Hiſtorie und Staaten Notiz
erlaͤuterter
DISCOVRS
uͤber
Weyl. Herrn D. IO. FRANC. BVDDEI, SS.Th. Prof.,
PHILOSOPHIÆ PRACTICÆ Part. III.
Die
POLITIC,
Ehemals aus des Hochberuͤhmten Herrn Geh. Rath Gundlings ei-
genem Munde von fleißigen Zuhoͤrern in die Feder gefaſſet;
Und
nunmehro, wegen ſeiner Vortrefflichkeit, demPublicomitgetheilet.
Der angefuͤhrten Autorum und abgehandelten Materien;
Nebſt einer Vorrede
Herrn D. Jacob Auguſt Franckenſteins/
Hochfuͤrſtl. Anhalt-Zerbſtiſchen Hof- und Regierungs-Raths ꝛc.
Mit Koͤnigl. Pohlniſchen und Churfuͤrſtl. Saͤchſiſchen
Allergnaͤd.PRIVILEGIO.
[[2]][[3]]
Vorrede.
DIe Politic iſt eine von denjenigen
Wiſſenſchafften/ welche die alten
und neuen Welt-Weiſen zum Theil
gar langſam in Ordnung gebracht/
zum Theil zu deren Verbeſſerung
noch zur Zeit ſchlechte Bemuͤhung
angewendet. Denen Peripateti-
ſchen Philoſophen muß Cicero den
Ruhm zugeſtehen/ daß ſie ſich we-
gen ihrer groſſen Erfahrenheit/ um die Politic bekuͤmmert,
und daher von andern die Philoſophi Politici genennet worden.
Der erſte/ ſo was tuͤchtiges von Einrichtung des Staats
geſchrieben, war der kluge Plato, deſſen Buͤcher noch bis auf
unſere Zeiten ſind erhalten worden. Jedoch es hatte dieſer
gelehrte Mann viele Sachen in ſein Werck geſetzet/ welche ſich
in der Welt ſchwehrlich practiciren laſſen/ deſſentwegen man
dergleichen Vorſchlaͤge/ ſo niemand leicht ins Werck ſetzen
a 2kann/
[4]Vorrede.
kann, ideas Platonicas genennet. Einige haben aus dieſer
Urſache vermeinet/ es muͤſſen erſt Menſchen gebohren wer-
den/ die ſich nach Platonis Kopffe einrichteten/ und haben die-
ſen Sinnreichen Mann allzuſehr herunter gemacht/ andere
hergegen erheben ihn bis in den dritten Himmel/ worinnen
beyderſeits ſehr fehlen. Denn es ſtehen ſehr gute Sachen in
dem Platone, welche man noch jetzo wohl gebrauchen kann/ es
ſind aber auch darin gewiſſe Puncte vorgetragen/ welche wohl
zu wuͤnſchen/ aber nicht zu hoffen ſeyn/ wobey der ehrliche Mann
in die Moral zum oͤfftern ausgeſchweiffet/ da doch jede Wiſſen-
ſchafft von der andern beſtmoͤglichſt zu unterſcheiden. Wer ein
mehrers davon zu wiſſen verlanget/ kan des Antonii Monteca-
tini, Sebaſt. Foxii, Marſilii, Gangliani Commentarios uͤber
den Platonem nachſchlagen. Aus Platonis Lehre kam der ge-
lehrte Ariſtoteles, welcher ſeinen Lehrmeiſter in denen Libris
Politicis ſehr uͤbertroffen/ indem er nicht allein beſſere Reguln
gegeben/ welche noch jetzo groſſen Theils gar wohl ſtatt finden/
ſondern auch exempel aus der Hiſtorie zum richtigen Beweiß-
thum beygefuͤget/ und uͤberhaupt eine beſſere Ordnung/ als
Plato/ gezeiget. Der groſſe Alexander ſoll ihm hierzu groſſen
Vorſchub gethan haben/ und ich getraue mich ohne Scheu zu
ſagen/ daß/ da man in andern philoſophiſchen Wiſſenſchafften
heut zu Tage von dem Ariſtotele ſehr abgegangen/ und auf weit
beſſere Wege gerathen/ dennoch in der Politic alle das Haupt-
Werck aus dem Ariſtotele abgeborbet werde/ ohngeachtet die
Pralerey ſolches vielen verſchweigen machet. Nach der Zeit
ſind wenige Griechiſche Philoſophen bemuͤhet geweſen/ die Po-
litic in ein beſſer Licht zu ſetzen/ indem Plutarchus in ſeinen Præ-
ceptis Politicis allzukurtz iſt. Hæraclidæ Pontii Tractatus de
Politicis, welchen Nicolaus Cragius mit einer Lateiniſchen Ue-
berſetzung herausgegeben/ noch ſchlechter zu achten/ und Theo-
phraſti, Demetrii Phalerei und Antiſthenis Schrifften vor-
laͤng-
[5]Vorrede.
laͤngſten verlohren gegangen. In Rom/ welches ſonſten die
gelehrteſten Scribenten hervorgebracht/ wurde die Politic gantz
unter die Banck geſteckt/ Cicero ſoll zwar ein Buch de Repu-
blica geſchrieben haben/ welches aber nicht bis auf unſere Zei-
ten erhalten worden; ja es ſcheinet/ daß die Roͤmer nicht gerne
geſehen/ wenn man von den Staats-Sachen allzufrey urthei-
len wolte; inzwiſchen vermercket man gar wohl/ daß die Roͤ-
mer in der Politic keine unwiſſenden Leute geweſen/ weil ihre
Geſchicht-Schreiber hier und da die ſchoͤnſten Gedancken von der
Politic einmengen/ daher manche in denen Gedancken ſtehen/
daß aus ſelbigen die wahre Politic vollkommen moͤge erlernet
werden. Vor andern wird in dieſem Fall der Tacitus geprie-
ſen/ dahero ſo viele Commentatores ihre Arbeit uͤber denſelbi-
gen verfertiget/ wiewohl ich der ſichern Meinung bin/ daß aus
dem Tacito mehr geſchloſſen werde/ als Tacitus ſelbſt vielleicht
in ſeinen Gedancken gehabt. Nachdem die Chriſtliche Religi-
on durch des Hoͤchſten Gnade auch an der Roͤmiſchen Kayſer
Hofe ausgebreitet worden/ und die Geiſtlichkeit nach und nach
mehrere Gewalt an ſich zog/ auch ſonderlich den ſaubern Unter-
ſcheid zwiſchen dem Staat und deꝛ Kirche aufbrachten/ unterſuch-
ten ſie mit Fleiß die politiſchen Kuͤnſte/ ihre Autoritæt dadurch ſte-
tig mehr zu erheben. In unſerm werthen Teutſchland mag
wohl zu Caroli M. Zeiten ein ziemlicher Begriff von der Staats-
Klugheit geweſen ſeyn/ wie dieſes groſſen Kayſers unvergleich-
liche Thaten einiger maſſen an den Tag geben/ allein unter ſei-
nem Sohne/ Ludwig dem Frommen/ bis faſt auf die Zeiten
Maximil. I. iſt die Politic ſchrecklich aus denen Augen geſetzet
worden/ indem die Geiſtlichen ſich allein dahin beſtrebten/ ihr
Anſehen zu erhoͤhen/ und denen weltlichen Herren einen Dunſt
vor die Augen zu machen; Der Nahme der Politic war denen
Leuten ſo unbekant/ als der Kuh ein neues Thor; ſieben philo-
ſophiſche Wiſſenſchafften wurden auf denen Univerſitaͤten ge-
a 3leh-
[6]Vorrede.
lehret/ darunter aber die Ethica und Politica nicht waren/ da-
mit ja die Weltlichen nicht zu klug werden ſolten. Hernach kam
des Ariſtotelis Philoſophie ziemlich in Gebrauch/ ſonderlich auf
der Pariſer Academie im 12ten Seculo, dagegen Auguſtini
Schrifften/ derer man ſich bishero bedienet hatte/ bey Seite
geleget wurden. Die Geiſtl. wiederſetzten ſich zwar der Ari-
ſtoteliſchen Welt-Weisheit ſo gar/ daß Ao. 1209 Ariſtotelis
aus der Griechiſchen ins Lateiniſche uͤberſetzten Buͤcher ver-
brandt/ und deren Leſung bey Strafe des Kirchenbannes
verbothen wurde. Wenige Zeit darnach nahm die Peripa-
thetiſche Lehre dermaſſen uͤberhand/ daß man lieber Ariſtote-
lis Schrifften/ als untruͤgliche Buͤcher ausgeben wolte/ darwi-
der kein vernuͤnftiger Menſch etwas ſagen duͤrfte/ weil bey de-
nen Philoſophis ein Text aus dem Ariſtotele, ſo viel als bey de-
nen Juriſten ein Lex aus dem Codice gelten muͤſſe/ deswegen
der gute Petrus Ramus einen toͤdtlichen Haß von denen andern
Gelehrten ſich auf den Halß weltzte/ weil er die heil. Ariſtoteli-
ſche Philoſophie verachtet hatte. Indeſſen ſcheinet die Politica
Ariſtotelis ſpaͤter/ als die andern Diſciplinen in das Lateiniſche
uͤberſetzet/ und auf den Univerſitæten eingefuͤhret zu ſeyn/ wie
Conring in der Meynung ſtehet; welches auch daraus zu erſe-
hen/ weil uͤber die andern Buͤcher des Ariſtotelis faſt unzehlige
Commentarii geſchmieret worden/ da hergegen uͤber ſeine Po-
liticam ſich wenige gemacht haben. Als das Roͤmiſche Recht
auf denen Univerſitæten eingefuͤhret wurde/ ſo erſahen die
Rechts-Gelehrten/ daß ſie in Erklaͤhrung derer Roͤmiſchen Ge-
ſetze ohne die Politic ſchwehrlich fortkommen koͤnnten; ſie ver-
ſpuͤreten/ daß die Geiſtl. Zeithero dieſe noͤthige Wiſſenſchafft
betruͤglich vor ihren Augen verborgen; die Kayſer merckten/
daß die Civiliſten/ wie man ſie damahls zu nennen pflegte/ wi-
der die angemaſte Gewalt des Paͤbſtlichen Stuhls ihnen gute
Rathſchlaͤge ertheilen koͤnnten; doch darmit war das Haupt-
Werck
[7]Vorrede.
Werck zur Beſſerung der Politic noch nicht gethan; Das Roͤ-
miſche Recht enthalt nicht allemahl die richtigſten Gruͤnde von
der Politic/ die Schluͤſſe wollen nicht allemahl genau aneinan-
der hangen/ und es finden ſich viele Puncte/ welche bey denen
meiſten Staaten heutiger Zeiten ſchwehrlich ſtatt finden wuͤr-
den. Nach den Zeiten der heilſamen Reformation wurden
zwar die Univerſitæten in vielen gebeſſert/ und vor andern in
theologiſchen Sachen eine weit tuͤchtigere Lehr-Art eingefuͤh-
ret/ welches aber bey der Rechts-Gelahrheit und der Welt-
Weißheit groͤſten Theils unterbliebe. Ariſtoteles bliebe noch
das groſſe Oracul, ja es wurden auf manchen Univerſitæten
Befehle gegeben/ daß die Leute ſich in der Philoſophie nach dem
Ariſtotele richten muͤſten. Jedoch ſcheinet es nicht gar zu ge-
wiß/ daß man Ariſtotelis Politic alſo fort gelehret/ da wir dar-
gegen erſehen muͤſſen/ daß die theoretiſchen Wiſſenſchafften/ als
die Logica, Metaphyſica, und dergleichen/ uͤberall mit groſſem
Fleiß erklaͤhret worden. Man ſetzte etwan einen Profeſſorem
Ethices, der die gantze practiſche Philoſophie vortragen ſolte/
aus welcher Urſache es nachgehends mag geſchehen ſeyn/ daß auf
denen meiſten Univerſitæten dem Profeſſori Moralium die Po-
litic zugleich anvertrauet wurde. Im verwichenen Seculo wur-
de die Moral und das Recht der Natur durch die gelehrteſten
Männer Grotium, Seldenum, Hobbes, Pufendorf, Tho-
maſium und Titium in ein heller Licht verſetzet/ wodurch auch
die Politic/ welche mit jenen Wiſſenſchafften gar genau verknuͤp-
fet iſt/ ungemein erlaͤutert wurde. Inzwiſchen wolte ſich doch
niemand recht uͤber die Politic machen/ und dieſelbige in eine
tuͤchtige Ordnung und Geſchicke bringen. Die Theologi ver-
meinten/ ſie brauchten dieſen Theil der Philoſophie eben ſo noͤ-
thig nicht/ ohngeachtet ſie darinnen ſich gewaltig vergangen. Die
Juriſten ſahen/ daß ihnen die Politie hoͤchſtnoͤthig waͤre/ allein
ſie griffen es an dem unrechten Orte an/ und wolten aus dem
Roͤ-
[8]Vorrede.
Roͤmiſchen Rechte dieſe Lehre erklaͤhren/ worinn man gerade
die Pferde hinter den Wagen ſpannte; deßwegen beklagt ſich
noch der beruͤhmte Morhof in ſeinem Polyhiſtore, Tomo 3. lib.
2. par, 11. daß man noch zur Zeit kein vollkommen politiſches
Syſtema aufweiſen koͤnne. Es giebt zwar Politiquen genug/
doch ſind die meiſten ſo beſchaffen, daß ſie ſolchen Nahmen nicht
verdienen. Denn einige ſind dem Ariſtoteli blindlings gefol-
get/ welcher doch vornehmlich die Griechiſchen Republiquen vor
Augen gehabt/ oder ſonſten viele zu ſeiner Zeit gebraͤuchliche
Puncte vorgetragen/ da man das zehnte mahl dieſelbigen Sa-
chen auf unſere heutigen Staaten nicht appliciren kann. An-
dere haben wollen kluͤger thun/ haben ihren Affecten allzuſehr
nachgehangen/ und entweder hoher Potentaten Gewalt gar zu
hoch erhoben/ wie der beruͤhmte Machiavellus, oder haben dem
Volcke allzuviele Freyheit zugeſchrieben/ wie der bekannte Bu-
chananus de jure Regni apud Scotos ſich in dieſem Falle ver-
gangen. Wiederum andere haben es darinne verſehen/ daß ſie
nicht aus ſichern Haupt-Gruͤnden die gantze Politic hergeleitet/
ſondern auf einige nuͤtzliche Specialia gefallen/ und daher den
groͤſten Theil ihrer Wercke mit juriſtiſchen Fragen/ Gedancken
aus dem Staats-Rechte/ und beſondern Particularitæten von
dieſem oder jenem Staate angefuͤllet/ dabey aber die Politic/
deren doch ihre Wercke eigentlich ſolten gewidmet ſeyn/ bey nahe
gantz vergeſſen. Ferner haben fich einige nur daruͤber gemacht/
daß ſie nicht den Zuſtand derer heutigen Staaten vor Augen ge-
legt/ ſondern eine Politic hingeſchrieben/ nach der Art/ wie ſie
ſich die Einbildung gemacht/ daß die Staaten beſſer einzurich-
ten waͤren/ wohin des Mori Utopia, Baconis, de Verulamio
novus Atlas, und die bekannte Hiſtoire des Severambes zu rech-
nen/ wiewohl dieſer guten Leute ihre Erfindungen theils fabel-
hafft herauskommen/ theils mehr zu wuͤnſchen/ als in wuͤrck-
lichen Gebrauch zu bringen. Uber dieſes ſind einige geweſen/
wel-
[9]Vorrede.
welche aus der alten Lateiniſchen und Griechiſchen Scribenten Schriff-
ten und Worten ihre Politiquen zuſammen gefuͤget/ wohin Juſtus
Lipſius mit ſeiner Politica billig zu rechnen. Allein es kommet ja
wol auf einerley hinaus/ ob ich eine Sache mit meinen oder eines alten
Autoris Worten ſage/ wenn ich nur die Wahrheit vorbringe/ ja es
ſcheinet offt prahleriſch/ wenn man ohne Urſache nur eine Menge al-
ter Autorum anfuͤhret/ und was das ſchlimmſte/ ſo hat man oͤffters
aus Liebe zu denen Alten die Wahrheit ſelber verfehlet. Die meiſten
haben nur gewiſſe Obſervationes und Axiomata Politica verfertiget/
oder nur einige politiſche Fragen unterſuchet/ dergleichen Beccmann
gethan/ oder habẽ uͤber etl. Autores Claſſicos politiſche Gedancken ent-
worffen/ wie etwan Macchiavelli ſopra la prima Decade di Livio
und Trajano Boccalini uͤber den Tacitum aufgeſetzt. Einzeler Di-
ſputationum zu geſchweigen/ ſo haben auch andere die Politic unter
allzuſpeciellen Titeln vortragen wollen/ als wie Varillas de L’Edu-
cation des Princes und Wagenſeil unternommen/ dabey aber
mancher Punct auſſen blieben/ der darein gehoͤret haͤtte/ und her-
gegen andere Sachen eingemiſchet worden/ welche mit guten Fug
haͤtten wegbleiben koͤnnen. Viele haben ſich gar einbilden wollen/
daß man nimmermehr eine tuͤchtige Politic zu Stande bringen wuͤr-
de/ weil uͤberhaupt die practiſchen Diſciplinen in der Philoſophie kei-
nen gewiſſen Grund haͤtten; welchen Fehler aber der nnvergleichliche
Pufendorf de jure Nat. \& Gentium Lib. 1. cap. 2. laͤngſtens wieder-
leget. Die gröſte Schwuͤrigkeit ſcheinet nur darinne beruhet zu ha-
ben/ daß diejenigen/ ſo von der Politic ſonſten ſchreiben wollen/ in der
Hiſtorie und Staats Recht derer unterſchiedenen Reiche und Lande
gar nicht/ oder wenigſtens ſchlecht erfahren geweſen/ dahero ſie faſt
ohnmoͤglich in der wahren Politic recht fortkommen/ ſondern
meiſtlich nur Hirn-Geburthen aushecken koͤnnen. Wir wollen dan-
nenhero die wichtigſten Scribenten kuͤrtzlich anſehen/ welche Syſtema-
ta Politica geſchrieben/ ſie moͤgen groß oder klein ſeyn/ wobey ich mei-
ne wenige Beurtheilung beyfuͤgen will/ jedoch ohne jemand zu nahe
zu treten/ oder meine Meynung jemand aufzudringen. Johannis
bAl-
[10]Vorrede.
Althuſii Politicam zu Herborn. 1655 in 8vo gedruckt/ wolten eini-
ge ſonſten æſtimiren/ doch kann ich die groſſe Herrlichkeit darinn nicht
erſehen. Beſſer iſt Balthaſaris Cellarii Politica ſuccincta zu Jena
1653 in 8./ welcher beyzufuͤgen Ioannis Chriſtophori Beccmanni
Meditationes Politicæ zu Franckfurth an der Oder 1679 in 8./ weil
ſich dieſelben mehr nach unſern teutſchen Zuſtand richten. Iohannis
Friderici Hornii Architectonica Politica, vormahls zu Utrecht
1663 in 12, und nachgehends zu Franckfurth 1672 gedruckt/ iſt un-
vollkommen und gar nicht accurat, will auch viele Neuerungen ma-
chen/ wozu ſich der gute Mann ſchlecht ſchickte. Daniel Claſenii Po-
litica zu Magdeburg 1655 in 8. iſt ſehr deutlich/ und mit gar leidlichen
Hiſtorifchen Exempeln abgefaßt/ daher es unter denen Alten noch vor
eine von den beſten zu nennen. Georgii Schoenborneri Politicam
wollen einige wegen derer aus dem Staats-Recht eingewiſchten Ma-
terien loben/ wenn nur erſt der liebe Mann das Staats-Recht ſelber
recht verſtanden haͤtte. Chriſtiani Matthiæ Syſtema politicum
1678 in 4. dienet mehr zum diſputiren als ſonſten/ und hat mir ſchlech-
ten Troſt gegeben. Henningii Arniſæi relectiones politicæ zu Straß-
burg 1648. in 4. ſind unvollkommen/ und wollen vieles aus der
Antiquitæt beweiſen/ welches ſich aber oͤffters reimet/ als wie die
Fauſt auf ein Auge. Chriſtophorus Beſoldus in opere politico zu
Franckfurth 1617 in 4. und zu Straßburg 1641. in 4. hat mehr
auf gewiſſe ſpeciel-Puncte in ſeinen Diſſertationibus daſelbſten ge-
ſehen/ als daß er ein rechtes Syſtema hätte aufſetzen ſollen: Er iſt
zwar in einigen Sachen ziemlich zu gebrauchen/ allein er hat ſich all-
zuſehr an einige vorausgeſetzte Reguln gebunden/ da man die Po-
litic vielmehr aus tuͤchtigen rationibus und Hiſtoriſchen Exempeln
herleiten muß. Marcus Zuerius Boxhornius in inſtitutionibus po-
liticis zu Amſterdam 1663 in 12./ woruͤber auch Georgius Hornius
zu Leipzig 1657 in 12. Noten heraus gegeben/ desgleichen Adrianus
Houtyn in politica contracta generali in Grafenhag 1681 in 8. ha-
ben etwas allzufrey und theils bey unſern Teutſchen gefaͤhrliche
Meynungen/ u. werden bey nahe unter diejenigen gezehlet/ welche die
Mo-
[11]Vorrede.
Monarchiſche Regierung allzuſehr anfechten. Iohannis Henrici Boe-
cleri Inſtitutiones politicæ zu Straßburg 1674 und 1688 in 8. geben
wohl Gelegenheit der Sache weiter nachzudencken/ doch ermangeln
darinne verſchiedene zur Politic gehoͤrige Puncte/ und ſcheinen zu
mehrerer Erlaͤuterung in privat Collegiis geſchrieben zu ſeyn. hri-
ſtiani Weiſii compendium politicum 1682 und 1691 in 8. kan jungen
Leuten ziemlich dienen/ ſcheint aber nicht vor Univerſitaͤten recht ein-
gerichtet zu ſeyn/ und zeiget ſonderlich eine ſchwache Erkaͤntniß in der
dazu unentbehrlichen Hiſtorie. Iuſti Lipſii Politicorum ſeu doctri-
næ civilis libri VI. Leiden 1590 in 8. verdienen billig eine beſondere
Hochachtung; Es wird indeſſen Iohannis Freinshemii Edition zu
Straßburg 1648 in 8. vor beſſer gehalten/ worbey auch des letztern
Monita \& Exempla politica mit angefuͤget/ doch gehen ſolche nur auf
die beyden erſten Buͤcher/ und die Exempel ſind nur aus der alten
Hiſtorie hergenommen/ welche ſich nicht allzuwohl ſchicken. Iohan-
nis Chokier Theſaurus Aphoriſmorum politicorum, welcher erſt
zu Rom 1610 in 4., hernach zu Luͤttig 1642 in fol. gedruckt worden/
giebt einen leidlichen Commentarium uͤber den Lipſium ab/ worinn
aber eben der Mangel der neuern Hiſtorie und der Fehler in rationi-
bus, ſo nicht allemahl die gruͤndlichſten/ ſehr zu deſideriren. Es hat
auch Iohann Henricus Boeclerus ad Lipſii politicam prælectiones
aufgeſetzt/ welche Iohann Henricus Molenbeccius unter Boecleri tra-
ctatibus poſthumis zu Franckfurth 1709 in 8. herausgehen laſſen/ je-
doch ſind meiſtens die opera poſthuma von mittelmaͤßiger Wichtig-
keit. Ioh. Philipp. Slevogt ſchrieb eine Diſſertation de Iuſto Lipſio,
deque libris ejusdem politicis, welcher er aber ſeinen Nahmen nicht
vorgeſetzt/ indeß verdienet ſie wohl geleſen zu werden. Das fchoͤnſte
Werck uͤber den Lipſium iſt allerdings zu nennen Iohann Friedrich
Reinhardi Theatrum prudentiæ elegantioris ex Iuſti Lipſii libris
politicorum erectum, cum Præfatione Conradi Samuelis Schurtz-
fleiſchii, zu Wittenberg 1702 in 4. worinne er dasjenige/ was Lipſius
gar zu kurtz gefaßt/ weitlänfftiger erklaͤrt/ ſolches offte mit guten Ex-
b 2empeln
[12]Vorrede.
empeln erlaͤutert/ wiewohl zu bedauren/ daß er dieſelben meiſtens nur
aus der alten Hiſtorie gebraucht; jedoch ſind ſonſten ſchoͤne Sachen
darinnen znſammen geſammlet. An Lipſio iſt dieſes uͤberhaupt zu
tadeln/ daß er die Monarchie nur erhebet/ da doch die Leute auch von
der Ariſtocratie und Democratie zu wiſſen noͤthig haben. Der be-
ruͤhmte Hermannus Conring gab des Macchiavelli Principem in der
Lateiniſchen Ueberſetzung Telii mit einigen Noten heraus/ hat auch
Propolitica geſchrieben/ welche der Hr. [Profeſſor] Boehmer, Abt zu
Luckum ediret/ in welchen ſchoͤne Sachen ſtehen/ jedoch keine vollkom-
mene Politic zeigen. Rudolphi Godofredi Knichenii Opus politi-
cum, Franckfurth/ 1682 in 4., und Wolfgangii Heideri Philoſophiæ
politicæ ſyſtema zu Jena 1728 in 4. ſind beyderſeits nicht ſonderlich
geachtet. Iohannis Nicolai Hertii Elementa prudentiæ civilis zu
Franckfurth 1703 in 8. wuͤrden vor andern den beſten Werth verdie-
nen/ indem alles Noͤthige darinn zu ſehen/ und aus der neuern Hi-
ſtorie ſchoͤne Exempel und Beweißthuͤmer angefuͤhret/ daher ihn
auch etliche zum Grunde ihrer Collegiorum geleget; Allein er iſt offt
zu weitlaͤufftig/ und bindet ſich gar zu ſehr an den Ariſtotelem, daher
auch ſeine Gruͤnde manchen nicht anſtehen werden. Ephraim Ger-
hardi Einleitung zur Staats-Lehre/ zu Jena 1713 in 8. Iohannis
Iacobi Lehmanni kurtze doch gruͤndliche Anleitung/ die allgemeine
und Staats-Klugheit gruͤndlich zu erlernen und leicht zu practiciren/
Jena 1714. 8. iſt gar leidlich abgefaßt, jedoch allzu Theoretiſch/ wo-
hin auch Andreæ Rüdigeri Klugheit zu leben und zu herrſchen, Leip-
zig 1722 8 gehoͤret/ welcher ſonſt nach dem Sinn und Lehr-Art des
Buddei ſeine Gedancken eingerichtet/ und hier und dar artige Sachen
eingemiſcht/ dagegen die Hiſtoriſche Application mangelt/ und ſich
dabey mancher Punct zeigt/ welcher gar nicht angeht. Iulii Bern-
hardi von Rohr Einleitung zur Staats-Klugheit/ Leipzig 1718 8.
hat in vielen Stuͤcken des Seckendorfs Fuͤrſten-Staat vermehret
und ergaͤntzet/ kann aber vor keine voͤllige Politic paſſiren. Chri-
ſtiani Wolfii vernuͤnfftige Gedancken von dem Geſellſchafftlichen
Leben der Menſchen/ Halle 1721. 8. hat zwar ſehr ausgeſonnene
Gruͤn-
[13]Vorrede.
Gruͤnde vorgeſtellet/ welche aber wegen Mangel der Hiſtorie wie-
derum nicht allemahl ſtatt finden wuͤrden. Iohannis Adolphi Hoff-
manni Obſervationum politicarum, ſive de Republica Libri X. zu
Utrecht/ 1719 8. werden wegen ihrer natuͤrlichen Ordnung/ net-
ten Schreib-Art und auserleſenen Exempeln geruͤhmet; nun habe
ich zwar das Werck nicht geſehen/ habe aber von einigen vernom-
men/ daß es etwas allzufrey ſeyn ſoll. Meinen Gedancken nach/ da
faſt alle durchgehends uͤber den Mangel einer guten Politic klagen/ ſo
ſcheinet es mir/ es muͤſſe ein ſolches Buch ſo aufgeſetzet werden/ daß
man darinnen tuͤchtige Gruͤnde faͤnde; unpartheyiſche/ jedoch keine
gefaͤhrliche Vorſchlaͤge darinnen erblickte/ das Utile von dem Decoro
uud Iuſto deutlich unterſchiede/ bey allen Sachen ſo fort die Hiſtori-
ſche praxin ſonderlich aus der neuen Hiſtorie/ ſo viel als moͤglich/ zei-
gete/ woraus man gleich erkennen wuͤrde/ ob die Saͤtze pur in Theo-
retiſchen Grillen beruheten/ oder ob es ſich auch in der That alſo er-
weiſen lieſſe. Dannenhero gehoͤrete zu einem ſolchen Werck ein
gruͤndlicher Philoſophus, der zugleich einen beleſenen Hiſtoricum und
guten JureConſultum abgaͤbe; nicht zwar/ daß ich dadurch Medicos
und Theologos verachte/ ſondern weil hierbey das Iuſtum allzugenau
mit dem Utile muß zuſammen gehalten werden/ da doch die Herren
Theologi und Medici das lus offt gantz negligiret. Aus dieſer Ur-
ſache machte man ſich groſſe Hoffnung/ daß der Seel. Hr. Geheimde
Rath Gundling/ welcher in vielen andern Stuͤcken die Gelehrſamkeit
in ein heller Licht geſetzet/ durch die von ihm verſprochene Politic auch
was vollkommneres an den Tag ſtellen wuͤrde/ als wir bis anhero
geſehen/ weil er alle nur beruͤhrte Qualitæten beſaß/ welche gleich vor-
her angezeigt worden. Es kamen auch einige Bogen davon zum
Vorſchein, welche aber nur ein Project zu einem vollkommenen Wer-
cke ſchienen/ und die gantze Sache ward durch den fruͤhzeitigen Todt
dieſes groſſen Gelehrten unterbrochen. Es hatte aber der ſel. Mann
in Ermangelung ſeiner eigenen Arbeit/ zu dem Nutzen ſeines zahlrei-
chen Auditorii aus des beruͤhuten Buddei dritten Theil derer Ele-
mentorum Philoſophiæ die Politic vorgetragen/ weil darinnen die
Lehre von denen Pflichten der Obrigkeit und Unterthanen deutlich
b 3von
[14]Vorrede.
von einander unterſchieden/ und die Regeln der Klugheit von denen
Gruͤnden der Gerechtigkeit und Erbarkeit mit ziemlichen Fleiß ab-
geſondert/ deswegen dieſe Saͤtze auch dem Hn. Gundling gefielen/
ſolche mit mehrerm deutlich zu erleutern/ die etwan ermangelten
Materien an gehoͤrigem Orte beyzufuͤgen/ und alles durchgaͤngig
mit denen ſchoͤnſten neuern hiſtoriſchen Exempeln zu erweiſen; wel-
ches verſchiedene fleiſſige Zuhoͤrer bewogen/ ſelches auf das genaue-
ſte nachzuſchreiben/ ihre Manuſcripta hernach gegen einander zu hal-
ten/ und in zweifelhaften Sachen ſich von dem ſeel. Mann die Eroͤr-
terung auszubitten/ ſo daß man von dieſem Wercke ſich dasjenige
ziemlich verſprechen kann/ was der ſeel. Hr. Geheimde Rath etwa
davon ſelbſt wuͤrde aufgeſetzet haben. Aus ſothanen tuͤchtigen Ma-
nuſtriptis iſt gegenwaͤrtige Auflage zum Druck befoͤrdert worden/
damit ſich die Gelehrten derer nuͤtzlichen Gundlingiſchen Gedancken in
der Politic bedienen koͤnnten. Es handelt das Werck nach einigen
kurtzen Prolegominis von dem Nutzen der Politic/ in dem Capite I.
de Natura et Indole prudentiæ civilis, in capite II. de variis homi-
num ſtatibus, in capite III. de incommodis quæ homines in omni-
bus ſtatibus premunt, in capite IV. de vera cuiuslibet ſtatus felicita-
te, in capite V. de mediis ſtatum conſervandi, und zwar in der ſe-
ctionel. de Mediis cuiuscunque ſtatum conſervandi, ſeu prudentiæ
ſtatus regulis generatim, ſect. II. de prudentia ſtatus oeconomici, ſect.
III. de prudentia ſtatum reipublicæ conſervandi in genere, ſect. IV. de
prudentia ſtatus circa leges et iudicia, ſectione V. de prudentia ſta-
tus circa poenas et præmia, ſectione VI. de prudentia ſtatus circa
miniſtros et magiſtratus inferiores, ſectione VII. de prudentia ſta-
tus circa ærarium, tributa et vectigalia, ſectione VIII. de pruden-
tia circa commercia et rem monetariam, ſectione IX. de prudentia
ſtatus circa religionem, ſectione X. de prudentia ſtatus circa foe-
dera et legatos, ſectione XI. de prudentia ſtatus circa bellum et pa-
cem, ſectione XII. de prudentia ſtatum civitatis monarchicæ et in
ea ſtatum imperantium couſervandi, Sectione XIII. de prudentia
ſtatum civitatis Ariſtocraticæ et Democraticæ, et in iis ſtatum impe-
rantium conſervandi, ſectione XIV. de Prudentia aulica; In wel-
chem
[15]Vorrede.
chem allen der ſeel. Mann dasjenige/ was zur vollkommenen Er-
kaͤntniß der Politic nach obbeſagtem noͤthig ſchiene/ beſtmoͤglich ange-
bracht/ ſo viel als in einem freymuͤthihen Diſcours hat koͤnneu vor-
geſtellet werden/ wobey man den muntern Geiſt des ſeel. Hn. Gund-
lings uͤberall gewahr wird. Den Nutzen von dieſer Arbeit werden
diejenigen gar leicht erſehen/ welche einer ſo wichtigen Diſciplin wei-
ter nachzudencken belieben wollen; und obgleich hier und dar einige
Fehler in dieſen Abdruck moͤchten eingeſchlichen ſeyn/ ſo wird doch der
Geneigte Leſer hoffentlich ſolche mit leichter Muͤhe aus denen am En-
de angehaͤngten erratis, wobey man auch minutiſſima bemercket/
corrigiren koͤnnen/ und ſolches deſto guͤtiger auszulegen belieben/
weil das Buch nicht an dem Orte gedruckt/ wo ſich der Editor befin-
det/ zumahl da man oft erfahren muß/ daß Buͤcher/ ſo mit aller
Sorgfalt von denen heraußgebenden bey Dero Anweſenheit durch-
gegangen worden/ in den Druckereyen dennoch aus Uberſehung
ziemlich falſch aus der Preſſe gekommen. Hienaͤchſt hoffe die Bil-
ligkeit zu genieſſen/ daß man mir die freymuͤthigen Gedancken des
ſeel. Hn. Geheimden Raths/ nicht aufbuͤrden werde/ indem das
Werck im Druck fertig ware/ als es mir zur Verfertigung einer
Vorrede dargereichet ward/ und ſonſt das Ketzermachen und der-
gleichen gar zu bekant iſt. Ich habe keinen Zweifel/ daß gegenwaͤr-
tiger politiſcher Diſcours des ſeel. geheimden Rath Gundlings von
dem Leſer mit eben dem Vergnuͤgen/ als der vor einiger Zeit her-
aus gekommene Diſcours uͤber die Reichs-Hiſtorie werde anfgenom-
men werden/ indem der haͤuffige Abgang beſagter Gundlingiſchen
Reichs-Hiſtorie ſolches gnugfam verſpricht. Dieſem ſollen mit
naͤheſten folgende Collegia des ſeel. Hn. Gundlings, als 1) deſſen Diſcurſe uͤber
den Weſtphaͤliſchen und Badiſchen Frieden, welche gleichſam den andern Theil
der bereits herausgegebenen Reichs-Hiſtorie ausmachen. 2) Die Diſcurſe uͤber
die Europaͤiſchen Staaten. 3) Uber die Hiſtoriam litterariam, und 4) uͤber
Ioh. Schilteri Ius feudale im Drucke folgen, ſo auch zum Theil ſchon wuͤrck-
lich unter die Preſſe gegeben, und mit allen moͤglichſten Fleiß und accurateſſe an
das Licht ſollen geſtellet werden. Hiernaͤchſt hat man uͤber jetzt bemeldte Col-
legia insgeſamt ſowohl als uͤber die bereits edirte Reichs-Hiſtorie ein Koͤnigl.
Polniſches und Churfuͤrſtlich Saͤchſiſches allergnaͤdigſtesprivilegium
aus-
[16]Vorrede.
ausgebracht, und ſolches bereits an verwichener Oſter-Meſſe 1732 gehoͤrig inſi-
nuiret. Indeſſen hat ein gewiſſer Autor in denen Gelehrten Zeitungen im 59ten
Stuͤck kund gethan, daß er ſich entſchloſſen habe, verſchiedene von dem Seel.
Hn. Geheimden Rath Gundling ehemals gehaltene Collegia nach und nach
herauszugeben, daher man ſich gemuͤßiget befunden, jederman auch hiemit fuͤr
Schaden und Verdruß zum voraus zu warnen. Haͤtte der vermeinte fleißi-
ge Zuhoͤrer des ſeel. Hn. Gundlings dergleichen Arbeit unternehmen wollen, ehe
ein anderer den Verlag gewaget, ſo waͤre es ihm unverwehret geweſen; wie ihm
denn freygelaſſen wird, andere im vorgedachten allergnaͤdigſten privilegio
nicht ſpecificirte Gundlingiſche Collegia nach Gefallen heraus zu geben; dage-
gen aber ſoll er verſichert ſeyn, daß nach dem an mich uͤberſchriebenen Vermel-
den, man das disfalls erlangte Recht wider alle Eingriffe nachdruͤcklich proſequi-
ren werde. Was uͤbrigens der obgedachte unbekannte Autor wider die ſchon
herausgebene Reichs-Hiſtorie vorbringen wollen, ſcheinet mit ſich ſelbſt zu ſtrei-
ten, wenn er vorhero bekannt, daß ſolche Arbeit ihre Liebhaber gefunden, derer
und anderer unpartheiſcher Gelehrter Urtheil man hierunter mehr trauen kan,
als dem paßionirten Vorgeben eines eintzigen gewinnſuͤchtigen Mannes. Zwar
will er fuͤrwenden, daß die von ihm als einem fleißigen Zuhoͤrer nachgeſchriebe-
nen Collegia von dem ſeel. Hn. [Gundling] ſelbſt revidiret worden; allein man
kan die Moͤglichkeit dieſer vorgegebenen Reviſion ſich unmoͤglich uͤberreden laſ-
ſen, indem die uͤberhaͤuften Geſchaͤfte des ſeel. Mannes ihm nicht einmal ſo viel
Zeit gegoͤnnet, daß er ſeine ſelbſt edirte Schriften jehmals voͤllig elaboriret, ſondern nur allezeit
Bogenweiß in die Druckerey geliefert. Dagegen kan man verſichert ſeyn, daß die dieſſeitigen E-
ditionen der Gundlingiſchen Diſcourſe mit Vorwiſſen des ſeel. Mannes von mehrern Perſonen
nachgeſchrieben, dieſelben nachmals gegen einauder collationiret, und die zweiffelhaften Puncte auf
Befragen von dem ſeel. Hn. Geh Rath ſelbſt eroͤrtert worden. Aus welcher Urſache gegenwaͤrtige
Diſcourſe wol vollkommener, als des unbenannten Autoris ſeine ſeyn muͤſſen, weil doch nach dem
alten Sprichwort mehrere Augen mehr ſehen, als ein Auge. Wolte aber bemeldeter fleißiger Au-
ditor etwan ſeine Vermehrung unter die Gundlingiſchen Diſcourſe miſchen, ſo wuͤrden es keine
Gundlingiſche Gedancken ſondern, eines andern Mandes werden, welche man bey Anſchaffung der
Gundlingiſchen Schriften eben nicht verlangen duͤrfte. Dieſes alles habe ich auf Verlangen hier
beyfuͤgen ſollen, damit ſich jeder verſichern koͤnne, daß man durch das neidiſche Vorgeben widriggeſin-
neter Leute in den beſagten Vorhaben ſich nicht das minderſte werde laſſen irre machen. Solten in-
zwiſchen vernuͤnftige und unitereßirete Gelehrten bey dieſen und kuͤnftig zu hoffenden Gundlingi-
ſchen Discourſen etwas Gutes zu deren Beſſerung anzugeben belieben, ſo wird man ſolches mit ge-
buͤhrenden Danck erkennen, und moͤglichſt zu beobachten bemuͤhet leben. Ich werde um deſto mehr
davor verbunden ſeyn, weil ich meine Collegia uͤber verſchiedene Theſes des ſeel. Gundlings einge-
richtet, und daher in der Hiſtoriſchen Wahrheit durch rechtſchaffener Leute Erinnerung taͤglich ein
mehrers zu wiſſen verlange. Der geneigte Leſer kann ſich die baldige Ausgabe derer oben gemel-
deten Gundlingiſchen Diſcourſe verſprechen, womit ich mich deſſelben guͤtigen Wohlwollen be-
ſtens empfehle.
D. Jacob Auguſt Frankenſtein.
[[1]]
J. N. J.
Prolegomena.
ICh habe des Buddei Politic erwaͤhlet, daruͤber zuNutzen des
ſtudii Politici.
leſen, weil ich ſelbſt daruͤber noch nichts geſchrieben
habe, eheſtens aber ſelbſt etwas verfertigen werde.
Indeſſen iſt kein ander Buch vorhanden, welches
ſich zu unſern Zweck beſſer geſchickt, als dieſes.
Denn er hat die beſten Schrifften, ſo man in Po-
liticis hat, excerpirt, ſonderlich hat er den Con-
ring wohl gebrauchet: Hermannus Conrin-
gius aber war ein Mann, der in omni ſcibili verſirt; er war ein
Medicus, Jurisconſultus, Philoſophus, Criticus und Hiſtori-
cus. Seine groͤſte force beſtund in der Politic, welches man ſon-
derlich ſehen kan aus ſeinem Buch, welches er an. 1648. ſub no-
mine Irenæi Eubuli ediret. Die Ordnung iſt auch noch ziem-
lich, welche Buddeus haͤlt, und kan ein Doctor leicht dasjenige,
was noch an der connexion fehlet, ſuppliren. Das ſtudium
Politicum aber hat einen ſolchen Nutzen, daß man es allezeit, man
mag ſo alt ſeyn, als man will, gebrauchen kan.
Vornehmlich muß man ſich einen rechten Concept von derWas die Po-
litica ſey?
Politic machen. Daher iſt en general zu mercken: Die Politic iſt
keine Kunſt die Leute zu betruͤgen, oder daß man die Leute wollte raffi-
nirt machen: Denn calliditas iſt keine ſapientia, keine prudentia;
au contraire, man wird ſehen, daß die Leute, welche Liſt brauchen,
AIn-
[2]PROLEGOMENA.
Intriquen machen, keinen Verſtand haben. Mir hat wohl gefal-
len von dem Mr. des Callieres, de la Fortune des gens de Cour,
(welcher als Geſandter von Franckreich auf dem Frieden zu Ryswick
geweſen) daß er ebenfalls ſaget: Derjenige habe keinen Verſtand,
welcher Intriquen mache. Von ſeinem Buche kan man einen Ex-
tract finden in meinen Gundlingianis. Und weil derſelbe wohl
ſchoͤne Einfaͤlle hat, ſolche aber, wie alle Franzoſen thun, nicht wohl
connectiret, ſo habe ich nicht allein in dem Extracte die Capita
connectiret, ſondern auch dasjenige corrigiret, wo ich gemeynet,
daß er die Graͤntzen uͤberſchritten. Die Intriquen dauren auch nur
eine Zeitlang, und gehet derjenige, ſo Intriques macht, gar bald
zu Grunde. Sie taugen nichts in der Republic; auch nicht in
vita familiari, und converſatione hominum.
und jeden noͤ-
thig ſey:
Ein anders aber iſt prudentiam cavendi haben, i.e. ne
quis me decipiat. Dieſe muß ein jeder haben, und gehoͤret ſol-
che mit zur politiſchen Klugheit. Die Politic iſt nun nichts anders
als eine Kunſt, wodurch man lernet nicht allein kluͤglich zu regieren,
ſondern auch in andern Stuͤcken gluͤcklich, weislich und ordentlich
zu leben. Denn wir haben unterſchiedene Staͤnde. Regieren koͤn-
nen iſt das groͤſte Stuͤck, weil aller Wohlfahrt darauf beruhet.
Diejenigen Unterthanen ſind ungluͤcklich, wenn ſolche Leute am
Regiments-Ruder ſitzen, die nicht wohl regieren koͤnnen; wenn es ſol-
che ſind, wie der Phaëton, der die Welt wollte anbrennen laſſen.
Regenten lachet man aus, ſo den Wagen nicht zu regieren wiſſen.
Diejenigen, ſo von ferne geſtanden, da der Koͤnig in Schweden,
Carolus XII. regieret, haben alle geſagt: Er ſey zwar rex fortis,
aber nicht prudens. Mir hat Buddeus ſelbſt geſagt, der Koͤnig
in Schweden habe gar nicht nach der Politic regiert. Er konnte
ſich nicht conſerviren, er war zu juriſtiſch, und meynete, er haͤtte
Recht, das wollte er par force ausfuͤhren. Allein ſo wenig ein
privat-Menſch gleich obtiniren kan, ob er ſchon eine gute Sache
vor ſich hat, ſo wenig kan es auch ein Princeps thun. Haͤtte der
Koͤnig in Schweden laviren, ſich gute Freunde machen, zu rechter
Zeit abgehen koͤnnen, ſo wuͤrde er viel beſſer reuſſiret haben.
Alle
[3]PROLEGOMENA.
Alle Menſchen koͤnnen freylich nicht zum Regieren kommen,Miniſtres.
doch braucht ein Fuͤrſt viele Subalternen, welche alle mit ad regi-
men concurriren. Offte thut der Miniſtre das meiſte. Der
Princeps iſt bisweilen die Marionette, der redet, was der Mini-
ſtre redet, und der Miniſtre ſpricht offt was ſein Secretaire d’Etat
ſaget. Die haben alle noͤthig, die Kunſt regieren zu lernen.
Quær. Wie iſt das moͤglich, daß man in der Schule kan ler-Ob die Poli-
tica auf Aca-
demien koͤnne
erlernet wer-
den.
nen, wie man ſoll weislich regieren? Vor dieſen hat man die Poli-
tic, wie alle andere philoſophiſche disciplinen, nur tractiret wie ein
Lexicon, da man die terminos expliciret, und dabey haben ſie
noch ſo einige Fragen mit untergemiſchet, von denen ſocietatibus,
woraus die regna beſtehen ꝛc. Dahin gehoͤren die ſocietates zwiſchen
Mann und Weib, zwiſchen Eltern und Kindern, Herren und Knech-
ten, hernach haben ſie gezeiget, wie aus dieſen dreyen ſocietatibus,
ſocietas civilis entſtanden. Sie haben gefraget: woher das Im-
perium in civili ſocietate komme? wobey ſie die Woͤrter: Ari-
ſtocratia, Monarchia, Democratia \&c. erklaͤret; drauf ſind ſie
auf die virtutes kommen, und endlich zeigten ſie, wie die Republic
koͤnne diſſolviret werden. Das Hauptwerck aber, wie eine Re-
public ſolle regieret werden, wie man die regalia exerciren ſolle,
haben ſie weggelaſſen. Was ad illud totum univerſale gehoͤre,
wird in Jure Naturæ gewieſen; aber wie man alles dieſes geſcheut
employren muͤſſe. e.g. wie vectigalia muͤſſen angeleget werden,
davon muß in der Politic gehandelt werden. Weil es aber negli-
giret worden, ſo haben alle Leute, die auf pragmatiſche Dinge ge-
ſehen, geſagt, die Politic haͤtte keinen Nutzen: hergegen, tractiret
man die Politic, wie es ſeyn ſoll, gehet man ad ſpecialia, und be-
weiſet dieſe immer mit principiis rectæ rationis, nimmt auch in
gewiſſer Maaß dazu die cognition der Menſchen, ſo kan man dieſelbe
allerdings in praxi gebrauchen.
Es iſt viel, was man hier lernet, ſed omnibus prodeſt, exWas die Er-
fahrung hier-
bey wuͤrcke?
uſu rerum aliquid addi. Nicht anders, als wenn man das Jus
in Schulen noch ſo gut gelernet, kan doch in praxi noch vieles dazu
gethan werden. Die experientia thut alſo viel, aber nicht alles.
A 2Es
[4]PROLEGOMENA.
Es kommt in der Politic theils an auf demonſtrationes, theils auf
futura; in futuris muß man callidiſſime koͤnnen conjecturiren.
Nun habe ich wohl nicht ſelbſt regieret, aber wer einen bon ſens
hat, die Welt zu kennen, und die Hiſtorie weiß, der kan ſchon die
Politic dociren.
ſtorie dabey
nuͤtze?
Die Hiſtorie iſt ein Cabinet, darinnen man alles ſehen kan, was
paſſiret; alle revolutiones, eventus rerum kan man da ſehen.
Man findet die Hiſtoriam ſapientiæ \& ſtultitiæ, da ſiehet man,
wer weislich und nicht weislich regieret. In Politicis kan man
unter allen Buͤchern, des Hertii ſeine Politic am beſten gebrauchen,
welcher erſt Politicam generalem, und hernach ſpecialem tracti-
ret. Die Spanier haben auch taͤgliche Politicos gehabt, worun-
ter ſonderlich der Antonius Perez geweſen, der dem Philippo in
Spanien in vielen gerathen. Eine Politic wird freylich ſehr mager,
wo man keine Hiſtorie weiß: denn da kan man nicht ſo geſchwind
den Nutzen ſehen. Puffendorff in ſeinem Tractat de Officio Ho-
minis \& Civis hat auch generalia principia von der Politic;
dieſe ſind aber keinesweges hinlaͤnglich: denn ich muß da auch ſehen,
wie ich die Jura kluͤglich gebrauchen kan. Ariſtoteles hat ſchon die
Frage aufgeworffen: ob junge Leute die Politic ſtudiren ſollten? Er
beantwortet ſolches mit Ja, und iſt auch Cicero Lib. VI. Epiſt. 18.
ad Famil. gleicher Meynung. Cicero recommendiret ſie dem
Leptæ, einem noch jungen Menſchen. Eben dieſem gebe ich auch
Beyfall: denn wer bald aufaͤngt dieſes ſtudium zu treiben, wird
deſto geſchwinder abgefuͤhret von denen ineptiis, und præjudiciis.
Er lernet den Enthuſiastnum politicum vermeiden, welcher hoͤchſt
ſchaͤdlich und gefaͤhrlich iſt. Hat einer aber die regulas prudentiæ
begriffen, ſo thut er wohl, daß er dieſelben ſucht zu appliciren, und
das complementum, nehmlich den uſum, beobachte. Durch den
uſum wird alles polirt, lebendig: Der uſus uͤberzeuget mir nur,
was ich jetzo, in dieſer ſtation, gebrauche, nicht aber, was ich ins
kuͤnfftige noͤthig habe. e.g. Es iſt einer in Franckreich in gewiſſen
negotiis gebrauchet worden, ſo kan er daſelbſt rool ſein Amt fuͤhren;
her-
[5]PROLEGOMENA.
hergegen kommt er in die Schweitz, oder an einen andern Orth, da
wird eine gantz andere Art connoiſance erfordert, und wenn er
da will reuſſiren, ſo muß er ſich die Sachen bekannt machen. Haͤtte
der vorige Koͤnig in Schweden den Tuͤrckiſchen Hof gekannt, und ge-
wuſt, daß der Groß-Vezier und Muffti Frippons von profeſſion,
ſo wuͤrde er gantz andere meſſures genommen haben. Denn bey
den Tuͤrcken regieret der Geitz, wer da am meiſten biethet, der gewin-
net. Es ſind daſelbſt auch allerhand changements; der wird heute
ſtranguliret, morgen ein anderer. Der Sultan iſt ſelbſt nicht ſicher,
und hat das Reich nur bisher durch Tyranney und Geſchwindigkeit
beſtanden.
Man lernet aber nicht allein in der Politic regieren, ſondernPolitica pri-
vata.
wie man ſich conduiſiren ſoll, in allen ſocietatibus. Ein jeder
Menſch hat ja ſeine Politic, daher hat eben Weiſe in Zittau, den
Politiſchen Feuer-Maͤuer-Kehrer, die Politiſche Troͤdel-Frau und
anders mehr geſchrieben. Er hat es aber dicis gratia gethan.
Um dieſes alles kan man ſich hier nicht bekuͤmmern. Man nimmt
nur die noͤthigen ſocietates, worinnen alle ſtehen, oder wenigſtens
Hoffnung haben darein zu kommen. Das Hauptwerck aber wird
gehen auf rempublicam. In der Politic conſideriret man die
Menſchen tanquam in morali loco conſiſtentes. Ein jeder
Menſch hat ſeinen locum moralem, daher muß er dieſen locum
ſuchen zu mainteniren, und alle impedimenta aus dem Wege
raͤumen; er muß in allen ſeinen Sachen ſuchen Ordnung zu halten.
Ex illo ordine demum reſultat felicitas. Ein Kauffmann
mainteniret ſeinen locum nicht, wenn er banguerout ſpielet. Ein
Hauß-Vater gleichfalls nicht, wenn er ſeine œconomie ruiniret.
Non tuetur locum ein Miniſtre, wenn er abgeſetzt wird. Deß-
wegen ſagt man eben: Politica eſt ars tuendi \& conſervandi ſta-
tum ſuum. Man haͤlt denjenigen nicht vor geſcheut, welcher zum
Thore hinaus gehen, der ſein Handwerck verlaſſen muß. Alle klei-
nen ſocietates concurriren mit ad felicitatem reipublicæ. Da-
her muͤſſen die kleinen ſocietates ebenfalls ſo eingerichtet werden,
daß ein jeder kan ſeinen Zweck erhalten. Magna civitas kan nicht
A 3be-
[6]PROLEGOMENA.
beſtehen, es muͤſſen parvæ civitates \& ſocietates da ſeyn; welche
aber alle harmoniren muͤſſen mit der groſſen ſocietæt. Deßwe-
gen ſagt auch Hieronymus Oſorius in einer oration an die Koͤ-
nigin Eliſabeth in Engeland: Es ſey zu verwundern, daß ſie ſo
weißlich regieret, und alles ſo in guter Ordnung erhalten. Weil
er aber Catholiſch war, und ein Pfaffe, ſo ſagte er, es fehlte ihr nichts
mehr, als daß ſie Catholiſch wuͤrde.
zard thue?
Es koͤnnte aber einer ſagen: mundus regitur opinionibus,
es ſey parva ſapientia genug, und brauche man keine Politic.
Das iſt wohl wahr, denn es kan einer hincken, und doch wohl fort
kommen; er kan dabey noch eſſen und trincken. Einer, der einen
Buckel hat, kan ſich noch kleiden, man machet das Kleid ſo, daß es
etwas verdeckt wird, aber er machet doch keine ſonderliche figure.
Wir ſehen auch, daß unordentliche Leute noch koͤnnen forthutſchen,
kommt aber ein Wind, ſo fallen ſie uͤbern Hauffen, wie ein Charten-
Haͤußgen. Man ſiehet alſo, daß es nur eine Zeitlang dauret.
Wenn einer etwas in die Welt jucket, ſo wird er finden, daß Leute,
welche vor 20. Jahren in gutem Stande geweſen, nachgehends in
desordres kommen, ſind abgeſetzt, und invaliden worden. Wenn
man aber einen andern fragt, was er von einem ſolchen Kerl halte?
ſo antwortet er: Es iſt ein Tummrian, kein politicus, non con-
ſervat ſtatum ſuum, er hat ſeinen Poſten nicht koͤnnen mainteni-
ren. Wie wunderlich laͤſt es nicht, wenn ein Koͤnig ſeinen Poſten
nicht kan mainteniren, er wird ins Gefaͤngniß geſetzet wie Charles
Sot in Franckreich. Das kommt alles von ihren Unverſtand.
Wenn mir alſo gleich einer was ſaget vom hazard, ſo antworte
ich: Er dauret nicht. Und wenn gleich ſich ein Exempel finden ſol-
te, daß er eine Zeitlang gedauret, da etwan der Menſch bald ge-
ſtorben; ſo ſind es doch nur exceptiones. Wer will ſein Leben
nach denen exceptionibus einrichten, und alles auf einen hazard
ankommen laſſen? Wir ſind ja nicht in die Welt geſetzt, daß wir
ſollen leben par hazard? Wenn einer gleich felix iſt, deßwegen iſt
er noch nicht prudens. Bisweilen koͤnnen Umſtaͤnde kommen,
daß ſich einer par hazard conſerviret, deswegen haͤlt aber nie-
mand
[7]PROLEGOMENA.
mand etwas von ſolchen Leuten; ſondern man ſagt: Es ſind avan-
turieurs. Solche Leute haͤtten muͤſſen zu Grunde gehen, wenn
nicht die Umſtaͤnde von ohngefehr dazu kommen, niſi Deus ex
machina veniſſet. Von uns Teutſchen wird aber niemand was
kluges reden, wenn wir ſagen: Die Tuͤrcken haben bis vor Wien
geſtreifft, ja faſt nach Regenſpurg, und wir haben dieſelben nicht
weg geſchlagen; denn in Teutſchland war groſſe confuſion, und
kamen die Pohlen noch per hazard zu Huͤlffe. Bayle in ſeinen
Penſeés diverſes ſur la Comete ſaget: Teutſchland ſey wie ein
Schiff, welches kein gouvernement habe, und lieffe bisweilen in
einen Hafen ein. Die Teutſchen verlaſſen ſich beſtaͤndig auf einen
hazard. Puffendorff ſaget in ſeiner Einleitung zur Hiſtorie gar
wohl, man muͤſſe nicht dencken, daß allezeit werde ein Guſtav
Adolph vom Himmel fallen. Der Kayſer Ferdinand wollte alle
Vortraͤge umſchmeiſſen, da kam der Guſtav Adolph aus Schwe-
den und halff denen Teutſchen. Es kan aber dieſer hazard biswei-
len auſſen bleiben. Wie Franckreich Schweden nicht mehr konnte
helffen, der alte Koͤnig ſtarb und der Regent regierte ſo hat Schwe-
den gar bald darnieder gelegen, und es wird um eine Zeitlang zu
thun haben, ehe es ſich wird wieder koͤnnen hervor bringen. Dicis:
Es kommt doch vieles auf GOttes Vorſehung an. Reſpond.
Es iſt wahr, und was andere hazard nennen, glaube ich, daß es
per providentiam divinam komme, denn hazard, fortun, ſind
leere Woͤrter, wie Clerc in ſeiner arte critica gewieſen.
Was nun aber providentiam divinam betrifft, ſo iſt zuWas Provi-
dentia divina?
mercken: daß GOtt nicht haben wolle, man ſoll die Haͤnde im
Schooß legen. GOtt dirigiret freylich alles, er iſt allwiſſend; er
hat ſeine Abſichten, die wir nicht allezeit penetriren koͤnnen; aber er
will doch auch nicht haben, ut homines dormiant; ſondern ſie
ſollen ihre Vernunfft gebrauchen. GOtt iſt auch nicht Urheber
vom Regiment, daß es imperium neceſſario ſeyn muͤſſe, au con-
traire, Imperium ein malum; aber minus malum als confu-
ſio, welche ſeyn wuͤrde, wenn wir kein imperium haͤtten. Beſſer
waͤre es, daß wir das imperium nicht haͤtten, ſed poſtquam affe-
ctus
[8]PROLEGOMENA.
ctus noſtri inceperunt tumultuari; ein jeder ſuchte nach ſeinen
affecten zu leben, ſo iſt am beſten geweſen, daß man das imperium
eingefuͤhret, damit nicht ein bellum omnium contra omnes ent-
ſtehen moͤchte. Denn alsdenn iſt keine Ordnung, kein metier,
kein commercium, ſondern barbaries, und wer die meiſte force
hat, unterdrucket die andern. Der Hecht verſchlingt die kleinen
piſculos. Alſo iſt ein miſerabler Zuſtand bey denen Menſchen
geweſen, da man kein imperium hatte. Wir wiſſen aber doch,
daß kein imperium geweſen, und wie ſolches nachgehends entſtan-
den. Es iſt bekannt, wie der Nimrod in Babel, woſelbſt das gan-
tze Menſchliche Geſchlecht beyſammen geweſen, procediret, wie er
immer einen nach den andern unter ſich gebracht, und daß endlich
ein groſſes regnum daraus entſtanden. Weil wir aber das im-
perium einmahl haben, ſo muͤſſen wir auch wiſſen, es weißlich ein-
zurichten: denn es iſt wider der Menſchen Natur, die Menſchen
wollen gerne ad naturalem libertatem, ſie ſind wie ein geſpanne-
ter Bogen, wenn man dieſen hinſtellet, und nach etlichen Tagen dar-
nach ſiehet, ſo findet man, daß er ſehr nachgelaſſen. Daher findet
man auch, wenn gleich anfangs ein Regiment gut angeleget, man
ſiehet aber nach etlichen Jahren wieder darnach, ſo iſt hier eine con-
fuſio, dort eine. Es iſt wie mit der Religion, wenn man gleich
Leute findet, welche ſehr fromm leben, ſo wird man doch nach etli-
chen Jahren ſehen, daß die compagnie ſehr corrumpirt, denn die
Menſchen kommen immer wieder ad naturalem inſtinctum, ſie
fallen immer auf das, was ihnen ſchaͤdlich iſt. Gleichwie die Kin-
der immer nach dem Licht oder Meſſer greiffen, und man ſie ſchla-
gen muß, wenn ſie ſollen davon ablaſſen; alſo muß man auch die
Menſchen zwingen, wenn ſie ſollen von etwas ablaſſen: doch muß
es mit Verſtand geſchehen, ſonſt machen ſie es wie die wilden Pfer-
de, welche den Kopf zwiſchen die Beine nehmen, und den Reuther
herunter werffen. Ariſtoteles* ſtellet eine artige comparaiſon
an, und fraget, warum die Menſchen nicht ſo waͤren, wie die Amei-
ſen,
[9]PROLEGOMENA.
ſen, ** und ſagt: die Ameiſen laborant in unum; ſie haben com-
munionem; keine nimmt mehr, als ſie gebrauchet. Die Bienen
ſind eben ſo geartet. Die Ameiſen haben keine affecten; es iſt kei-
ne ambitio; keine avaritia; keine voluptas; kein dominium da.
Hergegen wenn wir Menſchen wollten in communione leben, da
iſt einer ein Waͤſcher, der andere ein Faullentzer, der dritte frißt drey
mahl ſo viel, als die andern; alſo gehet es bey uns nicht an. Wir
ſind neidiſch; wir wollen raiſoniren; wir wollen regieren. Dieſe
artige obſervation des Ariſtotelis habe ich auch gebrauchet, da
ich vor dieſen uͤber den Hobbeſium de Cive geleſen. Puffen-
dorff hat ebenfalls die comparaiſon admiriret. Es iſt nicht
gnug, daß man mercke, es gehoͤre hieher die Kunſt zu regieren, ſon-
dern es wird ſapientia, prudentia (welche Woͤrter hier popula-
riter promiſcue genommen werden, ſonſt aber unterſchieden ſind,)
erfordert. Alſo muß man auch wiſſen, was ſapientia ſey. Denn
GOtt handelt nicht per miracula, das ſind exceptiones: nach
denen exceptionibus muß man nicht ſein Leben einrichten, ſonſt ar-
gumentiret man a particulari ad univerſale. Eſtrariſſimum,
quod multi non credunt! Viele Leute glauben keine miracula,
wiewohl ich das Gegentheil in der Politic gewieſen. Unterdeſſen
iſt doch gewiß, daß GOtt miracula nur thut ex ſpecialiſſima ra-
tione. GOtt hat ja eine Ordnung gemacht, darnach man leben
ſoll. Prudentiam muß man als ein donum divinum anſehen,
daher ſaget Conringius in ſeiner Prudentia civili: Prudentia
eſt radius æternæ providentiæ, ein Strahl ewiger Weißheit,
daraus man GOttes Weisheit erkennet, vid. Monſ. le Clerc ſur
le bonheur \& malheur dans les lotteries. Wenn man auch
den Salomon lieſet, ſo findet man, daß er nicht gebethen um Gluͤck,
ſondern um Weisheit. GOtt hat freylich nicht geſagt: ihr ſollt
auf eure Vernunfft bauen, und mich aus den Augen ſetzen; ſondern
Bweil
[10]PROLEGOMENA.
weil ſapientia ein radius æternæ providentiæ, ſo muß ich alle-
zeit reflexion machen auf denjenigen, von dem der radius kommt.
Weil nun aber ein GOtt uͤber uns, der allmaͤchtig, ſo behaͤlt er ſich
allezeit exceptiones fuͤr, und wenn wir es auch noch ſo kluͤglich
eingerichtet haben, werden aber hochmuͤthig, ſetzen GOtt aus den
Augen, ſo hat er Mittel uns zu ſtuͤrtzen. Prideaux ein Engelaͤn-
der, welcher eine Hiſtorie de Juifs in Engliſcher Sprache, ſo aber
auch ins Frantzoͤſiſche und Teutſche uͤberſetzet, geſchrieben, und dar-
innen ſonderlich von allen Sachen handelt, ſaget, er habe mit Fleiß
reflectiret uͤber die Juͤdiſchen Sachen, und gefunden, man habe
anfangs nicht geglaubet, daß die Juͤdiſche Republic koͤnnte uͤber
den Hauffen gehen; aber es ſey ein regnum Syriacum entſtanden,
welches erſt klein geweſen, nachgehends aber viele uͤber den Hauffen
geworffen, und groß worden, das habe denen Juͤden einen groſſen
Stoß gegeben; endlich aber waͤren die Roͤmer dazu gekommen,
welche ihnen vollends den Reſt gegeben haͤtten. Alſo ſiehet man,
daß GOtt allezeit hundert Mittel hat, und iſt es was natuͤrliches,
wenn man ſagt: Hoffart kommt vor den Fall. Denn GOTT
widerſtehet denen Hoffaͤrtigen. Ad hoc donum divinum ex-
citamur in Politica: denn da kommt es nicht alles bloß auf eine
weltliche Ordnung und Vorſehung an: vigilanz gehoͤret freylich
dazu. Die Poſten, ſo der Menſch hat, nimmt ihm der Baͤr, der
Loͤwe, der Fuchs nicht, wir ſind ſchlauer. Das Elend iſt ein groß
Thier; giebt man ihm aber einen Eſpen-Baum, den er kan abſchee-
len, ſo kan es ein Jaͤger mit leichter Muͤhe ſchieſſen. Aber die Men-
ſchen hindern uns, homo homini lupus. Hominum inſidias
muß man evitiren, und da gehoͤret Weisheit dazu. Das iſt gantz
gewiß, homines callidi, verſuti koͤnnen dem Menſchen viel Scha-
den thun, ob ſie gleich nicht ſapientes. Es iſt kein Menſch ca-
pabler einen eher zu ſtuͤrtzen, als ein Narr, der langet die Caſtanien
heraus, daher, wenn man am Hofe Leute ſtuͤrtzen will, ſo braucht
man tumme Leute, welche angehetzet werden von denen geſcheueten
Leuten. Vor denen aller raffinirteſten Leuten fuͤrchte ich mich auch
nicht ſo ſehr als vor denen Unklugen.
Was
[11]PROLEGOMENA.
Was nun die Buͤcher anlanget, welche man in Politicis ge-Subſidia an
Buͤchern zum
ſtudio politi-
co.
brauchen kan, ſo iſt obgedachter Hertius vor allen noͤthig, die Con-
ringiana, nemlich die Prudentiam Civilem oder Politicam kan
man auch wohl gebrauchen, denn Conring war gelehrter in der
Politic, als in der Hiſtorie. Bœckler hingegen in der Hiſtorie
gelehrter als Conring. Der ſtylus iſt bey dem Bœckler ſo weit-
laͤufftig, und macht er ſo viel Aufnehmens. Die propolitica des
Conrings hat Herr Profeſſor Bœhmer, Abt zu Luckum, von
neuen ediret. Hinten iſt auch eine connoiſſence von denen
neueſten Politiſchen Buͤchern dran, und auch von Pragmatiſchen
Scriptoribus hiſtoricis. Ad Monarchiam kan man des Lipſii
Politic gut gebrauchen, woruͤber auch ſonſt Bernegger und Bœck-
ler Collegia geleſen. Io. Fridr. Reinhard, Cammer-Rath in
Dreßden, hat einen trefflichen Commentarium daruͤber geſchrie-
ben, und ſchoͤne Sachen colligiret. Ich habe offt auch Willens
gehabt, uͤber den Lipſium zu leſen, weil er aber nur auf Monar-
chiam gehet, und man Leute vor ſich hat, welche auch ex Ariſto-
cratia, Democratia \& Statu irregulari ſind, ſo habe ich
ſolches unterlaſſen.
Cap.
[12]Cap. I. De Natura
Cap. I.
de
Natura \& Indole prudentiæ
civilis.
§. 1.
der menſchli-
chen Handlun-
gen.
UNſer Autor zeiget in dieſem §. daß unterſchiedliche actio-
nes hominum ſind. Denn die Politic iſt revera nichts
anders, als ein Stuͤck von der Philoſophia practica acti-
va. Man nennet die philoſophiam practicam nicht um
deßwillen ſo, als wenn eine philoſophia waͤre, die nicht
activa, i. e. die man nicht ſollte brauchen koͤnnen in vita
humana, theils zu unſerer Erbauung, theils auch zu Vermehrung derje-
nigen Erkaͤnntniß, welche wir bereits haben. Es iſt keine Mathematic,
keine Phyſic, keine Metaphyſic, welche man nicht ſollte koͤnnen gebrauchen.
Unnuͤtze Dinge lernen wir nicht. In dem Verſtande kan man auch
die Metaphyſic, Philoſophiam practicam nennen. Denn ratione finis
beſtehen ſolche nicht allein in einer bloſſen Theorie, ſondern auch in einer
praxi. Hier aber, wenn wir Philoſophiam practicam davon unterſchei-
den, ſo ſehen wir auf das objectum. In der Philoſophia practica haben
wir zu thun mit actionibus humanis, und iſt die Philoſophia practica uͤber-
haupt eine connoiſſance von den menſchlichen Handlungen, da ich hinge-
gen bey der Mathematic, Phyſic \&c. keine actiones hominum zu conſideriren
habe. Mit denen actionibus hat die Moral, Iurisprudentia naturalis, und Pru-
dentia Civilis zu thun. Denn wir haben dreyerley actiones und auch drey
partes, nemlich Ethicam, Ius Nat. und Politicam. Die Oeconomie ſchaltet
man mit ein in die Politic, und iſt eben nicht noͤthig, daß man dieſelbe a part
tractiret; Doch iſt ſie ſehr noͤthig, und hat der gelehrte Schottlaͤnder Donald-
ſonus in ſeinem Tractat ſub tit. ſynopſis Oeconomica treffliche Sachen bey-
gebracht. Bey denen Financen wird eine Oeconomie erfordert: deßwe-
gen hat der Hertzog von Bethune ſeine Memoires l’Oeconomie royale
genennet, worinnen er gewieſen, daß ein groſſer Herr muͤſſe ein Oeco-
nomus ſeyn, ſonſt kan er ſein Lebtage keine groſſe Thaten thun. Das
hat auch Cominæus obſerviret, und ſagt er, er habe zu ſeiner Zeit keinen
groſſen Herrn geſehen, der etwas ausgerichtet, woferne er nicht etwas
geitzig geweſen. Man hat alſo actiones juſtas, honeſtas \& prudentes.
Alle
[13]\& Indole prudentiæ civilis.
Alle actiones, welche vorkommen, kan ich auf dieſe Art conſideriren.
Einige brauchen hier das Wort decorum, welches ich aber nicht thue,
weil ſolches diverſas ſignificationes hat, und muͤſte man daher eine neue
definition machen. Das Wort Prudenz iſt bekannter, und machet einem
keine ſolche dubia. Unſer Autor diſtinguiret aber die actiones von ein-
ander. Quær. Was iſt actio juſta, honeſta prudens? Quando juſte ago,
ſo ſehe ich nur: an aliquid legibus ſit conforme, conveniens, und kan
man denjenigen allezeit juſtum nennen, qui ſecundum literas \& ſenſum
Legis actiones ſuas inſtituit, es ſey auch, wer es wolle. Die actiones
juſtæ ſind alſo actiones legales. Es darff aber keiner dencken, daß der-
jenige, welcher legaliter handele, vollkommen ſey; Ein ſolcher iſt der Un-
vollkommenſte. Der Schalcks-Knecht iſt im Evangelio, welcher ſeinen
debitorem nicht loß laſſen wollte, bis er auch den letzten Heller bezahlete,
war homo juſtus, er hat raiſoniret wie der beſte Juriſt. Die beſten
Juriſten ſagen: wer ſchuldig iſt, der muß bezahlen, und wenn einer von
hundert Thalern noch einen Heller ſchuldig iſt, nondum liberantur fide-
juſſores, nondum liberantur pignora, bis daß alles bezahlet worden. Ob
gleich alſo der Schalcks-Knecht juſtus geweſen, ſo wird keiner ſagen, war
er honette, tugendhafft, erbar. Daher iſt was gantz anders actio ho-
neſta, worinnen virtus ſteckt. Virtus aber iſt eine vernuͤnfftige abundan-
tia amoris; Denn virtus exerciret ſich alleine in amore. Der Schalcks-
Knecht war nicht barmhertzig, er haͤtte ſollen bedencken, daß die Men-
ſchen bisweilen in decadence kommen, und man gegen ſolche muͤſſe eine
Liebe beweiſen, ihnen was nachlaſſen. Wer alſo juriſtiſch lebet, der iſt
eben noch nicht vernuͤnfftig. Iuſtitia iſt der Anfang, aber mehr iſt ho-
neſtum eſſe, talem prudentiam habere, daß man bisweilen kan ſeinem
Recht renunciren, und ſanfftmuͤthig ſeyn gegen ſeinen Naͤchſten. Man muß
nicht nur aͤuſſerlich juſte, ſondern auch vor ſich caſte, ſobrie, temperanter
leben. Das wird wohl nicht geſtrafft, wenn man zu Hauſe nicht ſo-
brie, temperanter lebet; unterdeſſen reden doch die Leute von einem ſol-
chen. Lebt einer nur aͤuſſerlich juſte, der gehet allein nach dem Iure ſtri-
cto, und iſt nicht æquus, das Wort æquitas exprimiret die Sache am be-
ſten, welches ich auch in meiner Moral gebrauchet. Die æquitas beſte-
het darinnen, daß ſich einer muß abmeſſen gegen andere. Derjenige
wird vollkommen, welcher æquitatis ſtudioſus, er iſt caſtus, temperans.
Denn wie kan ein ſolcher andern Menſchen dienen, welcher fruͤh Mor-
gens ſich ſchon vollſaͤufft, der im Bette Taback rauchet, oder der ſo ge-
ſinnet iſt, wie der Graf von Goͤritz, welcher allen ſeinen Kindern feind
geweſen, weil ſie des Nachts nicht wollen mit ſauffen: wovon man Nach-
B 3richt
[14]Cap. I. De Natura
richt finden kan, in des Siegism. von Bircken Ehren-Spiegel des Hau-
ſes Oeſtreich. Wer temperans iſt, dem gehen alle actiones beſſer von
ſtatten. Die temperantia aber gehet nur auf mich, nicht auf andere
Leute. Hingegen æquitas zeiget an, daß ich mir nicht mehr tribuiren ſoll-
te, als andern Leuten: deßwegen diſtinguiret ſich die gantze Ethic, in Tem-
perantiam \& æquitatem. Die æquitas war bey dem Schalcks-Knecht
nicht, er haͤtte ſollen dencken, was du willt, daß dir die Leute thun ſollen,
das thue ihnen auch. Auch bey einem thoͤrichten Menſchen muß man
æquitatem gebrauchen, denn ein jeder Menſch hat was weiſes, und was
thoͤrichtes an ſich, wie Boͤckler in einem Tractat von der Weißheit und
Thorheit gewieſen. Alſo, wenn ich einen Menſchen vor mir habe, der
banquerout worden, ſoll ich da gegen denſelben crudelis ſeyn? Sagt ei-
ner, ich will ihn laſſen zu Tode hungern. Da ſiehet man eben, daß
keine Vernunfft in ſeinem Hertzen iſt. Wenn ich nun aber auch juſtus,
honeſtus, haͤtte abundantiam amoris bey mir, welche ſich diffundirte ad
alios, ich waͤre auch temperans, ſo bin ich doch noch nicht vollkommen;
auch nur vernuͤnfftiger Weiſe davon zu reden. Es wird noch etwas
mehreres erfordert. Das nennet der Herr Thomaſius, und andere, die
ſeinen principiis folgen, decorum, weil aber das Wort decorum vielen
æquivocationibus unterworffen, ſo nennen wir es prudentiam. Prudentia
alſo erfordert was mehreres. Der Diogenes und alle Philoſophi, Cyni-
ci, qui alias erant rigidiſſimi virtutis cuſtodes, haben ſich wohl wenig æſti-
me erworben. Publice enim concumbebant cum uxoribus, \& ventrem
in publico exonerabant. vid. Mr. de la Motte le Vayer de la Vertu des
Payens, welches ein unvergleichliches Buch, daraus man die Hiſtorie derer
alten Philoſophorum accurat lernen kan. Dieſer ſchreibet von denen
Cynicis, daß ſie ſo raiſoniret: was einmahl erlaubet ſey, das ſey erlau-
bet. Aber woher kommt es, daß man von dieſer Philoſophie ſo ver-
aͤchtlich geſprochen? Gewiß von nichts anders, als weil ſie nicht pruden-
tes geweſen. Hingegen die Stoici ohnerachtet ſie keine anderen Regeln der
Tugend gehabt, als jene, werden doch geruͤhmt, weil ſie prudentes wa-
ren. Sie wuſten ſich durch ihre Tugend angenehm zu machen, und den
contemtum abzulehnen. Hieraus kan man ſehen, was prudentia thun
kan. Man findet viel Leute, welche fromm leben; aber ſie wiſſen die
Kunſt nicht, ſich vor ihren Feinden zu huͤten, ſie wiſſen ihr aͤuſſerlich
Gluͤck nicht in der Welt zu machen, es fehlet ihnen an Klugheit, daher
lamentiren ſie. Dicis: Wenn ich nur mein Gluͤck im Himmel mache?
Ja, wenn ich ſchon droben waͤre, ſo aber muß ich in der Welt viertzig,
funfftzig Jahr herum wandern; Daher wenn mir einer vorkommt ein
Paſſa-
[15]\& Indole prudentiæ civilis.
Paſſagier von fortune, ein Bettler, von dem kan ich ohnmoͤglich dencken,
daß er prudens, die Bettel-Leute bethen freylich ſo, haben eine groſſe
Compagnie, aber ſie ſind nicht prudentes, ſie wiſſen nicht den Weg zu
finden, ut commode vivant. David hat nicht geſagt, man ſolle arm
ſeyn, er ſagt auch nicht, man ſolle nach Reichthum ſtreben, aber im Mit-
tel ſolle man bleiben. Medium tenuere beati! Wenn einer viel Guͤther
gehabt, iſt aber herunter kommen, hat niemanden etwas gethan, ja noch
wohl vielen Leuten Gutes erwieſen, nichts deſto weniger kan man von
einem ſolchen Menſchen nicht ſagen, daß er prudens geweſen, er hat nicht
gewuſt, ſeinen Poſten zu mainteniren.
§. 2. Conſervatio ſui und conſervatio ſtatus ſui beſtehet darinnen,Was Con-
ſervatio ſui
heiſſe?
daß einer ſeinen Poſten mainteniret, deßwegen ſaget eben Chriſtian
Weiſe in ſeinem Politiſchen Feuer-Maͤuer-Kehrer, wenn ein Feuer-
Maͤuer-Kehrer zum Thore hinausgehen muß, der iſt kein Politicus. Quær.
Was heiſt conſervare? Es iſt kein Standt in der gantzen Welt, kein
homo phyſice conſideratus, keine compoſita myſtica perſona, welche nicht
Feinde haͤtte, und da ſich nicht impedimenta finden. Es ſind viele im-
pedimenta vorhanden von Natur, und viele werden auch gemacht von
andern boͤſen Leuten. Von Natur: Denn die Erde traͤget nicht alles
vor ſich hervor; Das Graß waͤchſet hervor, aber man brauchet doch
faſt noch eine culturam. Was wir am noͤthigſten gebrauchen, waͤch-
ſet nicht vor ſich, wir muͤſſen ſaͤen. Es ſind wenig Laͤnder, da der Wei-
tzen vor ſich waͤchſet, doch giebet es dergleichen, wie der Baron Busbe-
quius, welcher als Kayſerlicher Ambaſſadeur nach Conſtantinopel gegan-
gen, an einigen Orten in Ungarn gefunden. (Das iſt auch wohl wahr-
ſcheinlich, gleichwie man an vielen Orten findet, daß die Lilien auf dem
Felde wachſen.) Ich muß alſo koͤnnen die impedimenta von Natur
aus dem Wege raͤumen. Prima pars prudentiæ iſt, tolle impedimen-
ta, quæ circumſtant. Das kan man nicht eher ſehen, als wenn man
will ſtabilem vitæ conditionem erhalten. Wenn wir auf Univerſitaͤten
ſind, ſo ſind wir alle Bruͤder, und giebet es auch da ſchon manchmahl
Krieg; man ſchlaͤget ſich auch wohl einmahl herum, wo es Mode iſt;
aber es macht nichts, man vertraͤgt ſich wieder. Hergegen wenn man
Dinge ſuchet, man will heyrathen, ſo gehen erſt die impedimenta an.
Es ſind wohl funfftzig Competenten, welche dir es nicht goͤnnen, einer
ſucht dich zu blamiren durch ein Maͤdgen, der andere durch ſeinen Patron.
Ja, wenn du auf einen Poſten biſt, ſo ſuchen ſie dich wieder herunter
zu ſtuͤrtzen. Mit der Republic iſt es eben ſo, je mehr ſie ſteiget, je mehr
beneidet man ſie. Der Czaar hat ungemeine Progreſſen gemacht, aber
man
[16]Cap. I. De Natura
man gebe acht, wie andere wegen ihn vigiliren. Daher ſiehet man, daß
die Prudentia eine groſſe Vorſichtigkeit erfordert: Keine Vorſichtigkeit
aber iſt ſine vigilantia. Deßwegen ſaget man eben beym Muͤßiggang,
bey der Wolluſt iſt keine vigilantia. Der Koͤnig Friedrich tantzte noch
eine courante, wie die Schlacht beym weiſſen Berge geſchahe, hernach
muſte er aber uͤber Halß und Kopff fortgehen. Die geringſten Handwercks-
Leute muͤſſen auf ihre Poſt acht geben. Namfigulus figulum odit. Es gehoͤ-
ret aber noch etwas ad prudentiam. Denn bisher iſt nur gezeiget wor-
den, wie einer negative muͤſſe acht geben, daß mir keiner ein Hinderniß
in Weg lege. Ich muß aber auch noch etwas thun. Freunde muß ich
mir machen. Das thut auch ein Pſeudo-Politicus, nur, daß bey ihm die
Freundſchafft auf keinem feſten Grunde ſtehet. Man ſiehet, daß ein
ſolcher Pſeudo-Politicus imitirt den verum Politicum. Denn alle Men-
ſchen wollen nicht als Scelerati und Boͤſe angeſehen werden. Hiero-
nymus Oſorius raiſoniret in ſeinen Schrifften gar artig hievon, und
ſaget: Die Tugend muͤſſe doch was ſonderliches ſeyn, weil revera die-
jenigen, ſo nur aſtuti waͤren, die Tugend doch zu imitiren ſuchten. Sie
gehen einher in Schaafs-Kleidern, inwendig aber ſind ſie reiſſende Woͤlf-
fe. Callidi itaque non ſolum cavent ſibi, ſed etiam quærunt amicos.
Nur halten ſie ſo laͤnger Freundſchafft, als es noͤthig, hernach negligi-
ren ſie ſolche wieder. Sie machen ſich nichts daraus, wenn gleich ihre
Freunde ſollten zu Grunde gehen. Wer gluͤcklich leben will im Regi-
mente, der muß es eben ſo machen, quærat amicos. Daher haben wir
an dem Koͤnig in Franckreich Louis XIV. geſehen, daß wohl alle auf ihn
loß gefallen: Denn er hat keine pacta gehalten, wie der Tuͤrcke. Und
weil man bey ſolchen Leuten am beſten thut, wenn man den Krieg con-
tinuiret, ſo hat man es auch bey dem Koͤnige in Franckreich gethan, wel-
cher dadurch endlich uͤbern Hauffen geworffen worden; indem er nicht Zeit
gehabt ſich zu aggrandiren. Anfangs regierete der Koͤnig in Franckreich,
da er geſcheute Miniſtres hatte, aber wie er hernach einen naͤrriſchen
Miniſtre bekam, ſo war es aus; und ſind alle froh geweſen, daß er ge-
ſtorben. Ich bin ja nicht alleine in der Welt, ſondern viele tauſend
andere ſind noch da. Das iſt die Urſache, warum ich muß auf andere
ſehen, das iſt das complementum philoſophiæ practicæ, auch Iurispru-
dentiæ, wie ſchon Modeſtinus ICtus gemeynet, welcher ſagt: Der ſey
der beſte Juriſt, der cautelen machen koͤnnte. Man muß ſeinen Stand
ſuchen zu conſerviren. Non minor eſt virtus, quam quærere, parta tue-
ri. Will einer Freunde haben, ſo muß er dasjenige von ſich ablehnen,
was andern verhaßt und verdrießlich iſt; was Freunde abſchrecken kan.
Daher
[17]\& Indole prudentiæ civilis.
Daher wird ins kuͤnfftige gewieſen werden, wie die Hoͤflichkeit, oder die
complaiſance erfordert werde, daß ich mir Freunde mache. Die Freun-
de werden durch die complaiſance gewonnen, daß ſie ſich artig und ge-
nauer mit mir conjungiren. Daher muß man wiſſen, wie man ſich in
Geberden, Reden, Kleider-tragen in acht nehmen muͤſſe; damit man
nicht etwan ſich durch ſolche nicht nur keine Freunde, ſondern vielmehr
Feinde zu wege bringe. Weil nun einige Doctores geſehen, daß dieſes
in Politicis muß gezeiget werden, ſo haben ſie gemeynet, es beſtehe die
Politic eintzig und allein darinnen. Allein ob wohl nicht zu laͤugnen,
daß ſolches davon ein Stuͤck mit iſt, ſo kan man es doch eben nicht vor
das Hauptwerck anſehen: Vielmehr iſt es nur eine Suite. Alle Men-
ſchen kan man freylich nicht zu Freunden haben; aber der gar keine
Freunde hat, iſt unverſtaͤndig, und wird bey ihm ſtatt finden, was Pli-
nius ſagt: inopia amicorum ipſum perdit. Damit man aber nur ein
Exempel ſehe: ſo iſt zu mercken: Derjenige wird ſich keine Freunde ma-
chen, welcher ein homo ſordidus, dem die Lichter zur Naſe heraus han-
gen, denn die Leute haben einen Eckel, wenn ſie ihn ſehen, ſie lauffen vor
ihm, als wie die Holtzſchreyer vor den Eulen wegfliehen. Deßwegen
muß man die Leute von Jugend auf darzu gewoͤhnen, daß ſie dasjenige
vornehmen, was andern Leuten gefaͤllt, weil ihnen dran gelegen, daß ſie
Freunde bekommen. Das ſind lauter differente Sachen, ſo man bey
der Hoͤflichkeit ſaget und nichts boͤſes, daher kan ſie ein jeder thun. Wenn
ich alleine bin, kan ich thun, was ich will; bin ich aber in compagnie,
ſo muß ich dasjenige diſſimuliren, was ich ſonſt thue, wenn ich alleine
bin. Wer will wohl uͤberlaut lachen in compagnie. Es iſt tœdiös.
Wenn man auch einen Kerl nicht leiden kan, ſo wird man allezeit einen
Indicem ſeiner Fehler anzeigen koͤnnen. Das iſt eben ein Anzeigen, daß
der Kerl unverſtaͤndig. Sagt einer: was ſcheere ich mich drum, ob al-
les ſo accurat iſt, das iſt ein homo indecorus, der keinen Verſtand hat.
Man muß aber auch wiſſen, den Unterſcheid inter prudentiam \& ſapien-
tiam, daher iſt zu mercken, prudens cavet, und alſo ſupponiren wir ein
malum, quod cavemus ſeu removere geſtimus. Das geſchiehet nicht
ſine intelligentia mali: Denn dum impedimenta perſpicio, cognoſco ma-
lum, welches ich ſuche zu removiren, \& tunc conſequor bonum. Da-
her thun die ambitioſi, welche in dieſem Stuͤck die veros prudentes imi-
tiren wollen, obgleich ſonſt ihr Scopus nichts tauget, recht, daß ſie im-
pedimenta removiren. Ein Ehrgeitziger iſt wie die Mutter der Kinder
Zebedaͤi, welche haben wollte, es ſollten ihre Kinder zur Rechten ſitzen,
und ſahe nicht auf das, was im Wege ſtunde. GOtt iſt allein perfe-
Ccte
[18]Cap. I. De Natura
cte ſapiens, der braucht auch keine cautiones, malum ipſum non attin-
git. Sagt man aber in der Welt von einem Menſchen, daß er ſapiens,
ſo verſtehet man nur ſo viel, daß er diejenige Vollkommenheit habe,
welche ein Menſch haben kan. Er iſt wie derjenige, den man fromm
nennet, und von Boͤſen nichts weiß. Sapiens bonum ſectatur. Daher
hat ſich Herr Thomaſius in ſeiner Iurisprudentia Conſultatoria angelegen
ſeyn laſſen, die Sachen alle auseinander zu ſetzen, was ſapiens, prudens,
aſtutus ſey. Sapientem hat er eben ſo beſchrieben, daß er bonum in ab-
ſtracto conſiderire; Prudentes aber wiſſen die Mittel zu finden, ut ne
malum ipſis obſtet. Simplex iſt nicht prudens, weil er nicht kan die im-
pedimenta removiren, und ob er gleich kein boͤſer vor ſich iſt, ſo kan er
ſich doch nicht huͤten vor der Boͤſen inſidiis. Alle Menſchen aber ſind
umgeben mit boͤſen Leuten: Semper mala circumſtant. Et ſic perit ſim-
plex, weil er die impedimenta nicht removiren kan. Deßwegen ſiehet
man, daß mancher Menſch wohl fromm iſt, er weiß ſich aber nicht zu
huͤten; daher hat er immer Schaden, welchen er doch evitiren koͤnnte,
per media licita. Dieſes letztere ſage ich mit Fleiß; Denn derjenige,
ſo illicita media gebrauchet, iſt nicht ſimplex; er iſt aber auch nicht pru-
dens. Bey einem ſolchen heiſt es: ſi jus violandum eſt, regnandi cauſa
violandam; ceteris pietatem colas. Er ſuchet die impedimenta zu remo-
viren per violentiam, per fraudes; er iſt homo aſtutus: Die Mittel aber
taugen nicht. Daher wird ſein Weſen nicht lange beſtehen; er conſer-
viret ſich nur auf eine Zeitlang, wie der ungerechte Haußhalter, zuletzt
gehet er zu Grunde. Die Welt erkennet endlich ſeine media illicita,
und werden ihm alle Menſchen feind: deßwegen findet man nicht leicht,
daß ein homo verſutus ein gut Ende genommen. Von Natur hat frey-
lich ein ſolcher Menſch Verſtand gnug, er verſtehet auch, daß man die
impedimenta aus dem Wege raͤumen muͤſſe; aber er gebrauchet keine
rechte Mittel, er iſt ein frippon; ein fourbe: Indem er Boͤſes thut, ſo
kommt endlich ſein Boͤſes an den Tag. Lebet er in ſtatu naturali, tan-
to facilius perit: Denn in ſtatu civili kan man ſeine Mittel und An-
ſchlaͤge eher heraus bringen. Ein callidus kommt alſo einem prudenti
ſehr nahe. Beyde ſuchen Freunde, aber ratione mediorum iſt ein groſ-
ſer Unterſcheid: prudens hat media licita, welche nicht contra pietatem,
\& contra honeſtum ſind. Daher wenn man pragmatiſche Hiſtorien
lieſſet, ſo muß man allezeit acht geben auf ſchlaue, liſtige Leute, da wird
man finden, daß dieſelben allezeit ein ſchlecht Ende genommen. An-
fangs ſiehet es gluͤcklich aus, wie mit dem Hamann; aber zuletzt wur-
de er gehangen. Was iſt das aber fuͤr ein Gluͤck, wenn ich alt werde,
und
[19]\& Indole prudentiæ civilis.
und fructum laborum meorum ſehen ſoll, da gehe ich zu Grunde. Das
ultimum refugium ſolcher Leute, die ungluͤcklich werden, iſt, daß ſie ſa-
gen: wir muͤſſen gedultig ſeyn, und es unſerm HErr GOtt uͤberlaſſen.
So machte es der Johann Friedrich in Sachſen, welcher keine pruden-
tiam hatte, er haͤtte ſollen rechte Mittel gebrauchen, vigilare, Prudentes
muͤſſen das bonum in abſtracto verſtehen, aber auch zugleich das malum,
damit ſie es koͤnnen removiren. Prudentiam definirt kein Menſch alſo,
wie gedacht worden. Aber daß alle Autores Sapientiam und pruden-
tiam ſo unterſcheiden ſollten, findet man nicht. Unterdeſſen ſiehet man
doch, daß man es artig auf dieſe Art ſepariren kan. Daher leſe ich auch
die Buͤcher gerne, wie Thomas Morus ſeine Utopiam und Companella
ſeine Rempublicam Solis geſchrieben: * Dieſe ſetzen, wie der Menſch
leben ſolle, und was ein homo ſumme perfectus ſey, alsdenn kan man
ſehen, wie weit wir von der perfection abgegangen ſind. Wir muͤſſen
freylich ſehen, daß wir per media licita zu einem vollkommenen Grad ge-
langen, aber zur hoͤchſten perfection koͤnnen wir nicht gelangen. Wer
ſolche Leute, wie ſie Morus und Campanella beſchrieben, haben will, muß
in Himmel ziehen, in der Sonne, in denen Planeten moͤgen auch viel-
leicht ſolche vollkommene Leute ſeyn, aber bey uns ſind ſie nicht. Non
naſcimur regeniti; ſondern wir werden es erſt, es gehoͤret Kunſt dazu.
§. 3. 4. 5. Man koͤnnte ſpecifice auf alle Staͤnde gehen, aberDaß die Poli-
tica ſich auf
alle Staͤnde
extendire.
wir conſideriren hier nichts, als ſtatum civilem. Unſer Autor ſagt auch,
daß einige bloß auf rempublicam gegangen; aber er meynet, man muͤſ-
ſe auch auf die andern ſtatus ſehen, denn in Republica kommen allerhand
ſtatus vor, domini, ſervi, liberi, \&c. allerhand Profeſſiones. Dieſes nimmt
man en paſſant mit, keines weges aber, daß man von jedem Stande
wollte eine beſondere tractation machen. Man ſiehet aber hieraus, daß
die Politic auf alle Staͤnde gehet. Hauptſaͤchlich gehen wir ad Rempu-
blicam, und conſideriren, wie die Respublica zu conſerviren. Handeln
aber zugleich de removendis hoſtibus externis \& internis. Weil nun
ſonderlich auf Rempublicam geſehen wird, ſo nennet man auch Politi-
cam Prudentiam Civilem, wie Hertius ſein Buch tituliret, welcher hier
am beſten zu gebrauchen: Denn es iſt faſt keine Memoire, die er nicht
excerpiret hat.
§. 6. Hier zeiget nun der Autor, daß das vocabulum PoliticesUnterſchiedene
Bedeutung
des Worts
Politica.
vielen ſignificatibus und æquivocationibus unterworffen. Die æquivo-
C 2catio
[20]Cap. I. De Natura
catio hujus vocabuli verurſachet, daß nicht alle die Beſchaffenheit der
Diſciplin eingeſehen, und eben deßwegen haben ſie dieſelbe nicht viel
geachtet. Denn quotus quisque eſt, qui illam definitionem, quam po-
fuimus, ita conſideraverit, da wir geſagt: Die Politica ſey eine Kunſt,
ſeinen Stand zu conſerviren, kluͤglich zu regieren, alle impedimenta zu
removiren, und ſich Freunde zu erwerben. Viele meynen, die Juriſten
waͤren nur Politici: quaſi vero politica eſſet Iuris peritia. Allein ein an-
ders iſt juris peritum eſſe, ein anders Iuris prudentia civili conſpicuum
eſſe. Es iſt wahr: Wenn einer conſideriret Ius, quatenus ex regulis
prudentiæ profluxit, ſo gehoͤret auch Iurisprudentia Legislatoria dahin;
aber wie wir heut zu Tage das Ius tractiren, ſo haben wir nur Iurispru-
dentiam judicialem; wir interpretiren die Leges. In dieſer conſidera-
tion iſt die Juriſterey kein Stuͤck von der Politic. Derjenige, welcher
kan ſagen, dieſes ſtecket im lege, der iſt deßwegen nicht prudens; au con-
traire, er iſt offt ſehr ungeſchickt ad Leges ferendas. Daher hat auch
Puffendorff nicht unrecht, wenn er ſagt: Sachſen hat etliche ſecula durch
gute Juriſten, aber in hundert Jahren wenig rechte Politicos gehabt: da-
hingegen Brandenburg beſſere Politicos habe, welche die kluge admini-
ſtration derer Regalium gar wohl verſtanden, und durch derſelben Rath
iſt auch das Land in kurtzer Zeit ſehr aggrandiret worden. Viele ha-
ben gemeynet, Politica waͤre, quando quis loco, tempori, \& perſonæ
ſervire poſſit, wenn einer ſich in die Zeit ſchicken koͤnnte. Das iſt frey-
lich gut, und muͤſſen es auch Theologi obſerviren. Daher handelt Bud-
deus auch in ſeiner Theologia morali mit von der Prudentia Eccleſiaſtica,
wie die Clerici ſich gegen einander ſollen verhalten. Aber das iſt nicht
gnug; Ein Clericus muß auch von der Politic wiſſen, wie wir ſie hier
tractiren: Denn er gehet auch mit andern Leuten um, und nicht mit lau-
ter Clericis. Ein Politicus muß koͤnnen ſimuliren, und diſſimuliren, wel-
ches auch der Theologus thun kan. Beym Suͤnder darff freylich der
Geiſtliche nicht ſimuliren, und diſſimuliren, wenn es darauf ankommt,
daß er ihn will convinciren; und doch muß er es auch da wiſſen klug
anzufangen, wenn er will etwas ausrichten. Ja, wenn wir mit lauter
frommen und erbaren Leuten zu thun haͤtten, ſo wuͤrde derjenige ein ar-
tifex omnis doli ſeyn, welcher ſagen wollte, eſſe ſimulandum \& diſſimu-
landum. Aber da die Menſchen nicht ſo beſchaffen, ſondern wenn auch
nur zwey oder drey beyſammen, ſo iſt ſchon ein hoſtis dabey; ſo zwin-
get uns allerdings die Noth, ut ſimulemus \& diſſimulemus, und kan einer
nicht ſogleich mit der Wahrheit heraus platzen. Diejenigen auch, wel-
che in Theoria ſagen: man ſolle nicht ſimuliren und diſſimuliren, zeigen
in
[21]\& Indole prudentiæ civilis.
in praxi das contrarium: Denn ſie ſehen, daß es nicht zu evitiren iſt.
Wenn ein Fuͤrſt auf etwas abſurdes faͤllt, ſo wird man nicht gleich ſo
heraus ſagen: Er muͤſſe ſolches nicht thun; wer es ſo frey heraus ſaget,
wuͤrde ſich vielmehr Tort thun, und nichts ausrichten. Sondern er muß
ſehen auf die Gelegenheit und Zeit, und es mit Maniere beybringen.
Wer das nicht thut, iſt ein Enthuſiaſt: Denn das iſt ein Enthuſiaſmus
Politicus, wenn man nicht will ſimuliren und diſſimuliren, ſondern alles gleich
heraus ſagen, da kommt einer in einen Zelum, welcher ihm und andern
Menſchen nichts nutzet; ſondern vielmehr ſchaͤdlich iſt. Man kan nicht
alles nach ſeinem Kopffe machen. Wir wiſſen freylich wohl, was recht
und unrecht iſt; aber wir haben homines potentes vor uns, bey welchen
man nicht kan ſo heraus eyfern, es muß par addreſſe geſchehen, ſonſt
lachen ſie uns aus. Wenn man ſich alſo lernet in die Perſonen, und
in die Zeit ſchicken, ſo iſt das keine ars fallendi; aber Intriguen muß ei-
ner nicht ſuchen dabey zu machen. Derjenige, der das tempo ab-
paſſet, muß freylich auch morum elegantiam haben, und iſt mo-
rum elegantia eine concluſion, welche aus der Politic kommt, aber
ſie abſolviret nicht prudentiam civilem. Mancher hat ein Exterieur,
daß die Leute von ihm eine gute opinion bekommen; aber es fehlet ihm
noch an der Secunda Petri. Derjenige, welcher nur das bloſſe exterieur
hat, kan nicht beſſer als mit einem Buche verglichen werden, welches
ſchoͤn eingebunden iſt, aber inwendig iſt der Eulenſpiegel. Die Kleider,
die geſtus koͤnnen einen andern choquiren, daß er einen Eckel vor mir
bekommt, alsdenn werde ich keine æſtim, und keine Freundſchafft erhal-
ten. Omne ridiculum, omne tædioſum removendum. Darum heiſt es:
Si tu eris Romæ, Romano vivito more. CHriſtus hat ſich ſelbſt geklei-
det, wie die Juden gegangen. Derjenige iſt ein ſtultus, welcher ſuchet
neue Moden aufzubringen; der es aber nachmachet, wenn es andere
thun, iſt kein homo vanus. Separire ich mich in der Kleidung von andern
Leuten, und will die Mode nicht mitmachen, ſo bleiben alle Leute ſtehen,
und ſehen mich an, ja zuletzt lauffen gar die Jungen hinter mich drein.
Hertius hat in ſeinen Elementis prudentiæ civilis noch mehrere æquivo-
cationes. Er hat gewieſen, daß man bey denen Griechen die Huren poli-
ticas genennet, von dem Griechiſchen Wort πολύς: denn die Huren ſind
von einer Stadt zur andern gereiſet, ut corpore quæſtum facerent.* Zu
C 3Zei-
[22]Cap. I. De Natura
Zeiten des Mazarini waren in Franckreich die Schleuderer oder Fundito-
res, welche wider den Mazarin waren, und ihn zu ſtuͤrtzen ſuchten, andere
waren auf Seiten des Mazarini; Diejenigen aber, welche indifferent
waren, und es mit keinem von beyden hielten, hat man Politicos genennet,
das ſind aber alles abuſivæ ſignificationes.
der Politicæ.
§. 7. 8. 9. Die Politica wird eingetheilet in architectonicam \&
adminiſtratoriam. Bey der adminiſtratoria werden auch wieder zweyer-
ley reſpectus vorkommen. Was Politicam architectonicam betrifft, ſo
iſt zu mercken, daß Joh. Fried. Hornius, welcher in Wittenberg dociret,
eine artige Politicam Architectonicam geſchrieben, woruͤber Achilles Ep-
ſtein, Prof. Gieſſ. ſchoͤne Noten geſchrieben, man hat auch Noten daruͤber
von einem, Nahmens Simon Kuchenbecker, welche aber nichts taugen.
Architectus wird genennet, der etwas bauet, oder verfertiget, daher nen-
net man Politicam Architectonicam, welche zu thun hat mit der exſtruenda
civitate, quomodo exſtrui debet. Ingleichen kan man Politicam Archi-
tectonicam nennen, was andere ein Jus Publicum univerſale nennen, oder
wie es Huber nennet, Jus Civitatis, worinnen ſie gewieſen, was ad ſta-
biliendam rem publicam gehoͤret. Dergleichen Politicam Architectoni-
cam haben wir auch bey dem Puffendorff de Officlo hominis \& civis. Ein
Student muß freylich auch dahin ſehen, daß er wiſſe: quomodo impe-
rium ortum? in quo ſubjecto inveniatur? wie viel ſubjecta ſeyn koͤnnen?
Hievon hat auch Grotius in ſeinem Jure Belli \& Pacis abgehandelt. Hier
bey der Politic ſehen wir mehr auf adminiſtrationem Politices, wie man
die Jura Majeſtatica ſoll wohl adminiſtriren, auf Seiten des Principis.
Ingleichen weil man in der Politica Architectonica tractiret von denen
Officiis parentium \& ſubditorum, ſo zeiget man auch, wie Subditi pru-
denter ſich ſollen verhalten. In der Politica Architectonica zeiget man
nur das Jus; das Jus aber muͤſſen wir nicht bloß ſuchen in acht zu nehmen.
Denn in der Welt koͤnnen wir nicht allemahl nach dem Jure Stoico leben:
Denn die Richterliche Conduite und Advocaten-Conduite iſt ſehr ſchlecht.
Daher kan man auch ſolche Leute ſelten in Staats-Sachen gebrauchen.
Ein anders iſt Recht ſprechen, ein anders aber ſalutem publicam con-
ſervare, hoſtes declinare. Man kan dieſe Politicam Architectonicam zu-
gleich mit der Adminiſtratoria tractiren, wie Hertius in ſeiner Prudentia
Civili gethan. Denn in parte generali handelt er de politica Archite-
ctonica, in parte ſpeciali, de Politica Adminiſtratoria. Er hat auch hin-
ten einen Extract gemacht, aus dem erſten Theil, woruͤber man leſen
koͤnte. Es waͤre gut geweſen, wenn er auch von dem Parte II. ein ſolch
Compendiolum gemacht, alsdenn haͤtte man koͤnnen daruͤber leſen. Un-
ſer
[23]\& Indole prudentiæ civilis.
ſer Autor aber meynet, es ſey beſſer, wenn man nur regulas prudentiæ
tractire, und ſo hat er es auch ausgefuͤhret. Wenn wir ein Jus maje-
ſtaticum werden betrachten, ſo werden wir allezeit ſehen, was Juris.
Da alſo Politica Architectonica, auch wird kuͤrtzlich abgehandelt werden,
hernach kan man leicht regulas prudentiæ geben. Das iſt viel nuͤtzlicher
in der Politic, und ſind da die ſchoͤnſten conſiderationes, wovon im Puffen-
dorff nichts gedacht wird. Daher irren ſich diejenigen, welche meynen,
man koͤnne das alles aus dem Puffendorff lernen; denn er hat gar nichts
davon, es muͤſte denn ſolches einer, wenn er druͤber laͤſe, einſchalten, als-
denn waͤre es aber ein allotrium. Man kan freylich alles in ein Buch
drucken, aber es iſt beſſer, wenn man es ſepariret, damit man ſich nicht
confundiret. Wollte einer die Politicam weitlaͤufftig machen, ſo koͤnte
er alle Staͤnde tractiren, die werden aber nur hier attingiret. Wir wer-
den alſo hier nur Doctores, Mercatores beruͤhren, weil ſie eine connexion
haben mit der Republic.
§. 10. Man muß ſehen: Ob man in politicis demonſtrationesOb man in der
Politic de-
monſtrationes
habe?
habe? Es wird ſupponirt, daß einer weiß, was demonſtratio ſey. Man
nennet demonſtrare, rem per cauſam cognoſcere, daß es nicht anders
ſeyn kan, ich bin alsdenn certiſſimus. (welches weitlaͤufftig in der Logic
ausgefuͤhret wird) Ich muß einen per cauſas koͤnnen uͤberfuͤhren, daß
er mir Beyfall giebet. Denn es iſt der Menſch ſo beſchaffen, daß,
wenn er von einer Sache uͤberzeuget iſt, ſo muß er Beyfall geben, und
wenn er auch gleich aͤuſſerlich ſaget, er verſtehe es nicht, ſo iſt er doch in
ſeinem intellectu uͤberfuͤhret. Man nennet demonſtrare auch ſcientiam,
denn ſcire heiſt per cauſas cognoſcere. Die muͤßigen Doctores haben
disputiren wollen, ob es in Politicis demonſtrationes gebe? Ich ſage: ja,
und hat auch Conringius in ſeiner Prudentia Civili gewieſen, quod dentur
demonſtrationes in politicis. Silhon, welcher Secretaire bey dem Mazarin
geweſen, und ſonſt einen Tractat le Miniſtre d’Etat geſchrieben, hat auch
eine Diſſertation gemacht, de la Demonſtration morale, worinnen er eben-
falls gewieſen, daß man allerdings in politicis demonſtriren koͤnne. Man
kan freylich in der application der Politic leicht fehlen, gleichwie man
auch in der Matheſi findet, daß ratione applicationis viele Fehler vorge-
hen koͤnnen: unterdeſſen wird niemand ſagen, daß man in Mathematicis
keine demonſtrationes habe. Diejenigen, welche keine demonſtratio-
nes in moralibus admittiren wollen, fuͤhren auch die raiſon an, weil man
in moralibus keine lineas, numeros und unitates connexas faͤnde. Grotius
ſelbſt hat gemeynet, man koͤnne da nicht ſo demonſtriren, wie bey den Ma-
thematicis, weßwegen er auch von vielen reprehendiret worden, daß er ſich
durch
[24]Cap. I. De Natura
durch die Ariſtotelicos laſſen einnehmen, und geſagt, es waͤren hier con-
tingentia, und wo contingentia waͤren, koͤnte man nicht demonſtriren. Wenn
man aber conſideriret, was Lock in ſeinem Tract. de Intellectu humano
von der demonſtratione morali beygebracht, ſo kan man leicht fertig
werden. Es iſt wahr, in der Moral hat man keine Ziffern, keine Linien ꝛc.
daher iſt gewiß, daß demonſtrationes mathematicæ leichter ſind, als mo-
rales. Denn in mathematicis demonſtrationibus habe ich alles vor mir,
ich kan alles leicht uͤberſehen, und iſt keine difficultas, keine obſcuritas
vorhanden; das iſt aber nicht in moralibus. Da ſagt eben Lock, was
in Mathematicis ſind Linien, numeri, Ziffern, das iſt nur in der Moral,
das Wort und die definition des Worts. Wenn ich das Wort allezeit
in dem ſignificatu gebrauche, ſo iſt es nur ſo viel als eine Ziffer. Aber
freylich iſt dieſes ſchwer; denn mit denen Worten verbinden wir unſere
Ideas, e. g. das Wort Luxus kan ich nicht ſo leicht erkennen, als 1. 2. 3. 4.
So bald ich weiß, was 1. iſt, ſo kan ich die andern Ziffern leicht per
additionem heraus bekommen: aber der conceptus von dem Worte Luxus
iſt ſchwerer heraus zu bringen. Habe ich es aber einmahl verſtanden,
ſo muß ich hernach die Ideam aufbehalten, da iſt es einerley, ob ich die
Ziffern 2. aufbehalten, oder das Wort Luxus. Aber ſolches zu eruiren,
dazu gehoͤret eine groſſe etenduë des Verſtandes. Deßwegen ſind eben
die mathematiſchen diſciplinen die leichteſten, und faͤnget man auch am
erſten an, die Mathematic zu tractiren, in welche ſich auch alle mathe-
matiſche disciplinen reſolviren. Man ſaget von dem Vauban, daß der-
ſelbe nur ein guter Rechen-Meiſter geweſen, wie er ein Soldat worden,
das uͤbrige habe er alles vor ſich gelernet, da er doch ein trefflicher Geo-
metra geweſen, auch vieles in der Theorie præſtiret. Von einer in Mo-
ralibus einmahl gefaßten Idee, muß man nicht abgehen, ſonſt iſt es eben
ſo viel, als wenn ich vor 2. 3. ſetzen wollte, alsdenn wuͤrde ich ſehlen.
Wenn ich nun die propoſition habe: Luxu perduntur civitates, da iſt das
Subjectum civitas, perduntur luxu iſt das Prædicatum. Will ich ſolches
verſtehen, ſo muß ich wiſſen, was civitas ſey? Civitas iſt eine multitudo
hominum, welche ein Imperium agnoſciren, einen finem haben, nemlich
daß ſie wollen tute agere, ſie thun das, was der Imperans ſaget, voluntas
Principis iſt auch ſubditorum voluntas. Ich muß auch verſtehen, was
heiſt luxu perdere, i. e. non amplius conſiſtere, ſie gehen wieder aus ein-
ander, ſie koͤnnen nicht in dem vinculo bleiben, und den ſtatum nicht con-
ſerviren. Luxus iſt idea ad modum compoſita, das macht uns eben
Muͤhe ſolche zu eruiren. Da muß man ſehen, was die Leute darunter
verſtehen. Luxus ſupponiret mir, daß einer mehr iſſet, als er braucht,
mehr
[25]\& Indole prudentiæ civilis.
mehr trinckt, als er vonnoͤthen hat, mehr operirt, ratione generationis,
als noͤthig iſt. Fleiſches-Luſt, Augen-Luſt, hoffaͤrtiges Leben iſt darun-
ter begriffen. Nun iſt die Frage: Ob es wahr ſey, daß eine civitas,
welche einen ſcopum hat, ſich zu conſerviren, nicht beſtehen koͤnne, ſi irruat
luxus, wenn jederman frißt, ſaͤufft, huret. Alſo muß ich beweiſen, daß
ſie nicht koͤnne beſtehen, ich muß auf cauſam ſehen: denn demonſtrare heiſt
per cauſas cognoſcere. Die cauſa iſt, wer frißt, ſaͤufft, huret, ſchlaͤfft,
der iſt liederlich, er iſt ſecurus, und lebet freylich, als wenn kein Menſch
da waͤre, ſo ihm ſchaden koͤnte, alſo wird er imbellis, unordentlich, er
bekuͤmmert ſich nicht, wie er ſich conſerviren will, es iſt nihil maſculi bey
ihm: denn maſculus fortis iſt vigilantiſſimus. Bey jenen aber heiſt es,
wie Virgilius ſaget: Vino ſomnoque ſepulta eſt civitas, die andern civi-
tates aber, ſo neben uns ſind, ſind das unſere guten Freunde? Iſt der
Tuͤrcke, der Frantzoſe, unſer guter Freund? Nein, ſondern ſie ſehen nur
auf alle Gelegenheit, wie ſie ſich koͤnnen aggrandiren, und ihre Nachbarn
verſchlucken; ſie fuͤrchten ſich aber nicht fuͤr uns, wenn wir in desordre
ſind, vielmehr ſind ſie vigilant, haben munition, proviant, ſind exerci-
ret; wir aber haben keine Waffen, keinen proviant, ſind nicht bellicoſi,
da kan es nicht anders kommen, als daß wir muͤſſen uͤber den Hauffen
gehen. Wie Roderich in Spanien regieret, da die Mohren heruͤber
kommen, ſo hatten die Spanier noch in Africa die Veſtung Ceuta, wo-
ſelbſt ſie einen Gouverneur touchiret, indem er ſeine Tochter ſtupriret, daher
uͤbergab derſelbe Ceuta an die Mohren, und ſagte: in Spanien ſind ſie ſe-
curi, da giengen die Mohren heruͤber, und brachten Spanien unter ſich,
weil daſelbſt homines inexercitati waren. Wollten die Spanier keine
Saracenen werden, ſo muſten ſie alle davon lauffen. Diejenigen, welche
noch tapffer geweſen ſind, haben ſich nach Aſturien, Arragonien und Na-
varra reteriret; das uͤbrige hatten alles die Mohren. Dieſes hat al-
les luxuria in curia verurſachet. Wie Philippus II. Portugall einbekom-
men, iſt eben luxuria, dran ſchuld geweſen, das iſt die demonſtration,
welche aus dem luxu fließt. Der Tuͤrcke paſſet auch nur auf, wenn
Lermen in Europa iſt, ſiehet er nun, daß Unordnung iſt, ſo kommt er
herein, durch welche Gelegenheit er vieles an ſich gebracht. Sind wir
aber en bon ordre, ſo thut uns niemand etwas. Die Nachbarn ſte-
cken in affecten, ſie ſuchen ſich nur zu aggrandiren, und ſehen nicht zu, ob
es recht, oder unrecht iſt. Ob es alſo gleich contingens, populum eſſe
luxurioſum, ſo thut uns doch die contingentia nichts. Wir ſupponiren,
daß civitas colligiret, die pacta ſind da, Luxus iſt auch vorhanden, als-
denn iſt der effectus perdi, und habe ich nichts mehr uͤbrig, als daß ich
Ddie
[26]Cap. I. De Natura
die cauſſas ſuche, warum die Republic uͤbern Hauffen gehet. Ich ma-
che ein axioma, und ſage: Wer hurt, friſt ꝛc. kan der bellicoſus ſeyn?
Nein. Ich nehme als ein poſtulatum an: Die neben uns ſind, ſind
unſere Feinde, welches man gar leicht beweiſen kan. Denn warum
haben wir Veſtungen auf denen Graͤntzen, warum nehmen wir die Paſ-
ſagiers in arreſt, welche keinen Paß haben? Eben darum, weil wir ih-
nen nicht trauen. Alſo kan keine andere concluſion folgen, als dieſe,
luxu perduntur civitates. Wenn einer daran zweiffelt, es iſt ihm zu ab-
ſtract, ſo giebet man ihm Exempel, und ſagt: Sic periit Carthago; ſic
periit Hiſpania; ſic periit Roma; ſic periit respublica Iudæorum. Wenn
eine revolution ſoll werden, ſo kommt allemahl einer, der vigilant iſt,
dieſer ſupprimiret erſt kleine Staaten, wodurch er ſich aggrandiret, die
andern Nachbarn aber ſind unordentlich, damit wirfft er ſolche uͤber
den Hauffen. Daher findet man, daß bisweilen ein kleines Reich groſ-
ſe uͤbern Hauffen geworffen, als wie der Baſilowiz in Moſcau gethan.
Man koͤnnte hier auch ein Exempel geben de vectigalibus imponendis,
welches ebenfalls kan demonſtriret werden; Dergleichen Exempla aber
werden viel in progreſſu gegeben werden: denn dadurch wird die politi-
ſche Wiſſenſchafft angenehmer. Obgedachter Silhon erinnert in ſeinen
Miniſtre d’Etaat gar wohl, daß einige aus dieſer Urſachen auf die Mey-
nung gefallen, man koͤnne keine demonſtrationes in moralibus haben, weil
ſie geſehen, daß ſich viele Sachen in einander verwickeln. Allein man
muß einen Punct nach dem andern nehmen, ſo kan man gar wohl de-
monſtriren. Er ſaget auch: Die wenigſten Leute wiſſen etwas von
Regierungs-Sachen, und haben auch gehoͤret: Mundus regitur opinio-
nibus; mundus regitur parva ſapientia, deßwegen koͤnnen ſie ſich keine
demonſtrationes concipiren. Aber wenn man alles reſolviret, kan man
es deutlich zeigen. Gleichwie du eine Gewißheit haſt, daß 3. mahl 3.
ſo viel als 9. ſo haſt du eben eine ſolche Gewißheit, wenn einer ſagt: lu-
xus \&c. und die definition iſt dir vorher bekannt. *Dicis: Es iſt wohl
wahr, daß man in politicis demonſtrationes machen kan, aber es kommt doch
hernach auf die Application an? Reſpond. Es iſt da eben ſo, wie in der
Ju-
[27]\& Indole prudentiæ civilis.
Juriſterey, im Fechten und andern Dingen, ich kan dir ſagen, wie man es
machen muß, wenn die quarta ſoll geſtoſſen werden; wenn es aber auf die
application ankommt, ſo heiſt es, da ſiehe du zu. Der uſus giebt es ſchon nach
und nach. In Iure giebt man einem ebenfalls gewiſſe Regulas, wornach er ſich
richten muß, und ſind die principia alle gewiß, aber die application wird eines
jeden arbitrio uͤberlaſſen. So iſt es alſo auch in der Politic, wenn ich da ei-
nem noch ſo ſchoͤne Sachen ſage, und er weiß das tempo nicht zu treffen, ſo
hilfft es ihm alles zuſammen nichts. Daß man bey denen veritatibus
moralibus mehr zanckt, als bey denen veritatibus mathematicis, davon
hat Hobbeſius in ſeiner Leviathan eine artige raiſon angefuͤhret, er ſagt,
daß die Mathematici nicht ſo zanckten, kaͤme daher, weil ſich in ihr Me-
tier nicht leicht ein Intereſſe miſche: Denn wenn man ſagt, 3. mahl 3.
iſt 9., wer hat da ein Intereſſe dabey. Hingegen in Moralibus kommt
es auf inclinationes noſtras an, wir muͤſſen unſere affecten ſupprimiren;
alſo iſt ein Intereſſe da, und weil ein Intereſſe da iſt, ſo braucht einer
auch das Sentiment, welches ſeinem Intereſſe gemaͤß iſt. Einer ſagt,
man koͤnne in Commœdien gehen, der andere ſagt, man koͤnne nicht hin-
ein gehen. Die Mathematici zancken nicht, als wenn etwan ein præ-
mium geſetzt iſt, e. g. jetzo bey der altitudine maris. Bey dem perpe-
tuo mobili haben ſie ſehr diſputiret, indem ſie lange daran gezweiffelt.
Daher als der Orphyreus ein Specimen ablegte, von einem perpetuo
mobili, ſo kam es vielen unglaublich vor, auch dem Herrn Wolff, wel-
cher es in ſeinen Schrifften negirte, wie aber der Land-Graf von Heſ-
ſen-Caſſel die Machine in einem Zimmer laſſen verwahren, daß niemand
dazu gekommen, und man es nach ſechs Wochen noch in Bewegung
angetroffen, ſo haben ſie angefangen, die Augen aufzuthun, und Herr
Wolff hat dasjenige vor einen Druckfehler ausgegeben, was er dar-
wider geſchrieben. Ob nun alſo gleich bey denen Mathematicis manch-
mahl Streitigkeiten ſind, ſo ſind doch derer nicht ſo viel, als wie bey de-
nen Moraliſten. Es hat doch aber ein jeder ſeinen Verſtand, daß er
alles kan examiniren, und ſehen, in was vor præjudiciis und affecten er
ſtecke: Denn wenn man in affecten ſteckt, kan man nicht recht judici-
ren.
§. 11. 12. Wenn du die Politic nimmſt pro conſervatione uniusWas der End-
zweck der Poli-
tices ſey?
cujusque ſtatus, in quo ego, tu verſor, ſo iſt ein jeder ſtatus objectum Po-
litices. Es iſt alſo wahr, was ſchon oben gewieſen worden, daß kein
Menſch in der Welt iſt, der nicht regulas prudentiæ gebrauche; aber
wenn man die Politic etwas ſtrictius nimmt, daß man redet de prudentia
civili, quomodo ſit respublica adminiſtranda, da haben wir kein ander
D 2obje-
[28]Cap. I. De Natura \& Indole prudentiæ civilis.
objectum als civitatem, rempublicam, da iſt der finis offenbahr conſer-
vatio reipublicæ. Finis remotus aber iſt felicitas totius generis humani,
quoad in nobis eſt, daß wir acht geben, ut nemo impediatur; wir remo-
viren die impedimenta, daß er gluͤcklich ſey, und in aller Gottſeligkeit und
Erbarkeit ſein Leben fuͤhren koͤnne. Die felicitas iſt vollkommener, je
vollkommener die Menſchen ſind, und muß man ſich nicht nur huͤten a
malis externis; ſondern es iſt gut, ut homines ſint juſti, honeſti, \& vir-
tute præditi. Endlich iſt remotiſſimus finis: Ut ſic gloria Dei promo-
veatur. Dieſes verſtehen viele nicht, denn GOtt iſt nicht ambitiös, ſon-
dern die Menſchen ſind ſo incliniret, daß wann ſie ſummam ſapientiam,
ſummum ordinem erkannt haben, laudant Deum, a quo omnia proveniunt,
laudant lumen illud ſapientiæ, a quo radii ad nos perveniunt.
Politic abzu-
handeln.
Was den methodum betrifft, ſo hat der Autor in ſeinem gantzen
Werck gezeiget, man koͤnne es nicht beſſer erkennen, ſonderlich in politi-
cis, als wenn man es methodo medica tractire. Denn die Politic ſup-
ponirt imperfectiones, incommoda, impedimenta, quæ homines circum-
ſtant, (und wenn ich die Politic auf civitatem reſtringire) quæ omnes ci-
vitates circumſtant. Gleichwie nun ein Medicus nicht kan remedia ge-
brauchen, er muß zuvor wiſſen, was ſeinem Patienten fehlet, als conſi-
deriren wir hier auch, was homines per ſe, hernach homines in certo ſta-
tu exiſtentes ſind, wir conſideriren auch die mala, quæ illos circumſtant.
Wir halten auch die Geſundheit gegen die Kranckheit, deinde de reme-
diis cogitamus. Die media aber ſind vel ſalutaria vel non ſalutaria;
Daher werden wir nicht allein conſideriren, die richtigen Mittel, wo-
durch man felicitatem erhaͤlt, ſondern auch die pſeudo-media. Bey de-
nen letzteren iſt der Autor am meiſten beſchaͤfftiget. Es kan auch nicht
anders ſeyn: denn ein Pſeudo-Politicus affectiret klug zu ſeyn, aber er iſt
es nicht, und muß man alſo ſolches zeigen. Die Methode des Autoris
kan man ſich auch leicht gefallen laſſen, denn methodus iſt arbitraria, ſuf-
ficit daß wir alle Materien koͤnnen da conſideriren, und unſern ſcopum
erhalten. Es mag alſo einer von Exemplis auf die Principia gehen; oder
die Principia zu erſt tractiren, und dann die Exempla anzeigen,
das iſt uns alles eins.
Cap. II.
[29]Cap. II. De Variis hominum Statibus.
Cap. II.
de
Variis hominum Statibus.
§. 1.
DEr Autor hat hier zwar keine Unordnung, aber es haͤngt dochWarum hier
von den unter-
ſchiedenen
Staͤnden der
Menſchen ge-
handelt wer-
de?
nicht ſo zuſammen, daß ein jeder die connexion gleich ſiehet; al-
ſo muß es beſſer connectiret und illuſtriret werden. Ich in-
[r]endire hier, daß ich den Urſprung aller Staͤnde in der Welt will en
ſuite vorſtellen, denn wir ſehen, daß wir in variis Statibus leben, und der
hunderſte weiß nicht, wie er hinein kommen. Je laͤnger die Welt ſte-
het, je mehr Status kommen auch hervor, die Menſchen fallen immer auf
etwas neues, und wir koͤnnen nicht leicht zuruͤcke kommen, es ſey denn,
daß ein Krieg kommt, welcher ein bisgen auskehret; hoͤret aber ſolcher
auf, ſo kommt alles wieder hervor, alle die affecten, welche vordem ge-
weſen. Und wenn jetzt eine Suͤndfluth entſtuͤnde, und wir kaͤmen nach
hundert Jahren wieder, wir waͤren gantz fromm, haͤtten aber eben noch
die Seele, und die affecten, ſo wir vordem gehabt, ſo wuͤrden wir eben-
falls auf ſolche Dinge fallen. Man darff nicht dencken, daß die Welt
ſchlimmer wird, denn ſie kan nicht ſchlimmer werden, als ſie vordem
geweſen, nur kommen jetzo viele Dinge unter einer andern maſque her-
vor, als vorher.
§. 2. Weil oben gedacht worden, daß uns das Wort Status ſehrWas Status
ſey?
incommodiret, ſo muß ſolches hier erklaͤret werden: Denn die Spra-
chen incommodiren uns am meiſten. Haͤtten die Gelehrten die Spra-
chen gemacht, ſo wuͤrden wir beſſer koͤnnen fortkommen; So aber ſind
ſie von dem gemeinen Volck gemacht worden, welches ein Wort erſt
proprie genommen, und hernach viele metaphoriſche Bedeutungen mit
angehaͤnget. Deßwegen ſind auch einige darauf bedacht geweſen, ob
man nicht eine Sprache finden koͤnne vor die Gelehrten? Leibniz hat
lange gearbeitet, und viel Zeit damit verdorben; aber er iſt daruͤber ge-
ſtorben. Die wenigſten Sprachen ſchicken ſich ad philoſophandum, weil
ſie ſo viele metaphoras haben; dahin gehoͤret auch die Hebraͤiſche
Sprache. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß wir ditiores linguas haͤtten, und
da iſt keine beſſere, als die Griechiſche, daher auch die Engelaͤnder, Hol-
laͤnder, und andere gentes viel Woͤrter aus dem Griechiſchen in ihre
D 3Spra-
[30]Cap. II.
Sprache genommen, und ſolche angliſiret, hollaͤndiſiret; nicht anders,
als wie wir offt Lateiniſche Woͤrter in unſerer Sprache nehmen, wenn
wir eine Sache in der Teutſchen Sprache nicht gut koͤnnen vorſtellen.
Status a ſtando venit. Qui ſtat, locum occupat; er muß einen Raum
einnehmen, und alſo, wenn ich das Wort etymologice conſiderire, ſo
ſupponiret ein jeder Status locum. Dieſer Locus iſt vel phyſicus, vel
moralis. Auf ſolche Art kan ich von allen rebus ſublunaribus ſagen,
quod occupent certum locum, ſie moͤgen ſeyn animatæ, oder inanima-
tæ, Statum naturalem quendam habent. Daher hat Puffendorff in ſeinem
Iure Nat. \& Gent. Cap. I. woſelbſt er von denen entibus moralibus han-
delt, gewieſen, daß auch in der Moral und Juriſterey ein Locus vor-
komme. Was man ſonſt in denen prædicamentis von denen rebus cor-
poralibus vorbringet, das hat Puffendorff auch de moralibus gewieſen.
Deßwegen muß man Anfangs Achtung geben, auf Locum phyſicum;
das iſt aber noch nichts moraliſches. Unter denen rebus animatis ſind
animalia, worunter auch der Menſch mit iſt. Res animatæ werden ſie
eben genennet, weil in denen rebus ein vita iſt, agunt, operantur, agit,
aber wie? Animalia agunt, an cum ratione, cum fine? haben ſie einen
ſcopum? Nein, weil ſie alſo keine Vernunfft haben, agunt ex inſtinctu
naturali, und ihre actiones gehen nicht weiter, als es ihnen die Natur
vorſchreibet. Agunt quidem ſecundum finem Dei, aber ſie ſind vor ſich,
nullum finem habent præfixum, der inſtinctus naturalis mag auch her-
kommen, wo er her will; und ſehen wir freylich, daß er ex ſapientia di-
vina kommt. Der Menſch aber hat einen finem, und wird derſelbe eben
durch ſeinen finem, durch ſeine entia intentionalia von denen brutis un-
terſchieden, ſive ſolus ſit, ſive inter plures agat. Es iſt wahr, wenn der
Menſch alleine iſt, ſo ſcheinet es, wie Mr. Cruſoe ſaget, (aus welchem
Buch ich viel profitiret, vieles hat mir auch darinnen mißfallen) daß
der Menſch vieles thue, was ſonſt die Thiere thun. Denn er muß eſ-
ſen und trincken; er will auch ſolche eſculenta und potulenta eligiren,
welche ihm nicht ſchaͤdlich ſeyn; er will auch ſine dolore ſeyn, ſo viel als
moͤglich iſt. Weil er will eſſen und trincken, ſo muß er arbeiten, und
wenn er auch nur Wurtzeln iſſet, ſo muß er ſich doch ſolche zuſammen
leſen. Iſt er gleich auf einer Inſul alleine, ſo ſind doch varia incommo-
da vorhanden, es ſind viele Thiere da, venenatæ beſtiæ. Wir haben
veraͤnderte Jahrs-Zeiten, Herbſt, Winter, Fruͤhling, Sommer. Da
muß er ſich vor der Hitze und Kaͤlte verwahren, alias perit, er muß ſich
kleiden. Hieraus ſiehet man, daß wenn der Menſch alleine waͤre, der-
ſelbe faſt nichts anders thun wuͤrde, als die Thiere. Ich ſage aber:
faſt.
[31]De variis hominum Statibus.
faſt. Denn dieſer Unterſcheid iſt vorhanden: daß der Menſch allezeit
einen finem, ſcopum vor ſich hat, welchen er erwehlet. Er hat die
Wahl auf dieſe oder jene Art etwas zu thun. Hergegen verſtehe ich
die inclination eines Thieres, ſo verſtehe ich die inclination aller andern
Thiere von dieſer Art. Kan ich einen Fuchs fangen, ſo kan ich alle
Fuͤchſe fangen. Die Thuͤre ſehen nur auf die Erde, ad præſentia, ſein
Tage aber nicht in die Hoͤhe. Bey denen Thieren iſt keine Religion,
quicquid ſentiunt, iſt alles nur etwas weniges. Der Menſch hergegen,
wenn er gleich alleine iſt, hat einen groſſen Vorzug propter rationem;
er weiß, warum er ſich kleidet. Wenn er in die Hoͤhe ſiehet, und be-
trachtet die Sterne am Himmel, und andere Dinge, er findet eine
ſchoͤne harmonie, ſo wird er bald auch eine Religion kriegen: Denn er
ſiehet endlich, daß ein ens muß ſeyn, welches dieſes alles gemacht. Al-
ſo kan er per contemplationem auf ein ens ſummum kommen, alles ver-
mittelſt des raiſonnirens. Endlich wird er auch ſich ſelbſt betrachten,
wenn er ſeine Vernunfft brauchet, und da wird er ſehen, wie er von
denen brutis unterſchieden.
§. 3--7. Wenn wir aber dieſes nun alles anſehen, ſo finden wirWas Status
abſolutus \&
compoſitus
ſey?
nichts, als einen einigen ſtatum moralem, daß wenn der Menſch gantz
alleine, ſo thut er alles cum fine; habet certum ſcopum, dadurch er ſich
conſerviret, poteſt cognoſcere Deum. vid. Thomaſ. in Jurisprud. Divina.
Wenn der Menſch alleine, ſo ſind nicht viel ſtatus, er iſt kein Mann,
denn einen maritum kan man nicht concipiren, wenn keine Frau da iſt;
er iſt kein Vater, denn es ſind keine Kinder vorhanden. Wer alleine
iſt, der iſt auch kein Herr und Knecht, wenn einer alleine iſt, da iſt kein
dominium, kein imperium, keine ſouverainité vorhanden. Das iſt was
wunderliches von dem Cruſoe, daß er ſich eingebildet, er waͤre ſouve-
rain. Alſo ſind alle andere ſtatus, welche wir haben, ex conjunctione
entſtanden. Deßwegen nennet man dieſes ſtatum compoſitum, weil
man da nicht alleine ſe tantum reſpicit, ſed etiam alios, ſine quibus eſſe
non poſſumus, ſine quibus durare non poſſumus. Koͤnte aber nun einer
ein argumentum cogens bringen, daß er gar keinen andern Menſchen
brauchte, ſo koͤnte man auch gar nicht ſagen, daß er einem andern Men-
ſehen verbunden waͤre, aber ſo da kein Menſch ohne den andern leben kan,
es muß einer mit andern Menſchen umgehen, und zu thun haben; daher
folget: Poſito alio homine ponitur obligatio. Denn wenn wir keme
obligationes gegen einander haͤtten, ſo koͤnte der andere mich lædere, læſio
iſt eine diſtinction cum hoſtibus non conjungimur; hier aber ſoll eine
conjunctio ſeyn, deßwegen ſagt eben Grotius in ſeinen Prologeminis:
poſi-
[32]Cap. II.
poſito homine alio, ponitur obligatio. Geſetzt nun: es waͤre ein Menſch
in der Welt, wie Adam Anfangs geweſen, welches man aus der Hiſtorie,
aus der Bibel (denn hier ſehen wir die Bibel als eine Hiſtorie an, welche
uns den Urſprung des menſchlichen Geſchlechts zeiget) ſehen kan. Dieſer
Adam haͤtte allein nicht koͤnnen dauren, denn ein Menſch vermehret ſich
nicht. Wir wiſſen daher aus der Bibel, daß die Frau entſtanden. So
bald die fœmina da war, ſo war auch eine conjunction vorhanden, ſie
lebten als Mann und Frau mit einander. Nimmt man nun dazu, was
in der Schrifft ſtehet, ſo heiſt es daſelbſt: Es iſt nicht gut, daß der Menſch
alleine ſey, ich will ihm eine Gehuͤlffin ſchaffen; dadurch kan man es noch
deutlicher erkennen. Dieſe conjunctio muſte alleine da ſeyn, und wenn
auch unſer HErr GOtt dem Menſchen einen Engel zugefuͤhret, ſo waͤre
es nichts geweſen, denn inter angelum \& hominem kan keine conjunctio
ſeyn, der Menſch aber ſollte ſich multipliciren. Es konte auch nicht ein
ander animal ſeyn, obgleich ſonſt die andern animalia eben ſo generiren,
aͤuſſerlich, als die Menſchen. Denn es ſollte dem aͤhnlich ſeyn. Gleichwie
ſie nun einander die corpora communiciret, ſo iſt aus dem commercio
corporis, proles, ſoboles entſtanden. Da es heiſt: poſito alio homine,
ponitur obligatio. So iſt hier die erſte obligatio zu finden inter maritum
\& uxorem. Dieſes iſt der aͤlteſte Stand. Darum ſagt man auch, der
Hauß-Stand ſey der Haupt-Stand. So bald nun aber ex commercio
corporis ſoboles entſtanden, ſo kam ein neuer ſtatus hervor, worinnen
war pater, mater, filius, filia. Die Kinder muſten ſie erziehen, ſervare.
Wenn ich die Kinder nicht wollte erziehen, ſo haͤtte ich keine vernuͤnfftige
intention gehabt, mich zu multipliciren. Denn wenn ich Kinder gezeu-
get, ſchlage ſie aber wieder todt, ſo iſt es eben ſo viel, als wenn keine
multiplicatio geſchehen. Ich muß genus humanum ſuchen zu conſervi-
ren, ut duret, ſo lange als GOtt will. Darum iſt auch bey dem homine
ſolo ſchon etwas von der Religion gedacht worden, daß derſelbe koͤnne
durch ſeine Vernunfft auf GOtt kommen, und ſehen, daß ein ens ſum-
mum alles muͤſſe gemacht haben, und nichts ex fortuito atomorum con-
curſu entſtanden, wie Epicurus gemeynet. Dieſe Societas zwiſchen dem
Mann und Frau hat durabilis ſeyn muͤſſen; weil ſie muͤſſen acht geben,
ut id, quod generant, conſervetur. Mann und Weib muͤſſen harmo-
niren, es muſte mutuum adjutorium vorhanden ſeyn, ſie muſten mit ein-
ander arbeiten Educare heiſt nicht allein ernehren, nutriren, daß man
denen Kindern Teincken und Eſſen giebet, ſondern man muß auch davor
ſorgen, daß die Kinder Menſchen werden. Das Kind hat wohl figuram
humanam, aber es raiſonniret noch nicht, es redet auch nicht. Man
ſiehet
[33]De variis hominum Statibus.
ſiehet wohl eine facultatem bey Kindern, aber es exeriret ſich dieſelbe nicht
eher, als bis wir mit denenſelben reden, ihnen Woͤrter lernen. Educare
begreifft alſo in ſich, daß man die Kinder inſtruiret, dociret, ſie muͤſſen
erzogen werden, en bon ordre, daher muß eine ordinata Societas vorhanden
ſeyn. Wird nun das Kind recht educiret, ſo kan es hernach diſtincte dencken,
denn wenn man will diſtincte dencken ſo muß man Woͤrter im Kopffe haben.
Daher ſiehet man eben, daß bey denenjenigen, welche die memorie verlaͤſſet,
die Gedancken gantz diſſipirt ſind. Soll nun aber das Kind erzogen werden,
ſo muß ich ein Jus haben, alle impedimenta zu removiren. Will das Kind
nicht ablaſſen von etwas, das ihm ſchaͤdlich iſt, ſo ſchlaͤgt man es: Denn
das Kind, wenn es nach ſeinen natuͤrlichen Begierden gehet, thut lauter
ſolche Dinge, welche ihm ſchaͤdlich ſind. Ja man wird finden, daß ein
Kind weit mehr Muͤhe braucht, als ein junges Thier, das macht, ani-
malia inſtinctu naturali ducuntur, der exerirt ſich gleich bey ihnen: homi-
nes vero ratione ducuntur, die rationem aber haben ſie nicht gleich, ſie
iſt wohl da, potentia, aber nicht actu. Alſo haben wir einen ſtatum,
ubi pater, mater, filius, filia. Es wird in Jure Nat. \& Gent. gewieſen,
daß das imperium paternum naturale: Weil man nothwendig eine force
gebrauchen muß, wenn das Kind nicht pariret, das hoͤret aber alles auf,
wenn einer aͤlter wird, tunc ceſſat imperium naturale; da braucht man
keine force mehr, ſondern es kan mit Worten geſchehen. Aber nichts
abſurders iſt, als wenn Eltern denen Præceptoribus befehlen, ſie ſollen
ihre Kinder mit Worten ziehen: denn wenn ein Kind wie ein brutum
lebt, ſo ſind die Worte nicht hinlaͤnglich, ſondern man muß force gebrau-
chen, ſonſt wird es ein Menſch, der nur in der Welt Ungluͤck anrichtet,
und nach ſeinem inſtinctu naturali lebet. Das kommt alles von der
ſchlechten education. Daher ſiehet man auch, daß diejenigen, welche
eine gute education haben, eher klug werden: denn die ratio exerirt ſich
immer mehr und mehr. Hier ſehen nun die Kinder, daß ſie alles von
dem Vater haben, das Leben, die Auferziehung, alimenta; der Vater
muß ja vor ſie arbeiten: Denn terra debet coli, es waͤchſet nichts von ſich
hervor, und iſt der labor gleich mit dem menſchlichen Geſchlecht entſtanden.
In ſtatu integritatis mag es wohl anders geweſen ſeyn, davon wir aber
nichts wiſſen, als dasjenige, was in der Biebel hievon vorkommt. Hier-
auf ſehen wir aber jetzo nicht, ſondern wie die Welt anjetzo iſt, da muß
man arbeiten, vigilare. Wie die Thiere ex inſtinctu naturali vor ihre
Jungen ſorgen, ſo thun es die Menſchen ex ratione, wovon Lock in ſei-
nem Tractat de l’education des Enfans artige Sachen hat. Der Vater
iſt ſtaͤrcker als das Kind; daher fuͤrchten ſich die Kinder fuͤr denen Eltern;
Edaraus
[34]Cap. II.
daraus entſtehet timor, und weil der timor mit einer bonitate conjungirt
iſt, ſo entſtehet reverentia, daher kommt ein timor reverentalis. Es iſt
eine Idea amoris mit bey dem timore, und iſt alſo ein gantz anderer timor,
als derjenige, welchen ein Knecht fuͤr ſeinem Herrn hat. Das Kind muß
alſo denen Eltern gehorchen, nicht ex pacto, hier braucht man kein pa-
ctum, ſondern es iſt eine naturalis conſecutio vorhanden. Bey einem
Kinde, das educirt werden ſoll, muß man ein imperium haben; Das
imperium naturale hoͤret aber hernach auf. Hergegen ein imperium ex
pacto hoͤrt nicht auf, e. g. wenn ich mich pacto unter ein imperium bege-
ben, ſo hoͤret daſſelbe nicht auf, ob ich gleich geſcheuter bin, als der im-
perans. Daher habe ich mich gewundert uͤber den Puffendorff und Jac.
Thomaſium, welche nicht gewuſt haben, wo das imperium herkommen.
Es kommt von nichts anders, als ex educatione. Da haben wir alſo
einen ſtatum conjugalem \& filialem, ſ. paternum. Man zeuget aber nicht
ein Kind, die generatio gehet immer weiter fort, die Kinder, wenn ſie
erwachſen, und ſtarck werden, ſehen freylich was ihre Eltern thun. Und
da ſie nun ſelbſt ſtarck ſind, ſo werden ſie nicht ferner prætendiren, daß
ihre Eltern ihnen ſollen vorarbeiten, ſie ſehen, daß die Erde vor ſich nichts
produciret, als erkennen ſie auch, daß ſie muͤſſen arbeiten; ſie werden
auch immer aͤlter, daß ſie endlich ſelbſt eine Luſt bekommen, ſich zu mul-
tipliciren. Denn das iſt was natuͤrliches, und wenn es unſer ſtatus zu-
lieſſe, ſo waͤre viel beſſer, wir heyratheten bald, ſo wuͤrde man nicht von
ſolchen exceſſen, von Huren hoͤren ꝛc. Die Juden verhuͤten ſolches, weil
ſie bald heyrathen. Die Kinder haͤtten alle koͤnnen bey dem Vater blei-
ben, bey dem Seniore, da ſie denn haͤtten koͤnnen zuſammen arbeiten. Aber
da kan man ſchon ſehen, daß das menſchliche Geſchlechte ein vitium hat,
und iſt wohl nicht zu glauben, daß ſolches von GOtt komme, ſondern vor-
her muͤſſe ein anderer ſtatus geweſen ſeyn. Aber die Menſchen ſind nicht
ſages geblieben. So bald der Menſch nichts taugete, und eine boͤſe Wur-
tzel in ihn gekommen, ſo iſt viel uͤbels entſtanden; und iſt die conſideration
des Ariſtotelis von denen Ameiſen, welche oben angefuͤhret worden, hier
wohl zu gebrauchen. Der Menſchen Affecten ſind wohl gut, wenn ſie
mit der Vernunfft temperiret werden, ſo bald aber der inſtinctus natu-
ralis prædominiret, ſtultitia, inſipientia adeſt. Daß ſie alſo nicht bey
einander in communione geblieben, daran iſt invidia ſchuld. Die El-
tern haben auch zu einem Kinde mehr affection, als zu dem andern, und
wenn ein Kind vernuͤnfftig waͤre, ſo ſollte es dencken: Es thut nichts,
ob ich gleich nicht ſo viel Liebe bey den Eltern habe; wenn ich Kinder be-
komme, kan ich es eben ſo machen. Man kan leicht gedencken, daß da
das
[35]De variis hominum Statibus.
das gantze menſchliche Geſchlecht von 7. Perſonen herkoͤmmt; anfaͤnglich
die Geſchwiſter haben muͤſſen einander heyrathen. Sind nun 3. Schwe-
ſtern da geweſen, Maria, Catharina, Sophia, einem hat die Sophia
beſſer angeſtanden, als die andern beyden, ſo haben ihn die andern ge-
neidet. Dann mit der Sophia will ich mich conjungere arctiſſime, das
verdrießt die andern. Es ſind auch offt differente Geſichter: Denn
nichts in der Welt iſt einander gleich, und hat Leibniz gewieſen, daß
ſo gar kein Blat auf einem Baum dem andern gleich. Weil alſo die
Menſchen different ſind, ſo iſt eine invidia entſtanden. Im Arbeiten
war auch ein groſſer Unterſcheid; einer iſt faul, der andere fleißig; ſie
haben weiter geheyrathet, dadurch haben ſie ſich ſegregirt, und ſind im-
mer neue Familien entſtanden, neue patres, filii, \&c. Eo ipſo aber, cum
ſegreges agere incipiebant, haben ſie dominia etabliret. So iſt das
dominium in die Welt kommen. Denn wer ſein eigen Feuer und Herd
hat, ſein eigen Feld und Vieh, der will dominus ſeyn. Darinnen aber
beſtehet das dominium, ut cæteros excludam. Wie es nun bey denen
erſten Familien gegangen iſt, ſo iſt es auch mit denen andern beſchaffen
geweſen: Denn unſere Affecten continuiren immer. Meum \& tuum pa-
rit omne bellum. Es koͤnte aber einer ſagen, da ein jeder was eigenes
gehabt, dum ſegregarunt ſeſe, wie es muͤglich geweſen, daß ſie nicht ru-
hig koͤnnen leben. Reſp. Die ſegregatio familiarum iſt zwar geſchehen,
und dadurch iſt die Welt erfuͤllet worden. Nun iſt die Welt zwar groß,
aber wir gehen nicht gerne aus einander. Es muß einer eine groſſe re-
ſolution faſſen, wenn er will weit weggehen; die meiſten aber bleiben
gerne in der Naͤhe. Daher ob ſie ſich gantz ſegregiret, ſo iſt hernach,
da die Familien vermehret worden, wieder eine vicinitas entſtanden,
wenn aber eine vicinitas da iſt, ſo zancken ſie, und wenn einer ruhig, ſo
ſind doch viele andere da, welche unruhig ſind. Der eine hat etwa ein
beſſer Land, beſſere Fruͤchte, ſo neidet ihn der andere, und will es gerne
haben, dazu iſt das otium gekommen, daß viele Menſchen nicht gerne
etwas thun wollen, welche hernach denen andern dasjenige was ſie er-
worben, weggenommen. Wenn aber die Menſchen einander delogiren
wollen, ſo dencken ſie auf Gewalt, force. Denn ſo iſt die Natur des
Menſchen beſchaffen, und hat Spinoza nicht unrecht, wenn er ſagt, das
ſey des Menſchen Natur. Darinnen aber irret er ſich, wenn er meynet,
das ſey das Jus Nat. Der Menſch agirt nach ſeinem inſtinctu, als wie
ein Kind, welches nicht verſtehet, was meum und tuum, ſondern alles
haben will. Wenn ich aber force brauchen will, ſo ſiehet ein jeder
Menſch, daß was ich nicht alleine kan thun, ſuche ich durch andere Men-
E 2ſchen
[36]Cap. II.
ſchen zu verrichten. Daher ſind ex ſtatu ſegregi conjunctiones kommen.
Die Boͤſen ſind alle Urſache an dieſen conjunctionibus, weil ſie ſolche ge-
macht, die Frommen zu unterdruͤcken. In Babel war das gantze menſch-
liche Geſchlecht beyſammen, wie Perizonius in ſeinen Originibus Baby-
lonicis gewieſen, da wollten ſie erſt nicht von einander, ſondern einen
hohen Thurm bauen; damit wenn einer etwan weggekommen, er ſich
wieder dahin finden koͤnte. Aber es entſtund bald Zanck, tunc ſecede-
bant. Die Sprachen ſind auch nicht veraͤndert worden per miraculum,
welches Vitringa in einer diſſertat. gewieſen; ſondern da ſie von einander
giengen, ſo haben ſie ſich nach und nach geaͤndert. Das Clima iſt auch
Schuld dran, daß die Sprachen geaͤndert worden. Alſo giengen viele
von Babylon weg, und unſer HErr GOtt wollte auch haben, daß die
uͤbrige Welt ſollte peupliret werden. Da ſich nun die Boͤſen conjungiret,
ſo haben ſich die Frommen, welche mitioris ingenii waren, laſſen delogi-
ren. Unter denen Frommen iſt auch wohl ein ferox ingenium geweſen,
welches die andern encouragiret, ſie ſollten ſich mit ihm conjungiren wi-
der die Boͤſen. Hieraus ſind entſtanden ſocietates, cœtus. Weil nun
mancher geſcheut regieret, ſo kan es auch geſchehen ſeyn, daß viele Familien
von freyen Stuͤcken ſich unter einen ſolchen begeben: wie man von denen
Sineſern ſaget, daß es da offt geſchehen, daraus iſt aber nicht probirt,
wie Bülfinger in ſeiner Philoſophia Morali Sinenſium ſaget: Wir phi-
loſophirten ſo abſtract, daß wir meyneten, es waͤren die civitates ex metu
entſtanden, weil man bey denen Sineſern finde, daß ſich viele unter eins
ſein imperium begeben, weil er klug regieret. Allein 1.) kan man denen
Sineſern nicht ſo abſolut trauen, denn ſie koͤnnen admirable luͤgen.
2.) Wenn es auch waͤre, ſo iſt ſolches doch unſern principiis nicht zuwi-
der, denn wir negiren nicht, daß ex poſt facto ſich koͤnnen Leute unter ei-
nen angeben, weil er weislich regieret. Finden wir doch, daß die Bayern
ſich freywillig unter das Fraͤnckiſche Reich begeben. Aber das iſt nicht
der erſte Urſprung des Imperii. Alſo bleibet wahr, daß alle civitates ex
metu \& invidia entſtanden. Die Frommen haben ſich gefuͤrchtet vor
denen Boͤſen, und die Boͤſen hernach vor denen Frommen; ob ſich gleich
die Boͤſen nicht haͤtten duͤrffen fuͤrchten, wenn ſie es nicht erſt angefan-
gen haͤtten. Wenn einer victor worden, ſo muſten die andern fortge-
hen oder Knechte werden: daher bekommen wir ſervitutes. Keine ci-
vitas kan ſine ordine geweſen ſeyn, ohne commando, ex natura aber hat
keiner ein imperium gehabt, daher haben ſie muͤſſen paciſciren; ob wir
gleich den modum nicht wiſſen wie es geſchehen, ſo haben doch pacta
vorher gehen muͤſſen. Denn man kan ſich doch nicht einbilden, daß ſie
muti
[37]De variis hominum Statibus.
muti geweſen, da ſie ſich conjungiret; ſie haben ja die Sprache gehabt.
Alſo iſt ein neuer ſtatus heraus kommen, nemlich imperantes \& parentes.
Und da ſie angefangen zu kriegen, ſich mit einander zu ſchlagen, ſo ſind
ſervi und domini entſtanden. Es iſt freylich dominium und ſervitus eine
groſſe imperfectio, aber wir koͤnnen es nicht anders machen. So wenig
die Lahmen ohne Kricken gehen koͤnnen, ſo wenig koͤnnen wir auch dieſes
aͤndern, und ſo lange wir in dem ſtatu ſind, muͤſſen wir ſuchen ſolchen
utcunque zu conſerviren. Die potenz machet viel aus, daher haben
ſie ſich ſuchen zu aggrandiren, und haben ſie allerhand Kuͤnſte, eloquenz
und andere Dinge gebrauchet, noch mehrere auf ihre Seite zu bekommen,
da iſt ein Lob worden, wenn einer bravoure, courage hatte, und den
andern konte todt machen. Wie nun civitas entſtanden iſt, haben nicht
alle koͤnnen ihre alimenta vom Ackerbau haben, daher haben ſie pro ali-
mentis gedienet, und kan man freylich nicht ſagen, daß omnis ſervitus
ex bellis entſtanden. Die Menſchen ſind hernach weiter gegangen, als
in Græciam \&c. da iſt es eben ſo geweſen, ſie haben ſich ſepariret; aber
wenn die Familien vermehret wurden, und ſie wurden vicini, ſo entſtun-
den bella. So kan man ſehen, wie in dem orbe habitante nach und
nach immer neue civitates entſtanden. Das haben wir ebenfals in
America gefunden, daß wo viele Familien beyſammen geweſen, da ha-
ben ſie Staͤdte gebauet. Aber auf denen Gebuͤrgen ſind viele familiæ
ſegreges, welche durch heimliche Wege an die Oerter kommen koͤnnen;
dieſe rauben aber doch, wenn ſie was kriegen koͤnnen. Wie nun die
civitates groͤſſer worden, auch viele hundert und tauſend Menſchen bey-
ſammen geweſen, ſo haben daſelbſt viele andere Staͤnde entſtehen muͤſ-
ſen. Denn alle konten ohnmoͤglich vom Ackerbau leben, daher haben
ſie ſich auf andere Dinge legen muͤſſen. Die Juden hatten wenig ma-
nufacturen, ſondern ſie machten ſich das nothwendigſte ſelbſt; daher als
David ein Schwerd haben wollte, ſo muſte er es von denen Philiſtern
kauffen. Fleury hat einen Tractat geſchrieben, les Moeurs des Israelites,
worinnen er artige Sachen hievon beybringet, es iſt auch aus dem Frantzoͤſi-
ſchen ins Teutſche uͤberſetzet, aber nicht ſonderlich. Das gelobte Land war
ſehr fruchtbar, und haben ſie auch die Felſen angebauet, indem ſie Erde
hinauf geſchaffet, ſolche fruchtbar zu machen. Nach der Zeit haben die
Juͤden ſelbſt nicht einmahl koͤnnen alle vom Ackerbau leben, ſondern ſie
haben ſich auch auf Kauffmannſchafft und manufacturen gelegt, und
ſagt Prideaux in ſeiner Hiſtoire de Juifs, daß ſie mit wollenen Zeugen
von Cameel-Haaren gehandelt. Das macht die multitudo: Denn
je mehr Leute ſind, je groͤſſer wird der Mangel; und wenn in zwey
E 3hun-
[38]Cap. II.
hundert Jahren niemand ſterben ſollte, ſo wuͤrde man nicht ſubſiſti-
ren koͤnnen. Da alſo die Leute nicht alle den Ackerbau koͤnnen trei-
ben, und ſie doch wollen alimenta haben, ſo ſind opificia entſtanden.
Ars naturam imitatur. Wenn ich einen Vogel koͤnnte machen, der
eben ſo ausſaͤhe wie eine Mauß, und ſo zitſchern koͤnnte, man koͤnnte
faſt gar keinen Unterſcheid mercken zwiſchen dieſen Vogel, und einem
lebendigen, ſo wuͤrde ein jeder gerne dieſen Vogel haben wollen; Deß-
wegen dachten die Leute auf Kuͤnſte. Sie wollten alimenta haben
von Fremden. Daher entſtunden Commercia; oder ſie wollten ihre
alimenta haben von Einheimiſchen, da legten ſie ſich auf Kuͤnſte. De-
rer opificum wurden viel, und wenn ihrer gar zu viel ſind ſo koͤnnen ſie
nicht viel verdienen, die Leute wollten aber nicht gerne aus dem Lande
weggehen, daher haben ſie immer nur Kuͤnſte ausgedacht, welche noch
nicht waren. Die opificia aber haben verurſachet, daß die Welt im-
mer naͤrriſcher worden: Denn die Menſchen brauchen es nicht, ſondern
ſie haben das mehreſte zu ihrer delectation. Es iſt Gold und Silber
in die Welt kommen, wodurch auch mehr vanitaͤten entſtanden. Da-
her muß man ſehen, woher die vielen opificia entſtanden. Von dem
Gold, Silber, und Geld, kan man eine Diſſertation finden in Gundlin-
gianis in dem 31ten Stuͤck. Es iſt alſo infinitus numerus opificiorum
entſtanden. Einige inventa haben utilitatem veram; einige aber nur
utilitatem imaginariam: Denn mancher denckt, es ſey eine Sache noth-
wendig, und man kan ſie doch entbehren. Wir brauchen keine Peru-
quen, und koͤnnten alle in unſern Haaren gehen, denn wenn es kalt, ſo
koͤnnte man eine dicke Muͤtze aufſetzen. Dergleichen inventa ſind noch
mehrere. Eben ſo iſt es auch mit vielen mercibus peregrinis beſchaffen,
da man mit Fremden angefangen zu handeln, ſo hat man viele merces
eingefuͤhrt, welche nicht neceſſariæ. Was thun wir heutiges Tages an-
ders, als daß wir wollen einen emtorem finden, welchem unſere Sa-
che gefaͤllt, die wir fabriciret. Oder, wenn wir etwas permutiren wol-
len, ſo ſuchen wir einen, dem unſere Sache beſſer anſtehet, als ſeine.
Alſo ſind die Commercia mehrentheils entſtanden, durch vanitatem. Das
ſind aber Enthuſiaſten, welche deßwegen meynen: man muͤſſe die Com-
mercia abſchaffen. Conring hat auch in einer Diſſert. de Commerciis
maritimis, welche Werlhoff unter ihm gehalten, gewieſen, was das vor
Narren, welche davor halten, man ſolle keine Commercia mehr treiben.
Wir ſehen freylich, daß viele imperfectiones vorhanden ſind; aber ad
primam perfectionem koͤnnen wir nicht gelangen. Wir lernen daraus,
daß wir keine Engel ſind, ſondern vielen imperfectionibus unterworffen.
Da
[39]De variis hominum Statibus.
Da muß man nur ſuchen, es zu verbeſſern, damit nur die Menſchen er-
halten werden, und nicht gar zu Grunde gehen. Viele Enthuſiaſten
ſind nach Penſylvanien gelauffen, daß ſie wollen daſelbſt ſegregem vitam
agere, und ein rechtes frommes Leben fuͤhren; aber ſie haben gerne wie-
der heraus gewollt: Denn ſie haben daſelbſt muͤſſen wilde Thiere ſchieſ-
ſen, und Baͤume ausrotten. Ja es funden ſich daſelbſt auch ſchon Un-
ordnungen, daß viele nicht allzu fromm lebten. Titius in ſeinen Notis
ad Puffendorffium hat auch gemeynet, die Menſchen haͤtten ſollen ſegre-
ges bleiben, und haͤtten ſich ſollen die Frommen auf GOTT verlaſſen.
Allein unſer HErr GOtt hilfft uns wohl, aber nicht immediate. Wir
bauen Veſtungen; haben wir aber keine, und die Feinde kommen, ſo
machen ſie uns zu Sclaven. Da nun aber ſo viele Menſchen beyſam-
men waren, ſo hat ein jeder gedacht, ſich zu ernaͤhren: Denn das iſt
noch beſtaͤndig die groͤſte Sorge, welche wir haben. Da nun aber ei-
ner beſtaͤndig auf Nahrung gedacht, ſo hat er ſeine Kinder nicht koͤnnen
unterrichten. Es waͤre gut, wenn ein jeder Vater ſeine Kinder unter-
richtet, aber die multitudo operarum hat es verhindert. Ich will ei-
nen caſum ſetzen, daß ein Bauer den Catechiſmum recht verſtuͤnde, und
ſeine Kinder nebſt einer Ausfuͤhrung koͤnnte unterrichten; ſo ſiehet man
doch, daß er nicht Zeit hat, und beſtaͤndig auf dem Felde arbeiten muß.
Alſo hat man muͤſſen auf Lehrer bedacht ſeyn. Sind nun Lehrer da, ſo
ſind auch diſcentes entſtanden. Es iſt auch viel Unordnung entſtanden;
daher hat man die Lehrer gebraucht, die Leute zu diſponiren ratione in-
tellectus \& voluntatis, damit ſie ſich beſſer regieren laſſen: Denn das
gemeine Volck macht die meiſte Unruhe in der Republic. Man hat
ihm muͤſſen eine Religion beybringen, daß ſie deſto eher pariret. Zu erſt
waren keine Doctores, und findet man nicht, daß Abraham einen Hauß-
Præceptorem gehabt, ſondern er hat es ſelbſten gethan. Es ſind zweyer-
ley Doctores enſtanden, veri, welche denen Leuten ſuchten die Wahrheit
beyzubringen, und falſi, welche entweder auf ihr intereſſe geſehen, oder
auf das intereſſe derer imperantium; Dadurch iſt der Error in die
Welt gekommen. Da wir nun Doctores haben, ſo kan man leicht be-
greiffen, warum die Theologi, und Philoſophi geſagt: wenn wir alle
Menſchen anſehen, ſo koͤnnte man ſagen es waͤren drey Haupt-Staͤnde,
Lehr- Wehr- und Nehr-Stand. Daher kan ich mir nicht einbilden, wenn vie-
le dieſe 3. Staͤnde railliren. Der Wehr-Stand ſind die Imperantes, welche
alle defendiren, der Lehr-Stand ſind die Geiſtlichen; und ohne Lehrer koͤn-
nen wir nicht ſeyn. Deßwegen muß ein Imperans wohl acht geben, was er
vor Lehrer hat, ob ſie auch geſchickt ſind, das Amt eines Lehrers zu fuͤhren;
was
[40]Cap. II.
was ſie vor ein Leben fuͤhren; ob ſie denen Leuten mit einem guten Exem-
pel vorgehen: Denn das Exempel verdirbt mehr, als Lehrer koͤnnen ver-
derben. Allzuviel Lehrer muß man auch nicht haben. Daher hat auch
Richelieu in Franckreich darauf gedacht, wie man den numerum verrin-
gern koͤnne. Iſt er ein Hurer, ein Saͤuffer, was kan er da die Leute
erbauen. Der Nehr-Stand ſind nun die opifices, artifices, und andere
Leute, dahin auch die Knechte gehoͤren. Der numerus ſervorum iſt auch
ſehr vermehret worden, durch die tummen Leute; weil ſich dieſelben zu
nichts anders ſchicken, welche Ariſtoteles recht ſervos naturæ nennet; Aber
darinne iſt Ariſtoteles zu refutiren, wenn er meynet, ein jeder von dem
gemeinen Volck waͤre ſervus naturæ, das kan man nicht ſagen, wir ha-
ben auch nobiles, und ignobiles,
vor einen
Stand weh-
len ſolle?
§. 8-10. Hier wird nun die Frage decidirt, was einer vor ei-
ne Profeſſion erwehlen ſolle? Nachdem wir einmahl eine Republic ha-
ben, und ein jeder darauf dencken muß, wie er ſich ernaͤhren ſoll, ſo iſt
gewiß, daß ein jeder Menſch, ſo bald er ad annos diſcretionis kommt,
darauf dencken muß, was er vor eine Profeſſion erwehlen ſoll. Ein je-
der muß wiſſen, daß er in der Republic ſey, non ut otietur, ſed ut labo-
ret: Denn diejenige Republic tauget nichts, wo lauter Faullentzer ſind,
ſolche Leute ſterben bald. Muͤßiggang iſt aller Laſter Anfang. Sie
wiſſen ſich die Zeit nicht zu vertreiben; daher fallen ſie auf allerhand La-
ſter, ſie eſſen, trincken, ſchlaffen, courtoiſiren; dadurch fallen ſie in Kranck-
heiten, \& ſe ipſos perdunt; daher ſiehet man, daß die Leute, welche eine
beſtaͤndige motion haben, lange leben, aber die motio muß freylich æ-
qualis ſeyn, ſonſt thut man ſich Schaden. Die Faullentzer muͤſſen bet-
teln gehen, oder, wenn ſie ja Mittel haben, ſo werden ſie luxuriös, und
gehen zu Grunde. Der Autor, welcher die Hiſtorie des Severambes ge-
macht, ſagt ſehr artig: In ſeiner Republic waͤre ein Geſetz geweſen,
daß derjenige, welcher nicht wuͤrde arbeiten, ſollte des Todes ſterben.
Nicht nur derjenige muß arbeiten, welcher in communione lebt, ſondern
wenn man anſiehet die diſtincta dominia, ſo kan man dieſe theils nicht
erlangen, theils auch nicht conſerviren, wenn man faul iſt. Man ſiehet,
daß Leute, welche reich geweſen, und nichts mehr gethan, nachgehends
zu Grunde gegangen. Denn wenn einer gleich reich iſt, er arbeitet aber
nicht mehr, ſeine Familie wird vermehret, ſo kan es nicht anders gehen,
als daß er am Bettelſtab kommt. Ein Bettler aber iſt nicht nur ein
Schand-Fleck der Republic, ſondern die andern muͤſſen ihn auch er-
nehren. Daher hat man in wohlbeſtallten Republiquen beſondere Bet-
tel-Ordnungen, da die Leute in gewiſſe Haͤuſer muͤſſen gebracht werden,
da
[41]De variis hominum Statibus.
da ſie muͤſſen arbeiten, damit ſie nicht duͤrffen betteln gehen. Alſo iſt
der erſte Satz: laborandum eſt, damit einer ſich erhalten kan. Denn
wenn er gleich auch denckt: Er habe gnug vor ſich, ſo wird doch ſeine
Familie groͤſſer, da er mehr braucht, daß alſo keiner meynen darff, er
habe gnug, und doͤrffe nicht mehr arbeiten, ſonſt verfaͤllt er auf Thorhei-
ten, wie es dem David ergangen: Denn cum otiaretur, ſo ſahe er die
Bathſebam. Ein Fuͤrſt, wenn er nicht ungluͤcklich regieren will, muß
ebenfalls arbeiten, er muß eine Wiſſenſchafft haben, ſonſt muß er ſich
auf andere Leute verlaſſen, da geſchiehet es denn, daß man miſerrime re-
gieret wird, und da trifft ein, was man ſonſt ſaget: mundus regitur ſtul-
titia; alsdenn ſind wir eben in einem elenden Zuſtande. Derjenige iſt
ein Thor, welcher denckt, groſſe Herren duͤrffen nichts thun. Sie fin-
den vielmehr allezeit was zu proſpiciren: Denn ſie muͤſſen darauf ſehen,
daß ihre Republic beſchaffen iſt, wie ein gutes wohl-eingerichtetes Hauß,
wie eine ordentliche Familie. Ein jeder Regent ſoll ſeyn wie ein Vater,
denn das iſt imago omnis imperii, und der Origo, wodurch man die
Menſchen perſuadiret, ſich unter eines ſein imperium zu begeben. Es heiſt
allhier. Im Schweiß deines Angeſichts ſollt du dein Brodt eſſen, ſon-
derlich in civitate. Da entſtehet nun die quæſtio, was man ſolle arbei-
ten? Reſpond. Es ſind allerhand Profeſſiones, man hat neceſſarias, wo-
hin allerdings der Ackerbau und Vieh-Zucht zu referiren, welche niemahls
muͤſſen negligiret werden. Daher wird man auch keine Republic fin-
den, wo man ſich nicht auf den Ackerbau gelegt. Colbert in ſeinem
Teſtament Politique hat einen trefflichen Diſcours hievon, worinnen er
zeiget, daß Franckreich einen groſſen Fehler habe, weil durch die vielen
Kriege die Laͤnder nicht cultiviret worden, wovon doch, wenn es geſchaͤ-
he, viele tauſend Menſchen ſich beſſer erhalten koͤnnten. Er hat auch
dem Koͤnige ein Mittel vorgeſchlagen, wie alles in guten Stand koͤnne
geſetzet werden. Hat man nun aber den Ackerbau nicht in abondance,
ſo muß man ſehen, wo man anderwaͤrts was herbekoͤmmt, davon man
leben kan. In Holland muͤſten die Leute crepiren, wenn ſie nicht von
andern Orten Korn bekaͤmen. Daher hat man wahrgenommen, daß
wenn alle Potentzen zuſammen thaͤten, und machten, daß niemand denen
Hollaͤndern mehr etwas zukommen lieſſe, ſo muͤſten ſie alle auseinander
lauffen, denn der 10te Theil kan daſelbſt nicht vom Ackerbau leben, da-
her iſt die profeſſion des Ackerbaues nicht eben eigen denen Bauren, ſon-
dern die milites agrarii haben bey uns alle auf dem Lande gewohnet.
Bey denen Roͤmern finden wir auch, daß die vornehmſten Roͤmer meh-
rentheils ſich auf dem Lande aufgehalten, deßwegen war tribus ruſtica
Fder
[42]Cap. II.
der Vornehmſte. In denen Staͤdten aber, waren nur gemeine Leu-
te. Die vornehmſten Leute bey denen Roͤmern haben auch von dem
Land-Leben geſchrieben, als wie der Cato einen Tractat geſchrieben, de
Re Ruſtica. Sie haben ſich recht darauf geleget: Denn es mag ein
Land ſo fruchtbar ſeyn, als es will, ſo kan es doch durch die Cultur noch
fruchtbarer gemachet werden. Bey neceſſariis finden alſo die Menſchen
etwas zu thun, aber nicht alle, denn alle Menſchen koͤnnen nicht Acker-
bau treiben, ſonderlich in Staͤdten, deswegen ſind ſie auf opificia ge-
fallen, und zwar erſt auf ſolche, welche die neceſſarias artes promoviren,
und utiliores machen. Die opificia ſind nicht auf einmahl entſtanden,
ſondern nach und nach; viele ſind auch wieder abkommen, wenn man
andere erdacht, welche commoder geweſen. Es ſind auch opificia, wel-
che was criminelles bey ſich haben, da man die Leute ſtrafft, deswegen
ſubſiſtiret hier der Autor, und unterſucht, was man eigentlich erwehlen
ſolle. Wenn einer durch ſeine opificia denen Leuten commodité verur-
ſachet, daß ſie in ihrer Arbeit etwas ſoulagiret werden, ſo iſt ſolches
recht gut. Doch kan die deciſio nicht plene hieraus erfolgen: Es ſollte
einer bloß opificia neceſſaria und utilia ergreiffen. Denn dantur etiam
opificia jucunda. Viele Leute meynen, man ſollte gar keine jucunda er-
greiffen; aber ſie ſind Enthuſiaſten: denn man kan ſie nicht entbehren.
Gewiß iſt es, daß man neceſſaria und utilia haben muͤſſe, aber die ju-
cunda ſind auch nicht verbothen. Der Menſch mag ſeyn, wie er will,
ſo muß er zwar eine inclinationem haben, ad laborandum; aber er muß
doch auch eine recreation, ein ſoulagement haben, er kan nicht immer
arbeiten, und wird man keine nation finden, ſo gar auch nicht bey de-
nen Juden, welche gemeynet, man ſolle beſtaͤndig arbeiten. Alſo kan
man auch wohl drauf dencken, wie man koͤnne jucundus ſeyn. Es heißt
hier interpone tuis interdum gaudia curis \&c. deswegen ſind viele artes
ad jucunditatem erfunden worden. Dahin gehoͤret die Muſic, die Poë-
ſie \&c. Die Muſic iſt natura imitatrix, und die Poëſie iſt eine Muſic,
ſie hat ein menſur, cadence. Es iſt kein Volck, welches nicht auf die
Muſic gefallen, die Juden ſelbſt haben in ihrem Tempel Muſic gehabt;
nur daß dieſelbe anders beſchaffen geweſen, als unſere. Man kan alſo
die artes oblectantes ohnmoͤglich in totum verwerffen. Daher wird man
leicht ſehen, daß die Enthuſiaſten einen wunderlichen afflatum und zelum
haben, welche das alles verwerffen. Wenn man ſolchen folgen wollte,
ſo muͤſte man wieder in deſerta gehen. Ich habe allezeit gelacht uͤber
diejenigen, welche gemeynet, man ſollte ſo leben, wie die Alten. Wir
wuͤrden greuliche Thoren ſeyn, wenn wir wollten in die Wildniß gehen,
und
[43]De variis hominum Statibus.
und Wurtzeln eſſen. Wir koͤnnen gar wohl in dem Stande bleiben,
da wir ſind, wenn wir nur arbeiten, und thun dasjenige, was dem
menſchlichen Geſchlecht nuͤtzlich und jucundè iſt; daher kan man auch
die Wirthe nicht gantz verwerffen. Das negire ich nicht, daß die
agricultura eines von den aller innocenteſten; aber wenn man auf die
andern Kuͤnſte und Arbeiter gehet, ſo iſt keines darunter, welches einem
nicht koͤnnte irritiren, daß man eitel wird. Monſ. Bayle in ſeinem Di-
ction. Hiſtorique Critique ſub voce: Alea hat artige Gedancken hievon,
und ſagt: es iſt gut, daß manche Leute luxuriös ſind, und ſich vor ihr
Geld allerhand Sachen anſchaffen, denn ſie erhalten, und ernehren vie-
le Leute dadurch. Der Luxus muß in der Republic ſeyn, da hat einer
einen Gefallen an dieſem, der andere an jenem, und kaufft es. Wer
wollte ſagen, daß die Frantzoſen alle in einem verdammlichen Zuſtand
ſtuͤrtzten, welche uns allerhand Stoffe zuſchicken, bald einen mit groſſen,
bald einen mit kleinen Blumen, bald mit Wuͤrffeln, bald mit einem
Brettſpiel. Du kanſt ſie kauffen, und es auch bleiben laſſen. Wir
haben auch diverſos ſtatus, da man ſich nothwendig diſtinguiren muß;
die inæqualitaͤt iſt einmahl, und derjenige, welcher denckt, es werde wie-
der ad priſtinam æqualitatem kommen, betrieget ſich ſehr; Im Himmel
werden wir alle wieder gleich ſeyn, da brauchen wir keine Kleider, und
auch keine Stoffe. Man kan freylich alles mißbrauchen. Ein Bra-
ten kan dich irritiren, der auf dem Tiſche ſtehet, e. g. du haſt dir vor-
geſetzt nicht viel zu eſſen, wie aber der Braten auf den Tiſch kommt,
ſo iſt er ſchoͤn gebraten, daß du immer mehr nimmſt, und dir einen di-
cken Wanſt frißt. Wer wollte deswegen ſagen, der Koch iſt ſchuld
daran; das iſt eine ſuͤndliche Profeſſion, welche man nicht leiden darff.
Aber einige profeſſiones leuchten in die Augen, daß ſie naͤrriſch ſind. e. g.
Es will einer ein Seil-Taͤntzer, ein Gauckler werden, item ein Katzen-
Ritter, oder Katzen-Beiſſer, der ſich vor Geld mit Hunden, Katzen und
andern Thieren herum beiſſet. Das ſind Baͤrenhaͤuter, Leute, welche
man vor infam haͤlt, welche koͤnnten was Beſſers lernen. Eben wenn
einer ein Corſar oder Larron wird, worauf ſich die Leute, welche unter
der Republic Algier, Tunis, und Tripoli ſtehen, legen. Man kan alſo
denen meiſten profeſſionibus jucundis noch einen Strich geben, daß ſie
koͤnnen toleriret werden; viele kan man auch gar nicht miſſen, e. g. die
Wirthſchafft. Einen ſolchen Wirth kan man auf dieſer Welt nicht
ſuchen, welcher ſagen wird, wenn ein Gaſt gnug getruncken, er gaͤbe ihm
nichts mehr, ſonderlich wenn ſie das Getraͤncke in die Haͤuſer hohlen laſ-
ſen: denn wenn ihnen dieſer Wirth nichts mehr geben will, ſo gehen
F 2ſie
[44]Cap. II.
ſie bey einen andern, und holen es daſelbſt. Wenn Leute bey ihm ſind,
und trincken, ſo gehet es endlich noch eher an, daß er ſagen kan: Er
wolle nichts mehr hergeben. Ein Kauffmann, der ſchoͤn Tuch verkaufft,
kan ebenfals andere irritiren, aber er kan nicht erſt die Leute fragen:
ob ſie auch Geld haͤtten, es zu bezahlen, und ob ſie ſich nicht wuͤrden da-
durch ruiniren? Aber dieſes iſt zu obſerviren, daß obgleich ein Imperans
alle dieſe Dinge in der Republic toleriret, ſo muß er doch acht geben, daß ſei-
ne Leute das wenigſte davon nehmen, und dieſelben alſo von denen exceſſi-
bus abgehalten werden, e. g. In Holland werden vor viele hundert tauſend
Thaler Waaren fabriciret, aber die Hollaͤnder brauchen das wenigſte da-
von; ſie ſind ſparſam, und wenden wenig Pracht an Kleider, das meiſte
wird verfuͤhret. Ich weiß mich zu entſinnen, daß man hier einen Charten-
macher nicht wollte zum Abendmahl laſſen, weil derſelbe ein ſuͤndlich
Handwerck triebe. Da kommt es nun darauf an, ob das Spielen
nicht erlaubt? Der Chartenmacher ſagte, ich ſpiele nicht, und wenn
man ſolche Leute nicht wollte dulten, ſo wuͤrden dem Herrn viele tauſend
Rthlr. aus dem Lande gehen. In Franckreich zu Rouen hat man ſonſt
die ſchoͤnſten Charten gemacht, da aber die Hollaͤnder, und andere na-
tiones ſolche ſelbſt gemacht, ſo hat man angemerckt, daß der Koͤnig in
Franckreich eine Million dadurch verlohren. Es iſt eben, als wenn ich
frage, ob einer koͤnne Flitter-Gold machen, welches in Nuͤrnberg haͤuf-
fig verfertiget wird, denn mit dieſem Flitter-Golde, weil es ſehr rauſchet,
haben die Spanier die Indianer betrogen, welchen es gefallen, und ha-
ben ſie denen Spaniern ihr beſtes Gold und Silber davor gegeben.
Durch die Charten kan freylich ein groſſer abuſus entſtehen, und will ich
eben einem nicht rathen, ein Chartenmacher zu werden, unterdeſſen kan
ich doch dem hieſigen Prieſter nicht Beyfall geben, welcher den Char-
tenmacher nicht wollen zum Abendmahle laſſen: Denn auf dieſe Weiſe
duͤrfften gar viele opifices nicht darzu gelaſſen werden. Man muß alſo
die Sache cum grano ſalis betrachten, und muß ein Princeps dieſes in
acht nehmen, ut neceſſarias promoveat, utiles foveat, jucundas tollat.
Wenn wir nun aber eine profeſſion ergreiffen, ſo muͤſſen wir auch ſe-
hen, daß ſie ſich vor unſern Stand ſchickt. Alſo wuͤrde es nicht ange-
hen, wenn ein Edelmann wollte ein Kleber, ein Schmidt, ein Schuſter ꝛc.
werden. Monſ. Barbeyrac hat einen ſchoͤnen Tract. du Jeu geſchrieben,
worinnen er artige Sachen hievon beygebracht. Er fragt auch darin-
nen, ob man ſich koͤnte auf die Muſic legen, und ſpielen duͤrffte? Was
die Muſic betrifft, ſagt er, daͤchten viele, es ſey nur ein plaiſir, allein es
erfordere bey dem Menſchen ſehr viel, wenn er es lernen wollte; es er-
fordere
[45]De variis hominum Statibus.
fordere eine groſſe application. Die Muſic hat auch einen groſſen Nutzen,
excitat Melancholicos. Wir finden, daß Saul geſcheut worden, wenn
er hoͤren auf der Harffe ſpielen. Man braucht ſie auch reſpectu des Got-
tesdienſtes; daher ſagt Barbeyrac, man koͤnte noch allerhand raiſons
finden, dieſelbe zu defendiren. Sie iſt gegruͤndet in der Mathematic, und
hat viele effectus utiles, daß man ſich alſo wohl darauf legen kan. Deß-
wegen meynt Barbeyrac, man muͤſſe bey denen perfectionibus keine Ent-
huſiaſten hoͤren, welche ſagten: man koͤnne es mißbrauchen. Denn
man kan alles mißbrauchen, und wenn man es ſo genau nehmen wollte,
muͤſte man alle Handwercker abſchaffen; die Leute muͤſten in Wald ge-
hen, und daſelbſt Wurtzeln eſſen, und Waſſer trincken, wie die Alten ge-
than; Das verlanget aber unſer HErr GOtt nicht von uns. Wir ſe-
hen, daß CHriſtus und die Apoſtel nicht in Wald gelauffen, ſondern ſie
haben ſich bey andern Menſchen aufgehalten. Paulus war ſelbſt ein
Teppichmacher, einen Teppich koͤnnen wir auch noch entbehren, und
brauchen ihn eben ſo nothwendig nicht. Man muß alſo nicht alle Pro-
feſſiones verwerffen, als die per ſe illicitæ, oder welche eine inſignem va-
nitatem bey ſich fuͤhren, wie die Profeſſion der Gauckler. Man kan nicht
alles ſo abſchaffen, wie man es ſich in ſeinem cerebello vorſtellet. Da-
her wird aber eben die quæſtio ſchwer, was man ſich vor eine Profeſſion
erwehlen ſolle? Alsdenn aber iſt ſie leicht, wenn etliche ſchon in einem ſtatu
leben. e. g. ein nobilis homo, was ſoll der werden? Reſp. Ein homo no-
bilis will helffen ad regendum, und dahin trachten, ut defendat rempu-
blicam, daher ſagt Callieres, iſt kein ander Mittel, als daß homines no-
biles ſich legen, auf politiſche und moraliſche Sachen; auf Hiſtorie;
Denn die Hiſtorie giebt mir Erfahrung, weil ich nicht allenthalben ſelbſt
hinkommen kan. Alſo iſt abſurd, wenn ein homo nobilis auf was anders
faͤllt. e. g. Er will ein perfecter Muſicus werden, das ſchickt ſich wohl
vor einen andern, und hat ſich mancher ſehr viel dadurch zuwege gebracht,
aber einem Edelmann ſtehet das nicht an. Eben ſo iſt es auch beſchaffen,
wenn ein nobilis ſich wollte bloß auf matheſin legen, da ſagt auch Oſorius,
er habe ſein Lebtage nicht gehoͤret, daß ein Mathematicus, welcher gut
punctiren und meſſen koͤnnen, ſich zum Regieren geſchickt. Hauptſaͤchlich
hat ein nobilis zwey Stuͤcke vor ſich, la Guerre oder togam; daß er muͤſſe
in Krieg ziehen, oder ſtudiren, auf was anders darff er ſich nicht legen.
Man wird ſehen, daß diejenigen, welche in einen groſſen Stand kom-
men ſind, ein groß Mißvergnuͤgen bezeugen, wenn der Sohn ſich mit
Madame Trampel verlobet, und wieder unter das Pack kommt. Alſo
kan ein jeder leicht ſehen, was er vor eine Profeſſion erwehlen kan. Quær.
F 3Wie
[46]Cap. II.
Wie kan er es thun? Mir gefaͤllt wohl, was die Chineſer vor dem gehabt,
und noch haben, daß ſie nur ſuchen ihren Kindern Weisheit, Klugheit und
Tugend beyzubringen. Hat er nun dieſes, ſo ſagen ſie hernach: Er
ſolle eine Profeſſion erwehlen. Ein Fuͤrſt muß freylich ſeinen Untertha-
nen Freyheit laſſen, eine profeſſion zu erwehlen, was ſie vor eine wollen;
aber wenn er ſaͤhe, daß alle Leute ſich wollten auf eine profeſſion legen,
e.g. alle wollten ſtudiren, da ſagt Richelieu in ſeinem Teſtament Politique,
welches ein trefflich Buch, und allhier wohl zu gebrauchen, * gar wohl:
Alsdenn koͤnnte ein Herr ſetzen, es ſollten nur ſolche ſtudiren, die Mittel
darzu oder einen extraordinairen Kopff haͤtten. Denn wenn alle Leute
ſtudiren wollen, ſo wird nur das Publicum incommodiret, indem das
Publicum alle die Gelehrten erhalten muß; daher kommt es, daß, wenn
ſie ſich nichts koͤnnen acquiriren, ſo legen ſie ſich auf intriguen, und kommt
alle Rabuliſterey von denen Ignoranten her. Pour le Reſte aber muß ein
Fuͤrſt einem die Freyheit laſſen: Denn es kommt auf eines ſein genie an,
wozu einer incliniret; wo aber keine inclination iſt, da reuſſiret man auch
nicht. Hierdurch bekommen auch die Eltern eine lection, daß ſie ihre
Kinder nicht ſollen hindern, wozu ſie eine inclination haben; aber da
koͤnnen ſie dieſelben abhalten, wenn ſie auf eine profesſion fallen, welche
nichts tauget. Suchte man erſt die Kinder weiſe zu machen, ſo wuͤrden
ſie alsdenn auch auf keine wunderliche profesſion fallen. Wenn ſich
aber gleich ein Edelmann auf Krieges-Sachen leget, ſo muß er doch da-
bey ſtudiren: denn je kluͤger er iſt, je mehr kan er avanciren. Sie koͤn-
nen darneben auch die Mathematic tractiren, und nur darauf ſehen, ut
nunquam otioſi ſint. Dem reinen iſt alles rein, es moͤgen abuſus bey
einer Sache ſeyn oder nicht. Hier wird gewieſen, wie ein Pſeudo-Po-
liticus ſich auffuͤhret, das kan man nicht verſchweigen, damit man ihn
von einem vero Politico unterſcheidet. Deßwegen iſt die Politic nicht zu
verwerffen, weil ſich Leute finden koͤnnen, die die principia pſeudo-po-
litica ſuchen zu appliciren. Es iſt eben nicht noͤthig, daß ſich ein nobi-
lis ſo ſehr vertieffe in die Sachen, wie ein Doctor; daher als der Koͤnig
in Schweden Carl Guſtav zu dem Grotio ſagte: Er moͤchte gerne auch ſo
was rechtes thun, ſo antwortete ihm Grotius: Ein Printz muͤſſe freylich
was wiſſen, ſonſt ſey er wie eine Marionette, die ſich nur von denen Leu-
ten muͤſſe regieren laſſen; aber nur das Hauptwerck muͤſſe er lernen, die
uͤbri-
[47]Cap. II. De Variis hominum Statibus.
uͤbrigen Zierrathen aber, welche die Gelehrten haͤtten, koͤnte er negligi-
ren: denn wenn hernach dubia vorkaͤmen, in dieſem oder jenen Fall, ſo
muͤſte er gute Leute haben, welche ſolche koͤnten heben; Dasjenige aber,
was ein Princeps ſolide gelernet haͤtte, muͤſte er hernach ſuchen ad praxin,
ad agendum zu bringen, alsdenn wuͤrde das ſolidum alle Tage lebendiger.*
§. 11. 12. Unſer Autor gehet nun weiter, da er zuvor gewieſen, in civitateVon der So-
cietate conju-
gali.
eſſe varios Status, varias profeſſiones, welche man alle kan reduciren auf den
Lehr-Wehr- und Nehr-Stand. So ſind auch in civitate viele Socie-
tates, worunter ſonderlich die Societas conjugalis iſt, ohne welche die
Republic nicht beſtehen kan. Denn wir muͤſſen ſuchen unſer Geſchlecht
zu vermehren, ſonſt kan die Welt nicht beſtehen. Daher ſind die ein-
faͤltig, welche ſich nicht vermehren wollen. Paulus hat auch wider
ſolche Leute ſehr geeyfert. Man kan in einer Diſſertation uͤber einen Lo-
cum Senecæ in meinen Otiis artige Sachen hievon finden. Der Tho-
mas Brownes, welcher de religione Medici geſchrieben, hat gemeynet,
es waͤre beſſer: wenn ſich die Menſchen auf eine andere Art vermehre-
ten, nicht wie die Thiere. Daher haben ſich auch viele nicht wollen ver-
heyrathen, als wie die Koͤnigin Chriſtina, denn ſie haben gemeynet, es
muͤſte die Frau ſeyn, wie des Mannes Acker. Wenn man nun fragt,
wie die Menſchen ſich ſollten vermehren, ſo ſagen ſie, wie die Baͤume,
allein was wuͤrde es vor eine wunderliche Geſtalt geben, wenn die Kin-
der einem zum Ellnbogen heraus wuͤchſen. Dieſe Leute wollen es beſſer
machen wie die Epicurer, welche gemeynet, es waͤre beſſer, wenn die
Menſchen von Stein waͤren, aber wie wollten ſie ſich da bewegen koͤn-
nen. Richard Bentley, welcher Stultitiam Atheorum geſchrieben, hat das
gewieſen, und ſagt, wenn man das betrachte, was die Menſchen beſſer
wollten machen, ſo koͤnnte man allezeit zeigen, daß es GOtt am beſten
gemacht, und derer Menſchen ihre Meynung koͤnnte man en ridicule
tourniren. Man darff nicht dencken, daß die Menſchen ſich anders wuͤr-
den vermehret haben, in Statu integritatis, wenn ſie darinnen geblieben,
ſondern es wuͤrde eben ſo geſchehen ſeyn, nur die hbidinem, ſo wir ha-
ben, wuͤrden ſie nicht gehabt haben. Wenn man will ſotiſen leſen, was
die Leute hier vorgebracht haben, ſo kan man nachſchlagen des Bayle
Dictionaire Hiſtorique Critique ſub voce Sateur. Denn dieſer Sateur
hat allerhand wunderliche Meynungen, worunter auch iſt, daß er gemey-
net,
[48]Cap. II.
net, Adam waͤre ein Hermaphrodit geweſen. Die Madame Bourrignon
iſt eben ſo eine Fanatica und Enthuſiaſtin geweſen. Es ſind Traͤume,
welche keiner refutation gebrauchen: Denn einen Traum refutiret man
nicht. Lock in ſeinem Tract. de l’entendement humain hat auch unver-
gleichlich hievon raiſoniret.
§. 13. Wie wir uns ſollen verhalten in der Societate conjugali,
Vom Statu
Societatis pa-
ternæ.davon wird nicht allein gehandelt werden Cap. ſeq. ſondern auch Cap. IV.
Jetzo iſt bloß de neceſſitate die Frage? Wo ein Status conjugalis, da folgt
auch Societas paterna: Denn naſcuntur liberi, und alſo hat dieſer Status
eben ſo eine neceſſitatem, wie conjugalis. In conjugali Statu aber wird
ordinata ſocietas voraus geſetzet, inordinata conjunctio kan den finem
nicht erhalten. Denn es muͤſſen nicht alleine Kinder gezeuget werden,
ſondern die Kinder muß man auch zu Menſchen machen, homines vir-
tute præditi non naſcuntur, ſed fiunt, hinc educatione opus eſt. Iſt der
Vater und Mutter tugendhafft und weiſe, ſo werden die Kinder auch
tugendhafft, iſt aber der Vater ein fripon, ſo werden auch die Kinder
fripons, nam quo ſemel eſt imbuta recens, ſervabit odorem teſta diu.
Das Imperium, welches die Eltern haben, iſt naturale, es kan auch nicht
anders ſeyn: denn wenn die Kinder ſollen erzeuget werden, und alsdenn
erzogen werden, ſo muͤſſen ſie pariren, ſo kan man ſie zwingen, weil ſie
noch keinen Verſtand haben. Bey denenjenigen aber, welche Verſtand
haben, braucht man rationes, und raiſonniret. Denen Kindern aber
muß man von Jugend auf das Imperium beybringen, ſonderlich da wir
das imperium proprie ſic dictum haben. Man muß ihnen obedientiam bey-
bringen, ſonderlich da wir civitates proprie ſic dictas haben. Hier iſt allezeit
zu recommendiren, was die Chineſer thun, welche denen Kindern ſuchen ei-
nen rechten reſpect gegen die Eltern beyzubringen; und wenn der reſpect
gegen die Eltern bleibet, ſo werden ſie dadurch angewoͤhnet, ut co facilius
ſeſe voluntati principis ſubmittant. Wer nicht lernet ſeinen Eltern pa-
riren, der wird auch nicht dem Fuͤrſten pariren. Mir hat gefallen, was
der Frantzoͤſiſche General Turenne einsmahls geſagt. Denn als drey
unter ihn gehoͤrende Schweden ſollten gehangen werden, weil ſie nicht
pariret, ſo riß einer von dieſen dreyen Schweden ſich auf, und wieſe die
bleſſuren, ſo er empfangen, und ſollte doch jetzo ſterben. Da ſagte der
Turenne: Ich will allen dreyen pardon geben. Aber die bleſſuren zei-
gen nur an, daß man ſich wacker herum geſchlagen, lernet aber auch
noch pariren. Paolo Paruta, ein Venetianiſcher Nobile, hat politiſche
Diſcourſe, Diſcorſi Politici, geſchrieben, welche auch ins Teutſche uͤber-
ſetzet ſind, da redet er auch von der patria poteſtate derer Roͤmer, und
ſagt:
[49]De variis hominum Statibus.
ſagt: Dionyſius Halicarn: erzehle, daß Romulus denen Eltern ungemeſ-
ſene Gewalt uͤber die Kinder gegeben. Denn Romulus wuſte, daß
wenn die Kinder ihren Eltern wuͤrden pariren, ſo wuͤrden ſie ihm und
ſeinen Nachfolgern des Reichs auch deſto eher pariren. Der Paruta
zeiget auch, wie das Roͤmiſche Reich beſchaffen geweſen und hernach
aus der balance kommen.
§. 14. Dieſe ſervilis und certo reſpectu herilis ſocietas ſcheinetStatus herilis
\& ſervilis.
wunderlich zu ſeyn. Und wenn man ſolche in abſtracto conſideriret, ſo
haͤtte man dieſelbe freylich nicht gebrauchet. Denn die Leute haͤtten al-
les ſelbſt koͤnnen verrichten, oder durch ihre Kinder ſolches thun koͤnnen.
Aber da die Kinder nicht geblieben ſind, ſondern ſie gingen von denen
Eltern weg, die Eltern ſind alt worden, ſo hat man auf Leute gedacht,
welche einem adſiſtiren koͤnnten. Von Zeiten des Noaͤ an bis auf den
Nimrod lieſet man nichts von Knechten. Aber wie die civitates entſtun-
den, und ſie anfingen, einander zu attaquiren, ſo ſind ſervi entſtanden.
Daher haben auch die Roͤmer, und Griechen gemeynet, bellum ſey die
Urſache der Knechtſchafft; aber ſie iſt nicht allein die Urſache, denn in
civitatibus muß man darauf ſehen, daß eine Ordnung iſt, und jeder ſich
ernehren kan. Nun iſt mancher ſtupid, er kan nichts lernen, er kan
ſich aber ſonſt nicht erhalten, daher muß er ein Knecht werden, und dem
andern dienen. Zu Zeiten Abrahams finden wir ſchon Knechte, der hat
ſich Knechte gedungen: denn er hatte Gold und Silber, er iſt auch reich
geweſen an Heerden. Selbſt ſein Eleaſar war ein Syrer; Abraham
aber hat ihn geſcheuet, und fromm gemacht. Das iſt was ſurprenan-
tes, wenn man lieſet, daß Noa noch gelebet, und mit angeſehen, wie
ſeine poſteri gottlos geweſen, und einander attaquiret. Sonderlich iſt
die poſteritè des Chams ſehr gottlos geweſen: weil der Cham nichts ge-
tauget. Was aber der Cham eigentlich vor ein crimen begangen, dar-
uͤber diſputiret man. Hardt. Profeſſ. Helmſtad. welcher ein guter Philo-
logus, hat in ſeinem Ephemiridibus vieles beygebracht, dadurch er zu
zeigen ſucht, er habe einen inceſtum mit ſeiner Stieff-Mutter begangen.
Von dem Cham kommen auch die Egyptier, welche die groͤſte Abgoͤtte-
rey getrieben. Chemia ſoll auch vom Cham herkommen, wie Olaus
Borrichius gemeynet. Man muß alſo nicht dencken, daß die Knechte ab-
zuſchaffen, ſondern die Knechtſchafft iſt nun nothwendig: denn ſonſt muͤ-
ſten wir hinter den Pflug hergehen, und ſelbſt unſere Schuhe putzen.
Es ſey nun, daß man die Knechte ſo tractiret, wie wir thun, oder ſie als
Leibeigene hanthieret, wie die Roͤmer gethan, und auch noch in Weſt-
phalen geſchiehet, beydes iſt zu toleriren. Es haben auch die erſten Chri-
Gſten
[50]Cap. II.
ſten gar nicht gewollt, daß man die Knechtſchafft ſollte abſchaffen.
Paulus in ſeiner Epiſtola ad Philemonem hat auch gewieſen, daß man
ſie beybehalten koͤnne. vid. Scipionis Gentilis. Prof. Altorff. longe ce-
leberrimi Commentar. in Epiſt. Philemon. welcher vortrefflich gemacht.
Man hat ihn a part, er ſtehet auch in dem groſſen Critiſchen Werck.
Was die Theologi hieruͤber geſchrieben, iſt nichts gegen dieſes. Die
Chriſten haben auf oͤffentlichen Conciliis declariret, daß man nicht den-
cken ſollte, als wenn ſie wider die Knechtſchafft waͤren; ſie wuͤrden ſich
auch dadurch ein groſſes odium gemacht haben. Denn wenn ſie denen
Roͤmern die Knechte genommen haͤtten, ſo haͤtten ſie denenſelben ihren
Reichthum benommen: Denn ihr Reichthum beſtund in Knechten und
Maͤgden, welche ihre Land-Guͤter muſten cultiviren; daher kan ich nicht
leiden, daß man ſo geſchmelt auf die Knechtſchafft, und mag es immer
bleiben, wie es iſt. Georg Beyer, welcher in Wittenberg geweſen, hat
noch in Leipzig eine Diſſertation gehalten, in welcher er gewieſen, es
waͤre faſt beſſer, daß man Leibeigene, als conductitios haͤtte, das beſtaͤ-
tiget alſo unſere Meynung noch mehr, quod Servitus ſit toleranda. Das-
jenige aber, was denen Enthuſiaſtiſchen Politicis die Knechtſchafft ſo ver-
haſt gemacht, iſt, daß ſie geſehen, der Herr ſiehet nur auf ſeinen Nutzen,
und der Knecht auf ſeinen Nutzen, welches aber ein falſcher Concept
iſt. De la Caſa, welcher Biſchoff zu Benevento geweſen, deſſen opera
ich laſſen drucken, hat eine Diſſert. de Servitute lateiniſch geſchrieben,
welche mit bey ſeinen Sachen ſtehet, darinnen hat er auch gewieſen, daß
dieſes ein falſcher Concept ſey. Es kan ein Herr und ein Knecht auch
ſuam utilitatem vor ſich haben, alsdenn iſt eine harmonie, denn ich kan
meinem Knecht Gutes thun, und mein Knecht mir wieder.
und deſſen ver-
ſchiedene Ar-
ten.
§. 15. 16. 17. Ein jeder ſiehet, daß civitas nicht eben nothwen-
dig, und haͤtten die Menſchen koͤnnen agere ſegreges, wenn ſie fromm
geweſen waͤren; aber ſo bald durch den Teufel der Neid in die Welt
kommen, und die Affecten regieret, ſo hat es ſich geaͤndert, und entſtun-
den civitates. Auf miracula kunte ſich da keiner verlaſſen, daß ihn GOtt
wuͤrde durch ein Wunderwerck geholffen haben, wenn er nicht waͤre in
civitatem gegangen. Wenn man die Bibel anſiehet, ſo findet man,
daß Nimrod geſucht ein Imperium anzulegen, er war ein gewaltiger Jaͤ-
ger, und die Jaͤgerey hat denen Leuten wohlgefallen: Denn es waren
damahls mehr Thiere als Menſchen, da wuſte er die Thiere geſchickt
zu fangen; Daher hat er allerhand Leute an ſich gezogen. Da nun die Leute
weggiengen, ſo hat er ſich zu Babel etabliret; er hat ſich auch nach und
nach aggrandiret, und die herum liegenden unter ſich gebracht. Der
Aſſur,
[51]De variis hominum Statibus.
Aſſur, (welches nicht ein Land, ſondern ein Nahme einer Perſon, ob-
gleich Clerc in ſeinem Comment. ad Pentatevchum das contrarium de-
fendiret, deſſen rationes aber nicht ſufficient.) Sems Sohn war von der
frommen Compagnie, der hat auch ſuchen Leute an ſich zu bringen, und
ſich dem Nimrod opponiret. Es iſt auch wahrſcheinlich, daß dieſer Nim-
rod nachgehends den Aſſur unter ſich gebracht. Die mitiores unter de-
nen Frommen ſind weiter gegangen, und haben ſich anderswo etabliret,
vid. Perizonius in Originibus Babylonicis, welcher auch gewieſen, daß
Babel auf Lateiniſch ſo viel heiſſe als confuſio, wovon es auch ſo benen-
net worden. Nun meynet der Autor, koͤnnte man ſehen, daß die civi-
tates ex conſecutione hypothetica entſtanden, weil die Menſchen boͤſe ge-
weſen; daher muͤſſe man ein Imperium toleriren, da ſey aber das ſchlimm-
ſte die Monarchia, und kommt er faſt auf die Gedancken des Algernon
Sidney in ſeinem Tract. du Gouvernement Civile, welches A. Samſon
aus dem Engliſchen ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet. * Dieſer meynt: Mo-
narchia ſey der corrupteſte Status, und wuͤrden die Leute nicht leicht dar-
auf fallen. Allein wenn wir das factum anſehen, wie der Nimrod als
ein Monarch regieret, ſo muß man gantz anders raiſonniren. In abſtra-
cto iſt wahrſcheinlich, daß einer ſich nicht werde eines ſeinem imperio ab-
ſolut unterwerffen; ſondern vielmehr ad ſtatum Democraticum, oder aufs
hoͤchſte ad ſtatum Ariſtocraticum incliniren: wir ſehen aber, daß das rai-
ſonnement nicht eintrifft. Es nimmt mich Wunder, daß der Autor,
nicht auf das Exempel von dem Nimrod und Aſſur geſehen. Mir hat
wohlgefallen, was Noodt in ſeinem Tract. de Lege Regia ſaget: Es waͤ-
re gut, daß man abſtractiones machte, aber wenn ſolches geſchehen, ſo
muͤſte man auch darauf ſehen, ob es ſich in facto ſo verhielte. Der
Autor mag wohl auf rempublicam Romanam geſehen, woſelbſt man nur
in turbulentiſſimis temporibus einen Dictatorem gewehlet, welcher eine
ſouveraine Gewalt gehabt. Nach der Zeit, da die Leute Zeit bekommen,
und angefangen zu raiſonniren, da ſind ſie freylich auf Democratien und
Ariſtocratien gefallen. Alſo wiſſen wir, wie bey denen Roͤmern der
Status regius abgeſchaffet worden, und eine libera respublica entſtanden.
Denn in einer Democratie iſt mehr artificium noͤthig, als in einer Mo-
narchia; man hat viele pacta, deßwegen kan ſolche nicht ſo leicht zu
Stande kommen, als Monarchia. Das iſt wahr, daß unſer HERR
GOTT nicht ſonderlich die regna angeſehen, au contraire wir finden
G 2ex
[52]Cap. II.
ex poſt facto, daß wie die Kinder Iſrael aus Egypten ins Land Canaan
kommen, ſo hat GOTT nicht wollen haben, daß ſie ſollten Koͤnige ha-
ben, ſondern es waren ſiebentzig Nichter geſetzt. Man ſiehet auch, daß
die Juͤdiſche Republic wohl regieret worden, ſo lange keine Koͤnige wa-
ren: Denn es war eine Theocratia, da GOTT ſelbſt regierete; Sie
wollten aber nachgehends durchaus einen Koͤnig haben, und da ihnen
Samuel alle incommoda vorſtellete, welche bey einem Koͤnige waͤren, ſo
kehreten ſie ſich doch nicht dran, ſie bekamen den Saul zum Koͤnige, wel-
cher ſie auch recht vexiret. Und ſo iſt es ihnen mit andern Koͤnigen er-
gangen, wie man ſolches aus denen Buͤchern Samuelis und Chron. ſe-
hen kan.
Menſch ver-
ſchiedene Sta-
tus haben koͤn-
ne.
§. 18. Es ſey nun wie es wolle; es mag eine Republic einen Ur-
ſprung haben, was ſie vor einen will, wir haben einmahl civitates und
bey dieſen civitatibus innumeros Status, innumeras profeſſiones, ohne zu
rechnen, was wir vor ſimplices Status haben, wohin der paternus, herilis
und conjugalis gehoͤret. Daher iſt es eine groſſe Kunſt ſo zu regieren,
daß die diverſen Status alle mit einander harmoniren, und die Status nicht
Zerruͤttungen machen. Hieronymus Oſorius de Principis Inſtitutione
hat auch gewieſen, was vor eine groſſe Kunſt vom principe erfordert
werde, wenn er wolle kluͤglich regieren. Er lobet in einer beſondern Ora-
tion die Koͤnigin Eliſabeth, daß ſie die artes regnandi ſo gut verſtanden.
Wenn eine Republic ſoll gut regieret werden, ſo muß ſie ſeyn wie eine
wohl-eingerichtete Uhr, daher nennet auch Hobbeſius die rempublicam
artificialem. Je confuſer ein Status, je weniger Weißheit iſt vorhanden.
Mancher hat mehr als einen Statum auf ſich, da braucht er auch mehr
prudentiam e. g. Er iſt ein Kauffmann und ein maritus, vid. Hertius
in Diſſert. de uno homine plures perſonas ſuſtinente, welche in Tom. II.
Part. III. Opuſcul. ſtehet. Es iſt nicht allein eine Kunſt einen Statum
recht zu defendiren, ſondern es muß einer ſich ſuchen bey allen denen Sta-
tibus recht zu conſerviren, ſo er auf ſich hat. Der Printz Wilhelm von
Oranien, ille libertatis Batavæ vindex, war ein trefflicher General, aber
er war kein Mann, i. e. ratione uxorum war er infeliciſſimus. So ge-
het es noch mehrern, auch mit denen Kindern. Wer alſo ſeine Per-
ſon recht zu ſpielen weiß, der iſt prudens, hat einer viel Perſonen auf ſich,
und er weiß alle recht zu ſpielen, ſo iſt er prudentiſſimus. Dieſes hat
man in der Politic rationem Status genennet.
Status ſey?
1) uͤberhaupt.
§. 19. Der Autor ſagt: mir iſt ratio Status ſo viel als Politica.
Ratio iſt das medium, wodurch man ſeinen Stand conſerviret; es ſey
nun ein Imperans, oder auch ein anderer. Sine ratione, ſine prudentia
wird
[53]De variis hominum Statibus.
wird ſich einer nicht conſerviren. Dieſe ſignificationem kan man alſo
nicht allein auf rempublicam imperantem, ſondern auch ad hunc, ad il-
lum appliciren. Dicis. Man verſtehet doch ſub ratione Status die welt-
liche Regierung. Reſpond. Es gehet ebenfalls an, denn civitas iſt ja
auch ein Status, und iſt viel ſchwerer eine Republic zu conſerviren, als
einen Statum. Man kan hier nachleſen, was Monſ. Crouſaz in ſeinem
Frantzoͤſiſchen Traité du beau, ſeu de eo, quod pulchrum eſt, geſchrieben.
Man ſiehet, daß es in der That ſchon was groſſes, wenn viele Regimenter
beyſammen ſtehen, und alle nach dem Winck des Generals ſich richten.
Noch viel groͤſſer aber iſt es, wenn eine gantze Republic gut harmoniret.
Man muß nicht dencken, daß Imperantes und Conſiliarii wachſen, wie
Champignons, man muß ihnen was beybringen, ſonſt gehet es confus
zu. Gleichwie ich nun von einem jeden Menſchen, der politiſch inſinuant
iſt, ſagen kan, er habe rationem Status ſich zu conſerviren, ſo braucht
man dieſes κα[ꝛ] ἐξοχὴν von einer Republic; es mag ſeyn eine Monar-
chie, Ariſtocratie, oder Democratie; man kan alſo das Wort generali-
ter, und ſpecialiter gebrauchen.
§. 20. Daher kommet es, daß die Italiaͤner ihre Politiquen Ra-2) in Anſehung
auf die Repu-
blic.
tionem Status genennet, als wie der Scipio Claramontius, von welchen
Conring etliche piecen drucken laſſen. Ingleichen der Ludovicus Septa-
lius. Die Frantzoſen haben auch viel edirt ſub tit. Raiſon d’Etat. Hie-
von kan man nachleſen den Hertium in ſeiner Prudentia Civili p. 3. \& 4.
welcher alle ſpecificirt. Bey denen Scriptoribus Italicis iſt zu mercken,
daß einer Rationem Status weitlaͤufftiger nimmt als der andere. Septa-
lius meynet, ratio Status begreiffe nicht ſo viel in ſich als Politica; her-
gegen Claramontius, welcher zu Padua geweſen, hat gemeynet, ratio
Status begreiffe viel mehrers in ſich, als Politica. Es iſt aber hierunter
kein ſonderliches arcanum, denn wenn Claramontius meynet, ratio Status
ſey weitlaͤufftiger, ſo hat er in mente: Die Prudentia Civilis ſ. Politica
gehe nicht nur auf den modum gubernandi \& conſervandi rempublicam,
ſondern auch, wie ein jeder ins beſondere ſeinen Statum conſerviren ſolle;
Das referiret er alles ad rationem Status. Septalius aber, welcher mey-
net, ratio Status ſey anguſtior, hat davor gehalten: Ratio Status zeige nur
modum gubernandi \& conſervandi rempublicam. Hergegen in der Politic
wird auch abgehandelt, wie ein jeder ins beſondere ſeinen Statum con-
ſerviren ſolle. Unſer Autor aber nimmt hier das Wort Ratio Status weit-
laͤufftig.
§. 21. Hier wird nun unterſuchet, woher es kommt, daß vieleOb Ratio Sta-
tus was Boͤſes
ſey?
rationem Status vor was Boͤſes halten. Daher es auch kommt, daß
G 3die
[54]Cap. II.
die Geiſtlichen auf die verfluchte rationem Status ſchmaͤlen. Man-
che nehmen bisweilen das Wort ratio Status ſo, daß ſie darunter verſte-
hen boͤſe Kuͤnſte, artes Macchiavelliſticas, oder wie es Ariſtoteles genen-
net, vitia dominationis. Weil man eine Pſeudo-Politicam hat, ſo hat
man auch eine Pſeudo-rationem Status. (de quibus pluribus infra agen-
dum.) Es iſt bekannt, daß Gabriel Naudæus* einen Tractat geſchrieben,
les Coups d’Etat,** darinnen er gewieſen, wie bisweilen extraordina-
ria ratione eine Republic muͤſſe erhalten werden, und alſo auch extraordi-
naria media muͤſſen gebrauchet werden. Dieſe extraordinaria media
frappiren die ſenſus, und machen eine auſſerordentliche impreſſion: denn
ſie ſind rariora. Man wird leicht begreiffen, daß man auch auſſeror-
dentliche Mittel nehmen koͤnne; aber ordinarium præſumitur, ordinarium
quæritur, rarum vero non præſumitur. Dieſe extraordinaria media nen-
nen auch einige Raiſons d’ Etat, und meynen, es waͤre eine Pſeudo-Poli-
tica, wie Feller eine ſolche Politicam ſceleratam edirt. Dieſe Staats-
Streiche aber oder extraordinaria media gehoͤren keinesweges ad Politi-
cam ſceleratam. Ein Exempel zu geben, wie man dieſe Staats-Streiche
anbringen koͤnne, ſo iſt zu mercken, wenn einer wegen eines criminis an-
geklaget wird, ſo formirt man einen rechten proceß, und laͤßt alles or-
dentlich zugehen, ehe er condemniret wird; nun iſt die Frage, wenn
periculum in mora; der Princeps waͤre in aͤuſſerſter Gefahr, wenn er einen
ordentlichen proceß formiren wollte, ob er nicht ohne proceß extra ordi-
nem bey einem Menſchen, welcher ein crimen perduellionis begangen,
koͤnne verfahren, welches wir finden, bey dem General VVallenſtein, wel-
chen Ferdinandus II. zu Eger laſſen umbringen. Dieſe extraordinaria re-
media nennet aber Naudæus Staats-Streiche, die Leute, ſo es nicht ver-
ſtehen, und nicht im Cabinet geweſen, halten das vor eine Gottloſigkeit,
und ſchmaͤlen auf die Rationem Status, da man einen unverhoͤrter Sa-
che lieſſe ums Leben bringen. Der Koͤnig Johannes von Portugall brach-
te auf dieſe Weiſe auch des Emanuelis von Portugall Vater um. Oſorius
ſagt, wer das Ding ſiehet in vita Emanuelis, der denckt, es ſey was boͤſes
geweſen, aber es war recht. Haͤtte der Johannes laͤnger gewartet, ſo
waͤ-
[55]De variis hominum Statibus.
waͤre ein Tumult entſtanden, da er aber gewiß wuſte, daß des Emanuels
Vater Georg des Hochverraths ſchuldig war, ſo konte er gar wohl ſo ver-
fahren. Haͤtte der Kayſer Leopold dem Lobcowiz gefolgt, und dem Car-
dinal von Fuͤrſtenberg laſſen den Kopff abreiſſen, ſo wuͤrde er ſehr wohl
gethan haben; Da er es aber nicht gleich thate, ſo kamen hernach aller-
hand interceſſiones, daß es unterblieb. Und dieſer Cardinal hat hernach
dem Kayſer groſſen Tort gethan, indem er an dem Pfaͤltziſchen Kriege Ur-
ſach geweſen. So hat man auch dem Kayſer verdacht, daß er den Ra-
gozky ſo lange ſitzen laſſen, da doch ſo viele documenta da waren, daß
er wider ihn conſpiriret, da er ihn aber lange ſitzen laſſen, ſo iſt er endlich
echappiret, und hat dem Kayſer viele Ungelegenheiten gemacht. Es iſt
wahr, was Richelieu in ſeinem Teſtam. Polit. ſagt: die Leute verſtuͤnden
es nicht, man muͤſte allerdings in ſolchen Faͤllen ſo verfahren. Er ver-
gleicht die ſeditiones mit einer Mine, welche erſt verborgen iſt, aber wenn
ſie ausbricht, ſo thut ſie groſſen Schaden; alſo meynet er, muͤſte man ſu-
chen, die molimina bald aus dem Wege zu raͤumen. Weil Gabriel Nau-
dæus nur auf Exempla gegangen, und uͤber dieſelben raiſonniret, ſo hat
Puffendorff in ſeiner Præfation ad Jus Nat. \& Gent. gemeynet, es meri-
tirte, daß einer die Materie noch einmahl ausfuͤhrete, und alles auf
principia reducirte. Doch iſt das Buch des Naudæi ſehr beliebt gewe-
ſen: denn es iſt plaiſant zu leſen. Bisweilen aber rechnet er etwas zu
denen Staats-Streichen, welches andere ad Pſeudo-Politicam referiren,
e. g. er rechnet dahin die unter Carolo IX. angerichtete Pariſiſche Blut-
Hochzeit, da ſo viele Huguenotten maſſacriret worden, und der Koͤnig
Heinrich von Navarra ſelbſt in Lebens-Gefahr geweſen, welches doch alle
vor eine grauſame That angeſehen; wiewohl doch auch M. Ant. Muretus
ſich unterſtanden, ſolche vor dem Pabſt zu defendiren. In denen mei-
ſten aber hat der Naudæus doch recht, als wie bey dem gegebenen Exem-
pel vom crimine perduellionis: denn der hoſtis reipublicæ muß ſterben,
und kommt es nur darauf an, ob er en ceremonie, oder in der Geſchwin-
digkeit ſolle ſterben. Thue ich es nicht, ſo lauffe ich Gefahr. Es kan
freylich manchmahls kommen, daß einer auf dieſe Art unſchuldiger Weiſe
ums Leben kommt, aber davon reden wir nicht. Wir ſupponiren hier
einen ſolchen caſum, da der Princeps documenta vor ſich hat, daß er das
crimen begangen, da iſt es kein medium inhoneſtum, weil er ohne dem
ſterben muß. Es kan der Herr im Cabinet certiſſimas probationes ha-
ben, die aber andern nicht bekannt ſind; daher raiſonniret einer dieſes,
der andere jenes, aber man thut am beſten, wenn man in ſolchen Faͤllen
ſein judicium ſuspendiret. Man disputirt auch, ob eine alliance mit
dem
[56]Cap. III. De Incommodis,
dem Tuͤrcken zu machen, und wollen es viele Doctores nicht approbiren,
allein man kan es eben ſo legitimiren: Denn ich will meinen Feind todt
machen, da gilt mir es nun gleich viel, ob ihn der Tuͤrcke todt ſchlaͤgt,
oder ein anderer.
Bedeutungen
des Worts Ra-
tio Status.
§. 22. Das vocabulum Ratio Status hat allerhand ſignificatus
bekommen, daher es auch einige Chameleontem nennen. Fuͤrſten ha-
ben ihre eigene maximen, wodurch ſie ſich ſuchen zu conſerviren, und
wenn es eine Ariſtocratie iſt, ſo haben die Ariſti wiederum beſondere ma-
ximen, wie wir bey Venedig und andern Republiquen ſehen. Die
arcana, wodurch ſich Imperantes ſuchen zu conſerviren, nennen einige
raiſon d’ etat. Thun ſie es mediis licitis, ſo iſt dieſe raiſon d’ etat zu ap-
probiren: denn ein Imperans hat mit boͤſen Unterthanen zu thun. Die
boͤſen Unterthanen nenne ich diejenigen, welche nach dem Regiment greif-
fen, da muͤſſen freylich die Imperantes auf Kuͤnſte dencken, ſich zu erhal-
ten. Viele Herren aber mainteniren ſich auch durch boͤſe Kuͤnſte, als
wie der Caligula gethan, welches man auch rationem Status genennet.
Daher kommt es eben, daß Ratio Status von einigen gelobet, von andern
getadelt wird, nicht anders, als wie es auch bey der Politic geſchiehet.
Cap. III.
de
Incommodis, quæ homines in omnibus
Statibus premunt.
WEil nun unſer Autor methodo medica gehet, welcher methodus
auch andern gefallen, e. g. dem gelehrten Mathematico, Herrn
von Tſchirnhaus, der Medicinam mentis geſchrieben, item dem
Vincentio Placcio in Hamburg; ſo iſt kein Wunder, wenn er zuerſt die
incommoda anſiehet. Denn wer will felicitatem in der Politic erhal-
ten, muß auch erſt wiſſen, worinnen die infelicitas beſtehe. Daher hat
der Autor hier die Klage-Lieder proponiret, welche theils wahr, theils
aber ſind es auch fictiones. In vielen Stuͤcken hat er recht, aber man
muß es doch alles cum grano ſalis anſehen.
ſchen Zuſtand
iſt natuͤrlicher
Weiſe elend.
§. 1. Der Menſch iſt zwar, wenn man ihn betrachtet, eine ſolche
Creatur, dergleichen er nicht mehr neben ſich hat. Wir ſehen wohl,
daß die Thiere auch eine connoiſance haben, aber ihre connoiſance iſt
ſehr obſcur. Der Hund kennet freylich ſeinen Herrn, und das Pferd
ſeinen
[57]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
ſeinen Fuͤtterer, aber die Menſchen haben vielmehr. Daher hat Leib-
niz gemeynet, der Menſch habe eine Wiſſenſchafft von der gantzen Welt,
aber die Thiere cognoſcirten wenig, ſie ſehen nur nach ihren inſtinctu.
Der Menſch hat finem, ſcopum in ratione confectum, in futurum pro-
ſpicit. Auf dieſe Weiſe kan man des Leibnitzens Meynung wohl defen-
diren, und noch beſſer embelliren, als Herr Wolff gethan. Derjenige
aber, ſo keine amplam cognitionem hat, iſt nicht viel beſſer, als ein Thier.
Wenn du deinen Knecht anſieheſt, ſo iſt er ein Tumrian, der kennet
nichts mehr, als ſeine Wagen-Schmiere, und ſeine lederne Hoſen. A-
ber man ſiehet, daß wenn der Menſch will eine connoiſance haben, ſo
kan er ſie erhalten, und kan auch dieſelbe vermehren. Deo fit proprior,
quo plus cognoſcit. Daher nennet man einen ſolchen Menſchen divi-
num, nicht, als wenn er Deus wuͤrde, ſondern er wird Deo ſimilis, quia
multa agnoſcit, quia eſt ſapientiſſimus. Obgleich nun der Menſch rai-
ſonniret, und cognitionem ampliſſimam kan bekommen; ſo kan er doch
auch dieſelbe mißbrauchen, er kan in allerhand affecten fallen, und wenn
er das thut, ſo macht er ſich nicht alleine ungluͤcklich mit ſeiner connoi-
ſance, ſondern er macht auch andere Menſchen ungluͤcklich, daher nen-
net man ihn animal miſerrimum; ſeine affecten beunruhigen ihn. Daß
man aber der Meynung des Boileau eines Satyrici ſeyn ſollte, welcher in
einem carmine den Eſel, und den Menſchen mit einander verglichen, und
unterſuchet, welcher am beſten ſtehe, zuletzt aber den Eſel obtiniren laͤſ-
ſet, das waͤre abſurd. Barbeyrac ſagt gar artig vom Boileau, hier ha-
be nicht der Menſch, ſondern der Eſel geredet, vid. Gundlingii Otia.
Die comparaiſon laͤſſt man paſſiren, aber daß der Eſel ſolle gluͤcklicher
ſeyn, als der Menſch, kan man nicht ſagen. Wenn es die Menſchen
recht einrichteten, ſo koͤnnten ſie in der Welt vielmehr Gluͤck genieſſen,
als ihnen Boͤſes widerfaͤhret. Man kan freylich allerhand naͤrriſche
comparaiſons machen. Ich kan mir eben ſo wohl als der Boileau vor-
nehmen zu zeigen, daß der Menſch weit ungluͤcklicher ſey, als der Krebs;
aber daß man wuͤrcklich glauben ſollte, es ſey der Menſch ſo ungluͤcklich,
gehet nicht an. Es ſind hier diverſi reſpectus; man muß vielmehr auf
eines jeden Dinges naturam ſehen. Einige unter denen heutigen Phi-
loſophen haben ſich nicht vorgeſehen, und haben gemeynet, es waͤre in
der That ſo, daß der Eſel weit gluͤcklicher, als der Menſch, Mſr. Crou-
ſaz hat in ſeiner Logic eine treffliche conſideration von denen compara-
tionibus, darinnen er weiſet, daß, wenn man wolle comparationes ma-
chen, ſo muͤſſe man nicht diverſas res nehmen, ſondern zwey Dinge von
einem Ort muͤſſe man mit einander compariren. e.g. hominem cum ho-
Hmi-
[58]Cap. III. De Incommodis,
mine, militem cum milite. Sonſt aber, wenn ich diverſas res nehme,
ſo iſt es nur ein inventum oratorium. Der Pater Rapin hat auch eine
comparaiſon gemacht, zwiſchen einen Poëten, und einen General, darin-
nen er ebenfals zeiget, daß ein Poët weit beſſer als ein General, da muß
man aber nicht dencken, Rapin haͤtte ſein Thema trefflich ausgefuͤhret,
wie die Journaliſten raiſonniren. Denn man koͤnnte auch zeigen, daß
ein Schmied beſſer, als ein General. Hat doch Heinſius auch laudem
pediculi geſchrieben. Es iſt eben als wenn einer diſputiren wollte, ob
die Axt beſſer als der Hammer. Man braucht beydes, und kan man
der Axt ſo wohl als den Hammer eine eloge machen. Dieſe materie
wird ſonſt in der Logic ausgefuͤhret. Hier kan man ſolche in der ap-
plication ſehen. Der Menſch iſt alſo nobiliſſima creatura, wenn er ſei-
ne affecten temperiret, thut er aber dieſes nicht, tunc inſanit cum ratio-
ne, wie Terentius ſagt, daher hat Leibniz nicht unrecht, wenn er ſagt,
man diſputire, ob der Menſch kein plaiſſir habe in der Welt, und mey-
net er, der Menſch koͤnne vielmehr plaiſſir haben, als mala, ſi rationem
in conſilium adhibeat.
nach der Ver-
nunfft agiret.
§. 2. Wenn alſo der Menſch nicht ſecundum rationem handelt,
wird er ungluͤcklich, denn die ſocietates ſind darum entſtanden, daß wir
ſollen vernuͤnfftig leben; hergegen wenn die Menſchen unvernuͤnfftig wer-
den, ſie geben nicht achtung, ſind nicht vigilant, ſo thun ſie ſich Tort;
daher ſaget man auch in der Moral, die attentio ſey der erſte gradus zur
Vernunfft, daß man zur Untugend gelangen kan. Iſt einer attent,
ſo compariret er mala \& bona; agiren wir aber nach unſerm inſtinctu
naturali, ſo ſind wir wie die Kinder, welche alles haben wollen. Daher
ſagt man auch von Leuten, ſie ſchaͤmen ſich nicht, die Thiere ſchaͤmen ſich
auch nicht; hoͤret man aber: crubuit, tum ſalva res eſt. Denn da hat
einer nachgedacht, und geſehen, daß es contra dignitatem.
ſolches Elen-
des, 1.) in dem
Statu hominis
abſoluto.
§. 3. Es kan nicht anders ſeyn, daß wenn wir unſere Vernunfft
nicht gebrauchen, ſo negligiren wir unſere Geſundheit. Ein Thier agi-
ret nach ſeinem inſtinctu naturali, und wenn man es allein laͤſſet, non
excedit modum, es iſſet und trincket nicht mehr, als quantum ſat eſt.
Daher leben auch die Thiere laͤnger, als die Menſchen: wie alt werden
nicht die Raben, und die Hirſche, wenn ſie nicht per violentiam derer
Menſchen ums Leben gebracht werden. Man hat An. 1497. bey Kay-
ſerslautern einen Hecht gefangen, welcher 19. Schuh lang geweſen, und
unter den Floß-Federn einen ſilbernen Ring gehabt, und zu Zeiten Fride-
rici II. a. 1230. hinein geſetzet worden, das ſind 267. Jahre. Es iſt
gantz gewiß, und findet man viele documenta, vid. Marqu. Freher. in Ori-
ginibus
[59]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
ginibus Palatinis, aus welchen es Töllner genommen. conf. quoque Leh-
manni Chron. Spir. \& Sigism. von Bircken im Oeſterreichiſchen Ehren-
Spiegel. Hergegen die Thiere, welche ſie unter denen Menſchen ſind,
werden ruiniret, welches wir an den Hunden und Pferden ſehen: Denn
der Menſch iſt ſo wunderlich, daß er denckt, was er eſſe, muͤſſe der Hund
auch haben, der Hund bekommt ſein Brod, ſeine Suppe, und auch ſein
Stuͤck Braten. Manche Narren laſſen gar dem Hund einen Tiſch decken.
Endlich wird der Hund ſo dicke, wie ſein Herr; er will kein Brod mehr
freſſen; kan auch nicht mehr bellen, und nach etlichen Jahren iſt er todt.
Manche geben auch ihren Hunden und Pferden Wein zu tꝛincken, es iſt ihnen
aber ſchaͤdlich, weil es wider ihre Natur. Unſer HErr GOtt hat die Thie-
re circumſcribiret, und braucht es nicht, daß du ſie tractireſt wie dich. Ob
nun gleich die Menſchen nichts pretioͤſers haben, als die Geſundheit, ſo
nehmen doch die wenigſten ſolche in acht, und brauchen keine Vernunfft.
Wenn es dem Menſchen wohl ſchmeckt, ſo frißt und ſaͤufft er drauf loß;
conſideriret aber nicht ſeinen Magen, wie viel derſelbe vertragen kan,
da doch das viele Eſſen einem ſo wohl ſchaden kan, als ein Rauſch.
Ein junger Menſch kan freylich alles vertragen, wenn er wacker arbeitet,
unterdeſſen thut es ihm doch ſchaden. Alſo leben ſolche Leute unver-
nuͤnfftig, wie das Vieh, und noch viel ſchlimmer, denn das Vieh thut
dergleichen nicht einmahl, wenn es nicht von Menſchen irritiret wird.
Man muß auf ſeinen Magen und Leibes-Conſtitution ſehen, wenn man
wiſſen will, wie viel man vertragen kan. Mr. Perefix hat in ſeinem Le-
ben des Henry le Grand artig hievon raiſonniret, daß er eine comparaiſon
angeſtellet, zwiſchen den Hertzog von Maine, und Henrico IV. Er ſagt:
Henricus IV. habe eine groſſe avantage gehabt, weil er von Jugend auf
wohl erzogen worden, und in Krieges-Sachen ſey inſtruiret worden;
er ſey auch klein und dabey vigilant geweſen; Hergegen der Hertzog von
Maine waͤre eine groſſe machine geweſen, der haͤtte mehr muͤſſen eſſen
und trincken, das habe mehr Zeit erfordert. Wer viel iſſet und trincket,
muß laͤnger ſchlaffen, ex conſequenti ſtehet er ſpaͤter auf, er legt ſich
eher nieder, er kan nicht ſo geſchwinde gehen und reiten, als einer der
klein iſt, er wird auch eher muͤde. Daher hat auch zuletzt Henricus die
Oberhand behalten. Dieſes iſt eine admirable conſideration, und fin-
det man hier eine rechte comparaiſon: Denn hier wird Dux \& Dux
compariret. Man kan alſo nicht anders urtheilen von der Geſundheit
des Menſchen, als daß man auf ſeine machine ſiehet. Mancher iſt von
Natur ſchlecht beſchaffen, er bringet eine elende Leibes-Conſtitution mit
auf die Welt, daran Vater und Mutter ſchuld ſind. Mancher be-
H 2kommt
[60]Cap. III. De Incommodis,
kommt den Stein und das Podagra ſchon im neunten oder zwoͤlfften Jahre,
da muß einer freylich drauf ſehen. Daher hat Sturm in einer beſondern
diſſertation, welche bey ſeiner Philoſophia eclectica ſtehet, gewieſen, daß
die meiſten Menſchen avtochires und Urſach an ihrem Verderben. Und
wenn man es beym Licht beſiehet, ſo iſt es wahr: Denn alle Menſchen
ſtuͤrmen auf ihre Natur loß. Die ſchlechten Leute, welche cibum \&
potum æquabilem haben, nicht in Venere excediren, leben am laͤngſten.
Die Affecten ruiniren auch die meiſten Menſchen: man ſiehet, wie viel
Leute am Zorn ſterben. Denn wenn einer ſich erzuͤrnet hat, und er kan
ſich nicht gleich helffen, ſo iſt er in kurtzer Zeit todt, er naget an Knochen,
und wird vor der Zeit grau. Daß die Venus viel ruiniret, iſt bekannt,
die Exempel ſind am Tage; die Frantzoſen werden bey uns noch angeſe-
hen werden, wie eine Kranckheit, die man ſonſt hat; denn das Ding
communiciret ſich. Vor dieſem waren keine Pocken in Europa, und
hat Mr. Richard Mead, ein Engliſcher Medicus, in einem beſondern Tractat
gewieſen, wie ſie nach Engelland kommen. Die Pocken ſind aus Africa
kommen, und wiſſen wir noch die Zeit, wenn es geſchehen. Wenn man
die Portraits der alten Roͤmer anſiehet, ſo wird man finden, daß keiner
pocken-gruͤbig. Die Frantzoſen ſind auch aus Africa kommen. Erasmus
hat ſchon angemercket, daß faſt alles Ungluͤck aus Africa kommen; alle
idololatrie kommt daher. Das pretioſisſimum alſo, was der Menſch
haben kan, iſt ſanitas, und doch iſt der Menſch ſo tumm, daß er ſie nicht
in acht nimmt. Mors iſt freylich ein naturale quidpiam, und muß man
hier des Pfaffs diſſertation de morte naturali leſen, welches eine ſchoͤne
piece: unterdeſſen kan man doch laͤnger und commoder leben, wenn man
ſucht ſeine Geſundheit zu conſerviren. Ich bin noch nicht alt worden,
und iſt doch der Rath zu Nuͤrnberg ſchon in der Zeit uͤber anderthalb-
mahl ausgeſtorben, worinnen mehrentheils Leute von meinem Alter ge-
weſen. Das macht, ſie ſauffen dort den Francken-Wein zu ſtarck, und
haben ein dickes Bier, dadurch entſtehet ein dickes Gebluͤth, das kan
nicht circuliren, daher ſterben ſie bald. Die wenigſten bringen ihr Leben
uͤber 40. Jahr, im 30ſten Jahr bekommen ſie ſchon Kupffer im Geſichte,
wird einer 60. 70. Jahr alt, ſo iſt es ein groſſes Wunder, der hat etwa
eine rechte Diaͤt gehalten; ſie ſauffen ſich alle einen dicken Wanſt. Die
alten Gaulois und auch ſchon die Roͤmer haben nicht wollen leiden, daß
die Leute ſollten ſo dicke ſeyn. Sie haben ein cingulum, ein gewiſſes
Maaß gehabt: Wenn ein Eques bey denen Roͤmern das uͤbertroffen, ſo
haben ſie geſagt: er koͤnne nicht mehr Eques ſeyn, und hat ihm der Cenſor
ſein Pferd genommen: denn der Cenſor muſte darauf acht geben. vide
diſſer-
[61]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
diſſertat. meam in Gundling. de Cenſoribus. In Franckreich haͤlt man noch
auf eine ſchoͤne taille; daher ſind eben die Frantzoſen gute Reuter: Denn
die Reut-Kunſt iſt kommen aus Spanien und Franckreich. Aber was
die Geſchwindigkeit anlanget, ſo uͤbertreffen doch die Frantzoſen die Spa-
nier, ſonderlich iſt die Reut-Kunſt unter Ludovico XI. ſehr excoliret wor-
den. Unſere Teutſchen ſind vor dieſem nicht allein aͤlter worden, ſon-
dern auch geſuͤnder geweſen. Man findet, daß Leute von 70. Jahren
noch haben koͤnnen auf ihr Pferd ſpringen, und mit zu Felde gehen.
Otto M. welcher uͤber 70. Jahr alt worden, iſt ſein Tage nicht kranck
geweſen, als wenn er etwan auf der Jagd geweſen, und ſich Schaden
gethan. Endlich ſtarb er am Schlag. Das thut ſehr viel zur Geſundheit,
wenn man immer einerley Speiſe hat. Mr. Ricaut und auch Lauardin, in
ſeiner Perſiſchen Reiſe-Beſchreibung erzehlet von denen Tuͤrcken, daß die-
ſelben eben deßwegen ſo alt werden, weil ſie beſtaͤndig Reiß eſſen. Es
ſind Janitſcharen, welche uͤber 70. Jahr alt ſind, und doch noch mit zu Felde
gehen; ob gleich die Tuͤrcken in Venere excediren, weil ſie viel Weiber ha-
ben; ſo haben doch viele angemercket, daß wenn man es beym Lichte beſaͤhe,
ſo thaͤten die Tuͤrcken nicht mehr als ein anderer, der nur eine Frau habe.
Stahl, welcher ſonſt Profeſſor allhier geweſen, jetzo aber Leib-Medicus in Ber-
lin iſt, hat eine Diſſertation geſchrieben, de diæta in cibo \& potu æquabi-
li, darinnen ſagt er, es kaͤme nicht drauf an, daß einer wenig eſſe und
trincke, ſondern es muͤſſe einer cibum \& potum æquabilem haben. Was
thun wir aber? Heute haben wir einen Fiſch, eine fricaſſée, morgen wie-
der was anders, das wird ſo in den Menſchen hinein gepfropfft. Man
trinckt zu einer Zeit etliche Weine, und da iſt kein Wunder, daß unſere
Natur abnimmt, und wir nicht alt werden. Wuͤſten wir, warum die
Alt-Vaͤter ſo alt worden, ſo wuͤrde man gar leicht koͤnnen daraus eine
Urſache entdecken, warum es heut zu Tage nicht nicht geſchiehet. Ein
Medicus, Nahmens Ramazzini, hat dem Hertzog von Modena zu Ehren
auch ein ſchoͤn Buch geſchrieben de Tuenda Valetudine, in einem ſchoͤnen
Lateiniſchen Stilo, worinnen er faſt auf einem jeden Blat eine beſondere
obſervation hievon gemacht. Es hat St. Euremont einem Engliſchen
Geſandten, welcher in Holland geweſen, zu Gefallen einen Dialogue ge-
ſchrieben de la Santé, welcher bey ſeinen uͤbrigen operibus zu finden, dar-
innen hat er auch vieles vom Ruin der Geſundheit. *
H 3§. 4. 5.
[62]Cap. III. De Incommodis,
tu adventitio,
und inſonder-
heit zwiſchen
Ehe-Leuten.
§. 4. 5. Es iſt nicht gut, daß der Menſch alleine ſey, welches wir
nicht allein in der Bibel finden, ſondern es kan auch ein jeder gar leicht
ſolches mit ſeiner Vernunfft aſſequiren. Daher ſagt der Autor, da der
Menſch ſiehet, daß vita Solitaria ſich nicht vor ihm ſchicke; ſo ſoll er in
Societate leben cum aliis. Und wenn ich den Menſchen anſehe, als tu-
gendhafft, ſo nutzt es ihm freylich nicht ſo viel, ſi ſolus ſit, ſondern es
wird ſein Leben verſuͤſſet, ſi plures ſint, quibus una eſſe poſſit. Es wuͤr-
de auch das menſchliche Geſchlecht gar nicht beſtehen koͤnnen, wenn ein
jeder wollte vor ſich leben. Weil nun die ſocietas eine neue obligation
wircket gegen andere, ohne welche ich wenigſtens nicht commode ſeyn
kan; ſo entſtehet daher eine obligatio compoſita, die eine obligatio gehet
auf mich, ut caſte, ſobrie, temperanter vivam; die andere aber gehet ge-
gen andere Menſchen. Da aber die Menſchen von der obligatione ab-
gehen, und andere Menſchen nicht ſo reſpiciren, als ſich ſelbſten; ſo
negligiren ſie æquitatem. Dadurch iſt es geſchehen, daß man denen
Menſchen wollen per Societates ein remedium ſchaffen, beſſer zu leben,
und daß auch gloria Dei eher ſoll promoviret werden, ſo ſind ihnen die
Societates zur Luſt worden. Daher hat Pere Lamy in ſeiner Theologia
Morali* geſagt: Hobeſius waͤre ſonſt ein Mann, welcher paradoxe prin-
cipia habe; aber hier habe er gantz recht, wenn er meyne, der Menſch
habe eine natuͤrliche inclination ad Societates, und wuͤrde nicht froh ſeyn,
wenn er alleine waͤre, und von Engeln bedienet wuͤrde. Auch die Laſter-
hafften Menſchen incliniren ad Societates. Ein homo avarus will gerne
andere Menſchen um ſich haben: Denn er will gerne ſchachern, und an-
dere betriegen. Einen Wolluͤſtigen iſt es der Tod, wenn er ſoll alleine
ſeyn. In abſtracto hat es alſo gar wohl ſeine Richtigkeit, daß die Men-
ſchen
*
[63]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
ſchen Societates gebrauchen; aber viele ſind nicht geſchickt ad Societates,
ſie verderben nur die Societates, alsdenn waͤre es ihnen beſſer geweſen, wenn
ſie alleine geblieben. Bey einer Societaͤt iſt nicht gnug, wenn einer ſein devoir
in acht nimmt, ſondern es muͤſſen ſolches alle thun. Pere Lamy hat hier eine
artige obſervation, welche aber ad Catholiciſmum faͤllt, wenn er daraus
ſchlieſſen will, daß die Menſchen obligirt waͤren ad vitam ſolitariam. Darin-
nen hat er unrecht. Er raiſonniret erſt admirable, wenn er ſaget: nicht alle
Menſchen ſchicken ſich ad Societatem, ſie haben differente Abſichten, dif-
ferente inclinationes, und machen einander nur das Leben ſauer, und da
laſſe ich vitam ſolitariam, als ein remedium paſſiren, welches auch unſer
Autor concedirt, aber deßwegen kan man nicht die concluſion machen:
Ergo iſt das Moͤnchs-Leben, und Eremitiſche Weſen hoͤchſt nothwendig.
Man raͤth freylich einem Menſchen, der in boͤſer Geſellſchafft lebet, daß
er ſich ſepariren ſoll, und ſolus agere cum ſolo. Es gehoͤret eine Kunſt
darzu in Societate zu leben. Darzu contribuiret viel eine gute Education,
daß man die Leute von Jugend auf inſtruirt, wie ſie in einer Societate
ſollen leben, ſonſt werden es in utilia reipublicæ pondera. Die Societas
conjugalis iſt eine unvergleichliche Societas. Sie iſt ein Paradieß;
Wenn du dich mit deinem Ehe-Gatten conjungireſt, und ſie dir folget,
du muſt freylich geſcheut ſeyn, wenn ſie dir folgen ſoll. Denn wie will ein
Blinder dem andern den Weg weiſen. Weil nun aber mehrentheils keines
ſein devoir nicht in acht nimmt, ſo kommt es daher, daß die meiſten Ehen
ungluͤcklich. Die Ehen werden auch nicht recht choiſiret. Die Menſchen
koͤnnen freylich heyrathen, wenn ſie tuͤchtig ſind ad generandum, denn waͤre
er impotens, ſo kan er nicht heyrathen. Mancher iſt potens von Natur, per
vagas libidines aber verurſachet er, daß er impotens wird, und hernach
kein tuͤchtig Kind zeugen kan. Carolus VIII. hielt ſich viel Maitreſſen;
Da er hernach bey ſeiner Gemahlin war, und ſein genus ſollte immor-
tale machen, ſo war er nicht mehr in dem Stande, und endlich kam
noch ein elender Printz auf die Welt. Man kan hier nachleſen, was
Bayle in ſeinem Dictionaire Hiſtorique Critique ſub voce Luis XI. hat.
Wer alſo ſich recht einrichtet, dem kan die Societas conjugalis nuͤtzlich
ſeyn. Er kan auch plaisſir haben; man hat auch an denen Kindern ſeine
Luſt. Und iſt kein Zweiffel, daß wenn es einem ungluͤcklich gehet, ih-
nen ein groſſes ſoulagement iſt, wenn er Sociam fortunæ, daß aber die
meiſten Ehen ungluͤcklich ſind, kommt ex inſtinctu naturali: Non ineun-
tur cum ratione. Einer nimmt ein Menſch wegen ihres Reichthums,
der andere wegen ihrer Schoͤnheit, und ſiehet gar nicht auf Tugend.
Wenn nun aber ein Menſch gleich huͤbſch und reich iſt, ſie hat keine
Auf-
[64]Cap. III. De Incommodis,
Auferziehung, keine Tugend, keine Religion, ſo iſt es nichts. Hiob war
ein frommer Mann, wurde aber von der Frau geplagt. Socrates hatte
auch eine Frau, welche ihm manche materiam mordacem auf den Kopff
gegoſſen. Wiewohl ein Magiſter in Leipzig die Xantippe defendiren wol-
len, daß ſie nicht ſo arg geweſen, als man ſie ſonſt beſchreibet. Die Tu-
gend alleine macht, daß wir unſer devoir in acht nehmen, und wenn du
gleich tugendhafft biſt, der andere aber iſt es nicht, ſo iſt es auch nichts.
Es iſt manchmahl ein Ehe-Gatte ſo ſchlimm nicht, aber er hat eine gantz
andere Meynung, als der andere, ein gantz ander Temperament, da ſchi-
cken ſie ſich auch nicht zuſammen. Die Germana de Foix, welche den
Ferdinandum Catholicum heyrathete, war gantz anders, als er. Ferdi-
nandus war ein Melancholicus, ſie aber tantzte und ſprang immer, wenn
er mit ihr von Staats-Sachen reden wollte, ſo ſprang ſie herum, und
konnt ihn nicht leiden. Daher wenn man dir Sache in abſtracto an-
ſiehet, ſo waͤre gut, daß man allezeit ſaͤhe, ob auch conjunctio animorum
da, ob ſie ſolche temperamenta haben, die bey einander ſtehen koͤnnen.
Sind ſie einander contrair, und ſie kommen doch zuſammen, ſo entſte-
het nichts als Haß und Feindſchafft. Wir heyrathen aber mehren-
theils par hazard: Denn wir haben keine converſation; und wenn wir
erſt wollen mit einander converſiren, ſo bekaͤmen diejenigen, mit welchen
wir converſirten eine blame. Das macht unſere verderbte Lebens-Art.
Die groſſen Herren laſſen es vollends auf Portraits ankommen; da ge-
ſchiehet es denn, daß die Ehe ſelten gut ausſchlaͤgt. Daher findet man
von Henrico VIII. Koͤnig in Engeland, daß er ſeinem Geſandten laſſen
den Kopff abſchlagen, weil er ihm ein Portrait geſchickt, welches hernach
gar nicht mit dem Original uͤberein kommen. Wenn man auch gleich
converſirt, ſo kan es doch nicht durch eine eintzige converſation geſche-
hen: Denn die Leute zwingen ſich, und hernach, wenn ſie zuſammen kom-
men, ſo zeigen ſich erſt die Laſter. Hergegen wenn man eine Zeitlang
mit einander umgehet, da kan man erſt ſehen, was an einem zu thun:
Denn die ſimulation kan nicht beſtaͤndig dauren; Da laͤßt man die Af-
fecten blicken, und kan einer leicht ſehen, was er vor einen Engel bekom-
men wird. Herr Thomaſius hat eine Diſſertation gehalten vom Ja-Wort,
worinnen er unſchuldiger Weiſe geſagt, es waͤre gut, daß man vorher
mit einander converſirte, damit man eines jeden inclination ſehen koͤnn-
te, und hat er eben die Gedancken, welche hier proponiret werden, da hat
man in Wittenberg eine Diſſertation dargegen gehalten, und gemeynet, was
das waͤre, wenn man da wollte converſiren, man braͤchte eine in bla-
me, das waͤre alſo was inpracticables, Furettiere, der das vortreffliche
Di-
[65]quæ homines in omnibus Statibus premunt.
Dictionaire de l’Academie Françoiſe gemacht, hat einen Roman Bourgeois
geſchrieben, den man in Holland nachgedruckt, in welchen curiöſe Sa-
chen zu finden ſind: Da ſagt er gar artig: Die Buͤrger haͤtten keine
gute opiniones von der converſation, und ehe man ſichs verſaͤhe, ſo hieſ-
ſen ſie Braut und Braͤutigam, hergegen vornehme Leute converſirten
erſt eine Zeitlang mit einander, daß ſie erſt einander kenneten, ehe ſie ſich
wollten zuſammen begeben. Er hat auch unter andern einen Cavallier
eingefuͤhret, welcher ein Buͤrgers-Maͤdgen wollen heyrathen. Dieſer
klinget in einem Hauſe an, indeß kommt das Maͤdgen herunter, und
machet auf, ſie fragt, was er wollte haben? er antwortet: er habe ge-
hoͤret, daß ſie eine vernuͤnfftige Demoiſelle ſeyn ſollte, daher wollte er
gerne, in Beyſeyn ihrer Eltern, mit ihr converſiren. Das Maͤdgen fragt,
ob er wolle heyrathen? er erſchrickt daruͤber, und ſagt, er wolle nur erſt
die Ehre haben, ſie kennen zu lernen. Da antwortete das Maͤdgen,
wenn er nicht wollte heyrathen, ſo ſollte er ſich nur fortſcheeren, und ihr
keine blame machen. Mancher Menſch iſt freylich ſubçonnant, als wie
die Spanier, mancher iſt luxuriös, und daß wir Teutſchen nicht beſſer
ſind, ſiehet wan leicht. Wiewohl Furettiere erinnert, daß obgleich die
Frantzoſen luxuriös, ſo converſiret man doch unter denen Vornehmſten
ſtarck, und koͤnnen viele darzu gelangen, welche Geld koͤnnen dran wen-
den. Wenn gleich manchmahl ſottiſen mit unter lauffen, deswegen
kan man es nicht aufheben. En general iſt alſo gar nicht unrecht, was
Herr Thomaſius geſagt, ſonſt meynen auch einige, weil man bey einigen vor-
nehmen Leuten wenig Tugend antraͤffe, ſo muͤſſe man ein ſchlecht Menſch
nehmen. Dieſer Meynung iſt auch Aventinus geweſen. Allein man
kan hier nachleſen, was Bayle in ſeinen Diction. Hiſtoir. Crit. ſub voce
Aventinus ſagt, welches man ohne Lachen nicht leſen kan, dieſer erzehlet,
daß Aventinus von derſelben ſehr gequaͤlet worden. Man kan alſo auch
hierauf nicht ſehen. Alles kommt darauf an, ob ſie tugendhafft iſt.
§. 6. Da wir von unſern Kindern ſollten Ehre und Freude ha-Zwiſchen El-
tern und Kin-
dern.
ben, auch ein adjutorium, wenn ſie groß, und wir alt werden, ſo geſchie-
het ſolches nicht; wir haben Verdruß, dum male eos educamus, daher
wird Cap. ſeqq. gewieſen werden, was bey der education zu obſerviren,
und wie man es machen ſolle, daß einem die Kinder Freude erwecken.
Bisweilen kan ein Kind gute Auferziehung haben, und doch verfuͤhret
werden, alſo iſt keine regula ſine exceptione, aber mehrentheils kommt
das Ungluͤck von der education her, wenn die Kinder nicht wohl gerathen.
Wer bekuͤmmert ſich ſonderlich um die Auferziehung ſeiner Kinder.
Cicero, welcher ein gelehrter und judiciöſer Mann zu ſeiner Zeit geweſen,
Jhatte
[66]Cap. III. De Incommodis,
hatte doch einen Sohn, der gar nichts gethan; es war ein alberer und
wilder Menſch. Da muß freylich in der Jugend ſeyn was verſehen wor-
den. Selten haben Leute, die von Meriten ſind, wohlerzogene Kinder.
Man hat einen Frantzoͤſiſchen Staats-Miniſter deßwegen vor ſehr gluͤck-
ſelig geſchaͤtzet, daß ſeine Kinder alle in die Hoͤhe kommen, und kein ein-
tziges davon umgeſchlagen. Er hat ſie examiniret, damit er ſehen moͤchte,
wozu ſie incliniret, daher hat er etliche bey Geiſtlichen, etliche bey Staats-
und etliche bey Krieges-Sachen angebracht. Wenn es nun denen Eltern
ungluͤcklich mit denen Kindern gehet; ſo wuͤnſchen viele, daß ſie gar keine
Kinder haͤtten: denn die Kinder machen gar groſſe Muͤhe, wenn ſie ſo
jung ſind, ſo weinen ſie immer, und meynet Lock in ſeinem Tractat de
l’ education des Enfans, man ſollte ſie laſſen ſchreyen, denn dadurch wuͤr-
den die pulmones aufgeblaſen, und bekaͤmen ſie eine gute Stimme. Er
ſagt auch, man muͤſſe die Kinder ſich laſſen mit einander zancken, nur
duͤrfften ſie ſich nicht ſchlagen. Es koͤnnen auch die Eltern nicht ſine ira-
cundia ſeyn, und wenn alles vorbey iſt, daß wir dencken, wir haben ſie
in die Hoͤhe gebracht, ſo kommen noch die Bengel-Jahre, und die Toͤch-
ter haͤngen ſich an Galans, bisweilen gar an Knechte. Eher nun die
Soͤhne die Bengel-Jahre durchbringen, gehet mancher zu Grunde. Wenn
einer nur ſeine guten Freunde nach einiger Zeit anſiehet, die er auf Univer-
ſitaͤten gehabt, ſo wird er ſehen, wie viele zu Grunde gegangen: da hat
einer dieſes, der andere jenes Ungluͤck gehabt. Das macht alles unſere
ſchlechte diſciplin, und daß wir die Leute nicht bald verheyrathen, da
kommt es denn, daß ſie offt ein pudeat einlegen, und ein Kind extra ma-
trimonium erzeugen, dadurch verſchertzen ſie ihre fortune; denn man
verfolgt ſolche Leute aufs aͤuſſerſte. Wir koͤnnen vor dem 30ſten Jahre
zu keiner conſiſtenz kommen, und wer ſeine Kinder eher etabliren kan,
der thut ſehr wohl: Denn ſie entgehen vielen laſterhafften Beginnen,
und naͤrriſchen Haͤndeln; ſie koͤnnen alsdenn nicht mehr ſo petulant leben,
ſchaͤmen ſich, und wuͤrden von ihren Kindern ausgelacht werden, wenn
ſie noch ſo albern wollten leben. Wenn wir auch alle unſere Kinder
etabliret, ſo ſehen wir doch den Vater gerne ſterben, und wenn ſie nichts
gelernet, ſo ſoll ſie der Vater ernehren, und ihnen dasjenige geben, was
er erworben. Mſr. Bayle hat in ſeinen Diction. Hiſt. Crit. unter dem
Wort Musquet, eine artige digreſſion gemacht, und weiſet, was die El-
tern vor Elend haben mit ihren Kindern. Aber es dependiret meiſt von
der Eltern education. Bißweilen kommt freylich ein Cham, ein Abſo-
lon mit unter, welcher ſeinen Eltern Ungluͤck macht, ob ſie gleich alle
Muͤhe angewendet, dergleichen man in allen Hiſtorien findet, auch in
der
[67]quæ homines in omnibus Statibus premunt.
der Bibel, und iſt von Anfang der Welt ſo geweſen. In denen alten
Sineſiſchen Geſetzen hat man ſehr die Auferziehung und ſeveram diſci-
plinam recommendiret: Denn die Sineſer kommen von dem Japhet,
und haben gute traditiones. Sie haben auch parentem Deum genennet,
welches Spanheim in notis ad Callimachum gewieſen. Guilielmus For-
nerius in ſeinen Select. Juris hat auch eine ſchoͤne obſervation hievon. Hier
iſt der Muͤhe werth, daß man den Bülfinger lieſet, da man ſehen kan,
daß die Leute auf einem rechten Wege geweſen. Jetzo aber ſind auch
die Chineſer in vielen Stuͤcken abgegangen, ſie huren ſtarck. So lange
die Roͤmer ſeveram disciplinam gehabt, hat es in ihrer Republic wohl
geſtanden; ſo bald ſie puberes waren, hatten ſie keine curatores noͤthig.
Unter dem Kayſer Antonio Philoſ. haben ſie erſt muͤſſen curatores haben,
da ſie aber doch dieſelben duͤrffen wehlen. Mir hat ein Mann, der
eben kein groß iudicium hat, eine obſervation gemacht, und meynete, er
koͤnte ſich dieſes nicht einbilden. Allein er ſahe auf unſern heutigen Zu-
ſtand, da wir gar eine lache Auferziehung haben, deßwegen freylich noͤ-
thig iſt, daß wir ihnen curatores ſetzen. Unſere alte Teutſchen ſind alle
auch muͤndig worden im 18ten Jahre, nur die Sachſen und Angli haben
21. Jahr gehabt. Wenn ſich da ein Sohn nach dieſer Zeit nicht wohl
in acht nahm, den hielt man vor einen liederlichen Kerl, und meidete
ihn jederman. Wie Kinder recht ſollen erzogen werden, hat Lock in
ſeinem Traité de l’ education des Enfans wohl gewieſen. Der Abt Fe-
nelon, welcher nachgehends Ertz-Biſchoff in Cambray worden, und we-
gen ſeines Telemaque beruͤhmt, hat auch einen Tractat von Erziehung
der Toͤchter geſchrieben, welchen Franck ins Teutſche uͤberſetzet. Monſ.
Crouſaz, Prof. zu Lauſanne, hat auch einen Traité de l’ education des En-
fans geſchrieben, worinnen lauter naͤrriſche Sachen, welches er mit Fleiß
gethan; es iſt ein Buch wie des Machiavelli Princeps. Man findet
darinnen lauter principia, wie es hodie zu gehen pfleget. Er hat auch
Verdruß gehabt von denen Prieſtern. Zuletzt aber wurde ein Gelaͤchter
daraus, denn ſie ſahen, daß er es vor ſich nicht ſo practicirete. Das
Buch iſt ſehr plaiſſant zu leſen, und kan man es mit dem Lock laſſen zu-
ſammen binden.
§. 7. Ein jeder wird leicht ſehen, daß man die Knechte deßwegenZwiſchen Her-
ren und Knech
ten.
choiſiret hat, daß ſie uns ſuccurriren ſollen, damit wir bey denen vielen
andern officiis, ſo wir verwalten, moͤgen ein ſoulagement haben. Denn
wenn wir wollten alle knechtiſche Dienſte ſelbſt verrichten, ſo koͤnten wir
unſere opificia, officia nicht abwarten. Geſetzt, es iſt einer ein Soldat,
wo will der koͤnnen aufſitzen, und ſich equippiren, wenn derſelbige Knechts-
J 2Dienſte
[68]Cap. III. De Incommodis,
Dienſte thun ſollte. Daher hat man Tummrians erwehlet, welche
dergleichen Dinge thun muͤſſen. Dieſe ſind ſonſt zu nichts faͤhig, und
wollen doch leben; daher begeben ſie ſich zu einem, ut habeant veſtitum,
cibum \& potum. Und eben weil ſie Tummrians ſind, ſollte der Herr
drauf dencken, wie er ſie koͤnte kluͤger machen; aber es geſchiehet nicht;
Thaͤten aber ſolches die Herren, ſo wuͤrden ſie auch beſſer Geſinde haben.
Da fehlet aber dem Geſinde eine connoiſſance; ſie haben keine Tugend;
keine Erbarkeit, non ſecundum rationem vivunt. Waͤre das Geſinde
klug, ſo wuͤrde es auch erbar ſeyn. Es iſt bekannt, daß der Eleaſar,
Abrahams Knecht von Damaſcus war, da ſuchte ihn Abraham, wel-
cher die wahre Religion hatte, erſt einen cultum, eine religion beyzu-
bringen. Hernach haͤtte ſich dieſer Knecht, wie man heute zu Tage zu
ſagen pflegt, bey dem Abraham laſſen todt ſchlagen; Cromwell hat in
dieſem Stuͤcke recht kluge principia gehabt, welcher noch kurtz vor ſeinem
Tode geſaget: Wenn er wuͤſte, daß einige unter ſeinen Bedienten waͤren,
die nicht tugendhafft, ſo wolle er ſolche abſchaffen, oder ins Gefaͤngniß
legen. Ein jeder klaget uͤber ſein Geſinde; das kommt eben daher, daß
man ſolches nicht unterrichtet. Die Herren taugen ſelbſt nichts; daher
iſt ſehr gut, daß man Wayſenhaͤuſer hat, und die Leute geſcheut auferziehet,
damit ſie wiſſen, was ſie glauben ſollen, und warum ſie es glauben:
Denn es iſt doch gar eine groſſe Kunſt, Leute zu inſtruiren. Wenn einer
eine Frau nimmt, ſo kriegt man alsdenn Knechte und Maͤgde, die ma-
chen alles Ungluͤck, die ſtehlen; da iſt es eine Kunſt Commando in ſei-
nem Hauſe zu halten, damit alles ſapienter zugehe. Daher hat Bayer,
ſo erſt in Leipzig geweſen, und hernach nach Wittenberg kommen, nicht
unrecht in einer oͤffentlichen diſſertation defendiret, daß es beſſer ſey, wenn
wir ſervos auf Roͤmiſche Art haͤtten. Denn unſere Knechte ſind wie
das Vieh; ſie wiſſen offt nicht, ob ein GOtt oder etliche ſind. Bey
denen Roͤmern aber iſt das die Commoditaͤt geweſen, daß ſie koͤnnten
ihre Knechte caſtigare, ad obedientiam anfuͤhren, auch nach ihren prin-
cipiis zur aͤuſſerlichen Erbarkeit. Nun iſt wahr, daß zwar die orphano-
trophea koͤnnen helffen, daß man beſſer Geſinde bekommt; aber ſie thun
ſolche ſo bald heraus, man ſollte ſie drinne laſſen, usque ad annos dis-
cretionis. Was kan nun wohl bey uns gutes werden, da das Geſinde
blos auf ſeinen Nutzen ſiehet, und das nennen ſie Nutzen, wenn ſie den
Herrn koͤnnen betriegen. An etlichen Orten haben ſie gar Geſinde-Ord-
nungen, die helffen aber alle nichts, die Knechte und Maͤgde haben kei-
nen fond von der Pietaͤt, die force kan da nicht alles ausmachen, ſo wenig
als ein Princeps bey ſeinen Unterthanen alles par force zuwege bringen
kan:
[69]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
kan: denn darum hat man eben die Lehrer in civitate. Der Herr iſt
am meiſten daran ſchuld, daß das Geſinde nichts taugt. Man ſparet
bey dem Geſinde, und giebt ihnen nicht viel, daher muͤſſen ſie ſich auf
eine andere Art ſuchen zu helffen, und ſtehlen. e.g. Hier giebt man
einer Magd 8. bis 12. Rthlr. das gantze Jahr uͤber, und laͤßt ſie noch
dabey hungern, deßwegen hat man kein tuͤchtig Geſinde, ſie ſehen bey
dem Herrn einen Ehrgeitz, daher ſuchen ſie ſich zu revangiren, und wenn
ſie koͤnnten einen Schaden wehren, ſo laſſen ſie es gehen, lachen heim-
lich druͤber, wenn dem Herrn was zu Grunde gehet. In Holland ſind
ſie weit kluͤger, da geben ſie denen Maͤgden vielmehr, und kan eine
Magd ſich ſo viel erwerben, daß hernach ein Handwercks-Mann kommt,
und ſie heyrathet.
§. 8. Wir ſupponiren, daß die Hauß-Vaͤter in civitate ſub im-Daß die in-
commoda des
privat-Stan-
des durch den
ſtatum civilem
noch vermeh-
ret werden.
perio ſind, und ſollte man meynen, wer einem Haußhalt angeleget, der
ſtuͤnde in complemento felicitatis; allein ſie haben eben vieles auszuſte-
hen. Man promovirt nicht ſo wohl die Handthierungen, welche die
Hauß-Vaͤter anfangen, ſondern man verhindert ſie vielmehr. Ihre
intention iſt, daß ſie wollten etwas erwerben; ſie wollten ihre Kinder
ernehren, da werden ſie aber greulich geſchoren, und wenn ſie auch was
profitiren, ſo genieſſen ſie nicht fructus ihrer Arbeit. Man findet keine
juſtiz, conſequenter wird man nicht defendiret. Einer aber der ſoll Hand-
thierungen treiben, muß defendiret werden, wenn es ſoll von ſtatten ge-
hen. Es giebt wohl Gerichte, aber wenn einer 6. Rthlr. erhalten will,
ſo koſtet es ihm 30. Rthlr. Daher iſt es ſo viel, als wenn gar keine
juſtiz da waͤre. Weil nun eine inæqualitas in civitate, ſo ſupprimiret
auch der potentior den ſchwaͤchern. In Franckreich, Holland und En-
geland floriren die Commercia, aber man findet auch daſelbſt, daß die
Leute geehret werden. Wenn man aber mancher Orten in Teutſchland
einen Kauffmann anſiehet, ſo findet man, daß er vor veraͤchtlich gehalten
wird; Daher waͤre einer abſurd, der ſich an einem ſolchen Orte ſetzte,
wo er verachtet wird. Man ſollte freylich die Leute ein wenig tondere,
daß ſie nicht ſo viele Wolle haͤtten, ſo aber legt man ihnen ſo viel vecti-
galia auf, daß ſie kaum koͤnnen Athen hohlen. Das diſponiret denn
die Leute zu einem mecontentement. Denn alles Ungluͤck kommt von
der inæqualitate. Wenn wir auch die erſten Unruhen anſehen, welche
in ipſis familiis entſtanden, ſo finden wir, daß die inæqualitas daran Ur-
ſach, daher haben ſie ſich ſepariret. Multo magis cum jam imperium
adeſt, querimoniis replentur omnes domus.
J 3§. 9.
[70]Cap. III. De Incommodis,
Unterthanen
daran meiſt
ſelbſt Schuld.
§. 9. Sie ſind aber ſelbſt Schuld dran, quia otio \& luxui dediti
ſunt. Luxus machet paupertatem; die paupertas aber verurſachet, daß
ſie nichts zu nagen, und zu beiſſen haben. Non removeo culpam ab im-
perantibus; aber wir muͤſſen auch der andern ihre defectus beobachten.
Das hat Hobbeſius de Cive ſchoͤn gewieſen, der ſagt auch: es waͤren
wohl die imperantes viel Schuld dran, aber die patres familiæ ſelbſt ver-
urſachten auch vieles. Er giebt das ſchoͤne Gleichniß, und ſaget: Wenn die
Menſchen zuviel gegeſſen und getruncken, ſo ſagen ſie, der Alp habe ſie
des Nachts gedruckt. Da ſagt Hobbes: es thut ſolches die Hexe nicht,
ſondern der Magen, daß ſie ſo viel gegeſſen und getruncken haben. Al-
ſo ſagten ſie auch, der imperans druckte ſie, da ſie doch luxurioſi, und
wenn ſie arm werden, ſo ſchieben ſie es auf den imperantem. Dazu
kommen hernach auch noch die otioſi, welche die Leute encouragiren zu
boͤſen Anſchlaͤgen, zu Aufruhr, von welchen bisweilen auch die Geiſtlich-
keit nicht auszunehmen, ut infra clarius dicam. Ein eintziges Exempel
zu geben fingam: daß ein Koͤnig wollte eine Kopff-Steuer haben, ſo
wuͤrde ein jeder heulen und Zaͤhnklappen, und ſagen, er habe nichts.
Wenn man nun aber fragt: Warum habt ihr nichts? ſo ſagen ſie, ſie
koͤnnten nichts erwerben, und alles, was ſie erworben, gienge wieder
drauf. Fragt man aber: wovor das Geld hingehe, ſo findet man, daß
die Buͤrger jetzt alle Tage ihren Coffée trincken, und jaͤhrlich in man-
chem Hauſe 100. Rthl. vor Coffèe depenſiret wird. Thaͤten ſie das nicht,
ſo koͤnnten ſie dem Koͤnige viel Kopff-Steuer geben. Es muß einer den
Coffèe-Magen zuſchlieſſen, hat doch dein Vater und Groß-Vater auch
keinen getruncken. Daher iſt gut, daß man denen Leuten die Inſtrumen-
ta luxuriæ nimmt, damit ſie ihr Geld nicht ſo liederlich depenſiren. Denn
wenn man acht giebet, was nur in kleinen Provintzen vor Geld wegen
des Coffées depenſiret wird, ſo wird man finden, daß es eine ziemliche
Summa. Man nennet es klein Staͤdtiſch, wo das nicht geſchiehet, aber
es waͤre zu wuͤnſchen, daß wir alle in dieſen Stuͤcke klein Staͤdtiſch waͤ-
ren. Die Hollaͤnder ſind hierinne viel kluͤger, welche vor viele 1000.
Rthlr. Waaren in ihr Land fuͤhren, aber ſie brauchen ſolche nicht, ſon-
dern verkauffen ſie an andere. Medium muß man tenere.
vor incommo-
da haben?
§. 10. Dicis: Ein Fuͤrſt, ein Regent, ein Buͤrgermeiſter iſt doch
was gluͤckliches. Reſpond. Es ſiehet ſo aus, und es iſt wahr, wenn ſie
vigilant, attent, und Sapientes, ſo werden ſie auch gluͤcklich ſeyn, und iſt
alsdenn keine beſſere profeſſion, als im Regiment zu ſeyn. Denn die
andern muͤſſen alles thun, was man ſaget: Aber die Regenten ſind theils
nicht ſo beſchaffen; daher verliehret der peuple die Liebe gegen ſie, wo aber
keine
[71]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
keine Liebe iſt, da iſt Haß, und wo Haß iſt, da entſtehen pericula. Al-
ſo kan man nicht anders ſagen, als daß der princeps ſchuld dran, biswei-
len aber nicht. Wenn man die Auferziehung derer Printzen anſiehet,
nil minus diſcunt, quam artem regnandi; au contraire ſie fuͤrchten ſich
vor aller Weißheit, und dencken, es ſey ihnen nichts nuͤtze, das bringen
ihnen die Leute bey, welche einmahl ſelbſt gerne regieren wollen. Ich
will nichts ſagen von der Griechiſchen und Lateiniſchen Weißheit, daß
ſie die ſollten lernen, wiewohl es ihnen nichts ſchaden wuͤrde, wenn ſie
was davon wuͤſten. Denn ſonſt koͤnnen ſie die memoriale nicht verſte-
hen, aber ſie lernen auch nichts. Jagen lernen ſie, als wenn Regieren
Jagen waͤre. Auf den Krieg legen ſie ſich auch, daher, ſo bald ſie in die Hoͤhe
kommen, ſuchen ſie ſich zu aggrandiren, und fangen einen Krieg an, indeß re-
gieren ſie nicht, ſondern uͤberlaſſen das Regiment denen Miniſtern. Und
wenn es nicht gut in Kriege ablaͤufft, ſo kan er nolens die Miniſtres nicht ent-
behren. Dahero auch die Miniſtres nur ſuchen den Herrn in einen Krieg zu
verwickeln, damit man ſie nicht abſchaffe. Mazarin hat bloß um deßwillen
den Krieg wider Spanien continuiret, weil er geſehen, daß man ihn ab-
geſetzet haͤtte, wenn Friede geweſen. Keine andere intention hatte vor
kurtzen auch der Hertzog von Bourbon; denn er dachte: wenn gleich der
Koͤnig erwachſen, ſo muͤſſe er ihn doch behalten. Zumahlen der jetzige
Koͤnig in Franckreich, ſo ſich auch aufs Jagen leget, und dencket, wie
er einen Auerhahn koͤnne wegputzen. Bey einem ſolchen Herrn iſt es
noch ein Gluͤck, wenn er einen guten Miniſtre bekommt; bekommt er a-
ber einen Lerchen-Faͤnger, wie der Connêtable Luynes bey dem Louis XIII.
geweſen, ſo ſiehet es elend aus. Es iſt kein Zweiffel, daß die Miniſtres
nur auf ihr Intereſſe ſehen; der Princeps nimmt ſich ſeiner Unterthanen
nicht an, daher entſtehen factiones. Es finden ſich boͤſe Unterthanen,
welche dem Principi nach dem Leben ſtehen, deswegen ſie Guarde haben.
Sie ſind Sclaven von ihren Miniſtren. Bißweilen iſt ein Herr gut,
und hat doch boͤſe Unterthanen: Denn kein Princeps kan es allen recht
machen, und ſind einige wider ihn, einige ſind auf ſeiner Seite, meh-
rentheils aber wird man ſehen, daß der Princeps ſelbſt an ſeinem Ungluͤck
ſchuld, das mortificiret ſie: Denn es ſind nicht alle Fuͤrſten ſo beſchaffen,
wie Carolus IX: welcher mit einen ſang froid koͤnnen die Pasquille anſe-
hen, ſo auf ihn gemacht worden. Ludovicus XII. war auch ein Herr,
der alles vertragen konnte. Es waͤr gut, wenn alle Fuͤrſten ſo waͤren,
Louis XIV. war ſchon nicht ſo. Der St. Evremont hat nicht wieder nach
Franckreich duͤrffen kommen, weil er la paix ridicule geſchrieben, der Ra-
butin de Buſſy hat muͤſſen in die Baſtille gehen, weil er den Koͤnig paſſi-
qui-
[72]Cap. III. De Incommodis,
quiniret. Seine Familie iſt auch beſtaͤndig ſupprimiret worden; daß
es alſo dem Louis XIV. ſehr mortificiret, wenn einer was auf ihn gemacht.
Nachgehends kam auch ein Buch heraus von ſeinen amours, da Carl
Patin, welcher hernach Prof. zu Padua worden, die Commiſſion gehabt,
alle Exemplaria in Holland aufzukauffen. Dieſer hat es auch gethan,
aber ein Exemplar einen von ſeinen guten Freunden gegeben, welches her-
aus gekommen, dafuͤr er nicht wieder nach Franckreich kommen duͤrffen.
Und alſo mag man einen Fuͤrſten anſehen, wie man will, ſo wird man
allezeit finden, daß er mecontent, wenn er auch victoriſiret, ſo finden
ſich doch dabey allerhand Verdrießlichkeiten ein. Carolus V, wie er zu
Bruͤſſel abdanckte, hat geſagt: Er habe ſein Lebtage keine angenehme
Zeitung bekominen, da nicht zugleich ſich auch was widriges gezeiget.
Das hat leicht koͤnnen geſchehen, weil er ein groſſes Reich gehabt; da
haben ſich anderwerts viele Dinge koͤnnen ereignen, ſo ihn afficiret. In
einem groſſen Reich ſind viele Sorgen, daher iſt Carolus V. nimmer her-
um gereiſet, eben wie es ehemahls der Czaar machte. Denn bald iſt
hie, bald da eine Unordnung; daher ſagte auch Carolus V: Es ſey ihm
ſein Gehirn gantz ausgetrocknet, und verließ ihm ſeine memorie. Er
hatte Jugement noch genug, wie man aus ſeiner Abdanckungs-Oration,
welche Simon Schardius in ſeinen Script. Rer. Germ. publiciret, ſehen kan;
aber wenn einer keine memorie hat, ſo hilfft das Jugement nicht viel:
Denn die memorie bringet nur die Dinge hervor, daß ich von rebus
præteritis \& præſentibus, kan auf futuras callidiſſime conjecturiren. Lu-
ther ſagt auch von unſern Teutſchen Fuͤrſten: So bald ſie etwas erwach-
ſen, kaͤmen ſie aufs Pferd, damit renneten ſie Sporen-ſtreichs nach der Hoͤl-
le zu. Wenn ſie alt werden, verachtet man ſie, da bethet ein jedweder
die neu-aufgehende Sonne an. Das ſchmertzet die Regenten. Ludo-
vicus XI. hat deßwegen ſeinen Sohn Carolo VIII. nichts laſſen lernen, da-
mit nicht die Leute, wenn er alt wuͤrde, eine affection auf Carolum VIII.
werffen, und derſelbige mehr Anſehen haͤtte, als er. Wie nun der Printz
in die Hoͤhe wuchs, hat er ihn ſehr laſſen verpalliſadiren. Ja er wollte
auf die Letzt nicht mehr eſſen und trincken, weil er meynete, er moͤchte
Gifft bekommen, er hat ſich auch endlich ausgehungert, daß er geſtorben.
Bayle hat in ſeinen Diction. Hiſt. Crit. eine artige Remarque unter dem
Louis XIII. von Louis XIV. welcher eben auf dem Bette lag, der fragte
ihn, wie er ſich nennete? Louis antwortete: je me nomme Louis XIV.
Das chagrinirte dem Louis XIII. ſehr. Einige Fuͤrſten, ob ſie gleich Lan-
des-Vaͤter genennet werden, ſo ſorgen ſie doch vor nichts weniger, als
vor das Land, ſie ſind gewaltige Jaͤger, pour le reſte, imperium negligunt.
Wir
[73]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
Wir finden in der Hiſtorie mehr reges Stultos, als Sapientes. Wo kan
hernach eine felicitas entſpringen, da eine inſipientia und keine virtus an-
getroffen wird. Monſ. Crouſaz hat in ſeinem Tractat von dem, was
ſchoͤn iſt, hievon gehandelt.
§. 11. Man ſollte meynen, die Lehrer waͤren deßwegen entſtan-Von denen in-
commodis der
uͤbrigen Staͤn-
de der Gelehr-
ten.
den, ut alios ad virtutem \& ſapientiam perducerent. Und gewiß ihre
Profeſſion iſt ſo beſchaffen, daß ſie nicht ſchoͤner ſeyn kan, aber ſie kom-
men ihren Scopo nicht nach. Es iſt in der Welt nichts ſchoͤners, als
wenn man kan die Menſchen ad veritatem \& virtutem bringen, damit
ſie nicht ſecundum inſtinctum naturalem leben, ſondern vernuͤnfftig.
Wenn man nun aber die Gelehrten anſiehet, ihrer Perſon nach, ſo ma-
chen ſie auf dem Theatro der Welt eine ſchlechte figure: Das macht,
ſie haben nur den Nahmen der Lehrer, in der That aber ſind ſie abge-
wichen, loco veritatis auf inanem gloriæ cupiditatem. Ja ex ipſa ſcien-
tia haben ſie quæſtum, mercaturam gemacht, und da ſie in otio geweſen,
ſo hat es nicht anders ſeyn koͤnnen, als daß ſie ihren Affecten indulgi-
ret, und auf allotria gefallen. Da ſie die Leute ſollten fuͤhren ad vir-
tutem, inſtruunt ad ambitionem, dadurch aber iſt nichts als Lermen und
Feindſeligkeit entſtanden, und ſind ſie nicht anders anzuſehen, als irrai-
ſonnable Handwercks-Leute, von denen man auch in Spruͤchwort zu ſa-
gen pfleget: figulus figulum odit. Dahero kommts, daß man gantze Buͤ-
cher de infelicitate litteratorum geſchrieben, als der Alcyonius, homo Italus,*
Theophilus Spicelius hat auch Infelicem literatum ediret, worinnen er ge-
wieſen, daß die infelicitas aus einem perverſo Scopo kommt. Denn die
Gelehrten fallen theils auf allotria, theils auf arcana; ſie ſuchen alles dif-
ficil zu machen; Daher hat man ſich heut zu Tage angelegen ſeyn laſſen,
die alten Huͤlſen wegzuwerffen, und die wahre erudition hervor zu brin-
gen. Man wird ſehen, daß in einem Seculo her alle unſere Weisheit
auf einen andern Fuß geſetzet worden. Man hat die impedimenta re-
moviret, ut veritas pateat: Denn ſchafft man die impedimenta weg, ſo
kan man veritatem bald heraus bringen. Sonſt waren die Gelehrten
nur verborum aucupes, quid mirum! daß ſie die Wahrheit verfehlet ha-
ben? Wenn man nur bedencket, was vor eine elende moral man ſonſt
Kge-
[74]Cap. III. De Incommodis,
gehabt, aber nunmehro kan durch unſere moral der Catechiſmus perfecter
werden, und iſt wunderlich, daß viele Theologi Philoſophiam moralem
negligiren: Denn GOtt hat ja nichts ohne raiſon gethan. Der ge-
dachte Spizelius hat auch Felicem litteratum geſchrieben, er iſt einer von
denen Gelehrteſten in Germania geweſen, ſeine arcana Bibliothecarum
detecta zeigen auch an, daß er eine treffliche connoiſance in hiſtoria lit-
teraria gehabt, und denn wird noch eine conſideration uͤber die Scholas
vorkommen, woſelbſt noch mehr hievon wird gedacht werden: Denn auf
denen Academien iſt auch viel Barbariſches und Pfaffiſches geweſen.
Es iſt ein abuſus da, und mehr ſtultitia als ſapientia; daher iſt auch
nicht zu verwundern, daß man die Gelehrten offt verachtet, denn die Ge-
lehrten ſehen offt riduculer aus, als andere gemeine Leute. Das gemei-
ne Volck regardiret man nicht ſo, wenn das gleich was naͤrriſches an
ſich hat, aber auf die Gelehrten ſiehet jedermann: weil dieſe wollen was
ſonderliches ſeyn. Oſorius de Inſtit. Principis giebt ein artiges Gleich-
niß hievon, und ſaget: Wenn man einen geringen Kerl ein Fuͤrſtliches
Kleid anzoͤge, ſo lachte jedermann uͤber ihn, denn ſeine geſtus und mores
ſchicken ſich gar nicht dazu. So ſey es auch mit einem Gelehrten, der Pſeu-
do-Sapiens, der habe wohl ein huͤbſches Kleid an, aber er habe allerhand
naͤrriſches Zeug an ſich, dadurch er ſich ridicule machet. Man haͤlt ihn
pro Sapiente, aber er iſt es nicht, er iſt nur ein Doctor und Magiſter dem
Nahmen nach.
Handwer-
cker ꝛc.
§. 12. Unſer Autor hat ſchon gewieſen, wie es denen Hauß-Vaͤ-
tern ergehe, was ſie vor Klagen haben, welches er auch hier auf opifices
und mercatores appliciret; proponiret alſo in der That crambem bis co-
ctam. Hierbey iſt nun noch dieſes zu mercken: Opificia, mercaturæ ſind
heut zu Tage unentbehrlich, wovon die ratio ſchon oben demonſtriret wor-
den. Denn in civitate, da viele Menſchen beyſammen ſind, gehet es
ohnmoͤglich an, daß ſie koͤnnen alle von Ackerbau leben; daher arbeiten
ſie ſonſt, theils mit den Kopffe, theils mit der Hand. Wenn ſie wollen
in otio leben, da werden ſie arm, ein armer opifex, Kauffmann taugt
nicht. Daher wenn man will die Commercia etabliret wiſſen, muß man
eben ſolchen Leuten unter die Arme greiffen. Man kan die materie wohl
aus den Hobbeſio illuſtriren, welcher auch die imperantes nicht geſcheuet,
aber doch gieng er mehrentheils dahin ut Carolo II. majorem autorita-
tem conciliaret. Die Leute verhindern ſich unter einander ſelbſt, und
ſuchet einer den andern zu ruiniren. Ex conſequenti, da ſie in Societa-
te leben, worinnen alles ſoll ad unionem gehen; ſie aber ſind uneins, \&
illam unionem rumpunt, ſo kan es nicht anders ſeyn, als daß eine dis-
har-
[75]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
harmonia entſtehet; ſie leben wohl, und conſerviren ſich, aber miſerrime.
Lock hat hier eine artige conſideration, und ſaget, es waͤren ſonderlich
drey Stuͤcke, welche den Menſchen hinderlich: Eſſen, Trincken, und
Venus. Was die opifices betrifft, die muͤſſen heyrathen, und koͤnnen
nicht ſo bleiben. So bald ſie nun geheyrathet, da kommen Kinder, die
wollen Brodt haben, da incommodirt ſie das Eſſen; Kleidung wollen
ſie auch haben: Man machet ihnen auch das Heyrathen ſauer. Was
machet man denen Leuten nicht in denen Zuͤnfften vor impedimenta, da muß
einer ſo viel Jahre gelernet haben, ehe er kan vor einen Geſellen paſſi-
ren, und wenn er Geſelle iſt, ſo machet man ihn allerhand difficultaͤten,
wenn er will Meiſter werden. Damit nun manche zu ſolchen Dingen
gelangen, brauchen ſie artes, boͤſe Kuͤnſte. Im ewigen Leben aber wird
dieſes alles ceſſiren, da eſſen und trincken wir nicht, wir freyen nicht, und
kleiden uns auch nicht. Dahero wird das ewige Leben gluͤcklich ſeyn,
dahergegen unſer Leben ungluͤcklich. Der Menſchen ſind viel, und muß
ein jeder ſich ſuchen zu ernehren. Dahero wuͤnſcht auch mancher, daß
die Peſt kommen moͤchte, damit er commoder leben koͤnne. Die Leute
ſind auch ſo beſchaffen, daß ſie immer ſorgen vor den andern Morgen,
und wenn man ihnen gleich eingepraͤget, ſie ſollten GOtt laſſen ſor-
gen, ſo thun ſie es doch nicht. Ein jeder ſiehet zu, wie er ſeinen Naͤch-
ſten vervortheilen kan. Es iſt wie bey einen Naufragio, da ein jeder ſu-
chet ein Bret zu erhaſchen, ſich zu ſalviren, und wohl gar einen andern,
der auf einen Bret ſitzet, herunter ſtoͤſſet. Die multitudo hominum ver-
urſacht freylich, daß die Leute violentas cupiditates bekommen, und den-
cken immer, ſie muͤſſen zum Thore hinaus lauffen, wenn ſie nicht dieſe
oder jene Mittel ergreiffen.
§. 13. 14. 15. 16. Bisher haben wir nun conſideriret die Men-Von denen in-
commodis, ſo
gantze Socie-
taͤten betreffen.
ſchen, wie ſie in ſocietate leben, und zwar ſigillatim, ſpeciatim. Da ſie
nun in keinen gluͤckſeligen Zuſtand leben, ſo kommen diejenigen, welche
die Sache nicht verſtehen, und ſchmaͤlen auf die ſocietates. Es iſt nichts
anders, als wenn gemeine Leute kranck ſind, ſo attribuiren ſie bald die-
ſen bald jenen ihre Kranckheit, und es iſt alles nicht wahr. Da man
ſiehet ridiculos litteratos, ſo ſchmaͤlen auch viele Leute auf die litteras und
erudition, und meynen, die erudition ſey ſchaͤdlich. Aber es iſt nicht
wahr, ſie fallen auf anarchiam, tumultuantur, ſeditiones concitant, und
dencken, da wollen ſie gluͤcklich ſeyn. Sie ſind, wie die Leute, welche kranck
ſind, und ſich ſelber curiren wollen, machen es aber ſchlimmer. Hier
hat Hobbeſius gantz recht, welcher von denen Engelaͤndern ſaget, ſie
haͤtten thoͤricht gethan, daß ſie wollten eine democratie einfuͤhren: Denn
K 2da-
[76]Cap. III. De Incommodis,
dadurch waͤren ſie nahe ad anarchiam gekommen, daß ein jeder haͤtte
wollen regieren. Da entſtehen nur confuſiones. Die meiſten ſind
tumm, welche immer wollen bey dem alten bleiben, daß doch nicht an-
gehet, indem ſich alles changiret. Die Nachbarn, welche klein gewe-
fen, werden groß. Ich habe auch keine democratie geſehen, worinnen
nicht tumultus geweſen. Wer das nicht glauben will, leſe nur den
Thucididem, welcher die Griechiſchen Republiquen beſchreibet. Die
Leute, wollen immer ad ſtatum integritatis, welches doch nicht angehet.
Man muß nun mit dieſem ſtatu zufrieden ſeyn, und ſehen, daß man
ſich darinnen conſervirt. Wer da klug iſt, der weiß es endlich ſo zu
machen, daß eine harmonie iſt. Und wenn zu weilen eine Saͤyte
ſpringet, daß eine disharmonia heraus kommt, ſo kan man doch ſol-
che bald wieder haben. Illa eſt perfectiſſima respublica, ubi mini-
mæ ſunt imperfectiones. Alle imperfectiones koͤnnen wir nicht evitiren.
Wir ſchmaͤlen auf die Societatem conjugalem, welche wir doch nicht
miſſen koͤnnen, und wenn wir ſie miſſen wollten, ſo waͤre in funffzig Jah-
ren kein Menſch mehr in der Welt. Daher iſt es eine Teufels-Lehre,
welche den Eheſtand verbiethet. Bayle hat in ſeinem Dictionaire Hiſt.
Crit. unter dem Wort Bion, eine paſſage von einem Frantzoſen, welcher
geſagt: Es waͤre eine groſſe ſottiſe, daß die Menſchen ſtuͤrben, und hey-
ratheten. Es iſt ſolches eine negligente Rede; Denn haͤtte ſein Vater
ſelbſt nicht geheyrathet, ſo waͤre der Narr ſelbſt nicht geweſen. Die
Menſchen wachſen ja nicht wie die Champignons aus der Erden; daher
muͤſſen wir heyrathen. Die libido vexiret uns, daß wir heyrathen:
Denn alle Menſchen, die heyrathen, ſind libidinös, welches auch Cicero
ſchon geſagt: wuͤrden aber die Menſchen alle leben bleiben, welche ge-
bohren werden, und es occupirte nur einer ein ſpatium auf der Erde, ſo
lang als er waͤre, ſo wuͤrde anjetzo die gantze Welt erfuͤllet ſeyn. Die
focietates ſind alſo nicht ſo wohl an dem Ungluͤck Urſach, als die Men-
ſchen ſelbſt, ſo darinnen leben. Der lapſus iſt Urſach. Durch Adams
Fall iſt alles verderbet, daher ſaget Hobbes: Ich bin ein Philoſoph und
ein Chriſt. Aus der Bibel weiß ich, woher der Fall entſtanden, und
gleichwie ſich per varias concluſiones gute raiſonnements exeriren, ſo koͤn-
nen auch per varias concluſiones boͤſe heraus kommen. Deßwegen ſa-
gen einige: Mundus ſit pejor. Aber Hobbes ſagt ferner: Wenn ich die
Bibel wegthue, ſo kommt es mir vor, als wenn die Menſchen aus der
Erde heraus gewachſen waͤren, wie man von denen Cadmeis fratribus
ſaget, und wie man ſiehet bey denen Menſchen ſtultitiam, ſo ſcheinet es,
als wenn ſie nicht von GOtt kommen. Einige haben deßwegen den
Hob
[77]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
Hobbes als einen Epicurer ausgeben wollen, aber ohne raiſon: Denn
er hat es nicht ſtatuirt, ſondern nur ſo fingiret. Gleichwie nun die incom-
moda ex ſtultitia kommen, ſo kommen auch die media, welche die Men-
ſchen ſuchen, ex ſtultitia. Sie ſind wie die Medici, welche aus einer
Kranckheit eine andere fabriciren, ſie wollen die Leute curiren an der
Waſſerſucht, und bringen ihm hernach die Schwindſucht am Hals.
Mutatur quidem morbus, ſed non tollitur radix, non tollitur fundamentum
mali. Unſere affecten ſind freylich auch ſchuld dran, daß wir ſo verder-
bet werden; die muͤſſen wir ſupprimiren; Das thun wir aber nicht, hinc
infelicitas non ceſſat.
§. 17. 18. Alle diejenigen, qui incommoda \& mala ſentiunt, dieWorinnen die
Urſachen ſol-
cher incom-
modorum zu
ſuchen?
ſehen die calamitates, und ſuchen ſich zu conſerviren. Die conſervatio
ſui iſt naturalis. Es mag der Menſch ſeyn wie er will, ſo ſuchet er ſich
zu conſerviren. Iſt er auf einem rechten Wege, ſo conſerviret er ſich
mediis licitis; Iſt er aber auf einem unrechten Wege, ſo thut er es me-
diis illicitis. Der ungerechte Haushalter ſahe freylich, daß er am letz-
ten Geſetz ſang, daher ſuchte er media, ſich zu conſerviren, aber lauter
illicita media, und wenn man das Evangelium vom ungerechten Haus-
halter wollte recht expliciren, ſo koͤnte man artige Gedancken hiebey ha-
ben, daß jederman daraus erbauet wuͤrde. Hier ſiehet man aber den
Unterſcheid der veræ conſervationis ſui, welche das Fundament angreifft.
Denn die greiffen das Fundament nicht an, welche andere media ſuchen,
und per hanc confuſionem kommen ſie in inſipientiam: Denn die illicitæ
artes dauren nicht. Sie haben wohl eine politicam, eine raiſon d’Etat,
aber dieſe ratio ſtatus iſt ſpuria. Die ſtulti haben freylich einen finem
ultimum, ein ſyſtema. Daher kan man auch ein ſolches Buch mit Nu-
tzen leſen, worinnen Betruͤgereyen ſtehen, damit man ſiehet, wie die
Menſchen ſich ſuchen zu conſerviren, aber auf die letzte iſt es aus, wie
man bey dem ungerechten Haushalter ſiehet; auf die letzte ſahe jederman,
daß er ein fourbe war. Der ſtultus hat eben freylich die generalia prin-
cipia, welche der ſapiens hat; er removiret eben ſo wohl die impedimen-
ta, ſapiens vero ſe conſervat vere: hergegen ſtultus thut es illicitis mediis,
und gehet allemahl contra. Wenn einer Unterthanen hat, welche er
am allervernuͤnfftigſten regieren will, ſo kan er ſolches nicht anders thun,
als durch diſciplin, er muß ihnen alle Untugenden abgewoͤhnen. Es iſt eben
wie bey einem Pferd, bin ich da vigilant, attent, und zwinge es, ſo kan
ich daſſelbige ſo zurichten, daß es hernach alles dasjenige, was ich ihm
gelernet, freywillig thut. Man muß aber bald dieſes bald jenes inven-
tum gebrauchen, wenn man ihm was will beybringen, e. g. wenn es
K 3Leder
[78]Cap. III. De Incommodis,
Leder friſt, ſo ſchmiere ich das Leder mit bittern Tropfen, damit es da-
von ablaͤſſet. Remotio impedimentorum verurſachet alſo, ut faciat id,
quod volo; So bald ich aber nicht mehr ſorgfaͤltig bin, ſo gehet es wie-
der ad inſtinctum naturalem. So iſt es mit denen Menſchen, ſie gehen
auch immer ad ſitum naturalem. Daher beſtehet eben die Weisheit
darinnen, daß man etwas durables ſuchet, da hingegen nur die ſtulti
auf das præſens, nicht aber auf das futurum ſehen; ſie ſuchen nur impe-
dimenta zu removiren, welche ſie jetzo drucken, an die andern aber, wel-
che kommen, haben ſie nicht gedacht. Die kommen ihnen hernach ſo
haͤuffig uͤber den Halß, daß ſie ſich nicht retten koͤnnen, e. g. Ein Kauff-
mann, welcher banquerout werden will, braucht allerhand media, ſich
zu conſerviren, endlich aber muß er doch in Schuld-Thurm, und ru-
fen: Arme Leute ſind gefangen, Leute, legt ein, um GOttes Willen!
Das macht, weil er keine rechten Mittel gebraucht hat. Sie mutiren
nur die affecten. Es iſt wie bey einem Maͤdgen, welche ambitiös gewe-
ſen, und voluptueux wird, iſt ſie voluptueux, ſo hurt ſie, iſt ſie ambi-
tiös, ſo iſt ſie doch vitioſa, und auf die letzt gehet ſie durch dieſes oder
jenes Laſter zu Grunde. Daher wird in Cap. V. gewieſen werden, daß
kein beſſer Mittel iſt, gluͤcklich in der Welt zu werden, als veritas, vir-
tus, juſtitia, æqualitas, concordia, das andere ſind alles pſeudo-media.
Deßwegen iſt nicht zu leugnen, daß man einen groſſen Vortheil hat,
wenn man diejenigen lieſet, welche respublicas perfectas beſchreiben, nicht,
als wenn dergleichen in der Welt waͤre, ſondern man kan draus ſehen,
wie es die Leute muͤſſen machen, wenn ſie ſollen perfecter werden. Wir ſind
zufrieden, wenn wir nahe ad perfectionem kommen, und minima vitia
haben. Das iſt der beſte Vater, der beſte Sohn, welcher minima vi-
tia hat.
ſich uͤber alle
Staͤnde erſtre-
cken?
§. 19. Man kan gar geſchwind ad ſpecialia gehen, und zeigen,
was dieſer oder jener vor eine Pſeudo-Politic hat: Denn es iſt kein
Menſch faſt in der Welt, welcher nicht eine Pſeudo-Politic hat. Die
Kauff-Leute haben ihre Politic, ihre beſondere maximen, aber mehren-
theils ſind ſie falſch. Wenn man die Politicam Mazarinianam anſiehet,
ſo findet man auch darinnen, daß ein primum principium geſetzet wor-
den, dahin gehen alle concluſiones, und ſind da infinitæ concluſiones,
aber auf die letzt kommt finis. Aller Menſchen ihre Pſeudo-Politic kan
man hier nicht beſchreiben, ſonſt muͤſte man auch auf die Buchbinder
gehen, und zeigen, wie ſie ihren Kleiſter machen, daß die Wuͤrmer in
die Buͤcher kommen, item, wie ſie die Buͤcher beſtechen, daß ſie nicht
lange halten. Sufficit, daß man hier generalia principia hat.
§. 20.
[79]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
§. 20. Es iſt auch eine confuſio inter imperantes \& parentes, beydeWas der
Machiavellis-
mus ſey?
wollen ſich helffen, die imperantes fallen auf Monarchiam, und parentes
auf Anarchiam. Civitas iſt ein compoſitum quidpiam. Bey dieſem
compoſito ſind varii, infiniti homines und variæ profeſſiones. Die im-
perantes ſehen, daß die ſubditi nicht gerne pariren, und leicht dahin koͤn-
nen gebracht werden, ut imperium excutiant, daher ſuchen ſie ſich zu
conſerviren, und fallen auf boͤſe Kuͤnſte, ſie brauchen Argliſtigkeit, ſu-
chen nur ihren, nicht des Volckes Nutzen, ſie machen den peuple aller-
hand glaucomata vor, ne videant, quid agant, das nennet man Mac-
chiavellismum. Sie haben ſehr viele Coups ausgedacht: Denn ſie
haben Erfahrung und Miniſtres, welche ihnen an die Hand gehen, und ſie
in ihrem boͤſen propos ſuchen zu ſchuͤtzen. Es ſind immer Subalternen da,
welche allerhand neue Erfindungen ſuppeditiren. Sie machen dem peuple
weiß, daß ſie ſalutem populi ſuchten, und wenn ſie es ſo dumm machen,
daß es ungluͤcklich gehet, ſo ziehen ſie alles Ungluͤck dem Volck auf den Halß.
Da ſind hernach die Suͤnden des Volcks ſchuld dran. Es werden wohl
Buß- und Beth-Tage angeſtellet, da die Prieſter muͤſſen auftreten, und
ſagen, daß das Volck ſolches verurſache. Der Macchiavellismus braucht
alſo auch die Religion, ſeine Schande zu verdecken: damit man die four-
berien, die malas artes nicht ſehe. Ich habe einmahls willens gehabt,
uͤber des Macchiavelli Principem, ein Collegium zu leſen, that es aber
nicht, weil viele Leute hernach dencken, man wolle es alles ſo defendi-
ren. Conring aber hat druͤber geleſen, ſeine remarquen ſind auch ge-
druckt, welche admirable ſind. Seine præfation von dem Macchiavel-
lismo iſt ſehr ſchoͤn, welche auch die Frantzoſen, als Bayle, Amelot, und
andere loben. Dieſer Macchiavellus hat gelebet in ſeculo XVI. zu Lutheri
Zeiten, er war ein Florentiner, der ſehr geſcheut war, ein Satyricus da-
bey, dergeſtalt daß er auch eine Comoͤdie gemacht, welche vor dem Pabſt
Leone X. gehalten worden, dadurch er groſſe Ehre bey dem Pabſt einge-
legt. Er hat ſolche gemacht nach Art des Ariſtophanis, und eben wie
der Ariſtophanes in ſeinen Comoͤdien die Leute zu ſeiner Zeit durchgezo-
gen. Durch dieſe Comoͤdie hat ihn der Pabſt kennen lernen, welcher
auch ein Florentiner war, aus dem Hauſe Medices. Macchiavellus hat
auch eine Hiſt. Florentinam geſchrieben. Wer will was Kluges leſen,
der leſe ſeine Diſcourſe uͤber den Livium, darinnen hat er uͤber die Roͤ-
miſche Republic raiſonniret, und der Roͤmer ihre Schwaͤche und force
gewieſen. Sie ſind eigentlich Italiaͤniſch geſchrieben, man hat ſie aber
auch ins Lateiniſche und Frantzoͤſiſche uͤberſetzet. Wenn man will eine
gute edition von Macchiavello haben, ſo kan man die Florentiner edition
kauf-
[80]Cap. III. De Incommodis,
kauffen, da ſein Bildniß in Holtzſchnitt vorſtehet. Scribebat elegantiſſi-
me zu ſeiner Zeit: Denn Florentz iſt bis auf dieſe Stunde noch beruͤhmt,
daß man das beſte Italiaͤniſch da ſpricht: Latein konte Macchiavellus
nicht viel, aber er konte doch alles verſtehen. Vor ſich ſchrieb er nur
nicht viel Lateiniſch. Conring ſagt: Ehe ich habe den Macchiavellum
geleſen, ſo habe ich gemeynet, es muͤſſe ein Teuffels-Buch ſeyn; wie ich
ihn aber angeſehen, ſo habe ich freylich viel boͤſes darinnen gefunden, aber
es kommt ſolches nicht vom Macchiavello, ſondern er hat die principes be-
ſchrieben, wie ſie ſeyn, und ihre artes entdecket, wie er ſie gefunden.
Die artes ſelbſt ſtehen aber alle im Ariſtotele. Cardanus, deſſen opera
man in 20. Folianten hat, hat auch arcana Dominationis geſchrieben, wie
der Crouſaz von Auferziehung der Kinder. Er hat auch veram viam mit
einflieſſen laſſen, in denen objectionibus. Innoc. Gentilletus, ein Italiaͤ-
ner, welcher drey Buͤcher wider den Macchiavellum geſchrieben, geſtehet
endlich ſelbſt, er wollte wetten, es ſollte kein flagitium dominationis in
dem Macchiavello vorkommen, welches er nicht wollte ſchon in dem Ju-
riſten Bartolo finden. Dieſes hat ſonderlich den Macchiavellum ver-
daͤchtig gemacht, daß er es ſo ſetzet, als wenn es der princeps thun ſollte;
ob er es aber bey der vera opinione allezeit getroffen, hat Conring fleißig
unterſuchet. Quær. Warum hat Macchiavellus nicht das voraus geſetzet,
wie es ſeyn ſollte, und hernach gewieſen, wie man von der Wahrheit
abgienge. Reſp. Damahls waren viele gottloſe Fuͤrſten, daher hat er
es mit Fleiß ſo geſchrieben, damit es die Fuͤrſten deſto eher leſen moͤchten,
in denen objectionibus giebt er ihnen viam veram zu verſtehen. Metho-
dus eſt arbitria. Er hat alſo nur die Ordnung geaͤndert. Amelot in
ſeiner gelehrten Præfation vor den Macchiavellum hat auch gemeynet: An-
fangs habe er den Macchiavellum vor ſehr ſchlimm gehalten, da er ihn
aber recht conſideriret, ſey er auf andere Gedancken kommen. Der
Jeſuit Poſſevinus, welcher den Macchiavellum nicht geleſen, und nur von
ihm gehoͤret, hat doch verurſachet, daß das Buch die Inquiſition laſſen
von dem Hencker verbrennen. Gentilletus hat denen meiſten Leuten eine
wunderliche Meynung von ihm in Kopff geſetzet, welchen auch der Poſſe-
vinus geleſen, und weil er geſehen, daß derſelbe 3. Buͤcher geſchrieben
wider den Macchiavellum, ſo hat er gemeynet, Macchiavellus habe auch
3. Buͤcher geſchrieben, da es doch nur unus libellus. Dieſer Poſſevinus
war ein Staats-Mann, deßwegen ſeine Buͤcher zu leſen ſind. Er lebte
zu Zeiten des Fuͤrſten Stephani Bathori, welcher Koͤnig in Pohlen ward,
und weil die Pohlen die Moſcowiter wacker gepeitſchet, ſo ſchickte der
Czaar nach Rom, und wollte Catholiſch werden, deßwegen iſt dieſer
Jeſuit
[81]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
Jeſuit Poſſevinus nach Moſcau geſchicket worden. Man hat ſein Leben
Frantzoͤſiſch in Paris edirt, da der Autor zugleich alle ſeine Buͤcher ex-
cerpiret, daß man alſo ſolche entbehren kan, wenn man dieſes Leben
hat. Macchiavellus hat vielmehr in ſeinem Principe nichts irraiſonnables.
Hertius hat auch in ſeiner Politic einen locum aus des Macchiavelli prin-
cipe angefuͤhret, worinnen er gar ſchoͤn von der providentia divina rai-
ſonniret. Denn er haͤlt nicht viel von der Catholiſchen ſuperſtition, deß-
wegen machten ſie ihm zum Atheiſten; gleichwie man auch diejenigen,
welche mit der Lutherana oder Reformata religione nicht zufrieden ſind,
ſucht zu Atheiſten zu machen. Conring hat ihn aber recht defendiret,
und gezeiget, daß niemand von denen mutationibus rerum publicarum,
davon unten in einem Capitel vorkommen wird, beſſer raiſonniret, als
eben Macchiavellus; daher werde ich ihn unten offt allegiren, aber alle-
zeit cum animadverſionibus Conringii. Denn obgleich ein jeder den
Macchiavellum ſelbſt leſen kan, ſo koͤnnen doch junge Leute manchmahl
einen Anſtoß finden; daher thut man wohl, daß man ihnen eine Anlei-
tung zeiget, dadurch ſie koͤnnen zu rechte kommen, damit ſie nicht dasje-
nige vor Wahrheiten des Macchiavelli ausgeben, quæ tantum ſimulat.
Der Amelot, welcher wegen ſeiner erudition ſehr zu recommendiren, der
auch des Tiberii Vitam ediret, imgleichen den Tacitum ins Frantzoͤſiſche
uͤberſetzet, ſagt gar wohl: Diejenige, ſo auf den Macchiavellum ſchmaͤ-
len, verſtehen die artes regnandi nicht. Sie haben ihn nicht geleſen, iſt
das nicht elend Weſen; ſo pfaffiſch iſt der Macchiavellus nicht geweſen,
daß er gemeynt, man koͤnne mit dem Pater noſter regieren, das kan auch
einer ſehen, wenn er zur Regierung kommt. Und wenn auch ein Theo-
logus noch ſo viel abſtractiones hat, ſo wird er doch finden, daß wenn er
zur Regierung kommt, in vielen muͤſſe von denen abſtractionibus abge-
gangen werden. Amelot erzehlet auch in ſeiner Præfation von einem Kay-
ſerlichen Beicht-Vater, welcher, ſo lange er Beicht-Vater geweſen, ſehr
auf die Politicos geſchmaͤlet, wie er aber Biſchoff zu Wien worden, der
zugleich geheimder Rath mit iſt, ſo hat er ſelbſt geſtanden, er ſehe nun-
mehro wohl, daß man mit dem Pater noſter nicht fortkommen koͤnnte.
Der Macchiavellus hat ein judicium, das ſiehet man auch aus ſeinem
Tract. de arte militari, welcher vielen vornehmen Herren wohlgefallen,
daß ſie gemeynet, Macchiavellus waͤre capable einen General zu agiren.
Ja es hat ihn der beruͤhmte General, der Hertzog von Urbino, ein Regi-
ment zu commandiren angebothen, aber er wollte nicht. Denn es kan
einer vom Kriege viel ſchreiben, aber wenn er ſoll commandiren, ſo ge-
hoͤret mehr dazu. Es muß einer experience haben, und des Landes kun-
Ldig
[82]Cap. III. De Incommodis,
dig ſeyn, ſonſt kan er nicht fortkommen. Man weiß keinen, der gleich
ſo fort kommen als den Wallenſtein, den man gleich zum Oberſten ge-
nommen, aber er hatte einen trefflichen Verſtand. Was man aber ſonſt
wider den Macchiavellum herum traͤget, das ſind lauter Weiber-Maͤhr-
gen. Er war auch ein trefflicher Poet. Indeſſen aber kan man doch
das Wort Macchiavellismus toleriren, und die flagitia dominationis dar-
unter begreiffen, doch nicht, als wenn Macchiavellus dieſelben recom-
mendiret, ſondern er hat ſolche vielmehr improbirt. Bayle in ſeinen Di-
ction. Hiſt. Crit. hat auch artig von Macchiavello raiſonnirt, und gewie-
ſen, was er vor einen ſcopum bey einem jeden Buche gehabt. Es iſt
alſo ſpuria ratio ſtatus, welche unter dem Macchiavellismo verſtanden
wird.
chomachis-
mus ſey?
§. 21. Gleichwie der Imperans auf flagitia dominationis gefallen,
davon unten ſpecialiter wird gehandelt werden; alſo hat auch der peuple
ſeine incommoda, ſo ihn drucken geſehen. Daher hat er gerne wollen
in indolentia ſeyn, weil die indolentia wenigſtens initium felicitatis:
denn die dolores maceriren den Menſchen. Sie haben aber nicht ge-
wuſt, die dolores recht wegzuſchaffen, daher ſind ſie auf allerhand ex-
trema gefallen; ſie ſind Monarchomachi worden. Μάχομα[ς] heiſt pugno,
pugnant contra Monarchiam. Alles imperium wollen ſie abſchaffen,
und die Imperantes todt machen. Da kommt denn ein Æolus, ein Tri-
bunus plebis dazu, und ſagt: Laßt uns den Tarquinium ſuperbum weg-
jagen, daß wir koͤnnen von doloribus frey ſeyn. In der That aber helf-
fen ſie ſich nicht, denn die Menſchen utpote in civitate viventes, koͤnnen
nicht ſine imperio ſeyn. Weil ſie nun kein imperium wollen haben, da
fallen ſie darauf, ad minimum tollantur Monarchiæ. Ob ich nun gleich
davor halte, daß die Monarchie ſehr gefaͤhrlich, wenn der Imperans ab-
weichet von ſeinem principio, \& artes regnandi veras non ſectatur. Da-
her hat auch GOtt zu denen Juden geſaget: Er wolle ihnen keinen Koͤ-
nig geben, ſondern er hat ſie durch Richter regieren laſſen, und wie ſie
einen Koͤnig haben wollten, ſtellete ihnen Samuel alle incommoda vor,
deßwegen haben aber doch auch die uͤbrigen ſpecies, als Ariſtocratia und
Democratia ihre incommoda. Es iſt uͤberall ſo beſchaffen, ſi deflectunt
a ſcopo Ariſti, ſo tauget es nichts, und ſaget Ariſtoteles: alsdenn wuͤrde
eine Oligarchia draus. Pauci exerciren da Tyrannidem. Dieſe haben
ebenfalls nicht die intention, daß ſie die civitatem wollen regieren, wie
ein Vater ſeine Familie. Endlich wollen ſie gar kein imperium mehr
leiden, ſie dencken, ſie waͤren ſelbſt tuͤchtig zu regieren, wollen keine
incommoda pro republica ausſtehen, und ſagen; Pereat Monarcha, per-
eant
[83]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
eant Ariſti, pereant omnes, qui imperium affectant. Da entſtehet eine
Anarchie, und ſagt Hobbes, hier ſey ein bellum omnium adverſus omnes;
ſie machen factiones; dividitur civitas, und iſt mors moralis da. Denn
die civitas haͤnget pacto zuſammen, wo kein pactum da iſt, iſt Anarchia,
und alſo iſt mors moralis da. Das corpus wird diſſolviret, gleichwie
in morte phyſica corpus phyſicum diſſolviret wird; alſo wird das corpus
morale morte morali diſſolviret. Ein ſolcher Zuſtand iſt in Africa, wo die
Mohren verkaufft werden, da iſt ſo zu ſagen eine Familie gegen die an-
dere, und wer den andern gefangen bekommt, verkaufft ihn, daher jaͤhr-
lich wohl 4000. Mohren verkaufft werden, die man nach America
bringet. Bellum omnium adverſus omnes, iſt nicht das principium Juris
Nat. Hobbeſii, wie ſich einige eingebildet, ſondern er ſagt nur: Es gehe
ſo in der Welt. Es koͤnte nun aber einer ſagen, man habe ſich doch
nicht abſolut einem imperio untergeben? Reſp. Es iſt nicht allein in Mo-
narchia, ſondern auch in Ariſtocratia, daß wenn einer einmahl da iſt,
ſo darff er nicht reden. In der Republic Genua, wo eine Ariſtocratie,
haben ſie vor einiger Zeit einen Kerl arretiret, welcher etwas wider ſie
geſchrieben, dem werden ſie einen kurtzen proceß machen. Bœckler hat
eine notam characteriſticam Monarchomachismi angegeben und geſagt:
Die Monarchomachi geben vor, wer wohl glauben wollte, daß ſie alles
weggegeben, ſie haͤtten vielmehr imperium cumulative. Darauf ant-
wortet Bœckler: Es iſt nicht wahr, ſondern ſo muͤſſe man es concipi-
ren: Wer ſagt: du ſollt imperans ſeyn, der ſagt: du ſolus negas, ſive
ſit unus, ſive plures, ſive populus in tribus \& curias diviſus. Sie haben
omne imperium privative transferiret. Es ſind freylich pſeudo-media,
wenn der populus auf ſolche Dinge faͤllt, unterdeſſen muß auch der prin-
ceps nicht verurſachen, daß ſie dergleichen ergreiffen. Ein princeps muß
geſcheut regieren, ſonſt geht es ihm wie einem ungeſchickten Reuter, mit
dem das Pferd durchgehet, und wirfft ihn herunter. Die von ferne ſte-
hen, lachen uͤber einen ſolchen Regenten. Ich lache allezeit, wenn ich
leſe, daß ein populus rebelliret, und den imperantem herunter geſchmiſſen
hat, einem ſolchen Regenten mag man wohl auf ſein Grab ſchreiben,
er habe nicht koͤnnen regieren. Der peuple iſt ein wildes Pferd, der
will ſeveritatem und auch gute Worte haben. Wenn man anſiehet die
Republic Holland, welche unter Spanien geſtanden, ſo meynten die
Spanier, daß ſie nicht koͤnten herunter geworffen werden. Endlich ka-
men die Geuſen, ſehr geringe Leute, welche denen Spaniern ein clyſtier
gaben, daß ſie viele Provintzen von ſich geſpien. Wenn man an den
vorigen Koͤnig in Schweden gedencket, ſo findet man auch, daß er ſein
L 2Volck
[84]Cap. III. De Incommodis,
Volck irritiret; Deßwegen hat man es auch nach ſeinem Tode geaͤndert.
Der Koͤnig hat nun nicht mehr ſo viel zu ſagen; Die Bauren ſind wi-
der die nobleſſe; und dieſe wider jene, das verurſachet factiones, daher
ſiehet es elend aus. Da in Franckreich die maſſacre de St. Barthelmy
vorgegangen, fielen viele auf Monarchomachiſche principia. Franciſcus
Hottomannus ſchrieb deßwegen ſein Franco Galliam. Stephanus Junius
Brutus ſchrieb Vindicias contra Tyrannos. Dieſes iſt das Haupt-Buch,
welches man in Franckreich ſehr gefuͤrchtet, weil man auch viele Vor-
nehme in Verdacht gehabt, daß ſie dieſen principiis folgeten. Man
hat in Franckreich ein groſſes præmium darauf geſetzet, wenn jemand
den Autorem von dieſem Buch entdecken koͤnte. Henricus III. hat gar
nicht von dieſem Buche hoͤren koͤnnen. Einige haben den Bezam, einen
Hugenotten, vor den Autorem gehalten, andere aber den Mornæum;
allein beyde ſind es nicht, ſondern der wahre Autor iſt Hubertus Lan-
guettus, der beym Churfuͤrſten in Sachſen, Auguſto, Conſeiller geweſen,
und als Geſandter in Paris geweſen, eben da die maſſacre vorgegangen.
Es iſt in dem Buche in guter connexion raiſonniret, und hat er aus der
Schrifft gewieſen, daß Monarchie ſein Lebtage GOtt nicht gefallen.
Zugleich hat er auch Tyrannorum artes \& ſcelera entdecket. Brutum hat
er ſich genennet, quia notum eſt, Brutum Tarquinium Superbum e ci-
vitate Romana ejeciſſe. Man laͤſt dieſes Buch mehrentheils bey den Mac-
chiavellum binden, ut contraria juxta ſe poſita magis eluceſcant. Die mei-
ſten Reformirten Prediger in Franckreich ſind Monarchomachi geweſen;
daher als unter dem Louis XIV. das Edict zu Nantes removiret wurde,
und alle Hugonotten aus Franckreich gejaget wurden, ſo hat man in En-
geland keinen angenommen, er hat erſt muͤſſen die monarchomachiſchen
principia abſchwoͤren. Hector Gottfried Maſius hat dieſes auch als ein
argument in ſeinem intereſſe religionum gebrauchet wider die Hugenot-
ten; Weil der Koͤnig in Daͤnnemarck willens hatte, ſolche aufzunch-
men, welches aber verurſachet, daß es nicht geſchehen. Maſius hat zwar
einiger maſſen recht, aber man kan doch remedia gebrauchen, deßwegen
iſt er auch von dem Beckmann in Franckfurt refutiret worden, welcher
gewieſen, daß man zu weit gienge, wenn man alle Reformatos uͤber ei-
nen Kamm ſcheeren wollte. Die Pfaͤltziſchen Prediger ſind meiſtens
monarchomachiſch geweſen. Lambertus Danæus hat deßwegen aus Hol-
land muͤſſen gehen, quia edidit ſylvam aphorismorum politicorum, wor-
innen viele monarchomachiſche principia. Hugo Donellus, ein Hugo-
nott, welcher Profeſſor zu Bourges, aber auch weg muſte, und in Holland
Profeſſor zu Leyden wurde, muſte ebenfalls von Leyden wieder weggehen,
weil
[85]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
weil er Paræneſin ad Polonos geſchrieben, darinnen er denen Pohlen ab-
rathet, Henricum III. nicht zu ihrem Koͤnige zu nehmen, weil er ſehr ad
deſpotiſmum inclinire. Sonſt iſt das Buch vortrefflich geſchrieben,
denn es war Donellus einer der gelehrteſten Juriſten. Wie er aus Hol-
land weg muſte, ſo wurde er in Altorff Profeſſor. Die Hollaͤndiſchen
Gelehrten haben auch ſehr ad Monarchomachiſmum incliniret, und iſt
unter andern ein Buch in Holland heraus kommen, ſub Tit. Bilanx Po-
litica, davon Puffendorff ſaget: Es ſey kein gefaͤhrlicher Buch in der
Welt, als dieſes. Was in Engeland die Monarchomachi verurſachet,
davon wird hernach gedacht werden, und hat ſonderlich daſelbſt der Mil-
ton pro populo geſchrieben. Thomaſius hat in Obſervationib. Hallenſ.
von denen Scriptoribus Monarchomachicis Nachricht gegeben; aber
man koͤnnte den Catalogum ſehr vermehren: denn nach der Zeit ſind noch
viele dazu kommen, welche ſehr wichtig ſind. Unter allen Scriptoribus
Monarchomachicis iſt mir keiner vorkommen, der mir ſo gefallen, und
der auch nach dem heutigen guſto iſt, als der Sitney, welchen Cronwell
als Envoyé an den Koͤnig Carl Guſtav geſchicket, dieſer hat drey Buͤcher
in Engliſcher Sprache du Gouvernement civile geſchrieben, welche man
auch ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet. Solche Monarchiomachi haben frey-
lich recht, daß Monarchæ leicht koͤnnen extra oleas vagiren. Daher
ſollte der peuple fein davor ſorgen, daß ihre principes recht auferzogen
wuͤrden; werden ſie nicht recht auferzogen, tunc a ſcopo declinant. Wenn
ſie gleich Raͤthe haben, ſo haben doch die principes das Ungluͤck, daß die-
ſelbe ſich nach ihren inclinationibus richten; ſie ſtaͤrcken den principem
in demjenigen, was er thut, das gefaͤllt ihm wohl, wenn man ihn in ſei-
ner antiqua conſuetudine ſtaͤrcket. Daher geſchiehet es eben, daß bis-
weilen ein Cammer-Diener oder ſchlechter Schuhputzer in groſſen credit
kommt, weil er ſonſt ſeines Herrn foibleſſe abmercket, und darnach flat-
tiret. Es begegnet bisweilen einem Fuͤrſten, der qualitaͤten hat, aber
ſich bloß giebet, daß die Leute, ſo um ihn ſind, ſeine Schwachheiten er-
kennen. Wo nun aber einmahl Monarchomachica principia ſtatt fin-
den, ſo kommt es endlich gar ad Anarchiam. Denn warum ſolche Leu-
te keine Monarchen wollen leiden, iſt die Urſache, weil exceſſe da ſind.
Nun ſind bey der Ariſtocratie und Democratie ebenfalls defectus, da ſie
aber das principium haben, man ſoll die Monarchen todt ſchmeiſſen,
welche excediren, ſo folget, daß ſie es hier auch ſo machen werden, als-
denn iſt mors civitatis da, und es haͤnget nicht mehr zuſammen.
§. 22. Indeſſen kan der Monarchomachiſmus und MacchiavelliſmusDaß beyde
Macchiavel-
lismus u. Mo-
narchoma-
noch vielmehr geſtaͤrcket werden, wenn die religio darzu kommt. Eine
L 3wahre
[86]Cap. III. De Incommodis,
chismus die
Religkon zum
Deck-Mantel
nehmen.wahre Religion thut es nicht. Dergleichen velamentum religionis brau-
chen ſie quotidie. Solches hat auch der Cronwell gebraucht. Daher
ſind die Enthuſiaſten verhaſt. Wenn einer ſagt, er habe ein Geſicht ge-
ſehen, das ſchadet nicht, und kan man es wohl vertragen. Man muß
doch leiden, wenn ein Catholick kommt, und ſaget, es ſey ihm die Jung-
frau Maria, der heilige Antonius erſchienen. Aber bey denen Enthuſia-
ſten iſt mehr zu beſorgen, dieſer hat nicht allein eine Offenbahrung, ſon-
dern die Offenbahrung reſolviret ſich endlich dahin, daß er ſpricht: per-
datur civitas. Denn da ihm CHriſtus oder ein Engel erſchienen, ſo mey-
net er, ſey er in ſumma perfectione, wer aber in ſumma perfectione iſt,
braucht kein imperium, keine majeſtatem mehr. Sie raiſonniren ſo:
Deßwegen haben wir Magiſtratum politicum noͤthig, weil wir hominer
imperfecti, da muß der Magiſtratus ſie anfuͤhren ad perfectionem; wir
brauchen es aber nicht, weil wir in perfectione ſind. Wollen wir ja ei-
nen Koͤnig haben, ſo muß es einer ſeyn, der uns gelinde tractirt, nicht
befiehlet, ſondern mit einem exemplo ſpirituali vorgehet. Imo in Magi-
ſtratum politicum inſurgunt. Buddeus hat de Concordia religionis Chri-
ſtianæ ſtatusque civilis geſchrieben, worinnen er meynet, die Quacker lit-
ten zwar keinen Magiſtratum, aber die ſecta ſey nicht ſeditioſa, dieſer-
wegen iſt er auch von einigen Theologis angefochten worden. Ich bin
auch nicht ſeiner Meynung. Denn der Enthuſiasmus iſt ein furor. So
lange der Kerl extra furorem iſt, ſo thut er freylich niemand Schaden,
aber er weiß ſelbſt nicht, wenn der furor wird kommen, es iſt eine Kranck-
heit; eine ſtultitia, und zugleich eine malitia. Kommt nun der furor, ſo
ravagirt der Kerl, wie wir an dem Knipper Dolling und Johann von
Leiden geſehen. Dieſe Leute haben die Magiſtratus herunter geſchmiſſen,
ſich ſelbſt zu Koͤnigen gemacht, und groſſe extravagantien vorgenommen.
Dieſes geſchahe zu Zeiten der Reformation, und hat auch der Reforma-
tion einen groſſen Stoß gegeben. Wer will einen rechten concept hier-
von haben, der muß den Perizonium leſen in ſeiner Hiſtoria Sec. XVI. da
er recht uͤber den Baͤrenhaͤuter reflectiret, und ſaget: In Holland waͤren eben
dergleichen Leute, ſo denen Quackern favoriſirten. Nun wollte er zwar
eben nicht ſagen, daß man ſie ſollte fortjagen, aber man ſollte nur anſe-
hen, was die Leute vor Lerm gemacht haͤtten, ſie haben gar auf niemand
geſehen, ja wie Carolus I. ſollte enthauptet werden, und der Koͤnig in
Franckreich ließ Vorſtellung thun, man ſollte ihn nicht enthaupten, ſo
antwortete Cronwell, er truͤge ſelbſt des Koͤniges Sache GOtt im Gebeth
fuͤr, aber ein innerlicher Geiſt ſtritte durch die Krafft GOttes darwider,
GOtt wollte keinen Koͤnig haben, aber das Volck muͤſſe einen Protectorem
liber-
[87]quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
libertatis haben, daher ließ er dem Koͤnige den Kopff herunter reiſſen,
und wurde der fourbe Protector. Wie auch das Todes-Urtheil gefaͤllet
worden, ſo haben die Enthuſiaſten geweinet, und ſich gewundert uͤber die
gerechte Gerichte GOttes. Man kan hierbey nachleſen des Arnolds Kir-
chen- und Ketzer-Hiſtorie. Simon Schardius in Script. Rer. Germ. hat auch
Nachricht davon gegeben. Perizonius aber hat es am beſten vorſtellig
gemacht, der ſaget auch, es ſey beſſer, einen Atheiſten zu toleriren, als ei-
nen Quacker; ich glaube es auch, denn ein Atheiſt hat keinen furorem,
der raiſonnirt noch, aber ein Enthuſiaſt hat einen furorem, deswegen
muß man ſolche nicht leiden, will man ſie nicht todt machen, oder fort-
jagen, thue man ſie ins Gefaͤngniß, ins Zucht-Haus, da gehet das Ge-
bluͤth fein unter einander, wenn ſie arbeiten, und wenn eine extaſis kommt,
ſey man mit der Geiſſel hinter her, da wird ſie ſich bald verliehren. Es
iſt keiner ein Enthuſiaſt, der nicht etwas vom temperamento melancho-
lico hat, und ein ſolcher hat kein judicium; daher faͤllet er auf ſolche
Dinge. Wer die Hiſtorie geleſen hat, haͤlt nichts von Quackern; das
hat auch der Autor erkannt: nur hat er gemeynet, wenn ſie ſo bey ihren
Meyungen blieben, ſo waͤre es nichts gefaͤhrliches. Er hat ſich auch
durch den Barclajum verfuͤhren laſſen, welcher die Enthuſiaſtiſchen princi-
pia in ein ſyſtema gebracht. Man muß auch nicht gleich die Leute fuͤr
Quacker halten. Weil gedacht worden, daß Perizonius gemeynet, es
waͤre beſſer Atheos in der Republica zu dulden, als Quacker, ſo entſtehet
die Frage, was von der Republica Atheorum zu halten? Clerc, Bernard,
und Bayle haben hieruͤber geſtritten, das iſt eben die Urſach, warum auch
ſo viele Tomi in des Bayle Reſponfes faites aux queſtions d’un Provinçal
gefolget; Bayle hat in ſeinen Diction. Hiſt. Crit. behauptet: Respublica
Atheorum wuͤrde ruhiger ſeyn, als Respublica ſuperſtitioſorum. Die
ſuperſtitioſos hat er angeſehen, wie wir hier die Quacker conſideriren.
Er ſagt, man ſehe dieſes bey denen Catholiquen. So bald ein Herr uͤ-
berwieget, aus der balance tritt, ſo hetzt der Pabſt ihn an, andere zu un-
terdrucken. In Republica Atheorum meynet er, gienge es nicht ſo her.
Es fraget ſich aber: an unquam fuerit Respublica Atheorum, und an poſ-
ſit conſiſtere talis respublica? Was die erſte Frage anlanget, ſo hat Bay-
le ſolche mit vielen Exempeln bewieſen, denn es gibt gantze Koͤnigreiche,
die von GOtt nichts wiſſen. Das haben auch ſeine adverſarii zugege-
ben. Die im Reich von Siam ſind alle Atheiſten, ſo iſt es auch in Chi-
na. Gewiß iſt alſo, quod dentur respublicæ Atheorum, aber die Frage
iſt: ob eine ſolche respublica koͤnne gluͤcklich leben. Der Clerc, Bernard
und Bayle waren in Affecten: Denn Clerc hat dem Bayle noch zum Athei-
ſten
[88]Cap. III. De Incommodis,
ſten gemacht, cum jam eſſet mortuus. Daher haben dieſe die Sachen
nicht recht ausgemacht. Mir gefaͤllet wohl, was ein Prediger zu Delft
Elies Benoiſt, in einem Tract. von dieſer materie geſchrieben, daraus ich
einen Extract in die N. B. gemacht. Dieſer ſagt: Es ſind lauter Poſ-
ſen, was man in abſtracto vorbeinget, wenn man von einer republica
Atheorum redet, ſo ſupponiret man, daß die Atheiſten gantz raiſonable,
als wie der Atheiſt Julianus Apoſtata alles mit Uberlegung gethan, denn
daß ein Atheiſt kan raiſonniren, iſt kein Zweiffel. Es kan ja einer
die gantze Mathematic lernen, ohne daß er einen GOtt glaubet, er kan
auch eine Moral lernen, wenn er die menſchlichen Affecten ſo anſiehet,
aber er ſagt, man ſolle bedencken, wenn ſolche Leute boßhafft wuͤrden,
da wuͤrde es werden, wie bey denen Tartarn, die halten alles vor erlau-
bet, wo ſie einen ſchaden koͤnnen, thun ſie es. Ein ſolcher Atheus fuͤrch-
tet ſich vor niemanden, er iſt ein Eſprit fort. Daher meynet Benoiſt
nun, tauge ſowohl Respublica Enthuſiaſtica als Atheiſtica nichts, denn
vom ewigen Leben wiſſen Athei nichts, verlangen auch nichts zu wiſſen,
was ſoll man da diſputiren, welche ſchlimmer? Es ſind hier zwey diffe-
rente Narren, da kan man nicht accurat ausmachen, welche ſchlimmer,
und braucht man die Zeit nicht zu verderben. Man kan in einer Epiſtel
an den M. Elswig in Gundlingianis mehrers hievon leſen.
Cap. IV.
de
Vera cujuslibet ſtatus felicitate.
§. 1. 2.
Gluͤckſeligkeit
ſey?
BIsher iſt more Medicorum gewieſen worden, quod deſit nobis,
was vor eine infelicitas in ſingulis ſtatibus ſey, und in was vor
einer infelicitate ſinguli homines ſtehen. Wir haben auch bey
der ſocietate civili wahrgenommen, daß, da ſie dolores empfunden, ſo
haben ſie ſich geſucht zu helffen, fielen aber auf Betruͤgereyen, welches
nicht anders als ruinam zuwege bringet. Ab infelicitate tendunt ho-
mines ad felicitatem; daher muß man ſich vornehmlich einen generalen
concept machen, was felicitas ſey, welches auch ſonſt ſchon in der Mo-
ral gewieſen wird. Es ſind hier viel præjudicia: Denn der vulgus, und
auch Leute, welche ſich vom vulgo diſtinguiren wollen, haben keinen rech-
ten concept hievon. Das gibt groſſe Hinderniſſe in der cognitione mo-
rali.
[89]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
rali. Sie beſchreiben felicitatem, daß ſie ſo beſchaffen ſeyn muͤſſen, ut plura ad-
ſint bona poſitive, wie bey der ſanitate. Gleichwie die ſanitas nur negative
darinnen beſtehet, daß mir nichts fehlet, ich erhalte den Coͤrper, wie ich ihn
aus der Hand des Schoͤpffers empfangen habe; ſo beſtehet auch die felicitas
mehr in einer privatione mali als oppoſitione boni. Dieſes hat Herr Tho-
maſius ſchon lange gewieſen in ſeiner Philoſophia morali. Es iſt zwar
ſententia Epicuri, aber man darff nicht meynen, daß Epicurus in allen zu
verwerffen ſey: indem er auch ſehr vieles hat, welches gut iſt. Seneca,
ob er gleich ein Stoicus, und die Stoica philoſophia der Epicureæ ſehr zu-
wider, ſagt ſelbſt ſæpe recte docet Epicurus. Dieſer Epicurus hat felici-
tatem in indolentia geſetzet. Lock de intellectu humano ſagt auch, wo
dolor ceſſire, ſey wenigſtens initium felicitatis. Si dolorem averto, ſo
entſtehet ein bonum privativum, daraus habe ich keine incommoda, ſon-
dern lebe commode. Ich habe eine eigene reflexion gemacht, uͤber die
ſententiam Epicuri de indolentia, welche in Parte I. Gundling. ſtehet.
Der hunderſte kan es ſich nicht einbilden; ich habe es aber recht demon-
ſtrative gewieſen. Es hat dieſe materie einen Einfluß in ipſam praxin.
Wir haben keinen andern Zweck, und ſollen auch keinen andern haben,
als daß wir dasjenige zu erhalten ſuchen, was uns GOtt gegoͤnnet, und
gegeben hat, wenn wir was anders haben ſollten, dediſſet Deus. Nun
ſubſumire ich: Wenn wir nur das conſerviren ſollen, was wir aus ſeinen
Haͤnden empfangen haben, ſo muͤſſen wir nur dasjenige removiren, was
es deſtruiret und ruiniret, nicht anders, als wenn ich aus GOttes Hand
ſanus gekommen, ſo brauche ich nicht, ut aliquid apponam, ſondern ich
ſuche nur ſolches zu erhalten, und removire nur id, quod illa bona peſſun-
dat. Dolor me perdit; daher iſt kein Zweiffel omnes homines fugiunt
dolores fugiunt ad indolentiam, und wenn ſie indolentiam erhalten, wer-
den ſie felices. Ich habe in obbeſagter reflexion Theologos und Philo-
ſophos provociret, ſie moͤchten mir einen andern concept zeigen de felici-
tate, zugleich habe auch alle dubia beantwortet. Unſere conditio iſt aber
eine remotio impedimentorum, wenn die errores, præjudicia weggeſchaf-
fet werden, tunc veritas adeſt. Derjenige iſt ſapientiſſimus, ubi ſtultitia
abeſt. Leibniz hat es eben ſo in ſeiner Theodicée gewieſen. Wenn man
nun aber darauf nicht acht giebet, ſondern machet ſich einen concept, als
wenn was apponiret wuͤrde, ſo gehen wir von der mediocritaͤt ab, und
fehlen. Wir ſuchen abundantiam und apponiren etwas inepte, als wie
ein Baumeiſter, der die Bau-Kunſt nicht recht verſtehet, und an einem
Hauß etwas apponiret, welches das Haus gantz verſtellet. Oder wie
die Gelehrten, welche alsdenn von Sachen diſputiren, ſo nichts nuͤtze,
Me. g.
[90]Cap. IV.
e. g. Was nuͤtzt es mir, wenn ich weiß, wo der Nagel hinkommen, da
Ariſtoteles ſeine Muͤtze dran haͤnget. Da wir nun abundantiam ſuchen,
ſo ſuchen wir uns nicht allein zu conſerviren, ſondern wir ſuchen auch
andere zu verſchlucken. Fallen wir auf paupertatem, auf extremam ne-
ceſſitatem, ſo fehlen wir auch. Medius ſtatus iſt alſo der beſte, quia nos
indolentes præſtat. In praxi thut alſo die andere Meynung auch groſſen
Schaden; Denn da fallen die Menſchen auf appendices und negligiren
dasjenige, was ſie billig thun ſollten. Diejenigen alſo, welche gluͤcklich
ſeyn wollen, muͤſſen ſich ſuchen zu conſerviren. Das ſehen wir an de-
nen Schweitzern, die leben vor ſich, und affectiren keine potentiam; So
bald wir aber potentiam affectiren, ſo fallen wir auf Neben-Dinge, auf
luxuriam, und gehen zu Grunde. Man muß nicht darauf ſehen, welcher
Meynung die meiſten zugethan: Denn die meiſten ſind ſtulti, præſumtio
iſt vielmehr pro paucioribus, daher auch Herr Thomaſius ſehr gearbeitet
hat, daß er die gemeinen præjudicia uͤber den Hauffen geſchmiſſen, wenn
man meynet, quod plures dicunt ſey wahr. Monſ. Crouſaz handelt in
ſeiner Logic auch hiervon. Der Autor hat die Sachen gantz gut vor-
ſtellig gemacht, aber von der indolentia Epicuri hat er es nicht recht ge-
wuſt, ſonſten wuͤrde er das Capitel viel beſſer haben connectiren
koͤnnen.
ſtatu abſoluto
zu erlangen
ſey?
§. 3. Was der Menſch noͤthig habe, ſi ſolus eſſet, und er lebt, wie
der Roman von Cruſoe geſchrieben, davon iſt oben gehandelt worden.
Er ſiehet dahin, ut mens ſana ſit in corpore fano. Er muß arbeiten, ſei-
nen potum \& cibum ſo temperiren, ne ſtimuletur ad libidinem; muß ſich
motion machen. Dieſe conſideration aber nutzet uns nichts. Denn
wir haben keine Leute, die ſo allein leben, es waͤre denn, daß einer auf
eine Inſul geſchmiſſen wuͤrde, da iſt freylich wahr, was der Apoſtel ſagt:
Alsdenn brauche man nur Nahrung und Kleider.
compoſito
und zwar im
Hausſtand[e]?
§. 4. Wenn nun aber der Menſch in ſtatu compoſito lebet, da
hat er vornehmlich darauf zu ſehen, ut commode vivat, \& neceſſaria non
deficiant. Quær. Was heiſt neceſſaria non deficiant? dieſes
hat der Autor nicht definirt, und defiderire ich hauptſaͤchlich in allen
Schrifften des Autoris, non accurate definit. Daher auch derjenige,
welcher uͤber ſeine Philoſophie gehoͤret, und keinen guten Præceptorem ge-
habt, nicht viel behalten wird. Das kommt eben daher, weil er nicht
viel vocabula accurat definirt, welche er gebraucht. Es iſt das voca-
bulum neceſſarium ein vocabulum relativum. Denn homines luxurioſi
brau-
*
[91]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
brauchen vieles nothwendig, was andere nicht gebrauchen. Der Seneca
hat in ſeiner Epiſt. ad Lucinium eine ſchoͤne Penſée, welche uns Gelegen-
heit giebet, die Sache recht zu verſtehen. Man muß nicht uͤber den
Bauch ſo anſehen, quid ſit neceſſarium, utile, commodum, ſondern
man muß den Menſchen ſelbſt, ſeine Natur und Zuſtand relative betrach-
ten, in welchen er lebet. Seneca ſagt: qui tantum detrahit cupiditati-
bus ſuis, quantum ſibi deeſt, der habe neceſſarium, denn quod tibi de-
eſt, non cupis. Wir verlangen aber vieles, quod deeſt. Daher ent-
ſtehet eine naͤrriſche concupiſcenz, und ſchaden wir uns auch dadurch, e. g.
Wir haben hier keine Auſtern, und doch wollen wir bisweilen Auſtern
eſſen, daher laſſen wir ſolche anders woher hohlen. Hier ſind keine Fo-
rellen, die laſſen wir uͤber zehn Meilweges herhohlen, daher kommt es,
daß wir ſein Tage nicht vergnuͤgt leben, ſondern beſtaͤndig in Unruhe ſind,
und dasjenige verlangen, was ſie an andern Orten haben. Alle con-
fuſion kommt daher. Ein Bauer will haben, quod deeſt, und leben,
wie ein Buͤrger, er will in Schlaffrock gehen; wenn die Kutſcher Thée
und Coffée trincken, da ſiehet es gewiß auch naͤrriſch aus. Peſſundant
ſeſe, ſie werden arm, und wenn ſie es nicht mehr haben, ſterben ſie.
Es iſt eben, wie mit einem Kerl, der ſich an Brantewein und Schnupff-
Toback gewoͤhnet, der kan auch nicht leicht davon abgehen, und thut ſich
damit Schaden. Wenn ich das principium mercke, ſo faͤllet vieles weg,
was andere pro neceſſario halten; und alſo kan man den Autorem beſ-
ſer verſtehen, wenn man ſagt: Die Gluͤckſeligkeit in ſtatu compoſito ſey,
daß man commode lebe, und alles dasjenige thue, ſo ad neceſſitatem,
und auch ad jucunditatem etwas beytrage. Denn beſtaͤndig kan man
nicht arbeiten, man muß bisweilen ſich eine recreation machen, und ad
indifferentia dencken, non ſemper anima poteſt operari ſeria. Das
neceſſarium aber muß man einſchraͤncken, nemlich ich muß keine cupidi-
tatem haben nach demjenigen, quod mihi deeſt. Langet man aber im-
mer mehr ſolche Sachen von fremden her, ſo denckt man hernach, es ſey
neceſſarium, und machet eine Gewohnheit draus. Als wir machen je-
tzo ein neceſſarium draus, daß man muß Coffée trincken. Wer Kinder
hat, gewoͤhne ſie ja nicht dazu, denn unſere Vorfahren haben ja auch
keinen getruncken, wenn ſie ja haben wollen des Morgens was eſſen, ha-
ben ſie ſich laſſen eine Kuͤmmel-Suppe machen. Ein Menſch, der ſich
nicht angewoͤhnt Coffée zu trincken, machet ſich nichts draus, und kan
ſeine Sache eben ſowohl verrichten. Die abundantia machet uns mor-
bos, ſie machet uns luxuriös, ſie bringet uns in Unordnung, wo aber
Unordnung iſt, da iſt keine ſapientia. Wir koͤnnen alſo ſagen, daß der-
M 2jenige
[92]Cap. IV.
jenige in ſeinem Stand recht gluͤcklich, qui deſideria ſua conformiter re-
ſtringit; dahin trachtet, ut intentionem conſequatur \& mala averruncet.
Stande?
§. 5. Ohne Weib kan man nicht ſeyn, es iſt ein neceſſarium bo-
num, bey ſtultis aber iſt es auch ein neceſſarium malum. Der Menſch
muß eine Gehuͤlffin haben. Alſo kan man leicht ſehen, was der ſcopus
ſeyn muͤſſe, wenn man will felix ſeyn. Der ſcopus iſt, ſocia commoda
eſt eligenda. Wo eine electio iſt, muß man vor allen Dingen auf das
eſſentiale regardiren. Accidentale kan weg ſeyn; Iſt es aber da? bien!
hergegen das eſſentiale iſt das hauptſaͤchlichſte. Die Leute aber fallen
auf accidentalia, und da ſiehet man, daß ſie keine rechte cognitionem
ſtatus ſui haben. Callieres hat auch eine diſtinction gemacht unter in-
terius \& exterius. Dasjenige, was wir eſſentiale nennen, nennet er in-
terius. Weil aber dieſe Redens-Art obſcur, ſo brauche ich lieber eſſen-
tiale. Der Haupt-Zweck iſt, daß wir wollen Kinder mit einander zeu-
gen, und machen, daß das menſchliche Geſchlecht unſterblich werde. Wir
wollen auch einander helffen in der Auferziehung und Haushaltung. Das
eſſentiale beſtehet darinnen, daß du eine Perſon bekommeſt, welche la-
boriös, und alſo auch virtute prædita. Denn die iſt nicht virtute præ-
dita, welche den ſcopum nicht in acht nimmt. Wenn die Frau labo-
rieux iſt, ſo iſt ſie auch nicht fordida, ſie kaͤmmet ſich, waͤſchet ſich ꝛc.
Hergegen eine Frau, welche faul iſt, iſt eine Schlampampe, in ihrem
Hauſe ſiehet es aus, wie in einem Schweinſtall, und wenn ſie auch von
extraction iſt, daß ſie Leute hat, welche alles thun muͤſſen, ſo giebet ſie
doch nicht auf ſolche acht, und das Geſinde thut, was es will. Iſt la-
borioſitas da, ſo decliniren ſie nicht ad luxum: denn da haben ſie viel
zu thun, und gedencken nicht an ſolche Eitelkeiten. Valckenier, welcher
eine Beſchreibung von der Schweitz ediret, die wohl zu leſen, ſaget, da-
her komme es, daß es in der Schweitz ſo ordentlich zugehet: Denn weil
die Weiber alle arbeiten, ſo daͤchte niemand an amours und andere
Dinge. Vor dem haben auch die vornehmſten Weibes-Perſonen gear-
beitet. Eine Frau, die beſtaͤndig zu thun hat, putzt ſich auch nicht, ſie
ſucht ſich freylich reinlich zu kleiden, pour le reſte aber ſchminckt ſie ſich
nicht, putzt ſie ſich nicht, ſo ziehet ſie keine propre Kleider an; denn eine
ſolche, die ſich propre kleidet, tritt vor den Spiegel, und denckt, ſie ſey
eine Princeßin. Wenn ſie auf der Straſſe gehet, alliciuntur alii homi-
nes, daß ſie ſtille ſtehen und fragen, wer ſie ſey? hergegen bey Leuten,
die da ſimple hergehen, bleibet man nicht ſtille ſtehen: denn es iſt nihil
micans da. Unſere Weiber aber ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie nichts
thun, ſie ſitzen nimmer ſtille, trincken Coffée, ſpielen ꝛc. daher kan es nicht
anders
[93]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
anders ſeyn, als daß ſie kranck werden, wenn nur ein Luͤfftgen gehet, ſie wer-
den fett und dicke, und wenn ſie dicke werden, brauchen ſie allerhand remedia,
dadurch ruiniren ſie ihre Natur. Weil ſie nichts zu thun haben, bleiben ſie
nicht zu Hauſe; dahergegen die Juden geſcheuter geweſen, und haben die
Frauen muͤſſen ſeyn domiſedæ. Hadrianus, Reland Prof. Linguar. Oriental.
der einen bon ſens hat, einen ſchoͤnen ſtylum ſchreibt, und in der Hiſtorie ver-
ſirt, hat eine Diſſertation geſchrieben: de Uxore domiſeda, welche mit in die
faſciculos Bremenſ. eingedruckt, darinnen er gewieſen, warum die Juden das
geſagt? denn eine Frau, welche immer ausſchwaͤntzet, und Viſiten giebet, die
thut im Hauſe nichts, non eſt adjutrix, ſie ruiniret vielmehr alles, ſie kan wohl
converſiren, aber nicht alle Tage, daher kommt es eben, daß die Land-
Juncker meiſt caput gehen. Denn ſie nehmen mehrentheils Hof-Da-
mes, wenn nun dieſe aufs Dorff kommen, ſo wollen ſie ein ſchoͤn Hauß
haben, ſie wollen in Aſſembléen gehen, freſſen und ſauffen Tag und Nacht.
Quær. Ob ich bey der electione auf nichts weiter ſehen muß? Reſp. Man
muß auch ſehen auf die ſimilitudinem morum, und auf die ſimilitudinem
der profeſſion: Denn fehlet dieſes, ſo hilfft ſie dir nichts. Daher ha-
ben die Teutſchen geſagt: Man ſolle nicht uͤber ſeinen Miſt freyen. Sie
muß das mit verrichten koͤnnen, quod ad laborem tibi proficuum per-
tinet. Wenn ein Kauffmann eine adeliche Dame heyrathet, die ſchicket
ſich nicht vor ihm, und ſie wird ihm bey ſeiner profeſſion nicht viel helf-
fen. Es iſt ſehr ſchoͤn, wenn Ehe-Leute gleiche temperamenta, gleiche
inclinationes haben, und iſt ſehr verdrießlich, wenn der Mann luſtig,
und hat eine melancholiſche Frau, oder wenn die Frau luſtig und der
Mann melancholiſch: Aber daß die inclinationes accurat uͤberein treffen,
wird eben nicht erfordert. Ja es iſt bisweilen gut, wenn der Mann
melancholiſch iſt, daß er eine Frau hat, ſo etwas aufgeweckt iſt. Feh-
len nun aber die requiſita bey Eheleuten, ſo waͤre es beſſer, daß ſie cœli-
bes geblieben. Reichthum iſt eine accidentale. Wenn die Frau ſonſt
keinen Fehler hat, und dabey was in Vermoͤgen hat, ſo iſt es gut, und
lebt man commoder: Denn was man ſchon hat, darff man nicht erſt
erwerben. Du muſt aber doch nicht ſtille ſitzen, ſondern arbeiten, ſonſt
hilfft dir der Reichthum nichts. Denn geſetzt, du haſt eine bekommen
mit 20000. Rthlr, ſind es Land-Guͤter, ſo kanſt du ſie jaͤhrlich uͤber tau-
ſend Thaler nicht nutzen, arbeitet nun die Frau nicht, ſo muſt du vor ſie
etliche Maͤgde haben, auch wohl gar einen Laquayen, du muſt ihr alle
Jahr propre Kleider machen, ſie will in Aſſembleén gehen, trincket wohl
alle Tage etliche Kannen Wein, ſie bringet dir nichts ein, nam non ſe-
det domi, ja weil ſie propre lebet, verleitet ſie dich auch zu allerhand Ver-
M 3ſchwen-
[94]Cap. IV.
ſchwendungen. Daher, wenn man alles zuſammen rechnet, ſo koſtet die
Frau jaͤhrlich mehr, als ſie einbringet, und haͤtte ein ſolcher beſſer gethan,
wenn er eine genommen, die kein Geld gehabt, vornehmlich, wenn einer
nicht in egeſtare geweſen; Ein Accidentale iſt auch formoſitas, dieſe kan
nicht definiret werden, man kan freylich einem nicht rathen, daß er ſoll ei-
ne monſtroſam, die hinten und vorne einen Buckel hat, heyrathen, daher
muß einer drauf ſehen, daß er ſanam bekommt. Die Leute haben dif-
ferente concepte von der formoſité. In einem Lande wird etwas vor
ſchoͤn gehalten, was man an einem andern Orte nicht achtet. Die Si-
neſer wollten haben, daß ihre Weiber ſollten kleine Dachs-Fuͤſſe haben,
und dicke ſeyn, dahero freſſen ſie viele junge gemaͤſtete Hunde; Die
meiſten Voͤlcker aber ſind ſo beſchaffen, daß ſie auf eine proportionirte
ſtatur ſehen, und auch auf eine couleur, es ſey blond, ſchwartz ꝛc. das
iſt aber nur ein accidentale; Wenn kein irregulare, kein monſtroſum quid
da iſt; wenn man kan eine tugendſame, arbeitſame, und extraordinaire
ſchoͤne bekommen, ſo iſt es gut. Denn wenn ſie alle dieſe requiſita hat,
ſo wird ſie auch keine meretrix ſeyn. Man wird freylich keine in der
hoͤchſten perfection bekommen, unterdeſſen muß man doch wiſſen, was ei-
gentlich ad ſcopum gehoͤret. Bey dem Manne koͤnnen freylich auch vie-
le exceſſus vorgehen; Unterdeſſen geſchiehet es doch mehr bey Weibes-
Perſonen, weil ſie ſchwache Werckzeuge ſind. Der Mann muß ver-
dienen, die Frau ernehren, aber die Frau muß collaborare, diſpenſare,
daher iſt in Italien corruptiſſimus ſtatus geweſen und auch noch, daß
man die Weiber ſo eingeſchloſſen, und ſie nichts thun. Man kan auch
hier leſen den Cornelium Nepotem, welcher im Anfange eine comparai-
ſon machet unter denen Roͤmiſchen, Griechiſchen moribus. Hier iſt zu
recommendiren des Monſr. de Bosc Honette Femme, welches Buch
ſchon lange geſchrieben, weil aber das Frantzoͤſiſche darinnen alt, ſo hat
man es von neuen aufgeleget, und es nach dem heutigen ſtylo accommo-
diret. Er giebet darinnen denen Weibern erſchreckliche lectiones, deßwe-
gen leſen es die wenigſten Weiber. Die Mad. Scudery hat auch la fau-
ſe Clelie geſchrieben, ſie ſchreibet ſehr gut, hat keine groſſe conſideration
vor die Weibes-Perſonen, und erkennet gar wohl, daß dieſelben muͤſſen
regieret werden, und dem Mann folgen. Eine Frau muß freylich regie-
ret und gezogen werden, weil ſie incliniret ad vanitatem. Endlich wird
ſie geſcheut und kommt ad ſcopum. Warum hat Paulus geſagt, daß
die jungen Wittben wieder ſollten heyrathen, nicht allein propter libidi-
nem, ſondern auch propter vanitatem. Daher haben die Roͤmer gemey-
net, die Frauen ſollten in perpetua tutela ſeyn, die Teutſchen ſind aber
der
[95]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
der Meynung, wie Otto Prof. Ultraj. noch in Duisburg in einer Diſſer-
tation de perpetua ſœminarum tutela gewieſen. Daraus folget aber
nicht, ergo muß einer die Frau peinigen; ſondern er muß mit ihr raiſon-
niren, argumenta brauchen. Wenn man lieſet, was Severus Cato bey
dem Plutarcho ſaget, ſo findet man, daß er gemeynet, es ſey ſacrilegium,
wenn einer ſeine Frau ſchluͤge, aber ſub diſciplina, meynet er, muͤſſe ſie
doch ſeyn. Grotius de Jure Belli \& Pacis hat auch gewieſen, daß die
Frau muͤſſe im Hauſe bleiben; welches auch die Roͤmer gethan, aber
darinnen haben ſie excediret, daß ſie nichts gethan, denn dadurch ſind
ſie in luxum gerathen, ſonderlich unter denen Imperatoribus, wie Seneca
gewieſen.
§. 6. Wie wir nun thoͤricht ſeyn bey dem Eheſtand, daß wir aufUnd wie bey
der Kinder-
Zucht?
accidentalia fallen, ſo gehet es auch bey denen Kindern. Wenn das
Kind ſchoͤn iſt, es hat einen guten natuͤrlichen Verſtand, und kan was
memoriren, ſo denckt man, es ſey ſchon gnug, und gehen wohl dem Va-
ter die Augen uͤber, wenn er das ſiehet, da es doch nur ein accidentale.
Das fundament iſt die Tugend, iſt es tugendhafft, ſo iſt es auch hoͤfflich,
denn die Hoͤfflichkeit iſt ein Ausfluß der Tugend. Scientia muß auch da
ſeyn. Die iſt diverſa: Denn eine andere wird erfordert, wenn einer
will ein Kauffmann werden, eine andere, wenn er will ſtudiren. Hier
iſt eben zu recommendiren, des Mſr. Crouſaz Tract de l’education des
enfans, da er derer Eltern ihre alberne Gedancken bey Erziehung der
Kinder abbildet, und railliret. Die education ſoll freylich einen fructum
zuwege bringen; deswegen ſich die Eltern viel Muͤhe geben. Gleichwie
aber einer, der vor der Zeit erndten will, auszulachen iſt, indem er fru-
ctus immaturos nicht nutzen kan; alſo ſind auch die Eltern zu improbi-
ren, welche von ihren Kindern ante maturitatem annorum groſſe Fruͤchte
ſuchen. Quod cito fit, cito perit. Die inſtrumenta, organa, quibus
humanum corpus utitur, ſind renera, und wenn ſie alſo zu ſtarck ange-
griffen werden, ſo verderben ſie. Die Kinder, ſo bald klug werden,
ſterben balde; Es iſt zwar exceptio a regula, aber es geſchiehet doch
regulariter. Man hat viele Dinge de præcocibus ingeniis, die da reuͤſſi-
ret ſind, v. g. Grotius machte ſchon im neundten Jahr ſeinem Vater ein
Carmen, darinnen viele realia, kluge Gedancken, und ein ſchoͤner ſtylus
anzutreffen, aber ſein Vater wendete auch viele Muͤhe an ihn, welches
bey andern ſelten geſchiehet. Der beruͤhmte Bochartus, ein Theologus,
hat ſchon Griechiſche Verſe gemacht, antequam pubes exiſteret, conf.
Mſr. Baillet in Jugements des Sçavans, wobey er einen gantzen Tom. hat
des Enfens celebres. Insgemein vergehen ſich die Eltern bey ihren Kin-
dern,
[96]Cap. IV.
dern, ſie ſuchen, daß die Kinder ohne lange ſtudiren moͤgen in Bedie-
nung kommen, ſie gelangen auch wohl dazu; aber poſtea aſcendere ne-
queunt: Denn was ſie gelernet haben, ſind nur ſuperficiaria. Daher
ſiehet man, daß die Eltern die meiſte Schuld haben, daß ſo wenig ſolide
Leute ſind; die Kinder aber ſind auch nicht auszuſchlieſſen, denn ſie wol-
len offt gerne bald ein Amt und eine Braut haben. Heut zu Tage ſind
zwar die Studioſi gluͤcklich, daß ihnen die Wiſſenſchafften per ſynopſin
beygebracht werden, aber es gehoͤret doch auch Zeit dazu. Groſſe Her-
ren haben eben nicht noͤthig, daß ſie viel Zeit an ſtudia wenden: Denn
wenn ſie auf praxin kommen, ſie gelangen zur adminiſtration, ſo koͤnnen
ſie die cautelen leicht lernen, doch ſchadet ihnen nichts, wenn ſie nebſt
Sprachen und andern Wiſſenſchafften auch die Moral und Politic er-
lernen. Inter privatos kriegt ein halb Gelehrter nur einen kleinen Dienſt,
und bleibt dabey ſitzen; hingegen einer, der mehr Zeit angewendet, der
etwas rechts gelernet, ſpringet uͤber die kleinen Lichter weg, und wird
immer weiter befoͤrdert. Trifft ja das Gluͤck einen Idioten, daß er Pre-
mier-Miniſtre wird, ſo muß er doch immer andere dabey haben, die ihm
mit Rath an die Hand gehen. Concini, ein Italiaͤner, kam bey der
Maria de Medices ſo hoch ans Bret, daß er Premier-Miniſtre wurde, er
war aber ein unerfahrner Mann, und muſte dem Petro Putaneo immer
in die Hand ſehen. Endlich ließ er den Concini fallen, und bey den fau-
ten ſchob er alles auf den Concini, damit ward Concini, oder, welches
einerley iſt, der Marechal d’Ancre maſſacriret, und Puteanus blieb am
Leben. Auf Univerſitaͤten kan man auch ſchon in drey Jahren etwas
lernen, wenn man fleißig iſt, vid. Clapmarii Triennium nobile, it. Gro-
tii Inſtruction, in einer Epiſtel, die er an Benjamin Aubery geſchrieben,
wie er in drey Jahren ſeine ſtudia einrichten ſollte, daß er reuͤſſiren koͤnn-
te. Wegen der Koſten wollen ſie auch die Eltern nicht lange auf Uni-
verſitaͤten laſſen; daher thun die Soͤhne wohl, daß ſie menagiren, und
dabey was lernen.
ſeligkeit in an-
dern buͤrgerli-
chen Staͤnden
verlanget wer-
de?
§. 9. Die abundantia iſt ein onus, und doch ſuchen alle Men-
ſchen ſolche; Dahero auch die mercatores und opifices ſolches als ihren
ſcopum anſehen, welches doch alles nichts iſt. Dieſes kan man daher
demonſtriren; Derjenige opifex, welcher mehr hat als ein opifex haben
ſoll, der bleibet kein opifex, ingleichen, derjenige Kauffmann, welcher
mehr hat, als ein Kauffmann haben ſoll, und zu ſeiner ſubſiſtenz noͤthig hat,
hoͤrt auf ein Kauffmann zu ſeyn, er will eine Charge, eine Ehren-Stelle
haben, ein gentil-homme werden, da wird der numerus opificum und
mercatorum geringer. Das iſt eben ein groſſer Fehler, welchen man von
En-
[97]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
Engeland und Schweden obſerviret, denn es fraget ſich, warum die opi-
fices und mercatores mehr in Holland, als in Engeland und Schweden
floriren? Reſp. Wenn gleich in Engeland was kluges intendiret wird,
ſo findet man doch, daß die Kauffleute und opifices, ſo bald ſie reich wer-
den, anfangen Land-Guͤther zu kauffen, werden uſurarii, ſie wollen einen
gradum in nobilitate erhalten, wodurch ſie der Republic nur Schaden
thun. In Holland aber gibt es nicht viel Land-Guͤther, da muͤſſen ſie
opifices bleiben. Man quaͤlet auch daſelbſt die uſurarios, die Grand
Seigneurs, und leget ihnen groſſe impoſten auf, damit ſich nicht ſo viele
ſollen hierunter begeben. Die abundantia macht alſo, daß die Leute
nicht wollen ſua ſorte contenti ſeyn. Puffendorff hat eine hiſtoire anec-
dote von Schweden geſchrieben, * darinnen hat er die groſſen Fehler
gewieſen, warum die Commercia in Schweden nicht koͤnnten floriren?
nemlich um deß willen, weil ſie gleich ſuchten Edelleute zu werden, ſo bald
ſie nur abundantiam haͤtten; da einer ſonſt Adler geheiſſen, nennet er ſich
hernach Herr von Adlerſchild, dadurch kommen die mercatores unter die
Nobleſſe, dieſe wollen denn groß thun, verthun ihr Geld, und werden
Bettler. Das iſt das Decrementum der Republic: Denn man braucht
nunmehr opifices und mercatores nothwendig.
§. 7. 8. 9. 10. 11. \& 12. Wann eine Republic bliebe in medio;Worinnen die
Gluͤckſeligkeit
eines Staats
beſtehe?
ſie fienge nichts an, bliebe in der Meynung, ſich nur zu defendiren, ande-
re aber nicht zu attaquiren, ſo ſtuͤnde es gut, und bliebe nur bellum de-
fenſivum, nicht offenſivum. So bald ſie aber ſuchet zu acquiriren, und
andere populos zu ſubjungiren, das ruiniret ſie. Daher wird man ſehen,
daß alle die Republiquen, welche potentiam pro ſcopo haben, zu Grunde
gehen: Denn die andern Republiquen laſſen ſich nicht unterdrucken, und
ob ſie gleich vor ſich nicht ſoviel vermoͤgen, ſo machen ſie doch alliancen,
was einer nicht thun kan, koͤnnen mehrere ausrichten. Daher muß der
finis reipublicæ nicht in divitiis und potentia beſtehen, da iſt keine Gluͤck-
ſeligkeit, wo man beſtaͤndig Krieg fuͤhret, da die Leute etliche hundert
Meilen muͤſſen hinein lauffen, und Laͤnder completiren, wie bey dem
Alexandro M. geſchehen, der aus Macedonien nach Perſien und Indien
gelauffen, woruͤber ſo viel tauſend Menſchen todt geſchlagen worden.
Unſere alten Teutſchen ſind eben ſolche vagabundi geweſen. Es iſt was
naͤrriſches; Daher hat auch Seneca geſagt: Alexander M. waͤre ein latro
Ngentium
[98]Cap. IV.
gentium geweſen. Und wenn er die gantze Welt unter ſich gebracht haͤtte,
ſo wuͤrde er nachgehends auf eine machine gedacht haben, in den Mond
zu kommen, und die Leute im Mond auch unter ſich zu bringen. Hertius
hat auch in ſeinen Element. Prud. Civ. pag. 271. Part. I. gewieſen, daß
abundantia gar nicht der rechte und wahre ſcopus rerum publicarum ſo
wenig als bey andern ſocietatibus ſey. Polybius (welcher eigentlich
Griechiſch geſchrieben, aber von Iſaaco Caſaubono uͤberſetzet worden, der
eine treffliche præfation vorgemacht,) hat lib. 6. cap. 14. wohl hievon
raiſonniret, und geſagt: Man muͤſſe koͤnnen cives defendere, daß ſie in-
violables waͤren. Sollen nun aber cives inviolables ſeyn, ſo muͤſſen ſie
caſti, fabrii \&c. ſeyn, es muͤſſen leges da ſeyn, welche ſie zuruͤck halten,
und ſollen ſolche ſo beſchaffen ſeyn, ut puniatur malum, damit man nicht
minus caſtos, minus ſobrios habe. * Unter Scipiano Africano ſtund die
Roͤmiſche Republic am beſten; und wenn ſie haͤtten ſo continuiret, wuͤr-
de dieſelbige nicht ſeyn zu Grunde gegangen, wie Cicero de Legibus an-
gemercket hat. Da aber die Roͤmer anfiengen groſſe Laͤnder zu acqui-
riren, in Aſien, ſie brachten die Gaulois unter ſich, da gieng es ſchon auf
den Untergang loß, die magnitudo hat totam rempublicam evertiret.
Man kan durch alle Secula zeigen, daß wenn die potenz am hoͤchſten ge-
ſtiegen, res publica periit. Und alſo koͤnnen ſtuſti wahrnehmen, daß an
der potenz nichts gelegen. Etwas Reichthum muß man freylich haben;
aber man muß ſolchen abmeſſen nach der potenz der vicinorum; Denn
meine Nachbarn ſehen auch darauf, daß ſie mich wollen ſubjugiren; da-
her muß ich ſuchen die balance zu halten; man verhindert andere, daß
ſie nicht ſo maͤchtig werden, und andere ſuchen moͤgen uͤber den Hauffen
zu werffen; Eine Univerſal-Monarchie iſt eine chimære, und wird man
ſehen, daß diejenigen, welche darauf gedacht, ſich den groͤſten Tort ge-
than. Die Franzoſen und Spanier ſind dadurch herunter kommen,
vid. Bœckler in Diſſert. de Imperio intra modum coercendo. Amelot,
der ſonſt ſehr weltlich iſt, ſagt: Wenn wir potentiam affectiren, und rui-
niren wir uns, ſo bald wir nur potentiam affectiren, wie wir bey dem
Louis XIV. geſehen, da alle Leute gerne geſehen, daß er geſtorben. Man
wuͤrde den Duc d’Orleans bis in Himmel erhoben haben, wenn er nur
was beſſer regieret, ſo hat er dem Louis XIV. gefolget, daher iſt er in dem
Buch, welches von ſeiner Regierung heraus kommen, und in Leipzig
nach-
[99]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
nachgedrucket iſt, uͤbel beſchrieben. Es kan alſo einer ein gluͤcklicher
Herr ſeyn, wenn er nicht abundantiam affectiret. Die Herren aber
werden nicht recht inſtruiret, und haben offt nicht gute Miniſtros; neh-
men mehrentheils ſolche, die mit ihnen aufgewachſen, die ſich aber nicht
dazu ſchicken, weil ſie keine experience haben. Es ſind ſolches homines
audaces, die man beſſer brauchen kan, zur execution, nicht aber zur deli-
beration ins Cabinet. Man wird finden, daß ſo lange eine res publica
libera bleibet, affectiret ſie keine groſſe potenz, ſondern bleibet in medio.
So lange hat es auch um die Roͤmiſche Republic wohl geſtanden;
Da aber Sylla, Marius, Pompejus, Cæſar kommen, und wollten Reges,
Principes, Imperatores ſeyn, ſo gieng ſie uͤber den Hauffen. Wie ein
Monarchiſch Regiment entſtund, ſo war zwar auf einer Seite ein Zu-
wachs, aber auf der andern Seite wurde ein groſſes Loch, und konnten
ſie die Conquetten nicht erhalten. Man hat ehemahls in Franckreich die
Frage aufgeworffen: Ob nicht der Koͤnig in Franckreich koͤnnte die
Schweitzer uͤbern Hauffen werffen? da man denn gefunden, daß es bey
einigen Cantons wuͤrde angehen, aber man ſahe, die Leute waren des Mo-
narchiſchen Regiments nicht gewohnt, und wuͤrden ſie bald geſuchet ha-
ben zu revoltiren. Daher hat man es unterlaſſen, weil es nicht hat koͤn-
nen unterhalten werden. Es ſolte einer gedencken, es muͤſte der Kayſer
jetzt groſſe ombrage ſchoͤpfen, da der Tuͤrcke ſo groſſe conquetten in Per-
ſien machet, allein er fraget nichts darnach: denn der Tuͤrcke hat gnug
hernach zu thun, die Perſier in Zaum zu halten, und wenn er ſeine Troup-
pen hier auſſen ſtehen hat, ſo revoltiren ſie in Perſien. Der Tuͤrcke aber iſt
kein kluger Regent, ſein Land iſt alles inwendig ruiniret, man findet offt
in dreyßig, viertzig Meilen keine Stadt, als etwan hin und wieder
Rudera. Auf denen Grentzen iſt es formidable, aber das medium negli-
giret er. Der Parder, Loͤwe, die Schlangen und Spinnen ſehen es
gerne, die haben Raum, alle potenz iſt alſo ſchaͤdlich, welche den modum
excediret. So viel potenz muͤſſen wir freylich haben, daß wir koͤnnen
unſern Nachbar widerſtehen, daher muͤſſen wir immer in Bereitſchafft
ſtehen, und maſculos homines haben. Man muß darauf ſehen, daß man
das Seinige conſerviret. Es ſind nicht alle Leute ſo capable ihr Reich
zu erhalten, wie Carolus M. der war vigilant, und reiſete immer von ei-
nem Ende des Reichs zum andern. Nachgehends aber kam der Saͤn-
ger Ludovicus Pius, da gieng es ſchon nicht ſo, und ward das Reich inner-
halb achtzig Jahren, in fuͤnff bis ſechs Theile zergliedert. Das Tuͤr-
ckiſche Reich waͤre auch laͤngſt zu Grunde gegangen, wenn nicht die Po-
tentaten in Europa verhindert, daß der Kayſer keine weitere progreſſen
N 2machen
[100]Cap. IV.
machen koͤnnen. Hertius ſagt auch Part. I. Man ſollte nur den Carl
Guſtav anſehen, welcher nach Abdanckung der Koͤnigin Chriſtina auf
den Schwediſchen Thron geſtiegen. Dieſer hat Verſtand und bravour
gnug gehabt, aber er fiel auf Abwege, daß er dachte, es muͤſſe immer
Krieg gefuͤhret werden, als wenn die Unterthanen ſonſt nichts zu thun
haͤtten, und nur conquetten muͤßten machen. Da ſagt auch Puffen-
dorff: Carl ſey ſchuld an der decadence von Schweden. Sein ſcopus
taugte alſo nichts, daß er nur wollte Laͤnder acquiriren. Er iſt auch vor
Chagrin geſtorben, weil alles auf ihn loß gefallen, und nicht wollte zuge-
ben, daß er ſo viel conquetiren ſollte. Wenn er auch alles haͤtte erlan-
get, ſo haͤtte er nachgehends drauf dencken muͤſſen ſolches zu erhalten.
Man kan auch ein Exempel nehmen an dem Koͤnigreich Portugall, da
daſſelbe einen guten Koͤnig an dem Emanuel gehabt, ſo hat es in kurtzer
Zeit die groſſen conquetten gemacht, da ſie das commercium aromatum,
Gold und Silber in ihre Haͤnde gebracht. So bald aber dieſer Koͤnig
ſchlaffen gieng, ſo iſt es geſchehen, daß ſie in media abundantia ſchwaͤcher
und aͤrmer werden, als ſie vorher geweſen. Dieſes kan kein Menſch
glauben, als der die Hiſtorie von Portugall felbſt mit Politiſchen Augen
anſiehet. Man kan alsdenn wahrnehmen, wo alles hergekommen, denn
ſie bekamen alle Tage mehr Feinde, und entſtunden Kriege, der Krieg
aber frißt alles auf, und koͤnnen die Leute nicht die fructus laborum ge-
nieſſen. Abſurd aber iſts, wenn ich die gantze Welt gewoͤnne, und kan
ich die Oerter, welche ich ruiniret, nicht wieder aufbauen, lieber bleibe ich
in meinem Lande, und conſervire daſſelbe. Wie nun der Emanuel die
Augen zugethan, ſo kam ſein Sohn Johannes III. auf den Thron, der ließ
die Jeſuiten ins Land kommen, die fuͤhrten die Regierung, indeß wurde
ein groſſer Luxus. Wie nun Johannes geſtorben war, und ſie eine Ar-
mee nur von dreyßig tauſend Mann wollten aufbringen, ſo war doch
kein Geld da, ob ſie gleich die Africaniſchen Kuͤſten bis an das Caput bo-
næ ſpei inne hatten, und halff ihnen alſo die abundantia nichts. Es iſt
gewiß, wenn einer gleich abundantiam hat, er ſucht aber nichts zu ſpa-
ren, leget keine Magazins an, ſucht ſeine Leute nicht in Diſciplin zu er-
halten; ſo hilfft ihm ſeine abundantia nichts. Denn da ſie vorhero me-
nagiret, und einen Thaler gebrauchet, wo ſie jetzt zwantzig Thaler gebrau-
chen, ſo wird alles durch die Depenſen theuer. Der tolle Sebaſtian, wel-
cher unter denen Pfaffen erzogen worden, erkannte wohl, daß es an Di-
ſciplin fehlete. Das Volck fraß, ſoff und ſpielete, und war es eben ſo
viel als wenn ſie in der veteri paupertate ſubſiſtiret. Wenn ſie in der
veteri paupertate ſubſiſtiret, waͤren ſie noch tauerhafft geblieben, ſo aber
durch
[101]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
durch die Wolluͤſte waren ſie zu feigen Maͤnnern worden. Alſo kan man
ſehen: Non eſſe Enthuſiaſticum vel nimis Scholaſticum, quod dixi: Denn
die experience zeiget es. Wer es negiret, deſſen ſtultitia leuchtet in die
Augen. Medium iſt alſo das beſte, und abundantia tauget nichts. Opes
relativæ und potentia relativa muß freylich da ſeyn, weil wir lauter boͤſe
Nachbarn um uns haben, und wenn gleich einmahl ein guter Nachbar
da iſt, ſo lebet doch derſelbe nicht beſtaͤndig, nach ihn kommt vielleicht
ein anderer, der wieder groß Lermen macht. Man findet freylich keine
felicem rempublicam omni ex parte, ſi excipias rem publicam Judaicam,
welche gluͤcklich geweſen, ſo lange ſie unſern HErr GOtt regieren laſſen.
Warum man aber keine gluͤcklichen Republiquen ſonſt findet, davon iſt
die Urſache leicht zu errathen: Die Republiquen entſtehen mehrentheils
per hazard. In denen Schulen koͤnnen wir wohl weiſen, wie eine Re-
public koͤnne gebauet werden, und hat es auch einen Nutzen, wenn Po-
litica Architectonica dieſes zeiget. Manche zeigen es nun recht, aber
manche ſchieſſen auch nicht recht zum Ziel. Aber das iſt wahr, was
Polybius lib. 4. ſagt: Es waͤren die meiſten Republiquen in der Welt
ſine arte, naturæ impetu, ex affectibus entſtanden. Die cauſa remota
alſo iſt unſer Fall, unſere affecten. Daher ſiehet man, daß die Repu-
bliquen nicht entſtanden ratione temperante. Man kan auch hieraus
abnehmen, daß es nicht geſchehen, wie die Menſchen ſich eingebildet,
nemlich, daß man gradatim gegangen, und erſt ein ſolches imperium con-
cediret, da der populus per plura ſuffragia, per plures curias regieret/
denn da ſupponiret man einen populum ratiocinantem, wo die meiſten
Leute geſcheuet ſeyn. Allein nulla vel pauciſſima ars intervenit; es war
confuſio, daher iſt es kommen, daß ſie auf einen gefallen, die erſte de-
nominationes ſind alle Monarchicæ geweſen, nachgehends aber ſind ſie
auf andere gefallen, da plures regieret, und denen Principibus haben ſie die
Haͤlſe gebrochen. Sine ſapientia kan man freylich nicht ad felicitatem kom-
men; ſondern es iſt alsdenn nur confuſio, wenn ſolche mangelt, wie man in
Pohlen ſiehet, das floriret in turbis, aber miſerrime. Conſideriret man
alſo eine Republic, wie die ſeyn ſoll, ſo wird man finden, daß ſie gantz
ausſiehet, als wie man ſie in der Welt antrifft. In denen Schulen kan
man den ſcopum betrachten, und die remedia anſehen, wodurch man
ad finem \& ſcopum gelanget. Man kan alles demonſtriren, und ſagen,
ſo ſollte es ſeyn, aber wer kan denen Regenten befehlen, daß ſie es ſo
machen. Es iſt nicht anders, als wenn wir einen guten Catechiſmum
machen, da kan man alles demonſtriren, aber wer thut darnach? Die
Menſchen leben nach ihren paſſionen, nicht nach denen rechten principiis.
N 3Wir
[102]Cap. IV.
Wir finden keine Republic die vollkommen iſt, aber wir machen es wie
der beruͤhmte Mahler Zeuxes, dieſer machte auch ein Bild, welches in der
gantzen Welt nicht anzutreffen war. Von einen Frauenzimmer nahm
er die Augen, von der andern die Augen-Braunen, von der dritten die
Naſe. Es iſt wie in Iure Nat. wenn man den Grotium und Puffendorff
lieſet, ſo findet man, daß ſie bald aus dieſen, bald aus jenen auctore
paſſagen genommen, wo ſie was Gutes gefunden. Wir ſetzen auch bey
der Republic alles zuſammen, was wir hier und dar Gutes finden. Ob
aber ein Regiment dieſes thue? Iſt eine andere Frage. Man ſiehet ja
wohl, daß unter tauſenden nicht einer, der die artes regnandi verſtehet.
Daß viele Fuͤrſten des Cronwells Tochter verlanget zu heyrathen, ſo hat
er dieſelbe keinen wollen geben, und geſagt, einige Fuͤrſten haͤtten wohl ſchoͤn
Land, aber ſie verſtuͤnden die artes regnandi nicht; Cronwell verſtund ſie
wohl, nur er hatte kein Ius, die Fuͤrſten aber ſind es nicht alleine, welche
die artes regnandi nicht verſtehen, ſondern man findet auch, daß ſich von
andern Leuten niemand darauf appliciret, ſondern wenn ſie zu einer Char-
ge employret werden, alsdenn legen ſie ſich erſt darauf. Bey ſolchen
Sachen aber, die man in der Geſchwindigkeit gelernet, iſt nichts als
confuſion. Hat einer ja etwas gelernet, ſo iſt es das lus, und der Pro-
ceß, welches man wohl muß wiſſen; aber da kan einer noch nicht die
artes regnandi, Man muß die Leute kennen; Moral wiſſen; man muß
wiſſen Leges zu geben; Denn der Legislator hoͤret ſein Tage nicht auf,
bald wird dieſes bald jenes changirt, deßwegen muß man ſich nicht wun-
dern, wenn die Leges immer geaͤndert werden. Man gehe auch alle klei-
ne Republiquen durch, ſo wird man finden, daß unter ſechs und dreyßig
Raths-Herren kaum drey halb-kluge. Alles gehet nach dem impetu.
Daher iſt in praxi wahr: mundus regitur parva ſapientia; magna ſtul-
titia. Es iſt aber auch ein ſchlecht regimen. Der Autor hat die Sache
wohl proponiret, und es appliciret auf rempublicam ludaicam. Hertius
hat einen ſchoͤnen Einfall, wenn er ſaget, GOtt habe die rempublicam
judaicam regieret, daher es auch Conring Theogratiam genennet. Con-
ring hat es genommen aus dem Juͤdiſchen Scribenten Joſepho, welches
ein kluger Kerl geweſen und meritirt, daß man ihn lieſet. Es iſt nur
zu bedauren, daß man ſo ſchlechte editiones von ihm gehabt, die nicht
gut emendiret geweſen. Daher hat man immer beſſere Codices geſucht,
ihn zu verbeſſern. Er war ein Jude, und hat die Juͤdiſchen Sachen per-
fect inne gehabt, und hat auch die revolutiones des Alten Teſtaments.
Er kam unter die Roͤmer, da iſt er gereiſet, und hat die Heydniſchen Sa-
chen mit den Juͤdiſchen compariret. Wie die Juͤden Monarchen beka-
men,
[103]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
men, ſo hat es GOtt gehen laſſen, denn er wollte nicht, daß ſie ſollten
Monarchen haben. Was GOtt ſonſt gethan immediate, das wollten
ſie hernach thun laſſen per ſacerdotes, die taugten hernach nichts, und
die Koͤnige wuſten auch nicht viel, damit gieng die Republic uͤbern Hauf-
fen. Hievon hat Prideaux in ſeiner Hiſtorie des Juifs unvergleichlich rai-
ſonniret. Hertius ſagt auch, die respublica Iudaica koͤnnte nicht genug
betrachtet werden, weßwegen er ſelbſt einen Tractat de Republ. Iud. ſchrei-
ben wollen, und waͤre gut geweſen, wenn er es gethan: Denn er iſt eine
Zeitlang Profeſſor Polit. in Gieſen geweſen, und hat die politiſchen Sa-
chen gut verſtanden. Wir haben ſonſt ſchon viele Buͤcher von dieſer
materie. Mir hat keiner beſſer gefallen, als der Fleury in ſeinen Tractat
des Moeurs des Iſraelits, welches ein Buch iſt, das von Studenten gar
geſchwind kan durchgeleſen werden. Petrus Cunæus hat auch davon ge-
ſchrieben. Ingleichen Carolus Sigonius, welchen ich ſehr æſtimire, in-
dem derſelbe uͤber die Leges forenſes artige reflexiones gemacht.
§. 13. 14. Der ſtructuræ reipublicæ, ſoll nullum inſigne vitiumDurch was
vor Mittel die
Gluͤckſeligkeit
eines Staats
erhalten wer-
de?
inhærere, welches der Autor haͤtte ſollen erklaͤren. Wir haben drey for-
mas Rerumpublicarum: Aut unus imperat; aut optimates; aut populus
in varias curias diſtrubutus. Da iſt ohnmoͤglich, daß gar keine irregula-
ritas ſolle vorhanden ſeyn. Ja wir finden in ipſa Republica Iudaica,
daß Seniores da geweſen, und auch der populus was zu ſagen gehabt;
wer das wollte eine irregularité nennen, wo das Volck etwas zu ſagen
gehabt, wuͤrde nicht recht thun; oder wenn er es ja ſo nennen wollte,
ſo wuͤrde es non inſigne vitium ſeyn. Man kan es in der Welt nicht
ſo hoch bringen, daß alles ſollte vollkommen ſeyn. Koͤnnte man unum
finden, der gar nicht declinirte a via recta, ſo waͤre es freylich beſſer, als
daß ein gantzes Collegium es dirigiret: Denn derjenige, ſo ſapiens, kan
alles gut regieren, aber labi poſſunt, ſunt homines. Ergo iſt eine gute
Vorſorge, daß man ihnen noch andere adjungiret, damit man ſicherer
gehe. Wir haben geſehen, quod ipſe Salomo declinaverit, und einen
weiſern Mann hat man doch nicht unter der Sonnen geſunden, als die-
ſen; wie man auch aus ſeinen Sachen ſehen kan. Die Menſchen ſind
nicht einerley; ſie haben nicht einerley temperamenta; nicht einerley in-
clinationes; nicht einerley Laſter. Wer einen Fuchs kennet, der kennet
alle Fuͤchſe, daher iſt kein Thier, man mag es angeben, wie man will,
wir ſind maitres: Das kommt daher, weil wir ſie koͤnnen auf einerley
Art fangen; ſie haben einen inſtinctum. Hergegen wenn du gleich haſt
kennen lernen funffzig bis hundert Menſchen, ſo werden dir doch tauſend
andere ſubjecta vorkommen, welche, wenn du ſie conſideriren wirſt, alle
ſo
[104]Cap. IV.
ſo beſchaffen ſind, daß keines mit dem andern vollkommen uͤberein kommt;
ſondern gleichwie die Geſichter different ſind, ſo findet man auch vielfaͤl-
tige diverſitates ratione inclinationum. Ich bin der Meynung, daß un-
ter denen Menſchen keiner dem andern gaͤntzlich gleich, generaliter tref-
fen ſie wohl zuſammen; Drum ſagt man, die meiſten Frantzoſen ſind
wolluͤſtig, aber von allen kan man es nicht ſagen. Da nun die inclina-
tiones different ſind, ſo kan man auch die Menſchen nicht auf einerley
Art tractiren; Wenn du nun drey Kinder haſt, ſo kanſt du ſie nicht
auf einerley Art tractiren, das eine muß auf dieſe, das andere auf jene
Art erzogen werden. Wer die Menſchen alle will uͤber einen Kamm
ſcheeren, verſtehet die menſchliche Natur, und die moral nicht. Laſſen
ſie ſich nun nicht auf einerley Art tractiren, ſo wirſt du leicht begreiffen,
daß man nicht einerley Leges haben koͤnne. Der Lex naturæ iſt allen
menſchlichen Naturen accommodirt; aber die Leges poſitivæ arbitrariæ
ſchicken ſich nicht vor alle Menſchen, und auf alle respublicas, ſondern
man muß auf den genium populi ſehen. Die orientales und meridio-
nales koͤnnen auf eine gantz andere Art tractiret werden, als die ſepten-
trionales. Tractirſt du die Engelaͤnder, Schweden, und andere ſepten-
trionaliſche Voͤlcker ſo, wie der Tuͤrcke ſeine Unterthanen, oder wie die
Mohren tractiret werden, ſo werden ſie bald den Kopff zwiſchen die Bei-
ne nehmen, und dich herunter ſchmeiſſen. Die meridionales ſind me-
lancholiſch, und thun alles, was man haben will; ſie laſſen ſich tracti-
ren wie die Eſel. Das Clima iſt different, das machet diverſa corpora,
und die diverſa corpora machen diverſas inclinationes. Wer das nicht
glaubt, der hat keine Erfahrung: Denn man kan ſolches leicht wiſſen.
Geſetzt, du biſt ein Europaͤer, du ſetzeſt dich aber nach Bavia, oder in
ein ander Indianiſch Land, ſo wirſt du ſchon nach und nach eine gelbli-
che Farbe uͤberkommen. Das Kind, ſo du zeugeſt, bekommt ſchon ſolche wol-
ligte Haare, wie die Mohren; Es bekommt auch eine gantz andere
maſſam ſanguinis. Daher kanſt du dir leicht einbilden, daß die inclina-
tiones changiren: Denn die Seele richtet ſich nach dem Coͤrper. So
viel diverſitates in dem Gebluͤt ſind, darnach wird auch der Coͤrper ein-
gerichtet. Das Gebluͤt richtet ſich aber nach dem Climate, zum clima
rechnet man Sonnen-Hitze, alimenta \&c. Es wird keiner in dieſem
punct recht geſcheuet, wenn er nicht nach denen Orientaliſchen Laͤndern
reiſet; Oder, wenn er dieſes nicht thun will, ſo kan er nur veritable
Reiſe-Beſchreibungen leſen, da wird er ſeine Zeit gut anwenden, und
daraus erkennen, wie die Leute dort ſo Selaviſch ſeyn. Der genius po-
puli iſt auch ſo beſchaffen ratione vitiorum, daß ſie differiren. Ein po-
pulus
[105]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
pulus iſt wolluͤſtig, wie die Juͤden beſchaffen geweſen, ſie inclinirten ad
otium, ad voluptatem; daher wird man auch finden, daß die Juͤdiſchen
Geſetze ſonderlich dahin gehen, ſie ad laborem anzuhalten, damit ſie kein
otium haben moͤchten: Denn das iſt ein rechter Legislator, ſo die irri-
tamenta aus dem Wege raͤumet. Es ſind e. g. Huren-Haͤuſer, Spiel-
Haͤuſer, Coffée-Haͤuſer, wenn ich da tauſend Leges gaͤbe, daß die Leute
nicht ſolten hinein gehen, ſo iſt es eine Thorheit, und hilfft nichts. Denn
wenn man vor ſo einem Hauſe vorbey gehet, wird man allicirt. Die
Leges ſind mehr als zu ſcharff, welche man giebet, in tanta luxuria, aber
die irritamenta ſind nicht præſcindiret, und ſiehet man, daß es eine ſchlech-
te Legislation. Man findet auch in Juͤdiſchen Geſetzen, es ſolle keine
Hure ſeyn, unter den Kindern Iſrael; aber man ſiehet auch, was vor
Anſtalten deßwegen gemacht worden. Und alſo wenn ich ſehe, daß ein
Volck wolluͤſtig, ſo muß ich die occaſiones præſcindiren, ſonſt helffen die
Leges nichts. Diejenige Republic aber iſt albern, welche die Leges von
andern herhohlet: Denn die leges ſchicken ſich nicht ad genium hujus
populi, weil ein jeder populus andere inclinationes und andere vitia hat.
Manche vitia ſind nicht unter dem Volcke, da thut man abſurd, wenn
man leges deßwegen giebet: Denn da giebt man nur denen Leuten Ge-
legenheit, daran zu gedencken; Daher iſts gut, daß von manchen vitiis
gar nichts in legibus ſtehet. Cicero ſaget, man koͤnnte ſich wundern,
daß der Lex Pompeia erſt gegeben worden, da die Republic ſchon lan-
ge Zeit vorher geſtanden; Allein er ſaget: Vorher habe keiner ein ſol-
ches Scelus begangen; Daher habe man den legem nicht noͤthig gehabt.
Tacitus ſagt gar artig von denen Teutſchen: plus ibi valent boni mores,
quam alibi bonæ leges i. e. Sie haben vor ſich gut gelebt, daß ſie keine
leges gebraucht. Wenn aber der Princeps inclinationes bey ſeinen Un-
terthanen antrifft, welche koͤnnen turbas machen, alsdenn muß er leges
ferre. Man kan hieraus leicht abnehmen, daß, wenn man die Roͤmer
in abſtracto anſiehet, und nicht ihren Zuſtand betrachtet, ſie alberne Leu-
te geweſen, daß ſie nach Griechen-Land gegangen, und da leges gehohlet,
welche doch nicht accommodiret waren, ad genium ihres Volcks. Nicht
anders, als wie wir Teutſchen auch wunderlich geweſen, daß wir fremde
leges angenommen. Simler ſagt gar artig in ſeiner Beſchreibung von
der Schweitz, man koͤnnte ſich wundern, warum die Schweitzer nicht
auch das Roͤmiſche Recht angenommen; allein die Schweitzer waren
ſimple Leute, und moͤchte ſich das lus Rom. wohl vor die Roͤmer geſchickt
haben, vor die Schweitzer waͤre es zu ſubtil. Weil die Teutſchen alle
aus einer race, ex una tribu, ſo kommt es eben daher, daß ſie alle einer-
Oley
[106]Cap. IV.
ley mores gehabt, und wenn man die alten Gothiſchen, Schwediſchen
und andere Teutſche leges anſiehet, ſo wird man finden, daß ſie in ge-
neralibus mit einander uͤbereintreffen. Auguſtus hatte was Gutes im
Sinne, daß er wollte haben, man ſollte nicht ſo viel Knechte manumiti-
ren, damit nicht ſo viel ſerviliſch Blut ſich moͤchte unter die Buͤrger mi-
ſchen: Denn die Knechte waͤren alle Fremde, und ſchickten ſich da die Roͤmi-
ſchen Geſetze nicht. Finden ſich in einer Republie fremde ein, ſo leiden die
alten Geſetze noth; daher hat auch GOtt haben wollen, die Juͤden ſoll-
ten in einem Lande wohnen, da ſie uͤberall eingeſchloſſen, damit kein po-
pulus koͤnne zu ihnen kommen. Alle ihre Staͤdte ſind von der See ent-
fernet geweſen; Er hat auch haben wollen, daß ſie alle populos, welche
ſie faͤnden, ſollten todt machen, damit ſie auf keine Abgoͤtterey moͤchten
fallen, \& ut ſemper lex eadem maneat. Das haben ſie nicht gethan,
welches ihnen nachgehends ſehr geſchadet. Amelot hat auch von denen
Venetianern obſerviret, daß ein Fremder ſich zwar daſelbſt koͤnne auf-
halten, aber wenn er ſich recht niederſetzen wollte, ſo wuͤrde es ihm recht
ſchwer gemacht. Ich habe auch in vielen Reichs-Staͤdten wahr genom-
men, daß ſie nicht gerne wollen Fremde haben; Denn ſie fuͤhren daſelbſt
ein ſehr ſtilles Leben, wenn ſie nur wollen die Fremden intra limites coër-
cere, ſo appelliren ſie, lauffen weg, und machen allerhand Verdrießlich-
keiten. Ja ich halte das vor einen Verfall, wenn man alle Fremde auf-
nimmt, und fragt man offt nicht einmahl, wo die Leute herkommen.
Alſo iſt gut, daß man die peregrinos, ſo viel moͤglich iſt, ſepariret: Denn
dadurch, daß man ſie indiſtincte aufnimmt, geſchiehet es aber, daß man
die leges muß aͤndern, und die alten guten leges zu Grunde gehen laſſen.
Wenn man aber immer an den legibus beſſert, ſo ſehen ſie aus, wie ein
Hauß, daran man immer was bauet, da kommt endlich eine irregula-
ritaͤt heraus. Die beſte harmonie iſt, wenn die leges ſo eingerichtet
werden, daß ſie die cupiditates der Menſchen in Zaum halten, und muß
man freylich auch darauf ſehen, daß die Geſetze gehalten werden; Deß-
wegen muͤſſen judicia ſeyn. Ein Legislator, wenn er geſcheuet iſt, muß
juſtos viros ſetzen, welche die leges exequiren, und daruͤber halten, ſonſt
gehet der lex per contrarium uſum zu Grunde, und iſt eine Anzeige, daß
der Herr nicht gewachet, wenn man ſaget, da iſt der lex; aber er iſt
nicht in uſum kommen. Wenn man die Roͤmiſche Republic betrachtet,
ſo ſind gleich anfangs daſelbſt viele vitia geweſen, welches der Venetia-
niſche Nobilis Paruta vortrefflich gewieſen, und ſchoͤne obſervationes da-
bey gemacht. Denn es war ein Aſylum latronum; einer kam daher,
der andere dort her, und iſt zu verwundern, daß noch ſo eine harmonie
gewe-
[107]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
geweſen. Die Respublica Iudaica aber war von einer race, ſie kommen
alle von Jacob. Wenn wir auch nichts aus der Bibel zu lernen haͤt-
ten, ſo ſind doch die leges forenſes eine cauſa impulſiva, dieſelbe fleißig zu
leſen; nicht zu gedencken, daß wir viam ad ſalutem darinnen finden. In
der hoͤchſten perfection findet man keine Republic, als die rempublicam
Iudaicam: Denn das war eine race; daher konnte man ihnen leges uni-
formes geben, und weil es eine race, ſo hat GOtt geſuchet, eine Gleich-
heit unter ihnen zu erhalten. Es muſte ein jeder was haben, und konn-
te einer nicht reicher und nicht aͤrmer werden, wenn er ſich nicht durch
ſeinen Fleiß etwas zu wege gebracht. Es war kein Edler und kein Un-
edler in der Juͤdiſchen Republic; Sie hatten einerley profeſſion, und
waren Acker-Leute; hatten nur ſolche Handwercker, welche hoͤchſt noth-
wendig waren; alle andere artes, ſo contra ſcopum, haben ſie nicht ge-
habt. Es war eine Republic, welche nicht ſuchte conquetten zu machen,
ſondern ſuchten ſich nur zu conſerviren. Weil das Juͤdiſche Volck in
Egypten geweſen, und die Egyptier groſſe Abgoͤtter waren, ſo war es
auch ſehr zur Abgoͤtterey geneigt. Das braucht keines Beweiſes, wir
ſehen in der Bibel, daß ſie das guͤldene Kalb angebethet. GOtt hat
nun geſucht, alle Gelegenheit der Abgoͤtterey abzuſchneiden; daher weil
ſie doch denen Ceremonien ſehr ergeben waren, und ein populus imita-
tor omnium vanitatum war, ſo hat er ihnen viele Ceremonien gelaſſen;
aber dieſelben von aller Abgoͤtterey gereiniget. Weil das Volck ſehr
wolluͤſtig geweſen, ſo hat er ſie mit ſo vielen Ceremonien uͤberhaͤuffet,
daß ſie immer in Arbeit erhalten worden, ne forte traducerentur ad id,
quod viderant in Ægypto. Das iſt wohl die Haupt-Abſicht geweſen,
bey denen vielen Ceremonien. Man ſiehet auch noch, daß ein Jude viel
zu thun hat, wenn er alles thun will, was in denen Geſetzen vorgeſchrieben.
Da ſie nun wolluͤſtig, und auch Liebhaber der Muſic waren, ſo ſiehet
man, daß der cultus mit vielen Pomp und Muſic angeſtellet worden, wie
Fleury gar artig angefuͤhret. Denn da ſonſt die Leute ſich ſuchen extra
eccleſiam luſtig zu machen, ſo iſt hier die Muſic bey geiſtlichen Dingen ge-
brauchet worden. Nun iſt aber kein Zweiffel, daß GOtt bey den cere-
monieuſen Cultu auch noch andere Abſichten gehabt, und daß ſolcher
mit ſollte ein Fuͤrbild auf CHriſtum ſeyn, unterdeſſen iſt doch der ande-
re ſcopus nicht zu negiren: Denn unius rei plures poſſunt eſſe cauſæ.
Hier kan man den Spener de ritibus Hebræorum leſen, welcher mit einem
groſſen Verſtand geſchrieben, darinnen aber fehlet Spener, daß er negi-
ret, die Ceremonien waͤren bloß deßwegen gegeben worden, um den po-
pulum abzuhalten, daß er nicht auf die Egyptiſche Abgoͤtterey fallen moͤch-
O 2te,
[108]Cap. IV.
te, ſondern ſie ſind vielmehr nur eine concauſa geweſen. Welche Mey-
nung mir ſehr plauſible vorkommt, die auch der Fleury angenommen.
Carolus Siginius hat in ſeinem Buch de republica Ebræorum auch
dieſe Sachen ſehr politiſch conſideriret, ob er gleich kein Hebraͤiſch konn-
te; (Man hat ſein Buch in Bremen wieder auflegen laſſen.) Da nun
GOtt geſehen, daß es ein wolluͤſtiges Volck, welches auf allerhand
Speiſen und Getraͤncke fallen wuͤrde, ſo hat er ihnen vieles verbothen,
daß ſie ſollten eſſen und trincken. Auch ratione der Kleider hat er eine
ſolche diſpoſition gemacht, daß ſie nicht ſollten ad luxuriam gerathen.
Man thut wohl, wenn man ſingulas leges forenſes durchgehet, da kan
man dieſes am beſten ſehen. Bisweilen machet man typos dabey, da
nichts darinnen ſtecket, und es ſind auch gute moraliſche reflexiones, daß
es aber Dei intentio allemahl geweſen, glaube ich nicht: Etwas laſſe
ich davon zu; da gehet einer nicht zu weit, und wirfft auch derer Theo-
logorum Meynung nicht gantz weg. Auch alle Theologi haben nicht
einerley Gedancken, und machet einer dieſe reflexion, der andere jene;
in wenigſten Stuͤcken kommen ſie mit einander uͤberein. GOtt hat auch
treffliche Anſtalten gemacht, daß ſie nicht ſollten ad ſcortationes fallen;
Und eben deßwegen hat er ſie auch ſo logiret, daß ſie nicht ſollten an der
See liegen; damit nicht vitia Gentium zu ihnen kommen, und ſie ad
luxuriam declinirten: Denn der luxus beſtehet aber in cibo \& potu, daß
man mit dem Seinigen nicht zufrieden iſt; man will bald dieſe bald je-
ne fremde Speiſe haben. Die Speiſe auch, welche er ihnen verbothen,
daß ſie dieſelbe nicht ſollten eſſen, ſind entweder ſolche, die der Geſund-
heit zu wider, und nicht zu verdauen, oder ſie ſtimuliren ad libidinem.
Es hat mir ein gewiſſer Medicus in Leipzig geſaget, daß er einen Tractat
unter den Haͤnden habe, worinnen er eben zeigen wolle, daß alle Spei-
ſen, ſo unſer HErr GOtt verbothen, denen Menſchen ſchaͤdlich, und wo
dieſelben die Verdauung nicht hinderten, ſo wolle er doch zeigen, quod
ad libidinem ſtimulent; Ich habe ihn encouragiret, daß er es bald edi-
ren ſollte, denn er verſtehet Hebraͤiſch, und wird es ein trefflicher Tractat
werden: Denn daraus wird man recht begreiffen koͤnnen, daß denen
Juͤden GOtt alle itritamenta abgeſchnitten. Nichts deſto weniger aber/
ob gleich GOtt alles dieſes gethan, ſo hat er doch auch in ſeinen legi-
bus humanitatis rationem nicht vergeſſen. Es ſind freylich ſehr ſcharffe
leges, die leges Forenſes und Leviticæ: doch hat er ihm ob infirmitatem
vieles zugelaſſen, das iſt aber ein Anzeigen eines legislatoris ſapientis.
Die Leges Draconis waren ſcharffe Leges, aber Cicero zeiget, daß ſie
nicht gedauret: Denn man hat die irritamenta nicht weggeſchafft, wie
bey
[109]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
bey denen Juͤden doch geſchehen. Da alſo GOtt auch auf die infirmi-
tatem geſehen, ſo findet man, daß er ihnen divortia polygamiam zugelaſ-
ſen, nicht, daß ich meynete, es haͤtte nothwendig ſo ſeyn muͤſſen, aber
GOtt hat geſehen, wenn er das nicht thaͤte, es waͤre ein boͤſes Volck, ſo haͤt-
te er das Volck muͤſſen ausrotten. Denn vitia erunt, donec erunt ho-
mines. Es iſt impoſſible daß nicht bisweilen Leute ſollten ſeyn, ſo ihren
affecten nachhaͤngen, welche eine imperans doch duldet. CHriſtus ſaget
ſelbſt: Um eures Hertzens Haͤrtigkeit willen hat man vieles nachgelaſ-
ſen: GOtt haͤtte ſie freylich alle koͤnnen ausrotten, er haͤtte nur duͤrffen
laſſen wieder eine Suͤndfluth kommen, aber toleravit; Daher auch, wenn
einer vor einen Weinberg vorbey gegangen, es hat ihn geluͤſtet, er iſt hinein
gegangen, und hat gegeſſen ſo hat GOtt geſagt, das ſollte erlaubt ſeyn, bey
nns iſt man ſchon nicht ſo raiſonnable. Uber die Leges forenſes hat Conſtant.
l’Empereur einen guten Commentarium geſchrieben, es ſollte ſich ein Juriſte
druͤber machen, der Hebraͤiſch verſtuͤnde. Weil die inæqualitas alles Ungluͤck
zu wege bringet, ſo iſt zwar nicht eine durchgaͤngige æqualitas in der Juͤdiſchen
Republic geweſen, doch waren ſie alle frey; keine Nobleſſe war da, ſon-
dern wenn einer mehr war als der andere, ſo geſchahe es durch ſeine
charge, oder durch ſein Alter. Das war was groſſes: denn wo No-
biles und ignobiles gegen einander, da giebt es Verdrießlichkeiten.
Die Nobiles ſind maͤchtiger, und ſuchen die Schwaͤchern zu unterdruͤcken,
dadurch iſt eben die Roͤmiſche Republic zu Grunde gegangen, vid. Sal-
luſt. de Bello Catilia. Die Juden kamen alle von Abraham, und
hatten gleiche nobilitatem, und wenn ja einer ſo liederlich geweſen,
daß er nichts mehr hatte, und ein Knecht werden muͤſſen, ſo kam
er doch beym Jubilæo wieder loß; hatte einer was verſetzt, ſo bekam ers
da wieder; war einer fleißig, ſo hatte er zwar mehr als der andere, und
dieſer war deßwegen nicht arm. Die Guͤter kamen nicht eher auf die
Toͤchter, als wenn keine Soͤhne mehr da waren, die Toͤchter bekamen
entweder gar nichts, oder wenig, ſie hatten keinen dotem, man heyrathe-
te nicht nach Reichthum, ſondern nach affection. Weiln nun die Wei-
ber wunderliche Koͤpfe, und nicht allemahl klug, ſo muſten ſie in tutela
perpetua ſeyn, und hat deßwegen Otto in ſeiner Diſſertation de perpetua
fœminarum tutela gezeiget, daß die perpetua tutela, welche die Teutſchen,
Longobarden, Griechen, und auch vordem die Roͤmer gehabt, ſchon bey
den Juden geweſen, ſo gar war die Mutter in tutela filiorum, die kleinen
Bruͤder waren in tutela der erwachſenen Bruͤder, es war bey ihnen keine
mercatura, die erſt zu Salomonis Zeiten aufkommen, und da taugte ſchon
die Republic und Salomo ſelbſt nichts mehr. Ihre Kleider und Schuh
O 3haben
[110]Cap. IV.
haben ſie ſich ſelbſt gemacht. Sie waren alſo liberi homines, und wenn
ſie jemand braucheten zu Knechten, ſo nahmen ſie ſolche von Fremden,
etwa von denen Arabern, da nun eine æqualitas bey ihnen war, und man
brauchte die Leute nicht zu expeditionibus, ſondern ſuchte nur das Land
zu conſerviren, ſo kan keine felicior reſpublica ausgedacht werden. Ja
es iſt nicht noͤthig eine Rempublicam idealem zu fingiren, ſondern man
darff ſich nur dieſe Republic recht vorſtellen, da kein extreme pauper ſeyn
koͤnnen. Damit auch kein extreme pauper ſeyn ſollte, ſo haben ſie nicht
alles aus denen Weinbergen und von den Aeckern duͤrffen wegnehmen;
ſondern ſie haben ein Specilegium gehabt: Denn es konnte ſeyn, daß ei-
ner viel Kinder hatte, da es kleine portiones ſetzte, daher konnten ſie ſich
hierdurch noch helffen. Der Diebſtahl wurde bey ihnen nicht mit dem
Tode geſtrafft, ſondern mit dem duplo vel quadruplo: Denn diejenigen,
welche geſtohlen, hatten es nur ex avaritia gethan; Dieſes aber kan man
bey uns nicht appliciren: Denn unſere Diebe ſind mehrentheils arm;
deßwegen muͤſſen wir eben auf die Todes-Straffe gehen. De republ.
Ebræorum hat auch Melchior Leidekker 2. Folianten geſchrieben, worin-
nen er den l’Empereur ziemlich excerpiret. Die Lacedemonier haben in
ihrer Republic auch vieles gehabt, ſo mit denen Juͤdiſchen Geſetzen uͤber-
ein trifft, wie Nicolaus Cragius gewieſen, auch Jo. Adolph. Hoffmann
in ſeiner Politica.* Daß man aber den perfectioſiſſimum ſtatum, welcher
bey denen Juden geweſen, nicht bey uns appliciren kan, laͤſſet ſich leicht
aus folgendem ſimili begreiffen: Wir ſind beſchaffen, wie die Leute, ſo
bucklicht ſind, dieſen Leuten muß man ſolche Kleider machen, welche ſich
nach ihren Buckel ſchicken. Wenn nun einer kaͤme und ſagte: Hier
waͤren vortreffliche Kleider, die nach einer guten taille gemacht, man ſoll-
te dieſe dem Buccolomini laſſen anziehen, ſo ſchicken ſich die beyden
Stuͤck-Kugeln, welche er hinten und forne hat, nicht in das Kleid; ja
wenn man ihm ſolches anziehet, ſo will er darinnen erſticken. Eben al-
ſo kan man die perfectiſſimas Leges bey uns gebrauchen, da wir einen ſo
corrupten Zuſtand haben. Es waͤre freylich ſchoͤn, daß wir in einem ſol-
chem Zuſtand waͤren, daß ſie bey uns applicable, gleichwie es bey einem,
der an Kruͤcken gehet, auch beſſer waͤre, wenn er die Kruͤcken koͤnne weg-
werffen. Ob nun gleich gewieſen worden, daß die reſpublica Judaica
ſehr
[111]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
ſehr perfect geweſen. Denn es war darinnen keine inæqualitas; kein
luxus; ſie hatten Deum præſentem; die religio war aͤcht; keine ambition
war da, ſo iſt doch die Republic nachgehends uͤbern Hauffen gegangen.
Denn ſie wollten einen Koͤnig haben, wie ſie nun einen Koͤnig hatten,
bekamen ſie uͤbele Herren, die Geiſtlichkeit hatte viel zu ſprechen, und
nahm ſich ſo viel heraus, ſie fielen auf Abgoͤttereyen, was der Koͤnig
that, thaten ſie auch, da giengen ſie zu Grunde. Es entſtund daneben
das Reich der Syrer und Babylonier, und hat Prideaux gewieſen, wie
ſich dieſe aggrandiret. Da ſie maͤchtig waren, unterdruckten ſie auch die
Juden. Die Juden muſten in die Babyloniſche Gefaͤngniß, ſie kamen
wieder heraus, verfielen aber auf Thorheiten, da denn endlich die Roͤmer
kamen, und ihrem Reich gantz ein Ende gemacht. Prideaux kan hier
wohl geleſen werden, denn er poſtilliret nichts, ſondern hat die Antiqui-
tæten gut ſtudiret, und gehet bis auf die Zeiten CHriſti, wo er aufgehoͤ-
ret hat, faͤnget der Baſnage an. Der Vitringa in ſeiner Introduction ad
Hiſtor. Eccleſ. hat auch vieles hievon beygebracht.
§. 15. 16. Die Gelehrten acquieſciren nicht. Sie haben geſe-De rebuspu-
blicis ideali-
bus.
hen, daß die res publicæ impetu entſtanden, und dieſelben in ſumma im-
perfectione ſtehen; die rem publicam Judaicam haben ſie nicht ange-
ſchauet, ſondern dieſelbe vorbey gehen laſſen. Daher ſind ſie auf ideales
reſpublicas gefallen, dergleichen Plato fingiret hat. Plato war ein durch-
triebener Kopf, wer ihn verachtet, der hat ihn entweder nicht geleſen,
oder aber dasjenige, was er von ihm geleſen, nicht reflectiret. Die We-
nigſten reflectiren uͤber ſeine Sachen, weil er per dialogos geſchi ieben,
die bisweilen ſubtil, und ſchwer zu verſtehen ſind. Da muß man ſol-
che Leute leſen, die faſt ihre gantze Lebens-Zeit mit des Platonis princi-
piis, um dieſelben zu uͤberlegen zugebracht; Dergleichen der Marſilius Fi-
cinus und Beſſarion ſind. Man muß auch in der hiſtoria Philoſophia
verſiret ſeyn, wenn man ihn will verſtehen. Bayle ſagt auch, er glaube
nicht, daß ein Menſch, der kein Chriſt geweſen, vor ſich ſo weit in rebus
divinis avanciret, als eben dieſer Plato. Er hat freylich viele Wahrhei-
ten; wenn er aber auf das Hauptwerck kommt, ſo ſchnappet er doch uͤber,
wie es allen andern ergangen, die keine revelation gehabt: denn ſola re-
volatio weiſet uns in divinis etwas, das eine rechte conſiſtenz hat. Plato
war in Griechenland, und ſahe die confuſion bey denen Griechen, daher
ſchrieb er ein Buch de republica. Er hat wahr genommen, meum \&
tuum parit omne bellum; daher hat er gemeynet, es muͤſſe eine commu-
nion ſeyn, ja er iſt ſo weit gegangen, daß er gemeynet, uxores muͤſten
auch commun ſeyn. Das iſt was naͤrriſches. Deßwegen iſt er auch
uͤberall
[112]Cap. IV.
uͤberall geſtriegelt worden, und haben etliche, welche ſich ſo ſehr in den
Platonem verliebt, gemeynet, Plato habe ſolches nicht defendiret, ſondern
nur als ein problema geſetzet; allein er hat alles als problemata hinge-
ſetzet, indem er per dialogos geſchrieben, und mag es wohl ſeine Mey-
nung geweſen ſeyn. In Summa, ſein Buch de republica hat keinen Men-
ſchen gefallen, nicht, als wenn es nichts taugte, ſondern man findet ſchoͤ-
ne ideas darinnen. Man hat in Engeland auch eine ſchoͤne edition von
dieſem Buch de republica, da es aus vielen MScriptis emendiret worden.
Monſ. Dacier hat es auch ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet. Er hat auch ſchoͤ-
ne Concepte de veritate in dieſem Buch de republica; aber es iſt ohn-
moͤglich, daß man kan eine ſolche Republic anlegen, wie Plato ſich ein-
gebildet. Plato hat auch noch einen Tractat de Legibus geſchrieben, da
hat Hertius gemeynet, daß dieſer eher ad uſum verum applicable, er iſt
aber doch auch ſehr philoſophiſch, und nicht wohl zu appliciren, ja man
erzehlt von Plotino, welcher ein groſſer Anhaͤnger vom Platone geweſen,
daß derſelbe wollen eine Platoniſche Republic anlegen, und der Kayſer
auch alle huͤlffliche Hand dazu geleiſtet, wie aber die Stadt gebauet ge-
weſen, und die Haͤuſer alle fertig, ſo hat er keine Leute koͤnnen bekommen,
welche ſich in dieſe Republic begeben: Denn wir haben lauter homines vi-
tiis deditos, welche bald auf dieſes bald auf jenes Laſter gefallen, vid.
Bayle ſub voce Plotin. Alſo iſt Plato mit ſeiner Republic ausgelachet
worden, und ſagt man von Dingen, die nicht koͤnnen appliciret werden:
hæc optinent in republica Platonica. Andere haben es wollen beſſer ma-
chen, und andere Republiquen fingirt, ſo des Platonis ſeine ſollten uͤber-
treffen, ego vero non credo, ſi excipias binos libellos, 1) des Thomæ
Mori ſein Buch, welches er Utopiam nennet. *Mori Utopia iſt plaiſſant
zu leſen. Herr Thomaſius hat auch geſagt, daß unter denen vielen Buͤ-
chern, welche von den rebuspublicis fanaticis geſchrieben werden, ihm kei-
nes
[113]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
nes beſſer als dieſes gefallen; Es iſt alles raiſonnable, was er geſagt, und
wenn man es compariret mit unſern moribus, ſo ſiehet man, daß unſere
mores naͤrriſch ſind. Dieſes Buch nuͤtzet vortrefflich dazu, daß wir un-
ſere felicitatem nicht bis an den Himmel erheben; ſondern erkennen, es
ſey eine immaginaria felicitas, und gehet es uns wie denenjenigen, welche
meynen, ſie waͤren geſund, die doch das Fieber in hoͤchſten Grad haben.
Man hat das Buch ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet, und vor kurtzer Zeit auch
Lateiniſch wieder auflegen laſſen. 2) Hat Thomas Campanella ein
Buch geſchrieben, welches er Rempublicam Solis nennet. Dieſer Tho-
mas Campanella war ein Dominicaner-Moͤnch, ein Kerl, welcher was
auſſerordentliches an ſich gehabt. * Er hat auch ein Buch geſchrieben
de republica Hiſpania, darinnen er denen Spaniern ſehr viel Fehler ge-
wieſen. Sie haben es deßwegen auch ſo weit gebracht, daß man ihn
in Napoli gefangen genommen, und vor die Inquiſition gebracht, da ſie
ihn auch ſo ſtarck gefoltert, daß ihn die Adern aufgeſprungen, doch ha-
ben ſie ihn nicht ums Leben gebracht, ſondern er muſte ſich im Gefaͤngniß
aufhalten. ** Die Frantzoſen haben es endlich dahin gebracht, daß
der Campanella aus der Inquiſition weg kommen; Er kam hernach nach
Franckreich, woſelbſt auch ſeine meiſten Schrifften in der Koͤniglichen
Buchdruckerey heraus kommen. Seine Reſpublica Solis iſt auch ſo eine
Reſpublica fanatica, welche aber nicht allen wohl gefallen, ſonderlich um
deßwillen, weil er gemeynet, der Koͤnig in ſeiner Republic muͤſſe ein Me-
taphyſicus ſeyn, aber wenn man betrachtet, was er unter dem Wort Me-
taphyſicus verſtehet, ſo kommt es gantz anders heraus, nemlich er will
haben, daß der Koͤnig ſoll koͤnnen demonſtrare, und nach ſeiner Meynung
Preſol-
[114]Cap. IV.
reſolviren ſich alle demonſtrationes in die metaphyſic, wie auch Herr
VVolfius und andere dafuͤr halten. Alſo iſt es eben nicht naͤrriſch, was
Campanella geſagt, und bekommt ſeine Meynung eine gantz andere Ge-
ſtalt; daher iſt einen jeden zu recommendiren, daß er dieſes Buch lieſet.
Das aller geſchickteſte und ingenieuſeſte Buch aber iſt die Hiſtoire des
Severambes, welches zwey Theile ſind, und Frantzoͤſiſch geſchrieben. Der
Autor hat ſich geſtellet, als wenn er ein Frantzoſe, der ſich aber lange in
Engeland aufgehalten, und vornehme Herren informiret in der Frantzoͤ-
ſiſchen Sprache, ſein Nahme iſt Allais, und hat ihn Herr Thomaſius in
ſeiner monathlichen Unterredung am erſten entdecket, da er einen Extract
von dieſem Buch gemacht. Er hat es erfahren von ſeinem Herrn Bru-
der, der in Nuͤrnberg iſt, und in Engeland geweſen, woſelbſt er ſolches
erfahren. Clerc in Holland hat erſt gemeynet, es waͤre Allais nicht Au-
tor; nachgehends aber hat er ſich corrigiret, und geſetzt, er wuͤſte nun
gewiß, daß es Allais waͤre. * Man muß das Buch freylich cum grano
ſalis leſen, im uͤbrigen iſt es aber ſehr ingenicux geſchrieben, und admi-
rable fingirt, welches man daraus ſehen kan: Er fingirt, daß ein Land
in der terra Magellonica entdecket worden, welche ſich die Severamber nen-
neten, welches er ſo wahrſcheinlich gemacht, daß der Lie. Joach. Feller,
ein gelehrter Mann, welcher ſonſt artige Noten uͤber des Hornii Orbem
Imperantem geſchrieben, gemeynet, es waͤre in der That ein ſolches Land,
zuletzt hat er doch gemeynet, es muͤſte fingirt ſeyn, weil die Leute allzu-
tugendhafft. Es iſt auch gut Frantzoͤſiſch geſchrieben, nur muß man die
Frantzoͤſiſche Sprache recht verſtehen, weil viel termini artificiales dar-
innen vorkommen. Er erzehlet, daß das Land von ſeinem Legislatore
Severias waͤre benennet worden. In dieſem Buche hat er zwey Haupt-
Meynungen: 1) die Religion mache turbas, 2) auch die differenten
ſtatus. Da hat er nun erzehlet, was die Leute vor eine Religion haͤtten,
und meynet er, der Severias muͤſſe ein Perſianer geweſen ſeyn. Er hat
gewieſen, daß das Chriſtenthum zwar viel vor ſich habe, aber es waͤren
da ſo viele Secten, weßwegen ſo viele Kriege entſtuͤnden, daher ſcheinet
es, daß er gemeynet, es waͤre am beſten, wenn ſich die Menſchen der na-
tuͤrlichen Religion bedieneten: Denn es waͤren die alten Patriarchen
ebenfalls bey dieſer Religion geblieben, daß er aber ein Atheiſt ſeyn ſoll-
te, wie Morhoff gemeynet, iſt nicht wahr, und hat auch Herr Thoma-
fius gemeynet, daß Morhoff ihn nicht recht muͤſſe geleſen haben. Man
kan
[115]De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
kan nicht ſagen, quod Chriſtianiſmum exſibilet. Er hat endlich auch to-
lerance admittiret, und gemeynet, die Severamber waͤren ſolche raiſonna-
ble Leute, daß ſie auch andern verſtatteten ſich bey ihnen aufzuhalten,
ob ſie gleich nicht von ihrer Religion waͤren, er zeiget aber doch allezeit
ſeinen diſſenſum. Daß man ihn aber Beyfall geben ſollte, die Chriſt-
liche Religion zu abandoniren, weil da viele Secten, gehet nicht an.
Denn obgleich dieſes ein abuſus iſt, ſo kan man doch deßwegen die Sa-
che nicht gaͤntzlich verwerffen. Das andere aber hat er geſcheuet fingi-
ret, da er geſehen, meum \& tuum parit omne bellum, und daß die dif-
ferenz inter potentiores \& minus potentiores ſehr ſchaͤdlich, ſo hat er ge-
wieſen, es gienge ohnmoͤglich an, daß nicht differente ſtatus ſeyn ſollten,
aber er hat es ſo eingerichtet, daß keine charge erblich, ſondern diejenigen
werden nur employret, welche tuͤchtig, und werden auch verſorget, nach
ihrer capacité. Sie leben in communione, aber die communio iſt gantz
anders beſchaffen, als man ſich ſonſten einbildet. Er hat geſehen, die
communio iſt nicht hinlaͤnglich, wenn wir alle opes wollen zuſammen
bringen, denn wenn auch alles zuſammen gebracht iſt, einige arbeiten,
einige arbeiten aber nicht, wer will laſſen einen ignavum mit zehren, al-
ſo hat er gemeynet: Die communio, ſo obenhin vorſtellig gemacht, ſine
ordine, daure nicht. Er ſaget, es ſey ein lex in der Republic, wer nicht
arbeite, der ſolle des Todes ſterben. Sie haben alle ihr diſtinctes Me-
tier, aber alle werden verſorget ex communione; da iſt ein Schaffner,
welcher ſapiens iſt, und alles austheilet, einem jeden nach ſeiner propor-
tion, und nach ſeiner Arbeit; da iſt ein jeder content. Da ſie nun alle
arbeiten, ſo wird keiner von ſeinem ſcopo entfernet. Er hat auch gewie-
ſen, wie die Heyrathen beſchaffen ſind, wie die Weiber nicht bloß choi-
ſiret wuͤrden nach affection, ſondern nach Gutachten des diſpoſitoris, und
derer ſeniorum in illo regno. Dergleichen Republic, wo eine ſol-
che Ordnung ſeyn ſoll, iſt in der gantzen Welt nicht anzutreffen. Alle
Politici haben darauf gedacht, ob ſie nicht koͤnnten optimam rempublicam
depingere. Ariſtoteles hat auch ein Buch hievon geſchrieben, welches
aber verlohren gegangen. Er beziehet ſich in ſeinen Schrifften hin und
wieder darauf. Cyriacus Strozza hat den Ariſtotelem ſuppliren wollen,
ſed non omnibus ſatis fecit. Conring hat noch kurtz vor ſeinem Tode
eine Diſſertation gehalten, de recta in republica optima educatione \&
vita. Hertius hat auch in ſeiner Politic ein eigen Cap. de republica opti-
ma. Er hat auch Part. II. pag. 31. \& 32. eine recenſion von allen denen
Buͤchern, ſo hieher gehoͤren, unter andern referiret er hieher auch mit ein
Buch, welches gar nicht dahin gehoͤret, nemlich des Franciſci Baconis de
P 2Veru-
[116]Cap. IV. De vera cujuslibet ſtatus felicitate.
Verulamio ſeine [Atlanti]dem.* Denn was aber ſeine Atlanditem betrifft,
ſo gehet ſolche dahin: Er hat geſehen, daß unter denen Gelehrten viele
Zaͤnckereyen und Wort-Streite, daher hat er in dieſem Buche gewieſen,
wie man das aͤndern koͤnne, und wie eine ſocietas litteraria anzulegen.
Hertius muß das Buch nicht geleſen haben, ſonſt wuͤrde er ihn nicht da-
hin referiret haben. Der Baco de Verulamio hat auch einen Tractat de
augmentis ſcientiarum geſchrieben, welchen die Engelaͤnder gefolget, und
hernach groſſe progreſſen in mathematicis und phyſicis gemacht. Man
hat auch noch des Octavii Piſani Lycurgum Italiaͤniſch geſchrieben, wel-
chen einer in Sultzbach, Nahmens Hoffmann, ins Teutſche uͤberſetzet.
Es iſt liber ineptiſſimus, und hat Hertius ſchon gewieſen, daß wenig Troſt
daraus zu nehmen. Er gehet ſonderlich darauf, wie die proceſſe zu ver-
kuͤrtzen. Da nun Herr Thomaſius unterſchiedliche Diſſert. geſchrieben,
de abbreviandis proceſſibus, ſo hat er dieſen Lycurgum ſehr geſtriegelt.
Einige Dinge ſind freylich auch darinnen, welche gut ſind, aber bey de-
nen meiſten bekommt man einen Eckel.
nigen welche
gar keine Re-
publiguen lei-
den wollen.
§. 17. 18. Einige haben nun gemeynet, ſie wollten ad Platonis
perfectionem kommen; andere aber haben das Kind mit dem Bad hin-
aus geworffen, und ſagen: Wir koͤnnen keine respublicas felices erhal-
ten; Wo ein imperium iſt, iſt es nichts; laßt uns fromm ſeyn; wir
brauchen kein imperium. Es iſt aber eine mera abſtractio, wenn man
ſagt, wir brauchen kein imperium, wenn wir fromm ſind; und iſt es
eben ſo argumentiret, als wenn ich ſage: Si aſinus volat, habet pennas,
oder wenn eine Kugel ins æquilibrium gebracht wird, ſo kan ſie auf ei-
ner Nadel-Spitze ruhen, wo iſt das æquilibrium? Wo ſind die Chriſtia-
ni veri? Und wenn auch einige Menſchen da, welche perfect ſind, ſo blei-
bet es doch nicht ſo. Wir ſehen zugleich beym Anfang der Welt einen
Cain, beym Noah war ein Cham; und wenn die Enthuſiaſten ſagen,
ſie waͤren wahre Chriſten, ſo ſind ſie die gefaͤhrlichſten Chriſten, abſon-
derlich wenn ſie einen raptum bekommen, unter zwantzig naͤrriſchen Ge-
dancken haben ſie bisweilen einen guten Gedancken, gleichwie man kein
naͤrriſch Buch findet, darinnen nicht auch etwas Gutes angetroffen wird.
Es iſt freylich keine Secte, die nicht auch was Gutes ſollte an ſich ha-
ben, das Gute behalten wir, aber die naͤrriſchen Sachen nehmen wir
nicht
[117]Cap. V. De Mediis ſtatum conſervandi.
nicht an. Daher muß man wohl acht geben, daß man die Enthuſia-
ſten nicht einreiſſen laͤßt. Man kan hierbey noch dieſes mercken. Monſ.
Samuel Sorbiere* erzehlet in einem Brief an den Mazarini, daß als er
in Engeland ſich aufgehalten, und bey einem zu Gaſte geweſen, ſo waͤre
ein Kerl von der compagnie ehe man ſichs verſehen, auf den Tiſch ge-
ſprungen, habe ſich in die Schuͤſſel geſetzt, geprediget, und alle, die um
den Tiſch geſeſſen, verdammt. Da ſagt er eben, vorhero habe er noch
was von dieſen Leuten gehalten, und nicht gemeynet, daß ſie ſo ſchlimm
waͤren, aber nunmehro habe er einen rechten Eckel vor ihnen. Er bittet
auch den Mazarini, daß er ihn moͤchte nach Hauſe beruffen, indem es ihm
nicht mehr da anſtuͤnde, da ſiehet man, daß die Leute dencken, ſie waͤren
alleine fromm, und die andern ſtuͤnden alle in einem verdammlichen Zu-
ſtande.
Cap. V.
de
Mediis ſtatum conſervandi.
Sectio I.
de
Mediis cujuscunque ſtatum conſervandi ſeu Pru-
dentiæ ſtatus regulis generatim.
§. 1-7.
BIsher iſt gewieſen worden, was vor eine felicitas, und was vorDaß man zu-
foͤrderſt auf
den Endzweck
eines jeden
Standes ſehen
muͤſſe.
eine infelicitas vorhanden; Viele haben media geſucht, ſich her-
aus zu helffen, aber die rechten nicht angetroffen; daher muß
man nun betrachten die media, wodurch eines jeden ſtatus conſerviret
werden kan: denn derjenige iſt infelix, qui ſtatum ſuum non conſervat,
derjenige, welcher will finem cognoſcere, den ſcopum verum in unoquo-
P 3que
[118]Cap. V.
que ſtatu, thut wohl, aber die Erkaͤnntniß alleine langet nicht zu, ſie blei-
bet todt, ſie muß erſt lebhafft, practiſch gemacht werden, und muß man
auf Mittel dencken, den finem zu obtiniren. Derjenige, ſo die rechte
Mittel finden kan, iſt ſapientiſſimus; ſimplex aber iſt, der keine gute Mit-
tel findet, und revera aus einem Ungluͤck ins andere kommt. Derjeni-
ge aber, welcher revera aus einem Ungluͤck heraus kommt, iſt ein pragma-
tiſcher, politiſcher Mann, ein homo ſapientiſſimus, der andere iſt nur
homo callidus, welcher wohl Mittel findet, aber ſie langen nicht zu. Die
calliditas iſt imitatrix prudentiæ, und machen zwar homines callidi eine
Zeitlang eine figure, aber ſie erhalten ihren ſcopum nicht, und machen de-
nen Leuten nur einen blauen Dunſt vor die Augen; Sie ſind wie der unge-
rechte Haußhalter, welcher ein Loch zugemacht, und das andere auf.
Man nennet es voluntatem efficacem, wenn einer nicht allein optat, ſon-
dern er ſucht auch, ut felicitatem obtineat. Soll voluntas efficax wer-
den, ſo muß ich prudenter wiſſen Mittel zu choiſiren, welche etwas con-
tribuiren, ut felicitatem obtineam. Man will nicht haben, daß die
Menſchen eben Engel werden ſollen, dahin kan es nicht gebracht werden,
unterdeſſen aber koͤnnen ſie doch ſonſt gluͤcklich werden, wozu drey Stuͤcke
erfordert werden, nemlich: vivat juſte, honeſte, tranquille. In Summa
muß ein Menſch die obligationes connatas wohl in acht nehmen: denn
wenn auch gar kein pactum da iſt, ſo bin ich doch obligirt, dich nicht zu
lædiren. Das waͤre was ſchoͤnes, wenn einer einem wollte uͤber die
Naſen hauen, und wenn man ihn zur Rede ſetzte, warum er es thaͤte?
antwortete er: Er habe kein pactam mit ihm gemacht, daß er ihm nichts
wolle thun. Du bringeſt die obligatio mit auf die Welt. Die Ver-
nunfft ſagt dir, daß du dieſes nicht thun kanſt, und muſt du ein brutum,
ein barbar ſeyn, wenn du denckeſt, du duͤrffeſt alles thun, wie wuͤrdeſt
du dencken, wenn es ein anderer dir eben ſo machen wollte? daher ſind
wir gezwungen pacaté zu leben, ſo wohl in ſtatu naturali als civili. In
ſtatu naturali muß es eben ſo beobachtet werden, und wenn einer iſt, wel-
cher es nicht obſerviret, ſo ſind die andern befugt ihm todt zu machen.
Und wenn mir einer eine Maulſchelle geben will, ſo kan ich es thun:
denn ich weiß ja nicht, ob er bey der Maulſchelle ſubſiſtiren wird. Es
lautet freylich graͤßlich, aber es gehet doch an. Auch wenn ich in ſtatu
civili lebe, und es kaͤme einer, und wollte mir einen circumflex ins Ge-
ſichte hauen, ſo bin ich nicht ſchuldig, ſolches zu leiden, ſondern ich kan
ihn, wenn er nicht zuruͤcke gehen will, uͤbern Hauffen ſtoſſen, weil ich
nicht weiß, ob es bey dem circumflex bleiben werde? Der erſte Grund
iſt alſo, daß wir muͤſſen pacaté leben, und die obligationes inquiſitas in
acht
[119]De Mediis ſtatum conſervandi.
acht nehmen, e. g. von Natur bin ich dir nicht ſchuldig, dieſes oder jenes
zu thun, aber per pactum kan ich mich dazu obligiren; dadurch bekommt
der andere ein jus quæſitum. Aber dieſes iſt noch wenig, und werden
wir dadurch nicht vollkommen. Es iſt ſo zu ſagen eine cauſa ſine qua
non pervenitur ad felicitatem. Daher kan man ſehen, daß die Menſchen
falſch raiſonniren, welche meynen, wenn ſie niemand nichts thaͤten/ auch
endlich ihre pacta aͤuſſerlich hielten, ſo waͤre es gut, wiewohl auch die
meiſten dieſes negligiren, und laſſen ſich par force dazu zwingen. Sind
ſie in ſtatu naturali, ſo ruiniren ſie dadurch ihre Unterthanen, werden
Infames und Larrons genennet; man capiſtriret ſie, ne amplius nocere
poſſint. Der andere Grund der veræ felicitatis iſt: non tantum illas
obligationes externas in actum deducas, ſondern es muß dieſes ferner da-
durch poliret werden, daß einer ſeine affecten daͤmpfet und unterdrucket:
Denn man zwinget wohl die Leute, tam in ſtatu naturali, quam civili,
aber die meiſten ſind doch ſo beſchaffen, daß ſie in affecten ſtecken, und
wenn ſie ſich nicht fuͤrchten muͤſten, ſo wuͤrden ſie keine obligationes beob-
achten, die Furcht haͤlt ſie nur ab, daß ſie nicht in ein aͤuſſerliches ma-
lum fallen. Da iſt noch kein principium conſultativum, deliberativum,
keine potentia rationis. Es iſt nur eine Furcht da, daß er denckt, es iſt
beſſer, daß ich mein Leben und meine bona conſervire, als daß ich die
obligationes negligire. Die affecten præponderiren noch. Die Regul
alſo iſt: ut inclinationes naturales ratione temperentur, und wir nicht al-
lein leben nach dem inſtinctu naturali. Derjenige iſt tugendhafft, qui
ita potens eſt, ut vivat ſobrie, temperanter, \& nunquam avertat animum
a ſcopo; dieſes aber iſt nicht gnug. Du haſt auch mit andern Men-
ſchen zu thun, alſo iſt nothwendig, ut ne alias lædas. Deßwegen muſt
du doch nicht neceſſarie agere, ſed ſponte, ſine ulla coactione, ohne daß
einer ſich dergleichen metum vor Augen ſtellet. Denn es kan einer auch
directe erkennen, was er zu thun ſchuldig ſey, nicht anders, als wie der-
jenige kein honette homme iſt, welcher ex metu zahlet, weil er befuͤrchtet,
er moͤchte in Arreſt genommen werden. Amor virtutis muß da ſeyn.
Ein Tugendhaffter ſiehet, daß unſer HErr GOtt ihn dazu verbunden;
er weiß, daß allezeit die Vernunfft ſoll prævaliren, nicht der inſtinctus
naturalis. Wenn die anima nicht nur das ſal von dem Coͤrper ſeyn ſoll,
ſo muß der Menſch raiſonniren, raiſonniret er nicht, ſo agiret er nur nach
ſeinem inſtinctu naturali; da iſt er kein homo rationalis, ſondern wie ein
ander brutum. Daher pflegen wir auch von einem ſolchen Menſchen
zu ſagen, er lebe wie ein brutum, er hat keine connoiſſance was er thun
ſoll. Hievon wird weitlaͤufftig in der moral gehandelt.
§. 8.
[120]Cap. V.
genug ſey ju-
ſte, honeſte a-
gere; ſondern
es muß auch
das aͤuſſerliche
decorum dar-
zu kommen?
§. 8. Aeuſſerlich aber iſt noch etwas in acht zu nehmen: Denn
wenn du gleich groſſe Tugend haſt, es fehlt dir aber das decens, deco-
rum, ſo iſt es doch nichts. Virtus thut freylich viel, aber ſie hat noch
kein Kleid, damit die virtus wohl ausſehe. Damit man nun dieſes ſen-
ſibiliter erkennen moͤge, ſo iſt folgendes Exempel zu mercken: die Cynici
waren Leute, denen man nichts reprochiren koͤnnen in ihrem Leben, ſie
thaten nichts boͤſes, neminem lædebant, ſuum cuique tribuebant, ſie nah-
men die obligationes connatas in acht, lebten frugaliter, caſte, aber ſie
wurden Cynici deßwegen genennet, weil man ſagte, ſie haͤtten hundiſche
mores. Sie waren zwar tugendhafft, wie man damahls die Tugend
unter denen Heyden abgemahlet, aber ſie hatten keine prudentiam; kein
decorum; waren nulli utiles; konnten ſich auch keine amicos conciliren.
Alle haſſeten dieſelben, ſie concumbirten in publico, alvum exonerabunt
in publico, emittebant urinam in publico. Monſ. de la Mathe le Vayer
hat einen artigen Tractat de la Vertu des Payens geſchrieben. * Darin-
nen hat er gewieſen, was ſie vor ein principium gehabt, ſie ſagten: quic-
quid ſemel licet, ſemper licet, omni loco, omni tempore licet. Nun
iſts erlaubt, concumbere cum conjuge. Ergo kan ich es allezeit thun,
ſemper alvum ex onerare. Das iſt aber das decorum, es giebt einen
Eckel, ein ſcandalum. Die Tugend iſt wohl Tugend, aber ſie muß ſich
auch wohl præſentiren, ut alii alliciantur, hinc neceſſe eſt, ut omne tæ-
dium abſtergas; damit man ſich keine Feinde mache. Das iſt die façon
in der Welt, daß man ſolche Sachen nicht publiquement verrichtet.
Qui coit, der iſt libidinös, das laͤßt er nicht gerne ſehen, und ſchließt ſich
in ſein Kaͤmmerlein, wenn er ſolches thun will. Alvum exonerirt man
nicht publice, weil es faſtidiös, man thut es heimlich, daher hat man die
Oerter auch heimliche Gemaͤcher genennet. Wer nun ſagt: Was frage
ich darnach. Der iſt ein Cynicus, und ſagt ſo viel, licet me omnes ho-
mines odio proſequantur. Wer unter Menſchen iſt, und will nicht ſo
leben wie Menſchen, der muß unter die Thiere gehen. Mit denen im-
perfectionibus ſind auch andere incommoditæten verknuͤpfft, wodurch an-
dere
[121]De Mediis ſtatum conſervandi.
dere Leute geaͤrgert wuͤrden, wenn man es oͤffentlich thun wollte. Man
wuͤrde einen ſolchen Menſchen nicht unter andere laſſen, und muͤſte das
Schwein zu Hauſe bleiben. Dein Hund thut alles publice, wenn du
ihn nicht pritſcheſt; es aͤrgert dich, wenn dein Hund dergleichen Dinge
thut, du ſchlaͤgeſt ihn deßwegen, wie odiös wuͤrde es nicht ſeyn, wenn
Menſchen wollten dergleichen thun. Ich muß einen regard haben auf
andere Menſchen, und ſind diejenigen, welche kein decorum obſerviren,
nicht einmahl recht tugendhafft. Das iſt eine Sache, welche ſchon die
Ariſtotelici geſehen. Jacob. Thomaſius in ſeinen tabulis moralibus ſaget,
wer die virtutes homileticas nicht habe, ſcheine wohl tugendhafft zu ſeyn,
aber er ſey es in der That nicht: denn es fehle das complementum. Es
gehoͤret alſo das decorum mit ad virtutem, und wenn man es ſo propo-
niret, ſo iſt es eine doctrina neceſſaria, welche ein Student nothwendig
regardiren muß, wenn er anders ſeine fortun in der Welt machen will,
zumahlen er mit Leuten umgehen will, die ſich von der Canaille diſtingui-
ren. Ein Lehrer muß auch ſonderlich das decorum in acht nehmen:
denn wenn er gleich tugendhafft iſt, und man ihn kein oͤffentliches Laſter
ſchuld geben kan, er ſiehet aber ſaͤuiſch aus, ſo will niemand etwas mit
ihm zu ſchaffen haben, ſeine wahren Qualitaͤten ſiehet man alsdenn nicht,
weil etwas odiöſes da iſt, er bleibet ein Licht, das unter dem Scheffel
ſtehet, und nutzet der Welt nichts. Wir leben in rebus publicis, wo
eine inæqualitas iſt, und iſt ohnmoͤglich, daß dieſelbe kan aufgehoben
werden, da muß ich auf allerhand Perſonen acht haben, dieſelben ſuchen
zu gewinnen; haben ſie nun einen guten Concept von mir; ſie ſehen mei-
ne guten Qualitaͤten, daß ich ein Licht ſey, welches leuchte, ſo werden ſie
alsdenn auch gerne meine emendationes annehmen. Deßwegen ſind die
Stoici weit angenehmer geweſen, als die Cynici, denn ſie hielten davor,
daß ein Menſch in der Welt nichts beſſers thun koͤnnte, als ut regat,
imperet, leges ferat, \& alios homines alliciat ad leges obſervandas. Die
Cynici und Stoici haben einerley Philoſophie, nemlich principia, aber die
Stoici waren kluͤger, illud odioſum, illam inverecundiam, ruſticitatem
tollebant. Es waren Leute, ſo man brauchen konnte in rebus gerendis,
daher iſt kein Wunder, daß unter groſſen Herren und JCtis die Stoica
Philoſophia angenommen worden. Unſere gantze jurisprudentia iſt mit
principiis Stoicis angefuͤllet, und waͤre zu wuͤnſchen, daß einer einen Tra-
ctat ſchriebe, und per ſingulos titulos unſers Corporis Juris wieſe, was
ex principiis Stoicis herkaͤme. Profeſſor Otto hat eine Diſſertation de
Stoica JCtorum Philoſophia gehalten, und darinnen verſprochen einen
Tractat zu ſchreiben, allein es iſt leicht eine Oration davon zu halten, aber
Qein
[122]Cap. V.
ein Buch zu ſchreiben iſt ſchwer. Merillius hat in ſeinen Obſervationi-
bus 2. Cap. von dieſer materie. Die Stoici ſagten: ſie haͤtten Philoſo-
phiam non aſtutum, ſed germanam, welche mit praxibus, mit hominibus
zu thun hat. Non in hortis philoſophabantor ut Epicuri, deßwegen nen-
neten ſie auch Philoſophiam Epicuream ſimulatam, ſie ſagten, in der That
ſey es keine Philoſophie, weil ſich die Epicurei von denen Menſchen ſepa-
rirten. Joh. Sam. Stryck hat eine Diſſertation gehalten de Jure liciti, ſed
non honeſti, darinnen er gemeynet, die Stoici waͤren Urſache, daß das
decorum entſtanden ſey, weßwegen er aber von allen, auch von dem
Barbeyrac reſutiret worden. Das decorum iſt ſein Tage geweſen, daß
ich ſolches gebrauchen muͤſſe, wenn ich mit dir wolle umgehen, oder dich
ſonſt noͤthig gehabt. Wir ſehen, was Jacob vor Complimente gemacht,
da er ſeinen Bruder Eſau geſucht zu gewinnen; Hoc eſt verum, daß ſich
die Stoici dadurch ſehr recommendiret und avantage zu wege gebracht,
da man hingegen die Cynicos verachtet. vid. Prof. Siebers in Leipzig Diſ-
ſertatio de Cynicis.
rum ſey?
§. 9. 10. 11. Was nun die definitionem decori betrifft, ſo iſt
kein Zweiffel, daß man hier nicht uniformes definitiones hat, und defi-
nirt es einer ſo, der andere wieder anders; ſehen wir aber auf rem ipſam,
ſo koͤnnen wir bald die definition heraus bringen. Wo ein decorum
iſt, da ſiehet man nicht allein auf ſich. Denn wenn man allein iſt, ſo
machet man keine ceremoniel, man waͤſchet ſich wohl, und reiniget ſich,
weil es einem incommodiret, wenn man nicht rein iſt, und uͤberlaͤſt man
es da eines jeden ſeinem arbitrio. Iſt man allein, ſo thut man vieles,
welches ſich nicht ſchicket, wenn man in converſation iſt. Hier aber ent-
ſtehet die Frage: Wenn einer unter andern Menſchen iſt, es ſind homi-
nes inæquales, oder wenigſtens ſolche, die du braucheſt, wie man ſich ver-
halten ſoll? Reſpond. Du muſt dich nach ihnen richten, und aller der
Freyheit, welche du ſonſt gebrauchen kanſt, entſagen. Das iſt der erſte
paß, daß ich reflectire auf andere Menſchen, die neben mir ſind. Man
braucht das decorum ſowohl, wenn man mit inæqualibus zu thun hat,
als auch bey æqualibus, wenn ich ſolche brauche, e. g. Groſſe Herren
ſind unter einander æquales, aber wenn ſie einander brauchen, ſo brau-
chen ſie die groͤſte Hoͤflichkeit, alles nehmen ſie genau in acht. Wenn
ſie auch bisweilen uneinig geweſen, ſie brauchen aber einander, ſo wer-
den ſie durch die Complaiſance wieder einig. Wir leben ſub imperio;
ſub imperio iſt eine inæqualitas, und wenn wir auch alle egal waͤren, ſo
wollen wir doch des andern Freundſchafft erwerben, oder wenigſtens
ihn nicht zum Feinde haben, alſo muß ich mich accommodiren. Ich
habe
[123]De Mediis ſtatum conſervandi.
habe auch obligation ſolches zu thun: denn ich bin ja nicht allein in der
Welt, daß ich ſoll pacate leben, ſondern ich muß auch amice leben, und
iſt eine groſſe Gluͤckſeligkeit, wenn ich viele kan gewinnen. Deßwegen
hat niemand mehr auf das decorum zu ſehen, als ein Lehrer, weil der
ſuchen muß andere zu gewinnen. Die Freyheit, welche ich mir ſonſten
nehme, wenn ich alleine bin, iſt nicht allen Leuten angenehm. Es iſt kein
Zweifel, daß das decorum ſchwer, weil man ſeiner Freyheit entſagen
muß. Daher wird man ſehen, ein Kerl, der ein ruſticus iſt, iſt commod,
und will nicht gerne in compagnie gehen, wo vornehme Leute ſind, er iſt
gerne unter ſeines gleichen, weil er ſich da kan auskleiden bis aufs
Hemde: Wenn er auch ſoll in compagnie vornehmer Leute ſeyn, ſo laͤſt
es ihm, als wenn er auf Nadeln ſaͤſſe; weil er ſich muß zwingen. Der
natuͤrlichen Freyheit ſind wir gewohnt, das thun wir gerne, und wenn
wir uns muͤſſen zuruͤck halten, ſo macht es uns dolores; daher iſt gut,
daß man die Leute angewoͤhnet, fruͤh morgens ſich recht anzukleiden, und
den gantzen Tag in Kleidern zu gehen, denn wer fruͤh morgens ſo im
Schlaffrock herum gehet, und nicht einmahl Hoſen anziehet, dem ver-
drießts, wenn er ſich ſoll anziehen, dadurch aber kan einer ſich allerhand
Verdrießlichkeiten zu ziehen; dieſes muß alſo in die definitionem decori
mit gerucket werden: tollatur tædium. Aber quær. Wie kan man die-
ſes affirmative, poſitive deutlich machen? Reſpond. Eben dasjenige er-
wecket ein faſtidium, was andere Leute nicht thun, als einer der ſehr
commode iſt, wie die Hollaͤnder; deßwegen auch dieſelben nicht ange-
nehm ſind. Man muß imitari alios, und thun was andere thun, aber
was? Reſpond. Man muß imitiren actus indifferentes, und weil das de-
corum ein ſupplementum prudentiæ, ſo muß auch einer dasjenige thun,
was andere Menſchen in indifferenten actibus thun, aber doch, was ſol-
che Menſchen thun, die mir egal, denn wenn ich wollte Koͤnige imitiren,
das wuͤrde ſich nicht ſchicken. Ich muß auch darauf reflectiren, wen
ich vor mir habe. Denn es changiret das decorum; aliter me gero er-
ga ruſticum, aliter erga regem. Durch das decorum kan man erkennen,
wer was vollkommenes hat: denn es ſind Leute, welche juſte leben, aber
non placent omnibus, ſie haben was tædiöſes an ſich. So wunderlich
wird einer nicht ſeyn, daß er meyne alle actus, welche die Menſchen thaͤ-
ten, waͤren neceſſarii. Man hat alſo auch actus indifferentes. Viele
haben davon geſchrieben, aber die Sache nicht eingeſehen. Mittel-Din-
ge ſind eigentlich, die man nicht eben thun muß, e. g. Ein Mittel-Ding
iſt, daß ich meinen Huth abziehe, einen reverence mache, oder wenn ich
in der Tuͤrckey bin, den Bund nicht abziehe, ſondern denſelben nur mit
Q 2der
[124]Cap. V.
der Hand beruͤhre. Es verdrießt einen ſehr, wenn der andere den Huth
ſitzen laͤßt. Je tiefer einer den Huth abziehet, je angenehmer iſt es dem
andern; daher ſagt man auch: pileo parantur amici. Das bleibt aber
doch eine indifferente Sache. Geſetzt nun, ich waͤre ein Teutſcher, kaͤ-
me aus Conſtantinopel zuruͤck, und wollte mich ſo auffuͤhren, wie es die
Tuͤrcken thun, wenn die Leute daͤchten, ich naͤhme den Huth ab, ſo griffe
ich nur dran, ſetzte man mich zur Rede, warum ich den Huth nicht gantz
abzoͤge, ſo antwortete ich, ich machte es Tuͤrckiſch, da wuͤrde mich ein je-
der auslachen. Alſo wird keiner ſagen non dari indifferentes actus.
Sie bleiben indifferent; wenn ich aber ſolche brauche, ſo habe ich einen
guten Endzweck darunter, nemlich, damit die Leute nicht einen ſchlechten
concept von mir bekommen, wie wuͤrde es nicht laſſen, wenn ich ange-
zogen kaͤme mit einer groſſen Muͤtze, mit einem groſſen Saͤbel, mit al-
bernen Struͤmpfen, einen Mauſefarbenen Rock und Zeißig-gruͤnen Fut-
ter; ein jeder wuͤrde mich anſehen und auslachen. Daher iſt es auch
was albernes, wenn Cavalliers aus Franckreich kommen, alles wollen
nachmachen, wie ſie es dort geſehen. In Franckreich, wenn man bey
Dames iſt, ſetzet man den Huth auf; Hingegen wenn es einer in Teutſch-
land thun wollte, wuͤrden ſie ihn alle anſehen, und wohl fragen: Ob es
ihm nicht wohl waͤre? Sagte er: Er lebte nach der Frantzoͤſiſchen mode,
ſo wuͤrden ſie dencken, der Kerl ſey nicht klug. Man kan alſo viel tæ-
dioſa an ſich haben, welche an andern Orten auch tædiös. Alles reſol-
viret ſich dahin, wer will decens ſeyn, muß tædioſa removiren; daher ſagt
man offt von einem: Bey Hofe koͤnne er ſeine fortun nicht machen, weil
er das decens nicht habe, er ſtolpert, kan nicht recht gehen, hat einen Ka-
tzen-Buckel, kan keine reverence machen, er iſt nicht ſo erzogen. De-
corum malum iſt in der That kein decorum: denn vitium iſt nicht de-
cens. Wenn einer gleich was gutes an ſich hat, er iſt aber grob, ſo haſ-
ſet man ihn, und das Gute, das er hat, iſt verborgen. Die Tugend iſt
freylich decens, und virtus indecens iſt keine Tugend; nur muß man die
mores inconditas weglaſſen, ut virtus in oculos incurrat; ich muß mich
nach andern accommodiren, e. g. es iſt indifferent, ob ich an meiner
paruque eine groſſe oder keine fronte trage, aber wenn alle kleine fron-
ten tragen, ſo muß ich mich accommodiren; damit ich mich nicht ridi-
cule mache. Man gehet faſt lieber in der Welt mit einem Menſchen
um der laſterhafft iſt, wenn er nur noch einiges exterieur hat, als mit ei-
nem, der ſich ridicule machet, welchen die Jungen nachlauffen. Ich
habe einen Profeſſorem in Altorff gekennet, welcher in Spanien gewe-
ſen, und ſich in ihre moden ſo verliebt, daß er beſtaͤndig ein Spaniſch
Kleid
[125]De Mediis ſtatum conſervandi.
Kleid getragen, und in Winter ſetzte er eine groſſe Muͤtze auf die peru-
que; daher, wenn er nach Nuͤrnberg kam, ſo lieffen alle Jungen hinter
ihm drein. Wer klug iſt, machet ſich eben nicht viel hieraus, aber la
canaille raiſonniret hier nicht. Weil nun die prudentia nicht ſine judi-
cio, ſo wird man ſehen, daß man bey der prudenz acht geben muß auf
den Stand, Alter, locum, ſexum. Uberall habe ich darnach mein de-
cens einzurichten, wer redet als wie ein miniſtre, und iſt keiner, der koͤmmt
in ein ander Fach, und machet ſich ridicule; Es iſt nicht anders, als wenn
ein Bauer ſich will auffuͤhren, wie ein Doctor, oder wie ein Edelmann.
Dieſes decens iſt alſo ein affectus prudentiæ, quo abſtergimus tædium,
ut alios poſſimus lucrifacere, wenn wir imitiren actus indifferentes. Da-
bey ſiehet man am meiſten auf dignitatem ætatem. Wenn ein junger
Menſch thut, wie ein alter, ſo ſagt man zum Spott, er thut, als wenn
er ſchon alt waͤre, und wenn einer ſchon alt iſt, und er iſt verliebt, ſo
lachet man ihm aus. Wenn ein junger Menſch einmahl ein Liebes-
Finckgen bekommt, den wird es nicht ſo verdacht, als wenn ein alter
Ziegenbock Luſt dazu bekommt. Man muß es ſo einrichten ut appateat
virtus. Virtus erſcheinet, wenn man ſiehet, es thut einer alles das, ut
alios lucri faciat. Paulus hat ſelbſt das decorum in acht genommen, er
hat nihil peregrini affectiret. Ich muß ſolche Dinge imitiren, welche
nicht vitu perabiles. Daher wenn e. g. das Vollſauffen mode, ſo ſauf-
fe ich mich nicht mit voll, wollen Leute einem forciren zum Sauffen, ſo
kan man wohl etwas mit trincken; hernach aber muß man ſimuliren,
daß es etwa ſeiner Geſundheit ſchaͤdlich. Aber keine naͤrriſche raiſons
muß einer allegiren, wenn er nicht trincken will, als wie einer ſeines Koͤ-
niges Geſundheit nicht trincken wollen, weil es wider die Reichs-Abſchie-
de, weßwegen man ihn ſehr railliret, und auch Verſe darauf gemacht.
Und alſo wenn man exterieur recommendiret, ſo ſupponiret man auch
ein interieur, ſonſt kommt kein recht decorum heraus. Bisweilen iſt
man neceſſitiret, einen actum mit zu machen, der einen ſelbſt mißfaͤllet,
e. g. es iſt eine maſquerade, da ſchadet es nicht, wenn ich es gleich mit
thue. Es iſt eben, als wenn ein groſſer Herr ſpielte, er ſtuͤnde auf, und
ſagte, ich ſollte eine Zeitlang vor ihm ſpielen, wer wollte deßwegen ſagen,
ich waͤre ein Spieler, und haͤtte eine groſſe inclination zum Spiele, da
ich doch froh bin, wenn ich abgeloͤſet werde. Daher iſt kein Zweiffel,
daß ein Hofmann, der a la Cour leben muß, doch das decens obſervi-
ren kan, \& a vitiis immunis erit, wenn er klug iſt. Wenn ich einen
actum vitioſum ſehe, kan ich ja ſehen, daß ich Uhrlaub bekomme, und
kan ſagen, ich waͤre unpaͤßlich. Ich thue dieſes ex neceſſitate. Deßwe-
Q 3gen
[126]Cap. V.
gen werde ich nicht unpaͤßlich. Es iſt dieſes keine Luͤgen, ſondern nur
ein falſum. Mendacium nocet, falſum non, ſed interdum juvat \& me
conſervat a multis malis alioquin peragendis. Ja wenn lauter geſcheu-
te Leute da waͤren, die unſere Freunde waͤren, ſo haͤtten wir mein Ta-
ge nicht noͤthig zu ſimuliren, oder diſſimuliren, aber da wir einen Hauf-
fen Feinde haben, und es ſaget einer alles heraus, wenn er auch noch ſo
tugendhafft, peribit. Veritas ſimulanda \& diſſimulanda eſt. Diejeni-
gen, welche wider dieſe Meynung ſind, thun es doch actu, \& tamen, dum
in cathedra ſtant, donnern ſie auf dieſe doctrin ſehr loß. Herr Buddæus
ſagt auch in ſeiner Theologia morali, man habe ſonſt ſehr viele dubia
dawider gemacht, aber man koͤnnte ſimpliciter ſagen, falſi loquium eſt
licitum. Eraſmus hat defendiret, falſiloquium ſey nicht erlaubt, aber er
hat allerhand exceptiones ſuchen zu machen, denn als ein Fraͤnckiſcher
von Adel, Ulrich von Hutten, von ihm Geld borgen wollte, ſo ſagte er,
er habe kein Geld, deßwegen reprochirte ihn einer in einen Brief, und
ſagte: Eraſmus ſtatuirte, man ſollte kein falſiloquium begehen, und doch
habe er eines begangen, weil er Geld hatte, und dem Hutten keines ge-
geben, worauf er geantwortet, er habe wohl Geld, aber nicht vor
den Ulrich von Hutten. Grotius aber ſagt in ſeinem Jure B. \& P. das
ſey nur eine chicane, welche der Eraſmus hieruͤber gemacht. Alſo kan
gar wohl auch bey dem decoro eine ſimulatio und diſſimulatio angehen:
Denn dadurch werden die affecten ſupprimiret. Hochſtetter in ſeinen
Collegio Puffendorffiano hat auch die maſque abgezogen, und geſtehet:
Daß, wenn man nicht admittiren wollte, daß man ſimuliren und diſſi-
muliren koͤnnte, ſo muͤſte man ein hauffen exceptiones machen; Wo
es nicht nothwendig iſt, da waͤre es albern, wenn man ein falſoloquium
brauchen wollte, ja es iſt alsdenn ein incedens, die Leute werden es ge-
wahr. Manche connectiren ſchlecht in ihren falſis, ſie fragen nach etli-
chen Tagen wieder darnach, und wenn einer etwa alsdenn ſaget, er wuͤ-
ſte es ſich nicht mehr zu erinnern, ſo ſichet man, daß er ein homo vanus,
ſtultus, die Leute ſind ihm nicht gut, und ſagen: es iſt wohl ein huͤbſcher
Menſch, aber es gehet nichts wahres aus ſeinem Munde. Sonſt aber
iſt eben keine obligation da, daß ich einen alles ſagen muß, und geſchie-
het ihm kein Tort, wenn ich nicht alles ſo frey heraus ſage.
ſtand im Re-
den.
§. 12. Sermo gehoͤret vornemlich zum Exterieur, denn wir koͤn-
nen nicht immer zu Hauſe ſeyn, wir muͤſſen auch mit andern converſiren.
Es ſind pauci vitam contemplativam habentes. Ja es iſt nicht einmahl
gut, ut homines operam dent vitæ contemplativæ. Das iſt eben der
Fehler bey denen Catholiquen, mit dem Moͤnchs-Weſen, daß ſo viele
muͤſſen
[127]De Mediis ſtatum conſervandi.
muͤſſen ins Cloſter gehen, daher nennet man es auch vitam contempla-
tivam, und wenn man von denen Alten lieſet, daß ſie ad vitam contem-
plativam condemniret worden, wie es dem Thaſſiloni, Hertzogen in Bayern,
ergangen, ſo iſt es nicht anders, als daß ſie ins Cloſter gehen muͤſſen.
Es iſt beſſer, daß wir homines pragmatici ſind, und mit einander con-
verſiren. Die Abſonderung iſt nur ein remedium, wenn alles corrum-
pirt. Der Petre Lamy in ſeiner Theologie Morale ſagt auch, es ſey kein
ordinarium, allein zu ſeyn, ſondern extraordinarium. Extra ordinem
geſchiehet es, daß es heiſt ſolus agas cum ſolo donec tranſcat corruptio.
Man muß in der Welt nur in converſation ſeyn. Alſo iſt einem jeden
Menſchen geſagt: loquere ut te videam: Denn wenn einer in converſa-
tion iſt, und nicht redet, den reprochiret man. Ich habe eine Perſon
geſehen, welche ſieben Stunden in compagnic geſeſſen, und konnte nie-
mand ſagen, daß er ein Wort von ihm gehoͤret, als wenn eine Geſund-
heit getruncken worden, ſo hat ſie ein wenig gemurmelt; Jederman nahm
das uͤbel auf, man urtheilete, es waͤre ein ſpion: Denn man glaubet
nicht, daß er anderwaͤrts auch nicht redete. Man muß alſo keinen
Stummen agiren, ſonſt wird man einem ſolchen feind, und iſt es ſehr
indecens, wenn einer gar nichts redet. Dicis: Er kan nichts reden?
Reſpond. Da iſt es bey der Auferziehung verſehen worden. Cato, ſo
ſeveur er auch geweſen, ſo war er doch kein tummer Kerl, und hat er ſei-
ne Kinder allezeit laſſen mit ſpeiſen, wenn er gleich jemanden bey ſich ge-
habt. Sie waren in infima parte lecti: Denn die Roͤmer haben lie-
gend geſpeiſet, wie die orientales. Man muß die Kinder laſſen alle zwey
bis drey Tage etwas erzehlen, damit ſie reden lernen: Denn die Bau-
ren koͤnnen nicht reden, wenn ſie was erzehlen ſollen, und muß man ih-
nen immer drein helffen; Daher muß man die Kinder bald dazu ge-
woͤhnen. Wenn man nun aber redet, ſo muß man doch einen Unter-
ſcheid machen, und muß man nicht das Maul alleine haben wollen:
Denn der alleine das Wort hat, docere videtur, in conſervation laͤßt
man ſich gar nicht gerne dociren. Es iſt alsdenn aliquid indecens, wenn
einer zuviel redet, und iſt pedantiſch, denn ein pedant, welcher die Kinder
informiret, redet immer gantz allein, ceteri tacent, filent. In converſa-
tion aber wollen andere auch reden. Nicht zu gedencken, daß wenn ei-
ner gantz alleine redet, bey ihm das alte Spruͤchwort eintrifft: ubi mul-
tum loquentiæ ibi parum ſapientiæ; Denn wer viel redet, der uͤberlegt we-
nig, und bringet alſo viele ſottiſen mit drunter vor, woraus das Spruͤch-
wort leicht demonſtriret werden kan; Deßwegen iſt eine groſſe pru-
dentia noͤthig ratione ſermonis, und ratione quantitatis in ſermone. Wer
teden
[128]Cap. V.
reden will in converſation, der muß de rebus reden, raro de perſonis. Cato
hat nicht leiden wollen, daß uͤber ſeiner Tafel von einem andern geſpro-
chen worden, welches eine groſſe generoſité von ihm geweſen iſt. Wer
dieſem Catonem recht kennen will, der muß den Plutarchum leſen. Er
ſagt: Man wuͤrde von andern Leuten ſelten was Gutes ſprechen, daher
ſagt Hobbeſius, man thaͤte am kluͤgſten, wenn man am ſpaͤteſten aus ei-
ner compagnie heraus gienge: Denn es waͤre die naͤrriſche façon unter
den Menſchen, daß wenn einer fortgienge, ſo redeten die andern von ihm.
Wenn einer von andern Leuten uͤbel ſchwatzet, und ein ander hoͤret es,
ſo mißfaͤllt es entweder ihm, oder wenn es ihm auch gefaͤllt, ſo trauet er
dir doch nicht mehr, odio de proſequitur, fugit, te, ſonderlich wenn man
wahrnimmt, daß er ohne viele raiſon, von andern Leuten ſchwatzet. Die
Schwatzereyen von andern Leuten ſind auch mehrentheils ſo beſchaffen,
daß man was dazu ſaget, denn in compagnie will man nicht vulgaria
ſagen, das hoͤren die andern nicht gerne, ſondern es ſollen ſingularia, pa-
radoxa ſeyn; Da ſetzt denn einer was dazu, ut calumniatur audaciter.
Hieraus ſiehet man, daß noch viel abſurder iſt, wenn einer von ſich
ſelbſt redet, und machet ſich eine eloge, als wie man von Salmaſio ſa-
get, daß wenn er von ſich geredet, habe er allezeit den Huth abgenom-
men, dieſes erzehlet Menage in ſeinen Menagianis. Homines jactabundi
habentur pro hominibus vanis. Man ſiehet, daß ſolche Leute ſind ange-
ſchwaͤngert mit einer Liebe gegen ſich ſelbſt. Das begegnet offt Leuten,
von denen man ſonſt in alio capite einen guten concept hat. Und ob-
gleich Salmaſius zu ſeiner Zeit ein hochgelahrter Mann geweſen, der eine
lecture und jugement gehabt, ſo hatte er doch in dieſem Stuͤcke einen
groſſen Fehler. Saluſtius ſagt von einem ſolchen Menſchen: Sanior an
ſtultior. Und wenn einer auch ſonſt meriten hat, weßwegen er kan ge-
liebet werden, ſo muß er es doch nicht ſelbſt ſagen, gleichwie auch keiner den
andern ins Geſicht loben muß: Denn den haͤlt man fuͤr einen Schmeich-
ler, Luͤgner. Da ein honette homme nicht gerne von ſich was redet,
ſo laͤſt er ſich auch nicht gerne loben; und wer ein bißgen geſcheuet iſt,
der bittet vor, ihm zu verſchonen, wenn ein anderer kommt, und ihn lo-
ben will. Was ein rechtſchaffener Mann iſt, der hat einen herrorem
davor. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer ein Carmen ma-
chet, und einen gar zu ſehr lobet. Dem Friderico Wilhelmo machten
einsmahls die Studenten in Franckſurth an der Oder ein Carmen, und
uͤberreichten es ihm auf den Fecht-Boden, worinnen ſtunde: Du mehr
als halber GOtt; daruͤber war Fridericus VVilhelmus ſo boͤſe, daß er
auf die Erde ſtampffte, und ſagte: Du mehr als gantzer Narr. Man
ſichet
[129]De Mediis ſtatum conſervandi.
ſiehet ſolche Lob-Spruͤche vor einfaͤltig an. Wenn einer von einem
gut reden will, ſo mag er es in abſentia thun, und præſenter kan er
doch auf eine andere Art zeigen, daß er einen æſtim vor ihm habe. So
iſt es auch beſchaffen, wenn einer ſchreibt, und prahlet immer von ſich,
da ſichet man, daß er ins Haſen-Fett getreten, und alle Gelehrten ſind ei-
nem ſolchen feind; Wenn man auch einen ſolchen Feind railliret, ſo kan man
ihm nur zeigen, wie er von ſich angeſchwaͤngert, was er vor ein lacta-
bundus. Wollte man einem Menſchen was Boͤſes wuͤnſchen, ſo koͤnn-
te man ihn nur wuͤnſchen, ut perpetuo in hac via maneat, damit die gan-
tze Welt erfahre, daß er nicht eine Linſe von Weißheit beſitze. Viel-
mehr muß einer, wenn er von ſich ſelbſt redet, alles ſuchen zu cachiren,
bis es noͤthig iſt, von ſich ſelbſt zu reden, e. g. ich ſoll meine Unſchuld ret-
ten, da kan ich wohl von mir ſelbſt reden, aber in compagnie habe ich
das nicht noͤthig. Mſr. Callieres in ſeiner manier zu leben, hat eine Dame ein-
gefuͤhret, zu welcher eine andere ſagt, ſie wollte gerne einmahl einen Gelehr-
ten in converſation haben, die Dame aber antwortet: ſie haͤtte kein plaiſir an
Gelehrten, weil dieſelbe immer docirten, und diſputirten, daher wird man
leicht ſehen, daß, gleichwie man nicht allein muß reden, alſo muß man auch
in compagnie nicht diſputiren: Denn es gehoͤret nicht dahin. Wenn man
acht giebet, und betrachtet diejenigen, welche in converſation diſputiren, ſo
wird man ſehen, daß ſie nicht die intention haben, die Wahrheit heraus zu
bringen, ſondern nur, daß die andern dencken ſollen, was ſie vor Helden waͤ-
ren, wie ſie koͤnnten der Sache ins Maul greiffen, und wenn die Haaſen al-
le beyde wollen recht haben, ſo gerathen ſie einander endlich in die Haa-
re, und bekommt die compagnie was zu lachen. Es heiſt vielmehr: Seria
in craſtinum. Inter pocula non eſt diſputandum. Will einer ſerieux
ſeyn, ſo kan er zu Hauſe bleiben, oder er kan auf die Cantzel, oder den
Catheder gehen. Kommt aber einer in converſation, ſo verlanget man
nicht Leute welche ſerieux, ſondern man will ſich da ein wenig ſoulagi-
ren, damit man nicht in beſtaͤndiger Arbeit iſt. Man redet da allerhand
nuͤtzliche Sachen, aber es lauffen auch viel Dinge mit unter, welche nicht
den Strich einer auſſerordentlichen Gelehrſamkeit koͤnnen bekommen. Ich
habe einen groſſen Mann gekannt, wenn er ins Reden kam, ſo konnte
er nicht wieder aufhoͤren, und auf die Letzte ſieng er gar an Lateiniſch zu
reden, welches freylich nicht zu approbiren. Poiret, ob er gleich ein Qua-
cker geweſen, welche ſonſt nicht viel auf converſation halten, ſagt doch
in ſeinem Tractat de eruditione ſolida, es ſey nichts abſurders, als inter
pocula zu diſputiren, und waͤre es contra decens finem \& ſcopum. Quær.
Ob man auch railliren und Schertz in compagnie treiben koͤnnte? Reſp.
Wenn ich einen Krancken beſuche, ſo muß ich mein Geſicht in gantz an-
Rdere
[130]Cap. V.
dere Falten ziehen, ich muß mich traurig ſtellen, weil derjenige, welchen
ich beſuche, ſich zum Tode præpariret, ich muß lauter ſevera reden, und
ſuche ich ihn entweder zu troͤſten, oder ich will Abſchied von ihm nehmen.
Hergegen iſt einer unter Geſunden, wer wird prætendiren, daß man al-
lezeit ſolle ſeria reden. Daher iſt kein Zweiffel, daß Schertzen erlaubet,
wenn man unter guten Freunden iſt. Wer allen Schertz will aus der
Welt hinausjagen, der iſt nicht anders als der, ſo kein Saltz will auf
dem Tiſche leiden. Der Schertz beſtehet in ingenieuſen Ausdruͤckun-
gen, welche ſich alle in ſimilia reſolviren, ein ſolcher Menſch iſt geſchickt,
prompt, wie man denn findet, daß alle ingenieuſe Leute prompt ſind,
welche wiſſen alles dasjenige, was ſie gelernet, und geleſen, geſchickt zu-
ſammen zu hengen. Was kan alſo wohl der Schertz vor Unfug an-
richten, wenn man was ingenieux imprimiret, und zugleich galant, daß
keine Sau-faute mit unterlaͤufft. Viele koͤnnen den Schertz nicht lei-
den, das ſind homines triſtes, Melancholici, welche kein ingenium ha-
ben, und alles ſo frey heraus ſagen; aber ſie muͤſſen ſich offt ſelbſt wun-
dern, uͤber die artigen Einfaͤlle, ſo andere haben, und doch ſind ſie allen
Schertz feind, Man muß auch nicht allezeit ſchertzen vor Leuten, wel-
che ambitieux ſind: Denn ſie meynen ihr reſpect werde lædiret, wenn
die andern ſich ſo luſtig auffuͤhren, daher muß ſich einer der luſtig iſt, bey
vornehmen Leuten wohl in acht nehmen, ſonſt wird er ſich durch ſeinen
aufgemunterten Geiſt mehr diſrecommendiren, als recommendiren; Es
waͤre denn, daß die vornehmen Leute ſich ein wenig relachirten, alsdenn
gienge es eher an. Bey dem Schertz findet ſich auch eine raillerie, eine
raillerie attaquiret, die iſt nicht angenehm. Ja wenn ich inferiores vor
mir habe, die koͤnnen etwas vertragen, und machen eine reverence, wenn
ſie railliret werden. Daher pflegen offt groſſe Herren ſolche zu railliren/
und haben ihr plaiſir daran, damit ſie hoͤren, was ſolche antworten;
aber wer die Groſſen attaquiret, der macht ſich ungluͤcklich, denn es ſind
wenige, welche ſolches vertragen koͤnnen, und dem Louis XI. und Caro-
lo IX. in Franckreich gleich kommen. Denn Carolus IX. hat leiden koͤn-
nen, daß ihn der Poet, Pierre Ronſard, oͤffentlich in compagnie railliret,
hundert findet man, welche nicht ſo geſinnet ſind, und hat mancher Menſch
ſeine fortun dadurch ruiniret. Wenn einer gleich Fehler an ſeinen Herrn
ſiehet, ſo muß er thun, als wenn er tumm, taub, und blind waͤre. Noch
naͤrriſcher iſt, wenn einer einen oͤffentlich in Schrifften railliret, als wie
es der Rabutin de Buſſy dem Louis XIV. gemacht, weßwegen ihn der
Koͤnig zu ſich ruffen ließ, zeigte ihn eine paſſage, und fragte: ob er nicht
damit auf ihn geziehlt? wie er nun ſolches mit Ja beantwortet, ſo ver-
lohr
[131]De Mediis ſtatum conſervandi.
lohr er ſeine General-Lieutenants-Stelle, und muſte in die Baſtille gehen,
er kam zwar aus der Baſtille heraus, wurde aber an einem Ort nach
Bearn gebracht, und durffte nicht wieder nach Pariß kommen, welches
ihm ſehr chagrinirte. Sein Buch des adverſités, welches er an ſeine
Kinder geſchrieben, iſt wohl zu leſen, und findet man es bey ſeinen uͤbri-
gen operibus. Wenn auch gleich groſſe Herren erlauben, daß man ſie
kan railliren, ſo verdrießt es ſie doch heimlich, das hat eben des Patkuls
ſeinen Fall verurſachet. Eine Satyre muß man nicht anders gebrauchen,
als ein remedium contra ſtultiſſimos, qui nocere poſſunt, und doch in der
præſumtion ſtehen, als wenn ſie dem Staat groſſen Nutzen ſchafften, da
muß man ſolche ridicul machen, ut omnes cum odio proſequantur. In
dem Leben des Boileau, welches ein Prediger in Engeland ediret, findet
man eine artige paſſage hievon. Dieſer ſagt: Obgleich der Boileau ein
groſſer Satyricus geweſen, ſo habe er doch keinen angefallen, ſondern er
habe nur die Satyre gebraucht, als ein remedium, und habe die ſtultiſſi-
mos, qui nocere poſſunt, ridicul gemacht. Alſo findet man, daß eins-
mahls die Jeſuiten durch den Beicht-Vater, dem Pater Tellier, und die
Madame Maintenon es bey Koͤnig Louis XIV. ſo weit gebracht, daß er
einen arreſt darauf geleget, und verbothen, im gantzen Reich keine andere
Philoſophie zu dociren, als die Ariſtoteliſche, weil die Carteſianiſchen und
Gaſſendiſchen principia im Reich groſſen Schaden thaͤten. Der Boileau
machte dieſerwegen eine Satyre, und zeigte darinnen, was vor incommo-
ditaͤten daraus entſtehen wuͤrden, wenn man nur die Ariſtoteliſche Phi-
loſophie dociren wollte. Er communicirte ſolche etlichen guten Freun-
den, welche machten, daß ſie der Koͤnig in die Haͤnde bekam, dem ſie
ſo wohl gefiel, daß er den arreſt aufgehoben. Die Jeſuiten meldeten
ſich gleich bey dem Koͤnige, und bathen den Koͤnig, daß er wenigſtens
befehlen moͤchte, man ſollte die Satyre ſupprimiren, weil ſie ſo ſtarck dar-
innen durchgezogen waͤren. Der Koͤnig ließ den Boileau in ſein Cabinet
kommen, pardonnirte ihn, aber er muſte verſprechen, daß er ſie in keines
Menſchen Haͤnde wollte weiter kommen laſſen, daher iſt auch die Satyre
lange nicht bekannt geweſen, als nur en general. Wie nun aber der
der Boileau todt, und man des Boileau opera in Holland auflegen laſſen,
ſo hat man auch die Satyre denen Jeſuiten zur ewigen Schand mit bey-
drucken laſſen. Es zeiget der Schertz gar keinen contemtum erga Deum
an, denn Deo quoque ſua conſecratur hora. Man muß aber nicht im-
mer bethen, und wenn man ſolche Leute betrachtet, die immer bethen,
ſo wird man ſehen, daß viele Tavtologien heraus kommen. Man kan
einem durch Schertz ſolche Dinge zu verſtehen geben, welche ihm nicht
R 2wohl
[132]Cap. V.
wohl anſtehen, oder man kan auch von Dingen, die einem wohl anſte-
hen per allagorias, per ſimilia, oder auch metaphoras reden, und wer ſol-
che wohl anbringen kan, iſt ingenieux. Alle abſurda, falſa koͤnnen ri-
dicule vorſtellig gemacht werden, daher kan man nicht abſolute ſagen,
alles dasjenige was ridicule vorſtellig gemachet wird, iſt boͤſe. Bey ei-
nem falſo ſetzet einer was, das nicht zu einem Dinge gehoͤret. Das ri-
diculum iſt, und iſt es ein Anzeigen, das einer eine force von der Logic
hat, welcher das, was abſurdum iſt, kein ridicule vorſtellig machen.
Wer dieſes nicht glauben will, der kan nur erſt eine Wahrheit directe hinſe-
tzen, und ſolche beweiſen, da wird er ſehen, daß alsdenn das falſum gleich
wird ridiculum ſeyn; Alles was ich per directum demonſtriren kan, kan ich
auch per abſurdum demonſtriren, da brauchet man nun etliche phraſeologien,
etliche ingenieuſe Redens-Arten, ſo wird es ſatyriſch. Niemand aber will ger-
ne ridicule ſeyn, daher muß man davon abſtrahiren, und wenn ich unter
guten Freunden bin, die ich etwa will dociren, ſo muß ich omne ridicu-
lum removiren. Man muß dergleichen ſatyren gebrauchen zur defenſion,
wie einen Degen. Wer ſchertzen will, muß nicht von ſolchen Dingen
ſchertzen, die einer ſagen kan, dem gleich gilt verum dicere. Obſcœna
muß man auch nicht ſagen. Man kan freylich zeigen daß an dem gan-
tzen Menſchen keine obſcœna membra, ſondern alle muͤſſen nothwendig
ſo ſeyn, daher man auch nicht noͤthig hat, mit der Madame Bourignon
und dem Monſ. Sateur zu ſagen, in ſtatu integritatis waͤre an dem Ort
eine Naſe geweſen, wo die genitalia ſind. Alle membra haben ihren
ſcopum, und iſt derjenige vielmehr impotens, ſi ipſi natura aliquid nega-
vit. Aber weil das opus generationis mit vielen imperfectionibus ver-
geſellſchafftet, mit der libidine, und wie die Menſchen Eſſen und Trincken
mißbrauchen, ſo thun ſie ſolches auch ratione veneris. Eigentlich ſoll es
auch bey dem opere generationis ordentlich zu gehen, und bekommt die-
jenige Republic eine affreuſe Geſtalt, wo alles hurt, denn wo keine Auſ-
erziehung iſt, bekommt man Diebe, Spitzbuben. Alſo iſt das keine
respublica bene ordinata, wo zugelaſſen iſt, vagas libidines zu exerciren.
Was die Lacedaͤmonier hierinnen vor Ordnung gehalten, davon kan
Nachricht geben Thomas Cragius, ein Daͤne, in ſeinem Tractat de Re-
publica Lacedemon. Ubbo Emmicus hat auch von denen Griechiſchen
Republiquen geſchrieben; * Die res publicas græcas hat er recht politiſch
be-
[133]De Mediis ſtatum conſervandi.
beſchrieben. Man hat ſonſt dem Bayle beygemeſſen, als wenn er vieles haͤtte,
welches nach denen Reguln einer ſtrengen moral nicht koͤnte legitimiret wer-
den. Aber was dieſen punct betrifft, ſo ſagt er ebenfalls, daß es eine affreuſe
Geſtalt, wenn keine Ordnung da waͤre. Es iſt kein Mittel, die Republic zu
emendiren, als daß man die ſcandala wegnimmt, die irritamenta, alsdenn
wird ſchon eine Ordnung entſtehen. Wer redet nun wohl gerne von
ſolchen imperfectionibus in converſation, und wer billiget, daß man ei-
nen in converſation ſollte excitiren? Derjenige wird wohl fuͤr einen Sot
paſſiren, wer erzehlen will, was er vor einen Grind-Kopf in ſeiner Ju-
gend gehabt. Alſo iſt auch derjenige ein Thor, welcher das gantze opus
generationis her erzehlet. Es ſey nun ſolches licitum oder illicitum, ſo
hat es doch aliquid imperfectionis wegen unſerer affecten, und will einer,
der davon erzehlet, entweder zeigen, was er vor Thaten darinnen ge-
than, oder er will andere irritiren. Wenn auch Leute zuhoͤren, welche
nicht fromm ſind, ſo verdrießt es doch ſolchen Leuten, daß er ſo heraus
platzt. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer durch Umſchweiffe
ſolche Dinge vorbringet. Beſſer hat viele Gedichte geſchrieben, welche
in Leipzig zuſammen gedruckt worden, worinnen freylich viele ſind, die
man loben muß. Unter andern beſchreibet er auch ein Fraucnzimmer,
welches er nackend geſehen, da ſagt derjenige, ſo die præfation gemacht,
er habe daſſelbe ſo beſchrieben, daß es auch von denen allerkeuſcheſten
Ohren kan angehoͤret werden. Als ich das Buch in der Neuen Bi-
bliothec recenſiret, ſo habe ich dazu geſetzt, ich glaubte nicht, daß es der
Beſſer gemacht, und wenn es auch wahr, daß es mit groſſer Behutſam-
keit geſchrieben, ſo koͤnnte ich mir doch nicht einbilden, daß es nicht
Schaden thun ſollte. Denn grobe Zoten thun keinen ſolchen Schaden,
wenn Frauenzimmer da iſt, und hoͤret ſolches, ſo gehen ſie weg. Aber
wenn ein Paſtor Fido redet, der hat delicate expreſſiones, das thut weit
mehr Schaden, weil er ingeniös redet, da denckt man nach, und wird
irritiret. Ich glaube, daß mehr Leute ſind verfuͤhret worden durch den
Paſtor Fido, als durch einen Harlequin, der ein Flegel iſt. Ich habe da-
bey ein paar Paſſagen aus einem Italiaͤner allegiret, welcher auch ſaget,
es haͤtten viel Leute durch den Paſtor Fido Schiffbruch gelitten, weil lau-
ter Liebes-Sachen darinnen, ſo einen irritiren. Man ſiehet alſo, daß
ein ſolcher keinen Verſtand hat, und iſt es eben ſo, als wenn einer woll-
te per metaphoram de ſtercore reden. Es ruiniret einer dadurch bey ge-
ſcheueten Leuten ſeine Fortun. Deßwegen iſt es auch eine injurie, wenn
einer ſo grobe Zoten bey einem Frauenzimmer redet, denn will er ſie da-
durch irritiren, ſo haͤlt er ſie vor eine Hure, will er ſie vor eine Hure
R 3hal-
[134]Cap. V.
halten, ſo kan ſie ihm injuriarum belangen. Es giebt auch Leute, wel-
che Schertz machen, und die Bibel mißbrauchen, welches auch nicht ge-
ſchehen ſoll, ſonderlich wenn man es bey objectis illicitis thut. Kein
Menſch hat einen guten Concept von einem ſolchen, der das thut. Deß-
wegen kan man nicht ſagen, daß ein ſolcher ein Atheiſt, ſondern es kommt
davon her, weil er es von Jugend auf ſich ſo angewoͤhnet. Die diſci-
plina Chriſtiana kommt uͤberein mit der diſciplina rationali, ſie ſaget eben,
was die Vernunfft ſaget. Hier wird die Theoria gezeiget und die praxis.
In Theoria aber aus der revelation lernen wir, wie wir es ſollen ausuͤ-
ben, was wir vor media ergreiffen ſollen. Man kan auch aus der Bi-
bel zeigen daß die Alt-Vaͤter ſelbſt geſchertzet; aber alles hat ſeine Zeit,
man muß es temperiren, ein Weiſer laͤchelt ein wenig, ein Narr aber
uͤberlaut. Man muß ſich auch im Reden angewoͤhnen, daß man nicht
ſo geſchwinde redet. Das gehet gar wohl an. Demoſthenes hatte eine
ſchwere Rede, hat aber dieſelbe doch geaͤndert. Unſere Teutſche Spra-
che ſchickt ſich gut langſam zu reden, wie auch die Lateiniſche, aber die
Frantzoͤſiſche wird geſchwinde geſprochen, und laͤſt es ſehr affectiret,
wenn man dieſelbe will langſam ſprechen, und hat Campejus Vitringa
angemercket, daß ihr Clima ſo beſchaffen; da hergegen es wunderlich
wuͤrde laſſen, wenn die Spaniſche Sprache geſchwind geſprochen
wuͤrde.
ſtand in Ge-
berden und im
Gange.
§. 13. Es kan ein Menſch nicht beſtaͤndig ſtehen, auch nicht ſte-
hen wie eine Statue oder Saxum immobile. Sein Leib iſt ſo gemacht,
und alle Gliedmaſſen ſind ſo eingerichtet, daß ſie ſich bewegen, und
wenn die Bewegungen des Leibes mit denen ideis, ſo wir in unſerer See-
le haben, correſpondiren, ſo nennet man ſolches geſtus. Man kan alſo
nicht prætendiren, daß man gar keine Bewegung des Leibes ſoll vorneh-
men in compagnie. Wir koͤnnen vielmehr offt mit denen geſtibus eben
das exprimiren, was man ſonſt mit verbis thun kan. Die Roͤmer hat-
ten auch eloquentiam geſticulariam. Hortenſius war ſo beredet geſtibus,
wie Cicero verbis. Man kan ja durch die Augen mit einander reden,
welches die Verliebten am beſten verſtehen. Alſo kan man nicht leug-
nen, daß wir unſern Willen durch reverence und per obſequium an den
Tag legen. Da muß ich ſehen, was an dem Orte façon iſt. Ein
grenadier ziehet die Muͤtze nicht ab, ſondern greifft nur daran, wollte
das ein anderer nachmachen, ſo waͤre es ein indecens, und das indecens
wuͤrde ihn ridicule machen. Es wird eine groſſe Kunſt erfordert, ſich
in geſtibus recht aufzufuͤhren, e. g. Wenn einer einen reverence machet,
daß er nicht hinten hinaus ſchlaͤgt, ſondern machet, wie es ordentlich
ſeyn
[135]De Mediis ſtatum conſervandi.
ſeyn ſoll; Er muß es nicht eben machen wie auf dem Tantzboden, ſon-
dern mit diſtinction. Wenn einer mit vornehmen Herren redet, ſo muß
er nicht ſtehen, als wenn ihm ein Scheid im Ruͤcken, das laͤßt nicht, der
Kopf muß herunter. Wenn man bey ſeines gleichen iſt, ſo kan man
wohl gerade zugehen; aber wenn es ein Vornehmer iſt, den ich noͤthig
brauche, durch welchen ich meine Fortune machen will, da muß es an-
ders ſeyn. Daher iſt allen Leuten zu rathen, daß, wenn ſie auch nicht
ſpringen wollen, doch nur um deßwillen auf den Tantzboden gehen, daß
ſie lernen einen rechten reverence machen. Hernach muͤſſen ſie freylich
ſelbſt reflectiren wie tieff ſie es bey einem jeden machen muͤſſen; obſervi-
ret es aber einer nicht, ſo halten ſie ihn vor ſtoltz, vor hoffaͤrtig, denen
Hoffaͤrtigen aber widerſtehet man. Mancher iſt noch ſtoͤltzer, hat aber
potenz dabey, und thut hernach dem andern Tort. Ich weiß einen
Mann, der gute qualitaͤten hatte, man hatte aber die opinion von ihm,
daß er ſtoltz waͤre, daher er unterdrucket worden. Mancher meynet es
nicht boͤſe, iſt aber nur ſo ein Pengel, daß er ſteiff gehet, dem iſt jeder-
mann nicht gut: doch muß es einer auch nicht machen wie ein Hund,
und nicht zeigen, daß er ſchmeichele, denn es kommet auf das medium,
auf eine prudenz an. Wenn einer wollte bey uns einen Spaniſchen
reverence machen, das wuͤrde ſich nicht ſchicken; Hergegen am Kayſer-
lichen Hof muß einer einen Spaniſchen reverence machen; drum heißt
es: Si fueris Romæ \&c. Den Fecht-Meiſter muß einer auch nicht neg-
ligiren, denn das Fechten hilfft dazu, daß der Leib eine rechte taille be-
kommt, und man geſchwind wird. Wenn einer Fuͤſſe hat, welche keine
rechte Form haben, ſo werden ſie durch das Fechten gantz anders, und
deßwegen muß man das Fechten nicht negligiren, und wenn auch das
Fechten zur defenſion nichts nutzte, ſo macht es doch den Leib geſchickt.
Daher wenn ein ſolcher in Krieg gehet, ſo kan er ſich dreymahl umwen-
den, ehe ſich ein anderer einmahl umwendet, man lernet es auch, daß
man kan recht zuhauen, und nicht hauet wie ein Maͤdgen. Das Reiten
thut auch viel, und ſiehet es ſehr elend aus, wenn einer nicht gut zu Pfer-
de ſitzet. Leute, ſo von condition ſind, muͤſſen bisweilen tantzen, und
wird einer deßwegen nicht gleich verliebt, wenn er einmahl mit einem
Frauenzimmer herum ſpringet. Die ſaltatio giebt auch ſpiritus, und
machet einen allard. Man muß alſo auf Univerſitaͤten die exercitia nicht
negligiren, und wenn man ſie treibet, ſo kan man doch darneben was
ſtudiren. Die ſie negligiren, wollen ſolche hernach in Franckreich ler-
nen, da es ihnen aber dreymahl ſoviel koſtet, und ſtehet noch dahin, ob
ſie einen guten Maitre bekommen. Es hat freylich ein Menſch auf ſehr
vieles
[136]Cap. V.
vieles acht zu geben, und wer die Hiſtorie mit Verſtand lieſet, der wird
finden, daß es ſein Tage ſo geweſen. In denen VVittekindo Corbejenſi,
welcher ein Moͤnch in dem Cloſter Corbey geweſen, findet man ein por-
trait von Ottone M. und ſeinem Bruder Henrico. Da ſagt VVittekin-
dus Corbejenſis: Otto M. waͤre ein majeſtaͤtiſcher und geſchwinder Herr
geweſen; wenn Geſchwindigkeit von noͤthen geweſen, ſo waͤre er gelauffen
wie ein junger Menſch: Hergegen, wenn er in Pomp und Herrlichkeit
ſollen erſcheinen, ſo habe er ſich koͤnnen ein Anſehen und gravitæt geben.
Aber Henricus waͤre nicht ſo angenehm geweſen, der habe immer aus-
geſehen, als wenn er boͤſe waͤre. Auf den vultum koͤmmt viel an, wer
ſein Geſicht in Runtzeln ziehet, wie der Elephant ſeine Haut, wenn er
damit will Fliegen fangen, der hat keine Liebe bey andern Leuten. Man
kan vieles an ſich beſſern, und ſich alle die Dinge abgewoͤhnen. Man-
cher machet ein wunderliches Maul, da iſt er gluͤcklich, wenn es ihm je-
mand ſaget, daß er es aͤndert. Mancher, wenn er gehet, ſchlenckert
mit der Hand, wie der Saͤemann im Evangelio, das giebet gleich ein
uͤbeles Anſehen, daß man ſich einen ſchlechten concept von ihm macht.
Man kan nicht ſine geſtu ſeyn, aber man muß auch nicht extravagiren.
Manche Leute drehen einem wohl gar einen Knopf vom Kleide, wenn
man mit ihnen ſpeiſet, oder klopffen einem auf die Achſeln, welche uͤbele
Gewohnheiten ſich einer alle abgewoͤhnen muß.
ſtand in Klei-
dern.
§. 14. 15. 16. Ohne Kleidung kan man nicht alleine nicht ſeyn, ſon-
dern auch nicht ohne Kleidung, die ein wenig kuͤnſtlich iſt. Einige ſagen,
man koͤnnte ſich mit Schaaf- und Ziegen-Fell kleiden, wie Iſaacs Frau
den Jacob gekleidet. Allein man findet auch ſchon bey denen Juͤden,
daß, da dieſelben kuͤnſtlicher worden, ſo haben ſie allerhand Zeuge verfer-
tiget, und ſich Kleider daraus gemacht, vid. Ioh. Braunius in Tractat de
veſtitu Ebræorum. Dieſes iſt alſo deßwegen zu mercken, weil wir biß-
weilen mit Leuten zu thun haben, welche nach der erſten façon leben wol-
len; aber es iſt nicht noͤthig, warum ſollten wir nicht andere Kleider tra-
gen, dadurch wir es uns commoder machen koͤnnen? Man ſiehet frey-
lich, daß das einen Stoltz und luxum anzeiget, wenn einer eine neue mo-
de anfaͤngt, aber das kan ein jeder thun, daß, wenn alle ſich darnach
richten, er auch ſolche mode annehme, und wuͤrde er abſurd handeln,
wenn er ſolches nicht thaͤte. Die Apoſtel ſind hergegangen wie die Ju-
den, und hat Braunius gewieſen, daß tunica Chriſti eben ſo beſchaffen
geweſen. Die Propheten haben beſondere Kleidung getragen, welches
aber ſeine beſondere Urſachen gehabt: denn wenn einer was paradoxes
an hat, ſo ſehen die Leute auf ihn; ſie wollten aber haben, daß die Leute
auf
[137]De Mediis ſtatum conſervandi.
auf ſie ſehen ſollten, deßwegen hat Johannes Præcurſor eine beſondere
Kleidung angehabt, damit die Leute auf ihn ſehen moͤchten, was er vor
Wunder thaͤte. Wir ſind keine Propheten, hierinnen duͤrffen wir alſo
denen Propheten nicht nachahmen. Wenn alle Leute kleine Huͤte tra-
gen, und ich trage einen groſſen, ſo mache ich mich ridicule. Dicis:
Manche Moden ſind doch ſuͤndlich, die kan ich nicht nachthun? Wie
man vordem die groſſen fantangen getragen, ſo ſagen ſie, habe man
Exempel, daß Kinder mit fantangen gebohren worden, welches ein An-
zeigen, daß dieſe mode GOtt nicht gefallen. Allein hoch und niedrig iſt
eine indifferente Sache; Wenn alle hohe fronten auf denen peruquen
tragen, ſo darff ich keine kleine tragen, und wenn groſſe Herren was an-
fangen, ſo ſind gleich andere, die ſolche imitiren. Bey denenjenigen
aber, welche Tag und Nacht drauf dencken neue moden aufzubringen,
iſt es nicht indifferent, hoch und niedrig; daher iſt wohl wahr, daß derje-
nige, ſo neue moden aufbringet, kan pecciren, er iſt inconſtans homo,
aber diejenigen, welche es nachmachen, pecciren nicht. Wie die Mada-
me la Fantage bey dem Koͤnig in Franckreich in groſſen credit ſtund, ſo
fiel ſie eben darauf groſſe fantangen zu tragen, aus Franckreich kam es
nachgehends bald in andere Laͤnder, da denn die Prediger anfiengen er-
ſchrecklich drauf zu ſchmaͤhlen. Bayle aber ſagt in ſeinem Diction. Hiſt.
Crit. ſub voce Habit und Fantange; das alles habe nicht geholffen.
Denn da alle zuſammen groſſe fantangen getragen, und eine haͤtte wol-
len alleine kleine tragen, ſo wuͤrde ſie ſeyn ausgelachet worden. Man
kan aber eben nicht ſagen, daß es GOtt mißfallen, denn es werden ja
auch andere Kinder mit allerhand Zeichen gebohren. Bayle ſagt: Wenn
ſie haͤtten wollen haben, daß die Leute ſolche nicht mehr tragen ſollen, ſo
haͤtten ſie die Fuͤrſten-Kinder dahin bringen ſollen, daß ſie ſolche nicht
mehr getragen, alsdenn wuͤrden ihnen die andern gefolget ſeyn; Jetzo
haben die Prediger, was ſie laͤngſt verlanget, da ſie nunmehro kleine
fantangen tragen, welche nur als ein Nacht-Zeug ausſehen, deßwegen
findet man aber nicht, daß die Leute ein beſſeres Leben fuͤhren als vorher.
Es iſt nicht auf ihr Predigen ankommen, und wenn ſie jetzo die Predi-
ger wollten hoch haben, ſo wuͤrden ſie lange predigen muͤſſen ehe es ge-
ſchehe. Bayle hat cit. l. gewieſen, wie ſie ſich proſtituiret. Monſ. de
la Mathe le Vayer erzehlet von Carolo V. daß, als er einsmahls von ei-
ner Kugel in Nacken geſchrammet worden, ſo habe er das Haar gantz
kurtz laſſen abſchneiden, weil er keines an den Ort leiden koͤnnen, da ha-
ben ihm alle im gantzen Reich gefolget. Hergegen in Franckreich haͤtten
ſie das nicht gethan, ſondern lange Haaͤre getragen. Es kan ſeyn, daß
Svon
[138]Cap. V.
von beyden Seiten Leute in Himmel kommen. Man weiß manch-
mahl nicht, wo eine mode herkommt. Die Schneider und Kaufleute
ſind offt daran Urſache: denn wenn die mode geaͤndert wird, ſo laſſen
ſich die Leute neue Kleider machen, dadurch verdienen ſie Geld. Es
kommt dabey auf die phantaſie der Leute an, e. g. In Preußiſchen traͤgt
man kleine Aufſchlaͤge, welche aber denen Sachſen nicht gefallen, die
groſſe tragen. Wer in dieſer materie gut reuſſiren will, und viele con-
cluſiones ſehen, der muß des Bellegard opuſcula leſen, worinnen ſchoͤne
Sachen enthalten, vor Frauenziminer ſind die opera der Mad. Scudery
zu recommendiren, welche ſehr elcquent geſchrieben ſind. Sie hat bey
der Academie Françoiſe etliche mahl den hoͤchſten Preiß davon getragen.
Der Koͤnig konnte ſie wohl leyden, und iſt ſie auch bey vielen vornehmen
Leuten gelitten geweſen. Wenn man alles will zuſammen kauffen, was
ſie geſchrieben, ſo kan man ein klein Fach damit anfuͤllen. Sie iſt uͤber
90. Jahr alt worden, und vor kurtzem geſtorben. Der Monſ. Courtin,
welcher den Curtium uͤberſetzet, den der Koͤnig in Franckreich als Am-
baſſadeur an den Koͤnig Carl Guſtav geſchickt, hat einen Traité la Civi-
lité Françoiſe geſchrieben, welcher deßwegen zu recommendiren, weil er
die raiſons zeiget, warum die Franzoſen dieſes oder jenes haben. Sonſt
hat man von ihm auch einen Traité du veritable point d’honneur. En general
kan man auch brauchen den de la Cafa, und den Guazzium, de civili
converſatione, welches beydes Italiaͤner ſind, und Italiaͤniſch geſchrie-
ben, man hat ſie aber ins Lateiniſche uͤberſetzet: die meiſten aber von de-
nen Frantzoſen ſind hierinnen am wenigſten zu æſtimiren. Das decorum
koͤmmt alſo ex charitate, ich habe da abundantiam charitatis, indem ich
da nichts boͤſes thun darff, ſondern ich muß indifferentia imitiren; da-
mit ich andere Menſchen nicht von mir removire, ſo accommodire ich
mich; omne tædioſum \& ſordidum abſtergo. Man wird auch ſehen,
daß die civilité, welche man ſo ſehr urgiret, eine raiſon hat, und alles das
andere, was ihr contrair iſt, tædioſum iſt; Einer, der lachet, daß man
es uͤber drey Haͤuſer hoͤren kan, iſt allen Leuten incommode. Es exeri-
ret ſich das decorum par tout in allen Staͤnden, bey Kaufleuten, Hand-
wercks-Leuten ꝛc. jede haben ihr beſonderes decorum.
Hinderniſſen
der Gluͤckſe-
ligkeit.
§. 17. 18. 19. Wenn ich gleich ſage, derjenige, welcher gluͤck-
lich werden will, muß wiſſen, quid ſit felicitas, er muß de fine ſcopo in-
ſtruiret ſeyn, media haben, welche ſind virtus, juſtum \& decens; ſo giebt
es doch noch viele obſtacula, wenn ich will honeſtus, juſtus ſeyn. Man-
cher wollte gerne ſein fortune machen, wenn nur eine Gelegenheit da waͤ-
re, da finden ſich aber offt groſſe obſtacula. Die obſtacula kommen
offt
[139]De Mediis ſtatum conſervandi.
offt ex ipſa re: denn manches negotium iſt arduum, und hat eine groſſe
etendüe; daher muß ein homo ſapiens ſuchen ſolche zu removiren, wor-
innen ihn keiner imitirt, als der homo ambitioſus. Hier ſind die media
generalia nicht hinlaͤnglich, ſondern man muß ad ſpecialia gehen. Der
Autor haͤtte erſt ſollen handeln, de obſtaculis ex rebus oriundis, und iſt
das die Pferde hinter den Wagen geſpannet, wenn man de hominibus
anfaͤnget: denn wenn ich erſt die obſtacula von denen rebus aus dem
Wege geraͤumet, alsdenn finden ſich erſt Menſchen, inimici, und kan ich
dieſe nicht eher erkennen, bis jenes erſt gewieſen worden. Ein jeder will
freylich ſein fortune machen, aber er muß vorher wiſſen, wo? in was
vor einer Sache? in was vor einem metier? ubi? quo in loco poſſit
aſcendere? Es will einer in der Welt nicht a bove ad aſinos gehen, und
iſt es was natuͤrliches, daß einer will conditionem ſuam meliorem face-
re, ut commodius vivat, er will aſcendere. Nicht alle Menſchen koͤn-
nen auf einerley Weiſe gluͤcklich werden, ſondern einer auf dieſe, der
andere auf jene Art. Die negotia ſind bisweilen difficillima, ſie ſind
mit vielen circumſtantiis vergeſellſchafftet, es ſind affairen, da keiner ad-
ſpiriren kan, niſi habeat ea, quæ ad talem ſpartam neceſſaria ſunt. Man-
cher will ſeine fortune im Kriege machen, mancher durch Wiſſenſchaff-
ten, will einer in Krieg gehen, ſo kan gleich ein obſtaculum ſeyn, daß er
nicht recht geſund, er hat kein Hertz, iſt ein Poltron. Alſo iſt einem ſol-
chen vielmehr zu rathen, ut cedat. Es ſind auch viele Menſchen, welche
gar keine fortune wollen machen, multi humi repunt. Von ſolchen Leu-
ten alſo, welche wollen unten bleiben, die den gantzen Tag wollen mit
dem pater noſter zu thun haben, ins Cloſter gehen, oder auch Moͤnche
ſind, Kleiber, vor die haben wir keine Philoſophie, und ſchreiben ihnen
keine politic vor. Wer ein devotes Leben fuͤhren will, hat Moſen und
die Propheten, und wird der Welt nicht ſchaden, aber ihr auch keinen
groſſen Nutzen ſchaffen. Sondern wir ſchreiben ſolchen Leuten eine
Politic vor, welche wollen aſcendere, dem gemeinen Weſen dienen, und
ſich diſtinguiren ab aliis hominibus. Es iſt kein Zweiffel, daß das na-
turell viel contribuiret. Wer ein gutes naturell hat, macher die Augen
auf, und iſt vigilant, da muͤſte es ſchlimm ſeyn, wenn er nicht ſeinen
Zweck erhalten ſollte; wenn aber einer von Natur nicht geſchickt iſt,
er iſt ein Kruͤpel, da muß er ſehen, wie er ſich in der Welt durchbringet.
Wer aber ſeine fortun machen will, der hat in der Welt auf zweyerley
zu ſehen, nemlich auf das gegenwaͤrtige und zukuͤnfftige Leben; Es kan
auch nicht anders ſeyn, als daß einige muͤſſen aſcendero. Wenn alle
Leute ſolche ſentimens haͤtten, wie die Moͤnche Kruͤpel, Kleber, Haͤſcher,
S 2welche
[140]Cap. V.
welche letztern ſtercoream animam haben, ſo wuͤrde es miſerable ausſe-
hen. Wir conſideriren hier ſolche, welche ſich bemuͤhen, etwas zu wer-
den, zum Nutzen der Republic, und des menſchlichen Geſchlechts. Hie-
von kan man vieles finden bey dem Callieres de la Fortune, (er iſt ein
Officier in Franckreich geweſen, ſchreibt aber vortrefflich;) Er ſagt: Es
ſey nicht gut, wenn ein Kruͤpel wolle avanciren a la Cour, ſondern es ſey
ihm vielmehr zu rathen, daß er zu Hauſe bleibe, und auf Gemuͤths-Ru-
he dencke. Es muß einer fortunam ſtatui ſuo convenientem ſuchen.
Wer hoͤhere Gedancken hat, der iſt ſioltz und naͤrriſch; ſollte es ja par
hazard kommen, daß ein ſolcher hoch hinauf kaͤme, ſo wird er auch wie-
der hoch fallen. Es kan einer eine Ehr-Begierde haben, und doch ein
honette homme ſeyn. Die Ehr-Begierde beſtehet darinnen, daß er
der Republic und ſeinen Naͤchſten dienen will. Alſo findet man difficul-
taͤten in ipſis rebus, und ſagt Gracian in ſeinen l’Homme de Cour gar
wohl: meſſurez ſes forces. Cicero hat ſchon geſagt, wer eclatiren wolle,
muͤſſe aliquid excellens haben; das excellens aber zu erhalten, iſt blut-
ſchwer. Es promoviret kein Menſch den andern, er ſagt, es ſey aliquid
excellens an ihm, und wenn gleich nichts da iſt, ſo ſagen ſie es doch.
Bisweilen wird einer vor excellent gehalten, und iſt es doch nicht; es
iſt kein anderer da, und machet er alſo ſeine fortune, weil keine beſſern
ſind. Drum fagt man auch: Er war ein homo ſui temporis, welcher,
wenn er zu einer andern Zeit geweſen waͤre, nicht wuͤrde ſo æſtimiret
worden ſeyn. In dem Leben des Boileau findet man, daß vor ihm ein
Poët Lingiere in Franckreich ſehr beruͤhmt geweſen, welchen alle heraus
geſtrichen; aber es war ein ſeculum corruptum, ein guſtus corruptus,
es zog einer den andern ins præjudicium, daraus ſie ſich nicht konnten
wickeln; wie aber der Boileau kam, ſo fiel er herunter. Vordem in ſe-
culo Barbaro hat man bey uns die Knittel-Verſe alle æſtimirt, woraus
man heut zu Tage nichts machet. Es iſt nicht anders, als wenn ich
einem einen Diamanten zeige, der nicht ſtarck brilliret, nachgehends ge-
be ich ihm einen, welcher ſtarck glaͤntzet, ſo wird er bald den andern
zuruͤck geben. Indeſſen iſt doch ſchwer, ſonderlich in unſern Seculo,
welches ein wenig eclairſirter iſt, ſich eine excellentiam zu Wege zu brin-
gen. Denn es erfordert ein naturell, und einen unermuͤdeten Fleiß.
Cicero ſaget, ein perfecter Orator, ein perfecter Princeps, ein perfecter
artifex iſt nicht in der Welt geweſen; aber man ſiehet doch, daß, wenn
einer will vorgezogen werden, ſo muß er aliquid excellens haben, und
der es nicht hat, ille fruſtra adſpirat. Wenn ich will ein Secretaire
werden, und kan nicht recht ſchreiben, ſo werde ich meine fortune nicht
machen.
[141]De Mediis ſtatum conſervandi.
machen. Ja es kan faſt einer eher ſeine fortune in einem andern me-
tier machen als da. Man fiehet hier insgemein, daß man was verlan-
get, und weiß nicht, ob man die dona beſitzet, welche dazu erfordert
werden. Man will den finem haben, und giebt nicht acht, ob auch die
capacitè vorhanden, daher muͤſſen dieſe difficultaͤten am erſten uͤberſtan-
den werden. Wenn einer ein Kauffmann werden will, ſo muß er erſt
die Wiſſenſchafft haben, alsdenn muß er auf media gehen, und Leute
ſuchen, welche ihm was fourniren, daß er ſein metier exerciren kan. Es
wird auch probitas erfordert, und wenn einer auch dieſes alles hat, ſo
finden ſich doch noch obſtacula. Wenn nun einer ein Cavallier iſt, oder
auch ein illuſtrior, er will ſein fortun à la Cour machen, wo will er das
thun? Bey einem Herrn, der ein miles? er machet es nicht. Er hat
etwann einen uͤblen Geruch aus dem Halſe, oder ſchleppet den Fuß hin-
ter ſich drein, dieſes kan der Herr nicht leiden. Es muß einer ſehen,
ob der Herr, bey dem er aſcendiren will, alt oder jung, darnach muß er
ſich accommodiren. Ein Fuͤrſt brauchet freylich allerhand Perſonen,
junge und alte, aber ſie ſind nicht allczeit klug, und judiciren, wie ſie waͤ-
ren, ſo muͤſſen auch ihre Bedienten ſeyn. Man wird auch ſehen, daß
derjenige abſurd handelt, welcher einen Printzen, der ein Liebhaber vom
Krieg und vom Jagen iſt, will den Saluſtium cum notis Variorum de-
diciren laſſen, oder eine piece ad Legem Cinciam. Ja wenn der Pre-
mier-Miniſtre noch ein Liebhaber davon iſt, ſo gehet es noch an. Will
einer in Krieg gehen, ſo muß er auch ſehen, ob er dauerhafftig iſt, oder
courage hat? Uberlegte dieſes ein jeder, ſo wuͤrde er ſeinen Fehler fin-
den, und hernach nicht klagen duͤrffen, daß er nicht gluͤcklich ſeye; ſonſt
gehet es ihm eben wie einem Kerl, der ſtudiren will, und hat keine
memorie, kein judicium, ingenium, der ſollte es lieber bleiben laſſen.
Iſt einer von extraction, und doch nicht geſchickt zum ſtudiren, ſo appli-
cire er ſich auf was anders, auf die Haußwirthſchafft, da braucht er
keinen groſſen Verſtand, und kan er leicht lernen den Weitzen von Ro-
cken unterſcheiden. Der keinen guten Kopff hat, iſt capable, mit dem
Leibe zu arbeiten, und wird da beſſer reuſſiren, als wenn er mit ſeinen
Seelen arbeiten will; au contraire, er wird ridicule unter denen Leuten;
wenn er ſtudiren will, nicht anders, als wie einer ſich ridicule machet,
welcher bey Hofe ſuchet ſeine fortune zu machen, und doch das talent
nicht hat. Die Eltern waͤren ſehr geſcheuet, wenn ſie drauf ſaͤhen, wo-
zu die Kinder ſich ſchicken. Mehrentheils haben ſie die façon, daß ſie
das metier muͤſſen ergreiffen, was der Vater hat. Iſt der Vater ein
Prieſter, ſo ſoll der Sohn auch ein Prieſter werden, da er ſich doch offt
S 3nicht
[142]Cap. V.
nicht dazu ſchickt. Wenn der Vater ein Soldat iſt, ſo ſoll der Sohn auch
ein Soldat werden, da er doch, wenn er eine Buͤchſe loß ſchieſſen ſoll, das
Geſicht davon weg thut. Man machet es hierinnen denen gemeinen
Leuten nach, da der Sohn, wenn der Vater ein Fleiſcher iſt, auch einer
werden muß. Wenn ich nun eine excellenz habe, mache ich gleich mei-
ne fortune? minime omnium. Da findet einer noch erſt die obſtacula
von Menſchen und Feinden. Und wenn einer auch keine Feinde hat,
ſo muß er doch occaſion ſuchen. So lange einer auf Univerſitaͤten iſt,
weiß er das nicht, man ſiehet eine foibleſſe bey dieſen und jenen, aber
doch keine rechte Feindſeligkeit. Hergegen, wenn einer in der Welt ecla-
tiren will, da thut er keinem oͤffentlichen was, man zancket nicht, man re-
det nicht, aber heimlich hindert einer den andern. Denn wenn einer aſcen-
diren will, ſo iſt ein anderer, der eben das munus ambiret, der ſucht ihn
zu hindern, er hat das Geld, alsdenn iſt es Kunſt, die obſtacula zu uͤber-
winden. Es iſt auch ein excellens artifex, ein excellens opifex, welcher
dieſes thun kan: Denn bald ſuchet ihn der princeps, bald ſeine Mit-
Meiſter zu hindern. Man wird kein metier in der gantzen Welt finden,
da nicht obſtacula ſind. Ich muß alſo ſuchen, diejenigen zu gewinnen,
welche mir zuwider ſind, oder wenigſtens verhindern, daß ſie mir nicht
ſchaden koͤnnen, ingleichen muß ich mir amicos machen, die ich vordem
Reguln, wie
dieſe Hinder-
niſſe zu remo-
viren.nicht gehabt: Darinnen beſtehet hauptſaͤchlich die Politic. Hier ſind
nun gewiſſe Reguln zu mercken, welche §. 20. vorkommen.
§. 20. 21. 22. Viele Leute, ſo kein Nachdencken haben, und ein-
faͤltig ſind, ſagen unter dem prætext einer devotion: Alles dasjenige,
was man vorbraͤchte, wie einer ſeine fortune machen ſolle, ſcheine laͤcher-
lich zu ſeyn, und muͤſſe man vielmehr bloß auf providentiam divinam ſe-
hen; Sie verwerffen die Buͤcher, welche hiervon geſchrieben, als wie
den Callieres, it. den Beſſel, welcher einen politiſchen Gluͤcks, Schmidt
geſchrieben, darinnen artige Sachen anzutreffen, it. des Gracians l’hom-
me de Cour,* allein auf die providentiam divinam kan man es nicht
bloß ankommen laſſen: Denn GOTT operiret nicht immediate, ſon-
dern mediate. Warte du nur, bis einer kommen wird, und dich ruffen;
Das iſt enthuſiaſtiſch, wenn man es bloß auf eine immediatam provi-
dentiam divinam will ankommen laſſen, und haben wir hier an dem Herrn
Buddæo einen Theologum zum Vorgaͤnger: Denn unſer Autor iſt eben
der
[143]De Mediis ſtatum conſervandi.
der Meynung. Die weiſen Leute, ſo in der Welt ſind, werden dir nichts
thun; aber man findet nicht allemahl weiſe Leute, wir haben homines
nequam in der Welt, die thun uns den meiſten Schaden: Denn dieſe
werden von raffinirten Leuten angehetzt; vergehet man ſich nun, alsdenn
druͤcken einen die raffinirten Leute unter. Vor ſtultis muß man ſich
wohl in acht nehmen, und auch vor raffinirten Leuten, weil dieſe keine Weiß-
heit haben, und ebenfalls ſtulti ſind. Dicis: Stultus und callidus iſt ei-
ne contradictio? Reſpond. Argliſtigkeit iſt keine Klugheit. Denn wer
geſcheuet iſt, wird ſich nicht auf Liſt und Betruͤgereyen legen; thut er
es aber, ſo fehlet er den rechten Weg, deßwegen iſt er ein ſtultus. Wenn
man nun fragt, wie man ſich vor dergleichen Dingen huͤten ſolle, ſo mey-
nen einige, man thaͤte am beſten, wenn man ſich retirirte von der Welt.
Allein wenn einer ſich will von der Welt retiriren, da er noch in dem
Stande iſt, der Welt zu dienen, ſo thut er nicht wohl: Denn er iſt nicht
dazu in der Welt, daß er ſoll ein Eremit ſeyn. Die alten Teutſchen
haben ſolche Hageſtoltzen genannt, welche ſo ſtoltz geweſen, daß ſie nim-
mer wollen in ihrer Hecken bleiben, und ſich um niemanden bekuͤmmern.
Ein Moͤnch, ein Eremit braucht keine politic. Wer will aber wohl ſa-
gen, daß man ſich vor der Welt ſepariren ſolle, das iſt nur ein extraor-
dinarium remedium; Daher, wenn ich mit einem Catholicken diſputi-
ren ſollte, ſo wollte ich nicht gleich die dogmata refutiren, ſondern nur
ſagen, was er wohl meynete, daß GOtt vor ein Dienſt geſchaͤhe, wenn
eine million Menſchen, wie in Spanien, in Cloͤſtern ſitzen, welches alles
homines otioſi, und damit ſie nicht faul, und ſtinckend werden, ſo ſchreyen
ſie den gantzen Tag. Der Welt muß man ſich freylich nicht gleich ſtel-
len, aber auch nicht ſepariren. Man muß klug ſeyn, wie die Schlan-
gen, und einfaͤltig, wie die Tauben. Die providentiam divinam darff
man nicht aus den Augen ſetzen: Denn generalis providentia iſt bey
allen. Ohne GOttes providenz kan kein Sperling vom Dach herunter
fallen. Es iſt auch nicht zu leugnen, daß GOtt einem manchmahl ſpe-
cialiter hilfft, wie wir bey dem Moſe, Aaron, Saul, David, und an-
dern ſehen, aber das ſind exceptiones, wer will aber ſein Leben nach de-
nen exceptionibus einrichten? Derjenige, wer ſeine fortune machen will,
wie Moſes, Aaron, David, Samuel, Saul, iſt eben ſo abſurd, als la
fauſſe Clelie, welche die Mad. Scudery beſchrieben. Sie zeiget, daß vie-
les Frauenzimmer auch auf extraordinaire Dinge falle, denn manche,
wenn ſie in der Bibel leſen, daß die Eſther ſo hoch geſtiegen, ſo meynen
ſie, es muͤſte ihnen auch ſo gehen; Vielmehr muß ein jedweder Mittel
brauchen, ſo ſeinem Stande gemaͤß, und ſich dadurch zu wege bringen
ut ne infimo gradu ſubſiſtat: Deßwegen ſetzet man GOtt nicht auf die
Seite,
[144]Cap. V.
Seite, als welcher eben haben will, daß wir arbeiten ſollen, daß wir
andern Menſchen dienen. Die meiſten Menſchen meynen, es beſtehe
die Liebe gegen GOtt darinne, wenn man beſtaͤndig zu Hauſe bleibe,
und den gantzen Tag ſinge; welches aber ein otium, und in dieſen otio
iſt ein Enthuſiaſmus. Vor GOtt muß man freylich reverentiam haben:
denn er iſt ſummus, maximus, omnipotens, er kan mir helffen, und auch
ſchaden; aber er will doch auch haben, daß man ſeinen Naͤchſten dienen
ſoll. Es iſt kein Menſch in der Welt, welcher nicht Feinde hat, welche
einen ſuchen zu verhindern; daher muß man ſuchen die impedimenta aus
dem Wege zu raͤumen, damit man ſeinen ſcopum erhalte, oder den Po-
ſten, ſo man hat, maintenire. Unſere impedimenta, welche von Men-
ſchen geſchehen, koͤnnen auch von andern Menſchen removiret werden;
Denn wir haben Freunde und Feinde unter denen Menſchen. Weil
wir nun aber ſollen Menſchen durch Menſchen uͤberwinden, ſo iſt zu mer-
cken, daß dreyerley Sorten ſind, 1) etliche ſind ſo beſchaffen, qui nec
poſſunt, nec volunt, 2) qui volunt, ſed non poſſunt, 3) qui poſſunt,
ſed non volunt; Der erſten Sorten muß man nicht trauen, und weil
ſolches manche nicht in acht nehmen, ſo leiden ſie an ihrem Gluͤcke Schiff-
bruch. An ſolche, die einem nicht koͤnnen, und nicht wollen helffen, muß
man ſich nicht addreſſiren. Man ſiehet, daß diejenigen, welche ſich an
ſolche addreſſiren, kein jugement haben, und nicht urtheilen koͤnnen, von
wem dieſe oder jene charge dependire. Bisweilen kan einer auch durch
einen avanciren, der nicht groß iſt, aber doch potens, und muß man kei-
nen verachten, aber doch ſehen, ob er mir will helffen? Es giebt viele
Leute, ſo einem gerne wollten helffen, ſie koͤnnen aber nicht, die muß man
careſſiren, loben, ihnen Danck ſagen vor die affection, und bitten, ſol-
che ferner zu continuiren, aber der wuͤrde wunderlich handeln, welcher
ſich auf ſie verlaſſen wollte. Auf diejenigen kommt es alſo hauptſaͤch-
lich an, qui poſſunt, ſed nolunt. Was muß man da thun? Reſpond.
Ein Enthuſiaſt wird ſagen, man ſolle ſich nur paſſive verhalten, und
fleißig bethen, daß ihn GOtt regieren moͤchte, mich darzu zu nehmen.
Geſetzt nun, er hat kein gut Hertz, iſt ein homo ſceleſtus, da meynen ſie,
koͤnne man ſeine fortune nicht machen; allein es gehet gar wohl an,
wenn man ſich nur nicht als ein inſtrumentum luxuriæ gebrauchen laͤßt.
Derjenige iſt klug, der ſeine fortune machen kan, es mag der Fuͤrſt be-
ſchaffen ſeyn, wie er will, ſiehet einer, daß er nicht avanciren kan, ſo muß
er es laſſen. Indeſſen iſt einem nicht zu verdencken, daß er alle machi-
nas und labores braucht, ſo erlaubet ſind, e. g. Es iſt kein Menſch in
der Welt, der nicht ein intereſſe und gewiſſe paſſiones hat, da muß ich
mich
[145]De prudentia ſtatus œconomici.
mich darnach richten, und accommodiren, nicht eben, daß ich dieſelben
annehme. Ich brauche auch die Leute, welche bey ihm in credit ſtehen;
daher kan ich aber nicht ſagen, daß der Printz von Condé wohl raiſon-
niret, wenn er von einem, der durch die Mad, de Monteſpan geſtiegen,
immer veraͤchtlich geſprochen. Es kan einer bona conſcientia Leute ge-
brauchen, ſo nichts taugen, von einer Maitreſſe haͤlt man nicht viel, quæ
ſe ſubſternit libidinis gratia. Indeß, wenn man ſiehet, wie dieſelbe oben
an ſitzet, und von ihr alle chargen dependiren, als wie in Franckreich
von der Mad. de Monteſpan, und Mad. de Maintenon alles dependiret;
Denn es war Rex uxorius, ſo iſt kein Zweiffel, daß man auch durch ſol-
che ſeine fortune machen kan. Der Koͤnig Sigismund in Pohlen, wur-
de von einer alten Frau und ihrer Tochter regieret, bey welchen ſich vie-
le vornehme Polacken melden muſten, wenn ſie wollten avanciren. Man
muß ſich alſo an ſolche addreſſiren, ſo was gelten. Dicis: Es iſt nicht
zu erhalten, als durchs Geld, wie in Franckreich? Reſpond. Es iſt die-
ſes ein groſſer Verfall, weil es aber nicht anders iſt, ſo muß man es ge-
ben: Denn wo man den Pumpernickel in der Kirche ſinget, ſinget man
ihn mit, das iſt aber doch in Franckreich, daß, wenn vier ſind, welche
um eine charge anhalten, ſo muͤſſen auch alle vier habile dazu ſeyn, und
alsdenn obtiniret derjenige, ſo am meiſten giebet. Will ich aber nun
kein Geld geben, ſo muß ich in der Wuͤſten leben, oder hinter den Pflug
hergehen, man kan hierbey nachleſen, was der Mad, Scudery ihr Bruder
George Scudery geſchrieben hat.
Sectio II.
de
Prudentia ſtatus œconomici.
BIsher iſt gehandelt worden von denen mediis diejenigen zu gewin-Ratio con[e]-
xionis.
nen, welche mehr ſind als ich. Wir haben aber auch Leute,
welche weniger als wir, ſie ſind uns aber doch auxilio: Derglei-
chen finden ſich eben in re familiari. Man wird ſehen, daß wenn einer
in re familiari will gut reuſſiren, ſo muß er gutes Geſinde haben: Denn
aus der choix ſeines Geſindes kan man einen guten Hauß-Vater er-
kennen. Dieſes iſt nicht allein in re familiari ſo, ſondern wir werden
unten finden, daß kein beſſerer character eines guten Regenten, als wenn
er gute Miniſtres hat. Monſ. Perefix, welcher das Leben Henrici IV.
Tſehr
[146]Cap. V.
ſehr politiſch beſchrieben, und es deßwegen gethan, damit Louis XIV. ſich
darnach richten moͤge, hat darinnen gewieſen, was Henricus IV. vor Be-
diente gehabt in œconomiſchen Sachen, in Cammer-Sachen, in Mili-
tair-Sachen. Er hat Leute gehabt, ſo die Handlung verſtanden, da
ſagt Perefix, hieraus koͤnne man ſehen, daß er ein kluger Koͤnig geweſen.
Denn hat ein Fuͤrſt einen prodigum zu ſeinen Cameraliſten, einen ſot
zu ſeinen General, ſo iſt es elend mit ihm beſchaffen, und ſiehet man, daß
er kein jugement hat. Den Cardinal Richelieu hat man vor einen gu-
ten Mann gehalten, weil er aber keine rechte Leute choiſiret, denn in
Cammer-Sachen brauchte er lauter Pfaffen: Der Cardinal le Vallette
war ſein General, ſo konnte er nicht reuſſiren. Jetzt wird nicht gefragt
werden, was inſpecie ein guter Miniſtre, ein guter Knecht, ein guter Hand-
wercks-Mann ꝛc. doch wird von jeden etwas gedacht werden.
zweck, Mitteln,
Hinderniſſen
ꝛc. des haͤußli-
chen Standes.
§. 1. Dieſer §. zeiget die connexion mit dem §. præced. Es ſagt
der Autor, daß bisher en general gewieſen worden, was einer zu obſer-
viren habe, ratione felicitatis conſequendæ \& conſervandæ; nun aber ge-
het er ad ſpecialia. Weil nun ſocietas domeſtica das meiſte ausmachet
bey der Republic, ſo iſt faſt kein eintziger Scriptor Politicus, der nicht et-
was von der ſocietate domeſtica ſollte beruͤhret haben: Denn es kan
ohnmoͤglich ſeyn, ut res publica ſalva permaneat, und ihren ſcopum erhal-
ten koͤnnen, wenn nicht in dem corpore magno reipublicæ die kleinen ſo-
cietates en bon ordre. Was iſt das vor eine Republic, wo keine œco-
nomie, kein agricola ſapiens, kein pater familias ſapiens? Wo das fun-
dament mangelt, da faͤllt endlich der gantze Bau uͤbern Hauffen. Es
muß unaquæque ſocietas parva mit der Republic conſpiriren; Ein jeder
Hauß-Vater muß ſuchen, daß in ſeiner ſocietate parva eine harmonie;
ſonſt wird dasjenige, was man ſich von der Gluͤckſeligkeit eines groſſen
Staats verſpricht, zu Waſſer gemacht. Daher iſt kein Regent, wel-
cher ſich nicht um den Hauß-Stand bekuͤmmert, und da gute Regeln
giebt. Iſt nun aber dieſes, daß groſſe Herren es ſelbſt thun, wer will
die Gelehrten verdencken, daß, da ſie auf Univerſitaͤten lehren, von der
Kunſt zu regieren, ſie auch etwas von der œconomie vorſtellig machen.
Ja, es waͤre zu wuͤnſchen, daß man ein Collegium Oeconomicum hiel-
te, und nicht in generalibus ſtehen bliebe, ſondern zeigte, was bey denen
Haußhaltungen in Staͤdten und auf dem Lande zu obſerviren; hernach
koͤnnte man auch von einer jeden profesſion etwas ſagen. Man hat
heut zu Tage von Handwercks-Sachen viele ſchoͤne Buͤcher, wir haben
Buͤcher von Goldſchmieden, Seiffenſiedern, vom Wollen-Handel, Bier-
brauen ꝛc. Man kan auch Buͤcher leſen, worinnen der Betrug, welcher
bey
[147]De prudentia ſtatus œconomici.
bey allen Dingen gemacht wird, gezeiget wird, und habe ich aus ſolchen
Buͤchern viel profitiret. Hauptſaͤchlich habe ich mich befliſſen, zu erfah-
ren, wie man die Leute betrieget, damit ich wiſſen kan, wie guter Coffée,
Thée, gutes Tuch, und gute Struͤmpffe zu erkennen. Man hat von al-
len Handwercken die Betruͤgereyen drucken laſſen, und ſind viele ſchoͤne
Buͤcher hievon geſchrieben. Man muß ſich nicht allein auf Theoreti-
ſche, ſondern auch auf practiſche Sachen legen: Denn mancher gehet
zu Grunde, weil er kein guter Haußwirth iſt. Quær. Woher kommt
es, daß man die œconomie ſo negligiret? Reſpond. Die Urſachen ſind
folgende: 1) Hat die œconomie mit Haußhaltungs-Sachen zu thun,
da ſagen ſie, ſolche gehoͤreten vor die Weiber, und dieſe ſind, ſo zu ſagen,
in poſſesſione. 2) Was Land-Sachen ſind, ſo haͤlt man ſich zu gut,
daß man wollte wiſſen, wie man mit Schaͤffereyen, mit Miſt ꝛc. umge-
hen ſolle, da doch hoͤchſt-noͤthig in der œconomie ein gantz Cap. de ſter-
core zu verfertigen; die vornehmſten Leute haben Land-Guͤther, und brau-
chen alſo die œconomie, und iſt nothwendig. Des Herrn ſeine Cam-
mer muß beſtehen in einer œconomia, und wer ſolche nicht verſte-
het, wie will er dieſelbe gut einrichten. 3) Haben ſie gemeynet/ es
waͤre dieſes eine diſciplin, welche mehr empiriſch, man lernet mehr aus
der Erfahrung, und waͤre es ſehr leichte. Allein generalia kan man bald
lernen, kommt man aber ad ſpecialia, ſo finden ſich viele difficultaͤten.
Ariſtoteles hat etwas geſehen, und deßwegen libros œconomicos bey ſei-
ner Politic mit angehaͤnget, woruͤber viele geleſen. Jo. Paul. Felwinger
hat auch einen tractat daruͤber geſchrieben; aber Ariſtoteles iſt nur in
generalibus ſtehen blieben. Der beruͤhmte Schottlaͤnder, Danaldſonus,
hat auch artem œconomicam geſchrieben, weil er aber ein Ariſtotelicus,
ſo iſt er auch nicht ad ſpecialia gegangen. Henricus VIII. in Engeland,
welcher ſelbſt ſtudiret, hat auch wahrgenommen, daß ſeine Cammer-Sa-
chen und œconomie nicht taugten: denn er hatte den Cardinal Wolſey
zum Premier-Miniſtre, welcher dieſe Dinge nicht verſtunde, ſo wenig als
der Richelien und Mazarin in Franckreich, daher ſagte Henricus VIII.
ich habe ein hauffen Leute, einer iſt ein Poët, einer iſt ein Orator, einer
ein Juriſt, einer ein Scholaſticus, ich moͤchte aber auch Leute haben, wel-
che man brauchen koͤnnte in Cameral-Sachen. Es berichtet der Baron
Edoard Herbert von Cherbury, daß er auf die Gedancken gefallen, die
Leute auf Guͤther zu thun, wo groſſe Haußhaltungen waͤren, ut ſcien-
tiam cum praxi conjungere poſſent. Dieſes war eben nichts naͤrriſches,
aber man haͤtte es nicht einmahl noͤthig, ſondern man koͤnnte nur Profeſ-
ſores ſetzen, welche nicht allein regulas generales, ſondern auch ſpeciales
T 2gaͤben.
[148]Cap. V.
gaͤben. Man hat auch bey unſerm Hof einmahl Willens gehabt, einen
Profeſſorem Politicæ von Policey-Sachen zu ſetzen, welches gut geweſen
waͤre, aber man hat keinen finden koͤnnen, der ſich darzu geſchickt, denn
niemand legt ſich ſonderlich hierauf. Beckmann in Franckfurth an der
Oder hat auch eingeſehen, daß man das ſtudium œconomicum nicht
ſollte negiren. Wenn nur erſt ein Profeſſor da waͤre, welcher dieſe diſciplin
docirte, ſo wuͤrden ſich alsdenn auch ſchon Leute finden, welche ſolche
hoͤrten, und wuͤrde ein Herr dadurch in ſeinen Landen groſſen Nutzen
haben. Man ſiehet, daß ſo viele Pachter herunter kommen, und ſo vie-
le von der Nobleſſe zu Grunde gehen, eben deßwegen, weil ſie die œco-
nomie nicht verſtehen. Vor dieſem beſtund die groͤſte force eines Caval-
liers darinnen, daß er ein guter Haußwirth war, und den Krieg verſtund.
Denn im Winter war er zu Hauſe, und im Fruͤhlinge, wenn es was
gabe, ſetzte er ſich zu Pferde. Man hat wahr genommen, daß einer,
Nahmens Benno, aus dem Billingiſchen Geſchlechte, zu ſeiner Zeit ein
ſo groſſes Anſehen erhalten, weil er ſeine Laͤnder ſo cultiviret, daß ſie die
uͤbrigen alle uͤbertroffen. Das iſt der groͤſte Fehler der Tuͤrcken, daß
ſie die groſſen Laͤnder, welche ſie acquiriren, nicht cultiviren. Warum
follte man nicht auch die œconomie in 24. oder 30. Cap. vorſtellen koͤn-
nen, da koͤnnte man alles vorſtellen, was zum Land-Leben, Stadt-Le-
ben, Waldungen ꝛc. gehoͤret. Aber es gehoͤret freylich eine groſſe appli-
cation dazu, wenn einer ſolches verrichten will. Ein groſſer Herr ſollte
einen laſſen reiſen, der ſich recht auf ſolche Dinge legen muͤſte. Alsdenn
wuͤrde ein groſſer Herr auch eher Leute finden koͤnnen, welche er koͤnn-
te gebrauchen in ſeiner Haußhaltung. Es wuͤrde auch ſolches andern
viel helffen. Denn was iſt es, wenn ich was erworben, und meine
Kinder kommen durch uͤbele Haußhaltung herunter. Es darff keiner
dencken, wenn er die Iurisprudenz verſtuͤnde, brauchte er dieſes nicht:
Denn er wird finden, daß ihm noch vieles fehlete. Wir haben auch
viel diſſertat. peculares von dieſer materie, und hat der Herr von Rohr,
welcher in Merſeburg iſt, einen tractat ediret, von œconomiſchen Rech-
ten, worinnen er nichts gethan, als unterſchiedene curieuſe diſſertat. ins
Teutſche uͤberſetzet. Ich habe das Buch wohl gebrauchen koͤnnen, man
hat hier ſehr viel Buͤcher, und koͤnnte ich viel recommendiren; aber
man kan hier des Rohrs Haußhaltungs Bibliothec gebrauchen, welches
ſehr gut iſt, und eine gute cognitionem librariam giebt. Denn in dem
erſten Capitel handelt er von dem ſtudio œconomico uͤberhaupt; her-
nach hat er ein Capitel von Cameral-Weſen, von privat. Wirthſchaff-
ten, Ackerbau, Weinbau, Koch-Kunſt, von Waͤldern, von der Jaͤge-
rey ꝛc.
[149]De prudentia ſtatus œconomici.
rey ꝛc. Bey jedem hat er beſondere Buͤcher angefuͤhret. Im letzten
Capitel hat er auch unterſchiedene miſcellanea. Man darff hier nur
ſonderlich die Buͤcher leſen, welche die Teutſchen und Frantzoſen geſchrie-
ben: Denn die Frantzoſen haben treffliche Sachen entdeckt. Der Herr
von Rohr hat auch das Roͤmiſche Weſen nicht negligiret. Die Roͤmer
haben auch ſcriptores rei ruſticæ, als den Columellam, und Varronem,
von welchen man wenig gute editiones hat. Denn die Gelehrten ha-
ben dieſe Sachen nicht verſtanden. Scaliger hat ſie edirt, welche
edition aber ſehr rar. Bey dem Columella ſind ſonderlich viel curieuſe
Sachen zu finden. Man muß aber nicht dencken, daß die Roͤmer alles
zum Nutzen angeleget, denn ſie waren reiche Leute, der luxus war bey
ihnen, und haben ſie alſo vieles gethan, zu ihren plaiſir. De Villicatio-
ne Romanorum hat Thom. Crenius einen artigen tractat geſchrieben, da
er gewieſen, was die Roͤmer vor Liebhaber von der re ruſtica geweſen.
Die vornehmſten Roͤmer wohnten auf dem Lande, und waren tribus
ruſticæ weit ſplendidiores, als urbanæ. Jo. VVeizius hat auch eine arti-
ge diatribam de Laudibus Vitæ ruſticæ Romanorum geſchrieben in ſchoͤnen
Latein. Des Heresbachii Buch de re ruſtica iſt hier auch wohl zu ge-
brauchen. Es iſt der geſunden Vernunfft gemaͤß, daß man auf rem
familiarem ſonderlich ſehen muß: Denn vor dieſem hat man mit hundert
Thalern ſo viel ausrichten koͤnnen, als heut zu Tage kaum mit tauſend
Thalern, daher muß man die Dinge wohl uͤberlegen, damit man nicht
herunter kommt. Wenn auch nur einmahl ein Prof. œconomie etabli-
tet waͤre, ſo wuͤrde es hernach gehen, wie mit dem Prof. Iuris Nat. \&
Gent. dergleichen man auch vor dieſem nicht gehabt. Da aber einmahl
der Carl Ludewig, den Puffendorff dazu machte, ſo iſt man hernach auf
anderen Univerſitaͤten bald nachgeſolget. Wir wundern uns, daß die
Frantzoſen beſſere Fruͤchte haben, als wir, aber wir koͤnnten es eben ſo
zu wege bringen, wenn wir ſolchen Fleiß gebrauchen wollten; Wir ſe-
hen ja, daß die Leipziger eine beſſere Garten-Cultur haben, als andere.
Hier brauchet man den Puff, und meynet, es ſey das Waſſer Schuld
daran, daß die Biere nicht koͤnnten beſſer gebrauet werden; Wir ſehen aber
daß der Manheimer viel beſſer, und doch eben von dem Waſſer gebrauet
iſt. Vor dieſem hat man hier kein Obſt gehabt, als kleine Birn, nach-
gehends aber hat man auch ander Obſt ſich angeſchafft. Lucullus hat
die Kirſchen aus klein Aſien nach Italien gebracht. Die mala perſica
kommen aus Perſien, und koͤnnte man zeigen, wie viele Fruͤchte ſonſt in
Europa nicht geweſen, die Aepffel de Sina ſind aus China kommen, und
jetzo hat man gantze Waͤlder davon in Portugall. In Franckreich wa-
T 3ren
[150]Cap. V.
ren ſonſt keine Maulbeer-Baͤume, und hat ſie Henricus IV. erſt da etabli-
ret. In Spanien und Italien waren auch ſonſt keine. Unter Juſtinia-
no iſt erſt das Sericum nach Italien kommen, Sericum heiſt es, weil es
aus China kommt, denn die Chineſer haben ſonſt Seres geheiſſen. Da
nun alle nationes ſuchen ſich in ſolchen Sachen zu aggrandiren, ſo wuͤr-
den wir thoͤricht thun, wenn wir wollten unten liegen, und leben, wie vor-
dem die Scythen. Des Baron von Hochbergs Schrifften ſind auch
hier wohl zu gebrauchen. Unſer Autor hat hier nur generalia proponiret.
Vor allen Dingen muß man arbeiten mit Verſtand, ſcientia muß dabey
ſeyn. Die Juden wuͤrden in ihrem Lande nicht haben ſubſiſtiren koͤnnen,
wenn ſie nicht die agriculturam verſtanden. Daſſovius de ratione ſemi-
nandi apud Judæos hat dieſes artig unterſuchet. Sie haben muͤſſen auf
die Felſen Erde bringen, darauf haben ſie gepflantzet, weil ſo viele Thaͤ-
ler im gelobten Lande, ſo hatten ſie ſtarcke Vieh-Zucht. Wer ſich alſo will
zur oeconomie geſchickt machen, muß arbeiten; verſtehet aber einer nicht,
was zur Haußhaltung gehoͤret, ſo wird er auch nicht reuſſiren koͤnnen.
Etliche Mittel, welche man brauchet, ſind ordinaria, etliche extraordinaria.
Unſer HErr GOtt hat nicht verbothen auch extraordinaire Mittel zu ge-
brauchen. Wir finden ja ſolche beym Jacob, da er durch ſeine Staͤbe
bundſchaͤckigte Schaafe heraus gebracht, wovon Vockerodt, Rector zu
Gotha, eine diſſertation in ſeinen opuſculis hat. Man hat dieſes Mittel
auch hernach bey Pferden gebrauchet. Wir erdencken immer neue Mit-
tel, und ſagt Leibniz gar artig in ſeiner Theodicée, alle ſecula werde was
neues erdacht, das paradox. Wer ſolche media extraordinaria gebraucht,
reuſſiret vor andern. Daß aber in der œconomie nicht viel entdecket
worden, kommt daher, weil die Leute es verbergen, wenn ſie einen profit
entdecket. Deßwegen braucht man eben zur Haußhaltung einen groſ-
ſen Zuſatz. Der Autor hat auch in §. 5. geſehen, daß eine ſcientia er-
fordert werde bey der œconomie, aber darinnen bin ich nicht mit ihm ei-
nig, daß man die ſcientiam ſchlechterdings ſich per experientiam acquiri-
ren koͤnne.
guten Hauß-
Wirthin gele-
gen?
§. 6. Weil ich nicht allein domum meam ausmache, ſondern ein
Haußwirth hat mehrentheils eine Frau, ſo hat unſer Autor auch hieruͤ-
ber reflectiret. Es heiſt quærat uxorem callentem rei familiaris. Die
Schweitzer laſſen ihre Frauens ſelbſt arbeiten, und wird man deßwegen
auch bey ihnen ſelten eine Frau finden, wo nicht der luxus eingeriſſen,
die zarte Haͤnde hat, Dieſes verlanget man bey unſern Weibern nicht,
weil einmahl die delicateſſe eingefuͤhret, und wuͤrde ſich einer ſchlecht bey
denenſelben recommendiren, wenn er wollte ſagen, ſie ſollten arbeiten,
und
[151]De prudentia ſtatus œconomici.
und ſelbſt Hand anlegen. Der Herr von Stanian erzehlet oben in ſei-
ner Beſchreibung, von der Schweitz, daß die Weiber daſelbſt ſo arbeitſam
waͤren, welches ihm ſehr wohl gefallen, und ſagt er, daher kaͤme es, daß
man wenig von amours bey ihnen hoͤrete, weil die Weiber immer ar-
beiteten. Daß aber unſere vornehmen Weiber immer kranck werden,
kommt eben daher, weil ſie nicht arbeiten, ſondern nur ſpielen, eſſen und trin-
cken. Ihre groͤſte motion iſt, daß ſie manchmahl tantzen. Wenn ſie
ja nichts ſelbſt wollten arbeiten, ſo koͤnnten ſie doch wenigſtens nachge-
hen, und commandiren, nicht anders, als wie ein Officiet nicht ſelbſt brau-
chet Hand anzulegen, und doch durch einen Winck verurſachen kan, daß
alles geſchehen muß. Die Alten aber haben ſelbſt gearbeitet und geſpon-
nen. Fleury erzehlet von denen Juͤdiſchen Weibern, daß ſie geſponnen und
gewebet, und was ſie gewebet, das haben ſie hernach an die benachbar-
ten Voͤlcker verkaufft. Weil nun die œconomie variiret, auch im Land-
Leben, denn eine andere wird erfordert in der Schweitz, eine andere in
Franckreich ꝛc. ſo hat man auch eigene Hauß-Buͤcher. Des Coleri
Hauß-Buch gehet auf Sachſen, und hat Fritſch vor einiger Zeit eine edi-
tion ſehr vermehret davon heraus gegeben. Man hat eigene Schriff-
ten von Schleſiſcher Haußhaltung, daher haben unſere alten Teutſchen
das Sprichwort gehabt: Man ſollte nicht uͤber ſeinen Miſt freyen: denn
wenn du eine fremde Frau in dein Land bekoͤmmſt, die will alles machen,
wie es in ihrem Lande zugehet, welches ſich doch nicht thun laͤſt. Das
Stadt-Leben variiret auch, anders haͤlt man Hauß in Dreßden, anders
in Leipzig, anders in Halle. Daher wird keine gute Ehe werden, wenn
ein Land-Edelmann eine vom Hof heyrathet, denn die will alles auf das
propreſte eingerichtet haben, und ruinirt dadurch den Edelmann; Daher
iſt die Frage leicht zu entſcheiden, welche Callieres in ſeinem Tractat la
fortune des gens de Cour aufgeworffen hat: Ob es nehmlich beſſer ſey
eine Vornehme, oder eine von ſeinem Stande zu heyrathen. Denn
wenn man auch eine Vornehme bekomme, welche ſchoͤnes Vermoͤgen
habe, ſo werde man dadurch nicht groͤſſer, ſondern ſie verthue alles, was
ſie habe, und des Mannes Vermoͤgen auch mit; ja man habe auch bey
einer ſolchen keinen groſſen Reſpect. Die Koͤnigin Eliſabeth hat daher
nicht gerne geſehen, daß ein Lord eine andere Frau geheyrathet, ſo nicht
eine Engelaͤnderin geweſen; Sie hat auch verlanget, daß keiner ohne ihr
Wiſſen ſollte eine Fremde heyrathen. Man rechnet unter die Sottiſen
von Portugall, daß ſie Frantzoͤſiſche Weiber geheyrathet, und da ſie vor-
hero ſobriè gelebet, ſo ſind ſie dadurch in einen luxum gerathen, wodurch
die vornehmſten Familien in Portugall ruiniret worden. Alſo muß
man
[152]Cap. V.
man ſich vor fremden Weibern in acht nehmen, es waͤre denn, daß man
eine Abigail bekaͤme, welche ſich in alles ſollte ſchicken; aber bey dieſen
Weibern iſt dieſes nicht zu præſumiren, weil man unter tauſenden keine
Abigail findet.
gutes Geſinde
ankomme?
§. 7. Wer will ſein Hauß wohl in acht nehmen muß ein choix
unter ſeinen Knechten halten, und kan einer nicht alle Knechte gebrau-
chen. Die Kinder ziehen wir, Knechte aber wehlen wir, alſo muß man
eine rechte Wahl halten. Hat einer keine treue arbeitſame Knechte, ſo
gehet das gantze Hauß zu Grunde. Die gemeinen Leute haben ſelten
eine gute Auferziehung; daher muß man unter denenſelben ſolche weh-
len, ſo ein Chriſtenthum haben, und nach denen Zehen Gebothen leben.
Deßwegen iſt es gut, wenn man oͤffentliche Haͤuſer hat, in welchen die
Wayſen-Kinder erzogen werden zur Religion, Erbarkeit und Redlich-
keit, damit man gut Geſinde bekommt, welches die Herren nicht betrie-
get und beſtiehlet. Man wundert ſich, wenn man lieſet, daß Abraham
zu ſeiner Zeit ſo ein reicher Mann geweſen; wenn man aber auch pro-
videntiam divinam bey Seite ſetzet, und nur ſein Geſinde conſideriret, ſo
findet man, daß Eleaſer ein treuer Knecht war, welcher mehr auf des
Herrn, als auf ſeinen eigenen Nutzen ſahe. Hat ein Herr gut Geſind,
ſo wird er ſehr erleichtert werden wegen der Aufſicht, hat er aber boͤſes
Geſind, ſo werden hundert Augen nicht gnug vigiliren koͤnnen. Dicis:
Man muß gute Geſinde-Ordnungen machen? Reſpond. Dieſe werden
nicht viel helffen; Wenn aber erſt die Leute gute Auferziehung haben,
ſo werden ſie hernach ſchon gut dienen, und findet man keine Republic,
wo nicht Waͤyſen-Haͤuſer ſind, daraus man die Leute zu Knechten,
Maͤgden, und auch wohl zu Handwercks-Leuten braucht. Allein,
wenn wir wollen haben, daß die Knechte und Maͤgde ſollen auf unſern
Nutzen ſehen, und getreu ſeyn, ſo muͤſſen wir auch dahin ſehen, daß die-
ſelben recht verſorget werden, man muß ihnen rechte Koſt geben, ſonſt
thun ſie uns dreymahl mehr Schaden, als wir ſuchen zu erſpahren. Vor
dieſem hat man hier vor funffzehen Pfennige eine gute Mahlzeit halten
koͤnnen, daher hat man dem Geſinde wenig gegeben, nunmehro aber, da
der luxus eingeriſſen, und alles theuer iſt, kan das Geſinde nicht mehr
auskommen, daher rauben ſie, ſtehlen, huren ꝛc. Derjenige, welcher
kein gut Geſinde hat, iſt ſehr ungluͤcklich in ſeiner familie: Hergegen,
wenn einer was auf gut Geſinde ſpendiret, der wird nicht den achten
Theil ſo viel Verluſt haben, als ein anderer, dem ſolches mangelt. Wir
halten unſer Geſinde hart, deßwegen wird es uns feind. Wenn auch ein
Herr eine Magd oder einen Knecht annimmt, ſo fragt er nur: wo ſie
her
[153]De prudentia ſtatus œconomici.
her waͤren, aber nicht, ob ſie Chriſten, ob ſie die Zehen Geboth verſtuͤn-
den, ob ſie wuͤſten, daß ſie nicht ſtehlen ſollten. Quær. Wie kan man
gutes Geſinde erkennen? Reſp. Einige meynen, man muͤſte nur auf die
Phyſiognomie acht geben, aber wer bloß dieſes thun will, der wird ſich
betriegen, wie Pabſt Sixtus V. welcher auch nur ſchwartze Leute in ſeine
Dienſte nehmen wollte, und meynete, das waͤren die beſten, da er aber
manchen filou mit unter ſeinen Bedienten bekommen. Dieſes muß
man in acht nehmen: Gloriæ cupidum ne eligas. Einen Knecht muß
man nicht in Dienſte nehmen, der ambitioſus, ſonſt will derſelbe einen
immer commandiren. Das ſind die beſten Knechte, welche vor ſich
ſparſam. So bald man hoͤret, der Knecht gehet in compagnie, frißt,
ſaͤufft ꝛc. ſo muß man ihn abſchaffen; denn der Kerl iſt nichts nutze, ſo
wenig als ein voluptuoſus ſich zum Handwercksmann ſchickt, welcher
bald zum Thore hinaus muß. Eben deßwegen, weil ſo ein ſparſamer
Knecht will was vor ſich bringen, ſo wird er nicht leicht ſeinen Herrn
beſtehlen, denn er dencket, er wuͤrde alsdenn alles verliehren, was er er-
worben habe. Ein Menſch, der parcus, frugalis iſt, bleibt zu Hauſe,
attachiret ſich auf ſeine Sachen, er iſt etwas melancholiſch. Hernach
iſt er auch gut, wenn er aliquid choleræ bey ſich hat, wenn ſie nur nicht
oben an ſtehet, alsdenn bekoͤmmt er das Anſehen alicujus hominis ho-
neſti. Man muß dieſelben eine Zeitlang probiren, denn es mag ein
Kerl ſeyn, was es nur vor einer will, ſo wird er ſich erſt auf der ſchoͤ-
nen Seite zeigen, und affectiren. Aber das geſchiehet par force, relu-
ctante carne. Was gezwungen iſt, dauret nicht lange, in drey oder vier
Wochen kan ich Fehler und Untugenden wahrnehmen. Richelieu hat
keinen zu ſeinen Bedienten angenommen, wenn er ihn nicht vorhero ein
Viertel Jahr probiret, welches man in ſeinen Teſtament politique ſehen
kan. Er ſagte: Der Kerl, ſo zu mir kommt, will ſeine fortune bey mir
machen, daher ſucht er ſeine Tugenden alle auf einmahl zu zeigen, iſt er
aber ein Viertel Jahr bey mir, ſo lerne ich ihn kennen: denn ſo lange
kan ſich einer nicht verſtellen. Wir nehmen aber alles auf den Plotz
weg; daher kommt es eben, daß unter ſechs Dienern, ſechs Maͤgden
manchmahl keine einige, ſo was taugt. Man hat auch noch andere
Dinge zu obſerviren. Als wenn man ein Buch von Land-Leben lie-
ſet, ſo wird daſelbſt allezeit gewieſen, wie Knechte, Maͤgde Hirten, muͤſ-
ſen beſchaffen ſeyn; Keine kluͤgere Geſinde-Ordnung habe ich gefunden,
als die in Gotha obtiniret, welche man in Gotha Diplomatica finden
kan. Es gehoͤret viel dazu eine rechte Geſinde-Ordnung auſzuſetzen,
und thut man wohl, wenn man bey politiſchen ſtudiis auch die Policey-
UOrdnun-
[154]Cap. V.
Ordnungen fleißig lieſet; Zu wuͤnſchen waͤre, daß einer alles zuſammen
drucken ließ, was man hin und wieder davon hat, welches einer brau-
chen koͤnnte, der etwa eine Geſinde-Ordnung ſoll aufſetzen, inventis
enim facile poteſt aliquid addi. Ich habe laſſen eine artige piece von
dem de la Caſa drucken, welche hieher gehoͤret. Er war Ertz-Biſchoff
zu Benevento, und hat man ihn beſchuldiget, daß, wenn er die Sodo-
miterey defendiret, weßwegen ich ihn defendiret, und das gantze Car-
men, worinnen es ſtehen ſoll, drucken laſſen, woraus man ſehen kan,
daß er es ſein Tage nicht defendiret, es iſt freylich ein unzuͤchtiges Car-
meu, wie man bey uns auf Hochzeiten eben dergleichen machet, unter
andern aber hat er de potentioribus \& ſervis geſchrieben, welches zu re-
commendiren, weil es annehmlich geſchrieben, und ob es gleich nicht all-
zu pragmatiſch, ſo wird man doch viel daraus profitiren koͤnnen.
und getreue
Nachbarn an-
komme?
§. 8. Wer gluͤcklich ſeyn will in ſeinem Hauſe, der muß auch ſe-
hen, was er vor Concives und vor Conopifices hat. Es heiſſet: Figu-
lus figulum odit, es ſucht einer den andern zu betriegen; hinc fallaces
fuge. Die Juden muß man ſonderlich meyden, es ſucht einer den an-
dern zu betriegen, und hat Lobcowiz geſagt: Die Juden haͤtten das
Hauß Oeſterreich ruiniret; Italien die Juden und die Jeſuiten. Vor
denen Juden aber muß man ſich vornehmlich in acht nehmen. Ich ha-
be ſelbſt einen Proceſſ in Haͤnden gehabt, da ein Doctor Medicinæ mit
einem Juden einen Kauff-Contract geſchloſſen, welches in der That ein
Contractus pignora titius geweſen, und wenn die Sache nicht waͤre in
meine Haͤnde gekommen, wuͤrde der Jude ohnfehlbar obtiniret haben.
Es ſind auch andere boͤſe Leute, welche uns ſuchen zu betriegen, ratione
Contractuum. Daher iſt gut, daß man cautelas laͤſt drucken. Man
hat zwar des Strycks ſeine Cautelas Contractuum, welche auch in Teut-
ſcher Sprache gedruckt ſeyn, aber man koͤnnte es noch deutlicher machen.
Der Herr von Rohr in Merſeburg hat gemeynet, man haͤtte noch nicht
recht gedacht an ſolche Cautelen; nur iſt des Strycks ſein Buch noch zu
hoch vor die Leute. Cautelen braucht man nicht, als wenn man boͤſe
Leute vor ſich hat, welche gerne Proceſſe fuͤhren; bey guten Freunden
und erbaren Leuten braucht man keine Cautelen, ſonſt dencken ſie, du
hielteſt ſie vor Betruͤger, und wenn du auch gleich ſageſt, du wollteſt es
nur eventualiter thun, ſo gehet es doch nicht an. Seneca hat dieſes ſchon
erkannt, und ſagt: aliter muß man amicos tractiren, aliter homines, de
quibus ſuſpicor aliquid malitiæ. Cautelas kan man nicht wiſſen: denn
mancher iſt durch Betruͤgereyen ruiniret worden: Cautelis utatur im
Handel und Wandel. Juriſten koͤnnen ſich wohl helffen, aber gemeine
Leute
[155]De prudentia ſtatus œconomici.
Leute brauchen ein recht deutliches Buch; denn wenn ſie allezeit erſt ſollen
den Advocaten fragen, ſo koſtet es ihnen Geld.
§. 9. Wer ſein Hauß will conſerviren, muß noch auf varia ſe-Was bey der
Wirthſchafft
auf die Um-
ſtaͤnde des
Orths, der
Zeit ꝛc. an-
komme?
hen, auf tempus und auf locum muß einer wohl acht geben. Man-
cher will ſich ernehren, legt eine Handlung an, aber an einem ſolchen
Ort, da die Handlung nicht floriren kan, und kan er auch alsdenn nicht
reuſſiren. Wer will doch wohl eine groſſe Kauffmannſchafft anrichten
zu Loͤbegin oder Wettin, da ſind andere loca, wo man ſich hinwenden
muß. Es kan einer freylich an einem ſolchen Orte wohnen und negotii-
ren, aber er hat daſelbſt keinen offenen Laden, ſondern er laͤſt die Waa-
ren an ſolche Oerter gehen, wo Maͤrckte ſind, und ſiehet man an dem
Ort, wo ſie wohnen, nicht, daß es groſſe Handwercks-Leute ſind. Der
wuͤrde alſo ſehr abſurd handeln, wenn er an einem ſolchen Orte wollte
ein groſſes Gewoͤlbe haben. Es iſt eben, als wenn einer einen ſchoͤnen
Gaſt-Hoff bauen wollte an einem ſolchen Orte, wo keine paſſage waͤre.
Tempus iſt auch eines von denen groͤſten Sachen, wenn einer ſeine for-
tun will machen im Krieg, oder auf eine andere Weiſe, da heiſt es: poſt
hæc occaſio calva. Alſo iſt abſurd, wenn ich will einen Dienſt haben,
und iſt keiner offen, oder ich bin nicht vigilant, wenn ein Dienſt offen iſt;
ſo iſt es eben auch beſchaffen, wenn alles uͤberhaͤufft iſt von Handel und
Gewerbe, und es will ſich doch einer da ſetzen. Er muß das tempus
recht in acht nehmen. e. g. Es iſt etwann eine Peſt geweſen, da viele
weg geſtorben, oder es iſt Krieg geweſen, oder es iſt eine neue Stadt ge-
weſen, alsdenn iſt Gelegenheit da, daß einer kan einrucken. Hergegen
iſt ſchon alles beſetzt, und ich will mich da ſetzen, ſo werde ich beneidet
von andern, und ſuchen ſie mich zu ruiniren. Ein Haußwirth, der ein
Landmann iſt, muß auch da die Zeit wohl in acht nehmen, wenn man
pflegt die Baͤume zu beſchneiden ꝛc. Es iſt ſehr gut, wenn man ſich
darinnen recht informiret. Auch bey dem loco muß man ſich einen Un-
terſcheid machen, daß man ſiehet, was dahin kan geſaͤet werden ꝛc. e. g.
Hier hat man das Weitzen-Brod, im Reich aber hat man Duͤnckel,
welches groſſe Koͤrner, und ſchickt ſich nicht zu dem Lande allhier, weil
dieſes ſehr leimigt, auſſer an einigen Orten gehet es an, wo es abhaͤngig
und allezeit feucht iſt. Wenn einer ein ſchoͤn Guth hat, und ein anderer
ein mittelmaͤßig Guth, dieſer hat Verſtand, ſo wird er ſein Guth beſſer nu-
tzen koͤnnen, als der andere ſein ſchoͤn Guth. Mit einem Garten iſt es
eben ſo, wenn einer einen groſſen Garten hat, nimmt aber die Zeit nicht in
acht, ſo wird er nicht ſoviel ausrichten, als einer, der einen kleinen Garten
hat, und alles genau obſerviret.
U 2§. 10. 11. 12.
[156]Cap. V. De prudentia
[l]en in Anſe-
hung anderer
Staͤnde;
§. 10. 11. 12. Wo eine domeſtica ſocietas, da ſind auch andere
ſocietates mit dabey, und wir finden da allerhand reſpectus, es iſt da einer
ein pater familias, ein dominus, es ſind liberi vorhanden, und wenn man
gleich in einem reuſſirt ſo reuſſirt man doch nicht gleich mit dem andern;
daher muß man darauf dencken, wie alles kan harmoniren. Mancher iſt
ein guter Haußwirth, kan aber mit ſeiner Frau nicht zu rechte kommen/
oder er hat abgeſchmackte Kinder. Es waͤre am beſten, wenn wir die
Weiber frey wehleten, wir wehlen uns wohl Weiber, ſehen aber nur auf
die Familie, oder aufs Geld, nicht, was vor eine Meluſine in den Kleidern
ſtecke; dahero findet man auch viele abgeſchmackte Weiber, und iſt eine
Kunſt, daß man eine ſtultam fœminam, eine Xantippe ertragen kan. Herr
Thomaſius hat in ſeiner Juris prudentia Conſultatoria weitlaͤufftig hievon
gehandelt. Eine Familie iſt wie eine parva civitas, und iſt gewiß, daß,
wer da kan eine harmonie erhalten, der iſt auch aptus eine civitatem zu re-
gieren. Es gehoͤret freylich etwas mehrers dazu, wie in ſeq. Sect. wird
gewieſen werden.
hung der Re-
public ſelbſten.
§. 13. Ob man zwar freylich auf rem familiarem ſehen muß, ſo
ſaget unſer Autor, muͤſſe einer doch ſehen auf ſalutem publicam, biswei-
len iſt mir etwas nuͤtzlich, aber der Republic iſt es ſchaͤdlich, alsdenn muß
man die Republic vorziehen. Denn es iſt wahr: Cadente felicitate pri-
vatorum, cadit res publica, aber cadente felicitate unius, non ſtatim ca-
dit felicitas totius reipublicæ.
Sect. III.
de
Prudentia ſtatum reipublicæ conſervandi
in genere.
MAn muß hierbey vornehmlich des Lipſii Politicam leſen. Er ge-
het zwar auf Monarchiam, wir haben aber hier von dem Exer-
citio jurium majeſtaticorum zu handeln, welches uͤberall vor-
kommt. Deßwegen hat auch Lipſius etwas hievon, er hat alles durch
exempla aus denen alten Autoribus ausgefuͤhret, deßwegen iſt er vortreff-
lich zu gebrauchen. Der VVerlhoff hat auch offt uͤber des Lipſii Poli-
tic geleſen, und habe ich zwey Programmata davon, da er die Studioſos in-
vitiret zu einem ſolchen Collegio. Man darff nicht meynen, als wenn
Lipſius ein Schul-Fuchs geweſen. Er war zwar Profeſſor zu Loͤwen,
hat ſich aber mehrentheils zu Bruͤſſel aufgehalten, woſelbſt ihn der Ertz-
Hertzog
[157]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
Hertzog von Oeſterreich gebrauchet, und hat derſelbe faſt nichts vorge-
nommen, bevor er nicht den Lipſium befragt. Lipſius war ein Criticus,
ein Antiquarius, und hat ein groß jugement gehabt, ſeine Exempla politica
ſind auch uͤberaus wohl zu gebrauchen. Es hat Ioh. Fridr. Reinhard,
welcher in Dreßden Rath geweſen, des Lipſii Politic mit Noten ediret
in quarto. In dieſem Buche findet man vortreffliche Collectanea.
Schurtzfleiſch hat eine Præfation davor gemacht, da er gewieſen, worzu
das Buch koͤnne gebrauchet werden. Es iſt ein Collectaneen-Buch,
welches in Staats-Sachen ungemein zu gebrauchen. In Staats-Sa-
chen kan man auch des Amelots ſeine notas ad Tacitum gebrauchen, wel-
cher die Spanier geleſen, und findet man bey ihm penetrante Expreſſio-
nes. Sein Tiberius iſt auch vortrefflich, welcher jetzo von neuen aufgele-
get. In des Richelieu Teſtament Politique ſind auch vortreffliche Sachen.
§. 1-4. Gleichwie der finis ſocietatis domeſticæ nicht darinnenVon dem ſco-
po und End-
zweck eines
Staats.
beſtehet, ut ſit potens, nimium dives, ſo iſt auch ein pſeudo-finis, wenn
man meynet, daß eine respublica gluͤcklich, welche maͤchtig, militariſch.
Das ſind lauter exceſſus, mala diſponentia ad exitum. Es muß nimium
und exiguum evitiret werden: denn alle extrema taugen nichts; daher
zeiget der Autor erſt en general, was zu evitiren. Man hat nicht allein
aus der experientia, ſondern man kan es auch demonſtriren, daß nimia
potentia, nimiæ divitiæ, bella nimia der Republic ſchaͤdlich. Aus der
experientia hat man wahrgenommen, daß keine respublica, die militaris
geweſen, gedauret; ingleichen, daß niemahls nimia paupertas einen
Staat floriſant gemacht. Und alſo, wenn man auch nur auf die expe-
rientiam gehen wollte, ſo koͤnnte man es bloß daraus zeigen: wie denn
auch die meiſten Leute empirica ratione nicht allein von natuͤrlichen, ſon-
dern auch von moraliſchen Dingen urtheilen. Wer ſich aber diſtingui-
ren will, inquiriret in cauſas, quare hoc in experientia deprehendatur?
Man hat von denen Seythen, und von denen Einwohnern in Arabia De-
ſerta einen ſchlechten concept, daß ſie in extrema paupertate gelebet, und
die letztern noch leben, da ſie doch vielmehr das extremum meiden ſoll-
ten. In vita humana iſt jedermann einem ſolchen feind, qui nimium atrox,
und auf die letzte ſchlagen alle auf ihn zu. Hinc deprehenſum eſt omnes
respublicas periiſſe, welche pro fine gehabt militarem gloriam. Alle, die
eine Univerſal-Monarchie intendiret, haben nicht allein ſolche nicht er-
halten, ſondern ſind auch daruͤber zu Grunde gegangen; eben aus der rai-
ſon, weil keiner ſich wider ſeinen Willen will den andern unterwerffen,
und ſich das Joch uͤber den Halß werffen laſſen. Man findet in dem
Alterthum, daß wenn einer eine Univerſal-Monarchie wollen anrichten,
U 3ſo
[158]Cap. V. De prudentia
ſo haben die andern alle ihre Kraͤffte zuſammen gethan, und den Brand
geſucht zu loͤſchen. Daher iſt kein Wunder, daß die respublicæ milita-
res auf die letzte ſo ein miſerables Ende nehmen. Denn wenn gleich ei-
ner potentiſſimus in Anſehung hujus, illius, ſo kan er doch nicht potens
ſeyn, wenn alle ihre Kraͤffte wider ihn conjungiren. Wir ſehen, daß,
als Louis XIV. aus der balance kommen, alle auf ihn loß geſchlagen.
Rom iſt mole ſua uͤber den Hauffen gegangen, daher hat auch Auguſtus
geſagt: Se hoc ſuadere, ut potentia Romana intra modum coërceatur,
und daß ſie nicht andern nationibus einen Schein gaͤbe, als wenn ſie ih-
nen das Joch uͤbern Halß werffen wollte, ſonſt wuͤrden ſie alle auf ſie loß
fallen. So iſt es auch nachgehends geſchehen. In abſtracto ſcheinet es
am beſten, wenn gar kein bellum waͤre. Aber manchmahl kan man oh-
ne Krieg nicht ſeyn, wenn auch einer will wider meinen Willen ſich un-
terwerffen. Offt findet man, daß Leute ſich freywillig unter eines ſein
imperium ſich begeben, aber eine ſolche conſpiratio voluntatum iſt nicht
vorhanden, wenn man einen zwingen will; Suchet nun einer mit
Gewalt andere Leute unter ſich zu bringen, ſo ſind in der Ferne
auch Leute, welche Hertz und courage haben, und den andern ſu-
chen uͤbern Hauffen zu werffen. Regino, Abt zu Pruim, ſagt auch,
daß das Carolingiſche Reich durch ſeine Schwere uͤbern Hauffen
gegangen. Alſo kan man gar leicht demonſtriren, wo es herkommen,
Derer ſimilium zugeſchweigen, welche man hier gebrauchen koͤnnte. Denn
man koͤnnte ſagen, ein Coͤrper, der zu groß iſt, iſt vielen imbecillitatibus
unterworffen, und kan alſo eher zu Grunde gehen, als ein mittelmaͤßiger.
Unter allen groſſen Republiquen iſt das principium: Potentiæ creſcenti
te opponas, wovon man in Parte V. Gundl. eine diſſertation finden kan.
Die Chriſten ſind bey denen Chineſern und Jappanern ſehr verhaßt, und
werden faſt vor infam gehalten, weil ſie wahr genommen, daß, wo man
die Chriſten aufgenommen, ſo ſind ſie erſt ſehr gut geweſen, aber nach-
gehends haben ſie geſucht, die Voͤlcker unter das Joch zu bringen, wie
Ludovicus XIV. ſo groß wurde, fiel gantz Europa auf ihn loß. Der
Pabft ruhete in ſolchem Fall nicht einmahl. Grotius in ſeiner Hiſtoria
Belgica, da er vorne herein erzehlet, wie die Spaniſche Republic ſich an-
gefangen zu erheben, ſaget: Es habe der Pabſt ſelbſt gerne geſehen, daß
die Hollaͤnder revoltirt, weil die Spanier ſo ſehr hochmuͤthig worden.
Es finden ſich unter groſſen Herren immer ſolche, welche eine Univerſal-
Monarchie affectiren, und dencken ſie, wenn gleich dieſer und jener nicht
reuſſiret habe, ſo wollten ſie doch durchbrechen, ſie ſind wie die Fliegen,
welche neben dem Fleiſche ſehen die Leichen liegen, und doch auch hinflie-
gen
[159]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
gen. Man wird alſo finden, daß immer welche ſind, ſo es dem Alexan-
dro Magno nachthun wollen, ſemper eadem eſt ſtultitia. Den Krieg
muß man brauchen, als ein Meſſer, da man das, was einem incommo-
diret, wegſchneidet, aber als ein ordinatium medium muß man ihn nicht
brauchen. Impotens ſoll man nicht ſeyn, ſondern es muß da ſeyn tem-
perata potentia, welche hinlaͤnglich iſt, mich zu defendiren. Denn wenn
ich eine groͤſſere potenz habe, und behalte eben die affecten, welche ich
zuvor gehabt, ſo ſuche ich andere zu ſupprimiren. Ja wenn wir die po-
tenz nicht mißbrauchten, ſo koͤnnten wir ſie ſo haben, wie wir ſehen, daß
GOtt potentiam irreſiſtibilem hat. Monſr. de Priezac, welcher eine Po-
litic in Frantzoͤſiſcher Sprache geſchrieben hat, ſaget, daß viele die obje-
ction gemacht, und gemeynet, GOtt ſey ja omnipotens, alſo koͤnnten die
Menſchen auch eine groſſe Gewalt haben. Allein GOTT iſt ſapientiſ-
ſimus, der wird ſich derſelben nicht mißbrauchen, und kan man von ihm
auch nicht ſagen: tel eſt mon plaiſir. Er hat allezeit raiſons, warum er
dieſes oder jenes thut, ob wir gleich ſolche nicht allezeit koͤnnen erforſchen,
aber denen Menſchen iſt nimia potentia nichts nuͤtze. So iſt es auch
mit denen divitiis. Divitiæ ſind gut, nimia paupertas machet ſordidam
rempublicam. Man attaquiret die Araber nicht leicht, weil ſie nichts
haben, aber ſie leben auch miſerable, und findet man einen ſchlechten Un-
terſcheid zwiſchen ihnen, und den Thieren. Wenn man die Reiſe-Be-
ſchreibungen lieſet, ſo kan man kaum glauben, daß ſie ſo leben, und fin-
det man auf ſolche Art zwiſchen ihnen und denen Thieren keinen Unter-
ſcheid, als daß ſie noch malitieuſer als die Thiere. Es betriegen ſich
auch ſolche Leute in ihren raiſonnements, wenn ſie meynen, paupertas
wuͤrde verurſachen, daß niemand ſie attaquirte. Denn wenn gleich jetzo
eine paupertas vorhanden, ſo kan doch der Nachbar dencken, ich will ſie
ſchon capiſtriren; Die Narren verſtehen nicht, was ſie vor ein Land ha-
ben. Die Schweitzer wuͤrden ſich ſehr betruͤgen, wenn ſie meynen woll-
ten, daß der Koͤnig in Franckreich ſie niemahls wuͤrde ſuchen, unter ſich
zu bringen, weil ſie nicht reich waͤren. Denn der Koͤnig in Franckreich
wuͤrde dencken, er koͤnnte daſelbſt wenigſtens Leute ziehen, die er hernach
im Kriege andere zu ſubjugiren gebrauchen koͤnnte. Die Leute in Ameri-
ca und Oſt-Indien, welche die Europaͤer ſubjugiret, ſind nicht ſo geſcheuet
geweſen, daß ſie gewuſt haͤtten, wozu ſie dieſes oder jenes gebrauchet,
welches hernach die Europaͤer gut gebrauchet. Alſo iſt es falſch raiſon-
niret: pauperes ſumus, ergo nemo nos appetet. Dieſes aber bleibt da-
bey: Wenn eine civitas nimias divitias uͤberkommt, ſo faͤllet ſie in lu-
xum, luxuria perdit civitates, wovon exempla gnug vorhanden. Rom
hat
[160]Cap. V. De prudentia
hat erſt eine harte diſciplin gehabt; daher es viele Voͤlcker ſubjugiret,
wie aber dieſe ſubjugiret waren, ſo brachten ſie die divitias ex Aſia nach
Rom, wodurch ein luxus entſtanden, die arrogantia wuchs, ſie ſelbſt wur-
den unter einander uneinig, es kamen ambitieuſe Leute, der Marius Sylla,
Pompejus, Cæſar, da giengen ſie uͤber den Hauffen: Denn hernach ent-
ſtund eine Monarchie. Alle Imperantes aber ſind nicht geſcheuet. Au-
guſtus war klug, nach ihm kam Tiberius, welcher nichts taugte, darauf
folgte noch ein naͤrriſcher Kerl, der Caligula, und hat Bayle in ſeinem
Diction. Hiſtor. Crit. gemeynet, er waͤre gar naͤrriſch geweſen, indem er
ſein Pferd zum Buͤrgermeiſter gemacht. Die Menſchen wiſſen die divitias
nicht zu gebrauchen, ſondern ſind wie die Kinder, jemehr man denen giebt,
je aͤrger verderben ſie ſich. Cicero erzehlet in ſeinem Tractat de Legibus
von dem Scipione Africano, daß derſelbe geſagt: Die Republic wuͤrde
untergehen, wenn man nicht veterem illam diſciplinam, caſtitatem \& ſo-
brietatem wollte vor die Hand nehmen. Findet ſichs gleich, daß einer
kan die divitias gebrauchen, ſo kan es doch der andere nicht thun. Caro-
lus Magnus konnte alles zuſammen halten, was er acquiriret, aber ſeine
Kinder konnten es nicht. Wenn man gleich den ruin nicht auf einmahl
ſiehet, ſo kommt es doch nach und nach. Man darff nicht weit gehen,
ſondern nur unſer Teutſches Reich anſehen, ſo wird man ſolches finden.
Daher ſagen die Doctores Politici, proportio ſey das fundamentum die
Republic zu conſerviren. Janus Douſa hat es auch in ſeinen Annal. Hol-
landiæ denen Hollaͤndern ins Geſicht geſchrieben, und ſagt, mitten im
Kriege haͤtten ſie am beſten floriret, aber nachgehends legten ſie ſich auf
Handel und Wandel, wurden reich, das publicum war exhauriret, da
waͤren ſie 1672. bald von dem Koͤnige in Franckreich verſchlungen worden.*
Bey denen erſten 4. §. §. kan man nachleſen den Hertium in ſeiner Poli-
tic. Part. I. pag. 87. und 207.
zweck des
Staats erhal-
ten werde 1)
in Anſehung
des genies der
Einwohner.
§. 5. Man muß alſo auf den finem ſehen, daß man denſelben
recht erhaͤlt. Wer aber den finem erhalten will, muß ſich conſerviren,
und ſich ſuchen zu aggrandiren, ſo wie die vicinitas aliarum gentium er-
fordert, welche neben uns ſind. Denn hier haben wir lauter vocabula
relativa, und kan man nicht abſolute ſagen, was vor divitiæ erfordert
werden. Wer aber den finem will erhalten, muß alles wohl uͤberlegen,
damit er nicht einen falſchen Endzweck ergreiffe, ſonſt iſt die Wahl ab-
ſurd.
[161]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
ſurd. Erwehlet man einen falſchen finem, ſo folgen plura alia falſa.
Hernach muß man auch conſideriren ipſam naturam rei, denn wir koͤn-
nen nicht pro arbitrio thun, was wir wollen, ſondern muͤſſen allezeit rai-
ſon haben, und die raiſon accommodiren ad rem. Wirff doch einen
Muͤhlſtein ſo geſchwind weg, als ein Schnell-Kaͤulchen. Alſo ſiehet man,
daß in der Welt nichts iſt, ich muß meine force nach der Beſchaffen-
heit der Sache einrichten. Dieſes iſt aber noch etwas obſcur. Alſo
ſaget der Autor: Conſideranda eſt materia. Quid hoc eſt? Reſpond.
materia ſunt homines, wer will regieren, der regieret Menſchen, und
keine Pferde. Populi ſunt diverſi, hinc ante omnia genius populi conſi-
derandus eſt. Es laſſen ſich nicht einmahl die Pferde auf einerley Art
tractiren; auf eines ſchlaͤgſt du, das gehet fort, hergegen ein anders ge-
het durch, wenn du es ſchlaͤgeſt. Kinder laſſen ſich nicht auf einerley
Art tractiren und ziehen, geſchweige gantze Voͤlcker. Daher haben auch
ſchon Tacitus, Cicero, Ariſtoteles, und andere erkannt, conſiderandum
eſſe genium populi. Es iſt alſo was gemeines, und wird doch nicht ob-
ſerviret. Die Regenten wollen offt auf einerley Art regieren. Caro-
lus V. hat von ſeinem Sohn Philippo II. dem melancholiſchen Geſichte ge-
ſaget: Ich fuͤrchte, mein Sohn Philipp wird die Niederlaͤnder verliehren/
und mehr Laͤnder einbuͤſſen, als er gewinnen wird: Denn Carolus V.
ſahe, daß er differente nationes hatte. Die Italiaͤner ſind nicht wie die
Teutſchen; Das clima machet ſehr viel, davon hernach wird gedacht
werden. Philippus II. wollte alle nationes auf einerley Weiſe, i. e. hiſpa-
nice regieren, und waren ihm die Hollaͤnder ſchon feind, da ſie ihm in
einen Spaniſchen Kleide geſehen. Er that alles mit der groͤſten gravi-
taͤt, und konnte man ihn nur ſprechen zu gewiſſen Zeiten. Er konnte nur
Spaniſch und Lateiniſch reden, aber nicht Niederlaͤndiſch. Hergegen
Carolus V. hat das Lob, daß er ein kluger und geſcheuter Herr geweſen,
welches ihm auch alle Scriptores geben. Wenn er in Teutſchland war,
ſo war er wie ein Teutſcher; in Niederlanden war er luſtig: Denn die
Niederlaͤnder wollen gerne populair tractiret ſeyn. Printz Wilhelm von
Oranien gieng in die Haͤuſer, und wenn er ſahe, daß Mann und Frau
mit einander zanckten, ſo ſuchte er ſie mit einander wieder zu vertragen, ſo
machte es auch Carolus V. weil die Niederlaͤnder kein hartes Spaniſches
Regiment vertragen konnten. Wenn er nach Italien kam, ſo redete er
Italiaͤniſch: Denn er konnte Italiaͤniſch, Spaniſch, Lateiniſch, Nieder-
laͤndiſch und Teutſch ſprechen: indem er einen guten Hofmeiſter gehabt,
und man hat gewuſt, daß dieſer Carl von Luxenburg wuͤrde viele Laͤnder
bekommen, deßwegen hat man geſucht, ihm viel zu lernen. War er in
XSpa-
[162]Cap. V. De prudentia
Spanien, ſo war er gravitaͤtſch, zog kein ſchlecht Kleid an, und hieng ei-
nen Mandel um. Das kan nicht anders ſeyn, man muß ſich accommo-
diren. Wie der Odoazer, der Herculer Koͤnig, nach Rom kam, ruffte
ihm das Volck zu, er ſollt ſeinen Peltz auszichen, oder ſie wollten ihm
nicht pariren, er zog ihn auch aus, und trug ein Roͤmiſches Kleid, wie
Caſſiodorus gedencket. Waͤre er opiniatre geweſen, ſo haͤtte er ſolches
nicht gethan; aber es ſind Kleinigkeiten, warum ſoll man deßwegen ei-
nen Krieg anfangen, da muß man ſich lieber accommodiren. Wenn
ein Spanier einen in einem bunten Kleid ſiehet, der ſtehet ihnen nicht an;
Wie die Iſabella dem Philipp von Oeſterreich in propren Kleidern geſe-
hen, ſo hat ſie geſagt: Er wuͤrde ſich nicht zu regieren ſchicken. Der
Ferdinand hat ihn auch geſucht zu railliren, und zog einen alten Rock an.
Er machte ihn ein compliment, aber alles ſever und ſchlecht. Ich habe
willens, von dem Philipp von Oeſterreich eine diſſertation zu ſchreiben.
Alle nationes haben differente inclinationes, denn es iſt in der Welt ei-
ne diverſitas, ita placuit Deo. Daher beſtehet darinnen die Kunſt, daß
man ſie in eine harmonie bringet, gleichwie in der Muſic eine Kunſt iſt,
die diverſen Thone angenehm zu machen. Drum muß ſich einer nach
dem andern accommodiren, darinnen beſtehet eben die conduite, wer ſich
nicht recht kan accommodiren, der iſt ungluͤcklich. Wenn auch einer
eine Frau hat, er kan ſich nicht mir derſelben vertragen, der iſt ungluͤck-
lich. Dieſe inæqualitas kommt hauptſaͤchlich mit von den terrain, von
der Sonne, Eſſen, und Trincken, und Lufft. Warum reden die Fran-
tzoſen geſchwind, die Teutſchen langſam, und die Spanier noch langſa-
mer, die Italiaͤner aber in medio? Das macht alles die Lufft. Vitrin-
ga in ſeinen Obſervat. Sacris, (da man es nicht ſuchet) wenn er handelt
von denen populis in Orient, zeiget auch, warum die Frantzoſen ſo ge-
ſchwinde reden. Deßwegen wird es einen Teutſchen ſauer, die Frantzoͤ-
ſiſche Sprache recht zu lernen. Alſo ſind diejenigen einfaͤltig, welche
meynen, daß das clima nichts thue. Denn wenn ich frage: Warum
ſind die Leute in Africa ſchwartz, warum haben ſie Haare wie Wolle?
Warum ſind die Leute, ſo bey dem æquatore wohnen, kleine Leute, ha-
ben noch kleine Fuͤßgen, wenn ſie 13. Jahr alt ſind, und ſterben auch
bald? So weiß man keine andere raiſon zu geben, als daß das clima
ſolches verurſachet. Bey gewiſſen nationibus ſind Kranckheiten, welche
bey andern nicht ſind. Das clima verurſachet, daß die Schweden weiß
ſind, und ſtarcke Knochen haben. Schefferus ſagt in ſeiner Beſchreibung
von Lappland: Daher kaͤme es eben, daß man meynete, die Lapplaͤn-
der waͤren feſte, weil ſie ſo ſtarcke Knochen haͤtten, daß, wenn man ſie
in
[163]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
in der Ferne mit einer Kugel trifft, dieſelbe keinen effect hat. Das cli-
ma machet, daß die Engelaͤnder melancholici, und hengen ſich leicht.
Warum iſt ein Ungar ſo hitzig? das machet ſein clima, der Wein ꝛc.
Will einer ſie anders machen, ſo muß er ſie in ein ander clima bringen.
Thucidides erzehlet von ſeinen Athenienſern, daß in Athen dreyerley Ar-
ten von Leuten geweſen, die unten in der Stadt gewohnet, ſind douce
geweſen, ingemeux, arbeitſam, und haben ſich auf Kuͤnſte geleget; die
hoͤher wohneten, ſind geweſen homines libertatem ſpirantes: Denn man
wird ſehen, die Leute, ſo hoch wohnen, haben courage. Paruta ſaget in
ſeinen politiſchen diſcourſen, daß die Roͤmer am feroceſten geweſen, wenn
ſie auf dem Berge Aventinus waren, denn da hat man koͤnnen die gan-
tze Stadt uͤberſehen, die in Athen am Waſſer gewohnet, ſind Waͤſcher,
Klaͤtſcher geweſen, und haben durch ihre Klaͤtſchereyen viel Ungluͤck ver-
urſachet. Da man nun dieſelben in einer eintzigen Stadt angetroffen,
wer will glauben, daß gantze populi koͤnnten auf einerley Art regieret
werden. Des Theophraſti Characteres kan man auch wohl gebrauchen,
welchen alle Athenienſer nach ihren Stand und profeſſion characteriſiret,
und gewieſen, was ſie vor diverſe inclinationes gehabt. Diejenigen
ſind abſurd, welche den Theophraſtum verachten. Ich habe einen ex-
tract aus demſelben in die neue Bibliothec gemachet, und gewieſen, wo-
zu man ihn gebrauchen koͤnne. Es iſt freylich ein ſpecial Werck, wel-
ches man nicht en general in moralibus gebrauchen kan, und iſt es eben ſo-
viel, als wenn ich wollte Characteres Hallenſes ſchreiben, und darinnen
alle characteriſiren. Man ſagt ſonſt: Virtus ex confragroſo venit: Denn
die Leute, ſo auf denen Bergen, und in denen Waͤldern wohnen, ſind
hart. Die Sachſen haben in meris ſylvis gewohnet, wie man noch hin
und wieder viele Waͤlder in Teutſchland findet; daher haben ſie alle
einen ſpiritum. Je weiter man nach Norden gehet, je ſchlimmer ſind
ſie: Denn wo es kalt iſt, da ziehet ſich die Hitze nach dem Hertzen zu.
Die Natur hilfft ſich ſelbſt, weil ſie von Jugend auf dazu gewoͤhnet ſind.
Wenn aber das Hertze Hitze hat, ſo hat man courage, denn bey der
courage ebulirt ſanguis. Betrachtet man die ſeptentrionaliſchen Voͤl-
cker, ſo findet man, daß ſie groſſen Lermen verurſachet. Sie haben den
Roͤmiſchen Reich ein Ende gemachet, ſie ſind nicht mit Europa zufrieden
geweſen, ſondern ſie ſind nach Aſia und Africa gelauffen. Der Bremius
iſt nichts anders, als ein Teutſcher geweſen, welcher in Griechenland ſo
gepluͤndert. Vitringa hat gemeynet, daß die Teutſchen eine razza von
denen Parthern, welches bellicoſiſſimus populus geweſen. Die Leute
haben ſich in montibus aufgehalten, und weil ſie nichts zu leben gehabt,
X 2ſo
[164]Cap. V. De prudentia
ſo haben ſie ſich aufs Rauben gelegt, und geſucht, conqueten zu machen.
Wenn ſie nun in ein Land gekommen, welches commode, ſo ſind ſie da
geblieben. Als wie Cæſar von dem Arioviſto erzehlet, daß derſelbe nach
Gallien gegangen, weil daſelbſt mollius ſolum. Sie haben gerne wol-
len erndten, wo ſie nichts geſaͤet. Carolus Magnus hat deßwegen die
Sachſen weg transportiret, weil er ſie wollen cultiviren: Denn das iſt
das beſte Mittel. Die Leute, welche jetzo da ſind, wo Genua liegt, ha-
ben die Roͤmer aus Dauphiné dahin transportiret, weil ſie daſelbſt auf
Bergen gewohnet, und hartnaͤckige Koͤpffe geweſen. Pompejus, da er
die Cilicier uͤberwunden, welche am Meer gewohnet, zwiſchen Klippen,
und ſich aufs Rauben geleget, ſo hat er geſehen, daß ſie bald wieder wuͤr-
den revoltiren; daher transportirte er ſie, gabe ihnen molle ſolum, da
wurden ſie gantz gut; daher muß man eben nicht gleich ſagen, daß ein
Herr eine boͤſe intention habe, wenn er ſeine Unterthanen transportiret.
Der Czaar macht es eben ſo: wie er alt Neugard erobert, ſo hat er ge-
ſehen, die Leuthe wuͤrden hundert mahl revoltiren, daher brachte er ſie
dahin, wo jetzo Novogrod ſtehet. Conſtantinus Magnus hat ſeinen Soͤh-
nen alle ſeine Lande aufgezeichnet, und alle populos beſchrieben, und hat
man dieſe inſtruction noch. Carolus V. hat eben eine ſolche inſtruction
ſeinem Sohn Philippo gegeben; ſie hat aber nicht viel geholffen. Die
anima accommodiret ſich bey ſolchen inclinationibus nach dem Leibe. Ob
man gleich ſaget, daß die Seele kan alio ſeſe flectere, welches in der mo-
ral gewieſen wird, deßwegen kan man die nationes doch nicht darnach
einrichten. Wie ſie nun ſich nach denen motibus corporeis richtet, ſo
muß man ſich auch im Regieren darnach accommodiren. Si contra fa-
cias, infeliciter cedet totum imperandi negotium. Man nimmt klaͤrlich
wahr, daß die orientaliſchen Voͤlcker ſich von einem gerne regieren laſ-
ſen. Ja es kommt denen in China, Japan, Siam, und in gantz Aſia
paradox vor, wenn man ihnen erzehlet, dari in Europa respublicas liberas,
wo keine Imperantes: denn ſie halten ihre Regenten faſt fuͤr Goͤtter.
Daher wuͤrde einer wunderlich thun, wenn er die orientaliſchen Voͤlcker
wollte laxius regieren, indem ſie des Iugi Monarchici gewohnet. Als die
Hollaͤnder ihre Handlung in Siam etabliret, und der Koͤnig von Siam
eine Geſandtſchafft nach Holland geſchickt, ſo haben die Hollaͤnder fin-
giret, als wenn der Printz Moritz ihr Souverain, er muſte ſich als einen
Koͤnig auffuͤhren, und gab denen Geſandten, auf einen Thron ſitzend,
audience, weil die Geſandten ſonſt einen ſchlechten concept ſich von der
Republic in Holland wuͤrden gemacht haben. Die Ruſſen und Mo-
ſcowitter ſind capable geweſen, ein hartes Regiment zu erdulden, und
muͤſſen
[165]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
muͤſſen auch nicht anders tractiret werden. Hergegen die Athenienſer
haben gezittert, cum audirent de regio nomine. Alle Monarchen haben
ſie conſideriret als Tyrannen, Tytannis und Monarchia war bey ihnen
einerley. Es war ein crimen perduellionis, wenn einer immaginem Mo-
narchæ in ſeinem Zimmer hatte, weil ſie meyneten es wollte ein ſolcher
ſich auch darzu aufwerffen. Daher haͤtten die Athenienſer auch ſein
Lebtage nicht gut gethan, ſi ſub regio imperio vivere debuiſſent. Sol-
chem nach iſt Sonnen-klar, daß nicht eine jede Form ſich vor ein Volck
ſchicke, und wenn ſie ſich auch ſub una forma comportiren, ſo muß man
doch reflectiren auf den genium populi, und die leges darnach einrichten.
In der Tuͤrckiſchen Religion iſt ein Haupt-Punct mit: Was der Sul-
tan ſage, ſey anzuſehen als vox Dei, und die auf ordre des Sultans ſtuͤr-
ben, fuͤhren mit geraden Fuͤſſen in Himmel, das hat Monſ. Ricout in
ſeiner Beſchreibung von der Ottomanniſchen Pforte gewieſen.
§. 6. Abſolute kan man nicht ſagen, welche forma reipublicæ am2) in Anſe-
hung der for-
mæ reipubl.
ſelbſten.
beſten. Forma beſtehet darinnen, daß man conſideriret das ſubjectum,
und den modum exercendi imperium. In allen Republiquen iſt eine
poteſtas irreſiſtibilis, aber nicht bey allen iſt ſie in uno ſubjecto: Denn
ſie kan auch bey mehrern ſeyn, wie in Ariſtocratia und Democratia. Hob-
bes hat ſchon angemercket, daß die Leute einfaͤltig, welche meynen, in
Monarchia waͤre nur ſumma poteſtas, ſondern ſie iſt vielmehr in allen
drey formis, bey denen freyen Republiquen iſt die libertas an denen Tho-
ren angeſchrieben, aber die Leute ſind in der That ſubject, das exercitium
ſummæ poteſtatis actu iſt auch nicht unterſchieden. Wenn der Koͤnig in
Franckreich den Degen ausziehet, ſo ziehen ſolchen auch alle, wenn in
Venedig die Oberſten Krieg wollen, ſo wollen ſolchen alle Unterthanen,
nur iſt der Unterſcheid, wenn der Koͤnig zu Verſailles ſo iſt das gantze
Reich da, in andern formis muͤſſen ſie erſt zuſammen kommen; es ha-
ben mehrere zu ſprechen, es iſt ein Unterſcheid ratione ſuffragiorum, und
dieſer verurſachet die formas diverſas. In Democratia haben nicht alle
ſummam poteſtatem, ſondern es iſt auf certas curias reſtringiret, was
dieſe ſagen/ iſt voluntas totius populi, wir haben nur drey formas regu-
lares. Monarchiam, Ariſtocratiam und Democratiam Struv hargemey-
net: Er wuͤſte nicht, warum man Teutſchland irregularem rempublicam
nennete; allein man meynet regulare wo man gleich ſiehet, cui paren-
dum, wie man in Monarchia, Ariſtocratia und Democratia ſiehet. In
Ariſtocratia waͤhret es zwar lange, ehe das Collegium zuſammen kommt;
aber wenn ſie beyſammen, eadem eſt ratio, in Democratia ſind zwar auch
viele tribus, curiæ \&c. Hingegen in irregulairen Republiquen weiß man
X 3gar
[166]Cap. V. De prudentia
gar nicht, wer das ſummum imperium hat. Man diſputirt, und unterdeſſen
leidet der Unſchuldige; da iſt es eben, als wenn die Republic der Schlag ge-
ruͤhret, die machine ſtehet ſtille, e. g. Man diſputirt in Teutſchland, wer die
execution in denen Craͤyſen thun ſoll, der Kayſer ſaget: Ja, die Fuͤrſten ſa-
gen, Nein, in Europa giebt es meiſtens res publicas irregulares. Derglei-
chen iſt Engeland, dergleichen Pohlen. Ariſtoteles iſt ſchuld, daß man
auf mixtas respublicas gefallen, und hat gemeynet, das waͤren die ſchoͤn-
ſten, hat aber nicht geſehen, daß ſie irregulares. Es wuͤrde kein Menſch
diſputiren, ob eine respublica irregularis zu ſouteniren, wenn die impe-
rantes nicht durch ihr uͤbeles Regiment die Leute dahin gebracht, daß ſie
von der Monarchica forma deflectiret. Denn wenn die principes re-
gierten, als warhaffte Vaͤter, ſo wuͤrde kein Menſch ein ander imperium
verlangen, als Monarchiam Ein Vater haͤlt das Mittel, belohnt das
Gute, ſtrafft das Boͤſe, die erſten Republiquen ſind auch alle monar-
chiſch geweſen. Relative kan man Monarchiam, Ariſtocratiam und De-
mocratiam defendiren. Ariſtoteles, ob er gleich an Philippi und Alexan-
dri M. Hofe geweſen, ſo hat er doch an dem Macedoniſchen Reich viele
irregularitaͤten wahr genommen. * In dem uͤbrigen Griechenland wa-
ren lauter kleine respublicæ, wozu der Ariſtoteles ſehr inclinirete. Er
ſagte: Zu einem Regiment gehoͤret Weißheit. Ein weiſer Vater regie-
ret ſeine Kinder wohl, daß ihm ein jeder pariret. Nun, ſagt er ferner,
iſt wohl probable, daß ein Auge mehr ſiehet, als das andere, plures plus
vident oculi, quam oculus. Er ſaget ferner: Geſetzt, daß optimi, ſapien-
tiſſimi erwehlet worden, ſo muß es gut zugehen. Ein Fuͤrſt muß con-
ſiliarios haben, die muß er wehlen, iſt er einfaͤltig, ſo wird er auch keine
geſcheute Leute wehlen; Wir ſehen, wie es in der Welt zugehet. Auf
neuere braucht man nicht zu ſehen, denn man hat antiqua und media ge-
nug. Hier aber, wo plures regieren, ſagt Ariſtoteles, wehlet das gantze
Volck die optimates, ſie ſehen auf ſolche, die Proben ihres Verſtandes
abgeleget. Wie Tarquinius aus Rom gejaget war, ſo ſagte Brutus:
Wir wollen nur conſules ſeyn, conſulemus veſtræ utilitati, da vorher
ein Deſpotiſmus geweſen, ſo wollten ſie nunmehro auf des Volcks Nu-
tzen ſehen. Es hat alſo in abſtracto etwas in receſſu, was Ariſtoteles
geſagt. Weil nun Ariſtoteles geſehen, die Ariſti koͤnnen in kleine impe-
rantes denegiren, welches er oligarchiam nennet, ubi quidem pauci
regnant,
[167]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
regnant, ſed non perſonæ, quæ ſunt optimæ. Alſo meynet er, es ſey am
beſten, ut mixtio fiat. Allein alle dieſe ſind abgeſchmackt; wenn etwas
da iſt von allen drey formis, ſo iſt eine irregularitas, aber keine mixtur.
Denn wenn es eine Ariſtocratie, ſo iſt es keine Monarchie, iſt es eine
Monarchie, ſo iſt es keine Democratie. In concreto finden ſich viele
difficultaͤten, ebenfals bey dem irregulari ſtatu. Ja wenn alle thaͤten,
wie ihnen vorgeſchrieben, und es waͤre kein metus, keine ſuſpicio unter
denen, ſo regieren, ſo waͤre es gut; aber dieſes bleibet nicht weg. Es
iſt eine ſuͤſſe abſtraction. Ein ſapiens diſputiret auch nicht von compa-
raiſons, es ſind hier nur diverſi reſpectus, welches auch der Autor obſer-
viret. In comparationibus kan man in utramque partem diſputiren.
Diſparatæ koͤnnen gar nicht mit einander compariret werden, e. g. Wenn
ich wollte unterſuchen, ob ein Engel beſſer als ein Menſch, oder wie ich
bey denen formis frage, welche beſſer, ſo laͤßt ſich ſolches wohl hoͤren,
unterdeſſen ſo diſputiret doch kein Weiſer nicht davon, weil doch diverſæ
relationes vorhanden ſind, man compariret die formas mit einander.
In diverſis relationibus aber diſputiret man nicht gerne. Ich kan ſagen,
der Rector zu L. waͤre ein gelehrter Mann, wenn ich ihn halte gegen an-
dere Rectores, ſo geringer ſind, als er, hergegen halte ich ihn gegen einen
gelehrten Profeſſor, ſo iſt er nur ein Schneider-Lichtgen. Man koͤmmt
mit ſolchen comparationibus nicht zu Ende. Es iſt ein Spielwerck in
Schulen, daß man die jungen Leute exerciret, damit ſie ihr ingenium
ſehen laſſen, aber philoſophice ſolche heraus zu bringen, iſt ohnmoͤglich.
Es iſt dieſes auch eine Sache vor Poſtillanten, wenn ſie von der Hure-
rey predigen, ſo iſt dieſes das ſchlimmſte Laſter. Monſr. Crauſaz hat in
ſeiner Logic wohl hiervon raiſonniret, welche man vor allen leſen muß.
Der Autor zeiget in dieſem paragropho ein recht gemeines judicium. Er
ſagt, die commercia floriren mehr in libera republica als Monarchia.
Alſo hat er nur diverſos reſpectus compariret. Allein, daß die commer-
cia mehr floriren in libera republica als Monarchia, kommt nicht von der
Monarchia, das iſt fallacia non cauſæ ut cauſæ. Eigentlich iſt eine jede
Republic geſch ickt ad commercia, wenn ſie den ſitum, die paſſage und
Fluͤſſe hat. Der Verſtand des Herrn aber iſt in Monarchia daran
ſchuld, wenn die commercia nicht floriren, weil der Herr offt nicht klug
iſt, ſo geſchiehet es, daß in Ariſtocratia und Democratia die commercia
beſſer floriren. In Ariſtocratia und Democratia wird nicht ſo leicht eine
Aenderung vorgenommen, als in Monarchia. In Monarchia ruiniret
man alle commercien durch impoſten, da gehet der Kauffmann ander-
werts hin. Ingleichen iſt man da nicht recht ſicher, da fliehet der Kauff-
mann
[168]Cap. V. De prudentia
mann die violenz. Wie die Spaniſchen Soldaten Antwerpen ausge-
pluͤndert, ſo fiel alles weg, da ſonſt Antwerpen weit conſiderabler gewe-
ſen als Amſterdam. Stultitia iſt alſo daran Urſach, daß in Monarchia
die commercia nicht ſo koͤnnen floriren. Da koͤmmt ein Narr, und
bringet dem Herrn bey, groſſe impoſten aufzulegen. Wir haben keinen
Korn-Handel jetzo mehr, wie ehedeſſen, auf der Elbe, weil man einmahl
auf den Wiſpel ſechs Thaler geſetzt, da giengen die Hollaͤnder nach
Moſcau, woſelbſt der Czaar die Waͤlder ließ abbrennen, und Korn hin-
ſaͤen, von dar ſie nunmehro Korn gnug bekommen. Hergegen, wenn
man gleich in Ariſtocratia und Democratia was aͤndern will, ſo ſind
gleich Leute da, ſo contradiciren, deßwegen kan es nicht leicht angehen.
Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn man fraget, warum gehet es nicht
an, daß man in Monarchia eine Religions-Freyheit hat, wie in Hol-
land iſt? da meynet der Autor, Monarchia ſey Schuld daran, allein
ſtultitia hominum iſt daran Schuld. Der Fuͤrſt will allein herrſchen,
was er thut, thun andere auch, und iſt alſo hier eine fallacia. Sind
nun aber wohl die Menſchen um deßwillen unter eines ſein imperium
getreten, daß ſie eben das dencken wollen, was er dencke, ſo muͤſte auch
keine Religions-Freyheit ſeyn, wir wollen einander helffen. Alſo iſt
das eine Schwachheit, wenn man einen Herrn weiß machet, was er
glaube, muͤſſen auch andere glauben. Es koͤnnte der Herr glauben, daß
der Teufel ein Eichhoͤrngen, ſollte ich deßwegen dieſes auch glauben;
und was gehoͤret dieſes wohl zum Gehorſam. Der caſus kan ſeyn, ich
und du wollen einander helffen, allein du glaubeſt Geſpenſter, ich glaube
keine/ du glaubeſt, der Heil. Wolffgang habe eine groſſe Macht auf Er-
den, ich glaube es nicht. Das thut uns gar nichts, wir koͤnnen deßwe-
gen doch einander beyſtehen. Aber den Fuͤrſten flattiren alle; traͤgt der
Fuͤrſt kurtze Haare; gleich thun ſie es alle; wenn ein Fuͤrſt in Indien
ein blaues Federgen durch die Naſe ziehet, ſo kommen den Tag drauf
ſchon etliche, welche es nachthun, traͤgt er eine peruque bis auf die Ab-
ſaͤtze, ſo thun es ihm andere nach. Wenn man alſo ſucht den Fuͤrſten
zu flattiren, ſo thut man es durchgehends, und alſo auch in der Religion,
und wenn er glaubt, daß der Teufel ein Eichhoͤrngen, ſo glauben ſie es
auch. Allein hier iſt eine ratiocinatio, da kan es nicht von einem allein
dependiren, ſondern ein jeder raiſonniret da. Pactum de veritate eſt nul-
lum. Man hat Luthero objicirt, daß er einen Eyd gethan habe als
Doctor Theologiæ, nur die Catholiſche Religion zu dociren, aber er hat
geantwortet, er ſey daran nicht gebunden. Es kan ja kommen, daß ich
in einen Irrthum geſteckt, ſoll ich denn dabey bleiben. Habe ich alſo
die
[169]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
die Wahrheit beſſer eingeſehen, und ich finde Gelegenheit ſolches zu ſa-
gen ſo kan ich es thun. Dicis: Sie zancken nur, wenn mehrere Reli-
gionen in einem Orthe ſind? Reſpond. Sie zancken, wenn auch nur
una religio da iſt. Es waͤre freylich gut, wenn wir unam religionem
haͤtten, aber wir haben ſie nicht. Lipſius hat ein Buch de religione una
Catholica geſchrieben, worinnen er denen Catholiquen favoriſiret, und
taxiret man eben dieſes auch an ſeiner Politic, daß er auf unam religio-
nem ſo ſehr incliniret. Wenn etliche Religionen da ſind, kan man nur
den Legem geben: Wer zancken wuͤrde, und den andern nicht leiden
wollte, ſollte des Todes ſterben, vid. Lock de la tolerance, wir ſehen ja
tota die, daß Catholiſche, Reformirte und Lutheraner koͤnnen beyſam-
men wohnen. Alſo wollte ich das gar nicht geſetzt haben, was der Au-
tor als ein Theologus hier ſetzet: denn es koͤnnte ein groſſer Herr hier
kommen und ſagen, ich bin der Religion zugethan, wollt ihr es nicht
auch ſo thun, ſo marchiret. Man kan alſo abſolutement nicht ſagen,
welches die beſte forma reipublicæ, weil man von dem erſten fine impe-
riorum abgegangen, und faͤllet mir auch Hertius in gewiſſer Maaß bey.
Haͤtten ſich die Imperantes und Reges aufgefuͤhret als Vaͤter, wie erſt ge-
ſchehen, unter denen populis piis, ſo wuͤrde man kein ander imperium
verlanget haben, als Monarchiam, und alsdenn haͤtte man alle die illu-
ſtrationes, ſo man ſonſt in abſtracto macht, gebrauchen koͤnnen, daß man
ſagt: dieſes imperium waͤre Deo ſimile. Denn GOtt iſt benigniſſimus,
er ſiehet auf den Nutzen der Menſchen, und hat alles weißlich geordnet,
aber ſie ſind nicht ſo geblieben, haben extravagirt, und da thut man wohl,
daß man die Bibel lieſet, wo das imperium beſchrieben worden, da fin-
det man bisweilen einen albernen Koͤnig. Daher ſind die Leute nach
und nach abgegangen, und finden wir Ariſtocratien und Democratien.
Bernegger hat einen ſchoͤnen Tractat geſchrieben de republica Argentorat.
da er die Democratien beſchrieben. Hierauf kommt alles an: Einmahl
iſt gewiß, wer nur ein wenig raiſonniret, und halb vernuͤnfftig iſt, der
wird faſſen, daß man in einem Regiment ſucht, ut populo melius ſir,
quam ſi vagetur \& unusquisque ſeparatim, ſeorſim vivat. Auch bey ei-
nem jeden homine ſingulari, der unter einem Regiment leben muß, iſt
dieſe intention, daß er will haben, es ſoll ihm beſſer ſeyn; der ihn regie-
ret, ſoll ihn lieben, er will einen regard haben. Arithmeticam proportio-
nem kan freylich ein Princeps ohnmoͤglich obſerviren, aber, wenn er nur
eine proportionem Geometricam obſerviret, und alle æqualité liebt, ſo
iſt es ſehr gut. Man regardret freylich einen tapfern Mann mehr, als
einen gemeinen Kerl; aber einen geringen Menſchen muß man doch auch
Yregardi-
[170]Cap. V. De prudentia
regardiren, alsdenn kommt eine optima idea heraus. Hergegen alle, die
malcontent ſeyn, ſagen, es werde nicht nur keine arithmetica proportio
obſerviret, denn das kan nicht ſeyn, ſondern auch nicht einmahl Geome-
trica. Sie ſagen, es ſoll doch einen jeden nach ſeinem Stande, und nach
ſeiner Claſſe wohl gehen, non debemus odio haberi, und klagen ſie alle,
odio ſe haberi. Wenn man die Leute, ſo unter einer Monarchie ſtehen,
klagen hoͤret, ſo ſagen ſie: Er iſt ein Feind von ſeinen Unterthanen, ſucht
ſie zu ruiniren, iſt homo avarus, es iſt ein Stoltz in ihm, ſe ipſum tantum
reſpicit, alles, was er thue, das noch einen Schein ſollte von ſich geben,
als wenn er ſeine Unterthanen regardire, waͤren nur ſimulationes. Wer
will ſich laſſen odio habere und ruiniren. Bey denen optimatibus finden
wir auch, daß ſie ſagen: Wir haben gedacht, es ſollten die beſten ſeyn,
und am kluͤgſten regieren, aber odio nos habent. Man will alſo gerne
a malo ad bonum, damit giebt es revolutiones; daher ſiehet man die
revolutiones entſtehen in der Geſchwindigkeit, alsdenn iſt mors civitatis
da, welches unten beſſer wird gewieſen werden. Die erſten Imperantes
haben gefagt: amabimus tanquam patres, die andern haben es nicht ge-
than, daher ſind revolutiones entſtanden. Unter dem Cronwell waren
auch einige Enthuſiaſten, welche wollten eine Democratie haben, und fagt
Hobbes: Ihr wiſſet nicht, was das vor ein imperium; la Canaille re-
gieret da, welches groſſe turbas machet. Er uͤberſetzte ſelbſt den Thuci-
didem aus dem Griechiſchen ins Engliſche, damit ſie ſollten ſehen, was
vor ein ſtatus in einer Democratie, und hat ſolches auch viel effectuiret:
denn das Buch haben viele geleſen. Die Reformirten haben ſich ſehr
dadurch verhaßt gemacht, daß ſie auf Democratien gefallen, und haben
ſie auch in ihren Kirchen, Kirchen-Vaͤter, welches auch eine abſtraction.
Daß aber die Reformirten hierauf gefallen, kommt daher, weil ſie in
Franckreich ſo ſehr verfolget worden. In Holland haben ſie auch wol-
len eine Democratie anfangen, weßwegen viele muͤſſen fortgehen. Vid.
Bayle ſub voce Lambertus Danæus. Deßwegen hat man ſie in Daͤnne-
marck nicht aufnehmen wollen, und giebt ihnen ſolches Maſius ſchuld in
ſeinem Intereſſe religionum, welchen Beckmann in Franckfurth an der
Oder in einem Tractat de Intereſſe religionum refutirt, und ſagt er: Es
ſey freylich nicht zu leugnen, daß ſie auf das principium gefallen, aber ſie
waͤren auch wieder davon abgegangen.
Hinderniſſen
der Gluͤckſelig-
keit eines
Staats
1) ſo durch die
§. 7. Wer gluͤcklich ſeyn will, der muß auch ſehen auf die impedi-
menta, alſo wird ſolches im folgenden ausgefuͤhret.
§. 8. Kein homo externus, kein Princeps externus, keine Republie
iſt der andern gut. Alle externi ſind unſere Feinde. Dicis: Es iſt doch
ſchreck-
[171]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
ſchrecklich von allen zu ſagen, ſie waͤren unſere Feinde, und wir lebenbenachbarten
Staaten ver-
anlaſſet wer-
den.
mit einander als Bruͤder. Allein, warum haͤlt man Soldaten, die be-
ſtaͤndig muͤſſen wachen? daher entſtehet die Frage: wie ich mich vor de-
nen vicinis kan in acht nehmen, und wie kan ich mich vor denenſelben
ſchuͤtzen? dieſes iſt ein generale, welches man wiſſen muß in Monarchia.
Ariſtocratia, Democratia und in ſtatu irregulari. Mein principium, wel-
ches auch ſchon im Tacito ſtehet, iſt: Obviandum eſt metui creſcentis
potentiæ. Der Autor geſtehet auch ſelbſt, man haͤtte potentiam creſcen-
tem zu fuͤrchten. Darum habe ich eine Diſſertation in Gundlingianis
gemacht, ob man wegen anwachſender Macht derer Nachbarn koͤnne den
Degen ziehen? da ich die Diſſertation de ſtatu Hobbeſiano ex jure Civ.
defenſo geſchrieben, ſo habe ich ſchon hinten einen paragraphum hievon
mit angehaͤngt, und den Grotium refutirt, welcher gemeynet: metus
creſcentis potentiæ ſey nicht cauſa belli. Gribner aber hat in ſeinem
Jure Nat. gemeynet, er diſſentire doch noch von mir, daher habe ich es
in einer eigenen Diſſertation ausgefuͤhret. Man ſiehet es auch in praxi
ſo. Denn als der Koͤnig in Franckreich Spanien verſchlingen wollte,
ſo declarirten ihm die Hollaͤnder den Krieg, lieſſen ein manifeſt drucken,
und ſetzten darinnen: daß metus creſcentis potentiæ ſie veranlaſſet, denn
er haͤtte ſie hernach auch gefreſſen, da braucht man keine Umſchweiffe
zu machen, und zu ſagen, man ſollte nur ſuchen die potentiam zu ſchwaͤ-
chen, daß man offenſiv- und defenſiv-Alliancen mache, oder andere ihm
auf den Hals hetze. Das iſt meine intention nicht, daß einer koͤnnte
ob quam cunque cauſam einen Krieg anfangen. Es wird keine propor-
tio arithmetica in der Welt ſeyn, aber man ſiehet doch, die ſchwaͤcher
ſind, werden von andern ſoutenirt, man ſucht eine balance zu erhalten.
Der Koͤnig in Daͤnnemarck iſt nicht ſo ſtarck als der Czaar, aber man
laͤſt ihn doch nicht unterdrucken. Unſer Teutſchland waͤre laͤngſtens
verlohren gegangen, wenn nicht andere Potenzen geweſen/ welche geſe-
hen, daß wenn Teutſchland verlohren gienge, wuͤrden ſie auch dran muͤſ-
ſen. Aber dieſes iſt meine Sache, wenn man ſagt: Es iſt ohnedem ein
unruhig Reich, und es bekommt einem groſſen Anwachs, da muß man
nicht ſtille ſitzen, und wenn einer einem rathet, er ſolle nichts anfangen,
das iſt ein elender Politicus. Wird hier ein Fehler gemacht, ſo iſt es
aus, ich bin ein Sclav, und kan es nicht redreſſiret werden. Alſo kan
man nicht das tempo vorbey laſſen; Man kan nicht geſchehen laſſen,
daß Daͤnnemarck uͤbern Hauffen gehet. Wie Carl Guſtav vor Cop-
penhagen ſtund, ſo hat der Churfuͤrſt Friedrich VVilhelm denen Hollaͤn-
dern ſehr angelegen auf die Schweden los zu gehen, welches ſie auch ge-
Y 2than:
[172]Cap. V. De prudentia
than: denn ſonſt haͤtte er Daͤnnemarck unter ſich gebracht. Meine
Diſſertation hat einer refutirt, welcher von einer nation iſt, ſo jetzo waͤch-
ſet, denn die maͤchtig ſind, wollen das principium nicht leiden, indem ſie
ſuchen andere zu ſupprimiren. Ich habe aber den Herrn Schmauß uͤber
ihn geſchickt, welcher ihn wacker refutirt, und gezeiget, wie er ſollen den
ſtatum controverſiæ formiren. Wenn die potentiores lebten nach Ge-
wiſſen, ſo waͤre mein Satz nichts nutze; aber kan wohl jemand glauben,
daß die Maͤchtigen dieſer Welt werden nach der Wiedergebuhrt und Er-
neuerung leben? Dicis: Du beſchuldigeſt die groſſen Herren, daß ſie nicht
fromm lebten? Reſpond. In ihren Cabinet und Capelle moͤgen ſie wohl
ſehr fromm und andaͤchtig ſeyn, davon reden wir aber nicht, ſondern wir
ſehen, wie ein groſſer Herr gegen die Nachbarn lebe, da haben ſie keine
Wiedergebuhrt, ſondern man ſiehet lauter intereſſe und affecten. Bayle
in ſeinem Diction. Hiſtor. Critic. ſub voce Ageſiläus ſaget: Man koͤnne
auch ein Buch ſchreiben de religione principum, welches eben ſo gut
abgehen wuͤrde, wie der Tractat de religione medici. Er ſagt, wenn ſie
auch ſonſt gute Herren, ſo taugen ſie doch nicht in Anſehung der Nach-
barn, und in ihrem Regiment, wenn auch einer ſo waͤre wie Jacobus I.
in Engeland, welcher kein Blut und keinen bloſſen Degen ſehen koͤnnen,
und deßwegen auch, als er auf den Thron geſtiegen, das principium ge-
ſetzet: Se nunquam bellum geſturum, welches ſehr abſurd, daher er auch
von allen Leuten angetaſtet worden. Waͤre auch gleich ein Herr jetzo
gut, ſo kan man doch deßwegen nicht ſagen, ob auch ſein Sohn ſo ſeyn
wird, oder ob die Miniſtres ſo werden geſinnet ſeyn. Louis XIII. war
eine unruhige Seele, der ſich mit Lerchenfangen delectirte, hernach be-
kam er den Richelieu, der war ein Soldaten-Geiſt, welcher nichts als
conqueten wollen machen, und Franckreich in die Hoͤhe bringen wollte.
Alsdenn iſt es zu ſpaͤt, wenn man ſich da erſt helffen will. Es gehet
alſo bey groſſen Herren alles nach dem intereſſe, und das intereſſe iſt ſo
beſchaffen, daß ſie die Kleinen ſuchen zu unterdruͤcken. Lebten ſie nach
der Vernunfft, ſo wuͤrde derjenige, ſo potentiſſimus, niemanden etwas
thun; aber das ſind ſie nicht, der potentior iſt wie ein Loͤwe, der die an-
dern alle frißt, er iſt wie ein Wallfiſch, vor dem ſich kein Hering darff
blicken laſſen. Die Menſchen leben nur nach der Natur. Der Koͤnig
in Franckreich Louis XIV. hat dem vorigen Hertzog von Savoyen, da er
Friede wollen machen, laſſen ſagen, er traue ihm nicht recht, was er ihm
vor Verſicherung wollte geben, daß er den Frieden wollte halten? dar-
auf hat der Hertzog von Savoyen geantwortet, er wolle es verſprechen
als ein ſimpler gentil-homme, als ein ehrlicher Mann, damit er ſehen
ſollte,
[173]ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
ſollte, daß es ſein wahrer Ernſt. Es iſt eine Memoire hievon hauſſen,
daraus man ſolches ſehen kan. Die groſſen Herren trauen alſo einan-
der ſelbſt nicht viel. Sie geben nur acht, wenn eine Gelegenheit kommt,
daß ſie den andern koͤnnen unterdruͤcken. Wie der Tuͤrcke vor Wien
ſtunde, ſo gieng der Koͤnig in Franckreich vor Straßburg. Alſo habe
ich in der Diſſertation nichts boͤſes defendiret, ſondern geſagt, wie es
wuͤrcklich iſt, wenn man alle revolutiones anſiehet, welche in der Welt
geſchehen, ſo wird man finden, daß keine einige geweſen, wo nicht ein
Kleinerer geweſen, der ſich aggrandiret, und andere uͤbern Hauffen ge-
worffen. Das hat Monſ. Prideaux in ſeiner Hiſtorie de Juifs von de-
nen Juden gewieſen. Joh. Baſilides in Moſcau ſchmiß auch immer eine
Provinz nach der andern uͤbern Hauffen, wodurch er eben ſo groß wor-
den. Der Richelieu hat in ſeinem Teſtamento Politico ſchoͤne Sachen,
und ſaget: In ſolchen Dingen muͤſſe man keinen Fehler machen, ſon-
dern muͤſſe ſehen, was geſchehen iſt? geſchehen kan? und geſchehen
wird? man koͤnne da die Abſtractioniſten nicht hoͤren. Joh. a Felden,
ein Mathematicus in Helmſtaͤdt, in ſeinen notis ad Grotium, hat auch
den Grotium refutirt, deſſen Noten eben nicht zu verwerffen, und hat
auch Leibniz was drauf gehalten. Mathematice kan man freylich nicht
ſagen: dieſen moment wird dieſes oder jenes ausbrechen, aber moraliter
kan man es doch determiniren. Man muß hier des Baron de Liſolæ
Schrifft unter dem Titul Bouclier d’Etat \& de Iuſtice leſen. Er iſt aus
Beſançon gebuͤrtig geweſen, und hat mit groſſem Verſtand geſchrieben.
Er war von geringer extraction, iſt Kayſerlicher Ambaſſadeur geweſen,
und hat ihn der Kayſer ſehr bedauret, als er geſtorben. Monſ. Temple
ſaget von dieſem Liſola in ſeinen Staats-Briefen, wenn er mit ihm in
converſation geweſen, ſo haͤtte ihn der Liſola beſtaͤndig uͤbertroffen im
raiſonniren. Er hat in einem beſondern Tractat die Hollaͤnder, Enge-
laͤnder und andere encouragiret wider Franckreich den Degen auszuzie-
hen, und er hat dem Koͤnige in Franckreich mit dem Buche mehr Scha-
den gethan, als viele tauſend Soldaten: denn dieſes effectuirte, daß er
muſte Frieden machen zu Aix le Chapelle, vid. Bayle ſub voce Liſola.
Alſo kan man in ſolchen Faͤllen gar wohl den Degen ausziehen: denn
groſſe Herren ſuchen offt geringe Urſachen von Zaun zu brechen, und
uͤberfallen einen andern mit Krieg. Wie die Pohlen Haͤndel hatten
mit denen Coſacken, ſo kam des Czaarn ſein Vater, Alexius Michalo-
wiz, und fieng mit denen Pohlen einen Lerm an, da er auch ſehr gerin-
ge Urſachen beybrachte. Grotius ſupponirt einen potentem, qui quieſcit,
aber ein potens thut das nicht. Zu Hauſe ſind ſie andaͤchtig, ſie ſingen,
Y 3laſſen
[174]Cap. V. De prudentia
laſſen orgeln, Lichter anſtecken, aber deßwegen darff man nicht dencken,
daß ſie ſo gut lebten, reſpectu derer Nachbarn. Man koͤnnte nun ſa-
gen, es koͤnnte doch unſer HErr GOtt einen mitten unter denen poten-
tibus erhalten; Allein, das iſt extraordinarium, wer will nach denen ex-
ceptionibus leben. Diejenigen alſo, welche meynen, man koͤnne es nicht
thun, haben keine experientiam neque propriam, neque alienam; ſie ha-
ben keine Hiſtorie geleſen.
Regenten
ſelbſt.
§. 9. \& 10. Wer in einem Staat will gluͤcklich leben, der muß
auch acht geben auf die Imperantes, was von dieſen vor impedimenta
vorkommen koͤnnen: Denn bisher iſt gewieſen worden, wie man muͤſſe
acht geben auf auswaͤrtige, aber ab imperantibus ſæpisſime quoque ma-
gnum malum creatur. Und ſolche Fehler findet man auch in Ariſtocra-
tia und Democratia, daß ſie nicht auf ſalutem populi ſehen. Die Impe-
rantes negligiren das Volck, und meynen, ſie koͤnnten ſolches gebrau-
chen, wie ihren Pflug; ſie bilden ſich ein, der peuple waͤre wegen ſie.
Es iſt nicht anders, als wenn der Hirte ſich wollte einbilden, die Schaafe
waͤren wegen ihn, da doch der Hirte wegen der Schaafe iſt. Die ignoranz
verurſachet bey denen meiſten Regenten, daß ſie nicht wiſſen, wie ſie re-
gieren ſollen. Denn weiß einer nicht, was imperium iſt, wie will er
imperare? Kommt nun eine malitia dazu, ſo iſt es nicht aͤrger: Daher
iſt es geſchehen, daß man gemeynet, man ſollte wehlen. Man muß nicht
dencken, tantum ſuccesſionem obſervari Monarchia: Denn es ſind auch
etliche Ariſtocratien, und alſo ſind ſie uͤberall auf die Wahl gefallen.
Dicis: Es iſt doch ſehr gut, wenn man wehlet: Denn man kan da den
Tapfferſten, Froͤmmſten, und Kluͤgſten wehlen? Reſpond. In abſtracto
laͤßt ſich es eben ſo gut hoͤren, als des Henrici Cardinalis in Portugall
principium: Rex eſſe debet optimus. Ja, wenn lauter weiſe Leute waͤ-
ren, ſo die Wahl haͤtten. Wenn das Veni Sancte Spiritus operirte, daß
ſie uͤberſchattet wuͤrden mit dem Heiligen Geiſt, und haͤtten den ſpiritum
ſapientiæ, ſo waͤre es gut. Allein einer hat intereſſe ambitionis, der an-
dere intereſſe voluptatis, der dritte avaritiæ, da ſuchet ein jeder ſeinen
Candidaten auf das Beſte zu embelliren. Man kan hier leſen ein Buch
ſub tit. Candidati Poloniæ, welches in Holland heraus kommen, um eben
die Zeit, da der Caſimir abgedanckt. Es iſt ein curieuſes Buch, und
hat es Schurzfleiſch ſehr æſtimiret. Es erzehlet der Autor deſſelben, daß,
als Caſimir abgedanckt, haͤtten ſich unterſchiedene Candidati gefunden,
unter andern iſt auch der Tartar-Cham kommen, und hat wollen Koͤnig
in Pohlen werden, weil er nun geſehen, daß ſo viele Religionen in Poh-
len, ſo hat er geſagt: Tuus Lutherus eſt meus Lutherus, tuus Papa eſt meus
Papa
[175]ſtatus circa leges \& judicia.
Papa. Die Pohlen nahmen endlich den Michel Wiſnowizky, der war
kaum auf den Thron, ſo wuͤnſchten ſie, daß er wieder moͤchte weg ſeyn,
und wenn er auch nicht bald geſtorben, wuͤrden ſie ihn ohnfehlbar abge-
ſetzet haben. Alſo kan man die quæſtion nicht entſcheiden. Welches
regnum beſſer, electivum an ſuccesſivum? Es ſind hier diverſæ relationes,
und kan man alſo nicht genau determiniren, welches beſſer, jedes hat ſei-
ne commoda und incommoda, und wer ein ingenium hat, der wird im-
mer bey der einen Regierungs-Form koͤnnen was beſſers beybringen,
das bey der andern nicht iſt; und kommt man alſo nicht zu Ende. Das
iſt bey der ſuccesſion ſchlimm, daß man ſie muß nehmen, wie ſie kom-
men: Drum haben wir Carolos Calvos, Ludovicos Balbos \&c. Aber
man trifft es auch nicht allezeit bey der election, wie man in Pohlen ge-
ſehen. Bey der ſuccesſion iſt dieſes groſſe commodum, daß keine in-
terregna ſind, man kan ſich da Fuͤrſten aufziehen, welche ſich den genium
des Volcks, und das Land bekannt machen, hat er einen klugen Vater,
ſo kan er bey demſelben die artes regnandi lernen. Man ſiehet aber frey-
lich nicht darauf, und laͤßt die Printzen nichts lernen, welches ihr groͤſter
Schade. Sie duͤrfften eben nicht ſo ſtudiren, wie Profeſſores, und Buͤ-
cher ſchreiben, wie Henricus VIII. in Engeland de VII. Sacramentis ge-
ſchrieben hat, welches er wohl haͤtte koͤnnen unterwegens laſſen: Denn
ſie haben andere Sachen zu thun. Wenn einer nicht geſchickt
waͤre zum Regiment, ſollte man ihn nicht nehmen, ſondern einen
andern von eben den Stamm der geſchickter. Johannes Alchymi-
ſta ſpeculirte immer, und lag nur uͤber den Buͤchern, da fagte der Chur-
Fuͤrſt: Er ſchicke ſich nicht zu einem Chur-Fuͤrſten von Brandenburg,
und wurde er auch nicht Chur-Fuͤrſt. Was vor impedimenta bey Mi-
niſtris koͤnnen vorkommen, das wird alles unten ſpecialiter ausgefuͤhret
werden.
Sectio IV.
de
Prudentia ſtatus circa Ieges \& judicia.
§. 1.
BIsher iſt gewieſen worden, was in genere finis felicis Imperii,Was Jura
Majeſtatica
ſind?
was der ſcopus bey einer jeden civitate nicht ſey, und auch affir-
mative worinnen er beſtehe, item was vor media und obſtacula
vor-
[176]Cap. V. De prudentia
vorkommen. In omni republica aber iſt auch eine ſumma poteſtas; il-
la ſumma poteſtas eſt exercenda, ſonſt waͤre dieſelbe nicht nuͤtzlich, und
wuͤrde zu conſideriren ſeyn, als wenn ſie todt waͤre, da doch dieſe ſumma
poteſtas, wie Seneca ſagt, ein ſpiritus vitalis, qui tot millia hominum re-
git. Dieſe ſumma poteſtas iſt nun ſo zu gebrauchen, damit alles nach
einer proportione Geometrica in toto corpore zuſammen hange, und be-
ſtehet der gantze Theil der Politic in recto uſu ſummæ poteſtatis \& jurium
majeſtaticorum. Die ſumma poteſtas kan conſideriret werden als ein
totum morale. Titius hat in ſeinem groſſen Werck von der jurisprudenz
gewieſen, daß viele Doctores in denen Gedancken ſtuͤnden, als wenn die
ſumma poteſtas ein totum phyſicum, welches nicht getheilct werden koͤnn-
te, und antwortete er: phyſice koͤnnte freylich ſumma poteſtas nicht ge-
theilet werden, aber es ſey auch kein ens phyſicum, ſondern ein ens mo-
rale, intelligibile, welches allerhand partes hat. Die diverſæ partes aber
ſind nur diverſæ relationes, welches man aus der Logic lernet, und iſt
ein Ungluͤck, daß die Leute das Caput de relationibus nicht recht lernen.
Es iſt una ſumma poteſtas, welche ſich aber diverſimodé conſideriren laͤßt,
e. g. conſiderire ich ſummam poteſtatem, daß ſie exercirt wird in Legibus
ferendis, ſo bekommen wir einen beſondern reſpectum und denominatio-
nem, das nennen wir poteſtatem legislatoriam. Exercirt ſie ſich circa
bellum, pacem fœdera, ſo heißt ſie jus belli, pacis, fœderum, ſo ferne ſie
exercirt wird in vectigalibus, heißt ſie jus vectigalium; jus collectandi,
und iſt indeß immer ſumma poteſtas. Man hat in der Schulen die ju-
ra majeſtatica eingetheilet in jura majeſtatica æquiparantiæ und diſquipa-
rantiæ. Diſquiparantiæ ſind, da man conſideriret den principem ad ſuos
ſubditos, denn hier iſt eine disſimilitudo. Ad jura majeſtatica gehoͤret
jus legislatorium, conſtituendi judicia, imponendi vectigalia: Denn da
iſt der princeps disſimilis von andern, hergegen bey denen juribus maje-
ſtaticis æquiparantiæ hat er mit ſui ſimilibus zu thun, e. g. das jus belli,
pacis, fœderum iſt inter principes \& respublicas, welche unter einander
æquales. Einige nennen auch die jura majeſtatica æquiparantiæ, homo-
genea, und diſquiparantiæ, heterogenea.
rium. und wie
es zu exerci-
ren?
§. 2. 3. 4. Unter denen juribus majeſtaticis iſt hauptſaͤchlich zu con-
ſideriren, die facultas legislatoria. Es iſt eine groſſe Kunſt und Weiß-
heit leges ferre, und iſt alſo nichts dagegen. Denn die leges muͤſſen eine
proportionem Geometricam halten, und zu wege bringen, ut omnia con-
ſpirent. Da muß man ſich accommodiren ad omnes, und es ſo ein-
richten, damit ein jeder nach dem ſcopo civitatis lebe, tunc eſt tranquilli-
tas, eſt ſufficientia. Wo alles ſo in acht genommen wird, daß nichts
aus
[177]ſtatus circa leges \& judicia.
aus ſeiner Ordnung kommt, da iſt pax, felicitas, und eine rechte harmo-
nie, wie Plato es nennet. Dieſes muß in allen Republiquen obſerviret
werden, und muß ratione legum eine differentia gehalten werden in Mo-
narchia, Ariſtocratia, Democratia \&c. Davon hernach. Es iſt bekannt
in omni civitate iſt eine ſumma poteſtas; es iſt ein ſubjectum da, welches
ſummam poteſtatem hat, ſive unus, ſive pauciores, ſive plures regnent.
Dieſes ſubjectum muß ſich koͤnnen erklaͤren, denn auch GOtt hat ſeinen
Willen declarirt, was man thun muß. Ein princeps muß alſo ſeinen
Willen erklaͤren, quid fieri cupiat ab hominibus ſibi ſubjectis. Die Er-
klaͤrung ſeines Willens iſt die ordre, lex, oder Geſetz, wie es die Teut-
ſchen genennet. * Es kommt hier drauf nicht an, an princeps leges ferre
posſit. Denn dieſes wird in lur. Nat. weitlaͤufftig gewieſen, ſondern
hier iſt die Rede de prudentia: wie kluͤglich und weißlich die leges ſollen
eingerichtet werden. Ob man aber hernach die requiſita bey denen le-
gibus humanis wird antreffen, davon wird ein jeder leicht urtheilen koͤn-
nen; und kan er wenigſtens hieraus erkennen, was die leges humanæ
vor Fehler haben. Daher wird man keine beſſere leges finden, als die
Juͤdiſchen: Denn GOtt hat ſie ihnen ſelbſt gegeben, welcher den ge-
nium populi recht erkennet; Alle die von der Juͤdiſchen Republic was
entlehnet, als wie die gantz alten Athenienſer und Lacedemonier, die ha-
ben auch gute Sachen gehabt. So werden wir alſo keine Republic
antreffen, wie die Juͤdiſche beſchaffen geweſen; aber man kan doch hier-
aus die Fehler anderer beurtheilen. Daher, wenn man reiſet, ſo muß
man nicht die Opern und Bordells beſuchen, ſondern man muß eine jede
Republic anſehen, was ſie vor Geſetze hat, und aus denen Geſetzen kan
man die perfectiones und imperfectiones einer Republic erkennen. Man
kan freylich nicht alle Republiquen ſehen, daher muß man ſich per expe-
rientiam alienam helffen. Wer will eine gute Policey ſehen, der reiſe
nach Italien, denn in Genua, Venedig, und andern Orten findet man
die beſten Policeyen, von welchen die Reichs-Staͤdte in Francken,
Schwaben vieles entlehnet. Es ſind auch jetzt viele gelehrte Leute in
Italien, daß man alſo auch dieſerwegen daſelbſt Nutzen haben kan.
Herr Thomaſius hat ſonſt ein eigen Collegium uͤber die prudentiam Le-
gislatoriam gehalten. Non male: Denn wenn man ad ſpecialia gehen
Zwill,
[178]Cap. V. De prudentia
will, ſo kan man erſt die alten und neuen Republiquen anſehen, und her-
nach viele practica beybringen. Das Haupt-fundament wird auch hier
proponiret werden. Da man die ſummam poteſtatem nicht erkennet,
niſi cum voluntatem declarat princeps, ſo iſt lex re vera nichts anders,
als vox principis. Es iſt nicht noͤthig daß ein Hauß-Vater ordre gie-
bet, wenn er ſiehet, daß ohne ſeine ordre ſchon alles in acht genommen
wird; au contraire es iſt abſurd, wenn er ihnen will vorſchreiben, daß
ſie alle ihre devoir in acht nehmen; es iſt ein Prahler, der zeigen will,
was er vor Macht habe. So iſt auch abſurd, ſi princeps loquatur \&
leges ferat; wenn boni mores plus valent quam alibi bonæ leges. Die
Teutſchen haben ehedeſſen wenig leges gehabt. Die leges koͤnnen bonæ
ſeyn, und die Menſchen leben doch nicht darnach; Hergegen ſind es
Leute ſo bonos mores haben, was ſoll man da groſſe Geſetze geben? Denn
wenn ein Volck keine inclination hat ad Sodomiam, ad adulterium \&c.
wie die Teutſchen caſtisſimi geweſen, was braucht man legem Iuliam de
adulteriis welchen die Roͤmer gehabt. Wer leges giebet, muß auf ſpe-
cialia gehen, und vieles ſagen, da dencken die Leute nach. Es iſt eben,
als wenn man Kindern, die nicht einmahl noch diverſitatem ſexus wiſſen,
viel vorſaget von Hurerey, die werden dadurch curieux, dencken nach,
und fallen hernach auf ſolche Sachen, daran ſie ſonſt nicht gedacht haͤt-
ten. Wer will harte leges geben von der Hexerey? wo man gar keine
inclination dazu hat, als wie in Holland. Bayle ſagt auch, es waͤre
gut, wenn man gar keine Hexerey geglaubet haͤtte: Denn da wuͤrden
die Leute nicht darauf gedacht haben, wie ſie moͤchten lernen hexen. Das
menſchliche Hertz iſt boͤſe von Jugend auf, und dencket immer nach.
Cicero ſagt in ſeiner Oration pro Sexto Roſcio Amerino: Die Leute haͤt-
ten nicht gemeynet, daß jemand wuͤrde ſo gottloß ſeyn, und ſeine Eltern
umbringen, daher habe man keinen legem de parricidis gehabt, und hat
Pompejus M. erſt den legem parricidis gegeben. Vorher war es nicht
noͤthig, hergegen wenn die Leute verfuͤhret werden, daß ſie von ihren gu-
ten Sitten abgehen, da muß man mit denen legibus druͤber her, und ih-
nen malum opponere, damit ſie lieber von dem boͤſen Leben ablaſſen ꝛc.
als den Staup-Beſen nehmen, oder ſich haͤngen laſſen ꝛc. Die Diebe
ſind in Teutſchland beſtaͤndig mit dem Tode geſtrafft worden, weil man
geſehen, daß die Teutſchen zu nichts mehr incliniret, als zum Stehlen.
Wer leges will geben, muß reden, daß man ihn verſtehet, ſoll man aber
die leges verſtehen, ſo muͤſſen dieſelbe claræ, diſtinctæ, und evidentes ſeyn.
Obſcuræ leges werden ridiculæ; obſcura lex non eſt lex, obſcura vox,
non eſt vox juridice, es muß derſelbe evident gemachet werden, und wenn
der
[179]ſtatus circa leges \& judicia.
der Herr ſaget, ſo will ich ihn verſtanden haben, da iſt es in der That
nova lex. Drum hat Herr Thomaſius und andere defendirt, Interpre-
catio Authentica waͤre in der That nova lex. Dergleichen legem wird
man nicht finden, in welchem alle caſus ſpeciales ſollten begriffen ſeyn,
aber deßwegen ſind die judices da, qui reſtringunt \& extendunt, und zei-
gen, wie auch dieſer oder jener caſus ſpeciales darunter begriffen, e. g.
Der lex iſt: Es ſoll keiner Getrayde aus dem Lande fuͤhren, es fuͤhret
einer Mehl aus, der kan eben ſo geſtrafft werden: Denn da ſoll kein
Getrayde aus dem Lande gefuͤhret werden, iſt dieſe raiſon, damit es nicht
theuer werde, wuͤrde aber Mehl weggefuͤhret, ſo koͤnnte auch eine Theu-
rung entſtehen. Alſo iſt auch dieſes verbothen, und kan ein jeder leicht
ſehen, daß es mit unter dem lege begriffen. Viele Sachen ſtecken alſo
in lege, und muß man auf rationem ſehen: Denn ratio eſt anima legis.
Weiß man rationem, ſo kan man alle leges verſtehen; daher wenn wir
die Pandecten ordentlich dociren, ſo ſetzen wir nur ein fundamentum ge-
nerale, und formiren hernach caſus. Wer leges will geben, muß ſie pu-
bliciren, ut omnes eas audire, cognoſcere \& intelligere posſint. Wer
dieſes nicht thut, der hat was Boͤſes im Sinn. Caligula hat laſſen ſei-
ne leges gantz klein ſchreiben, und hoch hengen, daß ſie keiner erkennen
koͤnnte, und hernach hat er die Leute geſtrafft, wenn ſie nicht darnach
gethan. Das iſt eine Tyranney, da man nur ſucht, die Unterthanen
zu ruiniren. Lex itaque ſit clara \& evidens ratione fundamenti. Der
Wichmann und Ansfried werden von allen Hiſtoricis gelobet, daß Otto
M. ſie gebrauchet in interpretandis moribus \& legibus, indem ſie kluge
Leute geweſen, welche alle caſus ſpeciales aus dem generali lege koͤnnen
dociren. Lex iſt eine ordre, Princeps qui legem facit jubeat. Es iſt
zwar kein lex in der Welt, quæ non ſimul aliquid doceat: Denn auch
die leges naturales halten in ſich aliquid jusſionis, aber auch aliquid do-
ctrinæ, und diejenigen, welche ſtatuiren, leges naturales waͤren mere do-
ctrinales, haben in dem Stuͤcke recht, daß aliquid doctrinæ dabey, aber
es iſt auch aliquid jusſionis: Denn die ſanctio pœnalis iſt allezeit dar-
unter zu verſtehen: Si contra, ſo ſtrafft GOtt; wiewohl auch der Menſch
ſich ſelbſt ſtrafft: denn wenn er ſaͤufft, huret ꝛc. ſo ruiniret er ſich. Auch
die leges humanæ koͤnnen nicht ſo beſchaffen ſeyn, daß nicht aliquid do-
ctrinæ ſollte da ſeyn/ aber jubent quoque, es iſt eine ſanctio pœnalis vor-
handen. Die doctrina iſt kurtz. e. g. Wenn ich ſage: Du ſollt des
Nachts nicht ohne Laterne gehen, doceo, quid faciendum, ſimul jubeo;
ſi contra, ſo ſollt du geſtrafft werden. Das iſt aber nicht noͤthig, einen
prologum zu machen, und iſt nihil ineptius, als lex cum prologo. Alſo
Z 2iſt
[180]Cap. V. De prudentia
iſt eine alberne Weiſe vom Juſtiniano, und thut einem der Bauch wehe,
wenn man ſeine Novellen lieſet, da er allezeit einen prologum vorgemacht,
und gezeiget, warum er dieſes oder jenes geſetzet. Ein imperans hat gar
nicht noͤthig, mit ſeinem Volck zu raiſonniren. Wenn etwan das Volck
dencket, der Imperans wolle ſie nur vexiren, da kan er wohl was raiſon-
niren, aber nicht weitlaͤufftig. Das iſt eben ein Fehler vom Jacobo I.
in Engeland, dem auch deßwegen das Parlament uͤber den Kopff gewach-
ſen: Denn in der Hiſtorie Henrici VIII. und andern lieſet man nicht,
daß ſich das Parlament ſo viel heraus genommen, als unter Jacobo.
Wie Jacobus auf den Thron ſtieg, ſo hielt er Orationes ad populum,
und an das Parlament. Er hatte beym Cicerone geleſen/ daß man in
libera republica, wenn man einen legem geben wollen, Orationes ad po-
pulum gehalten, und gewieſen, was der lex wuͤrde vor einen Nutzen ha-
ben, daher hielt auch Jacobus Orationes, und brauchte allerhand perſua-
ſiones, wenn er einen legem geben wollte, dadurch iſt das Parlament
groß worden, und wie ſein Sohn, Carolus I. es nicht ſo machen woll-
te, wie ſein Vater, ſo muſte er ſterben. Jubeat potius princeps, was
ſoll er ſuadere? Ein princeps muß alſo nicht jubere cum prologo, nicht
cum multis ratiociniis. Deßwegen aber iſt meine Meynung nicht, daß
er konnte befehlen pro arbitria inepto \& ſtulto, und ſagen: tel eſt mon
plaiſir. Man ſupponirt, daß alle leges weißlich eingerichtet, und dem
genio populi accommodiret. Man ſagt nur, daß ein princeps nicht Ur-
ſach habe, mit ſeinem Volck zu raiſonniren. Denn die Unterthanen hal-
ten ihn pro anima, mente civitatis, und da ſie ihn alle davor halten, ſo
iſt abſurd, wenn er raiſonniret, dociret; das gehoͤret auf die Catheder vor
die ICtos. Ein anders iſt, wenn er was extraordinaires aufleget. e. g.
Wenn extra ordinem maxima tributa aufgeleget werden, alsdenn kan er
eine kleine ratiunculam mit einflieſſen laſſen; das gehoͤret aber ad exce-
ptiones, und alſo iſt dieſes keine definition, welche man ab exceptione
nimmt. Die leges ſind offt rationabilisſimæ; aber denen Boͤſen ſind ſie
nicht anſtaͤndig, weil ſie wider ihre Begierden gehen. Daher iſt nicht
wahr, was der Autor §. 5. ſagt, die ſubditi wuͤrden facilius parere; Wenn
der princeps raiſonnirte, wuͤrden hernach die Boͤſen Buͤcher darwider
ſchreiben. Vor die Juriſten gehoͤret es, daß ſie cauſas und rationes le-
gum unterſuchen, welches der Jac. Gothofredus bey dem Codice Theodo-
ſiano gethan, und waͤre zu wuͤnſchen, daß es bey unſerm Corpore Iuris
auch geſchaͤhe, aber es iſt maximus labor. Man muß bey denen Geſe-
tzen occaſionibus obicem ponere, ne lex violetur, und alſo ſiehet man
hieraus utilitatem legum civilium, davon unten mehr wird gedacht werden.
Pour
[181]ſtatus circa leges \& judicia.
Pour le reſte aber iſt wahr, daß man autoritatem ſummæ poteſtatis nicht
wuͤrde empfinden, niſi legislatione ſeſe exereret. Die civitas wuͤrde todt
ſeyn, niſi princeps Ioqueretur. Principis lex iſt vox principis in unaqua-
que republica. Alſo muß er eine ordre geben. Er muß eine ordre ge-
ben, wo eine deſordre iſt. Er muß leges geben, die nicht contradictoriſch;
Denn contradictoria lex ſtulta eſt. Daher kan mich nichts mehr aͤrgern,
als wenn man ſaget, man ſolle die proceſſe abkuͤrtzen, da doch ſo viele
leges und Ordnungen nach, welchen man nicht kurtz gehen kan. Wenn
auch die proceß-Ordnungen geaͤndert wuͤrden, ſo ſind doch noch ſo viele
præſidia legum vorhanden, welche alle erſt muͤſſen geaͤndert werden/ wenn
man die proceſſe abkuͤrtzen wollte; ſonſt iſt es imposſible: ad imposſi-
bile vero nemo obligatur, \& neminem obligibis. Wer ordre geben
will, der giebt ſolche in futurum; Daher muß ein princeps keine leges
machen, ſo in præteritum gehen: denn præteritum eſt factum, factum
vero infectum fieri nequit. Dicis: Wir haben eine exception, da auch
in præteritum kan ein lex gegeben werden? Reſpond. Dieſes gehoͤret
nicht ad regulam, revera iſt es auch keine exceptio. Denn wer einen
legem giebt in præteritum, da iſt ſchon ein alter lex, der wird nur geſchaͤrfft,
daß er ſoll deſto beſſer in acht genommen werden. Wenn ein Fuͤrſt ſa-
get, das alte Wechſel-Recht ſoll accurat obſerviret werden, ſo iſt ja ſchon
ein alter lex da, oder es iſt ſo beſchaffen, daß es ein Menſch ſchon vor-
her hat koͤnnen wiſſen, ehe der princeps ſeinen legem gegeben. Wenn
nun aber auch wahr, daß hier eine exceptio a regula, ſo ſupponiret er
doch nur particulare quid piam. Es werden beſondere Umſtaͤnde erfor-
dert. Jubeat princeps quoque paucis. Dieſes gehoͤret quadantenus ad
leges cum prologo. Allein meine intention gehet hier ſonderlich dahin,
daß er nicht immer neue leges geben ſoll. Ein Knecht iſt boͤſe uͤber ſeinen
Herrn, wenn er ſagt, gehe hin, und thue das, indem ers thun will, rufft
er ihn zuruͤck, er ſoll es nicht thun, da denckt der Knecht, ſein Herr iſt
nicht wohl geſcheuet; Alſo iſt abſurd, wenn man immer neue leges giebt,
ſonderlich wenn man von den alten was laͤßt, und immer was neues
dazu flickt, dadurch eine multitudo legum entſtehet. So haben ſie es in
der Republica Romana gemacht, da ſie immer neue leges gegeben, und
auch von denen alten was ſtehen laſſen; daher iſt ein immenſus legum
numerus entſtanden. Cicero hat ſchon zu ſeiner Zeit einen extract aus
denen vielen legibus civilibus machen wollen. Cæſar hat ſie wollen ab-
breviren, und Pompejus hat es auch geſehen. Viele haben es wahr ge-
nommen, und endlich haben es Theodoſius und Juſtinianus vorgenommen,
aber mit was vor ſucceß, wird in Iure Civili gewieſen. Das iſt auch
Z 3ein
[182]Cap. V. De prudentia
ein Fehler von Juſtiniano, daß er ſo viel altes ſtehen laſſen, und nur im-
mer was dazu geflickt. Wenn man was aͤndern will, thut man am
beſten, man hebet es gantz auf, und machet ein neu Buch, als wie die
Athenienſer und Lacedemonier nicht leicht gelitten, daß eine Aenderung
vorgenommen worden, wenn aber ja etwas muͤſſen geaͤndert werden, ſo
mutirten ſie den gantzen indicem legum, und publicirten ihn von neuen.
Gleichwie der Menſch ſeine ſtatur, viſage, und Kleidung nach denen
Stuffen der Jahre offt aͤndert, alſo iſt auch nicht moͤglich, daß man im-
mer einerley leges behalten kan, ſondern es giebt immer obſervationes,
dadurch man einen Fehler an dieſen oder jenem lege wahrnimmt. Deß-
wegen gehoͤret eine groſſe ſapientia ad leges ferendas quotus quisque vero
eſt, qui ſapientisſimus, und der alles uͤberſehen kan? GOtt hat ſelbſt die
Leges Iudaicas nur relative auf rempublicam Iudaicam gegeben. Die mu-
tatio aber muß doch rara ſeyn, man muß lieber interpretari rationabiliter,
damit man nicht immer neue leges geben muß. Hier kan man leſen,
was Tacitus Lib. III. Annal. hat, und was Amelot in ſeinen notis ad
Tacitum angemercket. Beym Thuano kan man auch eine ſchoͤne oration
finden, welche der Frantzoͤſiſche Cantzler Mich. l’Hoſpital* gehalten, dar-
innen zeiget er, daß Franckreich laborire multis legibus. Er hat Fran-
ciſco I. ſehr angelegen, einen neuen codicem machen zu laſſen, aber Fran-
ciſcus I. hatte immer mit Carolo V. zu thun, und hieng auch ſehr am
Frauenzimmer, daher es nicht geſchehen. Wenn groſſe Herren leges
bonas certas geben, ſo werden ſie immortales; man allegirt ſie immer.
Die Athenienſer haben geſagt: Solonem eſſe immortalem, weil ſeine
leges viele ſecula gedauret; Hergegen Draconis leges erant ſanguine ſcri-
ptæ, ſie waren zu ſcharff, und daureten nicht lange. Man kan auch bey
denen legibus ſagen; ubi multum loquentiæ, ibi parum ſapientiæ. Die
multitudo entſtehet daher, daß man nicht alles enviſagirt, da muß man
hernach neue leges geben, oder will man dieſes nicht thun, und die leges
gantz aͤndern, ſo machet man ein Hornwerck davon. Aus denen legibus
kan man ſehen, ob der legislator geſcheuet. Die Venetianer ſind von
allen populis bis an den Himmel erhoben worden, auch von denen Leu-
ten, welche ihnen ſonſt feind, als wie den Amelot, der in ſeinem l’Etaat
de veniſſe ſie ſonſt ſehr durchgezogen, und auch deßwegen muͤſſen in die
Baſtille gehen. In dieſem punct lobet doch Amelot dieſelben, daß ſie be-
ſtaͤndig einerley leges gehabt. Ihre leges ſind verfaſſet in der antiqua
lin-
[183]ſtatus circa leges \& judicia.
lingua, welche ſie geſprochen, da ſie ſich etabliret haben. Es changiren
bey ihnen alle Magiſtratus, aber der Cantzler und Secretaires d’Etaat ſind
bey ihnen perpetui, weil dieſelben eine lange experience wegen der alten
Sprache haben muͤſſen. Das muß alſo ſapiens respublica ſeyn, und iſt
ſie auch beſtaͤndig in florenti ſtatu geweſen, nur ſind ſie durch die Hollaͤn-
der, Etrgelaͤnder, und Portugieſen von ihrem Reichthum etwas herun-
ter kommen, weil ſonſt das gantze commercium bey ihnen geweſen; ſie
machen aber doch noch eine ziemliche figur. Ludovicus XIV. in Franck-
reich hat ſich einen groſſen Ruhm erworben, daß, da man ſo viele leges
hat, und faſt in jeder Stadt beſondere leges waren, er den Codicem Lu-
dovicianum verfertigen laſſen. Denen Staͤdten hat er noch einige cou-
tumen confirmirt: Denn alles hat nicht auf einmahl koͤnnen aufgehoben
werden, pour le reſte aber richten ſie ſich alle nach dem Codice Ludovi-
ciano. Daher iſt in Franckreich auch ſchnelle juſtiz. In Daͤnnemarck
haben ſie ein kluges Recht, welchen Codicem der Koͤnig Chriſtian V. ver-
fertigen laſſen, der nicht groß, da doch die Daͤnen ſo viele See-Rechte
haben. Man darff da kein Ius Civ. Rom. allegiren. Die Wahrheit
zu ſagen, ſo findet man keine Leute, welche faͤhig waͤren, einen Codicem
zu machen: Denn die wenigſten appliciren ſich auf dergleichen Dinge,
und doch ſchicken ſich die wenigſten Leges Rom. vor uns, deßwegen kommt
faſt kein einiger Tit. iu Pand. vor, bey welchen man nicht ſaget, uſu mo-
ribus aliter obtinet. Bey uns in Teutſchland iſt nicht zu vermuthen,
daß es wird geaͤndert werden, ja es wird alle Tage noch mehr hinzu
geſetzet; denn es ſind derer Herren zu viel. Hievon habe ich auch etwas
gedacht in meiner præfation bey denen pandecten. Mancher Fuͤrſt koͤnn-
te was thun, aber es fehlet ihn an Leuten, welche dergleichen bewerck-
ſtelligen koͤnnten. Waͤre in Franckreich der Colbert nicht geweſen, ſo
waͤre der Codex Ludovicianus mein Tage nicht zu Stande kommen.
§. 5. 6. Die ordre, ſo ein princeps in civitate giebt, muß ſo be-Von Privile-
giis und Aen-
derung der
Geſetze.
ſchaffen ſeyn, ut omnes conſtringat, jubeat univerſos. Denn wenn man
nicht uͤber die Geſetze haͤlt, dergeſtalt, ut nullus eximatur, ut privilegia
evitentur, ſo haben ſie keinen groſſen effect. Der Senatus ſagt beym
Tacito dem Neroni: tribuendum telum, quod ſperni nequeat. Was iſt
das vor ein Lex, da dieſe oder jene privilegia bekommen, wodurch nur
eine inæqualitas entſtehet. Und obgleich ein Juriſt erkennet, daß ein
princeps es de jure thun koͤnne; quid ad te, wenn ein Princeps einem
ein privilegium giebt? aber was hilfft hier das jus, da wir de prudentia
reden, quid in republica contingat? Es mag recht ſeyn oder nicht, die
Leute beſchweren ſich, und ſo lange einer force hat, pariren die Leute, ſo
bald
[184]Cap. V. De prudentia
bald er aber eine Bataille verliehret, ſchmeiſſen ſie ihn herunter, welches
man bey vielen Reichen ſehen kan. Wenn der Princeps Geſetze giebt,
ſo hat er die intention, daß die Geſetze ſollen einen effect haben; diſpen-
ſiret er aber dieſen oder jenen, ſo haben ſie keinen effect. Wenn man es
beym Lichte beſiehet, ſo iſt es auch nicht recht, daß man durch die Finger
ſiehet, und andere abſtrafft. Man wird ſehen, daß in rebus publicis li-
beris ſcharff uͤber die Geſetze gehalten wird, und faſt keine privilegia ge-
geben worden. Dahero haben einige Juriſten defendiren wollen, es
waͤren in libera republica Romana gar keine privilegia gegeben worden,
welches falſch iſt, aber man hatte wenig privilegia. Wie aber Principes
kamen, ſo entſtunden viele privilegia. Der Princeps ſagt: Tel eſt mon
plaiſir, ich habe Macht alles zu thun, da kommen die Hof-Schran-
tzen, maitreſſen, \&c. und bitten ſich bald dieſes bald jenes aus. Dahe-
ro handelt man auch in Jure civili de privilegiis, bey dem Tit. de Conſt.
Principum. Es iſt der Principatus nicht ſchuld daran an denen privi-
legiis, aber er giebt Gelegenheit dazu. Man hat ſchon vor dem
Louis XIV. Duell-Edicta gehabt, aber nicht daruͤber gehalten, ſondern
wenn einer darwider peccirt, ſo iſt er echappirt, nachgehends hat man
geſucht ihn wieder auszuſoͤhnen. Da iſt es ſo viel, als wenn kein lex
da waͤre, au contrair, es iſt viel ſchlimmer, wo Geſetze ſind, und man
haͤlt nicht daruͤber. Louis XIV. aber ſagte, ich will keinen Menſchen
diſpenſiren, und nahm das Abendmahl hieruͤber; er ließ auch etliche, ſo
ſich duellirten, um eine Spanne kuͤrtzer machen, daher wird man nicht
hoͤren, daß man in Franckreich duelliret. Hergegen, wo diſpenſiret
wird, da glauben die Leute nicht, daß es dem Herrn ein Ernſt ſey. Wie
der Hoͤchſtſeel. Koͤnig in Preuſſen die duella verbothen, und keinen par-
don gab, ſo war es auch gantz ſtille. Jubeat Princeps ita, daß man ſie-
het, ob es ihm ein Ernſt. Derjenige, der ein intereſſe zeiget, bey dem
ſiehet man, daß es ihm kein Ernſt. Man ſagt, er thut es propter utile,
und ſchmaͤhlen alle auf ihn, wollte er es nicht leiden, ſo muͤſte er allen
laſſen die Koͤpffe herunter reiſſen. Sie ſagen, ſeine Leges ſind nur als
Retia, damit er uns fangen will, und uns ausſaugen. Man lieſet beym
Thuano, daß der Koͤnig in Franckreich einsmahls ein Geſetz publiciret,
welches nur auf das intereſſe des Hofs und eines gewiſſen Ertz-Bi-
ſchoffs gegangen, darwider hat ſich das Parlament erſt geſperret, und
ſolches nicht annehmen wollen, wie aber der Koͤnig ſolches par force ein-
gefuͤhret, ſo hat jedermann geſagt, der Lex gehe nur auf das intereſſe des
Hofs und des Ertz-Biſchoffs. De jure muß man freylich einen legem
annehmen, es mag ein intereſſe da ſeyn, was vor eines will, man thut
aber
[185]ſtatus circa leges \& judicia.
aber contra prudentiam. Die meiſten revolutiones in der Welt ſind entſtan-
den propter leges ineptas, ſonderlich propter leges, da man des Herrn
ſeinen Geitz und intereſſe wahrgenommen. Das iſt keine ſeria volun-
tas, wo avara utilitas ex illa lege hervor leuchtet. Der Herr muß ſich
ſelbſt auch nach denen Legibus accommodiren. Nach der Jurispruden-
tia heißt es: Principes legibus ſunt ſoluti, nemo ſibi ipſi obligationem
imponit. Aber der peuple glaubt nicht, daß es dem Herrn ein Ernſt
ſey, wenn der Herr ſich nicht ſelbſt darnach richtet. Wenn der Herr
ſagt: Man ſoll nicht Ehebrechen; da ſagen ſie nos multis pœnis fatigat,
und er thut ſelbſt nicht darnach. Waͤre es ihm ein Ernſt, ſo wuͤrde er
ſich accommodiren: denn wenn er meynet, daß der Ehebruch der Re-
public ſo ſchaͤdlich, quare ipſe eſt adulter: Es giebt ein ſcandalum, die
Unterthanen glauben nicht, daß es unrecht, weil es der Princeps ſelbſt
thut. Man haͤlt ihn vor intereſſirt, gleichwie ein Zuhoͤrer einen Predi-
ger vor einen fourbe haͤlt, wenn er ſiehet, daß der Prediger ſaget, man
ſoll nicht ſtehlen, und er iſt ſelbſt ein Dieb. Wenn der Fuͤrſt ſaget, es
ſoll kein luxus in der Republic ſeyn, ſo muß er ſelbſt nicht luxurieux le-
ben. Wie der Koͤnig in Franckreich Frieden machte, und ſahe, daß
durch den luxum ſein Land ſehr herunter kommen, ſo fuhr er ſelbſt in
einer Kutſchen, da kein Strich Gold daran war, wie es der Koͤnig ein-
mahl that, ſo folgten ſie ihm alle bald nach. Die Koͤnigin in Franck-
reich Maria Thereſia hat auch eine probe davon abgelegt. Denn wie
der Koͤnig in Franckreich haben wollen, es ſollten die Franzoſen Zeuge
tragen, welche in Franckreich fabriciret worden, ſo konnten ſie nicht da-
zu gebracht werden, ob man gleich pœnas ſatzte. Endlich ließ ſich die
Koͤnigin ein Kleid machen aus Zeuge, da ihr bald andere Dames folg-
ten, und trugen hernach alle ſolche Zeuge. Wenn man auch die groſſen
fantangen abbringen will, ſo muß man nicht laſſen die Prediger auf der
Cantzel darauf ſchmaͤhlen, ſondern es darff die Fuͤrſtin eine kleine duo-
dez fantange tragen, alsdenn werden bald andere nachfolgen. Setzet
aber die Fuͤrſtin eine groſſe fantange auf, ſo iſt alles babyloniſch. Exem-
plum iſt eines von denen beſten legibus, welches man beym Tacito und
andern hiſtoricis ſehen kan. Amelot hat in ſeinem Tiberio gewieſen, daß
derſelbe anfangs wohl regieret, ſo, daß auch einige gemeynet, er regiere
beſſer als Auguſtus, weil unter Auguſto ſo ein groſſer luxus geweſen, und
derſelbe ſich ſo an die Weiber gehaͤnget. Dieſer Tiberius hat allen
Staat eingezogen, und ſeinen Hof retranchiret, daß es ihm alle nach-
gethan. Man hat obſerviret, daß vor Franciſco I. in Franckreich eine
harte diſciplin geweſen, wie aber Franciſcus I. regieret, ſo ſind die Dames
A aa la
[186]Cap. V. De prudentia
a la Cour kommen, wodurch ein groſſer luxus entſtanden, vid. Bayle ſub
voce Franciſci I. Der Kayſer Leopoldus iſt ein ſolcher ſobrius Princeps
geweſen, dergleichen man wenig finden wird, aber ſeine Bedienten ha-
ben doch einen Staat gemacht, den man an keinem Hofe antreffen wird,
nach denen Hof-Leuten richten ſich die buͤrgerlichen Leute, und bleibt
der luxus.
monie der
Gefetze.
§. 7. Wer ordre geben will, muß ſie ſo einrichten, daß ſie ein-
ander ſuccurriren, und harmoniſch ſind. Das iſt der Fehler bey allen
legibus, daß man die occaſiones nicht wegnimmt. Wenn gleich der luxus
an ſich gut, ſo muͤſſen doch auch leges ſeyn, welche die occaſiones weg-
nehmen, ſonſt iſt lex telum inefficax, und iſt impoſſible, daß er kan ge-
halten werden. Wir leſen, daß keine Hure ſoll ſeyn unter denen Kin-
dern Iſrael, daher wollen wir es eben ſo machen, und iſt die intention
gut, aber die irritamenta ſollten ſie auch wegſchaffen. Es iſt freylich
miſerable, wo eine ſolche corruptio in generatione. Denn ſolche Kin-
der werden nicht auferzogen, und werden es nur Spitzbuben und Hu-
ren. Es ſoll kein luxus ſeyn da Leute ſollen arbeiten, und wo man hin-
ſiehet, da ſind Spiel-Haͤuſer. Wo keine irritamenta ſind, da werden
die Leute auch nicht ſuͤndigen. Hergegen bleiben die irritamenta, ſo ſa-
gen ſie, wir ſind doch nicht inſenſible, und ſie haben auch recht. Crom-
well, ob er gleich ſonſt ein fourbe geweſen, ſo hat er doch geſucht die bo-
nos imperantes zu imitiren, und hat wohl regieret, indem er alle occaſio-
nes peccandi geſucht aus dem Wege zu raͤumen. Er ſahe, daß die Ca-
naille, wenn ſie Zeit haͤtte, wuͤrde zuſammen lauffen, daher ordnete er,
des Sonnabends, Sonntags und Montags ſollte Kirche gehalten wer-
den, den Dienſtag, Mittwoch, Donnerſtag und Freytag muſten die
Leute arbeiten, und haben ſie alſo keine Gelegenheit gehabt zu con-
ſpiriren.
gislator auf
die Umſtaͤnde
der Zeit des
Orths ꝛc. Acht
zu geben habe.
§. 8. Jubeat etiam Princeps ita, ut circumſtantias attendat loci,
temporis. Alle leges laſſen ſich nicht zu einer Zeit publiciren, und muß
alſo die Legislatio tempeſtiva ſeyn, ita, ut ferat populus. Geſchiehet es
præcipiti curſu, und nimis ſevere, ſo wird nichts draus. Ein Land, das
in einem groſſen luxu ſtecket, kan nicht auf einmahl davon abgebracht
werden. Wie Tiberius erinnert wurde, er ſollte den luxum auf heben,
ſo ſagte er, es waͤre noch nicht Zeit. Von einem extremo kan man
ohnmoͤglich auf das andere fallen. Gleichwie kein Menſch, der ruchloß
gelebet hat, ſich auf einmahl beſſern kan, ſo gehet es noch vielweniger
bey einer gantzen Republic an, vid. Oratio mea de reformatione rerum-
publicarum, welche in Gundlingianis ſtehet, darinnen viele curieuſe Sa-
chen
[187]ſtatus circa leges \& judicia.
chen und Exempel angefuͤhret. Viele Leute haben einen widrigen con-
cept von der reformatione rerumpublicarum, und meynen, es kan gleich
geſchehen, alleine, man muß die Zeit erwarten, convenire donec melius
appareat tempus. Amelot in ſeinem Tibere obſerviret, daß am beſten
koͤnnten Geſetze gegeben werden wider den luxum, wenn die Leute an-
fiengen, arm zu werden, wenn ein Ungluͤck uͤber ſie kaͤme, daß ſie gantz
ausgeſogen wuͤrden, alsdenn koͤnne man leges geben, welche auch in fu-
turum obſerviret wuͤrden, wenn ſie gleich wieder in guten Stand kaͤmen:
dahingegen wenn alles voll auf iſt, die Leute haben Geld, ſo kan man
den luxum nicht auf einmahl aufheben, und wuͤrden alle murren, wenn
man es thun wollte: denn ſie ſagen: wir haben Geld, und ſollen doch
uns deſſen nicht bedienen. Tempus itaque eſt attendendum \& expectan-
dum, man muß pedetentim kommen. Einen Menſchen, der hundert
Pfeiffen Toback raucht, kan man ſolches nicht auf einmahl abgewoͤh-
nen, ſondern man laͤſt ihm erſt eine halbe Pfeiffe weniger rauchen, denn
eine gantze, endlich kan er ſichs nach und nach abgewoͤhnen; will man
es aber auf einmahl thun, ſo ſtirbt er, und kan es nicht aushalten;
Man muß aber wohl mercken, daß, wenn es einmahl gebeſſert iſt, ſo
ſiehet es unvergleichlich aus: denn es iſt alles en bon ordre. Aber man
muß alsdenn vigiliren, cuſtodes legum ſetzen, denn die leges ſind ein
Zwang, nitimur in contrarium, wir laſſen immer nach, es finden ſich
auch immer neue corruptiones. Man darff alſo nicht dencken, daß es
immer ſo bleiben wird. Es iſt, wie mit der Neligion, da brauchen wir
auch immer wieder eine reformation. Das menſchliche Hertz iſt boͤſe
von Jugend auf, und gewoͤhnt man ſich immer was naͤrriſches an.
Wenn man von einem lege ſaget, daß es nicht in uſum kommen; ſo iſt
es ein Anzeigen, daß man nicht recht acht gegeben, und ſind die Leute
wieder von dem rechten Weg abgewichen. Daher kommen aber die
conſuetudines in contrarium. Barbeyrac in ſeiner Diſſertation des Loix
civiles ſagt auch: Wo man das nicht conſuetudines nennete, was denen
legibus Romanis entgegen, (als wie man die Teutſchen Geſetze in dieſer
relation alle conſuetudines genennet,) ſondern man faͤnde andere con-
ſuetudines, ſo waͤre es ein Anzeigen, daß eine corruptio vorhanden, und
daß der Legislator entweder nicht vigilirt, oder ſolche leges gegeben, ſo
nicht in uſum koͤnnen gebracht werden. Der Herr kan nicht allezeit
Acht geben, daher hat er ſeine ſubalternen, welche aber mehrentheils
nichts taugen, und haben ein intereſſe ambitionis, voluptatis \&c. Ein
Herr ſollte auch gar nicht zulaſſen, daß ſeine Unter-Nichter diſpenſirten,
die muͤſten nicht legibus mitiores, und auch nicht duriores ſeyn. Die
A a 2Athe-
[188]Cap. V. De prudentia
Athenienſer und Lacedaͤmonier haben einen cuſtodem legum gehabt.
Wenn man auch die Tribunos plebis bey denen Roͤmern anſiehet, ſo
hat der peuple ſonderlich dieſen ſcopum bey denenſelben gehabt, ut de-
fenderent leges, damit alles moͤchte genau in acht genommen werden;
deßwegen ſie auch defenſores legum genennet worden. Wo man ſolche
cuſtodes legum hat, da wird keine obſervantia in contrarium entſtehen.
Ein Princeps ſoll auch nicht geſtatten, daß viel appelliret wird, davon
hernach wird gedacht werden. Dieſes hat der Cantzler Hugo in ſeinem
Tractat de uſu \& abuſu appellationum gewieſen. * Wer leges geben
will, muß jubere neceſſaria, poſſibilia und utilia. Ad apicem kan man
nicht gelangen. Alles, was perfect genennet wird, treffen wir nicht an.
Ein perfecter Princeps, Philoſophus, Orator, iſt eine chimære. So iſt
es auch beſchaffen mit einer perfecta republica, und conſideriret man nur
dieſelbe, damit man weiß, wie weit man davon entfernet. Cicero de
Oratore hat eine treffliche paſſage hievon, der auch ſagt, er zeige wohl,
was ein perfecter Orator, man wuͤrde aber denſelben nicht antreffen.
Ob nun zwar einer ſagt: tendendum eſt ad optimum, ſo kan man doch
ſolches nicht erhalten. Die respublica Judaica war in certa relatione
perfectiſſima, aber doch nicht abſolute. Hat nicht unſer HErr GOtt
vieles muͤſſen toleriren? Saget nicht CHriſtus wegen eures Hertzens
Haͤrtigkeit, hat man euch muͤſſen die divortia zulaſſen. Wenn unſer
HErr GOtt gewollt, ſo haͤtte er freylich alles koͤnnen aͤndern, aber er
haͤtte alles muͤſſen in nihilum redigiren, da waͤre die respublica nicht ge-
blieben. Wir haben ja keine Engel, man trifft unter hunderten kaum
einen an, der Weisheit hat. Das ſind Enthuſiaſten, welche meynen,
man koͤnne ratione legum ad ſummam poteſtatem gelangen. Multa to-
leranda ſunt. Bayle hat in ſeinem Diction. ſub voce Arles, (welcher
Martinus de Arles, ein Scholaſticus, geweſen,) auch Gelegenheit ge-
nom-
[189]ſtatus circa leges \& judicia.
nommen hiervon zu reden, und ſagt: Wenn ein Geiſtlicher predigt, es
ſollen keine Hurer, keine Diebe ſeyn, ſo gehoͤret das ad doctrinas, aber
abſolut koͤnne es nicht ad praxin gebracht werden, ſonſt muͤſte man allen
die Koͤpffe herunter reiſſen, und duͤrfften die Lehrer nicht in das Amt der
Obrigkeit fallen. Denn wenn alle Menſchen fromm waͤren, ſo brauch-
te man keine Lehrer, alſo waͤre es wider das intereſſe derer Geiſtlichen,
wenn ſie meyneten, per magiſtratum koͤnne man alles thun. Der Prin-
ceps bekuͤmmert ſich nichts drum, ob es einer gerne thut oder nicht,
dummodo quiete vivas, aber er ſiehet doch, daß es beſſer, wenn ſie es
ex conſideratione mali \& boni thun, als ex conſideratione pœnæ. Da-
her braucht man die Geiſtlichen, daß ſie die Leute emendiren, ſie muͤſſen
hortari, monere. Wo acerbæ pœnæ, da wird nichts erhalten. Da-
her hat Gellius in Noct. Attic. obſerviret, daß des Draconis Leges ſan-
guinæ ſcriptæ, welche auch gleich aufgehoͤret, und hat ihn die poſterité
vor einen Thoren gehalten. Man muß die ſanctiones pœnales ſo ein-
richten, daß man actiones injuſtas exterius turbantes ſcharff ſtrafft, ent-
weder mit dem Tode oder mit andern Leibes-Straffen, damit die Leute
davon ablaſſen. Denn das ſuͤndigen iſt ihnen eine groſſe Luſt, aber die
Luſt ihr Leben zu erhalten, iſt noch groͤſſer. Wenn auch keine Lebens-
Straffe da iſt, ſo wollen ſie doch gerne integram vitam behalten, ſie
wollen ſich nicht gerne laſſen einen Finger abhauen: denn der waͤchſet
nicht wieder, ſie wollen ſich nicht gerne laſſen Brandmarcken, den
Staupbeſen geben. Hergegen actiones inhoneſtas muß man punire in-
famia und actiones indecoras ignominia. e. g. Wenn einer grob iſt, ſo
braucht man ihn nicht groß zu ſtraffen, ſondern es iſt ignominia genug.
Alſo gehoͤret eine groſſe Weisheit darzu, daß man nicht alleine leges
giebet, ſondern auch ein judicium obſerviret, ratione pœnarum; denn
kein lex iſt ſine pœna. So viel als es moͤglich iſt, muß man pœnas cer-
tas machen, ſonſt giebt es arbitraria, Anſehen der Perſon ꝛc. man findet
alsdenn eine inæqualitatem. Die Roͤmer haben Haupt-pœnas gehabt,
welche muͤſſen obſerviret werden, hernach aber hatten ſie auch crimina
extraordinaria, da der judex arbitriren konnte.
§. 9-13. Es wird applicatio juris ad factum erfordert, und woVon denen ju-
diciis und
Proceſſen.
dieſes nicht bey einem lege geſchiehet, ſo iſt lex campana ſine piſtillo.
Man wird leicht begreiffen, daß derjenige, ſo die leges giebt, der ſollte
von Rechtswegen auch judex ſeyn: denn dieſer verſtehet die leges am
beſten, und weil er die leges verſtehet, ſo kan er am beſten wiſſen, an
hoc factum pertineat ad legem annon? Ein Koͤnig, der nicht judex iſt,
A a 3iſt
[190]Cap. V. De prudentia
iſt kein Koͤnig, ein imperans, der nicht judex iſt, iſt kein imperans. Es
iſt auch keine geringe Sache, indem derer Unterthanen Gluͤckſeligkeit,
divitiæ, paubertas, vita, mors, alles von dergleichen judice dependiret.
Drum iſt ein corruptiſſimus ſtatus, wo dem Principi die Haͤnde gebun-
den, daß er nicht kan applicare leges ad factum; wo der Princeps nicht
judex ſeyn kan. Es iſt eine groſſe corruptio in der republica Polonica,
da ſie den Koͤnig ſo zu ſagen ausgeſchloſſen. Sonſt konnte der Koͤ-
nig ſelbſt judiciren in wichtigen affairen, und konnte keiner, ohne ſeinen
conſens, zum Tode verurtheilet werden, wenn er ſagte: mihi videtur
hanc deciſionem applicari non poſſe, ſo konnte die execution nicht vor
ſich gehen, wenn gleich ſonſt alle das contrarium gewollt, aber jetzo ha-
ben ſie zum hoͤchſten provocationem ad ipſius clementiam, und iſt vie-
les von der autoritaͤt zu Grunde gegangen, welches die Scriptores recen-
tiſſimi anmercken. Die Pohlen haben freylich etwas raiſon, weil die
Koͤnige ehemahls bisweilen ſo beſchaffen geweſen ſind, daß ſie alles pro
arbitrio vorgenommen; aber abuſus unius alteriusve regiæ perſonæ kan
nicht verurſachen, ut penitus adimatur illi gladius, ſonſt brauchten ſie gar kei-
nen Koͤnig. Dicis: Es iſt ja impoſſible, daß ein Koͤnig uͤberall judex kan ſeyn?
Reſpond. Es iſt wohl wahr, und deßwegen muͤſſen ſie ſubalternen haben,
aber daß ſie gar nichts thun, iſt ein groſſes Ungluͤck. Es iſt auch wun-
derlich, wenn man meynet, der Koͤnig habe nur mit Staats-Sachen
zu thun, als wenn der Koͤnig nur propter entraneos da waͤre. Dieſes
iſt wohl ein finis mit, aber nicht alleine, ſondern das internum ſoll richtig
ſeyn. Wo kan ich mich contra extraneos defendiren, wenn keine juſtiz
im Lande adminiſtriret wird, vel minimum, ſi illa juſtitia non appareat,
non eſſe vero \& non apparere in moralibus ſunt unum idemque. Vor-
dem iſt es gantz anders geweſen. Wir finden, daß Salomo ſelbſt ge-
richtet, oder wenn er es nicht gethan, ſo hat er ſolches denen ſenioribus
uͤbergeben. Die Roͤmer hatten auch einen Senatum, worinnen lauter
ſeniores ſaſſen. Wir ſind abgegangen, und haben einen juvenatum. In
denen meiſten judiciis ſitzen Leute, die noch keine Baͤrte haben. Caro-
lus Molinæus, ein beruͤhmter Frantzoͤſiſcher Juriſt, ſagt in ſeinem con-
ſuetudinibus Pariſienſis, auch von Franckreich, daß man den Senatum
auch daſelbſt juvenatum nennen koͤnnte. Es iſt eine groſſe Schwachheit,
wenn man meynet, der Koͤnig doͤrffte gar nicht judex ſeyn. Eginhardus
erzehlet von Carolo Magno, daß, wenn er ſich ankleiden laſſen, ſo habe
er Leute vor ſich kommen laſſen, und haͤtte da unzaͤhlige proceſſe ausge-
macht. Der actor muſte ſeine Sache kurtz vorbringen, und der reus
antwortete, darauf decidirte der Kayſer. Er hatte ſeinen Comitem Pa-
latinum
[191]ſtatus circa leges \& judicia.
latinum bey ſich, mit dem er deliberirte, wenn es eine wichtige Sache
war, und muſten die Partheyen indeß abtreten. Monſr. Ioinville, wel-
cher mit Ludovico IX. im gelobten Lande geweſen, und ſein Leben beſchrie-
ben, erzehlet auch von demſelben, daß er alles kurtz abgethan. Aber zu
Caroli Magni Zeiten waren auch die leges Teutſch; man brauchte keine
Wiſſenſchafft, Nachdencken, und erudition, ſondern nur eine Erfahrung.
Weil wenig leges waren, ſo konnte der princeps auch leicht eine deciſion
finden. Man ſiehet hieraus einen groſſen Verfall, wenn die leges in ei-
ner fremden Sprache verfaſſet ſind. VVilhelmus Conqueſtor, ein Nor-
mann, hat denen Engelaͤndern leges in der Normanniſchen Sprache vor-
geſchrieben, daher man noch viele Normanniſche Worte in denen ju-
diciis daſelbſt antrifft, aber ſie haben auch den VVilhelmum als einen
Tyrannen angeſehen, gemuerunt ſub ipſius jugo. Es iſt ein groſſes Un-
gluͤck, wenn man fremde Geſetze hat, weil man die Sprache erſt ſtudi-
ren muß. Wir haben auch Lateiniſche Geſetze, daher kommen alle laͤ-
cherliche interpretationes, weil die Leute kein Latein verſtehen, und diejeni-
gen, ſo in elegantioribus litteris etwas gethan, uͤbertreffen hernach alle
interpretes. Wenn aber die leges in der Sprache gegeben ſind, welche
das Volck redet, ſo kan ein jeder von dem Volck ſich ſelbſt Rechts er-
hohlen. Wir ſehen dieſes an unſern Policey-Ordnungen, die ein jeder
verſtehen kan, wenn man nur die fremden terminos weg laͤßt; wenn der
princeps ſelbſt judex iſt, ſo nehmen ſich auch die Advocaten mehr in acht,
man hat mehr reſpect, und trauet ſich nicht ſo viel quinten, chiquanen
und ſophismata zu machen. Wenn ſonſt der Kayſer an einem Ort in
Teutſchland kommen, ſo cesſirten alle Gerichte, und wurde es dem Kay-
ſer allein uͤberlaſſen. Da in dem interregno kein Gericht gehalten wor-
den, und Rudolphus Habspurgicus zum erſten mahle wieder Gerichte hielt,
ſo iſt ein ſolcher Zulauff vom Volck geweſen, daß viele erdruckt worden,
weil alle froh waren. Denn der Koͤnig hat kein intereſſe, dem gilt gleich,
ob dieſer oder jener gewinnet. Ein jeder Graf, Fuͤrſt in Teutſchland, der
ein Richter-Amt gehabt, hat alle Jahr drey oder auch vier mahl Gerich-
te gehalten, wovon auch noch die Quartal-Gerichte herkommen. Es wa-
ren derer proceſſe nicht viel, weil ſie bald abgethan wurden. Konnte ei-
ner ſeine Nothdurfft nicht ſelbſt vorbringen, ſo war ihm erlaubt, einen
Sprecher anzunehmen. Man fragte ihn aber, ob er auch alles das ap-
probire, was der cauſidicus ſage. Sie haben das Urtheil muͤndlich ge-
ſprochen, weil aber ein und andere Umſtaͤnde koͤnnen vergeſſen werden,
ſo haben ſie ſolches hernach in ein Buch geſchrieben, und daraus abgeleſen.
Man gab ein Lumpen-Geld davor, einen Schreibe-Pfennig. Da hat ſich
kein
[192]Cap. V. De prudentia
kein Menſch gefuͤrchtet, einen proceß zu fuͤhren, wie jetzo. Alſo iſt das ein groſ-
ſer Fehler, daß groſſe Herren nicht ſelbſt in die Gerichte kommen. Man laͤſſet
ihre portraits hinein ſetzen, und ſtehet auch ein alter Lehn-Stuhl vor ſie
in denen Gerichten, aber ſie kommen niemahls hinein. Groſſe Herren
koͤnnten denen Maͤngeln am beſten abhelffen, wenn ſie ſelbſt in die ju-
dicia kaͤmen. Man thut wohl, wenn man es ihnen ſuchet beyzubringen,
ſonderlich unſern Teutſchen Fuͤrſten, die manchmahl kein allzu groſſes
Land haben, die koͤnnten alles ſelbſt abthun; Davor aber gehen ſie in
Opern, und jagen. Jagen muß man zu gewiſſen Zeiten, denn da lernet
man ſein Land kennen. Ein Land-Graf in Heſſen hat gar im Teſtament
befohlen, daß ſeine Printzen jagen ſollten, aber modice. Bey der Jagd
ſiehet man die Grentzen ſeines Landes, weil die Jaͤger von der andern
Seite nicht leiden, ut fines tranſiliantur. Sie verthun ſonſt auch ſonſt
ihr Geld, laſſen die Unterthanen indeſſen ſchmauchen, und braten von
den ſubalternen. Man findet, daß Carolus Magnus ſehr gluͤcklich
regieret, und wuͤrde man keinen Fehler bey ihm antreffen, wenn er nicht
ſo viele Lande gehabt, da er nicht alles auf einmahl aͤndern koͤnnen. Aus
ſeinen capitularibus kan man eine groſſe Weisheit ſehen, und ſagt Leh-
mann in ſeinem Chronico Spirenſi, daß die meiſten Reichs-Staͤdte am
Rhein-Strohm ihre leges davon genommen. Man muß ſie nicht an-
ſehen in der corrupten Lateiniſchen Sprache, ſondern wie ſie ins Teutſche
uͤberſetzet ſind: Denn ſie haben alles auch Teutſch gehabt, auch den
legem Salicam. Die groſſen Herren ſehen alſo, daß man ihnen was
aus den Haͤnden gewunden, wenn man ihnen weiß gemachet, ſie duͤrff-
ten die juſtiz nicht ſelbſt adminiſtriren, und muͤſten nur mit Staats-Sa-
chen umgehen, da doch ſolches die Haupt-Sache iſt. Denn wenn wir
keine juſtiz haͤtten wollen haben, ſo waͤren wir in ſtatu naturali blieben.
Der Zweck iſt ja nicht, daß wir wollen conqueten machen, ſondern das
kommt nur per accidens, wenn mich einer will ſupprimiren, ſo ſupprimi-
re ich ihm. Wenn ein princeps recht inſtruiret iſt von ſeinem imperio,
ſo kan er auch nicht leiden, daß ſeine Leute ſich ſelbſt Recht ſchaffen,
duelliren ꝛc. leidet es einer, ſo iſt es ein Anzeigen, daß er uͤber den finem
civitatis ſein Lebtage nicht reflectiret. Der ſtatus naturalis iſt ja weg,
und ſub ſtatu civili, und wenn ja einer zu viel courage hat, ſo kan er ja
vor eine Feſtung gehen, und da ſeinen Kopff einrennen. Die juſtiz er-
haͤlt eine æquitatem, ſuum cuique tribuit rapaces manus removet, beloh-
net das Gute, und beſtrafft das Boͤſe. Daraus kommt eine harmo-
nie, und eine æqualitas geometrica. Eine gantze Gleichheit kan man
nicht haben, aber die proportion kan er doch obſerviren, daß der potens
den
[193]ſtatus circa leges \& judicia.
den inferiorem nicht ſupprimiret, \& ne inferior aſcendat, \& potentiores
ſupprimat, ſonſt wird ein Bauer-Krieg draus. Er muß ſehen, daß ein
jedes in ſeiner claſſe bleibet, und nicht aus der balance kommt. Die
Theologi expliciren auch den locum theologicum de Magiſtratu politico,
und waͤre gut, wenn ſie ihn nicht recht explicirten, aber mehrentheils
ſchmelen ſie auf den principem, oder attribuiren alles dem Volck, da
muͤſſen hernach die Suͤnden derer Unterthanen an allen Schuld ſeyn.
Wenn ein groſſer Herr geduldig waͤre, ſo koͤnnte er auch nach und nach
alles aͤndern. Weil nun aber ein Fuͤrſt nicht alles thun kan, ſo muß er
ſich nach ſubalternen umſehen, welche ſeine Perſon repræſentiren, ſoll ei-
ner ſeine Perſon repræſentiren, die man als ſanctam anſiehet, ſo muß es
ein rechter Mann ſeyn. Wer laͤßt ſich gerne durch einen Fribon repræ-
ſentiren? Wer ſchickt gerne einen Bettler cum charactere repræſentatitio,
da er ſich ſonſt von Bettlern diſtinguiret. Der ein ſapiens iſt, wird ſich
nicht gerne einen Bouffon repræſentiren laſſen. Dieſes negligiret man
uͤberall, man verkaufft die juſtiz, man verpachtet ſie, O he! und ſoll
doch eine ſapientia da ſeyn, nam propterea nos ſubmiſſimus principi, weil
er ſapiens. Vor dem ſind die meiſten Perſonen lauter ſeniores geweſen.
Das Wort Seigneur kommt auch vom ſenior. Sie haben gemeynet,
daß die ſeniores am geſchickteſten, weil ſie Erfahrung haben ex conſe-
quenti Wiſſenſchafft, denn die Erfahrung iſt eine perpetua memoria.
Wenn mir einer ſagt: Dieſer iſt ein experimentirter Mann, ſo iſt ſol-
ches ein groſſes eloge in meinen Ohren, man ſiehet ihn an, als einen
hominem pragmaticum, wenn er gleich nicht alle ſubtilitaͤten weiß, das
gehoͤret vor einen Profeſſor. Die ſubtilitaͤten machen mich nicht allezeit
klug, fuͤhren einen offt ab. Das jus iſt an ſich ſelbſt leicht, dasjenige,
was es ſchwer machet, iſt das factum, wiſſen wir das factum, ſo kan
alsdenn leicht eine deciſion gemachet werden. In judicio wird das fa-
ctum dunckel gemacht von denen Partheyen, Advocaten und Procurato-
ribus, da iſt alſo eine Kunſt, das factum zu developpiren, und muß ein
princeps geſchickte judices haben. Es muß alſo hier gehandelt werden
von Advocaten, weil die das factum offt dunckel machen, ingleichen von
Procuratoribus, und endlich von denen Partheyen ſelbſt, weil dieſe offt
auch nichts nutze, reorum enim eſt fingere. Es ſind auch noch uͤber
dieſes allerhand circumſtantiæ zu beobachten. Man koͤnnte uͤber die re-
formation der juſtiz ein gantzes collegium halten, und wuͤrde ſolches ſehr
nuͤtzlich ſeyn, aber es muͤſte von unintereſſirten Leuten geſchehen, denn
wer ein intereſſe davon hat, wird ſein Tage nichts Gutes ſagen. Man
verliehret dadurch in Schoͤppen-Stuͤhlen und facultaͤten, indem ihnen
B bals-
[194]Cap. V. De prudentia
alsdenn viel Sporteln wuͤrden abgehen. Leute aber, die Verſtand ha-
ben, fragen nichts darnach, wenn gleich nicht viel acten kommen, weil
ſie doch noch anderswo zu thun finden. Es ſind viel groſſe Herren und
auch andere Leute, welche ihnen ſonſt koͤnnen zu thun geben. Die trans-
misſio actorum iſt auch ein groſſer Mißbrauch. Man ſagt zwar: Es
geſchehe ſolches wegen Partheylichkeit der Richter, aber wenn man rechte
Richter ſetzte, ſo wuͤrde keine Partheylichkeit zu vermuthen ſeyn. Es werden
auch nur die proceſſe auſgehalten, wenn die acten verſchickt werden. Der ju-
dex muß alſo ſuchen das factum zu developpiren, und da gehoͤret hodie eine
peritia dazu. Vor dem muſte man auch wohl peritiam haben, und die leges
patrias \& conſuetudines wohl verſtehen, es wurde auch derjenige hochge-
halten, welcher eine experientiam hatte, und die leges patrum wohl ver-
ſtanden. Die alten Richter haben auch die Teutſchen Geſetze gut ver-
ſtanden, und darff man deßwegen die Spiegler nicht verachten, wenn
ſie wie Roß und Maͤuler von dem Jure Rom. raiſonniren, denn dieſes
haben ſie nicht verſtanden, aber ihre leges wuſten ſie gut. Carolus M.
hat in ſeinen capitularibus (ehe man noch von dem Jure Rom. etwas ge-
wuſt,) Lib. V. Cap. 62. verordnet, daß alle, die im Gerichte waͤren, ſoll-
ten Leute ſeyn, qui didiciſſent leges a ſapientibus populi; ſie ſollten die
leges und conſuetudines in promtu haben, das kam nicht auf einen na-
tuͤrlichen Verſtand an. Wir ſehen ja jetzo noch, daß nicht alle caſus
in Iure Rom. und Legibus patriis enthalten, ſondern vieles muß man
noch nach der Vernunfft, und aus dem Zuſammenhang ex hypotheſi
decidiren, und wenn gar nichts da iſt, ſo decidirt man ex æquitate. Man
hat vordem uͤber dreyßig viertzig leges nicht gehabt, welches man bey
denen Speyeriſchen Geſetzen ſehen kan. Jetzo aber haben wir das Ius
Rom. Can. Feudale, und ſtatuta patria, da hier und dar was weggenom-
men. Alſo iſt kein Zweiffel, daß ein judex viel wiſſen muß; Daher ent-
ſtehen eben Klagen, daß man junge Leute in die judicia ſetzet, welche nichts
verſtehen. Man erſchrickt zu weilen, wenn man ſiehet, was die Leute
vor reſolutiones und Urtheil geben, aberant a via juris, und wiſſen den
ſtatum controverſiæ nicht zu formiren. Wer Theoriam eines jeden
Titels weiß, der thut wohl, daß er ſich laͤßt acten geben, und refe-
riret, damit er ſiehet ob er ſpeciem facti recht kan vorſtellig machen, und
wie es koͤnne decidirt werden. Iſt es eine geiſtliche Sache, ſo hat man
vornemlich auf das Ius Can. zu ſehen, iſt es aber eine weltliche Sache,
ſo gehet man auf das Ius civile. Man machet die praxin ſo ſchwer, wie
die Theologi das Predigen, und gleichwie derjenige abſurd handelt, wel-
cher gleich anfaͤngt zu predigen, alſo iſt auch der abſurd, ſo ſich auf pra-
xin
[195]ſtatus circa leges \& judicia.
xin leget, und die Theorie negligiret, alsdenn lernet er nur chicanen zu
machen, und den proceß aufzuhalten; Die meiſten Advocaten ſind auch
ſolche Idioten ut nihil ſupra. Der beſte ICtus iſt, der ſpeciem facti recht
kan vorſtellig machen. Man kan ohnmoͤglich Leute haben, qui ſunt pe-
titi rerum, welche nicht eine Zeitlang experientiam gehabt. Das iſt gut,
wenn man Beyſitzer hat, welche ſtille ſchweigen, und nur zu hoͤren muͤſ-
ſen. Es iſt nicht gut, wenn man allezeit ſo viel Richter hat, denn ſie
diſputiren nur unter einander. Die Alten haben die Gerichte mit ſieben
Perſonen beſetzet, und wenn ſie viel zu thun gehabt, ſo haben ſie den
numerum verdoppelt. Man hat Quartal Gerichte gehabt, wie denn das
Ober-Hof-Gerichte in Leipzig, und das Ober-Appellations-Gerichte in
Dreßden noch alle Quartal gehalten wird. Kam aber etwas extra or-
dinem, ſo hat der Cantzler indeß eine Verordnung gemacht; Vordem
waͤhreten auch die Gerichte nicht uͤber acht Tage, jetzo aber dauren ſie
wohl ſechs Wochen, und haben ſie gar Willens, das Ober-Appellations-
Gerichte beſtaͤndig zu halten, weil der Sachen zu viel werden, das ma-
chet der corrupte ſtatus, welcher jetzo iſt. Quær. Wo findet man homi-
nes bene meritos? Reſpond. Die Alten haben gewaͤhlet, das halte ich
vor gut. Sie haben den Richter nicht beſtaͤndig laſſen Richter ſeyn,
denn ſo bald ein Amt erblich wird, ſo dencket er alles aus, was zu ſei-
ner avantage was beytragen kan, dahingegen derjenige, welcher nur auf
eine Zeitlang geſetzet, muß acht geben, ut cum bona fama decedat, er
bleibet in der Furcht, und ſuchet ſeine Sportuln nicht zu vermehren. Es
hat ein Frantzoß, Nahmens Franc. Gravelle, der unter Henrico III. in
Franckreich gelebet, anno 1596. eine Politique Royale geſchrieben, dar-
innen er ſchoͤne Sachen hat. Er hat gewieſen, wie denen Vulturibus to-
gatis ein Riegel vorzuſchieben. Unter Henrico III. war eben ein groſſer
abuſus in Gerichten, deßwegen hat er Gelegenheit genommen, davon zu
ſchreiben. Naudæus in ſeiner Bibliographia politica lobet dieſes Buch
ſehr, und meritirt es, daß mans ins Teutſche uͤberſetzte. Alle Scabini,
Schoͤppen ſind vordem gewehlet worden; Drum heiſſen ſie eben Schoͤp-
pen von Schaafen, creare, man hat keine ſchlechte Leute darzu genommen,
ſondern lauter homines nobiles. Ein jeder Graf war homo ſenex, und
wenn er nicht da ſeyn konnte, und etwan kranck war, ſo verrichtete ſein
Amt indeß ein ſcultetus, und in criminalibus ein Gau-Graf. Sie ha-
ben muͤſſen ſchwoͤren, nicht allein wenn ſie ihr Amt angetreten, ſondern
bey einer jeden cauſa, denn das menſchliche Hertz iſt betrieglich, und wenn
nicht taͤglich timor vor Augen geleget wird, obligationem ſuam negligit,
und haͤlt vor beſſer, was es unrechtmaͤßiger Weiſe acquiriren kan. Es
B b 2iſt
[196]Cap. V. De prudentia
iſt nichts anders, als wenn die juſtiz nicht adminiſtriret wird, denn da
kommt man wieder in ſtatum naturalem. Wie Stephanus Bathori auf
den Pohlniſchen Thron geſtiegen, ſo hat der Groß-Cantzler zu ihm geſagt:
er ſollte die juſtiz adminiſtriren, ſo wuͤrde er regardiret werden, und allen
reſpect haben, wuͤrde er aber dieſes nicht thun, ſo wuͤrde er nicht ſo viel
gelten, als er; So offt man lieſet von Koͤnigen, welche ums Leben ge-
bracht worden, wird man finden, daß es ex denegata juſtitia geſchehen.
Wenn man nach der moral es betrachtet, ſo haben die Leute freylich nicht
recht, aber ſie thun nicht darnach. Wie Philippus Macedo von Pau-
ſania maſſacriret worden, ſo iſt es eben propter denegatam juſtitiam ge-
ſchehen. Kein Hiſtoricus iſt, der nicht Philippum deßwegen blamirt, ob
ſie gleich nicht ſagen, daß Pauſanias recht gethan habe. Septimius Se-
verus iſt gewiß in vielen Stuͤcken ein geſcheuter Kayſer geweſen, dieſer
hat ſich alle Richter laſſen præſentiren, und bey jeden laſſen eine raiſon
ſagen, warum ſie ihn erwaͤhlet. Etliche hat er ſelbſt gekannt. Da hat
er uͤberlegt, ob ſie dazu tuͤchtig. Man wird ſehen, daß in Venedig
und andern Republiquen die juſtiz wohl adminiſtriret wird, weil da die
Magiſtratus ambulatorii ſind. Daß man aber in Teutſchland von der
alten Gewohnheit abgegangen, iſt dieſe Urſache: Unſere proceſſe waͤh-
reten lange, und wenn da die Richter haͤtten ſollen abgehen, ſo haͤtten
die neuen erſt muͤſſen wieder ſo viele volumina durchleſen, und ſich da-
von inſtruiren, da iſt denn eine corruptio aus der andern kommen. Es
iſt auch nichts abgeſchmackters von der gantzen Welt, als wenn man die
juſtiz verpachtet, da einer muß ſehen, daß er das Geld wieder heraus be-
koͤmmt. Das menſchliche Hertz aber iſt ſo beſchaffen, daß es keinen
Schaden haben will. Groſſe Herren ſollten diejenigen, welche die juſtiz
pachten wollen, einſtecken, und ſtraffen. Denn weil die juſtiz das Haupt-
werck, weßwegen man ſich unter ein imperium begeben, ſo muß ſolche
am beſten in acht genommen werden; Geſetzt aber, es muß einer ſechs
hundert Thaler Pacht geben, ſo ſucht er ſolche wieder heraus zu bringen,
und wenn keine proceſſe ſind, ſo macht er welche. Wir haben einen
caſum gehabt, da zwey mit einander Streitigkeiten gehabt, der Richter
ließ ſie aber gleich citiren, und ſagte: Sie moͤchten ihre Sache rechtlich
ausmachen. Wir haben den Richter eine Straffe zu erkannt, und ge-
ſetzt, daß er gar verdiente, abgeſetzt zu werden. Der Richter hat vor
dem nichts als Sportuln gehabt: Denn er muſte denen Sabinis Eſſen
und Trincken und Reiſe-Koſten geben. Es iſt nicht gnug, daß einer pe-
ritus, ſondern er muß auch animum haben, er muß ein ehrlicher Mann
ſeyn, deßwegen haben die Teutſchen keine ſchlechte Leute genommen, ſon-
dern
[197]ſtatus circa leges \& judicia.
dern lauter nobiles, die ſelbſt gehabt unde viverent, und nicht von dem
officio wollen leben. Es war mehr eine dignitas als ein officium lucra-
tivum. Drum ſagt Gravelle in ſeiner politic, man wollte alle officia re-
formiren, und laſſe doch immer das officium lucrativum. Wo kan ein
guter ſtatus da ſeyn, wo in einer Stadt mehr als zwey hundert Advoca-
ten ſind, welche alle von proceſſen leben wollen, und proceſſe machen,
wenn keine da ſind. Man muß denen Richtern nicht allein verbiethen,
kein Geld zu nehmen, ſondern auch nicht andere Sachen. Es iſt abſurd,
daß, da einige geſehen, der Præſes Provinciæ, wenn er in die provinz kom-
men, hat koͤnnen kein Geld, aber doch eſculenta und præſente nehmen,
ſo haben ſie ſolches auf unſere judices appliciret, und meynen, die koͤnn-
ten auch eſculenta und potulenta, einen Conſiſtorial-Vogel, ein Faß
Wein ꝛc. nehmen, da doch der præſes Provinciæ rarisſime gerichtet, ſon-
dern er hat ſeinen Lieutenant gehalten, welcher ſolches gethan. Der
Præſes Provinciæ hat auch um deßwillen kein Geld duͤrffen nehmen, da-
mit er nicht geſucht ſich zu befeſtigen in der provinz, und von denen Roͤ-
mern abzufallen. Ein Stuͤck-Faß Wein koſtet manchen zwey bis drey
hundert Thaler, ſoll das nicht verblenden. Die Teutſchen haben in ihre
Gerichte die Hoͤlle mahlen laſſen, worinnen die boͤſen Richter geſeſſen.
Der judex muß ein homo peritus und ſobrius ſeyn. Daher haben die
Teutſchen fruͤh mit anbrechenden Tage Gerichte gehalten, Nachmittages
inter pocula, haben ſie die Staats-Sachen tractiret, wie Tacitus ſagt,
wie aber die proceſſe uͤberhand genommen, ſo hat man auch Mittages Ge-
richte gehalten. Man darff nur die judicia ſo einrichten, wie ſie vordem
in Teutſchland geweſen, das iſt nicht abſtract, ſondern man koͤnnte es in
concreto ſo haben, und koͤnnten ſie ſo ſeyn, vid. Diſſertat. Brummeri de
Scabinis, welche unter ſeinen Schrifften, die man zuſammen edirt, ſub
Tit. Brummeriana ſtehet. Will man aber leſen, was beym proceſſe
ſonderlich zu obſerviren, ſo kan man leſen den Ziegler in ſeiner Dicaſtice,
welches ein geſcheuetes Buch, ingleichen ſeine Rabuliſticam, darinnen er
die Advocaten abgemahlet. Das letzte iſt Lateiniſch geſchrieben, man
hat es aber auch ins Teutſche uͤberſetzet. Was nun die Advocaten be-
trifft, ſo werden dieſelben benennet ab advocando. Die Teutſchen haben
dieſelben Sprechers, cauſidicos genennet, qui cauſam dicunt, und die
Partheyen haben ſie auch Sachers genennet, welches Wort im Reich
noch gebraͤuchlich. Beym Lehmann in ſeiner Speyeriſchen Chronica
kan man ſehen, was vor eine gute Verfaſſung daſelbſt iſt, welches noch
von dem Fraͤnckiſchen Reich herkommt. Vor dieſem ſind in Rom keine
Advocaten geweſen, woraus man ſehen kan, daß es nicht eben par tout
B b 3noͤthig
[198]Cap. V. De prudentia
noͤthig Advocaten zu halten. Weil wir ſie aber jetzt nicht entrathen koͤn-
nen, ſo muß man dieſelbe ſuchen zu temperiren. Ehe man bey denen
Roͤmern Advocaten hatte, ſo gieng man zu denen vornehmen Leuten,
wenn einer ein dubium hatte. Die patres nobiles haben ſichs vor eine
Ehre gehalten, wenn ſie viele zu ihren Clienten gehabt. Und wenn ſich
keine maliz, kein intereſſe bey denen patriciis eingefunden, ſo wuͤrde es auch
ſo geblieben ſeyn, aber ſo verurſachte das intereſſe, daß der peuple anfieng zu
tumultuiren. Ein jeder wird ja ſelbſt ſeine animi ſenſa koͤnnen vorbringen,
was braucht man eben Advocaten. Kan einer nicht alles ſo accurat
ſagen, ſo kan ihm ja der Richter fragen. Wenn ich abſolute Gewalt
haben ſollte, einen proceß zu dirigiren wie ich wollte, ſo wollte ich alle
proceſſe bald ausmachen: denn man koͤnnte nur die Leute fragen, wenn
ſie ſich nicht gleich helffen koͤnnten; da ſind aber ſo viele præſidia juris,
welche die Partheyen haben. Man muß nicht dencken, daß die Pro-
ceß-Ordnung allein daran ſchuld, und hilfft es nicht alleine, wenn man
die Proceß-Ordnung aͤndert, die leges muͤſſen geaͤndert werden, die vie-
len effugia. e. g. Es ſoll ein Kerl dem andern Geld leihen, er trauet
ihm nicht, da ſtellt er ihm einen Buͤrgen, er denckt, nun ſey er ſicher;
wie er das Geld von dem Buͤrgeu haben will, ſo opponiret derſelbe ex-
ceptionem excuſſionis. Die Teutſchen ſagten, den Buͤrgen muß man
wuͤrgen, aber die Roͤmer haben das beneficium excuſſionis erſt recen-
tiori ætate ſub Imperatoribus eingefuͤhret, und ſagten, der Buͤrge waͤre
nur in ſubſidium obligiret. Das waͤhret nun zehn, zwantzig Jahr, und
ſagen ſie: excutile debitorem usque ad peram \& ſaccum, kan der nicht
bezahlen, alsdenn ſollte erſt der Buͤrge koͤnnen belanget werden. Das
ſind contradictoriæ leges, wenn man ſagt, der Proceß ſolle abgekuͤrtzet
werden, und man verpachtet die juſtiz, verkaufft die Aemter, und der
Kerl hat ſo viele exceptiones. Wenn man alle Handſchrifften ließ gel-
ten wie Wechſel, ſo wuͤrde man viele proceſſe abkuͤrtzen, da wuͤrden ſie
ſchon Anſtalt machen eher zu bezahlen; denn es will keiner gerne ins
Gefaͤngniß gehen, oder ſein Vaterland verlaſſen. Dicis: Mancher kan
nicht reden, er muß einen Advocaten haben? Reſpond. Es ſind wenig
Leute in der Welt, ſo nicht koͤnnen reden, warum ſoll man andere im-
mer laſſen reden, welche nur Geld ſchneiden? Kan nicht der Richter fra-
gen? Das thut man im Reich, da nicht der zwantzigſte Theil ſoviel
Proceſſe als hier zu Lande. Es iſt da ein Schimpf, wenn einer verkla-
get wird. Wo man eine Republic anfaͤngt, da iſt gut, daß man keine
Advocaten laͤſt dahin kommen. Daher, als die Spanier Americam
unter ſich gebracht, ſo haben ſie auch keine Advocaten dahin gelaſſen,
und
[199]ſtatus circa leges \& judicia.
und ſind noch bis dato keine daſelbſt. Monſ. Varillas hat la Politique
de Ferdinand geſchrieben, darinnen er den Ferdinand, als einen politiſchen
Herrn vorſtellet, und gewieſen, daß es gut, daß er die Advocaten nicht
nach Americam gelaſſen. Das Daͤhniſche Recht iſt auch vortrefflich,
denn da der Koͤnig in Daͤnnemarck geſehen, daß die Advocaten nicht
koͤnnten abgeſchaffet werden, ſo hat er eine gewiſſe Summe geſetzet, da
man einen Advocaten koͤnne gebrauchen. Es iſt der Muͤhe werth, daß
man das Daͤhniſche Recht kaufft, welches man auch Lateiniſch hat.
Es iſt keine beſſere juſtiz als in Daͤnnemarck. Wenn wir es mit un-
ſern Advocaten ſo weit haͤtten, wuͤrde man nicht ſo bey uns extravagi-
ren. Die Roͤmer ſind auch wider die Advocaten geweſen, welches man
aus des Horatii Satyre ſehen kan, daraus ich eine paſſage allegiret in
meiner Diſſertation in actionibus b. f. \& ſtr. Juris. Carolus Bretti in
ſeinem Tractat de Judiciis. * Zeiget auch, wie die Advocaten aufkom-
men. Der peuple bey denen Roͤmern iſt denen Advocaten ſehr feind
geweſen, weil ſie geſehen, daß ſie von ihrem Leder gezehret, und von ih-
ren loculis ſich bereichert. Die leges wider die Advocaten ſind auch
alle von dem Tribunis plebis gegeben worden; Mir hat wohl gefallen,
was Lehmann von Speyer ſaget, daß daſelbſt allezeit zwey mit in Ge-
richten geſeſſen, die man als Advocaten gebrauchen koͤnnen. Wenn
nun unter denen Partheyen einer geweſen, der nicht ſelbſt reden koͤnnen,
ſo hat der Richter geſagt, er ſolle von dieſen beyden einen wehlen, wel-
cher hernach hinaus gegangen, ſich von der Sache informiren laſſen,
und ſolche hernach vorgetragen, davor er zwey albus bekommen. Die
gantze Proceß-Ordnung in Speyer iſt auf zwey waͤchſerne Tafeln ge-
ſchrieben geweſen, und hat Lehmann laſſen drucken was darauf geſtan-
den. Die Tafeln ſind aber hernach bey der Zerſtoͤhrung der Stadt
Speyer weggekommen, welches Fuchs, der auch Syndicus in Speyer ge-
weſen, in ſeinen Addit. ad Lehmanni Chron. Spir. angemercket. Man
hat gemuthmaſſet, daß die Biſchoͤffe ſie muͤſſen weggebracht haben, weß-
wegen ſie auch mit denen Biſchoͤffen proceſſiret, und editionem tabularum
cerearum verlanget. Das inſtitutum in Speyer iſt gut geweſen: denn
ſonſt ſuchen ſie die lites zu diſſeminiren, und ſuchen ſich die Advocaten
nur zu erhalten. Alſo iſt gut, wenn man denen Advocaten das lucrum
nimmt, worauf auch in lege Cincina geſehen worden, welchen legem der
Tribunus Plebis Cincius gegeben. Uber dieſem legem hat Brummer einen
Tractat
[200]Cap. V. De prudentia
Tractat geſchrieben, den er dem Colbert dedicirt. Das gantze Werck
in dem lege Cincia gieng da hinaus, daß die Advocaten nichts ſollten be-
kommen, ſondern alles gratis thun. Es gieng freylich nicht lange an.
Es iſt ein Fehler, daß man ſie nicht publice conſtituiret, und ihnen eine
Beſoldung geſetzt, waͤre dieſes, ſo wuͤrden ſie die lites nicht verlaͤngern:
denn da verlaͤngert ſich die Arbeit, und ſie profitiren doch nichts davon,
ſie wuͤrden vielmehr die Leute abrathen, nicht viel proceſſe zu fuͤhren.
Dicis: Wer ſoll ihnen die Beſoldung geben? da ſind nun einige Haſen,
welche geſagt: daß man da ſolle den Fuͤrſten belaͤſtigen wegen des Nu-
tzens der Privat-Leute? Alleine der Fuͤrſt beſoldet ja die judices, alſo kan
er auch wohl etliche Advocaten bezahlen. Sechs Advocaten koͤnnten bey
einer Regierung alles ausmachen. Nun koͤnnte man ſagen, es wuͤrden
die Leute brav proceſſiren. Alleine, da koͤnnte man diejenigen, ſo teme-
re litem movirt, zuͤchtigen: denn es wird nirgends aͤrger gelogen, als in
judiciis, reorum eſt fugere, mentiri. Wenn man alſo denen Advocaten
ein ſalarium gaͤbe, ihnen die Sporteln wegnaͤhme, ſo koͤnnte man vieles
aͤndern. Weil nun ſo ein groſſer numerus derer Advocaten, ſo haben ei-
nige gemeynet, man koͤnnte den numerum verringern, wenn man ſie ver-
aͤchtlich hielte, als wie man in hieſigen Landen geſetzet, daß ſie einen
Mantel tragen muͤſſen, wodurch viele abgehalten werden, allein dieſes
Mittel macht zwar den numerum kleiner, man braucht es aber nicht,
daß man ſie beſchimpfft: denn in der That iſt ein Advocat nichts ſchimpf-
liches, es iſt ein Advocat ein homo deſertus, der animi ſenſa wohl verſte-
hen kan. Bey denen Roͤmern hat man anfangs vornehme Leute zu
Advocaten genommen. Die Advocaten im Parlament zu Paris ſind
auch lauter vornehme Leute, da einer manchmahl hundert tauſend Tha-
ler im Vermoͤgen hat. Es iſt ja offt cauſa ardua, es ſind bisweilen
ſchwere Rechts-Fragen, da man die Leute braucht, man ſollte nur
rechtſchaffene Lente dazu ſetzen. Wenn auch ein Fuͤrſt die Advocaten
nicht beſolden koͤnnte, woran es doch keinen Fuͤrſten fehlt, wer wollte
nicht gerne contribuiren zu einem Salario vor die Advocaten. Geſetzt
auch, es ſollte eine gantz neue Anlage deßwegen gemacht werden, ſo wuͤr-
de es doch ſehr nuͤtzlich ſeyn. Ehe verſtehet einer nicht, was er thut,
wenn er nicht ſelbſt einen proceß gehabt hat. Du biſt unmuͤndig ge-
weſen, haſt mit deinem Tutore wegen Rechnung zu thun, da kan der
proceß wohl dreyßig Jahr waͤhren. Wenn aber in vier Wochen was
kan ausgemachet werden, ſo iſt es ja beſſer. Daß aber dem Staat
durch die langwierigen Proceſſe groſſer Schaden geſchiehet, hat Olden-
dorp in ſeiner præfatione Claſſium Actionum gewieſen, welche paſſage
Hertius
[201]ſtatus circa leges \& judicia.
Hertius in ſeiner Politic Part. II. pag. 13. hat. So bald die Leute einen
proceſſ haben, werden ſie einander feind, und gruͤſſet keiner den andern
mehr. Man ſagt, das Geld rouillire doch, wenn es die Advocaten be-
kaͤmen, allein es faͤllt dadurch der credit, wo kein credit iſt, da iſt kein
commercium. Wenn man einem Geld lehnet, der ein ſchoͤn Guth hat,
da man primam oder wenigſtens ſecundam hypothecam haben kan, ſo
wird man es doch nicht gerne thun: denn man ſagt, wenn man das Ca-
pital wolle wieder haben, und es kaͤme zum concurs, ſo wuͤrde in zwoͤlff
Jahren kaum der proceſſ aus. Wo keine Lehnungen ſind, iſt kein com-
mercium, hingegen, wo prompte juſtiz, lehnet man gerne, denn da kan ich
mein Geld bald wieder haben. Sie haben an einem gewiſſen Orte
auch den proceſſ wollen abkuͤrtzen, und doch das contradictorium gelaſ-
ſen, es ſollte keiner koͤnnen erſcheinen ohne Advocaten. Eben ſo iſt es
auch mit denen Procuratoribus beſchaffen. An vielen Orten ſind die
Advocaten zugleich auch Procuratores, male ſecundum accurſium, denn
es ſind differente Aemter, der Advocat arbeitet mit dem Kopfe, aber der
Procurator mit dem Leibe, er beſorget die fatalia, ſuchet dilation \&c.
Iſt es beyſammen, ſo hindert einer als Advocat den proceſſ, und auch
als Procurator. Man hat ſie an vielen Orten ſepariret, als wie in
Leipzig, damit es aber nicht ausgemacht iſt: denn es muß da ein jeder
termin denen Procuratoribus von denen Leuten bezahlet werden, und
giebt es noch allerhand Sporteln. Wer es will recht machen, der
muß es machen wie bey denen Roͤmern, da ſind keine eigene Procurato-
res geweſen, ſondern man hat gute Freunde dazu genommen. Quem-
admodum aliquis gratis mea negotia gerit extra judicialiter, ſo kan es
auch judicialiter geſchehen. Man darff nicht dencken, daß ein Freund
wird den proceſſ aufhalten; au contraire, er wird ſich bemuͤhen, daß er
bald wieder von der Laſt los koͤmmt. Dieſe reformation wuͤrde ſehr
nuͤtzlich ſeyn. Das andere iſt alles nichts. Wenn andere Leute wollen
eine reformation anfangen, ſo muͤſſen ſie das jus perfect verſtehen, aber
nicht darein verliebt ſeyn, ſonſt beſſern ſie nichts. Sie muͤſſen eine Ehr-
lichkeit und Liebe zum bono politico haben. Man braucht in judiciis
auch ſcribas, wenn der ſcriba ein fourbe, ſo kan derſelbe faſt mehr Scha-
den thun, als die Advocaten, er kan nicht recht protocolliren. Es iſt
hier mehr an einer Ehrlichkeit als peritia gelegen: denn es kan einer
leicht ein protocoll, eine regiſtratur machen. Wie offt kommt es nicht,
daß man alle præcautiones muß machen, wenn die acten verſchicket wer-
den, damit keine Betruͤgerey vorgehet. Die Blaͤtter, ſo darinnen leer
ſind, werden durch geſtrichen, damit nichts kan darauf geſchrieben wer-
C cden.
[202]Cap. V. De prudentia
den. Offt kommen acten, die ſich hernach nach einiger Zeit wieder fin-
den. Alſo iſt noͤthig, daß man Straffen ſetzt. Es iſt gut, daß, wenn
ein Secretarius eine regiſtratur machet, ein Regierungs-Rath ſich ſol-
chen allezeit zeigen laſſe, damit er ſehe, ob es recht zugegangen, und al-
les recht geſchrieben. Scribarum munus iſt auch bey denen Roͤmern
ſanctum geweſen, und hat man viros honeſtiſſimos dazu genommen,
welches man in dem Cicerone ſehen kan. Eſchenbach, ein Nuͤrnberger,
hat eine Diſſertation de Scribis geſchrieben, welche in Holland nachge-
drucket worden, und findet man ſchoͤne Sachen darinnen. Die Teutſchen
haben vor dieſem gar nichts aufgeſchrieben. Lehmann ſagt in ſeinem
Chronico Spirenſi, daß kaum ſeit drey oder vierhundert Jahren man es
aufgeſchrieben, und protocolle habe. Der Secretarius hat nun die cita-
tiones ausgefertiget, davor hat er was weniges bekommen. Alle Ur-
thel ſind muͤndlich hergeſaget worden, hernach aber hat man geſehen, daß
die Leute viel negiret, und geſagt, es ſey nicht decidiret worden, daher
hat man die Urthel aufgeſchrieben, welches gut geweſen, weil die malitia
groß worden. Es gehet freylich geſchwinde zu, wo alles muͤndlich her-
gehet. Bey denen ſcribis iſt zu beobachten, daß ſie auch keine Sporteln
haben muͤſſen. Die Secretarii machen die meiſten Sporteln. Gleich-
wie nun die Sporteln alle nichts heiſſen, ſondern man muß ſalaria con-
ſtituiren; alſo iſt dieſes auch zu obſerviren. Alsdenn wuͤrden ſie alles
abkuͤrtzen, ſo viel als ihnen nur moͤglich. Ein jeder Buͤrger, wenn es
ihm vorſtellig gemacht wuͤrde, wuͤrde gerne eine Anlage geben. Wer
aber ſo ein Werck will angreiffen, der muß alles attaquiren, nicht an-
ders, als wie ein Menſch, der ſich beſſern will, alles attaquiren muß,
ſonſt changiret er eine Kranckheit in die andere. Alſo muß man nicht
beym Advocaten, bey denen Secretariis allein es thun, die partes taugen
auch nichts, reorum eſt fugere, exceptiones proponere. Daher muß
man durch alle Titel gehen, und ſehen, was zu Weitlaͤufftigkeiten Ge-
legenheit giebet, das muß man abſchaffen, und accommodiren ad noſtra
tempora, alsdenn wird unſere jurisprudenz kuͤrtzer. Hat es der Koͤnig
in Daͤnnemarck gethan, warum ſollten wir es nicht auch koͤnnen zum
Stande bringen? Aber auf den Reichs-Tag wird es nicht koͤnnen ausgema-
chet werden, au contraire, wenn ſie was haben wollen verbeſſern, ſo ha-
ben ſie entweder was aus dem jure canonico oder civili eingefuͤhret, oder
wenn ſie was aus denen Teutſchen Rechten genommen, ſo haben ſie es
unter einander gemenget; daher kommen die ſchlecht zu rechte, welche
das jus patrium aus dem jure Romano lernen wollen, wie Graſſ in Tuͤ-
bingen ſolches daher fuͤhren wollen. Bisweilen iſt das jus Romanum
nur
[203]ſtatus circa leges \& judicia.
nur uͤberſetzet. Bey allen Titeln muͤſſen die effugia abgeſchaffet werden;
dergleichen ſind das beneficium diviſionis \& excuſſionis. Man conſi-
derire nur die actionem Publicanam und rei Vindicatoriam, wenn ich ſa-
ge: ego hanc domum eſſe meam ajo, weil ich es erkaufft, und da ich
verreißt geweſen, iſt es mir von Haͤnden kommen, was habe ich da noͤ-
thig dominium zu probiren, und zu zeigen, daß der andere, von dem ich
es gekaufft, auch dominus geweſen, wenn man nachdencket, ſo iſt es re-
vera exceptio de jure tertii, ſufficit, daß ich es gekaufft. Daher auch
der Prætor Publicus kommen, und eine fiction gemacht, rem eſſe uſu
captam, denn das ſind lauter Quinten. In der neuen Proceß-Ordnung
iſt viel abgeſchafft, aber ſie iſt nicht ſufficiens. Unſer Autor, der ein
Theologus, hat eine gute intention, wenn er ſaget, es waͤre gut, wenn
man viel inſtanzen haͤtte, welches ſich wohl in abſtracto hoͤren laͤßt, haͤtte
er aber in judicio geſeſſen, ſo wuͤrde er das nicht probiret haben. Er
meynet auch, es ſey am beſten, wenn der Fuͤrſt oder judex nicht ſelber
ſpraͤchen, ſondern man compromittirte auf impartiales judices, und ver-
ſchickte die acten. Nun iſt die transmisſio actorum wohl gut, welche
man auch in einigen Reichs-Staͤdten obſerviret, da es nichts deſto we-
niger ſchnell zugehet: denn ſo bald einer durch ein Urthel graviret, kan
er ein remedium ſuſpenſivum einwenden, und begehret transmiſſionem
Actorum. Da haben die Partheyen nur einen Satz. Hier zu Lande
aber iſt es nichts, da hat man ſiebenerley Sachen, ehe einmahl appelli-
ret wird. Was hat man noͤthig acten zu verſchicken, als wenn der ju-
dex partialis, deßwegen ſetzet man ja einen virum honeſtum, der nicht
ſoll partialis ſeyn. Selten wird auch das Urthel reformiret, und wenn
es ja reformirt iſt, ſo wird es reformirt in deterius. Wenn auch ein
Fehler ſollte bey dem judice a quo vorgehen, ſo wird derſelbe doch nicht
ſo arg ſeyn, als wenn die acten verſchicket werden, da kan oͤffters noch
ein abſurderes Mittel vorkommen. Wir koͤnnen auswaͤrtige judices
alle jura ſtatutaria verſtehen? Sie haben offt fremde terminos, die wir
hier nicht haben? wie kan man die alle verſtehen? Die transmiſſio Acto-
rum koſtet auch denen Leuten Geld, der judex bekommt Geld, der Secre-
tarius, der Bothe ꝛc. und kan es unter acht Thalern nicht geſchehen. Es
iſt auch weitlaͤufftig, denn wenn e. g. aus dem Hollſteiniſchen acten
nach Tuͤbingen geſchickt werden, wie lange waͤhret es nicht, ehe die acten
zuruͤck kommen. Waͤre der Fuͤrſt oder judex impliciret, alsdenn koͤnnte
man wohl die acten verſchicken. Man muß aber denen Partheyen nicht
gleich glauben, wenn ſie ſagen, der Richter iſt partialis: denn das Ur-
thel, ſo gefaͤllet wird, iſt einem allezeit angenehm, und dem andern ver-
C c 2drieß-
[204]Cap. V. De prudentia
drießlich. Daß die vielen inſtanzen nichts nutzen, hat Hugo de abuſu
appellationum gewieſen, der auch gezeiget hat, wo die vielen inſtanzen
herkommen. Der Cammer-Gerichts-Aſſeſſor Ludolph, welcher ſonſt
in Eiſenach in Dienſten geweſen, ſaget, daß nirgends ſo viele inſtanzen
waͤren, als in Sachſen. Es ſind da erſt die Leuterungen in denen Un-
ter-Gerichten, hernach kommt man an das Hof-Gerichte, und denn an
die Regierungen. Es iſt gnug, wenn man eine inſtanz hat, zum hoͤch-
ſten zwey, was ſoll man da ſo viele inſtanzen geben. Rennemann, Pro-
feſſor Erffurthenſis hat auch eine Diſſertation de Transmiſſione Actorum
geſchrieben, worinnen er gewieſen, wo ſie herkommen, und was gutes
dran ſey, item was ſie vor eine Verhinderung machen. Wenn einer
ein Narr, ſo kan man propter duritiem cordis wohl transmiſſionem
Actorum zu laſſen. Wenn man bey einem Urthel nur die acten ver-
ſchicket, ſo waͤre es noch gut, ſo aber thun ſie es bey allen interlocuten,
welches ein groſſer Fehler.
Sect. V.
de
Prudentia ſtatus circa pœnas \& præmia.
§. 1-2.
bey Beſtraffun-
gen inacht zu
nehmen.
SI homines legibus parerent \& voluntatem principis pro ſapientiſſima
haberent, ſo wuͤrden die leges nicht uͤberſchritten werden, ubi vero
nulla legis transgreſſio, ibi nullum delictum, ubi nullum delictum,
ibi nulla pœna. Aber violant leges; dum violant voluntatem principis,
nihil faciunt, daß es ſoviel iſt als nichts, ſie gehen nur nach ihren Trieb
der Natur, und ſetzen den legem expreſſam auf die Seite, daher auch ein
Princeps veritatis in vitiis ſie beſtraffen, und metum, quod non ſit vanus,
zu erkennen geben muß. Dieſes iſt ſein officium: denn er hat nicht nur
muͤſſen verſprechen, daß er wolle leges geben, ſondern, daß er auch wolle
ſeverus legum cuſtos ſeyn: Lex enim ſine ſanctione pœnali non eſt lex.
Das iſt ſein munus. Er iſt ſchuldig ſolches zu thun, und ſtehet nicht in
ſeinem arbitrio bloß ſine ratione zu diſpenſiren. Es wird zwar in der
Welt nicht beſtrafft, ſondern ſoli Deo reſpondet, wenn er ſine ulla cauſa
denen legibus Krafft giebet, und diſpenſiret, er macht aber doch, daß die
Unterthanen murren, und bekommen einen Haß gegen ihn. Vieles
thun freylich die Unterthanen nicht mit Recht, aber es geſchiehet doch;
daß aber der Princeps ſchuldig iſt auf die pœnas zu ſehen, kommt daher:
Er
[205]ſtatus circa pœnas \& præmia.
Er hat denen Unterthanen Sicherheit verſprochen, ſie haben aber keine
Sicherheit, wenn pœnæ ceſſiren. Man ſollte in aller Regenten Zimmer
ſchreiben, daß ſie wegen des Volcks, und nicht das Volck ihrentwegen.
Man kan aber nicht de pœnis \& prudentia circa pœnas diſcurriren, als
wenn man den finem pœnarum humanarum anſiehet, der iſt nichts an-
ders als emendatio, und wenn es unmoͤglich, ut emendetur peccans, er
will voluntatem Principis nicht inacht nehmen, ſo heißt es: pereat. Wir
koͤnnen freylich nicht die Menſchen alle mit Strumpf und Stiehl aus-
rotten, ſie ſind keine Engel, haben aliquid rationis, audiunt, ſie koͤnnen
emendiret werden, auch per caſtigationem mediocrem, levem etiam ſæ-
pius. Wenn es aber nicht anders ſeyn kan, es iſt keine Hoffnung, daß
er wird voluntatem Principis obſerviren, ſo gehet man auf Todes-Stra-
fen. Deßwegen bleibet doch finis, emendatio. Alſo muß der Princeps
darauf ſehen, ut ille terror ante oculos conſtituatur. Hier iſt denenje-
nigen nicht zu verdencken, welche bey denen pœnis allerhand ſimilia me-
dica gebrauchen. Gregorius Thoſolanus, welcher ſonſt ein groſſer Juriſt
geweſen, aus Thouloſe gebuͤrtig, hat eine Politic geſchrieben, darinnen
ſagt er: Man ſollte ihn nicht verdencken, daß er bisweilen den Hyppo-
cratem allegire, ſonderlich bey denen pœnis, weil ein Imperans gehen
muß wie ein Medicus, indem emendatio der ſcopus iſt. Gefallen einem
die ſimilia nicht, ſo kan er ſie weglaſſen: denn die ſimilia braucht man
nur, damit man die Sache deſto eher faſſet. Alle, die de pœnis gehan-
delt, haben in Lectionibus I. N. \& G. talibus ſimilibus ſunt uſi, als
Puffendorff, Thomaſius, \&c. ſonderlich hat Herr Thomaſius die ſimilia
immer weiter pouſſiret. Wenn der Menſch ſoll emendiret werden, ſo
thut es der Princeps ſecuritatis publicæ gratia, ratione ſubditorum. Denn
qui ſibi ipſi ſatisfacere cupit, der iſt iratus in furore. Rachgier hat in
civitate nicht ſtatt. Die Worte: vos ego, welche der Neptunus beym
Virgilio ausgeſprochen, kan ein Princeps nicht gebrauchen, ſed præſtat
motos componere fluctus. Invitus ad pœnas accedit, ſed ex officio.
Thut er es nicht, ſo haben die Leute keine Gedancken von ihm, daß er
der Princeps juſtus ſey, ſondern alles thue ſuæ utilitatis gratia, da wird
ihn der peuple feind, welches aber keinen Fuͤrſten was nutze. Sagt er
gleich: oderint, dum metuant, ſo kan doch eine Zeit kommen, da er ſich
auf die Liebe ſeiner Unterthanen verlaſſen muß, alsdenn laſſen ſie ihn un-
tergehen, \& alium Imperantem quærunt. Es darff keiner dencken, daß
dieſes was rares, alle Hiſtorien ſind davon voll, und hat der eine miſe-
rable experience, welcher dieſes nicht glaubt. Nicht zu gedencken, daß
ein Herr wider ſeine Pflicht handelt, denn er iſt nicht deßwegen da, ut
C c 3iraſca-
[206]Cap. V. De prudentia
iraſcatur, ſibi ſatisfaciat. Daher entſtehet die Frage, was in infligen-
dis pœnis zu obſerviren, wenn man kluͤglich handeln, und den modum
in acht nehmen will? Auf den modum kommt alles an, und wenn man
in dem modo fehlet, ſo erhaͤlt man den Zweck nicht. Sie haben hier ein
general-exempel, und ſagen: Der modus ſey, daß man eine pro-
portion muͤſte in acht nehmen inter delictum \& pœnam, aber es iſt
doch noch obſcur, was heiſſet eine proportion in acht nehmen; da-
her iſt allen zu rathen, daß ſie ſich deutlich appliciren, ſonſt ha-
ben ſie nur ein leeres Wort. Andere haben dieſes gar uͤbern
Hauffen geſchmiſſen, und meynen, es kaͤme nicht auf die proportion an,
ſondern auf voluntatem principis, daß der ſagte: ſic volo, ſi contra fa-
cies, ſollſt du geſtrafft werden. Denn ſie meynen, man koͤnnte ſonſt
nicht ſagen, wie von einem Apffel-Biß der Fall des gantzen menſchlichen
Geſchlechts kommen koͤnnen. In dem Tit. de furtis meynen die Juriſten,
ſey auch ein caſus, da es nicht auf eine proportion ankomme. Man thut
aber am beſten, wenn man ſaget, utilitas reipublicæ waͤre der ſcopus:
quo magis repugnat utilitate publicæ, eo ſeverius eſt puniendum, quo
minus, eo mitius eſt puniendum. Wenn aber utilitas reipublicæ nicht
vorhanden, plane non eſt puniendus, man muß disſimuliren, und darff
man nicht dencken, daß es eine Suͤnde, bisweilen kan eine Zeit kommen,
daß er es nicht darff wagen zu ſtraffen; Ein Enthuſiaſt und ein Stoi-
cus ſpricht: omnia peccata ſunt æqualia. Er iſt ein Abſtractioniſt. Es
iſt wahr, certo reſpectu ſind die peccata æqualia, weil ſie alle a lege reci-
diren, aber das brauchen wir nicht in politicis, in uſu rerum. Chryſip-
pus hat geſagt, es ſey eben ſo boͤſe, eine alte Frau zu kuͤſſen, als ſeine
Mutter zu ſtupriren: Denn wenn ich eine alte Frau ex libidine kuͤſſe,
ſo ſey es eben ſo wohl recesſio a lege, als wenn ich meine Mutter ſtuprir-
te, aber es kommt nicht allein auf recesſionem a lege an, daher kan man
nicht alle peccata æqualiter ſtraffen, ſondern es kommt darauf an, wel-
ches peccatum der utilitate publicæ den groͤſten Schaden thut, nicht, ob
es vor unſern HErr GOtt einerley. Wenn ich von der Hurerey pre-
dige, ſo will ich dieſelbe eben ſo ſcheußlich abmahlen, als den Mord.
Welches man auch denen Menſchen ratione ſalutis futuræ muß vorſtel-
lig machen. Aber in der Welt thut peccatum libidinis nicht ſo einen
groſſen Schaden als Mord. Man muß alſo allezeit die normam ab
utilitate publica nehmen. Dieſe ſection hat der Autor wohl gemachet,
weil er den Conring excerpiret, der eine ſchoͤne Diſſertation de pœnis ge-
ſchrieben.
§. 3.
[207]ſtatus circa pœnas \& præmia.
§. 3. Bisweilen laͤßt utilitas reipublicæ nicht zu, ut punias, wieCautelen, weñ
die Straffen
ohne Gefahr
nicht exequiret
werden koͤn-
nen.
wenn ein tumult, ſeditio, du biſt impar viribus? Als Carolus V. erfuhr,
daß in Neapolis ein Aufruhr entſtanden, ſo gieng er zwar nach Neapo-
lis, und ſahe an, was pasſiret. Als er nun geſehen, daß das Volck ei-
niger maſſen raiſon gehabt, einen ſolchen Lerm anzufangen, ſo hat er die-
jenigen belohnet, welche revoltiret, und die andern, ſo es mit ihnen ge-
halten, triſti vulti aſpexit. Das war eine groſſe politic, denn er ſahe,
daß er mit Gewalt nichts wuͤrde ausrichten, weil er keine Trouppen bey
ſich hatte. Nach und nach kan man ſolche Leute doch ſchon capiſtriren,
ſie pecciren wohl einmahl wieder, da kan man ſie loß werden, deßwegen
darff man ſie doch nicht unſchuldig ſtraffen. Wenn einer ſagt: fiat ju-
ſtitia, pereat mundus, das iſt enthuſiaſtiſch, quid enim ſi pereat? So
haſt du ja kein Volck. Was iſt aber ein princeps ohne Volck? Ein
princeps muß regieren, wie ein guter Capitain, der commandiret mit ei-
nem fang froid, welcher mitten unter denen fluctibus fortſeegelt. Deß-
wegen giebt man bisweilen general-pardon, nicht, als wenn man es
approbirte, ſondern weil es jetzo ſich nicht ſchicket, daß man ſie ſtrafft,
offt kan man alſo pœnam nicht ſine majori malo exequiren, tunc inuti-
lis eſt pœna. Da muß man ſich keinen fumum in Kopff ſetzen, es ſey
gleichwohl unrecht, wenn man die Leute nicht ſtraffen wollte, GOTT
wuͤrde ſchon beyſtehen. Allein unſer HErr GOtt regieret nicht imme-
diate, ſondern mediate, alſo muß man auch die Mittel nicht negligiren.
Furchtſam darff einer freylich nicht ſeyn, wenn er force hat, da kan er
wohl ſtraffen. Es iſt auch ferner zu mercken, daß, wenn manchmahl
vornehme Leute impliciret ſind, man wohl thut, wenn ſie heimlich abge-
than werden. Philippus II. hat abſurd gehandelt, daß er den Graf Egmond
und Horn die Koͤpffe abſchlagen ließ, da wurde das Volck boͤſe. Haͤtte
er wollen was kluges thun, ſo haͤtte er ſollen die Grafen ſub ſpecie ho-
noris aus denen Niederlanden wegſchaffen. Dem Hertzog von Braganza,
welcher auch Koͤnig in Portugall worden, wurde das commando in Ca-
talonien, nebſt andern ſchoͤnen conditionibus offeriret, damit man ihn
aus Portugall wegbringen wollte; aber er merckte, warum ſie es haben
wollten, und that es nicht, ſonſt aber waͤre der Anſchlag ſehr gut gewe-
ſen. Ich muß auch ſehen, ob ich alles per pœnas kan rectificiren: denn
bisweilen iſt ein malum inveteratum. Wie nun dieſes nicht auf ein-
mahl kommen, ſondern pedetentim, ſo wuͤrde einer abſurd handeln, der
es auf einmahl abſchaffen wollte. Er wuͤrde eben ſo abſurd handeln,
als wie derjenige, ſo geſehen, daß der Wein nach und nach in das Faß
hinein gefuͤllet worden, und er wollte haben, daß er auf einmahl wieder
heraus
[208]Cap. V. De prudentia
heraus lauffen ſollte, da muß er dem Faſſe den Boden ausſchlagen, als-
denn iſt es kein Faß mehr. Der luxus und die Hurerey ſind ein groſſer
Verfall, und geben der Republic eine affreuſe Geſtalt, die Leute werden
luxurioſi, in belles, negligiren ihre officia, aber der princeps wuͤrde ver-
rathen ſeyn, wenn er auf einmahl allen luxum und Hurerey abſchaffen
wollte. Der Koͤnig Chriſtianus III. in Daͤnnemarck wollte in Coppen-
hagen die groſſen Hoſen mit denen vielen Falten, wozu man ſo viel ge-
braucht, als heut zu Tage zu einem gantzen Kleide, abſchaffen, die Leu-
te wollten ſich nicht dazu bequemen, deßwegen ließ er denen Leuten par
force die Hoſen abreiſſen, wodurch aber ein tumult entſtund, und er ſei-
nes Lebens nicht ſicher war, und viele Menſchen todt geſchlagen worden.
Haͤtte er vor ſich eine mode angefangen, ſo wuͤrden ihm bald andere
nachgefolget ſeyn, und wuͤrde es keine ſolche Verdrießlichkeit gegeben ha-
ben. Ein Exempel von dem Hexen-proceß zu geben, fingam, als wenn
alles wahr, was von denen Hexen geſagt wird, fingam, es ſey was ge-
ſchehen durch Hexerey, quær. Ob ſich ein Herr dadurch ſolle zum He-
xen-proceß verleiten laſſen? Reſpond. Es iſt am beſten, er ſtrafft die
Leute, quia damnum fecere, um das andere aber, ob es wuͤrcklich Hexe-
rey ſey, braucht er ſich nicht zu bekuͤmmern: Denn es wird ein proble-
ma bleiben, ſo lange die Welt ſtehet, ob wuͤrckliche Hexerey ſey. So
offt man es hat wollen unterſuchen, ſo haben ſie auf andere bekennet,
daß man nicht koͤnnen zu Ende kommen, und hat man endlich ſolche pro-
ceſſe muͤſſen casſiren. Disſimulare heiſt hier ſo viel, daß man thut, als
wenn man nichts wuͤſte. Wir finden bey dem Joab, welcher den Ab-
ner umgebracht, daß David ihn gerne geſtrafft, aber er konnte es nicht
thun, befahl aber doch dem Salomo, daß er ihn nicht ſollte laſſen mit
ſeinen grauen Haaren in die Grube fahren. Man darff auch nicht
dencken, daß ein ſcandalum in ſolchen Fall gegeben wuͤrde: Denn das
heiſt ſcandalum, wenn die Leute dencken, es ſey ein lex vorhanden, \&
princeps impune tulit, daß einer den legem uͤbertritt. Hobbeſius hat einen
ſchoͤnen concept de ſcandalo gegeben. Hieraus kan man ſehen, wie
wunderlich diejenigen ſind, welche meynen, man duͤrffe nicht disſimuliren.
Unſer Autor aber, ob er gleich ein Theologus, meynet doch, daß man koͤn-
ne disſimuliren. Wir haben viel Feinde um uns, da muß man disſimu-
liren, hergegen ſind wir unter guten Freunden, ſo haben wir es nicht
noͤthig. Zevecotius in Obſervationibus Politicis ad Florum, hat artige
remarquen, was heiſſe tempeſtive punire, er zeiget, daß man es viel ſchlim-
mer mache, wenn man das tempo nicht in acht nehme. Man hat mit
Leuten zu thun, welche nach ihren natuͤrlichen Begierden leben, daher muß
man
[209]ſtatus circa pœnas \& præmia.
man denenſelben vorbauen. Es iſt freylich ſehr ſuͤſſe, wenn man thun
kan, was man will, natuͤrlicher Weiſe davon zu reden, aber ob man gleich
ſucht nach ſeinen Willen zu leben, ſo iſt doch dem Menſchen ſein Leben
lieb, und kan man ihn erſchrecken, daß er nicht ſtiehlt, wenn man ſagt:
er ſolle des Todes ſterben. Wenn auch einem das Leben nicht genom-
men wird, ſondern nur ein Ohr, Finger ꝛc. ſo will einer doch gerne cor-
pus integrum behalten. Manchmahl kan man einen zuruͤck halten in-
famia, manchmahl per multum peccuniariam.
§. 4. 5. Es iſt in anteced. gedacht worden, daß es nicht allezeitDe modo pu-
niendi.
nuͤtzlich, die Leute publiquement hinzurichten, ſondern man kan ſie per
ſpeciem honoris aus dem Lande ſchaffen, wodurch ſie ſehr gezuͤchtiget
werden. Mancher bleibt gerne in der Reſidenz, da kan man ihn com-
mandiren an das Ende der Welt. Die Portugieſen ſchickt man nach
Braſilien, die Engelaͤnder nach Oſt- und Weſt-Indien. Die bey Ho-
fe ſind geweſen, kan man an ſchlechte Orte ſetzen, wo keine vornehme
Leute ſind. Dem Rabutin de Buſſy, welcher General-Lieutenant geweſen,
und beſtaͤndig am Hofe gelebet, iſt ſehr ſauer ankommen, in exilio zu leben,
wie man aus ſeinem Traité des adverſités ſehen kan. Man thut biswei-
len wohl, wenn einer in groſſem Anſehen iſt/ und einen tumult zu befuͤrch-
ten, daß man ihn ohne Geſang und ohne Klang hinrichten laͤßt. Es
iſt freylich nicht recht, wenn man nicht gewiß verſichert iſt, daß er cou-
pable: innocens enim nunquam poteſt puniri. Rapin Thoyras erzehlet
eine Engliſche Hiſtorie, daß Henricus in Engeland zwey Perſonen un-
rechtmaͤßiger Weiſe gleich laſſen aufhaͤngen, welches freylich nicht zu
approbiren. Aber wenn ſie coupable, ſo thut man wohl, wenn man
ihnen nicht erſt den proceß machet. So iſt es mit dem VVallenſtein
ergangen, welcher wider den Kayſer conſpiriret, den ließ der Kayſer un-
vermuthet maſſacriren. Haͤtte der Kayſer ihn erſt hoͤren wollen, und ei-
nen rechten proceß formiren, ſo wuͤrde die gantze Armée in Boͤhmen re-
voltiret haben. Haͤtte der Kayſer Leopold den nochmahligen Cardinal
Fürſtenberg auf Einrathen des Lobcowiz laſſen den Kopff herunter reiſ-
ſen, ſo wuͤrde kein ſolcher Krieg entſtanden ſeyn. Er war gravirt gnug.
Eben ſo haͤtte es der Kayſer auch ſollen dem Rogoczy machen, welcher
auch gnug coupable, da man aber zauderte, ſo kam er endlich aus dem
Gefaͤngniß, und hat dem Kayſer Lermen gnug gemachet. vid. Clapmarius,
Prof. Altorff. in Arcanis Polit.* Sonderlich darff man bey Staats-
D dcrimi-
[210]Cap. V. De prudentia
criminibus nicht warten, welche wie eine mine; nehme ich mich nicht in
acht, ſo bin ich in die Lufft. Obgleich der Hertzog von Alba ſonſt ein
guter Soldat geweſen, der in der execution ein gut conſilium ge-
ben koͤnnen, ſo hat er doch abſurd gehandelt, daß er den Graf Horn und
Egmont publiquement hinrichten laſſen, da doch dem peuble ihre meriten
bekannt, und wenn ſie auch gravirt geweſen, wiewohl ich den Egmond
perfect defendiren wollte, ſo haͤtte er es doch nicht ſollen oͤffentlich thun.
Es entſtund deßwegen in Bruͤſſel ein tumult, die Leute ſchloſſen die Bou-
tiquen zu, und war der Hertzog von Alba ſelbſt nicht ſicher. Er zog
ſich zuruͤck, wodurch erdie Sache nur ſchlimmer gemacht: Denn die Leu-
te waren gantz deſperat, das hat auch verurſachet, daß ſich die Hollaͤn-
der hernach ſepariret, die Leute wollten lieber ſterben, als ſo regieret ſeyn.
Lipſius in ſeiner politic handelt auch hievon, der peuble hat allezeit Mit-
leiden mit demjenigen, ſo inferior. Ein princeps ſoll auch nicht ſelbſt
Hencker ſeyn, ſondern andern die execution uͤberlaſſen. Daher Curtius
dem Alexandro mißbilliget, daß er den Clytum ſelbſt erſtochen, und kan
man hier leſen, was die Commentatores uͤber den Curtium hierbey colli-
giret. Oroſius in Hiſtoria Emanuelis tadelt an dem Johanne, daß er
ſelbſt des Emanuelis Vater, den Hertzog Ferdinand von Viſeo, ums Le-
ben gebracht, wenn er auch gleich coupable geweſen, und ein Crimen læſæ Ma-
jeſtatis begangen haͤtte, ſo haͤtte er doch ſolches nicht ſelbſt thun ſollen.
Man hat nicht geglaubet, daß er es boni publici gratia gethan. Es
giebet ein affreuſes Anſehen, wenn der princeps ſelbſt die execution ver-
richtet, oder auch nur dabey iſt. Niemand wird ſagen, daß die Hertzo-
ge von Guiſen unſchuldig geweſen, unterdeſſen aber wird doch ein jeder, der
die Hiſtorie Henrici III. beſchrieben, mißbilligen, daß er ſie laſſen zu ſich
kommen, und indem er mit ihnen geredet, hat die Wache muͤſſen her-
vor treten, und ſie maſſacriren, dadurch hat er eben verurſachet, daß nicht
allein ihre Freunde ſich gereget, ſondern es haben auch viele andere Par-
tiſans tumultuiret, welche nicht geruhet, bis der Koͤnig von einem Jaco-
biner-Moͤnch maſſacriret worden, welcher ihn mit einem vergiffteten
Meſſer
*
[211]ſtatus circa pœnas \& præmia.
Meſſer im Unter-Leib geſtochen. Er haͤtte ihnen ſollen einen kurtzen pro-
ceß machen, oder nicht dabey ſeyn, da ſie maſſacriret worden. Sixtus V.
wurde von denenjenigen, die ſonſt ſeine gute qualitaͤten ſehr geruͤhmet, ge-
tadelt, daß er einen vor ſeinem Zimmer laſſen aufhencken, und wie er
eſſen wollen, habe er ihn noch einmahl angeſehen, und geſagt, daß ſey
ein Salat, worauf ein gut Stuͤck Braten ſchmeckte, vid. Leti in vita
Sixti V. Carolus IX. in Franckreich wird von der gantzen Welt blamiret,
daß er auf der Pariſiſchen Blut-Hochzeit, an welchem Tage ſeiner Ge-
mahlin Iſabella Gebuhrts-Tag celebriret wurde, und ſeine Schweſter,
Margaretha, an den Koͤnig Heinrich von Navarra verheyrathet worden,
ſo viele vornehme Leute, welche dazu invitiret worden, maſſacriren laſſen.
Und noch darzu hat er dieſen ſchoͤnen Schnitzer gemacht, daß er des
Abends, da die maſſacre vorgegangen, ausgefahren mit Wind-Lichtern
neben der Caroſſe, und wenn er an einen Ort kam, da einer aufgehaͤn-
get, ſo iſt er ausgeſtiegen, und hat geſehen, ob er auch todt. Die Fran-
tzoſen auch, welche Catholiſch ſind, erkennen, daß dieſes ein Fehler.
Ein jeder hat daraus geſchloſſen, daß es dem Koͤnige nicht ſo wohl zu
thun waͤre um die Religion, als ein plaiſir zu haben ex illo ſpectaculo
funeſtisſimo, davon Thuanus gewuͤnſchet, daß der Tag im Calender moͤchte
ausgeſtrichen werden, da dieſes geſchehen. Niemand hat auch ſolche defen-
diret, als der Marc. Anton. Muretus in einer Oration, ſo er vor dem
Pabſt gehalten, worinnen aber nichts als Pfaffen-principia, minus pru-
dentia. Andere Leute, koͤnnen wohl zu ſehen, wenn ſo eine execution
geſchiehet, damit ſie ein Exempel dran nehmen, aber groſſen Herrn die-
net es nicht zum Exempel, ſondern wenn ſie zuſehen, ſo dencket man,
ſie haͤtten ein plaiſir daran.
§. 6. Ein Herr muß keine neuen ſupplicia erdencken, ſondern ſtraf-Ob neue Stra-
fen zu erden-
cken rathſam?
fen ſecundum leges, ſonſt dencket man, er wolle ſich raͤchen, und habe
keine wahre intention. Sufficit, wenn derjenige, ſo pro hoſte gehalten
wird, todt iſt, was ſoll man erſt lange auf eine Straffe dencken? Man
hat bey denen Roͤmern als was grauſames angeſehen, da der Metius und
Suffetius als perduelles mit Pferden zerriſſen worden: Denn es war ſol-
ches vorher unbekannt. Vor denen Roͤmern iſt dieſe Straffe zu denen
Teutſchen kommen. Monſr. Langlæus erzehlet in ſeinen ſemeſtribus,
daß viele Leute daruͤber reflectiret, als man unter Franciſco I. die perduel-
les mit eben der Straffe beleget, und ſaget er, daß die Frantzoſen ſolche
ex formidabili Teutonum regno entlehnet. Reflectiren aber die Leute,
ſo bekommen ſie einen concept von ihren Herrn, daß er ein Nero, ein
Caligula, ſo lange er force hat, pariren ſie; cesſirt aber dieſes einmahl,
D d 2ſo
[212]Cap. V. De prudentia
ſo revoltiren ſie. Und obgleich dieſes nicht recht iſt: Denn wenn die
Unterthanen einen Fehler an ihrem Principe ſehen, ſo ſollen ſie denſelben
mit Gedult ertragen, ſo dencken doch hier die Unterthanen nicht nach.
Die principes Romani haben ſich bey ihren eigenen Leuten verhaſt ge-
macht, daß ſie die Chriſten novis pœnis belegt, vid. Lactantius de mor-
tibus Perſecutorum, welches Buch man recentiori ætate erſt gefunden,
und in Holland mit ſchoͤnen notis variorum aufgeleget. Sie haben ge-
ſagt, es ſey contra morem \& conſuetudinem hactenus receptam. Je
mehr ſie ſtraffeten, je mehr iſt die Chriſtliche Religion ausgebreitet wor-
den. Obgleich die Heyden meyneten, daß ſie geſtrafft muͤſten werden,
ſo hatten ſie doch Mitleiden mit ihnen, weil man ſo viele neue pœnas
ihrentwegen erdachte.
rung der Stra-
fen.
§. 7. Vielmehr muß ein Herr es ſo einrichten, daß die Leute den-
cken, er habe mit denen pœnis nichts zu thun, und laſſe denen pœnis ih-
ren Lauff, aber præmia muß ſich der Herr reſerviren. Hertius in Prud.
Cic. pag. 147. hat ein artig Exempel von Henrico VII. in Engeland, wo-
von man auch in Franc. Bac. de Verulamio vita Henrici VII. Nachricht
finden kan. Dieſer Henricus VII. war nicht eben einer von denen Ge-
lindeſten, zuletzt aber hat ers beſſer eingeſehen, und en general geſetzet, es
ſollte keiner pardonniren, ſondern er wollte ſolches alleine thun; Denn
wer pardonniret, erhaͤlt laudem clementiæ, wer laudem clementiæ hat,
hat amorem civium; Die cives freuen ſich offt, wenn ſie ſehen, daß je-
mand pardon bekommt, ob ſie gleich ſehen, daß dem Kerl nicht unrecht
geſchaͤhe, wenn er geſtrafft wuͤrde, ſo ſagen ſie doch, es koͤnne leicht ge-
ſchehen, daß einer peccirte. Die leges muͤſſen alſo ſeveræ ſeyn, aber
humanitate temperatæ. Deßwegen werden die Leges Moſaicæ ſo æſti-
miret, daß GOtt auf duritiem cordis geſehen. Man kan nicht alles
eben machen, und thun groſſe Herren nicht unrecht, ſi interdum indul-
geant. Will man ſehen, was crudelia ſupplicia effectuiren, ſo braucht man
nicht auf die alten Zeiten zu gehen, ſondern nur das ſecul. XVII. zu betrach-
ten. Die Spanier haben ja die Niederlande dadurch verlohren, Lieffland
waͤre nicht verlohren gegangen, wenn ſie nicht waͤren ſo hart gehalten
worden. Man fuͤrchtet ſich vor einem, der regieret, wie der Sultan,
welcher einen den Strick ins Hauß ſchicket. Gratioſa potius princeps
affectet; und wenn er ja ſiehet, daß es noͤthig, ut ſumatur ſupplicium,
ſo ſchiebet er es auf die Miniſtres, oder auf die leges. Lipſius in ſeiner
politic, und in denen exemplis politicis hat nette reflexiones hievon, und
Reinhard in Comment. ad Lipſii Polit. hat noch mehrere exempla ſuppe-
ditiret.
§. 8.
[213]ſtatus circa pœnas \& præmia.
§. 8. Wer ſtraffen will, muß fundamenta mali haben, das be-Cautelen, wen
viele pecciret.
ſtehet in Raͤdelsfuͤhrern. Hobbeſius giebt ein ſchoͤnes Gleichniß, und ſa-
get: multitudo cum peccat, iſt wie ein Staub, Spreu, wenn der Wind
darunter blaͤſet, ſo gehet ſie in die Hoͤhe, und machet motum turbulen-
tisſimum, woran aber nicht die Spreu, ſondern der Wind Urſach iſt.
Eben ſo iſt es mit dem peuble, wenn da ein æolus kommt, und hinein
blaͤſet, ſo macht er den peuble raſend. Ein Juriſt kan freylich hier ſa-
gen, peccat, leges tranſiit, ex conſequenti contemnit principem, und muͤſ-
ſen alle geſtrafft werden. Aber das iſt ſevere raiſonnirt. Man muß
ſehen, wer den peuple in motum gebracht, tolle hunc æolum, alsdenn
wird alles aufhoͤren. Es muß einer hier ſeyn, wie ein kluger Medicus,
qui fundamentum mali tollit. Wahr iſt es, ſine populo wuͤrde der tu-
mult nicht entſtanden ſeyn, deßwegen kan man doch nicht alle ſtraffen,
ſondern nur die Raͤdelsfuͤhrer. Strafft ſie einer alle, ſo hat er keinen
peuple mehr. Du haſt auch keine Gefahr, wenn du nur die Raͤdelsfuͤh-
rer ſtraffeſt, die andern bekommen dadurch einen Schrecken, und werden
nichts wieder anfangen. Wenn man nun aber die Raͤdelsfuͤhrer nicht
weiß, ſo ſiehet man darauf, ob ſie alle peccirt, haben ſie alle peccirt, ſo
kan man ſie laſſen wuͤrffeln, wen die fatalité trifft, der muß ſterben;
Hergegen wenn ſich ein jeder excuſiret, er habe nicht peccirt, ſo kan man
ſie nicht laſſen wuͤrffeln, indem es einen Unſchuldigen treffen koͤnnte.
Beſſer aber iſt es abſolvere centum reos, als damnare unum innocen-
tem. Bœcler in Notis Polit. ad Tacitum hat ſchoͤn hievon raiſonniret,
welche paſſage ich auch allegirt in meiner Diſſertat. de Univerſitate delin-
quente. Zum Exempel: In der Thorniſchen affaire iſt freylich nicht
recht, wenn Buͤrger in der Jeſuiter ihr collegium eingefallen, und aller-
hand Unfug darinnen angerichtet, weßwegen man ſolche koͤnnen ſtraffen,
aber daß man den Magiſtrat culpam imputiret, ſie haͤtten die canaille nicht
recht in Zaum gehalten, und ſie deßwegen ſo hart geſtrafft, iſt hoͤchſt un-
recht. Man ſiehet, daß nur die Jeſuiten wollen durch dieſe troublen pro-
fitiren. Sie ſagen, der Senatus habe peccirt, und er iſt doch nicht uͤber-
fuͤhret, das machte eine affreuſe Geſtalt in gantz Europa. Der Kayſer
Maximilianus war hierinnen geſcheuter, denn ehe er noch Kayſer worden,
aber ſchon Roͤmiſcher Koͤnig, und in Niederlanden als Souverain war,
ſo entſtund in Brugg ein tumult, ſie ſetzten ihn in arreſt, und ſchlugen
ſeinen Leuten die Koͤpffe ab, brachten ihn, und tractirten ihn als einen
Larron. Wie ſein Vater nach denen Niederlanden kam, mit einer Ar-
mée, ſo wollte er gantz Brugg umkehren, Maximilianus aber ſagte, er
ſollte nur die Raͤdelsfuͤhrer beſtraffen, welches auch geſchahe, und die andern
D d 3mu-
[214]Cap. V. De prudentia
muſten alle mit einem Strick um den Halß pardon bey dem Kayſer ſuchen.
Einige meynen, daß Maximilianus gar zu gelinde geweſen, indem ſehr wenig
den Kopff verlohren. Allein Maximilianus hat einen Eyd gethan, daß er ſich
nicht raͤchen wollte, der mag ihm in Sinn gelegen haben. Der peuple iſt in
ſolchen Faͤllen raſend, mit raſenden Leuten aber muß man manchmahl Mit-
leiden haben, und verhindern, daß nicht dergleichen wieder geſchehen kan.
Man muß bey dieſer materie auch leſen, was in jure Naturali \& Gentium
von pœnis geſagt wird. Grotius hat ein eigen Caput de pœnis, ingleichen
Puffendorff, Thomaſius hat ſich auch in ſeiner Jurisprudentia divina bey
dieſer materie ſehr extendiret. Man muß nur allezeit auf finem præpa-
ratum, nemlich emendationem ſehen: denn wenn gleich nicht alle Men-
ſchen beym Leben bleiben, ſo werden doch dadurch andere Menſchen ge-
beſſert, und erhaͤlt man eben dadurch ein gluͤckliches Regiment, wenn
man alles in Sicherheit erhaͤlt. So bald man ſiehet perturbari rem-
publicam, ſo muß man nicht mehr barmhertzig ſeyn, ſondern es iſt gut,
ut removeantur illi, welche dergleichen turbas verurſachen, damit nicht
tota machina civitatis uͤber den Hauffen gehe. Hochſtetter, Profeſſor
Tubingenſis hat bey ſeinem Collegio Puffendorff eine beſondere Diſſerta-
tion de pœnis, worinnen die pœnæ ſo wohl Juriſtiſch als Politiſch ab-
geſchildert. Pœnis \& præmiis continetur reipublica ſolus. Dieſes hat
Solon geſagt, welcher ein geſcheuter Legislator geweſen, und meritirte,
daß man ſein Leben und ſeine leges ordentlich und mit Politiſchen Augen
anſaͤhe. Meurſius hat auch ſchon materialia ſuppeditirt, es ſind aber
mehrentheils critica.
Die §. §. 9. \& 10. ſind in antecedenti erklaͤret.
che bey Beloh-
nungen in acht
zu nehmen.
§. 11. 12. Die Menſchen ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie nur
ſollten die natuͤrliche Schoͤnheit der Tugend betrachten, und an der Tu-
gend Lohn ſuchen. Es waͤre zu wuͤnſchen, aber gleichwie wir keine En-
gel vor uns haben, ſondern Menſchen, die ihre affecten haben, ſo kan
man ohnmoͤglich die præmia gaͤntzlich miſſen. Wer keine præmia hat,
der kan ſich verſichern, daß ſich keine Leute finden werden, die ſich dahin
beſtreben groſſe Dinge auszurichten, groſſe entrepriſen zu unternehmen.
In der Politic accommodirt man ſich hier ad infirmitates humanas, weil
man nicht alles kan gerad machen. Daher, wenn man die menſchliche
Natur betrachtet, ſo kan man leicht eine definitionem præmii finden.
Wir ſehen, daß es eine Belohnung, eine avantage, emolumentum, wel-
ches diejenige erhalten, ſo gute meriten haben. Fragt man: was meri-
ten? ſo kan man ſie in prudentia civili nicht anders erklaͤren, als daß ei-
ner pro reipublicæ ſecuritate \& utilitate was rechtſchaffenes verrichtet
hat.
[215]ſtatus circa pœnas \& præmia.
hat. Iſt ein Princeps da, ſo ſtecket in Principe die respublica. Sol-
chem nach reſtringiret man das Wort: meritum. Wenn einer ein from-
mer Mann, ſo ſaget man, er hat merita virtutis, religionis, ſanctitatis,
welches aber hier nicht kan regardiret werden, obgleich einen jeden der-
gleichen angewuͤnſchet wird. Hier muß man diejenigen merita belohnen,
welche der Republic einen augenſcheinlichen Nutzen bringen, wodurch
ſie Ehre erlanget, oder ſonſt ihren Zweck erreichet, den man ſich in re-
genda civitate vorgeſetzet. Man wird leicht begreiffen, daß der Princeps
einen groſſen Fehler begehet, wenn er Leute belohnet, ſo keine merita ha-
ben, nicht anders, als wie abſurd gehandelt wird, wenn ſolchen Leuten
ſtatüen geſetzet werden, die homines objecti und ſordidi. Wenn pœnæ
zur execution ſollen gebracht werden, ſo muß es der Princeps andern
committiren, aber præmia muß er ſelbſt austheilen, weil er ſich dadurch
bey allen Liebe zu wege bringet, nur muß es bey hominibus bene meritis
geſchehen. Wenn nun aber geſagt wird, ein Princeps ſolle bene meritos
recompenſiren, wodurch die Leute invitiret werden ad plus faciendum,
ſo koͤmmt es darauf an, wie es ſolle eingerichtet werden? Reſpond. daß
dem publico nichts abgehet; ſo iſt es am beſten. Daher iſt es ſehr
nuͤtzlich, denen Leuten in Kopf zu bringen, daß das ein wahrhafftiger
recompens, ſi quis a principe honore afficiatur, \& a ceteris diſtinguatur.
Denn honores koſten dem Principi nichts, hergegen muß man ihnen bey-
bringen, Geld zu affectiren waͤre was ſordides. Der Princeps muß Leu-
te belohnen, ſo ein veritables point d’honneur haben, welches man keine
ambition nennen kan. Denn gloriam affectare licitis mediis gehet wohl
an. Unſer HErr GOtt ſelbſt allicirt per præmia nach dem ewigen Le-
ben zu trachten. Die Propheten haben das zukuͤnfftige Leben admirable
beſchrieben, und bisweilen ſich ad captum des Menſchen accommodiret,
wenn ſie ſagen, ſie werden getraͤncket werden mit Wolluſt als mit ei-
nem Strohm. Alles, was in der Welt vortrefflich iſt, wird mit dem
ewigen Leben verglichen, und dabey geſagt, das ewige Leben werde noch
viel beſſer ſeyn. Wenn ein gemeiner Kerl ein Ordens-Band ſiehet,
und fraget ihn, was er davon halte, ſo wird er ſagen, ich lobe mir einen
braven Beutel mit Gelde. Denn er denckt, vor das Geld koͤnne er ſich
vieles anſchaffen. Wenn auch ſo ein Kerl redet, ſo redet er von nichts
als von ſeinem Miſt ꝛc. Allein uͤberall, wo eine kleine Republic gewe-
ſen, als wie Sparta und Athen waren, da hat man groſſe Belohnun-
gen denen Leuten gegeben, quando ipſorum bene merita ſunt compenſa-
ta. Sie hatten laurum, Lorbeer-Craͤntze. In der That, wenn man
bey uns die Gnaden-Creutze anſiehet, ſo hat man ja auch nichts als die
Ehre:
[216]Cap. V. De prudentia
Ehre: denn nach dem Tode muͤſſen ſie ja ſolche zuruͤck geben; Es iſt nicht
abſurd, daß groſſe Herren dergleichen erfunden, aber ſie muͤſſen es kei-
nem geben, der nicht groſſe meriten hat, auch nicht dergleichen Perſonen,
ſo ex abjecta ſtirpe herkommen. Puffendorff in ſeinen Rebus geſtis Fri-
derici VVilhelmi erzehlet von Friderico III. in Daͤnnemarck, daß, als
derſelbe in groſſer Angſt geweſen, da die Schweden Coppenhagen bela-
gert, ſo habe er uͤberall ſich geſucht beliebt zu machen, und vielen Herren
den Elephanten-Orden mitgetheilet, welchen viele in Daͤnnemarck
zwar angehangen, aber mit ſurtout zugedecket. Von einem Frantzoͤſi-
ſchen General, welcher ſehr groſſe Thaten gethan, erzehlet Thuanus, daß
als der Koͤnig Henricus III. in Franckreich ihm den Orden von Sanct
Michaël geben wollen, ſo hat er ſich davor bedanckt; da man ſich nun
gewundert, weil es doch eine beſondere Gnade, ſo hat er geſagt: Vor
dieſem waͤre es was groſſes geweſen, jetzo aber verlange er ihn nicht,
quoniam omnium jumentorum eſſet collare, er werde einem jeden gege-
ben. Bernegger, Profeſſor Argentorat. der ein groſſer Mathematicus ge-
weſen, hat obſervationes politicas geſchrieben, worinnen er eine eigene
obſervatio præmiæ indignis conceſſa \& permiſſa evileſcere. Hieraus
kan man ſehen, daß groſſe Herren, wenn ſie es recht uͤberlegen, nicht
wohl thun, wenn ſie dignitates, titulos, elogia, aliosque honores pro-
miſcue geben; vileſcunt. Vordem war Advocatorum dignitas groß,
aber ſie iſt vileſciret, da man ſo viele dazu genommen. So ſollen auch
groſſe Herren den Titul eines Conſiliarii nicht vileſciren laſſen. Denn
ein Conſiliarius ſoll dem Fuͤrſten rathen, und ſoll ein Fuͤrſt ſolche anſe-
hen als Vaͤter, wie auch Conſtantinus M. ſeine Raͤthe Patricios genen-
net. Hergegen jetzo, wo man nur hinſiehet, da ſiehet man eine neue
façon, eine neue fabrique von Raͤthen. Man hat extra-Raͤthe, wie
Profeſſor Extraordinarii. Was will aber ein groſſer Herr anders geben,
als honores? Dignitas ſoll ein luſtre ein Licht ſeyn, aber ſo wird ſie nur
Finſterniß; Sagt man, wem der Princeps keine honores geben kan, det
pecuniam, ſo behaͤlt er auf die letzte gar nichts. Da eſſen die Leute
das Fleiſch, und er behaͤlt die Knochen. Dieſes iſt eben eine Urſache,
daß man ſigna erhaͤlt, wodurch angezeiget wird, wie der Herr mit mei-
ner conduite zu frieden, und ich ein utile membrum reipublicæ, daher
muß der Princeps auch druͤber halten, daß ſie geehret werden. Es haben
diejenigen, ſo vom Ottomanniſchen Reich geſchrieben, inſonderheit Mr.
Ricaut gewieſen, daß nimiæ profuſiones das Tuͤrckiſche Reich ſehr her-
unter gebracht, indem der Tuͤrcke die Leute alle mit vielem Geld beloh-
net. Dicis: Sollte ein groſſer Herr nicht koͤnnen einen was ſchencken?
Re-
[217]ſtatus circa pœnas \& præmia.
Reſpond. Alles mit Maaß. Bisweilen hat einer kein Geld, aber doch
meriten, und ein veritables point d’honneur, da hilfft die Ehre nichts,
und thut der Princeps nicht wohl, wenn er einen ſolchen ein Ordens-
Band oder Gnaden-Creutz giebet. Es muß einer haben de quoi, daß
er auch kan die Ehre mainteniren. In Democratien gehet es noch eher
an, daß die Leute arm ſeyn, und doch Ehren-Stellen haben. Denn
haben ſie nichts im Vermoͤgen, ſo verſorgt man ſie ex publico; das
publicum laͤſt ſie begraben; ſtattet ihre Toͤchter aus. Dergleichen
Exempel man beym Cornelio Nepote finden kan. Aber in der Monar-
chie iſt es abſurd, wenn man einem will eine Charge geben, und er kan
ſie nicht ſouteniren. Der Herr hat einen eclat, ſeine Miniſtres auch,
und muß alſo da einer auch koͤnnen mitmachen. Einen ſolchen muß ein
groſſer Herr erſt ſuchen reich zu machen, wozu allerhand Gelegenheit
ſich finden; will er es nicht thun ex fiſco, ſo kan es ſchon auf andere Art
geſchehen. Beſſer aber iſt es, wenn der Herr gar nichts darff geben.
Der Pabſt giebet auch præmia, aber Todten-Knochen, Reliquien, wel-
che er gnug haben kan, und erzehlet Burnet in ſeiner Reiſe-Beſchrei-
bung nach Italien, daß in Rom ſo viele begraben, welche er dazu
brauchte; Oder er giebt einen ein Agnus Dei, welches er mit ſeiner ei-
genen Hand geweyhet. Man ſiehet alſo leicht, daß es ein groſſer error
politicus, wenn die dignitates vileſciren, weil er alsdenn kein ander Mit-
tel hat, als Geld. Will er kein Geld geben, und gar keine præmia, ſo
wird auch kein Menſch ſuchen, was zu unternehmen; denn wer meriten
haben will, muß allen plaiſſir entſagen; wenn andere tantzen, muß er im
Cabinet ſitzen; wenn andere eſſen und trincken, muß er campiren; Alſo
muß es auch recompenſiret werden. Daß es nicht angehe, alles mit
Gelde zu recompenſiren, kan man bey der Koͤnigin Chriſtina ſehen, wel-
che durch ihre nimiam profuſionem verurſachet, daß das Schwediſche
Reich ſo in Abnahme gerathen: denn nach der Zeit haben ſie vieles muͤſ-
ſen wieder retrahiren ad dominum, unter Carolo Guſtavo, Carolo XI. und
Carolo XII. Hinc totius Sueciæ odium. Die Koͤnigin Chriſtina hat alle
Leute, ſo merita gehabt, recompenſiret, da ſie es doch nur bey ſolchen
thun ſollen, die etwas eclatantes gethan. Der Koͤnig in Spanien Phi-
lippus II. hat die Familien, deren Vorfahren groſſe Thaten gethan,
tractiret, und an ſeiner Tafel ſpeiſen laſſen, welches was groſſes war,
als die Grafen von Salina hat er am heil. drey Koͤnigs-Tage tractiret,
die Familie, die Moya am St. Lucas-Tag, welche auch die guͤldenen
Becher bekommen, woraus der Koͤnig getruncken. Es iſt in der That
ein groſſer recompens, wenn meinen Kindern und Nachkommen gutes
E egeſchie-
[218]Cap. V. De prudentia
geſchiehet wegen meiner Helden-Thaten: denn wenn wir groſſe Thaten
thun, ſo ſind wir ſchon ziemlich bey Jahren, wir werden ja nicht gleich
groß, und alſo kan man die Ehre nicht lange genieſſen. Sehen wir
aber, daß auch unſere poſteri deßwegen nicht vergeſſen werden, ſo entſte-
het eine flamma in animis noſtris, welche uns excitirt mehr zu thun.
§. 13. Prudentia iſt bey denen præmiis die Richtſchnur, welche
man in acht nehmen muß. Seneca ſagt: Wenn ich einen ein præmium
geben will, ſo muß es ihm angenehm ſeyn, nicht anders, als wenn ich
einen zu Gaſte bitte, ſo kan ich ihm nicht vorſetzen, was ich nur gerne
eſſe, und der andere iſſet es nicht gerne, das iſt eine ſtultitia. Da hat
Seneca gezeiget, daß es ſolchen Leuten am judicio fehle. Wenn ich ei-
nem Frauenzimmer einen Jaͤger-Spieß, oder einem Prieſter ein paar
harte Stiefeln ſchencken wollte, das wuͤrde ihnen nicht angenehm ſeyn.
So iſt es auch mit denen præmiis. Wenn wohl meritirte Leute da
ſind, die will ich recompenſiren, ſo muß ich auf ihre inclination und
andere Umſtaͤnde acht geben; Haben ſie nicht viel, ſo muß ich ihnen
erſt was geben, daß ſie haben de quoi, aber bey allen kan man dieſes
nicht thun.
Sectio VI.
de
Prudentia ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus
inferiores.
§. 1. 2.
Wahl der Mi-
niſtres auf de-
ren Geſchick-
lichkeit zu ſe-
hen.
EIn Princeps muß Miniſtres haben, Burgermeiſter, Raths-Herren.
Es gehet dieſes in allen Republiquen an, und changiret es nur
ratione denominationis. Die Alten, ſo Ariſtotelici geweſen,
haben ein Gleichniß gegeben, und geſagt, die Seele habe zwey Kraͤffte,
Verſtand und Willen; der Wille ſey zwar das Hauptſaͤchlichſte, aber
der intellectus ſey der Conſiliarius, der Wille ſey eine potentia cœca,
und muͤſſen von dem intellectu illuſtriret werden. So haben die Ariſto-
telici ihren introitum bey denen Magiſtrats-Perſonen gemacht. Bey
denen Magiſtrats-Perſonen haben ſie gemeynet, waͤre der Princeps vo-
luntas, reliqui conſiliarii repræſentirten intellectum, a quo colluſtretur
illa voluntas. Ob ich zwar nun wohl weiß, daß die Ariſtotelici offt
laſſen
[219]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
laſſen aliquid fabulæ mit unterflieſſen, ſo kan man doch dieſen introitum
einiger maſſen verificiren. Ein Fuͤrſt kan nicht alles allein thun, wenn
er auch die Augen des Argns haͤtte, und muß er alſo noch andere bey ſich
haben, die Conſiliarii ſind, wie ein tubus per quos videt, quid in toto
regno, in tota republica eveniat. Er muß andere Ohren haben, durch
die er hoͤret, weil er nicht alles ſelbſt hoͤren kan. Alſo iſt es ohnmoͤglich,
daß er ſine Conſiliariis ſeyn kan. Die Theologi obſerviren, daß Da-
vid, ob er gleich ein groſſer Mann geweſen, (imo diſputatur adhuc,
annon fuerit propheta,) gleichwohl habe er Propheten an der Seite ge-
habt, welche er gefraget. Reinckingius in ſeiner Bibliſchen Policey hat
auch vieles hievon beygebracht. * Es iſt eine Charteque heraus kom-
men, darinnen der Autor meynet, ein Fuͤrſt brauche nichts mehr, als ei-
nen Secretaire, ſo koͤnne er auskommen, welches wohl angehet in einem
duodez-Lande, aber in einem groſſen Lande iſt es eine chimere. Wenn
auch einer alles thun koͤnnte, ſo wuͤrde es ihm doch gehen wie dem
Cromwell, welcher auch alle Briefe ſelbſt beantwortet, und alles durch
ſeine Hand gehen laſſen, durch welche groſſe Arbeit er fatigiret worden,
alſo, daß er bald darauf geſtorben. Darauf kommt es an, daß man
kan einen groſſen genie des Principis erkennen, wenn er rechtſchaffene
Miniſtres hat, die nicht alleine ihm, ſondern auch dem populo anſtehen.
Denn was iſt das, wenn ich ſuche den populum zu ruiniren, das kan ein
Bauer auch thun, aber daß alles florire \& in unum conſpiriret, das iſt
eine Kunſt. Monſ. Perifix, (der den Louis XIV. informiret, und hernach
Ertz-Biſchoff zu Pariß worden,) welcher das Leben Henrici IV. be-
ſchrieben, hat darinnen dem Louis XIV. gewieſen, was ſein Groß-Va-
ter vor Miniſtres und Capitains gehabt, und es iſt wahr, daß kein Reich
geweſen, wo man ſo excellente Miniſtres gehabt, als unter dieſen Hen-
rico IV. Wir haben admirable Staats-Memoires von dieſer Zeit.
Er hatte den Villeroy zum Staats-Secretaire, der du Freſne war Am-
baſſadeur in Venedig, Sully war ſein Cameraliſt, welchen er von einem
ſimplen Edelmann nach und nach erhaben, daß er Hertzog von Bethuno
worden. Man hat ihn in der That Henry le Grand nennen koͤnnen.
Er war verliebt, welches ein klein bißgen Anſtoß bey andern verurſa-
chet, ſonſt wuͤrde er einer der groͤſten Printzen geweſen ſeyn; Er hat alles in
E e 2Franck-
[220]Cap. V. De prudentia
Franckreich in gute Ordnung gebracht, und wenn Louis XIV. nach der
Beſchreibung des Perefix gethan, ſo wuͤrde er wohl regieret haben, in-
dem der Perefix zugleich auch alle Fehler des Henry le Grand hinzu ge-
than, und gewieſen, woher es gekommen, daß er von dem Ravaillac maſ-
ſacriret worden. Man ſiehet, daß ein Herr ein jugement hat, der es ſo
zu reguliren weiß, daß er gute Miniſtres bekommt. Man muß ſich nicht
einbilden, daß ein Herr kan Leute haben von einer trempe. Lauter Ge-
lehrte zu haben iſt nichts, und iſt ein pedantiſch jugement, welches ex
amore immodico erga litteras kommt, wenn man meynet, alle Bedie-
nungen muͤſten mit Gelehrten beſetzet werden. Eine teinture von litteris
iſt gut, aber daß ſie ſollen ſtudiret haben, wie Profeſſores, iſt eben nicht
noͤthig, ſonſt liegen ſie immer uͤber den Buͤchern, leſen journale, bleiben
abſtractioniſten, lernen die Welt nicht kennen, und ſind dem Herrn
mehr ſchaͤdlich. Die meiſten Leute ſagen: apti ſunt eligendi oder probi,
welches aber nur generalia, und bey allen muß in acht genommen wer-
den. Ein Schuſter muß probus ſeyn, ſonſt macht er nur Schuhe, welche
in vier Tagen zerreiſſen. Ein Soldat muß probus ſeyn, aber dieſes iſt
noch keine nota characteriſtica. Dieſes generale hat auch der Cromwell
obſerviret, welcher keinen wollen unter ſeinen Bedienten haben, der nicht
probus und pius geweſen: denn Leute, ſo boͤſe ſind, koͤnnen ohnmoͤglich
was gutes thun. Wenn aber gleich ein Herr ſich vorgeſetzet lauter
probos zu nehmen, ſo gehet es doch in tanta fæce nicht an lauter probos
zu haben, und muß einer nur ſolche choiſiren, die er kan in Zaum hal-
ten, und die ihm nicht Schaden thun. Ludovicus de Cabrera, ein Spa-
nier, welcher das Leben Philippi II. in Spaniſcher Sprache vortrefflich
beſchrieben, (aus welchen Amelot in ſeinen notis ad Tacitum viel paſſa-
gen allegiret,) erzehlet von demſelben, daß er genau auf die mores ſeiner
Bedienten acht gegeben, und deßwegen ein Buch gehalten, in welches al-
les geſchrieben worden, was ſeine Bedienten Lobenswuͤrdiges und ta-
delhafftes gethan, wodurch die Leute nicht allein im Zaum gehalten, ſon-
dern auch excitirt worden, weil keiner wollen ein boͤſes eloquium haben.
Er hat auch excellente Miniſtres gehabt, und die Fehler, ſo er begangen,
ſind alle aus Hitze geſchehen. Wenn man gleich ſupponiret probos, ſo
muß man doch auch ad ſpecialia gehen. Daher auch der Autor eine
digreſſion gemacht, und gewieſen, worauf man zu ſehen habe. Ein
Herr muß viele Bedienten haben, und alſo einer jeden Bedienung einen
rechtſchaffenen Menſchen vorſetzen; man kan aber nicht gleich eine jede
Bedienung ins beſondere betrachten, ſondern alia generaliora principia
ſunt præmittenda.
§. 3.
[221]ſtatus circa Magiſtros \& Magiſtratus inferiores.
§. 3. Bedienten ſollen den Principem repræſentiren; ein PrincepsDaß keine ho-
mines ſordidi
zu wehlen.
aber laͤſt ſich nicht gerne durch Bettler, Schulmeiſter repræſentiren; alſo
muß er dignos erwehlen, die in autoritate ſtehen. Ein Magiſtratus, der
keine autoritæt hat, wird auch ausgepfiffen und verunehret. Die Be-
dienten muͤſſen eben nicht ſolche autoritæt haben, wie der Princeps, der
muß etwas beſonders haben. Richelieu wollte ſeine charge gar nieder-
legen, und ins Cloſter gehen, weil er keine autoritæt mehr haͤtte, deßwe-
gen Louis XIII. ihm ſolche auch wieder gegeben. Es muß auch ein jeder
Magiſtratus geehret werden; daher laͤſt es nicht fein, wenn der Princeps
ſeine Bedienten ausfiltzet oder beſchimpfet, ſie ſind ja keine Sclaven.
So bald die Leute ſehen, daß der Herr keinen regard vor ſeine Bedien-
ten hat, ſo reſpectiren ſie auch denſelben nicht. Ob man gleich in dem
Ottomanniſchen Reich ſelten findet, daß ein Groß-Vezier oder Baſſa
auf dem Bette ſtirbet, ſo geſchiehet doch ſolches alles heimlich ſo, daß
man manchmahl nicht weiß, wo der Kerl hinkommen. Alle Bedienten
koͤnnen freylich nicht angeſehen werden als Ambaſſadeurs; unterdeſſen
kan man doch allen in gewiſſer Maſſe einen reſpect geben. Einen Herrn
macht ſehr verhaßt und verdaͤchtig, wenn er ſchlechte Leute, ſo in einer
geringen ſorditie gelebet, erhebt, und zu ſeinen Bedienten annimmt.
Wenn man des Sau-Wentzels Regierung anſiehet, ſo findet man,
daß er ſich eine groſſe blame gemacht, quod omnes nobiles removit, und
hat er lauter ſchlechte Leute zu ſeinen Bedienten genommen, der Hencker
war ſein Gevatter, will man ihn defendiren, daß er nicht koͤnne abgeſe-
tzet werden, ſo gehet es wohl nach denen Rechten an, aber wenn man
es Politiſch conſideriret, ſo war er gar nicht ſo aptus ad regendum, ſeine
Gemahlin tractirte er auch wie ein Fleiſcher. Wie Henricus VIII. dem
Cardinal VVolſey eines Fleiſchers Sohn zum Premier-Miniſtre nahm,
ſo entſtund ein commune odium in Engeland. Der VVolſey war zwar
geſcheuet, ſie haben aber immer gemeynet, es hienge ihm noch was Flei-
ſchermaͤßiges an den Backen. Er war geitzig, und konnte ſich nicht recht
in ſeine Erhebung finden. Wenn man die Beſchreibung von denen Ty-
rannen beym Suetonio lieſet, ſo wird man finden, daß ſie lauter ſchlech-
te Leute libertos zu Bedienten gehabt. Exempla antiqua hat Antonius
Perez in ſeinem jure publico, quo arcana \& jura Principis exponuntur,
beygebracht. *Carolus IX. in Franckreich hat auch ſchlechte Kerl zu
E e 3ſeinen
[222]Cap. V. De prudentia
ſeinen Bedienten gehabt, keiner aber iſt wunderlicher geweſen, als Lu-
dovicus XI. von dem Cominæus erzehlet, ſeinen Barbierer habe er zum
Connetable gemacht, ſeinen Leib-Medicum zum Cantzler, und ſeinen
Schneider zum Admiral; Cominæus ſaget auch, daß, als er ſeinen Leib-
Medicum als Geſandten an die Mariam Burgundicam geſchickt, habe ſie
geſagt: Sie wuͤſte nicht, warum er ihr den Leib-Medicum ſchickte, ſie
waͤre geſund. Gleichwie die Leute ihren Herrn feind ſind, welcher ſordid
iſt, ſo iſt es auch bey denen Miniſtris vilibus, bey denen man nichts
eclatantes ſiehet. Sie fahren auch ſelbſt nicht wohl mit hominibus ſor-
didis, und hat Cominæus obſerviret, daß der Barbierer den Ludovicum XI.
brav vexiret. Es iſt ihm gegangen, wie dem Aventino, welcher auch
ein ſchlecht Weib genommen, die ihm hernach groſſen Verdruß ge-
macht, daher ſagt man im Spruͤchwort: Es iſt kein Meſſer, das aͤr-
ger ſchiert, als wenn der Bauer ein Edelmann wird. Theganus, wel-
cher das Leben Ludovici Pii beſchrieben, ſagt auch, es ſey ein groſſer Feh-
ler von Ludovico Pio geweſen, daß er ſchlechte Leute zu groſſen Ehren-
Aemtern, Bißthuͤmern ꝛc. befoͤrdert, von welchen er hernach am aͤrgſten
vexiret worden. So iſt es Chriſtiano IV. in Daͤnnemarck ergangen.
Es war in Coppenhagen eines Wein-Schencken Sohn, Nahmens
Schumacher, welcher von Friderico III. zum Bibliothecario gemacht wor-
den, wobey er ſich wohl verhalten, und etliche ſpecimina abgeleget. Chri-
ſtianus IV. machte ihn zum Baron, und gab ihn den Nahmen Greiffen-
feld, dabey er aber ſo hochmuͤthig worden, daß er mit denen Schweden
wider den Koͤnig complotiret, und ihn geſucht, vom Thron zu ſtuͤrtzen;
Der Koͤnig aber hat ihn den Kopff laſſen herunter ſchlagen.
Adlicher und
Unadlicher.
§. 4. In abſtracto weiß man von der nobilitate viel zu ſagen,
welcher zu ihrer deſavantage gereichet. Man kan hier leſen den Tractat,
ſo ein Schleſier unter den Titel: Edelmann, heraus gegeben, worinnen er al-
le Fehler derer Edelleute vorgeſtellet, er ſchreibt ſchoͤn Teutſch, und iſt das
Buch mit plaiſir zu leſen. Man darff hier auch nur die Satyre des Iu-
venalis, und die inventiones des Boileau leſen. Es iſt wahr, wenn ein
nobilis gleich ſein Geſchlechte koͤnnte herfuͤhren von Agamemnon, ſo hilfft
es alles nichts, niſi propriam habeat virtutem. Hieronymus Oſorius, der
einen tractat de Nobilitate geſchrieben, erzehlet, daß ihm der Hutton vor-
geworffen, daß er Staats-Secretarius ſey, ſo antwortet Oſorius, daß er
Staats-Secretarius, waͤre um deßwillen geſchehen, weil der Koͤnig kei-
nen beſſern kennete, und ob er gleich kein Staats-Secretarius, ſo waͤre er doch
ex primaria nobilitate Luſitanica, und duͤrffte ihm ſolches nicht vorwerffen;
dabey ſagte er: Die Tugend mache, daß die Nobleſſe æſtimiret wuͤrde. Denn
wenn
[223]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores
wenn ich frage: warum ſind die Vorfahren æſtimiret worden, ſo iſt kei-
ne andere raiſon, als weil ſie tapffer, tugendhafft geweſen. Will nun
der Adel ſich conſerviren, ſo kan er nicht anders thun, als die Vorfah-
ren zu imitiren; kommen nun die virtutes der Vorfahren mit ſeinen ei-
genen zuſammen, ſo brilliret er. Die Nobleſſe in Teutſchland hat man
erbare Leute genennet, auch die groſſe Nobleſſe in Francken und Schwa-
ben. Von Ehre haben ſie profesſion gemacht, wodurch ſie ſich eben von
Pock diſtinguiret, welches auf einen ſordiden Gewinnſt gehet. Chara-
cter nobilitatis eſt virtus eminens, honeſtas eminens. Die gemeinen
Leute gelangen nicht dahin, weil ſie keine education haben; Daher eben
ein groſſer Herr nicht wohl thut, wenn er die nobiles ſupprimirt, und vi-
les zu ſeinen Bedienten nimmt. Wenn die nobiles bey demjenigen blei-
ben, was ihre Vorfahren gethan, ſo wuͤrden ſie nicht herunter kommen,
aber manchmahl kommt es, daß ſie nichts lernen, oder ſie lehnen ſich ge-
gen die Fuͤrſten auf, da kommen ſie herunter. Derjenige Herr aber
thut nicht wohl, welcher die Nobleſſe ſupprimiret, und nicht an deren
Stelle neue Nobiles macht: Denn er iſt fons nobilitatis, und kan es
nicht anders ſeyn, er muß nobiles um ſich haben. In Schweden hat
man die alte Nobleſſe ſupprimiret, aber wieder neue gemacht. In gantz
Europa hat man einmahl die Nobleſſe, daher muß man ſich darnach
richten. In der Tuͤrckey iſt es ein anders, da iſt keine Nobleſſe, ſondern
der Tuͤrcke nimmt Sclaven und allerhand Leute dazu, davon mancher
ſeinen Nahmen nicht nennen kan. Er thut es um deßwillen, daß ſie
ihm ſollten deſto treuer ſeyn, vid. Vignau de la decadence de l’Empire
des Ottomanns. Mir hat wohl gefallen das conſilium, welches unter
dem Hochſeligen Koͤnig in Preuſſen gegeben worden; Es wurde auch
diſputirt von der Nobleſſe, ob man ſie alleine brauchen ſollte? da ſagt
einer, man ſollte Buͤrgerliche Pagen und auch Adeliche nehmen. Die
ſich nun am beſten hielten, es moͤchte nobilis oder civis ſeyn, die ſollten
ſteigen. Wenn der nobilis eben ſo viel koͤnnte, ſo ſollte er vorgehen,
weil er nicht alleine merita ſua, ſondern auch merita majorum habe. Fa-
ctum eſt, und ſind dadurch viele in die Hoͤhe kommen. Wenn der no-
bilis ſiehet, der Buͤrger kan uͤber ihn weg ſteigen, ſo ſuchet er eher etwas
zu lernen. Hergegen glaubt er ſibi deberi munera, ſo giebt er ſich keine
groſſe Muͤhe, ſondern denckt, es koͤnne ihm ohnedem nicht entlauffen.
Man muß die nobiles nicht nimis ſupprimere, auch nicht nimis extollere.
Bisweilen finden ſich auch unter Buͤrgerlichen Leuten welche, ſo eine
bravoure, Geſchicklichkeit haben, warum ſoll man die nicht erheben?
Wir ſind ja alle von einer razza, und kommen alle her von dem Noah.
Fride-
[224]Cap. V. De prudentia
Fridericus Wilhelmus M. welcher ein ſehr penetranter Herr geweſen, hat
auch viele von Buͤrgerlichen Stande an ſeinem Hof gehabt. Puffen-
dorff in Rebus geſtis Friderici VVilhelmi erzehlet, daß er geſagt: Er hal-
te mehr auf einen Kerl, der ſich pousſirte, ohne daß er Mittel habe: Denn
die nobiles haben Mittel und gute Auferziehung, was er hat, das hat er
alles vor ſich, und gehoͤret eine groſſe force und Verſtand dazu, wenn er
ſich in die Hoͤhe gebracht hat. Die nobiles koͤnnen ſich auch nicht be-
ſchweren, wenn neben ihnen auch andere erhoben werden. Die Nobleſſe
hat bisweilen groſſes Vermoͤgen, und ſuchet nichts zu lernen, in Krieg
wollen ſie auch nicht gehen: Denn wenn andere ſchlaffen, muͤſſen ſie
wachen, da bleiben ſie lieber auf ihren Guͤthern, alsdenn muß man an-
dere nehmen. Waͤren ſie vigilant, und lerneten was, ſo wuͤrde kein an-
derer dazu gelangen. Man muß den Mantel nach dem Winde hengen,
und nicht opiniatre ſeyn, weil ſonſt ſo groſſer Schade geſchiehet. Denn
wenn ein gemeiner Kerl opiniatre iſt, und ſagt, es mag alles zu Grunde
gehen, ſo wird er denn ein Bettler, findet aber eine groſſe compagnie;
Hergegen aber bey vornehmen Leuten hat es mehr zu ſagen.
gaͤntzlich aus-
zuſchlieſſen.
§. 5. Kein Philoſophus, kein Theologus iſt der nicht pauperibus
das Wort redet: Denn ſie haben die alte ſentenz geleſen, da man ſagt:
ſæpe ſub palliola ſordido latet ſapientia. Sie fuͤhren auch aus der Bi-
bel an: Selig ſind die Armen ꝛc. Im Himmel iſt freylich alles gleich,
und wird auch pauperrimus homo in Himmel kommen. Lazarus iſt im
Himmel, wo aber der reiche Mann iſt, will ich nicht ſeyn. Aber es
giebt Leute, ſo ſich nicht finden koͤnnen. Wenn ich arme Leute zu
Ehren-Stellen promoviren ſollte, welche groſſe capacité haͤtten, ſo
wuͤrde ich ſie erſt reich machen, welches groſſe Herren auch leicht thun
koͤnnten, alsdenn wuͤſte ich doch, woher ihr Reichthum kaͤme, und iſt
nicht wahrſcheinlich, daß ſie ſich ex ſanguine \& ſudore ſubditorum, als-
denn werden bereichern. Thue ich dieſes nicht, ſo kommen hernach vie-
le exceſſe, ſie verkauffen die juſtiz, leges violant. Richelieu ſagt: ich bin
denen Armen nicht feind, bin ſelbſten arm geweſen, aber bey denen Ar-
men iſt doch ein beſtaͤndiger ſoubçon, daß ſie ſich ſuchen zu bereichern.
Die gagen, ſo groſſe Herrn geben, langen offt nicht zu. Stryck ſaget
auch, man koͤnne tutorem pauperem nicht repelliren, aber er meynet doch,
daß er fine fidejuſſoribus nicht koͤnne angenommen werden. Alſo ſiehet
man, daß allezeit noch formido oppoſiti bleibet, er ſey nicht recht treu.
Der Amelot hat in ſeinen notis ad Tacitum Tom. I. p. 366. eine ſchoͤne
paſſage hievon aus dem Cabrera allegiret. Dieſer erzehlet von dem Phi-
lippo II. daß er ſonſt ſehr geſucht, die vornehmen! Familien zu conſerviren,
und
[225]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
und wenn ſie herunter kommen, hat er ihnen geſucht, wieder in die Hoͤ-
he zu helffen; Aber in denen Niederlanden habe er ſolches nicht obſer-
viret: Denn er ſetzte daſelbſt die Margaretha von Parma zur Gouver-
nantin, welcher der Biſchoff von Arras, Granwella, asſiſtiren muſte.
Philippus II. war in denen Niederlanden eine Zeitlang geweſen. Die
Grafen von Horn und Egmond und der Printz VVilhelm von Oranien
haben groſſe depenſen muͤſſen machen, weil bey denen Spaniern alles
koſtbar hergehen muſte. Daher hat der Granwella dem Philippo II. ge-
rathen, weil die Herren ſich ſehr verblutet, ſo ſollte er bey ſeiner Abreiſe
einen jeden funffzig tauſend Thaler ſchencken, zu mahlen ſich dieſe Herren
tapffer gehalten, und das meiſte zu der victorie wider die Frantzoſen bey
St. Quintin beygetragen. Philippus II. war ſonſt magnificus, hier aber
wollte er nichts geben, welches freylich ein groſſer Fehler geweſen. Es
waren dieſe Herren ſo nicht zu frieden, daß Fremden die Regierung uͤber-
geben worden, aber das Geld hatte alles zugedecket. Die Spanier ſa-
gen auch noch bis dieſe Stunde: Die Armuth habe den Grafen von
Horn und Egmond verleitet, daß ſie res novas unternommen. Man
findet auch denen Ariſtocratien, daß man ſuchet, die Familien zu conſer-
viren, welches in dem Staat von Venedig gewieſen wird. Wenn da
ein nobili herunter kommen, ſo erhalten ſie ihn ex publico, ſie geben ihn
chargen, helffen ihm zu Heyrathen, und haben das principium: non ſit
pauper in civitate. Mehrere exempla kan man finden in des Reinhards
not. ad Lipſii Politicam.
§. 6. Wenn ich von der Sache in abſtracto rede, ſo ſage ich:Daß Einhei-
miſche Frem-
den vorzuzie-
hen.
Nemo excludendus eſt a publico miniſterio, etiam peregrini ſunt admit-
tendi: Denn es kan auch unter denen ein habile homme ſeyn. Wir
wiſſen, das bisweilen ein Fremder Gelegenheit gegeben, ut totus ſtatus
reipublicæ in meliorem ordinem redigatur. Aber das ſind exceptiones,
nach denen exceptionibus muß man ſich nicht richten. Gewiß iſt es,
daß kein Land wird einen Fremden gerne ſehen, und iſt in vielen Koͤnig-
reichen das jus indigenatus. Da iſt es eine groſſe Ehre, und ein Zei-
chen einer Wohlgewogenheit, wenn einer naturaliſiret wird. Die En-
gelaͤnder haben den Portland, den Albemarle naturaliſiret, und andere
mehr, welches aber alle groſſe Leute waren. Wer zum nobili di Vene-
tia declariret wird, der muß es anſehen, als ein Zeichen einer beſondern
affection. Unterſchiedene Teutſche Fuͤrſten, als die Braunſchweigiſche
Herren und Paͤbſtliche Nepoten haben dergleichen dignitaͤt erhalten. Bey
denen Schweitzern iſt es was ſonderliches, wenn ſie einen ihr Buͤrger-
Recht geben; Wer es nun aber hier anſiehet, dencket, was ſcheere ich
F fmich
[226]Cap. V. De prudentia
mich darum, ob ich ein nobili di Venetia, oder Schweitzeriſcher Buͤrger
bin. Allein es iſt ein Zeichen, einer groſſen Gewogenheit. Die Schwei-
tzer und Venetianer ſind ja maͤchtig, die koͤnnen einem auch helffen.
Der Tuͤrck fragt nichts darnach, ſein Groß-Vezier, Muffti, Baſſa ꝛc.
mag her ſeyn, wo er will, aber der Tuͤrck iſt ein Barbar. Andere na-
tiones hergegen leiden es nicht gerne. Man muß nicht dencken, invidia
waͤre bloß daran ſchuld; etwas contribuiret ſolche dazu: Denn inte-
græ ſocietates ſind eben wie homines ſingulares; ſingulares homines aber
leiden nicht gerne, daß andere den Vortheil wegnehmen, welchen ſie auch
koͤnnten haben. In Sachſen iſt es nicht allein, ſo daß man nicht ger-
ne Fremde nimmt, ſondern in Francken, Schwaben und Rhein-Strohm
iſt es eben ſo. Die Oeſterreicher leiden auch nicht gerne Fremde. Der
Baron Schroͤdter war ein novitius homo, und dachten die Oeſterreicher,
dieſen wuͤrde der Kayſer dahin bringen, die financen auf einen andern
Fuß in ſeinen Landen zu ſetzen, daher ihm in ſeinem Zimmer der Kopff
abgeſchnitten ward. Er war einer von denen geſchickteſten Leuten in
Cammer-Sachen, und hat man von ſeinem Buch ſchon etliche Editio-
nes. Invidia aͤuſſert ſich bey allen Nationen. Sie haben auch raiſon,
und ſagen, wenn peregrini homines ins Land kommen, peregrinos mo-
res accipimus, mutatur ſtatus. Glaubſt du nicht, daß die Moſcowitter
denen Teutſchen Spinne-feind ſind. Selbſt der Zcaarowiz hat keine
Fremden leiden koͤnnen, und wenn er wuͤrde zum Regiment kommen ſeyn,
ſo wuͤrde er ohnfehlbar alle Fremde wieder abgeſchaffet haben. Wer
glaubt wohl, daß die Spanier und Italiaͤner am Kayſerlichen Hof an-
genehm. Lobcowiz, ein Boͤhme, hat dem Kayſer Leopold gerathen, wenn
er gluͤcklich ſeyn wollte, muͤſte er drey J. weg thun, Juden, Jeſuiten und
Italiaͤner. Die Roͤmer waren auf Julium Cæſarem boͤſe, quod pere-
grinos in rempubl. Romanam adduxerit. Wenn man den Herodianum
lieſet, ſo findet man, daß Caracalla ſehr blamiret worden, weil er ſo vie-
le Fremde, als Pannones und andere dahin gebracht. Sie ſagten: die-
ſe haben zu uns peregrinos mores, barbariem, luxum, und eine neue fa-
çon zu regieren gebracht. Die Pohlen thun es ſehr ſelten, daß ſie einen
zum Pohlniſchen Edelmann machen, wenn einer gleich noch ſo groß an-
derwaͤrts iſt. Daher iſt eine groſſe prudentia dazu noͤthig, wenn ein
Fuͤrſt will peregrinos nehmen. Man ſiehet, was dem Mazarini, der
ein Neapolitaner war, in Franckreich pasſirt. Er hat ſich zwey mahl
aus Franckreich muͤſſen wegbegeben, und war allezeit das groͤſte crimen
eſſe Italum. Den Richelieu hat man nach ſeinem Tode deteſtiret, daß
er den Mazarin nach Franckreich gebracht, und ihn recommendiret. Er
war
[227]ſtatus circa Magiſtros \& Magiſtratus inferiores.
war arm, und die Armuth hat ihn darzu verleitet, daß er offt Geld ge-
nommen, weßwegen er auch verhaßt worden. Die Niederlaͤnder haben
keine andere Urſache gehabt, warum ſie die maſque abgezogen, als daß
ſie geſagt, man giebt uns Fremde, die uns regieren ſollen, und der Printz
VVilhelm von Oranien wollte die Hertzogin von Lothringen zur Gouver-
nantin haben, ſo eine Teutſche Princeßin war, hergegen der Granvella
war ein Bourguignon, deſſen Vater eines Schloͤſſers Sohn geweſen,
und beym Carolo V. Premier-Miniſtre war; Man kan hier leſen des
Grotii Hiſtoriam Belgicam, und des VVilhelms von Oranien Briefe, ſo
er publiciren laſſen, worinnen expreſſe ſtehet, ſie ſollten ſervire peregrinis.
An der Koͤnigin Chriſtina iſt auch dieſes getadelt worden. Wenn man
die Daͤnen fragt, ſo ſagen ſie: per Germanos ſeſe opprimi; aber in
Daͤnnemarck hat es eine andere raiſon, da muß der Koͤnig Fremde ha-
ben, weil er den Adel nicht trauen kan, welcher ſich unter Friderico III.
nicht wohl gehalten. Die Ungarn haben wider die peregrinos auch
groſſe Klagen beygebracht. Ich habe ein Buch, darinnen die grava-
mina derer Ungarn vorgeſtellet worden, darunter das Vornehmſte, ter-
ras pinguisſimus exteris dari, etiam beneficia eccleſiaſtica. Wir Teut-
ſchen haben mit dem Pabſt concordata Nationis German. gemacht, wor-
innen expreſſe bedungen worden, daß der Pabſt in menſibus papalibus
keinen Fremden præſentiren ſolle. Man laͤſſet nicht gerne das Honig-
ſeim Fremde eſſen. Sie ſagen auch, es ſey contemtus nationis, gleich
als wenn unter der Nation keine tuͤchtigen Leute waͤren. Man ſoupço-
nirt, der Herr wolle den Staat mutiren. Dieſes ſind die fructus, ſi
indigenæ non ad ſumantur. Ein weiſer Herr weiß alles einzurichten,
und kan man hier keine accuraten Regeln vorſchreiben. Je weniger ei-
ner peregrinos hat, je beſſer iſt es. Denn wir haben ſo viele Exempel,
daß die peregrini groſſen Schaden gethan. Bisweilen aber, wenn das
Volck barbariſch iſt, iſt noͤthig, daß man Fremde nimmt, welche ſie
cultiviren. So machte es der Czaar, der aber klug war, und die mei-
ſten nur auf etliche Jahr annahm. Die mehreſten, ſo dahin gehen,
ſind nur intereſſirte Leute, Paſſagiers von Fortune. Denn was ſollte ei-
nen ſonſt bewegen, ſein Vaterland zu verlaſſen, und ſo weit weg zu ge-
hen? De indigenis handelt der Perez in ſeinem Iure publico Cap. LXIX.
p. 168. Weil es in Niederlanden dieſerwegen auch ſo Verdrießlichkei-
ten gegeben, ſo hat er gewieſen, wo Philippus II. angeſtoſſen. Der Chur-
laͤndiſche Law, den man vor einen Atheiſten haͤlt, hat eine Piece, ſo in
etlichen Bogen beſtehet, geſchrieben, ſub Tit. Intereſſe von Holland, dar-
innen ſagt er, daß ehe der andere Law nach Franckreich gegangen, haͤtte
F f 2er
[228]Cap. V. De prudentia
er erſt denen Hollaͤndern ein project præſentiret, wie ſie ihre Schulden
bezahlen koͤnnten, welche es aber bloß deßwegen nicht acceptiret, weil er
kein Belga, einen Fremden naͤhmen ſie nicht zu ihren Financier. Eben ſo
wuͤrde es dem Law in Engeland ergangen ſeyn, und war es eine Schwach-
heit von dem Law, daß er nach Holland gegangen. In einer Monar-
chie aber werden Fremde eher angenommen.
ficiis junge
und zu welchen
hingegen alte
zu nehmen.
§. 7. Junge Leute kan man nicht bey Seite ſetzen, ſie haben biswei-
len eine vivacité, ein Eſprit, koͤnnen de rebus præſentibus urtheilen, ſie
ſind auch ſtarck, und koͤnnen was ausſuͤhren; Aber alles iſt nicht ſuffi-
cient, wenn man redet de Magiſtratibus præponendis, es ſey in bello oder
pace. Die jungen Leute haben noch keine connoiſance von denen rebus
præteritis; keine Erfahrung: Denn die Erfahrung ſupponirt rerum præ-
teritarum memoriam. Sie haben keine Erfahrung von malis, der keine
mala geſehen, iſt præcipitant. Daher findet man auch, daß junge Leute
hitziger ſind, als Leute, ſo etliche mahl bey einer Gefahr geweſen. Das
iſt aber der beſte Fuͤrſt, der beſte Miniſtre, qui mala eſt expertus. Pru-
dentia erfordert aliquid timoris, qui nihil timet, nihil providet, ſecurus
eſt callidus, callidum conſilium aber heißt bey denen Alten ineptum con-
filium. Daher wird man nicht leicht ein Volck in der Welt finden, ſo
adoleſcentes promovirt ad ejusmodi munera, in quibus ſumma rerum ſi-
ra eſt. Bey denen Juͤden hat man auch ſeniores gehabt, ſo das Volck
regieret. Man ſagt auch: Penes ſenes eſt prudentia, experientia, conti-
nuata memoria. Die jungen Leute muͤſſen erſt dazu auferzogen werden,
und zwar nebſt denen Alten, welches Richelieu in ſeinem Teſtam. polit.
Cap. 7. Part. II. wohl obſerviret. Zur execution muß man junge Leute
nehmen, nicht aber ins cabinet, auſſer daß ſie ſchweiger, und hoͤren, was
die alten Fuͤchſe ſagen. Ein alter Fuchs iſt allezeit ſchlauer und liſtiger, als
ein junger Fuchs. Das principalſte iſt, welches ich geleſen in des Oſo-
rii Principe,) worinnen er einen Principem inſtruiret, was er vor Conſi-
liarios choiſiren ſoll,) dieſer ſagt: Wenn junge Leute bald ſteigen, und
groß werden, ſo meynen ſie, es geſchehe wegen ihrer meriten, und dencken,
GOtt muͤſſe ihnen was befonders mitgetheilet haben, ſie wuͤrden ſtoltz,
verachten andere, nichts ſchaͤdlicher aber iſt, als wenn man andere ver-
achtet. Der Lord Clarendon, Jacobi II. Schwieger-Vater, der die Hi-
ſtoire des Guerres civiles d’Angle terre geſchrieben, und darinnen bey Ja-
cobo I. angefangen, zeiget, das alles Ungluͤck von Jacobo I. herkommen.
Unter andern erzehlet er, daß er junge Leute zu den hoͤchſten chargen em-
ployret, wenn einer nur wohl ausgeſehen, und einen huͤbſchen reverenz
koͤnnen machen, ſo hat er ihn in ſeine Dienſte genommen. An den
Bu-
[229]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtros inferiores.
Buckingham hat er gemeynet, habe er was geſehen, daß ihm ſelbſt gleich
komme, daher hat er ihn als einen jungen Menſchen zum hoͤchſten char-
gen erhoben, und zum Gouverneur ſeines Printzen Carls geſetzet. Cla-
rendon ſagt: der Buckingham habe wohl ausgeſehen, auch einen guten
natuͤrlichen Verſtand gehabt, aber da er ihn [auf] einmahl ſo erhoben, waͤ-
re der Kerl hochmuͤthig worden, und alle Leute ſchnoͤde tractiret. Wie er
auch mit dem Printzen in Spanien und andern Orten geweſen, hat er wegen
ſeiner Hitze viel Verdruß verurſachet. Dieſes iſt auch die Urſach ſeines
Falls geweſen: Denn er iſt hernach maſſacriret worden; Daher ermah-
net Clarendon groſſe Herren, daß ſie keine junge Leute ſollten nehmen,
und nicht ſo ein albern choix machen, als Jacobus I. Lipſius ſagt auch,
die Alten haͤtten geſagt, Iuvenes haſtas eſſe ſenum, weil die junge Leute
gut zur execution zu gebrauchen ſind: Denn bey der execution iſt gut,
daß man die mala nicht ſo genau enviſagiret. Der Montecuculi iſt
ein kluger General geweſen, aber er war allzu vorſichtig, deßwegen man
ihn per anagramma centum oculi genennet. Bisweilen, wenn er ſchlagen
ſollen zog er ſich zuruͤcke, und wollte er alles gewiß haben, welches aber
in der Welt nicht allezeit angehet, ſonderlich im Krieg, da muß man
was wagen, aber im Cabinet muß man vorher alles wohl uͤberlegen.
Bey denen Teutſchen iſt auch allezeit obſerviret worden, daß man ſenes
genommen, daher kommt das Wort, Senior, Seigneur. Die Griet-
maͤnner in Frießland ſind nichts anders, als alte Graumaͤnner. In
Engeland hat man ſie Alder-Maͤnner genennet. Man wird finden, daß
diejenigen, ſo junge Leute gewaͤhlet, alle caput gegangen. Carolus VIII.
hatte lauter junge Leute, die encouragirten ihn zu einem Krieg nach Ita-
lien, der ihm aber ſchaͤdlich geweſen, ob er gleich ſonſt bravoure gehabt.
Henricus VIII. hatte ein gut propos, ein ſeminarium anzulegen, worinnen
man Miniſtres auferziehen koͤnnte. Am beſten iſt es, wenn man ſie erſt
laͤßt ſchreiben, und die Stelle eines Secretarii vertreten. Denn kan man ſie
laſſen mit beyſitzen, aber ut taceant, poſt continuatum ſilentium, kan man
ſie weiter employren. So hat man es in Franckreich zu Zeiten Hen-
rici VI. obſerviret, da hat man ſie laſſen ſteigen pas a pas, peu a peu;
daher hat man habile Leute gehabt: Denn alle promotiones per ſaltum
dauren nicht, und wird man wenig Exempel finden, da man reuſſiret.
Es giebt Leute, die ſenilem prudentiam haben, welche von Jugend auf
ein phlegma haben, und geſchickt ſind ad regendum, ſolche kan man auch
nehmen. Die Venetianer promoviren auch keine junge nobiles, alles
muͤſſen ſenes ſeyn, ſie pflegen auch ſenes von ſechzig bis ſiebenzig Jahren,
die noch vigeur haben, an Tuͤrckiſchen Hof zu ſchicken, weil ein ſolcher
F f 3eine
[230]Cap. V. De prudentia
eine rechte experience hat, und ſo zu ſagen, in affairen grau worden.
Junge Leute nehmen ſie in groſſen Rath, aber zu denen geheimdeſten
Sachen kommen ſie noch nicht, weil ſie noch nicht alles koͤnnen ver-
ſchweigen. Vor die Weiber ſind junge Kerl beſſer, das menſchliche Ge-
ſchlecht fortzupflantzen als die alten, aber die alten ſind beſſer vor die
Herren. Richelieu nimmt ein Gleichniß von denen Medicis, und ſagt:
Die jungen Medici taugen auch nichts, denn die Medicin kommt auch
auf eine experience an, und involvirt die Theorie wohl etwas, aber ſie
wird vivida per experientiam. Es muß einer patiens ſeyn, der regieren
will, deßwegen ſind junge Leute nicht geſchickt dazu. Richelieu hat ge-
ſagt: Das ſey ſeine Probe, wenn er einen employren wollte, ſo ſaͤhe er,
ob er patiens? Er erzehlet auch von einem Kerl, der ihm immer habe die
Thuͤr aufgemacht, und einen reverence gemacht, dieſes habe er zwey Jahr
continuiret, aber er habe ihn nicht regardiret, weil er es aber lange ge-
than, ſo habe er gedacht, der Kerl muͤſſe doch eine Gedult haben, und
habe ihn endlich angeredet, ihn laſſen zu ſich kommen, und in ſeine Dien-
ſte genommen, darauf habe er ihn nach Rom geſchickt, und endlich zum
Ambaſſadeur daſelbſt gemacht, da er treffliche Dinge durch ihn ausge-
richtet. Denn in Rom gehet alles langſam zu, und hat man wahrge-
nommen, daß die Frantzoſen in Rom und Venedig nicht viel reuſſiret,
weil ſie immer zu hitzig geweſen. Drum ſagt man, die Spanier haͤtten
denen Frantzoſen den Rang abgelauffen, weil ſie patientes. Das jetzi-
ge Regiment in Franckreich war vor kurtzen aus dieſer Urſache auch nicht
zum Beſten, und der Premier-Miniſtre, der Hertzog von Bourbon, auch
ein junger Herr, und wenig alte Miniſtres da ſeyn. Junge Raͤthe ma-
chen hazards, da kan es kommen, daß ein hazard nicht angehet, damit lie-
gen ſie. Eben ſo iſt es auch im Kriege, alte Generals ſind allezeit beſſer
als junge; Einen jungen General neben den alten zu halten, ge-
het an.
die Tugend zu
regardiren ha-
be.
§. 8. 9. Bisher ſind generalia da geweſen, indigenæ, an pere-
grini, juvenes, an ſenes ſint adhibendi ad munera publica. Jetzo aber
kommt der autor ad ſpecialia, und ſagt: Man muͤſſe acht geben, wozu
ſich einer ſchicke. Es ſchicken ſich nicht alle zu dieſer oder jener Bedie-
nung. Hobbeſius ſagt: Manche meynen, ſie ſchickten ſich zu allen,
woraus man aber erkennen koͤnnte, daß ſie cupiditates ineptos haͤtten.
Der iſt am geſchickteſten, welcher erkennet, er ſey nicht zu allen Dingen
tuͤchtig. Grotium æſtimire ich hoch, aber noch hoͤher um deßwillen, daß,
als Carl Guſtav ihm ein Regiment zu commandiren geben wollen, (weil
er wohl ausſahe, und de jure B. \& P. geſchrieben, auch vorher in vielen
affai-
[231]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtros inferiores.
affairen gebraucht worden, denn er iſt Penſionaire in ſeinem Vaterlande
geweſen,) ſo wollte er ſolches doch nicht annehmen, ſondern ſagte, er
verſtuͤnde es nicht, aber andere Sachen wollte er uͤbernehmen. Daher,
als er zum Ambaſſadeur gemacht worden, hat er ſich wohl gehalten, ob
ihn gleich einige blamiret, ſo denen Gelehrten nicht gut. Denn ob er
gleich Buͤcher zu gleicher Zeit geſchrieben, wie auch der Spanheim ge-
than; deßwegen hat er ſeine Sachen nicht negligiret. Man kan ſattſa-
me Proben aus ſeinen Epiſteln ſehen, welches lauter Staats-Briefe,
ſo er aus Franckreich nach Schweden geſchrieben, und ſind dieſelben
wohl zu gebrauchen. Der Hertzog von Urbino, ſo des Pabſts Armee
commandiret, hat auch den Machiavellum wollen zum Obriſten machen,
weil er de re militari geſchrieben, der es aber auch abgeſchlagen, und ge-
ſagt: Er verſtehe es nicht. Es kan einer generalia und ſpecialia ſchrei-
ben, und doch nicht capable ſeyn zu commendiren. Im Cabinet kan
man auch nachdencken, aber im Krieg muß man eine Erfahrung haben,
man muß das Land eben kennen, und ſeyn wie der Ziska, der, ob er gleich
blind geweſen, ſo hat er doch alles koͤnnen ordnen, wenn man ihm nur
geſagt, an was vor einem Ort er waͤre. Weil wir nun aber ſelten
unſere Schwachheiten ſelbſt erkennen, ſo muß ein Herr wiſſen die Leute
zu choiſiren. Daß einer probos ſuchen muß, iſt gewiß. Wer keine
Erbarkeit hat, iſt ſein Tage nicht prudens, er iſt nur callidus homo, cal-
lidus homo eſt improbus, dum eſt improbus, kan man ſich nicht einbil-
den, daß er werde fidelis ſeyn. In abſtracto kan man es leicht determi-
niren, aber es iſt ohnmoͤglich, daß ein Herr lauter propos haben kan,
hortandus, monendus eſt, ut tales quærat. Aperte impropos muß er
nicht annehmen. Ein Fuͤrſt braucht gar viele Leute, nicht allein im
Cabinet, ſondern auch im Krieg, er hat viele Provinzen; daher iſt kein
ander Mittel, er muß auf die natuͤrlichen inclinationes dererjenigen ſehen,
ſo er annehmen will, und abwaͤgen, ob ſolche ihm ſchaͤdlich ſeyn moͤch-
ten. Er muß alſo wohl acht geben, und beſtaͤndig auf der Hut ſeyn:
denn es ſind homines non regeniti, ſo nach ihren natuͤrlichen inclinatio-
nibus leben. Das fundament aber davon wird in der Moral conſide-
riret; denn es iſt bey denen diſciplinen nicht, wie bey denen Handwer-
ckern. Wer ein Schuſter iſt, iſt kein Schneider. Die diſciplinæ hen-
gen alle zuſammen, und muͤſſen junge Fuͤrſten die Hiſtorie, Geographie,
Moral- und Politic lernen, da haben ſie gnug. In der Religion muß
man ſie auch inſtruiren, und den Pabſt kennen lernen, welches auch in
der Hiſtorie am beſten geſchehen kan. Die groſſen Herren, weil ſie
nicht viel lernen, ſehen meiſt auf die Phyſiognomie, womit ſie ſich aber
ſehr
[232]Cap. V. De prudentia
ſehr betriegen. Io. Evelyn, ein Engelaͤnder, hat ein Buch geſchrieben
de Phyſiognomia, davon ein extract in Actibus Eruditionis zu finden, in
dieſen erzehlet er auch von Jacobo I. daß er den Hertzog von Sommerſet
und Comte Bembrock hat erhoben, weil ſie wohl ausgeſehen. Je huͤb-
ſcher die Leute offt ausſehen, je weniger koͤnnen ſie gebraucht werden:
denn ſolche Leute haben mehrentheils aliquid voluptatis, und wenn gleich
was anders dabey iſt, ſo iſt es doch nicht ſufficient. Pabſt Sixtus V.
wollte lauter ſchwartze Leute in ſeinen Dienſten haben, da er aber manch-
mahl auch einen guten Spitzbuben mit drunter bekommen.
aber auf die
Neigung und
Temperament.
§. 10. 11. Diejenigen ſind auf einem beſſern Weg, welche mey-
nen, ein Herr muͤſſe ſich dahin befleißigen, daß er zuſehe, was vor ein
temperament ein Kerl habe: denn ein temperamentum iſt aptius ad hoc;
ein anders aptius ad illud. Hieraus kan man erkennen, daß die doctri-
na de temperamentis nicht zu verachten, wenn ſie nur recht vorgetragen
wird. Unſer Autor hat ſich auch Muͤhe gegeben, zu zeigen, welche tem-
peramenta zu dieſem oder jenem am geſchickteſten ſeyn. Ehe man aber
dieſes recht verſtehen kan, muͤſſen vorher einige generalia bemercket wer-
den. Von denen temperamentis wird ſonſten in der Moral, Phyſic und
Medicin gehandelt. Einmahl iſt gewiß, daß corpora noſtra eine diver-
ſam temperaturam und mixturam haben. Es iſt nicht ein Coͤrper wie
der andere, ſondern alle differiren, welches die alten temperamenta ge-
nennet. Darinnen ſind die Alten aber von den Neuern unterſchieden,
daß ſie gemeynet, die differenz beſtuͤnde in calido, ſicco, frigido und hu-
mido. Wenn man wiſſen will, was die Alten hievon ſtatuiret, ſo kan
man des Profeſſor Speners in Wittenberg Diſſertatio de temperamentis
leſen, welche er hier unter dem Herrn Doctor Buddeo gehalten. Es
hat dieſelbe ſein Vater der alte Spener gemacht, und iſt uͤberaus wohl
elaboriret. Ich habe nicht leicht etwas geleſen, da alles mit ſo vielem
Fleiß und accurateſſe zuſammen getragen, als in dieſer Diſſertation.
Kein einiger iſt geweſen, der nicht gemeynet, dari diverſam temperatu-
ram. Die meiſten haben aber heut zu Tage die alten Dinge fahren
laſſen, und auf das Gebluͤth geſehen. Sie ſagen: Das waͤren nimis
generalia, wenn man auf das humidum, frigidum \&c. ſaͤhe, man muͤſte
ſpecialiter gehen, und ſupponiren alſo das Gebluͤthe. Das Gebluͤthe
iſt die quint-eſſenz von allen, was ſich bey den Menſchen findet; alle
Saͤffte, ſpiritus vitales, alle Knochen kommen von dem Gebluͤthe. Daß
die Knochen von dem Gebluͤthe kommen, kan man daher ſehen, appo-
nitur ſemper nobis aliquid, wir werden ja nicht ſo groß gebohren, und
dieſes kommt eben von dem Gebluͤthe. Das Gebluͤth aber beſtehet ex
variis
[233]ſtatus circa Magiſtros \& Magiſtratus inferiores.
variis humoribus. Der Koͤnigin Annæ in Engeland Leib-Medicus,
Martinus Lyſter, hat einen Tractat de humoribus geſchrieben, welches
Buch Leibniz auch æſtimiret. Robert Boyle hat viele experimenta ge-
macht mit dem ſanguine humano. Es iſt auch kein Menſch, der mehr
zweiffelt, daß ſanguis beſtehe ex partibus ſeroſis, aquoſis \&c. denn das
kan man leicht ſehen, weil es eine conſiſtence bekommt, indem die Kno-
chen davon herkommen. Daher kommt es auch, daß geſagt iſt: Der
Menſch iſt Erde, und wird wieder zur Erden werden. Per experimenta
kan man auch zeigen, daß ein calidum ein pingue in dem Gebluͤth.
Boyle hat wahrgenommen, daß in dem Gebluͤth eine vis elaſtica. Er
hat es laſſen hart werden, und wenn er es gegen das Licht gehalten, ſo
hat es geſchlagen als was fettes. Die partes æthereæ aber haben nicht
peculiarem ſedem, ſondern perfluunt totum ſanguinem. Alle Menſchen
haben in ihrem Gebluͤth dergleichen partes. Darauf kommt es aber hier
nicht an, ſondern man muß ſehen, welche præponderiren. Man wird
finden, daß kein Menſch dem andern ſo gleich, daß nicht eine differenz
ſollte koͤnnen gefunden werden. Bey einem præponderiret dieſes, bey
dem andern jenes, einer iſt agile, der andere nicht. Wo partes terreſtres
præponderiren, kan man nicht glauben, daß der ſollte agile ſeyn. Pauli-
ni, der in Eiſenach Leib-Medicus geweſen, hat gezeiget bey dem Eſel, es
kaͤme von dem Gebluͤth, daß er ſo peſant, denn das meiſte von ſeinem
Gebluͤth ſey terreum. Der Eſel hat auch ein groß pondus von dem
Gehirne, welches verurſachet, daß er den Kopf ſo gegen die Erde haͤlt.
Monſ. Ray, welcher de l’Exiſtence de Dieu in Engliſcher Sprache ge-
ſchrieben, das man auch ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet, hat eine curieuſe
obſervation von dieſer materie gemacht, und zeiget, wie ein jedes Thier
zu dem ſcopo, wozu es gebraucht werde, vortrefflich geſchickt ſey. Bey
denen Cameelen weiſet er auch aus ihrer ſtructur, wie ſie alles præſtiren
koͤnnen, was ſie thun muͤſſen. Der Menſch iſt auch ein animal, und
kommt alles auf ſeine conſtitution an, nur daß man bey denen Menſchen
mehr diverſitates antrifft, als bey andern individuis. Von dem corpore
alſo dependiret ſehr viel, diejenigen, ſo der animæ viel zueignen, halten
von denen temperamentis nichts, als wie der Leibniz, welcher die har-
moniam præſtabilitatem ſtatuiret. Die anima kan freylich vieles auch
aͤndern. Allein die experience zeiget, daß die Seele faſt ohne dem Coͤr-
per nichts thut. Der Coͤrper iſt gleichſam das Hauß der Seelen, die
Seele wohnet drinnen, ſie iſt nicht auswaͤrts, ſondern in dem Coͤrper,
und operiret in demſelben. Wenn man auch ſupponiret, daß die Seele
aliquid activum, ſo iſt ſie doch an dem Coͤrper gebunden, und kan nicht
G ganders
[234]Cap. V. De prudentia
anders agiren, als der Coͤrper beſchaffen iſt; nicht anders, als wie ich
mich gantz anders anſtellen muß, wenn ich will einen groſſen Muͤhlſtein
fort bewegen, und anders, wenn ich ein Schnell-Kaͤulgen wegwerffe.
Daher haben diejenigen am beſten zum Ziel geſchoſſen, (worunter auch
Stahl iſt, der aber obſcur, und muß man ihn mit attention leſen,) wel-
che ſagen, die Seele thue ſehr viel, ſie gewoͤhne ſich aber nach denen
motibus corporeis. Dieſe Meynung kan auch mit der Theologie wohl
connectiret werden, wenn man ſaget, der Menſch ſey natuͤrlicher Weiſe
wie ein ander animal, und die Seele accommodire ſich nach denen mo-
tibus corporeis. Grotius ſagt auch: Temperamentum corporis tranſit
in aliud. Grotius verſtehet aber darunter ſo viel, wie das corpus wuͤr-
de, ſo richte ſich auch die anima darnach. Ex corporis habitu kan man
vieles ſehen, nicht aber aus der Phyſiognomie, aus etlichen Linien im
Geſichte oder in der Hand. Darauf kommt es nicht an, ob er ein
ſchoͤn Geſichte hat, ob er eine klare oder grobe Stirne hat, ſondern vor-
neml ich auf den habitum. Wenn einem die Adern auf den Haͤnden ſo
aufſchwellen, daraus kan man erkennen, daß einer ein melancholiſches
Gebluͤth hat, dabey muß man auf totum habitum ſehen, und alſo iſt
vieles in acht zu nehmen. Franciſcus Valleriola, welcher Profeſſor zu
Avignon geweſen, ein gelehrter Mann, der einen ſchoͤnen ſtylum ſchreibt,
hat Locos communes edirt, und ſaget auch, er wundere ſich, daß einige
noch dubitirten, ob der Coͤrper was contribuire, da man doch ſo viele
exempla ſaͤhe, daß ſich die Seele nach dem Coͤrper richte. Wenn das
calidum, die cholera prædominirt, ſo iſt einer hitzig, denn das calidum
iſt ein pingue, ein inflammabile, ſulphureum, wie es die Chymici nennen.
Alle dieſe nomina haben einerley ſignificationem, wie Spener in der
Diſſertation de Temperamentis gewieſen, ex conſequenti kommt es nun
darauf an, ob die anima koͤnne natuͤrlicher Weiſe anders thun, als der
Coͤrper beſchaffen. Sagt man, GOtt ſey doch daran Urſach, ſo ant-
worte: GOtt will ja haben, daß wir natuͤrlicher Weiſe ſollen ſelig wer-
den. Wie Adam in der Unſchuld beſchaffen geweſen/ wiſſen wir nicht,
wie wir aber jetzo beſchaffen ſind, das wiſſen wir, und jetzo brauchen
wir die vires divinas. Wer choleriſch iſt, hat præcipitante inclinationes.
Lutherus hat auch ein feurig temperament gehabt, daß die Pfoſten bebe-
ten. Ein Cholericus iſt hitzig, hertzhafft. Hertzhafftigkeit iſt nichts
anders als ein vehemens motus. Ein Fuͤrſt muß alſo ſehen, welcher
Menſch zu dieſen oder jenen Geſchaͤfften natuͤrlicher Weiſe am geſchick-
teſten. Die natuͤrlichen paſſiones muß er zu ſeinem ſcopo haben, das
Ubrige uͤberlaͤſt er ihnen, und haben die Theologi damit zu thun ſie zu
emendi-
[235]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
emendiren. Weil wir nun keinen Menſchen haben, der allein chole-
riſch, ſondern ein jeder hat auch etwas von dem temperamento melan-
cholico und ſanguineo, ſo ſaget man, wenn cholera prædominirt, und
melancholia hat ſecundum locum, ſo iſt er ein cholerico-melancholicus.
Wer einen Conſeiller, Miniſtre haben will, braucht Leute, die eine vi-
gueur, eine conſtantiam haben, und alſo muß ein Herr ein temperament
erwehlen, da er eine vigueur antrifft. Homines melancholico-ſangui-
nei, und ſanguineo-melancholici ſind ineptiſſimi ad imperandum ad
agendum, das iſt das temperament der Narren, nihil vividi iſt in ihnen,
ſie ſind furchtſam, faul, traͤge, fallen von einem extremo auf das ande-
re, haben eine inclination ad voluptates. Sie ſind vor ſich gantz ſobrii,
aber wenn ſie dazu kommen, daß es ihnen nichts koſtet, ſo freſſen und
ſauffen ſie drauf los, und proſtituiren ſich, wenn ſolches groſſe Leute
werden, ſo werden ſie Tyrannen, wie man ſolches an dem Caligula und
Tiberio ſiehet. Alle Fehler, ſo Tiberius gehabt, laſſen ſich daher dedu-
ciren. Ein Melancholicus iſt grauſam, furchtſam, ſuſpicax. Die Leu-
te, ſo melancholico-ſanguinei, fallen zuletzt auf den Enthuſiaſmum. En-
thuſiaſmus kommt eben aus einem otio, da einer wunderliche Gedancken
hat. Sie ſind gut zu bouffons, zu Verraͤthern, denn ſie ſchwatzen al-
les aus, aber zu Eſpions ſchicken ſie ſich nicht, dazu ſind ſie zu tumm.
Vor ſolchen Leuten muß man ſich ſehr huͤten, die thun einem den groͤß-
ten Schaden, ſie langen die Caſtanien heraus? dieſe ſind extrem-geitzig,
und auch extrem-verſchwenderiſch, fallen von einem auf das andere?
Sie haben auch kein judicium, denn wo ſollte das judicium herkom-
men? Von dem ſanguine kan es nicht kommen, und auch nicht von
der melancholia. Das jugement kommt von der cholera, ein jugement
aber dringet durch, ſepariret alles, und beobachtet alle diverſitates. Der
St. Euremont, welcher ein Soldat geweſen, hat in ſeinen Oevres meelées
unterſchiedliche Frantzoͤſiſche Generales, als den Gaſſion, Turenne, Cre-
qui, und andere mehr betrachtet, und nach ihren inclinationibus wohl
beſchrieben. Der Gaſſion wird beſchrieben als ein Cholerico Melan-
cholicus, welcher capable war eine groſſe Armee zu commandiren. Der
Turenne aber, als ein Cholerico-Sanguineus, der war ein Parthiegaͤn-
ger. Wie es nun im Kriege iſt, ſo iſt es auch bey denen Togatis. Ein
Melancholico-Sanguineus hat auch ein rechtes Butter-Milch Geſichte;
wenn man dencket, er iſt luſtig, ſo wird er, ehe man ſichs verſiehet, trau-
rig, und will ſich aufhengen. Er wird jaloux, im Augenblick aber em-
braſſiret er ſeine Frau wieder, und wie er ſie embraſſiret, ſo ſchlaͤgt er ſie
wieder. Unter buͤrgerlichen Leuten ſind ſolche noch zu toleriren, aber in
G g 2con-
[236]Cap. V. De prudentia
converſation ſind ſie doch nichts nuͤtze, ſie ſind Zaͤncker, verdrießliche Leu-
te, und wenn ſie gleich mit einem gut ſind, ſo verderben ſie es doch
gleich wieder. Einem groſſen Herrn iſt es ein groſſes Ungluͤck, wenn
er einen ſolchen hat, und muß er denſelben entweder caſſiren, oder tole-
riren cum dedecore. Ein Herr muß nicht alleine ſehen, an quis habeat
ſcientiam, ſondern er braucht fideles, daher muß er die mores, conduite,
\&c. betrachten. Scientia wird præſumirt. Wer einen Leib-Medicum
abgeben will, muß freylich ſcientiam haben, darneben aber ſiehet der
Herr, ob er nicht ein Gifft-Miſcher, indem man viele exempla hat, daß
groſſe Herren durch die Medicos umgebracht worden. Man hat ſehr
viel von der doctrina de temperamentis excoliret, und diejenigen, ſo die-
ſelbe verwerffen, reden contra judicium totius orbis. Das clima macht
corpora diverſa, und ſagt auch Tacitus in ſeinem Agricola, daß das cli-
ma vielen Uuterſcheid mache. Wenn wir auch die teſtimonia veterum
nicht haͤtten, ſo koͤnnen wir uns doch leicht aus der experientia uͤberfuͤh-
ren. Das clima und die alimenta aͤndern uns am meiſten, an unſern
Leibe wird immer etwas zugeſetzet. Drum hat VVeigel geſagt, ein
Menſch ſey nicht der, ſo er vor ſechs Jahren war, die prima ſtamina
bleiben wohl, aber das Ubrige veraͤndert ſich alle. Das Gebluͤth, ſo
ich vor zwantzig Jahren gehabt, iſt jetzo nicht mehr da. Radix bleibet
freylich ſitzen, und ſo iſt es, wie mit denen Wein-Reben, ſo aus Teutſch-
land nach Spanien gebracht werden, davon hat der Wein eine Saͤure
und Suͤſſe, die Saͤure hat er aus Teutſchland behalten, deßwegen iſt
er ſo angenehm. Gewiß iſt es alſo, daß die Seele ſich nach denen
motibus corporeis richtet, imitatur motus corporeos, und auf die letzte
bekommt ſie einen habitum. Daher ſagt auch Lock in ſeinem Tractat
de intellectu humano, gebet mir neu Gebluͤth, neue Sehnen, ſo will ich
koͤnnen voltigiren. Wir changiren uns auch nach unſern Alter, vor die-
ſem habe ich koͤnnen uͤber ein Pferd weg ſpringen, welches jetzo ſchon
nicht mehr angehet. Die Saͤffte trocknen ein, die Fuͤſſe ſind nicht mehr
ſo agile. Man kan freylich auch ſeine Kraͤffte lange erhalten. Wer
Zeit hat, und kan immer baden, wie die Tuͤrcken, der wird agiliora
membra behalten, von dieſer materie werde noch etwas in die Gundl.
drucken laſſen. Ein jeder hat von jeden temperament etwas, aber
unum præponderat, welches aber nicht nach der quantitate, ſondern nach
der vi, nach der qualitate muß betrachtet werden. Wenn einer will
das temperament eines Menſchen erkennen, ſo kan es nicht auf einmahl
geſchehen, ſondern man muß es machen, wie der Richelieu. Die Leute
zeigen ſich anfangs auf der ſchoͤnen Seite, ſie affectiren: affectatio kan
lange
[237]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
lange waͤhren; es iſt gezwungen, es denckt einer, wenn es nur bald aus
waͤre. Daher ſagt Richelieu, man muß die Leute eine Zeitlang laſſen
um ſich ſeyn, ſie probiren, die Pfaffen wiſſen dieſes auch wohl, daher
diejenigen, welche Nonnen oder Moͤnche werden wollen, ihre Probe-
Jahre muͤſſen aushalten, damit ſie ſehen, ob ſie tuͤchtig zu dieſem Stan-
de. Nach einiger Zeit ceſſiret affectatio. Kan man doch einen Fuͤr-
ſten auslernen, daß, wenn er nur eine Mine machet, man ſchon weiß,
was er haben will, warum ſollte man nicht auch koͤnnen andere Leute
erkennen lernen? Man kan ja Eſpions haben. Die Eſpions muͤſſen
auch acht geben, was ſie thun, wenn ſie zu Hauſe ſind, und nicht affecti-
ren. Dieſes hat Philippus II. in Spanien wohl verſtanden, und wie er
ingeniös geweſen, ſo kunnte er einen jeden per verba ambigua was fra-
gen. Man laſſe die Leute von unten auf hinauf ſteigen, damit man ſe-
he, wie ſie zu dieſen oder jenen geſchickt ſind. Was nun einen Sangui-
neo-Cholericum anlanget, der iſt douce, das Feuer wird temperiret, er
iſt aptus ad conſilium, aber zur execution iſt er nicht zu gebrauchen. In
affairen, ſo nicht lange waͤhren, kan man einen ſolchen nehmen, einen
Ambaſſadeur extraordinarium kan er abgeben. Er kan ein compliment
machen, wenn ein paar Fuͤrſtliche Perſonen getrauet werden, oder eine
Fuͤrſtliche Perſon in die Wochen kommt. Er præſentiret ſich vortreff-
lich wie der Salomo, der, wenn man ihn natuͤrlicher Weiſe betrachtet,
eben ein Sanguineo-Cholericus geweſen, denn er war ſage, eloquens, ſa-
he wohl aus ꝛc. Zur execution hat ein ſolcher die conſtantiam nicht.
Aber ein David kan zur execution gebrauchet werden, eine Veſtung
einzunehmen. Ein Cholerico-Sanguineus iſt auch ad conſilia danda bo-
nus, aber die conſilia ſind ſo hitzig, wie bey dem Hertzog von Alba. Ein
groſſer Herr muß die conſilia temperiren, der thut das calidum weg, ſo
werden es gute conſilia. Sie ſind zornig, und machen offt ein pudeat
in ihren Zorn. Wenn man das Leben Davids natuͤrlicher Weiſe be-
trachtet, ſo hatte er dieſes temperament, bald hat er in venere, bald im
Zorn excediret, da hingegen Salomon gantz anders war. Gut waͤre
es, wenn man die Heroes auch von ihren natuͤrlichen Weſen betrachtete.
Denn was a Deo geſchehen extra ordinem, gehoͤret nicht hieher. Hier
hat man Hiſtoriam ſapientiæ \& ſtultitiæ laſſen drucken, worinnen Salo-
monis temperament noch ziemlich wohl beſchrieben. Wenn David ab-
gebildet wird, daß er braunroth vom Geſichte geweſen, ſo erkennet man
daraus, daß er natuͤrlicher Weiſe ein courageuſer, hertzhaffter Mann
geweſen. Ipſe Deus utitur interdum inſtrumenti ejusmodi \& accommo-
dat ſuam gratiam. Waͤre Lutherus nicht ſo ein hertzhaffter Mann ge-
G g 3weſen,
[238]Cap. V. De prudentia
weſen, wuͤrde er nicht ſo reusſiret haben; Hergegen Melanchthon war
furchtſam, und zog ſich gleich zuruͤcke, ſo bald er die Gefahr ſahe: denn
er war providentiſſimus, und des Luthers rechte Hand, dem er conſilia
gegeben, die Luther nachgehends ausgefuͤhret. Bayle hat gewieſen, daß
Melanchthon ein groſſer Mann geweſen, und zur ſelben Zeit ſeines glei-
chen nicht gehabt. Er wird auch communis Germaniæ præceptor ge-
nennet, und hat gemacht, ut renaſcerentur litteræ. Ein Cholerico-San-
guineus hat mehr conſtantiam. Melancholico-Cholerici und Choleri-
co-Melancholici haben viel vor ſich: denn es proſtituiret nichts mehr,
als voluptas. Aus der voluptate kommen viele Sachen her, als Hu-
rerey, Sauffen ꝛc. was beſoffen iſt, proſtituiret ſich, und alles dieſes
macht einen odiös. Kein Menſch haͤlt einen ſolchen vor tapfer, wenn er
gleich ſich mit allen herum ſchlagen will. Ein Melancholicus aber ma-
chet in amour, in ebrietate, in Klaͤtſchereyen keine exceſſe. Daher iſt in
gewiſſer Maſſe Sixto V. nicht zu verdencken, daß er homines parumper
auſteros geſuchet. Bey Hof muß alles heimlich zugehen, da braucht
man ſolche Leute. Bey Cholerico-Melancholicis iſt Feuer, courage,
agilite, Geſchwindigkeit, die koͤnnen groſſe Thaten thun; aber dieſes iſt
ihr Fehler, wenn ſie touchiret werden, pardonniren ſie keinen Menſchen,
ſondern ſuchen die aclatanteſte Rache, machen Tumult ꝛc. Dieſe Leute
machen ihre fortune bey Hofe, ſonderlich, wenn ſie jemanden haben, der
ſie produciret; denn bey Hofe kommt viel darauf an, daß einer ſagt:
Hier ſey einer, den man brauchen koͤnne. Einen Wolluͤſtigen kan man
da nicht brauchen, der ſchlaͤfft zu lange, frißt und ſaͤufft, und nimmt ſei-
ne Sachen nicht in acht. Iſt ein Profeſſor wolluͤſtig, ſo kommt er erſt
aus dem Bette, wenn er leſen ſoll, und hengen ihm die Federn noch in
den Haaren herum. Alſo kan keiner ſagen, daß das Ding nicht appli-
cable, vielmehr kan man durch dieſe doctrin alle Leute kennen lernen.
Mancher Menſch kriegt den Lob-Spruch mit in ſein Grab, daß er tu-
gendhafft gelebet, da er doch, wenn man es recht betrachtet, nur ein
natuͤrlicher Menſch geweſen, der ſich gewuſt in acht zu nehmen, und den
Zorn nicht hat ſehen laſſen. Wenn alſo ein Herr will, e. g. einen
Cammer-Rath haben, ſo kan er nicht einen Wolluͤſtigen nehmen, ſon-
dern einen hominem ſobrium \& attentum ad rem. Ich kenne einen ge-
wiſſen Souverain, der reiſete nach Italien, und hatte einen Hof-Meiſter
bey ſich, welcher muſte das Geld ausgeben, dieſen fragte einer: wenn er
Rechnung ablegte? Er antwortete: Sein Herr verlangte keine Rechnung,
weil er treu waͤre. Das iſt was ſchoͤnes, daraus kan man einen Herrn
erkennen, was an ihm zu thun ſey, wenn er keine Rechnung von ſeinen Be-
dienten fordert.
§. 12. 13.
[239]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
§. 12. 13. Gewiß iſt es, daß ein Princeps nicht kan ſolus agereVon der An-
zahl der Mi-
niſtres und
Bedienten.
ſine miniſtris, ſondern er muß Leute haben, ſo ihm adſiſtiren. Beym
Homero lieſet man, daß der Prometheus nichts gethan ſine conſilio Ulyſ-
ſis, und der Agamemnon nichts, ſine conſilio Neſtoris. Alſo kommt
es nur darauf an, wie viel Leute einer haben ſoll. Derjenige handelt
abſurd, ſo gar keine Leute hat, und alles ſelbſt thun will. Cominæus er-
zehlet vom Carolo Audace, daß er wohl Conſiliarios gehabt, die aber
nichts duͤrffen ſagen, ſondern er habe alles nach ſeinem Sinn gethan,
wodurch er ſich verhaßt gemacht, daß man auch ſaget, er ſey von ſeinen
eigenen Leuten in der battaille wider die Schweitzer maſſacriret worden,
vid. Olivier de la Marche in ſeinen Memoires. Er hatte ſonſt treffliche
qualitaͤten, nur war ſein Fehler, daß er ſelbſt Miniſtre, und alles allein
ſeyn wollen. Es iſt ohnmoͤglich, daß einer alles thun kan, wenn er auch
gleich ſonſt capable iſt. Viele meynen, es muͤſſe einer viele Bedienten
haben. Nun iſt es wohl wahr: Denn unus non ſufficit, aber gar zu
viel iſt auch nichts. Denn anima omnium negotiorum iſt ſilentium.
Glaubeſt du, daß, wenn viele zu geheimen affairen genommen werden,
ſolches wird verſchwiegen bleiben? Der eine vertrauet es ſeiner Frau,
der andere hat einen guten Freund, dem er es offenbahret, da wird es
inſiblement bekannt. Was man deliberiret im Conſeil, darff niemand
wiſſen, wir deliberiren meiſt wider diejenigen, die uns Schaden thun
wollen, wiſſen es nun dieſelbigen, ſo koͤnnen ſie ſich darwider præpariren.
Daher iſt gut, wenn man ein geheimes Conſeil hat, in welchen die ge-
heimen Sachen tractiret werden, wo hinein man nur wenige nehmen
muß, damit nicht ſo leicht corruptiones mit unterlauffen koͤnnen. Wo
viele ſind, koͤnnen leicht malverſationes entſtehen, und wenn man einen
abſetzet, ſo gehet derſelbe nachgehends hin, und offenbahret alles dasje-
nige, was man nicht gerne einem andern weiß machen will. Daher
muß ein moderamen gehalten werden. An vielen Ort hat man es auch
Franckreich abgelernet, daß man ein Cabinet und einen groſſen Nath
hat. Wenn es Sachen von importance, ſonderlich geheime Staats-
Sachen, die werden im geheimen Rath tractiret. Obgleich in Engeland
ein Ober- und Unter-Parlament, ſo hat doch der Koͤnig a part ſeine Con-
ſiliarios intimos, mit denen er die heimlichen Sachen tractiret, ſonderlich
was expeditiones betrifft, die haben die Engelaͤnder dem Koͤnige uͤberlaſ-
ſen. Hergegen auf unſern Reichs-Tag kan nichts geheimes tractiret
werden, und wird alles bekannt, was deliberiret wird. Es entſtehet
aber die Frage, ob man ſolle einen Premier-Miniſtre haben? Reſpond.
Wenn man in der perfection redet, ſo ſoll ein Herr ſelbſt Premier-Mini-
ſtre
[240]Cap. V. De prudentia
ſtre ſeyn, der aus demjenigen, was er von ſeinen Miniſtris oder Magi-
ſtrats-Perſonen gehoͤret, kan etwas erwehlen. So hat es der Koͤnig in
Franckreich, Louis XIV. gemacht. In ſeiner Hiſtorie Metalique findet
man einen nummum, worauf der Koͤnig vorgeſtellet wird, quod ipſe eli-
gat. Die Deviſe iſt: Miniſter Franciæ. Aber ſie ſind nicht alle ſo wie
Louis XIV. Er hat keinen geheimen Nath verſaͤumet, und wenn er
kranck geweſen, hat er ſie laſſen vor das Bette kommen. Die Ord-
nung, ſo er gemacht, iſt admirable geweſen; Haͤtte er den letzten Krieg
nicht angefangen, und ſich die Spaniſche Monarchie nicht in den Kopff
geſetzet, ſondern waͤre bey der partage geblieben, ſo wuͤrde er einer von
denen groͤßten Koͤnigen in der Welt geweſen ſeyn; ob er ſonſt gleich noch
unterſchiedene Fehler gehabt. Er iſt geſchickt gnug geweſen, daß er gar
wohl Miniſter ſui regni koͤnnen genennet werden. Mazarin, wie er ſter-
ben wollen, hat er noch geſagt, er ſolle keinen Premier-Miniſtre annehmen,
auſſer in Financen ſolle er einen nehmen, der ihm referire. Deßwegen
hat er auch den Colbert angenommen, welchem er den Titel als Premier-
Miniſtre gegeben, in der That aber hat der Koͤnig alles gethan. So
war auch Henricus IV. Niemand hoͤren, und alles hoͤren, iſt beydes
abſurd. Bisweilen aber iſt ein Premier-Miniſtre nothwendig, obgleich
keiner dencken muß, daß es eben was ſonderliches, ein Premier-Miniſtre
zu ſeyn, ſo wenig, als ich Groß-Vezier ſeyn moͤchte, wenn ich es gleich
werden koͤnnte. Solche Leute fallen meiſt uͤbern Hauffen. Ein Herr
muß einen Miniſtre offt haben, der ihn kan vertreten, cum autoritate,
da er ſelbſt nicht regieren kan. Die ſelbſt regieren koͤnnen, brauchen
keinen Premier-Miniſtre. Die Melancholico-Sanguinei, und Sanguineo-
Melancholici ſind eben ſolche, die nicht regieren koͤnnen. So war Louis
XIII. beſchaffen, der muſte einen Premier-Miniſtre haben, wenn er waͤre
in denen Haͤnden des Luynes geblieben, ſo wuͤrde er ohnfehlbar ſeyn
ruiniret worden, oder wenigſtens keine ſo groſſe figure mehr gemacht ha-
ben. Die Luynes ſind mit ihm auferzogen worden, haben ihm aller-
hand plaiſirs gemacht, mit Lerchen gefangen, wodurch ſie ſich recommen-
diret, daß ſie ſeine Miniſtres worden, ja der eine iſt gar Connetable von
Franckreich worden. Baſſompierre erzehlet, ſie waͤren anfangs ſo arm
geweſen, daß ſie nur ein Kleid gehabt, und wenn einer bey Hoſ gegangen,
haͤtte der andere indeß muͤſſen zu Hauſe bleiben, hernach ſind ſie ſo reich
geworden. Er fiel in die Hand des Richelieu, das war ſein Gluͤck die-
ſes war ein Mann, welcher konnte ein Koͤnig ſeyn, das kan man aus
ſeinem Teſt. Polit. ſehen, welches er nicht ſelber gemacht, es ſind aber
Collectanea, ſo man unter ſeinen Papieren geſunden, dieſes Buch ſoll
ein
[241]ſtatus circa Magiſtros \& Magiſtratus inferiores.
ein jeder leſen, weil viel herrliche Dinge darinnen enthalten ſind. Riche-
lieu hat auch ſtudia gehabt, und ein Buch geſchrieben, worinnen er den
Cardinal Perron defendiret. Er hat ein Geſicht gehabt wie ein Fuͤchs-
gen. Einmahl war Richelieu kranck, und verdrießlich, zu wel-
cher Zeit eben der Cardinal la Vellette, und der Hertzog Bernhard die
Armée commandirten. Vallette ſchriebe an den Koͤnig, (welchen Brief
man in denen Memoires de Richelieu, darinnen lauter Staats-Briefe
ſind, findet,) die Armée waͤre ſo und ſo poſtiret, ob er ſchlagen ſollte?
Der Koͤnig ſchrieb ihm zuruͤcke, Monſ. mon Couſin, wenn ihr meynet,
daß ihr ſchlagen koͤnnet, ſo ſchlaget. Dergleichen Antwort haͤtte auch
ein Bauer geben koͤnnen. Woraus man ſehen kan, daß Louis XIII. kei-
nen Verſtand gehabt. Er war ein rechter Sclav von ſeinem Premier-
Miniſtre. Alles was in der Chambre war, war in Dienſten des Riche-
lieu, das kan man auch daraus ſehen: Dem Sieur de Pontis hatte
der Koͤnig verſprochen, ſo bald eine Charge aufgieng, ſollte er ſie ha-
ben; wie nun eine Charge aufgieng, meldete er ſich beym Koͤni-
ge, der verſprach ihm auch dazu zu verhelffen, da er aber aus dem
Cabinet kam, ſagte er: ich habe gemeynet, ihm zu helffen, aber die ſuf-
fragia ſind ungleich ausgefallen. Dieſes hat der Nitter Pontis ad De-
decus Louis XIII. in ſeinen Memoire aufgezeichnet. Denn wenn ich ein
Koͤnig bin, ſo koͤnnen ja die ſuffragia nicht anders ausfallen, als ich will.
Wenn er ſich an den Richelieu addreſſiret, wuͤrde er eher reuſſiret ha-
ben, welches er nachgehends gethan, und iſt er avancirt. Die adjutores
magnorum operum, vicarii reges lauffen auch offt Gefahr, ſonderlich bey
ſolchen Herren, die Melancholico-Sanguinei, oder Sanguineo-Melancho-
lici. So ein Herr, der einen Premier-Miniſtre hat, wirfft alle Gnade
auf einmahl auf ihn. Und wenn auch der Premier-Miniſtre es ſo ein-
richtet, daß er ſich nicht zu viel heraus nimmt, ſondern machet, daß man
immer die Marionette noch ſiehet, ſo darff nur einer einmahl kommen,
und ſagen: ſie ſind nicht Koͤnig, ſo wird er jaloux, und wirfft ihn uͤber
den Hauffen. Wenn der Richelieu nicht geſtorben, wuͤrde er ohn-
fehlbar noch gefallen ſeyn: denn der Koͤnig hat ihn ſchon einmahl
wollen ſtuͤrtzen, weil man ihn weiß gemacht, Richelieu ſey ſehr reich, weß-
wegen der Koͤnig ſehr jaloux worden. Richelieu wurde kranck, und da
ihn der Koͤnig beſuchte, ſo ſagte Richelieu: Er wuͤſte wohl, daß dem Koͤ-
nig viel weiß gemachet worden, von ſeinem Reichthum, damit er aber
ſaͤhe, daß ihn nichts daran gelegen, ſo wollte er ihm hiermit alle ſein
Vermoͤgen ſchencken, ließ auch alle Juwelen hohlen, und gab ſie dem
Koͤnig. Richelieu recuperirte ſeine Geſundheit, und der Koͤnig wurde
H hda-
[242]Cap. V. De prudentia
dadurch befriediget: Denn er war geitzig. Weil er gute Miniſtres gehabt, ſo
iſt ſein Reich geſtiegen. Wie es mit eines Premier-Miniſtres Gnade beſchaf-
fen, davon kan man des Anton. Mar. Gratiani Caſus Virorum illuſtrium leſen,
welche der Flechier, Abt von Niſmes, edirt. Wenn man conſideriret, was
Henricus VIII. in Engeland vor Gnade auf den Cardinal Wolſey geworffen,
ſo war ſein Pallaſt Koͤniglich, und alles, was er nur hatte, war Koͤniglich, der
Koͤnig ſchrieb indeß wider den Luther. Denn das thun die Miniſtres, daß ſie
den Herrn ſuchen zu amuſiren mit allerhand wunderlichen Dingen. Da
der Koͤnig wider den Luther de VII. Sacramentis geſchrieben, und ſich da-
durch bey dem Pabſt den Titul: Defenſor Fidei zu wege gebracht, ſo re-
gierte indeß der Wolſey, Luther aber machte ihn ſchrecklich herunter, und
nennete ihn nur den naͤrriſchen Heinrich in Engeland. Es iſt eine re-
lation von Spanien heraus, da zwey Frantzoͤſiſche Herren nach Spa-
nien gereiſet, darinnen wird auch von Philippo IV. erzehlet, er habe wie
ein Oracle geredet, pour le reſte aber habe der Koͤnig nicht regieret, ſon-
dern der Comte d’Olivarez waͤre Koͤnig geweſen, der hat den Koͤnig amu-
ſiret mit Comoͤdien und mit Huren, da er immer eine neue Maitreſſe, nach
der andern gebracht. Wenn aber der Herr einmahl aufgeweckt wird,
ſo geſchiehet es eben, daß es ſelten mit einem ſolchen Miniſtre gut ablaufft.
Der Comte d’Olivarez fiel auch herunter, und ſtarb hernach aus Melan-
cholie. Wenn ſie ja nicht oͤffentlich ſterben muͤſſen, ſo ſterben ſie doch
mehrentheils entweder im Gefaͤngniß, oder aus Melancholie: Denn ſie
haben mit denen miſerableſten Herren zu thun, welche wie Weiber ſind.
Bey dem Henrico VIII. in Engeland iſt kein einiger Miniſtre in grace
geſtorben, und wenn der Norfolck, der in beſondern Gnaden bey ihm
geſtanden, noch zwey Tage laͤnger gelebet haͤtte, wuͤrde er ohnfehlbar
auch gefallen ſeyn, vid. Burnet in ſeiner Hiſtoria Reformationis Angliæ,
it. Petri Puteani Hiſt. des Favoris. Bey einem Premier-Miniſtre iſt die-
ſes incommodum, daß die andern Miniſtres alle jaloux werden. Erſt
war er ihres gleichen, und nun iſt er Vice-Koͤnig, alle muͤſſen ihre cour
machen, damit werden ſie jaloux, und wollen ihn herunter werffen; der
Premier-Miniſtre aber will ſich mainteniren, alsdenn entſtehen viele caſus
tragici, und hoͤret man faſt alle vier Wochen von einem. In ſo einem Reich,
wo Premier-Miniſtres, ſind lauter troublen und doch iſt es ein neceſſarium ma-
lum, wenn der Herr nicht regieren kan. Man betrachte nur die Zeiten Louis
XIII. was ſind da nicht vor troublen entſtanden, da hergegen dergleichen un-
ter dem Louis XIV. nicht geſchehen, weil er ſelbſt regieret. Wenn nicht etwa
manchmahl etwas durch die Maitreſſen zu wege gebracht worden. We-
he dem Land, wo Frauen mit regieren. Wenn der Hertzog von Anjou
Don
[243]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores
Don Philipp lange wird Koͤnig in Spanien bleiben, ſo wird ſeine Ge-
mahlin noch vielen Lerm machen. Die Weiber ſind præcipites, rach-
gierig; So bald eine Frau mit befragt wird, paſſiren caſus, tragici ſup-
plicia. Wenn ſie boͤſe werden, vergeſſen ſie es nicht leicht wieder, und
indem ſie es nicht vergeſſen, ſo ſind ſie grauſam, ruhen auch nicht eher,
bis er todt. Tiberius hat deßwegen ſeine Mutter, die Liviam, eine ge-
ſcheuete Frau, nicht wollen mit regieren laſſen, ſondern ſagte ihr, ſie moͤch-
te ſich vom Regiment entfernen.
§. 13. Ein Herr kan nicht beſſer ſeine Leute kennen lernen, als
wenn er ſie nicht per ſaltum ſondern per gradus promoviret. De Callie-
res in ſeinem Tractat de la fortune de Gens de Cour meynet: Wenn
man ſein Gluͤcke machen wollte, muͤſſe man es in einer Monarchie thun,
weil man da geſchwind koͤnne in die Hoͤhe kommen; da man hergegen
in einer libera republica per gradus gehen muͤſte. Aber das letzte iſt beſſer.
Keiner hat es mehr obſerviret, als Henricus VII. welches Verulamius in
Vita Henricii VII. bemercket. Dieſer hat alle per gradus promoviret,
welches daher kam, weil er niemanden trauete, er hat auch keinen Pre-
mier-Miniſtre gehalten, ſondern vor ſich regieret. Carolus IV. hat dieſes
auch geſehen. Er kam einsmahls in ein Cloſter, welches vor dieſen mi-
ſerable ausgeſehen, der Probſt aber daſelbſt hatte es in einen vortreffli-
chen Zuſtand gebracht. Zu dieſen hat Carolus IV. geſagt: Du haſt ein
kleines Cloſter gehabt, und ſolches in Aufnahme gebracht, weil das ge-
ſchehen in kleinen, ſo kanſt du es auch in groſſen thun. Er machte ihn
zu ſeinen Cammer-Nath, wodurch er auch vortrefflich reuſſiret. Wenn
ein Herr die Leute per gradus promovirt, ſo kan er ſehen, wie ſie zu dieſem
oder jenem geſchickt. Die Leute werden auch nicht ſtoltz: Denn wenn ſie
immer noch einen grad vor ſich haben, ſo bleiben ſie in der Demuth, wird
aber einer auf einmahl erhoben, ſo wird er ſtoltz, und denckt, es ſey nie-
mand in der Welt, der ſolche meriten habe, als er; Es iſt auch ein ſol-
cher Kerl dem Land ſchaͤdlich, denn er hat keine Erfahrung. Alles Un-
gluͤck iſt unter Jacobo I. von ſeiner albern affection, herkommen; da her-
gegen ſein Anteceſſor, Henricus VII. ſich gantz anders aufgefuͤhret. Am
beſten iſts, wenn man Staats-Leute laͤßt aufwachſen; doch kan man
nicht gantz junge Leute dazu nehmen: denn ſie ſchwatzen alles aus. Die-
ſes aber iſt gut, daß man die Leute geſchwind in geheime Cantzeleyen
bringet, damit ſie lernen ſchreiben, und ſich angewoͤhnen zu ſitzen. Ob-
gleich in Franckreich die Aemter verkaufft werden, ſo ſiehet man doch
auch darauf, daß derer Staats-Secretarien Kinder gleich wieder zu ſol-
chen Dingen angehalten werden. Henricus VIII. hat ſo ein Contuber-
H h 2nium
[244]Cap. V. De prudentia
nium wollen anrichten laſſen, worinnen Leute zu dieſen oder jenen nego-
tiis ſollten geſchickt gemacht werden; aber es iſt nicht zu Stande kom-
men. Dieſes mag der Autor bey jemanden geleſen haben, und hat da-
her die Art excerpiret. Voͤllige Nachricht aber davon, kan man finden
bey dem Herbert, Grafen von Cherbury, in ſeinem Leben Henrici VIII.
Er hat gleich nach dem Tode Henrici VIII. unter der Koͤnigin Eliſabeth
geſchrieben. Der Larrey und Rapin Thoynas erzehlen auch dieſes con-
ſilium.
Wahl der Be-
dienten durchs
Loos zu hal-
ten.
§. 14. Es iſt was wunderliches, wenn man auf diejenigen, wel-
che eine charge obtiniren, eine jalouſie wirfft. Aber es iſt hier eben ſo,
wie mit denenjenigen, ſo ihren Rivalen Tod-feind. Dicis: Er meritirt
die charge nicht. Reſpond. 1) Iſt dubieux, ob er dieſelbe meritire, und
2) Wenn er ſie auch nicht meritirte, ſo ſind doch wenige Leute ſo ſage,
daß ſie nicht ſollten alles annehmen. Hobbes de Cive ſagt: appetunt
multa. Male ſecundum Accurſium! Aber es iſt nun ſo, drum ſagte der
Autor: Ne collidantur aulici magiſtratus inter ſe, waͤre am beſten, wenn
man annaͤhme, was die Roͤmer gehabt. Non nominat Romanos, aber
man ſiehet doch, daß er ſolche in mente hat. Die Roͤmer haben can-
didatos habiles ad hoc munus gewehlet, und dieſe haben ſie hernach laſ-
ſen looſen. Drum findet man immer bey denen Roͤmiſchen Scribenten
die Redens-Art: provinciam ſortitus eſt. Sic ceſſat invidia. Der Kay-
ſer Sigismundus hat eben dergleichen gethan, dieſer hatte zwey Mignons,
welchen er zwey Beutel vorſetzte, in einem war Gold, in dem andern
war Bley, da muſten ſie auch wehlen. Zevecotius hat in ſeinen Notis
Polit. ad Florum uͤber das Wort, ſortitus eſt, artige remarquen gemacht.
Die groſſen Herren ſind nicht gluͤcklich, wenn ihre Miniſtres auf einan-
der jaloux ſind; Sie verfolgen einander, und ſehen gerne, wenn einer
Schaden thut, damit der Herr auf denſelben boͤſe wird. Es iſt, wie
in einer Haußhaltung, wenn das Geſinde auf einander boͤſe wird, ſo
haben ſie gerne, wenn einer Ungluͤck anrichtet, helffen wohl auch dazu.
Ein princeps aber muß alle occafiones vermeiden, ne invidia creſcat.
Wenn man Staͤdte anſiehet, wo viel Leute ſind, ſo nach avantagen trach-
ten, da muß man ſich wundern, was vor calumniæ vorgehen. Man-
cher Orten, wenn einer will jaͤhrlich tauſend Thaler einzunehmen haben,
und bey jeden Dienſte hat er wenigſtens funffzig Feinde, die Feinde ſu-
chen alle Fehler groß zu machen, und das Gute ſupprimiren ſie. Wie
in der Roͤmiſchen Republique die principes auf kamen, ſo haben die ſor-
titiones aufgehoͤret. Dieſe haben geſagt: was ſoll ich es da lange auf
das Loos ankommen laſſen, es ſtehet bey mir, wem ich es geben will.
Allein
[245]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
Allein hier iſt die Frage nicht, was der princeps thun kan, und wird ihm
freylich niemand wehren, eine charge zu geben, wem er will, ſondern
es kommt darauf an, quid ſit prudens \& bono publico conveniat. Man
darff nicht dencken, bey Hofe ſey es nicht ſo ſchlimm, als anderwaͤrts.
Aeuſſerlich machen ſie freylich einander groſſe complimenten, aber wenn
ſie von einander ſind, und haben Gelegenheit zu ſchwatzen, ſo ſchwatzen
ſie eben wie die gemeinen Buͤrger.
§. 15. Kein Theologus, kein Philoſophus, und kein homo juſtusIngleichen
von Verkauf-
fung der Aem-
ter.
wird approbiren, daß man die Aemter verkaufft. Wenn es Guͤther,
die kan man wohl verpachten, davon ſequenti ſectione wird gehandelt
werden. Aber bey Aemtern gehet es nicht an. Vor dieſen iſt es auch
in auditum geweſen, aber die Frantzoſen haben es aufgebracht, und zwar
nicht eher, als unter Franciſco I. Granvella, ſo unter Henrico III. der
ein nepos Franciſci I. war gelebet, hat auch ſehr hierwieder peroriret, in
conſpectu totius Galliæ, welches man bey uns nicht wuͤrde ſo paſſiren
laſſen. Wenn man von Franciſco I. hoͤret, ſo iſt ſchon eine groſſe præ-
ſumtion, daß es was irregulaires. Franciſcus I. war in groſſer Noth,
wenn wir aber in hoͤchſten Noͤthen ſeyn, und wiſſen nicht, wo aus noch
ein, ſo fallen die natuͤrlichen Menſchen auf allerhand wunderliche Din-
ge, wie der ungerechte Haußhalter. Ein Loch macht man zu, und das
andere wieder auf. Die neceſſitas macht, daß wir excuſiret werden.
Weil aber eine Noth da und alſo eine exception gemacht wird, ſo darff
man aus der exception keine Regul machen, welches aber doch geſchehen
iſt. Henricus IV. hat den Fehler geſehen, und es einiger maſſen tem-
periret. Denn Franciſcus I. hat erlaubet, daß wenn einer einmahl ein
Amt gekaufft, er koͤnnte ſolches wieder verkauffen, und damit marchan-
diren. Daher hat Henricus IV. ein edict publiciret, worinnen er befoh-
len, daß, ob zwar die Verkauffung nicht gaͤntzlich ſollte abgeſchaffet wer-
den, ſo wollte er doch ein choix ſich vorbehalten haben, und diejenigen
wieder abſetzen, ſo ein Amt gekauffet, und nicht dazu tuͤchtig, doch ſoll
ihnen ihr Geld wieder gegeben; denn das waͤre nichts geweſen, wenn
er ſie wollen abſetzen, und doch das Geld behalten, ſagt man, weil ſie
nicht capable geweſen, haͤtten ſie die Bedienung nicht ſollen annehmen,
ſo iſt das nicht ſufficient. Die Menſchen dencken, ſie ſind apti, und
meynen, es wuͤrde ſich ſchon nach und nach geben. Die Teutſchen ſind
Affen vor denen Frantzoſen, und iſt es auch von denſelben nach Teutſch-
land kommen. Dicis: Was haben denn die Frantzoſen zu ihrer defen-
ſion? Reſpond. Sie ſagen: Wenn eine Stelle vacant iſt, ſo wuͤrden ei-
nige choiſirt, welche zu der charge capable, und dieſe koͤnnten darauf li-
H h 3citi-
[246]Cap. V. De prudentia
citiren. Alſo kaͤmen doch habile Leute zu denen chargen. Aber es kommt
doch manchmahl ein error mit unter. Denn pro habili wird gehalten,
der das meiſte Geld giebet. Merillius hat eine orarion gehalten, (welche
ſonſt ſehr rar geweſen, weßwegen ich ſolche in meine Gundling. eindru-
cken laſſen. Jetzo aber iſt ſie auch bey ſeinen operibus, ſo in Neapolis
gedruckt, zu finden,) worinnen er auch ſaget, weil die chargen verkaufft
wuͤrden, ſo geſchaͤhe es eben, daß die Leute nichts ſtudirten. Da kommts
bloß darauf an, ob einer Geld hat, das mag er nun rechtmaͤßig acqui-
riret haben, oder ſeine Vorfahren moͤgen es geſtohlen haben, darnach
fraget man nicht. Wer viel vor die charge giebt, wird auch ſehen, daß
er ſeinen Schaden beykommt, und wird alſo gleichſam ſalus populi ſub-
haſtiret. Die Menſchen ſollten freylich nicht ſo intereſſiret ſeyn, aber ſie
thun es doch, ſie fuͤhren ſich nicht als Wiedergebohrne auf; doch wollte
ich alles dieſes paſſiren laſſen, wenn man nur ein temperament hielte,
und nur ſolche chargen verkauffte, wo keine beſondere Geſchicklichkeit er-
fordert wuͤrde. e. g. Die charge eines Cammer-Herrn, und Cammer-
Junckers; aber da iſt Gefahr, daß ſolche Leute, die beſtaͤndig um den
Herrn ſind, weiter avanciren. Aber wenn man die Bedienungen in ju-
ſtiz-Sachen und Cameral-Sachen will verkauffen, die einen Verſtand
erfordern, das iſt nicht zu approbiren. Richelieu hat auch nichts von
dieſer Verkauffung gehalten, welches man aus ſeinem Teſt. Polit. ſehen
kan, und der Mazarini ebenfalls nicht, aber ſie haben es nicht wollen ab-
ſchaffen, weil man in Geld-Mangel ſich damit helffen kan. Groſſe
Herren brauchen es nicht, daß ſie die Aemter verkauffen, ſie duͤrffen ja
nichts geben, das Land muß ja alle Beſoldungen geben in Teutſchland,
ſo wohl als in Franckreich, die penſiones ſind nicht groß, aber das extra,
die Neben-Buͤchſen tragen viel ein. Es iſt gefaͤhrlich, wenn man die
chargen verkaufft in toga, aber noch ſchlimmer iſt es, wenn es geſchiehet
in militia. In Holland haben ſie es ſo groß gemacht, da die reichen
Kauffmanns-Soͤhne die groͤßteu chargen ſich angekaufft, welche doch
keinen todten Hund im Felde geſehen. Wenn die Hollaͤnder das Jahr
1672. aus ihren annalibus koͤnnen ausſtreichen, wuͤrde viel ſchimpffliches
weg ſeyn. Denn in dieſen Jahre iſt es eben geſchehen. Es haͤtte nicht
viel gefehlet, ſo haͤtten die Hollaͤnder muͤſſen fortgehen, und nach Ame-
rica wandern. Sie hatten ſchon die Schleuſſen aufgemacht, ſie hatten
ein project gemacht, keinen Krieg zu ſuͤhren, Geldern zu abandonniren,
und bey Utrecht einen Canal herzuziehen, der Canal aber war zu derſel-
ben Zeit noch nicht da, daher kamen ſie zu kurtz. In toga laſſen ſie doch
noch bey Einheimiſchen zu, daß ſie koͤnnen chargen kauffen. Im Krieg
aber
[247]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
aber gehet es gar nicht an; Da brauchet man experimentirte Leute.
Man wird auch finden, daß die vornehmſten Generals, als der VVallen-
ſtein, alle Capitains erſt geweſen. Es muß einer viel Campagnen ge-
than haben, wenn er eine groſſe charge verwalten will.
§. 16. Es iſt ſchon in anteced. gewieſen worden, daß ein HerrVon dem An-
ſehen derer
Bedienten.
ſeinen Magiſtrats-Perſonen muͤſſe autoritæt geben. Grotius ſagt de J.
B. \& P. ein Herr koͤnne keinen groͤſſern Fehler begehen, als wenn er ſei-
ne Magiſtrats-Perſonen nicht ehrete; denn wenn ſie der Herr nicht eh-
ret, ſo thut es auch der peuple nicht. Tiberins war ein Tyrann, deßwe-
gen aber darff man nicht dencken, daß er lauter boͤſes gethan, und hat
er auch geſagt: telum eſt attendum, daß ſie reſpectiret wuͤrden. Heiſſet
ſie der Herr kurtz und lang, ſo iſt kein reſpect da, und wenn die Leute
ſehen, daß der Herr ſie ſo iracunde tractiret, ſo lauffen ſie wegen Klei-
nigkeiten an demſelben, er muß vielmehr mit ſeinen Bedienten glimpff-
lich umgehen. Conſtantinus M. nennete ſie Patricios, patres, die ihm gu-
ten Rath gegeben. Hertius in Tom. II. pag. 187. obſerviret, daß dieſes
ſehr gut, wenn ein Herr Inſpectores ſetzte, welche auf die Magiſtratus
muͤſſen acht geben. Carolus M. hat ſeine Miſſos gehabt, ſo magnæ au-
toritatis viri geweſen, die haben durch alle Provinzen muͤſſen hingehen,
und ſehen, wie ſich die Magiſtratus verhalten. In denen Capitularibus
Caroli M. lieſet man, daß die Biſchoͤffe die Aufſicht uͤber die Comites
gehabt, damit dieſelben das Volck recht gerichtet. Ein Magiſtratus muß
autoritaͤt haben, doch muß man auch nicht zulaſſen, daß er das Volck
vexire. Will der Herr ja einen Bedienten ſtraffen, ſo kan er ihn erſt
degradiren, und den Character nehmen. So machen es die Geiſtlichen,
wenn einer was peccirt, degradiren ſie ihn erſt, ziehen ihm das geiſtliche
Kleid aus, und uͤbergeben ihn alsdenn denen weltlichen Gerichten. Ma-
chet man es ſo, ſo behaͤlt doch der andere, der das Amt bekommt ſeine
autoritaͤt. Perez in ſeinem Jure publico hat artige raiſonnements hievon.
So genau kan es freylich nicht zugehen, daß nicht bisweilen ſollte eine
Magiſtrats-Perſon fallen, aber man muß es doch ſo nicht einrichten, ut
ex libidine puniantur, ſondern, daß es nur geſchehe boni publici cauſa.
Einige unter denen politicis ſcriptoribus haben gar gezweiffelt, an Magi-
ſtratus ſit puniendus, und ſagen, man ſolle ſie vielmehr nur auf die Sei-
te ſchaffen, ne tam triſtis imago ante oculos populi verſetur. Nun iſt
wohl nicht moͤglich, daß gar kein Magiſtratus koͤnne geſtrafft werden,
und wenn der Fuͤrſt ſiehet, daß der peuple nicht anders koͤnne beſaͤnffti-
get werden, als wenn er oͤffentlich geſtrafft wird, ſo kan er es thun, ſon-
ſten
[248]Cap. V. De prudentia
ſten aber iſt es beſſer, wenn er ſie kan ſub ſpecie honoris auf die Seite
ſchaffen, alsdenn wird kein ſcandalum gegeben.
Freyheit ihr
ſentiment auf-
richtig zu ſa-
gen.
§. 17. Weil der Herr nicht alleine regieren kan, und nicht allei-
ne regieren will, ſo muß man hier auch conſideriren, was in Anſehung
der Sentenz zu obſerviren. Was hilfft ein Conſeiller, der nicht kan ſa-
gen, niſi cum magno periculo, quid ſibi videatur, vel ſi immineas pro-
ſcriptio, wenn er wuͤrde die Wahrheit ſagen. Faſt an allen Hoͤfen iſt
nichts als flatterie, ſtulta adulatio, und accommodiret man ſich nach des
Herrn ſeinen paſſionibus und inclinationibus, da man vielmehr ſolche
ſollte ſuchen zu ſupprimiren. Alſo iſt gewiß derjenige Herr hoch zu æſti-
miren, welcher leiden kan, daß man ihn nicht allein contradiciret, ſon-
dern auch ſeine intention cenſiret. Dergleichen exempla ſind freylich
rar, doch haben die Hiſtorici ſolche nicht vergeſſen, ſondern cum magna
laude ad poſteros propagiret. Dahin gehoͤret nun Ludovicus XII. in
Franckreich, und in gewiſſer Maſſe Carolus IX. Ludovicus XII. konnte
gar wohl leiden, daß dasjenige refutiret wuͤrde, was er geſagt, er konnte
auch leiden, daß einer remonſtrirte, abſurdi non nihil fuiſſe propoſitum
a Rege. Einen ſolchen gelaſſenen Herrn wird man nicht leicht finden,
und meritirt es, ſeine Hiſtorie zu beſchreiben, weil man viel gutes bey
ihm findet. Man kan daraus ſehen, daß er ein groſſer Koͤnig geweſen,
weil gantz Europa ſich wider ihn verbunden. Carolus IX. welcher ſonſt
ein boͤſer Herr geweſen, der ſein Gedaͤchtnis durch die grauſame maſſacre
de St. Barthelmy beflecket, welches auch Caſtelno in vita Caroli IX. me-
dia in Gallia nicht disſimuliret, hat doch dieſes gute an ſich gehabt, daß
er ſich oͤffentlich ſatyriſiren laſſen. Der Poët Ranſard hat ein Carmen
geſchrieben, worinnen er den Koͤnig ſatyriſiret, daß er ſeine domainen ſo
liederlich alieniret, und wuͤrde er zuletzt noch muͤſſen betteln gehen. Das
Carmen kan man unter des Ronſard uͤbrigen carminibus finden, welche
man in folio zuſammen gedruckt. Damahls iſt freylich die Poëſie noch
nicht ſo hoch geweſen, als jetzo, man findet doch aber einen maſculum
ſtilum. Jedermann hat ſich gewundert, daß es der Ronſard ſo hazardi-
ret, und daß es der Koͤnig mit ſolcher Gedult ertragen. Unter andern
hat auch der Ronſard ein Carmen gemacht, darinnen er den Koͤnig
durchgezogen, daß er untuͤchtige Leute nicht nur zu weltlichen chargen,
ſondern auch zu Geiſtlichen benennet, woraus er denn endlich ſoviel ge-
ſchloſſen, daß, wenn einer unter Carolo IX. avanciren wollte, wuͤrde
nichts mehr erfordert, als daß einer ein ignorant waͤre. Als die Koͤni-
gin Eliſabeth regieret, ſo ward der Melville, ein Schottlaͤnder, von der
Koͤnigin Mariaͤ in Schottland an die Eliſabeth geſchicket. Dieſer
ſtund
[249]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
ſtund bey der Eliſabeth in groſſen Anſehen, denn es war ein bel Eſprit,
ſeine memoires, die er Engliſch geſchrieben, ſo man auch ins Frantzoͤſi-
ſche uͤberſetzet, ſind wohl zu gebrauchen. Die Eliſabeth hat ihn viel-
faͤltig in ihr Zimmer kommen laſſen, und mit ihm diſcouriret, weil ſie
nun geſehen, daß es ein geſcheuter Kerl, ſo hat ſie geſagt, ſie wiſſe, daß
ſie viel Fehler an ſich habe, und nicht allezeit das erwehle, was recht,
er ſollte ihr Hof-Meiſter ſeyn, und ſie corrigiren, was ſie nicht recht
thaͤte, welches ſie, als eine groſſe Wohlthat anſehen wollte. Aber Mel-
ville ſagte, er bedancke ſich davor, und wollte die charge nicht anneh-
men, ob es gleich eine groſſe charge. Sie wuͤrde auch alles wohl pene-
triret haben, was er geſagt haͤtte, denn ſie war gelehrt, verſtund auch
die artes regnandi. Aber ſie hatte viel Eitelkeit an ſich; wenn ſie einer
touchiret hatte, und etwas von ihr geredet, ſo hat ſie denſelben verfolget,
welches man daraus ſehen kan: Als einsmahls ein Frantzoß von extra-
ction mit einem Ambaſſadeur hinuͤber kommen, und derſelbige was præ-
judicirliches von ihr geſprochen, ſo hat ſie ſich gleich erkundiget, was er
geweſen, und hat der Frantzoß nicht allein fort gemuſt, ſondern auch der
Ambaſſadeur, und hat der Koͤnig in Franckreich einen andern ſchicken
muͤſſen, daß der Melville ſolches abgeſchlagen, iſt er nicht zu verdencken.
Ich weiß, daß ein groſſer Herr einen befohlen hat, ſeinen Hof und ſeine
Fehler ſelbſt zu beſchreiben, und wie er es gethan, hat er hernach muͤſſen
unter des Henckers Hand ſterben. Luther hat eine artige paſſage in
ſeinen Tiſch-Reden, der ſagt: die Juriſten wollten immer ſacerdotes
juſtitiæ ſeyn, alſo ſollten ſie ſich auch ſo auffuͤhren, und wie ein Predi-
ger kein Blat vors Maul naͤhme/ ſollten ſie es auch thun. Daher,
wenn der Herr was unrechtes thaͤte, ſollten ſie ſagen: hoc eſt peccatum,
veſtra celſitudo hoc omittat, wollte der Herr nicht ablaſſen, ſollten ſie
abdancken. Ja, wenn wir legionen Engel bey uns haͤtten, daß wir uns
helffen koͤnnten, ſo waͤre es gantz gut, aber vor die Juriſten iſt es nicht.
Es findet ſich nicht, daß Juriſten ſolche courage haben, wie Luther.
Bisweilen waͤre es gut, wenn es geſchaͤhe, aber es iſt ſchlimm, daß,
wenn man ſaget, man wolle abdancken, ſo wird man ins Gefaͤngniß
geſetzet. Was kluge Fuͤrſten ſind, die ſehen, daß man ſie nur flattire
nach ihren paſſionibus, und daß ſie das Zehnde nicht erfahren. Nie-
mand weiß weniger die Wahrheit als groſſe Herren. Daher fallen
diejenigen, ſo von Natur geſcheuet ſind auf andere Dinge, ſie nehmen
ſich bouffons an: denn die bouffons ſind nicht eben zum plaiſſir, das
kommt accidentaliter; Manche Herren, die immer in otio leben, ſuchen
ſich freylich durch ſolche die Zeit zu vertreiben, aber kluge Herren haben
I iſie
[250]Cap. V. De prudentia
ſie dazu, ut reſciſcant veritatem, denn ſagt man im Spruͤchwort: Kin-
der und Narren reden die Wahrheit. Gratian in ſeinem Critico ſagt,
groſſe Herren haͤtten keine beſſern Conſeillers, als Pasquille und Narren.
Man muß bey Paſquillen nicht alles glauben, denn die Hiſtoire ſcanda-
leuſe bringet viel falſches bey, aber es iſt auch viel wahres drunter.
Der Pabſt, ob er gleich ein ſchlauer Kerl iſt, ſo hat er doch die ſtatuam
Paſquini nicht abgeſchafft, weil er dadurch vieles kan erhalten. Nur
muß man die Cautel beobachten, daß man nicht gleich alles glaubet.
Koͤnnten groſſe Herren die Wahrheit ſo erfahren, ſo brauchte man kei-
ne ſtatuam Paſquini, und auch keine bouffons, da aber dieſes nicht iſt, ſo
muß man freylich die media extraordinaria erwehlen.
keit der char-
gen.
§. 18. Wenn man mit Verſtand will hievon urtheilen, ſo muß
man die formas rerum publicarum diſtinguiren. Daher kommt es eben,
daß die Scriptores politici diverſas opiniones haben, und nicht allemahl
mit behoͤrigem judicio von dieſer Frage geurtheilet. In polyarchicis re-
bus publicis iſt nicht convenable, daß die Magiſtratus perpetui ſuperbire
enim incipiunt, wenn die poteſtas diuturna. Man muß ſie da laſſen ab-
wechſeln, damit ſie ſich nicht koͤnnen fortificiren, und allerhand Kuͤnſte
ausdencken, wie ſie ſich koͤnnen bereichern illicitis modis. Man hat ge-
ſehen, daß, wenn auch die Magiſtrats-Perſonen nur ihr Amt lange ge-
habt, nicht eben in perpetuum, ſo haben ſie ſich ſchon geſucht ſouverain
zu machen. Suetonius erzehlet, daß, da man den Julium Cæſarem ſo
lange in Gallia gelaſſen, habe er ſich aggrandiret, ſey mit einer Armee
nach Italien kommen, habe den Roͤmern Geſetze vorgeſchrieben, und die
libertatem aufgehoben. Einige chargen aber koͤnnen nicht abwechſeln.
e. g. Wenn einer Secretaire iſt, oder in Venedig Procuratar St. Marci,
das iſt der Kirchen-Pfleger, ſo uͤber das Kirchen-Weſen geſetzet iſt,
dieſe muͤſſen beſtaͤndig bleiben, weil dazu eine groſſe Erfahrung gehoͤret,
und andere nicht ſo gleich dazu geſchickt ſind. Conſideriret man nun
aber eine Monarchie, und fraget: Ob die Magiſtratus koͤnnen perpetui
ſeyn? So dienet zur Antwort, daß man groſſe Magiſtratus auch nicht
einen kan beſtaͤndig laſſen. Das iſt eben die Urſach, warum ſie getrach-
tet die chargen erblich zu machen, und ad poſteros zu transferiren. Wir
haben dieſes in unſerm Teutſchland erfahren. Es wuͤrde auch in Franck-
reich geſchehen ſeyn, wenn nicht Richelieu die Gouvernements theils cas-
ſiret, theils aber alterniren laſſen. Daher wird kein Vice-Roy in Nea-
polis, Mayland, Indien ꝛc. auf Lebens-Zeit gelaſſen. Es giebt aber
auch in der Monarchie gewiſſe munera, worzu eine groſſe Wiſſenſchafft
erfordert wird. e. g. Wenn einer Staats-Secretaire wird, ſolchen muß
man
[251]ſtatus circa Miniſtros \& Magiſtratus inferiores.
man dabey laſſen. Tiberius, ſo lange er gut regieret, hat auch geſagt:
ſemel aſſumtos in rependis imperiis eſſe retinendos. Er ſagt, wenn auch
ein ſolcher Kerl reich wuͤrde, ſchadete es doch nicht ſo viel, als wenn man
immer umwechſelte. Denn wenn einer wuͤſte, daß er nur auf eine Zeit-
lang ſollte da bleiben, ſo ſuchte er ſich in kurtzer Zeit mit groſſer Laſt
derer Unterthanen zu bereichern; die andern aber, welche beſtaͤndig da
waͤren, thaͤten es nur peu a peu. Daher wird auch in ſequentibus ge-
wieſen werden, daß es nicht gut, viele Leute bey der Cammer zu haben.
Wo viele Leute ſind, die Rechnung fuͤhren, da ſtiehlt ein jeder; die Gou-
verneurs, ſo nach America geſchickt werden, drucken die Leute ſehr, weil
ſie wiſſen, daß ſie die Poſten nicht lange behalten, Es iſt keine Quæ-
ſtion in der Politic, welche mehr ventiliret werden, als dieſe: an Magi-
ſtratus debeant eſſe perpetui? Man kan raiſons pro und contra beybrin-
gen. In contrarium bringet man ſonderlich bey, daß ſie ſtoltz wuͤrden,
und ſuchten ſich zu beraͤuchern. Aber bey denen andern ſind ebenfalls
incommoda. Cammer-Raͤthe muͤſſen freylich bleiben, aber bey der ju-
ſtiz kan man abwechſeln. Denn wenn alle die juſtiz-Sachen verſte-
hen, ſo koͤnnen ſie gar wohl alterniren. Die Landes-Geſetze ſind ja
vorgeſchrieben, nach welchen ſie ſich richten muͤſſen. Antonius Perez in
ſeinem jure publico hat artige obſervationes hievon. Hertius in ſeiner
Politic hat auch hievon gehandelt, und ſaget: In Ariſtocratia und Demo-
cratia ſey es leicht auszumachen, aber in der Monarchia kommt es auf
ein jugement an, und meynet er, daß eben dieſes muͤſſe obſerviret wer-
den, was in antecedenti gedacht worden. Es muß auch ein groſſer
Herr das Krieges-commando nicht einen beſtaͤndig geben. Daher iſt
leicht zu erachten, daß der Kayſer in groſſer Noth geweſen, als er den
VVallenſtein zuletzt wieder angenommen, und in die Beſtallung geſetzet,
daß er ſollte beſtaͤndiger General ſeyn, und nicht wieder abgeſetzet wer-
den. Der Kayſer ſollte keinen Frieden ſchlieſſen, und keinen Krieg an-
fangen, das gieng alles dahin aus, daß er Koͤnig in Boͤhmen werden
wollte, und wenn der Kaͤyſer nicht zuvor kommen waͤre, und den VVal-
lenſtein maſſacriren laſſen, wuͤrde er ohnfehlbar Koͤnig in Boͤhmen wor-
den ſeyn. Alſo ſiehet man, daß es abſurd, einem das commando in
perpetuum zu geben. Zum General kan man einen wohl machen, und ih-
me ein Regiment in perpetuum geben, aber nicht eine gantze Armee.
J i 2Sectio
[252]Cap. V. De prudentia
Sectio VII.
de
Prudentia ſtatus circa ærarium, tributa \&
vectigalia.
§. 1. 2. 3.
rario des
Staats und
deſſen Beſtel-
lung.
DIeſes iſt eine von denen ſchwerſten materien, welche man nicht
aus ſtudiren kan: denn tempora mutantur \& nos mutamur in il-
lis. Es giebt nicht mehr changements als in Cameral Sachen-
Wenn einer nun unter dem Friedrich VVilhelm der groͤſte financier ge-
weſen, und er wollte unter dem jetzigen Koͤnig in Preuſſen wieder eine
ſolche Stelle vertreten, ſo wuͤrde er von neuen lernen muͤſſen. In mei-
ner eigenen œconomie, welches etwas kleines, changire ich mich ja alle
Tage, und wenn ich ſehe, daß ich etwas kan beſſer haben, ſo laſſe ich
das alte fahren. Deßwegen wird mir auch kein Menſch eine Unbeſtaͤn-
digkeit attribuiren: denn in re familiari lernet man nicht aus. Den
Grotium, welchen ich ſonſt æſtimire, kan ich in dieſem Stuͤcke nicht
approbiren, wenn er ſagt, es ſey ein Anzeigen einer imprudentiæ, wenn
man ſich aͤndere. Es ſind ja tauſend circumſtantiæ da, welche Gelegen-
heit geben, bald dieſes, bald jenes zu entdecken. Da nun dieſes in eines
jeden œconomie ſich findet, wie vielmehr koͤnnen ſich nicht Aenderungen
in einem groſſen Reiche zu tragen. Wenn man Franckreich anſiehet,
und nur conſideriret, was vor Veraͤnderungen unter Ludovico XIV. vor-
gegangen, unus homo non ſufficit, ut omnes mutationes memoria com-
prehendere poſſit. Ich habe ſelbſt einen gantzen Folianten, welcher da-
von handelt. Ob wir nun gleich viel Buͤcher haben in Cameralibus, in-
dem auch viele Juriſten davon geſchrieben, ſo kan man deßwegen doch
nicht ſagen, daß die Sache exhauriret waͤre, ſondern alle Tage kan man
was neues entdecken. Man lernet ſeine eigene menage nicht aus, ge-
ſchweige bey groſſen Reichen, wie Holland, Franckreich, Engeland ꝛc.
ſind. Der Autor hat hier den Conring excerpiret, welcher einen Tractar
geſchrieben de ærario argendo \& conſervando in octavo. Die excerpta
ſind gut, wobey aber noch viele obſervationes zu machen ſind. * Ich
traue
[253]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
traue mir ein beſonderes Collegium, welches wohl ein gantzes Jahr waͤh-
ren ſollte von dieſer materie zu halten. Das principalſte kommt auf die
generalia an, welche allen Leuten fehlen, die groſſen Herren hierinnen
dienen, deßwegen geſchiehet es eben, daß ihre ſpeciale Bemuͤhungen nur
apparenter utiles, und wenn man es beym Licht beſiehet, ſo wird man
gewahr, daß der populus nicht conſerviret wird. Wer aber generalia
principia hat, und hernach die ſpecialia darnach einrichtet, da kan es nicht
anders ſeyn, als daß es muß gut hinaus ſchlagen. Wir wollen hier
conſideriren 1) Ob ein Fuͤrſt Geld haben muß? 2) Was man von
Unterthanen nehmen koͤnne? und 3) Wie es mit denen Unterthanen zu
machen, daß man alle 4-6. Jahr mehr nehmen koͤnne, und deßwegen
doch nicht ihnen das Bette unter dem Leibe wegnehmen darff, wenn man
eine Kopf-Steuer noͤthig hat. Alle Republiquen muͤſſen Geld haben,
denn wir ſind ja nicht alleine in der Welt. Ja, wenn wir eine Univer-
ſal-Monarchie haͤtten, ſo brauchten wir wohl Geld, aber nicht ſo viel als
jetzo. So aber haben wir Nachbarn, die aggrandiren ſich, machen ſich
maͤchtig, und ehe wirs uns verſehen, changiren wir unſern maitre, be-
kommen einen maitre, der uns nicht anſtehet. Wollen wir alſo uns
nicht von unſern Nachbarn verſchlingen laſſen, ſo wird potentia, Geld
erfordert. Wir muͤſſen Trouppen halten. Es iſt nichts ſo Geldfreſſend,
als eine Armee zu halten, ſonderlich, da heut zu Tage militia mercenaria.
Vordem brauchte man nicht viel, da muſten die Edelleute auf ihre Ko-
ſten aufſitzen, und wenn die Noth groß war, ſo muſten die Bauren mit
lauffen und ſchlagen. Zu der Zeit hat man mit einer ſolchen Armee
Schaden thun koͤnnen, denn man hatte keine artillerie, ſondern nur ge-
wiſſe inſtrumenta, womit man konnte Mauren einbrechen ꝛc. Da man
nun aber das Pulver hat, ſo iſt es gantz anders. Die milites merce-
narii thun auch heut zu Tage nichts, als daß ſie exercirt werden. Die
muß ein Herr alle ernehren, und ſind ſie hodie unentbehrlich propter vi-
cinos. Viele haben die Augen aufgeſperret, da der Koͤnig in Preuſſen
ſo eine groſſe Armee haͤlt, weil ſonſt nicht ſo viel gehalten worden. Al-
lein jetzo ſind groſſe Nachbarn da, welche vor dieſen nicht geweſen.
Moſcau iſt jetzo ſo maͤchtig, daß es noch manchen wird bange machen.
Einen Staat zu machen, koſtet auch dem Herrn Geld. Der Herr muß
J i 3ja
*
[254]Cap. V. De prudentia
ja auch leben. So viel ein Herr noͤthig hat, kan er wohl aus ſeinen do-
mainen nehmen; der Hertzog Ernſt von Gotha hat von ſeinem Wald-
revenüen ſeinen gantzen Hof erhalten, auch ſeine Printzen laſſen reiſen,
und wenn ja dem Herrn noch was ſollte noͤthig ſeyn, ſo wird der
peuple allezeit ſuchen dem Herrn unter die Arme zu greiffen. Dieſes
wird in keinem Koͤnigreich deſideriret werden. Nur die Pohlen geben
nicht gerne viel daruͤber. Was aber ein Koͤnig in Pohlen hat, davon
kan er ſchon leben. Er braucht niemand zu beſolden, als ſeine guarde,
die uͤbrigen Bedienten hat er alle umſonſt. Indeſſen hat er doch or-
dentlich etliche hundert tauſend Thaler revenüen, und wo der Koͤnig iſt,
bringen ſie ihm alles in die Kuͤche. Hergegen aber ſind noch viele char-
gen im Lande. Alles, was Bediente heiſſen, lebet ex publico. Es muß
auch alles in baulichen Weſen erhalten werden, das erfordert Geld.
Daher iſt kein geringes municipium, welches nicht revenüen hat, wo-
durch alles in gutem Stande erhalten wird. Ich bin auch in der per-
ſuaſion, daß man denen Rath-Haͤuſern ſoll etwas laſſen, aber Rech-
nung von ihnen fordern. Denn was iſt das vor eine ſchoͤne Stadt, wo
man in Koth faͤllt bis uͤber die Ohren? Die Leute wohnen nicht gerne
an einem ſolchen Orte. Alſo ſiehet man wohl, wie daß ohne Geld
nichts auszurichten. Das ſind Chimæren, wenn man meynet, man
brauche kein Geld. Erſt hat man freylich keines gehabt, und weiß man,
woher es entſtanden, welches ich in einer beſondern Diſſertation in Gundl.
demonſtriret, nunmehro aber iſt es impoſſible, ohne Geld zu ſeyn; au
contraire, wo kein Geld iſt, da giebt es eine affreuſe Geſtalt. Copius,
ein Engelaͤnder, hat in Engliſcher Sprache eine Probe vom Chriſtlichen
Glauben geſchrieben, worinnen er auch einen Diſcours von Gelde hat.
Roy in ſeinem Tractat l’ Exiſtence \& la Sageſſe de Dieu handelt auch hie-
von, und hat jenen excerpiret. Pecunia eſt nervus rerum gerendarum.
Diejenigen, welche meynen, man brauche kein Geld, gehoͤren nicht in die
Politic: denn das ſind abſtracte diſcourſe. Wer wird ſagen, daß die
Menſchen obligirt waͤren, in Wald zu lauffen, Wurtzeln zu eſſen, und
Waſſer zu trincken, daher ſiehet man, omnes artes ceſſarent, ſi aurum,
argentum ceſſaret. Man wird auch finden, daß diejenigen Voͤlcker,
welche kein Geld gehabt, in einem miſerablen Zuſtande geweſen. Ob-
gleich das Geld anfangs aus einem affect enſtanden, welcher nicht viel
taugt, ſo reden wir doch hier ex hypotheſi. Wir wiſſen auch, wie die
Suͤnde kommen, und doch ſind wir nicht ohne Suͤnde. Man muß ſich
drein ſchicken, damit man nicht gar zu Grunde gehet. Noch vielweni-
ger kan man ſine pecunia ſeyn, in Anſehung unſers Standes, wenn
wir
[255]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
wir denſelben conſideriren wollen. Ein Princeps aber muß nicht allein
darauf ſehen, daß ſeine Unterthanen ruhig leben, ſondern er muß ihnen
auch Geſetze vorſchreiben, de parſimonia, de re familiari, welches in jure
gewieſen wird. Viele meynen, es ſey abſurd, wenn der Herr hier wolle
einem Geſetze vorſchreiben, man muͤſſe einem jeden zulaſſen, zu thun, was
er wolle. Allein der Herr iſt nicht allein befugt darauf zu ſehen, daß du
behaͤlteſt, was du haſt, ſondern daß du auch daſſelbe vermehreſt. Quo
magis vero tua res familiaris augetur, eo ille potentior fit. Ein Fuͤrſt
muß nicht allein interius ſeine Republic beſſer anrichten, damit nicht al-
les pouvre ausſehe, ſondern auch im Stande ſeyn, ſie auswaͤrtig zu de-
fendiren, damit ein jeder kan ſein Hauß, Hof, und ſeine bona erhalten,
und nicht in Gefahr ſeyn darff, von andern in Sclaverey gebracht zu
werden. Man weiß nicht, was vor Faͤlle kommen koͤnnen. Wir ſe-
hen, daß civitates, welche ſonſt florentiſſimæ geweſen, in ſervitutem ſind
gebracht worden. Man ſiehet, was der Tuͤrcke vor ravagen gemacht.
Aber Quær. Was ſoll ein Princeps denen Unterthanen nehmen? Hier
muß man ebenfalls erſt principia generalia ſetzen, woraus man her-
nach ſehen kan, wie er es machen muß, ut conſerventur bona vel au-
geantur. Man darff nur das gemeine Spruͤchwort in acht nehmen:
boni paſtoris eſt tondere pecus, non deglubere. Darinnen ſtecket das
principium regulativum. Gleichwie die Wolle, wenn ſie denen Schaa-
fen gelaſſen wird, dieſelbe nur zu Boden druͤckt; alſo muß auch ein prin-
ceps ſeinen Unterthanen nur ſo viel nehmen, als ſie entbehren koͤnnen.
Er muß ihnen nur das abundans nehmen. Der iſt aber ein Thor, wel-
cher meynet, der princeps koͤnne ihnen omne jucundum nehmen, und nur
das neceſſarium laſſen. Die Menſchen ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie
ſich bloß mit dem neceſſario begnuͤgen laſſen; ſondern ein jeder liebet
auch jucunditatem, welche inclination man nicht ausrotten wird. Sind
die Menſchen ſine jucunditate, ſo werden ſie traurig, und ſterben. Alſo
ſiehet man, daß die jucunditas der menſchlichen Natur nicht zu wider,
ſondern vielmehr derſelben gemaͤß. Es hat ein jeder Menſch etwas, das
er liebet, daran er ſein plaiſir hat, und wodurch er aufgemuntert wird,
daß er ſeine Arbeit deſto hurtiger thut. Die neceſſaria machen zwar,
daß wir nicht ſterben, aber wir werden verdrießlich; Die Verdrießlich-
keit waͤchſet, das Wachsthum aber verurſachet bella, exitia \&c. Es
darff da nur einer kommen, und blaſen, ſo ſind die betraͤngten Unter-
thanen a la porte. Das abundans, nimmt man weg, wobey man es
freylich ſo einrichten muß, daß etwaͤs nachwaͤchſet. Hier kan man le-
ſen des Schrödters Fuͤrſtliche Schatz- und Renth-Cammer. Es iſt ein
gutes
[256]Cap. V. De prudentia
gutes Buch, welches zum Nutzen und Heyl des Volckes mit eingerich-
tet, denn das iſt keine Kunſt, mutationes zu machen, welche einen Schein
haben, ſondern man muß ſehen, ob revera ein Nutzen da. Das abun-
dans muß auch bequemlich weggenommen werden; Denn die Untertha-
nen ſind ſoupconnant, ſie haben viel boͤſe Fuͤrſten vor ſich geſehen, und
ſehen noch taͤglich viele. Daher, wenn man ſagt, man wolle das abun-
dans wegnehmen, ſo dubitiren ſie auch, ob es abundans. Der Doctor
Svifft, ein Engelaͤnder, hat in ſeinem Tractat le Comte du Tonneau, (wel-
ches in Engliſcher Sprache geſchrieben, aber ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzt,)
die Engelaͤnder beſchrieben, und ihre Fehler gewieſen, da er eine erſchreck-
liche idée von ihnen macht. Man darff nicht dencken, daß die Enge-
laͤnder allein ſo ſchlimm, wir finden es uͤberall eben ſo. Es giebt keiner
mehr was: Denn die Leute ſind nicht tugendhafft. Das hat Hobbe-
ſius in ſeinem Buch de Cive ſchon geſehen, worinnen er hat von Cam-
mer-Sachen, welche admirable ſind. Man kan bey allen paſſionen zei-
gen, das ſie nicht gerne was geben. Ein Ehrgeitziger verthut es lieber
mit Pomp, Pracht und Herrlichkeit. Ein Geitziger wird ohnedem nichts
geben, der ſchließt es lieber in Kaſten. Der Wolluͤſtige verthut es lie-
ber liederlich, verfrißt, verſaͤufft, verhuret es lieber, oder machet ſich da-
vor mit andern Perſonen luſtig. Sagt man, man wolle bey ihnen
abundans nehmen, ſo wird er eine Rechnung hermachen, daß er alles
brauchet, da muß er ſo viel Wein, ſo viel Taback, ſo viel Kleider ꝛc. ha-
ben, wenn er ein Kleid einmahl angehabt, ſo ſiehet es den andern Tag
ſchon aus, wie die Vialactea; Er iſt commod. Deßwegen man in al-
len civitatibus auf Mittel bedacht, wie man es bequem wegnehmen koͤn-
ne, daß ſie es nicht mercken. Die Hollaͤnder haben ſonſt ſolche inven-
tiones gerne angehoͤret, und wenn einer was kluges angegeben, ſo haben
ſie ihn nicht allein belohnet, ſondern auch noch avantage ex illo medio
gelaſſen. Junge Leute verſtehen nicht eher, was hieran gelegen, als bis
ſie die Hiſtorie leſen, oder reiſen, oder ſelbſt zu ſolchen affairen gezogen
werden, alsdenn ſehen ſie erſt, was vor Behutſamkeit dabey noͤthig.
Quær. Wo ſoll man die abundance hinlegen? Unſer Autor hat unter
dem ærario alles begriffen, und ſaget, man muͤſſe es ins ærarium legen.
Sonſt aber pflegt man die publiquen Guͤther ſpecialius zu diſtinguiren.
Ich kan mir aber des Autoris Meynung gefallen laſſen, indem es nichts
thut, weder in denen Haupt-concluſionibus noch in ſpecialibus. Hertius
hat Part. I. p. 161. auch gewieſen, daß der Latiſſimus ſignificatus bey de-
nen alten Roͤmern gebraͤuchlich geweſen, aber ſchon in republica libera
haben die Roͤmer ærarium von dem fiſco unterſchieden. Sie nenneten
æra-
[257]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
ærarium, worinnen man die tributa und vectigalia gelegt, ad ſuſtentan-
dam Rempublicam, ſive domi, ſive foris, ſive in toga, ſive in ſago. Uber
dieſes ærarium wurden Cenſores geſetzet, welches homines probatæ virtu-
tis waren. Hergegen fiſcum haben ſie genennet, was deſtiniret war, ad
ſuſtentandas perſonas publicas, und ein princeps kam, ſo hieß es: quod
ad ſuſtentandam perſonam principis pertinet, zu welchen alle Bedienten
gehoͤren. Dieſe ſind ſeine Augen, Ohren, membra, inſtrumenta. Omnis
dignitas, nobilitas in ipſo eſt. Daher hat man dem principi gewiſſe
Guͤther uͤberlaſſen. Die Francken und Teutſchen haben es genennet
Domanium, und die Roͤmer Fiſcum. Die Iura Fiſci ſind Iura principis.
Ob zwar bey denen Roͤmern ærarium und fiſcus unterſchieden worden,
ſo hat doch Dio Casſius obſerviret, tempore Auguſti incæpiſſe, ut fiſcus
\& ærarium confunderentur. Der Fuͤrſt ſagte, ich bin allein da, und
will da ſchon in obacht nehmen, ut respublica defendatur. Nun iſt wohl
wahr, wenn der Princeps ſapiens, ſo kan er alles unter ſeiner diſpoſition
haben: aber ſi non ſit ſapiens, ſo iſt es auch ſchlecht beſchaffen. In
Teutſchland hat man nach dem Unterſcheid inter ærarium \& fiſcum. Æ-
rarium nennet man die Steuer-Caſſe, Fiſcum aber nennet man des Fuͤr-
ſten ſeine Cammer, ſein domanium, welches ihm gegeben wird zu ſeinem
Staat, Pomp und Herrlichkeit, zu Erziehung ſeiner Kinder ꝛc. Ein
princeps kan nicht ſeyn ohne Pracht, ſonſt macht er ſich veraͤchtlich bey
dem peuble, homines ſunt vani, und muß ſich ein princeps accommodi-
ren. Man muß ſich nicht einbilden, als wenn Rudolphus Habspurgicus
immer ſo einen alten grauen Rock angehabt, als bey der Gelegenheit,
da er dem Ottocar inveſtiret, das thaͤt er ihm zum Tort. Obgleich Fer-
dinandus Catholicus ſeinen Schwieger-Sohn zum Tort ein ſchlechtes
Kleid angehabt, ſo wuſte er doch ſonſt Staat zu machen. Ein Fuͤrſt
muß ja ſeine Kinder auch anders erziehen, daher iſt kein einiges Reich,
wo man dem Fuͤrſten nicht was gewiſſes geſetzt. Die ſubſtanz gehoͤret
nicht dem principi, und kan er nichts davon veraͤuſſern. Die Teutſchen
haben bey ihren domaniis eine groͤſſere Weißheit ſehen laſſen, als die
Roͤmer. Die Teutſchen haben vieles ad regalia referirt, welches die
Roͤmer gethan, e. g. Die Jagden, Fiſchereyen, Metallifodinas referiren,
die Teutſchen ad regalia, die Roͤmer aber nicht. Es haben die Teutſchen
ſo raiſonniret, und geſagt: man ſollte dem Fuͤrſten geben, was man am
bequemſten entbehren koͤnnte. Fornerius hat in ſeinen Selectionibus Iu-
ris obſerviret, daß alle Teutſche Voͤlcker die adeſpota, die keinen Herren
haben, dem principi attribuiret. Das Wild hat ja keinen certum do-
minum, heute iſt es hier, morgen da. Eben ſo iſt es mit denen Fiſchen,
K kdaher
[258]Cap. V. De prudentia
daher ſagten ſie: habeat princeps. Wenn auch ein jeder darff fiſchen,
jagen ꝛc. kan man nicht viel Vortheil haben. Hergegen hat es einer al-
lein, ſo hat er groſſe revenüen. Daher kommt die Eintheilung derer
regalium, bey uns gantz anders heraus, als bey denen Roͤmern. Bey
unſern Landes-Fuͤrſten nennet man es nur analogice domanium, eigent-
lich aber Cammer-Guͤther. Man muß auch unſere Fuͤrſten gar nicht
abmeſſen nach denen principiis Francicis deſpoticis, ſondern nach denen
Lehn-Rechten, oder wenn bona eccleſiaſtica zu denen Tafel-Guͤthern geſchla-
gen werden, welches weitlaͤufftiger gezeiget wird, theils in Iure Canonico,
theils feudali, theils auch in Iure Nat. Lyncker hat auch ein eigen re-
ſponſum hievon gemacht, und Dinckler hat auch eine Diſſertation hie-
von geſchrieben. Es iſt dieſe obſervation nicht de nihilo, indem wir viel
domainen-proceſſe in Teutſchland haben. Die meiſten judices ſind auch
der Meynung, eſſe judicandum ſecundum, Ius feudale, welches eben der
rechte Weg, und von dieſen rechten Wege muß man nicht abgehen.
Denn das iſt kein Juriſt, der das nur ſucht zu approbiren, was dem
Souverain gefaͤllt. Suum cuique eſt tribuendum, nihil adimendum prin-
cipi nihil adimendum ſubditis. Von denen fiſcalibus bonis muß man
diſtinguiren die Chatoul-Guͤther, oder patrimonial-Guͤther, mit dieſen
kan ein Herr machen, was er will. Denn ſie ſind ja in ſeinem
patrimonio. Alles, was der Herr aus denen Cammer-Guͤthern ein-
nimmt, das gehoͤret ſeine, und kan er damit machen, was er will. Er
kan alles verthun, hergegen wenn er was erſparet, und ſich was an-
kaufft, das dependiret gantz von ihm, und gehoͤret ſeine. Was ein
kluger Fuͤrſt iſt, der ſucht immer etwas zu erſparen, und ſich davor et-
was zu ſchaffen. Wenn der Herr ſparet, ſo meynen freylich die Leute
gleich, er ſey geitzig, daran er aber ſich nicht kehret. Die Koͤnigin Eli-
ſabeth war magnanima princeps, ſie hatte groſſe deſſeins im Kopffe;
daher ſparete ſie auch, als ſie zur Regierung kam, weßwegen ſie von vie-
len als geitzig angeſehen worden. Wie ſie aber im Stande war, ſo ſa-
he man, wozu ſie die Gelder anwendete. Cominæus erzehlet, daß zu
ſeiner Zeit kein Printz was merckwuͤrdiges gethan, von dem man nicht
geſagt, er ſey geitzig, die andern aber haͤtten alle nichts gethan. Maxi-
milianus ſemper carebat pecunia, daher konnte er nicht groß werden.
Deßwegen aber recommendiret man den Geitz nicht, wer wollte ſo ein
Thor ſeyn? Man pflegt aber das geitzig zu nennen, wenn einer ſpart.
Bisweilen kan es kommen, daß ein Herr extravagirt, wie Henricus VII.
in Engeland, das war ein melancholiſcher Herr, aber allezeit ſind die
Herren nicht ſo geitzig, als man ſich einbildet. Die Buͤrger haben ei-
nen
[259]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
nen naͤrriſchen concept, daß ſie meynen, der Herr muͤſte alles depenſi-
ren, und alle Tage einen ſplendeur zeigen. Wenn ein Friede gemacht
wird, oder es iſt ein Beylager, oder es iſt eine victorie erhalten worden,
da muß man laſſen was aufgehen, damit der peuble und Auswaͤrtige
einen rechten concept von uns kriegen. Denn auch unter denen Aus-
waͤrtigen ſind ſtulti. e. g. Wenn man an einem fremden Ort einen
Geſandten ſchicket, und derſelbe fuͤhret ſich nicht propre auf, ſo halten ſie
den Herrn vor einen Knicker, und dencken er ſey nicht potens. Es iſt
aber viel daran gelegen, daß Auswaͤrtige einen groſſen concept von un-
ſerer bravour und Macht kriegen, ſo thun ſie uns nicht ſo leicht Tort.
Daher muß man ihnen ſuchen immer ein glaucoma vorzumachen. Pau-
lus hat ſich ja ſelbſt nach allen Leuten accommodiret, alſo muß ſich ein
princeps auch hier nach denen ſtultis richten; Er hat hier nicht mit wah-
ren Chriſten zu thun, ſondern mit albern Menſchen. Mit dieſen Cha-
toul-Guͤthern kan alſo der Fuͤrſt thun, was er will. Es kan eine Zeit
kommen, da ein Herr kein Geld hat, wo kriegt er nun Geld? Verſetze
ich aber ein Chatoul-Amt, ſo kan ich gleich Geld bekommen, denn das
iſt res propriiſſima, er hat es nicht in feudum, auch nicht a populo. Al-
ſo iſt ein groß incommodum dabey, wenn man alles zu domain-Guͤthern
machet. Auf die domainen giebt man nichts, weil man nicht ſicher, es
wird von dem ſucceſſore wieder weggenommen. In abſtracto iſt es gut,
wenn alles beyſammen bleibet, und nichts kan veraͤuſſert werden, indem
das Land dadurch ſtaͤrcker wird. Es giebet viel ſolche Chatoul-Guͤther.
Dahin gehoͤreten bey dem Koͤnig Wilhelm in Engeland die Guͤther, ſo
der Printz von Oranien in Holland beſeſſen, denn die gehoͤreten nicht ad
domanium, und nicht ad fiſcum. Wo ein Deſpotismus iſt, da gehet
alles unter einander, auſſer in favorabilibus. Wo domainen ſind alie-
niret worden, ſo ſtellet man reductiones an. Wenn man die Sache recht
anſiehet, ſo haben die reductiones freylich raiſon. Denn der peuple hat
dem Herrn nicht die ſubſtanz gegeben, ſondern nur die revenüen ad ſu-
ſtentationem. Er iſt alſo wie ein uſufructuarius; Gleichwie nun der
uſufructuarius rem in uſum fructum datem muß reſtituiren, ſonſt muͤſte
ja der populus ein neues domanium conſtituiren. Alſo ſind die redu-
ctiones nicht unbillig. Aber wie man ſolche in Schweden vernahm, ſo
hat man vieles vindiciret, welches gar keine domania geweſen, das hat
aber Schweden in das aͤuſſerſte Ungluͤck gebracht. Die Koͤnigin Chri-
ſtina hatte viel von ihren domainen weggeſchencket, ſo gar, daß wie ſie
geſehen, ſie koͤnnte nicht ferner auskommen, dieſes mit dazu contribui-
ret, abzudancken, und ſich gewiſſe revenüen vorzubehalten. Nachgehens
K k 2ka-
[260]Cap. V. De prudentia
kamen die Spanier dazu, welche ſie perſuadiret Catholiſch zu werden,
darauf gieng ſie nach Rom, und verzehrete ihr Geld daſelbſt, weil da
viel delicia ſind, und man commode leben kan. Weil nun die Chriſti-
na ſo verſchwenderiſch geweſen, ſo hat man freylich muͤſſen reductiones
anſtellen. Wenn der peuble conſentiret, ſo koͤnnen domainen weggege-
ben werden. Alſo hat der Hertzog von Marlebourgh mit conſens derer
beyden Parlamenter VVoodſtock bekommen, welches er hernach Blind-
heim genennet. Die Koͤnigin aber konnte es vor ſich nicht thun. Weil
nun der princeps ſoll dahin bedacht ſeyn, ut aliquid demat, und zwar das
abundans, ſo muß er auch ratione des ærarii ſuchen, daß er daſſelbe con-
ſervire und augire. Daher einige nicht ungereimt geſagt: Datur æra-
rium conſervativum \& augmentativum. Will er es aber conſerviren und
augiren, ſo muß er wiſſen, was ſeine Unterthanen haben, ſonſt kan er
ja nicht die bilance ziehen, ob die ſubditi aͤrmer oder reicher werden:
wenn ſie abnehmen, decreſcunt principi. Er muß Leges ſumtiarias, ve-
ſtiarias verſchreiben, welche vieles koͤnnen helffen. Das Exempel ma-
chet es allein nicht aus. Obgleich der Koͤnig offt admirable menagiret,
deßwegen machen doch die Unterthanen depenſen. Etwas thut freylich
das exemplum, aber nicht alles, ſind aber Leges bey dem Exempel, ſo
thut es viel. Ein Schuſter hier trincket wohl jaͤhrlich mit ſeiner Frau
vor 25. Thaler Coffée; Puff, Raſtrum, gehoͤret vor ihn, und hernach
klaget er, er koͤnne nicht auskommen, was nutzt dem Kerl der Coffée?
Wenn auch das Exempel was thaͤte, ſo thut es ſolches nur in præſentia,
wo der Herr iſt, wir wohnen hier zwantzig Meilen davon, da kan es
nicht helffen, und wenn ein Narr kommt, der was anfaͤngt, ſo thun ſie
es ihm alle nach. Alſo muß der princeps wiſſen, was daß Land hat.
Viele meynen, es ſey nicht moͤglich, ſolches zu erfahren. Nun kan er es
wohl nicht auf einen punct wiſſen, und wer eine mathematiſche Ausrech-
nung wollte haben, wuͤrde ſich betriegen. Ich weiß zwar, daß einige
gemeynet, ein princeps ſollte anbefehlen, bey harter Straffe, daß ein je-
der ſein Vermoͤgen angeben ſollte. Allein wenn das conſilium eclatiret,
ſo lauffen die Leute weg. Dein Land iſt ja kein Vogelbauer, ehe du
ſie dazu bringeſt, wenn es auch eingefuͤhret worden, ſo lauffen die Leute
nach der Zeit fort. Wenn man gleich an allen Orten Galgen aufbauet,
ſo haben die Leute die Kunſt, daß ſie neben den Galgen vorbey gehen.
Man will nicht gerne wiſſen laſſen, was man im Vermoͤgen hat, es
hindert den credit. Wenn es auch der froͤmmſte Regent iſt, ſo glauben
es doch die Unterthanen nicht, ſie bilden ſich die Regenten immer ſchlim-
mer ein, als ſie ſind, weil ſie ſo viel Exempel von boͤſen Regenten vor
ſich
[261]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
ſich haben. Haben aber nun die Unterthanen einmahl ein ſoupçon, ſo
wird derſelbe immer weiter pouſſirt. Die Leute vergraben ihr Geld,
welches in Franckreich geſchehen, da man die Leute ausklopffen wollte,
welche ſo viel bey dem Actien-Handel verdienet. Was hilfft das Geld,
wenn es vergraben? Franc. Bernier, ein Medicus, welcher ſich lange im Reich
des groſſen Mogols aufgehalten, hatte auch ordre von dem Colbert, acht
zu geben, wie die Leute dort haushielten, und wie ſie tractiret wuͤrden?
Bernier hat eine relation an den Colbert gemacht, die man in ſeiner vo-
gage,) welches ein ſages Buch, und ſehr politiſch geſchrieben, es ſind auch
einige Sachen darinnen, welche Mediciner koͤnnen brauchen,) finden kan,
darinnen hat er den Colbert abgerathen, ne unquam ad ejusmodi princi-
pia Mogoliſtica deflecteret. Die Leute waͤren da alle Sclaven, koͤnn-
ten nichts vor ſich behalten, deßwegen wuͤrde ſehr viel vergraben, und
laͤgen daſelbſt viele Tonnen Goldes unter der Erden. Die Leute ſterben
druͤber weg, ſagen es ihren Kindern nicht, weil ſie immer dencken, ſie
moͤchten wieder aufkommen. Eben dieſes wuͤrde alſo auch geſchehen,
wenn man ſein Vermoͤgen ſpecificiren ſollte. Daher iſt eben nicht noͤ-
thig eine mathematiſche Rechnung zu haben; und wer ſeinem Herrn ei-
ne ſolche Meynung in den Kopff ſetzet, der iſt in keinem politiſchen Lan-
de gebohren. In perpetua ignorantia darff er nicht verſiren, ſondern er
muß nur præter propter eine Nachricht davon haben. Dazu gehoͤret
aber doch eine groſſe Aufmerckſamkeit, daß man Leute erwehlet, welche
einem davon eine rechte notiz geben. Es muß kein Dorff, kein Wald,
keine Stadt ꝛc. ſeyn, davon er nicht Nachricht hat. Conſtantinus M.
hat eine ſolche Nachricht ſeinen Soͤhnen hinterlaſſen, aber alles nur
præter propter. Carolus V. hat ſeinen auch eine ſolche inſtruction gege-
ben, nur hat es da gefehlet an einer ſpeciellen Nachricht, von allen Fluͤſ-
ſen, Staͤdten, Doͤrffern ꝛc. Wer ein particulair-Land hat, der kan al-
les dieſes gar leicht erfahren. Was geaͤndert wird, muß man auch be-
ſtaͤndig laſſen aufſchreiben. Das wird alsdenn eine rechte Staats-Geo-
graphie, welche admodum utitis. Wenn einer einen Printzen inſtruiret,
muß es auch auf dieſe Art geſchehen; nur muͤſſen erſt geſchickte Leute ge-
nommen werden, ſo die Beſchreibung machen, hernach kan man auch auf
die Menſchen gehen, ſo im Lande wohnen, was vor profeſſiones da ſind ꝛc.
ſo kan er die force ſeines Landes ſehen. Es kan alles en bon ordre ge-
ſchehen, wenn man alle Leute in dem Lande auf zwoͤlff Sorten reducirt,
hoͤher kan man es nicht bringen, oder wenn man ja noch andere hat, ſo
koͤnnen ſie doch dahin referiret werden. Dahin gehoͤret 1) Der Adel,
denn kein Land iſt in Europa, wo nicht Adeliche ſind, da kan man al-
K k 3les
[262]Cap. V. De prudentia
les anſchlagen, und ſehen, was der Adel hat, ratione derer unbewegli-
chen Guͤther. 2) Ein Herr hat Bedienten, dieſe tragen ihm nichts ein,
ſondern er muß ſie alle erhalten. Von dieſen kan ein Herr eine Wiſſen-
ſchafft haben, was ſie ihm jaͤhrlich koſten. 3) Hat er Soldaten, was
dieſe koſten, kan er leicht aus denen Rollen ſehen, welche ſehr accurat
gemacht werden. 4) Iſt die Geiſtlichkeit, dieſe bringet nichts ein, er kan
ſie aber nicht entbehren; Will er nun wiſſen, was dieſe koſten, ſo kan er
in denen Conſiſtoriis davon Nachricht finden. 5) Gelehrte, dieſe brin-
gen auch nichts ein, ſie werden ex publico erhalten. Da muß er ſehen,
was vor eine Anzahl erfordert wird. An einem gewiſſen Ort hat man
drey hundert Advocaten, welches eine Himmel-ſchreyende Suͤnde, denn
da machen ſie proceſſe, wo keine ſind. 6) Muß er auch wiſſen, was er
vor Capitaliſten in ſeinem Lande hat. Auf die Renthierer muß er ſon-
derlich acht geben, denn das ſind die Spaniſchen Fliegen, welche die
Unterthanen ausſaugen, nehmen viel uſuras von ihnen. Man ſagt wohl,
das Geld rouillire doch, aber in der That rouilliret es nicht. Was kan
ein Handwercks-Mann vor einen profit haben, wenn er ſechs pro cent
geben muß? Ja, wenn man zwey pro cent giebet, da iſt es gut, und
thut keinen Schaden. Die Hollaͤnder drucken deßwegen die Renthierer
brav. Ein Herr kan leicht præter propter die Capitaliſten in ſeinem
Lande wiſſen, wie viel Tonnen Goldes ſie im Vermoͤgen ha-
ben. Auf etliche tauſend Thaler kommt es hier nicht an. Es iſt
aber als wie mit einem groſſen Thurn; wenn ich da die Hoͤhe des
Thurns habe, und es kommt ein anderer, welcher ſagt, der Thurn ſey
ein Finger hoͤher, ſo frage ich wenig nach einem Finger, 7) Muß ein
Fuͤrſt auch ſehen, was ſeine andern Kaufleute profitiren. Das kan
man auch ſehen, wenn man acht giebet. 8) Die Handwercker kan man
auch leicht daraus erkennen, was ſie brauchen, item man kan ſehen, wie
viel er Geſellen hat. Bey Kuͤnſtlern kan man es nicht ſo genau mer-
cken, ſonderlich, wenn alle ihre Arbeit auswaͤrts gebrauchet wird. Aber
da kan man auch acht haben, was er verzollet, veracciſirt, item wenn
man ſiehet, was er vor Materien einbringt, 9) Sind die Land-Wirthe
und Acker-Leute, die weiß man auch leicht. Dicis: Ein Haußwirth iſt
ja beſſer, als der andere. Reſpond. Uberhaupt kan man doch ſagen:
Was ein guter Haußwirth iſt, ſo traͤgt die Hufe ſo und ſo viel. 10)
Iſt das Geſinde und die Dienſtbothen, da kan man auch ſehen, theils,
was ſie haben, theils, was ſie lucriren. Man ſiehet auch daraus, wie
viel man Geſinde braucht. 11.) Tageloͤhner, 12) Muß ein Fuͤrſt ſe-
hen, was er vor Arme und Bettler in ſeinem Lande hat; Wenn es Leu-
te
[263]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
te ſind, die etwa durch Ungluͤck verarmet ſind, vor die muß man auch
ſorgen, aber alle Bettler in gantz Europa aufzunehmen hat er nicht noͤ-
thig. Die Leute muͤſſen alle ernehret werden, dadurch gehet denen Un-
terthanen viel ab. Meine liberalitaͤt gehet nicht ſo weit, daß ich alle
Leute in der gantzen Welt erhalten ſollte, ſondern ich muß ſehen auf die-
jenigen, ſo mir am naͤheſten ſind. Wer wollte ſagen, daß einer alle
Leute in der Welt ſollte zuſammen trummlen laſſen, ſeine liberalité ge-
gen dieſelbe ſehen zu laſſen. Was die Advocaten præter propter brau-
chen, kan man leicht wiſſen, wenn einer die Sporteln und Taxen anſie-
het, und acht giebet, was vor Proceſſe ſind. Weiß einer dieſe zwoͤlff
Claſſen, ſo kan er hernach leicht media finden, alles zu erkennen. Col-
bert hat auch eine accurate Nachricht von allen Provinzen machen laſ-
ſen, da hat der Koͤnig gewuſt, was er alle Tage vor ſich einzunehmen
habe. Er wuſte auch, was ſeine Leute hatten, und was ſie im Fall der
Noth abgeben kunnten. So ein geſcheuter Miniſtre, als Colbert war,
iſt in Franckreich nie geweſen. Der Schrödter mag auch vieles von
dem Colbert entlehnet haben. Es hat ein Nobili de Venetia, welcher
Ambaſſadeur in Franckreich geweſen, zu Zeiten Colberts in Italiaͤniſcher
Sprache ein Buch edirt, worinnen er gewieſen, was vor Ordnung da-
mahls in Franckreich geweſen, ſie gieng aber bald caduc; denn als der
Colbert bey dem Koͤnig in Franckreich in ſo groſſen credit ſtund, ſo ka-
men einige Hof-Schrantzen, und ſagten zu dem Koͤnig, er waͤre nur
ein Sclav von demſelben. Es kamen die Officiers, welche gerne Krieg
haben wollten, das wollte aber Colbert nicht haben. Der Koͤnig ließ
ſich abfuͤhren, daher entſtund confuſion. Was man aber noch heut zu
Tage gutes in Franckreich findet, das kommt alles von dem Colbert.
Wenn man Einkuͤnffte hat, ſo muß man auch ſehen, daß dieſelben con-
ferviret werden. Unſer Autor hat ſelbſt uͤber die conſervationem ærarii
reflectiret. Quær. Alſo, wie das Vermoͤgen derer Unterthanen koͤnne
conſerviret werden. Man ſagt ſonſten: quantum decedit ſubditis, tan-
tum decedit Principi. Weswegen in antecedenti obſerviret worden, daß
ein Princeps ſeinen Unterthanen koͤnne Geſetze vorſchreiben, damit ſie
ſich conſerviren, und nicht præda vicinorum, præda hoſtium werden.
Die Unterthanen muͤſſen ſich hier beſcheiden, und ſolches als ein bene-
ficium annehmen, wenn ihnen der Herr heylſame Regeln vorſchreibet.
Ich will hier ein Tuͤrckiſch Buch allegiren, welches etwas rares. Es
hat ſolches der Fuͤrſt in der Wallachey, Johannes Nicolaus Maurocor-
dato, des Alexandri Sohn geſchrieben, (er iſt noch in der Wallachey,
kam einmahl in Ungnaden, iſt aber retabliret worden, er iſt mit bey dem
Frie-
[264]Cap. V. De prudentia
Frieden zu Paſſarowiz geweſen.) Das Buch iſt Griechiſch, und handelt
de officiis. Man ſiehet, daß er muß das Alte und Neue Teſtament
geleſen haben, und kan es ein Chriſt nicht beſſer ſchreiben. Clerck in
ſeiner Bibliotheque Ancienne ſaget auch, ſo lange das Tuͤrckiſche Reich
ſtuͤnde, waͤre kein ſolches Buch geſchrieben worden. Fritſch in Leipzig
hat das Buch vor einigen Jahren mit einer verſion drucken laſſen, die
verſion hat ein Ungar, welcher jetzo bey dem Wallachiſchen Fuͤrſten iſt,
gemacht. In dieſem Buch rechnet er auch unter die beneficia, welche
ein Fuͤrſt ſeinen Unterthanen præſtiren koͤnnte, wenn derſelbe ihnen vor-
ſchrieb, wie ſie koͤnnten leben ſine luxu, doch commode, jucunde, ſecure.
Denn wer viel verzehrt, der muß ſich auch bemuͤhen viel zu verdienen,
und es ſich laſſen ſauer werden. Alſo iſt es keine Laſt, ſondern ein
Haupt-Punct bey der conſervation deiner opum. Man findet es auch
ſchon bey dem Seneca, welcher ſagt: Quantum detrahis cupiditatibus
ruis, tantum adjicies bonis tuis. So bleibet demnach bey dem ærario
conſervatio der Grund, daß man die laſterhaffte Verſchwendung im
Eſſen, Trincken, Bauen, Spielen ꝛc. einſchraͤncket. Es ſind viele, wel-
che ſagen, man naͤhme ihnen dadurch eine honette Luſt, aber es iſt eine
honette Thorheit, daß man alles durchbringet, und hernach klaget, wenn
der Princeps was haben will. Friß nicht ſo viel, ſo wirſt du nicht ſa-
gen koͤnnen, der Alp oder eine Hexe druͤcke dich. Diejenigen, ſo uͤber
den Principem klagen, freſſen und ſauffen mehrentheils zu viel, verthun
alles, daß nichts uͤbrig bleibet, als Lumpen, excrementa. Es iſt ein
beneficium vor die gantze Republic, wenn der luxus ceſſiret. Man muß
es aber doch ſo einrichten, daß keine contradictoria heraus kommen, wel-
ches als eine cautel zu mercken, e. g. wenn einer druͤber reflectiret, und
findet, daß der Coffee einen groſſen luxum verurſachet, ſchafft daher den-
ſelben ab, ſo waͤre contradictoriſch, wenn er den Zoll, welcher darauf ge-
legt geweſen, immer noch fordern wollte. Er hat ja tauſend andere
Mittel, wodurch er Geld von ſeinen Unterthanen erhalten kan. Ge-
ſetzt nun, es hat einer jaͤhrlich vor funffzehen Thaler Coffée gebraucht,
nunmehro behaͤlt er dieſelben in Beutel, ſo kan er ja hernach leicht ſei-
nen Herrn fuͤnff Thaler zahlen, bey einer andern Gelegenheit. Ziehet
man da eine bilance, ſo wird ſehr viel heraus kommen. Da bleibet
das Geld im Lande, das iſt eines von denen principalſten Stuͤcken. Alle
delicias kan man freylich nicht abſchaffen, und kan man denen Untertha-
nen das gar wohl laſſen, was im Lande waͤchſt. Alle aromata kan
man auch nicht abſchaffen, aber doch mehrentheils, und erzehlet Chever-
ny, welcher unter Henrico IV. gelebet, in ſeinem Teſtam. Polit. daß er
einem
[265]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
einen Spaniſchen Geſandten tractiret mit lauter Frantzoͤſiſchen Speiſen,
und gar keine fremden aromata dabey gehabt. Nun hat wohl Franck-
reich vieles zum voraus; unterdeſſen haben wir doch auch viel, und koͤnn-
ten vieles entbehren, denen Hollaͤndern wuͤrde dadurch viel und groſſer
profit entgehen. Aber was ſcheeren wir uns um die Hollaͤnder, die la-
chen uns ohnedem ins Faͤuſtchen, daß wir nichts haben, und ſie ſind
reich. Es iſt ſehr gut, wie die fremden Tuͤcher, die fremden Weine ab-
geſchaffet worden. Gnug, daß man die ſeidenen Zeuge noch hat, wel-
che nicht koͤnnen abgeſchaffet werden, wegen vornehmer Leute. Aber
man kan doch darauf dencken, wie man dieſelben fabriciren koͤnne; So
wenig es denen Franzoſen verbothen geweſen, welche vor denen Zeiten
Henrici IV. keine ſeidene Zeuge gemacht, und nachgehends es ſo ſtarck
getrieben, daß ſie alle andere uͤbertroffen. Was man entbehren kan
ſine imminutione jucunditatis, das kan man alles weglaſſen. Ich muß
ſonderlich darauf dencken, wie das Geld im Lande koͤnne erhalten wer-
den. Ad ſummam perfectionem kan man es freylich nicht bringen, es
fehlet bald dieſes, bald jenes, welches man nicht gleich abſchaffen kan/
aber man kan doch darauf bedacht ſeyn, wie man es auch in ſeinem ei-
genen Lande haben koͤnne. Vor dieſem hat man keine tuͤchtige Huͤthe
in Teutſchland gehabt, auch keine klaren Tuͤcher, welches man alſo jetzt
alles hoͤher gebracht. Die Menſchen ſehen auf eine commoditè, und
wollen was gutes haben. Alle ſind auch nicht von einer trempe, und
werden wir es nicht dahin bringen, daß der Fuͤrſt, Graf, Bauer ꝛc. ei-
nerley werde, das iſt im Himmel zu hoffen, aber in dieſer Welt nicht.
Ob wir gleich ſehen, daß es gut, wenn man das Geld im Lande behaͤlt.
So weit behaͤlt man das Geld im Lande, wenn man keine fremden de-
licateſſen kaufft; aber es ſind noch mehr Mittel, wodurch das Geld kan
im Lande behalten werden. Man bringet uns fremde Waaren herein,
daher die Kauffmannſchafft, wie wir ſie haben, hoͤchſtſchaͤdlich Denn
unſere Kaufieute haben lauter fremde Waaren, die kriegen ſie nicht um-
ſonſt, alſo gehet das Geld davor aus dem Lande. Die Kauffmann-
ſchafft iſt nichts nuͤtze, wenn fremde Waaren im Lande verthan wer-
den; Aber ſo iſt die mercatura gut, wenn ich ſelbſt Sachen fabricire,
und verkauffe ſie andern Leuten. Die Hollaͤnder ſind auf dem rechten
Weg, welche alle materialien in der gantzen Welt zuſammen kauffen,
fabriciren dieſelben, und fuͤhren ſie weg. Denn der Hollaͤnder iſt vor
ſich ſo beſchaffen, daß er ſobrie, frugaliter lebet in allen Stuͤcken, andere
nationes aber bethoͤret. So haben es die Frantzoſen vor dieſen auch
gemacht. Aber jetzo haben ſie ſelbſt einen groſſen luxum, und iſt nur noch
L lgut,
[266]Cap. V. De prudentia
gut, daß ſie das meiſte ſelbſt fabriciren. Weil nun fremde Sachen
nichts nuͤtze, ſo muß man auch acht geben, daß die Leute nicht ſo haͤuffig
in fremde Laͤnder reiſen, welches ein groſſer Fehler, und ſagt VVahrmund
von Ehrenberg in einem beſondern Buch hievon, daß ſonſt kein Bauers-
Sohn geweſen, der nicht nach Franckreich oder Italien gereiſet. Man-
cher muß reiſen, auch bey denen Handwerckern und Kuͤnſtlern, weil ſie
an fremden Orten vieles profitiren koͤnnen. Alſo kan man nicht allen
Leuten das Reiſen verbiethen. Der Koͤnig in Franckreich hat ſonſt kei-
ne Blech-Schmiede gehabt, daher er viele deßwegen laſſen nach Teutſch-
land reiſen, auch gar Teutſche Blech-Schmiede laſſen wegcapern, und
denſelben religionis libertatem gegeben. Henricus IV. hat viele laſſen
nach Italien gehen, daß ſie daſelbſt lernen ſeidene Zeuge fabriciren. Es
muͤſſen auch Leute von condition reiſen. Man braucht ja Ambaſſadeurs,
welche die mores gentium kennen muͤſſen. Aber das iſt eben nicht noͤ-
thig, daß ſie ſechs Jahre allein in Paris bleiben, daſelbſt in Opern ge-
hen, und die Huren-Haͤuſer kennen lernen. Daher iſt ein loͤbliches
Verfahren, daß man keinen laͤßt reiſen, er muß eine Urſache anzeigen,
warum er dahin reiſen will. Denn die meiſten verthun nur ihr Geld,
und gewoͤhnen ſich nur an Sottiſen, wodurch ſie ſich nur bey andern ver-
haſt machen. Andere nationes depenſiren auch im Reiſen nicht ſo viel,
wie die Teutſchen. Man findet, daß wenig Frantzoſen, Italiaͤner und
Engelaͤnder reiſen, wir aber dencken, wir waͤren nicht vollkommen, wenn
wir nicht die Welt durchſtrichen, und denen Fremden gezeiget, daß wir
Geld zu verzehren haͤtten. Da machen wir erſt einen rechten Staat,
und depenſiren, da wir ſonſt mit ſechs hundert Thaler in Teutſchland
jaͤhrlich auskommen, ſo verthun wir in Paris wohl tauſend Thaler,
wodurch viele Millionen aus Teutſchland gehen. Man hat auf dem
Reichs-Tag auch einmahl deliberiret, ob nicht ein general-reglement
dieſerwegen koͤnne gemacht werden, aber weil es auf dem Reichs-Tag
nicht koͤnnen ausgemacht werden, ſo ſoll ein jedweder vor ſich druͤber re-
flectiren, und nachdencken, was vor Summen aus dem Lande gehen,
woruͤber einer erſchrecken wird. Wenn man nur die Univerſitaͤten con-
ſideriret, ſo muß man ſich wundern, was vor Geld dahin gebracht wird,
und auf denen Teutſchen Univerſitaͤten verthut man doch nicht ſo viel,
als in Franckreich und andern Orten. Hier gehet man zu Fuß, in
Paris aber fahren ſie in caroſſen, und machen einen Staat, damit ſie
nur einmahl zu einer redoute gelaſſen werden. Wenn ein Herr ja ei-
nen reiſen laͤßt, ſo muß man denſelben vorher ſeines Standes erinnern.
Denn was iſt das vor eine Thorheit, wenn ein Bauers-Sohn ſich vor
einen
[267]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
einen Grafen ausgibt. Iſt das Geld einmahl aus dem Lande, ſo be-
kommen wir es nicht wieder, und verlieret Teutſchland mehr, als es pro-
fitiret. Haͤtten wir nicht die ſchoͤnen Bergwercke in Teutſchland, ſo
waͤren wir laͤngſt banquerout. Man muß alſo paucos laſſen reiſen.
Wer auf ſeinem Land-Guth bleiben will, was hat der noͤthig etliche
tauſend Thaler in Franckreich zu verzehren. Was hilfft es ihm, wenn
er dem Doge zu Venedig hat ſehen ſich mit dem Mari mediterraneo ver-
maͤhlen? Es kan einer gluͤcklich ſeyn, ob er gleich ſolches nicht geſehen.
Wer wollte die gantze Welt durchreiſen, und alles ſehen. Ein Herr,
der Leute reiſen laͤßt, muß ſie nicht eben nach Franckreich, Holland, En-
geland, laſſen gehen, ſondern nach Schweden, Daͤnnemarck, Pohlen ꝛc.
Mit dieſen letztern haben wir ja mehr zu thun, als mit Franckreich. Die
opes werden auch bisweilen nicht erhalten durch einen luxum, den man
leicht verhindern koͤnnte. Man wundert ſich, wo das Gold und Sil-
ber aus denen vielen Bergwercken in America, Europa \&c. hinkomme,
indem kaum der ſechzigſte Theil mehr davon uͤbrig. Allein das Ubrige
verlieret ſich durch die Gold- und Silber-manufacturen. Georg Ritter,
der Conſeiller in Nuͤrnberg und Procancellarius bey der Univerſitaͤt Al-
torff geweſen, (er hat mit dem Daniel nnd Nicolao Heinſio, auch mit
andern gelehrten Leuten correſpondiret, welches man aus ſeinen Epiſto-
lis ſehen kan,) hat als Procancellarius eine oration gehalten von dem
Verderb der Gold- und Silber-Manufacturen. Wenn man gleich
ſagt, man bekomme doch wenigſtens die Helffte wieder heraus, ſo gehet
doch das andere verlohren; nicht zu gedencken, daß der Herr mag ſoviel
gute Muͤntze ſchlagen laſſen, als er will, die kommt alle aus der Welt.
Wir ſehen keine alte Roͤßgens von ſeinen Silber, als etwann bey ei-
nem alten Geitz-Halſe, welcher ſie ſo ſehr vernagelt, daß ſie nicht koͤn-
nen wegkommen. Man erkundige ſich nur auf dem Hartze, was da-
ſelbſt jaͤhrlich vor Geld gemuͤntzet wird, und doch findet man wenig der-
gleichen. Das machen eben die Silber-Manufacturen, da wird das
gute Geld eingeſchmeltzet; Aus dieſer Urſache werden die Gulden von
feinen Silber hoͤher angenommen. Will ein Herr das Geld im Lande
behalten, und denen Raub-Voͤgeln es nicht in die Haͤnde kommen laſ-
ſen, ſo muß er einen Zuſatz dazu thun. Man kan das Ertz wohl von
dem Silber ſepariren, aber es macht Muͤhe und Koſten. In Dreßden
hat man einmahl Willens gehabt, Gulden von feinen Silber zu ſchla-
gen, aber weil ſie geſehen, daß es dem Lande wuͤrde Schaden thun, ha-
ben ſie es unterlaſſen. Ja man hat auch im Luͤneburgiſchen deliberiret,
ob man nicht inskuͤnfftige mit einem Zuſatze das Geld muͤntzen wolle?
L l 2Denn
[268]Cap. V. De prudentia
Denn es hat keiner mehr bey dem Luͤneburgiſchen Gelde. Ja wenn
einer hundert tauſend Thaler an Saͤchſiſchen und Brandenburgiſchen
zwey dritteln hat, ſo hat er mehr als an hundert tauſend Thaler Luͤne-
burgiſchen zwey dritteln; denn bey dieſen hat er nur vor zwoͤlff Groſchen
Silber, bey denen andern aber hat er noch das Ertz. Es iſt gut, wenn
die Einheimiſchen kein Silber und Gold tragen duͤrffen, in Engeland
tragen ſie keines, das machen die Stein-Kohlen, davon laufft es an.
Deßwegen machen doch die Engelaͤnder ſonſt einen Staat. In Hol-
land tragen ſie auch kein Silber und Gold. Fuͤrſten koͤnnen es freylich
tragen, die muͤſſen ſich von andern diſtinguiren, ſo viel aber koͤnnen ſie
uͤberall her haben. Es iſt ein heimlich freſſender Gifft, wenn man
Gold- und Silber-Manufacturen hat. Der obgedachte Doctor Richter
hat auch bey denen Nuͤrnbergern effectuiret, daß ſie lange keine Silber-
und Gold-Manufacturen geſtatten wollen, endlich haben ſie eine zu ge-
laſſen, was aber da fabriciret wird, wird hinaus gefuͤhret. Huͤbſch iſt
es, wenn die Buͤrger ſchwartz gehen, da brauchen ſie kein Silber und
kein Gold. Man lachet die Reichs-Staͤdte aus, daß ſie ſchwartz ge-
hen, aber ſie haben ſolches aus Italien. Die es uͤberlegen, halten es
vor abſurd, und ſagen: Man gienge wie ein Schulmeiſter. Allein, da
braucht ſich der Fuͤrſt daran nicht zu kehren, was er traͤgt, das iſt mode
in ſeinem gantzen Lande, und ſtehet auch wohl. Alſo ſind es ſottiſen,
wenn man die Leute deßwegen auslachen will. Es iſt aber, wie mit de-
nen Huͤthen; wenn einer mit einem kleinen Preußiſchen Huthe in ein
Land kommt, wo man groſſe Huͤthe traͤgt, ſo kommt ihnen die mode
wunderlich vor, kommt aber einer mit einem groſſen Huthe in Preuſſen,
ſo lachet man ihn da aus. Will einer das Geld im Lande behalten, ſo
muß er auch Sachen, ſo es heimlich weg bringen, nicht laſſen einwur-
tzeln. e. g. Er muß keine Commœdianten, Seiltaͤntzer, Baͤrenfuͤhrer,
Tabulets-Traͤger, Italiaͤner ꝛc. ins Land laſſen, die nehmen das Geld
aus dem Lande. Man dencket zwar, es mache nicht viel 2-4. Gro-
ſchen, ſo man denen Commœdianten giebt, allein, wenn man alles zu-
ſammen rechnet, ſo kommt eine groſſe Summe heraus. Nicht zu ge-
dencken, daß ſolche Dinge Gelegenheit geben zu vielerley otiis. Wenn
hier Commœdianten ſind, ſo thut kein Student was, ſondern ſie lauffen
alle hinein, und verſaͤumen ihre Sachen. Der Handwercksmann ver-
ſaͤumet auch. Das Pack, wenn es dergleichen Dinge zuſiehet, ſaͤufft
auch dabey, und verthut alſo das Geld nicht allein vor die Commœdien,
ſondern auch vor andere Sachen. So iſt es auch mit fremden auxi-
liair-Trouppen, die nehmen ebenfalls das Geld aus dem Lande; Wenn
man
[269]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
man eine ſpecification von ſolchen Dingen haben will, ſo kan man leſen
des Law ſeine Policey- und Cammer-Sachen, da hat er fuͤnff und
zwantzig Sachen angefuͤhret. Er ſagt, einige waͤren difficil, aber da-
durch darff man ſich nicht gleich abſchrecken laſſen, ſondern nachdencken,
ob nicht die difficultaͤten koͤnnen gehoben werden. Er rechnet auch da-
hin, daß man keine Erbſchafft ſollte abfolgen laſſen, wodurch freylich
groſſer Schade dem Lande geſchiehet, wenn man ſie abfolgen laͤßt. Man
bedencke nur: Wenn ein Fremder ein hieſiges Maͤdgen aus unſerm Lan-
de nimmt, die funffzig tauſend Thaler im Vermoͤgen hat, ob dieſes nicht
was ausmachet. Was gantze Reiche ſind, da kan man ſetzen, daß kei-
ne Erbſchafft ſollte abgefolget werden. Daher findet man auch in
Franckreich, Spanien und Engeland, daß kein Menſch ohne conſens des
Herrn kan einen Fremden heyrathen. Bey uns Teutſchen aber gehet
ſolches nicht an. Wir haben ſo viel kleine Republiquen, und entſtehen
viele difficultaͤten, wenn man es will einfuͤhren. Aber das kan man
thun, daß man in denen Staͤdten, welche ſonſt freyzuͤgig ſeyn, ſolches
etwas einſchraͤnckt. Daher haben es ſich viele Reichs-Staͤdte von
dem Kayſer geben laſſen, daß ſie koͤnnen cenſum emigrationis, eine Nach-
Steuer fordern. In manchen Reichs-Staͤdten muß man zehn pro
cent, in manchen zwantzig pro cent geben. Ehe alſo einer von hundert
tauſend Thalern zehen tauſend Thaler giebt, bleibt er lieber im Lande;
aber daß man gar nichts wollte paſſiren laſſen, gehet nicht an.
§. 4. Da man nun auf die conſervation desjenigen, was manMittel zur
Vermehrung
des ærarii.
hat, dencken muß, ſo kan man auch darauf dencken, wie man ſein Ver-
moͤgen koͤnne vermehren. Ex conſequenti, wenn das Vermoͤgen derer
Unterthanen vermehret wird, ſo wird auch des Herrn ſeines vermehret.
Der Herr kan allezeit das kriegen, was die Unterthanen wiſſen koͤnnen.
Wenn gleich die Leute murren, ſo kan man ihnen doch daſſelben bald ver-
treiben, ohne eine force zu gebrauchen. Die Haupt-Vermehrung be-
ſtehet in der Menge des Volcks. Spanien hat eine Etendüe, welche
Franckreich, wenn man es in ſeinen alten Grentzen betrachtet, nicht
viel wird nachgeben. Aber, wenn man ein jedes in ſe conſideriret, ſo
wollte ich doch lieber Franckreich haben, als Spanien, obgleich Spa-
nien ein unvergleichliches Land, welches mehr commodité hat. In
Franckreich ſind in einer Stadt mehr Leute, als in Spanien in ſechs
Staͤdten. Wo keine Leute ſind, da iſt kein Geld, keine Verzehrung,
kein Handel und Wandel. Daher muß man auf die peuplirung des
Landes ſehen, darzu gehoͤret eine groſſe Kunſt, die Leute anzulocken.
Es iſt nicht allemahl moͤglich, occaſio muß in acht genommen werden,
L l 3poſt
[270]Cap. V. De prudentia
poſt hæc occaſio calva. Viele Teutſche Herren haben profitiret, da
die Reformirten in Franckreich verjaget worden. Einige wollten nicht
dran, weil ſie nicht Lutheriſch waͤren. Allein ſie haben es nachgehends
bedauret. Die reichſten Leute giengen nach Holland und Engeland,
weil man ihnen wegen der Religion difficultaͤten machte. Der Tuͤrcke
hat ein groſſes Land, und hat kein Potentat ſo viel als er; Aber, was
iſt es, man findet an Orten, welche vordem am beſten floriret, anjetzo
Einnoͤden von viertzig, funffzig Meilen, da die Thiere ihr rendevous hal-
ten. Griechenland und Klein-Aſien ſind ſonſt die Lande geweſen, wo-
her man alle delicateſſen bekommen, und jetzo findet man ſo viele Wuͤ-
ſteneyen daſelbſt. Wuͤſte der Tuͤrcke ſein Land zu gebrauchen, ſo wuͤr-
de er durch ſeine force allen andern koͤnnen formidable ſeyn. Auf de-
nen Grentzen laͤſt er es nicht cultiviren, und innwendig ſind nichts als
wilde Thiere, Ungeſundheit, ꝛc. ein Land, das nicht peupliret iſt, gehet
zu Grunde, wenn es gleich ſonſt ſehr floriret. Das Juͤdiſche Land iſt
ſonſt ſo fruchtbar geweſen, und jetzo iſt es ein ungeſundes Land, voller
Felſen und Wuͤſteneyen, daher auch Toland in ſeinem Buch: Homo
ſine ſuperſtitione dubia gemacht, ob es auch alles wahr, was Moſes von
dem Lande Canaan ſage. Allein Elie Benoiſt hat den Toland in einem
eigenen Buch refutiret, und gewieſen, daß man nicht koͤnne ſchlieſſen,
weil es heut zu Tage ſo elend ausſaͤhe, deßwegen waͤre es auch vor die-
ſem ſo beſchaffen geweſen. Gleichwie ein ſchoͤnes Zimmer, wenn es
nicht beſtaͤndig reinlich gehalten wird, ungeſund wird, und Spinnweben
und Maͤuſe hinein kommen. Eben ſo iſt es auch mit einem gantzen
Lande, welches nicht cultiviret wird, das gehet zu Grunde. Wo viele
Leute ſind, da ſucht ſich ein jeder zu naͤhren, findet einer zu Hauſe nichts,
currit ad Indos. Holland iſt nicht capable den ſechſten Theil ſeiner Un-
terthanen zu ernaͤhren, daher gehen die Leute anders wohin, ſuchen ſich
was zu verdienen, und verzehren es hernach zu Hauſe in Ruhe. Es ge-
hoͤret aber viel dazu, daß man die Leute alliciret, dazu iſt nichts geſchick-
ter, als eine gute Policey, wovon man ein gantzes Collegium halten
koͤnnte, und darinnen Sachen proponiren, daran viele nicht gedencken,
welche auch in ſolchen Sachen gebraucht werden. Wer wird gerne
wohnen an einem Orte, wo keine Policey iſt. Die Policey beſtehet 1)
in einer Sicherheit. Die Sicherheit bringet mir die juſtiz zu wege.
2) Daß man alles en bon ordre thut, dergeſtalt, daß ein jeder kan ſein
Hauß-Weſen darnach einrichten, und vitam habere Sanam. In ein
Land das offen iſt, ziehet niemand gerne. Daher gehet niemand gerne
nach Pohlen. Die Uckraine iſt eines von den ſchoͤnſten Laͤndern, aber
die
[271]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
die Leute trauen nicht daſelbſt ſich zu etabliren, denn bald kommt der Tuͤrck,
bald die Tartarn dahin. Man will auch gerne an einem Ort wohnen,
der geſund iſt. Dicis: Wer kan den Ort aͤndern? Reſpond. Es gehet
gar wohl an: Holland iſt ein ungeſundes Land, und wenn ein Teutſcher
nach Leyden kommt, muß er mehrentheils ein Fieber ausſtehen. Aber
durch die Reinlichkeit haben es doch die Hollaͤnder dahin gebracht, daß
man gut daſelbſt leben kan. Eine Magd hat daſelbſt den gantzen Tag
zu thun, alles reinlich zu halten. Wenn einer in ein Hauß kommt, ge-
ben ſie ihm gleich Pantoffeln, die er anziehen muß, damit er die Stube
nicht verunreiniget. Auf die Reinlichkeit muß man ſehen. Die Por-
tugieſen haben die Inſul N. gantz ausgebrennet, weil ſie geſehen, daß es
ungeſund daſelbſt zu leben, und viele vergifftige Thiere daſelbſt vorhan-
den. Man darff nur verſichert ſeyn, daß in einem kleinen Lande, wo
hundert ſind, noch zwey hundert Leute leben koͤnnen, wenn alles
cultiviret wird. Da muß man gute regulas œconomicas geben, und
muß die Cammer darauf dencken, wie ſie denen Leuten ſolches recht zei-
get. Man muß nicht muͤde werden, dergleichen edicta anzuſchlagen,
welche die œconomie betreffen. Weil um Halle herum wenig Wieſen
ſind, ſo iſt man vor dieſem auf einem Erb-Pacht verfallen, da man de-
nen Leuten gewiſſe Stuͤcke verdungen, daß ſie muͤſſen Spaniſchen Clee
ſaͤen, welches auch viele gluͤcklich practiciret haben. An manchen Or-
ten iſt ſo viel Holtz, daß vieles verfaulet, da kan man ſuchen, das Land
auf eine andere Art zu brauchen. Der Czaar hat einen gantzen Wald
abbrennen laſſen, und Korn dahin geſaͤet. Es iſt ein ſchoͤner diſcours
in des Colberts ſeinem Teſtam. Polit. worinnen er weiſet, daß in einem
kleinen Lande viel tauſend Menſchen koͤnnen erhalten werden, wenn man
auf den Ackerbau und eine gute œconomie acht giebet. Man hat ja
Mittel, wenn der Boden nicht fett, ihn fetter zu machen. Man muß
auch denen Leuten ſagen, was ſie vor Getrayde an dieſen oder jenen
Orte ſaͤen ſollten: Denn nicht alles Getrayde ſchlaͤgt in einem Ackerbau
an. Weil nun in Holland ſchoͤne Staͤdte, eine gute Policey, viele
Freyheit, ſo geſchiehet es eben, daß ſo viele Leute ſich dahin begeben. Sie
muͤſſen wohl viel geben, koͤnnen aber auch wiederum viel verdienen.
Wenn einer nicht ein groſſes Staats-crimen begangen hat, ſo wird er
nicht ausgehaͤndiget, denn ſie ſagen: ihr Land ſtuͤnde offen, und koͤnnte
ſich dahin reiteriren, wer nur wollte. Es iſt daſelbſt jucunditas, man
bekommt juſtiz. Man will ja keine Bettler haben, alſo muß auch da-
hin geſehen werden, daß einer befreyet ſey a ſpoliis. Wo die Leute ſol-
len Sicherheit haben, jucunde leben, da muͤſſen auch alle Bedienten ſo
be-
[272]Cap. V. De prudentia
beſchaffen ſeyn, daß ſie zu der jucundité und Ordnung was beytragen.
Gute Bediente kan man allezeit bekommen, wenn man dieſelben recht
ſalariret. Sind keine in dem Lande, ſo kan man dieſelben auſſer Lan-
des bekommen. Die Hollaͤnder nehmen meiſtens Fremde. Auf ihre
Univerſitaͤten nehmen ſie mehrentheils Fremde zu Profeſſoribus, und wenn
deren Kinder was lernen, ſo werden ſie hernach zu andern officiis gezo-
gen. Die Leute ſuchen ſich zu verbeſſern, daher gehen ſie hernach in ſol-
che Laͤnder. Weil die Leute Hoffnung haben, ſich zu verbeſſern, lauffen
ſie nach Indien und America. Die Inſul N. iſt in kurtzer Zeit peupli-
ret worden, weil ſich viele Catholiſche Familien aus Franckreich dahin
begeben, und hat man allezeit daſelbſt ſo gute manufacturen als in Franck-
reich. Der Law hat in obgedachtem Buch ein project gemacht, welches
nicht zu verwerffen. Bisher iſt geredet worden von dem Landes-Ver-
moͤgen. Nun muͤſſen wir auch des Landes-Herrn ſein Vermoͤgen be-
trachten. Der Landes-Herr hat ſein Domanium, patrimonium. Wir
wollen hier die Steuer etwas davon ſepariren, hernach gilt es bey einem
klugen Herrn gleich, ob es dieſelbe in einander pfropffen will. Man kan
hier nicht anders procediren, als en general bey dem gantzen Volcke pro-
cediret worden. Wenn einer in der Cammer iſt, und auf des Herrn
ſein Vermoͤgen acht giebet, was kan derſelbe thun, wenn er keine notiz
hat? Alſo muß er vor allen Dingen eine notitiam haben, von allen do-
mainen, mobilibus, und immobilibus, auch von denen juribus. Bey ei-
nem jeden jure muß er ins beſondere acht geben, wie dieſes oder jenes
kan verbeſſert werden. Die jura haben manchmahl mehr utilitatem, als
die Sachen ſelbſten. Hat er nun eine notitiam von allen dieſen Din-
gen, ſo kan er hernach darauf dencken, wie ſie koͤnnen conſerviret wer-
den, ohne ſonderliche Belaͤſtigung derer Unterthanen. Ich ſage, ohne
ſonderliche Belaͤſtigung derer Unterthanen: Denn ohne Belaͤſtigung ge-
het es nicht ab. Law hat in ſeinem Buch pag. 87. auch remedia ſuppe-
ditiret, und kluͤglich gehandelt, daß er nicht allein gewieſen, wie man es
modo licito thun koͤnne, ſondern auch, was man ſonſt vor naͤrriſche Mit-
tel habe, welche weder in ſchola rationis, noch Chriſtianiſmi koͤnnen juſti-
ficiret werden. Es iſt dieſer Law ſelbſt in Cammer-Sachen gebrau-
chet worden, bey dem Hertzog von Churland, und wenn er nicht publique
Schrifften drucken laſſen, woraus man ſehen kan, daß er ein Spinoziſt,
und Atheiſt, wuͤrde er ſein Gluͤck gemachet haben: Denn es iſt faſt
nichts in Cammer-Sachen und regalien geweſen, welches er nicht in ei-
ner Ordnung proponirt, aber alles kurtz. Wenn man aber dieſe gene-
ralia principia inne hat, kan man leicht ad ſpecialia kommen. Unſer
Autor
[273]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
Autor theilet auch die remedia in ordinaria und extraordinaria. Wenn
man in deſordre kommt, ins Ungluͤck, alsdenn kan man extraordinaria
remedia gebrauchen; Diejenigen aber handeln naͤrriſch, welche ordent-
lich ſolche nehmen. Die meiſten verſtehen es nicht, auf Univerſitaͤten
lernen ſie nichts davon, wenn ſie hernach in affairen kommen, wollen ſie
auch dabey in Compagnien gehen, dencken nicht nach, und laſſen es al-
les auf einen hazard ankommen, ſie brauchen die Artzney-Mittel als or-
dentliche Speiſen. Die media licita beſtehen darinnen, daß eines Fuͤr-
ſten ſein Hauß, ſeine œconomie ſo muß eingerichtet werden, damit alles
Standes-maͤßig ſey. Das Wort Standes-maͤßig aber iſt ein vocabu-
lum relativum, und kan man es hier nicht accurat determiniren. Die
Verſchwender nennen es alles Standes-maͤßig. Man muß aber die
magnificence ſo wiſſen zu figiren, daß keine Verſchwendung heraus
kommt, daher muß man nach proportion der revenüen davon judiciren.
Einen eintzigen Secretarium, und einen Bedienten kan ein Herr nicht
haben, wie einigen getraͤumet hat. Er kan auch nicht mit etlichen Pagen
zu frieden ſeyn, aber das iſt nicht noͤthig, daß er viele hundert, ja tauſend
Perſonen ernaͤhret, welche ſo zu ſagen, faſt alle nichts thun. Der Ab-
be Veyrac, (welcher mit dem Hertzog von Anjou nach Spanien gegan-
gen, und Spanien gantz durch gereiſet, auch in Portugall geweſen, ſa-
get von Spanien, es habe der Koͤnig funffzig Millionen revenüen, wel-
che alle vor ſeine Bedienten aufgegangen; aber er habe ſo viel unnuͤtze
Leute. Er hat ausgerechnet, daß der Koͤnig in Spanien viele tauſend
Thaler denen Thuͤrhuͤthern gebe, welche ihm die Thuͤren aufmachten,
wenn er in die Zimmer gehen wollte. Ingleichen bekommen auch die
Gloͤckner viel Geld, und ſagt er, wenn der Koͤnig retranchiren wollte,
was unnuͤtze ausgegeben wuͤrde, ſo koͤnnte er viele Millionen in ſeinem
Treſſor legen. Bisher hat es noch nicht geſchehen koͤnnen, weil es
die Spanier ſo lange Zeit gewohnet ſind, und thaͤte ein Herr nicht rath-
ſam, wenn er alles auf einmahl abſchaffen wollte, die Leute wuͤrden mur-
ren, aber peu a peu kan man ſchon was aͤndern. Ein Herr muß Ge-
dult haben, auf einmahl kan er nicht reich werden. Monſ. Bayle hat in
ſeinem Dict Hiſt. Crit. eine artige reflexion gemacht, uͤber den Etaat von
Franckreich, und ſaget: Der Koͤnig in Franckreich habe auch ſo viele
Bedienten, welche alle von ſeinen penſions lebten, und wenn man es
beym Lichte beſaͤhe, ſo helffen ſie nichts, koͤnnten alſo retranchiret wer-
den. Was hat man noͤthig, ſo viele Tage-Diebe zu ernaͤhren? Am be-
ſten iſt hier, wenn man das Mittel in acht nimmt, daß man ſeine redi-
tus anſiehet, ingleichen, was man ausgiebet, und was uͤbrig bleibet.
M mMan
[274]Cap. V. De prudentia
Man muß hier das principium derer Hollaͤnder in acht nehmen: ſemper
aliquid eſt reliquum retinendum. Wenn man alles ausgiebet, was man
einnimmt, ſo kan man wohl auskommen; wenn aber einmahl ein caſus
fatalis koͤmmt, ſo kommt man in deſordre, und muß hernach die capita-
lia angreiffen. Ich habe bey einer gewiſſen Stadt obſerviret, daß ſie
bona immobilia gehabt, und konnte auch von denen revenüen auskom-
men, hernach aber kam ein malheur, da muſten ſie Schulden machen.
Die intereſſen konnten nicht abgetragen werden, deßwegen wurden ſie
genoͤthiget bona immobilia zu verkauffen. Eben ſo gehet es auch groſſen
Herren, die nichts zuruͤck legen. Es hoͤren zwar die Bedienten nicht
gerne, wenn man etwas retrenchiren will, allein, quod miniſtris eſt odio-
ſum, principi eſt favorabile, und darff man darauf nicht ſehen. Es muß
auch ein groſſer Herr ſehen, welche Ausgaben beſtaͤndig, und welche nicht
beſtaͤndig. Bey denen beſtaͤndigen muß er ſonderlich ſehen, ob etwas
kan rebattiret werden licita ratione. Das gehet gar offt an, e. g. Der
Hochſelige Koͤnig in Preuſſen hatte einen eigenen Bedienten, dem er
zwey hundert Thaler gab, daß er ihm muſte Wachteln und andere Thie-
re fangen; Das hat der jetzige Koͤnig ausgeſtrichen; So iſt mancher
Gloͤckner ausgeſtrichen worden. Was aber zur unvermeidlichen Noth-
wendigkeit gehoͤret, das kan man nicht retrenchiren. Eſſen muß der
Herr, und zwar beſſer, als andere, auch ſeine Gemahlin, da muß man
nur acht geben, daß die Sachen, ſo man brauchet, aus der erſten Hand
gekauffet werden. Es iſt laͤcherlich, wenn von Hofe alles gehohlet wird,
aus der dritten oder vierdten Hand, und muͤſſen ſie alles theurer bezah-
len, als andere. Es ſind auch viele illicita media, da man ſuchet, dem
Herrn eine menage beyzubringen, welche der Law admirable ſpecificirt.
e. g. Es laͤſſet ſich nicht thun, daß man bey Hofe alles, was den ſplen-
deur, die Gemahlin, die Kinder und deren information betrifft, zuruͤck
ziehet; denn es dienet zu ihrem honneur. Wenn der Gouverneur von
einem Printzen ein rechter Mann ſeyn ſoll, ſo muß er ihn auch recht
beſolden, ſonſt bekommt er keinen tuͤchtigen. Bey Hofe muß ſich ja ei-
ner anders auffuͤhren, als wenn er vor ſich lebet, er kan nicht immer in
einem Kleide erſcheinen. Der Kayſer Maximilianus II. welcher viel
Geld hinterlaſſen, hat es in dieſem Stuͤck recht gemacht; Er hatte einen
mittelmaͤßigen Staat; wenn aber ein groſſer Herr da war, oder es war
ſonſt noͤthig, eine Magnificence ſehen zu laſſen, ſo war alles propre. Der
Koͤnig in Franckreich, welcher den klugen Staats-Miniſtre, den Colbert
gehabt, hat auf Einrathen deſſelben, wo es noͤthig geweſen, auch eine
groſſe Magnificence ſehen laſſen. Alle Knoͤpffe an dem Rock waren
von
[275]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
von dem groͤßten Diamanten, woruͤber alle erſtaunet. Colbert ſagte:
Ein Fuͤrſt muͤſſe ein Anſehen haben auch auswaͤrts, und wenn gleich ein
Herr ſein Hertz nicht daran haͤnge, ſo muͤſſe er doch machen, daß Aus-
waͤrtige ihn vor einen maͤchtigen Koͤnig hielten, und ihn fuͤrchteten.
Wer dem Herrn rathen will, allen ſplendeur abzuſchaffen, der ſuppe-
ditirt ein pſeudo-medium, indem ſolcher dem Herrn mehr ſchadet, als nuͤ-
tzet. Ein privat-Mann wendet was auf die Erziehung ſeiner Kinder,
wie vielmehr ſoll es nicht ein groſſer Herr thun. Was nun die gagen
betrifft, ſo waͤre abſurd, wenn alle ſollten umſonſt dienen, aber auf me-
riten und den Nutzen der chargen muß man ſehen, darnach muß die
gage eingerichtet werden. Wenn einer gleich ein Vermoͤgen hat, er hat
ein Point d’honneur, will gerne in publico verſiren, ſo ſiehet er doch, daß
bey allen chargen Muͤhe und noch Verdrießlichkeit zu gewarten, wenn
er etwas verſiehet, ſo dancket er ab, und will lieber vor ſich leben, oder
gehet zu einem andern Herrn, der ihm was giebet. Man darff nicht
dencken, daß unter denen Unterthanen Leute, welche alles pro bono pu-
blico thun, und nicht dabey auf ihren Nutzen ſehen ſollten. Sie ſehen
ja, daß der Herr auf ſeinen Nutzen ſiehet, warum ſollten ſie es nicht
thun. Ein Koͤnig in Pohlen braucht keinen Bedienten etwas zu geben,
aber da haben ſie groſſe chargen zu gewarten. Will ſich ein Polack in
die Hoͤhe bringen, ſo gehet er a la cour, hat er ſich nun wohl meritiret
gemacht, ſo hat er Hoffnung ein Woywod zu werden: Denn manche
Woywodſchafft traͤgt jaͤhrlich hundert tauſend Thaler. Der Kayſer
hat auch Leute, welche ihm umſonſt dienen, oder wenigſtens eine gerin-
ge penſion bekommen. Die Leute aber ſind vor ſich reich, und der Kay-
ſer laͤſſet ſie bey ihren revenüen und juribus, thaͤte er es nicht, ſo muͤſte
er ſie beſolden. Mancher Graf in Oeſterreich hat jaͤhrlich funffzig tau-
ſend und hundert tauſend revenüen und noch wohl viel baar Geld liegen,
welches ſie nicht einmahl gerne austhun wollen. Beſoldet man die
Bedienten nicht recht, ſo gehets dem Volck ab, ſie ſuchen dem Volck
vieles abzuziehen, ſo hat der Herr Schaden. Setzt man gleich groſſe
Straffen darauf, ſo hilfft es doch nichts mehr, als daß ſie ſuchen es kuͤnſt-
licher einzurichten, damit es der Herr nicht ſo leicht mercke. Die vie-
len Gnaden-penſiones kan ein Herr auch meiſt retrenchiren, alle kan
freylich einer nicht abſchaffen, denn manchmahl hat einer meriten, er iſt
herunter kommen, ſolchem muß man hiedurch helffen. Der Hochſelige
Koͤnig hat vielen Frantzoſen von extraction, die ſich aus Franckreich, we-
gen der Religion retiriret, ſolche Gnaden-penſion gegeben, bis ſie nach
und nach koͤnnen employret werden. Manchmahl iſt es auch gut, wenn
M m 2eines
[276]Cap. V. De prudentia
eines ſeine penſion vermehret wird, da kan man aber keine regulam uni-
verſalem geben. Bisweilen iſt einer, der groſſe meriten hat, dem muß
man præmia geben; Deßwegen iſt es gut, wenn groſſe Herren die Ti-
tul nicht laſſen veraͤchtlich werden, weil die Leute offt mit ſolchen ver-
gnuͤgt ſind. Wenn einer was ſonderlichs in pace oder in bello gethan,
und er ſiehet auch nicht aufs utile, ſo will er doch etwas haben, daß ihm
eine Ehre zu wege bringet. Manchmahl ſpendirt ein Herr gewiſſe Gel-
der auf Ambaſſadeur, Eſpions, die ihm alles muͤſſen zuſchreiben, da muß
man ſolche Enthuſiaſten nicht hoͤren, welche meynen, ein Herr habe die-
ſes nicht noͤthig, und koͤnne das Geld behalten. Die Nachbarn ſind
ja unſere Feinde, deßwegen muͤſſen wir vigilant ſeyn, ſonſt ruiniren ſie
uns. Der Tuͤrck thut das nicht, aber es hat auch Monſ. Ricaut und
andere dieſes als einen groſſen Fehler bemercket. Dicis: Die Leute moͤ-
gen vor ſich correſpondiren; allein der wuͤrde vor einen groſſen Thoren
gehalten werden, welcher ſein Geld deßwegen depenſiren wollte. Wenn
man trouppen von noͤthen hat, ſo iſt es eine naͤrriſche parſimonia, wenn
man fremde nimmt. Daher hat der Law an denen Hollaͤndern geta-
delt, daß ſie fremde trouppen, als Schweitzer und andere Teutſche in
Dienſte nehmen; da ſie aus ihren eigenen Landen eine Armée von ſo
vielen tauſend Mann koͤnnten zuſammen bringen. Gut waͤre es, wenn
ſie dieſelben entbehren koͤnnten: Denn die Schweitzer koſten mehr als
andere, und der Schweitzer gehet aus Armuth in dem Krieg, daher ver-
thut er nicht alles, was er bekommt, ſondern er ſchicket was nach Hauſe,
damit er einmahl in ſeinem Alter moͤge was zu leben haben. Die
Frantzoſen haben auch Schweitzer in ihren Dienſten, weil ſich die Fran-
tzoſen nicht gut zur Infanterie ſchicken. Die Venetianer haben auch
viele Teutſche in Dienſte genommen, ſie haben aber denenſelben ihre
gage nicht ordentlich bezahlet, und wenn ſie dieſelben abgedancket, ſo ha-
ben ſie das Geld um die Helffte erhoͤhet, dadurch die Leute viel Scha-
den gehabt; daher iſt es geſchehen, daß ſie bey dem letzten Krieg uͤber
ſechs tauſend Mann nicht koͤnnen zuſammen bringen. Die Engelaͤnder
haben auch ſubſidien-Gelder gezahlt, und trouppen uͤbernommen. Bey
denen Hollaͤndern iſt es ein caſus neceſſitatis; denn dieſe haben entweder
keine Leute, die ſich gleich dazu ſchicken, oder ſchonen ihr Volck, damit
es nicht davon gehe, und ihre commercia geſtoͤhret werden. Ludovicus
Cantarellus Faber hat ein Buch in Frantzoͤſiſcher Sprache de origine feu-
dorum in folio geſchrieben, darinnen hat er unter andern auch einen di-
ſcours vom Krieg, warum man ſich jetzo vor dem Krieg ſo fuͤrchte, da
vor dieſem unſere Republiquen ſo martialiſch geweſen, Franckreich ſo wohl
als
[277]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
als Teutſchland. Ein jeder comes hatte ſeine milites unter ſich, die er
commandirete, und wenn der Krieg aus war, ſo gieng er nach Hauſe,
und hielt Gerichte. Es ſind auch Buͤrger mit in den Krieg gegangen,
die trieben hernach ihr metier fort, wenn ſie wieder nach Hauſe kamen.
Der Pere Daniel hat ein Buch von der Frantzoͤſiſchen Chevallerie her-
aus gegeben, darinnen er die alte und neue Kriegs-façon in Franckreich
beſchreibet, und beweiſet, daß ſie eine groſſe Anzahl von Trouppen aus
Buͤrgern formiret. Aber vor dem haben auch die Kriege nicht lange gedau-
ret, da giengen ſie in Krieg, ſchlugen ſich einmahl herum, und marchirten
hernach wieder nach Hauſe. Hergegen jetzo dauren die Kriege lange,
ein Kerl muß von ſeiner Frau und Kindern weg, er muß ſein Handwerck
liegen laſſen. Daher, wenn jetzo einer geworben wird, ſo iſt es, als
wenn er gleich ſollte in den Tod gehen, die Frau und Kinder heulen.
Deßwegen haben eben die Hollaͤnder und Engelaͤnder ſubſidien-Gel-
der bezahlet. In Teutſchland aber ſind viele Muͤßiggaͤnger. Puffen-
dorff hat in ſeiner Einleitung zur Hiſtorie obſerviret, daß der vierdte
Theil in Teutſchland Faullentzer, ſo in den Krieg lauffen, und dencken
Beute zu machen, welches eine alte opinion iſt bey denen Teutſchen.
Die groſſen Herren in Teutſchland haben die inclination geſehen, da-
her haben ſie ſolche gebraucht als ein remedium Geld zu machen, denn,
wenn ich alle Jahr zwey mahl hundert tauſend Thaler ſubſidien-Gel-
der bekomme, ſo iſt es ſo gut, als wenn ich zwey mittelmaͤßige Graf-
ſchafften habe. Die Schweitzer machen es eben ſo, weil ſie ihre Leute
nicht alle ernehren koͤnnen; Alſo iſt es kein Wunder, wenn der Autor
es anſiehet, als ein Mittel, das ærarium zu vermehren. Die Daͤhnen
haben auch offt viele tauſend Mann andern uͤberlaſſen. Aber Molles-
worth, welcher den Staat von Daͤnnemarck beſchrieben, ſagt: Die
Herren daͤchten, ſie haͤtten avantage, in der That aber ſchade es ihnen;
Man ſollte lieber laſſen die Leute ein metier ergreiffen, und im Lande be-
halten, damit das Land depeupliret werde; Und die Wahrheit zu ſagen,
ſo iſt es ein groſſer Fehler, daß man ſo einfaͤltig iſt, und verkaufft die
Menſchen aus ſeinen Landen. Man bedencke, was das vor einen
Schaden gethan, da der Hertzog von N. funffzehen hundert Koͤpffe vor
die Venetianer geworben, welches auch groſſes Murren verurſachet.
Aber es iſt ſein Lebtag bey denen Teutſchen ſo geweſen, weil ſie eine ſo
groſſe inclination zum Kriege haben. Das hat der Pabſt wohl ge-
wuſt, und haͤtte er ſich gerne einen andern advocatum eccleſiæ ange-
nommen, wenn er nicht gewuſt, daß die Teutſchen ſich laſſen von an-
dern gebrauchen. Cæſar hat etliche legionen von Teutſchen gehabt, die
M m 3er
[278]Cap. V. De prudentia
er wider den Pompejum gebrauchet. Myler ab Ehrenbach hat auch eine
Diſſertation uͤber einen locum Taciti geſchrieben, die erſt nach ſeinem To-
de heraus gekommen, darinnen zeigt er auch, daß, ſo lange man etwas
von denen Teutſchen wiſſe, faͤnde man dieſes. Dieſer Kayſer Adol-
phus Naſſovicus hat dem Eduardo III. auch trouppen gegeben wider
Franckreich, weßwegen ihn Bonifacius VIII. gregarium militem nennet.
Den Brief des Pabſts kan man finden in des Orderici Raynaldi Con-
tinuat. Baron. In abſtracto bin ich alſo wohl des Mollesworths Mey-
nung, aber bey unſern Fuͤrſten wird man es nicht dahin bringen, daß ſie
es unterlaſſen. Sie bekommen freylich gute Soldaten wieder zuruͤck,
aber es werden auch viele todt geſchlagen. Es hat einer von meinen
Zuhoͤrern in Altorff eine diſſertation vom Menſchen-Handel gehalten,
worinnen er auch dieſe Sache politiſch conſideriret. Der Autor ſagt
auch, daß ein Herr ſollte pecuniam publicam revilliren laſſen, dabey
auch etwas von der Feuer-Caſſe und andern mehr muͤſſe erinnert wer-
den; Es iſt allezeit gut, daß der Herr einen Treſor hat, aber die quæ-
ſtio iſt, ob er das Treſor ſoll ruhen laſſen, und ob es dem Lande nicht
Schaden thut, wenn er es ruhen laͤßt. Laͤßt er es ruhen, ſo iſt es eben
ſo viel, als wenn das Geld vergraben waͤre, und thut alſo freylich Scha-
den. Denn wenn der Herr in ſeinen Treſor ſammlet, ſo entgehet alle
Jahr dem Lande mehr; die groſſen Muͤntz-Sorten verlieren ſich, und
muß man hernach viel geben, wenn man groſſe Sorten haben will. Al-
ſo iſt es gut, wenn der Herr das Geld laͤſſet rouilliren. Niemand
wird ſagen, daß der Herr nichts ſollte ſammlen. Wie die Koͤnigin E-
liſabeth zur Regierung kam, fande ſie leere Coffres, weil Henricus VIII.
und die Maria nicht geſparet, deßwegen ſammlete ſie. Die Leute ſag-
ten, ſie waͤre geitzig, allein ſie ſahe, daß bey ihrem Reiche Sparſam-
keit vonnoͤthen war. Man hat auch ein Exempel an dem Churfuͤrſten
von Hannover, des jetzigen Koͤnigs in Engeland ſeinem Herrn Vater,
welcher auch vieles in Teutſchland geſammlet, aber auf die letzt hat er
geſehen, daß es ſchaͤdlich, wenn das Geld immer verſchloſſen bleibet,
daher hat er vielen Leuten, welche was anfangen wollen, gegen genug-
ſame caution damit geholffen. Daß waͤre aber uͤbel, wenn ein Herr
ſechs pro cent nehmen wollte, womit keiner beſtehet, wenn es nicht ein
Kauffmann iſt, der ſehr gluͤcklich. Deßwegen gab auch der Churfuͤrſt
das Geld gegen ſehr wenig pro cent aus. Wenn man nur drey pro
cent nimmt, ſo iſt man auch ſicherer, weil einer leicht ſo viel gewinnen
kan. Da ohnedem ein Herr abundantiam von Gelde hat, was hat er
noͤthig, ſo viel zu nehmen. Nun koͤnnte man ſagen, der Fuͤrſt koͤnnte
nicht
[279]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
nicht Schaden haben, allein, da kan man ſich ſchon vorſehen, und hat
Schrödter in ſeiner Schatz- und Renth-Cammer cautelen ſuppeditiret,
wie man koͤnne ſicher ſeyn. Die Cameraliſten muͤſſen hier acht geben:
was der vor ein Mann, dem man Geld giebt; wie er das Geld an-
wendet ꝛc. In der applicatione in ſpecialibus gehoͤret freylich ein juge-
ment dazu; deßwegen hat man ſubalternen, welche muͤſſen acht geben.
Ein Herr muß vor allen Dingen acht geben, daß das Geld rouillirt,
deßwegen iſt alles Silber-Geſchirr in die Muͤntzen zu liefern. Man-
cher Fuͤrſt aber hat kein Geld auszulehnen, daher iſt man auf Feuer-
Caſſen, montes pietatis \&c. gefallen. Die Venetianer haben geſehen,
daß es ihnen am Gelde fehle. Denn ehe man noch den Weg um das
caput bonæ ſpei wuſte, ſo muſte man alle aromata von ihnen haben,
und ſie hatten ſie von Alexandria, da waren ſie die reichſten Leute; hat-
ten groſſe Flotten, aber ſie ſind ſehr herunter kommen. Wie ſich das
Ding changirete, ſuchten ſie wieder Geld nach Venedig zu bringen, und
dachten, es waͤre gut, wenn nur Geld hingebracht wuͤrde, ob es gleich
nicht gantz ihnen gehoͤre, ſo wuͤrde es doch nicht leicht wieder weggezo-
gen werden. Sie fielen alſo auf die montes pietatis, welche man deß-
wegen ſo nennet, weil man da dotes giebet, die dotes aber referiret man
ad pias cauſas. Es kan nun geſchehen, daß mancher drey Maͤdgens
hat, kan ihnen nicht viel geben, gleichwohl hat man dotes; virtus poſt
nummos conſideratur, daher ſagten die Venetianer, wer will ſeinen
Maͤdgens dotes geben, und er giebt uns e. g. vor ein Maͤdgen zwey
hundert Thaler, ſo ſoll das Maͤdgen, wenn es heyrathen wird, ſechs
hundert Thaler loco dotis bekommen, legt einer mehr hinein, ſo be-
kommt er auch mehr. Den Vortheil haben die Venetianer davon,
daß ſie offt das Geld behalten, und nichts geben duͤrffen, denn ſie neh-
men das Geld nicht an, wenn das Maͤdgen heyrathen will, cum ſpon-
ſus eſt ad portas, ſondern, wenn ſie noch Kinder ſind, da ſterben wohl
zehen Maͤdgens weg, ehe ſie einmahl noͤthig haben einen dotem zu geben,
das Geld lucriren ſie alles, dadurch haben ſie einen fond bekommen von
vielen tauſend Thalern. Sie geben auch Leib-Renten, lebt da einer
nicht lange, ſo koͤnnen ſie auch viel profitiren. Die Capitalien haben
nun die Venetianer indeſſen genutzet, entweder pro bono publico, oder
ausgeliehen. Honorius, ein Venetianer, hat in ſeinen relationibus
(denn die Venetianer nennen mehrentheils ihre politiſchen Buͤcher re-
lationes,) gewieſen, wie es eigentlich mit denen montibus pietatis be-
ſchaffen. Es hat einer aus Gotha, Nahmens Ockel, eine Diſſertation
in Altorff de montibus pietatis gehalten, worinnen er artige Sachen
bey-
[280]Cap. V. De prudentia
beygebracht. Andere haben nun andere inventiones, als z. E. die
Feuer-Caſſen, welches was admirables, wenn es recht adminiſtriret
wird. Wie die Venetianer einen prætext gehabt, daß es pium ſey, ſo
hat man hier auch geſagt, wenn dein Hauß abbrennet, iſt es doch ein
groſſes ſoulagement, wenn es dir wieder aufgebauet wird, daher hat
ein jeder alle Jahr was geben muͤſſen, welches immer angewachſen, da
hat es der Herr indeſſen brauchen koͤnnen, und wenn ein Ungluͤck geſche-
hen, ſo hat man nach proportion einem jeden etwas accordiret. Es iſt
kein Zweifel, daß, wenn die Feuer-Caſſen ſo adminiſtriret wuͤrden, daß
man wenig Bediente haͤtte, und keine malverſation dabey vorgienge,
ſolches ein ſehr loͤbliches Werck. Aber wenn der Herr die Gelder an-
greifft, laͤßt opern davor ſpielen, giebt das Geld denen maitreſſen, da iſt
nichts zu thun; ſonſt aber hat ſie duplicem finem, ſie hilfft dem Volck
und auch dem Herrn. Man hat an manchen Orten auch banquen an-
gelegt. Man muß ſie ſo einrichten, daß ſie einem nicht hinderlich ſind.
Von einer gewiſſen Reichs-Stadt muß ich hier einen Fehler bemer-
cken, welchen auch viele geſehen. Da iſt auch eine rechte banque, in
welche ein jeder Kauffmann etliche hundert Thaler legen muͤſſen. Man-
cher Kauffmann hat nun kein Geld, er muß was hinein legen, will er
ſeinen credit conſerviren, da nimmt er anderswo Geld auf, giebt groſſe
Zinſen und thut ſich alſo Schaden. In Holland machen ſie es beſſer,
da ſagen ſie: Wer Geld in die banque giebt, giebt es, als ein depoſi-
tum, es iſt ja ſicher, und muß was weniges einzuſchreiben geben; Will
er einem andern was davon auszahlen, ſo giebt er was weniges, daß es
dem andern zugeſchrieben wird. Die Hollaͤnder ſagen, das Geld, wel-
ches einmahl ins Land gebracht wird, kommt nicht leicht wieder heraus,
und alſo haben ſie doch profit davon, ſie geben keinen Dreyer intereſſe,
aber es iſt doch was ſchoͤnes, daß man daſelbſt das Geld ſicher haben
kan, und wenn man einem was zahlen will, ſo braucht man nicht groſ-
ſe Muͤhe, daſſelbe zu zahlen, ſondern man laͤſſet es ihm nur zuſchreiben.
Wenn die Hollaͤnder Geld von noͤthen haben, nehmen ſie davon,
aber deßwegen werden ſie nicht banquerout. Daher haben viele Leute
ihr Geld dahin gebracht. Wie Holland ſo in Noth war, und von
Franckreich attaquiret wurde, da forderten alle ihr Geld zuruͤck, wel-
ches die Hollaͤnder auch alle ausgezahlet. Wie nun die Gefahr vor-
bey war, brachten ſie ihr Geld wieder, weil ſie ſahen, daß genug Si-
cherheit da war. Fides publica muß freylich erhalten werden. Mſr. Clerc
in ſeiner Bibliotheque Ancienne hat hievon gehandelt. Die Lotterien gehoͤ-
ren auch hieher, wovon in ſequentibus etwas wird gedacht werden.
§. 5.
[281]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
§. 5. Wenn wir nur urtheilen wollen, nach dem point d’ hon-Ob ein groſſer
Herr Handel-
ſchafft treiben
koͤnne?
neur, welches man in Europa ſich machet, und dencket: bellum \& ſtu-
dia waͤren homines nobiliſſimi ſcopus, ſo kan man nicht anders als ab-
jecte ſentire de omni mercatura. Ja es meynen einige, es ſey dem ho-
mini nobili ſchimpfflich, ſi in artibus togæ degat. Ich habe in des Cal-
lieres la fortune des Gens de Cour geleſen, daß er diſputirt, ob ein no-
bilis koͤnne ein Cammer-Rath ſeyn. Wie vielmehr muß alſo vor
ſchimpfflich gehalten werden, ut nobilis ſit mercator, ut rex ſit merca-
tor, denn hat auch der Autor timide geſagt: Addunt nonnulli mercatu-
ram; Was nun aber die Frage betrifft, ob ein Princeps koͤnne ein mer-
cator ſeyn, ſo iſt freylich nicht zu leugnen, daß viele rationes in contra-
rium vorhanden ſind. Man findet auch in des Lynckers ſeinen conſiliis
ein eigenes conſilium hiervon, worinnen er harte expreſſiones hat, ge-
gen diejenigen, welche ſich der mercaturæ theilhafftig machen wollen.
Alſo ſcheinet nicht, daß es ſich ſchicke, wenn ein Princeps ſolches wolle
an ſich ziehen, und denen Unterthanen nehmen, will er allein backen,
allein brauen, allein Kauffmann ſeyn, was bleibet denen Unterthanen?
Daher ſagt Lyncker, es ſey etwas ſordides, ſchaͤndliches, grauſames,
tyranniſches, wenn der Herr es nehmen wolle, und in gewiſſer Maaſſe
hat auch Lyncker recht, weil es ein ſolches metier, davon eine groſſe
Menge derer Unterthanen ernehret werden. Wenn es auch die Un-
terthanen nicht expreſſe geſagt, ſo haben ſie ſich doch tacite his conditio-
nibus ſubjicirt, ut protegantur, \& ut poſſint aliquid lucrifacere, davon
ſie ſich erhalten koͤnnen. Ich habe ja nicht verſprochen ein Bettler zu
ſeyn; Eine respublica mendicorum iſt auch keine respublica; So weit
hat Lyncker recht, wenn es ein ſolches metier, davon eine groſſe Men-
ge Unterthanen ernehret werden. Wenn auch der Princeps was thun
will, und die Unterthanen klagen bey denen hohen Reichs-Gerichten,
ſo wird allezeit vor die Unterthanen geſprochen. In einer gewiſſen
Reichs-Stadt wollte der Rath ein Brauhauß aufrichten, weßwegen
ein proceß entſtanden, und haben auch die Unterthanen gewonnen: denn
es iſt multum rationis vorhanden; Allein man muß doch hier cum gra-
no ſalis von der Sache reden. Etliche Nahrungen kan der Princeps
denen Unterthanen nicht nehmen. e. g. Wenn er allein brauen, ba-
cken wollte, ſo muͤſten alle Becker, Brauer, davon lauffen. Wollte
er allein die Wirthſchafft treiben, ſo wuͤrden viele Leute verlieren, und
daruͤber murren, ich glaube auch nicht, daß der Herr einen Nutzen da
haben wuͤrde: denn wenn er den profit mit dem Nutzen balancirt, ſo
wuͤrde er ſehen, daß es mehr ſchaͤdlich. Aber es ſind einige Nahrun-
N ngen,
[282]Cap. V. De prudentia
gen, welche dem Poͤbel nichts ſchaden, wenn der Fuͤrſt ſie an ſich ziehet;
Was von dem point d’honneur geſagt wird, das iſt nichts, denn alle
aͤuſſerliche opinio honoris dependiret vom Landes-Fuͤrſten; das kan er
freylich nicht machen, daß dasjenige, was tugendhafft iſt, als laſter-
hafft angeſehen wird, \& vice verſa; Aber was aͤuſſerliche Ehre bringet,
das kan er allezeit machen, wie er will. Was er thut, das thun ande-
re, und was er ehret, ehren auch andere. Was ſind nun aber das vor
Dinge, ſo ſich ein Herr impatroniren kan? Wir wollen das Koͤnigreich
Portugall erſt conſideriren; die Portugieſen ſind ſehr herunter kommen,
durch das Spaniſche Regiment Philippi II. III. \& IV. Sie haben in
Spanien recht darauf geſonnen, wie ſie denen Portugieſen allen Reich-
thum, Schiffe, artillerie entziehen moͤchten. Wie nun der Hertzog von
Braganza, Johannes IV. auf den Thron ſtieg, ſo war in Portugall kein
Geld, das ærarium war ausgeleeret; daher dachten die Portugieſen dar-
auf, ihrem Koͤnige neue revenüen zu ſchaffen. Neue impoſten aufzule-
gen, war nicht rathſam, weil die impoſten in Portugall ſchon zu groß
waren, daß, wenn man ſie nur um einen Pfennig vermehren wollen,
wuͤrden die Leute gemurret haben, welches alle diejenigen obſerviren, ſo
von Portugall geſchrieben haben. Videatur Schmaus in ſeinem Staat
von Portugall in zwey Baͤnden in octavo, welches ein treffliches Buch.
Deßwegen dachten ſie darauf, dem Koͤnig monopolia zu verſchaffen,
welches denen Portugieſen was leichtes war, weil ſie ein groſſes com-
mercium nach Braſilien, Africa und Oſt-Indien haben, man ſagte:
Was thut es denen privat-Leuten, wenn der Koͤnig das monopolium
hat mit denen Elephanten-Zaͤhnen. Niemand aber hat mehr Gelegen-
heit Elephanten-Zaͤhne zu bekommen, als die Portugieſen, weil ſie nach
Africa handeln, woſelbſt die meiſten ſind. Daher uͤbertreffen ſie auch in
dieſem Handel alle nationes. Nun muß man nicht dencken, der Koͤnig
waͤre ein Handelsmann, der alles einkauffete in Africa, ſondern alle
Zaͤhne muͤſſen ihm vor einen gewiſſen Preiß geliefert werden, und der
Koͤnig handelt hernach mit allen nationibus, da hat er doch profit ge-
nug. Fingemus, er giebt vor eine gewiſſe quantitaͤt hundert Thaler, ſo
bekommt er hernach wohl drey hundert Thaler, alſo iſt der Koͤnig freylich
in dieſem Punct ein Kauffmann. Sie haben auch geſehen, daß die Por-
tugieſen eine groſſe inclination zum Schnupff-Toback haben, damit hat
der Koͤnig auch den Tobacks-Handel an ſich gezogen, da konnten ſie
wieder nichts ſagen, denn es kommt aus fremden Landen. Es iſt da
verbothen, bey Lebens-Straffe keinen Schnupff-Toback nachzuma-
chen; So haben ſie auch dem Koͤnig das Braſilien-Holtz attribuiret,
durch
[283]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
durch dieſe Sachen hat der Koͤnig Millionen erworben, und ſich koͤnnen
ſouteniren. Es iſt kein Zweiffel, wer es kan ſo einrichten, der thut nicht
uͤbel, und hat er nur noͤthig, daß er von ſeinen Leuten immer Rechnung
verlanget, damit keine Betruͤgereyen koͤnnen vorgehen. In Indien iſt
es eben ſo, daß die Koͤnige handeln. Aber da iſt es eine andere Sa-
che, da ſind alle Arbeits-Leute Sclaven, und obligirt zu arbeiten pro
domino, als wie es iſt in dem Reiche des groſſen Moguls. Das kan
man aber in Europa nicht practiciren; denn da ſind die Leute keine Scla-
ven. Man kan hier auch den Czaar betrachten, welcher ebenfalls ein
groſſer monopola. Der Czaar hat auch ſolche Sachen, worinnen er
kan ein monopolium exerciren. Er hat die Juchten, welche ihm alle
vor ein gewiſſes Geld muͤſſen verkauffet werden, die verkauffet er her-
nach wieder, und macht einen groſſen profit, weil niemand ſonſt in Eu-
ropa capable iſt, ſolch Juchten nachzumachen. Es iſt in Moſcau eine
deſpotiſche Regierung, da hat es gar leicht geſchehen koͤnnen, daß man
die Unterthanen darzu verbunden. Wer kein Gerber ſeyn will, kan
was anders lernen, es ſind aber doch ſolche Leute genug daſelbſt; der
Czaar hat auch das Zobel-monopolium; denn Zobelfaͤnger iſt keine
profeſſion, daher kan ſich kein Menſch beſchweren. Wenn auch in
Moſcau Grand-Seigneurs ſeyn, ſo in ihren Landen Zobel finden, die
muͤſſen doch ſolche dem Czaar liefern. Rhabarbarum hat auch der
Czaar allein, und waͤchſet an dem Fluſſe VVolga, welcher vor dieſem
Rha geheiſſen, die Roͤmer haben es Rhabarbarum genennet, weil es ex
Barbaria kommen. Der Czaar giebt es wohlſeil, dahingegen das In-
dianiſche Rhabarbarum theuer iſt. So ein Kraut kan ſich ja ein Herr
appropriiren. Die Chinaͤſiſchen Kayſer haben auch groſſen profit mit
denen Kraͤutern. So hat auch der Czaar den Toback, welcher vor
dieſem in Moſcau verbothen geweſen, weil viel Ungluͤck daher entſtan-
den, da die Leute das Feuer nicht in acht nehmen, aber jetzo iſt er wie-
der zugelaſſen. Dieſes gehet noch alles an; Aber das iſt extravagant,
wenn der Czaar Zoͤlle, Schencken in ſeinem Lande an ſich gezogen, und
dieſelben verleget mit Wein und andern Getraͤncke. Das iſt von vie-
len ſeculis her in Moſcau uͤblich geweſen, und muß es unſaͤgliche Sum-
men eintragen, wenn recht eingegeben wird. Eigentlich iſt es kein re-
gale, wenn der Herr alle eſculenta und potulenta verkauffen will.
Wenn man aber den abuſum anſiehet, ſo waͤre bisweilen gut, daß es
der Herr annaͤhme, da wuͤrden die Leute beſſer verſorget werden, und
nicht Waſſer vor Bier trincken duͤrffen. Man weiß, was vor Betruͤ-
gereyen vorgehen, welche nur vitam injucundam verurſachen, und einen
N n 2um
[284]Cap. V. De prudentia
um ſeine Geſundheit bringen, der abuſus koͤnnte alſo wohl einmahl ver-
urſachen, daß man es ſo machte, wie in Moſcau; aber in Teutſchland
iſt nicht una respublica, da wuͤrde es viele difficultaͤten ſetzen, wegen der
jurium, der nobleſſe und der Staͤdte. Wenn alſo die monopolia ſo
eingerichtet, daß ſie denen Unterthanen nichts nehmen, ſo koͤnnen ſie gar
wohl angehen, welches auch Lyncker erkannt hat. In Pohlen hat der
Koͤnig das monopolium vom Saltz. Der Vauban hat auch dem Koͤ-
nige in Franckreich gerathen, ſolches an ſich zu ziehen, wodurch er ver-
meiden koͤnnte, daß kein fremdes Saltz eingefuͤhret wuͤrde. Vauban war
ein ehrlicher Mann, deßwegen ſagte er, weil in Franckreich viele Per-
ſonen waͤren, denen es zugehoͤre, ſo ſolle er denenſelben geben, was es
jetzo werth, damit ſich keiner beklagen koͤnnte; dadurch wuͤrde er dieſe
avantage haben, daß, da diejenigen, welche Saltz-Guͤter haben, nur
Faullentzer ſind, weil ſie ihre reditus gewiß haben, ſo wuͤrden ſie nun
muͤſſen was anfangen mit ihren capitalien, und das Geld rouillirte, der
Koͤnig habe alsdenn einen Saltz-Fond, welchen er recht nutzen und ein-
richten koͤnnte, wie er wollte, und es ſo machen, daß die Leute es wohl-
feil bekaͤmen; Denn das Saltz præſerviret uns vor der Faͤulung, und
iſt es ein groſſes Ungluͤck, wenn das Saltz theuer, da werden die Leute
kranck. Die Teutſchen haben vor dieſen auch etwas gehabt, e. g. den
Zwang-Wein, den man auch Bann-Wein genennet, da man dem
Herrn ſeinen Wein muß zu erſt abkauffen. Bey vielen Stifftern hat
man dieſes, als in Worms, Speyer ꝛc. Wenn der Biſchoff Wein
aufthut, ſo muß der erſt alle ſeyn, wenn andere ihren verkauffen wol-
len. Sie haben auch Zwang-Muͤhlen gehabt, dergleichen auch noch
viele Edelleute und Principes haben. Im Luͤneburgiſchen findet man der-
gleichen, auch in Heſſen.
Natur durch
die Kunſt koͤn-
ne zu ſtatten
kommen?
§. 6. Den ſechſten Paragraphum haͤtte der Autor hier weglaſſen
koͤnnen, und bey einer andern Gelegenheit ſollen beybringen, etwa bey
der folgenden Section, da de mercatura gehandelt wird, doch thut es zur
Sache nichts, und iſt in effectu einerley, ſive hoc loco, ſive alio tracte-
tur, daher iſt zu mercken: Es hat zwar die Natur, wie man dencken
ſollte, einer jeden Sache ihre Grentzen geſetzet, und alſo haben viele ge-
meynet: Arte fieri non poſſe, ut unus fluvius derivetur in alterum.
Conring in Diſſertatione de ærario iſt auch dieſer Meynung, und da der
Churfuͤrſt Friedrich Wilhelm die Havel und die Spree zuſammen ge-
leitet, ſo hat er publiquement geſchrieben: Er wuͤrde nicht reuſſiren.
Forſtnerus in notis ad Tacitum hat auch dergleichen mehr wunderliche
als Theologiſche rationes angefuͤhret, auch dicta aus der Bibel, wodurch
er
[285]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
er zu erweiſen ſuchet, daß es eine impoſſible Sache ſey, allein ſie ſind
alle zu ſchanden worden, welche auf dergleichen rationes Pſeudo-Theo-
logicas gefallen. Denn wir haben gefunden, daß der Koͤnig von
Franckreich Meere mit einander conſociiret, und andere Fluͤſſe zuſam-
men geleitet. Der Czaar aber hat ſie alle uͤbertroffen, welcher zuwege
gebracht, daß man aus der Oſt-See bis nach Aſtracan und bis an die
Caſpiſche See kommen kan, davon man Nachricht finden kan in ſeinem
Leben, welches in Franckreich ediret worden. Der Conring, Forſtner,
und andere, ſo ihnen Beyfall gegeben, haͤtten gleich dadurch koͤnnen uͤber-
fuͤhret werden, wenn ſie die alten Vereinigungen geſehen. Wir wiſſen
ja, daß die Iſſel und der Rhein zuſammen geleitet worden, und findet
man dergleichen mehr in denen Niederlanden. Es iſt zu verwundern,
daß, da Conring ein Oſt-Frießlaͤnder, und alſo denen Niederlanden ſehr
nahe geweſen, ſolches nicht regardiret. Die Wahrheit zu ſagen, ſo iſt
die Vereinigung ſehr noͤthig, und wenn es nicht geſchiehet, ſo hat das
Land kein commercium, ſo hilfft auch die peuplirung nicht. Wer will
commercia anlegen, ſagt Iean de Witt, muß erſt machen, daß die Leute
unter einander handeln, und aus andern Landen dasjenige zufuͤhren, was
ſie nicht haben, das kan aber nicht beſſer geſchehen, als durch Canaͤle.
Gleichwie ich mein prædium, welches kein Waſſer hat, melioriren, per
ſervitatem aquæductus, die ich mir bey dem Nachbar zu wege bringe,
welcher viel Waſſer hat. Alſo kan durch die Canaͤle einem Lande auch
viel Nutzen geſchaffet werden, daß man alles leichter haben kan. Wir
ſehen es nur hier in Halle, ratione des Holtzes. Wir haben da kein
Holtz, das wird unten herauf gebracht, nebſt andern Sachen mehr;
Alſo iſt kein dubium, daß es eine avantage vor dem Herrn, und deſſelben
revenüen ſehr vermehren kan, wenn er Canaͤle macht. Von Halle aus
kan man zu Waſſer bis America kommen. Es hat ein Lothringer dem
Kayſer einen Vorſchlag gethan, wie der March-Fluß in die Donau
koͤnne geleitet werden, und die Donau in die Oder, ſo daß man von
der Donau in die Oſt-See kommen koͤnnte. Er hat auch dem Kayſer
gezeiget, was vor impedimenta dabey ſind. Carolus Magnus hat ja wol-
len die Donau und den Rhein laſſen zuſammen leiten; Die Urſach,
warum er nicht reuſſirt, weil er keine tuͤchtige Leute gehabt. Sonſt aber
iſt kein dubium, daß es angehen koͤnne; Wenn es gleich viel Geld ko-
ſtet, bringet es doch alles wieder ein; aber wenn man Fluͤſſe zuſammen
leitet, iſt die andere Frage, ob der Herr ſolche hernach verpachten ſoll,
daß kein Menſch darauf fahre, als diejenigen, welche ſie gepachtet ha-
ben. Die Schleuſſen hat man verpachtet, ich habe aber mit unterſchied-
N n 3lichen
[286]Cap. V. De prudentia
lichen Leuten, ſo das Cammer-Weſen verſtehen, geſprochen, welche ſa-
gen, es ſey dem ſcopo und ſini gantz zu wider, indem es da denen Leuten
nicht viel nutzet. Ein Herr ſiehet bey der Verpachtung die avantage ge-
ſchwind, denn da ſie dreyßig tauſend Thaler zu verfertigen gekoſtet, und jetzo
ein groſſer Pacht gegeben wird, ſo ſiehet er, daß er ſein capital nicht beſ-
ſer nutzen kan. Hingegen wenn einem jeden frey ſtuͤnde zu fahren, ſo
wuͤrde erſt ein commercium entſtehen, ſo aber, da nur diejenigen fahren,
welche es gepachtet, wird das Holtz nicht wohlfeiler, ſondern ſie ſetzen
es ſo hoch, als ſie wollen. Wollte aber ein Herr alle fahren laſſen, ſo
wuͤrde er freylich in denen erſten zwey bis drey Jahren nicht ſo viel ha-
ben, als vom Pacht, aber hernach wuͤrde ſich der profit doppelt finden.
Gewiß iſt alſo, daß die Canaͤle groſſen Nutzen ſchaffen. Holland und
Flandern iſt wegen der Canaͤle eben ſo bequem, weil man da geſchwind
von einem Ort zum andern kommen kan. Da der Kayſer vor einigen
Jahren bey Bruͤgg die Fahrt laſſen beſſern, ſo hat es Holland nicht ger-
ne geſehen, weil ihnen wegen ihrer Handlung Tort geſchiehet. Und
wenn Preuſſen mit dem Kayſer darinnen einig wuͤrde, daß ein Canal,
welcher durch Geldern gehet, repariret wuͤrde, ſo wuͤrde ſich alles von
Teutſchland wieder nach Antwerpen ziehen, und denen Hollaͤndern groſ-
ſer Schade geſchehen. Das wiſſen auch die Hollaͤnder, daher, als Ca-
rolus Magnus einsmahls ſolchen wollen repariren laſſen, haben ſie gedro-
het, ihm den Krieg anzukuͤndigen. In des Colberts ſeinem Leben kan
man ſehen, wie Franckreich reuſſiret, und was ſie vor Muͤhe gehabt, mit
Zuſammenleitung der Meere.
domania und
public-Guͤ-
ther zu ver-
aͤuſſern.
§. 7. Quær. Ob man ſolle bona publica veraͤuſſern? Einige ha-
ben von dem Don Philipp in Spanien etwas geſehen, und ſolches als
einen modum augendi ærarium angegeben. Philippus II. hat viele do-
mainen in Neapolis gehabt, welche er faſt alle veraͤuſſert an die Duces,
Marchiones \&c. und nichts behalten, als die Hoheit, die Zoͤlle, und was
ſonſt die regalia vor reditus haben, wiewohl er auch einige regalia mit
veraͤuſſert. Er hat groſſe Summen Geldes bekommen, und hat die
Duces, Marchiones, Comites conſtringirt eine gewiſſe Anzahl trouppen
zu halten. Wenn er nun Krieg gehabt, ſo hat er nicht noͤthig gehabt,
erſt Soldaten zu werben. Allein was man von dem Don Philipp wahr-
nimmt, iſt gantz was beſonders. Er hat Neapolis faſt nicht regardi-
ret, ſondern ſahe es an, als ein abandonirtes Reich, daher, weil er Geld
gebraucht, hat er es von ihnen genommen, und gedacht, was frage ich
darnach, ob ich was da behalte, oder nicht; Alſo kan man den Philip-
pum hier nicht als einen guten œconomum anſehen. Daher fuͤhret der
Autor
[287]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
Autor ſolches nur timide an. Da hat er recht, wenn er glaubet, daß
kein groſſer profit dabey ſey: Denn das Geld, welches man davor be-
koͤmmt, wird ausgegeben. Die Spanier haben nichts mehr davon.
In hoͤchſter Noth, wenn man allzu viel ſchuldig iſt, und weiß ſich ſonſt
nicht zu helffen, ſo kan man auf dieſe Gedancken fallen; aber wer es
als eine regulam angeben will, der betruͤgt ſich ſehr: au contraire, gleich-
wie ein Herr muß darauf ſehen, ut conſervet omnes populos, ſo muß er
auch ſuchen, ſein domanium zu conſerviren. Die Leute, ſo dergleichen
Guͤther kauffen, ſind auch nicht ſicher; Wenn einmahl ein ſchlimmer
Koͤnig koͤmmt, nimmt er ihnen alles weg, und ſagt, ihr koͤnnt es nicht
kauffen, weil es bona coronæ. Wenn man die Hiſtorie Jacobi I. und
Caroli I. in Engeland betrachtet, ſo findet man, daß es als eine groſſe
ſottiſe angeſehen wird, woraus andere Ungluͤcks-Faͤlle entſproſſen, da
ſie die domainen in Schottland verkaufft, und Gelder diſſipirt. Die
Engelaͤnder gaben kein Geld nicht mehr, da waren ſie herum. Von
Schottland hat nunmehro der Koͤnig in Engeland nicht viel mehr. Da-
her, als die Schotten unter dem William ſo gepochet, hat er ſie mit ei-
nem ſang froid angeſehen, und geſagt: Er habe ja nichts von ihnen.
Ein groſſer Herr, welcher keine domainen hat, iſt ein Sclave ſeines
Volckes, ſonderlich wo das Volck concurrirt ad regimen, wie in Enge-
land, da der Koͤnig nichts thun kan, ohne conſens des Parlaments.
§. 8. Quær. Ob nicht ein Herr ſeine Guͤther ſolle verpachten,Von Verpach-
tungen der
public-Guͤter
und domai-
nen.
oder in Erb-Pacht geben? Reſpond. Viele meynen, es ſey gut, wenn
ein groſſer Herr ſeine domainen verpachte: Denn ein groſſer Herr muß
ſeine domainen nutzen, ſoll er ſie in adminiſtration geben, ſo muß er den
Kerl beſolden, und dieſer wird nicht ſuchen, die revenüen zu vermehren,
weil er ſiehet, daß er auf eine Vermehrung dencket, ſeine Muͤhe muß
auch vermehret werden. Daher ſiehet man, wo die adminiſtration ſtatt
hat, iſt in hundert Jahren kein avancement zu ſpuͤren, das Amt, welches
anno 1600. ſechs tauſend Thaler getragen, hat auch nicht mehr getra-
gen 1640. Man kan nur das Amt Gibichenſtein anſehen, dieſes hat
aufs hoͤchſte ſechs tauſend Thaler getragen, da es in adminiſtration ge-
geben worden. Hergegen, da es jetzo verpachtet wird, traͤgt es ſechs
mahl mehr. In meinem Vaterlande ſind wohl funffzehen conſiderable
Aemter, da habe ich obſerviret, was ein Amt vor hundert Jahren einge-
tragen, traͤgt es noch. Sie ſetzen die Patritios hin, welche nichts thun,
und nur gut leben, wenn ſie es machten, wie wir, ſo koͤnnten ſie ſechs
mahl ſo viel revenüen haben. In Chur-Sachſen haben ſie auch die
Laͤnder lange in adminiſtration gegeben, nachgehends aber haben ſie die-
ſelben
[288]Cap. V. De prudentia
ſelben auch verpachtet, aber in andern Landen haben ſie es noch nicht
thun wollen, und weiß ich, daß ein Herr geſagt hat, wenn man alles
verpachten wolle, ſo koͤnnte er hernach kein Wildpret und andere Sa-
chen mehr haben. Allein, ſo viel ein Herr braucht, kan er ja wohl mit ein-
dingen. Alſo iſt kein Zweiffel, daß die Pachtungen groſſen Nutzen ha-
ben; Aber was die Erb-Paͤchte betrifft, ſo iſt in hieſigen Landen ſehr
diſputiret worden, es hat auch einer muͤſſen in arreſt gehen, welcher da-
wider geſchrieben, ſonſt iſt auch hier eine diſſertation vom Erb-Pacht
gehalten worden, worinnen zwar wohl gewieſen iſt, was der Erb-Pacht
nicht ſey, aber was er eigentlich ſey, findet man nicht. Es ſind freylich
etliche kleine differentiolæ ratione emphyteuſeos; in der That aber iſt es
nichts anders, als eine emphyteuſis variis pactis limitata. In einigen
Stuͤcken iſt der Erb-Pacht gut; aber in andern Stuͤcken hingegen hat
er auch viele incommoda bey ſich. Denn geſetzt nun ein Muͤller, wel-
cher ſonſt eine Muͤhle gehabt Pacht-weiſe, bekaͤme ſie nun in Erb-Pacht,
ſo wuͤrde er eher ſuchen, die Sache zu melioriren, weil er wuͤſte, daß ſol-
che auf ſeine Kinder kaͤme, wuͤrde auch prompt ſeyn, den canonem zu
zahlen. Die Erb-Stands-Gelder, welche etliche Millionen uͤberhaupt
ausmachten, koͤnnte ein Herr auch lucriren. Andere aber haben wider
den Erb-Pacht vieles beygebracht, und iſt kein Zweiffel, daß man ſo wohl
bey dem Zeit- als Erb-Pacht kan commoda und incommoda anfuͤhren.
Was wider den Erb-Pacht geſagt wird, beſtehet darinnen: Ein Herr
koͤnnte alsdenn ſeine revenüen nicht erhoͤhen, weil es erblich, und was
einmahl geſetzt waͤre, muͤſſe da bleiben. Wer wollte aber dem Herrn
rathen, ſagen ſie, daß er ſeine revenüen und reditus auf einmahl ſollte
figiren, ſo daß dieſelben nimmermehr koͤnnten vermehret werden. Da-
hingegen bey dem Zeit-Pacht die revenüen immer ſteigen koͤnnten. Man
ſaͤhe, daß ein Guth, welches ſonſt ſechs tauſend Thaler jaͤhrlich Pacht
getragen, trage nunmehro wohl zwoͤlff tauſend Thaler, hierauf antwor-
tet man aber: Der Herr habe ja die Erb-Stands-Gelder, wodurch er
den Schaden koͤnne erſetzen; er koͤnnte entweder das Geld auslehnen,
oder andere Guͤther davor kauffen, denn es giebt immer was zu kauffen.
Nur das eintzige hat ſich geaͤuſſert; Mancher Erb-Pachter uͤbernimmt
einen groſſen canonem, durch die Erb-Stands-Gelder hat er ſich ent-
bloͤßt, das hat verurſacht, daß einige davon gelauffen, und die Guͤther
ſtehen gelaſſen; Allein dieſes koͤmmt per accidens, und iſt ein Anzeigen,
daß der Kerl kein guter Hauß-Vater geweſen, da finden ſich auch leicht
andere, ſo das Guth annehmen. Wenn ja ein Kerl uͤberſetzt iſt, ſo kan
man ja etwas nachlaſſen. Alle die raiſons alſo, welche wider dem Erb-
Pacht
[289]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
Pacht vorgebracht werden, machen nicht viel aus, man wird auch dieſe
quæſtion nicht ausmachen, und gefaͤllt mir wohl von dem Law, wenn er
ſagt, es moͤge ein Herr ſeine Guͤther in Erb- oder Zeit-Pacht geben, ſo
koͤnnte alles beydes defendiret werden. Diejenigen, welche vor dem
Zeit-Pacht ſind, haben noch dieſes ſtarcke argument, daß ſie ſagen: Laßt
uns forttreiben mit dem Zeit-Pacht, es ſteigen die pretia rerum, da ſtei-
get auch der Zeit-Pacht, kan man es nicht hoͤher bringen, ſo kan man
alsdenn den Erb-Pacht nehmen, das laͤßt ſich wohl hoͤren. Es gehet
auch an, daß man bisweilen die jurisdiction verkauffet. Die Sachſen
haben es gethan unter dem Erneſto und Alberto Animoſo, wovon man
in des Ant. Wecks Dresdniſche Chron. Nachricht finden kan. Die
kleinen Edelleute haben vor dem keine jurisdiction gehabt, ſondern ihre
Bauren gehoͤrten alle vor die præfecturen, und was man hier zu Lande
heißt ein Amt, das wird im Reiche die Zent-Gerichte genennet. Ein
Edelmann hat nun gerne die jurisdictionem ſuperiorem \& inferiorem bey
ſeinem Guthe, daher haben ſie in Sachſen ihnen ſolche verkaufft, und
geſagt, was thut es. Wenn bey dem Amt dieſes oder jenes Guth ent-
zogen wird, deßwegen bleibt es doch ein Amt. Die jurisdictio crimina-
lis koſtet ohnedem dem Herrn nur Geld. In Bayern hat man es eben
ſo gemachet, wie man aus des Baron Schmid Commentario ad Ius Ba-
var. ſehen kan. Der Hertzog von Bayern, Otto, welcher tempore Al-
berti und Henrici Luzelburg. gelebet, und Koͤnig in Ungarn werden woll-
te, hat angefangen, denen Edelleuten die jurisdiction zu verkauffen. Ci-
vilem jurisdictionem haben die meiſten Edelleute ſchon vorhero gehabt,
uͤber ihre Bauren, welches man eben die Erb-Gerichte genennet, i. e.
die zum Erbe gehoͤre. Darauf halte ich gar nichts, wenn ein Herr ſei-
ne Guͤther auf adminiſtration giebt, welcher modus auch hoͤchſt ausgeſtri-
chen, wie die Philoſophia Ariſtotelica. Wer ſeine Guͤther noch auf ad-
miniſtration giebet, gehoͤret unter die Scholaſticos, der hat noch keine
rechten Cammer-Gedancken gehabt. Die Unterthanen leiden gar nichts,
wenn ein Herr ſeine Guͤther verpachtet: Denn der Pachter kan deßwe-
gen denen Unterthanen nicht mehr auflegen, als der Herr ſonſt gethan,
und wird ſehr genau darauf acht gegeben, ſo daß einem nicht zu rathen,
die leges zu uͤberſchreiten. Das conſiderableſte, welches man wider al-
le Paͤchte vorzubringen pflegt, beſtehet darinnen: Wo der Herr die Guͤ-
ther laͤſſet adminiſtriren, da iſt es wohlfeil, wo es wohlfeil iſt, da flori-
ren die manufacturen. Aber das koͤmmet eben nicht daher, daß der
Amtmann das Korn aufſchuͤttet, ſondern es iſt eine andere Urſache wel-
che ein Frantzoſe obſerviret in einem artigen Tractat in 12 mo ſub tit. le
O oTaille
[290]Cap. V. De prudentia
Taille de France, worinnen artige obſervationes hievon: Denn der Koͤ-
nig in Franckreich hat das Verpachten erſt aufgebracht. Dieſer Autor
ſaget: Man wuͤrde ſehen, daß das Korn vom Boden kaͤme, und brauch-
te man es zum Brandtewein und zu der Vieh-Maſtung; Denn da ein
Amtmann viel geben muß, ſo ſucht er allerhand Kuͤnſte ſein Geld wieder
heraus zu bringen. Was der Brandtewein und die Vieh-Maſtung vor
Korn wegnimmt, iſt nicht zu ſagen. Hier iſt ein gutes Land, und wenn
wir ein Jahr ſollten Mißwachs haben, wuͤrde man doch ſehen, daß es
am Korne fehlete, da doch keine Abfuhre iſt. Alſo muß es doch wo an-
ders hinkommen. Dicis: wenn es wohlfeil iſt, ſo ſind viel Tage-Die-
be. Es iſt wohl wahr, aber es kommt alsdenn nur auf den Herrn an,
daß er die Leute encouragiret, und keine Tage-Diebe leidet. Man iſt
mehrentheils zu glimpflich hier, wenn ein Maͤdgen nur etwas hat, daß
ſie ſich kan behelffen, ſo will ſie nicht dienen, und faullentzet. Hergegen
an andern Orten ſiehet man zu: Iſt einer von extraction und hat reve-
nüen, ſo laͤßt man ihn vor ſich leben; Hergegen iſt einer nicht von ex-
traction, ſo muß er dociren, womit er ſich naͤhren will, da wird er an-
gehalten, entweder zu dienen, oder in das Zucht-Hauß zu gehen. Der
Handwercks-Mann aber hat Vortheil, wenn es wohlfeil iſt, daß kan
man daraus ſehen, ſonſt iſt viel Wolle aus denen hieſigen Landen nach
Meiſſen kommen, und die Meißner haben ihre Wolle nach der Schweitz
verkaufft, welches auch noch jetzo geſchiehet. Da nun im hieſigen Lande
verbothen wurde, Wolle auszufuͤhren, ſo konnten ſie in Meiſſen keine
wohlfeile Tuͤcher mehr machen, daher ſind viele Tuchmacher zu uns her-
uͤber kommen, hier aber iſt die Wolle wohlfeil und fabriciret man Tuͤ-
cher um ein Spott-Geld, das thut alſo Sachſen groſſen Schaden, wel-
ches man anfangs nicht obſerviret.
mien.
§. 9. Academien werden auch mit unter die modos divitiarum ge-
rechnet; und iſt es ein modus augendi pecuniam principis. Man darff
aber nicht dencken, daß dieſes der primarius ſinis, ſondern der primarius
finis beſtehet darinnen, ut ſcientia, ſapientia, ars, virtus promoveatur.
Indeſſen, da man darauf dencket, das Land zu peupliren, ſo ſiehet man
leicht, daß es per academicas geſchehen kan. Vor dieſen hat man hier
zuſammen gerechnet, was die hieſigen Saltzwercke abgeworffen, da man
denn gefunden, daß hundert und zwantzig tauſend Thaler uͤbrig bleiben,
de ductis deducendis. Ehe die jetzige Verordnung gemachet worden, ſo
wollte einer des Koͤniges revenüen vom Pfannwerck pachten, da er denn
alles uͤberſchlagen, und nicht mehr als hundert und zwantzig tauſend Tha-
ler heraus gebracht; die gantze Stadt hat davon gelebt, und hat man
dieſes
[291]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
dieſes vor etwas groſſes gehalten. Wenn man nun aber rechnet, daß
tauſend Studenten hier, davon einer jaͤhrlich drey bis vier hundert Tha-
ler verzehret, ſo koͤmmt gleich eine Summe von drey bis vier Tonnen
Goldes heraus; da darff ein Herr nicht ſo groſſe Muͤhe haben, wie bey
denen manufacturen, weil erſt viele Anſtalten muͤſſen gemachet werden.
Wenn auch ein Herr metalli fodinas hat, was koſtet es nicht vor Geld,
ehe hundert tauſend heraus gebracht werden. Der Student brin-
get aber das Geld alle gemuͤntzet herein, das iſt alſo die beſte ma-
nufactur. Ich weiß einen guten Freund, der hieher geſchicket worden
von dem vorigen Koͤnige die manufacturen in einen guten Stand zu ſe-
tzen, da er denn auch unterſchiedliches gebeſſert. Er ſahe aber vor ſeinem
logis Studenten vorbey gehen, da ſagte er, was ſoll man hier manufa-
cturen anlegen, gebt nur Achtung, daß brave Studenten herkommen,
die ſind beſſer als manufacturen. Dicis: ſo kan ja ein Herr nur viele
Academien anlegen in ſeinem Lande? Reſpond. Dazu gehoͤret mehr.
Man iſt dem Solon zu gefallen nach Athen gereiſet. Es koͤmmt auf ge-
lehrte Leute an, die muͤſſen fleißig ſeyn, und ein gutes Leben fuͤhren. Sum-
ma diſciplina muß auch da ſeyn: Denn mit denen gemeinen Studen-
ten-moribus wird einer ſeine fortun nicht machen, die ſind alle ein Anzei-
gen von einer groſſen corruption. Eine Freyheit, Gutes zu thun, bekom-
men die Studenten auf allen Univerſitaͤten, aber daß ſie wollen eine
Freyheit haben Boͤſes zu thun, iſt was naͤrriſches. Wenn gleich ge-
ſchickte Leute da ſind, und es fehlet an der diſciplin, ſo iſt es doch nichts.
Es muͤſſen die Univerſitaͤten auch dabey erhalten werden, und habe ich
wahrgenommen, daß, wenn man Univerſitaͤten fundiret hat, ſo iſt alles
in gutem Stande geweſen, nach und nach aber ſind corruptiones entſtan-
den, denen man nicht geſuchet vorzubeugen. Es muͤſſen auch immer Leu-
te nachgezogen werden: Denn die Profeſſores ſind wie die Windhunde,
ſie werden ſtumpff, ſie lauffen ſich aus, wie ein Bratenwender. Vor
dieſem hat man eine artige invention gehabt, mit denen Facultaͤten, da
keiner nicht duͤrffen leſen, welcher nicht facultatem gehabt ab hominibus
illis probatis, doctis, welche ſchon einen applauſum gehabt, dieſe haben
ein atteſtatum gegeben, daß ſie tuͤchtig, welches ſie beſchworen. Das
letzte halte ich vor das beſte. Wenn wir allezeit beſchweren ſollten, daß
der Kerl tuͤchtig, ſo wuͤrden wir wenig Doctores machen. Haͤtten ſie
nicht durch ihren Neid manchmahl ein gutes ingenium gehindert, ſo waͤ-
re dieſes wohl was admirables geweſen. Man koͤnnte dieſen Fehler
ſchon vorbeugen, und ihnen andere Leute mit auf die Seite ſetzen, ſo es
dirigirten. Fleury hat in ſeiner Hiſtor. Eccleſ. von dem Schul-Staat
O o 2einen
[292]Cap. V. De prudentia
einen beſondern diſcours, da er denn auch alle Fehler beygebracht. So
wenig, als manufacturen floriren, wenn man Stuͤmper arbeiten laͤſſet,
ſo wenig floriren auch Univerſitaͤten, auf welchen einem jedem erlaubt iſt,
zu leſen. Die jungen Leute, welche auf Univerſitaͤten kommen, ſind nicht
allezeit capable zu unterſcheiden, wo ſie ſollen hingehen; Sie ſind bis-
weilen wie die Bauren, welche bey dem Pfarrer auf die Stimme Ach-
tung geben. Wenn wir jung ſind, ſehen wir nicht allezeit aufs Pro-
ben, und wenn einer was ohne Beweiß herſaget, ſo dencken wir, wir
hoͤren etwas, in der That aber hoͤren wir nichts. Sind viele Leute,
ſo da leſen, denn wird der numerus kleiner; Mancher Orten hat ein
Profeſſor ſelten uͤber zwantzig bis dreyßig Auditores. Iſt nun kein nu-
merus da, ſo werden auch die Doctores, wenn ſie gleich gelehrt ſind, nicht
excitirt zu leſen, und legen ſich auf andere Sachen. Von der corru-
ptione Academiarum koͤnnte gar vieles geſagt werden. Es iſt kein Zweif-
fel, wenn Leute gefragt werden, ſo eine Einſicht haben, ſo kan man eine
Univerſitaͤt in Flor bringen, ut nihil ſupra. Wenn man alles gut be-
ſetzte, ſo koͤnnten wohl zwey bis drey hundert Leute hier ſeyn, nur muß
man immer Leute haben, die eine Wiſſenſchafft beſitzen, ein gutes do-
num proponendi haben, und fleißig ſtudiren. Denn wir lernen alle Ta-
ge mehr; die erudition ſteiget immer hoͤher; vor dieſem hat man mit
einer kleinen erudition koͤnnen auskommen, welches aber jetzo nicht an-
gehet.
ſeroꝛdentlichen
Mitteln der
Vermehrung
des ærarii.
§. 10. Man muß ſich einen rechten concept von denen mediis
extraordinariis machen, und zwar muß man ſich darunter vorſtellen, ali-
quid irregulare, eine neceſſitatem. Neceſſitas non habet legem, daher
nennet man es extraordinarium, wozu man nicht ohne Widerwilleu
ſchreitet; aber die Noth verbindet uns, daß wir den Weg ergreiffen,
und uns helffen, ſo gut wir koͤnnen. Wenn man alſo media extraordi-
naria recommendiret, ſo geſchiehet es im Nothfall; Denn es haben die-
ſe Mittel in der That, wenn ſie conſideriret werden, neceſſitate abſciſſa,
aliquid illiciti in ſich. Wer wird doch wohl einem groſſen Herrn rathen,
ut miniſtri, magiſtratus, parte ſtipendii priventur. Es iſt ja gewiß, daß
wenn einer Beſoldung bekommt, ſo præſupponiret man, daß er dieſelbe
verdienet, er hat meriten, und muß auch davor arbeiten. Alſo heißt es
auch hier: Du ſollt dem Ochſen, der da triſchet, nicht das Maul ver-
binden. Es iſt dieſes eine Redens-Art, woran ſich keiner ſtoſſen darff,
weil Paulus ſelbſt von denen miniſtris eccleſiæ ſolche gebrauchet. In-
deſſen kan es bisweilen nicht anders ſeyn, es iſt kein Geld da, die publi-
quen Ausgaben erfordern alles, was da iſt; ſo muͤſſen ſich die Miniſtri
patien-
[293]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
patientiren, und von ihren Beſoldungen etwas abkuͤrtzen laſſen. Aber
auſſer der Noth iſt es hoͤchſt unrecht, daher wird auch in ſequentibus ge-
wieſen werden, daß bey denen capitations-Steuren hoͤchſt zu improbi-
ren, wenn man die Bedienten zu hoch ſetzet. Da e. g. ein reichet Kauff-
mann funfftzig Thaler giebt, hergegen mancher Bedienter etliche hundert
Thaler muß fahren laſſen, da iſt keine proportion. Es wuͤrden auch die
capitationes, wenn man ſie recht einrichtete, nicht ſo odieux ſeyn, als ſie
vulgo ſind. Es iſt nicht anders, als wenn man denen Soldaten will
den Sold abziehen, man thut es, aber es ſind media illicita. Der Law,
welcher eben ſonſt nicht gewiſſenhafft zu ſeyn ſcheinet, rechnet doch dieſes
unter die media illicita. Der Autor meynet auch, es ſey ein medium
extraordinarium, daß die Leute dem publico muͤſten herſchieſſen, ohne
Entgelt, ſine uſuris, welches man offt in Reichs-Staͤdten practiciret.
Allein, es iſt beſſer, wenn man in ſolchen Fall eine Anlage uͤber das
gantze Volck machet, als daß man Geld nimmt. Die Leute thun es
nicht gerne, dencken immer, ſie bekaͤmen ihr Geld nicht wieder. Phi-
lippus II. in Spanien hat ſich eben dieſer Art bedienet, und nahm er
Geld von ſeinen Grands d’Eſpagne, und andern reichen Leuten; Aber die
reichen Leute werden dadurch geſchrecket, die Kauffleute gehen weg. Ich
ſage dieſes, wenn die ordentlichen Mittel recht beſorget werden, ſo wird
man faſt nicht Urſach haben, auf extraordinaria media zu dencken, ſon-
dern wo man die extraordinaria gebrauchet, da iſts ein Anzeigen, daß
man die ordentliche Mittel nicht recht gebrauchet, und eine uͤble Hauß-
haltung geweſen. Die Unterthanen wiſſen wohl, koͤnnen auch leicht
uͤberzeuget werden, daß ſie etwas geben muͤſſen, aber da ſehe ich nicht,
woher eine obligation komme, daß ſie das Geld muͤſſen ſine uſuris ge-
ben, da ſie ſonſt ſolches in ihrer Handlung brauchen, oder ſub licitis uſu-
ris ausleihen koͤnnen. Ubrigens ſi Hannibal ante portas, wenn das exi-
tium totius civitatis ſollte abgeloͤſet werden, ſo wird ſich kein Unterthan
entbrechen auch ſine uſuris ſein Geld herzugeben; Aber unſer Autor præ-
ſupponirt hier nicht einen ſolchen aͤuſſerſten Nothfall; Ja wenn man es
ſo macht wie Philippus II. welcher von denen Genueſern groſſe Geld-
Summen aufgenommen, aber wenig uſuras gegeben, da laͤßt es ſich wohl
hoͤren, bekommen aber die Leute gar nichts, ſo geben ſie nicht gerne etwas
heraus. Etliche haben auch dieſen Anſchlag, welcher auch nicht pro li-
cito zu halten, nemlich bisweilen iſt ein Staat ſehr viel ſchuldig, als
wie die Republique Holland viele Millionen ſchuldig, und wenn
keine andere Verfaſſung gemachet wird, ſo ſind ſie in hundert
Jahren nicht vermoͤgend, ihre Schulden abzutragen; Sie koͤnnen
O o 3die
[294]Cap. V. De prudentia
die ſubſidien-Gelder nicht einmahl abtragen. Da haben nun eini-
ge gemeynet, in der Noth ſolle man alle Capitalien, welche man auf-
genommen, caſſiren, weil ſie ultra alterum tantum uſuras bekommen. Al-
lein jeder will ja ſein Capital gern wieder haben, ehe die uſuræ ultra al-
terum tantum geſtiegen, warum ſoll er deßwegen ſein Capital einbuͤſſen.
Es iſt auch dieſes nur ein lex civilis, daß wenn uſuræ ultra alterum tan-
tum geſtiegen, das Capital ſolle verlohren gehen. Ich weiß, daß zwey
Reichs-Staͤdte, welche in groſſen Schulden ſtecken, bey dem Kayſer
angehalten, daß ihnen erlaubet wuͤrde, die Capitalien zu caſſiren, aber
der Kayſer hat es ihnen abgeſchlagen. Der Autor haͤtte noch viel an-
dere Dinge beybringen koͤnnen, welche man noch beſſer gebrauchen
koͤnnte; dieſes gehet an, daß die Landſchafft capitalia vor den Herrn
negotiiret, wenn der Herr Geld brauchet, welches in Sachſen ſo iſt,
auch vor dieſem in hieſigen Landen ſo geweſen, da traͤgt auch die Land-
ſchafft die uſuras ab, und iſt beſorgt Gelder unter geringen uſuris zu be-
kommen. Aber es muß richtig eingehalten, und fides publica erhalten
werden. Ich weiß, daß ein groſſes lamento in einem Lande entſtanden,
da man den Landſchaffts-credit uͤber den Hauffen geworffen. Man
hat da dieſe raiſon gehabt: der Herr habe ſelbſt Geld, brauche alſo kei-
nen credit, deßwegen hat er die credit-caſſe eingezogen, und alle Be-
dienten caſſirt. Verum eſt, pro nunc iſt die caſſe eingezogen, und alle
Bedienten caſſirt, weil die Bedienten und die caſſe ſchaͤdlich; Aber ſind
denn alle Herren ſo geſchickt zu regieren wie dieſer oder jener. Es kan
ein Ungluͤck kommen, da iſt alsdenn niemand, der dem Herrn einen
Groſchen borget, es ſtehet auch hernach dahin, ob die Landſchafft wider
ihren credit interponiren will. Man muß nicht nur auf das præſens,
ſondern auch auf das futurum ſehen; Faͤllet man in Noth, ſo muß man
hernach extraordinaria media ergreiffen. Vielmehr kan man auch zu
denen extraordinariis mediis rechnen die Lotterien, und habe ich obſervi-
ret, daß von geſchickten Leuten denen Principibus ſolche recommendiret
worden, weil diejenigen, welche Lotterien aufrichten, groſſe avantage ha-
ben, und Geld ins Land ziehen. Man ſagt zwar, die Lotterien waͤren
ein Zeichen der Armuth, verum eſt, indeſſen iſt es ein indubitatus modus
zu profitiren. Die Engelaͤnder und Hollaͤnder, wenn ſie nicht wiſſen,
wo ſie ſollten Geld her bekommen, halten Lotterien, und habe ich obſer-
viret, daß von geſcheuten Leuten denen Principibus ſolche recommendiret
worden. Law hat auch angerathen, alle Jahr eine conſiderable Lotte-
rie zu halten. Dicis: Wo iſt es moͤglich, daß einer kan profitiren?
Reſpond. Wenn eine Lotterie von etlichen Jahren gehalten wird, ſo
blei-
[295]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
bleiben allemahl etliche hundert tauſend Thaler vor mir uͤbrig, die Leute
muͤſſen ja was zuruͤck laſſen. Will ein Herr einen privat-Mann reich
machen, ſo kan er ihn nur laſſen eine conſiderable Lotterie halten, und
fidem publicam hergeben, da wird er bald reich werden. Ehe die Lotterie
gezogen wird, muß ja das Geld alle ſchon eingelauffen ſeyn, da giebt
man wohl denen Leuten etwas zuruͤck; den Uberſchuß behaͤlt man. Ei-
nige haben die Frage aufgeworffen, ob die Lotterien erlaubt waͤren? Fa-
natici ſagen, ſie allicirten zum Geitz; Allein, wenn man darauf ſehen
wollte, ſo muͤſte man auch die commercia verwerffen, welche ebenfals
die Leute alliciren einen profit zu machen. Alſo kan man deßwegen die
Lotterien nicht verwerffen. Dieſes hat Monſ. Clerc in ſeinem Tractat
du bonheur \& du malheur dans les Lotteries, wohl gewieſen; dabey
aber erinnert, daß, wenn einer ein gutes billet bekaͤme, er nicht gleich
dencken muͤſſe, unſer HErr GOtt habe ihm was extra ordinem gegeben,
und haͤtte ſich Dei influxus ſonderlich bey ihm gezeiget. Bey dieſer Ge-
legenheit hat er auch diſcouriret, was der Seegen GOttes ſey, welches
mir in dem gantzen Buche am beſten gefallen. Er ſagt: Man ſolle ſich
nicht einbilden, GOtt melire ſich in privat-affairen, daß wenn einer
gluͤcklich waͤre, ſolches alles ex ſpeciali Dei influxu herkaͤme. Aber in
der Weisheit beſtehet unſer Gluͤck, wer Weisheit hat, faͤngt ſeine Sa-
chen gluͤcklich an, da kan es freylich kommen, daß einer ſein patrimo-
nium mehr vermehret, als ein anderer. Ein Unweiſer bleibet beſtaͤndig
arm, in beſtaͤndiger deſordre. Man muß GOtt nur bitten um Tugend,
ſcience, vigilance. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß die ſacri Doctores denen
Leuten einen rechten concept vom Seegen GOttes beybraͤchten, weil
die meiſten Leute hier enthuſiaſtiſch raiſonniren. Clerc ſagt: Es ſey nicht
zu leugnen, daß manchmahl ein Geitzhalß Geld in die Lotterie gebe, et-
was zu gewinnen, darum bekuͤmmert man ſich aber nicht. Hingegen
kan auch ein anderer ohne ſuperſtition etwas hinein geben. Man koͤnn-
te auch wohl die Lotterien unter die media ordinaria ſetzen; die Hollaͤn-
der haben auch einen groſſen Theil ihrer Schulden dadurch bezahlet.
Der Law hat einen kleinen Tractat von drey vier Bogen heraus gege-
ben, worinnen er gewieſen, in was vor einen ſchlechten Zuſtande die
Hollaͤnder ſtuͤnden, und wie ſie durch groſſe Lotterien ſuchen ihre Schul-
den zu tilgen, die aber nicht ſufficient geweſen. Man kan hier auch le-
ſen den Schrödter in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz- und Renth-Cammer,
pag. 46-48.
§. 11. Es iſt zu Anfang dieſer Section gedacht worden, daßWie das æra-
rium im Stau-
de zu erhalten
ſey?
man vor allen Dingen rechte principia de ærario ſetzen muͤſſe. Man
ſup-
[296]Cap. V. De prudentia
ſupponiret, daß ein Herr ſein Land, ſein Volck kenne, alsdenn kan er
ſehen, quod ſit conſervandum, und wie er ſeinen Unterthanen das abun-
dans koͤnne wegnehmen. Was nun bey der Unterthanen Vermoͤgen
und bey dem Landes-Vermoͤgen in acht zu nehmen, hat auch bey dem
ærario und domanio ſtatt. Daher ſiehet man, warum der Autor hier
redet von denen modis ærarium conſervandi. Es iſt freylich wahr, daß
der Herr ſeine revenüen nicht bloß hat ex agro, fundo. Ein Bauer
ſiehet nur darauf, wie viel er Wiſpel Korn, Weitzen und Gerſten be-
kommt, item wie viel Kaͤlber, Schaafe ꝛc. So iſt es aber nicht mit
denen regalibus, der groͤſſeſte Theil beſtehet in juribus. Drum erinnert
man, daß ein groſſer Herr, wenn er diſput hat ratione terrarum, die
terras alle zuruͤck geben kan, wenn er nur ſuperioritatem territorialem be-
haͤlt. Die jura ſind freylich incorporalia, inviſibile quidpiam; drum ſind
eben groſſe Herren ſo betrogen worden, daß man ſie ihnen entzogen.
Wenn man den Coccejum in jure publico lieſet, ſo fragt er: Ob die
Koͤnige in Teutſchland keine domainen weggegeben? Er antwortet: Ja,
in feudum haͤtten ſie ſolche gegeben, und das dominium directum daruͤ-
ber behalten. Lud. Cantarellus Faber de origine feudorum ſagt aber
gar wohl, das dominium directum ſey eine chimære. Was hilfft es
mir, wenn ich das dominium directum uͤber Aſia, Africa und Europa
habe, und habe nicht einen Kreutzer davon einzunehmen. Die Gelehr-
ten haben dergleichen erdacht, und geſagt: der Herr behalte doch das
dominium ſupremum. Wenn die Lehn empfangen worden, hat man
auch eine groſſe ſubmiſſion bezeugt, wie es noch iſt. Da haben die
Kayſer gemeynet, ſie haͤtten etwas, und haben doch das utile weggeben.
Cantarellus Faber ſagt: Hugo Capetus, der unrechtmaͤßiger Weiſe auf
den Thron geſtiegen, habe eben ſo ſeine domania weggegeben, weil er
vor ſich ein reicher Herr geweſen, aber er ſagt: da waͤre auch Franck-
reich arm geweſen, und in keine conſideration gekommen, bis alles re-
duciret worden, welches unter dem Ludovico XI. geſchehen. Vor die-
ſem iſt alſo Franckreich eher in einem ſchlechten Zuſtande geweſen, als
Teutſchland. Man hat geſagt: Es habe nicht viel zu bedeuten, ob es
der Kayſer oder ein anderer exercire. Ja, wenn es nur auf die jurisdi-
ction ankaͤme, daß man einmahl einen laͤßt hencken, daran liegt nicht
viel. Aber alle jura wegzunehmen, und nichts zu laſſen, iſt zu viel,
drum ſagt der Autor: Es waͤre prudentiæ regula, daß man die bona
oder jura, ad ærarium ſpectantia nicht ſollte tomere veralieniren. Iſt
alienatio geſchehen, ſo legt man reductions-Cammern an, aber mit
Maaß. Carl Guſtav in Schweden hat es recht gemacht, welcher zu-
gleich
[297]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
gleich auf die meriten geſehen, daher, als Torſtenſon auch ein doma-
nium hatte, und dem Carl Guſtav geſagt wurde, er ſollte es ihm wegneh-
men, ſo hat er geantwortet, wenn auch Torſtenſon die Helffte ſeines
palais inne haͤtte, wollte er ihn doch nicht vertreiben, denn Torſtenſon
war ein Mann, der meriten hatte. Dieſe reductiones gehen wohl an
in regnis ſucceſſivis aber nicht electicis; Wenn alſo der Kayſer wollte
reductiones vornehmen, wuͤrde man es ihm nicht geſtatten, weil er die
vorgeſchriebene capitulation obſerviren muß. Bey dem ærario muß
auch ein Herr darauf ſehen, daß alles wohl diſponiret wird. Er muß
gute Cammer-Raͤthe und Controlleurs halten. Bey denen Cammer-
Raͤthen iſt dieſes zu mercken, daß, ehe man die finançen in Ordnung
gebracht, ſo haben ſich Leute von extraction geſcheuet, Cammer-Raͤthe
zu werden. Sie ſagten: Dem Edelmann und groſſen Herren gehoͤre
der Degen. In Franckreich wird man finden, daß die groͤſſeſten Fi-
nanciers von geringer extraction geweſen, welche ſich hernach in die Hoͤ-
he geſchwungen: denn auch in Franckreich hat man gemeynet, es ſchicke
ſich dergleichen Bedienung nicht vor Leute von extraction. Darum
hat eben der Richelieu und Mazarini leicht koͤnnen zurecht kommen, bis
der Colbert kam, welcher die finançen erſt in die Hoͤhe gebracht. Cal-
lieres in ſeinem Buch la Fortune des Gens de Cour ſagt auch: Es ſey
ein groſſes Bedencken, ob einer von Naiſſance zu dergleichen employe
ſich koͤnne gebrauchen laſſen. Zuletzt meynet er aber doch, es gehe an.
Vor allen Dingen muß ein Herr die Camerales hoch ſetzen, und dieſes
iſt eben ein Fehler an vielen Hoͤfen, daß man dieſe Leute ſo ſchlecht
tractiret, und allen andern Collegiis nachſetzet, daher hat ſich keiner wol-
len auf ſolche Dinge appliciren, weil ſie geſehen, daß man da kein ho-
hes fortune machen kan, derowegen muß man als ein principium regu-
lativum annehmen, die Cameraliſten hoch zu ſetzen. Es iſt eine Kunſt
einen Financier abzugeben; In Reichs-Staͤdten hat man nichts von
finançen, da bleibet man bey dem alten. Es werden diejenigen, ſo bey
dem ærario ſitzen, nicht mehr geehrt als andere. Man nimmt zwar die
aͤlteſten Leute dazu, aber die erhoͤhet man nur, weil ſie ſeniores ſind.
Die Loſunger in Nuͤrnberg ſind alte Leute, welche man ehret wegen ih-
res Alters; Wenn aber dieſelbigen bloß vom ærario leben ſollten, wuͤr-
den ſie ſchlecht auskommen. Wer einen Cammer-Rath abgeben
will, muß ſtudia, Wiſſenſchafft, experience haben, eine gute Politic, Mo-
ral muß er inne haben. Weiß er keine Moral, ſo kennet er die Men-
ſchen nicht, ſo machet er einen Fehler uͤber den andern. Die Einrich-
tung der finançen machet die Leute naͤrriſch, welches man aus der Hi-
P pſtorie
[298]Cap. V. De prudentia
ſtorie des Cardinals Mazarini und anderer ſehen kan, die Leute klagen,
und alſo wird eine groſſe Klugheit erfodert, wenn man es recht einſehen
will. Es iſt keine Kunſt Geld zu machen, aber dieſes iſt eine Kunſt,
denen Leuten das Geld ſo zu nehmen, daß ſie es nicht mercken. Bey
denen Cammer-Raͤthen ſind unterſchiedene Sachen zu obſerviren, da-
von man bey dem Schrödter finden kan, aus welchem es der Law ge-
ſpickt. Von Rechtswegen muͤſſen zwey Collegia von Cameralibus
ſeyn, aus dieſer Urſach: Wer ein Cameralis iſt, daß er die revenüen be-
rechnen und beſorgen ſoll, daß ſie nicht abnehmen, der iſt was anders
als ein ſolcher, welcher darauf denckt, wie man dieſelben vermehren ſol-
le. Daher iſt es gut, wenn man zu jeden a parte Leute hat; Einige,
die auf neue revenüen dencken, auf inventa, und machen, daß der Herr
was entrepenirt; Andere aber, die auf Rechnung ſitzen; Dieſe letztern
entrepeniren nichts, weil Gefahr dabey, und ſuchen alſo nur die revenüen
zu conſerviren; das iſt aber nicht genug. Ein groſſer Herr muß auch
hazardiren, wer nichts wagt, gewinnet auch nichts, deßwegen darff er
eben nicht ſein gantzes Land, ſein gantzes Threſos hazardiren, mit einem
Wort, ein groſſer Herr muß nicht geitzig ſeyn, ſondern zuſehen, ob die-
ſes oder jenes zu adpliciren. Er muß ſich von dem Financier laſſen
vorraiſonniren. So hat es Louis XIV. gemachet, welcher die Gedult
gehabt alles anzuhoͤren, ſonderlich, da der Colbert bey ihm in groſſen
Gnaden geſtanden. Wenn ein groſſer Herr nichts hazardiret, ſo kommt
offt ein anderer, und nimmt ihm den Gewinnſt vor dem Maule hinweg.
Dieſes kan man aus folgendem Exempel ſehen: Wie Columbus das
project von der neuen Welt gemachet, gieng er nach Portugall, da man
ihn nicht hoͤrete, darauf gieng er nach Engeland, aber Henricus VII.
war zu geitzig, und wollte nichts hazardiren, welches Verulamius als ei-
nen groſſen Fehler Henrici VII. angiebet. Darauf gieng er nach Spa-
nien zur Iſabella. Dieſe, welche eine kluge Frau war, nahm es gleich
an, und weil ſie nicht genug Geld hatte, verſetzte ſie ihre Jubelen, da ſie
denn ein ſo herrliches Land acquiriret. Die inventa koͤnnen ja immer
vermehret werden, welches man ſehen kan, wenn man etliche hundert
Jahre zuruͤck laͤufft, und comparirt die daſigen inventa mit unſern heu-
tigen. Videatur Guido Panzirollus de rebus deperditis, item Georg,
Paſchius de inventis novo-antiquis. Es gehet nicht an, daß man ein
inventum gleich kan in die Hoͤhe bringen, ſondern es ſteiget nach und
nach. Wenn man in Dreßden die Buͤchſe betrachtet, welche Berthold
Schwartz gemacht, ſo ſiehet ſie aus wie eine Schluͤſſel-Buͤchſe, und
doch hat ſolche verurſachet, daß man weiter nachgedacht, und vieles hinzu
ge-
[299]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
gethan. Ein Herr muß nicht gleich boͤſe werden, wenn man nicht recht
reuſſiret. Da der pater de Lamy das project gemacht, wie man ein
Lufft-Schiff machen koͤnnte, und nur ſechs tauſend Thaler verlanget,
hat ſich doch niemand wollen finden, der ſolches gegeben, welches doch
einem groſſen Herrn was leichtes waͤre, indem ein bouffon vor eine
maitreſſe offt mehr bekoͤmmt. Ich habe bey dem Sturm in ſeinem
Collegio curioſo gehoͤret, daß das project in Theoria ſeine Richtigkeit
habe. Ich will nicht ſagen, daß es applicable ſey, ſondern ich gebe es
nur als ein Gleichniß, daß niemand etwas hazardiren wollen, da doch
der Pere de Lamy, ein Jeſuit, von dem nicht zu vermuthen, daß er Geld
machen und die Leute betruͤgen wollen. Einen fond koͤnnte man leicht
machen. Hat man einen fond a la marine koͤnnen zuwege bringen,
warum nicht auch zu denen inventis probandis. Dieſes muß man ei-
nem Herrn, der noch jung iſt, ſuchen beyzubringen, damit er nicht
denckt, es ſey alles ſchon ſo geweſen, und koͤnne nicht geaͤndert werden.
Im Alter leiden ſie nicht gerne, daß man ihnen was ſaget, da werden
ſie gleich verdrießlich. Ein Herr muß laſſen Leute darauf reiſen. Offt
kan man Dinge zum Stande bringen, welches man nicht gemeynet.
Wie das Koͤnigliche Saltz-Hauß hier angeleget worden, meynte faſt
alles, es wuͤrde nicht angehen, und doch iſt es angegangen. Schrödter
hat es wohl gewußt, wie die finançen einzurichten. Er iſt in Franck-
reich geweſen zu Colberts Zeiten, von welchem er vieles gelernet, drum
war er auch ſo beliebt bey dem Hertzog Ernſt in Gotha, welcher ihn dem
Leopold uͤberlaſſen, und hat er auch Willens gehabt Wunder von
Oeſterreich zu ſchreiben, aber ſie ſchnitten ihn den Kopff ab. Hörnigk,
welcher mit ihm nach Wien gegangen, ſchrieb auch einen Tractat Tit.
Oeſterreich uͤber alles, wenn es nur will; Aber, da dieſes mit
dem Schrödter vorgegangen, trauete er nicht weiter, und gieng fort.
Denn wo die Nobleſſe und die Geiſtlichkeit allzuviel zu ſprechen hat,
wie in Oeſterreich, da kan man in Cammer-Sachen nicht reuſſiren.
Die Nobleſſe haͤnget ſich gleich an die Cleriſey, dieſe aber an den
Pabſt, der kommt alsdenn mit ſeinen Bullen. Ich habe ſelbſt mit dem
Fuͤrſten von Fuͤrſtenberg geſprochen, welcher Stadthalter in Dreßden
war, der auch ſagte: Die Proteſtanten haͤtten zehn mahl beſſere Gele-
genheit ihre Cammer-revenüen zu vermehren, als die Catholiquen.
Hierbey muß man auch mercken, was ſchon offt erinnert worden: Tan-
tum accedit ærario, quantum inutilibus expenſis decedit, daher muß man
acht geben, was utile und was inutile. Es iſt offt ein Fehler in der
Cammer, daß man Ausgaben hat, welche man entbehren koͤnnte, daher
P p 2faͤllt
[300]Cap. V. De prudentia
faͤllt auch die Frage vor: Ob es beſſer ſey eine Caſſe oder viel Caſſen
zu haben. Unſer Autor raiſonniret hier philoſophice in abſtracto. Wo
man viel auf einmahl vornimmt, da iſt nicht eine ſolche Ordnung, als
wenn man alles ſepariret. Alſo ſollte man meynen, wo viele Caſſen, ei-
ne jede Caſſe haͤtte ihren beſondern Bedienten, ſo waͤre es gut, gleich-
wie in einem Buche, da man erſt eine generale Eintheilung macht, und
nachgehends alles ſpecialiter betrachtet, alsdenn alles en bon ordre iſt.
Allein es wird in œconomiſchen Sachen am meiſten diſputirt, indem
nichts unbeſtaͤndiger als die œconomie. Man kan auch hier nicht ſa-
gen, daß die inconſtantia etwas ſchimpffliches, weil es nicht anders ſeyn
kan. Wenn einer in der œconomie wollte conſtans ſeyn, ſo wuͤrde er
eben ſeyn, als wie derjenige, ſo in die Goſſe gefallen, und ſagte: Er
wolle conſtans ſeyn, und in der Goſſe liegen bleiben. Man wird ſehen,
wo viel Caſſen ſind, da ſind viel Diebe, und kan es ſo genau nicht ab-
gehen, daß nicht ſollte etwas abfallen, auf diejenigen, ſo dabey ſind.
Sind es nun viele, ſo giebt ein jeder dem andern was, damit es nicht
verrathen wird, und hat man alſo groſſen Schaden. Wenn ich nun
aber ja etwas verlieren ſoll, ſo iſt es ja beſſer, wenn es bey einem iſt:
Denn da kan man den Schwamm, wenn er voll iſt, leicht ausdruͤ-
cken. Was iſt alſo noͤthig, daß man eine eigene Legations-Caſſe,
Stall-Caſſe, Kriegs-Caſſe, Chatoul-Amt hat. Man braucht alsdenn
nicht ſo viel Bedienten, und verhindert auch, daß man nicht ſo kan be-
ſtohlen werden. Ein oder zwey Caſſen koͤnnen alles ausmachen. Ja-
ques Savary in ſeinem vollkommenen Negocianten ſagt: Der Tuͤrcke
waͤre ſonſt tumm, aber hierinnen waͤre er doch geſcheut, daß er nicht
mehr als zwey Kerls haͤtte, die ihm alſo alle ſeine revenüen lieſerten,
und wuͤrde er nur eine Caſſe haben, wenn ſich nicht das Tuͤrckiſche
Reich gegen Septentrion, Morgen, Abend extendirte. Der Czaar hat
auch ſeine Caſſen vereiniget; Alsdenn kan einer auch eher ſehen, was er
einnimmt und was er ausgiebt, denn da bekommt er wenig Rechnun-
gen, die er bald uͤberſehen kan, ſonderlich, wenn ſie ſo kuͤnſtlich gemacht,
wie ſie der Colbert dem Koͤnige in Franckreich gemacht, da er gleich ſe-
hen koͤnnen, was er ausgegeben und eingenommen. Wenn man we-
nig Caſſen hat, kan man eher acht geben, man kan einmahl ein Exem-
pel ſtatuiren, einen laſſen aufhencken, ſo wird nicht leicht etwas geſtoh-
len werden. Es koͤnnen auch Controlleurs gehalten werden, welche gleich
alles regiſtriren, die Caſſen viſitiren, dergleichen cautelen Law genug
ſpecificiret hat. Sie kriegen ja ihre gage, wer heißt ſie ſtehlen? Aber
das muß ein Herr nicht thun, daß er ihnen Zeißgen-Futter giebt, ſonſt
ſind
[301]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
ſind ſie neceſſitirt zu ſtehlen, und wenn er alsdenn ſieben Galgen ſetzen
laͤßt, ſo ſtehlen ſie doch; Der Herr muß nicht imposſibilia, contradicto-
ria \&c. verlangen.
§. 12. 13. 14. 15. 16. Unſer Autor erkennet, daß die tributaVon tribut
und Zoͤllen.
und vectigalia unterſchieden, meynet aber doch, ſie kaͤmen auf einerley
principia heraus, ich wollte aber doch, daß er ſie ſepariret haͤtte. Man
ſiehet, die tributa nennet man collecten, da hat keiner einen kuͤnſtlichern
modum collectandi als die Republique Venedig, welchen es die Nuͤrn-
berger abgeſpickt, wie Amelot und VVagenſeil gewieſen. Vectigalia
hingegen nennt man Zoͤlle, alles koͤmmt vor dem Herrn, aber man ſie-
het doch, daß eine differenz ſey, Zoͤlle anzulegen. Tributum aliquis de
terra, de reditibus ſuis pendit, interdum pro perſona, pro familia ſua.
Vectigal wird eigentlich gegeben propter mercaturam. So haben auch
die Griechen tributum φόζος, und vectigal mit τέλος unterſchieden, wie
man aus dem Gellio ſehen kan. Daher wollen wir ſie auch tanquam
diverſa conſideriren. Man muß aber mercken, daß die tributa koͤnnen
conſideriret werden in ſtatu integritatis und auch in ſtatu corruptionis,
in quem ſtatum fere undique locorum devenêre. Wenn wir es ſo con-
ſideriren, ſo wird die doctrina de tributis gut koͤnnen vorſtellig gemachet
werden. Was nun den ſtatum integritatis betrifft, ſo iſt gewiß, daß
eine Republic ſine tributis nicht beſtehen und erhalten werden kan. Da-
her, als Nero in ſeinem quinquennio bono einmahl auf die Gedancken
gefallen, alle tributa abzuſchaffen, wie Tacitus Lib. XIII. Annal. erzeh-
let, ſenatus ſeſe oppoſuit dicendo: Diſſolutionem imperii fore, ſi fructus,
quibus reſpublica ſuſtentetur, imminueretur. Ob nun zwar die tributa,
welche ob ſecuritatem muͤſſen gehalten werden, nothwendig ſind, ſo iſt
doch zu mercken, daß man ſo wenig, als es nur moͤglich iſt, von denen
Unterthanen fodern muß. Das wenige aber muß nicht ſo regardiret
werden, daß nichts uͤbrig bleiben muͤſſe, ſondern es iſt largè in ſenſu po-
litico zu verſtehen. Es muß freylich was uͤbrig bleiben, damit man in
caſu neceſſitatis was habe, und iſt es miſerable, wenn in dem ærario
nichts iſt, wie es in Engeland zu Zeiten Caroli I. geweſen. Dieſes ſie-
het man doch: Es giebt kein Menſch gerne viel, und man wird wahr-
nehmen, daß diejenigen populi, welche ultra modum mit tributis belaͤſti-
get worden, haben den Herrn angeſehen, tanquam tyrannum, tanquam
hominem avarum. Ich thue dieſes hinzu, daß kein Laſter denen Unter-
thanen ſo odieux als avaritia, ſonderlich, wenn ſie ſehen, daß das Geld
nicht zu ihren Nutzen angewendet wird, ſondern der Herr will ſie nur
expiliren, damit ſie deſto leichter koͤnnen ſupprimiret werden. Sie krie-
P p 3gen
[302]Cap. V. De prudentia
gen eine boͤſe opinion von dem Herrn, und ſagen: Der Herr daͤchte nur
auf varia prædandi verba. Die murmura populi hat Tacitus artig be-
ſchrieben. Alſo iſt kein Zweiffel, daß die immoderata tributa impoſita
nur die Leute raſend macht: Das hat man in denen Niederlanden ge-
ſehen. Wenn man alle revolten wird anſehen, werden dieſelben meh-
rentheils entſtanden ſeyn, ob immodicam tributorum impoſitionem, oder
wenigſtens iſt ſolches eine concauſa geweſen, und hat das complemen-
tum gemacht, wer will injucunde, incommode leben, in perpetuis an-
guſtiis verſari? Es iſt keine groͤſſere neceſſitas, als welche entſtehet ex defi-
cientia alimentorum. Deficientia alimentorum entſtehet aber, ſi deglubit Prin-
ceps, non tondit. Ab antiquo hat man wenig tributa gehabt, und die groſſen
Herren, welche die tributa aufgebracht, haben das diminutivum gebraucht,
und es Gabellam etwas weniger genennet. Wie der Saltz-impoſt in
Franckreich aufgeleget wurde, ſo hat man auf ein jedes Stuͤck, wie man
es hier nennet, etwa einen Pfennig gelegt; Dieſes habe ich von denen
Frantzoͤſiſchen impoſten obſerviret in dem obgedachten Tract. de la Taille
de France, welches Buch in Bruͤſſel nachgedruckt, wenige kennen es,
weil wenig Leute ſich auf finançen appliciren. Monſ. Vauban lobt es ſehr,
und ſagt: es habe der Autor darinnen drey Haupt-Fehler von finançen
entdecket, er aber habe in ſeinem Tractat le Diſme Royale den vierdten
hinzu gethan. Die groſſen Herren haben ſonſt ihr domanium gehabt,
woraus ſie ſich largiter ſuſtentiren koͤnnen, zur miliz haben ſie nichts ge-
braucht, weil ſie die Lehens-Reuterey hatten. Auſſer, was die muni-
tion, artillerie bedarff, da haben ſie was weniges gefordert, welches
man auch gerne gegeben. Man kan auch die tributa in ſtatu integritatis
nicht anders conſideriren, als daß man etwas weniges gegeben. Bey
dem ſtatu integritatis hat man duͤrffen ſagen, warum man es fordere,
weil ein jeder gleich geſehen utilitatem. Dio Caſius ſagt, daß Mecœnas
zum Auguſto geſagt: Es wuͤrde keiner in der Republique ſeyn, der, wenn
Noth vorhanden waͤre, ſich ſollte entbrechen, etwas aus ſeinen loculis
zu geben, welches er ſonſt behalten, ſi illa neceſſitas non adeſſet. Da
darff ſich auch kein Menſch ſchaͤmen, daß er was fordert. In ſtatu
corruptionis aber ſind die impoſten ſehr geſtiegen, und darff man nur die
Hiſtorie durchlauffen, ſo wird man finden, daß, da die pretia rerum ge-
ſtiegen, auch die impoſten nach und nach gewachſen; aber doch war
noch keine corruptio. Die rechte corruptio aber iſt entſtanden unter
Carolo V. und Franciſco I. das koͤmmt von denen groſſen Armeen, vor-
her hatte man keine groſſen Armeen, aber wenn es ja eine groſſe Armee
war, ſo beſtunde ſie aus Lehens-Reuterey, welche wegen ihrer Guͤther
dienen
[303]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
dienen muͤſſen. Aber ſub Carolo V. und Franciſco I. hatte man militiam
mercenariam, welche eine Armee von hundert tauſend, von hundert und
funfftzig tauſend Mann ins Feld ſtelleten. Dieſes ſind alles Purſche, ſo
ein Herr ernehren muß. Alſo hat es nicht anders ſeyn koͤnnen, die Her-
ren haben muͤſſen auf groſſe Geld-Summen dencken, ihre Armee zu er-
halten. Man hat die Plaͤtze beſſer fortificiret, man hat die artillerie
verbeſſert; Es iſt die Schiffahrt gewachſen, wodurch man viel Geld
depenſiret. Monzambano ſagt, tributam waͤre in Teutſchland ſonſt ein
unerhoͤrtes Wort geweſen, und die Leute, ſo eine inclination zur Freyheit
haben, beſchworen ſich daruͤber. Bauren beſchweren ſich nicht, weil ſie
ab antiquo muͤſſen cenſus geben, und ſind zu frieden, wenn ſie nur nicht
zu Sclaviſch und als maleficanten tractiret werden. Aber freye Leute
ſagen: Die Freyheit beſtehet darinnen, daß wir nichts geben, gleichwie
der Herr nichts giebt. Drum tremblirt ein nobilis, wenn er hoͤret, daß
ſein Guth ſoll ſteuerbar gemachet werden, weil dadurch die quint-eſſence
von ſeiner Freyheit verlohren gehet. Denn muß einer geben, ſo wird er arm,
iſt er arm, ſo wird er verachtet. Ein Bettel-Fraͤulein, ein Bettel-Juncker
iſt was ſchlechtes; Man hat alſo bedencken muͤſſen, wie man es machen moͤ-
ge, daß es denen Leuten nicht incommode falle, will man mehr tributa
haben, ſo muß man auch machen, daß die Leute mehr gewinnen. Wenn
der Bauer ſonſt zwey hundert Thaler eingenommen, und bekommt jetzo
alle Jahr fuͤnff hundert mehr heraus, ſo wird er ſich nicht ſperren, etwas
davon zu geben. Daher ſollen alle diejenigen, die mit imponendis tri-
butis zu thun haben, ſehen, daß die Leute etwas gewinnen, ſonſt ſauget
man ſie aus, ſie werden ruiniret, und lauffen davon. Menage kan et-
was Gutes dabey thun, aber das gehet nicht an, daß man einem wollte
vorſchreiben, er ſolle nur woͤchentlich zwey mahl Fleiſch eſſen, ſonſt aber
legumena, und doch ſoll er beſtaͤndig arbeiten, der Kerl will ſich ja auch
gerne etwas zu gute thun, den luxum kan man freylich retrenchiren. Es
muß alſo eine proportion gehalten werden, daß man ſiehet, was die Leu-
te haben. So hat man es allezeit gemachet, wenn vernuͤnfftig iſt ver-
fahren worden. Der modus, wie die proportion koͤnne erhalten wer-
den, iſt dubieux. Ehe ich aber von der proportion rede, ſo habe noch
en general etwas zu bemercken, nemlich weil wir ſehen, daß tributa ſeyn
muͤſſen, ſo darff von Rechtswegen kein Menſch frey ſeyn, es erwecket
die immunitas jalouſie, e. g. da die Profeſſores frey ſind von allen Ein-
quartierungen, ſo beſchweren ſich viele daruͤber, da doch manche keine dies
bratibiles wuͤrden halten koͤnnen, wenn nicht Profeſſores da waͤren. Al-
ſo iſt es am beſten, wenn der Herr gar keinen frey laͤßt, wenn aber der
Herr
[304]Cap. V. De prudentia
Herr dencket, daß dieſer oder jener meriten hat, ſo kan er ihn ſonſt ſchon
recompenſiren, er kan ihm was laſſen zuruͤck geben. e. g. Wenn ein
Profeſſor jaͤhrlich vor die Soldaten vier und zwantzig Thaler zahlte,
koͤnnte er es annehmen, und hernach etwas zuruͤck geben. Es iſt frey-
lich wahr, wo ſo viele exemtiones ſind, da faͤllet die uͤbrige Laſt nicht ſo
wohl auf die groſſen, als auch auf die Mittel-Leute und geringe. Vau-
ban in ſeinem Diſme Royale, welches anno 1698. heraus kommen, ſagt:
Er habe die tributa unterſuchet, und erſt den originem betrachtet, nach-
gehends habe er alle provinzien durchgegangen, und geſehen, was man
vor remedia gebrauchet. Daher ſagt er auch, nemo ſit immunis, weil
es nicht allein jalouſie gebe, ſondern es ſey ein jeder obligirt, etwas zu
geben, wegen der Sicherheit, ſo er genieſſet. Der Vauban hat hiebey
etwas anders im Sinn, nemlich in Franckreich gehoͤret der dritte Theil
denen Pfaffen, ſie haben faſt ſo viele Einkuͤnffte, als der Koͤnig von al-
len ſeinen regalien hat. Die Pfaffen ſagen, ſie waͤren eximirt, a juris-
dictione ſeculari; impoſten kaͤmen a jurisdictione ſeculari, alſo wollen ſie
auch keine impoſten geben. Hergegen unſere armen Prieſter haben
nichts, von denen kan man nichts verlangen. Vauban ſagt, es waͤre
eine von denen Haupt-Urſachen, daß Franckreich in einem miſerablen
Zuſtande waͤre, weil nicht allein die Geiſtlichen, ſondern auch alle Be-
dienteu eximiret waͤren. Iſt nun dieſe generale Regul vorbey, ſo muß
man ſehen, wie menu peuple koͤnne ſoulagiret werden, denn dieſer iſt
das ſubjectum von der gantzen Republique. Die Pfaffen, nobiles und
Bediente geben nichts. Ein Gelehrter lernet dieſes nicht, wenn er nicht
Staats-Buͤcher lieſet, alsdenn er die Sache beſſer connectiren kan, als
ein anderer, der nur ein empiricus iſt. Drum ſagt Vauban: Ich habe
unterſuchet, wer am meiſten thut, und leidet bey dem Staat, da es denn
niemand iſt, als der menu peuple. Es iſt ein generale, wenn er ſagt:
Proportio muͤſſe obſerviret werden. Daher iſt man different. Quær.
Alſo, was iſt proportio? Reſpond. Die aͤlteſte proportio iſt, daß man
impoſitiones reales gemacht, collectas reales, welche man rebus imponi-
ret, und ſcheinet auch dieſelbe taille einen Nutzen zu haben. Man hat
geſehen, was das Guth werth, was es eintraͤgt, darnach hat man die
impoſten eingerichtet. Dieſen modum kan man auch nicht abſchaffen;
Denn ſiehet man, daß die Schocke auf denen Haͤuſern alle ſo eingerich-
tet, daß man den fond betrachte, was er eintraͤget, und ſo hat man es
enroulliret. Allein dieſer modus iſt doch corruptionibus unterworffen.
An denen Taxen-Machern iſt vieles gelegen. Man taxiret bisweilen ein
Guth darnach, weil es dieſes Jahr viel getragen, und meynet, es muͤſſe
alle
[305]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
alle Jahr ſo viel tragen, es kan ſeyn, ich habe ein gut Jahr gehabt, deß-
wegen geſchiehet dieſes nicht alle Jahr. Sind denn auch die æſtimato-
res alle geſcheut, die Sachen recht zu taxiren, ſind nicht ignoranten, Fein-
de, darunter begriffen? dieſe koͤnnen das Guth hoͤher anſetzen, als es
werth. Geſetzt, ich bin ein guter Hauß-Vater, habe das Guth wuͤrck-
lich in einen ſolchen Stand gebracht, daß man ſagen kan, es trage ſo
und ſo viel, ich ſterbe, iſt denn mein Sohn ſo ein guter Haußhalter.
Dicis: ſibi imputet, wenn er nicht haußhaͤltig iſt; Allein alsdenn wird
er ruiniret, laͤufft davon; koͤmmt ein anderer, und nimmt das ruinirte
Guth an, er ſoll die vorigen impoſten geben, ſo gehet es ihm eben ſo.
Daher iſt hoͤchſt-nothwendig, daß man die Schocke auf denen Haͤuſern
von neuem examiniret, nicht anders, wie man die matricul auf dem
Reichs-Tage unterſuchet, was vor Staͤnde zu hoch angeſetzet. Die
Leute gehen von ihren Haͤuſern weg, wenn es zu hoch iſt. Zu Erfurth
hat man ehedeſſen ein Hauß um einen Thaler gegeben, wenn einer wol-
len alle Schocke uͤber ſich nehmen. So findet man auch in Sachſen
viel Haͤuſer, dieſes hat Vauban p. 7. admirable gewieſen, und gezeiget,
daß es ein ſyſtema vitioſum, wenn man alles auf realia legen wolle. Die
Politici machen hier eine abſtraction, da ſie ſagen: Wenn das Guth ſo und
ſo viel traͤgt, da ein guter Hauß-Vater iſt, ſo muß auch beſtaͤndig das Aufge-
legte gegeben werden; Si aſinus volet, habet pennas, vielmehr wenn ein ſol-
ches ſyſtema ſuppeditirt wird, muß man immer corrigiren. Es hat kei-
ner weniger Schande, ſich zu corrigiren, als ein Cameraliſt. Dieſes
muß man einem groſſen Herren ſagen, und ihm zeigen, was finançen
ſeyn, damit er nicht gleich boͤſe wird, wenn es nicht gluͤcklich ablaufft. Iſt
er aber nicht recht inſtruirt davon, und es laͤufft nicht gut, ſo wird er boͤſe.
In denen Niederlanden, auch in denen Spaniſchen, hat man einen an-
dern modum, daß man den hundertſten Pfennig nimmt. e. g. Ein
Guth, daß hundert Thaler traͤgt, giebt einen Rthaler, und kan man leicht
ausrechnen, was ein Guth geben muß, ſo jaͤhrlich tauſend Thaler traͤgt.
Wenn man dieſen modum anſiehet, ſo laͤßt er ſich erdulden, auch, wenn
es noch ein groͤſſerer impoſt waͤre, aber man trifft die egalitè nicht. In
denen Niederlanden gehet es an; deßwegen darff man nicht dencken,
was da angehet, laͤßt ſich an allen Orten appliciren. Die Niederlande
ſind ein plattes ebenes Land, welches faſt von gleicher Fruchtbarkeit.
Hier koͤnnte man es auch ſetzen, weil hier auch ein gleiches ebenes Land;
Hergegen, wenn es einer wollte in einem Lande, das bergicht iſt, als
wie die Wetterau, das Voigtland und Heſſen einfuͤhren, wird er da koͤn-
nen keine proportion heraus bringen, eben ſo wenig wuͤrde es auch in
Q qder
[306]Cap. V. De prudentia
der Marck angehen, da iſt manchmahl ein guter Acker, hernach kom-
men wieder etliche Meilen ſchlechter Acker. Wo kan man alſo das her-
aus kriegen, und ſchaͤtzen. Alſo ſiehet man, daß ein Herr nicht unifor-
mes contributiones machen kan, wenn er gleich wollte. Andere, als wie
die Pohlen, ſind auf andere impoſitiones gefallen, daß ſie nemlich was
gewiſſes auf die Rauch-Faͤnge gelegt. Man hat dieſes auch in Franck-
reich an einigen Orten, als in Dauphiné, Provence; Allein es kan ein
Hauß viele Rauch-Faͤnge haben, und deßwegen doch nicht viel rentiren,
daher ſagt auch Connor in ſeiner Beſchreibung von Pohlen, es waͤre
dieſes etwas naͤrriſches, die Leute werden dadurch verleitet, daß ſie we-
nig Stuben in ein Hauß bauen, damit ſie nur nicht viel geben duͤrffen.
Alſo iſt dieſes ein ſyſtema, welches groſſe vitia hat. Daher haben vie-
le, ſonderlich zu unſern Zeiten, nachgedacht, und da man in Holland ei-
ne manier beliebt, ſo man acciſe benennet, ſo hat man ſolche an andern
Orten auch eingefuͤhret; Aber mancher Orten haben ſie nicht allein die
acciſe genommen, ſondern auch die impoſten auf denen Haͤuſern gelaſ-
ſen, welches ſummam miſeriam verurſachet. Man kan bey der acciſe
pro \& contra raiſonniren. Man ſiehet freylich, wenn man einen Biſſen
Brodt in dem Mund ſtecket, oder ich thue einen Trunck, ich mag kauf-
fen, was ich will, ſo bekommt der Fuͤrſt etwas davon, præſumit aliquid.
Die Land Staͤnde opponirten ſich anfaͤnglich, als man die acciſe ein-
fuͤhren wollte; aber ſie haben ſich endlich auch gegeben, denn man hat
die acciſe denen Staͤnden uͤberlaſſen, da ſie ausgerechnet, was ſie ohn-
gefehr tragen wuͤrde. Man hat geſagt, die Leute wuͤrden befreyet von
ihren Schocken, ſie duͤrfften nicht viel auf einmahl geben, und merckten
es nicht, was ſie gaͤben. Es iſt wahr, man merckt es eben nicht, aber
wenn man hernach uͤberſchlaͤgt, was man gegeben hat, ſo macht es ſehr
viel aus. Die acciſe thut reichen Leuten und eitzelnen Perſonen nicht
viel Schaden, aber Handwercks-Leuten thut es den groͤßten Schaden:
Denn wenn auf die materialia, woraus artefacta gemachet werden, viel
gelegt iſt, ſo koͤnnen die Leute nicht beſtehen. Man kan alſo bey der ac-
ciſe nicht dasjenige zu wege bringen, was man primario ſucht in der
Republique. Primario will man haben, daß die commercia floriren
ſollen, die werden aber dadurch geſtoͤhret. Es hat ein diſcipul von mir
ein klein Buͤchlein geſchrieben von der acciſe, und weil er von mir die
dubia gehoͤret, ſo hat er ſich bemuͤhet, dieſelbe zu beantworten, aber es
bleiben doch viele incommoda. Es iſt wahr, der Herr bekommt ein hauf-
fen Geld, aber hierauf muß man nicht allein ſehen. Ja, wenn die ac-
ciſe nur auf luxurioſa gelegt waͤre, ſo wuͤrde ſie keinen Schaden thun,
aber
[307]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
aber ſo iſt ſie auf alles geſetzt. Wenn ein Handwercks-Mann will
Kupffer, Meßing verarbeiten, ſo muß er ſolches erſt kauffen, und hernach
muß er auch eine ziemliche acciſe davon geben; Die Handwercks-Leu-
te aber haben viel Kinder, viel Geſellen, wo wollen ſie da auskommen?
Dicis: Er kan es wieder auf die Waare ſchlagen? Allein, da finden ſich
keine Leute, die ihm abkauffen. Geſetzt, die Schuſter muͤſſen auf das
Leder viel acciſe geben, ſie ſchlagen es wieder auf die Schuhe, kommen
ſie auf einen Jahrmarckt, ſo kaufft ihnen niemand ab. Da finden ſich
andere, welche koͤnnen wohlfeiler geben, die verkauffen alsdenn ihre Sa-
chen. Etwas favorables alſo hat wohl dieſes ſyſtema, und darff man
es nicht gaͤntzlich wegwerffen, aber auf denrées und materialien darff
man nichts legen, ſonſt wuͤrden die commercia geſtoͤhret. Das com-
mercium, wenn es ſoll Vortheil bringen, muß davon dependiren, daß
die Waaren ausgefuͤhret und anderwaͤrts verkauffet werden; Wo koͤn-
nen aber dieſelben verkaufft werden, wenn ſie ſo theuer ſind? Im com-
mercio koͤmmt es darauf an, wer am wohlfeilſten giebt, der verkaufft
am erſten; Daher haben die Hollaͤnder die Engelaͤnder ruiniret, weil ſie
alles wohlfeiler geben konnten, als andere. Die Frantzoſen ſind ruini-
ret worden, weil ſie alles theuer geben. Sonſt hat man ſo viele Fran-
tzoͤſiſche Huͤthe heraus gebracht, jetzo aber machet man ſie bey uns eben
ſo gut, und kan man ſie wohlfeiler geben, daher kriegt man keine Fran-
tzoͤſiſche Huͤthe mehr zu ſehen, als wenn etwa einer nach Franckreich ge-
teiſet, und einen mit heraus gebracht. Wenn man die force von allen
Reichen anſiehet, ſo beſtehet ſie in dem commercio, in manufacturen;
Alſo muß man auch darauf ſehen, daß ſolche nicht geſtoͤhret werden. In
Franckreich hat man auch die acciſe eingefuͤhret und ob zwar die Fran-
tzoſen ein Loch erfunden, daß ſie Waaren in America und Africa ver-
kauffen koͤnnen, ſo ſagt doch Vauban, ſie haͤtten einen groſſen Stoß dar-
uͤber bekommen, weil die Sachen theuer worden. Ich habe obſerviret,
daß, weil die Wolle hier wohlfeiler iſt, und man die Tuͤcher wohlfeiler
fabriciren kan, ſo werden dadurch viele andere ruiniret, weil ſie die Tuͤ-
cher nicht um ſolchen Preiß geben koͤnnen; Alſo kan man ſich leicht ein-
bilden, daß ein Land am floriſanteſten, wenn es alles am wohlfeilſten
geben kan. Die Hollaͤnder klagen uͤberall, daß ihre Handlung abnaͤh-
me, weil ſie an andern Orten jetzo eben die Sachen fabriciren, und ſolche
wohlfeiler geben, ſie aber wollen bey ihrem alten Preiſe bleiben. Der
Italiaͤniſche Handel iſt eben dadurch zu Grunde gegangen. Wenn man
fragt, warum der Venetianer ihr commercium zu Grunde gegangen, ſo
iſt die Urſache, daß andere auch einen Weg nach Oſt-Indien geſunden,
Q q 2und
[308]Cap. V. De prudentia
und alles wohlfeiler gegeben. Dieſe exempla muß man wohl behalten;
Denn dadurch ziele ich auf das, was ich in mente habe, nemlich daß
die commercia durch impoſten ruiniret werden. Durch die acciſe wird
ſo gar der luxus befoͤrdert. Man laͤſſet alle Waaren paſſiren, ſo einen
luxum verurſachen, und will dieſelben nicht verbiethen, weil dem Herrn
die acciſe abgehet. Je mehr verzehret wird, je mehr traͤgt es dem Herrn
ein. Die Leute ſind wie die Kinder, ob ſie gleich ſehen, daß die Waa-
ren ad luxum dienen, und ſie ſolche koͤnnten miſſen, ſo kauffen ſie dieſel-
ben doch. Des Tenzels ſeine Gold-Grube iſt auch refutiret worden.
Das andere Buch aber, ſo einer von meinen Zuhoͤrern geſchrieben, me-
ritiret geleſen zu werden, weil man ſehen kan, wie er ſich bemuͤhet, die
dubia zu heben. Vauban aber hat auch gemeynet, daß viele dubia blie-
ben, daher hat er in ſeinem Diſme Royal einen andern Vorſchlag ge-
than. Er ſagt: Einmahl muͤſſe zum fundament gelegt werden, daß man
die proportion nicht beſſer obſerviren koͤnne, als wenn ein jeder muͤſſe
contribuiren, gleichwie man auch dieſes in allen wohl eingerichteten Re-
publiquen obſerviret, als in Venedig, woſelbſt ſo gar auch die nobiles
contribuiren. Niemand kan ſich beſchweren, denn alle genieſſen proje-
ction. Ceſſat invidia, ceſſat onus in plebem ſolum devolvendum. Her-
nach ſagt er, daß als er durch gantz Franckreich gereiſet, ſo habe er ob-
ſerviret, daß man denen Geiſtlichen den Zehenden gegeben, und niemand
murre daruͤber. Ein jeder wird leicht begreiffen, daß wenn er nur den
zehenden Theil von ſeinen revenüen giebt, und er noch neun uͤbrig behaͤlt,
ſolches nicht viel ausmacht, deßwegen wird er gern den zehenden Groſchen,
die zehende Garbe, das zehende Kalb geben. Nun, ſagt Vauban, iſt be-
kannt, daß die reges, die principes muͤſſen collecten haben, alſo waͤre
am beſten, wenn er eine ſolche proportion obſerviret, daß er ſich decimam
partem von allen fructibus geben lieſſe, alsdenn wuͤrde kein Menſch mur-
ren, und waͤre ſolches faſt eine proportio arithmetica, daher keiner ſagen
koͤnne, daß er zu viel gaͤbe. Man moͤchte nun den decimam partem an-
ſehen en gros, oder ins beſondere, ſo habe er keine incommodité. Er ſagt
ferner, alle impoſten muͤſſen denn ſo angeſtellet werden; Die domainen
aber, ſo der Koͤnig habe, koͤnne er behalten, und verpachten, ſo hoch er
wollte. Vauban hat einen Uberſchlag gemacht, und gefunden, daß wenn
auch alle impoſten abgeſchaffet wuͤrden, denn habe der Koͤnig doch durch
den Zehenden mehr revenüen, als von denen impoſten. Denn Vauban
war ein honette homme, der auch auf den Nutzen des Volcks geſehen;
ob er gleich ſonſt nicht von hoͤher extraction geweſen, ſo iſt er doch durch
ſeine meriten geſtiegen, daß er Marchall von Franckreich worden. Die
Doctrin
[309]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
Doctrin de Vectigalibus hat er ſo inne gehabt, als keiner von denen Ge-
lehrten; Sein Buch iſt auch ſo æſtimiret worden, und hat es des jetzi-
gen Koͤnigs Groß-Vater, der Hertzog von Bourgogne, welcher auch ein
geſcheuter Herr geweſen, fleißig geleſen, der geſagt, es waͤren nur zwey
fauten darinnen, die ich aber nicht weiß. Wenn der Hertzog von Bour-
gogne zur Regierung kommen waͤre, wuͤrde er ohne Zweiffel den Vor-
ſchlag angenommen haben, und die fauten ſuchen zu verbeſſern, und ſo
meynte er der menu peuple wuͤrde auch ſoulagiret. In abſtracto iſt
auch wohl kein beſſer ſyſtema, als dieſes. Dicis: Warum hat es der
Regent nicht eingefuͤhret? Reſpond. Dieſer hat keine Ordnung in Franck-
reich haben wollen, ſondern nur modos prædandi erſonnen, dem peuple
das Geld zu nehmen, wie in dem Staat von Franckreich weitlaͤufftig
gezeiget wird. Vielleicht, wenn der jetzige Koͤnig recht zum Erkaͤnntniß
kommen wird, duͤrffte er es einfuͤhren, weil Franckreich ſehr herunter
kommen, und die manufacturen nicht mehr floriren, deßwegen hoͤret man
eben von ſo vielen Spitzbuben in Franckreich; denn wenn der peuple
nichts mehr verdienen kan, paupertas homines audaces reddit. Indeſſen
obgleich des Vaubans ſyſtema in Franckreich nicht zu Stande kommen, ſo
muß man doch ſein Buch allezeit regardiren, mit beſonderen Nachden-
cken. Gut waͤre es, wo man es koͤnnte einfuͤhren, aber wer entrepe-
nirt gerne etwas, es gehet da eine groſſe Veraͤnderung vor, und gehoͤret
ein Herr dazu, der Geld hat; Wenn gleich in denen erſtern Jahren ſoll-
te was abgehen, daß er nicht ſo viel revenüen hat, als ſonſten, ſo brin-
gen es doch die folgenden Jahre alle wieder ein, und die Unterthanen
wuͤrden dabey vergnuͤgt leben. Dicis: Wie kan man die revenüen her-
aus bringen? Das kan gar leicht geſchehen, man koͤnnte es doch nur
machen, wie die Venetianer und Nuͤrnberger, welche alle ihre Leute in
Pflicht nehmen, daß ſie nach ihren reditibus muͤſſen ihre Looſung
und Steuren geben. Wenn einer angetroffen wird, daß er ſeine
Pflicht nicht in acht genommen, kan man ihn ausklopffen, brav
ſtraffen, ſo werden die andern es bald unterlaſſen. Man kan al-
ſo bald wiſſen, was einer im Vermoͤgen hat, und was man nicht accu-
rat weiß, ſupplirt das jurament. Sonſt aber iſt auch in antecedenti-
bus gedacht worden, daß man die impoſitiones reales nicht gaͤntzlich ſolle
beyſeit ſetzen, aber doch nur was weniges nehmen von allen Gruͤnden,
Haͤuſern, Aeckern ꝛc. das thun die Venetianer und Nuͤrnberger. Die
Venetianer haben auch eine acciſe aufgebracht, und auf die luxurioſa
und fremde Waaren gelegt, welche ſie ſehr pouſſiren. Machet man es
ſo, daß man die acciſen quadantenus ſtehen laͤßt, ſo iſt es gut. Auſſer
Q q 3dieſen
[310]Cap. V. De prudentia
dieſen haben auch die Venetianer und Nuͤrnberger collectas, ſo nach
dem Vermoͤgen eingerichtet ſind. Ich halte viel von Vermoͤgen-
Steuren. Uber die Reichen gehet es da freylich her, hat einer viel im
Vermoͤgen, ſo muß er auch viel geben. Aber was lieget daran, ſiehet
man es nach der æquité an, ſo kan ein Reicher wohl mehr geben als
ein anderer, der arm iſt, warum ſollen denn die Armen allein geben.
Drum iſt auch der Law hierauf gefallen, welcher ſaget: Nach dem Ver-
moͤgen muͤſten die intraden eingerichtet werden. Es koͤnnte ſeyn, daß
ſich nach dreyßig viertzig Jahren in dieſem ſyſtemate ein vitium faͤnde,
daher thut man nicht wohl, daß man den menu peuple gantz entwehnt,
etwas zu geben von denen fonds, ſondern man muß ſie immer was we-
niges geben laſſen. In Venedig, da man dieſen modum hat, entſtehet
deßwegen kein Tumult. Ich weiß in Venedig faſt keinen Tumult, ſo
lange die Ariſtocratiſche Regierung geweſen; da hergegen in Neapolis
zwey und dreyßig revolten geweſen, alle wegen der impoſten, und in
Rom ſelbſt, wo der Vicarius Jeſu Chriſti iſt, ſind deßwegen tumultus
entſtanden. Man denckt, Carolus I. in Engeland habe plane ex aliis
cauſis den Kopff verlohren, aber wenn man es recht conſideriret, ſo iſt
es hauptſaͤchlich wegen der impoſten geſchehen. In Venedig lebt man
commode, und die Leute geben alles gerne. Koͤmmt eine Noth, ſo
wird mehr aufgelegt, aber da ſehen die Leute, wo das Geld hinkoͤmmt.
Auf einem point kan man freylich das Vermoͤgen nicht heraus bringen,
unterdeſſen, wenn die Venetianer es anlegen, ſo wird erſt ausgerechnet,
was vor eine proportion ſolle gehalten werden, alsdenn laſſen ſie die
Leute kommen, und ſagen denenſelben vor, wie das Vermoͤgen taxiret
iſt; Iſt nun dieſes geſchehen, ſo muͤſſen alle ſchwoͤren, daß ſie wollten
alles richtig abtragen. Von allen muͤſſen ſie geben, e. g. von ihren
fonds, von ihrem Gelde, von ihrem Silber-Geſchirr. Drum leidet
man nicht gerne, daß die Leute ſo viel Silber-Geſchirr haben, weil beſ-
ſer, wenn Geld daraus geſchlagen wird, das rouilliret. Dicis: Es hin-
dert den credit, wenn man weiß, was Unterthanen im Vermoͤgen ha-
ben? Reſpond. Wenn man es ſo machet, wie die Venetianer und
Nuͤrnberger, ſo erfaͤhret man nicht, was der andere im Vermoͤgen hat,
welches recht kuͤnſtlich iſt. Geſetzt, es hat einer hundert tauſend Thaler
im Vermoͤgen, er ſoll fuͤnff hundert Steuren geben, ſo gehet er hin an
einem andern Ort, welchen man in Nuͤrnberg die Schau nennt; Es iſt
dieſes ein Ort, wo man kan die Muͤntze probiren, item wenn einer fremd
Geld hat, und er kan es nicht ausgeben, ſo geben ſie ihm gangbar Geld
davor, denn da ſind experimentirte Leute, welche die Muͤntzen wohl ver-
ſtehen.
[311]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
ſtehen. Bringet nun einer an dem Ort die fuͤnff hundert Thaler, und
ſagt, er wollte Loſung zahlen, ſo geben ſie ihm ein Stuͤck, das fuͤnff hun-
dert Thaler gilt; Nun moͤchte man dencken, ſo erfuͤhren dieſe Leute, was
man gaͤbe; Allein da kan ich einen Fremden hinſchicken, und ein Stuͤck
hohlen laſſen. Wenn ich nun auf das Rath-Hauß komme, iſt daſelbſt
ein Tiſch, woruͤber ein Teppich iſt, darunter lege ich die marque, da legt
ein jedweder hin, und kan man alſo nicht wiſſen, wer es gegeben, auſſer,
wenn etwa der Rath muthmaſſete, daß einer nicht recht gaͤbe, ſo pflegen
ſie nachzuſehen, was er gegeben, welches aber ſelten zu geſchehen pflegt.
Dicis: Es ſtehet dahin, ob die Leute ihren Eyd in acht nehmen? Reſpond.
Das wird ihnen genug vorgeſaget, und die Prediger ſchaͤrffen es taͤglich
ein. Die Menſchen ſind doch nicht ſo beſchaffen, daß ſie um Kleinig-
keiten ſich wollen in Ungluͤck bringen, wird einer angetroffen, daß er die
Steuer nicht voͤllig gegeben, ſo wird er geſtrafft, und wenn er ſtirbt, ſo
wird er tanquam perjurus ohne Sang und Klang begraben. Dieſes
machet denen Leuten eine groſſe impreſſion, ſonderlich in Reichs-Staͤdten,
da es eben ſo zugehet. Venedig und Nuͤrnberg haben ſich auch hiebey
ſehr wohl befunden. Ohne Betrug gehet es nicht ab. Aber derglei-
chen finden ſich bey allen modis. Man mag bey der acciſe ſo ſcharff
ſeyn, wie man will, ſo wird doch vieles herein practiciret. Das Wort
vectigal haͤtten wir auch koͤnnen ſo weitlaͤufftig nehmen, daß auch colle-
cta, tributa, darunter begriffen waͤren, aber in antecedentibus iſt erin-
nert worden, warum es nicht geſchehen, daher muß man a part de vecti-
galibus handeln. Vectigalia, die Mauten, Zoͤlle, concerniren importan-
da \& exportanda. Daher entſtehet die Frage: Was hier vor regulæ
generales muͤſſen in acht genommen werden? Es iſt wohl zu mercken,
daß wir einige importanda noͤthig haben, non omnia fert omne tellus.
Kein Staat kan beſtehen ſine commercio, durch welche eben die impor-
tanda herbey geſchaffet werden, davon in Sect. ſeq. ein mehrers ſoll ge-
ſagt werden, und waͤre auch beſſer geweſen, wenn die Doctrin de vecti-
galibus in die folgende Section waͤre geſparet worden. Allein, weil
das Wort vectigal partim denen tributis beygeleget wird, partim auch
bey denen importandis und exportandis vorkoͤmmt, methodus nicht arbi-
traria, und thut alſo auch nichts. Daß es hier tractiret wird. Kein
Koͤnigreich kan von allen importandis frey ſeyn. e. g. Wenn man das
Koͤnigreich Schweden betrachtet, ſo deliberiret man daſelbſt im Staats-
Rath, wie man die importanda moͤchte verringern. Aber vieler Sa-
chen koͤnnen ſie ſich nicht entſchlagen. Sie haben keinen Wein, weil
ihr Land zu kalt iſt, den muͤſſen ſie von andern nehmen. Der Czaar
hat
[312]Cap. V. De prudentia
hat auch keinen Wein, es ſey denn, daß er etwa in denen Mittaͤgigen
Laͤndern ſich ſollte befleißigen Wein zu pflantzen. Man hat gegen Aſtra-
can an der VVolga einige ſpecimina wollen ablegen, es iſt aber nicht an-
gegangen, und meynen einige, daß es gar nicht practicable, aber ich glau-
be, daß, wenn man eine Charte nimmt, und ziehet von den Orten, wo
Wein waͤchſet, eine Linie nach des Czaars ſeinen Landen, ſo ſollte wohl
angehen an denſelbigen Oertern Wein zu pflantzen. Die importanda
ſind alſo vel neceſſaria, welche man nicht entbehren kan, vel non neceſſa-
ria, daher kan man keine beſſere Regel machen, als dieſe: Die impor-
tanda neceſſaria, welche man nicht entbehren kan, ſoll man entweder gar
nicht mit einem Zoll belegen, oder wenigſtens nur mit einem leidlichen.
Denn machet man denen Leuten die nothwendigen Dinge ſauer, mur-
murant; Es iſt nichts abgeſchmackters, als wenn man an denen Or-
then, wo kein Saltz iſt, einen groſſen impoſt auf das Saltz ſetzet, wo
es iſt, da kan man noch eher einen groſſen impoſt darauf legen, weil es
doch wohlfeil bleibet; Aber, wo man es erſt von andern Orthen herhoh-
let, und noch einen groſſen impoſt geben ſoll, das kan nicht angehen.
Thut man es, ſo ſuchen die Leute dieſes neceſſarium zu menagiren, wer-
den ungeſund, und weiß man offt, daß eine Peſtilentz davon entſtan-
den: Denn das Saltz præſervirt uns vor der putrefaction; Die Peſti-
lentz aber iſt nichts anders als eine putrefaction, ſo geſchwind um ſich
greiffet, welches ſchon ein alter Medicus, Franc. Valleriola obſerviret.
Wenn man nur gleich eine Gabellam giebt, ſo machet es doch zuſam-
men viel aus. Daher habe ich allezeit improbiret, wenn ich geſehen
habe, daß man geſuchet die neceſſaria zu belaͤſtigen. Ich habe in mei-
nem Vaterlande wahrgenommen, woſelbſt vor dieſen die Meßing-Ma-
nufacturen am ſtaͤrckſten floriret, welches daher kommt, weil man von
dem Meßing, ſo nach Nuͤrnberg gebracht wird, was weniges nimmt;
Vor den gantzen Centner Kupffer giebt man etwa ſechs Pfennige, und
von dem Galmey geben ſie gar nichts, weil ſolcher ohnedem erſt von
Luͤttich muß hergebracht werden, und viel koſtet. Sie haben auch noch
den Vorzug vor allen fabricanten, theils, weil ſie die Drechsler haben,
ſo alles in der Geſchwindigkeit koͤnnen machen, theils auch, weil ſie es
wohlfeiler geben koͤnnen. Der Koͤnig in Preuſſen hat auch Meßing-
Manufacturen angelegt, und ſind ſie gut reuſſirt; Aber, wenn nicht ver-
bothen waͤre, kein fremd Meßing ins Land zu fuͤhren, wuͤrde der Abgang
nicht groß ſeyn, weil die Nuͤrnberger alles wohlfeiler geben koͤnnen.
Auf die exportanda kan man auch einen Zoll legen, aber was weniges,
wenn es ſolche exportanda, die ich ſelbſt nicht brauche, welche mir ſo zu
ſa-
[313]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
ſagen a charge. Hergegen, was ich ſelbſt brauchen kan, und noͤthig
habe, darauf kan ich einen groſſen Zoll legen. Alſo iſt abſurd, wenn ich
ſchoͤne manufacturen habe, die Sachen ſollen an fremde Oerter verkaufft
werden, und ich lege einen groſſen Zoll darauf. Wenn die Engelaͤn-
der ihre Tuͤcher verkauffen wollen, muͤſſen ſie keinen groſſen Zoll darauf
legen; Davenatius, welcher von dem Engliſchen commercio ein groſſes
Buch, ſo in ſechzehen Baͤnden beſtehet, geſchrieben in Engliſcher Spra-
che, welches meritirte, daß man einen extract daraus machte, hat obſer-
viret, daß die Engelaͤnder einen kleinen Zoll auf die Tuͤcher gelegt, da-
mit ſie nur brav ausgefuͤhret wuͤrden. Gleichwie es ein Fehler, wenn
man auf die exportanda non neceſſaria einen groſſen Zoll ſetzet. Vor
etlichen Jahren kam in S. ein Windfaͤnger, welcher ſagte, man ſolle
auf das Saltz einen groſſen impoſt legen. Er raiſonnirte aber in ab-
ſtracto, und ſahe nicht, daß es nicht practicable. Darinnen hat er
recht, daß es dem Herrn viel eintraͤgt, aber die Unterthanen werden rui-
niret. Wir haben hier kein Holtz, da iſt es eine groſſe impoſten, wenn
man einen groſſen impoſt aufs Holtz legete. Man muß alle ſuchen zu
ſoulagiren. Vormahls hohlte man viel Korn von Magdeburg, als
man aber ſechs Thaler auf den Wiſpel ſetzte, blieben die Kaufleute weg.
Man ſetzte es nachgehends wieder herunter, aber ſie ſind nicht wieder ge-
kommen. Es war ein kleiner Fehler, der aber groſſen Schaden ge-
than. Der Kauffmann iſt gar kein Mann wie andere Leute, er gehet
dem profit nach, und wenn derſelbe auch nur vier Groſchen ausmachet,
ſo gehet er doch weg, und iſt er wie der Fuhrmann, welcher gerne etwas
umfaͤhret, daß er nicht mit vielen impoſten belaͤſtiget und aufgehalten
wird. Was bisher von denen importandis und exportandis geſagt
worden, das concernirt auch eine jede civitatem en particulier. Aber bey
denen Zoͤllen muß mehr regardiret werden, wo groſſe Handels-Staͤdte
ſind, wie Livorno im Florentiniſchen, Amſterdam, Londen. Hier bin
ich der Meynung, welche Coſmus von Medices gehabt, welcher Urſach
iſt, daß der Hafen Livorno ſo florirt. Der Hafen hat ſo ſchon vorher
florirt, weil ſie das commercium nach Africa hatten, und ſind Kaufleute
daſelbſt geweſen, ſo etliche Millionen im Vermoͤgen gehabt. Unter
Coſmo aber hat man gemeynet, er wuͤrde uͤber den Hafen gehen, wel-
ches aber nicht geſchehen. Coſmus hat dieſes gethan, daß er einen klei-
nen impoſt auf die importanda und exportanda gelegt, da hat er ein
groſſes commercium hingezogen; Derjenige, ſo einen groſſen Zoll
nimmt, iſt wie ein geitziger Wirth, welcher alles auf einmahl gewinnen
will, und viel Waſſer unter das Bier gieſſet, bedenckt aber nicht, daß
R rdieje-
[314]Cap. V. De prudentia
diejenigen, ſo es einmahl gehohlet, nicht wieder kommen. Deßwegen
ſetzte Coſmus den Zoll gering, denn was mir abgehet an der quantitaͤt
des Zolls, das erſetzt die Menge der Leute wieder. Schrödter hat bey
ſeiner Schatz- und Renth-Cammer eine ſchoͤne Diſſertation de vectiga-
libus. Der Braunſchweigiſche Edelmann, ſo die Macht-Kunſt ge-
ſchrieben, handelt auch hievon, hat es aber aus dem Schrödter genom-
men. Der Tuͤrcke, ob er gleich ſonſt ein tummer Kerl, nimmt doch zu
Smirna und Aleppo wenig Zoll, deßwegen iſt eine groſſe Handlung da-
hin. Bey denen importandis luxurioſis muß man ſehen, wenn die Un-
terthanen dieſelben conſumiren, ſo muß man ſolche entweder gar ver-
biethen, oder einen groſſen Zoll darauf legen; Hergegen, wenn man ei-
nem Orte der Stapel iſt, man bringt viel luxurioſa dahin, die werden
aber nicht conſumirt, ſondern wieder fortgeſchafft, als wie in Holland,
da kan man keinen groſſen Zoll darauf legen. Alſo muß man dieſe
materie cum grano ſalis betrachten. Es iſt gedacht worden, daß man
auf die importanda neceſſaria ſollte einen kleinen tribut legen, da koͤnnte
man objiciren: In Engeland waͤre kein Papier, da habe man doch ei-
nen groſſen impoſt darauf gelegt, welches doch unentbehrlich, deßwegen
ſind eben die Buͤcher, ſo in Engeland gedruckt werden, ſo theuer. Es
iſt dieſes ein groſſer Fehler in Engeland, daß ſie nicht ſelbſt Papier ma-
chen, auch in Holland, ſondern hohlen es alle aus Franckreich, und
wenn man nachrechnet, was hier und da aus Franckreich von den Pa-
pier vor profit gezogen wird, ſo macht es etliche Millionen aus. Die
Engelaͤnder haben nun dieſen Fehler geſehen, daß ſie in dem commerclo
mit Franckreich viel verlieren, deßwegen haben ſie ſo einen groſſen im-
poſt auf das Papier gelegt, damit die Leute ſollen encouragiret werden
Papier-Muͤhlen anzulegen. Man hat auch ein und andere fabriquen
in Engeland angelegt, aber noch nicht weit reuſſiret. Die Teutſchen
ſind geſcheuter, und machen ſelbſt Papier. Daher, als das commer-
cium zwiſchen Holland und Franckreich geſperrt geweſen, ſo ſind von
Nuͤrnberg viele tauſend Rieß Papier gehohlet worden, welches aber
nachgehends aufgehoͤret, weil ſie es aus Franckreich wohlfeiler haben
koͤnnen. Wenn man in Politicis einen Fehler macht, der verurſacht gleich
einen groſſen Lerm: denn es changirt ſich gleich alles, und das kan man
nicht wieder umwenden. Wenn man die Fehler in Teutſchland ſehen
will, ſo kan man nur am Neckar-Strom und Rhein-Strom gehen,
da findet man ſo viel Fruͤchte, daß die Leute malcontent ſeyn, wenn kein
Krieg iſt, weil es ſonſt nicht kan verzehret werden. Die Hollaͤnder
hohlten es gerne ab, wenn ſie einen freyen Paß haͤtten, aber der Fuͤrſten
ſind
[315]ſtatus circa ærarium, tributa \& vectigalia.
ſind viel, man hat allzu viel Zoͤlle, und wenn man eine Viertel Stun-
de faͤhrt, ſo iſt ein neuer Zoll da. Das Getrayde bleibt da alle im Lan-
de, es iſt wohlfeil, und kein Geld unter den Leuten. Mecklenburg iſt ein
vortrefflich Land; Aber wie die Schweden den Warnemuͤnder Zoll an-
legten, haben ſie ihr Korn im Lande behalten, und muͤſten des Tages
dreymahl eſſen, wie die Pommern, wenn ſie ihr Korn wollen aufzeh-
ren. Der Schweden Abſicht iſt eben bey dem Zoll geweſen, Teutſch-
land zu ruiniren. Haͤtte Teutſchland einen Herrn, ſo wuͤrde man thoͤ-
richt thun, ſo viel Zoͤlle anzulegen. Die exportanda, ſo nuͤtzlich ſind,
muß man nicht weglaſſen, oder wenigſtens einen Zoll darauf legen.
Daher laſſen die Engelaͤnder keine Wolle ausfuͤhren, auch nicht ein-
mahl Felle, auf welchen noch Wolle iſt. Es iſt daſelbſt auch bey har-
ter Straffe verbothen worden, keine Erde auszufuͤhren, woraus Tobacks-
Pfeiffen gemachet werden, weil ſie ſonſt das monopolium gehabt.
Nachgehends aber hat man auch an andern Orten Erde gefunden,
welche ſich hiezu geſchicket. Bisweilen aber geſchiehet es auch, daß auch
die importanda neceſſaria leicht belegt werden, wenn ſie dieſelben wollen
wegbringen, als wie in Dantzig, woſelbſt der Stapel iſt, da geben die
Leute was weniges, wenn ſie das dahin gebrachte Korn wegfuͤhren.
Wenn in Smirna fremde Waaren eingefuͤhret werden, ſo giebt man fuͤnff
pro cent, alsdenn aber kan man die Waaren entweder daſelbſt verkauf-
fen oder frey weg bringen. In Holland giebt man auch etwas weni-
ges, wenn man die importanda will wegbringen, das hat auch Huetius
an denen Hollaͤndern æſtimiret. Hergegen in Teutſchland iſt eine mi-
ſeria, da man ſeine Waaren etliche mahl verzollen muß. Vor dieſen
iſt man in Teutſchen provinzien ſo vigoureux geweſen, daß, wenn einer
gleich ſchon einmahl etwas verzollet, ſo muſte er doch noch einmahl Zoll
geben, wenn er in eine andere Stadt, die doch eben demſelben Herrn
gehoͤret, gekommen, welches man aber jetzo abgeſchaffet.
§. 17. Unſer Autor haͤtte als ein Theologus dieſes nicht ſetzen
ſollen; Es iſt dieſes wohl bisher das principium geweſen, aber es iſt ein
boͤſes principium. Wenn impoſten ex neceſſitate angelegt werden, war-
um ſollte man ſie nicht wieder koͤnnen abnehmen? Koͤmmt wieder ein ca-
ſus neceſſitatis, ſo kan man ſie ja alsdenn wiederum auflegen.
§. 18-19. Quær. Ob die tributa und vectigalia cum populiOb die impo-
ſten mit Ein-
willigung des
Volcks muͤſſen
aufgeleget
werden.
conſenſu muͤſſen angelegt werden? Reſpond. Wo eine Monarchie, und
man ſupponiret, daß der Herr geſcheut iſt, ſo braucht er nicht den peuple
und die proceres zu fragen, weil er vor ſich ſelbſt dem Volck nicht mehr
auflegen wird, als der ſtatus reipublicæ erfodert. Dieſes laͤßt ſich wohl
R r 2in
[316]Cap. V. De prudentia
in abſtracto hoͤren; Aber man hat ſich mehr zu fuͤrchten vor boshafftigen
Fuͤrſten, daher die Leute, welche ſich vor einem ſolchen arbitrio fuͤrchten,
gantz anders raiſonniren. Als wie die Engelaͤnder, welche als ein prin-
cipium regulativum ſetzen: Es moͤchte der Koͤnig ſo viel autorité haben,
als er wollte, ſo ſollte er doch nicht koͤnnen impoſten auflegen ohne con-
ſens des Parlaments, abſonderlich des Unter-Hauſes. Sie ſagen,
wenn es der Koͤnig vor ſich thun koͤnnte, ſo waͤre die libertas alle verloh-
ren. In dem Ober-Hauſe ſitzen die Hertzoge, Lords, welche nichts ge-
ben, und bekuͤmmern ſich nicht viel darum. Hergegen das Unterhauß
repræſentirt den peuple; deßwegen muß dieſes hauptſaͤchlich davon wiſ-
ſen. Dieſes iſt die Urſache, warum eine general-revolte wider Caro-
lum I. entſtanden; Man wollte ihm nichts geben, daher machte er ſelber
fonds, forderte bald dieſes bald jenes; Da ſagte der peuple, wir ſind ver-
lohren und revoltirten. Die Engelaͤnder aber haben nicht allein ſo rai-
ſonniret, ſondern man findet es bey denen Teutſchen eben ſo. Nicht
allein auf dem Reichs-Tag findet man, daß keine collecten koͤnnen an-
gelegt werden, ohne conſens der Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnde, ſon-
dern in den provinzien iſt es eben ſo geweſen. Eine Beyſteuer hat der
Herr bisweilen koͤnnen fordern, da er geſagt: Ich kan von Rechtswe-
gen nichts fordern, weil ich ſchon meine revenüen habe; Weil aber ein
caſus extraordinarius kommen, ſo hoffe ich, daß ihr werdet precario etwas
geben. Collectas hat er nicht koͤnnen vor ſich auflegen, da ſind die
Land-Tage geweſen, auf welchem die Geiſtlichkeit, die Nobleſſe und
Staͤdte beruffen worden, wie man an vielen Orten noch findet, die ha-
ben dem Herrn accordirt, ſo viel ſie gewollt. Drum iſt ein Lerm ent-
ſtanden, da man die acciſe angelegt, weil ſie geſehen, daß, wenn ſie ſol-
che dem Herrn accordireten, ſo waͤre ihre Freyheit hin. Der Hertzog
in N. hat ein klein Laͤndgen, und da er in demſelben wollte die acciſe
einfuͤhren, hat alles tumultuiret, deßwegen er es auch nicht zum Stande
bringen koͤnnen. Die Nobleſſe hat ſonderlich dahinter geſteckt. Wo
einmahl die acciſe eingefuͤhret, wird ſelten ein Land-Tag gehalten, weil
der Herr da Geld genug hat, und denen Land-Staͤnden kein gut Wort
geben darff, die Land-Staͤnde haben auch ſo gar dieſe Sache auf dem
Reichs-Tag gebracht, weil in der Capitul. Cæſarea ſtehet, daß nichts
ohne der Landes-Staͤnde conſens ſollte vorgenommen werden. Denen
Land-Staͤnden geſchiehet freylich tort; aber offt nehmen ſie ſich zu viel
heraus, wie in Oſt-Frießland, woſelbſt ſie den Fuͤrſten gar von dem
Land-Tage ausſchlieſſen, da doch derſelbe dabey ſeyn, und denſelben di-
rigiren ſollte. Weil man mehr Fuͤrſten hat, welche abweichen von dem
rechten
[317]circa commercia \& rem monetariam.
rechten Wege, ſo iſt zu wuͤnſchen, daß in tota Germania die Land-
Staͤnde beybehalten werden.
§. 20. Wenn nun einer tributa und vectigalia hat, ſo muß er die-Von der Art
und Weiſe die
impoſten von
den Untertha-
nen zu heben.
ſelben entweder laſſen adminiſtriren, und Leute beſolden, oder er muß
ſolche verpachten. Bey denen Roͤmern hat man die Zoͤlle verpachtet,
welches der Cenſor gethan, davon zu leſen die Diſſertatio in Gundlin-
gianis de Cenſoribus. Man verpachtet die Zoͤlle noch; Alſo quæritur:
Ob ein Herr ſolches vor rathſam halte, die Zoͤlle zu verpachten? Man
ſagt, Zoͤllner und Suͤnder; Allein Suͤnder iſt nur ein accidens, welches
man kan verhuͤten. Verpachtet man die Zoͤlle, ſo koͤnnen nicht ſolche
colluſiones entſtehen, als wenn Adminiſtratores geſetzt werden. Der
Zoll vermehret ſich nicht. Wer es nicht glauben will, mag nur die
Zoll-Rollen anſehen, die vor zwantzig Jahren gemacht worden, da wird
er ſehen, was er vor eine avantage, wenn man die Zoͤlle verpachtet. Di-
cis: Wenn die Zoͤlle verpachtet werden, ſo werden die Leute ſo ſehr ge-
plagt? Reſpond. Da kan man ſchon vorbeugen, wenn man taxen aus-
haͤnget, werden dieſelben von einem Kerl uͤberſchritten, kan man ihn ſchon
davor zuͤchtigen. Es kan ja der Herr einen Gegenſchreiber ſetzen, ſo der
Pachter beſolden muß, welches der Law obſerviret; Setzet der Herr ei-
nen Gegenſchreiber, ſo kan er auch erfahren, was der Zoll eintraͤgt, und
ihn vielleicht hoͤher verpachten. Es iſt ein crimen læſæ majeſtatis, wenn
einer mehr nimmt, als der Herr haben will, und kan er alſo hart ge-
ſtrafft werden. Was nun von der Verpachtung bey denen Zoͤllen ge-
ſagt worden, iſt auch bey der acciſe zu obſerviren.
Sectio VIII.
de
Prudentia circa commercia \& rem monetariam.
§. 1-2.
ES beſtehet das commercium in Kauff und Verkauff; Wo vielVon denen
commerciis
uͤberhaupt.
verkaufft und eingekaufft wird, da iſt ein commercium, das
floriſant. Es muß aber das Kauffen und Verkauffen nicht in
die Mauren eingeſchloſſen ſeyn, ſondern weiter gehen. Sonſt ſagt man
nur, man kaufft und verkaufft um Geld. Aber hier wird es nicht ſo en-
ge genommen, ſondern man verſtehet auch darunter, wenn Waaren um
Waaren vertauſchet werden. Quær. Ob das commercium nicht viel-
R r 3mehr
[318]Cap. V. De prudentia
mehr zu banniſiren ſey? Reſpond. Wenn man einen ſeveren Mann, ei-
nen Elſter-Bart, hoͤret, der ſagt, es waͤre gut, daß kein commercium
waͤre, denen kan man aber nur antworten: Es waͤre auch ſehr gut, wenn
wir in ſtatu integritatis geblieben waͤren. Es ſind lauter ſottiſen, wenn
man meynt, die commercia koͤnnten banniſiret werden. Da die Men-
ſchen einmahl in civitatem kommen, und eine multitudo hominum innu-
merabilis entſtanden, ſo kan man ohnmoͤglich die commercia entbehren.
Wir koͤnnen ja nicht alle vom Ackerbau leben, deßwegen ſind die Leute
auf Kuͤnſte gefallen, und dieſe Kuͤnſte haben verurſacht, daß commer-
cia entſtanden. Conring hat auch in ſeiner Diſſertation de commerciis
maritimis, bey welcher VVerlhof reſpondirt, geſagt: Er koͤnne die En-
thuſiaſten nicht vertragen, und nicht mit denenſelben diſputiren, welche
meyneten, man ſolle keine commercia haben. Man wird auch finden,
daß diejenigen Republiquen die potenteſten geweſen, welche ein floriſan-
tes commercium gehabt. Wir wiſſen, daß ehedeſſen die Phœnicier ſehr
floriret haben, weil ſie das gantze commercium in der Mittel-See
exercirt. Sie haben nach Spanien und andern Orten gehandelt, und
Colonien dahin gebracht. Phœnicien iſt an ſich ein kleines Laͤndgen,
daher man die Republique Holland immer damit comparirt, die Leute
zu Tyro und Sidon ſind Phœnicier geweſen. Die Carthaginienſer ſind
auch eine Razza von Phœnicien geweſen, und haben Hebraͤiſch geredet,
wovon man noch eine Rede im Plauto finden kan, die der Clerc in ſeiner
Bibliſchen Univerſelle mit Hebraͤiſchen lettren drucken laſſen. Die
Venetianer ſind die groͤſſeſten Leute in der Welt geweſen, da die com-
mercia bey ihnen recht floriret. Viele tauſend Menſchen muͤſſen Hun-
gers ſterben, wenn man die commercia abſchaffen wollte. En-
geland wuͤrde alsdenn in die alte Armuth gerathen, worinnen es ge-
weſen ante Henricum VII. dieſer aber hat daſelbſt die commercia in
die Hoͤhe gebracht. Wo nur eine Kauffmannſchafft iſt, die ein-
heimiſch, dieſelbe tauget nichts, ſondern bringet nur das Geld
aus dem Lande, daher muß man darauf ſehen, daß die res aliunde ad-
portatæ nicht verzehret, oder ſo viel, wie moͤglich, retrenchiret werden.
Die Hollaͤnder ſind homines ſobrii, bringen die Waaren anderswohin,
und thun ihnen ſolche nicht ſo wohl Schaden, als denen populis ad quos ad-
portant. Wenn man auch von contrabanden Waaren diſponirt, ſo ver-
biethet man nicht luxurioſa, die laͤßt man gerne dem Feinde zufuͤhren,
weil ſolcher dadurch ruiniret wird. Videat. Grotius de Iure B. \& Pacis.
Es iſt freylich wahr, die Erhoͤhung der commerciorum iſt ein Mittel in-
fatuandi alios; tu inſignes opes adquiris, bekommſt des andern Geld,
der
[319]circa commercia \& rem monetariam.
der andere wird ruiniret. Wenn man objicirt, es koͤnne einer dieſes
mit gutem Gewiſſen nicht thun, ſo antworte ich: Die Waaren werden
ja denen andern nicht aufgezwungen, ſie muͤſſen urtheilen koͤnnen, ob ih-
nen dieſe oder jene Waaren nuͤtzlich oder ſchaͤdlich. Wenn man von
denen commerciis redet, wo dieſelben geſchehen ſollen, ſo iſt zu mercken,
ein jeder Ort ſchicket ſich nicht dahin, ſonderlich wenn er rude, kalt iſt ꝛc.
Es waͤre denn, daß ſonſt eine gute Gelegenheit an ſolchen Oertern. e. g.
Obgleich ſonſt die Nordiſchen Laͤnder ſehr rauh und kalt ſind, ſo hat
man doch daſelbſt viele Waaren, welche andere brauchen koͤnnen, aber
das geſchiehet per accidens, daß man es gebrauchen kan. Daher wer-
den die Nordlaͤnder allezeit geſchickt zum Handel bleiben; Sie haben
Holtz, Steine, Felle ꝛc. Wenn man Lieffland anſiehet, ſo haben ſie da-
ſelbſt eine groſſe quantité von Korn. Die Lein-Saat iſt auch in Lieff-
land am ſchoͤnſten. Dieſe Sachen alle hat man an andern Orten noͤ-
thig. Indeſſen, non omnia loca ſunt apta ad commercia. Denn wo
nichts iſt, und niemand hinkoͤmmt, da iſt kein commercium. Weil bey
denen Schweitzern wenig iſt, ſo iſt daſelbſt auch ein ſchlecht commercium,
deßwegen hat man willens gehabt, Canaͤle zu machen, und das com-
mercium in der Schweitz in beſſern Stand zu bringen. Allein es ſind
ſo viele Cantons, jeder Canton hat ſein beſonderes intereſſe, und wird
alſo ſolches nicht zum Stande kommen. Sie haben auch keine manu-
facturen. Ein Land mag endlich ſeyn, wie es will, floriren die manufa-
cturen in denſelben, ſo floriren auch die commercia. Ja, wo die Leute
gutes Land haben, ſind ſie faul, und æſtimiren die manufacturen nicht,
als wie in Oeſterreich und Bayern, ſie ſauffen lieber den gantzen Tag.
Aber wo es ein Land iſt, wo nicht viel zu beiſſen und zu brechen, kan
man die Leute eher dazu bringen, und eher ein commercium aufrichten,
ſonderlich wenn es an der See liegt, daher die Herren, ſo Land an der
See haben, wohl thun, wenn ſie auf gute Hafen und Schiffe dencken,
denn dadurch werden ſie maͤchtig und ſicher. Man wird finden, daß
diejenigen, welche an der See gewohnet, und keine Schiffe gehabt, ſind
von andern uͤberfallen, und zu Sclaven gemachet worden; die Sa-
racenen haben ehemahls das gelobte Land verlohren, und denen
Chriſten laſſen muͤſſen, weil ſie keine Schiffe gehabt. Ehe Enge-
land eine Flotte gehabt, ſind allerhand revolutiones daſelbſt vorge-
gangen, und hat bald dieſer, bald jener das Reich an ſich gebracht; liegt
ein Land an der See, ſo kan man anderwaͤrts herhohlen, was man nicht
hat, und ſeine Sachen kan man auch ausfuͤhren. Quær. Warum ſo
viele Koͤnige nicht darauf gedacht, commercia zur See zu haben. Denn
in
[320]Cap. V. De prudentia
in Franckreich hat man ehedeſſen keine conſiderable Faſten gehabt; In
Italien eben ſo wohl, wenn man Genua und Livorno ausnimmt? Re-
ſpond. In Italien ſind kleine Herren, da iſt kein Wunder, wenn man
keine rechte Haͤfen hat, und wuͤrde auch Livorno nicht ſeyn zu Stande
kommen, wenn nicht Florentz zu maͤchtig geweſen; Bey andern aber iſt
dieſe Urſache: Die groſſen Herren reiten gern vor ihrer Armee her, auf
der See aber koͤnnen ſie nicht ſo vorreiten, drum haben ſie nicht auf Flot-
ten gedacht, da doch ſolches das principalſte Stuͤck; Der Don Anton.
Perez, als er aus Spanien weggieng, und nach Franckreich kam, wurde
von dem Koͤnig in Franckreich gefragt: Was er meyne, daß ſeinem
Reich fehle? Er ſagte: Eine Flotte, ſonſt wuͤrde er von einem jeden, der
zur See maͤchtig, incommodiret. Wir haben in vorigem Kriege Franck-
reich offt gedrohet, bald hie, bald da anzulanden; Der Koͤnig in Franck-
reich hat ohnedem die beſte Gelegenheit, eine Flotte zu halten, weil ſein
Land an der See liegt. Eine Flotte aber kan nicht beſſer in die Hoͤhe
kommen, als durch commercia. Die Venetianer haben anfaͤnglich nur
die einige Stadt, und etwas in Terra Firma gehabt, nachgehends aber
haben ſie durch ihre commercia eine groſſe Flotte erhalten, womit ſie
das gantze Roͤmiſche Reich bravirt. Wo commercia ſind, hat man
viele Kauffahrdey-Schiffe, wo viele Kauffahrdey-Schiffe, hat man vie-
le matelots. Die Kauffahrdey-Schiffe ſuchen andere Wege zu nehmen,
daher bauet man groͤſſere Schiffe, dieſelben zu convoyiren, dadurch
waͤchſt die Flotte. In Engeland waren zu Zeiten Henrici VII. wenig
Schiffe. Henricus VIII. aber ſahe, daß die Leute ſich nur auf den Acker
legten, die Bauren waren ſonſt wie unſere Teutſchen, daß ſie Sclaven
von denen Edelleuten waren. Daher ſagte Henricus: Ich will Bauren
auf die Flotte thun. Der Adel murrete, er aber ſagte: So viel Bau-
ren wolle er ihnen laſſen, daß ſie Korn genug haben koͤnnten, aber die
uͤbrigen ſollten ſie hergeben. Videatur Verulamius in vita Henrici VII.
Es waren in Engeland wenig Wieſen, da ließ Henricus Felder zu Wie-
ſen machen, die Schaafe bekamen da beſſer Futter, man hatte viele
Wolle, und florirten die commercia. Wie es nun einmahl im Stan-
de war, ſo hat man obſerviret, daß kein Land ſo viele Orlog- und Kauf-
fahrdey-Schiffe gehabt, als Engeland. Es iſt eine groſſe Anzahl. Hat
man gute Haͤfen und Schiffe, ſo kan man nicht attaquiret werden. Da
die Engelaͤnder ſo viele Schiffe gehabt, hat ihnen niemand etwas thun
koͤnnen. Sie haben ihren Koͤnig den Kopff abgeſchlagen, und niemand
hat ihnen etwas gethan. Jedermann fuͤrchtete ſich vor den Cromwell,
und wuſte kein Menſch., ob er nach Spanien oder Italien gehen wollte.
Er
[321]circa commercia \& rem monetariam.
Er gieng nach America, und wollte Hiſpaniola wegnehmen, haͤtte es
auch bald bekommen. Jamaica aber nahmen ſie doch weg. Wenn auch
an einem Orte keine Fluͤſſe ſind, ſo thut doch bisweilen die correſpon-
dence viel, als wie in Leipzig, das liegt faſt mitten in Teutſchland, und
iſt der Stapel da. Alſo koͤnnen auch da commercia floriren. Nichts
weniger aber befoͤrdert die commercia als die artefacta. Die Hollaͤn-
der ziehen aus Oſt-Indien wenig, das meiſte aber haben ſie von manu-
facturen, denn die Hollaͤnder haben zwey arcana 1) daß ſie den Stapel
haben von allen rohen Waaren, 2) holen ſie alle materialia herbey,
woraus ſie allerhand fabriciren. Wer einen diſcours von denen com-
merciis uͤberhaupt, und ins beſondere von dem Hollaͤndiſchen commer-
cio leſen will, kan leſen tractat. le grand Treſſor hiſtorique, \& Politique
du floriſant commerce des Hollandois. Es iſt in Pariß gedruckt, und
in Holland nachgedruckt worden, er hat ſolches dem Dauphin, des Her-
tzogs von Burgund Vater vorgeleſen, und ſchreibt unvergleichlich. Man
ſiehet, daß er ein penetranter Mann muß geweſen ſeyn, der nicht allein
ſacra verſtanden, ſondern auch in politicis ultra ſortem vulgarem verſirt
geweſen. Er hat auch von dem commercio der Alten geſchrieben, wel-
ches ein hochgelehrtes Buch iſt, und hat er in demſelben denen Frantzo-
ſen die Meynung brav geſagt. Er hat auch gemeynet, das ſey beata
respublica, welche an der See laͤge. Er hat das Wort beata ſo genom-
men, wie man es jetzo nimmt, nemlich ratione defenſionis und commer-
ciorum. Iean de Witte, welcher Grand Penſionaire in Holland geweſen,
hat politiſche Gronden geſchrieben, welche man Frantzoͤſiſch, Hollaͤn-
diſch und Teutſch hat. (Die Teutſche edition iſt anno 1671. und ſind
ſeine Summarien dabey) Huetius lobt das Buch, und ſagt: Es waͤre
noch kein Buch vom commercio ſo geſchrieben worden, in dieſem tractat
ſagt er: Es waͤre ein Land am gluͤcklichſten, wenn es mit Waſſer um-
geben, und nur mit Schiffen duͤrffe defendiret werden. Er hat auch
willens gehabt, daß ein Canal ſolle gezogen werden, damit Holland gantz
mit Waſſer umgeben ſey. Wie die Kriege zu Lande denen Hollaͤndern
viel Geld gekoſtet, ſie ſchlugen ihn aber in einem Tumult den Kopff ab:
Denn die Printzen von Oranien ſind Generals, haͤtte man aber nur ei-
ne Flotte noͤthig gehabt, ſo haͤtten ſie ihr commando verlohren, deßwe-
gen legten ſie ſich dawider.
§. 3-6. Hat man nun einen locum, ſo entſtehet die Frage: WieWas und wie
viel Leute zum
commercio
erfordert wer-
den?
viel man Leute haben muͤſſe? Iean de Witt hat hier ein gemeines præju-
dicium uͤbern Hauffen geworffen; Denn man meynte, es muͤſte conve-
niens numerus ſeyn. Das iſt gar nicht noͤthig, ſondern je mehr Leute
S sda
[322]Cap. V. De prudentia
da ſind, je beſſer es iſt. Man ſiehet, daß die Leute nicht uͤber die com-
mercia reflectirt, und keine Buͤcher geleſen, welche einem convenientem
numerum verlangen. Sie meynen, daß negotium muͤſſe eingeſchloſſen
ſeyn in eine Stadt, da koͤnnten ſich ja nicht viele naͤhren. Nun iſt frey-
lich wahr, wenn zu viel Krahmer in einer Stadt, ſo koͤnnen ſie ſich nicht
alle ernaͤhren, und waͤre freulich zu wuͤnſchen, daß man nicht viel ſolche
Leute in einer Stadt haͤtte; aber man muß ſich hier einen andern con-
cept von denen commerciis machen, wie Witt gewieſen. Wo ein rech-
ter Kauffmanns-Platz, da hat man nicht allein Gelegenheit, alle Waa-
ren in abondance zu haben, ſondern ein jeder kan dieſelben auch verfahren,
wo er hin will. Das iſt gewiß: wo viel Kauffleute ſind, und nicht viel
materialia, ſo koͤnnen nicht alle ſubſiſtiren. Aber es giebt materialien ge-
nug, und wer einmahl da iſt, wird ſchon ſeinen Verſtand anſtrecken,
materialien herbey zu ſchaffen. Da braucht es keiner demonſtration.
Man ſiehet in Holland Millionen Menſchen, weil einem jedem frey ſte-
het, dahin zu gehen, und zu handeln. Man hat auch in Holland geſagt,
die alten Buͤrger verloͤhren ſo viel, wenn man allen Fremden erlaubte
zu handeln. Allein Witt ſagt: Wenn man da den Kauff-Handel woll-
te einſchrencken, ſo waͤre Holland verlohren: Denn geſetzt, die alten
Buͤrger ſollen nur allein handeln, ſo bleiben dieſelben nicht Kauffleute,
wenn ſie reich werden, ſondern werden Grands Seigneurs, oder leben von
ihren Renthen, alsdenn aber ſind ſie keine Kauffleute mehr, ſondern uſu-
rarii, und endlich gehet auf die letzte der Handel gar verlohren. In Schwe-
den hat man obſervirt, daß wenn die Leute im Handel etwas gewonnen,
ſind ſie gleich Edelleute geworden, haben von ihren Renthen gelebt, oder
Land-Guͤther gekaufft, und die Bauren geplackt. In Engeland iſt es
eben ſo gegangen; Hergegen in Holland, wenn eine Familie ſich ein-
mahl auf die Kauffmannſchafft geleget, muß ſie dabey bleiben, ſie koͤn-
nen da nicht von Renthen leben, weil man wenig ufuras giebt. Da-
her ſind die Fremden ein ſtimulus, wodurch andere angefriſcht werden,
etwas vorzunehmen. Wo viele Leute ſind, da ſind auch viele Hand-
wercker, und fehlet es daſelbſt nicht an manufacturen. Hernach kommt
es nur darauf an, daß ein opifex was gutes macht, und andere uͤber-
trifft, alsdenn werden auch ſeine Waaren vor andern geſucht. Ein
fremder Kauffmann denckt immer darauf, wie er ſeinen Handel beſſer
ctabliren moͤge, und macht ſich die Welt bekannt; Daher iſt gut, wenn
man drucken laͤßt, wo dieſe oder jene Waaren einen Abgang haben, wie
man in Holland dergleichen Buch drucken laſſen. Denn man kan nicht
alle Waaren an einem Ort hinbringen. Die Kauffleute ſuchen immer
ein
[323]circa commercia \& rem monetariam.
ein Loch, wo ſie einen Vertreib haben koͤnnen. Die Hollaͤnder haben
ſonſt nicht nach Moſcau und nach der Levante gehandelt, jetzo aber han-
deln ſie am ſtaͤrckſten dahin, ſo daß ſie andern groſſen Schaden thun.
Die meiſten Leute verſtehen nicht, was ein rechter Handel iſt. e. g.
Wenn man fragt, ob noch mehr Handels-Leute hier in Halle ſubſiſtiren
koͤnnen, ſo meynen ſie quod non, weil ſchon ſo viel. Allein es koͤnnen
viel Kauffleute hier ſeyn, die zwar keinen Kram haben, und doch han-
deln. e. g. Ich wohne hier und habe einen Handel nach Pariß, nach
Prag. Dieſes weiß ich daher: In Nuͤrnberg ſind drey bis vier hun-
dert Kauffleute, unter welchen wenige, ſo einen Kram haben, denn die-
jenigen haͤlt man geringe, welche einen Kram haben. Hergegen diejeni-
gen werden æſtimiret, welche mit verſperreten Thuͤren handeln, wenn
man in ein ſolch Hauß kommt, ſo findet man nichts als etliche Rechen-
Buͤcher, aber wenn eine Meſſe iſt, ſo gehet er nach Wien, Straßburg,
Saltzburg, Leipzig und handelt. Selten kommt es, daß ein Centner
Waaren nach Nuͤrnberg koͤmmt, ſondern alles dahin, wo er handelt,
dieſe Leute ſind geehret, und da niemand unter denen gemeinen Leuten
darff einen Degen tragen, ſo iſt es dieſen erlaubt. An vielen Orten,
werden ſie im Rath genommen, und beſtehet der halbe Theil in Leipzig
aus Kauffleuten. In Leipzig findet man eben dergleichen Kauffleute,
und iſt auſſer der Meſſe faſt kein negotium, als was Kramer ſeyn. Ein
ſolcher Kerl fragt auch nichts darnach, der Herr mag ſo viel impoſten
auflegen, als er will, aber er muß wiſſen, daß er einen Vertreib hat.
VVitt hat ein ſenſibles Exempel beygebracht, was die multitudo homi-
num thun koͤnne, er ſagt: Man wiſſe, was die Groͤnlands-Fahrer vor
einen profit machten. Vor dieſem waͤre nur ein eintziges Schiff hin-
gefahren, welches etwa drey oder vier Wallfiſche bekommen, das haͤtte
gleichſam das monopolium gehabt, und die Hollaͤnder haͤtten doch viel
profitirt, aber nachgehends waͤren mehr Schiffe hingegangen, da haͤtte
zwar nicht ein jedes Schiff drey bis vier Wallfiſche gebracht; Man
faͤnge aber nunmehro uͤber funffzig, das alſo der profit viel groͤſſer. Nicht
zu gedencken, wie viel tauſend Leute ſonſt profitiren, da mehr Schiffe
hingebracht worden. VVitt ſagt, er habe in denen alten Rechnungen
geſehen, das Holland aufs hoͤchſte zwoͤlff hundert Schiffe gehabt, nun-
mehro aber haben ſie hundert tauſend Schiffe, das muß ja einen ſchreck-
lichen profit machen. Die Leute in Holland finden uͤberall Nahrung, und
wenn man die Engelaͤnder ausnimmt, ſo uͤbertreffen ſie alle andere na-
tiones in der Schifffahrt. Es nehmen auch viele andere ihre Schiffe
von ihnen, als der Czaar, die Spanier; Die Frantzoſen haben auch ſonſt
S s 2die
[324]Cap. V. De prudentia
die Schiffe von denen Hollaͤndern genommen. Aber unter Louis XIV.
haben ſie eine kluͤgere conduite gefuͤhret, welcher in Franckreich Academien
de la Marine angelegt, auf welchen man auch ſonderlich dociret, wie
Schiffe ſollten gebauet werden. In Holland iſt eine Stadt, welche
ſich von nichts anders, als dem Schiff-Bau nehret, die koͤnnen accurat
den Tag determiniren, wenn ein Schiff ſoll fertig werden. VVitt nimmt
alſo als ein principium an, wo viel Menſchen, da floriren die commer-
cia. Daher ſagt er: Wenn Holland an Menſchen abnimmt, ſo wird
auch der Handel ruinirt. Dieſes hat man Zeithero obſerviret, da man
ſchreckliche impoſten aufgelegt, die vielen Kriege haben eben die impoſten
verurſachet. Deßwegen hat eben VVitt gemeynet, es waͤre am beſten,
wenn Holland nur mit einer Flotte duͤrffte defendiret werden. Die So-
cietaͤten verhindern auch die Menge der Kauffleute, und ſagt: Die Oſt-
und Weſt-Indiſche compagnie in Holland, ſollte eigentlich abgeſchaffet
werden, weil dieſelben niemanden dahin handeln laͤßt, der nicht ein Zunfft-
Bruder; Das iſt aber denen Printzen von Oranien und denen andern
Familien nicht angeſtanden, weil dieſe den meiſten profit ziehen, daher
ſiehet man, warum der Engliſche Handel nicht ſo conſiderable, als der
Hollaͤndiſche, weil in Engeland alles in compagnien gehandelt wird, un-
ter welchen viele Lords ſind, wenn einer da was geworben hat, ſucht er
gleich ein Edelmann zu werden. Der Hertzog von Marleborough iſt
eben aus einer Kauffmanns-Familie. Quær. Wie kan man einen Staat
peupliren? Reſpond. Da hat man allerhand Gelegenheit, wie oben ge-
wieſen worden. In Holland iſt eine gute Policey, ſchnelle juſtiz, das
hilfft viel, denn wo der Kauffmann ſoll erſt einen proceß fuͤhren, und
auf alle cautelen des Cepollæ acht geben, da iſt es nichts; Daher hat
man auch an vielen Orten einige Handels-Gerichte. Die vielen exce-
ptiones ſind da abgeſchnitten, man kan da nicht exceptionem diviſionis
und excuſſionis opponiren. In Harlem gilt kein beneficium inventarii.
e. g. Dein Vater iſt mir und andern Schiff-Leuten ſchuldig, du willſt
die Erbſchafft antreten cum beneficio inventarii, indeß koͤnnen allerhand
colluſiones vorgehen, da koͤnnen die Kauffleute ſagen: Der Erbe ſoll
entweder gleich zahlen, oder ſie wollen alles verkauffen, und ſich bezahlt
machen. In manchen Landen wird keine Kauffmannſchafft getrieben,
weil daſelbſt ein langwieriger proceß, und wenn ich zwey tauſend Tha-
ler daſelbſt zu fodern haͤtte, wollte ich doch dieſelben wegſchencken, denn
ich bekomme ſo nichts. VVitt ſagt auch, daß es admirable, wenn die
Religions-Freyheit concedirt wuͤrde. Unſer Autor meynt, cum grano
ſalis muͤſſe man das annehmen; Allein, was frage ich darnach, ob ich
mit
[325]circa commercia \& rem monetariam.
mit einem Catholiquen, Tuͤrcken handele ꝛc. da laß ich ſie vor ſorgen,
wie ſie in Himmel kommen. Alle Leute kommen doch nicht in Him-
mel, pauci ſunt electi; kan ich mit einem Tuͤrcken in der Levante han-
deln, warum ſollte es auch nicht in Amſterdam angehen; Es iſt alſo
kein Zweiffel, daß die Religions-Freyheit viel hilfft. Cromwell hat das
principium gehabt: Libertas omnium religionum muͤſſe ſeyn, nicht als
wenn er dieſelben herbey ruffen wollen, ſondern er wollte ſie nur nicht
verfolgen, wenn ſie kaͤmen; Viele Herren haben dieſes erkannt. Selbſt
der Kayſer, da er Prag, welches ehemahls unter Carolo IV. ſo ſehr flo-
riret, aber durch den Hußiten-Krieg herunter kommen, hat die Religions-
Freyheit concediret. In der Handlung thut die Religion gar nichts.
Da ſind mir ſechs hundert Catholiſche Thaler eben ſo viel, und ſo lieb,
als ſechs hundert Lutheriſche, die Obrigkeit hat ſonſt freylich darauf zu ſehen,
ne tot ſectæ turbas deat, davon in der Sect. de religione mehr wird gedacht
werden. Der Iean de VVitt hat gemeynet, in Holland waͤre zwar Frey-
heit, aber es waͤre dieſelbe noch zu gering. Die Engelaͤnder haben es
auch geſehen. Wo jemand was vorbringet, ad reſtringendas opiniones,
der thut dem commercio Schaden; Wir toleriren ja an denen meiſten
Orten die Juͤden, welche doch unſerer Religion entgegen, warum wol-
len wir nicht andere toleriren, die nur in einem und andern Articul von
uns differiren. Die Hollaͤndiſche Republic iſt dadurch groß geworden,
daß, da man an andern Orten die Leute verjaget, ſich dieſelben dahin
retiriret. Amſterdam war erſt ein ſchlechter Ort, und wohneten nur
Fiſcher daſelbſt, deren wenig waren. Aber wie der Hertzog von Alba,
und der Koͤnig in Spanien, Philippus II. die groſſen Verfolgungen in de-
nen Niederlanden anfiengen, ſo lieff alles weg. In Engeland waren
ſie alber, und nahmen nur die Handwercks-Leute an, welche ſie noch
nicht genug hatten, als Seiden- und Tuch-Weber. Die andern haben
ſich alſo nach Holland gewendet. Holland war freylich kein plaiſirlich
Land; aber da jetzo ſchoͤne Alléen gemacht, ſchoͤne Haͤuſer daſelbſt auf-
gebauet ſind, und alles reinlich gehalten wird, ſo iſt gut daſelbſt zu leben,
ſonderlich da die Religions-Freyheit daſelbſt concediret worden. Es iſt
auch in denen Niederlanden nichts geblieben, als Spitzen-Weberey; Aber
jetzo will der Kayſer in denen Niederlanden die commercia recht wieder
etabliren, welches freylich die Hollaͤnder nicht gerne ſehen, auch dedu-
ctiones dagegen gemacht, die aber nichts in receſſu haben. Denn wie
denen Hollaͤndern frey geſtanden, zu handeln, ſo iſt es abgeſchmackt,
wenn ſie andern dieſe Freyheit nehmen wollen. Wenn man eine com-
mercirende Stadt haben will, muß man auch privilegia, honores ange-
S s 3deyhen
[326]Cap. V. De prudentia
deyhen laſſen. Diejenigen handeln abſurd, welche die Kauffleute verun-
ehren. Einen Kauffmann halte ich hoͤher, als viertzig bis funffzig extra-
Raͤthe, Bier-Raͤthe ꝛc. Dieſe muͤſſen alle ex publico ernaͤhret werden;
Hergegen ein Kauffmann ernaͤhret ſich ſelbſt, und ſo viele andere Leute
daneben. Man ſiehet ja, was in Engeland und Holland vor eine Men-
ge Leute von der Kauffmannſchafft ernaͤhret werden. Davenat hat aus-
gerechnet, daß ſeit dem Buͤrgerlichen Kriege, ſeit dem Cromwell todt,
uͤber drey hundert tauſend Menſchen in Londen vermehret worden. Wenn
man in commercirenden Staͤdten die Kauffleute erhoͤhet, ſo bleiben ſie
Kauffleute, da hergegen, wenn man ſie verachtet, ſuchen ſie groͤſſer zu
werden, als wie die Bauer-Jungen alle wollen ſtudiren, und nicht Bau-
ren bleiben; Man muß ſie nicht allein laſſen participiren in judiciis, ſon-
dern auch ſonſt ad dignitates laſſen, und wo eine Ariſtocratie iſt, da die
Kauffleute ausgeſchloſſen ſind, wie in Venedig, da diſtinguirt man ſie
doch vom populo. In meinem Vaterlande, obgleich daſelbſt kein Kauff-
mann in Rath koͤmmt, ſo habe ich doch einen gekennet, der geſcheut war,
dieſen hat man allezeit dazu genommen, wenn deputations geweſen, und
ihm viele Ehre wiederfahren laſſen. Ein Kauffmann iſt auch gerne mit
einer mediocren dignitaͤt zufrieden. An vielen Orten hat man auch Leu-
te geſetzet, welche ſie im Schreiben und Rechnen inſtruiren muͤſſen, und
ſchreibet niemand ſchoͤner, als die Kauffleute.
Waaren, ſo
zum commer-
cio erfordert
werden.
§. 7-16. Es iſt nicht genug, daß man einheimiſche Waaren
hat, man muß auch fremde Waaren haben. Unſer Autor ſagt, man
ſolle die beſten Waaren erwehlen, welches man aber nicht ſo genau de-
terminiren kan. Denn, wenn man ſo conſideriret, was Holland in
die Hoͤhe gebracht, ſo iſt es nichts anders als der Fiſchfang, wovon ſich
ſo viele tauſend Leute ernehret. Denen Hollaͤndern koͤnnte man keinen
groͤſſern tort thun, als wenn man ihnen den Herings-Fang naͤhme,
welcher ihnen uͤber acht Millionen Thaler eintraͤgt. Wenn die Teutſchen,
Franzoſen, Spanier ꝛc. ſagten, ſie wollten keine Heringe mehr von de-
nen Hollaͤndern nehmen, wuͤrden die Hollaͤnder groſſen Schaden haben.
Aus Teutſchland koͤmmt allein eine Million vor Heringe nach Holland;
An andern Orten, wo alles Catholiſch iſt, wird noch mehr verthan,
weil ſie etliche Tage in der Woche kein Fleiſch eſſen duͤrffen, und die
Heringe wohlfeil haben koͤnnen. Vor dieſem konnten ſie von Heringen
nicht viel profitiren, weil man ſie alle muſte friſch eſſen, ſeit dem man
aber dieſelben kan einpoͤckeln, iſt der profit ſehr groß, weil ſie allenthal-
ben koͤnnen hingefuͤhret werden; Die Schweden verkauffen Steine,
welche nach Holland gebracht werden, da werden die ſchoͤnen Saͤulen
daraus
[327]circa commercia \& rem monetariam.
daraus fabriciret, welche man bey Caminen brauchet; Holtz ſcheinet ein
ſchlechter Handel zu ſeyn, und doch profitiren die Daͤnen, Norweger,
Schweden, Finnlaͤnder ſehr viel davon. Der Autor, welcher die Macht-
Kunſt geſchrieben, ſagt: Es waͤren ſottiſen, wenn man meynete, die be-
ſten Waaren muͤſſe man nehmen, man koͤnne alles brauchen, e. g. Die
Nuͤrnberger Waaren haben nichts ſolides, ſie koͤnnen aber dieſelben
wohlfeil geben, und machen einen groſſen profit; Die Berchtolsgadner
ernehren ſich von Schnell-Kaͤulchen und Puppenwerck, wovon ſie viel
tauſend Thaler einnehmen. Die Hollaͤnder verfuͤhren ſolche in der
gantzen Welt. Man muß hier das commerce von Holland leſen, item
des Marpergers Kauffmanns-Magazin. Law hat auch ein caput hie-
von, aber nichts beſſers, als was der Marperger proponiret. Des Sa-
vary ſein Dictionaire vom commercio iſt hier vortrefflich zu gebrauchen.
Es iſt in Paris gedruckt, aber in Holland ſoll es nachgedruckt, und noch
einiges hinzu gefuͤgt worden ſeyn. Man kan in demſelben Nachricht
finden von allen Manufacturen. Alle termini technici ſind in demſelben
erklaͤret; Dieſe Sachen muß man ſich bekannt machen, weil man als-
denn kan verſtehen, woruͤber groſſe Herren ſtreiten, und warum ſie die-
ſen oder jenen Handel ſuchen an ſich zu bringen. Die Waaren muͤſ-
ſen freylich multipliciret werden; Aber man muß ſuchen dieſelben wie-
der weg zubringen; Die Hollaͤnder verzehren vor ſich wenig, ſind fru-
gales, ihre Butter verkauffen ſie an andere, und eſſen davor Irrlaͤndi-
ſche Butter, welche nicht ſo gut als ihre. Die meiſten haben einen
wunderlichen concept vom Commercio, und meynen, darinnen beſtuͤnde
es, wenn an dem Ort viel verthan wuͤrde, welches doch falſch. Valentini in
ſeiner Naturalien-Cammer hat von allen Waaren treffliche Nachricht
gegeben. Man muß vielmehr ſuchen Waaren wegzubringen. Sollen
nun Waaren tranſportiret werden, ſo muß man auch Gelegenheit ma-
chen, wodurch es geſchehen kan. Die Waaren aber koͤnnen entweder
zu Waſſer oder zu Lande tranſportiret werden. Soll es zu Waſſer
geſchehen, ſo muß ſufficiens copia navium da ſeyn, daher iſt es ein groſ-
ſer Reichthum in Holland und Engelaud, daß ſie ſo viele tauſend Schiffe
haben; In Holland ſind auch die Schiffer ſo reich, daß ſie ihren Toͤch-
tern mehr mitgeben, als mancher vornehmer Mann in Teutſchland.
So aber der tranſport zu Lande geſchiehet, da muß eine ſufficiens copia
von Wagen da ſeyn. In Teutſchland kan man nicht alles zu Schiffe
fortbringen, da muß man viel Wagens haben. Die Hollaͤnder ſagen
auch, ſie wollten den Handel von Teutſchland mehrentheils haben,
wenn ſie die Leute, ſo mit Wagen fuͤhren, koͤnnten accommodiren. Es
mag
[328]Cap. V. De prudentia
mag nun zu Waſſer oder zu Lande geſchehen, ſo brauchet man Leute,
welche packen; daher hat man Ballenbinder, welche in der Geſchwin-
digkeit alles koͤnnen zuſammen binden, und bringen es auch dahin, wo
es aufgeladen wird. In Nuͤrnberg hat man auch eigene Leute, ſo man
Beſtatter, Beſteller nennet, die muͤſſen die Fracht abtragen, und ande-
re beſorgen: Kommt Wein an, ſo ſind verflichtete Leute da, welche den-
ſelben abladen, damit kein Schade geſchehe. Man muß auch an einem
commercirenden Orte richtige Ellen, Maaß und Gewicht haben. Das
commercium iſt zwar indigenorum \& exterorum, aber man muß doch
allezeit darauf ſehen, daß unſre Einwohner von jenen mehr gewinnen,
als ſie von uns bekommen. Daher, ob zwar die Engelaͤnder viel gewin-
nen in Anſehung anderer nationen, ſo verlieren ſie doch ratione Franck-
reich vieles. Deßwegen haben ſie auch auf allerhand Anſchlaͤge ge-
dacht, den profit der Frantzoſen zu verringern. Dicis: So werden die
Frantzoſen nicht mehr mit den Engelaͤndern handeln wollen? Reſpond.
Wenn die Frantzmaͤnner nur drey Millionen gewinnen, ſo werden ſie
doch das negotium mit Engeland nicht einſtellen. Die Engelaͤnder
haben 1) geſetzt, daß nur eine eintzige Stadt in Engeland ſoll koͤnnen
mit denen Frantzoſen handeln, wenn die Frantzoſen wollen ihre Waaren
nach Engeland verhandeln. Hergegen alle Engliſche Staͤdte koͤnnen
mit denen Frantzoſen handeln, wenn ſie Engliſche Waaren haben wol-
len, 2) laſſen ſie keinen Frantzoſen auf die Engliſche Maͤrckte und Meſ-
ſen. Denn wenn die Frantzoſen ihre Waaren hinbringen, ſo geben ſie
dieſelben lieber wohlfeil, ehe ſie ſelbige wieder mit nach Hauſe nehmen,
und koͤnnen die Engelaͤnder nichts verkauffen, deßwegen iſt es verbothen.
Will einer ja Frantzoͤſiſche Waaren haben, ſo muß er ſie aus der an-
dern Hand kauffen. 3) Die Engelaͤnder laſſen kein Geld aus dem Lan-
de, ſondern alles muß durch Wechſel bezahlet werden. 4) Incommodi-
ren ſie auch die Frantzoſen mit Befrachtung der Schiffe, daß ſie ihre
Waaren in Engliſchen Schiffen muͤſſen wieder nach Hauſe bringen, und
ihre Schiffe muͤſſen leer gehen. Sie ſcheren die Frantzoſen entſetzlich,
welche deßwegen doch nicht wegbleiben. Ja ſie haben wollen das com-
mercium mit Engeland offen laſſen, wenn gleich ſollte Krieg ſeyn. Vor
dieſem haben die Frantzoſen von denen Engelaͤndern uͤber acht Millio-
nen profitiret, aber jetzo hat es ſehr abgenommen. Die Engelaͤnder
nehmen viel Papier von ihnen, item viel Glaß. Sie bekommen auch
viele Farben von denen Frantzoſen, welche die Engelaͤnder nicht miſſen
koͤnnen in ihren Manufacturen. Vor dieſem haben ſie auch ein Hauf-
fen Pulver von denen Frantzoſen genommen. Der Engelaͤnder iſt ein
eigener
[329]circa commercia \& rem monetariam.
eigener Menſch, er hat ſelbſt ſchoͤne Manufacturen, hat aber doch groſſe
Luſt zu denen Frantzoͤſiſchen Sachen. Wie die Koͤnigin Anna einen
ſchoͤnen Stoff von dem Koͤnig von Franckreich geſchenckt bekommen,
und ſich ein Kleid davon machen laſſen, ſo wollten hernach alle vorneh-
me Dames auch ſolche tragen. Es war eine ſottiſe von der Koͤnigin
Anna, daß ſie ſich ein Kleid davon machen laſſen. Sie haͤtte es ſollen
mit Danck annehmen, aber nachgehends etwa einem Cammer-Maͤd-
gen ſchencken: denn derer Frantzoſen intention war nur die Engelaͤnder
dadurch zu inflammiren. In Schweden ſind auch fremde Kaufleute
dahin kommen, welche ſich da niedergelaſſen, ein groſſes Geld gewon-
nen, mit welchem ſie hernach in ihr Vaterland wieder zuruͤck gekehret.
Das wollen ſie aber jetzo nicht mehr leiden. Es iſt kein commercium
fructuoſum, wo man nicht eine balance ziehet und betrachtet, was die
andern von uns gewonnen. Weil die Hollaͤnder viel von denen Fran-
tzoſen gewonnen; ſo haben ſie auch darauf gedacht, wie ſie den profit
moͤchten verringern, aber ſie haben die impoſten ſo groß gemacht, daß
ſich die Hollaͤnder weggewehnet. Huetius ſagt: Es waͤre gut, wenn
die Frantzoſen den tarif genommen, welcher anno 1664. geweſen, wor-
auf auch die Hollaͤnder im vorigen Friedens-Schluß gedrungen, aber
der Koͤnig in Franckreich hat es nicht wollen eingehen, weil die Hollaͤn-
der zu viel profitirten. Daher nehmen die Hollaͤnder lieber Engliſche
Waaren, und in Engeland ſind ſie geſcheut, daß ſie auf die Waaren,
ſo ausgefuͤhret werden, nicht viel legen. Die Hollaͤnder machen auch
jetzo viel Waaren ſelbſt, denn wie die Verfolgungen in Franckreich wi-
der die Reformirten vorgegangen, ſind viele Handwercks-Leute nach
Holland gekommen. Wo ein commercium ſeyn ſoll, da muß Sicher-
heit ſeyn, ſonderlich ratione der Soldaten. Wie die Soldaten Antwer-
pen gepluͤndert, liefen alle Kauffleute davon. Dieſes iſt aber leicht zu
befuͤrchten, wo viel Soldaten ſind, wenn dieſe einmahl ihren Sold nicht
richtig bekommen, ſo pluͤndern ſie, es muß ein Ort da ſeyn, wo man ſein
Geld kan ſicher hinlegen, daher iſt die banco in Amſterdam vortreflich,
in welche ſo wohl Einheimiſche als Fremde ihr Geld legen koͤnnen, und
wenn ſie jemanden was zahlen wollen, haben ſie nicht erſt groſſe Muͤhe,
es ihnen zu zahlen, ſondern ſie laſſen ſichs nur abſchreiben, und dem an-
dern zuſchreiben, da hat man keine Sorge, daß das Geld geſtohlen
wird. Hergegen, wenn bey uns einer nur tauſend Thaler hat, iſt er ſei-
nes Lebens nicht ſicher, ſondern muß immer gewaͤrtig ſeyn, daß es ihn
geſtohlen wird, oder man denckt ſonſt auf Mittel ihm ſolches zu entzie-
hen. Wenn man von dem commercio will gute Vorſchlaͤge thun,
T tdarff
[330]Cap. V. De prudentia
darff man nur die Republic Holland betrachten, und dieſelbe imitiren.
Venedig war vor dieſem am beſten, aber Holland iſt noch bequemer
zum Handel und Wandel. Schnelle juſtiz wird vornemlich auch er-
fordert, wovon Jean de VVitt in einem eigenen capite abgehandelt und
gezeiget, was in der Juriſterey muͤſſe corrigiret werden. Es iſt gedacht
worden, daß abundantia mercium da ſeyn muß, da entſtehet die Frage,
wo ich ſie her bekomme? Reſpond. Da muß man darauf dencken, was
in der Welt zu bekommen iſt, und muͤſſen junge Leute gleich ſtudiren,
was in einem jeden Lande zu finden. Hievon hat man Gelegenheit et-
was beyzubringen, wenn von denen Reichen der Welt gehandelt wird,
alsdenn wird durch die gantze Welt Geographia Cameralis beygebracht.
Wenn wir nun in einem Lande was finden, ſo muͤſſen wir auch ſehen,
wie es bequem zu uns kan gebracht werden. Da haben die Hollaͤnder
einen artigen modum, welche monopolia aufrichten mit Voͤlckern, daß
dieſelben ihre Sachen niemand anders als denen Hollaͤndern wollten zu-
kommen laſſen. Vor dieſem haben die Engelaͤnder allein nach Moſcau
gehandelt. Sie haben auch einen Tractat mit Moſcau geſchloſſen, daß
ſie mit niemanden weiter handeln ſollten, als mit denen Engelaͤndern,
und wollten ſie ihnen alles ſchaffen. Hernach aber ſind die Engelaͤn-
der faciles geweſen, und haben denen Moſcowitern die Hollaͤnder re-
commendiret, da ſind ſie ruiniret worden. Der Hollaͤnder menagirt,
bedient ſich der commodité nicht, ſo er genieſſen koͤnnte, iſt mit legumi-
nibus, mit Huͤlſen, Bohnen, zufrieden. Hergegen, wo ein Koͤnig iſt,
da iſt ein groſſer luxus. Die Engelaͤnder tragen gern propre Kleider,
ſchoͤne Waͤſche, rauchen gerne ein Pfeiffgen Taback, daher koͤnnen die
Hollaͤnder alles wohlfeiler geben, dadurch ſind die Engelaͤnder ruiniret
worden. Die Engelaͤnder haben auch ſonſt nach der levante mit denen
Tuͤrcken allein gehandelt; Wie aber die Hollaͤnder etliche Schlachten
gewonnen, ſo wurden ſie auch da von denen Engelaͤndern recommendi-
ret, und haben hiedurch die Hollaͤnder rechte Gelegenheit bekommen ſich
zu aggrandiren. Die Engelaͤnder haben auch Willens gehabt, die Spa-
nier aus denen Landen, wo ſie ihr Geld herbekommen, zu delogiren.
Die Eliſabeth hat Virginien wegbekommen, und wollte ſie alles, was
denen Spaniern in America gehoͤret, wegnehmen; So bald aber Phi-
lippus II. dieſes gemercket, hat er alles laſſen fortificiren, damit ſind die
Engelaͤnder blind kommen. Cromwell hat es nachgehends wieder wol-
len thun, aber nichts ausgerichtet. Ich habe eine piece laſſen drucken,
welche auch nachgehends in die Europaͤiſche Fama mit eingedruckt wor-
den, worinnen ich gewieſen, warum die Spanier in America unuͤber-
windlich,
[331]circa commercia \& rem monetariam.
windlich, da die Hollaͤnder einmahl nach Oſt-Indien kommen, haben
ſie ſich das monopolium faſt bey allen kleinen Koͤnigen zuwege gebracht.
Sie haben das monopolium mit allen Nelcken, mit allen Zimmt. Wo
eine Republic iſt, da ſie keinen Tractat ratione monopolii gemacht, und
es ſind Zimmt-Baͤume da, ſo ruiniren ſie dieſelben alle. Sie haben
auch das Pfeffer-monopolium. Die Hollaͤnder ſind eben nicht zum
beſten, und uͤben offt eben dergleichen Grauſamkeit aus, als wie die
Spanier, daher kan es wohl einmahl kommen, daß eine andere nation
ſich beſſer inſinuiret, und die Hollaͤnder herunter bringet. Die Japane-
ſer und Chineſer laſſen bis dieſe Stunde keinen Hollaͤnder in ihr Land,
weil ſie geſehen, daß, wo dieſelben hinkommen, ſie geſuchet die Inwoh-
ner zu ſubjugiren. Indeß aber ſage ich allezeit, wer ſich auf dieſe Art
kan ein monopolium zuwege bringen, thut wohl. Engeland hat auch
geſucht, das monopolium mit Moſcau zu recuperiren, und wie der Czaar
zu Zeiten des Koͤnig VVilliams in Engeland geweſen, hat man ihn wohl
tractiret, und ihn dahin zu diſponiren geſucht, es iſt auch in Anſehung
des commercii ein- und anderes geordnet worden, aber das monopolium
haben ſie nicht erhalten. Denn es iſt nicht gut vor ein Land, wo ein
anderer das monopolium hat; Beſſer iſt es, wenn ſie ihre Waaren
ſelbſt verfahren, und ſich andere herbey hohlen. Die artefacta koͤnnen
ſonderlich einen Staat in die Hoͤhe bringen; artefacta werden hier ge-
nennet, welche nicht die Natur hervor bringet, was keine rohe Waa-
ren ſind. Nunmehro iſt die Zeit nicht mehr da, da ein jeder vor ſich
dasjenige machen kan, was er nothwendig brauchet, ſondern es muͤſſen
allerhand Leute da ſeyn, bey einer ſo infinita hominum multitudine, da
einer dem andern ſuccurrirt, und wird ein groſſer profit in der Welt per
artefacta gemacht. Wenn man die ſimplices mores der erſten Men-
ſchen anſiehet, ſo hat man da nicht viel gekaufft und verkauffet, oder ver-
tauſchet, welches man in der Bibel leſen kan. Ich habe auch etwas
davon gedacht in einer Diſſertation in Gundlingianis Part. 31. Die
Leute machten ihre Kleider ſelbſten, und die Weiber haben dasjenige,
was ſie noͤthig gehabt, ſelbſt gewebet. Das ſiehet man auch bey der
republica judaica. Im Anfange war es gantz ſimple bey ihnen, aber
ex poſt facto haben ſie auch angefangen Farben-Kleider zu tragen,
welches Jo. Braunius*de veſtitu Hebræorum vortrefflich gewieſen. Jetzo
kan man die Menſchen nicht mehr ſo binden, wie ſie ſonſt geweſen.
T t 2Die
[332]Cap. V. De prudentia
Die Menſchen ſuchen neceſſaria, utilia, commoda, und wird derjenige,
ſo etwas zu der commodité der Menſchen erfindet, gewiß reuſſiren.
Wenige ſind, welche mit neceſſariis zufrieden, pauperes neceſſaria quæ-
runt, quærunt ex neceſſitate, weil ſie nichts mehr haben koͤnnen. Ein
Volck, welches laborem induſtriam, ingenium hat, gewinnet mehr als
andere nationes. Ja, die Manufacturen, weil ſie nicht ſo theuer ſind,
fuͤhren das commercium hinter ſich, und iſt das commercium fructuo-
ſiſſimum. Wo die Manufacturen, bekommt man entweder andere
Waaren oder baar Geld. Diejenigen, ſo keine Manufacturen haben,
wie die Spanier, ſind verarmet. Savedra, ein Spanier, welcher Ge-
ſandter auf den Frieden zu Muͤnſter geweſen, ſagt ſelbſt in ſeinem Sym-
bolis, es helffe denen Spaniern ihr Gold, Silber, Edelgeſteine nichts,
weil ſie guten Theils von artefactis deſtituirt waͤren. In denen Lettres
des Mazarini findet man, daß, als der Friede zu Chantillus geſchloſſen
worden, und man die Mariam Thereſiam vor dem Koͤnig in Franckreich
ausbedungen, ſo hat der Don Louis de Haro geſagt, der Koͤnig in Franck-
reich ſollte ſie wohl bekommen, aber nicht ſo bald als er ſie verlangte,
weil in Spanien nicht ſo viel artifices, daß alles koͤnnte ſo bald verfer-
tiget werden, was ſie noͤthig haͤtten. Wenn man in Madrit fragt,
was vor artifices da ſind, ſo ſind es Wallonen, i. e. Niederlaͤnder,
welche die meiſten Sachen machen. Die Spanier arbeiten nicht gerne
auf dem Felde, auch nicht gerne mit der Hand, ſondern wollen immer
raiſonniren, ſie ſind faul, und ihre Faulheit verurſachet, daß ſie alles von
andern Leuten muͤſſen kauffen, deßwegen hilfft ihnen ihr Reich-
thum nichts. Das kan man hieraus ſehen. Es iſt wohl kein
Volck in Europa, welches nicht Huͤte und Kleider braucht, ſie
muͤſſen Waͤſche haben, und die Spanier ſonderlich, welche ſich alle
Tage weiß anziehen; das koſtet ihnen viel Geld, welches ſie aber alle
aus fremder Hand muͤſſen kaufen, und bleibt ihnen nichts uͤbrig von al-
len ihrem Gold und Silber; dieſes iſt eben die Urſache, warum man
ſagt, daß Holland und Engeland gerne ſaͤhen, wenn keine manufacturen
in Spanien angelegt werden, und die Spanier in ihren alten præjudiciis
bleiben, damit ſie immer ihren profit haben koͤnnen. Man hat obſer-
viret, daß, wenn die Spanier den Genie von Franckreich annaͤhmen
und ſelbſt manufacturen anlegten, wuͤrde den Hollaͤndern und Enge-
laͤndern groſſer Tort geſchehen. Der Don Philipp hatte es auch Wil-
lens, brachte es aber mal à propos an, weil er dadurch effectuiret, daß
die Hollaͤnder und Engelaͤnder mehr das Succeſſions-Recht vom Kayſer
pouſſirt, indem ſie von denen Oeſterreichern perſuadirt, daß ſelbige nicht
leicht
[333]circa commercia \& rem monetariam.
leicht etwas aͤndern werden. In denen remarques ſur la ſucceſſion du
Duc d’ Anjou, welche in Engeland heraus kommen, hat man ausgerech-
net, daß die Hollaͤnder und Engelaͤnder uͤber 14. Millionen von denen
Spaniern profitirten, abſonderlich ſeit der Zeit, da die Spanier die
Italiaͤniſchen manufacturen abandoniret. Obgleich die Spanier guten
Stahl haben, ſo verkauffen ſie doch denſelben und haben kein gut Meſ-
ſer; ſie haben die ſchoͤnſte Wolle, nicht allein in Spanien, ſondern auch
in America, und haben nur zwey manufacturen in Spanien. In Ame-
rica haben ſie eine eintzige manufactur zu Peru. Die Tuͤcher aber, welche ſie
machen, ſind ſchlecht. Alles muͤſſen ſie von andern nehmen. Boccalini
in ſeinem politiſchen Probier-Stein ſagt: Die Spanier waͤren wie die
Eſel, ſie fuͤhreten das Gold und Silber herbey, behielten aber nichts
uͤbrig, als excrementa, Lumpen. Die Lumpen koͤnten ſie noch brau-
chen zu Pappier, aber ſie haben wenig Pappier, und bekommen das
meiſte aus Franckreich. Es iſt alſo ohnmoͤglich, daß denen Spaniern
kan was uͤbrig bleiben. Sie leben in perpetua paupertate, wollen doch
propre hergehen, welches freylich ein Herr nach dem jetzigen Zuſtande
ſeinen Unterthanen nicht abgewoͤhnen kan, aber er muß doch darauf be-
dacht ſeyn, daß ſie dergleichen Sachen ſelbſt fabriciren, damit das
Geld im Lande bleibe. Man ſiehet, daß durch die manufacturen nicht
allein das Geld im Lande behalten wird, ſondern es wird auch noch
mehr Geld herbey gebracht. Denen Hollaͤndern tragen die manufa-
cturen mehr ein, als alle ihre aromata, denn es iſt faſt keine manufactur,
ſo Holland nicht hat. Die Frantzoſen ſind geſchickt im Erfinden,
die Hollaͤnder aber machen gleich alles nach und viel beſſer. Cæſar
hat ſchon die Belgas beſchrieben, daß ſie koͤnten alles imitiren, und eine
groſſe inclination zu manufacturen haͤtten. Sie haben eine conſtantiam.
Viele leben da von der præparation des Alauns, von der Zurichtung
der Farben, des Wachſes, ſie kauffen Garn von uns albernen Teut-
ſchen, und machen Leinwand daraus, ſie machen auch Spitzen, aber
wegen der groſſen impoſten haben ſie es nicht koͤnnen ſo hoch treiben,
als die in denen Oeſterreichiſchen Niederlanden. Ihr Leinwand-Han-
del traͤgt ihnen auch viel ein, und wuͤrde noch mehr eintragen, wenn
nicht Colbert auch einen groſſen Handel in Franckreich angeleget. Die
Leinweber ſind denen Hollaͤndern viel nuͤtzlicher als viel unnuͤtze Gelehrte.
Ein groſſer Herr muß alſo ſeine Leute encouragiren, die artefacta zu er-
heben. Man wird auch in Europa keine nation finden, ſi ſolos Polo-
nos excipias, welche nicht hierauf gedacht. Die Schweden und Daͤnen
haben daran gedacht, aber es nur nicht recht angefangen, davon hernach
T t 3etwas
[334]Cap. V. De prudentia
etwas wird gedacht werden. Der Kayſer hat auch in Oeſterreich etwas
anfangen wollen, aber die Nobleſſe und Pfaffen ſind ihm zuwider ge-
weſen. Bayern hat es auch angefangen, wie Jo. Joach. Becher in ſeiner
Verbeſſerung Land und Leute gewieſen. Der Vortrag iſt ſenſible, denn
ich ſage: Geſetzt, ihr habt drey, vier Millionen Landes-Capitalien,
rechnet man es aber auch aus, wird alles weggeben und bleibet nichts
uͤbrig im Lande. Ihr habt Materialien, und koͤnnet alles ſelbſten fa-
briciren, wenn ihr wollet. Man kan zeigen, daß, wenn ein Land in
decadance gekommen, ſo haben ſich die manufacturen changiret. Ita-
lien iſt herunter. Sie haben in Italien die ſchoͤnſten manufacturen,
aber die Wohlfeile machet, daß die Hollaͤnder, Engelaͤnder und Fran-
tzoſen ihre Sachen eher loß werden, ſie ſind in Italien preſſirt mit groſ-
ſen impoſten, daß ſie es nicht wohlfeil geben koͤnnen. Florentz, Meyland
und andere Staͤdte haben noch ſchoͤne manufacturen, aber ſie ſind theuer.
In der Tuͤrckey wird noch alles von denen Venetianern gekaufft, und,
obgleich die Frantzoſen dem Sultan offt preſente mit ihren Stoffen ge-
than, ſo bleibt er doch bey denen Venetianern. Die Venetianer con-
ſerviren ſich auch hiedurch noch, daß ſie noch keine fremde Waaren nach
Venedig laſſen. In Neapolis findet man auch treffliche manufacturen,
ſonderlich von ſeidenen Zeugen. Der Urheber von allen guten Sachen
in Franckreich iſt Henricus IV. wie Perefix in ſeinem Leben angemercket.
Henricus IV. ſahe, daß die Frantzoſen gerne reinlich giengen, das konte
er ihnen nicht wehren, ließ alſo Frantzoſen nach Italien gehen und ler-
nen ſeidene Zeuge wuͤrcken; dieſe kamen zuruͤck, er ließ Seide kauffen,
und fabricirten die ſchoͤnen Zeuge. Der Frantzoſe iſt ingenieux, poteſt
facile aliquid addere, bald macht er groſſe bald kleine Blumen hinein.
Die ſtultitia aber iſt eingeriſſen in der Welt, daß man ſich gern nach
Franckreich richtet, drum macht der Koͤnig in Franckreich auch einen
groſſen Staat, damit Fremde hinkommen, die ſuchen die Moden nach-
zuthun, und gehen die Frantzoͤſiſche Waaren deſto beſſer ab. Daher
bleiben die Frantzoſen doch, wenn gleich die Engelaͤnder und Hollaͤnder
alles nachmachen: Denn wenn ſie es nachmachen, ſo iſt es ſchon in
Franckreich alte Mode. Wie Henricus ſahe, daß die Leute brav fabri-
cirten, ſo ſagte er: die Seide waͤr zu theuer, wenn ſie auch gleich aus
Perſien, Smirna und Italien geholet wuͤrde; daher hat er ſo raiſoni-
ret: In Savoyen haben ſie Seiden-Wuͤrmer, in Spanien auch, das
Clima in Murcia, Granada und Piemont trifft uͤberein mit dem in Lan-
guedoc, alſo muß es auch in Languedoc angehen. Er hat laſſen Maul-
beer-Baͤume in Languedoc pflantzen, und es auch zuwege gebracht.
Die
[335]circa commercia \& rem monetariam.
Die Seide iſt nun wohl nicht ſo gut als die andere, ſie koͤnnen aber
doch ſelbige zum Boden brauchen. Man hat hier die Memoires des
Sully zu leſen, welcher ein groſſer Financier zu Zeiten Henrici IV. gewe-
ſen. In denen vielen manufacturen beſtehet die force von Franckreich
und thun ihre ingenieuſen Erfindungen viel hiebey. Bey andern Leuten
ſind die changements ein Fehler, aber bey ihnen nicht: denn alle natio-
nes werden dadurch allicirt, und die aus Franckreich zuruͤck kommen,
ſehen viel commodité bey den Sachen, und laſſen immer noch etwas
heraus ſchicken. Mancher denckt, es ſey kein Schuh commoder, als
der in Paris gemacht. Manche laſſen alle ihre Feder-Meſſer aus Franck-
reich bringen. Nach Henrico IV. ſind nun die manufacturen in einen
weit beſſern Zuſtand kommen, und hat man viele hundert andere dazu
gethan, ſonderlich zu Colberts Zeiten, der hat alles erhoͤhet. Franck-
reich hat nur Eiſen und Bley, aber kein Gold, Silber, Zinn, Kupffer,
daher wuͤrde es ſchlecht zurechte kommen, wenn es nicht die manufacturen
haͤtte. Schoͤne Fruͤchte haben ſie, auch Glaß, welches aber alles nichts
gegen die manufacturen. Man muß beſtaͤndig darauf bedacht ſeyn,
wie die manufacturen koͤnnen conſerviret und augiret werden, darzu kan
man allerhand Mittel gebrauchen. Subito koͤnnen freylich die manu-
facturen nicht etabliret werden. Es iſt in antecedenti erinnert worden,
was Henricus IV. vor Anſtalten gemacht; Er hat 1) laſſen die Leute
Kuͤnſte lernen, 2) hat er nach denen Materialien getrachtet, nicht nur
dieſelben aus andern Landen herbey zu holen, ſondern auch in ſeinen ei-
genen Landen zu haben. Am beſten iſt es, wenn man alle Materialien
im Lande hat. Aber, wo es nicht ſeyn kan, muß man freylich bedacht
ſeyn, dieſelben wo anders herzuholen. Die Hollaͤnder haben keine
Wolle, und machen doch die ſchoͤnſten Tuͤcher. Will man ſie daran hin-
dern, ſo muß man verbieten, daß ihnen keine Wolle zugefuͤhret wird. Die
Engelaͤnder und Frantzoſen geben ihnen auch keine mehr, aber die Spanier.
Drum ſind dieſe eben ſo ſehr zu blamiren, daß ſie ſo ſchoͤne Wolle in ih-
rem Lande haben und dieſelbe nicht verbrauchen. Es iſt nicht genug, daß
ich ſage: ich will allerhand ſchoͤne Tuͤcher machen, ich muß auch ſehen,
wo ich die Wolle herbekomme. Wir Teutſchen haben Wolle, und ver-
kauffen dieſelbe an die Hollaͤnder, welche ſolche mit der Spaniſchen
Wolle meliren, und ſchoͤne Tuͤcher daraus fabriciren, das koͤnnten wir
ja eben ſo wohl thun, wenn wir uns nur wollten recht appliciren. Die
Sperrung der Wolle in denen Brandenburgiſchen Landen thut auch den
Hollaͤndern viel Schaden, weil ſonſt viele Pommeriſche Wolle nach
Holland kommen. Es iſt nicht genug, das ich merces habe, die Leute
muͤſſen
[336]Cap. V. De prudentia
muͤſſen ſie auch kauffen. Meine Unterthanen kan ich leicht zwingen,
daß ſie dieſelben kauffen muͤſſen, deßwegen aber bringe ich nicht zu we-
ge, daß andere Leute ſie kauffen. Dahero muß copia mercium talium,
welche Fremde kauffen, die kuͤnſtlich ſeyn, da ſeyn. Quær. Wie kriegt
man Kuͤnſtler ins Land. Reſpond. Man kan es machen wie Henricus
IV. daß man Leute reiſen laͤßt, welches ſehr gut. Dicis: Man kan ja
einen Mann kriegen, der ſo ein manufactur-Weſen an ſich nimmt, wie
es in Daͤnnemarck, Schweden, auch in hieſigen Landen geſchehen? Re-
ſpond. Das taugt alles nicht, wie Schroͤder in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz-
und Renth-Cammer gewieſen. Das iſt gut, wenn man gewiſſen Leu-
ten privilegia giebt, wie hier denen Frantzoſen, und ſagt, ſie ſollen fleiſ-
ſig arbeiten; Aber das iſt nichts, wenn man es einem eintzigen uͤberge-
ben will. Ein ſolcher ernaͤhret zwar viel Leute, iſt er aber todt, ſo iſt al-
les aus; Denn da iſt entweder niemand, der es wieder ſo verſtehet, oder
wenn es ja die Soͤhne wiſſen, er hat viel erworben, ſo ſuchen ſie Grand-
Seigneurs zu werden, und ſcheeren ſich viel um die manufacturen. Da-
her iſt kein beſſer Mittel, als daß man mehrere Leute encouragiret, oder
das tempo in acht nimmt. Wie der Hertzog von Alba in denen Nie-
derlanden ſo viel verjagte, ſo giengen viele Tuch-Weber nach Engeland,
da fanden ſie materialien genug, und lieſſen die Engelaͤnder keine Wolle
mehr weggehen. Sie bekamen auch Seiden-Weber aus denen Nieder-
landen. In Schweden haben ſie ſonſt das Eiſen alle weggeſchicket, da
giengen auch einige Schmiede aus denen Niederlanden nach Schweden.
Wie die Reformirten aus Franckreich gehen muͤſſen, haben viele profi-
tiret. Der Frantzoß iſt aber ein Kerl, der unverdroſſen, und handeln
diejenigen, ſo in Erlangen ſind, bis in die Schweitz, nach Boͤhmen,
Schleſien; Vertreiben da ihre manufacturen, und befinden ſich admira-
ble dabey. Man muß hernach auch die Leute erhalten, und ſie nicht mit
allzu groſſen impoſten belegen. Es ſind contradictoria, wenn man will
impoſten anlegen/ und doch die manufacturen behalten: Denn die Waa-
ren muß ich gut lieffern, und wohlfeil. Wenn ſie auch nicht gut ſeyn,
ſie koͤnnen aber wohlfeil gegeben werden, ſo gehen ſie doch ab. Wer
die Handwercks-Leute will behalten, muß ſie ehren, ihnen privile-
gia geben, wenn es auch gleich naͤrriſche privilegia, ſo nichts importiren.
In Nuͤrnberg ſind etliche Handwercker, ſo alle Jahr koͤnnen einen Um-
zug halten, da hat der Kerl einen Mantel um, und einen Degen darun-
ter, ſie haben einen Tantz dabey, worzu ſie die Vornehmſten invitiren, da
dencken die Kerl, ſie haͤtten eine groſſe avantage, und ſey nirgends zu le-
ben, als in Nuͤrnberg. Man kan auch die beſten, reichſten, kluͤgſten,
mit
[337]circa commercia \& rem monetariam.
mit in Rath nehmen, wenn ſie auch gleich nur Ja-Herren ſind. Ver-
achtet man ſie aber, ſo will niemand gern ein Handwercks-Mann wer-
den, daß man aber die Handwercks-Leute in Teutſchland nicht regardi-
ret, koͤmmt daher: Vor dieſem haben die Teutſchen nicht viel Handwer-
cker gehabt, und die Nothwendigſte haben muͤſſen die Knechte verrich-
ten, wie bey denen Roͤmern. Wenn man die Beſchreibung des Clo-
ſters St. Gallen lieſet, ſo findet man, daß daſelbſt ein kluger Abt gewe-
ſen, welcher ſeinen mancipiis laſſen Handwercke lernen. Vor Knechten
aber hat man keinen reſpect gehabt. In Staͤdten haben die nobiles ge-
ſehen, daß dieſelben anfangen, durch Handwercker zu floriren; Daher
haben ſie claſſes, Zuͤnffte fundiret, ihnen gewiſſe leges gegeben, daß ſie
keinen unter ſich duͤrffen leiden, der ein Boͤſewicht waͤre. Hiedurch
wollten ſie ſolche Leute, welche ſonſt keine Redlichkeit hatten, reputirlich
und erbar machen, ſie blieben aber doch geringe Leute, und waren zinß-
bar, ſchockbar. Hiervon kan man Nachricht finden beym Lehmanno
in ſeiner Speyeriſchen Chronica. Weil man nun geſehen, was der
Handwercks-Mann vor ein nuͤtzliches Thier, ſo hat man demſelben an
vielen Orten viele privilegia gegeben. Aſſumendi ſunt exules, wie in
Holland, da man alle Leute aufnimmt, welche nicht wegen einer Meu-
terey fortgejaget werden. Wo ich einmahl gute manufacturen angelegt
habe, da muß ich machen, daß dieſelben continuiret werden, und die Leu-
te promt arbeiten. Mancher iſt kuͤnſtlich, kan aber nichts rechtes arbei-
ten, weil er nichts hat. Die Handwercks-Leute haben mehrentheils ei-
ne groſſe Familie. Geſetzt nun, es ſoll einer ſechs Stuͤck Tuͤcher ma-
chen, er hat kein Geld, ſoll er Geld aufnehmen, ſo ſind entſetzliche uſuræ,
da ſagt Schrödter in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz- und Renth-Cammer:
Oeſterreich koͤnne nicht aufkommen, denn 1) haͤtten die Pfaffen entſetz-
liches Geld liegen, die paßten nur darauf, wenn ein fundus zu verkauf-
fen, ſolchen wegzuſchnappen. Und ob ſie es gleich nicht thun duͤrffen,
ſo erwarten ſie doch eine gute Gelegenheit, den Kayſer dahin zu diſponi-
ren; 2) Haͤtte der Adel entſetzliche Summen, welcher aber nicht woll-
te ſein Geld unter einen kleinen pro cent ausleihen, wie es in Holland
iſt. Er ſagt, ich will eine banco machen, da der Herr etwa ein capital
vorſchieſſen kan, und wenn der Handwercks-Mann was braucht, ſo kan
man unter geringen uſuris ihm Geld geben. So iſts in Nuͤrnberg, wo-
ſelbſt man ein Leih-Hauß hat, wenn einer nur will etliche Stuͤcken Tuͤ-
cher machen, ſo kan er daſelbſt Geld bekommen, nachgehends wenn das
Tuch fertig iſt, muß er ſolches dahin lieffern, da wirds verkaufft, und
etwas weniges abgezogen, und der profit ihm zuruͤck gegeben, dadurch
U uwird
[338]Cap. V. De prudentia
wird copia mercium. Die Waaren muͤſſen gut gelieffert werden, ſonſt
nimmt der andere nichts wieder von mir. Daher kan kein Engliſch
Tuch aus Holland gefuͤhret werden. Zu manufacturen gehoͤren auch
viel Leute, daher gehts freylich nicht anfangs ſo von ſtatten, als nach
einiger Zeit. Wenn manufacturen etabliret ſind, ſo muß man ein Re-
giſter halten, damit man ſehen koͤnne, was mangelt, und wie dieſelben
koͤnnen verbeſſert werden, wie dieſes muß angerichtet werden, hat Law
weitlaͤufftig gewieſen.
und Muͤntz-
Weſen.
§. 17-25. Unſer Autor hat dieſe Lehre in drey Theile getheilet,
und zeiget 1) quomodo res nummaria ſit conſtituenda, 2) quomodo ſit
conſervanda, 3) quomodo ſit emendanda. Ohne Geld, ſine pretio emi-
nente kan man jetzt nicht ſeyn. Man nennet es pretium eminens, quia
nummus omnia dimetitur. Daß man ohne Geld nicht ſeyn kan, hat
Coppurn de re monetaria in Engliſcher Sprache gewieſen. Ray hat in
ſeinem tract. de l’exiſtence de Dieu einen extract daraus gemacht. Denn
Ray rechnet den nummum mit unter, die arcana providentiæ divinæ, und
ſagt: Es waͤren chimæriſche Gedancken, wenn man meynte nos poſſe
carere pretio eminente. Hiervon kan man auch was finden in des Con-
rings Diſſertation de commerciis marilimis. In tanta hominum multitu-
dine, cum tot ſint gentes, tot civitates, da unſer commercium auf dem
Gelde beruhet, koͤnnen wir ſolches nicht entbehren. Der Juriſt, Pau-
lus, hat die Sache wohl gefaſſet, und geſagt: Da die Leute noch ſimple
waren, ein jeder ſich noch in tentoriis ſouteniret, oder in ſocietatibus par-
vis lebten, ſo konnten ſie dasjenige tauſchen, was ſie noͤthig hatten.
Aber da nun groſſe civitates entſtanden, und offt geſchehen kan, daß du
Waaren haſt, welche mir anſtehen, meine Waaren aber ſtehen dir nicht
an, ſo habe man muͤſſen auf ein pretium eminens dencken. Es gehet
nicht allezeit an, daß ich vor meine Waaren, vor meine inventa ingenii
kan andere Waaren nehmen. Ein Bauer kan wohl vor das Seinige
bekommen, was er haben will, denn ein jeder braucht Korn, Vieh, Eyer ꝛc.
aber wir koͤnnen nicht alle als Bauren leben, und uns vom Ackerbau
naͤhren. Die Gelehrten muͤſten Hungers ſterben, wenn kein Geld da
waͤre. Denn wenn gleich einer alle diſciplinen der Weisheit inne haͤt-
te, er kaͤme zum Becker, verlangte Brodt von demſelben, und wollte ihm
ein collegium davor leſen, ſo wuͤrde der Becker ihm nichts geben. Da
nun alſo ſo viele Menſchen in der Welt ſind, ſo ſiehet man, daß der
nummus ratione des commercii und der menſchlichen ſubſiſtence unent-
behrlich, und noch unentbehrlicher im commercio, welches auswaͤrts ge-
het. Es ſind zwar einige auf die Gedancken kommen, worunter auch
der
[339]circa commercia \& rem monetariam.
der fameuſe Law in ſeinem tract. Conſideration ſur le commerce \& ſur
l’argent, man koͤnnte das Geld im commercio miſſen, und nur mit billets
handeln. Lock hat ſchon eine diſſertation de nummo in Engliſcher Spra-
che geſchrieben, woraus Law vieles genommen, aber auch etwas dazu
gethan, und ihn refutirt.* Er ſahe, daß man mit Wechſeln gut reuſſirte,
alſo meynte er mit denen billets muͤſſe es auch ſo gehen, und ſagte: Im
Handel und Wandel brauche man kein Geld, ſondern das publicum
muͤſſe ſolches haben, das iſt eben die intention beym actien-Handel ge-
weſen. Branchu, ein Frantzoß, der ſich aber in Holland aufhaͤlt, ein
guter Freund von dem Bynckershoeck hat obſervat. ad Ius Rom. geſchrie-
ben, und hat in Decade 2. einen diſcurſum politicum, von dem Law mit
einflieſſen laſſen, daſelbſt ſagt er, der Law haͤtte gleich daraus ſehen koͤn-
nen, daß es impracticable mit Zetteln im commercio fortzukommen,
weil er auf viele fourberien dencken muͤſſen, daß die Leute das Geld von
ſich gegeben, denn da hat er denen Leuten viel weiß gemacht, von einem
fremden Lande, und haben ſich die Frantzoſen ſehr proſtituiret, daß ſie
ſich ſo betruͤgen laſſen; Es hat freylich mancher profit dabey gemachet,
und wenn niemand kauffen wollen, hat er ſelbſt vor etliche Millionen ge-
kaufft, damit er die Leute encouragirt. Die Leute aber wollten das Geld
nicht gerne weggeben; Wenn einer gleich eine Million an Zetteln hat,
ſo iſt er doch in Furcht, daß ein Herr kommt, der alles uͤber den Hauf-
fen wirfft, wie es denn auch in Franckreich geſchehen, und iſt mancher
U u 2zum
[340]Cap. V. De prudentia
zum armen Mann worden. Das Geld iſt was reeles, ich ſehe was
vor mir, und kan alles davor haben. Koͤnnte ein jeder Geld machen,
ſo wuͤrde alsdenn der groͤßte Reichthum nur in fundis nicht mehr in Gel-
de beſtehen. Man kan auch Papier leicht machen; Daher auch bey
dem actien-Handel viele tauſend billets nachgemachet worden. Ja,
wenn einer gewuſt, daß der andere, ſo ein billet bey ſich gehabt, hat er
ihn ſuchen zu attaquiren, und ſolches zu nehmen, wer es aufgewieſen, der
hat die Zahlung bekommen. Wenn auch der Papier-Handel angienge,
ſo gehet er doch nur im Lande, die Leute haben kein baar Geld mehr,
und koͤnnen kein negotium auswaͤrts treiben. Wer iſt wohl, der da
meynet, er ſey reich, wenn er Papier hat? Der Souverain ſuchet Geld,
und laͤßt ſich nicht mit Papier abweiſen, wie ſollen es andere thun?
Law hat ſich eine deſpotiſche Regierung, wie im Reiche des groſſen Mo-
guls iſt, in dem Kopff geſetzet. Er ſagt, wenn der Koͤnig das Geld haͤt-
te, koͤnnte er Waaren kauffen, und ſolche denen Unterthanen vor billets
uͤberlaſſen. Er koͤnnte unterdeſſen ſolche Waaren nur nehmen, welche
einen luxum verurſachten. Nun hat wohl ſolches eine ſpeciem; aber
quid? Wenn in Franckreich ein uͤbler Zuſtand iſt, ſie werden geſchlagen,
oder kommt der Feind ins Land, ich will aus dem Lande wegziehen, da
kan ich vor meine billets an andern Orten nichts bekommen. Wenn
auch gleich die billets eingefuͤhret worden, ſo giebt mir doch der Kauff-
mann nicht gerne Waaren davor, weil er das riſco uͤber ſich nehmen,
und gewaͤrtig ſeyn muß, daß ſie wieder uͤber den Hauffen geworffen wer-
den. In Franckreich haben ſie ſelbſt nicht wohl mit denen Zetteln koͤn-
nen zurecht kommen. Denn wenn ein billet nachgemachet worden,
haben ſie eine gewiſſe marque gehabt, woran ſie ſolches erkannt, und
hat er nichts davor bekommen. Keine andere intention iſt alſo dabey
geweſen, als daß die Leute ſollten Sclaven werden, und das publicum
alles haben, damit die Leute nicht im Stande waͤren, etwas zu thun,
und nur das publicum durch ſie negotiiren koͤnne. Branchu ſagt gar
wohl, wo im commercio keine libertas, da wird man nicht allein keinen
Reichthum zu wege bringen, ſondern vielmehr verurſachen, daß die Leute
ihr Geld vergraben, welches auch in Franckreich geſchehen, und ſind
viele Millionen vergraben worden. Es iſt bald geſagt: Man koͤnne mit
Zetteln handeln, aber jam applica. Der Law iſt auch auf die letzte
nichts worden, weil man geſehen, es gehe nicht an, und muͤſſen lauter
fourberien dabey gebraucht werden. Die Suͤder-compagnie in Enge-
land fieng denen Frantzoſen zum tort eben dergleichen actien-Handel an.
Denn wie der Koͤnig in Engeland ſahe, daß viele Engelaͤnder nach
Franck-
[341]circa commercia \& rem monetariam.
Franckreich lieffen, und daſelbſt theils gewannen, theils verſpielt, ſo
dachte er ſolchen dadurch vorzukommen. Es lieff aber auch in Enge-
land nicht ſonderlich ab; Aber es ſind nicht ſolche fourberien in Enge-
land vorgegangen, wie in Franckreich. Branchu ſagt auch noch, der
Koͤnig in Franckreich wolle der Reichſte ſeyn, alle ſollten Bedienten vom
publico ſeyn, das publicum ſolle alles diſponiren und damit der Koͤnig
nichts zu thun habe, ſollten es die compagnien verrichten. Aber man
muͤſſe doch den Reichthum in Anſehung anderer conſideriren. In An-
ſehung der Holl- und Engelaͤnder. Law wollte zwar die Engelaͤnder auch
hinuͤber ziehen, aber man kam ihnen zuvor. Es hat ein Teutſcher, der
jetzo in Bayreuthiſchen Dienſten, de la Richeſſe, drey Theile in Fran-
tzoͤſiſcher Sprache ediret, worinnen er auch von dem actien-Handel ein
raiſonnement mit einflieſſen laſſen. Der Herr determinirt den num-
mum, aber nicht pro arbitrio irrationabili. Nummus omnia dimetitur,
und wir brauchen ſolchen nicht allein, ſondern auch andere. lanus Bou-
ſa hat obſervirt, daß man in Africa conchas, Muſcheln ſtatt der Muͤn-
tze gebraucht. Daher haben ſich die Hollaͤnder bemuͤhet, ſchoͤne Mu-
ſcheln zu bekommen, und ſelbige dahin gebracht, davor ſie Gold und
Silber bekommen. In Siam æſtimirt man auch die conchas hoch.
In America hat man ſtatt der Muͤntze Cocos gebraucht. Wir brau-
chen aber nicht die Barbarn anzuſehen, ſondern uns. Wir haben kein
Gold und Silber in abundantia, ein jeder ſucht das aurum und argen-
tum. Warum man aber dieſe materie erwehlet, habe ich gewieſen in
der diſſertat. in Gundling. von Gold und Silber. Branchu meynt, man
koͤnne keine raiſon geben, warum man es brauche. Allein es gehet gar
wohl an, die cauſſa proxima iſt, weil es rar. Dieſes iſt aber die cauſſa
nicht allein. Eine Lauß aus Nova Zembla, ein Ziegenbock aus Meſopo-
tamien ſind auch etwas rares. Warum die Leute auf das rarum gefal-
len, wird im lure Nat. gewieſen. Da nun ein Princeps ſiehet: Num-
mus omnia dimetitur, ſo iſt abſurd, ut aliud eligat. Bey denen civibus
hat es nichts zu bedeuten, ob ich da kein Gold und Silber, oder nur et-
was weniges bey der Muͤntze habe, wie bey der Land-Muͤntze zu geſche-
hen pfleget. Doch iſt auch bey der Land Muͤntze groſſe Behutſamkeit
zu gebrauchen, der Herr hat freylich profit davon, denn er bringet ſolche
unter die Leute, und dieſe geben ſie weiter aus. Aber, wenn man mehr
Land-Muͤntze machet, als der circulus erfordert, ſo iſt lauter Schade da;
Denn 1) ſind die Land-Muͤntzen bald nachgemacht, weil es Kupffer iſt.
Entſcheide mir doch einen Sechſer, der in des Koͤniges Muͤntze gemacht,
von einem, welcher nachgemachet iſt. An einem gewiſſen Hofe iſt auch
U u 3ein
[342]Cap. V. De prudentia
ein greulicher Fehler vorgegangen, da man einem Juden erlaubt, vor
dreyßig tauſend Thaler Sechſer zu muͤntzen, welcher wohl vor zwey mahl
hundert tauſend Thaler gemacht. Hernach hat man es nicht mehr ge-
than, weil ſo viel Sechſer ins Land kommen; 2) Bey fremden natio-
nibus kan man dieſes Geld nicht gebrauchen, und wenns auch genommen
worden, wir haben auch pretieuſe Waaren, die ſie von uns kauffen, die be-
zahlen ſie alle mit ſolchem Gelde. Will man hernach in fremden Landon
etwas kauffen, ſo nimmt kein Menſch ſolch Geld. Schrödter in ſeiner
Schatz- und Renth-Cammer hat artige remarquen hievon; Es ſollte
zwar das Anſehen gewinnen, daß man auch eine andere materie zur
Muͤntze gebrauchen koͤnnte, als wie man in Schweden die Kupffer-Muͤn-
tzen, zumahl die Schweden kein Gold und Silber haben, und einem nach
proportion ſo viel an Kupffer geben, als man ſonſt Silber bekoͤmmt.
Es hat aber Caſpar Ziegler de juribus majeſt. (darinnen ratione der
Muͤntz-Sorten admirable Sachen anzutreffen) von denen Schwediſchen
Kupffer-Muͤntzen gewieſen, daß die Schweden lauter Schaden haben,
denn wenn ſie auch mit ihrem Kupffer koͤnnten, e. g. ſechs Groſchen ab-
meſſen, ſo muͤſſen ſie doch ſolches erſt laſſen præpariren und muͤntzen.
Was meyneſt du wohl, was es vor eine incommodité tauſend Thaler
an Kupffer zu bezahlen, das kan ich nicht auf dem Boden haben, ſondern
in dem Keller, damit es mir keinem Schaden thue, wer ſoll es dir nun
hinſchaffen in dein Hauß? Wie viel muß ich nicht Wagen haben zu
tauſend Thaler. Wer ſoll die Koſten tragen? Es koſtet wohl zwantzig
Thaler, wenn ich dir ſo viel in dein Hauß lieffern ſoll. Wenn auch nun
ſolche Muͤntze im Lande kan gebraucht werden, wo kan man ſie brauchen
auſſer Landes? Sage ich, ich will ihm ſtatt des Silbers Kupffer geben,
ſo brauche ich es nicht erſt zu muͤntzen. Solchemnach iſt der Schweden
Anſchlag nicht gar ſonderlich. Machet man die Muͤntzen kleine, ſo kan
man ſie wohl im Lande brauchen, aber nicht zum commercio. Alſo
muß man vielmehr bey den erwehlten metallis, Silber und Golde bleiben.
Quær. Wie ſoll ich muͤntzen, fein Silber, oder ſoll ich einen Zuſatz Schroot
geben, welches iſt beſſer? Viele Leute dencken, je feiner Silber, je feiner iſt
das Geld, und bisweilen iſt es auch gut, wenn man feine Muͤntze hat.
Die Florentiner haben den gantzen Africaniſchen Handel an ſich gezo-
gen, weil ſie ſchoͤne Muͤntzen gehabt; ſie bekamen ein privilegium, daß
niemand in Africa ſollte was zu kauffen bekommen, als ſie. Von ih-
nen koͤmmt auch das Wort Florenus. Das iſt aber ein particulare, ein
ſingulare, a ſingulari ad univerſale kan man nicht ſchlieſſen. Wenn die
Florentiner ſonſt keine avantage gehabt haͤtten, wuͤrden ſie lauter Scha-
den
[343]circa commercia \& rem monetariam.
den von ihrer Muͤntze gehabt haben. Das feine Silber hat groſſe in-
commoda, ſonderlich zu unſern Zeiten, da man viel Gold und Silber
verarbeitet. Es iſt kein argentum in der Welt, welches keinen Zuſatz
hat, entweder aus der Erden, oder daß du was dazu thuſt. Die Gold-
ſchmiede thun dasjenige weg, was von Natur dabey iſt. Die Augſpur-
ger arbeiten es ſechzehen Loͤthig, und hat man es nicht hoͤher treiben koͤn-
nen, daher haben ſchon die Roͤmer geglaubet: Es ſey niemahls argen-
tum purum in der Welt. Es iſt nicht gut, wenn der Herr Geld muͤn-
tzet von feinem Silber, weil es leicht kan eingeſchmoltzen werden; Her-
gegen, wenn ein groſſer Zuſatz dabey iſt, ſo koſtet es Kunſt, ſolches wie-
der zu ſepariren, und eben, wenn es mit groſſer Muͤhe und Arbeit muß
ſepariret werden, ſo bleibet ſolches unter den Leuten. Das Luͤneburgi-
ſche Geld vergehet, und wird in Silber-manufacturen gebrauchet.
Georg Richter, welcher Pro-Cancellarius auf der Univerſitaͤt Altdorff ge-
weſen, hat in einer oration gewieſen, daß viele Millionen durch die ma-
nufactur weggehen. In Holland nehmen ſie das feine Silber auch ger-
ne, weil ſie viele fabriquen haben, und es einſchmeltzen. Semper vero
intereſt, daß das Geld nicht eingeſchmoltzen werde. Je mehr Geld da
iſt, je mehr iſt Verkehr. Es iſt kein groͤſſer Ungluͤck, als wenn ein groſ-
ſer Herr erlaubt, daß die Unterthanen viel Silber-Geſchirr haben, denn
es iſt ein todtes capital. Zu Caroli II. Koͤnigs in Engeland Zeiten, ha-
ben die Leute offt Mangel gehabt an Gelde, da hat er ein Muͤntz-edict
publiciret, und erlaubt, daß ein jeder ſein Silber-Geſchirr koͤnne in dem
tour bringen, und Geld daraus muͤntzen laſſen, davor man was weni-
ges gegeben. Hiedurch iſt eine greuliche quantitaͤt Geld in Engeland
kommen. Sonſt iſt wahr, die Muͤntzen, welche keinen Zuſatz haben,
haben dieſe commodité, daß ſie nicht zu ſchwer ſind. Aber propter reli-
qua mala iſt dieſes ein groſſes commodum. Das Geld muß geſchlagen
werden auf die Art, wie es die Nachbarn ſchlagen, nicht geringer, und
nicht beſſer; Iſts ſchlechter, ſo nehmen es andere nicht, iſts beſſer, ſo gra-
ſen andere darnach, und ſchmeltzen es ein. Mein Vater hat mir offt
erzehlet, daß wenn in Nuͤrnberg achtzehen Pfennigs-Stuͤck geſchlagen
worden, nach dem Reichs Fuß, ſo haben andere ſolche eingewechſelt, und
vier bis fuͤnff halbe Batzen daraus gemacht, da iſt das Geld wegkom-
men, ehe man ſich es verſehen. Alſo iſts nicht gut, wenn man die
Muͤntzen ſo gut machet. Niemand hats beſſer und geſcheuter eingerich-
tet, ratione des Muͤntz-Weſens, als die Hollaͤnder, wer ihnen zahlet, ver-
liehret allezeit pro cent, ſie aber verliehren nichts. Quær. Was iſt das
vor eine Kunſt, wenn man das Geld erhoͤhet? Reſpond. Es iſt in der
That
[344]Cap. V. De prudentia
That eine fourberie, und halte ich nicht viel darauf. Die Venetianer,
wenn ſie denen Soldaten den ruͤckſtaͤndigen Sold zahlen ſollen, erhoͤhen
das Geld, und betruͤgen ſie. Wenn ich mein Geld erhoͤhe, ſo verliehre
ich allezeit. Dieſes hat Schrödter perfect in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz-
und Renth-Cammer p. 164. gewieſen. Der Koͤnig in Franckreich pflegt
offt das Geld zu erhoͤhen, aber es ſind nichts als fourberien. Man hat
da mit allem Fleiſſe ſolche confuſion gemacht, damit die Leute actien ge-
kaufft. In Franckreich gehets noch eher an, als in einem kleinen Lande.
Franckreich braucht nicht ſo viel, als andere von ihnen brauchen. Die
haben aber doch Verluſt davon gehabt. Es hat ihnen in dem com-
mercio groſſen Schaden gethan, denn die pretia ſteigen gleich, und die
Fremden wollen nicht ſo viel geben, laſſen ihnen die Waaren alſo uͤber
dem Halſe. Wird das Geld erhoͤhet, ſo iſts, wie ein impoſt, die im-
poſten ſchaden dem commercio, alſo koͤnnen ohnmoͤglich die commercia
floriren, wenn das Geld erhoͤhet wird. Hingegen in Teutſchland thut
die Erhoͤhung noch mehr Schaden, und bringet es dem Kayſer keinen
Nutzen, wenn ein Sechs-Creutzer vor einen Sieben-Creutzer ausgege-
ben wird, auſſer wenn er es vor vier Groſchen muͤntzen laͤßt, aber er
kans nicht forciren, weil ſich die Leute gleich daruͤber beſchweren. Man
muß auch auf die Sorten der Muͤntzen regardiren. Wer das jus mo-
netandi recht exerciren will, muß acht geben auf groß- und kleine Muͤn-
tzen. Die Moſcowiter haben auch lauter kleine Muͤntzen gehabt, und
hat der verſtorbene Czaar erſt Ducaten und Thaler ſchlagen laſſen. An
kleinen Muͤntz-Sorten kan man freylich mehr profitiren, als an groſſen,
denn die groſſen kan man leicht probiren. Kleine Scheide-Muͤntzen
muͤſſen auch ſeyn. Darinnen tadelt man die Engelaͤnder, doch die En-
gelaͤnder mercken es nicht, weil ſie reich ſind, ſie geben ſechs bis ſieben
Groſchen Trinck-Geld. Man muß auch acht geben, daß keine falſchen
Muͤntzen ins Land kommen, und iſt gut, wenn man die Muͤntzen ſo macht,
daß ſie nicht koͤnnen nachgemachet, oder beſchnitten werden. Daher
einige gemeynet, man ſolle wenig Geld praͤgen, oder einen Rand daran
machen, daß es nicht koͤnne beſchnitten werden. Welches letztere ich bey
dem Luͤneburgiſchen Geld obſerviret. Wer das nicht thut, der verliehrt.
Diejenigen, ſo das Geld beſchneiden, werden auch am Leben beſtrafft.
Es iſt einem Kerl der Kopff abgeſchlagen, welcher, ſo lange er ſein me-
tier getrieben, nur Ducaten beſchnitten, nicht mehr als zwey und dreyßig
Ducaten profitirt. Das Gold kan am leichteſten beſchnitten werden.
Deßwegen ſchlagen groſſe Herren wenig Gold-Muͤntzen. Man muß
auch nicht viel Muͤntz-Staͤdte haben; Die Engelaͤnder laſſen keine Muͤntze
gelten,
[345]circa commercia \& rem monetariam.
gelten, als die aus dem tour koͤmmt. Wo viele Muͤntz-Staͤdte ſind,
wer kan darauf achtung geben? Carolus Magnus hat keine Muͤntze gel-
ten laſſen, als die aus dem palatio kommen; Weil aber ſein Reich groß
war, ſo ſahe er, daß es nicht angieng, daher er das Muͤntz-regal denen
Geiſtlichen gegeben, und in denen Staͤdten denen erbaren Leuten, die
ſind Muͤntz-Meiſter genennet worden. In Teutſchland ſind die Ver-
faſſungen des Muͤntzweſens gut, es wird da keine Heck-Muͤntze gedul-
det. Im Fraͤnckiſchen Crayß wird zu Wuͤrtzburg und Nuͤrnberg ge-
muͤntzet. Der Muͤntz-Meiſter iſt beeydigt. In praxi aber wird die
gute Ordnung nicht in acht genommen, es ſind ſo viele Herren, da iſts
nicht moͤglich, daß nicht heimlich Muͤntzen ſollten gemachet werden.
Sie verpachten offt das Muͤntz-regal. Der Kayſer aber hat das
Recht, daß er ihnen ſolches nehmen kan, wenn ſie es denen Juden ver-
pachten. Fuͤrſten ſollen auch nicht heimlich muͤntzen, bey Verluſt des
Muͤntz-regals. Daher iſt nothwendig, daß man den Nahmen des
Muͤntz-Meiſters darauf ſetzet, da kan man wiſſen, wo das Geld ge-
muͤntzet worden. Auf denen Frantzoͤſiſchen Muͤntzen ſtehet A. B. In
Teutſchland, wenn es in rechten Muͤntz-Staͤdten gemuͤntzet iſt, ſo ſte-
het der Nahme des Muͤntz-Meiſters darauf, item der Ort, auch der
valor, wie weit es gelten ſolle, ſonſt muͤſte man beſtaͤndig eine Waage
haben, wenn der valor nicht darauf ſtuͤnde. Doch, weil man auch
fremde Gelder hat, ſo ſollte man eine Schau haben, da der Schau-
Amtmann einem gleich kan ſagen, wie hoch man das Geld nehmen koͤn-
ne, das gehoͤret zu einer guten Policey. Weil nun groſſe Herren die
Muͤntzen verpachten, ſo ſollte ein Muͤntz-Wardeyn ſeyn, der die Muͤn-
tze bewaͤhret, der ſie einſchmeltzet, und wenn befunden wird, daß etwas
fehlet, ſo wird ſie darnach angeſchlagen, wie viel ſie werth. In denen
Reichs-Staͤdten haͤlt man es ſo, und wenn dieſe nicht waͤren, wuͤrde es
noch groͤſſere confuſion geben im Reiche. Hier, wenn man fragt, was
dieſes oder jenes gelte, ſo weiß es keiner. Ratione emendationis iſt zu
mercken, daß, wenn boͤſe Muͤntzen eingewurtzelt, ſo waͤre es gut, wenn
ſie gleich auf einmahl abgeſchaffet wuͤrde. Wie die Engelaͤnder zu
Ryſwick Frieden gemachet, und ſie kein gut Geld mehr hatten, ſo muſte
alles Geld in die Muͤntze geliefert werdeu, und wurde neues gepraͤget.
Dieſes gehet wohl in Engeland an, aber nicht in Teutſchland, da muß
man eine Zeit ſetzen, wenn es nicht mehr ſollte gelten oder herunter
ſetzen. Verbietet man es aber in totum, ſo ſtehet das gantze commer-
cium ſtille.
X xSectio
[346]Cap. V. De prudentia
Sect. IX.
de
Prudentia ſtatus circa religionem.
§. 1-10.
gion uͤber-
haupt und ob
es rathſam,
mehr, als eine
Religion in
dem Staat zu
dulden.
MAn muß wohl wahrnehmen: Principem non condere dogmata
in religione. Die dogmata gehen ihn ſo wenig an, als mir.
Ich kan nach meinem Gutduͤncken nicht dogmata etabliren,
er auch nicht. Dogmata muͤſſen gelehrt erkannt werden. Wenn man
von dogmatibus redet, redet man von Wahrheiten. Veritas docetur.
Das principium: Sic volo, ſic jubeo, ſtat pro ratione voluntas, hat kei-
ne ſtatt allhier. Meine ratio muͤſte alsdenn exuliren, und iſt abſurd,
wenn man ſtatuirt, ein Princeps koͤnne einen zwingen, ja wenn ich auch
ſelbſt geſagt, hoc eſſe verum, me velle id defendere, ich erkenne es aber
jetzo beſſer, ſo kan ich doch davon abgehen. De veritate nemo paciſci
poteſt. Dem Luthero hat man vorgeworffen, er habe als Doctor
Theologiæ geſchworen, die Catholiſche Religion zu defendiren, und nun
gehe er doch davon ab; Darauf hat er aber ebenſals geantwortet, daß
man de veritate nicht paciſciren koͤnne; Hobbeſius hat etwas uͤber die
Schnur gehauen, wenn er gemeynet: Principem poſſe condere dogmata.
Wenn nur die Leute glaubten Chriſtum eſſe Meſſiam, das Ubrige koͤnnte
er alles determiniren. Hobbeſius defendirete Monarchiam, weil er nun
geſehen, daß die Quacker in Engeland die Fuͤrſten herunter geworffen-
ſo hat er gemeynt, man muͤſſe dem Principi eine groſſe Gewalt geben.
Bey dieſer doctrina ratione religionis minimum ſpirituali, welche ſocie-
tatem man eccleſiam nennt. Die eccleſia iſt eine Univerſitas, eine per-
ſona moralis, myſtica. Gleichwie nun alle perſonæ myſticæ, alle colle-
gia unter dem imperante ſtehen, ſic eccleſiæ quoque imperium effugere
nequeunt; Sie ſtehen unter dem imperante nicht anders als alle andere
civitates. Der Princeps muß auf alle Univerſitates acht geben, daß die-
ſelben in ihren Schrancken bleiben ne tumultus excitetur. Da ohnedem
die Religion viele tumultus machen kan, ſi ſeditioſe doceatur, ſo muß der
Princeps zuſehen, was gelehret wird, was vor Leute da ſind? Ob ſie ca
pable ſind, was ſie vor ein Leben fuͤhren? Diejenigen, welche wollen
Lehrer der Wahrheit ſeyn, dogmata proponere de ſapientia Dei, von
dem
[347]ſtatus circa religionem.
dem ente inviſibili, welches in die actiones der Menſchen eine influenz
hat, muͤſſen auch eine Geſchicklichkeit beſitzen. Boͤſe DD. darff er nicht
toleriren, welche die Leute nur aͤrger machen, daß ſie in allerhand Laſter
verfallen. Weil es auch geſchehen kan, daß die Lehrer unter dem præ-
text einer Kirchen-diſciplin das Volck tyranniſiren, und das Amt der
imperantium an ſich ziehen, ſo hat ein Princeps auch wohl Urſache hier
acht zu geben. Dogmata machen die Doctores, welche ſie denen Leuten
per ratiocinationes beybringen muͤſſen. Wenn der Princeps dogmata
machen ſoll, ſo will ich lieber unter dem Pabſt ſtehen. Der Tuͤrcke
macht ſelbſt dogmata, aber der iſt ein Tumrian. Die gantze Religion
ſteckt bey denen Tuͤrcken im Regiment, welches Monſ. Ricaut in ſeiner
Beſchreibung des Ottomanniſchen Reichs gewieſen. Es iſt kein du-
bium, daß die religio chriſtiana florirt habe, ehe noch ein Princeps Chri-
ſtianus geweſen, wo iſt da Principis imperium geweſen? Dieſe objection
hat ſchon Puffendorff in ſeinem capite vom Pabſt beantwortet. Es iſt
wahr, drey Secula ſind faſt verfloſſen donec Chriſtianam religionem pro-
feſſus eſt Princeps, Allein es iſt zu mercken: In denen erſten Seculis
waren alle eccleſiæ heimlich, nicht anders, als wenn man Miſſionairs
unter die Heyden ſchicket, da wird keiner oͤffentlich ſich mercken laſſen,
daß er docire, ſondern alles geſchiehet heimlich. So lange nun die
Chriſtliche Religion heimlich fortgepflantzet worden, haben diejenigen
diſponiret, welche die Bekehrung verrichtet. Darum hat auch Paulus
haben wollen, ſie ſollten ſich nicht von heydniſcher Obrigkeit richten laſ-
ſen, ſondern lieber Unrecht leiden. Die vielfaͤltigen perſecutiones wider
die Chriſten haben auch [nicht] aufgehoͤret, bis Conſtantinus Magnus ein
Chriſt worden; Nach der Zeit aber, da die eccleſia viſibel worden, wie
kan ſich dieſelbe dem Principi entziehen, da man demſelben ein jus uͤber
alle univerſitates giebt? Die eccleſia iſt mehrentheils eine univerſitas
magna, da hat er noch mehr Urſach acht zu geben, der peuple laͤßt ſich
leicht durch die Geiſtlichen aufhetzen. Wer dieſes nicht weiß, hat keine
Erfahrung, muß nicht viel geleſen haben, und in denen erſten Seculis nicht
verſiret ſeyn. Ratione der Cantzelmaͤnner wird noch etwas gedacht wer-
den. Ich gebe dem Principi ratione interioris nichts, ſondern bloß das
exterius. Gleichwie er die Ober-Aufſicht uͤber alle civitates hat, ſo
iſts hier auch mit der eccleſia beſchaffen. Er darff ſich nicht in die
dogmata miſchen, nichts vorſchreiben, ſonſt aͤnderte man nur den Pabſt,
und zoͤhe ihm ein Koͤnigs-Kleid an. Man muß nicht zu weit gehen.
In meinem J. N. \& G. habe ich das medium getroffen, und das Lob
vom Herrn Cantzler Pfaffen in Tuͤbingen erhalten, daß ich dem Prin-
X x 2cipi
[348]Cap. V. De prudentia
cipi nicht zu viel auch nicht zu wentg beygelegt. Ich gebe dem Principi
auch nichts circa differentia. Denn die religio iſt vel externa vel inter-
na. Internam kan mir kein Menſch nehmen, die iſt mir allein und mei-
ner conſcience bekannt, und kan ich ſolche unter den Heyden und Tuͤr-
cken haben; Aber die externa beſtehet in natuͤrlichen Ceremonien und ri-
tibus. Pere Simon hat in ſeinen Lettres Critiques gar artig gewieſen,
daß keine Religion ohne Ceremonien. Gebe ich dem Principi ein jus
circa hæc, ſo hebe ich omnem libertatem religionis auf, und doch iſt ein
gemeines principium: Religionem eſſe liberam. Es iſt abſurd, wenn ei-
ner ſagt, er laſſe mir libertatem in religione interna, und reſtringire mir
libertatem cultus externi. Die internam kan mir ſo kein Menſch neh-
men, und nimmt er mir eo ipſo omnem libertatem. Was das exterius
betrifft, da giebt man dem Principi ein imperium, damit alles ruhig zu-
gehe. Er muß wiſſen, wer docirt; Daher kein Fuͤrſt kan excludirt
werden von dem jure conſtituendi, approbandi Epiſcopos, Doctores \&c.
Wenn gleich an einem Orte ſumma libertas, ſo muß doch ein Princeps
auf die Docentes ſehen, ob es ſind homines ſeditioſi? So weit erſtreckt
ſich libertas religionis. Alſo iſt das jus circa ſacra nichts beſonders,
ſondern eben ein ſolches jus, welches er uͤber die uͤbrigen Collegia hat.
Qu. Soll der Princeps nicht 1) vor ſich ſuchen die wahre Religion zu am-
plectiren, 2) ſolche zu promoviren und 3) wenn er ſie promoviret, andere
ſuchen zu exſtirpiren? Reſp. Es iſt freylich in abſtracto gewiß, wo vera
religio iſt, die kan nichts als gutes wuͤrcken. Die vera religio iſt nichts
anders, als eine ſeries ſolcher dogmatum, welche uns nicht nur bekannt
machen Deum ſummum ejusque attributa, ſondern auch, daß man ihn
fuͤrchtet, ſeine actiones darnach einrichtet, den Nechſten liebet als ſich
ſelbſt; und wenn man alles dieſes veobachtet, nach dieſem Leben, das
ewige ſich zuwege bringet. Wer die wahre Religion hat, hat eine
groſſe Perl, und wird niemand leugnen, daß auch ein Princeps ſuchen
muͤſſe, die wahre Neligion zu erhalten, wie alle Menſchen ſolches thun
muͤſſen. Es iſt auch nicht zu leugnen, promoveat veram religionem,
h. e. faciat docere; Aber die Haupt-Frage iſt: Ob er alle andere Reli-
gionen extirpiren muͤſſe, ſi poſſit? Dieſe Frage hat mehr denn eine re-
lation bey ſich, und kan man nicht ſimplement antworten: 1) wird ge-
fragt, ob er alle falſas religiones ſolle ausrotten? 2) ſi poſſit. Reſp.
Wenn wir gewiß wuͤſten, was vera religio, waͤren alle davon uͤberzeugt
und lebten in einer ſolchen republique, wie die Judaica geweſen, ſo gienge
es wohl an, daß man die andern extirpiren koͤnne. Bey der Juͤdiſchen
Republique finden wir, daß nicht mehr als eine religio geweſen, es war
da-
[349]ſtatus circa religionem.
daſelbſt eine Theocratia, GOtt war bey ihnen, auf denſelben konten ſie
ſich verlaſſen, weil er potentiſſimus. Bey denen Juden war alſo leicht,
daß GOtt keinen eintzigen Irrthum litte, er hat ihnen viſibiliter gezeigt,
daß ſie die wahre Religion haͤtten, und war kein dubium de veritate.
Die Zehen Gebote hat er ihnen mit Donnern und Blitzen gegeben;
hergegen bey uns, wenn gleich einer de veritate verſichert iſt, ſo wird
doch noch immer disputirt. Wir haben in Teutſchland drey Religionen,
und die Reformirten ſagen, ſie haͤtten die wahre Religion, desgleichen
die Catholiquen und wir Lutheraner. Hoͤret man die Socinianer, ſo ſa-
gen dieſelben ebenfals alſo, und die andern alle waͤren bigots. Von andern
Schwermern nichts zu gedencken, welches iſt nun vera religio? En par-
ticulier kan freylich mancher de vera religione uͤberzeuget ſeyn, deswe-
gen aber iſt nicht ein jeder ſeiner Meynung. Sagt man: Genug, wenn
der Fuͤrſt die wahre Religion erkenne? Reſp. wenn er ſie erkennet, ſo
iſts gut. Allein iſt er ein Papiſt, ſo kan er ſagen dieſes ſey die wahre
Religion und reliquas kan er exſtirpiren, wenn er auch gleich die wahre
Religion hat, ſo kan er doch nicht reliquas extirpiren; Er hat ja die
Force nicht, welche GOtt hat. Diejenigen, welche dergleichen Re-
dens-Arten ex republica Judaica herholen, wie die Pfaffen zu Blois ge-
than, da ſie denen Hugenotten keinen Frieden halten wolten, werden
hier nicht gehoͤret. Denn es iſt jetzo eine gantz andere Verfaſſung.
En general muß man als ein poſtulatum ſetzen; daß keine Republique ohne
Religion gefunden werde. Religio ſupponirt Deum. GOtt will daß
man ihm ſoll gehorchen. Wer eine Religion hat, muß davor halten:
Deo eſſe obediendum per revelationem. Die revelatio iſt duplex, una fit
per rationem altera per SS. ſcripturam. Einige Nationes melden neben
der ration auch noch etwas von der Revelation. Alle Menſchen haben
eine Religion und halten dafuͤr, Deum aliquid revelare, wornach die
actiones zu dirigiren, ut ſit pax, tranquillitas. Auch die Tuͤrcken raiſoniren
ſo. Ratione modi und ratione eſſentiæ, in quo felicitas conſtituatur,
differiren wir, welches uns aber hier nichts angehet. Wir haben nicht
mehr religionem illam Judaicam, da Deus viſibiliter imperans in conſe-
quenti diſputatur de veritate, und wenn auch veritas gewiß, ſo entſtehet
doch die Frage: Oob ich das Vermoͤgen habe ſie zu zwingen. Man
ſiehet ja, daß dreymahl mehr Heyden als Chriſten und vielleicht noch ſo
viel Mahometaner als Chriſten. Alſo kan man eben nicht ſagen, wenn
ich die Leute zwingen kan, daß ich die wahre Religion habe. Gib mir
Geld, gib mir Dragouner, ſo will ich per præmia, par force Anhaͤnger
bekommen, welche defendiren, man koͤnne durch ein Bret ſehen, welches
X x 3vier
[350]Cap. V. De prudentia
vier Finger dicke. Es iſt alſo klar, hodie non poteſt fieri, ja ſagen ſie,
wir ſupponiren daß wir die wahre Religion haben, da muß der princeps
alle hereſes in herba ſupprimiten. Dieſes iſt auch des Autoris princi-
pium. Wir halten die Catholiquen und Reformirten vor Ketzer. Die
Reformirten halten uns und die Papiſten vor Ketzer. Die Socinianer
halten uns vor Idololatras; Ein Quacker ſagt, wir haͤtten einen Hirn-
Glauben, und wenn er koͤnte, ſo ließ er uns allen die Koͤpffe herunter
ſchmeiſſen, wie die Baͤrenheuter zu Muͤnſter gethan haben. Quid eſt
hereſis? Geſetzt, daß Carolus V. die Politic des Autoris geleſen, da Lu-
therus kommen, ſo haͤtte er koͤnnen ſagen: Supprimatur in herba. Viele
culpiren auch Carolum V. daß er es nicht gemacht, wie Franciſcus I.
der alle Reformirten ſupprimirt, das iſt eben der ſpiritus perſecutionis.
Laß es vielmehr warten bis zur Erndte-Zeit, es moͤgen mala oder bona
ſeyn. Wenn unſer HErr GOtt wollte unam religionem haben, wird
er zwantzig Mittel finden koͤnnen, ſolches zu bewerckſtelligen. Wir ſe-
hen aber nicht, daß er ſolches braucht, wir ſehen nicht, daß Chriſtus
ſolches gethan. Aus der Vernunfft ſehen wir auch kein argument, es iſt
ein deſiderium abſtractivum, ut religio ſit una, aber es iſt ſein Lebtage nicht
zu erwarten. Mit dem alten Teſtament komme mir nur nicht aufgezo-
gen, ſonſt will ich eben ſo viel wider dich vorbringen, wie die Spanio-
len gethan. Philippus II. wolte alle Ketzer in Europa ausrotten und hatte
ſchon Ketten und Banden fertig machen laſſen, in welchen er die Eliſabeth
dem Pabſt liefern wolte. Ich wuͤnſche nicht, daß ſo viel tauſend Irr-
thuͤmer in der Welt ſeyn ſolten, ſage auch nicht, daß ein Herr alle Se-
cten ſoll herbey rufen, ſondern es kommt nur darauf an, wie ein princeps
ſich conduiſiren, und ob er den ſpiritum perſecutionis nehmen ſolle. Nego, die
andern wehren ſich und haben auch ein groſſes argumentum vor ſich. Sie ſa-
gen, es kommt in der Religion auf die Gedancken, nicht auf die obedientiam
an. In Holland ſind allerhand Secten; wenn geſagt wird: ſummo principi pa-
rendum eſt, ſummo principi pendenda ſunt tributa, ſo ſind alle d’accord. Aber
in credendis wollen ſie eine Freyheit haben und vor dieſe Freyheit fechten ſie.
Sie haben auch ein jus quæſitum dieſe Freyheit zu defendiren. Videatur ora-
tio mea de libertate religionis, welche in Leipzig nachgedruckt worden,
it. Noodts Oratio de religione Jur. Gent. Libera. It. VVehrenfelſii diſſ. de
libertate conſcientiarum, welcher mit groſſer Beſcheidenheit alle dubia be-
antwortet. Da wir ohnedem zugeben, daß keine Religion kan beſtoh-
len werden, ſo kan man auch hier den ſpiritum perſecutionis nicht anneh-
men. Es heiſſet ja ſcrutamini und zwar cum cura, es kau leicht kommen,
daß einer auf Abwege geraͤth per interpretationes, wo eine Sache nicht
recht
[351]ſtatus circa religionem.
recht klar iſt, denn es ſind Sachen da, welche man nicht gleich einſehen
kan, da man die regulas interpretationis ex Logica muß appliciren. Man
hat conjecturas, eine conjectura iſt wahrſcheinlicher als die andere, demon-
ſtrationes kan man nicht allezeit in theologicis machen, dasjenige, was fehlet,
ſupplet fides. Fides aber muß frey ſeyn, und leidet keinen Zwang. Wenn der
Herr acht giebt, daß die Doctores ihre dogmata deutlich vortragen, mit ei-
nem guten Exempel denen Leuten vorgehen, und die Leute erbar leben, ſo kan
es geſchehen, daß wo vera religio in republica iſt, dieſelbe bleibet. Wir
haben ab initio veram Apoſtolicam religionem gehabt, und haben ſolcher
die adverſarii nicht viel Schaden gethan. Wie aber die eccleſiaſtici di-
ſputirt, und angefangen, liederlich zu leben, ſo ſind viele tauſend Secten
entſtanden. Indeſſen iſt es ſo. Jetzt iſt kein ander Mittel uͤbrig in o-
mni religione, als daß man ſagt: tolerantia neceſſaria eſt, und darinnen
ſteckt libertas ſentiendi. Monſ Lock hat de la Tolerence geſchrieben,
welches ſein beſtes Buch iſt. Ich habe auch von dieſer materie in mei-
nem I. N. \& G. die Haupt-Sachen aus dem Lock genommen, dieſer
hat auch das jus circa ſacra principum recht beſchrieben, und iſt nicht zu
weit gegangen. Er ſagt, man diſputirt lange, was der Princeps vor ein
jus habe, er hat eigentlich auf das jus acht zu geben, ne ſeditioſe doceatur.*
Wenn ich ſage, tolerantia muͤſſe admittiret werden, ſo iſt zu mercken,
was vor commoda und incommoda dabey vorkommen. Die commo-
da ſind nicht ſo geringe, als die incommoda. Der Fuͤrſt ſiehet freylich
gerne, daß uͤberall moͤchte die wahre Religion floriren, aber es iſt nicht
moͤglich, alſo iſt es beſſer, daß er alles toleriret, und laͤßt einem jeden glau-
ben, was er meynet, daß er koͤnne vor GOtt verantworten. Er brin-
get ſie doch nicht in dem Himmel, iſt auch deßwegen nicht da; Wer
weiß wohl eine Republique, da ſie ſich vereinigt einerley zu dencken, einer-
ley Religion zu haben, ſondern der Urſprung aller Republiquen, aller ci-
vitatum iſt geweſen, daß wir wollen ſicher leben, damit ein jeder unter
ſeinem Weinſtock koͤnne ſicher eſſen und trincken. In agendis laͤßt ein
Fuͤrſt ſeinen Unterthanen keine Freyheit, da muͤſſen ſie pariren, und heißt
es: neminem occidas, pacta ſerves \&c. Er kan auch ſeine Religion
welche er vor wahr haͤlt, dociren laſſen; Und ich glaube, wenn es die
wahre Religion, ſie wird docirt, gute exempla ſind dabey, ſo werden ſich
inſtando, monendo viel tauſend Menſchen darzu begeben. Auf einmahl
kan es nicht geſchehen, wer einen diſciple haben will, muß erſt etliche
Jahre mit ihm diſputiren, bis er ihn zu rechte bringet; Daher, wenn
ſich
[352]Cap. V. De prudentia
ſich die Leute nicht gleich geben, muß man nicht ſagen, man wolle laſſen
Feuer vom Himmel fallen. Wir haben viele præjudicia, welche erſt muͤſ-
ſen aus dem Wege geraͤumet werden. Man ſiehet, was einer vor Muͤ-
he hat, wenn er uns das will aus dem Sinne bringen, was er von ſeiner
Kinder Muhme gehoͤret. Noch viel ſchwerer gehet es zu, wenn einer
eine andere Religion ſoll annehmen, da ihm ſeine vorige Religion be-
ſtaͤndig ſo proponiret worden, daß, wenn er ſolches nicht glaube, kaͤme
er in die Hoͤlle, und wuͤrde verdammet, drum ſind ambitioſi, zornige Leu-
te gar nicht tuͤchtig, ad converſionem, ad emendationem, ſondern es muͤſ-
ſen ſolche ſeyu, welche eine groſſe Gedult haben. Die Bekehrung koͤmmt
auf GOtt an, ein Menſch hat mehr Gnade, als der andere, welches
unſere Theologi auch nicht negiren. Wenn aber ein Herr tolerantiam
admittirt, ſo muß er alle auf gleiche Art lieben, ſonſt giebt es Verdrieß-
lichkeiten; Diejenigen kan freylich ein Herr nicht toleriren, welche doci-
ren, magiſtratum eſſe tollendum. Tod machen muß er ſolche nicht ſon-
dern nur ſagen: Retirirt euch von meinen Grentzen. Eben ſo iſt es auch
mit einem Republiquain, welcher keine monarchie leiden kan, und ſagt,
ſie waͤre wider GOttes Ordnung, kommt ein ſolcher in eine monarchie,
ſo ſagt man: Gehe nach Athen, nach Holland. Alſo ſagt man nicht
von einer tolerantia illimitata. Es koͤnnte ein Narr kommen, und
ſagen, man koͤnne die Fuͤrnehmſten umbringen, das iſt ein turbator, wel-
chen man nicht leiden muß. Die tolerantia hat auch incommoda. Man
ſagt: Wer tolerantiam admittirt, giebt Gelegenheit zu Zaͤnckereyen;
Allein dieſes dubium iſt beantwortet in denen Penſees Libres ſur la Re-
ligion, nemlich die propoſitio fundamentalis muß ſeyn, daß man ſagt:
Wer zanckt, und dem andern incommodirt, ſoll pro turbatore gehal-
ten, und mit einer Todes-Straffe beleget werden, ſo hat aller Zanck ein
Ende. Geſetzt, daß an einem Orte zwantzig religiones ſind, und man
haͤtte das principium es ſolle tolerantia ſeyn. Die Catholiquen fangen
an, zu turbiren, ſo werden ſie pro turbatoribus gehalten und geſtrafft;
muß exempla ſtatuiren, ſo wird es bald aufhoͤren. Hauptſaͤchlich muß
man auf die eccleſiaſticos, auf die Prieſter achtung geben; Ich bin kein
Prieſter-Feind, bin ſelbſt eines Prieſters Sohn, habe auch ſchon gepre-
digt, kan aber nicht in Abrede ſeyn, daß die Prieſter muͤſſen im Zaum
gehalten werden. Wider die tolerence bringet man ſonderlich vor, es
entſtuͤnden libertini, Athei, in der Republique; Allein der metus iſt ful-
gur ex pelvi. In der Welt iſt viel Ungluͤcks entſtanden, nicht durch
Atheos, ſondern durch Bigots, durch den Pabſt und andere Leute, ſo die
tolerence nicht admittiren. Es iſt freylich gottloſe, wenn einer ein Atheiſt
iſt,
[353]ſtatus circa religionem.
iſt, aber wie viel ſind ihrer. Es iſt kein gens, ſo nicht Deum ſtatuirt,
und wird nicht præſumirt, daß einer ein Atheus, woferne nicht clariſſima
probatio da. Es kan einer allerhand wunderliche opiniones haben, deß-
wegen iſt er gleich noch nicht ein Atheiſt; Wenn wir die Kirchen-Hiſto-
riam und hiſtoriam philoſophicam anſehen, ſo koͤnnen wir keine zwey her-
aus bringen, von denen wir verſichert ſind, daß ſie rechte Atheiſten ge-
weſen. Wenn auch Atheiſten ſeyn, ſo laſſen ſie ſich es doch nicht mer-
cken. Meynſt du, daß Spinoza geſtanden, er ſey ein Atheus? Vielmehr
ſagt er ſe credere Deum, ſe demonſtrare, aber er ſagte, mundus und Deus
ſey einerley wie die alten Stoici geſagt, welche Athei geweſen. Athei pra-
ctici ſind genug in der Welt, dawider fechten wir nicht: Denn er weiß
nicht, was er ſaget, er kan nicht demonſtriren, eſſe Deum und auch nicht
Deum non eſſe. Er iſt ein homo luxurioſus, ein idiot, ein Ochs, die
man vor nichts halten kan. Die Athei Theoretici verbergen ſich, und
indem ſie ſich verbergen, ſind ſie ſtill; Spinoza iſt ein Atheiſt, die wenig-
ſten aber wiſſen, worauf es ankommt. Wenn alſo auch Athei da ſind.
Quær. An ſint turbaturi? Sehe ich das ſyſtema eines Athei an, ſo ſcheint
er turbaturus, weil er ſich fuͤr nichts fuͤrchtet, und wenn er nach ſeinen
principiis lebet, ſo machet er Lermen; Aber, wer lebt nach ſeinen princi-
cipiis, lebt ihr nach eurem Catechiſmo? Nein, und alſo weil ihr nicht
darnach lebt, wollt ihr denn ſchlieſſen, daß der Atheiſt nach ſeinem ſyſte-
mate lebt. Sein ſyſtema iſt wie unſer Catechiſmus. Die Atheiſten
wollen unter Menſchen leben, honores haben, etwas erwarten in der
Welt, und leben alſo auch nach ihren paſſionibus. Der Autor des Tra-
ctats de la religion des Hollandois reprochirt die Hollaͤnder, daß ſie den
Spinozam in ihren Landen duldeten. (Er hat den Spinozam ſelbſt geſpro-
then, mit dem Printz Condé, des jetzigen Hertzogs von Bourbon Ur-Groß-
Vater.) Allein es hat ihn ein Theologus zu Groͤningen, Joh. Braunius,
refutirt in einem tractat la varitable Religion des Hollandois. Er ſagt,
wenn die Hollaͤnder gleich den Spinozam dulden, deßwegen ſind ſie doch
nicht Athei. Spinoza wollte auch kein Atheus ſeyn, man hat ihn mehr
vor einen Juden gehalten, er war auch ein Jude, und weiß man nicht,
daß er getaufft worden. Die Juden fallen leicht auf dem Spinoziſmum;
Wenn auch alles wahr, ſagt Braunius, ſo thaͤte er doch nichts. Quas
enim turbas dedit? Er wollte nicht einmahl einen ſectatorem haben.
Bisweilen iſt er in die Kirche gegangen. Seine Leute hat er alle laſſen
in die Kirche gehen. Colerus hat ſein Leben beſchrieben, welcher alles
dieſes erzehlet. Er war ein Mann, der beſtaͤndig ſtudirte, machte mi-
croſcopia, und hatte ein plaiſir, wenn Fliegen ſich in Spinneweben ge-
Y yfan-
[354]Cap. V. De prudentia
fangen. Wenn man ihn nun auf das echaffaut gebracht, und als einen
turbatorem angeſehen, was wuͤrde es geweſen ſeyn. Suifft hat wohl
raiſonnirt, und ſagt: Es ſey nicht zu præſumiren, daß einer ein Atheus,
weil man auf allerhand Art kan Deum demonſtrare. Fenelon de l’exi-
ſtence de Dieu hat die modos probandi Deum eingetheilt in vulgares, me-
diocres \& ſubtiliſſimos. Man muß ſo certiſſimas probationes haben,
wenn einer ſoll pro Atheo gehalten werden. Gib du nur ſonſt Achtung,
daß keine impietas einreiſſet, lehre dein Volck, das iſt am beſten, dar-
innen beſtehet die impietaͤt, daß man ſeinen Naͤchſten nicht liebet, als
ſich ſelbſt. Wenn einer ein adulter, Aufruhr anfaͤnget ꝛc. Si impieta-
tem tollas iſt deine Republic gluͤcklich, der Princeps kan nicht alle einer-
ley fromm machen, darzu hat er die Prediger. Die Leute pariren frey-
lich beſſer, wenn ſie auf einerley fromm ſind, daß ſie nicht ex formidine
pœnæ das Boͤſe unterlaſſen, ſondern ex amore erga Deum, ex amore vir-
tutis. Wenn die Doctores ſagen: Iterna pietas muͤſſe promovirt werden
durch force, daß iſt nichts. Denn wenn man es par force thun kan,
ſo hat man die Prediger nicht noͤthig. Bayle hat ſub voce Ales ange-
mercket, daß vielmehr durch gute raiſonnements die Leute zu einen beſſern
Leben muͤſſen gebracht werden. Drum kan auch keine Republique ſine
eccleſiaſticis ſeyn, nur muͤſſen ſolche im Zaum gehalten werden. Uber-
haupt kan man freylich nicht ſagen, daß die eccleſiaſtici turbatores; Aber
es iſt ein kleiner Sprung, ſo nehmen ſie den gladium temporalem pro
ſpirituali, alsdenn tyranniſiren ſie recht, nicht allein die Unterthanen,
ſondern zuletzt ſich ſelbſt. An allen Religions-Streitigkeiten iſt niemand
mehr Schuld, als die Geiſtlichen, weil ſie das donum tolerantiæ nicht
haben. Sie toleriren lieber die Juden, und wiſſen doch, daß ſie von
dem Meſſia nichts halten. Ich habe mich gewundert, wie ich im Con-
ſiſtorio geſeſſen, daß, als ein bekehrter Jude kam und ſagte: Die Juden
haͤtten viel aͤrgerliche Gebeter, ſo waren einige Eyferer, welche meyne-
ten, man ſollte ihnen ſolche wegnehmen. Ich ſagte: Es ſey nichts, wir
wuͤſten gar wohl, daß die Juden von dem Meſſia nichts hielten. Die
Juden nehmen ihnen nichts, deßwegen toleriren ſie dieſelben; So bald
ein Princeps kaͤme, und ſagte: Er wollte die geiſtlichen Kirchen-Guͤter
denen Juden geben, ſo wuͤrde eine revolte entſtehen. Hergegen kommt
eine andere ſecte, ſo beiſſen ſie einander aus, als wie die Reformirten
die Lutheraner ausgebiſſen, in Heſſen, in der Pfaltz. Das iſt eben die
Klage, warum es mit der unione nicht von ſtatten gehet. Es iſt meum
\& tuum, das utile; Es will da einer dem andern nichts einraͤumen.
Sie dencken auch, es bekoͤmmt dieſer oder jener beym Principe eher Ge-
hoͤr.
[355]ſtatus circa religionem.
hoͤr. Unter denen Juden aber diſputirt man nicht viel, da dencken wir
conclamatum eſſe, daß ſie refutirt. Die wenigſten eccleſiaſtici ſchicken
ſich auch in controverſien. Wenn man hundert eccleſiaſticos ſich vor-
ſtellig machet, die noch ſo manſuet ſind, ſo veraͤndern ſie ſich doch. Bey
uns hatten wir einen modeſten Prediger, wie aber die Reformirten eine
halbe Stunde von Nuͤrnberg eine Kirche bekamen, und ſagten: Der
Reformirte Prediger waͤre ein wackerer Mann, weil ſo viele Buͤrger
aus Nuͤrnberg ihn angehoͤret, ſo trat jener Prediger, homo alioquin
admodum modeſtus auf, und predigte dawider, und entſtund ein groſſer
Streit. So iſts auch dem Auguſtino ergangen, welcher ebenfals ſehr
modeſt geweſen, bis er in das Donatiſtiſche Gezaͤncke kommen, ſonſt er
in ſeinen Schrifften von der tolerance unvergleichlich geſchrieben, ſo iſt
er doch in caſu donati feurig worden; deßwegen muß man denen Geiſt-
lichen auf die Finger ſehen, ſonſt kommen wir dem Pabſt ſehr nahe, we-
nigſtens nach dem verjuͤngten Maasſtabe. Auf Cantzeln laſſe man
moralia predigen, und controverſien anderswo tractiren. Grotius, als
Schwediſcher Ambaſſadeur, hat zwey Legations-Prediger gehabt, einen
Reformirten und Lutheriſchen, predigte der Lutheriſche, ſo refutirte er
dem Reformirten, und wenn dieſer predigte, ſo refutirte er dem Lutheri-
ſchen. Grotius ſagte, ſie ſollten das Maul halten, und moralia predigen,
da hat ein Eyferer geſagt: Ob er wolle dem Heil. Geiſt das Maul
ſtopffen; Dieſes iſt dem Grotio pitoiable vorkommen, daß die Leute ſich
eingebildet, als wenn der Heil. Geiſt durch ſie redete; Laͤßt man con-
troverſien zu, ſo jagen ſie einander heraus, entſtehen Kriege. Franck-
reich und Teutſchland hat nichts mehr ruinirt, als die Religions-Kriege.
Wir ſind zufrieden geweſen, da wir tolerantiam wegen der drey Reli-
gionen in Teutſchland erhalten haben. Es waͤre gut, daß wir eine
groͤſſere tolerantiam zulieſſen; Der Churfuͤrſt von Brandenburg Fridrich
VVilhelm nahm Socinianer ein, und hat Doctor Fecht gemeynt, der
Reichs-Fiſcal werde wider den Churfuͤrſten agiren, welches aber nicht
geſchehen. Wir koͤnnen alle hieraus lernen, daß es uns nicht gefallen
wuͤrde, wenn wir ausgejagt wuͤrden, ſo muͤſſen wir es auch nicht thun.
Es kan ja eine andere Secte kommen. Erſt waren die Lutheraner in
Teutſchland, hernach kamen die Reformirten, welche die Lutheraner nicht
leiden wollten, ſo gar, daß, da der Churfuͤrſt von Pfaltz reformirt wur-
de, ſie von Maximiliano II. verlangten, daß er demſelben die Chur neh-
men ſollte, welcher ihnen aber einen Verweiß gegeben. Es iſt eine
wichtige Sache, daß man ſich einen rechten concept mache de jure \&
prudentia Principis circa ſacra, damit die eccleſiaſtici keinen Schaden
Y y 2thun,
[356]Cap. V. De prudentia
thun, und bleiben bey der doctrina Apoſtolica. Daher iſts gut, daß
die eccleſiaſtici ſeparirt werden von denen actibus, da ein imperium iſt;
deßwegen wird diſputirt, ob ſie zu toleriren ſind in Conſiſtoriis, warum
ſollten nicht Juriſten von Conſiſtorial-Sachen eben ſo gut urtheilen koͤn-
nen? In Hamburg iſt auch kein Geiſtlicher im Conſiſtorio. Aber es
iſt ein Funcken aus dem jure canonico, daß die Geiſtlichen einige Rech-
te haben, als wenn die Juriſten nicht eben ſo gut koͤnnten urtheilen von
geiſtlichen Sachen als von Layen-Sachen. Wo die Pfaffen das Re-
giment haben, ſiehets allemahl uͤbel aus, weil ſie den ſpiritum perſecu-
tionis haben. Als Jacobus II. in Engeland denen Geiſtlichen ſo viel
ſchenckte, ſo ſagte der Spaniſche Geſandte, ſein Herr approbire nicht,
daß er ſo viel weggaͤbe. Hierauf hat Jacobus geſagt: Was thut euer
Koͤnig? Richtet er ſich nicht nach ſeinem confeſſionario? Der Geſandte
ſagte: Deßwegen gehe es eben ſo naͤrriſch in Spanien zu. Den con-
feſſionarium ſollte er brauchen in rebus ad ſalutem æternam ſpectantibus,
aber nicht in Staats-Sachen. Una religio waͤre gut; weßwegen
man auch auf eine union bedacht iſt, aber wo eine aperta contradictio,
da gehet keine union an, wenn nur diſputirt wird uͤber den modum,
e. g. Die Lutheraner und Reformirten ſagen, ſie bekaͤmen den Leib CHri-
ſti und das Blut CHriſti, ſie diſputiren uͤber den modum, da koͤnnte
man ſagen, ſie ſollten nicht diſputiren, lieſſe man ſie nicht diſputiren, ſo
waͤre es ſehr gut, aber ſo bald man ſagt, ſie ſollen nicht diſputiren, ſo
ſagen die Geiſtlichen: Ob man dem Heil. Geiſt wolle das Maul ſtopf-
fen? Und richtete man alſo nichts aus. Was die Catholiquen betrifft,
ſo ſoll man dieſelben nicht leiden. Es ſcheint dieſes abſurd zu ſeyn, da
doch erſt die tolerance recommendiret worden. Allein es iſt gedacht
worden, daß man alle Religionen zwar ſolle toleriren, aber nicht ſolche,
die turbas machen. Die Catholiſche Religion turbirt zwar an ſich
nicht, ratione dogmatum, aber die Geiſtlichkeit ſtehet unterm Pabſt, der
Pabſt hetzet ſie auf, und machet tumultus. Hievon hat man nicht nur
exempla recentiora, ſondern auch antiqua, ehe noch von denen Prote-
ſtanten etwas gehoͤret worden. Dieſes iſt die Urſach, warum die Japa-
neſer die Chriſten ausgerottet; denn es ſind lauter Catholiquen daſelbſt
geweſen. Der Pabſt ſagt, die Geiſtlichen muͤſſen ihm mehr gehorchen
als dem Landes-Herrn. Sie haben den ſpiritum conjurationis, ſedi-
tionis, und dependiren eines Fuͤrſten Unterthanen alle vom Pabſt.
Puffendorff in dem capite vom Pabſt hat dieſes wohl gewieſen. Die
Fanaticos, Quacker muß ein Landes-Herr auch nicht toleriren, wenn
er ſie nicht kan im Zaum halten; denn ſie halten von keinem Koͤnige
etwas.
[357]ſtatus circa religionem.
etwas. Sie haben in Engeland vor dem Koͤnig nicht einmahl den Hut
abgezogen. Wie der Koͤnig VVilliam nach Engeland kam, und ſie tha-
ten auch den Hut nicht ab, hats ihm greulich verdroſſen, weil ers von
denen Quackern in Holland nicht gewohnt geweſen, welche nicht ſo
ſchlimm ſind, als in Engeland. Sie ſagten, ſie waͤren in der Vollkom-
menheit, und brauchten keine magiſtratus. Buddeus hat eine Diſſerta-
tion de religionis habitu ad vitam civilem gehalten, welche er hernach
in octavo vermehrter edirt. Er hat die Schrifften etlicher Quacker ge-
leſen, welche ziemlich plauſible geſchrieben, davon man auch einiges fin-
den kan in des Theologi Beyeri Collegio Antifanatico, und meynt Bud-
deus, es koͤnnen dieſelben wohl tolerirt werden. Geſtuͤnden wir doch
ſelbſt, daß, wenn wir vollkommen waͤren, ſo brauchten wir keine impe-
rantes, aber wir werden nur conditionate, und halten uns nicht vor
perfect. Ja, ſagt Buddeus, ſie wuͤrden nicht gleich Lermen machen;
Allein der Quacker wird furioſus, rabidus, furibundus, kanſt du nicht
predigen. Wer das nicht glauben will, leſe nur die Muͤnſteriſche Hiſto-
rie, und kan er auch in des Arnolds Kirchen- und Ketzer-Hiſtorie da-
von Nachricht finden. Perizonius in Hiſtoria Seculi XVII. giebt rechte
Nachricht hievon. Sie haben extravagantien gemacht, dergleichen
man ſich kaum einbilden kan, deßwegen aber will ich dem Herrn Buddeo
keiner hereſis beſchuldigen, wie die VVittembergenſes gethan. Er hat
recht in abſtracto, aber in concreto nicht, politiſch hat er es nicht betrach-
tet. Dum quieſcunt, ſo ſind ſie mente capti, kommen ſie aber in furo-
rem, ſo iſt nichts zu helffen. In Engeland ſind ſonderlich viel Quacker,
wenn da ein Aeolus dazu koͤmmt, wie der Cromwell geweſen, ſo reiſſen
ſie dem Koͤnige den Kopf herunter. Clarendon in ſeiner Hiſtoire de
Guerres civiles en Angleterre hat auch gewieſen, was dieſes vor Leute
ſind. Nirgends iſt der Fanaticiſmus mehr verhaßt, als in Franckreich.
Es war daſelbſt ein Fanaticus, Nahmens Demarais, von dem alle das
ſchimpfflichſte geredet. Meiſtentheils ſind ſie homines Melancholico-
Sanguinei. Ratione Veneris machen ſie offt allerhand exceſſe, dum non
ſunt triſtes, ſunt voluptuarii. Ins Zucht-Hauß muß man ſolche En-
thuſiaſten thun, und ſie laſſen raſpeln, damit ihnen die Melancholie ver-
gehet, und ſie keine Geſichter mehr ſehen. In Engeland laſſen auch die
Leute zu rechter Zeit Ader, ehe die Hundstage kommen, damit ſie nicht
ſo einen raptum bekommen.
Y y 3Sectio
[358]Cap. V. De prudentia
Sectio X.
de
Prudentia ſtatus circa fœdera \& Legatos.
§. 1. 2.
und von Buͤnd-
niſſen uͤber-
haupt.
DIe connexio iſt: Bisher iſt abgehandelt worden de juribus ma-
jeſtaticis rite \& prudenter exercendis, ſo man nennet diſquipa-
rantiæ. h. e. Was man mit ſeinen Unterthanen zu thun hat,
da iſt diſproportio inter imperantem \& ſubditos. Wir haben auch jura
majeſtatica æquiparantia, die wir exerciren in Anſehung anderer princi-
pum, anderer rerumpublicarum. Vocabulum æquiparantiæ enatum eſt
in ſcholis Barbarorum. Man nennt ſie æquiparantiæ, weil hier eine
æqualites, e. g. jus fœdera pangendi, jus legatos mittendi, jus belli \&
pacis, geſchiehet inter homines æquales, welche jura hier tractirt werden,
und wird gezeigt, quomodo ſint exercenda. Quær. Ob man noth-
wendig fœdera machen muͤſſe, oder ob man ohne dieſelben ſeyn koͤnne?
Es ſind allezeit abſtractive Tropffen, Schul-Fuͤchſe, welche ſagen,
was brauchen wir ſolennia fœdera. Ein privat-Mann machet keine
ſolennitaͤten, poteſt coaleſcere amicitia, etiamſi nihil conſignetur und ta-
lis amicitia waͤre beſſer, als ein fœdus. Dieſes aber ſind Perfectioniſten,
Stultiſten aus dieſer Urſach: Es iſt impoſſible, daß man regieret, und
ſich einen concept machet, alle waͤren wiedergebohren. Wenn auch
eine Republique in ſumma perfectione ſtuͤnde, ſo haben ſie doch boͤſe
Nachbarn, welche ſie verſchlingen koͤnnen. Iſt doch die respublica lu-
daica a potentioribus verſchlungen worden. Daher muß ich nicht allein
Buͤndniſſe haben ut defendar, ſondern ich muß mich auch in dem Stand
ſetzen, daß ich ſelbſt Krieg fuͤhren, und offenſive gehen kan. Ohne Krieg
kan man nicht ſeyn. Es war eine ſottiſe von Jacobo I. in Engeland,
daß er keinen Krieg fuͤhren wollte, wodurch er verurſachet, daß das Koͤ-
nigreich Engeland in einen ſolchen verderblichen Zuſtand gerathen. Kei-
ner muß dencken, es ſey was paradoxes, Krieg zu fuͤhren; Offt iſts gut,
daß man auswaͤrts Kriege hat, ſonſt wuͤrden ſich innerliche Unruhen her-
vor thun. Die Menſchen ſind einmahl naͤrriſch, und leben nicht mehr
in ſtatu perfectionis. Alle werden von affecten regieret. Es ſind die
fœdera vel bellica vel pacifica, dieſe gehoͤren ad commercia \& alia. Hier
wird
[359]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
wird hauptſaͤchlich de fœderibus bellicis gehandelt. Der Autor hat auch
eine politiſche Diſſert. de Prudentia circa fœdera gehalten, welche man
a part hat, und auch finden kan in ſeinen Select. I. N. \& Gent. dieſe iſt
inſtar Commentarii hier zu gebrauchen.
§. 3. 4. Bey denen fœderibus muß man Acht geben auf die Per-
ſonen, und bey denen Perſonen ſind viele Umſtaͤnde, welche Gelegenheit
geben, zu unterſchiedenen reflexionibus. Die Perſonen ſind entweder
mehrere, oder wenig, daher Quær. ob mit vielen ein fœdus, eine alliance
zu ſchlieſſen.
§. 5. Ehe die vorgedachte Frage decidiret wird, muß etwas deOb mit vielen
ein Buͤndniß
oder alliance
zu ſchlieſſen
ſey.
fine fœderum præmittiret werden, welches der Autor unten beybringet,
gehoͤret aber eigentlich hieher. Der finis iſt defenſio, ſecuritas, tranquil-
litas, pax. Wenn auch einer ein fœdus gemacht, mit groſſen Verſiche-
rungen in perpetuum, und es iſt nicht mehr nuͤtzlich, ſo kan er davon ab-
gehen. Dieſen Satz habe ich in der Diſſert. de Transact. defendirt.
Die Stadt Bern hat ein gewiß fœdus perpetuum gehabt mit andern,
etliche darunter haͤtten groſſen Schaden gehabt, wenn ſie dabey bleiben
wollen. Wir bekamen die Sachen heraus, und haben geſprochen, daß
ſie nicht verbunden, dabey zu bleiben. Ich habe einen locum aus dem
Cambdeno von der Koͤnigin Eliſabeth allegirt, da eben dieſes defendiret
wird. Wenn ich ein fœdus in perpetuum gemacht, ſo habe ich es nicht
gethan ut peream, ſondern mich zu conſerviren. Wie der Koͤnig Chri-
ſtian von Daͤnnemarck a parte einen Frieden machte, ſagten die Frantzo-
ſen, er thue wider das fœdus, ſo er mit ihnen gemacht. Chriſtian aber
antwortete: Er koͤnnte ſich nicht helffen, ſonſt muͤſte er uͤbern Hauffen
gehen. Aber das iſt nicht recht, wenn interitus nicht da iſt, und ſie fin-
giren einen. Die Hollaͤnder haben es uns etliche mahl gethan, aber
wir haben ihnen Gelegenheit dazu geben. Ein jeder, der ein fœdus macht,
hat ein intereſſe, und hat man ſich hier nichts perfectes einzubilden, da-
her heißt es: Non facile cum pluribus fœdus ineundum. Wo viel fœ-
derati, vatiiren die intereſſe. Dieſer hat avantage, der andere nicht, und
gehet caput. Wie das fœdus zu Cambray wider die Venetianer ge-
macht worden, ſo wurde der Juſtiniani ein Nobili di Venetia an dem
Kayſer geſchicket, eine Vorbitte zu thun. Die Venetianer haben ſo
gar Maximiliano angebothen, die Hoheit des Teutſchen Reichs zu agno-
ſciren, wenn er ihnen Friede geben wollte. Aber der Frantzoͤſiſche Ge-
ſandte hielte eine formidable oration wider die Venetianer, welche Ame-
lot in ſeinem Etat de Veniſe druͤcken laſſen. Wie Juſtinianus ſahe, daß
er den Kayſer nicht erbitten konnte, alle waren wider die Venetianer, ſo
ſagte
[360]Cap. V. De prudentia
ſagte er: * Mein Troſt iſt, daß ſie nicht reuſſiren werden, weil viele in
der alliance und bald Uneinigkeit entſtehen wuͤrde; Es geſchahe auch, die
Frantzoſen avancirten und nahmen den Venetianern viel weg, der Pabſt
wurde jaloux, und machinirte wider Franckreich. Ferdinandus Catholi-
eus gieng ab von der alliance, und machte mit denen Venetianern einen
Frieden; Der Kayſer Maximilianus konnte allein nichts thun, weil er
kein Geld hatte. Vana erat ſine viribus ira, alſo obtinirten doch die
Venetianer. Philippus Cominæus hat eben ſo reflectirt uͤber die ligue
wider Carolum VIII. da derſelbe nach Napoli gieng, waren auch drey
wider ihm. Wir haben gedacht, wie die Præliminair-Tractaten heraus
kamen, Franckreich aufzuzehren, Arelat wieder zu bekommen, und viel-
leicht auch den Lehn-nexum von Dauphiné und Provence. Der Koͤnig
in Franckreich kam aber, und dividirte, die Engelaͤnder traten ab drum
ſagt man: Bull oder Ochs haͤtten alles verderbet, und bekamen wir
alſo nichts. Man kan nicht ſagen, daß man gar nicht cum pluribus
ſollte fœdus inire, man nimmts, wie es koͤmmt. Grotius in ſeinen opu-
ſculis poſthumis hat ein conſilium geſtellet, wie die Hollaͤnder ſich am
beſten conduiſiren ſollten, und obſerviret, daß die Hollaͤnder es ſollten
bleiben laſſen, mit vielen fœdeta zu machen, wenn es nicht die hoͤchſte
Noth erfordere. Mehrentheils lauffen ſolche fœdera ſchlecht ab.
entlegenen
Buͤndniſſe zu
ſchlieſſen?
§. 6. 7. Alle fœdera haben ein intereſſe, daher muß man cum
longe diſtantibus nicht leicht fœdera machen; Dieſes muß man aber cum
grano ſalis betrachten, das heiſt nicht allezeit vicinus. Ich wohne in
Halle, und du zu Paſſendorff. Die Schweden koͤnnen ein fœdus ma-
chen mit denen Tuͤrcken wider den Czaar, denn da koͤmmet der Tuͤrck von
hinten, und attaquirt Moſcau. Vicinum eſſe, heißt in Politicis, da ich
eine avantage haben kan. Wir ſind, ratione des intereſſe, Nachbaru;
Daher iſt leicht zu ſehen, daß die politiſchen Doctores ſich vergebliche
Muͤhe geben, wenn ſie fragen: Quis eſt vicinus, und diſputiren auf al-
lerhand Art, es ſind Logomachien. Ratione pacis koͤnnen einem offt
andere beyſtehen. Der Czaar wuͤrde wegen Perſien nicht ſo reuſſiret
ſeyn, wenn er nicht den Frantzoͤſiſchen Abgeſandten, Monſ. Bonac, ge-
habt. Bisweilen aber iſt mit remotioribus nichts zu thun. In Puffen-
dorffs rebus geſtis Caroli Guſtavi leſen wir, daß Carl Guſtav mit dem
Ragozky eine alliance gemacht, zuletzt aber habe man geſehen, daß es ei-
ne
[361]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
ne chimære; er war zu weit entfernt. Monſ. Temple hat in ſeinen œco-
res melées p. 14. unter andern uͤber die intereſſen von Europa raiſonni-
ret, und obſerviret, als einen Fehler von Franckreich, daß es ſich allezeit
mit Bayern alliirt, und gedacht, Oeſterreich hiedurch zu ſchaden. Bayern
aber ſey allein zu ſchwach, Oeſterreich Schaden zu thun, habe allezeit
verlohren, und Franckreich habe nichts profitiret. Sonſt ſehen groſſe
Herren gerne, wenn Geſandte geſchicket werden, welche fœdera amicitiæ
aufrichten. Carolus Magnus hat ex remotiſſimis locis Geſandte bekom-
men. Ludovicus XIV. in Franckreich hat lange einen Perſiſchen Geſand-
ten in Franckreich gehabt; Von denen Perſiern aber haben die Frantzo-
ſen wenig avantage, auch was die Handlung betrifft, aber es dienet zur
gloire des Herrn, daß er ſich in guten credit ſetzet bey ſeinen Untertha-
nen, und auch bey Auswaͤrtigen; Daher muß einer manchmahl auf
Geſandten viel ſpendiren. Es kan keiner ſagen, er wolle mit dieſen oder
jenen kein fœdus machen: Denn es kan ſich changiren. Franckreich hat
jetzt ein fœdus mit Moſcau, da in hundert Jahren kein Frantzoͤſiſcher
Ambaſſadeur nach Moſcau kommen. Man hat aber in Franckreich
wahrgenommen, daß jetzo nothwendig, des Czaars Freundſchafft zu ha-
ben, weil der Czaar nun ein ſuffragium zu ſagen in ſenatu gentium hat,
da er eine Oeffnung in der See hat, und ſo viel Schwediſche Laͤnder
acquiriret. Der Koͤnig VVilliam hat ſich um die Freundſchafft des Koͤ-
nigs von Fez und Marocco nicht beworben; aber nach der Zeit hat man
doch ſeine Freundſchafft geſuchet, und alliancen mit ihm gemacht wider
die Spaniolen. Die Unterthanen im Koͤnigreich Fez und Marocco ſind
zwar keine groſſe Soldaten, ſie koͤnnen aber doch denen Spaniern eine
diverſion machen, Ceuta belagern und ſonſt behuͤlfflich ſeyn. Wie wir
wider den Duc d’Anjou Krieg gefuͤhret, ſo fehlete es uns an Pferden.
Von Engeland konnte man die Pferde nicht hinuͤber bringen, weil ſie
den Sturm nicht koͤnnen ausſtehen, ſo hat der Koͤnig von Marocco zwoͤlff
tauſend Pferde nach Spanien gelieffert. Wer ſollte gedacht haben/
daß die Roͤmer und Francken wuͤrden zuſammen in eine alliance treten,
und doch iſts geſchehen, wie der Attila, der Hunnen Koͤnig eingefallen,
da ſchlugen ſie ihn bey Chalons aus dem Felde. Die groſſen Herren
muͤſſen auch ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie nicht lange Zorn halten, weil das
intereſſe changirt. Wie die Hollaͤnder den Frieden zu Nimwegen ge-
ſchloſſen, und den Chur-Fuͤrſt, Friedrich VVilhelmen, ausgeſchloſſen, war
er ſehr erbittert wider die Hollaͤnder, ſo gar daß er auch einige harte
Worte wider den Hollaͤndiſchen Geſandten ausgeſtoſſen; Der Hollaͤn-
diſche Geſandte ſagte: Er ſaͤhe wohl, daß der Chur-Fuͤrſt boͤſe, aber es
Z zwuͤr-
[362]Cap. V. De prudentia
wuͤrde ſich bald changiren, es waͤhrete auch nicht lange, ſo wurden ſie
wieder Freunde; Denn Franckreich machinirte von neuen, ſo war der
Chur-Fuͤrſt neceſſitirt von neuen zu ſchlieſſen mit Holland. Es koͤmmt
bisweilen commune periculum, da diejenigen wieder Freunde werden,
welche vorher einander als Feinde tractirt. Die Venetianer und Pabſt
Julius II. waren groſſe Feinde, wie aber der Krieg zwey Jahr gewaͤhret
hatte, ſo waren ſie wieder Freunde, und machten ſeditiones contra alios.
Dieſes kan man alſo aus der experience ſattſam ſehen, wenn man auch
nur die Gazetten und Hiſtoire du temps ſiehet. Kayſer Maximilianus,
ob er gleich ſonſt zugeſtanden, daß man nicht beſtaͤndig eines ſein Feind
ſeyn koͤnne, hat doch uͤbel raiſonniret, da er mit denen Venelianern nicht
Friede machen wollte, und doch war kein Krieg. Keiner hat den andern
vieles gethan, weil ſie alle beyde ſchwach waren. Maximilianus hat
geſagt, er haͤtte ein roth Buch, in welches er alle injurias geſchrieben, ſo
ihn die Frantzoſen und Venetianer angethan. Bey denen Frantzoſen
hat er es vergeſſen, aber weil die Venetianer klein waren, wurde er hoch-
muͤthig, und wollte keinen Frieden machen. Die Venetianer aber ha-
ben ihm groſſen Tort gethan; Daher auch Carolus V. ſo bald er auf
den Thron kam, mit denen Venetianern Friede machte.
des Genoſſen
man wehlen
ſollte?
§. 8. Leute, die keinen politiſchen Verſtand haben, dencken, man
ſolle nur mit æqualibus fœdera machen, als wenn wir allezeit das tem-
po in der Hand haͤtten, und koͤnnten thun, was wir wollten. Man muß
die Gelegenheit in acht nehmen. Die Schul-Fuͤchſe haben in dem Ju-
ſtino vom Philippo Macedone geleſen, daß derſelbe mit denen kleinen
Ob potentio-
res?Staͤdten fœdera geſchloſſen, und dieſelben nach einander verſchlungen,
wodurch tota Græcia ad Philippum kommen. Von dieſen particularitaͤ-
ten ſchlieſſen ſie auf alle caſus. In denen gemeinen politiſchen Buͤchern
findet man allezeit dieſes raiſonnement. Es iſt wahr, man hat Gefahr
bey einem potentiori. Die Republic Venedig hat auch die maxime,
daß ſie nicht leicht cum potentiori ein fœdus macht. Cominæus hat ſelbſt
wegen einer alliance in Venedig negotiiret, da Carolus VIII. Neapolis
wegnehmen wollte. Die Venetianer haben ſich nicht wollen declariren.
Auf die letzt, da ſie ſahen, daß die Frantzoſen heraus muſten, ſo conjun-
girten ſie ſich mit andern. Alſo, ob ſie nicht gleich gerne ſœdera offen-
ſiva und defenſiva machen, ſo geben ſie ſich doch manchmahl. Comi-
næus hat gemeynet, ſie wuͤrden ſich gar nicht bequemen, hat ſich aber
betrogen. Man muß freylich allezeit gewaͤrtig ſeyn, daß der potentior
den impotentiorem ſupprimiret. Wir haben wenig Exempel, da der
cliens den potentiorem uͤber den Kopff gewachſen, auſſer dem Pabſt,
wel-
[363]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
welcher revera unter dem Kayſer geſtanden, und ſich doch hernach in die
Hoͤhe geſchwungen. Die Urſach, warum viele Politici in Teutſchland
gemeynet, man ſolle nicht cum potentiori ein fœdus machen, iſt auch,
weil ſie wahrgenommen, daß diejenigen in Teutſchland, welche mit Franck-
reich geſchloſſen allezeit uͤbel davon gekommen, theils daß Franckreich
profitirt, theils, daß ſie von Land und Leuten gejagt worden. Der Chur-Fuͤrſt
Moriz machte auch zu Torgau eine alliance mit dem Koͤnig in Franck-
reich wider Carolum V. aber es giengen bald Mez, Tull und Verdun
verlohren, deßwegen gieng auch Moriz wieder davon ab, und ſagte: Es
waͤre die intention nicht geweſen, in Teutſchland Laͤnder wegzunehmen.
Neceſſitas hat kein Geſetz, alſo auch nicht ratione potentioris, muß man
ſich in acht nehmen, man blamirt ſonſt den Hertzog von Savoyen, daß
er nicht beſtaͤndig ſey, indem er bald dem Kayſer, bald Franckreich an-
haͤnget. Allein Bayle ſagt: Solche Leute raiſonnirten nur ſo obenhin,
und verſtuͤnden es nicht. Man hat wahrgenommen, daß einige gute
Herren zeithero in Savoyen tegieret, aber ſie haben ſich nicht anders
auffuͤhren koͤnnen; Sie ſitzen zwiſchen zwey maͤchtigen Herren, Franck-
reich und dem Kayſer. Wenn ſie mit Franckreich eine alliance gehabt,
haben ſie befuͤrchtet, daß ſie wuͤrden von denen Spaniolen, die Mayland
beſaſſen, incommodirt werden, und viciſſim haben ſie auch denen Spa-
niolen nicht duͤrffen trauen, wenn ſie mit denenſelben eine alliance ge-
habt, weil ſie potentiores geweſen. Daher haben ſie balancirt, bald die-
ſen, bald jenen beygeſtanden. Es ſcheinet, daß dieſes eine inconſtantia,
aber das intereſſe hat es nicht anders erfordert. Es waͤre eine Thor-
heit perire cum aliquo, und die gloire machen, quod fœdera ſervemus.
Wenn ich mit einem privat-Mann ein pactum mache, ſo muß ers hal-
ten, wenn er auch gleich ſollte zu Grunde gehen; Thut er es nicht, ſo iſt
er perfidus; Aber bey groſſen Herren iſts nicht ſo, ein jeder weiß, was
ſie vor einen finem, ſcopum haben, erhalten ſie den nicht, ſo koͤnnen ſie
abgehen. Es finden groſſe Herren immer Gelegenheit, daß ſie koͤnnen
abgehen. So hats Friedrich VVilhelm gemacht, wie man in denen
memoiren des Monſ. Terlon lieſet. Carl Guſtav hat ſelbſt geſagt, daß
er ſich auf alle Art und Weiſe in acht genommen, dem Friedrich VVil-
helm keine Gelegenheit zu geben von der alliance abzugehen, aber in ei-
nem eintzigen Stuͤck habe er es doch verſehen, da denn Friedrich VVil-
helm ſolches in acht genommen, und abgegangen. Beym Puffendorff
wird man eine ſchoͤne paſſage finden hievon. Er machte erſt das fœ-
dus mit Carolo Guſtavo, daß er wollte ſein Vaſall ſeyn. Carl Guſtav
wollte viel im commercio aͤndern, daraus wurde aber nichts, als Frie-
Z z 2drich
[364]Cap. V. De prudentia
drich VVilhelm abgieng, und mit denen Pohlen einen Frieden
machte.
ſchwaͤchern ein
fœdus machen
ſolle?
§. 9. 10. Quær. Ob man mit miſeris ſolle alliancen machen?
Reſpond. Wer alliancen machen will, der muß es bey Zeiten thun, weil
er noch in gutem Stande iſt, und iſts ein Fehler, wenn ein Herr gar kei-
ne alliancen macht. Brauchet einer ſie gleich jetzo nicht, ſo koͤnnen doch
viel tauſend caſus intervenire, da einer ſuccumbirt, hernach findet er kei-
ne alliance. Lipſius hat in ſeiner politic von alliancen wohl raiſonniret.
Es war ein Fehler von Carolo I. in Engeland, daß er keine alliancen ge-
macht, und hieß es: Inopia amicorum me perdidit. Clarendon in ſei-
ner Hiſtoire des Guerres civiles en Angleterre hat ſchrecklich auf die Fuͤr-
ſten in Europa loßgezogen, daß ſie ſich des Caroli I. nicht angenommen.
Allein Carolus I. iſt ſelbſt daran Schuld geweſen, warum hat er nicht
alliancen gemacht? Wer will ſich meliren vor einen Herren, da man
proxime ſiehet, daß er wird zu Grunde gehen. So habe man auch
wahrgenommen, daß obgleich auch Carolus II. in der gantzen Welt her-
um geweſen, ſich doch niemand ſeiner angenommen. Haͤtte er vorhe-
ro ſocios geſucht, ſo waͤre es beſſer geweſen. Der Koͤnig Auguſtus in
Pohlen, wie er lag, konnte nirgends ein fœdus finden. Er erinnerte uns
der Erb-Vereinigung, wir ſagten aber: Vermoͤge derſelben waͤren wir
zu vier hundert Mann verbunden, die wuͤrden ihm wenig helffen. Ar-
me Leute ſind gefangene Leute, und auch ruinirte Herren. Derjenige alſo, ſo
infirmioris conditionis muß nicht gleich ein fœdus cum potentiori machen,
doch kan er profitiren, wenn die potentiores ſonſt ein intereſſe haben. e. g.
Wie der Hertzog von Braganza in Portugall auf dem Thron ſtieg, ſo
hatte es ein ſchlechtes Anſehen, alles war ruinirt, und kein Geld vorhan-
den. Aber per accidens geſchahe, daß ihm geholffen wurde. Denn die
Hollaͤnder und Frantzoſen ſahen, daß ſie durch Portugall Spanien
ſchaden koͤnnten, deßwegen ſtunden ſie demſelben bey. Wenn man
die Hiſtoire des Richelieu lieſet, ſo findet man, daß wenn der Karn ein-
mahl in ein modericht Land geſchoben worden, er ſich nicht wollen en-
gagiren. Vaſſor in ſeiner Hiſtoire von Ludovico XIV. und Spanheim in
ſeinen memoiren von der Louiſe Juliana, der Mutter Friderici V. erzehlet
als einen Fehler von demſelben, daß er ſich um keine alliancen bekuͤmmert.
Wie er nun die Schlacht beym weiſſen Berge verlohren, wolte ihm nie-
mand helfen. Richelieu ſagte, warum er nicht bey Zeiten gekommen
waͤre. Unter der Hand halff er ihm freylich, hetzte andere auf, aber
in ein foedus offenſivum wolte er ſich nicht mit ihm einlaſſen. Richelieu
ſagt in ſeinem Teſt. Politique. Es waͤre ein Ungluͤck vor ein Volck, wel-
ches
[365]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
ches einen ſchwachen Herren haͤtte, und beſſer, wenn er ſich ohne anderer
Huͤlffe koͤnte conſerviren, waͤre eraber ſchwach, ſo muͤſte er auch auf allian-
cen bedacht ſeyn. Der Koͤnig in Daͤnnemarck kan ſich nicht conſervi-
ren, wenn er nicht foedera cum potentioribus machet, er waͤre laͤngſt zu
Grunde gegangen, woferne ihm nicht die Hollaͤnder beygeſtanden. Ein
foedus Clientelare, Protectorium kan man gar wohl machen. Es iſt
auch unſern Teutſchen Fuͤrſten nichts verboten. Alſo hat ſich der Ertz-
Biſchoff zu Trier, Chriſtoffel, in die protection des Koͤnigs von Franck-
reich begeben; der Kayſer improbirte es zwar. Puteanus aber hat eine
gantze diſſert. de foederibus inæqualibus geſchrieben, worinnen er ſolches
defendirt. Obrecht hat eine ſchoͤne diſſert. de foederibus geſchrieben, in
welcher man alles, was man ratione jurium verlanget, finden kan. Ich
ſelbſt bin einsmahls willens geweſen davon zu ſchreiben, wie aber dieſe
diſſertation geſehen, habe ſolches unterlaſſen, weil nichts gefunden, daß
koͤnte hinzu gethan werden (des Obrechts Opera hat man zuſammen ge-
druckt, und wird niemand gereuen, der ſie kaufet. Man findet ſowol
juriſtiſche als politiſche Sachen in denſelben. Er iſt Catholiſch worden,
und war Prætor Regius in Straßburg.
§. 11. Es kommen in dieſem paragrapho zwey membra vor, 1) obOb mit Boͤſen
und Unglaͤubi-
gen ein Buͤnd-
niß zu ſchlieſ-
ſen.
man mit boͤſen Fuͤrſten ſolle foedera machen? 2) ob man mit Unglaͤu-
bigen koͤnne foedera machen? Was das erſte betrifft, ſo iſt zu mercken,
die Gelehrten ſind abſtractioniſten, ſie bilden ſich ein, gleichwie man von
einem Privat-Mann ſagen koͤnne: Noſcitur ex ſocio, qui non cognoſcitur
ex ſe, ſo habe es auch bey denen Fuͤrſten ſtatt. Diejenigen Fuͤrſten,
welche mit gottloſen Fuͤrſten alliance machen, waͤren ebenfals gottloſe;
Es iſt aber ein abgeſchmacktes raiſonnement, groſſe Herren leben alle
in ſtatu naturæ. Der ſtatus naturæ iſt kein Stand der Wiedergebuhrt,
alles gehet nach dem intereſſe, nach denen paſſionibus. Alſo iſts abge-
ſchmackt, wenn man ſagt: Fromme Fuͤrſten muͤſten mit frommen Fuͤr-
ſten alliancen machen. Hier koͤmmts auf keine Froͤmmigkeit, auf keine
amicitiam an; Wo ſind die Republiquen, ſo fromm ſind? Die Leute
betrachten nicht, wie heut zu Tage die Republiquen beſchaffen ſind. Ja
wenn kein Regent einen andern affect haͤtte als honeſtatem, er waͤre ſua
ſorte contentus, ſo wuͤrde alle Unruhe ceſſiren, alle Kriege wuͤrden auf-
hoͤren. Im Tauſendjaͤhrigen Reiche wirds ſo ſeyn, ob aber das kommen
wird, weiß ich nicht. Wenn wir aber Europam conſideriren, ſo iſt der-
gleichen ſtatus nicht zu hoffen. Man ſiehet, wie die Leute geſchoren wer-
den, wie die Europaͤer die Indianer vexiren. Den ſtatum Europæum
muß man conſideriren, da werden Fromme und Boͤſe gefunden, denn
Z z 3man
[366]Cap. V. De prudentia
man ſuchet ſich zu retten und zu conſerviren, ne pereat noſtra navis Rei-
publicæ. Es koͤmmt darauf an, ut potenter defendar, das koͤnnen auch
boͤſe thun. Man nimmt die boͤſen Buben, und ſchlaͤgt andere damit
todt. Gleichwie unter einer Armee nicht lauter Wiedergebohrne ſind,
alſo iſts auch bey einer Republique nicht zu hoffen. Hier kan auch ob-
ſerviret werden, daß ich mich darum bekuͤmmere, ſi alteri immineat pe-
riculum, ob er juſtam cauſam hat oder nicht. Iacobus I. hat kindiſch
raiſonnirt, da er ſeinem Schwieger-Sohn, Fridrich V. nicht het wollen
beyſtehen, weil er malam cauſſam haͤtte, und ſich wider den Kayſer auf-
gelehnet. O du armer Tropff! mancher denckt, er habe wohl raiſonnirt,
aber es iſt albern. Hier kommts darauf nicht an: An Fridericus, Bo-
hemiæ Rex, peccaverit? Es iſt auch eine quæſtio, ob er ſich nicht de
jure defendiren koͤnnen, weil ihn doch die Boͤhmen gewaͤhlet. Geſetzt
auch, es ſey wahr, wie Iacobus raiſonnirt, Fridericus habe malam cauſ-
ſam, ſo haͤtte er ihm nichts deſto weniger beyſtehen koͤnnen, weil es auf
ihn ſelbſt wuͤrde losgegangen ſeyn, wenn Fridericus gaͤntzlich ſupprimi-
ret worden. Es muß da eine balance unter den Potenzen in Europa
gehalten werden, ſonſt ſupprimiret einer den andern. Eben ſo wurde
raiſonniret bey dem Koͤnige in Pohlen. Die Schweden ſagten: Es koͤnte
niemand demſelben beyſtehen, weil er den Koͤnig in Schweden ohne raiſon
attaquirt. Wenn man auch wolte zulaſſen, daß er es ohne raiſon ge-
than, wiewohl noch alles kan defendiret werden, ſo kan man deßwegen
nicht ſagen, daß niemand ihm beyſtehen ſolte, und den Koͤnig in Pohlen
laſſen zu Grunde gehen. Wir ſehen nicht auf juſtam cauſſam, ſondern
was nuͤtzlich iſt. Wenn einer noch ſo juſtam cauſſam hat, ſo ſiehet
man doch, daß, wenn er obtiniret, er hernach ſucht andere zu ſupprimi-
ren; Wenn er auch gut iſt, iſt deßwegen ſein Succeſſor ſo? daher iſt
niemand, der die conduite lacobi I. approbiret, daß er ſeinen Schwie-
ger-Sohn ſo ſterben laſſen. Die Raiſon d’Etat erfordert, andern bey-
zuſtehen, das iſt aber nicht Teufels-Werck, ſondern ich ſuche mich da-
durch zu conſerviren. 2) Quær. Ob mit Unglaͤubigen, mit denen Tuͤr-
cken und Heyden, ein foedus zu machen? Der Autor ſagt: Non facile.
Andere meynen, man ſolle ſich auf dem lieben GOtt verlaſſen. Allein,
das iſt hier keine Regel, ſich auf GOtt zu verlaſſen. Man ſiehet frey-
lich, daß GOtt in allem regieret, aber nicht immediate. Es iſt ein
Enthuſiasmus, wenn man denckt, er wuͤrde eine Legion Engel kommen laſ-
ſen, und uns defendiren. Sie raiſonniren nach der Juͤdiſchen Republique,
da Simſon mit des Eſels Kinnbacken ſo viele Leute todt geſchlagen, und
wir haben doch jetzo eine gantz andere Republic. Es kommt gar nicht
drauf
[367]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
drauf an, ob ich die Tuͤrckiſche Religion approbire, oder der Tuͤrcke
meine Religion. Wir haben einen hoſtem communem, der muß todt
ſeyn, oder removirt, oder imminuirt werden, ſive id faciat Turca, ſive
Chriſtianus. Todt iſt todt; eine Wunde iſt eine Wunde, weiter habe ich
kein engagement. die Theologi, welche ſonſt in contraria ſententia, muti-
ren auch offt die medaille. Der Meyer zu Gripswalde hat auch ſonſt
gemeynet, es gehe nicht an. Wie aber der Koͤnig in Schweden wi-
der den Czaar mit dem Tuͤrcken eine alliance machte, ſo ſuchte er ſolches
zu defendiren in einem beſondern Tractat. Ich habe einen extract davon
gemacht, und ihm in etwas die Wahrheit geſagt. Darinnen bin ich
mit ihm einig, daß das foedus angehe, aber daß er durch Verdre-
hung einiger Bibliſchen Spruͤche ſolches ſuchet zu defendiren, approbire
ich nicht. Man hat dieſelben gar nicht noͤthig, ſufficit, daß ich nicht
ſchuldig bin, von andern mich ſupprimiren zu laſſen. Dicis: Der Tuͤrcke
kan doch dadurch groſſe avantage haben? Reſp. Ich ſehe hier nur darauf,
daß mein Feind ſoll todt ſeyn, interim aliquid fit, man kan darnach
ſchon vorbeugen, daß er keine avantage hat. Incommoda ſind freylich
dabey, das iſt kein Zweifel, aber incommoda ſind bey allen fœderibus.
Es iſt bekannt, daß durch die Uneinigkeit der Chriſten, die Tuͤrcken eben
ſolche progreſſen gemacht; Dieſem allen ohngeachtet, will einer doch
nicht gerne ein Sclave werden, haͤtte ſich denn der Schwede ſollen von
dem Czaar und andern laſſen verſchlucken? Wie der Kayſer Fridericus II.
eine alliance mit denen Saracenen wider die Chriſten gemachet, ſo hatte
der Pabſt ein groſſes Lermen. Aber er ſagte ebenfals: Sie ſind meine
Feinde, und muͤſſen todt ſeyn, das mag ein Saracene oder Chriſt
thun. Grorius und Puffendorff haben dieſe Frage auch decidiret, und
gehen groß um den Brey herum, welches man aber nicht noͤthig hat.
Aber dieſes ſetze ich politice dazu, daß man nicht leicht ein ſœdus mit
denen Unglaͤubigen machen ſolle. Wenn es moͤglich iſt, ſo ſetze man ſolches
bey Seite, oder laſſe daſſelbe nicht eclatiren. Sie haben eben verurſachet,
daß der Tuͤrcke anno 1683. vor Wien kam, da ſie es eclatiren laſſen,
hats ihnen Schaden gethan. Bayle hat ſub voce Franciſci I. obſerviret, daß
derſelbe eine oͤffentliche alliance mit denen Tuͤrcken geſchloſſen, welche
ihm lauter Schaden gebracht. Carolus V. nahm das tempo in acht,
und ſagte: Sie ſollten ſehen, was Franciſcus I. vor ein Herr waͤre, er
hetzte den Feind der Chriſten ihm auf den Halß, dadurch ward Fran-
ciſcus I. ſehr odieux. Bayle erzehlet, daß, wie etliche Geſandten von
Franciſco I. an unterſchiedene Teutſche Hoͤfe geſchicket worden, ſo habe
das Volck dieſelben nicht wollen paſſiren laſſen, und geſagt: Es waͤren
Fran-
[368]Cap. V. De prudentia
Frantzoͤſiſche Hunde, welche mit denen Tuͤrcken ein fœdus gemacht.
Carolus V. hat auch einen Titul drucken laſſen, welchen Franciſcus I. an
den Tuͤrcken geſchrieben, der ſehr hoch geweſen. Aber man meynt, es
habe Carolus V. ſolchen ex calumnia verfertigen laſſen, deßwegen kan
man ſagen: non facile muͤſſe man mit ſolchen ein fœdus machen, wenn
gleich ratione juris gewiß iſt, daß es nichts zu bedeuten, ſo ſind doch
nicht alle Leute deßwegen verſichert. Bey der letzten alliance aber mit
denen Tuͤrcken haben die Frantzoſen avantage gehabt, da haben ſie Louis
d’Or in Conſtantinopel paſſiren laſſen. Denn der Mufti und Groß-
Vezier ſind fripons von profesſion, ſie ſind interesſirt, wer am meiſten
bietet, der gewinnt. Hiervon kan man artige remarquen leſen in dem
Eſpion des Cours de l’Europe. Der Koͤnig in Schweden meynte ſich
durch den Tuͤrcken zu retabliren, er wuſte aber den Zuſtand in der Tuͤr-
ckey nicht recht, ja wenn er Geld gegeben haͤtte, wuͤrde er reusſiret ha-
ben, ſo aber gedachte er Geld zu haben. Er offerirte Geld, aber der
Czaar uͤberboth ihn immer beſſer; Ob ich zwar erinnert, daß man nicht
kan Achtung geben, ob einer ein Chriſt oder ein Tuͤrck, ſo muß man doch
ſehen, ob der andere betruͤglich, und da iſt eine groſſe prudence zu beo-
bachten, daß man nicht hinter das Licht gefuͤhret wird. Groſſe Herren
koͤnnen nicht ſagen: Er hat mich betrogen, ergo will ich nicht mehr mit
ihm zu thun haben. Wie Ludovicus XII. vom Ferdinando Catholico ſo
beluchſt worden, und ſeine Geſandten ſagten: Ludovicus XII. wollte
nichts mehr mit ihm zu thun haben, weil er ihn dreymahl betrogen, ſo
hat Ferdinandus geſagt: Zwoͤlff mahl habe er ihn beluchſt, doch wuͤrde
er ihn ſchon wieder brauchen. Hobbeſius ſagt: Es ſey gut, daß man
mit perfidis nichts zu thun habe, giebt aber die cautel, daß, wenn man
mit einem ſolchen ein fœdus habe, ſo ſolle man machen, daß der andere
das fœdus zuerſt exequirt, wollte er nicht, ſo muͤſſe man gleich wieder
abgehen, da ſchade es nicht, exequirte er es erſt, ſo haſt du keinen Scha-
den. Wir ſind bey dem Ludovico XIV. immer ſo ehrlich geweſen, und
haben alles zu erſt reſtituiret, hernach hat er auf ſeiner Seite alles ver-
zoͤgert, und nichts geben wollen. Amelot in ſeiner Dedication an den
Koͤnig in Franckreich, welche vor des Græcians l’homme de Cour ſtehet,
ſaget: Seine Nachkommen wuͤrden von ihm ſagen, was Philippus II.
von dem Ferdinando Catholico geſagt: Dieſer waͤre Urſach, daß Spa-
nien potens worden, er haͤtte dieſes bey Franckreich zuwege gebracht.
Den Ferdinandum Catholicum halten aber die Frantzoſen vor einen
fourbe. Iſt alſo eine greuliche ſottiſe von dem Amelot, daß er hiedurch
Ludovicum XIV. wollen loben.
§. 12.
[369]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
§. 12. Ein fœdus iſt revera nichts anders als ein pactum ſolen-Was bey Auf-
richtung der
Buͤndniſſe uͤ-
berhaupt in
acht zu neh-
men.
niter initum. In pacto muͤſſen conſentientes ſeyn. Der conſenſus muß
nicht allein auf einer Seite clarus ſeyn; ſondern auch der andere, mit
dem ich ſchlieſſe, muß facultatem ſe obligandi haben und conſentiren:
Bey einem Principe giebts hier keine dubia. Der Koͤnig in Franck-
reich mag ſeyn zu Paris oder zu Verſailles, ſo kan ich allezeit mit ihm
tractiren. Bisweilen aber ſind es ſolche formæ rerumpublicarum, da
man kaum wiſſen kan, ubi reſideat ſumma poteſtas; daher iſt noͤthig, ei-
nen ſolchen Staat erſt recht zu erkennen. Wenn groſſe Herren erſt auf
die Gedancken fallen, daß ſie niemand wollen reiſen laſſen, magnopere
peccant, ſie muͤſſen ja Leute haben, welche ein Land kennen, und da-
ſelbſt koͤnnen negotiiren. Ich habe wahrgenommen, daß deßwegen
Kauffleute in conſideration kommen, weil ſie gereißt. In Anſehung
Perſiens hat der Koͤnig von Franckreich keinen beſſern finden koͤnnen als
Monſ. Chardin, einen Kauffmann, er hat ſeine Voyage nach Perſien be-
ſchrieben, worinnen man nicht nur ratione commercii und ratione nego-
tiorum publicorum, ſondern auch in Antiquitaͤten treffliche Nachricht
findet; Die letzte edition von ſeiner Voyage beſtehet in zehn Baͤnden in
groß duodecimo, welches die beſte edition. Wie der Czaar mit dem
Chinaͤſiſchen Kayſer negotiiren wollen, hat er den Iſbrand, buͤrtig aus
Holland genommen. Dieſer hat auch eine Beſchreibung von ſeiner
Voyage ediret, in welcher man curieuſe Sachen von China und Moſcau
findet. Wie kan der negotiiren, welcher den ſtatum reipublicæ nicht
weiß? Daher, wenn Leute mangeln, ſo an dem Orte geweſen ſind,
muß man ſolche nehmen, die ex aliorum luſtris ſich informirt; Denn
uͤberall kan einer nicht hinreiſen. Man ſagt, mit denen Venetianern
waͤre uͤbel zu negotiiren, weil ſie was beſonders haben. Wenn Franck-
reich einen Ambaſſadeur hinſchicket, ſo werden allezeit etliche Leute mit
geſchicket, welche ſie von dem Venetianiſchen Staat informiren muͤſſen,
die werden hernach employirt. In der Schweitz iſt auch ſchwer zu ne-
goriiren. Der Koͤnig in Engeland hat den Doctor Fabricium, einen
Theologum von Heidelberg gebraucht, weil derſelbe ſich lange in der
Schweitz aufgehalten, und ihren Staat gekennt. Man muß ſehen,
wer das jus fœdera pangendi habe, wer muͤſſe requirirt werden, daß er
darein conſentire. So iſts auch in unſern Teutſchen Reiche ſchwer,
denn da muͤſſen alle Principes und ſtatus imperii conſentiren, wenn ein
fœdus ſoll guͤltig ſeyn, man muß wiſſen, was eine jede Republique vor
Maximen fuͤhret; daher iſt eben die neue Hiſtorie hoͤchſtnoͤthig. Burner
in ſeinen Memoiren, welche erſt nach ſeinem Tode publicirt worden,
A a aſagt
[370]Cap. V. De prudentia
ſagt von dem Jean de VVitt, daß er ein Mann von einem groſſen ju-
dicio geweſen, habe auch die Matheſin gut verſtanden, und die Algebra
in commerciis vortrefflich wiſſen zu appliciren, aber er habe nur die alte
Roͤmiſche und Griechiſche Hiſtorie gewuſt; Daher ſie auch in Holland
nur die Griechiſche und Roͤmiſche Hiſtorie ſtudiren. Burnet ſagt deß-
wegen: Der VVitt habe ſich ſehr betrogen, daß er nicht auf das genie
der Fuͤrſten und Miniſtres acht gegeben, und die neue Hiſtorie nicht ſtu-
diret. VVitt meynete, es kaͤme alles auf das principium an, daß man
ſaͤhe, quænam ntilitas redundet in hanc rempublicam, davon wuͤrden die
Fuͤrſten nicht abgehen, da doch vielmehr die Fuͤrſten ſollen dabey blei-
ben. Die alte Welt muͤſſen wir auch wiſſen, aber mehr auf die neue
ſehen, was ſie vor maximen, vor intereſſe habe. Hier iſt des Hertzogs
von Rohan ſein Buch zu recommendiren, welcher zu Zeiten des Her-
tzogs Bernhardi Grand-Capitain geweſen; Seine maximen ſind vor-
trefflich, und obgleich ſich eines und anders changiret, ſo iſt doch noch
das meiſte. Le Vaſſor ſagt auch: Er habe nicht leicht ein politiſch Buch
geſehen, daß ſo lange gedauret als dieſes. Derjenige iſt ein abſurder
Menſch, ſo mit denen Schweitzern ſucht eine offenſiv-alliance zu ſchlieſ-
ſen. Vor dieſem, da ſich ihre Republique angefangen, konnten ſie
eher darzu gebracht werden, nach der Zeit aber haben ſie beſtaͤndig die
maxime gehabt: Pacem te poſcimus omnes. Sie ergreiffen nicht eher
die Waffen, bis ſie ſelbſt attaquirt werden. Daher hat man an dem
Koͤnig VVilliam getadelt, daß er mit denen Schweitzern eine offenfiv-
alliance wider Franckreich ſchlieſſen wollen. Er iſt auch nicht reuſſirt.
Derjenige wird eher reuſſiren, welcher ſie ſucht zu diſponiren, daß ſie in
Ruhe bleiben. Die Schweitzer bleiben immer neutral. Im Reich hat
man auch ein Spruͤchwort: Ich bin neutral, wie die Schweitzer. In
gewiſſer maſſen haben ſie raiſon. Da jetzo der ſtatus in Schweden ſich
gantz changirt, ſo iſt ſchwer ein fœdus zu ſchlieſſen. Man muß wiſſen,
quæ competant jura regi, reginæ, ſtatibus imperii. Obſervirt man dieſes
nicht, ſo gehen ſie ab, wenn ſie eine desavantage ſehen. So iſt es dem
Kayſer Friedrich und Maximiliano ergangen. Die Ungariſche Crone
war ihnen verſprochen, wie es aber zum Treffen kam, ſo ſagten die Un-
garn, es haͤtten ſich nicht alle proceres unterſchrieben, damit gieng
Maximilianus neben der Ungariſchen Crone vorbey. Wie Cromwell
Protector worden, und der ſtatus ſich changiret, ſo ſuchte jedermann
mit Engeland alliance zu machen, niemand aber wuſte, mit wem
es geſchehen ſollte. Das Parlament hat ſich viel attribuiret, und
Crom-
[371]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
Cromwell attribuirte ſich auch viel. Der Cardinal Bentivoglio* ſagt
in ſeinen Memoiren: Er haͤtte in Franckreich, Spanien und Italien ne-
gotiiret, aber es ſey ihm nirgends ſo ſauer worden als in denen Nieder-
landen, weil er das Volck nicht gekennet, und die Hiſtorie nicht gewuſt.
Er iſt endlich doch reuſſirt, weil er alle qualitaͤten, welche zu einer nego-
tiation erfodert werden, beſeſſen. Der Cardinal Perron war ein habile
homme, der in Franckreich und andern Orten geweſen; Er wollte als
ein Ambaſſadeur nach Rom gehen, und Henricum IV. mit dem Pabſt
ausſoͤhnen, allein man ließ ihn nicht allein hingehen, ſondern gab ihn
den d’oſſat als einen Aſſiſtenten mit, welcher den Roͤmiſchen Hof kann-
te, und alle ſubtilitaͤten aus ſtudiret hatte.
§. 13. 14. Beym modo iſt auch viel zu obſerviren; Was zu ei-Von Bevoll-
maͤchtigung
der Geſandten
und was bey
Ausfertigung
der. Tractaten
zu obſerviren.
ner negociation erfodert werde, kan man finden in des Calliores Tractat
de la Maniere de negocier avec les Souverains. Der Callieres iſt ſelbſt
Ambaſſadeur auf dem Frieden zu Ryswick geweſen. Obgleich das
Buch nicht vom Himmel hoch iſt, ſo iſt es doch noch wohl zu gebrau-
chen. In des Culpiſii Tractat de jure Legationum imperii ſind freylich
ſolidere Sachen. Es wird hier gar viel erfodert. Man giebt denen
Miniſtris ein Archiv mit. Hodie, da man nicht ſo in die Archive kom-
men kan, ſo hat man doch viele Tractaten, ſo hier zu gebrauchen. Da-
hin gehoͤret das Recueil de Traités, worinnen meiſt neue Sachen, und
gehet es bis auf unſere Zeiten; Alles iſt in der original-Sprache ge-
druckt, und zugleich in andere uͤberſetzet. Es wird jetzo von neuem ge-
druckt, viel vermehrter. Man hat obſervirt, daß, wie Otto Pack ſo ein
Lermen in Sachſen gemacht, und dem Landgraf Philipp von Heſſen
einen Tractat zugeſchickt, welchen der Hertzog George von Sachſen ge-
macht haben ſoll, der Landgraf leicht obſerviren koͤnnen, daß er nicht
aͤcht, weil der ſtilus curiæ nicht obſerviret worden. Ein Miniſtre muß
gleich koͤnnen einen Entwurff machen, da muß er eine Lecture haben;
Aber hodie hat man genug Sachen; Die Frantzoſen haben zu erſt an-
gefangen ihre negociations drucken zu laſſen, denen hernach andere na-
tiones gefolget. Monſ. Amelot, der uͤber den Tacitum geſchrieben, hat
alle Tractate, welche der Koͤnig in Franckreich mit Spanien geſchloſſen,
bis auf Ludovicum XIV. heraus gegeben in etlichen Quartanten, welche
A a a 2aber
[372]Cap. V. De prudentia
aber alle auch in Recueil de Traités ſtehen. Wer negotiiren will, muß
wiſſen, was zu einer Vollmacht erfodert wird, daruͤber wird offt lange
diſputiret. Es wurde von einem gewiſſen Hof ein Geſandter an dem
Koͤnig in Schweden medio in bello geſchickt, der gab ein erediti uͤber,
und dachte, der Koͤnig wuͤrde ihn gleich annehmen, aber er war legatus
hoſtilis, haͤtte auch ſollen Paſſeports ausbitten, welches er nicht gethan,
daher wurde er arretirt. Viele meynten, der Koͤnig in Schweden ha-
be unrecht gethan, aber es war allerdings recht. Hier muß einer klug
ſeyn und wiſſen, was zum negotiiren gehoͤrt. Die Portugieſen ſchloſſen
mit dem Koͤnig von Fez und Marocco einen Tractat, worinnen ſie ver-
ſprochen, ſie wollten ihm viele Veſtungen aushaͤndigen, nachgehends
hielt es der Koͤnig in Portugall nicht, da war der Koͤnig von Fez und
Marocco boͤſe, und ſagten: Die Chriſten waͤren Betruͤger, allein die
Portugieſen ſagten: Die Geſandten haͤtten gar wohl moͤgen Liſſabon
verſprechen, deßwegen waͤren ſie nicht ſchuldig ſolches zu halten. Wie
die Schweitzer wider Franckreich ſo gluͤcklich waren, daß ſie gar vor
Paris gehen wollten, ſo ſagte der Hertzog von Tremoville, er habe von
dem Koͤnige ordre zu tractiren, und verſprach ihnen groſſe Summen;
daher ſich auch die Schweitzer zuruͤck zogen, da ſie hernach das Geld
verlangten, ſo ſagte der Koͤnig in Franckreich, er habe keine ordre ge-
geben, ſie ſollten ſich an den Hertzog von Tremoville halten. Seit der
Zeit ſind die Schweitzer ſchlauer worden. Grotius hat in ſeinem jure
Belli \& pacis Lib. I. Cap. III. und Lib. III. Cap. III. Nachricht gegeben,
was ratione formæ und modi pangendi fœdera zu obſerviren, ſo wohl
was noͤthig ſecundum regulas prudentiæ als regulas juſtitiæ. Die Tuͤr-
cken halten davor, daß ſie an kein fœdus gebunden, welches nicht in der
Arabiſchen Sprache, in der Sprache des Mahomets aufgerichtet. Wer
alſo mit denen Tuͤrcken eine alliance ſchlieſſen will, muß ein Arabiſch
fœdus machen; Dieſes hat auch Puffendorff in J. Nat. \& Gent. obſer-
viret. Drum haben auch die Frantzoſen beſchloſſen, in keiner lingua
peregrina ein fœdus zu ſchlieſſen. Wer es thun kan, der thut wohl,
denn man iſt ſeiner Sprache beſſer kundig, als einer fremden, das Cis
und Trans haben die Brandenburgiſchen Geſandten Wittgenſtein und
Loͤben nicht recht verſtanden, welches hernach dem Churfuͤrſten auf
zwantzig Meilen Landes geſchadet, ſo er mehr an Schweden abtreten
muͤſſen. Daher hat er hernach die Profeſſores an ſeinen Hof gezogen.
Wie der Mazarini die Spaniſche Infantin, Mariam Thereſiam vor den
Ludovicum XIV. geſucht, ſo ſchrieb der Cantzler Tellier an den Mazari-
ni. Die Anna von Oeſterreich, Ludovici XIV. Mutter habe gemeynet,
er
[373]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
er gebe ſich zu viel Muͤhe, und es waͤren doch ſo viele renunciationes
vorhanden, daß es dem Ludovico nichts helffen wuͤrde, wenn er ſie gleich
heyrathen wuͤrde. Mazarini aber ſchrieb zuruͤck: Er ſollte der Koͤnigin
ſagen: Sie ſollte es nur gehen laſſen, er wollte ſchon ein Woͤrtgen mit
einflieſſen laſſen, daß die renunciation nicht viel helffen wuͤrde. Es
ſind alſo viel exempla, da man uͤber die fœdera diſputirt. Die Ne-
gocianten ſind wie die Advocaten, ſie machen immer ein Haͤckgen dran,
daher muß man auf die cautelas bedacht ſeyn. Da man den Maximi-
lianum blamiret, und geſagt: Die Koͤnige hielten nichts, ſo hat er ge-
ſagt: Sie hielten alles, aber cum gloſſa. Gloſſa vero plus valet quam
lex. Sie machen chicanen explicationes. Es iſt auch nicht genug,
daß man ſich vorſiehet bey der Aufſetzung, die ſubſcriptiones muͤſ-
ſen aufrichtig ſeyn, und alles ratificiret werden. Die exemplaria
muͤſſen alle mundiret werden. Bey dem Friedens-Schluß hat
man die exemplaria mundiret, und wenn man gefunden, daß etwas
ausgekratzt geweſen, ſo hat es gleich muͤſſen anders geſchrieben wer-
den. Gute Copiſten, Leute, die deutlich ſchreiben, muͤſſen da ſeyn.
Carolus V. hatte dem Landgraf Philipp von Heſſen verſprochen, ihn mit
einiger Gefaͤngniß nicht zu belegen, hernach machte er ewige Gefaͤngniß
daraus. Videatur Hortleder in Urſachen des Teutſchen Krieges. Freylich
wenn ich ſo die Sache anſehe, ſo dencke ich, pactum iſt ein pactum, und
wenn gleich nicht alle ſubſcribirt, muͤſſe es doch gelten; Allein ſie ſagen
alsdenn, aliquid deeſſe, es waͤren nur punctationes. Wir finden bey
dem Muͤnſteriſchen Frieden, daß, wie die Frantzoſen mit denen Spa-
niern geſchloſſen, und der Comte d’Avaux ſchon unterſchrieben, ſo zerriß
der Servien den Tractat, und unterſchrieb ihn nicht, wodurch der Comte
d’Avaux proſtituiret worden; aber Servien hatte heimlich inſtructiones.
Wer ſolte dencken, daß die ratificationen ſo viel ausmachten? Sie wech-
ſeln gegen einander die Plenipotenzen aus, damit ſie hernach einander
uͤberzeugen koͤnnen, daß die Geſandten dergleichen Vollmachten gehabt;
dieſes alles hilfft noch nichts, wenn nicht die ratification dazu kommt.
Sie ſagen, die Geſandten koͤnnen etwas mit einflieſſen laſſen, das dem
Herrn nicht anſtaͤndig, deßwegen muͤſte es beſchworen und ratificiret ſeyn.
Wie es mit Neapoli ſo ſchlecht ſtunde, ſo muſte Philippus von Oeſter-
reich, Caroli V. Vater, mit dem Koͤnig in Franckreich im Nahmen Fer-
dinandi Catholici tractiren, und Napoli abtreten. Indeſſen aber ſchlug
der Gonſaſvo den Hertzog von Nemours zweymahl aus dem Felde, da
ſagte der Koͤnig in Spanien: Es ſey kein Friede gemacht, weil er noch
nicht ratiſiciret worden.
A a a 3§. 15.
[374]Cap. V. De prudentia
cation derer
Tractaten.
§. 15. Die groſſen Herren ſcheinen zwar als Privat-Leute alles
dasjenige, was ſie verſprochen, zu halten. Ein homo nobilis, ein prin-
ceps muß ſich auch in ſeinen privat-actibus in acht nehmen, daß er nicht
erfunden werde, als ob er ſein Wort nicht hielte; Aber da man weiß,
daß die groſſen Herren alles aus Intereſſe thun, ſo hat man beſtaͤndig
einen ſoupçon, daß ſie moͤchten abgehen. Daher fodert man bey fœde-
ribus munimenta, das ſind pignora, obſides, \&c. Man wird ſehen, daß
bey denen meiſten Friedens-Schluͤſſen Garants erwaͤhlet werden, die ge-
waͤhren ſollen den Frieden, ne quis recedat, und den contravenienten
zwingen, dabey zu bleiben. So haben wir Garants gehabt bey dem
Nimwegiſchen Frieden. Dergleichen hat man auch bey dem Frieden
zu Oliva angenommen. Die Garants nehmen offt ihr officium nicht in
acht, bisweilen aber wuͤrcken dieſelben und laͤßt man ſie nicht gerne fah-
ren. Wir haben geſehen, daß die Garants bey dem Oliviſchen Frieden
ſich wegen der Thorniſchen affaire gereget; Sie haben ſonſt mit Pohlen
nichts zu thun, aber in dem Frieden zu Oliva iſt verſehen, daß die Pro-
teſtanten, welche dazumahl ihr exercitium religionis in Pohlen gehabt,
beſtaͤndig ſolches behalten ſollen. Da nun ſolches nicht geſchehen, da-
her regten ſich nicht nur diejenigen, welche den Frieden gemacht, ſondern
auch die Garantie uͤberkommen hatten, als Engeland und die Hollaͤn-
der ꝛc. die wurden alle implicirt, ut faciant, daß das foedus inconcuſſum
bleibe. Manchmahl aber bekuͤmmern ſich die Garants wenig darum.
Alſo war Carolus II. Garant bey dem Frieden zu Nimwegen, welcher
aber Luxembourg von Franckreich ließ wegnehmen, welches die Spa-
nier ſehr verdroſſen. Wenn es alſo auch gleich ſuperfluum, Garants zu
nehmen, ſuperflua tamen non nocent. Man laͤßt ſich auch obſides ge-
ben, man laͤßt ſich fidejuſſores, pignora ſtellen. So hat ſich Fridrich
VVilhelm von der Republique Pohlen laſſen die Polniſche Cron verſetzen,
mit der condition, wenn ſie in gewiſſer Zeit nicht eingeloͤſet wuͤrde, ſollte
der Chur-Fuͤrſt Elbingen ſtatt deſſen wegnehmen, donec Poloni ſatisfa-
cerent. Wir bekamen Elbingen, welches wir auch ſo lange behalten,
bis die Pohlen alle Geld-Summen abgetragen. Fridrich VVilhelm hat
durch Beyhuͤlffe der Daͤnen etliche Spaniſche Schiffe arretiren laſſen,
davon etliche Subſidien-Gelder vorbehalten worden. Die Koͤnigin Eli-
ſabeth trauete dem Koͤnig in Franckreich nicht, und ließ ſich ſideiuſſores
ſetzen, darzu nahm ſie die Kauffleute in Paris, welche in Engeland zu
thun hatten. Obrecht hat eine Diſſert. welche hernach per modum tra-
ctatus heraus kommen und bey ſeinen uͤbrigen operibus ſtehet, geſchrieben
ſub tit. Sponſor pacis, worinnen man alles leſen kan, was von der Ga-
rantie
[375]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
rantie kan geſagt werden; Er hat gewieſen, wie einer ſich verhalten
ſolle, wenn er mit betruͤglichen Herren zu thun hat. Man laͤßt die foe-
dera beſchwoͤren und braucht auch certas ceremonias. Es werden Lich-
ter angezuͤndet, denn die groſſen Herren laſſen ſich bisweilen durch aͤuſ-
ſerliche Dinge ſo wol ſchrecken als gemeine Leute. Ein weiſer Mann
braucht keine Lichter, keinen Todten-Kopff, wenn er ſchwoͤren ſoll, aber
die principes ſind nicht allezeit ſapientes, ſie ſtecken in præjudiciis. In Sum-
ma, man unterlaͤßt nichts, und machet die Sachen in Præliminarien aus,
damit nach der Zeit keine weitern difficultaͤten entſtehen koͤnnen. Will
einer ſicher gehen, ſo muß er auch dasjenige nicht negligiren, was mi-
nutum zu ſeyn ſcheinet, wenn gleich ein juramentum darbey, ſo halten
ſie doch offt nicht. Der Tuͤrcke hat ſeinen Mufti, und die Catholiquen
haben den Pabſt, welche ſie davon abſolviren, daher wird offt die Clauſul
mit angehaͤnget, daß man von keinem Menſchen, der auch mehr als ein
Menſch ſeyn wolle, dergleichen der Pabſt, als Vicarius Jeſu Chriſti,
prætendiret, ſich wollte abwendig machen laſſen a pacto, a juramento
præſtito. Dieſe clauſul findet man bey der capitulation und auch bey
dem Inſtrumento Pacis VVeſtphalicæ. Gleichwie aber unter privat-Leu-
ten, wenn gleich alle cautelen obſerviret werden, dennoch viele proceſſe
ſind, ſo findet man noch vielmehr unter Principibus.
§. 16. Von der Zeit, wenn foedera muͤſſen gemacht werden, iſtVon der Zeit,
wenn Fœdera
zu ſchlieſſen.
in anteced. gehandelt worden; die Zeit muß man in acht nehmen, poſt
hæc occaſio calva. Es muß einer foedera machen, da er noch in gutem
Stande iſt. Es hat ein unbekannter Frantzoſe einen Tractat ſub titulo
Conſeiller d’Etat geſchrieben, welches ein altes Buch, aber vortrefflich
zu gebrauchen, man kan ſich dadurch habile machen zu allen negotiations.
Dieſer hat unter andern obſerviret, daß wer negotiiren wolle, wenn ſein
Herr in groſſer Noth, ſo muͤſſe er die Noth nicht blicken laſſen; die
Schul-Fuͤchſe meynen, wenn einer vorſtellete, daß einer in einem miſe-
rablen Zuſtande, ſo wuͤrde ein anderer eher zur commiſeration bewogen
werden. Die Bettler machen es ſo, die zeigen ihre ſtrumpffe Hand,
da geben ihnen die Leute etwas, damit ſie dieſelben loß werden. Aber
ein groſſer Herr, ein Miniſtre muß nicht ſo beſchaffen ſeyn. Es lehnet
ſich gerne keiner an eine Wand, die einfallen will, wenn die Noth am
groͤßten, muß ein Princeps magnanimus ſeyn; au contraire, je peribler
du die condition deines Principis vorſtelleſt, je weniger wirſt du erhalten.
Videatur Silhons Miniſtre d’Etat, welcher bey dem Mazarini Secretaire
geweſen, und alles nach denen principiis des Mazarini eingerichtet. Das
tempo iſt das beſte; wenn ein potens aus der balance tritt, ſo kan man
leicht
[376]Cap. V. De prudentia
leicht mit andern in alliance kommen und viel erhalten. Die Portugie-
ſen konten vor dieſem in Paris nur mit zwey Pferden fahren, wenn ſie
zur audience gelaſſen wurden. Aber weil der Koͤnig von Portugall ge-
braucht wurde, wegen des Hertzogs von Anjou, ſo hat er vieles erhalten.
Die Hollaͤnder haben einen trefflichen Commercien-Tractat von Franck-
reich erhalten, wie der Koͤnig in Franckreich in die Spaniſchen Nieder-
lande einfallen wollte. Denn Jean de VVitt ſtellete ſich, als wenn er
auf der Frantzoͤſiſchen Seite waͤre, hernach wurde doch nichts draus,
indem Jean de VVitt ſahe, daß, wenn der Koͤnig die Spaniſchen Nie-
derlande verſchlungen, wuͤrde er ohnfehlbar auf die Hollaͤnder ſeyn loß-
gegangen.
gen Buͤndniſ-
ſen zu halten?
§. 17. Die fœdera haben pro fine utilitatem præſentem. Es kan
ſeyn, daß die utilitas præſens lange continuirt wird in futurum. Aber
deßwegen darff man nicht dencken, daß die fœdera in perpetuum ſeyn
muͤſſen. Es kan eine Gelegenheit kommen, da das fœdus nicht mehr
nuͤtzt. Die Schweitzer haben ein ewiges fœdus unter ſich gemacht, das
iſt aber forma quædam Reipublicæ, davon im I. N. \& G. gehandelt
wird. Solche fœdera muͤſſen beſtaͤndig bleiben, ut eosdem habeant ami-
cos. Eben ein ſolch fœdus findet man in Holland; Aber die fœdera
mit Auswaͤrtigen muß man nicht ewig machen, ſonſt wenn man davon
abgehet, ſo ſehen ſie es an, als ein periurium. Die Schweitzer ſind
hierinnen klug. Ludovicus XII. in Franckreich verachtete die Schwei-
tzer, und nennete ſie Berg-Bauren. Sie hiengen ſich aber an dem Pabſt,
delogirten die Frantzoſen aus Mayland, und kamen bis nach Pariß, da
ſie eben der Hertzog von Tremoville weggebracht; Nach der Zeit ſahen
die Frantzoſen, daß es ihnen nuͤtzlich, mit denen Schweizern gut zu ſte-
hen, daher hat Franciſcus I. geſuchet, den Fehler zu verbeſſern, abſonder-
lich, da er die Schlacht bey Marignan wider die Schweitzer erhalten,
da acht tauſend Schweitzer auf dem Platz geblieben. Alſo machte Fran-
ciſcus I. mit denen Schweitzern ein fœdus. Die Schweitzer aber mach-
ten es nur auf etliche Jahr, und wenn die Jahre um waren, ſo erneuer-
ten ſie das fœdus. Ludovicus XIV. hat ein ewiges fœdus wollen auf-
richten mit denen Schweitzern, aber ſie haben nicht gewollt. Sie ſind
geſcheut, und ſagen: Es koͤnne ja eine Zeit kommen, da ihnen das fœdus
nicht zutraͤglich. Man weiß nicht, was vor Veraͤnderungen koͤnnen vor-
gehen. Louis XIV. hat ſie flattirt, zu corrumpiren geſucht, aber es hat
alles nichts helffen wollen. Die Frantzoſen ſollten wohl eine Million
geben, wenn ſie ein ewiges fœdus mit denen Schweitzern machen koͤnn-
ten. Ob man zwar auch an das fœdus æternum nicht gebunden, wenn
das
[377]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
das intereſſe changiret, ſo laufft doch der impotentior alsdenn allezeit
Gefahr, und bekommt Krieg. Wenn die fœdera einmahl etabliret ſind,
muß nicht leicht in denenſelben etwas geaͤndert werden. So bald was
geaͤndert wird, ſo kommen ſie mit chicanen, und ſagen, es waͤre novatio
vorgegangen. Wie der Koͤnig Friedrich in Daͤnnemarck mit denen
Pohlen ein fœdus wider die Schweden geſchloſſen, ſo wollten die Poh-
len etwas darinnen aͤndern, welches der Koͤnig in Daͤnnemarck nicht zu-
laſſen wollte, bis Friedtich VVilhelm die guarantie uͤbernahm, daß das
alte fœdus ſollte beſtaͤndig bleiben. Videatur Puffendorff in reb. geſt.
Friderici VVilhelmi.
§. 18. Die Eintheilung haͤtte der Autor zu Anfangs ſollen tracti-Von Einthei-
lung der
Buͤndniſſe.
ren. Habemus fœdera bellica \& fœdera commerciorum. Offt iſt nicht
ſo viel gelegen an fœdera bellicis, als an fœderibus commerciorum.
Der Koͤnig in Engeland hat ſeinem Volck vorgeſtellet, daß er mit dem
Czaar ein commercium etablirt. Es hilfft der gantzen nation, ſonder-
lich weil die commercia bey ihnen am beſten nicht floriren. Die Hol-
laͤnder profitiren das meiſte aus dem commercio. Sie profitiren aus
Indien nicht nur, weil ſie daſelbſt viel Land haben, ſondern auch weil
ſie bey denen meiſten Koͤnigen daſelbſt die monopolia haben. Videatur
Grotins de I. B. \& Pacis. Habe ich monopolia, ſo kan ich meine Sa-
chen ſo hoch ſchaͤtzen, als ich will. Kluge und gluͤckliche fœdera com-
merciorum zu ſchlieſſen, ſupponirt eine Wiſſenſchafft vom commercio,
da kan man hier keine regulas generales geben. Es muß einer die Welt
kennen, was die Voͤlcker thun koͤnnen, und was ſie thun wollen. Hol-
land hat am beſten floriret, da der Iean de VVitt das Ruder gefuͤhrt, da
man geſehen, quod ſemper ditiores fiant. Jetzo aber kommen ſie her-
unter, weil keine rechte Leute mehr da. Die beyden VVitte, ſo das mei-
ſte gethan, haben ſie dennoch am aͤrgſten verfolget. Es iſt nicht genug,
daß man ein fœdus erhalten, ſondern es muͤſſen auch alle Kleinigkeiten
exprimiret werden. Wenn ein fœdus gemacht, daß ſo und ſo viel troup-
pen ſollen uͤberlaſſen werden, ſo muß alles ausgemacht werden ratione der
Officiers, des proviants, der Leg-Staͤdte, wo das Geld ſoll ausgezahlet
werden ꝛc. wo nicht alles exprimiret iſt, da giebt es nur diſputen, wel-
che lange Zeit waͤhren.
§. 19-23. Ein Princeps muß das intereſſe anderer Fuͤrſten wiſ-Von Geſand-
ten, deren
Qualitaͤten,
und dem Ge-
ſandten Cere-
moniel.
ſen, deßwegen haͤlt er Geſandten. Hier koͤnnte ich viel generalia præ-
mittiren, wenn ich es wollte tractiren, wie es die Sache erfodert. Allein
man ſupponirt viel aus dem I. N. \& Gent. Ein Student kan in einer
diſciplin nicht alles lernen. Es wird præſupponirt, daß einer weiß, was
B b bein
[378]Cap. V. De prudentia
ein Ambaſſadeur ordinaire, extraordinaire; ein Envoyé ordinaire \& ex-
traordinaire; ein Agent ein Reſident, ein Reſident, der accreditirt iſt,
wie ein Miniſtre public, denn wo dieſes nicht iſt, ſo iſt der Reſident nur
ein Agent. Legati ſunt neceſſarii, und der Herr, welcher das Geld
ſcheuet in Anſehung der Geſandten, ſiehet ſein intereſſe nicht wohl. Wenn
man die Legatos anſiehet, ſo ſind ſie revera nichts anders, als Efpions,
welche muͤſſen die negotia publica tractiren, alliancen machen fœdera
commerciorum ſchlieſſen, und den Hof nach ihres Herrn intereſſe wiſſen
zu dirigiren. Der Reſident, wenn er accreditirt, ſo iſt er nichts anders,
als ein Envoyé ordinaire; ſie werden auch ſo tituliret, und ein Envoyé
ordinaire will extraordinaire heiſſen. Das Wort, extraordinaire, wenn
man es ſcholaſtice betrachtet, ſo iſt es in der That nicht mehr, als ordi-
naire, aber ſie halten es vor mehr, und wenn man einen Envoyé nicht ſo
tituliret, wird er boͤſe. Ein Agent iſt kein Miniſtre, der beſtellet nur
Briefe, ſchickt Mehl, Auſters, und was der Herr ſonſten braucht. Die
Pohlen haben keinen Reſidenten wollen leiden, und geſagt: Sie waͤren
Eſpions. Die Tuͤrcken auch nicht. Es iſt alles wahr, dieſen ohngeach-
tet, iſt es doch recipiret, und derjenige iſt klug, ſo einen haͤlt. Immodicus
muß einer nicht ſeyn, und zur Unzeit Geſandten ſchicken. Jacobus I.
wollte keinen Degen ausziehen, und alles durch Geſandten ausmachen,
welches ein groſſer Fehler war. Daher, als Ferdinandus II. Imperator
hoͤrete, daß Jacobus auf ihm boͤſe war, ſo ſagte er: Er frage nicht viel
darnach, der wuͤrde ſchon Geſandten ſchicken, und die Fuchtel nicht aus-
ziehen. Wenn ich einen Geſandten ſchicke, ſo iſt meine intention, daß
er ſoll recipirt werden more conſueto. Gleichwie ein Kauffmann offt
viel erhaͤlt, weil er in credit iſt, ob er gleich nicht ſo reich, als man ihn
davor haͤlt. Alſo koͤmmt bey groſſen Herrn auch viel auf die opinion
an, daß die Leute ihn vor maͤchtig halten, wenn er es gleich nicht iſt, da-
her muͤſſen groſſe Herren nicht relachiren, ratione ihrer Geſandten. Crom-
well war ſonſt ein grobian, dem noch immer etwas von ſeiner ſchlech-
ten extraction anhieng, doch kan man von ihm ſagen, daß er ſehr acht
gegeben, damit ſeine Ambaſſadeur recht regardiret worden. Wenn man
es ihnen nicht wollen accordiren, hat er lieber wollen Krieg anfangen.
Wer philoſophice von der Sache redet, der ſaget: Es liege nichts dar-
an, er mag mich empfangen, wie er will, allein man hat alsdenn keine
opinion von meinem Herrn. Hergegen, wenn der Geſandte von vor-
nehmen Herren eingeholet, es wird ein Wirbel geſchlagen, alles gehet
praͤchtig und herrlich, da bekoͤmmt der penple einen concept, daß der Ge-
ſandte einen groſſen Herrn angehoͤren muͤſſe. Puffendorff in ſeinen re-
bus
[379]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
bus geſtis hat obſerviret von dem Friderico VVilhelmo, daß derſelbe ſich
hierinnen viel zu wege gebracht. Seine Geſandten haben am erſten vor
dem Kayſer den Huth aufgeſetzet; Auf denen Friedens-Schluͤſſen hat
er auch viel erhalten; Wer mir das ceremoniel nicht will angedeyhen
laſſen, von dem dencke ich, daß er mich verachte; Groſſe Herren wollen
geehret ſeyn, ſie laſſen ihre Geſandten zuruͤck gehen, wenn ſie nicht alles
ſollen genieſſen. Viciſſim weiß man auch andern die Ehre wieder zu be-
zeigen. Ich bin nicht jederzeit ſchuldig, einen Geſandten anzunehmen,
wenn ich keinen annehmen will, kan mich der andere nicht zwingen, aber
man thut es nicht leicht. Die Pohlen werden uͤberall blamirt, daß ſie
keinen Reſidenten haben leiden wollen, denn es iſt einmahl recipirt, daß
Miniſtri publici gehalten werden. Der Ambaſſadeur ordinaire, extraor-
dinaire, Envoyé, ſind alle Miniſtri publici, und iſt hoc reſpectu kein Un-
terſcheid zwiſchen einen Ambaſſadeur und Envoyé. Hergegen ein Am-
baſſadeur iſt zugegen cum charactere repræſentatitio, der iſt nicht anders,
als wie der principal ſelbſt, er bedecket ſich, wenn er audience hat, er
faͤhret in die baſſe Cour, er muß mit ſo vielen Pferden eingeholet werden,
als ſeinen principal geſchehen wuͤrde. Man empfaͤnget ihm unten an der
Treppe, oben wieder, man fuͤhret ihn in die Anti-Chambre, macht ihm
die Thuͤr auf zu dem Zimmer, wo er audience haben ſoll; Er wird Ex-
cellence titulirt. Vor dieſem hat man nicht denen Ambaſſadeurs den
Titul Excellenz beygelegt, wie ſie aber geſehen, daß dem Carl, Hertzog
von Nemours, aus dem Hauſe Gonzaga, ſolcher beygeleget worden, ſo
haben ſie gemeynet, ſie waͤren nicht geringer, und haben den Titul auf-
geſucht, ihn erhalten, und iſt es jetzo faſt juris gentium, (wenn man jus
gentium pro moribus gentium nimmt) daß die Geſandten Excellenz ti-
tuliret werden. Hodie kan ein jedweder, der ſich in ſenatu gentium di-
ſtinguiren kan, einen Ambaſſadeur ſchicken. Bey einem Grafen, oder ein-
tzeln Stadt wuͤrde es ſich nicht ſchicken, wenn dieſelben wollten einen
Ambaſſadeur cum charactere repræſentatitio ſenden. Es hat ſo gar bey
denen Venetianern und Hollaͤndern hart gehalten ihre Ambaſſadeurs zu
admittiren, bey denen Schweitzern ſetzet es noch difficultaͤten. Wenn
ich einen Geſandten annehme, ſo muß ich ihn recipiren more conſueto;
mos conſuetus ceremonias flatigat. Die ceremoniæ zeigen an, was vor
Ehrerbietigkeit ich gegen den principal habe; Deßwegen muß der Ge-
ſandte nicht ſo naͤrriſch ſeyn, und dencken, es geſchaͤhe alles um ſeinet
willen. Die Geſandten ſind bisweilen punctuel. Es iſt gut, wenn man
einen Introducteur des Ambaſſadeurs, einen Maitre des Ceremonies hat,
denn man regulirt alles mit den Geſandten. Wenn die Frantzoſen ei-
B b b 2nen
[380]Cap. V. De prudentia
nen Geſandten ſchicken, ſo hat man viel zu thun, bis man fertig wird,
wegen des ceremoniels: Man vergleicht ſich, mit wie viel Caroſſen der
Ambaſſadeur ſoll abgeholet werden, was vor Bedienten dabey ſeyn ſol-
len, wenn die Bedienten ſchlecht ſind, ſo verdrießt es dem Herrn. So
verdroß dem Bernhard von Weymar, daß der Hertzog von Parma durch
vornehme Herren zur audience geholet worden, und ihm wurden zwar
auch Officiers geſchickt, die aber nicht ſo vornehm waren, es wird allezeit
ausgemacht, was vor Perſonen ſich mit in die Caroſſe ſetzen ſollen; Der-
jenige ehret mich mehr, welcher mir ſeine vornehmſten Bedienten entge-
gen ſchickt. Dicis: Es ſind doch dieſes lauter eitele Dinge? Reſpond.
Wenn du alles das wegthun willſt, was eitel iſt, ſo darffſt du keinen
Huth aufſetzen, ſondern in der Schlaff-Muͤtze gehen. Groſſe Herren
gehen nicht mit einander um wie Seiffen-Sieder, ſie wollen geehret ſeyn.
Hieraus kan man ſehen, warum einer will ſolenniter audience haben.
Es iſt ein contemtus, wenn einer im Jagd-Hauſe, oder wenn er auf die
Poſt ſteigen will, audience habe. Es miſcht ſich freylich hier ambitio-
ſum quid hinein, aber wir koͤnnen nicht alle ambition aus der Welt ja-
gen. Wenn auch ein ambitioſus raiſonnirt, ſo raiſonnirt er nicht alle-
zeit gantz unrecht. Wenn gleich der andere ſaget, er wolle es auch ſo
genau nicht nehmen, wenn er einen Geſandten ſchicke, ſo hat man doch
nicht noͤthig, hier nachzugeben. Ein Fuͤrſt muß hier nicht opinaitre ſeyn.
An denen meiſten Hoͤfen haben ſie regulirte ceremoniels, wie e. g. der
Engliſche, Spaniſche, Frantzoͤſiſche Geſandte recipirt worden, dabey
verharret man accurat, auf Seiten deſſen, der ſchicket, und an dem ge-
ſchicket wird. Wir ſahen letztens in Portugall, daß der Hertzog von
Bourbon haben wollen, der Abt Livry ſollte prætendiren, daß der Por-
tugieſiſche Staats-Secretarius zu ihm zu erſt fahren ſollte, welches ſein
Lebtage nicht geweſen, und thun die Portugieſen wohl, wenn ſie bey dem
Alten bleiben, præcipue cum jam non ſit clarum, Luſitanos indigere au-
xilio Gallorum. Ich habe memoiren von Daͤnnemarck geleſen, und ge-
funden, daß die Daͤnen bey denen Engliſchen Geſandten, wegen des ce-
remoniels etwas aͤndern wollen, welches aber der Geſandte, Vernon,
nicht zugegeben, weil er geſehen, daß es zum præjudiz ſeiner Koͤnigin
waͤre. Er hat ſich aber doch endlich certis conditionibus accommodirt.
Weil das ceremoniel viel difficultaͤten macht, ſo ſiehet man nicht gerne,
daß es gedruckt wird. Die ceremonien werden groͤſſer, wenn ich ande-
re brauche. Daher mag ein ceremoniel regulirt ſeyn, wie es will, ſo
changirt es immer noch. Die opinion, die einer hat von eines Princi-
palen potenz, welche er brauchet, verurſachet, daß er nimmermehr Ehre
erwei-
[381]ſtatus circa fœdera \& Legatos
erweiſet. Pileo parantur amici inter privatos, alſo ſucht man ſich auch
bey einem groſſen Herren zu inſinuiren, weil man ihn mehr ehret, als
conſulta ratione. Die Hertzoge von Braunſchweig hatten eine lettre
an dem Koͤnig in Franckreich geſchrieben, und verlangten von ihm, daß
er ſie eben ſo tractiren ſollte, wie die Chur-Fuͤrſten. Der Koͤnig in
Franckreich ſchrieb zuruͤck an dem Croiſſy, die lettre waͤre huͤbſch gemacht,
ſie haͤtten auch raiſon, aber er brauche ſie nicht, und gebe ihnen auch kein
groͤſſeres ceremoniel. Der Brief ſtehet in der negotiation von Nim-
wegen, woſelbſt eben der Comte d’Eſtrades und der Croiſſy geweſen. Al-
ſo kan man keine regulam abſolutam generalem von dem ceremoniel ge-
ben, weil es changiret; Aber ſo viel kan man ſagen, ſi recipis conſueto
modo, willſt du mehr geben, das ſtehet bey dir, und muſt du zu ſehen,
ob du den andern brauchſt. Weil nun die legati koͤnnen Gutes und
Boͤſes wuͤrcken, ſo gehet unſer Autor die regulas durch. Sie ſind Emiſ-
ſarii, und beſchreiben den gantzen Hof. Ein legatus hat omnem ſecuri-
tatem, ſein Hauß iſt immunis, ſeine Religion iſt frey, ich recipire ihn,
als einen Lutheraner, Reformirten, als einen Tuͤrcken, alſo iſt abſurd,
wenn man ihm das religions-exercitium nicht laſſen will. Dem Fran-
tzoͤſiſchen Envoyé ordinaire in Schweden, wollten die Schweden ſeinen
Gottesdienſt nicht geſtatten, er ſagte aber, ihr habt mich einmahl reci-
pirt, und muͤſſet mir ſolches geſtatten, daher ſich auch die Schweden ac-
commodirt. In dem Eſpion des Cours de l’Europe kan man artige
paſſagen hievon finden. Die paquets ſind immunes. Sein cabinet
kan nicht viſitirt werden, ſie ſagen, es ſey eine violatio des Voͤlcker-
Rechts. Man kan auch nur ſagen, es ſey eine violatio des pacti taciti,
dum recipio, recipio more conſueto. Seine Caroſſe muß immunis ſeyn,
obgleich dieſes alles geſchiehet, ſo trauet man ihm doch nicht. Der
Geſandte trauet auch nicht, daher brauchen ſie mehrentheils chiffres,
daraus niemand was nehmen kan, der nicht den Schluͤſſel da-
zu hat; Denn mit Briefen iſt hodie nicht mehr zu trauen, weil
dieſelben koͤnnen kuͤnſtlich auf- und zugemachet werden, wenn
es wichtige depechen ſind, ſo kan der Miniſtre ſolches nicht mit der or-
dinairen Poſt ſchicken, ſondern es gehen eſtaffeten, und zwar laͤßt er da
nicht einen poſtillion auſſitzen, ſondern einen von ſeinen Leuten. Es iſt
gar eine groſſe Kunſt Geſandter zu ſeyn; Alle Geſandten ſind freylich
ſuſpecti, daher muß man ein wachſames Auge auf ſie haben. Die Ve-
netianer laſſen keinen Nobili a part mit einem Geſandten ſprechen, ſie
geben viſiten, aber es ſind mehrentheils Deputirte vom Rath dabey.
Die Wahrheit zu ſagen, ſo iſt nicht abſurd, was die Venetianer
B b b 3thun,
[382]Cap. V. De prudentia
thun, denn die Geſandten machen intriquen, corrumpiren die Leute.
Ein Herr muß deßwegen nicht toll werden, er weiß ja, daß es alle Ge-
ſandten ſo marhen, deine Leute kanſt du einſchraͤncken, daß ſie nichts zu
thun haben mit dem Geſandten, wie in Venedig geſchiehet; daher iſt in
Venedig ſchwer zu negotiiren, und findet man, daß offt die Geſand-
ten durch Bettel-Leute vieles erfahren, oder durch die Geiſtlichen.
Geſetzt nun, ein Geſandter peccirt etwas, kan nach denen regulis pru-
dentiæ nicht der Princeps ihn ſtrafen? Reſp. Es iſt noch ſehr dubiös ra-
tione juſtitiæ, ja wenn er feindlich agirt, machet conſpirationes, wie
der Gillenbourg gethan, ſo waͤre es was anders. Cromwell hat ſo rai-
ſonnirt und geſagt: Wenn der principal da iſt, und nimmt hoſtilia vor,
ſo brauche ich deßwegen nicht zu ſchonen, noch viel weniger eines Ge-
ſandten. Obgleich dieſes alles wahr, ſo iſt doch beſſer, wenn die ho-
ſtilia nicht groß ſind, daß man den Geſandten nach Hauſe ſchicket, da-
mit der Herr ihn ſtrafe. Denn ſonſt negirt der Herr, daß er ihm ordre
gegeben. Henricus IV. in Franckreich hat es recht gemacht. Wie der
Carl Emanuel, Hertzog von Savoyen, in Franckreich war, und nichts
als cabalen machete, ſo riethen einige dem Heinrich, er ſollte ihn in ar-
reſt nehmen, der Koͤnig fragte den Hertzog von Bethune, was er davor
halte? welcher antwortete, er habe raiſon ihn in arreſt zu nehmen, aber
ſeine Sachen koͤnten ihm Schaden thun, und weil der Hertzog als ein
hospes kommen, ſo ſollte er ihn nicht laſſen arretiren, damit man nicht
ſagte: Er habe die jura hospitalitatis violiret; daher ließ der Koͤnig ihm
ſagen: Er moͤchte ſich bald retiriren, weil er nicht Luſt haͤtte, ſeine viſite
laͤnger zu genieſſen. Der Hertzog gieng auch uͤber Halß und Kopff fort;
der Frantzoͤſiſche Geſandte hatte in London auch vieles wider den Crom-
well machiniret, Mazarin negirte, daß der Geſandte ordre dazu gehabt.
Da ſchickte Cromwell den Geſandten nach Franckreich, daß ſie ihn ſolten
abſtraffen, welcher auch in die Baſtille zum Schein gehen muſte: denn
er hat in der That ordre gehabt. Wenn ein delictum nicht groß iſt, ſo
iſts vollends abſurd, wenn einer den Geſandten ſtrafen will. Ich re-
cipire ihn als einen Unterthanen eines andern, daher muß ich auch dem
andern uͤberlaſſen, daß er ihn ſtrafe, wenn ich auch ex regulis juſtitiæ
deduciren koͤnte, daß ich ihn ſelbſt zu ſtrafen berechtiget, ſo iſt es doch
wider die regulas prudentiæ. Die andern Geſandten lauffen weg. Wie
vor einigen Jahren der Moſcowitiſche Geſandte von London weggehen
wollte, und die canaille ihm wegen Schulden in die Pferde fiel, ſo reg-
ten ſich viele Geſandten und ſagten, ſie muͤſten ſicher ſeyn; damit wurde
beliebt, daß kein Menſch mehr ſollte Huͤlffe haben, ſondern ſich entwe-
der
[383]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
der gleich bezahlen laſſen, oder, wenn er borgte, zuſehen, wie er es
mit guter Manier wieder bekaͤme. Niemand aber ſollte ſich geluͤſten
laſſen, den Geſandten zu arretiren. Der Geſandte iſt ein Miniſter al-
terius, daher gehet es nicht an, daß ich ihn anhalte. Hieraus kan man
leicht de omnibus judiciren, quatenus Legatus ſit inviolabilis, wenn man
Geſandte recipirt, ſo muß man ihnen auch audience geben. Es iſt ein
groſſer Verdruß, wenn man ſie nicht zur audience laſſen will, indem es
eben ſo viel, als wenn ſie gleich repudiirt worden. Si bellum imminet,
oder es iſt eine Trauer da, ſo ſchiebet man die audience etwas auf.
Offt ſucht man auch es deßwegen etwas aufzuhalten, um erſt zu er-
fahren, was ſie eigentlich proponiren ſollen. Jacobus I. hat in dieſem
Stuͤck was Gutes gehabt, daß er den Grafen Bembrock, wenn fremde
Geſandten ſind ankommen, herum geſchickt, ſie zu expiſciren, was ſie im
Schilde fuͤhren, und auf ihre phyſiognomie acht geben. Das letztere
war was kindiſches. Ferdinandus hielte des Jacobi Geſandten, den
Dighby, wegen der audience auf; denn da derſelbe zu Regenſpurg au-
dience haben wollte, ſo ſagte Ferdinandus, er ſollte nach Franckfurt kommen,
da wolle er ihm audience geben. Wie er nach Franckfurt kam, ſagten
die Franckfurter, es waͤre der Wahl-Tag und wuͤrde niemand einge-
laſſen, da denn der Engliſche Geſandte fortgehen muͤſſen, ohne daß er
audience bekommen. Bey denen Perſonen, die man ſchicken ſoll, iſt
auch viel zu obſerviren. Es heißt, habilis mittatur, aber das iſt nicht
genug, quis eſt habilis? Habilitas variat. Einer ſchickt ſich zu dieſer, der
andere zu jener ambaſſade. Es muß ein Geſandter haben nicht allein
ſcientiam, ſondern auch voluntatem, corpus. Denn ein Herr, der ei-
nen legatum ſchicket, ſchicket ihn als einen miniſtrum publicum, aus
deſſen Munde man hoͤren ſoll, was der Herr ſelbſt ſagen wuͤrde. Er
ſoll ſeinen Herrn repræſentiren. Es iſt ein fulgur vorhanden, welcher
bey dergleichen repræſentatione eine opinion effectuiret. Geſetzt, derje-
nige, wilcher geſchickt wird, hat ein corpus, das eine affreuſe Geſtalt
verurſachet, der wird nicht viel ausrichten; ob er gleich kein Frauenzim-
mer-Geſichte haben darff, ſo darff doch kein deutlich de faut an ihm zu
ſpuͤren ſeyn. Ein Legatus, der ſchielt, hincket, macht keine Parade,
der ausſiehet wie ein Affe, kan ohnmoͤglich ſeinem Herrn eine gloire
machen, wenn er auch gleich ein habile homme. Der Princeps kan ihn
ja ſonſt ſchon brauchen. Nimmt ein Herr dieſes nicht in acht, ſo wird
er auch in ſeiner negotiation nicht reuſſiren. Wir wiſſen, daß groſſe
Herren auf phyſiognomie ſehen. Der Koͤnig in Franckreich hat deß-
wegen von einem Geſandten geſagt: Le Viſage ne me plait pas. Ein
Ge-
[384]Cap. V. De prudentia
Geſandter muß wiſſen die façon zu leben, eine reverence zu machen,
nicht ſtolpern; wird ein pudeat hierinnen eingelegt, ſo iſt alle grace weg.
Es muß einer haben corpus agile, die Welt geſehen haben und unter
vornehmen Leuten geweſen ſeyn, und durch ſolche qualitaͤten kan einer
ſteigen, wenn einer gleich von ſchlechter extraction iſt. Der Friedrich
de Jena war ein Bauers-Sohn aus Zerbſt, aber galant, ein habiler
Mann, der alles zu obſerviren wuſte, daher iſt er auch geſtiegen.
Sonſt aber ſchickt man gerne Leute von extraction, die muͤſſen eine figur
machen, ſonderlich, wenn ſie an groſſe Herren geſchickt werden, die
potent ſind, und giebt ihnen einen andern geſchickten Mann mit zum
aſſiſtenten. Groſſe Herren meynen, ſie wuͤrden nicht regardiret, wenn
nicht Leute von extraction an ſie geſchicket werden. Wie Ludovicus XI.
ſeinen Leib-Balbier an des Caroli Audacis Tochter geſchickt, ſo ließ ſie
ſagen: Le me porte bien, und wuͤſte nicht, warum er ihr denſelben ſchi-
cke. Ich bin ſelbſt einmal bey unſerm Hofe geweſen, da wurde von
Schweden ein neuer Edelmann geſchickt, welcher vielen nicht gefallen,
und wollten einige in ſeinen reverencen regardiret haben, daß der Buͤr-
ger noch uͤberall vorgucke. Man muß ſolche Perſonen ſchicken, ſo dem
Herrn angenehm, bisweilen ſchreiben ſie, was ſie vor einen haben wol-
len. Der Koͤnig in Franckreich hat verlanget, man ſollte ihm den Span-
heim wieder ſchicken, welcher von keiner groſſen extraction. Er iſt erſt
Prof. Græc. Linguæ zu Genev geweſen. Aber es war ein habiler anſehn-
licher Mann. Wer bey dem Hofe ſchon odiös iſt, der wird in ſeiner ne-
gociation nicht reuſſiren. Ein melancholiſch Geſichte hat man nicht gern,
wie der Molesworth war, welcher auch dem Koͤnige in Daͤnnemarck nicht
angeſtanden. Die Daͤnen haben ihn greulich abgemahlet, in ſeiner nego-
ciation iſt er auch nicht reuſſiret, deßwegen er den etat von Daͤnnemarck ge-
ſchrieben. Man hat als einen groſſen Fehler angeſehen bey Franciſco I.
daß er einen Maylaͤnder, welcher des Hochverraths ſchuldig war, den
aber Franciſcus I. in protection genommen, als einen Geſandten zu Ca-
rolo V. ſchickte. Carolus ließ ihm den Kopf abſchlagen, welches auch
ein greuliches Lerm gab, und gar ein Krieg daruͤber entſtund. Denn
Franciſcus I. ſagte, es waͤre eine violatio des Voͤlcker-Rechts. Aber
Carolus V. ſagte: Er habe gewuſt, daß es ſein Feind, und ihn nur zu
tormentiren ſuche, deßwegen habe er mit Recht ihm den Kopf koͤnnen
abſchlagen laſſen. Wer geſcheut iſt, laͤßt ſich ſelbſt in dergleichen Sa-
chen nicht employiren, aber es giebt ungeſcheute Leute, welche ſich ein
plaiſir machen, wenn ſie koͤnnen mit gloire an den Ort kommen, wo ſie
odieus ſind, und dencken nicht, daß ſie offt ein malheur treffen kan, ſon-
derlich,
[385]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
derlich, wenn es Princeps potens, wie Carolus V. war. Videatur VVi-
guefort de l’Ambaſſadeur \& de Ses fonctinos. Ein Geſandter muß ein
homo pragmaticus ſeyn, ſo war der Molesworth auch nicht beſchaffen.
Wenn einer gleich der allergelehrteſte Kerl, ſo ſchickt er ſich doch nicht
gleich zu einen Geſandten. Er muß einen Train von affairen haben.
Es iſt im Vorhergehen gedacht worden, daß der Cardinal Perron, als
Ambaſſadeur nach Rom geſchicket worden, aber man hat ihm den d’Oſ-
ſat an die Seite geſetzet, daß er ihn muͤſſen inſtruiren. Drum giebt
man denen Geſandten bisweilen einen geſchickten Secretarium mit. Der
Secretaire bey dem Oxenſtirn, war geſchickter als Oxenſtirn ſelbſten. Es
iſt auch nicht ein jeder capable einen Secretaire bey einen Ambaſſadeur
abzugeben; Er muß àdroit ſeyn, daß er manchmahl kan wohin geſchickt
werden. Alſo muß der Herr einen geſcheuten Ambaſſadeur ſchicken,
wenn er will Nutzen von der Ambaſſade haben. Will er keinen Nutzen
haben, ſo kan er ſie gar unterwegens laſſen. Will er Nutzen haben, ſo
muß er was ſpendiren; Gut iſt es, wenn die Ambaſſadeurs vor ſich Mit-
tel haben. Denn ein Ambaſſadeur, der keinen Staat machet, iſt ver-
aͤchtlich. Er muß koͤnnen offene Tafel halten. Bey denen Teutſchen
thut offt ein gut Glaß Wein und eine gute Mahlzeit mehr, als ſonſt
etwas. Wie kan der Ambaſſadeur einen Staat fuͤhren, wenn er kein
Geld hat? Spanheim hat in Engeland mehr als dreyßig tauſend Thaler
verthan, und der Koͤnig hat ihn wegen der Schulden noch immer muͤſ-
ſen ausloͤſen. Die Frantzoſen nehmen mehrentheils ſolche dazu, welche
groſſe Mittel haben, als wie auf den Frieden zu Muͤnſter der Hertzog
von Longueville war, der eine groſſe figur machte. Der Servien aber
hatte wenig. Man muß auch wohl acht geben, daß, wenn einer vor-
her da geweſen, der groſſe depenſen gemacht, nicht einer geſchicket wird,
welcher arm iſt. Wenn man die Sache in abſtracto betrachtet, ſo kan
freylich ein Miniſtre negotiiren, der keine figure machet. Ferdinandus
Catholicus, der ein geitziger Herr war, hat auch vieles laſſen durch die
Pfaffen negotiiren; Aber es koͤnnen nicht allezeit Pfaffen genommen
werden. In Krieges-Sachen kan man ſie nicht brauchen. Der Kay-
ſer hat in dieſem Stuͤck groſſe avantage, er giebt ſeinen Geſandten ap-
pointements. Aber davon koͤnnen ſie nicht leben. Er hat Leute, die
vor ſich jaͤhrlich hundert und zwantzig tauſend, hundert und funffzig tau-
ſend Thaler einzunehmen haben, und von ihren Mitteln ſich erhalten.
Die vornehmen Leute ſind bey dem Kayſer reich. Solchen vornehmen
Leuten werden Asſiſtenten gegeben, da reuſſiren ſie auch. Bisweilen iſt
nicht moͤglich, daß man nur einen ſchicken kan, der Geld hat, weil offt
C c cdie
[386]Cap. V. De prudentia
die Wiſſenſchafft viel thut. e. g. Wenn in Regenſpurg ein Herr keinen
rechten Geſandten hat, ſo kan derſelbe auf einmahl ſo viel verſehen, als
die gantze ambaſſade ausmacht. Wenn ein Ambaſſadeur extraordinaire
geſchickt wird, ſo darff man nicht gleich dencken, daß was extraordinai-
res ſolle expediret werden, ſondern er wird mit Fleiß zu einer ſolchen ex-
pedition genommen, die nicht lange dauret, da machet er mehr figur, und
giebt ſeinem Herrn luſtre. Wie der Koͤnig in Engeland auf dem Frie-
den zu Ryßwick zuwege bracht, daß ihn der Koͤnig in Franckreich vor
einen Koͤnig agnoſciret, ſo wurde der Portland als Ambaſſadeur extraor-
dinaire von Engeland nach Franckreich geſchicket, und der Tallard von
Franckreich nach Engeland, welche beyde recht mit einander certiret, wer
unter ihnen den groͤſſeſten Staat machen koͤnne. Als der Koͤnig in
Franckreich ſuchte Holland an ſich zu bringen, ſo ſchickte er den d’Eſtra-
des nach Engeland, welcher eine auſſerordentlich lange Zeit da gebliebeu,
und ſehr viel Geld verthan, um den Koͤnig in Franckreich conſiderable
zu machen. Ein pauvre Geſandter iſt in Engeland verachtet, wo die
Geſandten ſich vor ſich nicht ſouteniren koͤnnen, muß der Herr ihnen
helffen. Ein Legatus hat mit raffinirten Leuten zu thun, deßwegen muß
er homo prudens, vigilans ſeyn, nicht zu alt und nicht zu jung, ſind ſie zu
jung, ſo werden ſie hochmuͤthig, und koͤnnen ſich nicht darein finden;
Wer immer kranck iſt, hat die halbe Schwindſucht, wie der Molesworth,
der ſchicket ſich nicht dazu. Monſ. Temple hat in ſeinen Oeuvres melées
einen Brief, darinnen er lamentiret, und ſaget: Er bekaͤme das poda-
gra, da waͤre alle ſein plaiſir hin. Sein metier ſey, bey groſſen Ge-
ſandten zu ſeyn, nun koͤnne er nichts mehr negotiiren, denn die Fuͤſſe ſind
alsdenn nicht mehr en bon ordre, man kan ſich nicht mehr herum drehen,
muß Peltz-Stiefeln anziehen. Ein Geſandter aber muß offt unter
Dames ſeyn. Es iſt nicht genug, daß einer aͤuſſerliche Qualitaͤten hat,
ſondern er muß auch Wiſſenſchafft haben, das Land und den Hof ken-
nen. Die erſte relation machet er vom Hofe, daher iſt eben gut, ſolche
Leute zu nehmen, welche ſchon einmahl in dem Lande geweſen, oder wo
ſolche nicht da ſind, muß man ihnen wenigſtens einen adſiſtenten geben,
der den Hof kennet, er muß die Sprache koͤnnen: Denn in Europa re-
det man nicht gerne per interpretem, auſſer bey denen Tuͤrcken. Die
Frantzoͤſiſche und Italiaͤniſche Sprache kan einer nicht entbehren. Es
beſtehet keine Gelehrſamkeit in denen Sprachen; Sie ſind aber doch ein
Mittel, daß man leichter fortkomme. Die Juriſterey muß einer auch
verſtehen, er muß ja Tractaten koͤnnen aufſetzen, und acht geben, daß kei-
ne chicanen mit unterlauffen. Der Lateiniſchen Sprache muß er auch
kun-
[387]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
kundig ſeyn, und wenn er gleich nicht ſchreibet, wie Cicero, ſo iſt es doch
gut, wenn er einen mediocrem ſtylum hat. Von rechtswegen ſollte die-
ſes einer in der Schule lernen, und wenn es nicht geſchehen, ſo thue ers
noch; Man denckt, die Lateiniſche Sprache ſey nicht noͤthig, aber es
waͤre gut, wenn alle Fuͤrſten Latein koͤnnten, es koͤmmt ja in einem je-
dem Memorial Lateiniſch vor. Wenn der Fuͤrſt ſchreibet Fiat, ſo iſt es
ja auch Latein. Nach der guldenen Bulle ſollten alle Churfuͤrſten La-
tein verſtehen. Kulpifius hat wegen ſeiner Gelehrſamkeit auf dem Frie-
den zu Ryswick brillirt. Der Baron Liſola iſt auch wegen ſeiner vor-
trefflichen Gelehrſamkeit æſtimiret worden. Videatur Bayle ſub voc. Li-
ſola. Temple ſagt, der Liſola waͤre bey ihm geweſen, und habe ihm
den Kopf ſo voll raiſonniret, daß, wenn er haͤtte wollen mit ihm raiſon-
niren, wuͤrde er ihn uͤbertroffen haben, aber er habe immer geſagt, er ha-
be keine ordre dazu. Des Liſolæ Schrifften ſind auch admirable. Er
hat ein Buch geſchrieben wider Franckreich, da Franckreich Braband
wollen haben, darinnen vortreffliche Sachen, und hat man es offt nach-
gedruckt. Er kam nach Pohlen, da wollten ſie ihn nicht leiden wegen
ſeiner Wiſſenſchafft; Der Kayſer muſte ihn auch wieder zuruͤck nehmen,
ob er gleich der allerhabilſte war. Der Koͤnig in Pohlen hat ihn in
Verdacht gehabt, als wenn er intriquen machte. Ein Geſandter muß
auch fidelis, kein Aufſchneider ſeyn, ſonſt macht er lauter expreſſiones und
relationes, die naͤrriſch ſind: Denn da bildet er ſich offt ein, es wuͤrde
ſo und ſo gehen, ſetzet dem Miniſtre zu Hauſe was in dem Kopf, wel-
cher hernach lauter faux pas machet. Er muß manchmahl was ver-
ſchweigen, wenn es nicht viel præjudiciret. Wo es aber die honneur
nicht leidet, da muß er nicht ſtille ſchweigen. Carolus V. hielte in Rom
eine oration in Beyſeyn des Pabſts, vieler Cardinaͤle und derer Fran-
tzoͤſiſchen Geſandten, worinnen er greuliche injurien wider Franciſcum I.
mit einflieſſen laſſen; Die Geſandten muſten Sots geweſen ſeyn, und
hatten es nicht verſtanden. Den andern Tag lieſſen ſie Carolum fra-
gen, was er geſagt: Carolus V. antwortete: Was er geſagt, das habe er
geſagt, er wiſſe es ſelbſt nicht mehr. Da haͤtten freylich die Geſandten
Urſach gehabt ſich gleich zu regen. Ein Geſandter muß nur dasjenige
ſchreiben, wovon er ſolide Proben hat, und dazu ſchreiben, das habe er
von dieſem oder jenen gehoͤret. So hat der Herr von Spanheim ſeine
relationes gemacht. Er muß kein garrulus ſeyn, von ſolchen Dingen
muß er nicht reden, die er ſoll vor ſich behalten, er muß expiſciren, con-
verſiren, fleißig à la Cour gehen, aber nicht zu importun, wie der Vil-
lars. Der Villars war Frantzoͤſiſcher Abgeſandter in Wien; War der
C c c 2Kayſer
[388]Cap. V. De prudentia
Kayſer auf der Jagd, oder wenn Galla war, ſo war er mit dabey, da
ſie ihn doch nicht gerne allenthalben haben wollten. Deßwegen iſt er
auch in ſeiner negociation nicht reuſſiret. Er war ohnedem ein Soldat,
und dabey homo ſuperbus. Der Geſandte muß modeſtus ſeyn, und ſich
zum Frauenzimmer ſchicken. Die in Teutſchland negotiiren, koͤnnen
viel durch Frauenzimmer erhalten. Man findet auch, daß die Frantzoͤ-
ſichen Geſandten ſich alle an das Frauenzimmer addresſiret. Derjeni-
ge, ſo als Ambaſſadeur gebraucht wird, muß nicht allein vor ſich gute
Qualitaͤten haben, ſondern er muß auch zu ſeinen Bedienten homines
modeſtos ſuchen. Denn wenn der Ambaſſadeur gleich vor ſich ein Lu-
ſtre macht, ſo koͤnnen doch offt die Bedienten verurſachen, daß die am-
baſſade ohne effect iſt. Der Graf Rechter war ein habiler Mann, aber
er hat ſeine Bedienten nicht gut choiſiret, die kamen mit des Frantzoͤſi-
ſchen Geſandtens Bedienten in ein Hand-Gemenge, daher muſte er von
ſeiner ambaſſade weg, ſich bey dem Frantzoͤſiſchen Hof ſubmittiren, und
die General-Staaten gaben ihm noch einen derben Verweiß. Der
Mazarini, wie er den Frieden zu St. Jean de Luz ſchlieſſen wollte, ſo hatte
er ſich lauter Bedienten choiſiret, welche ſich mit denen Spaniern gut
vertragen konnten. Er wuſte, daß die Frantzoſen die Spaniſche Tracht
auslachten, ſich uͤber die Spaniſchen complimente mocquirten, deßwe-
gen hat er lauter homines ſerios und modeſtos genommen, und geſagt:
Der ſollte gehenckt werden, welcher ſich wuͤrde uͤber die Spanier moc-
quiren. Hiervon kan man Nachricht finden in des Lyonne ſeiner Be-
ſchreibung des Pyraͤnaͤiſchen Friedens, darnach haben ſich auch ſeine
Leute gehalten. Mazarini befahl, daß, weil die Spanier groſſe compli-
mente machten, ſo ſollten ſeine Bedienten es eben ſo machen. Er woll-
te eine mariage negotiiren zwiſchen dem Koͤnig in Franckreich und der
Maria Thereſia, deßwegen muſte er alle Behutſamkeit brauchen/ hat ſich
auch gut inſinuiret, und iſt nicht der geringſte Streit wegen ſeiner Be-
dienten entſtanden. Wer kan machen, daß ſich ſeine Bedienten der an-
dern nation gleich ſtellen, der wird gut reuſſiren. Ein Miniſtre muß
hier vigilant ſeyn, ſonderlich, wenn er mit einem zu thun hat, den er fan-
gen will, wie des Mazarini ſeine intention war. Cominæus obſerviret,
wie Ludovicus XI. und Henricus von Caſtilien eine conference mit ein-
annder gehalten, und Henricus einen groſſen Staat gemacht, ſo waͤre
Ludovicus in gemeiner Kleidung kommen, und ſeine Bedienten haͤtten
die Spanier ausgelacht. Daher ſey nicht das geringſte zum Stande
gekommen. Cominæus iſt ein Miniſtre vom Ludovico XI. geweſen, re-
prehendiret dieſes aber ſehr. Die Spanier haben auch hernach, wie ſie
einen
[389]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
einen aſendent bekommen, es denen Frantzoſen vorgeworffen, ſonderlich
Ferdinandus Catholicus und Carolus V. Bey denen Geſandten koͤmmt
auch viel darauf an, daß er bisweilen celer bisweilen cunctator iſt, nach-
dem der Hof beſchaffen, daß man alles daſelbſt geſchwinde expediren
kan, wie in Franckreich. Vor allen Dingen muß der Geſandte mit
demjenigen ſprechen, welcher die affairen zu dirigiren hat, als wie in
Franckreich und Spanien der Secretaire d’Etat ſolches verwaltet, die
andern Miniſtres muß er auch beſuchen, aber nur honoris gratia. Dem
Secretaire d’Etat aber uͤberliefert er ſeine Vollmacht, die er zeigen darff,
und ſein creditiv, in welchen verſichert wird, daß man ihm trauen darff.
Wenn er was erhalten hat, muß er die expedition urgiren je eher je beſſer,
daß ſie geſchiehet in forma probante, damit er ſie kan nach Hauſe ſchicken.
Denn wenn es lange aufgehalten wird, multa poſſunt intervenire.
Manchmahl iſt es gut, daß einer nicht ſo geſchwind iſt, deßwegen kan
hier keine generale Regul gegeben werden. In Rom muß man cun-
ctatores haben. Man hat obſerviret, daß die Frantzoſen in Rom nicht
reuſſiret, wenn weltliche Leute dahin geſchickt worden, weil ſie zu hitzig
geweſen. In Rom muß einer gar groſſe Gedult haben. Daher hat
auch der Richelieu einen Kerl hinein geſchicket, welcher drey, vier Jahr
ihm die Thuͤr aufgemachet, wenn er in die Anti-Chambre gegangen,
und ihm einen reverence gemacht. Von dieſem hat er geglaubt, daß
er groſſe Gedult haben muͤſſe, iſt auch reuſſiret. Die Frantzoſen haben
auch bisweilen ihre Fehler verbeſſert und Cardinaͤle geſchicket, die haben
ſtudirt, und ſind nicht muͤde worden, das tempo abzuwarten. Wenn
ſie aber den Pabſt quaͤlen wollen, ſo ſchicken ſie Layen, denn die Geiſt-
lichen haben kein Hertz. Bisweilen hat man mit einem Herrn zu thun,
den man nicht kennet, da muß man auch Behutſamkeit gebrauchen.
So erzehlet VVicquefort und Bayle von dem Charnace, daß, wie der-
ſelbe zu dem Guſtav Adolph nach Schweden gegangen, habe er es lan-
ge trainiret, ehe er audience geſuchet, damit er den Hof recht habe wol-
len lernen; denn damals war Schweden noch nicht ſonderlich be-
kannt. Wie er nun den Hof erkannt, ſo iſt er auch admirable reuſſirt.
In Venedig braucht man auch cunctatores; es iſt ſehr penible zu ne-
gotiiren. Wenn der Koͤnig in Franckreich ſehen wollen, ob einer ca-
pacité habe, ſo hat er ihn nach Venedig geſchicket. Die Venetianer
gehen ſehr behutſam und uͤberlegen alles. Aſſiduus muß ein Geſandter
ſeyn in aula. Den Grotium haben einige blamiret, als wie er in
Paris geweſen, habe er uͤber das alte und neue Teſtament commenta-
rios gemacht, und ſeine ambaſſade negligiret; Sonderlich hat Aubery
C c c 3in
[390]Cap. V. De prudentia
in ſeinen memoiren vieles in præjudicium Grotii geſchrieben, aber es
iſt ihm unrecht geſchehen. Clerc hat vielmehr aus ſeinen epiſtolis ge-
wieſen, daß er alles wohl in acht genommen, und aſſiduus in aula
geweſen. Wo kein Hof iſt, muß ein Geſandter ſich ſonſt bey allen
Zuſammenkuͤnfften einfinden, wie in der Schweitz. Wer in Pohlen
iſt, muß auf dem Reichs-Tage ſeyn, oder wenigſtens ſeinen Secretaire
da haben. Er muß auch ſonſt ſeine eſpions haben, damit er alles er-
faͤhret. In Schweden iſt es jetzo auch ſchwer zu negotiiren. In En-
geland gehet es auch wegen des Ober- und Unter-Hauſes ſehr langſam
zu, daß, wenn der Koͤnig autorité hat, wie jetzo, da man ihm trauet,
da gehet es auch leichter mit der negociation. Ein Miniſtre muß auch
die Favoriten beſuchen, denn ein Mignon kan bisweilen auch was thun.
Von Rechtswegen ſollten ſich dieſe in keine affairen miſchen, weil ſie
die ſuite nicht im Kopffe haben, und laufft es auf die letzt mehrentheils
nicht gut ab; Aber ſie thun es doch, daher muß man es mit ihnen hal-
ten, ſie ehren, reſpectiren, tractiren, beſchencken. Die Dames koͤnnen
auch zuweilen vieles effectuiren, wie die Madame de Maintenon bey dem
Louis XIV. in hoher grace geſtanden, ſo konnte keiner reuſſiren, als der
bey der Dame wohl ſtund. Der Koͤnig Sigismundus Auguſtus in Poh-
len hat nichts gethan, was nicht ſeine Maitreſſe approbiret. Biswei-
len kan ein Cammerdiener viel ausrichten. Die groſſen Herren haben
wunderliche inclinationes. Wer in Engeland nicht kan mit Dames
umgehen, der iſt verlohren. Der vorige Koͤnig in Engeland, Georg,
iſt ein wackerer ſerieuſer Herr geweſen, doch hielt er alle Woche Zu-
ſammenkuͤnffte, da Frauenzimmer dabey war, mit welchen er ſprach.
Am Tuͤrckiſchen Hofe iſt nicht noͤthig, mit Frauenzimmer umzugehen,
da kriegt man keine maitreſſen vom Sultan zu ſehen. Ein Geſandter
muß auch das Spiel verſtehen, wenn er ſeines Herrn intereſſe kan durchs
Spiel befoͤrdern, da er einen etwa laͤßt was gewinnen, ſo gehet es gar
wohl an. Es koͤmmt viel darauf an, daß ein Geſandter den Principal
ſelbſt weiß zu entrepreniren, und auf eine polite Art mit ihm zu conver-
firen. Der Charnace wollte den Guſtav Adolph encouragiren, nach
Teutſchland zu gehen, und hatte viel Muͤhe, weil die Daͤnen ſchon ab-
gemattet waren. Gleichwohl wollte Richelieu Teutſchland nicht laſſen
ſupprimiren von dem Kayſer Ferdinand, und gehoͤrete alſo eine groſſe
Kunſt dazu, den Guſtav Adolph dahin zu bringen. Anfangs hatte der
Koͤnig gar keine Luſt darzu, aber Charnace ſuchte ihn zu gewinnen,
kleidete ſich wie der Koͤnig, hat der Koͤnig geſungen, ſo ſang er mit,
war der Koͤnig traurig, ſo war er auch traurig, ſpielte der Koͤnig, ſo
that
[391]ſtatus circa fœdera \& Legatos.
that ers auch. Videatur Bayle. Der Koͤnig hat auch geſagt: Er habe
keinen geſehen, welcher ſich ſo habe koͤnnen veraͤndern. Er brachte auch
die alliance zuwege. Guſtav Adolph machte difficultaͤten, und wollte
ſich dem Koͤnig in Franckreich nicht nachſchreiben, da ſagte er, es koͤnte
ſo gemachet werden, daß in dem exemplar, ſo dem Koͤnig in Franckreich
gegeben wuͤrde, der Koͤnig in Franckreich oben an ſtuͤnde. Hergegen
in demjenigen, welches dem Guſtaph Adolph gegeben wuͤrde, ſollte er
oben anſtehen, damit war der Koͤnig zufrieden. Diejenigen, ſo um
den Koͤnig waren, ſuchte er auch zu gewinnen durch præſente, und
reuſſirte gluͤcklich. Er machte gleich, daß dem Guſtavo Adolpho hundert
tauſend Rthlr. in Luͤbeck ausgezahlet wurden, und wie die affairen gut
abliefen, ſo wurden die appointements vermehret. Dieſes heißt ſich
accommodiren. Der Geſandte muß amoena loqui und ſich nach der
nation richten. Iſt er bey denen Schweitzern, ſo muß er dieſelben vor
die allerartigſten halten. Mazarini, wie er bey denen Spaniern gewe-
ſen, hat er ſie gelobt und geſagt: Es waͤre nur eine naͤrriſche hypothefis
in denen Schulen, als wenn eine antipathie zwiſchen denen Frantzoſen
und Spaniern waͤre. Die Spanier waͤren tapfere Leute, und waͤre
ein malheur, daß die beyden nationes immer in Krieg mit einander ver-
wickelt geweſen. Allzuſehr muß man freylich nicht flattiren, damit es
nicht der andere merckt. Dicis: Es iſt doch nicht gut, wenn man ſo
heuchelt? Rede doch nicht ſo naͤrriſch, du haſt ja Narren vor dir, die
muſt du ſuchen zu gewinnen, damit du deinen Zweck erhaͤltſt. Haͤtteſt
du lauter weiſe Leute, ſo koͤnteſt du gleich heraus gehen. Ich kan ein
honetter Menſch ſeyn und wiſſen, daß das Spielen eitel, ſpiele aber
doch mit der Dame, weil ich weiß, meines Herrn intereſſe damit zu be-
foͤrdern. Es muß auch ein Geſandter in obacht nehmen, daß er keinen
Fehler im Ceremoniell machet, ſondern bey demjenigen bleiben, was
einmahl hergebracht iſt, ſo wohl ratione des Herrn, zu dem er geſchi-
cket wird, als ratione des Geſandtens. Deßwegen hat auch der Staats-
Secretarius in Portugall, dem Abbe Livry nicht wollen nachgeben, zu-
mahlen der Livry nicht einmahl ſein creditiv uͤberreichet. Es iſt auch
wider alle Gewohnheit, daß ihm der Staats-Secretarius ſoll die erſte
viſite geben, denn ordentlicher Weiſe laͤßt derjenige, ſo zuletzt ankoͤmmt,
ſeine Ankunfft notificiren, alsdenn macht man ihm ein compliment.
Das hat aber der Livry nicht gethan. Alles hier beyzubringen iſt im-
poſſible, und wird weiter hiervon gehandelt in den Staaten von Eu-
ropa.
Sectio
[392]Cap. V. De prudentia
Sect. XI.
de
Prudentia ſtatus circa bellum \& pacem.
§. 1-3.
ge uͤberhaupt.
MAn muß nicht dencken, als wenn ein homo togatus von Kriegs-
Sachen nicht ſagen koͤnnte, die daran zweiffeln, koͤnnen nur
betrachten, was Cicero, der conſul in Rom geweſen, zu einer
ſolchen Zeit, da die Republique am ſtaͤrckſten floriret, geſaget: Nihil
ſunt arma foris, niſi ſit conſilium domi. Gleichwie die Miniſtres zu Hau-
ſe alles muͤſſen inſtruiren, alſo muͤſſen auch groſſe Generals einen uͤber
ſich haben, und iſt gut, wenn man ſie melirt, erſt einen Miniſtre, hernach
einen Soldaten, u. ſ. w. Wie wollte man die Soldaten im Zaum hal-
ten, wenn ſie allein zu ſprechen haͤtten. Es wuͤrde gehen, wie in Enge-
land, da die Soldaten uͤber das Parlament ſeyn wollten, der Monck,
welcher ſelbſt ein Soldat geweſen, ſaget doch, daß es nicht gut ſey, de-
nen Soldaten ſo viel einzuraͤumen. Die Hollaͤnder laſſen unter den
General-Staaten keinen General und Admiral ſitzen, aber in dem Con-
ſeille d’Etat ſind welche, welches die execution veranſtaltet, denn von der
execution kan man ſich nicht excludiren, vid. Basnage in ſeiner Hiſtorie
von Holland. Der Autor hat die Eintheilung gut gemacht, welche er
aus dem Lipſio genommen; Dieſer aber hat dieſe Sache admirable ver-
ſtanden. Es kommen dreyerley membra vor, nemlich quæ facienda an-
te bellum, in bello, poſt bellum. Es iſt beſſer, wenn man des Krieges
entuͤbriget ſeyn kan: Denn der Krieg mag beſchaffen ſeyn, wie er will,
ſo iſt er ein malum. Derjenige iſt einfaͤltig, der ohne Krieg was erhal-
ten kan, und faͤnget doch Krieg an, die Schweitzer haben dieſes dem kuͤh-
nen Hertzog von Burgund, Carolo, vorgeworffen, welcher, wegen ei-
ner geringen Urſach, mit den Schweitzern brechen wollen. Nemlich,
es hatten einige Schweitzer einen Wagen, der den Burgundiſchen Un-
terthanen gehoͤret, gepluͤndert, welcher aber mit nichts, als mit Schaaf-
Fellen beladen geweſen. Die Schweitzer wollten deßwegen reparation
thun, auch die jungen Buͤrſchlein, ſo es gethan, dem Carolo Audaci aus-
lieffern, er wollte aber doch Krieg haben, das war was abgeſchmacktes.
Mit denen Nachbaren koͤnnen freylich leicht difficultaͤten entſtehen, daß
man Krieg fuͤhren muß, ſemper tamen pax eſt præferenda. Wenn die
Pohlen
[393]ſtatus circa bellum \& pacem.
Pohlen wegen der Thorniſchen affaire voͤllige reparation thun, ſo wird
niemand mit denen Pohlen Krieg anfangen, und ſo viel Leute zur Schlacht-
Banck fuͤhren. Der Krieg iſt nur ein Noth-Fall, gleichwie der Chi-
rurgus, wenn es nicht anders ſeyn kan: Aber einige groſſe Herren ſind ſo
beſchaffen, daß ſie nicht alles uͤberlegen und betrachten, was vor mal-
heur ihren Unterthanen dadurch zuwachſen koͤnne; ſondern werden
darzu angeregt von denenjenigen, ſo wollen commandiren; Kan
man aber ſonſt keine ſatisfaction erhalten, ſo kan gar wohl der Krieg
ergriffen werden. Wenn auch einer ſattſame Urſachen hat, daß er kan
Krieg fuͤhren, ſo muß er doch ſolches zu weilen unterlaſſen, ja er iſt ſchul-
dig, ſolches zu thun. Ich bin ſchuldig, vor meine Unterthanen Sorge
zu tragen, ut felices eſſe poſſint, habe ich nun gleich cauſas, daß ich koͤnn-
te einen Krieg anfangen, ſo muß ich doch zu ſehen, ob meine Untertha-
nen nicht dadurch groſſer Schade kan zugefuͤget werden, und ob ich auch
capable, ſolchen auszufuͤhren. e. g. Mein Land hat keine Feſtungen, es
iſt denen Streiffereyen exponiret, und wenn eine bataille verlohren
gehet, ſo kan der Feind das gantze Land einnehmen, da iſts beſſer, wenn
ich den Krieg unterlaſſe. Daher wird unten gedacht werden von dem
Nutzen und Nothwendigkeit der Feſtungen, und iſt kein Volck hierinn
ſo abgeſchmackt, als die Pohlen, welche keine Feſtungen leiden, als wi-
der die Tuͤrcken, gegen die Moſcowiter haben ſie Smolensko gehabt,
aber gegen andere haben ſie gar keine Feſtungen gehabt. Sie meynen,
es waͤre ein præſidium libertatis, wenn ſie keine caſtella haͤtten, weil der
Feind ſich nicht koͤnne aufhalten ꝛc. wenn er keine Feſtungen habe; Al-
lein wenn nun der Feind ſich da fortificirte, wer wollte ſie hernach her-
aus jagen? Haͤtten die Schweden ſich fortificiret, ſie wuͤrden nicht leicht
ſeyn delogirt worden; das iſt eine faute von denen Feinden, und kommt
nicht von der prudentia der Pohlen. Man hat geſehen, wie der Czaar
Petersburg fortificiret, da ſonſt keine Feſtung daſelbſt geweſen.
§. 4-7. Im Kriege muß man acht geben, ut ad ſit miles, pe-Was vor Zu-
ruͤſtung zum
Kriege erfor-
dert werde.
cunia, commeatus, idonea arma. Ohne Geld kan man in der Welt
nicht fortkommen; Vor dieſem konnte Krieg ohne Geld gefuͤhret wer-
den. Clodovæus, wie er nach Franckreich kam, ſo ſagte er: Aurum \&
argentum non habeo; Aber damahls waren alle Leute milites, und ſie
hatten das principium, daß ſie ihr Pferd wollten an des Nachbars Zaun
binden. Sie giengen aus einem incultivirten Lande in ein cultivirtes,
da brauchten ſie nur eine bataille zu gewinnen, ſo hatten ſie hernach alles.
Mahometh II. wie er Ungarn attaquirte, ſo hat er ſeinen Leuten geſagt,
ſie ſollten nur brav fechten, ob ſie gleich kein Geld haͤtten: Denn ſie
D d dwuͤr-
[394]Cap. V. De prudentia
wuͤrden hernach in ein Land kommen, wo Geld gnug waͤre; hodie aber
iſt es nicht mehr ſo. Wir haben einen militem mercenarium, der ko-
ſtet viel Geld. Wir haben andere Krieges-Geraͤthe. Unſere Kriege
dauren laͤnger, und koͤnnen nicht geſchehen ſine pecunia, kein Printz wird
was ausmachen, der nicht ein gut Treſſor hat. Des Carl Guſtavs gluͤck-
liche proceſſen, ſo er in Pohlen gemacht, ſind ohne effect geblieben, weil
kein Geld da geweſen. Puffendorff in ſeiner hiſtoria anecdota von Schwe-
den, hat auch des Carls Geſchwindigkeit ſehr blamiret. Er ſagt: Es
ſey nicht anders geweſen, als wenn er alles auf einen hazard ankommen
laſſen, und waͤre es nicht prudenter angefangen worden. Der Kayſer
Maximilian war ein unruhiger Kopff, und wenn er auf einen boͤſe war,
den that er vielen Tort an, aber zuletzt lieff es auf ein Lamy hinaus.
Das kam daher, weil er kein Geld hatte; Die Engliſchen Geſandten
haben ihn Henrico VIII. beſchrieben: Er waͤre ein unvergleichlicher Vo-
gel, der wohl ſinge, habe aber keine Federn. Dem Henrico VIII. woll-
te er einsmahls das Kayſerthum abtreten, wenn er ihm Geld geben wuͤr-
de. Henricus VIII. aber ſagte, er ſollte es vorher abtreten, ehe er ihm das
Geld zahlte, das wollte er nicht. Es iſt alſo hodie nicht zu verwundern,
daß ſo viel Geld von noͤthen iſt. Man muß das Land fortificiren, dar-
zu braucht man viel Geld. Man kan nicht allezeit ein Land finden, wo
fourage iſt. Daher muß man magazins haben, unde ſuſtentetur exer-
citus, unde ſuſtententur equi. Die nicht darauf gedacht haben, ſind zu
Grunde gegangen, wenn ſie gleich die ſchoͤnſte Armee gehabt. Der
Czaar, wie er am Pruth-Fluß ſtund, hatte keinen proviant, und wuͤrde
ohnfehlbar ſupprimiret worden ſeyn, wenn nicht der Groß-Vezier ein
frippon geweſen, und die bataille verhindert. Der General Bannier
wird als ein groſſer General beſchrieben, aber es war kein Mann, der
magazins halten konnte. Seine Tafel war offt mit vortrefflichen Spei-
ſen beſetzet, und kein Brodt darbey. Von dem Gallaſch hat man auch
geſagt, daß er ein Armee-Verderber geweſen, wenn er gleich die ſchoͤn-
ſte Armee gehabt, ſo hat er doch vor keinen proviant und fourage geſor-
get, da ſind die Pferde crepiret. Die Reuther haben muͤſſen die Saͤt-
tel auf den Kopff nehmen, und zu Fuſſe gehen, ſo haben ſie ihn bey
Staßfurth fortgeſchickt; Sonſt war er ein wackerer General. Man
diſputiret hodie, und fraget: Warum die Creutz-Zuͤge nach dem gelobten
Lande ſo uͤbel abgelauffen. Der heilige Bernhard hat damahls geſagt:
GOtt habe ſeine Gerichte darunter, und ſey zu bedauren, daß ſo viele
Menſchen ums Leben kommen; Aber wenn wir von dem Enthuſiaſmo
des Bernhardi abſtrahiren, und die Sache politice betrachten, ſo finden
wir,
[395]ſtatus circa bellum \& pacem.
wir, daß viele tauſend Leute hinein gegangen, die kamen in ein fremdes
Land, und wenn ſie in des Feindes Land kamen, fanden ſie nichts vor
ſich zu leben; daher konten ſie nicht ſubſiſtiren. Es konte einer vorher
ſehen, der nach menſchlichem Verſtande davon raiſonniret, daß das
Ding nicht gut ablauffen wuͤrde, und iſt zu bewundern, daß ſie noch
bisweilen eine bataille gewonnen. Viele ſind crepirt, ehe ſie noch ein-
mahl an den Ort kommen, wo ſie ihre bravour ſollten ſehen laſſen.
Es muß ein Herr einen guten Proviant-Meiſter haben, welcher alles
auf ſich nimmt, und den Proviant gut liefert, damit die Soldaten
nicht kranck werden. Da iſt kein Menſch beſſer, als der Tuͤrcke, wel-
cher uͤberhaupt ſehr auf die Geſundheit ſiehet. Man wird bey ihnen
allezeit einen groſſen Uberfluß von fourage und Proviant finden. So
lange man hergegen von denen Teutſchen weiß, iſt Mangel geweſen.
Dem Carolo Audaci iſt einmahl vom Teutſchen Reiche der Krieg
angekuͤndiget worden, und hat Dattius fragmenta drucken laſſen,
worinnen ſtehet, es habe der Churfuͤrſt von der Pfaltz commandiret
und geſchrieben, er haͤtte keine victualien, keine Wagen und kein Geld.
So iſt es oͤffters bey dem Teutſchen Reiche. Wie der Marckgraf von
Baaden die Armee commandiret, ſo theilete er ſich, und zog mit einem
Theile nach Augſpurg zu, indeß kamen die Frantzoſen, und ſchlugen
den andern Theil aufs Haupt; Einige ſagten, der Marckgraf habe ſich
laſſen beſtechen; allein der Marckgraf excuſirete ſich, er habe zu wenig
Proviant gehabt, deßwegen habe er ſich muͤſſen theilen. Der Churfuͤrſt
von Hannover, und nachmahls Koͤnig in Engeland, nahm auch einmal
das commando von der Reichs-Armee uͤber ſich, und weil kein Geld da
war, ſo gab er die operations-caſſe an, aber die Groſſen gaben nichts
hinein; daher legte er ſein commando bald wieder nieder: Die inſtru-
menta koſten hodie viel mehr; vor dem haben ſie auch Mauer-Brecher
gehabt, wovon man bey den Scriptoribus, welche de re militari geſchrie-
ben, als bey dem Vegetio, Lipſio, Naudæo, Salmaſio, Machiavello Nach-
richt finden kan; Aber ſo viel haben ſie doch nicht gebraucht, als wie
hodie. Eine Pique, Partiſan, ein Degen, eine Hacke waren ihre
Waffen, Pulver war nicht da. Was koſtet nicht hodie die Artillerie,
Pulver und Kugeln? daher iſt nicht zu verwundern, daß mit der Reichs-
Armee nicht viel kan ausgerichtet werden. Unſere Armee hat unter dem
Printzen Louis von Baaden einmahl drey Tage und drey Naͤchte ohne
Pulver geſtanden, und gieng der Printz endlich nach Nuͤrnberg, bath
dieſelben, daß ſie moͤchten was hergeben, weil aber dieſelben meynten,
ſie wuͤrden nichts wieder bekommen, ſo engagirte er ſeine Ehre, daß er
D d d 2davor
[396]Cap. V. De prudentia
davor ſtehen wollte, daher fournirten ſie der Armee von neuem etwas.
Wir brauchen hodie viel neue inſtrumenta, ſo man vor dieſem
nicht gehabt. Von Pontons hat man vor dieſem nicht gewuſt, und
zeiget Lipſius, wie man vor dieſem uͤber die Fluͤſſe geſetzet. Eine For-
tification koſtet auch unſaͤglich Geld. Gut iſt es, wo man ein recht
Zeughauß hat, als wie in Engeland der Tour iſt, woraus gleich
einige hundert tauſend Mann koͤnnen bewaffnet werden; zu Chattam
iſt ihr Magazin zur See, da in kurtzer Zeit eine Flotte kan ausgeruͤſtet
werden, alsdenn darff man ſich vor dem Kriege nicht fuͤrchten. So
naͤrriſch darff ein Fuͤrſt nicht ſeyn, wie der Jacobus I. in Engeland, wel-
cher allen mercken laſſen, daß er keinen Krieg fuͤhren wollte, deßwegen
ein jeder ihn vexirte. Krieg muß einer bisweilen fuͤhren, aber zuſehen,
daß er denſelben von ſeinem Lande wegſpielet. So machte es die Koͤ-
nigin Eliſabeth, dieſe war beſtaͤndig in armis, leiſtete den Proteſtanten
allenthalben Huͤlffe, und ſchickte ihnen Trouppen, dadurch hat ſie er-
fahrne Officiers bekommen.
oder Cavalle-
rie vorzuzie-
hen?
§. 8. Man disputiret, ob der equitatus oder peditatus beſſer ſey?
Es iſt aber zu mercken, daß man in comparationibus zu keinen deciſiven
Schluß kommen kan. Die Schul-Leute ſind alle pro peditatu, weil
ſie gefunden, daß die Roͤmer auf den peditatum viel gehalten; inglei-
chen haben ſie in denen autoribus claſſicis geleſen, daß der peditatus mehr
æſtimirt worden. Wenn man die Logique nicht verſtehet, und hat apud
antiquos dergleichen Dinge geleſen, ſo ſoll man freylich ſchlieſſen, der
peditatus waͤre vorzuziehen, ſie fuͤhren auch ein und andere raiſon an.
Was aber die Sache ſelbſt betrifft, ſo iſt gewiß, derjenige, ſo nichts
als Neuter hat, kan keine groſſe Thaten thun, was will er denn mit
den Reutern conquetiren? Man kan wohl batailliren, aber wie will
einer mainteniren, was er erobert hat? Alſo iſt der peditatus in dieſer
Abſicht beſſer, die pedites koͤnnen fortificiren, ſchantzen, ſich eingraben ꝛc.
Manchmahl braucht man viel Fuß-Vock und wenig Reuter, offt aber
viel Reuter und wenig Fuß-Volck. Wenn in Italien Krieg gefuͤhret
worden, ſo iſt meiſtentheils die Reuterey nach Hauſe geſchicket worden,
weil in Italien ſo viele Canaͤle und Fluͤſſe, da man mit Pferden nicht
fortkommen kan, es mangelt auch an fourage; daher iſt die Reuterey mehr
à Charge. In dieſer conſideration kan man alſo ſagen, die Reuterey
helffe nichts. Hergegen wo eine race Campagne, da man batailliret, da
muß man Reuterey haben. Mit denen bataillon Carré kan man nicht
alles ausrichten; im Nothfall iſt es gut, und laͤſt ſich auch in theoria
defendiren, aber wenn ſie ein Loch kriegt, da iſt es aus. Die Schwe-
den
[397]ſtatus circa bellum \& pacem.
den machten auf der Inſul Ruͤgen auch eine bataillon Carré, aber ſie
konten es nicht aushalten. In batailliren iſt die Cavallerie allezeit gut,
und muß ſie die Infanterie bedecken. Wer dieſes nicht glauben will,
der ſehe die Schlacht bey Hunningen an, die Curaſſier-Reuter giengen
fort, die Infanterie defendirte ſich zwar, aber ſie muſte ſich doch retiriren.
Die Infanterie braucht man zu Belagerungen, Beſtuͤrmung der re-
trenchements. Die Teutſchen haben erſt nichts wider die Normaͤnner
ausrichten koͤnnen; Arnulphus Imperator aber exercirte ſeine Leute, daß
ſie konten abſteigen und zu Fuß fechten, die Pferde aber indeß zuſammen
lieffen, hernach wieder aufſitzen und den Feind nachjagen, da er denn die
Normaͤnner bezwungen. Bey denen bataillen behaͤlt allezeit die Reuterey
die Oberhand: denn wenn die Pferde unter die Infanterie kommen, bringen
ſie alles in confuſion, einer laufft hier, der andere dorthin. Daher ſind auch
die Frantzoſen gute batailleurs, weil ſie ihre Reuterey im guten Stand ha-
ben. Wir haben ihnen lange keine bataille koͤnnen abgewinnen. Unſere In-
fanterie iſt beſſer, als der Frantzoſen ihre, aber ihre Cavallerie uͤbertrifft
die unſrige. Sie haben lauter Leute zu Pferde geſetzet, die von extra-
ction und exercirt geweſen; Hergegen bey uns nimmt man Bauer-
Kerl, biſt du ein Bauer, lerneſt zu Pferde ſitzen, und den Degen recht
fuͤhren, da gehet lange Zeit hin. Die Kayſerliche Reutherey hat ſich
wacker gehalten, und hat man auch an andern Orten darauf gedacht,
ſolche in beſſern Stand zu ſetzen; Daher mag mir einer von den Mo-
ſcowitern ſagen, was er will, ſo lange die Cavallerie daſelbſt nicht gut
ſtehet, werden ſie keine groſſe Thaten thun. Zu einer Cavallerie gehoͤret
viel, 1) exercirte Leute, 2) rechte Pferde. Was vor Pferde? Dieje-
nigen thun am beſten, welche groſſe Pferde nehmen: Denn kleine Pfer-
de haben keine courage, und laß ich dieſelben noch wohl paſſiren in Poh-
len, da haben ſie nicht allezeit groſſe Pferde; Hergegen, wenn in Bra-
band Krieg iſt, ſo kan man mit kleinen Pferden nicht fortkommen. Es
iſt daſelbſt ein fettes Land, und wenn es da etliche Tage geregnet hat,
ſo faͤlleſt du mit einem kleinen Pferde hinein bis an den Sattel, wie willſt
du da fort kommen; Darum haben wir hier groſſe Pferde geſucht, die
gehen durch, haben mehr Muth, courage. Die Franci haben erſt viel
auf den peditatum gehalten; Aber Pipinus und Carolus Magnus haben
hernach die Cavallerie vorgezogen, denen Leuten feuda gegeben, und ſie
exercirt. Nachgehends haben ihre ſucceſſores viel Schaden gehabt, da
ſie dieſelben nicht in guten Stande erhalten. Es iſt bekannt, wie Hen-
ricus Auceps die Cavallerie wieder exerciret, und da die Hunnen vorher
denen Teutſchen viel Schlachten abgenommen, ſo hat er ſie geſchlagen.
D d d 3In
[398]Cap. V. De prudentia
In Engeland haben ſie nicht drey tauſend equites gehabt, und in Teutſch-
land nicht uͤber zehen tauſend. Otto III. iſt mit ſechs tauſend Reuthern
nach Franckreich gegangen, die Tuͤrcken haben auch eine Reutherey, aber
die Spahi ſind Baͤrenheuter, ſie halten nicht. So lange der Tuͤrcke
keine gute Cavallerie hat, darff er nicht dencken, daß er will eine Schlacht
gewinnen. Die Tuͤrcken fechten, wie die Bienen, ohne daß ſie ihre
trouppen ſchlieſſen, ihre Artillerie tauget auch nichts, wie Monſ. Ricaut
gewieſen. Daher, wenn ein kluger General gleich auf ihre Cavallerie
loß gehet, ſo ſtehen die Janitſcharen alsdenn frey, und koͤnnen leicht in
confuſion gebracht werden. Unſere Leute ſchlieſſen ſich zuſammen, wie
eine Mauer, wenn nun die Tuͤrckiſche Cavallerie koͤmmt, ſo ſtreuen ſie
dieſelbe aus einander, damit lauffen ſie fort. Hat hernach gleich die
Infanterie retrenchements vor ſich, ſo kan man doch leicht hinein kom-
men. Seit der Zeit, da die Teutſchen die geſchloſſenen trouppen haben,
haben die Tuͤrcken keine bataille mehr koͤnnen gewinnen, ſie werden auch
nichts gewinnen, bis ſie einen militem mercenarium zu Pferde haben.
Die Janitſcharen ſind milites mercenarii, aber ſie dienen zu Fuß. Die
Tuͤrckiſchen Pferde ſind auch wild, und gehen leicht durch, ein eintzig
wildes Pferd aber iſt capable, unter der Cavallerie Unordnung zu ma-
chen. Es iſt freylich was groſſes, einen Krieg zu fuͤhren, es gehoͤret ex-
perience darzu, und daß einer das Land recht kennet; Italien iſt ein
wunderlicher terrain, auch Holland wegen der Canaͤle, deßwegen iſt da-
ſelbſt ſchwer Krieg zu fuͤhren. Hieraus kan man nun auch urtheilen,
von der Pohlniſchen Reutherey, die ſind hundert und funffzig tauſend
ſtarck zu Pferde, wenn alle diejenigen aufgebothen werden, welche Guͤ-
ther haben. Wider die Tuͤrcken haben ſie auch gewonnen, aber ſie ſind
nicht exerciret, und koͤnnen wider uns nichts ausrichten. Wenn ſie
auch mit den Moſcowitern zu thun haben, ſo kriegen ſie Schlaͤge. Der
Pohle fuͤrchtet ſich entſetzlich, wenn man ſchieſſet. Vor ſich ſind ſie
nicht tuͤchtig, wider eine geſchloſſene Armee zu fechten; Sie haben keine
Infanterie, kein Geld, Pferde haben ſie gnug, auch bisweilen groſſe, ſon-
derlich nach Preuſſen zu, und in der Ukraine. Die andern aber taugen
nicht zum Streit. Von dieſer materie kan man mehr Nachricht fin-
den in des Roumiere (welcher den Koͤnig in Schweden wollen ſehen,
und nach Bender gereiſet,) ſeinen tractat, darinnen er zeiget, daß Cæſar
ſchon die Frantzoͤſiſche Cavallerie gelobet. Pere Daniel hat auch von
der Cavallerie einen gantzen tractat geſchrieben, woraus einer viel profi-
tiren kan. Er ſagt: Ich bin zwar ein Jeſuit, und ſolle einer meynen,
ich waͤre nicht capable, davon zu ſchreiben; aber deßwegen kan ich doch
wiſſen,
[399]ſtatus circa bellum \& pacem.
wiſſen, was man gehabt, und wie es gebeſſert worden, habe auch mit
vielen davon geſprochen.
§. 9. Was die Soldaten betrifft, ſo fraget der Autor, ob esVon der mili-
tia mercena-
ria.
nuͤtzlich ſey, eine militiam mercenariam zu haben, an præſtet præ civica
mercenaria? Mercenaria militia iſt, da die Leute beſoldet werden, es ſey
nun als ordinarii, oder als ſubſidiarii. Was die militiam civicam be-
trifft, ſo iſt zu mercken, daß man vor dieſem keine militiam mercenariam
gehabt, ſondern die Buͤrger ſind ins Feld gezogen, daher haben einige
gemeynet, es waͤre gut, wenn es noch ſo gehalten wuͤrde. Conring
hat aber uͤber des Machiavelli Principem ein collegium gehalten, mit
groſſen Nutzen, hernach hat er ſeine obſervationes mit des Machiavelli
Principe drucken laſſen, da er pag. 150. anfuͤhret, was in utramque par-
tem diſputirt wird. Machiavellus hat auch gemeynet, es ſey beſſer, wenn
die Leute ſelbſt fechten pro patria \&c. Wenn man auch die orationes
bey denen Roͤmern lieſet, ſo die Officiers gehalten, da findet man, daß
ſie ihnen allezeit patriam, conjuges, liberos vorgeſtellet, daß ſie beſſer
fechten ſollen. Es iſt dieſes gut, wo man nur will conqueten machen,
und die Buͤrger noch nicht zu commerciis und andern negotiis employ-
ret ſind. Bey denen Roͤmern war eine gantz beſondere Verfaſſung; ihre
reſpublica war militaris; Die Knechte waren nur Handels-Leute, alle
uͤbrige aber machten profeſſion vom Kriege oder Kuͤnſten. Wenn ſie
haben conqueten gemacht, ſind ſie reich worden: Denn alle divitiæ Aſiæ
und Africæ ſind nach Rom kommen; Sie haben alſo da gut fechten ge-
habt. Die Griechiſchen Buͤrger haben auch Thaten gethan; Aber bey
uns haben wir opifices, ruſticos, Kauffleute, Gelehrte, die profeſſion
von Wiſſenſchafften machen, wo kan man dieſe laſſen in Krieg gehen.
Vor dieſem ſind auch die Bauren nicht in Krieg kommen, auſſer, wenn
etwa eine Noth war, da ſchlugen alle zu. Die Edelleute giengen allein
in Krieg; Denn was ſollen ſie auf ihren Land-Guͤthern machen? Sol-
len ſie immer Rebhuͤhner fangen? Aber geſetzt, es iſt einer ein Kannen-
Gieſſer, er hat gute Nahrung viel Kinder, und er ſoll ein Soldat wer-
den, der heulet und zaͤhnklappet. Koͤnnt ihr es ihm vor uͤbel halten?
Ich glaube Nein? Die Leute haben ſich einmahl etabliret, ſich Hand-
wercks-Zeug angeſchaffet, das Buͤrger-Recht gewonnen, da gehen ſie
nicht gerne weg. Da ohnedem bey uns die Kriege lange dauren, ſo iſt
es gut, daß wir militiam mercenariam haben; daher iſt gantz gewiß
was abgeſchmacktes und eine abſtraction, wenn man von denen Athe-
nienſern und Roͤmern auf unſere Zeiten argumentiren will, da wir ohn-
dem intendiren, daß die commercia und opificia ſollen floriren. Iſt aber
die
[400]Cap. V. De prudentia
die Noth da, es wird eine Stadt belaͤgert, ſo ſchlaͤgt jedermann mit zu.
Wir wiſſen, daß die Buͤrger in Wien ſich wacker gewehret. Da der
Koͤnigsmarck vor Prag kam, ſo haben ſich die Studenten auch tapfer
gehalten. Es kan jetzo nicht einmahl dasjenige appliciret werden, was
man vor dieſem in Teutſchland gehabt; man kan die Lehns-Reutherey
nicht mehr brauchen. Indeſſen kan ein gentil homme doch in Krieg
noch avanciren und reich werden. Es kan alſo nicht anders ſeyn, wir
muͤſſen militiam mercenariam haben. Die Nobiles haben ſehr abge-
nommen, und hat man ſchon unter Philippo Suevo militiam mercena-
riam gehabt, denn die Staͤdte muſten auch gewiſſe milites ſchicken, dar-
zu muſten die Edelleute; Daher gaben ſie gewiſſen Edelleuten Geld,
daß dieſelben dienen muſten, vid. Lehmann. in Chron. Spirenſ. Vor
dieſem wurden nur einige trouppen beſoldet, und wurde die Lehns-Reu-
therey noch beybehalten, nunmehro aber haben wir bloß militiam mer-
cenariam.
Huͤlffs-Troup-
pen.
§. 10. 11. Die milites mercenarii ſind vel ordinarii, vel ſubſi-
diarii, die ordinarii werden beſtaͤndig gehalten und exerciret, hergegen
ſubſidiarii ſind der Ausſchuß. In Franckreich nennet man ſolche den
arriere ban, i. e. da ein Koͤniglich Geboth ausgehet, ut ad exercitum ve-
niant. Die Land-miliz iſt an einigen Orten wohl eingerichtet, wie in
Schweden. Die Schweden brauchen vor ſich keine milice ad defen-
ſionem, wenn ſie bey der Land-milice bleiben. Carolus IX. hat ſie ſo
eingerichtet, welches Puffendorff in ſeiner hiſtoria anecdota von Schwe-
den als ein weiſes inventum anſiehet. Der Robinſon, (welcher erſt
Biſchoff zu Londen worden, und mit auf den Friedens-Schluß zu U-
trecht geweſen,) hat einen Staat von Schweden ediret, darinnen er
auch die Land-milice accurat beſchrieben. Sie haben gleich funffzig
bis ſechzig tauſend Mann koͤnnen zuſammen bringen. Carolus XI. hat
es ſo eingerichtet, daß er einen jeden ein gewiſſes Stuͤck Geld, Wieſen
und ein Hauß gegeben, daß er koͤnnen ſein Geld und Korn haben. Zu
gewiſſer Zeit hat man ſie exerciret. Die montur, ſo einer bekommen,
iſt in den Kirchen-Gewoͤlbern aufbehalten worden, welche ſie anziehen
muͤſſen, wenn ſie marchiren ſollen. Dieſe Soldaten haben aber wei-
ter nichts bekommen; Aber denen Officiers, welche auf ſie muͤſſen acht
geben, hat Carolus Sold gegeben. Man hat auch, da man den Feh-
ler gemercket, daß die Officiers, wenn ſie die Leute delegirt, Geld genom-
men, ſolchen dadurch geaͤndert, daß die dem Koͤnige ſelbſt muͤſſen vor-
geſtellet werden, damit er geſehen, ob ſie capable: Aber dieſe Soldaten
in andere Landen zu employiren und damit zu attaquiren, iſt ſchwer,
weil
[401]ſtatus circa bellum \& pacem.
weil ſie nicht exercirt, und ſchicken ſich nicht gleich in des andern terrain.
Wir haben es in hieſigen Landen auch erſt angefangen; und in gewiſſer
Maaſſe waͤre es gut geweſen, wenn man dabey blieben; Aber ſie ſagen,
die Kerl verbauerten nur, und waͤren nicht recht exerciret. Will man
andere attaquiren, ſo ſind freylich die ordinarii milites beſſer. Deßwe-
gen muß ein Herr nicht alle milites abſchaffen. Wenn die ſubſidiarii
milites marchiren ſollen, muͤſſen ſie doch auch gage kriegen, und gehen
nicht einmahl gerne weg. Ich habe ein Teutſches Buch vom Schwe-
diſchen Staat, welches auch vortrefflich. Die ordinarii muͤſſen ge-
worben gewehlet werden, wie ſolches geſchehen muͤſſe, hat Lipſius in ſei-
ner Politic admirable gewieſen.
§. 12-15. Was patriam betrifft, ſo ſollte man meynen, es waͤ-Was ein guter
Soldat; und
von der
Kriegs-diſci-
plin.
ren alle gute Soldaten, und kaͤme es nur darauf an, daß ſie recht com-
mandiret wuͤrden; Allein das iſt nicht zu glauben. In einem terrain
ſind die Soldaten beſſer, als im andern. Es ſind auch natuͤrliche
raiſons vorhanden, man ſagt: Virtus ex confragoſo venit, und hat
Campejus Vitringa obſerviret, daß die Leute, ſo auf den Bergen woh-
nen, audaces homines. In den Lande ſind allezeit gute Soldaten, wo
nicht viel zu freſſen; Die Schweden und Daͤnen ſind ex confragoſo,
deßwegen ſind ſie gute Soldaten, und zwar ſind die Schweden noch
dauerhaffter als die Daͤhnen, wie Bœckler in bello Suecico \& Danico
gewieſen. In Spanien ſind die Gallicier die beſten Soldaten; in
Franckreich die Normaͤnner, weil in dieſen Landen nicht viel iſt. In
der Schweitz ſind gute Soldaten, weil es ein ſchlecht Land. Hier her-
um iſt cibus und potus im Uberfluß, die Leute leben delicat, dadurch
wird das corpus effeminatum; Daher hat man hier keine guten Sol-
daten. Ich habe einen Officier geſprochen, welcher Leute von hier mit
nach Italien genommen, er ſagte aber: Es waͤren viel Studenten-
Diener mit darunter geweſen, davon viele geſtorben, ehe ſie einmahl
hinkommen, und die er mit hingebracht, waͤren davon gelauffen, und
haͤtten andere darzu verfuͤhret. Im Kriege braucht man Leute, die Hun-
ger und Durſt ertragen koͤnnen. Die Tuͤrcken befinden ſich admirable
bey ihrem Reiß, wir aber gieſſen alles unter einander, Bier, Wein,
Thée, Coffée, vid. Stahl de æquabili potu \& cibo. Wer ſtets einerley
iſſet und trincket, lebt laͤnger, es entſtehet eine fermentatio von denen
vielerley Speiſen. Quoad ætatem iſt zu mercken, daß man junge Leute
mit muß in Krieg nehmen. Die Roͤmer nahmen ſie von ſiebenzehen
bis achtzehen Jahren. Beſſer aber iſt es, wenn ſie von Jugend auf zum
Kriege angehalten werden, magis parent, taugen ſie nicht zur offenſion,
E e eſo
[402]Cap. V. De prudentia
ſo ſind ſie doch zur defenſion. Im Krieg erfordert man experience und
Gewohnheit. Junge Leute achten die Gefahr ſo nicht. Guſtav Adolph
hatte lauter Milch-Baͤrthe, legte ſie erſt in guarniſon, melirte ſie mit
Alten. Mit Jungen kan man deſperate actiones vornehmen; Expedi-
tiones aber, ſo groſſe circumſpection erfordern, ſind ihnen nicht zu ver-
trauen. Wird ein Student ein Soldat, ſo debauchirt er andere, und
machet lauter Ungelegenheiten; Die ſich nicht commandiren laſſen, ſind
mehr à charge bey der Armee. Ein Murr-Kopff taugt gar nicht zu ei-
nem Soldaten. Ein Soldat muß einige Ehre haben; Die keine ha-
ben, muß man an ſolche Oerter bringen, wo ſie nicht davon lauffen
koͤnnen. Moriz poſtirte die Hollaͤnder zwiſchen den Feind, das Meer,
und den Moraſt; Sie fochten ex deſperatione, und in effectu iſts eins,
von wem mein Feind todt geſchlagen wird. Quoad corpus: Wer groß
iſt bey der infanterie, der hat einen groſſen Vortheil vor kleinen, er hat
groſſe Knochen, iſt ſtaͤrcker, kan beſſer tragen, thut groſſe Schritte;
Sie jagen andern ein Schrecken ein, wie die Gallier den Roͤmern, vid.
Cæſar. Allein die groſſe Leute haben nicht ſtets groſſe courage, ein groſ-
ſer iſſet, trincket, ſchlaͤfft mehr, als derjenige, ſo ein klein corpus hat.
Perefex in ſeinem Leben des Henry le Grand ſagt: Mayenne ſey ein wa-
ckerer Herr geweſen, aber er ſey zu groß; Daher habe Henry le Grand
ihm uͤberall den Rang abgelauffen, der ſey vigilanter und geſchwinder
als jener geweſen. Stehen groſſe Leute ſtille, ſo koͤnnen ſie viel ertra-
gen, marchiren ſie aber lange, ſo bekommen ſie den Wolff, werden ma-
rode. Eine Guarde zur Zierde von groſſen Kerln iſt noch zu paſſiren,
deßwegen hat man die Schweitzer gerne genommen. Die Roͤmer wa-
ren klein, aber gute Springer, ſprungen denen Teutſchen auf Schild
und Pferd. In Venedig exerciret man ſich noch im Springen, ein
Kerl ſpringet auf den andern. Von denen Roͤmern haben wir den
Krieg gelernet; Aber Cæſar wuͤrde ſich wundern, wenn er die jetzigen
Krieges-Anſtalten ſehen ſollte. Friſchlinus in ſeinen comœdien hat eine
artige comœdie hiervon. Zum commandiren ſind kleine ſo gut und beſ-
ſer als groſſe. Audacia und Geſchwindigkeit thut das meiſte; Kanſt du
aber einen groſſen durch das exercitium die Geſchwindigkeit beybringen,
ſo hat er groſſe avantage. Groſſe extraordinaire Menſchen ſind zu nichts
als zur parade nuͤtze. Die Regimenter aus der Normandie, Piccardie
und Champagne ſind groß, dieſe choiſiret Franckreich. Lipſius haͤlt von
allzu groſſen und zu kleinen Leuten nichts, er bleibet immer bey der cou-
rage. Eraſmus in Adagiis ſaget auch: Bey groſſen Leuten wohne nicht
ſtets die groͤſte courage; Bey groſſen extendire ſich calor und ſpiritus
in
[403]ſtatus circa bellum \& pacem.
in die membra. Die Spaniolen ſind klein, aber hertzhaffte Kerls, wenn
ſie recht commandiret werden, raiſonniren aber zu viel. Quoad vitæ
genus, darauf ſahen die Roͤmer ſchon. Ein Schneider, ein Sellularius,
wird wenig Thaten thun; Ein Schmidt, Schloͤſſer kan freylich was
ausrichten und aushalten. Ziska nahm die Bauren, die mit dem Fle-
gel brav ſchlagen konnten, ſie wuſten Hitze und Kaͤlte auszuſtehen; er
exercirte ſie aber brav, Kaͤſe, Brodt, Schincken, waren ihre tractamen-
ta. Die Nobiles wohneten bey den Teutſchen in agris; Die Stadt-
Nobleſſe heiſſet man patricios, welche magis affœminanti, als Dorff-
Junckers. Die Milice muß auserleſen, anſehnlich ſeyn. In der Gens
d’Armerie hatte Franckreich lauter Leute von condition, damit gewan-
nen ſie die Bataille. Schweden folgte nach; Unſere Kayſerlichen Neu-
thers haben manchen Puff aushalten koͤnnen; Franckreich hatte zwoͤlff
tauſend von dieſer Gens d’Armerie, die giengen alle propre her, konnten
ſich ſelbſt commandiren; Wer darunter wollte, muſte gedienet haben.
Die diſciplin beſtehet im exercitio, Ordnung und exemplis. Wer das
exercitium verachtet, iſt abſurd. Die Carolingiſchen milites victoriſir-
ten immer wegen ihres exercitii. Es iſt ein groß eloge von einem Fuͤr-
ſten, wenn er offt revüe haͤlt. Wer des Jahres einmahl exerciret, be-
truͤget ſich. Tylli ſchmiß die Sachſen, die nicht exerciret waren, auf
einmahl uͤber den Hauffen. Neugeworbene muͤſſen immer mit den al-
ten melirt werden. Carolus V. zitterte im Anfange, daß ihm die Spo-
ren klapperten, wurde es aber bald gewohnet. Man thut nicht wohl,
wenn man die Soldaten beurlaubet. Louis XIV. zog offt dreyßig bis
viertzig tauſend Mann zuſammen, und ließ ſie exerciren. Auf den march
kommt auch viel an. Vegetius ſagt: Es ſey was neues geweſen, die
Soldaten in Quartiere und Gezelte zu legen. Anfangs ſey es unter den
Roͤmern nicht geweſen. Cæſar aber ſagte: Es ſey nicht abſurd den Sol-
daten einige commodité zu verſtatten. Alle nationes ſind nicht gleich,
und koͤnnen nicht ſub dio im ſtarcken Winter wie die Moſcowiter liegen,
und roh Fleiſch freſſen. Cæſar kleidete auch ſeine Soldaten beſſer; Er
ſahe, es that nichts zur Sache, wenn nur das Point d’Honneur beybe-
halten wuͤrde. Exercitia muͤſſen ſeyn. Die Franci ſind unter Pipino und
Carolo M. in conſideration kommen, weil ihre exercitia meliora, quam
inter ceteros geweſen; Hergegen ſind ſie auch in decadence kommen, da
hernach die exercitia abnahmen. Arnulphus und Henricus Auceps re-
tablirten die exercitia wieder, davon man einen egregium locum in Rhe-
ginone finden kan. Henricus Auceps hat zwar die Tourniere nicht er-
funden, welche mit vielen Koſten cum pompa ſind gehalten worden, ſon-
E e e 2dern
[404]Cap. V. De prudentia
dern es iſt davon Urheber der Graf von Anjou, welcher Kayſer Henri-
ci V. Gemahlin Mathild geheyrathet; Aber er hat doch ſeine Reutherey
exerciret, gekuͤraßiret, ſie lernen ſchwencken, oͤffnen, zuſammen ſchlieſ-
ſen ꝛc. Otto M. continuirte es; Wo ein exercitium iſt, iſt eine Ordnung,
Ordnung iſt ſapientia; Wo inſipientia iſt, iſt confuſio; Daher auch
hodie da Ordnung je laͤnger je beſſer gehalten wird, lauffen wir dadurch
den Barbaren den Rang ab. Wo keine diſciplina militaris, da laufft
ein jeder hin wo er will. Puffendorff in rebus geſtis Caroli Guſtavi er-
zehlet von demſelben, daß er ſehr verdrießlich geweſen uͤber die Pohlen,
ſo er unter ſich gehabt, dieſe, wann ſie marchiret, und einen Haaſen
ſehen lauffen, ſind ſie gleich heraus gelauffen, und haben den Haaſen
verfolgt. Wo keine Ordnung iſt, da fallen ſie geſchwind auf die Beu-
the. Wie viel ſind nicht bataillen verlohren gegangen, da die Leute ſo
geſchwind auf die Beute gefallen. Der Hertzog Bernhard victoriſirte
wider die Kayſerlichen bey Rheinfelden, da dieſelben ſo bald Beute ma-
chen wollten. Carolus Audax hat wider die Schweitzer keine bataille
koͤnnen gewinnen, weil ſeine Leute nicht exerciret geweſen. Monſ. Du
Bois in Hiſtoire de la Ligue de Cambray in notis hat gewieſen, warum
die Schweitzer ſo viel bataillen gewonnen, und zeiget, daß theils die
Waffen, theils ihre Ordnung ſolches verurſachet. Sie haben faſt kei-
ne Reutherey gehabt, und doch victoriſiret. Ziska hat denen Teutſchen
den Rang abgelauffen mit ſeinen exercitiis, welches alle, die von Hußi-
ten-Krieg geſchrieben, auch Balbinus bezeugen. Seine Leute haben ſich
muͤſſen zuſammen ſchlieſſen, und er hat Wagen hinten herum geſetzet,
daß ſie ſich nicht ſo leicht retiriren koͤnnen; Daher iſt gut, wenn man
die Armeen in gewiſſe Stuͤcke eintheilet, als in Regimenter, Batallions-
Eſquadrons, Compagnien, ꝛc. und uͤberall ſigna hat, damit ein jeder ſe-
hen kan, wo er hin gehoͤret. Die Roͤmer haben numeros in ihren Fah-
nen gehabt, welches Obrecht de vexillo imperii gewieſen. Caro-
lus I. ein Engelaͤnder, und Printz Robert waren wackere Herren;
Aber Printz Robert pousſirte die Feinde zu weit, hielt keine rechte
Ordnung, und hat ihnen bloß wegen der Unordnung Cromwell zwey
Bataillen abgenommen. War das nicht eine Unordnung, da
Robert eine halbe Stunde die Feinde pousſirte, und die uͤbrige
Armee im Stiche ließ. Man muß auch ſein Volck ſo exerciren, daß
es auf eine retirade dencken kan. Es iſt nicht gut, daß man die Feinde
allezeit verfolget. Uber den Koͤnig in Schweden hat man ſich gewun-
dert, daß er uns ausgelachet, weil wir uns exercirten, wie wir uns
koͤnten retiriren. Bey Pultava aber hat man es geſchen, da die Schwe-
den
[405]ſtatus circa bellum \& pacem.
den alle gefangen worden, weil ſie ſich nicht geſcheut koͤnnen retiriren.
Ich kan ja nicht allezeit victoriſiren; es kan ein accidens kommen, daß
ich uͤbermannet werde, ſonderlich hodie, wenn einer nicht darauf den-
cket, wie ſich die Leute retiriren koͤnnen en bon ordre, ſo verlieret er auf
einmal die gantze Armee. Alſo iſts allerdings zu æſtimiren, wenn einer
ſich kuͤnſtlich retiriren kan. Wie wir die erſte Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt
verlohren, weil Stirum nicht gedacht, daß der Feind ſo nahe waͤre, ſo
war das die groͤſte Klugheit von ihm, daß er ſich noch gut retirirte, und
wurden nicht viel gefangen, nur hatten wir die Schande, daß wir
lauffen muſten. Wo ſoll eine Ordnung ſeyn, da muͤſſen auch exercitia
vorhanden ſeyn; die continentia beſtehet darinnen, ne cibo venerique
indulgeant. Hannibals Exempel iſt bekannt. Die Schweden hat das
luxurieuſe Weſen in Sachſen verdorben, und ſind ſie brav geſtorben,
da ſie ſollten nach der Ukraine marchiren. Die Spanier hat man aus-
gelachet, daß wie ſie wider die Portugieſen zu Felde gangen, im Lager
laſſen Comoͤdien ſpielen. Eine Pfeiffe Taback und Brandtewein iſt
des Soldatens beſtes divertiſſement; die Frantzoſen aber excediren,
daß ſie denen Leuten zuviel Brandtewein geben, deßwegen iſt ſo ein Lerm
in ihren Lagern. Etwas iſt gut; Wenn nur die Officiers nuͤchtern ſind:
denn der Soldat fichtet nicht allezeit ex ambitione. Es iſt gut, wenn
ein Soldat ein point d’Honneur hat. Aber wir nehmen alles an, wie
wir ſie bekommen koͤnnen; die Officiers aber muͤſſen tuͤchtig ſeyn und
Hertz haben. Wenn die Soldaten nichts thun, als freſſen und ſauffen,
huren, ſo werden ſie enervirt. Man hat obſervirt bey den Roͤmern,
auxiſſe imperium ſuum, ſo lange disciplina militaris integra geweſen.
Bey denen Roͤmern hat anfaͤnglich keine Frauens-Perſon duͤrfen ins La-
ger kommen, mirumque viſum eſt, da Germanicus ſeine Gemahlin mit
ins Lager gebracht, wie man beym Tacito ſehen kan. Man ſagt zwar,
Cæſar habe nicht viel darnach gefraget, wenn die Soldaten frey gelebet;
aber man muß wiſſen, daß er denen Soldaten deßwegen ſo viel Freyheit
gegeben, damit ſie ſich moͤchten zu ihm ſchlagen. Cæſar hat auch das
Peculium caſtrenſe eingefuͤhret, ut milites ſibi conciliaret, wie Svetonius
angemercket. Alſo kan man Cæſarem in dieſem Puncte nicht regardi-
ren, wenn ſie marchirten, war er doch ſcharff gnug. Ein Exercitus, ſo
en bon ordre iſt, reuſſirt allezeit gut. Perfix ſaget, daß Henrici IV. Ar-
mee en bon ordre geweſen, da er den Mayenne aus dem Felde geſchla-
gen. Die liquirte Armee gieng uͤber den Hauffen, und wenn Henricus
gleich fortgegangen waͤre, haͤtte er den Thron gleich beſteigen koͤnnen;
So aber lieff er nach Peronne zu ſeiner Maitreſſe, und muſte ſich hernach
E e e 3etliche
[406]Cap. V. De prudentia
etliche Jahr herum ſchmeiſſen. Zucht und Erbarkeit iſt allezeit gut; aber
dahin wird es freylich ein Herr nicht bringen, daß kein boͤſer Menſch
ſollte darunter ſeyn, wenn ſie nur aͤuſſerlich ordentlich leben, nicht marodi-
ren: Das marodiren hat viel Ungluͤck verurſachet. In der Hiſtoria Gi-
ſelberti lieſet man, daß er einem Bauer die Pferde genommen, der Bauer
verrieth daher, wo Giſelbert hingegangen, da marchirten Ottonis Officiers
nach, und ſprengeten ihn in Rhein. Johann Friedrich in Sachſen hat
die bataille dadurch verlohren, daß ſeine Leute einem Bauern die Pferde
genommen, welcher denen Kayſerlichen den Weg gewieſen, wo ſie kon-
ten uͤber die Elbe kommen, den ſonſt die Kayſerlichen wuͤrden nim-
mermehr geſunden haben: Die Sachſen waren in Sicherheit, dachten
nicht, daß die Kayſerlichen wuͤrden hinuͤber kommen koͤnnen, und wur-
den alſo geſchlagen. Die Leute werden verdrießlich, wenn man ihnen
das Ihrige nimmt. In des Feindes Lande kan der Feind die Leute
leicht gewinnen, wenn er ſagt: Er ſuche die Unterthanen zu protegiren,
und ihnen nichts zu nehmen; deßwegen iſt eine ſcharffe diſciplin vonnoͤ-
then, und ſiehet man nicht darauf, ob eine proportion da iſt zwiſchen
der geſtohlnen Sache und dem Tode des Soldatens. Ich weiß einen
Kerl, welcher nur den Leuten, ſo auf der Straſſe feil haben, eine Bre-
tzel genommen, muſte hencken. Viele meyneten, es waͤre zu grauſam,
aber der Officier ſagte: Er wuͤrde nicht gehenckt wegen der Bretzel, ſon-
dern weil er geſtohlen, und ſein Geboth nicht in acht genommen. Die
Schweden haben eine groſſe Liebe gehabt, da ſie eine gute Ordnung
unter ihren Leuten gehalten. Wie Guſtav Adolph Stettin bekommen,
ließ er auf dem Wall Gezelter ſchlagen, worinnen ſich die Soldaten auf-
halten muſten, damit die Buͤrger nicht incommodirt wuͤrden, welches de-
nen Leuten ſehr wohl gefallen, ſonſt wuͤrde auch der Koͤnig in Schweden
nicht ſo reuſſiret haben. Hergegen die Frantzoſen und Beyern haben ge-
hauſet, wo ſie hingekommen, das hat ihnen groſſen Tort gethan. Viele
Staͤdte haben ſich deßwegen in poſitur geſetzet, ſich ihnen zu widerſetzen,
welches ſie ſonſt nicht wuͤrden gethan haben. Nuͤrnberg iſt keine feſte
Stadt, aber durch ihren Aufſtand haben ſie den Beyern groſſen Scha-
den gethan; die Buͤrger ſchlugen einmahl ein Corpo von Beyern aus
dem Felde. Das machte die deſperation; denn ſie ſagten: wenn wir
uns ihnen uͤbergeben, ſo behalten wir ohnedem nichts, alſo wollen wir
uns lieber deſperat wehren. So haͤtten die Beyern auch Tyrol leicht
weg bekommen koͤnnen, aber die Bauren wurden auch deſperat, und
wehreten ſich tapffer. Was die montur der Soldaten betrifft, ſo ha-
ben viele gemeynet, diejenigen, ſo brillirten auro \& argento, thaͤten ihr
devoir
[407]ſtatus circa bellum \& pacem.
devoir nicht recht. Des Darii Leute waren wohl geputzt, da hat Ale-
xander Magnus ſeine Leute encouragiret, ſie ſollten brav fechten, da wuͤr-
den ſie viele Reichthuͤmer erhalten. vid. Curtius. Caroli Aud. Soldaten
haben trefflich ausgeſehen, die Schweitzer aber ſchlecht, und dieſe haben
doch victoriſiret. Ich laſſe alſo paſſiren, daß einer eine battaille kan ge-
winnen, ob gleich ſeine Soldaten nicht geputzt ausſehen; Aber wenn ſie
ſonſt keinen Fehler haben, als daß ſie wohl gekleidet ſind, das wird nicht
viel ſchaden. Rabutin de Buſſy lobet den Koͤnig in Franckreich, daß er alle ſo
wohl gekleidet, ſonderlich die Cavallerie. Aber es ſind auch lauter Leute von
extraction darunter. Die Engelaͤnder und Frantzoſen haben Federn auf
den Huͤthen, ja die Engelaͤnder ziehen ſeidene Struͤmpffe an, deßwegen
fechten ſie doch gut. Die Engelaͤnder ſind nicht ſo abſtinentes im Eſſen,
und thun ſie zwar in ihren Landen Wunder, aber in andern Landen nicht,
wenn ſie nicht das Engliſche Ochſen-Fleiſch im Leibe haben. Wie der
Marleborough nach der Moſel gieng, und den Villars attaquiren wollte,
aber nicht konnte, weil ſich derſelbe retrenchiret hatte, ſo muſte er mit
ſeinen trouppen etliche Tage marchiren, da ſind fuͤnff bis ſechs tauſend
Mann marode geweſen. Das Brodt konnte man ihnen nicht recht
backen, und ihnen nicht zu rechter Zeit anrichten. Wenn auch gleich
die Engelaͤnder in dem Teutſchen Kriege etliche tauſend Mann geſchickt,
ſo wird man doch nicht finden, daß ſie was eclatantes gethan. Die
Engelaͤnder wiſſen es auch wohl, daher wenn ſie auswaͤrts zu thun ge-
habt, haben ſie von vielen Teutſchen Fuͤrſten trouppen aufgenommen,
und ſie gebraucht. Hodie hat man es dahin gebracht, daß wenigſtens
einige von der milice ausgeputzt worden. Das hat der Koͤnig in Franck-
reich aufgebracht bey ſeiner Guarde du Corps. Endlich koͤmmt auch viel
auf die exempla an: Denn es iſt abſurd, wenn der General ſaget, die
Soldaten ſollten ſobrie, caſte \&c. leben, und er ſelbſt huret, ſpielt, frißt,
ſaͤufft ꝛc. Turenne aß offt ein Stuͤck Brodt, und gab einen andern
Soldaten was davon, wie Flechier in einer oration, ſo er auf den Tu-
renne gehalten, gewieſen. Tilly aß offt mit ſeinen Soldaten, und hielt eine
ſchlechte Taſel, hat auch niemahls ein ander Frauenzimmer beliebet, als
ſeine Frau. Der Turenne hat ſich einsmahls in eine Hertzogin von
Longeville verliebet gehabt, hat aber geſagt, man ſolle ihm nur bey der
Nacht nicht, aber am Tage daran erinnern, weil man ſonſt ſehen wuͤr-
de, daß er roth daruͤber wuͤrde. Bisweilen kan ein General ſchon ein
cordialichen trincken, und ſeine Officiers embraſſiren. Montecuculi in ſei-
nen memoires ſaget, wenn ſie zur rencontre kommen, waͤre er allezeit ſo-
brius geweſen, und habe nichts, als ein bißgen Brodt zu ſich genommen.
Wenn
[408]Cap. V. De prudentia
Wenn er aber Zeit gehabt, habe er offene Tafel gehalten, und gerne ge-
ſehen, daß andere mit ihm gegeſſen. Er ſagt auch, daß, wenn ein Of-
ficier Geld habe, er wohl thaͤte, wenn er eine gute Tafel halte, theils
koͤnne er ſich dadurch bey Vornehmen inſinuiren, theils wuͤrden auch
manche arme Officiers froh, wenn ſie einmahl bey ihm koͤnnten mit ſpei-
ſen; Freſſen und ſauffen muß man nicht, wie bey Speyerbach die Teut-
ſchen gethan, welche von dem Tallard uͤberfallen, und totaliter geſchla-
gen worden. Montecuculi ſaget, er habe von andern Regimentern Of-
ficiers zu Gaſte gebethen, die ihm offt groſſe Dienſte gethan. Die di-
ſciplina thut ſehr viel. Lipſius hat gewieſen, daß es bey denen Roͤmern
auch ſcharff geweſen. Es ſind viel unter denen Soldaten, die muͤſſen
im Zaum gehalten werden, daher muß der Soldat Pruͤgel haben, doch
muß der Officier einen Unterſcheid machen: denn es koͤnnen einige ſeyn,
ſo ein point d’honneur haben, die muß er anders tractiren.
nerals, und ob
einem allein
das comman-
do anzuver-
trauen?
§. 16. Es entſtehet die Frage, de numero ducum primariorum.
Man verſtehet hier nicht einen jeden General, ſondern einen General-
Feld-Marſchall, oder General-Lieutenant, der die Armee en chef com-
mandiret. Bisweilen hat man hohe Urſach, einem nicht allein das
commando zu geben. Wir haben ein Exempel an der exceſſiven Gewalt,
welche dem VVallenſtein in ſeiner Beſtallung gegeben worden, und wahr-
genommen, daß dieſelbe faſt zum Nachtheil des Kayſers ausgeſchlagen;
und alſo ſollte ſcheinen, daß es beſſer ſummum imperium inter plures eſſe
diviſum. Es iſt kein Zweiffel, daß eine ſolche Gewalt durch eins ſeine
caprice alles verderben kan; Daher auch die Hollaͤnder keinen allein
commandiren laſſen, ſondern es ſind allemahl deputirten von den Ge-
neral-Staaten bey der Armee, welche acht geben, daß ſich der Dux nicht
uͤbereilet. Alſo iſt nicht zu laͤugnen, daß es nicht allezeit gut, einem al-
lein das commando anzuvertrauen. Allein hier iſt eine quæſtio proble-
matica, relativa, comparativa. In comparationibus kan man die Sache
ſein Lebtage nicht ausmachen. In einer Abſicht iſt es gut. Viele po-
litiſche quæſtiones kan man in utramque partem defendiren, wie Heſſen-
thaler in ſeinem Athleta Politico gewieſen, welches Buch ſehr zu recom-
mandiren. Man kan ſein Lebtage keine quæſtion abſolute decidiren,
ſondern ein anderer kan allezeit etwas in contrarium beybringen. Wir
wiſſen, daß wann etliche mit einander commandiren, ſolche mehrentheils
unter einander uneinig werden. Wie Land-Graf Philipp von Heſſen,
und Johann Friedrich von Sachſen bey Landshuth commandiret, ſo hat-
ten die beyden Herren mit einander gezancket, und einer immer die Sa-
che beſſer verſtehen wollen, als der andere; Hernach gieng gar Hanns
Frie-
[409]ſtatus circa bellum \& pacem.
Friedrich fort nach Sachſen. Carolus V. marchirte ihm nach, und ſchlug
die Proteſtanten aufs Haupt, ſie wuͤrden ſich auch nicht wieder haben
regen koͤnnen/ wenn Moriz nicht geweſen. Wie der Printz Louis und
der Marleborough mit einander commandiret, ſo hat man vorher ausge-
macht, daß dieſer heute, morgen jener en chef commandiren ſollte. Horn
und Bernhard haben auf dieſe Art die bataille bey Noͤrdlingen ver-
lohren. Horn wurde gefangen, und Bernhard echappirte mit dreyzehen
tauſend Mann. In dieſer Abſicht iſt alſo nicht gut, ſi pluribus commit-
tatur rei ſumma, und wenn der General gut iſt, er iſt ein braver Sol-
dat, ſo iſt beſſer, daß man ihm allein das commando giebt. Was man
von dem VVallenſtein ſaget, das iſt freylich wahr. Er war ein Boͤſe-
wicht, der dem Kayſer von Thron ſtuͤrtzen, und Koͤnig in Boͤhmen wer-
den wollte? Deßwegen hat er ſich ſo eine ampliſſimam poteſtatem geben
laſſen; Warum hat ihn der Kayſer ſo viel Gewalt gegeben! Es kan ja
ein General en chef commandiren, und doch einer ſubalternen der ſum-
mæ poteſtatis haben; Darum iſt leicht zu begreiffen, warum der Autor
defendiret, daß ſumma rerum einem ſolle committirt werden. Denen
Hollaͤndern aber iſt gar nicht zu verdencken, daß ſie einige mit ſchicken,
welche mit acht geben. Inſonderheit iſt dieſes noͤthig bey einem Herrn,
der immer batailliren will, als wie der Koͤnig VVilliam geweſen; daher
iſt nichts, wenn ein General erſt nach Hauſe ſchreiben muß, und ſich er-
kundigen, ob er batailliren ſoll, wie man einen Brief noch findet von
dem elenden Louis XIII. an dem Cardinal la Valette, darinnen er die
wunderliche Antwort gegeben: Mon Couſin, wenn ihr dencket, daß ihr
ſchlagen koͤnnet, ſo ſchlaget. Ein General muß fidelis ſeyn, nicht præci-
pitant; daher iſt eine groſſe Kunſt, einen rechtſchaffenen General zu
waͤhlen, offt iſt man en peine, wem man die Armee anvertrauen ſoll?
Mancher iſt zu dieſem, mancher zu jenem capable, aber deßwegen nicht
gleich geſchickt, eine gantze Armee zu commandiren. St. Euremont hat
etliche Frantzoͤſiſche Generals, als den Gaſſion, Turenne Crequi characte-
riſiret, daran man einen extract finden kan in der præfation des Pere
Daniels Hiſtorie de France. Er ſaget: daß der Gaſſion ein admirabler
Parthey-Gaͤnger geweſen, aber man haͤtte ihn keine gantze Armee an-
vertrauen koͤnnen, der Turenne aber habe zu groſſen deſſein koͤnnen ge-
brauchet werden, eine bataille zu commandiren eine Belagerung vorzu-
nehmen ꝛc. doch habe ſich dieſer zu keinen Parthey-Gaͤnger geſchickt.
Mancher iſt capable, die Cavallerie zu commandiren, ſchickt ſich aber
nicht zur Infanterie. Wenn einer eine Armee commandiren ſoll, ſo iſt
nicht gnug, wenn er brave iſt, ſondern der Verſtand machet das meiſte aus.
F f f§. 17.
[410]Cap. V. De prudentia
ſelbſt mit zu
Felde gehen
ſolle?
§. 17. Es fragt ſich: Ob ein Princeps mit ins Feld gehen ſoll?
Reſpond. Es iſt dieſes ebenfalls eine proboſitio comparativa. Ich bin
in der perſuaſion, daß ein Princeps nicht weit von der Armee ſeyn ſolle,
aber wenn er mit hinein gehet, und bleibet, ſo iſt alles verderbet. Wir
haben ein Exempel an dem Guſtav Adolph, und an den letzten Koͤnig in
Schweden, Carl XII. Iſt der Princeps zu weit entfernet, ſo negligiren
die Officiers zu weilen etwas, denn die Menſchen ſind gerne commode,
und iſt nicht bey allen ein groß Feuer, eine groſſe Flamme. So lange
Ferdinandus III. bey ſeiner Armee nicht nahe war, gieng es wunderlich
zu, wie er aber nahe kam, ſo iſt alles ordentlich worden; So hat es
der Koͤnig in Franckreich Louis XIV. auch gemacht, welcher nur zwey
mahl zu Felde gezogen; aber ſonſt der Armee doch beſtaͤndig nahe ge-
weſen. Bey Maſtricht iſt er in die approchen gegangen, es hat mir
aber ein Legations-Prediger erzehlet, es waͤren ſolche ſo weit geweſen,
daß er von keiner Stuͤck- oder Muſqueten-Kugel koͤnnen incommodiret
werden. Es ſind aber nationes, welche nicht gerne fechten, wofern der
Koͤnig nicht darbey iſt, das hat man in Schweden geſehen. Die Poh-
len fechten auch nicht gerne, wenn der Koͤnig nicht da iſt, ſie haben wohl
ihren Cron-Feld-Herrn, ſie ſehen aber doch ihren Koͤnig lieber, daher
wollen ſie allezeit einen haben, der Thaten gethan hat. Der Sobiesky
iſt bloß deßwegen Koͤnig worden, weil er zwey bataillen gewonnen. Die
Ungarn gehen nicht zu Felde, wenn nicht der Koͤnig dabey iſt. Vor
dieſen konnte ein Koͤnig eher mit gehen, weil manchmahl kaum funffzig
bis ſechzig Perſonen in einer Schlacht blieben, heut zu Tage aber, da
man das Pulver hat, kan leicht geſchehen, daß ein Koͤnig nieder geſchoſ-
ſen wird. Wie Guſtav Adolph vor Ingolſtadt war, und ſo nahe bey
der Stadt ritte, warneten ihn einige, er ſollte nicht ſo nahe reiten; Er
antwortete, habt ihr wohl gehoͤret, daß ein Koͤnig todt geſchoſſen wor-
den, ehe er ſichs verſahe, kam eine Stuͤck-Kugel, und wurde ihm ſein
Pferd todt geſchoſſen, da gieng er fort. Er haͤtte bald ſelbſt ſein Leben
eingebuͤſſet, denn der junge Tilly commandirte in Ingolſtadt, den fragte
der Conſtabel ob er das Pferd oder den Herrn, ſo darauf ſaͤß, todt ſchieſ-
ſen ſollte, worauf Tilly geantwortet, er ſollte nur das Pferd treffen, wel-
ches auch geſchehen. Im Noth-Fall laß ich paſſiren, daß ſich ein Prin-
ceps a la tete ſeiner Armee ſtellet, neceſſitas non habet legem. Wie
Coppenhagen belagert wurde, ſo hat Fridericus III. ſelbſt commandiret,
ja ſein Sohn, Chriſtian V. hat auch mit helffen muͤſſen, weil die gantze
Koͤnigliche Familie waͤre in Gefahr geweſen, wenn der Sturm nicht ab-
geſchlagen worden. Iſt die nation ſo naͤrriſch, daß ſie allezeit ihren
Koͤnig
[411]ſtatus circa bellum \& pacem.
Koͤnig will bey ſich haben, ſo muß er es freylich thun. Sonſt aber iſt
beſſer, daß er es nicht ihut. Wenn die audacia gut ablaufft, ſo lobet
ihn jedermann. Wie Franciſcus I. bey Marignan die Schlacht wider
die Schweitzer gewonnen, ſo war ein groſſes Frolocken. Hergegen
wird ein Koͤnig todt geſchlagen, ſo ſagen alle: Es waͤre beſſer, wenn er
zu Hauſe blieben waͤre. Si itaque mos ita ferat, ſo iſt nichts anders zu
thun, ſin minus abſis, aber non longe, damit kan bald ordre geſtellet wer-
den. Iean de VVitt hat davor gehalten, in einem ſolchen ſtatu, wie der
Belgicus ſey, waͤre es gut, wenn er ſelbſt mit auf das Schiff gienge; Es
iſt auch alles gut von ſtatten gangen; Er meynet auch, die præſentia Re-
gis thue viel, welches ich zugebe; Es ſind aber viel incommoda verhan-
den: Warum will er da wie ein gregarius miles ſeyn? Ich halte nicht
davor, daß derjenige einen groſſen eſprit hat, welcher uͤberall ſeyn will,
wie denn auch viel bey Guſtavo Adolpho meynen, daß er zwar ein guter
Soldat geweſen, aber der eſprit ſey nicht ſo groß geweſen.
§. 18. Wenn die politiſchen Lehrer einen ducem abbilden, wie erVon den qua-
litaͤten eines
Feld-Herren.
ſeyn ſoll, ſo muß man dencken, daß er ein Dux pictus, er iſt eine des Zeuxes
ſein Frauenzimmer, welcher von dieſem Frauenzimmer die Naſe, von
einem andern die Augen genommen, dergleichen Schoͤnheit aber in der
Welt nicht anzutreffen geweſen. Die qualitaͤten alle, welche die Politi-
ci erfordern, wird man bey einem Duce nicht finden. Ich kan hier kei-
ne univerſal.Negul machen: Wir haben Officiers, die geſtiegen ſind, und
doch nicht uſum gehabt. Der VVallenſtein iſt ſein Tage nichts, als
Obriſter geweſen, ſo bald er aber bekannt wurde, gaben ihm die Land-
Staͤnde in Maͤhren ein Regiment zu commandiren, er gieng zu dem
Kayſer uͤber und commandirte gleich die Armee en chef. Der Spinola
iſt ein Kauffmann aus Genua geweſen, und iſt gleich General worden.
Er iſt ein groſſer Capitain unter den Spaniern geweſen, paulo inferior,
als der Alexander von Parma. Printz Moriz, und Printz Friedrich Hein-
rich haben ihn auch vor einen groſſen General gehalten. Ordinarie iſt
freylich gut, ſi conſenuit ſub vexillis, wie der Coligny. Probos Duces
kan man nicht allezeit haben. Laborum patiens muß ein Dux ſeyn.
Dieſes fehlete dem Hertzog von Mayenne, welcher einen groſſen Coͤrper
hatte, lange ſchlaffen, und viel eſſen muſte, vide Perefix im Leben Henrli
le Grand. Cominæus erzehlet von Carolo Audaci, er habe niemahls ge-
hoͤret, daß derſelbe traͤge geweſen, ſondern ſey am ſpaͤteſten ins Bette gan-
gen, und am erſten wieder aufgeweſen. Moriz hat auch koͤnnen einen
gantzen Tag und Nacht zu Pferde ſitzen, und batailliren, den andern
Tag hat er ſich doch nicht einmahl ins Bette geleget. Dieſes iſt gut,
F f f 2aber
[412]Cap. V. De prudentia
aber nicht allezeit noͤthig. Torſtenſohn gewann zwey bataillen, und ließ
ſich in der Saͤnffte herum tragen, weil er das podagra hatte. Ziska war
blind, hatte aber den Procopium bey ſich, welcher ihm ſagte, in welcher
Gegend er waͤre, da er alles commandirte: Denn das commando koͤmmt
auf den Kopff an. Diligens, providus iſt das principalſte. Ein Gene-
ral hat auch vieles zu ſehen, nicht allein auf den Feind, ſondern auch ob
ſeine Armee ſubſiſtiren koͤnne, welcher Ort zu batailliren geſchickt: Denn
nicht ein jeder Ort iſt darzu geſchickt, daß ſich die Armee recht ausbrei-
ten kan. Es koͤmmt auch viel darauf an, daß er ſiehet, wer die Sonne
oder den Staub im Geſichte habe, wodurch manchen der Rang abge-
lauffen worden. Temperans muß ein General ſeyn. Wir haben viel
bataillen per ebrietatem verlohren, und koͤnnte eine gantze Diſſertat. de
Cladibus per ebrietatem acceptis gehalten werden. Henricus V. hat die
Sachſen bey Ingolſtadt geſchlagen, welche alle voll waren. Tilly war
nicht ſobrius, und hat Guſtav Adolph von ihm geſagt: Er lebte, wie ein
Pfaff. Fidelis muß er ſeyn, worauf viel ankoͤmmt; Daher war uͤbel
gethan von dem Kayſer, daß er den VVallenſtein wieder annahm, und
ihm ſo eine groſſe Gewalt gab, da er ihn vorher abgeſetzt. Biswei-
len muß ein General cunctator ſeyn, bisweilen aber auch geſchwind.
Der Montecuculi war ein cunctator, und hat manchmahl mehr ausge-
richtet, als wenn er batailliret. Der Printz Louis ebenfalls. Es iſt
nicht gut allezeit bataillen zu liefern. Der Torſtenſohn zog ſich offt
lange herum, ehe er bataillirte. Er war einer von den beſten Genera-
len, modeſtus, frugalis, providus und war capable eine Armee zu com-
mandiren, welches auch Guſtavus Adolphus geſagt. Er wollte nicht ger-
ne auf den Teutſchen Boden, weil ihn das podagra incommodirte,
aber er muſte heraus. Carl Guſtav hat unter ihm den Krieg gelernet,
es fehlete ihm nichts als vigor corporis. Der VVrangel war ein guter
General, aber ein Parthey-Gaͤnger. Der Bannier war capable eine
Armee zu commandiren, aber nicht capable Magazins zu halten. Es iſt
nicht genug eine bataille zu gewinnen, ſondern derjenige, ſo die bataille
gewinnt, muß auch acht geben, daß dieſelbe einen effect hat. Die Ar-
mee muß koͤnnen ſubſiſtiren; Victualien, fourage und artillerie muß da
ſeyn, wo dieſes nicht iſt, ſo hilfft auch die bataille nichts. So iſt es
bey denen meiſten actionibus des Banniers gegangen, und gehet auch bey
andern ſo. Ein General muß aſtutus ſeyn, de futuris koͤnnen conje-
cturiren, und ſo zu ſagen errathen, was der Feind intendiret. Richelieu
hat in ſeinem Teſtamento Politico die Frage aufgeworffen: Ob es beſſer
ſey, wenn ein General, der en chef commandiret, mehr fineſſe habe als
bra-
[413]ſtatus circa bellum \& pacem.
bravoure? Einige haben gemeynet: Die fineſſe ſey uͤberall noͤthig, und
haben auch raiſons beygebracht, ſie haben auch des Hannibals und an-
derer beruͤhmten Officiers actiones angefuͤhret. Richelieu aber hielt da-
vor, ein mediocrer Verſtand und groſſe bravoure ſey beſſer, als das
groͤſte raffinement. Ich bin auch der Meynung des Richelieu, welche
man mit e inem ſenſiblen Exempel erlaͤutern kan. Es iſt bekannt, daß
der Hertzog Bernhard von Weymar, ein apanagirter Herr, groſſe Tha-
ten gethan. Dieſen hat der Richelieu im Kopf gehabt. Er ſagt, der
Hertzog von Rohan waͤre ein guter General geweſen, der ein groſſes
raffinement gehabt, und auch viele Buͤcher geſchrieben, aber im Kriege
koͤnne man nicht alles abmeſſen. Es komme viel auf einen hazard an;
Da wuͤrde einer, der viel dubia machte, nicht viel Thaten thun. So
lange es gluͤcklich gehet, iſt ein ſolcher General gut. Aber ich lobe mir
einen Bernhard. Wie die Schlacht bey Rheinfelden verlohren gieng,
und alle lauffen muſten, ſo wuͤrde ſich da ein Montecuculi nimmermehr
recolligiret haben, ſondern es waͤre alles verlohren geweſen. Aber
Bernhard ſagte: Meine meiſten Trouppen ſind ſalviret, ſie werden nicht
dencken, daß wir werden zuruͤck kommen; Wir ſind ſo ruiniret; laßt
uns was hazardiren, was ſoll es gelten, wir treffen ſie in confuſion an,
omnes hoc conſilium approbarunt, ſie giengen zuruͤck, ſo geſchwind als
es geſchehen konnte, da es ſich die Kayſerlichen am wenigſten verſahen,
attaquirten ſie; Die Generals waren nicht zu Pferde, ſchlugen die Kay-
ſerliche Armee und bekamen alle Generals gefangen. Dieſe affaire hat
die Frantzoſen in guten Stand gebracht, daß ſie einen offnen Weg be-
kamen in Teutſchland einzubrechen. Bernhard hatte groſſe Bravoure,
aber einen mediocren Verſtand, und wuͤrde ein anderer dieſes nicht ha-
zardiret haben. Alſo ſagte Richelieu: Raffinement ſey wohl im groſſen
Gluͤck gut, aber in Ungluͤck ziehe er vor einen mediocren eſprit und eine
bravoure ſine exemplo. Alle haben geſunden, daß, obgleich Richelieu
ein Pfaff geweſen, doch eine raiſon in der Reſponſe ſtecke. Wer ein
General ſeyn will, muß autoritaͤt und aliquid gloriæ in der Welt erlan-
get haben. In Franckreich hat man die façon, daß, wenn einer vier
Staͤdte eingenommen, oder zwey bataillen gewonnen, ſo wird er Mar-
ſchal de France; welches bis dieſe Stunde noch mainteniret wird. Der
Koͤnig in Franckreich ſaget: Keiner koͤnne Marſchal ſeyn, welcher
nicht Thaten geſtifftet, und famam apud hoſtes habe. Sein Leb-Tage
iſt kein Ingenieur Marchal de France worden, weil ſeine Thaten nicht
geſehen worden, ausgenommen der Vauban wurde es, weil er wohl hun-
dert Staͤdte zu Franckreich gebracht. P. Daniel ſaget: Er meritirte
F f f 3wohl
[414]Cap. V. De prudentia
wohl zwantzig mahl zum Marchal de France gemacht zu werden. Die
Frantzoſen haben unter dem Ludovico XIV. auf hundert Staͤdte und
Feſtungen weggenommen, und viele in einer ſolchen Geſchwindigkeit,
daß man ſich es kaum concipiren kan, wobey der Vauban viel con-
tribuiret.
ſein Gluͤck an-
komme?
§. 19. Die politiſchen Scribenten, ſonderlich Lipſius ſagen, ein
Dux muͤſſe felix ſeyn; Sie haben beym Cicerone in orat. pro Lege Man.
geleſen, daß, als man diſputiret, cui ſit deferenda ſumma verum? ille
pro Pompejo ſtetit. Bey welcher Gelegenheit er die Qualitaͤten eines
Generals durch gegangen, und ſolche nachgehends auf den Pompejum
appliciret. Er hat nichts vergeſſen was zu einem braven General ge-
hoͤret. Der Pompejus iſt auch ein groſſer General geweſen, ob er gleich
durch das artificium Cæſaris uͤbern Hauffen geworffen worden. Unter
andern requiriret auch Cicero felicitatem. Unſer Autor ſaget: Felicita-
tem nemo ſibi dare poteſt. Da hat er recht. Fortuna felicitas iſt nichts,
wer ſich ſolche in Kopf ſetzet, hat eine abſtraction, welches Clerc in ſei-
nem Tractat du Bonheur \& du Malheur dans les Lotteries gewieſen.
Weisheit iſt das beſte. Allein ein anderer kan auch weiſe und tapfer
ſeyn, da kan bisweilen im moment ein Ungluͤck kommen, das man ſich
nicht verſiehet. Poſthæc occaſio calva. Das Gluͤck iſt revera nichts
anders, als eine Weisheit, daß ich meine Sache wohl uͤberlege, und
bald ſuche in execution zu bringen. Indeß kan offt einer Qualitaͤten
haben, als wie der Printz Philipp von Sultzbach ein guter General ge-
weſen, aber es kan ſeyn, daß er das tempo verſehen, oder mit andern
wackern Leuten zu thun gehabt, die ihm den Circul verruͤckt, daß er ge-
ſchlagen worden, da hat es gleich geheiſſen: Er ſey ein ungluͤcklicher
Mann. Man kan nicht ſagen, dieſer iſt felix, der andere infelix, wenn
gleich einmahl das tempo verſehen worden, ſo wird es deßwegen nicht
allezeit geſchehen; Deßwegen paßt der Autor auf dieſes requiſitum nicht
viel. In abſtracto iſt felicitas, fortuna nichts, ſondern eine chimære.
Ob nun gleich dieſes alles wahr iſt, ſo muß man doch keinen General
ſchicken, der ungluͤcklich geweſen, er mag Schuld daran ſeyn oder nicht:
Nicht, als wenn ich glaubte: Quod huic non adſiſtat fortuna, ſon-
dern weil er verurſachet, daß die Leute kein Hertz haben zu fechten.
Wie Cromwell bey der Schottiſchen Armee zum Protector ausgeruffen
wurde, ſo ſagten alle: Wenn der Monck es waͤre, ſo waͤre es beſſer,
denn ſie haͤtten von dem Cromwell keine Thaten geſehen. Wenn ſich
gleich einer retirirt en bon ordre, ſo haben die Soldaten doch kein Ver-
trauen zu ihm. Waͤren die Soldaten Philoſophen, ſo daͤchten ſie, es
waͤre
[415]ſtatus circa bellum \& pacem.
waͤre leicht, daß einer koͤnte uͤbermannet werden, und koͤnte er deßwegen
doch noch Thaten thun. Aber der Soldat iſt kein Philoſophe, er hat
naͤrriſche Dinge im Kopffe, und denckt, das meiſte kaͤme auf das Gluͤck
an; der General muͤſſe gluͤcklich ſeyn; daher muß ich mich hier accom-
modiren. Man kan nicht leugnen, daß der Villeroy ein geſcheuter Ge-
neral geweſen. Wie er aber gefangen wurde in Italien, und der Koͤ-
nig in Franckreich etliche bataillen nach einander verlohr, ſo hat der Koͤ-
nig alle Officiers changiret, damit die Leute Hertz bekaͤmen wieder zu
fechten. Wir werden von Ingend auf ſo erzogen, daß wir [dencken], das
Gluͤck ſey was poſitives, drum mahlen wir es auch, und ſetzen unſere
abſtractiones hin als entia vera, wie Clericus in arte Critica gewieſen.
Vieles koͤmmt an auf providentiam divinam, aber nicht alles. Wir
koͤnnen ſehen, daß unſer HErr GOtt ſolche fauten geſchehen laͤſſet,
e. g. Wir ſehen alles, wie der Czaar gewachſen und ſich aggrandiret,
wir wiſſen alle fauten, welche der Koͤnig in Schweden hierbey begangen.
En general kan man ſagen, daß etwas auf providentiam divinam an-
kommt, aber das iſt cauſa admodum remota, auch keine cauſa neceſſi-
tans, ſondern es koͤmmt alles ex arbitrio. Nachdem nun einer ein ar-
bitrium rationabile oder irrationabile hat, nachdem gehen auch ſeine Sa-
chen von ſtatten. Wollte einer ſagen, daß GOtt allenthalben ſingula-
riter concurrire, ſo muͤſten lauter miracula geſchehen, da faͤllt einer zu-
letzt in Enthuſiasmum. Beym Moſe ſehe ich wohl, was da paſſiret,
da waren miracula, aber das alte Teſtament koͤnnen wir nicht applici-
ren auf unſere Welt. Das negire ich nicht, daß bisweilen ein accidens
kommen koͤnne, welches machet, daß alles krebsgaͤngig wird. Deßwe-
gen muß ein General einen magnum animi ambitum haben, damit er kan
accidentia proſpicere, ſo viel ihm moͤglich iſt. Der Menſch hat freylich
keinen infinitum intellectum, daß er alles kan voraus ſehen.
§. 20. 21. Es iſt nichts diſputablers, als dergleichen Sachen, vonVon Veſtun-
gen und
Schantzen.
welchen wir in der Politic handeln, und gehoͤret gewiß ein groſſes iu-
dicium darzu; Wir handeln hier von Sachen, welche diverſas relatio-
nes haben. Mancher will keine Feſtung; mancher will Feſtungen haben,
mancher will viele, mancher wenig haben. Hier wird ſupponiret, daß
einer weiß, was eine Feſtung iſt, welches anderwaͤrts gewieſen wird.
Und wenn gleich ein Juriſt kein groſſer Mathematicus ſeyn will, ſo muß
er doch die terminos verſtehen lernen, was ein Hornwerck, ein halber
Mond ꝛc. da muß einer mathematica collegia hoͤren, wer aber gar nichts
weiß, kan des P. Daniels Buch de la Milice de France leſen, worinn er
admirable gewieſen, wie die fortifications nach und nach unter denen
Koͤni-
[416]Cap. V. De prudentia
Koͤnigen in Franckreich geſtiegen. Er hat groſſe Kupffer laſſen verfer-
tigen, da man ſich einen concept von Veſtungen machen kan, ſo wohl
was inwendig als auswaͤrts zu obſerviren. Er hat alle Veſtungen
laſſen in Kupffer ſtechen, und iſt es ein perfectiſſimum opus. Die at-
taquen la marine kan man auch daraus verſtehen lernen. Viele haben
das Buch vor ſchlecht angeſehen, aber das ſind Tropffen, haͤtten ſie
politiſche ſtudia, ſo wuͤrden ſie ſehen, daß es ein trefflich Buch. Wenn
man Zeitungen recht verſtehen will, iſt es vortrefflich zu gebrauchen.
Ein jeder gehet ja nicht in Krieg, und will doch von ſolchen Sachen in-
formiret ſeyn, da kan er es aus dieſem Buche lernen. Diejenigen,
welche ſagen, ſie wollten gar keine fortalitia haben, verlaſſen ſich auf
bataillen, oder haben darbey arcanam rationem, wie die Pohlen, wel-
che deßwegen keine Feſtungen haben, damit ſich der Feind in ihren Lan-
den nicht koͤnne aufhalten, oder ihre Koͤnige ſich ſouverain machen.
Den naͤrriſchen Kopf hat der Pohle, wird ihn auch nicht ablegen;
Ob es zwar einen Schein hat, daß der Feind ſich alsdenn nicht koͤnne
aufhalten, ſo iſt doch zu bedencken, daß er auf einmahl kan das gantze
Land durchlauffen und es ausſaugen: wie eben die Schweden gethan.
Haͤtten ſie fortificationes, wuͤrden ſie nicht ſo leicht koͤnnen incommo-
dirt werden; deßwegen kan man doch ſchon verhuͤten, daß der Koͤnig
nicht ſouverain. Der Pohlen Philoſophie ſtehet auch nicht allen an.
Manches Land aber kan nicht fortificiret werden, weil es zerſtuͤckt iſt.
Der Koͤnig in Preuſſen hat ein zerſtreutes Land, da iſt noͤthig, in jedem
Stuͤck viele Veſtungen anzulegen, ſondern es iſt genug, wenn in einem
jeden Stuͤck eine Veſtung iſt, daß wenn ein Lermen entſtehet, ſich die
Leute dahin retiriren und ihre Sachen dahin bringen koͤnnen. Her-
gegen auf andern Graͤntzen, in Cleve, Preuſſen, gegen Pohlen zu, muͤſſen
wir Veſtungen haben, und wo die Moſcowiter Nachbarn ſind, muͤſſen
auch Veſtungen ſeyn, ſonderlich, wenn ſie Churland behalten. Wer
ein klein Land hat, und liegt zwiſchen den groſſen Potenzen, der muß
alles fortificiren, e. g. der Hertzog von Savoyen liegt zwiſchen dem
Kayſer und Koͤnige in Franckreich, daher ſind in ſeinem Lande ſo viele
Veſtungen; und wenn er dieſelben nicht haͤtte, ſo waͤre ſein Land laͤngſt
ruiniret. Auch in Teutſchland, wer ein klein Land hat, und es hangt zu-
ſammen, thut wohl, wenn er Veſtungen hat. Haͤtten die Sachſen etliche
Veſtungen gehabt, wuͤrden die Schweden ihr Land nicht ſo ruiniret haben.
Was den modum betrifft, wie man fortificiren ſoll, ſo hat man vor die-
ſem die Staͤdte alle in Rundung fortificiret, und hohe Mauren gemacht,
auf welche Art Jeruſalem gemacht geweſen, deßwegen haben die Roͤmer
ſol-
[417]ſtatus circa bellum \& pacem.
ſolches vor ſo veſte gehalten. Auch wie man ſchon Canonen gehabt,
ſind doch noch die Staͤdte in die Nundung fortificiret worden; hernach
aber hat man geſehen, daß es beſſer waͤre, wenn Winckel gemacht wuͤr-
den, und hat alſo die Staͤdte wincklicht fortificiret. Die Auſſen-Wercke
ſind erſt im Hollaͤndiſchen Kriege aufkommen, und weil man wahrge-
nommen, daß es ſehr nuͤtzlich, ſo hat man bisweilen auf eine Meile
Weges hinaus die Stadt fortificiret. Wer will ſehen, wie es von Zei-
ten zu Zeiten gegangen, kan davon Nachricht finden in des Pere Daniel
obgedachtem Buche, da er eine comparaiſon anſtellet, zwiſchen der al-
ten Manier zu fortificiren, und zwiſchen des Vauban ſeiner; Vauban
ſeine iſt bisher die beſte geweſen. Uber die fortification iſt ſehr geſtrit-
ten worden. Sturm hat mit dem Burgsdorff auch hieruͤber Streit ge-
habt, und gewieſen, daß die façon inwendig und auswendig zu fortifici-
ren zwar gut ſey, aber zu koſtbar, keine Veſtung iſt zwar imprenable,
doch kan man ſich darinnen etliche Wochen und Monathe wehren, der-
gleichen Landau iſt, welches Vauban angeleget. Dieſe hat auch ihre
gehoͤrige Groͤſſe, denn wenn die Veſtungen zu klein ſind, koͤnnen dieſel-
ben nicht wohl defendiret werden, wegen des groſſen Feuers, welches
man hodie machet. En general iſt zu mercken, daß hodie keine Veſtung
vor ſtarck paſſiren koͤnne, welche 1) nicht einen bedeckten Weg hat,
2) detachirte Wercke, damit wenn gleich eine Ravelin weggenommen
iſt, nicht gleich die gantze Veſtung weg iſt. Alle Wercke muͤſſen mini-
ret werden, und wo der Feind hinkommen will und die Minen weg-
nehmen, muͤſſen groſſe Pfaͤhle eingerammelt werden, welche die Feinde
erſt entzwey ſchneiden muͤſſen, wenn ſie darzu wollen: dieſes verurſachet,
daß eine Belagerung lange waͤhret, und frißt viel tauſend Menſchen
weg, mehr als in einer bataille. Auf dieſe Art iſt Tournay fortificiret.
Vor dieſem haben ſie nicht einmahl einen bedeckten Weg gehabt, aber
jetzo hat man ſo viele Auſſen-Wercke, und ſo viele detachirte Wercke,
zu geſchweigen, daß man auf Seiten der Obſeſſorum Abſchnitte machet,
davon hernach ſoll gedacht werden. Diejenigen Staͤdte, ſo auf die alte
Art fortificiret, dauren nicht lange. Oſtende hat man vor dieſem etliche
Jahr belagern muͤſſen, wie aber die Alliirten davor kamen, haben ſie
es in 14. Tagen weggenommen.
§. 22. 23. Bisher haben wir geſehen, quod ſit conſiderandumWenn man
Krieg fuͤhren
ſolle?
ante bellum. Wir muͤſſen aber auch ſehen, was zu thun ſey, wenn
alles da, was man braucht, wenn man Commeatum Infanterie, Caval-
lerie hat. Da hat nun unſer Autor gewieſen, wenn einer gleich alles
habe, ſo ſollte er deßwegen doch nicht gleich Krieg anfangen, ſondern
G g guͤber-
[418]Cap. V. De prudentia
uͤberlegen: Ob er aus dem Kriege ein Intereſſe habe. Leute, ſo keinen
Verſtand haben, dencken nicht, daß man hier aus denen hiſtoriſchen
Schrifften etwas lernen koͤnne, da ſie doch hoͤchſt nuͤtzlich, ſonderlich in
denen neuern Zeiten, da ſie weitlaͤufftig ſind und alle Umſtaͤnde beruͤh-
ret. Ein politiſcher Menſch hat nichts noͤthigers, als die neue Hiſtorie.
Es iſt hier zu recommendiren des Rapin Thoyras ſeine Hiſtorie von En-
geland, worinnen er unter Henrico VIII. die deliberationes mit beyge-
bracht, ſo man damahls gepflogen, wie Ludovico XII. ſollte Krieg an-
gekuͤndiget werden, bey welcher Gelegenheit Rapin Thoyras eine reflexion
gemacht, ob Henricus VIII. klug gethan, daß er ſich in die alliance wi-
der Ludovicum XII. begeben, in welcher die Schweitzer, der Pabſt, der
Kayſer, die Spanier ſtunden. Er zeiget, daß Henricus nichts abſurders
vornehmen koͤnnen. Es iſt wahr, der Koͤnig Henrich hatte alles, was
zum Kriege gehoͤrete, Geld, Schiffe, wackere Soldaten, Muth, cou-
rage, aber er hat kein intereſſe gehabt, und nichts darbey profitiret.
Wer will aber wohl pro gloria inepta \& vana einen Krieg anfangen?
Schaden hat er vielmehr darbey gehabt, indem er ſein Geld depenſiret,
ſeine Leute auf die Schlacht-Banck geliefert. Wenn der Herr
pro gloria nur Krieg anfaͤngt, ſo liefert er nicht nur ſeine Leute auf die
Schlacht-Banck, ſondern ruiniret noch viele andere Menſchen ohne Ur-
ſache. Zuletzt wurde aus dem Kriege nichts, als daß Ludovicus XII.
Henrici Schweſter geheyrathet. Dergleichen Dinge kan alſo niemand
approbiren, welcher Vernunfft und eine miſericordiam bey ſich hat;
hergegen, wenn es die Noth erfordert, oder es iſt eine aperta utilitas
vorhanden, welche ſo beſchaffen, daß, wenn ich es nicht thue, ſo waͤch-
ſet dem andern etwas zu, und zuletzt gehe ich zu Grunde, da muß ich
mich herum ſchlagen. Declariren, keinen Krieg anfangen, iſt abſurd,
dergleichen ſortiſe Koͤnig Jacobus I. in Engeland begangen, und wenn ſie
ihm auf der Naſe herum getantzet haͤtten, wuͤrde er doch keinen Krieg
angefangen haben. Es iſt auch deßwegen eine ſpecies ignominiæ vor-
handen, auf Seiten Jacobi I. Das Haus Stuart iſt eben durch Jaco-
bum ſo verhaßt, daß ſich hernach ſolche fatalitaͤten zugetragen. Philip-
pus Mornæus, welcher Memoires d’Etat geſchrieben in vier Baͤnden in 8.
hat Carolo IX. das conſilium gegeben, mit denen Spaniern Krieg anzu-
fangen, und die Neformirten ruhen laſſen, welches ihm nuͤtzlicher ſey.
Philippus Mornæus war ein Gentil homme einer von den Haͤuptern der
Reformirten, von welchem auch der Koͤnig in Franckreich ſelbſt, und
die Catharina de Medices geglaubt, eſſe hominem ſapientem, rerum pe-
ritum ſimulque callidum. Callidus wird hier ſo genommen, daß artes bo-
næ
[419]ſtatus circa bellum \& pacem.
næ darunter verſtanden werden. Ich habe ſein Leben a part beſchrieben.
Er hat die Theologie wohl verſtanden, ſonderlich aber war er in Staats-
Sachen, hauptſaͤchlich was die intereſſen der Potenzen in Europa betraff,
wohl erfahren. Ohne intereſſe muß kein Krieg gefuͤhret werden; An-
derwaͤrts iſt auch das Exempel Caroli Audacis angefuͤhret worden, wel-
cher ohne raiſon mit denen Schweitzern Krieg angefangen, vindictæ
gratia muß man keinen Krieg anfangen. Wenn die Pohlen ſatisfaction
thun werden, wird niemand mit ihnen Krieg anfangen, aber das Rauhe
muß man ihnen doch weiſen. Bisweilen hat man raiſon, Frieden dem
Kriege vorzuziehen, weil der Krieg ſo viel incommoditaͤten hat. Offt
ſind in einem Lande viel gefaͤhrliche conjuncturen, da muß man viel ver-
tragen, und ſich nicht vollends ruiniren. Ein ſingularis homo, wenn
der ſucht alles zu raͤchen, und ſagt: Er wolle lieber zu Grunde gehen,
als dieſes oder jenes eingehen, ſo thut er nicht wohl. Salus Græciæ iſt
nicht daran gelegen. Hergegen wann ein Fuͤrſt ſo redet, der iſt entwe-
der nicht geſcheut, oder redet es in iracundia. Pfanner erzehlet in ſeiner
Hiſtoria Pacis VVeſtphal. daß, wie Friedrich VVilhelm geſehen, man
wuͤrde ihm Pommern wegnehmen und Schweden geben, ſo habe er ge-
ſagt: Er rede nicht als ein Churfuͤrſt ſondern als ein erzuͤrneter Solda-
te. Sie haben recht geredet, hernach hat er ſich auch begriffen: Denn
wenn ein groſſer Herr kein Land mehr hat, ſo iſt er auch kein groſſer Herr
mehr. Carolus VII. wie er nichts als Bourges mehr hatte, ſo hat er
auf ſeinen Degen geklopfft und geſagt: Wenn er auch nichts mehr haͤt-
te, wolte er ſein Leib und Leben daran wagen, aber nachgehends hat er
andere Gedancken bekommen, vid Bayle Dict. Hiſt. Crit. ſub voc. Char-
les VII. wie der Koͤnig in Schweden bey Pultava geſchlagen worden,
war ich eben in Berlin, da wurde gleich eine reflexion gemacht, daß der
Koͤnig in Schweden zu einem von unſern miniſtris geſagt, er wolte ſich
lieber laſſen tod ſchlagen als weichen, und iſt doch gewichen. Ein groſ-
ſer Herr kam nicht opmaitre ſeyn wie der Koͤnig in Pohlen bey Nan-
ſtadt den Frieden mit den Schweden gemacht, der ihm ſo præjudicir-
lich geweſen, ſo hat auch ein gewiſſer Printz geſagt: Er wolte ſich lie-
ber auf eine Pulver-Tonne ſetzen und in die Lufft ſprengen laſſen als ei-
nen ſolchen Frieden eingehen; Aber es konte da nicht anders ſeyn. Es
kan ſich ja changiren, da kan man alles retabliren. Der Kayſer gab
viel nach, wie die Schweden in Sachſen geſtanden. Philippus IV. ver-
trug auch viel und wolt nicht mit dem Cromwell brechen, weil er nicht
im Stande war. Der Koͤnig in Franckreich, wenn er nicht durch ſeine
Intriquen koͤnnen die alliancen brechen, ſo hat er geſagt: Hier ſind die
G g g 2Præ-
[420]Cap. V. De prudentia
Præliminaria, die will ich eingehen. Melius eſt cedere als ſeine Crone
in Gefahr ſetzen, habe ich Schaden gehabt, ſo muß ich das tempo ab-
warten, da ich mir vielleicht wieder helffen kan, Dicis, das iſt nicht ge-
handelt, wie Alexander gethan. Reſpond. Wer ſchieret ſich was uͤm
Alexandrum M. dieſes war ein ambitioͤſer Herr, welcher gemeynet, ſe
nullo dolo uſurum, ſondern er wolle alle aperta vi oppugniren. Das
iſt gar nicht noͤthig, ſondern wenn ich Gelegenheit habe, und ſehe daß
der andere ſchwach iſt, ſo gebe ich ihm etwas nach, daß er mir nicht fer-
ner ſchaden kan. Wenn einem ſolchen, der alles aperta vi oppugniret al-
les gluͤcklich gehet, ſo iſt es gut; Mißlinget es aber, ſo ſagt ein jeder, er
ſey nicht prudens geweſen: Bisweilen ſind in einem Lande turbulenti ho-
mines, auf die man acht geben muß, und deswegen auswaͤrts keinen
Krieg anfangen kan. Aber das iſt wahr, wo man ſiehet, daß die Leu-
te nichts zu thun haben, da muß man einen Krieg anfangen, damit die
Leute was zu raiſonniren bekommen, als wie man ſiehet, daß die Czarin
gerne einen Krieg anfangen wolte, wenn aber keine cauſa da iſt, muß
es von Rechtswegen doch nicht geſchehen.
Kriege ſelbſt
zu obſerviren?
§. 24. Nun muͤſſen wir auch ſehen, quid faciendum in bello, der
Autor hat hier ſonderlich den Lipſium gebraucht, * welcher ſaget: Magna
ſunt aggredenda, e. g. Wie Guſtav Adolph den Tylli geſchlagen, ſo
gieng er zwar nach Francken, uͤberrumpelte Wuͤrtzburg, bekam Maͤyntz
weg, Oxenſtirn aber hat gemeynet, das waͤren bagatellen geweſen. Der
Oxenſtirn war geſcheuter, und wie er den Guſtav Adolph zum erſten-
mahl wieder geſehen, ſo hat er geſagt: Sive: Ich habe gemeynet, ich
wollte euch zu Wien ſprechen; Wer heißt euch da hinaus gehen? Ihr
haͤttet ſollen nach Boͤhmen gehen, Prag wegnehmen und von dar nach
Wien, damit haͤtten wir einen guten Frieden bekommen. Er ſchickte
den Churfuͤrſten von Sachſen nach Boͤhmen, welcher zwar Prag weg
bekam, aber ſolches auch bald wieder verlohr. Mahometh II. da er
noch vieles von Griechenland wegzunehmen gehabt, hat er geſagt: Laßt
uns
[421]ſtatus circa bellum \& pacem.
uns erſt Conſtantinopel wegnehmen, ſo wird ſich hernach das andere
alles geben; welches auch geſchehen. Es hat ſich niemand gegen ihn
nachgehends mehr gewehret, als der Scanderbec in Albanien. Maho-
meths II. Leben iſt in Engeland heraus kommen. Carl Guſtav gieng
vor Coppenhagen, das uͤbrige wuͤrde er hernach weggenommen haben,
wenn er erſt Coppenhagen gehabt. Man thut wohl, daß man auf
den Haupt-Ort los gehet, und ſich nicht mit kleinen Staͤdten aufhaͤlt,
die Zeit vergehet bey denen kleinen Staͤdten, die Armee wird ruiniret,
und doch haben die conqueten, ſo man machet, keinen Einfluß ad ſum-
mam verum. Wie Philippus II. in Spanien die Schlacht bey Sanct
Quintin gewonnen hatte, und Carolus V. der ſchon im Cloſter war, ſol-
ches hoͤrete, fragte er gleich: Ob ſein Sohn nicht nach Paris gangen
waͤre? Da er hoͤrete, daß ſein Sohn mit der Belagerung vor Sanct
Quintin ſich aufhielte, war er ſo boͤſe, daß er wieder aus dem Cloſter
heraus gehen wollte, ſich a la tête der Armee ſetzen, und nach Paris ge-
hen. Indeß er aber Sanct Quintin belagerte, recolligirten ſich die Fran-
tzoſen wieder. Carolus V. hat es vorher beſſer gemacht, der auch ſchon
einmahl an der Marne geweſen, und nach Paris gangen waͤre, wenn
nicht die Engelaͤnder es verhindert haͤtten, welche nicht haben wollten,
daß er ſo groß werden ſollte. Die Engelaͤnder machten es recht, wel-
che auch auf Paris loßgiengen, und wie ſie Paris weg hatten, fiel ihnen alles
zu, ſo gar, daß Carolus VII. nichts mehr gehabt als Bourges. Hier ha-
ben viele groſſe Capitains und Generals angeſtoſſen. An dem Gallaſch
hat man getadelt, daß er immer eine kleine Stadt nach der andern
weggenommen, und ſich damit aufgehalten; Es iſt auch nicht zu rathen,
daß einer beſtaͤndig Partheyen ausſchickt, die machen keine deciſive ba-
taille, und wird doch viel Volck dadurch verderbt.
§. 25. Quær. Ob man es ſolle auf eine deciſive bataille laſſenVon Schlach-
ten;
ankommen? Reſpond. Ich bin der Meynung, daß es bisweilen noth-
wendig, bisweilen aber auch ſchaͤdlich. Man darff ſich nur des Fabii
exempel vorſtellen, von welchen der alte Poêt Ennius ſaget, unus homo
nobis cunctando reſtituit rem. Der Czaar hat eine groſſe Klugheit
hierinne bewieſen, daß, wie der Koͤnig in Schweden nach Moſcau gieng,
ſo haͤtte der Czaar immer koͤnnen batailliren, aber er hat es nicht ge-
than, ſondern er marchirte voraus, verſengete und verbrannte alles, da-
mit die Schweden keine ſubſiſtence haͤtten. Wie er nun ſahe, daß die
Schweden lache waren, ſo gieng er auf ſie loß. Haͤtte er gleich ge-
ſchlagen, da die Schweden noch munter waren, wuͤrde es uͤbel abge-
lauffen ſeyn, und der Koͤnig in Schweden vielleicht ſeine intention er-
G g g 3halten
[422]Cap. V. De prudentia
halten haben, den Czaar zu dethroniſiren. Eine eintzige bataille bringt
mich um Cron und Scepter. Von Friderico V. hat man geſagt, daß er
es nicht haͤtte ſollen auf die bataille bey Prag ankommen laſſen, ſondern
ſich erſt nach und nach aggrandiren, weil die Kayſerlichen ohne dem we-
nig Mund-proviant mehr gehabt. Es iſt gefaͤhrlicher zu ſtreiten cum
fame \& ſiti, als mit dem Feind. Man hat nicht allezeit ſo viel force
eine bataille zu liefern, der gemeine Mann hat nichts von einem Mon-
tecuculi, der cunctiret, der will immer gerne bataillen ſehen, und haͤlt ſol-
che vor einen Veraͤchter, wie man von Printz Louis gedacht, welches
er aber in der That nicht geweſen. Wider die Tuͤrcken hat er offt ge-
ſchlagen, aber wie er mit dem Frantzoſen zu thun hatte, ſo machte er es
wie der Montecuculi, zog bald hier, bald da hin: Denn die Teutſchen
haben nicht allezeit dasjenige, was zu einer bataille erfordert wird; Da
fehlet es offt an fourage, artillerie. Andere haben es wollen beſſer ma-
chen, und uͤbernahm der Marckgraf von Bareuth das commando,
danckete aber ab, und konnte nicht fort kommen. Nachgehends bekam
es der Churfuͤrſt von Hannover, der danckete aber auch ab. Biswei-
len aber iſt es hoͤchſt noͤthig nicht zu batailliren, ſonderlich, wenn der
Feind courage hat. Man hat den Tallard verdacht, daß er die
Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt laſſen vor ſich gehen, da unſere Teutſchen
Trouppen courage hatten, und die Engliſchen kamen darzu, welche noch
das Ochſen-Fleiſch im Magen hatten. Der Turenne ſchlug nicht,
wenn er nicht faſt den Sieg in Haͤnden gehabt. Noch ein unvergleich-
liches Exempel koͤmmt vor, da der Hertzog Bernhard den Hertzog von
Feria, welcher mit dreyßig tauſend Mann Italiaͤniſcher und Spaniſcher
Trouppen aus Italien kam, aus Tyrol nach Schwaben gezogen, und
wie der Hertzog von Feria meynete, es wuͤrde zur bataille kommen, gieng
Bernhard nach Francken, von dar zog er den Feria an Rheinſtrohm, da
deſſen Armee nichts zu freſſen gehabt, und gantz ruiniret worden. Ja-
cobus Zevecotius in ſeinen notis politicis ad Cæſarem, Suetonium \& Flo-
rum hat artige Sachen hiervon beygebracht. Die Roͤmer haben
cunctando den Hannibal uͤberwunden: Denn Hannibal waͤre maitre
von Rom worden, wenn Fabius nicht geweſen, welcher bald da, bald
dort hin marchiret, und den Hannibal muͤde gemacht. Dieſes gehet
ſonderlich an in einem Lande, welches groß iſt, als in Pohlen. Dicis:
Da laufft man ja vor dem Feind? Reſpond. Das thut nichts, es koͤmmt
wohl die Zeit, daß mit Vortheil eine bataille kan geliefert werden. Der
Koͤnig VVilliam in Engeland wird getadelt, daß er alles auf deciſive ba-
taillen
[423]ſtatus circa bellum \& pacem.
taillen ankommen laſſen, da wird ſalus reipublicæ auf die Spitze ge-
ſetzet.
§. 26. Tempus eſt obſervandum; Die Zeit thut aͤn ſich nichts;Daß dabey
auf die Zeil;
Wir leben in der Zeit, aber es giebt eine Gelegenheit, daß ich kan eine
avantage im Kriege erhalten. Die Tuͤrcken ſchlagen gerne am Ent-
hauptungs-Tage St. Johannis, an welchem Tage ſie viele bataillen ge-
wonnen; Quær. Gewinnen wir allezeit, wenn wir etliche bataillen an
dem Tage gewonnen. Dieſes iſt keine conſequentia; Aber es raiſon-
niret doch der peuple nicht allezeit philoſophice, und muß ich acht geben,
daß ich das Volck brauche zu einer ſolchen Zeit, da wir keine bataille
verlohren, da haben ſie courage. Deßwegen evitiren die Chriſten alle
bataillen mit denen Tuͤrcken auf dieſen Tag. Man ſiehet ja, daß bis-
weilen die courage durch ein accidens vermehret wird. Die Frantzoſen
batailliren gerne auf den Louis-Tag, weil die Louis alle groß geweſen
in Franckreich Louis le Grand hat auch ſeinen Leuten eine groſſe Idée in
den Kopf gebracht, deßwegen haben unſere Leute meiſtens an den Tag
auf der Huth geſtanden, oder haben die bataille ſuchen zu evitiren. Her-
nach muß man auch acht geben, was der Feind vor eine Zeit obſerviret,
da er nicht ſchlagen will. Titus Veſpaſianus hat die Juden am Sab-
bath attaquiret, weil da die Juden in otio ſind, und nichts thun. Je-
ruſalem iſt auch am Sabbath eingenommen worden; Beym Suetonio
und Joſepho kan man hiervon Nachricht finden. * Beym Cæſare le-
ſen wir, daß die Teutſchen gerne im Neu-Mond gefochten, da ſind ſie
luſtig geweſen. Tacitus ſagt auch von denen Teutſchen, daß ſie viel auf
das neue Licht gehalten, wie die Juden und andere Voͤlcker. Wie
Cæſar merckte, daß ſie vor dem neuen Lichte nicht ſchlagen wollten, ſo
attaquirte er den Arioviſtum. Hier kan man auch mercken, was Printz
Moriz geſagt: Die Engelaͤnder muͤſſe man brauchen, wenn ſie das
Ochſen-Fleiſch noch im Leibe haͤtten. Das Fleiſch machet courage.
Alle animalia cornifera ſind beſſer als die andern Thiere. Monſ. Tem-
ple ſagt auch, daß die Hollaͤnder keine courage haͤtten, daher, weil ſie
kein Fleiſch eſſen, ſondern Bohnen, Fiſch, ꝛc. Wer einen gantzen Bra-
ten kanauffreſſen, hat allezeit mehr vigueur.
§. 27. Locus an ſich thut nichts; aber die difficultas, da ich atta-und auf den
Ort zu ſehen.
quiret werde, kan verurſachen, daß mein Feind eine avantage habe; Je-
der-
[424]Cap. V. De prudentia
dermann ſiehet, daß, wenn ich hoch ſtehe, ich mehr avantage habe, als wenn
ich niedrig ſtehe. Ich kan ſehen, wo der Feind herkommet, kan auch
beſſer ſchieſſen. Wenn die Leute den Berg hinauf ſollen, macht es ihnen
Muͤhe, ſie werden muͤde. Daher iſt es uns Blutſauer worden, da wir den
Schellenberg attaquiret. Die Engelaͤnder giengen gleich zu, wurden aber
alle niedergeſchoſſen. Hergegen Printz Louis ſagte, die Teutſchen ſoll-
ten kriechen, da ſie auch den Ort einbekommen. Bisweilen iſt der Ort
ſo beſchaffen, daß die Cavallerie nicht kan gebrauchet werden, als wie in
der bataille bey Turin die Frantzoſen ihre Cavallerie nicht brauchen konn-
ten. Wenn der General Steinbock uͤberleget, wie das Terrain bey Toͤn-
ningen beſchaffen, daß er nicht wuͤrde gnug zu freſſen haben, wuͤrde er
ſich nicht haben laſſen einſchlieſſen. Torſtenſohn war geſcheut, Gallaſch
hatte ſie auch in Hollſtein eingeſchloſſen. Torſtenſohn aber ließ uͤber
den Moraſt fachinen legen, und kam gluͤcklich weg. Man denckt, es ſey
an dem loco nicht viel gelegen, da doch viele fauten begangen werden,
welche die Generals darbey begangen, davon Lipſius viele exempla pro-
poniret. Wer viel Cavallerie hat, muß eine plaine haben. Wer viel
Infanterie hat, muß ſehen, daß er einen Moraſt auf die Seite kriegt, da-
mit auf die Seite niemand beykommen kan. Wie der Tilly ſich bey
Leipzig retrenchirte, und zog ſich aus ſeinem Lager heraus, ſo hat Guſtav
Adolph ſolches als einen groſſen Fehler angeſehen. Waͤre er im Lager
blieben, ſo haͤtte ihm Guſtav Adolph nichts thun koͤnnen. Dieſen Feh-
ler hat nachgehends der VVallenſtein erſetzet: Denn dieſer kam nur vier
und zwantzig Stunden eher, als der Koͤnig in Schweden, da er gleich
retrenchements auffuͤhren laſſen, und iſt auch der Koͤnig da geblieben.
Es koͤmmt auch viel darauf an, wer die Sonne im Geſicht hat, oder
den Wind. Reinhard hat in ſeinen notis ad Lipſii Politic. pag. 1699.
unterſchiedliche exempla hiervon beygebracht. Dieſes iſt zu mercken, daß,
als Guſtav Adolph dem Tilly die bataille lieffern wollen, ſo hat er ihn
nicht gleich attaquiret, ſondern iſt erſt herum marchiret, bis er die Son-
ne in den Ruͤcken bekommen, alsdenn iſt er auf ihn loßgegangen. Ta-
citus hat eine artige expreſſion hievon, wenn er ſagt: Oculi primum
vincunt. Es haben auch die Scriptores, ſtratagemata, als der Poliænus, Fronti-
nus. Dieſes wird mit unter die ſtratagementa gezehlet, und gehet es auch gar
wohl an. Es iſt freylich viel daran gelegen, daß man ſich nicht bloß giebt, ſon-
dern retrenchements machet. Hierinnen wird der VVallenſtein gelobet, und
wuͤrde er auch die bataille wider Schweden gewonnen haben, aber durch ein
accidens verdarb er dieſelbe. Die Kayſerlichen hatten ſchon die Huͤthe in
die Hoͤhe geworffen, daß ſie die victorie haͤtten, VVallenſtein wurde auf
ſeinen
[425]ſtatus circa bellum \& pacem.
ſeinen Kuͤraß geſchoſſen, die Kugel ſtreiffte an den Daumen, daß er den
Zaum fallen ließ, da lieff das Pferd fort, die andern dachten, er wollte
die Flucht nehmen, und giengen hinter drein, wodurch alles in confu-
ſion kommen. Er wollte wieder commandiren, konnte aber nichts aus-
richten, weil alles ſchon in confuſion war. Es iſt kein Zweiffel, daß
man kan generaliter inſtruiren, wie einer ſich ſoll halten, ratione ſeiner
Schlacht-Ordnung, darauf kommt viel an, wie aber die Ordnung muͤſ-
ſe gehalten werden, das iſt hodie anders, als vor dieſen geweſen, die
Griechen und Roͤmer haben ihre Ordnung beſchrieben. Ælianus hat
davon geſchrieben. Cæſar zeigt auch, wie er es gemacht habe. Der
Hertzog von Rohan hat reflexiones uͤber den Cæſarem gemacht, und noch
mehrers beygebracht: Denn wenn eine Hoͤhe da iſt, ſo muß dieſelbe vor
allen Dingen beſetzet werden, der Montecuculi, welcher ſelbſt ein tapffe-
rer Soldat geweſen, der viele bleſſuren gehabt, die aber doch alle gehei-
let worden, daß er uͤber achtzig Jahr alt worden, hat auch hiervon ge-
ſchrieben, woraus einer vieles profitiren kan. Wer die neueſte façon
will wiſſen, muß dem Pere Daniel in ſeiner hiſtoire de la Milee de France
leſen, worinnen er gewieſen, wie es die Frantzoſen hodie halten, in Ran-
gierung ihrer Schlacht-Ordnung, und wie ſie es vor dieſem gemacht
haben.
§. 28. Es iſt ein bekannter locus bey dem Livio: Fama bella ſta-Wie viel auf
den Ruff an-
komme?
re. Nun muß unterſucht werden, quomodo fama ſit acquirenda? in-
gleichen quod fama interdum nocere poſſit. Daher muͤſſen wir ſehen
1) auf das emolumentum, 2) auf das damnum, welches ex fama ent-
ſtehen kan. Was das erſte betrifft, ſo iſt zu mercken, daß das emolu-
mentum kan zu wege gebracht werden, durch die erſten actiones. Der-
jenige, welcher ein Schrecken unter ſeine Feinde bey Eroͤffnung der cam-
pagne diſſipiren kan, hat ſich kuͤnfftig hin einen guten ſucceß zu verſpre-
chen. Es iſt keine conſequentia certa, mathematica, immobilis; Aber
wir haben hier nicht mit Philoſophen zu thun, ſondern mit einer Menge
Volckes, welche nicht viel raiſonniret, und nur auf die aͤuſſerliche appa-
rence ſiehet. Cromwell, wie er nach Irrland gieng, Droghagh belager-
te, ließ er keinen Menſchen darinn leben, da man ihn befragt: Quare
tam crudeliter ſeſe gereret? So habe er geantwortet, er thaͤte es mit
Fleiß, damit er denen Irrlaͤndern ein Schrecken einjagen moͤchte; indeß
waͤren ſie Rebellen, \& nemini injuriam fieri. Das letzte laſſe ich dahin
geſtellet ſeyn, und will es hier nicht unterſuchen, das andere aber iſt hier
nicht zu reprochiren, quod terrorem ſpargere voluerit inter hoſtes. Er
hat dadurch effectuiret, daß alle Irrlaͤnder die Waffen niedergelegt, weil
H h hſie
[426]Cap. V. De prudentia
ſie befuͤrchtet, es moͤchte ihnen eben ſo ergehen; Man muß ſich auch al-
lezeit ſtaͤrcker machen, als man in der That iſt, damit der Feind eine
groͤſſere Furcht bekomme. Ich habe ſelbſt viel Officiers ſagen hoͤren, daß
die Menge des Volcks hodie viel thue. Vor dieſem konnten wenig
Leute gegen einer groſſen Armee fechten, welches aber hodie nur noch an-
gehet, wo unexercirte Leute ſind; Der Koͤnig in Schweden hat eine klei-
ne Armee gehabt, da er die Moſcowiter bey Narva geſchlagen, aber die
Moſcowiter waren ſchlecht exercirt. Hergegen wo exercirte Trouppen
beyderſeits ſind, als wie bey denen Frantzoſen und Teutſchen, da haben
die Frantzoſen uns etliche bataillen abgewonnen, weil ſie ſtaͤrcker gewe-
ſen. Wenn wir gemeynet, wir haͤtten den Sieg, ſo ſind wieder neue
hervor kommen, und auf uns loßgegangen. Die Schweden ſind mit
einem kleinen corpo nach Sachſen kommen, ſie haben ſich aber immer
noch einmahl ſo ſtarck ausgegeben, als ſie in der That geweſen. Die
Obſeſſi ſtecken noch viel piquen auf, nehmen andere Leute mit auf den
Wall, daß der Feind dencken ſoll, ſie waͤren ſtarck. Wie Conradus
Henricum Aucupem zu Gronda belagert kam Ditmar ex Oriente, und
ſagte zu Conrado, es waͤren ſechs tauſend Mann wider ihn in Anmarſch,
welches nicht wahr war; Conrad aber glaubete ſolches, hub die Bela-
gerung auf, und Henricus Auceps echapirte, vid. VVittek. Corbej. Hier-
aus ſiehet man, daß der andere Theil mercken muß, quod famæ non ſem-
per ſit credendum. Man muß Eſpions haben, negligiret einer ſolche, ſo
entſtehen hernach dergleichen Fehler. Alles, was ad terrorem hoſtium
dienlich iſt, muß man brauchen. Wie der Ziska ſterben wollte, und ge-
wuſt, daß er ſeinen Feinden einen groſſen Schrecken einjagen koͤnnen/
hat er befohlen, ſie ſollten ſeine Haut abziehen, und uͤber eine Trommel
machen, die Feinde wuͤrden ſich auch vor ſeinen Balg noch fuͤrchten.
Er hat auch gleich zu erſt uͤbel haußgehalten, geſenget, gebrennet, alles
ruiniret, daher iſt er in ſolchen Schrecken geweſen. Alle Scribenten, ſo
vom Hußiten-Krieg geſchrieben, haben auch gemeynet, ſein Nahme ha-
be mehr gethan, als ſeine actiones. Bisweilen ſind ſeine Feinde davon
gelauffen, ehe es einmahl zum Treffen kommen. Auf der andern Seite
muß alſo einer acht geben, ut fama hoſtis imminuatur; Seine Leute en-
couragiren, ihnen zeigen, daß es mehr Prahlerey, als daß man die Fein-
de zu fuͤrchten habe. Wer famam ſuam jactirt, muß auch darauf ſehen,
ne ſecurus fiat: Denn manchmahl traut man ſich zu viel, und verachtet
die Feinde. Die Pohlen haben eine groſſe Armee, und haben geſagt,
ſie wollten den Churfuͤrſt Friedrich VVilhelm aus Pohlen jagen, und
wenn er ihnen gleich auf den Knien Abbitte thun wollte, ſo ſollte er doch
Preuſ-
[427]ſtatus circa bellum \& pacem.
Preuſſen nicht wieder bekommen. Philippus II. in Spanien war ſo fu-
rieux, daß er Ketten mit auf die Schiffe nehmen laſſen, worinnen die
Gefangenen ſollten geſchloſſen werden, darinnen auch eine beſondere war,
woran die Koͤnigin Eliſabeth ſollte gelegt werden, die er dem Pabſt aus-
lieffern wollte. Aber alles war ohne Wuͤrckung. Calamitatis initium
eſt nimia ſecuritas, man macht in die Standarten, in die Fahnen groſſe
Thiere, denen Feinden ein Schrecken einzujagen. Der Perſeus hat
wilde Thiere wider die Roͤmer gebraucht, ihnen ein Schrecken einzuja-
gen. Offt laͤßt der Feind ausſprengen, er ſey ſchwach, welches man
auch nicht gleich glauben muß. Cæſar hat den Pompejum auf dieſe Art
uͤberwunden: Denn er hatte einige ausgeſchickt, welche dem Pompejo
beybringen muſten: Cæſaris Armee waͤre gantz ſchwuͤrig, und wuͤrden
die meiſten zum Pompejo uͤbergehen, wenn die Schlacht angienge, da
wurde Pompejus ſicher, und hernach in Campis Pharſalicis die Schlacht
verlohren. Quintilius Varus iſt auch ob ſecuritatem uͤberwunden
worden.
§. 29. Ein Dux muß allezeit alard ſeyn, es kan einer furieuſementDaß die Offi-
ciers denen
Soldaten mit
ihrem Exem-
pel vorgehen
muͤſſen.
commandiren, und kan man ihm nichts reprochiren, wenn er kein pol-
tron iſt, ſondern alles dasjenige obſerviret, was ein General obſerviren
muß. Er braucht alſo nicht eben eine alacrité zu zeigen. Allein, gleich-
wie die Leute, welche bey Hofe ſind, ſimuliren und diſſimuliren, und ih-
re Freunde encouragiren, und die Feinde ſupprimiren; Alſo thut ſolches
auch im Kriege viel; Wie die Pohlen ſo ſehr geprahlet, weil ihre Ar-
mee uͤber hundert tauſend Mann ſtarck geweſen; Carl Guſtav hergegen
funffzehen tauſend Mann hatte, darzu Friedrich VVilhelm noch etliche
tauſend Mann gegeben, ſo ſagten einige, Carl Guſtav moͤchte auf Frie-
den dencken. Dieſer ſagte, er waͤre parat Friede zu machen, wofern ſich
die Pohlen binnen zwey Stunden reſolviren wuͤrden, wenn aber dieſes
nicht geſchaͤhe, ſo wuͤnſchete er, daß alle Feinde, die noch in der Welt
waͤren, moͤchten bey der Pohlniſchen Armee ſeyn, er hoffte ſie alle todt zu
ſchlagen. Die Pohlen wollten keinen Frieden machen, daher gieng die
bataille an, welche drey Tage gewaͤhret, da er die Pohlen geſchlagen,
und iſt wahr worden, daß er ſich nicht fuͤr ihnen gefuͤrchtet. Die
Pohlen ſind nicht exercirt, daher iſt kein Wunder, daß ſie uͤberwunden
worden. Wie Henricus IV. die Schlacht bey Yury gehalten, ſo kam
es darauf an, daß er gewinnen ſollte, ſonſt haͤtte er das Koͤnigreich ver-
lohren, daher ritte er unter die Armee, und ſagte: Ich bin euer Koͤnig,
und ihr ſeyd meine Unterthanen, ihr koͤnnet nicht anders als brave
thun, ich thue deßgleichen; da fochten ſie wie die Loͤwen. Wenn ein
H h h 2Gene-
[428]Cap. V. De prudentia
General traurig ſiehet, ſo bringt er ſeine Armee auch in Traurigkeit.
Puffendorff und viele andere Scriptores haben regardiret, daß, wie der
Tylli bey Leipzig geſchlagen worden, und aus ſeinen vortheilhafftigen
Lager heraus gerucket, und geſehen, daß die Schweden und Sachſen
ſich ziemlich halten, waͤre er den halben Tag gantz diſcontenacirt gewe-
ſen, und haͤtte offt nicht gewuſt, was er geſaget; Der terror habe ſich
ausgebreitet, und ſey hernach die bataille verlohren gangen. Sie haben
auch wahr genommen, daß, wie der VVallenſtein bey Leipzig geſchlagen
worden, ſey er auch diſcontenacirt geweſen, habe kein Wort geredet, und
nur mit dem Kopfe gewincket. Hergegen Guſtav Adolph war maxime
alacris, und hat ſeine Leute encouragiret, das war eine Thorheit vom
VVallenſtein, daß er ſich erkundigen laſſen, wie die conſtellation beſchaf-
fen. Als er nun hoͤrete, daß dieſelbe nicht gut, wollte er die Schlacht
evitiren; Aber der Koͤnig in Schweden wollte nicht warten. Bayle in
ſeinen Penſées diverſes, ſur la Comete hat dieſes angefuͤhret und gewie-
ſen, was manche Generals vor Thoren waͤren. Von Buͤrgern iſt ſol-
ches nicht zu verwundern; Aber groſſe Generals ſollten nicht darauf fal-
len; Daher iſt gut, wenn ein Officier kan ſeine Leute harangiren. Der
Kayſer hat in der Schlacht beym Weiſſenberg die Pfaffen gebraucht,
welche ein crucifix im Haͤnden gehabt, durch die Glieder geritten, und
die Leute encouragiret, ſie ſollten wacker fechten, ſie haͤtten eine Offen-
bahrung von der Maria, daß ſie gewiß victoriſiren wuͤrden. In des
Baillets Leben des Carteſii kan man hiervon Nachricht finden: Denn
Carteſius iſt als Voluntaire mit in der Schlacht geweſen. Der Fuͤrſt
von Anhalt hat die Pfaͤltziſche Armee commandiret, und ſchon die Kay-
ſerliche Cavallerie uͤber den Hauffen geworffen, die Pfaffen haben aber
doch noch verurſachet, daß die Kayſerlichen victoriſiret.
ſtratagemati-
bus, ob ſolche
erlaubt?
§. 30. Quær. An Stratagematibus ſit utendum? Reſpond. Die
den Sinn des Alexandri haben, ſagen Nein, man muͤſſe alles aperto
marte thun. Wer aber geſcheut iſt, ſiehet den finem belli an. Finis
belli iſt, daß wir uns wollen defendiren, und das Gluͤck haben, daß un-
ſer Feind ſoll todt ſeyn. Was ſoll nun eben alles aperto marte geſche-
hen? Ein privat-Mann wird freylich als ein Larron angeſehen, wenn
er einen heimlich ums Leben bringet, und findet man, daß die Teutſchen
einen ſolchen mit dem Tode beſtrafft; Da hergegen derjenige, welcher
einem im duell ums Leben gebracht, mit keiner Todes-Straffe beleget
worden; Indeſſen aber iſt abſurd bey gantzen gentibus ſo zu raiſonniren.
Du willſt mich todt haben oder zum Sclaven machen, da muß ich
vorbeugen; Mein Feind muß ſich vorſehen, ich muß es auch thun, auf
alle
[429]ſtatus circa bellum \& pacem.
alle Art und Weiſe. Einige meynen, man ſolle keine venena im Kriege
brauchen. Allein ſive veneno ſive dolo interficiam hoſtem, das iſt alles
gleich, wenn er nur todt iſt; Daher ſind auch die Stratagemata ab omni
ævo beliebet worden. Nur hat man nicht gerne leiden wollen, veno
uti, in lectionibus J. N. wird aber gezeiget, daß es angehet. Der
Czaar hat nicht ungeſcheut gethan, daß, wie die Peſt unter ſeine Leute
kommen, er viele Coͤrper ins Waſſer geworffen, daß die Peſt nach Re-
val kommen; Hier iſt kein dolus, ſo wenig als man im Kriege das
Todſchlagen vor ſuͤndlich haͤlt, da ſo viel tauſend Menſchen umgebracht
werden. Specialiter was vor Stratagemata ſollen gebrauchet werden,
kan man hier nicht ſagen; Man muß die Autores leſen, welche hiervon
geſchrieben. Den Onoſander, Frontinum, Poliænum \&c. Wer die
Hiſtorie lieſet, kan immer mehrere finden. Mauritius war ein artifex
ſtratagematum, welches auch Famianus Strada, der ſonſt ein Feind von
ihm geweſen, geſtehet. Nihil eſt factum, quod non factum ſit prius, in-
ventis facile poſſumus aliquid addere. Deßwegen koͤnnen wir hier die
Hiſtorie nicht bey Seite ſetzen. Grotius und alle Scriptores Jur. Nat.
\& Gentium defendiren, auch, daß Stratagemata erlaubt, und der Gerech-
tigkeit gemaͤß. Prudentiæ quoque regulæ ſuadent, ut Stratagematibus
utamur. Es hat auch ein Frantzoß, Hauteville des Ruſes de Guerre ge-
ſchrieben; Aber es kamen faſt keine Stratagementa vor, ſo man nicht
ſchon bey den Alten findet. Die Alten haben ſich ſehr appliciret auf
die Stratagemata, weil ſie nicht gewuſt, in Belagerungen ſolche forçe
zu gebrauchen, wie wir hodie thun. Wenn ich ein honette homme bin,
ſo iſt mir freylich kein plaiſir, wenn ich ſolche extremitaͤten brauchen
muß, aber es iſt hier nicht zu evitiren, und wenn ich koͤnnte Feuer vom
Himmel fallen laſſen, koͤnnte ich ſolches meinem Feinde thun; Ich bin
auch der Meynung, daß man gar nichts ſchonen darff, nicht einmahl
der Kirchen, weil ſonſt die Leute alle ihre Sachen dahin bringen, man
kan ja leicht wieder eine neue Kirche bauen. Hernach muß auch einer
eine circumvallations-Linie haben, damit nichts in die Stadt hinein
kommen kan. Wie Churfuͤrſt Moriz Magdeburg belagerte, ſo konnte
auf der andern Seite aller proviant hinein geſchaffet werden, her-
nach aber wurde eine circumvallations-Linie herum gezogen, da gieng
es bald uͤber.
§. 31. Wie ſich die Obſeſſi verhalten ſollen, hat Pere Daniel ge-Von Belage-
rungen.
wieſen. Man kan ihn allerdings allhier allegiren, denn was wir Gutes ha-
ben, ratione der artillerie, der attaquen haben wir alles von den Fran-
tzoſen gelernet, das andere ſind generalia, e. g. daß man muß Achtung
H h h 3geben,
[430]Cap. V. De prudentia
geben, damit victualien, Waſſer ꝛc. in der Veſtung. Die Daͤcher muͤſ-
ſen abgedeckt werden, damit kein Brand entſtehe, wenn Bomben hin-
ein geworffen werden; Man muß hindern, damit der Feind nicht leicht
kan batterien aufwerffen; wenn der Feind fourage hat, ſo kan er ſich
hinter einen Zaun wehren, und Abſchnitte machen. In Oſtende haben
ſie es ſo gemacht, daß, wie ſie ſich nicht helffen konnten, haben ſie immer
Abſchnitte gemacht, die Tuͤrcken thun eben dergleichen, wenn ſie ſich nicht
helffen koͤnnen, machen ſie immer einen Abſchnitt hinter den andern.
Vor dieſem hat ſich Griechiſch-Weiſſenburg auf dieſe Art lange erhal-
ten, und ſind viele tauſend Menſchen darauf gangen, aber jetzo iſt es
eher uͤbergangen.
des Sieges zu
gebrauchen?
§. 32. Unſer Autor conſideriret 1) Victores, 2) Victos. Er mey-
net, der Victor brauche groſſe Vermahnungen, worinnen er recht hat.
Alle Menſchen ſind nicht ſo beſchaffen, daß ſie ſich im guten Gluͤck wohl
conduiſiren, daher kan man ſie ohne Lehre nicht dimittiren. Es iſt eben
ſo eine groſſe Kunſt victoria uti als dieſelbige erhalten, drum ſagt der
Autor Victoria eſſe utendum, leniter; modeſte caute. Caute muß einer
dieſelbe brauchen, damit er nicht wieder ſupprimiret werde von dem Feind,
wenn ſich derſelbe widerſetzet. Wie Ladislaus bey Varna die Tuͤrcken
geſchlagen, fielen ſeine Leute zu bald auf die Beute, die Tuͤrcken recolli-
girten ſich, und ſchlugen die Ungarn, daß der Koͤnig ſelbſt geblieben;
Bey anderer Gelegenheit iſt von dem Bernhard erinnert worden, wie er
auf dieſe Art die Kayſerlichen geſchlagen; Daher iſt ein character der Weiß-
heit, wenn einer im Gluͤck ſouple iſt, und im Ungluͤck Hertz hat. Her-
gegen ein Narr iſt im Ungluͤck nieder geſchlagen, und im Gluͤck aufge-
blaſen. Man kan ſehen, wenn einer ſage iſt, wenn man acht giebt, wie
er ſich im Gluͤck conduiſſiret. Es hat auch ſeine politiſchen raiſons, daß
einer im Gluͤck ſouple ſeyn muß, denn die Menſchen ſind ſo beſchaffen,
daß ſie das bonum, welches andere genieſſen, gerne vor ſich haben wol-
len, mißgoͤnnen ihm alſo ſolches, und ſind alle wider ihn auf. Wie
Carolus V. Franciſcum I. gefangen genommen hatte, wachte jedermann
auf, Carolus V. hat geſagt: Er wollte lieber ſelbſt gefangen ſeyn, als
daß dieſes geſchehen waͤre, aber es war ſein Ernſt nicht; So klug war
er doch, daß er ſouple war; Es haben gleich andere eine ligue auf ihn
gemacht. Man weiß, daß groſſe Herren in ſtatu naturali nicht ſtille
ſtehen, ſondern wenn einer gewinnt/ ſo ſind gleich andere, die wider ihn
complotiren. Es muß einer aber auch ſeinen Sieg pouſſiren. Was
halff Philippo II. ſeine victorie bey St. Quintin, da er dieſelbe nicht
weiter pouſſirte, ſondern ſich mit der Belagerung vor St. Quintin auf-
hielte?
[431]ſtatus circa bellum \& pacem.
hielte? Leniter quoque victoria eſt utendum. Derjenige der cruel iſt,
wider den ſetzt man ſich deſto ſtaͤrcker, ja der Feind ſucht das Joch wie-
der abzuſchuͤtteln, und ſucht Gelegenheit, ſeine Unterthanen zu encoura-
giren, daß ſie das aͤuſſerſte wider ihn tentiren. Derjenige, ſo ſemper
lenis iſt in victoria, kan in kurtzer Zeit ein Koͤnigreich acquiriren. Die
Leute ſagen alsdenn, wir changiren wohl unſere maitre; aber wir koͤn-
nen nicht anders, iſt es doch auch ein guter Herr. Dieſe Kunſt hat
Dieterich, der Oſt-Gothen Koͤnig gebraucht, welcher die Heruler und
Ruͤgen aus Italien geſchlagen, dieſe waren wohl Chriſten, aber ſie tra-
ctirten die Roͤmer hart; Hergegen Dieterich tractirte ſie leniter, ließ ih-
nen ihre leges, zog ein Roͤmiſch Kleid an. Dadurch er die Roͤmer ge-
wonnen, ſo hats auch Cæſar gemacht, wie er Gallien eingenommen.
Endlich kan man auch von dem Czaar ſagen, daß er die mode changi-
ret, da ſonſt ſeine Vorfahren, wo ſie hinkommen, alles ruiniret, wie die
Tartarn, welche Unmenſchen ſind, ein brutales albernes, abgeſchmacktes
Volck. Warum ſollte man ſich vor den Tuͤrckiſchen progreſſen fuͤrch-
ten, wenn man nicht wuͤſte, daß, wo er hinkaͤme, alles ruiniret? Er laͤßt
zwar die Religions-Freyheit, aber ruiniret das gantze Land, ſauget alles
aus, ut non amplius nocere poſſint. Qui crudeliter ſe gerit, zeiget an-
daß er nicht erhalten wolle, was er acquiriret. Modeſte muß er auch
verfahren. Wie Carolus V. zu Barcellona das Fieber gehabt, hat er
gantz modeſte geredet; Nachdem aber der Barbaruſſa vor ihn gelauffen,
Solymann von ihm geſchlagen, der Pabſt in der Engelsburg eingeſchloſ-
ſen, Franciſcus I. gefangen worden, hat man keine doucen Worte mehr
in ſeinen reſcriptis wahrgenommen; Die Teutſchen Staͤnde haben ob-
ſerviret, daß er wie ein deſpot worden; aber es hat ihm nichts geholf-
fen: Denn viele haben ſich wider ihn liguiret; Die Metz, der Mohr
und Magd, haben dem Kayſer den Tantz verſagt. Zu letzt hat er auch
vor chagrin abgedancket. Derjenige iſt geſcheut, welcher uͤberlegt hu-
manarum rerum circulum eſſe. Cromwell hat es recht gemacht, wie er
zum Regiment kommen, hat er ſeine affecten meiſterlich zu baͤndigen ge-
wuſt, und hat nicht einmahl wollen eine gratulation annehmen. Es muß
ein groſſer Herr nicht dencken, daß er allein etwas thue, ſondern es koͤmmt,
vieles auf prudentiam divinam, und auf die fauten ſeiner Feinde an.
So aber ſchreiben ſie ſich alles allein zu; GOtt habe ſie auserleſen, und
ſey was ſonderliches an ihnen. Nach denen regulis prudentiæ iſt die
ſuperbia allezeit ſchaͤdlich, auch denen privat-Leuten; GOtt widerſtehet
den Hoffaͤrtigen; GOtt thut es nicht immediate, ſondern mediate. Groſ-
ſe
[432]Cap. V. De prudentia
ſe Herren wollen gerne egal ſeyn, und dencken alſo darauf die andern ſo
zu excediren, und in ihren Schrancken zu halten.
gegen die Uber-
wundenen zu
verhalten ha-
be.
§. 33-34. Der character eines Weiſen beſtehet darinn, daß er
in adverſis intrepidus ſey; Ein groſſer Herr muß nicht zittern, wie eine
Memme. Von Ludovico XIV. iſt zu loben, daß, als er gehoͤret, die
Schlacht bey Hoͤchſtaͤdt waͤre verlohren, hat er geſagt: Mon Dieu, iſt
denn mein Ungluͤck noch nicht vorbey? Er hat gleich von neuen delibe-
riret, was nunmehro zu thun ſey. Philippus II. legte nicht einmahl die Feder
nieder, da er hoͤrete, daß ſeine unuͤberwindliche Flotte verungluͤcket ſey, ſon-
dern ſagte nur: Ich habe ſie nicht geſchickt, daß ſie ſollen mit Wind und Wel-
len fechten. Ein Koͤnig muß magnanimus ſeyn, und nicht vergeſſen, daß er
ein Koͤnig. Joh. Friedrich ſpielete eben mit den Hertzog von Luͤneburg im
Schach, da ihm des Todes Urtheil angekuͤndiget worden; er war aber ſo
großmuͤthig daß er vor dem Hertzog von Luͤneburg ſagte: Er ſolte nur fort
ſpielen. Wenn es einem uͤbel gehet, ſo hat er die meiſte courage von-
noͤthen. Viele Herren aber ſind in adverſis triſtiſſimi. Von dem vori-
gen Churfuͤrſten in Bayern hat man ſonſt ſehr viel gehalten, aber ſeit
der Zeit hat ſich ſein æſtime ſehr verringert, da er aus Bayern gieng,
und war noch kein Feind darinnen. Wenn er drinnen geblieben, wuͤr-
de er dem Kayſer noch viel Hertzeleid verurſachen koͤnnen: Denn Bay-
ern iſt ein Land, da man ſich lange wehren kan, wegen der vielen Waͤl-
der und Fluͤſſe. In ſecundis, aber nicht in adverſis. Wie Fridericus V.
der Winter-Koͤnig, beym Weiſſen Berge die Schlacht verlohren, lieff
er nach Holſtein, und endlich gar nach Engeland, welches alle reprehen-
diren und ſagen: Er haͤtte ſollen in Boͤhmen bleiben, aber er fuͤrchtete
ſich gleich, er moͤchte gefangen werden. Wer eine battaille verlohren
hat, muß nicht gleich Friedens-Vorſchlaͤge thun, denn ſucht einer anxie
den Frieden, ſo kriegt er ſchlechte conditiones. Es kan aber auch einer
ſo Friedens-Vorſchlaͤge thun, daß er indeſſen Zeit gewinnet, ſich in ei-
nen beſſern Zuſtand zu ſetzen. So machte es der Koͤnig in Franckreich,
wie derſelbe am letzten Geſetze ſang, ſo gab er præliminaria ein, da man
faſt nicht glauben konte, daß es ſein Ernſt war; damit hat er ſie trai-
niret, und indem die andern ſich nicht mehr ruͤſteten, ſondern verhofften
einen Frieden zu erhalten, ſo ſetzte er ſich indeß wieder in gute poſitur,
und fieng von neuem Krieg an, wie man aus der negotiation zu Gertruͤ-
denberg ſehen kan. Die Daͤnen muſten Frieden machen, da Carl Guſtav
vor Coppenhagen kam; aber ſie haben auch einen miſerablen Frieden be-
kommen. Die Tuͤrcken wuͤrden auch letztens einen miſerablen Frieden be-
kommen haben, wenn die Hollaͤnder und Engelaͤnder nicht geweſen waͤ-
ren,
[433]ſtatus circa bellum \& pacem.
ren, ſie waren ſchachmatt, hatten zwey battaillen verlohren, und waren
ſchon willens geweſen, dem Kayſer Nizza abzutreten. Ob ich nun zwar
nicht glaube, daß einer alle extrema erwarten ſolle, ſo iſt doch gut, daß
man nicht gleich zum Frieden eilt, ſondern es iſt beſſer, wenn ich die
Feinde ſuche zu theilen, und auf der andern Seite mir Freunde mache.
Ob nun zwar groſſe Herren keine wahren Freunde haben, ſo koͤnnen ſie doch
einander leicht zeigen, ſie haͤtten ein intereſſe, daß dieſer oder jener nicht
ſupprimiret werde. Dieſes haben die Schweden gethan; wie dieſe bey
Noͤrdlingen verlohren, da gieng der Oxenſtirn nach Compiegne, redete
mit dem Koͤnig in Franckreich, und mit dem Richelieu, machte daß
Franckreich brach, und beredete ſie, wie es nicht gut ſeyn wuͤrde, wenn
die Schweden aus Teutſchland muͤſten; Es wuͤrden nicht allein die Pro-
teſtanten unterdruͤckt, ſondern der Kayſer und die Spanier wuͤrden auf
Franckreich loß gehen. Dieſes effectuirte, daß Franckreich den Krieg
erwehlete, und Schweden ſich retablirete. Es iſt dieſe negotiation ein
Meiſterſtuͤck von dem Oxenſtirn. Puffendorff giebt hiervon Nachricht,
aber beym Vaſſor in ſeiner hiſtor. von Ludov. XIII. kan man es faſt noch
politer und kuͤrtzer ſehen. Auf ſolche Weiſe ſiehet man, non illico eſſe
deſperandum, man muß die Augen offen haben, auf fœderatos dencken.
Aber auf fœderatos muß man dencken, ehe noch das Ungluͤck da iſt, ſo
muß man auf Leute bedacht ſeyn, die beredt ſind, wie der Charnace, der
Oxenſtirn; ſolche koͤnnen das Ungluͤck groß machen per eloquentiam,
daß die andern ſich laſſen bewegen. Daher iſt es gut, wo man eine
Caſſe hat, damit, wenn die Armee ungluͤcklich iſt, gleich neue Trouppen
koͤnnen angeſchaffet werden. Vor Geld kan ich alles haben, ſonderlich
in Europa; die Daͤnen, Schweden, Teutſchen lauffen alle nach Gelde,
und wenn ein einheimiſcher miles nicht ſuffiſant iſt, ſo muß ich extraneos
milites nehmen. Man muß aber auch die rechten Mittel ergreiffen.
Der Koͤnig in Schweden that nicht recht, wie er bey Pultava geſchlagen
war, daß er nach der Tuͤrckey gieng. Der Tuͤrck konte zwar dem Czaar
ſchaden, aber der Koͤnig in Schweden konte da nichts effectuiren, weil er
keine force hatte. Wenn ich geſehen, die Niederlage thut mir tort,
ſo muß ich Frieden machen, l’epee à la main. Sub clypeo pax eſt in-
eunda. Die Roͤmer haben nicht dieſe Redens-Arten gehabt, ſondern
die Engelaͤnder haben ſolche erſt gebrauchet, wie man aus dem Guiliel-
mo Neubrigienſi ſehen kan. Hernach haben auch ſolche die Teutſchen
gebraucht. Am allerkluͤgſten iſt am Frieden zu gedencken, da man ſelbſt
noch avantage hat. Die Tuͤrcken, wenn ſie noch ſo groſſe avantage er-
halten, de Pace loquuntur; aber ſie halten denſelben nicht lange. Der
J i iKoͤnig
[434]Cap. V. De prudentia
Koͤnig in Franckreich hat immer Frieden geben wollen, aber wir haben
es nicht gethan: Denn er hat die Kunſt denen Tuͤrcken abgelernet, wel-
che, wenn ſie profit gehabt, Frieden gemacht; hernach aber, da ſie wie-
der in poſitur geweſen, gleich wieder gebrochen. Der Koͤnig in Franck-
reich brach in die Niederlande, darauf machte er Friede; hernach brach
er wieder ein, und wollte Frieden machen, aber ſie wollten nicht, und iſt
er auf zwoͤlff Jahr aufgehalten worden. Der letzte Krieg wegen der
Spaniſchen monarchie hat noch laͤnger gewaͤhret. Den Alexandrum M.
kan man hier nicht imitiren, welcher Freund und Feind attaquiret, und
nimmer wollen Krieg fuͤhren. Boileau hat gemeynet, er waͤre furioſus
geweſen, und haͤtte meritiret, ins Toll-Hauß geſteckt zu werden. So
haben es auch erſt alle Teutſchen Voͤlcker gemacht, aber das war eben-
falls der furor; Ein Enthuſiasmus. Die Schweden haͤtten gerne Frie-
den gemacht, ehe noch einmahl der Weſtphaͤliſche Friede geſchloſſen wor-
den, aber der Kayſer wollte nicht, weil er ſahe, daß er einen desavanta-
geuſen Frieden bekommen wuͤrde. Es wuͤrde auch noch nicht ſeyn Frie-
de gemachet worden, wenn nicht der Torſtenſohn zwey battaillen gewon-
nen, und der Königsmarck Prag weggenommen. Quær. Wenn ein
Friede gemachet wird, ob der Victor denen victis ſoll harte conditiones
vorſchreiben? Reſpond. Quod non, er koͤmmt alsdenn nicht zu ſeinen
Zweck. Es iſt ein Brief vorhanden, welchen der Colbert an den Lou-
may geſchrieben, da reprehendiret er ihn, daß er denen Hollaͤndern keinen
Frieden geben wollen, da ſie doch laͤngſt von der alliance koͤnnen abge-
bracht werden. Die Hollaͤnder konnten es nicht thun, aber der Laumay
hat dem Colbert zum Tort ſolche conditiones vorgeſchrieben. Auf die
letzte muſte Franckreich doch den Frieden zu Nimwegen machen. Wer
Frieden machen will, muß habile negotiateurs haben, davon oben ſchon
gedacht worden. Nicht ein jeder iſt darzu geſchickt: Er muß keine Ge-
nerals, ſondern homines legatos ſchicken: Denn wenn man von Frie-
den redet, muß man douce gehen, darum hat Mazarini den Frieden zu
St. Jean de Luz ſelbſt geſchloſſen, weil er die Spanier wollte gewinnen,
und dachte, ein andrer moͤchte etwas verſehen. Ein groſſer Herr thut
nicht wohl, wenn er ſelbſt tractiret, weil viele Gefahr zu fuͤrchten. Groſ-
ſe Herren ſind ſo hitzig, impatientes, wir wiſſen, das Carolus V. und
Franciſcus I. zuſammen kommen, und einen Frieden geſchloſſen. Aber
Franciſcus I. befuͤrchtete ſich, Carolus V. moͤchte ihn mit nach Spanien
nehmen, und hingegen Carolus V. befuͤrchtete ſich, Franciſcus moͤchte ihn
mit nach Franckreich nehmen. Sie haben auch nicht einmahl den Frie-
den geſchloſſen, ſondern nur mit einander ſottiſen geſchwatzet. Hernach
hat
[435]ſtatus circa bellum \& pacem.
hat doch durch die Geſandten erſt der Friede muͤſſen geſchloſſen werden.
Dicis: Thut man nicht wohl, wenn man mediateurs nimmt? Reſpond.
Sie ſind ein nothwendiges Ubel; Denn wie ſie Grotius beſchreibt, daß
ſie ſollen unpartheyiſch ſeyn, dergleichen findet man wohl auf dem Pa-
pier, aber ſonſt trifft man ſie nicht an. Wie Engeland mit Franckreich
letztens tractireten, wollten ſie keine mediateurs haben. Auf den Frieden
zu Ryswick haben ſie die Schweden gehabt, aber der Baron Lilienroth
hat viele intriguen gemacht; Der Mazarini, wie er mit Spanien tra-
ctirete, hat keine mediateurs angenommen. Der Pabſt, Urbanus VIII.
hat ſich zum mediateur angegeben, aber Mazarini wollte ihn nicht haben;
Daher erzehlet man auch, daß, als ſich vor des Pabſts ſeinem Palais
zwey Jungen geſchlagen, und man ſie wollen von einander reiſſen, habe
er geſagt: ſie ſollten ſie laſſen gehen, er wollte ſehen, wie es ablauffen
wuͤrde, da ſie denn endlich aufgehoͤret, und einander die Haͤnde gegeben,
darauf ſagte er, ſo wuͤrde es auch gehen, auf den Frieden zu Jean de Luz.
Die Spanier und Frantzoſen haͤtten ſich gnug mit einander herum ge-
ſchlagen, nun wuͤrden ſie ſich wieder vertragen, welches auch geſchehen.
Wie mediateurs ſollen beſchaffen ſeyn, kan man in VViquefort ſeinem
tractat de l’Ambaſſadeur \& de ſes fonctions leſen. Wo ein gantz infir-
mus vorhanden, da iſt gut mediateurs zu halten.
§. 35-38. Bellum civile eſt mors civitatis, denn die civitas iſt zu-Von Buͤrger-
lichen Kriegen.
ſammen kommen per pactum, es iſt morale vinculum vorhanden, quod
totum civile adeſt. Der imperans kan alsdenn nicht mehr ſagen, es ſind
meine ſubditi, ſondern es ſind ſeine hoſtes. Niemand hat beſſer de
morte civili raiſonniret, als der Campanellus in ſeiner Politic. Seine
Politic hat Grotius unter ſeinen Mstis gehabt, und ſind ſelbe hernach mit
Grotii Opuſc. Poſthumis aufgeleget worden. Wer de bellis civilibus
recht will urtheilen, muß cauſas civilium bellorum betrachten. Es entſte-
hen aber innerliche Kriege auf dreyerley Weiſe: 1) vel eſt homo am-
bitioſus, wie der Cæſar, welcher ſtatum reipublicæ umgekehret, 2) vel in-
opia cives ad deſperationem agit. Wie man in bello Catilinario ſiehet,
davon uns Salluſtius Nachricht giebet; ingleichen die Orationes Cicero-
nis contra Catilinam. David, wie er iſt fluͤchtig geweſen, hat er auch
eine Armee geſammlet, von lauter preßhafften Leuten, und iſt es allezeit
ſo in der Welt geweſen. Inopia excitat ſeditiones, 3) Wenn Tyran-
nen regieren, es ſey in Polyarchia oder in Monarchia, ſo giebt es ſeditio-
nes. Keiner hat die cauſas und remedia ſeditionum beſſer beſchrieben, als
Hobbeſius. Obgleich derſelbe den Principem ſehr erhoben hat, ſo hat er
doch auch denſelben inſtruiret, daß er nicht ſolle zu ſeditionibus Gelegen-
J i i 2heit
[436]Cap. V. De prudentia
heit geben. Es ſind in dem Hobbeſio viele gute Dinge: Denn er hat
wollen den Populum Anglicanum dadurch abwendig machen, keine De-
mocratie einzufuͤhren. Wenn ich meine reflexion richte auf die erſte Ur-
ſache, da iſt es im Zuſchneiden verſehen, daß man die Bedienten laſſen
zu groß werden. Wenn ein groſſer Herr ſeine Bedienten laͤßt zu groß
werden, ſo gehet er bald zu Grunde. Es iſt offt beſſer, daß der Herr
etwas hart iſt. Ludovicus Pius machte bey Lebzeiten ſeine Soͤhne zu
Koͤnigen, die ihm viel Verdruß anthaten. Man hat Exempel, daß Koͤ-
nige durch ihre Bedienten abgeſetzet worden. Wir wiſſen, was die
majores domus im Fraͤnckiſchen Reich vorgenommen, was der Crom-
well gethan. Der Hertzog von Guiſe hat wollen Henricum III. ins
Cloſter ſperren, wenn er nicht ums Leben gebracht worden. Die Teut-
ſchen Kayſer haben es verſehen, daß ſie die Hertzoge von Sachſen, Bay-
ern ꝛc. groß gemacht, welche ihnen hernach viel Verdrießlichkeit verurſachet.
Wie Otto M. den Johannem Abbatem Gorzienſem als Geſandten an den
Sultan nach Cordua geſchicket, und der Geſandte viel Weſens gemacht,
was Otto M. vor ein weiſer und tapfferer Herr waͤre, hat der Sultan geant-
wortet: Wenn er ein weiſer Herr waͤre, warum er ſeine Anverwandten ſo
groß mache? Denn ſeine Anverwandten haben ihn wollen herunter ſtoſſen;
Daher er viele Kriege mit ihm fuͤhren muͤſſen. Hiervon kan man leſen vitam
Johannis Abbatis Gorzienſis, welches in des Mabillonii Actis Benedict,
ſtehet. Es iſt der Muͤhe werth, dieſe reflexion zu leſen. Aus was Ur-
ſachen hat wohl Hugo Capetus koͤnnen Franckreich acquiriren. Vid. Lu-
dov. Cantarellus Faber de l’origine des Fiefs. Hertius in ſeiner politic
ſaget: Inopia koͤnne leicht aufgehoben werden, wenn die Leute arbeite-
ten. Otium und luxus macht arme Leute. Arme Leute ſind gefaͤhrliche
Leute; Die Armuth machet, daß ſie deſperat werden, Straſſen-Raͤu-
ber abgeben; Da hilfft nichts, man mag ihnen von der Tugend vor-
ſchwatzen, was man will. Da eine Theurung in Rom war, und der
Pabſt denen Leuten den Seegen mittheilete, ſagten ſie: Wir bedancken
uns, aber gebt uns groß Brodt. Es iſt nicht gnug, wenn man ſa-
get: Labora, ſondern man muß auch die Leute ad ſobrietatem, frugali-
tatem bringen. Wenn auch gleich bisweilen die Leute arbeiten und fru-
galiter leben, ſo nehmen doch etliche Fuͤrſten ihnen alles weg, und ver-
fahren crudeliter mit ihnen, welches denn verurfachet, daß ſie die Waf-
fen ergreiffen. Scipio Gentilis hat einen Tractat de Conjurationibus ge-
ſchrieben, worinnen er gewieſen, daß alle revolutiones entſtanden von
denen groſſen preſſuren. Weiß man nun die Gelegenheit, ſo weiß man
auch
[437]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
auch die remedia, wovon Hertius im letzten Cap. 11. weitlaͤufftig Nach-
richt gegeben.
Sect. XII.
de
Prudentia ſtatum civitatis Monarchicæ \& in ea
ſtatum Imperantium conſervandi.
§. 1-5.
DEr Autor iſt etwas weitlaͤufftiger, als er in der That ſeyn ſollte,Von denen
arcanis uͤber-
haupt.
und was er in 34. §. §. abhandelt, koͤnnte alles auf 4. gebracht
werden; Daß er aber in ſectione præſenti ſo weitlaͤufftig gewe-
ſen, daran iſt Arnoldi Clapmari Buch de arcanis rerum publicorum Ur-
ſach, welches er guten Theils excerpiret. Er redet faſt nichts anders
als von arcanis, und hat varia genera gemacht. Was aber Arnoldum
Clapmarium anlanget, ſo war derſelbe Profeſſor Hiſtorici \& Politices in
Altorff, ein JCtus, diſcipulus Conradi Rittershuſii und Huberti Giphanii.
Etliche halten nichts auf ſein Buch, etliche aber erhoͤhen ihn in Him-
mel. Daher fragt ſich, was von dieſem Buche zu halten? Reſpond.
Er war ein gelahrter Mann, welches ſein nobile triennium zeiget; Aber
diejenigen, ſo nicht wiſſen, was arcana heiſſen, und von Studiis politicis
keinen gout haben, leſen das Buch nicht gerne. Hergegen, wenn man
1) ſeinen ſcopum weiß, 2) die naͤrriſchen Schwaͤtzereyen nicht hoͤret,
wenn ſie unter denen arcanis Schulfuͤchſiſche Dinge oder Betruͤgereyen
verſtehen, der wird ſchon von dem Buch etwas halten: Chriſtfried Sa-
gittarius, welcher Profeſſor Eloquent. \& Hiſtor. zu Jena geweſen, hat
uͤber des Clapmarii Buch eine Diſſertation gehalten, und denſelben her-
nach cum notis in quarto ediret, aber ſeine obſervationes nicht zu Ende
gebracht. Dieſer lobt auch Clapmarium. Martinus Schookius, Pro-
feſſor Gieſſ. hat auch den Clapmarium edirt in octavo, und im Text vie-
les vermehret. Man muß alſo alle beyde editiones haben. Ich glaube,
daß das Buch gut zu gebrauchen, aber deßwegen iſt es beſchwerlich,
weil er viele ſpecies arcanorum gemacht. Wir muͤſſen hier ſehen, wie
es der Autor tractiret, und was vor eine Eintheilung er macht. Arca-
num heißt hier nicht, als wenn es was heimliches waͤre, davon ſich auch
der Autor erklaͤret in 5. §. ſondern es heißt eine maxime. Es iſt eben,
J i i 3als
[438]Cap. V. De prudentia
als wenn ich im Staaten von Europa die arcana eines jeden Staats
erklaͤret, die maximen, welche ſie nicht gerne wiſſen laſſen. Aber die
acutiores bringen ſie doch heraus. Hauptſaͤchlich iſt das Wort arca-
num ex Tacito, welchen Clapmarius fleißig geleſen. Beym Tacito
koͤmmt offt vor arcana domus, domus iſt anguſta, arcana domus ſind
arcana des Kayſerlichen palais: Tacitus hat das Wort arcanum in ma-
lo ſignificatu genommen: Denn er hat gewieſen, daß die Kayſer, wel-
che er beſchrieben, flagita gebraucht, die er aber nicht ſo nennen wollen,
ſondern arcana domus, i. e. ſcelera domus? Wenn ich der Autor gewe-
ſen waͤre, haͤtte ich ſie lieber maximen, media genennet, wodurch ſie ih-
ren ſtatum zu conſerviren ſuchen. Durch etliche ſuchen ſie ſich zu con-
ſerviren, und durch etliche den ſtatum præſentem. Clapmarius hat ſie
alſo eingetheilet, dem auch der Autor gefolget, und muß man Muͤhe ha-
ben die Eintheilung zu erklaͤren; Dieſe arcana ſind ſo beſchaffen, ut aut
reipublicæ præſentis conſervationem intendant, monarchicæ puto, aut
Ariſtocratiæ aut Democraticæ. Man hat generale maximen, welche auf
alle drey gehen. Specialia ſind, die nur in der Monarchia præciſe oder
in der Ariſtocratie angehen. Gleichwie nun die arcana imperii in gene-
ralia \& ſpecialia eingetheilet werden, ſo haben ſie auch die arcana domi-
nationis in generalia \& ſpecialia eingetheilet. Generalia ſind, welche in
Monarchia, Ariſtocratia, Democratia koͤnnen gebrauchet werden. Die
arcana dominationis nituntur vel bonis vel malis artibus, ſi malis nitun-
tur, ſo werden ſie flagitia dominationis genennet, oder wie Tacitus ſa-
get, arcana domus, dafern ſie aber ſo beſchaffen ſind, daß ſie nichts boͤ-
ſes in ſich halten, ſo fern kan der Princeps ſelbige gebrauchen. Bey
dieſen letztern aber ſind einige ſo beſchaffen, ut nihil injuſti præ ſe fe-
rant: Andere aber ſind wohl nicht unrecht, ſie haben aber den Schein
eines boͤſen; Der peuple, die Enthuſiaſten, ſehen ſolche nimmer an, als
wenn ſie nichts taugten, e. g. Wenn Ferdinandus II. den VVallenſtein
ohne proceß laͤßt maſſacriren, oder Henricus III. laͤßt die Hertzoge von
Guiſe umbringen, ſo denckt der peuple, es ſey gottlos: Wer es aber
recht einſiehet, findet, daß nihil injuſti vorhanden. Dieſe vielfaͤltige
acception des Vocabuli arcani macht uns Schwuͤrigkeiten. Gabriel
Naudæus hat Coups d’Etat geſchrieben, Puffendorff aber ſagt in ſeinem
Jur. Nat. \& Gent. Gleichwie Naudæus gewuͤnſchet, daß einer beſſer
ſchreiben moͤchte als Clapmarius, ſo wuͤnſche er, daß einer beſſer ſchrei-
ben moͤchte, als Naudæus, und die Sache recht vorſtellete. Auſſer allen
dieſen arcanis imperii und dominationis haben wir auch noch arcana
inania oder ſimulacra imperii, welches nichts anders, als daß man von
der
[439]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
der alten forma etwas uͤbrig laͤßt. In Venedig iſt vor dieſem eine
Monarchie geweſen, daher hat man noch daſelbſt ein Doge oder Du-
cem, welcher aber nur zwey vota hat, und iſt alſo nur ein ſimulacrum
imperii geblieben. In der republica Romana findet man eben derglei-
chen. Man hat die reges imperatores genennet, i. e. Duces belli; man
nennete ſie Principes ſenatus, Cenſoria dignitas war noch da; Es waren
noch Tribuni plebis, \& tamen libertas jam diu erat interfecta, und die Im-
peratores thaten ſo viel als die Reges.
§. 6. Wir betrachten hier die arcana imperii in genere, das mei-Was arcana
imperii eigent-
lich ſeyn?
ſte haͤtte koͤnnen in generalibus weggelaſſen werden. Die erſte Frage
iſt: Si quis velit ſeditiones excitare, quænam arcana adhibenda? Reſp.
Hier kan man den Hertium leſen in Polit. Spec. p. 87. p. 29. Er zeigt
1.) daß der Populus muͤſſe angehalten werden ad opificia, ad artes, man
muͤſſe zeigen, wer die opificia treiben ſolle, ut omnia ſint ſecura. Er
hat eine paſſage allegiret aus des Nicolai Burgundi Rebus Belgicis, wel-
ches jederzeit unruhige Leute geweſen, da haͤtte man die Nobiles ange-
halten zum Krieg und die andern zum commercio, damit dieſelben was
zu thun gehabt. Man muß auch acht geben 2.) nequis magiſtratus offi-
cio ſuo abutatur, denn wenn ſolches geſchiehet, ſo wird der peuple en rage,
die jura magiſtratus ſollen ja exerciret werden, ut populus defendatur,
non ut prematur. Deßwegen muͤſſen groſſe Herren eine Aufſicht haben.
Carolus M. hat ſeine miſſos regios gehabt, welche herum gereiſet und
geſehen, ob auch die juſtiz recht adminiſtriret werde. Es dringet nichts
mehr zu Hertzen, und ſchmertzet die Leute, als wenn ſie ſich muͤſſen laſ-
ſen ohne raiſon unrecht thun. Die Schweitzer ſind aus keiner andern
Urſache von Oeſterreich und dem Teutſchen Reiche abgefallen, als weil
ihre Land-Voigte ſich der Jurium gemißbrauchet. Dafern aber ein Miß-
brauch geſchehen, ſo muß der Princeps ſolchem geſchwind abhelffen, und
alles auf die magiſtratus inferiores ziehen, damit die Unterthanen nicht
glauben, er ſey daran Urſache. Wenn man auch lieſet, daß die Unter-
thanen nicht zufrieden geweſen, ſo wird man offt finden, daß ſie geſagt:
Man koͤnne faſt nicht dencken, daß dem Herrn es ſelbſt bekannt ſey:
Michael Piccartus hat einige Diſſertationes Hiſtor. Politic.* geſchrieben,
in
[440]Cap. V. De prudentia
in welchen er vieles davon beybringet. Hobbeſius hat auch ſchon in ſei-
nem Buche de Cive, da er die cauſas und origines ſeditionum ausgefuͤh-
ret, ſeinen Principem inſtruiret, daß er ſolle acht geben, ne magiſtratus
officio ſuo abutatur. Es hat ein Pohle zum Stephano Bathori, dem
Koͤnig in Pohlen, geſagt: Niſi adminiſtrare velis juſtitiam, deſcende de
ſolio. Dieſes iſt zwar eine Pohlniſche Freyheit, aber es waͤre zu wuͤn-
ſchen, daß man es allen Fuͤrſten ſagte. 3.) Muß man auch nicht lei-
den, ut de juribus Imperii diſceptetur, deßwegen laͤßt man an vielen
Orten kein Jus Publicum dociren. Die Venetianer laſſen nicht gerne
von der Republique ſchreiben, und haben wir auch nichts, auſſer was
die Fremden geſchrieben haben. In Franckreich darff keiner bey Leibes-
und Lebens-Straffe de Jure Publico ſchreiben. In Daͤnnemarck iſt das
Jus Publicum extinguiret. In Engeland, obgleich daſelbſt zwey Haͤuſer,
das Ober- und Unter-Hauß, ſo darff doch keiner ein Jus Publicum ſchrei-
ben, und als unter dem VVilliam ein Buch, les Droits des Communes,
heraus kam, das in Holland ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet worden, ließ
VVilliam ſolches gleich confiſciren. Er ſagt: Wenn einer ein Jus habe,
koͤnne er ſolches im Parlament vorbringen, es ſey nicht noͤthig, ſolches
oͤffentlich bekannt zu machen. In Holland doͤrffen ſie auch kein Jus Pu-
blicum ſchreiben, welches Huber in einer beſondern Diſſertation gewieſen.
Man muß nicht dencken, es waͤre die Republique Holland ſo beſchaffen,
daß unter denen Provintzen keine Streitigkeiten waͤren; Es iſt auch be-
kannt, was die Stadthalters vor Jura prætendiren, deßwegen laſſen ſie
nicht davon ſchreiben. In Teutſchland aber iſt eine irregularité, eine laxa
cohæſio, da kan ein jeder frey ſchreiben, was er nur will. In Pohlen iſt
es eben ſo, und haben daſelbſt der Zalusky und Clealkowsky ein Jus Publi-
cum geſchrieben. Man muß auch 4.) Achtung geben, daß diejenigen, welche
nicht ad Imperium gehoͤren, ab omnibus juribus removiret werden, es mag
in Monarchia, Ariſtocratia oder Democratia ſeyn, ſie muͤſſen alle Jura ſelbſt
exerciren; daher iſt als eine faute anzuſehen geweſen, die Veraͤnderung der
Monarchie in Franckreich, daß die Graſen und Geiſtlichen ein Imperium
exerciret, und zuletzt Hugo Capetus nichts mehr uͤbrig gehabt, ſie wuͤr-
den auch noch nichts haben, wenn ſie nicht caſu die ſouverainité erhalten
haͤtte. Es war da eben ſo ein elender Zuſtand, wie in Teutſchland.
Vor die Unterthanen iſts nicht gut, wenn ſo viele Gottes Gnaden ſind:
Die Roͤmer haben ex neceſſitate dictatores angenommen, nachgehends
aber
*
[441]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
aber ſiehet man, was der Sylla und Cæſar als dictatores gethan, da
endlich Cæſar gar die Rempublicam Romanam uͤbern Hauffen geworffen.
Es mag Monarchia oder Respublica libera ſeyn, ſo geben diejenigen nicht
acht, und ſind nicht klug, welche ihren ſtatum laſſen veraͤndern.
§. 7. Man nennet dieſes arcana dominationis, welche diejenigen,Arcana do-
minationis,
was ſie ſeyn?
qui dominantur, haben, durch dieſe maximen ſich zu conſerviren. Der
Autor ſagt nicht: Sit ſummum Jus. Ein groſſer Herr kan nicht allezeit
ſummum Jus haben: Summum Jus ſumma ſæpe eſt injuria: Wer allezeit
will nach dem Jure ſtricto gehen, iſt ein Enthuſiaſt, ſagt man: Fiat ju-
ſtitia, pereat mundus, ſo antworte ich: finge periiſſe mundum, ſo biſt
du kein Imperans, kein Doge mehr, ſondern eine animula vagula blan-
dula. Du muͤſteſt alsdenn in Mond gehen, oder in einen andern Fix-
Stern, und daſelbſt ſo lange verbleiben, bis der juͤngſte Tag kommt,
drum ſagt der Autor: Æquitas. Sein Lebtag beſtehet ein Reich nicht,
wo es allzu ſcharffe zugehet; Wir haben ja keine Engel vor uns, vitia
erunt donec homines, wie ſchon Tacitus geſagt; deßwegen iſt ein laxa-
mentum, ein temperamentum vonnoͤthen. Das ſummum Jus giebt leicht
einen Schein, als wenn der Princeps eine Freude haͤtte, daß das Volck
ſo exerciret wuͤrde. Wollte er alle Huren todt machen, ſo wuͤrde zuletzt
keine Weibs-Perſon in der Welt ſeyn; alle Trunckenbolde todt zu ma-
chen gehet auch nicht an. Man kan wohl machen, daß weniger Trun-
ckenbolde ſind, aber dahin kan es nicht gebracht werden, daß gar keine
waͤren. Es iſt auch weder dem Fuͤrſten noch den Theologis nuͤtze, wenn man
wollte die Leute par force fromm machen, wovon ſchon in anteced. gedacht
worden. Die diſciplin muß nicht lache ſeyn. Eine morale auſtere iſt
Enthuſiaſtiſch; und eine morale relachée taugt auch nichts. Da iſt con-
fuſio. Medium tenuere beati. So viel wie moͤglich iſt, muß man von
dem alten rigore nicht abgehen. Kein Menſch iſt freylich mehrern judi-
ciis unterworffen, als ein Imperans, daran muß er aber ſich nicht kehren.
Ein groſſer Herr, wenn er weiß, daß er recht thut, ſo muß er nicht dar-
auf ſehen, was der peuple ſchwatzt, oder auswaͤrtig raiſonniret wird.
Er iſt ja nicht ſchuldig, jemanden Rechenſchafft zu geben, als unſerm
HErr GOtt allein. Ein Privat-Mann muß ſich nach andern Leuten
richten, und wenn alle Leute hohe Milch-Baͤrthe truͤgen, wie einige
Nationen, muͤſte er es auch thun; Aber ein Imperans hat es nicht
noͤthig. Es iſt kein Imperans, welcher nicht kan reprehendiret werden.
Wir haben ja nicht einerley Menſchen; etliche wollen gerne eine Mo-
narchie haben, andere gerne eine Democratie. Haͤtte ſich Venedig
K k kan
[442]Cap. V. De prudentia
an den Amelot, und der Koͤnig in Daͤnnemarck an den naͤrriſchen Mo-
lesworth wollen kehren, wuͤrden ſie laͤngſt ihren ſtatum haben veraͤndern
muͤſſen. Groſſe Herren ſind vielen Paſquinanden unterworffen. Wenn
ein Privat-Mann nicht leiden kan, daß andere von ihm ſchwatzen, ſo kan
er ſolches von groſſen Herren lernen. Ich getraue mir eine graͤßliche Idée
von Engeland zu machen, und von Teutſchland einen laͤcherlichen concept
zu geben. Man kan alles reprehendiren; denn die reprehenſiones beſte-
hen in comparationibus \& diverſis relationibus, Ein groſſer Herr muß
auch titulos vor ſich behalten, alle externa, alle honores \&c. Die Im-
peratores Romani haben nicht zugelaſſen, daß jemand einen ſolchen Sel-
lam gehabt, wie ſie; ſie haben nicht gelitten, daß ein anderer ihre ti-
tulos gefuͤhret: Weil leicht geſchehen koͤnnen, daß ſich das Volck an ſol-
che gehaͤnget. Sie haben auch in Teutſchland nicht wollen leiden, daß
andere, auſſer dem Kayſer, ſich geſchrieben: Dei gratia, bis unter Hen-
rico IV. da der Pabſt andern ſolches zuwege gebracht. Die Spanier
laſſen ihre Grandes ſich bedecken. Herunter mit dem Huth. Die Chur-
fuͤrſten haben in der neuen capitulation unter Leopoldo erſt erhalten, daß
ſie ſich bedecken duͤrfen. In Engeland bedecket ſich kein Mann, wenn
der Koͤnig da iſt. Philippus II. hat ſie zwar herunter geſetzet und geſagt:
Ihre Grandezze beſtunde nel Capello, im Huth oder in Haaren, indeſſen
iſts doch etwas. Lud. Cant. Faber hat de l’Origine de fiefs artige remar-
quen von Franckreich beygebracht. Die tituli muͤſſen ihnen bleiben.
Es kommt auch darauf an, daß die Imperantes in Ehren gehalten wer-
den, und daß man ſie denen Unterthanen angenehm machet. Deßwe-
gen iſt aber eben nicht die opinion zu defendiren, Majeſtatem eſſe a Deo
immediate, als wie Hector Gottfried Maſius in ſeinem Intereſſe religio-
num gethan, welchen Thomaſius refutiret. Das hat dem Maſio ſo ver-
droſſen, daß er dem Koͤnige in Daͤnnemarck vorgeſtellet, es wuͤrde die
Souverainité uͤbern Hauffen gehen, wenn man nicht ſagte: Majeſtatem
immediate eſſe a Deo; daher Chriſtianus V. des Thomaſii Schrifft durch
den Hencker verbrennen laſſen. Allein die Sanctitas, inviolabilitas Impe-
rantium bleibt doch, pacta ſunt ſervanda. Wer geſchworen hat, und
hat keine cauſam legitimam abzugehen, muß dabey bleiben. Die Sancti-
tas bleibt, wenn ich gleich nicht ſtatuire, daß der Princeps per miraculum
Majeſtatem bekommen, zumahl dieſe Meynung das abſurdum hat,
daß ein jeder Buͤrgemeiſter muß von GOtt per miraculum darzu
gemachet werden, und wir ſehen doch, wie es zugehet, daß ſie
offt Geld geben. Es iſt gut daß ein Imperator autorité hat. In
Vene-
[443]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
Venedig iſts Capital, wer einen Raths-Herrn ſchlaͤgt: der junge Cor-
naro, welcher ſelbſt ein Nobili geweſen, hat muͤſſen ſterben, weil er ei-
nen Raths-Herrn eine Maulſchelle gegeben. In Nuͤrnberg iſt eine
kleine Republique, wer aber einen Raths-Herrn ſchlaͤgt, verlieret die
Hand, wenn gleich der Rathsherr unrecht hat. Tribuni plebis caput
apud Romanos erat ſacro-ſanctum; Der Poͤbel haͤtte denjenigen mit Zaͤh-
nen zerriſſen, der ihn geſchlagen. Sind Perſonen da, welche derer in-
tention der Imperantium zuwider, removeantur ſub ſpecie honoris. Des
jetzigen Printz Conti ſein Vater, war ein Herr der ſtudia hatte, ein
Soldat, war ſehr freundlich, und regardirten alle auf ihn, der Koͤnig in
Franckreich wollte ihn gerne weg haben; denn er war ein Printz vom
Koͤnigl. Hauſe, und ob er zwar nicht ſuchte Koͤnig zu werden, ſo haͤtte
doch leicht eine Gelegenheit kommen koͤnnen, daß das Volck auf ihn ge-
fallen waͤre; daher hieß es: mittatur in Poloniam; fiat Rex. Germa-
nicus war ein trefflicher Soldat, wie ſein Vater Druſus, aber der Peu-
ple hielt viel auf ihn, und da er aus Teutſchland zuruͤck kam, ſchrien ſie
alle: Salva Roma, ſalva Patria, ſalvus eſt Germanicus. Tiberio ſtund
dieſes nicht an, der ſchickte ihn nach Syrien, ja man ſagt gar, er habe
ihn mit Gifft hinrichten laſſen. Viele haben als einen Solœciſmum be-
mercket, da der Koͤnig in Spanien dem Hertzog von Braganza in Por-
tugall gelaſſen, dem doch der peuple ſehr anhieng; er haͤtte ihm ſollen ſub
ſpecie honoris nach Indien ſchaffen. Das thut man ſo gar in Demo-
cratien. Cornelius Nepos erzehlet, daß diejenigen, ſo favorem populi in
Athen gehabt, per oſtraciſmum aus der Stadt geſchaffet worden, und
nichts duͤrfen ſagen. In Regiments-Sachen muß man vigilant ſeyn,
weil ein Fehler nicht leicht kan wieder gehoben werden. Jetzt iſts ein-
mahl geſchehen, daß der Teutſchen Kayſer den Fehler begangen, und al-
len ſo viel eingeraͤumet, das kan nicht wieder geaͤndert werden. In
Franckreich ſind viele Secula hingangen, bis endlich Ludovicus der XI.
und ſeine Nachfolger es wieder auf den Fuß geſetzt, wie es unter den
Carolingern geweſen.
§. 8. Wir Teutſchen ſagen zu dem Kayſer: GroßmaͤchtigſterSimulacra Im-
perii.
und unuͤberwindlichſter Kayſer, auch auf Seiten der Staͤnde brauchen
ſie das Wort, allerunterthaͤnigſt, und iſt doch gantz gewiß, daß noch we-
nig uͤbrig iſt, von der alten magnitudine Imperii. Es iſt alſo ſolches
nur ein Simulacrum, ein inane, daher der Autor die Simulacra durchgehet.
§. 9-15. In dieſen §. §. conſideriret der Autor die arcana Impe-Arcana in ſta-
tu Monarchi-
co.
rii. Dieſe ſind nichts anders als artes regnandi; die arcana domina-
tionis gehoͤren auch einiger maſſen ad artes regnandi, ſie gehen aber mehr
K k k 2auf
[444]Cap. V. De prudentia
auf den Principem. Jetzo gehet der Autor die arcana in ſpecie durch, da-
von das meiſte ſchon da geweſen, dergeſtalt ut cramben bis coctam ap-
ponere nolim. Er beſchreibet einen Monarchen, wie er beſchaffen ſeyn
ſoll, ratione virtutis conſcientiæ, welches wir alles oben gehabt haben;
Von denen conſiliariis iſt auch ſchon gehandelt worden, daher will ich
nur einige remarquen machen ad §. 10. 14 15. Das iſt einfaͤltig, wenn
der Autor beſchreibet, wie ein Princeps ſolle ausſehen. Wenn wir alle
Princeps waͤhlen koͤnnten, ſo koͤnnten wir ſagen wie ſie ausſaͤhen, und ra-
tione corporis ausſehen ſollten und beſchaffen ſeyn; So aber iſts in Eu-
ropa bewandt, daß man nicht leicht Principes waͤhlet, ſondern ſie ſucce-
diren. Alſo kan man hier nicht ſagen, wie ſie ausſehen ſollen, ſondern
man nimmet ſie wie die Natur ſolche giebet. Ubrigens darf man nicht
dencken, das waͤren die beſten Principes, welche wohl ausſaͤhen; au con-
traire, Fuͤrſten, welche defauts gehabt, ſind offt kluge Herren geweſen.
Der Koͤnig VVilliam war ein magerer Herr, ſehr duͤrre und kranck, bey
dem wenig grace war, wenn man mit ihm umgieng; nichts deſto weniger
muͤſſen ihn doch alle Engelaͤnder nachſagen, daß er die artes regnandi wohl
verſtanden; er iſt ſonſt wohl unterrichtet worden. Burnet lobt den Jean de
VVitt, daß ob er gleich wider die Stadthalter geweſen, ſo habe er doch den
VVilliam wohl erziehen laſſen, und gemeynet, es koͤnnte einmahl die Zeit kom-
men, daß er wieder darzu gelangete. Der Ageſilaus iſt einer von den kluͤgeſten
Koͤnigen der Spartaner geweſen, der war hinckend, hatte auch ſonſt vie-
le defauts, an ſich, davon uns nicht allein Cornelius Nepos, ſondern auch
Plutarchus in ſeinen Viris Illuſtribus Nachricht giebt. Bayle hat in ſei-
nen Diction. auch artige remarquen mit einflieſſen laſſen, und gemeynet,
er waͤre einer von den groͤſſeſten Printzen geweſen, der aber am wenig-
ſten regardiret wuͤrde, weil die Leute den Cornelium und Plutarchum
nicht mit gehoͤriger attention betrachten. Henricus III. ſahe wohl aus,
war aber zum Regieren nicht geſchickt. Es ſind ſolche Herren, die wohl
ausſehen, ſanguinei, die ſind commode, wie Fridericus V. der Winter-
Koͤnig, ſie halten ſich Maitreſſen, und wird man wenig exempla finden,
daß ein Herr, der wohl ausgeſehen hat, groſſe Dinge gethan hat. Das
Frauenzimmer und geringe Leute loben den Herrn, der wohl ausſiehet,
und ſagen: Er ſaͤhe aus, wie ein Engel. Wer regieren will, muß ar-
beiten, unverdroſſen ſeyn, das ſind die Herren nicht, die wohl ausſehen,
ſonderlich nach dem concept der Teutſchen, da die ſchoͤnen Leute muͤſſen
blond ſeyn, weiß, wie ein Alabaſter. Ja, wenn ein Herr ein tempera-
mentum cholerico-ſanguineum, oder ſanguineo-cholericum hat, ſo gehets
noch an. Aber viele haben ein temperamentum ſanguineo Melancholi-
cum,
[445]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
cum, das ſind elende Herren, ſo war Henricus III. in Franckreich ein
fauler und verliebter Herr, der auch endlich von einem Moͤnche iſt todt
geſtochen worden. Was den §. 14. betrifft, ſo ſagt der Autor von dem
Principe, daß er ſeyn ſollte Chriſtianus, probus, emendiret ratione ſeiner
affecten, welches er auch im §. 15. continuiret. Gewiß iſts, daß ein
Princeps, welcher probus iſt, und ſeinen affecten minime deditus, iſt fa-
piens. Suppreſſio affectuum iſt ſapientiæ initium \& ſapientia deſinit,
quando affectus regnare incipiunt. Indeſſen hat der Machiavellus ge-
meynet, daß die Chriſtliche Religion verurſachte, daß ein Princeps nicht
koͤnne tapffer ſeyn, und ſchicke ſich keine Religion weniger vor einen Fuͤr-
ſten, als die Chriſtliche. Man meynet aber, es habe Machiavelli ſol-
ches nicht ſerio geredet, ſondern es ſo geſetzt, wie die Welt urtheilet:
Wenig Fuͤrſten halten was von dem Chriſtenthum, und wenn einer
was davon ſaget, lachen ſie ihn aus. Der Autor hat den Machiavelli
ex profeſſo refutirt, in ſeiner Theologia Thetica, wo man es nicht ſuchen
ſollte. Aber es kan ſolches vice Commentarii hier dienen, da zeigt er,
daß ein Fuͤrſt koͤnne tapffer ſeyn und klug, etiamſi ſecundum principia
chriſtianæ religionis vivat. Man kan leicht errathen, warum der Autor
dieſes gethan, denn Toland, welcher nunmehro todt, hat einen tractat
geſchrieben homo ſine ſuperſtitione, worinnen er auch gemeynet, ein Prin-
ceps koͤnne ohnmoͤglich nach der Chriſtlichen Religion leben. Dieſes iſt
nun freylich eine gefaͤhrliche Meynung: Denn wenn der Princeps nicht
kan darnach leben, wie ſollen es die Unterthanen thun, und doch ſoll die
Chriſtliche Religion die wahre Religion ſeyn, ſine qua ad ſalutem æter-
nam pervenire non poſſumus. Daher hat der Autor ſolches refutiret,
er geſtehet aber endlich ſelbſt raro tales principes inveniri.
§. 16. Die Arcana und artes eine monarchie zu erhalten, habenArcana, ſich
bey der Mo-
narchie zu er-
halten.
pro ſcopo zweyerley. Denn wenn man bedenckt, a quibus immineat
imperio aliquid periculi 1) Plebs, 2) Patricii; wenn die monarchie mu-
tiret in Democratiam, ſo obtiniret plebs; wen ſie mutirt in Ariſtocratiam,1) Gegen den
plebem.
ſo obtiniren patricii. Will man alſo den ſtatum reipublicæ conſerviren,
ſo muß man auf beyde Partheyen, welche denſelben koͤnnen umkehren,
genau achtung geben. Der Plebs hat keinen Verſtand, daher kan man
mit ihm nicht philoſophice verfahren; Wenn alſo der Princeps ihm ein
Glaucoma opponirt, ſo darff man deßwegen nicht dencken, daß der Prin-
ceps ein Betruͤger waͤre. Darum muß ich lachen, wenn einige Theolo-
gi kommen, und keine ſimulationes und diſſimulationes leiden wollen.
Sie verwerffen auch alle Politic, alle Regierungs-Kuͤnſte, ſie wollen par
hazard regieren, und dencken, es werde ſich ſchon nach und nach geben.
K k k 3Man
[446]Cap. V. De prudentia
Man muß vielmehr ſimuliren und diſſimuliren, weil man mit keinen ver-
ſtaͤndigen Leuten zu thun hat. Glaubſt du wohl, daß plebs, Pack, fromm
ſey, und rationes anhoͤre? Der Plebs hat gar keine Weißheit. Iſt ei-
ner und der andere darunter fromm, ſo ſinds homines ſingulares, und ſind
doch wohl homines ſimplices, die nicht einmahl wiſſen Rechenſchafft von
ihren Sachen zu geben, ſondern in der Tummheit hingehen. Ergo cum
deſit probitas, cum rationes non audiant, ſo muß der Princeps den ple-
bem infatuare, oder zum wenigſten hindern, ne invadat rempublicam.
Man muß argumenta ſuchen. Henricus VIII. wie er nach Engeland
kommen, den Richard uͤberwunden, ihm die Crone vom Haupte genom-
men, und ſelbige aufgeſetzt, ſo war die Armee vor ihm, und alle proceres
wollten ihn haben, er wollte aber doch gerne einen titulum haben, wo-
durch er das Reich mainteniren koͤnnte. Rapin Toyras in ſeiner Hiſto-
rie d’Angleterre erzehlet, was er ſich vor Muͤhe gegeben, denn er dachte,
wenn einer von denen proceribus abtraͤte/ und bließ unter den peuble,
unter die Spreu, ſo entſtuͤnden leicht tumultus; Daher groſſe Herren
deductiones machen laſſen, non ſolum ut optimates firmentur in opinio-
ne juſta, ſondern hauptſaͤchlich wegen des peuple. Sie werden in der
Mutter-Sprache gemacht, daß ein jeder ſie leſen kan, die Prediger muͤſ-
ſen auch in ihren Predigten beybringen, daß der Herr rechtmaͤßig den
Thron beſitze. VVilliam iſt auch deßwegen ſehr beſorgt geweſen, und
haben da die Geiſtlichen viel gethan. Wer will den ſtatum monarchi-
cum conſerviren, muß den peuple eine impreſſion machen, daß keine beſ-
ſere Regierungs-Form, als die monarchie; Daher kan er von der mo-
narchie ntcht abgehen, ſine elogiis, ſine adulationibus, damit der Prin-
ceps nicht in einen contemtum komme. Derjenige Rex Angliæ iſt verloh-
ren, wider den der Plebs in Londen iſt. Hier muß man ſich nicht einen
Principem vorſtellen, deſſen Land zwey bis drey Meilen groß iſt, da koͤn-
nen die Unterthanen nichts anfangen, ſondern man muß Engeland,
Franckreich anſehen. In der Hiſtorie des Louis XIV. kan man finden,
was der peuple in ſeiner minorennité vorgenommen. Wider Henri-
cum III. wurde gar eine ligue in Franckreich gemacht, und hat ſich der-
ſelbe in Pariß nicht duͤrffen ſehen laſſen; Deßwegen iſt noͤthig, denen
Leuten die monarchie angenehm zu machen. Was der Autor ſagt, daß
der Princeps per tergiverſationem es abſchlagen ſolle, gehet dahin, wo ei-
ne Wahl iſt; Aber wo ein Erb-Recht iſt, thut man es nicht. Tiberius
hat ſich anfangs geſtellet, als wenn er nicht Kayſer werden wollte.
Clapmarus hat in ſeinem Buch p. 148 eine obſervation de recuſatione
gemacht; Wenn man nicht wuͤſte, daß der jetzige Koͤnig in Spanien
ein
[447]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
ein bigot waͤre, ſo koͤnnte man auch ſagen, daß er ein groß artem poli-
ticam ſehen laſſe, da er vor einigen Jahren abgedancket, und hernach
das Reich als invitus wieder angenommen; aber er iſt ein homo me-
lancholicus. Freylich iſt wahr, daß der peuple nicht beſſer kan in Zaum
gehalten werden, als wenn er erſtlich attachirt, iſt auf ein gewiſſes me-
tier, 2) nicht viel conventicula, Gelache haͤlt. Cromwell hats recht
angefangen, und die Engelaͤnder laſſen den Sonnabend feyren, inglei-
chen den Sonntag und Montag, haben ſie muͤſſen die Predigten repe-
tiren, dabey er ſcharff verbothen, an dieſen Tagen in kein Gelach zu ge-
hen, dadurch hat er ihnen gleichſam drey Tage genommen, und vier Ta-
ge haben ſie muͤſſen arbeiten, damit ſie zu leben gehabt; Alſo haben ſie
nicht koͤnnen zuſammen gehen, und wider ihn compotiren. Obgleich
Cromwell ſonſt nicht zu leben, ſo hat er doch hier gewieſen, was ein
Fuͤrſt thun ſolle, wenn er will evitiren, daß ſeine Unterthanen nicht wi-
der ihn complotiren.
§. 17. Man kan nicht allezeit mit der ambition ſeine fortune2) Gegen die
Patricios.
machen in ſtatu monarchico. Viele meynen, ambitionis magnam eſſe
vim, bey einem, der in die Hoͤhe kommen wolle; allein, wenn er ſie
blicken laͤßt, ſo avancirt er nicht; Groſſe Herren wollen keine ambitiöſe
Leute haben, ſie fuͤrchten ſich fuͤr ihnen. Procopius in ſeiner Hiſtoria A-
necdota kan keine Urſach finden, warum Juſtinianus den Beliſarium abge-
ſetzt, und ſo arm gemachet, als, weil derſelbe viel bataillen gewonnen,
und ſo ambitioſus worden, ut privati fortuna ei vix ſufficere videretur.
Germanicus wurde vom Tiberio gehaſſet, weil ihn Tiberius als einen
ambitioſum angeſehen. Auguſtus hat dem Druſo nicht getrauet, ja man
diſputirt, ob nicht Auguſtus ihn ums Leben bringen laſſen. Wer ein
Princeps ſeyn will, muß ſolche Leute ſuchen, qui rempublicam, Monar-
chiam amant. Attejus Capito hat ſeine fortune beſſer gemacht, als La-
beo. Labeo war mehr attachirt an die vorige Freyheit, hergegen Atte-
jus Capito accommodirte ſich nach dem Hof, nach dem veraͤnderten
Staat. Labeo ſemper reſpondebat, als wenn er noch in libera repu-
blica waͤre. Förſtnerus und Amelot in notis ad Tacitum haben refle-
xiones gemacht uͤber des Taciti comparaiſon zwiſchen den Attejo, Capi-
tone und Labeone. Qui auxiliares manus præſtat; Alles approbirt, was
der Princeps thut, der avancirt: Das ſehen wir tota die. Bisweilen
iſt ein Mann ehrlich, ſage, non aſcendit, wenn er ſich nicht nach dem
Hofe accommodiret. Der Princeps will gerne haben, daß alle ſich ſol-
len nach ihm richten, traͤgt er lange Haare, ſo ſollen auch alle lange
Haare tragen. Amelot hat in ſeinem Tibere ſolches mit vielen exem-
plis
[448]Cap. V. De prudentia
plis aus der neuen Hiſtorie bewieſen, ſein Buch wird jetzt in Holland
von neuen gedruckt, und kan es ein junger Menſch in politicis wohl
nutzen. Er erzehlet, daß, als man den Labeonem gelobet vor Tiberio,
was er vor ein vortrefflicher Mann ſey, habe Tiberius geantwortet, er
ſey ein Mann, der ſich in die alten Zeiten ſchicke, in eine andere Welt,
aber nicht a la Cour, præſenti ſtatui non eſſe accommodatum. Wer
Principatum mainteniren will, muß auch ſehen, ut certus ſit ſucceſſor,
ſonſt machet man allerhand machinen, und wird die forma bald zu
Grunde gehen. Tacitus ſagt: In id omnia conſilia eſſe flectenda, daß
ein Princeps zu rechter Zeit heyrathe, und einem Succeſſorem generire,
damit alle ſehen, ihr fortune ſey an dieſes Hauß verknuͤpfft, daher auch
dem jetzigen Koͤnige in Franckreich nicht uͤbel zu nehmen, daß er die
Spaniſche Princeßin wieder nach Hauſe geſchickt, weil ohnedem der
Regent nur ſolche Heyrath um deßwillen gezimmert, daß in langer Zeit
kein Succeſſor ſeyn ſolle, damit er Hoffnung haben moͤge, Koͤnig zu wer-
den. Hingegen hat der Koͤnig Printzen, ſo hoͤren alle cabalen auf; alle
Printzen vom Gebluͤth muͤſſen ſchweigen. Und ob man gleich ſagt, die
ſponſalia waͤren doch ſolenniter celebriret worden, ſo antworte: Es moͤ-
gen dieſelben celebriret ſeyn, wie ſie wollen, die Princeßin iſt noch gar
jung, und muͤſſe der Koͤnig noch lange warten; utilitas regni gehet vor,
und importirt die injurie in Anſehung deſſen nicht viel. Der Krieg wur-
de vor Oſtern angefangen, und gleich nach Oſtern geendet. Ein Prin-
ceps muß jura imperii absque aliorum arbitrio tractare; Jacobus I. in
Engeland wird getadelt, daß, da vorher Henricus VIII. und die Koͤnigin
Eliſabeth en ſouverain regieret, und nur die odioſa dem Parlament
uͤbergeben, er, Jacobus I. hingegen nach Roͤmiſcher Art im Parlament
orationes gehalten, und dieſes gleichſam drum gebethen, wenn er was
haben wollen. Er haͤtte ſollen ſchlechter Dings es befehlen. e. g. Wenn
er Geld verlangt, ſo hat er geleſen, daß in libera republica Romana de-
liberiret worden, de lege Manilia, und hat auch ad Parlamentum Ora-
tiones gehalten. Hernach iſt das Parlament ſeinem Sohne uͤber den
Kopf gewachſen, und hat ihm gar auch den Kopf abgeſprochen; Alſo
muß ein Princeps nicht raiſonniren. Lex cum Prologo iſt abſurd, ſagt
Seneca. Clarendon, der ſonſt ſehr Koͤniglich iſt, tadelt doch an Jacobo,
daß er dem Parlament zu viel eingeraͤumet. Henricus VIII. hats recht
gemacht, davon man Verulamium in vita Henrici leſen kan; Der vo-
tige Koͤnig in Franckreich hat dem Parlament einen Verweiß gegeben,
wenn es wollen in Staats-Sachen reden. Richelieu hats auch in et-
was gethan. Wenn der ſtatus veraͤndert worden, und die Leute ſub
priſti-
[449]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
priſtina libertate in guten Stand geweſen, ſie kommen hernach herunter,
da hat der Princeps ſich nichts guts zu verſehen. Clapmarius hat pag.
154. und 159. vortreffliche obſervationes hieruͤber gemacht. Du kanſt
dir leicht einbilden, daß ſumma inopia bey denen, ſo vorher in groſſen
Anſehen geweſen Verdrießlichkeiten machen. Cicero ſagt: Da Cæſar
die Republic veraͤndert, waͤre er viel ſchuldig, und viel andere Leute waͤ-
ren in Armuth gerathen. Tacitus ſagt: Catilina inops, ſylla inops; da-
her ſey eine ſolche audacia entſtanden; Deßwegen muß der Princeps ſe-
hen, daß die Leute nicht ad ſummam inopiam kommen, es iſt nicht nuͤtz-
lich, ut nimium ſint divites, aber auch ſchaͤdlich, ſi nimium ſunt inopes.
Daher iſt auch bey groſſen Herren zu approbiren, wenn ſie ſetzen, daß
kein homo nobilis ohne ihren conſens ſollte koͤnnen heyrathen, damit ſind
ſie arbitri geweſen von ihren divitiis: Denn durch Heyrathen kan man
groſſe divitias erhalten. In Franckreich und Engeland muͤſſen alle
groſſe Heyrathen cum conſenſu regio geſchehen. Man ſiehet nicht ger-
ne, daß ſie ſich mit einem fremden hohen Hauſe alliiren, damit dieſelben
ihnen hernach nicht koͤnnen ſuccurs geben. Es ſiehet Sclaviſch aus,
aber der Printz hat Gefahr, ſi nimiæ divitiæ in unum domum confluant.
Wer reich iſt, novas res molitur. Printz Condé war ſehr reich, er gieng
hernach in Spanien, und die Spanier machten nicht eher Frieden bis
er reſtituiret war. Wie er reſtituiret war, machte er einen groſſen
Staat, welches der Koͤnig gerne ſahe, und da die Glaͤubiger bey dem
Koͤnig kamen, ſagte er: Es waͤre ein groſſer Printz, der wuͤrde ſchon be-
zahlen. Als er ſahe, daß er ruiniret war, wieß er die creditores an das
Parlament, da ſollten ſie ihn verklagen, der Koͤnig hat den Printz ſelbſt
encouragirt ad luxum, weil er ſahe, daß derſelbe hernach nichts wider
ihn konnte anfangen. Der jetzige Hertzog von Bourbon iſt aus dem
Hauſe Conti, und hat was gewonnen in actien-Handel, der iſt jetzt reich,
aber ſo reich iſt er nicht worden, wie der Regent.
§. 18. Bisher iſt gewieſen worden, wie der Princeps ſolle achtConnexi[o].
geben, ne ſtatus reipublicæ in genere pervertatur. Nun folgt, was er
ſui cauſa, ſuæ perſonæ cauſa in acht nehmen muß, daß er ſich in ſeinem
ſtatu erhaͤlt: Denn darauf kan er auch ſecundario ſehen, da hat der Au-
tor zweyerley conſiderationes, eine in §. 19. die andere in §. 20. 1)
Was er obſerviren muͤſſen in imperio ſuſcipiendo. 2) In Imperio ad-
miniſtrando.
§. 19. Was ſuſceptionem betrifft, davon kan man HertiumArcana domi-
nat.
in ſeiner Politic pag. 83. leſen. Er ſagt: Ein Koͤnig ſolle ſich laſſen
ſolenniter inaugurare cum ceremoniis, cum pompa. Wenn ich philoſo-1) In ſuſci-
piendo regno.
L l lphiſch
[450]Cap. V. De prudentia
phiſch die Sache betrachte, ſo iſt nicht noͤthig, daß groſſe Herren ſich
laſſen croͤnen, zumahlen ſo viele depenſen dabey ſind; Da Henrico Au-
cupi angebothen worden, er ſolle ſich croͤnen laſſen, hat er geſagt: Reckt
die Haͤnde in die Hoͤhe, und ſchweret, daß ihr getreu ſeyn wollet, ich mag
nicht inauguriret ſeyn. Er ſtellete ſich, als wenn er nicht wuͤrdig darzu
waͤre, es muͤſten heilige Leute ſeyn. Philoſophice hatte Henricus Auceps
recht; Es kommt auf das pactum an, und thut die Salbung nichts:
Der peuple aber bildet ſich ein, daß der geſalbte Herr majori auctorita-
te und fulgore umgeben, der mit ſolchem Pomp, Pracht und Herrlich-
keit auf den Thron geſtiegen. Grotius in ſeinen Oper. Theolog. hat ge-
wieſen, daß es GOtt ſelbſt haben wollen, man ſolle die Koͤnige inaugu-
riren ad majorem autoritatem conciliandam. Die Ungarn haben vor
dieſem keinen vor ihren Koͤnig gehalten, welcher nicht das diadema auf
den Kopf gehabt. Es iſt bisweilen gut, daß der Koͤnig in ſeiner Zierde
ſitzt, ſo modeſt als Rudolphus Habsburgicus geſchienen zu ſeyn, ſo hat
er doch bisweilen in ſeiner Zierde ſich ſehen laſſen. Den Ottocar aber
hat er ex aliis cauſis in einem ſchlechten Kleide belehnet. Die Francken
haben ſonſt ihre Koͤnige nicht geſalbet, welches in meiner Diſſertation de
Henrico Aucupe gewieſen, ſondern ſie haben dieſelben auf einen Schild
geſetzet, damit alle Leute ſolche ſehen koͤnnen; Aber nach der Zeit, wie
Childerich ins Cloſter geſteckt worden, und Pipinus ſich auf den Thron
geſetzet, ſo hat dieſer ſich ſalben laſſen, auch alle nachfolgende, usque ad
Henricum Aucupem poſt Henricum Auc. auch die folgenden. Pipinus
hat ſich gar zwey mahl ſalben laſſen, einmahl von Pabſt, und einmahl
vom Archi-Epiſc. Rhemenſi; Denn er hat immer befuͤrchtet, es moͤchten
Leute ſeyn, welche ſich der deſcendence des Clodovæi erinnerten. Pere
Daniel in ſeiner Hiſtoria de France erzehlet, mit was vor Pracht Hugo
Capetus ſich ſalben laſſen. Von der Zeit hat man fingirt, das heilige
Oehl, damit die Koͤnige in Franckreich geſalbet worden, waͤre durch ei-
ne Taube von Himmel gebracht worden, damit die Leute moͤchten eine
groſſe opinion vom Koͤnige haben, welches Joh. Jacobus Chifletius de
Ampulla Rhemenſi gewieſen; Daher koͤmmt, daß der Koͤnig eine beſon-
dere Tracht hat, welche Tracht keinen andern zugelaſſen wird. In Per-
ſien traͤgt der Koͤnig ein Horn auf dem Haupte, welches in Orient was
gewoͤhnliches, da darff kein anderer Menſch ſich geluͤſten laſſen ſolches
auch zu tragen. Der Sophi in Perſien iſt faſt gekleidet, wie der Doge
in Venedig. Cornu bedeutet fulgorem; Darum ſagt man von Moſe,
er ſey Cornutus geweſen, wie er von Berg Sinai herunter kommen.
Die Gothen haben ihre Koͤnige geſalbet, welches die Biſchoͤffe vor
dien-
[451]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
dienlich gehalten, weil ſo viele Koͤnige umgebracht worden, vid. David
Blondell in Pleniori Aſſertione Geneal. Fr. Die Weſt-Gothen haben
unter denen Teutſchen ihre Koͤnige am erſten geſalbet, hernach haben es
auch die Francken gethan, dieſes ſollte man denen Fuͤrſten ſagen, weil
einige ſind, die es nicht wiſſen moͤchten. Wer prætenſion auf das Reich hat,
muß weg, entweder ins Gefaͤngnis geſetzet oder religiret werden: Wie
Henricus VII. auf den Thron ſtieg, war der Graf von VVarwick noch
uͤbrig, welchen er gleich ins Gefaͤngniß ſetzen ließ. Das nahm ihm
kein Menſch uͤbel; Aber das war nicht zu approbiren, daß er ihn her-
nach umbringen ließ. Da die Maria auf den Thron ſtieg, nahm ſie die
Eliſabeth gefangen, hernach relegirte ſie dieſelbe gar, und ließ genau auf
ſie acht haben, weil ſie ſahe, daß dieſelbe aufs Reich prætendirte. Als
die Koͤnigin Eliſabeth auf den Thron kam, ſo hat ſie die Mariam unter
den prætext, weil ſie auf Engeland prætendirte, in arreſt genommen, aber
das war zu viel, daß ſie ihr den Kopf abſchlagen laſſen. Nichts kindi-
ſcher war, als daß Philippus II. den Hertzog von Braganza bey ſeinen
Guͤthern gelaſſen, und ihn nicht æſtimiret, der ihm nachmahls ſo viele
Verdrießlichkeiten gemacht. Wer will einen Fuͤrſten verdencken, daß
er in ſeinem Reiche keinen prætendenten leiden will? Wenn er gleich
jetzo nichts thut, ſo kan doch leicht was entſtehen; Ehe man ſich es ver-
ſiehet, ſo iſt Lermen.
§. 20. Bey der adminiſtration gehet der Autor nach dem Clap-2) In admini-
ſtratione re-
gni.
mario, und ſagt: Nunquam remittat caput rerum, ſedemque imperii.
Wer die Haupt-Stadt verlaͤßt, thut mehrentheils wider ſein eigen in-
tereſſe, und iſt ein Anzeigen, daß ſein imperium uͤbern Hauffen gehet:
Die Metropolis iſt meiſt eine groſſe Stadt, und kan leicht Lerm entſte-
hen. Wenn der Koͤnig in Engeland von Londen weggehen wollte, und
in Oxford reſidiren, wuͤrden ſie gleich in Londen Lermen anfangen. Es
iſt ein groſſer Fehler von Carolo I. geweſen, daß er von Londen wegge-
gangen. Schurtzfleiſch in ſeiner Diſſertation de rebus Polonicis hat
obſerviret, ſeit der Zeit Sigismundus aus dem Jagelloniſchen Stamm
zu Warſchau reſidiret, waͤre gantz Pohlen unruhig worden, und weil
die Koͤnige ſonſt in Cracau reſidiret, ſo haͤtten die Pohlen im Cracaui-
ſchen diſtrict einen groſſen Haß wider den Jagelloniſchen Stamm ge-
habt. Wie Conſtantinus M. Rom verlaſſen, von der Zeit an hat das
Roͤmiſche Reich abgenommen, und iſt endlich gar zu Grunde gangen.
Wie Chriſtiernus Coppenhagen verließ, wie ein Blitz war er abgeſetzt.
Der Sultan gehet nicht aus Conſtantinopel, es muͤſſe denn ein groſſer
Krieg ſeyn, alsdenn ſiehet er darauf, daß alles daſelbſt wohl verwahret
L l l 2werde.
[452]Cap. V. De prudentia
werde. Die Czaarin reſidirete in Petersburg, wollte aber einen Vice-
Roy in die Stadt Moſcau ſchicken, denn die Moſcowiter ſehen nicht
gerne, daß der Czaar in Petersburg reſidiret. Petersburg iſt zu weit
entfernet, und liegt faſt am Ende des Moſcowitiſchen Reichs. Herge-
gen die Stadt Moſcau liegt in der Mitten, deßwegen war man vigi-
lant, ne ex illa Metropoli turbæ oriantur. Philippus II. da er nicht nach
den Niederlanden gangen, hat vorgewendet, er koͤnne nicht von Madrit
weggehen, weil daſelbſt leicht turbæ entſtehen koͤnnten. Carolus V. wie
er auf den Thron ſtieg, ſo war er bald in Italien, bald in Spanien,
bald in Teutſchland, und doch wollten ſie einsmahls Caroli V. Mutter
auf den Thron ſetzen, und ſie mit einem Neapolitaniſchen Printzen ver-
heyrathen, wenn nicht der Cardinal Ximenes ſolches verhindert. Es
muß ein Princeps nicht zu weit von ſeinem Reich entfernet ſeyn. Auf
den Koͤnig in Schweden hat man in Schweden nicht viel mehr ge-
paßt, da er in Bender geweſen, ja ſie haben gar Willens gehabt eine
beſondere Regierung anzuſetzen, wie Alexander M. gar zu weit von Ma-
cedonien entfernet war, ſo thaten die Macedonier, was ſie wollten. Al-
le ſubditi, ſie moͤgen ſeyn, wie ſie wollen, pariren doch nicht gerne, und
ſind wie ein geſpannter Bogen, der gleichſam immer eine tendentiam
ad ſitum naturalem hat; Deßwegen muß der Princeps ſemper ante ocu-
los ſubditorum ſeyn, ſonderlich an denjenigen Ort, wo die ſubditi bey-
ſammen ſind. Er muß acht geben, ut nihil ſine ejus auſpiciis fiat. Es
ſind einige ſo wunderlich, daß ſie vor naͤrriſch halten, wenn der Fuͤrſt
ſich alles attribuiret; Allein es geſchiehet um deßwillen, damit das
Volck keinen andern in memoria hat, als den Principem. Bœcklerus
hat eine Diſſertation gehalten de Auſpiciis Principum, darinnen er ge-
wieſen, daß es keine Prahlerey ſey, wenn ein Princeps ſage: Vicimus.
Viele Juriſten ſind ſo abgeſchmackt, und ſolche pedanten, daß ſie am
Juſtiniano tadeln, wenn er ſagt: Vicimus. Louis XIII. hat ſich die victo-
rie zugeſchrieben, welche Hertzog Bernhard bey Rheinfelden erhalten,
weßwegen ihn wohl Vaſſor tadelt, er iſt aber auch ein pedant. Wie
der erſte Theil ſeiner Hiſtorie heraus kommen, habe ich einen extract
daraus gemacht, und gewieſen, daß er wohl einen ſchoͤnen ſtilum ſchreibt,
aber er ſey ein pedant, er will Reges und Principes haben, wie ſie im
Himmelreich ſind. Es iſt mein Lebtage ſo geweſen, der Princeps kan
nicht alles thun, nichts deſto weniger attribuiret man ihm alles, weil er
doch wenigſtens par ſa ſageſſe im Cabinet contribuiret. Und obgleich
der Richelieu an allen guten Anſchlaͤgen beym Louis XIII. ſchuld hat,
ſo hat doch der Koͤnig ihn erſt choiſiret. Attribuirt man dem Koͤnige
nicht
[453]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
nicht alles, ſo koͤmmt er in contemtum. Neceſſe eſt, ut in alios tranfe-
rat odium. Drum wird man ſehen, daß wir ſtets Maͤrtyrer kriegen.
Denn wenn der Princeps einen Fehler begangen, ſo kan er ihn wohl vor
GOtt bekennen, daß er ihn wieder zu Gnaden annimmt, aber vor der
Welt kan er es nicht thun, ſonſt revoltiren die Leute, und vernichten
ihn. Schulz oder Scholezky zu Franckfurth an der Oder hat de mar-
tyribus ſtatus eine Diſſertation geſchrieben, und zeigt, daß ſolches nicht
zu mißbilligen, aber daß aus denen arcanis dominationis, bisweilen
flagitia dominationis werden, iſt nicht zu laͤugnen. Henricus VIII. ließ
den Empſon und Dudley, die von vornehmer extraction waren, aufhen-
cken, weil ſie unter ſeinem Vater ſo viel Geld gemachet, da ſie es doch
auf Befehl ſeines Vaters gethan. Wie ein Lerm war in Franckreich
wegen dem actien-Handel, ſo ſagte der Regent, der Law ſey daran
Schuld, welcher auch fort muſte, und wenn ſolches nur ein Fehler ge-
weſen, waͤre es gut, ſo aber war es eine oͤffentliche fourberie. In vita
Henrici VII. des Verulamii leſen wir, daß kein Princeps die jura imperii
zu gebrauchen, und ſeine Perſohn ſo trefflich zu mainteniren gewuſt,
als dieſer. Er hat keinen Bedienten, ſo anſehnlich er auch geweſen, zu-
gelaſſen, ut diſpenſaret, nicht einmahl in geringen Sachen, ſondern alles
muſten ſie aus der Hand des Koͤniges empfangen, alle odioſa aber hat
er laſſen durch ſeine Bedienten exequiren. Ein Fuͤrſt kan auch nicht
leiden, ut alius magis colatur, ingleichen, daß man von andern Koͤnigen
mehr redet, als von ihm, er ſiehet gerne, daß ſein portrait in denen
Zimmern ſeiner Unterthanen ſind. Hergegen ſiehet er nicht gerne,
wenn ſie das portrait eines andern Fuͤrſten in ihren Zimmern haben.
Tiberius konnte nicht leiden, daß die Leute das portrait des Germanici
in ihren Zimmern hatten. Wenn ein Princeps ſiehet, es faͤngt einer an
zu brilliren, ſo ſetzt er ihm einen andern entgegen, quemadmodum Tibe-
rius Piſonem oppofuit Germanico.
§ 21. Ein Princeps muß ſollicitus ſeyn de Succeſſore, damit nachVon deſigni-
rung eines
Succeſſoris.
ſeinem Tode keine Aenderung erfolge; da denn das beſte Mittel iſt, daß
er ſobolem producire. Ich habe ehemahls eine oration gehalten auf den
Koͤnig in Preuſſen, da ich auch einen locum communem en paſſant hier-
von beygebracht. Wer keine Kinder hat, muß zwar geſchehen laſſen,
daß der peuple merckt, wer ohngefehr ſuccediren werde, aber er muß es
ſich nicht mercken laſſen, ſonſt gehen ſie hin, und bethen die neu-angehen-
de Sonne an. Daher hat der Czaar geſagt: Mit demjenigen, welchen
ich nennen werde, ſollt ihr zu frieden ſeyn. Die Koͤnigin Eliſabeth hat
auch nicht determiniren wollen, wer ihr ſuccediren ſollte, und da die En-
L l l 3gelaͤn-
[454]Cap. V. De prudentia
gelaͤnder haben wollten, ſie ſollte es ſagen: So antwortete ſie, der Suc-
ceſſor waͤre da, aber ſie wuͤrde ihn nicht eher benennen, als wenn ſie ſter-
ben wollte. Das iſt Jacobus I. geweſen. Es kan nicht anders ſeyn,
man muß den Succeſſorem verbergen, da muß man nicht leiden, daß die
Leute curieux ſind, und die Aſtronomos, Mathematicos, conſuliren, wer
ſuccediren werde, daher im Codice Theodoſiano, als auch Juſtinianeo,
ſo viele ſcharffe leges ſind contra Chaldæos. Ein Princeps kan auch kei-
ne Prophezeyungen leiden, wider ſein Land. Bayle hat in ſeinen Dict.
Hiſtor. Crit. und in ſeinen Penſées diverſes ſur la Comete artige reflexio-
nes hieruͤber. Offt ſind ſolche Wahrſager des Criminis læſæ Majeſt.
beſchuldiget, wie ich in der Diſſert. ad L. Maj. gewieſen, ſonderlich, wenn
ſie ſind in comitatu geweſen. Es iſt auch billig, denn was gehet ſie
denn futura ſucceſſio an. Wie die Koͤnigin Anna das Hauß Hanno-
ver vor ſucceſſions faͤhig erklaͤret, ſo hat deßwegen doch niemand aus
dem Hauß Hannover duͤrffen in Engeland ſeyn. Der Churfuͤrſt hat
ſeinen Printz von VVallis wollen hinſchicken, aber es gieng nicht an.
Hertius hat in ſeinem Tractat. Part. II. unterſchiedliche huͤbſche obſervatio-
nes beygebracht, de futuro ſucceſſore.
tione tuenda.
§. 22. Wer ein Fuͤrſt iſt, muß Fuͤrſtlich leben, und ſich diſtingui-
ren, ab aliis, der muß nicht geſtatten, daß dasjenige, was ihm gehoͤrt, an-
dere haben. Ein Fuͤrſt kan nicht leiden, daß privat-Leute Muͤntzen ſchla-
gen, wenns auch nur Schau-Muͤntzen, und weiß ich, daß eine Fa-
milie in unſern Lande ſehr ruiniret worden, weil ſie Schau-Muͤntzen ge-
ſchlagen, und man bey ihnen eine groſſe ambition wahrgenommen. Der
Princeps kan nicht leiden, daß ſeine Unterthanen Schloͤſſer, Veſtungen
bauen, es hat ſolches auch kein Princeps Romanus zugelaſſen. Das iſt
ein Fehler bey denen Teutſchen Kayſern geweſen, dadurch ſie ſo herun-
ter kommen, daß ſie ihren Bedienten zu gelaſſen, Schloͤſſer zu bauen, in
welche ſie ſich hernach reteriret, und denen Kayſern viel Verdrießlich-
keiten gemacht, das iſt ſchon unter denen Ottonibus geſchehen. Clapma-
rius p. 180. hat artige Sachen hiervon colligiret, und gezeigt, warum
die Roͤmer und andere Koͤnige daruͤber gehalten. Eduardus in Engeland
hat alle Caſtella geſchleifft, welche denen Edelleuten gehoͤret, denn ſo bald
dergleichen Caſtella da ſind, ſo iſt imperium contra imperium, daher, als
man den Richelieu vorgeworffen, man halte denen Hugenotten nicht, was
ihnen verſprochen worden, indem ihnen Rochelle und andere Oerter weg-
genommen wuͤrden, ſo hat er geſagt: Das edict zu Nantes ſolle blei-
ben, aber die Veſtungen koͤnnten ſie nicht behalten, weil ſonſt regnum
contra regnum, und die Proteſtanten nur Meuterey anfiengen. Und es
iſt
[455]ſtatum civitatis Mon. Imperantium conſervandi.
iſt wahr, daß die Hugenotten viel Schnitzer gemacht, indem ſie ſich offt
in auswaͤrtige Haͤndel gemiſchet, welches Bonoiſt in ſeiner Hiſtorie vom
edict zu Nantes ſelbſt geſtehet. Ein Princeps muß nicht geſtatten, daß
ſeine Vorfahren verachtet werden, ſonderlich muͤſſen die Fehler eo in lo-
co, ubi reſidet, ſupprimiret werden. Dieſes dienet zum reſpect des
Principis. Auswaͤrtigen iſt nicht verbothen, davon zu reden, ſo wenig,
als das verbothen, die Fehler Ludovici XIV. anzuzeigen. In Franck-
reich duͤrffen ſie nichts von ihm ſchreiben, aber in Holland wird alles ge-
druckt. Der Princeps muß auch nicht leiden, daß ein anderer die arca-
na regni hat, als er. Wie der Status Reipubl. Romanæ noch war, ſo
hatte der Magiſtrat das Archiv, tabularium, die Acta. Hernach aber
nahmen die Principes dieſelben zu ſich. In Spanien, wenn ein Mini-
ſtre ſtirbt, ſo werden alle Briefſchafften in einen Sack gebackt, und dem
Koͤnige uͤbergeben. Wenn ein Koͤnig daſelbſt ſtirbt, ſo werden alle Acta
ad novum regem gebracht, damit er deliberiren kan, wem er ſolche ins
kuͤnfftige anvertrauen wolle. Daher iſt ein Crimen L. Majeſt. habuiſſe
Archivum. Ein privat-Mann kan kein Archiv haben. In vielen Reichs-
Staͤdten leidet man nicht, daß die Buͤrger Chronicken haben, ſie ſagen:
Was haben die Leute darmit zu thun, tempora mutantur, \& nos muta-
mur in illis. Wenn ſie nun finden, daß es in alten Zeiten anders ge-
weſen, wollen ſie es jetzo wieder ſo haben, deßwegen ſollen ſie gar keine
Chronicken leſen. Ein Koͤnig kan keinen Koͤnigs-Moͤrder leben laſſen,
wenn ihn gleich durch den Tod ſeines anteceſſoris der Thron geoͤffnet
worden. Otto IV. hat gleich den Occiſorem Philippi Suevi Vogel-frey
gemacht, darum hat man ſich uͤber die Koͤnigin Eliſabeth verwundert,
daß ſie der Koͤnigin Maria von Schottland den Kopff abſchlagen laſſen.
Der peuple bekommt einen contemtum, veneratio imminuitur. Der
Czaar hat mit dem Cromwell nichts wollen zu ſchaffen haben, da er ihn
wollen Geſandte ſchicken, ſondern hat ihn vor einen fourbe, vor einen
Schelm gehalten. Ob zwar dieſes ſehr Moſcowitiſch geklungen, ſo iſt
es doch etwas politiſches geweſen, denn der Czaar hat allezeit deſpotiſch
regieret, alſo muß er das Volck bey den Gedancken erhalten, es ſey was
grauſames, einen Koͤnig ums Leben zu bringen, vid. Hertius Part. II.
pag. 87.
§. 23. Der Herr muß eine Guarde haben; Unſere TeutſchenVon der Leib-
Guarde.
Fuͤrſten brauchen keine Guarde, denen thut kein Menſch was, ſie leben in
einem Lande des Friedens, in una Republica. Aber groſſe Herren muͤſ-
ſen eine Guarde haben, und wenn ſie dieſelben nicht haben, ſo ſind ſie
variis inſidiis exponirt. Es mag einer regieren, wie er will, ſo hat er
doch
[456]Cap. V. De prudentia
doch boͤſe Unterthanen. Diejenigen, welche die Guarde negligiret, haben
Ungluͤck gehabt. Henricus IV. wurde vom Ravaillac erſtochen. Riche-
lieu hat deßwegen zu dem Koͤnige in Franckreich geſagt: Ich bin ein
Premier Miniſtre, ſo bald ich keine Guarde habe, ſo bin ich todt, weil ich
viel Feinde habe. Ludovicus Bavarus wurde durch ſeine Guarde erhal-
ten, da ihn ein Graf von Hohenlohe wollen umbringen. Hertius p. 91.
92. ſagt: Ein groſſer Herr muͤſſe nicht opinaitre ſeyn, und dencken, es
kaͤme auf die prædeſtination an. Dieſes negire ich nicht, daß unſer HErr
GOtt manchen ſonderlich beyſtehet; Aber daß man denckt, GOtt thut
alles immediate, glaube ich nicht. Unſer HErr GOtt thut nichts im
mediate, als nur wenn cauſæ prægnantes vorhanden. Wir haben ſo
viel exempla, daß Principes umgebracht worden, denen die Guarde geman-
gelt. Cromwell hat eine treffliche Guarde gehabt, und doch iſt er des
Nachts aufgeſtanden, ob ſie alle vigilant, denn ſie haben ihn offt wollen
ums Leben bringen, daher bin ich auch in perſuaſion, daß man nicht
leicht einen in des Principis Zimmer laſſen ſolle.
ſervanda.
§. 24. Weil es meiſt darauf ankommt, daß der Princeps ſoll
geehret bleiben, ſo folgt vor ſich, daß der Princeps muͤſſe eine æqualitatem
erhalten, daß er ſeine Miniſtres nicht allzu groß machet, und ſo viel moͤg-
lich, einen Premier-Miniſtre evitiret: Denn ein jeder Premier-Miniſtre
verdunckelt den Herrn, und was kluges gethan wird, wird alles dem
Premier-Miniſtre zu geſchrieben: Der Princeps iſt da, wie die Marionette,
wie oben iſt gedacht worden. Er muß Miniſtres haben, aber keinen
Miniſtriſſimum; Taugt aber der Herr nicht zur Regierung ſo muß er ei-
nen Miniſtriſſimum haben, nicht anders, als wie derjenige, ſo impotens
iſt, leicht einem coadjutorem bekommt, daher braucht auch Amelot das
ſimile, der Herr wuͤrde von ſeinem adminiſtriſſimo zum Hahnrey gemacht.
Es iſt gut, wenn Pfaffen zu Miniſtriſſimis genommen werden, weil da
nicht zu befuͤrchten, daß ſie den Koͤnig werden vom Thron ſtoſſen, wie
bey den Clodoviſchen Koͤnigen geſchehen.
ſervanda.
§. 25. Die arcana dominationis ſind ſo beſchaffen, daß ſie nihil
flagitii veri, auch nicht einmahl eine ſpeciem flagitii bey ſich haben. Ein
jeder ſiehet, daß der Princeps ſolche muß thun, ſi perſonam ſuam pretio-
ſam reddere cupiat, aliosque omnes excludat, qui ipſum in contemtum
adducere poſſunt. Hergegen die Jura Dominationis haben zwar nihil
flagitii bey ſich; aber non omnes capiunt verbum hoc. Mancher denckt,
es ſey unrecht, weil er nicht intimiorem cognitionem hat. Indeſſen ſagt
unſer Autor: Licitè uſurpantur, quamvis omnes non intelligant, daß der
Princeps ab omni labe frey ſey, licet talibus utatur.
§. 26.
[457]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
§. 26. In vita civili kan ich das prævenire nicht ſpielen; aberExempla juri-
um domina-
tionis in ſtatu
Monarch.
groſſe Herren koͤnnen es in Statu naturali thun, da gehoͤret es zu ihrer de-
fenſion; daher kan ein Princeps bisweilen diejenigen in der Geſchwin-
digkeit aus dem Wege raͤumen laſſen, a quibus ipſi periculum imminet.
Ferdinandus I. hat den Cardinal Martinucium umbringen laſſen, weil er
von ihm lauter Ungluͤck gehabt. Er hat verurſacht, daß die Tuͤrcken
Ofen weggenommen, und war auf Seiten Johannis von Zapolia. Der
Pabſt war boͤſe, weil es ein Cardinal war; Aber der Kayſer hat ſich
bald wieder mit ihm ausgeſoͤhnet. In Pariß iſt vor kurtzer Zeit eine
Hiſtoriette von dem Martinucio heraus kommen. Dieſes nennet man
Staats-Streiche, dergleichen Naudæus in ſeinem Coups d’Etat vorge-
ſtellet, davon aber Puffendorff wuͤnſchet, daß einer ſie ſyſtematiſch vor-
ſtellen moͤchte. So iſt der VVallenſtein geſchwind umgebracht worden,
und wenn es der Kayſer nicht gethan, wuͤrde er um das Koͤnigreich Boͤh-
men kommen ſeyn. Wie der Fuͤrſtenberg den Kayſer Leopold ſehr durch-
gezogen, wegen ſeiner bigotterie ꝛc. ſo ließ ihn Leopold arretiren und nach
Wien fuͤhren, da er ihn nun zu Wien hatte, wollte er ihm erſt den pro-
ceß machen. Lobcowiz, der damahls Premier-Miniſtre war, ſagte:
Der Kayſer ſollte ihm augenblicklich laſſen den Kopff herunter reiſſen,
was er ihm erſt wollte den proceß formiren, es ſey notorium, daß er
peccirt, und læſæ Majeſt. ſchuldig, wuͤrde er laͤnger warten, ſo wuͤrde
ers nicht thun koͤnnen. Das geſchahe auch, denn Franckreich hatte
Schweden und Engeland encouragiret, daß ſie muſten vor ihn bitten,
und kam er wieder loß, da er Teutſchland viele Verdrießlichkeiten ge-
macht. Er wurde hernach Biſchof zu Coͤlln gewehlet, und hat gemacht,
daß der Krieg an. 1688. angegangen. Richelieu ſagt in ſeinem Teſt. Polit.
Wenns an Geſchwindigkeiten fehlet, ſo iſts wie mit einer Mine, ehe
dieſe in die Hoͤhe gehet, kan ich ſie noch heraus nehmen, daß ſie keinen
Schaden thut, ſo bald aber ein fracas koͤmmt, iſts aus und iſt nicht mehr
zu helffen. Man muß freylich gewiß ſeyn, daß der Kerl peccirt als wie
beym VVallenſtein. Es iſt freylich eine gute reſolution, die Leute er-
ſchrecken, daß es ſo geſchwind zugehet. Allein nach der Zeit kan man
es eher juſtificiren. Man laͤſt die Briefſchafften drucken, und giebt
Nachricht, wie er ſich vergangen habe. Sonſt ſoll der Princeps nicht
aſperior ſeyn legibus, und iſt abſurd, wenn er die pœnas exaſperirt; die
Leute dencken, es ſey cruël und er habe einen Gefallen daran, daß ſie
lange torquiret wuͤrden. Aber wenn man ſiehet, es koͤnnen die Leute
nicht anders in ihren Devoir erhalten werden, als per exaſperationem
pœnarum, ſo muß man es thun. Wie Sylla Dictator worden, hat er
M m mgeſe-
[458]Cap. V. De prudentia
geſehen, daß in der Republic eine groſſe confuſion, deßwegen hat er
ſcharffe Leges gegeben. Der Lex Cornelia de Sicariis koͤmmt von ihm
her. Da Auguſti Tochter, Julia, credenzet, und ſein Hauß dadurch be-
ſchimpfft worden, hat er unter die Crimina Majeſtatis geſetzt, wenn einer
ſich an Domo Auguſtæ vergreiffen wuͤrde, ja, wenn einer nur davon wuͤſte,
und zeigte es nicht an, das ſollte als ein Crimen Majeſtatis angeſehen
werden. Drum meynen einige, der Ovidius ſey deßwegen relegirt wor-
den, weil er um die Amours der Juliæ gewuſt, und ſolches nicht angezeigt
habe. Wiewohl Maſſon in Vita ejus meynet, es ſey in facto nicht wahr.
Amelot in ſeinem Tiberio hat eben uͤber dieſes factum eine reflexion
gemacht, und gewieſen, daß alle Kupplers als Rei Crim. læſæ Majeſtatis
angeſehen worden. Eigentlich iſts kein Crimen ſtatus, aber der Prin-
ceps ſagt: Ego in contemtum adducor. Sylla hat nicht einmahl pro-
ſcriptorum filiis wollen pardon geben, weil ihre Vaͤter ein Crimen per-
duellionis begangen. Der Autor meynet, es gehoͤre dieſes ad flagitia
dominationis, allein, ſo weit koͤmmt es ex Jure dominationis, wenn die
Guͤter confiſciret werden, und denen Kindern nichts gegeben wird. Puf-
fendorf defendiret auch, quod fieri poſſit jure: Denn was denen Eltern
gehoͤret, haben ſie verwuͤrckt, und muͤſſen es die Kinder entbehren. Muͤſ-
ſen doch die Kinder eben nicht reich ſeyn, es giebt viel Arme in der Welt,
die Kinder werden hierdurch nicht geſtrafft, ſondern der Vater, der iſt Ur-
ſach, daß die Kinder nichts kriegen, quia tali crimine ſe conſpurcavit. So
weit gehet es alle an, man laͤſt ſie vivere in paupertate: Denn ob zwar
keine neceſſaria conſequentia, daß der Sohn ſich wird raͤchen, weil der
Vater zu Grunde gangen, ſo iſts doch probable, warum ſoll eben der
Herr dieſe Leute groß machen? Vielmehr kan er ſie klein machen, ne
nocere poſſint. Man wird faſt kein Exempel finden, da die Kinder ſich
nicht haben ſuchen zu raͤchen. Olden Barenfeld hatte einen Sohn, Stauf-
fenberg genannt, der hat den Moritz wollen ums Leben bringen, er hat
auch ſterben muͤſſen. Aber die Kinder todt zu machen, iſt hart. In
der That ſind des Ragoczi Kinder ſehr gelinde tractiret worden, indem
der Kayſer ihnen noch Guͤter gegeben in Neapolis, ob ſie gleich die Guͤ-
ter in Ungarn verlohren haben. Bisweilen heyrathet ein Princeps eine
Perſon, welche er ſecundum Legem ſtricte ſic dictam nicht heyrathenkan;
das koͤmmt auf flagitia dominationis hinaus, wenn er inceſtuoſas nuptias
celebriret. Vor dieſem hat man bey denen Roͤmern fratris filiam nicht
koͤnnen heyrathen, Claudius aber heyrathete des Germanici, ſeines Bru-
ders, Tochter, die Agrippinam, und da er die Patres gefragt: ob es an-
gienge? haben ſie geſagt: Ja; ſonſt aber war horridum inſuetum matri-
monium
[459]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
monium, fratris filiam ducere. Waͤre es ein Lex poſitiva geweſen, ſo
haͤtte es nichts zu bedeuten gehabt, denn an den Legem poſitivam ſind
die Unterthanen gebunden, aber nicht eben der Fuͤrſt, als nur wenn er
will, ſonſt kan er davon abgehen, ratione dominationis. Wie die Anna
von Bretagne Maximiliano deſpondirt worden, und er ſo gar poſſeſſion
vom Ehe-Bette nehmen laſſen, ſo ſahen die Frantzoſen dieſe Heyrath
nicht gerne. Der ſymbolicus concubitus hat dem Koͤnige in Franckreich
keinen degout gemacht, und er nahm alſo dem Maximiliano die Braut
weg. Quær. Ob dieſes der Koͤnig in Franckreich thun koͤnne? Reſpond.
Einige haben es als ein adulterium angeſehen, andere halten es aber
vor einen Staats-Streich. Gabriel Naudæus rechnet es unter die Coups
d’Etat, und ſagt: Wenn der Koͤnig in Franckreich gelitten, daß Maxi-
milianus dieſelbe bekommen, ſo haͤtte Franckreich von hinten her beſtaͤn-
dige Kriege gehabt, und haͤtten viele tauſend Menſchen muͤſſen crepiren;
Zumahl da ohnedem Franckreich viele Verdrießlichkeiten habe, weil die
Oeſterreicher die Niederlande haͤtten, er ſagt: Es ſey doch beſſer, daß
Franckreich keinen Krieg habe, zumahlen die Princeßin conſentiret,
daß Carolus VIII. ſie geheyrathet. Es ſind ein hauffen Buͤcher hievon
geſchrieben worden, davon Meldung thut Bayle in ſeinen Reponſes fai-
tes aux quæſtions d’un Provinciæ. Man findet gar viel exempla, daß
Koͤnige ihre Verlobte wieder nach Hauſe geſchicket. Carolus VIII. ſchick-
te Maximiliani Tochter wieder nach Hauſe, und nahm ihm gar ſeine
Braut weg. Unter denen juribus dominationis kan man alſo dieſes al-
les noch defendiren. Tacitus ſagt gar artig: Omne magnum exemplum
videtur aliquid habere ex iniquo. Jus dominationis bringt mit ſich
dominium eminens, daß der Herr ſeiner Unterthanen Guͤther kan angreif-
fen, aber nur in aͤuſſerſten Nothfall, und zwar muß er die intention ha-
ben, es zu verhuͤten. Es ſind viele andere Staats-Streiche, ſo der Naudæus
defendirt, als die Maſſacre de St. Barthelmy, die Ausjagung der Juden
in Spanien, und hat einer in Geney Noten uͤber den Naudæum ge-
ſchrieben, der ihn refutirt. Es hat auch Cladov wider den Naudæum
was edirt.
§. 27-28. Simulacrum nennet Tacitus arcanum inane, da hat nunSimulacra im-
perii in ſta[c]u
Monarch.
unſer Autor unterſchiedene ſolche ſimulacra ſpecificiret. Will man exem-
pla haben in groſſer abundance, ſo kan man ſolche finden beym Hertio,
in Prud. Civ. pag. 222. woſelbſt er exempla antiqua, nova und recen-
tiſſima anfuͤhret, und immer auf den Ariſtotelem mit ſiehet. Es iſt zwar
nicht recht, wenn einer ein Tyrann iſt, wie Cæſar und Cromwell gewe-
ſen. Der Urſprung taugt nichts, alle changements ſind unrecht, wenn
M m m 2ſie
[460]Cap. V. De prudentia
ſie geſchehen, invitis civibus, es mag Monarchia in Ariſtocratiam, oder
Ariſtocratia in Democratiam verwandelt werden. Wenn aber der ſtatus
einmahl changiret, ſo kan man nicht helffen, da iſts beſſer, ut novum
imperium ſit, quam ut nullum ſit. Bœckler tadelt den Ciceronem, daß
er immer noch von der alten libertate redet, und lieber Rempublicam in
turbis laſſen wollen, als den Cæſarem approbiren; Er hat ſich gefreuet,
da Cæſar todt gemachet worden. Bey denen novis Rebuspublicis blei-
ben ſimulacra, res iſt weg, der auf den Thron ſitzet, machet uns was vor;
Cæſar wollte nicht als ein Rex angeſehen ſeyn, ſondern nennete ſich Di-
ctator, Conſul. Die Principes haben Tribunitiam poteſtatem gebraucht;
Hergegen, da aus der monarchie zu Venedig eine Ariſtocratie worden,
ſo iſt der Doge geblieben, welcher ausſiehet, wie ein Princeps, ſein Kleid
iſt Koͤniglich, ſein Cornu diſtinguirt ihm, und fehlet ihm nichts, als das
Diadema. Florentz war eine freye Republic, und wurde vom Coſmo de
Medices veraͤndert. Hertius hat gewieſen, wie ſich Cosmus accommo-
dirt, er wollte ſeine Tochter an niemand anders, als an Florentiner ver-
heyrathen, er hat Senatum gelaſſen, ſich populariter aufgefuͤhret. Beym
Cromwell findet man auch ein ſimulacrum, da er zum Protector gema-
chet worden, und in der That Koͤnig war.
nationis in
ſtatu Monar-
chico.
§. 29-34. Tacitus nennet die flagitia arcana domus, weil es in
domo Neronis ſo zugegangen, daher tractiret man hier artes Machiavel-
liſticas. Die Politicam Mazarinianam, denn es iſt ein Buch heraus
kommen, ſub tit. Mazariana, darinnen lauter fourberien; daher auch
nicht zu rathen, daß ein Student dieſes Buch lieſet, wenn er nicht einen
guten Verſtand, und eine teinture in der Religion hat, ſonſt macht er es
nach, wie das boͤſe Geſinde, welches alles thut, was man ihnen verbie-
thet. Es iſt ein gottloſes Buch, aber der Autor hat die Leute nicht wol-
len encouragiren, ut ita agerent, ſondern er hat nur wollen zeigen, quo-
modo talia exerceantur, auch ab hominibus primariis, nur ſubtili ratione,
ſonſt ſaͤhe man, wer ſie waͤren. Macchiavelli hat auch die Artes Tyran-
nicas, die flagitia dominationis beſchrieben, doch dubitirt man, ob er ſeinen
Principem ſo inſtruiren wollen, oder ob er es nur geſchrieben, weil die
meiſten Principes ſo geartet ſind. Der Macchiavelli aber hat viel wi-
der ſich, weil er ein irriſor religionis geweſen, und ſich uͤber alles moc-
quiret. Ariſtoteles hat auch die flagitia dominationis beſchrieben, und
faſt noch ordentlicher, als der Macchiavelli. Hertius in ſeiner Politic hats
excerpirt, und des Macchiavelli Principem dagegen gehalten. Cardanus
Philoſophus magni nominis hat de Republica geſchrieben, darinnen nichts
anders, als arcana Domus vorkommen. Joh. Adolph. Hofmann, der in
Hol-
[461]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
Holland Libros X. Polit. ediret hat pag. 275. Cap. XXXVI. aus dem St.
Thoma Aquinate.*Doctore illo ſcholaſtico zeiget, daß er auch eine
Picturam Tyrannicam vorgetragen; aber das iſt nicht klug, wenn Hof-
mann wider ihn perorirt, und auf ihn ſchmaͤlt, der Thomas hat gewiß
nicht gewollt, daß ein Princeps ſo leben ſolle, ſondern ihn nur ſo diſtin-
guirt. Die Artes Tyrannicas kan man gar leicht verſtehen. Ein Ty-
rannus iſt homo meticuloſiſſimus, malus Princeps, der ſein devoir nicht in
acht nimmt, und weil er ſein Land nur wolle brauchen, als ſeinen Acker, daß
ſelbige ihm feind werden. So bald aber der peuple ihm feind wird,
ſucht er ihn uͤbern Hauffen zu werffen, und fehlet nur ein Dux, ein œo-
lus; daher wird ein ſolcher Tyrann furchtſam; die furchtſam ſind, wer-
den grauſam, ſind poltrons, ſchonen keines Menſchen. Die homines
metriculoſi plus agunt per fraudes, quam vi aperta; deswegen ſuchen ſie
allerhand Kuͤnſte anzubrigen. Alles, was ein ſolcher Tyrann thut, thut
er ſich zu verpalliſſadiren und zu conſerviren. Daher ob er zwar ſein
Devoir nicht in acht nimmet, ſo ſucht er doch religione den plebem zu in-
fatuiren. Religio muß freylich ſeyn, und koͤnnen die Menſchen nicht oh-
ne religion regiret werden; Aber es iſt nicht recht, ut religione tanquam
inſtrumento Tyrannidis quis utatur. Cromwell war nur ein tyrannus
titulo, er fuͤrchtete ſich nur, ne populus ſibi noceret, und hat auch die Re-
ligion gebraucht; deswegen hatte er die Quacker, die Enthuſiaſten und
er ſelbſt hat Loca S. S. allegiret; die Augen verkehret; Denn wenn die
Leute infatuirt werden religione, iſt der Tyrann ſicher dabey. Clap-
marius hat in der Edition Sagittarii noch ſchoͤne exempla beygebracht.
Macchiavelli hat auch ſeinen Principem ſo inſtruiret, ut religionem in uti-
litatem vertat, da er gewieſen, wie die Roͤmiſchen Imperatores ihren Leu-
ten beygebracht, als wenn ſie homines religioſiſſimi, cum tamen revera
non fuerint. Ageſilaus, qui certe erat Tyrannus maximus, ſed homo
ſubtilis, hat auch die Religion gebraucht. Bayle ſagt in ſeinem Dict.
Hiſt. Crit. beym Ageſilao, man koͤnnte ein Buch de religione Principum
ſchreiben, wie de religione Medici geſchrieben worden, welches eben ſo
gut abgehen ſollte. Diejenige, qui auctoritate, divitiis florent \& ſapien-
tia, probitate pollent, kennen die Fuͤrſten am erſten, deßwegen iſt kein
Wunder, daß ein Tyrann die potentiores, ſapientiores, eminentiores vi-
M m m 3ros
[462]Cap. V. De prudentia
ros am erſten verfolgt, \& quia eos maxime timet, ſo iſt accuſationis ca-
put, eſſe eloquentem divitemque. Alle nobiles gehen zu Grunde, quia
ſunt nobiles; Denn die Handwercks-Leute lernen ſeine Kuͤnſte nicht aus.
Ein Tyrann kan keine Leute leiden, ſo von honetteté profeſſion machen,
weil er ſeine Kuͤnſte nicht will laſſen kennen lernen; drum verfolgt er die
Magiſtros bonarum artium, Scholas contemnit, barbariem promovet, er
will keine vornehmen Leute um ſich haben. Alle Tyrannen, welche Sue-
tonius depingirt, haben Knechte um ſich gehabt, und Libertos. Der
Cammer-Mohr iſt in Perſien und in der Tuͤrckey noch der Premier-Mi-
niſtre. Ludovicus XI. war ein Tyranniſcher Fuͤrſt, bey dem war ſein
Leib-Barbier Miniſtre, ſein Schneider, Grand-Admiral, die anderen Leu-
te hat er alle removiret, und geſucht ihre Guͤter an ſich zu bringen, weil
er ein odium hatte erga omnes bonos viros, ſo ſuchte er dieſelbigen zu
ſupprimiren unter den Schein rechtens. Er gibt allerhand Leges,
damit ſie ſich fangen, wie die Fliegen in Spinneweben, dieſes heiſt au-
toritate imperii abuti. Amelot in ſeinem Tibere hat recht beſchrieben,
wie ers angefangen. Weil der Tyrann ſiehet, daß ſeine Unterthanen,
wenn ſie gelinde tractiret werden, ſo werden ſie reich, ſo denckt er auf
allerhand Kuͤnſte, ſie zu exhauriren, daß ſie nichts taugen, er legt ihnen
immer neue onera auf. Hertius hat uͤber den Pharao artige reflexiones
gemacht; Denn 1) hat er denen Iſraeliten alles genommen, daher auch
unſer HErr GOtt hernach ſagte, ſie moͤchten es denen Egyptiern wieder
wegnehmen, weils ihnen gehoͤre, 2) habe er laſſen Pyramides exſtruere
durch die Iſraeliten, darvon Perizonius in rebus Ægypt. Nachricht gibt.
Tarquinius Superbus hat die Roͤmer in foſſis cloacisque gebraucht, da ſie
muͤſſen arbeiten, ut ne poſſint arma capere. Wenn gleich ein Tyrann al-
les dieſes thut, ſo conſerviret er ſich doch eine Zeitlang. Bayle ſagt:
Ein boͤſer Fuͤrſt koͤnne nicht ſo leicht uͤbern Hauffen geworffen werden,
als ein frommer Fuͤrſt. Bisweilen aber koͤmmt doch ein Orcan, der ihn
uͤber den Hauffen wirfft, denn er gehet ab von ſeiner Pflicht, handelt
wider ſeln Gewiſſen, und martert die Leute. Alle Leges wendet er nur
zu ſeinen Nutzen an; er ſtellet Reductions-Cammern an, wie in Franck-
reich geſchehen, da ſie denen vornehmſten Leuten alles genommen, und al-
les als coronæ bona angeſehen. In Schweden hat es hernach viel
Lerm gemacht. Der Patkul verurſachte, daß Schweden ſo viele Laͤnder
verlohren. Weil aber ein Tyrann nicht alle kan uno ictu e medio tol-
lere, wie Caligula gewuͤnſchet, ſo geſchiehet es, daß er die Vornehmen
zuſammen hetzt und factiones verurſachet, hernach heißt es: Divide \& Im-
pera. Er gebraucht ſich nicht ſeiner eigenen Unterthanen zur Guarde,
ſon-
[463]ſtatum civitatis Mon. \& Imperantium conſervandi.
ſondern nimmt peregrinos. Cæſar uſus eſt Germanis; oder wenn er das
nicht thut, ſo nimmt er doch ſchlechte Leute, die er erhoͤhet, welche denen
nobilibus feind ſind. Er hat Eſpions an allen Orten, die alles ſagen,
was die Leute reden und thun, und wenn er was erfaͤhret von dergleichen
Rapporteurs, ſo inquiriret er gleich, deßwegen ſind auch die Crimina Ma-
jeſtatis ſo weit extendirt worden. Ein Tyrann miſchet auch aliquod bo-
ni darunter, damit man das Boͤſe nicht gleich developpiren kan; Er
braucht prætextus, und ſucht den Leuten einen blauen Dunſt vor die Au-
gen zu machen; Er ſiehet grauſam, ſeverus aus, aber er ſagt: Er habe
raiſon, er imitiret die Tugend, und ſagt eben Hieronymus Oſorius in ſei-
nem Tract. de Gloria, die Tugend muͤſſe etwas vortreffliches ſeyn, weil
ſo gar die Tyrannen ſolche ſuchten zu imitiren. Ariſtoteles nennet ihre
flagitia Sophiſmata, daher iſt gut, daß ſolche Kuͤnſte denen jungen Leu-
ten vorgeſtellet werden, nicht ut perverſi ſuaſores aliquando exiſtant, ſon-
dern daß ſie ſich vielmehr in acht nehmen, damit ſie nicht einmahl da-
hin incliniren. In der folgenden Section de Vita Aulica, wird gewieſen
werden, daß, wer bey Hof reuſſiren will, muß ſich ſtellen, als wenn
er den Hof nicht kenne: denn die meiſten Fuͤrſten wollen ſich nicht
laſſen kennen lernen. Ein Tyrann trauet niemanden, drum
hat ſich Piſiſtratus von niemanden als von ſeiner Tochter raſiren
laſſen. Cromwell hat ſich ſelbſt raſirt, der ſo gar des Nachts nicht ge-
ſchlaffen, ſondern immer aufgeſtanden, und nach ſeiner guarde geſehen,
ob auch dieſelbe vigilant. Wenn man den Suetonium lieſet, ſo wird
man finden, daß kein einiger ſolcher Tyrann geweſen, der ſich nicht ge-
fuͤrchtet. Suetonius erzehlet, daß Vitellius allezeit ein Schwerdt bey ſei-
nem Kopff-Kuͤſſen gehabt; bey der Thuͤr des Zimmers, wo er geſchla-
fen, iſt eine machine geweſen, daß, wenn jemand zur Thuͤr hinein ge-
gangen, es gepraſſelt, damit er gleich koͤnnen aufwachen. Wer alſo
ſich von dieſen Sachen einen rechten concept machen will, muß die
affectus und flagitia en bon ordre rangiren, beſſer, als es unſer Autor
gethan hat. Hertius hat zwey Haupt-artes, aber in der application fin-
det man immer neue mala. Den Hertium kan man hier am beſten
brauchen.
Sect.
[464]Cap. V. De prudentia
Sect. XIII.
de
Prudentia ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& De-
mocraticæ \& in iis ſtatum imperantium
conſervandi.
§. 1.
HIer koͤmmt der modus conſervandi Ariſtocratiam vor. Gleich-
wie nun de arcanis imperii, de juribus dominationis in Monat-
chia gehandelt worden, ſo wird auch davon gehandelt in Ariſto-
cratia, und endlich auch in Democratia. Es ſind in der Welt Monar-
chien, aber auch viele Ariſtocratien und Democratien. In Græcia ſind
vordem faſt lauter Democratien geweſen, quod etiam Ariſtoteles oſten-
dit, welcher ratione Democratiarum wohl zu gebrauchen. Seine Politic
iſt auch uͤberhaupt in wenigen zu verbeſſern, nur, daß wir jetzt nicht ſo
um den Brey herum gehen, ſondern ſetzen gleich fundamenta, und de-
duciren daraus. Die Græcas veteres reſpublicas hat Ubbo Emmius,
(welcher Rector in Emden geweſen,) wohl beſchrieben in zwey Baͤnden
in duodecimo. In Italien und Sicilien ſind auch viel ſolche Republi-
quen geweſen, davon Emmius auch Nachricht giebt. Wer dieſes hat,
kan den Ariſtotelem wohl verſtehen. Nicolaus Cragius hat auch de Re-
publica Laconica geſchrieben. Man muß freylich auch die neuen Au-
tores leſen. Quær. Was iſt eine Ariſtocratie? Reſpond. Es iſt da eine
Polyarchie, es regieret da mehr als einer, aber in Anſehung der Demo-
cratie ſind nicht ſo viel Imperantes, das imperium iſt da nicht penes
unum, aber penes paucos, Ἄριςοι ſunt pauci; ſapientiores ſunt pauci.
Diejenigen, ſo regieren werden pro optimis, pro prudentioribus gehal-
ten. Wer in generalibus will inſtruiret ſeyn, muß mercken, daß in
manchen Ariſtocratien die Ariſti erblich, oder ſie werden gewaͤhlet; An
etlichen Orten ſind einige Familien, die haben ein jus hæreditarium. Wo
gewehlet wird, da werden zwar keine Schneider, keine Schuſter, oder
ander Poͤbel admittirt, ſondern es werden prudentiores, liberalibus ar-
tibus exculti genommen. Es ſind aber wenig Ariſtocratien bekannt, da
die Wahl geſchehen ſollte ex tota civitate, ſondern mehrentheils ſind fa-
miliæ nobiles, e quibus electio fit, die haben ein jus ſolitarium, ceteri au-
tem
[465]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ, \&c.
tem omnes excluduntur. Heute zu Tage koͤnnte man etwa Bern da-
hin referiren, wo die Wahl frey geſchiehet; Aber ex antiquitate hat
Hertius viele ſpecificiret. Denn die andern ſind bekandter, ſie koͤnnen
aber leicht decliniren; Denn gleichwie in Monarchia koͤnnen incommo-
da entſtehen. So gehets auch in l’ Olyarchia, ſive ſi unus ſive pauci im-
perent, iſt einerley, und iſts eben ſo ſchlimm in einer l’ Olyarchie zu leben,
als unter einem Principe perverſo. Eine Ariſtocratie findet man in Ve-
nedig, Raguſa, Genua, Lucca, certo modo auch in Siena: Denn obgleich
Siena unter Florenz kommen, ſo hats doch noch viele Freyheiten behal-
ten, bisweilen wird die forma ſo geaͤndert, daß ex Ariſtocratia eine Mo-
narchie wird, bisweilen wird ex Monarchia eine Ariſtocratia. Wenn
die Teutſchen Fuͤrſten unter einander gleich waͤren, ſo koͤnnte Teutſch-
land eine Ariſtocratie vorſtellen, und der Kayſer waͤre wie der Doge zu
Venedig. Hippolytus a Lapide hats auch ſo angeſehen; Aber es iſt
nicht ſo, weil die Staͤnde inegal; Aber die Pohlniſche Republic iſt
nicht weit davon, weil unter denen Pohlen eine egalité iſt. Noch naͤ-
her iſt Venedig, woſelbſt der Doge nur zwey vota hat. Hier muß man
die Scriptores leſen, welche von Venedig geſchrieben haben, nicht nur
die Nobili di Venetia, ſondern auch Auslaͤnder, als den Amelot, der I-
taliaͤniſch geſchrieben, ſein Buch aber iſt auch ins Frantzoͤſiſche uͤber-
ſetzt worden. Item der St. Didier, welcher mit auf dem Frieden zu
Niemwegen geweſen, hat auch davon geſchrieben. Eine Ariſtocratie
kan leicht eine Monarchie werden, ſo hats nicht anders ſeyn koͤnnen, als
daß in Rom bald eine Monarchie entſtehen muͤſſen, denn es wurde zu
groß. Eine Ariſtocratie aber muß nicht groß ſeyn, die groſſen Gene-
rals, welche die Armeen commandiren, werden hochmuͤthig, brauchen
hernach ſolche wider die Republic, wie der Cæſar gethan, und wenn
Cæſar nicht waͤre Princeps ſenatus worden, haͤtte es Pompejus er-
halten.
§. 2. Deßwegen hat man auch in Ariſtocratien beſondere maxi-Arcans impe-
rii in ſtatu
Ariſt. gegen
Principatum.
men, in Venedig iſt bis dieſe Stunde keine einige dignitas perpetua, als
derer Procuratorum St. Marci, des Cantzlers und derer Scribarum. Der
Cantzler iſt beſtaͤndig, wird auch ſehr geehret, aber es wird kein Nobili
darzu genommen, die Procuratores St. Marci haben zu thun mit geiſtli-
chen Sachen, weil da der Pabſt mit acht giebt, ſo fragen ſie nichts dar-
nach, daß ein Nobili beſtaͤndig Procurator iſt. Aber es werden
doch alte Leute darzu genommen, die ſchon Canditati mortis ſind. Die
Secretarii ſind auch keine Nobili, ſo iſt auch Rom beſtanden, ehe die
munera perpetua worden, Zevecotius ad Suetonii Cæſarem hat vortreffli-
N n nche
[466]Cap. V. De prudentia
che obſervationes hiervon. Hernach aber, da ſie groſſe Thaten gethan,
haben ſie gebettelt, oder durch Geld erhalten, daß ihr Imperium verlaͤn-
gert worden, dadurch haben ſie ſich feſte geſetzet, und obgleich ſchoͤne
Geſetze gegeben worden, wie ſie ſich verhalten ſollten, ſo haben doch die-
ſelbigen nichts geholffen. Inventa lege inventa fraus. In einer rechten
Ariſtocratie leidet man nicht, daß die Nobili dasjenige thun, was den
plebem ihnen conciliiren kan. Daher in Venedig kein Nobili darff ein
Advocat ſeyn, denn ein Advocat kennet die gantze Stadt, und muß
von allen inſtruiret ſeyn, damit ſeine praxis immer groͤſſer wird. Ein
Nobili kan wohl ein Biſchoff, ein Patriarch werden, aber kein prædi-
cant. Obgleich die prædicanten daſelbſt groſſe Einkuͤnffte haben, es
koͤnnen ſolche prædicanten viel effectuiren beym peuple, deßwegen ſehen
ſie gerne, daß die Clerici ein diſſolutes Leben fuͤhren, und iſt in Venedig
kein Wunder, wenn ein Pfaff aus dem Bordell-Hauſe kommt, oder
aus einem Keller, und voll iſt. Man wird auch nirgends ſolche ſcanda-
leuſe Geiſtlichen finden, als in Venedig ſind, ſie wollen gerne tumme Cle-
ricos haben, damit der peuple nicht von ihnen infatuiret werde. In
Nuͤrnberg gilt auch die Geiſtlichkeit nichts, und promovirt man nur Mit-
tel-Leute, ſehen ſie, daß einer viel gilt, klopffen ſie ihn auf die Finger, ſie
haben auch recht, und kan es nicht anders ſeyn. Der peuple iſt allezeit
jaloux, ſetzet nun der Prieſter die optimates in contemtum, ſo iſts aus.
In Ariſtocratien nehmen ſie keinen zum General aus ihren Mitteln. In
Venedig, weiß man ein eintzig mahl, daß ſie einen Nobili di Venetia ge-
nommen, den Moroſini, welcher in Morea commandiret, zu welcher Zeit
ſie aber keinen andern bekommen konnten, ſonſt aber nehmen ſie immer
Fremde, einen Printz Maximilian, einen Schulenburg, ſolchen geben ſie
groſſe Beſoldungen, damit ſie ſich wohl verhalten, und ſuchen, die pen-
ſion zu behalten, ſie laſſen keinen Menſchen exſtruere munimentum. Die
Venetianer haben ſchoͤne Luſt-Haͤuſer und Gaͤrten an Po-Fluß, darin-
nen groſſe Koſtbarkeiten, aber ſie duͤrffen nicht einmahl eine Mauer her-
um fuͤhren, der Doge zu Venedig hat auch ein ſchoͤn Palais, das iſt aber
auf allen Seiten frey, denn ſie trauen ihm auch nicht. Wer ſich
eine Ariſtocratie will vorſtellig machen, muß nur Venedig nehmen, und
Nuͤrnberg, welches in allen Venedig imitiret, wie Amelot auch ſaget.
Es kan in Venedig kein Donna und kein Nobili auſſer ſeinen Stand hey-
rathen; Kein Nobili kan von einem fremden Fuͤrſten eine Bedienung
haben, denn ſie fuͤrchten, es moͤchte der fremde Fuͤrſt alsdenn ſuchen, ſie
uͤbern Hauffen zu werffen. Man erzehlet als was beſonders, daß die
Donna von Cornaro, den Koͤnig in Cypern geheyrathet, durch welche
her-
[467]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ \&c.
hernach Cypern an Venedig kommen. Obgleich nach der Zeit dieſelbe
zu Venedig reſidiren wollen, ſo haben ſie doch geſagt, ſie moͤchten ſich
nach Padua wenden, damit nomen Reginæ, und Regis nicht moͤchte in
Venedig angenehm werden. Sie hat ſich auch eine kurtze Zeit in Ve-
nedig aufgehalten, und von dar ſich nach Padua begeben, woſelbſt ſie
einen Koͤniglichen Staat gefuͤhret. So bald einer Cardinal wird, iſt er
nicht capable, mehr in Venedig zu ſeyn, wenn gleich die Venetianer ho-
mines externos zu nobilibus machen, ſo thun ſie es doch nur honoris cau-
ſa, die kommen aber nicht nach Venedig, ex conſequenti haben ſie kei-
ne Gefahr von ihnen zu befuͤrchten. Sie nehmen nicht mehr, als zwey
von einer Familie in den Rath, wenigſtens in den geheimden Rath. In
Nuͤrnberg nehmen ſie auch nicht mehr, als zwey von einer Familie in
Rath, und unter die ſeptemviros nicht mehr, als einen. Ich weiß, daß
ein Imhoff unter den ſeptemviros geweſen, und ſein Vetter war indeß auch
hinauf geruͤckt, der hat zwey uͤber ſich weg ſpringen laſſen, und nicht
darzu gelangen koͤnnen. Cæſar erzehlet von Hædiis, welche Bundes-
Genoſſen von den Roͤmern geweſen, und eine Ariſtocratie gehabt, daß
ſie auch nicht geſtattet, daß mehr als zwey von einer Familie im Rath
geweſen. Dieſes iſt alles wider den Principatum, damit die Familien
keine factiones machen koͤnnen. Res magni momenti geben ſie nicht leicht
einem, ſondern da haben ſie Decemviros, denen ſolche uͤbergeben werden.
Beym Hertio pag. 129. 131. wird man unterſchiedenes von der Repu-
blic Venedig finden, daß alles geſchehen in Collegiis, oder wenn ja Leu-
te geſetzet werden, welche etwas primario zu thun haben, ſo werden an-
dere darzu geordnet, welche mit acht geben. Kein Nobili darff mit ei-
nem Geſandten reden, adſunt ſemper qui audiant, ſie haben certas fami-
lias, in quas nemo recipitur, wenn er auch wollen hundert tauſend Tha-
ler geben, ſie halten die Patricios viel hoͤher, als die Nobleſſe in Teutſch-
land. Denn vor etliche hundert Jahren kan ich in Teutſchland nobilis
werden; Sie geben Achtung, daß keiner von der Familie ſupprimirt wird,
damit ſie nicht ad deſperationem gebracht werden. Wenn auch biswei-
len eine Familie herunter koͤmmt, durch ihre negligence der Eltern, ſo ſu-
chen ſie doch die Deſcendenten wieder in die Hoͤhe zu bringen, damit ſie
nicht in Verachtung kommen, und ſuchen alſo quovis modo eine æqualita-
tem zu erhalten, vid. Hertius pag. 120. Wenn die Tochter keinen do-
tem haben, ſo werden ſie ex publico dotirt, welches auch Petrus Bembus, der
ſelbſt ein Nobili di Venetia geweſen, obſervirt. In Venedig und Nuͤrn-
berg haben ſie das Reichen-Allmoſen, welches denen pauperibus patriciis
N n n 2ge-
[468]Cap. V. De prudentia
gereichet wird, damit ſie koͤnnen erhalten werden, und andern Leuten nicht
zum Spott und Schande da herum gehen.
den plebem.
§. 3. Gleichwie ſich die Ariſti præmuniren contra principatum,
ſo auch contra plebem. In der Ariſtocratie, wo gewiſſe Familien ſind,
hat ſonſt niemand was mehr zu ſprechen, und kan man ſich leicht einbil-
den, daß es alle ehrbare Buͤrger und den plebem verdrieſſen muß, weil
ſie ausgeſchloſſen ſind. Daher fragt ſich: Warum die Leute keinen
Tumult anfangen? Reſpond. Da machen die optimates es ſo: Sie ſchlieſ-
ſen zwar die Buͤrger nicht gar aus, ſondern machen ſie zu Raths-Herrn,
aber occulta ratione, nihilominus arcent. e. g. Von den bekannteſten
Handwerckern nehmen ſie mittelmaͤßige Leute mit in den Rath, und tra-
gen ihnen moleſtisſima auf. Da koͤnnen ſie ihr Handwerck nicht ab-
warten; Deßwegen ſind ſie gar von dem Rath-Hauſe weg geblieben,
und braucht der Rath dieſelben nur in odioſis, wenn einem ſoll der Kopff
abgeſchlagen werden, da muͤſſen ſie ihn mit abſprechen. In der That
herrſchen alſo die Patricii allein. In Venedig kan kein Buͤrger hoͤher
ſteigen, als Cantzler oder Scriba werden. In Nuͤrnberg kan auch kein
Buͤrger nichts werden, als Conſiliarius Reipublicæ, oder Doctor und Scri-
ba. Die Doctores haben ſonſt alle den Rang vor den Patriciis gehabt,
weil aber zu viele worden, ſo haben ſie reſtringiret, und geben keinen den
Rang, welcher nicht in numero Advocatorum iſt. Es hat viel Lermen
deßwegen geſetzt, und iſt zur Klage kommen beym Kayſerlichen Hofe.
Hier zu Lande, ſub Principatu, laufft alles im Degen; Hergegen in Reichs-
Staͤdten, in Italien, wo faſt lauter Ariſtocratien, gehet alles in Maͤn-
teln, und habe ich obſervirt in Nuͤrnberg, daß die von Univerſitaͤten kom-
men, zu Hauſe muͤſſen wieder einen Mantel tragen. Kein Buͤrger darff
einen Degen tragen in Nuͤrnberg; alle Doctores tragen Degen, aber
unter den Mantel. In Venedig traͤgt ein Nobili beſtaͤndig ſein Kleid,
wodurch er ſich von andern diſtinguiret. Wie denn auch die Senatores
und Patricii in Nuͤrnberg ihre beſondere Kleidung haben. Der plebs iſt alſo
da nicht martialiſch, ſo kan er keine Thaten thun. Deßwegen haben
auch die Venetianer wenig Soldaten aus ihrer Stadt. Wenn ſie ei-
nen Krieg haben, ſo negotiiren ſie allenthalben Soldaten, darum iſt ih-
nen der Krieg ſo beſchwerlich. Die Venetianer tractiren ihre Leute hoͤff-
lich und freundlich, wodurch der peuple gut gehalten wird. Deßwegen
ſagt Amelot: Vor dieſem haͤtten ſie es ſo nicht gethan. Jetzo tractir-
ten ſie die Leute hochmuͤthig, das waͤre ein Anfang zu ihrem ruin. Die
Buͤrger haben nichts zu ſprechen, keine Hoffnung in Rath zu kommen;
keine Hoffnung ſonſt eine Bedienung zu erhalten, oder wenn ſie ja eine
be-
[469]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ \&c.
bekommen, ſo iſts eine penible charge, und die Leute leben doch gerne an
einem ſolchen Orte. Die Urſache iſt: In einer Ariſtocratie ſiehet man
auf die politeſſe. Venedig iſt eine excellente Stadt, auch Nuͤrnberg.
Man ſorgt da vor die Geſundheit der Leute, alles wird reinlich gehalten,
und die Buͤrger werden da nicht tormentirt; Man weiß da von keinen
Einquartirungen. In Venedig ſiehet man keine Soldaten, als die in
dem Arſenal ſind. Es ſind Juden daſelbſt, welche aber des Nachts in
ihrer Gaſſe ſeyn muͤſſen, da werden die Thore, ſo vor ſind, zu gemacht,
daher iſt denen Patriciis nichts noͤthiger, als daß ſie populares ſind, und die
Buͤrger freundlich tractiren, damit aber die Patricii brilliren, ſo iſt kein klein
Kind, welches nicht von Gold und Silber etwas auf ſeinen Kleide hat, wo-
durch ſie ſich von Buͤrgern diſtinguiren. Es ſind auch die onera ſonſt nicht
groß geweſen in Venedig, ſeit der Zeit aber, da ſie ſo viel verlohren, als Can-
dien, Cypern und mehrentheils aus Morea delogirt ſind, das commer-
cium ſich auch changirt, ſo ſind die onera auch etwas groͤſſer worden.
Sonſt aber ſuchen ſie immer auswaͤrts Einkuͤnffte; Damit der peuple
nicht ſo ſtarck mitgenommen wird. Nihil enim magis plebem exacer-
bat, quam impoſitio tributorum. Sie leiden auch keine Demagogos,
deßwegen ſind die Jeſuiten aus Venedig verjagt worden. Der Pabſt
hat deßwegen die Jeſuiten in den Bann gethan, aber ſie haben ſich nicht
daran gekehret, und hat der Pabſt viele Muͤhe gehabt, daß die Jeſuiten
wieder aufgenommen worden, ſie haben aber ſolche mit der condition
aufgenommen, daß, wenn ſie ihnen nicht anſtuͤnden, dieſelben gleich wie-
der muͤſten zuruͤck gehen.
§. 4. Es kommt bey denen arcanis Imperii und dominationisArcana do-
minationis.
vieles mit einander uͤberein; ſie muͤſſen acht geben, daß ſie ſich in Anſe-
hen erhalten ratione plebis, und doch auch ſehen, daß keiner ſo groß
wird, und ſich hernach zu viel heraus nimmt. Es darff kein Nobili
keine Plebejam heyrathen, und wenn er es thut, ſo wird er nicht promo-
virt. In Nuͤrnberg haben manchmahl Patricii in reiche Kauffmanns-
Familien geheyrathet, man hat ſie aber hernach gehindert auf alle Art
und Weiſe. Es ſind leges gemachet worden, daß ſolche erſt nach dreyſ-
ſig, viertzig Jahren wieder vor Rathsfaͤhig angeſehen worden. Da
die Roͤmer geſehen, daß ſich der plebs ſo viel heraus nehme, ſo haben
ſie auch die matrimonia inter plebejas \& Patricios verbothen. Hertius
pag. 131. und 138. hat etwas hiervon obſerviret. In Venedig nah-
men ſie etliche familias an inter patricios, aber es muͤſſen Familien ſeyn,
welche ſich ſeparirt; Die muͤſſen aber ein groſſes Geld haben, und
werden doch von den andern diſtinguirt. Burnet in ſeiner Reiſe-Be-
N n n 3ſchrei-
[470]Cap. V. De prudentia
ſchreibung von Italien erzehlet von Genua, daß ſie daſelbſt ebenfalls
Geld naͤhmen, aber ſie haͤtten dreyerley Familien, alte, mittlere und
neue. In Venedig ſind ſie ſonſt difficillimi geweſen; Aber es iſt ein
modus acquirendi; Daher, wenn Krieg entſtehet, ſo nehmen ſie neue
an, es koſtet wenigſtens zwantzig tauſend Ducaten, wenn eine Familie
ſoll angenommen werden, deßwegen iſt leicht zu erachten, daß es eine
ſehr reiche Familie ſeyn muß, welche ſolches erhalten will. Sie koͤn-
nen hernach nobiliter vivere. Alle aber koͤnnen nicht in Rath, ſondern
ſie muͤſſen warten, und ſich erſt meritirt machen. Wenn ein Patricius
von einem plebejo geſchlagen worden, ſo hat er die Hand verlohren,
und ſtehet wohl der Kopff darauf; Wenn ein Patricius einen von Se-
natu ſchlaͤgt, ſo ſtehet auch der Tod darauf.
tionis.
§. 5. Die jura dominationis ſind von denen arcanis dominatio-
nis unterſchieden, daher ſie auch unſer Autor diſtinguiret. In Ariſtocra-
ticis civitatibus iſt der Oſtraciſmus uͤblich geweſen, da ſie eine Zeitlang
muͤſſen wegreiſen. In denen Democratiis hat man den Oſtraciſmum
auch gehabt, wie Sartorius de Oſtraciſmo gewieſen; Aber in der Ariſto-
cratie hat man ihn deßwegen, ne nimium potens quis efficiatur; Daher
wird in Venedig offt einen Raths-Herren imponirt, eine Reiſe zu
thun, und hernach der Republic relation abzuſtatten. Indeß kommt
er denen Buͤrgern aus denen Augen, und ſterben vielleicht einige von
denen, ſo ihm zu ſehr angehangen; Sie thun es aber nicht leicht, wenn
nicht einer einen groſſen Anhang hat. Es iſt in Venedig faſt gefaͤhrli-
cher zu leben, als in Rom, wegen der inquiſition. Die inquiſition ge-
het nicht auf die Religion, denn ſie toleriren allerhand Religions-Ver-
wandte, ſo gar auch Tuͤrcken, ſondern es iſt daſelbſt ein collegium in-
quiſitionis ſtatus, das hat viele Eſpions; Wer da wider den Staat
etwas redet, der iſt verlohren, und koͤmmt nicht wieder empor, ſie laſſen
ihn gleich heimlich ſtranguliren, ſie ſagen: Wenn wir in contemtum
kommen, thuts uns groſſen Schaden, alſo muͤſſen wir zuvor kommen.
Wer einmahl eine Sau gemacht hat bey der Republic, iſt etwa ein
Veraͤchter geweſen, der wird nicht promovirt, und ſeine Familie wird
ins dritte und vierdte Glied ausgeſchloſſen. Sylla hat verlanget, es
ſollten die Kinder a jure ordinis excludiret werden. Cicero wollte es
auch haben, aber Cæſar war darwider. Hieruͤber hat Clapmarius re-
flexiones politicas gemacht. Bœckler handelt auch in ſeiner Diſſert.
politicis davon, welche Diſſertation bey ſeiner politic ſtehet. Gleichwie
in Monarchia, wenn Gefahr vorhanden iſt, einer ohne proceß kan aus
dem Wege geraͤumet werden, alſo meynen ſie, es gehe auch an in Ari-
ſto-
[471]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ \&c.
ſtocratia. Sonſt kan man ſich in Venedig wacker luſtig machen, aber
in puniendis criminibus ſtatus, ſind ſie acerbiſſimi. In mancher Reichs-
Stadt darff auch niemand etwas reden, es wird alles erfahren, und
wenn etwas erfahren wird, ſo hat einer Verdrießlichkeiten. Ich weiß,
daß ein Buͤrger nur geſagt: Es waͤren die Anlagen zu groß, der wurde
gleich ins Gefaͤngnis geſetzet. Einige rechnen auch hieher die admiſſio-
nem lupanariam, und die uſuras iniquas. Damit, ſagt unſer Autor,
hat er nichts zu thun. Diejenigen aber, ſo die Lupanaria defendiren,
ſagen: Optimatum intereſt ne ſenatorum filiæ proſtituantur. In Vene-
dig und anderwaͤrts iſts auch ein groß crimen, wenn einer ein Patricium
ſtuprirt. Nun, ſagen ſie, wollen wir haben, daß die Donna ſolle frey
bleiben von allen attentatis libidinoſis, ſo muͤſſen wir ihnen andere ge-
ben, damit ſie ihre libidinem ſtillen koͤnnen, und alſo lupanaria anlegen.
Nun wird wohl keiner ſeyn, der eine kleine teinture in der Chriſtlichen
Religion hat, welcher die Lupanaria approbiren wird; Aber ein jeder
begreifft, daß es in tanta morum corruptione es nicht ſo weit wird ge-
bracht werden, daß keine Hure in der Republic ſeyn ſollte, wie die res-
publica judaica. Es iſt zu wuͤnſchen; Man findet es aber nicht. In
groſſen Staͤdten findet man auch groſſe Suͤnder, und kan es nicht ad
ſummos opices gebracht werden. St. Didier referirt in ſeinen Deſcriptio-
ne Reipubl. Ven. daß kurtz vor ſeiner Zeit alle Huren aus Venedig ge-
jagt worden. Aber es waͤre ein ander Ubel entſtanden, daß keine Don-
na faſt befreyet geweſen, attaquirt zu werden von amoureuſen Leuten,
und daß ſie ſo gar Gewalt wollen brauchen; Daher auch diejenigen
Herren, welche erſt ſo ſever geweſen, die Huren zuruͤck geruffen, und ſie
laſſen paſſiren. Hertius hat gemeynet, St. Didier habe geſcheut von die-
ſer materie raiſonniret. Er ſagt: In abſtracto koͤnne man trefflich rai-
ſonniren, daß keine Huren ſollten gedultet werden; Weil aber ſo viele
Perſohnen da, ſo viel ungezogene Leute, die hazardiren etwas, ſie ſind
nicht wiedergebohren, ſondern geile Boͤcke, deßwegen, meynte er, gienge
es hier nicht anders an, als ex duobus malis minimum eſſe tolerandum,
und waͤren diejenigen in der Republic viel kluͤger geweſen, welche ge-
meynet, man ſolle die Huren toleriren, als die andern, welche ſie alle
weggejagt. In Venedig fragen auch ſo gar die Eltern nicht darnach,
wenn ihre Kinder maitreſſen halten, wenn ſie nur ihre Familie conſervi-
ren. Die Donna aber werden ſehr eingezogen gehalten, damit der
peuple nichts ſcandaleuſes von ihnen reden koͤnne; Daher iſt auch nicht
moͤglich, daß eine Donna eine verdaͤchtige converſation haben kan, es
muͤſſe denn etwa in einem Cloſter geſchehen, da ſie ihre Anverwandten
beſu-
[472]Cap. V. De prudentia
beſuchen. Amelot, welcher den Etat von Venedig beſchrieben, und Am-
baſſadeur in Venedig geweſen, hat auch gern wollen amour machen, aber
nicht koͤnnen ankommen; Daher haben ihn die Venetianer oͤffentlich Schuld
gegeben, er habe deßwegen ſo ſchimpflich von ihrer Republic geſchrieben.
Indeſſen obgleich die Nobili di Venetia die ſcandala zu removiren ſuchen,
bey ihren Familien, ſo geſchichts doch nicht bey dem Pack, und iſt da
eine groſſe confuſion; deßwegen halten ſich die Fremden gerne da auf.
Es iſt freylich kein vitium frequentius, als libido, und wenn man dieſes
aͤndern wollte, muͤſte educatio ſeveriſſima, ſeyn. Wo will man dieſe al-
lenthalben zuwege bringen? Per leges kan dieſe confuſion nicht aufgeho-
ben werden, bey denen Roͤmern waren ſeveriſſimæ Leges de Stupris, die
aber doch nichts geholffen; daher haben ſie ebenfalls Lupanaria gedul-
tet, und war ſchlimm, daß die vornehmſten Leute Lupanaria gehalten,
und einen quæſtum gezogen. Aber wenn man ſie nur toleriret, das ge-
het wohl an, es iſt eben wie mit den Trunckenbolden, die kan man nicht
alle aus der Stadt jagen. In Engeland iſt ein miſerabler Zuſtand hier-
innen, da koͤnnte es noch eher geaͤndert werden, wenn da ein Koͤnig iſt,
und hat man auch deßwegen Vorſchlaͤge gethan. Etliche recommendi-
ren auch die uſuras iniquas. Die Herren Patres in Rom habens ſo ge-
macht, den plebem dadurch enerviret, und wenn ſie nicht bezahlen koͤn-
nen, zu Knechten gemachet, aber von einander haben ſie dieſelben nicht
geſchnitten, wie man einen Regen-Wurm von einander ſchneidet. Was
geſcheute Leute ſind, die toleriren uſuras iniquas nicht in Ariſtocratia. In
Venedig gehet man denen immodicis uſuris gnug entgegen, und dencken
immer darauf, wie die Buͤrger commode leben koͤnnen. Die inven-
tion mit den Leih-Haͤuſern, welche ſie in Nuͤrnberg haben, iſt von de-
nen Venetianern genommen, und werden ſolche in Venedig Montes pie-
tatis genennet. Wenn in unſern Landen ein Handwercks-Mann will
Geld haben, muß er erſt caution machen, hernach muß er groſſe uſuras
geben, da iſt er ruiniret. Hergegen beym Leih-Hauſe iſts ſo: Wer
Gold, Silber oder andere Sachen hat, zu verſetzen, und will Geld ha-
ben, der giebt ſie ins Leih-Hauß, da geben ſie ihm ſo und ſo viel dar-
auf, ein klein wenig unter dem Werth; Denn ſie ſagen, wenn es etwa
ſollte verkauffet werden, ſo gehet etwas auf die auction. Wenn ſie ſa-
gen, auf dieſe oder jene Zeit wollen ſie es bezahlen, und ſie kommen nicht,
ſo werden ſie erinnert, koͤnnen ſie es nicht einloͤſen, ſo wird es verauctio-
niret. Sie koͤnnen aber ſelbſt nicht darauf biethen, der Uberſchuß aber
wird ihnen hernach gegeben. Die Ariſti muͤſſen zwar dahin dencken,
daß ſie auf den plebem acht geben, aber auch demſelben Privilegia geben,
damit
[473]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ \&c.
damit er nicht rebelliret. Darzu koͤnnen leicht die Clerici Anlaß geben,
deßwegen muͤſſen ſolche im Zaum gehalten werden.
§. 6. In Ariſtocratia ſind auch einige Simulacra, als wie in Ve-Simulacra im-
perii, \& flagi-
tia domina-
tionis.
nedig der Doge. Contareni, welcher ſelbſt ein Nobili di Venetia gewe-
ſen, meynet zwar in ſeinem Tract. de Republica Venatorum, es haͤtten
die Venetianer mit Fleiß einen Doge geſetzet; aber ich glaube es nicht,
ſondern wenn man die Hiſtorie von Venedig lieſet, ſo findet man, daß
anfaͤnglich eine Monarchie geweſen, ſie ſind aber dem Principi uͤber den
Hals gewachſen, ſo daß nur ein Simulacrum geblieben. Er heiſt Dux,
ſonſt hat er nichts, daß er ein Simulacrum potius iſt, kan man daraus
ſehen, wenn er ſich præſentiret, ſein ornatus corporis iſt regius, er traͤgt
Purpur und Gold, ſein Stuhl iſt Koͤniglich, er traͤgt ein Cornu, wel-
ches ſie von den Orientalibus haben: Denn Venedig hat erſt unter den
Imperatoribus Orientalibus geſtanden. Alle muͤſſen vor dem Doge den
Huth abziehen, und vor ihm ſtehen, er ſtehet aber nicht; Alle Geſand-
ten muͤſſen ihn Sereniſſimum tituliren, und alle Muͤntzen werden auf ihn
geſchlagen; aber er hat nullam poteſtatem; er darf nicht aus der Stadt
gehen, nicht einmahl auf ſein Land-Guth, ſine conſenſu totius ſenatus.
Seine Kinder koͤnnen nicht das geringſte beneficium haben, ſo lange er
Doge iſt. Wenn aus einer Familie ein Doge geweſen, ſo wird hernach
aus einer andern Familie wieder einer genommen. Thuanus hat in ſei-
ner Hiſtoria, als etwas rares, aufgezeichnet, daß zu Zeiten Caroli V.
aus der Familie Prioli zwey Doge nacheinander gewaͤhlet worden. Wenn
der Doge abgehet, ſo haben die Triumviri die inquiſition, daß ſie nach-
forſchen, wie er ſich aufgefuͤhret, ſeine Erben muͤſſen in gewiſſer maſſen
repondiren vor dem Doge. Ein jeder Magiſtratus, der abgehet, muß
auch leiden, daß inquiriret wird, wie er ſich gehalten. Hat er nicht al-
les obſerviret, ſo hat er hernach kein avancement zu hoffen. In publicis
negotiis behalten ſie die Langage, welche ſie gehabt cum oriretur Reſpu-
blica; deßwegen nehmen ſie gerne der Secretarien Kinder wieder zu Se-
cretariis, weil dieſelben von Jugend auf den Stylum Curiæ lernen, u. ſie nicht
gerne wollen den ſtylum curiæ in vulgus emittere: Raguſa iſt auch eine Ariſto-
cratie, da ſind ſie noch vorſichtiger, und nehmen alle Jahr einen neuen Doge;
iſt das Jahr um, ſo ziehet er ſeinen Rock aus, wie der Pro-Rector. Die Ge-
nueſer haben ihren Doge auch nur auf etliche Jahr, und wenn er abgehet, ſo
muß er hernach einige Jahr als ein Privat-Mann leben, und darf ſich
nicht viel ſehen laſſen, denn ſie ſagen: Er waͤre hochmuͤthig worden,
und muͤſte nun in etwas wieder gedemuͤthiget werden.
O o o§. 7.
[474]Cap. V. De prudentia
mocratie.
§. 7. Man nennet eine Democratie, wo der populus das Regi-
ment hat; die Collegia ſind da groß, und beſtehen offt aus 200-300
Perſonen; Dahingegen in einer Ariſtocratie uͤber 24-30. regierende
Raths-Herren nicht ſind; Es koͤnnen daſelbſt auf dem Rathhauſe an-
dere Patricii auf und abgehen und zuhoͤren: Wenn ſie nur in Venedig
achtzehen Jahr alt ſind. Deßwegen aber ſind ſie noch nicht in einem
Collegio, und muͤſſen noch lange warten, bis ſie darzu kommen. Nie-
mand aber darff dencken, als wenn in der Democratie der gantze peuple
herrſche, ſondern es iſt derſelbe in curias, in certas tribus eingetheilet,
daraus werden eine gewiſſe Zahl Magiſtrats-Perſohnen erwaͤhlet. Von
Rechtswegen ſollten huͤbſche Leute gewaͤhlet werden, nicht die aͤrmſten,
auch nicht die liederlichſten, ſondern die ſonſt einen guten Nahmen und
Leumund haben. Und wenn dieſes in acht genommen wird, ſo iſt in
einer Democratie wohl zu leben. Es iſt da alles wohlfeil/ man giebt
nichts, und kan das Seinige behalten, was man erworben; Ein jeder
wird protegirt ab injuriis potentiorum, und leidet man keine potentio-
res. Inter omnes muß eine æqualitas obſerviret werden, daß keiner zu
reich, keiner zu maͤchtig werde. Die Griechen und Niederlaͤnder haben
ſehr inclinirt ad Democratiam. Von denen Niederlaͤndern hat es
Grotius obſerviret. Die Schweitzer incliniren auch ad Democratiam,
und wenn man Teutſchland anſiehet, ſo incliniren die meiſten in Fran-
cken und Schwaben dahin. Wer ſich einen rechten concept von einer
Democratie machen will, der muß den Bernegger leſen in Delineatione
Formæ Reip. Argentorat. in duodecimo. Denn Straßburg iſt eine
rechte Democratie geweſen; Erſt war es eine Ariſtocratie, aber unter
Ludovico Bavaro iſts eine rechte Democratie worden. Ein ſimulacrum
von der Ariſtocratie iſt geblieben, daß ſie die Stadt-Meiſter gehabt,
denen ſie reverences erwieſen, welche aber keine poteſtatem gehabt;
Sie haben ſo gar Gaͤrtner und Leute vom Lande in ihre collegia ge-
nommen, damit der ſtatus nicht ſo leicht koͤnne geaͤndert werden. In
gewiſſer maſſen iſts noch eine Democratie, indem der Koͤnig in Franck-
reich alles gelaſſen; Nur, daß ſie einen Prætorem Regium haben. Ra-
tione modificationis aͤuſſert ſich vieles in der Democratie, bisweilen weh-
let man mehr kluge, geſcheute, anſehnliche, bisweilen entſtehet eine Och-
locratia, da fax populi regierte, bisweilen wird eine Monarchia in De-
mocratiam verwandelt, wie in Engeland faſt geſchehen; Deßwegen hat
eben Hobbeſius den Thucydidem aus dem Griechiſchen ins Engliſche
uͤberſetzet, damit ihn die Engelaͤnder leſen moͤchten, und ſehen koͤnnten,
was die Democratie vor eine elende Geſtalt habe. Denn die reſpubli-
ca
[475]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ, \&c.
ca Athenienſium war eine Democratie, von welcher der Guilielmus Po-
ſtellus geſchrieben, ingleichen auch Ubbo Emmius, welchen Grono-
vius in ſeinem Theſauro Antiquit. Græc. mit eindrucken laſſen.
§. 8. Dasjenige, was einer Monarchie ſchaͤdlich, iſt der De-Arcana impe-
rii contra po-
teſtatem re-
giam.
mocratie nuͤtzlich. Ein Republiquain macht ſeine fortune nicht a la Cour,
dem iſt man feind. Labeo der veterem libertatem liebte war wenig be-
liebt bey Hofe; hergegen in Democratia leiden ſie auch keinen hominem,
welcher der Monarchie favoriſiret; ſie haben eben ſolche Tyrannos ge-
nannt, und iſt ein Lex in Democratia, Tyrannum occidas. Leute die
groſſe Thaten gethan, haben ſie gefuͤrchtet, daß ſie nicht moͤchten Tyran-
nen werden. Hier kan man den Cornelium Nepotem leſen, und darf man
nicht dencken, daß es nur ein Schul-Buch, ob er gleich in Schulen
tractiret wird; Wir haben viel ſchoͤne Noten daruͤber, als des Bœck-
leri, Boſii. Der Cornelius Nepos muß uns bisweilen exempla geben,
die wir koͤnnen ad novas Reſpubl Belgii \& Helvetiorum appliciren. Die
Civitates ſpeciatim ſind daſelbſt meiſtentheils Democratien. In Sparta
war zwar ein Koͤnig, aber nur dem Nahmen nach, indem er ſeine Epho-
ros an der Seite hatte; Wie bey denen Athenienſern nur einer das Por-
trait eines Koͤniges im Zimmer gehabt, ſo iſt er in Verdacht kommen,
daß er gerne ſehen wuͤrde, talem ut haberet regem. So bald einer ei-
nen æſtim hat vor die Monarchie, ſchicket er ſich nicht mehr in die Demo-
cratie. Warum aber die Hollaͤnder ſehr incliniren ad Democratiam iſt
dieſe Urſach: 1) haben ſie von denen Spaniern groß Ungemach ausge-
ſtanden 2) haben die Gelehrten die Griechiſchen libros fleißig geleſen.
Nun iſt aber keine nation geweſen, welche mehr incliniret hat ad Demo-
cratiam, als die Græca natio. Man findet auch da keine Monarchie,
als das Regnum Macedonicum. Alle die republiquen in Græcia haben
das fœdus Achaicum unter einander gehabt, welches fœdus uns Kulpi-
ſius expliciret in Epiſtola ad Conſiliarium VVürtenbergi Schœfferum.
Tyrannus heiſt in der Democratie, der eine Monarchie will einfuͤhren.
Hobbeſius meynet, die Democratie kaͤme naͤher einer anarchie; Allein
es iſt nicht wahr; ſondern wenn ſie recht eingerichtet iſt, ſo iſt ſie gut;
Aber Hobbeſius hat ſolches angeſehen prout plurimum fit, da giebt es
factiones, und man weiß zuletzt nicht wer Koch oder Keller. Es iſt alſo
nicht zu leugnen, daß einer in Democratia auch kan gluͤcklich leben, und
darf man nicht dencken, es ſey in der Monarchie allein gut. Wie offt
geſchichts nicht, daß es die Leute in der Monarchie miſerable haben, wenn
ſie einen ſchlechten Herrn bekommen; Wers nicht glauben will kan nur
den Suetonium leſen, gleichwie uͤberall exceſſus ſind, ſo, daß eine ochlo-
O o o 2cratie
[476]Cap. V. De prudentia
cratie entſtehet, oder daß ein Æolus koͤmmt, der alles in confuſion bringt.
Sæpe Respubl. Rom. ad Dictatorem rediit. Bisweilen laͤſſet einer die
Collegia, hat aber ſeine Creaturen, und thut in der That alles allein.
Weil nun Nomen Regis in Democratia verhaſt, ſo werden auch allerhand
Buͤcher wider die Monarchie geſchrieben: Es ſind keine gefaͤhrlichere Buͤ-
cher wider die Monarchie heraus kommen als in Holland. In Engelland
ſind auch unterſchiedene heraus kommen, dahin gehoͤret der Sidney du Gou-
vernement Civil, welcher in ſeinem Buche ſehr ad Democratiam inclinirt,
und nur auf die letzt ein kleines Temperament machet.
tra Optima-
tes.
§. 10. Wider die Ariſtocratie nehmen ſie ſich auch in der Democra-
tie in acht, wie in Rom geſchehen; Aber zuletzt haben doch die Ariſti obti-
niret, davon man den Abbe Vertot in ſeinen Revolutions von der Stadt
Rom leſen kan. Florenz war erſt auch eine Democratie, hernach wurde es
eine Ariſtocratie und endlich eine Monarchie.
tionis.
§. 11. Es iſt nicht gut, wenn man will von der geringſten Canaille
Leute nehmen, unter denen Kauff-Leuten und andern muß man honeſtiores
nehmen, welche ſich zum Regieren ſchicken: denn zum Regieren gehoͤret kei-
ne groſſe Gelehrſamkeit, ſondern nur ein guter Verſtand. Bisweilen hat
ein Handels-Mann ein conſens, und wenn die Leute von Jugend auf dar-
zu erzogen werden, ſo kriegen ſie eine experience; deswegen haben ſie in der
Schweitz kein Jus Romanum angenommen, und ſagt Joſias Simmler die
Schweitzer waͤren zu tumm darzu, das Roͤmiſche Recht waͤre ihnen zu
ſubtil, ſie gehen nach ihrer ſimplicitaͤt, und ſo lange dieſe bey ihnen bleibet,
wirds um die Schweitz gut ſtehen. Alſo nimmt man nicht fecem Reipu-
blicæ zum Regiment, ſondern Leute welche honeſte und probe leben. Wo
alte Familien ſind, laſſen dieſelben, als wie in Straßburg die Stadt-Mei-
ſter, aber ſie haben nichts zu ſprechen. In der Schweitz haben ſie viel Edel-
Leute heraus gejagt, deswegen ſie auch Maximilianus Todſchlaͤger des Adels
genennet; Aber wo noch Edel-Leute ſind, die ehren ſie, uͤbrigens aber haben
ſie keine force, und muͤſſen die Landes-Geſetze, obſerviren. Die Edelleute
gelten alſo in Democratia nicht, daher hat Callieres in ſeinem Tractat la For-
tune des Gens de Cour die Frage aufgeworffen: Ob ein Edelmann ſeine
fortune in eine Democratie ſollte ſuchen zu machen? Er antwortet: Es
ſey abſurd, und waͤre eben, als wenn er in einer Bad-Stube ſeyn ſoll-
te, da muͤſte er immer ſchwitzen. Indeſſen kan doch auch ein Edelmann,
wenn er popularis ſey, in einer Democratie fort kommen, als wie in
der Schweitz viele Edelleute in groſſem Anſehen ſind, ſonderlich im Can-
ton Bern, woſelbſt keine rechte Democratie iſt. Wenn der plebs ſum-
mam rerum behalten will, ſo muß er Perſonen haben, welche ſeine Ehre
main-
[477]ſtatum civitatis Ariſtocraticæ \& Democraticæ, \&c.
mainteniren. Bey denen Roͤmern hatten ſie Tribunos plebis, quorum
caput erat ſacro-ſanctum, die muſten acht geben, daß ſich die Patres nicht
ſo viel heraus nahmen, ſie haben immer auf qualitatem gedrungen, und
da vor dieſem andere nobiles waren, ſo hat ſich ſolches nachgehends
changirt, wie eine Democratie aufkommen, da ſind nun die nobiles ge-
blieben, deren Vorfahren Magiſtratus majores geweſen. Es waͤre noͤ-
thig, de Tribunis plebis eine Diſſertation zu ſchreiben. Man hat kein groͤſ-
ſer arcanum wider die optimates gefunden, als wenn par tout eine æqua-
litas eingefuͤhret wird; Daher leiden ſie auch in der Schweitz nicht, daß
einer pro arbitrio in einer Familie heyrathet; ſie wiſſen wohl, daß es an-
gehet, Geſchwiſter, und Geſchwiſter Enckel zu heyrathen; Aber ſie ha-
ben es verbothen, weil dadurch das Geld bey der Familie behalten wird,
und iſt beſſer, ſi per plures familias pecunia ſpargitur, damit æqualitas
erhalten werde. Wenn alles in Republica Democratia ſoll wohl zu ge-
hen, ſo muß man auch acht geben, daß nicht factiones entſtehen, ſonſt
halten dieſe erſt einander die balance, endlich behaͤlt die eine die Ober-
Hand, da kan gar leicht geſchehen, daß ad unum, oder ad pauciores
das Regiment koͤmmt; Daher iſt keine gefaͤhrlichere Religion in der
Democratia, als der Enthuſiasmus; Die Schweitzer jagen auch alle En-
thuſiaſten fort. Es iſt bekannt, was die Enthuſiaſten zu Muͤnſter vor
Lerm gemachet, die Regul iſt in der Democratie, daß ſie ſuchen ſollen,
alle diſcordias zu evitiren; Aber ſo wenig in Monarchia, auch in Ariſto-
cratia alles perfect in acht genommen wird, ſo wenig iſts auch in De-
mocratia. Unicuique ex populo iſt erlaubt, accuſare magiſtratum. Wer
die Roͤmiſchen Geſetze will verſtehen, muß einen rechten concept von der
Democratia haben. Die Juriſten ſind wie Rind, wie Ochß, welche al-
les bey uns wollen appliciren, da wir doch eine monarchie haben. Wo
kommen die actiones populares anders her, als aus der Democratia?
Bey uns ſind die accuſationes rar, und wird nicht leicht ein Magiſtratus
oder privatus von einem accuſirt werden; Alle Leges Rom. ſind einge-
richtet nach dem Zuſtande der civium. Der Lex Lic. hat beſtimmt, daß
einer uͤber funffzig Hufen Landes nicht haben ſolle: Denn wo nimia po-
tentia, da waͤre æqualitas rumpirt worden. Der Lex Falcidia iſt auch
eingerichtet worden, nach der Republica Democratia, das iſt eben, was
uns noch fehlet in der jurisprudentia, welchen Fehler auch Monſ. Le Clerc,
da er des Avenarii Interpretationes Iuris extrahiret, bemercket, und ſagt,
der Avenarius waͤre zu loben, weil er alle leges auch politice conſideriret.
Wenn dergleichen allezeit geſchaͤhe, wuͤrden wir interpretationes legum
Rom. magis ſolidiores bekommen. In Rom war Lex Porcia Valeria:
O o o 3Ne
[478]Cap. V.
Ne quis civem pulſaret, welches alles ex Democratia koͤmmt, denn wenn
der peuple mißhandelt wird, ſo iſt alle æqualitas rumpirt. Drum ha-
ben die Roͤmer reales injurias erſchroͤcklich geſtrafft, die verbales nur æſti-
matione, und jetzt lacht man meiſt uͤber die æſtimatorias, wenn ſie ange-
ſtellet werden. Mediæ perſonæ muͤſſen allezeit genommen werden, und
iſt infima plebs nicht tuͤchtig. Hertius hat obſerviret, daß auch in der
Democratia muͤſſe auf die Demagogos acht gegeben werden, und die Dema-
gogi waͤren eben die Clerici. In Holland haben dieſelben auch viel Lerm
gemacht. Wo man zulaͤßt, daß die Leute koͤnnen excitare populum, ſo iſts
aus, und iſt alsdenn infima plebs, wie die Marionetten.
perii.
§. 12. De ſimulacris iſt hier nichts zu ſagen: Denn man ſiehet
leicht, daß wo eine Ariſtocratie geweſen, einige optimates gelaſſen wer-
den, die aber nichts zu ſagen haben, oder wo eine Monarchia geweſen,
laͤßt man einen Regem, der aber nichts als nomen hat.
blicis irregu-
laribus.
§. 13. Was eine irregularis Respublica ſey, wird in Iure Nat.
gewieſen, da man nicht ſagen kan, quænam ſit ſpecies. Es iſt keine mo-
narchie, keine Ariſtocratia, und keine Democratie; ſo iſt unſer Teutſches
Reich beſchaffen. Unſer Autor aber meynet, es ſey nicht moͤglich, ma-
ximes zu geben, weil da eine confuſion.
Sectio XV.
de
Prudentia aulica.
§. 1-3.
xionis.
DEr Autor hat hier theils des Gracians l’Homme de Cour, theils
auch andere gute Buͤcher, ſo de fortuna aulica handeln, excer-
piret. Es koͤnnte einer fragen, warum hier de vita aulica ge-
handelt wuͤrde? Darauf antwortet unſer Autor, und ſagt: Er habe bis-
her die Respublicas beſchrieben, weil aber dergleichen collegium mehren-
theils nobiles, oder Leute, ſo a la Cour gehen wollen, hoͤreten, ſo habe
er ſolches mit angehaͤngt, und weil dazumahl der Gracian ſehr æſtimi-
ret wurde, auch viele hier collegia daruͤber gehalten, ſo hat er denſelben
excerpiret. Man hat jetzo auch noch andere Buͤcher, als des Callieres
la Fortuna des Gens de Cour. it. was der junge Calliere geſchrieben, ab-
ſonderlich iſt des Danielis Eremitæ Tract. de Vita aulica, welchen Grævius
in Holland drucken laſſen, wohl zu gebrauchen. Er ſchreibt unvergleich-
lich
[479]De prudentia aulica.
lich Latein, und hat den Tacitum trefflich applicirt, er iſt in Florentz Se-
cretaire d’Etat geweſen, und hat auch viele Reiſen gethan. Aus dieſem
Buch kan nicht allein ein Student Latein lernen, ſondern auch vieles de
Vita Aulica, vid. Bayle in Dict. Hiſt. Critiqu.
§. 4-10. Es entſtehet die Frage: Ob man ſich wohl nach Ho-Was das Hof-
Leben ſey?
fe wenden ſolle? indem es ſonſt heißt: Exeat aula, qui vult eſſe pius;
Alſo iſt dieſes eine præjudicialis quæſtio. Hernach muß man auch ſe-
hen, wie derjenige beſchaffen ſeyn ſoll, ſo an Hof gehen will. Es wer-
den hier alle perfectiones aulicæ vorgeſtellet; die aber kein aulicus in con-
creto hat. Was die erſte Frage betrifft, ſo concerniret dieſelbe nicht
alle Leute. Mancher wird ſchon propter conditionem ſuam removiret,
daß er nicht nach Hofe gehen kan. Wenn man unſer Teutſchland con-
ſideriret, ſo iſt die Haupt-Frage von der Nobleſſe. Hier recomman-
dire ich des alten Callieres ſein Buch, welcher General-Lieutenant in
Franckreich geweſen, ein groſſer Kerl, der ein bon ſens hat. Ich halte
viel darauf; und ob er gleich nicht alles nach der exacten Sitten-Lehre
eingerichtet, ſondern offt Soldaten-Principia mit unter lauffen, ſo ſind
doch auch unvergleichliche diſcourſe in demſelben zu finden. Er zeigt,
daß entweder ein gentil-homme muͤſſe in Krieg gehen, oder ein Com-
pagnard werden, oder a la Cour ſein Gluͤck machen. Es giebt ja auch
galante Officiers, das grobe muß weg, da muß einer eine politeſſe haben,
die anders beſchaffen, als bey einem Soldaten. Mancher will nun gar
nicht in Krieg gehen, und denckt, was ſoll ich mich da laſſen todt oder
lahm ſchieſſen, wo ſoll nun dieſer ſein fortune machen? Auf dem Lande
kan er freylich leben, und da lebt er nach der primaria intentione ſupre-
mi Numinis, wenn er ſein Land ſucht zu cultiviciren; und iſt faſt beſſer,
als wenn er in Krieg gehet; au contrair, weil der Teutſchen ihr Weſen
nicht ohne Krieg ſeyn kan, ſo muß er auch zeigen, daß er kein poltron
ſey, und kein Bauren-Gemuͤthe habe. Will er nun aber nicht in Krieg
gehen, und auch nicht auf dem Lande leben, ſo muß er a la Cour gehen.
Dicis: a la Cour iſts gefaͤhrlich? Reſpond. Du magſt anfangen was du
wilſt, ſo iſts gefaͤhrlich dabey. Wilſtu ein Kauffmann werden, ſo ſa-
gen ſie: die Kauffleute ſind Betruͤger; Wilſt du ein Gelehrter werden,
ſo ſagen ſie, die Gelehrten ſind Pedanten, Zaͤncker ꝛc. Wenn man den
Bauer-Stand anſiehet, ſo ſind auch die vielen Mißbraͤuche. Wegen
der Mißbraͤuche kan ohnmoͤglich dieſes oder jenes verworffen werden.
Wer a la Cour gehet, will ſeinen Herrn dienen. Alle Herren ſind nicht
boͤſe Leute, dieſes iſt wahr; wenn gleich der Princeps gut iſt, ſo koͤmmt
einer doch unter boͤſe Bedienten, welche den finem nicht haben, durch
gute
[480]Cap. V.
gute meriten und Redlichkeit ihre fortune zu machen, ſondern dieſen
treibt die ambitio, jenen die avaritia, einen andern voluptas Mancher
gehet a la Cour ſeine fortune zu machen, daß er beſtaͤndig unter denen
Dames iſt, er iſt etwan ein guter Taͤntzer. Wenn ich nun als ein vir
honeſtus drunter komme, ſo bin ich mit lauter laſterhafften Leuten umge-
ben, ſie eſſen und trincken mit dir, embraſſiren dich, und wenn du weg
biſt, ſo verfolgen ſie dich auf alle Art und Weiſe, ja wenn ſie es koͤnn-
ten, wuͤrden ſie dich gar maſſacriren. Wer alle dieſe Dinge nun nicht
will mit machen, da heiſts freylich exeat aula, qui vult eſſe pius. Deß-
wegen darf man ſich dadurch nicht abſchrecken laſſen, a la Cour zu gehen,
man muß wiſſen wie die Hof-Leute beſchaffen, und was ſie vor vita ha-
ben. Monſr. de la Motte ſagt in ſeinen Problemes Sceptiques. Der
beſte Hofmann ſey, welcher alles ſaͤhe, hoͤre, ihu aber, als wenn er es
nicht hoͤre; Aber er duͤrffe nicht mit machen. Ein Enthuſiaſt muß er
freylich nicht darbey ſeyn, ſonſt jagen ſie thn fort. Es ſchicken ſich nicht
alle Leute bey Hofe, und ſagt Gracian. Meſſures ſes pas.*Ratione cor-
poris kan ein Buccolomini nicht bey Hofe ankommen, das corpus muß
vor allen Dingen agile ſeyn, oder es muß einer ratione animi treffliche
qualitaͤten haben, daß man die defauts nicht merckt. Wenn gleich das
corpus gut iſt, er hat auch ein judicium, ſo ſchickt er ſich deßwegen nicht
bey Hofe. Mancher hat ein judicium, kan groſſe problemata aufloͤſen,
und kan doch bey Hofe nichts ausrichten. Ein Judicium practicum ge-
hoͤret dazu, und machets das gar nicht aus, wenn einer hochgelahrt, iſt.
Richelieu ſagt in ſeinem Teſt. Polit. Er wolle keine Hochgelahrte haben,
ſondern nur ſolche, welche dasjenige wuͤſten, wozu er ſie brauchen wollte.
Ein Judicium practicum aber beſtehet darinn, daß einer die Science, die
er hat, kan appliciren. Alle abſtractiones nutzen nichts; au contraire,
es hat faſt Richelieu gefehlet, daß er ſich bisweilen eine chimære laſſen
weiß machen. Vaſſor hat ihn in ſeiner Hiſtoire von Louis XIII. durch-
gezogen, daß er den Pater Joſeph zu viel getrauet, welcher ihm weiß ge-
macht, es ſolle eine chevallerie aufgerichtet werden, damit ſollte Conſtan-
tinopel weggenommen werden, und dieſe chevallerie wollte der Pater Jo-
ſeph commandiren. Man weiß, daß ehe Richelieu groß worden, hat er
ſich in die Methaphyſic verliebt, auch darinnen Buͤcher geſchrieben; wie
er
[481]De prudentia aulica.
er nun zu affairen kommen, hat ihm noch immer was angehangen von
chimæren. Wer eine groſſe Wiſſenſchafft hat und kein judicium pra-
cticum, dem gehets, wie dem Philippo Melanchthoni, der konnte vortreff-
lich predigen, wenn keine Leute in der Kirche waren, waren aber Leute da,
ſo fehlete er. Mancher kan perfect in abſtracto raiſonniren, von dem
Ædilitio interdicto, wenn aber diſputiret wird: Ob das interdictum in
dieſem oder jenem Fall ſtatt habe, ſo iſt er nicht capable ein deciſum zu
machen in Jure, und noch viel weniger in Politicis, da es geſchwinder zu-
gehet. Lernen kan man einem dieſe Dinge nicht, ſondern es muß einer
von Natur was haben. Mazarini hat ein beſſer Judicium practicum ge-
habt, als Richelieu. Vaſſor iſt dem Richelieu auch Spinnne-feind, und
wo er was enthuſiaſtiſches gefunden, hat ers allezeit durchgezogen. Dieſes
kan ich nicht ſagen, daß er gar keine imagination haben ſollte, ſondern
es ſagt Gracian gar wohl, moderer ſon imagination. Eine mode-
rate imaginatio hilfft viel: Denn wer keine imagination hat, iſt nicht
geſchickt zu Erfindungen; Bisweilen aber koͤmmt auf die Geſchwindig-
keit was an, da kan er alsdenn nichts thun. Es muß einer offt reden,
hat er keine imagination, ſo kan er nicht reden, laß mir einen melancho-
licum reden, der wird immer anſtoſſen, und iſt keine Anmuth, keine Klar-
heit in ſeinen Reden. Es kan keiner nicht reden, der nicht aliquid inge-
nii hat. Das ingenium aber beſtehet in Erfindungen, daß einer gleich
etwas erfinden kan, die Sache deutlich zu machen, er muß das medium
zu treffen wiſſen in periodis, gleich exempla, ſimilia finden koͤnnen. Bæck-
ler in ſeiner Diſſertation de Eloquentia viri politici hat dieſes artig gewie-
ſen. Philippus Mornæus, der war homo eloquentiſſimus, der Advocat
aller Reformirten ſchrieb admirable, hatte die Hiſtorie ſtudirt, und konn-
te alles das, was er ſchrieb, mit exemplis erlaͤutern. Fuchſius iſt von
Friderico VVilhelmo ſehr æſtimiret worden, weil er ein admirable inge-
nium gehabt, und ſchoͤne ſchreiben konnte. Er war erſt Profeſſor, da er
aber nach Hof kam, hat er ſeinen ſtilum attemperirt nach dem Hof;
Bey allen war er beliebt. Puffendorff lobt ihn auch ſehr, er war etwas
commoder, und kam bisweilen ſpaͤt, ſo hat der Churfuͤrſt allezeit geſagt:
Er wolle nicht eher fort fahren, bis Fuchs da waͤre. Das ingenium
bringt einem promtitudinem zu wege. Wenn man acht giebt, wie Mel-
ville der Koͤnigin Eliſabeth auf alles koͤnnen antworten, ſo wird man rech-
te plaiſſante Dinge finden. Dieſe Leute ſchicken ſich gut zu Ambaſſa-
deurs. Die Leute ſind meiſt in der Jugend ſo beſchaffen, daß ſie ſich
perſuadiren laſſen, es waͤre die memorie nichts nuͤtze. Vor dieſem iſt
gar eine Secte hier geweſen, welche Antimemoriſten genennet worden,
P p pdie
[482]Cap. V.
die haben immer vom judicio geſchwatzet, und geſagt, die memorie waͤre
ein defect; haben alſo das Kind mit dem Bade ausgeſchuͤttet. Judi-
cium iſt das Vornehmſte. Ingenium muß einer auch haben, aber die
memorie am allermeiſten: Denn es muß einer experientiam haben, ex-
perientia aber iſt nichts anders, als eine continuatio memoriæ. In mei-
nem Antworts-Schreiben an einen Preußiſchen Edelmann habe ich die
Antimemoriſten wacker railliret. Wo kan einer judicium, ingenium ha-
ben, wenn er keine memorie hat. Wir ſehen auch, daß wenn einem die
memorie entgehet, ſo iſt alles aus; aber freylich das judicium muß einer
excoliren; uͤber die Sachen reflectiren, und darff keiner dencken, daß
ihm die memorie ſchaͤdlich am judicio, ſondern das iſt Urſach, daß er be-
ſtaͤndig hineingepfropfft, und nicht ſtille ſtehet, uͤber die Sachen zu refle-
ctiren. Wir ſehen ja, daß wir uns helffen, wenn wir eine Sache nicht
behalten koͤnnen. Richelieu, da ſo viele wider ihn waren, die Printzen
von Gebluͤth, des Koͤnigs Mutter, ja der Koͤnig ſelbſt, und er ſich vor
allen in acht nehmen muſte, ſo hat er ſeiner memorie nicht getrauet, ſon-
dern ein journal gehalten, und aufgezeichnet, das habe er von dieſem, das
andere von jenem gehoͤret, dieſes journal hat er etliche Monath gehal-
ten, und iſt es ſchon ſehr groß; Vor dieſem habe ich auch gemeynet, die
memorie waͤre nichts, dachte auch, ich haͤtte keine memorie, wollte alſo
den Kopff nicht anſtrecken; Hernach aber bekam ich einen impetum, und
wie ich geſehen, daß ich konnte etwas auswendig lernen, habe ſolches
immer continuiret. Wenn die memorie nicht excoliret wird, verliehret
ſie ſich bald. Menage hat eine excellente memorie gehabt, die er bis in
ſein hohes Alter erhalten, weil er alle Tage etwas auswendig gelernet.
Bey der memorie iſt eine beſtaͤndige revocatio vonnoͤthen: Tantum ſci-
mus, quantum memoria tenemus. Grotius hat eine memorie gehabt,
daß er einmahl ein Regiment ſehen muſtern, und wie ſie zuruͤck kommen-
hat er ſie alle wiſſen beyn Nahmen zu nennen: Dieſes erzehlet Caſp.
Brant, in ſeiner Lebens-Beſchreibung. Es muß ſich auch einer ratione
intellectus pruͤfen, ob er ſich nach Hofe ſchicke, damit er nicht ein bouffon
wird. Quær. Wie einer beſchaffen ſeyn muß, ratione voluntatis? Vie-
le bilden ſich ein, wer eine ambition haͤtte, koͤnne a la Cour gehen, nichts
wenigers. Gloriæ cupiditas muß da ſeyn; Aber was die ambition boͤ-
ſes bey ſich hat, ſchickt ſich nicht dahin. Ein ambitioſus will mit dem
Kopff oben hinaus, ſchlaͤgt um ſich, bey Hofe aber muß einer was ver-
tragen koͤnnen, und bey vielen dencken: ein etcetera ſey ſo viel, als ein
comma. Wenn Churfuͤrſt Friedrich VVilhelm das podagra gehabt, ſo
iſt mancher etcetera mit unter gelauffen, wenn da einer hitzig ſeyn wollte,
und
[483]De prudentia aulica.
und es nicht leiden, wuͤrde er ſchlecht zu rechte kommen. Point d’hon-
neur muß einer haben, vid. Courtin du Veritable Point d’honneur. Leu-
te, die ihre affecten nicht zu ſupprimiren wiſſen, ſchicken ſich nicht bey
Hof; Denn man ſagt: Bey Hof muͤſte einer koͤnnen ſimuliren und
diſſimuliren. Waͤren alle aulici virtute præditi, ſo duͤrffte man nicht
ſimuliren und disſimuliren; Da aber dieſes nicht iſt, und die meiſten ih-
ren affecten nachhangen, ſo muß einer ſimuliren und disſimuliren. Wer
ſeine fortune a la Cour machen will, muß ſich accommodiren nach dem
Sinne des Herrn, und nach dem Sinne der Groſſen, wel-
che um den Herrn ſind, ſo wenig als dein Diener, der einen banchant
hat zu trincken, bey dir kan ſeyn, wenn er demſelben nachhaͤngt, ſo we-
nig gehet es an, ut ſerviat affectibus aulicus. Leute, die ambitioſi ſeyn
wollen, machen ihre fortune nicht, die andern mercken es, ipſum petunt,
\& in herba ſuffocatur: Ich weiß einen Mann, der wollte ſein fortune
am Hofe machen, da ſich nun derſelbe recommendirte, ſo hat der Ober-
Præſident immer geſagt: Der Kerl habe was gutes an ſich, er ſey aber
zu ſtoltz; Als nun jener fiel, ſo kam er in die Hoͤhe, nach der Zeit aber
konnte er ſich in ſein groſſes Gluͤck nicht finden, und kam endlich auf die
Veſtung. Es kommet viel drauf an, daß einer ſein groſſes point d’hon-
neur nicht mercken laͤßt; Ohne Ehre kan einer nicht in die Hoͤhe kom-
men, aber begierig ſeyn darnach, iſt ſchon ein impetus ein furor. Nach
Ehre trachten, heiſt merita ſapientiæ, virtutis, ſcientiæ haben, das andere
kan nicht ſeyn, nicht nur wie die Theologi reden, weil es nicht aus GOtt
iſt, ſondern auch um deßwillen nicht, weil es ſich nicht zu den Zweck
ſchicket.
§. 11. Wer kein wohlgeſtalten corpus hat, mag weg bleiben,Von der Lei-
bes-Geſtalt ei-
nes Hof-
manns.
denn die groſſen Herren ſehen auch auf das aͤuſſerliche. Wenn einer
gerade iſt, hats nichts zu bedeuten, er mag groß oder klein ſeyn.
Mancher hat die kleinen Leute gerne, und kan keine groſſe leiden, \&
vice verſa. Es muß ſich alſo einer nach dem Herrn, dem er
dient, accommodiren; Obgleich der Herr nicht ſonderlich vor
ſage zu halten, welcher nach dem Geſicht und aͤuſſerlichen An-
ſehen die Leute annimmt und eine affection auf ſie wirfft; ſo muß ich doch,
ehe ich mich engagire, ſehen, was der Herr vor eine inclination hat: Es
giebt kluge und auch unkluge Fuͤrſten, ich muß aber allerhand Leuten
dienen, und kan mir nicht alles choiſiren wie ich will. Es iſt huͤbſch
wenn einer ſeine Kleider weiß gut zu choiſiren, und andere aͤuſſerliche
Dinge. Mancher hat ſeine fortune nicht gemacht weil er dieſes nicht
obſerviret. Der Cantzler Hugo kam nach Weimar, und konnte daſelbſt
P p p 2nicht
[484]Cap. V.
nicht einmahl Cantzliſt werden, weil ſie gemeynet, er habe was Schul-
maͤßiges an ſich. Hernach kam er nach Wolffenbuͤttel, woſelbſt er
auch nicht employiret wurde, von dar gieng er nach Hannover, da nah-
men ſie ihn an. Er war ein geſcheuter gelehrter Mann, der endlich
Premier-Miniſtre worden. Haͤtte Hugo es recht uͤberlegt ſo waͤre er nicht
nach Wolffenbuͤttel und Weimar gegangen. Es iſt gut, wer an Hof
gehen will, daß er exercitia lernet, tantzen, reiten, fechten, das macht den
Leib habile. Mancher Menſch iſt von Natur peſant, hat dicke Fuͤſſe,
wenn er aber auf den Tantz-Boden kommt, gehet alles weg. Der iſt
ſehr gluͤcklich, dem geſagt wird, was er vor Defauts an ſich habe; das
muß keiner uͤbel nehmen, es mit anhoͤren und thun, als wenn er es nicht
hoͤret, indeſſen aber ſich doch darnach richten.
bey Hofe.
§. 12. 13. Alle Leute haben nicht einerley Leichtigkeit bey Hofe zu
avanciren. Die natalium ſplendorem haben, avanciren leichter, als an-
dere, welche dergleichen nicht haben: Denn wer von extraction iſt, hat
Freunde bey Hofe, die koͤnnen ihn produciren, und wenn man auch von
manchen nur den Nahmen hoͤret, ſo hat man ſchon eine gute opinion
von ihm. Wer iſt der Kerl? Er heiſt Hans Panſch, das iſt ein no-
men obſcurum. Es iſt nicht ohnmoͤglich, daß ein ſolcher avanciren kan,
wenn er eclatante Thaten thut; aber es kan nicht ein jeder gleich an-
kommen. Es iſt wahr, wenn einer von keiner extraction iſt, und avan-
ciren will, ſo muß er vielleicht noch drey mahl mehr Meriten haben, als
ein anderer, der von extraction iſt. Wir reden hier gantz menſchlich und
wiſſen wohl daß ohne die Providenz GOttes nichts geſchiehet; Wir ſe-
hen aber hier wie es zugehet. Es kommt auch viel auf die Zeit an;
An und vor ſich thut die Zeit nichts, aber es geſchiehet alles in der Zeit.
Manchmahl machet einer ſein fortune wenn die tempora ſo beſchaffen,
daß ſie nicht difficilia; Offt ſind die tempora difficillima, und es kommt
doch einer an, da er an dieſem oder jenem recommendiret wird. Drum
ſagt Amelot in dem l’ homme de Cour p. 20. in manchem ſeculo waͤre
dieſer gar nicht geſtiegen. Mancher machet ſeine fortune nicht, weil un-
gluͤckliche Zeiten ſind. Offt ſind Herrn welche eine inclination zu die-
ſem oder jenem haben, dadurch einer ſein Gluͤck machen kan. Man-
cher kommt durch die Mahlerey empor, weil der Herr ein Liehhaber da-
von; Mancher durch die Jaͤgerey. e. g. Beym jetzigen Koͤnige haben
faſt alle keine fortune gemacht, welche bey dem vorigen in grace geſtan-
den. Es kan alſo keiner ſagen: Ich will meine fortune ſo und ſo ma-
chen. Sind die Herren Liebhabere von Studiis, ſo machen die Studiren-
den ihre fortune. Beym Hertzog Anton Ulrich hat einer ſein fortun ge-
macht,
[485]De prudentia aulica.
macht, wenn er die Bau-Kunſt und Mahlerey verſtanden. Es ſind offt
Kleinigkeiten, wodurch einer avanciren kan. Alte Leute muͤſſen nicht bey
jungen Herrn Dienſte thun oder ſuchen; Ich weiß einen General der in
Dienſten ſtund, wie aber der jetzige Koͤnig A. zur Regierung kam danck-
te er ab, er ſagte: Ich bin ein alter Mann, alſo muß ich auch einen al-
ten Herrn ſuchen, den jungen Herrn gefielen die alten Generals nicht,
und wenn ſie ſehen, daß ein ſolcher nicht recht geſchwind kan zu Pferde
kommen, daͤchten ſie gleich, er koͤnnte nicht recht commandiren; Er gieng
in andere Dienſte, wurde auch gleich employiret. Ja wenn einer in
alle Sattel gerecht iſt, ſo iſt es ſchoͤn, aber wo findet man einen ſolchen.
Bisweilen weiß man auch von keinen beſſern Leuten als wie der Poet
Lingiere in Paris anfaͤnglich in groſſen Ehren geweſen; der Boileau aber
brachte ihn am Bettel-Stab! Weil er aber ein genereuſer Kerl war,
gab er den Lingiere eine Penſion. Hieronymus Oſorius hat den Cotton,
welcher Staats-Secretarius bey der Koͤnigin Eliſabeth war, nicht recht be-
gegnet, da der Cotton ſaget: Ob er nicht wuͤſte daß er Staats-Secre-
tarius? Oſorius aber antwortete: Er wiſſe wohl daß er ſich nicht darzu
ſchicke, und waͤre ein Ungluͤck vor die Koͤnigin Eliſabeth, daß ſie keinen
beſſern wuſte.
§. 14. Die Virtutes ſind vel intellectuales vel morales. RationeVon den in-
nerlichen qua-
litaͤten eines
Hof Manns,
in Anſehung
des Verſtan-
des.
intellectus autor commendat pietatem, prudentiam. Was Prudentiam
betrifft, ſo haͤtte alles koͤnnen weggelaſſen werden, weil oben ſchon geſagt
worden, daß ein Aulicus ein Judicium pragmaticum haben ſolle; pruden-
tia aber iſt Judicii pragmatici filia; Weil er aber in ſeiner Ethic davor
gehalten, prudentia erfordere Diſcretionem, circumſpectionem, providen-
tiam, ſo hat er gemeynet, man muͤſſe hier beſonders reflectiren und es
appliciren, ad aulicum. Die Diſcretio beſtehet ſonderlich darinnen, daß
er weiß 1) an wen er ſich adreſſiren ſoll. 2) Daß ers cum dexteritate
thue. Viele Leute wollen ihr fortune bey Hofe machen, und wiſſen
nicht, wer ihnen die Pforten aufmachen ſoll; Sie addreſſiren ſich an Per-
ſonen, die ihnen nicht helffen koͤnnen. Man kan nicht præciſe ſagen:
Wer avancire ſoll gleich ad Principem gehen. Decipietur. Bisweilen
laͤufft einer Gefahr, daß er nicht nur nicht reuſſirt, ſondern wenn ers auch
erhaͤlt, leichtlich abgeſetzet wird: Denn es finden ſich Miniſtres, Mignons,
welche wollen, daß keiner ohne ſie etwas erhalten ſolle. Bisweilen
kan einer durch eine Dame, durch einen Secretarie, Cammer-Diener et-
was erhalten. Bey dem hieſigen Adminiſtratore hat keiner ſein Gluͤck
machen koͤnnen, der ſich nicht an den Leib-Pagen addreſſiret, der hat Cantz-
ler, Regierungs-Raͤthe geſetzet und alles vergeben, er iſt auch allein reich
P p p 3wor-
[486]Cap. V.
worden. Beym Ludovico XI. hat niemand mehr ausgerichtet, als ſein
Leib-Barbier, beym N. war der Cammer-Diener an den ſich alle Ge-
heimde Raͤthe addreſſiret und mit ihm Bruͤderſchafft getruncken. Es
muß auch einer ein Judicium diſcretivum haben, daß er ſiehet, worzu er
ſich ſchickt; Darum hat Gracian einen eigenen Ort darinnen er ſagt:
es ſolle einer abwaͤgen, worzu er ſich ſchicke. Viele ſind ſo beſchaffen,
daß ſie ſich wollen laſſen zu einer Charge emploiren, darzu ſie ſich doch
nicht ſchicken. Wer will ein Ober-Jaͤger-Meiſter werden, muß die Jaͤ-
gerey ex fundamento verſtehen; Wer ein Stall-Meiſter werden will,
muß das Reiten verſtehen. Ich weiß einen der unter dem vorigen Koͤ-
nige unter die Guarde kam, wie aber der Koͤnig ausgefahren, ſo konnte
er nicht ſo geſchwind reiten als gefahren wurde, da wurde er abgeſetzt.
Haͤtte er eine andere Charge gehabt, wuͤrde er dieſelbe vielleicht beſſer
verwalten koͤnnen, daher iſt auch nicht zu verwundern, wenn bey Hof
bald dieſer bald jener caſſiret wird, und continuirliche Veraͤnderungen vor-
gehen. Wer bey Hofe ſeyn will muß nicht peſant, ſondern geſchwind,
promt ſeyn. Die groſſen Herren haben keine Gedult, und wenn du
denckſt, ſie ſollen auf dich warten, ſane periiſti. Drum gehoͤren geſchwin-
de Koͤpffe an Hof, je promter einer iſt, je beſſer kan er ſeine fortune machen.
Ich weiß einen Cavalier, welcher bloß dadurch ſeine fortune gemacht,
weil er beſtaͤndig da geweſen und alles in acht genommen. Kein
Menſch wuſte erſt warum er geſtiegen, der Herr ſagte aber einesmahls
ſelbſt: Er wuͤſte wohl daß andere da waͤren welche mehr raffinement
haͤtten, aber dieſer waͤre doch accurat. Es kan einer pur tout ſeine for-
tune machen bey Hofe, wo er hinkommt, wenn er patientiſſimus ſupplex
inſinuant, und gleich weiß einen Weg zu finden, wie es anzufangen. So
war der Charnace beſchaffen, und iſt der Muͤhe werth, den Articul beym
Bayle von ihm zu leſen. Die Koͤnigin Chriſtina iſt den Salvio guͤnſtiger
geweſen, als den Oxenſtirn, Oxenſtirn war peſant, da hingegen Salvius
promt war, und eine dexterité blicken ließ. Der Comte d’Avaux war
von Jugend auf in publiquen affairen auferzogen worden, und viel nach-
dencklicher, als der Servien, und doch hat Mazarini den Servien mehr ge-
liebt. Dieſelbige Schwermuth, ratione animi, kan einer ſich vertreiben durch
converſation, ratione corporis, durch exercitia.
des Willens.
§. 15. 16. 17. Es muß ein aulicus homo probus ſeyn; Sonſt ſagt man
zwar: Exeat aula, qui vult eſſe pius. Aber das wird keiner approbiren.
Die probitas iſt zu allen Dingen nuͤtze. Wenn die Menſchen alle pro-
bitaͤt verlaſſen, ſo iſt kein Wunder, wenn ſie verungluͤcken, in allerhand
Thorheiten fallen, und endlich gar ins Gefaͤngniß kommen. Wir ha-
ben
[487]De prudentia aulica.
ben faſt mehr aulicos die in Gefaͤngniß geſtorben, als auf dem Bette.
Man darf nicht dencken, daß ſolche ihren Herrn nicht treu geweſen, ſon-
dern ſie haben demſelben mehr gedienet als GOtt; ſie verſehen aber doch
einmahl was, da verlaͤſt ſie unſer HErr GOtt, \& ſic pereunt. Die
wenigſten haben eine wahre intention, warum ſie nach Hofe gehen, die
wenigſten wiſſen nicht einmahl ihre natuͤrliche Religion, geſchweige die
Chriſtliche. Dieſe Sachen ſupponiren wir, als Chriſten, als vernuͤnff-
tige Leute. Macchiavelli hat gemeynet: Bey dem Hofe koͤnnte einer
oͤhnmoͤglich nach den Reguln des Chriſtenthums leben. Herr Buddeus
aber hat ihn in ſeiner Theologia Thetica ſpecialiter refutirt, und gewie-
ſen, wie alles wohl koͤnne bey einander ſtehen; Es muß eine wahre pie-
tas bey einem Aulico ſeyn. Die wahre pietas beſtehet nicht darinne,
daß ich den gantzen Tag ſinge und bethe, au contraire, es iſt eine mar-
que einer Heucheley; ſondern die wahre Gottesfurcht beſtehet darinne,
daß ich mich vor unſeren HErr GOtt demuͤthigen muß, und erkenne,
daß alle meine fortune von GOtt dependire, und er mich auch in einem
Augenblick koͤnne zu nichte machen; das kan ich in meinem Caͤmmer-
lein thun, und darf eben nicht den gantzen Tag plappern, welches Plap-
pern aber ein Anzeigen entweder einer ſuperſtition, oder eines Enthuſiaſ-
mi; oder einer groſſen Heucheley. Vitringa in ſeinen aphorismis Theo-
logicis hat recht gezeigt, was ein homo probus ſeyn ſolle; das andere,
ſagt er, ſind nur Aufmunterungen, und kan zu Zeiten geſchehen. Ich
wollte, daß alle Leute einen rechten concept von der probitate haͤtten.
Wenn einer auch noch ſo fromm, ſo darf er nicht gleich dencken, daß er
gleich ankommen wird, und præciſe an den Orth, wo er hin will; Ich
habe in meinem eigenen Leben gefunden, was ich habe wollen werden,
bin ich am wenigſten worden. Man muß die Gelegenheit obſerviren;
Es iſt gut, daß einer bisweilen adverſités hat. Rabutin de Büſſi war ein
bel Eſprit, hat aber den Koͤnig raillirt, kam daruͤber in Ungnade, kam
erſt in die Baſtille, hernach gar von Pariß weg, daruͤber hat er ſich ab-
ſurd geberdet, endlich aber hat ers erkannt, und geſagt: Es ſey ihn in
der Jugend ſo wohl gegangen, deßwegen ſey er hochmuͤthig worden, und
hernach zu grunde gangen, habe ſich aber nicht gleich in das Ungluͤck
ſchicken koͤnnen, daher ſchreibt er einen Tract. des Adverſites, an ſeine
Kinder, und ſagt, ſie ſollten GOtt loben, wenn er ihnen in der Jugend
Ungluͤck ſchicke.
§. 18. Patiens muß einer vor allen Dingen ſeyn; Wer gar zu be-Von der Ge-
dult und Be-
ſcheidenheit.
hertzt iſt, avanciret nicht. Es muß einer offt lange warten. Viele ſind
beſchaffen, wie Richelieu, der die Leute laſſen lange ſtehen in der Anti-
Cham-
[488]Cap. V.
Chambre, ehe er ſie in Dienſte genommen. Philippus II. hat keinen pro-
moviret, welcher nicht etliche Jahre in ſeinen Dienſten geſtanden. Es
iſt dieſes gut, da kan einer ſehen, was an ihm zu thun iſt. Man findet
bisweilen einen Tiberium, einen Ludovicum XI. einen Herrn der haͤmiſch
iſt. Tacitus ſagt von dem Tiberio: wenn er einem was gutes gethan,
ſo habe er ihm auf der andern Seite wieder was boͤſes zugefuͤgt. Ame-
lot ſagt: An Hofe werde bisweilen eine ſolche Gedult erfordert, wie
Harpago gehabt, als der Aſtiages ihm, ſeine Kinder zu eſſen, aufgeſetzt,
der nicht mercken laſſen, daß es ihm ſchmertzte. Es iſt noͤthig zu diſſi-
muliren. Die diſſimulatio iſt revera hier nichts anders, als patientia.
Man darf nicht dencken, wenn einer meriten hat, daß dieſelben allezeit
belohnet werden. Es hat kein Menſch mehr meriten gehabt, als der
Cardinal Ximenes, welchen doch Ferdinandus Catholicus ſehr gedruͤckt,
er war ein guter Haußhalter, wollte aber kein Geld behalten, ſondern
legte viele Societæten an; Ferdinand aber ſuchte ihn ums Geld zu brin-
gen, und muſte der Ximenes Feſtungen auf ſeine Koſten belagern.
Der Gonſalva hat Ferdinando Neapolis zuwege gebracht, wurde auch
groſſer pomp nach Spanien gebracht, hernach aber muſte er ſich reteriren,
weil er ſo ein groſſer Capitain geweſen. Die Hof-Leute ſind wie die
Planeten, die ihren Schein alle von der Sonne haben, ſie dependiren
alle von ihrem Herrn. Was an dir iſt, ſo muſt du ſuchen merita zu
haben; aber du darffſt nicht dencken, daß deine merita allezeit werden
belohnet werden. Es iſt der Herr nicht allezeit ſage, und wenn er es ja
iſt, ſo hat er Ohren-Blaͤſer. Unter der Koͤnigin Chriſtina obſerviret
man, daß ſie alle Leute, die unter ihren Vater gegolten, nicht æſtimiret.
Den Oxenſtirn, welcher bey ihrem Vater in ſo groſſen Gnaden geſtan-
den, æſtimirte ſie nicht, konnte aber ſeiner nicht uͤberhoben ſeyn. Sie
hatte einen Frantzoſen, einen Antiquarium bey ſich, der ſie dirigiret, wie
eine Marionette. Indeß iſt mir nicht gebothen, an einem ſolchen Hofe
meine fortune zu machen, ich kan ja an einen andern gehen.
mann muͤſſe
juſtus ſeyn.
§. 19. Quær. Was heiſt juſtitia bey einem Hof-Mann? Reſp.
Es ſind etliche Leute, die ſuchen einen zu ſchaden, ſonderlich haben ſie
ein plaiſir, ſi alteri male ſit: Dieſe obſerviren keine juſtiz, ein ſolch ma-
litieuſes Gemuͤth wird auch nicht hoch fliehen. Derjenige erwirbt ſich
die groͤſten Freunde, welcher nicht angeſprochen wird, und doch einem
einen Dienſt thut, quaſi aliud agendo. Wer von allen Menſchen nicht
wohl redet, will allein herrſchen; allein reich werden, der wird nicht lan-
ge beſtehen. Die Melancholici incliniren ſonderlich ad invidiam bey
einem ambitioſo iſt die invidia nicht ſo groß, der ſucht nur, daß er dem
andern
[489]De prudentia aulica.
andern will zuvor kommen. Wenn man den Gracian in ſeinen caſibus
illuſtribus lieſet, wird man finden, daß die meiſten gefallen, entweder
durch Geitz, oder durch eine eclatante Rache, welche ſie ausuͤben wol-
len. Magnus de la Gardie, war ein unvergleichlicher Herr, der ſich
eingebildet, die Koͤnigin Chriſtina wuͤrde ihn heyrathen, ſie war ihm auch
ſehr guͤnſtig, aber er iſt gefallen, calumnia malitia. Die Koͤnigin ſelbſt
hat ihn proſtituirt, er hatte den Schlippenbach bey der Koͤnigin eingehauen,
und die Koͤnigin hats beſſer gewuſt, da befahl ſie ihm gleich, er ſollte weg
gehen, und Schlippenbach hat ihn noch darzu heraus gefordert. Bey Hofe
muß man die Wahrheit reden, ſed nemini nocere; Wenns auch gleich
mein Feind iſt, da ſammle ich feurige Kohlen auf ſein Haupt, und gewinne
ihn wieder, ob ich ihm gleich nicht ſonderlich trauen darff. Hingegen einem
Calumnianten iſt nicht nur jederman feind, ſondern er beſtehet auch nicht.
§. 20. 21. Simulatio und diſſimulatio, wird in Teutſcher Sprache ge-
nennet eine politiſche Heucheley, weil es nun mit einem odiöſen NahmenVom Simuli-
ren und Diſſi-
muliren.
beleget worden, ſo hat mancher einen Abſcheu davor, wie vor dem falſilo-
quio. Die Wahrheit zu ſagen, die Menſchen ſind einmahl ſo beſchaffen,
daß einer nicht allezeit ſagen kan, was er im Hertzen denckt, und waͤre freylich
zu wuͤnſchen, daß wir nicht allezeit andere facta brauchen duͤrfften. Denn
ſimulatio und diſſimulatio beſtehet mehr in factis; aber wir haben mit Fein-
den, mit boͤſen Leuten zu thun, da duͤrffen wir nicht alles reden. Wenn ich
auch einen Menſchen hoͤre, der alles ſo heraus redet, ſo dencke ich, es ſey wohl
gut, ſchicke ſich aber nur unter die Engel. In der Welt iſt bald hier bald da
einer, der aus denen Worten Gifft ſauget, \& tibi inſidias ſtruit; daher du
bisweilen ein falſiloquium brauchen muſt. Ich bin auch nicht ſchuldig,
allezeit die Wahrheit zu ſagen; Es iſt zwar verbothen, ein falſches Zeug-
niß zu geben wider ſeinen Naͤchſten, und wuͤrde auch derjenige inanis
ſeyn, welcher beſtaͤndig wollte falſa loqui. Aber wenn ers thut wegen
ſeiner Feinde, ſo thut es nichts. Der Autor hat ſolches auch in ſeiner
Theologia morali defendirt. Wenn ich gegen meinen Freund ſimulire
und diſſimulire, das iſt abſurd: denn ich tractire ihn als meinen Feind;
Habe ich aber einen Feind vor mir, warum ſoll ich dieſem aber die Wahr-
heit ſagen? Erasmus hat auch geſagt, man ſollte nicht falſum loqui, und
da Ulrich von Hutten Geld von ihm borgen wollte, hat er geſagt: Er
habe kein Geld, da ihm nachgehends einer obiiciret, er habe ja Geld,
antwortete er, er habe wohl Geld, aber nicht vor Ulrich von Hutten.
Die alſo das ſimuliren und diſſimuliren verworffen, fallen auf ſolche ſot-
tiſen, deßwegen ſagt Grotius und unſer Autor: Man ſolle es lieber her-
aus ſagen. Wer beſtaͤndig ſimulirt und diſſimulirt, verliehret ſeinen
Q q qcro-
[490]Cap. V.
credit. Der alte Hertzog von Lothringen hatte bravoure, man trauete
ihm aber nicht, weil er beſtaͤndig ſimulirte und diſſimulirte. Dem Wal-
lenſtein hat weder Freund noch Feind getrauet, und gieng er uͤbern Hauf-
fen, er haͤtte koͤnnen Koͤnig in Boͤhmen werden, und hatte Franckreich
und Schweden willens ihm beyzuſtehen, aber ſie traueten ihm nicht recht.
denen Arten
der Simulation
und Diſſimu-
lation.
§. 22. Silentium beſtehet zwar in non facto; aber es iſt nothwendig,
ut nemo poſſit in aula vivere, der nicht weiß zu ſchweigen; nicht zu ge-
dencken, daß ein Schwaͤtzer ein eiteler Menſch iſt, und ſagt Salluſtius;
Vanior an ſtolidior garrulus. Ubi multum eloquentiæ, ibi parum ſa-
pientiæ. Man muß nicht allein nicht zu viel reden, ſondern bisweilen
gar nichts, und ein feſtes Schloß an ſeinen Mund legen. Mancher iſt
zu Grunde gangen, weil er ſein Maul nicht halten koͤnnen. Marleborugh
hat ſeine grace beym Koͤnig William verlohren, weil die affaire, da der
Koͤnig Dünkerken wollen wegnehmen, durch ihn auskommen: denn es
wuſte niemand davon, als der Koͤnig, Bembrock und Marleborugh; dieſer
hatte eine boͤſe raffinirte Frau, der hat ers offenbahret, welche es an
ihre Schweſter geſchrieben. Wie es heraus kam, ſo ſagte William,
ich habe niemanden was geſagt, Bembrock auch nicht, alſo muß es
Marleborugh gethan haben, der geſtund auch, daß ers ſeiner Frau ge-
ſagt, damit war er disgraciiret, wuͤrde auch nicht wieder in die Hoͤhe
kommen ſeyn, wenn VVilliam leben blieben. Dicis: Es iſt ja wohl was
leichtes ſtill zu ſchweigen. Reſp. Wenn es leicht waͤre, wuͤrden nicht ſo
viel Leute anſtoſſen. Manche Leute haben ein temperamentum aquati-
cum, ſie ſind beſtaͤndig in Freundlichkeit, koͤnnen nichts bey ſich behal-
ten, ſondern wenn ſie ein plaiſir gehabt, wollen ſie immer einem andern
was davon communiciren; drum kan ein Sanguineus wohl bey Hofe
unter Dames ſein fortune machen, aber in andern affairen iſt er nicht zu
gebrauchen. Ich halte alſo davor, daß leichter ſilere, als ſilere \& ver-
bis \& factis aliud ſignificare. Indeſſen iſt auch dieſes bisweilen noth-
wendig. Es kommt auf ein temperamentum etwas an, und auf eine
Uberlegung, daß einer ſich die Gefahr vorſtellig machet, was wuͤrde
heraus kommen, wenn er es wegſagte. Bisweilen aber kan einer ohn-
moͤglich ſchweigen, ſie fragen ihn aus, und kan er thun, als wenn er
es nicht hoͤrete, er kan ſermonem interrumpiren. Es iſt ja einer auch
eben nicht ſchuldig die Wahrheit zu ſagen. Man haͤlt denjenigen vor
einen Narren, welcher vera redet, da er es nicht noͤthig hat, und wo der
andere ein Jus hat die Wahrheit zu verlangen. Alſo hat Papyrius nicht
gantz unrecht gethan, da er ſeiner Mutter nicht geſagt, was im Rathe
paſſiret. Ich traue mir, ihn zu defendiren, wenn er nur mehr das de-
co-
[491]De prudentia aulica.
corum obſerviret, wenn er geſagt: Er duͤrffe nichts aus dem Rath ſpre-
chen. Sonſt kan mich keiner verdencken, daß ich ihm was aufbinde,
wer heiſt ihn fragen? Wenn verbothen, von der Sache zu ſprechen,
und es verlangts einer zu wiſſen, ſo kan ich ihm nur ſagen, daß ich es
nicht duͤrffte thun. Wenn ich hier einem was aufbinde, ſo iſts keine
Luͤgen, ſondern ein falſiloquium; das iſt eine Luͤgen, wenn ich meinem
Naͤchſten Schaden thue. Man wird nicht leicht einen finden, der es
kuͤnſtlicher gemacht, als der Cardinal Mazarini, und wenn man es ei-
gentlich betrachtet, ſo hat er recht gethan; Mazarini hatte einen Todt-
Feind an dem Printz Condé, welcher ihn an allen Orthen railliret, der-
geſtalt, daß Mazarin nicht haͤtte beſtehen koͤnnen, wenn er ihn nicht ge-
ſtuͤrtzet. Mazarini hat immer diſſimulirt, aber doch bey der erſten Gele-
genheit ihn ſuchen zu arretiren, das muſte mit einer Vorſichtigkeit ange-
fangen werden. Des Mazarini Leute fielen einmahl des Printzen von
Condé ſeine Kutſche an, und dachten, der Printz waͤre drinnen, er aber
war nicht da. Wie er es hoͤrete, beklagte er ſich beym Mazarini, und woll-
te haben, er ſollte inquiriren; der Mazarin ſagte: Er waͤre in moment be-
ſchaͤfftiget, eine ſcharffe inquiſition wider dieſe Beleidigung vorzunehmen.
Der Secretaire ſchrieb die ordre, indeſſen machte er den Printzen groſſe ca-
reſſen, begleitete ihn bis zu der Thuͤre, und ſagte: Er wuͤrde gleich in das an-
dere Zimmer kommen, und die Ehre haben, ſeine Hoheit weiter zu ſprechen;
Kaum war er in das Zimmer kommen, ſo wurde er arretiret, und hatte der
Secretaire die ordre geſchrieben, den Printzen in arreſt zu nehmen. Dieſes
halte ich vor die groͤſte piece, ſo in dem Leben des Mazarini ſtehet: Wie der
Printz von Condé ſich hernach mit dem Mazarini muͤſſen ausſoͤhnen, ſo hat
er doch immer geſagt, er koͤnnte nicht vergeſſen, daß ihn Mazarini ſo beluchſet.
Ludovicus XI. hat geſagt: Neſcit regnare, qui neſcit ſimulare. diſſimulare.
Henricus III. in Franckreich, welcher ſonſt ein miſerabler Fuͤrſt geweſen,
hat den Hertzog von Guiſe, den er maſſacriren laſſen, noch den Tag vor-
her tractirt: Ja wie er in das Zimmer getreten, worinnen er maſſacriret
worden, hat er ihn doch noch freundlich begegnet.
§. 23. Derjenige, der bey Hofe einige progreſſen machen will, muß das de-Von der
Wohlanſtaͤn-
digkeit.
corum in acht nehmen. Decorum heiſt nicht allein ſich in habitu wol auffuͤh-
ren, ſondern auch in factis, geſtibus, ſermone, davon oben gedacht worden.
Gracian ſagt: Ein homme de Cour muͤſſe haben keine defauts; Er kan wohl
defauts haben, aber ſie duͤrffen nicht ſo in die Augen fallen. Geſetzt, es
kommt einer herein, und macht einen naͤrriſchen reverence, die Federn
hangen ihm noch in Haaren herum, den lachet jedermann aus. Es iſt
gantz gewiß, wenn einer am Hof gehet, der kan eher entbehren Tugend,
Q q q 2als
[492]Cap. V.
als decorum, nicht, als wenn ich glaubte, das decorum ſey mehr als vir-
tus, virtus iſt das principalſte; Aber es macht manchmahl einer ſein for-
tune, der keine Tugend hat; nur grace, da weiß er ſich zu inſinuiren.
Hergegen, wenn einer groſſe Tugend hat, es mangelt ihm aber ſonſt et-
was, er iſt ſordide, hat keinen rechten Gang, ſo avancirt er nicht.
§. 24. Quær. Ob man ſolle adulari? Man haͤlt dafuͤr, daß ei-
ner nicht koͤnne a la Cour ſeyn, er muͤſte ſchmeicheln, wer aber eine ſeve-
ram philoſophiam moralem hat, der meynt, es gehe nicht an. Es kan
freylich einer ſein Gluͤck machen, wenn er ſchmeichelt; Aber groſſe Her-
ren ſind ungluͤcklich, daß ſie die Wahrheit nicht erfahren. Wenn einer
ſo geſchmeichelt, daß er ſeinen Herrn in denen vitiis und ſcandalis ſuchet
zu confirmiren, da wird ein jeder ſagen, das ſey was malhonnettes; in-
dem ich dadurch dem Herrn zu mehrern Boͤſen Gelegenheit gegeben.
Es hat auch Hier. Oſorius de inſtitutione Principis eine unvergleichliche
paſſage wider adulatores beygebracht; Allein bisweilen kan es nicht an-
ders ſeyn, es muß einer erſt thun, als wenn er die Sache approbirte, das
kan kein Menſch mißbilligen. Ich kan nicht ſo gleich heraus ſagen, wie
Johannes beym Herode oder Nathan beym David gethan; ich kan
nicht ſo gleich heraus ſagen, das ſchickt ſich nicht, ſondern ich muß auf
Gelegenheit warten, da ich den Herrn beſſer informiren kan: Thuts ei-
ner nicht, ſondern ſagt dem Herrn ins Geſicht, der iſt ein Enthuſiaſt.
Wenn ich den Herrn erſt kan mit rationibus gewinnen, ſo kan ich her-
nach ſagen, ich habe vor dieſen ſchon die Gedancken gehabt, aber nicht
Gelegenheit ſolches beyzubringen. Dicis: Ich daͤchte, wer ſich auf GOtt
verlieſe, koͤnnte alles frey heraus ſagen? Reſpond. Das ſind Enthuſiaſten.
Eben, als wenn einer ſagen wollte, ich will uͤbers Waſſer gehen, und
mich auf GOtt verlaſſen, GOtt wird dir jetzt gleich immediate beyſte-
hen. Bisweilen ſind Herren, welche unvergleichlich leiden koͤnnen, wenn
man ihnen die Wahrheit ſaget. Carolus V. konnte es leiden; Carolus
VIII. konnte leiden, daß ihn der Poet Ronſard ſo raillirte, alsdenn iſts
admirable, und kan man es dem Herrn gleich ſagen. Hergegen die Koͤ-
nigin Eliſabeth, ſo geſcheut, als ſie war, konnte doch nicht leiden, daß man
gleich alles ſo frey heraus ſagte. Auch ein Conſeiller, braucht eine groſ-
Von Hof-
Schmeicheley-
en.ſe Kunſt, ſeinen Rath zu geben.
§. 25. Es gehoͤren alſo groſſe qualitaͤten darzu, wenn einer will
nach Hofe gehen. Deßwegen ſich einer wohl pruͤfen muß. Es gehoͤret
ein guter Leib, proportionirte Kleider darzu, wer ſolche nicht hat, der
employre ſich anderwaͤrts. Das Hof-Leben gefaͤllet einem anfangs ſehr
wohl, auf die letzt aber wirds verdrießlich; denn es iſt ein affectirt Leben,
was
[493]De prudentia aulica.
was affectirt iſt, iſt gezwungen, was gezwungen iſt, iſt uns zuwider,
machet uns Muͤhe und Arbeit. Wer ſich aber zum Hof-Leben ſchickt,
muß ſich recht kennen lernen, was er vor defauts habe. In der moral
werden Mittel gewieſen, deßwegen einer nicht kan in Politicis fort kom-
men, es ſey denn, daß einer die moral verſtehet. Etliche Narren halten nichts
auf die doctrin de temperamentis; aber ich bin verſichert, daß ſie nicht
de nihilo; daß aber nicht alles eintrifft, in judicando, ſchadet nichts.
Die Regul kan gut ſeyn, und die application wird nicht recht gemacht.
Einige Stuͤcke bey denen temperamenten kommen freylich auf conjectu-
ren an, aber das meiſte kan demonſtriret werden.
§. 26-31. Gleichwie die Menſchen nicht von einerley tempera-Von Erkaͤnnt-
niß menſchli-
cher Gemuͤ-
ther.
ment, ſondern ſo viel ſubjecta da ſind, ſo viel neue obſervationes giebt es;
Alſo kan man auch bey denen Menſchen nicht ſagen, wie bey dem Fuchs,
wer einen Fuchs kennet, lernet ſie alle kennen. Wer einen hominem
ambitioſum kennet, kennet deßwegen nicht alle. Es ſind differente mu-
tationes vorhanden, ſo ſind auch die Fuͤrſten unterſchieden, und muß man
ſich vor allen Dingen ihre inclinationes und temperamente bekannt
machen, alsdenn kan ich mich inſinuiren, und meine fortune machen.
Daher koͤmmts, daß man nicht bey allen Herren ſein fortune machen
kan; An einem Orte wird man abgewieſen, und an einem andern an-
genommen. Hieraus iſt leicht zu begreiffen, wie groſſer Herren Gna-
de zu gewinnen, oder auch zu verliehren. Anders muſt du beſchaffen
ſeyn, ſi principem habeas cholericum, anders ſi habeas ſanguineum, an-
ders ſi melancholicum. Hier kan ich ohnmoͤglich alle qualitaͤten beſchrei-
ben, die bey dem Principe cholerico vorkommen. Aus der moral iſt be-
kannt, wie ein ambitioſus beſchaffen; Ein ambitioſus iſt ohne Furcht;
Dergleichen Principes ſind alſo elati, iracundi, laſſen ſich nicht gerne
contradiciren, wie Carl Guſtav beſchaffen war. Tiberius konnte ſich auch
nicht laſſen contradiciren. Carolus V. hergegen konnte leiden, daß man
ihm alles ſagte: Wer alſo einen Principem ambitioſum hat, der muß
obedientiſſimus ſeyn, alles accurat in acht nehmen; man muß nicht den-
cken, wenn ſie einmahl boͤſe, ſie den Zorn werden behalten, ſondern ſie
ſind bald wieder gut, und muß man dencken, es ſey ein comma, oder
ſemicolon. Wenn man mit Principibus ſanguineis zu thun hat, denen
gefallen auſtere Leute nicht, melancholiſche Geſichter koͤnnen ſie nicht lei-
den, ſondern ſuchen Perſonen, die allerhand raillerien machen, viele in-
ventiones angeben zum plaiſir. Bey ſolchen Herren gelten die Dames,
und kan man durch die Dames ſo gut reuſſiren, als durch die Miniſtres ſelb-
ſten. So war Louis XIV. beſchaffen, bey welchen voluptas dominans
Q q q 3paſſio
[494]Cap. V.
paſſio war; Die meiſten Hof-Leute ſind durch die Madame Monteſpan,
oder Maintenon, recommendiret worden. Sein gantzes Leben iſt meli-
ret mit lauter amours, doch hat er ſich ſo weit nicht laſſen verleiten, daß
er nicht darbey auf ſeine Leute regardiret. Bey ſeinem Hofe ſind auch
keine Leute geſtiegen, als die entweder eſprit gehabt, oder Poeten gewe-
ſen. Drum ſind die Poeten Racine und Boileau bey ihm in groſſen
Gnaden geweſen, und haben penſiones bekommen. Henricus VIII. hat
den Buchananum æſtimiret, wegen ſeines ingenii. Ingleichen hat er den
Deliderium Eraſmum Roterod. in ſeine Dienſte nehmen wollen, propter
colloquia; aber Eraſmus hat es ausgeſchlagen. Hiervon kan man Nach-
richt finden in des Monſ. le Clerc Bibliotheque choiſiè, da er einen ex-
tract aus des Eraſmi operibus und epiſtolis machet. Niemanden iſt be-
ſchwerlicher zu dienen, als einem Herrn, der ein melancholicus, ſonder-
lich, wenn es ein melancholico-ſanguineus; So ſind die Tyrannen be-
ſchaffen geweſen, wie ſie Suetonius abmahlet, das ſind die naͤrriſchten Leu-
te, welche von einem extremo auf das andere fallen. Wer jetzo einen
Discant und im Augenblick einen General-Baß ſingen wollte, der wuͤrde
ausgelachet. Uber alles lachet man, was auf extrema faͤllet. Die
Pickelheringe, wenn ſie die Leute wollen lachend machen, machen ſich bald
klein bald groß; ſo iſts bey einem melancholico-ſanguineo, bald iſt er
extrem traurig, bald wollen ſolche ihre Gemahlinen auffreſſen, bald todt
haben, bald erheben ſie ihre Mignons bis in Himmel, bald ſtuͤrtzen ſie
ſolche in die Hoͤlle, bald geben ſie ihnen alles, bald werden ſie neidiſch,
bald ſind ſie in groſſer Sicherheit, bald in groſſer Furcht. Ein boͤſer
choleriſcher Herr wirfft einen geſchwind uͤbern Hauffen, aber nur zu ei-
ner ſolchen Zeit, da man ſich nicht ſchmiegen und buͤcken kan; man darff
aber nur aus dem Wege gehen: hergegen ein Herr, welcher ein melan-
cholico-ſanguineus oder ſanguineo-melancholicus hat kein iudicium,
kein imperium, der weiß ſich nicht zu finden. In ſecundis rebus ſind ſie
inflati, bald wieder jaloux, fuͤrchten ſich und ſtuͤrtzen ihre Miniſtres; ſie
lieben naͤrriſche flatterien, ſchencken weg, hernach verdreußt ſie es. Hen-
ricus S. war ſo beſchaffen, der erſt den Meinwock viel geſchencket, her-
nach verdroß es ihm, und nennete denſelben ſeinen Satan. Ein ſolcher
Herr war auch der Louis XIII. bey dem Richelieu offt Gefahr gelauffen.
Wenn ſie keinen rechten Premier-Miniſtre haben, und fallen in die Hand
eines fourbe, ſo iſt das gantze Reich verlohren. So viel iſt gewiß, man
muß ſich nach dem Fuͤrſten accommodiren, er mag eine inclination ha-
ben, was er vor eine will, denn wer will a la Cour avanciren, darff
ſich nicht einbilden, daß ſich der Fuͤrſt werde nach ihm accommodiren.
§. 32. 33.
[495]De prudentia aulica.
§. 32-33. Da nun geſagt worden, wer wolle nach Hofe gehen, muͤſſe vielWie einer ſich
bey Hofe her-
vor thun koͤñe?
perfectiones haben; Er muͤſſe ſuchen dem Fuͤrſten bekannt zu werden; So entſtehet die
Frage: Quomodo innoteſcat? Reſpond. Bekannt werden kan man nicht auf eine re-
gulam demonſtrativam bringen, ſondern es koͤmmt bisweilen auf einen hazard an; In-
deſſen aber hat man doch einige obſervationes, welche faſt die Regul ausmachen. Man
kan ſagen: Durch dieſe Art ſind viele bekannt worden. Ich weiß ſelbſt eine affaire,
da einer dem Principi bekannt worden, als man ihm ein Gleichniß von ihm gegeben,
da er gleich die Perſon ſehen wollen, dieſes iſt ein caſus, den man nicht unter die
Regul referiren kan. Manchmahl rencontriret der Herr einen, der ihn anſtehet, wie
Sixtus V. alle ſchwartze Kerl, die ihm begegnel, in Dienſte genommen. Was Leute von
condition ſind, facilius innoteſcunt, quam reliqui. Ein Roturier kan ſich nicht pro-
duciren, weil er keinen eclat machen kan, wegen ſeiner pauvreté und geringen Her-
kunfft. Hernach iſt freylich wahr, daß einer ſich durch eine eclatante That muß be-
kannt machen, es ſey, wo es will, doch muß einer ſein factum nicht bloß denen Be-
dienten bekannt machen: Denn ſo erfaͤhret es der Herr nicht. Ja, wenn der Herr da
iſt, ſo koͤnnen einem die merita helffen, ſonſt aber koͤmmt das meiſte auf recommenda-
tiones an, und wenn gleich der Herr ſagt: Ich will ſie ſelbſt ſprechen, ſo iſt doch der
Miniſtre darbey, welcher ſagt, es ſey ein wackerer Menſch. Viele meynen, meriten
und bravoure koͤnnten allein zu wege bringen, daß einer avancirte. Dieſe ſind nun
zwar gut, aber es darff einer nicht dencken, wenn er meriten und bravoure hat, daß er
gleich ſteigen werde, ſondern, wenn einer ſelbige hat, ſo muß er ſehen, daß er recom-
mendiret wird, und wenn du gleich koͤnnteſt Maͤuſe machen, der Herr aber ſiehet dich
nicht, der Miniſtre laͤſt dich nicht vor ihn, ſo wird dirs doch nicht helffen. Wenn du
gleich viele Tugenden haſt, ſo haſt du auch viele Fehler, da ſagt der Miniſtre dem
Principi die Fehler, und verſchweigt die Tugenden. Iſt der Cammer-Diener bey dem Herrn
in credit, ſo muſt du dich an denſelben addreſſiren. Was Republiquains ſind, denen kommt
dieſes Spaniſch vor, weil in einer Republic alles ordentlich zugehet; Aber in einer
Monarchie, muß man offt von miſerablen Leuten dependiren. Wir muͤſſen uns ſelbſt
verlaͤugnen, wenn wir unſere fortune bey Hofe machen wollen. Quær. Warum aber
wollen die Leute gern bey Hof avanciren? Reſpond. Sie ſuchen daſelbſt opes, divi-
tias, Ehre zu erhalten.
§. 34-35. Die Leute ſollten ſich nicht accommodiren nach des Herrn ſei-Wie man ſich
in der Gnade
ſeines Fuͤrſten
erhalten koͤn-
ne?
nen adfecten, ſie thun es aber mehrentheils. Iſt der Herr wolluͤſtig, ſo ſuchen ſie ihm ge-
meiniglich maitreſſen zuzufuͤhren; Allerhand plaiſir zu machen. Iſt der Herr geitzig,
ſo accommodiren ſie ſich darnach, geben ihn allerhand modos an, dadurch er etwas kan
lucriren. Es darff einer nur die Hoͤfe anſehen, wie ſie jetzt beſchaffen, ſo wird er die
boͤſen Kuͤnſte uͤberall antreffen. Iſt der Herr ambitieux, ſo bringen ſie ihm vor, wie er
neue conqueten machen koͤnne, ein neues Ceremoniel einfuͤhren ꝛc. Sie ſuchen alſo den
Herrn nicht auf den rechten Weg zu bringen. Diejenigen koͤnnen den Herrn am beſten
ausſtudiren, welche beſtaͤndig um ihn ſind, und reden ihm nach ſeinen paſſionen,
deßwegen ſtehen die Cammer-Diener mehrentheils ſo in guten credit. Wer aber ein
gut Gewiſſen haben will, kan ſich wohl in indifferenten Dingen accommodiren, aber
nicht in boͤſen Sachen.
§. 36-37. Vornehmlich muß einer ſich bemuͤhen die Groſſen am Hofe alsWas in Anſe-
hung derer
Miniſtres zu
thun ſey?
Patronos und intermedias perſonas zu acquiriren. Es ſind wenige, die directe durch
den Herrn in die Hoͤhe kommen: Denn die Miniſtres ſehen nicht gerne, daß einer ſoll
ohne ſie avanciren. Ein gewiſſer Cavallier ſollte ſich einſt bey einem Koͤnige eine Gna-
de ausbitten, der antwortete dem Koͤnige: Ihro Majeſtaͤt recommendiren mich an den
Graf N. Der Koͤnig lachete daruͤber, und that es; Der Graf ſagte darnach apert:
Reutet
[496]Cap. V. De prudentia aulica.
Reutet euch der Teufel, daß ihr dieſes zum Koͤnige geſagt; Aber unterdeſſen erhielte
jener eine conſiderable charge. Weil man ſich durch Proceres groß machen muß, ſo
muß man ſehen, was vor Leute ſonderlich am Hofe zu regardiren ſind, derer ſind vie-
lerley: Einige von vornehmer Naiſſance, die muß man nicht choquiren, ob ſie gleich
nicht intimæ admiſſionis ſind, ſo haben ſie doch Gelegenheit etwas zu reden; Mazarini
hat anfangs durch den Printz de Condé ſein Gluͤck gemacht, aber auch ſein Ungluͤck, daß
er ins exilium muſte. Die Mignons, ja auch die Cammer-Diener muß man nicht cho-
quiren, weil dieſelben offt in eben ſolchen credit, als die groͤſten Miniſtres. Die Da-
mes muͤſſen careſſiret werden; Allein, es iſt doch ein wenig gefaͤhrlich, denn die Mai-
treſſen fallen ſelbſt, wenn der Herr arg und feurig, daß er bald eine andere Perſon er-
waͤhlet; Doch muß man die Dames nicht choquiren, weil ſie uͤberall acceß haben. Man
muß die Hof-Prediger ſich auch zum Freunde machen, item denen Bouffons muß man
bisweilen etwas geben, daß ſie gutes ſprechen; Die Miniſtres muß man wie die Herren
ſelbſt menagiren, ſonſt begehet man ein crimen læſæ majeſtatis. Hertzog Bernhard von
Weymar haͤtte es bald verſehen, daß er vom Richelieu zu Paris hatte uͤbel geredet, als
ihm die Heyrath mit einer Verwandtin von Richelieu vorgeſchlagen worden.
Feinden, und
wie ſolche zu
gewinnen.
§. 38-45. Wer bey Hofe iſt, muß nicht allein ſuchen ſich Freunde zu machen,
ſondern er muß auch ſehen, wie er die Feinde von ſich abwende: Denn am Hofe ſind
boͤſe Leute, die in affecten leben, und die nur ſuchen dir zu ſchaden. Es iſt nicht anders,
als wenn miſſilia ſpargirt werden, da lanffſt du mit andern hin das Kleinod zu erha-
ſchen, da ſchlaͤgt dir aber geſchwind einer ein Bein unter, daß du fallen muſt, und er es
bekommt. Und eben ſo iſt es am Hofe, ein jeder denckt den Gewinnſt davon zu tragen,
und dem andern, der vor ihm iſt, etwas im Weg zu legen, daß er nicht avanciren kan.
Es muß dannenhero keiner einen andern beleidigen, ſondern lieber eine groſſe Pille ver-
ſchlucken, und wenn er auch ja von dem andern lædiret iſt, muß er auf allerhand ge-
ſchickte Art ſich wieder mit ihm auszuſoͤhnen ſuchen. Wir beleidigen aber die Leute tri-
plici modo 1) verbis, 2) factis, 3) non factis. Don Haro, als er ſterben ſollte, hat
geſagt: Ich habe niemahls einem etwas boͤſes gethan, da hoͤrete man eine Stimme:
Aber auch nichts gutes. Und endlich kan man es leichtlich durch Grobheit und incivili-
té verſehen. v. g. Einer behaͤlt den Deckel immer auf, das iſt auch ein non factum, das
beleidiget einen, der Ehr-geitzig iſt. Man muß auch ſuchen invidiam zu vermeiden.
Die Haupt-Regul hier iſt: Weiche jeden, erhebe dich nicht, und moquire dich nicht
uͤber des Herrn ſeine foibleſſes, noch uͤber andere Perſonen bey Hofe, und da dir ja
ein Ungluͤck begegnet, daß du in diſgrace geraͤtheſt, und wohl gar in Arreſt, und auf
eine Veſtung muſt; So ergib dich in dein Ungluͤck mit Gedult; Laß aber den Muth
nicht ſincken. Conf. Buſſy Rabutin des Adverſités, und kan man auch in dieſer materie,
aus ſeinen Lettres viel gutes lernen.
wenn ſich der
Staat chan-
giret.
§. 46. Wenn aber der ſtatus gar changirt wird, Quær. Wie kan man bey
dem neuen Herrn avanciren? Reſpond. Man muß gar keine factiones machen, oder
ſich in ſolche meliren; Dieſes allicirt gleich den neuen Herrn, daß, wenn du auch ab-
gedancket wirſt, er dich doch wieder annimmt. Villeroy iſt hier das Exempel, ingleichen
Monſ. Jeannim, vid. Memoires de Villeroy \& les Negotiations du Præſi-
dent Jeannim.
Regi-
[[497]]
Appendix A Regiſter
der angefuͤhrten AVTORVM.
Appendix A.1 A.
- ALcionius de Infelicitate Lite-
ratorum73 - Amelot de la Houſſaye Hiſtoire
du Gouvernement de Ve-
niſe182. 465- Tibere, Diſcours Politique
ſur Tacite81. 185. 458 - lesOeuvres de Tacite avec des
Notes Politiques et Hiſto-
riques220. 224. 447
- Tibere, Diſcours Politique
- d’ Aubery Memoires389
- Auenarii Interpretationes Iuris
477
Appendix A.2 B.
- Baillet (Adr.) Iugemens des Sca-
vans95- la Vie de Descartes428
- Barbeyrac (Iean) Traite du Ieu
44- Diſſertation des Lois Ciuiles
187
- Diſſertation des Lois Ciuiles
- Baſſompierre Memoires240
- Bayle (Pierre) Dictionaire Hiſto-
rique et Critique42. 47.
63. 65. 72. 76. 82. 112. 137. 170.
172. 173. 186. 188. 273. 419. 454.
461- Penſees diuerſes ſur la Come-
te7. 428 - Reponſes faites aux queſtions
d’ un Provincial87
- Penſees diuerſes ſur la Come-
- Becher (Io. Ioach.) Politiſcher
Diſcours von den eigentli-
chen Urſachen des Auf- und
Ahnehmens der Staͤdte,
Laͤnder und Republiquen 334 - de Bellegarde Oeuvres183
- Benoiſt (Elie) Melange de Re-
marques ſur deux diſſerta-
tions de Ms. Toland etc.
270- Hiſtoire de l’Edict de Nantes
455
- Hiſtoire de l’Edict de Nantes
- Bentley (Richard) Stultitia et Ir-
rationabilitas Atheiſmi47
R r rBen-
[[498]]Regiſter
- Bentivoglio Memoires371
- Berneggeri (Matthiæ) Obſerua-
tiones Hiſtorico-Politi-
cæ216- Delineatio Formæ Reip. Ar-
gentoratenſis169. 474.
- Delineatio Formæ Reip. Ar-
- Bernier (Franc.) Voyages261
- Beſſel (Ch. C.) Schmiede des poli-
tiſchen Gluͤcks 142 - Beſſer (Joh. von) Gedichte 133
- de Bethune (Maxim.) Duc de Sul-
ly Oeconomie Royale12 - von Bircken (Sigism.) Spiegel
der Ehren des Ertz-Hauſes
Oeſterreich 14. 59 - Boccalini (Trai.) Politiſcher Pro-
bier-Stein 333 - Bœcleri (Io. Henr.) Tract. von der
Weisheit und Thorheit 14- Diſſert. de Imperio intra mo-
dum coercendo98 - Notæ Polit. ad. Tacit.213.
- Diſſert. de eloquentia Viri
Politici481
- Diſſert. de Imperio intra mo-
- du Bois Hiſtoire de la Ligue de
Cambray404 - Borrichius (Olaus)49
- du Boſc l’Honnette Femme94
- Branchu Obſeruationes Iuris
Rom.339 - Brant (Casp.) Vita Hugonis Gro-
tii482 - Braunius (Io.) de Veſtitu Hebræ-
orum136. 331- la veritable religion des Hol-
landois353
- la veritable religion des Hol-
- Bretti (Carol.) de Iudiciis199
- Browns (Thom.) de Religione
Medici47 - Brummeriana197. 199
- Bruti (Steph. Iun. i. e. Huberti
Langueti;) Vindiciæ con-
tra Tyrannos84 - Buddei (Io. Franc.) Theologia
Moralis20- Theologia Thetica445. 487
- Diſſert. de Concordia religio-
nis chriſtianæ ſtatusque
ciuilis86
- Bulfingeri (Ge. Bern.) Philoſo-
phia Moralis Sinenſium36 - Burnet (Gilb.) Reiſe-Beſchreibung
nach Italien 217- Hiſtoria Reformationis Angl.
242
- Hiſtoria Reformationis Angl.
Appendix A.3 C.
- de Cabrera (Lud.) Vita Philippi
II.470 - de Callieres de la Fortune des
Gens de Cour.2. 140. 142.
151. 243. 281. 297. 476. 478- de la Maniere de negocier a-
vec les Souverains371
- de la Maniere de negocier a-
- Campanella Respublica Solis19
113- de Republ. Hiſp.113
- Cardani (Hier.) Opera80.
- de la Caſa Diſſ. de Servitute50.
- Caſtelnau Vita Caroli IX.248
- Cato de Re Ruſtcia42.
- Chardin Voyage en Perſe et au-
tres lieux de l’Orient369
Cher-
[[499]]der angefuͤhrten Autorum.
- Cherbury vita Henrici VIII.244
- Cheverny Teſtament Politique
200 - Chiffletius de Ampulla Rhemenſi
450 - Cicero de Legibus98. 160
- de Oratore188
- Epiſtolæ ad Fam.4
- Clapmarius (Arn.) de Arcan. Po-
lit.209. 210. 437. 446. 454.
461- Triennium Nobile96
- Claramontius (Scip.) de Rat. Sta-
tus53. - Clarendon Hiſtoire des Guerres
Ciuiles d’ Angleterre228.
229. 357. 364 - Clerc (Iean) ſur le Bonheur et
Malheur dans les lotteri-
es9. 295. 414- Commentar. in Pentateu-
chum51 - Bibliotheque choiſie494.
- Ars critica415
- Commentar. in Pentateu-
- Cocceii (Henr.) Iuris Publici Pru-
dentia296 - Colbert (Iean Bapt.) Teſtament
Politique271. 41 - Coleri Leben Bened. Spinozæ353
- Columella de Re Ruſtica149
- Connor (Bernh.) Beſchreibung des
Koͤnigreichs Polen 306 - Conringii (Herm.) de Prudent.
Ciu.1. 9. 23.- Propolitica11.
- Diſſert. de Commerciis mari-
timis38. 318. 338.- de pœnis206
- de ærario284
- de recta in republica o-
ptima educatione et vi-
ta115
- Contareni (Casp.) de Magiſtrati-
bus et Rep. Venetor.473 - Cornelius Nepos444
- Courtin de la Civilitè Francoiſe
138- du veritable Point-d’ hon-
neur483
- du veritable Point-d’ hon-
- Cragius (Nic.) de Republ. Lacæ-
dæmoniorum110. 132. 464 - Crenius (Thom.) de Villicatio-
ne Romanor.149 - Crouſaz Logique57. 90. 167
- de l’ Education des enfans
67. 95. - Traitè du Beau53
- de l’ Education des enfans
- Cruſoe (Robinſon) Leben und A-
vanturen 90 - Culpiſii (Io. Ge.) de Iure Lega-
tionum Imperii371 - Cunæus (Petr.) de Republ. He-
bræor.103
Appendix A.4 D.
- Danæi (Lamb.) Sylua Aphoriſ-
morum Politicorum84 - Daniel (George) Hiſtoire de
France409. 450- Hiſtoire de la Milice Erancoi-
ſe277. 415. 425.
- Hiſtoire de la Milice Erancoi-
- Daſſouius (Theod.) de ratione
ſeminandi apud Iudæos150 - St. Diſdier Etat de Veniſe465.
471
R r r 2Do-
[[500]]Regiſter
- Donaldſoni (Gualt.) Synopſis Oe-
conomica12 - Donelli (hug.) Paræneſis ad Polo-
nos84 - les Droits des Communes440
Appendix A.5 E.
- Eginhardi Vita Caroli M.190.
- Emmii (Ubbonis) Græcorum
Respublicæ132. 464 - l’ Empereur (Conſtant.) de Legi-
bus Ebræorum forenſibus109 - Epſteinii (Achill.) Notæ ad Hor-
nii Politicam Archite-
ctonicam22 - Eremita (Dan.) Tr. de vita Aulica
478 - Eſchenbachii diſſ. de Scribis202
- l’ Espion des Cours de l’ Europe
368. 381 - Evelyn (Io.) de Phyſiognomia232
- St. Euvremont Dialogue de la
Sante61- la Paix ridicule62. 71
- Oeuveres meles235
Appendix A.6 F.
- a Felden (Io.) Notæ ad Hug. Grot.
de I. B. et P.173 - Fenelon Telemaque67
- de l’Exiſtence de Dieu354
- Faber (Lud. Cantarell.) de l’ori-
gine des Fiefs276. 296. 436. 442 - Fleury Hiſtoire Eccleſiaſtique291
- des Moers des Iſraelites37. 103.
151
- des Moers des Iſraelites37. 103.
- Fornerii (Guil) Selectiones Iur.67
- Forſtneri (Criſtoph.) Notæ Po-
lit. ad Tacitum284 - Friſchlini (Nic.) Comediæ402
- Furettiere Dictionaire de l’ A-
cademie Françoiſe65- Roman Borgeois65
Appendix A.7 G.
- Gellii Noctes Atticæ189
- Gentilis (Scip.) Commentar. in
Epiſt. Pauli ad Philemon50- Tr. de Conjurationibus436
- Gothofredi (Iac.) Comment. in
Cod. Theodoſ.180. - Gracian (Balth) l’ Homme de
Cour140. 142368. 478. 484 - Gratiani (Ant. Mar) Caſus Viror.
Illuſtrium242. 489 - Gravelle (Franc.) Politique Ro-
yale195 - Gribneri Principia Iuris Nat.171
- Grotius (Hugo) de Iure Belli et
Pac.22. 95. 126. 247- Annal. et Hiſt. de Reb. Bel-
gic.158. 227
- Annal. et Hiſt. de Reb. Bel-
- Guazzius de ciuili converſatio-
ne138 - Gundlingii (Nic. Hier.) diſſ. de
Cenſoribus61. 317- diſp. de Univerſitate delin-
quente213.
- diſp. de Univerſitate delin-
- Gundlingiana88. 89. 158. 171. 186.
236. 246
Appendix A.8 H.
- Hauteville des Ruſes de Guerre
429 - Heresbach (Conr.) de Re Ruſtica
149
Her-
[[501]]der angefuͤhrten Autorum.
- Hertii (Io. Nic.) Elementa Pru-
dentiæ Ciuilis4. 11. 19. 21. 53.
98. 100. 115. 160. 201. 247. 251.
256. 439. 454. 455. 459. 469- Diſſert. de Uno homine plu-
res ſtatus ſuſtinente52
- Diſſert. de Uno homine plu-
- Heſſenthaleri Athleta Politicus
408 - Hiſtoire des Severambes40. 114
- Hobbeſii (Thom.) de Cive9. 70.
244. 256- Leuiathan27
- Hoffmanni (Io. Adolph.) Politica
110. 460 - Hochberg (Wolfg. Helmhard de)
Georgica Curioſa150 - Hochſtetteri Collegium Pufen-
dorffianum126. 214 - von Hoͤrnigke Oeſterreich uͤber al-
les 299 - Honorii (Phil.) Relationes279
- Hornii (Georg.) Orbis Impe-
rans114 - Hornii (Io. Fridr.) Politica Ar-
chitectonica22 - Hortleder (Fridr.) von den Urſa-
chen des Teutſchen Kriegs 373 - Hottomanni (Franc.) Franco-
Gallia84 - Huberi (Vlr.) de Iure Ciuitatis22
- Huet le Grand Treſſor Hiſtori-
que et Politique du flo-
riſſant commerce des
Hollandois321 - Hugonis Tr. de Uſu et Abuſu Ap-
pellatiouum188. 204
Appendix A.9 I.
- Ieannin Negotiacions496
- Ioinville Hiſtoire de Louis IX.191
- Ioſephi Juͤdiſche Hiſtorie 423
- Isbrand (Evert) Relation du Vo-
yage de la Chine369
Appendix A.10 L.
- Lactantius de Mortibus Perſecu-
torum212 - Lamy (Bernh.) Theologia Mora-
lis62. 63. 126 - Langlæi (Iani) Semeſtria211
- Larrey Hiſtoire d’ Angleterre19
in not 112. in not. - Lau Intereſſe von Holland 227
- Vorſchlag von Einrichtung
der Intraden und Einkuͤnfte
der Souverainen 272
- Vorſchlag von Einrichtung
- Law Conſiderations ſur le Com-
merce et ſur l’argent339 - Lavardin61
- Lehmanni (Chriſtoph.) Chroni-
con Spirenſe192. 197. 199.
202’ 337. 400 - Leibnizii Theodicee89
- Leidekker de Repub l. Hebræor.
110 - Leti (Greg.) Vita di Siſto V.21,
- Lipſii (Iuſti) Politica cum Com-
ment. Io. Fridr. Reinhardi
11. 156. 157. 364- de Religione una Catholica169
- Liſola Bouclier d’ Etat et de Iu-
ſtice173 - Lock (Io.) de Intellectu humano
24. 26. 48. 89. 236- de l’ Education des enfans
R r r 332.
[[502]]Regiſter.
32. 66. 67 - de la Tolerance169. 351
- de l’ Education des enfans
- Lynckeri Conſilia281
- Lyſter (Mart.) Tr. de humoribus
233
Appendix A.11 M.
- Mabillon Acta Ordin. Benedict.
436 - Machiavelli Princeps79
- Hiſtoria Florentina ibid.
- Diſcorſi ſopra T. Liuio ibid.
de Arte Militari81
- de la Marche (Oliu.) Memoires
239 - Maſii (Hect. Gotrfr.) Intereſſe
Religionum84. 442. - Mead (Rich. de peſtiferæ conta-
gionis natura \& remedis60 - Menagiana128
- Merilli (Emundi) opera246
- Molesworth Staat von Daͤnne-
marck 277 - Molinæus (Car.) ad Conſuetud.
Pariſ.190 - Montecuculi Memoires407
- Mori (Thom.) Utopia19. 112
- Mornæi Memoires d’Etat418
- de la Motte Problemes Scepti-
ques480 - de la Mothe le Vayer Traite de la
Vertu des Payens14. 120 - Mureti (M. Ant.) Orationes211
Appendix A.12 N.
- Naude (Gbr.) Coups d’ Etat54.
438. 457. 459- de Re militari54
- Bibliographia Politica195
- Noodt (Gerh.) Orat. de religione
Iure Gent. libera350- de lege Regia51
Appendix A.13 O.
- Obſervationes Hallenſes85
- Obrecht (Ulr) de Vexillo Impe-
rii404- diſſert. de fœderibus365
- Opera365. 374
- Oldendorpii (Io.) de Actionibus
Forenſib200 - Oſorius (Hier.) de Principis Inſti-
tutione52. 74. 228. 492- de Nobilitate222
- de Gloria463
- de Rebus Emanuelis Luſitan.
R.210 - Orationes6
- Otto (Euer.) de perpetua fœmi-
narum tutela95. 109.- de Stoica Ictorum Philoſo-
phia121
- de Stoica Ictorum Philoſo-
Appendix A.14 P.
- Paruta (Paolo) Diſcorſi Politici
48. 106 - Penſees libres ſur la religion352
- Perefix Vie de Henry le Grand
59. 145. 219. 334. 402. 411 - Perezii (Ant.) Ius publicum221
227. 247. 251 - Perizonii (Iac.) Origin. Babyl.36.
51- Origin. Ægypt.462
- Hiſtoria Seculi XVI.86. 357
- Pfaffii Diſſ. de morte naturali60
Pfan-
[[503]]der angefuͤhrten Autorum.
- Pfanner (Tob.) hiſt. pac. Weſt-
phal.419 - Piccarti (Mich.) Comment. in
Polit. Ariſtot.8- Diſſertationes Hiſtorico-Po-
lit.439
- Diſſertationes Hiſtorico-Po-
- Plato de Republica111. 112
- de Legibus ibid.
- Polybius98. 101
- Poſtellus (Guil’) de Republ. A-
then.475 - Prideaux Hiſtoire des Iuifs10. 37.
103. 173 - de Priezac (Dan) Diſcours Poli-
tiques159 - Procopii Hiſtoria Anecdota447
- Pufendorff (Sam. de officio Hom.
et Civ.4. 22 - Pufendorff de Iure Nat. et Gent.
30. 55. 438- Einleitung zur Hiſtorie 7. 277
- de reb Geſt. Fridr. Wilh. M.
216. 224. 377. 379 - de reb. Geſt. Caroli Guſtavi
404 - Hiſtoire Anecdote de Suede
97. 394. 400
- du Puy (Pierre) Hiſtoire des Fa-
voris242
Appendix A.15 R.
- Rabutin (de Buſſy) des Aduerſites
131. 209. 487. 496 - Ramazzini de Tuenda valetudi-
ne61 - Ray de l’ Exiſtence de Dieu233
254 - Raynaldi (Order.) Continuat.
Annal. Baron.278
- Reinkingii Bibliſche Policey 219
- Reinhardi (Io. Fridr.) Comment.
ad Lipſii Libros Politic.212.
225 - Relandi (Hadr.) Diſſ. de Uxore
domiſeda93 - Ricaut Hiſtoire de l’ Empire Ot-
toman61. 165. 276347 - Richelieu Teſtament Politique
46. 55. 157. 173. 228. 230. 240.
246. 364. 412. 475. 480- Memoires241
- Robinſon Etat de Suede400
- de Rohan Intereſt des Princes370
- von Rohr Oeconomiſche Schrif-
ten 148
Appendix A.16 S.
- Salluſtius de Bello Catilin.109
- Sartorius de Oſtreaciſmo470
- Savary le Parfait Negotiant300
- Dictionaire du Commerce327
- Schardii (Sim.) Scriptores Rer.
Germ.72. 87 - Schefferi Beſchreibung von Lapp-
land 162 - Schmausſ Staat von Portugall 282
- Schmidii Commentar. ad Ius Ba-
var.289 - Schroͤdters Fuͤrſtl. Schatz- und
Renth-Cammer 226. 279. 295.
314. 336. 337. 344 - Schulz de Martyribus Status453
- Schurzfleiſch de Reb. Polon.451
- Scudery la Fauſſe Clelie94. 143
- Senecæ Epiſtolæ91
- Sidney du Gouvernement Ciuil.
51. 85. 476 - Sieberi diſſ. de Cynicis122
Sig-
[[504]]Regiſter der angefuͤhrten Autorum.
- Sigonius (Car,) de Republ. He-
bræor.103. 108 - Silhon le Miniſtre d’Etat23. 26. 375
- Simler (Ios.) von dem Regiment der
loͤbl. Eydgenoſſenſchaft 105. 476 - Simon (Rich.) Lettres Critiques
348 - de Sorbiere (Sam.) Lettres et
Diſcours ſur diverſes ma-
tieres curieuſes117 - Spanhemii Notæ ad Callimachum
67 - Spencer (Io.) de legibus Hebræo-
rum Ritualibus107 - Speneri diſſ. de Temperamentis
232. 234 - Spicelii (Theoph.) Infelix litte-
rator73. 74- Arcana biblioth. detecta74
- Stahlii diſſ. de diæta in cibo et
potu æquabili61. 401 - Strozza (Cyriacus)115
- Stryck (Sam.) de Cautelis Contractuum154
- Stryck (Io. Sam. de Iure liciti ſed non ho-
neſti122 - Sturmii Philoſophia Eclectica60
- Suifft le Conte du Tonneau256
- de Sully (Duc de Bethune) Memoires335
Appendix A.17 T.
- Taciti Vita Agricolæ236
- Telemaque de Ms. Fenelon67
- de Temple Oeuvres meles386
- de Terlon Memoires363
- Theophraſti Characteres163
- Tholoſanus (Petr. Gregor.) de Republ.205
- Thomaſii (Iac.) Tabul. Philoſ. Moral.121
- Thomaſiii (Chriſt.) Iurisprudentia Diuina31
- Iurisprudentia conſultatoria18. 156
- Diſſ. vom Ja-Wort 64
- de abbreuiandis proceſſibus116
- Thoyras (Rapin) Hiſtoire d’ Angleterre
418. 446 - Thuani Hiſtoria ſui temporis182. 473
- Thucidides163
- Titii Notæ ad Puffendorff. de O. H. et C.39
- Ius Priuatum176
- Toland diſſ. Homo ſine ſuperſtitione270.
445 - Tſchirnhaus Medicina Mentis56
Appendix A.18 V.
- Valentini Naturalien-Cammer 327
- Valleriolæ (Franc.) Loci communes234
- Varillas Politique de Ferdinand le Catoli-
que Roy d’ Eſpagne199 - Varro de Re Ruſtica149
- le Vaſsor Hiſtoire de Lonis XIII.433
- Vauban le Diſme Royal302. 304. 308
- de Vayrac Etat preſent de l’Eſpagne273
- Vertot Hiſtoire des Revolutions de Rome
476 - de Verulamio (Franc. Bacon.) Atlantis116
- de augmentis ſcientiarum116
- Vita Henrici VII.212. 243. 320. 453
- de Vignau l’ Etat præſent de la puiſſance
Ottomane223 - de Villeroy Memoires496
- Vitringa (Camp.) Hypotypoſis Hiſtor. et
Chronol. Sacr.111- Obſervationes Sacræ162
- Aphorismi Theologici487
Appendix A.19 W.
- weck (Ant.) Dreßdniſche Chronicke 289.
- Weiſe (Chriſtian) Politiſcher Feucrmaͤuer-
kehrer, Politiſche Troͤdelfrau ꝛc. 5. - weizii (Io.) Diatriba de laudibus Vitæ Ru-
ſticæ Romanorum149 - werenfels (Sam.) diſſ. de libert. Conſcien-
tiarum350 - wicquefort de l’Ambaſſadeur et de ſes fon-
ctions385. 435 - de witt politiſche Gronden321
- Wittckindus Corbej136
Appendix A.20 Z.
- Zevecotii Notæ Politicæ ad I. Cæs. Flor.
Sueton.208. 244. 422. 465 - Ziegleri (Casp.) Dicaſtice197
- de Iuribus majeſtatis342
[[505]]
Appendix B Regiſter
der abgehandelten Materien.
Appendix B.1 A.
- Academien, ob ſolche einem
Staate eintraͤglich 290 - Adel, wie weit auf ſelben bey Be-
dienungen zu reflectiren 222 - Aemter, was von deren Verkauf-
fungen zu halten 245. ob ſelbige
erblich zu concediren? 250 - Ærarium, des Staats, wie ſolches
zu beſtellen? 252. Mittel wie ſol-
ches zn vermehren? 269. durch
Handel nnd Wandel 281. wie
man der Natur durch die Kunſt
muͤſſe zu ſtatten kommen 284- wie ſolches durch auſſerordentliche
Mittel zu vermehren? 292 - wie ſolches im Stande zu erhalt-
en? 295
- wie ſolches durch auſſerordentliche
- Alliancenvid.Buͤndnuͤſſe.
- Alliirtevid.Bundsgenoſſen.
- Anſehen, ſolches zu erhalten iſt ei-
nem Principi noͤthig 454 - Arcana, was ſie uͤberhaupt ſeyen?
437 - Arcana im perii was ſie ſeyn 439
- dominationis was ſie ſeyn 441
Exempel davon 469 in einem
Monarchiſchen Staat 443 in ei-
ner Ariſtocratie465 wieder den
Principatum ibid. wieder den
peuple468 in einen Democra-
tiſchen Staat 475
- dominationis was ſie ſeyn 441
- Arme, ob ſie von Bedienungen
gaͤntzlich auszuſchlieſſen? 224.
Appendix B.2 B.
- Bediente, wie bey deren Wahl auf
die Geſchicklichkeit zu ſehen 218- daß keine ſordiden Leuthe darzu
zu nehmen 221 - ob Arme von der Wahl gaͤntzlich
auszuſchlieſſen? 224 - ob einheimiſche fremden vorzuzie-
hen 225 - wenn junge, wenn alte zu weh-
len 228 - das tugendhaffte zu wehlen 230
- ob bey deren Wahl auch auf das
Temperament zu ſehen ſey? 232 - wie viel deren zu haben noͤthig?
239 - ob ſie per ſaltum zu promovi-
ren? 243 - ob und wenn ſie durchs Looß zu
wehlen? 244 - von ihrem Anſehen 247
- daß keine ſordiden Leuthe darzu
- Bedienungen, ob rathſam ſelbe zu
verkauffen 245- ob ſelbe erblich zu geben? 250
- von Belagerungen429
- Belohnungen, was vor Cautelen
dabey in acht zu nehmen 214 - Beſtraffungen, noͤthige Cautelen
dabey 204
S s sBillig-
[[506]]Regiſter
- Billigkeit, deren ſoll ſich ein Prin-
ceps befleißigen 456 - Buͤndnuͤſſe, von ſelben uͤberhaupt
358- ob es rathſam mit vielen dergleichen
zu ſchlieſſen 359 - ob mit weit entlegenen Voͤlckern
und Puiſſancen ſolche zu ſchlieſ-
ſen 360
- ob es rathſam mit vielen dergleichen
- BuͤndniſſevidBundsgenoſſen.
- Buͤndniſſe, was bey deren Errich-
tung in acht zu nehmen 369- was bey Ausfertigung der Tracta-
ten zu obſerviren 371 - wenn, und zu welcher Zeit ſelbige zu
ſchlieſſen 375 - was von ewigen Buͤndniſſen zu
halten? 376 - deren Eintheilung 377
- was bey Ausfertigung der Tracta-
- Bundsgenoſſen, was vor welche zu
wehlen 362- ob maͤchtigere 362 ob mit ſchwaͤ-
chern ſich in ein Buͤndniß einzu-
laſſen 364 - ob mit boͤſen und unglaͤubigen 365
- ob maͤchtigere 362 ob mit ſchwaͤ-
- Buͤrgerliche Kriege 435
Appendix B.3 C.
- Cavallerie, ob ſie der Infanterie
vorzuziehen?396 - Ceremoniel der Geſandten 377
- Charge, vid.Bedienungen und
Bediente - Ciuilis ſtatus vid, Status ciuilis
- Commando, ob ſolches im Kriege
einem allein anzuvertrauen 408 - Commercia, von ſelben uͤberhaupt
317- wie viel Leute dazu erfordert wer-
den 321 - was vor Waaren dazu erfordert
werden 322
- wie viel Leute dazu erfordert wer-
- Couiugalis Societas47
- Couſervatio ſui, was es heiſſe 15
Appendix B.4 D.
- Decorum vid.Wohlſtand.
- Decorum, warum es noͤthig? 120
- was es ſey? 122
- Domania, ob es rathſam ſolche zu
vereuſern? 286. ob ſolche zu ver-
pachten? 287 - Dominationis Iura. in einem Mon-
archiſchen Staat 457. Exempel
davon ibid.
Appendix B.5 E.
- Einheimiſche, ob ſie bey Bedie-
nungen fremden vorzuziehen? 225 - Elend des Menſchen 56. 58
- Betrachtung deſſelben in ſtatu
hominis abſoluto58. in ſtatu
aduentitio62. unter Eheleuten
ibid. zwiſchen Eltern und Kin-
dern 65. zwiſchen Herren und
Knechten 67
- Betrachtung deſſelben in ſtatu
- Erblichkeit der Chargen, ob ſelbe
rathſam? 250 - Erkaͤntniß menſchlicher Gemuͤther
493 - Erfahrung, was ſie beym ſtudio
politico nutze? 3
Appendix B.6 F.
- Feinde bey Hofe, wie ſie zu gewin-
nen? 496
Feld-
[[507]]der abgehandelten Materien.
- Feld-Herr, deſſen Qualitaͤten 408
411 - Feld-Schlachten421
- was dabey auf die Zeit ankomme?
423 - wie dabey auf den Ort zu ſehen 423
- wieviel dabey auf den Ruf ankom-
me? 425 - daß an dem Exempel der Officiers
viel gelegen 427
- was dabey auf die Zeit ankomme?
- Flagitia Dominationis
- in einem Monarchiſchen Staat
460 - in einer Ariſtocratie 473
- in einem Monarchiſchen Staat
- Fuͤrſten, wie deren Gunſt zu gewin-
nen? 495
Appendix B.7 G.
- Geheimniſſevid. Arcana.
- Gemuͤths-Erkaͤntniß 493
- Generalvid.Feldherr.
- Gerichte und Proceſſe 189
- Geſandte, deren Bevollmaͤchti-
gung 371- deren Qualitaͤten 377
- Geſandten-Ceremoniel 377
- vom Gelde338
- Geſetze, deren Aenderung 183
- deren noͤthige Harmonie 186
- Geſetzgebervid. Ligislator.
- Geſinde. was auf gut Geſinde an-
komme? 152 - Gleichheit, wie ſelbe unter denen
Bedienten zu erhalten 456 - Gluͤck, was es ſey, und wieviel im
Krieg darauf ankomme 414- was der Ruf contribuire 425
- Gluͤck bey Hofe 484
- Gluͤckſeligkeit, wahre, was ſie
ſey? 88- wie ſolche zu erlangen in ſtatu ab-
ſoluto 90. in ſtatu compoſito
ibid. im Hauß-Stande ibid. im
Eheſtande 92. bey der Kinder-
Zucht 95. in andern buͤrgerlichen
Staͤnden 96
- wie ſolche zu erlangen in ſtatu ab-
- Gluͤckſeligkeit eines Staats, wor-
innen ſie beſtehe? 97. durch was
vor Mittel ſie erhalten werde?
103 - Gluͤckſeligkeit, deren Hinderniſſe
138 - Guarde, warum ſelbe noͤthig 455
- Gunſt des Fuͤrſten, wie ſolche zu er-
halten? 495- der Miniſtres wie ſolche zu erhal-
ten? ibid.
- der Miniſtres wie ſolche zu erhal-
Appendix B.8 H.
- Haͤußliche Stand 146
- deſſen Endzweck, Mittel, Hinder-
niſſe ibid.
- deſſen Endzweck, Mittel, Hinder-
- Hauswirthin, wie viel daran ge-
legen? 150 - Handelſchaftvid. Commercia.
- Handelſchaft, ob ſolche ein groſſer
Herr treiben koͤnne? 281 - Handlungen der Menſchen und de-
ren Eintheilung 12 - Hazard, was auf ſolchem in der
Menſchen Thun und Laſſen an-
komme? 6
S s s 2Hin-
[[508]]Regiſter
- Hinderniſſe der Gluͤckſeligkeit 138
- wie ſolche zu removiren 142
- im haͤußlichen Stande 146
- eines Staats, ſo durch die benach-
barten Staaten verurſachet wer-
den 170. 171, durch die Regenten
ſelbſt 174
- Hiſtorie, was ſie bey der Politica
nutze? 4 - Hof, wie einer ſich daſelbſt hervor-
thun koͤnne? 495 - Hof-Feinde, wie ſie zu gewinnen?
496 - Hof-Gluͤck484
- Hof-Leben, was es ſey? 479
- Hofmann, deſſen Leibes-Geſtalt
483. deſſen innerliche Qualitaͤ-
ten, in Anſehung des Verſtan-
des 485. in Anſehung des Wil-
lens 486- daß er muͤße geduldig und beſchei-
den ſeyn 487. imgleichen gerecht
488 - daß er ſich der Wohlanſtaͤndigkeit
befleißigen muͤſſe 490
- daß er muͤße geduldig und beſchei-
- Huͤlfs-Trouppen 400
Appendix B.9 J.
- Idealis Respublica111
- Impoſten, ob ſolche mit Einwilli-
gung des Volcks muͤſſen aufgele-
get werden? 315- wie ſolche von den Unterthanen zu
heben 317
- wie ſolche von den Unterthanen zu
- Incommoda des Privat-Standes
werden durch den ſtatum ciui-
lem vermehret 69- wer daran Schuld ſey 70
- Incommoda der Regenten 70
- der uͤbrigen Staͤnde 73
- der Gelehrten ibid.
- der Kuͤnſtler und Handwercker 74
- gantzer Societaͤten 75
- Incommoda, derſelben Urſachen 77.
- welche ſich uͤber alle Staͤnde er-
ſtrecken 78
- welche ſich uͤber alle Staͤnde er-
- Infanterie, ob ſie der Cavallerie
vorzuziehen 396 - Irregulaire Republiquen 478
- Ius legislatorium, was es ſey, und
wie es zu exerciren? 176 - Iura dominatuonis, Exempel davon
457. in einem Ariſtocratiſchen
Staat 470. in einem democrati-
ſchen Staat 476 - Iura dominationis was ſie ſeyen 175
Appendix B.10 K.
- vom Kriege392
- was vor Zuruͤſtung dazu erfordert
werde 393 - wieviel dabey aufs Gluͤck ankom-
me 414 - wenn man ſelben fuͤhren ſolle 417
- was waͤhrend ſelben zu obſerviren
420 - buͤrgerliche Kriege 435
- was vor Zuruͤſtung dazu erfordert
- Kriegs-Commando, ob ſolches ei-
nem allein anzuvertrauen? 408 - Kriegs-Diſciplin401
- Kriegs-Liſt ob ſolche erlaubt 428
Appendix B.11 L.
- Legislator, auf was vor Umſtaͤnde
der-
[[509]]der abgehandelten Materien.
derſelbe zu ſehen habe 186 - Leib-Guarde, daß ſelbe noͤthig 455
- Looß, ob Bediente durchs Looß zu
wehlen 244
Appendix B.12 M.
- Machiavelliſmus was es ſey? 79
- deſſen Deck-Mantel 86
- Maiestatica iura was ſie ſeyn? 175
- Maximen vid. AArcana
- Maximen ſich bey der Monarchie zu erhal-
ten 445. gegen den Plebem ibid. gegen
die Patricios447 - Mercenariamilitia399
- Miniſtres, wie bey deren Wahl auf die Ge-
ſchicklichkeit zu ſehen? 218- ob ſchlechte Leuthe darzu zu nehmen? 221
- wie weit Adliche und Unadliche einander
vorzuziehen? 222 - ob arme darzu zu nehmen? 224
- ob einheimiſche fremden vorzuziehen?
225 - was dabey in Anſehung des Alters zu ob-
ſerviren? 228 - daß bey deren Wahl vornehmlich auf Tu-
gend zu ſehen 230 - wie viel deren zu haben noͤthig 239
- ob ſie per ſaltum zu promoviren 243
- was von der Wahl derſelben durchs Loos
zu halten 244 - von ihrem Anſehen 247
- wie ferne ihnen Freyheit zu geben ihr Sen-
timent aufrichtig zu ſagen? 248
- Miniſtriſſimus, ob ein Herr dergleichen ha-
ben ſolle 456 - Monarchomachiſmus, was es ſey? 82
- Deck-Mantel deſſelben 82
- Muͤntz-Weſen338
Appendix B.13 N.
- Nachbarn, was [auf] ſolche ankomme? 154
- Nachfolger, ob es rathſam ſelben bey Leb-
Zeiten zu ernennen? 453
Appendix B.14 O.
- Officiers, daß auf ihr Exempel vieles ankom-
me 427
Appendix B.15 P.
- Politica, was ſie ſey 1
- wem ſie noͤthig 2
- derſelben Endzweck 27
- ob ſie auf Academien erlernet werden koͤn-
ne? 3 - ob die Erfahrung und Hiſtorie dabey er-
fordert werden? 3. 4 - was vor Buͤcher man leſen koͤnne? 11
- wie ſie abzuhandeln 28
- Politica extendiret ſich auf alle Staͤnde 19
- Politica in wie vielerley Bedeutung ſie ge-
nommen werde? 19- Eintheilung derſelben 22
- ob man in derſelben Demonſtrationes
habe? 23
- Politica Priuata, was ſie ſey? 5
- Premier Miniſtre ob, dergleichen zu haben,
einem groſſen Herrn zntraͤglich 456- von Privilegiis183
- von Proceſſen189
- Providentia diuina was ſie ſey? 7
- Public-Guͤther, ob es rathſam ſolche zu
veraͤuſſern? 286- ob ſolche zu verpachten 287
Appendix B.16 R.
- Ratio ſtatus, was ſie ſey? 52. uͤberhaupt?
ibid. in Anſehung auf die Republic53.
ob ſie was boͤſes ſey? 53- unterſchiedene Bedeutung des Worts 56
- Regierende Printzen, ob ſelbe ſelbſt mit zu
Felde gehen ſollen? 410 - Religion, daß ſie zum Deck-Mantel des
Macchiavelliſmi und Monarchomachiſ-
mi gebrauchet werde 86
S s s 3ob
[[510]]Regiſter der abgehandelten Materien.- ob es rathſam deren mehr als eine in ei-
nem Staate zu dulden 346
- ob es rathſam deren mehr als eine in ei-
- Republic, wer keine leiden wolle? 116
- Respublica Idealis was es ſey? 111
Appendix B.17 S.
- Von Schantzen415
- Schatz-Kammervid. Aerarium
- Schlachtvid.Feld-Schlacht
- Schmeicheleyen bey Hofe, ob ſie erlau-
bet? 492 - Siegvid.Feld-Schlacht
- Siegvid.Gluͤck
- Sieg, wie man ſich deſſen gebrauchen ſol-
le? 430 - Simulacra imperii, was ſie ſeyn? 443. in ei-
nem Monarchiſchen Staat 459. in ei-
ner Democratie478 - Simuliren und diſſimuliren, ob es erlau-
bet? 489- deſſen verſchiedene Arten 490
- Societas conjugalis47
- paterna48
- herilis49
- Soldat, deſſen Qualitaͤten 401
- Staat, von deſſen Scopo157. wie dieſer er-
halten werde, in Anſehung des Genies der
Einwohner 160. in Anſehung der Form
der Republic ſelbſten 165- deſſen Hindernuͤſſe ſo durch die benach-
barten Staaten verurſachet werden
170. 171. durch die Regenten ſelb-
ſten 174 - wenn ſich derſelbe changiret, wie ſich ei-
ner verhalten muͤſſe? 496
- deſſen Hindernuͤſſe ſo durch die benach-
- Standvid. Status
- Staͤnde der Menſchen, wie unterſchieden
ſie ſeyn 29 - Stand, was einer vor einen wehlen ſol-
le? 40- daß ein Menſch deren verſchiedene haben
koͤnne 52 - daß man zufoͤrderſt auf deſſelben End-
zweck ſehen muͤſſe 117
- daß ein Menſch deren verſchiedene haben
- Status vid.Stand
- Status quid? 29
- abſolutus et compoſitus quid? 31
- ſocietatis paternæ48
- herilis et ſeruilis49
- ciuilis, und deſſen verſchiedene Arten 50
- Straffen, was vor Cautelen dabey in acht
zunehmen 204- wenn viele pecciret? 213
- wenn ſolche ohne Gefahr nicht exequiret
werden koͤnnen, wie ſich zu verhal-
ten? 207 - von der Artzu ſtraffen 209
- ob neue zu erdencken rathſam? 211
- derſelben Milderung 212
- Stratagemata, ob ſolche erlaubt 428
Appendix B.18 T.
- Temperament, wie weit auf ſelbiges bey
der Wahl der Bedienten zu ſehen 232 - Tractaten, deren Ausfertigung 371
- deren Ratification 374
- Tributa301
Appendix B.19 V.
- Verpachtung der Domainen 287
- Von Veſtungen415
- Uberwinder, wie er ſich gegen die Uber-
wundenen zu verhalten habe 432
Appendix B.20 W.
- Wirtſchaft, was dabey auf die Umſtaͤnde
des Orts, der Zeit etc. ankomme? 155 - Wohlſtand im Reden 126
- in Geberden und im Gange 134
- in Kleidern 136
- auf welchen ein Hofmann zu ſehen 490
Appendix B.21 Z.
- Zoͤlle301
- Zuſtand des Menſchen iſt natuͤrlicher wei-
ſe elend 56
Druck-
[[511]]
Appendix C Druck-Fehler.
Weilen gegenwaͤrtiges Werck an einem auswaͤrtigen Ort gedruckt wor-
den, ſo haben ſich, wie gemeiniglich zu geſchehen pfleget, einige Fehler mit
eingeſchlichen, welche aber doch, da ſie meiſtens nur in verkehrten oder un-
recht geſetzten einzelen Buchſtaben beſtehen, mit leichter Muͤhe, und ohne
Verunzierung des Buches koͤnnen corrigiret, und hoffentlich auch
von einem Wohlgeſinnten Leſer werden pardonniret
werden.
p. 4 lin. 12 lege tauglich. p. 5 lin. 25 lege banquerot. p. 7 lin. antepenult. poſt:
im pcrium ſupple: iſt. p. 8 lin 7 lege piſciculos. p. 13 lin. 12 dele iſt lin. 22 lege exe-
riret. p. 15 lin. 34 lege Dienſte. p. 16 lin. 20 ſo lege nicht. p. 19 lin. 11 lege Campanel-
la lin. ult. lege Larrey. p. 22 lin. 22 lege gehandelt. p. 31 lin. 6 lege Thiere. p. 42 lin.
30 lege naturæ. p. 47 lin. 34 lege Sadeur. p. 58 lin. 23 lege Tugend. p. 59 lin.
3 dele ſie. p. 63 lin. 34 lege ihnen. p. 66 lin. 35 Musquet lege Pericles. p. 72 lin.
15 lege immer. p. 76 lin. 13 lege heben. p. 83 lin. 23 lege tu ſolus regas. p. 84 lin.
15 lege Languetus. p. 85 lin. 16 lege Sidney. p. 92 lin. penult. dele nicht. p. 97 lin.
penult. in lege uud. p. 98 lin. 11 lege ſobrii. lin. 13 lege Scipione. p. 101 lin. 32 poſt
gantz ſupple anders. p. 102 lin. 11 lege Da. lin. 31 lege Theocratiam. p. 104 lin. 26
lege Batavia. p. 106 lin. 24 aber lege eben. p. 107 lin. 36 et 37 lege Spencer. p. 108
lin. 3 lege Sigonius. lin. 21 lege eben. p. 109 lin. 23 lege Catilin. p. 110 lin. 30 poſt
bey uns ſupple nicht. p. 111 lin. 23 lege uͤber. lin. 34 lege reuelatio. p. 112 lin. ult. lege
Larrey. p. 113 lin. 12 lege Hiſpaniæ. p. 114 lin. 5 lege des. lin. 18 lege Magellanica.
p. 118 lin. 24 lege pactum. lin. ult. lege acquiſitas. p. 122 lin. 3 lege aſtutam. p. 124
lin. 22 auch lege nicht. p. 125 lin. 21 lege vituperabiles. p. 126 lin. 27 lege indecens.
p. 127 lin. 6 lege Pere. p. 128 lin. 33 lege horrorem. p. 132 lin. 6. loco Puncti fiat com-
ma. lin. 8 lege kan. lin. 22 lege Sadeur. p. 134 lin. 18 lege Campeg. p. 137 lin. 17
lege Fontange lin. 35 lege Mothe. p. 138 lin. 21 lege Caſa. p. 142 lin. 36 dele geweſen.
p. 143 lin. 16 lege immer. p. 147 lin. 25 lege Donaldſonus. p. 149 lin. 23 lege Oecono-
miæ. lin. 31 lege brauet. p. 153 lin. 27 lege Teſtament. p. 154 lin 6 lege als. p. 155
lin. 12 lege Handelsleute. p. 160 lin. 4 poſt Marius fiat comma. p. 162 lin. 3 lege Od-
oacer. p. 163 lin. 17 lege welcher. lin. 35 lege Brennus. p. 165 lin. 13 lege Ricaut. p.
167 lin. 12 lege Disparata. lin. 25 lege Crouſaz. p. 173 lin. 10 lege Hiſtoire des Iuifs.
lin. 21 lege Liſola. lin. 32 lege Aix la Chapelle. p. 174 lin. 20 lege noch. p. 178 lin.
29 parricidis lege: de parricidis. p. 181 lin. 12 lege obligabis. p. 182 lin. 34 lege Veni-
ſe. p. 189 lin. 14 lege ſanguine. p. 190 lin. 3 lege paupertas lin. 22 lege extraueos lin.
33 lege Pariſienſibus. p. 192 lin. 13 dele ſonſt. p. 193 lin. 5 nicht lege nur. lin. 12 lege
Fripon. lin. 17 lege: ſubmiſimus. p. 194 lin. 20 ſupple bloß. lin. 31 lege aberrant.
p. 195 lin. 32 lege Schaffen. p. 196 lin. 1 anders lege uͤblers. p. 198 lin. 24 lege excuti-
te. p. 199 lin. 13 in lege de. lin. ult. lege Antiquit. Rom. p. 200 lin. 23 lege Diſer-
tus. p. 202 lin. 1 poſt Acten ſupple: weg. p. 203 lin. 3 lege Publicianam. p. 206 lin.
17 et 30 lege utilitati. p. 207 lin. 7 lege vultu. p. 209 lin. 8 lege multam. lin. 30 le-
ge ehemahligen. p. 210 lin. 18 lege Oſorius. p. 211. lin. 33 lege von. p. 213 lin. 6 7 le-
ge peuple. p. 214 lin. 20 lege reipublicæ ſalus. p. 215 lin. 11 lege abiecti. p. 216 lin.
4 lege
[[512]] 4 lege abjecta. lin. 17 lege politicas. lin. 28 lege: Profeſſores extra ordinarli ſind. p.
219 lin. 3 lege Argus p. 220 lin. 31 lege elogium. p. 223 lin. 8 lege Pack. p. 224 lin.
20 lege pallio. p. 225 lin. 18 lege in denen. p. 226 lin. 21 lege Czaarowitz. p. 229 lin.
32 lege IV. p. 230 lin. 25 dele ſeyn. lin 35 lege ineptas. p. 231 lin. 24 lege Probos
lin. 25 lege improbos. p. 232 lin. 2 lege Actis Eruditor. p. 234 lin. 15 lege Stimme.
p. 235 lin. 29 lege Generals. p. 237 lin. 18 lege extraordinaire. lin. penult. lege inſtru-
mentis. p. 238 lin. 20 lege eclatanteſte. p. 239 lin. 20 lege inſenſib ement. p. 245
lin. 31 poſt geben ſupple werden. p. 247 lin. 11 lege addendum. p. 248 lin. 23 lege Cas-
telnau. lin. 25 lege Ronſard. p. 249 lin. 19 poſt muͤſſen fiat Punctum. p. 250 lin. 26
lege Procurator. p. 251 lin. 2 lege regendis. lin. 15 lege bereichern. p. 254 lin. 27 le-
ge Ray. p. 255 lin. 10 lege pauvre. p. 256 lin. 14 ſupple Gedancken. p. 257 lin. 5 poſt
und ſupple als. lin. 33 ſupple nicht. p. 259 lin. 32 lege datam. p. 260 lin. 3 lege deli-
ciæ. p. 267 lin. 17 lege Richter. p. 268 lin. 18 lege Die es nicht. p. 269 lin. 27 lege
miſſen. p. 271 lin. 36 legc retiriren. p. 277 lin. 30 poſt Land ſupple nicht. p. 278 lin.
4 Dieſer lege Der. p. 281 lin. 3 lege hominis. p. 383 lin. 31 Zoͤlle lege alle. p. 286 lin.
21 lege Carolus II. p. 303 lin. 8 lege tributum. p. 308 lin. 18 lege protection. p. 311
lin. 33 nicht lege eſt. lin. 34 poſt nichts dele Punctum. p. 314 lin. 11 man lege an. p.
315 lin. 26 lege rigoureux. p. 318 lin. 23 lege Bibliotheque. p. 320 lin. 1 lege Hafen.
p. 324 lin. 27 lege eigene. p. 332 lin. 6 lege wenn. lin. 14 lege Gentilly. p. 341 lin. 15
lege Douſa. p. 346 lin. 23 poſt geben dele Punctum. p. 348 lin. 2 lege indifferentia.
p. 350 lin. 36 lege befohlen. p. 352 lin. 31 ſupple Man. p. 353 lin. 29 lege veritable.
p. 354 lin. 15 lege Interna. p. 355 lin. 13 lege Donati. p. 357 lin. 13 lege reden. p. 361
lin. 1 lege Oeuvres. p. 364 lin. 31 lege Loch. p. 366 lin. 6 poſt mich ſupple nicht. p. 371
lin. 13 lege Callieres. p. 372 lin. 4 lege Creditiv. p. 379 lin. 24 lege auch. lin. 34 le-
ge flagitat. p. 380 lin. ult. lege immer mehr. p. 381 liu. 3 lege: conſueta. p. 384 lin.
14 lege Ie. p. 385 lin. 1 lege Wicquefort. p. 392 lin. 19 lege ſie. p. 400 lin. 22 lege Ca-
rolus XI. p. 402 lin. 19 lege Perefix. p. 403 lin. 3 lege effoeminati. p. 404 lin. 30
lege in Engeland. p. 409 lin. 31 lege davon. p. 411 lin. 17 eine lege wie. p. 416 lin. 23
lege nicht noͤthig. p. 418 lin. 27 lege anzufangen. p. 420 lin. 20 lege aggredienda. lin.
24 lege Sire. p. 421 lin. 10 lege rerum. p. 422 lin. 7 lege haͤlt. p. 429 lin. 21 lege kom-
men. p. 431 lin. 12 poſt gewonnen fiat Punctum. p. 432 lin. 2 dele zu dele und. p. 434
lin. 10 lege immer. lin. 29 lege togatos. p. 436 lin. 20 lege ihnen. p. 437 lin. 14 lege
Hiſtoriæ. p. 438 lin. 8 lege flagitia. lin. 16 lege Ariſtocraticæ. p. 440 lin. 26 lege Za-
laskowsky. lin. ead. lege Chwalkowsky. p. 447 lin. 12 lege complotiren. lin 13 le-
ge loben. p. 449 lin. 7 lege Sylla lin. 18 lege unam. p. 450 lin 27 lege Hiſtoire. p. 459
lin. 20 lege Provincial. l. 31 lege Gladov. p. 460 lin. 22 loco Puncti fiat Comma.
p. 465 lin. 5 et 6 lege Poliarchie. p. 467 lin. 14 lege ſeptemviris. lin. 29 lege Thaler.
p. 469 lin. 20 Jeſuiten lege Venetianer. p. 470 lin. 32 lege Verraͤther. lin. antepen.
lege politica. p. 471 lin. 7 lege Lupanariorum. lin. 10 lege Patriciam. lin. 20 lege
apices. p. 472 lin. 17 lege weil. p. 473 lin. 5 lege Venetorum. p. 475 lin. 29 lege
Würtenbergic. p. 476 lin. 19 lege bon ſens. lin. 26 ſupple ſie. p. 479 lin. 19 lege Cam-
pagnard. lin. 26 lege cultiviren. p. 485 lin. 32 lege auanciren will. p. 486 lin. 24 le-
ge par tout. p. 488 lin. 18 lege mit groſſer. p. 490 lin. antepen. lege kein. p. 494 lin.
32 lege Meinwerc. p. 496 lin. penult. et ult. lege: Preſident Ieannin.
ENDE.
[[513]][[514]][[515]][[516]]
ben, und ſolche mit exemplis hodiernis aus der Hiſtorie illuſtriret.
riſtoteles: denn Ariſtoteles war ein penetranter Mann. Hertius und Con-
ringius allegiren ihn auf allen Blaͤttern. Er hatte Erfahrung, weil er an
Alexandri Magni Hofe war. In Griechenland waren vielerley Republiquen,
ſo er alle kennen lernen.
auf dem Echaffaut ſterben muͤſſen, aber es iſt ihm hoͤchſt unrecht gethan, wie
Levireus in ſeiner Hiſtorie d’Angle terre gewieſen.
Sprichwort entſtanden: non cuivis licet adire Corinthum. Viele Theologi
brauchen dieſe Redens-Art, wenn ſie aber den Urſprung wuͤſten, wuͤrden ſie
es nicht mehr thun.
ches excellent, und wuͤrde ſolches noch mehr ingrefs gefunden haben, wenn
er lauter exempla popularia gegeben. Denn da begreifft man die Sache
am Beſten. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß einer diß Buch mit ſolchen Exem-
plis illuſtrirte. Lock hat freylich unterſchiedliche Fehler, deßwegen aber kan
man ihn nicht gaͤntzlich verwerffen, an allen iſt was auszuſetzen, pauci ſun-
ſapientes.
tet. Es ſollte einer Noten daruͤber ſchreiben, und zeigen wo er abgewichen,
denn der Richelieu, war nachmahls gar zu weltlich.
honette homme es dem Herrn alſo herſagte; Carl Guſtav hat es auch gar wohl
begriffen: denn es war ein Herr, der einen groſſen Verſtand hatte; nur war er zu
ambitieux, welches ihn auch ruiniret; Denn er iſt aus chagrin geſtorben.
Cronwell wohl gelitten.
bey dem Cardinal Mazarini in Franckreich in gleicher Bedienung; Er war ein
gelehrter Mann, und waͤre zu wuͤnſchen, daß man ſeine Schrifften lieſſe zu-
ſammen drucken. Sein Tract. de re militari in Rom gedruckt, iſt auch ein
vortrefflich Buch.
iſt blind geweſen, und hat es ſich laſſen vorleſen, da kan es wohl ſeyn, daß ihm
vieles nicht recht vorgeleſen worden.
und nunmehr zu bekommen. Dieſer St. Euremont war ein bel Eſprit, der
von allen æſtimiret wird, er wuͤrde noch mehr hervor geleuchtet haben, wenn
er
recht Syſtema; aber er hat es mit Fleiß gethan, um ſich nicht in der Reli-
gion verdaͤchtig zu machen. Dieſer Bernhard Lamy war ein Pater Oratorii
in Franckreich, und muß man ihm unterſcheiden von dem Franciſco Lamy,
einen Benedictiner Moͤnch. Er war ein Moraliſt, ein Theologus, Chrono-
logus. Dieſer hat auch l’art de parler geſchrieben.
aber hat er verurſachet, daß er aus Franckreich heraus muͤſſen gehen. Denn
er hat den Koͤnig in Franckreich und den Mazarin ſatyriſiret in ſeinem Buch,
welches er von dem Pyrænæiſchen Frieden geſchrieben Sub tit. la paix ridule.
Sie haben ihn auch in Franckreich nicht wollen pardoniren, daher iſt er nur
herum vagirt, und bald in Holland, bald in Engeland geweſen. Auf die
letzte hat ihm Koͤnig William in Engeland eine penſion gegeben, daß er die
Enten vor ſeinen Palais gefuͤttert, er iſt uͤber 90. Jahr alt worden
mendiren ob ſtyli elegantiam, denn er hat ſo ſchoͤn Latein geſchrieben, daß
etliche auf die Gedancken gefallen, als wenn er einige Buͤcher noch von dem
Cicerone gefunden, und ſolche unter ſeinem Nahmen publiciret. Er iſt einer
von denen erſten, welcher die litteras humaniores in Italien wieder in Auf-
nahme gebracht.
gegangen, die andern aber taugen nicht viel.
in Holland wieder aufgeleget, in den ſtylum accurater gemacht, daß ſie alſo
nunmehr plaiſſant zu leſen.
ruͤhmte Scipio Africanus bey ſich gehabt, mit welchen er in campagne ge-
weſen.
Politic hat er dem jungen Vitriario gewieſen, welcher gemeynet, er ſollte ſie
laſſen drucken, und findet man auch treffliche Penſéen darinnen, die man ſehr
wohl gebrauchen kan.
co VIII. welcher ihn laſſen den Kopf abſchlagen. Er war ſonſt der alten Re-
ligion zugethan, aber ein ſehr weiſer Mann. Der Koͤnig wollte haben, er
ſollte ſeine Religion annchmen; nun erkannte Morus wohl, daß des Pabſts
ſeine Religion nichts taugte, aber er wollte auch Henrici Religion nicht ha-
ben, denn die war nicht Catholiſch, nicht Reformirt, nicht Lutheriſch, ſondern
Henriciana religio, welche Henricus VIII. ſelbſt ausgedacht; Weiln nun
Morus ſolche nicht annehmen wollte, ſo ſetzte er ihn erſt ab, woraus ſich aber
Morus nichts machte, ſondern ſich auf ſeine Land-Guͤter begab, und daſelbſt
in aller Stille lebte. Der Koͤnig, wie er ſahe, daß ſich Morus nichts draus
machte, ſo ließ er ihn von ſeinen Land-Guͤtern wegnehmen, und den Kopf ab-
ſchlagen, vid. Laney in ſeiner hiſt. d’Angle terre.
Profeſſor zu Helmſtaͤdt geweſen, eine Diſſertation geſchrieben, welche man auch
in Engeland wieder auflegen laſſen, die Diſſertation iſt wohl geſchrieben:
Denn Cyprianus iſt ein Mann, welcher eine groſſe Wiſſenſchafft hat, auch
multum judicii. Nur bedaure, daß er in den Streit gemenget worden, wegen
der Vereinigung der Lutheriſch- und Reformirten Religion, indem er meyne-
te, es gehe nicht an, das hat ihn ſo verhaßt gemacht, daß man ihn auf den Reichs-
Tag auf Seiten des Evangeliſchen corporis ſchuld gegeben, er ſey der Stoͤhrer, ſo
die union hindere. Dieſerwegen hat er auch eine apologie heraus ge-
geben. Pour le reſte bleibet er doch ein geſchickter Mann.
panella im Gefaͤngniß geſprochen, welcher ſeinen Nahmen gewuſt, und ihm
viel prophezeyet, wie er wuͤrde avanciren. Es iſt auch der Fœrſtner hoch
geſtiegen, denn er war in Mumpelgard das fac totum, und wollte ihn auch
Hertzog Auguſt von Braunſchweig haben, aber ſein Herr wollte ihn nicht
weglaſſen.
thodique, welche wohl gemacht.
druckt in fol. Er hat aber noch einige opuſcula in Engliſcher Sprache ge-
ſchrieben, welche da nicht mit beygedruckt ſind. Sonſt hat er das Leben
Henrici VII. beſchrieben, welches Ezechiel Spanheim vor ein pragmatiſches
und politiſches Buch gehalten, das wenig ſeines gleichen habe.
alles moͤchte zuſchreiben, was er hin und wieder obſervirete. Er hatte ein
trefflich jugement, war ein Gaſſendiſt, halff auch des Gaſſendi opera zum
Druck befoͤrdern. Puffendorff hat vieles in ſeiner Einleitung zur Hi-
ſtorie aus des Sorbiere Lettres \& diſcours ſur diverſes matieres curieuſes
faſt von Wort zu Wort uͤberſetzet.
ihn bey des Hertzogs von Orleans des Regenten Vater. Er hatte ein treff-
lich jugement, man hat ſeine opera zuſammen gedruckt in Folio, ſonſt aber
hat man auch in Paris eine kleine edition in 15. Baͤnden edirt; Es iſt keine
materie, davon man nicht Nachricht darinnen findet, denn er hat eine groſſe
Beleſenheit gehabt. Es iſt mein Handbuch, weil ich darinne eine ſeriem von
alten und nenen Dingen finden kan, und kan es einem ſtatt einer kleinen Bi-
bliothec dienen.
ren gebraucht; Bayle ſagt auch, er habe keinen Schulmann gleich geſehen,
als nur dem Habit nach. Er war pour la liberté, weßwegen Brenneyſen
in ſeinen Schrifften viel wider ihn beygebracht.
geſchrieben, von ſeinen Buͤchern kan man in des Nicolai Antonii Biblioth.
Hiſpanica Nachricht finden. Er iſt ein Spanier, und hat Spaniſch geſchrie-
ben. Doct. Fridr. Auguſt. Müller in Leipzig hat ihn am beſten ins Teutſche
uͤberſetzet, und admirable diſcourſe hinzu geſetzet.
von dar er in Africa herum gereiſet, bis an das Capo bonæ ſpei, und iſt ſei-
ne Beſchreibung von Africa vortrefflich zu gebrauchen.
Commentatoribus uͤber den Curtium vieles davon finden. Der de la Croze
in Berlin hat auch einen eigenen Tractat wollen davon ſchreiben.
verſa capitula, dahero auch die Capitularia ihre Benennung haben. Sie
haben lauter Briefe gehabt, wie Conrad. Urſperg. ſagt, dieſe haben ſie zu-
ſammen gepackt, wovon kommt das Wort pactus legis.
vita Hugonis Donelli in der neuen Bibliothec.
hatte kein ſonderliches exterieur, daher, als er in Weimar ein Secretaire
werden wollte, wollten ſie ihn nicht einmahl annehmen, er gieng nach Wolf-
fenbuͤttel, woſelbſt er auch keine Dienſte bekommen konnte, von dar gieng er
nach Hannover, woſelbſt ſie ihn angenommen, welchem Hauſe er unſaͤgliche
Dienſte gethan, ſonderlich in Erlangung der Chur-Wuͤrde. Er hat kein
Geld geſucht zu behalten, ſondern dem Chur-Fuͤrſten alles wieder vermacht,
damit er ſehen ſollte, daß er kein intereſſe habe. Er war ein trefflicher Ju-
riſt, ein Hiſtoricus, ein Philoſophus, alles, was er geſchrieben, iſt vortreff-
lich, und hat er auch einen ſchoͤnen ſtylum. Die Juriſten, ſo das Buch de
Appellationibus kauffen, dencken den Schlendrian drinnen zu finden, aber ſie
betriegen ſich; denn es ſind daſelbſt nur lauter politiſche Anmerckungen.
ſetzet worden, und kan man ſolchen finden in denen neuen Tomis Antiquis Ro-
manis, welche der Salengre ediret.
ein ſchoͤn Buch, denn er hat alle Republiquen durch gegangen, und alles ge-
ſucht
gebracht, von geſchwinder execution. Jo. Chriſtfried Sagirtarius, Superin-
tendent in Altenburg, als er noch in Jena geweſen, hat den Clapmarium
von nenen auflegen laſſen, und Noten dazu gemacht. Dieſer Clapmarius
hat auch Nobile Triennium geſchrieben, worinnen er gewieſen, wie ein no-
bilis binnen drey Jahren lernen koͤnne, ſo viel, als ein nobilis brauche. Tho-
mas Crenius hat ſolches nebſt andern Tractaten, de hac materia laſſen zu-
ſammen drucken.
hat er auch vieles geſchrieben, e. g. ein jus publicum, item de jure retractus.
Er war in Dienſten des Hertzogs von Hollſtein, und iſt auch in Heßiſchen
Dienſten geweſen.
gezeiget wird, quid poſſit Princeps \& quid conſultum ſit. Ohnerachtet er ſelbſt ein
Spanier geweſen, ſo hat er doch groſſe courage gehabt, die Spanier zu cenſi-
ren, was ſie vor Fehler in den Niederlanden gemacht.
niſtre im Cabinet. Das kan man ſehen aus dem Buch, welches er geſchrie-
ben,
de zu Muͤnſter gemacht werden muͤſſe. Er hatte ſeinen Nahmen nicht drun-
ter geſetzet, aber Lampadius hat ihn nachgehends produciret, wodurch er in
conſideration kommen, und hat ſich jedermann gewundert, daß ein ſolcher
junger Menſch ſo ſchreiben koͤnnte.
Buche man viel curieuſe Sachen findet, auch Sachen, ſo den etat von Hol-
land concerniren.
temporum; Er accommodirt ſich nach einer jeden Religion, er hat keine
Frau, ſondern nur eine Maitreſſe, mit welcher er etliche Kinder gezeugt. Sein
project hat er ſchon 1703. in Engeland dem Parlament uͤbergeben, welches
auch darauf reflectirt, aber wie er den fameuſen Wildſon erſtochen, muſte er
ſich retiriren, darauf gieng er nach Holland, und wollte denen Hollaͤndern ei-
nen Weg zeigen, wie ſie aus allen ihren Schulden loßkommen koͤnnten. Wie
aber die Hollaͤnder ihn nicht hoͤren wollten, gieng er nach Franckreich, da-
ſelbſt fand er den Regenten, welcher ſein project approbirte, weil er gerne
wollte Geld machen. Wie es in Franckreich nicht mehr gehen wollte, gieng
er nach Venedig, ſuchte an, ein nobili di Venetia zu werden. Die Venetia-
ner aber wollten ihn nicht hoͤren. Er waͤre gern nach Rom gegangen, aber
er trauete nicht, weil man ihn alsdenn im Verdacht haben moͤchte, als hien-
ge er dem Prætendenten an, und er wollte doch gerne pardon haben, um
wieder nach Engeland zu kommen. Daher gieng er nach Daͤnnemarck, wo-
ſelbſt man ihn groſſe careſſen gemacht, und vermeynet, er ſolle ſein Geld
dahin ziehen. In Engeland aber bekam er pardon, daher gieng er nach
Hauſe. Unterdeſſen hat er doch in der Welt ein groſſes Aufſehen gemacht,
und findet man auch in ſeinem tractat viele gute Sachen.
der Koͤnig William hat ihn nach Hannover geſchickt.
bray, ein excellentes Buch. Einige halten den Cardinal vor den Autor,
andere ſeinen Bruder.
lationes ſind admirable geſchrieben; Man hat ſeine opera in Paris
zuſammen gedruckt in Folio; Bey welchen aber die Memoiren nicht ſind,
dieſe ſind vor einigen Jahren Frantzoͤſiſch heraus kommen.
ger Kerl geweſen; Der Printz Moriz war ſein diſciple: Denn er iſt in
Leyden geweſen, und hat er mit ihm des Poliæni Stratagemata geleſen, und
anders mehr. Printz Moriz, wie er Breda wegnehmen wollen, welches ihm
aber doch durch ein accidens mißgelungen, habe geſagt, er habe ſolches vom
Lipſio gelernet, denn ſie haben von Ingend auf dem Printz zum Kriege an-
gehalten, daß er ſeinem Vater ſuccediren ſollte. Er war kaum ſiebenzehen
bis achtzehen Jahr alt, ſo wurde er Grand-Capitain. Der Ertz-Hertzog
Albrechs hat den Lipſium auch in vielen Sachen zu rathe gezogen.
che keine complete edition, aber in Cambridge hat man ihn viel accurater
ediret, welche in Holland nachgedruckt wird; Es waͤre gut, wenn wir ihn
gantz haͤtten. Viele haben ſchon daran gearbeitet.
ren, er war Prof. in Altorff, ein Philoſophe. In Politicis war ſeine groͤſte
force, ſeine Noten uͤber des Ariſtotelis Politic ſind admirable, und hat keiner
beſſer daruͤber geſchrieben; wir haben unterſchiedliche Epiſteln von ihm,
welche Burmann ediret, auch in der Philoſophia Altorffiana findet man
ſchoͤne
zu ſelbiger Zeit etwas rares war, denn er lebte ſchon zu Anfange des XVII-
Seculi.
darinnen unter andern auch Libri Politici zu finden. Unſere Theologi ſelbſt,
wenn ſie dieſen Thomam nicht gehabt, wuͤrden vieles in der Theologie nicht
gefaſſet haben.
verſtehet, er hat viel geſchrieben, davon uns Nachricht giebt Nicolaus Anto-
nius in Bibl. Hiſp. Die Spanier ſind gute Leute à la Cour, ſie gehen ad
rectum.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Ausführlicher und mit Illustren Exempeln aus der Historie und Staaten Notiz erläuterter Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei, SS. Th. Prof., Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Ausführlicher und mit Illustren Exempeln aus der Historie und Staaten Notiz erläuterter Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei, SS. Th. Prof., Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bjbk.0