchiedenen Winkeln ge-
neigte, durch die Diagonale des Grundkreiſes gehende Ebene die

Figure 393. Fig. 393.


Lagerfugen bezeichnet. Mit Beachtung dieſes Grundſatzes kann man
auch die krumme Horizontalprojection einer jeden Fuge beſtimmen.
In Fig. 394 iſt a h g i der quadratiſche Grundriß eines vollen böh-
miſchen Gewölbes gedacht; a g und i h ſind die Diagonalen und
an den Ecken a, h, g und i beginnt die Wölbung. Betrachten wir
zunächſt den einen Quadranten C; zuerſt wird der halbe Diagonal-
bogen b g ſo eingetheilt, daß jeder Theil eine Steindicke reſp. Fuge
repräſentirt, alſo b c, c d, d e, e f u. ſ. w. Man lege ſodann die Axe
eines Halbkreiſes mit dem Durchmeſſer i h in h i, drehe die Halb-
[380]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
kreisebene allmählig von b nach c, von c nach d, von d nach e u. ſ. w.,
und conſtruire die Horizontalprojectionen des Halbkreiſes in jeder

Figure 394. Fig. 394.


Neigung, welche gleichzeitig die Schaareneintheilung im Grundriſſe
andeuten.


Auf ganz dieſelbe Weiſe wird dieſes Verfahren bei dem Qua-
dranten A um die Axe i h, ſowie bei den Quadranten D und B um
die Axe a g befolgt.


Wenn die Fugen in der Horizontalprojection gezeichnet ſind, be-
ginnt man mit dem Aufriſſe. Hierbei muß beachtet werden, daß die
Enden eines jeden Segmentbogens in gleicher Höhe liegen müſſen
(Fig. 395); z. B. bei Bogen a' a' iſt h = h; um b zu finden, legt
man in diagonaler Richtung eine Ebene, hierüber kommt der Diago-
nalkreis, bis zu welchem von b aus nach b' normal hinaufgezogen
wird. Die Punkte a' ergeben ſich aus dem Grundriſſe. Man braucht
bei jedem Bogen nur drei Punkte auszutragen. Im Uebrigen iſt
die Figur ſelbſt ſo verſtändlich genug, daß Jeder die Conſtruktion
allein ohne weitere Erläuterung durchführen kann.


Die Einwölbung des böhmiſchen reſp. Platzel-Gewölbes geſchieht
aus freier Hand mit Benutzung von zwei Diagonalbögen.


[381]Die Einwölbung der böhmifchen Gewölbe.

c) Die Verwendung dieſer Gewölbeart kann ſowohl über
quadratiſche, als auch über rechteckige Räume geſchehen, wie die fol-
genden Beiſpiele illuſtriren.


Figure 395. Fig. 395.

Fig. 396 giebt den Längenſchnitt der evangeliſchen Kirche zu
Boppard am Rhein, vor etwa 20 Jahren ausgeführt nach einer vom
Bauinſpector v. Laſſaul hinterlaſſenen Skizze durch den königl. Bau-
meiſter Althof. Die kleine im Rundbogenſtyl entworfene Kirche bildet
in der Grundform ein Quadrat von circa 13m im Lichten; die ganze
[[382]]

Figure 396. Fig. 396.


[383]Die Verwendung der böhmiſchen Gewölbe.
gewölbte Decke wird getragen von vier Säulen. Dem Eingange
gegenüber befindet ſich eine halbkreisförmige Chorniſche.


Die Säulen ſtehen von den Ecken ganz gleich weit ab und die
von Säule zu Säule reichenden halbkreisförmigen Gurtbögen zer-
legen die Decke in neun Felder, von denen das mittlere quadratiſch
und 5,75m weit iſt, die vier kleinen quadratiſchen Eckfelder 2,75m
Seite haben und die vier äußeren rechteckigen Felder 2,75m breit und
5,75m lang ſind. Alle neun Felder wurden mittelſt Platzelgewölben,
denen verſchieden große Halbkugeln zu Grunde liegen, geſchloſſen.


Die Länge der Radien r und r' zu dieſen Halbkugeln ergiebt ſich
nach der bei Fig. 391 gezeigten Methode. Die Baſen ſämmtlicher
Halbkugeln müſſen in einer horizontalen Ebene liegen, damit die
Schildbögen zweier neben einander befindlicher Gewölbe ſich voll-
ſtändig gleich werden. Die Fig. 396 macht dieſe Beſchreibung noch
beſſer verſtändlich.


Erwähnt ſei, daß der Querſchnitt ebenſo iſt wie der Längenſchnitt
jedoch mit Hinweglaſſung der Chorniſche und Eingangsthür.


Ueber die befolgte Conſtruktion und Wahl der Materialien wird
bemerkt, daß die Umfaſſungsmauern von Bruchſteinen (Grauwacken-
ſchiefer) aufgeführt ſind. Da dieſes Bruchſteinmaterial jedoch keine
künſtleriſche Bearbeitung zuließ, ſo ſind die Haupt- und Fußgeſimſe,
die Thür- und Fenſtereinfaſſungen, Beplattungen, Treppen, Säulen ꝛc.
von Werkſtücken hergeſtellt. Zu den vier Säulen, welche das Ge-
wölbe im Innern unterſtützen, zu den vier Säulen der Vorhalle,
ſämmtlich Monolithen, und zu den Thür- und Fenſter-Einfaſſungen
iſt namentlich das vortreffliche Sandſtein-Material verwendet, welches
in einem neu eröffneten Bruche bei Steinbockenheim, unfern von
Bingen zwiſchen der Nahe und dem Rheine, gewonnen worden iſt.
Zu den Hauptgeſimſen dagegen ſind die vulkaniſchen Tuffe von Bell
und Weibern, im Kreiſe Mayen, ihrer leichten Bearbeitung und ge-
ringen Koſten wegen in Anwendung gekommen, während zu den der
Abnutzung mehr unterworfenen Beplattungen, Treppen und Deck-
platten auf der Brüſtungsmauer der Vorhalle die weit bekannten
Baſaltlava-Brüche zu Niedermending das geeignete Material geliefert
haben. Die Wölbungen im Innern (böhmiſche Platzeln zwiſchen Gurten)
ſind von den dazu vorzugsweiſe geeigneten ſogenannten Bendorfer
Sandſteinen (Bimſteinglomerat) ausgeführt. Mit Rückſicht auf den
Charakter des Gebäudes hat es angemeſſen geſchienen, ſtatt des
[384]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Putzes der äußeren Mauerflächen, der des Gebirgsklimas wegen doch
in der Regel nicht von langer Dauer iſt, die Bruchſteine nach Art der
Werkſtücke in den Anſichten glatt zu bearbeiten, und das Mauerwerk
ſauber auszufugen. Im Innern dagegen ſind die Geſimſe (in der
Chorniſche) ſowohl, als die Mauer- und Gewölbeflächen mit Kalk-
mörtel ſauber geputzt, demnächſt ſteinfarbig in lichten Tönen ange-
ſtrichen und mit leichten Ornamenten, in Einſchlußlinien ꝛc. beſtehend
verſehen.


d) Das Verzeichnen der böhmiſchen oder Platzelge-
wölbe
geſchieht im Grundriſſe durch Umklappen der Schildlinien
reſp. Anläufe, wie dies in Fig. 397 A — B (A für einen quadratiſchen,

Figure 397. Fig. 397 A — D.


B für einen rechteckigen Raum) zeigt. Bei halbkreisförmigen Anläufen
ſieht man ſonach Halbkreiſe im Grundriſſe, im andern Falle hohe
Kreisſegmente. In Oeſterreich iſt es gebräuchlich, die Platzelgewölbe im
Grundriſſe, wie Fig. C und D angeben, zu verzeichnen; dieſe Methode
verdient aber keine Nachahmung, da ſie niemals die richtige Wölb-
linie bezeichnet. Die Fig. C hat nur dann Anſpruch auf Richtigkeit,
wenn Zwickel und Kalotte vorhanden ſind, wie bei Kuppelgewöl-
ben
(ſiehe Fig. 356 und 357), denn dann vermag Jeder bei gegebenem
[385]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der böhmiſchen Kappe.
Grundriſſe die Zwickelanläufe zu beſtimmen; hingegen da Platzelge-
wölbe nach beliebigen Bogenlinien gewölbt werden können, iſt es für
das allgemeine Verſtändniß erforderlich, nicht den horizontalen Quer-
ſchnitt des Gewölbes (der bei rechteckiger Grundform wie Fig. D gar
keine Berechtigung hat und auch zeitraubend zu conſtruiren iſt), ſon-
dern die umgeklappten Schildlinien (Anläufe) im Grundriſſe zu
zeichnen, zumal dieſe in der Praxis von den Maurern behufs An-
fertigung der Lehrbögen doch verlangt werden.


e) Allgemeine Dimenſionen: Ueber 6—7m pflegt man die
Platzelgewölbe nicht gerne zu machen und erhalten dieſelben


  • bis 5m Spannweite ½ Stein zur Stärke,
  • bis 7m Spannweite
    • ½ Stein im Scheitel,
    • 1 Stein am Widerlager,
  • bis 3m Spannweite kann man ſie ſogar ¼ Stein im Scheitel
    einwölben mit Benutzung des Cementmörtels, jedoch
    ohne Belaſtung des Gewölbes.

IX.Die böhmiſche Kappe
oder das „preußiſche Platzelgewölbe

(letztere Benennung in Oeſterreich üblich)


iſt eigentlich nur ein ganz flaches böhmiſches Gewölbe mit ⅕—1/12
Pfeilhöhe.


a) Syſtem und graphiſche Conſtruktionen. Dieſes Ge-
wölbe kommt in der Praxis ſehr häufig vor an Stelle der ganz flachen
Tonnengewölbe (preußiſches Kappengewölbe), da ſeine geſchwungenen
Anläufe (Schildbögen) nicht nur gut ausſehen und die architek-
toniſche Ausſtattung des Raumes erleichtern, ſondern auch weil das
Gewölbe bei allen Grundrißformen bis zu 5m leicht anwendbar iſt.
Bei der Herſtellung der böhmiſchen Kappe ſind in der Regel nur
die Raumdimenſionen und eine beliebig anzunehmende Pfeilhöhe
bekannt, und hat man mit dieſen beiden Factoren die Con-
ſtruktion vorzunehmen. Will man dann dem preußiſchen Platzel
reſp. der böhmiſchen Kappe die Kugelfläche zu Grunde legen, ſo
verfährt man, um die Größe des erforderlichen Halbkugeldurch-
meſſers zu erhalten, folgendermaßen (Fig. 398):


R S T U ſei der zu überwölbende Raum, z der Schwerpunkt; g e iſt
die Pfeilhöhe, in dieſem Falle gleich ⅙ der Diagonale, f h = S U, f i =
i e
, i kf e; man verlängere die Normale bis k, ſo iſt k der Mittel-
Wanderley, Bauconſtr. II. 25
[386]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
punkt der Halbkuppel, welche über R S T U liegt. Mit dem Radius
k e ziehe man um z einen Kreis; man verlängere S T nach beiden

Figure 398. Fig. 398.


Seiten bis der Grundkreis getroffen
wird, und errichte über die Sehne
einen Halbkreis; man mache l S
S T und m TS T, bis der darüber
liegende Halbkreis durchſchnitten
wird, ſo iſt l m der Schildbogen
über S T; wird über S R ebenfalls
ein Halbkreis gelegt, ſo iſt r s der
Schildbogen über R S. Schlägt man
mit k e einen Bogen, ſo iſt f e h
der Diagonalbogen des Gewölbes.
Denſelben erhält man auch, wenn
auf R T die Senkrechten R f' und
T h' errichtet werden, dann iſt f'
h'
ebenfalls der Diagonalbogen.


In Oeſterreich ſind die preuſ-
ſiſchen Platzeln mit gedrücktem
elliptiſchen Querſchnitte
und
entweder mit kreisförmigem*)
oder mit elliptiſchem Grund-
riſſe
üblich. Hierbei nehmen dann die
Maurer aus purer Bequemlichkeit für die Anläufe (Schildbögen) u. ſ. w.
ganz beliebige Curven an, obgleich dieſelben genau nach den Regeln
der darſtellenden Geometrie ermittelt werden ſollen. Die hierfür
giltigen Methoden beſprechen wir in dem nachſtehenden Beiſpiele:
Es ſei das Platzelgewölbe nach einem gedrückten Ellipſoid zu con-
ſtruiren (Fig. 399) (erwähnt ſei, daß man theoretiſch zwar Ellipſen
zu Grunde legt, in Wirklichkeit aber entweder die Oval- oder Korb-
bogenline zeichnet, da die Ellipſen ſich umſtändlich herſtellen laſſen).
Die Ecken des viereckigen Raumes ſollen beiſpielsweiſe die Ellipſenpe-
ripherie berühren (die Ellipſe haben wir hier aus zwei Korbbögen zu-
ſammengeſetzt) und die Curve a b c ſei das Längenprofil des halben
Ellipſoids mit drei Axen. Um nun irgend einen Punkt des Intrados
[387]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der böhmiſchen Kappe.
zu finden, muß man das Geſetz beachten: alle horizontalen
Schnittebenen durch den Ellipſoid geben concentriſche
Curven
. Da nun hiernach die Höhen der einzelnen Punkte ermittelt
werden können, iſt es unbedingt nöthig, für jeden Punkt der Schild-
bögen die zu demſelben gehörige Horizontalebene zu beſtimmen. Es
wird ſomit der Schildbogen o i° g folgendermaßen ermittelt: man
nehme auf der Seite x x die Punkte d e f g h i beliebig an und beſtimme
für jeden die Hozizontalebene, in der jeder ſich befindet; zu dieſem
Behufe conſtruire man von d, reſp. e, f u. ſ. w. aus Ellipſen, die
mit der Grundellipſe concentriſch ſind. Es genügt ſchon die betreffende

Figure 399. Fig. 399


Curve bis zur großen Axe a c zu bringen, um in den Schnittpunkten
d', e', f', g' u. ſ. w. Lothe d' d°, e' e0, g' g0 u. ſ. w. bis zu der
25*
[388]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
umgeklappten halben Ellipſe a b c zu ziehen. Dieſe Lothe geben, in
den Punkten d, e, f, g, h, i errichtet, einige Hilfspunkte für den
halben Anlauf (Schildbogen o i0).


Auf ganz dieſelbe Weiſe werden die Anläufe über den ſchmalen
Seiten des viereckigen Raumes — ſowie überhaupt jeder beliebige
Punkt im Intrados — gefunden.


b) Conſtruktion. Die Einwölbung der böhmiſchen Kappe
reſp. des preußiſchen Platzelgewölbes geſchieht nach zwei Methoden,
nämlich:


  • erſtens auf den Schwalbenſchwanz,
  • zweitens auf den Kuf mit parallelen Ringen mit und ohne
    Benutzung der Rutſchbögen.

Figure 400. Fig. 400.

1. Die Schwalbenſchwanzwölbung iſt hier ganz eben ſo wie wir ſie
bei den preußiſchen Kappengewölben (flachen Tonnen) gezeigt haben;
[389]Verwendung und Beiſpiele der böhmiſchen Kappe.
es ſind hierzu zwei Diagonallehrbögen nöthig und beginnt man die
Mauerung freihändig in den Ecken, wodurch der Gewölbeſchub
größtentheils nach den Ecken fortgepflanzt wird. Die Einwölbung

Figure 401. Fig. 401.


der böhmiſchen Kappen über vieleckige oder unregelmäßig geſtaltete
Räume geſchieht meiſtens auf den Schwalbenſchwanz, während
beiſpielsweiſe in Fig. 400 eine der Schwalbenſchwanzwölbung ähn-
[390]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
liche Kufwölbung dargeſtellt iſt. In dieſem Beiſpiele hat die Kappe
eine geringe Pfeilhöhe und liegt dem Intrados eine Kugelfläche zu
Grunde; die Anläufe der Schildbögen a a a werden nach Fig. 398
ermittelt. Streng genommen entſtehen bei dieſer Wölbung acht
Wangen, die mit einem ſchwachen Grat zuſammenſtoßen; die Ein-

Figure 402. Fig. 402.


biegungen am Intrados ſind aber ſo gering und unmerklich, daß ſie
durch den Kalkputz vollſtändig verſchwinden.


2. Die Wölbung auf Rutſchbögen haben wir ebenfalls bei
den preußiſchen Kappengewölben näher beſprochen und hat der Schwal-
benſchwanzwölbung gegenüber den Vortheil, daß die ſchmalen Seiten
des Raumes keinem Drucke ausgeſetzt werden, was unter Umſtänden,
[391]Verwendung und Beiſpiele der böhmiſchen Kappe.
wenn der Gegendruck durch Gewölbe fehlt, von großem Nutzen ſein
kann. Die Rutſchbögen werden an den Anläufen auf Schildlehr-
bögen entlang geführt. Im Uebrigen veranſchaulicht Fig. 401 das
Verfahren der Einwölbung.


c) Verwendung und Beiſpiele. Die böhmiſchen Kappen
oder preußiſchen Platzeln können zur Ueberdeckung aller Räume von
etwa 2—6m Spannweite und mit beliebigen Grundformen benutzt
werden; meiſtens bringt man ſie über Durchfahrten, Veſtibüle und
ſonſtige größere Räume, bei denen es auf die architectoniſche Aus-
ſchmückung ankommt.


In Kellern ſind ſie beſonders für unregelmäßige Räume zweckmäßig,
oder wenn man einen großen Raum nicht mittelſt Gurtbögen für
die preußiſchen Kappen zerſtückeln will. Solche Anordnung ſehen
wir in Fig. 402, welche das Erdgeſchoß oben und das Kellergeſchoß
unten enthält. Letzteres iſt größtentheils mit preußiſchen Kappen
überdeckt, und hat nur bei a a a a preußiſche Platzelgewölbe.


Figure 403. Fig. 403.

Fig. 403 und 404 geben die Durchfahrt im Sophiengymnaſium
zu Berlin; ſie iſt mit preußiſchen Platzeln überdeckt worden und zwar
in der Art, daß der Raum der Länge nach mittelſt Gurten in vier Theile
zerlegt wurde. Die Stellung der Gurte richtete ſich zunächſt nach dem
Aufgange e, welcher von zwei Mauern, die den Gurten gleichzeitig ein
paſſendes Widerlager bieten, begrenzt wird. Theils um ſtärkere Wider-
lager fürdie Platzeln zu erhalten, theils um die Gewölbeanlage mit Axen-
ſtellung der Façade in Einklang zu ſetzen, reichen die Platzeln nicht in
der ganzen Breite über die Durchfahrt, ſondern ſind die ſchmalen
[392]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Tonnen t t angelegt worden. Die übrigen Felder f f f ſind annähernd
gleich groß und mit Platzeln überdeckt, deren Anläufe ſämmtlich in

Figure 404. Fig. 404.


gleicher Höhe liegen. Die böhmiſche Kappe über dem ſchmalen Felde
p iſt lang geſtreckt.


[393]Verwendung und Beiſpiele der böhmiſchen Kappe.

Das Verfahren, um die Kappen zu zeichnen, iſt in der Fig. 404
genau bei dem mittleren Gewölbe angegeben; hiernach liegt die
Baſis des großen Grundkreiſes noch unter der Durchfahrtſohle. Die
Länge der Radien ergeben ſich nach Fig. 398, wenn man auf der
Diagonale des mittleren Feldes die Pfeilhöhe (⅕—1/12 der Spann-
weite) abſteckt und in je drei zuſammengehörigen Punkten (zwei
Diagonalendpunkte und Scheitelpunkt) den Kreisradius ſucht.


Bei dieſem Beiſpiele ſind die oberen Gänge mit preußiſchen Kappen-
gewölben eingewölbt worden, um, zumal bei der großen Breite der
Gänge, die Langwände vom Gewölbeſchub zu befreien.


Auch der 4m breite Eingang des St. Getraudt-Stiftes (ent-
worfen von Koch) in Berlin iſt mit böhmiſchen Kappen überwölbt
(Fig. 405, Längenſchnitt nach x y im Grundriß).


Um den Gewölbeſchub aufzufangen, ſind an den Längenwänden
ſchmale Tonnengewölbe angelegt und daneben die Gurten für die
böhmiſchen Kappen geſtellt worden. Der Raum zerfällt dann in drei
Felder, von denen das mittlere am größten und quadratiſch iſt,
während die ſeitlichen Kappen eine längliche Grundform haben. Die
zuſammengehörigen Anläufe zweier nachbarlicher Räume liegen in
gleicher Höhe. Die Corridore C C ſind theilweiſe mit flachen Kreuz-
gewölben bedeckt.


Eine häufige Verwendung haben die böhmiſchen Kappen von ver-
ſchiedenen Formen in der Sophien-Realſchule zu Berlin gefunden
(Fig. 406 und 407). Die Grundriſſe des Einganges und des Treppen-
hauſes, um den ſich weite Corridore gruppiren, veranſchaulicht die
Fig. 406; es bedeutet A Kellergeſchoß, B Erdgeſchoß, C I. Stock,
D II. Stock. Das Kellergeſchoß iſt mit preußiſchen Kappengewölben
überdeckt und hat an dieſer Stelle für uns keine weitere Bedeutung, das
Erdgeſchoß und der I. Stock ſind ganz gleichartig mit flachen preußiſchen
Platzeln überwölbt und der II. Stock (D) hat böhmiſche oder Platzel-
gewölbe. Die Treppe, welche mit dem Fußboden des II. Stockwerks
aufhört, iſt dreiarmig; in der Mitte ſteigt nur ein Arm hinauf und
rechts und links gehen zwei andere Arme zur Etage. Die unteren
Treppenarme werden von einer Mauer getrennt. Die Podeſte ſind
mit preußiſchen Platzeln unterſtützt.


In dem Vorraum vor der Treppe ruhen die Gurten auf ſechs
eiſernen Säulen und ſind drei größere im Grundriß faſt quadratiſch ge-
ſtaltete (g) Kappen, ſechs kleine längliche Kappen vorhanden, und zwar
[394]Zweites Kapitel Die Gewölbe.
letztere um den Schub der großen Kappen aufzufangen. Bezüglich der
Kugelflächen verweiſen wir auf die in der Zeichnung (Fig. 407) ge-
gebenen punktirten Linien der Felder g.


Figure 405. Fig. 405.

Eine höchſt intereſſante kuppelartige böhmiſche Kappe nach einem
halben Ellipſoid mit drei Axen fanden wir über dem Eingange
[395]Verwendung und Beiſpiele der böhmiſchen Kappe.
der Synagoge in Berlin (vom verſtorbenen Baurath Knoblauch
entworfen, ein Bauwerk, welches in techniſcher, wie architektoniſcher

Figure 406. Fig. 406.


Hinſicht einzig in ſeiner Art iſt). Der Architekt hatte bei der
Grundrißanordnung viele Schwierigkeiten zu überwinden, ganz
beſonders erſchwerte die ſehr ſchiefe Lage des Grundſtücks die Anlage
eines monumentalen Veſtibüls, da die Einhaltung einer normal zur
Straßenfront gerichteten Gebäudeaxe ganz unmöglich war. Um dieſen
[396]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 407. Fig. 407.


NB. In dieſer Figur ſind die punktirten Hilſskreiſe zu den mit k bezeichneten
Platzeln leider nicht richtig, ſondern die Baſen zu den Halbkugeln der
Platzeln k müſſen ebenſo tief liegen, wie die zu den mittleren Platzeln g.
Daſſelbe gilt auch in Fig. 405.


[397]Verwendung und Beiſpiele der böhmiſchen Kappe.
Uebelſtand mindeſtens zu verbergen, wählte der Architekt eine zwölf-
ſeitige Centralhalle für den Eingang, welche allenthalben ganz gleich-
artig ausgeſtattet, den Eintretenden faſt unbewußt in die ſchiefe Ge-
bäudeaxe führt. Dieſe Centralhalle iſt in Fig. 409 im Grundriſſe

Figure 408. Fig. 408.


und in Fig. 408 im Querſchnitt mit Hinweglaſſung des reichen
architektoniſchen Schmucks wiedergegeben. Das Princip des Gewölbes
erkennt man ſogleich: eine auf den Säulen ruhende, ſcheinbar ellip-
tiſche Kuppel wird an der Seite des Zwölfecks von zwölf nach Innen
anſteigenden Stichkappen durchbrochen. Die Kapitälplatten der frei-
ſtehenden Säulen reichen noch auf die Wandpfeiler und ſtützen die
Widerlagsfüße der Stichkappen. An den Durchdringungskanten der
Stichkappen mit dem Gewölbe ſind Profile gezogen, welche ſich über-
kreuzend und ein Netz bildend, mit dem horizontalen Geſims (g) ver-
einigen. Hier beginnt in Wirklichkeit erſt die böhmiſche Kappe mit
kreisförmigem Querſchnitte.


Die Ermittelung der Linien ergiebt ſich, wenn man beachtet, daß
[398]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
alle horizontalen Schnitte Kreiſe und alle durch die verticale Gewölbeaxe
gelegten Schnittebenen gleichgroße Ellipſen geben. In der Praxis

Figure 409. Fig. 409.


wählt man anſtatt der Ellipſen ſtets Korbbögen oder Ovalen, da
dieſe Curven die graphiſche Conſtruktion weſentlich erleichtern.


Ueber dem ſoeben geſchilderten Eingange befindet ſich ein großer
zwölfſeitiger Verſammlungsſaal mit herumlaufender Gallerie, die auf
ſchlanken eiſernen Säulen ruht; dieſe Säulen reichen bis zur Decke.
Auch dieſe intereſſante Anlage reproduciren wir in den Figuren 410
und 411. Die Säulen treten 1,1 m vor und tragen Gebälke, welche
den kurzen halbkreisförmigen Kegelgewölben als Auflager dienen.
Letztere ſind vorhanden, um einerſeits die Gewölbeſpannweite zu ver-
mindern, andererſeits ein kräftiges Widerlager für das Gewölbe
herzugeben. Gegen die Kegelgewölbe legen ſich die zwölf anſteigenden
mit Buſen verſehenen Stichkappen, deren Grate verziert ſind und ſich
oben in einem Kreiſe vereinigen. Die Spitzen dieſer Stichkappen tragen
einen niedrigen Cylinderring, welcher der kreisförmigen böhmiſchen
[399]Verwendung und Veiſpiele der böhmiſchen Kappe.
Kappe ein genügendes Auflager verſchafft. Der Gewölbeſchub wird von
den Stichkappen nach den Kegelgewölben übertragen. Erwähnt ſei

Figure 410. Fig. 410.


noch, daß das ganze Gewölbe mit Stuckaturung und Malerei reich
verziert iſt und der ganze Saal einen brillanten Eindruck macht.


d) Das Verzeichen der böhmiſchen Kappen reſp. preußiſchen
Platzeln geſchieht im Grundriſſe in der Weiſe, daß man die Schild-
bögen (Anläufe) umklappt; nach dieſen kann der Maurer jederzeit,
auch wenn nicht alle Querſchnitte vorhanden ſind, die Lehrbögen an-
fertigen. Das in Oeſterreich übliche Verfahren, welches wir ſchon bei
dem böhmiſchen Gewölbe reſp. Platzelgewölbe angaben, iſt falſch und
unverſtändlich.


e) Bezüglich der Gewölbſtärke und Widerlagsſtärke geben
wir folgende allgemeine Daten:


  • Pfeilhöhe ⅙ — 1/10 der Spannweite,
  • Gewölbeſtärke bis 5 m ½ Stein,

[400]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
  • Widerlagsſtärke ¼ — ⅕ der Spannweite, bei 2 m Spannweite
    jedoch nie unter 2½ Stein.

Figure 411. Fig. 411.
X.Das Kreuzgewölbe.

a) Syſteme und graphiſche Conſtruktionen. Setzt man
mehrere Kappenſtücke (mindeſtens drei) von gleicher Pfeilhöhe ſo zu-
ſammen, daß die Scheitelpunkte in gleicher Höhe liegen und ſich be-
rühren, ſo entſteht ein Kreuzgewölbe (Fig. 412). Die Kappenſtücke
können alle Querſchnittsformen haben, nämlich Halbkreiſe, Ellipſen,
Korbbögen, Spitzbögen, hohe und flache Segmentbögen u. ſ. w.


Das einfachſte Kreuzgewölbe giebt die Zuſammenſetzung von zwei
gleich großen Halbkreiscylindern (Fig. 413); ſodann erhält man einen
quadratiſchen Raum a g i c, welcher im Grundriſſe durch zwei Diago-
nalen c g und a i zertheilt wird. Letztere heißen; „Grate“ und werden
in wirklicher Größe aus dem Gewölbequerſchnitt a b c mittelſt Ver-
gatterung ausgetragen, wie die eingeſchriebenen Buchſtaben erklären.
Die Stirn des Kreuzgewölbes kann entweder offen bleiben oder mit
Mauern geſchloſſen ſein.


[401]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe.

Das Kreuzgewölbe hat vor allen bis jetzt genannten Ge-
wölbearten den Vorzug, daß es ſeine ganze Laſt auf die Ecken

Figure 412. Fig. 412.


Figure 413. Fig. 413.


überträgt; denkt man ſich nämlich zwei aneinander liegende Kappen
in gleichviel ſchmale Streifen zerlegt, ſo vereinigen ſich die Kraft-
richtungen je zweier Streifen zu einer Kraftrichtung, die mit der
Gratbogenlinie zuſammenfällt und in der ſich ſomit ſämmtliche Kraft-
wirkungen vereinigen.


Die Conſtruktion des halbkreisförmigen Kreuzgewölbes mit voll-
ſtändig horizontalen Scheitellinien iſt nur in Hauſteinen ausführbar,
hingegen pflegt man bei Bruch- und Ziegelſteinen die Scheitellinien
von den Stirnmauern aus etwas nach der Mitte anſteigen zu laſſen;
es durchdringen ſich dann ſtreng genommen nur anſteigende Cylinder-
ſtücke, und iſt der Scheitelpunkt die höchſte Stelle im Gewölbe.


Dieſe Ueberhöhung nennt man den „Stich“ des Gewölbes, der
erforderlich iſt, damit die Scheitellinien nach dem Ausrüſten und
Setzen des Gewölbes nicht tiefer zu liegen kommen, als der höchſte
Punkt der Schildlinien (Anläufe).


Wanderley, Bauconſtr. II. 26
[402]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Eine derartige Anordnung ſtellt Fig. 414 dar. Es wurde angenommen,
daß die Mauern mittelſt Schildbögen durchbrochen ſeien, dann müſſen
ſich die Kappen mit Berückſichtigung eines Rückſprunges gegen den
Pfeiler legen, oder man läßt den Gurtbogen etwas vorſpringen (etwa
um das Stück R), wie in dieſem Beiſpiel geſchehen iſt.


Figure 414. Fig. 414.

In der Horizontalprojection ſind die Projectionen der Diagonal-
bögen nur gerade Linien.


Es ſei nun über v z in der Verticalprojection ein Halbkreis ge-
dacht; der Diagonalbogen wird dann nach der Vergatterung beſtimmt.
Zuerſt muß der Stich = u w angenommen werden, verbindet man
u mit z, ſo ergiebt ſich die Projection der Steigung der Axe oder
des Scheitels einer jeden Kappe. Alsdann theile man ½ v z in be-
liebig viel, aber gleiche Theile z. B. in 10 Theile, man errichte bis
zur Peripherie des Halbkreiſes über v z die Senkrechten w k, 1 l,
2 m, 3 n, 4 o, 5 p, 6 q, 7 r, 8 s und 9 t.


Ferner wird auch die Horizontalprojection w z in 10 Theile ge-
theilt und hierauf werden Senkrechte errichtet. Durch dieſe Lothe
entſtehen auf der geraden Stichlinie die Theilpunkte I bis IX.
Nun erhält man den Diagonalbogen, d. h. die Durchdringungslinie
von zwei Kappen, wenn die Senkrechten w k, 1 l, 2 m ꝛc. von u, I,
II ꝛc. abgetragen werden, ſo daß die verſchiedenen Höhen w w', 1 a, 2 b,
3 c, 4 d, 5 e, 6 f, 7 g, 8 h und 9 i entſtehen, nach denen die Diagonal-
[403]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe.
linie in wirklicher Größe und in der Verticalprojection gezeichnet
werden kann.


Die Diagonallinie läßt ſich in der Verticalprojection aufzeichnen, ohne
daß man die Stechung im Grundriſſe anzugeben braucht; zu dieſem Be-
hufe (ſiehe die linke Hälfte von Fig. 415) theilt man das halbe Gewölbe
in beliebig viele, aber gleiche Streifen ein, z. B. hier in vier, ſodann
giebt man auf der Mittellinie die Stechung an und theilt man dieſe in
ebenſo viel Theile ein, wie Streifen gemacht worden ſind, alſo wieder

Figure 415. Fig. 415.


viermal. Mit dem Radius des Gewölbequerſchnitts ſchlägt man aus
1, 2, 3 Kreiſe, welche die Lothe I, II und III ſchneiden; dieſe Schnitt-
punkte gehören der Diagonale an.


Sehr häufig werden die Kreuzgewölbe nur von Schildbögen be-
grenzt; die Anordnung der Kreuzgewölbe hängt nun davon ab, ob
die Pfeiler, auf denen die Schildbögen ſtehen, mit Vorſprüngen ver-
ſehen ſind, wie E und F in Fig. 415 B, oder rechteckig reſp. quadratiſch
26*
[404]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
abſchließen. Im erſtern Falle kann das Kreuzgewölbe in der Kämpfer-
höhe der Schildbögen beginnen und macht man jeden Pfeilervorſprung
gleich dem Abſtand t u, d. h. etwa ½ — ¾ Ziegel; im anderen Falle
liegt der Fuß des Kreuzgewölbes bedeutend höher und zwar um das
Stück a c. Dieſe Erhöhung nennt man auch wohl „Stelzung
und ergiebt ſich, wenn im Scheitel des Schildbogens der Abſtand
b d = ½ — ¾ Ziegel abgeſteckt und dann vom Schildbogenmittel-
punkt aus ein concentriſcher Kreis gezogen wird. Im Grundriſſe
giebt a1 c2 die Stelzung an; die Stechung der Scheitellinie darf
ſelbſtverſtändlich auch nicht fehlen.


Dieſe Stechung macht man meiſtens 1/40 der Diagonale.


Bei den bis jetzt erwähnten Kreuzgewölben wurden die Schild-
bögen halbkreisförmig angenommen, zuweilen ſind letztere auch ge-
drückte Bögen.


Auch können die Kappen flach ſein, wie Fig. 416 zeigt. Die
Stechung iſt hier nicht angegeben, weil wir angenommen haben, das

Figure 416. Fig. 416.


Gewölbe habe ſich bereits vollſtändig geſetzt. Die Stechung wird
überhaupt in Entwürfen niemals berückſichtigt, da ſie nur bei der
praktiſchen Ausführung der Kreuzgewölbe einen Werth hat.


Die ſpitzbogigen Kreuzgewölbe mit linſenförmigen Kappen nach
Fig. 420 — 423 bedürfen einer Stechung nicht. Fig. 417 zeigt das
Syſtem eines ſpitzbogigen Kreuzgewölbes mit geraden Kappen.


Bei dem Kreuzgewölbe über einem rechteckigen Raume liegt der
Scheitel ſtets über dem Schwerpunkte der Grundfläche, nämlich über
dem Durchſchnitt der beiden Diagonalen; zum Wand- reſp. Schildbogen
nimmt man über der kleineren Rechteck-Seite einen Halbkreis an, nach
[405]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe.
welchem ſich nun auch die Schildbögen über den größeren Rechteck-
Seiten, ſowie die Diagonalbögen, mit Berückſichtigung der Stechung,
nach der Vergatterung leicht ableiten [...]laſſen.


Figure 417. Fig. 417.

Soll über einen unregelmäßigen Raum ein Kreuzgewölbe geſpannt
werden, ſo ſuche man zuerſt den Schwerpunkt, und verbinde man den-
ſelben mit den Endpunkten der unregelmäßigen Fläche, um die Ho-
rizontalprojectionen der Grate zu erhalten. Die Kappen liegen dann
ſchief und zwar mit ihren Axen in der Richtung von dem Mittelpunkt
einer jeden Seite zum Schwerpunkt des Raumes.


Figure 418. Fig. 418.

Figure 419. Fig. 419.

Die Fig. 418 deutet dieſes Verfahren an; über eine Seite (ge-
wöhnlich nimmt man die von mittlerer Länge an) legt man eine
[406]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Halbkreis zu Grunde, nach welchem die übrigen Schildbögen nach
Vergatterung beſtimmt werden. Der Bogen B iſt ein umgeklappter
Diagonalbogen mit der Stechung c d.


In Fig. 419 iſt der Raum fünfſeitig und etwas unregelmäßig;
die Diagonal- und Schildbögen ſind umgeklappt.


Es giebt noch viele Formen von Kreuzgewölben, z. B. über einem
rechteckigen Raume, in welchem beide Wand- reſp. Schildbogen Halb-
kreiſe ſind und der Gratbogen mit dem entſprechenden Stich als ſtei-
gende Ellipſe aus dem größten Schildbogen abgeleitet wird; oder in
denen der Gurtbogen und die Wand- reſp. Schildbögen Halbkreiſe
bilden u. ſ. w. Bei dieſen Anordnungen wird jedoch die Scheitel-
linie nicht mehr gerade, ſondern „buſenförmig“ geſtaltet ſein
müſſen, ſo daß alſo derartige Gewölbe nur zum Theil oder gar nicht
mehr aus Cylinderflächen beſtehen. Dies erkennen wir in Fig. 420;

Figure 420. Fig. 420.


die Seiten a b und b c ſeien ungleich lang, über beiden ſtehen halb-
kreisförmige Schildlinien (Anläufe), h e f g markiren die Scheitelpunkte
derſelben und e d, d f, g d, d h die buſenförmige Aufwölbung. Letz-
tere erhält man auch, wenn über die Seiten eines Rechtecks anſtatt
der Halbkreiſe Spitzbögen gebracht werden (Fig. 421) und demnach
die Scheitel derſelben auch in ungleichen Höhen liegen.


Eine hierbei vielfach übliche Methode beſteht darin, daß man die
Spitzbögen nach dem Diagonalbogen conſtruirt, und zwar in der
[407]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe.
Weiſe, daß man an einer Ecke ſowohl die Länge der kurzen, als
auch der längeren Seite anträgt, jede halbirt und in den Halbirungs-

Figure 421. Fig. 421.


punkten Lothe zieht, welche den Halbkreis ſchneiden (Fig. 422); es iſt
d a die Diagonale, g a die größere, b a die kleinere Seite, und f e die
Axe des Gewölbes, h e die Mittellinie des großen, i k desgl. des
kleinen Spitzbogens.


Man kann über rechteckige Räume auch ſpitzbögige Kreuzgewölbe
erhalten, wenn für die Diagonale ein Halbkreis v z c (Fig. 421) zu Grunde
gelegt wird und die halbe Diagonale als Spitzbogenhöhe dient; die
Form der Spitzbögen iſt dabei ganz gleichgiltig. Jedoch des beſſeren
Ausſehens und der leichteren Ausführung wegen wählt man für die
Spitzbögen concentriſche Kreisbögen. Da dann der kleinere Spitzbogen
(falls die Scheitel in gleicher Höhe liegen) bis zum Kämpfer des größeren
nicht hinabreicht, ergänzt man das fehlende Stück bis zum Kämpfer des
erſten Spitzbogens durch verticale Linien. Man nennt dieſes Verfah-
ren „ſtelzen“, da der kleine Spitzbogen gleichſam auf Stelzen ſteht.
Die Stelzung erkennen wir in Fig. 423. Beide Schildbögen ſind
mit ¾ der Spannſeite conſtruirt (dies Verhältniß war in der beſten
[408]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 422. Fig. 422.


Figure 423. Fig. 423.


Figure 424. Fig. 424.


[409]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe.
Zeit des mittelalterlichen Stils vielfach gebräuchlich). Auch der Diago-
nalbogen iſt hier ſpitzbogig, und erhalten die Kappen wiederum eine
buſenförmige Aufwölbung.


Bisher nahmen wir an, daß die Axe und Widerlager reſp.
Kämpferpunkte der Cylinderflächen horizontal liegen; es können aber
auch Fälle vorkommen, wo erſtere ſich in geneigten Lagen, entweder
rechtwinklich oder geneigt, durchkreuzen.


Der häufigſte Fall kommt bei den Unterwölbungen der Treppen
mittelſt Kreuzgewölben vor; die Fig. 424 zeigt ein ſteigendes
Kreuzgewölbe
über einem rechteckigen Raum.


Der Wandbogen über der kleineren Seite a b ſei ein Halbkreis,
das Gewölbe erhalte einen Stich e f, und i c' ſei die gegebene wirk-
liche Steigung.


Es iſt leicht einzuſehen, daß der Schildbogen über der größeren
Seite a c ein ſteigender Bogen ſein muß, welcher aus dem Halbkreiſe
c h d mittelſt Vergatterung ausgetragen wird. Auch die Diagonalbögen
ſteigen an und laſſen ſich mit Berückſichtigung des Stiches nach der
in der Figur dargeſtellten Weiſe leicht ermitteln.


Die anſteigenden Kreuzgewölbe können auch flachbogig ſein und
nach Korbbögen conſtruirt werden.


Zum Schluſſe möge noch eine Mittheilung folgen über das
Ringförmige Kreuzgewölbe (Fig. 425).


Es iſt dieſes die Durchdringung eines halbkreisförmigen Ring-
gewölbes mit einem konoidiſchen Gewölbe, welche beide denſelben Halb-
kreis als Leitcurven haben. Die Grate eines derartigen Kreuzgewölbes
zeigen ſich nun auch in der horizontalen Projection nicht mehr als
gerade Linien, ſondern als Curven. Das Ringgewölbe mit ſeinem
Erzeugungskreis v r p und die Oeffnung v q für das Kreuzgewölbe
ſeien gegeben, ſo wird offenbar, da v q größer iſt als w p, über v q
eine gedrückte und über p w eine überhöhte Ellipſe entſtehen. Im
Uebergange dieſer beiden wird nun auch auf dieſer konoidiſchen Fläche
ein Halbkreis als Verticalſchnitt vorkommen, der denſelben Durch-
meſſer v p wie die Leitlinie des Ringgewölbes hat, nämlich in x y
reſp. a — a; theilt man nun die beiden Halbkreiſe über v p und x y
in gleiche Theile, zieht man durch a, b, c u. ſ. w. Parallelkreiſe,
und von c die Radien ſtrahlenförmig, ſo erhält man im Durchſchnitt
der gleichnamigen Linien Punkte in der Horizontalprojection für die
[410]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Diagonalbögen. Die Bögen über v q und p w werden nach Ver-
gatterung aus dem Halbkreiſe v a' p ermittelt.


Figure 425. Fig. 425.

Das Schraubengewölbe, welches hauptſächlich bei Treppen-
anlagen Anwendung findet, entſteht, wenn in einem Ringgewölbe die
Kämpferlinien in Schraubenlinien übergehen. In ganz derſelben
Weiſe kann auch das ſchraubenförmige Kreuzgewölbe aus
dem ringförmigen Kreuzgewölbe abgeleitet werden; dieſe Anwendung
kommt aber höchſt ſelten vor.


b) Conſtruktion. Für die Ausführung des Kreuzgewölbes
kommen in den Kappen verſchiedene Verbände zur Anwendung.


1. Der Ableitung gemäß laſſen ſich die Kappen „auf den Kuf
mit parallel zur Axe liegenden Schichten (Schaaren) herſtellen. Die
Steine greifen hierbei abwechſelnd von einer Kappe in die andere über,
und müſſen daher für die elliptiſchen Grate beſonders nach verſchiedenen
[411]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
Winkeln zugehauen werden, weil der Winkel normal zum Grat ſich
in jeder Schicht ändert, beiſpielsweiſe beim Halbkreiſe vom rechten
Winkel beginnend und bis zum Scheitel zu einem geſtreckten zuneh-

Figure 426. Fig. 426.


mend. Das Verhauen der Steine geſchieht bei Verwendung von
Ziegeln und Bruchſteinen gleichzeitig beim Wölben, da ein vorheriges
[412]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Austragen zu umſtändlich ſein würde. Bei Schnittſteinen muß aber
jeder Stein vor dem Verſetzen nach einer Schablone bearbeitet werden.
Fig. 426 zeigt die genaue Kuf-Einwölbung eines ½ Ziegel ſtarken
Gewölbes. Die Einwölbung der vier Kappen beginnt gleichzeitig von
den Ecken aus ganz gleichmäßig.


Fig. 427 giebt den Ziegel-Verband (im Querſchnitt und Grundriß)
einer Stelle im Grat; hiernach fehlt im Grat immer in den abwech-

Figure 427. Fig. 427.


ſelnden Schichten ein Steinſtück, damit die
Steine mindeſtens im Rücken zuſammenſtoßen.
Es folgt hieraus, daß der Grat die ſchwächſte
Stelle des Gewölbes iſt, da in Bezug auf
die Feſtigkeit ein eingeſetztes Stückchen das
fehlende Stück nicht erſetzen kann. Da aber
das Kreuzgewölbe am wenigſten im Grat,
wo alle Kraftwirkungen ſich vereinigen,
ſchwächer ſein darf als anderswo, ſo wird
der Grat oft noch um ½ Ziegel verſtärkt.


Bei Bruch- und Werkſteinen machen ſich
dieſe Uebelſtände nicht ſo geltend und giebt
man der Kufwölbung der bequemeren Aus-
führung wegen den Vorzug.


Die Gewölbeanfänge, ſowohl an Pfeilern
als auch in den Ecken des Raumes, werden entweder aus Hauſteinen
oder durch horizontale Auskragung des Mauerwerks hergeſtellt.


Für dieſe Ausführung des Kreuzgewölbes auf den Kuf iſt ein
vollſtändiges Lehrgerüſt erforderlich. Zunächſt werden die Gratbögen,
in der Mitte von einem Mönch unterſtützt, dann die Schildbögen und
die ſich an die Gratbögen anſchiftenden Kappenlehrbögen aufgeſtellt
und hierauf die Schalung gebracht. Die Einrüſtung kann aber auch
in der Weiſe geſchehen, daß man erſt eine Einrüſtung für ein Tonnen-
gewölbe herſtellt, darauf durch horizontal geſpannte Schnüre, die man
durch Lothe auf die Schalung projicirt, die Gratlinien beſtimmt und
dann während des Mauerns nach und nach die Rüſtung für die
anderen Kappen aufſtellt.


Damit nach dem Setzen des Gewölbes die Mitte der ſich ſchneidenden
Scheitellinien nicht niedriger zu liegen komme als der Scheitelpunkt der
Schildbögen, giebt man des ungleichen Setzens wegen dem Lehrgrat-
bogen bei regelmäßigen Grundformen gewöhnlich 1/40, bei unregel-
[413]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
mäßigen 1/20 der größten Diagonale zur Stechung. Die Kappe wird
durch die Stechung zu einer ſteigenden. Sollen die Kappenſtirnen in
die Stirnmauer oder den Gurtbogen eingebunden werden, ſo iſt das
Setzen derſelben zu berückſichtigen, d. h. dicht unter der Kappe muß
eine offene Fuge bleiben. Die Kufwölbung eignet ſich, wie bereits
erwähnt, beſonders bei Verwendung von Bruch- und Werkſteinen.


2. Das Kreuzgewölbe wird ſo eingewölbt, daß die Lagerfugen
normal zur Gratbogenlinie gerichtet ſind, wobei in der Scheitellinie
der Kappen ein Zuſammenſtechen nach dem Verband auf den Schwal-
benſchwanz
ſtattfindet. Auch hier greifen im Grat die Schichten
abwechſelnd in die andere Kappe ein und müſſen die Gratſteine in jeder
Schicht verſchieden nach dem betreffenden Winkel zugehauen werden;
es iſt aber an den einzelnen Steinen nur eine einfache Schmiege ein-
zuhauen, daher dieſe Ausführung bequemer als die vorige und des-
halb auch bei Backſteinen die gewöhnliche iſt. Es ſchneiden ſich hierbei
auch die innere und äußere Leibung in den Grat- und Kehllinien
vollſtändig. Das Gewölbe iſt alſo im Grat nicht ſchwächer als ſonſt
irgendwo; dennoch kann auch hier eine Verſtärkung des Grates ſtatt-
finden und bei Gewölben von mehr als 1,5 m Spannweite iſt die Ver-
ſtärkung ſogar immer nöthig. Die Vorzüge dieſer Art der Einwölbung
gegen die vorige ſind die gleichen wie bei der Einwölbung der
Kappen ꝛc. auf den Schwalbenſchwanz. Ebenſo wie dort, geht auch
hier ein Theil des Schubes auf die Gurtbögen oder die Schildmauern
über; eine beſondere Verſtärkung der letzteren wird in den meiſten
Fällen nicht nöthig ſein.


Die Richtung der Lagerfugen wird je nach den Gratbögen von
einer gemeinſchaftlichen Axe ausgehen oder nicht. Die Projectionen
ihrer Schnittlinien mit der Leibung werden krumme Linien.


Die Diagonalbögen der rundbogigen Kreuzgewölbe bilden nur
dann ganz genau eine halbe Ellipſe, deren ganze große Axe gleich
der Diagonale des Raumes und deren Höhe gleich der halben kleinen
Axe iſt, wenn die Kappen keine Stechung erhalten, alſo ganz hori-
zontal bleiben wie in Fig. 413 und 426; ſowie aber eine Stechung
hinzukommt (ſiehe Fig. 414, 415, 418, 419), und mag letztere noch
ſo gering ſein, dann ſetzt ſich der um die Stechung erhöhte Diagonal-
bogen aus zwei anſteigenden Viertelellipſen zuſammen, von denen die
beiden großen Axen, um den Stechungspunkt gedreht, an jedem Ende
ſo viel anſteigen, als die Stechung beträgt. Jede der ſich kreuzenden
[414]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſteigenden Ellipſen wird nach der in Fig. 216 dargeſtellten Con-
ſtruktion ermittelt und zwar mit dem Unterſchiede, daß beim Kreuz-
gewölbe die Linie A B ganz horizontal zu liegen kommt, und der
Drehungspunkt M über dem Schwerpunkte des Raumes um die
Stechung zu erhöhen wäre; der Abſtand A X reſp. Y B wird eben-
falls gleich der Stechung ſein, und M V repräſentirt die aufzufindende
halbe kleine Axe. Auf dem lithographirten Blatte 4 iſt in Fig. 2 die
Ermittelung der Diagonalgratlinie genau dargeſtellt; die Höhe β ο
bezeichnet die ganze Stechung, für die rechtsſeitige ſteigende Viertel-
ellipſe B' C' dient die ſteigende große Axe α' γ' mit derſelben kleinen
Axe β δ', und den Brennpunkten x' y' (letztere werden nach Fig. 209
gefunden), und für die linksſeitige anſteigende Viertelellipſe gilt die
große Axe α γ mit den Brennpunkten x y und der halben kleinen
Axe δ β. Die Höhe B' ο iſt die Gewölbehöhe mit Einſchluß der Stechung
β ο, und das Maß C' γ' reſp. A' α' muß ebenfalls gleich der Stechung
β ο ſein.


Von beſonderem Intereſſe iſt das Austragen einer jeden Stelle
des Gratbogens, ſowie das Verzeichnen deſſelben und des Ziegelver-
bandes im Grundriſſe. Dieſes Verfahren geben wir hier nach einer
vom Profeſſor Gottgetreu zu München in der Zeitſchrift für Bau-
weſen 1875 vorgeführten lehrreichen Methode*). Da, wie bereits er-
wähnt, die Lagerflächen der einzelnen Schaaren einer jeden Kappen-
hälfte normal auf den Gratbogen ſtoßen müſſen, letzterer aber bei
elliptiſcher Form allenthalben einen verſchiedenen Querſchnitt erhält,
ſo folgt hieraus, daß der Verband des Gratbogens an allen Stellen
verſchieden iſt. Bei ſeiner Herſtellung in Ziegeln pflegt man den
Gratbogen für gewöhnliche Spannweiten 1½ Stein breit, 1 Stein
hoch zu machen und in dieſen äußeren Grenzen den Verband einzu-
halten. Zunächſt kommt es darauf an, jeden beliebigen wirklichen
[415]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
Querſchnitt des Bogens zu finden, was bei ſpitzbogigen Graten ein-
fach dadurch geſchieht, daß man Ebenen durch den Mittelpunkt eines
Bogenſchenkels und den Gratbogen legt; bei elliptiſchen Gratbögen
iſt die Sache complicirter und wird der normale Querſchnitt in der
Weiſe gefunden, daß man die aus den beiden Kreuzpunkten nach
dem Gratbogen gezogenen Peripheriewinkel halbirt; ſo ſind z. B. auf
Blatt 4 Fig. 2 auf der rechtsſeitigen Hälfte die Winkel x' f' y', x' d' y',
x' b' y'
halbirt, um die Schnittlinien f' e', d' c', b' a' zu erhalten.
Legt man in der Richtung dieſer Schnittlinien je eine Schnittebene,
welche den Grat und die beiden Kappenhälften zu den Seiten des
Grates ſchneidet, ſo iſt man im Stande, den genauen Querſchnitt an
den betreffenden Stellen zu ermitteln. Betrachtet man beiſpielsweiſe
den Normalſchnitt des Grates in d' c' in der Verticalprojection, ſo
wird dieſe Schnittlinie auf der inneren Leibung des Gewölbes die
Curve n' n' im Grundriſſe geben; die Curve läßt ſich ermitteln mit
Hilfe der angenommenen Mantellinien m m, m' m', m'' m'', m''' m''',
welche durch d' c' geſchnitten werden; hier ſind in beiden Projectionen
für die betreffenden Hilfslinien gleiche Buchſtaben gewählt. Die
Mantellinien laufen in der Verticalprojection parallel der großen
Axe, hier m m, m' m' ꝛc. parallel mit α' β γ'. Wird endlich der Grat-
normalſchnitt in d' c' umgeklappt gedacht, wobei die Hilfslinien n, n',
n'', m'''
in der Verticalprojection zu d' c' eine normale Lage ein-
nehmen, ſo läßt ſich an dieſe umgeklappte Schnittlinie die wirkliche
½ Stein ſtarke Gewölbeſchicht antragen und auch die Gratform leicht
ermitteln, da dieſe ſich der Größe von 1½ Stein Breite und 1 Stein
Höhe anpaßt, und zwar in der Art, daß ſich die Gewölbeſchicht nor-
mal an den Grat anlegt. Auf gleiche Weiſe findet man auch die
Normalſchnitte c' f', b' a' u. ſ. w.


Das Uebertragen der Normalſchnitte aus der Verticalprojection
in die Horizontalprojection geſchieht nach den Elementarregeln der
darſtellenden Geometrie auf einfache Art.


Betrachtet man nun den Grat-Normalſchnitt d' c' in ſeiner wirk-
lichen Form in der Umklappung, wie auch in ſeiner Horizontalpro-
jection, ſo tritt der Grat, ſich nach oben ſtark verjüngend, um nahezu
⅓ ſeiner Höhe über das ½ Stein ſtarke Gewölbe hervor; im Nor-
malſchnitt a' b' dagegen verſenkt ſich der ſonſt aus dem Gewölbe
heraustretende Grat in daſſelbe und nimmt gegen die äußere Leibung
an Verjüngung zu, während in den Normalſchnitten e' f' und g' h'
[416]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
der Grat immer höher, bis zur Hälfte, aus der äußeren Leibung des
Gewölbes ſich emporhebt, und eine ſtets ſteilere Widerlagsfläche an-
nimmt, und dieſe wird bei der Annahme eines ſehr hohen Stiches
endlich eine Neigung annehmen, wie dies am Schlußſteine eines Spitz-
bogens der Fall iſt; der Normalſchnitt in g' h' macht dies klar. Nur
durch eine Reihe von richtig entwickelten Gratnormalſchnitten läßt
ſich ein Kreuzgewölbe abſolut richtig darſtellen. Während in Fig. 3
auf Blatt 4 auf der rechten Seite eine Reihe von Normalſchnitten
entwickelt wurden, iſt auf der linken Seite der Diagonalgrat ſo ge-
zeichnet, als ob die ſich an ihn anſchmiegenden Gewölbeſchichten
fortgeſchnitten gedacht ſind, ſo daß die Form des Grates allein übrig
bleibt und wobei die ſchraffirte Fläche den Schnitt darſtellt zwiſchen
Grat und Gewölbe. In dieſer Darſtellung iſt nun deutlich zu er-
kennen, wie ſich der Diagonalgrat in jeder Schicht ändern muß, um
ſtets die im veränderten Winkel ſich an ihn anlehnenden Gewölbe-
ſchichten normal als Widerlager aufnehmen zu können. Aus dieſer
Entwickelung geht hervor, wie ſchwierig es iſt, ein Kreuzgewölbe im
Rundbogen ſtreng richtig zu conſtruiren, da die einzelnen Steine des
Diagonalgratbogens alle in ihrer Form von einander abweichen. Bei
Annahme des Spitzbogens für dieſe Conſtruktion fielen aber die beim
rundbogigen Kreuzgewölbe entwickelten Schwierigkeiten fort, weil der
Diagonalgratbogen ebenfalls ſpitzbogig wird und, aus einem Centrum
conſtruirt, es ermöglicht, ihn aus lauter gleichen Bogenſteinen aus-
zuführen. Nach der Entwickelung der richtigen Form der Diagonal-
grate laſſen ſich dieſelben nun auch genau in die Horizontalprojection
übertragen, wie dies auf Blatt 4 Fig. 3 geſchehen iſt. Ferner laſſen
ſich dann auch die Durchſchnitte I — II und III — IV in Fig. 1 und 2
auf Blatt 5 ermitteln.


Im Durchſchnitte nach I — II iſt i k die ſteigende Axe des Ge-
wölbetheils E, und k m der ſpitzbogenartig aufſteigende elliptiſche
Grat, und dieſer läßt ſich am einfachſten beſtimmen, indem man die
Längen von n, o, p, q, r und s von der Kämpferlinie l k aufwärts
abträgt. Im Durchſchnitte III — IV ergiebt ſich der Punkt t des
Diagonalbogens durch eine vertical gezogene Hilfslinie t' t', während
ſich die Höhen von u und v in u' und v' Fig. 3 auf Blatt 4 finden
laſſen; der Schnitt t v des Gewölbetheiles G durchdringt den Ge-
wölbemantel in gerader Linie, und entſpricht hier in ſeiner Gewölbe-
ſchnittſtärke der Höhe von w' w'', wie dies die Hilfsfigur 3 auf Blatt 5
[417]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
am beſten erklärt. Der Schnitt von t nach z gehört dem ſteigenden
Tonnengewölbe F an, deſſen ſteigende Axe mit i l zuſammenfällt; die
Schnittlinie, ein Halbkreisſtück bildend, hat ihren Mittelpunkt in z',
gleich hochliegend mit z''. Der vom Scheitelpunkt des Gewölbes ab-
wärts laufende Grat wird nach Fig. 3 auf Blatt 5 (linke Seite) richtig
dargeſtellt. Die horizontal ausgeführte Hintermauerung in den vier
Ecken des Gewölbes (Fig. 1 auf Blatt 5) bildet die Curven π ρ, da
hier aufſteigende Cylinderflächen mit einer horizontalen Ebene ge-
ſchnitten werden.


Wie aus der vorſtehenden Schilderung hervorgeht, kann man den
Verband des Grates nur für eine ganz beſtimmte Stelle angeben;
Fig. 428 — 430 veranſchaulicht verſchiedene Anordnungen für ½ — 1

Figure 428. Fig. 428.


Stein ſtarke Kappen; in Fig. 428 iſt der Grat 1 Stein, in Fig. 430
1½ Stein breit.


Figure 429. Fig. 429.

Die Kreuzgewölbe haben in der Regel nur ½ Stein ſtarke Kappen
und 1 Stein hohe Grate; für ſtark belaſtete (beiſpielsweiſe bei h[o]her
Wanderley, Bauconſtr. II. 27
[418]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Erdanſchüttung) Gewölbe ſind 1 Stein ſtarke Kappen und 1½ Stein
hohe Grate nothwendig.


In Fig. 431 u. 432 veranſchaulichen wir einen ſolchen Fall; das
Kreuzgewölbe iſt flach und mit etwa 3m hoher Erdanſchüttung bedeckt.

Figure 430. Fig. 430.


Den genauen Verband giebt die Zeichnung an; der Verband in der
Mitte des Grates iſt derſelbe wie in Fig. 430.


Die Einwölbung auf den Schwalbenſchwanz geſchieht freihändig
ohne ein verſchaltes Lehrgerüſt, und nur mit Zuhilfenahme einiger
Diagonallehrbögen.


Die Einwölbung auf [den] Schwalbenſchwanz aus freier Hand iſt
bereits im Mittelalter ganz allgemein bei ſpitzbögigen Kreuzgewölben
folgendermaßen üblich geweſen:


Die Kappen beſtehen aus einzelnen horizontalen Schichten,
deren jede eine kleine Ausbauchung hat, mithin ein kleines Gewölbe
für ſich bildet, ſobald deſſen Endpunkte ihr gehöriges Widerlager
haben. Da nun die Lagerflächen der einzelnen Schichten eines regel-
mäßigen Spitzbogens, d. h. eines ſolchen, der um ein gleichſeitiges
Dreieck beſchrieben iſt, ſich ſehr langſam von der Horizontallinie ent-
fernen und ſelbſt am Schluſſe mit dieſer nur einen Winkel von
60 Graden machen, ſo iſt die Adhäſion jedes einzelnen Gewölbſteines
von nicht allzugroßem Kaliber, wie Back- oder ähnliche Steine zu
haben pflegen, zur Mörtellage hinreichend, um das Herabgleiten der ein-
zelnen Steine vor dem Schluſſe dieſer Schicht zu verhindern; es hat
daher keine Schwierigkeit, jede einzelne Schicht ganz aus freier Hand
aufzuſetzen und gegen die Widerlager zu ſchließen, auf jeder bereits
geſchloſſenen, alſo bereits unwandelbar feſtliegenden Schicht aber eine
[419]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
neue zu beginnen und ſo bis zum gänzlichen Schluß des ganzen
Gewölbes fortzufahren. Es bedarf mithin nur feſter Widerlager für
die Endpunkte jeder Schicht.


Widerlager können nun nicht allein aus feſten Punkten, z. B. den
Außenmauern beſtehen, ſondern auch eben ſo gut aus dem Gegen-

Figure 431. Fig. 431.


Figure 432. Fig. 432


druck einer anſtoßenden Schicht; ſind daher die Grat- oder Diagonal-
linien dieſer Gewölbe, d. h. die Abtheilungslinien der einzelnen Felder,
gehörig unterrüſtet, ſo halten die zuſammenſtoßenden Schichten ein-
ander fortwährend im Gleichgewicht, es bedarf alſo ebenfalls keiner
27*
[420]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
weiteren Vorkehrung, als ſämmtliche Schichten in den einzelnen Ho-
rizontal-Ebenen zugleich oder doch beinahe gleichzeitig auszuführen,
d. h. alle Schichten jedesmal rundum abzugleichen. Es iſt mithin bei dieſer
Art Kreuzgewölbe im Grunde dieſelbe Prozedur, wie bei Kugelge-
wölben, wo jede Schicht als Ring in ſich geſchloſſen, allmählig ein
Ring auf den andern gelegt, und ſo am Ende die Kugel ſelbſt ge-
ſchloſſen wird, nur haben bei dieſen Kugeln die oberen Schichten
ſteilere Lagerflächen, die Steine können daher ohne Anwendung an-
derer Hülfsmittel nicht mehr liegen bleiben, ſondern würden gleich
beim Auflegen heruntergleiten, wenn man es [nicht] auf andere Weiſe
verhinderte. Das geſchieht nun höchſt einfach durch einige ſtarke
Schnüre, welche oberhalb und etwas rückwärts von der zu wölbenden
Schicht befeſtigt, als Senkel herunterhängen und durch einige unten
angebundene Steine belaſtet ſind (ſiehe ein ähnliches Verfahren in Fig. 373
d. Bandes). Sowie ein Stein gelegt und durch einen mäßigen Schlag
mit dem Mauerhammer etwas gegen ſeinen Vorgänger angetrieben
iſt, wird ſogleich eine dieſer Schnüre vor denſelben gedrückt, wo nun
der durch das Gewicht des eingeknüpften Steines hervorgebrachte
Gegendruck, verbunden mit der Anziehung des Mörtels, hinlänglich
iſt, um dieſen Stein ſo lange zu halten, bis er durch die Stoßfuge des
nächſten Steines hinreichend feſtgehalten, und dieſer abermals durch
die vorgerückte Schnur gegen das Herabgleiten geſichert wird.


Sehr häufig finden ſich auch über alten Kirchen Kreuzgewölbe,
wo die Diagonallinien aus Halbkreiſen beſtehen, alſo die rechtwink-
ligen Linien, wie auch die Abtheilungslinien bei zuſammengeſetzten
Gewölben, etwas gedrückte Spitzen bilden, deren Radien gewöhnlich
¾ auch zuweilen nur ⅔ des Durchmeſſers gleich ſind; hier tritt nun
bei den oberen Schichten dieſelbe Schwierigkeit ein, und wahrſcheinlich
hat man ſich auf dieſelbe oder ähnliche Weiſe geholfen; zuweilen be-
merkt man auch ein Hinterwölben jener Schichten, wovon ſpäter bei
Beſchreibung des Gewölbeſchluſſes die Rede ſein wird.


Der einzige Unterſchied zwiſchen dieſen alten Kreuzgewölben und
den gewöhnlichen nach Fig. 426 beſteht alſo einzig darin, daß die letzteren
durch Bewegung zweier horizontalen geraden Linien über vier paar-
weis gegenüberſtehende Bogen gebildet werden, mithin alle horizontale
Linien in dem Gewölbe gerade Linien ſind und jede Schicht als
ſcheitrecht liegendes Gewölbe conſtruirt werden muß, um ſich frei zu
tragen, was ein ſehr ſorgfältiges Zuhauen aller Steine und eine
[421]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
anſehnliche Dicke des Gewölbes erfordert, ſtatt daß in jenen alten
gar keine gerade Linie vorkommt, weil jede Schicht in einer etwas
nach Außen gekrümmten Linie gelegt wurde, mithin ungleich weniger
Arbeit und geringere Dicke erfordert und dennoch einen weit feſtern
Bogen abgiebt. Ein einfaches Kreuzgewölbe nach dem Profil Fig. 433

Figure 433. Fig. 433.


Figure 434. Fig. 434.


und nach der Linie a b horizontal durchſchnitten, bildet alſo eine recht-
winklige Zuſammenſetzung gerader Linien, wie Fig. 434, anſtatt das
andere, nach Fig. 435, aus Curven beſteht, welche mit ihren End-

Figure 435. Fig. 435.


punkten c c gegen die Umfaſſungsmauern ſchieben, auf den Diagonal-
linien d d aber, mit ihren andern Endpunkten auf zwei ſich kreuzende
Rüſtbögen e e ruhend, ſich wechſelſeitig im Gleichgewicht halten, bis
durch Schließung des Gewölbes vollſtändige Diagonalbögen entſtehen,
welche ſich nunmehr ſelbſt tragen und das Wegnehmen der beiden
Rüſtbögen geſtatten. Das Schließen der einzelnen Felder iſt in den
alten Gewölben auf die in Fig. 436 verzeichneten Weiſe bewerkſtelligt,
auch ſind die letzten Schichten gewöhnlich etwas hinterwölbt, d. h. die
[422]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Lagerfugen flacher und nicht ſo ſteil, als es der regelmäßige Fugen-
ſchnitt erfordert und wie es jenes Herabgleiten der Steine herbeiführen
würde. Zugleich vereinigen ſich die beiden Schenkel des Spitzbogens
nur bei den Rippen oder Graten, nicht aber in den Zwiſchenfeldern,

Figure 436. Fig. 436.


Figure 437. Fig. 437.


in eine Spitze, wie beim reinen Spitzbogen, ſondern bilden hier viel-
mehr die Hälfte einer ſehr ſchlanken Ellipſe. Oft hat das Mauer-
ſchild ſchon dieſe Form, ja faſt überall wo an dieſer Stelle keine
Gräten oder profilirte Verzierungen angebracht ſind. Der Scheitel
jener Zwiſchenfelder ſteht darum noch höher wie die Spitze der Gräten,
und bildet wieder einen flachen Bogen von dieſen zur Mauer, wie
aus dem Durchſchnitt Fig. 438 erſichtlich iſt.


Nicht immer liegen endlich die einzelnen Schichten horizontal; ſehr
oft ſteigen ſie nach Fig. 437 von den Diagonalgräten ziemlich ſteil
gegen die Mauern an, zuweilen ſogar unter einem Winkel von 45 Grad.
Wahrſcheinlich iſt dies geſchehen, um den Schub von letztern mehr auf
die Rüſtbögen der erſtern zu conſtruiren, und hier in einen faſt ſenk-
rechten Druck zu verwandeln. Vielleicht auch um den einzelnen Schich-
ten eine größere Ausbauchung, mithin eine größere Stärke zu geben.
Selbſt geradlinige Kreuzgewölbe, ja wahrſcheinlich ſogar Tonnenge-
wölbe, würden ſich auf dieſe Weiſe ausführen laſſen, indem nunmehr
alle Schichten ſchiefe Schnitte eines Eylinders bilden, mithin aus
einzelnen elliptiſchen Bogen beſtehen.


Wenn bisher der leichtern Ueberſicht halber nur von einfachen,
einzelne quadratiſche ringummauerte Räume bedeckenden Gewölben die
Rede war, ſo bedarf es doch kaum der Bemerkung, daß genau daſſelbe
[423]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
Prinzip allen zuſammengeſetzten Gewölben zum Grunde liegt, ſei es,
daß eine Reihe einzelner Gewölbe zur Bedeckung eines Oblongums
zuſammenſtoßen, oder daß mehrfache Reihen Gewölbefelder nebenein-
ander liegen und von Säulen getragen werden. Es findet alsdann
nur der Unterſchied ſtatt, daß nicht allein die Diagonallinien der
einzelnen Felder, ſondern auch die Quer- und Längenabtheilungs-
linien derſelben eingerüſtet werden, und daß auch die Säulen, wenn
deren Abſtände unter ſich, ſowie gegen die Umfaſſungsmauern ungleich

Figure 438. Fig. 438


ſind, wie es faſt in allen Kirchen der Fall iſt, vor der Ueberwölbung
eine gewiſſe Stabilität erhalten müſſen, indem dann der Schub der
umgebenden Gewölbe ebenfalls ungleich iſt, und ſie mithin ſich nicht
mehr wechſelſeitig im Gleichgewicht halten, und ihr Schub ſich nicht
mehr in einen rein ſenkrechten Druck auf die Säulen auflöſet. Dazu
dient nun jene maſſive Mauer, die von den Bögen getragen wird,
welche die Säulen nach der Länge des Schiffes verbinden, außerdem
ihre Endwiderlager gegen die hier angemeſſen verſtärkte Umfaſſungs-
mauer haben, und mittelſt der Mauer einen großen Theil des Daches
tragen, mithin durch ihr eigenes Gewicht, verbunden mit dem des
Daches, einen mächtigen Druck auf die Säulen ausüben, der mehr
als hinreichend iſt, denſelben die erforderliche Stabilität zu verleihen,
um den ungleichen Schube leichter Gewölbe zu widerſtehen.


[424]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Hinſichtlich der buſenförmigen Aufwölbung ſei noch bemerkt, daß
die mannigfachſten Formen vorkommen, wie die Fig. 439 in mehreren
Beiſpielen veranſchaulicht.


Figure 439. Fig. 439.

3. Das unter ad 4 beſprochene ſogenannte gothiſche Kreuzge-
wölbe mit ſelbſtſtändigen Graten (Rippen), die aus verklammerten
Werkſteinſtücken beſtehen, beruht auf dem Prinzip, daß die vor-
her aufgeſtellten Rippen die Widerlager für die einzuwölbenden
Kappen, deren Lagerfugen normal gegen die Rippen gerichtet ſein
müſſen, bilden. Sobald der Rippenbogen, der bei ſpitzbogigen Ge-
wölben meiſtens ein Halbkreis iſt, unwandelbar feſtſteht, wird ein
Einſturz der Kappen nicht zu befürchten ſein, ſollte jedoch ein Ver-
ſchieben der einzelnen Lagerfugen dennoch ſtattfinden, ſo kommt die
ganze Gewölbemaſſe in Bewegung. Bei Backſteindiagonalbögen kann
eine ſolche Rutſchung (falls die Stärke des Gratbogens nicht genügend
angelegt iſt) wohl geſchehen und zwar beſonders bei Kreuzgewölben
ohne ſelbſtſtändige Rippen, hängt die ganze Stabilität von der gegen-
ſeitigen Stützung der Gewölbekappen ab, die nicht einmal gegen die
Lagerflächen drücken.


Dieſe Mißſtände der gewöhnlichen Einwölbungsart der Kreuzge-
wölbe wohl erkennend, war man bei den Feſtungswerken in Mainz,
beſonders in dem Proviantmagazin zu Kaſſel, darauf bedacht, den
Lagerfugen in den Gewölbekappen, alſo auch im Grat, einen mit den
[425]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
Normalen der Ellipſe (Halbkreis-Kreuzgewölbe) gleichen, beziehungs-
weiſe wenig verſchiedenen Winkel durch eine nach dem Grat hin ſich
bogenförmig ſenkende Lagerfugenrichtung zu geben.


Dies wird dadurch erreicht, daß man die in gleicher Höhe befind-
lichen Lagerfugen der beiden nachbarlichen Tonnengewölbe an Kreis-
bögen tangiren läßt, die alle ihren Mittelpunkt im Stützpunkt*)
(Widerlagspunkt) der Diagonalbogenlinie haben (Fig. 440 und 441).
Die praktiſche Ausführung wird bewerkſtelligt, indem man auf der

Figure 440. Fig. 440.


Schalung die Lagerfugen der Tonnengewölbe verzeichnet und von
den Punkten x aus (für jeden Quadranten) vermittelſt einer Schnur,
an deren Ende ein Stück weiße Kreide gebunden iſt, die Tangirungs-
kreiſe beſchreibt.


Die Punkte a, b, c, d, … l im Kreisbogen bedeuten die Lager-
fugen des Tonnengewölbes und ſind in gleicher Bogenlänge auch in
die drei, durch Schnitte im Kreuzgewölbe nach den Richtungen A B,
A C, A D
entſtandenen Ellipſen A' — B', A' — C', A' — D' eingetragen,
deren Horizontalprojectionen dann, in die Horizontalprojectionen der
entſprechenden Schnitte gebracht, die theilweiſe eingeſchriebenen Curven-
punkte in der Horizontalprojection ergeben, wie dies für den Punkt h
dargeſtellt iſt. In der Verticalprojection iſt nur der Endpunkt der
Curve h durch Auftragen von A K und h h' eingezeichnet. Die Linie
h F bezeichnet die Richtung der nach der beſchriebenen Methode be-
ſtimmten Lagerfuge. Die Linie h H bezeichnet die Lagerfugenrichtung
nach der alten Einwölbungsmethode.


Was nun die weitere Conſtruktion des hier in Rede ſtehenden
Gewölbebeiſpiels betrifft, ſo erhielt das ganz mit Erde überſchüttete
[426]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Gewölbe drei Steine zur Stärke. Die Kreuzgewölbe ſind durch die
in den Widerlagern der Tonnengewölbe angeordneten Thoröffnungen,
von der Spannweite der Tonnengewölbe, entſtanden.


Um die in der Nähe des Diagonalbogenfußes befindlichen, ſtark
gekrümmten Tangirungsbögen ſind in den Kappen, bis zu ⅓ der

Figure 441. Fig. 441.


Gewölbelänge, die Läuferſchichten gänzlich fortgeblieben und, die ver-
hauenen Gratſteine abgerechnet, ausſchließlich ſtehende Binderſchichten
angewendet worden; in dem oberen ⅔ Theil des Gewölbes wechſeln
aber Binderſchichten mit Läuferſchichten ab. Die drei letzten Scheitel-
ſchichten des Tonnengewölbes gehen in gerader Richtung auch in den
Scheiteln der Kappen durch und wölbt man die dann noch offenen
Gewölbetheile derartig zu, daß die Schichten concentriſch mit den
Tangirungsbögen bleiben und ſich gegen die durchgehenden Scheitel-
ſchichten anlegen.


4. Die Kreuzgewölbe mit Rippen beſtehen aus einem Ge-
ſtelle von Steinbögen, ſogenannten „Rippen“, auf welchen das
eigentliche Gewölbe oder die Geſtellausfüllung (Kappen) ruht. Hierin
[427]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
iſt der Unterſchied dieſer Gewölbegattung von allen anderen Gewölben
ausgeſprochen, bei welchen die gewölbte Oberfläche der beſtimmte
Factor und zugleich der einzige Gegenſtand iſt, auf welchen Rückſicht
genommen wird. Bei den Rippengewölben iſt die gewölbte Oberfläche
nebenſächlich, nur Ausfüllung, daher auch untergeordnet und liegt der
beſtimmende Zug in den Rippen.


Die Rippen treten an dem Intrados hervor und ſind meiſtens
profilirt. Aber nicht allein die Grate werden aus Rippen gebildet,
ſondern auch diejenigen Theile, welche zwei nebeneinander befindliche
Gewölbe von einander trennen, haben vorſpringende Profile. Hier-
nach unterſcheidet man:


  • erſtens: Diagonalrippen,
  • zweitens: Querrippen, Quergurte, Transverſalrippen,
  • drittens: Longitudinalrippen, Längengurte,
  • viertens: Schildbogenrippen, Wandrippen, Wandgurte.

Eine einfache Gewölbeanlage dieſer Art zeigt Fig. 442; es iſt hier
ein langer Raum dargeſtellt, der in der Querrichtung in rechteckige
Felder mittelſt Querrippen eingetheilt wurde; neben dem Fuße der
Querrippen ſteigen die Diagonalrippen empor, welche im Scheitel des
Gewölbes gegen einen Kranz B (Schlußſtein) ſtoßen. Alle Rippen ſind
ſpitzbogig und bilden ein feſtes Gerüſt; die dreieckigen Felder innerhalb
dieſes Steinſcelettes werden mit Kappen ausgefüllt. Letztere haben
buſenförmige Aufwölbungen, die meiſtens nach Kreisbögen gebildet
ſind. Der Querſchnitt iſt an der rechten Seite durch die Querrippen
gedacht.


Ein bedeutend größeres Beiſpiel erkennen wir in Fig. 443, welche
die Deckenconſtruktion der St. Catharinen-Kirche zu Lübeck darſtellt.
A giebt den Querſchnitt der dreiſchiffigen Hallenkirche, B den Längen-
ſchnitt; rechts in demſelben (bei c) iſt der Chorraum. Die Gewölbe
ſetzen ſich auf ſehr kräftige Bündelpfeiler und werden der Länge nach
durch zwei ſpitzbogige Gurtbogen mit 6,7m weiten Axen getrennt.
Der mittlere Theil iſt 10m breit, die beiden Seitenſchiffe ſind je
4,5m breit. In der Querrichtung werden die Gewölbe durch 6,7m
auseinander ſtehende Querrippen getrennt. Die Querrippen des
Mittelſchiffes ſind halbkreisförmig, die der Seitenſchiffe ſpitzbogig und
geſtelzt.


Der Vorſprung der Rippen hängt von der Spannweite und dem
Material ab. Die kleinſten Werkſteinrippen für den Grat erhalten
[428]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 442. Fig. 442.


[429]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
circa 12zm Breite und 23zm Höhe; Backſteinrippen unterliegen in der
Größe dem Ziegelformat.


Figure 443. Fig. 443.

Die Gurtbögen ſind bedeutend breiter und oft weiter vortretend,
als die Rippen, weil erſtere zur Verſtrebung der Pfeiler dienen. Die
[430]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Schildbogenrippe kann ſich, wenn ſie überhaupt vorhanden iſt, ſtumpf
gegen die Mauer legen oder in dieſe eingebunden ſein (ſiehe s in
Fig. 443 A).


Die Einwölbung der Kappen geſchieht entweder auf den Kuf,
ringförmig, normal zur Gratlinie oder normal zu der Bogenlinie,
die den Winkel, welchen die Gratlinie und die Schildbogenlinie bilden,
halbirt.


Die beiden letzten Einwölbungen ſind die gewöhnlichen, wobei die
Leibung eine doppelt gekrümmte Fläche wird und die Kappen etwas

Figure 444. Fig. 444.


Figure 445. Fig. 445 A — C.


Figure 446. Fig. 446.


Figure 447. Fig. 447.


„Buſen“ erhalten. Die Rippen werden meiſtens aus Sandſtein ge-
fertigt, und bedient man ſich hierbei der in Fig. 444 und 445 A — C
[431]Die Conſtruktion der Kreuzgewölbe.
gegebenen Formbildung. Damit die Kappe ein ſicheres Auflager
erhalte, werden die Rippen gefalzt. Die Anordnung in Fig. 444 iſt
für kleine Gewölbe brauchbar, während Fig. 445 C keine Nachahmung
verdient.


Im Scheitel vereinigen ſich die Diagonalrippen an einem beſon-
ders bearbeiteten Schlußſtein (Fig. 446), der vielfach mit einer herab-
hängenden Blume verziert oder auch ringförmig und hohl geſtaltet
wird.


Am Fuße ſetzen ſich die Rippen meiſtens auf Säulenkapitäle oder
Kragſteine, und werden, da ſie dicht nebeneinander ſtehen, aus einem
einzigen Werkſteine hergeſtellt (Fig. 447).


Kleinen, in Ziegeln ausgeführten Rippen-
gewölben giebt man auch häufig Formſtein-
rippen, welche aus einzelnen Formſteinen im
Verbande zuſammengeſetzt werden (Fig. 448 a b).


Die Einwölbung mit nach unten vortreten-
den Rippen findet beſonders bei größeren Ge-
wölben Anwendung; ſie iſt auch die einfachſte,
da im Grat eine Verbindung der Kappen
nicht ſtattfindet, und gewährt den Vortheil,
daß für die tragenden Rippen ein feſteres

Figure 448. Fig. 448.


Material, für den getragenen Kappen ein leichteres Material ver-
wendet werden kann.


Durch die Rippenconſtruktion werden die Bogenlinien vollſtändig
unabhängig von einander und findet zunächſt eine bedeutende Stechung
(Ueberhöhung) des Durchſchnittspunktes der Scheitellinien ſtatt, welche
Anordnung indeſſen auch ohne vortretende Rippen möglich iſt. In
den gothiſchen Kirchen beſteht die Ueberhöhung oft ⅓ der Diagonale.


Die Einwölbung geſchieht ohne Schalung; es genügt ein Grat-
bogenlehrbogen; beim Wölben darf man die Steine nur mit der
Hand andrücken, da durch Schlagen mit dem Hammer die anderen
Schichten ſich leicht ablöſen. Alle Kappen werden gleichzeitig von
unten herauf gewölbt. Sehr lange Rippen ſoll man bis zur voll-
ſtändigen Einwölbung der Kappen durch Querbögen oder Abſteifungen
gegen ſeitliches Verſchieben ſichern.


c) Die Verwendung der Kreuzgewölbe findet in allen
Räumen von beliebiger Grundform ſtatt; bald hält man ſie zweck-
mäßig in Kelleranlagen, bald eignen ſie ſich zur Ueberdeckung von
[432]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Veſtibüls, Corridoren, Hallen und Sälen. Am häufigſten trifft man
ſie in Kirchen an, denn da die Kreuzgewölbe die Eigenſchaft haben,
ihre Laſt nur auf einzelne Stützpunkte, die ſich kräftig ausbilden laſſen,
zu übertragen, dagegen das übrige Schildmauerwerk durchaus nicht
in Anſpruch nehmen, iſt man im Stande, das letztere nicht nur relativ
dünn zu machen, ſondern auch mit großen Fenſteröffnungen zu durch-
brechen.


Sollen größere Räume mit Kreuzgewölben überdeckt werden, ſo
muß man ſie, ebenſo wie bei böhmiſchen Gewölben, mittelſt Gurten
in kleinere Felder mit höchſtens 5m beſſer 3 — 4m Seite zerlegen
(Fig. 449).


Die Pfeiler s bleiben entweder ganz viereckig oder erhalten ½ —
1 Stein ſtarke Vorſprünge, wie in der Figur angegeben iſt, damit

Figure 449. Fig. 449.


die Gurten zweckmäßige Auflager erhalten. Die Bögen t trennen die
einzelnen Kappen auseinander und ſpringen etwa ½ Stein an dem
Intrados vor; dieſe Bögen nennt man „Schildbögen.“


In den Kellern der Wohngebäude iſt für die Pfeileranordnung
die Stellung der Wände maßgebend, welche, ſofern ſie nur 1½ Ziegel
ſtark ſind, an den Endpunkten der Kreuzgewölbe mit Pfeilervorlagen
verſtärkt werden müſſen. Im Allgemeinen pflegt man in Wohnhaus-
kellern ſelten die Kreuzgewölbe anzulegen, und nur über Kellerräumen
unter großen Sälen ſind ſie zweckmäßig, weil man hier gleichmäßig
geſtaltete und gleich große Felder ſchaffen kann. So z. B. ſehen wir
in Fig. 450 den Keller eines großen freiſtehenden Gebäudes; über den
[433]Die Verwendung der Kreuzgewölbe.
Räumen R R befinden ſich große Säle, welche mit böhmiſchen Kappen
(preußiſchen Platzeln) überwölbt ſind. Nach der Stellung der hierzu

Figure 450. Fig. 450.


erforderlichen Pfeiler, richtet ſich auch die Pfeileranordnung im Keller.
Sowohl oben als unten ſind die Felder quadratiſch, oben 3,75m,
unten 3,2m breit. Die Pfeilerſtärke beträgt in der Parterreetage 0,5m,
im Kellergeſchoß 0,9m.


Wanderley, Bauconſtr. II. 28
[434]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Fig. 451 giebt den Querſchnitt durch den einen Gebäudeflügel nach
der Schnittlinie a b, und macht das Wölbſyſtem beider Geſchoſſe genau

Figure 451. Fig. 451.


erſichtlich. Um den Keller möglich nutzbar zu machen, ſind flache
Kreuzgewölbe mit geraden Scheitellinien gewählt. Der ganze Keller
iſt mit Kreuzgewölben überdeckt worden; in den Seitengängen s und
Flügeln R ſind die Gewölbe über quadratiſche Räume geſpannt, die
übrigen Räume und Gänge ſind mit einigen Ausnahmen rechteckig im
Grundriſſe.


Bei beſchränktem Kellerraum ließe ſich auch noch der Hof (H) mit
Kreuzgewölben in der Weiſe unterkellern, daß man in der Quer- und
Längenrichtung Gurtbögen gegen Pfeiler ſpannt und die ſo entſtan-
denen Felder mit Kreuzgewölben ausfüllt.


In den oberen Geſchoſſen finden die vollen Kreuzgewölbe meiſtens
nur bei ſtarker Deckenbelaſtung und kräftigen Pfeilerwiderlagern Ver-
wendung; ſo z. B. über Siedehäuſern in Brauereien. Fig. 452 giebt
einen ſolchen Fall aus dem Brauereigebäude von E. Wagner in Berlin;
der Raum iſt der Länge nach mittelſt Halbkreisgurten in zwei Schiffe
von je 4,9m Breite getheilt; die Gurten ſtehen auf eiſernen Säulen.
In der Längenrichtung werden die Gewölbe durch Schildbögen s von
[435]Die Verwendung der Kreuzgewölbe.
einander getrennt. Die Kreuzgewölbe ſind vollſtändig halbkreisförmig
und haben etwas anſteigende, ½ Ziegel ſtarke Kappen.


Figure 452. Fig. 452.

In beſſer eingerichteten Räumen pflegt man den Kappen eine
buſenförmige Aufwölbung nach einer in Fig. 439 gezeigten Manier zu
geben. In Veſtibüls, Gängen der gothiſchen Gebäude u. ſ. w. ſind dieſe
Gewölbeformen ſehr beliebt und effectvoll. Die Fig. 453 und 454
veranſchaulichen einen Theil des Oekonomiegebäudes der Strafanſtalt
in Aachen (entworfen von Cremer), in welchem einige Räume, nämlich
die Koch- und Waſchküchen, mit ſolchen Gewölben überdeckt ſind.
Das Gebäude iſt einſtöckig, im Kellergeſchoß ſind nur preußiſche Kappen-
gewölbe gegen flache Gurte geſpannt. Das Erdgeſchoß gagegen
enthält ſowohl Kreuzgewölbe, als auch preußiſche Kappen, die theil-
weiſe auf Traverſen ruhen (ſiehe Plättſtube in Fig. 454). Die Koch-
küche iſt 9,4m lang und 6,5m breit; ihre Decke wird mittelſt Quer-
und Längengurten, welche ſich in der Mitte auf Sandſteinſäulen
ſtützen, in ſechs quadratiſche Felder zerlegt, deren Ausfüllung im
Querſchnitt Fig. 453 verdeutlicht iſt. Theils um die Widerlager zu ver-
ſtärken, theils des beſſeren Ausſehens wegen, ſind an den Stellen,
28*
[436]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 453. Fig. 453.


Figure 454. Fig. 454.


[437]Die Verwendung der Kreuzgewölbe.

Figure 455. Fig. 455.


[438]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
wo die Gurte ſich gegen die Wände ſtützen, Pfeilervorlagen angelegt.
In ähnlicher Weiſe erfolgte die Ueberwölbung der Waſchküche mit
vier rechteckigen Kreuzgewölben. Die Widerlagsſtärke beträgt incl.
der Pfeilvorlage durchweg ¼ der Gurtbogenſpannweite. In der
Kochküche ſind die Kreuzgewölbe 2,75m weit, in der Waſchküche 2,6m
breit, 4,2m lang. In letzterer ſind die Längengurte elliptiſch ge-
formt.


Die Kreuzgewölbedecke in Fig. 455 hat mit dem vorgenannten
Beiſpiele einige Aehnlichkeit.


Der mittlere Theil hat 5,6m in der Breite, die beiden Seiten-
ſchiffe ſind 7,6m breit. Der Halbkreisbogen des mittleren Ganges
liegt der Form der übrigen Bögen zu Grunde und ſind dieſe
nach der Korbbogenlinie gebildet. Bei allen Gewölben liegt der
Scheitelpunkt ebenſo hoch wie der höchſte Punkt der Schildline,
und hat die Scheitellinie einen geringen Buſen. Auf den ½ Ziegel
ſtarken, mit Graten verſehenen Kappen ruht keine Belaſtung, da die
Fußbodenbretter des oberen Geſchoſſes mittelſt Balken, die von Gurt-
bogen zu Gurtbogen reichen, unterſtützt werden.


In Veſtibüls kommen die Kreuzgewölbe in allen Formen vor;
die nachſtehenden Beiſpiele veranſchaulichen einige Anlagen, welche
für ähnliche Fälle als Vorbild dienen können. Das erſte Beiſpiel
zeigt den Eingang eines öffentlichen Gebäudes; Fig. 456 giebt den
Grundriß des Veſtibüls und Fig. 457 den Längenſchnitt zu dem-
ſelben. Das Veſtibül hat eine Länge von 12,7m und eine Breite
von 8,7m, es iſt überdeckt mit zwölf quadratiſchen, ganz flachen
Kreuzgewölben. Auch die Kellerräume ſind mit ganz ähnlichen Ge-
wölben verſehen, wie im Längenſchnitt Fig. 457 erſichtlich iſt. Die
flachen Gurtbögen ſetzen ſich auf Sandſtein-Säulen. Das Veſtibül
beſteht eigentlich aus zwei Theilen; der Fußboden des vorderen Theils
liegt nur 0,3m über dem Straßenpflaſter, und muß man, um zum
hinteren und größeren Theil zu gelangen, ſieben Stufen hinaufſteigen.
Alles Uebrige iſt aus den Zeichnungen zu erſehen und ohne Text
hinreichend verſtändlich.


Die in den Fig. 458 A—B in Längen-Querſchnitten dargeſtellte
Veſtibülanlage hat neun flache Kreuzgewölbe von je 3,6m Breite und
4,2m Länge, welche ſich auf vier Granitſäulen ſtützen. An den
Wänden wurden Schildbögen angelegt, welche theils zum Schmucke,
theils zur Verſtärkung der Widerlager dienen. Das Veſtibül macht
[439]Die Verwendung der Kreuzgewölbe.
einen ſtattlichen Eindruck, der beſonders durch die Höhe des Rau-
mes (6,5m) und durch die Treppenanlage nach dem Corridor hervor-

Figure 456. Fig. 456.


gerufen wird. Auch die Kellerräume enthalten theilweiſe flache Kreuz-
gewölbe. Fig. 458 A giebt den Querſchnitt und B den Längenſchnitt
des Veſtibüls.


Die Gewölbeanlage des Gymnaſiums zu Anclam (entworfen von
Stühler) hat mit den vorſtehenden [Beiſpielen], beſonders mit Fig. 458,
einige Aehnlichkeit (Fig. 459); im Aufriß finden wir in der Ge-
wölbeform (Fig. 460) aber eine Abweichung, indem über dem Veſtibül
flache ſpitzbögige (Tudorbögen) Kreuzgewölbe vorhanden ſind; außer-
dem wurden die langen Felder a und b mit ſchmalen, flachſpitzbogigen
Tonnen überdeckt, weil, zumal an der Façadenmauer, für die Gurt-
bögen des Kreuzgewölbes keine Stützpunkte vorhanden ſind. Hier-
durch entſteht allerdings auch der Uebelſtand, daß die äußeren Fenſter-
und Thüraxen mit den Axen der Gewölbe nicht harmoniren und
dem ganzen Veſtibül die organiſche Entwickelung fehlt.


Die Anordnung der ſpitzbogigen Rippen-Kreuzgewölbe veran-
ſchaulicht Fig. 461, welche den Eingang der Liebfrauenkirche in
[440]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 457. Fig. 457.


[441]Die Verwendung der Kreuzgewölbe.
Münſter (Weſtphalen) darſtellt. Der Eingang hat eine quadratiſche
Form mit 8,7m Seite und iſt mit einem achtſeitigen Kreuzgewölbe

Figure 458. Fig. 458 A—B.


bedeckt. Zu dieſem Behufe ſind in den Ecken die Gurtbögen b er-
forderlich, gegen welche ſich die Eckkappen anlegen. Sämmtliche Sand-
ſteinrippen beginnen über kleinen Halbſäulen und vereinigen ſich am
Scheitel in einem Sandſteinkranz.


d)Das Verzeichnen der Kreuzgewölbe im Grundriſſe
geſchieht in der Weiſe, daß man nur die Horizontalprojectionen der
[442]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Figure 459. Fig. 459.


[443]Die Verwendung der Kreuzgewölbe.

Figure 460. Fig. 460.


Figure 461. Fig. 461.


[444]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Grate angiebt. Die vorſtehenden Beiſpiele, Fig. 454, 456, 459, zeigen
dieſes Verfahren.


e) Die üblichen Dimenſionen der Kappen, Grate und Wider-
lager für Kreuzgewölbe ſind folgende:

Die Widerlagsſtärke beträgt:


  • bei halbkreisförmigen Kreuzgewölben ¼ — ⅙ der Diagonallänge,
  • „ ſpitzbogigen „ ⅕ — 1/7 „ „

Bei Widerlagern, die höher als 2,5—3m ſind, muß man die
Stärke um ⅛ — 1/10 der Widerlagshöhe vermehren.


Figure 462. Fig. 462.

Werden Treppen von Kreuzgewölben unterſtützt, ſo beträgt die
Gewölbeſtärke in den Kappen ½ Stein. Die Grate bekommen bis
[445]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.
2,5m Spannweite 1 Stein, darüber 1½ Stein zur Stärke. Für die
Widerlagsſtärke nimmt man circa ¼ — ⅕ der Diagonale.


Werden größere Räume mit mehreren Kreuzgewölben überdeckt,
dann beſtimmt man nach Rondelet die Stärken der Mittel- und
Zwiſchenpfeiler folgendermaßen (Fig. 462): Man trägt die halbe
Höhe (½ H.) des Pfeilers vom Fuß bis zum Kämpfer von O nach N
theile O N in 12 gleiche Theile und mache die halbe Diagonale
des Mittelpfeilers (O) im Grundriß gleich einem dieſer Theile;
der Pfeiler kann, je nachdem die Räume rechteckig oder quadratiſch
ſind, auch die entſprechende Geſtalt im Grundriß erhalten.


Die Dimenſionen des Seiten-Mittelpfeilers s werden gefunden,
indem man v, wie oben beſchrieben = 1/12 O N, und ferner t p =
2 t s
und x y = 2 v x macht; es entſteht dann ein rechteckiger Pfeiler,
bei dem die Seiten ſich wie 2 : 3 verhalten. Der Eckpfeiler z kann
nach obiger Tabelle beſtimmt werden.


XI.Die Sterngewölbe.

a)Syſteme und graphiſche Conſtruktionen. Aus den
einfachen, nur mit Diagonalrippen verſehenen Spitzbogenkreuzgewölben
entſteht zunächſt das einfache Sterngewölbe, indem jede der vier
Gewölbeflächen durch Mittelrippen nochmals in drei Theile abgetheilt
werden (Fig. 463). Dieſe Zertheilung nimmt nach und nach immer
mehr die Geſtalt eines netzförmigen Rippengewölbes an, indem jede
durch dieſe Mittelrippen entſtandene Gewölbekappe wieder durch andere
Mittel- und Zwiſchenrippen, ſogenannte Lieren, zerlegt werden; man
erhält hierdurch die reichen, ja oft abenteuerlichen Gewölbeformen,
welche im Mittelalter in der ſpätgothiſchen Bauperiode gebräuchlich
waren.


Die einzelnen Rippen heißen vielfach Tiercerons; de l’Orm nennt
ſie (wie in Fig. 463) A Croisée d’ogives, B liernes, C tiercerons
oder tiercerets, D formerets, wenn ſie an der Mauer liegen und
nur das halbe Profil haben, aber arcs doubleux, wenn ſie wie
bei E, die einzelnen Gewölbe abtheilen und darum ein ſtärkeres
Profil erhalten.


Die Geſtalt der verſchiedenen Bögen beim Sterngewölbe hängt
zunächſt vom Grundriſſe des zu überwölbenden Raumes ab;
dieſe kann alle regelmäßigen Formen haben, wobei immer der-
ſelbe Radius für ſämmtliche Bögen beibehalten wird. Denn
[446]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
gerade hier iſt es vom bedeutenden Vortheil, daß die Bögen den-
ſelben Radius, d. h. gleiche Krümmung haben, inſofern ſich in der
Ausführung bei den Rippen immer derſelbe Lehrbogen verwenden
läßt.


Wir wollen nun vor Allem an einem einfachen Sterngewölbe das
Verfahren zeigen, um die verſchiedenen Bogenlinien der Rippen,
Grate u. ſ. w. auf geometriſchem Wege zu finden.


Figure 463. Fig. 463.

Figure 464. Fig. 464.

Fig. 464 ſei der Grundriß eines einfachen Sterngewölbes, a b c
der Horizontalſchnitt des Pfeilers in der Kämpferebene, c F der Schild-
bogen über c G und d e f ein mittlerer Horizontalſchnitt in der Höhe
f g; ferner ſeien die Scheitellinien Horizontal und ſämmtliche Rippen
Kreisſegmente, d. h. nicht aus 2 oder 3 Bögen zuſammengeſetzt.


Um nun die Diagonalrippe über A E zu finden, errichte man in
e und E Senkrechte und mache e t = f g und E H = F G, durch die
drei Punkte b, t und H iſt nun ein Kreisbogen zu legen, der nach
einfacher Conſtruktion gefunden wird. Auf dieſe Weiſe wird die
Mittelrippe über A C conſtruirt und auch die über A B und A D können
ſo gefunden werden, falls die über A D nicht geſtelzt iſt. Da dies
jedoch hier der Fall iſt, ſo muß auch die Mittelrippe über A B geſtelzt
werden.


Um vor Allem die Rippe über A D zu finden, iſt die Höhe der
ſenkrechten Stelzung a s anzunehmen, dann errichte man in d eine
[447]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.
Senkrechte und mache d q = f q, ferner D K = F G, und beſchreibe
durch die drei Punkte s, q und K einen Kreisbogen. Um ſchließlich
die Mittelrippe über A B zu finden, errichte man in k, g und B
Perpendickel auf A B und mache k m = ½a s, g n = f q und B L
= F G
, und lege nun durch L, n und m einen Kreisbogen.


Bei dieſer Conſtruktion mittelſt eines gegebenen mittleren Hori-
zontalſchnittes geht nun hervor, daß die Mittel- und Diagonal-
Rippen, da ihre Mittelpunkte nicht in die Kämpfer-Ebene fallen,
nicht mit einer ſenkrechten Tangente von den Pfeilern aufſteigen. Da
dieſes nun für das Auge unangenehm iſt, außerdem auch durch den
ſchiefen Druck auf die Pfeiler von Nachtheil ſein kann, ſo hat man
noch ein anderes Verfahren, nämlich wenn die Scheitellinien gerade
oder krumm geſtaltet ſind, durch die hierdurch beſtimmten Scheitel-
punkte und Kämpferpunkte Kreisbögen zu legen, deren Mittelpunkte
in der Kämpfer-Ebene liegen; hierbei kann natürlich ein mittlerer
Horizontalſchnitt nicht gegeben ſein. Die Conſtruktion iſt wohl ſo
einfach, daß dieſelbe nach dieſem Beiſpiel leicht herzuſtellen iſt.


Ein anderes Mittel iſt noch, die Rippen aus mehreren, meiſtens
aus zwei Kreisbögen, die ſtetig in einander übergehen und in ihren
Vereinigungspunkten einerlei Tangenten haben, von denen die unter-
ſten alle eine zur Kämpfer-Ebene normale Tangente bilden, zuſammen-
zuſetzen. Es kann dieſes auf zwei verſchiedene Arten erreicht werden,
vorausgeſetzt iſt wieder, daß die Höhe und Geſtalt der Scheitellinien
oder Grairippen bekannt ſind, ſie ſollen z. B. wie im vorhergehenden
Gewölbe, horizontal ſein. In der erſten Beſtimmungsweiſe iſt ange-
nommen, daß alle Rippen des Gewölbes bis zu einer gewiſſen, aber
bei allen Rippen gleichen Höhe, mit einerlei Krümmungshalbmeſſer
beſchrieben ſind und von dieſer Höhe an ſodann aus einem zweiten
Bogen beſtehen, der eben der gegebenen Höhe und Spannung ent-
ſpricht, die zweiten Bögen werden natürlich alle verſchiedene Halbmeſſer
erhalten müſſen.


Fig. 465 zeigt dieſes Verfahren; A B C D ſtellt ein Viertel des
gegebenen Grundriſſes dar, und die Scheitellinien, wie ſchon ange-
geben, ſind horizonta. Man drehe die Rippen A E, A D und A C in
die Ebene der Rippen A B, errichte die Senkrechte in B, e, c und d,
von der Höhe der gegebenen Scheitellinien, nehme man den Mittel-
punkt F in der Kämpfer-Ebene für die bis G reichende Krümmung
aller Rippen beliebig an, und verlängere die Gerade G F nach rück-
[448]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
wärts. Auf dieſer Linie liegen dann die Mittelpunkte K, L, H ꝛc.
der zweiten Bögen. Letztere werden ganz einfach gefunden, z. B. für
die Rippe A B, wenn c' mit G verbunden, hierauf im Halbirungs-
punkte eine Senkrechte errichtet wird, welche die verlängerte F G in
H ſchneidet.


In dem zweiten Verfahren, in welchem wiederum die Scheitellinien
horizontal angenommen werden, ſollen die oberen Bögen der Rippen
ebenfalls wie die unteren gleiche Krümmungshalbmeſſer nachweiſen,
wobei natürlich die Uebergangspunkte je zweier Bögen ineinander
nicht mehr in einer und derſelben Höhe ſich befinden können.


Figure 465. Fig. 465.

Figure 466. Fig. 466.

In Fig. 466 ſei A B D A wieder der vierte Theil des gegebenen
Grundriſſes und die Linien A D, A E und A C ſeien wieder gedreht
wie vorhin, und auch in den Punkten B, e, c und d die Senkrechten
bis zur gegebenen Scheitellinienhöhe gezogen; ferner ſei F der ange-
nommene Mittelpunkt für die unteren Bögen der Rippen, und endlich
der gemeinſchaftliche Halbmeſſer aller oberen Bögen gleich A P ange-
nommen.


Mit dem Unterſchiede F P der beiden Krümmungshalbmeſſer A P
und A F beſchreibe man den Kreisbogen P M, in welchem die Mittel-
punkte der oberen Bögen liegen. Sie werden erhalten, wenn man
mit dem Halbmeſſer A P, von den Punkten b' c' e' und d' aus, den
Kreisbogen P M kreuzt. Zieht man nun die Verbindungslinien F H,
F K, F L und F M und vezlängert dieſelben, ſo findet man in dem
Durchſchnittspunkte dieſer mit der aus F beſchriebenen unteren Wöl-
bungslinie die reſpectiven Uebergangspunkte der zwei Bögen. Jede
[449]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.
derſelben kann nun aus den Mittelpunkten H, K, L und M beſchrie-
ben werden.


In den drei bis jetzt betrachteten Conſtruktionsmethoden der [Rippen]
eines Sterngewölbes (Fig. 464, 465 und 466) wurden die Scheitel-
linien horizontal angenommen; dieſes iſt jedoch in der Ausführung
ſelten der Fall, ſondern meiſtens liegen die Scheitel der einzelnen
Rippen in verſchiedenen Höhen und ſind die Scheitellinien alsdann
entweder gerade oder krummlinig. Fig. 467 ſei nun ein Beiſpiel, in
welchem die Höhen der einzelnen Scheitelpunkte und die Scheitellinien
als geradlinig gegeben ſind, und die ganze Conſtruktionsweiſe nach
Fig. 466 vermittelſt eines gegebenen mittleren Horizontalſchnittes aus-
geführt wird. Was die Annahme der Scheitelpunkte betrifft, ſo iſt
durchaus nicht bedingt, daß etwa die der größeren und kleineren Stirn-
rippen bei rechteckigen Räumen gleiche Höhe haben müſſen, oder daß
bei einer Scheitellinie n l die drei Punkte n y und l in einer Geraden
oder einem Kreisbogen zu liegen brauchen, es iſt dieſe Scheitellinie
im Gegentheil beinahe immer gebrochen, indem nur über t n eine
Gratrippe vorhanden iſt, in n o jedoch nur ein vertiefter Grat der
Gewölbekappen C und B entſteht. Die Herſtellung der einzelnen
Bögen geſchieht nun vollkommen nach Fig. 463 mit dem Unterſchiede
nur, daß nun nicht mehr die gleiche Höhe der einzelnen Bogen durch-
geht, ſondern für jeden einzelnen eben die gegebene Höhe einzuſetzen
iſt. Man ſieht ſogleich aus dieſer Figur, wie man die Form eines
ſolchen Gewölbes vollkommen durch Annahme des mittleren Vertical-
ſchnittes in ſeiner Hand hat.


Im Nachfolgenden ſind noch zwei verſchiedene Syſteme zur Be-
ſtimmung der Bögen eines Sterngewölbes gegeben, wie ſie uns Un-
gewitter
, [...]‘;goth. Conſtruktionen“ lehrt.


Beide Syſteme haben nämlich gemeinſchaftlich, daß die ſämmt-
lichen Bögen nach einem Radius gezeichnet ſind, jedoch iſt die Feſt-
ſtellung der Radien bei beiden verſchiedenartig.


Es ſei Fig. 468 der Grundriß eines einfachen Sterngewölbes.


Man ziehe über a C (halbe Diagonale) einen Viertelkreis, trage
den Abſtand des Punktes b von der Mitte auf der Grundlinie des
Diagonalbogens C nach C', ziehe hierauf eine Senkrechte bis an den
Bogen, wodurch b' b'' die Höhe über dem Punkte b giebt.


Ferner fälle man in dem Punkte b oder dem entſprechenden d
ein Loth und trage darauf die Länge b' b'' von d nach d', mache
Wanderley, Bauconſtr. II. 29
[450]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
dann mit der Länge a C aus a und d' den Kreuzſchnitt x, ſo iſt
letzterer der Mittelpunkt des Bogens über a d.


Figure 467. Fig. 467.

Figure 468. Fig. 468.

Trage dann an die Verlängerung von a d die Länge d C von d
nach C' ab, errichte in C' einen Lothriß auf a C' und mache C' c'
gleich C c, ziehe ſodann mit derſelben Zirkelöffnung aus d' und c'
den Kreuzſchnitt x', ſo iſt letzterer der Mittelpunkt des Bogens,
über d C.


Soll nun der Schildbogen nach demſelben Princip conſtruirt
werden, ſo würde die Länge C e von C nach e' zu tragen ſein, in e'
ein Loth auf a C errichtet werden und die Länge e' a'' die des Schild-
bogens abgeben, der ſodann in derſelben Weiſe wie die übrigen Bögen,
conſtruirt, die im Bogen a e''' gezeigte Geſtaltung erhält.


Soll nun die Scheitelrippe d C ſich bis zum Scheitel des Schild-
bogens fortſetzen, ſo wird dieſelbe, immer auf dieſelbe Weiſe conſtruirt,
die Geſtaltung von s d erhalten.


Da jedoch die geringe Höhe des Schildbogens nicht empfehlens-
werth iſt, ſo dürfte anzurathen ſein, mit der halben Diagonale als
Radius, aus einem in der Grundlinie zu ſuchenden Punkt, Spitzbögen
[451]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.
zu conſtruiren, ſo daß der Schildbogen über a e die Form des Bogens
a s' erhält.


Das zweite Syſtem beruht darauf, daß nicht das über der Dia-
gonale geſchlagene Quadrat als der erzeugende, als der Principal-
bogen, angenommen iſt, ſondern daß man die Grundlinie deſſelben
durch ein Aneinanderſetzen der Grundlinien der verſchiedenen Bögen
b e, e a und a C bildet, wie in Fig. 469A und B geſchehen iſt, dann

Figure 469. Fig. 469.


Figure 470. Fig. 470.


in C ein Loth fällt und daſſelbe gleich der beabſichtigten Scheitelhöhe
macht. Wir nehmen letztere, um die ſich ergebenden Bögen leichter
mit den an dem andern Verfahren gefundenen zu vergleichen, der in
Fig. 468 A angenommenen halben Länge der Diagonale gleich an.
Man ziehe dann die Linie b C', halbire dieſelbe und mache in dem
Halbirungspunkt ein Lothriß, der nach unten verlängert in ſeinem
Durchſchnitt C'' mit der Verlängerung C' C den Mittelpunkt des Prin-
zipalbogens abgiebt, welcher nunmehr geſchlagen alle einzelnen Bogen-
theile b e, a c ꝛc. in ſich faßt. Um den Bogen d b zu finden, trage
man dann in Fig. 470 A d b von e nach b' in Fig. 469 A, und mache
man aus d' und b', mit der Länge C' C'', einen Kreisſchnitt x', aus
welchem der geſuchte Bogen zu ſchlagen iſt.


Die Fig. 470 B zeigt in der perſpectiviſchen Anſicht die Geſtaltung
des die Durchkreuzung a in Fig. 470 A bewirkenden Werkſtücks, wonach
29*
[452]Zweites Kapitel Die Gewölbe.
nicht allein die größere Divergenz der in den Rippen a d und a e
Fig. 470 A gelegenen Fugen zur Sicherung der Lage beiträgt, ſondern
die in der Rippe a C gelegene Fuge f' (Fig. 470 B) zu demſelben
Zwecke mitwirkt. Der einzige Unterſchied in der Geſtaltung der
Rippen liegt darin, daß ihre Bögen nach dem letzten Verfahren um
etwas flacher werden, wie der Vergleich der Bögen b d' und b' d' mit
den daran geſchlagenen b f d' und b' g d' zeigt. Die Geſtaltung der
Gurtbögen kann dann ganz unabhängig von der des Gewölbes ge-
ſchehen, z. B. in ähnlicher Weiſe wie bei Fig. 468 ſchon erörtert iſt.


Figure 471. Fig. 471.

Fig. 471 A — C zeigt eine Sterngewölbeanlage, bei welcher ein
Spitzbogen über der Diagonale zu Grunde liegt. Durch die ange-
[453]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.
gebenen Buchſtaben wird die Austragung der einzelnen Linien ohne
weitere Erklärung verſtändlich ſein.


Verſchiedene anderweitige Anordnungen von Sterngewölben ſind
in der Horizontalprojektion in Fig. 472 A — D gezeigt.


Figure 472. Fig. 472.

Nachdem von dem Rippenſyſtem der Kreuz-
gewölbe die Rede geweſen iſt, möge noch Einiges
über die graphiſche Conſtruktion der Anfänge
der Rippen mitgetheilt werden.


Die Anfänge der Gewölbe, deren Grate
nur aus Backſtein gebildet ſind, verurſachen
wenig Schwierigkeit in der Herſtellung, anders
verhält es ſich dagegen bei den vorſpringenden
Rippen aus Werkſtein. Es können drei, fünf
oder ſieben Rippen nebeneinander vorkommen,
je nachdem ſie aus den Winkeln, der Wand oder
der Ecke hervorwachſen, und wiederum können
die Rippen entweder frei nebeneinander auf
einem Conſol oder auf einer Säule ſtehen, oder
ſie können ineinander mehr oder weniger ſo
verwachſen ſein, daß die Profile in der Nähe
des Kämpfers ſich durchdringen.


Der einfachſte Fall iſt in Fig. 473 gegeben;
der Gewölbeanfang beſteht aus einer Gurt-
und zwei Diagonalrippen, die Höhe und die
Radien der verſchiedenen Bögen ſind gleich,
die Mittelpunkte liegen in derſelbe Grundlinie, und der Rippenanfang
beginnt auf einem, aus dem Achteck conſtruriten Kragſtein. Ueber
der Mittellinie der Projection einer der drei Rippen ſchlage man den
Bogen a a' mit dem ſich aus den Grundrißverhältniſſen ergebenden
Radius, und ebenſo den Bogen b y, welcher durch den äußerſten
Punkt der Rippe c erzeugt wird. Aus dem Punkt d, in welchem die
Rippen von einander frei werden, errichte man dann eine Lothrechte
zu der Grundlinie a e, welche den Bogen b y in f ſchneidet, ziehe
durch f eine Linie h g parallel der Grundlinie, ſo begrenzt dieſelbe
den Rippenanfang nach oben, indem ſie die Fuge für die darauf zu
ſetzenden Rippenſtücke ergiebt und zugleich die Ausladung des Werk-
ſtückes von der Wandflucht anzeigt. Da nun die übrigen Rippen mit
demſelben Radius geſchlagen ſind und in demſelben Punkt d von
[454]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
der Gurtrippe frei werden, ſo bilden ihre Anfänge auch dieſelben
Bögen, werden alſo durch a h und f b dargeſtellt; die obere Lager-
fläche g h durchſchneidet demnach die Bögen in ſchiefwinkliger Richtung.

Figure 473. Fig. 473.


Es muß daher das durch dieſen Schnitt ſich bildende Profil conſtruirt
und auf dieſer Lagerfläche aufgetragen werden. Man ſchlage zu dieſem
Zwecke zunächſt die den Eckpunkten des Rippenprofiles entſprechenden
Bögen i k und l m, ziehe aus h, k und m Linien parallel a f und
aus den erwähnten Eckpunkten wieder Linien parallel a e, ſo geben
die Durchſchnittspunkte h', k', m' die Eckpunkte des Horizontalpro-
files. Zu einer genauen Beſtimmung derſelben ſind dann in dem
Rippenprofil noch andere Punkte in derſelben Weiſe zu beſtimmen,
zunächſt die äußerſten Punkte des Rundſtabes n o.


Man ſchlage durch dieſelben in derſelben Weiſe Bögen bis auf die
Linie g h, ziehe von den Durchſchnittspunkten h, k und x Senkrechte
auf a e, und aus n und o zwei Linien parallel a e, ſo ſind die Durch-
ſchnittspunkte k', n' und o' die geſuchten Punkte.


Die Projection der Länge a h trage man dann in die Projectionen der
übrigen Rippen in derſelben Weiſe an, etwa von v nach r, und in dem
Punkt r als Spitze conſtruire man das für die Gurtrippen gefundene
Horizontalprofil. Von dem Punkt s aus ſetzt ſich dann die Kappen-
flucht nach dem Schildbogen, und es iſt daher der in der Höhe a f
liegende Punkt dieſes letzteren zu beſtimmen. Der Schildbogen fängt
[455]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.
erſt in der Höhe an, in welcher der äußerſte Punkt des Rippenpro-
files t nach p gekommen iſt. Dieſe Höhe ergiebt ſich aus dem Bogen
b f in folgender Weiſe:


Man trage t p von b nach u auf der Grundlinke b e ab, und mache
in u einen Lothriß, welcher den Bogen b f in v ſchneidet, ſo liegt der
Anfangspunkt des Schildbogens in der Höhe des Punktes v über der
Grundlinie. Soll nun der Schildbogen mit dem Radius der übrigen
Bögen, an welche die Kappen anſchließen, alſo des Bogens b f ge-
ſchlagen ſein, ſo ergiebt die Länge v' f die Weite, um welche er in
der Höhe a f vorgerückt iſt. Man trage dieſelbe daher von p nach w
und ziehe die Linie s w, ſo iſt die Begrenzung des an dem Rippen-
anfang ſitzenden Kappenſtückes gefunden.


Wenn aber der Schildbogen mit einem andern Radius geſchlagen
iſt, ſo verlängert ſich die Länge p w. Geſetzt, der Radius ſei kleiner
als der von b f, und der Mittelpunkt ſitzt in der Höhe v, ſo ziehe
man durch v eine Linie parallel a e, ſchlage aus einem in derſelben
gelegenen Punkt den Bogen v z, welcher die Linie g h in u' ſchneidet,
trage u'v' von b' nach c', ſo iſt die in der rechten Hälfte der Figur
angetragene Linie c'd' die Begrenzungslinie der Kappen. Die Aus-
ladung der Diagonalrippen beſtimmt zugleich, wie die punktirten Linien
andeuten, die Breite des Werkſtückes; dieſe Breite behält ebenfalls
der in die Mauer eingemauerte Werkſteinblock.


Die zuſammengedrängten Rippenanfänge ſind, ſo weit die Werk-
ſtücke in die Mauer einbinden, als Auskragungen der Mauer zu be-
trachten, aus welchem Grunde auch in der That Kragſteine, anſtatt
der Dienſte ꝛc. angeordnet werden. In Fig. 474 A und B iſt dieſer
Fall dargeſtellt und zwar ſei hier angenommen, daß der Rippenanfang
aus zwei Werkſtücken a b c d und a b e f beſtehe.


Der untere Werkſtein kann nun fortbleiben und lediglich durch
eine Conſole bei a b g erſetzt werden. Das Profil über a b iſt in dem
Grundriſſe ſchraffirt angegeben. Es würde mithin der Gewölbean-
fang erſt bei der Linie a b beginnen, wobei jedoch die unſprünglich
angenommene Halbkreis- oder Spitzbogenlinie unvollſtändig erſcheint
und für das Auge nicht anſprechend ſein wird.


Die Rippenanfänge können ebenſo wie mit den Wänden, auch mit
den Pfeilern in Verbindung ſtehen, und zwar entweder ſtehen die
Rippen der Gurt- und Diagonalbögen direct auf den Pfeilern, oder
ſie ſind mit letzteren verwachſen.


[456]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Ein Beiſpiel von letzterer Anordnung iſt in Fig. 475 A und B
gegeben. Es ſeien hier nur die Gurtbögen profilirt, während die
Gurt- und Diagonalbögen eine ſcharfe Kante haben.


Um das Herauswachſen der Rippen aus dem Pfeiler zu ermög-
lichen, iſt es nothwendig, daß die Seitenwerkſtücke, welche an den
Kappenflächen ſich fortſetzen, in einer von der Bogenlinie der Rippen
abweichenden Linie ſich erheben, bis zu der Höhe, in welcher die
Rippengewölbe völlig frei geworden ſind.


Figure 474. Fig. 474.

Figure 475. Fig. 475.

Iſt nun a b c d e die Horizontalprojection des oberen Lagers des
im Aufriß dargeſtellten Rippenumfanges, ſo entſpricht der untere auf
dem Kapitel liegende Grundriß nicht der durch die Punkte f g h c, ſon-
dern der durch k g l i begrenzten Figur. Es wird alſo dieſe letztere
dadurch erreicht, daß die Diagonalbögen mitſammt der Kappenflucht
in den Punkten m m einen Knick bilden.


Indeſſen könnte der Diagonalbogen immerhin nach einer reinen
Bogenlinie gebildet ſein, und nur der Bogen, welchen man ſich durch
die Punkte n geſchlagen denken kann, jenen Knick erhalten.


[457]Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Sterngewölbe.

Um die ganze Anlage eines Sterngewölbes vorzuführen, iſt auf
Blatt VI das Syſtem eines Sterngewölbes dargeſtellt worden; das-
ſelbe gehört zu dem Längenſchnitt einer von Käberlein entworfenen
Friedhofskapelle, deren Anlage Fig. 476 im Grundriſſe zu erkennen
giebt.


Figure 476. Fig. 476.
XII.Die Netzgewölbe.

Die bis jetzt erörterten Grundrißformen der Gewölbe beruhen auf
der des Kreuzgewölbes, in dem die quadratiſche oder rectanguläre
Form zunächſt durch die Kreuzrippen getheilt und die ſo entſtandenen
Gewölbefelder durch Zwiſchenrippen nochmals in eine größere oder
kleinere Anzahl Unterabtheilungen zerlegt werden. Bleiben nun ſo-
wohl die Kreuzrippen, als auch die Gurtrippen weg, ſo iſt der Ueber-
gang gebildet zum Netzgewölbe, deſſen einfachſte Anordnung Fig. 477
darſtellt. Hier hört jeder Unterſchied zwiſchen den Gewölbejochen auf
[458]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
(welch letztere durch Aneinanderſetzen der einzelnen rechteckigen Grund-
formen entſtehen) und es verſchwimmt die Gewölbeform in einer
Maſſe rautenartiger Felder, die durch ſogenannte „Reihungen
gebildet werden (Fig. 478).


Figure 477. Fig. 477.

Figure 478. Fig. 478.
XII.Die Fächergewölbe

gehören theilweiſe zum Syſtem der Rippengewölbe. Nimmt man als
Grundreiß eines Gewölbes ein Quadrat, und über den Seiten des-
ſelben irgend eine Bogenlinie an, und es bewege ſich die Hälfte
einer Bogenlinie um eine im entſprechenden Eckpunkte des Quadrates
[459]Die Fächergewölbe.
ſenkrechte Rotationsaxe, ſo wird eine Rotationsfläche entſtehen, welche
in allen vier Ecken angebracht, die Grundform des Trichter- oder
Fächergewölbes bildet.


Fig. 479 zeigt den Grundriß eines derartigen Fächergewölbes. Der
zwiſchen den vier Viertelkreiſen, die bei der Rotation durch die Scheitel-
punkte der Wandbögen erzeugt werden, liegende offene Raum c d c d c
wird gewöhnlich durch ein ſcheitrechtes Gewölbe geſchloſſen; man legt
aber auch nicht ſelten in dieſe Ebene einen jene vier Viertelkreiſe
tangirenden Kreis, der durch eine aus der Leibung hervortretende
Rippe ausgezeichnet wird; dieſer innere Raum läßt ſich dann noch
durch eine kleine flache böhmiſche Kappe abdecken.


Figure 479. Fig. 479.

Figure 480. Fig. 480.

Fig. 480 zeigt die äußerliche Form eines ſolchen Fächergewölbes,
außerdem iſt die Wölbungsart ebenfalls deutlich zu erkennen.


Eine andere Weiſe das Gewölbe zu ſchließen veranſchaulicht
Fig. 481 A und B. Es wird hierbei über die Diagonale a b ein
Kreis zu Grunde gelegt; bei dieſer Annahme erhalten die Gewölbe-
linien über den Quadratſeiten die Form eines Spitzbogens, deſſen
Schenkel aus Kreisſegmenten beſtehen, die ſich ergeben, wenn man
die halbe Quadratſeite b c auf die Diagonale nach b c' bringt und
die Senkrechte c' g' zieht, worauf b g als geſuchter Spitzbogenſchenkel
erhalten wird, wie ihn die Schnittlinie b c d f im Aufriß (Fig. 481 A)
in ſeiner Zuſammenſetzung zeigt. Der Segment b g macht an den
Hauptecken eine Vierteldrehung, an den Zwiſchenpunkten eine halbe
und um die mittleren Stützpunkte eine ganze Drehung. Jeder Punkt
[460]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
des Quadranten b h, welcher höher als Punkt g liegt, beſchreibt einen
kleineren Bogen, als die unterhalb g' gegebenen Punkte, und werden

Figure 481. Fig. 481.


die Bögen immer kleiner, je näher der erzeugende Punkt liegt, wäh-
rend der Punkt h ſelbſt keine Drehung mehr macht, woſelbſt das
Gewölbe ſeinen Schlußpunkt hat. Die Punkte g' und h' entſprechen
den Punkten g und h des im Grundriß umgeklappten Bogens, auf
welchem auch die Theilung der Steinſchichten ſtattfindet.


Die Trichter- oder Fächergewölbe ſind meiſtens an ihrer inneren
Fläche ſehr reich verziert, dieſen Verzierungen liegen immer von den
Pfeilern oder Ecken im Grundriß radial ausgehende Erzeugungslinien,
dann auch horizontale um die Pfeiler ſich bewegende Parallelkreiſe
zu Grunde, die als Hauptlinien beſonders hervortreten (Fig. 482).


Mit ganz glatten Flächen dürfte das Gewölbe wohl niemals vor-
kommen, mindeſtens canelirt man die Fläche, wie in der Börſe zu
Frankfurt a/M. geſchehen iſt.


Beſonders häufig iſt das Fächergewölbe in England angewendet
worden, mit zahlreichen aufſteigenden Rippen (Meridianen), welche durch
horizontale Zonen verbunden ſind. Vielfach fehlen auch die horizon-
talen Ringe, und die Rippen (in geringerer Anzahl) vereinigen ſich
in der Nähe der Scheitel meiſt zu ſtern- oder netzförmigen Figuren,
wobei aber die verſchiedenen Rippen häufig nicht durchweg gleiche
Krümmungen bekommen können.


[461]Die Niſchengewölbe.

Ein derartiges Gewölbe kann dann eigentlich nicht mehr Fächer-,
ſondern ſollte Palmengewölbe genannt werden, weil die Rippen
ſich wie die Blattſtengel einer Palme ausbreiten.


Figure 482. Fig. 482.

Dieſe Gewölbeform kommt außer in England auch in den Bauten
des deutſchen Ordens häufig vor und iſt am ſchönſten durchgebildet
in dem Convents-Remter zu Marienburg.


XIII.Die Niſchengewölbe

bilden ſtreng genommen keine beſondere Gewölbeart und entſtehen,
wenn man ein Kuppel-, Kugel-, böhmiſches-, Kreuz- und Stern-
gewölbe durch die verticale Axe mit einer geraden Ebene in zwei gleiche
Hälften zertheilt.


Seinen Namen hat das Gewölbe weil man es über Niſchen (Chor-
niſchen) anordnet, welche jede beliebige Grundform einer halben regel-
mäßigen Figur haben können. Meiſtens kommt das Niſchengewölbe
über halbkreisförmigen oder fünfſeitigen, niſchenartigen Anbauten,
wie z. B. bei Kapellen, Kirchen u. ſ. w. vor. Einige ſolche Beiſpiele
ſind bereits früher in Fig. 383 und Blatt VI dargeſtellt worden,
und beſchränken wir uns darauf, in Fig. 483 ein ſpitzbogiges Kreuz-
gewölbe über einem Fünfeck, welches durch die Halbirung eines regel-
mäßigen Achtecks entſtanden iſt, darzuſtellen.


[462]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
XIV.Die Ausführung der Gewölbe.

Bei allen Gewölben muß ſowohl gutes Material verwendet, als
auch die Arbeit ſorgfältig ausgeführt werden. Bruchſteine dürfen

Figure 483. Fig. 483.


nicht zu unregelmäßig, ſondern müſſen gut lagerſchichtig ſein, ſowie
ſich mit dem Hammer gut bearbeiten laſſen. Zu unbelaſteten Ge-
wölben benutzt man möglichſt leichte (Hohl- und poröſe) Steine. Die
Güte des Mörtels iſt bei Gewölben aus Back- und Bruchſteinen von
großer Bedeutung, während der Mörtel bei Hauſteinen (Werkſteinen)
von untergeordneter Bedeutung iſt.


Die Fugen der Gewölbe ſollen möglichſt ſchwach ſein, aber nicht
an der inneren Leibung auslaufen. Das vollſtändige Ausfüllen der
Fugen mit Mörtel darf nicht unterbleiben, weil ſonſt der Mörtel ſich
erſt ſpäter bei etwaiger Belaſtung in der Fuge vertheilt und letztere
dann kleiner wird, was ein ſtarkes Setzen zur Folge hat.


[463]Die Ausführung der Gewölbe.

Die Güte eines Gewölbes zeigt ſich erſt nach dem Entfernen des
Gerüſtes. Zwar ſetzt ſich jedes Gewölbe, das Setzten muß aber
gleichmäßig ſtattfinden. Zu dieſem Behufe muß das Gewölbe ſich
nach und nach ſetzen können, was durch allmähliges Löſen des Ge-
rüſtes am ſicherſten geſchieht. Das Löſen des Gerüſtes muß, beſon-
ders bei Gewölben aus ſchweren Steinen, vorgenommen werden,
noch ehe der Mörtel vollſtändig erhärtet iſt, ſich aber nicht mehr aus
den Fugen herausdrücken läßt. In dieſem Zuſtande beſitzt das Ge-
wölbe eine gewiſſe Elaſticität, welche das Nachgeben der Maſſe be-
günſtigt, während bei erhärtetem Mörtel das Gewölbe ſpröde ge-
worden iſt und dann leicht Riſſe entſtehen. Bei Bögen von
kleinem Radius, deren Fugen auf dem Rücken ausgezwickt werden,
darf man die Steinſtückchen nicht feſt einkeilen.


Bezüglich des Setzens eines Gewölbes iſt es ſtets vortheilhaft, die
Einwölbung ohne Einſchalung, d. h. freihändig vorzunehmen.


Da ferner die Urſache des Setzens hauptſächlich im Schwinden
der Fugen liegt, wäre es zweckmäßig, einen Mörtel zu verwenden,
der möglichſt wenig ſchwindet; dieſe Eigenſchaft beſitzt der hydrau-
liſche Mörtel am meiſten. Die Hintermauerung der Gewölbe erfolgt
erſt nach Vollendung des Gewölbeſchluſſes.


Jede Einrüſtung muß vollkommen ſtark genug ſein. Beim Heraus-
nehmen der Rüſtung iſt Vorſicht nöthig und auf gleichmäßiges Senken
zu achten.


Die nicht hinreichend ſtarken Widerlager werden mit Zugſtangen
(Schließen) mit einander verbunden, um den Gewölbeſchub ſicher auf-
fangen zu können.


XV.Gußgewölbe.

Bereits die Römer pflegten die Tonnen- und Kreuzgewölbe aus
Gußmaterial herzuſtellen. Dieſe Technik, in den ſpäteren Jahrhun-
derten ganz aufgegeben, iſt erſt neuerdings, ſeitdem der ſogenannte
Piſeé-Bau bei Wänden vielfach mit Erfolg verwendet wurde, wieder
kultivirt worden.


So z. B. ſind die unter der Oberleitung des Bauraths S. Schlierholz
vom Bauinſpector Döllinger ausgeführten Wärterhäuſer aus Béton
angefertigt. Dieſe Wärterhäuſer liegen an der Eiſenbahn Aulendorf-
Sigmaringen, alſo in einer an natürlichen Bauſteinen armen Gegend,
da der vorhandene Surokelſtein und die Dolomite nicht wetterbeſtändig
[464]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
ſind und die Tuff- ſowie Molaſſenſtandſteine zu weit abliegen; man
bedient ſich in dieſen Diſtricten für Wohngebäude daher des Back-
ſteins, der aber für die umfangreichen Eiſenbahnbauten nicht ge-
nügend zu beſchaffen war. Man entſchloß ſich deshalb, zumal guter
Roman-Cement, hinreichender Sand und Kies vorhanden waren, den
Béton-Stampfbau anzuwenden.


Die Fig. 484—485 ſtellt eines der Gebäude dar. Fig. 484 zeigt
das Erdgeſchoß, Fig. 485 den Querſchnitt.


Figure 484. Fig. 484.

Figure 485. Fig. 485.

Das Miſchungsverhältniß betrug bei Anwendung der verſchiedenen
hydrauliſchen Kalken:

[465]Gußgewölbe.

Die betreffende Mörtelmaſſe wurde in Schichten von 20 — 25zm
Höhe mit ſchrägen Stößen eingebracht, gedrückt und feſtgeſtampft, die
Gewölbe auf Einſchaalung hergeſtellt, das Dachgewölbe mit Port-
landüberzug verſehen, die Geſimſe gezogen, das Kamin um eine
Holzwalze gefertigt, der Schornſteinkopf aufgeſetzt, und ſchließlich die
aus Cement gefertigten Fenſterbänke und Gurte beſonders eingeſetzt.
Dieſe Häuschen haben ſich ſo gut bewährt, daß das ganze Stations-
gebäude in Bétonſtampfbau conſtruirt wurde.


Döllinger empfiehlt eine ſolche Bauart für alle ſteinarme, dagegen
ſand- und kiesreiche Gegenden, bei nicht zu theurem Cemente, als
geld- und zeiterſparend, recht angelegentlichſt.


In neuerer Zeit hat man auch die Zwiſchendecken der Etagen
aus Cement gegoſſen, mit Hinweglaſſung aller Holzbalken. Die
intereſſanteſte Anlage dieſer Art wurde in Berlin ausgeführt.


Behufs Beſchaffung billiger Wohnungen für Arbeiter- und ſoge-
nannte Mittelſtände hat ſich in Berlin im November 1872 eine Ce-
ment-Actien-Geſellſchaft mit einem Kapital von einer halben Million
Thaler conſtituirt, welche bis zum Anfange dieſes Jahres in der
Vorſtadt „Victoriaſtadt“ (ein der Geſellſchaft gehöriges Hauptterrain
von etwa 17 Hectar Größe) ſchon 58 Häuſer mit etwa 170 Wohnun-
gen für 1200 Seelen herſtellte. Wir entnehmen einem Bericht über
Berliner Cement-Actien-Geſellſchaft Folgendes:


Alle Gebäude beſtehen aus Cementconcret und zwar bei den erſten
19 Häuſern wurden nur die Mauern aus dieſer Maſſe fabricirt,
während bei den übrigen Baulichkeiten auch die Holzbalkenlagen
durch gegoſſene Gewölbe und bei den letzten 3 ſogar das Dachwerk
durch Cementguß erſetzt worden iſt.


Der Cement muß zu dieſen Arbeiten ausgezeichnet ſein; man nahm
für das Mauerwerk 1/10, für Gewölbe 1/7, für Dächer und Treppen
⅙ der Miſchung; als Zuſchläge dienten gewöhnlich Kohlenſchlacken
zu ⅚, Sand zu 1⅙, beide ſcharf und rein. Als weitere Zuſchläge
wird empfohlen: Steinſchlag, Kies, Ziegelmehl, Eiſenſchlacken u. ſ. w.
Wanderley, Bauconſtr. II. 30
[466]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Zu der Miſchung muß man nur ſo viel Waſſer nehmen, daß die
Mörtelmaſſe gut durchnäßt iſt, ohne ihre ſteife Beſchaffenheit zu
verlieren.


In das Gemäuer wurden Füllſteine (größere Stücke von Feld-,
Kalk- oder Sandſteinen, auch Klamotten) eingeſtampft, um an Mörtel-
maſſe zu ſparen; die Füllung kam lagenweiſe mit dem Mörtel, und
von dieſem gut umgeben, zu liegen.


Nachdem Cement mit dem Zuſchlag auf einer Brettunterlage aus-
gebreitet und flüchtig mit einander vermengt wurde, benäßte man die
Miſchung mit einer Gießkanne und harkte man erſtere gut durch. Als-
dann wurde die Mörtelmaſſe in die Fundamentgräben gebracht und
begann die Aufſtellung der Kaſtenformen.


In den Figuren 486 und 487 wird ein Cementgußgebäude (Grund-
riß und Schnitt), welches in der Thürrſchmidtſtraße Nr. 10 ſteht,
veranſchaulicht. Im Grundriß bezeichnen a den Vorgarten, b die
Stuben, c die Küche, d die Treppe, e den Flur. Alles am Gebäude,

Figure 486. Fig. 422.


Figure 487. Fig. 423.


die Mauern, preußiſchen Kappen im Keller, die böhmiſchen Kappen in
den Vorderzimmern, die flachen Kreuzgewölben im Flur, das Dach,
die Geſimſe, Attika, die Treppen u. ſ. w., kurz alles beſteht aus Ce-
mentguß.


[467]Gußgewölbe.

In 3 bis 4 Wochen war der Rohbau des dreiſtöckigen Hauſes
vollendet, während die gänzliche Bauzeit 3—4 Monat dauerte.


Die Herſtellung geſchah von einem tüchtigen Maurerpolier und ge-
wandten Tagelöhnern. Dieſe Häuſer haben ſich hinſichtlich ihrer
Trockenheit gut bewährt, auch ſind die Wände ſchlechte Wärmeleiter.


Bei den eben mitgetheilten Gebäuden gehen alle Frontwände durch
das Erdgeſchoß, die erſte und zweite Etage, ſowie Dachgeſchoß gehen in
einer Stärke von 35zm durch, für innere Mauern, ja ſelbſt für Wider-
lagsmauern, nahm man ſogar nur 20zm Stärke an, welche Dimenſion
nach den angeſtellten Verſuchen völlige Sicherheit bietet.


Das Durchſchlagen des Regens fand ſogar bei den nur 14zm
ſtarken, an der Wetterſeite befindlichen Wänden nicht ſtatt. Die
Herſtellung der Gewölbe erfolgte derart, daß man die Concret-
maſſe nach obigem Miſchungsverhältniſſe auf die durch Lehrbögen
unterſtützte Schaalung brachte. Die Kappen erhielten keine Hinter-
mauerung und wurden nur 10zm ſtark gemacht bei 1/10 Pfeilhöhe und
bis 2,80m Spannung, ſowie 4,7m Länge. Die angeſtellten Belaſtungs-
proben ergaben, daß pro □m Kappenfläche 75 Centner mit Sicherheit
zu tragen vermochten, während in gewöhnlichen Wohnungen die To-
talbelaſtung nur 15 Centner zu betragen pflegt. Trotz der auf’s
Fünffache von der muthmaßlich möglichen Belaſtung geſteigerten re-
lativen Inanſpruchnahme wurden die Frontwände nicht hinausge-
drängt und entſtand auch nicht die geringſte Bruchfuge in der Kappe,
obſchon das Bauwerk erſt ſeit 5 Wochen fertig war und die Belaſtung
13 Tage liegen blieb.


Das Cementdach ward auf horizontaler Schaalung ausgeführt,
oben mit einem Gefälle von 1 : 50 verſehen und mit Cement oder
Asphalt überzogen. Die Dachſtärke beträgt 10zm; 8 Tage lang blieb
das Cementdach unterſchaalt.


Schließlich ſei noch erwähnt, daß die Anfertigung der zweiarmigen
Cementtreppen folgendermaßen ſtattfand: Bei jedem Podeſte ſpannte
man eine Eiſenbahnſchiene oder einen Träger zwiſchen die Treppen-
wandungen ein, alsdann wurde gegen die Schienen in der nothwen-
digen Schräge geſchaalt und nun die Läufe gerade, d. h. ohne Unter-
wölbung, gegoſſen, wobei eine zur Seite der Schaalung aufgeſtellte
hölzerne Menge als Lehre diente um die Stufe gleichzeitig anzufer-
tigen; in die auf jeder Stufe angebrachten zwei Dübel wurden die
Schrauben des hölzernen Bohlenbeſchlages gebracht.


30*
[468]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
XVI.Das Trockenlegen der Keller

iſt von größter Wichtigkeit, wenn die Gebäude in feuchtem, oder gar in
dem Grundwaſſer ausgeſetzten Erdboden erbaut werden. Hierbei können
hauptſächlich drei Umſtände zur Geltung kommen, nämlich:


  • erſtens, ſtecken die Kellerräume nur in etwas feuchtem Erd-
    boden und ſie werden nicht als Wohn-, Lager-, Arbeits-
    räume, ſondern blos als Wirthſchaftsräume benutzt;
  • zweitens, desgl. desgl., aber ſie dienen auch als Aufenthalts-
    räume für Menſchen oder Vieh (in großen Städten befinden
    ſich die Pferdeſtälle ſehr häufig im Kellergeſchoß, ſo z. B.
    in Wien);
  • drittens, der Erdboden iſt ſehr feucht und ſogar zu beſtimm-
    ten Zeiten mit Grundwaſſer geſättigt.

Im erſten Falle genügt es ſchon, die Kellermauern außerhalb
mit ſehr hart gebrannten Ziegeln, am beſten mit Klinkern, in Cement-
mörtel herzuſtellen, ſodann die Außenfläche, ſo weit ſie in dem Erd-
boden ſteckt, mit gutem Cementmörtel zu verputzen. Iſolirſchichten,
dicht über dem Kellerfußboden und etwa 0,5—0,75m über dem Terrain,
dürfen nicht fehlen. Zweckmäßig iſt es auch — und dieſes Mittel
hat der Verfaſſer d. Werkes ſelbſt mit Erfolg angewendet — die
innere Wandfläche der Umfangsmauern zwei- bis dreimal mit Stein-
kohlentheer, dem aber jedenfalls Asphalt beigegeben werden muß,
auf die Mauerfläche zu ſtreichen und nach dem Trocknen dieſes An-
ſtriches erſt den Rappputz aufzutragen.


Im zweiten Falle muß man ſehr gewiſſenhaft vorgehen und,
außer den ſoeben erwähnten Vorkehrungen, mindeſtens an der inneren
Seite der Mauer eine Verblendung mit Hohlſteinen, wie wir ſie in
Fig. 82—83 d. Bandes veranſchaulichten, anordnen. Beſſer wäre
es, den Erdboden mittelſt einer außerhalb aufgeſtellten zweiten Mauer
von den eigentlichen Fundamentmauern abzuhalten. Dieſes Verfahren
haben wir gleichfalls in den Fig. 321 und 322 geſchildert und illuſtrirt.


Unter Umſtänden iſt die Aufführung hohler Wände mit einer
Luftſchicht von 4—8zm Breite ein vortreffliches Mittel, um Keller-
räume, die in nicht allzu feuchter Erde ſtecken, trocken zu halten. Sehr
häufig, namentlich an Giebelmauern und Fenſterbrüſtungen, läßt
ſich dieſe Conſtruktionsweiſe ohne Schwierigkeit ausführen, dagegen
wird ſie an Frontwänden eine geringe Verſtärkung der Fundament-
[469]Trockenlegen der Keller mittelſt Iſolirſchichten.
mauern herbeiführen. An dieſer Stelle geben wir eine ſolche An-
ordnung, die beim Municipal-Gefängniß in Köln (vom genialen
Raſchdorf entworfen) ausgeführt wurde (Fig. 488).


Da das Kellergeſchoß, deſſen Fuß-
boden 2,5m unter der Oberfläche des
Hofes liegt, zum großen Theil zu Ar-
beits- und Wirthſchaftsräumen dient,
mußten Vorkehrungen zur Abhaltung
nicht nur der im Mauerwerk aufſteigen-
den, ſondern auch derjenigen Feuchtig-
keit getroffen werden, welche aus der an
den Umfaſſungsmauern verfüllten Erde
einzudringen pflegt. Rückſichtlich des
erſten Falles, d. h. für die innern Mauern,
iſt in der Höhe des Keller-Fußbodens
eine Asphaltſchicht zur Anwendung ge-
kommen.


Nach der bezeichneten Skizze ſind die
Luftkanäle derart angelegt, daß die da-
rin eingeſchloſſene Luftſchicht durch eine
Anzahl Mündungen ſowohl mit der

Figure 488. Fig. 488.


äußern atmoſphäriſchen Luft, als auch mit der innern Luft des Keller-
geſchoſſes in Verbindung ſteht und hierdurch ein beſtändiger, die
innern Wandungen des Iſolirungsraumes, d. h. die Umfaſſungen
berührender Luftzug entſteht. Hierbei iſt die die Luftſchicht von außen
einſchließende ½ Stein ſtarke Vormauerung a von möglichſt hart ge-
brannten Backſteinen (Klinkern) in Cementmörtel dergeſtalt in Läufer-
ſchichten ausgeführt, daß neben je zwei Läufern ein Strecker gelegt
iſt, welcher in den Hauptmauerkörper mittelſt Cementmörtel einge-
bunden iſt. Dieſe Strecker wechſeln in den verſchiedenen übereinander
befindlichen Schichten in regelmäßigem Verbande (ſiehe auch Fig. 75).


Oberhalb, in der Höhe der Erdoberfläche, hat die 13zm ſtarke Mauer
eine Asphaltiſolirung, unterhalb, etwa 16zm unter dem Kellerfußboden,
ſind einzelne kleine Oeffnungen zur Ableitung des etwa ſich ergebenden
Sickerwaſſers nach Außen vorhanden. Der neben dem 8zm breiten
Luftkanal befindliche innere Körper der Umfaſſungsmauer iſt gegen
aufſteigende Erdfeuchtigkeit durch eine 8zm unter dem Kellerfußboden
angelegte Asphaltſchicht iſolirt. Die Verbindungsöffnungen zwiſchen
[470]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
dem Iſolirungsraume einerſeits, und der äußern oder innern Luft
andererſeits, ſind von je 1,6 zu 1,6m angelegt, etwa 12zm weit, und
durch Drahtgitter geſchloſſen, welche hinreichend dicht ſind, um Mäuſen
und dergleichen den Zugang zu wehren.


Es iſt noch zuzufügen, daß die innere Verbindungs-Oeffnung
bei vorhandenem Pflaſter dicht über demſelben mündet, bei hölzerner
Dielung dagegen iſt ſie in den zwiſchen den Fußbodenlagern hohl zu
laſſenden Raum zu führen, damit auf dieſe Weiſe eine vollſtändige
Luftcirculation (unter dem Fußboden entweder durch Anlage corre-
ſpondirender Kanäle in den Mittel- und Scheidemauern, oder unter
Mitbenutzung der vorhandenen Feuerungen ermöglicht werden kann).
Außerhalb iſt, dicht an die Plinthe anſchließend, ein geplatteter 1m
breiter Gang, der vom Mauerwerk abfallend, das darunter befind-
liche, gegen das Iſolirungsmauerwerk anſtehende Erdreich vor ein-
dringendem Regen bewahrt.


Figure 489. Fig. 489.

Falls in den Kellerräumen Comp-
toire, Waarenniederlagen, Woh-
nungen vorhanden ſein ſollen, iſt
unter allen Umſtänden unerläßlich,
die Kellermauern höchſtens in halber
Höhe in den Erdboden zu verſenken,
beſſer ein Drittel. Zweckmäßig iſt
dann auch die Anordnung in
Fig. 489, welche darin beſteht, daß
in Entfernung von etwa 0,38 —
0,75m eine zweite 1 und 1½ Ziegel
ſtarke Mauer auf einem beſonderen
Fundamente errichtet und in 1,5
— 2m Abſtänden mittelſt einer kur-
zen Quermauer mit dem Keller-
mauerwerk verbunden wird. Der
in die Oeffnung fallende Regen
fließt auf einer flachen Rinne fort;
a iſt die Asphaltiſolirſchicht. Das
Fenſter kann dann entweder mit
der Terrainhöhe abſchließen, oder
noch tiefer hinabreichen. Der Sicherheit wegen wird die äußere Grube
(Schacht oder Kaſten) mit einem eiſernen Gitter umgeben. Auch wäre
[471]Trockenlegen der Keller mit umgekehrten flachen Tonnen.
anzurathen, auf den Schacht einen eiſernen Roſt oder ein dickes Roh-
glas zu legen.


Der dritte Fall, nämlich: wenn die Fundamente in ſehr feuchtem
Erdboden erbaut werden oder ſogar dem Grundwaſſer ausgeſetzt ſind,
verlangt die größte Sorgfalt Seitens des Bautechnikers, denn die
ihm entgegentretende Gewalt des aufſteigenden Grundwaſſers ſpottet
allen Anſtrengungen und Sicherheitsvorkehrungen, ſofern letztere nicht
gewiſſenhaft ausgeführt werden.


Schon bei den umgekehrten flachen Tonnen wurde erwähnt, daß
nur dieſe allein im Stande ſind, dem Waſſerdrucke Widerſtand zu
leiſten, und daß noch mittelſt Asphaltiſolirſchichten inner- und außer-
halb des Mauerwerks, ſo wie zwiſchen den umgekehrten Kappen
die Kellerräume trocken gehalten werden müſſen. Wir verweiſen auf
die Fig. 323, welche dieſes Verfahren ſehr genau veranſchaulicht.


Die Fig. 490 giebt dieſe Anordnung bei einem ganzen Gebäude an;
in demſelben ſind nur die hinteren Räume und der Gang waſſerdicht

Figure 490. Fig. 490.


hergeſtellt worden. Zu dieſem Behufe hat alles Mauerwerk, wel-
ches der Näſſe direct ausgeſetzt iſt, eine vorgeblendete Klinkerſchicht
in Cementmörtel; hinter dieſer Schicht liegt am Mauerwerk eine
[472]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Asphaltſchicht. In den hinteren Räumen und dem Gange ſind die
Fußböden mit umgekehrten flachen Tonnen verſehen; hingegen fehlen
dieſe in den vorderen Räumen, um an Baukoſten zu ſparen und
da hier der Keller unbenutzt bleibt. Die punktirte Linie giebt den
höchſten Grundwaſſerſtand an.


Oefters hat man, wenn das Grundwaſſer nur 6—20zm unter
dem Banquett bleibt, die Keller mit Erfolg dadurch trocken gelegt,
indem man das ganze Gebäude auf eine dicke Betonſchicht ſtellte
(Fig. 491), und auf dieſe erſt eine Asphaltſchicht legte, um die Näſſe

Figure 491. Fig. 491.


vom Mauerwerk abzuhalten. In dem Seitenmauerwerk ſind Luft-
iſolirſchichten angelegt, und außerhalb ſteht noch eine Verblendſchicht
etwa 4zm vom Fundamentmauerwerk entfernt. Wenn man ganz ſicher
manipuliren will, wird die äußere 4zm weite Hohlſchicht mit Cement.
oder beſſer mit Asphalt ganz vergoſſen.


In der Richtung b ſtrömt die friſche Luft durch Kanäle nach den
Iſolirſchichten, um die Luft in denſelben trocken zu halten. Im
Winter werden die äußeren Oeffnungen verſchloſſen.


Die Betonirung unter der Gebäudeſohle wurde zuerſt in Holland
angewendet und fand in Deutſchland vielfach mit ſehr günſtigen Er-
olgen Nachahmung. Die Holländer haben vielfach die Betonſchicht
[473]Trockenlegen der Keller mit Betonunterlage.
noch mehr nach Außen ausgebreitet und dann etwa 0,6—1m dick
vertical an den Umfangswänden heraufgeführt. Dadurch werden die
Fundamente, wenn zum Beton recht viel Cement verwendet wird,
ganz waſſerdicht eingeſchloſſen. In vielen Fällen genügt es auch
ſchon, die Fundamente in Cementmörtel auszuführen, ſodann an den
äußeren Wandflächen eine etwa 1½—2 Steine dicke Verblendung
aus Klinkerſteinen in gutem Cementmörtel herzuſtellen und nur unter
dem umgekehrten flachen Tonnengewölbe eine Betonſchüttung anzu-
ordnen. Asphaltiſolirſchichten breiten ſich über die Betonſchicht aus und
reichen durch das Fundament und an den äußeren Wandflächen hinauf.
Eine derartigen Anlage erkennen wir in Fig. 492, in welcher die

Figure 492. Fig. 492.


dunkel ſchraffirten Steine die Klinkerverblendung andeuten; a iſt die
Asphaltſchicht. Beachtung verdient noch die Fenſteranlage; das Fenſter
liegt ganz unter dem äußeren Terrain und wird von der vertical
aufgeführten Verblendung gegen das Nachſtürzen des Erdreichs geſichert.
Es iſt dadurch ein ſogenannter „Lichtkaſten“ entſtanden.


[474]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.

Eine ganz beſondere Gewölbeart bilden die modificirten hohen
vielſeitigen Kuppelgewölbe in Anwendung auf:


XVII.Die maſſiven Thurmſpitzen.

Bereits die Meiſter des Mittelalters pflegten die Spitzen der Kirch-
thürme maſſiv herzuſtellen, und zwar je nach dem Vorkommen des
Materials entweder aus Sandſtein oder aus Ziegeln. Die Sand-
ſteinſpitzen wurden ſogar vielfach reich verziert und ganz durchbrochen,
theils um ſie ſchöner zu geſtalten, theils um ihr Gewicht zu ver-
mindern.


Mit dem Verfall der Gothik wurden die maſſiven Thurmſpitzen
immer ſeltener, bis ſie endlich ganz in Vergeſſenheit geriethen. Erſt
der, durch den kunſtſinnigen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
ins Leben gerufenen bedeutenden Thätigkeit im Kirchenbau, haben
wir die erſten neueren Verſuche mit maſſiven Kirchthurmſpitzen zu
verdanken. Da die Thurmſpitzen aus Sandſtein ähnlich conſtruirt
werden, wie die aus Ziegeln, und zwar mit dem Unterſchiede, daß
bei erſteren nur größere Plattenſteine zur Verwendung gelangen,
wollen wir in dieſem Buche vorzugsweiſe die Backſteinthurmſpitzen
berückſichtigen.


Die Vorzüge derſelben ſind:


  • Erſtens: Einheit des Materials. Wenn dies bei allen Bau-
    ausführungen wünſchenswerth iſt, ſo hier um ſo mehr,
    als die ſchlanke Spitze ſchon nicht mehr als das Dach des
    Thurmes gilt;
  • zweitens: die unbedingte Feuerſicherheit, namentlich beim Ein-
    ſchlagen des Blitzes, und
  • drittens: hauptſächlich die erheblich größere Billigkeit maſſiver
    Spitzen aus Ziegeln gegenüber den ſonſt üblichen hölzer-
    nen; vergleichende Koſtenanſchläge haben dies dargethan;
  • viertens: größere Dauerhaftigkeit und Fortfall der Repara-
    turen bei richtiger Conſtruktion und gutem Material. Die
    Greifenhagener, gegen 25m hohe, in den Wänden 25zm
    ſtarke Thurmſpitze, welche ca. 500 Jahr alt und im Weſent-
    lichen gut erhalten iſt, iſt ein Beweis dafür.

Es iſt unbedingt erforderlich, nur ausgezeichnete, harte und
möglichſt wenig poröſe Ziegel zu verwenden, da ſonſt der Regen
durch dieſelben dringt.


[475]Die maſſiven Thurmſpitzen.

In Betreff der Conſtruktion unterſcheidet man drei Arten:


  • Erſtens: Die Steine werden ſämmtlich horizontal vermauert,
    und an der Außenſeite nach der Schräge des Thurmes
    abgeſchrägt; dieſe Conſtruktion iſt zwar gut, aber koſtſpielig,
    indem jeder Stein ein Formſtein ſein muß (Fig. 493 C D);
    daher werden

Figure 493. Fig. 493.

Figure 494. Fig. 494.

Figure 495. Fig. 495.

  • zweitens: die Steine nach innen überkragt (Fig. 493 A B).
    Da dies aber bei einer gewöhnlichen Steigung von 1 : 4
    oder 1 : 5 ſchon einen Abſatz von ca. 1,2zm pro Stein
    ausmacht, ſo ſind die Abſätze ſchon bei geringer Thurm-
    höhe von unten zu ſehen; da außerdem die Feuchtigkeit
    ſich länger auf den Abtreppungen hält, ſo iſt allgemein
    üblich und weit vortheilhafter
  • drittens: die Steine normal zur Außenfläche zu vermauern
    (Fig. 493 E—G), ſodaß ſich alle Lagerfugen in einer Schicht
    in einem Punkte der Axe ſchneiden (Fig. 494). Daß die
    Eckſteine oben eine Kehle, unten einen Grat erhalten
    müſſen, wegen der Geſtalt der Lagerfugen als Pyramiden-
    [476]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
    fläche, iſt bei nicht zu flachen Thürmen kein Uebelſtand,
    da durch die Mörtelfuge die Ungleichmäßigkeit vollkommen
    ausgeglichen wird. In der Ecke ſind immer Formſteine
    nöthig (Fig. 495).

Der im Mittelalter alleinigen Verwendung von Kalkmörtel ſteht
auch jetzt nichts entgegen, da Cementmauerwerk, wenn nicht die Fugen
groß, mit viel Waſſer und unter ſorgfältiger Aufſicht ausgeführt
wird, was bei der großen Höhe ſtets Schwierigkeiten hat, keine be-
ſondere Garantie gewährt. Dagegen iſt auf große Accurateſſe in
Bezug auf die vollkommene Ebenheit der Flächen, Geradlinigkeit der
Grate, deren Mangel ſehr unangenehm ins Auge fällt, bei der Aus-
führung zu achten, und daher faſt immer ein vollſtändig oder doch
theilweiſe feſt gezimmertes Gerüſt zu empfehlen, dies auch na-
mentlich wegen des Schluſſes der Spitze, der ſich bei einem unvoll-
kommenen Gerüſt leicht der Aufſicht entzieht.


Die häufig angewendeten Sicherheitsmaßregeln, Anker, Eckgrate,
Abſtumpfung der Ecken und horizontale Gurtungen ſind als über-
flüſſig zu bezeichnen, da ein Beſtreben nach Ausbauchung nicht vor-
liegt, das Gewicht des Mauerwerks vielmehr faſt nur einen lothrechten

Figure 496. Fig. 496.


Druck auf das am Fuße der Spitze befindliche
Mauerwerk ausübt. In letzterem iſt dagegen
eine Verankerung zu empfehlen, nicht ſowohl
gegen einen Schub der Spitze, als gegen die
bei ſo hohem Mauerwerk leicht eintretenden
ungleichen Senkungen und die Erſchütterungen
des Thurmes durch Stürme und die Glocken
bei mangelhafter Conſtruktion der Glockenſtühle.


Eine Mauerſtärke von ½ Stein iſt im All-
gemeinen nicht zu empfehlen, gewährt auch gegen
eine Stärke von 1 Stein keine nennenswerthe
Erſparniß oder Erleichterung. Dagegen reicht
1 Stein ſchon auf die gewöhnlich vorkommen-
den Höhen von unten bis oben vollkommen
aus.


Die Ornamentirung der Thurmſpitzen iſt,
dem Material entſprechend, einfach zu halten,
und nur die Ecken durch profilirte Grate hervorzuheben, die an ſich
ſchon aus Formſteinen beſtehen müſſen.


[477]Die maſſiven Thurmſpitzen.
Figure 497. Fig. 497.

[478]Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Figure 498. Fig. 498.

[479]Die maſſiven Thurmſpitzen.

Die Befeſtigung der eiſernen Hahnſtange geſchieht entweder da-
durch, daß man die Wände oben mit einem kleinen Gewölbe verbindet
(Fig. 496), oder indem man einen eiſernen Roſt (ſich überkreuzende
Eiſenſtangen) anordnet, auf dem der Schluß der Spitze gemauert
wird. Dieſes Verfahren erkennen wir in Fig. 497, welche der Thurm-
ſpitze der Kirche zu Lauenburg entnommen iſt. In der Höhe a b
überkreuzen ſich vier Eiſenſtäbe, die theils zur Verankerung, theils
zum Halten der eiſernen Helmſtange dienen. An den Enden der
Stangen ſind Haken h angebracht, damit die Leitern bei Vornahme
der Reparaturen befeſtigt werden können. Die durch die Spitze ra-
gende verticale Stange beſteht aus zuſammengenieteten eiſernen Winkel-
blechen, um ihr nach allen Seiten hin eine Steifigkeit zu geben. Die
Befeſtigungsart der Kugel, welche aus Kupfer beſteht, iſt aus der
Zeichnung zu erſehen.


Die Rolle r hat den Zweck, bei etwaigen Reparaturen das Winde-
tau für das Hinaufziehen der Materialien zu halten. Unweit der
Haken h ſind in den Wänden der Spitze entſprechende große Aus-
ſteigeluken (Fenſter) vorhanden.


Zum Schluſſe führen wir noch die Thurmſpitze der Kirche zu
Oderberg in Mecklenburg vor, um die Anlage ſolcher Thurmhauben recht
deutlich zu veranſchaulichen.


Ihre Höhe mißt circa 16m und verhält ſich die Baſis zur Höhe
wie 1 : 4. Die Spitze iſt achteckig, in dem unteren Theile 1½ Ziegel,
darüber 1 Ziegel ſtark. In verſchiedenen Höhen ſind Verankerungen
innerhalb der Spitze angeordnet.


Die Verankerung a ſoll den Fuß der Spitze gegen Erſchüt-
terung u. ſ. w. ſichern.


Drittes Kapitel.
Die Thür- und Fenſteröffnungen.


Die Conſtruktion derſelben hängt einerſeits von der Lage der
Fenſter und Thüren, andererſeits von dem zu verwendenden Ma-
terial ab.


Die Kellerfenſter der bewohnten Keller ordnet man ſo viel als
möglich über dem äußeren Terrain an; für Wirthſchaftskeller ſind große
Fenſter nicht erforderlich und ſogar nachtheilig, da ſie die Kellerräume
[480]Drittes Kapitel.
im Sommer zu warm, im Winter zu kalt machen. Im Allgemeinen
iſt die Sockelhöhe für die Kellerfenſteranlage maßgebend und hat man
die in Fig. 321—323, 326 B, 489 und 491 gegebenen Anordnun-

Figure 499. Fig. 499.


gen zu befolgen. Falls der Sockel aber
nicht hoch genug iſt, und die Fenſter-
brüſtung tiefer, als das äußere Terrain
zu liegen kommt, wird vor jedem Fenſter
ein ſogenannter „Lichtkaſten“ angelegt
(Fig. 499), der aus den 1—1½ Stein
breiten Pfeilern a und der gebogenen
Wand b beſteht, welche etwa ⅙—⅕
Bauchung und bis 0,8m Tiefe ½ Ziegel,
und darüber bis 1,2m 1 Ziegel zur
Stärke erhält. Der Boden iſt etwas
ſchräge gepflaſtert, damit das Regen-
waſſer durch eine 4zm weite Drainröhre
abfließen kann. Außerdem wäre es gut,
den oberen Rand des Lichtkaſtens aus
Sandſtein zu fertigen.


Das Fenſtergewände kann ſowohl
aus Ziegeln, als auch aus Schnittſteinen
beſtehen und bekommt in beiden Fällen
einen Anſchlag.


Sehr häufig liegt der Parterrefuß-
boden nur 0,3—0,4m über dem äußeren
Terrain. Das Gewölbe reicht dann ſo-
weit hinunter, daß die Kellerfenſteranlage
ſehr erſchwert wird. Man kann ſich dann mittelſt Stichkappen, die
faſt in einem Winkel von 45° anſteigen, aushelfen, wie Fig. 500
veranſchaulicht.


Das Kellerfenſter iſt außerhalb aus Sandſteinplatten gebildet und
innerhalb durch den Bogen b abgeſchloſſen, der gleichzeitig die Mauer-
laſt von der Stichkappe abnimmt. Gegen dieſen Bogen und das
Gewölbe ſtößt die Stichkappe, die nichts weiter als die Erdſchüttung
trägt. Solche Anordnungen ſind in Oeſterreich ganz allgemein ge-
bräuchlich, und mit der früher gegebenen Fig. 293 ähnlich.


Uebrigens kann man bei höheren Kellerfenſtern die hohe Stich-
kappe vermeiden, wenn man direct unter der Fenſterbank einen Bogen
[481]Die Kellerfenſter.
anordnet und die Parapetbrüſtung (Fenſterbrüſtung) nur ½—1 Stein
ſtark macht, ſodaß hinter dem Kellerfenſter in der Mauer ein breiter

Figure 500. Fig. 500.


Wanderley, Bauconſtr. II. 31
[482]Drittes Kapitel. Thür- und Fenſteröffnungen.
Schlitz oder Schacht verbleibt. Das Gewölbe wird dann von einer
ſteilen Stichkappe durchbrochen, damit etwas Licht durch den Schacht

Figure 501. Fig. 501


in den Keller gelangen kann. Dieſe Anordnung iſt beſonders zweck-
mäßig, wenn die äußere Seite des Kellerfenſters bis an die Parterre-
fenſter reichen ſoll (Fig. 501).


Vielfach wird die Zuführung des Lichtes in den Keller dadurch
erſchwert, wenn eine äußere maſſive Treppe nach dem Hausflur oder
dem Verkaufladen führt und die Anlage des Kellerfenſters an einer
anderen Stelle nicht möglich iſt.


In dieſem Falle empfiehlt ſich die in Fig. 502 gegebene Vorkeh-
rung am meiſten, welche darin beſteht, daß die Treppe, die Vorlage-
ſtufe v ausgenommen, ganz in die Thüröffnung geſchoben wird und
[483]Die Kellerfenſter.
die Vorlageſtufe frei vor dem Mauerwerk liegen bleibt. Zu dieſem
Behufe ſtellt man in der ganzen Länge der Vorlageſtufe einen 0,5—
0,7m breiten und 1,5—2m tiefen Schacht (s) mit 1—1½ Ziegel

Figure 502. Fig. 502.


ſtarken Wänden her und bedeckt man deſſen oberen Rand mit
einem Sandſteinkranz t t. Die obere innere Kante dieſes Kranzes
wird ausgefalzt, um einen eiſernen Roſt r aufnehmen zu können.
31 *
[484]Drittes Kapitel. Thür- und Fenſteröffnungen.
Alles Uebrige giebt die Zeichnung in allen Details genau zu erkennen
und ſcheint daher eine weitere Erklärung überflüſſig zu ſein.


Die Thür- und Fenſteröffnungen der Etagenfenſter können jede be-
liebige Form erhalten, und ſowohl aus Sandſtein als auch aus Ziegeln
hergeſtellt werden. Beſondere Beachtung verdient die Ueberdeckung,
d. h. der ſogenannte „Sturz“ dieſer Oeffnungen, welche in zwei
Theile, nämlich in innere und in äußere Leibung zerfällt.


Falls der Fenſterſturz aus zwei concentriſchen Halbkreiſen oder
Segmentbögen beſtehen ſoll, bietet hierfür der Verband keine beſondere
Schwierigkeit, wenn man die Regeln für die Mauerenden mit Fenſter-
und Thüranſchlägen befolgt (ſiehe die Regeln auf pag. 21 bis 23
dieſes Bandes).


Schwieriger wird die Wölbung, wenn der äußere Sturz horizontal,
dagegen der innere gebogen ſein ſoll; da beide Theile miteinander
im Verbande ſtehen müſſen, läßt man in dem äußeren Sturz die
Steine bis auf die horizontale Fenſterbegrenzung hinabreichen. Dieſes
Verfahren macht Fig. 503 A—C erſichtlich, in welchen die äußere und
innere Anſichten, ſowie der Querſchnitt des Fenſterſturzes dargeſtellt
ſind. Die praktiſche Ausführung geſchieht mittelſt zweier Lehrbögen,
nämlich für den äußeren ſcheitrechten Bogen benutzt man das hori-
zontale Brett a, deſſen Enden im Mauerwerk ſtecken, und für den
Segmentbogen ſtellt man die beiden Lehrbögen b b auf, deren Enden
ſich ebenfalls in den Mauerfugen feſtklemmen, und die in der Mitte
gemeinſam mit dem Brette a auf der Stütze c ruhen. Der ganze
Sturz wird nach dem zum inneren Segmentbogen gehörigen Mittel-
punkt d mittelſt einer in d befeſtigten Schnur eingewölbt.


Für ſolche Fenſterſturze, welche ſowohl inner- als auch außerhalb
ſcheitrecht bleiben, gilt das vorſtehende Verfahren ebenfalls. Die
Fig. 504 A—C zeigen einen horizontalen Sturz in Ziegeln; alle
Lagerfugen ſind nach dem Mittelpunkte eines über der Fenſteröffnung
gedachten Segmentbogens gerichtet. In Fig. 505 A—C iſt eine ana-
loge Anordnung, jedoch mit Hinzufügen der Ziegelvorkragungen für
die Fenſterverdachung.


Die Sohlbank der aus Ziegeln ausgeführten Fenſteröffnungen
beſteht meiſtens aus einer flachen Ziegelſchaarabdeckung (Fig. 506)
oder aus einer horizontalen Rollſchicht, die vorne abgeſchrägt iſt und
die Mauerflucht etwas überragt. Da in Fig. 506 die ſchräge Ziegel-
ſchicht, auch ſelbſt wenn man ſie mit [Cement] vermauert, leicht ab-
[485]Sturz aus Ziegeln.
fallen würde, iſt es zweckmäßiger, die horizontalen Ziegelſchaaren
bis an die Sohlbankabſchrägung reichen zu laſſen und für die äußere

Figure 503. Fig. 503 A—C.


[486]Drittes Kapitel. Thür- und Fenſteröffnungen.
Fläche nur Formſteine, deren unteren Kanten gebrochen ſind, zu ver-
wenden (Fig. 507).


Figure 504. Fig. 504 A—C.

Figure 505. Fig. 505 A—C.

Bei Verwendung von Werk- reſp. Schnittſteinen werden
entweder nur die Sturze, oder auch die ſeitlichen Fenſtergewände und
[487]Sturz aus Schnittſteinen.
Sohlbänke aus dieſem Material verfertigt. Die gebogenen Fenſter-
reſp. Thürüberdeckungen haben wir bereits in Fig. 246—253 u. ſ. w.
dargeſtellt und bleiben ſomit nur noch die geraden Sturze zur Beſpre-
chung übrig. Dieſelben beſtehen am beſten und einfachſten aus einem
einzigen Werkſteinblocke, der die Breite des ganzen Fenſters, mit Ein-
ſchluß der Fenſtergewände, zur Länge hat. Um dieſen Block, der mit
dem Gewändeprofil verſehen iſt, vom Drucke des darüberbefindlichen
Mauerwerks zu befreien, ordnet man über ihm einen entſprechend
großen und hinreichend ſtarken Entlaſtungsbogen an (Fig. 508).
Der Sandſteinſturz iſt etwa 15—23zm (letzteres Maß bei Thüren)
hoch und ebenſo ſtark und gewährt mit ſeiner inneren Fläche dem
Fenſter reſp. der Thüre einen genügenden Anſchlag. Zweckmäßig iſt
es, den Sturz mit dem Mauerwerk zu verankern. Vielfach findet man
auch die in Fig. 509 dargeſtellte Verbindung des Sturzes mit dem
Ziegelmauerwerk, welche darin beſteht, daß ein Bogen mit geringer
Pfeilhöhe durch das ganze Mauerwerk reicht (alſo wie bei Mauer-
bögen) und mit ſeinem Scheitel in der Höhe der oberen Sturzkante
liegt. In dem Mauerwerk wird dann ein entſprechend tiefer Falz
für den Sturz hergeſtellt.


In ſandſteinreichen Gegenden werden auch größere und reicher
ausgebildete Fenſter- oder Thürüberdeckungen aus Schnittſtein, jedoch
meiſtens nur in der Tiefe des Anſchlages, gefertigt. Eine derartige
Anordnung veranſchaulicht Fig. 510, welche einen Theil eines Pfeiler-
gebälkes (Sima, Fries und Architrav, mit Pfeiler) darſtellt. Die
Werkſteine greifen 0,25—0,3m in das Mauerwerk, und werden durch
einen kleinen Bogen entlaſtet; der innere Sturz beſteht aus einem
1½ Stein breiten, 2½ Stein hohen ſcheitrechten Bogen.


Da beide Bögen das Mauerwerk nicht hinreichend zu ſtützen
vermögen, befindet ſich über ihnen noch ein großer, 2 Ziegel hoher,
2½ Ziegel breiter Entlaſtungsbogen. Bei Herſtellung ſolcher Fenſter-
öffnungen kann man die ſämmtlichen Bögen nacheinander herſtellen
und die Sandſteinblöcke erſt nach Fertigſtellung des Rohmauerwerks
an ihren Platz bringen, damit die Profile durch herabfallende Gegen-
ſtände nicht ruinirt werden.


Zu den Fenſter- und Thürgewänden bedient man ſich meiſtens
eines großen Sandſteinſtückes, das von der Sohlbank bis zum Sturz-
block reicht, mit dieſem dicht und waagerecht abſchließt und mittelſt
Metalldübeln verbunden wird (Fig. 508). Seltener ſetzt man die
[488]Drittes Kapitel. Thür- und Fenſteröffnungen.

Figure 506. Fig. 506.


Figure 507. Fig. 507.


Figure 508. Fig. 508.


Figure 509. Fig. 509.


Figure 510. Fig. 510.


Figure 511. Fig. 511.


[489]Fenſter- oder Sohlbank.
Gewände aus mehreren Theilen zuſammen (Fig. 511), da hierbei nicht
nur mehr Sandſteinmaterial erforderlich iſt, zumal die einzelnen Blöcke
mindeſtens 0,2—0,3m weit im Mauerwerk vermauert ſein müſſen, ſon-
dern auch viele Fugen entſtehen und die ganze Anlage weniger
haltbar iſt.


Die Sohl- oder Fenſterbank beſteht immer aus einem ein-
zigen Blocke, der das Brüſtungs- (reſp. Parapet-) Mauerwerk circa
0,2—0,3m überdeckt, vorne etwa 5zm vorſpringt und an der unteren
Kante mit einer ſogenannten Waſſernaſe verſehen iſt, damit das
Regenwaſſer nicht an der Façadenfläche hinabläuft, ſondern an der
Sohlbankunterkante abtriefelt. Die obere Fläche der Sohlbank muß
nach außen abgeſchrägt ſein, um den ſchnellen Ablauf des Regenwaſſers
zu ermöglichen.


Da das Fenſtergewände auf die ſchräge Oberfläche der Sohlbank
zu ſtehen kommt, läßt man an die Enden der Sohlbank den unteren
Anfang des Gewändeprofils ſo anarbeiten, daß eine horizontale Auf-
lagsfläche für den Fenſterſtock entſteht.


Bei dem Verſetzen der Sohlbank muß man darauf achten, daß
zwiſchen dem Brüſtungsgemäuer und der Sohlbankunterfläche eine

Figure 512. Fig. 512.


Fuge verbleibt, denn da das Füllmauerwerk ſich weniger ſetzt als das
volle Mauerwerk, welches auf den Enden der Sohlbank ruht, ſo könnte,
[490]Viertes Kapitel. Die Geſimſe.
bei Nichtbeachtung dieſes Umſtandes, ſehr bald der Unfall eintreten,
daß die in der Mitte feſt unterſtütze, an den Enden aber belaſtete
Sohlbank plötzlich zerbricht. Fig. 512 zeigt die Anlage der Sohlbank
in Anſicht, Querſchnitt und Grundriß.


Viertes Kapitel.
Die Geſimſe


dienen zur Zierde des Gebäudes und ſollen die äußere, mit Fen-
ſter- und Thüröſſnungen durchbrochene Façadenfläche in einzelne
verticale und horizontale Theile zerlegen oder zergliedern; außerdem
haben die Geſimſe den Zweck, das Gebäude gegen die äußeren Wit-
terungseinflüſſe etwas zu ſchützen, indem ſie das Regenwaſſer von
einem großen Theile der Wand abhalten.


Die Geſimſe können ſowohl von Schnitt- oder Werkſteinen, Ziegeln
ohne oder mit Kalk- reſp. Cementüberputz, als auch von Holz her-
geſtellt werden; die letzte Gattung wurde bereits am Schluſſe der
Zimmerconſtruktionen im 1. Abſchnitt beſprochen.


Figure 513. Fig. 513.

Nach der Lage der Geſimſe unterſcheidet man:


  • Sockel- oder Plinthengeſimſe, Brüſtungs-, Band- und Gurt-
    geſimſe, Fenſter- und Thürgeſimſe, Hauptgeſimſe.

[491]Sockelgeſimſe. Die Gurt- und Bandgeſimſe.

Die Plinthen- oder Sockelgeſimſe


von Sandſtein haben wir bereits bei den Fig. 149 bis 152 dargeſtellt,
es bleiben ſomit noch die Anordnungen mit Ziegeln übrig. Dieſelben
können entweder im Ziegelrohbau bleiben mit Verwendung der Form-
ſteine reſp. der einfachen Ziegeln, oder mit Kalk- reſp. Cement über-
putzt werden. Im erſten Falle läßt man hohle Formſteine in der
Höhe von etwa drei bis fünf Ziegelſchaaren anfertigen und nach der
in Fig. 513 dargeſtellten Methode in Cementmörtel anbringen.


Bei gewöhnlichen Zins- und Wohnhäuſern begnügt man ſich mit
einem Cement- oder Kalküberputz der Sockelgeſimſe, wobei die Ziegel-

Figure 514. Fig. 514.


ſchaaren ſoweit vorſpringen, daß man den Putz allenthalben nur
3—4zm aufzutragen braucht (Fig. 514).


Die Gurt- und Bandgeſimſe


zergliedern die Façade in horizontaler Richtung und markiren die
inneren Etagen reſp. Etagenbalkenlagen.


Die Höhe und Größe dieſer Geſimſe richtet ſich nach den architek-
toniſchen Verhältniſſen der Façade; ſie haben in der Regel eine Höhe
von 0,13—0,25m und laden 0,18—0,27m weit aus; alsdann beträgt die
Auflagsbreite in der Mauer bei Benutzung des Sandſteins oder des
Granits circa 0,30m (Fig. 515). Das Geſims wird bei einfachen Roh-
[492]Viertes Kapitel. Die Geſimſe.
bauten durch vortretende Ziegel, bei reicherer Ausführung dagegen
mittelſt Formſteinen hergeſtellt (Fig. 516).


Bei gewöhnlichen Bauten kann das Bandgeſims gleichzeitig als
Fenſterſohlbank dienen, und dann aus einer horizontalen oder einer
in 45° ſchrägliegenden Rollſchicht beſtehen.


Figure 515. Fig. 515.

Figure 516. Fig. 516.

Die Frontmauern und Geſimſe der billigen Bauten werden mei-
ſtens mit Kalk- oder Cementmörtel überputzt.


Figure 517. Fig. 517.

[493]Das Hauptgeſims.

Eine derartige Anordnung veranſchaulicht die Fig. 517 in größerem
Maßſtabe.


Die Oberflächen ſolcher Mörtelgeſimſe werden außerdem noch mit
Zinkblech Nr. 12 abgedeckt, damit die Feuchtigkeit nicht in das Mauer-
werk dringe.


Das Hauptgeſims


ſoll nicht nur allein das Gebäude bekrönen, ſondern hauptſächlich durch
ſeine Ausladung die Mauerfläche ſo viel als möglich beſchützen und
das vom Dach herabfließende Waſſer in gewiſſer Entfernung von der
Gebäudefläche abtröpfeln laſſen.


Die Hauptgeſimſe laſſen ſich aus jedem Material conſtruiren. Die
Höhen- und Breitenverhältniſſe richten ſich nach der Größe, Höhe und
dem Charakter des Gebäudes; immerhin iſt der Grundſatz zu beachten,
daß die Ausladung des Hauptgeſimſes nie größer als die Mauerſtärke
des oberen Stockwerks ſein darf.


Figure 518. Fig. 518.

Figure 519. Fig. 519.

Die Hauptgeſimſe von Sandſtein beſtehen am zweckmäßigſten aus
Bindern und Läufern, wobei letztere ankerartig in die Binderſteine
eingreifen (Fig. 518—521).


[494]Viertes Kapitel. Die Geſimſe.

Um ein Vorüberkippen des freiſchwebenden Theiles zu verhüten,
werden die Ankerſteine (Binder) bis zur Dachräſche hintermauert; häufig
kann man die Sandſteingeſimſe auch direct durch die Balkenlage belaſten.


Iſt das Hauptgeſims ein ſogenanntes Konſolengeſims, bei welchem
die Unterglieder verhältnißmäßig am größten ſind, ſo gehen die Kon-

Figure 520. Fig. 520.


Figure 521. Fig. 521.


Figure 522. Fig. 522.


ſolen als Binder durch die ganze Mauer, damit die Hängeplatte auf
den Konſolen als Läuferſtein ruhe und nur 10zm in die Mauer
[495]Das Hauptgeſims.
einbinde (Fig. 522). Die Räume zwiſchen den Konſolen werden
dann mit Ziegelſteinen ausgemauert.


Bei Rohbauten, deren Geſimſe aus Formſteinen beſtehen, iſt ſtets
darauf zu achten, daß jeder hervortretende Ziegel durch andere Ziegel-
ſteine gut unterſtützt werde; eine beſtimmte Regel läßt ſich hierbei nicht
feſtſtellen. Solche Geſimſe ſollen aber immer eine geringere Ausladung
haben, als die Sandſteingeſimſe mit gehörigem Auflager (Fig. 523).


Figure 523. Fig. 523.

Um den weit ausladenden Sandſtein-Hängeplatten eine feſte und
unverſchiebbare Lage zu geben, verankert man ſie in Abſtänden von
3—4m mittelſt eines langen ſchmiedeeiſernen Ankers, der etwa 3—5m
im Mauerwerk hinabreicht und eine auf die Hängeplatte gelegte
ſchmiedeeiſerne Stange feſthält. Auf der Hängeplatte ruht dann vielfach

Figure 524. Fig. 524.


noch die Aufmauerung und die Sandſteinattika. Für die Sima
werden einige Ziegelſchaaren aufgemauert; die Sima ſelbſt wird
[496]Viertes Kapitel. Die Geſimſe.
mittelſt einer Schablone in Kalkmörtel gezogen. Die ſchräge Ober-
fläche des Geſimſes wird aus Brettern hergeſtellt und mit Zinkblech
abgedeckt.


Sollen Sandſtein-Geſimſe in Cement- oder Kalkputz imitirt wer-
den, dann müſſen bei der Hängeplatte die Ziegelſteine bis dicht an
die Vorderkante der Platte vortreten und mittelſt einer eiſernen
Hülfsconſtruktion gehalten werden (Fig. 524).


Zu dieſem Behufe liegen eiſerne Flachſchienen in der Mauer 1m
weit auseinander, die bis dicht an die Hängeplattevorderkante reichen
und eine andere horizontal liegende Flachſchiene tragen. Dadurch wird
ein Eiſenroſt gebildet, der zum Tragen der Ziegeln, von denen die
unteren ein längeres Format haben (ſogenannte Geſimsziegel), dient.
Sodann erfolgt der Abputz des Geſimſes mittelſt einer Schablone.
Die Oberfläche des Geſimſes wird mittelſt Zinkblech bedeckt, um ſie
gegen Feuchtigkeit und Näſſe zu ſchützen (Fig. 524). Solche Con-
ſtruktionen ſind aber nur für Geſimſe mit geringer Ausladung zuläſſig.


[[497]]

Nachtrag.*)


Das in der Fig. 398 gegebene Prinzip haben wir in weiterem
Umfange angewendet bei Platzeln (Fig. 525), denen, anſtatt der
Ellipſe, ein Kreis zu Grunde liegt. Der verticale Querſchnitt des
Platzels ſoll ebenfalls elliptiſch geſtaltet ſein; wir denken uns ein Viertel
der gedrückten Ellipſe um eine im Mittelpunkt des Grundkreiſes
ſtehende verticale Axe nach Fig. 525 gedreht,
ſodann geben alle horizontalen Schnitte in der
Horizontalprojection lauter concentriſche Kreiſe.
Will man nun mehrere nebeneinander befind-
liche rechteckige reſp. quadratiſche Räume mit
ſolchen Platzeln überdecken, ſo nimmt man zu-
vor — wie in Fig. 525 — die Diagonalen

Figure 525. Fig. 525.


der Räume A, B, C, D, als Durchmeſſer der Grundkreiſe an. Es
werden dann ſämmtliche Fußpunkte der böhmiſchen Kappen (reſp.
preuß. Platzeln) aus den Ecken der Räume hervorgehen. Nebenbei
ſei bemerkt, daß dieſe Grundkreiſe die Ecken der Räume nicht zu be-
rühren brauchen, ſondern ebenſogut ganz beliebig große Durchmeſſer
haben können. In unſerem Beiſpiele Fig. 526 finden wir die
erſtere Vorausſetzung. Damit die Gewölbedrücke ſich gegenſeitig auf-
heben, hat man darauf zu achten, daß die Anläufe (Schildbögen)
zweier nebeneinander befindlicher Gewölbe vollſtändig conſequent ſeien,
und muß man zu dieſem Behufe den Querſchnitt einer jeden böhmi-
ſchen Kappe (oder Platzels) beſonders austragen, wobei jedoch zuerſt
der Querſchnitt eines Platzels, z. B. der über dem Raum A, zu
Grunde gelegt wird. Es werden nun die Anläufe des Raumes A er-
mittelt, indem man eine Hälfte von jeder der zwei verſchiedenen Seiten
des Rechtecks in beliebige Theile zerlegt, z. B. in I, II, III, IV, V, VI
und in g'', h'', i'', k'', l'', m'', n'', o'', und vom Mittelpunkt a des
Grundkreiſes aus mit den Radien a I, a II, a III ꝛc., und a g'', a h'',
Wanderley, Bauconſtr. II. 32
[498]Nachtrag.

Figure 526. Fig. 526.


[499]Nachtrag.
a i'', a k'' . . . . a o'' concentriſche Kreisbögen bis zur Diagonale
nach den Punkten I'' ꝛc., und g, h, i, k, l, m, n, o zieht.


Errichtet man dann in I' eine Normale, welche den elliptiſchen
Querſchnittbogen in s ſchneidet, ſo giebt die Höhe I' s in s einen
Punkt des Anlaufes, wie im Aufriß angedeutet wurde. Auf ähnliche
Weiſe findet man die anderen Anlaufspunkte über II, III, IV, V, VI.
Ebenſo geſchieht es auch mit den Theilpunkten g'', h'', i'', k'', l'',
m'', n'' und o'', welche mittelſt Kreisſchlägen nach g, h, i, k, l, m,
n, o gebracht ſind; die Höhen g g', h h', i i', k k', l l', m m', n n', o o'
geben die Abſtände der Anlaufspunkte an.


Will man das Gewölbe nach der Schnittlinie x y zeichnen, ſo muß
man, um im Aufriß die Höhen a1 a0, b2 b0, c3 c0, d4 d0, e5 e0, f6 f0,
g7 g0 zu bekommen, im Grundriß in denſelben Abſtänden a b, b c,
c d, d e, e f, f g, die Theilpunkte a'', b'', c'', d'', e'', f'', g'' notiren,
ferner ſie mittelſt Kreisbögen aus dem Centrum a nach b, c, d, e,
f, g bringen und hierauf die Normalen a a', b b', c c', d d', e e', f f',
g g' ziehen, welche in a1, b2, c3, d4, e5, f6, g7 aufgetragen, dem Ab-
ſtande a1 a0, b2 b0, c3 c0, d4 d0, e5 e0, f6 f0, g7 g0 entſprechen.


Das Gewölbe über B muß nun an der Seite, wo es an das über
A grenzt, mit letzterem einen congruenten und gleich hoch angebrach-
ten Anlauf haben. Es muß daher ein Rotationskörper conſtruirt
werden, welcher, im Abſtand 1 vom Mittelpunkt u des Grundkreiſes
zum Raume B geſchnitten, denſelben Abſchnitt liefert wie bei A im
Abſtande a g''. Es iſt daher der umgekehrte Weg als bei A einzu-
halten, nämlich, anſtatt daß bei A der Schildbogen nach gegebenem
Querſchnitt q conſtruirt wurde, wird bei B der Querſchnitt q' nach
dem Anlauf gefunden. Deshalb übertrage man die Theilpunkte g'',
h'', i'', k'', l'', m'', n'', o'' in proportionalen Entfernungen nach 1,
2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und ziehe man von ihnen aus nach der halben
Diagonale u r concentriſche Kreiſe, z. B. im Punkte 1, 2 und 3 nach
v, w' z. Sodann errichte man in v, w, z die Normalen und mache
man dieſelben, alſo z. B. v v', w w', z z' gleich den Höhen g g,' h h',
i i' ꝛc. ꝛc.


Nach der angedeuteten Methode laſſen ſich die ſämmtlichen zu dem
halben Ellipſenbogen q gehörigen Höhen ermitteln, und außerdem auch
die Bögen q2 zum Raume D und q3 zum Raume C nebſt ihren An-
läufen beſtimmen.

[][]

Appendix A

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[figure]
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[figure]
[][][]
Notes
*)
Die Lehm-, Kalk- und Cementpiſee’s haben wir hier nicht beſprochen. Die
Herſtellung derſelben iſt beſchrieben in „Wanderley, die ländlichen Wirthſchaftsgebäude.“
*)
„Die ländlichen Wirthſchaftsgebäude“, herausgegeben von G. Wanderley, unter
Mitwirkung von Baumeiſter E. Jähn.
*)
Viele Bautechniker wollen von der nachträglichen Verblendung nichts wiſſen
und laſſen das Mauerwerk gleich beim Aufführen mit Weißkalkmörtel ausfugen.
*)
Die öſterr. Bauordnungen haben noch Fußmaße und das alte Steinformat; hier haben
wir beide in das Metermaß übertragen. D. Verf.
*)
Weiß, die vortheilhafteſte Wanddicke der Gebäude, Allgemeine Bauzeitung
1869/70.
*)
Indem wir hier die Hauptergebniſſe, welche Herr Weiß durch ſeine Berech-
nungen gewinnt, im Auszuge wiedergaben, können wir doch nicht umhin, die beiden
letzten Sätze etwas zu ergänzen; nämlich, erſtens: die Porenventilation hört
ſofort auf, wenn die Poren geſchloſſen ſind; dies geſchieht am meiſten durch das in
die Fugen dringende Regenwaſſer, wie die umfangreichen Unterſuchungen von
Dr. Märcker in Göttingen bewieſen haben; immerhin ſollte man auch auf die nur
periodiſch wirkende Porenventilation nie Verzicht leiſten; zweitens: Wände unter
1½ Stein halten wir für verwerflich, nicht weil die Luft, ſondern weil die Näſſe
durch ſie dringt; denn Verfaſſer hat ſich öfters überzeugt, daß bei exponirt ſtehenden
Gebäuden die ſcharfen Nord- und Oſtwinde, öfters auch die Weſtwinde, den Regen
mit größter Gewalt ſo durch die Steine und Fugen preſſen, daß das durchgeſchlagene
Waſſer im Inneren an den Wänden hinabtriefelt! Man bedenke, daß die Ziegel
öfters nur mittelmäßig ſind, und die Maurer die Fugen meiſtens (leider!) nur in-
wendig mit Kalkmörtel beſtreichen. Wände unter 1½ Stein müſſen ſtets aus
beſtem Material hergeſtellt und mit einem äußerlichen Putze — am beſten aus
Cement — verſehen werden.
*)
Die bisherigen öſtr. Bauordnungen geben ſämmtliche Maße in „Schuhen
an wir haben hier die Maße nach dem Meterſyſtem umgeändert.
*)
Ausführliches über den Putz ſiehe in „Breymann, Mauerconſtruktion“ und
„Menzel-Schwatlo, der praktiſche Maurer“.
*)
Siehe die Figuren 445—451 im 1. Bande dieſes Werkes. Andere Lehr-
bogenconſtruktionen veranſchaulichen wir in Fig. 225—232 und Fig. 306.
*)
P. Laſpeyres, die Baudenkmäler Umbriens.
*)
Ferdinand Hoffmann, Theoretiſche und practiſche Anleitung zum Entwurfe
und zur Ausführung ſchiefer Ziegel- und Quadergewölbe ꝛc. Allgemeine Bauzei-
tung 1871, Heft VII, Seite 253—28.
*)
Das preußiſche Platzel mit kreisförmigem Grundriſſe über quadratiſchem
Raume geben wir im Anhange dieſes Bandes.
*)
Auch wir haben bereits ſeit etlichen Jahren beim Bauconſtruktionszeichnen-
unterricht die Gratbögen eines rundbogigen Kreuzgewölbes nach einem ähnlichen,
jedoch etwas umſtändlichen Verfahren austragen laſſen, indem wir im Grundriſſe
anſtatt der Mantellinien der gleichmäßig auf einer ſchrägen Ebene anſteigenden halben
Cylinder, immer die wirklichen Querſchnitte umklappen ließen. Wir kamen auf
dieſe Anordnung zuerſt beim Zeichnen ſchräger Schnitte durch die halbkreisförmigen
Kreuzgewölbe. Dem Verfahren des Herrn Profeſſor Gottgetreu geben wir der ein-
facheren Manipulation wegen den Vorzug, weshalb wir dieſes Verfahren hier ſeiner
Neuheit wegen ausführlich nach der Zeitſchrift für Bauweſen 1875 vorführen.
*)
Deutſche Bauzeitung 1868.
*)
Nachtrag zu dem auf pag. 396 beſprochenen Gegenſtande.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Handbuch der Bauconstruktionslehre. Handbuch der Bauconstruktionslehre. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjhr.0