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[]ERINNERUNGEN AN EINIGE ABENDE
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VERSTATTET DIES SPIEL: EURE FLÜCHTIG
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DAS·JAHR·DER
SEELE
SEELE
IM·VERLAGE·DER·BLÆTTER·FUER·
DIE·KUNST·BERLIN: ·MDCCCXCVII·
DIE·KUNST·BERLIN: ·MDCCCXCVII·
NACH DER LESE · WALLER IM SCHNEE · SIEG DES SOMMERS
NACHDERLESE
Komm in den totgesagten park und schau:
Der schimmer ferner lächelnder gestade
Der reinen wolken unverhofftes blau
Erhellt die weiher und die bunten pfade
Dort nimm das tiefe gelb das weiche grau
Von birken und von buchs · der wind ist lau
Die späten rosen welkten noch nicht ganz
Erlese küsse sie und flicht den kranz
Vergiss auch diese letzen astern nicht
Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb von grünem leben
Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Ihr rufe junger jahre die befahlen
Nach IHR zu suchen unter diesen zweigen
Ich muss vor euch die stirn verneinend neigen
Denn meine liebe schläft im land der strahlen
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Doch schickt ihr Sie mir wieder die im brennen
Des sommers und im flattern der Eroten
Sich als geleit mir schüchtern dargeboten
Ich will sie diesmal freudig anerkennen
Die reifen trauben gähren in den bütten
Doch will ich alles was an edlen trieben
Und schöner saat vom sommer mir geblieben
Aus vollen händen vor ihr niederschütten.
Ja heil und dank dir die den segen brachte!
Du schläfertest das immer laute pochen
Mit der erwartung deiner Teure sachte
In diesen glanzerfüllten sterbewochen
Du kamest und wir halten uns umschlungen
Ich werde sanfte worte für dich lernen
Und ganz als glichest du der Einen Fernen
Dich loben auf den sonnen-wanderungen.
Wir schreiten auf und ab im reichen flitter
Des buchenganges beinah bis zum thore
Und sehen aussen in dem feld vom gitter
Den mandelbaum zum zweitenmal im flore
Wir suchen nach den schattenfreien bänken
Dort wo uns niemals fremde stimmen scheuchten
In träumen unsre arme sich verschränken
Wir laben uns am langen milden leuchten
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Wir fühlen dankbar wie zu leisem brausen
Von wipfeln strahlenspuren auf uns tropfen
Und blicken nur und horchen wenn in pausen
Die reifen früchte an den boden klopfen.
Umkreisen wir den stillen teich
In den die wasserwege münden
Du suchst mich heiter zu ergründen
Ein wind umweht uns frühlingsweich
Die blätter die den boden gilben
Verbreiten neuen wohlgeruch
Du sprichst mir nach in klugen silben
Was mich erfreut im bunten buch
Doch weisst du auch vom tiefen glücke
Und schätzest du die stumme thräne
Das auge schattend auf der brücke
Verfolgest du den zug der schwäne.
Wir stehen an der hecken gradem wall
In reihen kommen kinder mit der nonne
Sie singen lieder von der himmelswonne
In dieser erde sichrem klarem hall
Die wir uns in der abendneige sonnten
Uns schreckten deine worte und du meinst
Wir waren glücklich bloss solang wir einst
Nicht diese hecken überschauen konnten.
Du willst am mauerbrunnen wasser schöpfen
Und spielend in die kühlen strahlen langen
Doch scheint es mir du wendest mit befangen
Die hände von den beiden löwenköpfen
Den ring mit dem erblindeten juwele
Ich suchte dir vom finger ihn zu drehen
Dein feuchtes auge küsste meine seele
Als antwort auf mein unverhülltes flehen.
Nun säume nicht die gaben zu erhaschen
Des scheidenden gepränges vor der wende
Die grauen wolken sammeln sich behende
Die nebel können bald uns überraschen
Ein schwaches flöten von zerpflücktem aste
Verkündet dir dass lezte güte weise
Das land eh es im nahen sturm vereise
Noch hülle mit beglänzendem damaste
Die wespen mit den goldengrünen schuppen
Sind von verschlossnen kelchen fortgeflogen
Wir fahren mit dem kahn in weitem bogen
Um bronzebraunen laubes inselgruppen.
Wir werden heute nicht zum garten gehen
Denn wie uns manchmal rasch und unerklärt
Dies leichte duften oder leise wehen
Mit lang vergessner freude wieder nährt
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So bringt uns jenes mahnende gespenster
Und leiden das uns bang und müde macht ·
Sieh unterm baume draussen vor dem fenster
Die vielen leichen nach der winde schlacht
Vom thore dessen eisen-lilien rosten
Entfliegen vögel zum verdeckten rasen
Und andre trinken frierend auf den pfosten
Vom regen aus den hohlen blumen-vasen.
Ich schrieb es auf: nicht länger sei verhehlt
Was als gedanken ich nicht mehr verbanne
Was ich nicht sage du nicht fühlst: uns fehlt
Bis an das glück noch eine weite spanne
An einer hohen blume welkem stiel
Entfaltest du's · ich stehe fern und ahne · ·
Es war das weisse blatt das dir entfiel
Die grellste farbe auf dem fahlen plane.
Im freien viereck mit den gelben steinen
In dessen mitte sich die brunnen regen
Willst du noch flüchtig späte rede pflegen
Da heut dir hell wie nie die sterne scheinen
Doch tritt von dem basaltenen behälter
Er winkt die toten zweige zu bestatten
Im vollen mondenlichte weht es kälter
Als drüben unter jener föhren schatten ·
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Ich lasse meine grosse traurigkeit
Dich falsch erraten um dich zu verschonen
Ich fühle hat die zeit uns kaum entzweit
So wirst du meinen traum nicht mehr bewohnen
Doch wenn erst unterm schnee der park entschlief
So glaub ich dass noch leiser trost entquille
Aus manchen schönen resten strauss und brief
In tiefer kalter winterlicher stille.
WALLERIMSCHNEE
Die steine die in meiner strasse staken
Verschwanden alle in dem weichen schooss
Der in der ferne bis zum himmel schwillt
Die flocken weben noch am bleichen laken
Und treibt an meine wimper sie ein stoss
So zittert sie wie wenn die thräne quillt · ·
Zu sternen schau ich führerlos hinan
Sie lassen mich mit grauser nacht allein
Ich möchte langsam auf dem weissen plan
Mir selber unbewusst gebettet sein ·
Doch wenn die wirbel mich zum abgrund trügen
Ihr todeswinde mich gelinde träft:
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Ich suchte noch einmal nach thor und dach
Wie leicht dass hinter jenen höhenzügen
Verborgen eine junge hoffnung schläft ·
Beim ersten lauen hauche wird sie wach.
Mir ist als ob ein blick im dunkel glimme ·
So bebend wähltest du mich zum begleite
Dass ich die schwere wandrung benedeite
So rührte mich dein schritt und deine stimme
Du priesest mir die pracht der stillen erde
In ihrem silberlaub und kühlen strahle
Die frei der lauten freude und beschwerde ·
Wir nannten sie die einsam keusche fahle
Und wir bekannten ihren rauhen mächten
Dass in den reinen lüften töne hallten
Dass sich die himmel füllten mit gestalten
So herrlich wie in keinen maien-nächten.
Mit frohem grauen haben wir im späten
Mondabend oft denselben weg begonnen
Als ob von feuchten blüten ganz beronnen
Wir in den alten wald der sage träten
Du führtest mich zu den verwunschnen thalen
Von nackter helle und von blassen düften
Und zeigtest mir von weitem wo aus grüften
Die trübe liebe wächst im reif der qualen.
Ich darf nicht dankend an dir niedersinken
Du bist vom geist der flur aus der wir stiegen
Will sich mein trost an deine wehmut schmiegen
So wird sie zucken um ihm abzuwinken
Verharrst du bei dem quälenden beschlusse
Nie deines leides nähe zu gestehen
Und nur mit ihm und mir dich zu ergehen
Am eisigklaren tief-entschlafnen flusse?
Ich trat vor dich mit einem segenspruche
Am abend wo für dich die kerzen brannten
Und reichte dir auf einem sammtnen tuche
Die höchste meiner gaben: den demanten
Du aber weisst nichts von dem opferbrauche
Von blanken leuchtern mit erhobnen ärmen
Von schalen die mit wolkenreinem rauche
Der strengen tempel finsterniss erwärmen
Von engeln die sich in den nischen sammeln
Und sich bespiegeln am kristallnen lüster
Von glühender und banger bitte stammeln
Von halben seufzern hingehaucht im düster
Und nichts von wünschen die auf untern sprossen
Des festlichen altars vernehmlich wimmern
Du fassest fragend kalt und unentschlossen
Den edelstein aus gluten thränen schimmern.
Ich lehre dich den sanften reiz des zimmers
Empfinden und der trauten winkel raunen
Des feuers und des stummen lampen-flimmers
Du hast dafür das gleiche müde staunen
Aus deiner blässe fach ich keinen funken
Ich ziehe mich zurück zum beigemache
Und sinne schweigsam in das knie gesunken:
Ob jemals du erwachen wirst? erwache!
So oft ich zagend mich zum vorhang kehre
Du sitzest noch wie anfangs in gedanken
Dein auge hängt noch immer an der leere
Dein schatten kreuzt des teppichs selbe ranken
Was hindert dann noch dass ungeübte
Vertauenslose flehen mir entfliesse:
O gieb dass grosse mutter und betrübte
In dieser seele wieder trost entspriesse.
Noch zwingt mich treue über dir zu wachen
Und deines duldens schönheit dass ich weile
Mein heilig streben ist mich traurig machen
Damit ich wahrer deine trauer teile
Nie wird ein warmer anruf mich empfangen ·
Bis in die späten stunden unsres bundes
Muss ich erkennen mit ergebnem bangen
Das herbe schicksal winterlichen fundes.
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Die blume die ich mir am fenster hege
Verwahrt vorm froste in der grauen scherbe
Betrübt mich nur trotz meiner guten pflege
Und hängt das haupt als ob sie langsam sterbe
Um ihrer frühern blühenden geschicke
Erinnerung aus meinem sinn zu merzen
Erwähl ich scharfe waffen und ich knicke
Die blasse blume mit dem kranken herzen
Was soll sie nur zur bitternis mir taugen?
Ich wünschte dass vom fenster sie verschwände · ·
Nun heb ich wieder meine leeren augen
Und in die leere nacht die leeren hände.
Dein zauber brach da blaue flüge wehten
Von grabesgrünen und von sichrem heile
Nun lass mich kurz noch da ich bald enteile
Vor dir wie vor dem grossen schmerze beten
Zu raschem abschied musst du dich bequemen
Denn auf dem weiher barst die starre rinde
Mir däucht es dass ich morgen knospen finde
Ins frühjahr darf ich dich nicht mit mir nehmen.
Wo die strahlen schnell verschleissen
Leichentuch der kahlen auen
Wasser sich in furchen stauen
In den sümpfen schmelzend gleissen
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Und zum strom vereinigt laufen
Türm ich für erinnerungen
Spröder freuden die zersprungen
Und für dich den scheiterhaufen
Weg den schritt vom brande lenkend
Greif ich in dem boot die ruder
Drüben an dem strand ein bruder
Winkt das frohe banner schwenkend
Tauwind fährt in ungestümen
Stössen über brache schollen
Mit den welken seelen sollen
Sich die pfade neu beblümen.
SIEGDESSOMMERS
Der lüfte schaukeln wie von neuen dingen
Aus grauem himmel brechend milde feuer
Und rauschen heimatwärts gewandter schwingen
Entbietet mir ein neues abenteuer
Du all die jahre hin mir glanz und glaube
Bei dir und wo die stummen zeugen waren
Von hoffen und von angst bei diesem laube
Denn wird das glück sich je uns offenbaren
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Wenn jezt die nacht die lockende besternte
In grüner garten-au es nicht erspäht
Wenn es die bunte volle blumen-ernte
Wenn es der glutwind nicht verrät?
Den blauen raden und dem blutigen mohne
Entgeht dem lispelnden und lichten korn
Durchwandert diese waldung sinnens ohne
Und jeden vielverschlungnen pfad von vorn
Verharrt nicht vor den zeichen in den birken
Geschwunden sei die hand die einst sie schnitt
Nun fühlt wie andre namen wunder wirken
Zu jungen frischen stämmen lenkt den schritt
Vergesst der schmerzen und des alten blutes
Gerissen am verfallnen dorngesträuch
Und blätter dürrer zeiten leichten mutes
Betretet sie und lasst sie hinter euch!
Du willst mit mir ein reich der sonne stiften
Darinnen uns allein die freude ziere
Sie heilige die haine und die triften
Eh unsre pracht und ihre sich verliere
Dass dieses süsse leben uns genüge
Dass wir hier wohnen dankbereite gäste
Und wort und lied ersinnst du dass gefüge
Die klagen flattern in die höchsten äste
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Du singst das lied der summenden gemarken
Das sanfte lied vor einer thür am abend
Und lehrest dulden wie die einfach starken
In lächeln jede thräne scheu begrabend:
Die vögel fliehen vor den herben schlehen
Die falter bergen sich in sturmestoben
Sie funkeln wieder auf so er verstoben —
Und wer hat jemals blumen weinen sehen?
Die silberbüschel die das gras verbrämen
Und eine tageskerze die uns nickt
Erkennen uns und forschen ob wir kämen
Von einem gütigeren stern geschickt
Die reiser streichen über unsre scheitel
Lasst sie vereinen was die furcht noch trennt
Und alle frage sei der lippe eitel
Die brennend einer fremden sich bekennt
Nun sorgen wir dass uns kein los mehr dräue
Wenn eins des andren heisses leben trinkt
Und schauen einig in die sommerbläue
Die freundlich uns aus heller welle winkt · ·
Gemahnt dich noch das schöne bildnis dessen
Der nach den schluchten-rosen kühn gehascht
Der über seiner jagd den tag vergessen
Der von der dolden vollem seim genascht
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Der nach dem parke sich zur ruhe wandte
Trieb ihn ein flügelschillern allzuweit
Der sinnend sass an jenes weihers kante
Und lauschte in die tiefe heimlichkeit · ·
Und von der insel moosgekrönter steine
Verliess der schwan das spiel des wasserfalls
Und legte in die kinderhand die feine
Die schmeichelnde den schlanken hals.
Wenn trübe mahnung noch einmal uns peinigt
Und schreck in unsre goldnen lande streut
Du sprichst in zuversicht: mit mir vereinigt
Befürchte nicht was flüchtig sich erneut
Nur dass du meinem schutz dich nicht entfernst
Bevor das scharfe licht ersterbend loht
Und dir der gartenwald versöhnlich ernst
Mit seinen schatten wieder abend bot.
Wie ein erwachen war zu andrem werden
Als wir vergangenheit in uns gebändigt
Und als das leben lächelnd uns gehändigt
Was lang uns einzig ziel erschien auf erden
Auf einmal alle stunden so nur galten:
Ein mühevolles werben um die hohe
Die uns vereinte die in ihrer lohe
Gestalten um uns tilgte und gewalten.
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Die reichsten schätze lernet frei verschwenden
Wie nach den langen strahlen auf verdorrte
Gewächse sollet ihr am frohen orte
Den heissen gliedern milden regen spenden
Gedenkt vom schönsten pflückend was hier sprosset
Wenn süss und schwül die dämmrungssterne blicken
Wenn glühn und dunkeln wechselnd euch bestricken
Dass ihr soviel verliehen ist genosset
Und thörig nennt als übel zu befahren
Dass ihr in euch schon ferne bilder küsstet
Und dass ihr niemals zu versöhnen wüsstet
Den kuss im traum empfangen und den wahren.
Wenn von den eichen erste morgenkühle
Die feuchten perlen uns ins antlitz blies
So knirrte auf dem pfad der spitze kies
Erinnerte die schweigenden gefühle
Und auch die eigene stimme schien dir rauh
Wenn du im takt verwandter pulse bangen
Vernahmst die enger zu den deinen drangen
Und laues schmiegen trocknete den tau.
Ruhm diesen wipfeln dieser farbenflur
Sie lehrten uns das glück in seinem flüchten
Zu streifen und es bleibt noch zarte spur
An unsrer hand wie schmelz von reifen früchten
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Schon weht das wimpel und es säumt nicht mehr
Aus scheidestunden werden thränen rinnen
Ob einer zweifelhaften wiederkehr
In offnem schmerze zogest du von hinnen
Ich aber horche in die nahe nacht
Ob dort ein lezter vogelruf vermelde
Den schlaf aus dem sie frisch und schön erwacht
Der liebe sachten schlaf im blumenfelde.
ÜBERSCHRIFTEN UND WIDMUNGEN
ÜBERSCHRIFTEN
Lieder wie ich gern sie sänge
Darf ich freunde noch nicht singen
Nur dies flüchtige gedränge
Scheuer reime will gelingen
Hinter reben oder hinter
Stillen mauern zu kredenzen
Zur erheitrung weisser winter
Und zum trost in fahlen lenzen
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Was ich nach den harten fehden
In den schooss des friedens bette
Und aus reicher jugend eden
In das leben über-rette.
Zu meinen träumen floh ich vor dem volke
Mit heissen händen tastend nach der weite
Und sprach allein und rein mit stern und wolke
Von meinem ersten jugendlichen streite
Die blumen hergeholt aus reichem leben
Umflocht ich frei und stolz an goldnen kreisen
Dem fern im licht geheiligten efeben
Verklang sein schmerz in feierlichen weisen
Zu götterthalen blinkenden Mäandern
Ich liess in stätten innig hoher sitten
Und in den süden meine seele wandern
Wo sie gekrönt den martertod erlitten
Und heut geschieht es nur aus Einem grunde
Wenn ich zum sang das lange schweigen breche
Dass wir uns freuen auf die zwielichtstunde
Und meine düstre schwester also spreche:
Soll ich noch leben darf ich nicht vermissen
Den trank aus deinen klingenden pokalen
Und führer sind in meinen finsternissen
Die lichter die aus deinen wunden strahlen.
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Des sehers wort ist wenigen gemeinsam
Schon als die ersten kühnen wünsche kamen
In einem seltnen reiche ernst und einsam
Erfand er für die dinge eigne namen
Die hier erdonnerten von ungeheuern
Befehlen oder lispelten wie bitten
Die wie Paktolen in rubinenfeuern
Und bald wie linde frühlingsbäche glitten
An deren kraft und klang er sich ergezte
Sie waren wenn er sich im höchsten schwunge
Der welt entfliehend unter träume sezte
Des tempels saitenspiel und heilge zunge
Nur sie — und nicht der sanften lehre lallen
Das mütterliche — hat er sich erlesen
Als er im rausch von mai und nachtigallen
Sann über erster sehnsucht fabelwesen
Als er zum lenker seiner lebensfrühe
Im beten rief ob die verheissung löge · ·
Erflehend dass aus zagen busens mühe
Das denkbild sich zur sonne heben möge.
Als ich zog ein vogel frei aus goldnem bauer
Ward der segen mir in reichem maasse
Frauen warfen von der mauer
Rosen auf die strasse.
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Durch der länder wunder marmor der paläste
Grauen in den heiligen gezelten
Zog ich fern vom schwarm der gäste
Und ich sang nur selten
Jahre flossen · von den heimatlichen essen
Wirbelt rauch zum grauen wolkenraum
Ich erhoffe nur vergessen
Ruh und blassen traum.
Sprüche für die geladenen in T . . .
Indess deine mutter dich stillt
Soll eine leidige fee
Von schatten singen und tod
Sie giebt dir als pathengeschenk
Augen so trüb und sonder
In die sich die musen versenken
Verächtlich wirst du blicken
Auf roher spiele gebahren
Vor arbeit die niedrig macht
Die grossen strengen gedanken
Dich mahnen und wahren
Wenn deine brüder klagen
Und sagen: o schmerz! den deinen
Sag ihn den winden bei nacht
Und unter der nägel waffe
Blute die kindliche brust
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Vergiss es nicht: du musst
Deine frische jugend töten
Auf ihrem grab allein
Wenn viele thränen es begiessen — spriessen
Unter dem einzig wunderbaren grün
Die einzigen schönen rosen.
Ihr lernt: das haus des mangels nur kenne die schwermut
Nun seht im prunke der säulen die herbere schwermut
Der stets nach dem ziel sich verzehre nur fühle das schicksal
Ich zeige euch in der erfüllung das grausamste schicksal
Des der die stunden vertrauert bei köstlichem kleinod
Der schmächtigen fingers spielt mit dem sprühenden kleinod
Und des der angethan mit der könige purpur
Das schwere bleiche antlitz senkt auf den purpur.
Bei seiner reise mittag bald zurück
Bald vor sich zum gewölke bangen fragens
Hat lange sich der rastende gedreht ·
Durchwallt ist ganzer erden berg und thal
Soviel an glück und thränen hinter ihm ·
Was kann noch sein? soll er das haupt hier betten
Als an des weges marken oder soll er
In helleren höhen lauter noch frohlocken
In wildern schluchten tiefer noch erstöhnen · ·
So war dies alles erst der morgengang?
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ERINNERUNGEN AN EINIGE ABENDE
INNERER GESELLIGKEIT
Blumen
In märzentagen streuten wir die samen
Wann unser herz noch einmal heftig litt
An wehen die vom toten jahre kamen
Am lezten kampf den eis und sonne stritt
An schlanken stäbchen wollten wir sie ziehen
Wir suchten ihnen reinen wasserquell
Wir wussten dass sie unterm licht gediehen
Und unter blicken liebevoll und hell
Mit frohem fleisse wurden sie begossen
Wir sahen zu den wolken forschend bang
Zusammen auf und harrten unverdrossen
Ob sich ein blatt entrollt ein trieb entsprang
Wir haben in dem garten sie gepflückt
Und an den nachbarlichen weingeländen
Wir wandelten vom glanz der nacht entzückt
Und trugen sie in unsren kinderhänden.
Rückkehr
Ich fahre heim auf reichem kahne
Das ziel erwacht im abendrot
Vom maste weht die weisse fahne
Wir übereilen manches boot
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Die alten ufer und gebäude
Die alten glocken neu mir sind
Mit der verheissung neuer freude
Bereden mich die winde lind
Da taucht aus grünen wogenkämmen
Ein wort ein rosenes gesicht:
Du wohntest lang bei fremden stämmen
Doch unsre liebe starb dir nicht
Du fuhrest aus im morgengrauen
Und als ob einen tag nur fern
Begrüssen dich die wellenfrauen
Die ufer und der erste stern.
Entführung
Zieh mit mir geliebtes kind
In die wälder ferner kunde
Und behalt als angebind
Nur mein lied in deinem munde
Baden wir im sanften blau
Der mit duft umhüllten gränzen
Werden unsre leiber glänzen
Klarer scheinen als der tau
In der luft sich silbern fein
Fäden uns zu schleiern spinnen
Auf dem rasen bleichen linnen
Zart wie schnee und sternenschein
[]
Unter bäumen um den see
Schweben wir vereint uns freuend
Sachte singend blumen streuend
Weisse nelken weissen klee
Reifefreuden
Ein stolzes beben und ein reiches schallen
Durch später erde schwere fülle strich · ·
Die kurzen worte waren kaum gefallen
Als tiefer rührung ruhe uns beschlich
Sie sanken hin wo sich am fruchtgeländer
Der purpurschein im gelben schmelz verlor
Sie stiegen auf zum schmuck der hügelränder
Wo für die dunkle lust die traube gor
Ich wagte dir nicht du nicht mir zu nahen
Als schräger strahl um unsre häupter schoss
Noch gar mit rede störend zu bejahen
Was jezt uns band was jedes stumm genoss
Und was in uns bei jenes tages rüste
Auf zu den veilchenfarbnen wolken klomm
Was mehr als unsre träume und gelüste
An diesem gluten-abend zart erglomm.
Weisser gesang
Dass ich für sie den weissen traum ersänne · ·
Mir schien im schloss das herbe strahlen tränken
Und blasse blüten-bäume nur umschränken
Dass er mit zweier kinder frühtag ränne
[]
Ein jedes einen schlanken strauss umschlänge
Hell-flitternd wie von leichtgeregter espe
Daraus als wimpel eine silber-trespe
Hoch über ihre schwachen stirnen schwänge
Und beide langsam kämen nach dem weiher
Auf breitem marmelstiege manchmal wankend
Bis bei dem flügelschlag der nahen reiher
Der arme sanfte bürde heftig schwankend
Duft-nebel wirbelte von kühlen narden
Mit denen die Vereinten höherem raume
Entgegen schwebend immer lichter warden
Bald eines mit dem reinen äther-flaume.
Nachtwachen
I
[]Deine stirne verborgen halb durch die beiden
Wölkchen von haaren (sie sind blond und seiden)
Deine stirne spricht mir von jugendlichem leide
Deine lippen (sie sind stumm) erzählen die geschichte
Der seelen verurteilt in gottes gerichte ·
Erregender spiegel dein auge spiel damit nicht!
Wenn du lächelst (endlich flog über dir der schlummer her)
Dein lächeln gleicht dem weinen sehr
Und du neigst ein wenig dein haupt von kummer schwer.
II
Nicht nahm ich acht auf dich in meiner bahn
In zeiten feucht und falb worin der wahn
Des suchens fragens sich verlor
Kann jemand in den zeiten feucht und falb
Am dunklen thore harren meinethalb?
Nun denk ich dein weil unterm dunklen thor
Wo ängstend säule und gemäuer knarrt
Du meinethalben mein geharrt
Als niemand ging und als es schweigsam fror.
III
Welche beiden mitternächte!
Als der selber schmerzdurchbohrte
An der dulderin sich rächte
Dass dein blick sich weich umflorte
Dass dein wink ihr mildrung brächte!
Eines sah des andren wunden
Durch des dunkels dichte mähne
Zucken rieseln unverbunden · ·
Und nicht wort nicht thräne.
IV
4
[]
Erwachen aus dem tiefsten traumesschoosse
Als ich von langer spiegelung betroffen
Mich neigte auf die lippen die erblichen
Ertragen sollet ihr nur mitleidgrosse!
Seid nur aus dank den euch geweihten offen:
Und die berührten dann in solchen gluten
4
[]
Die antwort gaben wider höchstes hoffen
Dass dem noch zweifelnden die sinne wichen
O rinnen der glückseligen minuten!
V
Wenn solch ein sausen in den wipfeln wühlt
Ist es nicht mehr als dass ein sehnen drohe
Als blaue blicke blumen blonde frohe?
Wenn solch ein branden um die festen spült
Dass du verlassen irrend an dem strand
Die rettung suchst in leerer himmel brand?
Dass ich wie nie dich blass und bebend finde
Kaum mehr noch als am wegesrand die blinde
Die unbeachtet ruft im lauten winde.
VERSTATTET DIES SPIEL: EURE FLÜCHTIG
GESCHNITTENEN SCHATTEN ZUM SCHMUCK
FÜR MEINER ANGEDENKEN SAAL
Soll nun der mund der von des eises bruch
Zum neuen reife längst erstarkt im wehe
Sich klagend öffnen und nach welchem spruch
Dem kinde? unterbrich mich nicht — ich flehe.
[]
Du stehst am strand · die segel blähn im porte
Es geht in tollen winden auf ein riff —
Bedenke dich und sage sanfte worte
Zum fremdling den dein weiter blick begriff.
Die du ein glück vermehrst auch nicht es teilend
Für schmerzen balsam bist auch kaum sie fassend
Und gar aus schlimmen zeichen schönes rätst
Erfinderisch und gross im reich der güte
Du darfst dich rühmen: manchen geist am strand
Der nach dem schiffbruch hingeschleudert wurde
Den götter und genossen liegen liessen
Ich jenes mädchen hab ihn aufgerichtet.
Angenehm flossen bei dir unsre nächtlichen stunden
Dass wir der ampel vergassen doch dir zum gewinn nicht ·
Trieb dich verblendung mit misslicher wende zu reden
Was mir zu hören nicht noch zu erwidern vergönnt ist?
Kannst du bedächtige sprache nicht weiter erfinden
Meide mich! so nicht mein schmerzlich erstaunen dich zwinge
Lenke die eigne verachtung ob müssigen werbens
Und die gelächter von deiner zerknitterten seele.
W. L.
Der seltnen Einer die das loos erschüttert
Verbannter herscher ihr erhabnes trauern
Und unbemerkter tod · schon weil du bist
Sei dir in dank genaht · durch deine hoheit
[]
Bestätigst du uns unser recht auf hoheit
Verwirfst und nimmst mit königlichem wink
Du richte unsrer manchmal schwanken tritte
Und leitstern über jeder edlen fahrt.
P. G.
Im offnen leben wo ihr all euch gleichet
Wo ihr fast niemals wie ihr fühlet saget
War manches kommen doch von starkem zittern
War manche trennung voll zerdrückter thränen
Es waren tage gross wo ihr euch gabet
Wo ihr die schleier eurer klugheit risset
Und abende wo nichts geschah doch töne
Und blicke fielen ewgen angedenkens.
M. L.
Wie unsre glorreichen himmel bruder im stolz
So breitet dein glänzendes gelb und wie reifender lohn
Es zittern in deinem lila und wehen grün
Gestaltlose stunden mit ihrem mühsamen rinnen
Und lange seufzer aus kerkern ohne erhebung
Dein strahlendes blau umkleidet die wunschlosen götter
In deinem veilchendunkel voll purpurner scheine
Ist unser tötliches sehnen bruder im leid.
H. H.
Erfinder rollenden gesangs und sprühend
Gewandter zwiegespräche: frist und trennung
Erlaubt dass ich auf meine dächtnisstafel
Den frühern gegner grabe — thu desgleichen
[]
Denn auf des rausches und der regung leiter
Sind beide wir im sinken · nie mehr werden
Der knaben preis und jubel so mir schmeicheln
Nie wieder strofen so im ohr dir donnern.
K. W.
Wir seligen! die gottentsandten sprecher
Nur wagen diesen laut · auf deinen fähren
Erklang er täglich aus umkränztem becher
Und dennoch fühl ich reue in mir gähren
Dein leben ehrend muss ich es vermeiden
Dein lächeln und das glück (für dich das wahre)
Ich muss zurück auf meere dumpfer leiden
In meine wunderbaren wehmutjahre.
E. R.
Oft scheint es so als ob wir unsre besten
Erhebungen mit ihren süssen reizen
Aus früher frühe holen und mit resten
Die öde ganzer lebensräume heizen
Bald so dass höchster schatz den wir besessen
Nur noch in seltner nacht uns mag bekümmern
Und wir auf eines schönen alters trümmern
Hin schreiten kühl mit grausamem vergessen.
A. H.
Du sanfter seher der du hilflos starrest
In trauer über ewig welke träume
Gieb deine hand wir zeigen dir gefilde
Um saaten der erlösung hinzustreuen
[]
Wir wollen gerne sie — verborgne wunder —
Mit unsrem blut und unsren thränen pflegen
Und heiter lächelnd wirst du uns umarmen
Wenn sie vor den erstaunten blicken blühn.
A. V.
Ihr ahnt die linien unsrer hellen welten
Die bunten halden mit den rebenkronen
Den zefir der durch grade pappeln flüstert
Und Tiburs wasser weich wie liebesflöten?
Da hebt sich euer blondes haupt: kennt IHR
Der nebel tanz im moore grenzenlos
Im dünenried der stürme orgelton
Und das geräusch der ungeheuren see?
R. P.
Was frommt die weisheit dem bezirk des wahnes nahe
Die uns mit grellem blenden schreckt und überwältigt
Des einen unkund wo sie bürde wird und frevel?
Wie friedenlos du allerbleichster unsrer brüder
Durchirrst du deine traurigen und weiten lande!
Wann wirst du müde neue felder zu erobern
Und lernest einmal pflanzen pflegen und dich freuen
An dem was blüht und grünt und reift in dreien gärten?
C. S.
Du teuer uns doch rätsel das uns martert
Dein lächeln spielt: die klüfte zwischen uns
Erkennt wie ich als unergründbar an
Und haltet ihr geheimnis hoch — ja jubelt
[]
Es nie zu fassen · und wir suchen schmerzlich
Mit unsrer liebe sie zu überbrücken
Und folgen deinem wandel ohne furcht
Aus deinem antlitz dringt der blick der sieger.
L. K.
Doch unser aller heimat bleibt das licht
Zu dem wir kehren auf verschlungnen stegen ·
Magst du dich einig nennen mit den recken
Und trotzigen gewalten bracher ebnen —
Sagt nicht bei jedem treffen die umschlingung
Und dass ich oft dich suche wie du viel
In mir erregst und mir gehörst? verrät nicht
Dass du mich fliehst wie sehr ich in dir bin?
TRAURIGETÄNZE
Des erntemondes ungestüme flammen
Verloschen doch sie wirken in uns beiden
Nach kurzer trennung schritten wir zusammen
Am alten flusse mit den neuen leiden
Zum ersten male strittest du darüber
Ich selber konnte dir nicht mehr erklären
Warum die sturm- und wintertage trüber
Warum die frühlingslüfte froher wären
[]
Du streichest zürnend über deine locken
Da ich dich heute schon so ruhig finde
Ich klage fast: sind meine thränen trocken
Die thränen fern von Lilia dem kinde?
Der raum mit sammetblumigen tapeten
So waren sie zur zeit der ahnin mode —
An meinem arme bist du eingetreten
Nun reden wir vom guten tode
Die starren eisesranken an den scheiben
Entrücken uns den welten wo wir gingen
Des herdes flammen zuckend sich umschlingen
Vor ihnen lass uns eine weile bleiben
So glaubst du fest dass auch das spiel der musen
Ihn den sie liebten niemals wieder freue —
Und ist das reiche licht in deinem busen
Auch ganz erloschen? sag es mir in treue!
Es lacht in dem steigenden jahr dir
Der duft aus dem garten noch leis
Flicht in dem flatternden haar dir
Eppich und ehrenpreis
Die wehende saat ist wie gold noch
Vielleicht nicht so hoch mehr und reich
Rosen begrüssen dich hold noch
Ward auch ihr glanz etwas bleich
[]
Verschweigen wir was uns verwehrt ist
Geloben wir glücklich zu sein
Wenn auch nicht mehr uns beschert ist
Als noch ein rundgang zu zwein.
Gieb ein lied mir wieder
Im klaren tone deiner freudentage —
Du weisst es ja: mir wich der friede
Und meine hand ist zag
Wo dunkle seelen sinnen
Erscheinen bilder seltne hohe
Doch fehlt das leuchtende erinnern
Die farbe hell und froh
Wo sieche seelen reden
Da lindern schmeichelhafte töne
Da ist die stimme tief und edel
Doch nicht zum sang so schön.
Das lied das jener bettler dudelt
Ist wie mein lob das dich vergeblich lädt
Ist wie ein bach der fern vom quelle sprudelt
Und den dein mund zu einem trunk verschmäht
Das lied das jene blinde leiert
Ist wie ein traum den ich nicht recht verstand
Ist wie mein blick der nur umschleiert
In deinen blicken nicht erwidrung fand
5
[]
Das lied das jene kinder trillern
Ist fühllos wie die worte die du giebst
Ist wie der übergang zu stillern
Gefühlen wie du sie allein noch liebst.
Drei weisen kennt vom dorf der blöde knabe
Die wenn er kommt sich ständig wiederholen
Die eine wie der väter hauch vom grabe
Die eh sie starben sich dem herrn befohlen
Die andre hat die tugendhafte weihe
Als ob sie schwestern die beim spinnrad sassen
Und mägde sängen die in langer reihe
Vor zeiten zogen auf den abendstrassen
Die dritte droht — versündigung und rache
Mit altem dolch in himmel-blauer scheide
Mit mancher sippe angestammtem leide
Mit bösen sternen über manchem dache.
Stätte von quälenden lüsten
Wo ihr gestrandet seid
Lass deine sonnigen küsten
Folge dem strengen bescheid
Mach dass dein ruder erstarke
Langsam ohne gefahr
Schaukelt dann deine barke
Fort mit dem sinkenden jahr
[]
Nicht vor der eisigen firnen
Drohendem rätsel erschrick
Und zu den ernsten gestirnen
Hebe den suchenden blick!
Die wachen auen lockten wonnesam
Im veilchenteppich kam sie an das gitter
Geschmückt wie jährig für den bräutigam
Und dachte sein bis nach dem fest der schnitter
Nur eine lerche die im haine schlug
Bemerkte ihr erröten und erschrecken
Und wie in sommer-langer tage zug
Sie sann und welkte bei den eiben-hecken
Von ihrer schlanken anmut spricht allein
Bei perlen-schnüren eine seidne locke
Die eine fromme freundin birgt im schrein
Und schlichtes gras mit einem marmorblocke.
Da kaum noch sand im stundenglase läuft
So zieh ihm nach dem wandrer tau-beträuft
Die heisse luft verwehte ihn geschwind
Den freund der blumen und der sterne kind
Der eines morgens vor dem schnitt der saat
Die hände traurig vor die stirne that
Und durch wer weiss welch frühen fluch gemahnt
Im heut den lezten jugendtag geahnt
[]
Der durch kein sonnenschmeicheln mehr erweicht
Solang er schön war ohne klage leicht
Gleich einem sommervogel überm ried
An jenem tag aus unsren kreisen schied.
Trauervolle nacht
Schwarze sammetdecke dämpft
Schritte im gemach
Worin die liebe kämpft
Den tod gab ihr dein wunsch
Nun siehst du bleich und stumm
Sie auf der bahre ruhn
Es stecken lichter drum
Die lichter brennen ab
Du eilest blind hinaus
Nachdem die liebe starb —
Und weinen schallt im haus.
Wir werden nicht mehr starr und bleich
Den früheren liebeshelden gleich
An trübsal waren wir zu reich
Wir zucken leis und dulden weich
Sie hiessen tapfer hiessen frei
Trotz ihrer lippen manchem schrei
Wir litten lang und vielerlei
Doch schweigen müssen wir dabei
[]
Sie gingen um mit schwert und beil
Doch streiten ist nicht unser teil
Uns ist der friede nicht mehr feil
Um ihrer güter weh und heil.
Ich weiss du trittst zu mir ins haus
Wie jemand der an leid gewöhnt
Nicht froh ist wo zu spiel und schmaus
Die saite zwischen säulen dröhnt
Hier schreitet man nicht laut nicht oft
Durchs fenster dringt der herbstgeruch
Hier wird ein trost dem der nicht hofft
Und bangem frager milder spruch
Beim eintritt leis ein händedruck
Beim weiterzug vom stillen heim
Ein kuss — und ein bescheidner schmuck
Als gastgeschenk: ein zarter reim.
Dies leid und diese last: zu bannen
Was nah erst war und mein
Vergebliches die arme spannen
Nach dem was nur mehr schein
Dies heilungslose sich betäuben
Mit eitlem nein und kein
Dies unbegründete sich sträuben
Dies unabwendbar-sein
[]
Beklemmendes gefühl der schwere
Auf müd gewordner pein
Und dann dies dumpfe weh der leere —
O dies: mit mir allein.
Nicht ist weise bis zur lezten frist
Zu geniessen wo vergängnis ist
Vögel flogen südwärts an die see
Blumen welkend warten auf den schnee
Wie dein finger scheu die müden flicht
Andre blumen schenkt dies jahr uns nicht
Keine bitte riefe sie herbei
Andre bringt vielleicht uns einst ein mai
Löse meinen arm und bleibe stark
Lass mit mir vorm scheidestrahl den park
Eh vom berg der nebel drüber fleucht
Schwinden wir eh winter uns verscheucht.
Keins wie dein feines ohr
Merkt was tief innen singt
Was noch so schüchtern schwingt
Was halb sich schon verlor
Keins wie dein festes wort
Sucht so bestimmt den trost
In dem was wir erlost
Des wahren friedens hort
[]
Keins wie dein fromm gemüt
Bespricht so leicht den gram
Der eines abends nahm
Was uns im tag geglüht.
Mir ist kein weg zu steil zu weit
Den ich nicht ginge mein geleit
Mit dir — uns ängstet keine kluft
Und sühne steht auf jeder gruft
So kreuzen wir in wehmut nur
Der freudlos grauen aschen flur
Mit ihrem dürren gras und dorn
Doch rein von reue rein von zorn
Mein feuchtes auge späht nur fern
Nach diesem Einen aus der gern
Die harfe reich und wol gestimmt
Der unsre goldne harfe nimmt.
Die stürme stieben über brache flächen
Und machen heller ahnung voll die runde
Da wollen sich erstickte fluren rächen
Da zittert seufzen aus dem bergesschlunde
Es scheint als ob die schrecklich fernen grollen
Doch eine stimme mahnt aus friedensföhren:
Hast du mir ehdem nicht versprechen sollen
Der gräber ruh mit klage nie zu stören
[]
Ich zog vorbei am winterlichen pfahle
Vor dem wir nie in leerem weinen knieten
Ich bat dich nur der bald ihn sieht dem strahle
Des frohen lenzes meinen gruss zu bieten.
Geführt vom sang der leis sich schlang
Dir ward er leicht der ufergang
Ich sah der höhen dichten rauch
Verjährtes laub und distelstrauch
Dein auge schweift schon träumerisch
Auf eine erde gabenfrisch
Denn dein gedanke flattert fort
Voraus zu einem sichern hort
Ich frage noch wer kommt wenn sanft
Die gelbe primel nickt am ranft
Und sich das wasser grün umschilft
Der mir den mai beginnen hilft?
Entflieht auf leichten kähnen
Berauschten sonnenwelten
Dass immer mildre thränen
Euch eure flucht entgelten
Seht diesen taumel blonder
Lichtblauer traumgewalten
Und trunkner wonnen sonder
Verzückung sich entfalten
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Dass nicht der süsse schauer
In neues leid euch hülle —
Es sei die stille trauer
Die diesen frühling fülle.
Langsame stunden überm fluss
Die welle zischt wie im verdruss
Da von dem feuchten wind gefrischt
Ein schein bald blendet bald verwischt
Wir standen hand in hand am strand
Da sah sie ähren in dem sand
Sie trat hinzu und brach davon
Und fand auf diesen tag den ton
Beginnend klang er hell und leicht
Wie von dem ziel das wir erreicht
Dann ward er dumpfer als sie sang
Vom fernen glück wie bang! wie lang!
Der hügel wo wir wandeln liegt im schatten
Indess der drüben noch im lichte webt
Der mond auf seinen zarten grünen matten
Nur erst als kleine weisse wolke schwebt
Die strassen weithin-deutend werden blasser
Den wandrern bietet ein gelispel halt
Ist es vom berg ein unsichtbares wasser
Ist es ein vogel der sein schlaflied lallt?
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Der dunkelfalter zwei die sich verfrühten
Verfolgen sich von halm zu halm im scherz · ·
Der rain bereitet aus gesträuch und blüten
Den duft des abends für gedämpften schmerz.
Flammende wälder am bergesgrat
Schleppende ranken im gelbroten staat
Vor ihrem schlummer in klärender haft
Hebst du die traube mit leuchtendem saft
Lang eh sie quoll mit dem sonnigen seim
Brachtest du strauss und kranz mit heim
Und du begrüssest den lohnenden herbst
Da du von sommers schätzen erbst
Ihm ward die frucht zum genuss nicht bestellt
Der sich froh auch den knospen gesellt
Fragst du ihn so sagt er dir: weil
Man mir nahm mein einzig heil.
Der abend schwül der morgen fahl und nüchtern
Sind einziger wechsel ihrer trüben reise
Sie ganz in thränen ganz in schmerz und schüchtern
Bestimmten die gezogenen geleise
An hohen thoren wo sie eintritt heische
Ist niemand der für ihre treue zeuge
Und keine hand die fleisch von ihrem fleische
Sich bis zu ihr herniederbeuge
[]
So wird sie bald ergriffen vom getöse
Bald kehrt sie um mit seiner schlimmen beute
Und so wie früher murmelt sie noch heute
Den spruch der nahend sie erlöse.
Ob schwerer nebel in den wäldern hängt
Du sollst im weiterschreiten drum nicht zaudern
Sprich mit den bleichen bildern ohne schaudern
Schon regen sie sich sacht hinangedrängt
Wenn gras und furche auf dem pfad versteinen
Gehäufter reif die wipfel beugt versteh
Zu lauschen auf der winterwinde weh
Die mit den welken einsamkeiten weinen
So hältst du immer wach die müde stirn
Und gleitest nicht herab von steiler bösche
Ob auch das matt erhellte ziel verlösche
Und über dir das einzige gestirn.
Da vieles wankt und blasst und sinkt und splittert
Erstirbt das lied von dunst und schlaf umflutet
Bis jäher stoss das mürbe laub zerknittert
Von ehmals wilde wunde wieder blutet —
Bis plötzlich sonne zuckt aus nassen wettern
Ein schwarzer fluss die bleichen felder spreitet
Und seltne donner durch die fröste schmettern
Es merkt nur in dem zug der grabwärts gleitet
[]
Die fackeln zwischen den geneigten nacken
Der klänge dröhnen aus dem trauerprunke
Und sucht ob unter rauhen leides schlacken
Noch glimme ewig klarer freude funke.
Zu traurigem behuf
Erweckte sturm die flur
Aus finstrem tag entfuhr
Ein todesvogel-ruf
Kaum zeigt der hügelrund
Der grauen stunden flucht
Ein baum tiefhängend sucht
Nach halmen überm grund
Schon taucht die wüstenei
Zurück zum dunklen schacht
Ein ton von qual und nacht
Bricht wie ein lezter schrei.
Ob deine augen dich trogen
Durch fallender äste hauf
Treiben die kämpfenden wogen
Den strom hinauf?
Du jagest nach und sie steigen
Von fremden kräften erfasst
Wirbelndem rieselndem reigen
Folgt die begehrende hast
[]
Hüte dich führe nicht weiter
Das spiel mit schwerem kauf —
Ziehen nicht deine begleiter
Schon ihren alten lauf?
Ihr tratet zu dem herde
Wo alle glut verstarb
Licht war nur an der erde
Vom monde leichenfarb
Ihr tauchtet in die aschen
Die bleichen finger ein
Mit suchen tasten haschen —
Wird es noch einmal schein!
Seht was mit trostgeberde
Der mond euch rät:
Tretet weg vom herde
Es ist worden spät.
Wie in der gruft die alte
Lebendige ampel glüht
Wie ihr karfunkel sprüht
Um schauernde basalte!
Vom runden fenster droben
Entfliesst der ganze glanz
Von feuriger monstranz
Mit goldumreiften globen
[]
Und einem weissen lamme —
Und wenn die ampel glüht
Und wenn ihr kleinod sprüht
Ist es von eigner flamme?
Die jagd hat sich verzogen
Du bleibst mit trägem bogen —
Blutspuren unter tannen
Horch welch ein laut! von wannen?
Das ist kein lärm der rüden
Kein schrei der flüchtig-müden
Du lauschst am grund beklommen
Sollst du entgegenkommen?
Nur still! schon dringt er näher
Dir schien verirrter späher
Im widerschall der hiefe
Dass jene stimme riefe.
Es winkte der abendhauch
Mit dem geneigten glücke
Nimm und bewahr es auch
Eh dir ein andrer es pflücke
Doch wie in fesseln geschnürt
Jammert die seele erblassend
Die glückes nähe spürt
Es schauend und doch es nicht fassend
[]
Da brachte der abendhauch
Ihr die erlösende kunde:
Meine trübste stunde
Nun kennest du sie auch.
Willst du noch länger auf den kahlen böden
Nach frühern vollen farben spähn
Auf früchte warten in den fahlen öden
Und ähren von verdrängten sommern mähn?
Bescheide dich wenn nur im schattenschleier
Mild schimmernd du genossene fülle schaust
Und durch die müden lüfte ein befreier
Der wind der weiten zärtlich um uns braust
Und sieh die tage die wie wunden brannten
In unsrer vorgeschichte schwinden schnell
Doch alle dinge die wir blumen nannten
Versammeln sich am toten quell.
[]
Appendix A
GEDRUCKT IM JAHRE ACHTZEHN
HUNDERTSIEBENUNDNEUNZIG
BEI OTTO VON HOLTEN BERLIN
C IN ZWEIHUNDERT UND SECHS
ABZÜGEN DAVON DREI AUF VAN
GELDER DREI AUF JAPANPAPIER
[][][]
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Das Jahr der Seele. Das Jahr der Seele. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjd6.0