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ALGABAL

 
PARIS.
1892
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ALGABAL
  • IM UNTERREICH
  • TAGE
  • DIE ANDENKEN
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IM UNTERREICH:

[2]
Ihr hallen prahlend in reichem gewande

Wisst nicht was unter dem fuss euch ruht —

Den Meister lockt nicht die landschaft am strande

Wie jene blendend im schosse der flut
Die häuser und höfe wie er sie ersonnen

Und unter den tritten der wesen beschworen

Ohne beispiel die strassen die bronnen

Und grotten in strahlendem rausche geboren
[3]
Die einen blinken in ewigen wintern

Iene von hundertfarbigen erzen

Aus denen juwelen als tropfen sintern

Und flimmern und glimmen vor währenden kerzen
Die ströme die in den höheren stollen

Wie scharlach granat und rubinen sprühten

Verfärben sich blässer im niederrollen

Und fliessen von nun ab wie rosenblüten
Auf seen tiefgrün in häfen verloren

Schaukeln die ruderentbehrenden nachen

Sie wissen auch in die wellen zu bohren

Bei armige riffe und gähnende drachen
Der schöpfung wo er nur geweckt und verwaltet

Erhabene neuheit ihn manchmal erfreut

Wo ausser dem seinen kein wille schaltet

Und wo er dem licht und dem wetter gebeut
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Der saal des gelben gleisses und der sonne:

Sie herscht auf flacher kuppel unter sternen

Nach ohmen schnellen aus dem feuerbronne

Topase untermengt mit bernstein-kernen
An allen seiten aufgereiht zu spiegeln

— Gesamter städte ganzer Staaten beute —

Die ungeschmückten platten goldnen ziegeln

Und an der erde breiten löwenhäute
Nur nicht des Einen scharfen blick zu blenden

Vermag die stechend grelle weltenkrone

Und dreimal tausend schwere urnen spenden

Den geist von amber Weihrauch und zitrone
[6]
Daneben war der raum der blassen helle

Der weisses licht und weissen glanz vereint

Das dach ist glas die streu gebleichter felle

Am boden schnee und oben wolke scheint
Der wände matte täfelung aus zedern ·

Die dreissig pfauen stehen dran im kreis

Sie tragen daunen blank wie schwanenfedern

Und ihre schleppen schimmern wie das eis
[7]
Für jede zier die freunden farbenstrahlen:

Aus blitzendem und blinderem metall

Aus elfenbein und milchigen opalen

Aus demant alabaster und kristall
Und perlen! klare gaben dumpfer stätte

Die ihr wie menschliche gebilde rollt

Und doch an einer wange warmer glätte

Das nasse kühl beharrlich wahren sollt
Da lag die kugel auch von murra-stein

Mit der in früher jugend Er gespielt

Des kaisers finger war am tage rein

Wo thränend er sie vor das auge hielt
[8]
Mein garten bedarf nicht luft und nicht wärme

Der garten den ich mir selber erbaut

Und seiner vögel leblose schwärme

Haben noch nie einen frühling geschaut
Von kohle die stämme von kohle die äste

Und düstere felder am düsteren rain

Der früchte nimmer gebrochene läste

Glänzen wie lava im pinien-hain
Ein grauer schein aus verborgener höhle

Verrät nicht wann morgen wann abend naht

Und staubige dünste der mandel-öle

Schweben auf beeten und anger und saat
Wie zeug ich Dich aber im heiligtume

— So fragt ich wenn ich es sinnend durchmass

In kühnen gespinsten der sorge vergass —

Dunkle grosse schwarze blume?
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TAGE:

[12]
Wenn um der zinnen kupferglühe hauben

Um alle giebel erst die sonne wallt

Und kühlung noch in höfen von basalt

Dann warten auf den kaiser seine tauben
Er trägt ein kleid aus blauer Serer-seide

Mit sardern und saffiren übersät

In silberhülsen säumend aufgenäht

Doch an den armen hat er kein geschmeide
[13]
Er lächelte · sein weisser finger schenkte

Die hirsekörner aus dem goldnen trog

Als leis ein Lyder aus den säulen bog

Und an des herren fuss die stirne senkte
Die tauben flattern ängstig nach dem dache

— Ich sterbe gern weil mein gebieter schrak —

Ein breiter dolch ihm schon im busen stak

Mit grünem flure spielt die rote lache
Der kaiser wich mit höhnender geberde

Worauf er doch am selben tag befahl

Dass in den abendlichen weinpokal

Des knechtes name eingegraben werde
[14]
Gegen osten ragt der bau

Wo dem grossen Zeus zu fröhnen

Toller wunder fremde schau

Und die würde sich versöhnen
Tänzer öffnen das geleit

In verführenden gewändern ·

Knaben die ein opfer feit

In den sonnenschlaffen ländern

Macht aus öl- und palmenlaub

Vor des priesters fuss ein kissen

Streuet sand und silberstaub

Tote liljen und narzissen
[15]
An der schwelle haltet rast

Wo das heilge bild entschleiert

Nur sich giebt dem einen gast

Der es oft und innig feiert

Eines mund gebete lallt

Auch kein bruder sei zugegen

Spricht des gottes zwiegestalt

Seinen immergleichen segen
Junge stimmen · ferner hall ·

Narden die verflüchtet irren

Durch der räuche strengen quall

Zu dem kuss der süssen mirren
[16]
O mutter meiner mutter und Erlauchte

Wie mich so ernster worte folge stört:

Dein tadel weil mein geist nicht dir gehört

Dass ich ihn achtlos ohne that verhauchte
Gedenkt es dir wie viele speere pfiffen

Als ich im Osten um die krone rang

Und lob und vorwurf dem Verwegnen klang

Der damals noch die erde nicht begriffen?
Nicht ohnmacht rät mir ab von eurem handeln

Ich habe euren handels wahn erfasst

O lass mich ungerühmt und ungehasst

Und frei in den bedingten bahnen wandeln
[17]
Und wolle nicht den bruder mir entfremden

— Erkannt ich doch im schlaf dein augenmerk? —

Du fesselst eifrig ihn an blödes werk

Dein zwang verkleidet ihn mit sklavenhemden
Sieh ich bin zart wie eine apfelblüte

Und friedenfroher denn ein neues lamm

Doch liegen eisen stein und feuerschwamm

Gefährlich in erschüttertem gemüte
Hernieder steig ich eine marmortreppe

Ein leichnam ohne haupt inmitten ruht

Dort sickert meines teuren bruders blut

Ich raffe leise nur die purpurschleppe
[18]
Becher am boden

Lose geschmeide ·

Frauen dirnen

Schlanke schenken

Müde sich senken

Ledig die lende

Busen und hüfte

Um die stirnen

Der kränze rest
Schläfernder broden

Traufender düfte

Weinkönig scheide!

Aller ende

Endet das fest
[19]
Rosen regnen

Purpurne satte

Die liebkosen?

Weisse matte

Euch zu laben?

Malvenrote

Gelbe tote:

Manen-küsse

Euch zu segnen
Auf die schleusen!

Und aus reusen

Regnen rosen

Güsse flüsse

Die begraben
[20]
Da auf dem seidenen lager

Neidisch der schlummer mich mied

So bringt keine wundersager

So will ich kein lullendes lied

Der mädchen attischer lande

Was mir vor monden gefiel ·

Nun schlingt mich in eure bande

Flötenspieler vom Nil
Ich lag in äthergezelten

Ich ass von himmlischem brod

Ihr sanget die flucht aus den welten

Ihr sanget vom glorreichen tod

Bevor die brennenden lider

Endlicher schlummer befiel ·

Entrückt und tötet mich wieder

Flötenspieler vom Nil
[21]
So sprach ich nur in meinen schwersten tagen:

Ich will dass man im volke stirbt und stöhnt

Und jeder lacher sei ans kreuz geschlagen ·

Es ist ein groll der für mich selber dröhnt
Ich bin als einer so wie sie als viele

Ich thue was das leben mit mir thut

Und träf ich sie mit ruten bis aufs blut

Sie haben korn und haben fechterspiele
Wenn ich in ihrer tracht und mich vergessend

Geheim in ihren leeren lärm gepasst

- Ich fürchte - hab ich nie sie tief gehasst

Der eignen artung härte recht ermessend
Dann schloss ich hinter aller schar die riegel

Ich ruhte ohne wunsch und mild und schlicht

Und beinah einer schwester angesicht

Erwiderte dem schauenden ein spiegel
[22]
Graue rosse muss ich schirren

Und durch grause fluren jagen

Bis wir uns im moor verirren

Oder blitze mich erschlagen
Auf dem samenlosen acker

Viele helden stumm verbleichen

Nur das russende geflacker

Loher fichten ehrt die leichen
Schmal in regelgraden ketten

Rinnen ziegelrote bäche

Seufzen singt aus ihren betten

Hahler wind umkreist die fläche
Aufgelöst im sande wühlend

Frauenhaare dichte strähnen

Frauenthränen wunden kühlend

Reiche thränen · wahre thränen?
[23]
Agathon knieend vor meinem pfühle

Deine wimper spricht da dein mund sich schloss ·

Dass ich von ihr den feuchten schleier spüle

Was soll ich o mein bruder mein genoss?
Wenn es den über-leuchtenden adern

Vor staub und den rauhen winden graut

So sollst du mit dem himmel nicht hadern

Der an dem hehren spiel sich erbaut
Nimm als lohn dass vor dir nur kranken

Die stolzen glieder zur urne gar

Es ziemt nicht in irdischer klage zu wanken

Uns die das los für den purpur gebar
[24]
Schall von oben!

Sind es hörner sind es harfen

Die mich hoben

Und in grüfte niederwarfen?
Wie betreten

Und als ob ein gott mich zwänge

Muss ich beten

Syrer während eurer sänge
Leise triller · verjüngen gesunden

Laute stösse · mit lachen vergeuden

Gelle striche · die bohrenden wunden

Helle schläge · die brennenden freuden
Weise Syrer

Werd ich dankend euch vertreiben?

Ihr verführer

Noch im leben zu verbleiben
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DIE ANDENKEN:

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Grosse tage wo im geist ich nur der herr der welten hiess

Arger tag wo in der heimat meine tempel ich verliess
Dort beriet ich mit den göttern über ihren höchsten plan

Ihre kinder stiegen nieder mir zu lust und unterthan
O so werde wieder knabe der im haine ruhe sucht

Inne hält er eben bang vor eigener gedanken wucht
Mit der feinen kühnen blässe schweren wechseljahres spur

Trätest du an meine seite mit mir und kein schatten nur!
[[30]][31]
Fern ist mir das blumenalter

Wo die zähre noch genuss

Starb im reif der sommerfalter ·

Dem ein atem schon ein kuss?
Der auf gras und klee und garbe

Und in reiche gärten flog

Einen hauch von duft und farbe

Rasch aus allen blüten sog
Dem die nacht ein gut erteilte

Das er tags umsonst erspäht

Den sie mit der hoffnung heilte

Dass ihn doch die tulpe lädt
Kommt er wieder mit der meisen

Mit der lerchen erstem ton

Wird er neu den juni preisen

Schläft er oder starb er schon?
[32]
Jahre und vermeinte schulden ...

Wisch die zeichen ihrer hiebe

Kind erkoren von den Hulden

Zu der Völker heil und liebe
Heimgekehrter sieger rotte

Beugte sich vor deiner schöne

Ihrem jugendlichen gotte

Jubelten die erdensöhne
[33]
Die der ehre dank erwiesen

Neben solchem hort zu wohnen

Wenn du auf den jaspis-fliesen

Weihtest vor bekränzten thronen
Männer weinten frauen stöhnten

Unter deines tempels thüre

Glühend baten die gehöhnten

Dass dein kleid ihr haar berühre —
Eh dein grösster ruhm ersterbe

Schmücke dich im weissen bade

Dass er noch zum wettbewerbe

Alle hermen vor sich lade
[34]
Am markte sah ich erst die würdevolle

Die schönste aus der weissen schwestern zug

Wie fürstenmantel hing die schlichte wolle

Um ihres nackens ihrer schulter bug
Im schauspiel dann als sich die opfer mehrten

Und zügellos die menge beifall rief

Die todberufenen den cäsar ehrten:

Ihr auge blieb gelassen streng und tief
Wenn ich der kurzen werbung rausch bedenke!

Ich riss die priesterin von dem altar

Und alle länder brachten brautgeschenke

Ich bot in bächen gold und balsam dar
Und zweiflend ob das neue glück mir werde

Erfand ich nur den quell der neuen qual...

Ich sandte sie zurück zu ihrem herde

Sie hatte wie die anderen ein mal
[35]
Ich will mir jener stunden lauf erzählen:

Die kinder unterm feigenbaum entschlafen

Nach unbedachtem seligem vermählen ·

Mich kümmerten der kalten väter strafen
Wol! da ich euch den starken tropfen gönnte

Aus meinem treuen ringe der mir diene

Wenn es bei einer dämmerung mir schiene

Dass ich die Sterne nicht mehr schauen könnte
Begnadete! da ich euch gütig nahte

Und kein erwachen euch ein glück ermattet

Das nur der träum so herrlich euch gestattet

Als ich es jezt aus euren zügen rate
[36]
Ob denn der wolken-deuter mich belüge

Und ich mit bränden und durch adlerflüge?
Dass niemals dieser knospe keusche lippe

Vom windgeführten seim der freundin nippe
Dass sie im schwall der salben und gewürze

Des schwülen kerkers weile sich verkürze
Besprengt vom saft des hanfes und der rebe

Die trägen adern zu beleben strebe
Und flehend bis sie welke stehen bleibe

Vor einer säule sprödem marmorleibe
[[37]][38]

VOGELSCHAU

Weisse schwalben sah ich fliegen

Schwalben schnee- und silberweiss

Sah sie sich im winde wiegen

In dem winde hell und heiss
Bunte häher sah ich hüpfen

Papagei und kolibri

Durch die wunder-bäume schlüpfen

In dem wald der Tusferi
Grosse raben sah ich flattern

Dohlen schwarz und dunkelgrau

Nah am grunde über nattern

Im verzauberten gehau
Schwalben seh ich wieder fliegen

Schnee- und silberweisse schar

Wie sie sich im winde wiegen

In dem winde kalt und klar
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Appendix A

FÜR DEN VERFASSER GEDRUCKT
BEI
VAILLANT-CARMANNE IN LÜTTICH.

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CC-BY-4.0
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). George, Stefan. Algabal. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bjb0.0