Jrdiſches
Vergnuͤgen
in
GOTT.
Fuͤnfter Theil.
Betrachtung des Himmels.
[[2]][[3]][figure]
Wenn, von Leidenſchaft gereinigt, mein erheiter-
tes Gemuͤth
Jn die gleichfals reine Tieffe, des entwoͤlckten
Himmels ſieht;
Treff’ ich ſolch ein rein Vergnuͤgen, in der reinen Klar-
heit an,
Das ich halb entzuͤckt zwar fuͤhlen, aber nicht beſchreiben
kann.
Dieſer unumſchraͤnckte Raum, dieſes weite Himmels-Feld,
Das in Boden-loſer Tieffe, ungezehlte Welt’ enthaͤlt,
Jſt, in ſeiner weiten Groͤſſe, eine rechte Seelen-Weide,
Und umgiebt, durchdringt, erfuͤllet meinen Geiſt mit heil-
ger Freude.
Durch den Blick ſcheint ſich mein Geiſt, gantz erſtaunt, an
allen Seiten,
Jn die Hoͤhe, in die Weite, voll Vergnuͤgen auszubreiten,
Und auch in den gantz entlegnen, unerforſchten Abgrunds-
Gruͤnden,
Eben ſo, wie in der Naͤhe, GOTT zu ſuchen und zu fin-
den.
Das, aus Licht und ferner Tieffe, wunder-ſchoͤn formirte
Blau,
Welches ich mit Luſt und Ehrfurcht, und faſt bangen Freu-
den ſchau,
A 2Zei-
[4]Betrachtung des Himmels.Zeiget mir ein aus der Gottheit hergefloſſnes Sonnen-
Licht;
Und die Tieff’ ohn End’ und Graͤntzen ſieht mein forſcheu-
des Geſicht
Als ein wuͤrdigs Reich des Schoͤpffers, das unendlich ſon-
der Schrancken,
Wo, in alle Ewigkeit, menſch- und engliſchen gedancken
Kein Bezirck, kein Ziel, noch Ende zu erſinnen, moͤglich
faͤllt,
Mit erſtauntem Blicken an. Dieſe groſſe Sternen-Welt,
So viel Millionen Sonnen, ſind die Proben ſeiner Liebe,
Seiner Weisheit, ſeiner Macht. Denn was ſonſt, als
Liebe, triebe
Sein in ſich ſchon ſeeligs Weſen, Creaturen, aus dem
Nichts,
Zum Gebrauch ſo vieler Guͤter, zum Genuß des ſchoͤnen
Lichts,
Ja zur Seeligkeit zu ſchaffen?
GOttheit, deren ewigs Weſen heilig, ſeelig, herr-
lich, wahr,
Unerforſchlich, weiſ’, allmaͤchtig, liebreich und unwan-
delbar!
Laß mich von dem hellen Himmel nie die Strahlen-reichen
Hoͤhen,
Ohn’ an deine Lieb’ und Macht froͤlich zu gedencken, ſehen!
Biß mein Geiſt, nach dieſer Erde, von der ewgen Sonnen
Schein
Wird, unmittelbar beſtrahlet, ewiglich erleuchtet ſeyn.
Fruͤhe[5]Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe.Jm vier und dreißigſten, auf ſiebzehn hundert Jahr,
Hab ich bereits im Februar,
Nachdem wir wenig Froſt, kaum Eis, und keinen Schnee
Den gantzen Winter durch geſehn,
Nebſt andern Blumen auch, ein ſchoͤnes Fruͤhlings-Kind,
Ein’ aufgebluͤhte Hyacinth,
So aus dem Lande ſchon, ohn alle Kunſt, geſtiegen,
Mit lieblichem Geruch erfuͤllt, und ſchoͤn geſchmuͤckt,
Jn weislich-blauer Pracht, mit innigem Vergnuͤgen,
Faſt fuͤr Verwundrung ſtumm, erblickt.
Es war ein aufgeklaͤrt- und ſchoͤner Tag;
Solch eine Heiterkeit,
Wie man, in voller Fruͤhlings-Zeit,
Am Firmament zu ſehen pflag,
Schien mit der Erde ſich zu fuͤgen,
Schien uͤberall auf Gras und Kraut zu liegen.
Wenn hie und da, durch das noch zarte gruͤn
Des jungen Krauts, das Licht der Sonnen ſchien;
War jedes Blatt durchlaͤuchtig, und der Grund,
Worauf die gruͤne Schoͤnheit ſtund,
Vermehrte, durch die Dunckelheit,
Die faſt ſchmaragdne Lieblichkeit.
Es zeigten der Narciſſ- und Tulpen Blaͤtter
Nur halb annoch geſehne Spitzen ſich:
Jhr neues Gruͤn vergnuͤgte mich
Recht inniglich,
Zumahl bey dem ſo angenehmen Wetter.
A 3Nicht
[6]Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe.Nicht weniger gefiel auch mir
Des Buchs-Baums roͤthlich-gruͤne Zier,
Auf welchem, da ein jedes Blatt,
Recht wie Orangen-Laub, faſt Spiegel-glatt,
Der heitern Sonne helles Licht
Schnell ruͤckwerts ſtrahlt und ſich ſo lieblich bricht,
Daß, mit der gruͤnen Pracht, an manchem Ort, vereint,
Das Kraut, an manchem Ort, verſilbert ſcheint.
Ein lieblich-bitter-ſuͤſſer Duft
Aus dieſem Kraut erfuͤllt umher die Luft.
So gar durch die Figur, worin man es geſetzet,
Da es bald als ein runder Krantz formirt,
Bald als ein Rahmen, der geviert,
Jn netter Symmetrie die Garten-Beeten ziert,
Wird unſer Aug’ ergetzet.
Diß alles nahm mit einem neuen Schein
Das innerſte der Seelen ein.
Die Hofnung, daß der Winter bald vorbey,
Der laue Fruͤhling nahe, ſey,
Erfuͤllt mich zum voraus mit kuͤnftigem Vergnuͤgen.
Aus der ſo oft geſehnen Lentzen-Zier
Stell’ ich mir die zukuͤnftge Schoͤnheit fuͤr.
Die Seele ſcheint ſich zu bemuͤhn,
Durch die Erinnerung herbey zu ziehn
Und ſonder Gegenwart zu fuͤgen,
Das was noch nicht, mit dem was nicht mehr, iſt.
Wer
[7]Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe.Wer GOttes Ordnungen ermißt,
Die in der Aenderung unwandelbar
Kann ſchon aus dem, was ehemahls geweſen,
Das Kuͤnftige, wie gegenwaͤrtig, leſen.
Ach HErr laß mich geſund die Fruͤhlings-Zeit erleben!
Laß mich, dir Lob und Danck fuͤr ſo viels Guts zu geben,
Und deine weiſe Macht und Liebe zu erheben,
Jn froher Achtſamkeit zum oͤftern mich beſtreben!
[figure]
A 4
Be-[8]Betrachtung der in den KnoſpenBetrachtung der in den Knoſpen ent-
haltenen Wunder.Willkommen, liebſte Fruͤhlings-Sproſſen,
Die ihr theils gruͤnet, theils ſchon bluͤht;
Jhr Knoſpen, die man ofters ſieht,
Eh’ man es meint, ſchon aufgeſchloſſen;
Die ihr recht von einander ſpringt,
Und, ſonderlich bey ſchoͤnen Wetter,
Uns eine Menge ſchoͤner Blaͤtter,
Als lauter Wunder-Kinder, bringt!
Wie wuͤrd’ uns euer Glantz und Schein
So nuͤtzlich und erſprießlich ſeyn,
Eroͤfnetet ihr uns zugleich
Welch eine wunderbare Kraft
Jn euren Weſen wirckt! was euch
Und euren regen Wunder-Saft
So kraͤftig in Bewegung bringet!
Ob ihr nur Stoß-weiſ’, oder nicht
Vielmehr beſtaͤndig, vorwerts dringet!
Ach, gaͤbet ihr uns doch Bericht,
Woher der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit,
Die Anmuth des Geſchmacks in eurer Frucht entſtehet!
Wie kann ſich in ſo rauhen Rinden
Ein ſolcher ſtrenger Trieb, ſolch’ eine Kunſt, befinden,
Die, beſſer als der Menſchen Hand,
Ja aller menſchlicher Verſtand,
Geſchickt, ſo liebliche Figuren zu formiren,
Sie ſo zu faͤrben und zu zieren!
Wahr-
[9]enthaltenen Wunder.Wahrhaftig, wenn ich bey euch ſteh
Und eure Form und Farben-Pracht beſeh,
Erſtaunt mein Geiſt mit Recht und dencket:
Kommt dieß von ungefehr? Ach nein:
Der dieſe Kraft in euch geſencket,
Muß groß, muß eine GOttheit ſeyn!
A 5
Be-[10]Betrachtungen uͤber die erſte SchoͤnheitBetrachtungen uͤber die erſte Schoͤnheit
der Baͤume im Fruͤhling.So bald die Knoſpen erſt ſich von einander geben,
Woruͤber ſich ein Aug’ in Hofnung ſchon erfreut,
So ſcheint der gantze Baum, mit zartem Gruͤn beſtreut,
Als wenn um jeden Aſt viel gruͤne Puncte ſchweben.
Viel tauſend kleine gruͤne Tuͤpfel
Bedecken uͤberall den Wipfel.
Wenn nun der Sonnen heller Strahl
Jhr zaͤrtliches Geſpinſte manches mahl
Beſtrahlet und durchdringt; ſollt einer oͤfters meinen,
Daß uͤberall im Baum gelb gruͤne Funcken ſcheinen.
Wenn ſich die Blaͤtter nun vergroͤſſern und verbreiten,
Vermehren und vergroͤſſern ſich
Derſelben gruͤne Lieblichkeiten!
Jndem ein gruͤner Dunſt, den man mit Anmuht ſieht,
Sich um den gantzen Baum ſo dann gemaͤhlig zieht.
Durch den nicht gaͤntzlichen Zuſammenhang der Blaͤtter
Kommt jeder Vorwurf uns ſo dann nicht anders vor
Als ſaͤh man ihn durch einen gruͤnen Flor;
Das uns denn, ſonderlich bey heiterm Wetter,
Von unten auf den himmliſchen Sapphier,
Von oben ab der Erden gruͤne Zier
Annoch verſchoͤnert weiſet;
So daß wer es, mit achtſamen Gemuͤth
Und einiger Erwegung, ſieht,
Jn ſeiner Augen Luſt, mit Recht, den Schoͤpfer preiſet,
Der uns zu unſrer Luſt, die Welt ſo lieblich ſchmuͤckt,
Und
[11]der Baͤume im Fruͤhling.Und wovon, in den ſchoͤnen Wercken,
Wenn man ſie mit Vernunft erblickt,
So Macht als Lieb und Weisheit zu bemercken.
Wann nun in kurtzer Zeit die gruͤnen Zweige ſchieſſen,
Die Blaͤtter ſich vergroͤſſern und ſich ſchlieſſen,
So laͤßt an jedem Baum, nicht minder ſchoͤn,
Sich eine neue Art von Schoͤnheit ſehn,
Jndem, da ſich das Heer der Blaͤtter faſt vereint,
Der Baum ein gruͤn Gewoͤlck, ein gruͤn Gewoͤlbe ſcheint.
Es laͤßt als truͤge jeder Aſt
Nicht ohne Muͤh der Blaͤtter gruͤne Laſt.
Die ſchwancken Zweige haͤngen nieder,
Und gleichen, da ſie abwerts hangen,
Und in ſanft-wallenden und gruͤnen Schimmer prangen,
Dem abwerts haͤngenden Gefieder
Von gruͤn-beaugten Pfauen-Schwaͤntzen,
Nur mit dem Unterſcheid, daß die mit blauen,
Da dieſe hier mit gruͤnen Augen, glaͤntzen.
Wenn wir demnach, im lauen Lentzen,
Der gruͤnen Baͤume Pracht beſchauen;
So laßt es ohne Danck und Andacht nie geſchehn!
Laßt uns in unſrer Luſt denjenigen erhoͤhn,
Durch deſſen Lieb’ und weiſe Macht,
Was ſchoͤn und herrlich iſt allein hervorgebracht!
Das[12]Das Sonnen-Reich.Das Sonnen-Reich.Aus der duncklen Erde ſteigen Pflantzen in die duͤn-
ne Luft:
Warum ſolten unſre Seelen nicht, aus irdſcher
Luͤfte Duft,
Jn die Himmels Luͤfte ſteigen, um in ihren reinen
Hoͤh’n,
Durch ein reines Licht erleuchtet, GOttes Werck
auch dort zu ſehn?
Mit nicht auszudruͤckender, inniger, und ſanfter
Freude
Find’ ich auf den Garten Beeten jetzt, zur fruͤhen Fruͤh-
lings-Zeit,
Eine recht bewundrungs-wehrte Hertzen-Seel-und Augen-
Weide
So mein gantzes Weſen fuͤllet mit beſondrer Lieblichkeit.
Die noch geſtern gantze Beeten ſind anjetzt ſchon voller
Ritzen,
Voller ofnen luckern Stellen. Seht, wie kleine gruͤne Spitzen,
Zwiſchen kleinen Erden-Kloͤſſen, aus den duncklen Spal-
ten dringen,
Seht wie ſie nicht hie und da, ſondern uͤberall, entſpringen.
Ein vernuͤnftig Menſchen-Auge kann nicht ſonder Anmuht
ſehn
Jn ſo ſuͤſſer Meng und Ordnung kleine gruͤne Pfriemen
ſtehn,
Die aus ihrer duncklen Wohnung mit ſo ſtrengem Druck
ſich heben
Daß noch oͤfters an den Spitzen kleine Erden-Kloͤſſe kle-
ben.
Nied-
[13]Das Sonnen-Reich.Niedlich laͤßt’s, wenn ihre Haͤupter, die ſchon aus dem
Boden ragen,
Das, was ſie vorhin bedeckt, mit ſich in die Hoͤhe tragen.
Hier wird aus dem fetten Grunde, welcher gleichſam auf-
geſprengt,
Manches krauſe Tulpen-Blatt allgemach hervorgedraͤngt.
Zwiſchen ihren hellern Gruͤnen, ſieht man oͤfters dickre
Stangen
Roͤthlich-gruͤner Kayſer-Cronen, mit beſondrer Zierde,
prangen.
Die, da ſie, mit ſtrengerm Drang als die andern, ſich er-
hoͤhn,
Zierlich krauſe Buͤſche zeugen, wenn ſie von einander gehn.
Es entwickeln, es eroͤffnen, theilen und verbreiten ſich
Hyacinthen und Terzetten, uͤberall faſt ſichtbarlich.
Ja es glaͤntzt, nebſt Gold und Silber, auch ſchon Purpur
hie und da
Jn der Crocos, in der Schnee-Bluhm, und in der Hepatica.
Liebſter GOtt! woher entſtehet die Veraͤndrung? Fiel mir
ein:
Es kann, allem Anſehn nach, nirgend anders her entſtehen,
Als vom all-erleuchtenden und erwaͤrmden Sonnen-Schein,
Dem wir uns nun allgemach mit Vergnuͤgen naͤher ſehen.
Aber, dacht ich ferner nach: fallen von des Himmels Hoͤhen
Neue Strahlen denn herab? kommt die Sonne zu uns her?
Und ergießt ihr waͤrmend Licht, als ein flieſſend Feuer-Meer,
Sich auf uns wie eine Fluth? Nein, es tritt der Erden
Flaͤche,
Worauf unſre Wohnungen, die wir Nordwerts wohnen,
ſtehn,
Durch der Erden wunderwuͤrdig eingerichtet ſtetigs drehn,
Samt
[14]Das Sonnen-Reich.Samt der Luft die uns umgiebet, und ſo Flut als Land
umhuͤllt,
Jn den warmen Himmels-Strich der beſtaͤndig angefuͤllt
Von der Sonnen Glantz und Glut. Dieſes Licht-Reich
zu bedencken
Und in ſeinen hohlen Raum, unſers Geiſtes Kraft zu ſencken
Soll anjetzt mein Endzweck ſeyn. Aber ach! wird dieß ſich
faſſen
Und ſich etwas Zuverlaͤßigs von der Tieffe dencken laſſen?
Dennoch ſchreckt die Schwierigkeit meine feſte Seele nicht,
Die, nur blos zum unterſuchen, auf die Welt geſetzet
ſcheint,
Und von ihres Weſens Endzweck dieß mit hoͤchſten Rechte
meint
Daß, den Schoͤpfer in den Wercken zu bewundern, ihre
Pflicht.
Nun ſo breite dich, mein Geiſt, jetzt, nach Art der Pflantzen,
aus!
Brich, ſo wie ſie durch die Erde jetzo brechen, durch die Luft!
Hebe dich jezt, uͤberſteig und durchdringe Duͤnſt’ und Duft!
Such, in einen reinern Himmel, der von ird’ſchen Duͤnſten
leer,
Uber unſrer Luͤfte Meer,
So wie Pflantzen, Kraͤuter, Blumen, nebſt der Baͤume
ſaft’gen Zweigen,
(Die durch einen innern Trieb ſich verlaͤngern) auch zu ſteigen,
Um im Geiſt das Laub der Freuden, und, nebſt holder An-
dacht-Bluͤthe,
Auch die Frucht der Danckbarkeit, in beſeeligtem Gemuͤhte,
Zu des Schoͤpfers Ruhm und Preiſe, zu erzielen und zu
zeugen.
Da
[15]Das Sonnen-Reich.Da, wo die gedehnte Luft, die den Erden-Kreis um-
ringt,
Und durch unaufhoͤrlichs Duͤften aus der Erd’ und Fluth
entſpringt,
Jhre Graͤntzen hat, ſich endet, und zuletzt ſich ſo verduͤnnt,
Daß derſelben Weſen ſelbſt unſers Geiſts Begriff entrinnt;
Dahin ſoll ſich jetzt mein Geiſt, und des Denckens Kraft
erſtrecken,
Um, wo moͤglich, neue Wahrheit, GOtt zum Preiſe, zu
entdecken.
HERR, ich ſuche, laß mich hier
Jn den unermeßlichen nur durch dich erfuͤllten Gruͤnden,
Spuren deiner ew’gen Liebe, ew’gen Macht und Weis-
heit finden!
Welch ein Boden-loſer Abgrund, welche weite ſonder
Schrancken,
Welch ein ungeheuret Raum, welch ein unaufhoͤrend Meer
Oefnet ſeine tieffe Weite, zeiget ſein unendlichs Leer
Den daruͤber gantz erſtaunten und verwirreten Gedancken!
Alle Graͤntzen ziehen ſich unbegreiflich weit zuruͤck;
Es erſtaunt ob dieſer Tieffe ſelbſt der Seelen reger Blick;
Jhre Kraͤfte werden hier ſchwindelnd gleichſam umge-
chwungen;
Ja es wird ihr denckend Weſen faſt gehemmet, faſt ver-
ſchlungen!
So viel man ermeſſen kann, ſcheinet dieſe Tieffe rein,
Und von allem irdiſchem Stoff und Weſen leer zu ſeyn.
Ein’ ununterbrochne Ruh’, eine nie geſtoͤhrte Stille
Herſcht in dieſem tieffen Raum. Blos von einem zarten Licht
Voller
[16]Das Sonnen-Reich.Voller reinen Heiterkeit wird hier eine dichte Fuͤlle
Von Geſchoͤpfen, die das Weſen dieſer holden Glut be-
ruͤhrt,
Mit Erquicken, Waͤrm, und Leben, Fruchtbarkeit und Luſt
geſpuͤhrt.
Da das Licht hier, allen Dingen Anmuth Luſt und Freud
erreget,
Ja dieſelben faſt beſeelt, ob gleich hier der Sonnen-Schein
Durch die Luft erſt auf uns wircket, folglich nicht ſo hell
ſo rein,
Als vermuthlich dorten, ſtrahlet; was (wenn man es wol
erweget)
Muß in dem verklaͤrtem Raum fuͤr ein Glantz und
Schimmer ſeyn!
Was fuͤr Wunder-volle Kraͤfte, die dort aus der Sonne
quillen,
Welch ein Anmuth-reiches glaͤntzen muß hier dieſe Tieffe
fuͤllen!
Wie muß alles hier ſo herrlich, froͤlich, heiter, hell und
klar,
Lieblich, ſchoͤn und glaͤntzend ſeyn, da das Licht unmit-
telbar
Solche Creaturen trift, die des reinen Feuers brennen
Und ſein Licht ohn Gegenſchlag ſehen, und ertragen koͤnnen!
Jn wie heller Pracht und Klarheit muß nicht dort das
Heer der Sternen
Jn den reinen Tieffen funckeln, wie ſo deutlich, wie ſo rein,
Da ſie dort ſich nicht, wie hier, durch den Zwiſchen-Stand
entfernen
Und nicht durch den Duft der Luͤfte, ſo wie hier verdecket
ſeyn!
Welche
[17]Das Sonnen-Reich.Welche ſuͤß’ und reine Wolluſt muͤſſen die Geſchoͤpf’ em-
pfinden,
Die ſich dort, ohn alle Hindrung, von dem Licht beſtrahlet
finden,
Fuͤhlen und durchdrungen ſehn! Denn wer glaubt nicht,
GOtt zur Ehr,
Daß der Raum ohn alle Graͤntzen nicht von Creaturen
leer;
Sondern ebenfals von Wundern ſeiner Macht und Weis-
heit voll?
Wer dem wiederſprechen wollte, denckt ſuͤrwahr nicht wie
er ſoll.
Heiſchet es der Menſchen Pflicht, von der GOttheit ſtets
das Groͤſte,
Herrlichſt’, Allerwuͤrdigſte, das Vollkommenſte, das Beſte
Zu gedencken und zu glaubeu; ſo wird man ja dieß nicht
faſſen,
Daß der Schoͤpfer ſolches Raums tieffe Tieffen leer ge-
laſſen;
Leer von allen Gegenwuͤrffen ſeiner Weisheit, ſeiner Liebe,
Die ihn doch allein die Wunder, die er ſchuf, zu ſchaffen
triebe:
Leer von einem jeden Vorwurf ſeiner unumſchraͤnckten
Macht,
Ja, der Ehre ſeines Nahmens! Aber, was nun eigentlich
Solcher Creaturen Weſen und Natur verhehlet ſich
Unſerm Geiſte zwar; jedoch, wenn man lange nachgedacht,
Solte man faſt uͤberzeuglich von denſelben dieſes ſchlieſſen,
Daß es keine Coͤrper ſeyn, ſondern Geiſter, glauben
muͤſſen.
BJa
[18]Das Sonnen-Reich.Ja, wer weiß, ob unſre Geiſter, wenn ſie ſich vom Coͤrper
trennen,
Biß zur herrlichern Verklaͤrung nicht den Raum bewohnen
koͤnnen?
Ob ſie nicht, in froher Anmuth, in den hellen Hoͤhen leben
Und (ich muß ein irdiſch Beyſpiel, weil ein ander fehlet,
geben)
Etwan wie hier Fiſch’ im Waſſer ſich bewegen, ſencken,
heben,
Ja, noch leichter als die Voͤgel, wo ſie hin verlangen,
ſchweben?
Ferner kommt mir, bey dem Dencken, dieß nicht unwahr-
ſcheinlich fuͤr,
Daß, da ſie vorhin ja Buͤrger und Bewohner dieſer Erden
Oft ſo lange Zeit geweſen, ſie nicht nur an jener Zier
Jhrer Wohnung ſich vergnuͤgen, ſondern ſich noch freuen
werden
An der Schoͤnheit dieſer Welt, die derſelbe GOTT ge-
ſchmuͤckt,
Welcher alle Himmel ſchuf; die ſo wol, als jene, wehrt,
Daß, in Luſt an ihrer Schoͤnheit, man den, der ſie ſchuf,
verehrt.
Ja, ich glaub abſonderlich, daß ſie, nebſt den eignen Schaͤ-
tzen,
Sich auch an den Fruͤhlings Wundern unſrer Erden noch
ergetzen,
Als die wuͤrcklich ebenfals durch denſelben Sonnen-Schein,
Der ſie dorten naͤhrt, vergnuͤget, und erqvickt, gewir-
cket ſeyn.
Alle Flaͤchen dieſer Erde, wie ſie ſich zur Sonne fuͤgen
Und dadurch, im holden Fruͤhling, in verneuter Schoͤnheit
ſtehn,
Meh-
[19]Das Sonnen-Reich.Mehren ſonder Zweifel ihr ſtets ſich mehrendes Vergnuͤgen
Da ſie ſelbige zumahl ſo bey Nacht, als Tage, ſehn
Und vermuthlich unſers Schoͤpfers Allmacht, Lieb’ und
Weisheit-Proben,
Jm Erkennen, im Bewundern, inniglich vergnuͤget, lo-
ben.
Wenn wir nun zur Fruͤhlings-Zeit in den Himmels-Strich
gelangen,
Welcher voll begluͤckter Geiſter, laßt uns doch auch ihnen
zeigen,
Daß des Schoͤpfers Wunder-Wercke, und der Creaturen
Prangen
Einen Eindruck in uns mache! laßt uns dem zum Ruhm
nicht ſchweigen,
Welcher ſolche Wunder thut! Sollte, wenn wir GOTT
verehren,
Jn der Luſt ob ſeinen Wercken, es nicht ihre Freude meh-
ren?
Jhr Vergnuͤgen noch vergroͤſſern? ſie noch mehr erfreun?
Hingegen
Sollte nicht bey allen Wundern unſre Unerkentlichkeit
Und, fuͤr ſo viel ſchoͤne Gaben, unſre Blind- und Acht-
losheit
Sie betruͤben? Und, da wir GOttes Ruhm dadurch ver-
hindern,
Nicht allein auch ihre Luſt auf gewiſſe Weiſe mindern;
Sondern ſie, mit recht empfindlich, um ſo ungerecht Be-
tragen,
Wo nicht uns zu haſſen zwingen, wenigſtens uns zu bekla-
gen?
B 2Ob
[20]Das Sonnen-Reich.Ob nun etwan auch nicht glaublich, daß, da unſrer
Sonnen Reich
Jn den hohlen Himmels-Tieffen nicht an allen Orten gleich,
Sondern, weil es keine GOttheit, ihr erwaͤrmend helles
Glaͤntzen
Von der GOttheit eine Maaß’ doch empfangen hab’ und
Graͤntzen;
Daß vielleicht den frommen Geiſtern zu dem Licht ein naͤh’-
rer Stand,
Boͤſen ein entferneter von der Sonnen Lebens-Licht
Jn das Finſterniß hinaus (wie die Bibel ſelber ſpricht
Wenn ſie was von ihnen ſaget) ſey zur Wohnung zuer-
kannt,
Wo vielleicht verſchiedne Geiſter in beſtaͤndgen Finſterniſſen
Aller Luſt und Lichts beraubt Kaͤlt’ und Elend dulden
muͤſſen:
Oder, ob ihr Aufenthalt ſo geſtellt, daß durch das Drehen
Unſrer Welt, ſie von ihr nichts, als nur Nordens Froſt und
Stuͤrme,
Schloſſen, Schnee, von Eis-Gebirgen unfruchtbare
ſchroffe Thuͤrme
Voller Wiedrigkeit, von Grauen, Kaͤlt’ und Gram durch-
drungen, ſehen?
Da hingegen ſeel’ge Geiſter in begluͤcktern Himmels-Thei-
len,
Die der hellen Sonne naͤher, in beſtaͤnd’ger Luſt, verweilen,
Wo ſie, nebſt unzehlich andern noch empfindlich-reinern
Freuden,
An der Erden-Pracht, die ihnen immer ſchoͤner ſcheint, ſich
weiden;
Weil
[21]Das Sonnen-Reich.Weil ſie nichts als ſolche Flaͤchen von dem Erden-Kreis
erblicken,
Die ſich in dem Reich der Sonnen durch derſelben Stralen
ſchmuͤcken
Und, durch ihr belebend Licht, in nie unterbrochnem Lentzen,
Jn beſtaͤnd’ger Harmonie ſuͤſſer Farb-und Strahlen glaͤntzen,
Die ſie halb entzuͤckt, da ſie ſo erquickend und ſo ſchoͤn,
Dem, der ſie nebſt allen Himmeln herrlich ſchuf, zu
Ehren ſehn,
Biß ſie endlich wann die Zeit neuer Himmel, neuer Erden
Einſt erſcheint, noch herrlicher, und vollkommen ſeelig
werden?
Die Gedancken fielen mir bey den jungen Pflantzen ein,
Die zur holden Fruͤhlings-Zeit, durch den warmen Son-
nen-Schein,
Da ſie durch das Drehn der Erden
Jn derſelben Lebens Reich allgemach gefuͤhret werden,
Aus den duncklen Erden-Schooß wunderſchoͤn geſchmuͤ-
cket, ſteigen,
Und dadurch des Himmels-Strichs, wo der Sonnen Re-
giment,
Worin durch der Erde drehn GOTT uns einen Eintritt
goͤnnt,
Herrlichkeit, Beſchaffenheit und Belebungs-Kraͤfte zeigen.
Groſſer Schoͤpfer, deſſen Lieb’ uns ſchon einen Vor-
ſchmack hier,
Jn der Creaturen Pracht, Schoͤnheit, Anmuth, Schmuck
und Zier,
Von den kuͤnftgen Herrlichkeiten zeiget, gieb daß wir bey
zeiten,
Durch Betrachtung deiner Werck’ uns zur kuͤnftgen Luſt
bereiten!
B 3Sollte
[22]Das Sonnen-Reich.Sollte dieß von unſer Seelen etwann dir nicht glaub-
lich ſcheinen
Und dich ſelbſt gefaͤhrlich duͤncken, ſo iſt es kein Glaubens-
Satz,
Und wir wollen hier nicht zancken. Gung daß von dem
weiten Platz,
Wir, daß er von GOttes Wercken und Geſchoͤpfen leer,
nicht meinen.
Wer vom tieffen Meer nicht wuͤſte, daß es voll Geſchoͤpfe
waͤr,
Hielt es, ſo wie wir die Tieffe droben, ſonder Zweifel,
leer.
Aber wie ſo unwahr dieſes, liegt uns allen klar zu Tage.
Wannenher ich noch einmahl diesfals meine Meinung ſage:
Es iſt diß unſtreitig wahr, daß wir, durch der Erde drehn,
Nicht an einem Orte bleiben, und, da wir nicht ſtille
ſtehn,
Jmmer in dem Himmels-Strich einen andern Ort erlan-
gen,
Wo bald mehr, bald minder Anmuth, Waͤrme, Licht und
Herrlichkeit.
Wenigſtens verdient der Sonnen Reich faſt ſonder End’
und Schrancken
Daß wir unſrer Seelen Kern, die betrachtenden Gedan-
cken,
Dem, der Sonnen, Welt und Raum, dem, der aller
Himmel Heere
Blos nur durch ſein Wollen ſchuf, zur Bewunderung und
Ehre,
Auf
[23]Das Sonnen-Reich.Auf die wunderbahre Wercke mit erſtaunter Ehrfurcht
lencken;
Daß wir, wie nur er der Urſprung aller Wunder, oft be-
dencken,
Und in Demuth, Luſt und Andacht ihm uns gantz zum
Opfer ſchencken.
Es erheiſcht ein GOttes Dienſt groſſe Vorwuͤrf’, und
Jdeen,
Die der GOttheit wuͤrdig ſind, weil das Bild vom alten
Mann
Sonſt nicht, wie es doch ſo noͤhtig, aus dem Hertzen wei-
chen kann,
Und wir, ſtatt der wahren GOttheit, einen kleinen
GOTT erhoͤhen.
Unſrer Seelen (welcher GOtt eine groſſe Kraft geſchen-
cket,
Groſſe Dinge zu betrachten) Lieb’ und Ehrfurcht wird
vermehrt,
Wenn man ſie auf groſſe Wunder groſſer Creaturen lencket
Und es wird, in groſſen Wercken, GOtt am wuͤrdigſten
geehrt.
[figure]
B 4
Noch[24]Noch einige BetrachtungenNoch einige Betrachtungen der Blaͤtter.Da die glatten, ſaftgen Aeſte
Sich ſo nett, verwirrt und feſte
Lieblich in einander ſchrencken;
Wuͤnſchet der vergnuͤgte Blick
Faſt nicht wiederum zuruͤck,
Sucht ſich tieffer zu verſencken.
Denn er glaubt in ihren Gruͤnden,
Zwiſchen denen glatten Rinden,
Stets ein neues Gruͤn zu finden.
Wuͤrcklich wird er auch gewahr,
Wie der gruͤnen Knoſpen Schaar
Das, womit ſie ſich erfuͤllen,
Jhre Blaͤtter, zu enthuͤllen,
Und das roͤhtlich braune Gruͤn
Auszuſchmuͤcken ſich bemuͤhn.
Wenn alsdann, bey heiterm Wetter,
Durch den zarten Leib der Blaͤtter,
Das entwoͤlckte Sonnen-Licht
Hin und wieder lieblich dringt,
Sich mit ihnen gleichſam gattet,
Und durchſtrahlet; ſo entſpringt
Ein faſt brennend Gruͤn, zumahl
Da, wo ſelbſt der Grund beſchattet
Und der Sonnen heller Strahl
Hie und da ein Blatt allein
Trift, verklaͤrt, illuminiret.
Durch den Farben-reichen Schein
Wird im Aug’ ein Hertz geruͤhret;
Und
[25]der Blaͤtter.Und wenn man, mit froher Bruſt,
Eine rechte Seelen-Luſt
Aus des Fruͤhlings Pracht verſpuͤhret;
Wird der Geiſt mit Recht erhoͤht,
Und zu dem, draus es entſteht,
Zu dem groſſen GOTT gefuͤhret.
HERR, der du mit ſolchem Schein
Und mit ſolcher Herrlichkeit,
Sonderlich zur Fruͤhlings-Zeit,
Alles wunderſchoͤn geziert,
Du allein
Biſt es, dem, fuͤr alle Gaben
Die wie hier auf Erden haben,
Ehre, Lob und Preiß gebuͤhrt!
[figure]
B 5
Fruͤh-[26]Fruͤhlings-Gedichte.Fruͤhlings-Gedichte.Der ſtrenge Winter iſt vorbey, der laue Lentz erſchei-
net wieder;
Auf, auf, mein Geiſt! nimm alle Kraft und alle Faͤhigkeit
zuſammen,
Zu ſehn, zu fuͤhlen, zu bewundern! Auf bringe Danck-
und Lobes-Lieder
Dem GOtt, aus deſſen bloſſem Wollen, die Herrlichkei-
ten alle ſtammen!
Laßt uns von ſeiner Guͤt und Lieb’ und ſeiner weiſen
Macht nicht ſchweigen!
Laßt uns, zu ſeinen heil’gen Ehren, auch andern unſre
Freude zeigen!
Jetzt zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Da ſich die Natur erneuet,
Wird mit Luſt und Lieblichkeit
Alle Creatur erfreuet.
Eine Fuͤlle von Vergnuͤgen
Seh’ ich auf der Erde liegen,
Auf den klaren Fluten ſchwimmen,
Jn den reinen Luͤften glimmen.
Es bebluͤmen ſich die Felder,
Es belauben ſich die Waͤlder;
Jhre duͤnn- und klaren Schatten
Zieren die begruͤnten Matten.
Jn der Thiere regem Blut
Regt ſich eine neue Glut,
Daß ſie froͤlich huͤpfen, ſpringen,
Froͤlich zwitſchern, froͤlich ſingen.
Seht
[27]Fruͤhlings-Gedichte.Seht das bluͤhende Gebuͤſche,
Seht die Schuppen-reiche Fiſche,
Hoͤrt das Klingen, das Geziſche
Der gefaͤrbten Voͤgel an!
Riecht von ſo viel tauſend Arten
Blumen in dem bunten Garten!
Fuͤhlt das Schmeicheln lauer Duͤfte!
Hoͤrt des Saͤuſeln linder Luͤfte!
Seht, wie dort auf glatter Flut
Die Sapphirne Himmels Glut,
Jn ſchmaragdnen Ufern, ruht.
Seht wie ihr polierter Spiegel
Blumen, Kraͤuter, Buſch und Huͤgel
Lieblich, nach dem Leben mahlt!
Gleicht nicht die bebluͤhmte Wieſe,
Von der Sonnen uͤberſtrahlt,
Gleichſam einem Paradieſe?
Alles was mein Auge ſiehet
Pranget, funckelt, glaͤntzt und gluͤhet,
Scheinet, ſchimmert, gruͤn’t und bluͤhet.
Meine Seele wird erquickt,
Wenn ſie, wie die Welt geſchmuͤckt,
Schoͤner Lentz, in dir erblickt!
Wenn ich an ſo mancher Stelle
Dieſer Wunder Meuge ſeh,
Zieht mein Geiſt ſich in die Hoͤh’,
Suchet aller Wunder Quelle.
Da nun faͤllt der Sonnen Licht
Alſobald mir ins Geſicht,
Dieſe giebt mir zu erkennen,
Daß die Wunder auf der Erden
Und
[28]Fruͤhlings-Gedichte.Und derſelben holde Zier
Form und Farben blos von ihr
Wunderbar gewircket werden.
Doch dieweil der Sonnen Glaͤntzen
Maaſſe, Schrancken hat und Graͤntzen;
Zeigt ſich, daß ihr herrlich Licht
Schoͤn, doch keine GOttheit nicht.
Dennoch fuͤhrt ſie uns am hoͤchſten
Und der GOttheit faſt am naͤchſten,
Welche meine Seel’ in mir,
Wie ſich ſelbſt, nicht ſehen kann,
Darum bet’ ich oft in ihr,
Jn der Sonnen Kraft und Zier,
Jhr, und meinen Schoͤpfer an.
Wenn wir alſo ſehn und ſpuͤhren
Alle Wunder, die uns ruͤhren
Jn der holden Fruͤhlings-Zeit,
Laßt, durch frohes Sehn und Hoͤren,
Uns den groſſen Urſprung ehren,
Der ſo wol die Herrlichkeit
Und der Sonnen Licht und Pracht,
Als die gantze Welt, gemacht,
Und aus deſſen bloſſen Willen
Aller Dinge Weſen quillen.
Groſſe GOttheit, laß die Luſt
Unſrer von dem Wunderſchein
Deiner Werck’ erfuͤllten Bruſt
Dir, durch dich, gefaͤllig ſeyn!
[figure]
Fruͤh-[29]Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten.Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten.Kein Wunder iſt es ja, daß uns die Welt
Jm Fruͤhling etwas mehr, als ſonſt, gefaͤllt.
Nur iſt es deſto mehr noch zu beklagen,
Daß alle Wunder uns nicht noch weit mehr behagen.
Jm Fruͤhling ſpuͤhrt man dreyerley
Vergnuͤgen. Man verſpuͤhrt, da Froſt und Eis vorbey,
Aus ihrer faſt noch nahen Wiedrigkeit,
Jm Gegenhalt der angenehmen Zeit,
Wie in der Aendrung ſelbſt was angenehmes ſtecke,
Und ſich im Wechſel noch um deſto mehr entdecke.
Man ſpuͤhrt fuͤrs andere der Anmuth Wuͤrcklichkeit,
Und bey derſelben ſteht noch ein Vergnuͤgen offen:
Es laͤßt uns die Natur bey dem Genuß
Und bey der Lieblichkeit ſo holdem Uberfluß
Noch immer etwas beſſers hoffen;
Da Knoſp’ und Bluͤht’, die auf- und von einander brechen,
Viel zeigen, doch noch mehr verſprechen.
Auf laßt uns denn von allem, was ſo ſchoͤn,
Doch etwas wenigſtens bedachtſam ſehn!
Man ſiehet jetzt auf allen Zweigen
Ein liebliches Gemiſch von braun und gruͤn ſich zeigen,
Und wird, nicht ſonder Luſt, an vielen,
Wie braun und gruͤn recht durch einander ſpielen,
Jn einem bunten Glantz, gewahr.
Wie glaͤntzen in entwoͤlcktem Wetter,
Jn dieſer holden Fruͤhlings-Zeit,
Der glatten Knoſpen Heer, die zarten Blaͤtter!
Der ofnen Knoſpen Meng’, an denen jedes Blatt
Sich noch nicht recht formirt und ausgebreitet hat,
For-
[30]Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten.Formiret in der blauen Luft
Solch einen lieblichen durchſichtig-gruͤnen Duft,
Daß keine Vorwuͤrf’ unſern Augen
Mehr Anmuth zu erwecken taugen.
Wann dieſes gelbe Gruͤn bald dort, bald hier,
An etwas mehr ſchon ausgebrochnen Buͤſchen,
Auf dunckel-gruͤnem Grunde ſtehet,
Und alſo gelblich-gruͤn und dunckel-gruͤn ſich miſchen;
Wird ihrer beider Zier,
Durch beider Gegenſatz, erhoͤhet.
Man ſieht die Knoſpen ſich faſt ſichtbarlich vergroͤſſern,
Der Blaͤtter Bildungen ſich ſichtbarlich verbeſſern,
Aus ihren roͤthlichen Behaͤltern maͤhlig ſteigen,
Und ein durchlauchtiges und zart Gewebe zeigen.
Man ſieht faſt ſichtbarlich
Die aufgeqvollne Knoſpen ſpalten
Und ihre gruͤne Zucht, die zarten Blaͤtter,
Faſt ſichtbarlich entwickeln und entfalten.
Jetzt ſieht ein jeder Baum, ein jegliches Geſtraͤuch,
An jungen Blaͤtterchern und ofnen Knoſpen reich,
Hier braun- da grau- dort gruͤnen Netzen gleich,
Durch die der Blick frey hin und wieder irrt,
Bald aber, durch der gruͤnen Knoten Menge,
Jn eine holde gruͤne Enge
Getrieben und gefangen wird,
Jndeſſen, daß mit Anmuth und Vergnuͤgen
Die neuen Voͤgel, par bey par,
Durch dieſes Netz bald hier, bald dar,
Dem Schein nach feſt, doch frey, unaufgehalten fliegen.
Es
[31]Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten.Es praͤgt der Sonnen heitrer Schein
Jm Lentzen ein recht laͤchelnd Weſen
Faſt einem jeden Vorwurf ein,
Und was man nah und fern erblickt
Scheint uns zur Anmuht neu geſchmuͤckt.
Der reinen Luͤfte blaue Glut
Faͤrbt lieblich blau die glatte Flut,
Ein gruͤner Glantz bedeckt die Waͤlder,
Ein bunter, die bebluͤhmten Felder;
Es ſchwimmt jetzt uͤberall, zur Anmuth unſrer Bruſt,
Der rege Blick in lauter Luſt.
Man ſieht jetzt, durch die hell- und reine Heiterkeit
Der hell- und reinen Sonnen Strahlen,
Worin, zumahl zur Fruͤhling Zeit,
Ein jeder Vorwurf gleichſam ſchwimmt,
Wodurch faſt jeder Vorwurf glimmt,
Sich jeden Vorwurf herrlich mahlen.
Es blickt (nicht hie und da, ein Vorwurf nur)
Die gantze ſichtbare Natur
Uns uͤberall jetzt gleichſam laͤchelnd an.
Ach, laßt doch denn auch uns, durchs Lachen unſrer Erden,
Ein Lachen zugerichtet werden!
Ach, moͤchte doch, wenn man die Welt ſo ſchoͤn geſchmuͤckt,
Mit Andacht und mit Luſt, zur Fruͤhlings-Zeit erblickt,
Auch unſer Geiſt dadurch geſchmuͤcket werden,
Daß uns der Erden Pracht und Schmuck und Schoͤnheit
ruͤhren
Und uns zu ihrer Quell, zum groſſen Schoͤpfer, fuͤhren!
Ach, moͤchte doch, durchs Gruͤne dieſer Erden,
Der Hofnung geiſtig gruͤn, die frohe Seele zieren!
Ach
[32]Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten.Ach, wuͤrde doch in uns, durch bunter Blumen-Pracht,
Die als ein Feuer gluͤht, ein Feuer angefacht
Von Andacht und von Luſt. Moͤcht uns der Roſe Schein
Zur reinen Liebes-Gluht ein ſchoͤner Zunder ſeyn!
Des Himmliſchen Sapphirs geſtirntes blaues Prangen
Erreg’ in unſrer Bruſt ein feuriges Verlangen,
Nach jener Himmels-Luſt in den geſtirnten Hoͤhen
Mit glaͤubiger Begier zu ſehen!
Der liebliche Geruch der Bluͤhte
Erreg’, in ſuͤſſer Luſt, die Sehnſucht im Gemuͤthe,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden,
Ein lieblicher Geruch zu werden!
Auf eine ſolche ſuͤſſe Weiſe
Scheint, daß, zu ſeinem ew’gen Preiſe,
Der Schoͤpfer ſeinen Zweck in Schaffung dieſer Welt,
So viel an uns, am wuͤrdigſten erhaͤlt.
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Wirck-[33]Wirckung des Regens im Fruͤhling.Wirckung des Regens im Fruͤhling.Nach einem lang-und fcharffen Oſten-Winde,
Der im April und Maͤrtz geherrſchet, und das Land
Faſt gaͤntzlich ausgedorrt, fiel auf einmahl gelinde,
Wie ich von ungefehr im Garten mich befand,
Aus Suͤden, ein ſchon laͤngſt erſeufzter Regen.
Mein GOtt, welch ein erwuͤnſcht Bewegen,
Das uͤberall der Erden Flaͤche ziert,
Ward dadurch uͤberall verſpuͤrt!
Jch dachte nach, wie er ſo nuͤtzlich ſey,
Und fiel mir dieß daruͤber bey:
Ach liebſter GOtt! was trieffen nicht in dieſem laͤngſt-ge-
wuͤnſchten Regen
Jn das faſt ausgedorrte Land fuͤr Anmuth, Fruchtbar-
keit und Segen!
Es ſagt mit Recht die Welt fuͤr dieſen Segens-Tranck,
Und ich abſonderlich, dir, Vater, Lob und Danck.
Die, durch die kalte Luft, zuruͤck gehaltnen Saͤfte
Vermehrten die bißher gehemmten Kraͤfte,
Und drengten recht mit Macht durch Staͤmm- und Zwei-
ge ſich.
Die Knoſpen ſpalteten faſt ſichtbarlich.
Es kamen junger Bluͤht’ und zarter Blaͤtter Sproſſen
Aus ihrem Auffenthalt hervorgeſchoſſen.
Es ließ, ob wolten ſie durchaus nicht laͤnger ſaͤumen.
Jn der Allee, auf Stauden, Baͤumen,
Auf Hecken, uͤberall, erſchien
Ein gruͤnlich Braun, ein braͤunlich Gruͤn;
Doch ſchien all’ Augenblick das Braun ſich zu vermindern.
CDer
[34]Wirckung des Regens im Fruͤhling.Der aufgeqvollnen Knoſpen-Menge,
Mit ihren theils erſt halb-theils ſchon gebohrnen Kindern,
Formirten in der Luft ein duftiges Gepraͤnge,
Ein gruͤnliches Gewoͤlck, ein angenehm Gewirre.
Es gleichet alles faſt geflochtnen gruͤnen Netzen,
Jn welchen man, mit lieblichem Geſchwirre,
Die Voͤgel fliegen ſieht, und ſich und uns ergetzen.
Dieß junge gruͤne nun, zuſammt der Pracht der Bluͤthe
Erfuͤllete mit Luſt und Andacht mein Gemuͤhte.
Jch kehrte mich demnach, mit hoͤchſt erfreutem Sinn,
Zum Urſprung aller Pracht, zum groſſen Schoͤpfer hin;
Beſunge ſeine Macht, voll froher Danckbarkeit,
Und wuſte mich fuͤr Anmuth kaum zu faſſen,
Daß er die holde Fruͤhlings-Zeit
Mich abermahl erleben laſſen.
Ach! rief ich, moͤcht’ ich das, was, blos durch dich, ſo ſchoͤn,
Mit nimmer ſatter Luſt, dir oft zu Ehren, ſehn!
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Fruͤh-[35]Fruͤhlings-Betrachtung.Fruͤhlings-Betrachtung.Lieber Menſch, ſchau, wie im Lentzen
Alle Dinge herrlich glaͤntzen!
Von der Crcaturen Pracht
Wird man itzt recht angelacht.
Schau, wie alles ſich erfreuet!
Schau, wie alles ſich erneuet!
Alle Wercke der Natur
Aendern Farben und Figur.
Schau die Luft, wie rein, wie klar!
Schau, wie juͤngſt noch welcke Felder,
Schau, wie juͤngſt noch duͤrre Waͤlder,
Hoͤh’n und Tiefen unſrer Erden
Gruͤn, und ſchnell belaubet werden!
Was noch geſtern ſumpfig war,
Wieſen, welche gantz verſchlemmet,
Ueberſpuͤlet, uͤberſchwemmet,
(Da die Waſſer itzt verſeigen)
Scheinen aus der Fluth zu ſteigen,
Und in einen gruͤnen Sammt,
Drauf ein Gold von Blumen flammt,
Eingekleidet, ſich zu zeigen.
Tieff’ und unwegbare Wege,
Schluͤpfrich- ſchwartz- und weiche Stege
Sind jetzt brauchbar, weiß und hart.
Alles glaͤntzet, alles gluͤhet,
Alles funckelt, alles bluͤhet,
Durch der Sonnen Gegenwart.
C 2Son-
[36]Fruͤhlings-Betrachtung.Sonderlich ſcheint ihre Glut
Herrlich auf der klaren Fluth,
Als im Berg-Criſtallnen Spiegel,
Da wo ihr beflammtes Bild
Jhre glatte Flaͤche fuͤllt.
Wenn auch ihre rege Huͤgel
Hin und wieder ſich erhoͤhn,
Sieht man ploͤtzlich auf den Spitzen
Tauſend kleine Lichter blitzen,
Schnell entſtehn und ſchnell vergehn;
Jhre nimmer ſtille Wellen
Scheinen darum ſanft zu ſchwellen,
Um dem menſchlichen Geſicht
Sonnen-Spiegel vorzuſtellen.
Ja mich deucht ob ſagten ſie:
Sucht bey uns, als der Copie,
Aller Schoͤnheit Urbild nicht:
Droben iſt das wahre Licht.
Seht, wie dort die Rehe ſpringen!
Hoͤrt, wie hier die Voͤgel ſingen!
Wie ſo hell, wie rein, wie klar!
Hoͤrt, wie ſie die Toͤne kraͤuſeln!
Hoͤrt der lauen Winde ſaͤuſeln!
Hoͤrt der Bienen muntre Schaar!
Hoͤrt, wie uͤber glatte Kieſel,
Mit ſanft murmelndem Gerieſel,
Das geſchwinde Baͤchlein eilet,
Und bald einen gelben Sand,
Bald ein gruͤn-bebluͤhmtes Land
Mit beſchaͤumten Wirbeln theilet!
Riecht
[37]Fruͤhlings-Betrachtung.Riecht die Suͤßigkeit der Luͤfte!
Riecht die balſamirten Duͤfte;
Die aus bunten Blumen qvillen
Und den gantzen Luft-Kreis fuͤllen!
Nun hat alle dieſe Pracht
GOTT zu unſrer Luſt gemacht:
Wilſt du denn im holden Gruͤnen,
Da jetzt alles lieblich prangt,
Einem ſolchen GOTT nicht dienen,
Der nur deine Luſt verlangt?
[figure]
C 3
Fruͤh-[38](***)
Fruͤhling.Die gantze Luft war angefuͤllet
Mit einer reinen Heiterkeit,
Ein junges Laub hatt’ allbereit
Der Voͤgel Neſterchen verhuͤllet
Die, da ſie, mit ſo vieler Kunſt,
Die ſuͤſſe Arbeit fertig hatten,
Jn dem begruͤnt- und zarten Schatten
Voll reger Trieb’ und ſuͤſſer Brunſt
Verliebet, und geliebt ſich gatten,
Und nichts, vor lauter Lieb’, als Liebe! Liebe! ſingen,
Daß Feld und Wald davon erklingen.
Wir ſehen uͤberall ein wuͤrckliches Bewegen,
Ein Leben der Natur wird uͤberall verſpuͤhrt.
Ach, moͤchte dieß, wenn uns die holde Schoͤnheit ruͤhrt,
Ein neues Leben auch in uns erregen!
Es laͤchelt gleichſam uns die guͤtige Natur
Mit holden Blicken hier, aus jedem Vorwurf, an,
So daß man alle Pracht und Lieblichkeiten nur
Empfinden, nicht beſchreiben, kann.
Ach moͤgte GOtt in uns, da alle Ding’ im Lentzen
So lieblich und ſo wunderſchoͤn
Jn tauſendfacher Anmuth glaͤntzen,
Auch unſrer Seele Fruͤhling ſehn;
Und in demſelbigen, an unſern ſanften Freuden,
Die in ihr, blos aus ſeinem Werck, entſtehn,
Mit Lob und Danck geſchmuͤckt, ſein Vater Auge weiden!
Man-[39]Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen.Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen.Jm Garten hoͤrt ich juͤngſt den ſuͤß’- und ſcharffen
Schall
Der feurig ſchlagenden verliebten Nachtigall.
Jch ward dadurch geruͤhrt, gereitzt, ergetzet
Und, durch den reinen Klang, faſt aus mir ſelbſt geſetzet.
Jch horcht’ aufmerckſam zu, wie lieblich, ſuͤß und hell,
Wie ſcharf, wie rein, wie rund, wie hohl, wie tief, wie
ſchnell,
Sie Stimm’ und Ton formirt, veraͤndert, theilet, fuͤgt,
Und, durch unzaͤhliche Veraͤndrung, uns vergnuͤgt.
Oft weiß ſie Schnarren, Floͤten, Ziſchen,
Jn unbegreiflicher Geſchwindigkeit, zu miſchen.
Oft faͤngt ſie einen Ton mit hellem Floͤten an,
Faͤllt in ein Zwitſchern, ſchlaͤgt, lockt, winſelt, jauch-
zet, ſtoͤhnt,
Und alles faſt zugleich: oft bricht ſie ihn, oft dehnt,
Oft drehet ſie den Ton, oft wirbelt ſie den Klang,
Und aͤndert tauſendfach den froͤlichen Geſang.
Jndem ich nun, bey einer dicken Hecken,
Zu Ende der bewachſenen Allee,
Jn dem Gehoͤr allein faſt lebend, ſtehe;
Erblick ich ungefehr an einer Ecken
Ein gleichſam buntes Licht. Es legte mir,
Jn einer mehr als guͤldnen Zier,
Ja, die ſich von Smaragd, Sapphier
Und anderm Edelſtein kaum unterſcheidet,
Ein uͤber-wunder-ſchoͤner Pfan,
Jn praͤchtigen Talar von guͤldnem Stuͤck gekleidet,
Der Federn bunten Glantz und Herrlichkeit zur Schau.
C 4Jch
[40]Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen.Jch ſtutzt’ und meine Seel’ empfand, wie dieſe Pracht
Sie auch durchs Aug’ empfind- und gluͤcklich macht.
Fuͤr Anmuth halb verwirrt, fiel mir hieruͤber bey:
Wie doch in der Natur ſo mancherley
Veraͤnderung und Pracht, an Luſt und Schoͤnheit, ſey.
Man ſpuͤrt es ſonderlich an dieſem Voͤgel-Par.
Ein unſern Geiſt bezaubernd Singen
Laͤßt von der gantzen Voͤgel-Schar
Der Unanſehnlichſte, zu unſrer Luſt, erklingen;
Und ein verdrießliches und rauh Geſchrey erſchallt
Aus eines Vogels Hals, der Himmliſch an Geſtalt
Faſt mehr, als irdiſch, iſt. Diß kan ein Beyſpiel ſeyn,
Dacht ich, daß einer alle Gaben
Nicht leichtlich ſoll beyſammen haben.
Kaum aber hatt ich dieß gedacht,
Als mir, in Purpur-farbner Pracht,
Ein friſcher Roſen-Buſch ſchnell in die Augen fiel.
Der aber ward nicht nur allein der Augen,
Er ward auch des Geruchs und meiner Naſen Ziel,
Die beide ſich daran recht zu ergetzen taugen.
Wodurch ich denn, mit Uberzeugung, fand,
Wie eine doppelte vergnuͤgend’ Eigenſchaft,
Jn dieſer Blume, ſich, zu unſrer Luſt, verband.
Dem Dencken gab ich ferner Raum,
Und fand von ungefehr an einem Kirſchen Baum,
Der eben, voller Frucht, in ſuͤſſer Roͤthe gluͤhte,
Daß er ſo gar
Ein Gegenwurf von allen Sinnen war.
Es dienet dem Geruch die angenehme Bluͤhte,
Der Zunge ſeine Frucht, ſein Schatte dem Gefuͤhl,
Sein ſanft Geraͤuſch dem Ohr, die Farb und Form den
Augen.
Jch
[41]Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen.Jch ward hiedurch aufs neu geruͤhrt,
Und ferner ſo zu dencken angefuͤhrt:
Wer kann des Schoͤpfers Huld genug zu ruͤhmen
taugen?
Da er nicht nur in unſerm Leben,
Jn den fuͤnf Sinnen, uns, zu ſo verſchiedner Luſt,
Verſchiedne Thuͤr- und Oefnungen gegeben;
Da er nicht nur, zur Anmuth unſrer Bruſt,
Solch’ eine Coͤrper-Meng, und Millionen Sachen
Zum Gegenwurf der Sinnen wollen machen;
Da er ſo gar verſchiedne Coͤrper ſchaft,
Die, mit ſo wunderbar vereinter Kraft,
Nicht nur durch einen Sinn uns in Vergnuͤgen
ſetzen;
Nein, durch verſchiedene, ja gar durch all’ ergetzen.
Ach, laßt uns denn hierdurch aufs neu’ in ſeinen Wercken
Die Proben ſeiner Macht und weiſen Liebe mercken!
Ach, laſſt zu ſeinen heil’gen Ehren,
Bey ſtets vermehrter Huld, auch unſern Danck ſich mehren!
[figure]
C 5
Truͤ-[42]Truͤbe Luft im Fruͤhling.Truͤbe Luft im Fruͤhling.Man ſiehet zwar auch oftermahls im Lentzen,
Daß, in nicht aufgeklaͤrter Luft,
Ein allgemeiner Duft
Des Himmels heitres Blau, der Sonnen Glaͤntzen
Bedecket und verhuͤllet
Und unſern gantzen Kreis der Luft erfuͤllet;
Es faͤrben ſich die Wolcken falb’ und grau:
Doch zeigt ein ſolches Falbes ſich
Nicht, wie im Sommer, fuͤrchterlich;
Es miſchet ſich ein klares Blau
Jn dieſe Dunckelheit,
Dadurch vergnuͤgt ſo dann ein daͤmmricht Licht
Und truͤbe Klarheit das Geſicht,
Jndem die fette Fruchtbarkeit
Jn dieſem zarten Duft faſt ſichtbarlich zu ſehn;
Und, weil zugleich die ſtill und glatte Flut,
Die bey der ſtillen Luft, glatt, wie ein Spiegel, ruht,
Die ſanfte Daͤmmerung am Himmel, gleichfals ſchoͤn,
Jn einem klaren Wiederſchein,
Uns deutlich zeigt; ſo iſt ein ſtilles duftigs Weſen
So dann faſt allgemein,
Und thut den Augen wol,
Ja macht zugleich mit einer ſanften Luſt
Blut, Hertz und Bruſt
Von einer ſuͤſſen Anmuth voll.
Es
[43]Truͤbe Luft im Fruͤhling.Es ſcheint, ob trag’ ein ſtill-bedeckter Himmel
Jn holder Daͤmmrung ohn Getuͤmmel,
Zu einer Art Gelaſſenheit
Jn unſern Hertzen etwas bey;
Und find ich, daß dergleichen truͤbe Zeit
Jm Fruͤhling ebenfals nicht unvergnuͤglich ſey.
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Die[44]Die neue Welt.Die neue Welt.Wann die Kraͤfte meiner Seelen
Mit des Fruͤhlings ſchoͤner Pracht,
Dem zum Ruhm, der ſie gemacht,
Sich in froher Luſt vermaͤhlen;
Bringen ſie in holder Zier
Aus der Creatur, in mir
Eine gleichſam neue Welt,
Welche geiſtig iſt, herfuͤr.
Dieſe bleibt in meinen Sinn,
Und ſie iſt mir wuͤrcklich eigen;
Mein Gedaͤchtniß kann ſie zeigen,
Wenn auch jene gleich dahin.
Jn ihr kann man wunderſchoͤn,
Wenn man will, den Fruͤhling ſehn.
Die Bewohner dieſer Welt
Sind betrachtende Jdeen,
Denen ſie, je mehr ſie ſehen,
Auch ſtets deſto mehr gefaͤllt;
Sind Erkaͤnntniß, Gegen-Liebe,
Danck und Andacht volle Triebe;
Eine Sucht, ſie auszudruͤcken;
Sind ein inniglich Entzuͤcken
Uber alle Wunder-Fuͤlle;
Sind ein feuerreicher Wille,
Voller Luft in allen Dingen
GOTTES Willen zu vollbringen;
Anmuth, und Gelaſſenheit;
Ein gegruͤndetes Vertrauen,
Auch dereinſt, nach dieſer Zeit,
Noch was herrlichers zu ſchauen.
Dieſe
[45]Die neue Welt.Dieſe Welt, die gleichſam mein,
Will ich, in vergnuͤgtem Dencken,
Dir, o GOTT zum Opfer, ſchencken;
Laß ſie dir gefaͤllig ſeyn!
Geb ich dir nun gleich was dein,
(Denn wer kann dir ſonſt was geben!)
Wird doch die recht nach dem Leben
Wol gerahtene Copie
Beſſer, als ein Opfer-Vieh,
Dir, o HERR, gefaͤllig ſeyn!
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Lieb-[46]Lieblichkeiten des Fruͤhlings.Lieblichkeiten des Fruͤhlings.Jn dieſer den Winter vertreibenden Lentzen-Zeit
Belebet ſich alles im Reiche der Sonnen;
Erfuͤllet ſich alles mit Anmuth und Lieblichkeit:
Der froͤliche Weinſtock hat Augen gewonnen.
Es circkelt in Baͤumen ein naͤhrender Lebens-Saft.
Die Knoſpen erheben ſich, ſchwellen und berſten.
Es deckt ſich der Acker, voll gaͤhrender Wunder-Kraft,
Mit gruͤnenden Spitzen von Haber und Gerſten.
Jn Waͤldern erfolget durch wachſender Blaͤtter Pracht,
Von denen jetzt gleichſam umnebelten Wipfeln,
Auf gruͤnlicher Daͤmmerung, die liebliche Schatten-Nacht
Es ſprieſſen aus ſcharffen erhabenen Gipfeln
Bewachſener Berge, die Kraͤuter jetzt uͤberall.
Und fuͤllen mit duftigem Balſam die Luͤfte.
Es ſchwebet der ſchertzende, ſchwaͤtzige Wiederhall
Um ihre bemoſte verwachſene Kluͤfte.
Das dunckle Gebuͤſche, den ſchattigten Wald erfuͤllt
Der ſchlagenden Nachtigall ſchmetterndes Schallen.
Es ſpringet im blumigten Graſe das junge Wild,
Und fuͤhlet in Adern ein kitzelndes Wallen.
Jetzt murmelt und rauſchet und rieſelt die rege Fluht.
Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen
Entwirft und formiret der ſtrahlenden Sonnen Glut
Viel funckelnde Bilder in ſchimmerden Blitzen;
Man ſieht, mit Ergetzen, die Blitze verwunderlich
Jn tauſend beweglichen Spiegeln ſich brechen.
Die Fluth, wie ein lebender Silber-Fluß, ſchlaͤngelt ſich
Durch gruͤnender Felder ſmaragdene Flaͤchen.
Der
[47]Lieblichkeiten des Fruͤhlings.Der glaͤntzenden Gaͤrten bezauberndes Luſt-Revier,
Jn welchem jetzt alles verherrlichet bluͤhet,
Beflammet die Blicke mit feuriger Farben Zier,
Da alles faſt weniger glaͤntzet, als gluͤhet.
Jndem nun, im Fruͤhling, in Luͤften und in der Fluth,
Jn Thaͤlern, auf Bergen und Flaͤchen der Erden,
Der herrliche Schoͤpfer unzaͤhliche Wunder thut;
So laſſt uns uns freuen, um danckbar zu werden!
Es ſtrahlet, durch Goͤttliches Wollen, das Sonnen-Licht;
Die Coͤrper ſind ſichtbar; GOtt ſchenckt uns die Augen:
Wofern nun die Menſchheit ſo traͤg iſt, und ſieht ſie nicht;
Was kan doch den Fehl zu entſchuldigen taugen?
Drum, weil ich den Schoͤpfer nicht anders erheben kann,
Als wenn ich ſein Wircken empfind und erzehle;
So ſeh ich betrachtend, mit Freuden die Wunder an,
Und opfer’ ihm meine bewundernde Seele.
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Zu-[48]Zugleich gelb- und rohte Roſen.Zugleich gelb- und rohte Roſen.Jndem ich juͤngſt, in Amts-Geſchaͤften, im fruchtbaren
Billwerder fahr
Und, nebſt dem treflichen Stampeel, des Rahts und Ham-
burgs Zier und Ehre,
Des Fruͤhlings Wunder-Glantz beſehe; werd’ ich von un-
gefehr gewahr,
Wie von beſtralten bunten Blumen ein funckelnd gelb-
und rohtes Licht
Durch dicht-verwachſne Hecken bricht.
Wir halten ſtill, und ſchicken hin, von dieſen Blumen,
die wie Kolen,
So man erſt angefachet, glimmten, uns einige herbey zu
holen,
Die uns der Land-Mann willig gab;
Er ſchnitt mit ſeinem ſchnellen Meſſer verſchiedne groſſe
Straͤucher ab.
Wie man uns nun dieſelbe brachte, erſchracken wir fuͤr
neuer Freude
Bey dieſem unverhoften Blick, und fuͤr Verwundrung,
alle beide,
Jndem wir eine neue Art von Roſen, welche wunderſchoͤn
So wol an Form, als Farb und Glantz, und welche wir
noch nie geſehn
Recht ungemein geruͤhrt erblickten. Den roth- und weiſſen
Roſen-Strauch
Die wilden Roſen, gelben Roſen, und andrer Roſen Arten
auch
Hab ich bewundert und beſchrieben. Hier, dacht ich, will
in neuem Schein
Der groſſe Schoͤpffer aller Dinge bewundert und verehret
ſeyn.
Es
[49]Zugleich gelb- und rothe Roſen.Es bindet ſich in dieſer Blume, dem HERRN der Crea-
tur zum Preiſe,
Das allerſchoͤnſte Gelb’ und Roth auf eine gantz beſondre
Weiſe.
Von auſſen deckt ein guͤldner Glantz die Blaͤtter, wenn
kein Schnecken Blut
So roht, als ihre innre Seite. Der funckelnden Rubi-
nen Glut
Kann kaum Derſelben Roͤthe gleichen. Daher, wenn et-
wann ſich ein Blat
Ein wenig umgeleget hatt’,
Es oͤfters ſchien,
Als ein im allerſchoͤnſten Golde mit Fleiß gefaſſeter, Ru-
bin;
Oft kam es unſerm frohen Blicke Verwundrungs-voll nicht
anders vor
Als ein mit dunckel-rohtem Sammte reich ausgefuͤtterter
Drap d’ Or.
Recht mitten in der duncklen Roͤthe ſieht man mit unge-
zehlten Spitzen
Ein Rund, gleich einer kleinen Sonne, mit guͤldnen Strah-
len lieblich blitzen.
Ein jedes Blatt war Hertzen foͤrmig. Jndem ich nun Der-
ſelben zwey
Mit Luſt beyſammen liegen ſahe, ſo fiel von ungefehr mir bey:
Daß ſie vom aufgeſchnittnen Hertzen, das voller Glut, ein
Bildniß ſey.
Es kam mir vor, als ob die Glut, die in derſelben gleich-
ſam flammte,
Von einer innern Sonne ſtammte,
Ach! dacht ich, moͤcht in unſerm Hertzen, vom unerſchaf-
nen Sonnen-Schein,
Auch einer wahren Audacht Glut beſtaͤndig angefachet ſeyn!
DDie
[50]Zugleich gelb- und rothe Roſen.Die Knoſpen, ſo noch nicht geoͤfnet, und, in nicht minden
ſchoͤnem Gruͤnen
Des Laubes, gleichfals guͤlden ſchienen,
Vermehrten noch des Buſches Glantz,
Und was ihn vollends herrlich machte iſt, daß der Blumen
Meng’ ihn gantz,
Und mehr faſt, als das Laub ſie, deckte. Wir freuten uns,
von GOttes Wercken
Jn dieſer neuen Wunder-Blum’ ein neues Wunder zu be-
mercken,
Und danckten ihm, daß er, als Schoͤpfer, in ſeiner Crea-
turen Pracht,
Auf eine nie geſeh’ne Weiſe, uns abermahl ſich ſichtbar
macht.
[figure]
Noch[51]Noch andere Fruͤhlings-Betrach-
tungen.Die Freude, welche die Natur, durch die ihr ange-
ſchafne Kraft,
Da ſie ſich, uns zum Nutz und Vortheil, zur Fruͤhlings-
Zeit aufs neu beweget;
Wenn man auf ihre Wirckung achtet, ſo dann in unſrer
Seel’ erreget,
Die Freude, ſag ich, iſt unſtreitig die alleredelſt’ Ei-
genſchaft,
Der unſre Seele faͤhig iſt. Da mit der Luſt, die man
empfindet,
Sich ja Bewunderung und Ehrfurcht, Lob, Andacht,
Preis und Danck verbindet:
Die aber, wenn wirs nicht ermeſſen, in uns erſtickt, ver-
graben bleiben,
Wodurch denn unſers Schoͤpfers Abſicht, und Lieb’ und
Macht und Ehr’ auf Erden,
Sammt unſrer Luſt und Pflicht zugleich, verhindert und ge-
ſchmaͤhlert werden.
Sollt alles dieſes uns denn nicht zu GOtt, in ſeinen Wer-
cken treiben?
Es ſehe denn doch jedermann,
Zu GOttes Ruhm, und eigner Freude,
Jm faſt verjuͤngten Welt-Gebaͤude,
Der Creaturen Schmuck, zumahl im Fruͤhling, an!
Seht, wie aus dunckel-braunen Flaͤchen
Der Erd’ jetzt uͤberall die regen Pflantzen brechen!
D 2Wie
[52]Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen.Wie aus den, durch ſie ſelbſt gemachten, Ritzen
Die gruͤnlich-gelben glatten Spitzen,
An welchen hie und da noch kleine Kloͤſſe kleben,
Faſt ſichtbarlich ſich in die Hoͤhe heben,
Faſt ſichtbarlich auf allen Seiten,
Sich lieblich von einander breiten;
Da denn das ſchoͤne junge Gruͤn,
Womit ſie die Natur zu uͤberziehn
Beſchaͤftiget, und ſie ſo ſchoͤn gemahlt,
Gedoppelt ſchoͤn uns in die Augen faͤllt,
Wenn es der Sonnen Licht durchſtrahlt;
Die es bald hie, bald dort mit einem Glantz erhellt,
Den Zephyrs holde Schertze,
Durch der bald hin, bald her, bewegten Schatten Schwaͤrtze,
Noch mehr, noch lieblicher erhoͤhn,
Wodurch wir ihren Schmuck ſich ſtets vermehren ſehn.
Wie jetzt die roͤthlich braun- und ſaftgen Zweige ſchwellen,
Wie glaͤntzend ihre glatte Haut,
Wird ohne Luſt nicht angeſchaut:
Jmgleichen wie an ſo viel tauſend Stellen
Die dunckel-rohten Knoſpen ſteigen,
Sich oͤffnen und den Schatz der gruͤnen Blaͤtter zeigen:
Da oͤfters denn die aͤuſſren Schalen,
Wenn Sonnen-Blicke durch ſie ſtrahlen,
Beym Auf- und Untergang zumalen,
Jn einem rothen Glantze ſtehn,
Und glimmen Funcken aͤhnlich ſehn,
Dergleichen wir an abgeborſtnen Rinden
Auf den Johannis-Stauden finden,
Die wuͤrcklich denn dadurch in einem hellen Schein,
Als glimmt- und brennten ſie, oft anzuſehen ſeyn.
Jetz
[53]Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen.Jetzt zeigen alle Baͤum’ und alle Stauden Augen,
Und zeugen nicht allein von einem innern Saft,
Der in den Roͤhren cirkuliret;
Sie zeigen eine Wunder-Kraft,
Die Laub und Bluͤth’ und Frucht formiret.
Man ſieht ſchon Hyacinthen bluͤh’n,
Wie ſie ſich gleichſam recht bemuͤh’n,
Aus ihrem duncklen Sitz zu ſteigen,
Um ihres Schoͤpfers Macht zu zeigen.
Ein ſtrenger Drang und Druck ſcheint jegliche zu treiben,
Nicht laͤnger wo ſie war zu bleiben.
Es ſcheint, es eil’ itzt recht der Blumen buntes Heer,
Daß es, zu ihres Schoͤpfers Ehr,
Und unſrer Luſt, fuͤr unſre Blicke
Sich hebe, faͤrbe, bild’ und ſchmuͤcke,
Mit lieblichem Geruch ſich und die Luͤfte fuͤlle,
Und, in dem ſuͤſſen Duft, und ihrer bunten Pracht,
Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers Macht,
Und ſeine weiſe Huld, ſo viel an ihr, enthuͤlle.
Vernunft kann, ohne Luſt, auf ſie den Blick nicht lencken;
Weil, wenn wir mit Vernunft derſelben Weſen ſehn,
Wir auf die innre Wirckung gehn,
Und auf des Schoͤpfers Allmacht dencken,
Der auch den Pflantzen ſelbſt ein Leben,
Zu unſerm Nutz und unſrer Luſt, gegeben;
Der, zur Verherrlichung von ſeinem groſſen Ramen
Ein lebend Feur in allen Saamen,
Das immer wirckt und nimmer ruht, geſenkt,
Und es, als einen Geiſt, in einen Coͤrper ſchrenkt.
D 3Wie
[54]Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen.Wie viele Wunder ſich in ſeiner Wirckung haͤuffen,
Faͤllt auch dem kluͤgſten Geiſt nicht moͤglich zu begreiffen.
So mancherley Geſchmack, Geruch, Farb’ und Figur
Fuͤhrt uns jedoch auf eine Spur
Von einem Weſen, welches wirckt, vernuͤnftig, doch au[f]
andre Weiſe,
Als alle Menſchen wircken koͤnnen.
Will man denn dieſem nicht, zu GOttes Preiſe,
Ein froh-bewunderndes und danckbar Hertze goͤnnen?
[figure]
Zwo[55]Zwo Fruͤhlings-Arien.ARIA.Auf den bunt-bebluͤhmten Feldern,
Jn den Schatten-reichen Waͤldern
Herrſcht, in ſtiller Einſamkeit,
Unſchuld und Zufriedenheit.
Fern vom ſtaͤdtiſchen Getuͤmmel,
Als in einem ird’ſchen Himmel,
Find’ ich hier die guͤldne Zeit.
ARIA.Die Stille, die den Wald erfuͤllt,
Der holden Unſchuld ſanftes Bild,
Jſt nicht von froher Anmuth leer.
Der kleinen Voͤgel muntres Heer
Laͤſſt tauſend ſuͤſſe Toͤn’ erklingen.
So kann auch ein gelaſſnes Hertz
Mit Recht, bey zugelaſſnem Schertz,
Geſellig lachen, froͤlich ſingen;
Weil ſonſt die Tugend graͤmlich waͤr.
[figure]
D 4
Ander-[56]Anderweitige BetrachtungAnderweitige Betrachtung der
Kirſch-Bluͤthe.Mein GOtt, da ich hier ſtille ſtehe,
Und, mit fuͤr Luſt erſtarrten Blicken,
Die Bluͤthe, womit ſich die Kirſchen-Baͤume ſchmuͤcken,
Mit billiger Aufmerckſamheit, beſehe;
Entdeck’ ich auf das neu und mercke
Noch nie bemerckte Wunder-Wercke,
Die, daß man deine Macht und Lieb’ in ihnen ehrt,
Auf gantz beſondre Weiſe, wehrt.
Es oͤfnen ſich die braunen Knoſpen kaum
Die, wie wir einſten ſchon beſehen,
Aus manchem kuͤnſtlichem Gewebe ſelbſt beſtehen;
So wird man in derſelben innerm Raum
Drey gruͤne Blaͤtterchen gewahr,
So hohl und gantz erfuͤllt mit zartem Haar:
Die, wenn ſie von einander gehn,
Wie gruͤne Blumen anzuſehn.
Aus dieſen ſiehet man drey andre ſteigen,
Die laͤnglichter, und die ſich in der Mitten
Als wie ein Hertz durchſchnitten,
Und, aus dem Schnitt, ein nettes Blaͤtchen zeigen.
Nachhero werden noch drey andre, welche groͤſſer,
Faſt von derſelben Art erblickt,
Nur daß darin die Form von Blaͤttern beſſer
Und deutlicher ſchon ausgedruͤckt.
An eines jeden Fuß, die Frucht noch mehr zu ſchuͤtzen,
Sieht man aufs neu zwey gruͤne Spitzgen ſitzen;
Noch uͤber dieſen ſteht ein Blatt,
Das rings um ſeinen Fuß vier kleine Spitzen
Als ein abſonderlich Gewaͤchſe hat;
Jn
[57]der Kirſch-Bluͤthe.Jn dieſem wird man mit Verwunderung gewahr
Ein Knoͤſpgen ſchon fuͤrs kuͤnft’ge Jahr.
Hier kann man nun zugleich der Wunder Endzweck ſehn,
Jn dem wir oͤfters vier, oft fuͤnf, gerade Stangen,
Die neue Wunder noch in ſich befangen,
Vor Luſt mit Recht erſtaunet, ſehn.
Man ſieht wie dieſe Stiel’ all’ an gewiſſen Stellen
(Kein Menſch begreift wodurch) gemaͤchlich ſchwellen,
Sich dehnen, da wir denn in ihren hohlen Rinden
Den Sitz der jungen Kirſche finden.
Die Rinden, die darauf ſich hoͤher noch erſtrecken,
Formiren Knoſpen abermahl,
Worin der zarten Bluͤth’ ſchnee-weiſſe Blaͤtter ſtecken,
Jmgleichen weiſſe Zaͤſerlein
Noch uͤber dreyßig an der Zahl,
Die alle, echt als wie mit guͤldnen Knoͤpfgen, prangen,
Und die die kleinen gruͤnen Stangen,
Die aus der Frucht ſich aufwaͤrts ſtrecken,
Umgeben und bedecken.
Wer nun noch erſt von einer Bluͤht’
Ein eintzigs Blatt
Betrachtet und beſieht,
Wie viel es kleine Adern hat,
Und dieß zuſammen nimmt, und mit Vernunft erweget,
Was eine Kirſche nur fuͤr Wunder in ſich heget;
Ja, welcher erſt bedenckt, wie eine ſolche Menge
Von Blumen einen Zweig erfuͤllt,
So daß ſie ihn durchaus bedeckt und gantz verhuͤllt;
Ja wie, im lieblichen Gepraͤnge,
Die Blumen an viel tauſend Zweigen
Auf einem eintz’gen Baum, ſich zeigen,
D 5Und
[58]Anderweitige Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.Und endlich, wie aus Millionen Baͤumen
Viel Millionen Blumen keimen,
Die all’ in Fruͤhling nicht allein die Erde ſchmuͤcken,
Wovon uns auch die Fruͤcht’ erquicken;
Wer, ſag’ ich, dieß erwegt, wird wol mit Recht geruͤhret,
Mit Recht zu aller Ding’ allmaͤchtgem HErrn gefuͤhret,
Und zu der wahren Qvell des Himmels und der Erden
Bewunderung und Lob und Danck getrieben werden.
[figure]
Das[59]Das unverhofte Gruͤn.Das unverhofte Gruͤn.Juͤngſt gieng ich nebſt Fabricius,
Den, ohne Neid faſt, ſelbſt der Neid bewundern
muß,
Jn einem zierlichen, am klaren Alſter-Fluß
Belegnen, groſſen Blumen-Garten,
Worin, von mehr als tauſend Arten,
Viel hundert tauſend Blumen ſtunden,
Die wir durch ihre Meng’ in ſolchem Glantze funden,
Daß, durch den Ubefluß der Luſt
Der uns faſt mehr erfuͤllt’ und drengt’, als ruͤhrte,
Das Hertz in unſrer Beyder Bruſt
Sich gleichſam echt gedruckt, und ſanft-gepreßt verſpuͤhrte.
Wir ſtutzten erſt vor uͤbermachter Freude
Und, durch die bunte Gluth der Blumen angeflammt,
Gedachten wir mit Luſt und Ehrfurcht alle beide
An den, aus deſſen Kraft, Luft, Erd’ und Himmel ſtammt.
Es brach ein froh GOTT Lob! aus beider Hertz und
Mund:
GOtt Lob! der ſich bey uns in ſolcher Schoͤnheit kund
Und gleichſam ſichtbar macht!
Le Fevre, welcher ſich zugleich bey uns befand
Le Fevre eine Zier von ſeiner Vater-Stadt,
Und der, zu meiner Ehr, mit mir verwandt,
Bewunderte nebſt uns und ehrt’ in ihrer Pracht
Die GOttheit ebenfals. Als eben Boͤckelmann,
Des ſchoͤnen Gartens Herr und Pfleger, zu uns trat
Und, wie er uns ſehr hoͤflich angeſprochen,
Auch fuͤr uns eine gute Zahl
Erleſner Blumen agebrochen,
Kam er von ungefehr auf ſeine Morgen-Zeit.
Nicht
[60]Das unverhofte Gruͤn.Nicht auszudruͤcken iſt die Luſt, die ich verſpuͤhre,
Sprach er, wenn ich, ſchon fruͤh’ um viere
Der Blumen ungezehlte Zahl
Jm von der fuͤhen Sonnen Strahl
Gefaͤrbt- und gantz durchdrungnen Thau
Jn einem himmliſchen, nicht ird’ſchen, Firniß ſchau.
Jch fuͤhle, wie ſo denn die allgemeine Stille,
Die dann die Welt beherrſcht, auch mein Gemuͤth erfuͤlle.
Dieß iſt die ſchoͤnſte Zeit, diß ſind die ſchoͤnſten Stunden!
Nur dauret mich, daß ſie von Menſchen auf der Erden
So wenig nur empfunden
Und mehrentheils verſchlaffen werden.
Wir traureten und freuten uns mit ihm.
Hierauf kan man von ungefehr
Von neuem auf der Blumen-Heer:
Man ſprach: Bewunderns wehrt iſt, da der Blumen
Pracht
Jn allen Farben glimmt, daß die Natur von ihnen
Doch keine gruͤn gemacht.
Wir andern ſtimmten bey
Und dachten, daß dem Laub’ und Graſ’ allein im Gruͤnen
Zu glaͤntzen vorbehalten ſey.
Drauf ging, mit ſanften Schritten,
Herr Boͤckelmann von uns, kam aber bald hernach,
Mit ja ſo ſanften Schritten, wieder;
Und, ſonder daß er etwas ſprach,
So legt’ er in der Mitten
Auf unſern Tiſch drey gruͤne Blumen nieder,
Wodurch er, daß wir uns geirrt
Uns uͤberzeuglich uͤberfuͤhrte.
Wir
[61]Das unverhofte Gruͤn.Wir ſahn einander an. Halb laͤchelnd, halb verwirrt,
Geſtunden wir, zu ſeiner Ehr,
Daß dieß die beſte Art zu uͤberzeugen waͤr.
Nachhero nahmen wir der gruͤnen Blumen Pracht,
So ein’ Anemone, bewundrungs-voll in acht,
Da jeder dann, nachdem wir ſie recht wol beſchaut,
Geſtand, daß auch das ſchoͤnſte Kraut
Kein ſchoͤner Gruͤn faſt zeigen kann.
Hieruͤber ſtimmten wir zuletzt der Meynung bey,
Daß alles, was in der Natur
So wol an Farben als Figur
Nur moͤglich, auch vermuhtlich wircklich ſey.
HErr, meine Luſt ſind deine Wercke.
Ach, gieb, daß mancher auch mit mir,
O aller Dinge Quell, ſie, dir
Zum Ruhm, mit Luſt und danck, bemercke!
[figure]
Die[62]Die Luft im Fruͤhling.Die Luft im Fruͤhling.Die kalte Luft, die um uns ſchwebet, und welche ſich mit
uns zugleich
Der Licht- und Lebens-Qvelle naͤhert, und in der hellen
Sonnen Reich
Zugleich mit uns gefuͤhret wird, verſpuͤhrt derſelben war-
men Kraft
(Wodurch ſie alles labt und naͤhret) ſo ſanft belebend’ Ei-
genſchaft
Am erſt- und meiſten; wird durchdrungen, wird warm,
verduͤnnt und ausgeſpannt:
Die groben Duͤnſte theilen ſich, man ſieht ſie hier und
dort zerſtuͤcket
Jn Wolcken von verſchiedner Art, in nicht zu zehlenden Fi-
guren,
Die theils bekannt, theils unbekannt,
Und die das Licht im holden Fruͤhling viel ſchoͤner noch, als
ſonſten ſchmuͤcket.
Sie theilen ſich bald hier, bald dort, und laſſen durch der
Wolcken Schleyer
Der reinen Sonnen Glantz und Feuer,
Dort, durch derſelben duncklen Schwall des reinen Him-
mels tieffe Hoͤhn
Jn einem hellen, heitern, reinen, mehr als Sapphirnen
Blauen ſehn,
Doch ſieht man jetzt zuweilen auch ſich manchen duͤnnen
Duft erheben,
Und, gleichſam ſeegelnd, hin und her in neu durchſtrahlten
Luͤften ſchweben
Zu-
[63]Die Luft im Fruͤhling.Zuweilen ſich zuſammen ſetzen, den gantzen Kreis der Luͤf-
te fuͤllen
Und oft der Sonnen glantz dadurch verdecken, und oft
gantz verhuͤllen.
Doch iſt der Duft nicht dicht und ſchwartz, wie er vorhin
im Winter war,
Er iſt, mit Glantz und Licht vermiſcht, zwar truͤb’ und falb’
und dennoch klar,
Es ſcheint dieß daͤmmricht-ſanfte Weſen von Fruchtbarkeit,
von Licht und Schein,
Von Hofnung und von Seegen ſchwanger, und ſchwer vom
Ueber-Fluß zu ſeyn.
Man ſieht, nicht ſonder ſanfte Freude, ſie ſanft bald hie, bald
dort hin, ziehn,
Und einen kleinen lauen Regen bald hie, bald da, bald
dorten, ſpruͤh’n.
Jn ſolcher truͤben Fruͤhlings-Zeit empfindet man, wie eine
Stille,
So wie ſie dort das Firmament, auch unſre Seele lieb-
lich fuͤlle.
Ein angenehm ich wei nicht was, ſo Coͤrper, Geiſt und
Nerven ruͤhrt,
Wird, ſo wie uͤberall empfunden, auch uͤberall von uns
verſpuͤhrt.
Ach moͤgten wir die ſanfte Schoͤnheit der lauen Luft im fro-
hen Lentzen,
Worinn voll Anmuth, Waͤrm und Seegen, der Sonnen
helle Strahlen glaͤntzen,
Der Sonnen Sonn’ und HErrn zu Ehren, mit innigli-
cher Anmuth ſehn,
Und ſeine Weisheit, Lieb und Allmacht, in unſrer frohen
Seel’ erhoͤhn!
Wir-[64]Wirckung der Sonne.Wirckung der Sonne.Was entſteht nicht durch die Sonne
Uberall fuͤr Nutz und Wonne!
Dieſe Licht- und Lebens-Quelle
Machet nicht nur jede Stelle
Jn der Luft, und auf der Erden,
Auch ſo gar in kalter Fluth,
Lieblich, luſtig, hell und licht;
Es wird, von der reinen Glut,
Durch das ſinnliche Geſicht,
Selbſt in meiner Seelen helle.
Sie beſtrebt ſich, trotz der Erden,
Fruchtbar und geſchmuͤckt zu erden.
Es entſteht in meiner Bruſt
Gleichſam eine Fruͤhlings-Luſt,
Eine rege Heiterkeit,
Eine geiſtge Lentzen-Zeit.
Dadurch, daß ſie dieß erblickt
Wird die Seele ſelbſt geſchmuͤckt.
Hofnung iſt ihr ſchoͤnes Gruͤn
Und es ſind die Luſt und Freude
Ob dem ſchoͤnen welt-Gebaͤude
Blumen, welche in ihr bluͤhn.
Wenn ich nun, dadurch geruͤhret,
Das, was ſie dadurch verſpuͤhret,
Durch den Danck zum Schoͤpfer richte;
Sind es die verlangten Fruͤchte
Welche GOTT, aus Lieb’ allein,
Lieblich und gefaͤllig ſeyn.
Die[65]Die Anemonen.Die Anemonen.Mir hat, GOtt Lob! der Schmcuk, der bunte Blu-
men ziert,
Das innerſte der Seelen oft geruͤhrt;
Allein, dieß iſt gewiß: noch nimmer
Bin ich von ihrem Glantz und angenehmen Schimmer,
Von ihrer Zierlichkeit und tauſendfacher Pracht
So lieblich angeſtrahlt und faſt beſtuͤrtzt gemacht,
Als heute, da ich kaum im Garten eingetreten,
Und mir ein buntes Feur von Anemonen-Beeten
Das Aug’ auf einmahl traf. Jch ſtutzt’! Es blieb mein
Fuß,
Der halb gehoben war, ſo, halb gehoben, ſtehn,
Und kont ich, vor der Pracht und Schoͤnheit Ueberfluß,
Der mich recht blendete, nicht vor- nicht ruͤckwaͤrts gehn.
„Liebſter GOTT! kan wol auf Erden
„Etwas, das ſo wunderſchoͤn,
„Bunt und zierlich iſt, geſehn;
„Lieblichers gefunden werden?
So rief ich, halb entzuͤckt vor uͤberhaͤufter Luſt,
Und ließ den frohen Blick den bunt-gefaͤrbten Hauffen
Auf einmahl uͤberlauffen.
Ein gleichſam bunter Schwall drang in die rege Bruſt,
Mit einem tauſendfach-gefaͤrbten Glantz und Schein,
So heftig und ſo kraͤftig ein,
Daß faſt die Seele ſelbſt, von Anmuth uͤberhaͤuft,
Vor uͤbermaͤßigem Vergnuͤgen, nichts begreift,
Und nur, wie alles hier bunt durch einander ſpielet,
Jn einer lieblichen Verwirrung, froͤlich fuͤhlet.
EEs
[66]Die Anemonen.Es war der Anemonen Zier
So lieblich bunt, ſo wuͤrdig ſchoͤn,
Daß ich, indem ich ſie betrachte
Mit inniglichen Freuden dachte,
Mein GOTT, wie froͤlich danck ich dir,
Daß du mir Augen gabſt zu ſehn!
Wenn ich nichts anders ſonſt erblicket
Auf dieſer Welt, als blos allein
Den tauſendfachen Wunder-Schein,
Womit dieß Fruͤhlings-Kind geſchmuͤcket,
Muͤſſt’ ich dir billig danckbar ſeyn.
Jch zog darauf den nimmer feſten Blick
Der um zu viel zu ſehn, faſt nichtes ſah,
Aus ſeiner bunten Fahrt, faſt mit Gewalt zuruͤck,
Um einige genau zu ſehen, die mir nah,
Und faſt vor meinen Fuͤſſen ſtunden.
Mein GOtt, was hab ich da fuͤr Zierlichkeit gefunden,
Fuͤr Farben, und fuͤr Glantz!
Es wuͤrden ſelbſt aus Edelſteinen
Geſchnittene Gefaͤſſe ſchoͤner nicht
Jn mehrem Glantz, in mehrem Licht,
Jn bunterm Schmuck vermoͤgend ſeyn zu ſcheinen,
Als die von der Natur in ſolcher Zier
Gekleideten gefaͤrbten Blumen hier.
Zumahlen wenn in heitern Wetter
Der Sonnen fruͤh- und ſpaͤte Strahlen
Die klaren Blaͤslein ihrer Blaͤtter
Mit Farben nicht ſo ſehr, als buntem Glantze, mahlen.
Bewunderns wehrt iſt die von der Natur
Jhr zugetheilete Figur:
Sie gleichen faſt, an Form, nett-ausgehoͤhlten Schalen,
Die
[67]Die Anemonen.Die angefuͤllet in der Mitten
Mit funckelndem Rubin, der zierlich ausgeſchnitten,
Da oft in ſelbigen viel tauſend nette Spitzen,
Die in der ſchoͤnſten Ordnung ſitzen,
Jn roͤthlichem und weiſſem Feuer blitzen.
Denn wenn das Sonnen-Licht ſich in die Menge
Der Blaͤtter, die ſo nett verſchrenckt,
Und ſo viel bunte Spitzen, ſenckt,
Erblickt man ein ſo form- als farben- reich Gepraͤnge.
Unglaublich iſt, wie ſchoͤn, wie voll, als wie auf Sammt
Das ſanft gebrochne Licht auf ihren Blaͤttern flammt.
Unglaublich iſt, wie groß die Zahl der Blaͤtter ſey,
Die, in verſchiedenen, weit uͤber tauſend gehet;
Unglaublich iſt, wie vielerley
Der Farben Miſchungen, wie manchen Unterſcheid
Jhr auf den bunten Blaͤttern ſehet.
Wenn viel’ in dunckler Roͤthe gluͤhn,
Jn Weis, in Purpur-Farb, in Carmeſin,
Jn Gelb, Viel-Blau, Leib-Farb, Gruͤn,
Von tauſend Miſchungen und Graden, bluͤhn;
Sieht man viel andre noch, auf ander’ Art geziert,
Mit Linien, die ſilber-weis, durchziehn,
Oft roth, oft weiß, auf tauſend Art, punctirt.
An vielen wird noch mehr erblickt,
Jndem, im ſtarcken Gegenſatz
Der Farben, ihren Mittel-Platz
Ein gantz verſchiedner Boden ſchmuͤckt,
Den ich oft gruͤn, oft ſchwartz, oft blau,
Bey gantz verſchiednen Blaͤttern, ſchau.
Noch eins, ſo dieſe Blum’ in gantz beſonderm Grad
Vor allen andern Blumen hat:
E 2Da
[68]Die Anemonen.Da ſie ein ſchoͤnes Laub an ihrem Stengel heget,
Der es, als einen Krantz, in ſeiner Mitten traͤget,
Der aus drey Blaͤttern ſich formiret,
Die ich daſelbſt in einer Ruͤnde
Aus einem Ort entſproſſen finde,
So ſonſt bey Blum- und Pflantzen nicht gemein.
Wann nun ein jedes Blatt
Aufs neu drey nette Spitzen hat,
Und jede theilt ſich wieder ein
Jn drey, die wiederum in ſechs getheilet ſeyn,
So kann die groſſe Zahl nett-ausgekerbter Ecken
Uns, zu der Blumen Schmuck, was ſonderlichs entdecken,
Jn dem ſie in dem dicht-geſchloſſnen Gruͤnen
Den bunten Blumen ſtets zum ſchoͤnen Grunde dienen,
Ja ſchoͤne gruͤne Decken ſcheinen,
Worauf der bunte Glantz, die viel gefaͤrbte Pracht,
Die uns auf tauſend Art anlacht,
Sich deſto lieblicher vereinen.
Es iſt wahrhaftig nicht zu glaͤuben,
Noch minder moͤglich zu beſchreiben
Die Schoͤnheit, welche man, durch dieſes Kraut,
Der Anemonen Pracht annoch vergroͤſſern ſchaut.
Das farben-reiche Blumen-Heer
Laͤßt anders nicht,
Als wenn, von buntem Licht,
Auf gruͤnen ſammtenen Tapeten,
Ein Blum-Werck ſchoͤn gewircket waͤr.
Die allerreichſten Kaufmanns-Laden,
Voll guͤld- und ſilberner Brocaden,
Und wenn ſie noch ſo ſchoͤn geſtickt, durchwirckt, bebraͤmt,
Sind durch der Blumen Pracht und bunten Glantz beſchaͤmt.
Da
[69]Die Anemonen.Da ich nun, mit vieler Freude,
An der Anemonen Schein
Mein vergnuͤgtes Auge weide;
Faͤllt mir dieſes billig ein:
Moͤgten wir, fuͤr ſo viel Gaben,
Woran wir die Sinne laben,
Welche wir von dir allein,
Groſſer GOTT, empfangen haben,
Danckbar und erkaͤnntlich ſeyn!
Moͤgt ich doch, o ew’ge Guͤte,
Die mir ſo viel Guts gegeben,
Mit erkaͤnntlichem Gemuͤhte
Dir gefaͤllig hier zu leben
Recht von Hertzen mich beſtreben!
[figure]
E 3
Die[70]Die Trauben-Hyacinth.Die Trauben-Hyacinth.Angenehmes Fruͤhlings-Kindchen,
Kleines Trauben-Hyacintchen,
Deiner Farb’ und Bildung Zier
Zeiget, mit Verwundrung, mir,
Von der bildenden Natur
Eine neue Schoͤnheits-Spur.
An des Stengels blauer Spitzen
Sieht man, wenn man billig ſieht,
Deiner ſonderbahren Bluͤht
Kleine blaue Kugeln ſitzen,
Dran, ſo lange ſich ihr Blat
Noch nicht aufgeſchloſſen hat,
Wie ein Purpur-Stern ſie ſchmuͤcket,
Man, nicht ſonder Luſt, erblicket.
Aber wie von ungefehr
Meine Blicke hin und her
Auf die ofnen Blumen lieffen,
Kont ich, in den blauen Tieffen,
Wie aus Himmel-blauen Hoͤhen,
Silber-weiſſe Sternchen ſehen,
Die in einer blauen Nacht,
So ſie rings bedeckt, im Dunckeln,
Mit dadurch erhoͤhter Pracht
Noch um deſto heller funckeln.
Jhr ſo zierliches Gepraͤnge,
Jhre Nettigkeit und Menge,
Die die blauen Tieffen fuͤllt,
Schiene mir des Himmels Bild,
Wel-
[71]Die Trauben-Hyacinth.Welches meine Seele ruͤhrte,
Und durch dieſer Sternen Schein,
Die ſo zierlich, rein und klein,
Mich zum HErrn der Sterne fuͤhrte,
Deſſen unumſchrenckte Macht,
Aller Himmel tieffe Meere,
Aller Welt und Sonnen Heere,
Durch ein Wort, hervorgebracht;
Dem es ja ſo leicht, die Pracht
Jn den himmliſchen gefilden,
Als die Sternchen hier, zu bilden.
Durch dein Sternen-foͤrmig Weſen,
Giebſt du mir, beliebte Blume,
Dem, der Sterne macht, zum Ruhme,
Ein’ Erinnerung zu leſen,
Daß wir ſeiner nicht vergeſſen,
Sondern in den ſchoͤnen Wercken
Seine Gegenwart bemercken,
Seine weiſe Macht ermeſſen,
Und ſie, wie in jenen Hoͤhen,
So auf Erden auch zu ſehen.
E 4
Wunſch.[72](***)
Wunſch.Jetzt ſeh ich, mit geruͤhrten Blicken,
Ein friſch und faſt lebendig Gruͤn,
Der Erde-Flaͤchen uͤberziehen.
Jch hoͤre gleichſam mit Entzuͤcken,
Der neuen Voͤgel Harmonien,
Bemuͤht, die Menſchen zu erqvicken.
Man ſiehet, wo die Blumen bluͤhn,
Und faſt in buntem Feuer gluͤhn,
Die Beeten recht in guͤldnen Stuͤcken,
Mit Ranckenwerck, worin Carmin,
Sammt Purpur und Ultramarin,
Den holden Schmuck der Kraͤuter ſchmuͤcken,
Ja, ſcheint nicht oͤfters ein Rubin,
Durch das Smaragden-gleiche Gruͤn,
Uns gleichſam Strahlen zuzuſchicken?
Ach daß mein Geiſt, wenn oft in ihn
Sich die Betrachtungen bemuͤhn
Des Fruͤhlings Schoͤnheit abzudruͤcken,
Oft von des Schoͤpfers Werck, ein reiner Spiegel ſchien!
Jch muß noch einen Wunſch zu dieſem fuͤgen:
Ach moͤcht, o HERR, aus Lieb’ allein
Dir meine Luſt gefaͤllig ſeyn,
Und mein Vergnuͤgen dich vergnuͤgen!
Du haſt an Menſchen-Kindern Luſt,
Wie David ſolches deutlich weiſet.
Ach hab es es denn auch hier an einer Bruſt,
Die dich, in ihrer Freud’ an deinen Wercken, preiſet!
Schoͤn-[73]Schoͤnheit des Fruͤhlings.Schoͤnheit des Fruͤhlings.Jndem ich hier von einer Hoͤhe,
Und zwar zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Verſchiedne Gaͤrten uͤberſehe,
Erſtaun’ ich ob der Lieblichkeit,
Und ob dem bluͤhenden Gepraͤnge
Des Fruͤhlings Kleides der Natur,
Jn ſo verſchiedner Pracht, Glantz, Farben und Figur.
Es zeigt die ungezehlte Menge
Der Wipfel, die ich von dem Schnee,
Der holden Bluͤhte ſchimmern ſeh,
Ein angenehm mit gruͤn vermiſcht Gewebe,
Worin das Weiſſe, bald das Gruͤn,
Das Gruͤn hinwiederum, nicht minder kuͤhn,
Das Weiſſe zu beſiegen ſchien.
Nicht zu beſchreiben iſt, wie ſuͤß
Die angenehm gemiſchte Schoͤnheit ließ:
Ach wie ſo lieblich, glatt und zart und friſch und ſchoͤn
Jſt dort das junge Laub auf Linden,
Und andern Baͤumen, anzuſehn!
Seht, wie die Wipfel ſich ſo zierlich ruͤnden,
Jndem von allererſt geſchloſſnen zarten Zweigen,
Die gruͤnen Spitzen, noch ſo ſchwach
Durch ihre Blaͤtter-Laſt herab gezogen,
Und recht als runde gruͤne Bogen,
Sich wie gewoͤlbet abwerts beugen,
Sich Wolcken-foͤrmig zeigen,
Und unvermercket nach und nach
Nur allererſt ſich aufwerts lencken.
Erweget, wie ſie ſich ſo angenehm verſchrencken,
E 5Da
[74]Schoͤnheit des Fruͤhlings.Da mehrentheils ein Blatt auf zweyen andern lieget,
Und ſich dadurch ſo dicht und feſte fuͤget,
Daß dieſe Dichtigkeit auch dichte Schatten zeuget,
Daß vor des Sommers ſchwuͤhlem Blitzen,
Sie uns, durch ihre Zucht, die kuͤhlen Schatten, ſchuͤtzen.
Es iſt ein ſolches junges Blat,
Da es ſo lieblich gruͤn, ſo friſch, ſo zart und glatt,
Nicht ſonder Anmuth anzuſehn.
Abſonderlich wenn ſich das Licht,
Auf die nicht minder glatten Hoͤhen,
Wodurch die Adern ſtrich-weis gehen
Und ſie vertieffe, lieblich bricht,
Da denn an den vertieften Graͤntzen,
Oft kleine Blicke ſchimmernd glaͤntzen,
Wodurch, wenn ihre Zierd und Menge ſich vereinet,
Der gantze Baum oft uͤberſilbert ſcheinet.
Man wird zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Da alles voll von Glantz und Lieblichkeit,
Von der lieb-aͤugelnden Natur,
Aus jedes Bluͤmchens holder Pracht,
Bald durch der Farben Schmuck, und bald durch die Figur,
Bald in den friſch-bethauten Feldern,
Bald in den Blaͤtter-reichen Waͤldern,
Ja uͤberall recht angelacht.
So laßt uns dem, der ihre Pracht
Zu unſrer Augen-Luſt gemacht,
(Da in der Lentzen-Zeit die Welt ſo wunder-ſchoͤn)
Sie doch, in unſrer Luſt, zum wahren Ruhm beſehn!
Nach-[75](***)
Nachtheilige Verwahrloſung der
Fruͤhlings-Schaͤtze.Jm Fruͤhling ſcheint auf Wieſen und Gefilde,
Als ob in einem neuen Bilde
Sich eine neue Schoͤpfung zeiget.
Da ſo, wie dort,
Durch des Allmaͤcht’gen Wunder-Wort,
Kraut, Bluͤthe, Gras, und Laub, neu aus der Erden
ſteiget.
Es gehn, in einem neuen Flor,
Die Blumen aus der Erd’ hervor.
Wenn wir uns nicht an dieſer Schoͤnheit laben;
So ſcheints, als wuͤrden wir, zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Wenn wir in Eden ſelbſt geweſen waͤren,
An allen neu erſchafnen Gaben,
Uns gleichfals nicht vergnuͤget haben.
[figure]
Ein[76]Ein Parterre.Ein Parterre.Mein GOtt, was haſt du doch alhier,
Jn dieſer Blumen bunten Zier,
Auf dieſem bunten Schau-Platz, mir
Fuͤr Weisheit, Lieb’ und Macht gewieſen!
Ach ſey dafuͤr, daß es ſo wunder ſchoͤn,
Von mir und allen, die es ſehn,
Gelobt, geruͤhmet und geprieſen!
So rief ich, als ich juͤngſt den Platz,
Worauf ich kurtz vorher der Beeten Schrancken
Von Buchsbaum mit geſchlungnen Rancken,
Nicht viereckt, wie gewoͤhnlich, faſſen,
Und hier und da mit rohtem Sand
Und bunten Striemchen zieren laſſen;
Als, ſag ich, ich hier dieſen Ort,
Bedeckt, erfuͤllt mit einem Schatz,
Von bunten Tulipanen, fand.
Die Regel-rechte Symmetrie,
Des Bodens, der in manchem bunten Strich
Selbſt bunten Blumen glich,
Stand mit der bunten Blumen Menge,
Und dem faſt funckelnden Gepraͤnge,
Jn einer ſolchen Harmonie,
Daß jeder, der es ſah, erſtaunet ſtille ſtund,
Und, fuͤr Verwunderung, ſo gleich kaum ſprechen kunt.
Jch ſah ihn juͤngſt, recht inniglich vergnuͤget,
Von meinen kleinen Weinberg an,
An deſſen gruͤnem Fuß es lieget;
Es
[77]Ein Parterre.Es waren mir, als ich den bunten Schimmer ſahe,
Fuͤr Luſt, die Freuden Thraͤnen nahe,
Und fing ich gleich, ſo bald ich mich beſann,
So wie zuerſt, noch einmahl wieder an:
Mein GOtt, was haſt du doch alhier,
Jn dieſer Blumen bunten Zier,
Auf dieſem bunten Schau-Platz, mir
Fuͤr Weisheit, Lieb’ und Macht gewieſen!
Ach ſey dafuͤr, daß es ſo wunder ſchoͤn
Von mir und allen, die es ſehn,
Gelobt, geruͤhmet und geprieſen!
[figure]
Zu-[78]Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland ꝛc.Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach
Groͤnland abſeegelnde Schiffe.Jndem ich juͤngſt auf einem kleinem Huͤgel,
Am Flachen Elbe-Strande, ſteh,
Und, wie der glatten Fluthen Spiegel
Sich ſanft voruͤber ziehet, ſeh;
Erblick ich, auf dem ſich ſanft ſenckenden Gewaͤſſer,
Ein groſſes wol beſeegelt Paar
Sehr ſtarck-bemannter Waſſer-Schloͤſſer,
So zu dem Wallfiſch-Fang beſtimmet war;
Wie beid’, in ſtiller Farth, die Fluthen theilten,
Und, Land- und Strand vorbey, gemaͤhlig See-werts
eilten.
Jndem ich nun, von ihrer Reiſe
Den weit entfernten Zweck erwege,
Die, auf ſo manche Art und Weiſe,
Sie drohende Gefahr, mit Grauſen uͤberlege;
So faͤllt mir die Betrachtung bey:
Jch dencke, wie es moͤglich ſey,
Daß dieſe Reiſende, der ſchoͤnſten Fruͤhlings-Zeit,
Die jetzo wiederkehrt,
Und da der Erde Schmuck ſich ſtuͤndlich faſt vermehrt,
Da Wald und Feld bey uns in ſolcher Lieblichkeit
Bey aufgeklaͤhrten Luͤften bluͤhen,
So gantz gelaſſen ſich entziehen,
Um ſich den ungeſtuͤhmen Wellen
Der unergruͤndlich tieffen See,
Des Winters Wuth, Reif, Hagel, Froſt und Schnee
Und Boreas Gewalt in Groͤnland blos zu ſtellen.
Mich
[79]Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland ꝛc.Mich deucht, als ob ich ſie,
Jn ſchwartzer Luft, die blos durch Schnee-Geſtoͤber grau,
Auf tauſend Art bereits beſchaͤftigt ſchau;
Wie ſie, mit ſtarrer Hand, und mit verwegner Muͤh,
Sich, zwiſchen Eis-Gebirg-und abgeriſſnen Schollen,
Die krachend uͤberall in ſtrengen Strudeln rollen,
Mit mehr als toͤdtlicher Gefahr, begeben,
Und, in entſtandnem Sturm, bey Raſen, Wuͤten, Sau-
ſen
Der Winde, beym Gebruͤll, Geknirſch, Geheul und
Brauſen
Der Wellen, zwiſchen Meer- und Waſſer-Wundern
ſchweben.
Geliebter Leſer! laß uns nun,
Dem Schreck-Bild’, unſerm Stand entgegen ſetzen:
Du kannſt in Sicherheit auf deinem Bette ruhn,
Du kannſt in Feld’ und Wald’ auf Blumen dich ergetzen,
Du kannſt, in warmer Luft, wenn laue Winde wehn,
Auf einem ſichern Boden gehn.
Ach, laß uns dieſes denn doch vor ein Gluͤcke ſchaͤtzen!
Ach laß uns oft den Unterſcheid beſehn,
Und in Erkaͤnntlichkeit, des Schoͤpfers Huld erhoͤhn!
Jndeſſen wuͤnſchen wir den Arbeit-ſeel’gen Leuten,
Auf ihrer ſchluͤpfrichen, beſchwerlich-rauhen Bahn,
Zu ihrer Reiſe Gluͤck von gantzen Hertzen an,
Daß ſie, was ſie geſucht, in Ueberfluß erbeuten!
Hir-
[80]Hirten-Gedicht.Hirten-Gedicht.
Als
der groſſe und gelehrte Fuͤrſt
Guͤnther
zu Schwartzburg,
Die Goͤttlichen Wunder in Vermeh-
rung des Getraides,
von mir betrachtet, verlangte.Auf einer ſanft erhabnen Hoͤh’, an welcher die be-
buͤſchten Seiten,
Mit Kraͤutern uͤberall bedeckt, ſich unten allgemach ver-
breiten,
Auf deren Wipfel Eichen, Buͤchen und Blaͤtter-reiche
Linden ſtunden,
Wovon die gruͤn-und kuͤhlen Schatten, in ſtiller Eintracht
ſich verbunden,
Saß Hirtenau nebſt Segenfeld, zween Edel-Leute, deren
Geiſt
Den regen Muͤßiggang im Jagen allein nicht groß und
edel heißt,
Nein, die (da ſie nunmehr den Hof, mit ſeiner Luſt und
Laſt, verlaſſen)
Daß man, bey Schafen und bey Buͤchern, kann froh und
ruhig leben, faſſen;
Ja denen, daß man auf dem Lande, in einer wahren Men-
ſchen-Luſt,
Der GOttheit Wercke deutlicher, als etwan ſonſten, ſieht,
bewuſt;
Die
[81]Hirten-Gedicht.Die, ſag ich, ſaſſen bey einander auf einer Banck’ aus gruͤ-
nen Raſen,
Die an dem angenehmen Orte nur neulich erſt verfertigt
war,
Sie ſahen, nebſt den muntern Ziegen, der Wollen-rei-
chen Schaafe Schaar
Bald zwiſchen jungen Buͤſchen klettern, bald in bebluͤhm-
ten Kraͤntern graſen,
Die dort, mit unterbrochnem Meckern, durch dicht-ge-
ſchlungne Straͤucher ſchlupfen,
Die hier das feinſte Gras, den Klee mit regen Kiefern
aͤmſig rupfen;
Zur Lincken lagen hohe Huͤgel, ſo ſich mit dichter Wal-
dung deckten,
Worauf der Wipfel halbe Circkel ſich immer hoͤher auf-
waͤrts ſtreckten.
Dort theilt, von ſchon gereiften Korn, ein groß- und brei-
ter gelber Strich
Das helle Gruͤn bebluͤhmter Wieſen, am Fuſſe dunckel-
gruͤner Waͤlder,
Hier ſtreckt, von kleinen Buͤſchen, ſich
Ein langer gruͤner Strich hingegen durch Aeren-ſchwan-
gre gelbe Felder.
Die Schoͤnheit ſahe Hirtenau mit inniglich geruͤhrten
Blicken,
Und wieß ſie Segenfeld mit Fingern, der auch, wie er,
faſt mit Entzuͤcken
Sein Aug an dieſem Vorwurf labt’. Es herrſcht’ in ihrer
Beider Bruſt,
Ein’ aus den Wercken der Natur, zu deſſen Ruhm, ent-
ſtandne Luſt,
FDer
[82]Hirten-Gedicht.Der Himmel, Meer und Erde ſchuf. Ach rieffen beide:
Wie ſo ſchoͤn
Jſt alles was wir hier erblicken! Wie herrlich iſt es was
wir ſehn!
Fuhr Segenfeld mit laͤcheln fort. Fuͤrwar das Land-und
Schaͤffer-Leben
Jſt auf der Welt das gluͤcklichſte! weil man, mit ruhigem
Gemuͤth,
Auf der Natur ſo reiche Schaͤtze am fuͤglichſten kann Ach-
tung geben,
Und man des Schoͤpfers Werck in ihnen mit Ehrfurcht,
Luſt und Andacht ſieht.
Wie gluͤcklich leben wir allhier! Da, ſo von Stadt
als Hof entfernet,
Man ſo von der Natur, als ſich, was ſonſt nicht ſichtbar,
ſehen lernet,
Da die Allgegenwaͤrtge GOttheit, in Waͤldern, Feldern
und in Auen,
Jn Thieren, in den Elementen, ja im geringſten Kraut
zu ſchauen.
Da man, vom Reitz der Leidenſchaften befreit, in Ruh’
und Muſſe ſich,
Weit beſſer als in Hof und Stadt, beſieht, erkennet und
ergruͤndet,
Und, in der Ruh’ und Still’, ein ſonſt umſonſt geſucht
Vergnuͤgen findet.
An ſolchen redlichen Gedancken ergetz’ ich mich. Oft faͤllt
mir bey:
Wo kann man wol, in einem Stand auf Erden, beſſer
alle Pracht
Der ſtetig wirckenden Natur, als auf dem ſtillen Land’
erblicken!
Wo ſieht man beſſer, als bey uns, die Sonne Wald und Fel-
der ſchmuͤcken,
Die Sonn’ ein wahrer Wunder-Spiegel des Maͤchtigen, der
ſie gemacht!
Ent-
[83]Hirten-Gedicht.Entfernt von giftiger Verlaͤumdung, Verfolgung, Un-
danck, Neid und Streit,
Erblickt man hier ein Ueberbleibſel der ſonſt verſchwund-
nen guͤldnen Zeit.
Hier wo man, bloß durch niedre Demuth, allein zur
wahren Hoͤhe ſteigt,
Wo alles, was man hoͤrt und ſieht, uns eine Freuden-Frucht
gebiehret,
Und wo uns der Geſchoͤpffe Leiter, mit ſanfter Luſt, zum
Schoͤpfer fuͤhret,
Hier, ſag ich, ſind mir meine Schaafe der Vorwurf mei-
ner Gunſt und Liebe;
Jhr ſanftes Weſen, ihre Bildung, ihr Nutz, die Unſchuld
vollen Triebe
Erregen mir in meiner Bruſt,
Je mehr ich alles unterſuche, noch immer groͤſſre Freud’
und Luſt.
„Kan jemand, ſang ich juͤngſt, wol ſonder wahre Freude
„Und, wenn ers recht erwegt, ohn innerlichs Vergnuͤgen,
„Jn vollen Huͤrden bald, bald auf bebluͤhmter Weide,
„Bald hier, bald dort, recht als in Choͤren,
„Das rollende Gebloͤck der Schaaf’ und Laͤmmer hoͤren?
„Wie lieblich iſt es nicht, wenn alt und junge Ziegen,
„Sammt zarten Laͤmmerchen, beym tieffern Ton, da
zwiſchen
„Jhr kurtz-gebrochnes Meckern miſchen?
„Bey welchem lieblichen ſanft-lermenden Gethoͤn,
„Zumahlen wenn dabey die Feld-Schallmayen klingen,
„Wir dann darnach die jungen Boͤcke ſpringen,
„Und jungen Laͤmmer huͤpfen ſehn.
F 2„Wer
[84]Hirten-Gedicht.„Wer ſiehet ohne Luſt und inniges Vergnuͤgen,
„Die weiſſe Heerd’ im gruͤn- und tieffen Graſe liegen!
„Man ſiehet oͤfters blos ihr wiederkauend Haupt,
„Jndem der Ueberreſt von Kraͤutern gantz belaubt.
„Wer ſiehet ohne Luſt, aus glatter Kuͤhe Zitzen,
„Jn Eimern, die beſchaͤumt, die Milch in Strahlen
ſpritzen?
Du haſt recht, ſprach Segenfeld, und ich ſtimme dei-
nem Singen,
Von der Treflichkeit und Anmuth der ſo edlen Schaͤfferey,
Daß ſie von dem Land-Vergnuͤgen faſt das Allerſchoͤnſte
ſey,
Gleichfals bey.
Dennoch ließ ich ebenfals auch ein Liedgen juͤngſt erklingen,
Des nicht minder wahren Jnhalts, daß der Land-und Acker-
Bau
Mich nicht weniger ergetzt und recht inniglich vergnuͤget,
Als in welchem Nutz und Luſt, gleichfals ſich zuſammen
fuͤget,
Und worinn ich voller Anmuth tauſendfache Wunder ſchau.
Neulich ſetzt ich mich und ſahe fruͤh, nach wolgenoſſner Ruh,
Meiner Leute Saͤh’n und Pfluͤgen, mit vergnuͤgten Blicken,
zu:
So daß ich, dadurch geruͤhrt, Feder und Papier ließ bringen,
Um mit recht erfreuter Seelen, den, daus alle Ding’ ent-
ſpringen,
Den, durch deſſen holde Liebe, Macht und Weisheit, Huld
und Gunſt,
Nun das menſchliche Geſchlecht zu ſo Seegen-reicher Kunſt
Blos allein gelanget iſt, zu erheben, zu beſingen.
Jch
[85]Hirten-Gedicht.Jch ſchrieb: Seit dem, durch Luſt zur Ruh, dazu bewo-
gen,
Jch mich dem ſtaͤdtiſchen Geraͤuſch entzogen,
Seit dem ich hier,
Jn dieſem holden Luſt-Revier,
Die Schaͤtze der Natur beachte,
Und den, der ſie gemacht, die Urquell aller Welt,
Der ſie ſo wunderbar erſchaffen und erhaͤlt,
Jn ihrer Zier und Nutzbarkeit betrachte;
Hab ich mich oft am Feld-und Acker-Bau,
Recht inniglich vergnuͤget und ergetzt.
So gar das Pfluͤgen ſelbſt, wie muͤhſam es auch ſcheint,
Hegt mehr Vergnuͤgen, als man meint.
Der Furchen ordentliche Menge
Verſchoͤnern ihre kleine Schatten,
Als die ſich mit dem Licht in reinen Graͤntzen gatten.
Derſelben zierliche gerade Laͤnge,
Wenn meine Knechte ſie gezogen hatten,
Hat ofters mich ſo ſehr vergnuͤgt,
Daß ich, dadurch gereitzet und bewogen,
Selbſt einige mit Luſt und mindrer Muͤh gezogen,
Als man kaum glauben wird. Jſt nun das Land gepfluͤgt;
So hat man ſich nicht weniger zu freuen,
Wenn, mit gemeſſnem Tritt, wir gelben Saamen ſtreuen,
Und, daß er, uns zum Nutz, vermehrt mag auferſtehn,
Durch Egen ihn begraben ſehn.
Da er, von dem durch unſrer Sonne Kraft
Begeiſterten, durchdrungnen Erden-Saft,
Recht als geſchwaͤngert, ſich belebet,
Und aus der Furchen duncklen Strichen in gruͤnen Stri-
chen ſich erhebet,
F 3Die
[86]Hirten-Gedicht.Die, wenn zumahl
Der warmen Sonnen holder Strahl,
Durch ihre Blaͤtter faͤllt und alles lieblich gluͤhet,
Man, den Smaragden gleich, durchleuchtig funckeln ſiehet.
Auch wenn ich reif Getraid, im ſchwuͤhlen Sommer, ſchau,
Ergetzt ſich Aug und Hertz. Es wallt, ſelbſt GOtt zur
Ehr,
Jn dem gereiften Korn, ein gelbes Aeren-Meer.
Man kan der Aeren ſpielend Wallen,
Wie ſie ſich ſanft erheben, wieder fallen,
Bald wieder in die Hoͤhe ſteigen,
Bald ſchweben, bald ſich wieder neigen,
Bald fuͤr ſich ſelber fliehen, bald ſich jagen,
Bald wirbelnd ſich im Kreiſe drehn,
Nicht ſonder Luſt, nicht ohne Freude, ſehn.
Zumahl ergetzet uns, in hellen Sommer-Tagen,
Der Erndte frohe Zeit. Wie blitzt der Sichel Stahl!
Bald zeigt ſich hier, bald dort, ein kleiner Strahl,
Der uns ergetzt, nicht ſchreckt. Wie rauſcht der ſchnelle
Schnitt,
Wenn man, bey einem jeden Tritt,
Die Schwaden fallen ſieht. Es fahren groſſe Wagen,
Die kaum die Laſt der groſſen Schober tragen;
Man hoͤrt den muntern Fuhrman ſingen,
Aus einer Sorgen-loſen Bruſt;
Mit Freuden ſieht man ihn die ſchlancke Geiſſel ſchwingen,
Des Klatſchens kurtz - oft wiederhohlter Knall,
Vermehrt, nebſt ſeiner Freud’, auch ſeiner Hoͤrer Luſt.
Es wuͤhlt und lebt das Feld jetzt gleichſam uͤberall,
Und
[87]Hirten-Gedicht.Und wer kan, ohne Freud’ und inniges Bewegen,
Den uns vom Himmel ſelbſt geſchenckten Seegen
Hier annoch ſtehn, da binden, dorten maͤhn,
Hier in die Scheuern fahren ſehn?
So ſang ich dazumahl, als unverhoft ein Brief,
Von meinen wehrten Freund Durander,
Mir ungefehr zu Haͤnden lief.
Jch faltet’ ihn kaum aus einander
Als ſchnell ein Weisheit-Licht mir in die Augen fiel.
Es gab mir ſein geſchickter Kiel,
Was ihm, von ſeinem Herrn, dem teutſchen Salom[o],
Dem Fuͤrſten Guͤnther, ſonder gleichen,
An deſſen Lob und Ruhm kein Ruhm vermag zu reichen,
An mich befohlen war geweſen,
Mit ungemeiner Luſt zu leſen.
Wie ward mein Geiſt geruͤhrt und meine Seele froh!
Wie inniglich ward ich ergoͤtzet,
Als eben das, was ich mir vorgeſetzet,
Von mir verlanget ward: ja nicht allein verlangt;
Es war ein weiſer Plan, dem Schreiben angebogen,
Ein Abriß, den der Geift des Fuͤrſten ſelbſt gezogen,
Drin Andacht, Ordnung, Feur gantz unnachahmbar prangt.
„Gebenedeites Land! rief ich, von Luſt geruͤhrt,
„Jn welchem ſolch ein Fuͤrſt den Zepter fuͤhrt,
„Der auf den Acker-Bau ſein weiſes Auge lencket,
„Der auf des Land-Manns Werck, in guͤldnen Zim-
mern, dencket,
„Ja der ſo gar, mit Danck und Andacht angefuͤllt,
„Auf des allmaͤchtigen Regierers aller Welt,
„Der durch den Acker-Bau die Thronen ſelbſt erhaͤlt,
„Aus deſſen Weisheit, Lieb’ und Macht der Seegen qvillt,
F 4„So
[88]Hirten-Gedicht.„So weiſe Wege ſinnt, und deſſen Allmacht ehrt,
„Der, durch das milde Korn, ſo Vieh, als Menſchen,
naͤhrt.
„Nicht zu bewundern iſt, wenn zu dem Sternen HErrn
„Dein treues Volck, mit aufgehabnen Haͤnden,
„Fuͤr dein beſtaͤndigs Heil und Wolergehn ſo gern
„Und unablaͤßig fleht!„ Jch fing hierauf mein Singen,
Nach ſeiner Vorſchrift, an:
Doch hab ich ſonſt faſt nichts dabey gethan,
Als Guͤnthers weiſe Wort’ in Reime bringen.
Darauf nahm Seegenfeld ein Blat Papier,
Aus ſeinem Taſchen-Buch und reicht es Hirtenau,
Mit dieſem Worten, ein: Dieß war des Fuͤrſten Wille,
Was ich beſchreiben ſollt. Ließ ob ich nicht genau
Geſchrieben, was er ſchrieb, ich leſ’ indeſſen dir,
Jn dieſer Einſamkeit, in dieſer ſuͤſſen Stille,
Was ich davon gereimet fuͤr.
Worbey denn Hirtenau den uͤberreichten Brief,
Mit frohem Blick, Bewundrung-voll durchlief.
O ew’ger Urſprung aller Dinge!
Der alles, und auch mich, gemacht!
Gieb, daß ich meiner Seelen Kraͤfte,
Mit Luſt und mit Verwundrung hefte
Auf deiner Wercke Nutz und Pracht,
Die du aus Nichts, hervor gebracht,
Und ſtets in Andacht dir lobſinge,
Wenn ich, in ihnen, dich betracht!
Du ruffeſt dem, das nicht iſt, daß es ſey,
Und laͤſſeſt das, was worden iſt, vergehn!
Dein Winck heiſt wiederum das, ſo bereits vorbey,
Aufs neue wiederum entſtehn!
Dein
[89]Hirten-Gedicht.Dein Wort erhaͤlt die Welt, und, mit der Frucht der
Aeren,
Weiß uns im Ueberfluß dein Seegen zu ernaͤhren.
Mein GOtt! zu Ehren deinem Nahmen,
Bet’ ich abſonderlich in des Getraides Saamen
Die Wirckung deiner Allmacht an1
O du Geheimniß-volles Weſen,
Du ſcheinſt vom Schoͤpfer ſelbſt erleſen
Zum Wunder-Werck fuͤr jedermann!
Wohin ſich auch mein Sinnen lencket,
Wie tief ſich meine Seele ſencket,
Je mehr ſie hin und wieder dencket,
Was doch der Saamen eigentlich;
Je mehr, je mehr, verlier’ ich mich.
Ein geiſtig Feuer, das dich fuͤllet,
Jſt wunderbar in dir verhuͤllet,
Unſichtbar iſt die rege Gluth,
Die eingeſchloſſen gleichſam ruht,
Die aber augenblicklich zuͤndet,
So bald ſie einen Zunder findet.
Wie wir ein mannigfalt’ges Brennen,
Jn abgezognen Waſſern kennen,
Das ſtarck und doch nicht ſichtbar iſt,
So ſtellet ungefehr ſich mir
Die Kraft, die ich im Saamen ſpuͤhr,
Als ein lebendig Feuer fuͤr.
Wie nun ein Fuͤncklein, noch ſo klein,
Die gantze Welt in Brand kann ſetzen;
So kann von einem Korn allein,
Die gantze Welt beſaamet ſeyn.
F 5Wie
[90]Hirten-Gedicht.Wie gros iſt dieß Geheimniß nicht,
Das in des Saamens Weſen ſtecket,
Das, recht wie ein unſichtbar Licht,
Rings um ſich ſeine Kraͤft’ erſtrecket.
O wunderbahrer GOtt! es ſieht
Jm Saam-Korn mein betrachtendes Gemuͤht
Eh meiner forſchenden Gedancken,
Als wie deſſelben Kraͤfte, Schrancken!
Es ſcheinet, als ob wir den Saamen fuͤglich koͤnnen
Ein Mittel zwiſchen Geiſt und zwiſchen Coͤrpern nennen.
Er ſcheinet eigentlich
Der Pflantzen Abſicht blos allein,
Und zwar zu dieſem Zweck, zu ſeyn;
Damit ſie ſelbſt, durch ihre Kinder, ſich
Erhalten, und zu GOttes Ehren,
Biß an der Erden Ende waͤhren.
Selbſt in der Wurtzel ſteckt die Kraft,
Nicht nur der Pflantzen Nahrung-Saft,
Nein, auch den Saft des Saamens und der Bluͤhte,
Bewunders-wuͤrdig zu bereiten.
Unftreitiger Beweiß von deſſen Weisheit, Guͤte,
Und Allmacht, welcher alles macht,
Erhaͤlt und es aus Nichts hervorgebracht.
So viel wir aͤuſſerlich am Saamen ſehen,
So ſcheint ſein Coͤrper zu beſtehen,
Aus einer Schalen, einer Haut,
Wobey man noch ein fleiſchicht Weſen,
Und endlich ein klein Pflaͤntzlein ſchaut:
So daß es ſcheint, als wenn mit einem Ey
Er fuͤglich zu vergleichen ſey.
Die
[91]Hirten-Gedicht.Die aͤuſſre Schale dient zu ſeiner Sicherheit,
Damit er, durch zu viele Feuchtigkeit,
Die oftermahlen in der Erde,
Wie auch durch Ungezieffer, nicht
Verletzet und beſchaͤdigt werde.
Jn ſeiner aͤuſſern Haut ſind vieler Adern Gaͤnge,
Durch deren ungezehlte Menge
Das Pflaͤntzlein ſich ernaͤhrt, von einen zarten Saft.
Es ſcheint ſein fleiſchicht Weſen,
Als wie im Ey der Dotter, auch erleſen
Zur erſten Nahrungs-Kraft.
Doch braucht es deſſen nur ſo lang, und ferner nicht,
Als ihm der Erden Saft gebricht.
So bald er ſich ſelbſt aus der Erde naͤhrt,
So bald er ſich mit dieſem weiß zu fuͤllen;
Verweſet dieſer Theil, das Pflaͤntzlein ſcheint allein
Das eigentliche Stuͤck, um deſſen willen
Die andern alle ſind, zu ſeyn.
Deſſelben Theile ſind nicht fluͤßig nur, auch feſt,
Und, wie es durch Vergroͤſſrungs-Glaͤſer ſich
Gantz deutlich unterſcheiden laͤßt;
Erblicket man in ihnen eigentlich
Viel Faſern, welche, wie wir ſehen,
Aus groͤſſern und aus kleineren beſtehen.
Die Groſſen ſind aus kleinern Roͤhren,
Recht wunderbar gefuͤgt, von denen einige,
Die zarte Pflantze naͤhren,
Wenn andre Roͤhren ihnen
Zu Luft-Canaͤlen dienen.
Am allermeiſten zeigt des Schoͤpfers weiſe Liebe,
Die man nicht gnug bewundern kann,
Die wunderwuͤrdige Vermehrung an,
Die
[92]Hirten-Gedicht.Die man, zu unſerm Nutz, Erhaltung, Luſt und Freude,
Jm Saamen uͤberall, doch meiſtens im Getraide,
Verſpuͤhret. Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft
So jedes Saamen-Koͤrnlein heget!
Und welche GOtt, der alles wirckt und ſchafft,
So wunderbar darein geleget!
Da ſie nur blos um uns zu naͤhren,
So unbegreiflich ſich vermehren!
Begreift ihr denn, geliebte Menſchen nicht,
Wie wuͤrcklich hier ein Wunderwerck geſchicht,
Da GOtt ſich jaͤhrlich hier ſo Gnaden-reich erweiſ’t,
Und mit ſo wenig Korn viel tauſend Menſchen ſpeiſ’t?
Da, trotz den Voͤgeln, wilden Thieren,
Gewuͤrm’, in deren Meng’ und Zahl wir uns verliehren,
Die alle theils die Frucht, den Saamen theils, verzehren,
Wir biß zum Ueberfluß, dennoch geſaͤttigt ſeyn.
Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget
Und daß den menſchlichen Begrif weit uͤberſteiget,
So iſt es die Vermehrungs-Eigenſchaft,
Die er, bloß durch ein Wort, ins erſte Korn geleget,
Und eine ſolche Wunder-Kraft
Jn ſolchen kleinen Raum gepraͤget,
Daß alle Koͤrner, ſo die Welt,
Von je enthalten hat, noch jetzt enthaͤlt,
Und die biß zum Vergehn der Erden,
Darin verwunderlich gezeuget werden,
Aus dieſer Kraft noch ihre Kraͤft’ empfangen,
Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen.
Denn ob wir gleich die Art nicht faſſen;
So wird ſich dieß doch leicht begreiffen laſſen,
Daß
[93]Hirten-Gedicht.Daß im geſaͤ’ten Korn der Halm nicht nur,
Daß auch zugleich darin die kraͤftige Natur
Noch auf die kuͤnft’gen Zeiten,
Sich zu vermehren, auszubreiten,
Vorhanden und mit fortgepflantzet ſey.
Wenn nicht in jedem Korn, nebſt Frucht, nebſt Halm
und Aere,
Zugleich die Saamen Kraft auch mit vorhanden waͤre,
Und ſich verbreitete; haͤtt’ alles, was uns naͤhrt,
Schon laͤngſten aufgehoͤrt.
So daß wir daraus deutlich ſehn,
Wenn wir von Korn zu Korn zuruͤcke gehn,
Wie alle dieſe Kraͤft’ aus einer Kraft entſtehn.
Wo etwas denn der GOttheit Eigenſchaft,
Jm Schaffen und die Allmacht Kraft,
Des groſſen Worts: Es werde! zeigen kann;
So zeigt die Unergruͤndlichkeit,
Die unerſchoͤpfliche Beſchaffenheit,
Der in das erſte Korn geſenckten Kraft es an.
Ein Geiſt, der ſich in dieſe Tieffe ſenckt,
Und die ins erſte Korn vereinte Kraft erweget,
Die GOttes Weisheit, Lieb’ und Macht, darin geleget,
Und in ſo kleinem Raum ſo wunderbar verſchrenckt,
Erſtaunet wol mit Recht,
Und folglich wird mit Recht, der GOtt von ihm geehrt,
Des blos aus Lieb’ allein erregtes Wollen
Schaft, daß die Pflantzen ihr Geſchlecht,
So lang die Erde ſteht und waͤhrt,
Jn und durch ſich erhalten ſollen.
„Ach
[94]Hirten-Gedicht.„Ach, liebſter Vater, der du hier
„Fuͤr uns ſo liebreich Sorge traͤgeſt,
„Der du ins kleine Korn Vermehrungs-Kraͤfte legeſt,
„Laß uns, bey ſo viel Gnad’, abſonderlich dafuͤr
„Dir unſrer Lippen Opfer bringen,
„Und dir ohn Unterlaß ein froͤlich Danck-Lied ſingen!
Es hatte Segenfeld vom Korn und deſſen Weſen
Die letzte Worte kaum geleſen,
Als Hirtenau, dadurch geruͤhrt,
Ein inniglich Vergnuͤgen ſpuͤhrt.
Er lobete das Lied, bewunderte den Geiſt
Des Fuͤrſten, der alſo die Dichter ſingen heißt.
Doch ward er gleichfals dem, dem ewig Danck gebuͤhret,
Abſonderlich dadurch zu dancken angefuͤhret,
Und fielen ihm dazu die Worte wieder ein,
Die einmahl zu dem Zweck von ihm geſungen ſeyn:
Du ewiger Gnaden allmaͤchtiger Wille,
Unendlicher Ueberfluß ewiger Fuͤlle!
Quell, Licht und Leben der Natur,
Wir ſingen mit entzuͤcktem Muthe:
Du kroͤnſt das Jahr mit deinem Gute,
Vom Fett trieft deiner Fuͤſſe Spur,
Du fuͤlleſt die Felder
Mit Weitzen und Klee,
Du ſchmuͤckeſt die Waͤlder,
Du ſegneſt die See.
Es
[95]Hirten-Gedicht.Es ſchwaͤngert die Luͤfte, befruchtet das
Land
Der ſtrahlenden Sonne belebender Brand,
Es glaͤntzet der Anger, es funckeln die
Wieſen,
Sey, ewiger Schoͤpfer, denn ewig ge-
prieſen!
[figure]
Blu-[96]Blumen-Betrachtung.Blumen-Betrachtung.Da ich zwiſchen Blumen gehe,
Und, mit tauſendfacher Luſt,
Tauſendfache Farben ſehe;
Wird das Hertz in meiner Bruſt,
Nicht nur durch die bunte Pracht,
Und durch den Geruch geruͤhret;
Sondern mein vergnuͤgter Geiſt,
Wird zu dem, der ſie gemacht,
Voller Brunſt empor gefuͤhret.
Von des Schoͤpfers Wunder-Weſen,
Laͤſſet ihrer Farben-Zier,
Jn gefaͤrbten Lettern mir,
Viel, auf vielen Blaͤttern, leſen.
Ja, wie wir durch Stimmen uns weiter, als wir
ſind, erſtrecken,
Und wir das, ſo wir gedencken, dadurch in die Fern’ entdecken:
Alſo ſcheint vom Blumen-Heer ebenfals auf allen Seiten
Sich, im lieblichen Geruch, eine Rede zu verbreiten.
Denn ſie laſſen, GOtt zu Ehren, nicht nur ſuͤſſe Duͤnſte
rauchen,
Sondern in dem ſuͤſſen Hauchen
Lauter Lobes-Lieder hoͤren,
Welche der gantz deutlich ſpuͤhrt,
Welcher, wenn der Duft ihn ruͤhrt,
Und er ſich daran erquicket,
Jn der Luſt des Schoͤpffers denckt,
Der die Welt ſo ſchoͤn geſchmuͤcket,
Und ihm ſo viel Anmuth ſchenckt.
Der[97]Der gelbe Mah.Der gelbe Mah.So bluͤheſt du nun auch in deiner guͤldnen Pracht,
Dem, der ſo dich, als uns, und alle Welt gemacht,
Auch hier, zum erſten mahl, zum Preis und Ruhme,
Gold-gelber Mah, Bewunderns-wehrte Blume,
Die du vor kurtzer Zeit auf der Chineſer Graͤntzen
Die glatten Blaͤtter lieſſeſt glaͤntzen!
Du, die noch nie ein Aug in Teutſchland jemahls ſah!
Da du vorhin ſo fern, biſt mir anjetzt ſo nah!
Auf welche wunderbahre Weiſe
Vollfuͤhrteſt du ſolch’ eine lange Reiſe?
Nie gnug geprieſner Heidenreich,
Dem, an Erfahrung, Geiſt und Kunſt, faſt keiner
gleich,
Durch deiner edlen Neu-Begier
Vernuͤnft’gen Trieb, erblicken wir
Nunmehr auch hier
Des gelben Mah Betrachtungs-wehrte Zier.
Er hat mit Achtſamkeit dich dorten bluͤhen ſehn,
Geliebte Blum’, er fand dein frembdes Weſen ſchoͤn
Und wehrt, daß dein Geſchlechte
Von andern Voͤlckern auch geſehen werden moͤgte.
Drum nahm er, da es nicht dein zartes Weſen litt,
Dich ſelbſt, in deinem Flor, mit ſich zu nehmen,
Die Ur-Kraft, in dem Saamen, mit
GUnd
[98]Der gelbe Mah.Und ſchenckte die in ihm verborgne Zier,
Dein unſichtbares Gold, nebſt vielen andern, mir.
Jetzt kan ich denn, mit ſtillen Freuden,
Mein Aug’ an ihrer Schoͤnheit weiden,
Und in derſelbigen, aufs neue, neue Proben
Von unſers Schoͤpfers Allmacht loben.
[figure]
Froͤlich[99]Froͤlich ſeyn bey ſeiner Arbeit.Froͤlich ſeyn bey ſeiner Arbeit.Sehn wir auf der Kirſchen-Bluͤth’,
Mit betrachtendem Gemuͤth,
Zwiſchen ihrem friſchen Gruͤnen,
Auf dem Weiſſen, dunckle Bienen
Mit geſchaͤft’ gem Sumſen ſchweben,
Bald ſich ſetzen, bald ſich heben,
Bald, im Schweben, ſich beſtreben,
An die kleinen Hinter-Schienen
Gelb geſammlet Wachs zu kleben;
Scheint der gantze Baum zu leben,
Und mir fiel daruͤber ein:
Kann, nach Salomonis Lehre,
Sonder Ausnahm’ auf der Erden,
Wenn er noch ſo gluͤcklich waͤre,
Keiner recht vergnuͤget werden,
Als durch dieſes blos allein:
Bey der Arbeit froͤlich ſeyn;
So kann dieſes kleine Thier,
Liebſter Leſer, dir und mir
Ein begluͤcktes Beyſpiel geben.
Machſt du es nun eben ſo;
Biſt du, bey der Arbeit, froh:
Wirſt du auch vergnuͤget leben.
[figure]
G 2
GOtt[100]GOTT ſprach: Es werde:GOTT ſorach: Es werde:Der Menſchen Wort iſt Wind, der GOttheit Wort
ſind Wercke;
GOTT ſprach: Es werde Licht!
Das Licht ward alſobald. Er faͤhret fort: Es werde
Luſt, Himmel, Erd’ und Meer! Luft, Himmel, Meer
und Erde
Ward augenblicks. So ſpricht die GOttheit, wenn ſie
ſpricht!
Und weil, da ſeine Werck ſtets waͤhren, nicht veralten,
Nicht wiederum vergehn; derſelbigen Erhalten
Ein ſtetes Schaffen iſt; ſo kan man GOTT zu Ehren,
Sein unaufhoͤrlich Wort: Es waͤhre! nicht nur hoͤren;
Wir koͤnnen uͤberall, in aller Dinge Weſen,
Der GOttheit groſſes Wort, in groſſen Zuͤgen, leſen.
Wer Ohren hat zu hoͤren, hoͤre dann,
Mit Andacht und mit Luſt, die Rede GOTTES an!
Wer Augen hat zu ſehen, ſeh’ und lerne
Die Lettern dieſer Welt, das A. B. C. der Sterne,
Worin von ſeiner Macht, von ſeinem ew’gen Lieben,
Und ſeiner Weißheit Licht Geheimniſſe geſchrieben.
Ein Geiſt, der ſich bemuͤht, nur erſt zu buchſtabiren
Jn dieſem Buch der Weisheit, das ſo ſchoͤn,
Wird, mit ſtets neuer Luſt, den Jnnhalt bald verſtehn.
Auf allen Blaͤttern ſteht die ewig wahre Lehre:
GOTT iſt das hoͤchſte Gut! und: GOTTallein
die Ehre!
Hans[101]Hans und Mops.Hans und Mops.Hans ſtund des Morgens auf, und Mops ſein Hund,
zugleich;
Hans zog die Kleider an, reckt’ ſeinen Arm, und gaͤhnte;
Mops reckte, ſchuͤttelt’ ſich, und dehnte
Nicht minder alle vier; gebacknen weiſſen Teig
Aß Hans; da Mops nur blos vom ſchwartzem Brodte fraß.
Mops tranck das Waſſer roh, und Hans gekochtes Naß.
Hans ging darauf ins Feld; Mops gleichfals. Hans be-
ſchritte
Ein Pferd; Mops aber nicht, er lief, und jener ritte,
Biß daß der Mittag ſie nach Hauſe wieder rief.
Hans aß; Mops ebenfals. Wie Hans ein wenig ſchlief,
Schlief Mops nicht weniger. Das ſchoͤne Sonnen-Licht
Ward nicht von Hans beſchaut, von Mops imgleichen
nicht.
Daß in der Fruͤhlings-Zeit die Creatur ſo ſchoͤn,
Hat weder Hans noch Mops bemerckt und angeſehn.
Sie machten ſich daraus nicht die geringſte Freude.
Durch wenig viel geſagt: ſie ſchief- und wachten Beide;
Sie trancken beide Naß; ſie aſſen beide Brodt:
Es lebten Hans und Mops; jetzt ſind ſie beide todt.
[figure]
G 3
Be-[102](***)
Betrachtungen uͤber das Gewiſſen.
Bey der Gelegenheit der Fabel von der Sirene
im 1. Theil, p. 561.A.Da es mehr nun als zu wahr, daß die Dinge die-
ſer Welt,
Wie geſagt, zwo Seiten haben, und daß wir ſie mei-
ſtens drehn
Nach dem Zuſtand unſers Weſens, da die Liebe ploͤtz-
lich faͤllt
Und uns die genoſſne Schoͤnheit wiedrig deucht, und
nicht mehr ſchoͤn,
Minder, durch des Vorwurfs Schuld, welcher ja der-
ſelbe bleibet,
Als durch Abnahm’ unſers Feuers, das vorher in Adern
brannt’;
Jſt es eine groſſe Frag’, ob, was uns zur Reue treibet,
Und was insgemein Gewiſſen von dem Menſchen wird
genannt
Dieſes nicht zur Urſach habe? folglich ob’s ſo fuͤrchter-
lich,
Als man es ſonſt glaubet, ſey? ob mans nicht mit Un-
recht ſich
So verdammend vorgeſtellt? ob vielmehr nicht eigent-
lich,
Durch des Coͤrpers Aenderung, oder durch empfundnes
Jrren
Ueber die gehofte Luſt, die Gedancken uns verwirren,
Und wir durch ein eingebildet, irrig ſo genannt Gewiſ-
ſen
Uns nicht, mehr als noͤhtig waͤre, fuͤrchten und uns
qvaͤlen muͤſſen?
Eben
[103]Betrachtungen uͤber das Gewiſſen.B.Eben unſers Coͤrpers Zuſtand, da ſich nemlich in der
Liebe,
Nach genoſſner Luſt, ſo bald alle vormahls heiſſe Triebe
Jn dem Augenblick veraͤndern, da ein Eckel ſchnell ent-
ſteht
Und, im ſchnell-verbrannten Feuer, alle Luſt nicht nur
vergeht
Sondern, wie uns in der Bibel Ammons Beyſpiel
deutlich lehrt,
Sich in bittern Wiederwillen, ja in Haß und Reu ver-
kehrt.
Dieſes, ſag ich dir, entſtehet warlich nicht von unge-
fehr,
Stammt aus keinem blinden Zufall, ſondern einer
Weisheit her,
Die nicht gnugſahm zu bewundern. Waͤr’ es anders;
wuͤrde man
Sich gewiß von allem Feuer, das man nicht entbehren
kann,
Sonder Zweifel, gantz erſchoͤpfen. Schaut, wie man
ſo deutlich findet
Daß nicht minder das Gewiſſen, als das Goͤttliche Ver-
boht
Jn der Wolluſt auszuſchweiffen, ſey in der Natur ge-
gruͤndet,
Folglich nicht zu uͤbertreten, ja daß beides ſich ſo gar
Selbſt mit unſerer Erhaltung, Wolſeyn und Geſund-
heit bindet,
Welches wenn man es erweget unbegreiflich, wunder-
bar.
G 4
[104]Betrachtungen uͤber das Gewiſſen.Ja, es ſtreckt ſich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol-
luſt nur,
Wenn uns Ehr- und Geld-Geitz taͤuſchen, uns zu Laſtern
oft verfuͤhren,
Und wir den Beſitz erhalten; finden wir in der Natur
Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Luſt
Unſern Jrrthum; und ſo dann wird uns allererſt bewuſt
Die durch Menſchliche Geſetze drauf geſetzte Straf und
Schande,
Die man, vor vollbrachter That,
Durch gehofte Luſt, verachtet,
Und, durch die Begierden blind, nicht erwogen, nicht be-
trachtet,
Weniger geſcheuet hat.
Dieſes alles zeigt uns deutlich, und macht uͤberzeuglich
klar
Des allmaͤchtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar,
Da er ſelbſt in unſer Weſen eine Eigenſchaft geſencket,
Daß man nach vollbrachter That anders, als vorher, ge-
dencket
Und, ſo wol durch Furcht, als Eckel, den man in ſich ſelbſt
entdeckt,
Vom Verbothnen abgehalten, von den Laſtern abgeſchreckt
Und zur Reu getrieben wird. Da man alſo deutlich findet
Daß der Urſprung des Gewiſſens ſelbſt in der Natur ge-
gruͤndet
Und nicht im Gehirn allein: laß uns denn des Schoͤpfers
Willen,
Der ſich in Enthaltung aͤuſſert, uns beſtreben zu erfuͤllen!
Die[105]Die Wahrheit.Groſſer Schoͤpfer! ich erkenne, daß ich nichts erkenn’
und weiß,
Aber, ſelber dieß Erkennen mehrt in mir doch deinen Preis;
Denn, indem ich dieß erkenne, daß ich nichts erkennen kann,
Treff’ ich was in meinen Weſen, welches was erkennet, an.
Die Betrachtungen ſind faͤhig, alle Zweiffels-Furcht zu ſtillen;
Weil aus dieſer Selbſt-Erkaͤnntniß Demuth, Troſt und
Andacht qvillen.
Demuth, da ich nichts begreiffe, treibt den Hochmuth fern
von mir;
Troſt entſteht aus der Erkaͤnntniß, daß ich beſſer als
ein Thier;
Andacht aber, da ich finde, wie ſo vieles mir gebricht,
Fuͤhret meine leere Seele zu der ew’gen Weisheit Licht.
Dieß nun laͤßt mich Sonnen-klar in des Schoͤpfers Wun-
der-Wercken
Dieſe Strahlen-reiche Wahrheit allenthalben deutlich
mercken:
Der Schoͤpfer will und kann allein
Bewundert, nicht begriffen, ſeyn.
[figure]
G 5
Be-[106]Bewunderung der Sonnen.Solander, wie er einſt zur Sommers-Zeit erblickte,
Mit welchem Anmuths-Meer die Sonne dieſe Welt,
Luft, Waſſer, Berg’ und Thal, Land, Garten, Wald
und Feld
Befloß, erleuchtete, belebt’, erwaͤrmt’ und ſchmuͤckte;
Fing, da ihn dieß fuͤr Anmuth faſt entzuͤckte,
Derſelben Schoͤpfer an zu preiſen.
Allein, es fiel A - - - ihm ein:
Mit Recht ergetzet dich der Sonne Wunderſchein,
Mit Recht verehreſt du den Schoͤpfer der Natur;
Doch dieß iſt eine Sonne nur;
Jch will dir Millionen weiſen:
Und darauf zeigt er ihm, in einer heitern Nacht,
Des Firmaments geſtirnte Pracht.
[figure]
Das[107]Das Eulchen.Das Eulchen.Am Abend ſaß ich juͤngſt, gelaſſen und in Ruh,
Jn einem kleinem Garten-Zimmer,
Und ſah durchs Fenſter-Glas, wie ſich des Tages Schim-
mer
Gemach verringerte: Die Schatten nahmen zu.
Jndem erblicket’ ich ein aͤmſiges Geſchwebe.
Von einer Spinnen war ein ziemlich ſtarck Gewebe
Jm Zimmer, vor den Scheiben her, geſpannt,
Und, zwiſchen dieſer falſchen Wand,
Sah ich am Scheiben-Glaſ’ ein weiſſes Eulchen fliegen
Stets auf und nieder, hin und her.
Es ſchien, ob ſucht’ es blos am Lichte ſein Vergnuͤgen,
Und, daß es blos dadurch geſichert waͤr.
Jhr ſchwartzer Feind, die Spinne, ruhte nicht,
Sie lieff’ bald in die laͤng’, bald in die qver,
Mit offuen Klauen, doch des Himmels Licht,
Des Eulchens Augenmerck, wodurch es nicht zuruͤcke,
Und nur ſtets vorwerts flog, befreit es von dem Stricke
Und ſeinem Untergang, indem es ungefehr,
Nach langem Flattern, in der Scheibe
An eine Spalte kam,
Und durch dieſelbige ſich ſeinem Tod’ entzog,
Die Freyheit froͤlich nahm,
Und nach dem lang geſuchten Lichte flog.
Der
[108]Das Eulchen.Der Zufall ruͤhrte mich, und glaubt’ ich, daß, zur
Lehre,
Er nuͤtzlich anzuwenden waͤre.
Das Eulchen ſchiene mir der Seelen Bild zu ſeyn;
Das Scheiben-Glas des Coͤrpers; durch den Schein
Des Lichtes ſchiene mir die GOttheit; Suͤnd’ und
Welt
Durch das Geweb’ und durch die Spinne, vorge-
ſtellt.
[figure]
Die[109]Die Augen als Spiegel.Des reinen Waſſers klare Flut
Stellt nicht nur Kraͤuter, Buͤſch’ und Huͤgel,
Als wie ein glatt-polirter Spiegel,
Ju noch vermehrter Schoͤnheit fuͤr;
Sie zeigt uns nebſt der Sonnen Glut
Des gantzen Himmels helle Zier.
Ach moͤgte gleichfals dir und mir
Das Waſſer, ſo in unſern Augen,
Bey dem ſo ſchoͤnen Schmuck des Himmels und der Erden,
Zum Welt- und Himmels-Spiegel werden!
Ach moͤgt’ auch dieß die Welt zu bilden taugen!
Ach druͤckte doch der wunderſchoͤne Schein
Von aller Creaturen Pracht,
Zu deſſen Ruhm, der ſie gemacht,
Durch ihre klare Fluth ſich unſern Seelen ein!
So wuͤrden ſie dadurch, wie uns das Waſſer, ſchoͤn
Auch andern Geiſtern anzuſehn,
Und, lieblich ausgeſchmuͤckt, mit Luſt betrachtet ſeyn.
[figure]
Ge-[110]Geſang der Voͤgel.Geſang der Voͤgel.Wenn wir die Voͤgel ſingen hoͤren,
So laßt ihr Zwitſchern uns doch lehren,
Wie groß, wie wuͤrdig zu verehren
So ihr als unſer Schoͤpfer ſey!
Sie werden’s uns mit Luſt erklaͤhren.
Man achtet’ eh, auf ihr Geſchrey
Auf eine wunderliche Weiſe:
Wir aber finden, GOtt zum Preiſe,
Jn ihrem Singen mancherley.
Jhr ſuͤß und lieblich Luſt-Gethoͤn
Giebt uns gar deutlich zu verſtehn,
Daß ſie, den Schoͤpfer zu erhoͤhn,
Und uns zu gleicher Zeit zu laben,
Der hellen Stimmen Wunder-Gaben,
Wir das Gehoͤr, empfangen haben.
Wer beide Werckzeug’ recht erweget,
Der findet eine helle Spur
Von Wundern, welche der Natur
Von einem Weſen eingepraͤget,
Das, wie an Lieb und Macht, zugleich
An Weisheit uͤberſchwenglich reich.
Das allen Dingen Seyn und Leben,
Wie uns das unſrige, gegeben,
Das, ob es alles gleich erfuͤllet,
Sich in die Creatur verhuͤllet;
Ein herrlich Weſen, welches man,
Wenn wir ſie recht mit Luſt beſchauen,
Wie einen Loͤwen aus den Klauen,
Aus ihrer Schoͤnheit, kennen kann!
Der[111]Der Wieder-Schein.Der Wieder-Schein.
Nachdem B. bey Erblickung ſchoͤner, in einem
klaren Waſſer ſich ſpiegelnder Baͤume
A. zu deren Betrachtung aufzu-
muntern geſucht.A.Du machſt von dieſem Schein und ſeiner Schoͤnheit
mir
So viele Wort’, und bringſt ſo viel Erzehlens fuͤr:
Da dennoch alle Pracht nichts weſentlichs; ein Schein,
Und weiter nichts.
B.Dieß iſt zwar wahr; allein
Mir dienet dieſer Schein ſelbſt durch die Nichtigkeit,
Jndem er mich aufs Urbild fuͤhret,
So leider, ungeacht’t der Schoͤn- und Seltenheit,
Blos durch Gewohnheit mich bißhero nicht geruͤhret.
Ja es liegt in der wandelbahren Klarheit
Von dieſem Schein noch eine groͤſſre Wahrheit:
Das Jrdiſche, ſo gleichfals fluͤcht- und nichtig,
Sollt uns mit Recht, wie hier der Schein
Uns auf das Urbild fuͤhrt, zu dem allein
Unwandelbar- und weſentlichem Seyn,
Dem Urſprung aller Herrlichkeiten,
Durch die von ihm erſchaffne Schoͤnheit, leiten.
[figure]
Har-[112]Harmonie des Geruchs.Harmonie des Geruchs.Wer zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Mit befriedigtem Gemuͤthe,
Sein Vergnuͤgen will vermehren,
Riech’ im bunten Blumen-Reich,
Mit Bedachtſamkeit, zugleich
Roſen und Orangen-Bluͤhte.
Dem Geruch recht lieb zu koſen
Sind ja wol die holden Roſen
Wunderwuͤrdig zugericht.
Recht mit Balſam eingemiſchet
Jſt was aus der Roſe bricht,
Und ſo Hirn als Hertz erfriſchet.
Wird von Blumen fuͤr die Naſen
Etwas lieblichs ausgeblaſen,
Jſt es ebenfals die Bluͤht,
Welche man im gruͤnem Glantze,
Recht als im ſmaragdnen Krantze,
Und bey guͤldnen Aepfeln ſieht;
Die ein Auszug in der Kuͤrtze
Aller lieblichen Gewuͤrtze.
Aber miſchen beider Flammen,
Die nicht ſichtbar, ſich zuſammen;
Spuͤrt man eine holde Glut,
Die der Seelen ſanfte thut,
Die, wenn wir ſie wol bemercken,
Nicht allein den Geiſt zu ſtaͤrcken,
Zu vergnuͤgen, zu erqvicken,
Ja faſt gleichſam zu entzuͤcken,
Von recht ſonderlicher Kraft;
Son-
[113]Harmonie des Geruchs.Sondern wenn mans recht gebrauchet,
Und der Geiſt, zu GOtt gekehrt,
Jhn in unſrer Luſt verehrt,
Danckt, daß er ſie uns uns beſchert,
Frohe Seufzer von ſich hauchet;
Spuͤhret man, durch jede Blume,
Daß ſelbſt in uns, GOTT zum Ruhme,
Recht ein geiſtig Rauchwerck rauchet.
Eine ſolche Harmonie
Holder Duͤnſte qvillt aus ihnen,
Mit ſo ſuͤſſem Reitz, herfuͤr,
Solch’ ein’ Anmuth fuͤllet ſie,
Daß man ſich zum Schoͤpfer lencket,
Und, zum Danck getrieben, dencket:
Wie iſt doch der GOtt ſo groß,
Welcher in der Erden Schoß
Solche Wunder-Kraft geſencket,
Und, durch ſeine Guͤte blos,
Mir ſo ſuͤſſe Wolluſt ſchencket.
[figure]
H
Be-[114]Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der
Blumen.Jndem ich hier vergnuͤgt im Garten gehe,
Und bey ſo mancher Art gefaͤrbter Blumen ſtehe,
Faͤllt mir, da mein Gemuͤth von ihrem Glantz und Schein
Gantz eingenommen wird, bey ihrem Schimmer ein:
Man ſieht, durch der Natur Geheimniß-reiche Kraft,
Gewachſ’nen Atlas hier, und dort gewachſ’nen Taft,
Gefaͤrbten Damaſt dort, Sammt, Moor, Brocad, Satin,
Nebſt ſilbernen und guͤldnen Stuͤcken
Voll Rancken-Werck, bald roth, bald gruͤn,
Bald blau, bald incarnat, des Gartens Fluren ſchmuͤcken.
Bewundre doch, geliebter Menſch, wie glatt,
Wie bunt, wie glaͤntzend jedes Blatt!
Erwege doch der ſchoͤnen Creaturen
Bewunderns-wehrte Pracht und zierliche Figuren!
Hat jemand auf der Welt gelebet,
Der ſolch ein kuͤnſtliches Gewebe je gewebet,
Jn welchem, ob ſie noch ſo ſchoͤn
Kein Faden, kein Gewirck zu ſehn?
Erwege doch in ihrer Pracht
Die Liebe, Weisheit und die Macht
Des Weſens, welches ſie aus Nichts hervorgebracht,
Nicht nur ſo wunderſchoͤn formirt,
Sie ſo an Farb’ als an Figur geziert,
Roch mehr, ſo mancherley Figur in ſie geſencket
Und uns, zu dem Genuß, des Riechens Kraft geſchencket!
Auf denn mein Geiſt! du muſt von GOttes Wercken
Die Pracht auf andre Weiſ’, als wie das Vieh, bemercken!
Wir
[115]Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen.Wir koͤnnen uns zu GOtt durch nichts ſo ſehr erheben,
Als wenn, in ſeinem Werck, wir uns mit Luſt beſtreben,
Auf ſeine Weisheit, Lieb’ und ſeine Macht zu achten,
Und in der Creatur, die blos dazu erleſen,
Daß ſie uns zeigen ſoll ſein ſonſt verborgnes Weſen,
Mit Ehrfurcht, Lieb’ und Luſt den Schoͤpfer zu betrachten.
Mir fiel hieruͤber ein, was ich hievon geſchrieben,
Und welches mir noch im Gedaͤchtniß blieben:
Kann ſie ſich ſelbſt ſo zierlich bilden?
Kann ſie der holden Blaͤtter Pracht
Aus eigner Macht
Hier ſchoͤn verſilbern, da verguͤlden?
Kann ſie von ungefehr wie Demant und Carbunckeln
Jn buntem Feuer gluͤhn? ſo lieb-als herrlich funckeln?
Jch ſencke mich durch deine Wunder in dich, allmaͤch-
tigs Weſen, ein,
Und ſpuͤr’ in ihnen von der GOttheit den ſicht- und un-
ſichtbaren Schein.
Durch ſie, als einen ſchoͤnen Nebel, ſeh’ ich das Licht der
GOttheit brechen;
Jch hoͤre ſie, in ſanfter Sprache, von deſſen Eigenſchaften
ſprechen,
H 2Aus
[116]Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen.Aus dem, als einer Meeres-Tieffe, die Eigenſchaften alle
qvillen,
Die Erde, Waſſer, Mond und Sonnen, ja aller Him-
mel Himmel fuͤllen.
Ein’ jede ſagt: Es iſt der Schoͤpfer, wie allenthalben,
ſo auch hier,
Jn allen liebreich, weiſ’ und maͤchtig; Jch zeig ihn
dir, ich zeig ihn dir!
[figure]
Ver-[117]Vergnuͤgen in Blumen.Vergnuͤgen in Blumen.Laß andre, mit geſchwollnen Trieben,
Des Hofes ſchimmernd Elend lieben
Und immer, um ſich zu erhoͤhn,
Auf einem glatten Fall-Brett ſtehn;
Laß andre Luſt im Wucher finden
Und Gold und Geld zuſammen ſchinden,
Zum nie zu brauchenden Genuß,
Und duͤrftig ſeyn im Ueberfluß;
Laß ſie, zum beſten froher Erben,
Arm leben, blos um reich zu ſterben;
Es ſuchen ander’ ihr Vergnuͤgen,
Vom Helden-Wurm genagt, im Kriegen;
Laß ſie im Sturm durch Bomb- und Klingen,
Zerſchmettert und gelaͤhmet, dringen,
Um ihren Nahmen in Gazetten
Von der Vergeſſenheit zu retten;
Wer will, mag aus Dorinden Augen
Den bittern Nectar bruͤnſtig ſaugen,
Zu ihren Fuͤſſen ſclaviſch knien,
Aus ihrer Bruͤſte weichen Klippen
Gift, und aus ihren falſchen Lippen
Die ſuͤſſen Coloqvinten ziehn;
Laß Madidum ein Gut verſchlemmen
Und Hals und Magen uͤberſchwemmen
Mit Ausbruch vo[n] Tockayer-Wein,
Laß ihn bey ſeinen naſſen Bruͤdern
Und, zwiſchen kaum verſtandnen Liedern,
Auf ſeine Weiſe froͤlich ſeyn:
H 3Jch
[118]Vergnuͤgen in Blumen.Jch will mich an den bunten Schaͤtzen
Der bildenden Natur ergetzen
Und, GOtt zum Ruhme, Blumen ſehn.
Weil ich je mehr, je klaͤrer, finde,
Wie in der Blumen Kraft und Pracht
Sich deſſen Weisheit, Lieb’ und Macht,
Der ſie geſchaffen hat, verbinde.
Jch kann auf ihren Blaͤttern leſen
Die Nachricht, daß ein weiſes Weſen
Sie, uns zur Luſt, ſo ſchoͤn formirt,
Und daß fuͤr ſolche Wunder-Gaben,
Die wir allein vom Schoͤpfer haben,
Dem Schoͤpfer Preis und Danck gebuͤhrt.
Man ſehe ſie doch, GOtt zum Preiſe,
Wie ſie auf tauſend Art und Weiſe
Formiret und gefaͤrbet, an!
Wer iſt, der ihre ſuͤſſe Duͤfte,
Wodurch ſie Naſ’ und Hertz und Luͤfte
Erfuͤllen, gnug bewundern kann?
Mich deucht, wenn mich ihr Balſam ruͤhret,
Daß meine frohe Seele ſpuͤret,
Wie der mir wohl will und mich liebt,
Der mir Geruch und Blumen giebt.
Noch mehr, wie er in dieſer Gabe
Durchs Aug’ auch meine Seele labe
Und ſo fuͤr mich geſorget habe,
Daß durch die Blumen und das Licht
Mein nie zu ſaͤttigend Geſicht,
Jn ungezehltem Blumen-Heer,
Der Seel’ ein unerſchoͤpflichs Meer
Von
[119]Vergnuͤgen in Blumen.Von Farben und Figuren weiſe.
Ach wuͤrde doch, zu ſeinem Preiſe,
Was er fuͤr mich ſo ſchoͤn geſchmuͤckt
Mit Luſt und Danck oft angeblickt!
Moͤgt ich mich oft damit bemuͤhn,
Davon zu ruͤhmen zu erzehlen;
So glaub ich wuͤrde meiner Seelen
Jhr Schmuck auch gleichſam eingedruͤckt,
Und geiſt’ge Blumen in ihr bluͤhn;
Sie wuͤrd, Jdeen zu erzielen,
Durch Blumen ſich getrieben fuͤhlen,
Die dem, der aller Blumen Pracht
Erdacht hat und hervorgebracht,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden
Verhoffentlich gefallen werden.
[figure]
H 4
Die[120]Die kleine Fliege.Die kleine Fliege.Neulich ſah ich, mit Ergetzen,
Eine kleine Fliege ſich,
Auf ein Erlen-Blaͤttchen ſetzen,
Deren Form verwunderlich
Von den Fingern der Natur,
So an Farb’, als an Figur,
Und an bunten Glantz gebildet.
Es war ihr klein Koͤpfgen gruͤn,
Und ihr Coͤrperchen verguͤldet,
Jhrer klaren Fluͤgel Par,
Wenn die Sonne ſie beſchien,
Faͤrbt’ ein Roth faſt wie Rubin,
Das, indem es wandelbar,
Auch zuweilen blaͤulich war.
Liebſter GOtt! wie kann doch hier
Sich ſo mancher Farben Zier
Auf ſo kleinem Platz vereinen,
Und mit ſolchem Glantz vermaͤhlen,
Daß ſie wie Metallen ſcheinen!
Rief ich, mit vergnuͤgter Seelen.
Wie ſo kuͤnſtlich! fiel mir ein,
Muͤſſen hier die kleinen Theile
Jn einander eingeſchrenckt,
Durch einander hergelenckt,
Wunderbar verbunden ſeyn!
Zu dem Endzweck, daß der Schein
Unſrer Sonnen und ihr Licht,
Das ſo wunderbarlich-ſchoͤn,
Und von uns ſonſt nicht zu ſehn,
Unſerm forſchenden Geſicht
Sicht-
[121]Die kleine Fliege.Sichtbar werd’, und unſer Sinn,
Von derſelben Pracht geruͤhret,
Durch den Glantz zuletzt dahin
Aufgezogen und gefuͤhret,
Woraus ſelbſt der Sonnen Pracht
Erſt entſprungen, der die Welt,
Wie erſchaffen, ſo erhaͤlt,
Und ſo herrlich zubereitet.
Haſt du alſo, kleine Fliege,
Da ich mich an dir vergnuͤge,
Selbſt zur GOttheit mich geleitet.
[figure]
H 5
Troſt[122]Troſt uͤber mein Unvermoͤgen.Troſt uͤber mein Unvermoͤgen.Jn einem Auszug ſchoͤner Waͤlder,
Worin ſo gar die gruͤnen Schatten glaͤntzten,
Den faſt nicht abzuſehnde Felder,
Als wie ein guͤldnes Meer, begraͤntzten,
Beſchaͤftigt’ ich mich juͤngſt, der ſchoͤnen Baͤume Pracht,
Zu Ehren dem, der ſie gemacht,
Mit ſchoͤnen Worten zu beſchreiben.
Allein
Trotz aller meiner Muͤh,
Weil die entworffene Copie
Dem Urbild uͤberall nicht glich,
Muſt alles unterbleiben.
Doch fiel mir dieß daruͤber ein:
Jndem ich von der Baͤume Bildern
Die Schoͤnheit nicht vermag zu ſchildern,
Nicht wuͤrdig ſie beſchreiben kann:
So bin ich darum nicht betruͤbet;
Dieweil es mir die Nachricht giebet:
Mit unſerm Witz ſey nichts gethan.
Mein Unvermoͤgen zeigts zwar an;
Doch dien’ ich auch auf dieſe Weiſe,
Mit meiner Schwachheit, GOtt zum Preiſe;
Weil es doch immer wahr wird bleiben,
Was ich je mehr und mehr vermercke,
Daß unſers groſſen Schoͤpfers Wercke
Nach Wuͤrden nimmer zu beſchreiben.
Doch
[123]Troſt uͤber mein Unvermoͤgen.Doch fließt aus der Erkaͤnntniß nicht,
Daß, da ich alles nicht kan faſſen,
Jch alles auch muß unterlaſſen;
Ach nein!
Vernunft und Hofnung ſpricht:
Auch durch Bewunderung allein,
Wenn auch ein kurtz GOtt Lob ſie nur begleitet,
Wird unſerm GOTT ein Lob bereitet.
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Waſſer-[124]Waſſer-Rede.Waſſer-Rede.Es war der Spring-Brunn abgeſchloſſen, daher auf
unbewegter Fluht
Ein gruͤner Wieder-Schein gar lieblich in einer duncklen
Klarheit ruht,
Der, da er der geſchor’nen Hecken begruͤnte Schoͤnheit ſe-
hen ließ
Uns ihre holde Pracht, verdoppelt, als wie in einem
Spiegel, wies.
Es fiel, bey der ſo ſchoͤnen Baͤume ſo deutlich vorgeſtelltem
Schein,
Der, ſonder Farben, blos im Scheine von Farben ſich
ſelbſt mahlt, mir ein:
Arioſo.Die klare Fluth zeigt meinen Blicken,
Die ſich an ihrer Zier erqvicken,
Des Schoͤpfers Himmels und der Erden
Kraft, Majeſtaͤt und Allmacht an;
Als welcher ja ſo ſchnell, wie ſie
Des Scheines fluͤchtige Copie
Entſtehen laͤßt; das Urbild werden,
Und es aus Nichts, ſo ſchnell entſtehen laſſen
kann.
Jndem ich, mit dergleichen Dencken, bey dieſem Waſſer-
Spiegel ſtehe;
So drehet jemand ungefehr der Waſſer-Roͤhre Schluͤſſel
auf:
Wodurch ich, durch des regen Strahls ſchnell uͤber ſich ge-
kehrten Lauf,
Die ſanfte Still’, in neuer Anmuth, ſchnell unterbrochen
hoͤr’ und ſehe.
Wie
[125]Waſſer-Rede.Wie nun, mit ziſchendem Gemurmel, das rege Waſſer
rauſcht und wallte;
So deucht mich daß, mit hohlem Tone, mir dieſes in die
Ohren ſchallte:
Die ſtumme Fluht faͤngt an zu ſprechen,
Jn Tropfen, die ſich rauſchend brechen.
Was ſagt ſie: Nimm in uns in acht:
So dein als meines Schoͤpfers Macht!
[figure]
Lob-[126]Lob-Lied des Schoͤpfers aus dem
Munde der Creaturen.Mich deucht, daß ich von Erd’ und Meer,
Dir, Schoͤpfer der Natur, zur Ehr’
Ein unaufhoͤrlichs Jauchzen hoͤr’.
Es laͤßt die Flut ſein Lob in hellem Rauſchen ſchallen,
Jhn loben, in der Still’, in ſanftem Ton, die Seen,
Sanft murmelnd jeder Bach. Thau, Nebel, Reif erhoͤhen
Jm Steigen ſeinen Ruhm, lobſingen ihm im Fallen.
Es ruͤhmen ſeine Macht Blitz, Donner, Wolcken, Winde,
Jm ſtarcken Brauſen bald, bald liſpelnd und gelinde.
Hoͤrt, wie zu ſeiner Ehr’, die Schaar der Voͤgel ſingt,
Wie alles, was man hoͤrt, wie alles, was man ſieht,
Auf ſeine Weiſe, den, aus welchem es entſpringt,
Stets zu verherrlichen, zu loben ſich bemuͤht.
Soll denn, o Menſch, von dir allein
Der Schoͤpfer, der dir doch ſo gnaͤdig ſich erwieſen,
Nicht auch geruͤhmet und geprieſen
Ja nicht einmahl empfunden ſeyn!
Ach faſſ’ in der geruͤhrten Bruſt
Der Seelen Kraͤfte doch zuſammen,
Entzuͤnde doch in dir der Andacht Flammen
Und lobe GOtt in deiner Luſt!
[figure]
Him-[127]Himmels-Spiegel.Himmels-Spiegel.Jn einer ſtillen Nacht, als, leer von Dunſt und Duft,
Die duncklen zwar doch klaren Schatten
Den obern Theil der Welt und untern Theil der Luſt
Erfuͤllet und verhuͤllet hatten,
Befand ich mich, an ſanfter Anmuth reich,
An einem groſſen Garten-Teich.
Deſſelben Fluth,
Die, durch der Winde Ruh, in ſanfter Stille ruht,
War einem glatten Spiegel gleich.
Man kunte ſie zwar ſelbſt, fuͤr Dunckelheit, nicht ſehn;
Allein,
Man ſahe wunderſchoͤn
Das blaue Firmament voll Sterne, ſonder Zahl,
Jm Wiederſchein,
Und zwar ſo hell, ſo rein, ſo klar,
Daß zwiſchen der Copie und dem Original
Faſt gar kein Unterſcheid, an Glantz und Schimmer, war.
Es kam mir vor (da wir ſonſt insgemein
So wol mit Blick, als Geiſt, nicht weiter gehn
Und nur den halben Theil des hohen Himmels ſehn,
Jndem wir von der dichten Erden,
Den Himmel uͤberall zu ſehn, behindert werden)
Als wenn ich hier des Himmels gantze Ruͤnde
Mir deutlich vorgeſtellet fuͤnde.
Mich deucht, ich ſeh’ in ungemeſſner Ferne,
So uͤber mir, als unter mir,
Jn funckelnder und Flammen-reicher Zier,
Ein’ ungezehlte Anzahl Sterne.
Jrrt nun mein Auge gleich; ſo irren die Gedancken
Jedoch deswegen nicht.
Jch
[128]Himmels-Spiegel.Jch kam mir nunmehr vor, auf eine neue Weiſe,
Von einem unumſchraͤnckten Kreiſe
Jm Mittel-Punct zu ſtehen,
Und ein aus meiner Seel entſprungues Dencken
Jn eine runde Tieff’ ohn Um-Kreis zu verſencken:
Mein GOtt, ach laß der Fluthen glattes Naß;
Des ſchoͤnen Himmels Spiegel-Glaß,
Des Coͤrpers Augen oft, doch nicht dem Aug’ allein,
Auch meinem Geiſt auf dieſe Weiſe,
Jn den Erwegungen von dieſem groſſen Kreiſe,
Dir, aller Sternen HErrn, zum Preiſe,
Auch einen Himmels-Spiegel ſeyn.
[figure]
Un [...][129]Ungluͤck im Gluͤck.Ungluͤck im Gluͤck.Wie viel tauſend Umſtaͤnd’, Ordnung und Bemuͤhung
braucht man nicht
Zur Geſundheit blos allein!
Wie ſo viele tauſend Faͤlle reich zu werden, und zu ſeyn!
Wie viel tauſend zu dem Wolſtand! wie viel zu begluͤck-
ter Ehe!
Wie viel tauſend zur Befoͤrdrung, daß uns nichts im We-
ge ſtehe,
Welches maͤchtiger als wir! daß es wol von Statten gehe,
Wenn wir, zu der unſrigen Nutz und Wolfahrt, uns be-
muͤhn!
Wie viel tauſend Hindrungen muͤſſen ſich zu rechte ziehn,
Eh’ man alles, was man wuͤnſcht, was man braucht, was
uns gefaͤllt
Erſt erhaͤlt;
Und, wenn wir, trotz aller Hindrung, alles dieſes uͤber-
kommen,
Wird es nicht in acht genommen,
GOtt, als Geber, nicht gedanckt. Ja, man wendet alle
Sachen,
Die mit ſo viel Muͤh’ erhalten, ja ſein Ticht- und Trach-
ten an,
(Welch ein’ ungluͤckſeel’ge Thorheit, die man nicht begreif-
fen kann)
Sich, an ſtatt vergnuͤgt und gluͤcklich, ungluͤckſeelig ſelbſt
zu machen.
J
Be-[130]Belehrendes Gleichniß.Wie wir, wenn wir gebohren werden,
Den gantzen Zuſtand unſrer Erden
Schon ſattſam zugerichtet finden;
So werden wir, wenn wir erblaſſen,
Sie in demſelben Zuſtand laſſen:
Die Welt wird nicht einmahl gewahr, daß wir verſchwin-
den.
Wie hoch, wie noͤhtig wir uns ſchaͤtzen;
So finden ſich, an unſrer Stelle,
(Recht wie im Waſſer eine Welle
Mit neuer Kraft ſich hebt und ſteigt,
So bald die erſte ſich zum Untergange neigt)
Doch immer neue gnug, die unſern Platz erſetzen.
Wenn wir nun alles laſſen muͤſſen,
Warum ſind wir denn nicht gefliſſen,
Den kurtzen Durchgang einzurichten,
Jm froͤlichen Gebrauch der Sinnen, nach den Pflichten,
Die der, ſo alles ſchuf, wenn man es nur bedenckt,
Uns in die Seelen eingeſenckt?
Ob wir nun, da wir alſo handeln,
Hier, wie wir wandeln ſolten, wandeln,
Da wir den Wunder-Bau der Welt ſo wenig ſchaͤtzen,
Daruͤber will ich dich jetzt ſelbſt zum Richter ſetzen.
Wenn einſt ein groſſer Herr, zu ſeiner Ehre,
Haͤtt’ einen Pallaſt aufgefuͤhrt,
Und daß derſelbige mit aller Pracht geziert,
Und wunderſchoͤn von ihm geſchmuͤcket waͤre,
Und
[131]Belehrendes Gleichniß.Und er erlaubet’ etwann Zween
Des Pallaſts Herrlichkeit zu ſehen;
Der eine nun bewunderte die Pracht,
Vergnuͤgte ſich, er ſaͤh’ bald vorwerts, bald zuruͤck,
Es gaͤb’, auf jeden Schritt, ſein aufgeraͤumter Blick
Mit frohen Minen zu verſtehn,
Wie er die Weisheit und die Macht
Des Herrn, der alles Wunder-ſchoͤn
Geordnet und erbaut, nicht oft gnug zu erwegen,
Nicht gnug zu ſchaͤtzen, zu verehren,
Noch zu erhoͤhen wuͤſt’, der andere hingegen
Saͤh’ immer unter ſich; Pracht, Ordnung, Glantz und
Schein
Mit allem Reitz, naͤhm’ ſeinen Blick nicht ein,
Als den er blos allein
Beſchaͤftigt’, um ein wenig Sand,
Der auf dem Boden glaͤntzt, zu ſuchen, und die Hand
Jhn aufzuheben, auszuſtrecken
Und ihn bey Kleinigkeiten einzuſtecken,
Ob es ihm gleich nicht unbekannt,
Daß man, beym Ausgang ihm, von dieſer ſeiner Buͤrde,
Nicht das geringſte laſſen wuͤrde:
Sprich du nun ſelber, weſſen Weiſe,
Den ſchoͤnen Pallaſt durchzugehn,
Gereicht von beiden doch am meiſten dem zum Preiſe,
Der ihn ſo herrlich auferbauet?
J 2Auf
[132]Belehrendes Gleichniß.Auf denn, ihr Sterblichen, die ihr hier Wandrer ſeid,
Erweget, was ihr thut, beſinnet euch! beſchauet
Auf eurer Wanderſchaft, mit Luſt, die Herrlichkeit
Des Pallaſts dieſer Welt! Laßt Sand und Erde liegen
Und ſucht das Wuͤrdigſte die Seele zu vergnuͤgen.
[figure]
Der[133]Der geſchlagene Hund.Neulich rannt ein groſſer Hund, mit erbaͤrmlichem
Geſchrey,
Weil man ihn geſchlagen hatte, Sporenſtreichs mein Haus
vorbey,
Als ich an der Thuͤre ſtand. Dieſer laute Ton durchdrang
Nicht nur mein beleidigt Ohr, ſondern der zu ſcharfe
Klang
Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz. Da ich denn bewun-
derte
Wie, durch wunderbare Wege, die Natur ſo gar den
Thieren,
Wenn ſie Ungemach und Weh,
Welches ihren Coͤrpern ſchaͤdlich, und beſchwehrlich iſt,
verſpuͤhren,
Nicht nur einen Trieb zu ſchreyen, ſondern Werck-Zeug’
ihnen ſchenckt,
Wodurch laute Toͤn’ erreget, und wir zur Aufmerckſamkeit,
Ja zum Mitleid, wenigſtens zur Verdrießlichkeit, gelencket,
Ein ſo wuͤſt Geſchrey zu hoͤren, wodurch ſie denn oft
befreit,
Bald aus Mitleid zu uns ſelbſt, bald aus Mitleid gegen
ſie.
Dieſem Wunder in den Toͤnen, und den herrlichen Ge-
ſetzen
Der verſtaͤndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergoͤtzen
Und mit Ehrfurcht, ernſtlich nach. Letztlich kam ich von
dem Vieh
J 3Gar
[134]Der geſchlagene Hund.Gar auf Menſchen Stimm’ und Toͤne, lautes Ruffen, und
Geſchrey,
Doch inſonderheit aufs Beten, welches laut von uns ge-
ſchicht,
Wenn uns etwann Huͤlffe noͤhtig, wenn uns etwas hier
gebricht.
Daß nun dieß in Anſehn GOttes unnuͤtz, uͤberfluͤßig ſey,
Meint ich damahls; glaub’s auch noch. Weil dem Schoͤpf-
fer, was uns fehlet,
Was uns nuͤtzlich, was uns noͤthig, uns erfreut, und
was uns qvaͤlet
Beſſer als uns ſelbſt bekannt. Er auch minder nicht, nicht
mehr,
Durchs Geſchrey, beweget wird. Wenn jedoch dadurch
nicht nur
Andre Menſchen, ſondern auch noch wol manche Creatur,
Engel oder andre Geiſter, dem Allmaͤchtigen zur Ehr’,
(Von der aͤuſſerlichen Andacht, auch aufs innere zu ſchlieſſen,
Und wie etwann wir zu weilen, durch der Nachtigalleu
ſingen
Uns geruͤhret ſehn) dem Schoͤpfer auch ein Lob-Lied mit-
zubringen
Angetrieben werden koͤnnen: ja ſo gar die Eigenſchaft
Unſers menſchlichen Gemuͤths dieſe wuͤrcklich ſcheint zu
ſeyn;
Daß auch ſelber, wenn wir Beten, ſelbſt-geſprochner Woͤr-
ter-Kraft,
Sonderlich wenns laut geſchehn, wuͤrcklich ſich ſo weit er-
ſtrecket,
Daß die Andacht noch vermehrt, daß der Geiſt dadurch
erwecket
Das
[135]Der geſchlagene Hund.Das Vertrauen ſtaͤrcker wird; kann man klar daraus er-
ſehen,
Daß ein lauter GOttes Dienſt nuͤtzlich, gut und noͤhtig
ſey,
Ja nicht dann nur, wann man eintzeln, ſondern auch mit
andern, ſingt
Und, in ſtarck vereinten Choͤren, wol geſtimmte Lieder bringt.
Einer ſolchen Harmonie Wirckung, Anmuth, Kraft und
Macht,
Da wir durch Gewohnheit taub, wird zwar leider nicht
geacht;
Aber laßt uns einen fragen, der in einer langen Zeit
Und in vielen Jahren nicht der Geſaͤnge Lieblichkeit
Jn den Kirchen angehoͤrt. Er wird gantz gewiß geſtehn,
Daß fuͤr Luſt er kaum gefuͤhlet, wie ihm eigentlich geſchehn.
Laßt uns denn doch kuͤnftig hin Stimm’ und Singen hoͤher
achten,
Und es nicht nur als ein Wunder, auch als ein Geſchenck
betrachten!
Laßt uns unſerm Schoͤpfer dancken, daß er uns in dieſem
Leben,
Jhm zur Ehr und uns zur Luſt, Stimm’ und Harmonie
gegeben,
Auch zu ſeinem Ruhm ſie oͤfters zu gebrauchen, uns beſtreben.
[figure]
J 4
Fra-[136]Fragen.A.Jch hoffe, liebſter Freund, du werdeſt auf mein Fragen
So wie du pflegſt, mir deine Meinung ſagen:
Wenn nur ein Menſch aus andern, mehrern, auch min-
dern Coͤrperchen beſtuͤnde,
Ja wenn nur auſſer ihm ein Umſtand ſich anders, als
anjetzt, befuͤnde;
Ob er nicht gantz auf andre Weiſe, bald mehr, und auch
bald minder gut
Gedencken, thun und reden wuͤrde, als er jetzt dencket,
redet, thut?
B.Jch hoͤre, wie gewoͤhnlich, an, was du mir jetzo vorgetragen
Und wirſt du deine Antwort finden, da ich dich werde
wieder fragen:
Sprich, wenn in eines Menſchen Hertzen, und ſeines
Bluts Temperamente
Das allerſeltſahmſte Gemiſch, ſo moͤglich faſt, ſich fin-
den ſollte;
Ob nicht ein ſolcher Menſch dennoch, wenn er ſich etwas
helffen wollte,
Nicht wenigſtens um etwas beſſer gedencken, thun
und reden koͤnnte?
[figure]
Das[137]Das taͤgliche Mond-Licht.Wie unter ſo viel tauſend Gaben
Auch billig fuͤr des Mondes Schein,
Wo wir nicht unerkaͤnntlich ſeyn,
Wir GOtt zu dancken Urſach haben,
Als wodurch, wenn der Sonnen-Licht
Mit ſeinen Strahlen uns gebricht,
Wir doch daſſelbe wunderſchoͤn
Jm Wieder-Schein, im Duncklen, ſehn;
So find ich, wenn mans recht bedencket,
Daß GOtt uns durch der Sonnen Glut
Noch ein nicht minder herrlich Gut
Und einen Mond-Schein taͤglich ſchencket.
Wie an den Mond die Strahlen fallen
Und dadurch, daß ſie ruͤckwerts prallen,
Glantz, Schimmer, Klarheit, Licht und Schein,
Die ſonſt nicht wuͤrden ſichtbar ſeyn,
Uns in der Dunckelheit gewaͤhren;
So fallen Strahlen an den Duft
Der unſre Welt verhuͤll’nden Luft,
Wodurch ſie uns ein Licht gebaͤhren,
Daß man zwar alle Tage ſieht,
Jedoch ſich leider nicht bemuͤht
Dieß groſſe Wunder zu betrachten,
Und es des Denckens wehrt zu achten.
Zweymahl an einem Tag’ allein
Vertritt die Luft des Monden Stelle,
Und machet, da der Sonnen Licht
Der Erden noch und ſchon gebricht,
Dennoch den Kreis der Erden helle.
J 5Wenn
[138]Das taͤgliche Mond-Licht.Wenn nicht die Luft die Welt bedeckte,
Waͤr unvermeidlich alſobald,
So bald die Sonne ſich verſteckte,
Die Welt der Schatten Auffenthalt.
Ja ſo pech-ſchwartze Finſterniſſen
Wuͤrd’ alles ploͤtzlich ſincken muͤſſen,
Daß fruͤh der Sonnen Blick und Pracht,
Durch ein ſo ſchnell und ſtrenges Funckeln;
Des Abends die ſtock-finſtre Nacht,
Jn ja ſo ſchnell und ſtrengem Dunckeln,
Das zarte Weſen unſrer Augen
Nicht wuͤrde zu ertragen taugen.
Es wuͤrde was da lebt auf Erden
Gewiß dadurch geblendet werden.
Jſt es denn nicht der Muͤhe wehrt,
Dis Wunder wol zu uͤberlegen,
Der Daͤmmrung Nutzen zu erwegen,
Wodurch uns GOtt das Licht vermehrt;
Jndem man fruͤh ſo wol, als ſpat,
Das Licht viel ehr und laͤnger hat.
Man wird daher mit Rechte koͤnnen
Den Luft-Kreis einen Mond faſt nennen,
Da er die Sonne, eh ſie ſteiget,
Auch wenn ſie ſich bereits geneiget,
Nicht anders, wie der Mond, uns zeiget.
Es ſcheint hiedurch um unſre Welt,
Wie um Saturn, ein’ Art von Circkel vorgeſtellt.
Wie koͤmmt es nun, daß ſolch ein Licht,
Daß ſolch ein groſſer Coͤrper nicht,
Ob ſelbiger, in einem Stuͤck,
Gleich mehr als ſieben Meilen dick,
Ob
[139]Das taͤgliche Mond-Licht.Ob wir von ihm gleich gantz umgeben,
Ob wir gleich in und durch ihn leben,
Daß, ſag ich, ſolches nicht betrachtet,
Die Macht des Schoͤpfers nicht geachtet,
Nicht angebetet, nicht verehrt,
Nicht einſt bemercket wird von Geiſtern,
Die, wenn man ſie ſich nennen hoͤrt,
Sich aller Wiſſenſchaft bemeiſtern?
Von Menſchen, deren Schuldigkeit
Jn nichtes ſollt ſo ſehr beſtehen,
Als Goͤttliche Vollkommenheit
Jn ſeinen Wercken anzuſehen;
Als fuͤr ſo viele Lieb’ und Guͤte
Sich, mit erkaͤnntlichem Gemuͤhte,
Dem Schoͤpfer danckbar zu erzeigen,
Zu ihm durch ſein Geſchoͤpf zu ſteigen,
Durchs ſicht-zum unſichtbaren Licht?
Woher dieß kommt? Das weis ich nicht.
[figure]
Son-[140]Sonnen-Lehre.Quell des Lichts und aller Wonne!
„Lebens Urſprung! helle Sonne!
„Du laͤß’t alles, was auf Erden,
„Warm und licht und fruchtbar werden;
„Sollte denn dein Lebens-Schein
„Nicht die wahre GOttheit ſeyn⸮
Es wuͤrd’ ein Perſer ſo zu ſprechen
Sich nicht entbrechen.
Allein die Sonne ſelbſt, indem ſie uns verlaͤßt,
Zeigt, daß ſie ſolchen Ruhm nicht koͤnn’ ertragen.
Sie ſetzet dieſe Wahrheit feſt,
Ja ſcheinet, wenn ſie weicht, uns gleichſam dieß zu ſagen:
Laß, liebſter Menſch, doch meine Pracht und Zier,
So wie dein leiblich Auge, dir
Nicht auch dein Seelen Auge blenden!
Waͤr’ ich ein GOtt; wie koͤnnte ſich
Mein Glantz entfernen, und ich mich,
Gehemmt von etwas, weg- und abwaͤrts wenden,
Allein, wilt du die GOttheit ſehn,
Und ſeine Groͤſſe kennen lernen;
So kann es zwar durch mich geſchehn,
Doch muß ich mich ſo dann entfernen.
Jhr alle koͤnnt durch mich, in ſeinen Creaturen,
Vom groſſen Schoͤpfer, helle Spuren;
Doch ohne mich von ihm noch groͤſſre, ſehn.
So bald durch eurer Erde drehn,
Jhr mich verliert, und ich fuͤr euch verſchwunden;
So
[141]Sonnen-Lehre.So wird ins Luft-Raums tieffem Meer
Ein unzuzehlend Sonnen-Heer,
An meiner ſtatt, von euch gefunden,
Von welchen ihr, ſollt’ ich mit meinem Schein
Bey euch ſtets gegenwaͤrtig ſeyn,
Und immer bey euch leuchten muͤſſen,
Nicht das Geringſte wuͤrdet wiſſen.
Hier ſchwindet meiner GOttheit Glantz,
Bey Millionen Sonnen gantz.
Die wahre GOttheit zeiget ſich
Jn dieſer Schaar hingegen ſichtbarlich.
Jn keinen wuͤrdigern Jdeen,
Kann euer Geiſt ein Bild der wahren GOttheit ſehen,
Als in dem ew’gen Geiſt, der eine ſolche Zahl,
Die nicht zu zehlen iſt, von Sonnen ſchaft, regieret
Und noch ein groͤſſer Heer von Welten um ſie fuͤhret.
So deucht mich daß, zu ihres Schoͤpfers Ehre,
Jch, wenn ſie untergeht, die Sonne reden hoͤre.
Ach, laßt uns ihre Red’ uns ins Gedaͤchtnis praͤgen,
Und, wenn wir in der Nacht der Sterne Schaaren ſehn,
Den HErrn der Schaaren doch erhoͤhn,
Und, wenn wir unſern Blick ins Himmels Tieffe ſencken,
Voll Ehrfurcht, Luſt und Andacht dencken:
Es zeiget uns das Sonnen-Licht
Den Schoͤpfer herrlich; doch noch nicht
So
[142]Sonnen-Lehre.So herrlich, als wenn wir den Glantz von ſeinen
Wercken
Am Firmament im Duncklen mercken.
O Wunder! daß ſo gar die dicken Finſterniſſen
Den HErrn des Lichts verherrlichen, erhoͤhn,
Und ſeiner Wunder Groͤß’ am hellſten zeigen muͤſſen;
Der Tag laͤß’t eine Sonn, die Nacht viel tauſend
ſehn!
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Nuͤtz-[143]Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.Beſchau, o Menſch, der Blumen-Pracht!
Nimm was in ihnen ſteckt in acht!
Man kann von ihres Schoͤpffers Macht
Die Nachricht in gefaͤrbten Lettern,
Auf ihren zart- und bunten Blaͤttern,
Jn nett-verſchrenckten Zuͤgen leſen.
Um ſeine Weisheit zu erheben,
Scheint jede ſich recht zu beſtreben,
Mit bunten Fingern ihn zu weiſen,
Mit ſtillem Munde GOtt zu preiſen.
Es lobt den Schoͤpfer der Natur
Bald ihre zierliche Figur,
Bald ihre Farbe, bald ihr Gruͤn,
Und will uns gerne zu ſich ziehn;
Bald qvillet ein ambrirter Rauch,
Bald faͤhrt ein angewuͤrtzter Hauch
Aus ihrer Feuer-reichen Bruſt,
Veraͤndert unſrer Augen Luſt
Und ſuchet den Geruch zu naͤhren,
Und uns zu gleicher Zeit zu lehren,
Daß nimmer von ihr ſelber nicht
Sie ſo vortreflich riechen koͤnne,
Und ein ſo kraͤftig Rauchwercks-Licht
Jn ihr nicht von ſich ſelber brenne.
Nun iſt und riecht die Blume ſchoͤn,
Die Seele kann ſie riechen, ſehn;
Will ſie ſich denn nicht auch beſtreben,
Die Kraft, die ihr geſchenckt, das Dencken,
Jn Luſt und Danck auf den zu lencken,
Der beiden Seyn und Kraft gegeben?
Die
[144]Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.Die Blum iſt ſchoͤn und riecht; du denckeſt;
Ach, daß du dem, der alle Pracht
Der Creatur hervorgebracht,
Jm Danck und Preiſe ſeiner Macht,
Denn kein vergnuͤgtes Dencken ſchenckeſt?
Sey (weil du doch auf andre Weiſe
Nichts wircken kanſt zu ſeinem Preiſe)
Zu deines groſſen Schoͤpfers Ruhme
Nicht weniger, als eine Blume!
[figure]
Gar-[145]Garten-Andacht.Garten-Andacht.Ein jedes Blatt, ein jedes Kraut,
Das man in dieſem Garten ſchaut,
Ein’ jede Blum’, ein’ jede Bluͤthe
Sind Proben von des Schoͤpfers Guͤte,
Sind in der That ein Goͤttliches Geſchencke.
Da ich in der bewachſenen Allee,
Da ich auf vieler Baͤume Cronen
So viele viele Millionen
Derſelben nun beſitz’ und ſeh;
So gieb, o HErr, daß ich es oft bedencke,
Daß ich mich oft an ihrer Lieblichkeit,
An ihrer Farben-Pracht, an der Vollkommenheit
Der Bildungen ergetz’, in ihnen Dein mich freue,
Und allezeit in meiner Bruſt,
Durch die darob verſpuͤhrte Luſt,
Durch ein GOtt Lob! Dein Lob erneue!
[figure]
K
Die[146]Die Johannis-Beere.Die Johannis-Beere.Die liebliche Johannis-Beer
Bewegt mich jetzt, zu GOttes Ehr,
Ein neues Liedchen anzuſtimmen.
Jch ſeh’ ſie durch der Blaͤtter Gruͤn,
Gleich einem funckelnden Rubin,
Jn rohtem Schimmer glaͤntzend gluͤhn,
Jn rothem Licht und Feuer glimmen.
Wenn man zuerſt die gelblich gruͤne Bluͤth’,
Wie zierlich ſie gebildet, ſieht;
Ergetzet ſich mit Recht ein Menſchliches Gemuͤth.
Jndem die ſpielende Natur
Sie mit der zierlichſten Figur
Und ſanften Farben ausgeſchmuͤcket:
Allein was wird gar bald an ihr erblicket?
Ein jedes Bluͤmchen dehnet ſich
Am Stengel in vollkommner Ruͤnde,
Und zeiget recht verwunderlich
Ein Kuͤgelchen, ſo ich erſt gruͤnlich finde;
Doch wird nicht lang’ hernach aus dieſem Gruͤnen
Das allerſchoͤnſte Roth. Man ſieht es, wie Carbunckeln,
Durchſichtig glaͤntzen, gluͤhn und funckeln.
Man ruͤnde funckelnde Rubinen,
Mit allen Fleiß, mit aller Kunſt und Muͤh,
Man ſchleiffe, man poliere ſie,
Und ſehe denn, ob man in ihnen
An Ruͤnde mehr Vollkommenheit,
An Roͤth’ und Glut mehr Glantz und Lieblichkeit,
Als an der funckelnden Johannis-Beer,
Zu ihrer und zu unſers Schoͤpfers Ehr,
Er-
[147]Die Johannis-Beere.Erſehn und finden kann?
Zumahl ſie all an kleinen Stangen,
Jn andrer Ordnung noch, als wie die Trauben, hangen.
Ja, was noch mehr, man trift in ihnen an
An Farben, und Geſchmack von ſuͤſſer Saͤurlichkeit
Solch einen groſſen Unterſcheid,
Als man nicht leicht an andern Fruͤchten findet;
Da mit der Roͤhte ſich bey vielen weiß verbindet,
Da viele gaͤntzlich weiß, theils leibfarb, ſchwartz ſo gar.
Die alle nun bedeckt der gruͤnen Blaͤtter-Schaar.
Die ebenfals mit ſondrer Zierlichkeit
Von Fingern der Natur formiret,
Und nett, wie Wein-Laub faſt, gezieret.
Wie angenehm, wie lieblich, und wie ſchoͤn
Die Frucht nun anzuſehn;
So lieb- und nuͤtzlich iſt der ſaͤurlich ſuͤſſe Saft
Und ſein’ erquickende ſanft kuͤhlend’ Eigenſchaft,
Da ſie nicht roh’ allein,
Der Zungen angenehm, dem Blut erfriſchend ſeyn;
Nein, da ſie auch, in Zucker eingeleget,
So wol den Krancken, als Geſunden,
Zu laben zu ergetzen pfleget.
Welch eine Linderung wird nicht im Stein empfunden,
Durch ihre ſchwartze Frucht! Wenn uns das Waſſer
ſchneidet,
Nicht minder in der Gicht und Winden auch
Jſt heilſam, iſt bewehrt und dienlich ihr Gebrauch.
Ach moͤgten wir denn doch, wenn wir dich ſehn und eſſen,
Beliebte Frucht, in dir des Gebers Guͤt’ ermeſſen
Und ihm in unſrer Luſt zu dancken nicht vergeſſen!
K 2
Beym[148]Beym Anblick einerBeym Anblick einer ſchoͤnen Leucoje.Sey willkommen, liebſte Blume,
Die du, deinem Herrn zum Ruhme,
Lieblich riechſt, und zierlich bluͤheſt;
Die du, durch der Farben Pracht,
Den, der alle Dinge macht,
Faſt zu zeigen dich bemuͤheſt;
Ja, die du in bunten Schaͤtzen,
Wenn wir uns daran ergetzen,
Unſre Seelen zu ihm zieheſt.
Denn iſt in ſo vielen Wercken,
Die ſo herrlich und ſo ſchoͤn,
Keine Weisheit zu bemercken?
Keine GOttes-Kraft zu ſehn?
Was um ſchoͤne Blumen ſchwebet
Und ſich ſtets daraus erhebet
Waͤr und blieb’ uns unbekannt;
Wenn ſich nicht der holde Duft,
Durch das Dehnen unſrer Lungen,
Von dem ſchnellen Druck der Luft
Jn das Trichter-Paar gedrungen,
Das wir in der Naſen ſehn
Wunderbar formiret ſtehn;
Wo ſich in den beyden Gaͤngen
Die ſich zu dem Zweck verengen,
Die vorhin zertheilte Kraft
Neu-vereinigt ſucht zu drengen,
Wodurch denn der trockne Saft,
Wenn er, dergeſtalt gepreßt,
Staͤrcker ſich empfinden laͤßt
Von
[149]ſchoͤnen Leucoje.Von dem Nervgen, das es ruͤhret,
Und das ins Gehirn ihn fuͤhret.
Da ich dieſes uͤberlege
Und der Blumen Kraft erwege,
Faͤllt mir ziemlich glaublich bey,
Wie vielleicht noch vielerley,
So zur Luſt, als Artzeney,
Jn denſelbigen verſtecket,
Und uns noch verborgen ſey.
Haͤtt’ uns nicht die Bien’ entdecket,
Daß des Honigs Suͤßigkeit
Jn der Blumen Art vorhanden;
Welcher haͤtt ſich unterſtanden,
Jn der Blaͤtter bunten Gruͤnden
Jemahls die Beſchaffenheit
Solches ſuͤſſen Safts zu finden?
Alles menſchliche Bemuͤhn,
Alle Kunſt zu ſublimiren,
Aufzuloͤſen, diſtilliren,
Um den Saft heraus zu ziehn
Haͤtt’, um ihn davon zu trennen,
Keinen Nutzen haben koͤnnen.
Koͤnnt’ es denn nicht moͤglich ſeyn,
Daß nicht dieſe Kraͤft’ allein,
Sondern annoch andre Saͤfte,
Andre Geiſter, andre Kraͤfte
Jn den Blumen ſich befinden;
Wenn wir ſolches nur verſtuͤnden?
K 3Denn
[150]Beym Anblick einer ſchoͤnen Leucoje.Denn daß Menſchen es nicht faſſen,
Daraus wird die Moͤglichkeit
Mehrerley Beſchaffenheit
Sich nicht wiederſprechen laſſen.
Sonderlich, da ſolche Lehren
Von der ſchoͤnen Blumen Heer
Unſers groſſen Schoͤpfers Ehr’
Nicht vermindern, eh vermehren.
[figure]
Roß[151]Roß-Kaͤfer.Jndem ich juͤngſt im gruͤnen Klee
Der Wieſen Schmuck mit tauſend Luſt beſeh,
Werd’ ich von ungefehr gewahr,
Wie eine blaue Kaͤfer-Schaar
Jn halb-gedorrtem Pferde-Miſt
Sich aufhaͤlt und beſchaͤftigt iſt,
(Ohn an der Erden Pracht und Schaͤtzen,
Mit welchem ſie umringt, ſich zu ergetzen
Und einiges Vergnuͤgen draus zu fuͤhlen)
Jn ihrem Wuft vergnuͤgt, beſtaͤndig fort zu wuͤhlen.
Jch ſahe dieß zuerſt nicht ſonder Eckel an,
Biß ich mich uͤberwand
Und eine kurtze Zeit bey ihnen ſtille ſtand;
Da ich auf ihr Betrieb, mit ernſtem Dencken, ſann.
Es ſcheint, ich ſolte mich faſt der Vergleichung ſchaͤmen,
Fiel mir zu Anfang bey,
Von dieſer Bruht ein Beyſpiel herzunehmen,
Als ob in ihr und uns was gleiches ſey;
Allein,
Fiel mir, beym fernern Dencken ein:
Es iſt ja dennoch wahr. Warum ſoll ichs nicht ſagen?
Vielleicht vermag des Beyſpiels Scheuslichkeit
Zur Lehr’ und Beſſerung, was beyzutragen.
Wenn ich den geitzigen Chryſander,
Sammt ſeines Gleichen, bey einander
Mit nichts, als irdſchem Koth, beſchaͤftigt ſeh,
An welchem ſie mit Leib und Seele hangen,
Nichts anders ſuchen, nichts verlangen,
Den edlen Geiſt mit allen ſeinen Kraͤften,
Auf nichts, als Gold und Reichthum, heften,
K 4So
[152]Roß-Kaͤfer.So Tag als Nacht auf auders nichts gedencken,
Nicht einen Blick auf ſich, auf GOttes Wercke, lencken;
So ſcheinen ſie ja wol nichts beſſers wehrt,
Als daß ſie mit den Kaͤfern in der Erden,
Den Buͤrgern faulen Miſts, verglichen werden.
Doch halt, mich deucht, wie ſich Chryſander hier erklaͤhrt:
Wie kommt es doch, daß dir ſo Geld als Miſt
So ſcheuslich und veraͤchtlich iſt?
Da ſich jedoch die gantze Welt
Durch Geld und Miſt allein erhaͤlt.
Durch Miſt wird Fruchtbarkeit im Land’ erreget,
Das uns die Koſt und Nahrung traͤget;
Durch Geld wird alles das erhalten,
Was uns erhaͤlt, vergnuͤgt und ſchuͤtzt,
Was uns bey Jungen und bey Alten
Gewogenheit erreget, Anſehn giebt,
Wodurch man uns verehrt und liebt:
Jſt dieß denn nicht der Muͤhe wehrt,
Daß man es achtet und begehrt?
Dieß iſt zwar wahr, Chryſander, aber hoͤre,
Du haſt ja alles dieſes nicht.
Dir fehlt Beqvehmlichkeit, Vergnuͤgen, Lieb’ und Ehre,
Nichts iſt faſt, das dir nicht gebricht.
Jndem du gar nichts Guts mit deinem Gelde ſchaffeſt;
Es blos allein zuſammen raffeſt,
Um Geld auf Geld zu haͤuffen; dich vernarrſt,
Und blos nur, um zu ſcharren, ſcharrſt.
Sollt’ alle Kraft von deiner Seelen,
Die Abſicht, daß du worden biſt, allein
Auf Geld zu ſammlen und zu zehlen
Beſtimmet und genommen ſeyn?
Jndem
[153]Roß-Kaͤfer.Jndem mein Geiſt auf dieſe Weiſe dencket,
Die Augen auf der Kaͤfer-Schwarm geſencket,
Seh ich wie einer ſchnell ſich aufwerts hebt,
Und mit geſchwindem Flug in reinen Luͤften ſchwebt.
Ach dacht ich moͤchte dieß Chryſander ſehen!
Und, durch den Wurm geruͤhret, in ſich gehen,
Und aus dem Koth ſich ſo, wie er, erhoͤhn,
Und ſchauen wie die Welt, des Schoͤpfers Werck, ſo
ſchoͤn!
Allein ich fuͤrchte ſehr, er laͤßt den Kaͤfer fliegen,
Und bleibet, vor wie nach, in ſeinem Unrath liegen.
[figure]
K 5
Erin-[154]Erinnerung.Sind denn vielleicht nicht auf der Welt
Die Wunder, die man ſieht, uns wuͤrcklich vorgeſtellt?
Bebuͤſchte Huͤgel? gruͤne Felder?
Bebluͤhmte Wieſen? kuͤhle Waͤlder?
Geſunde Kraͤuter? ſuͤſſe Fruͤchte?
Den naͤhrenden Geſchmack vergnuͤgende Gerichte?
Chriſtallen-gleiche reine Baͤche?
So mancher Berg? ſo manche Flaͤche?
Es ſind vielleicht, in ſuͤſſen Choͤren,
Die bunten Voͤgel nicht zu hoͤren;
Jſt es vielleicht nicht wahr, daß Blumen uns erqvicken?
Daß ſie, fuͤr uns, die Erde ſchmuͤcken?
Sieht man, nebſt tauſend Seltenheiten,
Und ungezehlten Herrlichkeiten,
Das all-erfreu’nde Sonnen-Licht
Vielleicht mit unſern Augen nicht?
Jſt etwann alles dieß nicht wuͤrcklich da?
O ja!
Jſt alles denn nun wuͤrcklich da; wie man
Unmoͤglich leugnen kann;
Warum denn ſieht man es nicht an?
Warum will man an aller Pracht,
Warum will man an allen Schaͤtzen
Sich nicht ergetzen;
Noch loben den, der ſie gemacht?
Es ſcheint wir wollen, blos um GOtt nur nicht zu ehren,
Nicht ſchmecken, riechen, ſehn und hoͤren.
Wir ſehn ja uͤberall die Spur
Von einer guͤtigen Natur,
Die
[155]Erinnerung.Die unaufhoͤrlich uns, wes wir in dieſem Leben
Beduͤrftig ſeyn, geſchaͤftig iſt zu geben.
Und dennoch wuͤrdiget man alle Wunder-Wercke
Nicht eins ſo viel, daß man ſo Kraͤft’ als Wirckung mercke,
Daß man an den, der uns dieß alles ſchenckt,
Durch Nutz und Luſt geruͤhrt, nicht einſt gedenckt.
Jſt wol, fuͤr unſrer Seelen Kraͤffte,
Ein nuͤtz- und noͤthiger Geſchaͤffte,
Als GOtt, fuͤr ſo viel Guts, ein froͤlich Hertz zu goͤnnen?
Auf welche Weiſe wird man ſonſt, fuͤr ſo viel Gaben,
Die wir aus lauter Gnad’ und Huld empfangen haben,
Des Undancks Vorwurfs ſich entſchuͤtten koͤnnen!
[figure]
Die[156]Die ſanfte Ruhe.Die ſanfte Ruhe.Wenn man in einem weichen Bette, geſund, mit muͤden
Gliedern, liegt,
Und die Beqvemlichkeit und Anmuth in dieſem Zuſtand
uͤberleget:
Empfindet nicht allein der Coͤrper ein Etwas, das ihn
ſehr vergnuͤgt,
Wenn unſre Seele, nicht zerſtreuet, das, was ſie ruͤhret,
nur erweget.
Man findet nicht allein mit Luſt, wenn ſich die Geiſter-
reichen Sehnen
Aus ihrer ſonſt gewohnten Lage gemaͤchlich aus einander
dehnen,
Ein ſuͤß und zaͤrtliches Gefuͤhl’; man wird, wenn man mit
Achtſamkeit
Jm Dunckeln, bey geſchloſſnen Augen, ſo dann ſein We-
ſen uͤberdencket,
Kaum daß man worauf liegt gewahr.
Es kommt uns vor, zu ſolcher Zeit,
Als ob wir unterwerts ſo wenig, als wie wir oberwerts,
umſchraͤncket,
Vielmehr von allen Seiten frey, und, einer Jnſel aͤhnlich
waͤren.
Es ſcheint man finde mehr, als ſonſt, ſo dann im Schoſſe
der Natur
Sich gantz beſonders eingeſchloſſen, gantz einſam; es iſt
keine Spur
Jn dieſer Dunckelheit zu finden, kein End’ in dieſem Raum
zu ſchauen,
Und keinem Geiſte ſind hier Graͤntzen, noch Jnnhalt dieſes
Raums bewuſt.
Mich
[157]Die ſanfte Ruhe.Mich uͤbereilte juͤngſt hieruͤber, als ich ſo lag, ein ſtilles
Grauen,
Mich in ſo einer hohlen Tieffe und Boden-loſen Abgrunds-
Gruͤnden,
Umringt von nichts als dunckeln Schatten und Finſter-
niß, allein zu finden:
Allein wie bald verſchwand es wieder, als ich, mit faſt
halb-ſeel’ger Luſt,
Jn dieſer Boden-loſen Tieffe, worin ich gleichſam ſchien
zu ſchweben,
Von der allgegenwaͤrtgen GOttheit mich uͤberall bedeckt,
umgeben,
Ja faſt beruͤhret gleichſam fuͤhlte! Jch, der ich, meinem
GOTT ſo nah,
Beym dunckeln Lichte der Natur, mit hellen Glaubens-
Augen ſah;
Verehrte Danck-und Demuths-voll den hell- und doch ver-
borgnen Schein
Des ewgen Schoͤpfers aller Dinge; ergab mich ſeiner Gnad
allein,
Und ſchlieff, mit kindlichem Vertrauen, in ſeiner Hut ge-
laſſen ein.
Auf-[158]Aufmunterung zur Betrachtung.Aufmunterung zur Betrachtung.Wilſt du denn, lieber Menſch, der Ueberlegung Kraft,
Die eigentlich der Kern, die noͤthigſt’ Eigenſchaft
Der dir von GOtt geſchenckten Seelen,
Mit deinen Sinnen nie vermaͤhlen?
Mit GOtt, in den Geſchoͤpfen, nie verbinden?
Verlangeſt du in GOttes Wercken
Nicht ſeine weiſe Macht und Liebe zu bemercken?
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu finden?
Er legt viel tauſend Herrlichkeiten,
Viel Millionen Seltenheiten
Auf Erden, in der Luft, und in der Fluth dir vor.
Er giebt dir Naſ’ und Zung’ und Hand und Aug’ und Ohr.
Er ſchenckt dir eine Seel’, und eine Faͤhigkeit,
Durch hoͤren, riechen, ſehn, durch ſchmecken, und durch
fuͤhlen
Gedancken und Jdeen zu erzielen.
Da nun des Schoͤpfers Huld ſo uͤberſchwenglich iſt,
Und, da das, was dich hier ſo wol, als dort, vergnuͤget,
Allein in der Betrachtung lieget;
Wie, daß du gegen dich denn ſelbſt ſo grauſam biſt?
Wie, daß du deinen Geiſt nicht zu den Sinnen fuͤgeſt,
Und durch dieß holde Band nicht Seel’ und Leib vergnuͤgeſt?
Beſtrebe dich forthin, die Wercke zu betrachten,
Und ihres Schoͤpfers Macht in ihnen zu erhoͤhn;
Denn, ſonder Dencken ſie zu hoͤren und zu ſehn;
Heißt Goͤttlichen Befehl, Natur, und GOtt verachten.
Straffe[159]Straffe der Unachtſahmkeit.Straffe der Unachtſahmkeit.Bewunderſt du, o Menſch, des Schoͤpfers Weisheit-
Licht
Jn ſeinen Creaturen nicht;
So ſcheints, daß du nur blos ein Werckzeug biſt,
Wodurch die Welt fuͤr andre Creaturen,
Und nicht fuͤr dich, geſchmuͤcket iſt.
Dein Garten pflantzen, Haͤuſer bauen
Muß, da die Menſchen es, ſo bald ſie es vollbracht,
Nicht achten, nicht mit Luſt, und nicht mit Danck beſchauen,
Vermuhtlich Geiſtern ſeyn zu Nutz gemacht,
Die es nicht nur bey Tag’, auch bey der Nacht,
Wie es ſo ordentlich, ſo nett ſo ſchoͤn,
Jn ihrer Luſt, zu GOttes Ehren, ſehn.
Wann aber GOtt dennoch dich, eine Faͤhigkeit,
Und Sinnen auch dabey, gewuͤrdigt, dir zu ſchencken,
So liegt es blos an dir, dein Dencken,
Nebſt ihnen auch darauf zu lencken.
Wann dieß geſchicht, wird GOtt durch jene nicht allein,
Nein, auch durch dich zugleich, geprieſen ſeyn.
Geſchicht es nicht; ſo muſt du ſelbſt geſtehn,
Daß da du auch dazu erleſen,
Jn ſeiner Creatur ſein’ Allmacht anzuſehn,
Jn deiner Luſt den Schoͤpfer zu erhoͤhn;
Es, wenn daſſelbe nicht geſchehn,
Bloß deine Schuld allein geweſen.
De-[160]Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß.Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß.Will mich des Hochmuths Brut mit Demuth-Larven
ſchrecken,
Will ſie mir meines Geiſts Vernichtungen entdecken,
Und, durch den Hoͤllen-Schluß, Verzweiflung mir erwecken:
„Was biſt, was weißt du doch? Nichts: daraus folget klar,
„Daß deine Seele nie was Goͤttlichs iſt, noch war;
So zeiget mir dennoch, ſelbſt der Unwiſſenheit
Erkaͤnntniß und Begriff von meiner Faͤhigkeit
Nicht nur was groſſes an; ſie machet uns ſo gar
Das allerhellſte Licht der Weißheit offenbar.
Nichts zeigt uns deutlicher die unermeßne Groͤſſe
Des Schoͤpfers, und zugleich der Menſchen Schwaͤch’ und
Bloͤſſe;
Ja nichts erhebet mehr der groſſen GOttheit Preis,
Als eben, da man weiß, daß man nur wenig weiß.
Jndem wenn die Vernunft ſo, wie ſie ſoll, verfaͤhrt;
Uns ein gedoppelt Gut daraus entſpringet,
Da es uns nicht allein zur wahren Demuth bringet:
GOTT ſelber wird dadurch am wuͤrdigſten verehrt.
[figure]
Noth[-][161]Nothwendigkeit GOtt hier zu ſehen.Nothwendigkeit GOTT hier zu ſehen.Wilſt du den groſſen Schoͤpfer ſehen,
So muß es im Geſchoͤpf geſchehen:
Weil man ihn ſonſt nicht ſehen kann.
Er will von uns geſehen werden;
Drum ſchuf er Himmel, Meer und Erden,
Und ſpricht: Jn dieſen ſeht mich an!
Jhr aber hoͤrt nicht was er ſpricht,
Er zeigt ſich, und ihr ſeht ihn nicht.
Zwar hofft ihr kuͤnftig ihn zu ſehen;
Allein ihr werdet ſchlecht beſtehen,
Da ihr, in ſeiner Wercke Pracht,
Jhn hier zu ſehn nicht wehrt geacht’t.
Hat er, daß ihr ihn moͤgtet faſſen,
Sich hier nicht unbezeugt gelaſſen:
Muͤßt ihr auch hier, zu ſeinen Ehren,
Jhn ſchmecken, fuͤhlen, ſehn und hoͤren.
[figure]
L
Jn-[162]Jnſeln.Wenn wir der Berge ſchroffe Hoͤhen,
Mit einem aufmerckſamen Blick,
Bedachtſam an- und uͤberſehen,
Und dencken etwann einſt zuruͤck
Auf Jnſeln, die im Meere ſtehen;
So ſcheinen dieſe jenen gleich,
Nur mit dem Unterſcheid allein,
Daß Jnſeln Berg’ im Waſſer-Reich,
Und die Gebirg’ im Luft-Reich Jnſeln, ſeyn.
Bey den Gedancken faͤllt mir ein:
Ob etwann eine tieffe Fluth
Um unſere Gebirg’ einſt auch geruht,
Und daß, ob wir es gleich nicht leſen,
Sie Waſſer-Jnſeln einſt geweſen?
Wie uns, wenn wir auf Berge ſteigen,
Und ſich dort Meer-Gewaͤchſ’, in tauſend Arten, zeigen,
Der Augen-Schein davon faſt uͤberfuͤhrt,
Auf eine Art, die uns mit Furcht und Anmuth ruͤhrt.
Sprich! wuͤrden nicht, wenn etwann jetzt das Meer
Vom Waſſer ausgeleeret waͤr,
Die Jnſeln all’ als groſſer Berge Hoͤh’n
Ohn allen Zweifel anzuſehn,
Und zu betrachten ſeyn? Wie waͤr’ es, wenn vielleicht
Die Fluth dereinſt noch mehr vertheilt waͤr’ und verſiegen,
Die Meer-Berg’ ebenfals, entbloͤſſet aufwerts ſtiegen,
Und ſo, wie unſre Berg’ und Flaͤchen unſrer Erden,
Auch Jnſeln in der Luft einſt koͤnnten werden?
Mi
[163]Jnſeln.Mit den Gedancken ſchlief ich ein,
Als ein verwirrter Traum mit meinen Sinnen ſpielte;
Da ich mich biß zum Mond in Eil getragen fuͤhlte.
Jch fand in dieſer Welt, die unſre ſtets begleitet,
Daß ſelbe groͤſſ’ren theils aus Waſſer zubereitet.
Ein kleiner Philoſoph, der viertzig mahl ſo klein,
Als wie wir hier auf Erden ſeyn,
Erzehlte mir zu Anfang vielerley,
Und unter andern auch: daß ihre Welt
Aus unſrer Welt entſtanden ſey.
Die Erde waͤr’ zuerſt mit Waſſer gantz bedeckt,
So daß ſichs hoͤher noch als alle Berg’ erſtreckt;
Durch ihres Schoͤpfers bloſſes Wollen,
Daß unſre Welt bewohnet werden ſollen,
Haͤtt er, der aller Fluten Laſt
Jn einen Schlauch zuſammen faßt,
Die Waſſer guten theils von ihr genommen,
Und ſie (woraus der Mond entſprungen und gekommen)
So wol zu ihrem Nutz, als auch zum Dienſt der Welt,
Jn Wirbel unſrer Erd’ in ſolchen Stand geſtellt,
Daß wir uns beid’ anjetzt, vom Sonnen-Strahl beſchienen,
Durch einen Gegen-Schein einander dienen.
Auf gleiche Weiſe waͤr’ es auch Saturn ergangen;
Nicht minder Jupiter, die (wie wir einen nur)
Neun Monden zu Trabanten drauf empfangen.
Ja, er vermeinte gar, wofern ihn nicht die Spur
Gewiſſer Zeichen ſollte triegen;
Wir koͤnnten noch wol einen kriegen:
Da, aus dem gar zu tieffen Meer,
[...]nnoch zu einem Mond genugſam Vorrath waͤr’,
L 2Wo-
[164]Jnſeln.Wodurch wir denn nicht nur noch einen neuen Schein
Des Nachts am Himmel wuͤrden ſehen,
Es wuͤrden ſo viel mehr Gebirg’ entdecket ſtehen,
Die jetzt, in Jnſeln, noch im Meer verdecket ſeyn,
Die alle von den Buͤrgern unſrer Erden
So denn bewohnet koͤnnten werden.
Mein Leſer glaubet leicht, wie ich darauf erwacht,
Daß ich um dieſen Traum recht inniglich gelacht,
Doch hab ich ihm auch wol zuweilen nachgedacht.
[figure]
Spi-[165]Spiegel der GOttheit.Sind die erſchaffnen Creaturen, wenn man’s erweget,
anders was,
Als ein des Schoͤpfers wahres Weſen vor Augen ſtellend
Spiegel-Glas?
Jn welchem, durch die, zu dem Zweck allein, erſchaffne
Sonnen-Strahlen,
Sich ſeine Weisheit, Lieb’ und Macht uns allen uͤberzeug-
lich mahlen,
Und, durch die Sinnen, unſren Seelen empfindlich vor-
geſtellet werden?
Das Waſſer, auch die glatten Coͤrper, worin vom Him-
mel und der Erden
Von angeſtrahlten Baͤumen, Blumen, Gebuͤſchen, Waͤl-
dern, Thal, und Huͤgel,
Die Schoͤnheit ſich verdoppelt zeigt, ſind von dem Spie-
gel Gegen-Spiegel,
Und unſer Aug’ ein ſinnlicher, lebend’ger Spiegel, der
den Geiſt,
Auf eine ſonderbahre Weiſe, durch Coͤrper etwas Geiſtigs
weiſ’t.
Die Seel’ erblicket von der GOttheit, in der Geſchoͤpfe
Wunder Pracht,
Ein gleichſam dreyfach-einigs Weſen, in ſeiner Weisheit
Liebe, Macht.
Erfordert es denn wenigſtens vernuͤnft’ger Menſchen See-
len-Pflicht,
Zu ſeines Nahmens Preiſ’ und Ruhme, Lob, Herrlichkeit
und Ehre, nicht,
L 3Daß
[166]Spiegel der GOttheit.Daß unſre Seel’ ie mehr und mehr ſich durch Betrachtung
angewehn’,
Jm ſchoͤnen Creaturen-Spiegel die wahre GOttheit an-
zuſehn?
Weil ſonſten, wenigſtens fuͤr uns, wenn wir allein auf
Geld nur gaffen
Der Endzweck GOttes ja verlohren, die Welt fuͤr uns
umſonſt erſchaffen.
Hingegen unterſcheidet ſich der Menſch nicht blos nur von
den Thieren,
Als welche beym Genuß der Dinge zwar Luſt, doch keinen
GOtt, verſpuͤhren;
Wir werden ſelbſt, wenn, in der Schoͤnheit der Creatur
und ihren Schaͤtzen,
Wir uns an ihrem ew’gen Urſprung in Ehrfurcht-voller
Luſt ergetzen,
Von der allgegenwaͤrtgen GOttheit, dem Schoͤpfer Him-
mels und der Erden,
Und ſeiner Weisheit, Herrlichkeit und Macht, vernuͤnft’-
ge Spiegel werden;
Jn welchen Geiſter, Seelen, Engel (wie wir, in hellem
Wieder-Schein
Des Waſſers, unſrer Erden Schmuck) ſein herrlich Werck
vergeiſtert ſchauen
Und, an geruͤhrten Menſchen-Seelen, ſich ſelber, GOtt zum
Ruhm, erbauen.
Wann die Betrachtungen der Wercke des Schoͤpfers nun
ſo noͤhtig ſeyn;
So bitt’ und fleh ich: groſſer Schoͤpfer! um deine Lieb’
erbarm dich mein!
Er-
[167]Spiegel der GOttheit.Erbarm dich aller Menſchen doch! vermehre Faͤhigkeit und
Willen,
Daß wir, zu deines Nahmens Ruhm, den groſſen End-
zweck hier erfuͤllen,
Wozu du uns beſchieden haſt! gieb, daß im Spiegel dei-
ner Wercke,
Voll Luſt, Bewunderung und Andacht, man deine wahre
GOttheit mercke!
Laß uns im Creaturen-Spiegel hier, als in einem duncklen
Wort,
Dein Allmacht, Weisheit, Lieb’ erblicken! biß daß wir,
nebſt den Engeln, dort,
Nach abgelegter Sterblichkeit, in jenen ſeel’gen Himmels-
Hoͤhen,
Dich, in ſelbſtaͤnd’ger Majeſtaͤt, in einem ewig-ſeel’gen
Licht,
Und der Drey-Einigkeit Geheimniß, von Angeſicht zu An-
geſicht,
Jn unausſprechlich-heller Klarheit, ununterbrochen, ewig
ſehen!
[figure]
L 4
Danck-[168]Danck-GebethDanck-Gebeth nach dem Eſſen.OVater! der du uns nunmehr
Was unſern Coͤrper traͤnckt und naͤhret,
So reichlich abermahl beſchehret,
Nur dir gebuͤhret Danck und Ehr!
Du haſt aus Gnaden, uns nicht nur
Aus nichts gezogen, Leib und Leben,
Und ſo verſchiedne Koſt gegeben;
Du haſt, im Reiche der Natur,
Der Coͤrper Theile ſo gefuͤget,
Daß, was uns naͤhrt, uns auch vergnuͤget,
Und darzu ſonderlich den Mund,
Die Zunge, Zaͤhne, Gaum und Schlund,
So kunſt- und wunder-reich formiret,
Daß unſer Geiſt durch ſie entdeckt
Die Kraft, die in den Coͤrpern ſteckt,
Und im Genuß Verguuͤgen ſpuͤret.
Dieß Wunder im Getraͤnck und Eſſen,
Das uns zugleich auch Nahrung giebt,
Verdient ja wol, daß wir ermeſſen,
Wie ſehr uns unſer Schoͤpfer liebt.
Ach, laß denn, was von deinen Gaben,
O GOtt! wir jetzt genoſſen haben,
Woraus uns ſo viel Luſt entſtund,
Uns nicht allein den Coͤrper ſtaͤrcken;
Laß uns, an Seel’ und Leib geſund,
Auch deine Macht und Liebe mercken,
Und, da wir nun geſaͤttigt ſeyn,
Der Seelen Kraft zu dir allein,
Jn froher Gegen-Liebe, lencken,
Dir Ehrfurcht, Danck und Andacht ſchencken,
Auch
[169]nach dem Eſſen.Auch uns mit allem Ernſt bemuͤhn,
Den uns geſchenckten freyen Willen,
Um deinen Willen zu erfuͤllen,
Von dem, was dir misfaͤllt, zu ziehn!
So wirſt du uns, auf dieſer Welt
Nicht das, wodurch man ſich erhaͤlt,
Zur Luſt und Nothdurft nur beſchehren;
Du wirſt uns auch nach dieſer Zeit,
Jn jener ſeel’gen Ewigkeit,
Mit ew’ger Himmels-Speiſe naͤhren!
[figure]
L 5
Abend-[170]Abend-Andacht.Da nunmehr des Tages Glaͤntzen und der Sonnen
helle Pracht
Unſern Augen ſich entzogen; da die Schatten-reiche Nacht,
Mit den ſtillen Finſterniſſen, Himmel, Erd’ und Meer
erfuͤllt,
Und der irdiſchen Geſchoͤpfe Farb’ und Bildung gantz
verhuͤllt,
Unſern Leib zur Ruhe ruft, um, nach heut vollbrachten
Wercken,
Jhn, durch einen ſanften Schlaf, kraͤftig wiederum zu
ſtaͤrcken,
Und ich, voll Beqvemlichkeit, auf ſo weichen Feder-Decken,
Sonder Sorgen, Furcht und Gram, mich geſund vermag
zu ſtrecken:
Auf mein Geiſt! den groſſen Schoͤpfer der den Himmel und
die Welt,
Bey ſo wunderbarem Wechſel, in ſo richt’ger Ordnung
haͤlt,
Der die ſtille Nacht zur Ruhe dir gegoͤnnet, zu beſingen!
Und ein ſchuldig Abend-Opfer ſeiner Lieb’ und Macht zu
bringen!
Dieſes kann nun fuͤglicher, wie du ſelber wirſt geſtehn,
Wenn du redlich danckſt, mein Geiſt, als durch Dancken,
nicht geſchehn.
Will man aber redlich Dancken; muß man, mit vergnuͤg-
tem Muth,
Sich mit rechtem Ernſt beſtreben, das von GOTT
empfangne Gut,
So
[171]Abend-Andacht.So viel deſſen Meng’ erlaubet, zu betrachten, zu erwegen,
Und, im froͤlichem Erinnern, ordentlich zu uͤberlegen,
Was uns aus dem Gnaden-Born ſeiner Liebe zugefloſſen,
Wie ſo mannigfachen Seegen wir genieſſen, und genoſſen.
Sind nun aber, wie im Meer alle Tropfen nicht zu zehlen,
Auch die Wunder ſonder Zahl, die der Schoͤpfer uns
verliehn;
Wollen wir doch wenigſtens, wie wir ſchuldig, uns bemuͤhn,
Einige derſelbigen vor den andern zu erwehlen.
Und, weil unſre Seele leicht, wenn ſie es erwegt, empfindet,
Wie ſie durch die Sinnen blos mit der Creatur ſich bindet;
Alſo ruͤhm’ ich billig, lobe, preiſ’ und ehre den dafuͤr,
Der, in Sinnen, ſolche Schaͤtze menſchlicher Natur zu goͤnnen
Uns alhier gewuͤrdiget. GOtt gehoͤret wahrlich mehr,
Als wir, leider! ihm erweiſen, fuͤr die Sinnen Preis und
Ehr.
Daß ich heute hoͤren, ſchen, fuͤhlen, riechen, ſchmecken
koͤnnen,
Daß du dazu Ohren, Augen, Haͤnde, Naſ’ und Zunge mir,
Wie geſchenckt, ſo auch erhalten, Schoͤpfer, dafuͤr danck
ich dir.
Daß ich mit Getraͤnck und Speiſen habe Mund und Ma-
gen fuͤllen,
Ja mit mannigfacher Anmuth meinen Durſt und Hunger
ſtillen,
Und mit Luſt mich naͤhren koͤnnen, iſt warhaftig danckens
wehrt,
Da uns GOtt, nicht nur zur Nothdurft, ſondern auch mit
Anmuth naͤhrt.
Daß die mir geſchenckte Glieder, deren eine ſolche Menge
Jnnerlich und aͤuſſerlich, daß der Nerv-und Adern Gaͤnge
Durch
[172]Abend-Andacht.Durch Verſtopfung nicht verſehrt, jene nicht zerhaut,
durchſtochen,
Und durch Feuer, Laſt, und Fallen, nicht verbrannt, zer-
qvetſcht, zerbrochen,
Daß des Fiebers Gift und Brand nicht in meinem Blute
wuͤthet,
Dafuͤr bin ich, liebſter Vater! blos durch deine Huld
behuͤtet.
Hab’ ich aber heut’ auch das, wozu Sinnen mir gegeben,
Nemlich: GOtt in den Geſchoͤpfen zu bewundern zu erheben,
Wie ich ſchuldig war, gethan? hab’ ich auch, durch mein
Geſicht,
Das vortrefliche Geſchoͤpf, unſrer Sonnen Wunder-Licht,
Mit Bedacht, Bewunderung, und, da es ſo wunderſchoͤn,
Auch da es mir alles zeiget, oft mit Dancken angeſehn?
Wenn, durch Leſung guter Buͤcher, ich mich heut erbauen
koͤnnen,
Hab’ ich wol gedacht: nur GOtt hat mir dieſes wollen
goͤnnen?
GOtt gab mir, nebſt meinem Aug’, auch ein geiſtiges Geſicht,
Hat die Schreib’- und Leſungs-Kunſt wunderbar erfinden
laſſen,
Daß wir nicht im Welt-Buch nur und in Coͤrpern ihre
Pracht,
Sondern auch der Geiſter Schoͤnheit, Anmuth, Eindruck,
Feur und Macht
Und in ihnen, ſeine Wunder, Lieb’ und Weisheit moͤg-
ten faſſen;
Hab’ ich auch, wenn ich ſein Wort, oder ſonſt was Guts,
geleſen,
GOttes weiſe Lieb’ ermeſſen? bin ich auch geruͤhrt geweſen?
Hat
[173]Abend-Andacht.Hat auch heute meine Seele, durchs Gehoͤr, mit Danck
und Loben
Fuͤr ſo Lehr’, als Harmonie, zu dem Schoͤpfer ſich erhoben?
Hat ſie, wenn ſie etwas lieblichs, wie vermuthlich iſt, gerochen,
Fuͤr des Riechens Kraft und Vorwurf: Schoͤpfer! Dir ſey
Danck! geſprochen?
Hat ſie, wenn ſich, ſonder Pein, Kaͤlt und Hitze wol gemiſcht,
Ja noch andre ſanfte Vorwuͤff’ ihres Coͤrpers Haut erfriſcht,
Wol des Schoͤpfers Huld gefuͤhlet? hat ſie, wenn ſie es
empfunden,
Auch empfunden, daß dem Geber ſie davor zum Danck
verbunden?
Hat ſie GOTTES Guͤt und Liebe, in der ſuͤſſen Kraft zu
ſchmecken?
Wenn ſie Spreis und Tranck genoſſen, auch zu ſchmecken,
zu entdecken
Und, mit Luſt dafuͤr zu dancken, wie ſie ſchuldig, ſich beſtrebt?
Kurtz: Haſt du zu GOTTES Ehren heut, und als ein
Menſch, gelebt?
Haſt du, mit vergnuͤgter Seele, wahrer Andacht heiſſe
Triebe,
Eine Demuths-volle Ehrfurcht, kindlich-bruͤnſt’ge Gegen-
Liebe
Gegen den allmaͤchtgen Vater, der dir ſo viel Guts ge-
ſchenckt,
Der in deinen Leib und Geiſt ſolche Faͤhigkeit geſenckt,
Heut’ in ſtiller Luſt geſpuͤhrt? haſt du einen regen Willen,
Eines ſolchen holden Gebers Wort und Willen zu erfuͤllen,
Deinen Naͤchſten recht zu lieben, heut in deiner Seel
empfunden?
Haſt du inniglich gewuͤnſcht daß, von grobe Laſtern rein,
Du, fuͤr ſo viel Huld und Wolthat, deinem GOtt gefaͤllig ſeyn,
Recht
[174]Abend-Andacht.Recht ihm danckbar werden moͤgteſt? ſind des heutgen Ta-
ges Stunden
Nuͤtzlich angewendet worden? haſt du, um, nach dieſer Zeit,
Dich an den noch hoͤhern Freuden einer ſeel’gen Ewigkeit
Zu vergnuͤgen, dich vergnuͤget? iſts geſchehn? ſo freue dich;
Danck auch dafuͤr, ruͤhm’ und preiſe deinen Gott abſonderlich.
Weil es aber leider oͤfters unterblieben, will ich mich,
Vater der Barmhertzigkeit, jetzt in Demuth zu dir kehren,
Und in einer ernſten Reue, voll Vertrauen, dich verehren.
HERR, ich flehe dich von Hertzen, voll Betruͤbniß, voller
Schaam
Ueber mein unachtſam Weſen; und, voll Reue, voller Gram
Ueber mein ſo blind Betragen, ernſtlich um Vergebung an,
Ach, verzeihe, wenn ich heute nicht, was ich geſollt-
gethan!
Und da ich nunmehr zur Ruh meine matten Glieder ſtrecke;
Ach ſo laß mich ſanfte ruhn! daß kein boͤſer Traum mich
ſchrecke!
Laß den Leib, doch auch zugleich meinen Geiſt, geſtaͤrcket ſeyn,
Daß ſie beide ihre Pflicht, bey des kuͤnftgen Tages Schein,
Zu beachten faͤhig bleiben, und, zu deiner Ehr’ zu leben,
Zu empfinden, riechen, ſchmecken, ſehn und hoͤren ſich
beſtreben,
Deine Weisheit, Lieb’ und Allmacht, in den wunderbaren
Wercken,
Zu betrachten, zu bewundern, zu erheben, zu bemercken,
Sich mit Luſt beſchaͤftigen! Wann wir auch den Naͤchſten
lieben
Und ihm gutes goͤnnen ſollen, wie Natur und Bibel lehrt,
Ach, ſo bin ich auch an die jetzt zu dencken angetrieben,
Welche Mangel, Kummer, Armuth, Froſt, Gefahr und
Noch beſchwehrt,
Auch
[175]Abend-Andacht.Auch fuͤr die, o ew’ge Liebe! meine Seufzer auszuſchuͤtten,
Und, von dir, Barmhertzigkeit fuͤr die Armen zu erbitten.
Ach, wie mancher Menſch muß ſich jetzt auf harten Boden
legen,
Drauf er, ſonder Dach und Fach, ſich fuͤr Kaͤlte, Sturm
und Regen
Kaum mit alten Lumpen ſchuͤtzet! da ich, mit Beqvemlichkeit,
Jn ſo weichen Feder-Decken mich gemaͤchlich legen kann;
Ach erbarm dich ihrer auch, ſieh’ ihr Elend gnaͤdig an!
Schencke wenigſtens Gedult! und laß, nebſt Gelaſſenheit,
Die Gewohnheit ihre Plagen, wo nicht gantz und gar
vermindern,
Doch in Hofnung und Vertrauen, wenigſtens in etwas
lindern!
Nun ſo ſchließ ich meiner Augen Schlaf-begier’ge Lieder zu,
Und, indem die muͤden Glieder, ſammt den matt-gewor-
dnen Sehnen,
Sich, mit einer neuen Luſt, ſanfte von einander dehnen,
Denck’ ich, mich in dich verſenckend, auf die Luſt der ew’-
gen Ruh.
[figure]
Ver-[176]Vergnuͤgen eine Gabe GOttes.Nachdem ich oͤfters nachgedacht,
Woher es komme, daß die Pracht
Der Creaturen uns nicht ruͤhret,
Und daß von ihrer Herrlichkeit,
Schmuck, Ordnung und Vollkommenheit
Man wenig fuͤhlt, faſt nichts verſpuͤhret?
So faͤllt mir dieſe Frage bey:
Ob etwann die Empfindlichkeit,
Die unſer innerſtes erfreut,
Nicht eine gantz beſondre Kraft,
Ein’ angeſchafne Eigenſchaft
Und Schoͤnheit einer Seelen ſey,
Die wir, ſo wie all andre Gaben,
Von unſerm Schoͤpfer muͤſſen haben,
Und daß wir von uns ſelber nicht
Das ſicht- und unſichtbare Licht
Jn GOttes Wunder-reichen Wercken
Geſchickt und faͤhig zu bemercken.
Weil, da wir ſonſt in dieſem Leben,
Mit ſolchem eifrigen Bemuͤhn,
Uns zu vergnuͤgen, uns beſtreben,
Es ſonſt ja faſt unmoͤglich ſchien,
Die eintzge Quelle wahrer Freuden,
(Da doch derſelben heller Schein
So Sonnen klar, als allgemein;
Worin ſich, wenn wirs recht ergruͤnden,
Selbſt Luſt und GOttes Dienſt verbinden)
So ſehr zu fliehen zu vermeiden.
Wofern nun (wie es in der That)
Es die Bewandniß damit hat;
So
[177]Vergnuͤgen eine Gabe GOttes.So zoͤgert, liebſte Menſchen, nicht,
Um dieſes helle Gnaden-Licht
Den Schoͤpfer bruͤnſtig anzuflehen.
Weil, wo ihr dieſen Strahl nicht fuͤhlet,
Jhr, ohn euch einſt vergnuͤgt zu ſehen,
Jn Sorgen und Begierden wuͤhlet,
Die weder Grund noch Graͤntzen haben.
Erbittet doch, vor allen Gaben,
Die, welche wuͤrdiger als alle,
Die Gabe, daß euch GOTT gefalle!
Jhr ſeyd begluͤckt, wenn euch das Licht
Der Anmuth, aus dem Bau der Welt,
Den GOTT ſchuf, in die Seele faͤllt;
Ungluͤcklich, wenn es nicht geſchicht!
[figure]
M
Auf-[178]Aufgeloͤſeter Zweiffel.Jch habe, leider! oft, wie ich bereits erzehlet,
Mit einem Zweiffel mich gequaͤlet:
Ob fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge,
Nicht aller Menſchen Danck und Ehre, zu geringe,
Zu elend, zu veraͤchtlich waͤren?
Jtzt wuͤnſch’ ich, dir und mir noch ferner zu erklaͤren,
Daß dieſe Zweifels-Laſt, wie ſtarck ſie ſcheint, wie feſt;
Durch die Vernunft ſich dennoch heben laͤßt.
Wie kuͤnſtlich unſer Leib von auſſen und von innen
Gebildet ſey, iſt klar; daß deſſen Kunſt die Sinnen
Zu ihrem Endzweck hab’, iſt auch nicht minder wahr;
Daß durch dieſelben nun die Seelen
Sich mit der Creatur vermaͤhlen,
Jſt gleichfals ſonder Streit. Dieß ſcheint der Endzweck
nun,
Die Abſicht und der Grund. Daß, von der Menſchen
Thun
So herrlich nichts, als die Gedancken, ſeyn;
Stimmt mit Erfahrung uͤberein:
Da alle Dinge nun uns ferner uͤberzeugen,
Daß die Gedancken hoͤher ſteigen,
Als das was Coͤrperlich;
So zeigt von ſelbſten ſich,
Daß die Gedancken ja von uns das groͤſte,
Das herrlichſte, das beſte.
Das Beſte nun von einem jeden Weſen
Scheint fuͤr die GOttheit ja mit allem Recht erleſen.
Von
[179]Aufgeloͤſeter Zweiffel.Von dieſem Beſten nun des Menſchen iſt das Dencken
Voll Ehrfurcht, Luſt und Danck auf GOttes weiſe Macht.
Auf denn! der Seelen Kraft auf ſeiner Wercke Pracht
Mit Andacht und mit Luſt zu lencken,
Und unſer Beſtes ihm, ein frohes Hertz, zu ſchencken!
[figure]
M 2
Muth-[180]Muthwillige Blindheit.Ach, laßt uns, da wir ja in andern Sachen
Nicht ſchlaͤfrig ſind, doch auch zu GOttes Ehren
wachen!
Weil fuͤr ſein Werck, das er ſo wunderbar geſchaffen,
Die Seele leider ſcheint beſtaͤndig fort zu ſchlaffen.
Denn weniger, als wir von GOttes Wundern ſehn
Jm Wachen, kann es faſt im Schlaffen nicht geſchehn.
Bey den Gedancken faͤllt mir ein,
Was unlaͤngſt ſoll von Philopotamus
Geſchehen und geſprochen ſeyn:
Nachdem derſelbe ſich faſt gaͤntzlich blind geſoffen,
Sagt ihm ſein Artzt: wofern er nicht
Sein meiſt bereits verlohrenes Geſicht
Wollt’ uͤberall verliehren; muͤſte Wein
Durchaus nicht mehr von ihm getruncken ſeyn.
Nun was geſchicht?
Er ſieht ein groſſes Glaß voll Wein von ungefehr,
Ergreift es alſobald, ſchlaͤgt hin und her
Mit ſeiner duͤrren Zung’, und ſpricht:
Zu guter Nacht, geliebtes Augen-Licht!
Mit dieſem ſetzt ers an und macht das Wein-Glas
leer.
Faſt jeder wird ob dieſer That erſchrecken;
Doch muß ich vielen dies, zur hoͤchſten Scham, ent-
decken:
Es machte Philopotamus
Durch die Begier ſich leiblich blind;
Allein wie manches Menſchen-Kind
Spricht
[181]Muthwillige Blindheit.Spricht ebenfals: Wenn ich nur reich zu werden tauge;
Vergnuͤgt ſich einmahl nur mein kitzelndes Gefuͤhl;
Erhalt’ ich in der Ehr’ mein vorgeſtrecktes Ziel;
Zu guter Nacht mein Seelen-Auge!
Kann ich nur reicht, geliebt ſeyn, mich erhoͤhn;
Verlang ich nimmermehr, und waͤr es noch ſo ſchoͤn,
Des Schoͤpfers Werck zu ſehn.
Ach moͤchte dieſes dir nicht mindern Schrecken,
Als Philopotamus brutale That, erwecken!
Ach, moͤgteſt du des Schoͤpfers Weisheit, Macht,
Und Lieb’, in ſeiner Wercke Pracht,
Zu ſehen, und mit Luſt zu faſſen,
Dich durch Begierden blind, nicht ferner hindern laſſen!
[figure]
M 3
An-[182]Andacht durch Blumen erregt.Du bluͤheſt, wunderſchoͤne Blume,
Jn deiner Bildung, Farben-Pracht,
Geruch und Schoͤnheit, dem zum Ruhme,
Der dich und alle Welt gemacht.
HErr! gieb uns Augen, daß wir ſehen,
Wie groſſe Wunder bloß durch dich,
So uͤberall, als ſonderlich,
Jm bunten Blumen-Heer, geſchehen!
Laß uns, in ihrem Schmuck und Schein,
Erwegen, daß von dir allein
Sie ihrer Blaͤtter holdes Prangen,
Und zwar zu unſrer Luſt, empfangen!
Laß uns, an ihren bunten Schaͤtzen,
Jn ſtiller Andacht, uns ergetzen,
Und, dir zu Ehren, froͤlich ſeyn!
[figure]
Ge-[183]Erinnerung.Geliebteſte Beliſa, ſprich,
Da du in unſerm ſchoͤnen Garten
So manche Schoͤnheit ſiehſt, und nicht recht ſonderlich
Daruͤber froͤlich biſt; ſprich, worauf wilſt du warten?
Auf welche Zeit verſchiebſt du deine Luſt?
Was auf der Welt vergnuͤgliches zu hoffen,
Wie dir ſo wol, als mir bewuſt,
Jſt ja, GOtt Lob! bey uns ſchon eingetroffen.
Du kanſt und wirſt nichts beſſers hier verlangen.
Ach, ſo verzoͤgre doch nicht laͤnger|, anzufangen,
Dich an den gegenwaͤrt’gen Schaͤtzen
Auch gegenwaͤrtig zu ergetzen,
Und dem, der es uns giebt, zu Ehren, froh zu ſeyn!
Denn, nach der Ordnung der Natur,
Bemerckt man uͤberall die Spur,
Daß ungepruͤfte Luſt und nicht gefuͤhlt Vergnuͤgen,
Mit der beſtaͤndig-regen Zeit,
So wol als die, ſo man gefuͤhlet und genoſſen,
Mit ungehemmter Schnelligkeit
Unwiederbringlich von uns fliegen
Und, eh man ſichs verſieht, bereits davon gefloſſen.
Die Augenblick’ und Zeit, worin uns Anmuth fehlt,
Die wir uns ſelber koͤnnen geben,
Sind uns nicht minder zugezehlt,
Als die Vergnuͤglichſten von unſerm Leben.
[figure]
M 4
Der[184]Der aͤlteſte GOttes-Dienſt.Der aͤlteſte GOttes-Dienſt.Wenn Adam ohne Suͤnd’ in Eden blieben waͤre,
Sammt der, mit welcher ihn des Schoͤpfers Huld
gepar’t;
So koͤnnen wir von ihrer Lebens-Art
Nichts faſſen, als daß ſie, zu ihres Schoͤpfers Ehren,
Zum Preiſe ſeiner Lieb’ und ſeiner weiſen Macht,
An aller Creatur Vollkommenheit und Pracht,
An der Vortreflichkeit und den verlieh’nen Gaben
Sich wuͤrden ungeſtoͤhrt ergetzet haben.
Kein andrer GOttes-Dienſt, als der allein,
Und gar kein’ andre Weiſe
Vom GOttes-Dienſt im Paradeiſe,
Kann uns begreiflich ſeyn.
Hieraus nun iſt ja Sonnen-klar
Und uͤberzeuglich zu bemercken,
Wie GOtt gefaͤllig, noͤthig, wahr
Die Lehre von dem Dienſt des Schoͤpfers in den Wercken.
Auf denn, geliebter Menſch, laß deiner Seelen Kraͤfte
Zu dem ſo noͤth-als nuͤtz-und froͤlichen Geſchaͤfte
Jn Andacht rege ſeyn, beſtrebe dich dahin,
Blos durch Erkaͤnntlichkeit getrieben,
Als Schoͤpfer, Geber, HErrn und Vater ihn zu lieben!
Laß GOtt durch einen jeden Sinn,
Den er dir ja zu dieſem Zweck verliehen,
Zur Ehr’, in deiner Luſt, ein Andacht-Opffer gluͤhen!
Denn nichts ſo ſehr, als dieß, kann unſern Geiſt bereiten
Und nichts ſo ſehr, als dieß, kann unſre Seele leiten
Zu den verlohrnen Herrlichkeiten.
Menſch-[185]Menſchliche Schwachheit.Nachdem ich juͤngſt die Wunder-Pracht
Der ſchoͤnen Welt, wie ſie ſo wunderſchoͤn,
An einem heitern Tag’, im Sommer, angeſehn;
Folgt’ einem ſchoͤnen Tag’ ein’ angenehme Nacht.
Die ſtille Luft, die anfangs ſchwuͤhl,
Ward friſch und allgemaͤhlich kuͤhl.
Kaum daß der helle Glantz der Sonne ſich verhuͤllte;
Als der gekuͤhlten Luͤfte Reich,
Aus Blumen, Laub’ und Kraͤutern, gleich
Ein tauſendfach-gemiſchter Duft erfuͤllte,
Der, da er ſeine Kraft auf tauſend Art vermiſchte,
Den Geiſt, der es erwegt, auf tauſend Art erfriſchte.
Der Daͤmmrung ſanftes Licht, das allgemein,
Und keine Schatten zeugt, nahm Feld und Garten ein;
Biß bald hernach
Ein blaͤuligtes Gewoͤlck’, als wie ein Berg geſtalt,
Am Firmament ſich ſanft zerſtuͤckt’ und brach,
Da alſobald
Der volle Mond, mit roͤthlich-gelben Blitzen,
Durch die geſpaltnen duncklen Ritzen
Mit ſchnellem Wandern ſtrahlte,
Und die bethaute Welt mit Licht und Schatten mahlte.
Mein GOtt, wie ruͤhrte mich, zu deinem Preiſe,
Der jetzt, auf eine neue Weiſe,
Geſchmuͤckte Kreis der ſchoͤnen Welt!
Es war des Monden holder Schein
Recht auſſerordentlich entnebelt, hell und rein,
Er war nicht blaß; ein roͤthlich-gelber Strahl
Bedeckt’ und ſchmuͤckte Wald und Feld,
Befloß und zierte Berg und Thal.
M 5Hier
[186]Menſchliche Schwachheit.Hier ſahe man, nicht ſonder Freuden,
Des Monden guͤldnes Rund durch glatter luckrer Weiden
Geſpitztes Laub gebrochen ſtrahlen
Und ihre Blaͤtter ſich, auf ſeinem hellen Schein,
Als wie auf guͤldnen Grunde, mahlen.
Dort ſieht man, wie der Glantz durch dunckle Buͤſche bricht,
Und in der Dunckelheit um deſto heller blitzet,
Wobey ſein Strahl, wie zugeſpitzet,
Durch dichter Blaͤtter Oefnung ſticht.
Die ſanfte Harmonie von Schatten und von Licht
Vergnuͤgte mich
Recht inniglich
Wie aber nichts vollkommenes allhier,
So fuͤhlt’ ich, daß, bey aller Zier,
Jn alle Luſt, die mich erfriſchte,
Sich etwas bittres miſchte.
Jch fuͤhlt’ ein inniges Betruͤben,
Daß, bey ſo mancherley Vollkommenheit
So mancher Art Geſchoͤpf’, und ihrer Herrlichkeit,
Jch ihren HErrn und Schoͤpfer recht zu lieben,
Zwar einen Zug, doch eine ſolche Kraft
Und Faͤhigkeit von ſolcher Eigenſchaft,
Wie einem ſolchen GOtt gebuͤhrte,
Jn meinem Weſen nicht verſpuͤhrte.
Jndeſſen dacht’ ich auch: mit dem, was ich hienieden
Jn meiner Schwachheit fuͤhl,
Jſt GOtt verhoffentlich zu frieden.
So wie der Coͤrper, hat auch hier der Geiſt ſein Ziel.
Alsdann wird erſt mein Geiſt zur Vollenkommenheit
Jn Luſt und Lob gelangen,
Wenn er dereinſt annoch wird groͤſſre Faͤhigkeit
Zum Loben und zur Luſt empfangen.
Jch
[187]Menſchliche Schwachheit.Jch thue denn, o HErr, allhier ſo viel ich kann,
Und bete dich, mit Luſt, in deinen Wercken an.
Wenn aber doch, wenn etwas ſoll gelingen,
Du ſo das Wollen, als Vollbringen,
Uns geben muſt, und wir vor uns allein
Zu keinem Guten faͤhig ſeyn;
So bitt ich, groſſer GOtt vermehre,
Zu deiner Ehre,
Um deines Nahmens Ruhm auch hier ſtets zu verneuen,
Jn mir die Faͤhigkeit, mich wuͤrdig dein zu freuen!
[figure]
Schmuck[188]Schmuck der Seelen.Schmuck der Seelen.Ach moͤgten unſre Seelen doch, nach ihren Pflichten,
ſich beſtreben,
Und, durch die Werckzeug’ ihrer Sinnen, auf GOttes
Wunder achtung geben!
Ach moͤgten ſie, den Bienen gleich,
Aufmerckſam um dieſelben ſchweben,
Sie wuͤrden nicht allein fuͤr ſich der Anmuth ſuͤſſen Honig
heben;
Sie wuͤrden durch der Schoͤnheit-Schein
Der Creatur, mit der ſie ſich verbunden,
Von GOtt ſelbſt lieblicher geziert gefunden,
Verhoffentlich ihm angenehmer, ſeyn.
Da ihnen, wenn von GOttes Macht,
Jn ſeiner Creaturen Pracht,
Sie oft was liebliches gehoͤret und erblicket,
Sich eine Schoͤnheit ſelbſt durch Dencken eingedruͤcket.
Muß eine Seele nicht, auf ſolche Art geſchmuͤcket,
Zumahl wenn ſie dadurch zu reinen Trieben,
Nach allen Kraͤften GOtt zu lieben,
Gefuͤhret wird; der GOttheit nicht gefallen,
Und angenehmer ſeyn, als wenn wir uns auf Erden
So aͤngſtiglich allein beſtreben, reich zu werden,
Und wir auf nichts, als auf Metallen
Alhier geſehen?
Da ſolche Seelen faſt allein
Aus blos Metalliſchen Jdeen,
Wodurch ſie faſt allein genaͤhret ſeyn,
Der Menſchlichkeit zum Hohn, beſtehen.
Man
[189]Schmuck der Seelen.Man ſtelle ſich nach dieſem Leben
Zwo ſolcher Seelen vor, wovon die eine
Die gantze Lebens-Zeit dem gelben Scheine
Des Goldes nachgeſtrebt; die ander’ Acht gegeben
Auf GOttes Wunder, GOtt in ſeinem Werck’ geehret,
Zu GOttes Ruhm, geſchmeckt, geſehen und gehoͤret;
Was meinſt du, wird ſich GOtt daran
Nicht mehr vergnuͤgen, und ſie wehlen,
Als die (wo man ſo ſagen kann)
Faſt gantz metalliſirte Seelen?
[figure]
Be-[190]Betrachtung.Mit innern Freuden ſteh ich hier,
Beſchaue der Geſchoͤpfe Zier,
Und denck’ an den, der ſie gemacht.
Mich deucht dabey, daß ihre Pracht,
Die meine Seel durchs Aug’ empfindet,
Sie nicht zum daucken nur entzuͤndet;
Nein, daß ſie gleichſam in der Luſt
Zum Schoͤpfer eine Thuͤre findet,
Ja, daß ſich GOTT mit unſrer Bruſt,
Durch dieſes Mittel, ſelbſt verbindet.
[figure]
An-[191]Anmuth des Regens nach groſſer Hitze.Es kochte gleichſam juͤngſt der ſchwuͤhlen Luͤfte Kreis
Durch ſtrenger Sonnen-Strahlen Blitze.
Nicht nur das Land, das Waſſer ſelbſt war heiß.
Es lechtzte Gras und Laub vom Druck der ſchwehren Hitze;
Als unverhoft ein kuͤhler Regen fiel,
So ſtarck, daß alles rauſcht’ und ziſchte,
Wodurch ſich Luft und Land und Wald und Feld erfriſchte.
Was erſt durchhitzet war ward allgemaͤhlig kuͤhl.
Jch ſahe dieß bedachtſam an, und fand,
Daß Nutz und Luſt hieraus, zu GOttes Ruhm entſtand.
Mich daucht’ ob ſehen meine Augen,
Die Blumen, Kraͤuter, Laub und Gras
Das lang’ erſeufzte laue Naß
Mit tauſend kleinen Muͤnden, ſaugen.
Mich deucht’, ich koͤnne, GOtt zu ehren,
Der ihnen neues Labſal ſchenckt,
Der ſie ſo liebreich naͤhrt und traͤnckt,
Jhr ſanftes Schmatzen gleichſam hoͤren.
Ein jeglich welck-, beſtaubtes Blatt
Verſchoͤnert ſich, wird friſch und glatt.
Man ſieht ein angenehm und holdes Dunckel-Gruͤn
So Feld als Garten uͤberziehn.
Ja da des Himmels neues Licht
Sich an der naſſen Glaͤtte bricht,
Kann man, auf allen Blaͤttern, ſchoͤn
Ein Silber gleichſam glaͤntzen ſehn.
Die ſchlaffen Stengel ſteiffen ſich,
Es richten ſich faſt ſichtbarlich
Die
[192]Anmuth des Regens nach groſſer Hitze.Die Blaͤtter in die Hoͤh, es ſtrotzet Laub und Kraut.
Dadurch nun, daß die Luft ſich lieblich abgekuͤhlet,
Wird auch mit Luſt von unſrer Haut
Ein ſuͤſſer Schauder oft gefuͤhlet,
Der ſelber unſern Geiſt ergetzet
Und ihn, wenn ers erwegt, in ein Vergnuͤgen ſetzet,
Das wahrlich nicht gemein.
Mir fiel hiebey dieß Danck-Lied ein:
Ach GOtt! der du uns dieſen Regen,
Und, in demſelben, ſo viel Seegen
Der duͤrr- und matten Welt geſchenckt,
Der du das durſt’ge Feld getraͤnckt,
Der du der welcken Pflantzen Heer,
Zu unſerm Nutz, genaͤhrt, erqvicket,
Und auch zugleich die Welt geſchmuͤcket,
Dir ſey dafuͤr Lob, Preis und Ehr!
[figure]
Nutz[193]Nutz und Nothwendigkeit der
Ueberlegung.Wenn ich der Felder Schmuck, wenn ich der Gaͤrten
Pracht,
Zuſammt der Waͤlder Zier, im Sommer ſehe;
Gedenck ich an die Winter-Nacht
Und wie der Mittags-Schein des Jahrs ſo ſchnell vergehe;
Doch zu dem Endzweck nicht,
Durch ein zukuͤnftig Leid
Die gegenwaͤrt’ge Luſt zu ſtoͤhren,
Wol aber, durch die Fluͤchtigkeit,
Noch meine Freude zu vermehren.
Denn, denck ich: dauret es nur kurtze Zeit;
Warum laß ich die kurtze Zeit verſchwinden?
Warum beſtreb’ ich mich nicht, ſo viel mehr,
So lang als ich es hab’, es oͤfter zu empfinden,
Und, durch ein dergeſtalt oft wiederholt Ergetzen,
Jn laͤngeren Beſitz des guten mich zu ſetzen?
Erwegt man oft die Gegenwart des Guten;
So laͤſſt ſich dadurch gleichſam binden
Die rege Schnelligkeit der fluͤchtigen Minuten.
Gedancken ſind es blos allein,
Wodurch die Guͤter dieſer Erden
Uns zugeeignet werden.
Ach, laßt uns denn beſchaͤftigt ſeyn,
Durch ein in unſre Macht geſetztes Dencken
Uns oft viel Guts uns ſelbſt zu ſchencken!
N
Mannig-[194]MannigfaltigkeitMannigfaltigkeit der Geſchoͤpfe.Jndem ich juͤngſt, geſtreckt im Blumen reichen Graſe,
Bey kuͤhler Abend-Zeit was ich einſt ſchriebe, laſe:
„Der Coͤrper ruht, und mein Gemuͤthe
„Betrachtet dort, betrachtet hier,
„Jn aller Creaturen Zier,
„Des Schoͤpfers Weisheit Macht und Guͤte;
Ward neben mir, als ich bald hin, bald her,
Die ſanften Blicke wandt’, von mir von ungefehr
Ein kleiner Froſch erblickt,
Der gleichſam zahm, mich gar nicht ſcheute,
Und, wenn ich ihn mit ſanften Fingern rieb,
Beſtaͤndig ſtille ſitzen blieb,
Woruͤber ich mich denn verwundert’ und erfreute.
Er gab mir Stunden-lang Gelegenheit,
Auf ſeine Farb’ und ſeinen Stand zu achten,
Und die beſondre Seltſamkeit,
Mit welcher er gebildet, zu betrachten.
Hieruͤber ſchwaͤchte ſich des ſpaͤten Tages Schein,
Es brach die Daͤmmerung herein;
Als eine andre Creatur,
Noch ſonderlicher von Figur,
Mein’ Augen auf ſich zog:
Ein Fledermaͤuschen ſchwaͤrmt’ und flog,
Mit unbefiedertem Gefieder,
Jn tauſend Kreiſen hin und wieder,
Auf eine zitternde geſchwinde Weiſe,
Jn groſſem bald, und bald in kleinem Kreiſe,
Um meinen Sitz herum. Jndem mir nun bekannt,
Wie dieſes Thierchens Form ſo ſonderlich bewandt,
Be-
[195]der Geſchoͤpfe.Bewundert’ ich das groſſe Wunder-Weſen,
Das Stoff und Geiſtigkeit ſo wunderbar erleſen,
Und ſie in dieſem Thier ſo wunderbar verband;
Daß, wenn wir ſie mit ernſtem Fleiß beſehn,
Wir, mit gegruͤndeten und wol-verbundnen Schluͤſſen,
Unwiederſprechlich dieß geſtehn
Und folgern muͤſſen:
Die Schoͤpf- und Bildung ſey nicht ungefehr geſchehn,
Da ſie ſo wunderbar, nach Regeln, Maaß, Gewicht,
Wie alles ander’, ein und zugericht.
Jndem ich alſo ſitz’ und dencke,
Und meinen Geiſt auf dieſen Vorwurf lencke,
Wie unbegreiflich vielerley
Der Creaturen Bildung ſey?
Durchdringt mein Aug’ ein ſchnell und helles Licht.
Der aufgegangne Mond fiel mit geſchwindem Blitzen,
Durchs ſchattigte Gebuͤſch und ſeiner Blaͤtter Ritzen
Mir unvermuthet ins Geſicht.
Jch ſtand denn auf, beſahe ſeinen Glantz,
Jndem er eben gantz,
Mit ungemeiner Luſt. Hieruͤber fiel mir ein:
Wie muß es dorten doch beſchaffen ſeyn!
Was muß des Monden Welt fuͤr mancherley Geſtalten,
Jn ſeinem groſſen Kreiſ’ enthalten,
Die abermahl von allem, was hienieden,
Vermuthlich unterſchieden!
Wer faſſet die Verſchiedenheit
Der gantz von hieſigen Figuren
An Form und Farb’ entfernten Creaturen!
Jſt uns nun gleich der Creaturen Stand
Jn andern Welten nicht bekannt;
N 2So
[196]MannigfaltigkeitSo ſtellet meine Seele mir
Dennoch, zu unſers Schoͤpfers Ehre,
Die Unerſchoͤpflichkeit der Aenderungen fuͤr,
Und hoff’ ich, daß, durch dieſe Lehre,
Bey andern, wie bey mir, ſein Ruhm ſich ſtets verehre.
Nun deucht mich, lieber Menſch, daß ich dich ſprechen
hoͤre:
„Jch weiß nicht wie ich GOtt auf ſolche Weiſe ehre,
„Man hat mich’s nicht gelehrt; wie muß ich’s machen?
Wir muͤſſen unſern Geiſt bey den erblickten Sachen
Jn einen ſolchen Stand bemuͤhet ſeyn zu ſetzen,
Daß wir den Schoͤpfer hoch, in dem Geſchoͤpfe, ſchaͤtzen;
Wir muͤſſen deßfals erſtlich finden,
Wie ſehr es noͤthig ſey, das Dencken
Mit unſern Sinnen zu verbinden.
Wir moͤgen unſern Sinn, worauf wir wollen, lencken;
Es moͤgen Feld und Wald, Sand, Blumen, Holtz und
Stein,
Gebaͤude, Thiere, Graß, Metall, ein ſchnell Gefluͤgel,
Ein Regen-Wurm, ein Fiſch, das Meer, ein Thal, ein
Huͤgel,
Ein Bach, das Firmament, ein Menſch, geſehen ſeyn;
So ſtimmet alles doch hierin ſtets uͤberein:
Es iſt ein Goͤttlich Werck, es iſt von ihm entſtanden,
Ein jedes lehret uns, es ſey ein GOtt vorhanden!
GOtt zeiget ſeine Macht durch alles, was man ſieht,
Wem aber zeigt er ſich, wenn wir nicht das Gemuͤth
Mit unſrer Sinnen Kraft verbinden,
Und, daß der Schoͤpfer wehrt, daß man ihn ehre, finden.
„Mir[197]der Geſchoͤpfe.„Mir kommt, ſeh ich der Creaturen Zier
„Bedachtſam an, nicht anders fuͤr,
„Als ſprech’ ein jeder Ding zu mir:
„Es iſt ein GOtt, ich zeig ihn dir!
Laßt uns denn, wo wir gehn und ſtehen,
Doch alles, was wir ſehn, bemuͤht ſeyn anzuſehen
Als etwas, ſo von GOtt hervorgebracht,
Als etwas, welches GOtt erhaͤlt, das ſeine Macht
Und ſeine Lieb’ und ſeine Weisheit weiſet,
Ja ſeine Gegenwart; das folglich alles wehrt,
Daß man darum, darin darbey, den Schoͤpfer preiſet.
Nun wird er, wie er will geehret ſeyn, geehret,
Wenn man, dadurch geruͤhrt, den Geiſt zum Geber lencket,
Jn froher Achtſamkeit an ihn gedencket,
Und ein’ in uns dadurch erregte Luſt ihm ſchencket.
[figure]
N 3
Bey[198]Bey ErblickungBey Erblickung vieler Blumen im
Garten.Es ſucht mit tauſend Luſt allhier
Der bunten Blumen bunte Zier
Und uͤber-wunder-ſchoͤn Gepraͤnge,
Jn der faſt ungezehlten Menge
Von Liljen, Mah-und Roſen,
Den Augen lieblich liebzukoſen,
Zumahl wenn ein gelinder Weſt,
Der ſanft ſie hin und wieder ſchwencket,
Die Farben durch einander lencket,
Wodurch es denn nicht anders laͤßt,
Als wenn, in bunt-und regem Schein,
Sie lebende Tapeten ſeyn.
Wer kann ſo ſchoͤne Decken ſehen,
Die unſers Schoͤpfers Allmachts-Hand,
Uns zu erfreuen, ausgeſpannt,
Ohn’ ihn in ihnen zu erhoͤhen?
Es ſcheint der bunten Blumen-Flaͤchen
So wunderſchoͤn gefaͤrbte Pracht
Nicht nur allein von ihres Schoͤpfers Macht,
Sie ſcheint auch im Geruch von ihm zu ſprechen.
Ein tauſendfach gemiſchter Duft
Efuͤllt und balſamirt die Luft,
Und ſaget gleichſam unſerm Sinn:
Lenckt doch auf uns die Sinnen hin!
Jhr koͤnnt durch Riechen, Sehn und Schmecken
So Lieb’ als Macht in uns entdecken.
Die Menge ſo verſchiedner Saͤfte,
Die Anmuth tauſendfacher Kraͤfte,
D
[ie][199]vieler Blumen im Garten.Die jetzt aus allen Dingen qvillt,
Und Erde, Luft und alles fuͤllt,
Erfuͤllet dann auch billig mein Gemuͤthe,
Daß es nicht nur verſpuͤhrt und ſieht
Die Schoͤnheit in der bunten Bluͤht,
Die Lieblichkeit im friſchen Gruͤnen;
Nein, daß es, gleich den regen Bienen,
Aus allem gleichfals Honig zieht.
Der Honig, welcher geiſtig iſt
Und eine rechte Seelen-Speiſe,
Jſt, wenn man, unſerm GOtt zum Preiſe,
Sein’ Allmacht, ſeine Lieb’ ermißt,
Und wenn man froͤlich uͤberleget,
Daß was der Welt-Kreis herrlichs heget
Allein der GOttheit weiſe Kraft
Und ſeine Liebe ſchuf und ſchaft.
So ſucht die Kraft der regen Seelen,
Wenn der Geſchoͤpfe Pracht ſie ruͤhrt,
Und ſie darinn den Schoͤpfer ſpuͤhrt,
Nicht nur die Wunder zu erzehlen;
Sie iſt, von Jnnbrunſt heiß, bemuͤht,
Wenn ſie im Werck den Schoͤpfer ſieht,
Durch ein empfindlichs Ueberdencken
Sich ins allgegenwaͤrt’ge Meer
Der GOttheit gleichſam zu verſencken.
Sie wuͤnſcht, zu ihres Schoͤpfers Ehr,
Jn einem durch der Wercke Pracht
Geſchmuͤckten Andacht-vollen Dencken,
Sich ſelber ihrem GOtt zu ſchencken.
N 4Sie
[200]Bey Erblickung vieler Blumen im Garten.Sie wuͤnſcht und hofft zugleich, ſie werde,
Geſchmuͤckt durch ſeiner Wercke Schein,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erde
Ein nicht mißfaͤllig Opfer ſeyn!
[figure]
Das[201]Das durch die Coͤrper verherrlichte
Licht.Man ſiehet jetzt die Welt im Licht-Meer gleichſam
ſchwimmen,
Und in gefaͤrbter Glut der Sonnen herrlich glimmen;
Jhr bunter Glantz, ihr ſchoͤn gefaͤrbter Schein
Scheint himmliſch faſt, nichts irdiſches, zu ſeyn.
Es fiel, indem ich juͤngſt auf einer Hoͤhe ſtand,
Und tauſendfache Luſt am bunten Glantz empfand,
Den mir die Sonne wies, mir folgends ein:
Die Sonne ſcheint, nebſt tauſend ſchoͤnen Dingen,
Der Pflantzen Pracht darum hervor zu bringen,
Damit ihr eignes, uns ſonſt gar nicht ſichtbar, Licht,
Wenn es ſich nicht an Coͤrpern bricht,
Durch dieſe ſchoͤne Zucht der Erden,
Jm Wiederſchlag uns moͤge fichtbar werden.
Denn dadurch, daß ſich an der Coͤrper Flaͤchen,
Jm Wiederſchlag, die ſtrahlen brechen,
Vermag nur an des Lichts ſonſt unbekannten Schaͤtzen,
Sich unſer Geiſt, durchs Auge, zu ergetzen.
Es ſcheint es ließ die Sonne darum blos
Die Pflantzen aus dem duncklem Schoß
Der Erde ſteigen,
Um ihrer Strahlen Pracht in ihnen uns zu zeigen.
Weil ſonſt, wie bunt, wie hell, wie wunderſchoͤn
Der Strahlen Eigenſchaft, nicht, ohne ſie, zu ſehn.
Da wie bekannt, die Farben anders nichts
Als Eigenſchaft- und Mildrungen des Lichts,
So wie ſie an den Bau verſchiedner Coͤrper fallen,
Nachdem die Strahlen an- und wiedr abwaͤrts prallen.
N 5Wann
[202]Das durch die Coͤrper verherrlichte Licht.Wann nun der Sonnen dieſe Kraft
Von dem, der alle Dinge ſchaft,
Zu ſeiner Ehr und unſrer Luſt, gegeben;
So ſollten wir auch billig uns beſtreben,
Wenn wir ſo ſchoͤne Wercke ſehn,
Mit Ernſt ſie nicht nur zu betrachten;
Auch auf die weiſe Art zu achten,
Auf welche Weiſe ſie geſchehn,
Und, als ſo viele Wunder-Proben
Von deſſen Weisheit, Lieb’ und Macht,
Der Coͤrper, Geiſter, Aug’ und Licht hervor gebracht,
Sie anzuſehen, ihn zu loben,
Und in bewundernder Verehrung zu erhoͤh’n!
[figure]
Das[203]Das Schau-Spiel der Natur.Die gruͤn-bewachſnen Huͤgel ſchenen von unten uͤber-
waͤrts zu ſteigen,
Und, wenn wir auf denſelben ſtehn, von oben abwaͤrts ſich
zu neigen.
Die uͤberall-bewachſnen Seiten, wenn ſie kein Ackers-Mann
bebaut,
Deckt Buſch-und Strauch-und Kraͤuter-Werck, inſonder-
heit das Farren-Kraut.
Doch iſt das aller-angenehmſte, wenn auf bebuͤſchter Huͤ-
gel Hoͤh’n
Wir hoher Wipfel gruͤne Daͤcher auf Saͤulen-gleichen
Staͤmmen ſehn.
Da theils, in ſteter Nachbarſchaft, der Buͤchen-Eich- und
Linden Schatten,
Die Kuͤhlung allgemein zu machen, gemeinſchaftlich ſich
gleichſam gatten,
Theils, wenn ſie mehr entfernet frehn, durch Schatten-
Strich’, im Gegenſatz
Vom gelben Korn, vom gruͤnen Klee, die feurig ange-
ſtrahlten Stellen
Noch deſto kraͤftiger erheben, den hellen Schmuck noch
mehr erhellen.
Hier ſieht man, auſſer ſich vor Luſt, manch nach der Schnur
beflantzten Platz
Von hohen dunckel-gruͤnen Eichen, als Scenen auf dem
Schau-Platz, ſtehen,
Wor zwiſchen weiß-und gelbe Felder dem Gold und Silber
aͤhnlich ſehen.
Auf
[204]Das Schau-Spiel der Natur.Auf dieſen ſieht man weiſſen Buch-auf jenen gelben Weitzen
prangen,
Und uͤber ihnen ſchoͤnes Laub von langen Eichen-Aeſten
hangen,
Wodurch, noch herrlicher erhaben durch ihrer Blaͤtter Dun-
ckel-Gruͤn,
Dieß Feld, als waͤr es uͤberſilbert, das dort, als uͤberguͤl-
det, ſchien.
Ach wuͤrde, was auf dieſem Schau-Platz fuͤr ein ſchoͤn
Schau-Spiel wird geſpielet,
Das blos allein in unſrer Luſt auf unſers Schoͤpfers Ehre
zielet,
Und durch die wirckende Natur ohn Unterlaß wird aufge-
fuͤhrt,
Von uns, als Schauern, die vernuͤnftig, mit Luſt geſehn,
mit Danck verſpuͤhrt!
[figure]
Schat-[205]Schatten.Es vermehrt ſo gar der Schatten,
Den das Licht durch Coͤrper macht,
Der Figur und Farben Pracht.
Denn wenn Schatten-Bilder ſich
Mit des Urbilds Bildern gatten;
Stellt ſich der Figuren Zier
Unſern Augen doppelt fuͤr.
Und der Farben Lieblichkeit
Mehrt ſich noch verwunderlich
Durch der Schatten Dunckelheit.
Jn den Waͤldern, auf den Matten,
Wenn wir alle Vorwuͤrff ſehn;
Sind ſie faſt noch einſt ſo ſchoͤn
Durch die Nachbarſchaft der Schatten,
Die das Licht noch mehr erhoͤhn,
Und es auf verſchiednen Stellen
Durch den Gegenſatz erhellen,
Die ſie, durch beweglichs Schertzen,
Nicht ſo, wie es ſcheinet, ſchwaͤrtzen,
Und die Farben nicht vertreiben;
Da ſie wuͤrcklich alle bleiben.
Ferner kann man in der Hitze,
Wie die Schatten ſuͤß und nuͤtze,
Da ſie uns ſo lieblich kuͤhlen,
Wenn man es erweget, fuͤhlen.
Laßt
[206]Schatten.Laßt uns denn, fuͤr Waͤrm’ und Licht,
Auch dafuͤr, daß Coͤrper dicht,
Fuͤrs Gefuͤhl’ und fuͤrs Geſicht,
Danckbar unſerm GOtt uns weiſen,
Und, in unſrer Luſt, ihn preiſen!
[figure]
Ab-[207]Abſchied vom Garten.Mein GOtt! du haſt auf dieſer Welt
Mir ſo viel herrliches geſchencket,
Daß, wenn mein Geiſt es uͤberdencket,
Es aller Gaben ſich ſo gar nicht wuͤrdig haͤlt.
Es lallet mein geruͤhrter Sinn
Voll Danck und Andacht: HErr! ich bin
Nicht wuͤrdig der Barmhertzigkeit,
Nicht wuͤrdig aller Treu und Guͤte,
Die du an mir erzeigt die gantze Lebens-Zeit!
So ſprach ich juͤngſt, mit froͤlichem gemuͤthe,
Als ich in meinem Garten ging,
Und deſſen Schmuck und Lag’ an zu betrachten fing.
Daß alles hier ſo lieblich gruͤnet,
Daß alles uns zur Anmuth dienet,
Davor muß ich, HErr! dir allein
Jn froher Demuth danckbar ſeyn.
Daß du mir alles wollen goͤnnen,
Zumahlen des Verſtandes Kraft,
Daß ich es zierlich ordnen koͤnnen,
Und ſo viel Witz und Wiſſenſchaft,
Es ſo gefaͤllig einzurichten,
Davor erfordern meine Pflichten,
Jn froher Ehrfurcht, dir allein
Zu Ehren, froh und fromm zu ſeyn.
HErr, von aller dieſer Schoͤnheit, von der Farben
Harmonie,
Von dem ſchoͤnen Licht und Schatten,
Von der Blaͤtter-eichen Gaͤnge Laͤnge, Meng’
und Symmetrie,
Die, in froͤlichem Verband, alle hier ſich lieblich gatten,
Ja
[208]Abſchied vom Garten.Ja wodurch, in Pracht und Ordnung, alles ſich
einander ſchmuͤckt,
So, daß nicht leicht ſonder Anmuth es ein frembdes
Aug’ erblickt,
Bin ich billig gantz erſtaunt: ſonderlich wenn ich
mich lencke
Und, woher es eigentlich ſeinen Urſprung hat? be-
dencke.
Du ſelber haſt dieß ſchoͤne Stuͤck der Welt,
Das allen, die es ſehn, gefaͤllt,
Durch meine Hand, o GOtt, gezieret.
Weswegen auch nur dir allein,
(Da nichts von allen dieſem mein,
Natur ſo wol, als Kunſt und Wiſſenſchaften dein,
Als die uns blos von dir geſchencket ſeyn)
Lob, Ehre, Preis und Danck gebuͤhret.
Muß ich nun gleich den ſchoͤnen Ort,
Nach deinen Fuͤhrungen, hinfort,
Und zwar auf lange Zeit, verlaſſen;
So ſuch’ ich mich mit dieſem Troſt hiebey,
Daß es, wills GOtt, doch nicht vor immer ſey;
Jn dem Verluſt zu faſſen.
Wie leicht laͤßt es der Schoͤpfer doch geſchehn,
Daß ich ihn froͤlich wieder ſehn,
Und ſein aufs neu genieſſen kann.
Jch fleh ihn auch, wenn es ſein Gnaden-Wille,
Darum hiemit, in Demuth, an.
Will GOtt es aber nicht; wohlan,
So halt ich ihm, nach meinen Pflichten ſtille,
Da GOttes Wahl auch billig meine Wahl,
Und ſeh’ des Gartens Pracht, mit ſeiner Anmuth Fuͤlle,
Gelaſſen denn hiemit zum letztenmahl.
Mir
[209]Abſchied vom Garten.Mir faͤllt jedoch hiebey ein Wunſch in Schwachheit ein,
Den, wo er dir misfaͤllt, du gnaͤdig wirſt verzeih’n;
Es preßt die Eigen-Liebe mir
Den Seufzer aus: Ach, HErr! gefiel es dir,
Daß, wenigſtens, doch dieſer Garten hier
Bey meinem kuͤnftigen Geſchlechte,
Vergnuͤgt und wol gebraucht, verbleiben moͤgte!
[figure]
O
Herbſt-[210]Herbſt-Gedancken.Jch ſahe juͤngſt, im Herbſt, von Baͤumen die Blaͤtter fal-
len, und erbleichen,
Jch dachte: ſollte man niht Baͤume mit Waſſer-Kuͤnſten
faſt vergleichen?
Jndem der Erden-Saft in ihnen, in Blaͤttern, bald ſich
aufwaͤrts lenckt,
Bald ſich, in eben dieſen Baͤumen, zur Herbſt-Zeit wieder
abwerts ſenckt,
Um abermahl, zu unſerm Nutz, allmaͤhlig in die Hoͤh’ zu
ſteigen,
Und denn aufs neu, zu rechter Zeit, ſich abermahl herab
zu neigen.
Ach, ſaͤhe, zu des Schoͤpfers Ehren, mit froher See-
len, iedermann,
Jn ehrerbietigſter Verwundrung, doch dieſen groſſen
Kreis-Lauf an!
Ach, ehrte man doch deſſen Allmacht, der ſtets im Nord,
Suͤd, Oſt und Weſt
Dergleichen Waſſer-Kuͤnſt’ in Baͤumen voll Anmuth vor
ſich ſpielen laͤſſ’t!
[figure]
Herbſt-[211]Herbſt-Betrachtung.Auf! laßt uns, unſerm GOtt zu Ehren,
Der Erden Herbſt-Schmuck anzuſehn,
Jn Gaͤrten, Feld-und Waͤlder gehn;
Es wird gewiß ſein Lob vermehren!
Kann man wol ſonder Luſt erblicken,
Wie ſich anjetzt, mit neuer Zier,
Und neuen Farben, dort und hier,
Der feuchten Erde Flaͤchen ſchmuͤcken?
Wenn Laub und Schatten duͤnne werden
Erhoͤht und mehrt ſich uͤberall,
Auch ſelber bey der Blaͤtter Fall,
Der ſonſt nur gruͤne Schmuck der Erden
Es aͤndrn ſich anjetzt die Waͤlder;
Das Gruͤn iſt nicht mehr allgemein;
Es funckeln jetzt in buntem Schein
Der Baͤume Gipfel, Garten, Felder.
Ein Baum, wenn ihn, im frohen Lentzen,
Der Sonnen guͤldnes Licht beſtrahlt,
Jſt durch ein roͤhtlich Gelb bemahlt;
So ſieht man jetzt die Baͤume glaͤntzen.
Jetzt ſcheinen die gefaͤrbten Blaͤtter
Und irher Wipfel roͤhtlich Gruͤn,
Als wenn die Sonne ſie beſchien,
Auch ſelbſt bey einem duncklen Wetter.
Wenn auch die Schatten alles druͤcken
Und uͤberziehen; ſieht man ſie,
Doch mit gedaͤmpfter Harmonie,
Mit bunter Glut die Felder ſchmuͤcken.
O 2Hie-
[212]Herbſt-Betrachtung.Hiedurch ſcheint uͤberall im Dunckeln,
Jm Wald’ und Feld’, an manchem Ort,
Auf manchem Baum, bald hier, bald dort,
Ein bunter Sonnen-Strahl zu funckeln.
Es ſcheinet gleichſam eingeſencket
Der Sonnen Glut in ihre Zier,
Als haͤtten ſie, wie Loͤſch-Papier,
Den Strahl der Sonnen eingetraͤncket.
Manch gelb-und roth-gefaͤrbt Gebuͤſche
Macht gleichfals, mit gefaͤrbtem Licht,
Auf mancher Stelle, dem Geſicht
Ein bunt und liebliches Gemiſche.
An denen vormahls dichten Hecken,
Die jetzt zwar ziemlich Blaͤtter-loß,
Doch noch nicht gaͤntzlich nackt und bloß,
Jſt neue Schoͤnheit zu entdecken.
Der Blaͤtter gelb und roͤhtlich Prangen,
Das faſt wie Gold und wie Rubin,
Doch uͤberall vermiſcht mit Gruͤn,
Sieht man an braunen Aeſten hangen.
Man kann auch jetzo mit Vergnuͤgen
Durch bunte Blaͤtter, die ſo ſchoͤn,
Die kleinen bunten Voͤgel ſehn,
Weil ſie faſt unbedecket fliegen.
Der Blick wird uͤberall erfreuet;
Es ziert ſo gar das bunte Laub
Das dunckle Land, den feuchten Staub,
Als waͤren Blumen drauf geſtreuet.
Noch mehrer Schoͤnheit wird erblicket;
Denn wie im Herbſt der Erden-Rund;
So iſt die Luft, nicht minder bunt,
Mit Glantz und Farben ausgeſchmuͤcket.
Man
[213]Herbſt-Betrachtung.Man ſieht mit Luſt in lauen Luͤften
Und am bewoͤlckten Firmament,
Wie ein gefaͤrbtes Feuer brennt
Jn hie und dort zerſtuͤckten Duͤften.
Wenn man nun, wie in Luft und Erden
Ein ſchoͤn gefaͤrbtes Feuer gluͤht,
Jm Herbſt, mit frohen Blicken, ſieht;
So laſſet uns doch danckbar werden!
Laßt uns im Herbſt, mit froher Seelen,
Den Schoͤpfer, der die Zeit der Welt
Jn ſolcher Richtigkeit erhaͤlt,
Beſingen und ſein Lob erzehlen!
[figure]
O 3
Der[214]Der Himmliſche Thau.Der Himmliſche Thau.An einer Pflantze feuchter Spitze
Sah ich, in fruͤher Morgen-Zeit,
Als Erd’ und Luft voll reiner Heiterkeit,
Jn einem Troͤpfgen Thau, viel helle bunte Blitze.
Jch ſprach, als ich vor Luſt mich kaum beſann,
Das bunte Troͤpfgen folgends an:
Wie kommt es, daß in deiner Ruͤnde
Jch ein ſo herrlich, buntes Licht,
Mit faſt geblendetem Geſicht,
Jn ſolchem hellen Schimmer finde?
Drauf deucht mich, daß ich ſehend hoͤrte,
Wie es, mit klarer Schrift, mich dergeſtalt belehrte:
Was mich mit ſolchem Glantz erfuͤllt,
Jſt das mir eingepraͤgte Bild
Der Sonne, die ſo wunder-ſchoͤn,
Und die ihr, obgleich ihre Pracht
Allein die Creatur ſo ſchoͤn, ſo herrlich, macht;
Dennoch kaum wuͤrdigt anzuſehn.
Damit ich nun, ſo viel an mir,
Die Quell des Lichts und Lebens dir,
Zu unſers groſſen Schoͤpfers Preiſe,
Doch wenigſtens im Abdruck weiſe
So ſtell ich dir ihr herrlich Licht,
Durch meine Klarheit, ins Geſicht.
Ja ich verricht’ es nicht allein;
Viel Millionen an der Zahl
Beſtreben ſich, nebſt mir, um auch den Strahl,
Den allbelebenden und Wunder-reichen Schein,
Jn
[215]Der Himmliſche Thau.Jn deutlicher Copie, zu zeigen;
Damit ihr zum Original,
Durch ihren Glantz geruͤhrt, bewundernd moͤget ſteigen.
Jch ward geruͤhret durch die Klarheit
Der von dem Tropffen Thau mir angezeigten Wahrheit;
Jch wendete mein geiſt- und coͤrperlich Geſicht,
Voll Luſt und Danck, zum hellen Sonnen-Licht,
Und danckte GOtt, daß er derſelben Pracht
So wunderbar gemacht.
Dem ſchoͤnen Morgen nun, nach dem der Tag verſchwunden,
Und ſich der Abend eingefunden,
Folgt’ eine ja ſo ſchoͤne Nacht.
Jch ſahe denn, bey heitrer Luft, im Dunckeln,
Die ungezehlten Sterne funckeln.
Wie ich nun fruͤh, vor Luſt erſtaunt, den Thau geſehen;
So kam bey noch in mir vorhand’nen Thau-Jdeen,
Nun auch der helle Himmel mir
Als wie ein weites Feld von glaͤntzendem Sapphir,
Und, recht wie Tropfen Thau, die hellen Sterne fuͤr.
O! rieff ich, welch ein Feld! O! welch ein Wunder-Thau,
Womit ich es erfuͤllet ſchau!
O welche Tropfen! deren Groͤſſe
Jch kaum mit den Gedancken meſſe!
Und die, wie unſer Thau, ihr Prangen
Nur blos von einer Sonn’ empfangen!
O! welche Sonne! die nicht nur ſolch Sonnen-Heer,
Aus ihrem ew’gen Lichtes Meer,
Als ſo viel Tropfen ſchmuͤckt und zieret;
Nein, die derſelben Kraft und Pracht,
Durchs Feur der Lieb’, hervorgebracht,
Zum Nutz der Creatur formiret!
O 4Ach
[216]Der Himmliſche Thau.Ach laß, o ew’ges Liebes-Licht,
So oft ich, in des Himmels Hoͤhe,
Der Sonnen groſſe Tropffen ſehe;
Doch meine Seele, durchs Geſicht,
Zu dir, in ihrer Meng’, als ſo viel Staffeln, ſteigen,
Und, voller Ehrfurcht, nie von deinem Ruhme ſchweigen!
[figure]
Ama-[217]Amarantus criſtatus.Noch kann man ſonder Luſt nicht ſehn,
Wie ſonderlich geformt, wie ſchoͤn
Der purpurfarben’ Amarant,
Der insgemein criſtatus wird genannt.
Er hat faſt keine Form; ſein Blatt beſteht aus Spitzen,
Die ſonderbar vereint zuſammen ſitzen,
Und in ſich ſelbſt, aufs neue, Spitzen reich.
Der meiſten Form jedoch iſt einem Hahn-Kamm gleich;
Kein duncklel-rohter Sammt,
Ja faſt kein feuriger Rubin,
Kann in ſo vollen Farben gluͤhn,
Als dieſe Blum’ in rohtem Glantze flammt.
Wenn ich nun die dem Hahn-Kamm gleiche Blume,
Mit aufmerckſamen Augen, ſehe;
So deucht mich, daß ein Hahn mit ſanfter Stimme kraͤhe,
Um aus dem Schlaf der Unempfindlichkeit,
Zu deſſen Ehre, Preis und Ruhme,
Der alle Vollenkommenheit,
Der aller Dinge Schmuck und Pracht,
Blos durch ein Wort, hervorgebracht,
Mich zu erwecken,
Und ſeine Gegenwart in allen zu entdecken.
[figure]
O 5
Bal-[218]Balſamina.Balſamina.Auch hat mir die ſo ſuͤß’, als holde, Pracht
Der lieblich weiß- und roth-gemiſchten Balſaminen,
Zum Preiſe deß, der ſie gemacht,
Laͤngſt der Betrachtung wehrt geſchienen.
Jhr iſt im bunten Blumen-Reich,
So wohl an Form’, als Farbe, keine gleich.
Sie ſcheint, wenn wir ſie Anfangs ſehn,
Aus mehrern Vlaͤttern zu beſtehn;
Doch ſchauen wir ſie recht; beſtehet die Figur
Blos aus vier Blaͤttern nur,
Die aber ſo verwunderlich verſchrenckt,
Geformet und geordnet ſitzen,
Daß es kein Menſch gedenckt,
Der nicht, mit Achtſamkeit, die Augen auf ſie ſenckt;
Da ſie denn in der That
Faſt die Figur von einer Gieß-Kann’ hat.
An eines rothen Stengels Spitzen
Sitzt erſt ein breites Blatt,
Das uͤberall ſonſt platt und glatt,
Doch oben, wo es ſich ſanft auszuhoͤhlen pflegt,
Ein kleines gruͤnes Spitzgen traͤgt;
An deſſen Fuß erſcheint der andern Blaͤtter Par,
Die in der Mitten
Natuͤrlich ſchienen ausgeſchnitten,
Und welche man ſo lieblich ausgeruͤndet,
So nett gebogen findet,
Daß es ein offnes Hertz formirt,
Jn welchem ſich der Blick verliehrt,
Und ſich in eine Tieffe fuͤhrt,
Die
[219]Balſamina.Die noch ein ander Blatt,
Das von des Ueberfluſſes Horn
Die eigentliche Bildung hat,
Erblicken laͤßt,
Jn deſſen aͤuſſerm Theil, wo ſich das Hoͤrnchen windet,
Man eine Suͤßigkeit geſammlet findet.
Dieß hohle Blaͤttchen, das am rothen Stengel feſt,
Scheint nicht allein mit ſeiner gruͤnen Spitzen
Der breiten Blaͤtter Par zu ſtuͤtzen;
Es faßt es recht, als wie in einer holen Schalen,
Jn welcher die Natur
Noch eine zierliche Figur,
Ein guͤldnes Hertz, zu mahlen
Sich ſtets beſchaͤftiget.
Dieß Hertzgen ſo dieß hohle Blaͤtgen ſchmuͤckt,
Wird durch die Oefnungen der Blaͤttergen erblickt,
Die, wie geſagt, ſo ſonderlich formirt.
An aller dieſer Blaͤtter Fuß
Sieht man ein gruͤnes Koͤlbgen ſitzen,
Deß ich annoch erwehnen muß.
Dieß iſt von laͤnglichter Figur,
Und hat viel tauſend weiſſe Spitzen.
Hier hat die ſich erhaltende Natur
Den Schatz des Saamens eingeleget,
Den es nicht nur, als ein Behaͤlter, heget,
Nein den es gar, ſo bald der Saame reifft,
Jndem es ſich ſo dann ſehr ſchnell zuſammen ſtreifft,
Recht als mit einem Schuß gewaltig von ſich ſtreuet,
Daß jedermann
Sich nicht genug darob verwundern kann,
Und, wenn ers recht erwegt, mit Recht ſich druͤber freuet:
Die
[220]Balſamina.Die Blumen nun, worauf ſich roth und weiß
Jn ungemein- und ſuͤſſem Grad vermiſchen,
Stehn an ſehr zierlichen und ſchoͤn gefaͤrbten Buͤſchen.
Das ſchoͤne gruͤne Blatt nimmt faſt den Preis
Den audern Blaͤttern weg, da es ſo nett formiret,
So zierlich eingekerbt
Und mit dem ſchoͤnſten Gruͤn gefaͤrbt.
Durch dieſes ſchoͤne Gruͤn nun glaͤntzt der Blumen Pracht
Jn einer gruͤnen Schatten-Nacht
Noch deſto lieblicher, da wir recht wunderſchoͤn
Hier weiß, dort roth, durchs Gruͤn erhoben,
Dort gruͤn, dort roth und weiß, recht als beſtrahlet, ſehn.
Ach, ſaͤhe man,
Ohn den, der ſie gemacht, zu loben,
Doch dieſe Blumen nimmer an!
[figure]
Auf-[221]Aufmunterung.Aufmunterung.Da GOtt in ſeiner Creatur
So wunderwuͤrdig ſich erwieſen;
Ja da derſelbe ſich nicht nur
Erwieſen; ſich noch immer weiſ’t:
Wie daß man ihn, wenn man ihn nicht geprieſen,
Auch noch in unſrer Luſt nicht preiſ’t!
Jſt ſein Geſchoͤpf, wie oder er, nicht wehrt,
Daß man in ihnen ihn verehrt?
Jſt etwan, lieber Menſch, fuͤr deinen hohen Geiſt
Das, was er ſchuf, zu niedrig zu geringe?
Es ſcheint ſo gar der Schoͤpffer aller Dinge
Nicht deiner Achtung wehrt zu ſeyn.
Hiedurch nun raubſt du dir nicht deine Luſt allein,
Die er mit ſeiner Ehr (o Liebe) hier verbindet;
Du raubeſt ihm zugleich die Ehre welche man,
Jn ſeinem Werck allein und ſeiner Fuͤhrung findet,
Und ohne ſie nicht finden kann.
Sprich ſelbſt, wenns nicht die Menſchen wollen,
Was doch fuͤr Creaturen ſollen,
Aus einem GOtt ergebnen Triebe,
Empfindlich und erkaͤnntlich ſeyn,
Fuͤr GOttes Weisheit, Macht und Liebe,
Fuͤr ſeiner Gnaden Glantz und Schein?
Worin iſt doch der Unterſcheid,
Der zwiſchen uns und andern Thieren,
Als blos hierin allein, zu ſpuͤhren,
Das wir des Gebers Herrlichkeit
Und Macht und Lieb’, in ſeinen Wercken,
Geſchickt und faͤhig zu bemercken?
Was
[222]Aufmunterung.Was koͤnnen wir, bey ſo viel Gaben,
Die uns von GOtt allein geſchenckt,
Wenn man nicht an den Geber denckt,
Doch fuͤr Entſchuldigungen haben?
Jch mag ſo viel ich immer kann
Den Geiſt auf alle Dinge lencken;
So treff ich nichts ſo wuͤrdig an
Und kann, mit allem meinen Dencken,
Nichts ſeeliger befinden,
Um uns mit GOtt ſelbſt zu verbinden,
Als wenn wir ſeine Groͤß’ in ſeinem Werck’ ergruͤnden.
Es kann ein froͤliches Gemuͤthe,
Wenn wir den Ausbruch ſeiner Guͤte
Und ſeiner Macht und Weisheit ſehn,
Und zu betrachten uns beſtreben,
Nicht nur des Schoͤpfers Ruhm am herrlichſten erheben,
Nein, gar ſich ſelbſt in ihm erhoͤhn.
[figure]
Zum[223]Zum Herbſt.Zum Herbſt.Da ich im Herbſt, in der Allee,
Jn abgefallnen Blaͤttern gehe,
Die, in geſaͤrbter Zierlichkeit,
Als waͤren ſie mit Fleiß geſtreut,
Die dunckel-braunen Steige zieren,
So daß ſie durch die bunte Pracht
Zu deſſen Ruhm, der alles macht,
Mich, inniglich geruͤhret, fuͤhren;
Deucht mich daß auch, da ſie vergehn,
Durch ihrer Farben buntes Glaͤntzen,
Wodurch ſie Steig’- und Beeten kraͤntzen,
Die Blaͤtter ihren HErrn erhoͤhn.
Mich deucht, ob hoͤrt’ ich ſie, vom dunckel-braunen Grunde,
Auf welchem ſie in groſſer Menge lagen,
Mit theils bereits erblaßt-theils annoch rothem Munde,
Mir dieſes noch, zum Abſchied ſagen:
Wir ſcheiden zwar nachdem wir ſchon gegruͤnet,
Und faſt ein gantzes Jahr
Mit Farb-und Schatten dir gedienet;
Allein wir ſcheiden nicht vor immer;
Schau nun die Knoſpen auf den Zweigen,
Die werden dir, in neuem Schimmer,
Uns wiederum in andern zeigen.
Haſt du, durch unſre Schoͤnheit, nun,
So wie du ſchuldig warſt zu thun,
Den Schoͤpfer, den wir dir gewieſen,
Durch oͤftern frohen Danck geprieſen;
So haben wir, da wir gegruͤnt,
Dem Schoͤpfer, auch durch dich, gedient.
Haſt
[224]Zum Herbſt.Haſt du es aber nicht gethan;
So ſieh uns jetzt zuletzt noch an!
Und dancke GOtt, daß unſre Pracht
Dich oft geruͤhrt und froh gemacht.
Denn ihm allein iſt zuzuſchreiben,
Daß wir, mit ſolchem holden Gruͤnen
Bekleidet, dir zur Luſt erſchienen,
Daß wir vergehen und doch bleiben!
[figure]
Liſte[225]Liſte einiger uns von GOTT ge-
ſchenckten und erhaltenen Gaben,
welche, in ihrem Beſitz, uns zur Danckbar-
keit, und, in etwannigem Verluſt einer oder
der andern, durch die Menge der uns noch
gelaſſenen, zu einem vernuͤnftigen Troſt billig
dienen ſolten. Dieſen von uns beſeſſenen Guͤ-
tern ſind einige entfernte Plagen, wofuͤr
GOtt uns behuͤtet, beygefuͤget.Laßt uns wenigſtens verſuchen (um den Undanck zu
beſchaͤmen,
Welcher uns ſo ſtraͤflich macht) einen neuen Weg zu
nehmen:
Ob vielleicht die groſſe Menge aller uns geſchenckten Guͤter,
Wenn wir ſie beyſammen ſehn, die verblendeten Gemuͤther
Aus dem Schlaffe der Gewohnheit etwan zu erwecken
tauge!
Wann nun jeder ſich der Naͤchſte und ſich ſelbſt em-
pfinden kann;
Fang ich von den Wunder-Gaben unſers Coͤrpers billig an:
Haupt und Haͤnde, Fuͤß’ und Arme, Bruſt und Ruͤcken,
Ohr und Auge,
Adern, Nerven, Fleiſch und Haut, Hertz und Blut, Miltz,
Leber, Lunge,
Magen, Nieren, Marck und Knochen, Mund und Naſe,
Zaͤhn’ und Zunge,
P
Haare,[226]Liſte einiger uns von GOtt geſchencktenHaare, Gaum, Gehirn und Wangen, Lippen, Finger,
Augen-Lieder,
Huͤfte, Druͤſen, Eingeweide, Knorpel, Kehle, Halß und
Schlund
Naͤgel, Kniee, Rippen, Achſeln, Muskeln und viel andre
Glieder:
Der Gebrauch von allen dieſen, daß ein jegliches geſund,
Daß die Nerven nicht zerriſſen, kein Gelenck verdreht,
die Knochen,
Durch viel unverſehne Faͤlle, nicht geſplittert, nicht ge-
brochen,
Da zumahl am gantzen Coͤrper keine Stell’, auch noch ſo
klein,
Die bey uns nicht Schmertzen faͤhig, nicht empfindlich iſt
vor Pein,
Daß von allen dieſen Theilen tauſend Uebel abgewandt:
Daß kein Podagra, kein Fieber, keine Ruhr, kein Grind,
kein Brand,
Keine Waſſer-Sucht, kein Schwulſt, keine Schwind-
Sucht, Peſt und Stein,
Keine Maſern, Pocken, Raͤude, Laͤhmung, Zaͤhn- und
Magen-Pein
Ungebehrde, Wuͤrmer, Faͤlle, Schaͤbigkeit, Zerſtuͤmmelung,
Schwehrer Huſt, Geſchwuͤhre, Frieſel, mancherley Be-
ſchaͤdigung,
Darm-Gicht, Bruͤche, Taub- und Blindheit, Schwindel,
Schlag-Fluß, Seiten-Stechen,
Nebſt viel tauſend andern Plagen, uns nicht qvaͤlen, uns
nicht ſchwaͤchen.
Daß nicht minder unſer Geiſt, von Betruͤbniß, Raſerey,
Schwermuth, Unruh, Angſt, Verwirrung, und von
ſchwartzen Sorgen frey;
Dieſe
[227]und erhaltenen Gaben.Dieſe von uns ferne Qvalen, die uns alle druͤcken koͤnnen,
Sind die nicht von ſolchem Wehrt, daß wir dem ein Danck-
Lied goͤnnen,
Der mit Vaͤterlicher Vorſorg’, auf ſo viele Weiſ’ und Art,
Leib und Seele biß daher vor ſo mancher Qual bewahrt,
Ja daß von ſo vielen Plagen nicht nur Mann und Frau
allein,
Sondern oft ſo viele Kinder wunderbar behuͤtet ſeyn?
Laßt uns denn nun weiter gehn, und der Guͤter Meng’
erwegen
Die ſich um, und bey, und an uns, uͤberall vor Augen legen;
Wie viel Millionen Guts zeigt die Qvell der Waͤrm’ und
Wonne,
Auch des wunderſchoͤnen Lichts und der Fruchtbarkeit, die
Sonne
Auf dem Erd-Kreis uͤberall! Was iſt nicht im Meer, im
Regen,
Jn den Waͤldern, auf den Feldern, auf den Bergen, in
den Gruͤnden,
Jn den Gaͤrten, in den Wieſen und in Fluͤſſen vor ein
Seegen
Und vor eine Wunder-Menge, uns allein zum Nutz, zu
finden?
Was hat nicht die Kunſt der Menſchen der Natur noch
beygefuͤget,
Daß man ſich nicht nur zur Nothdurft, auch noch zur
Beqvemlichkeit,
An mit kunſt-verbundnen Wundern der Natur, zu aller
Zeit,
Durch Betrachtung und Erkaͤnntniß, mit dem hoͤchſten
Recht, vergnuͤget.
P 2Laßt
[228]Liſte einiger uns von GOtt geſchencktenLaßt uns denn der Dinge Menge, die uns naͤhren, die
uns nuͤtzen,
Auch die uns dabey vergnuͤgen nicht mehr unvermerckt be-
ſitzen!
Werden wir nur ihre Zahl, blos dem Nahmen nach,
erwegen;
Moͤgt’ die Menge die erſtaunlich, uns vielleicht zum Danck
erregen.
Aller Elementen Kraͤfte, Feuer, Waſſer, Luft und Erde,
Die fuͤnf Sinnen: Hoͤren, Schmecken, Fuͤhlen, Riechen
und Geſicht,
Das uns all’ erfreu’nde Sonnen-Sternen-Mond- und Ker-
tzen-Licht,
Voͤgel, wild- und zahme Thiere, Ochſen, Kuͤhe, Schaaf’
und Pferde,
Laub und Kraͤuter, Gras und Blumen, Brodt und Kaͤſe,
Wein und Bier,
Aepfel, Birne, Rocken, Weitzen, tauſend Feld- und
Garten-Fruͤchte,
Acker, Wieſen, Wald und Feld, tauſend Land- und See-
Gerichte,
Eyer, Milch und Mehl und Butter, Buͤcher, Feder und
Papier,
Rede, Schriften, und Erfindung, Arbeit, Ruhe,
ſuͤſſe Traͤume,
Weiche Betten, Tuch und Decken, Speiſe, Tranck,
Beqvemlichkeit,
Peltzwerck, Haus-Geraͤhte, Zimmer, Freyheit, Friede,
Sicherheit,
Haͤuſer, Gaͤrten, Staͤll’ und Scheuren, Vorwerck, Obſt-
und wilde Baͤume,
Fuhr-[229]und erhaltenen Gaben.Fuhr-Werck, Futter fuͤr das Vieh, Knecht’ und Maͤgde,
Hanf und Flachs,
Diſtillier-Kunſt, Tiſch und Stuͤhle, Druckereyen, Far-
ben, Wachs,
Mancherley Beqvemlichkeiten, vor des Wetters Ungemach
Schirm vor Froſt, vor Sturm und Nebel, vor dem Re-
gen Dach und Fach,
Brenn-Holtz, Nahrung, Erbſchaft, Freunde, Fleis,
Geſundheit, Appetit,
Wolgerahtne Kinder, Eltern, gut Gemahl, und
Anverwandte,
Obrigkeiten, Zuͤnfte, Staͤnde, gute Nachtbarſchaft,
Bekannte,
Schiffahrt, Handel, Geld und Baarſchaft, Habe,
Kaufmannſchaft, Credit,
Ueberlegung, gute Neigung, Wiſſenſchaften und Vernunft,
Witz, Begrif, Gedaͤchtniß, Kuͤnſte, Kuͤnſtler, Hand-
werck, Artzeney,
Poeſie, Matheſis, Schulen, Recht, Muſic und
Mahlerey,
Ein Vergnuͤgen an der Arbeit, froͤliche Zuſammenkunft,
Schutz vor Ueberfall, Verdienſt, Sprachen und Ge-
ſchicklichkeit,
Ueberfluß, ein redlich Hertz, Billigkeit, Zufriedenheit,
Hofnung, Zuflucht, Troſt im Ungluͤck, mit Bedacht
ſpatzieren gehen,
Und, nebſt dienlicher Bewegung, GOtt in ſeinen Wer-
cken ſehen,
Nicht zu heftige Begierden, ein beqvemer Auffenthalt,
Guter Anſtand in den Sitten, eine leidliche Geſtalt,
P 3Nebſt
[230]Liſte einiger uns von GOtt geſchencktenNebſt viel tauſend andern Guͤtern auſſer uns, an deren
Schaͤtzen
Wie ſie die Natur uns beut, wir geſchickt uns zu ergetzen.
Der ſo holden Zeiten Wechſel, Regen, Thau und Son-
nen-Schein,
Daͤmmrung, Fruͤh- und Abend-Roͤthe, in des Himmels
tieffen Ferne
So viel glaͤntzende Planeten, ſo viel Millionen Sterne,
Und, auf unſrer Welt, fuͤr uns, Fluͤſſe, Baͤche, Sand
und Stein,
Saltz und Schwefel, Honig, Zucker, nicht zu zaͤhlen-
des Getraide,
Kleidung gleichfals ſonder Zahl, Wolle, Leinwand,
Sammt und Seide,
Die ſo nuͤtzliche Metallen, Eiſen, Silber, Gold und
Bley,
Kupfer, Stahl und Zinn und Meßing, Salben, Oel
und Specerey,
Aus ſo weit entfernten Laͤndern, Fruͤcht’ und ungezehlte
Wahren
Die zu Land, und durch die Fluth, auch die Ebb’, uns zu
gefahren,
Kuͤhle Schatten in der Hitze, Feur und Ofen in dem
Froſt,
Holde Blumen in dem Fruͤhling, und im Herbſt den ſuͤſ-
ſen Moſt,
Anſehn und ein gut Gewiſſen, GOttes-Furcht, ein gut
Exempel,
Ruhigs Schlafen, muntres Wachen, froͤlichs Eſſen,
Ehr’ und Ruhm,
Hofnung, Freudigkeit, Erkaͤnntniß, Menſchen-Liebe,
Chriſtenthum,
Fleiß, Geſetze, gute Lehrer, Ordnung, Policey und Tempel.
Auſſer[231]und erhaltenen Gaben.Auſſer noch viel andern Guͤtern, Leibes-Gluͤcks-und See-
len-Gaben,
Die wir von des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Lieb’
empfangen haben.
Wann nun auch entferntes Uebel ebenfals ein Gluͤck
zu nennen,
Muͤſſen wir auch deren Mangel billig als ein Gluͤck erkennen.
Laßt uns denn auch davon etwas uns zum Troſt annoch
beſehn
Und mit Ehrfurcht, daß der Schoͤpfer uns dafuͤr bewahrt,
geſtehn.
Hunger, Armuth, Durſt|und Bloͤſſe, ſchweres Graͤmen,
Schaden, Schuld,
Theurung, Krieg und Tyranney, Haß, Verachtung,
Ungedult,
Trauer, Zwang, Verluſt und Bande, Schifbruch,
Ueberſchwemmung, Brand,
Aufruhr, ungerahtne Kinder, Schimpf, Verlaͤumdung,
Unverſtand,
Zanck und Rachgier, Zagheit, Eifer, Schand’ und Un-
verſoͤhnlichkeit,
Schrecken, Uebermuth und Unfleiß, Tummheit, Un-
zufriedenheit,
Diebe, Raͤuber, und Verfuͤhrer, Unbeqvehmlichkeit
und Pein,
Streit, Verbannung, Ueberdruß, Spott wenn wir in
Noͤthen ſeyn,
Neid, Belagerung’, Verfolgung, Mord, Verrath,
Betrug und Feinde,
Kummer, Vergewaltigung, Jrrthum, Thorheit,
falſche Freunde.
P 4Dieſes
[232]Liſte einiger uns von GOtt geſchenckten ꝛc.Dieſes ſey vor dieſes mahl nun genug. Wo in der
Welt
Etwas uͤberzeigendes, daß wir GOtt zum Danck verbunden;
Wird es in der groſſen Menge ſeiner Gaben ja gefunden,
Die er uns nicht nur geſchencket, die er uns ſo lang’ erhaͤlt.
Moͤgten wir ein ſolch Regiſter dann und wann nur uͤber-
leſen,
Sollte man faſt hoffen muͤſſen, von der Unempfindlichkeit,
Von dem ſchwartzen Undancks-Laſter, ungerechtem
Hertzeleid,
Von der ſelbſt-gemachten Schwermuth, Klag’ und Mur-
ren zu geneſen;
Sonderlich wenn wir erwegen, wie doch ſo gering’ und
klein
Unſer aller Wuͤrdigkeiten, menſchliche Verdienſte ſeyn.
[figure]
Noth-[233]Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit,
und das Gute, ſo wir darin beſitzen,
zu erwegen.Wie ungluͤckſeelig ſind wir Menſchen, und zwar da-
durch faſt blos allein,
Daß wir fuͤr das beſeſſne Gute, unbillig, unempfindlich ſeyn!
Die groͤſten Schaͤtze, die wir haben, ſind, wie wir ja
geſtehen muͤſſen,
Geſundheit, Guͤter, gut Geruͤchte, Bequemlichkeit und
gut Gewiſſen;
Doch wird uns leider ihr Genuß blos durch Gewohnheit
ſo entriſſen,
Daß, da wir nicht daran gedencken, uns der Beſitz gantz
unbewuſt
Und wir ſie leider gar nicht fuͤhlen, als in derſelbigen
Verluſt.
Die Urſach iſt leicht zu ergruͤnden: Wir ſind vom Schoͤ-
pfer ſo gemacht,
Daß des Genuſſes beſter Theil in anders nichts beſteht, als
Dencken;
Doch wir bemuͤh’n uns leider nicht, der Seelen Kraft
darauf zu lencken,
Wodurch zugleich der Danck verſchwindet. Da dieſes
nun unſtreitig wahr,
So wird zugleich der gantze Fehler durch ſolche Wahr-
heit offenbahr.
P 5Allein
[234]Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, ꝛc.Allein, wie faͤngt man es denn an, von dieſem Ungluͤck zu
geneſen,
Das alles Ungluͤcks Urqvell iſt? Es macht uns die Gewohn-
heit blind
Und taub und fuͤhl-los. Unſer Geiſt, als der von einem
regen Weſen,
Kann gantz unmoͤglich muͤßig ſeyn. Die feurigen Begierden
ſind
Dadurch bey uns gleich wilden Pferden, die nimmer ſtille
ſtehen koͤnnen,
Den Ort, woſelbſt ſie ſind, nicht achten und ſtets nach
fernem Ziele rennen;
Ja durch die allerſchoͤnſten Wieſen, ohn’ alles, was aus
ihnen ſchoͤn,
Ergetz- und nuͤtzlich zu genieſſen, zu ſehen, immer weiter
gehn.
Wir ſchieben den Genuß von allem, was wir beſitzen, im-
mer auf,
Und gleichen Geitzigen, die ſcharren in ihrem gantzen Le-
bens-Lauf,
Biß an den Tod, um ſich ſo dann an ihren eingeſchloſſnen
Schaͤtzen
Den Reſt des Lebens zu ergetzen.
Wann wir bey dieſem Zuſtand nun die Fluͤchtigkeit der
Zeit betrachten,
Und, bey derſelben ſchnellen Flucht, auf unſre kurtze Dauer
achten,
Erwegen, was wir einſt geſchrieben: Wir ſcheinen faſt
in unſerm Leben
Mit einem ſtetem Nichts umgeben;
Er-
[235]Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, ꝛc.Erwegen, daß die Gegenwart ſo kurtz, und faſt be-
ſtaͤndig fliehe,
Daß ſie, beſtaͤndig fortgezogen, das kuͤnft’ge ſtetig zu
ſich ziehe,
So daß, in ihrer ſteten Flucht, ſie faſt nur ſcheint,
als wenn ſie waͤr;
Denn halb iſt ſie noch nicht erſchienen, und halb iſt
ſie bereits nicht mehr:
So ſag ich, finden wir kein Mittel, uns auf der Erde zu
vergnuͤgen,
Als wenn wir ein vernuͤnftges Dencken zum fluͤcht’gen Ge-
genwaͤrt’gen fuͤgen.
Auf dieſe Weiſe blos allein haͤlt man der Zeiten ſchnellen
Lauf,
Wenn man, was man beſitzt, erweget, durch frohes Den-
cken gleichſam auf;
Man macht ſie dadurch gleichſam feſt, ja eignet ſie ſich gleich-
ſam zu,
(Zumahl da ein ſtets kommend Kuͤnftig der Gegenwart
Verluſt erſetzt,
Daß man es nicht vergangen fuͤhlet) und alles ſcheint in
ſteter Ruh.
Es hat, bey unſrer kurtzen Dauer und Fluͤchtigkeit von un-
ſerm Leben,
Der maͤchtig-gut-und weiſe Schoͤpfer zwey Mittel uns zum
Troſt gegeben,
Die kurtze Luſt uns zu verlaͤngern; er hat ſie in uns ſelbſt
geſenckt;
Er legt die Faͤhigkeit in uns, wenn man nur ordentlich
gedenckt.
Man
[236]Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, ꝛc.Man kann durch Hoffen und Erinnern die kuͤnft’gen und
vergangnen Sachen,
Durch Dencken, gleichſam ſchon vorher und wieder ge-
genwaͤrtig machen.
Jndem es nun unſtreitig wahr, daß unſer wuͤrckliches
Vergnuͤgen,
Ja gar, im Danck, das wahre Lob des Schoͤpfers, blos
im Dencken liegen;
Ach, ſo verſaͤumt, geliebte Menſchen, doch euer Gluͤck
und eure Pflicht,
Zu dem Geſchaͤfte, das ſo noͤthig, als leicht und nuͤtzlich iſt,
doch nicht!
Wo etwas noch in unſrer Macht, ſo ſind es die Gedancken
ja,
Als die wir gleichſam ſelbſt erzielen, daran wir ſelber aͤn-
dern koͤnnen;
Jndem nun ſolche Faͤhigkeit uns unſer Schoͤpfer wollen
goͤnnen
Und er uns ſo gemacht, als wenn, zu unſrer Luſt und
ſeinen Ehren,
Von unſerm wuͤrcklichem Vergnuͤgen wir gleichſam ſelber
Meiſter waͤren:
Ach, ſo beſtrebt euch immer mehr, durch ein bedachtſam
ſehn und fuͤhlen,
Zu eurer Luſt und GOtt zum Ruhm, den holden End-
zweck zu erzielen:
Durch eure fluͤchtigen Gedancken der Zeiten Fluͤchtigkeit zu
binden,
Sein Lob und eure Luſt zu mehren durch ein vernuͤnftiges
Empfinden!
War-[237]Warnung fuͤr Afterreden.Wie waͤr es, lieber Menſch, wenn man gewißlich
wuͤſte,
Ja, wenn man auch nur zweifeln muͤſte,
Daß etwann, nach gewiſſen Jahren,
Dein Nechſter alles wuͤrd’ erfahren,
Was etwann hinterruͤcks dein Mund von ihm geſprochen,
Wuͤrd es auch gleich durch anders nichts gerochen:
Was meinſt du, wuͤrdeſt du dich nicht entſehn,
Mit ihm auf die Art umzugehn,
Wie du es jetzo machſt? Nun koͤmmt es mir
Nicht nur der Wahrheit aͤhnlich fuͤr,
Ob werde dieß dereinſt geſchehn;
Jch find in heil’ger Schrift ſo gar die Spuren ſtehn:
Die Dinge die verborgen waren
Wird GOtt, zuſammt dem Raht der Hertzen, offenbaren;
Dieß ſtehet deutlich da. Drum diene ſolch Entdecken
Dich vom Gewohnheits-Schlaf zu wecken,
Und von Verlaͤumdungen und Laͤſtern abzuſchrecken.
[figure]
Noth-[238]Nothwendige Verehrung des
Allgegenwaͤrtigen.Zoͤg’ ein groſſer Fuͤrſt, verkleidet, unbekannt im Land’
umher,
Und ein Unterthan vermeinte ihn zu kennen; ſollt er nicht
Bey Verwundrungs-vollen Mienen und mit froͤlichem
Geſicht
Etwas Gutes gerne ſprechen, zu des Landes Fuͤrſten Ehr?
Und wir wiſſen, daß der Schoͤpfer, durch den ſo viel
Guts geſchicht,
Jmmer bey uns gegenwaͤrtig. Laßt uns denn doch auch
nicht ſchweigen;
Sondern uͤber ſeine Wunder, ihm zum Ruhm, uns froh
bezeigen!
[figure]
Troſt-[239]Troſtreiche Groͤſſe GOttes!Die unermaͤßliche Beſchaffenheit
Von unſers Schoͤpfers Groͤß’, die in die Ewigkeit,
So ſonder Ende, ſich erſtrecket,
Und dadurch faſt, da unſer Geiſt ſo klein,
Und wir faſt gegen ihn fuͤr nichts zu rechnen ſeyn
Durch gar zu groſſe Groͤß’ uns ſchrecket,
Jſt dennoch voller Troſt; weil ſie ja nicht allein
Sich in die Fern’ und von uns abwerts ſencket;
Nein, da ſie alle Ding’ erfuͤllt; iſt dieß der Schluß,
Daß ſie ſich gleichfals zu uns lencket,
Daß ſie uns gleichfals nah, ja uns beruͤhren muß.
[figure]
GOtt[240]GOTT regiret alles.Gereichet’ es dem groſſen All zur Ehre,
Zu glauben, daß mit dem, was klein,
Sich zu befaſſen, ihm zu niedertraͤchtig waͤre;
So wuͤrd’ ich andrer Meinung ſeyn.
Weil aber, ſonder allen Streit,
Weit groͤſſere Vollkommenheit
Erfodert wird, um alles zu regiren,
Als etwas nur; wird es uns ja gebuͤhren,
Vielmehr das herrlichſte vom Schoͤpfer zu gedencken,
Als ſeine Macht und Weisheit einzuſchrencken;
Zumahl, wie es ja leichtlich zu erkennen,
Nichts eigentlich fuͤr GOtt klein oder groß zu nennen.
[figure]
Spuren[241]Spuren der GOttheit.Alle Ding’ in der Natur,
Die wir ſchmecken, hoͤren, ſehen,
Deuten klaͤrlich an, geſtehen,
Und erinnern uns nicht nur,
Daß ein GOtt, ein Schoͤpfer ſey;
Sondern, wenn wir redlich hoͤren,
Hoͤren wir die weiſen Lehren:
Daß wir ſeiner GOttheit Schein,
Der ſo hell, als allgemein,
Zu bewundern zu verehren,
Pflichtig und verbunden ſeyn.
Aller Sternen helle Heere,
Die im Boden-loſen Meere,
Jn den Tieffen ohne Graͤntzen,
Allenthalben um uns glaͤntzen,
Zeigen, bey entwoͤlckter Nacht,
Von der Wercke Wunder-Pracht,
Zeigen von des Schoͤpfers Macht,
Jn der wirckenden Natur,
Uns die allerklaͤrſte Spur;
Sah’, am unbekandten Strande,
Dorten Bias in dem Sande
Mathematiſche Figuren;
Sprach er: ſehet Menſchen-Spuren!
Wie viel mehr kann man in Sternen
Der Sapphirnen Himmels-Hoͤh’n
Spuren einer GOttheit ſehn,
Dieſe groſſe Wahrheit lernen:
Q„Der
[242]Spuren der GOttheit.„Der, nur, der der Sonnen Menge
„Sammt den Schaaren aller Welt,
„Jn ſo herrlichem Gepraͤnge,
„Jn ſo richtger Ordnung, haͤlt,
„Sie ſo wunderbar regiret,
„Jſt, dem ewig Preis gebuͤhret!
[figure]
Heil-[243]Heilſahme Schwaͤche.Will man von Hochmuth aufgeblaſen, von Stoltz
geſchwollen, ſich erheben;
So dencke man doch, wo und wie uns unſer Leben wird
gegeben.
Es wird die Menſchheit, ſonder Zweiffel, ſich weniger er-
hoͤh’n, als ſchaͤmen,
Erwegt man Art und Ort, wie wir und wo wir unſern
Anfang nehmen;
Betrachten wir hiebey des Coͤrpers hinfaͤllige Beſchaffenheit,
Der Kranckheit Laſt, des Lebens Kuͤrtze und fluͤchtige Ver-
gaͤnglichkeit
Erwegt man mit geſetztem Sinn, ohn Vorurtheil, zugleich
dabey,
Wie ſelber unſer Geiſt ſo ſchwach, ſo eitel, und ſo niedrig
ſey;
Wie oft ihn Leidenſchaft bemeiſtert; wie wir ſo wenig
gruͤndlich wiſſen;
Wie oft er ſich ſo weit verirret: wird man denn nicht ge-
ſtehen muͤſſen,
Daß wir uns hier auf dieſer Welt, mit allen unſern Vor-
zugs Gaben,
Mit allem eingebildten Witz, nicht ſehr zu bruͤſten Urſach
haben.
Sey aber darum nicht betruͤbet: es fließt aus der Erkenntniß
mehr,
Als was man anfangs glauben ſolte. Es fließt daraus, zu
GOttes Ehr,
Der Naͤchſten-Liebe Quell, die Demuth, im Leben; und
wann wir erblaſſen
Der Glaub’, in welchem wir gedultig auf ſeine Lieb’ uns
blos verlaſſen.
Q 2
Un-[244]Unempfindlichkeit.Da wir von GOtt, in dieſer Welt, unzehlich Gutes
uͤberkommen,
Und, zum Beſitz ſo vieler Guͤter, der kuͤnſtlichen fuͤnf Sinnen
Thuͤren;
Wie koͤmmt es denn, daß wir dadurch nicht tauſendfache
Luſt verſpuͤhren?
Hat etwann unſer Feind, der Teufel, uns die Empfindlich-
keit genommen?
[figure]
Die[245]Die beſte Gabe der Menſchen.Mein GOtt! was ſoll ich dir doch geben
Fuͤr alles, was, in meinem Leben,
Mehr als man ſinnet, weiß und denckt,
Mir deine Vater Huld geſchenckt?
Wenn ich mich ſelbſt und alles meine
Dir, HErr, zur Gabe reichen wollte,
Und alles dir zum Opffer zollte;
So iſt es doch ſchon alles deine.
Es leidet deine Groͤſſe nicht,
Die unermaͤßlich, zu gedencken,
Ob koͤnne man dir etwas ſchencken;
Da dir von allem nichts gebricht.
Was aller Himmel Himmel faſſen,
Und alle Welt, gehoͤrt ja dir;
Und dennoch ſcheints als waͤre mir
Noch etwas zum Geſchenck gelaſſen.
Jch opfre dir, fuͤr deine Guͤte,
Ein, von der Creaturen Zier
Erfuͤlltes, froͤliches Gemuͤhte,
Woraus die heiſſe Danck-Begier,
Fuͤr alle Gnade, die uns hier
Dein Gnaden-Will empfinden laͤßt,
Oft einen frohen Seufzer preßt.
Q 3Ein
[246]Die beſte Gabe der Menſchen.Ein froͤliches: GOtt Lob! allein
Wird meine gantze Gabe ſeyn.
Ein ſolches freuden-reiches Lallen,
Gewirckt durch danck-begier’ge Triebe,
Wird, uns zum Nutz, o ew’ge Liebe,
Allein aus Liebe, dir gefallen.
[figure]
Die[247]Die vergaͤngliche Dauer der
Natur.Sind gleich Blumen fluͤcht’ge Bilder irdiſcher Be-
ſchaffenheit;
Zeiget doch ihr Wiederkommen der Natur Beſtaͤn-
digkeit.
[figure]
Q 4
Sene-[248]Seneca.Was kann es eigentlich doch fuͤr Vergnuͤgen geben,
Daß ich mich in die Zahl derjenigen, ſo leben,
Auf dieſer Welt geſetzet ſehe?
Daß etwann Speiß und Tranck durch meine Gurgel gehe?
Daß ich den morſchen Leib, der doch ſo ſchwaͤchlich,
Der, wenn man ihn nicht ſtets erfuͤllet, ſo gebrechlich,
Beſtaͤndig pfropf’ und ſtopf’ und faſt nur leb’ allein,
Ein Kranckenwaͤrter hier zu ſeyn?
Wofern man ſeinen Geiſt nicht nach dem Schoͤpfer lencket,
Und ſeine weiſe Lieb’- und wunderbahre Fuͤhrung,
Die Wunder ſeiner Macht und herrlichen Regierung,
Jn Ehrfurcht voller Luſt, bewundernd uͤberdencket,
Und inniglich geruͤhrt, ihn innig liebt und ehrt;
So iſt das Leben hier auf Erden
Nicht einſt ein Gut genannt zu werden,
Nicht, daß man es begehre, wehrt.
[figure]
Taͤg-[249]Taͤglicher Wunſch.Ach GOtt, ich kann mit tauſend Freuden
Mein Hertz an deinen Wundern weiden;
Ach laß es oft von mir geſchehn!
Gieb daß ich heut und jeden Tag,
Zu deiner Ehr’, oft hoͤren, ſehen,
Empfinden, riechen, ſchmecken mag!
Laß auch mein Beyſpiel andre leiten,
Damit von deiner Herrlichkeiten
Allgegenwaͤrt’gem Glantz und Schein
Noch mancher mag geruͤhret ſeyn!
[figure]
Q 5
Lehre.[250](***)
Lehre.Des Lebens weſentliches Gut iſt eine Still’ in unſrer
Seelen,
Die, wenn man mit Vernunft verfaͤhrt, wir uns nach
unſerm Stand’ erwehlen,
Und uns zu einem Endzweck ſetzen. Es iſt nichts noͤhtigers
im Leben
Als daß wir, dieſer kuͤnft’gen Ruh, uns, ſo viel moͤglich
iſt, beſtreben,
Die Luſt und Reitzung auf zu opfern, die uns die Gegen-
wart zu reichen,
Und uns dadurch ſtuͤrtzen pfleget, eh’ oft kaum wenig
Stunden weichen.
Es muͤſte keine Leidenſchaft ſo lebhaft und ſo reitzend
ſeyn,
Daß ſie, durch ſich, uns hindern ſollte, das Urtheil nicht
vorher zu ſehen,
Das, uͤber unſer Thun und Laſſen, dereinſt wird von uns
ſelbſt ergehen,
Wenn eine kurtze Trunckenheit den Uberlegungen wird
weichen,
Die ihr ſtets pflegen nachzufolgen. Vielleicht wirfſt du
mir hierauf ein:
Soll
[251]LehreSoll denn ein Trunckener ſo gut, als ob er nuͤchtern waͤre,
dencken?
Das iſt ja ſchlechter dings nicht moͤglich. Doch hoͤr’! ein
Weiſer, wenn er trinckt,
Nimmt ſich doch auch beym Trunck in acht, in Spott und
Schimpf ſich nicht zu ſencken,
Als wie ein wilder Trunckenbold, der ſtets dadurch in
Schande ſinckt;
Drum brauch (jetzt ſiehſt du daß ich dich nicht mit zu ſtren-
gem Joch belade)
Der gegenwaͤrt’gen Luſt! doch ſo: daß ſie der kuͤnftigen
nicht ſchade!
[figure]
Die[252]Die Danckbarkeit.Die Danckbarkeit.Oft hab ich bey mir uͤberlegt, nachdem ich uͤberzeuglich
ſehe,
Daß mehrentheils in frohem Dancken der wahre GOttes-
Dienſt beſtehe,
Was Dancken eigentlich denn ſey? Wenn man der Men-
ſchen Danck erweget,
Und die gemeine kalte Art zu dancken ernſtlich uͤberleget;
So kommt es mir nicht anders fuͤr:
Als daß man mit dem bloſſen Schall der Worte: HERR,
ich dancke dir!
Die GOttheit gnug bezahlet glaube: ohn daß, vom An-
dachts-Feur geruͤhret,
Die Seele, durch Erkaͤnntlichkeit empfangner Gaben, et-
was ſpuͤhret,
So ſie zur Gegen-Liebe reitzt, und das ſie von der Macht
und Guͤte
Des groſſen Schoͤpfers aller Dinge unwiederſprechlich
uͤberfuͤhret.
Wenn noch, von ſo viel tauſenden, die gar nicht dancken,
ein Gemuͤthe
Dem groſſen GOtt einſt dancken will, ſo werden ihm Jdeen
fehlen;
An Worten fehlt es ebenfalß. Man weiß nicht was man
ſagen ſoll;
Ein kalt GOTT Lob! erſchallt noch wol.
Koͤmmts hoch, ſo wird man, als was neues, die Wohl-
that einem Freund’ erzehlen.
Auf, laßt uns denn den gantzen Geiſt, auf, laßt uns
unſrer Seelen Kraͤfte,
Mit Ernſt bemuͤht ſeyn anzuwenden zu dieſem heilſamen
Geſchaͤfte!
Ein
[253]Die Danckbarkeit.Ein wahrer Danck iſt eine Frucht von einer Seelen, die
geruͤhrt
Durch Wolthat, welche ſie empfangen, und die, durch
ſolche Luſt getrieben,
Entflammte Danck-Bewegungen und eine frohe Sehnſucht
ſpuͤhrt,
Dem Geber angenehm zu ſeyn, aus allen Kraͤften ihn zu
lieben,
Und, in Erwegung des Geſchencks, Erkaͤnntlichkeiten aus-
zu uͤben,
So weit nur ihr Vermoͤgen reicht. Je mehr erhaben nun,
je groͤſſer
Und maͤchtiger der Geber iſt; je wuͤrdiger zugleich und
beſſer
Die Gabe: je gewaltiger entſtehn die Feuer-reichen Triebe
Von einer Ehrfurcht-vollen Neigung und dienſt-begier’gen
Gegen-Liebe.
Wo nun vom menſchlichen Geſchlecht dem Schoͤpfer etwas
kann gefallen,
Muß es von einer frohen Seelen ſolch Danck- und Lie-
bes-Opffer ſeyn!
Allein! wenn wir dem Schoͤpfer dancken, verſpuͤhrt man
wol ein ſolches Wallen
Von Lieb und Luſt in unſern Seelen? ſolch eine Sehn-
ſucht? leider, nein!
Wir fuͤhlen nicht einmahl die Schaͤtze, die GOtt in ſolcher
Fuͤll’ uns giebet,
Wer ſchmeckt den Reichthum ſeiner Guͤte? wir riechen,
ſehn, und hoͤren nicht.
Bewundert und erwegt man wol, was blos durch ſeine
Macht geſchicht?
Bedenckt man, mit vergnuͤgter Seele, wie ſehr uns unſer
Schoͤpfer liebet?
Ja
[254]Die Danckbarkeit.Ja wuͤrdigt man ſo viele Gaben, die er allein uns doch
geſchencket,
Daß, im bedachtſamen Genuß, man ihr ſich freut und ſein
gedencket?
Treibt uns noch die Gewohnheit einſt, wie oder die Religion
Zum Dancken, iſt es kalt und kurtz; man hoͤret keinen
andern Thon,
Als etwan: Hoͤchſter, dir ſey danck! da wir doch, wenn
wir etwan beten,
Mit vielen ausgeſuchten Worten beredt genug zur GOtt-
heit treten,
Mit vielen Wiederhohlungen, was GOtt doch weiß, von
ihm verlangen,
Wovon man bald des Dancks vergißt, ſo bald wir es von
ihm empfangen.
Dadurch nun daß wir GOttes Gaben nicht wuͤrdigen, ſie
zu ermeſſen,
Einfolglich, nie darob erfreuet, des mehr als ſchuld’gen
Dancks vergeſſen,
Entſteht in unſerm gantzen Weſen durch unſer’ Unem-
pfindlichkeit
Ein murriſch, unvergnuͤgt Gemuͤthe, Verdruß und Unzu-
friedenheit,
Auch dann, wann wir im Gluͤcke ſitzen, und dieß entſtehet
blos allein
Daraus, daß wir auf GOttes Wercke ſo gar unbillig-
achtlos ſeyn.
Der Schoͤpfer wird im Werck verachtet, man ehrt nicht
GOtt, ſich ſelber nur,
Dieß
[255]Die Danckbarkeit.Dieß zeiget Stoltz und Eigen-Liebe. Aus dieſen ſchwar-
tzen Qvellen flieſſen
Ein ſtoͤrrig, wiederſinnig Weſen, zum Guten Traͤgheit,
keine Triebe
Von einer holden, kindlichen, mit Freundlichkeit vermiſch-
ten Liebe,
Wodurch denn gegen unſern Naͤchſten auch Haß und Bit-
terkeit entſprieſſen.
Man weis von keiner Furcht fuͤr GOtt, als einer Knechti-
ſchen; man wuͤhlt
Jm Neid’ und Geitz beſtaͤndig fort, weil man ſonſt kein
Vergnuͤgen fuͤhlt.
Nun ſtelle dir zwo Seelen fuͤr, gantz von einander unter-
ſchieden,
Die eine froͤlich, freundlich, fromm; die andre nimmer
recht zu frieden,
Stets murriſch, ſtoͤrrig, graͤmlich, traurig. Die eine
Seele zeigt in allen
Erkaͤnntlichkeit, Danck, Liebe, Sanftmuth, Vergnuͤgen
und Gelaſſenheit;
Die andere Misvergnuͤgen, Unmuth, Gram, Wieder-
willen, Bitterkeit;
Sprich ſelber welche ſolte dem, der alle beid’, in dieſer
Zeit,
Zu ſeiner Ehr’, in ſeinen Wercken vergnuͤgen wolte, doch
gefallen?
Entſteht nun aus der Nicht-Erkaͤnntniß ſo vieler uns ge-
ſchenckten Gaben
Und aus den nicht erwognen Wundern, die wir hier zu
betrachten haben,
Des
[256]Die Danckbarkeit.Des Undancks Wuſt, und aus demſelben ein Laſter- und
ein Ungluͤcks-Heer;
Ach, ſo gewehnt euch, liebſte Menſchen, zur Luſt, zum
Danck, je mehr und mehr!
Denn, ſtimmt mit hier empfangnen Guͤtern ein frohes
Dancken uͤberein;
Wird GOtt und Naͤchſter recht geliebet, du hier vergnuͤgt,
dort ſeelig ſeyn.
[figure]
Quelle[257]Quelle alles Guten.Jch bewundre deine Wunder, und ich bet’ in ihnen an
Dich, o wunderbarer Schoͤpfer, Quell des Lichts
und aller Dinge;
Ob ich gleich, wie dieſes alles eigentlich aus dir entſpringe,
Nicht zu faſſen faͤhig bin, weniger beſchreiben kann.
Eben, daß dieß meine Seele nicht begreiffet, ſtellet mir
Meinen Geiſt, ſo wie er iſt,
Klein; dich gleichfals, wie du biſt,
Unbegreiflich, weiſ’, unendlich, liebreich und allmaͤchtig
fuͤr.
Die Erkaͤnntniß dein- und meiner, ſo aus deinen Wercken
qvillt,
Womit deine Lieb’ und Allmacht aller Himmel Himmel
fuͤllt,
Wirckt, zu deinen wahren Ehren, wahre Demuth, wahre
Liebe,
Wahre Sehnſucht, dir gefaͤllig, danckbar, froh und from
zu werden;
Sie erzeugt zugleich die dir angenehmen Liebes-Triebe
Gegen unſern Neben-Menſchen. Kann denn wol auf dieſer
Erden
Ein GOtt-liebers Opfer ſeyn, als ein Hertz, das ſeine
Macht,
Seine Weisheit, ſeine Liebe, in der Creatur, erweget,
Und, in ihr, die Herrlichkeit ihres Schoͤpfers, mit Bedacht,
Sieht, bewundert, ehrt, und froͤlich ſeine Wunder uͤberleget?
[figure]
R
Alart.[258]Alart.Es hatte P.. S.. juͤngſt ſich vorgenommen, ſeinen Hund,
Den treu-und muthigen Alart, recht voͤllig einmahl
ſatt zu machen;
Er warf, des Endes, manchen Biſſen von dem, was auf der
Tafel ſtund,
Nebſt weiß-und ſchwartzem Brodt ihm zu. Alart riß den
geſchloſſnen Rachen
Bey jedem Wurf ſchnell von einander, ſchlang den erhaſch-
ten Biſſen nieder,
Ohn ihn zu kauen und zu ſchmecken, und ſchloß den heiſ-
ſen Rachen wieder,
Mit ſtarrem Blick nach mehr ſich ſehnend. Jch ſah’ Alarts
Betragen an,
Daß er von aller Niedlichkeit der ihm gegoͤnnten guten
Biſſen,
Weil er ſie ungekaͤut verſchlang, nicht das geringſte muſte
wiſſen.
Ach, dacht ich bey mir mit Betruͤbnis, ach leider! daß faſt
jedermann
Mit dem uns zugeworffnen Guten, ſo uns der Schoͤpfer
hier beſchehrt,
Und oft in reichem Maaß uns goͤnnet, recht eben wie
Alart verfaͤhrt!
An ſtatt uns an Geſundheit, Klugheit, Geld, Ehr’,
und noch viel andren Gaben,
Die GOtt uns oft ſo reichlich ſchenckt, in froͤlichem Ge-
nuß zu laben,
An
[259]Alart.An ſtatt des groſſen Gebers Guͤte und Macht und Weiß-
heit zu entdecken;
An ſtatt, fuͤr die empfangnen Guͤter, erkenntlich froh und
fromm zu ſeyn;
So ſchlingen wir, ohn Danck und Anmuth, was uns ge-
ſchenckt ſtets hungrig ein,
Weil wir, in unterlaſſnem Dencken, nicht hoͤren, ſehen,
fuͤhlen, ſchmecken.
[figure]
R 2
Sinn-[260]Sinnlicher Beweiß daß GOtt in den
Geſchoͤpfen zu ehren.Da wir in der Religion und unſrer heil’gen Bibel Lehren
Schon koͤnnten unterwieſen werden, durch einen
Sinn allein: durchs Hoͤren;
So ſage mir, zu welcher Abſicht der Schoͤpfer doch in dieſem
Leben
Der andern Sinnen Wunder-Gaben und tauſend Vor-
wuͤrff’ uns gegeben,
Als ſeine Weisheit, Macht und Liebe, in ſeinen wun-
derbaren Wercken,
Mit Luſt und mit Bewunderung, in heil’ger Andacht zu
bemercken.
Sein herrlich Regiment in allem zu ſpuͤhren, ſchmecken,
und zu ſehn,
Und dergeſtalt mit Leib und Seele ſein Goͤttlich Weſen zu
erhoͤhn?
[figure]
Wort[261]Wort des Schoͤpfers.Wir finden in der Schrift: daß aller Himmel Pracht
Sey durch das Wort des HErrn gemacht;
Und alle ſeine Heere,
Als Sonnen, Welte, Land und Meere,
Durch ſeines Mundes Geiſt. Jſt dieſes wahr,
Wie es unſtreitig iſt; ſo folget dieſes klar:
Man ſieht an einem jeden Ort
Auch in der Creatur des HErrn, des Schoͤpfers, Wort.
Es hat nicht aufgehoͤrt. Sein Wort kann nicht vergehen,
Wie eines Menſchen Wort, das, gleich wie ein Geſchrey,
Dahin, vorbey.
Es ſchallt in Ewigkeit. Wenn ich dieß uͤberlege
Und Ehrfurcht voll dieß groſſe Wort erwege;
So kommen mir
Der Creaturen-Heer’, als Lettern, fuͤr,
Die GOtt ſo wunderbar gefuͤget,
Worinn der Sinn des Schoͤpfers lieget,
Und worinn mehr, als man wol, leider! meint,
Der GOttheit Weſen glaͤntzt und ſcheint.
Will man denn nun, bey ſo beſtalten Sachen,
Nicht vom Gewohnheits-Schlaf erwachen?
Will man, zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Sein ewigs Wort nicht ſchallen hoͤren?
Will man die ſchoͤne Schrift, die wunder-wunder-ſchoͤn,
Nicht beſſer, als bisher, mit Luſt und Andacht ſehn?
Will man den Jnnhalt nicht verſtehn,
Der anders nichts als bruͤnſt’ge Triebe
Von einer ewig-weiſ- und ewig maͤcht’gen Liebe?
R 3
Be-[262]Betrachtung unſerer Seelen-Kraͤfte.Unſre Seele ſcheint ein Weſen,
Uns von GOTT dazu erleſen,
Jn den wunderbaren Wercken
Seine weiſe Macht zu mercken,
Seine Liebe zu empfinden,
Seine Wunder anzuſehn,
Seinen Nahmen zu erhoͤhn;
Aber, was er ſey verſtehn,
Seine Wege zu ergruͤnden,
Seine Fuͤhrung, Eigenſchaft,
Zweck und Regiment zu faſſen;
Ueberſteiget ihre Kraft
Und ſie muß es unterlaſſen.
[figure]
Der[263]Der Traum.Der Traum.Jch lag, voll ſchwartzer bittrer Sorgen,
Jn eines Kerckers Gruft und dunckler Nacht verborgen;
Die Feſſel druͤckten mich; doch mehr noch, als die Bande,
Die Furcht der kuͤnftigen Verachtung, Straff’ und Schande
Da dacht’ ich, welch ein Schatz die guͤldne Freyheit ſey.
Jch that die Augen auf, und fand mich wuͤrcklich frey,
Von aller Furcht erloͤſ’t, von aller Pein geneſen;
Denn meine Noth, (GOtt Lob) war nur ein Traum geweſen.
Jch danckte billig GOtt. Doch dacht’ ich noch dabey,
Ob etwann die Melancholey,
Womit ſich viele Geiſter qvaͤlen,
Nicht einem ſchweren Traum der Seelen
Gar fuͤglich zu vergleichen ſey?
Noch mehr: ob nicht ein Traum uns koͤnn’ ein Vorbild
geben
Von einer Seelen-Pein, ſo gleich nach dieſem Leben?
[figure]
R 4
Eigent-[264]Eigentliche EhreEigentliche Ehre des Schoͤpfers.Unmoͤglich kann ich mich entlegen,
Zu unſers groſſen Schoͤpfers Ehr’,
Von ſeiner Ehre noch was mehr,
Als biß dahero, zu erwegen.
Zu GOttes Ehr’ iſt jedermann,
Wie uns Vernunft und Schrift berichtet,
So viel man immer weiß und kann,
Nach aller Moͤglichkeit verpflichtet.
Allein, bedencket man es recht,
So ſcheint das menſchliche Geſchlecht,
Durch ein ich weiß nicht was verfuͤhret,
Und, blos aus Eigennutz getrieben,
Statt Ehre, die nur GOtt gebuͤhret,
Nur in der That ſich ſelbſt zu lieben.
Man glaubt, daß man den Schoͤpfer ehrt,
Wenn man ihm danckt, daß er uns naͤhrt,
Wenn man oft eine Predigt hoͤrt,
Wenn wir, aus bruͤnſtigem Verlangen,
Die Seeligkeit dort zu empfangen,
Und etwan, hier auf dieſer Welt,
Beqvemlichkeiten, Ehr’ und Geld,
Mit oͤfters wiederhohltem Beten,
Vor ihn, zur Fruͤh-und Mittags-Zeit,
Bald mit, bald ſonder Andacht, treten.
Allein, wenn ich es recht betrachte,
So ſcheinet dieſes eigentlich,
Als ob hierin man mehr auf ſich,
Als auf die Ehre GOttes, achte.
Ja,
[265]des Schoͤpfers.Ja, wenn anch etwas von der Ehre
Fuͤr GOtt, in dem Betragen, waͤre,
Als nemlich: eine Zuverſicht,
Daß GOtt uns alles Gutes goͤnne,
Daß er allein uns helffen koͤnne;
So iſt es doch die Abſicht nicht,
Als welche, wenn mans recht ermißt,
Auf uns faſt blos gerichtet iſt.
Denn koͤnnten wir in dieſem Leben
Uns alles Gute ſelber geben,
So frag’ ich dich, ob nach der Weiſe,
Wie wir gewohnt an GOtt zu dencken,
Man oͤfters, zu des Schoͤpfers Preiſe,
Jhm Danck und Ehre wuͤrde ſchencken?
Du wirſt mir, leider! zugeſtehn,
Es wuͤrde ſelten gnug geſchehn.
Hieraus nun kan man deutlich ſehn,
Wenn wir den Schoͤpfer ehren wollen,
Daß wir unwiederſprechlich ſollen
Uns mit weit mehrerm Ernſt beſtreben,
Der Seelen edelſt’ Eigenſchaft,
Die ihr verliehne beſte Kraft,
Das Ueberlegen und das Dencken
(Weil man den Schoͤpfer ſelbſt ohn ſein Geſchoͤpf nicht ſieht)
Mit treu-und redlichem Gemuͤth,
Auf ſeine Creatur zu lencken,
Als deren Schoͤnheit, Ordnung, Pracht,
Am allermeiſten ſeine Macht
Und ſeine Lieb’ und Weisheit weiſen,
Um ihn am wuͤrdigſten zu preiſen.
R 5Wann
[266]Eigentliche EhreWann wir, wie wir ja billig ſollen,
Was GOttes Ehr’? erkennen wollen,
Und worinn ſie beſteh’? ergruͤnden;
So macht uns die Erklaͤhrung zwar,
Die wir im Catechiſmo finden,
Es ziemlich deutlich offenbar,
Da wir darinn erbaulich leſen:
Man ehre recht des Schoͤpfers Weſen,
Wenn wir auf ſeine Guͤte bauen,
Jhn lieben, fuͤrchten, ihm vertrauen.
Dieß faſſet alles, das iſt wahr,
Und machet unſre Pflichten klar,
Doch, da es etwas allgemein,
So wird noch zu erklaͤren ſeyn
Die Urſach, und wie ſehr GOtt wehrt,
Daß man ihm traut, ihn liebt und ehrt.
Wir koͤnnten auſſer GOttes Wercken
Nicht einſt der GOttheit Weſen mercken;
Dem Geiſt zeigt das Geſchoͤpf allein:
Es muß ein GOtt, ein Schoͤpfer ſeyn!
Ja dieß erklaͤhret noch dabey
So wol daß als auch was er ſey.
Noch mehr, nur dieß zeigt, daß er wehrt,
Daß man ihm dient, ihn liebt und ehrt.
Es kann kein wuͤrdiger Begriff von Ehre ſeyn,
Als dieſer blos allein,
Wenn um erkannte Treflichkeiten,
Und nach Beſchaffenheit der Vollenkommenheiten,
Man jemand hoch in ſeiner Seelen ſchaͤtzt
Und, nach erkanntem Recht, ihn uͤber andre ſetzt.
Um
[267]des Schoͤpfers.Um Wolthat, welche man empfangen,
Jſt Dancken unſre Pflicht inſonderheit;
Um Wolthat kuͤnftig zu erlangen,
Wird das Gebet gebraucht, mit hoͤchſter Billigkeit;
Die Ehr’ hingegen iſt allein
Blos der Bewundrung Frucht. Auf welche Weiſe nun
Kan jemand doch von uns bewundert ſeyn,
Wenn man ſein Wunder-wuͤrdigs Thun
So viel nicht achtet,
Das mans erweget und betrachtet?
Des groſſen Schoͤpfers Thun ſind alle ſeine Wercke.
Wenn ich dieſelbige nun nicht bemercke,
Jſt auch zugleich des Schoͤpfers Macht
Und Lieb’ und Weisheit nicht bedacht.
Einfolglich, wenn wir ſie nicht ſchmecken, ſeh’n, und hoͤren,
Da GOtt nicht ohne ſie zu ſehn,
Jſt es unmuͤglich, GOtt zu ehren.
Hingegen ehrt man ihn, wenn ſeinent wegen nur,
Aus Ehrfurcht, die man fuͤr ihn heget,
Man gegen ſeine Creatur,
Ein’ Art Reſpect und Achtung traͤget.
Wenn man ſie, als von GOtt hervorgebracht, erweget,
Worin er ſelbſt ein Bild von ſeiner Macht gepraͤget.
Je mehr ich meinen Geiſt auf dieſe Wahrheit lencke,
Und auf die Wichtigkeit derſelben dencke;
Je mehr entdecket ſich in mir ein helles Licht,
Das uns ſo gar nebſt der, wie uns gebuͤhret,
Den Schoͤpfer zu erhoͤhn, zugleich noch auf die Pflicht,
Wie man den Nechſten liebet, fuͤhret.
Wer
[268]Eigentliche EhreWer den Zuſammenhang recht eigentlich
Von dieſer Lehr’ erweget, der befindet,
Daß auch die Naͤchſten-Liebe ſich
Auf Goͤttlichen Geſchoͤpfs Betracht- und Achtung gruͤndet:
Uns iſt, als eine Pflicht, befohlen,
Daß man den Naͤchſten lieben ſoll;
Der Grund von dieſer Pflicht iſt, daß er ja ſo wol,
Als wir, von eben dem den Urſprung hergenommen,
Von welchen wir gekommen.
Des Naͤchſten Coͤrper iſt ſo kuͤnſtlich, als der deine;
Mit deinem ſtammt ſein Geiſt aus einer Quelle her;
Er iſt zu unſers Schoͤpfers Ehr’
Ein Werckzeug ja ſo wol, als wie du ſelber biſt;
Dein Weſen iſt nicht beſſer, als das Seine.
Betrachteten wir ihn als GOttes Creatur,
Wie er ja wuͤrcklich iſt;
Und waͤren erſt gewohnt, den Schoͤpfer in den Wercken,
Nach unſrer Schuldigkeit, mit Ehrfurcht, zu bemercken;
So wuͤrden wir, dadurch geruͤhrt, nicht nur
Des Naͤchſten Leben ihm nicht mehr verleiden,
Jhn weder haſſen noch beneiden,
Jhn nicht verfolgen, nicht verfluchen,
Wie leider oft geſchicht: o nein, vielmehr
Wuͤrd’ jeder ſelbſt des Schoͤpfers Ehr’,
Den Naͤchſten hoch zu achten,
Auch Naͤchſten-Liebe, ſuchen.
Be-
[269]des Schoͤpfers.Begreifft ihr nun hieraus, geliebte Menſchen, nicht,
Was an der Creatur Betrachtungen gelegen?
Da nicht nur unſre Luſt, da nicht nur unſre Pflicht,
Da ſelbſt der GOttes-Dienſt, wenn wir es recht erwegen,
Mit ſelbigen vereint.
Verſchmaͤht den Strahl doch nicht, der euch ſo helle ſcheint!
Nimmt man nun, wie man ſoll, des Schoͤpfers Liebe,
Macht,
Und Weisheit uͤberall in dem Geſchoͤpf’ in Acht;
Wird man des Hoͤchſten Ruhm am wuͤrdigſten vermehren,
Und dieß heißt eigentlich allein, den Schoͤpfer ehren.
[figure]
Die[270](***)
Die Seiffen-Blaſe.Als von meinen Soͤhnen einer neulich Seiffen-Blaſen
machte,
Und ich uͤber den Betrieb ſeiner Einfaͤll’ anfangs lachte;
Ward ich endlich, da er eine, die vor andern groß und
klar,
Und von wandelbaren Farben unbeſchreiblich herrlich war,
Durch den wunderſchoͤnen Glantz, der recht unvergleichlich
ſchoͤn,
Faſt gezwungen, mit Bedacht, ihre Schoͤnheit anzuſehn.
Jch erſtaunte, wie ich hier ein ſo bunt-gefaͤrbtes Licht,
Jn faſt uͤber-ird’ſchem Schimmer, ein faſt brennend Roht,
ein Gruͤn,
Das den reineſten Smaragd, ſo wie jenes den Rubin,
Wuͤrcklich uͤbertraf, erblickte. Aber ein Sapphirner
Schein
Und ein helles Purpur-Feuer, eine mehr als guͤldne Glut
Nahm, mit einem ſchnellen Wechſel, augenblicks die Stel-
len ein,
Die erſt gruͤn und roth geweſen. Jn dem Glantz, der nim-
mer ruht,
Sah ich mit erſtarrten Blicken, als im Diamantnen Spiegel,
Himmel, Erde, Haͤuſer, Fenſter, Waͤlder, Felder, Thal
und Huͤgel
Sich in ſchnellen Farben bilden, als ein neues Wunder, an,
Welches alles uͤbertraf, was man ſeh’n und dencken kann.
Alles ſtand in buntem Schimmer, alles war gedoppelt
ſchoͤn,
Weil, was auf der obern Flaͤche, ſich auch auf der untern
wies,
Und, als wie die Luft im Waſſer, alles doppelt ſehen ließ;
Formen, Farben, Glantz und Licht waren rund, auch hohl zu
ſehn.
Mich
[271]Die Seiffen-Blaſe.Mich beduͤnckt, indem ich ſcharf auf die Farben in der
Naͤhe,
Mit geſchaͤrften Blicken, ſehe;
Daß ich eine nach der andern kommen, ſcheinen und vergehn,
Und, an ihren vor’gen Stellen, andre ſchwinden und
entſtehn,
Und auch die ſich aͤndern, finde. Weil faſt nichts beſtaͤndig
ſtund;
Was erſt weis war, faͤrbt ſich gruͤn; dieſes roth; das
rothe bunt;
Denn erſchien das weiſſe wieder, und die Aenderung war
ſchoͤn.
Dieſer Kugel Farben-Wechſel kam, wie ichs bedachte,
mir
Recht, als unſer Zeiten Wechſel auf der Erden-Kugel, fuͤr;
Da im Sommer, Herbſt, und Winter und in dem be-
bluͤmten Lentzen,
Gelb und Roth und Weiß und Gruͤn, wechſels Weiſe,
lieblich glaͤntzen.
Alle Jahres-Zeiten ſind auf der Welt zu gleicher Zeit,
Und ſie aͤndern ihren Ort zwar in mindrer Schnelligkeit,
Aber doch auch ſchnell genug. Ferner ward ich noch gewahr
Wie von allen Elementen gleichfals die gevierte Schaar
Jn dem kleinem Raum ſich zeigte. Jn dem Gruͤnen, in
dem Blauen,
Jn dem Weiſſen, in dem Rohten, war die Erde, war die
Fluth
War die Luft und war die Glut,
Jn beſonderm Glantz, zu ſchauen.
Durch den bunten Wunder-Schein und durch gleichſam
bunte Flammen
Jnniglich geruͤhret, zog alsbald meine Seele gantz,
Und mit allen ihren Kraͤften, in mein Auge ſich zuſammen.
Wel-
[272]Die Seiffen-Blaſe.Welches, mit geſchaͤrftem Blick, den durchſicht’gen Kreis
durchdrang.
Wie ſie nun, halb ſelbſt verklaͤhret, gantz im Lichte ſchwebt’,
zerſprang
Alles: Kugel, Glantz, Figuren, Glut und Schimmer,
Farb’ und Licht.
Jch erſchrack, da, ſtatt des Glaͤntzens und ſtatt eines hellen
Lichts,
Blick und Seele, wie der Blitz, in ein dunckel, leeres Nichts
Ploͤtzlich ſich verſencket fand. Dieß zeugt’ ernſtliche
Gedancken;
Und auf einem neuen Wege fand ich eine neue Spur,
Durch die ſo veraͤnderliche, als beſtaͤndige, Natur,
Zum unwandelbarem All, der ohn End’ und ſonder
Schrancken.
Was bey uns der Blaſen-Kreis, iſt fuͤr GOtt der Kreis
der Erden,
Aller Jrrſtern’ Kreis und Circkel, ja der allgemeinen Welt,
Groſſer Circkel, den er ſchuf, den er durch ein Wort ließ
werden,
Und den blos ſein Will’ allein, und ſein groſſes Wort
erhaͤlt;
Aber den auch blos ſein Wort ſchnell zertheilen, ſchnell
zerſprengen,
Schnell veraͤndern, ſchnell verderben, in ihr vorigs Chaos
mengen,
Ja (wie Blaſen gar vergehn) gar in Nichts verwandeln kann.
Dieſes iſt unwiederſprechlich; darum wenn wir Blaſen ſehen,
Die bald in vollkommner Ruͤnde, Farb’ und Glantz ſtehn,
bald vergehen,
Und in einem Huy zerſtieben, denck ein jeder doch daran!
Der[273]Der Geruch.So wie durch den Schall die Luft bald harmoniſch
zugericht,
Bald zu klugen Woͤrtern wird; wie ſie hell wird durch
ein Licht;
So wird durch den reinen Balſam, der aus bunten Blu-
men ſteiget,
Sie, durch ein unſichtbar Licht, hell. Jch hoͤr’, daß etwas
ſpricht,
Und ein ſuͤß, harmoniſch Weſen meiner Seele deutlich zeiget,
Welches mich durch Luſt zur Andacht, ſonderlich zum Dan-
cken, treibt
Und, mit bunten Lettern, gleichſam dieß in meine Seele
ſchreibt:
Unſer Geiſt kan im Empfinden, zu des groſſen Schoͤpfers
Ehren,
Wenn ſie nur bedachtſam riecht, deutlich dieſe weiſen Lehren,
Aus der Blumen leiſen Sprache, wie aus allen Dingen, hoͤren.
Lieſt die Seele durchs Geſicht; ſtellet ſie ſich durch das Ohr
Wenn ſie treue Lehrer hoͤret: Groß iſt unſer Schoͤpfer!
vor;
Riecht ſie eben dieß in Blumen. Denn die wolgemiſchten
Saͤfte
Und des kuͤnſtlich-edlen Werckzeugs unſerer Naſen ſcharf-
fe Kraͤfte
Zeigen, wenn man es erweget, ja ſo deut-als lieblich an,
Daß vom Schoͤpfer alles ſtammet, aus ſich ſelbſt nichts
werden kann.
S
Noth-[274]Nothwendigkeit auf die Creatur
zu achten.Wie, ſonder Licht, ob er gleich noch ſo ſchoͤn,
Die Augen keinen Coͤrper ſehn;
Und wie auch, ſonder Gegenſchlag
Der Coͤrper, man das Licht ſelbſt nicht zu ſehn vermag:
So ſieht man, ſonder GOtt, auch keine Creatur,
Und, ſonder Creatur, vom Schoͤpfer keine Spur.
[figure]
Allge-[275]Allgegenwart des Schoͤpfers.Was mich faſt aus mir ſelber ſetzt, iſt von dem Schoͤpfer
die Jdee,
Den ich ſo kenntlich im Geſchoͤpf, und, in der Unermaͤßlichkeit
So wunderbar verborgen, ſehe.
Es iſt derſelbige zu gleicher Zeit
Bekannt und unbekannt, verdeckt und klar,
Verborgen und auch offenbar
Doch uͤberall Anbethungs-wuͤrdig. Er iſt uns allen nah
und fern;
Als HErr und Herrſcher aller Herr’n,
Enthaͤlt ſich ſeine Groͤß’ und Vollenkommenheit
Jn ſeiner Unbegreiflichkeit.
Er ſpricht allein mit uns und zeigt uns ſeine Spur,
Durchs Mittel ſeiner Creatur,
Die allenthalben von ihm ſpricht, und nie von ſeinen We-
ſen ſchweiget,
Die iſt der Spiegel ſeines Weſens, der aller Arten ihn
uns zeiget.
[figure]
S 2
Saa-[276]Saamen-Gehaͤuſe.Saamen-Gehaͤuſe.Abermahl ein neues Wunder der formirenden Natur!
Abermahl ein neues Meer von beſondern Sel-
tenheiten,
Welches alle, die es ſehn, gantz auf eine neue Spur
Zu der weiſen Macht des Schoͤpfers, die gantz unerſchoͤpf-
lich, leiten
Und zur Andacht bringen kann, ja zur Andacht bringen
muß!
So faſt vor Verwundrung ſtarr, rief ich, als mein Julius,
Der mein vierter Sohn, mir juͤngſt etwas, ſo er abgepfluͤcket,
Voll Verwundrung uͤbergab.
Dieß war eine Saamen-Huͤlſe, recht verwunderlich
geſchmuͤcket,
Recht verwunderlich gebildet, von ſo ſeltzamer Figur,
Daß ich nie dergleichen ſah. Welches, da ich weiter dachte,
Mich auf einen neuen Weg in das Reich der Creatur,
Und zu einer neuen Werckſtatt voller neuer Wunder brachte,
Wo hinein ich biß daher, leider! gar nicht hingekommen,
Weil ich, durch Gewohnheit blind, nichts davon in acht
genommen.
Dieſes war nun die Betrachtung, auf wie wunderbare
Weiſe
Doch der Finger der Natur ſo gar kuͤnſtliche Gehaͤuſe
Fuͤr der Pflantzen Saamen baut. Es iſt in der That nicht
glaͤublich,
Ja warhaftig nicht begreiflich, und noch weniger beſchreiblich
Die Veraͤndrung der Figuren, die in ihnen wunderſchoͤn,
Wann wir ſie genau betrachten, und mit Ernſt beſehn, zu
ſehn.
Von
[277]Saamen-Gehaͤuſe.Von des Saamens Formen ſelber will ich jetzo nichtes
ſchreiben,
Noch viel minder von dem Weſen, das, wie wenig man
es glaͤubt,
Jmmer der Vernunft verborgen, ein Geheimniß iſt und
bleibt;
Sondern nur, bey der Gehaͤuſe wunder-vollen Bildung,
bleiben.
Es iſt wahr, der Blumen Bildung, ihr verſchiedliches
Gepraͤnge,
Jhre ſchoͤn-formirten Blaͤtter, ihrer Farben Schmuck und
Menge
Sind mit Recht bewunderns-wehrt: aber, zu derſelben Zeit,
Da die ſpielende Natur ſolcher Wunder Lieblichkeit,
Mit geſchaͤft’gen Fingern bildet, iſt ſie noch auf eine Pracht,
Die nicht minder kuͤnſtlich iſt, als die Blumen ſelbſt, bedacht:
Zum Beweis, wie an Erfindung ſie ſo unerſchoͤpflich reich,
Und wie ihr zu ihrer Abſicht aller Stof gerecht und gleich.
Seh ich, mit ſo vieler Muͤh, aus ſo viel verſchiednen Sachen,
Menſchen, zu dem Schnupf-Toback, mancherley Behaͤlter
machen,
Von verſchiedenen Figuren; muß ich ihrer wahrlich lachen,
Wenn ich denck’ auf wie viel Arten, von nur einem Stoff
allein,
Die Behaͤlterchen des Saamens kuͤnſtlich zugerichtet ſeyn.
Viele Saamen-Huͤlſen gleichen neuen Blumen, welche man
Mit den erſten Blumen ſelber oft an Kunſt vergleichen kann.
Viele gleichen kleinen Trauben; andre Sternen; viele
Hoͤrnern;
Viele Kugeln, andre Strichen; bald Quadraten, kleinen
Koͤrnern;
S 3Bald
[278]Saamen-Gehaͤuſe.Bald ſind ſie gedreht, bald lang; bald gleicht eines einer
Gabel;
Jenes iſt recht wie ein Pfeil; dort wie eines Storchen Schnabel;
Dieſes zieren tauſend Spitzen; dies iſt rauch und jenes glatt;
Das gleicht einer kleinen Blaſe; das iſt dicke, dieſes platt
Und ſo duͤnn, als ein Papier; kegel-foͤrmig, eng’ und weit,
Dicht, durchſichtig, krumm und eckigt, Schnecken-foͤrmig,
ſpitzig, breit.
Wenn verſchiedne zart und weich, ſanft, gelind und bieg-
ſam ſeyn;
Schrencken andre ſich nicht nur in ſehr harten Kernen ein;
Sondern, wie die Dattel-Kerne, ſind ſie ſelbſt ein harter
Stein.
Viele ſieht man in dem Kelch, viele bey der Blumen Spitzen,
Andre wieder an der Wurtzel, an den Stengeln andre, ſitzen.
Viele ſind in Kaͤtzgen, Kolben, ja in Blaͤtter ſelbſt geſenckt,
Dieſe von gefaͤrbten Haͤuten, die von Blaſen, eingeſchrenckt.
Nur allein vom Klee zu ſprechen, ſah ich juͤngſt, in einem
Garten,
Von gantz unterſchiednen Formen, ihrer auf die ſechszig Arten,
Wovon viele Kugel-foͤrmig, andre rings-um Spitzen-reich,
Viele Schmetterlingen-Fluͤgeln, viele Schnecken-Haͤuſern
gleich,
Viele voll verwirrter Stacheln, wie ein kleines Stachel-
Schwein,
Viele Rollen vom Toback, viele Cronen aͤhnlich ſeyn.
Hier ſieht man aus einer Blum’ eine nette Spitze ragen,
Die ſich unterwaͤrts zertheilet, in vier halbe Cirkel kruͤmmt,
Welche recht verwunderlich, Leuchtern gleich, dazu beſtimmt,
Daß ſie in vier runden Kugeln zierlich ihren Saamen tragen.
Jn
[279]Saamen-Gehaͤuſe.Jn verſchiednen findet man, nicht ohn inniges Vergnuͤgen,
Da ſie recht mit Sammt gefuͤttert, und aufs weichlichſte
behahr’t,
Nicht allein das Saamen-Koͤrnchen vor Gefahren wol
verwahrt;
Sondern man ſieht ihn darin, recht als wie auf Polſtern,
liegen.
Viele, die aus Federgen, einen Schloßwerck gleich, beſtehn,
Siehet man, um ihren Saamen allenthalben hinzubringen,
Wunderbarlich, wenn ſie reif, ploͤtzlich von einander ſpringen.
Sie ſind gleichſam recht bemuͤht, ihre Kinder ſelbſt zu ſaͤ’n,
Wie die Balſamina thut: ja, was mich noch mehr
ergetzet,
Und voll froͤlicher Verwundrung oͤfters in Erſtaunen ſetzet
Jſt ein Bluͤmchen, welches ſich gleichſam ſelber Fluͤgel ſchafft,
Um an manchem Ort zu bluͤhen. Wenn die rechte Blume faͤllt,
Wird uns gleich, aus vielen Bluͤmchen, eine neue, dargeſtellt.
Jeder Saam-Korn, deren man oͤfters uͤber hundert findet,
Traͤget einen zarten Stengel, der ſich oberwerts verbreitet,
Und, mit gleich-getheilten Spitzen, ſich in netter Ordnung
ruͤndet.
Aus der Menge dieſer Bluͤmchen wird ein rundes Gantz
bereitet,
Eine ſchoͤne weiſe Blume zeiget ſich, zu unſrer Luſt,
Die uns aber, weil wir ſie nicht des Anſehns wuͤrdig achten,
Und (nur Kinder ausgenommen, die ſie dann und wann
betrachten)
Nicht beſehen, nicht erwegen; meiſtentheils nur unbewuſt,
Ja faſt wie verachtet bleibet. Wilſt du ſie, mein Leſer,
kennen
Hoͤr! es iſt die gelbe Blume, die wir Butter-Blume nennen,
S 4Die
[280]Saamen-Gehaͤuſe.Die in Wieſen haͤuffig bluͤht, und auf allen gruͤnen Raſen;
Deine Kinder haben ſie oft gepfluͤckt und weggeblaſen,
Da du zugeſehen haſt, und vermuthlich nicht entdeckt,
Mit gebuͤhrender Betrachtung und mit billigem Vergnuͤgen,
Was in dieſer Blumen Bildung fuͤr ein weiſes Abſehn ſteckt;
Da die kleinen Saamen-Koͤrner, durch die Zaͤſer, Fluͤgel
kriegen,
Und, ſo bald ſie reif geworden, in die Luͤfte ſich erheben,
Durch dieſelbe fortgetragen, oͤfters hin und wieder ſchweben
Und ſich, auf die leichtſte Weiſe, nach verſchiednen Seiten
lencken,
Wo ſie ſich, nach kurtzer Zeit, wieder in die Erde ſencken.
Sage, forſchendes Gemuͤthe, zeigt nicht dieſe Blum’ allein,
Wie ſo wunderbar der Schoͤpfer, und wie blind wir Men-
ſchen ſeyn?
Aber weiter fort! wir muͤſſen von der Saamen-Schachteln
Menge,
Und von ihrem ſo verſchiedlich dargeſtelletem Gepraͤnge,
Doch noch einige beſehn. Viele gleichen ſchoͤnen Knoͤpfen,
Viele gleichen an Figur nett-gedrehten Blumen-Toͤpfen;
Wie ich letzters mit Vergnuͤgen juͤngſt am abgebluͤhten Mah,
Daß deſſelben Saamen-Huͤlſe allerliebſt gebildet, ſah.
Das Gehaͤuſe, ruͤndlich lang, fiel ein wenig ſpitzig ab,
Welches ihm denn die Geſtalt einer netten Roſe gab;
Sonderlich als ſich der Fuß unten etwas aufwerts beugte,
Und ſich oben auf der Ruͤnd’ ein faſt platter Deckel zeigte,
Den ein nettes Sternchen ſchmuͤckte. Dieſer war nur gar
zu ſchoͤn
Nach der groͤßten Richtigkeit, Maaß und Zierlichkeit zu ſehn.
Unter dem geſtirnten Deckel waren, auf beſondre Weiſe,
Kleine Loͤcherchen gebohrt in vollkommen rundem Craͤyſe,
Dieſe
[281]Saamen-Gehaͤuſe.Dieſe ſah ich, in der Ordnung, billig mit Verwunderung an,
Weil man eine weiſe Abſicht deutlich darin finden kann.
Die bedaͤchtliche Natur hat ſie offen da gelaſſen,
Daß der Saamen-Koͤrner Menge, welche die Gehaͤuſe
faſſen,
Wenn ſie reiff, nicht klumpen weiſe, ſondern eintzeln, ſich
verſtreuen,
Und ſich ſelber ſaͤen koͤnnen. Wer dieß Wunderwerck erwegt
Und darin die Vor-und Abſicht des Natur-Geiſts uͤberlegt
Muß, in Demuth, Danck und Andacht, ſich des groſſen
Schoͤpfers freuen.
Ja noch mehr wenn im Gehaͤuſ’ er die nett-gewachſne Haut,
Die ſie von einander ſondert, in ſo richt’ger Ordnung ſchaut.
Das Hydiſerum verdient gleichfals, daß man es betrachtet,
Und in ſeines Saamens Huͤlſe etwas wunderlichs beachtet.
Sie beſteht aus dreyen Cirkeln, welche voller netter Spitzen,
Wodurch ſie den lieben Saamen fuͤr den Biß der Wuͤrmer
ſchuͤtzen.
Aber uͤber mehr als alle werd’ ich fuͤr Verwundrung ſtumm,
Jn Betrachtung deiner Huͤlſen, blaͤulichtes Geranium!
Dieſes ſiehet eines Storchen Schnabel, Halſ’ und Kopf ſo
gleich,
Daß man faſt nichts gleicher ſieht. Schauet man nun dieß
Gebaͤude,
Faſt erſtaunt, von auſſen an; iſts auch in ſich Wunder-reich,
Und die innern Theile dienen uns zur neuen Augen-Weide.
Die Figur iſt hinten rund und beſteht aus gruͤnen Blaͤttern,
Die ſich einer Blume gleichen, von derſelben ſind bedeckt
Mehrentheils fuͤnf braune Huͤlſen. Ein par Saamen-Koͤr-
ner ſteckt,
S 5Recht
[282]Saamen-Gehaͤuſe.Recht verwunderlich verſchrenckt, in der hart- und ſpitzen
Haut,
Welche, wie geſaget, braun, und woran viel tauſend Spitzen,
Die man gelblich, faſt wie Gold, um die gantze Huͤlſe ſitzen,
Und, nicht ohn Verwundern, ſie, wie ſie recht verhuͤllet, ſchaut.
Nimmt man ſolch ein trocknes Koͤrnchen, wirft daſſelbig’
aufs Papier;
So verurſacht dieſer Spitzen Menge, daß, bald dort bald
hier,
Dieſes Korn, als wenn es lebet,
Sich beweget, faſt nicht ruht, und beſtaͤndig gleichſam
ſchwebet.
An der Koͤrner Ober-Theil wird nun eine Spitz’ erblickt,
Welche wol fuͤnf Zolle lang, dieſe nun ſind eingedruͤckt
Und ſehr kuͤnſtlich eingefaßt in ein Staͤnglein, welches ſpitz
Und ſo kuͤnſtlich zugerichtet, daß man es kaum glauben kann.
Unten, wo der Koͤrner Ruͤndung, iſt es etwas eingebogen,
Gleich darauf ſind in der Laͤnge kleine Rieffelchen gezogen,
Die ſich immer vorwaͤrts ſpitzen. Durch die Bildung ſiehet
man
Anders nicht als einen Speer, oder nette Lantz, es an.
Jn den kleinen Rieffelchen (drin der Koͤrner Spitzen paſſen,
Die, bewunderns-wehrt, von innen mit dem allerzartſten
Haar
Gleichſam ausgefuͤttert ſind, weislich theils, theils gelb’,
und zwar
Jmmer kleiner und ſubtiler, daß durchs Aug’ es kaum zu
faſſen)
Bleiben dieſe Spitzen nicht: ſondern, wenn der Saamen
reift
Und die innre kleine Stange durch die Zeit ſich gnug geſteift,
Biegen
[283]Saamen-Gehaͤuſe.Biegen ſich die Koͤrner ab, ſteigen aufwaͤrts, und formiren
Einen groſſen Cronen-Leuchter, deſſen Arm’ erſt feſte ſtehn,
Endlich aber, ja ſo zierlich, ſich auf Schnecken-Weiſe drehn.
Welche Menge rother Knoͤpfe zeiget uns der Spargel nicht
Was koͤmmt uns nicht noch an Erbſen, und an andern zu
Geſicht!
Wirſt du nun, geliebter Menſch, durch dieß Wunder nicht
bewogen,
Und zu dem, der ſolche Wunder einzig wircket, nicht gezogen,
Die ſich, nicht in Blum- und Saamen, ſondern in Gehaͤuſen
haͤuffen;
Kann ich, worin deine Menſchheit recht beſtehet? nicht
begreiffen.
[figure]
Aber-[284](***)
Abermahlige Thau-Betrachtungen.Wenn das entſtandne Morgenroth die Schatten Weſten-
waͤrts verdrenget,
Und das bethaute, feuchte Feld den erſten Sonnen-Strahl
empfaͤnget,
Der uͤber die begraſten Wieſen, wie eine guͤldne Fluth, ſich
legt;
Wird Millionen reinen Tropfen ein himmliſch Glaͤutzen
eingepraͤgt.
Zu Anfang ſieht man hohe Kraͤuter, und langen Graſes
ſchwancke Spitzen,
Durch die zuerſt empfundne Glut, nur eintzeln hin und
wieder blitzen,
Biß allgemach ein tauſend-faͤrbig-und Diamanten-gleicher
Schein
Des gantzen Feldes Flaͤchen decket: das Funckeln iſt jetzt
allgemein.
Man ſiehet alles, was man ſieht, in einem bunten Glantze
glimmen;
Es ſcheint der halb entzuͤckte Blick zu gleich zu gluͤhen und
zu ſchwimmen
Jn bunt gefaͤrbtem Feur und Waſſer, von welchem die
vereinte Pracht,
Durchs Aug’ und Hirn, in unſre Seele den angenehmſten
Eindruck macht.
Den ſonſt kein Vorwurf wircken kann. Man wundre ſich
hieruͤber nicht,
Daß, da der Sonnen-Strahl im Thau ſich recht als wie
ein Demant bricht;
Auch
[285]Abermahlige Thau-Betrachtungen.Auch durch ſo ſchoͤn gefaͤrbtes Glaͤntzen ſich unſer Geiſt in
Luſt entzuͤndet;
Da ſich in jedem Troͤpfgen Thau ein Brenn-und Zuͤndungs-
Spiegel findet,
Ja da wir, in den klaren Cirkeln von unſrer Sonnen,
wunderſchoͤn
Verkleinert zwar, doch auch vereinet, viel tauſeud Son-
nen-Bilder ſehn.
[figure]
Die[286](***)
Die Sonnen-Finſterniß 1733.Der Sonnen ſtrahlend Licht brach durch die reine Luft,
Kein ſchwebendes Gewoͤlck, kein Nebel, Dunſt,
noch Duft
Verhuͤllte die Sapphirne Tieffe;
Als eine laͤngſt vorher beſchriebne Finſterniß
Den ſonſt gewoͤhnlichen Geſchaͤften mich entriß,
Und nebſt noch andern mich auf eine Hoͤhe rieffe,
Die Bayer, dem davor kein ſchlechter Danck gebuͤhrt,
So nuͤtz-als kuͤnſtlich aufgefuͤhrt,
Woſelbſt bald durch ein Glas, ſo durch den Dampf vom
Licht
Geſchwaͤrtzet; bald durch eins, ſo blau war, mein Geſicht
Geſtaͤrckt, und ich dadurch im Stande war,
Die Glut der Sonnen ungeblendet,
Mit ſcharfen Blicken, anzuſehn.
Kaum hatte die Minute ſich geendet,
Die ausgerechnet war, als wir,
Bewundrungs-voll, auf dem Papier,
Worauf der Sonnen Bild durch kuͤnſtliche Chriſtallen
Jm dunckeln Zimmer man bewundernd ſahe fallen,
Schon von der Finſterniß die erſte Spur entſtehn,
Den Rand ſich ſchwaͤrtzen ſah’n; worauf der Schatten ſich
Vermehrt’ und mercklich wuchs, biß daß wir die Figur
Des runden Mondes ſah’n, der, da er ſchwartz und dicht,
Der Sonnen ſtrahlend Licht,
Doch nur auf kurtze Zeit, entzog;
Das denn auf zweyerley zu dencken mich bewog.
Zuerſt entſtand in meiner Seelen
Ein bruͤnſtigs Andacht-Feur, ein Ehrfurcht volles Dencken:
Da
[287]Die Sonnen-Finſterniß 1733.Da ſo viel tauſend Jahr ſo groſſe Coͤrper ſich,
Ohn im geringſten je zu fehlen,
Jn ſolcher ſteten Ordnung lencken;
Wie maͤchtig, weiſe, groß und unveraͤnderlich
Muß der, durch deſſen weiſen Willen,
Sie ihren feſten Lauf ſo ungehemmt erfuͤllen,
Der ſie aus Nichts allein erſchuf, der ſie allein
Blos durch ſein Wort erhaͤlt, der ew’ge Schoͤpfer, ſeyn!
Es fiel zugleich mir dieſes ein:
Jſt etwas auf der Welt, ſo uns von unſerm Geiſt
Was groͤſſers, und was GOtt fuͤr Faͤhigkeit ihm ſchencket,
Als eine Finſterniß uns weiſ’t?
Da er, faſt auf ein Haar, wie ein Geſtirn ſich lencket,
Auf hundert Jahre ſchon vorher ſieht und gedencket.
Heißt alles dieſes nichts, von ſolchen Finſterniſſen,
Von der Planeten Lauf, Bewegungen und Drehn
Die ſtete Richtigkeit ſo gar genau zu wiſſen,
Auf einen Augenblick vorher zu ſehn?
Und zwar
Auf ſo viel hundert Jahr,
Ja noch auf laͤngere Zeit,
Ohn daß wir im geringſten fehlen?
Wo hierinn keine Treflichkeit,
Kraft, Feur, und Vorzug unſrer Seelen
Vor allen andern Thieren
Unwiederſprechlich zu verſpuͤhren;
So weiß ich nicht auf welche Weiſe man
Sich einigen Begrif von Wahrheit machen kann?
Durch die Betrachtung froh, und recht aufs neu geſtaͤrckt,
Verjag ich nicht allein
Die eitele Furcht, wodurch bey Finſterniſſen,
Durch Aberglauben tumm, ſich viele qvaͤlen muͤſſen,
Und blos aus Einfalt bange ſeyn:
Es
[288]Die Sonnen-Finſterniß 1733.Es ſteckt zu gleich ſolch’ eine Dunckelheit
Ein helles Licht in meiner Seelen an,
Daß ich nicht nur von meinem eignen Weſen
Was groſſes mehr, als ſonſt, kann leſen;
Sie zeiget mir zugleich noch eine groſſe Lehre,
Zu aller Ding’ und meines Schoͤpfers Ehre,
Und mach’ ich mir hieraus die ewig-wahren Schluͤſſe,
Daß GOtt der Sonnen, Mond und Welt regirt und
lenckt,
Und der zugleich auch uns ſolch einen Geiſt geſchenckt,
Worin nur er allein der Weisheit Schatz geſenckt,
Allein gelobt, geliebt, verehret werden muͤſſe.
[figure]
Sinn-[289]Sinnlicher GOttes-Dienſt.Wenn ich meines Geiſtes Kraͤfte
Auf der Creaturen Pracht,
Durch die Sinnen, gleichſam hefte,
Ehr’ ich den, der ſie gemacht;
Und es ſcheint, als wann die Ehre,
Die aus der Betrachtung qvillt,
Da ſie mich mit Luſt erfuͤllt,
Dir, o HERR! gefaͤllig waͤre.
Denn jemehr ich ſie beſehe,
Und in ihnen dich erhoͤhe,
Je empfindlicher verſpuͤhre
Und befind’ ich, daß die Seele,
Jn der gantz durchdrungnen Bruſt,
Ein unſichtbar Etwas ruͤhre;
Daß ſie mit beſondrer Luſt
Suͤſſer Liebe ſich vermaͤhle,
Die, von Andacht angeflammt,
Aus der Wercke Schoͤnheit ſtammt.
Anmuth, die ſo ungemein,
Scheint ein Gnaden-Lohn zu ſeyn,
Den GOtt in ſein Werck geſencket,
Und den, wenn man ſein gedencket,
Und ſich wol zu ſehn beſtrebet,
Man aus ſeiner Huld erhebet.
Jn den Creaturen ſteckt,
Wenn man ſie, dem HErrn zum Preiſe,
Hoͤret, riecht, ſieht, fuͤhlt und ſchmeckt,
Eine rechte Seelen-Speiſe.
TNichts
[290]Sinnlicher GOttes-Dienſt.Nichts kann ſo die Seelen naͤhren,
Als wenn wir in GOTTES Wercken,
Daß ſie GOttes Werck, bemercken,
Jm Geſchoͤpf, den Schoͤpfer, ehren.
[figure]
Lob[291]Lob GOTTES.Nicht ein eintziges Geſtirn, in des Himmels tieffen Hoͤhen,
Wird es gleich in dunckler Nacht nicht von Menſchen
angeſehen,
Flammt und glaͤntzt darum umſonſt. Lieber Menſch, ge-
dencke nicht,
Ob es gleich von Menſchen Seelen
Nicht geſchicht;
Daß Bewunderer dem Himmel, und GOtt Lob-Geſaͤnge,
fehlen.
Millionen Creaturen, welche geiſtig, leben, ſchweben,
Unſichtbar um unſer’ Erde, die des Schoͤpfers Lob erheben.
Ja, ſo wol dann, wann wir ſchlaffen, als wann unſer
Auge wacht,
Mit nie unterbrochnem Lobe, ſo bey Tag’, als bey der Nacht,
Sehen und bewundern ſie ſeiner Wercke Wunder-Pracht.
[figure]
T 2
Alle[292](***)
Alle Dinge haben zwo Seiten.Wenn man, mit rechtem Ueberlegen, die Dinge dieſer
Welt betracht’t,
So ſind ſie das nicht, was ſie ſind; ſie ſind das, wozu
man ſie macht.
[figure]
Wunſch[293]Wunſch.Ach GOtt, wie ſchoͤn iſt doch der Himmel? wie wun-
derſchoͤn die gantze Welt?
Die dein Verſtand und Will’ erſchaffen, die dein Verſtand
und Will’ erhaͤlt!
Ach laß mich doch an dieſen Wundern, zu deiner Ehr’, in
tauſend Freuden,
Durch alle Sinnen meinen Geiſt in froͤlicher Betrachtung
weiden,
Und die dadurch in mir gewirckte Vergnuͤglichkeit der re-
gen Seelen,
Die durch die Wirckung deiner Liebe aus aller Wunder
Schoͤnheit qvillt,
Die, wenn ich ſie mit Luſt betrachte, mit Luſt mein gan-
tzes Weſen fuͤllt,
Zu deines groſſen Nahmens Ruhme, auch andern oft zur
Folg’, erzehlen!
[figure]
T 3
Hin-[294]Hinderniß am Vergnuͤgen.Hinderniß am Vergnuͤgen.Es ſehnt ſich unſer Geiſt vergnuͤgt und froh zu ſeyn:
Hiemit beſchaͤftigt ſich ſein reger Wunſch allein.
Weil er nun keine Luſt an GOttes Wercken findet,
Jndem er ſelbige nicht achtet,
Und, durch Exempel blos verfuͤhrt, ſie nicht betrachtet;
Was Wunder daß er ſich mit eitler Luſt verbindet,
Und in der Leidenſchaft ein’ Art von Luſt empfindet,
Die voller Schmertzen ſteckt, in welcher nimmer Ruh.
Koͤmmt, nebſt Exempeln nun, Gewohnheit auch dazu;
So hindert die verbotne Frucht,
Die Ehren-Geld- und Wolluſt-Sucht,
Durch immer in ſich ſelbſt ſich mehrende Jdeen,
Daß wir nicht ſehen, was wir ſehen;
Daß wir, zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Nicht riechen, fuͤhlen, ſchmecken, hoͤren;
Daß alles, was der Schoͤpfer wirckt und ſchafft,
Uns nicht des Anſehns wehrt, uns unſchmackhaft
Und recht veraͤchtlich ſcheint; das doch, wenn mans erweget,
Der Anmuth wahren Kern in ſchoͤnen Schalen heget.
[figure]
Ver-[295]Vermuthliche Beſchaffenheit der Seelen.Vermuthliche Beſchaffenheit der Seelen.Unwiederſprechlich iſt es ja, daß wir aus Seel’ und
Leib beſtehen;
Der Leib aus immer neuen Theilen; die Seele zeuget ſtets
Jdeen.
Wie nun der Leib von ſeinem Weſen durch Ausdunſt im-
mer was verliehrt,
Die Theilchen aber nicht vergehen, verweſen oder ſich
zerreiben,
Und ſtets dem allgemeinen Stoff ſich, ſo zu reden, einver-
leiben;
So ſcheinet auch, daß unſre Seele beſtaͤndig einen Abgang
ſpuͤhrt,
Durch ihrer Kinder, der Gedancken, verfliegende Ver-
geſſenheit,
Die doch kein voͤlliger Beweis von voͤlliger Vergaͤnglichkeit;
Allein es duͤncket mich, ob hier mit Recht nicht dieſe Frag’
entſtehe?
Ob nicht der allgemeine Stoff durch Kleinheit der Materie,
Die immer feiner zu ihm flieſſet, in ſich ſich nicht verbeſſere?
Jmgleichen, ob auf gleiche Weiſe in der Natur das Geiſtige
Sich, durch entſtandene Gedancken (von welchen, daß ſie
nicht vergehen
Und wir ſie zu erhalten faͤhig, in Schriften wir ein Bey-
ſpiel ſehen)
Auch, durch derſelben ſteten Zufluß, wo nicht verbeſſre,
doch ſich mehre?
Bey unſrer Einfalt ſcheint es meiſtens, als ob es nicht un-
moͤglich waͤre.
T 4
Ver-[296]Vermahnung.Vermahnung.Laß die Erde noch ſo ſchoͤn, und voll bunter Blumen,
gruͤnen;
Laß das Waſſer, noch ſo klar, ihrer Schoͤnheit Spiegel ſeyn;
Laß noch einſt ſo herrlich glaͤntzen ſelbſt der Sonnen Wun-
der-Schein;
Wozu ſolt’ es einer GOttheit, die es ja nicht brauchet,
dienen,
Wenn nicht in den Welt- und Himmeln Kraͤft’ und Gei-
ſtigkeiten waͤren
Die an ſolchen, durch die GOttheit wunderbar formirten,
Schaͤtzen,
Faͤhig waͤren, ſich zu laben, ſich zu naͤhren,
Zu vergnuͤgen, zu erqvicken, zu ergetzen,
Zu bewundern, ſie zu achten,
Sie zu nutzen, zu betrachten?
Hiedurch litte (von der Ehre nichts zu ſagen) GOttes
Liebe,
Welche ja ſein wahres Weſen.
Liebe, ſonder Gegenwurf, kann ja keine Liebe ſeyn;
Da uns GOtt nun bloß allein,
Daß wir ſeiner Vater-Triebe
Alle moͤchten theilhaft ſeyn,
So gar wunderbar gemacht,
Und fuͤr ſeiner Wercke Pracht,
Nebſt dem Geiſt ſie zu erkennen,
Viele Sinnen wollen goͤnnen;
Wollen wir denn unſre Pflicht
Straͤflich aus den Augen ſetzen,
Und uns, recht mit Vorſatz, nicht
An der Liebe Groͤß’ ergetzen,
Die
[297]Vermahnung.Die er, in den ſchoͤnen Wercken,
Uns ſo vaͤterlich zu mercken,
Und, wie bruͤnſtig er uns liebet,
Ueberall zu fuͤhlen giebet?
Will man lieber ſelber leiden,
Als von GOTT geſchenckte Freuden,
Jm Genieſſen, recht bedencken?
Welche Thorheit! ſich zu kraͤncken,
Und zugleich des Schoͤpfers Ehr’
Zu verringern! da vielmehr
Wir an ſo viel tauſend Schaͤtzen
Uns, mit tauſend Luſt, ergetzen,
Und, ſelbſt in der Luſt, den Willen
Unſers Schoͤpfers hier erfuͤllen,
Gegen ihn in Lieb’ entbrennen,
Jhm gefaͤllig leben koͤnnen.
[figure]
T 5
Nuͤtz-[298]Nuͤtzliche Ungewißheit.Nuͤtzliche Ungewißheit.Nebſt andern war ich juͤngſt, der alten Weiſen Lehren,
Wie ſie des weiſen Muͤllers Geiſt,
Den man mit Recht die Zierde Hamburgs heiſt,
Durch ſeine Lehrlinge ließ oͤffentlich erklaͤren,
Beſchaͤftiget geweſen anzuhoͤren.
Wie ich mich nun darauf allein befand;
Was ich von ihm gehoͤrt, bedaͤchtlich uͤberlegte,
Und in gelaſſner Still’ erwegte
Die Mannigfaltigkeit der Grillen,
Die ſtets den menſchlichen Verſtand
Vor dem erfuͤllt, und noch erfuͤllen;
Befiel mich eine Traurigkeit,
Und drengte die verworrenen Gedancken,
Mit einer ſchwartzen Laſt, aus ihren Schrancken;
Jch fuͤhlt’ ein wahres Hertzeleid.
Das gantze menſchliche Geſchlecht
Kam mir bejammerns-wehrt, und recht
Erbarmung-wuͤrdig fuͤr.
Wir ſcheinen nichtes recht zu faſſen,
Wir ſcheinen all dem Jrrthum uͤberlaſſen,
Der uns beſtaͤndig aͤfft,
Da, von den Meynungen, die gantz verſchiedlich ſcheinen,
Von welchen von der weiſen Schar,
Die Haͤlfte, daß ſie wahr und klar;
Die andre, daß ſie falſch und dunckel waͤren; meynen,
Oft all’, und dennoch keine wahr.
Mir fiel hieruͤber ein:
Es taͤuſcht auch mich vielleicht ein falſcher Schein.
Jch kann ein Ding unmoͤglich wahrer halten,
Als jeder von den Alten
Das-
[299]Nuͤtzliche Ungewißheit.Dasjenige, was er geglaubt, fuͤr wahr,
Fuͤr deutlich angeſehn und uͤberzeuglich klar;
Ob ſie gleich alleſammt geirrt,
Und ſich einander ſelbſt verwirrt.
Nun ſind ſie weiſe ja, im hohen Grad, geweſen,
Wovon wir Proben gnug in ihren Schriften leſen:
Was uͤberzeugt denn mich, daß ich nicht irren koͤnne,
Und daß ich gleichfals mich nicht von der Wahrheit trenne?
Ja, daß die Nachwelt uns, daß wir in Jrthum ſtecken,
Wie wir der Vorwelt es gezeigt, einſt wird entdecken?
Der Zweiffel loͤſt ſich bald: Wir wiſſen,
Daß unſer Wiſſen nichts, als Stuͤckwerck ſey;
Und wir daher, wie billig glauben muͤſſen.
Nechſt dieſem ſteckt hierin noch zweyerley:
Die Ungewißheit aller Sachen,
Beſinnen wir uns recht,
Soll billig gegen GOtt uns ehrerbietig machen,
Und voll Vertraͤglichkeit fuͤrs menſchliche Geſchlecht.
Erkennet man, daß man nichts weiß;
Gereicht es ja zu GOttes Preis,
Weil man bey ihm allein die wahre Weißheit findet.
Das andre, welches auch in der Erkaͤnntniß ſteckt,
Jſt, daß, da man der Menſchen Schwaͤch’ entdeckt;
Zur Naͤchſten-Lieb’ uns der Begriff verbindet:
Denn ſoll mein Naͤchſter ſich mit meiner Schwachheit plagen;
Warum will ich die ſeine nicht vertragen?
[figure]
Un-[300]Unverantwortliche Geringſchaͤtzung
der Geſchoͤpfe.Wie lange biſt du doch in deiner Lebens-Zeit
Mit ſeh’nden Augen blind, und bleibſt der Eitelkeit,
Des Uebermuths und der Gewohnheit Knecht?
Es ſcheint ein Bluͤmchen dir zu ſchlecht,
Ein Blaͤttgen ſcheint dir zu geringe,
Ein Knoͤſpchen ſcheinet dir zu klein,
Kein Graͤschen deines Geiſts und Denckens wehrt zu ſeyn;
Da doch dem allerkleinſten Dinge,
Wenn man es mit Vernunft erwegt,
Ein kraͤftiger Beweis vom Schoͤpfer eingepraͤgt.
Laͤßt jegliches Gewaͤchs nun unſre Seelen,
Wenn man nur ſehen will, den Schoͤpfer ſehn;
So kann es folglich auch nicht fehlen
Jhr muß aus jeglichem, Luſt, Lieb’ und Lob entſtehn.
Jndem ein ſich alſo betragendes Gemuͤth
Darinnen uͤberall ein Goͤttlich Licht entdecket,
Jn allem ſeine Macht und weiſe Liebe ſieht,
Und ſeine Freundlichkeit in allem ſchmecket.
[figure]
GOtt[301]GOTT allein die Ehre.Giebt unſer GOTT in allen Dingen,
So wie er wuͤrcklich thut, das Wollen und Voll-
bringen;
Was ruͤhmt ſich denn der Menſch, auch in den beſten
Thaten?
Da ſie ja nicht durch ihn, durch GOtt allein gerahten.
Nichts iſt mein;
Alles dein;
Dir allein
HERR, ſoll Lob’ und Ehre ſeyn!
[figure]
See-[302]Seelige Betrachtung der Creatur.Was ſind auf dem Bau der Erden doch vor Wunder!
welche Menge
Luſt-erregender Geſchoͤpfe! es iſt gleichſam ein Gedraͤnge
Jrdiſch-Goͤttlichen Vergnuͤgens um uns Menſchen rings-
umher,
Wenn man ſie nur mit Verſtand anzuſehn beſchaͤftigt waͤr.
Es hat (wenn mit den Geſchoͤpfen wir, im Brauch, den
Schoͤpfer fuͤgen,
Und ſie als ſein Werck betrachten) jeder Vorwurf ſein
Vergnuͤgen,
Jeder Sinn ſein Paradieß.
Es iſt ſonder GOtt kein Himmel: doch, da GOtt auch
in der Welt;
Jſt auch hier ein ird’ſcher Himmel denen Seelen vorgeſtellt,
Welche, da ſie ihren Schoͤpfer mit der Creatur verbinden,
Jhm zu Ehren, Luſt und Anmuth in den Creaturen finden.
[figure]
Zu-[303]Zufaͤllige Gedancken uͤber ein Thau-
Troͤpfchen.Wie ich, nach verſchwundner Nacht,
Juͤngſt, im angeſtrahlten Thau,
Jn der Tropfen Meng’ und Pracht
Tauſend Sonnen-Spiegel ſchau;
Zieht, vor andern, Blick und Sinn
Ein vor andern helles Troͤpfgen, durch ſein Funckeln, zu ſich
hin;
Da ich denn, mit Luſt erfuͤllt,
Nicht nur ein klein Sonnen-Bild,
Auf der Ruͤndung aͤuſſern Hoͤhe,
Als ein blitzend Lichtgen, ſehe;
Sondern, da der Thau ſo klar,
Wie die reineſten Criſtallen;
Seh ich dieſes Lichtgen gar
Durch des Troͤpfchens Coͤrper fallen
Auf ein nah gewachſnes Blat,
Wo es denn verlaͤngt, geſpitzt,
Die Figur von einem Strahle, der in langem Strich-
blitzt,
Durch das Blat gedruͤckt, erhaͤlt. Wie ich ſolchen nun
betrachte,
Und ſo wol auf ſeine Laͤng’, als den runden Urſprung, achte;
Faͤllt von ungefehr mir bey:
Ob dieß nicht vielleicht ein Bild ſtrahlender Cometen ſey?
Wie! gedacht’ ich, wenn der Coͤrper der Cometen bey der
Ruͤnde,
(So wie ich hier in dem Tropfen, welcher gantz durchſichtig,
finde)
Et-
[304]Zufaͤllige GedanckenEtwann auch durchſichtig waͤre: und daß auch, ſo wie
ich hier
Auf dem glatten Tropfen ſehe, nur von einer Stell’ allein,
Jn dem Wiederſchlage blos, von der Sonn’ ein kleiner
Schein,
Uns in unſer Auge fiel, und daß etwann dieſe Stelle
Als wodurch der Sonnen Licht
Nicht allein die Flaͤche trift, ſondern durch den Coͤrper
bricht,
An die Atmoſphaͤre ſchlaͤgt, und ſie auf die Weiſe helle
Wie der Strahl das Blaͤttchen machte?
Dieſes war es, was ich dachte,
Und vielleicht nicht ungereimt,
Wenigſtens koͤmmt mir es fuͤr,
Daß aus der Betrachtung hier
Eine groſſe Lehre keimt:
Dem Schoͤpfer faͤllt ſo wenig ſchwer,
Ein Sternen- und Cometen-Heer,
Als einen Tropfen Thau, zu zeugen.
Laßt dieß uns einen Antrieb ſeyn,
Vor ihm und ſeiner Macht allein,
Jn tiefſter Ehrfurcht, uns zu beugen!
Kann etwas auf der Welt, zu GOttes Ehre,
Ein wuͤrdigs Bild von ſeiner Macht uns zeigen,
Kann der Verſtand zu ihm auf eine Weiſe ſteigen;
So iſt es warlich dieſe Lehre.
Ach! laßt ſie unſerm Geiſt doch einen Spiegel ſeyn!
Jn welchen er, von heil’gem Schrecken
Und wahrer Ehrfurcht angefuͤllt,
Der GOttheit ſonſt nicht abzubildend Bild,
Mit Augen der Vernunft, im Glauben, zu entdecken,
Zu
[305]uͤber ein Thau-Troͤpfgen.Zu ſehen faͤhig iſt. Nichts kann ihn mehr erheben
Und nichts kann auch mehr Troſt, mehr Zuverſicht,
Daß er uns helffen kann, wenn er nur will, uns geben.
Beweiſet es nun gleich, daß er auch wolle, nicht;
So giebt uns ja davon den beſten Unterricht,
Daß er in ſeinem Wort und unſre Seelen ſchriebe:
Der GOTT, der alles kann, iſt auch die ew’ge Liebe!
[figure]
U
Auri-[306]Aurikeln im Herbſt.Aurikeln im Herbſt.Jndem ich juͤngſt im Herbſt erblickte,
Wie, auf das neu, des Gartens-Flur
Manch bunt Aurikelchen, als wie im Fruͤhling, ſchmuͤckte;
Ergetzt’ ich mich daran. Es ward mein Blick nicht nur,
Durch ihre Wiederkunft, geruͤhrt;
Die Seele ſelber ward, fuͤr Luſt, die ſie verſpuͤhrt,
Bewegt, erfuͤllt und eingenommen.
Jch hieß das Bluͤmchen ſanft, in meinem Sinn, willkommen!
Und fielen, bey der Farben buntem Schein,
Mir die Gedancken ein:
Es kommt dein wiederhohlter Flor
Mir gleichſam vor,
Als wenn, vor andern Blumen allen,
Ein ſtarcker Trieb in deinen Roͤhren,
Den Schoͤpfer der Natur zu ehren,
Geliebte Blume, muͤſſe wallen.
Es ſcheint ob hoͤrt’ ich dich, mit bunten Lippen, ſagen:
„Noch eh die lange Winter-Nacht
„Mich zu dem langen Schlaf gebracht,
„Will ichs vorher noch einmahl wagen,
„Und, GOtt zum Ruhm, noch einmahl Blumen tragen.
„Vielleicht geraͤht mein ſpaͤtes Bluͤhen mehr,
„Als meine Bluͤth, im Fruͤhling, GOtt zur Ehr!
„Vielleicht wirft mancher Menſch auf mich mehr, als
vorhin,
„So Blick als Sinn!
„Vielleicht kan ihn mein frembd-und unverhoftes Bluͤhen,
„Zu einiger Betrachtung, ziehen
„Und ſeinen Geiſt durchs Ungewohnte lencken,
„Auf ſein- und meinen HErrn zu dencken!
Ja
[307]Aurikeln im Herbſt.Ja, du haſt recht, geliebtes Bluͤmchen, ja!
Du haſt nicht mich allein,
Durch deinen unverhoften Schein,
Aufs neue zur Aufmerckſamkeit gebracht;
Ein jeder faſt, wie ich mit Freuden ſah,
Von Neuigkeit bewogen,
Ward, durch geheimen Zwang, zu dir gezogen,
Und nahm der ſchoͤnen Farben Pracht
Jn dir, mehr als vorhin in acht.
Ach! moͤchte doch dein loͤblich Bluͤh’n und Gruͤnen,
Mit deiner fruͤh-und ſpaͤten Zier,
Geliebtes Bluͤmchen, denn auch mir
Zu einer Folge dienen!
Ach, moͤgte mich dein Beyſpiel lehren,
Den Schoͤpfer der Natur, ſo fruͤh als ſpaͤt, zu ehren!
[figure]
U 2
Son-[308]Sonnen-Licht.Sonnen-Licht.Jm Herbſt, bey einer mehrentheils bedeckten und be-
woͤlckten Luft,
Stand ich an einem glatten Waſſer, das Rohr und ſchwan-
ckes Schilf bekraͤntzte,
Jn einer angenehmen Landſchaft. Das ſtill’ und klare
Waſſer glaͤntzte,
Doch nur in ſchwach-und grauem Lichte. Ein ſanfter zwar,
doch truͤber, Duft,
Der nicht allein die Luft erfuͤllte, der auch die Baͤum’ und
Wieſen deckte,
Und, wo nicht gantz, doch guten Theils, der Landſchaft
Pracht und Schmuck verſteckte,
War allenthalben ausgeſpannt. Was man noch ſah, war
falb’ und kalt.
Es wirckte die ſonſt helle Gegend dem, der ſie jetzt voll
Daͤmmrung ſieht,
Mit einer ſchleichenden Gewalt,
Faſt eine Daͤmmrung im Gemuͤth.
Jch ſchlug demnach von ungefehr, betruͤbt, die Augen vor
mich nieder,
Jedoch nicht zwo Minuten lang. Darauf erhub ich ihre
Lieder
Geſchwinde wieder in die Hoͤh’. Allein wie ſehr entſetzt’
ich mich,
Als ich, mit faſt geblendeten und gantz fuͤr Luſt erſtaunten
Blicken,
Der Landſchaft gantzen Stand veraͤndert, erleuchtet, ja
verwunderlich
Erheitert und verklaͤhret ſah! Es nahm ein angenehm
Entzuͤcken
Mein Hertz, mein gantzes Weſen ein.
Es
[309]Sonnen-Licht.Es ließ Feld, Wieſe, Berg und Thal mit Anmuth nicht
nur uͤbergoſſen,
Von einem hellen Meer von Glantz nicht nur umgeben
und befloſſen;
Es ſchien, in einem bunten Lichte, die Welt ein irdiſch
Paradieß.
Was ich, vor einem Augenblick, noch kalt geſehen und
im Dunckeln,
Sah’ ich nunmehr erheitert, warm, und in gefaͤrbtem
Feuer funckeln.
Des ſchwancken Schilffs polirte Blaͤtter, der glatten Bin-
ſen Dunckel-Gruͤn
Sah man, da es der Sonnen Glantz, mit ſeinem heitern
Strahl beſchien,
Nicht minder die belaubten Baͤume, zuſammt den Blu-
men-reichen Huͤgeln,
Die Schoͤnheit in der Fluht verdoppeln, und ſich im kla-
ren Waſſer ſpiegeln.
Kurtz eine warm’ und laue Klarheit und eine licht’ und
ſanfte Glut
Bedeckt’, umgab, befloß, durchſtrahlte die gantze Gegend,
Land und Fluth.
Jch ſtutzt und freute mich von Hertzen. Was werden
durch der Sonnen Schein
Fuͤr Wunder nicht bey uns gewircket! rief ich, fuͤr Freu-
den halb entzuͤcket:
Wie wird, durch ſie, die gantze Welt belebt, erqvickt,
genaͤhrt, geſchmuͤcket,
Und, fuhr ich fort bey mir zu dencken: dieß wircket eine
Sonn’ allein;
Was muß vor Anmuth, Pracht und Licht und Herrlichkeit
vorhanden ſeyn,
U 3Wenn
[310]Sonnen-Licht.Wenn dort in jenen Himmels-Hoͤh’n, nach dieſem Leben,
unſre Seelen
Jm Stande ſich befinden werden, von Sonnen, welche
nicht zu zehlen,
Die Wirckungen zu ſehn, zu fuͤhlen? Mich nimmt ein
heil’ger Schauder ein,
Wenn ich an ſolchen Glantz gedencke. Dies Dencken mehrt
des Schoͤpfers Ehre
Und iſt mir, als ob ich daruͤber ſchon in Gedancken ſee-
lig waͤre.
[figure]
Zur[311]ZurFlos admirabilis.Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze
Zier und Ehr’,
Mit deiner Farben Glantz und Schein!
Jch ſeh’ dich nun und nimmermehr.
Die Stunde, da du muſt vergehn, bricht bald heran, ſie
iſt ſchon nah,
Und eben, da ich mit dir rede, bricht ſie herein, ſie iſt
ſchon da.
Du wickelſt dich in dich zuſammen, verſchrumpfſt, ver-
liereſt Farb und Glantz,
Verwelckſt, verkoͤmmſt, verdirbeſt gantz,
Und zwar ſo ſchleunig und ſo ſchnell, daß jedermann,
Die groſſe Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann.
Nun ſcheint zwar deine kurtze Dauer und dein ſo
ploͤtzliches Vergehen
Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man
es recht erweget,
Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichſam Platz
zu machen pfleget;
So fuͤhlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge-
het, nicht;
Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes
Scheiden
Erſetzen, und, ſo wie es auch bey uns nicht weniger
geſchicht,
Die Stelle wiederum bekleiden;
Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr ſo kurtze Zeit
beſtehet,
Und gleichſam, mit nie ſtillen Schritten, nur andern aus
dem Wege gehet,
U 4Uns
[312]Zur Flos admirabilis.Uns von des groſſen Schoͤpfers Wercken und von dem
Reichthum der Natur,
Wie er ſo unerſchoͤpflich ſey, uns eine neu und wahre
Spur.
Es koſtet ihr ſehr wenig Muͤh, viel Millionen zu formiren.
Man kann demnach und muß, mit Recht, ſo wol beym
ſchleunigem Vergehn,
Als bey der Zeugung, liebſte Blume, den Schoͤpfer der
Natur erhoͤhn.
[figure]
Herbſt-[313]Herbſt-Blaͤtter.Es ſcheint ſo gar der Wind anjetzt ſich zu bemuͤhn,
Und, zu dem Endzweck blos, die Blaͤtter zu bewegen,
Um, durch derſelben oͤfters regen,
Den Blick nun deſto mehr auf ſie zu ziehn.
Man ſiehet, ſieht man recht, der Farben bunte Klarheit,
Jn einer Harmonie, ſo angenehm ſich miſchen;
Man hoͤret, hoͤrt man recht, in ihrem ſanften Ziſchen
Und liſpelndem Gethoͤſ’ und Wiſpern, dieſe Wahrheit:
„Jhr ſehet uns vielleicht zum letzten mahl,
„Beſeht uns heute noch, denn da wir ſchon gereift,
„Sind Morgen ſchon vielleicht der Baͤume Wipfel kahl,
„Und wir vermuthlich abgeſtreift.
„Noch koͤnnt ihr euren Blick an uns vergnuͤgen,
„Noch koͤnnt ihr deſſen Ehr’,
„Der euch und uns gemacht, zu eurer Freude fuͤgen,
„Und opfern eure Luſt dem Weſen mehr und mehr,
„Das euch zu gut, indem wir ſterben,
„Uns ehe noch, als wir verderben,
„Zu eurer Luſt ſo ſchoͤn, ſo lieblich wollen faͤrben.
[figure]
U 5
Ver-[314]Vergnuͤgen auch bey feuchtemVergnuͤgen auch bey feuchtem Wetter
im Winter.Daß es an uns allein faſt lieget,
Wenn man ſich nicht zu aller Zeit,
An der Geſchoͤpfe Lieblichkeit,
Auch gar wenn alles naß, und ſchlackrig iſt, vergnuͤget;
Hat mir ein truͤber Tag im Winter juͤngſt gewieſen,
Da ich verſchiednes, welches ſchoͤn,
Auch im December ſelbſt, geſehn,
Woran ich mich vergnuͤgt und GOtt dafuͤr geprieſen.
Jch ging, in einer Morgen-Stunde,
Mit einem Pfeifchen in dem Munde,
Jn meinem Garten auf und nieder,
Von Grillen und Geſchaͤften frey,
Und ward gewahr, wie hin und wieder,
Auch wenn es ſchlackrig iſt, doch was betraͤchtlichs ſey.
Die Baͤume, die nunmehr entkleidet, kamen mir,
Als wenn ſie wuͤrcklich ſchlieffen, fuͤr;
Die Winde ſchienen oft, durch hin und wieder biegen,
Sie gleichſam in den Schlaf zu wiegen.
Sind nun die Wipfel gleich, da alle Zweig’ entlaubet,
Von ihrer gruͤnen Pracht beraubet;
So ſcheinen doch, wenn wir es wol erwegen,
Der Baͤume feuchte Staͤmm’ hingegen
Mehr, als vorhin, geſchmuͤckt; indem die Dunckelheit
(Womit des Regens Feuchtigkeit
Die Rinden ſchwaͤrtzt) des Moſes gruͤne Pracht,
Die hie und da mit weiſſer untermiſcht,
Nicht durch die Naͤſſe nur erfriſcht;
An Farbe noch viel ſchoͤner macht.
Wenn
[315]Wetter im Winter.Wenn uͤberdem
Jetzt uͤberall, auch an den kleinſten Zweigen,
Sich groſſe, klare Tropfen zeigen;
So laͤßt auch dieſes angenehm.
Jndem ſie all’ in reiner Klarheit prangen,
Als ſaͤhe man daran eryſtallne Kugeln hangen,
Wenn man auf ſie ſein Aug’ in dieſer Abſicht lencket,
Und, daß es in der That den Augen lieblich, dencket.
Die Knoſpen, welche man jetzt mehr, als ſonften, ſieht,
Die zeigen uns die Stellen, worin ſich
Die wirckende Natur hier innerlich,
Zu unſrer Luſt, zu unſerm Nutz, bemuͤht.
Es ſcheint die Luft zwar ſchwer, und recht auf uns
zu liegen,
Wenn ſie mit feuchtem Duft uns rings umher bezirckt,
Wodurch ſie denn in uns ein’ Art von Schwermuth wirckt,
Die aber eigentlich kein wahres Unvergnuͤgen.
Es miſcht ſich eine Luft in dieſen Unmuth ein,
Wodurch man gleichſam kann in Schwermuth froͤlich ſeyn.
Es ſcheint des Geiſtes Kraft, wenn truͤbe Luft uns druͤckt,
Und unſre Blicke hemmt, ſich minder zu zerſtreuen,
Und, gleichſam mehr vereint, zum Dencken mehr geſchickt,
Bey aͤuſſerlichem Schaur ſich innerlich zu freuen.
Jndem ich dieſes fuͤhl’, empfind’ ich doch dabey,
Daß dieſe truͤbe Zeit, nur denen leidlich ſey,
Die, wenn ſo Kaͤlt’ als Feuchtigkeit ſich mehren,
Jn ihre warmen Zimmer kehren,
Und ſich mit Recht erfreuen koͤnnen,
Daß ihnen, in der Winter-Zeit,
Der Schoͤpfer die Beqvemlichkeit,
Bey ſo viel Gutem, wollen goͤnnen.
Jch
[316]Vergnuͤgem auch bey feuchtem Wetter ꝛc.Jch wuͤnſche denn mit Andacht-vollem Sinn,
Da ich, GOtt Lob! von denen einer bin,
Der, wenn die Luͤfte kalt und ſcharf,
Nicht ohne Dach und Fach verbleiben darf,
Daß ich die Gnad’ erkennen moͤge,
Auch Armer nach Vermoͤgen pflege,
Als denen, von Beqvemlichkeit beraubet,
Der Mangel in der Winters-Zeit,
So wol wenns ſchlackrig iſt, als wenn es friert und ſchneit,
Des Wetters ſich zu freuen, nicht erlaubet;
Damit ſich wenigftens ihr Creutz in etwas mindre
Und ſie nicht dann und wann doch, GOtt zu dancken, hindre,
Daß er ſie, auch durch andre, naͤhrt,
Und obgleich kuͤmmerlich, doch das, was noth, beſchehrt.
Sie thun uns, ohne das, mehr guts, als wirs ermeſſen:
Jhr Gegenſatz, zeigt unſer Gluͤck uns an,
Und, ohne ſie, wuͤrd’ iederman
Noch mehr, als jetzt geſchicht, wie gut ers hat, vergeſſen.
Ach moͤgte man doch ſo am truͤben Tage dencken,
So waͤren wir vergnuͤgt, ſo wuͤrde GOtt geehrt,
Zugleich auch etwas Guts dem Nechſten zugekehrt,
Auch dann wann Regen ſich und Nebel auf uns ſencken.
[figure]
Blu-[317](***)
Blumen im Winter.Jſt es moͤglich, ſchon anjetzt, in der haͤrtften Winter-Zeit,
Da die Fluht mit Eis beleget, Garten, Feld und
Wald beſchneit,
Lieblich riechende Eyrenen, funckelnde Gentianellen,
Crocos, Lilien-Convalljen, ja die ſchoͤnſte Pfirſchen-Bluͤth,
Tulpen, Hyaeinth, Terzetten, wie man hier bewundernd
ſieht,
Zu erblicken, ja daß ſolches moͤglich, ſich nur vorzuſtellen!
Ach, mein GOtt, durch deine Guͤte, nehm’ ich in
derſelben Pracht,
Mit Vergnuͤgen, deine Weisheit, deine Wunder, deine
Macht,
Die durch dich ſtets regen Kraͤfte der Natur auch jetzt in
acht,
Und, durch ihre holde Schoͤnheit, auch im Froſt recht
angelacht,
Fuͤhl’ ich, wie mein innerſtes recht gelabet, recht erqvicket,
Ja, durch aͤmſige Betrachtung ihres Schmucks, faſt ſelbſt
geſchmuͤcket,
Zu dir hingezogen wird. Dieſe Pracht, die ſie erblickt,
Wird ihr gleichſam zugeeignet, und, wie wir, noch einſt
ſo ſchoͤn,
Einer Schoͤnen zarte Haut, bey ihr nahen Blumen, ſehn;
Stellt ſich eine frohe Seele, wenn ſie Blumen ſo beſieht,
Jn ſelbſt bluͤhenden Jdeen wuͤrcklich ſelbſt verſchoͤnert mir,
Bey der weiſſen Hyacinth und der rohten Pfirſich-Bluͤt’,
Roͤther noch an Lieb und Andacht, weiſſer noch an Un-
ſchuld, fuͤr.
Ernſt-[318]Ernſtliche Betrachtung der Welt
nothwendig.Kann es auch ſonder Kunſt geſchehn,
Wenn wir an ſchoͤnen Schildereyen
Uns mit Vernunft ergetzen und erfreuen,
Und mit vergnuͤgtem Geiſt die Kunſt des Kuͤnftlers ſehn?
O nein, ein Kunſt-Erfahrner weiß,
Das blos durch einen langen Fleiß
Man dieſe Wiſſenſchaft erhaͤlt,
Und ſonder Muͤhe ſie nicht findet;
Wie daß man ſich denn unterwindet,
Sich ſelber ſo geſchickt zu ſchaͤtzen,
An dem weit ſchoͤneren Gemaͤhlde dieſer Welt
Vernuͤnftig, ohn Vernunft, ſich zu ergetzen,
Ja, ohn es einmahl anzuſehn,
Des groſſen Meiſters Geiſt doch ſattſahm zu verſtehn,
Den er in ſeinem Wercke weiſet;
Ein Werck, das uͤberall den groſſen Meiſter preiſet?
Jſt es nun eine Kunſt, der GOttheit Werck zu faſſen;
Will man ſich denn darin nicht unterrichten laſſen?
O ja! ich wolte gern, hoͤr’ ich verſchiedne ſagen,
Mich an des Schoͤpfers Werck vergnuͤgen,
Und meine Luſt zu ſeiner Ehre fuͤgen;
Allein wer lehrt es mich? hoͤr’ ich dieſelben fragen;
Die GOtts-Gelehrten legen ſich,
So wie ich ſchon ſeit langer Zeit bemercke,
Allein auf GOttes Wort, nicht leicht auf GOttes Wercke.
Nun
[319]Ernſtliche Betrachtung der Welt nothwendig.Nun iſt es recht, daß ſie von ſeinem Wort nicht ſchweigen,
Doch ſolt ein jeder auch nicht minder gern
Die groſſen Wunder ſeines HErrn
Den ſonſt ſtock-blinden Hoͤrern zeigen.
Jch hoff’ es wird auch mehr und mehr geſchehen;
So lang es nicht geſchicht,
Erfodert es doch deine Pflicht,
Sie oft mit ſchuldiger Betrachtung anzuſehen.
[figure]
Ueber-[320]Ueberzeugliche Vermahnung zur
Naͤchſten-Liebe.Dein Naͤchſter iſt, ſo wol als du, vom Schoͤpfer eine
Creatur:
Wie wir denn nun in allen Dingen, die GOtt gemacht,
ihn ſelbſt verſpuͤhren;
So muß man, zu des Naͤchſten Beſten, und unſerm Nu-
tzen, ihm nicht nur
Nicht ſchaden, ſondern in ihm gleichſam den Schoͤpfer
ſelber reſpectiren.
[figure]
Goͤtt-[321]Goͤttlicher Spiegel.Ein vom Schoͤpfer, durch ſein Werck und von deren
Wunder-Schein,
Angefuͤlletes Gemuͤthe
Scheinet gleichſam wie ein Spiegel fuͤr den Schoͤpfer ſelbſt
zu ſeyn,
Worinn er, ſein Werck vergeiſtert und mit Danck und
Luſt geſchmuͤckt,
Lauter Weisheit, Allmacht, Guͤte; ja ſich gleichſam
ſelbſt erblickt.
[figure]
X
Groſſe[322]Groſſe Buchſtaben.Frage doch die Thiere nur, ob ſie dich nicht lehren
werden,
Daß ein GOtt, ein Schoͤpfer ſey? Oder rede mit der Erden,
Wenn ſie gleich mit keinen Lippen und mit keiner Zunge
ſpricht;
Giebt ſie dir von dieſer Warheit dennoch deutlichen Bericht.
Das Gefluͤgel in der Luft darfſt du ebenfals nur fragen;
Selbſt mit ihrem ſtummen Munde werden dir’s die Fiſche
ſagen;
Frage Blumen, Baͤum’ und Kraͤuter! Es erzehlen Thal
und Hoͤhen
Von des groſſen Schoͤpfers Liebe, Weisheit, Herrlichkeit
und Macht.
Deine Seele wird die Sprache (ſiehet ſie nur mit Bedacht
Die geſchaffnen Wunder an) durch dein Auge, bald verſtehen.
Menſchen Rede pruͤft das Ohr; dieſe Sprache kanſt du
ſehen,
Und durch dein Geſicht vernehmen und begreiffen. Schaue
dann
Jn des Welt-Buchs ſchoͤnen Lettern unſers Schoͤpfers
Schriften an!
Othem-[323](***)
Othem-hohlen.Mein GOtt, ich habe lang auf dieſer Welt gelebet,
Jch hab’ auch in der Welt auf deiner Wercke
Pracht
Mit Freuden dann und wann gedacht,
Und, in Verwunderung, dich zu erhoͤhn geſtrebet;
Allein
Wie hab ich doch ſo unempfindlich, ja
Unfuͤhl- und folglich auch undanckbar koͤnnen ſeyn,
Fuͤr eins, das, da ichs jetzt bemercke,
Der allergroͤſten Wunder-Wercke
Ohn allen Zweifel eins. Es iſt mir dieß ſo nah,
Als ſonſt faſt keines iſt,
Es wird kein Augenblick
Von mir zuruͤck geleget,
Daß es nicht meine gantze Bruſt,
Und zwar zugleich voll Nutz und Luſt,
Mit einer ſanften Macht beweget.
Mein Leben ſelbſt beſteht in dieſem Wunder bloß;
Je mehr es mich betrift, je oͤfter ich es brauche,
Wenn ich den Othem zieh’ und ſtets ihn von mir hauche.
Je mehr es wunderbar und groß:
Je mehr und oͤfter ſollt’ auch ich daran gedencken,
Und dem, der es mich wuͤrdigt, mir zu ſchencken,
Und der es mir erhaͤlt, mit recht geruͤhrter Seelen,
Lobſingen, ihn erhoͤhn, und auf beſondre Weiſe,
Zu ſeiner Weisheit, Lieb’ und Allmacht Preiſe,
Der Wunder Meng’ und Groͤß’ erwegen und erzehlen.
Es iſt zwar unſers Coͤrpers Bau,
Und alles, was ich an ihm ſchan,
Erſtaunens-wuͤrdig, wunderbar;
X 2Doch
[324]Othem-hohlen.Doch welcher Kiel und welche Zunge
Jſt, die das Wunder-Werck der Lunge
Auf eine ſolche Art beſunge,
Wie es die Wuͤrdigkeit, wie es derſelben Wehrt
Erfodert und begehrt:
Jhr Weſen, ihre Lag’, ihr Ampt, ihr Nutz, den wir
Jn unſerm Coͤrper ſtets von ihr
Empfinden koͤnnen und verſpuͤhren,
Muß uns zu naͤherer Betrachtung billig fuͤhren.
Wer das kuͤnſtliche Gewaͤchs unſrer Lungen recht
ermißt,
Wird, wo er ein Menſch, ſich wundern, wie es zube-
reitet iſt.
Aus viel tauſend kleinen Blaſen, die geſchickt ſind Luft zu
faſſen,
Und ſich von derſelben willig aus einander dehnen laſſen,
Aber die, wenn jene weicht, alsbald ſich zuſammen ziehn,
Jſt ihr Weſen zugericht! und die Luft-Roͤhr’ liegt in ihr
Wunderbarlich eingeſenckt,
Und zuerſt mit groſſen Adern = = = aber, was beſchreib ich hier?
Weil man es unmoͤglich beſſer, als es Triller ſchon gethan,
Abzubilden faͤhig iſt, und ſie beſſer ſchildern kann,
Fuͤhr’ ich dieſe ſchoͤne Stelle, aus deſſelben Schriften an:
„Nunmehr auch zu dem andern Theile,
„Der ſanft ums Hertz herumgelegt,
„Und, zu des Coͤrpers groͤſtem Heile,
„Sich, wie daſſelbe, ſtets bewegt!
„Die Lungen ſinds, die wir verſtehen,
„Die immer auf- und niedergehen,
„Und, durch dieß ſtetige Bemuͤhn,
„Beſtaͤndig friſchen Othem ziehn.
„Sie
[325]Othem-hohlen.„Sie, gleichend einem Huf der Pferde,
„Doch mehr noch einer Klau der Kuh,
„Weh’n, als ein Blaſebalg, dem Heerde
„Des Hertzens Luft und Nahrung zu.
„Doch, da ſie dieſen Zweck erzielen,
„So pflegen ſie zugleich zu kuͤhlen;
„Gleich wie, bey Titans heiſſer Glut,
„Ein ausgeſpanter Fecher thut.
„Die Kraft, ſo ſtarck ſich aufzutreiben,
„Und unaufhoͤrlich aufzublehn,
„Jſt denen Blaͤsgen zuzuſchreiben,
„Woraus ſie eigentlich beſtehn;
„Als welche fuͤglich mit den Zellen
„Der Bienen in Vergleich zu ſtellen:
„Wie ſchon Hippocrates erkannt,
„Eh’ es Malpighius erfand.
„Aus dieſen Luft-erfuͤllten Hoͤlen
„Pflegt ſich das ſchwaͤrtzliche Gebluͤt
„Aufs neue gleichſam zu beſeelen,
„Daß es in friſchem Purpur gluͤht.
„Denn wenn es matt zuruͤcke kehret,
„Nachdem es jedes Glied ernaͤhret,
„So wird ihm die verlohrne Kraft
„Hier wiederum herbey geſchafft.
„Weil Hertz und Lunge nun vor allen
„Regenten unſers Lebens ſeyn;
„So machen ſie mit den Vaſallen
„Und Dienern ſich nicht zu gemein.
X 3„Da-
[326]Othem-hohlen.„Dahero haͤngt vor ihrer Staͤdte
„Gar eine kuͤnſtliche Tapete,
„Die, als im alten Teſtament,
„Das Heiligſte vom Heil’gen trennt.
*Wobey ich zum Beſchluß
Noch die Betrachtung fuͤhren muß:
Erwege, deinem GOtt und Schoͤpfer doch zur Ehre,
Wenn nur allein die Lung’ in dir nicht richtig waͤre,
Wie elend wuͤrde doch dein armes Leben ſeyn!
Ein jeder Augenblick wuͤrd’ immer neue Pein,
Mit Huſten, Keichen, Seiten-Stechen,
Jn deiner faſt zerfleiſchten Bruſt,
Die voller Schleim und Wuſt,
Als wenn ſie immer wolte brechen,
Erregen; da du jetzt, wenn du’s erwegſt, mit Luſt
Den Athen in dich ziehſt, dein heiſſes Blut erfriſcheſt,
Der Luft geſunde Theil’ in deinem Coͤrper miſcheſt,
Und froͤlich leben kannſt; wenn du nur ſelber wilt
Die Kraͤfte deiner Seel’ auf dieſes Wunder lencken,
Und, daß du ſanfte lebſt,
Beym ſanften Athen-ziehn,
Doch oͤfters als du thuſt, bemuͤht biſt zu bedencken.
Ach moͤgten wir dieß Wunder oft betrachten
Und, wie es in der That, es fuͤr ein Wunder achten,
So wuͤrden wir bey jedem Athem-ziehn,
Dem groſſen GOtt zu dancken uns bemuͤhn,
Und uns zu gleicher Zeit beſtreben,
Jn unſrer Luſt zu ſeiner Ehr’ zu leben!
Ei-[327](***)
Einige Betrachtungen uͤber unſre
Sinnen.Es ſcheint, wann wir uns recht betrachten, daß, ob
zwar junger Kinder Seelen
Die Faͤhigkeiten, zu vergleichen, zu ſchlieſſen, zu verſtehn,
nicht fehlen;
Doch die gedachten Faͤhigkeiten und ihres Weſens rege
Kraft
Ohn unſrer Sinnen Wunder-Werckzeug, ohn’ unſrer
Sinnen Eigenſchaft,
Sich immermehr entwickeln wuͤrden. Die Sinnen wir-
cken blos allein,
Daß wir der Coͤrper gut genieſſen, daß ſie fuͤr uns ge-
ſchaffen ſeyn,
Daß, auf ſo wunderbare Weiſe, mit Coͤrpern Geiſter
ſich verbinden,
Daß wir, was auf der Welt vorhanden, genieſſen, ſehen
und empfinden,
Daß wir der Creaturen Schoͤnheit, die, auf ſo manche
Weiſe, ſchoͤn,
Daß wir ſo viele Form- und Farben, daß wir des Lichtes
Wunder ſehn.
Ohn unſre Sinnen, wuͤrden Coͤrper, die durch die Sin-
nen mit den Seelen
Auf eine mittelbare Weiſe, wie wirs empfinden, ſich ver-
maͤhlen,
Sich, recht als waͤren ſie nicht da, den Seelen gantz und
gar verhehlen.
So laßt uns denn der Sinnen Gaben, die unſre
Seelen gleichſam naͤhren,
Zu ihrem Endzweck doch gebrauchen, und durch ſie GOtt, als
Schoͤpfer ehren!
X 4Ge-
[328]Einige Betrachtungen uͤber unſre SinnenA.Geliebter Freund du zeigeſt zwar,
Daß alle Werckzeug’ unſrer Sinnen ſo kunſtreich und ſo
wunderbar,
Und wilſt dahero dieſes ſchlieſſen:
Daß wir, mit ihnen, und durch ſie, den groſſen Schoͤp-
fer ehren muͤſſen.
Allein, wir koͤnnen an den Thieren,
Daß ihre Sinnen ja ſo wol, als unſre Sinnen, Wun-
der-reich,
Daß ſie den unſrigen nicht nur in allen Stuͤcken wuͤrck-
lich gleich,
Ja daß ſie oft noch ſchaͤrfer ſind, erkennen ſehen und
verſpuͤhren:
Doch darum wirſt du ja von ihnen, verhoff’ ich, dieſes
nicht verlangen,
Daß ſie die Sinnen, unſern GOTT als Schoͤpfer zu
erhoͤh’n, empfangen.
B.So wie die Thier’ uns blos zum Beſten; ſo muͤſſen
wir, zu GOttes Ehren,
Mit Danck und mit Vergnuͤgen ſchmecken, empfinden,
riechen, ſehn und hoͤren.
[figure]
Unge-[329]Ungewißheit.Jn dieſer hellen Finſterniß,
Jn welcher wir auf Erden ſtecken,
Wird ein Vernuͤnftiger gar leicht entdecken,
Daß alles Wiſſen ungewiß.
Die Ungewißheit geht ſo gar ſo weit,
Daß man,
Mit Recht und Zuverlaͤßigkeit,
Daß alles ungewiß, gewiß kaum ſagen kann.
[figure]
X 5
Wir-[330]Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart.Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart.Es iſt in allen ſeinen Wercken,
Die ſo bewunderns-wuͤrdig ſchoͤn,
Der Schoͤpfer ſelbſt zwar nicht zu ſehn;
Doch ſeine Gegenwart zu mercken.
Und darum wirckt der Wunder Menge
Und ihr ſo herrliches Gepraͤnge,
Wovon wir uns umgeben ſchauen,
Jn mir ein froh und heiligs Grauen.
Wen ſollt’ auch nicht ein Grauen ruͤhren,
Wenn man die Nachbarſchaft ermißt,
Die GOttheit ſelbſt ſo nah zu ſpuͤhren,
Die auch den Engeln ſchrecklich iſt.
Doch nein! Es zeigt der Wunder-Schein
Der Creatur, die ihn verhuͤllet,
Daß er zu ſchrecken nicht gewillet;
Er will von uns geliebet ſeyn.
Er wollt ein ungezehltes Heer
Von Wundern, uns zur Luſt, beſtimmen;
Er ſchuf ein rechtes Anmuths-Meer,
Worinn wir Menſchen gleichſam ſchwimmen.
Er will, man ſoll vergnuͤget leben,
Sonſt haͤtt’ er ſie uns nicht gegeben;
Jndem er uns fuͤr ihre Pracht
So Wunder-wuͤrdig ſinnlich macht.
Wir
[331]Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart.Wir haben einen freyen Willen,
Warum will denn die Menſchheit nicht,
Nach ihrer ſo bequemen Pflicht,
Was GOtt ſo gnaͤdig will, erfuͤllen?
Will ſie denn lieber nichts betrachten,
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf verachten,
Und lieber murriſch ſeyn in allen,
Als froͤlich ſeyn, und GOtt gefallen?
[figure]
Glaͤ-[332]Glaͤſerne Kugel.Glaͤſerne Kugel.Auf einer Kugel, die von Glas, und auf gewiſſe Art
verguͤldet,
Sah ich die Vorwuͤrff uͤberall, Bewundrungs-wuͤrdig-
klein gebildet,
Mit unverwendten Blicken, an. Unglaublich iſt, wie
klar, wie rein,
Wie nett und zierlich alle Coͤrper verkleinert und formiret
ſeyn!
Jndem ich es erſtaunt betrachte, faͤllt mir nicht ſonder
Urſach bey,
Daß dieſe glatt’ und runde Kugel ein Bild von einem Au-
ge ſey.
Der Unterſcheid ſteckt blos darin, daß von den Coͤrperli-
chen Dingen
Die Bilder auf der Kugel nur formirt, und gleichſam
ruͤckwerts ſpringen;
Da ſie hingegen in das Auge, ja gaͤntzlich durch daſſelbe
dringen
Und auch die untre Ruͤnde ruͤhren, ja durch ein Nervgen
weiter gehn;
Wodurch im menſchlichen Gehirne, ſo dann Betrachtun-
gen entſtehn,
Wenn nur das Nervgen nicht verſtopft. Weil ſonſt nicht
mehr, als Ochſen-Augen,
Der Menſchen Augen was ſie ſehn, zu ſehn und zu be-
trachten taugen.
Wenn nun beym Sehen, ohne Dencken, die Menſchen kei-
ne Menſchen ſeyn;
So fiel, ſo dir als mir zur Lehre, mir folgende Vermah-
nung ein:
Laß
[333]Glaͤſerne Kugel.Laß doch, bey aller Pracht der Wunder hier auf
Erden,
Dein Auge, lieber Menſch, kein Ochſen-Auge werden!
Ach nein!
Laß es, zu GOttes Ruhm, ein Menſchen Auge ſeyn!
Eroͤfne die an ihm befindlichen Canaͤle,
Und laß die Pracht von den erſchaffnen Dingen,
Durch ſie, ſich ins Gehirn, den Sitz der Seele,
Ja in die Seele ſelber dringen.
Laß durch Gewohnheit dir die Thuͤren nicht verriegeln,
Wodurch die Welt mit dir, du mit der Welt, vereint,
Durch die der GOTTHEIT Glantz, als wie von hellen
Spiegeln,
Aus ſeinen Wercken wiederſcheint!
Wir ſehen ja das eigentliche Licht,
Ohn einen Gegenſchlag von feſten Coͤrpern, nicht.
So kann man auch der GOttheit Lieb und Macht
Ohn ſeiner Creaturen Pracht
Unmoͤglich ſehn, erkennen und verehren.
Die Creaturen ſinds allein,
Die uns von ſeiner GOttheit Schein
Die herrliche Beſchaffenheit erklaͤren.
Drey Dinge braucht ein Thier zum Sehen: das Geſicht,
Der Coͤrper Vorwuͤrff’, und das Licht.
Wer aber als ein Menſch will ſehen, muß das Dencken
Annoch zu dieſen dreyen lencken,
Und dieſe Seelen-Kraft noch zu den andern fuͤgen;
Sonſt hat der Menſch von allem, was auf Erden,
Kein’ eigentliche Luſt, kein menſchliches Vergnuͤgen,
Und GOtt kann nicht gedanckt noch angebehtet werden.
Er-[334]Erklaͤrung des Vater Unſers.So wol der Anfang, als der Schluß
Des Vater Unſers, zeiget an,
Daß, auch im Beten, jedermann
Auf die Verherrlichung des Schoͤpfers gehen muß.
Es giebet Chriſtus ſelbſt den deutlichſten Bericht,
Der je davon zu unſrer Kundſchaft kame,
Wenn er zu Anfang: Vater! ſpricht,
Geheiligt werde ſtets dein Nahme!
Wie kann nun GOttes Nahm’ auf Erden
Von uns doch mehr geheiligt werden,
Als wenn wir, wie ſein Werck ſo ſchoͤn,
Jn froͤlicher Betrachtung, ſehn?
Sein Reich wird wenigſtens auch darin mit beſtehn,
Wenn wir, in ſeinem Werck, mit Luſt, ſein Lob erhoͤhn.
Sein Wille wird zugleich, wenn dieß geſchicht, geſchehn.
Auch unſer taͤglich Brodt zeigt ſeiner Wercke Macht,
Und wird, aus weiſer Huld, von ihm hervorgebracht.
Wenn Chriſtus das Gebeth nun endlich ſchleußt;
So finden wir noch mehr: indem es heißt:
Denn es iſt dein das Reich, die Kraft, die Herrlichkeit
Jn Ewigkeit. Es faͤhrt am ſelben Ort
Der HErr noch weiter fort,
Und heißt in Lilien, da ſie ſo ſchoͤn,
An Voͤgeln und am Graſ’ uns GOttes Allmacht ſehn.
Ach
[335]Erklaͤrung des Vater Unſers.Ach, warum nehmen wir denn nicht
Die, durch Natur und Schrift uns eingepraͤgte, Pflicht
Mit mehrerm Ernſt in acht?
Auf, laßt uns uͤberall in GOttes Wercken,
Mit Andacht, Luſt und Ehrfurcht, mercken
Des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Macht!
[figure]
Die[336](***)
Die uns zur Ehre GOttes leitende
Creatur.Es lieget in der Menſchen Seelen
Zum Dancken eine Faͤhigkeit;
Doch wird die trefliche Beſchaffenheit,
Wofern des Schoͤpfers Werck’ ihr fehlen,
Und nichts ſie durch die Sinne ruͤhrt;
Als waͤre ſie nicht da, auch nicht verſpuͤhrt.
Es muß zugleich auch die Betrachtungs-Kraft,
So ebenfals der Seelen Eigenſchaft,
Sich mit den Sinnlichen verbinden;
Wir muͤſſen mit Bedacht empfinden.
Wann dieß geſchicht; kann es nicht anders ſeyn,
Wir werden ſolche Triebe fuͤhlen,
Die auf die Qvell der Luſt allein,
Auf unſers Schoͤpfers Ehre, zielen.
[figure]
Wunſch.[337]Wunſch.Moͤgt’, o HErr, von deiner Guͤte
Und von deiner Allmacht Schein
Mein betrachtendes Gemuͤhte
Ein vernuͤnft’ger Spiegel ſeyn!
Moͤgt’ in mir, wenn Danck und Liebe,
Sammt der Andacht reinem Triebe,
Sich zu meiner Frende fuͤgen;
Jn mir, als im Wiederſchein,
Dir dein’ Allmacht ſichtbar ſeyn;
Mein Vergnuͤgen dich vergnuͤgen!
[figure]
Y
Pflicht[338]Pflicht des Geiſtes.Man ſieht nicht einſt das helle Sonnen-Licht,
Es leuchtet nicht, es waͤrmet nicht,
Wo es ſich nicht an Coͤrpern bricht,
Nicht ruͤckwerts faͤllt, nicht reflectiret.
So wird von unſerm Geiſt auch nichts geſpuͤhret,
Wo er ſich nicht auf Coͤrper ſenckt,
Von ihnen ſich nicht ruͤckwaͤrts lenckt,
Und, reflectirend, wirckt und denckt.
[figure]
Das[339](***)
Das Welt-Buch.Das groſſe Buch der Welt giebt uns von deinem
Weſen,
O Schoͤpfer aller Welt, viel herrliches zu leſen;
Wohin ich gehe, wo ich ſtehe
Wohin ich dencke, hoͤr’ und ſehe,
Erblick ich uͤberall Bewundrungs-wehrte Schriften,
Die, daß dein’ Allmacht-Hand, aus ew’ger Huld getrieben,
Sie blos, in unſrer Luſt, zu deinem Ruhm geſchrieben,
Ein unvergaͤnglich Merckmahl ſtiften.
Es zeiget uns die Schrift der Creaturen,
Ja jeder Buchſtab ſchon allein,
Von deiner Macht ein Licht, und einen hellen Schein
Von deiner Weisheit Spuren.
Gewehnte man ſich nur, zu deiner Ehr’,
O GOtt! in dieſer Schrift zu buchſtabiren;
So wuͤrd uns immer mehr und mehr
Dein groſſes Wort, ihr wahrer Jnnhalt, ruͤhren,
Und dieſes Wunder-Buch des Himmels und der Erden
Wuͤrd’ uns das rechte Buch der Weisheit werden.
[figure]
Y 2
Leich-[340]Leichter GOttes-Dienſt.Leichter GOttes-Dienſt.Es iſt nicht nur jedwede Stunde;
Es iſt ein jeder Augenblick,
Ja jede fluͤchtige Secunde
Von unſrer Lebens-Zeit ein Stuͤck.
Du laͤſſeſt eine nach der andern
Verfliegen, ſchwinden und vergehn,
Die kuͤnſt’ge zur vergangnen wandern,
Ohn, was du guts haſt, anzuſehn;
Wie lange denckſt du dein Ergetzen
Ob allem, was dir GOtt geſchenckt,
Und deinen Danck hinauszuſetzen?
Du lebſt in Friede, biſt geehret,
Du biſt geſund, du haſt dein Brodt,
Und was zur Nothdurft dir gehoͤret:
Wilſt du denn, biß an deinen Todt,
Den, der dir alles gab, zu lieben,
Jn deiner Luſt ihn zu erhoͤhn,
Biß (ſag ich) an den Todt verſchieben,
Und daß nur er dirs gab, verſtehn,
Um dann den Reſt von deinem Leben,
Mit inniglicher Danckbarkeit,
Den groſſen Geber zu erheben?
Jetzt thu es! jetzo iſt es Zeit!
Es
[341]Leichter GOttes-Dienſt.Es will fuͤr alle ſeine Gaben,
Die er dir ſchenckte, GOtt der HErr
Nicht lange Complimenten haben;
Er heiſcht kein aͤngſtlich Wort-Geplaͤrr:
Man darf des Schoͤpfers Dienſt nicht ſcheuen;
Man iſt belohnt, wenn man ihn ehrt.
Sich ſein in ſeinen Wercken freuen
Jſt aller Danck, den er begehrt.
[figure]
Y 3
Recht-[342]Rechtmaͤßige Betruͤbniß.Rechtmaͤßige Betruͤbniß.Aus einem tieffen Schlaf war ich an einem Morgen,
Wie es ſchon ziemlich ſpat, erwacht;
Es hielte mich des Vorhangs falſche Nacht
Wie ſchon die rechte Nacht vorbey, annoch verborgen:
Als ich, noch halb verwirrt durch einen ſchweren Traum,
Den gruͤnen Vorhang ſchnell zuruͤcke,
Die Augen aufwaͤrts, ſchlug: gleich traf die traͤgen Blicke
Ein gruͤn ſo helles Feur von einem Linden-Baum,
Der meine Fenſter deckt’ und welcher von der Sonnen
So herrlich angeſtrahlt, daß meine Augen kaum,
Und zwar in einigen Secunden,
Dieß durch das zarte Laub gefaͤrbte Sonnen-Licht
Recht anzuſehn ſich faͤhig funden.
Es ſah mein faſt fuͤr Luſt verblendetes Geſicht,
Das hin und her mit ſchnellen Blicken lieffe,
Jn dieſes ſchoͤnen Baumes Tieffe,
Nebſt tauſend ſchoͤn-beſtrahlten hellen,
Viel tauſend dunckel-gruͤne Stellen,
Die alle dem Smaragd an gruͤner Schoͤnheit gleich,
Und ja ſo ſehr, wie er, an Glantz und Schimmer reich,
Noch ſchoͤner an Figur. Es iſt nicht zu beſchreiben
Wie lieblich alles war;
Zumahl da durch die groß- und klaren Fenſter-Scheiben
Das, was man ſah, noch einſt ſo klar.
Nicht moͤglich iſts, wenn auch ein Feuer-Werck
Jn gruͤnen Flammen brennte,
Daß es noch herrlicher, als dieſes, glaͤntzen koͤnnte.
Jch
[343]Rechtmaͤßige Betruͤbniß.Jch ward durch alle Luſt, die ich durchs Auge ſpuͤrte,
Durchdrungen und ſo ſehr bewegt,
Daß mich, fuͤr Luſt, ein heiligs Trauren ruͤhrte,
Wie ich bedachtſam uͤberlegt,
Daß, fuͤr ſo manche Luſt, die hier in dieſem Leben
Der groſſe Schoͤpfer uns gegeben,
Die uns beluſtigen und nuͤtzen,
Wir ſo gar wenig Faͤhigkeit,
Die GOttheit kraͤftiger und oͤfters zu erheben,
Da man ſo viel beſitzt, beſitzen,
Und daß wir ſeine Werck in Andacht anzuſehn,
Und ihn im Sehen zu erhoͤhn,
Mit ſolcher Traͤgheit uns beſtreben.
Jch ſelber fuͤhl’ in mir
Noch lange, leider! nicht ſo viele Danck-Begier,
Als wie ich wol zuweilen wollte,
Und als ich, billig, ſtets empfinden ſollte.
Da ich doch mehr vielleicht, als iemand, uͤberfuͤhrt,
Wie ſehr in unſrer Luſt dem Schoͤpfer Danck gebuͤhrt.
Jch weiß dabey nichts anders anzufangen,
Als meinen Schoͤpfer anzuflehn,
Daß ich, ſein herrlich Werck mit Luſt oft anzuſehn,
Die Gnad’ und Faͤhigkeit von ihm doch moͤg’ erlangen!
[figure]
Y 4
Kraͤfte[344]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Hier ſeh ich, an verſchiednen Stellen,
Ein Silber-reines Waſſer qvellen,
Erſt uͤber weiſſem Sande flieſſen,
Hernach ſich uͤbers Land ergieſſen,
Sich uͤber Weg und Fuß-Steig lencken,
Und Wieſen, Gras und Kraut ertraͤncken.
Mir fiel bey dieſem Waſſer, ein:
Es hieß der Schoͤpfer, auf der Erden
Zwar alle Ding’ und Coͤrper werden;
Doch koͤnnen ſie ſich nicht allein
Nach Ordnung und Vernunft regieren;
Es muͤſſen darum Menſchen ſeyn,
Um ſie zum rechten Zweck zu fuͤhren.
Dem Geiſt des Menſchen iſt die Kraft
Von dem, der alles ſchuf, geſchencket,
Daß er der Coͤrper Eigenſchaft
Nach Regul, Maaß und Ordnung lencket.
Was koͤnnte nicht, aus dieſem Bach,
Der Tag und Nacht beſtaͤndig laͤuft,
Und, ſonder Aufſicht, nach und nach
Das Land verderbet und erſaͤuft,
So wol zur Luſt, als Fruchtbarkeit der Erden,
Fuͤr Nutzen nicht geſchaffet werden?
Solch unſern Geiſt betrachtendes Erwegen
Kann uns aufs neu von unſers Geiſtes Wehrt,
Und was fuͤr Gaben ihm beſchehrt,
Die Wahrheit klar vor Augen legen.
Ve
[r-][345]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Verdienet es demnach gar wol, mit ernſtem Dencken,
Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken,
Und, GOTT ſo wohl zum Ruhm, als uns zum Nutz,
zu ſehn
Die Wunder, welche GOtt in ſie zu ſencken
Sie wehrt geachtet hat, ihn dadurch zu erhoͤhn:
Es iſt wahr, es hat der Menſch nicht die ſchnelle
Fertigkeit,
Seine Stelle zu veraͤndern, und ſich uͤber Thal und Huͤgel
Schnellen Voͤgeln gleich zu ſchwingen, und ſich, in ſo kur-
tzer Zeit,
An entfernten Ort zu ſchaffen: denn er hat ja keine Fluͤgel.
Gleichfals ſind wir nicht ſo ſtarck, wie verſchiedne Thiere, die
Wir, Bewundrungs-voll, mit Hoͤrnern, Zaͤhnen, Sta-
cheln, ſcharffen Klanen
Sich zu ſchuͤtzen, ſich zu naͤhren, wunderbar bewaffnet
ſchauen.
Ja, noch mehr; wir finden uns nicht gekleidet, wie das Vieh,
Von den Haͤnden der Natur, da die Menſchen auf der
Welt
Ohne Peltz-Werck, Federn, Schuppen, gegen Wetter, Hitz’
und Kaͤlt’,
Ohne den geringſten Schutz, nackt und bloß gebohren
werden.
Schickt ſo nackte Duͤrftigkeit ſich zum Koͤnige der Erden?
Antwort:
Uns iſt die Vernunft geſchenckt, und durch dieſe ſind wir
reich,
Starck, und wol verſorgt mit allem, was uns noͤhtig thut,
zugleich.
Y 5Durch
[346]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Durch dieſelbe werden wir uͤberzeuglich gnug belehret,
Daß was alle Thiere haben, eigentlich uns zugehoͤret.
Daß ſie wuͤrcklich unſre Sclaven, daß ihr’ Arbeit, Dienſt
und Leben
Uns allein zu unſerm Nutzen, Dienſt und Willkuͤhr uͤber-
geben.
Haben wir ein Wildpraͤt noͤhtig; wird ein Falck, ein
Hund geſchickt,
Welcher, ſonder unſre Muͤhe, das, was man verlangt, be-
ruͤckt,
Und in unſre Kuͤche liefert. Aendert ſich die Jahres-Zeit,
Und wir wollen, uns zum Schutz und zur Zier, ein an-
der Kleid;
Zinſ’t das Schaf uns ſeine Wolle, zollet das Cameel ſein
Haar
Und es ſpinnt der Seiden-Wurm uns ein leicht und ſchoͤn
Gewand.
Es ernaͤhren uns die Thiere, ſie bewahren uns ſo gar,
Ja ſie tragen unſre Laſten, bau’n und pfluͤgen unſer Land;
Dieſes iſt noch nicht genug: Es ſind nicht die Thiere nur,
Die uns Kunſt und Staͤrcke leih’n; die Vernunft zwingt,
uns zu dienen,
Auch die Unempfindlichſten unter aller Creatur.
Selbſt die allerſtaͤrckſten Eichen, die auf hohen Bergen
gruͤnen,
Bringet ſie zu uns herab; ſie weis Felß und Stein zu trennen
Aus der Erden duncklem Schoß, daß wir ſicher wohnen
koͤnnen.
Wollen wir von einem Land-Strich, auch ſelbſt uͤbers Meer,
zum andern
Wahre haben, oder ſenden, ja auch ſelbſt mit ihnen wandern;
Brau-
[347]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Brauchen wir, zu dieſem Endzweck, der Gewaͤſſer Fluͤßigkeit,
Auch der Luͤfte Hauch, den Wind. Elementen und Metallen
Sind, durch Kraͤfte der Vernunft, uns zu unſerm Dienſt
bereit.
Wo ſie was von Coͤrpern brauchen, nimmt ſie, was ihr
dient, von allen.
Sind wir gleich nur klein, doch giebet die Vernunft uns
ſolche Macht,
Die ſonſt anders keine Graͤntzen, als der Erden Graͤntzen
kennet,
Deren Flaͤche wir bewohnen. Was wir wollen wird voll-
bracht,
So bey Nordens kaltem Eyſ’, als wo ſtets die Sonne brennet.
Wir verbinden, ſo zu reden, beyde Theile dieſer Welt,
Ohn uns gleichſam zu bewegen, wann und wie es uns gefaͤllt.
Die Gedancken mahlen wir; dieſe Schrift wird weggeſandt,
Und durch ſo viel tauſend Menſchen dringet ſie, macht un-
ſern Willen
Auf viel tauſend Meilen kund, um denſelben zu erfuͤllen;
Ja man machet durch den Druck ihn der gantzen Welt
bekannt,
Laͤßt ihn gar, nach unſerm Tod’, auch die ſpaͤtſte Nach-
Welt wiſſen,
Mehr als tauſend Jahr hinaus, ſo daß wir bekennen muͤſſen:
Alle Wunder der Vernunft haben weder Ziel noch Ende!
Sie verſchoͤnert, ſie verbeſſert, und bereichert alle Staͤnde;
Sie iſt in der Kuͤnſtler Fingern minder nicht bewunderns
wehrt,
(Wodurch ſie uns manche Schoͤnheit und Bequemlichkeit
beſchehrt)
Als in der Gelehrten Schriften, worinn ſie uns eine Quelle,
Die
[348]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Die nicht zu erſchoͤpfen iſt, von Belehrung, Troſt, Vergnuͤgen,
Beſſerung und Huͤlfe wird; ja ſie weiß annoch zu fuͤgen,
Jn ſo vielen Wirckungen, Nutzen und Vortreflichkeit,
Einen Vorzug der annoch groͤſſere Vollkommenheit
Jhres edlen Weſens weiſet, den wir Augen-faͤllig mercken
Und zu Tage legen koͤnnen, ſie iſt von des Schoͤpfers Wercken
Recht der Mittel-Punct auf Erden; recht der Endzweck
ſcheinet ſie;
Ja ſie macht von ihnen allen gleichſam recht die Harmonie.
Laßt uns einen Augenblick die Vernunft vom Erd-
Kreis nehmen;
Laßt uns dencken, daß kein Menſch ſich auf Erden mehr
befindet,
Alſobald iſt alles weg, was des Schoͤpfers Werck verbindet,
Alſobald wird alle Ordnung fort, ein Jrrthum allgemein,
Schmutz und Unrath allenthalben, uͤberall Verwirrung ſeyn.
Von dem hellen Sonnen-Licht wuͤrde zwar der Kreis der
Erden
Angeſtrahlet und gefaͤrbt, lieblich, ſchoͤn, und praͤchtig
werden:
Doch die Erde, welche blind, braucht vom hellen Glantz
des Lichts
Und von aller ihrer Schoͤnheit, Farben, Pracht und
Schimmer nichts:
Durch die Waͤrme, Thau und Regen, wuͤrden zwar die
Saamen keimen
Und das Feld mit Gras bedecken auch verſchiedne Fruͤcht’
entſpringen;
Doch es ſind verlohrne Schaͤtze. Keinem wird es Nutzen
bringen,
Nie-
[349]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Niemand um ſie einzuſammlen, zu verzehren, aufzuraͤumen,
Und das Unkraut zu vertilgen waͤre da. Die Erde wuͤrde,
Wie man es nicht leugnen kann, zwar verſchiedne Thiere
naͤhren;
Aber dieſe niemand nutzen, keinem einen Dienſt gewaͤhren.
Nicht geſchohrne Schaafe wuͤrden der beſchmutzten Wolle
Buͤrde
Kuͤmmerlich nur tragen koͤnnen. Ja es wuͤrden Kuͤh’ und
Ziegen,
Von zu vieler Milch beſchwert, kranck und ungemolcken
liegen,
Nichts als lauter Wiederſpruch wuͤrd’ an allen Orten ſeyn.
Steine, die zum Bauen tuͤchtig, ſchließt der Schooß der Er-
den ein
Nebſt den koͤſtlichſten Metallen; doch Bewohner fehlen ihr,
Ja ſo wol als kluge Kuͤnſtler, welche ſonſt aus tauſend
Sachen
Tauſendfache Schaͤtzbarkeiten, zur Beqvemlichkeit, zur Zier,
So zum Nutzen, als Ergetzen, zu formiren und zu machen
Tauglich und geſchicklich ſind. Es iſt ihre Flaͤch’ ein Garten,
Angefuͤllt von Pracht und Schoͤnheit von faſt ungezehlten
Arten;
Aber er iſt nicht zu ſehn. Die Natur in ihrer Pracht
Jſt ein wunderſchoͤner Schau-Platz; wovon aber keine Spur
Jemand in die Augen faͤllt. Aber laßt uns der Natur
Nur den Menſchen wiedergeben! laßt nur die Vernunft
auf Erden
Wieder dargeſtellet werden!
Alſobald wird ein Verband, ein Zuſammenhang, Verſtaͤndniß
Eine Harmonie und Einheit, Luſt, Empfindlichkeit,
Erkaͤnntniß
Ueber-
[350]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Ueberall zugegen ſeyn und regieren. Selber Sachen,
Die fuͤrs menſchliche Geſchlecht die Natur nicht ſcheint zu
machen,
Sondern nur fuͤr Thier und Pflantzen, haben, wenn mans
recht erwegt,
Doch die Abſicht auf den Menſchen, durch die Dienſte, die
von ihnen,
Da ſie mittelbar uns dienen,
Mancher zu genieſſen pflegt.
Eine Muͤcke legt die Eyer auf das Waſſer; draus entſtehn
Kleine Wuͤrmer, welche lang’ in gedachtem Waſſer leben,
Eh’ ſie in die Luft ſich heben,
Dieſe dienen nun zur Nahrung, Krebſen, Waſſer-Voͤgeln,
Fiſchen,
So man uns pflegt aufzutiſchen;
Jſt es alſo fuͤr den Menſchen, auch ſo gar, daß Muͤcken ſeyn.
Er verbindet aller Weſen; die man allenthalben ſpuͤret,
Alle zielen auf ihn ab. Seine Gegenwart allein
Jſt die Stelle, wo ein Gantzes aus viel Theilen ſich formiret,
Er iſt gleichſam ihre Seele. Ja es iſt der Menſch nicht nur
Der Geſchoͤpfe Mittel-Punct, die ihn uͤberall umringen;
Er iſt uͤberdem ihr Prieſter. Er iſt ihrer Danckbarkeit
Gleichſam ein getreuer Dollmetſch. Wenn ſie GOTT ihr
Opfer bringen,
Der ſie ihm zur Ehr gemacht; wenn ſie ihrem HERRN
lobſingen,
Schallet es durch ſeinen Mund. Es begreift der Diamant
Weder ſeinen eignen Wehrt,
Noch denjenigen, der ihm ſolchen ſchoͤnen Glantz beſchehrt;
Der die Thiere naͤhrt und kleidet iſt den Thieren unbekannt:
Es erkennet blos allein ihren Schoͤpfer der Verſtand,
Da
[351]Kraͤfte der menſchlichen Vernunft.Da der Geiſt ſich zwiſchen GOtt und den Creaturen findet,
Weiß er, da er ihrer braucht, und durch ſie viel Guts
empfindet,
Daß ihn ſeine Pflicht zur Lieb’ und zum Lob und Danck
verbindet.
Ohn Vernunft iſt die Natur ſelber ſtumm. Durch ſie
hergegen,
Preiſen alle Creaturen den, der ihnen Seyn und Seegen
Zugetheilt und anerſchaffen. Die Vernunft allein begreift,
Daß ſie ſey, auch von ihm ſey; ſie allein vermag zu faſſen,
Jn wie eine groſſe Menge ihr empfangnes Gut ſich haͤuft;
Sie beſitzt das groſſe Gluͤck (ſo ſich nicht kann ſchaͤtzen laſſen)
Daß ſie GOtt weiß anzubeten, und fuͤr was er ihr beſchehrt,
Was in ihr, und um ſie iſt, ihn verherrlicht und verehrt.
[figure]
Son-[352]Sonnen-Schein in der Nacht.Jch ſeh, auch mitten in der Nacht,
Jm hellen Mond der Sonnen Pracht,
Ob es die wenigſten gleich meinen,
Jm Wiederſchlag auf Erden ſcheinen.
So danckt dem, der den Mond gemacht,
So daß, auch mitten in der Nacht,
Er unſrer Sonnen Licht und Pracht,
Die ſtets das Firmament erfuͤllet
(Doch wenn ſie nicht an etwas faͤllt
Den Creaturen dieſer Welt
Nicht ſichtbar iſt) vor uns enthuͤllet,
Und laßt uns, ob der Sonnen Schein,
Den uns der Mond zeigt, froͤlich ſeyn,
Und unſerm GOtt, um ihn zu preiſen,
Doch eine frohe Seele weiſen!
Wie kann der groſſe Schoͤpfer wollen,
Daß wir ihm etwas anders zollen,
Als eine, mit geruͤhrter Bruſt,
Aus ſeinem Werck empfundne Luſt?
[figure]
Lob[353]Lob GOttes bey Betrachtung ſeiner
Wercke.Quell aller ſchoͤnen Creaturen!
Jch ſeh von deiner weiſen Macht
An allen Orten Wunder-Spuren,
Jndem ich, wo ich geh’ und ſtehe,
Wohin ich meine Blicke drehe,
Am Himmel an der Sonnen Glut,
Auf Erden in der Luft und Fluth,
Den Ausbruch deiner Liebe ſehe;
Daher ich, weil in deinen Wercken
Du gegenwaͤrtig zu bemercken;
Jn ihnen billig dich erhoͤhe.
[figure]
Z
Be-[354](***)
Betrachtung wallender Waſſer-Wogen.Auf einem ſichern Schif, worauf ich mich befinde,
Betracht’ ich jetzt die, durch die wilden Winde,
Starck aufgebrachte Fluth, die ſich gewaltig baͤumet,
Entſetzlich wallet, brauſ’t, und ſchaͤumet.
Die Wellen drohen ſich einander zu verſchlingen;
Die ſuchet jene zu bezwingen;
Dort ſieht man Berge ſchnell ſich neigen,
Dort tieffe Thaͤler ploͤtzlich ſteigen.
Es wuͤthet, wuͤhlt und wallt die Fluth. So weit wir ſehn
Sucht alles ſich zu ſencken, zu erhoͤhn.
Hier ſiehet man von unten dicke Wellen
Sich auf einmahl erheben, baͤumen, ſchwellen.
Wenn nun in ihrer Fahrt ein’ ander’ ihr begegnet,
Sieht man ſie ſich ſo heftig drengen,
Daß ſie, beſchaͤumt, als wenn es regnet,
Rings um ſich groſſe Tropfen ſprengen.
Hier woͤlben ſich die regen Wogen,
Formiren umgekehrte Bogen;
Dann ſteigen graue Berg’ allmaͤhlig in die Hoͤh,
Mit weiſſen Schaum bedeckt, als wie mit Schnee.
Oft ſincken ſie, zerborſten, ploͤtzlich nieder,
Oft heben ſie ſich ſchnell und ſteigen ploͤtzlich wieder.
Jndem ich meine Blicke nun
Auf dieſem Platz der Unruh lieſſe ruhn;
Entſtunden bey der Wellen Wancken
Bey mir die folgenden Gedancken:
Wann aus der tieffen Fluth ſich eine Well’ erhebt,
Sich abgeſondert, hoch zu ſteigen,
Vor andern ſchwuͤlſtig ſich zu zeigen
Oft ſanft, oft ungeſtuͤm beſtrebt,
Doch
[355]Betrachtung wallender Waſſer-Wogen.Doch ploͤtzlich ſinckt, vergehet und verſchwindet
Und mit derſelben Fluth, aus welcher ſie entſprungen,
So bald ſie von ihr eingeſchlungen,
Sich wieder, wie zuvor, vermiſcht befindet;
So kommt ſolch eine Welle mir
Als wie ein Bild von unſerm Leben fuͤr.
Jndem wir mit den Stoff der Erden,
Aus welchem wir entſtehen und beſtehn,
Nachdem man uns hier kurtze Zeit geſehn,
Jm Grabe wiederum vermiſchet werden.
Noch dacht ich bey der Fluth und dem erblickten
Strand:
Beſtehet nicht das feſte Land
Aus lauter kleinen Koͤrnchen Sand?
So wie das tieff’ und weite Meer
Aus einem groſſen Tropfen-Heer?
Mir faͤllt bey dieſem Dencken bey:
Ob nicht vor GOtt die gantze Erde
Zum Sand-Korn, und das Meer zu einem Tropfen
werde;
Ob beides, gegen GOtt, wol mehr zu rechnen ſey?
[figure]
Z 2
Ver-[356]Vermehrung vergnuͤgter Tage.Bey aufgeklaͤrter Luft, im warmen Sonnen-Strahl,
Spricht mancher Menſch noch wol einmahl:
Heut iſt das Wetter ſchoͤn!
Kaum aber hat er dieß geſprochen,
(Als waͤre GOtt nun Ehre gnug geſchehn)
Wird ſeine Red’ und Luſt gleich abgebrochen.
Er laͤßt den gantzen Tag vergehn,
Ohn an deſſelben Pracht und an der Sonnen Schaͤtzen
Sich im geringſten zu ergetzen,
Und ſie geruͤhret anzuſehn;
Da, wenn wir recht vernuͤnftig handeln wollten,
Wir billig uͤberlegen ſollten,
Daß ja ein ſchoͤner Tag, aus vielen Viertel-Stunden,
Noch mehr Minuten und Secunden,
Jn ſeiner Pracht beſteht,
Daß jeder Augenblick, wenn man es nur bedenckt,
Uns eine neue Luſt und ſolche Freude ſchenckt,
Die uns ein gantzer Tag
Der ungefuͤhlt verſtreicht zu geben nicht vermag.
Wir theilen ſonſt die Zeit
Durch Uhren ein:
Warum wird doch der Anmuth Fluͤchtigkeit
Durch Theile nicht gehemmt? Ach wuͤrde, GOtt zu Ehren,
Auch unſre Luſt zugleich dadurch zu mehren,
Bey ſchoͤnem Wetter doch zum oͤftern uͤberdacht:
Aufs neu’ hab ich ein Theil von meinem Leben,
Das mir der Schoͤpfer hat gegeben,
Jm ſchoͤnen Sonnen-Licht, GOTT Lob! ver-
gnuͤgt verbracht:
Hie-
[357]Vermehrung vergnuͤgter Tage.Hiedurch kann uns ein ſchoͤner Tag auf Erden,
Den wir, da man an ihn ſo kurtze Zeit gedacht,
Faſt zur Minute nur bißher gemacht,
Zu vielen ſchoͤnen Tagen werden.
Weil eigentlich durchs Dencken blos allein
Wir im Beſitz vom Guten ſeyn.
[figure]
Z 3
Noth-[358]Nothwendiger DienſtNothwendiger Dienſt des Schoͤpfers.So weit wir des Verſtandes Kraͤfte mit aller Faͤhigkeit
erſtrecken,
Um in den Kraͤften unſers Geiſtes was GOtt anſtaͤndigs
zu entdecken;
So ſcheinet die Empfindlichkeit der Seelen, wenn wir, in
den Wercken
Des Schoͤpfers, ſeine Herrlichkeit und Macht und Lieb und
Weisheit mercken
Und ſie darin mit Luſt bewundern, ſo viel wir hier begreif-
fen koͤnnen,
Das erſte Stuͤck des GOttes Dienſts ja faſt das eintzige
zu nennen.
Erſchrick, als Chriſt, hieruͤber nicht und denck’, ob woll’
ich deinen Glauben,
Mithin dein gantzes Chriſtenthum, durch dieſen meinen
Satz dir rauben:
O nein; der bleibet Felſen-feſt. Laß uns nur nach der
Ordnung gehn,
So, hoff’ ich, wirft du was ich ſage mir, ſonder Wieder-
ſpruch, geſtehn.
Jſt es nicht wahr? daß GOtt der HErr, auch nach
der heilgen Bibel Lehren,
Von Engeln, von den ſeel’gen Geiſtern, und aller Himmel
Himmel Heeren,
Als Schoͤpfer, angebetet werde? daß ſie, wenn ſie die
Wunder ſehn,
Die er, in aller Himmel Tieffen, an Millionen Sonn-
und Erden,
Als Proben ſeiner weiſen Macht und ſeiner Liebe, laſſen
werden,
Jhn
[359]des Schoͤpfers.Jhn durch ihr Heilig! Heilig! Heilig! beſingen, preiſen
und erhoͤhn?
Daß in dem ſeeligen Bewundern, nur ihre Pflichten blos
beſtehn,
Jndem ſie ja nicht glauben duͤrffen? Jſt es nicht wahr,
daß, vor dem Fall,
Auch Adam in dem Paradieſe an GOttes Wercken uͤberall
Sich eintzig wird beſchaͤftigt haben? und, wo er nicht ge-
fallen waͤre,
Er, in dem ſeeligen Bewundern der Wercke GOTTES,
GOttes Ehre
Allein verherrlicht haben wuͤrde? Ob wir nun gleich, wie
er verfuͤhrt,
Der ew’gen Liebe Wunder-Liebe in ſolchem hohen Grad
verſpuͤhrt,
Daß Chriſtus uns zum Mittler worden; und man dadurch
verbunden iſt
Auch als Erloͤſer, GOtt zu ehren, und recht zu glauben
als ein Chriſt;
So iſt doch unſer’ erſte Pflicht, als Schoͤpfer unſern
GOtt zu loben,
Und ihn in ſeinem Werck zu ehren, dadurch ſo wenig auf-
gehoben,
Daß wir vielmehr nach allen Kraͤften des Schoͤpfers Weis-
heit, Lieb’ und Macht,
Wodurch Er Himmel, Erde, Geiſter und Menſchen hat
hervorgebracht,
Betrachten, und, nebſt unſerm Glauben, in froher Luſt,
bewundern ſollten,
Wenn wir nicht GOtt, nur unſerntwegen, auch ſeinent-
wegen ehren wollten.
Z 4
Un-[360]Ungluͤckliche Verabſaͤumung unſerer
Pflichten gegen den Schoͤpfer.Wenn wir faſt von den meiſten Menſchen das Eigent-
liche der Jdeen,
Die ſie ſich von der GOttheit machen, mit einem ernſten
Blick, beſehen;
So fuͤrcht’ ich, daß ſie ſich von ihr faſt nichts ſonſt wiſſen
vorzuſtellen,
Als eines alten, maͤchtigen, vernuͤnftigen Monarchens
Bild,
Der mit der groͤſten Majeſtaͤt umgeben ſey und angefuͤllt,
Ein maͤcht- und eintziger Beſitzer ſo wol des Himmels, als
der Hoͤllen,
Der die erſchaffene Natur vor ſich gelaſſen walten laſſe,
Und ſich, wofern nicht blos allein, doch mehrentheils, da-
mit befaſſe,
Beſtaͤndig auf die Sterblichen, und ob ſie etwan was
verbrechen,
Damit er ihnen alſobald moͤg’ ein gerechtes Urtheil ſprechen,
Den ernſten Blick gericht’t zu haben. Von andern ſeinen Herr-
lichkeiten,
Und einem Schoͤpfer noch vielmehr anſtaͤndlichen Voll-
kommenheiten
Faͤllt ihnen nicht leicht etwas bey. Es ſcheint die Eigen-
Lieb’ allein
Von ſolchen niedrigen Gedancken die Urſach und die Quell
zu ſeyn.
Wir
[361]Ungluͤckliche Verabſaͤumung unſerer Pflichten ꝛc.Wir ſcheinen uns ſelbſt wuͤrdig gnug, vom Schoͤpfer Him-
mels und der Erden,
Zur ſtetigen Aufmerckſamkeit, die Haupt-Beſchaͤftigung zu
werden.
Und ob wir zwar, wenn man uns fragt, ob wir dieß von
der GOttheit meinen,
Daß er auf uns allein nur achte? daß wir dieß thun, ge-
wiß verneinen,
Und uns vielleicht verwundern wuͤrden, daß man die Mey-
nung von uns fuͤhrt,
Da auch ja Prediger wol ſagen: daß GOtt die Welt er-
haͤlt, regiert;
So iſt jedoch unwiederſprechlich, daß, da auf Goͤttliche
Regierung,
Auf ſeine Weisheit in den Wercken, auf ihre Schoͤnheit,
Ordnung, Pracht,
Von welchen er durch alle Sinnen die Proben ſeiner Wun-
der-Macht
Uns uͤberall vor Augen legt, auf aller ſeiner Guͤte Fuͤhrung
Wir ſelten ja faſt nimmer dencken, noch ſie mit frohem
Danck betrachten;
Wir ſelbige nicht unſers Denckens, noch der Betrachtung,
wuͤrdig achten,
Und folglich, um des Schoͤpfers Ehre, ſehr wenig uns
bekuͤmmern muͤſſen.
Aus dieſer unſerer Betrachtung ſcheint, ſonder
Wiederſpruch, zu flieſſen,
Daß wir, auch ſelbſt im GOttes-Dienſt, mit uns und
unſerm Thun allein
So eigenſinnig eingenommen und dergeſtalt beſchaͤftigt
ſeyn,
Z 5Daß,
[362]Ungluͤckliche Verabſaͤumung unſerer Pflichten ꝛc.Daß, wenn wir, von der GOttheit nichts, nach einer et-
wann neuen Lehre
Zu fuͤrchten noch zu hoffen haͤtten; wir, wenn auch keine
GOttheit waͤre,
Uns leicht daruͤber troͤſten wuͤrden. Nun ſagen wir hie-
durch zwar nicht,
Daß wenn wir uns um unſre Seelen mit Ernſt bekuͤm-
mern, es nicht gut,
Erlaubet, ja ſelbſt noͤthig ſey; nur dieſes, wenn man ſol-
ches thut,
Daß es, mit gaͤntzlicher Verſaͤumung des Schoͤpfers Ehr’
und Ruhms geſchicht;
Jſt, wie michs deucht, was ſtraͤfliches. Wollt einer et-
wann wiederſprechen,
Und ſagen, daß der Menſch die GOttheit zu ehren gar nicht
faͤhig ſey,
Und daß es ihm, was alle Menſchen von ihr gedencken,
einerley;
So kann ich mich, das Gegentheil ihm zu erweiſen, nicht
entbrechen:
Es zeigt die heilge Schrift nicht nur, daß unſer GOTT,
als Schoͤpfer, wolle,
Daß man nach allen Kraͤften ihn verehren und ihn preiſen
ſolle;
Es zeiget uns auch die Vernunft, daß das vernuͤnftigſte
Geſchaͤfte,
Wozu die Menſchheit faͤhig iſt, ſey, dieſes unſers Geiſtes
Kraͤfte,
Demjenigen, von welchem wir uns ſelbſt und Millionen-
Gaben
(Wodurch ſich ſeine Lieb’ uns zeigt) ſo wunderbar empfan-
gen haben,
Nach
[363]Ungluͤckliche Verabſaͤumung unſerer Pflichten ꝛc.Nach aller Moͤglichkeit zu Ehren und ihm allein zum Ruhm
zu leben,
Mit froͤlicher Bewunderung wol anzuwenden, zu beſtreben.
Da er uns ſelbſt den Trieb zur Ehre, als etwas edles, ein-
geſenckt,
Wovon man ſonſt nichts wiſſen wuͤrde, haͤtt er ihn uns
nicht ſelbſt geſchenckt.
Die Ehre ſcheint der Gegenwurf und Qvell der Anmuth
einer Seelen,
Bey dem nichts Sinn-nichts Coͤrperlichs; die doch an an-
dern Leidenſchaften,
So gar auch bey den Thieren ſelbſt, nicht aber an der
Ehre haften.
Die Ehre nun die wir der GOttheit, nach unſerm weni-
gen Vermoͤgen,
(Das ihm nichts beſſers liefern kann) geſchickt und faͤhig,
beyzulegen,
Jſt ja unſtreitig dieſes wol: daß wir die allerherrlichſte
Und von den menſchlichen Jdeen die allerwuͤrdigſte Jdee,
Wozu wir immer faͤhig ſind, von Gott in unſrer Seele zeugen,
Vor keiner GOttheit, die umſchraͤnckt und Graͤntzen hat,
die Knie beugen,
Und kein ihm unanſtaͤndig Bild, ein Goͤtzen-Bildniß, uns
errichten,
So wieder die uns eingepflantzten, auch die uns vorgeſchrieb-
nen Pflichten;
Da er, von ihm kein Bild zu machen, ſo ſcharf: uns unter-
ſaget hat
Thut mans gleich leider unterm Bilde von einem Greiſen,
in der That.
Weil
[364]Ungluͤckliche Verabſaͤumung unſerer Pflichten ꝛc.Weil wir nun zu ſo hohem Grad nicht ſelber faͤhig
ſind zu ſteigen;
So hat uns GOTT in ſeinen Wercken die ſchoͤnſte Leiter
wollen zeigen,
Wodurch wir uns auf Freuden-Stuffen nicht nur geſchickt
ſeynd zu erhoͤhn;
Nein, immer mehr und mehr, ohn Ende, die Groͤſſe ſeines
Weſens, ſehn,
Jhn ehren und ihm dancken koͤnnen. Was nun die Seele
herrlichs heget,
An Kraͤften, als die Lieb’ und Ehrfurcht, wird dadurch
mehr und mehr erreget
Und wir, in froͤlicher Betrachtung ſtets neuer Wunder,
angetrieben,
Mit immer neuer Brunſt und Andacht den Liebenswuͤrdig-
ſten zu lieben,
Und, weil er ſonder End’ und Graͤntzen, in Ewigkeit nicht
aufzuhoͤren,
(Jndem wir ſeiner Allmacht Groͤſſe mit froͤlichem Erſtau-
nen ehren)
Selbſt unſer ſeeliges Vergnuͤgen in Ewigkeit noch zu ver-
mehren,
Zugleich auch das, worinn die Ehre am eigentlichſten recht
beſteht,
Die Achtung, ſo die Seele fuͤhlt, ob ſeines Weſens Herr-
lichkeiten,
Bey andern ebenfals zu aͤuſſern, und nach Vermoͤgen aus-
zubreiten.
Weg[365]Weg zum Vergnuͤgen.Uns ſcheinet unſer Bett nie ſuͤſſer, als wenn wir es ver-
laſſen muͤſſen;
Der uns ſich nahende Verluſt des Guten fuͤgt uns erſt zu
wiſſen,
Was ungefuͤhlt genoſſen worden; dieß geht in allen Dingen ſo:
Wir werden, weil wir dran nicht dencken, auch niemahls
unſrer Guͤter froh,
Biß ſie uns, oder wir ſie, laſſen. Dann allererſt wird alles
beſſer,
Dann fuͤhlet allererſt der Geiſt was er gehabt und nicht
gefuͤhlt,
Und die zu ſpaͤt-gefuͤhlte Luſt macht den Verluſt noch deſto
groͤſſer.
Ach, daß man denn mit mehrerm Ernſte nicht hier auf
ſein Vergnuͤgen zielt!
Ach, daß man ſtets vom eintzgen Wege der wahren Wolluſt
ſich verirrt!
Jndem kein Gutes, ohn zu dencken, daß mans beſitzt, be-
ſeſſen wird;
Wird man, auch bey dem groͤſten Gluͤck auf Erden, ſich
nicht gluͤcklich nennen;
Wofern wir unſer Gluͤck, nur dann, wann wirs verlieren,
erſt erkennen.
[figure]
Cro-[366]Croceon auton.Kann das wol moͤglich ſeyn!
Sprach ich, als juͤngſt mein Gaͤrtner mir,
Jn einer purpur-farbnen Zier,
Und einem weiſſen Silber Schein,
Ein Croceon avton mit dieſen Worten gab:
Man ſagt, daß dieſe Blum, ohn Waſſer, ſonder Erde,
Durch bloſſe Luft allein genaͤhret werde.
Jch ſetzte ſie demnach, um dieſes zu probiren,
Und von der Wahrheit deß mich ſelbſt zu uͤberfuͤhren,
Gleich vor mein Fenſter hin, und fand es wuͤrcklich wahr.
Die Blume waͤchſ’t und bluͤht an dieſem Ort
Ohn Erd’ und ſonder Naß beſtaͤndig fort.
Mein Leſer, ſprich mit mir: iſt dieß nicht wunderbar?
Wir haben erſt vor wenig Jahren,
Daß Blumen, ſetzt man ſie nur auf ein Glas,
Ohn Erde, bloß allein durchs Naß
Gedeyen, gantz erſtaunt erfahren:
Hier ſtellt der Schoͤpfer uns ein neues Wunder dar,
Und zeigt in dieſer Blum uns klar
Und uͤberzeuglich an,
Zu ſeinem Lobe, Ruhm und Preiſe,
Und ſeines groſſen Nahmens Ehren,
Daß er, auf ungezehlte Weiſe,
Die Creatur erſchaffen, naͤhren,
Verſorgen und erhalten kann.
Ach moͤgten wir demnach, ohn dich, HErr, zu erhoͤhen,
Dieß ſeltne Bluͤmchen nimmer ſehen.
Die[367](***)
Die im Winter bluͤhende Cyrene.Jch ſehe dich, mit recht geruͤhretem Gemuͤthe,
Ja wuͤrcklich ohn Erſtaunen kaum,
Bepurpurter Cyrenen-Baum,
Jm Winter voll der ſchoͤnſten Bluͤthe!
Jch ſehe dich, als wie im Lentzen,
Jm Januario ſchon lieblich glaͤntzen.
Wie kanſt du Naſ’ und Aug’ erfriſchen!
Jch ſeh’ in dir, faſt ohne Gruͤn,
Jn mehr als hundert Blumen-Buͤſchen,
Mehr als fuͤnf tauſend Blumen bluͤhn,
Die all’ im ſchoͤnſten Purpur gluͤh’n.
Es ſtutzt ein jeder der dich ſieht,
Und laͤßt, zu deines Schoͤpfers Ehren,
Ein Lob, faſt wieder Willen, hoͤren,
Wann ein: du lieber GOtt! aus ſeinen Lippen bricht,
Da er kaum ſelbſt weiß, was er ſpricht.
Wenn ich dieß hoͤre, koͤmmt es mir
Als wenn der Ausbruch ſeiner Luſt,
Ob ſie gleich leider kurtz, mir doch entdecke,
Wie in der Menſchen kalten Bruſt
Ein Etwas doch verborgen ſtecke,
Daß unſers Schoͤpfers Macht, wie ſie es wehrt,
Beym Anblick ſeiner Wunder ehrt:
Und daß wir, durch Gewohnheit blos allein,
Umnebelt und geblendet ſeyn.
Wenn ich in dieſem Baum den Purpur-Glantz erblicke,
Deucht mich, als ob auch er (ſo wie, nach dunckler Nacht
Der Morgen-Roͤthe Purpur Pracht
Die graue Daͤmmrung faͤrbt) die graue Daͤmmrung ſchmuͤcke,
Die
[368]Die im Winter bluͤhende Cyrene.Die uns im Winter deckt, und ich des Fruͤhlings Morgen,
Der uns annoch durch Froſt und Duft verborgen,
Nicht mehr entfernt, und in der Naͤhe
Schon ſeine Morgenroͤhte ſehe.
Jch ſeh, geliebter Baum, in dir zugleich die Spur,
Daß die geſchaͤftige Natur
Nicht ſchlaffe, wie es ſcheint; nein daß ſie immer kraͤftig
Und, wenn ſie nichts verhindert, ſtets geſchaͤftig,
Und nimmer muͤßig ſey. Es reitzt mich deine Pracht,
Jn meiner Luſt, zum Ruhm deß, welcher dich gemacht,
Und preiſ’ ich auch in dir, mit bruͤnſtigem Gemuͤthe,
Den Ausbruch ſeiner Macht und Guͤte.
Nun fehlet nichts, als daß ich dich nunmehr,
Zu mehr Verbreitung noch von deines Schoͤpfers Ehr,
Dem Auszug aller klugen Geiſter,
Hammoniens ſo wuͤrd’gem Buͤrgermeiſter,
Dem theuren Anderſon, auch uͤberſchicke;
Damit Er ſich, an deiner Pracht,
Wie Er es ſonſt mit GOttes Wercken macht,
Bey Seiner Arbeit Laſt, erquicke.
Jch weiß, ſo viel ichs uͤberdencke,
Fuͤr Jhn’ kein wuͤrdiger Neu-Jahrs-Geſchencke.
Jch will denn dich, fuͤr Jhn, mit dieſem Wunſch begleiten:
Er lebe ſo viel Jahr’, in ſtetem Wohlergehn,
Und immer bluͤhenden Vergnuͤglichkeiten;
Als ſchoͤne Blumen-Buͤſch’ an deinem Stamme ſtehn!
An-[369]Annehmlichkeiten des Feuers zur Win-
ter-Zeit.1.
Ach, mein Schoͤpfer, wie erquickend,
Warm, und lieblich, ja entzuͤckend
Jſt das Feur zur Winter-Zeit,
Wenn es drauſſen friert und ſchneit,
Und man ſeinen regen Schimmer,
Sieht und fuͤhlt im warmen Zimmer!
2.
Die von Froſt erſtarrten Sehnen
Fangen an, ſich aus zu dehnen,
Und es fuͤhlet unſre Bruſt
Eine ſuͤſſe Ruh und Luſt,
Die aus holder Waͤrm’ entſpringet,
Auch den gantzen Leib durchdringet.
3.
Hat der Nord die Haut verſehret;
Wird ein Pflaſter ihr gewehret,
Durch des Feuers rege Glut,
Die dem Coͤrper ſanfte thut,
Und, was durch den Froſt gedruͤcket,
Gleichſam ſtreichelt und erquicket.
4.
Necht fuͤr unſer gantzes Weſen
Scheint der Glut Natur erleſen;
Was die kalte Luft verletzt
Wird durch laue Waͤrm’ erſetzt;
Pein und Schmertzen ſind gelindert
Und durchs Feuers Kraft vermindert.
A a5. Ja,
[370]Annehmlichkeiten des Feuers5.
Ja, des Feuers Glantz und Schimmer
Laͤſſet im erwaͤrmten Zimmer,
(Da das Licht ſo hell, ſo ſchoͤn)
Manche Luſt die Augen ſehn.
Es vergnuͤgen kleine Blitze
Uns nicht minder, als die Hitze.
6.
Mancherley Geſtalten ſtammen
Aus bald blau-bald weiſſen Flammen’,
Die wir mit Vergnuͤgen ſehn,
Wie ſie ſich geſpitzt erhoͤh’n,
Da ſie recht, als wenn ſie leben,
Sich bewegen, drehen, ſchweben.
7.
Ofters ſieht man ſie, wie Wellen,
Wallen, ſincken, ſteigen, ſchwellen,
Bald verſchwinden, bald entſtehn,
Bald erſcheinen, bald vergehn,
Bald ſich theilen, bald vereinen,
Schwinden, und aufs neu erſcheinen.
8.
Oefters zeigt ſich dem Geſichte,
Mitten in dem hellen Lichte,
Ein gedrehter blauer Rauch.
Ein ſtets umgeſchwungner Schmauch
Zeuget hier auf manche Weiſe
Kleine Wolcken, kleine Kreiſe.
9.
Jn derſelben regem Schwingen
Sehn wir helle Funcken ſpringen,
Die
[371]zur Winter-Zeit.Die ſich durch die Loh erhoͤh’n,
Und, wenn ſie entſtehn, vergehn,
Aber doch nicht ohn Vergnuͤgen,
Wenn man ſie beſieht, verfliegen.
10.
Wenn, mit drey getheilten Spitzen,
Schnelle Flammen lodernd blitzen,
Knaſtert oͤfters, ziſcht, und pufft
Die verſchrenckt-geweſne Luft,
Da ſie das, was ſie gedrenget,
Oft mit ſtarckem Knall zerſprenget.
11.
Ofters ſieht man dunckle Stellen
Ploͤtzlich durch die Glut erhellen,
Wenn die duͤnne Loh’ ſich ſpitzt,
Und bald hie, bald dorten blitzt,
Wenn die Flammen gantz durchbrechen
Und wie Schlangen-Zungen ſtechen.
12.
Wenn die Loh’ denn aufwaͤrts ſteiget
Und nur weiſſe Lichter zeiget;
Sieht man unten Kohlen gluͤhn,
Als ein funckelnder Rubin,
Dieſe zeigen tauſend Bruͤche
Und von Aſche tauſend Striche.
13.
Da ſie alles ſonſt verzehren,
Sieht man ſie doch Aſch gebaͤhren;
Aſche, die ſie daͤmpft und deckt,
Sie erhaͤlt, erſtickt, verſteckt.
Hierin ſieht man tauſend Spuren
Von verſchiedlichen Figuren.
A a 214.
[372]Annehmlichkeiten des Feuers14.
Man ſieht weiß und ſchwartz ſich fuͤgen,
Aſch’ auf ſchwartzen Kohlen liegen,
Oefters wie der Schnee ſo weis,
Und als haͤtte man, mit Fleiß,
Nach der Kunſt, die’s Aug’ erfreuet,
Loder-Aſche drauf geſtreuet.
15.
Ja, wofern man ſie betrachtet,
Und auf Farb’ und Formen achtet,
Tauget die Verſchiedenheit,
Wenigſtens auf kurtze Zeit,
Uns, in Bildern vieler Sachen,
Einen Zeitvertreib zu machen.
16.
Wann ich nun, bey ſanfter Hitze,
Jm gewaͤrmten Zimmer ſitze,
Und ſeh, in gelaſſner Ruh,
Meiner Glut Bewegung zu;
Scheinet ihr erwaͤrmend Lodern
Danck fuͤr Nutz und Luſt zu fodern.
17.
Dann bewegen ſich von innen
Eilig meine Seel’ und Sinnen,
Und mein Geiſt haͤlt bruͤnſtiglich,
Gleich der Gluth, ſich uͤber ſich,
Danckt, erhitzt von Andachts-Flammen,
Dem, draus Licht und Waͤrme ſtammen.
18.
Denckt zugleich: was wuͤrd’ auf Erden
Doch wol vor ein Zuſtand werden,
Haͤtte
[373]zur Winter-Zeit.Haͤtte GOTT die rege Gluth,
Die der Haut ſo ſanfte thut,
Zum Gebrauch in unſerm Leben,
Uns aus Gnaden nicht gegeben?
19.
Wer demnach, wanns ſchneit und frieret,
Durch das Feuer Lindrung ſpuͤret,
Dencke billig: GOTT allein
Giebt dem Feuer Waͤrm’ und Schein;
Auch zugleich: daß Preiß und Ehre
Jhm, mit Recht, dafuͤr gehoͤre.
20.
Nun was kann, fuͤr alle Gaben,
Unſer Schoͤpfer von uns haben
Fuͤr ein ſolch unſchaͤtzbar Gut,
Als die rege Kraft der Gluth?
Was kann man ihm ſonſt erweiſen,
Als in unſrer Luſt ihn preiſen?
[figure]
A a 3
Ein[374](***)
Ein klares Troͤpfgen.Juͤngſt ſah ich, daß an meinem Fenſter ein kleines kla-
res Troͤpfgen hieng,
Das von dem hellen Sonnen-Strahle ſolch einen hellen
Glantz empfing,
Daß es mich reitzt’, es zu betrachten; daher ich ihm denn
naͤher ging;
Jch fand, daß es im Zimmer war, und daß durch eines
Fenſters Ritzen
Der Strahl ſo auf-als durch ihn fiel, daher ein kleines
helles Blitzen,
So man in freyer Luft nicht ſieht, im duncklen Zimmer
hell und klar,
Und, in viel Millionen Strahlen ein Sonnen-Bild, zu
ſehen war.
Ein recht Geweb’ aus lauter Strahlen, die alle wunder-
wuͤrdig klein
Und die nur durch den duncklen Grund, als eine Fulge,
ſichtbar ſeyn,
Umgaben es von allen Seiten, nichts rein- und kleiners,
nichts ſo ſchoͤn,
Nichts bunt- und hellers, nichts ſo zart- und nettes kann
das Auge ſehn.
Die ſchoͤne Kleinheit drang durchs Auge ſelbſt in den Sitz
der Seelen ein;
Jch dachte wie entſetzlich klein iſt dieſes Sonnen-Bildchen
nicht
Jm Gegenhalt mit ſeinem Urbild, dem unermeßlich groſ-
ſen Licht,
Das
[375]Ein klares Troͤpfgen.Das hundert tauſendmahl an Groͤſſe den Erd-Kreis ſelber
uͤberſteiget!
Wann aber dieſes Ueberlegen mir im Geſchoͤpf den Schoͤpfer
zeiget;
So deucht mich, daß mir gegen ihn die groſſe Sonne ſo
verkleint,
Als dieſes Sonnen-Bild im Troͤpfgen, ja noch unendlich
kleiner, ſcheint.
[figure]
A a 4
Win-[376]Winter-Gedancken.1.
Mein GOtt! das Feuer waͤrmet mich
Und macht nicht nur, daß ich nicht friere;
Daß ich im Froſt auch Anmuth ſpuͤhre,
Dafuͤr erheb’ und preiſ’ ich dich!
2.
Jch fuͤhl’ ietzt einen Trieb in mir,
Ein Winter-Opfer dir zu bringen,
Und deine Wunder zu beſingen,
Die ich, auch ſelbſt im Froſt, verſpuͤhr.
3.
Die duͤſtern Tag’ erhellt der Schnee,
Der jetzt die dunckle Welt bedecket,
Und mehr vergnuͤgt und nuͤtzt, als ſchrecket;
So daß ich ihn mit Anmuth ſeh.
4.
Nicht ohne Regung unſrer Bruſt
Erblickt man weiſſe weite Felder.
Die Wipfel der beſchneiten Waͤlder
Erregen uns beſondre Luſt.
5.
Jndem die ſchwartze Dunckelheit
Der Aeſte, welche nicht beklebet,
Den weiſſen Schnee noch mehr erhebet,
Jm Gegenſatz und Unterſcheid.
6.
Desgleichen wircken hier und dort
Verſtreut- und halb-beſchneite Reiſer.
Die Gipfel der bemooſten Haͤuſer
Sind gleichfals ſchoͤn an manchem Ort.
7.
[377]Winter-Gedancken.7.
So laſſen auch, nicht minder ſchoͤn,
Die regel-rechten Ziegel-Daͤcher
Jm Schnee die nett-gevierten Faͤcher
Viel deutlicher, als ſonſten, ſehn.
8.
Durchs Waſſers Blau, wenn noch kein Eis
Die Fluht mit Schollen uͤberbruͤcket,
Wird der gefallne Schnee geſchmuͤcket,
Es macht ſein Weiß noch einſt ſo weiß.
9.
Zumahl wenn in dem Wieder-Schein
Des Ufers weiß beſchneite Hoͤhen,
Auf dunckler Flaͤche hell zu ſehen
Und weiß und blau gemiſchet ſeyn.
10.
Seht wie uns, ſelbſt der Dorn vergnuͤgt,
Wenn, nach der weiß-beſchneiten Speiſe,
Durch ihn, zuſammt der bunten Meiſe,
Der Zaͤune kleiner Koͤnig fliegt.
11.
Des welcken Schilffes gelber Schein
Wird auch nicht ohne Luſt verſpuͤhret;
Es unterbricht es ſchmuͤckt, und zieret
Das weiſſe, das ſonſt allgemein.
12.
Jmgleichen theilt und unterbricht
Mit ſeiner Striche duncklen Laͤnge,
Der tieffen Waſſer-Graben Menge
Vom weiſſen Schnee das weiſſe Licht.
A a 513. Wenn
[378]Winter-Gedancken.13.
Wenn hier ein Graͤschen, dort ein Straus
Aus Schnee, worin es meiſt verſtecket,
Ein gruͤnes Spitzgen eintzeln ſtrecket,
Sieht es nicht minder lieblich aus.
14.
Jmgleichen, wenn das glatte Gruͤn
Des Buxbaums, der im Garten glaͤntzet
Und das gevierte Land begraͤntzet,
Durch Schnee recht uͤberſilbert ſchien.
15.
Auch bricht der Gaͤrten Winter-Flor
Des braunen Kohles Purpur-Pflantze,
Mit einem Silber-gleichen Glantze,
Aus Silber-weiſſem Grund’ hervor.
16.
Und kurtz: man ſpuͤhrt, zur Winters-Zeit,
Zu unſers weiſen Schoͤpfers Preiſe,
Wie auch, ſo gar im Schnee und Eiſe,
Die Welt ein frommes Aug’ erfreut.
17.
Ach ſaͤhe denn doch jederman,
Zumahl der, den der Froſt nicht druͤcket,
Die Welt, wie ſelbſt der Froſt ſie ſchmuͤcket,
Mit Luft, zu GOttes Ehren an!
[figure]
Graͤn-[379]Graͤntzen der Vernunft.So bald ein Feuer-reicher Geiſt ſich auf ein tieffes
raiſoniren,
Und von Religion, Natur und Sich auf ein philoſophiren
Mit angeſpannten Kraͤften leget; begiebet er ſich auf ein
Meer,
Wo Zweifels-Wirbel, Meynungs-Wellen, ihn unaufhoͤr-
lich hin und her
Jn ſtetem Jrthum ſchlenckern werden; wo Vorurtheile
ſich bemuͤhn,
Jn tauſend Boden-loſen Strudeln, ihn in des Abgrunds
Gruft zu ziehn.
Will er nun nicht der Seelen Ruh, die Seele, ja, faſt
GOtt, verlieren,
(Wie, wenn er ſich auf eigne Kraͤfte verlaͤſſet, leider
oft geſchicht,)
So wehl’ er in der Finſterniß nur blos die Demuth ſich
zum Licht.
Nur die allein kann unverletzt ihn in den ſichern Haven
fuͤhren.
Jch hab’ es, GOtt ſey Danck, erfahren, was, wenn ich
ſonſt verſuncken waͤre,
Sie mir vor Huͤlf’ und Rath geſchafft. Durch dieſe ſanft’
und wahre Lehre:
Wer biſt du? was iſt dein Verſtand? iſt er von ſolcher
Schaͤrff’ und Kraft,
Daß er das innerſte der Dinge, des Geiſts, der Coͤrper
Eigenſchaft
Und die Natur zu faſſen faͤhig? GOtt hat ihn dir in die-
ſem Leben
Gewiß in einem reichen Maaß und in ſo hohem Grad ge-
geben,
Daß
[380]Graͤntzen der Vernunft.Daß es ein wahres Wunder iſt; allein er hat doch ſeine
Schrancken
Woruͤber er nicht kommen kann. Wer nun die forſchen-
den Gedancken
Aus ihrem Kraft-Kreis treiben will, und, mehr als wo-
zu ſie beſtimmt,
Den Engeln, ja der GOttheit gleich, damit zu faſſen
unternimmt,
Wird, wie der Lucifer, geſtuͤrtzt. Ach, laßt uns dieſes wol
erwegen!
Jch habs erfahren, daß daran weit mehr, als wie man
meint, gelegen.
Will unſer ſinckendes Gemuͤth, will unſer’ angefochtne
Seelen
Ein Zweiffel, der unuͤberwindlich, mit Angſt, biß zur Ver-
zweiflung qvaͤhlen;
So ſprecht in wahrer Selbſt-Erkaͤnntniß; halt ein, mein
Geiſt! hier iſt dein Ziel!
Wilſt du, was nicht zu faſſen, faſſen; dieß iſt verwegen
und zu viel!
Drum denck’ in Demuth an die Wahrheit: Der Schoͤpfer
will und kann allein
Beroundert, nicht begriffen, ſeyn.
[figure]
Er-[381](***)
Erbauliche Betrachtung ſchnell- verge-
hender Wolcken.1.
Jch ſitze hier und ſeh den Duͤften,
Wie ſie ſich, in den regen Luͤften
Formiren, mit Bewundrung, zu.
Wie ſie ſich bilden und entbilden,
Sich hier verſilbern, dort verguͤlden,
Jn ſteter Aendrung, ohne Ruh.
2.
Bald ſieht man ſie ſich ſchnell verdunckeln;
Bald wie Rubin und Purpur funckeln,
Durch wechſelnden Empfang des Lichts.
Bald gleichen ſie erhabnen Bergen,
Bald werden ſie zu kleinen Zwergen;
Bald ſind ſie klein, bald groß, bald nichts.
3.
So ſchnell formiren ſich Figuren,
So ſchnell vergehn die Creaturen
Dort oben in der Luͤfte Reich:
Allein! ſind Coͤrper, die auf Erden,
Dem Schein nach, feſt gefunden werden,
Nicht ihnen faſt an Dauer gleich?
4.
Die Blumen, welche man im Lentzen,
Jn zierlichſten Geſtalten glaͤntzen,
Und ſchoͤn an Form und Farben ſieht,
Sind oftermahls in wenig Stunden
Verwelcket, ihre Pracht verſchwunden,
Und, eh man ſichs verſieht, verbluͤht.
5.
[382]Erbauliche Betrachtung5.
So gar auch von der Menſchen Leben
Kann ein Gewoͤlck ein Beyſpiel geben;
Kann nicht, mit Recht, ein Felß, ein Stein
Zu uns, wie wir zum Wolcken, ſagen:
Wie laßt ihr euch ſo ſchnell verjagen,
Wie iſt doch eure Dau’r ſo klein!
6.
Da ihr faſt ſterbt, wann ihr entſtehet,
Jm Kommen gleichſam ſchon vergehet,
Wie ſchleunig ſeyd ihr nicht mehr da!
Doch, lieber Stein, du magſt nur ſchweigen;
Du kannſt uns keinen Fehler zeigen:
Es iſt des Schoͤpfers Ordnung ja.
7.
Zudem da Dinge dieſer Erden
Das, wofuͤr ſie gehalten werden,
Nur blos Vergleichungs-weiſe ſeyn;
Und wie ein Ton, fuͤr ſich betrachtet,
Nicht hoch nicht niedrig wird geachtet,
So iſt, fuͤr ſich, nichts groß, nichts klein.
8.
Es ſollen mir denn Stein und Eiſen
Nicht meiner Daur Vergleichung weiſen,
Jch gehe zu der ſchnellen Luft;
Da wirſt du ja nicht laͤugnen koͤnnen,
Daß wir uns nicht ſo ploͤtzlich trennen,
Als wie ein ſtets-vergehnder Duft.
9. Man
[383]ſchnell-vergehender Wolcken.9.
Man thut dann wol, es umzukehren,
Daß wir vom Duft uns laſſen lehren,
Daß wir ſo ploͤtzlich nicht vergehn;
Daß tauſend Ding’ auf dieſer Erden,
Wenn ſie mit uns verglichen werden,
So lange nicht, als wir, beſtehn.
10.
Ja waͤr uns Menſchen auch ein Leben
Von groͤſſrer Daur, als Stein, gegeben;
Waͤr es doch eine kurtze Zeit:
Man wuͤrd’ es nicht einſt rechnen koͤnnen
Und waͤre kaum ein Punct zu nennen;
Verglich mans mit der Ewigkeit.
11.
Noch mehr: verliſcht die Lebens-Kertze,
So traure darum nicht, mein Hertze,
Daß ſie nicht laͤnger brennen kann.
Wenn etwan Seel’ und Leib ſich trennen,
Muſt du dieß kein Vergehen nennen;
Die Aendrung geht den Leib nur an.
12.
Der Schoͤpfer hat dein wahres Weſen
Zu einer groͤſſern Daur erleſen;
Jndem er ſelber ewig iſt.
So thut man wol, wenn ihm zu Ehren,
Man, unſrer Seelen Daur und Waͤhren,
Nach ſeiner ew’gen Liebe mißt.
13. Drum
[384]Erbauliche Betrachtung ſchnell-vergehender ꝛc.13.
Drum wuͤnſcht nicht laͤnger hier zu bleiben,
Als, unſer Ziel uns vorzuſchreiben
Beſchloſſen hat, der uns gemacht.
Wenn unſer Lebens-Tocht verlodert,
Und uns der Schoͤpfer zu ſich fodert,
So ſaget froͤlich: gute Nacht!
[figure]
Un-[385](***)
Unnuͤtzer Nutz des Verſtandes.A.Du haſt nunmehr aus allen Kraͤften, wie wir aus
deinen Schriften leſen,
Dich und die Welt belehren wollen, wie zum Vergnuͤ-
gen zu gelangen:
Allein, du ſiehſt ja leider wol, daß, wie du es auch an-
gefangen,
Doch, bey den meiſten wenigſtens, dein Abſehn ſonder
Frucht geweſen.
Dahero iſt mir beygefallen, und faͤllt mir eben wieder
ein,
Ob du vielleicht des rechten Weges mit deiner Lehr-Art
nicht verfehlet,
Und ob, durch des Verſtandes Kraͤfte, die du zur Richt-
Schnur dir gewehlet,
Vergnuͤgen und Zufriedenheit, auf Erden zu erlangen
ſeyn?
Wenn ich die Schaͤtze des Vergnuͤgens, die faſt unſchaͤtz-
bar, uͤberlege,
Und, daß ſie, von der Seeligkeit der erſte Grad faſt
ſey, erwege;
So ſcheint hieraus von ſelbſt zu flieſſen: daß, da ſie recht
ein Goͤttlich Licht,
Sie nicht in unſern Kraͤften ſtehe, und daß ein Raiſon-
niren nicht,
Sie zu erlangen, faͤhig ſey. Daß alſo GOtt der HErr
allein,
Um dieſe Gnade zu erhalten, muͤß’ ernſtlich angeflehet ſeyn.
Jſt dieſes wahr, ſo folgt daraus; daß du, mit allen dei-
nen Schriften,
So wie bißher, auch kuͤnftig hin, nicht viel erkleckliches
wirſt ſtiften.
B bEs
[386]Unnuͤtzer Nutz des Verſtandes.B.Es iſt dein Einwurf, liebſter Freund, von einer ſol-
chen Eigenſchaft
Von uͤberzeuglicher Gewalt, und nicht zu wiederſteh’n-
der Kraft,
Daß ich dir gleich gewonnen gebe. Doch hoͤre ein ein-
tzig Wort nur an:
Vermeinſt du nicht, daß um den Glantz von deiner
Wahrheit zu erkennen,
Und um, in einer wahren Andacht, GOtt anzuflehen,
zu entbrennen
Man der Vernunft benoͤthigt ſey, und ſie gebrauchen
muß und kann?
[figure]
Se-[387](***)
Seneca.Wenn wir einſt, im Gegenthalt
Gegen alle Himmels-Coͤrper, unſrer Welt Groͤß’
und Geſtalt
Mit dem Seneca beſehen;
Werden wir mit ihm, voll Kleinmuth, ruffen und zugleich
geſtehen:
Daß die Erde nur ein Punct; daß es folglich thoͤricht waͤre,
Um den millionſten Theil ſolches Punctes Krieg zu fuͤhren,
Sich zu zancken, Ruhm und Ehre
Sich beſtreben zu erhalten, ſich bemuͤhen zu regieren.
Aber hoͤre, Seneca, dieſer dein Gedancke ſcheinet
Freylich groß und wohl gedacht, wie man auch bißher
gemeinet;
Aber dennoch irreſt du. Was nicht zu vergleichen iſt
Das vergleichſt du mit einander. Aller Himmel Himmel
Kreiſe
Koͤnnten auf dieſelbe Weiſe,
Eben wie der Kreis der Erden,
Wiederum ein Puͤnctlein werden,
Wenn man noch viel groͤſſre Welte
Jn Vergleich mit ihnen ſtellte.
Laſſet nach der Billigkeit uns viel lieber uns bemuͤhn,
Um den groſſen Kreis der Welt mit uns in Vergleich zu
ziehn;
So wird unſer Welt-Kreis groß, und der Menſchen
Thorheit klein,
Als die ſo ſchon groß genug. B. Doch es faͤllt mir wieder
ein:
B b 2Du
[388]Seneca.Du haſt hierin freylich recht, wenn du nach dem Coͤrper
nur
Einen Menſchen rechnen wilſt; aber denckſt du an die Seele,
Welche nicht nur ewig iſt, und worin ſich Kraͤfte finden,
Groͤſſre Coͤrper zu begreiffen, zu bewundern, zu ergruͤnden;
Glaub ich doch, daß Seneca nicht in ſeiner Meynung fehle:
Denn es dienet ſein Gedancke, der Begierden Wuht zu
zaͤhmen
Und uns kraͤftig anzuhalten, naͤrr’ſcher Ehrſucht uns zu
ſchaͤmen.
[figure]
Mit-[389]Mittel gefaͤllig zu werden.Wie viel ein ſchoͤn Geſicht vermag; und was in wol-
formirten Zuͤgen,
Nicht fuͤr geheime Kraͤfte ſtecken, wie ſie, den Seelen ſelbſt
Vergnuͤgen
Und Gunſt und Neigung zu erwecken,
Geſchickt und faͤhig ſind; iſt klar:
Nun aber iſt auch dieſes wahr,
Daß unſre Seelen zu beſiegen,
Jn der beliebten Freundlichkeit
Die ſuͤſſ- und ſtaͤrckſten Kraͤfte liegen.
Derſelben Sitz nun ſind die Augen,
Auch unſer Mund; drey rege Glieder, von denen wir ihr
ſchnelles Regen
Und ihr uns nimmer wiederſpenſtig, nie ungehorſames,
Bewegen
Zu leiten, zu regieren, taugen.
Es ſind ja, wie bekannt, die Augen in unſrer Stirne
gleichſam Thuͤren,
Wodurch die Seelen ſich einander am allermeiſten ſichtbar
ſeyn,
Wodurch, wie unſre gegen ſie geſinnt, ſie glauben zu
verſpuͤhren,
Und folglich, durch dergleichen Minen erregt- und aufge-
brachte Triebe
Uns eingepflantzter Eigen-Liebe,
Dergleichen Leidenſchaft in ihr ſo dann erregen und er-
wecken,
Als wie ſie in der andern Seele, durchs Auge, meinen
zu entdecken.
B b 3Da-
[390]Mittel gefaͤllig zu werden.Dahero folgt nun uͤberzeuglich, wie ſehr ſie wehrt ſind
und verdienen,
Daß man mit mehrer’ Achtſamkeit, zu unſerm Nutzen, ſie
regier.
Und ſie, mit mehrer Muͤh und Sorgfalt, zu dieſem End-
zweck lenck’ und fuͤhr.
Wir ſelbſt ſeynd Herrn von unſern Minen.
Wann nun daran ſo viel gelegen, da wir ja gerne
ſehn, und wollen
Daß andre Seelen unſrer Seele geneigt ſeyn, und ſie lie-
ben ſollen;
Daß ſie durchs Aug’ in unſrer Seel’ ein’ Achtung gegen
ſich befinden,
Um ſie dadurch zur Gegen-Gunſt fuͤr uns hinwieder zu
verbinden;
So muͤſſen wir, durch Freundlichkeit in unſern Augen,
uns beſtreben,
Von unſrer Achtung gegen ſie ein Merckmahl ihnen abzu-
geben.
Zu dieſen Zweck nun zu gelangen, iſt leichter als mans
glauben ſollte,
Wenn man nur ſo viel Acht auf ſich, zum eignem Nutzen,
nehmen wollte,
Daß wir die Zuͤge des Geſichts, wovon wir Meiſter ſeyn,
regierten,
Und Augen-Lieder, Augen-Branen und Lippen ſo in Ord-
nung fuͤhrten;
Daß wir, an ſtatt ein graͤmlich, bitter und ſchwartz Ge-
muͤth in uns zu zeigen,
Sie zu der holden Freundlichkeit bemuͤhet waͤren oft zu
neigen,
Die
[391]Mittel gefaͤllig zu werden.Die Muͤhe nun noch zu erleichtern, faͤllt mir ein ſichres
Mittel ein:
Man darf, wenn man ſich ſchlaffen legt, nur blos ein we-
nig ſich bemuͤhn
Und Augen-Branen etwas auf-, den Mund ein wenig ruͤck-
waͤrts ziehn;
So wird vermuthlich das Geſicht in dieſer Stellung lange
bleiben,
Und ohne Muͤh, ein ſuͤſſer Zug dem Angeſicht ſich ein-
verleiben;
Noch mehr: ich trau mir zu erweiſen, daß eine ſolche freye
Min’
Uns mehr zu einem ſanften Schlaf, in angenehmen Traͤu-
men dien’,
Als wenn wir, durch der Augen-Branen verfinſtertes zu-
ſammen ziehn,
Die Augen und ſelbſt das Gehirn in ihnen drucken und
beſchweren:
Wodurch vermuthlich die Jdeen, ſich denn ſo leicht nicht
aufzuklaͤhren,
Geſchickt und faͤhig ſind, als ſonſt, wenn Stirn und Au-
gen frey; wie wir
Schon einſt, nicht ohne Nutz, gelehrt. Wenn dieſes nun
zu mehrer Zier
Nicht nur der Schoͤnheit dienen kann, und eine Schoͤnheit
zu vergroͤſſern;
Nein, gar ſelbſt die Geſtalt der Seelen zu zieren und noch
zu verbeſſern,
Und uns den Menſchen angenehmer geſchickt und tauglich
iſt zu machen;
B b 4(Worin
[392]Mittel gefaͤllig zu werden.(Worin kein ſchlechtes Gluͤck beſteht) ſo habe man doch’
mit Bedacht,
Auf die Geberden etwas mehr, als wie man ſonſt gewohnt
iſt, acht.
Und halt es nicht fuͤr Kleinigkeit, weil, wenn man es mit
Ernſt ermißt,
Es wuͤrcklich keine Kleinigkeit, ob unſer Naͤchſter uns
gewogen,
Wie oder mit uns unzufrieden, uns feind und uns ge-
haͤßig, iſt.
Nun liegt zwar dieſes, das iſt wahr, am aͤuſſerlichen
nicht allein,
Denn will man von dem Neben-Menſchen geachtet und
geliebet ſeyn,
Muß man ſein Hertz dazu bereiten. Laß dieß ſich erſt in
Lieben uͤben
So wird dein Naͤchſter dich dadurch, als wie gezwungen,
wieder lieben.
Jedennoch muͤſſen aͤuſſerlich die Toͤne, Minen und Ge-
berden
Zu dieſem Endzweck einzurichten durchaus nicht unterlaſſen
werden.
Ver-[393]Vernuͤnftiger Gebrauch des Gegen-
waͤrtigen.Geliebte Menſchen, lernet, lernt,
Des Gegenwaͤrtigen genieſſen!
Weil alle Dinge von uns flieſſen,
Wie ſich ein Strom von uns entfernt.
Durch Ueberlegen kann allein
Von uns genoſſen und empfunden,
Gehemmt und angehalten ſeyn
Der reg- und fluͤßigen Secunden
Entſtehend’ und vergehnde Schaar.
Lebt achtzig, ja, lebt hundert Jahr,
Von Gluͤck und Kranckheit ungekraͤncket,
Ohn Elend, Kummer und Gefahr:
Sie ſind verfloſſen und verſchwunden,
Als wie der Tag, der geſtern war,
Wo ihr nicht oft daran gedencket;
Das Leben iſt wie ein Geſchrey,
Denckt man nicht, daß man lebt, vorbey.
Wofern wir aber uͤberlegen
Und, was man guts beſitzt, erwegen;
Wird der Genuß ſo vieler Sachen,
Die unſer Schoͤpfer uns beſchehrt,
Und deren wir ſo wenig wehrt,
Uns froh, erkenntlich, danckbar machen.
Wir werden auch zugleich die Plagen,
Womit uns mancher Fall beſchwehrt,
Geſchickter werden zu ertragen.
B b 5Denn
[394]Vernuͤnftiger Gebrauch des Gegenwaͤrtigen:Denn, wer beym Unfall in der Welt
Das Gute nicht dagegen haͤlt,
Das ihm der Schoͤpfer goͤnnt und ſchencket,
Dem wird auch eine kleine Pein
Schon groß und unertraͤglich ſeyn.
So laßt uns darauf Achtung geben
Was Salomo ſo weislich lehrt:
Bey unſrer Arbeit froͤlich leben
Jſt blos das Theil, das uns beſchehrt.
Man ſetzt mit Recht noch dies daneben:
Es wird dadurch auch GOtt geehrt;
Weil ſein Geſchoͤpfe noch wohl wehrt,
Daß wir uns, froh zu ſeyn, beſtreben.
[figure]
Er-[395]Erinnerung.Verlange nicht zugleich auf Erden,
Bewundert und geliebt zu werden.
Es irret wer darauf beſteht,
Die Urſach, warum es ſo geht,
Jſt dieſe: Keiner will von allen
Bewundern; jeder will gefallen.
Ja bey den meiſten gehts noch ſchlimmer
Und hat dieß ſeine Richtigkeit:
Ein ſonderbar Talent iſt immer
Ein Fehler, den man nicht verzeiht.
Hiergegen kann ein groſſer Geiſt
Weil ſonſt der haͤm’ſche Neid von weiten
Mit Steinen immer auf ihn ſchmeiſt,
Kein ander Mittel ſich bereiten,
Als wenn er ſanfte Sittſamkeit
Jn allen ſeinen Thaten weiſt.
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Abend-[396]Abend-Gedancken.Jch habe, leider! dieſen Tag nicht ſonders nuͤtzlich zu
gebracht,
Jch habe nichts zu GOttes Ruhm gethan, geſchrieben,
noch geleſen,
Da er jedoch, wie nicht zu leugnen, ein Theil von meiner
Zeit geweſen!
Jedoch, mein Hertz, gieb dich zufrieden! Jch ſahe ja der
Sonnen Pracht,
Und habe dieß dabey gedacht:
Wie groß iſt GOTT der ſie gemacht.
Wenn ich auch ſonſten nichts gethan, ſo iſt der Tag doch
nicht verlohren:
Dieß iſt der groͤſten Pflichten eine, zu der wir auf die Welt
gebohren.
[figure]
Nacht-[397]Nacht-Gedancken.Jch bet’, in dieſem Heer der Sternen,
Dich, HErr der Sternen, innig an!
Weil man, in Nichts ſo klaͤrlich lernen,
Jn Nichts ſo deutlich finden kann,
Wie unbegreiflich, herrlich, maͤchtig,
Erhaben, Majeſtaͤtiſch, praͤchtig,
Dein all-erſchaffend ewigs Weſen.
Von deiner GOttheit Tieff’ und Hoͤh
Giebt uns aufs Ueberzeuglichſte
Das groſſe Sternen A. B. C.
Die Unbegreiflichkeit zu leſen.
[figure]
Ver-[398]Vernuͤnftig-ſinnlicher GOttes-Dienſt.A.Wie iſt doch das Geſchenck der Sinnen ſo herrlich,
wenn mans recht ermißt!
Ach, daß die Menſchheit GOtt, dem Geber, dafuͤr ſo un-
erkaͤnntlich iſt!
B.Jch finde, daß auch Hunde riechen; ich ſehe, wie auch
Ochſen-Augen
Der Sonnen Licht und Gras und Blumen, ſo wol als
wir, zu ſehen taugen:
Was machſt du denn fuͤr Wercks davon? A. Sie haben
Sinnen, das iſt wahr;
Und zwar noch wol ſo gut als wir, auch ofters beſſer
noch; allein
Soll zwiſchen uns und ihnen denn ſo gar kein Unterſchied
nicht ſeyn?
Daß willſt du ja wol eben nicht. Nun kann ja der in
nichts ſo klar,
Als eben darin nur beſtehen,
Daß wir auf andre Weiſ’, als ſie, empfinden, ſchmecken,
hoͤren, ſehen.
Gebrauchen wir durch die Vernunft die Sinnen anders
nicht, als ſie;
So folgt der Schluß von ſelbſt: der Menſch iſt auch nicht
beſſer, als ein Vieh.
Will man ſich aber von demſelben, wie es ja unſre Pflicht,
entfernen;
Laßt uns die Sinnen, GOtt zum Ruhm, der ſie uns
giebt, gebrauchen lernen!
Dieß kann nun GOtt-gefaͤlliger auf andre Weiſe nicht
geſchehn,
Als wenn durch des Verſtandes Licht wir wuͤrcklich ſehen,
daß wir ſehn;
Em-
[399]Vernuͤnftig-ſinnlicher GOttes-Dienſt.Empfinden daß und was wir riechen; vernuͤnftig ſchme-
cken, wenn wir ſchmecken;
Nicht ohn Gefuͤhl ſeyn, wenn wir fuͤhlen; auch deutlich hoͤ-
ren, wenn wir hoͤren.
Alsdann wird man durch Seel’ und Leib, die GOtt uns bei-
de ſchenckt, ihn ehren;
Weil wir ſo dann in allem Weisheit und Liebe, ja ihn
ſelbſt, entdecken;
Durch nichts wird unſer GOtt auf Erden in unſren See-
len herrlicher;
Dieß heißt, nach Davids Regel: Schmecken und ſehn,
wie freundlich GOtt der HErr!
[figure]
Gedan-[400]Gedancken bey einer Mond-Finſterniß.Da ich den Mond verfinſtert ſeh’,
Verſpuͤhr ich, daß, in meinem Hertzen,
Aus ſeiner Finſterniß ein Licht entſteh’
Das keine falbe Schatten ſchwaͤrtzen.
Sie zeigt mir uͤberzeuglich klar
Die Weißheit Goͤttlicher Regierung,
Und macht zugleich mir offenbahr
Die Richtigkeiten ſeiner Fuͤhrung;
Da nicht nur, um kein eintzigs Haar,
Die Lichter, die viel tauſend Jahr,
Jn ungeſtoͤrter Ordnung, gehn,
Sich aus den feſten Angeln drehn;
Auch daß der Schoͤpfer uns ſo gar,
Solch eine Faͤhigkeit geſchencket,
So viele Jahr vorher zu ſehn,
Wie alles ſich ſo richtig lencket.
HERR! laß uns des Verſtandes Gaben,
Das Pfund, das du in uns geſenckt,
Gebrauchen und es nicht vergraben!
Laß uns, ſo oft wir, wie ſo ſchoͤn
Das Monden-Licht uns ſcheinet, ſehn,
Mit allen Kraͤften des Geſichts
Zu ihm; von ihm zur Sonnen ſteigen,
Zur wahren Quelle ſeines Lichts;
Da denn der Seele ſich wird zeigen,
Daß man, mit Recht, die Sonne ſelbſt wird koͤnnen
Des Schoͤpfers Mond, ja ſeinen Schatten, nennen.
An-[401]Anderweitige Betrachtung
Der Groͤſſe GOTTES
Jn ſeiner Vorherverſehung und Fuͤhrung
bey dem 1732ſten Jahrs-Wechſel.
Beweiß, daß eine ſo groſſe, auch auf Kleinigkei- ten gerichtete Providentz und Vorſorge eben etwas
Goͤttliches und eine aller Menſchen und anderer
Geiſter Begriff uͤberſteigende Kraft und
Weisheit ſey.
Auf, auf, mein Geiſt! auf, auf, bereite dich,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Ruhm, von neuen,
Zu dieſer Wechſel-Zeit recht innig dich zu freuen!
Dein groſſes Wohn-Hauß drehet ſich
Nicht mehr, ſo wie vorhero, von der Sonne;
Wir naͤhern uns dem Licht und Lebens-Strahl,
Zu unſerm Nutz, zu unſrer Luſt und Wonne,
Nach GOttes Ordnung abermahl.
Weil dieſes nun, daß man die Wunder-Wercke
Des herrlichen Regirers wol bemercke,
Mehr als zu wol verdient; ſo ſoll mich dieſe Zeit
So wol zum Danck, als Lobe, treiben;
Jch will, nach meiner Pflicht und aller Moͤglichkeit,
Zu deſſen Preiſ’ und Ruhm, gedencken, reden, ſchreiben,
Der alle Welt- und Himmel-Heere,
Jm Grund- und Graͤntzen-loſen Meere
Des allgemeinen Raums, gemacht, erhaͤlt und fuͤhrt,
Ja alles, was darin, zu ſeiner ew’gen Ehre
Und einem weiſen Zweck, regirt!
C cGrund
[402]Neu-Jahrs Gedichte.Grund- und Graͤntzen-loſe Tieffe ſeel’ger Liebe!
helle Klarheit
Eines nie-durchdrungnen Lichts! ewige, ſelbſtaͤnd’ge
Wahrheit!
Goͤnne mir auch dieſes mahl
Aus dem Meere deiner Weisheit einen hellen Gna-
den-Strahl,
Daß ich, deiner Herrlichkeit, Weisheit’, Lieb’ und
Macht zum Preiſe,
Nach Vermoͤgen, deine Wege mir und vielen andern
weiſe!
Schaͤrffe mir, zu dieſem Endzweck, ſelbſt die Kraͤfte
meiner Sinnen!
Laß mein Dencken dir gefallen! Segne ſelber mein
Beginnen!
Wir haben, im verwichnen Jahr,
Der Theilchen groſſe Meng’ und ungeheure Schaar,
Die allen Engeln, Geiſtern, Seelen
Unmoͤglich faͤllt zu kennen und zu zehlen,
Aus welchen alle Ding’ entſtehen und beſtehen,
Zu ihres Schoͤpfers Ruhm, erſtaunet, angeſehen.
Wir haben auf die Zahl abſonderlich geachtet,
Wir haben einiger derſelben Regeln, Kraͤfte,
Geſetz und Ordnungen betrachtet.
Jetzt fuͤhl’ ich einen Trieb in mir,
Annoch zum edlern Zweck und herrlichern Geſchaͤfte
Der Seelen Kraft zu lencken, zu erheben,
Und, in der herrlichen Regierung
Und aller dieſer Theil’ unendlich weiſen Fuͤhrung,
Der GOttheit weiſe Macht zum Ruhm, mich zu beſtreben.
Auf
[403]Neu-Jahrs Gedichte.Auf dieſe Weiſe wird der GOttheit Licht und Schein
Am herrlichſten erkannt, geruͤhmet und geprieſen;
Man wird zugleich, was er auch uns erwieſen,
Was er fuͤr eine Kraft in unſern Geiſt geſencket,
Und wie, wenn man von ihm was wuͤrdiges gedencket,
Wir ihn, durch uns, uns ſelbſt in ihm, erhoͤh’n,
Recht uͤberzeuglich ſehn.
Selbſtaͤndige Weisheit! ſelbſtaͤndige Guͤte!
Unendlicher Urſprung der ewigen Wahrheit!
Erleuchte du ſelbſt mein verfinſtert Gemuͤthe
Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit!
Die Wunder, die Himmel und Erden erfuͤllen,
Entſtehen aus deinem allmaͤchtigen Willen;
Beſtehen durch deine beſtaͤndige Macht;
Geſchehen, wie du es vorhero gedacht!
Daß unzaͤhliche Geſchoͤpfe in den Himmeln, auf der Welt,
Durch die Allmachts-volle GOttheit ſind erſchaffen und
vorhanden,
Daß zugleich ſein weiſer Wille ſolche Creatur erhaͤlt,
Haben wir in vor’gem Jahr, wie bereits geſagt, verſtanden;
Waͤren nun die Creaturen, der Natur nach, und in ſich,
Nicht der Aendrung unterworffen, ſondern unveraͤnderlich;
Wuͤrde, nebſt derſelben Schoͤpfung, die Erhaltung blos
allein,
Zu derſelben Daur und Weſen, unumgaͤnglich noͤthig ſeyn.
Aber da die Creatur bald ſich aͤndert, bald vergehet,
Stirbet, aufgeloͤſet wird, koͤmmt, verweſet und entſtehet,
Und doch alles, nach der Maaſſe, Ordnung, Regeln und
Gewicht,
Sich veraͤndert, ſich beweget, ſteht, vergehet und geſchicht;
C c 2Sieht
[404]Neu-Jahrs Gedichte.Sieht man ja wol uͤberzeuglich, daß ſolch’ eine weiſe Fuͤhrung
So veraͤnderlicher Dinge, ſolche richtige Regirung
Solcher ungefuͤgten Theile, der unzaͤhlich vielerley,
Sonder eine Providentz gantz und gar unmoͤglich ſey.
Es wird keiner laͤugnen koͤnnen, daß auf unſerm Kreis
der Erden
Nicht nur viele wuͤrckliche,
Sondern auch in allen Coͤrpern und in der Materie
Moͤgliche Veraͤnderungen, ebenfals gefunden werden.
Erſtere ſind: die wir fuͤhlen, hoͤren, riechen, ſchmecken, ſehen;
Letztere ſind dennoch moͤglich, ob ſie wuͤrcklich nicht geſchehen.
Moͤglich waͤr es, zum Exempel, daß es jetzo regnete,
Da die Sonne lieblich ſcheinet. Bey den Menſchen und den
Thieren
Wovon wir, bey letzteren, mehrentheils willkuͤhrliche
Und, bey den vernuͤnftigen, freye Handlungen verſpuͤhren,
Sind die Aendrungen unzaͤhlich: da es dennoch moͤglich waͤr’
Daß gantz andere geſchaͤhen. Jch ſpatziere hin und her
Ob es gleich nicht minder moͤglich, daß ich ſitzen, reiten,
ſchreiben,
Fahren, ſtehn und liegen koͤnnte, oder etwas anders treiben.
Nun entſteht mit Recht die Frage: ob der Schoͤpfer aller
Dinge
Keinen Theil an allem nehme? ob ihm alles zu geringe,
Was er je hervorgebracht? ob er, daß dieß ſo geſcheh’,
Oder auf ein’ andre Weiſe, ſich gar nicht bekuͤmmere?
Von Veraͤndrungen der Coͤrper blos allein iſt offenbar,
Daß die Goͤttliche Regirung ſich damit gewiß befaſſe
Und von ihrer Aenderung, ſich durchaus nicht ſcheiden laſſe,
Dieß erweiſet dieß Exempel uͤberzeuglich, deutlich, klar:
Daß
[405]Neu-Jahrs Gedichte.Daß die Sonn’ jetzt lieblich ſcheint, da es ſtuͤrmen koͤnnt’ und
blitzen,
Stammt entweder gantz gewiß von der erſten Ordnung ab,
Da der Schoͤpfer allen Coͤrpern eine ſolche Regel gab,
Daß, aus einer feſten Folge der Natur, zu dieſer Zeit,
Unſer Himmel glaͤntzt und pranget in entwoͤlckter Heiterkeit;
Oder dieſes ſchoͤne Wetter und der heut’ge Sonnen-Schein
Muͤſte durch ein Wunder-Werck kommen und entſtanden
ſeyn.
Beides zeigt des Schoͤpfers Macht, Lieb’ und weiſe Vorſorg
an.
Jn dem erſten Fall erhellt,
Daß, da ſein allwiſſend Aug’ alles uͤberſehen kann,
Er, bey der Zuſammenſetzung und der Anlag’ unſrer Welt,
Alles, was aus dieſer Miſchung bis zum heut’gen Tag’ ent-
ſtehen,
Flieſſen und geſchehen wuͤrde, ſchon mit einem Blick geſehen;
Alſo, daß ſchon, in der That,
GOTT, vor ſo viel tauſend Jahren,
Vor die Wittrungen, die wir uͤberkommen und erfahren,
Jn der Ordnung der Natur allbereit geſorget hat.
Jſt nun, nach dem letzten Fall, dieſes Tages Sonnen-Strahl
Ueber der Natur Geſetz, durch ein Wunder-Werck
entſtanden,
Welches GOtt nur zuzuſchreiben; ſo iſt gleichfals abermahl
GOTTES Vorſorg uͤberzeuglich, ſonder Wiederſpruch
verhanden.
Wenn wir nun noch fernerhin auch die Handlungen
beſehn,
Welche aus dem freyen Willen denckender Geſchoͤpf’
entſtehn,
C c 3Oder
[406]Neu-Jahrs Gedichte.Oder aus der Thiere Willkuͤhr; ſo iſt es zwar wol an dem,
Daß derſelben Grund und Quell in den Creaturen liege;
Aber daraus folget nicht, daß GOtt keinen Antheil nehm’
Und ſich mit den Handlungen im geringſten nicht befaſſe;
Sondern ſie in allen Dingen ſchalten, thun und walten laſſe.
Zwar iſt dieſes wahr; hat GOtt Creaturen ſchaffen wollen,
Welche einen freyen Willen haͤtten; laͤſſet ſich auch ſchlieſſen
Daß er freye [Handlungen] auch dazu verſtatten muͤſſen:
Denn ſonſt waͤren ſie nicht das, was ſie haͤtten werden ſollen.
Dieſer Schluß iſt wahr. Allein,
Es kann doch, bey dieſer Freyheit, dennoch nicht gelaͤugnet
ſeyn,
Daß die GOttheit alle Wercke, die von ihnen auf der Erden
Wuͤrden vorgenommen werden,
Nicht zuvor geſehen haͤtte; folglich ſtehet leicht zu faſſen,
Daß er auch zugleich beſchloſſen, was geſchicht, geſchehn zu
laſſen;
Daß demnach auch ſolche Dinge, welche ſonſten frey geſchehn,
Dennoch unter GOttes Willen, Providentz und Vorſehn
ſtehn;
Weil der Schoͤpfer ſonſten nur,
Wenn er dieſes nicht gewollt, eine ſolche Creatur
Ja nicht duͤrfen werden laſſen. Da ſo denn, unſtreitig, nicht
Das, was jetzt aus freyen Willen von denſelbigen geſchicht,
Vorgenommen werden koͤnnte. Daß ich alſo klaͤrlich ſehe,
Wie von allen Handlungen, nichts von ungefaͤhr geſchehe,
Sondern alles unter einer Goͤttlichen Regirung ſtehe.
Laßt uns aber nunmehr auch von des Schoͤpfers aller
Sachen
Unlaͤugbarer Providentz wuͤrdige Begriff’ uns machen!
Nem-
[407]Neu-Jahrs Gedichte.Nemlich, daß dieſelbe nicht eine Macht nur in ſich ſchlieſſet;
Sondern, daß in ihr zugleich immer, mit vereinter Kraft,
Von der GOttheit wahrem Weſen eine jede Eigenſchaft,
Nemlich Weisheit, Macht und Liebe
Wunderbar zuſammen flieſſet.
Seine Weisheit ſieht zugleich nicht nur das Vergangene,
Nebſt dem Gegenwaͤrtigen; ſondern auch das Kuͤnftige,
Jn dem allerhellſten Lichte, in der groͤſten Deutlichkeit.
Er erkennt, was die Verbindung aller Coͤrper auf der Erden;
Er begreift die Wirckungen, die dadurch, zu aller Zeit,
Aller Orten, ſo im groſſen, als im kleinen, kommen werden;
Er ergruͤndet, was der Thiere Willkuͤhr wirckt und nach ſich
zieht;
Er erforſcht, was die Geſchoͤpfe, denen er ein frey Gemuͤht
Und, in ihren Handlungen, einen ungezwungnen Willen
Eingeſencket, reden, handeln, thun, beginnen und erfuͤllen,
Wircken und begehren werden, was gerahten, nicht gerahten
Und was unterbleiben werde, auch was aus derſelben Thaten
Jn der kuͤnftgen Zeit erfolgt. Ja nicht nur das, was geſchicht
Und geſchehen wird, weis er; ſondern auch, wenn was
geſchehe,
Was daraus entſtehen wuͤrde, iſt ihm ja ſo wol bekannt,
Als wenn ich, was gegenwaͤrtig mir vor Augen lieget, ſehe.
Dieſer Weisheit helle Sonne und ſein Goͤttlicher Verſtand
Strahlt aus allen Creaturen recht, als wie ein helles Licht.
Wie iſt alles durch einander wunderwuͤrdig eingericht,
Und bewunderns-wehrt verknuͤpffet! Man ſieht uͤberall die
Spur,
Wie von allen Creaturen, in dem Reiche der Natur,
Eines ſtets am andern hanget;
Jegliches hat ſeinen Zweck und es wird der Zweck aufs neu
Wiederum ein Mittel, wodurch es zum neuen Zweck’ ge-
langet.
GOt-
[408]Neu-Jahrs Gedichte.GOTTES Liebe, ſeiner Guͤte, ſeiner Gnaden
Wunder-Schein
Floͤßt ſich ferner, nebſt der Weisheit, der Vorher-Verſe-
hung ein.
Jhm, dem allerhoͤchſten Gut, wallt im Goͤttlichen Gemuͤhte
Eine ſeelige Geneigtheit, Gnad’, Erbarmung, Huld und
Guͤte
Den Geſchoͤpfen mitzutheilen, ſtets ihr Gutes zu vergroͤſſern,
Und, nach ſeiner weiſen Ordnung, ihren Zuſtand zu verbeſſern.
Gleichfals wirckt der GOttheit Allmacht, nebſt der
Weisheit und der Liebe,
Jn der Providentz, vereint. Nimmt man dieſe nun zu-
ſammen,
Und man leitet aus denſelben Goͤttliche Vorſehung her;
Wird von ſolcher Providentz nicht allein ein richtiger,
Auch ein troͤſtlicher, Begriff, ſonder allen Zweifel, ſtammen.
Wird ein ſterblicher Monarch und ein irdiſcher Regent,
Welcher ſeiner Unterthanen Nutz und Beſtes ſucht und kennt,
Dem es an Gewalt nicht fehlet und der ſie als Kinder liebt,
Selbige nicht gluͤcklich machen? wird deſſelben Regiment
Nicht gedeylich fuͤr ſie ſeyn? da nun GOtt, im hoͤchſten Grad,
Alle die Vollkommenheiten Macht und Eigenſchaften hat;
Koͤnnen wir unmoͤglich anders von deſſelben Fuͤhrung
ſchlieſſen,
Als; es werde nichts, als gutes aus derſelben uns entſprieſſen.
Aber laßt uns dieſe Wahrheit deutlicher noch zu verſtehn
Das, woruͤber die Verſehung ſich erſtrecket, uͤberſehn.
Erſtlich kommen Dinge vor, welche gaͤntzlich ſonder
Leben;
Deren ſind nun zweyerley. Es iſt eine Art, woran
Willkuͤhr oder freyer Wille etwas aͤndern, etwas geben,
Etwas nehmen, mindern, mehren, beſſern und verſchlimmern
kann;
Oder
[409]Neu-Jahrs Gedichte.Oder ſie ſind auch von denen, die der Willkuͤhr und dem
Willen
Sichtbarer Geſchoͤpf’ entzogen, als: der Wind, der Regen,
Blitze,
Donner, Duͤrre, Sonnen-Schein, Kaͤlte, Nebel, Schnee
und Hitze.
Mond und Stern’ und ihre Wirckung. Erſtere, bey welchen
wir
Etwas zu veraͤndern faͤhig, ſind nicht nur von GOtt gemacht,
Sondern es iſt klar zu ſehen, wie er ſie zugleich regir’,
Da er ſie zu einem Zweck eigentlich hervorgebracht.
Zum Exempel: laßt uns Blumen, laßt uns Baͤume,
Pflantzen, Fruͤchte,
Welche GOtt erſchaffen hat, und wovon ja Sonnen-klar,
Daß der Menſchen Fleiß, Verſtand etwas auch dabey
verrichte,
Jn der Abſicht einſt beſehn! Wie unglaublich wunderbar
Jſt die Zeugung einer Blume! dencket doch, wie vielerley
Zu derſelben Kraͤften, Farben und Figur vonnoͤthen ſey.
Alle Kuͤnſtler dieſer Welt kennen und begreiffen nicht
Die Geſtalten dieſer Theile, woraus GOtt ſie zugericht.
Hat der Schoͤpfer nun vorher alle Theilchen uͤberſehn,
Aus der Erd’ und aus dem Waſſer, die, daß Baͤum und
Fruͤcht’ entſtehn
Und bereitet werden ſolten, zu denſelben noͤhtig waͤren;
Hat er ebenfals nicht minder, um dieſelben zu vermehren,
Saamen-Koͤrner zubereitet, die die Theilchen an ſich ziehn,
Und das Wachſen foͤrdern koͤnnten; ſo erhellet ja ſo klar,
Es ſey GOttes Providentz auch bey Pflantzen ſonderbar.
Sage mir, zu welchem Endzweck, Pflantzen wachſen, Blumen
bluͤhn,
C c 5Und
[410]Neu-Jahrs Gedichte.Und fuͤr wen er in dieſelbe ſolche Kunſt und Eigenſchaft,
Solche Bildung, ſolche Farben, ſolche Schoͤnheit, ſolche Kraft
Eingeſencket und geleget? wahrlich fuͤr ſie ſelber nicht;
Weil ſie ſelbſt von ſich nichts wiſſen. Hieraus fließt der
Unterricht,
Daß, da ihnen ſelbſt zum Beſten ihre Schoͤpfung nicht
geſchehen,
GOtt auf andrer Creaturen Luſt und Nutz durch ſie geſehen.
Zeigt dieß keine Providentz? Eben auch, wenn Kraͤuter hie,
Und an andern Orten nicht, wachſen und gedeyen wollen,
Zeigt ſie deutlich, daß ſie hier, aber dort nicht, wachſen ſollen.
Wenn nun an den Creaturen, welche ſonder Leben ſeyn,
Und bey welchen Thier und Menſchen etwas noch veraͤndern
koͤnnen,
Sich die Goͤttliche Vorſehung, in ſo hellem Licht und Schein,
Und unwiederſprechlich zeiget, iſt ſie minder noch zu trennen
Von den Dingen, welche wir dergeſtalt beſchaffen finden,
Daß kein lebendes Geſchoͤpf Aendrung taugt darin zu machen.
Denn obgleich, wenn’s ſchneit und regnet, und wenn wil-
de Wetter krachen,
Alles aus natuͤrlichen Grund- und Ordnungen geſchicht;
So wird doch mit Recht gefraget: Wer die Ordnung der
Natur,
Wie ſie iſt, zuerſt gemachet, und ſo weislich eingericht?
Alſo ſiehet man auch hier, mit Verwunderung, die Spur
Einer Goͤttlichen Regirung. Laßt uns denn nun weiter
gehn,
Und die lebenden Geſchoͤpfe, welche nicht vernuͤnfftig, ſehn!
Daß auch die in Goͤttlicher Vorſorg’ und Regirung ſtehn,
Zeigt die Schrifft und die Vernunft. Wie auch GOtt die
Voͤgel naͤhret;
Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret.
Sie-
[411]Neu-Jahrs Gedichte.Siehet man ein ſolches Naͤhren etwan uͤberhin nur an,
Scheinet es nichts wunderwuͤrdigs; aber was dazu gehoͤret,
Einer Art der Voͤgel nur, ihre Nahrung zu bereiten
Und, nach ihrer Art, zu ſpeiſen, und zu naͤhren, dieſes kann,
Weil dazu in der Natur, wenig Mittel, keiner faſſen.
Ja, es kann der kluͤgſte Menſch nicht ein Koͤrnchen wachſen
laſſen;
Zeigt ſich alſo, daß der Schoͤpfer nicht allein an ſie gedacht,
Eh ſie noch erſchaffen worden, ſondern ſie noch immerfort
Sich, in Ordnung, mehren laſſe, daß er wuͤrcklich ihren
Saamen,
Woraus ſie, nebſt ihren Seelen, ihren Urſprung alle nahmen,
Unſrer Erden einverleibt, daß er ſie an jedem Ort
Unterhaͤlt, verſorgt und naͤhret
Und ein ſonderliches Futter einem jeglichen beſchehret,
Welches einem jeden dienſam; wovon ebenfals der Erden
Saamen von beſondern Kraͤften muͤſſen eingeſencket werden;
Doch noch mehr, damit die Voͤgel, das Gewuͤrm und andre
Thiere
Auch dem Menſchlichen Geſchlecht, wenn ſie ſich zu haͤuffig
mehrten,
Nicht zu groſſer Laſt gereichten, und ſie nicht zu ſehr
beſchwehrten;
Sind ſie dergeſtalt gebildet, daß (ach, merck es jedermann)
Jmmer eins dem andern wieder zu der Nahrung dienen kann;
So daß ja kein Ungezieffer, und kein Wuͤrmchen je ſo klein,
Daß es, zu des Schoͤpfers Endzweck nicht gebildet ſollte ſeyn.
Ja, wenn von den Sperliugen ſelbſt die Bibel deutlich ſpricht:
Sonder unſers GOttes Willen kann auch gar ein Sperling
nicht
Jemahls auf die Erde fallen; zeigt ſie uͤberzeuglich-klar,
Daß, wie Voͤgel zu erſchaffen, ihm nicht unanſtaͤndig war;
Auch
[412]Neu-Jahrs Gedichte.Auch es ihm nicht unanſtaͤndig, ihre Daur und Lebeus-Zeit
Zu beſorgen und zu wiſſen. Jſt es alſo ſonder Streit,
Daß, da man des Schoͤpfers Weisheit deutlich uͤberall
entdecket,
Seine Vorſorg auch zugleich auf das Kleinſte ſich erſtrecket.
Wie vielmehr wird denn, aus dieſen und aus vielen
andern Stellen,
Ueber die vernuͤnfftigen Creaturen dieſer Welt
Eine weiſe Providentz uͤberzeuglich klar erhellen,
Die er ja mit ſo viel Vorzug uͤber jene hingeſtellt?
Wir beſtehn aus Seel und Leib. Wie wir nun gar leicht
erſehn,
Daß, zu unſers Leibes Nothdurft, Wunder ohne Zahl
geſchehn
Jn dem Reiche der Natur; folgt ja, daß, bey ſo viel Gaben,
Welche wir nur fuͤr den Leib auf der Welt empfangen haben,
Sonder Zweifel fuͤr die Seele auch von GOtt geſorget ſey.
Aber laßt uns erſt von dem, welches unſern Leib belanget,
Wie die Wunder in der Fuͤhrung ſonderbarlich, mancherley,
Etwas weniges beſehn, weil es ſehr zuſammen hanget!
Laßt uns denn auf unſern Anfang, Fort- und Ausgang
aus dem Leben,
Als wohin ſich alles zieht, recht bedachtſam Achtung geben!
Daß die Menſchen, auf die Weiſ’ Art und Ordnung auf
der Erden,
Wie wirs finden, erſt empfangen und darauf gebohren werden
Hat der Schoͤpfer einſt verordnet. Aber, daß zu dieſer Zeit,
Und zu einer andern nicht, wir in dieſe Welt gekommen,
Auch daß wir in dieſem Ort, auch mit der Beſchaffenheit,
Und in keinem andern Umſtand, unſern Anfang erſt genommen,
Solches
[413]Neu-Jahrs Gedichte.Solches wird mit allem Recht einer Goͤttlichen Regirung
Und beſondren Providentz, einer Goͤttlich-weiſen Fuͤhrung,
Zugeſchrieben werden muͤſſen. Wenn wir ernſtlich uͤberlegen
Und, was die Gebuhrt des Menſchen fuͤr gewalt’gen Einfluß
hat
Faſt in alle Handlungen; und von einer jeden That
Jhren Urſprung, ihre Mittel, Huͤlf und Hindrungen erwegen,
Von den Zuſtand eines jeden den Zuſammenhang ergruͤnden;
Werden wir gar leicht befinden,
Daß, am Umſtand, an dem Ort, und zumahlen an der
Zeit,
Als womit, unwiederſprechlich, eins ſich an das andre fuͤget,
Alles ſonderbar gebunden, alles wunderbarlich lieget.
Denn es iſt unlaͤugbar wahr, daß Veraͤndrungen auf Erden
Durch die Umſtaͤnd faſt noch mehr, als ſich ſelbſt, gewircket
werden.
Scheuen wir uns nun nicht, alles, als von ungefaͤhr geſchehn
Und vom blinden Zufall bloß unterhalten, anzuſehn;
Muͤſſen wir, ohn Wiederſpruch, dieß unfehlbar zugeſtehn,
Daß, bey unſerer Gebuhrt, auch ein Goͤttliches Regiren
Eine weiſe Providentz augenſcheinlich zu verſpuͤhren.
Bey dem Fortgang eines Menſchen muß man dreyerley
erwegen:
Theils deſſelbigen Erhaltung, theils die Handlungen; ſie
moͤgen
Gut ſeyn, oder etwan boͤſe: theils auch etwan ihr Geſchick,
Welches man bald Zufaͤll heiſſet, bald Verhaͤngniß oder Gluͤck.
Die Erhaltung nun belangend, findet ſich, wenn mans
bedencket,
Daß ſie blos vom Schoͤpfer ſtammet; daß, auf eine weiſe
Weiſe,
Er dem Leben und dem Leib, ſo die Kleidung, als die Speiſe,
Da wir ſind, ja eh’ wir wurden, ſchon bereitet und geſchencket.
Denn
[414]Neu-Jahrs Gedichte.Denn ſo wenig als wir ſelbſt faͤhig waͤren, unſer Leben,
Ehe wie gebohren worden, uns aus eigner Kraft zu geben;
Ja ſo wenig kunten wir auch fuͤr Kleidung, Milch und Brodt,
Fuͤr die Nahrung, Speiſ’ und Tranck, ja fuͤr alles, das uns
noth,
Sorgen oder es verſchaffen. GOTT der, nach dem weiſen
Rath,
Fuͤr die Blumen auf dem Felde, ja der auch geſorget hat
Fuͤr die Voͤgel, hat zugleich auch fuͤr Menſchen zugeſehn,
Daß, was fuͤr dieſelben noͤthig, werden muͤſſen und entſtehn.
Hat der Schoͤpfer dieſe Vorſorg uͤber ſich denn nun
genommen;
Jſt es ja wol uͤberfluͤßig und unnoͤthig, ja ſo gar
Wuͤrcklich ſchaͤdlich, wenn wir Menſchen, wie es leider mehr
als wahr,
Auf die aͤngſtliche Verſorgung mit ſo bitterm Graͤmen
kommen,
Weil wir, durch dergleichen ſorgen, lauffen, rennen und
bemuͤhn,
Uns vom Dienſt des wahren Schoͤpfers auf den Dienſt des
Mammons ziehn,
Alle Zuverſicht verliehren, und ſtatt deſſen, unſre Seelen,
Mit zukuͤnfftgen ungewiſſen Ungluͤcks-Faͤllen alſo quaͤhlen,
Als ob ſie ſchon gegenwaͤrtig. Wenn wir ſo ins Kuͤnfft’ge
dencken,
Und uns voller Gram und Sorgen gleichſam dahinein
verſencken,
Ziehen wir die Plag’ und Laſten von dem noch entfernten Tage
Zum voraus ſchon zu uns her,
Als ob gleich, wenn jeder Tag nur allein ſein’ eigne Plage
Mit ſich fuͤhrte, nicht fuͤr uns es ſchon zur Gnuͤge waͤr.
Was
[415]Neu-Jahrs Gedichte.Was die Handlungen der Menſchen und ihr Wir-
cken nun betrift,
Hangen ſie vom Willen ab. Gleichwol aber ſpricht die
Schrift:
HErr! ich weiß des Menſchen Thun ſtehet nicht in ſeiner
Macht,
Wie er ſeine Gaͤnge richte, und auf welche Weiſ’ er
wandelt;
Zwar ſcheint dieß ein Wiederſpruch, daß der Menſch nach
Willkuͤhr handelt
Und es ſtehe, was er thue, doch in ſeinem Willen nicht,
Wie er ſeine Gaͤnge richt;
Aber dieſer Wiederſpruch faͤllet offenbar dahin,
Wenn man zwiſchen eines Menſchen Abſicht, Vorſatz, Zweck
und Sinn,
Und den aͤuſſern Handlungen, ſammt dem, was daraus
entſprieſſet,
Einen Unterſcheid nur macht. Wenn der Menſch was
uͤberleget,
Was beſchließt, und einen Zweck und ein’ Abſicht darin heget,
Das geſchicht in ſeiner Seelen, und in dem, was er beſchlieſſet,
Hat er vollenkommne Freyheit, die der Schoͤpfer darum eben,
Weil er ein vernuͤnftiges Weſen ſeyn ſol, ihm anheim gegeben,
Und die er ihm nimmer nimmt. Weil der Menſch ſonſt das
nicht waͤre,
Was er iſt und was er ſeyn ſoll. Nach der freyen Neigung
nun
Und nach dieſer freyen Wahl, Zweck und Vorſatz, wird
ſein Thun
Von dem Schoͤpfer angeſehn. Aber es ins Werck zu ſtellen,
Stehen unſre Handlungen, ſammt den Aendrungen und
Faͤllen,
Nicht
[416]Neu-Jahrs Gedichte.Nicht in menſchlicher Gewalt; da ſich ja ſo mancherley
Umſtaͤnd’ in dieſelbe flechten, welche nicht durch uns geſchehn,
Weniger in unſrer Willkuͤhr, Anſtalt und Verordnung ſtehn.
Dieſes deutlicher zu zeigen, faͤllt mir ein Exempel bey:
Einer nimt ſich vor zu ſtehlen oder einen zu ermorden;
Dieſer Schluß ruͤhrt ſonder Zweifel bloß von ſeiner Will-
kuͤhr her,
Er iſt auch dadurch vor GOtt ſchon ein Dieb und Moͤrder
worden.
Aber ſolches auszufuͤhren, faͤllt ihm oͤffters nicht nur ſchwer,
Sondern er wird oft davon, durch ein ſcheinbar Ungefaͤhr
Abgehalten und behindert. Tauſend Faͤlle koͤnnens wehren:
Wachſamkeit, ein Hund, ein Gaſtmahl, eine Kranckheit,
Witterung,
Trunckenheit, ein Floh, ein Vogel, ein Geraͤuſch, ein Fall,
ein Sprung,
Uebereilung, Zoͤgerung, ein zu fertiges Gewehr,
Ein nicht taugliches, ein Zuſpruch, ja viel tauſend andre
mehr
Sind, auf GOttes Winck, geſchickt, Mord und Diebſtahl
abzukehren.
Hieraus ſieht man augenſcheinlich, daß der Menſch den
Schluß zwar faſſen
Und was unternehmen kann, aber daß viel tauſend Sachen,
Tauſend Umſtaͤnd’ ihm im Vorſatz oͤfters eine Hindrung
machen
Und ihn oft recht zwingen koͤnnen, daß er alles unterlaſſen
Und die That verfehlen muß. Solche Umſtaͤnd’ aber ſeyn
Alle unter GOttes Ordnung, und ſie werden bloß allein
Von dem Schoͤpfer, nach der Weisheit, Liebe, Macht,
Gerechtigkeit
So regirt und eingerichtet, wie ers der Beſchaffenheit
Seiner Abſicht, ſeines Haupt-Zwecks, welcher groß und allge-
mein,
Am
[417]Neu-Jahrs Gedichte.Am befoͤrderlichſten kennt. Folglich laͤßt ſich leichtlich zeigen,
Daß der Schoͤpfer mit der Menſchen Abſicht, Neigungen
und Schluͤſſen
Wuͤrcklich nichts zu ſchaffen hab’, als die blos dem Menſchen
eigen,
Und auf ſeine Rechnung kommen. Aber ihre Hinderniſſen,
Jhren Fortgang und die Folgen anbetreffend, kann auf Erden
GOttes Providentz davon nimmer ausgeſchloſſen werden.
Etwas boͤſes zu verrichten ſtreitet mit der Heiligkeit
Und Gerechtigkeit der GOttheit, und ſie wird zu keiner Zeit
Es befoͤrdern, dazu helffen; aber ſelbſt das, was nicht gut,
Und was man, aus boͤſer Abſicht, merckt, gedencket, redet,
thut,
Auch ſo gar zum Guten fuͤhren,
Jſt GOtt gar nicht unanſtaͤndig, mindert nicht des Schoͤpfers
Ehr.
Solch Betragen, voller Abſicht und Verſtand, gehoͤrt vielmehr
Eigentlich zur Providentz und zum Goͤttlichen Regiren.
Zu den Handlungen der Menſchen werden ferner auch
das Gluͤck,
Ungluͤck, Zufaͤll’, Ungefaͤhr, Schickſal oder das Geſchick,
Wie man es zu nennen pflegt, billig mit zu rechnen ſeyn.
Kommen nun dieſelbigen durch dergleichen Umſtaͤnd’ her,
Wo der Menſchen Geiſt und Willkuͤhr etwas, minder oder
mehr,
Dazu beyzutragen faͤhig; ſo gehoͤren ſie allein
Zu der Art der Handlungen, die wir allbereit beſehen;
Aber, in ſo fern dieſelben aus Veraͤndrungen entſtehen,
Die gantz auſſer unſrer Willkuͤhr und Gewalt geſetzet ſind,
Muͤſſen wir ſie noch betrachten. Zum Exempel: Regen,
Wind,
D dWol-
[418]Neu-Jahrs Gedichte.Wolcken-Bruͤche, Sonnen-Schein, Froſt, Schnee, Hagel,
Donner, Blitze,
Stuͤrme, Regen, Thau und Reif, kuͤhle Luͤfte, Kaͤlte, Hitze.
Wann nun, aus dergleichen Dingen, Luſt und Vortheil
uns entſprieſſen;
Hat man ja, mit groͤſtem Necht, uͤberzeuglich dieß zu ſchlieſſen,
Daß ſie einer guͤtigen Providentz auch beyzulegen.
Selbſt die Schrift ſpricht GOtt zum Preiſe:
GOtt hat uns viel Guts gethan. Er hat von dem
Himmel Regen,
Zeiten voller Fruchtbarkeit uns gegeben, auch mit Speiſe
Und mit inniglichen Freuden unſre Hertzen angefuͤllt,
Und uns oft des Geiſts und Coͤrpers Hunger, Durſt
und Sucht geſtillt.
Aber, wenn, im Gegentheil, aus den vorberuͤhrten Dingen
Auch gewiſſe Ungluͤcks-Faͤll’, etwa kommen und entſpringen,
So rufft uns dort Amos zu:
Jſt auch in der Stadt ein Ungluͤck, welches GOtt der
HErr nicht thu?
Ja man ſieht an ſelbem Ort, wie ſo viele Ungluͤcks-Faͤlle
GOtt ſich ſelber beygelegt und auf ſeine Rechnung ſtelle.
Jch, ſpricht GOtt, hab’ euch den Regen,
Biß zur Erndte noch drey Monden aufgehalten. Meinen
Seegen
Ließ ich uͤber eine Stadt, Land und Acker ſich ergieſſen;
Ueber andere hingegen ließ ich ſelbigen nicht flieſſen,
Und das Land verdorrete. Ferner: Jch hab euch geplaget
Mit der duͤrren Zeit und Brand-Korn, was ein Gart’
und Weinberg trug,
Ward durch Heuſchreck- und durch Raupen, Wurm und
Kaͤfer abgenaget.
Jch[419]Neu-Jahrs Gedichte.Jch nur war es, der mit Peſt euch, wie die Egypter, ſchlug;
Meine Hand allein hat euch umgekehret, wie das Land,
Welches Sodom und Gomorra trug; ihr waret wie
ein Brand,
Den man aus dem Feuer reißt. Hierbey aber muß man
faſſen
Und das, ſo wir angemerckt, niemahls aus den Augen laſſen,
Daß zu GOttes Providentz, ſeine Weisheit, Guͤte, Liebe
Und Gerechtigkeit nicht minder, als wie ſeine Macht,
gehoͤren:
Er iſt weiſ’ und bringet Ungluͤck; hoͤrt man Jeſaiam
lehren,
Aber bloß zum guten Endzweck; wannenhero Paulus
ſchriebe:
O! welch eine Reichthums-Tieffe beyde Goͤttlicher
Verſtaͤndniß
Und Erkaͤnntniß!
Ach, wie ſo gar unbegreiflich ſind dein Goͤttliches Gericht,
Und wie unerforſchlich, HErr, deine weiſen Wege nicht!
Es ſind von ihm, durch ihn, in ihm, alle Dinge dieſer
Zeit;
Jhm allein ſey Lob und Danck, Ruhm und Ehr’ in
Ewigkeit!
Alſo weiß der groſſe GOtt, auch nach ſeiner Weisheit, ſich
Einen Weg, durch den Beweiß ſeiner Macht, zu der
Erzeigung
Seiner Guͤtigkeit zu bahnen gegen alle, deren Neigung
Nur auf eine Art noch faͤhig ſeiner Gnade. Eigentlich
Wird man leichtlich keinen Fall, wo ſich die Gerechtigkeit
GOttes zeigen wollen, finden: wo nicht an der andern Seit’
Eine Probe ſeiner Guͤte ſich zugleich zu Tage leget.
D d 2Wenn
[420]Neu-Jahrs Gedichte.Wenn er dort der Amoriter gantzes Heer mit Schloſſen
ſchlaͤget,
So ward Gibeon dadurch der Velagerung befreyt;
Haben dort die Mauren Apheck auf die Syrer fallen muͤſſen,
Wurde dadurch Jſrael gaͤntzlich ſeinem Joch entriſſen.
Dieſes alles und dergleichen zeigt des Schoͤpfers Weis-
heit an,
Die bey ſeiner Providentz ſich ſo uͤberzeuglich weiſet;
Da, er mehr als einen Endzweck, der erreicht wird, zeigen kann,
Blos durch einerley Verhaͤngniß. Welches, wenn mans recht
erwegt,
Goͤttliche Gerechtigkeit, noch um deſto beſſer preiſet;
Als wobey er auch die Guͤte andern zu erzeigen pflegt.
Endlich iſt der Todt von allem, was uns auf der Welt
betrifft,
Unſer letzteres Verhaͤngniß. Aber auch das Sterben ſtehet
Unter GOttes Providentz. Denn obgleich auch ſelbſt die
Schrifft
Von ſo rohen Leuten zeuget, welche, voller Wehmuth, lehren:
Daß wir Menſchen, ſo wie wir ungefaͤhr gebohren waͤren,
So von ungefehr auch ſtuͤrben; zeigt doch die Vernunft,
daß man
Sonder GOttes Providentz auch unmoͤglich ſterben kann.
Denn ſo lehret die Vernunfft: Es ſey uns von GOtt das
Leben,
Unſer Othem, auch der Coͤrper, der ſo kuͤnſtlich iſt, gegeben;
GOtt nur, habe Seel’ und Leib ſo verwunderlich vereint.
Da der Menſch nun auf der Welt nicht von ungefaͤhr
erſcheint;
Jſt es denn nicht unvernuͤnfftig, wenn dem ungeacht, man
meynt,
Daß
[421]Neu-Jahrs Gedichte.Daß wir ſonder GOttes Vorſorg’ und von ungefaͤhr nur
ſterben.
Solt’ ein kluger Kuͤnſtler wol ein ſehr kuͤnſtlich Werck ver-
derben,
Welches er mit Fleiß verfertigt? oder, wo ers hindern kann,
Leiden, daß es andre thun, wo er nicht mit Fleis daran
Einen Endzweck, uñ zwar ſolchen, welcher wichtiger und beſſer
Als des Wercks Erhaltung, ſucht? Nun iſt GOtt, wie wir
geſehn,
Ja der Schoͤpfer unſers Leibes. Laͤſſet er uns nun vergehn,
Durch uns zugeſchickte Kranckheit, oder Zufaͤll, als: Gewaͤſſer,
Feuers-Brunſt, Blitz, Sturm und Hagel, oder laͤßt er
auch geſchehn,
Daß uns andre Menſchen toͤdten; koͤnnt er letzters leicht
verwehren,
Erſteres leicht unterlaſſen. Wenn nun aber GOtt, der HErr,
Erſters ſelber wirckt und thut, letzteres geſchehen laͤßt,
Da ers leichtlich hindern koͤnnte; ſtehet dieſer Schluß ja feſt:
Daß es zu beſondrer Abſicht, und zwar welche wichtiger,
Als der Nutzen der Erhaltung dieſ- und jenes in der Welt,
Seyn und ſich erſtrecken wuͤrde. Zeigt ſichs alſo Sonnen-klar,
Daß auch ſelbſt der Tod des Menſchen, da er jetzt, nicht mor-
gen, faͤllt;
Da er ſo, nicht anders, ſtirbt; allerdings, zu GOttes Ehre,
Unter ſeine Providentz, ſo wie alles, auch gehoͤre.
Menſchen, die GOtt ſterben laͤßt, ſind entweder boͤſ’
und ſchaͤdlich,
Oder ſie ſind fromm und nuͤtzlich. Sind ſie erſters, und ſie
ſterben;
Zeigt ſich Goͤttliche Vorſehung in denſelben offenbar.
Manchen Redlichen entreißt ihr Verderben dem Verderben!
D d 3Wie
[422]Neu-Jahrs Gedichte.Wie viel boͤſes wird gehindert, das ſie ſonſt zu vieler Schaden,
Leicht begangen haben wuͤrden! Wird die Menſchheit nicht
entladen,
Durch der boͤſen Menſchen Todt, von ſo mancherley Gefahr,
Womit gegen das, was gut, ſie ſich gleichſam recht ver-
ſchworen?
Alsdann heißts mit Recht von ihnen: All ihr’ Anſchlaͤg ſind
verlohren.
Wenn die Blutbegierigen gegen eine Schaar von Frommen,
Mit Verfolgung, heftig wuͤten, ſo daß faſt nicht auszukommen,
Da ſie ſelbe auszurotten ja ſie zu verſchlingen trachten,
Und ſie mit Verfolgung qvaͤlen, weis ſie GOtt bald abzu-
ſchlachten.
Laͤßt nun aber GOtt ſie leben, und auch eine Zeitlang toben,
Wuͤten und tyranniſiren; finden ſich dennoch dabey
Heilige, verborgne Wege, und es ſind auch dieſes Proben
Seiner Weisheit, Lieb’ und Macht. Mercks, wie oft ein boͤ-
ſer ſey
Eines andern boͤſen Straffe. Auch die Frommen, die er liebt,
Werden oft dabey gepruͤft, auch in der Gedult geuͤbt
Und zum beten angeflammt. Sind es Fromme, die erblaſſen;
Jſt ja leichtlich zu erachten, daß da GOtt, nach ſeinem Rath,
Sie gefuͤhrt und ihren Othen auf der Welt bewahret hat,
Er ſie nicht von ungefehr blindlings werde ſterben laſſen.
Dieſes lieſ’t und ſiehet man, in der heil’gen Schrift zur
Gnuͤge,
Wie, auch bey der Frommen Tod, GOtt die Umſtaͤnd’ alle fuͤge.
Oftermahl iſt in der Welt auf die Redlichen und Frommen
Manches Ungluͤck, manches Elend, manche Plag’ und Roth
gekommen.
Da
[423]Neu-Jahrs Gedichte.Da geſchicht nun ihnen ſanft, wenn, von aller Noth der
Erden,
Sie, durch einen ſeel’gen Todt, einmahl aufgeloͤſet werden.
Sie empfinden ohne dem Luſt, mit Paulo, abzuſcheiden
Und bey Chriſto dort zu ſeyn. Ja ſie muͤſſen oftermahl,
Daß ſie nicht den Todt verlangen, dennoch faſt dieſelbe Quaal
Jn der Selbſt-Verlaͤugnung leiden,
Als ein andrer, der das Leben,
Mit ſo heiſſer Sehnſucht, wuͤnſcht, und es doch muß von ſich
geben.
Denn wenn gleich Elias dort ſaget: HErr, es iſt genug;
So nimm meine Seel von mir! Wird er doch darum mit
nichten
Ausgeſpannet, ſondern muß erſt dasjenige verrichten,
Wozu Goͤttliche Vorſehung ihn auf dieſer Welt beſtimmt.
Oefters ſiehet GOtt was Gutes noch an einem, darum
nimmt
Er ihn von der Erden weg, daß er die betruͤbten Tage
Und das Ungluͤck ſeiner Freunde, Creutz, Betruͤbniß, Noth
und Plage
Nicht in ihnen leiden duͤrffe. Der Gerechten Seelen werden
Oftermahlen von der Erden
Vor dem Ungluͤck weggerafft. Alſo haben wir geſehn,
Wie von allen Ding- und Faͤllen, ſo auf dieſer Welt entſtehn,
Nichts ohn eine weiſe Fuͤhrung und Regirung kann geſchehn;
Wie durch einen Gluͤcks-Fall, nichts, aber durch Noth-
wendigkeit,
Die nicht zu vermeiden iſt, gleichfals nichts geſchehen koͤnne;
Sondern daß des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Vollen-
kommenheit
Sich in keinem eintz’gen Dinge von den Creaturen trenne,
D d 4Auch
[424]Neu-Jahrs Gedichte.Auch von der am wenigſten, der er einen freyen Willen,
Nach der vorgeſchriebnen Richtſchnur ſeine Pflichten zu
erfuͤllen,
Nach gewiſſer Maß und Ordnung und nach uͤberlegtem Rath,
Zum gewiſſen Zweck gegeben und ihr anerſchaffen hat.
Wer nun nicht mit Fleiß und Vorſatz gegen alles ſich zu
ſpreitzen
Und in abgefeimter Boßheit deſſen Straff’ und Zorn zu reitzen
Und ſich zuzuziehen ſucht, wird, in dieſer Lehre Gruͤnden,
Lauter Luſt, Zufriedenheit und der Seelen Frieden finden.
Wenn er, mit Aufmerckſamkeit, froͤlich uͤberall entdeckt,
Wie auch uͤber Creaturen, welche Leb- und Athen-los,
GOttes Vorſorg’, Ordnung Weisheit, Guͤt’ und Liebe ſich
erſtreckt,
So zu ihr-als andrer Beſten; ruft er billig: HErr! wie groß
Jſt dein allgewaltigs Lieben! Deiner Weisheit, deiner Guͤte
Jſt der Kreis der Erde voll! Er erkennt, daß Wetter, Wind,
Wolcken, Nebel, Reiff und Regen ſeines Winckes Diener
ſind,
Mit Erſtaunen, Ehrfurcht, Demuth und vertrauendem
Gemuͤthe.
Wenn er ferner uͤberleget, daß auch unvernuͤnft’ger
Thiere
Handlung- und Bewegungen nicht von ihnen bloß allein
Angefangen, fortgeſetzet, an- und ausgefuͤhret ſeyn;
Und daß GOtt, nach ſeinem Willen, ihre Wirckungen regire,
Ja, daß er der Menſchen Hertzen, wie die Waſſer-Baͤche, leite,
Wird er, auſſer allem Zweifel, von der Wahrheit uͤberfuͤhrt,
Daß es, mit der wahren Lehre, daß ein GOtt die Welt regirt,
Und daß nichts von ungefaͤhr hier geſchehen kann, nicht ſtreite.
Denn
[425]Neu-Jahrs Gedichte.Denn wofern der Menſch erkennet und recht uͤberfuͤhret iſt,
Daß die Goͤttliche Vorſehung nicht allein mit ſeiner Macht,
Sondern auch nach Lieb’ und Weisheit, die er nimmermehr
vergißt,
Unaufhoͤrlich wirck’ und handle; Wenn er ſich verſichert haͤlt,
Daß, nach ſeiner hoͤchſten Guͤte, GOtt zum Zweck nichts
anders wehle,
Als das, was das Allerbeſte, und daß es dabey zugleich
Jhm, nach ſeiner hoͤchſten Weisheit, auch an keinen
Mitteln fehle,
Solchen Endzweck zu erreichen; wird er, an Vertrauen reich,
Jn den Faͤllen dieſes Lebens, mehr geruhig und gelaſſen,
Auf der Gottheit Macht vertrauend, mehr geſchickt ſeyn ſich
zu faſſen.
Koͤnten wir der Sachen Umſtaͤnd’ und die Folgen alle wiſſen,
Wuͤrden wir, in tieffer Demuth, allemahl geſtehen muͤſſen,
Daß, wenn wir, aus ihnen allen, ſelbſten haͤtten wehlen
ſollen,
Wir nichts beſſers, als wie es GOtt gefuͤgt, verlangen wollen.
Moͤgten wir demnach in allen kuͤnftig dahin uns bemuͤhn,
Daß Gelaſſenheit und Demuth, Luſt und Dancken, GOtt
zu ehren,
(Jene wenn ein Ungluͤck ſtuͤrmt, die, wenn Gluͤckes-Blumen
bluͤhn,
Und es uns nach Wunſche geht) ſtets des Hertzens Fruͤchte
waͤren.
Auf denn, mein Geiſt, auf! auf! vereine deine Kraͤffte,
Laß jetzt Gedaͤchtniß und Verſtand,
Zu einem noͤthigen und nuͤtzlichen Geſchaͤffte,
Mit ernſter Luſt, in Andacht, angewandt
Und angetrieben ſeyn! Ein ſeeliges Erwegen
Jſt wenn wir, auch ſo weit es uns betrifft,
Die weiſen Fuͤhrungen des Schoͤpfers uͤberlegen,
Und
[426]Neu-Jahrs Gedichte.Und was auch uns, in unſers Lebens Jahren,
Bald trauriges, bald lieblichs wiederfahren,
Zum Ruhm desjenigen, der alle Welt,
Und, in derſelben, auch die kleinſten Ding’ erhaͤlt,
So daß ohn ihn kein Haar von unſern Haupte faͤllt,
Jn ernſtliche Betrachtungen zu ziehn,
Uns mit vergnuͤgter Seel’ und frohem Sinn bemuͤhn.
Mein GOtt, wie liebreich, gut, wie weiſ’ und wun-
derbar
Auch deine Fuͤhrungen, im abgewichnen Jahr,
Jn Anſehn meiner, auch geweſen;
Zu welchem Vorwurff deiner Huld
Du gleich die Meinigen, mich und mein Haus erleſen;
Mit welcher Langmuth und Gedult
Du meine Schwachheit, mein Vergehen,
Recht vaͤterlich, recht liebreich uͤberſehen;
Mit welchem reichen Wolfarths-Regen,
Mit welcher Liebe, Gnad’ und Seegen
Du mich aufs neu gelabt, erquicket und beſchencket,
So haſt du mich doch auch mit einer herben Frucht
(Dir ſey auch dafuͤr Danck) im vor’gen Jahr geſpeiſet.
Du haſt nicht nur mit Unmuth meinen Geiſt,
Durch andrer Neid, durch Argwohn, boͤſen Willen,
Und theils durch Unverſtand, erfuͤllen,
Verſuchungen entſtehn, der Ruhe Glantz verhuͤllen
Und doch, GOtt Lob nicht lang, mich etwas leiden laſſen.
Jch hab’ erblickt, wie leicht die Menſchen ſich vergehn,
Wie ſo verſchiedne Faͤll’ und Umſtaͤnd’ offt entſtehn,
Die nicht vorher zu ſehn,
Und wie ſo leicht es wiederum geſchehn,
Daß eines Wetters Wuth (es merck es jederman)
Auf GOttes Winck ſich ſchnell vertheilen kan.
Du
[427]Neu-Jahrs Gedichte.Du haſt nicht nur die Meinen heimgeſucht
Mit einer Kranckheits-Laſt, die nicht geringe war,
Die Blattern quaͤlten ſie faſt alle, ja ein Par
Von ihnen muſte gar,
Durch den zu ſtarcken Gifft, erblaſſen;
Die Tochter ſtarb zuerſt, ein recht gehorſam’ Kind,
Ein angenehm Gemuͤth, das von der erſten Jugend,
Bey andrer Faͤhigkeit, gar eine ſeltne Tugend,
Dergleichen ſich nicht leicht ſo fruͤh bey Kindern findt
Und anzutreffen iſt, nebſt anderm guten, fand.
Sie kont mit ſolchem Feur und bruͤnſtger Andacht, beten,
Auch wie ſie kaum ins fuͤnffte Jahr getreten,
Daß manchem Hoͤrer offt, der um ſie ſtand,
Fuͤr Luſt, Verwundrung und Vergnuͤgen,
Die Thraͤnen in die Augen ſtiegen.
Vom Sohn erzehl’ ich nichts, weil das, was er geweſen,
Jn ſo viel kluger Geiſter Schrifften,
Die ihm ein ew’ges Denckmahl ſtifften,
(Ob er gleich noch ſo jung) zu lefen.
Daß alſo beyder Todt nicht ungerechte Klagen,
So meiner Frau, als mir, um ſo viel mehr erregt,
Als, faſt zu gleicher Zeit, ſechs andre kranck noch lagen,
Von denen jeder uns faſt gleiche Furcht einpraͤgt’,
Zumahl der Aelteſte, den wir in letzten Zuͤgen,
Wol fuͤnff mahl auſſer Hoffnung liegen,
Und faſt ſchon todt, geſehn.
Ja waͤr auch nicht an ihm ein Wunder faſt geſchehn,
Das unſrer gantzen Stadt bekandt,
So deckt auch ihn bereits des Grabes Sand.
Waͤr
[428]Neu-Jahrs Gedichte.Waͤr eine neue Cur mit ihm nicht vorgenommen,
Waͤr der vortrefliche beruͤhmte Bieſter nicht,
Von deſſen Ruhm man nie gnug dencket, ſchreibt und
ſpricht,
Auf einen neuen Weg gekommen,
Den ſonſt kein Artzt annoch betreten,
Da er in Blattern ſelbſt, wiewol nach dreyzehn Tagen,
Jhm zweymahl ließ die Ader ſchlagen,
Wodurch das faſt verfaulte Blut,
Des Fiebers Feuer, Gifft und Wuth,
Nachdem es lang genug mit der Natur gekaͤmpft,
Sich ploͤtzlich legte, ſchwaͤcht’ und daͤmpft’,
Daß dieſer Schluß zu rechter Zeit zu faſſen
Gewuſt, gedacht, gewagt, ſeh ich nicht anders an,
Als daß der weiſe GOtt, der eintzig alles kann,
Jhn dieſen Endſchluß faſſen laſſen.
Sey ewiglich, o GOtt, davor geprieſen,
Daß du dich gegen uns, als eintzgen Artzt, gewieſen,
Da zweyer Kinder Todt uns ſehr empfindlich kraͤnckte,
Daß deine Lieb uns noch den Aeltſten wieder ſchenckte,
Der faſt bereits erblaßt! Da du ihn denn aufs neu
Vom Tode faſt erweckt, ihn uns noch einſt gegeben,
Ach ſo erbarm dich ſein auch ferner! Gieb daß er,
Nebſt allen uͤbrigen, O Vater, GOtt und HErr,
Zu deinem Goͤttlichen Gefallen moͤge leben!
Und wie du Vater mir die klein gewordne Zahl
Von meinen Kindern abermahl
Jn dieſem Jahr aufs neu vermehret,
Und noch ein Toͤchterchen mir wiederum beſchehret;
So danck ich dir,
Mein Schoͤpfer, inniglich dafuͤr,
Und
[429]Neu-Jahrs Gedichte.Und bitte, laß es auch aus Gnaden hier auf Erden
Ein Werckzeug deines Lobes werden!
Nicht ſonder Luſt ſtell ich mir ferner fuͤr
Das Zeichen der Gewogenheit
Und ungemeinen Guͤtigkeit,
Das der beruͤhmt und edle Rath
Der Kayſerlichen Stadt in Liefland, Riga, mir
Jn dieſem Jahr gewieſen hat,
Da ſie mir, den ſie anders nicht,
Als nur aus meinen Schrifften, kennten,
Woraus, nach eigenem, ſo guͤtigem, Bericht,
Das guͤtige Vertrauen abgeſtammt,
Von ihrer edlen Gunſt mir dieſe Probe goͤnnten:
Ein wichtig und eintraͤglich Ampt,
Das jaͤhrlich wol auf Tauſenden zu ſchaͤtzen,
Ward mir in ihrer Stadt nach Willkuͤhr zu beſetzen
Von ihnen guͤtigſt aufgetragen;
So ich denn auch, ohn Eigennutz, gethan.
Nichts liebers waͤr’ mir auch, als wenn es, GOtt zu Ehren,
Wie ich gewuͤnſchet, ausgeſchlagen,
Und ſie, nebſt ihrer Stadt, damit zufrieden waͤren.
Durch ſolch Großmuͤthiges Verfahren ſah ich mich,
Doch aber noch weit mehr diejenigen, geehrt,
Die, durch ein ſolch Betragen, oͤffentlich
Bezeugen, wie ſo hoch und werth
Sie das, was GOtt zum Ruhm, geſchrieben,
Auch an dem bloſſen Werckzeug achten,
Und fuͤhl’ ich mich zugleich dadurch mehr angetrieben,
Noch immer mehr und mehr die Wunder zu betrachten,
Die ſo verſtecket ſind, ob ſie gleich offenbar.
So hab ich auch, GOtt Lob! in dieſem Jahr
Den vierten Theil vom irdiſchen Vergnuͤgen
Jn GOtt, zu den drey erſten fuͤgen
Und
[430]Neu-Jahrs Gedichte.Und in die Preſſe geben koͤnnen.
Ach, daß dadurch das Menſchliche Geſchlechte,
Nebſt mir, dadurch je mehr und mehr
Jn froher Andacht, GOtt zur Ehr’,
Durch ſein ſo ſchoͤn Geſchoͤpf, entbrennen
Und ſtets den Schoͤpfer preiſen moͤgte.
Daß die drey vorigen nicht ohne Nutz geweſen,
Gab ja der groſſe Pritius,
Der Feuer-reiche Zell und Lamprecht gnug zu leſen;
Nochmehr, den jedermann nunmehr bewundern muß,
Der theure Reinbeck ſelbſt, giebt unlaͤugbahre Proben
Wie dieſe Weiſe, GOtt zu loben,
Auch ſein Gemuͤth geruͤhrt. Wie prediget und ſchreibet
Der ſo gelehrte Finck zum Neuen-Felde, nicht?
Auf gleiche Weiſe gleichfals treibet
Der theure Wagener ſein Ampt; er ſchreibt und ſpricht,
Zu ſeines Schoͤpfers Ruhm. Durch ſolcher Lichter Licht
Wird, hoff’ ich, manches Licht auf Erden
Zu ſeines Schoͤpfers Ruhm noch angezuͤndet werden,
Auch unter Geiſtlichen! Hier ſchließ ich dieß Gedicht
Mit angeflammtem Wunſch: der Schoͤpfer wolle mir,
Wo es mir nuͤtz, noch oft die Gnade geben,
Zu ſeiner Ehr’ ein Neu-Jahr zu erleben!
Ach GOtt, gieb, daß mein Geiſt, o ew’ge Liebe! dir,
Durch dein Geſchoͤpf vergnuͤgt, ein oͤfters Danck-Lied ſinge:
Daß ich, Bewundrungs-voll, die Weisheit deiner Wege
Mit Ehrfurcht, Andacht, Luſt, zum oͤftern uͤberlege
Und dir ein oͤfters Danck- und Freuden-Opfer bringe!
Neu-[431]Neu-Jahrs Gedichte.Neu-Jahrs Gedancken
bey dem Eintritt des 1733ſten Jahrs.Der Erden Kreis-Lauf, deſſen Ende
Uns immer mehr und mehr vom Licht der Sonnen
fuͤhrte,
Wodurch man immer mehr Nacht, Sturm und Froſt ver-
ſpuͤhrte;
Jſt heute, GOtt ſey Lob! vollbracht. Die frohe Wende,
Wodurch wir uns zur Sonne wieder drehn,
Jſt allbereit geſchehn.
Selbſtaͤndige Weisheit! Selbſtaͤndige Liebe!
Unendlicher ewiger Vater des Lichts!
Du rieffeſt einſt Allem, und ſchuffſt es aus Nichts.
Es drehn ſich, durch deine bewegende Triebe,
Die Himmliſchen Kreiſe. Die Angel ſtehn
Auf deinen Befehl. Es verfliegen, vergehn
Die Jahre nicht anders, als fluͤchtige Stunden;
Die Zeit ſcheint ein Punct-Fluß von ſchnellen
Secunden.
Ach laß mich, zu deinen unendlichen Ehren,
Nebſt andern, ſo irdiſch-als himmliſchen, Choͤren,
Bey unſerer Jahre vollendeten Schrancken,
Dein’ Allmacht erheben, durch Loben und Dancken!
Auf! auf, mein Geiſt! laß Brunſt und Andacht glimmen,
Auf! auf, zu dieſer Zeit, ein Danck-Lied anzuſtimmen
Dem groſſen All, das alles ſchafft, regiret,
Und aller Himmel Heer in ſolcher Ordnung fuͤhret,
Daß alles unverruͤckt beſteht,
Daß nichts aus ſeinen Schrancken geht!
Und
[432]Neu-Jahrs Gedichte.Und da ich dich, geliebter Freund, allhier,
So wie vor dem einmahl, zu eben dieſer Zeit,
Nicht ohn Vergnuͤgen bey mir finde;
So, bitt ich dich, verbinde
Dein Lob-Lied auch mit mir.
A.Du haſt, vor mehr als ſieben Jahren,
Da wir im Neuen Jahr, wie jetzt, beyſammen waren,
Mir einen groſſen Dienſt gethan,
Und von der duncklen Zweifels-Bahn
Mich abgeleitet, unterwieſen,
Und mir, des groſſen Schoͤpfers Macht,
So uͤberzeuglich beygebracht,
Daß ich dir oft gedauckt, den Schoͤpfer oft geprieſen,
Jch bin demnach von GOttes ew’gem Weſen
Von ſeiner Groͤſſe Herrlichkeit,
Von ſeiner ſeeligen Vollkommenheit,
Genugſahm uͤberfuͤhrt. Das Welt-Buch laͤßt mich leſen:
Wie unbegreiflich-wunderbar
Sein Goͤttlich All an allen Orten ſey.
Allein mir faͤllt noch oft ein alter Zweiffel bey.
Mich deucht, es ſey noch lange nicht ſo klar,
Daß die Unſterblichkeit von unſern Seelen
Ohn Ungewißheit ſey. Jch kann dir nichts verheelen,
Jch fuͤhle daß mich noch verſchiedne Zweiffel qvaͤlen,
Und wuͤnſcht’ ich inniglich,
Daß du, aus Mitleid, dich
So viel beliebteſt zu bemuͤhen,
Mich aus des Zweifels Meer noch einſt heraus zu ziehen,
Jn welchem ich noch treib’.
B.Jch ſtellte dir
Ja dazumahl verſchiedne Gruͤnde fuͤr,
Die
[433]Neu-Jahrs Gedichte.Die uͤberzeuglich gnug. Doch, da es GOtt zu Ehren
Vermuthlich auch gereicht, wenn ich, zu dieſer Zeit,
Von ſeiner Liebe Groͤß’ und Unermaͤßlichkeit,
Jn Anſehn unſers Geiſts, was deutliches zu lehren
Mich jetzt beſchaͤftige;
So will ich, auf dein Fragen,
Dir nicht allein hier meine Meynung ſagen;
Jch will nachher, wie ich mir vorgenommen,
So, wie wir einſt von der Materie
Verſchiedne Kraͤft’, erſtaunt, erwogen,
Durch einen neuen Trieb darzu gezogen,
Auch auf der Seelen Kraͤfte kommen,
Und, wo nicht mehr, doch minſtens, eine Kraft
Und ſonderbahre Eigenſchaft
Der Menſchen auf der Welt vorhandnen Seel’, erwegen,
Die deine Zweifel auch daneben
Vielleicht geſchickt am kraͤftigſten zu heben.
Gieb, groſſer Schoͤpfer, doch zu beydem deinen Seegen!
Was die Unſterblichkeit der Seelen nun betrift,
Bedaur’ ich zwar, daß dich von dieſer Wahrheit,
So wenig mein Geſpraͤch, als auch die Schrift,
Die doch hievon mit ſolcher Klarheit
Uns zeugt, dich uͤberzeugt. Drum will ich mich bequehmen,
Nebſt ihnen die Vernunft zu Huͤlff’ zu nehmen.
Um dieſes nun noch ferner zu erklaͤren,
So ſtell ich dir
Selbſt aus der weiſen Heyden Lehren,
Von unſrer Seelen Daur, hier ihre Meynung fuͤr.
Es ſaget hievon Cicero,
Jn Scipionis Traum, alſo:
E eEin
[434]Neu-Jahrs Gedichte.Ein Weſen, das ſich ſelbſt beweget,
Dem wird die Kraft, daß es ſich reget,
Weil es ſich ſelbſt nicht wird entſtehn,
Auch nimmermehr vergehn.
Noch einen andern Grund
Legt Cicero Catoni in den Mund:
Da, ſpricht er, unſer Geiſt ſo viel Geſchwindigkeit
Auch die Erinn’rung hat von Dingen, die vergehen,
Da er voraus erſieht die Dinge kuͤnftger Zeit,
Die noch zu ſeyn nicht angefangen,
Da ſo viel Kunſt und Wiſſenſchaften,
So manch’ Erfindung an ihr haften;
So ſtimmt ja dieß mit ihr am meiſten uͤberein,
Sie muͤſſe von Natur unſterblich ſeyn.
Es ſpricht derſelbe noch an einem andern Ort:
Jch fuͤhl’ in meiner Seel, wie ſie ſich ſelbſt erhoͤhet,
Und wie die Nachwelt ihr alſo vor Augen ſtehet,
Als ob ſie allererſt, wenn ſie von dieſer Erde
Wird abgeſchieden ſeyn, aufs neue leben werde.
Wenn unſre Seele nicht unſterblich waͤre;
So wuͤrden wackrer Leute Seelen,
Mit ſolcher Muͤhe, nicht des Nachruhms Ehre
Und die Unſterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen.
Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey:
Jhr ſeht, ſpricht er, wie nichts ſo aͤhnlich ſey
Dem Tod’, als wie der Schlaff; nun zeigen Seelen,
Die ſchlaffen, ihre Goͤttlichkeit
Vortreflich an. Jndem ſie frey;
Sieht jede, von der kuͤnftgen Zeit,
Verſchiednes ſchon vorher. Daraus iſt leicht zu
ſchlieſſen,
Wie
[435]Neu-Jahrs Gedichte.Wie treflich Seelen ſeyn, ja noch erſt werden muͤſſen,
Wenn ſie von ird’ſcher Laſt nun voͤllig erſt befreyt.
Noch einen Grund ſucht uns Alemaͤon vorzulegen:
Er ſchließt: daß unſre Seel’ unſterblich ſey, deswegen,
Weil ſie den Dingen gleich, die unvergaͤnglich ſeyn.
Die Gleichheit nun trift darin ein,
Daß die Bewegung ſich nie von der Seel entferne
Und daß, was Goͤttlich iſt, die Sonne, Mond und
Sterne,
Ja aller Himmel Kreiſe
Sich regen auf dieſelbe Weiſe.
Noch giebt ein andrer uns den Unterricht,
Wenn er, wie folget, ſpricht:
Die Seelen haben nur die Eigenſchaft allein,
Daß ſie ſtets juͤnger ſind, je aͤlter daß ſie ſeyn.
A.Die Gruͤnde haben zwar von Wahrheit einen Schein;
Allein,
Wenn man ſie naͤher uͤberleget,
Und ihre Wuͤrcklichkeit erweget;
Verlieren ſie von ihrem Schimmer viel.
Sie ſind mir wol bekannt, ich habe ſie geleſen,
Sie ſind mir lange nicht mehr unbewuſt geweſen;
Doch ſind’ ich jetzt, ſie gehn nur gar zu weit vom Ziel.
Wir wollen, nach der Reihe, gehn,
Und ſie mit Fleiß und Achtſamkeit beſehn.
Dein erſterer Beweis waͤr’ herrlich, waͤr es nur
Von ihr, als einer Creatur,
Erweißlich, daß der Seelen Kraft
Und der Bewegung Eigenſchaft
Bloß von ihr ſelbſt, und nicht vielmehr
Von GOTT unmittelbar
Entſtanden und erhalten waͤr.
E e 2Denn
[436]Neu-Jahrs Gedichte.
Denn waͤre dieß; kaͤm’ es ja gantz und gar
Auf GOttes Willen an, wie lang’ er goͤnne,
Daß ſie ſich ſo bewegen koͤnne.
Der andre Grund iſt noch ſo kraͤftig nicht,
Als wie der erſte war.
Ans dieſem folget zwar
Daß unſrer Seel’ es nicht an Kraft gebricht,
Daß ſie ein herrliches, vortreflichs Weſen.
Doch daraus folget nicht, daß ſie dazu erleſen,
Daß ſie unſterblich ſey. Weil die Erfahrung lehrt,
Daß oft das treflichſte ſo lange, lange nicht,
Als etwas, ſo geringer, waͤhrt.
Der dritte waͤre gut, wofern nur dieſer Trieb
Jn aller Menſchen Seelen brennte,
Und man denn die Verſichrung haben koͤnnte,
Daß GOtt, durch die Natur, ihn uns ins Hertze ſchrieb,
Nicht, aber daß vielmehr er uͤberall
Sich ausgebreitet, durch den Fall,
Daß er vielleicht nur eine Schwaͤrmerey
Und eine taube Frucht der eitlen Ehrſucht ſey.
Auf deinen vierten iſt die Antwort leicht zu finden:
Daß Seelen in der That
Oft, was zukuͤnftig iſt, im Schlaf empfinden,
Jſt, was ein weiſer Mann, noch nie gelaͤugnet hat.
Ob aber das, was wir vom Kuͤnftigen erlangen,
Nicht durch Empfindungen geſchieht,
Von Dingen, welche man hier gegenwaͤrtig ſieht,
Die auf das Kuͤnft’ge ſchon zu wircken angefangen,
Jſt gantz ein’ andre Frag? Und wenn es gleich geſchehe,
Daß eine Seel auf andre Weiſe
Jm Traum zukuͤnftge Dinge ſehe;
So
[437]Neu-Jahrs Gedichte.
So folgte zwar daraus, daß, an Beſchaffenheit
Sie gar vortreflich, herrlich, ſchoͤn;
Doch koͤnnte man ihr die Unſterblichkeit,
Allein hieraus, jedoch nicht zugeſtehn.
Dein Fuͤnfter ſetzt voraus der Alten Lehren,
Die Ariſtoteles abſonderlich geglaͤubt,
Daß alles Himmliſche beſtaͤndig bleibt,
Und daß die himmliſchen Geſchoͤpf’ ohn’ Ende waͤhren;
So aber doch nicht zu erweiſen.
Ja, wenn auch endlich dieſe Lehre
Erweißlich waͤre;
So wuͤrde doch, was ſie dahero ſchlieſſen,
Daraus nicht flieſſen.
Denn, haͤtten gleich mit jenen Himmels-Kreiſen,
Die Seelen die Bewegungs-Kraft gemein;
So folget doch noch nicht,
Sie muͤſten all gleich unvergaͤnglich ſeyn.
Es fehlt der Schluß ja weit,
Und iſt durchaus nicht einerley,
Daß die Bewegungs-Kraft das erſte Weſen,
Und daß die Unvergaͤnglichkeit
Deſſelben Weſens Wirckung ſey.
Dein ſechſter Schluß hat auch viel minder Kraft, als
Schein,
Mit der Erfahrung ſtimmt zwar dieſes uͤberein:
Je laͤnger Seelen hier im Leib’ und auf der Erden;
Je reicher ſie, an Witz und an Erfahrung, werden.
Hieraus nun ſcheint zu folgen, daß die Seelen
Vor ſich nicht koͤnnen untergehn,
Denn alles, was verdirbt (wie wir an Coͤrpern ſehn)
Dem faͤngt es allgemach an Kraͤften an zu fehlen.
E e 3Ein
[438]Neu-Jahrs Gedichte.
Ein Weſen aber, das ſich ſtets an Kraͤften mehret,
Je laͤnger daß es waͤhret,
Scheint, weil es immer waͤchſt und nimmer ab-
genommen,
Zum Ende nie zu kommen.
Allein es zeigt ſich auch,
Daß bey Veralteten die Kraft verrauch’,
Und ſich verringere durch allerley Beſchwehrden,
Da alte Leute kindiſch werden.
Man ſpreche nicht,
Es koͤmmt, wenn dieß geſchicht,
Bloß von Veraͤnderung der Lebens-Geiſter her,
Nicht von Veraͤndrung unſrer Seelen.
Denn wenn dem alſo waͤr;
So koͤnnte dieß nicht fehlen:
Es ſey, wenn Seelen zugenommen,
Von Aenderung der Lebens-Geiſter auch,
Nicht von der Aenderung der Seelen, hergekommen.
B.Jch muß es zwar geſtehn,
Von dieſen Gruͤnden, giebt
Ein jeder zwar inſonderheit,
Nicht guͤltigen Beweiß von der Unſterblichkeit.
Doch, wenn man ſie zuſammen bindet,
Und, als Erfahrungen betrachtet; ſo befindet
Jn ihr, ohn’ alle Dunckelheit,
Sich mehr doch als Wahrſcheinlichkeit.
Abſonderlich, wenn man noch andre dazu fuͤget,
Als nemlich: man muß ja geſtehen,
Daß Coͤrper nicht einmahl vergehen.
Zu nichts wird nichts, und mit Veraͤndrung
Vergnuͤgt ſich die Natur, nicht mit Vernichtigung.
Ver-
[439]Neu-Jahrs Gedichte.
Vergehen nun nicht einſt die Coͤrper, die von Erden,
Wie koͤnnen Seelen denn vernichtigt werden?
Und ferner: Daß der Menſch des hoͤchſten Willen,
Auf manche Art, geſchickt ſey, zu erfuͤllen,
Daß wir, vor allen Thieren,
So viele Vorzuͤg’ in ihm ſpuͤhren,
Daß GOtt ſich ihm, auf ſo bekannte Art,
Bekannt gemacht und offenbahrt;
Aus allen dieſen folgt, in einer heitern Klarheit,
Die Himmel-feſte Warheit:
Man kann durchaus nicht ſehen,
Noch auf die minſte Weiſe’ nur
Die Urſach, und den Grund, verſtehen,
Wie und wozu die Seelen ſolche Gaben,
So manchen Vorzug doch, vor aller Creatur,
Von GOtt, erhalten haben.
Da wir, ſo gar in der Geſtirne Prangen,
Und, in derſelben Wiſſenſchaft,
Von ſeiner Majeſtaͤt und Herrlichkeit
Noch allererſt, vor kurtzer Zeit,
Solch eine groſſe Prob’ empfangen.
Wenn GOtt an ſelbiger vor andern allen
Nicht haͤtt’ ein gnaͤdiges Gefallen
Und ſie nicht liebete; was man nun liebt, erhaͤlt
Und ſchuͤtzt man, wenn man kann. Da GOTT, ein
HErr der Welt,
Unſtreitig alles kann; erhaͤlt er, was er liebet,
Und weil er ewig liebt; ſo kann es ja nicht fehlen,
Daß er ein’ ew’ge Daur auch unſern Seelen,
Die ſeiner Liebe ſich nicht unwehrt machen, giebet.
E e 4Weil
[440]Neu-Jahrs Gedicht.
Weil aber GOtt jedoch nun auch gerecht,
Und die ſo ſeine Huld, die ewig iſt, verachten,
Auch ewig ſtraffen kann; ſo ſcheint es wahr zu ſeyn
Daß boͤſe Seelen auch, um ihren Fehl zu buͤſſen,
Unſterblich ſeyn und lange dauren muͤſſen.
A.Die Schluͤſſe gehen weit, und fehlt nicht viel, es wancken
Die biß dahin verhaͤrteten Gedancken.
Allein,
Es fallen mir noch ander’ ein,
Die mich, mit Ungewißheit, plagen.
Weshalben ich ſie dir hier vorzutragen
Mich nicht enthalten kann.
Der erſtere: daß unſern Seelen,
(Was auch daran fuͤr Kraft geglaubet wird zu haften)
Faſt alle Kraͤfte fehlen,
Den eignen Coͤrper ſelbſt zu fuͤhren,
Zu leiten zu regiren.
Der andere: daß ſolch ein Unterſcheid
Sich in der Menſchen Seelen findet
Von Einfalt, Bosheit, Froͤmmigkeit,
Die faſt kein Menſchen Witz ergruͤndet;
So faß’ ich nicht wie ſie nur in zwo Claſſen,
Jn boͤſ’ und fromme, ſich mit Recht nur theilen laſſen.
Laßt uns zuerſt den erſten Zweiffel ſehen:
Wenn man ſich ſelbſt betrachtet und beſchauet;
So trift man einen Coͤrper an,
Der wunderbar gefuͤget und gebauet,
So daß er ſich auf tauſend Art bewegen,
Veraͤndern, dreh’n und wenden kann.
Von
[441]Neu-Jahrs Gedichte.
Von den Bewegungen nun, die wir hegen,
Sind ja die wenigſten in unſrer Seelen Macht.
Des Blutes Circkel-Lauff, des Magens rege Krafft,
Des Hertzens Druck und Eigenſchaft,
Die Leber, das Gehirn, die Druͤſen, ſammt der Niere;
Was ruͤhmt ſich denn der Geiſt, daß er den Leibe regire,
Da ja das minſte Theil von uns der Seelen Willen
Gehalten zu erfuͤllen.
Zwar muͤſſen ſich, nach ihrem Dencken,
Die Fuͤſſe, Bein’ und Haͤnde lencken,
Die Arme muͤſſen ſich, nach ihrem Winck, bewegen,
Auch Kieffer, Zung’ und Mund. Die edlen Theil’ hin-
gegen
Aus welchen ſelbſt ihr Wol beſtehet, wiſſen
Davon, daß ſie dem Winck der Seelen folgen muͤſſen,
Auch das geringſte nicht; vielmehr
Verleihen ſie dem Geiſt gar oft ein ſchlecht Gehoͤr.
Ein ſchlechter Fuͤrſt, dem Bauren nur allein,
Und keine Staͤnde ſonſt, gehorſahm ſeyn!
Hieraus nun ſcheinet dieß zu flieſſen:
Daß unſre Seele kein ſo treflichs Weſen ſey;
Jch kann unmuͤglich anders ſchlieſſen.
B.Mit deinem Einwurff kommſt du mir,
Geliebter Freund, als wie der Momus, fuͤr,
Der, eh’ er uns vollkommen halten ſollte;
Am Menſchen Fenſter haben wollte.
Du tadelſt nicht, mit Recht, daß Pferde keine Fluͤgel,
Daß keiner Nachtigall Geſang die heiſern Raben,
Daß Schaafe keinen Stoltz, noch tapfre Sinnen haben;
Und laͤſſeſt doch dem Hochmuth ſo den Zuͤgel,
E e 5Daß
[442]Neu-Jahrs Gedichte.
Daß du den Schoͤpfer ſelber meiſtern,
Und, ſo zu reden, ihn zur Rede ſtellen wilt,
Warum er nur ſo viel, und nicht noch mehr, den Geiſtern
An Kraͤften zugetheilt. Jſt dieß nicht ungereimt?
Jſt dieß nicht laͤcherlich? Betrachte doch die Frucht,
Die aus des Hochmuths Saamen keimet.
Dich blendet Eigen-Lieb’. Statt einer heiſſen Sucht,
Des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Liebe zu verehren,
Und, durch Gelaſſenheit und Demuth, ſeinen Preis,
Jn ehrerbietigſter Bewunderung
Und tieffeſter Erniedrigung,
Stets zu erhoͤhn und zu vermehren;
So tadelſt du, aus Vorſatz, recht mit Fleiß,
Das, was ſo gar ein Menſch, der redlich dencket,
Zu faſſen, zu begreiffen weiß.
Es zeigt ſich offenbar, daß alles, was wir ſehen,
Nicht ſonder Weisheit, Lieb’ und Abſicht hier geſchehen.
Denn gaͤbe GOtt der Seelen ſo viel Kraft,
Des gantzen Coͤrpers Eigenſchaft,
Zu kennen, folglich auch zu aͤndern,
So, daß der Menſch geſchickt, Hertz, Magen, Blut
und Nieren,
Als wie er Arm und Hand regiret, zu regiren;
So ſtuͤnd’ in ſeiner Hand der Tod, wie auch das Leben.
Ja, waͤr ein ſolches Ampt dem Geiſte zugeleget,
Sich zu beſchaͤftigen, da er ſchon jetzt nicht pfleget
Auf GOttes Creatur zu achten; wie vielmehr
Wuͤrd’ er, auf ſich erpicht, ſich dann noch uͤberheben!
Er glaubte leicht, daß er ſein’ eigne Gottheit waͤr.
Ach, darum halte man ſich doch in ſeinen Schrancken!
An ſtatt, von GOtt ein mehrers zu verlangen;
So laßt uns ihm, fuͤr das, was wir empfangen,
Doch in Gelaſſenheit und ſtiller Ehrfurcht dancken.
Die
[443]Neu-Jahrs Gedichte.A.Die Antwort laͤßt ſich ziemlich hoͤren:
Nun wird es hoffentlich dich nicht beſchweren,
Den andern Zweifel mir auch zu erklaͤhren.
Mich deucht, wenn ich es recht bedencke,
Und auf die Wichtigkeit von der Materie
Die Kraͤfte meiner Seelen lencke;
Daß ich darin aufs wenigſte
Drey Arten ſeh.
Die Seelen, die, auf dieſer Erden,
Recht boshafft, ſchlimm und gottlos werden,
Verdienen billig Straff und Pein.
Hingegen, die, ſo fromm und redlich ſeyn,
Erhalten etwa, nach der Zeit,
Zum Gnaden-Lohn die Seeligkeit.
Die aber dumm, und, faſt den Thieren gleich,
Nichts auf der Welt gethan,
(Zum Beyſpiel: ſchan nur einſt die Rotten
Der Viehiſch-dummen Hottentotten,
Sieh tauſend Bauren an,
Die Lieff- und Curland dir bey Hauffen zeigen kann)
Sind, allem Anſehn nach, zum Himmel viel zu ſchlecht,
Zur Hoͤlle jedennoch nicht ſchlimm genug.
Daher man ja mit Fug,
Als wie Pythagoras, von ſolchen dummen Schaaren
Gedencken kann, daß ſie in andre Coͤrper fahren,
Um ſich daſelbſt erſt zu ſubtiliſiren,
Jndem, ſo wie ſie ſeyn,
Nichts Menſchlichs faſt an ihnen zu verſpuͤren.
B.Dem erſtern Anſehn nach hat dieſer Einwurff Schein:
Allein,
Erweg ihn recht, ſo wirſt du finden,
Daß, alle Dinge zu ergruͤnden,
Wir
[444]Neu-Jahrs Gedichte.
Wir nicht erſchaffen ſeynd; Es haben die Gedancken
Des Menſchlichen Geſchlechts gewiſſe Schrancken,
Woruͤber ſie mit ihren Schluͤſſen
Nicht kommen muͤſſen.
Laß unſerm GOtt dergleichen Seelen uͤber,
Der wird, nach ſeinem weiſen Rath,
Auch ihnen einen ſolchen Grad
Von Straff’ und von Belohnung, geben,
Die, mit dem hier gefuͤhrten Leben,
Und auch mit der Beſchaffenheit
Schon eine bill’ge Gleichheit haben.
Vielleicht gefaͤllt es GOtt, daß, mit der Zeit,
Auch ihm zum Preiſe,
Auf eine uns gantz unbekannte Weiſe
Der Seelen Kraͤfte ſich vermehren,
Erhoͤhen und verbeſſern,
Und daß ſie an Vollkommenheit,
Es ſey auch wo es ſey, geſchickt ſich zu vergroͤſſern.
Sollt alles dieſes auch, geliebter Freund,
Dir allen Zweifel noch nicht heben,
Den dir der Seelen Daur bißher gegeben;
So will ich mich zuletzt annoch beſtreben,
Dir einen Grund, der ſtaͤrcker, als er ſcheint,
Und in der Seelen ſelbſt gegruͤndet, vorzutragen.
Doch hoff ich, daß du mir vorhero wirſt verſprechen,
Mein Reden nicht zu unterbrechen.
A.O! fahr nur ferner fort, ich will aufmerckſam hoͤren,
Und dich durch Wiederſpruch nicht ſtoͤhren.
B.Erweißlich iſt, daß GOtt, zu ſeinem Preiſe,
Die Welten, deren wir ſo viele ſehn,
Um
[445]Neu-Jahrs Gedichte.Um ihre Sonnen ſich, in ſchoͤnſter Ordnung, drehn,
Von unterſchiednem Stoff gefuͤget und gemacht.
Vermuthlich hat dem Groſſen All gefallen,
Daß unſer’ Erd’ annoch, vor andern allen,
Zum Wunder dienen ſoll; da ſie hervorgebracht,
Sehr wunderbar gefuͤgt von wiederwaͤrtgen Dingen,
Von Theilen, welche duͤrr, von Theilen, welche feucht,
Von Theilen, welche ſchwer, von andern, welche leicht,
Von leidender und reger Eigenſchaft,
Von feuriger und traͤger Kraft,
Aus welchen ſtreitenden Partikeln, Erd’ und Fluth,
Und Luft und Gluth,
Und, aus denſelbigen, die Coͤrper all’ entſpringen,
So, trotz der wuͤrckenden Beſchaffenheit,
Der ſtreitenden Natur und ihrer Wiedrigkeit,
Die ſich in allen Theilen finden,
Dennoch beſtehn, dennoch ſich binden.
Hiedurch wird GOttes Majeſtaͤt,
Wenn unſer Geiſt dieß Wunder recht erweget,
Und, wie wir ſchuldig, uͤberleget,
Am wunderwuͤrdigſten erhoͤht.
Da, aus dem buͤndigen Zuſammenhalt
Sich gar nicht gleicher Theil’, ein ſolches herrlichs Gantz
Entſtehet und beſteht; ſo kann ja nie der Glantz
Von einer Goͤttlichen Gewalt,
Und Lieb’ und Weisheit heller ſcheinen,
Als da ſie alle ſich auf eine Art vereinen,
Die unbegreiflich iſt. Es liegt zu gleicher Zeit
Hierin der Grund, woher ein ſolcher Unterſcheid
Veraͤnderung, Verſchiedenheit,
Jn unſern Neigungen, Gedancken und Jdeen,
Woher ſo mancherley Bewegungen entſtehen,
Da
[446]Neu-Jahrs Gedichte.Da unſre Coͤrper nicht allein
Von ſolchen ſtreitenden Parteikelchen vereinet,
Gemiſchet und gefuͤget ſeyn,
Nein, ſondern ſelbſt der Geiſt, mehr als man meynet,
Vom Coͤrper und deſſelben Eigenſchaft,
Nachdem er ſich im ſchlecht- und gutem Stande findet,
Bald mehr bald minder Schwaͤch’ und Kraft
Jn ſeinem Weſen ſelbſt empfindet.
Denn, wenn auch gleich dem Geiſt und ſeinen Weſen, nicht
Jm eigentlichen Sinn, wie Coͤrpern hier auf Erden,
Koͤnnt ein Zuſammenſatz recht zugeſchrieben werden,
So iſt es Wunder gnug, daß, wenn wirs recht ergruͤnden,
Wir ſolchen Abgang doch von ſeinem Coͤrper finden,
Jn ſeinen Wirckungen. Daher ſo mancher Streit
Bald Luſt, bald Leid, bald Licht, bald Finſterniß
Furcht, Zweifel, Hofnung, Gram, Veraͤndrung der
Gedancken,
Die oft, ja mehrentheils, ſich mit ſich ſelber zancken;
Daher entſteht vielleicht daß alles ungewiß.
Wir finden in uns ſelbſt, wenn wir uns ſelbſt erwegen
Und ſonder Vorurtheil die Menſchheit uͤberlegen,
Uns wunderlich gemiſcht; nichts, alles, viel und wenig;
Bald herrſchet der Verſtand, bald iſt der Wille Koͤnig,
Bald iſt der Wille gut, bald iſt ers wieder nicht,
Bald iſt Vernunft ein Jrr- und bald ein rechtes Licht
Oft ſind wir dumm und ſtumpf, oft an Erfindung reich;
Bald ſind wir gut, bald boͤß, bald boͤß und gut zu gleich.
Es findet ſich, von alle Creatur,
So viel uns die Erfahrung weiſt,
Die unbegreiflichſte Bewundrungs-wehrtſte Spur,
Von Miſchungen, o Menſch! in deinem Leib’ und Geiſt,
Weil
[447]Neu-Jahrs Gedichte.Weil Groß und Klein, weil Thorheit und Verſtand,
So Staͤrck’ als Schwaͤche, Hoͤh’ und Kleinheit,
Durch ein verwunderlich geheimes Band,
Jn einer ſolchen Einheit,
Jn uns verbunden ſind, daß nichts davon ſich faſſen,
Nichts ſich verſtehen will, nichts ſich begreiffen laſſen.
Laßt uns das A. B. C. der Weisheit lernen,
Es iſt der Menſch, dem Coͤrper nach, ſehr klein,
Jm Gegenſatz von Bergen, Welten, Sternen;
Doch kann er auch mit Recht ſehr groß zu rechnen ſeyn
Vergleicht man ſeine Maaß den Wuͤrmern, Staub und Sand;
Sein Geiſt iſt gleichfals groß: ſein denckender Verſtand
Weiß mehr, als alles hier;
Doch gehn ihm auch zugleich an Kraft unſtreitig fuͤr
Die Seeligen, die Engel. So daß wir,
Jn der erſchafnen Welt Zuſammenhang,
So wie geſagt, ein Mittel-Weſen ſeyn,
Das zwiſchen Unverſtand und Weisheit, Licht und Nacht
Ein ſonderbar Gemiſch, gleich einer Daͤmmrung, macht.
So daß es mehr als wahr, was juͤngſt ein Geiſt uns wieß,
Und voll Erkaͤnntniß uns vernuͤnftig leſen ließ:
„Unſeelig Mittel-Ding von Engeln und vom Vieh,
„Du prahlſt mit der Vernunft und du gebrauchſt
ſie nie.
„Was helffen dir zuletzt der Weisheit hohe Lehren,
„Zu ſchwach ſie zu verſtehn, zu ſtoltz ſie zu entbehren!
„Du bleibeſt, wie ein Kind, das meiſtens unrecht
waͤhlt,
„Den Fehler bald erkennt, und gleich drauf wieder
fehlt.
Dieß
[448]Neu-Jahrs Gedichte.Dieß ſcheint mehr als zu wahr. Wir haben Faͤhigkeit
Zu dencken, einen Trieb zu wollen, zu erwegen,
Zu forſchen, anzuſehn, wir koͤnnen uͤberlegen,
Erwehlen, meiden, thun: doch zeigt uns oft die Zeit
Daß, in demjenigen, was wir erwehlet,
Wir leider mehrentheils gefehlet.
Jn dieſem Zuſtand nun, (worinn wenn (wie wir ſollten)
Wir ſelber uns nicht ſchmeicheln wollten,
Wir billig dieß geſtehen muͤſſen,
Daß wir zugleich ſo viel, und auch ſo wenig wiſſen)
Waͤr, zwiſchen frechem Stoltz, der Lueifer geſtuͤrtzet,
Und der Verzweiffelung, die alle Luſt verkuͤrtzet,
Das Zweifeln eigentlich der Seelen beſte Kraft
Und von der Menſchen Geiſt die wahre Eigenſchaft.
Das aber muͤſt und wuͤrd’ uns ja in allen Dingen
Zur bangen Ungewißheit bringen.
Jn dieſem ſtuͤrmiſchen und truͤben Zweifels-Meer,
Worin das Waſſer Furcht, der Grund Verzweiflung waͤr,
Wuͤrd’ unſre Seel’ auf nichts, als Hofnungs-Vlaſen, wallen
Und, lang heruͤm gefuͤhrt, zuletzt zu Grunde fallen.
Der Hofnung fluͤcht’ger Grund iſt Eigen-Lieb’ allein.
Wir ſchmeicheln uns, durch ſie begluͤckt zu ſeyn,
Obgleich ihr Weſen ſtets mit Zweifel angefuͤllet,
Der ſich bald ſtillt, bald regt, und bald ſich wieder ſtillet,
Doch bald ſich wieder pflegt zu regen.
Jn dieſem Zuſtand unſers Lebens
Bemuͤhet ſich mit uns die Hofnung nur vergebens,
Und wuͤrden wir, nebſt allen Heiden,
Jm ſteten Zweifel, ſtetig leiden.
So aber hat uns GOtt ein herrlich Licht,
Jn unſern Seelen, angezuͤndet,
Das, mit der GOttheit, ſich und uns verbindet.
Dieß
[449]Neu-Jahrs Gedichte.Dieß iſt der Glaube nun, durch welchen wir erlangen
Das, was die Hofnung kaum zu wircken angefangen.
Nach menſchlichem Begriff, vermehret nichts ſo ſehr
Der wahren GOttheit Ruhm und Ehr;
Als wenn wir alle Kraft des Geiſts zuſammen faſſen,
Und uns allein auf ſeine Huld verlaſſen.
Der Glaub’ iſt eine feſt’ und wahre Zuverſicht
Der Gottheit alles zuzutrauen,
Und welcher um ſo mehr der Menſchen Pflicht,
Als wir uns ſelbſt in ſo vermiſchtem Stande ſchauen
Von Hoffnung und von Furcht, von Zweifel, Freud’ und
Grauen.
Was kann demnach allhier, bey ſo beſtalten Sachen,
Da unſer Geiſt erkennt, wie wenig er auf ſich
Sich zu verlaſſen hat, wie ſchwach ſein armes Jch,
Den Menſchen gluͤcklicher, als wie der Glaube, machen?
Der Glaub’ iſt eigentlich ein Mittel zwiſchen Wiſſen
Und Hoffen. Hieraus folgt, daß alle Menſchen muͤſſen,
Auch ſelber der Natur und ihrem Weſen nach,
(Wofern ſie anders GOtt gedencken zu gefallen,
Und ihre Pflichten recht behertzigen) vor allen
Durch Glauben GOtt allein in dieſem Leben
Bloß zu gefallen, ſich beſtreben:
Und daß man folglich billig ſoll
So die Verzweifelung, als auch den Hochmuth, meiden;
Doch muß man ja den wahren wol
Vom falſchen Glauben unterſcheiden.
Aus unſrer Lehre kan man wenigſtens erſehn,
Daß, ſelbſt aus der Vernunft, gantz deutlich zu verſtehn,
Wie, ſelbſt in Menſchlicher Natur,
Ein Grund und eine Spur
F fZum
[450]Neu-Jahrs Gedichte.Zum Glauben wuͤrcklich ſey. Auf dieſen Grund zu bauen,
Und das wahrhaftige Gebaͤude zu errichten,
Will ich, dieweil es meine Pflichten
Und Kraft weit uͤberſteigt, den Geiſtlichen vertrauen,
Als die, durch Einſicht, Fleiß und Licht, in heil’gen Lehren,
Aus einem heil-gern Born es faͤhig zu erklaͤhren.
Mein Endzweck iſt allein,
So mich, als dich, und die dieß etwan leſen,
Jn unſer eignes Weſen,
So tieff, als moͤglich iſt, hinein
Zu leiten, und zu uͤberfuͤhren,
Daß, da an Leib’ und Geiſt wir ſo ſeynd, wie wir ſeynd,
Das glauben uns weit mehr, als wiſſen, will gebuͤhren.
Selbſt die Natur laͤßt uns die groſſe Wahrheit faſſen,
Jn keinem Stuͤck uns gantz auf uns ſelbſt zu verlaſſen,
Da, in den, von Natur, uns vorgeſetzten Schrancken,
Wo faſt kein Wiſſen ſtatt,
Und Unbetrieglichkeit gar keine Stelle, hat,
Das aufgeblaͤhte Heer der ſchwaͤrmenden Gedancken
Umſonſt Gewißheit ſucht, die ihm doch noͤthig ſcheint.
Es ſcheint hieraus zugleich gantz offenbar,
Und mehr als Sonnen-klar,
Aus dieſem unſern Satz zu flieſſen,
Daß unſer GOtt von Menſchlicher Natur
Nichts, als den Glauben nur,
Verlangen koͤnn’ und werd’? Es laͤßt dieß leicht ſich ſchlieſſen,
Und ſtimmt mit der Erfahrung uͤberein,
Daß, bey dem uͤberall-vermiſchten Weſen, wir
Allhier,
Zum wiſſen nicht erſchaffen ſeyn.
So
[451]Neu-Jahrs Gedichte.So weit demnach ſich die Gedancken ſtrecken,
So tieff wir alle Ding ergruͤnden;
So werden wir doch nichts entdecken,
Was, nach dem Stand’, in dem wir uns befinden,
Der GOttheit wuͤrdiger zu ſchencken
Und ihr zu opfern, als allein
Der Glaube. Dieſer ſchließt was in uns groß und klein,
Die Goͤttliche-zuſammt der Selbſt-Erkaͤnntniß ein.
Der Glaub’ iſt ein auf GOtt gegruͤndetes Vertrauen,
Wodurch wir GOtt, als GOtt; und uns, als uns, be-
ſchauen,
Das GOttes Majeſtaͤt und Weisheit, Lieb’ und Macht
Zum Grund’ und Endzweck hat. Ein uͤberfuͤhrt Gemuͤthe,
Daß GOtt die Allmacht ſelbſt und die ſelbſtaͤnd’ge Guͤte,
Auch ſelbſt die Weisheit ſey, iſt das Vollkommenſte,
Wozu der Menſchen Geiſt geſchickt iſt zu gelangen.
Was kann der Schoͤpfer denn doch wuͤrdigers empfangen,
Als dieſe Kraft, als dieſe Zuverſicht,
Wodurch, da wir uns ſelbſt verliehren, wir verſpuͤhren,
Daß wir uns in uns ſelber nicht,
Nein, in der GOttheit ſelbſt, verlieren?
Unmoͤglich kann der Menſch in dieſem Leben,
Nach ſeiner Schwachheit, GOtt ein wuͤrd’ger Opfer geben.
Es iſt der wahre Glaub’ ein lebendig Geſchaͤfte,
Ein maͤcht- und thaͤtig Ding, das unſers Geiſtes Kraͤfte,
Zu GOttes Ruhm, vermehrt. Der Glaub’ hat GOttes
Huld
Zum ſteten Augenmerck. Durch ihn gewinnen wir
Zu ſeinem Worte Luſt; in ſeiner Wercke Zier,
Zum Loben einen Trieb; durch ihn, wird unſre Schuld
F f 2Jn
[452]Neu-Jahrs Gedichte.Jn etwas abgezahlt: er lehrt den Schoͤpfer ehren,
Und ſeine weiſe Lieb’ und Macht, im Dancken, mehren.
Der Glaub’ erregt zugleich, in unſerm Hertzen, Triebe
Zu einer thaͤtigen und bruͤnſt’gen Naͤchſten-Liebe,
(Als der auch ſein Geſchoͤpf) Muth, Fried’, ein gut Geruͤchte,
Jm Wiedrigen Gedult, Vergnuͤgen, Sicherheit,
Troſt, Zuverſicht im Creutz, Vertrauen, Freudigkeit
Und ein gelaſſner Geiſt, ſind wahre Glaubens-Fruͤchte.
Dieß iſt, geliebter Freund, der Zuſtand unſrer Seelen,
Da in derſelben nun ſo manche Tugend liegt,
Zumahl, wenn ſich dazu ein ſeel’ger Glaube fuͤgt,
So wird dich hoffentlich dein Zweifel nicht mehr qvaͤlen,
Als ob dieſelbige vergaͤnglich waͤre.
Es ſtritte dieß mit ihres Schoͤpfers Ehre,
Den du ja glaubſt und kennſt: ja ſollte dir
Noch etwas an dem Licht der Uberzeugung fehlen;
So wird der Glaubens-Glantz allein den Reſt
Vom Zweifels-Duft und Nebel bald zertrennen,
Und du, in Ueberzeugung, feſt
Von deiner Seelen Daur verſichert bleiben koͤnnen.
A.Jch habe den Begriff vom Glauben, daß er ſich
Jn unſerm Weſen ſelbſt ſo uͤberzeuglich finde,
Ja in der menſchlichen Natur ſich gruͤnde,
Bißhero nicht gehabt. Jetzt bin ich uͤberfuͤhret,
So gar durch die Vernunft, daß die Vernunft allein,
Fuͤr ſich, zum GOttes-Dienſt nicht kann hinlaͤnglich ſeyn,
Auch daß wir durch Vernunft allein, den Weg zu finden,
Uns, ſonder Glauben, nur vergeblich unterwinden.
Mich ſoll demnach forthin
Von der Unſterblichkeit der Seelen,
Mit GOttes Huͤlffe, mehr kein Zweifel qvaͤlen,
Und danck’ ich dir, mit recht ergebnem Sinn,
Daß
[453]Neu-Jahrs Gedichte.Daß ich nunmehr kann uͤberzeuglich finden
Wie, wo, und wann Vernunft und Glaube ſich verbinden.
B.Wolan! ſo will ich denn nunmehr,
Zu meines Schoͤpfers Preiſ’ und Ehr,
Mich zu dem Endzweck meiner Lieder,
Das iſt: zum Danck- und Loben wenden!
A.Jch wiederhohl’ allhier
Die Worte gleichfals neben dir,
Die du zu Anfang haſt geſungen,
Und, wo mir recht, alſo geklungen:
Selbſtaͤndige Weisheit! Selbſtaͤndige Liebe!
Unendlicher, ewiger Vater des Lichts!
Du rieffeſt einſt Allem, und ſchuffſt es aus Nichts.
Es drehn ſich, durch deine bewegende Triebe,
Die Himmliſchen Kreiſe. Die Angel ſtehn
Auf deinen Befehl. Es verfliegen, vergehn
Die Jahre nicht anders, als fluͤchtige Stunden;
Die Zeit ſcheint ein Punct-Fluß von ſchnellen
Secunden.
Ach, laß mich, zu deinen unendlichen Ehren,
Nebſt andern, ſo irdiſch-als himmliſchen Choͤren,
Bey unſerer Jahre vollendeten Schrancken,
Dein’ Allmacht erheben, durch Loben und Dancken!
B.Es fodert gleichfals meine Pflicht,
Daß ich, fuͤr die empfangne Guͤte,
Jm abgewichnen Jahr, mit froͤlichem Gemuͤthe,
Mit Danck und Lob, des groſſen Gebers dencke,
Und ihm, fuͤr alle Huld,
Ein inniglich-geruͤhrtes Hertze ſchencke.
F f 3Jch
[454]Neu-Jahrs Gedichte.Jch konte vorigs Jahr, GOtt Lob! mit Freuden enden,
Und fange dieſes Neue wieder,
Mit tauſend Freuden, an;
Dafuͤr, o HErr! ich dir nicht gnugſahm dancken kann,
Und wenn ich noch ſo vieles ſchreib’ und ſage.
Man dencke der Minut- und der Secunden Schaar,
Mit Ernſt, ein wenig nach! Es hat ein eintzigs Jahr
Dreyhundert fuͤnf und ſechszig Tage;
Es hat nicht nur acht tauſend Stunden,
Noch ſiebenhundert ſechzig mehr,
Und, an Minuten, dann Secunden,
Enthaͤlt es ein weit groͤſſer Heer.
Fuͤnfhundert fuͤnf und zwantzig tauſend
Und noch ſechs hundert findet man,
Die man mit ſechszig noch vermehren,
Und zu Secunden machen kann,
Da ſechs und dreyßig tauſend mehr,
Als ein und dreyßig Millionen,
Und eine halbe noch, ſich finden.
Solch eine Zahl, die muͤhſam zu ergruͤnden,
Hab ich nicht nur; die Meinigen, nebſt mir,
Und alſo dieſe groſſe Zahl,
Jn einem jeglichen vermehrt noch ſo vielmahl,
(Dir, groſſer GOtt, ſey Lob und Danck dafuͤr)
Jm vor’gen Jahr erlebt. Wir haben Tag und Nacht
Geſund, und meiſtens ſie vergnuͤglich, zugebracht,
Mein GOtt! wie hat, im abgewichnen Jahr,
Mir abermahl ſo wunderbar
Die Sonne deiner Huld geſchienen!
Wie ſind die Gnad- und Seegens-Gaben,
Die wir von deiner Hand darin empfangen haben,
So
[455]Neu-Jahrs Gedichte.So groß, ſo mancherley! Jch darf mich kaum erkuͤhnen,
Sie ins beſondre zu erzehlen;
Weil, leider! Spoͤtterey und Neid,
Die Plage-Geiſter unſrer Zeit,
Nach ihrer Art, vielleicht nicht wuͤrden fehlen,
Es eh fuͤr Eitelkeiten,
Als einen ſchuldigen und wahren Danck, zu denten;
Und meinen, als ob mich vielmehr die Eigen-Liebe
Von meinem Jch, den Meinigen und mir
Viel ſonderbahres vorzutragen,
Und gar zu viel zu ſchreiben und zu ſagen;
Als eine ſchuldige und reine Danck-Begier,
Zu ſolcher froͤlichen Erzehlung triebe.
Daher ich faſt, jedoch nicht ohn Verdruß,
Mich hier entſchlieſſen muß,
Jn meinem Danck allhier nur allgemein
Zu ſeyn;
Und will ich fuͤr ſo viele Guͤtigkeiten,
Mich in geheim zum ſtillen Danck bereiten.
Nur was davon jedennoch zu erwegen,
Kann ich allhie mich nicht entlegen,
Zumahl es eben
Mich nicht allein betrifft,
Und andre ſich ſo wol, als ich, uns deſſen freuen:
Es hat in dieſem Jahr von neuen
Ein groſſer Fuͤrſt, Printz Carl von Bevern, mich
Gewuͤrdiget, mir’ ſelbſt zu ſagen,
Wie viel mein Buch, mein irdiſches Vergnuͤgen,
Zu ſeiner Freude, beygetragen.
Noch mehr, er hat ſo gar
Zu unſrer Patrioten-Schaar
Sich, als ihr Ober-Haupt, zu fuͤgen,
F f 4Sie
[456]Neu-Jahrs Gedichte.Sie gnaͤdigſt werth geſchaͤtzt,
Und ihre Gunſt dadurch in ſolches Licht geſetzt,
Daß ihre wohlgemeinten Schriften
Nun tauſendmahl ſo viel Verbeßrung werden ſtiften.
Jn Luſt, frey von Verdruß, von Schaden und Gefahr,
Mit Seegen und mit Luſt, hab’ ich in vor’gem Jahr
Die Land-Praͤtur verwalten koͤnnen.
Der Schoͤpfer hat dabey unzaͤhliches Vergnuͤgen,
Jm Reiche der Natur mir wollen goͤnnen.
Wie oftmahls konten nicht ſich an der Erden Schaͤtzen
Die Sinnen und die Seel’ ergetzen!
Wie oft hab ich, GOtt Lob! wenn Feld und Wald bebluͤmet,
Mit Luſt des Schoͤpfers Lieb’ und weiſe Macht geruͤhmet!
Oft hab’ ich ſaͤen, ofters egen,
Oft des Getreydes reiffen Seegen
Die Felder ſchmuͤcken, oft ihn maͤhn
Und in die Scheune fahren ſehn.
O HErr! der du hierin mir ſo viel Guts erwieſen,
Sey ewiglich geruͤhmet und geprieſen!
So hab’ ich abermahl, zum beſten vieler Seelen,
Noch einen Prediger zu wehlen
Gelegenheit gehabt, und weil ich, gleicher Weiſe,
Ohn Abſicht, Eigennutz und Vortheil, den gewehlt,
Der ohne Wiederſpruch der beſte war;
So hoff’ ich, daß ich nicht gefehlt,
Und daß die Wahl, zufoͤrderſt GOtt zum Preiſe,
Und ſeiner Hoͤrer groſſer Schaar
Zum Heyl und Nutzen wird gedeyen.
Jch dancke dir demnach, o Brunquell aller Guͤte,
Fuͤr alle deine Gnaden-Gaben,
Die wir im vor’gen Jahr von dir empfangen haben,
Und wuͤnſch’ aus inniglich geruͤhretem Gemuͤthe:
Ach
[457]Neu-Jahrs Gedichte.Ach, moͤgt’ ich mich mit wahrem Ernſt beſtreben,
Nach deinem Goͤttlichen Gefallen hier zu leben,
Nebſt allen Meinigen! Es ſey im kuͤnft’gen Jahr
Mein Hertz und Haus dein Tempel und Altar!
Laß, in und von uns, fuͤr das Gute,
Mit inniglich-erfreutem Muthe,
Ein oͤfters Danck- und Ehren-Opfer rauchen!
Gieb unſerm Geiſte ſo viel Kraͤfte,
Daß wir, mit Luſt, der Frucht der Leidenſchaft,
Doch ohn Ausſchweiffung, uns gebrauchen!
Gieb uns dahin doch deinen Seegen,
Daß wir, mit ruhigem Gemuͤthe,
Zu Ehren deiner Macht und Guͤte,
Uns unſers Hierſeyns freuen moͤgen!
Regier du, HErr, nebſt den Gelegenheiten,
Die Umſtaͤnd’, als worauf, wenn wir es recht beſehn,
Das ſo genannte Gluͤck, die Zeiten,
Und alle Zufaͤllt’ hier beſtehn!
Laß ſie, da alle bloß allein in deinen Haͤnden,
Sich, HErr, zu unſerm Beſten wenden!
Mein GOtt! ach, laß doch viel Jdeen,
Die deine Wunder anzuſehen
Beſchaͤftigt, oft in mir entſtehen!
Laß die, durch ſie, in meiner Bruſt
Erregte, dir ergebne, Luſt,
Und das dadurch gewirckte Lallen,
Zu deinen Ehren, dir gefallen!
Laß mich, o HErr, allein zu deinen Ehren leben,
Und ja an meinem Witz allein nicht kleben,
F f 5Laß
[458]Neu-Jahrs Gedichte.Laß mich vielmehr deſſelben Schwaͤch’ erkennen,
Und, bloß im Glauben, dir die rechte Ehre goͤnnen!
Ja, laß mich allezeit beym wahren Glauben bleiben,
Und weder Jrrſahl, Stoltz, noch Furcht, davon mich
treiben!
[figure]
Be-[459]Neu-Jahrs Gedichte.Betrachtung
Der Menſchlichen Rede,bey dem 1734ſten Jahrs-Wechſel.Unwandelbahres einigs Weſen, das Raum und Luft
und Erd’, und Meer,
Das Millionen Welt- und Sonnen, das aller Himmel
Himmel Heer;
Das aller Coͤrper erſten Uhrſtoff, und aus demſelben ihre
Pracht;
Das aller Geiſter regem Weſen, nebſt ihren Kraͤfften und
Jdeen,
(Durch deren wunderbare Fuͤgung ſo wunderbare Ding’
entſtehen,)
Geruffen, daß ſie werden ſolten, und ſie aus Nichts her-
vorgebracht,
Durch deſſen liebreich, weiſes, maͤchtigs, unhintertreiblichs,
Goͤttlichs Wollen,
Zu ſeiner Creaturen Beſten, was iſt, aus Nichts hervor
gequollen;
Des ſchaffendes, belebend Wort man wol, mit hoͤchſtem Recht,
wird koͤnnen
Den wahren Saamen aller Saamen, die Quell der Crea-
turen, nennen;
Durch deſſen Wort: Es werde Licht! viel Millionen
Sonnen flammen;
Durch deſſen Hauch die Himmels-Kreiſe in unverruͤckter
Ordnung gehn;
Von dem die Saamen aller Formen, und aller Saamen
Formen ſtammen,
Aus dem der Formen und der Saamen Bewegungen und
Kraͤft’ entſtehn!
O
[460]Neu-Jahrs Gedichte.O ewigs Wort! aus dem allein das Wunder unſrer Red’
entſteht,
Durch die die Menſchheit lernt und lehrt, wie man dein
herrlich Lob erhoͤht!
Gieb, daß, bey dieſem Jahres Wechſel, da wir zur Sonne
wiederkehren,
(So eines von den groͤſten Wundern, das auf der Welt
die Menſchheit ſieht,
Und welches durch dein Wort allein, wodurch du alles traͤgſt,
geſchieht)
Wir dich, in deinen Wunder-Wercken, mit Loben und mit
Dancken ehren!
Gieb, daß aus deiner Wunder Menge ich ſonderlich auf
dieſen Tag,
Wie ich bey dieſer Wechſel-Zeit, durch deine Huld zum
oͤftern pflag,
Doch einen Vorwurf, welcher wuͤrdig, daß man dich lobe,
wehlen mag!
Jch kann mich, da ich willens bin, von deinen Lob’, o
HErr! zu ſprechen,
Vom groſſen Wunder unſrer Rede, zu reben, heute nicht
entbrechen.
Jndem man, ohne dieſe Gabe, zu deines groſſen Nahmens
Ehr’
Kaum etwas Gutes zu gedencken, noch dich zu ruͤhmen
faͤhig waͤr.
Ach, ſende mir, zu dieſem Zweck, der Weisheit Licht und
hellen Schein
Und laß es, HErr! zum Neuen Jahr, dir ein gefaͤllig Opfer
ſeyn!
Wenn auf die Millionen Wunder, die allenthalben zu
erblicken,
Die uns, wenn man es recht erwegt, erhalten, nuͤtzen
und erqvicken,
Die
[461]Neu-Jahrs Gedichte.Die uns, zu unſers Schoͤpfers Ehren, und uns zum Heil,
von GOtt geſchenckt,
Man mit bedachtſamen Erwegen, die Kraft der regen
Seele lenckt;
So ſcheint faſt keines wuͤrdiger, daß wirs mit groͤſſerm
Ernſt betrachten,
Daß wir deſſelben Wunder-Werck mit mehrer Achtſam-
keit beachten,
Als wie das Wunder unſrer Rede. Die Seele ſcheint
durch ſie allein
Selbſt zur Vollkommenheit zu kommen, zum GOttesdienſt
geſchickt zu ſeyn.
Drum wollen wir, nach allen Kraͤften, der Sprache
Wunder zu erheben,
Zum Preiſe deß, der ſie uns ſchenckt, mit ernſter Andacht
uns beſtreben.
Von allem, woraus auf der Welt des groſſen Schoͤp-
fers Weisheit-Licht,
Der Liebe Glut, der Glantz der Macht am allerhellſten
ſtrahlt und bricht,
Jſt wol das Wunder unſrer Rede eins von den herrlich-
ſten und groͤſten
Und, fuͤr das menſchliche Geſchlecht, eins von den nuͤtzlich-
ſten und beſten.
Wenn wir der Menſchen Stand und Weſen, wenn ſie
nicht redeten, erwegen
Und daß man uns ſo dann nicht Menſchen wird heiſſen
koͤnnen, uͤberlegen;
So zeiget ſich von ſelbſt, wie hoch die wunderbare Faͤhigkeit,
Durch Reden unſern Geiſt zu zeigen, von Menſchen billig
ſey zu achten,
Und, wie in dieſer Wunder-Gabe beſondere Beſchaffenheit,
Es unſre Pflicht, des groſſen Schoͤpfers Macht, Lieb’ und
Weisheit zu betrachten.
Man
[462]Neu-Jahrs Gedichte.Man ſtelle ſich, wofern man kann, die Menſchheit, ſonder
Rede, fuͤr:
Die gantze Welt waͤr’ ohne Zweiffel in einem jaͤmmerlichen
Stande;
Der Menſch waͤr’ nur dem Anſehn nach ein Menſch,
und in der That ein Thier;
Wir wuͤrden immer Frembdling ſeyn in unſerm eignem
Vaterlande.
Kein Regiment, kein Freundſchafts-Band, kein Troſt, kein
Zeit-Vertreib, kein Rath,
Kein’ Ordnung, keine Wiſſenſchaft, kein GOttes-Dienſt
und kein Geſetze,
Kein’ Ehre, keine Kunſt, kein Handel, ſind ohne Rede.
Alle Schaͤtze
Der menſchlichen Geſelligkeit ſind, ſonder Sprechen, in
der That
Verſchwunden und ein leeres Nichts. Der Seelen Frucht,
die nicht zu ſehen,
Die geiſtigen Gedancken, wuͤrden, ſammt ihren Lettern,
den Jdeen
Jn der Gebuhrt ſchon wieder ſterben, und, eh ſie wuͤrden,
ſchon vergehen:
Ja blieben, ſonder Sprach’ und Worte, die wir von
GOtt empfangen haben,
Als wie ein Kind im Mutter-Leib’, im ſchlipfrichen Ge-
hirn, begraben.
Einfolglich wuͤrde, ſonder Red’, es uns und aller Men-
ſchen Seelen,
An ihrem auserleſenſten Talent, Geſchicklichkeit und Kraft,
An ihrer allerbeſten Wirckung, und ſie ihr gleichſam ſelber,
fehlen.
Da ſie, wenn man es wohl erwegt, ſo daß ſie ſelbſt es
kaum empfindet,
Durch Worte gleichſam waͤchſt und zunimmt. Recht wie
ein Licht das ſich entzuͤndet
Durch
[463]Neu-Jahrs Gedichte.Durch ein ſchon angezuͤndet Licht; recht wie ein Zunder
Funcken faͤngt;
So ſcheint es, als ob unſre Seele von Worten eine Kraft
empfaͤngt,
Wodurch ſie rege wird und leuchtet, ſo daß, nebſt ihr,
auch jedermann,
Als wie durch eine Gluth die Waͤrme, die Wirckung ſehn
und fuͤhlen kann.
Es ſcheint, ob wuͤrd’ in unſern Seelen es, ſonder Rede,
nimmer helle;
Sie iſt die Quelle der Vernunft, und die Vernunft iſt ihre
Quelle;
Es wird des Geiſtes rege Kraft, durch Wort’, als eine
Flamm’, erregt,
Erweckt, zum Dencken angetrieben, auch andere durch ſie
bewegt.
So laßt uns denn mit Fleiß ein Wort, was es doch
eigentlich? betrachten,
Und auf der Sprachen Weſen, Urſprung, auf ihre Kraft
und Werckzeug’ achten!
Es ſiehet, wie es ſcheint, mein Geiſt, durchs Ohr, in
Worten, deinen Geiſt,
Der ſich durch Lippen, Zunge, Zaͤhne und Gaum im Ton
halb leiblich weißt.
Wenn der vom Geiſt formirte Schall, in Worten, aus dem
Munde quillet;
So ſcheint ein Geiſt, ob waͤr er gleichſam in einen Luft-Leib
eingehuͤllet.
Wie alle Coͤrper wunderbar aus lauter Theilchen, welche
klein,
Verbunden und gefuͤgt ſich finden, daraus entſtehen und
beſtehn;
So ſcheinet gleichfals, durch das Band und durch die Fuͤ-
gungen der Toͤn’,
Ein, gleichſam zwiſchen Leib und Geiſt gewiß-formirtes,
Mittel-Seyn,
Ein
[464]Neu-Jahrs Gedichte.Ein leiblich halb, halb geiſtig Weſen, in einer Rede, ſich
zu zeigen,
Wodurch ſich ſeltne Wuͤrckungen in einer andern Seel’
eraͤugen.
Es ſchmeichelt ein Ton unſern Geiſt, wenn ihn ein anderer
verletzet;
Durch einen Ton wird unſre Seele betruͤbt, durch einen
Ton ergetzet.
Wenn aber er der Woͤrter Reih formirt, errichtet, macht
und gruͤndet,
Und er, mit wolgefuͤgten Lettern, ſich auf gewiſſe Weiſe
bindet;
Wenn Toͤne, welchen der Gebrauch ein unbetrieglich Zei-
chen giebet,
Auf etwas, das die Seele hofft, erlanget, fuͤrchtet, haßt
und liebet,
Durch ſchnelle Werckzeug’ des Gehoͤrs, ſo wie man es ge-
wohnt, ſich lenckt;
Entdeckt ein Menſch der andern Seele, was er in ſeiner
Seele denckt.
Dadurch verſpuͤhret man von jener mit dieſer folglich den
Verband,
Und, durch ſo wunderbahren Handel und wechſelweis-erregt
Erzehlen,
Eroͤffnen, zeigen, theilen mit, und geben unter ſich die
Seelen,
(O unbegreifllch Wunder-Werck) einander gluͤcklich den
Verſtand.
Wie kraͤftig wird man nicht durch Toͤne, ſo die beredte Red-
Kunſt fuͤhret,
Ermuntert, aufgebracht, beſaͤnftigt, entzuͤndet, angereitzt,
geruͤhret!
Es wird von deinem Geiſt mein Geiſt, durch Woͤrter, in
Bewegung bracht,
Er hat von Freud’ und Traurigkeit die Vergewißrung, eine
Macht,
Auch
[465]Neu-Jahrs Gedichte.Auch andre Geiſter zu bewegen. Ein recht vergnuͤgter Geiſt
wird koͤnnen
Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis, ein feurig
Brennen.
Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und
Kraft,
Und zeugt in einer andern Seele, durch Woͤrter, ſeine
Leidenſchaft.
Es ſcheint als wenn wir unſre Nede, und zwar im eigent-
lichen Sinn,
Ein Bild des Geiſtes, einen Dolmetſch der Seelen, ihre
Lehrerin,
Mit allem Rechte, nennen koͤnnte. Denn obgleich unſer
Geiſt fuͤr ſich
Von ſolchem Adel, ſolcher Kraft, daß er, am Werckzeug
nicht gebunden,
Als unmaterialiſch, einfach, unſterblich und uncoͤrperlich;
Weil es jedoch der groſſe Schoͤpfer, wie wir es ſpuͤren,
gut gefunden,
Jhn mit des Coͤrpers ird’ſchen Huͤtten, und durch, ſie, mit
der gantzen Welt
So wunderwuͤrdig zu vereinen: ſo kann er, ohn der Sinnen
Kraft,
Zu keiner ihm hier zugetheilten Erkaͤnntniß, Witz und
Wiſſenſchaft,
Und keiner Wahrheit hier gelangen. Dahero wir die
Sinnen koͤnnen,
Mit Recht, Bedienten unſrer Seelen, und Thuͤren unſers
Geiſtes nennen.
Von allen nun ſind ins beſondre die Zwo: die Augen
und die Ohren
Zu unſrer Lehr’ und Unterweiſung vom weiſen Schoͤpfer
auserkohren,
G gZu
[466]Neu-Jahrs Gedichte.Zu denen er (o groſſes Wunder!) ein neues Wunder
noch gefuͤgt:
Die Stimm’ und ihre Biegſamkeit, in welcher das Geheim-
niß liegt,
Des Geiſts Jdeen mitzutheilen, und, welches, wenn manns
recht ermißt,
So wol dem Sprecher, als dem Hoͤrer, ein ſehr nothwen-
dig Werckzeug iſt,
Einander ihren Geiſt zu zeigen; und welches, um uns zu
entdecken,
Uns wunderbahrlich faͤhig macht, uns aus uns ſelber zu
erſtrecken,
Und, weiter als wir ſind, zu ſeyn. So, wie man ſchwimmend’
Jnſeln ſchaut;
So ſcheinen unſre Coͤrper Jnſeln, die auch beweglich ſind,
zu ſeyn.
Sie haben ihre eignen Graͤntzen, und die ſind eigentlich die
Haut,
Dieſelbe ſchrencket, wie es ſcheinet, die Seele ſelber in ihr
ein;
Nur durch die Rede geht ſie weiter, und bindet ſich, durch
ſie allein,
Mit andern zur Geſelligkeit. Da ſie ſonſt, ohne Rede,
leer
Von allen foͤrmlichen Begriffen, und, in Geſchellſchaft,
einſam waͤr.
Die Red’ iſt einer Flamme gleich, wodurch die Seelen ſich
bewegen,
Sie iſt ein gleichſam geiſtig Licht, durch deſſen, nur gehoͤr-
ten, Schein,
Der Sprecher und der Hoͤrer Seelen gemeinſchaftlich er-
leuchtet ſeyn.
Durch ſie eroͤfnen ſich die Geiſter, was ſie verborgnes in
ſich hegen
Und theilen ſich einander mit ihr innerliches Ueberlegen.
O
[467]Neu-Jahrs Gedichte.O herrlicher Zuſammen-Klang, der bloß aus einer GOtt-
heit ſtammet,
O welch ein geiſtig Wunder-Feur, das allgemein in Men-
ſchen flammet!
O Wunder-Band, wodurch man ſich, wie man es uͤber-
zeuglich findet,
Nicht nur mit andrer Menſchen-Seelen, ſich mit der GOtt-
heit ſelbſt verbindet!
Es iſt ja dieß unwiederſprechlich: wenn keine Stimm’ und
Sprache waͤr;
Wuͤrd’ alle Geiſtliche Betrachtung, Erklaͤrung, Predigen
und Lehr’
Und GOttes-Dienſt vernichtigt ſeyn. Wer wuͤrde, von
dem kuͤnft’gen Leben,
Von ew’ger Dauer unſrer Seelen, von GOttes Lob’ und
Preiſ’ und Ehr,
Von heil’ger Schrift, von GOttes Willen, uns einiges
Verſtaͤndnis geben;
Wenn keine Rede, keine Woͤrter und folglich keine Schrift
vorhanden,
Da ja die Wunder-Kunſt zu ſchreiben zugleich aus un-
ſrer Red’ entſtanden?
Zwar machet der Gewohnheit Nebel uns, anch fuͤr dieſes
Wunder, blind,
Wie bey den mehreſten geſchicht, und wenn ſie noch ſo
ungemein;
Dahero wird es, liebſter Leſer, dir, hoff’ ich, nicht zuwieder
ſeyn,
Wenn ich, wie ſehr die frembden Voͤlcker durch dieſe Kunſt
geruͤhret ſind,
Dir ein Exempel zeigen werde.
Ein groſſer Fuͤrſt in Jndien, wie er geſehen Schriften
leſen
Von Europaͤern, iſt dadurch ſo ungemein geruͤhrt geweſen,
G g 2Daß
[468]Neu-Jahrs Gedichte.Daß er geſagt: Der Weißen GOtt ſey wehrt, daß man
ihn hoͤher ehrte,
Als ihren, weil er auf Papier, die ihn verehrten, reden
lehrte.
Dieß klingt zwar ſeltzam; doch erſcheinet was Lichts aus
dieſer Dunckelheit,
Wodurch auch wir erinnert werden, mit billiger Auf-
merckſamkeit,
Die auch in Schrift verfaßten Worte, als wie was groſ-
ſes, zu betrachten,
Und die Erfindung nicht geringe, vielmehr als ein Ge-
ſchenck zu achten,
Das von dem Schoͤpfer ſelber ſtammet.
Je groͤſſer nun des Schoͤpfers Weisheit und unſer Nutz in
dieſem Wercke;
Je mehr verdient es, und iſt noͤhtig, daß man es mit Ver-
ſtand bemercke,
Damit man durch Betrachtungen der Wunder, GOttes
weiſe Wege
Und Macht, ſammt ſeiner Vater-Lieb’, erheben und ihm
dancken moͤge.
Kommt laßt uns denn des Denckens Kraͤfte noch fer-
ner auf die Rede lencken,
Und, nebſt dem Urſprung, auch den Rutz und wunder-
bahren Wehrt bedencken!
Der Werckzeug’ ungezehlte Menge, die alle zu dem Zweck
gehoͤren,
Daß Geiſter in die Sinne fallen, kann uns ſchon uͤber-
zeuglich lehren,
Daß dieſes nicht ein Menſchen Werck. Wir wollen denn
zu Anfang ſehn
Die Werckzeug’ in der Menſchen Ohre, wodurch der Geiſt
geſchickt gemacht,
Gantz uͤberzeuglich zu erfahren das, was ein andrer Geiſt
gedacht,
Wie
[469]Neu-Jahrs Gedichte.Wie viel und mancherley derſelben, zu dieſem Zweck,
hervorgebracht.
Jndem der Ton ſtets aufwaͤrts ſteigt, ſo hat der Schoͤpfer
unſern Ohren,
So ſonder Weisheit nicht geſchicht, auch einen hohen Ort
erkohren,
Wohin durch die bewegte Luft, die ſich in Kreiſen ſo bewegt,
Als wenn man durch geworffne Stein’ ein ſonſten ſtilles
Waſſer regt,
Der rege Schall ſich vorwaͤrts ſtreckt. Jm Ohr iſt eine
duͤnne Wand,
Von einer zart- und regen Haut, wie eine Trommel, aus-
geſpannt.
Drey kleine Knochen trift man hier in dieſer kleinen Kam-
mer an,
Die man mit Hammer, Amboß, Stegreif an Form, mit
Recht, vergleichen kann.
Wenn nun der Ton an ſie gekommen, ſo wird er durch
die innre Luft,
Durch einen krummen Labyrinth, den die Natur im Ohr
gemacht,
Darauf noch ferner fortgeleitet und in ein Schnecken-Haus
gebracht.
Durch dieſes wird er ferner noch, durch enge Wege, fort-
gefuͤhrt,
Biß daß er an ein ausgedehntes und zart- und duͤnnes
Nervgen ruͤhrt,
Das den empfangnen Ton’, ſo bald als dieſer durch den-
ſelben, klingt,
Jn das betraͤchtliche Gehirn und zu dem Sitz der Seelen
bringt.
Von dieſer kleinen Sehne nun, ſoll man, nicht ohn Ver-
wundrung, ſehn
Viel ungezehlte kleine Zweige durch unſern gantzen Coͤrper
gehn;
G g 3Sie
[470]Neu-Jahrs Gedichte.Sie ſollen ſich in Zaͤhn- und Augen, in Gaum, in
Schlund und Wangen ſtrecken,
Ja man ſoll in der Bruſt, im Bauch, ja gar in Fuͤſſen ſie
entdecken.
Wodurch denn unſer gantzer Coͤrper, durch dieſe Zweige
ſchnell geruͤhrt,
Und, durch denſelben, Geiſt und Seele die zitternde Bewe-
gung ſpuͤrt.
So wie ein Coͤrper einen andern oft hemmet und ihn oft
bewegt;
So wircket auch durchs Ohr ein Ton, daß ſich das Blut
bald regt, bald legt.
Man kann es durch ein heftig Schallen bewegen und in
Wallung bringen,
Und wieder in den vor’gen Gang, durch ein gelind- und
ſanftes Klingen.
Man kann durch Luft, Gehoͤr und Ton verſchiedner Woͤrter
unſre Seelen
Erfreuen, reitzen, aͤrgern, troͤſten, beſaͤnftigen, bedrohn
und quaͤlen.
Nun muͤſſen wir, von denen Theilen, die ſich in unſerm
Munde, ruͤhren,
Und die zur Abſicht des Gehoͤrs, die Toͤne wunderbar
formiren,
Auch etwas vorzubringen ſuchen, weil die, nicht weniger,
wie jene,
Ein Wunder-Werck des Hoͤchſten ſind. Des gantzen Mundes
Form, die Zaͤhne,
Die Lunge, Luft-Roͤhr, Gaum und Lippen, die Kaͤhle,
Wangen und der Schlund,
Vor allen aber macht die Zunge des groſſen Schoͤpfers
Weisheit, kund,
Als die mau unſrer Seelen Feder, durch die das Ohr den
Geiſt erkennt,
Und einen Dolmetſch der Gedancken, die man nicht ſiehet,
billig nennt.
Wer
[471]Neu-Jahrs Gedichte.Wer kann dieß Wunder gnug bewundern? Dieß Glied iſt
durch ein ſchlanckes Weſen
Bereitet und geſchickt gemacht, ja eigentlich dazu erleſen,
Jn fertiger Geſchwindigkeit, auf tauſend Arten, ſich zu biegen,
Viel tauſend Woͤrter zu formiren, und, durch ſie, Geiſter
ſelbſt zu fuͤgen;
Jndem ſie mir, was deine Seele; dir, was die meine, in
ſich hegt,
Entdeckt, und faſt das Jnnerſte des Geiſts in einen andern
praͤgt.
Bedenckt, nicht ſonder GOtt zu loben, wie ſie zu ſolchem
ſchnellen Regen
So wunderbar geſchickt gemacht, da fuͤnff-par Muskeln
ſie bewegen,
Sie auf und abwaͤrts, vorn und hinten, zur rechten und zur
lincken Seiten,
Zu dem veraͤnderlichen Endzweck, das Wort zu bilden,
lencken, leiten.
Hiedurch, (ſo gar ein groſſes Wunder, ein unbegreiflich
Meiſterſtuͤck)
Weiß ſie ſich tauſendfach zu drehen, ſich lang und kurtz, ſich
duͤnn und dick,
Jn ſchnellen Wendungen, zu machen, auf ſo viel Arten ſich
zu lencken,
Daß es uns faſt unmoͤglich faͤllt, Bewegungs-Arten zu
erdencken,
Die ſie nicht faͤhig auszudruͤcken. Jhr Amt nun leichter
zu erfuͤllen,
Sieht man im Mund’, o neues Wunder! viel tauſend
Speichel-Quellen quillen,
Sie immer ſchluͤpfrig zu erhalten. Weil ſonder ſolche
Feuchtigkeit,
Sich nicht erhalten wuͤrd’ und koͤnte die fertige Beſchaffenheit.
Nicht weniger iſt, nebſt der Zunge, der regen Lippen kuͤnſt-
lich Par,
G g 4Das
[472]Neu-Jahrs Gedichte.(Das ſich eroͤffnet, ſchlieſſet, dehnet, und auf ſo manche
Art ſich ruͤhret;
Das mit der Zunge viele Worte dadurch gemeinſchaftlich
formiret,
Und die Gedancken kaͤnntlich macht) ſehr kuͤnſtlich und
recht wunderbar,
Als, welche, wie in der Zergliederung, wir, faſt nicht ohn
Erſtaunen, ſehn,
So wol, als wie die Zung’ und Wangen aus Faͤden, die
von Fleiſch, beſtehn.
Wodurch wir denn, auf tauſend Arten, den Mund zu oͤffnen,
und zu ſchlieſſen,
Und eben dadurch unſern Ton zu bilden, zu erhoͤhn, zu
drehn,
Zu ſencken, biegen, zu formiren, zu ſchaͤrfen und zu ſchwaͤ-
chen wiſſen.
Noch mehr, um ihn noch mehr zu aͤndern, ſind ein Par
Gaͤnge zubereitet,
Von unſrer Luft-Roͤhr zu der Naſen, wodurch er ſich zu-
weilen leitet,
Und wo er, wenn er ſich dahin durch ſonſt geſpaͤrrte Roͤh-
ren draͤngt,
Bey offnem, auch geſchloßnem Munde, noch einen andern
Klang empfaͤngt.
Damit nun durch verſchiedne Wege die Tone nicht verſchie-
den ſcheinen,
Sieht man die Oeffnungen der Naſen, um beyde Toͤne zu
vereinen,
Sich allezeit herabwaͤrts ſencken, wodurch, wie man be-
wundernd ſpuͤret,
Aus zweyen ſchon getheilten Toͤnen ſich nur ein eintziger
formiret,
Noch iſt nicht minder zu bewundern des Unter-Kiefers
fertigs Regen,
Wodurch wir Lippen, Mund und Zaͤhne eroͤffnen, ſchlieſſen
und bewegen.
Aus
[473]Neu-Jahrs Gedichte.Aus allen dieſen ſehen wir, wie wunderbar, wie vielerley,
Wie manches Werckzeug von dem Schoͤpfer ſo weislich
zugerichtet ſey,
Damit wir moͤgten reden koͤnnen. Komm her, verſtockter
Atheiſt,
Und ſprich, ob dieſes kein Beweis von einem weiſen
Weſen iſt?
Nicht minder muß das groſſe Wunder, die Lufft, von uns
betrachtet werden,
Jn die die Kraft ſich auszuſpannen und ſchnell ein Zittern
zu erregen,
Wodurch ſie leichtlich thoͤnt, geſenckt. Sie iſt ſehr fertig,
ſich zu lencken.
Von ihr iſt alles angefuͤllt; ſie iſt rings an der gantzen
Erden,
So, daß ſie keinem Thiere fehlt. Es wird durch ſie, als
einen Wagen,
Die mannigfaltige Bewegung ſchnell in die Ferne fortge-
tragen.
Am allermeiſten wird man noch, wenn wirs mit Achtſam-
keit ergruͤnden,
Jm Wunder-Werckzeug’ unſrer Luft-Roͤhr’, ein unbegreif-
lichs Wunder finden.
Auf laßt uns denn derſelben Bau (HErr, laß es dir zum
Ruhm geſchehn)
Nicht minder mit Aufmerckſamkeit, mit Luſt und Ehrfurcht
doch beſehn!
Jn unſerm Halſ’ iſt eine Roͤhre recht wunderwuͤrdig
zubereitet,
Durch welche Luft und Ton und Stimme formiret wird
und durchgeleitet.
Der untre Theil iſt hart und feſt, als wie ein hohles Jn-
ſtrument;
Beſteht aus Circkeln, welche knoͤrplich, die man dahero
Trochen nenut,
G g 5Wo-
[474]Neu-Jahrs Gedichte.Wodurch es an der Lungen feſt; indem der Ober-Theil
hingegen
Aus weichen Knoͤrpelchen formirt, die ſich ſo wunderbar
bewegen,
Und ſich, auf ungezehlte Weiſe, veraͤndern, heben, biegen,
drehn,
Wodurch ſie denn die regen Luͤfte die ungehindert durch ſie
gehn,
Zu einer, auf viel tauſend Arten, erzitternden Bewegung
bringen,
Aus welcher Millionen Toͤn’ und aller Sprachen Meng’
entſpringen,
Die, da ſie auf ſo manche Weiſe, ſich, durch der Roͤhre Zit-
tern, ruͤhren,
Die Stimme, Rede, Woͤrter, Sprachen, auf ungezehlte
Art formiren.
Die Theile dieſer Wunder-Roͤhre ſind nicht nur unter ſich
verbunden
Mit ungezaͤhlten Baͤnderchen, und kunſt- und wunder-reich
umwunden;
Es ſtrecken ſich von dieſer Roͤhre verſchiedne kleine Nerv-
und Roͤhren
Nach unſrer Bruſt, dem Zwerg-Fell, Hertzen, auch auf-
waͤrts da, woſelbſt wir hoͤren,
Nach unſern Augen, Zaͤhnen, Wangen, ja hoͤher noch biß
in die Stirn’,
Und, in derſelben, nach dem Sitz der Seelen ſelbſt, biß ins
Gehirn,
Woſelbſt die Seele, wie es glaublich, die Lebens-Geiſter
von ſich ſchickt,
Und durch dieſelbigen die Muskeln der Luft-Roͤhr’ unter-
ſchiedlich druͤckt.
Nach-
[475]Neu-Jahrs Gedichte.Nachdem die Werckzeug’ ietzt betrachtet; betrachten
wir die Faͤhigkeit,
Der Seelen, Zeichen zu erdencken, ſie zu behalten, ja ſo gar
(Wie unbegreiflich gleich und groß die Menge ſammt dem
Unterſcheid)
Sie abzubilden, und nicht nur den Ohren, auch ſie hell
und klar,
Durch Schrift, den Augen vorzuſtellen. Dieß ſtammt aus
keiner Menſchen Kraft,
Vielmehr iſt es unwiederſprechlich was geiſtigs, und ein’
Eigenſchaft,
Die ihrem Grund im Schoͤpfer hat,
Und welche wehrt, daß unſer Geiſt, ſo viel er dazu Kraͤfte
heget,
Sich alles Ernſts dahin beſtrebe, daß mans nach Moͤglich-
keit erweget;
Weil nicht allein dieß Wunder-Werck auch an ſich ſelber
mehr als wehrt,
Daß man in aͤmſiger Betrachtung der GOttheit Goͤttlichs
Weſen ehrt;
Nein, weil ſo gar, auf dieſe Weiſe, die wir in Andacht vor-
genommen,
Wir gleichſam ſelbſt begreiffen koͤnnen, wie wir dem Schoͤp-
fer naͤher kommen.
Auf, laßt uns denn, mit ſtiller Andacht, in Ehrfurcht et-
was ſtille ſtehn,
Und hier den Brunnen aller Woͤrter und aller Sprachen
Urſprung ſehn,
Die Seele nemlich; und nachher den Flug, wo moͤglich
hoͤher treiben,
Um auch von ihrer groſſen Urqvell, woraus ſie ſtammen,
was zu ſchreiben.
Wenn
[476]Neu-Jahrs Gedichte.Wenn wir, ſo viel wir Menſchen koͤnnen, der Seelen
Stand und Kraft ergruͤnden,
So werden wir, da wir an ihr, daß ſie was Geiſtigs ſey,
faſt fuͤhlen,
Nach allen angeſpannten Kraͤften, an ihr dieß uͤberzeuglich
finden:
Sie ſey ein reg- und geiſtigs Weſen, geſchickt, Gedancken
zu erzielen.
Das Weſen der Gedancken nun, wenn ichs erwege, ſtell’
ich mir
Nicht anders fuͤr,
Als daß dieſelben aus Jdeen,
So wie die Reden und die Schriften, aus Wort- und Zuͤ-
gen blos, beſtehen,
Die man nach Willkuͤhr fuͤgt und bindet. Es ſcheinen der
Jdeen Weſen
Lebend’ge Lettern unſrer Seelen, die aus dem Sinn und
Vorwurf quillen,
Und welche ſie, wofern ſie frey, nach ihrem eignen freyen
Willen,
Verbindet und zuſammen fuͤgt. Kann man nun dieß gleich
nicht verſtehn,
So laßt uns doch, ſo viel wir koͤnnen, die coͤrperliche Fuͤ-
gung ſehn.
Da wo, was leiblich iſt, ſich endet, ſcheint das, was
geiſtig, anzufangen.
Wenn wir, in unſerem Gehirn, der Nerven unſichtbare
Gaͤnge,
Die ſich in ihm vereinigen, und in faſt ungezehlter Menge
Daſelbſt ſich endigen, betrachten; ſo ſcheinet dieß der Sitz
der Seelen,
Zu welchem alle Lebens-Geiſter, in den empfindlichen
Canaͤlen,
Ge-
[477]Neu-Jahrs Gedichte.Gebracht und hingefuͤhret werden. Die Seele ſcheint hier
zu regiren
Und ſie, ſo viel derſelben noͤthig, durch andre Gaͤng’, an
allen Enden,
Jn ihr bewuſter Maaß und Ordnung, vernuͤnftig wieder
hinzuſenden.
Da ſie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft
vielleicht empfangen,
Und, ob wir es gleich nicht begreiffen, von ihr ein’ Eigen-
ſchaft erlangen,
Zu wircken, wie und wo es noͤthig. Wie nun des gantzen
Coͤrpers Kraͤfte,
Um ſich im Weſen zu erhalten, ſich mit der Seelen Kraft
vereinen;
So duͤrft’ es, daß auch unſre Seele ſich an ein hoͤhers
Weſen hefte,
Und ſeiner Gaben theilhaft werde, noch mehr gewiß, als
glaubhaft, ſcheinen.
Da nichts ſo ſehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage
leget,
Als daß ſie, durch des Hoͤchſten Liebe, was Goͤttlichs in ihr
ſelber heget.
Da ſie, durch dieſe Wunder-Kraft zu dencken, die ihr
GOtt geſchencket,
Auf dieſer Gabe Werth und Urſprung, in Demuth-voller
Ehrfurcht, dencket;
Erblickt ſie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew’gen
Klahrheit,
Von der unendlich ew’gen Weisheit, von der unendlich-
ew’gen Wahrheit,
Von dem unendlich-ew’gen WORT, aus welchem, alles
was verhanden,
Durch ſeiner ew’gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent-
ſtanden,
Der
[478]Neu-Jahrs Gedichte.Der kleine Funcke ſucht in mir ein helles Feuer anzufachen,
Und treibt den Lehr-begier’gen Geiſt, ſo weit ſich ſeine Kraft
erſtreckt,
Der Rede wahre Quell zu ſuchen, die ſie nicht in erſchaffnen
Sachen,
Wol aber in der Gottheit ſelber und in dem ew’gen Wort
entdeckt.
Denn, daß, ſo wenig als den Leib, die Seele, Glieder und
das Leben;
Die Stimm’, ihr Werckzeug und den Grund der Rede wir
uns ſelbſt gegeben,
Wird kein Vernuͤnftger ſagen koͤnnen. Sie iſt auch von
ihr ſelber nicht;
Weil, wenn die Welt von Menſchen, Thieren, und auch von
harten Coͤrpern leer,
Gewiß ſo wenig Red’ und Sprache, als Ton und Schall,
verhanden waͤr.
Die Eltern gaben ſie uns nicht, weil ſie nicht mehr, als
wir, gewuſt,
Wie man die Zung’ in unſerm Munde, wie man die Lung’
in unſrer Bruſt,
Nebſt andern Theilen, bilden konnte. So ſieht man denn,
daß dieſe Gabe
Von niemand, als von GOttes Weisheit und Allmacht,
ihren Urſprung habe.
Auf, laßt uns denn mit Danck und Andacht auf dieſes
Wunders Quelle dencken,
Und unſern Geiſt, ſo viel als moͤglich, mit Ehrfurcht in die-
ſelben ſencken!
Wie wir ein Wort ein aͤuſſerlich-formirtes Dencken
heiſſen koͤnnen;
So iſt auch billig der Gedancken ein innerliches Wort zu
nennen.
Da
[479]Neu-Jahrs Gedichte.Da der Gedancke ſonder Zweifel nun unſers Geiſtes Zeu-
gung iſt,
Einfolglich wuͤrcklich unſers Weſens; ſo ſcheint, indem man
dieß ermißt,
Die Ueberlegung wunderbar, auf ein voll Unbegreiflichkeiten
Und allen Witz ſonſt uͤberſteigend Geheimniß uns gemach
zu leiten.
Wenn wir in unſerm Glauben lehren: Es habe GOtt von
Ewigkeit
Ein ewig Wort gezeugt; ſo ſcheint, als ob in deutlichen
Jdeen
Wir, in der Gottheit wuͤrdigs Zeugen mehr, als wir ſonſt
vermoͤgen, ſehen,
Die Weisheit, dieſes ewg’e Wort, das ſelber GOtt, hat in
der Zeit
Die Welt erſchaffen. Alle Dinge ſind durch daſſelbige
gemacht,
Und nichts iſt ohn daſſelbige geworden und hervorgebracht.
Aus einer ſolchen hohen Quelle ſcheint unſre Faͤhigkeit zu
flieſſen,
So wie zu dencken, auch zu reden. Aus GOtt ſelbſt ſcheint
ſie zu entſprieſſen.
Jſt, des glorwuͤrdgen Urſprungs halber, der Menſchen Spra-
che denn nicht werth,
Daß, in derſelbigen Betrachtung, man unſern GOtt bewun-
dernd ehrt?
Es wird dem Schoͤpfer in der Schrift ſelbſt eine Rede zu-
ſchrieben.
Er heißt ſich ſelbſt das A und O; er ſpricht, aus Lieb’ und
Huld getrieben,
Ein Wort, durch welches alles ward. Durch dieß ſein
Goͤttlich Wort: Es werde!
Ward aller Creaturen Menge, ward Himmel, Raum,
und Meer, und Erde.
Dieß
[480]Neu-Jahrs Gedichte.Dieß dauret noch: denn alle Dinge erfuͤllt und traͤgt er
fort und fort,
Wie uns die Bibel gleichfals lehret, durch ſein allmaͤchtig
kraͤftig Wort
Wann nun des groſſen Schoͤpfers Wort, die Erd’ in
dieſer Ordnung traͤget,
Daß ſie ſich jetzt aufs neu zur Sonnen, der Lichts- und
Lebens-Quell, beweget;
Damit in unverruͤcktem Wechſel, und richtig eingetheilten
Graͤntzen,
Wir, bald den warmen Sommer haben, bald Herbſt und
Winter, bald den Lentzen;
So laßt uns unſre Kraft zu reden, dem groſſen Wort zu
Ehren zeigen,
Das uns geſchaffen, uns zum ſprechen, die Kraft und Faͤ-
higkeit geſchenckt,
Zumahl in dieſer Wechſel-Zeit, da ſich die Welt zur Son-
ne lenckt,
Von ſeiner Allmacht, Lieb’ und Weisheit, in einem frohen
Danck, nicht ſchweigen!
Laßt uns, zu deſſen Preiß und Ruhm, der uns zu reden
Kraft gegeben,
Die Kraft zu reden anzuwenden, mit frohem Dancken,
uns beſtreben!
Und, da wir nirgend, als in GOtt, den Urſprung unſrer
Rede finden,
Jn Ernſt und froͤlich uns bemuͤhn, die Wunder-Gab auf
alle Weiſe,
Zum Zweck, wozu ſie uns gegeben, zu unſers Schoͤpfers
Ruhm und Preiſe,
Auch unſerm und des Naͤchſten Beſten, die ſich, mehr als
man glaubt, verbinden,
Erkaͤnntlich immer anzuwenden! laßt uns, wie, leider! wol
geſchehn,
(Von
[481]Neu-Jahrs Gedichte.(Von GOttes-Laͤſtrung nichts zu ſagen) vom Schwoͤren,
Afterreden, Fluchen,
Aus wahrer Ehrfurcht gegen GOtt, uns ernſtlich zu ent-
halten ſuchen!
Hingegen wenn wir ſeine Guͤte empfinden, hoͤren, ſchme-
cken, ſehn;
Uns ſelbſt und andre zu ermuntern, dem Geber Lob und
Danck zu geben,
Durch unſern Ausbruch der Gedancken, die Red’ und
Schrift, uns oft beſtreben!
Ach gieb, du Geber aller Gaben, uns, dieſe Pflichten zu er-
fuͤllen,
Und unſre Rede wol zu brauchen, doch einen dir ergebnen
Willen!
Ach laß, o Vater, was wir Kinder zu deinen heil’gen Ehren
lallen,
Wenn wir, geruͤhrt durch deine Wunder, dich preiſen, lo-
ben, dir gefallen!
So will ich mich denn ins beſondre zum Loben und zum
Dancken kehren,
Und fuͤr ſo viel’ und groſſe Wolthat, die ich im vor’gen
Jahr empfing,
Nach allen Kraͤften mich beſtreben, durch Dencken, Red’
und Schrift, zu ehren
Den GOtt, durch deſſen Huld allein mir alles wohl von
ſtatten ging.
Ein innerlicher froher Schauer, den Demuth, Luſt
und Andacht zeugen,
Erfuͤllet meine gantze Bruſt; woraus, von dem empfangnen
Gut
Und aller mir erzeigten Wolthat, der Danck-Begierde rei-
ner Glut,
(Ach, daß ſie dir, o HErr, gefiel!) geweyhte Flammen auf-
waͤrts ſteigen.
H hMein
[482]Neu-Jahrs Gedichte.Mein GOtt! wie biſt du abermahl mein Vater und mein
GOtt geweſen!
Jch ſchien, nebſt allen Meinigen, recht als zum Gegenwurf
erleſen
Von Gluͤck, Geſundheit, Heil und Seegen. Es ſtellet
deiner Gaben Menge,
Jn einer lieblichen Verwirrung, auf einmahl, recht als im
Gedraͤnge,
Sich meiner frohen Seele dar; und, weil ſie alle nicht zu
zehlen,
Will ich, zum Vorwurf meines Dancks, aus vielen, ei-
nige nur wehlen.
Jch hab’ in dieſem Jahr, im Lande, mein Richter-
Amt, nach dreyen Jahren,
So nicht leicht zu geſchehen pflegt,
Vergnuͤgt und froͤlich abgelegt:
Und da zween Prediger bereits vorhin von mir erwehlet
waren;
Hab’ ich den dritten noch dazu, zum Nutz und Beſten vie-
ler Seelen,
GOtt Lob! ohn Eigen-Nutz und Abſicht, ſo wie die an-
dern zu erwehlen
Gelegenheit und Macht gehabt. Ach GOtt, wie konnt
ich an den Schaͤtzen,
Die mir das Land in meinem Amt gezeigt, ſo oͤfters mich
ergetzen!
Dir, HErr, ſey Lob und Preis dafuͤr! auch daß mir in der
gantzen Zeit,
(Ein eintzigs mahl nur ausgenommen)
Nicht die geringſte Wiedrigkeit,
Bey ſo viel Gutem, uͤberkommen.
Jch lob’ und ruͤhme dich, o GOtt, du Geber aller guten
Gaben,
Fuͤr alles, was wir dieſes Jahr von deiner Huld empfan-
gen haben;
Zu-
[483]Neu-Jahrs Gedichte.
Zumahlen da ich abermahl, wie meine, dir geweihte,
Schriften
An vielen Orten Fruͤchte tragen, an vielen Orten Gutes
ſtiften,
So mannigfaltigen Beweiß; und wie ſie liebreich aufge-
nommen,
Auch von den Groſſen dieſer Welt, viel neue Proben uͤber-
kommen.
(Doch will ich hievon in der Stille den groſſen Schoͤpfer
lieber preiſen,
Um nicht des Neides Gift zu reitzen; als alles hier um-
ſtaͤndlich weiſen)
So daß vom irdiſchen Vergnuͤgen, wie zwey bereits ver-
kauft geweſen,
Ein dritter Druck des andern Theils, ſehr wol beſorgt, aufs
neu zu leſen.
Nicht unrecht ſag’ ich wol beſorgt; weil der gelehrte
Zimmermann,
Deß edles Feur zur Poeſie kein Dichter gnug bewundern
kann,
Des Abdrucks Aufſicht uͤbernommen.
Die abgewandten Ungluͤcks-Faͤlle ſo von den Meinen, als
von mir,
Sind, liebſter Vater, nicht zu zehlen; da ſonſten alle
Elementen
Uns aufzureiben faͤhig ſind, und Leib und Gut verderben
koͤnnten,
Wenn du uns nicht behuͤteteſt. Dir ſey Lob, Ehr’ und
Danck dafuͤr!
Zumahl daß du von meiner Frauen, in einer ſichtbaren
Gefahr,
Jn welcher, ohne deine Huͤlffe, unmoͤglich ihr zu helffen
war,
H h 2Durch
[484]Neu-Jahrs Gedichte.
Durch deine maͤcht’ge Wunder-Hand,
Den Schaden, der faſt unvermeidlich, recht wunderthaͤtig
abgewandt,
Da ſie, im Regen-Tuch gehuͤllt,
Aus einer Gutſchen ruͤcklings fiel,
Wie ſie zur Kirche fahren wollte. Wobey ſie ſo zu liegen
kam,
Daß auch, bey feſt-geklemmtem Fuß, ſie dennoch keinen
Schaden nam.
Sey inniglich dafuͤr gedanckt, gelobt, geruͤhmet und ge-
prieſen,
Daß du in dieſer Noth dich ihr ſo huld- und Gnaden-reich
erwieſen!
Ach, laß noch ferner neben ihr, ſo mir, als allen lieben Meinen,
Jn allerley Gefahr und Noth, doch deine Gnaden-Huͤlff’
erſcheinen!
Wenn auch, nach unſrer Stadt Verfaſſung, mich dieſes
Jahr die Reihe trift
Zur Amptmannſchaft nach Ritzebuͤttel, wovon die Ordnung
ſo geſtift’t,
Daß man daſelbſt ſechs Jahre bleibt, und auch, daß ſolche
Wuͤrde man,
Wenn man ſie etwann nicht verlangt,
An einen andern laſſen kann;
So gieb, o HErr, daß, eh ich wehle, ich es vernuͤnftig
uͤberlege,
Und, ſo fuͤr mich, als meine Kinder, hierin das Beſte weh-
len moͤge!
Damit, ich thu es oder laß es, ich deß, was ich gewehlt,
mich freue
Und daß in dieſer Sache das, was ich gewehlt, mich nicht
gereue!
Auf
[485]Neu-Jahrs Gedichte.
Auf dich allein verlaß ich mich; denn daß der menſchliche
Verſtand
So leicht durch Leidenſchaft geblendet, iſt mir nur gar zu
wol bekannt.
Gieb nur, daß ich hier oder dort, damit ich dir gefaͤllig
lebe,
Und, dir zur Ehr’ dein Werck betrachte, nach allen Kraͤften
mich beſtrebe!
Jnſonderheit laß dieß Gebeth doch, wie ein Rauchwerck,
vor dir tuͤgen!
Laß mich das Wunder meiner Rede dir oftermahls mit
Freuden weih’n!
Laß mich ſo lang ich leb’, in dir mich an dem irdiſchen ver-
gnuͤgen,
Und laß mich dort, mit ew’gen Liedern, fuͤr alle Wolthat
danckbar ſeyn!
[figure]
H h 3
Zur[486]Neu-Jahrs Gedichte.Zur Neuen-Jahrs-Betrachtung
des 1735ſten Jahres.Bey der wunderbahren Ordnung der Bewegung unſrer
Welt,
Draus dem menſchlichen Geſchlecht ein ſo groſſer Nutz ent-
ſpringet,
Und wodurch der weiſe Schoͤpfer alles naͤhret und erhaͤlt,
Jſt es billig unſre Pflicht, daß man ihm ein Opfer bringet;
Sonderlich zu dieſer Zeit, da die Flaͤchen unſrer Erden,
Die von uns bewohnet ſind, ſich nicht mehr vom Sonnen-
Licht,
Wie bißher geſchehn, entfernen; ſondern, welches jetzt ge-
ſchicht,
Nach der Waͤrm’ und Lebens-Quelle wieder hingelencket
werden.
Dieß ſoll nun hierin beſtehn, daß wir, da im vor’gen Jahr,
Unſrer Rede Wunder-Werck, GOtt zum Ruhm, betrach-
tet war;
Auch nunmehr von unſrer Seelen, die ſich mit dem Ton
vermaͤhlet
Und die, da ſie in uns redet, ihn formiret, ihn beſeelet,
Und ſo viele Wunder wirckt, etwas dem zum Ruhm ge-
dencken,
Welcher mit ſo reger Kraft ſie gewuͤrdigt zu beſchencken.
Aller Weſen HErr und Schoͤpfer! ew’ger Urſprung
aller Kraͤfte!
Ew’ge Liebe, Macht und Weisheit! ſegne dieſes
mein Geſchaͤfte!
Es gereiche mein Beginnen uns zur Andacht und zur
Lehre!
Aber auch abſonderlich dir, HErr Zebaoth, zur Ehre!
Da
[487]Neu-Jahrs Gedichte.Da wir, wenn wir auſſer uns, GOttes Creatur betrachtet,
Und, fuͤr Luſt erſtaunt, darin, Weisheit, Lieb’ und Macht
beachtet;
Scheint das Weſen unſers Geiſts (wodurch wir die Schoͤn-
heit ſehn,
Sie erkennen, und in ihnen, daß ein GOTT ſie ſchuf,
verſtehn,
Jhn bewundern, ihn verehren;) ja vor allen andern wehrt,
Daß, ſo viel uns moͤglich iſt, wir, nach allen Seelen-
Kraͤften,
Auf ſich ſelber reflectirend, auf ſie ſelbſt das Dencken
heften.
Weil, je mehr wir uns bemuͤhn, unſre Seele zu ergruͤnden,
Und, in ihr, ein Meer voll Wunder, welches unergruͤnd-
lich, finden;
Wir, den ewig-ſeelgen Urſprung ihres Weſens zu erhoͤhn,
Uns um deſtomehr geſchickter, faͤhiger und ſtaͤrcker ſehn.
Ja, es wird verhoffentlich, wenn wir in uns ſelber dringen,
Und die Seele ſich erwegt, unſre Seel’ auf dieſe Weiſe,
Da ſie GOtt in ſich erkennt, zum vermehrten Ruhm und
Preiſe,
Jhrem groſſen Schoͤpfer ſich gleichſam ſelbſt zum Opfer
bringen.
Dahingegen wer die Kraͤfte ſeines Geiſtes nicht erwegt,
Und, was unſer GOtt fuͤr Wunder wunderbar darein
gelegt,
Nie betrachtet, noch erwogen; kann unmoͤglich ſeine Pflichten,
Die in froͤlicher Bewundrung und im Danck beſtehn,
verrichten.
Es iſt ungluͤckſeelig gnug, daß viel tauſend Menſchen
leben,
Die auf ihrer Seelen-Kraͤft’ uͤberall nicht acht’ gegeben,
H h 4Nim-
[488]Neu-Jahrs Gedichte.
Nimmermehr fuͤr ihren Wehrt GOtt ſich danckbarlich er-
wieſen,
Nimmer ihre groſſe Urqvell voller Luſt und Danck ge-
prieſen!
Sencke dich denn meine Seele, durch dich, in dein eignes
Weſen!
Unterſuche, durch dich ſelbſt, aus wie mannigfacher Kraft
Dein nicht leiblichs Seyn beſtehe, und wie manche Ei-
genſchaft,
Die zum Theil faſt Goͤttlich ſcheinen, der dich ſchuf fuͤr
dich erleſen!
Aber ach! welch eine Tieffe voller lichten Dunckelheit,
Treff’ ich in mir ſelber an! doch, die Daͤmmerung wird klar
Und ich werd’, als wie im Nebel, einer reinen Heiterkeit,
Die durch tiefe Schatten bricht, mit Verwunderung gewahr.
Wenn ich eigentlich die Art, wie und wo die Seele dencket,
Scharf betrachtend uͤberlege, ſcheint ja wol der Kopf allein
Jhre Werckſtat, ohne Zweifel, und ihr Auffenthalt zu ſeyn.
Nun iſt unſer Kopf, wenn man auf ihn unſre Blicke lencket,
Faſt an Form den Kolben gleich eines Helms, in welchem
man
Aus den Kraͤutern ihre Geiſter treiben, in die Hoͤhe fuͤhren,
Die zerſtreuten Duͤnſte binden, gantz zu oͤberſt diſtilliren,
Und, da ſie ſich abwaͤrts lencken, ſammlen und ſie nuͤtzen kann.
Wann es nun nicht minder wahr, daß, biß zu des Sche-
dels Decken,
Unſre geiſtige Gedancken, weiter aber nicht, ſich ſtrecken;
Sondern (was wir auch von ihnen, durch uns ſelbſt ge-
taͤuſchet, glaͤuben)
Nie aus unſerm Kopfe kommen, und beſtaͤndig in ihm bleiben;
Scheint es mir der Muͤhe wehrt, dieſem weiter nachzugehn,
Und, ob wir vielleicht hiedurch auf der wirckenden Natur
Uberall zu ſehende, uͤberall verborgne Spur
Etwann naͤher kommen koͤnnen? noch was weiter nachzuſehn.
Es
[489]Neu-Jahrs Gedichte.Es iſt gantz gewiß an dem, wenn wir mit Vernunft erwegen
Und mit achtſamer Betrachtung gruͤndlich bey uns uͤberlegen;
Daß die menſchlichen Gedancken nimmer, wie ſie etwan
ſcheinen,
Und, aus eitlem Unbedacht, faſt die meiſten Menſchen
meinen,
Sich von uns hinweg begeben, ſich aus unſerm Kopf ent-
fernen,
Daß ſie ſich in ſchneller Eile, bald von hier nach Aſia,
Bald zu uns zuruͤck, und bald wieder in America,
Jn den finſtern Abgrund bald, bald gen Himmel, bey den
Sternen,
Sich, weit ſchneller wie der Blitz, heben und verfuͤgen
koͤnnen.
Nein! wol aber, daß dieſelben ſich, vor ſich, nicht von uns
trennen;
Sondern in dem Obern-Theil unſers Kopfs, alwo die
Schrancken
Alles menſchlichen Begriffs, aller menſchlichen Gedancken,
Unaufhoͤrlich ſich befinden. Nun entſtehet dieſe Frage,
Ob die Werckſtatt unſers Coͤrpers etwan dergeſtalt formirt,
Daß, durchs innerliche Feuer, das, von dem, was durch
die Sinnen
Jn uns etwann eingegangen, was an Kraft und Geiſt
darinnen,
Durch ſo mancherley Canaͤle unaufhoͤrlich ſublimirt,
Und im Hirn dem Sitz der Seelen, von der Seelen reflectirt
Eingerichtet, eingetheilet, auch vereint ſey und regirt.
Ja, da Blut und Nerven-Saft, unaufhoͤrlich circulirt,
Auch ſo gar ſelbſt im Gehirn, duͤrfft es nicht unmoͤglich
ſcheinen,
Daß mit unſerm Lebens-Saft, ſelbſt Jdeen ſich vereinen,
H h 5Und
[490]Neu-Jahrs Gedichte.
Und damit verbinden koͤnnten! waͤren’s auch nur die Jdeen,
Welche durch genoͤß’ner Coͤrper Geiſtigkeit und Kraft ent-
ſtehen,
Und ins Hirn gefuͤhret werden, wo ſie ſich mit andern binden.
Wie der Coͤrper durch die Theile, welche coͤrperlich ſich
naͤhrt,
Wird vermutlich durch die Kraͤfte, die im Nahrungs-Saft ſich
finden,
Wenigſtens den Lebens-Geiſtern, eine Art von Kraft
gewaͤhrt,
Da ja alles voller Kraͤfte. Finden wir, daß Leib und Seelen,
Wuͤrcklich und unwiederſpraͤchlich, mit einander ſich ver-
maͤhlen;
Scheinet es nicht minder moͤglich, daß die menſchlichen Jdeen
Auch vom Coͤrper etwas haben, und aus beyderley beſtehen,
Die ſich denn, wenn ſie beſtaͤndig mit dem wallenden Gebluͤte
Sich verbinden und vereinen, ihren Einfluß nicht allein
Jn den Coͤrper, ſondern auch, wenn ſie wol verbunden ſeyn,
Einen ſtarcken Eindruck machen in den Geiſt und ins Ge-
muͤhte.
Scheinet nicht die Bibel ſelber dieſes deutlich anzuzeigen,
Wenn ſie ſpricht daß aus dem Hertzen ſuͤndliche Gedancken
ſteigen,
Welches, wenn wir es erwegen, durch des Blutes Lauf
allein,
Das uns aus dem Hertzen ſteiget, glaͤublich muß gewircket
ſeyn.
Ob wir nun dadurch das Weſen unſrer fluͤchtigen Jdeen
Nicht nach allen ihren Theilen, und nur oben hin verſtehen;
Scheint es doch ein groͤſſer Licht, als vorher, uns anzuſtecken,
Und mich deucht, ob koͤnne man etwas deutlicher entdecken,
Wie
[491]Neu-Jahrs Gedichte.
Wie (zum Beyſpiel) unſer Geiſt eine ſolche Fertigkeit,
Bloß durch Fleiß und Muͤh, erhalten, ein Clavir ſo ſchnell
zu ruͤhren,
Daß, wenn unſer’ Augen kaum, die geſchriebnen Noten
ſpuͤren,
Die gelencken Finger gleich, in faſt nicht getheilter Zeit,
Wie der Blitz ſich hoͤren laſſen; welches von der regen Seele,
Durch die von dem oͤfftern Fleiß wol geoͤfneten Canaͤle,
Glaublich bloß gewircket wird. Ja wenn ich noch weiter geh,
Und mit ſcharffem Ernſt bedencke, wie im Hirn, dem Sitz
der Seelen,
Von den mancherley Jdeen, ſo dort, die Vernuͤnftige
Durch den Mund ſich in der Rede, oder durch die Hand in
Schriften,
Abwaͤrts ſencken, und durchs Ohr oder Aug’ ein Denckmahl
ſtiften,
Selbſt in einer fremden Seele; wenn ich, ſag ich, dieß be-
dencke:
Deucht mich, daß ich etwas tieffer mich ins Thun der Seele
ſencke.
Ob ich nun gleich wohl begreiffe, daß dieß etwas; doch nicht
viel:
Hab’ ich doch, ſo viel mir moͤglich, meine Pflicht in acht ge-
nommen,
Und verhoffe, daß ein andrer naͤher noch zu dieſem Ziel,
Mit weit mehr geſchaͤrften Augen, und vielleicht bald duͤrfte
kommen.
Aber, laßt uns nach dem Endzweck, welchen wir uns
vorgenommen,
Auf die Handlungen und Kraͤft’ unſers Geiſts nunmehro
kommen!
So wie wir das Sonnen-Licht, bloß im Gegenſchlag, nur
ſehn;
Kan man unſre Seelen-Kraͤfte, durch Erfahrung nur
verſtehn.
Wie
[492]Neu-Jahrs Gedichte.Wie die Seelen mit dem Coͤrper, durch fuͤnf Sinnen ſich ver-
binden,
Und dadurch was auſſer ihnen auf verſchiedne Weiſ’ em-
pfinden;
Scheinen in der Seele ſelber auch fuͤnf Kraͤfte ſich zu finden,
Als: Verſtand, Gedaͤchtniß, Wille, Kraft Jdeen zu
erzielen,
Und, zur Luſt als auch zum Nutzen, eine Leidenſchaft zu
fuͤhlen.
Alle ſind von ſolchem Wehrt, ſieht man ſie vernuͤnftig an,
Daß ſie nur ans GOtt entſtehen, und nur GOtt ſie ſchencken
kann.
Dieſe naͤher zu beleuchten, zu des Schoͤpfers Ehr’ allein,
Und in ihnen GOtt zu preiſen, ſoll itzt unſer Abſicht ſeyn.
Erſtlich kann man in der Seelen durch Erfahrung
gleichſam fuͤhlen,
Daß von aͤuſſerlichen Dingen, welche Coͤrperlich ſind,
Zeichen,
(So mit Lettern einer Schrift nicht unfuͤglich zu vergleichen)
Und aus dieſen, wenn dieſelben wol gefuͤget ſind, Jdeen,
Die von auſſen an ſie kommen, ſinnlich in der Seel entſtehen.
Aber ſie kann innerlich, ſelbſt Jdeen auch erzielen,
Dadurch, daß ſie in ihr ſelber ihre Handlungen verſpuͤhret,
Als Empfinden, Dencken, Zweifeln, Trauen und der-
gleichen mehr;
Hieraus nun entſteht nicht minder ein ſo groß Jdeen-Heer,
Daß es nimmermehr zu zehlen. Den Jdeen nun gebuͤhrt
Nicht der Nahme, daß ſie ſinnlich: doch empfindlich ſie zu
nennen,
Wird man, ohne ſich zu irren, glaub’ ich, kuͤhnlich wagen
koͤnnen.
Dieß ſind die zwo groſſen Qvellen, draus in uns, von al-
len Dingen,
Sie ſeyn leiblich oder geiſtig, wuͤrckliche Begriff entſpringen.
Eine
[493]Neu-Jahrs Gedichte.Eine haben wir in uns, und ob wir ſie eigentlich
Einen Sinn mit Recht nicht heiſſen, weil man uͤberall nicht
findet,
Daß ſie mit den aͤuſſern Dingen ſich unmittelbar verbindet;
Gleicht ſie doch den Sinnen ſehr, und ich unterſtehe mich,
Einen innerlichen Sinn ſie, nicht ohne Grund zu nennen.
Jene wird man Sinnlichkeit ſonder Zweifel heiſſen koͤnnen,
Dieſe deucht mich, daß ſie deutlich und nicht unverſtaͤndlich
ſtecke
Jn dem Wort Reflexion. Sich Jdeen vorzuſtellen
Jm Verſtande, welche nicht aus den zwo beſagten Quellen
Jn ihn gleichſam eingefloſſen, dieſes, ſag’ ich, koͤmmet mir
Allerdings nicht wol begreiflich, noch der Wahrheit aͤhnlich,
fuͤr.
Dieſe beide Qvellen nun der Jdeen, die den Seelen
Von dem Schoͤpfer eingeſencket, ſind ja wol vor andern
wehrt,
Daß man, durch Betrachtungen ihres Wehrts, den Schoͤp-
fer ehrt,
Weil wir keine Menſchen waͤren, ſollten uns dieſelben fehlen.
Es iſt eine mit der andern wunderbar in uns verbunden.
Durch die eine ſehen wir die uns ſonſt verborgne Spur
Der fuͤr uns erſchaffenen Creatur und die Natur;
Durch die andre wird der Schoͤpfer in der Creatur ge-
funden.
Eine, wenn mans unterſuchet, ſcheinet zwar auch bey den
Thieren,
Die, wie wir, auch Sinnen haben, zu vermercken und zu
ſpuͤren,
Doch die andre, da man oͤfters, aneinanderhaͤngend,
denckt
Und vernuͤnft’ge Bilder zeugt, iſt den Menſchen nur geſchenckt.
Da
[494]Neu-Jahrs Gedichte.Da wir nun, auf dieſe Weiſe, die zwo Quellen der Jdeen
Uberhaupt erſt angeſchaut; laſſet uns denn weiter gehen
Und die noch viel groͤßre Gabe, den Verſtand, nun auch beſehen.
Doch iſt unſer Zweck allhier, weniger ihn zu beſchreiben,
Als den Nutzen, welchen er uns verſchaffet, zu beſehn,
Um dadurch, wenn wir denſelben ſo empfinden als verſtehn;
Uns, den Schoͤpfer zu bewundern und zu loben, anzu-
treiben.
Der Verſtand, durch den allein Menſchen ſich von Thie-
ren trennen,
Jſt mit Recht ein himmliſch Feur und ein Goͤttlich Licht
zu nennen,
Das die Vorwuͤrff’ unterſuchet, ſie beleuchtet, unterſcheidet,
Als auf einer Wage wieget, ſie begreift, vergleicht und wehlt,
Wenn ſie ſelbe nuͤtzlich haͤlt; ſie im Gegentheil vermeidet
Wenn ſie ſie fuͤr ſchaͤdlich ſchaͤtzt, und gewahr wird, wenn
ſie fehlt.
Durch Vernunft ſind wir allein uͤber alle Thier’ erhoben;
Durch Vernunft erkennen wir einen Schoͤpfer aller Welt;
Auch daß, wie er ſie geſchaffen, er ſie auch allein erhaͤlt;
Durch Vernunft begreiffen wir, daß wir ſchuldig, ihn zu
zu loben.
Sie iſt faͤhig aller Weisheit; ſie belehret uns allein,
Daß wir von dem Schoͤpfer ſtammen, daß wir unvergaͤng-
lich ſeyn.
Alle Coͤrper, die wir ſehn, fuͤhlen, riechen, ſchmecken, hoͤren,
Stehn im Schau-Spiel dieſer Welt, in geſtimmter Harmonie;
Alle thoͤnen GOtt zum Preiſe, alle ſingen ihm zu Ehren,
Seiner Lieb’ und Macht zum Ruhm. Dennoch aber ſingen ſie
Sonder Dencken und Verſtand; wir nur wiſſen, daß wir
ſingen;
Wir erkennen, daß wir ſchuldig, dem Lob, Ehr’ und Danck
zu bringen,
Der
[495]Neu-Jahrs Gedichte.Der die Weisheit ſelber iſt, der uns im vernuͤnft’gen
Dencken,
Aus der Quelle ſeines Weſens auch ein Troͤpfgen uns zu
ſchencken,
Gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat. Bloß durch des Verſtandes Licht
Sehen wir, daß wir zu dem, was wir ſind, uns ſelber nicht,
Sondern bloß ein GOtt, gemacht; daß wir alle Wunder-
Gaben
Nicht uns ſelber zuzuſchreiben, daß wir ſie empfangen
haben,
Ohn Verdienſt, aus bloſſer Huld. Ja wir koͤnnen ferner
wiſſen,
Durch die Kraͤfte des Verſtandes, daß, in allen ſeinen
Wercken,
Unſer Schoͤpfer zu verehren; daß wir auf dieſelben mercken
Und, in ihnen, ſeine Weisheit, Lieb’ und Macht bewundern
muͤſſen.
Ja, wer weiß im irdiſchen des Verſtandes Nutz und Wehrt
Fuͤr das menſchliche Geſchlecht recht und hoch genug zu
ſchaͤtzen,
Da er uns ſo wol verliehn zur Erhaltung, zum Ergetzen,
Als, daß auch ſich unſer Nutzen durch denſelben ſtets vermehrt.
Die Unſchaͤtzbarkeit derſelben wird man beſſer nicht beaugen,
Noch den Wehrt, der unbeſchreiblich, klaͤrer zu begreiffen
taugen,
Als wenn man ſich in Gedancken, etwann eine tolle Welt,
Sonder einige Vernunft, vor ſein Seelen-Auge ſtellt.
Welche wuͤſte Barbarey, welche Wolfs- und Moͤrder-
Hoͤlen,
Welch ein raſendes Betragen, wuͤrde man auf Erden ſehn!
Alles wuͤrde ſonder Ordnung ſich verfolgen und entſeelen,
Alles wuͤrd’, in ſtetem Aufruhr, wuͤtend durch einander
gehn,
Welch
[496]Neu-Jahrs Gedichte.Welch ein Zuſtand! wenn man ſaͤhe Menſchen, ohn Vernunft,
mit Hauffen,
Sonder Ordnung, Zweck und Abſicht, an- und durch einander
lauffen,
Wenn der Geiſt von allen Menſchen, wie von Wein be-
nebelt, ſchwer,
Und ein jeder ſtets berauſcht, ohne Schaam und Abſicht waͤr!
Ja, wenn ſie auch gleich nicht raſ’ten, ſondern etwann ſimpel,
dumm,
Sonder Witz, Begriff und Urtheil, ohne Trieb, verwirret
ſtumm!
Welch ein wuͤſt und elend Leben, wuͤrd’ man aller Orten
ſpuͤren!
Welch ein wilder Jammer wuͤrd’ uͤberall ſo dann regieren!
Ehr’, Empfindlichkeit, Vergnuͤgen, alle Guͤter dieſer Erden
Hoͤrten Guͤter auf zu ſeyn, koͤnnten nicht genoſſen werden.
Wie wir, wie es ungefaͤhr allenthalben wuͤrde ſtehen,
An Nebucadnezars Zuſtand ein entſetzlich Beyſpiel ſehen.
Jſt denn nicht ein ſolcher Schatz, den uns GOtt geſchencket,
wehrt,
Daß man ſeinen Wehrt erwegt, und davor den Geber ehrt,
Daß man eben dieſe Kraͤfte, die er ſelbſt in uns gehaucht
Durch Betrachtungen bewundert, und zu ſeinem Preiſe
braucht?
Ferner ſteckt in uns die Kraft, nicht, unſichtbare Geſtalten
Von Jdeen, nur zu zeugen, auch noch ſelbe zu behalten
Durch Betrachten und Erinnern. Die gereichen ja ſo ſehr,
Als die andren, uns zum Nutzen und dem, der ſie gab, zur
Ehr.
Da, wenn uns die erſte fehlte, wir ja nichts von allen
Dingen,
Die nicht gegenwaͤrtig, wuͤſten; alles was nicht weſentlich
Was vergangen, was zukuͤnftig, davon wuͤrde keiner ſich
Einigen Begriff einſt machen. Weil dieſelben nicht ent-
ſpringen
Aus
[497]Neu-Jahrs Gedichte.Aus der Sinnen Gegenwurf. Ach, wie wuͤrden die Ge-
dancken,
Ohne dieſe Wunder-Kraͤfte, nur ſo klein’ und enge
Schrancken,
Und wie wenig Vorwuͤrff’ haben! Aber unſer GOTT hat
wollen,
Daß auf ungezehlte Weiſe wir uns hier vergnuͤgen ſollen.
Wenn wir dieſes Wunder Werck, mit Bedacht, einſt uͤberlegen;
Kann kein Menſch deſſelben Groͤſſe recht ermeſſen noch er-
wegen.
Welch ein unbegreiflichs Weſen, welch ein Wunder! daß
man ſich
Dinge, die nicht wuͤrcklich da, Dinge, die nicht weſentlich,
Sich, als weſentlich und wuͤrcklich, dergeſtalt weiß vorzu-
ſtellen,
Daß ſie uns Belehrungs-Warnungs-Klugheit- und Ver-
gnuͤgungs-Quellen
Auf ſo manche Weiſe werden. Dieſes Wunder nur allein
Zeigt, wie weiſe, maͤchtig, liebreich unſer Schoͤpfer muͤſſe
ſeyn.
Das Gedaͤchtniß nun vermehrt noch alle dieſe Wunder-
Wercke,
Da ich, was ich einſt gewuſt, durch Erinnern wieder mercke.
Da wir in uns, im Gedaͤchtniß, von ſo vielen Wunder-
Gaben,
Von Gedancken und Jdeen ein gefuͤlltes Schatz-Haus haben,
Wohinein, weil wir zugleich nicht auf vieles koͤnnen dencken,
Wir die Menge der Jdeen gleichſam wiſſen zu verſencken.
Wer nur einen Menſchen einſt, welchem ſein Ge-
daͤchtniß fehlet,
So daß er ſich nichts erinnert, je gekannt hat und geſehn;
Wie er, gleichſam als ein Kind, faſt kein menſchlich We-
ſen habe;
Wird, aus ſeiner Noth und Plage, dieſes Schatzes Wehrt
verſtehn
Und dem Geber dancken lernen, fuͤr ſolch’ unſchaͤtzbare Gabe.
J iUber
[498]Neu-Jahrs Gedichte.Ueber dieſe Seelen Kraͤfte, herrſchet noch in unſrer Seele
Eine Wunder Kraft zu WOLLEN. Da ich nemlich et-
was wehle,
Welches mir gefaͤllt; und meide, was mir nicht gefaͤllig iſt.
Dieß Vermoͤgen iſt ſo noͤhtig, daß wir, wenn mans recht
ermißt,
Ohne dieß kaum Menſchen waͤren. Koͤnnten wir uns nicht
entſchlieſſen;
Wuͤrden wir, in ſtetem Zweifel, weder etwas boͤſes fliehn,
Noch was gutes zu erwehlen uns entſchlieſſen, uns bemuͤhn;
Folglich wuͤrden alle Menſchen, ungeſchickt zu allen Dingen,
Nichts von allen ihren Pflichten aufgelegt ſeyn zu voll-
bringen.
Handel, Wandel, Acker-Bau, Eh’, Geſchellſchaft, Policey,
Alles hoͤrte ploͤtzlich auf, wenn es uns an Willen fehlte,
Und man ſich mit Ungewißheit, ohn Entſchlieſſen, immer
qvaͤlte.
Dieſer Wahrheit tritt nicht nur das bekannte Sprichwort
bey:
Daß ein Thor, der ſich entſchlieſſet, kluͤger, als zehn Kluge,
ſey,
Die ſich nicht entſchlieſſen koͤnnen; ſondern jeder wird geſtehn,
Daß die menſchliche Geſellſchaft, ohne dieſe Kraft, vergehn
Und durchaus verkommen muͤſte.
Dieſer Will iſt eigentlich eine ſolche Eigenſchaft
Unſers Geiſtes, oder beſſer: er iſt eine rege Kraft,
Die Gedancken einzurichten, daß ein’ Handlung auf der
Erde
Vorgenommen, fortgefuͤhret, oder auch gehemmet werde.
Wenn wir nun nicht wollen koͤnnten; wuͤrd’ auf un-
ſerm Erden Kreiſe
Alles was wir ſehn, verwirrt und, auf recht betruͤbte Weiſe,
Alles
[499]Neu-Jahrs Gedichte.Alles oͤd- und wuͤſte ſeyn; weil ſich keiner je bemuͤhn
Weder koͤnnte, wollt’ und wuͤrde, etwas Gutes zu erziehn,
Etwas Gutes anzuordnen, etwas Gutes zu verrichten.
Ja, wir waͤren ungeſchickt auch zu den geringſten Pflichten.
Hieraus kann man nun zugleich und zwar uͤberzeug-
lich ſehn,
Welch ein Wunder-Werck vom Schoͤpfer dadurch bloß in
uns geſchehn,
Da uns GOTT die Kraft zu wollen wunderbarlich ein-
geſenckt,
Auch zugleich, daß man dieß Wunder leider wenig uͤber-
denckt,
Und noch minder dem erkaͤnntlich danckt, der uns die Kraft
geſchenckt.
Von den Kraͤften unſers Willens, ob er an ſich ſel-
ber frey,
Oder ob deſſelben Freyheit gleichſam eingeſchrencket ſey
Durch den Zuſtand unſers Coͤrpers, durch den Fall, durch
unſer Blut,
Durch der Leidenſchaften Kraͤfte, Wallen, Heftigkeit und
Wut,
Wollten wir zwar unterſuchen; doch wird man bekennen
muͤſſen,
Daß, was wir begreiffen, Schwachheit; und nur Stuͤck-
Werck unſer Wiſſen.
Es kann keine Freyheit ſeyn, wo kein Trieb, kein Will’
und Dencken;
Aber Dencken, Trieb und Wille kann wol ſonder Freyheit
ſeyn.
Eigentlich hat eine Freyheit mit dem Willen nichts gemein.
Denn der Will’ iſt ein Vermoͤgen, ſo fuͤr ſich ſelbſt wirckt,
allein,
Und kann eigentlich die Freyheit nie zur Willens Eigenſchaft,
Noch mit ihm vermiſchet, werden, als der wuͤrcklich eine Kraft.
J i 2Wie
[500]Neu-Jahrs Gedichte.Wie der Willen ein Vermoͤgen, die Gedancken zu regieren,
Neue Sachen zu beginnen, ſolche weiter auszufuͤhren,
Oder es auch einzuſtellen, in ſo fern ſie bey uns ſtehn;
So hingegen
Jſt die Freyheit ein Vermoͤgen
Was zu thun, was nicht zu thun, wie es unſer Geiſt kann
faſſen,
Ob es beſſer ſey zu thun, oder es zu unterlaſſen?
Alſo ſcheinet in der That, daß die Seel, in jeder Sache,
So wie ſie das Urtheil faͤllet, unſern Willen rege mache.
Jſt der Geiſt nun ſelber frey, ſo daß keine Leidenſchaft,
Keine Noth, kein Vorurtheil, keiner wilden Hitze Kraft
Jhm ſein helles Licht benebelt; wehlt und will er das was
gut:
Uebereilet ihn hingegen der Begierden Heftigkeit,
Druͤckt ihn Furcht, betruͤbte Schwermuth, Grimm, Ver-
achtung, Haß und Neid,
Stockt durch coͤrperliche Schwachheit, oder wallt ſein feu-
rig Blut
Von Begierde, Brunſt und Liebe; ſcheints daß er, ſo we-
nig frey
Zum vernuͤnftigen Erwegen, als der Will zum Wollen ſey.
Bey den Kraͤften der Begierden, bey der Leidenſchaften
brennen,
Wird man den Verſtand am beſten einem Mann verglei-
chen koͤnnen,
Welcher bey entſtandnem Feuer oben auf des Giebels
Spitze
Den gefaͤhrlich wilden Brand, durch das Zuthun einer
Spritze,
Voller Muth zu daͤmpffen ſucht; welches ihm zuweilen
gluͤckt,
Daß er die entſtandne Flamme daͤmpfet, loͤſcht und un-
terdruͤckt;
Aber
[501]Neu-Jahrs Gedichte.Aber auch, von ihr beſiegt, wenn derſelben Loh’ zu heftig,
Und ſein Wiederſtand zu ſchwach, ſeine Macht nicht gnug-
ſam kraͤftig,
Muß er ſich zuruͤcke ziehen; dieſes Beyſpiel iſt zwar gut
Und es weichet der Verſtand oft der Leidenſchaften Wuth;
Aber daraus folget eben, daß es noͤthig, die Jdeen,
Jhre Wirckung, ihre Kraft, und Natur recht einzuſehen,
Wenigſtens ſo viel es moͤglich, um, wo moͤglich, ihrer
Macht
Durch die Kraͤfte der Vernunft, kraͤftiglich zu wiederſtehen.
Denn wo dieß nicht moͤglich iſt, bleibt es wahr, was ich
gedacht,
Daß, wie ſehr wirs auch behaupten, wir doch keinen freyen
Willen,
Jn und bey uns haben koͤnnten. Bleibt es nun gleich wuͤrck-
lich wahr,
Es kommt durch die Leidenſchaft unſer Geiſt oft in Gefahr,
Und es nimmt ihr ſchneller Trieb, und ihr Blitz geſchwin-
der Brand,
Ehe wir es uns verſehn, oͤfters bey uns uͤberhand,
Wenn man nichts als Gegenwuͤrf oder Gruͤbeley allein
Jhrer Wuth entgegen ſetzt; aber darum muß man lernen,
Daß wir doch derſelben Grimm von uns wuͤrcklich zu ent-
fernen,
Und zwar mehr, als man gedenckt, mehrentheils im Stande
ſeyn.
Dieſes Mittel will ich zeigen. Wenn wir uns geruͤhret ſehen
Durch die gar zu ſtarcke Wirckung vieler hitzigen Jdeen;
Muͤſſen wir mit allem Ernſt eyfrig andere Jdeen
Jn uns zu erzielen ſuchen, und, durch ein veraͤndert Dencken,
Statt der erſten nachzuhangen, und im Feuer ſtets zu ſchuͤren,
Jhm vielmehr die Nahrung rauben, und uns auf was anders
lencken.
J i 3So
[502]Neu-Jahrs Gedichte.So wie eine Furcht die ander’ am gewiſſeſten vertreibt;
Kann ein Denck-Bild auch das ander’ am gewiſſeſten ver-
jagen.
Durch Vernunft-Schluͤß’ uns zu helffen, iſt viel ſchwerer,
als man glaͤubt,
Durch veraͤnderte Jdeen laͤßt es ſich weit ſichrer wagen.
Die Jdeen nun zu zeugen, ſteht weit mehr in unſrer Macht,
Als du ſelbſt, geliebter Leſer, ſo wie ich, bißher gedacht.
Stuͤnde dieſes gantz und gar nicht in menſchlichem Vermoͤgen,
Koͤnnte man uns keine Suͤnde, kein Vergehn zu Laſten legen.
Bloß nur in der Faͤhigkeit, in der freyen Eigenſchaft
Von Jdeen, die wir haben, uns zu andern hinzulencken,
Jn dem wuͤrcklichen Vermoͤgen, in der ungezwungnen Kraft,
Bald auf dieſes, wenn man will, bald auf jenes zu ge-
dencken,
Stecket eigentlich allein das, was man an unſerm Geiſt
Einen freyen Willen heißt.
Denn wofern wir in uns wuͤrcklich kein Vermoͤgen haben
ſollten,
Die Jdeen zu veraͤndern, wenn wir noch ſo gerne wollten;
Jſt es wahr, daß man ſich nicht von dem Pfad der War-
heit trenne,
Wenn man ſpricht, daß man ſo dann keiner Suͤnd’ uns zei-
hen koͤnne.
Nach dem Willen, muͤſſen wir auf die Leidenſchaften
ſehn,
Als durch deren ſtarcke Triebe, viele Ding in uns geſchehn.
Unſern Willen treibt allein des Verlangens Aengſtlichkeit
Bald von gegenwaͤrt’ger Pein, Schmach und Armuth ſchnell
befreit,
Oder vom entfernten Guten eiligſt im Beſitz zu ſeyn.
Wenn
[503]Neu-Jahrs Gedichte.Wenn wir uns in einem Stande, womit wir vergnuͤgt, be-
finden,
Welches nicht geſchicht, als nur, wenn wir von Begierd’ und
Pein
Nichts empfinden,
Wird der Geiſt faſt kein Bewegen und ſonſt kein Verlan-
gen ſpuͤhren
Als, ſo wie er iſt, zu bleiben, will nichts haben, nichts
verlieren.
Wie der groſſe Schoͤpfer nun, unſer Weſen ſchaffen wollen,
Daß wir nicht in ſtiller Faulheit hier auf Erden leben ſollen;
Hat er uns fuͤr Durſt und Hunger eine Sehnſucht ein-
gepraͤgt,
Und von andern Trieben mehr einen Druck in uns gelegt,
Welches denn die rechten Sporen, wodurch wir zu tau-
ſend Dingen
Kraͤftig angetrieben werden und woraus allein entſpringen
Alle menſchlichen Geſchaͤfte. Wenn wir, unſern Leib zu
naͤhren,
Das Gemuͤth mit Ruhm zu ſpeiſen, und dann auch uns
zu vermehren,
Nicht, durch Luſt-vermiſchten Drang, wunderbar gepreſſet
waͤren;
Wuͤrden wir, in fauler Stille, ſonder Sehnſucht, ohne
Willen
Faſt von allen unſern Pflichten nichts verrichten, nichts er-
fuͤllen.
Da ich nun hiebey noch einſt unſer innerſtes erwege
Und das Hirn, das Hertz, den Bauch wol betracht’ und
uͤberlege;
Scheint es, als ob in uns allen gleichſam ein vereintes Drey
Und ein Reich von dreyen Reichen deutlich anzutreffen ſey.
J i 4Jm
[504]Neu-Jahrs Gedichte.Jm Gehirn ſcheint der Verſtand bey fuͤnf Sinnen zu regiren;
Jn dem Hertzen ſcheint der Wille meiſt ſein Regiment zu
fuͤhren;
Jn dem Unter-Theil des Leibes ſcheint der Wolluſt Sitz zu
ſeyn,
Dieſen nimmt ſie nebſt den Trieben ſich zu mehren, voͤllig ein.
Jn der Bruſt, dem Reich des Hertzens, will, abſonderlich im
Magen,
Unſer Wille, gleichſam geitzig, fuͤr die Nahrung Sorge tragen.
Aber in dem Obern Theil laͤſſet es, als ob die Ehre
Des Beherſchers, des Verſtandes, Leidenſchaft beſonders
waͤre
Die drey Reiche ſind genug, von einander unterſchieden,
Haben gantz beſondre Graͤntzen, und ein jeglichs ſein Ge-
ſchaͤfte,
Dennoch ſcheint der Circul-Lauf unſers Bluts, verſchiedne
Kraͤfte
Jhnen allen mitzutheilen, wie wir oben angeſehn,
Daß es, und auf welche Weiſe dieſes etwann kann geſchehn.
Bey dergleichen Ueberlegen, ſehn wir, wie die Leiden-
ſchaften,
Und zwar wuͤrcklich uns zum Beſten, kraͤftig an- und in uns
haften,
Doch wird man zugleich gewahr, wenn man es mit Ernſt
bedenckt,
Daß die Herrſchaft des Verſtandes, ob gleich nicht unein-
geſchraͤnckt,
Doch viel gutes ſtiften koͤnne, wenn er nur ſein gantz Ver-
moͤgen,
So wie er ja billig ſollte, waͤr bemuͤhet anzulegen.
Denn daß unſre niedern Kraͤfte, uͤber ihn zu triumphiren,
Sich ſo oͤfters unternehmen, macht, daß er nicht alle Zeit,
Mit genngſam-angeſpannten Kraͤften, Fleiß und Feſtigkeit,
Seinem Feind zu wiederſtehn, und ſein Regiment zu fuͤhren,
Ernſt-
[505]Neu-Jahrs Gedichte.Ernſtlich genug bemuͤhet iſt. Muß er nun auch unterliegen,
Wenn vielleicht ſein Feind zu ſtarck; wird er doch gewißlich
ſiegen.
Durch ſich ſelbſt und durch die Zeit.
Dieſes waͤre nun, was wir von den Wirckungen der
Seelen,
Und derſelben Leidenſchaften, zu betrachten, zu erzehlen,
Nach Vermoͤgen uns bemuͤht; nun verbleibt, trotz allen
Sorgen,
Und Bemuͤhn die volle Wahrheit uns zwar, leider! doch ver-
borgen;
Dennoch wird uns die Betrachtung nicht nur durch Be-
wundrung ruͤhren,
Sondern uns zum Schoͤpfer ſelber, als der Geiſter Quelle,
fuͤhren,
Zu dem Urſprung aller Kraͤfte, welcher uns, damit wir
dencken
Und vernuͤnftig leben koͤnnten, uns ſo manche Kraft zu
ſchencken,
Gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat. Laßt uns denn in unſerm Leben,
Dieſe Gabe, GOtt zu Ehren anzuwenden, uns beſtreben,
Und, zumahl zu dieſer Zeit, zu erwegen nicht vergeſſen,
Welch ein reiches Maaß der Gnaden uns dieß Jahr durch
ihn gegeben,
Um dadurch, ſo viel an uns, ſeine Wunder zu erheben.
Mein Geiſt, auf, auf! Laß deine Kraͤfte, ſo dir dein
Schoͤpfer wollen ſchencken,
Nach Moͤglichkeit beſchaͤftigt ſeyn, bey dieſes Jahres Schluß,
der Gaben,
Die wir im abgewichenen, aus lauter Gnad’ empfangen
haben,
Uns zu erinnern, und dieſelben mit Luſt und Danck zu uͤber-
dencken.
J i 5Laß
[506]Neu-Jahrs Gedichte.Laß das Gedaͤchtniß doch mit Ernſt und allen Kraͤften ſich
bemuͤhn,
Und das, was leider faſt vergeſſen, doch der Vergeſſenheit
entziehn!
Es uͤberlege der Verſtand derſelben Groͤſſe, Zahl und
Wehrt!
Es zeigen die Betrachtungen, nur GOtt gefaͤllige Jdeen!
Es muͤß in der geruͤhrten Bruſt, dem, der mir ſo viel Guts
beſcher’t,
Zu Ehren, eine heiſſe Sehnſucht zu ſtarcker Gegen-Lieb’
entſtehen,
Nebſt einem Ehrfurcht-vollen Trieb’ in allen Dingen ſeinen
Willen,
Aus danckbarer Erkaͤntlichkeit, zu vollenbringen, zu erfuͤllen!
Mein GOtt! der du in dieſem Jahr nicht nur das mir
geſchenckte Leben,
Zuſammt dem Leben aller Meinen, geſund erhalten, und
zwar ſo,
Daß auch kein eintziger erkranckt; was ſoll ich dir zum Opfer
geben,
Fuͤr ſolche Gnad’, als das ich innig geruͤhrt, in meiner
Seelen froh,
Nebſt allen Meinen innig wuͤnſche, dein Lob gebuͤhrend zu
erheben.
Jch hab in meinem Ampt und Stand’, und allen meinen
andern Wercken,
So viel Gelegenheit gehabt, HErr! deine Fuͤhrung zu be-
mercken,
Daß ich dieſelbige nicht zehlen, noch weniger verdancken
kann.
Ach, nimm den dir ergebnen Willen, aus neuer Huld, in
Gnaden an!
Verzeihe wenn ich nicht genug aufmerckſam, froh und fromm
geweſen,
Ach
[507]Neu-Jahrs Gedichte.Ach habe doch, o ew’ge Liebe! aus nimmermehr erſchoͤpfter
Huld,
Mit meiner und der Meinen Schwachheit Erbarmen,
Nachſicht und Gedult!
Laß von der Unerkaͤnntlichkeit und Undancks-Kranckheit
uns geneſen,
Und gieb, daß ich abſonderlich, fuͤr die, auf tauſend Art
und Weiſe,
All’ Augenblick mir wiederfahrne Barmhertzigkeit und Huld
dich preiſe!
Von meinen dir geweihten Schriften hab ich im abge-
wichnen Jahr
So viele Nachricht eingezogen, daß ſie an Hoͤfen, ja ſo gar
Gekroͤhnten Haͤuptern angenehm und ſie dadurch erbaut ge-
weſen,
Wie von Geheimen Raͤhten ſelber, ich oft gehoͤret und
geleſen.
Daß auch davon der vierte Theil und faſt in eines Jahres
Friſt,
Jn dieſem Jahr zum andern mahl gedruckt und aufgeleget
iſt,
Der Kinder-Mord zum dritten mahl; iſt mir ein aber-
mahligs Zeichen,
Daß meinen vorgeſetzten Zweck, ich, immermehr noch zu
erreichen,
Noch immer groͤſſre Hofnung habe. Mein aͤltſter Sohn
hat eben auch
Jn dieſem Jahr ein kleines Werck (zum nicht unnuͤtzli-
chen Gebrauch)
Den Xenophon, ans Licht geſtellt, und ein begieriges
Verlangen,
Nicht unnuͤtz in der Welt zu ſeyn, dadurch zu zeigen an-
gefangen.
HErr,
[508]Neu-Jahrs Gedichte.HErr, ſeegne ferner ſein Beginnen, und wie du ihn, in
dieſem Jahr,
Vor einer, ſonder deine Huld faſt nicht vermeidlichen, Gefahr,
Da ein herab-geſchoßner Ziegel ſein Kleid getroffen und
zerriſſen,
Der, wo er ſich nicht ungefaͤhr gebuͤckt, ihn haͤtt erſchlagen
muͤſſen,
Recht wunderbar bewahret haſt; ſo ſey inbruͤnſtiglich ge-
beten,
Nebſt einem Demuth-vollen Danck, ihm ferner gnaͤdig bey-
zutreten,
Mit deiner Engel Huͤlff und Schutz, ſo wol als meinem
andern Sohn,
Der ebenfals im vor’gem Jahr, in einem Zufall gleichfals,
ſchon
Beſonders deinen Schutz verſpuͤhrt, da, ſonder Schad’ und
Ungemach,
Ein morſcher Tritt an einer Stieg’ im Lauffen unter ihm
zerbrach,
Und er damit herunter fiel, doch ohne den geringſten
Schaden.
Dir, HErr, ſey Lob und Danck dafuͤr! Ach laß die andern
all’ aus Gnaden
Jm kuͤnft’gen Jahr, nebſt meiner Frauen und mir, vor aller
Plag’ und Pein,
Vor Kranckheit, Kummer und Gefahr, Verdruß und Noht
bewahret ſeyn;
Abſonderlich da ich entſchloſſen, die Amptmannſchaft nicht
auszuſchlagen
Die mir, nach unſrer Stadt Verfaſſung, in Ritzebuͤttel auf-
getragen!
Ach
[509]Neu-Jahrs Gedichte.Ach HErr, ohn deſſen weiſen Willen kein Umſtand ſich er-
aͤugen kann,
Der, durch die Umſtaͤnd’ aller Dinge, die Dinge, die ge-
ſchehn, regiret
Und alles auf verborg’ne Weiſe zum Zweck, der dir gefaͤllig,
fuͤhret,
Ach ſiehe dieſen meinen Schluß, den ich genommen, gnaͤdig an!
Geſegne was ich vorgenommen! geſegne dieſes mein Beginnen!
Und fuͤhre mich, nebſt allen Meinen, zu rechter Zeit begluͤckt
von hinnen!
Ja fuͤhre mich, ſo lang’ ich dort, entfernt von Kranckheit
und Verdruß,
Entfernt von Krieg und Kriegs-Geſchrey! Gieb daß die an-
gelegten Daͤmme,
Durch wilde Wind’ empor gebracht, die wilde Fluth nicht
uͤberſchwemme!
Gieb Seegen zu dem Acker-Bau, gieb Gras und Korn im
Ueberfluß!
Mir aber gieb inſonderheit zu meinem dortigen Regiren
Den Geiſt der Weisheit daß ich mich beſtrebe, ſo mich auf-
zufuͤhren,
Daß du durch mich geehret werdeſt, damit die Unterthanen
mercken
Daß Recht und Tugend den begleiten, der dich in deinen
Wunder-Wercken
Zu ehren und zu ſehn bemuͤht! gieb daß, ſo lang ich
dorten lebe,
Jch ihnen darin ſonderlich ein gut und redlich Beyſpiel gebe,
Gerechtigkeit und Recht zu uͤben! laß mich die Richterlichen
Pflichten,
Die ſiebzehnhundert acht und zwantzig und dreyßig von
mir aufgeſchrieben,
Wie hier in meinem Richt-Ampt, auch dort bemuͤht ſeyn
auszuuͤben,
Daß ſie in ihrem Acker-Werck, HErr, deine Wunder, dei-
nen Seegen,
Und ſonderlich ihr eignes Gluͤck, in der Betrachtung ſpuͤh-
ren moͤgen,
Da-
[510]Neu-Jahrs Gedichte.Damit auch ſie, dadurch geruͤhrt, vom ſchwartzen Undanck
ſich entfernen,
Jn deinen Wundern dich erheben, und ſich ſelbſt gluͤcklich
machen lernen!
Laß mich daſelbſt, o groſſes All, auf Land- und Waſſer-
Wunder achten
Und dort die Proben deiner Macht, mit Ehrfurcht und mit
Danck, betrachten!
Gieb, daß ich froͤlich dort die Spuren von deiner Weißheit
uͤberlege,
Daß ich, nebſt mir und allen Meinen, auch andre darzu
leiten moͤge!
Solt’ ich vielleicht, nach deinem Rath, mein irrdiſch Leben
dort beſchlieſſen,
Und von der Welt, und meinem Amt, und von den Meinen
ſcheiden muͤſſen,
So gieb, daß ich gelaſſen ſterbe! Laß mich auf deine Liebe
trauen,
Und feſtiglich verſichert ſeyn, daß du der Meinigen Berather,
Verſorger, Troſt, Beſchirmer, Helfer, Erretter, Bey-
ſtand, GOtt und Vater
Aus Gnaden ſeyn und bleiben werdeſt. Waͤr aber mir nach
deinem Willen,
Ein laͤnger Lebens-Ziel beſcher’t, und ſolt’ ich die beſtimmte
Zeit,
Wie unſer Wunſch und Hoffen iſt, geſund und in Zufrie-
denheit,
Jn ſtetiger Bewunderung von deiner Lieb’ und Macht,
erfuͤllen;
So gieb, daß ich, nebſt allen Meinen, ſo lang’ ich lebe ieden
Tag,
Mich ſolcher unverdienten Gnade erfreuen, und dir dancken
mag!
Schluß.[511]Schluß.Verargt mir’s nicht, geliebte Menſchen, daß euch von der
ſo ſchoͤnen Welt
So vieles und ſo oft durch mich wird wiederhohlt und vor-
geſtellt.
Jch halt’ es theils fuͤr meine Pflicht; theils ſeyd ihr ſelber
Schuld daran,
Da ich (doch manchen ausgenommen) von vielen noch nicht
ſagen kann,
Daß ihr, aus dem gewohnten Schlaf (ſo doch ſo noͤthig)
aufgewacht,
Des groſſen Schoͤpfers groſſe Wunder, und in denſelben,
ſeine Macht,
Und Lieb’ und Weißheit ſchmeckt und ſeht. Daher ich noch
nicht muͤde werde,
Der groſſen GOttheit, Lieb’ und Allmacht, im Schmuck des
Himmels und der Erde,
Euch unaufhoͤrlich anzupreiſen, und dulde, der Geſchoͤpfe
Herrn
Zu Ehren, euer Naſen ruͤmpfen, und euer hoͤniſch Tadeln,
gern;
Vin auch der Hofnung, daß, da ihr, nur durch Gewohnheit
ſchlaft, dennoch,
Auch ihr, wo nicht; doch eure Kinder, des Undancks ungluͤck-
ſeeligs Joch
Dereinſt von Halſe werffen werdet. Jch hoff es, und ich
glaub’ es ſchier.
Ja, wenn es nicht geſchehen ſollte, wie ich jedoch nicht
hoffen will;
So fuͤhl ich dennoch ſolche Luſt, und ſolchen ſtrengen Trieb
in mir,
Daß ich mich nicht entſchlieſſen kann, von GOttes Wunder-
Wercken ſtill,
Und, euch zu willen, ſtumm zu bleiben. Jetzt da ich aber-
mahl die Zier,
Des
[512]Schluß.Des alle Dinge faͤrbenden und ſelbſt ſo bunt-gefaͤrbten
Lentzen,
Jn mehr als hundert tauſend Farben, zumahl in Gruͤnen,
ſehe glaͤntzen;
So ſeh ich ſo viel Wunder-Dinge, aus allen Orten jetzt
entſprieſſen,
(Da recht ein wuͤrcklich Wunder-Heer, aus Waſſer, Luft
und Erde qvillt)
Das ihre mannigfache Zier und Pracht mein gantzes
Weſen fuͤllt.
Jch fuͤhle mein gefuͤlltes Hertz von Anmuth gleichſam
uͤberflieſſen.
Dabey faͤllt, mitten in der Luſt, der wohl gemeinte Wunſch
mir ein:
Ach, waͤr bey allgemeiner Schoͤnheit der Welt, die Luſt auch
allgemein!
Jch wiederhohle denn zum Schluß, bey meiner oft gefuͤhr-
ten Klage
Ob unſrer Unempfindlichkeit, die euch vielleicht verhaſſte
Frage:
„Da die Natur an tauſend Orten, wie ihr es allenthalben
hoͤret,
„Zugleich auch allenthalben ſeht, daß in der Wercke Schmuck
und Schein,
„Sie unſern Schoͤpfer deutlich zeigt, auch daß, ja was er iſt,
uns lehrt;
„Wie kann man blind bey ihrer Schoͤnheit, und taub bey ihrer
Lehre ſeyn?
ENDE.
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Regi-[[513]][figure]