Critiſcher, Poetiſcher,
und anderer geiſtvollen
Schriften,
Zur Verbeſſerung
des Urtheiles und des Witzes
in den Wercken
der Wolredenheit und der Poeſie.
Bey Conrad Orell und Comp.1742.
Erklaͤrung auf einige Antworten,
welche jemand dem Verfaſſer derLet-
tres ſur la Religion Eſſentielle à l’hom-
megegen gewiſſe Einwuͤrffe Hr. Prof.
Breitingers geliehen hat.
JCh bin Eu. Hoche. fuͤr ihr guͤtiges, mit ge-
ſchickten Anmerckungen angefuͤlltes Antwort-
ſchreiben ſehr verbunden: Sie loͤſen ſich
dadurch fuͤr die Ueberſendung der Breitingeriſchen
Schrift wieder den ungenannten Verfaſſer der
Lettres ſur la Relig. Eſſent. ſo voͤllig, daß al-
ler fernere Danck, den ſie mir deßwegen abzuſtat-
ten belieben, uͤberfluͤſſig und nur eine Wuͤrckung
ihrer Hoͤflichkeit iſt. Sie erklaͤren ſich bey die-
ſem Anlaſſe, daß man auch rechtglaͤubige Saͤtze
wohl vertheidigen koͤnne: Jch habe dieſes Urtheil,
welches ihnen die Wahrheit abgenoͤthiget, mit
Vergnuͤgen geleſen, und ich hoffe den Tag noch
zu erleben, da Eu. Hoche. geſtehen ſollen, daß es
der guten Orthodoxie uͤberhaupt weit minder an
der Wahrheit fehlet, als an deutlicher Vorſtel-
lung, und Auswicklung der dabey vorkommenden
Begriffe. Lachen ſie hier, wann ſie wollen; ich
laſſe darum meine gefaſſte Hoffnung nicht fahren:
Olim hæc meminiſſe juvabit.
Was indeſſen meine Gedancken in ihrem Schrei-
ben meiſtens an ſich gezogen, war die Anmer-
kung, daß der Ungenannte, und die, ſo ſeiner Leh-
re folgen, vielleicht glauben werden, er habe auf
Hr. Breit. Schrift ſchon vorlaͤuftia, eh ſie aus
Crit. Sam̃l. III. St. ALicht
[2]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
Licht gekommen, geantwortet; auch habe dieſer ei-
nige Wahrheiten erwieſen, welche jener zugeſte-
he, und in ſeinem Syſteme ſelbſt gebrauche. Jch
ſchlug die von Eu. Hoche. mir hieruͤber angewie-
ſene Introduction aux quatorze Lettres de
l’A. A. de l’edition d’Amſterdam 1733. begierig
nach; und da ich ſie mit Bedacht durchgeleſen,
werden Eu. Hoche. mir die Freyheit, ihnen meine
Meinung uͤber ihre Anmerckung des mehrern zu er-
oͤffnen, hoffentlich nicht in uͤblem vernehmen.
Jch geſtehe dann Eu. Hoched. es ſey moͤglich,
daß der Ungenannte ſich auf die von ihnen bemel-
dete Weiſe gegen Hr. Breit. werde ſchuͤtzen wol-
ler: Es ſey daß er das, was in dieſer Einleitung
ſtehet, bey einer kuͤnſtigen Antwort wiederhohle,
oder ſich lediglich darauf beziehe: Allein ich glau-
be zugleich daß nicht eine jede Antwort auch noth-
wendig alſobald eine gruͤndliche, und genugſame
Antwort ſey; und daß insbeſondere die in gedach-
ter Schrift des Ungenannten vorkommende Be-
antwortungen, mit dem andern von ſich ſelbſt fal-
len, wann man mercket, wie weit Hr. Breitin-
gers feſtgeſtellte und erwieſene Saͤtze reichen; ob
dieſer gleich nicht ausdruͤcklich geſagt, der Unbe-
kannte hat auf dieß und jenes ſo und ſo, ſchon
vorlaͤuftig geantwortet, ich aber zeige aus dem,
und dieſem nun abgehandleten, daß er damit unmoͤg-
lich auskommen koͤnne. Geſcheute Leſer, wenn
man ſie einmahl auf die Spuhr der Wahrheit ge-
fuͤhret, koͤnnen ſich ſelbſt leicht forthelffen; und
es iſt ſo fern daß die Begriffe von der Freyheit
des Menſchen, von ſeiner Faͤhigkeit gluͤcklich zu-
werden,
[3]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
werden, von den natuͤrlich-nothwendigen Folgen
und Wirckungen der Dinge, von der Weisheit
Gottes ꝛc. welche der franzoͤſiſche Verfaſſer zum
Behuffe ſeiner Sache auch zu gebrauchen noͤthig
gehabt, die gruͤndliche Anwendung derſelben, ſo
wie ſie Hr. Breit. das Syſt. des Gegners umzu-
ſtuͤrtzen machet, aufhebe, daß dieſer vielmehr durch
das, was er der gedachten Begriffe halben gantz
freywillig geſteht, ſelbſt Hrn. Breitingern die
Waffen in die Haͤnde liefert, mit denen er den
Sieg uͤber ihn deſto ſicherer und gewiſſer erfech-
ten kan.
Jch glaube hiermit nicht zuviel zu ſagen: Eu.
Hoche. belieben doch ſich die Ordnung der Begrif-
fe beyder Gegner, mit wenigem vorzuſtellen,
und urtheilen dann ſelbſt, wie zulaͤnglich oder
unzulaͤnglich der Jnhalt dieſer Einleitung ſey,
und was der Fremde ſonſt von gleichem Gelichter
in ſeinen Wercken hin und wieder gegen die Be-
griffe Hr. Breitingers einflieſſen laͤßt. Dieſer ge-
lehrte Mann denckt ſo: Gott ſuchet bey allen ſei-
nen Wercken auſſer ſich, keinen eigenen Vortheil:
Gott kan aber, wann er wuͤrcket, doch nicht
anderſt wuͤrken, als gemaͤß ſeinen Eigenſchaften:
Dieſe erforderten, daß er eine Welt erſchuͤffe,
in welcher neben tauſenderley andern hoͤhern und
niedern Geſchoͤpfen ſich auch der Menſch befaͤnde;
das iſt, ein Geſchoͤpfe, welches juſt diejenigen und
keine andern Eigenſchaften, und Grade der Kraͤf-
te hat, als die zum Begriffe eines Menſchen ge-
hoͤren; Ein Geſchoͤpfe, wo jedes Individuum Kraft
ſeiner beſondern ſo und nicht anderſt beſchaffenen
A 2Be-
[4]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
Beſtimmungen, mit dem Gantzen nach Zeit und
Ort auch ſeine eigene beſondere Verbindungen
als die beſte von Gott bekommt. Seine Guͤte er-
ſtreckt ſich uͤber alle Geſchoͤpfe. Seine Weisheit
zeiget ihm, wie die hoͤchſtmoͤgliche Vollkommen-
heit in dem Gantzen koͤnne erhalten, und mithin
auch die hoͤchſtmoͤgliche Guͤte erwieſen werden.
Und durch die Gerechtigkeit endlich eignet Gott ei-
nem jeden ſeiner Geſchoͤpfe, und alſo auch dem
Menſchen das zu, was ſeine Weisheit als gerei-
chend zur Erhaltung des hoͤchſtmoͤglichen Guten
einſiehet. Da aber die Menſchen durch den Miß-
brauch ihrer Freyheit ſich in Suͤnde, und folglich
in Unvollkommenheit ſtuͤrtzen koͤnnen, wer will
darthun, daß in der beſtmoͤglichen Verknuͤpfung,
in welcher ſie mit dem Gantzen ſtehen moͤgen, dies
mit enthalten ſeyn muͤſſe, daß Gott nicht zulaſſen
koͤnne, daß ſie wuͤrcklich fallen; oder wann ſie
gefallen, er dieſelbe durch uͤbernatuͤrliche Mittel
entweder insgeſamt, oder einiche darvon, wieder
herſtellen muͤſſe; daß es geſchehen muͤſſe jetzo in
der Zeit, oder dann in der Ewigkeit ꝛc. ꝛc. Dieſes
zu beſtimmen meinet Hr. Breitinger ſey uͤber unſere
Kraͤfte; und ich glaube, es werde jeder, der nach-
ſinnet, was dazu erforderet wuͤrde, es mit ihm auch
ſo glauben muͤſſen.
Hingegen iſt des Ungenannten Lehrgebaͤude zu
folge obgedachter Einleitung dieſes: Gott der fuͤr
ſich bey der Erſchaffung aller Dinge keinen eige-
nen Vortheil ſuchen konnte, mußte nothwendig
das Gluͤck ſeiner Geſchoͤpfe, in ſo fern ſie deſſel-
ben faͤhig ſind, zum Zwecke haben. Sie ſind
aber
[5]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
aber deſſelben faͤhig, wo nicht allemahl hier in Zeit,
doch in der Ewigkeit. Dieß iſt der einige Zweck,
den Gott hat haben koͤnnen. Seine Weisheit,
und ſeine Gerechtigkeit ſind keine Begriffe, die der
Guͤte im Weg ſtehen; ſie gewaͤhren nur die Art
und Weiſe, nach welcher Gott zu ſeinem Zweck
kommt, und die Menſchen zum Gluͤcke bringt.
Die Gerechtigkeit insbeſondere, ſo wie ſie in Gott
weſentlich iſt, ſollte ehe Billichkeit (Equité) heiſ-
ſen; der Begriff der Haͤrte (de la Rigueur) iſt
bey derſelben nur zufaͤllig, und haͤtte ohne den
Fall des Menſchen keinen Platz: So fern aber
dieſe Billichkeit mit oder ohne die Haͤrtigkeit ein
Mittel wird, dadurch ſeine Guͤte erwieſen wird,
harmonieren beyde, und kan es nicht fehlen, denn
daß alle Menſchen zur Gluͤckſeligkeit gelangen.
Jch frage nun Eu. Hoche. ob nicht aus den ve-
ſten Saͤtzen Hr. Breit. nemlich der beſonders be-
ſtimmten Einſchraͤnckung der menſchlichen Natur,
der Unwiſſenheit der Menſchen, auf was Weiſe in
der gantzen verknuͤpften unendlichen Reihe der Din-
ge die hoͤchſte moͤgliche Vollkommenheit erhalten,
und wie alſo in Anſehung derſelben auch die hoͤchſte
moͤgliche Guͤte erwieſen werden koͤnne, natuͤrlich
flieſſe daß der Unbekannte viel zufruͤhe den Schluß
mache: Die Menſchen alle und jede ſeyn nach
ihrem Zuſtand, ihrer Auffuͤhrung und Verknuͤp-
fung mit dem Gantzen ohne Widerrede der Gluͤck-
ſeligkeit faͤhig, und weil Gott bey der Hervorbrin-
gung aller Dinge nicht ſeinen eigenen Vortheil
ſuchen koͤnne, muͤſſen ſie zu derſelben nothwendig
gelangen. Wie wenig will es ſagen, wann derſel-
A 3be
[6]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
be wieder Hr. Breit. Saͤtze gleichſam als eine un-
hintertreibliche Abfertigung vorbringt: Es laſſe
ſich die Gerechtigkeit Gottes ꝛc. ſeiner Guͤte
nicht entgegenſetzen, ſo daß eine die andere
aufhebe; Gott ſey ein einfaches Weſen, in
welchem alſo die Eigenſchaften, und derſelben
Wuͤrckungen nicht wider einander ſtehen. Dieß
alles bleibt ja auch in Hr. Breit. Lehrgebaͤude
wahr. Lieber wer kan ſich vorſtellen, daß Got-
tes Guͤte um deßwillen endlich, und eine in ſo
weit aufgehobene Guͤte ſey, weil ſie ſich nicht wei-
ter erſtreckt, als es durch das Weſen und die
Natur der Dinge und durch diejenige Verknuͤp-
fung eines jeden Individui mit der gantzen Welt,
vermittelſt welcher in dem Gantzen, zuſammenge-
rechnet, die meiſte und hoͤchſte Vollkommenheit
erhalten wird, moͤglich iſt. Mir faͤllt es unmoͤg-
lich zu begreiffen, daß die Guͤte Gottes anderſt
in Gott ſey, als wie ſie mit der hoͤchſten Weis-
heit, Gerechtigkeit ꝛc. beſteht; wird ſie weiter
ausgedehnt, ſo wird ſie ein Non Ens; noch mehr,
ſie wird eine Sache, die wann ſie moͤglich waͤre,
das Werck Gottes nothwendig, durch den und
dieſen Erfolg muͤßte unvollkommener machen als
es jetzo iſt. Dieſes nun vorausgeſetzt, und daß
die eigene Beſchaffenheit, und beſtmoͤgliche Ver-
knuͤpfung einicher Individuorum mit allen uͤbri-
gen Dingen nicht zulaſſe, daß dieſe einzele Ge-
ſchoͤpfe zu mehrerem Gluͤcke gelangen als ſie ge-
langen, wenn je die meiſte und hoͤchſte Vollkom-
menheit in dem Gantzen ſoll erhalten werden; ſoll
es dann heiſſen, die Gerechtigkeit Gottes werde ſei-
ner
[7]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
ner Guͤte entgegen geſetzt, ein Begriff hebe den
andern auf, wenn Gott bey dieſen einzelen Indi-
viduis ein Uebel zulaͤßt, damit nicht ein noch groͤſ-
ſeres entſtehe, im Fall daß er es nicht zulieſſe?
Wenn Eu. Hoche. einem traͤgen und unnuͤtzen Bett-
ler nicht einen Thaler ſchencken, ſowohl in Be-
trachtung der Convenienz dieſes ihres gegenwaͤr-
tigen Betragens, als in Abſicht auf die viele gu-
te Folgen, die dieſer Abſchlag, ich will ſetzen nur
fuͤr ein Jahr haben wuͤrde, (weil doch derſelbe
mit allem Kuͤnftigen verknuͤpfet iſt,) hebet dann ih-
re Weisheit, und Gerechtigkeit, die ſie diesfalls
erzeigen, ihre Guͤte auf? Mich duͤnckt ein Weiſer
werde ſich nicht einmahl eine andere Guͤte wuͤnſchen.
Eu. Hochedlen gedencken vielleicht; es ſey eine
unerwieſene Sache, daß das Beſtmoͤgliche
welches Gott bey ſeinen Geſchoͤpfen erhalten
kan, wircklich mit dem Ungluͤck einzeler Ar-
ten, oderIndividuorumbegleitet ſey.
Sie haben gantz recht: Allein es iſt nur darum
zu thun, ob es moͤglich, nicht ob es wircklich ſey;
ob man einen Widerſpruch finde, wenn man es ſe-
zet: Und ob in dieſem Falle dann die Eigenſchaf-
ten Gottes einander aufheben. Von dieſem letz-
tern habe ich Eu. Hoche. die Ehre gehabt meine
Meinung zu ſagen: Werden ſie mir aber nicht
auch die Moͤglichkeit des erſtern geſtehen, wenn
ſie belieben ſich des oben ſchon angedeuteten zu er-
innern? Eine jede Art der Geſchoͤpfe und alſo
auch der Menſch hat ſeine beſondere Einſchraͤn-
kung, durch welche er eigentlich der wird, der er
iſt. Dieſe machet ihn nun tuͤchtig, juſt in die,
A 4und
[8]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
und keine andern Umftaͤnde geſetzt zu werden, als
er geſetzet wird: Geſetzt nun, er mißorauche in
denſelben ſeine Freyheit ſo, und denn, wie er es
thut; iſt es ein Widerſpruch, daß die Folgen
dieſer Auffuͤhrung ſo beſchaffen ſeyn, daß er na-
tuͤrlicher Weiſe nicht aus dem Elend herauskom-
men wird: Und was haben wir einzuwenden,
wenn Gott dann durch wuͤrckliche Zulaſſung der-
ſelben weit mehr gutes in andern Geſchoͤpfen, mit
denen dieſe verknuͤpfet ſind, erhaͤlt, als wann er es
hinterte? Jch habe ja nicht noͤthig Eu. Hoche.
zu erinnern, in wie viel tauſend Faͤllen etwas Un-
vollkommenes dienen koͤnne, etwas Gutes zu befoͤr-
dern, und ſage nur, wie ich nicht ſehe, daß es
ein Widerſpruch ſey, ſetzen, daß auch ein im-
merdaurendes Ungluͤck einicher einzeler Geſchoͤpfe,
natuͤrlicher Weiſe in der Welt platz haben koͤnne;
eben ſo wenig, als es nach des frantzoͤſiſchen Ver-
faſſers eigenen Geſtaͤndniß eine ſolche Unmoͤglich-
keit iſt, daß die Menſchen wenigſtens eine Zeit
lang Elend und Ungluͤck ertragen. Die Offenba-
rung muß dann aber ausmachen, ob es wircklich
ſeyn werde. Hier hat man genug, wann man
es als moͤglich begreifft.
Eu. Hoche. ſcheinen aber ſelbſt in ihrem Schrei-
ben mehr von der folgenden Antwort zu halten,
welche der Ungenannte in beſagter Einleitung nicht
undeutlich auf dieſe geſetzte innere Moͤglichkeit ei-
ner ſolchen Verbindung der Dinge giebt, bey
welcher das beſte in dem Gantzen, nicht ohne das
Uebel einicher Theile beſtehen kan: Nemlich;
Wenn Gott ſeine Geſchoͤpfe nicht koͤnnte gluͤk-
lich
[9]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
lich machen, ſo ſollte er lieber keine erſchaffen
haben; weil doch die verderbte Menſchen ſelbſt,
wenn ſie das Vermoͤgen haͤtten, Geſchoͤpfe
auſſer ſich hervor zu bringen, es in dem Falle
nicht thaͤten, da ſie wuͤßten daß dieſelbige un-
gluͤcklich wuͤrden.
Jch darf gegen Eu. Hoche. frey ſeyn, und da-
rum ohne Scheue ſagen, daß dieſes mich von Her-
zen ſchwach duͤnckt: Der Schluß iſt nemlich
darauf gebauet, daß die Geſchoͤpfe Gottes nur
aus den einigen Menſchen beſtehen. Es iſt frey-
lich wahr, eine Welt ohne das Merckmahl der
Guͤte Gottes, ja der hoͤchſten Guͤte die moͤglich iſt,
wuͤrde ein Werck ſeyn, das Gott nicht geziemet;
aber wer hat denn dem Unbekannten geſagt, daß
nur die Menſchen auf der Welt ſeyn, und mit-
hin Gott nur allein fuͤr ſie zu ſorgen habe? Lieber
wie viel andere Dinge kan der Menſch unter und
uͤber ihm erkenneu, die eben ſowohl Gottes Ge-
ſchoͤpfe ſind, als die Menſchen: Und wie viel tau-
ſend Arten, vermuthlich auch noch andrer vernuͤnf-
tiger Geſchoͤpfe, moͤgen ſeyn, die wir nicht erken-
nen? Jch meines Theils moͤchte in Anſehung der
Verſchiedenheit und Menge der Geſchoͤpfe Gottes
eben nicht den Schnitzer begehen, den die guten
Kirchenvaͤter in Anſehung der Gegenfuͤſſer ge-
macht. Jch wollte doch gern hoͤren, was der Un-
genannte gedaͤchte, wenn er nach Durchleſung der
Entdeckungen der Geſtirnsverſtaͤndigen und des Ge-
dichtes Eſſai on Man von Herr Pope, etwann
bey einer hellen Nacht den Himmel betrachtete.
Wir haben aber zu unſerm Zwecke nicht einmahl
A 5ſo
[10]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
ſo viel noͤthig; laſſe man den Satz nur gelten, in
ſo fern er gantz keinen Widerſpruch leydet; ich
will ſagen in Abſicht auf die Geſchoͤpfe Gottes, ver-
nuͤnftige und unvernuͤnftige, die uns neben den
Menſchen bekannt ſind, und in Abſicht auf die
Verſchiedenheit der Individuorum, die unter dem
Geſchlechte der Menſchen ſtehen, es iſt ſchon ge-
nug. Nemlich dieſe Geſchoͤpfe alle zuſammen ge-
nommen (geſetzt es ſeyn weiter ſonſt in der gan-
zen Welt nirgend keine andere mehr als die wir
kennen,) machen ein gantzes aus: Und in dieſen,
(alle zuſammen genommen,) kan es wegen ihrer
beſondern und jedem Individuo eigenen Einſchraͤn-
kung, und der daher entſtehenden NB. auch einzi-
ger moͤglich beſten Verbindung mit einander, ja
wohl ſeyn, daß einiche einzele Arten oder einiche
Individua gewiſſer Arten, fuͤr ſich des Gluͤcks
entweder fuͤr eine gewiſſe Zeit, oder aus dem glei-
chen Grunde fuͤr immer miſſen; und daß eben da-
durch das hoͤchſtmoͤgliche Gute in dieſer Welt ent-
ſteht; welches allezeit gegen das berechnet, was
unvollkommen iſt, weit mehr betraͤgt. Aber nun
geſetzt, die Menſchen waͤren eine ſolche einzele
Art dieſer Geſchoͤpfe, oder doch wenigſtens un-
ter den Menſchen einiche Individua; warum ſoll
Gott lieber keine Welt erſchaffen? Warum ſollen
nur dieſe allein ſeine Lieblinge ſeyn? Gewiß dieß
iſt ein wenig zu vornehm von ſich ſelbſt, und hin-
gegen zu ſchlecht von der Unendlichkeit der Eigen-
ſchaften Gottes gedacht: Mich nimmt oftmahl
mehr wunder, daß fuͤr die Menſchen uͤberhaupt
und fuͤr einzele Individua dieſer Art der Geſchoͤpfe
nach
[11]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
ihrer Beſchaffenheit, und dem Ort, den ſie in
der Welt ausfuͤllen, noch ſo viel unverdiente Guͤ-
te Gottes platz haben kan, als daß ihnen nicht
mehr zukommen mag. Urtheilen demnach Eu.
Hoche. uͤber den Satz des Ungenannten, und uͤber
folgende Rettung deſſelben, welche mich an einem
andern Orte ſeiner Schriften beſinne geleſen zu ha-
ben: „Geſetzt (ſagt er) daß durch die Zulaſ-
„ſung des Ungluͤcks einicher Geſchoͤpfe das
„hoͤchſtmoͤgliche Gute in dem Gantzen erhal-
„ten werde, was haben dieſe einzeln davon?„
Nichts: Man geſtehet es gern. Aber der Geg-
ner ſoll erweiſen, daß Gott um deßwillen lieber
noch das uͤbrige Gute, welches zuſammengerechnet
weit mehr betraͤgt, als das, ſo man ſich bey der
gaͤntzlichen Unterlaſſung des Werckes der Schoͤp-
fung vorſtellen kan, hervorzubringen haͤtte unter-
laſſen ſollen. Der Beweiß kommt mir etwas
ſchwer vor, wenigſtens glaube ich dißfalls nicht,
bis ich ſehe.
Jch muß E. Hochedlen bitten, ſich die Zeit
nicht lange werden zu laſſen. Jch habe das meiſte
geſagt: Doch thaͤte es mir weh, wann ich nicht
noch etwas uͤber die Anwendung einicher Be-
griffe beybringen duͤrfte, welche der Ungenannte
zum Behuffe ſeines Syſteme eben ſowohl ge-
brauchet, als Hr. Breitinger bey dem ſeinigen.
Schreiben ſie dieſe Verlaͤngerung ihnen ſelbſt zu;
ſie haben mir den Anlaß dazu durch ihre nicht
unbegruͤndete Vermuthung gemachet, es moͤchte
Leute geben, die glaubten Hr. Breitingers Schrift
muͤßte eben nicht gar zu gruͤndlich ſeyn, weil der
fremde
[12]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
fremde Verfaſſer dieſe Sachen ſelbſt geſtehe, und
ſo gar gebrauche. Nemlich Eu. Hochedlen, indem
ſie die gedachte Anmerckung gemachet, richteten
ihre Augen auf die Begriffe von der Freyheit,
von der beſondern Einſchraͤnckung, von der Faͤ-
higkeit und Unfaͤhigkeit der Geſchoͤpfe, item von
der natuͤrlich-nothwendigen Wuͤrckung, und den
Folgen der Dinge; aus welchen Hr. Breitinger
zeiget wie es moͤglich ſey, daß durch eben dieſe
Sachen das Gluͤck einicher einzeler Geſchoͤpfe,
ſo wie es der Ungenannte haben will, gehintert
werde, und gehintert bleiben koͤnne, (denn der
Grund gehet auf dieſes ſo gut an, als auf jenes,)
dabey zugleich behauptet wird, man ſchraͤncke die
goͤttliche Guͤte deßwegen nicht ein, wenn man
glaubt ſie thue nichts, als was mit der hoͤchſten
Weisheit beſtehen koͤnne. Dieſe Begriffe ſind
es, die der Unbekannte beyzubehalten gut befun-
den, obſchon man meinen ſollen, es waͤren juſt die
Sachen, die er nimmermehr wuͤrde gelten laſſen,
da ſie ſeinem Syſteme ſo ſehr ſchaden. Nemlich
fraget man denſelben; wie kommts, da der Be-
griff von der Guͤte Gottes fuͤr ſich betrachtet nur
lauter Gutes thun in ſich ſchließt, daß deſſen un-
geachtet der Menſch ſich in Unvollkommenheit,
Suͤnde, Elend und Jammer befindet, wenigſtens
in dieſer Zeit? Wie reimt ſich dieß mit der goͤttli-
chen Guͤte? ꝛc. So iſt die Antwort eben dieje-
nige, welche Hr. Breitinger giebt ſeine Sache
zu erweiſen. Da, heißts, ſtehen im Wege, die
Freyheit des Menſchen, die natuͤrliche Ordnung
der Dinge, da jedes ſeine beſtimmte Folgen nach
ſeiner
[13]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
ſeiner Beſchaffenheit, ſeinen Umſtaͤnden ꝛc. haben
muß. Or Dieu ne renverſe point l’ordre Na-
turel: Ce ſeroit deſavouer la ſageſſe qui re-
gne dans toutes ſes œuvres: La Bonté infinie
ne ſçauroit s’oppoſer à cet ordre ſans lequel
tout ſeroit confondu: Jtem; les Miſeres de
la vie ſont une demonſtration parlante de la
neceſſité des Moyens indirects, nemlich die
Menſchen zum Gluͤck zu bringen: La divine Bon-
té conſentiroit-elle à ce que les hommes
ſouffriſſent tant de maux, ſi elle pouvoit les
leur epargner? Jtem: Un être ſans Liberté
ne ſeroit plus l’homme, \& il faudroit de-
mander, pourquoi Dieu a trouvé a propos,
de former des hommes. La liberté de l’hom-
me exige que Dieu ſe ſerve de Moyens pour
les ramener à l’ordre, tout changement ſubit
aneantiroit l’uſage de ſa liberté \&c. So
ſchreibt der Ungenannte, und durch dieſe unerwar-
tete Freygebigkeit koͤnnten gewiſſe Leute Anlaß neh-
men von Hr. Breitingers Schrift nicht allzuguͤn-
ſtig zu urtheilen; ich geſtehe es, aber geſtehen
Eu. Hochedlen mir auch, (ich fordere nur was
wahr iſt,) daß ein ſolch Urtheil, wer es immer faͤl-
len moͤchte, uͤbereilet ſey; und der Ungenannte
ſich mit ſeinen eigenen Waffen ſchlage. So bleibt
es denn dabey; nach dieſer Bekaͤnntniß des Geg-
ners bleibt die Guͤte Gottes dieſelbe in ihrer voͤlli-
gen Kraft, ob ſie ſchon der Beſchaffenheit, Faͤ-
higkeit, und natuͤrlichen Ordnung, die ſich in und
bey den Geſchoͤpfen befinden, auf gewiſſe Weiſe
nachgeben muß. Kan ich nun den Ungenannten
nach
[14]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
nach ſeinem andern mit dieſem nicht wohl zuſam-
menſtimmenden Grundſatz nicht mit Recht fragen:
Warum erſpart die goͤttliche Guͤte den Menſchen
nicht auch dieſes Uebel alles; und bringt ſie nicht
ohne daſſelbe zur Gluͤckſeligkeit? Sie kan es nicht,
ſagt er, weil jenes im Wege ſteht. Wie aber
wenn es immer im Weg ſtehen ſollte? Wie iſt
zu erweiſen, daß dieſes und jenes einzele Indivi-
duum \&c. zur Erhaltung der Abſicht Gottes,
das hoͤchſtmoͤgliche Gute in dem Gantzen zu befoͤr-
dern, nothwendig durch ſein eigen Gluͤck etwas
beytragen werde? Man weiß ja ſo wenig daß die
kuͤnftige Beſchaffenheit und immerwaͤhrende Um-
ſtaͤnde, welche einem jeden beſondern Individuo
als eigen zukommen, dieſe Gluͤckſeligkeit in ſich ſchlieſ-
ſen, als wenig man weiß, daß ſie (gleich den ge-
genwaͤrtigen) dieſelbe nicht mit ſich bringen wer-
den. Der Ungenannte will darum auch lieber
den Nodum gordium zerſchneiden, als ihn aus
der Natur der Dinge aufloͤſen: Er ſagt, es muß
ſo ſeyn, daß die Menſchen zum Gluͤcke kommen,
weil ſonſt Gottes Guͤte durch ſeine Weisheit und
Gerechtigkeit eingeſchraͤnckt wuͤrde. Gleich als ob
dieſe Einſchraͤnckung, (wenn dieß wahr iſt,) nicht
ſchon vorhanden ſey, wenn die goͤttliche Guͤte nach
des Gegners eigener Geſtaͤndniß den Menſchen
nicht anderſt als durch viel Elend und Unvollkom-
menheit zum Gluͤcke bringen kan; und gleich als
ob man dieſelbe, ſo wie ſie in Gott iſt, ſich ohne
Weisheit und Gerechtigkeit vorſtellen muͤßte. Jch
beziehe mich aber uͤber dieſe Einwendungen im
mehrern auf das oben gedachte. Gewiß dieſe lezte
Eigen-
[15]in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. \&c.
Eigenſchaften ſind in dem Begriff, nach welchem
man ſich Gott vorſtellt, da er jetzt eine Welt er-
ſchaffen wollen, eben ſo weſentlich, als die Guͤte:
und es iſt eine Verwirrung der Dinge, wenn der
Ungenannte vorgiebt, das, was in der Jdee der
Gerechtigkeit Haͤrte beißt, ſey nur etwas Zufaͤlli-
ges; etwas, das nicht platz gehabt haͤtte, wenn
die Menſchen nicht wuͤrden geſuͤndiget haben. Die-
ſe beſondere Ausuͤbung der goͤttlichen Gerechtig-
keit iſt wohl zufaͤllig; eben wie auf gleiche Art die
Ausuͤbung der goͤttlichen Guͤte zufaͤllig iſt, als
die ja auch erſt zu ſehen iſt, nachdem Gott Hand
an ſein Werck geſchlagen hat: Aber nicht die Ei-
genſchaft, und der Wille Gottes ſo und nicht an-
derſt gegen ſeine Geſchoͤpfe zu handeln, in ſo fern
derſelbe in Gott betrachtet wird. Man kan ja doch
ſeyn, was man iſt, ob man es gleich nicht immer
in dem Wercke zeiget;
Optimus eſt modulator. ‒ ‒’
Der Zweck Gottes bleibet auch immer einfach.
Dieſer iſt das moͤgliche Beſte, wie es die Be-
ſchaffenheit und Verknuͤpfung ſeiner Creaturen lei-
det, in dem Gantzen zu erhalten. Daſſelbige aber
einzuſehen und zu erlangen iſt ein Werck nicht al-
lein ſeiner weſentlichen Guͤte, ſonder dazu gehoͤren
auch noch ſeine Weisheit, Gerechtigkeit und Macht,
welche in ihm ſind, wie die Guͤte: Oder beſſer zu
ſagen, die von ſeiner Guͤte, welche auf die moͤgli-
che Foͤrderung des Gluͤcks der Geſchoͤpfe geht,
nicht unterſchieden ſind, nur daß wir wegen unſrer
Schwach-
[16]Erklaͤrung auf einige Saͤtze
Schwachheit die Guͤte durch abgezogene Begriffe
uns bald vorſtellen, in ſo fern ſie bloß eine Nei-
gung iſt Gutes zu erweiſen, bald aber in ſo fern
ſie eine erleuchtete Guͤte iſt, die ſich nach den
Geſchoͤpfen, und der Erkaͤnntniß deſſen richtet, was
in der gantzen Welt, bey ſo beſchaffenen Sa-
chen wie ſie ſind, das hoͤchſte Gute, die meiſte
Vollkommenheit, heiſſen kan: Unſre Vorſtellun-
gen aͤndern indeſſen in dem einfachen Weſen Got-
tes nichts.
Dieſes ſind meine Gedancken: Jch bin zum
Zwecke gekommen, wenn Eu. Hochedlen daraus
erkennen, es werde vergebens ſeyn, wenn der
Ungenannte, oder andere, in Anſehung der Schrift
Hr. Breitingers ſich auf die von ihnen vermuthete
Weiſe verhalten ſollten. Kaͤme es darzu, ſo wuͤr-
de Hr. Breitinger mit mehrerm Recht ſich hinwie-
derum ſtatt einer Antwort auf ſeine Saͤtze und
derſelben natuͤrliche Folgen beruffen koͤnnen. Jn-
deſſen laßt uns immer die Wahrheit ſuchen. Wiſ-
ſen ſie daß naͤchſtens eine franzoͤſiſche Ueberſetzung
von Hrn. Breitingers Schrift ans Licht treten
wird? Jch verharre mit aller Hochachtung ꝛc.
Von
[17]
Von der verbluͤmten Schreibart.(*)
DJeſe verbluͤmte Schreibart beſtehet aus
uneigentlichen, figuͤrlichen und verbluͤmten
Ausdruͤcken und Gleichniſſen. Sie iſt ein-
geſuͤhrt worden, I. den Begriff durch die Ver-
gleichung mit einem andern, der eine gewiſſe Aehn-
lichkeit damit hat, in ein klaͤreres Licht zu ſetzen,
und gleichſam ſichtbar zu machen: Opportunus
translationis uſus illuſtrat orationem, ſchreibt
Quintilianus; II. den Ausdruͤcken eine beſondere
Kraft, ein Gewicht und einen Nachdruck zu geben, da-
mit ſie deſto tiefer in das Gemuͤthe des Leſers eindrin-
gen, wann ſie durch ihre reichen Bilder aͤhnlicher
Dinge die Sinne und das Gemuͤthe fuͤllen.
Quam quæ ſunt oculis ſubjecta fidelibus.
Horat. A. P.’
III. Durch die Entdeckung der verborgenen Aehn-
lichkeiten der Dinge den Geiſt des Menſchen zu er-
goͤtzen und zu beluſtigen. Car nous aimons ſui-
vant la remarque d’Ariſtote, à voir une cho-
ſe dans une autre, \& ce qui ne frappe pas
de ſoy même, ni à face decouverte, ſur-
prend dans un habit emprunté, \& avec une
maſque.. Demnach irren diejenigen groͤblich,
die ſich bereden, daß die Vorſtellungen aͤhnlicher
Dinge, oder die Vergleichungen die Kraft eines
Beweiſes haben, maſſen ſie alleine dienen zu er-
klaͤren und zu beluſtigen. Jch habe wahrgenom-
men, daß dieſer Jrrwahn bey unſern Poeten aſt
[Crit. Sam̃l. III. St.] Ballge-
[18]Von der verbluͤmten Schreibart.
allgemein iſt, wie ich ſolches an einem andern
Orte und zu einer andern Zeit darthun will. Wann
nun die verbluͤmte Schreibart ihren Zweck treffen
ſoll; ſo muß ſie nach den Grundregeln des Scharf-
ſinnigen eingerichtet ſeyn, die ich oben ausgefuͤh-
ret habe, und nach denſelben muß ſie auch beur-
theilt werden.
Die Schweitzeriſche Mahler(*) haben eine
Probe von der verbluͤmten Schreibart gegeben,
da ſie nach Opizens und andrer Exempel eine Be-
ſchreibung des Reiches der Freude gema-
chet. Dieſelbige hat Herr Philologus in dem 24-
ſten Stuͤcke der Tadlerinnen ſehr unbeſcheiden an-
gezaͤpft. Jch will die Stelle gantz herſetzen, da-
mit ihr daraus die Scharfſinnigkeit und Hoͤflich-
keit dieſes critiſchen Magiſters um etwas ermeſſen
koͤnnet. Die Mahler ſcheinen mir nicht die rech-
ten Richter der ſinnreichen Schreibart zu ſeyn.
Wie ſollte ich das Urtheil derer annehmen/ die
mit eben den Fehlern behaftet ſind/ ſo ſie an
andern tadeln? Herr Rubens weiß von nichts
als
[19]Von der verbluͤmten Schreibart.
als Phoͤbus/ Galimathias und Wortſpielen
zu ſchreyen; weiß aber nicht/ daß er ſelbſt
ein Meiſter in dieſen Kuͤnſten iſt. Leſet doch
ſeine Beſchreibung die er vom Reiche der Freu-
de gegeben. Jch will jetzo nicht an ſeine uͤber
das Land ſpatzierende Augen/ auch nicht an
die Blumen gedencken/ die ihre Haͤlſe hervor-
recketen/ und die heiterſte Strahlen der Mor-
genroͤthe nachmahleten/ ja ihm Geruch von Bal-
ſam/ Weyhrauch und Myrrhen in die Naſe
blieſen; wiewohl man uͤber dieſe hochgetriebe-
nen Redensarten eben ſo luſtige Dinge ſagen
koͤnnte/ als uͤber Neukirchs Verſe von ihm
geſchrieben worden. Wenn aber der Hunds-
ſtern geruͤhmet wird, daß er niemahls die
Saat verbrennet habe; wenn der Nordwind
die Waͤlder niemals ihres gruͤnen Haares be-
raubet hat; wenn die Blumen wie Rubinen
brennen/ und ihre Blaͤtter mit Atlas und Da-
maſt ſchmuͤcken; wenn der Winter ſein glaͤ-
ſernes Eis auf die Berge getragen; wenn
endlich die Freude uͤber alle Sachen/ ſo ſie
beruͤhret/ einen neuen Glantz ſaet, ſo weiß
ich nicht/ was ich von dem Luchsaugigten
Verfolger unnatuͤrlicher Gedancken und Aus-
druͤckungen dencken ſoll? Jch enthalte mich
alle dieſe Redensarten ſo laͤcherlich zu machen,
als dieſer Schweitzeriſche Scioppius des Hoff-
mannswaldaus/ Lohenſteins und andrer Ge-
dichte gemacht/ und wollte nichts mehr wuͤn-
ſchen/ als daß ihr/ wehrteſte Tadlerinnen,
den ſcharfſichtigen Herren Rubeen zu einer
Vertheidigung ſeiner Redensarten bringen koͤn-
tet; denn ich bin gewiß/ daß ſeine Entſchul-
B 2digun-
[20]Von der verbluͤmten Schreibart.
digungen zugleich alle von ihm getadelte Poe-
ten rechtfertigen wuͤrden. Weil dieſe unzeitige
Critick, ſo viel mir bewußt iſt, von den ſchweitzeriſchen
Kunſtrichtern nicht anderſt als mit Verachtung
beantwortet und wiederlegt worden; ſo will ich die
Muͤhe nehmen, ihre ſo kuͤhn geforderte Vertheidi-
gung zu verfertigen. Jch habe auſſerdem Exem-
pel noͤthig meine Saͤtze recht deutlich zu machen;
ich ſchmeichle mir aber daß dieſe Vertheidigung
eine weit andre Wirckung haben werde, als ſich
Philologus davon verſprechen doͤrffen. Kubens
nennet ſich derjenige unter den Mahlern, der ſei-
ne Feder allein gewiedmet hat, einiche grobe Feh-
ler unſrer deutſchen Poeten, die den guten Ge-
ſchmack verletzen, zu beſtreiten. Er hat deßfalls
den Frantzoſen gefolget, und ihre Gedancken, da-
mit ich mit denſelben rede, geheyrathet(*); aber ſie
mit Exempeln aus unſern deutſchen Poeten erlaͤu-
tert, und bekraͤftiget: So daß derjenige Sinn,
der auf die Vertheidigung der getadelten Stellen
nur gedencket, in der critiſchen Wiſſenſchaft ſchlecht
bewandert ſeyn muß. Der Herr Philologus hat
ſich nicht getrauet, auch nur eine einige von dieſen
Stellen zu retten, oder die Lehrſaͤtze des Hrn.
Rubens anzugreiffen; er laͤßt es daran bewenden
daß er eine Gegenbeſchuldigung machet. Aber
Nil
[21]Von der verbluͤmten Schreibart.
Seine Beſchuldigungen fallen auf etliche Metapho-
ren, die ihm nicht gefallen. Opitz wird eingefuͤhrt,
wie er den Rubens alſo anredet: O Freund mei-
ner Poeſie! Laſſe deine Augen uͤber dieſes lu-
ſtige Land hinſpatzieren; fuͤhre ſie laͤngſt dieſem
groſſen Fluſſe hinauf. ꝛc. Philologus meint,
er koͤnnte ſich, wenn er wollte, uͤber dieſe Stelle
recht luſtig machen. Jch moͤgte es gern ſehen.
Weiß er nicht, daß dieſe Metapher, prome-
ner ſes yeux, bey den Frantzoſen ſo gemein iſt,
daß ſie faſt nicht mehr fuͤr eine Metapher gehalten
wird. Aber auch die deutſche Sprache hat kei-
ne eigene Woͤrter, die verſchiedenen Bewegun-
gen der Augen und Blicke auf die auſſern Ge-
genſtaͤnde auszudruͤcken, ſie iſt gezwungen ſich
derjenigen Woͤrter zu bedienen, durch welche die
verſchiedene Bewegungen des menſchlichen Coͤr-
pers bezeichnet werden; daher entſpringen die ge-
braͤuchlichen und auch in taͤglichen Geſpraͤchen
vorfallende Redensarten, er laͤßt ſeine Augen
frey herum gehen; er wirfft die Augen auf
mich; er hat ſie auf dieſen ſchoͤnen Gegenſtand
angeheftet; er verfolgete mich mit ſeinen Au-
gen. ꝛc. Dieſe Redensarten koͤnnen ihm neue
Materie ſich luſtig zu machen vollauf an die Hand
geben. Er kan ſich verwundern, wie die Augen
ohne Fuͤſſe gehen koͤnnen; ob man ſie ohne Schmer-
zen auf einen Gegenſtand anheften koͤnne; ob es
moͤglich ſey, daß ein Menſch ſeine Augen ſelbſt
wegwerffen werde; ꝛc. Wenn von den Augen
B 3geſagt
[22]Von der verbluͤmten Schreibart.
geſagt wird, daß ſie gehen; ſo wird die gemeſſe-
ne Bewegung ihrer Geſichtesſtrahlen von einem
Gegenſtande zu dem andern angedeutet; koͤnnen
ſie nun gehen, warum nicht auch ſpatzieren? Spa-
zieren bezeichnet eine freye Bewegung der Ge-
ſichtesſtrahlen von einem Gegenſtande zu dem an-
dern, wenn ſie mit einem Ergoͤtzen vergeſellſchaf-
tet iſt. Oder ſage mir Philologus, wie er dieſen
Begriff eben ſo ſtarck mit einem einigen Worte
ausdrucken wolle? Aber die Augen koͤnnen nicht
nur ſpatzieren, ſie koͤnnen gar laufen. Der
geiſtreiche Poet Hr. J. U. Koͤnig ſagt in dem
Heldenlobe Sr. Koͤnigl. Majeſt. in Pohlen:
Und der eben ſo ſcharfſinnige Hr. Brocks in dem
Gedichte von der Allee:
Ja ſie machen zuweilen weitlaͤuftige Reiſen, z. E.
in deſſelben Ode von den Bergen ꝛ
Nach
[23]Von der verbluͤmten Schreibart.
Und grad auf dem dritten Blatte ſtehen dieſe ſchoͤ-
ne Zeilen auf das Firmament:
Philoloaus aͤrgert ſich ferner, daß Rubens ſagt:
Als wir an dem Fuſſe deſſelben waren/ gien-
gen wir Landwerts ein/ von allen Seiten
mit Huͤgeln umſchloſſen/ auf welchen Blumen
ihre Haͤlſe hervorreckten/ welche die heiterſten
Strahlen der Morgenroͤthe nachmahlten/ die
auf die Wolcken fallen; und die uns Geruch
von Balſam Weyhrauch und Myrrhen in die
Naſe blieſen. Es iſt auch in den gemeinen Re-
den uͤblich, daß man den Blumen ein Haupt zu-
ſchreibet. Beſſer in dem Lebenslaufe ſeiner Kuͤhl-
weinin: Wenn ſie unter ihnen ſtuhnd/ ließ
es ihr wie einer Lilien auf einem Blumen-Fel-
de, welche mit ihrem Atlas-Haupte uͤber alle
hervorraget. Und ich finde in dem 39ſten St. der
Tadlerinnen einen gleichen verbluͤmten Ausdruck:
Die Tulpe ſchien ihren Hals aus Ehr-Begier-
de hoch zu tragen. Und der Herr Brockes re-
det in der Betrachtung eines zeitigen Fruͤhlings
von der Stirne einer Blume:
B 4Die
[24]Von der verbluͤmten Schreibart.
Und an einem andern Orte vergleicht eben dieſer
vornehme Poet die vermiſchten Farben des Regen-
bogens und der Abendroͤthe mit den buntvermiſch-
ten Farben eines Blumenſelds:
Das Wort nachmahlen zeiget ſehr nachdruͤcklich
die Aehnlichkeit der Farben. Aber vielleicht aͤr-
gert ihn am meiſten, daß Rubens beyfuͤget: Und
die uns Geruch von Balſam, Weyhrauch und
Myrrhen in die Naſe blieſen Doch ich will
zur Vertheidigung dieſes verbluͤmten Ausdruckes
abermahl eine aͤhnliche Stelle aus Hrn. Brockes
beyſetzen.
Die Beſchreibung der Arten Geruches iſt uͤberaus
ſchwer und muß nothwendig durch Vergleichung
mit Balſam und andern bekannten wohlriechenden
Dingen geſchehen. Aber die folgenden Ausdruͤcke
kommen dem Hrn. Philologus noch weit laͤcherli-
cher
[25]Von der verbluͤmten Schreibart.
cher vor: Die Jahrszeiten veraͤndern unſre Felder
nicht, der Hundsſtern hat niemahls unſere
Saat verbrennet/ und der kalte Nordwind
hat niemahls unſere Waͤlder ihres gruͤnen Haa-
res beraubet. Er muß in guten Schriften der
alten und neuen Poeten ſchlecht bewandert ſeyn,
daß ihn dieſe Metaphoren fremd duncken. Horatz:
Vitabis æſtus. ‒ ‒
Carm. L. I. Od. 17.’
Und Perſius.
Jamdudum coquit.
Sat. III. lin. 5.’
Welches Opitz in ſeinem Vielgut alſo nachahmet:
Die andre verbluͤmte Gleichnißrede erklaͤret Opitz
in dem dritten B. der P. W.
Welches er aus Horatz nachgemachet hat:
Arboribusque comæ. ‒ ‒ ‒ ‒
Carm. L. IV. 7.’
B 5Noch
[26]Von der verbluͤmten Schreibart.
Noch eine Stelle in der Beſchreibung des Reiches
der Freude, welche des Philologi Geſchmack be-
eckelt, lautet alſo: Ein ewiger Fruͤhling be-
herrſchet ſie, und die ſanften Zephire wehen
einen kuͤhlen Wind auf unſre Blumen, die un-
gepflegt hier wie Rubinen brennen, dort ih-
re Blaͤtter mit Arlas und Damaſt ſchmuͤcken.
Jn des Hrn. Lieentiat Brockes Abſchilderung ei-
nes Gartens finden wir dieſe geſchickte Stelle.
Sonſt duͤnckt mich, daß Rubens ſeine Ausdruͤ-
kung dem Hrn. von Beſſer abgeborget, der in
Florens Fruͤhlings-Feſt von der ungezehlten Blu-
men-Menge alſo ſchreibet:
Auch der folgende Ausdruck duͤnckt unſern Kunſt-
richter zu kuͤhn, wann Rubens ſagt: Der Win-
ter ſelbſt hat uns ſeinen Schnee und ſein glaͤ-
ſernes Eis geſchencket/ das er vor unſer Ge-
ſicht auf dieſe hohe Berge in dem Norden ge-
tragen,
[27]Von der verbluͤmten Schreibart.
tragen, die ꝛc. Kan er dann nicht begreiffen,
wie der Winter das Eis auf die Berge hintra-
ge? Was koͤnnte aͤhnlicher ſeyn, als das Glas
und das Eis? Traͤgt nicht der Winter den Schnee
herbey? Jch kan faſt nicht errathen, was er an
dieſer Stelle ausſetzt. Horatz in dem Schreiben
an Mecenas druͤckt dieſes noch kuͤhner dergeſtalt aus:
Aber warum mißfaͤllt ihm folgende Redensart:
Die Freude ſaͤet uͤber alle Sachen einen neuen
Glantz. Es iſt ja eine ſehr uͤbliche Redensart der
Mahler, die einem ſo groſſen Kunſtlehrer, als
Herr Philologus in ſeiner Einbildung iſt, nicht
unbekannt ſeyn ſollte. Jch gebe ihm darum den
wohlmeinenden Rath, daß er ein andermahl zu-
erſt ſeine Kraͤfte pruͤffe, bevor er ſich ſo verwegen
bloß giebt.
Viribus, \& verſate diu, quid ferre recuſent,
Quid valeant humeri. ‒ ‒ ‒
Horat. de A. P.’
Von
[29]
Von der poſſenhaftigen Schreibart.
WEnn die verbluͤmte Schreibart keinen Ge-
ſetzen noch Regeln folget, ſondern uͤber
die geſetzten Schrancken ausſchweiffet,
wenn die Aehnlichkeiten, die ſie in den Dingen
entdecket, allzu entfernt ſind; wenn entweder groſ-
ſe Dinge mit kleinen, oder kleine mit groſſen in
Vergleichung geſtellt werden; ſo verartet ſie in
die poſſenhaſte Schreibart. Von dieſer Art ſind
insgemeine die Ausdruͤcke des Patrioten, ſo oft
er etwas Geiſtreiches vorbringen will. Jch darf
nur hier und dort einige Blaͤter aufſchlagen, ſo
werden ſich Exempel vollauf hervorthun, dieſe
elende Schreibart nach ihrer Haͤßlichkeit vor Au-
gen zu legen. N. 1. faͤllt mir gleich der Titel in
die Augen: An alle meine Mitbuͤrger in und
auſſer Hamburg/ in Staͤdten/ Doͤrffern und
Flecken. Jch kan nicht wiſſen/ ob er ſeine Blaͤter nur
den Hamburgern, ſie wohnen jetzt in oder auſſer
der Stadt, wiedmen will; doch ich lerne aus
dem Verfolge, daß ſeine Anrede an alle Men-
ſchen, die er fuͤr ſeine Mitbuͤrger haͤlt, gerichtet
iſt: Nur ſchade, daß dieſelbigen nicht in einer
allgemeinen Schrift gedruckt ſind; oder daß die
wenigſten ſeiner Mitbuͤrger deutſch verſtehen!
Aber was dieſe Zuſchrift recht poſſierlich machet,
iſt die Proportion, welche er in der Eintheilung
des menſchlichen Geſchlechtes beobachtet hat: An
die Hamburger und uͤbrige Menſchen. Er kan
auf dem Globo ſehen, was ſeine Reſidentz-Stadt
mit dem uͤbrigen Raum der Erdkugel verglichen,
fuͤr
[30]Von der poſſenhaften Schreibart.
fuͤr eine groſſe Figur machet. N. 4. auf der er-
ſten Seite: Tauſend Dinge kommen vor/ wor-
durch die Geſundheit/ der Wohlſtand/ und
das Vermoͤgen Anſtoß leidet. Auch dieſe brau-
chen ihrer eigenen Cur/ und iſt ihnen oft durch
ein bloſſes auslachen abgeholffen worden. Die
Hechel iſt mancherley/ wodurch ein ſolches
Flachs rein wird; wiewohl auch die allerge-
lindeſte ihre Spitzen haben muß. Die Urſa-
che, die mich bewogen, dieſe Stelle unter die
poſſenhaften zu zehlen, iſt, weil die Metaphoren
zu weit getrieben und die Aehnlichkeiten allzu ent-
fernet ſind. Es geht noch wohl hin, daß die ſa-
tyriſche Manier die Laſter zu beſtraffen einer He-
chel verglichen wird; ſo ſagt man, etwas durch die
Hechel ziehen: Aber entdecke er mir die Aehnlich-
keit zwiſchen dem Flachs und den Laſtern; wie
werden die Laſter rein? N. 9. Es erhob ſich ſo
manche nachdruͤckliche Stimme der Herren
Pferde-Regenten, daß es ſchien/ als ob ſie
die Haͤuſer weiter von einander ſchreyen woll-
ten/ um Raum zu gewinnen. Wir hatten
Gelegenheit/ uns uͤber die handfeſte Beredt-
ſamkeit zu verwundern/ die von den Bier-
Karren mit ſo vieler Veraͤnderung der Schelt-
worte durchſpicket, in unſre Ohren fielen.
Dergleichen Ausdruͤcke wuͤrden trefflich in Hans
Wurſtens Locos communes dienen. Die
Hrn. Pferde-Regenten, iſt eine poſſierliche Ver-
gleichung kleiner Dinge mit groſſen; was darauf
folget, iſt ſo ausſchweiffend, daß es auch die Graͤn-
zen des Moͤglichen uͤberſchreitet, und das es ſchien
reimt ſich trefflich damit. N. 24. Jn Ausrich-
tung
[31]Von der poſſenhaften Schreibart.
tung meines Amts, als Aufſeher uͤber die Klei-
der-Tracht/ werde ichs machen, wie ein ge-
ſchickter Gaͤrtner/ und alle uͤberfluͤſſige Zwei-
ge wegſchneiden/ die nur den vornehmſten
Stuͤcken des Baums ihre Nahrung entziehen.
So weit iſt das Gleichniß ertraͤglich. Aber es
wird laͤcherlich, wenn er es weiter treibet: Zuerſt
wird mein Garten-Meſſer ſich an die Reif-
und Unterroͤcke machen/ welche ꝛc. Hiernaͤchſt
gedencke ich die groſſen geknuͤpften Peruͤcken/
die Haar-Beutel ꝛc. unter mein Meſſer zu neh-
men. Warum verwandelt er ſeine Feder in ein
Garten-Meſſer, und nicht lieber in eine Scheer,
oder ein Beil, oder einen Hirſchfaͤnger, welche
ihm den Dienſt, darzu er das Garten-Meſſer
brauchte, eben ſowohl oder beſſer thun koͤnnten?
N. 25. Er ſtellet mit ſeinen Gliedmaſſen eine
Schlaf-Muͤtze vor.N. 40. Noch andere
mußten es fuͤr die beſte Augenweide halten/
wenn man gar nichts ſehen kan.N. 39. Er
hat einen Lehrer/ ich weiß nicht von wie viel
Rechten und Lincken/ mit ſich gebracht.N.
64. Sie meinten ſie waͤren Flachs und befan-
den ſich in den Zaͤhnen einer Hechel. Dahin
gehoͤren alle poͤbelhafte Spruͤchwoͤrter und Re-
densarten, deraleichen folgende ſind. Pithago-
ras iſt kein Narr geweſen; ſich zu Boden
zanken; die ſehr practiſche Kunſt den Leu-
ten die Koͤpfe einzuſchlagen; dem Lands-
Frieden nicht trauen; Saͤtze abwuͤrtzen; eine
hagenbuͤchene Politick ꝛc. An dergleichen ſind
die Blaͤtter des Patrioten ſehr reich. Aber auch
die Tadlerinnen verfallen zuweilen auf ſolche niedri-
ge
[32]Von der poſſenhaften Schreibart.
ge und poſſierliche Schertze. Bl. 227. Das ſechs-
te Gebot gantz und gar durchloͤchern. Bl. 228.
Seine Neugierigkeit hat ihn an das Schluͤſ-
ſel-Loch angeheftet. Bl. 278. Den Schmal-
Hans als Kuͤchen-Meiſter in Beſtallung neh-
men. ꝛc.
Aber neben dieſen einzeln Ausdruͤcken, finden
ſich gantze Stuͤcke ſowohl in dem Patrioten, als
in den Tadlerinnen, die in dieſe Claſſe gehoͤren:
Jch will nur einige zur Probe anfuͤhren: Die
zweite N. in dem Patrioten iſt mit einem poſſierli-
chen Briefe, und einer eben ſo poſſierlichen Ex-
tract-Rechnung eines verdorbenen Kauffmanns
angefuͤllet: Es hatte der Patriot in dem erſten Stuͤ-
ke ſich erboten, ſeine Leſer durch ſeine Lehren auf
einen Weg zu fuͤhren/ wobey ſie Anſehen/
Reichthum und gute Tage ſollten genieſſen
koͤnnen. Dieſe Metapher hat das gantze zweite
Stuͤcke gebohren, denn er dichtet einen durch die
tolle Verſchwendung ſeines Sohnes in den aͤuſſer-
ſten Ruin geſtuͤrtzten Kauffmann, der mit dieſer
Metapher alſo ſpielen muß: Jch kan demnach
ſagen/ daß es mir in meinen alten Tagen ei-
ne groſſe Freude geweſen, wie ich aus dero
gedruͤckten Schrift wahrgenommen daß mein
Hochgeehrter Herr Patriot uns Hamburger
auf einen Weg zu fuͤhren ſich erbietet/ wobey
wir Anſehen/ Reichthum und gute Tage ſoll-
ten genieſſen koͤnnen. Eu. Hochadel. Geſtr.
Herrlichkeiten kan ich verſichern, daß ſie nie-
mand antreffen werden/ der alles dieſes mehr
beduͤrftig/ und in deſſen Erlangung den Vor-
zug vor andern zu fordern/ berechtiget ſey/
als
[33]Von der poſſenhaften Schreibart.
als eben ich/ der alle dieſe Vortheile vorhero
beſeſſen, derſelben aber durch ſchwere Ungluͤcks-
Faͤlle leider ploͤtzlich bin beraubet worden.
Jeder geſcheide Leſer wird erwarten, daß die fol-
gende Erzehlung des Kauffmanns von dem Ver-
falle ſeiner Handlung und ihrem dießmahligen
elenden Zuſtande das Mitleiden bey ihm erwecke, aber
er wird mit Beſtuͤrtzung ſehen, daß ſie ihn viel-
mehr zum Lachen beweget. Jch will nur die Un-
terſchrift melden: Jch hoffe Eu. Gnaden wer-
den mich mit einer troͤſtlichen Antwort erfreuen/
dafuͤr ich lebenslang zu verharren gedencke Eu.
Hochadelichen Geſtrengen Herrlichkeiten/ Deh-
und Wehmuths-voller Diener/ Matz Scham-
roth/Senior.Daß dieſes meines Hrn. Groß-
vaters Unterſchrift ſey/ und der Brief von
mir concipirt und geſchrieben worden/ auch
alles/ was darinn befindlich, ſich wuͤrcklich
alſo verhalte; ſolches atteſtire hiermitin fidem
requiſitus Ego MATTHIAS CHAMMAROTIUS,
Jun. Matthiæ ex filio Nepos, J. V. C. \&c. Notari-
andus. Und endlich, was will dieſer gantze Vor-
trag ſagen, als, die Verſchwendung ſey die Urſa-
che, daß viele Kauffleute ungluͤcklich werden.
Aber auch die folgenden Stuͤcke ſchickten ſich beſ-
ſer in einen luſtigen Redner, oder in eine Samm-
lung poſſierlicher Schwaͤncke. N. 9. und 16. wer-
den abentheurliche Erzehlungen von einem alberen
Baccalaureus, und ſeinem Buche gemachet; deſ-
ſen Titel lautet: Ochippologia exetaſtico eriſtica:
Das iſt: Tiefgeholte Widerlegung der vor-
nehmſten Einwuͤrffe wider die ſo anſehnliche
als nuͤtzliche Mode/ mit Kutſchen und Pfer-
[Crit. Sam̃l. III. St.] Cden
[34]Von der poſſenhaften Schreibart.
den einen Staat zu machen/ wodurch allen
groſſen Handels-Staͤdten/ und deren zum
Theil gar zu bedachtſamen Einwohnern ein
Triumph uͤber alle Ungemaͤchlichkeit angewie-
ſen; dagegen die Vertheidiger der Haushalte-
riſchen Klugheit in dieſem Stuͤcke einesSingu-
larismi, MenagianismiundPatriotismimit der-
ber Gelindigkeit uͤberfuͤhret werden. Alles aus
der allergeſundeſten Vernunft/ und ſo wohl
Juͤdiſchen/ als Griechiſchen und Roͤmiſchen
Staats-Gelehrten und Weltweiſen hergelei-
tet/ auch mit Ein- und Ausfuͤhrung vieler
ſonderbaren Neben-Dinge ausgeſtaffiert von
Philippo SchmalwitzP. H. Baccal. Es wird
daſſelbe N. 16. der Laͤnge nach recenſirt. Aber
ich ſchaͤme mich, daruͤber weitlaͤuftiger zu ſeyn:
Dergleichen Erfindungen ſtuͤhnden beſſer einem
Pickel-Hering, als einem Patrioten und ernſt-
haften Moraliſten an. N. 42. enthaͤlt zwey ziemlich
weitlaͤuftige Briefe, die mit gleichmaͤſſigem abge-
ſchmacktem Zeuge angefuͤllet ſind. Der erſte iſt
von Gerh. Liebenthaler, einem angehenden Buch-
haͤndler, unter deſſen Perſon ſich der Patriot uͤber
einiche Betruͤge dieſer Profeſſions-Verwandten,
und uͤber die allzugroſſe Schreibſucht luſtig ma-
chen will, aber es laͤßt ſo erbaͤrmlich, daß man
es faſt nicht errathen kan, daß dieſes ſein Vor-
haben geweſen. Er hat demſelben ein Verzeich-
niß etlicher Buͤcher beygefuͤgt, von denen gedich-
tet wird, daß der gedachte Buchhaͤndler ſie in ſei-
nem Verlage gedruͤckt habe: Zum Ex. La Revol-
te des Braſſellets,oder rechtmaͤſſige Beſchwer-
den der Arm-Baͤnder wider die ſchmalen
Muffen
[35]Von der poſſenhaften Schreibart.
Muffen; worinn das Frauenzimmer kaum
die Finger bergen, hingegen ſelbige uͤber die
Hand ſtoſſen/ und dadurch den Arm-Baͤn-
dern in ihrem Rechte Eintrag thun kan: Aus
dem Frantzoͤſiſchen des Hrn.D * *in drey
Tagen uͤberſetzt. Zweiter Druck/ von vielen
Fehlern geſaͤubert/ und mit einem poetiſchen
Anhange von der gelehrten Baͤren-Haut ver-
mehret. 13. Bogen in 8. Kurtz und gut/ d. i.
23. Lob-Gedichte auf die Contuſchen/ worinn
allein 23. Façonsderſelben erzehlet werden. 4.
Bogen in 8. Der wohl unterwieſene Beutel-
Schneider/ welcher beſondere Handgriffe an-
zeiget/ einen Haar-Beutel nach der neueſten
Mode zu ſchneiden ꝛc. ſamt einer Zugabe von
der ſchwartzen Kunſt in dem lebendigen Haa-
re 9. Bogen in 12. Der zweite Brief iſt eben
ſo abgeſchmackt, er faͤngt alſo an: Ein ſehr Kunſt-
reicher Grob-Schmid hieſiges Ortes/ der
ſeit kurtzer Zeit das Perlenſticken angefangen/
hat eine neue Art zu punctieren erfunden ꝛc.
er hat gluͤcklich herauspunctiert/ daß der
Patriot gantz gewiß mit dem letzten Stuͤcke
aufhoͤren werde/ welches die Zeit zweifels-
ohne beſtaͤtigen wird. Aber ich wuͤrde mich ſei-
ner Thorheit theilhaft machen, wenn ich mehre-
re Stellen von dieſer Art, dergleichen N. 70. 79.
und anderſtwo haͤuffig zu finden ſind, anfuͤhren wollte.
Doch muß ich in Anſehung des N. 70. eingeruͤkten
poſſierlichen Briefs erinnern, daß er ſich nicht
geſchaͤmt, durch folgende Vorrede dieſe Poſſen an-
zupreiſen: Jn dieſer Abſicht gebe ich den fol-
genden Brief oͤffentlich zu leſen/ weil er nicht
C 2allein
[36]Von der poſſenhaften Schreibart.
allein beluſtigen/ ſondern auch zu allerhand
dienlichen Unterſuchungen veranlaſſen kan. Fuͤr-
wahr das muß ein kleiner Geiſt ſeyn, der ſich mit
dergleichen Salbadereyen beluſtiget; und ich glau-
be nicht, daß der Hr. Patriot vorwitzig ſeyn wer-
de, zu wiſſen, zu was fuͤr Unterſuchungen mich
dieſer Brief veranlaſſet habe. Zwar hat er mei-
ſtens die Vorſichtigkeit gehabt, die mehreſten von
dieſen Poſſen fremden Perſonen anzudichten, aber
dieſes rechtfertiget ihn bey weitem nicht; wenn er
ſie nicht fuͤr was ſchoͤnes angeſehen haͤtte, wuͤrde
er ſeine Leſer damit verſchonet haben.
Was die haͤlliſchen Tadlerinnen anlanget, ſo
muß ich bekennen, daß ſie in dieſem Stuͤcke uͤber
den Patrioten einen groſſen Vorzug haben. Sie
ſind mit dergleichen poſſierlichen Einfaͤllen ſparſa-
mer: Jch finde unter denen Blaͤtern, die mir
bishero zu Geſicht gekommen, mehr nicht als zwey,
die in dieſe Claſſe gehoͤren, nemlich das fuͤnfte und
daͤs ein und zwanzigſte Stuͤck, in jenem wird eine
ausſchweiffende Geſellſchaft unter dem Nahmen
Societé des galants hommes beſchrieben, die
zum Zweck hat, die Einmiſchung fremder Woͤr-
ter in unſre Mutter-Sprache mit ihrem Anſehen
gegen die Geſellſchaft der deutſchen Muſen zu ver-
theidigen. Das andre Stuͤck enthaͤlt eine ſolche
gemiſchte Unterredung zwiſchen Deutſchlieb und
Miſchmaſch, die ein wenig zu ausſchweiffend iſt.
APOLO-
[[37]]
APOLOGIA
DEL EDIPPO
DI SOFOCLE CONTRA LE CENSURE
DEL SIGNOR
DI VOLTAIRE.
HO letto con piacere, Onoratiſſimo mio
ſigr. N. che ſienvi ſtate in grado le Oſ-
ſervazioni da me fatte ſopra il nuovo Edippo; uſo
peró la Confidenza di mandarvi anche l’apologia
di Sofocle, che m’era impegnato d’aggiungere.
Vero egli é benſi, che nell’ intendere per voſtra
Lettera che un tale mio aborto doveva paſſare ſotto
gli occhi altrui, aveva quaſi perduto il coraggio
di trasmettervelo, perche non ardiva prometter-
mene quell’ aggradimento, che per aventura era
toccato alla mia critica: Ma conſiderando poſcia
C 3che
4
[38]APOLOGIA DI SOFOCLE
che tanto avete per me di benevolenza, quanto
di giudizio per diſcernere il valore dell’ opera,
ho ripreso animo; perche mi ſono aſſicurato, che
o ritrovandola Voi indegna dell’altrui viſta non
l’eſporrete à quel biaſimo, che le potrebbe pro-
venire; o piacendovi all’ incontro di communi-
carla ad altri, eſſa non ſarà cotanto immerite-
vole, come io l’averei conſiderata.
Io non voglio eſſere nel numero di Coloro,
che preoccupati dalla riputazione degli antichi
autori ſi perſuadono che ſien ſenza difetti, e giun-
gono talora a far legge de’loro ſteſſi errori; reſtan-
do quindi sforzati a fare apologie, in cui moſtra-
no più d’arte che di raggione; come oſſervo eſſere
avenuto in queſti ultimi anni appunto in Francia
d’alcuni partiggiani d’Omero, che ſono ſtati tanto ap-
paſſionati difenſori d’ogni ſua Cenſura quanto ar-
diti gli avverſari in condannare più coſe degne di
lode non che capaci di giustificazione. Che che
abbia ſcritto Mr. Dacier nelle ſue Rifleſſioni ſulla
poetica in favore delle Tragedie de’ Greci; aſſai
comune é tra Franceſi il giudizio poco loro favo-
revole, il che credo eſſere accaduto particolarmente
1. per il mal eſito che hanno avuto i primi loro
imitatori Jodelle e Ronzard. 2. Per i Coſtumi
che paiono ſovente poco dicevoli, non tanto per
la diverſità loro, quanto per una certa rozzezza
di quel ſecolo, in cui ſ’aveva minor dilicatezza
nella decenza de’ Caratteri, e mancava certa no-
biltà de’ ſentimenti che i tempi poſteriori hanno
acquiſtato. 3. Per alcuni difetti eziandio, che
io non negarei appartenere all’arte delle mede-
ſime Tragedie più ch’al Tempo in cui furono
ſcritte; come averò occaſione di moſtrare in alcune
mie
[39]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
mie oſſervazioni ſopra la Tragica poeſia- Ma Mr.
Voltaire parmi che ſiaſi oltre modo avanzato mor-
dendo e lacerando in più luoghi fuori d’ogni rag-
gione quel Edippo che per tanto tempo é ſtato il
modello della perfetta Tragedia. Non potendo io
peró di buon animo vedere tanto ingiuſtamente
inalzarſi la Critica contra i padri ſi benemeriti
delle buone arti come é Sofocle; ho voluto eſa-
minare ad una ad una le cenſure del Critico Fran-
ceſe per farvi quindi ſcorgere quanto ſieno elleno
mal fondate e quanto per conſeguenza inconvene-
voli al merito di coſi celebrato autore. Dovereb-
be à dir vero eſſer egli abbaſtanza difeſo da ſe
ſteſſo per quel lungo poſſeſſo di Gloria, che ſin
ad ora ha goduto preſſo tutti piú dotti: Ma poſcia-
che ſiamo in un ſecolo in cui ſi contende agli an-
tichi autori tutto ció, che non appare legittimato
con i fondamenti della Raggione; e ſi pretende
che gli applauſi reſi loro dalle paſſate età abbiano
fomentato mille pregiudizii ne’ loro ammiratori;
traendo queſti ad una adorazione ſuperſtizioſa;
non ſara forſe inutile queſta mia impreſa; ed an-
corche non giovaſſe ad altro, metterà maggior-
mente in chiaro gli artifizii del Edippo calunniato,
ſiccome pomice tergendo dalle machie i metalli
fa meglio riſplendere la loro finezza.
Incomincia queſta Tragedia da un atto di pater-
no amore che uſa Edippo verſo i ſuoi ſudditi,
i quali eſſendo per l’eſtrema loro deſolazione, cag-
gionata dalla graviſſima peſtilenza, ragunati di
buon mattino appreſſo le ſoglie della Reggia per
implorare quaſi con ſolenne ambaſciata il ſoccorſo
del loro Sovrano, ivi ſedeanſi attendendo ora
più propria d’incommodarlo. Esce egli dunque
C 4ſcor-
[40]APOLOGIA DI SOFOCLE
ſcordatoſi non pure della ſua dignitá: ma dell’a-
more della propria ſalute come privato, e per far
comprendere à que’ Citadini una azione ſi pietoſa,
dice
Il che vale come ſe diceſſe. „Io che ſono quel
„Edippo tanto da voi ſtimato, e venerato, de-
„poſta ogni mia dignità vengo ad aſcoltare le
„voſtre ſuppliche per recarvi quèl ſoccorſo, che
„poſſo.„ Ora veggaſi quanto ſia inetta la pri-
ma taccia impoſta a Sofocle dall’autor della Critica.
Condanna egli in primo luogho il poeta perche
ſiaſi ſervito d’una troppo rozza maniera di far co-
noſcere i ſuoi perſonaggi, introducendo Edippo
a dire, je ſuis Edipe ſi vanté par tout le monde E.
per caricarlo maggiormente ſoggiunge; che ció
vale quanto inſegnare il ſuo nome, cioé dire je
m’apelle Oedipe. Per il Teſto da me ſopra allegato
appare, che Mr. de Voltaire ho preſo motivo di
qui credere difetto d’arte dalla Traduzione franceſe,
che aſſai ſ’allontana dal ſenſo dell’ originale Gre-
co; perocche la dove ſecondo quello ſuona male
il diſcorſo d’Edippo; giuſta queſta ſpicca la di
lui pietà, ed eſtimazione; delle quali coſe l’una e
l’altra giova mirabilmerte per diſporre li uditori ad
una maggiore compaſſione delle ſue diſgrazie. Jo
non mi ſtendero dunque maggiormente in ripro-
vare una cenſura ſi mal fondata. Ma non poſſo
qui trapaſſare ſotto ſilenzio la debolezza della difeſa,
che
[41]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
che Mr. Dacier reca in favore di queſto Teſto da
lui malamente interpetrato; che a dir vero io mi
ſono ſtupito aſſai, che non oſtante la ſua celebre
letteratura, e lo ſtudio particolare ch’egli ha fatto
ſopra Sofocle, ſia caduto nell’ errore di credere,
che queſti faccia dire ad Edippo; je ſuis ſi vanté
par tout le monde, per dimoſtrarlo di natura orgo-
glioſo. S’egli veniſſe in ſcena a coſi parlare ſenza
un giuſto motivo, offenderebbe troppo con tale
indecenza. Primamente le parole ὁ πασι καλουμε-
νος ſignificano che dalla cittadinanza circoſtante
veniva eſaltato il ſuo nome; come oſſerva anche
un anticho autore di greci ſcolii, che dice πιϑανος
δε το ὀνομα του προλογιζοντος ἐδηλοσεν; e come ap-
pare anche meglio da ſeguenti versi della riſpoſta
del ſacerdote.
L’eſpoſizione de’ quali verſi non é per mio giudi-
zio ſe non queſta:
Quindi è ch’egli non viene in ſcena a gloriarſi
fuori di propoſito: Ma piglia occaſione dagli ap-
plauſi fattigli di moſtrare l’umanitá ſua, come
ho gia ſopra accennato. Ma dato ancora, che
ſenza le dette raggioni Edippo prendeſſe a dire i
C 5ſuoi
[42]APOLOGIA DI SOFOCLE
ſuoi vanti, a me ſembra in vero, che avereb-
beſſi potuto addurre una migliore difeſa. Ed
ecco, ſe qui v’aggrada, ch’io mi ſtenda alquan-
to, ciò che io averei piú tosto detto in tal caſo.
Egli é certo, che in molte occaſioni non ſolo
ſi può ſcuſare il lodare ſe ſteſſo: ma merita ap-
probazione. Plutarco nel trattato della lode di ſe
medeſimo, dopo aver dimoſtrato poterſi ſovente
ciò fare ſenza riprenzione in ſei occaſioni; cioè:
Se ſ’ha a liberare di qualche calunnia; ſe prouaſi
aſſai avverſa fortuna; ſe trovanſi degli ingrati; ſe
l’opere ben fatte ſi veggono biaſimate; ſe alcuno
lodaſſe di coſe frivole un uomo pregievole per
azioni grandi; ſe ſi miſchia la lode con i difetti;
paſſa indi ad annoverare tre cagioni, per cui le
proprie lodi ſono talor convenevoli, e niceſſarie.
Cioè: Quando con eßi puoſſi eccitare altri ad im-
preſe onorevoli; come fece Neſtore nel II. dell’ Ili-
ade rammentando a Patroclo le ſue glorie e Raimon-
do a ſua imitazione nell’VIII. della Gieruſalemme del
noſtro Taſſo. 2. Quando ſi tratta di reprimere
alcun feroce. Coſi vantaſi Achille eſſendo per
combattere con Enea nel XXI. dell’ Iliade, e coſi
pure nell’ Eneide Liguri contro Enea, Enea contro
Turno. 3. Quando ſ’animano i Cittadini, o gli
amici abbatuti da diſgrazie, o da timore, ſicco-
me fece Uliſſe nell XII. dell’ Odiſſea, accennando
a’ Compagni ſuoi la prudenza e deſtrezza, con cui
gli aveva già liberati dal pericolo del Ciclope. A che
io tre altre occaſioni aggiungerei in cui conviene
aſſai la lode propria; e ſono, qualor ſi vede non
averſi riguardo a proprii meriti; peró diſſe con
frutto i ſuoi vanti quell’ Orazio, che rimaſto ſolo
de tre fratelli liberatore della patria, fu toſto dopo
il
[43]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
il trionfo condannato a morire, per avere ingiu-
ſtamente trafitta la moglie di un Curiazio. 2. Qua-
lor il lodarſi giova a captivarſi la benevolenza, il
che avvenne a M. Valerio Corvino dittatore, quan-
do a’ Soldati congiurati contro la Patria coſi parló,
come leggeſi in Tito Livio Lib. 7. Ego ſum M.
Valerius Corvinus, Milites, cujus vos nobilitatem be-
neficiis erga vos, non injuriis ſenſiſtis ‒ ‒ ac ſi cui gens,
ſi cui ſua virtus, ſi cui etiam majeſtas, ſi cui honores
ſubdere ſpiritus potuerunt, iis eram natus, id ſpeci-
men mei dederam, ea ætate conſulatum adeptus, ut
potuerim tres \& viginti annos natus Conſul patribus
quoque ferox eſſe, non ſolum plebi. Finalmente qua-
lor la lode dataſi promove coſe utili, o buone
ritraendo dalle inutili, o ree, di che puó ſervire
per eſempio ció che diſſe Q. Fabio Maſſimo pure
preſſo Tito Livio D. 3. L. 8. perſuadendo i padri
a ſoſpendere la ſpedizione dell’ Africa. Cunctatio-
nem meam metum pigritiamque homines adoleſcentes apel-
lent, dum me non pœniteat adhuc aliorum ſpecioſiora
primo aſpectu conſilia ſemper viſa, mea uſu meliora.
Ora venendo al caſo noſtro dico io, chi non
vede che averebbe Edippo molta raggione di ram-
memorare le ſue glorie, nell’udire le querele de ſuoi
ſudditi afflitti; mentre giova a ſollevarli, ed em-
pierli di ſperanza la memoria della ſua ſperimen-
tata Virtú, per cui già furono liberati da altre diſ-
grazie per l’addietro ſofferte? La jattanza in ſimili
caſi é non gia un’oſtentazione di chi cerca plauſo:
Ma un offrire il proprio potere in pegno di con-
fidenza. In fatto qual animo non averebbono
dovuto acquiſtare quelle genti, vedendoſi in tal
guiſa fidanzare da colui che ſtimavano non ſolo
qual Ré; ma qual Sapiente; come ſpieganſi ne’-
greci
[44]APOLOGIA DI SOFOCLE
greci ſcolii quelle parole ἀνδρων δε πρωτον ſopra
citate.
La ſeconda cenſura ſi fonda ſopra la riſpoſta del
ſacerdote. Diceſi che la deſcrizione, che queſto
fa delle perſone ivi preſenti, che dovevano eſ-
ſere dal Ré conoſciute, e della peſtilenza, di
cui egli doveva avere tutta la notizia, é poco
naturale, e peró un mezzo poco artifizioſo d’in-
ſtruire gli uditori del ſoggetto della Tragedia.
Ma il fine, per cui eranſi congregate tutte quel-
le perſone, era di movere la Compaſſione del
Ré loro; perche avendone queſti concetto d’uo-
mo quaſi divino, pareva loro, che per eſſere li-
berati dalle calamitá, non mancaſſe che la ſua
accurata ſollecitudine: Quindi ne ſiegue, che il ſa-
cerdote, chi pare eſſere il loro Oratore doveſſe
ſervirſi di tutti quei mezzi, che potevano eſſere
efficaci per la loro commozione. Or vediamo
quali ſieno eſſi, e come ſe ne ſia egli ſervito nella
ſua perorazione, per poſcia conoſcere ſe queſta
meriti la taccia d’inveriſimile. Io qui non voglio
entrare in altro raggionamento, dimoſtrando che
per muovere la noſtra Volontá ſieno il più idoneo
mezzo le impreſſioni della noſtra imaginativa, per-
che avendo queſta, come materiale, una particolar
comunione colle noſtre paſſioni, il di cui moto age-
volmente trae ſeco la noſtra Elezione; queſte tanto
più s’eccitano facilmente, quanto é più quella
agitata. Baſta per comprendere ció la quotidiana
eſperienza. Da queſta preſe motivo Carteſio di
racchiudere ſotto nome di paſſioni le di lei impreſ-
ſioni confondendole col timore, colla compaſ-
ſione ed altre ſimili commozioni dell’ anima. Da
ció derivaſi, che tutte le coſe opportune per im-
primere
[45]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
primere maggiormente nella fantaſia noſtra oggetti
eccitatori d’alcun affetto, ſieno altreſi più vale-
voli à perſuadere. Or chi non ſá che le coſe an-
corche note non producono giammai ſi notabile
effetto, come allorche ſe ne ravviva l’impreſſione.
Queſto accade in due maniere. Una é quando ſi
richiama la memorla delle ſpecie dal tempo miti-
gate, a che s’aſpetta il caſo d’Enea, allorche do-
vendo raccontare l’eccidio di Troja a Didone,
diſſe: Che alla minuta rimembranza di tale ſtoria
averebbono pianto i Mirmidoni ed i Dolopi
ſteſſi. Il medeſimo puó dirſi del Commovi-
mento, ch’egli ſentiſſi nel Tempio di Cartagine,
vedendo rappreſentati i combattimenti dello Aſſe-
dio di Troja, a cui non poté frenare le lagtime.
L’altra é quando ſi conſiderano con particolarità
molti oggetti, i quali tuttoche preſenti, ſe con-
fuſamente da noi foſſero appreſi, reſtarebbero
privi della loro efficaccia, come molti aghi congiunti
aſſieme perdono la virtú del loro acume. Quinci pre-
ſe Argomento M. Valerio di ſedare i ſoldati armati
contro la Patria, facendo loro conſiderare men-
tre già erano a viſta di Roma, che quello non
era già il paeſe de’ Volſci, o de’ Sanniti, ma il
Romano; che i colli che avevano ſotto gli occhi
erano quelli della patria; ch’egli era il ſuo Con-
ſole, e loro concittadini quelli, con cui avereb-
bon dovuto combattere. A queſta appartiene
anche il preſente caſo, nel quale il ſacerdote con
artifizio Oratorio proccura di rendere più com-
paſſionevole ad Edippo la diſgrazia de’ circoſtanti
ivi rifugiati, con indicargli ſingolarmente chi
foſſero tutti coloro, che ſtavano implorando il
ſuo ſoccorſo, e di renderla più terribile con il
ſpecifi-
[46]APOLOGIA DI SOFOCLE
ſpecificare l’univerſale deſolazione. Io concordo
in dire, che non convenga alla narrazione iſtori-
ca la particolare eſpoſizione delle coſe notorie, ma
non poſſo approvare lo ſteſſo della narrazione Ora-
toria, quale deve riputarſi queſta. Il fine della
prima é ſolo la notizia delle coſe; onde note
che queſte ſieno eſſa ſi rende ſuperflua; il fine
della ſeconda è la perſuaſione; peró ſi rende tanto
più perfetta, quanto abonda più di Circoſtanze, che
conducono al ſuo fine. Sarei troppo lungo, ſ’io
qui voleſſi addurre altri eſempii di quelli infiniti,
che ſi trovano ne’ poeti e negli Oratori, ne’ quali
con Artificio deſcrivonſi le coſe più manifeſte.
Ben ſi ſcorge per le coſe fin ora dette, quanto
ingiuſta ſia anche in queſta parte la Critica di Mr.
de Voltaire, biaſimando egli una perorazione ſi
raggionevole, e che merita anzi che biaſimo mol-
ta lode; perocche con tale occaſione rendeſi più
patetica l’introduzione della Tragedia, ed é più
propria che la ſua per intereſſare la Curioſitá degli
ſpettatori. Per altro è troppo chiaro, quanto ſia
inetto il dire, che l’accennamento delle perſone
ivi affollate ſia una invenzione da Sofocle prattica-
ta per notificare agli uditori il ſoggetto Tragico;
perche qual biſogno aveva egli d’avvertire di ció?
é egli coſa niceſſaria per il comprendimento della
favola l’annoverare tali perſone? Si deve notare
altreſi, che la traduzione di cui ſ’é ſervito non é
neppur qui totalmente espreſſiva del Teſto Greco,
ἐγω μεν φηνος, dovendoſi intendere, che doppo che
il ſacerdote ha nominati i ſuoi compagni dica
come di coſa nota, di cui ſono il diale.
La cenſura che ſiegue riguarda l’ignoranza d’E-
dippo circa la morte di Laio.
Queſta
[47]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
Queſta taccia é la piu giuſta, che ſi poſſa dare
al Edippo di Sofocle: Ma non é nuova; ſon
gia più ſecoli, che ſcrittori autorevoli hanno di-
ſapprovato l’inveriſimile di queſta ignoranza. Pure
acciocche facciate giudizio proporzionato alla qua-
lità del errore, diró ció che ſi puó recare per la
ſua ſcuſa. Ariſtotile che é ſtato il primo, che ci
ha laſciato memoria di tale cenſura, ſcuſa queſta
ignoranza nel tempo ſteſſo, che l’accuſa, poſcia-
che avendo nella poetica detto, che non ſi devo-
no coſtituire le favole di parti irraggionevoli-
ſoggiunſe: ἐι δε μη ἐξω του μυθευματος, ὡσπερ ὀι-
διπους το μη ἐιδεναι πως ὁ λαιος ἀπεϑανεν. Cioé:
Se pure ſi faceſſe altrimenti, ſia l’irraggionevole fuori
del Teſſimento della favola; ſiccome é nell’ Edippo il
non aver ſaputo in qual guiſa Laio foſſe morto. Il
che parmi giuſtamente da lui detto, perche l’u-
ditore occupato dalle imagini coſtumate de’ ſuc-
ceſſi preſenti, non riflette tanto agevolmente al
difetto de’ paſſati. Siccome dunque nella Pittu-
ra ſi rimedia ſovente a qualche proporzione delle
figure con naſconderne parte nel buio, coſi ſi
laſcia fuori della preſente favola la ſconvenevoleza
del non aver udito in tempo proprio le circoſtanze
d’un paſſato avvenimento, ſenza offendere almeno
aſſai ſenſibilmente l’uditore. Aggiungeſi a queſto
il giovamento della favola che quinci naſce, il
quale appartiene principalmente all’arte del poeta,
ed é degno di tanta conſiderazione, che ſovente
ſ’é creduto più tolerabile l’irraggionevolezza d’una
azione, che la mancanza di queſto; per la quale
reſtano fredde le invenzioni ancorche veriſimili.
Peró vedeſi eſſerſi diſapprovata la trasformazione
delle navi d’Enea in ninfe; tuttoche ſia credi-
bile
[48]APOLOGIA DI SOFOCLE
bile che Cibele la voleſſe, per onorare quelli al-
beri, ch’erano ſtati ſu’l monte Ida allei conſacra-
ri; mentre ció non giova nulla alla coſtituzione
della favola. All’incontro s’approva la caccia data
ad Ettore da Achille preſſo Omero, ed il favore
preſtato da Menelao a Tindaro piùtoſto, ch’al
nipote Oreſte, appreſſo Euripide; perche ſebbe-
ne ambedue queſte azioni vengono riputate al-
quanto irragionevoli, giovano di molto al ma-
raviglioſo Commovimento.
Quindi ſi paſſa a cenſurare la fama ſparſa da
colui, ch’eraſi ſalvato con la fuga; cioè: Che
Laio foſſe ſtato occiſo da ladri, parendo impoſ-
ſibile che il teſtimonio della morte di quel Ré
voleſſe aſſerire, che molti l’havevano occiſo,
quando era ſtato un ſolo.
Non avvi nulla di più veriſimile, che il dire,
che un ſervo atto a paſcer pecore più toſto, che
a trattar armi, [come appare di ció, che dice
egli medeſimo dappoi,] il quale intimorito dalla
improviſa ucciſione del ſuo ſignore e d’altri com-
pagni, aveva penſato più alla fuga, che ad altro,
riferiſſe male il ſeguito. L’ardire ſtraordinario d’E-
dippo poteva fargli apprendere per inimici che
lo ſpallegiaſſero altri paſſageri innocenti, e poteva
egli medeſimo eſſerſi ſervito di tale preteſto,
per coprire la ſua viltá; mentre era per altro mol-
to agevole a crederſi allora una ſorpreſa di Ladri,
perche in que’ tempi, come s’ha nella vita di Te-
ſeo di Plutarco, la Grecia era infeſtata talmente
da Masnadieri ch’ Ercole ſteſſo non poté liberar-
nela affatto. Onde é probabile che ſi foſſero per
l’addietro ritrovati in que’contorni, ove ſecondo
l’antica Geografia erano i confini della Beozia e
della
[49]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
della Focide frequentatiſſima per l’oracolo di Del-
fo. Ma perche nella Critica dell’ Edippo di Pier
Cornelio dice Mr. de Voltaire, che l’azione d’E-
dippo e gigantescha; perche ſi fanno da lui uc-
cidere ſette perſone, giudico che non mi con-
venga ommettere qui la riſpoſta di queſta ripren-
zione; e prima d’ogni coſa piacemi di citare i
verſi ſteſſi del poeta.
Cinque ſoli erano dunque in tutto, ne’ quali ſe
s’eccettua chi doveva eſſere inabile all’armi,
non debbeſi conſiderare colui, che vien chia-
mato κηρυξ, che qui ſignifica colui, che noi chia-
miamo il cavalcante, perche come racco-
glieſi da varii antichi autori, e particolarmente
da Omero, ἀπηνη era una ſpecie di carro, a
cui qualor attaccavaſi più di due muli, o ca-
valli, montava alcuno ſopra uno degli anteriori,
e chi ſtava nel Cocchio reggeva quelli del Timone;
come appunto pare eſſer ſeguito nella congiontu-
ra preſente, dicendo Edippo a Giocaſta, ch’e-
gli fu ſpinto a forza giu della ſtrada dal rettor de’
Cavalli, che precedeva, indi dal vecchio Re
percoſſo colla sferza, che anch’ eſſo aveva. E
tanto meno ſi deve far conto di coſtui, quanto
che fu ferito all’ improviſo dall’ impetuoſo garzone.
Nulla più ſi puote avere in conſiderazione Laio,
che oltre l’avere le mani impacciate, e l’eſſere
pure ſorpreſo da colpo non aſpettato, era inabile
per la Vecchiaia a reſiſtere al furore giovanile d’E-
dippo. Degli altri tre il paſtore ſopra viſſuto e
Crit. Sam̃l. III. St. Dcre-
[50]APOLOGIA DI SOFOCLE
credibile che toſto ſi volgeſſe in fuga; onde due
ſoli rimangono quelli, che potevano contra-
ſtargli. Or qual meraviglia è, che un giovane
ardente e feroce, quale ci vien qui rappreſentato
Edippo, poteſſegli vincere, e trucidare? Dirò
ſolo che non v’ha ſoldato in Omero, ed in Vir-
gilio, che non faccia maggiori prodezze ſenza pa-
ragone; per non parlare di quel valore aſſai
particolare, che i riprenſori del primo hanno ri-
conoſciuto in Achille, allorche col ſuo braccio
fa ſtragge di molti illuſtri Trojani. Per altro con-
ceſſo, che foſſe una tale Azione aſſai rara e poco
propria per una veriſimile invenzione, niun pre-
giudizio ne riſultarebbe a queſta Tragedia per eſſer
ella un punto d’iſtoria, (come ſi legge in Diodo-
ro Siculo) il quale a tempi di Sofocle doveva
eſſere aſſai famoſo; onde egli averebbe anzi mal
fatto ad alterarlo, dovendo il poeta ſeguitare la
fama, la quale, come bene oſſerva il Caſtelvetro,
è in luogho di poſſibilità, e di credibilità, di che
ci ſono eſſempi i voli di Dedalo, e di Pegaſo.
Che ſe a Sofocle foſſe appartenuto il fingerla,
qual difficoltá poteva egli avere d’aggiungere ad
Edippo alcun Compagno?
La Critica che ſuccede non è manco degna d’am-
mirazione. Diceſi che Edippo confeſſa aver udi-
to che Laio e ſtato ucciſo da Viandanti, e che
però contradiceſi una fama all’ altra; da che ne
naſce una oſcurità maggiore, che non era quella
degli Enimmi della Sfinge.
Quando anche foſſe vero, che qui ſi trovi con-
tradizione, non veggo quale inconvenienza poteſ-
ſe naſcere dalla diverſità della fama, la quale ap-
punto ſuole eſſere varia ed incerta, e meſce ordi-
naria-
[51]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
nariamente il vero con il falſo; ſiccome la dipin-
ge Silio Italico nel Lib. 6. ove dice.
Pero nella invocazione delle Muſe diſſe Omero.
Cioé:
Nulla bene ſappiamo.’
Ma prendee errore Mr. de Voltaire ingannato for-
ze dalla Traduzione di Mr. Dacier in credere che
qui ſiaci oppoſizione. La Voce ὁδοιπορος non
ſignifica qui propriamente Viandante, ma è ſino-
nimo, o un attributo degli aſſaſſini di ſopra men-
tovati, che vale Vagabondo, e chi batte le
ſtrade. Ciò ſi prova con quelle parole che Gio-
casta dice in una Scena poſteriore, parlando de-
gli ſteſſi, ξενοι ληςαι φονευουσι, cioé Ladri pellegrini. Si
vede dunque per tutto ch’ogni diſcorſo conco r-
da, ma quello che merita altresì particolare oſ-
ſervazione, è, che la circoſtanza de’ pellegrini è
poſta con artifizio per rendere più veriſimile la
poca cura avutaſi al Tempo della Morte di Laio.
Il che ho voluto dire, acció veggiate, quanto
ciò ſia lontano dalla Sconvenevolezza.
Si biaſima ancora ch’ Edippo cerchi come ab-
biano potuto i Ladri ammazarlo, ſe Laio non
aveva ſeco Dinari.
Due raggioni ſi ponno rendere di queſto diſcor-
ſo d’Edippo; una é che ſenza la Certezza d’un
groſſo bottino, non ſembrava probabile, che
D 2da
[52]APOLOGIA DI SOFOCLE
da masnadieri ſi tentaſſe un’ impreſa ſi atroce;
l’altra che non avendo egli gran coſa à prerdere,
non pareva credibile che gli aveſſe irritati ad ucci-
derlo. Quale ſconcio é dunque in queſta riſpoſta,
ſe ritrovando Egli dificoltá per credere ſi ſtrano
avvenimento della morte di Laio, cerca per ap-
pagarſi più minute circoſtanze di tal fatto?
S’oppone inoltre al Poeta, ch’ Edippo dopo
aver inteſo che vive ancora il paſtore, che ſcam-
pò, non penſi a farlo cercare ma ſi perda in fare
imprecazioni, ed in conſultare Oracoli. A ques-
to facilmente riſpondeſi, che allor ch’eſſo ſi trat-
tiene in fare imprecazioni non ha notizia alcuna
di lui; egli non ſa, ſe non per voce di Creon-
te, che uno ſi ſalvó con la fuga; ma che costui
viva, \& dove ſia il Poeta glielo fa ſcoprire con
arte ſolamente nell’ atto 3. mentre parla con Gio-
casta, laquale gli paleſa d’avergli permeſſo, che
ſi ritiraſſe in Campagna, a paſcere le Greggie, il
che a pena viene da lui ſcoperto, dice egli toſto
ció, che ſuppone il Critico, che doveſſe dire,
cioé, che lo faceſſe tosto venire. Io non ſo
dunque come ſi poſſa ſe non per gran confuſione
di mente riprendere Sofocle, il quale ha fatto ap-
punto ciò, che ſtimaſi, che conveniſſe. Io giu-
dico queſto uno ſbaglio di memoria, per cui Mr.
de Voltaire abbia creduto eſſer paleſato da Cre-
onte ció, che ſolo Giocaſta manifeſta, da che non-
dimeno ſi comprende, ch’egli non ha conoſciu-
to l’arte del poeta.
Diceſi poi ch’era dificile ſpiegarſi meno oſcu-
ramente, che Tireſia, allor’che terminando i
ſuoi vaticinii ſcopre ad Edippo, ch’Egli é l’uc-
ciſore del padre, marito della madre, e tutto il
reſtante,
[53]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
reſtante, e che però pecchi Sofocle non conſervan-
do il Coſtume degli Oracoli, ſiccome pure in termi-
nare la riccognozione della Tragedia nel principio
del ſecondo atto, giacche la riſpoſta di Tireſia s’uni-
forma in tutto ai pronoſtici d’Apollo ed alla di-
chiarazione gia fattagli da colui, che nell’ altera-
zione dell’ Ebriachezza l’aveva rimproverato per
figlivolo ſuppoſto.
Si puo col fondamento di molte ſtorie prova-
re, che non ſempre gli Oracoli, e gli indovini
riſpondevano oſcuramente. Calcante preſſo O-
mero non parla certamente men chiaro ſcoprendo
la cagione della peſte, che infeſtava i Greci; nè
punto aſtruſa ſecondo cio, che narra Diodoro
Siculo, nel Lib. 4. fu la riſpoſta ch’ebbe Laome-
donte Ré di Troja da Apollo delfico allor ch’eſ-
ſo ricorſogli per la Balena, che divorava tutti gli
abitanti, e per la peſtilenza che tutti i frutti cor-
rompeva inteſe, che la cagione di tanto male era
Nettuno, ilquale ſi ſarebbe mitigato, con il
ſagrifizio d’un fanciullo Trojano a ſorte ſcelto.
Lo ſteſſo potrebbeſi dire dell’ Oracolo che denun-
ziò a Danao il pericolo della morte machinatagli
da uno de cinquanta nipoti; come s’ha da Pau-
ſania e da Apollodoro. Il vaticinio con cui da
Giove Ammone fú predetto ad Alessandro il Do-
minio di tutto il mondo, come dicono Curzio,
e Plutarco, fu parimente apertiſſimo. Ma ſo-
pra tutti puo ſervire per Esempio di chiarezza l’Ora-
colo dato a Cipſelo Figliolo di Dezio di Corinto
dalla Pitia in Delfo, e rapportato da Erodoto Lib. V.
D 3Che
[54]APOLOGIA DI SOFOCLE
Che coſi ſi potrebbe tradurre:
Ma ſi diſtrugge la Cenſura in altra maniera, ella
a dir vero non puote eſſere più ſtrana; ſi ripren-
de il parlare dell’ Indovino perche non s’aſſomi-
glia all’ oſcuritá degli Oracoli, quando l’Ora-
colo già gli aveva pronoſticato le coſe medeſime.
Vero é che Tireſia aggiunge più coſe ommeſſe
da Apollo dicendo ch’egli non è figlivolo di Poli-
bo; ma Tebano, e che le maledizioni del padre
e della madre l’hanno ſcacciato dal ſuo paeſe; ma
tutto queſto benche paia detto aſſai chiaramente,
non è però che non ſia oſcuro in riguardo d’E-
dippo, ch’ era perſuaſiſſimo d’eſſer Figlivolo del
Ré di Corinto. Che ſe un Uomo caldo di vino
lo aveva gia gran Tempo rimproverato d’eſſer Fi-
glio ſuppoſto, eſſo aveva a fare la dovuta ſtima
di ciancie pronunciate da perſona reſa irragione-
vole dal vino, ne doveva ſopra un detto tale
ſtabilire la fede di ſi mirabili paradoſſi. Oltre di
che pare veriſimile, che aveſſe ad allontanarlo da
tale credenza il ſoſpetto concepito, che l’Indo-
vino foſſe ſubornato da Creonte. Reſta pero di-
moſtrato ancora, che ſin qui non ſi forma la ri-
cognizione preteſa. Ma ciò che ſopra modo è
degno d’oſſervazione é che i preſaggi dell’ Indo-
vino ſi fanno con tal arte prevedere dal poeta,
che ben lontani dall’ impedire il piacere della ri-
cognizione, accrescono la bellezza della Tragedia.
Se
[55]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
Se lo ſpettatore non é prima diſpoſto ad attendere
che colui che ha fatto ignorantamente coſa orribi-
le debbe al fine ricconoſcerla, non puo ricevere
gran diletto in tal ſorta di favole, perciocche l’at-
tenzione di vedere quando ed in qual guiſa deveſi
fare il ricconoſcimento, ne fa guſtare ogni Cir-
coſtanza, maſſimamente ove queſto ſiegua per vie
veriſimili inſieme e maraviglioſe. Quindi aviene,
che ſi da luogo a fare ſpiccare certi tratti che chia-
manſi commotivi del Teatro, di cui moltiſſimi
ne ſono ſtati oſſervati in queſta favola dagli Uomi-
ni dotti. Sotto tal Titolo ſi ponno ridurre tutti
quelli, ove ſi vede, ch’Edippo incorre nella ſua
diſaventura per que’ mezzi ſteſſi, onde credeva
evitarla; e quegli altri ove dicendo egli alcune coſe
per un fine diverſo coglie fatalmente nel vero della
ſua diſgrazia. L’Abb: Lazzarini, Autore dell’Uliſ-
ſe, che fra le moderne Tragedie occupa quel luo-
go, che ha ſempre avuto l’Edippo di Sofocle fra
le antiche, avvedutoſi giudizioſamente del bell’
effetto che queſti fanno in tal genere di favole,
avvene quà e la ſparſo, come quando Polinio
che era ſtato preſſo Eurinome in figura di padre do-
vendo dallei partire dice parlando d’Uliſſe ch’era
ſuo vero padre, ma non conoſciuto:
Il ſimile accade quando dicendo Uliſſe d’avere
ſchivato il deſtino, allorch’ appunto s’era compi-
to, il Coro caſualmente riſponde:
Per cui fugge il deſtino altri l’incontra.’
D 4Nulla
[56]APOLOGIA DI SOFOCLE
Nulla meno ſi puo giuſtificare il diſprezzo ch’Edip-
po ha dell’ indovino, il quale ſi dice eſſere con-
tro il Decoro. Egli é tanto credibile che ſembra
quaſi contro il veriſimile, che maggiormente non
ſi riſentiſſe un Re nel vederſi improviſamente rim-
proverare di coſe, in contrario delle quali doveva
eſſere ſì fermamente perſuaſo, che conveniva,
che gli pareſſero incredibili. Che poteva egli giu-
dicare ſe non, ch’a ſtimolo di maligni Inſidiato-
ri, che non ſono mancati a più giuſti, e più ben
veduti Monarchi, coſtui voleſſe preſſo il popolo,
che ſuole eſſere di ſua natura ſuperſtizioſo, impe-
dirgli la venerazione ch’aveva, giacche appunto
come poſcia Alessandro M. ebbe a dire del ſuo
Augure Demofonte, nullum majus impedimentum,
quam Vates ſuperſtitione captus. Sapeva, ch’un Re
ſtraniero, per acclamato che ſia non puo non ave-
re degli Emoli, e de’ malevoli, e doveva avere
avanti gli occhi l’eſempio d’Egeo Ré d’Atene, il
quale ſì perche non apparteneva alla ſtirpe degli
Eretidi; come perche meditava la ſuvverſione del
figlivolo creduto ſtraniero, aſſalito fu da’ Pelopidi
che ſperavano d’occupare il regno dopo di lui.
Ma rendeva ancor più probabile l’intelligenza dell’
indovino con qualche ſuo Emolo, il conſiderare
che coſtui, il quale era creduto profeta anche al
Tempo della morte di Laio non aveva giammai fatto
menzione d’Edippo, ancorche non regnaſſe. Che
ſe i ſuoi vaticinii erano uniformi alle predizioni
d’Apollo in qualche parte, non poteva eſſo crede-
re che ſi ſerviſſe dell ſuo profetico ſpirito per con-
fonderlo, e rendere credibili le ſue calunnie?
Molte poſteriori ſtorie c’inſegnano quanti inganna-
tori ſianſi ritrovati tra l’indovini antichi. Raccon-
ta
[57]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
ta Erodoto nel Lib. 5. che sbanditi gli Alcheme-
nidi da Ippia Ré d’Atene, cercavano ogni mezzo
per ritornare in patria; ottennero però coſtoro
mentre ſtettero a Delfo dalla Pitia Divinatrice del
Tempio, che ogni volta che i Lacedemoni chiedeſ-
ſero alcuna riſpoſta, diceſſe loro, che doveſſero
liberare Atene dalla Tirannia; onde avenne ch’eſſi
mandarono Anchiolio, a cacciare Ippia da Atene,
benche foſſero collegati con eſſo lui. Il medeſi-
mo narra nel Lib. 6. che mal contento Cleome-
ne Ré di Sparta di Demareto ſuo Collega nel re-
gno, s’ingegnò di far credere agli Spartani, ch’e-
gli non foſſe figlivolo d’Ariſtone, a cui era ſucce-
duto; per il che parve loro neceſſario proccurare
dall’ Oracolo di Delfo la certezza della ſua Origine.
Cleomene peró corruppe Colono figlio di Ariſto-
fante, Uomo molto Autorevole nella Cittá di
Delfo, accioche perſuadeſſe a Perilla una delle
Vergini vaticinanti a riſpondere, che Demareto
non era nato da Ariſtone. Eſeguita pero da cos-
tei la trama, queſti fu depoſto dal Trono. Mi
riccorda ancora che Xenofonte racconta nella ſpe-
dizione di Ciro, averſi avuto ſoſpetto di ſe me-
deſimo, che aveſſe corrotto Avecione Augure dell’
Eſercito accio diceſſe che gli Inteſtini degli Ani-
mali ſagrificati non erano favorevoli alla partenza,
che i ſoldati bramavano. Ora quello, che più
volte é poſteriormente accaduto, non doveva eſ-
ſere nuovo nè pure al Tempo d’Edippo, e ſe
alcuno poteva aver penetrato le frodi loro, eſſo
s’ha a credere che foſſe il più atto, venendoci rap-
preſentato di ſi fino Intendimento che ſolo aveva
potuto indagare la naſcoſta ſignificazione del più
celebre Enigma. Aggiungo, ch’egli non s’era fi-
D 5dato
[58]APOLOGIA DI SOFOCLE
dato dell’ Indovino nel caſo ſteſſo del contaggio,
benche doveſſe eſſergli noto; per ſegno mani-
feſto che di lui non aveva tutta la fede e tutta la
venerazione.
Sembra ancora a Mr. de Voltaire mal fondato
il ſoſpetto d’Edippo contra Creonte, maſſima-
mente poiche l’ha chiamato poc’anzi ſuo fedele
Amico. Per conoſcere la perfezione d’alcuna di-
pinta Tavola non avvi miglior mezzo, che pareg-
giarla con l’originale Idea della natura; in tal gui-
ſa mi avviſo di dover far io per far vedere con
quanto retta imitazione abbia Sofocle rappreſenta-
to il ſoſpetto che cade ſopra Creonte.
Gia per le coſe ſopra dette appare quanta rag-
gione aveſſe Edippo di credere Tireſia ſubornato
dalla malignitá di qualche mal contento perſecu-
tore; ora reſta a vederſi chi doveſſe tra gli altri
eſſere il più ſoſpetto, il che ſi può ſcoprire con
più rifleſſioni, ch’io faccio ſopra l’ordinaria qualitá
delle azioni Umane, che ſi ſono vedute in ſimili
occaſioni: Prima io trovo, che la fede de’ mag-
giori Amici è molte volte mancata per l’intereſſe
del comando. Antipatro, che fu ſcelto da Ales-
sandro tra tutti i ſuoi amici per il più fedele; é
prepoſto al Governo della Grecia, e della Mace-
donia, fu poſcia il ſuo Traditore. Maſſimino
alla cui fede fu commeſſa la direzione di tutto l’E-
ſercito da Severo Alessandro, tolſe al ſuo Signo-
re la vita, e l’imperio. Rufino fu tutore d’Ar-
cadio, poi ſuo fellone e. Stilicone fu per l’amici-
zia inalzato alla cognazione d’Onorio, gli teſe
poſcia inſidie, per traſportare ſu’l Capo d’Euche-
rio ſuo figlivolo la Corona, e mill’ altri, che non
mi ſovvengono, e che ſarebbe ſuperfluo rammen-
tare
[59]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
tare, ſi ſono ſerviti dell’ amicizia per maggiormen-
te aſſicurare i loro tradimenti. Molto piu però
debbeſi ſtimare mal ſicura la Fede di coloro, che
con qualche raggione potrebbono aſpirare al Domi-
nio. Tiberio ch’era altrettanto ſagace nel conoſ-
cere i pericoli de’ regnanti quanto crudele nell’ e-
vitargli ben ciò previde, però benche foſſe adot-
tato per figlivolo da Auguſto, ed inſtituito erede dell’
imperio, non ſoffri che viveſſe Agrippa, che
poteva avere pretenzione al medeſimo; e Taci-
to atto più d’ogni altro a penetrare i conſiglii,
che naſcono dalla gloria del regnare, benche la
morte d’Agrippa aveſſe apparenza del tutto con-
traria, e per i pubblici rimproveri a lui giá fatti
dall’ Imperatore defonto, e per il bando a cui dal
medeſimo era ſtato condannato, non laſcia di
dire eſſere nondimeno più probabile che la ſua
morte proveniſſe da Tiberio per il ſoſpetto che
doveva avere di chi poteva eſſergli Competitore.
Veggiamo ora come s’adattino al noſtro propo-
ſito queſte coſe. Creonte era il più diſtinto, ed
il più potente tra’ Tebani, e l’unico che poteſſe
aſpirare ad eſſer Ré, come in fatti divenne poco
appreſſo, eſtinta che fu la ſchiatta d’Edippo. Egli
oltre ciò era colui ch’ aveva perſuaſo il cognato
ad affidarſi all’ Indovino, il quale e perche non
aveva mai fatto motto alcuno della ſua reitá,
quando il male era recente, e non doveva aver
riſpetto alcuno a parlare, perche ancora non re-
gnava e per altre cagioni ſopra toccate, ſi doveva
credere ſubornato. Chi ſarebbe dunque ſtato
ſi ſcemo, che non giudicaſſe Creonte reo di
quelle inſidie apparenti? Sopra tale fondamento
era agevole di paſſare al ſoſpetto anche della
Morte
[60]APOLOGIA DI SOFOCLE
Morte di Laio, perche chi ſi moſtra capace d’un
misfatto, puo facilmente eſſerne ſtato anche d’un
altro. In fatti Edippo ſi trattiene nel ſolo ſoſ-
petto, perche trattando di voler condannare Cre-
onte alla morte, moſtra di non moverſi per
queſto, ma principalmente per il tradimento con-
tro di ſe machinato, e per la propria ſicurezza.
Deveſi per tanto conchiudere ch’Edippo non po-
tevaſi far procedere con maggiore naturalezza e
che i ſuoi giudizii ſono tanto veriſimili, che pai-
ono neceſſarii, e che ſono ſi lontani dalla follia,
di cui vengono accuſati, che non ponno eſſere
piu ſaggi e convenienti alla politica di un ſagace
regnante.
S’accuſa indi la difeſa che ſi fa Creonte come
frivola e poco ſpettante al ſoggetto, riſponden-
do Egli che preferiſce la ſicurezza dello ſtato
privato a quella d’eſſere Ré, perche ha la ſorte di
godere mercé di lui la reale potenza, libero nello
ſteſſo tempo da quelle cure, che porta ſeco il
regnare; in vece di ſcolparſi.
Se l’Autore della Critica aveſſe oſſervato tutto
ció, che doveva, averebbe ritrovato, che ques-
to non è che l’eſordio della ſua riſpoſta, e di
vero molto convenevole, perche cerca prima di
mitigarlo con moſtrare la ricconoſcenza del favore
che godeva; dimanda poi più oltre tempo, ac-
cioche poſſa far apparire la ſua innocenza; dice
che un ſoſpetto non é fondamento baſtante per
condannare, e non potendo far altro conferma
la ſua integritá co’giuramenti. Come puo dunque
meritare le ſopradette taccie queſta riſpoſta, s’ha
detto tutto ciò che dir poteva?
L’Altera-
[61]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
L’Alterazione d’Edippo con Creonte, che pur
viene riprovata, non ha biſogno di Difeſa, pe-
rocche già s’é provata la raggionevolezza del traſ-
porto del Re; nè Creonte dice nulla difenden-
doſi, ch’oltrepaſſi la moderazione, ma perche
qui fa’l Critico molto schiamazzo contro il pocode-
coro d’un tale contraſto, ſpecialmente per queſte
parole che coſi tradotte egli reca:
O Thebe Thebe!
Creon.
Il m’est permis de crier auſſi Thebe, Thebe!’
ſtimo opportuno dire alcune coſe ancor intorno
a queſta.
E degno primieramente d’oſſervazione l’errore di
molti, che dal coſtume de’ Ré moderni pigliano
la norma del decoro degli antichi. La Grecia a
tempi d’Edippo era diviſa in gran numero di pic-
coli ſtati, i cui principi non viveavno con quella
grandezza, che colla vaſtità de’ Dominii s’é poſ-
cia introdotta. Quindi e ch’eſſi veggonſi ſpeſſo
in tutte le greche Tragedie famigliarizzarſi con i
Cori, e trattenerſi con più perſone in diſcorſi,
che disdicerebbono a’ regnanti de’ noſſri tempi. Ed
in vero averebbono peccato contro il coſtume i
poeti di que’ tempi, attribuendo loro una gra-
vitá ſuperiore al conſueto. Se un Re dunque non
foſſe ora per degnare della propria preſenza una
perſona creduta rea di leſa Majeſtà, non per
queſto ſi potrebbe dedurne, che non conveniſſe
ad Edippo udir Creonte a ſcolparſi. Se ſeguiſſero
tra
[62]APOLOGIA DI SOFOCLE
tra di loro reciproche ingiurie, la Cenſura non
diſconverrebbe, perciocche le regole del coſtume
ſono in queſto inalterabili, e ſi debbono in ogni
tempo oſſervare: Ma quale Indegnita é egli, ch’un
Innocente ſi difenda preſſo un ingannato Ré, che
l’incolpa? Che ſe il ſopracitato Verſo ſembra
poco dicevole, aviene queſto per la traduzione,
che veſte il ſentimento di Sofocle d’una maniera
ſconcia e puerile. Il Verſo Greco é tale.
Καμοι πολεος μετεςι τηςδ᾽ου σοι μονω.
Cioé:
A me nulla men cale
Ch’ a te del comun ben della Cittade.
Ove ſi vede, che Creonte non puo meglio ri-
ſpondere, poiche dalla Eſclamazione d’Edippo
piglia motivo di ſcolparſi moſtrando il zelo ch’e-
gli ha per la patria. Non poſſo dire quanto mi
ſembri ſciocca e diſadatta la Critica di ciò, che
non s’intende che per altrui interpretazione, per-
ciocche oltre il ſoggiacer ſovente a cattive ſpiega-
zioni, come é queſta, i ſentimenti anche più
fedelmente tradotti perdono talora tutto il loro
vigore. Per quanto riguarda la Lingua franceſe,
ciò m’ è occorſo d’oſſervare in alcuni verſi d’O-
mero, che ſono da Longino citati, per Eſempii
d’uno ſtile ſublime, e che portati in Franceſe da
Madama Dacier con tutta la fedeltà, non hanno
pregio conſiderabile. I verſi ſon queſti:
Cui
[63]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
Cui traduce così Mad. Dacier: Grand Jupiter! diſ-
ſipés cette obſcuritè, qui couvre les Grecs, rendés nous
la Lumiere, permettes que Nous puiſſions voir, \& pour-
vu que ce ſoit à la Clartè des Cieux, faites nous perir,
puisque c’êſt votre volontè. Mr. Deſpreaux ſentendo
il difetto della eſatta traduzione la quale riuſciva
troppo verboſa e languente giudicò meglio traſ-
portarli coſi.
Poi ſoggiunge in una Annotazione: Il y a dans Ho-
mere, aprés ce fais nous perir ſi tu veux à la Clarté
des Cieux: Mais cela auroit eté foible en nôtre Lan-
gue \& n’auroit pas ſi bien mis en jour la remarque de
Longin. Da tutto ciò riſulta quanto ſia vana l’Im-
preſa di Mr. de Voltaire in criticare ció, che a
fondo non intende. L’eſempio di Perrault do-
verebbe avere perſuaſo a baſtanza ogni Franceſe
della inſufficienza della Critica ſcompagnata dalla
cognizione delle Lingue. E benche ſi dica che
la bella traduzione che ha fatto Mad. Dacier d’O-
mero abbia aperta una ſicura ſtrada agli ignoranti
di criticarlo, ella medeſima confeſſa, ch’egli perde
aſſai nella traslazione; oltre che mi riccorda aver
letto più d’un Autore, che ha notato degli er-
rori nel ſuo volgarizzamento. Si dice che Sofo-
cle ha pure errato nel far che Giocaſta ſentendo
che dal Coro le vengono negate le notizie dallei
richieſte intorno alla conteſa d’Edippo con Creon-
te non paſſi ad altre interrogazioni: Ma reſti paga
come ſe ſapeſſe il tutto.
Il fatto convince Mr. de Voltaire. Giocaſta
non perde punto di tempo a dimandare il reſto
ch’e-
[64]APOLOGIA DI SOFOCLE
ch’erale naſcoſto: A pena aveva il Coro finito di
parlare, Edippo a lui ſoggiunge due verſi, a
cui come era di dovere, ne riſponde quello
pochi altri; poi toſto Giocaſta ſcongiura per gli
Dei Edippo che gli narri la Cagione del ſuo sde-
gno; dicendo: προς ϑεων διδαξον καμ᾽ αναξ ὁτου ποτε
μηνην τοσην δεπραγματος στησας ἐχεις.
Cioè:
Avendo dopo il Coro parlato toſto Edippo non
era egli decentiſſimo, ch’ella differiſſe ſi pochi
momenti la ſua dimanda?
Si rinova dappoi la Critica ſpettante alla ricco-
gnizione. Si dice che nella Scena in cui Edippo
e Giocaſta ſi fanno vicendevoli ſcoprimenti dove-
vaſi conoſcere il fine della Tragedia, particolar-
mente perche ella ſentendo le predizioni d’Apol-
lo non poteva non rammentarſi, e non dire che
le ſteſſe erano ſtate fatte al ſuo Figlivolo: Di più
per l’inſulto gia fatto ad Edippo dall’ ebbro ingiu-
riatore, e per le cicatrici ch’egli doveva ancor
avere ne’ piedi, come coſe tutte, che s’acor-
davano a confermare il parricidio. Riſpettivamen-
te a Giocaſta riſpondo eſſere credibile, che s’u-
niformaſſero in tutto l’oracolo del Figlivolo di
Laio, e quello d’Edippo, benche non conſti ad
evidenza, che foſſero o totalmente concordi, o
egualmente chiari; ma che non veggo in lei ver-
una neceſſità di paleſare queſta concordia, perche
del canto ſuo ella appare ſi perſuaſa della morte
del proprio Figlivolo, e per conſeguenza della va-
nità del vaticinio, che una tale uniformità in ve-
ce
[65]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
ce di recarle alcun Timore, la rendeva incredu-
la, e diſpregiatrice d’ogni preſſaggio; Sícche dice:
Scienza divinatrice.’
All’ incontro vedeva ella Edippo tutto agitato da
Timori ed Anzietá, ſicche s’affligeva, come
ivi confeſſa di cosí rimirarlo. Per qual fine dun-
que aveva eſſa a paleſarla, poiche averebbegli ſo-
lamente accreſciuti i ſuoi ſoſpetti, la dove ſi mo-
ſtrava anzi intenta a confortarlo? Certamente So-
focle averebbe fallito in traſgredire qui l’oſſervan-
za d’un coſtume ſi idoneo. Ma poſto ch’ella gli
aveſſe paleſato eſſere l’oracolo del figlivolo di
Laio interamente uniforme al ſuo, che poteva
egli perciò conchiudere? Nè l’aſſerzione d’un
Uomo preſo dal vino, di cui gia ſopra ho notato
qual Conto ſi doveva fare; nè le Cicatrici de’
piedi ch’erano un indicio lontano, perche pote-
vano eſſere per altra cagione, era veriſimile,
ch’aveſſero levato ad Edippo la credenza ch’ave-
va d’eſſere Figlivolo di Polibo. Come poteva
egli dunque rinunziando alle ſenſibili notizie, che
avevano già fatto in eſſo una antica impreſſione,
ſpogliarſi d’ogni prevenzione, e per la ſola uni-
formitá di queſti Oracoli, credere ch’ Eſſo foſſe
il Figlivolo di Laio? Le notizie però che qui ſi
vanno ſcoprendo, ſe bene ſ’eſaminano ſono tali
che baſtano ſolamente per iſvegliare in Edippo
del ſoſpetto. In che debbeſi oſſervare un arti-
fizio notabile, perciocche trattandoſi d’una peri-
pezia ſi ſtrepitoſa, come è quella che ſiegue poi,
[Crit. Sam̃l. III. St.] Ela
[66]APOLOGIA DI SOFOCLE
la Concordia di queſti precedenti aviſi ſerve per
render ad evidenza credibili le coſe, che indi ſi
ſcoprono dal Miniſtro di Polibo. Altrimenti chi
ſulla fede d’un Uomo ignoto ſarebbe ſi credulo
di tali ſtranezze che veniſſe in riſoluzione d’amma-
zarſi, come fa Giocaſta, o di cavarſi gli occhii,
come fa nel fine Edippo? Ma cio che mi
rende più ſtrana la preſente Cenſura ſi è che gli
ſcoprimenti medeſimi ſi fanno nella ſcena prima
dell’ atto 4. nel nuovo Edippo di Mr. di Voltaire
con maggiore chiarezza, e l’avvenimento della
morte di Lajo ſi conforma a quello, che rac-
conta Edippo eſſergli accaduto nel medeſimo di-
ſtretto, ſicche gli reſta ivi aſſai meno luogo di du-
bitare, ch’egli ne foſſe l’ucciſore: pure non ap-
pare che in tale ſcena ciò ſi creda provato ad evi-
denza; perche ſopraggiungendo Forba dice Edippo:
Mon doute affreux va donc être eclairci: Nè però
nell’ eſame che prende a farſi ſi rigoroſamente
l’Autore ſ’aſcrive queſto difetto. S’inoltra il Cri-
tico ad affermare, che quando il Paſtor di Corin-
to ſcopre ad Edippo che ei non é figlivolo di
Polibo, ma che fu da Fanciullo eſpoſto ſopra
il monte Citerone da perſona Tebana, egli con
tutto ciò non ſoſpetti ancora di nulla, e che peró
la ſua Ignoranza é un artificio aſſai rozzo del poe-
ta, che per dare giuſta lunghezza alla Tragedia
traſporta ſino al fine del quarto atto una ricogni-
zione ſi manifeſta.
Che Edippo non ſoſpetti ancor di nulla é coſa
contraria al fatto. Egli ha cominciato a dubitare ſino
nella ſopradetta ſcena, al ſentire le notizie, che gli da-
va Giocaſta, d’eſſer l’omicida ricercato; peró dice:
Ahi
[67]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
Circa la ſua naſcita non ci ha dubbio, ch’egli a-
verebbe qualche raggione di concepire gran ſoſpet-
to del vero; quando nulla non ne lo ritraeſſe.
Ma gli ſi oppone l’opinione, che ſ’aveva che’l
figlivolo di Laio foſſe gia perito; ſiccome prima
ha moſtrato di credere anche Giocaſta allorche ha
recato la ſua Morte per prova della Vanitá degli
Oracoli; e le circoſtanze della narrazione del
Miniſtro di Corinto, che dice aver ricevuto il
Bambino da un paſtore della Famiglia di Laîo,
ſono contrarie altreſi agli Ordini dati da Laio me-
deſimo: Però non s’offende lo ſpettatore di
queſta Arte del poeta, la quale non tanto giova
per dare una giuſta lunghezza alla Tragedia, come
dice l’autor Franceſe, quanto per rendere piu
ſenſibile e violenta la peripezia, che poi ſiegue
in un ſol punto. Molto meno per tanto ſi puo dire
che qui ſi faccia una compita riccognizione. Che
ſe Giocaſta ſenza attendere altro ſ’uccide, ella ha
motivi aſſai maggiori. S’avvede che tutto s’accorda
con l’oracolo del ſuo figlivolo, ed alla qualità
del paſtore nominato dal Miniſtro ſopradetto, con-
noſce che non puote eſſere, ſe non quegli à cui
eſſo fu conſegnato. Ma non voglio a tale Pro-
poſito laſciar qui di dirvi, che quando anche foſ-
ſero eguali in ambedue i motivi di diſperare, non
ſarebbe fuori di raggione ch’ella piu toſto s’abbatteſ-
ſe. Cercaſi da Philoſophi naturali per quale rag-
gione di due perſone poſte in uno ſteſſo pericolo
una pur ſi luſingha, l’altra diſpera. Non v’ha dub-
E 2bio
[68]APOLOGIA DI SOFOCLE
bio ch’egli proviene dalla diverſa Diſpoſizione,
ch’abbiamo circa l’ardire ed il timore. Ove il
languor de ſpiriti diſponga al timore, a meſura
che creſce queſta paſſione, piu ſi riſtringono le
vie, per cui eſſi hanno il lor moto; onde piu
facilmente reſtano ſorpreſi ed oppreſſi da quello
ſtupore dal quale naſce l’abbatimento dell’ animo,
e lo ſgomento, ch’ha talor reſa amabile la mor-
te. Il contrario avviene ne’ temperamenti atti all’
ardire; perche avendo queſto una comune ori-
gine con la ſperanza, colui ch’inclina ad un’ af-
fetto, ſenteſi portato anche all’ altro; peró ſi leg-
ge nel 2. della Rettorica d’Ariſtotele το τε ἐλπι-
ζειν ἀγαϑον τι ταργαλεον ἐςι; avendo egli oſſer-
vata la loro ordinaria corriſpondenza, della qua-
le rende appieno raggione Carteſio nel trattato
delle paſſioni. Quinci e ſovente avvenuto, che
ſ’é preſo un affetto per l’altro, come fece Ora-
zio, da cui la turba de giganti, che da l’aſſalto
al cielo, viene chiamata fida Juventus. Per tan-
to ad Edippo il cui carattere é d’ardito, qualor
anche aveſſe tutti i mottivi di Giocaſta conver-
rebbe forſe il luſingarſi, ed a queſta giuſta il co-
ſtume timido delle donne l’abbaterſi.
Una altra taccia qui s’impone a Sofocle perche
moſtri obliare, che il ſoggetto della tragedia é la
vendetta della morte di Laio, introducendo Edip-
po a porre ogni ſua cura nel ricercare la propria
origine. Se ſoggetto della favola ſi chiama il prin-
cipale ſuo ſcopo, queſto certo é la riccognizione
d’aver comeſſo coſa orribile; che ſ’ella conſiſte
nello ſcoprimento d’avere ucciſo il padre, e ſpo-
ſata la madre; come puo dirſi fuori del ſoggetto,
che Edippo cerchi di cui ſia figlivolo; cioé la no-
tizia
[69]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
tizia di cui dipende tutto il ricconoſcimento? Il
caſtigo dell’ ucciſore di Laio voluto dagli Iddii
é piu toſto occaſione, che ſcopo della favola:
Ma quando ancor ſi conſideri ſolamente per ſog-
getto della Tragedia l’impreſa d’Edippo intento ad
eſeguire il volere de Numi; in qual guiſa piu ar-
tifizioſa e piu propria ſi poteva venirne al fine,
tanto piu ſorprendente, quanto meno aſpettato;
che per mezzo d’una ricerca, che pare manco
acconcia al propoſito? Dall’ altro canto quale
inconvenienza é egli ch’ Edippo interroghi il pa-
ſtore delle coſe ſpettante alla ſua origine; men-
tre l’occaſione coſi richiedeva, e l’attuale commo-
zione del ſuo cuore a ciò lo portava, ſenza guari
interrompere l’altre ſue cure?
S’aggiunge che il coro dimoſtra una ignoranza
affettata non meno ch’ Edippo, poiche ſebbene
é ſtato preſente a tutti gli avvenimenti della trage-
dia ed é compoſto di gente illuminata, eſſo ſi
trattiene in raggionamenti che riguardano ſolo la
conoſcenza, che ſpera avere de di lui parenti.
Intorno a queſta ignoranza del coro ſi potrebbe ri-
ſpondere (oltre che egli rappreſenta la moltitudi-
ne de Cittadini, la quale ſuol poſſedere le noti-
zie imperfettamente) ció che ſopra ho detto d’E-
dippo ſteſſo. Anzi doveva avere difficoltá di per-
ſuaderſi le ſtrane di lui ſciagure piu che queſto in-
felice Re; eſſendo come ci ſi rappreſenta nel de-
corſo di tutta la tragedia ſi prevenuto in ſuo favo-
re, che lo credeva un ſemideo generato da Mer-
curio, o da Bacco, o nato di qualche figlivola di
Febo.
Tutto l’atto 5. é l’oggetto della cenſura che
ſiegue. Riprovaſi queſto come ſuperfluo, e ſe
E 3ne
[70]APOLOGIA DI SOFOCLE
ne trae una raggione dal poco applauſo, ch’ebbe
il nuovo Edippo allorche fu rappreſentato con una
ſimile aggiunta, la quale fu peró levata dall’auto-
re. Un’ altra ſe ne cava dalle annotazioni di Mr.
Dacier nelle quali ſ’avverte, che la favola non é
finita nel quarto atto; dice per tanto il noſtro
critico, n’eſt ce pas avouer, qu’elle eſt finie
que d’etre obligé de prouver, qu’elle ne l’eſt pas?
Il fondamento, ſi puo dir, unico di queſta
cenſura é la diſapprovazione ch’ebbe la prima vol-
ta la Tragedia di Mr. de Voltaire, e da queſto
egli ha preſo motivo di ſofiſticare ſopra l’aſſerzi-
one di Mr. Dacier. Io non poſſo ſapere tutte le
cagioni per cui fu diſaprovata queſta parte che da lui
poſcia é ſtata ommeſſa, non avendo avuto la ſor-
te di vederla. Una nondimeno io ne deduco
dalla lettura delle coſe precedenti della ſteſſa ſua
Tragedia; ed é che la peripezia del nuovo Edip-
po ſi compie in due volte; perche prima ſi ric-
conoſce, ch’egli é parricida, poi ch’egli é figli-
volo di Giocaſta; quindi é che gran parte della
paſſione eſſendo nella prima cataſtrophe, la ſe-
conda fa molto minore impreſſione che nella
Tragedia di Sofocle, in cui ſi fà tutta la ricco-
gnizione e tutta la cataſtrofe in un ſol punto;
onde tocco lo ſpettatore da piu recente e da piu
grande ſorprendimento, attende piu vivamente
gli effetti, che ſon per ſeguire. Per altro Mr.
de Voltaire moſtra di poco conoſcere la perfe-
zione della favola tragica, nel dire che queſta
nell’ atto quarto ſia compita. Non baſta dar l’eſſe-
re all’azione, che ſ’imita. Ma debbeſi formare la
favola grande bella e perfetta: E ſicome un ca-
vallo di freſco nato, ancorche abbia le parti eſ-
ſenziali,
[71]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
ſenziali, che coſtituiscono il ſuo corpo, riceve
dalla natura ſolo dopo il debito creſcimento quel-
la bellezza e quello Spirito, che ci fa godere
nella ſua giuſta grandezza; coſi l’arte imitatrice
della natura, benche colla riccognizione dia qui
l’eſſere alla favola, non dalle ſe non dappoi quel
compimento, onde ella acquiſta maggior va-
ghezza e maggiore energia. In fatti quanto deb-
bono accreſcere la compaſſione le circoſtanze
delle doloroſe azioni, che poi fanno Edippo e
Giocaſta? Sofocle ch’aveva dipinto Edippo nel
colmo maggiore della felicitá, per cui parreggia-
vaſi a’ Dei, doveva opporgli un altro termine pa-
ri d’infelicitá: Però dopo che gli ha fatto conoſce-
re eſſer egli parricida, inceſtuoſo, condannato
da ſe ſteſſo imprudentemente alla perdita del re-
gno, ed all’eſilio; aggiunge la perdita della ma-
dre e della viſta che dopo la vita é la piu dolce
coſa che abbiamo.
L’ultima cenſura é di que’ Verſi del quinto Atto,
che Mr. Voltaire rapporta coſi tradotti da Deſ-
preaux.
Si riprova l’ammirazione ch’ebbe Longino di que-
ſte eſpreſſioni, e diceſi che biſognava eſprimere,
che nella medeſima perſona ſi trovino le dette
qualitá; di piu che l’inveſtigazione ſi curioſa del-
E 4le
[72]APOLOGIA DI SOFOCLE
le circoſtanze del ſuo delitto, ſi minuta com-
memorazione dit tanti titoli inceſtuoſi, e la com-
binazione di tanti orrori, in vece d’aggungere
all’azione attrocitá, la diminuiscono.
Qui prima é degno d’avvertimeno che la tra-
duzione franceſe ha certa condotta e certe locuzio-
ni che pregiudicano al bello e paſſionato ſenti-
mento di Sofocle: Ma non ſi puote ad ogni mo-
do compatire la franchezza con cui ſ’accuſa ſi ce-
lebrato poeta ed un critico ſi dotto e giudizioſo
qual é Longino. Per altro qual biſogno aveva
Edippo di ſpiegarſi piu chiaramente, ſe parlava
di coſe a tutti note, come ſoggetto della ſua diſ-
grazia e motivi delle paſſate querele? Una eſ-
preſſione piu chiara ſarebbe da riporſi nel nume-
ro di que difetti, che ſecondo Ariſtotele fanno il
parlar freddo. Ma piu ſi convince il critico noſtro
ſì perche Edippo parla qui ſeco medeſimo per
modo d’eſclamazione, lagnandoſi del ſuo perver-
ſo deſtino; come perche s’eſprime meglio il
traſporto delle paſſioni con l’ommiſſione di qual-
che coſa ancor che foſſe neceſſaria. Però Virgilio
volendo eſprimere meglio il traſporto di Niſo nel
vedere che ſi trucidava Eurialo dice, che egli eſ-
clamó quaſi impazzito per lo furore
Per ció che ſ’aſpetta all’ altra parte della cenſura
dico, che per movere meglio l’altrui compaſſi-
one non v’era mezzo piu ptoprio, che moſtrare
l’ecceſſo del proprio dolore giuſta quel verſo d’O-
razio.
Ne
[73]CONTRA M. DI VOLTAIRE.
Ne ſi poteva meglio dimoſtrare il dolore ecceſſi-
vo, che con l’eſprimere il cumulo delle ſciagu-
re; onde era tormentata in quel punto la ſua tan-
taſia; ne queſto finalmente ſi poteva in forma
piu idonea rappreſentare che con l’accoglier molto
in poco; perche in tal maniera l’eſpreſſione é piu
grave piu viva ed una immagine piu retta di ció
che ſi rappreſenta. Non ſo come ſi poſſa dire,
che le particolaritá delle ſue fatali e lagrimevoli
diſaventure ſcemino la forza delle ſue querele; ſe
quelle appunto ſono i mezzi unici per commovere
gli Uditori. Cicerone che nel Libro del Oratore
dice come Orazio, neque fieri poteſt ut doleat is qui
audit, ‒ ‒ ut ad fletum miſericordiamque deduca-
tur, niſi omnes illi motus, quos Orator adhibere volet ju-
dici, in ipſo Oratore impreſſi eſſe atque inſerti videantur,
eſequisce poi per tutto queſto precetto con l’acce-
namento di ſimili circoſtanze. Virgilio chi come
bene oſſerva l’abbate Terraſon, é ſtato ſino a no-
ſtri tempi il poeta piu atto ad eſprimere paſſioni
triſti, ſolo di quelle medeſime ſi ſerve. Eſempio
ſiane queſto della ſorella di Didone, laquale ſi
lagna ſulla di lei pira coſi.
Qual circoſtanza avvi del dolore di queſta mes-
china, che non ſia eſpreſſa in tale lamento? Ed
E 5all’
[74]APOLOGIA DI SOFOCLE.
all’ incontro qual commozione recarebbe egli,
ſe terminaſſe in alcuni generali ſoſpiri? Non po-
teva dunque Sofocle meglio adempiere l’ufficio
del poeta tragico in rappreſentare gli affetti al na-
turale, ed in quella maniera che piu ſembra ef-
ficace per eccitarli in altrui. Però ben ebbe
raggione Longino di lodarlo in queſta parte come
maraviglioſo, e merita tanto d’approvazione il ſuo
ſentimento, quanto é degno di diſpregio, chi lo
diſapprova. I rifleſſi fatti intorno a queſte eſpreſ-
ſioni di Sofocle baſtano per far conoſcere i ſuoi
vantaggi ſopra quella di Pier Cornellio, la quale
il Critico qui paragona, indi Paridis ſuffragio, co-
me ſuol dirſi, l’antepone.
Eccomi al fine delle cenſure di Mr. de Voltai-
re. Se voi le avete prima di me ben conſiderate,
vi farete ſtupito del applauſo, che gli hanno in
Francia ottenuto Se non ci avete fatto ſopra oſ-
ſervazione, ſpero che vene ſtupirete ora, e giudi-
carete meco, che tutta la riputazione di que-
ſta opera s’é ſtabilita piu ſu’l numero che ſu’l va-
lore delle medeſime, per le quali ſi puo dire che
l’Autore, giuſta l’adagio antico convicii pœnam debet.
Onde deveſi conchiudere, ch’aſſai grande é la
fallacia de volgari giudizii, appo cui é paſſato
per ingegnoſa critica cio che non é ſtato ſe non
un arte per far pregio maggiore alla nuova Tra-
gedia.
Abhand-
[75]
Abhandlung
von der Schreibart in Miltons
verlohrnen Paradieſe.
JCh habe die Begierde noch nicht verloh-
ren, meinen Landesleuten das Vortreff-
lichſchoͤne und Angenehme in Miltons
Paradieſe zu ihrem Gebrauche zu entdecken und
mitzutheilen. Die neue Ueberſetzung und vor-
nehmlich die Erklaͤrungen von des Poeten Erfin-
dungen, Vorſtellungen, und der Ausbildung der-
ſelben, ſind Zeugen davon.(*) Jch habe
mich in derſelben befliſſen die Tuͤchtigkeit der Kunſt-
mittel vor Augen zu legen, welche der Poet ge-
braucht hat, eine gewiſſe Wuͤrckung ſeiner eige-
nen Abſicht gemaͤß in dem Gemuͤthe hervorzubrin-
gen; ich habe gezeiget, daß ſelbige in der Natur
des menſchlichen Gemuͤthes und deſſen Verhaͤltniß
mit den Sachen gegruͤndet ſind; daher die Wuͤr-
kungen derſelben natuͤrlicher Weiſe und ohne Zwang
folgen muͤſſen. Jch habe viele beſondere Nach-
richten und Anmerckungen einflieſſen laſſen, wel-
che dienen, die Faͤhigkeit des Leſers zu erweitern,
ihn in die Gedancken, und Vorſtellungen des
Poeten einzufuͤhren, und die Vorurtheile, wel-
che desfalls im Lichte ſtehen, wegzuraͤumen. Der
auſſerordentliche Jnhalt mußte nothwendig in ei-
nem gemeinen und am Jrdiſchen klebenden
Verſtande, der weder genugſam angebauet, noch
[76]Von der Schreibart
mit Wiſſenſchaften bereichert iſt, viele Schwie-
rigkeiten ſinden. Dieſe Hinderniſſe ſind durch
das Beſtreben derer, welche des Poeten Gedan-
ken bey ihren kurtzen Einſichten und groſſen Eigen-
duͤnckel mit verkehrten Auslegungen verſtellet ha-
ben, noch mehr verſtaͤrket worden. Eben dieſer
ſchaͤdlichen Bemuͤhung habe ich meine Arbeit ent-
gegengeſetzet, und das gute Zutrauen, das ich in
die Verſtandes- und Geiſtes-Kraͤfte der Deut-
ſchen ſetze, laͤßt mich nicht zweifeln, daß ſie nicht
die natuͤrlichen Eindruͤcke von Miltons Vorſtellun-
gen nach ihrer vollen Macht mit Vergnuͤgen bey
ſich empfinden, und mit ihrem Beyfall die ſtoltze
Vermeſſenheit derjenigen zu Schande machen wer-
den, welche den Verſtand und das Hertz der Na-
tion nach ihrer eigenen Bloͤdigkeit und Kaltſinnig-
keit ſchaͤtzen. Mithin iſt mir noch ein Vorurtheil
wider Miltons Gedichte zu beſtreiten uͤbrig geblie-
ben, welches man den Leichtglaͤubigen mit aller
Macht beyzubringen gearbeitet hat. Solches iſt
von einigen beſondern Eigenſchaften hergenommen,
die man in Miltons Sprache wahrnimmt. Jch
muß mich darum befleiſſen die wahre Beſchaffen-
heit der miltoniſchen Schreibart mit einer ſorgfaͤl-
tigen Genauigkeit zu unterſuchen. Jn den An-
merckungen uͤber des Poeten Erfindungen habe
ich nichts davon geſagt, damit ich den Leſer nicht
allzuweit von den Sachen abfuͤhrete. Jch dachte,
daß es ſich beſſer in einer abſonderlichen Schrift
ſchickete, wo man es lieber in einem fort leſen
wuͤrde.
Alles, oder das meiſte, was Milton in der Spra-
che beſonders hat, beruhet darauf, daß er die Ei-
genſchaf-
[77]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
genſchaften gantz fremder Sprachen in der Form
der Woͤrter und Redensarten in die ſeinige hin-
uͤber getragen. Virgil hatte dieſes vorlaͤngſt ge-
than, und hundert Formen der Rede von den
griechiſchen Scribenten geborget, welche von den
Kunſtrichtern Helleniſmi geheiſſen werden. Und
Horatz hat ſolche in ſeinen Oden noch haͤufiger als
Virgil angebracht. Und wer hat nicht von den
verſchiedenen Mundarten reden gehoͤret, welche
Homer gebraucht hat? Dadurch befliſſen ſie ſich,
die Sprache zu erheben, und ihr eine poetiſche
Geſtalt zu geben. Die alten Kunſtlehrer hielten
ſo viel darauf, daß Ariſtoteles eine Regel daraus
formiert hat.
„Der herrliche Ausdruck, ſagt er,
„der ſich von den gemeinen Redensarten der Leu-
„te entfernet, entſteht von dem Gebrauche ent-
„lehnter Woͤrter. Jch heiſſe entlehnte Woͤrter
„die Woͤrter fremder Sprachen, die Metapho-
„ren, die verlaͤngerten Woͤrter, kurtz, welche
„nicht eigentliche Woͤrter ſind. ‒ ‒ Soll
„der Ausdruck weder poͤbelhaft noch niedrig wer-
„den, ſo muß man ſeine Zuflucht zu fremden
„Woͤrtern nehmen, zu Metaphern, zu Figu-
„ren, und dergleichen. Ein gantz ſicheres Mit-
„tel, die Rede zugleich deutlich und praͤchtig zu
„machen, iſt dieſes, daß man die Worte ver-
„laͤngere oder beſchneide, oder ſonſt auf eine
„andre Weiſe veraͤndere; denn was in dieſen
„Woͤrtern ungewoͤhnliches iſt, und was ſie von
„den eigentlichen und gemeinen Woͤrtern entfer-
„net, theilet ihnen eine gewiſſe Pracht mit; und
„was ſie von dem gemeinen Gebrauche noch be-
„halten, machet ſie deutlich.„
Milton
[78]Von der Schreibart
Milton hat ſich aller dieſer Mittel ebenfalls be-
dienet, jedoch dieſes mit gewiſſer Maaſſe und
Beſcheidenheit, in ſoweit als es ihm ſeine Spra-
che zugelaſſen hat. Dieſe hat von Alters her ein
groſſes Belieben gehabt, die nachdencklichen und
nachdruͤcklichen Woͤrter aus fremden Sprachen
aufzunehmen und zu gedulden, wie ſie denn nichts
anders als ein Gemiſche von verſchiedenen Spra-
chen ungleichen Stammes iſt. Sie hat dieſe Nei-
gung noch zu unſern Zeiten behalten, und einige
Scribenten haben derſelben in ihren Schriften ſo
uͤbel mißgebraucht, daß ſie zuletzt ohne Noth aus-
laͤndiſche Woͤrter in ihre Schreibart gemenget,
welches die Sprache auf eine ſeltſame Weiſe zer-
hudelt haͤtte, wenn nicht verſtaͤndige Kunſtlehrer
dieſem ausſchweifenden Miſchmaſch Einhalt ge-
than haͤtten. Milton hat ſich damit in den gebuͤh-
renden Schrancken gehalten, und kein fremdes
Wort gebraucht, das nicht ſeinen gewiſſen Werth
gehabt haͤtte. Alſo hat er auch mit einigen For-
men aus fremden Sprachen gethan, welche er ge-
ſchickt nachgemachet hat; dergleichen ſind, daß
er das Beywort nach dem Hauptworte geſtellt,
daß er das Beywort in ein Hauptwort verwan-
delt, und, daß er die Woͤrter in einer veraͤnder-
ten Ordnung zuſammengeſetzet hat. Die Meta-
phoren hat er allemahl angebracht, ſo oft ſie ſei-
nen Vorſtellungen Zierde, Licht, Glantz, oder
Nachdruck mittheilen konnten. Alſo hat er eine
Menge Metaphoren und metaphoriſcher Reden,
die er ſelbſt zu ſeinen Abſichten erfunden hat. Die-
ſes that er kraft der natuͤrlichen Freyheit, nach
wel-
[79]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
welcher einem jeden erlaubt iſt, neue Vergleichun-
gen zu erfinden, oder aͤhnliche Dinge unter gantz
neuen emblematiſchen, jedoch deutlichen und leb-
haften Bildern vorzuſtellen, folglich auch vergoͤnnet
iſt, ſolche Vergleichungen in Metaphoren einzu-
kleiden. Zu dieſen neuen Metaphoren hat er fer-
ner eine groſſe Anzahl andrer zuſammengeleſen,
welche er in ſeiner Sprache ſchon ſeit uralten Zei-
ten ſo wohl eingefuͤhrt gefunden, daß ſie izo von den
wenigſten mehr vor Metaphern angeſehen werden.
Die Engliſche Sprache iſt an dergleichen vor an-
dern reich. Aber Milton begnuͤgete ſich nicht an
denen, welche zu ſeiner Zeit in dem gemeinen Um-
gange gebraucht wurden, ſondern zog eine Men-
ge ſolcher, die theils dem Untergange nahe waren,
theils ſchon ins Vergeſſen gekommen, wieder ans
Licht hervor. Er bemaͤchtigte ſich ſolcher in Spen-
ſers, Fletſchers, und Sakſpers Schriſten, ſo oft ſie
ihm dieneten, eine Sache und einen Begriff nach
einer abſonderlichen Einſchraͤnckung vorſtellig zu
machen. Daneben thaten ihm dieſe veralterten
Woͤrter den Dienſt, daß ſie ſeinem Gedichte ei-
nen gewiſſen Schein von Alterthum mittheileten.
Auch das lezte Mittel, das Ariſtoteles in Vorſchlag
gebracht hat, hat Milton mit Nutzen anzuwenden
gewußt. Er hat eine Redensart mit Hinzuſezung
ſolcher Woͤrter laͤnger gemacht, welche nach Be-
lieben geſetzet oder ausgelaſſen werden koͤnnen; und
er hat abſonderliche Woͤrter mittelſt Einſchiebung
oder Hinauswerffung gewiſſer Sylben ausgedaͤh-
net, oder abgeſtutzet.
„Giebt man auf das
„Maaß ſeines Verſes acht, ſagt Addiſon, ſo
„wird
[80]Von der Schreibart
„wird man ſehen, daß er in verſchiedenen Wor-
„ten mit groſſer Geſchicklichkeit eine Sylbe ver-
„druͤckt, und andre mahl zweyſylbigte Woͤrter
„in eine Sylbe zuſammengedrungen, wodurch
„er ſeine Sprache erhoͤhet, und ſeinem Sylben-
„maaſſe ein verſchiedeneres Ausſehen mitgetheilet
„hat. Dieſes hat er inſonderheit in den Nah-
„men der Perſonen und der Laͤnder gethan, in-
„dem er entweder den Nahmen einigermaſſen ge-
„aͤndert, oder einen gebraucht, der am wenig-
„ſten bekannt war, damit er die Sprache des
„gemeinen Volckes deſto beſſer vermiede.„
Eben derſelbe berichtet uns, daß Milton ver-
ſchiedene Woͤrter aus eigener Macht gepraͤget ha-
be, und verweiſet den Leſer, der ſich daran aͤr-
gerte, auf eine Schrift des Plutarchs, worin-
nen gezeiget wird, wie vielmahl Homer ſich eben
dieſer Freyheit bedienet habe. Wenn wir ihm
Glauben zuſtellen, ſo hat der Poet mittelſt aller
dieſer Huͤlfsmittel, und mittelſt der trefflichſten
Woͤrter und Redensarten, ſo ihm die Engliſche
Sprache mittheilete, dieſelbe zu einer groͤſſern
Hoheit erhoben, als jemahls ein Engliſcher Poet
vor oder nach ihm gethan hat, und ſeine Schreib-
art eben ſo erhaben gemachet, als ſeine Gedan-
ken ſind.
Die Herren Richardſonen, Vater und Sohn,
haben in ihrer Lobſchrift des verlohrnen Paradieſes
mit eben demſelben Lobe von Miltons Schreibart
geredet. Und der Journaliſte, der in der Britan-
niſchen Bibliotheck im April 1737. I. Artick. einen
Auszug davon gemachet, giebt zu verſtehen, daß
er
[81]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
er es ihnen nicht wiederſprechen koͤnne, wiewohl
er ziemlich unbeſtimmte Begriffe davon hat, und
zu fuͤrchten ſcheinet, ſeine franzoͤſiſchen Leſer wer-
den mit den Hrn. Richardſonen nicht eines ſeyn.„
„Doͤrffen wir, ſagt er, auch alles erwaͤhnen, was
„Richardſon von Miltons Schreibart ſagt? Al-
„le unſre Leſer wiſſen, was Boileau von Ron-
„ſard geſagt hat, ihn herunter zu machen, nem-
„lich daß ſeine Muſe im Franzoͤſiſchen Grie-
„chiſch und Latein geredet habe. Wo ſind
„nun die Frantzoſen, welche bey dem Vorur-
„theile, das ſie von dieſen Worten empfangen,
„ohne Erſtaunen hoͤren koͤnnten, daß jemand
„mit Worten, die eben das ſagen, was Boi-
„leau geſagt hat, die Schreibart eines heutigen
„Poeten loben wollte? Dennoch iſt dieſes ein
„Paradoxum, welches ſie verdauen muͤſſen,
„wenn ſie begreiffen wollen, worinnen der wah-
„re Werth der miltoniſchen Schreibart beſtehe.
„Vielleicht iſt die Engliſche Sprache, die aus
„der augenſcheinlichen Vermiſchung vieler and-
„ren entſtanden iſt, ſchon daran gewoͤhnt, daß
„ſie ſich nach den Eigenſchaften auslaͤndiſcher
„Sprachen bequeme. Vielleicht hat ſie ſo viel
„von dem Naturelle derer, die ſie reden, in ſich,
„daß ihre Natur nicht ſo enge eingeſchraͤncket iſt,
„als der frantzoͤſiſchen Sprache. Vielleicht laſ-
„ſen ſich alle Sprachen aus dem Vorrathe der
„andern bereichern, und der vornehmſte Unter-
„ſcheid zwiſchen Milton und Ronſard beſteht da-
„rinnen, daß jener desfalls mehr Geſchicklichkeit
„und mehr Behutſamkeit gebraucht hat, als Ron-
[Crit. Sam̃l. III. St.] F„ſard.
[82]Von der Schreibart
„ſard. Das iſt gewiß, daß die Herren Richard-
„ſonen unſern Poeten damit loben wollen, und
„ihn in der That loben, wenn ſie ſagen, daß
„man in einem gewiſſen Dinge, das man nicht
„recht nennen koͤnne, das ſeine Schreibart ſo nach-
„druͤcklich und ſo eigen mache, was fremdes und al-
„tes erkenne, welches viel von dem Roͤmiſchen und
„Griechiſchen an ſich habe, aber naturaliſirt
„Engliſches ſey. Da Milton viele alte und neue
„Sprachen verſtuhnd, nahm er aus jeglicher,
„was ſich vor die Natur der Engliſchen ſchickete.
„Jndem das Feuer, deſſen er voll war, alle
„Theile dieſer Vermiſchung durchdrang, ſah
„man ein neues Gemiſche daraus entſtehen, wel-
„ches nach dem Urtheile der Kenner in den Spra-
„chen eben das iſt, was das Corinthiſche Ertzt eh-
„mahls unter den Metallen war. ‒ ‒ Ueber-
„haupt zu reden, hat Miltons Schreibart zu ih-
„rem Eigenthume, daß ſie reich und uͤberflieſſend
„iſt, ohne Gewaſche. Der Ueberfluß iſt viel-
„mehr in den Begriffen als in den Worten. Sie
„iſt allemahl nachdruͤcklich, klar und genau. Die
„Genauigkeit iſt ſo groß, daß Hr. Richardſon
„ſagt, ſie verurſache bisweilen etwas, das den
„Schein einer Dunckelheit habe, aber doch nicht
„dunckel ſey, oder wenn es dunckel ſey, ſo ſey die
„Schuld nicht der Schreibart ſondern des acht-
„loſen und im Denken ungeuͤbten Leſers, und
„ſolcher Leute, welche in Miltons Ausdruͤcken aus
„derſelben Urſache keinen Verſtand finden, als
„wir bey hellem Mittage in der Sonnenſcheibe
„nichts ſehen, dieweil ihr eigner Glantz ſie vor
„uns verbirgt.„
Man
[83]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Man hat von dem Character der franzoͤſiſchen
Sprache angemercket, daß ſie von einer ſehr zaͤrt-
lichen, lekeren und eingeſchraͤnckten Beſchaffen-
heit ſey, insbeſondere daß ſie eine Menge eigen-
ſinniger und gleichſam geweiheter Redensarten ha-
be, welches machete, daß ſie deßwegen der
Grundſchrift, die man aus einer andern Spra-
che in dieſelbe uͤberſetzen will, nicht lange Fuß
fuͤr Fuß nachgehen koͤnne. Einige der geſchickte-
ſten Franzoſen ſelbſt haben ſich geklaget, daß ih-
re Sprache arm, mager, und truken gemachet
worden, daß man ſie in Feſſeln und Bande ge-
zwungen habe; und ſie bekennen, daß ſie keinen
Schritt thun doͤrfe als nach den ſtrengeſten und alle-
zeit gleichfoͤrmigen Regeln der Sprachlehre. Der
Herr von Fenelon, Boileaus und andrer, die eine
gleiche Klage gefuͤhrt haben, an dieſem Orte nicht
zu gedencken, hat in ſeinem Entwurffe einer Poe-
tick ihre Strengigkeit ſonderlich in Anſehung der
Verſetzungen der Woͤrter beklaget.
„Man hat
„ſich, ſagt er, ohne Noth ſelber die Folter zu-
„erkannt, damit man eine Schrift verfertigen
„koͤnnte. Man duͤrfte ſchier auf die Gedancken
„fallen, daß man ſich mehr um das, was ſchwer
„iſt, als um das, was ſchoͤn iſt, bekuͤmmert
„habe. Bey uns hat ein Poete eben ſo ſehr
„noͤthig ſich in den Gedancken zu ſchlagen, wie
„er die Sylben in Ordnung ſtellen, als wie er
„ſtarcke Empfindungen, lebhafte Schildereyen,
„kuͤhne Gedancken erfinden wolle.„
Nach die-
ſen Worten bringt er etliche Exempel von dem
Gebrauche, zu welchem die Alten die Verſetzun-
F 2gen
[84]Von der Schreibart
gen der Woͤrter angewendet, und worinnen die
franzoͤſiſche Sprache zu kurtz koͤmmt; welches ihm
Anlaß giebt von Ronſard zu reden:
„Ronſard,
„ſagt er, hatte der Sache auf einmahl zu viel
„gethan. Er hatte unſrer Sprache durch allzu
„verwegene und dunkele Verſetzungen Gewalt
„angethan. Er machte eine rohe und ungeſtalte-
„te Sprache daraus. Er brachte allzu viel zu-
„ſammengeſetzte Woͤrter in dieſelbe, welche in
„dem gemeinen Umgange noch nicht eingefuͤhrt
„waren. Er redete franzoͤſiſch auf griechiſch,
„und dieſes ohne die Einwilligung der Franzo-
„ſen. Er hatte meines Beduͤnckens nicht un-
„recht, daß er das Eis brechen wollte, unſre
„Sprache zu bereichern, und unſre Poeſie kuͤh-
„ner zu machen. Aber in den Sprachen richtet
„man ohne die Beyſtimmung der Leute, fuͤr
„welche man redet oder ſchreibet, nichts aus.
„Man muß niemahls zween Schritte zugleich
„thun, man muß ſtille ſtehen, ſobald man ſie-
„het, daß die Leute uns nicht nachfolgen. Vor
„ſich allein ſtehen, iſt allemahl und in allen Din-
„gen mit Gefahr begleitet; und in Sachen,
„wo es bloß auf den Gebrauch ankoͤmmt, iſt
„man nicht zu entſchuldigen, wenn man allein
„bleibet.„
Jn dem Verfolge ſagt er, eben die-
ſes, daß Ronſard der Sache zu viel gethan ha-
be, ſey die Urſache geweſen, daß die Franzoſen
auf das Gegentheil gefallen, uud zu furchtſam
geworden ſeyn; dadurch ſey nun die franzoͤſiſche
Sprache duͤrftig und ſchwindſuͤchtig geworden.
Wenn zween Menſchen ſich vornehmen, einer-
ley zu thun, ſo bringen ſie doch nicht einerley her-
aus.
[85]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
aus. Sie greifen die Sache nicht mit gleichem
Vermoͤgen, nicht mit gleicher Geſchicklichkeit und
Behutſamkeit an; ſie ſind nicht in gleichen Um-
ſtaͤnden und dergleichen. Von Milton wiſſen
wir, daß er in ſeinem Gebrauche der auslaͤndi-
ſchen Mundarten die damahlige Verfaſſung ſeiner
Sprache nicht aus den Augen geſetzet, ſondern
auf den Grund derſelben gebauet; er hat ſie nicht
gekruͤmmet, er hat ſie nur gelenket. Jn dieſer Arbeit
iſt ihm trefflich zu ſtatten gekommen, daß er ſie gantz
biegſam gefunden hat,(*) noch mehr, daß er bey den-
jenigen, die ſie reden, ein ſo ungezwungenes, ſo freyes,
und kuͤhnes Naturell wahrgenommen, daß er ſich ver-
ſichern koͤnnen, ſie wuͤrden ſeine Neuerungen nicht
nur nicht verwerffen, ſondern ſie mit dem noͤthi-
F 3gen
[86]Von der Schreibart
gen Beyfalle aufnehmen; zumahl, da der wun-
derbare Jnhalt ſeiner Gedichte eine ungewoͤhnliche
Schreibart erfoderte. Ronſard hat hingegen nicht
nur dem Naturell der franzoͤſiſchen Sprache,
wie ſie zu ſeiner Zeit beſchaffen war, zu viel Zwang
angethan, wie wir von Fenelon berichtet werden,
ſondern er hat auch die Gemuͤthesart ſeiner Lan-
desleute, fuͤr die er geſchrieben, nicht genug ein-
geſehen, und nicht betrachtet, daß es allzuſchwer
iſt, ſie von ihren gewohnten Manieren abzubrin-
gen, und ihnen an deren Statt etwas auslaͤndi-
ſches beyzubringen. Er ſollte wenigſtens uͤberle-
get haben, daß ſie mit den Schriften der Grie-
chen und Roͤmer, keine ſo genaue Bekanntſchaft
hatten, daß ſie die Redensarten, die Bilder und
Figuren, ſo von ihren Gebraͤuchen hergeholet
waren, in das Franzoͤſiſche uͤberſezt, ohne Schwie-
rigkeit haͤtten verſtehen, und mit Vergnuͤgen auf-
nehmen koͤnnen. Man hat ohne dies angemerket,
daß die Franzoſen uͤberhaupt mehr Muͤhe als and-
re Nationen haben, ſich aus ihrer Sphaͤr her-
aus zu begeben, und ſich in die Gedanken, die
Gewohnheiten, die Lebensart andrer Voͤlker zu
richten. Welches Urſache iſt,, daß man in ih-
ren Tragoͤdien die Moden, die Lebensregeln, die
Hoͤflichkeit, die Galanterie von Paris und Ver-
ſailles wahrnimmt, wenn die Scenen gleich zu
Athen, Mycene, Corinth, und Babylon ſind.
Alſo hat man den Racine beſchuldiget, daß er
ſeine Helden nach Paris habe reiſen laſſen, daſelbſt
die Kunſt zu lieben zu erlernen, und z. Ex. des Eu-
ripides Hippolitus in Mr. Hippolite verwandelt
habe.
Dem-
[87]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Demnach muß man die Freyheiten, die Mil-
ton in ſeiner Sprache genommen, und nach der
Faͤhigkeit und der Verfaſſungsart derſelben, und
dem Naturelle der Engellaͤnder abgemeſſen hat,
nicht nach der gewiſſenhaften Sorgfaͤltigkeit der
franzoͤſiſchen oder ſonſt einer eingeſchraͤncktern
Sprache beurtheilen, noch ſich einbilden, was
in den furchtſamern nicht angehet, ſtehe auch in
den kuͤhnern nicht wohl. Man handelt verſtaͤndi-
ger, wenn man dergleichen kuͤhnen Gebrauch nach
demjenigen mißt, was in einer eben ſo freyen,
und eben ſo gelenkigen Sprache einer großmuͤthi-
gen und gelehrten Nation ohne jemandes Aerger-
niß geſchehen kan. Eine ſolche Sprache war eh-
mahls die Griechiſche, in welcher Homer mit ſo
gutem Fortgange die Formen und Arten fremder
Sprachen und Dialecten eingepfropfet hat. Ei-
ne ſolche iſt zu unſern Zeiten die Jtaliaͤniſche, von
der man ruͤhmet, ſie ſey wie Wachs, und neh-
me alle Figuren an, die man darinnen ausdruͤ-
ken wolle, ſie bequeme ſich, wozu es ſey, und
lenke ſich, wie die Regula Lesbia, nach den
Sachen; ſie ſey nicht ſo ſproͤde, nicht ſo eigen-
ſinnig und mit ſich allein zufrieden, daß ſie nicht
die Formen andrer Sprachen gerne an ſich nehme,
und ſich eigen mache. Wir haben auch den Be-
weis deſſen aus der Erfahrung. Denn eben des-
wegen iſt es einigen geſchickten Jtalienern gelun-
gen, daß ſie die Redensarten des verlohrnen Pa-
radieſes mit alle den Freyheiten des Engliſchen
Poeten gegeben haben. Salvini, Magalotti,
Rolli haben gemeiniglich alle ſeine Worte, und
F 4mit
[88]Von der Schreibart
mit ſeiner Ordnung, und Zuſammenſetzung gelie-
fert.(*) Sie haben in ihre Ueberſetzungen
nicht nur die Gedancken Miltons, ſondern auch
ſeine Sprache hinuͤbergebracht, welche die Form
und das Siegel der Gedancken iſt. Und nie-
mand hat ihnen vorgeworffen, daß ſie damit den
Character ihrer eigenen wohlverfaßten Sprache
verletzet, oder dieſelbe dunkel, anſtoͤſſig, unzier-
lich oder ungereimt gemachet haben. Nun muß
man ſich in der Engliſchen Sprache eben derglei-
chen Fertigkeit und Vermoͤgen vorſtellen, die
gluͤcklichen Eigenſchaften andrer Sprachen nach-
zuahmen. Man muß denn Milton eben ſo viel
in ſeiner Sprache erlauben, als ſeine Jtalieni-
ſchen Ueberſezer ſich in der ihrigen erlaubet haben,
und auch niemand von ihren geſchickteſten Landes-
leuten ihnen veruͤbelt hat.
Wir koͤnnen ſelbſt in unſrer Sprache eine weit
groͤſſere Faͤhigkeit wahrnehmen, die Mundarten
und Manieren fremder Sprachen an ſich zu neh-
men, und nachzumachen, als die franzoͤſiſche
beſizet. Die deutſche Mundart hat wahrhaftig
keine ekelnde Abneigung gegen einigen von dieſen
Huͤlfsmitteln ſelbſt, welche die alten Kunſtlehrer
ſo ſehr angeprieſen haben, die Rede helle, kurtz,
genau, nachdruͤcklich und erhaben zu machen.
Es
[89]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Es mag der Muͤhe werth ſeyn, ſolches mit etli-
chen Exempeln auszufuͤhren, weil es dienet, die
Freyheit, ſo Milton desfalls in der weit kuͤhnern
Sprache einer geſchickten und großmuͤthigen Na-
tion genommen hat, zu rechtfertigen. Jndem
wir dieſes thun, wollen wir ein ſorgfaͤltiges Auge
auf die Gemuͤthesart unſrer Nation, und die
dießmahlen gewiſſermaaſſen eingerichtete Verfaſ-
ſung unſrer Sprache richten, und fleiſſig Acht
haben, was ohne Abbruch derſelben, und ohne
daß wir die Eigenſchaften unſrer Sprache umkeh-
ren, oder Dunkelheit und Verwirrung darinnen
anrichten, geſchehen moͤge.
Die deutſche Sprache koͤnnte vielleicht auf den
Grad der Reinigkeit gebracht werden, daß nicht
ein einziges fremdes Wort mehr darinnen gelit-
ten wuͤrde, wenn eine Geſellſchaft geſchickter und
erfahrner Maͤnner waͤre, welche Befehl und Ge-
walt haͤtten, fuͤr die neuen Sachen, und fuͤr
neue Begriffe alter und gewiſſermaaſſen ſchon be-
kannter Sachen, neue Nahmen zu erfinden, die
deutſchen Urſprungs, Stammes, und Ausſehens
waͤren. Alleine da die Aufrichtung einer ſolchen
Geſellſchaft, die mit der erforderlichen Geſchick-
lichkeit und Klugheit zu dieſem Werke verſehen
waͤre, ſehr groſſe Schwierigkeit findet, da uͤber
dieſes wenig Hoffnung vorhanden iſt, daß ſo vie-
le verſchiedene und freye Provinzen der deutſchen
Nation ſich vereinbaren werden, die Gewalt ei-
ner ſolchen Geſellſchaft zu erkennen, und ſich ih-
rem Anſehen und Geſchmacke zu unterwerffen, ſo
wird es izo ſehr ſchwer ſeyn, ſich allemahl zu ent-
F 5bre-
[90]Von der Schreibart
brechen, ſolche juͤngſt erfundene Dinge und Be-
griffe, die noch keine Nahmen bey uns haben,
mit denjenigen zu benennen, mit welchen ſie von
einer andern Nation ſchon bezeichnet worden, zu-
mahl wenn wir die Erkenntniß derſelben eben von
Fremden bekommen haben. Einige mahl, in-
ſonderheit in Begriffen und Sachen, die von
deutſcher Erfindung ſind, wird man freylich
ſich noch ziemlich wohl aus ſeinem eigenen helffen
koͤnnen, wovon ich unten bey Gelegenheit der
neugepraͤgten Woͤrter etwas mehrers ſagen werde.
Diejenigen, die eine Sache zuerſt erfunden
haben, ſind ohne Zweifel am meiſten berechtiget,
ihr einen Nahmen zu geben; ſie koͤnnen es auch
mit der meiſten Geſchicklichkeit thun, weil ſie die
Natur derſelben am beſten kennen. Was Oer-
ter, Laͤnder, Staͤdte, Gegenden, Berge, beſon-
dere Menſchen und Thiere anlangt, wird dieſes
Recht denjenigen, ſo den erſten Beſitz und die er-
ſte Bekanntſchaft davon gehabt haben, insgemei-
ne eingeraͤumet. Wir heiſſen darum Pantheon
und Rotonda den Tempel, den ſeine Stifter und
Beſucher alſo genannt, wir heiſſen mit den my-
thologiſchen Poeten Elyſium die anmuthreichen
Auen, die ſie ſo genannt haben, Styr den Fluß, Cer-
berus den Hoͤllenhund, Pluto den Gott der Hoͤl-
le; Gratien die Goͤttinnen der Holdſeligkeit.
Eben ſo halten wir es mit Zeug und Geraͤthe.
Cothurn ſagen wir, wenn wir den griechiſchen
Stifel der Perſonen im Trauerſpiele, Jamben,
wenn wir einen gewiſſen Fuß des Griechiſchen und
Lateiniſchen Verſes, Romanzen, wenn wir die
Erzeh-
[91]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Erzehlungen, die zuerſt in der Romaniſchen Spra-
che geſchrieben worden, Perſienne, Jndienne,
wenn wir gewiſſe fremde Arten woͤllinnen Tuches
anzeigen wollen. Dergleichen auslaͤndiſche Woͤr-
ter werden zugleich mit der Erkenntniß der Sa-
chen erlernet. Und wenn ſie gleich mit Nahmen
von deutſchem Stamme bekleidet wuͤrden, ſo
wuͤrden auch dieſe gleicherweiſe gelernet werden
muͤſſen. Wenn wir von dieſen Dingen reden
wollen, ſo ſind wir genoͤthiget dieſe Nahmen zu
brauchen, weil uns unſre Sprache keine eigenen
dazu leihet, und wir noch unverſtaͤndlicher wuͤr-
den, wenn wir neue erſinnen wollten.(*) Das
laͤcherliche Thun der Sprachenmengerey beſtehet ei-
gentlich darinnen, daß man fremde Nahmen
fuͤr ſolche braucht, die man zu Hauſe in ſeinem ei-
genen Vorrath eben ſo gut oder beſſer findet. Es
entſteht bald, weil man ſeiner eigenen Sprache
nicht maͤchtig genug iſt, bald weil man aus Ei-
telkeit das entfernte, das ſchwere und das unbe-
kannte, dem leichten und bereitſtehenden vorzieht.
Die alten Deutſchen haben ſich ſonſt vor undenck-
lichen Jahren ſchon die Freyheit genommen, auch
die Nahmen aus andern Sprachen zu entlehnen,
aus welchen ſie die Begriffe und Sachen ſich nicht
geſchaͤ-
[92]Von der Schreibart
geſchaͤmet zu borgen. Solches bezeugen die ural-
ten Woͤrter, Natur, Kirche, Thuͤr, Moͤnch, Mate-
rie, Prieſter, Coͤrper, Vers, Chor, Meſſe, Thron,
Kron ꝛc. Und wir ſagen nach ihrem Beyſpiele,
Syſtem, Phantaſie, Symphonie, Harmonie, Pro-
ſa, Religion, Sphaͤr, Hiſtorie, Allegorie.
Jch erinnere mich bey dieſem Anlaſſe einer frem-
den Mundart, die nicht in den Woͤrtern ſelbſt,
ſondern in ihrer Form beſteht, wie dieſe Exempel
zu erkennen geben:
Er bracht ihr in den Sinn, wie oft hier Hand in Hand
Ulyſſes ſie gefuͤhrt.
Laͤßt Maͤrtrer in den Streit auf andre Maͤrtrer gehen,
Und Jnfeln in dem Feld vor Feindes Jnfeln ſtehen.
Jch finde dieſe Form der Rede zwar in kei-
nem Saͤchſiſchen Poeten, doch iſt ſie bey ihrer Ein-
falt ſehr nachdruͤcklich, weil das wiederholte
Hauptwort die Sache ſelbſt weit lebhafter anzei-
get, als das Vornennwort gethan haͤtte.
Jſt es in oben beſtimmtem Falle vergoͤnnet,
Woͤrter aus fremden Sprachen in die unſrige auf-
zunehmen, ſo iſt es ohne Zweifel mit demſelben
Rechte erlaubt, veralterte Woͤrter, die ehmahls
in der Sprache geweſen, wieder zuruͤck zu holen,
ſo oft dieſelben mit keinen andern erſezet worden.
Es
[93]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Es iſt nicht billig, daß die Begriffe davon zu-
gleich mit den Nahmen untergehen, und wenn
ich ihrer gedenken ſoll, ſo kan ich es mit keinen
bequemern Nahmen thun, als den vormahligen,
welche der izigen Sprache ſo nahe verwandt ſind,
als die Wurzeln den Zweigen, wiewohl ſie wie
dieſelben im Dunkeln verborgen liegen.
Haͤtten unſre Scribenten mehr Bekanntſchaft
mit den Schriften der alten Deutſchen, ſo wuͤr-
den ihnen dergleichen Woͤrter nicht ſo fremde, noch
wegen ihres fremden Weſens ſo ungereimt und
hart vorkommen; und durch den Gebrauch, ſo
ſie davon macheten, wuͤrden ſolche auch ihren Leſern
gelaͤuftig werden.
Wir duͤrften dann Pfeiſen ſagen, den Sibi-
lum der Schlangen auszudruͤken, welches wir
in dem Amadieſe finden, wo es heißt: Eine ſehr
groſſe Schlange, welche, ſobald ſie den Rit-
ter erblikete, auf die Erde ſprang, und mir
groſſem Pfeiſen davon lief. B. XXIII. Bl. 281.
Pfeiſen ſchickte ſich da nicht. Wir duͤrften Bul-
gen brauchen, das wir in Wikrams Ueberſezung
des ovidiſchen Gedichtes von der Veraͤnderung der
Geſtalten finden, wo im eilften B. ſteht:
Bulgen ſind nicht ſchlechtweg Wellen, ſondern
ungeheure Wellen. Wir duͤrften uns des Wor-
tes ungefug bedienen, das in eben derſelben Ue-
berſe-
[94]Von der Schreibart
berſezung oͤfters vorkoͤmmt, und kraft ſeiner Ab-
ſtammung ſehr nachdruͤcklich iſt, und uns man-
gelt. Jch finde es daſelbſt in dieſen Zeilen:
Und in folgenden:
Und wenn wir verſchiedene Arten von Fahrzeuge
anzeigen wollen, duͤrften wir die Nahmen ge-
brauchen, die man ihnen gegeben, als ſie erfun-
den worden, und welche ſie an denen Orten,
wo ſie noch gebraucht werden, noch haben. Z.
Ex. Barke, Fuſte, Nave; welche wir in
Seb. Branden Narrenſchiffe antreffen, und in
der deutſchen Ueberſezung des Amadieſes, wo ich
finde: Leztlich erſchienen anſtatt der brennen-
den Fuſten drey Schlangen, welche ſo groß
waren, als drey groſſe Naven. Und: Wir
haben ihn allein auf dem Meer in einer kleinen
Barke ſchiffen laſſen. Mich duͤnket, daß die
Nahmen der Kunſtwerke mit dem beſten Recht
gebraucht werden, wenn die Werke ſelbſt gleich
nicht mehr in Uebung ſind, ſo oft man von den-
ſelben wieder zu reden koͤmmt. Wir duͤrften Eſt-
rich nicht nur von einem ſolchen Boden brau-
chen, der von Thone geſchlagen iſt, ſondern von
allen Stratis, welches das Wort iſt, wovon jenes
ſeinen Urſprung genommen, das noch in vielen
Provinzen Deutſchlands in einem weitlaͤuftigen
Ver-
[95]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Verſtand uͤblich iſt. Wir duͤrfften das Wort
Gauch noch immer anwenden, das Sebaſtian
Branden ſo manchen guten Dienſt gethan hat,
und ſeine Kraft von der Bloͤdſinnigkeit des Vo-
gels, der ehmahls dieſen Nahmen gefuͤhrt, er-
halten hat. Jzo heißt er gewoͤhnlicher Gukguk,
iſt aber noch wie zuvor ein Sinnbild der Thorheit,
wofuͤr ihn Brand beſtaͤndig gebraucht hat.
Auch das Wort Ungefaͤll wuͤrde uns nicht gerau-
bet werden, das ſeinen ſo guten und augenſchein-
lichen Grund in der Abſtammung hat. Aber
mit was vor Rechte kan man uns verbieten,
noch auf den heutigen Tag die eigenen Nahmen
der Perſonen, der Goͤtter, der Geiſter, und
dergleichen zu gebrauchen, wenn wir davon zu re-
den haben, ungeachtet wir ſie nicht mehr glauben?
Alſo duͤrffen wir den Nahmen Alf, Aelf, Ael-
fen, Waſſeraͤlfen, Landaͤlfen ſezen, ſo oft wir
die Art Geiſter anzeigen wollen, welche die An-
gelſachſen mit dieſem Nahmen genannt hatten.
Und wenn wir eine andere Art, ſo man ehmahls
Feyen geheiſſen, auffuͤhren wollen, ſo wird uns
auch
[96]Von der Schreibart
auch dieſer Nahme erlaubet ſeyn, welchen die
Franzoſen noch gewoͤhnlich brauchen; und der in
Wikrams Veraͤnderungen der Geſtalten oͤfters vor-
koͤmmt.
Jtem:
Diejenigen, welchen dieſe Nahmen, ſowohl als
dieſe Geiſter, welche dadurch benennet werden,
fremd und unbekannt ſind, werden ſie bald aus
den Eigenſchaften und Handlungen, ſo ihnen zu-
geſchrieben werden, kennen lernen, und ſich da-
mit keine groͤſſere Muͤhe geben doͤrffen, als die
Nahmen der Helden in einer Geſchichte oder ei-
nem Gedichte ins Gedaͤchtniß zu faſſen.
Wenn wir denn in dieſem Stuͤke der deutſchen
Sprache eine gewiſſe Ungelenkigkeit beymeſſen
wollen, ſo iſt dieſe nicht weiter in derſelben, als
inſoweit diejenigen, die darinnen reden, und
ſchreiben, ungelenkig ſind. Sie ſelber iſt des-
falls eben ſo wenig ſteif, und unbiegſam, als in
den folgenden Mitteln, die Schreibart zu erhoͤ-
hen. Erſtlich, da das Beywort nach dem Haupt-
worte geſezet wird. Unſere geſchickteſten Poeten
haben dieſes mit gutem Fortgange gethan; z. Ex.
Haller:
Ein
[97]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Drollinger:
Ferner gehet die Verwandlung des Beywortes in
ein Hauptwort bey uns ſehr leicht an: Z. Ex.
Ja wir koͤnnen auf gleiche Weiſe das Zeitwort in
ſeinem Infinitivo, oder der unbeſtimmten Wei-
ſe, in ein Hauptwort veraͤndern. Koͤnig:
Brocks:
[Crit. Sam̃l. III. St.] GUnbe-
[98]Von der Schreibart
Drollinger:
Auch die Verſezung der Woͤrter aus der proſai-
ſchen Fuͤgung koͤmmt mit dem Naturell unſrer
Sprache beſſer uͤberein, als der furchtſame Wei-
ſe ſeinen Schuͤlern vorgegeben hat. Man wuͤrde
in der gemeinen Proſa ſagen, mache deinen Rau-
penſtand nicht zu deinem Zwecke, und einen Tro-
pfen Zeit nicht zur Ewigkeit. Ein Poet verſezet
dieſe Worte ohne Zwang:
Und mit eben dieſer Herumwerffung hat ein and-
rer Poet geſagt:
Dieſes haͤtte ein Proſaiſt von Weiſens Phlegma
ohne dergleichen Herumſchiebung gegeben: Hier
war ein ſchwarzer mit Silber bebraͤmter Hut, hier
wehlte man ſchneeweiß gewaſchene Kamaſchen.
Jn der ordentlichen Proſa heißt es: O das ge-
rechte Weſen hat mir recht in ſeinem Zorn dieſes
ferne Land zur Wohnung auserleſen; wie folget
verſezet, hat es mehr Affect in ſich:
O recht
[99]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Und die Deutlichkeit leidet dabey nicht das wenig-
ſte. Jn der proſaiſchen Fuͤgung lautet es ſehr ſorg-
faͤltig: Wenn du eine laͤngere Zeit in dem Fin-
ſterniß, worinnen wir, die mit Denken noch
nicht feſt, und an den Sinnen klein ſind, begra-
ben ſind, gehangen ſeyn wuͤrdeſt. Aber wenn
dieſe Worte folgendermaſſen verworffen werden,
ſind ſie nichts deſtoweniger verſtaͤndlich genug,
und reizen uͤber dieſes die neugierige Aufmerckſam-
keit:
Dieſes iſt auch nicht ſo matt geſetzt, als das er-
ſtere. Mithin wird man dergleichen Herumwerf-
fung auch in der alltaͤglichen Proſa derer Men-
ſchen, die im Affecte reden, oder auf einen beſon-
dern Nachdruck bedacht ſind, ſehr haͤufig antref-
fen. Der Pater Buhurs hat fuͤr ſeine Sprache
ein Lob darinnen geſucht, daß die Verſezungen
in derſelben nicht angehen. Allein wer es recht
erweget, wird leicht faſſen, daß ſie dadurch ei-
nes wahren Vortheiles beraubet iſt. Es iſt zu ei-
nem geſchickten Vortrage nothwendig, daß wie
die Gedanken und Meinungen, auch die Worte,
die Abſaͤze der Rede, und die Ordnung derſelben
von des Poͤbels ſeinen unterſchieden ſeyn, damit
die poetiſche Schreibart majeſtaͤtiſcher, herrlicher
G 2und
[100]Von der Schreibart
und wunderbarer klinge. Und geſezt, daß die
Verſezungen bisweilen einige Dunkelheit zu ver-
urſachen ſcheinen, ſo wird dieſe Dunkelheit ſelbſt,
wenn wir dem Herren Muratori Glauben zuſtel-
len, ſofern ſie mit Verſtand begleitet iſt, zu ei-
ner Tugend; ſo wie es in der Schreibart eine
Tugend iſt, wenn man die Gedanken und Mei-
nungen mit einer verſtaͤndigen Dunkelheit bede-
ket, maſſen uns nicht allemahl angenehm iſt, alle
Dinge mit ihren gemeinen, eigenen und natuͤrli-
chen Nahmen ausſprechen zu hoͤren. Derglei-
chen Dunkelheit verdient nemlich dieſen Nahmen
nur in Abſehen ſeichter Leſer, die mit Wiſſen-
ſchaft und Gaben uͤbel verſehen ſind. Aber in der
franzoͤſiſchen Sprache ſind die Verſezungen ſelten
moͤglich, ohne daß man dem Vortrage nicht die
nothwendige und unentbaͤhrliche Klarheit nehme.
Der Hr. Fenelon hat es in der Stelle, die ich
ſchon oben angezogen habe, bekennet und zugleich
beklaget. Er hat dabey auch angemerket, daß
die Alten mittelſt haͤufiger Herumwerffungen den
Wohlklang in dem Falle der Rede, die aͤndernde
Abwechſelung, und die Affectreiche Ausdruͤkung
trefflich vermehrt und befoͤdert haben.
„Die
„Verſezungen, ſagt er, wurden zu einer zierli-
„chen Figur gemachet, und unterhielten den Geiſt
„mit der Hoffnung des Wunderbaren, das ſie
„verhieſſen. Dieſes ſieht man in dem Anfange
„dieſer Ecloga.:„Paſtorum muſam Damonis \& Alpheſiboei,„Immemor herbarum, quos eſt mirata juvenca„Certantes, quorum ſtupefactæ carmine Lynces,
„Et
[101]in Miltons verlohrnen Paradieſe.„Et mutata ſuos requierunt flumina Curſus,„Damonis muſam dicemus \& Alpheſiboei.
„Loͤſet dieſe Verſezung auf, und ſtellet dieſe Wor-
„te in eine grammatiſche Ordnung, ſo wird alle
„ihre Cadantz, ihre Pracht, ihre Anmuth und
„Harmonie wegfallen. Wie furchtſam und wie
„angſthaft iſt hingegen unſre Sprache? Soll-
„ten wir folgenden Vers, in welchem alle Wor-
„te von ihrer Stelle gehoben ſind, nachmachen
„duͤrffen?‘„Aret ager, vitio moriens ſitit aëris herba.’
„Wenn Horatz ſeinen Leſer zu irgend einem vor-
„nehmen Gegenſtande vorbereiten will, ſo fuͤh-
„ret er ihn mit ſich fort, ohne daß er ihm ſage,
„wohin er gehen wolle, und ohne daß er ihn aus-
„raſten laſſe:
Qualem miniſtrum fluminis alitem \&c.
Der Herr Fenelon gedenket nach dieſem, wie man
auch in der franzoͤſiſchen Sprache dergleichen Ver-
ſezungen einfuͤhren koͤnnte:
„Jch bekenne, ſagt
„er, daß man nicht auf einmahl eine groſſe Zahl
„ſolcher Verſezungen anbringen muß. Man iſt
„derſelben nicht gewohnet, ſie wuͤrden hart und
„gantz dunkel ſcheinen. Man muͤßte zuerſt die
„gelindeſten ausleſen, diejenigen, welche mit
„denen, die unſre Sprache ſchon erlaubet, am
„naͤchſten graͤnzen, und ſo von einer zur andern
„fortgehen.„
G 3Mit
[102]Von der Schreibart
Mit dieſer behutſamen Vorſicht werden wir es
mit den Verſezungen in der deutſchen Sprache
ſehr weit bringen koͤnnen, und eben ſowohl wird
uns dieſelbe in Anſehen der Auslaſſungen gewiſſer
Huͤlfswoͤrter zuſtatten kommen. Der ſeltene Ge-
brauch dieſes Huͤlfsmittels, das unter dem Nah-
men der Ellipſis bekannter iſt, in unſern wohl-
flieſſenden Poeten, koͤnnte uns vermuthen laſſen,
die deutſche Sprache litte dergleichen nicht: Allein
die Exempel einiger neuren Poeten, welche mittelſt
derſelben einen ungemeinen Nachdruck und eine
Verſtandesvolle Kuͤrze in ihre Rede gebracht ha-
ben, geben uns vielmehr zu erkennen, daß eben
die Verabſaͤumung dieſes Kunſtmittels an der Mat-
tigkeit, welche wir in gewiſſen Schriften wahr-
nehmen, nicht geringe Schuld hat. Herr Hal-
ler hat geſagt:
Hier iſt es ein ſo angenehmes als leichtes Geſchaͤfte
fuͤr einen verſtaͤndigen Kopf in der zweyten Zeile
zu ergaͤnzen: Gedenke, daß du nicht fuͤr die Zeit
ewig, nicht fuͤr die Erde groß, gemachet ſeyſt. Ein
geſchickter Kopf freuet ſich, daß ihm Anlaß gege-
ben wird, ſeine Fertigkeit zu erzeigen, wenn die-
ſes nur mit gewiſſer Maaſſe geſchieht, ſo daß er
nicht uͤberlaͤſtiget wird; und er danket dem Scri-
benten, daß er ihn ungeſaͤumt fortgefuͤhrt hat.
Dieſes Exempel lehret uns auch, daß der Vers
durch die Ellipſis nicht hart gemachet wird. Wer
ſich
[103]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
ſich hier uͤber eine Haͤrtigkeit klaget, der verraͤth
ſich, daß die Schwierigkeit, die ſein langſamer
Verſtand findet, die Auslaſſung zu ergaͤnzen,
ihm den Jnhalt des Verſes ſchwer gemachet hat;
denn nichts anders als dieſes hat ihn auf den Wahn
gebracht, der Vers ſelbſt, und die Redensart
waͤren nicht flieſſend noch ſanft. Eben derſelbe
Poet ſagt:
Wie langſam und froſtig wuͤrde er geſezt haben:
Der ſich nur an das Jzige haͤnckt, und nur ſo
klug iſt, als die Thiere. Ein munterer Kopf kan
dieſes Verſtandes in dem Verſe nicht verfehlen,
wenn er gleich auf obige Art zuſammengepreßt iſt.
Eben ſo wenig in folgenden Exempeln:
Von der Art dieſer Ellipſis ſind alle Participia
paſſiva, alle leidenden Mittelwoͤrter; nicht ge-
zwungner und nicht dunckler.
Jn der lezten von dieſen beyden Zeilen iſt die El-
lipſis bey ihrer Kuͤrze von ſolcher Deutlichkeit, daß
man dieſe Art derſelben vor ein herrliches Vor-
recht der deutſchen Sprache preiſen darf. Fol-
gende hat ihren Urſprung in der Schnelligkeit des
Affectes:
G 4Ach
[104]Von der Schreibart
Wie weit es in der deutſchen Sprache mit der
Ellipſis zu bringen ſey, ohne daß ſie eingezwaͤnget
werde, wird man am allerbeſten abnehmen koͤn-
nen, wenn man ſolche in der Unterredung mit ei-
nem hurtigen und ſcharfſinnigen Kopfe pruͤfet, ſo
daß man Achtung giebt, ob ihn dieſelben leicht
oder ſchwer ankommen. Unter die Ellipſes gehoͤrt
auch folgende Art:
Jndem er drauf, die er ſich ausgewaͤhlt,Den Wuͤrden nach vertheilet, ſtellt, und zaͤhlt,Bezeichnet er die ihm recht artig ſcheinen.
Haged.
Dieſe Art der Ellipſis koͤnnen die Engellaͤnder nicht
nur mit den perſoͤnlichen Vornennwoͤrtern, ſon-
dern mit den Hauptwoͤrtern ſelbſt auf dieſe Weiſe
bewerckſtelligen.
Ein Huͤlfsmittel von einer andern Art deſſen Mil-
ton ſich bedienet, die Rede von der Proſa zu un-
terſcheiden, iſt der geſchickte Gebrauch der Meta-
phoren, welche er nach aͤhnlichen von ihm ſelbſt
entdeckten Bildern formirt hat. Dieſes laͤßt ſich
darum wegen des allgemeinen Grundes, den es
in der Natur hat, in allen Sprachen mit dem
groͤſten Rechte und am ſicherſten nachmachen.
Von
[105]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Von dieſer Art ſind folgende: Eine Ruthe mit
Feuer beſprenget; Er redet von einer Zuͤndru-
the; mit Schilfe und Straͤuchern verbraͤm-
tes Geſtade; Violen und Hyacinthen brodir-
ten den Boden mit einem reichen Stickwerke;
Die Erdenkloͤſſer kalbeten.(*) Man ſollte
darum nicht fuͤrchten duͤrffen, daß jemand von un-
ſern deutſchen Sprachlehrern dergleichen Re-
densarten verwerffen wuͤrde, wenn es nicht wuͤrck-
lich geſchehen waͤre; denn welcher Deutſcher ver-
ſtehet nicht, was beſprengen, was verbraͤmt,
was brodirt, und endlich was kalben iſt? Und wenn
dieſe Bilder zu den Woͤrtern Feuer, Schilf,
Violen, Erde, geſezet werden, wer iſt ſo plump,
daß er dasjenige, was von dieſen Dingen geſagt
wird, nicht in der aͤhnlichen Vorſtellung erkenne?
Jch erinnere mich hier, daß man in der Abhand-
lung von poetiſchen Gemaͤhlden, welche zuerſt un-
G 5ter
[106]Von der Schreibart
ter dem Titel vernuͤnftiger Gedanken von dem
Einfluſſe der Einbildungskraft in den Schrif-
ten der Redner und der Poeten an das Licht
gekommen, in einer Beſchreibung der wunderba-
ren Faͤhigkeit der Phantaſie einige Zuͤge von die-
ſer Art hat einflieſſen laſſen. Man wollte in der
Erzehlung zugleich das Muſter und Exempel von
dem, was man ſagte, hinzufuͤgen.
„Der
„Poet, heißt es daſelbſt, verſetzt euch durch die
„Kraft ſeiner Beſchreibungen in eine anmuthrei-
„che Gegend, eine Herberg der Silvanen und
„der Waldnymphen, wo der Schatten der hoͤchſten
„Wipfel, der Ceder, der Tanne, der Fichte,
„und des zakigten Palmenbaumes, indem ſie ſtaf-
„felweiſe hinter einander hinaufwerts ſteigen,
„ein Waldtheater auffuͤhren, das uͤberaus praͤch-
„tig anzuſchauen iſt. Mitten darinnen ſtellet er
„dem Geſichte einen Krantz der beſten Obſtbaͤu-
„me dar, welche zu einer Zeit mit Bluͤthe und mit
„Fruͤchten einer guͤldenen Farbe, die mit einem
„heitern Schmeltz eingeſprenget iſt, beladen ſind.
„Er tiſchet euch in ihrem Schatten die niedlich-
„ſten Speiſen auf, mit einer fleiſſigen Sorge,
„daß er die von unterſchiedenem Geſchmake nicht
„vermenge, nicht uͤbel zuſammenfuͤge, ſondern
„eine Gattung Geſchmakes nach der andern auf-
„trage. Er haͤufet allerley Arten Fruͤchte in Haͤu-
„ten, in rauchen oder weichen Rinden, oder in
„baͤrtigen Huͤlſen, oder in Schalen auf; fuͤr
„den Tranck druͤket er einen unſchaͤdlichen Moſt
„aus den Trauben aus. Die linden Weſte
„floͤſſen euch durch das ſanfte Weben ihrer ge-
„ruch-
[107]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
„ruchreichen Fluͤgel ein natuͤrliches Rauchwerck
„in die Naſe, das ſie von den kraͤſtigſten Spe-
„cereyſtauden geſtohlen haben. Und damit euer
„Gehoͤre nicht allein ohne Speiſe bleibe, ſo laͤßt
„er die Voͤgel ihre Choͤre anſtimmen, und die
„Blaͤtter der Baͤume, wenn die Fruͤhlingsluͤfte
„damit ſpielen, von einem wohlklingenden Schal-
„le erthoͤnen.„
Dieſe Metaphoren ſind ſaͤmmt-
lich oder doch meiſtentheils aus Miltons Be-
ſchreibung des Paradieſes im vierten B. genom-
men. Von denſelben nun hat der bekannte Kunſt-
richter, der von unſers Engliſchen Poeten Schreib-
art ſo uͤbel denket, folgender Geſtalt geurtheilet:
„So poetiſch oder vielmehr ſo ausſchweifend klin-
„get eine proſaiſche Beſchreibung nach dem Ge-
„ſchmacke dieſes ſchweizeriſchen Kunſtlehrers.„
Und dieſes Urtheil hat er mit dieſen Worten zu
behaupten vermeinet:
„Wenn mich, ſagt er,
„die Furcht vor der Weitlaͤuftigkeit nicht abhielt,
„ſo wollte ich mir die Luſt machen, und unſerm
„hochſinnigen Schreiber darthun, daß er machi-
„naliſche Gedaͤchtnißkuͤnſte, unnoͤthige und aus
„einem poetiſchen Lexicon erborgte Beywoͤrter,
„und ſeltſame Metaphoren, oder verbluͤmte Aus-
„druͤkungen darinnen angewandt. Was iſt ſei-
„ne Herberg der Faunen und Silvanen, ſein za-
„kigter Palmenbaum, ſein Waldtheater, ſein
„Krantz von Obſtbaͤumen, die guͤldene und mit
„einem heitern Schmeltz eingeſprengte Farbe,
„der unſchaͤdliche Moſt, die geruchreichen Fluͤ-
„gel des linden Weſtes, die ein natuͤrliches Rauch-
„werck von den Specereyſtauden geſtohlen haben,
„end-
[108]Von der Schreibart
„endlich die Blaͤtter, die von den Fruͤhlingsluͤf-
„ten mit einem wohlklingenden Schalle erthoͤnen?
„Was ſind alle dieſe herrlichen Bluͤmgen anders,
„als Lohenſteiniſche und Hofmannswaldauiſche
„Broken, die nach dem heutigen Geſchmake
„kaum in der Poeſie, geſchweige denn in der
„Proſa zu dulden ſind.„
Poetiſch moͤgen dieſe Ausdruͤkungen mit gutem
Rechte heiſſen, weil ſie voller lebhafter und ſcharf-
ſinniger Bilder ſind; weil ſie auch die wunderba-
ren Wuͤrkungen der poetiſchen Phantaſie nach der
Art der Poeten auf eine wunderbare Weiſe vor
Augen fuͤhren, und das, wovon da geredet wird,
in der Zeit, daß ſie es beſchreiben, vollziehen.
Daher ſteht dieſe Poeſie hier mitten unter der Pro-
ſa an dem rechten Orte; und die Worte ſtimmen
mit den Sachen und der Abſicht allzu genau uͤber-
ein, als daß man ſie mittelſt einer mechaniſchen
Kunſt haͤtte aus dem Gedaͤchtniß nehmen, oder
aus einem Hamaniſchen Lexicon borgen koͤnnen.
Und warum werden ſie vor ausſchweifend, Lohen-
ſteiniſch, und Hoffmannswaldauiſch erklaͤret? Die
waldigten Lauben, die Zaken des Palmenbaumes,
die theatraliſche Form eines Waldes, der Schmeltz
des Obſtes, das Rauchwerck der Specereyſtau-
den, der Schall der Blaͤtter, ſind ohne Zweifel in der
Natur. Derjenige muß eine magere Wiſſen-
ſchaft von den irdiſchen Dingen beſizen, der ſie
darinnen noch nicht wahrgenommen hat. Mißfaͤllt
denn dem Tadler die metaphoriſche Einkleidung
dieſer Vorſtellungen? Aergert es ihn, daß dem
Obſt ein Schmeltz, den Specereyſtauden ein
Rauch-
[109]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Rauchwerck, dem Wald eine theatraliſche Ge-
ſtalt, zugeeignet wird? Er muß demnach nicht lei-
den wollen, daß aͤhnliche Dinge unter aͤhnlichen
Bildern vorgeſtellt werden. Wie es ſcheint, ſtoͤßt
er ſich noch mehr an der Herberg der Sylvanen,
an den Fluͤgeln des Weſtwindes, und an dem
Diebſtal, den ſie begangen haben. Dieſes giebt
uns zu verſtehen, daß er kein Poet iſt; er hat
das Reich des Wahrſcheinlichen niemahls beſucht;
er weiß nicht, daß das Moͤgliche eben ſowohl nach
der Natur iſt, als das Wuͤrckliche, und daß ein
Poet ein Schoͤpfer iſt, der das Moͤgliche zur
Wuͤrcklichkeit bringt; die Dichtung, die reichſte
Quelle des Neuen und des Wunderbaren, hat
keinen Reitz fuͤr ihn. Man muß ſich nicht ſchmei-
cheln ſeinen Beyfall zu erhalten, wenn man die
platte und alltaͤgliche Proſa verlaſſen darf.
Wer die poetiſchen Schriften der Alten und
der geſchickten Neuren fleiſſig ſtudirt hat, wird un-
gleich kuͤhnere Figuren und dieſe haͤufig darinnen
angetroffen haben, als die bisher vertheidigten
ſind. Jch will nur einer Art von dergleichen ge-
denken, die bey unſerm Engliſchen Poeten oͤfters
vorkoͤmmt. Da nemlich die abgeſonderten Din-
ge, die fuͤr ſich kein eigenthuͤmliches Weſen beſi-
zen, in materialiſche Sachen verwandelt, und
ihnen ſolche Eigenſchaften, Veraͤnderungen und
Eindruͤke zugeſchrieben werden, die ſonſt nur dem
Coͤrper und der irdiſchen Materie zukommen. Von
dieſer Art ſind folgende: Die Eitelkeit verſuͤſſen.
Das Leid erſaͤuffen. Die verwelckte Pracht.
Mit Wahrheit unterſetzt. Mein Geiſt war
in
[110]Von der Schreibart
in ſeinen Geiſt gewebet. Es wird in ſeinen
Reden niemahls Tag. Das Leben vergieſ-
ſen.(*)Die Hoͤlle ſtille ſtellen.(a)Die Re-
de in Ertzt gieſſen.(b)Ein Begriff ſtreift
an den andern. Das Gemuͤthe in Luſt wie-
gen. Kuͤhlung in das Gebluͤte gieſſen. Die
Neigung ſtimmen. Mit Spott gewuͤrtzt.
Die Gedanken ſenken ſich in einander. Wahr-
ſcheinlichkeit in die Fabel ſenken. Ein Gedicht
mit falſchem Witze duͤngen. Den Witz mit Un-
witz beſprengen. Den Gang der Neigung
auffangen. Die Luſt in Thiere und Men-
ſchen ſenken. Den Geiſt erſchoͤpfen. Der
Schmerz, der mit Haken ausgeſpizt iſt. Die
Tiefe, die im Schickſal haͤngt. Verſtand
und Anmuth flieſſen in ſeinen Verſen. Die
Trauer von den Wangen wiſchen.(c) Das
Wun-
[111]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Wunderbare in dieſen Redensarten entſteht daher,
daß Dinge, die keinen Coͤrper haben, die ſich
nur empfinden und gedenken laſſen, als Sachen
vorgeſtellet werden, welche materialiſcher Zufaͤllig-
keiten und Veraͤnderungen faͤhig waͤren. Nun
iſt dieſes eine Freyheit, welche die Nothwendig-
keit ſelbſt in der gemeinen Rede eingefuͤhrt hat.
Es kommt nur darauf an, daß dieſe coͤrperlichen
Bilder bequem ſeyn, die Beſchaffenheit, die Fol-
gen und die Eindruͤke der empfundenen und gedach-
ten Sachen durch ihre Uebereinſtimmung in das
Gemuͤthe zu bringen. Da nun die Natur ſich
ſelbſt in allen Laͤndern gleich iſt, duͤrffen wir die-
ſer und aller andern Metaphoren und Figuren hal-
ber, welche auf Aehnlichkeiten beruhen, ſo in der
Natur vorhanden ſind, gegen gewiſſe furchtſame
Sprach-
(c)
[112]Von der Schreibart
Sprachlehrer ohne Furcht behaupten, daß ſie ſich
aus einer jeden Sprache in eine jede andre uͤberſe-
zen laſſen, ohne daß ſie von ihrem Werthe oder
ihrem Lichte, etwas verliehren. Sie muͤſſen
nothwendig allen denjenigen verſtaͤndlich ſeyn, wel-
chen nur die Bilder bekannt ſind. Aus dieſer Ur-
ſache empfehlen ſich diejenigen Bilder, welche aus
dem gemeinen und bekannteſten Laufe der Natur
hergeholet ſind, vor allen andern. Daher wuͤr-
de ich kein Bedenken haben, ſelbſt in der gemei-
nen Rede nach dem franzoͤſiſchen zu ſagen: Pfeile
von allerley Holtz machen. Was Bilder ſind,
die von den Sitten und Gebraͤuchen beſonderer,
vornehmlich entfernter und alter, Nationen ent-
lehnet worden, ſo haben ſolche ihren Preiß und
Glantz vornehmlich, wenn man geſchickte und in
den Geſchichten der Voͤlker und ihrer Sitten er-
fahrne Leſer hoffen darf. Alſo iſt folgende Re-
densart ſehr geſchickt und deutlich fuͤr diejenigen,
welche in den Manieren der alten Griechen und
Roͤmer keine Fremdlinge ſind: Sie geſtatten
nicht daß etwas in den oͤffentlichen Druck kom-
me, welches nicht vorher unter ihrem Schwam-
me geweſen iſt. Aber unwiſſende Leſer aus dem
Poͤbel werden nicht wiſſen, was ſie aus dieſem
Schwamme machen ſollen.
Mithin muß ich auch noch mit wenigem dieſes
erinnern. Wenn die Metaphoren, ſie moͤgen
auf natuͤrliche Werke oder auf Gewohnheiten der
Nationen ſehen, in der Ueberſezung geſchickt klin-
gen ſollen, muß man vielmehr auf den Grund der-
ſelben, der in der Aehnlichkeit lieget, Achtung
geben,
[113]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
geben, als nur allein darauf bedacht ſeyn, daß
man ſie mit denen Woͤrtern gebe, welche in den
Woͤrterbuͤchern als gleichguͤltig mit denſelben hin-
geſezt werden. Denn es geſchieht allzu gerne,
daß die Woͤrter, welche in verſchiedenen Spra-
chen vor gleichguͤltig unter einander gehalten wer-
den, wiewohl ſie in dem Hauptbegriffe eines ſa-
gen, dennoch durch gewiſſe Nebenideen, ſo ſich
daran anzuhaͤngen pflegen, unvermerckt davon
abgefuͤhrt, und nach und nach hauptſaͤchlich veraͤn-
dert werden. Dieſe Behutſamkeit wird deſto noth-
wendiger, weil es in den Sprachen gewiſſe ange-
nommene Metaphoren und Formen der Rede giebt,
welche bloſſe Anomalien ſind, indem ſie nur auf
irgend eine aͤuſſerliche und zufaͤllige Aehnlichkeit,
oder den willkuͤrlichen Eigenſinn eines Volkes ge-
gruͤndet ſind. Dergleichen Metaphoren in der
Ueberſezung beybehalten, wird ſie eben ſo unge-
reimt machen, als ſie in der Grundſprache ſelbſt
ſind, und jedermann ſo vorkommen wuͤrden, wenn
ſie nicht durch den langen Gebrauch waͤren vor
buͤndig erkennt worden, ſo daß ſie izo vor eigent-
liche Woͤrter gehalten werden, nachdem ihre un-
aͤchte Geburt ins Vergeſſen gekommen iſt.
Aber mit dieſen unbegruͤndeten Metaphoren
muß man diejenigen nicht vermiſchen, die einen
natuͤrlichen Urſprung haben, wiewohl ſolcher nicht
mehr bekannt iſt, oder nicht mehr in Acht genom-
men wird, weil die Dinge und Geſchaͤfte, ſo
dazu Anlaß gegeben, aus der Uebung gekommen
ſind, oder ein langer und alltaͤglicher Gebrauch
gemacht hat, daß ſie vor eigentliche Woͤrter
[Crit. Sam̃l. III. St.] Hge-
[114]Von der Schreibart
nommen werden. Es giebt in unſrer deutſchen
Sprache noch eine Menge von dieſer Art, und doch
iſt eine ſtarke Anzahl dergleichen aus der Gewohn-
heit gekommen, wiewohl ſie wegen ihres Nach-
drukes und ausgemeſſener Bedeutung vor andern
werth ſind, beybehalten zu werden. Man ver-
ſtehet mich wohl, daß ich von ſolchen rede, wie
folgende ſind: Seine Kunſt behaͤlligen; Sich
mit Reden verhauen; Einen ſpoͤttiſch aufzie-
hen; Ein Adler, der die Fluͤgel leichtet;
Einem einen Fehltritt aufheben; Einem Schre-
ken einſpinnen; Sich auf ſeine Macht trie-
gen; Der Reichthum iſt zerronnen; Jn einen
Anſchlag gehaͤllen; Nach mißſchlagender Ver-
heiſſung; Schwartzbraune Haare, welche
ſich wohl werffen; Gewand, das mit ſeinen
Schlingungen wohl geworffen iſt; Das Aeh-
renfeld ſpreußt ſich. Einige von dieſen Exem-
peln moͤgen noch hier und dar im Gebrauche ſeyn,
andere ſind in dieſer Bedeutung ins Vergeſſen ge-
rathen. Und die deutſche Sprache hat in der
That an dieſer Art Woͤrter einen groſſen Ver-
luſt erlitten, wie denjenigen nicht verborgen ſeyn
kan, welche in den alten Schriften von Luthers
bis zu Opizens Zeiten wohlbeleſen ſind. Wer
uͤber Luthers Zeiten hinaus in das Alter der Kai-
ſer aus dem Hauſe von Hohenſtaufen zuruͤckſtei-
get, wird eine noch groͤſſere Empfindung von die-
ſem Verluſt bekommen. Wir finden in der heu-
tigen Hollaͤndiſchen Sprache noch eine ziemliche
Anzahl derſelben, die von den Seribenten dieſer
Nation aufbehalten und bis auf unſere Zeiten ge-
bracht
[115]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
bracht worden. Sollte es nun dem Naturell der
deutſchen Sprache zuwiederlaufen, wenn Woͤr-
ter von dieſer Beſchaffenheit wieder in Uebung ge-
bracht wuͤrden, wie Milton in ſeiner Sprache
gethan hat? Man hat nicht zu fuͤrchten, daß da-
durch eine Dunkelheit in dem Vortrage verurſachet
wuͤrde; denn dieſe Woͤrter haben noch ſo viel
Aehnlichkeit mit andern noch izo gebraͤuchlichen
Woͤrtern, die mit ihnen verwandt und von einem
Stamme ſind, daß man ihre Bedeutung ohne
Muͤhe verſtehet; und es iſt allemahl noch eine
Provintz Deutſchlandes, wo ſie noch in der taͤg-
lichen Rede gehoͤret werden, wiewohl ſie aus den
Schriften weggekommen ſind. Opitz und die ge-
ſchickten Scribenten, die mit ihm zu einer Zeit
gelebet, haben viele dergleichen in ihren Schrif-
ten zuruͤckgeholet, und man haͤtte wahrhaftig beſ-
ſer gethan, daß man ſolche um dieſer Schriften
willen aufgenommen haͤtte, als daß man die Schrif-
ten um dieſer Woͤrter willen verworffen hat. Wer
beſorgt iſt, auch die geringen Abſaͤtze in gleich-
maͤſſigen Begriffen vor Augen zu legen, wird die
Zuruͤckholung dergleichen Woͤrter vor gantz noth-
wendig finden, und ſich darum keine Scrupel ma-
chen, ſie wieder ins Leben zu bringen. Doch
wollte ich rathen, vor allen andern diejenigen wie-
der hervorzuſuchen, von welchen uns die Abſtam-
mung und Zuſammenſezung ſamt der Uebereinſtim-
mung mit einem natuͤrlichen Werke noch nicht gantz
unbekannt iſt.
Unter den Mitteln, die Ariſtoteles vorgeſchla-
gen hat, die Poeſie von der Proſa zu unterſchei-
H 2den,
[116]Von der Schreibart
den, iſt die Manier ein Wort um eine Sylbe
zu verkuͤrzen, oder zu verlaͤngern, unſrer Sprache
in vielen Woͤrtern ſo gemein und eigen gewor-
den, daß ſie den Dienſt, den dieſer Kunſtlehrer
damit ſucht, nicht mehr thut. Jn wieviel Zeit-
woͤrtern und Endungen der Nennwoͤrter darf das
leiſe E. behalten oder weggeworffen werden? Je-
mand hat dieſes zwar eine Duͤrftigkeit genennet,
die man nicht muͤſſe von ſich ſpuͤren laſſen. Man
muͤſſe nicht zeigen, daß man es nur des Maaſſes
wegen uͤbrig, oder noͤthig gehabt habe. Es iſt
in der That eine Duͤrftigkeit, die von der Natur
des Verſes entſteht, daß der Poet bald eine Syl-
be uͤbrig, bald eine noͤthig hat. Es iſt darum
umſonſt, daß er dieſe Duͤrftigkeit verbergen wolle.
Es iſt auch nicht nothwendig, weil er ſich derſel-
ben nicht zu ſchaͤmen hat, er wolle ſich denn des
Verſes ſelber ſchaͤmen. Wenn es aber eine Duͤrf-
tigkeit bey dem Versmacher iſt, ſo iſt es auf der
andern Seite ein Reichthum in der Sprache, die
dieſer Duͤrftigkeit ſo geſchickt zu Huͤlfe koͤmmt.
Jſt es nicht eine Geſchicklichkeit derſelben, daß ſie
ſich nach dem Beduͤrffniß des Ausſprechenden rich-
tet, wann er eilfertig iſt, und wann er gemaͤchlich
gehet? Eben dergleichen Geſchicklichkeit weiſet
unſre Sprache auch in der Verſchluͤkung des Buch-
ſtabens J. Zum Exempel:
Wie
[117]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Mich duͤnckt, man koͤnne dieſe Verſchluͤkungen
der Haͤrtigkeit nicht beſchuldigen, man wolle denn
die Sprache ſelbſt einer ſolchen anklagen, weil
in derſelben ganze und ungeſtuͤmmelte Woͤrter ſind,
wo eben dieſe ſchweren Mitlauter beyſammenſte-
hen. Da haben wir Beingen, Guſtgen, ich
borge, Schwelgen. Und ich daͤchte, daß die-
jenigen Eliſionen, die ſich auf dieſe Weiſe ſchuͤzen
koͤnnen, Verzeihung verdieneten. Die von folgen-
der Art faͤllt es ſchon ſchwerer zu entſchuldigen:
Sie ſteigt vom Abgrund an mit einem einz’gen Schritte
Bis an des Himmels Thor. ‒ ‒ ‒ ‒
Noch harter iſt die Zuſammenkunft von Mitlau-
tern in folgendem Exempel, wo das A. verbiſſen
wird:
Wenn ein Poet dergleichen Haͤrtigkeit Platz giebt,
ſo hat man alles Recht von ihm zu fodern, daß er
ſolche durch den Nachdruck, den ſie in den Vers
bringt, erſeze und verbeſſere. Man kan ſich auch
deſtoweniger entbrechen ihm dieſe Licenz zu geſtat-
ten, wenn man bey ſich uͤberleget, was vor eine
Menge zweyſylbigter Beywoͤrter in der Sprache
liegt, welche in den Abfaͤllen fuͤr den jambiſchen
Vers gantz und gar unbrauchbar werden, wenn
H 3ſie
[118]Von der Schreibart
durch dergleichen Zuſammenziehung nicht dazu be-
quem gemachet werden Unſre Sprache erlaubet
noch einige Ausſtoſſungen der Sylben. Die gan-
ze Endung es in den Beywoͤrtern kan ausgelaſſen
oder geſezet werden. Z. Ex.
Man darf ſich auch nicht allemahl Scrupel ma-
chen, einige Artikel mit dem Vornennworte zuſam-
men zu ſchmelzen:
So hat man auch in den Zeitwoͤrtern die lezte
Sylbe et, wenn ein t vorhergegangen, mit der
anderlezten in eine Sylbe zuſammengeſchlungen,
als acht, veracht, ſtatt, achtet, verachtet;
welches noch klinget, aber andre mahl das Ge-
hoͤr ziemlich verlezet. Z. E.
Jch habe hier Anlaß zu gedenken, daß die dritte
Perſon der gegenwaͤrtigen Zeit in den ungleichflieſ-
ſenden Zeitwoͤrtern von vielen Scribenten wieder
ausgedaͤhnet wird, da ſie eigentlich nach der Na-
tur dieſer Art Zeitwoͤrter zuſammengepreßt ſeyn
ſoll. Zum Exempel:
Und
[119]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Niemand hat noch erhaͤltet, giltet, geſagt.
Addiſon hat angemerket, daß Milton dieſes
Mittel den Vers von der Proſa zu entfernen, mei-
ſtens in den Nahmen der Oerter und Perſonen
angebracht, zum Exempel da er Heſſebon ſtatt
Heßbon und Beelzebub ſtatt Belzebub geſezet.
Auf dieſe Weiſe wird es auch in unſrer Sprache
eben ſo gluͤcklich angehen. Was eben dieſer Kunſt-
verſtaͤndige bey dieſem Anlaß gedenket, daß Mil-
ton aus derſelben Urſache allemahl die Nahmen
der Staͤdte und Perſonen geſezet, welche am we-
nigſten bekannt ſind, damit er nur die Sprache
des Poͤbels vermiede, kan uns zu dieſem Ende
eben ſo wohl dienen. Jch habe darum lieber
Lindemag, welches der alte und ſchier vergeſſe-
ne Nahme iſt, als den heutigen Nahmen der
Limmat geſezet; in dem Verſe:
Und eben deßwegen habe ich auch Graͤcien ſtatt
Griechenlands geſezet:
Darum gefaͤllt mir auch Barde beſſer, als Dich-
ter, in der Zeile:
Die Freyheit endlich anlangend, womit Milton,
ſeine Sprache zu erheben, neue Woͤrter gepraͤget,
H 4ſo
[120]Von der Schreibart
ſo iſt auch dieſe, wenn ſie nicht ohne Urſache ge-
nommen, und mit Vorſichtigkeit und Beſcheiden-
heit gebraucht wird, der deutſchen Nation in ih-
rer Sprache nicht zuwieder, und die Sprache
laͤßt es ihr nicht entgegen ſeyn, daß ſie auf dieſe
Weiſe erweitert wird, maſſen ſie wohl empfindet,
daß ſie noch nicht auf den hoͤchſten Grad der Voll-
kommenheit geſtiegen iſt, deſſen ſie faͤhig iſt. Da-
rum koͤnnen wir ohne Furcht neue Woͤrter von
der Sittſamkeit der folgenden einfuͤhren: Verpa-
radieſt, Paradiesmaͤſſig, mißgeſchaffen, Miß-
thon, Holleverdammt, Verkehrtheit, Ent-
haltſamkeit, ſonnigt, abaͤndern, thauend,
daͤmmernd, Unding, veredeln, uͤberthuͤr-
men, uͤberflieſſen, ſchlakigt, unablaͤnglich,
Empfindniß, Nothgeſchicke, abgezogen, braͤut-
lich, unwillkommen, Unreife, Unform, Jn-
nigkeit, Zugethanheit, Luftig fuͤr Aereus,be-
ſchoͤnen, unerkennbar, Begriff in ſeiner ur-
ſpruͤnglichen Bedeutung, die es in dem Verſe hat:
Muͤrben:
Und muͤrbte ſie der fremde Zwang.
Spreng 106. Pſ.
Vervielfachen:
Die in gehaͤufter Zahl ſich izt vervielfacht haben.
Koͤnig.
Alle dieſe und dergleichen Woͤrter ſind eigentlich
nur in ihrer Zuſammenſezung neu, wegen der vor-
geſetzten oder angehaͤngten Sylben, das Grund-
wort darinnen iſt gantz bekannt; ja dieſe Beyſaͤ-
ze ſelber haben ſchon eine beſtimmte Bedeutung in
unſrer
[121]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
unſrer Sprache, welche in dieſer Zuſammenſe-
zung beybehalten wird. Daneben koͤnnen ſie ſich
auch durch ihren Nuzen ſchuͤzen. Wenn wir ſie
auch nur in Anſehen des Vortheils betrachten, den
ſie haben, die Rede aͤndernd, harmoniſch, rund,
zierlich zu machen. Der Begriff, den ſie vorſtel-
lig machen, hat ſeinen trefflichen Werth. Eini-
ge davon ſind noch nicht in der deutſchen Spra-
che, ausgenommen mittelſt der Umſchreibung,
alſo daß ihre nachdruͤckliche Kuͤrze ſie allen denen
empfiehlt, welche nichts von Weitlaͤuftigkeit und
Geplauder halten. Ueber das Wort abgezogen
muß ich abſonderlich erwaͤhnen, daß man das
Wort allgemein dafuͤr hat ſezen wollen. Jch
hatte in der Vorrede zu der Abhandlung von dem
Wunderbaren in der Poeſie geſagt: Die Nei-
gung zu philoſophiſchen Wiſſenſchaften und abge-
zogenen Wahrheiten haͤtte die Deutſchen ſo ver-
nuͤnftig und ſchlieſſend gemacht, daß ſie zugleich
matt geworden. Da hat man lieber ſchreiben wol-
len, allgemeine Wahrheiten. Allein wer ſieht
nicht, daß dieſes nicht das iſt, was ich habe ſa-
gen wollen? Stygiſch, Cerberiſch, Sataniſch,
Chaotiſch, Centaurmaͤſſig, ſind auch dergleichen
neue Woͤrter, welche man erlauben muß; ſo bald
man die Grundwoͤrter derſelben erlaubt, die zwar
ganz neu doch nichts anders ſind, als eigene Nahmen
der Perſonen und beſondern Oerter, welche mit der
Hiſtorie gelernet werden, daher ſie niemanden
unverſtaͤndlich ſeyn koͤnnen, als denen, welche in
den hiſtoriſchen Wiſſenſchaften unerfahren ſind.
H 5Man
[122]Von der Schreibart
Man ſiehet demnach, daß dasjenige, was
Miltons Schreibart ſonderbares und in das Ge-
hoͤre fallendes in ſich hat, ſo beſchaffen iſt, daß
die deutſche Sprache ſelbſt, die doch nach dem
Naturell derjenigen, die ſich vor ihre Erhalter
und Pfleger ausgeben, weit furchtſamer und zag-
hafter iſt, als die Engliſche, daſſelbe in gewiſſen
Schranken nachthun kan. Wie boͤſe und unbil-
lig ſind denn diejenigen deutſchen Kunſtrichter,
welche dem Engliſchen Poeten ſeine gebrauchte
Freyheit, die ihm ſeine Landesleute gegoͤnnet, und
gutgeheiſſen, verarget haben? Denn ob die Eng-
liſchen Kunſtrichter gleich angemerket haben, daß
Milton ſich der obenerzehlten Kunſtmittel zu haͤu-
fig bedienet, und ſeine Rede dadurch manchmahl
etwas ſteif und dunkel gemachet haͤtte, ſo haben
ſie doch zugleich geſtanden, daß ſie uͤberhauyt
recht wunderbar und vortrefflich ſey. Das Schlim-
meſte, das Addiſon und Schaftsbuͤri davon ge-
ſagt haben, war, daß man in ſeinen Worten
manchmahl eine Art Geſchaͤlles wahrnaͤhme, wie
zum Exempel in folgenden Stellen: Er bracht
eine Welt voll Weh in die Welt; dieſes fuͤhrte
uns in Verſuchung, daß wir es mit ihm ver-
ſuchten; du wirſt dann ſehen, ob wir kom-
men, den Thron des Allmaͤchtigen zu vereh-
ren, oder zu verheeren. Hingegen hat einer
von unſern deutſchen Sprachlehrern Miltons
Schreibart vor ein Gewebe ausgeſchrien, das in
Fehlern wieder die Engliſche Grammatick, in
Verkehrungen aller gewoͤhnlichen Wortfuͤgungen,
und in tauſend andern ſonſt unerlaubten und von
keinem
[123]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
keinem andern Poeten begangenen Schnizern be-
ſtuͤhnde:
„Wenn das eine Sprache reich und
„geſchmeidig machet, ſagt er, daß man ſie ver-
„derbt, wieder alle Regeln handelt, und faſt
„bey jedem Worte Schnizer macht; ſo iſt ja
„Hans Sachſe unſer geſchmeidigſter und beſter
„Poet geweſen, und man hat ſehr uͤbel gethan,
„daß man die Freyheit der alten Poeten in die-
„ſem Stuͤke gezaͤhmet. Man haͤtte ja billig das
„hahn, lahn, und ſtahn, beybehalten ſollen, wie
„die Jtaliener ihr Alma fuͤr Anima und ſpeme
„fuͤr ſpe ſezen.„
Dieſes Urtheil traͤgt das
Brandmahl eines aufgebrachten Richters ſo deut-
lich, daß ich mich vor den Engellaͤndern ſchaͤme,
indem ich es anziehe; was Milton in zerſtreuten
Stellen, in einzeln Woͤrtern oder deren Zuſam-
menordnung vor Licenzen genommen, wird hier
ſoweit aufgemuzet, als ob er ſeine ganze Sprache
daraus formiert haͤtte. Ein paar Worte dieſes
Kunſtrichters, die nach Miltons Schreibart ge-
geben ſeyn ſollen, verrathen noch mehr, was vor
einen verkehrten Begriff er davon gehabt habe:
„Addiſons Cato, ſagt er an einem Orte, lan-
„get im Original, ich will einmahl auf gut Mil-
„toniſch reden, nicht an das gedankentraͤchti-
„ge, ſinnenſchwangere, und graͤßlich-erha-
„bene Weſen Miltons.„
Dieſes wird vornehmlich das ſeyn, was er Ziegle-
riſchen und Lohenſteiniſchen Schwulſt heißt,
deſſen er den Poeten beſchuldiget. Doch hat er
dieſen nicht nur in dergleichen hochtrabenden Aus-
druͤkungen, ſondern auch in der ungeheuren Ein-
bildung
[124]Von der Schreibart
bildung und unrichtigen Urtheilskraft Miltons herr-
ſchend gefunden.
„Jch habe die Probe gemacht,
„ſagt er, und ganze Stuͤke aus dem deutſchen
„Milton mit aller moͤglichen Lebhaftigkeit Leu-
„ten vorgeleſen, die ſonſt im Leſen der Poeten
„unverdroſſen ſind: Allein man hat theils an der
„ſeltſamen und wiederlichen Art des deutſchen
„Ausdrukes, der ſonſt in allen unſern Buͤchern
„unerhoͤrt iſt, theils an den ſchrecklichen und wil-
„den Gedanken des Poeten einen Ekel bekommen,
„und mich aufhoͤren geheiſſen.„
Jch zweifele
nicht, daß dieſe guten Leute das verlohrne Para-
dies nicht in ſeiner Grundſprache eben ſo verdruͤß-
lich gefunden haͤtten, weil Miltons Verſe, nach
dieſes Richters Ausſage, die er den Engellaͤndern
ſelbſt in den Mund geleget hat, ſehr rauh und
hart, ſeine Sprache altvaͤteriſch iſt, ſeine Wort-
fuͤgung wider den Gebrauch und wider die
Sprachlehre laͤuft, ſein Ausdruck gezwungen
iſt. Die widerliche und unerhoͤrte Art des deut-
ſchen Ausdrukes iſt zweifelsfrey aus dem Origi-
nale mit gehoͤriger Treue und Geſchicklichkeit in die
Ueberſezung gefloſſen. Allein wenn der Ueberſe-
zer gleich die Sprache Miltons verſchoͤnert haͤtte,
wie Pietſch von Hrn. Prof. Gottſched das ſonder-
bare Zeugniß erhalten hat, daß er mit Fenelons
Sprache im Telemach gethan habe, ſo waͤren
doch die Gedanken des Poeten wild und ſchrecklich
geblieben. Oder, ſollte der Ueberſezer wie die
Schreibart des Poeten verſchoͤnert, alſo die Ge-
danken deſſelben und derer Perſonen, die er auf-
fuͤhret, zahmer und menſchlicher gemacht haben;
ſollte
[125]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
ſollte er dem Satan, Beelzebub, und Moloch, die
zarten, lieblichen und flieſſenden Gedanken eines
deutſchen Poeten in den Mund geleget haben? Als-
dann waͤren ſie vielleicht den geſchickten Kennern,
welchen der Criticus den deutſchen Milton vorgele-
ſen hat, nicht ſo widerlich und ſeltſam vorgekom-
men, daß ſie ihn haͤtten aufhoͤren geheiſſen; zumahl
da ſie im Leſen der deutſchen Poeten ſo unverdroſ-
ſen ſind. Aber Satan, Beelzebub und Moloch
waͤren dann nicht mehr Teufel mit teufliſchen
Gedanken geblieben, ſondern in Amthore, Gott-
ſcheden und Pietſchen verwandelt worden. Oder
will der Kunſttadler ſagen, in Satans Gedan-
ken ſelber, ſo fern ſie als Satans, und nicht als
des Poeten Gedanken betrachtet werden, ſey Lo-
henſteiniſcher und Ziegleriſcher Schwulſt, und et-
was zu ſchreckliches und wildes? Was vor Ge-
danken aber koͤnnen zu aufgeſchwollen fuͤr denjeni-
gen ſeyn, welchen der Schwulſt aus dem Himmel
geſtuͤrzet hat? Das thoͤrigtſte waͤre, wenn der un-
beſonnene Richter den Schwulſt, den der Poet in
die Gedanken dieſes hochmuͤthigen Geiſtes geleget
hat, vor Miltons eigene Gedanken genommen,
und in ſolcher Betrachtung verurtheilet haͤtte. Jm
uͤbrigen werden von Milton nicht lauter Teufel
aufgefuͤhrt, es kommen auch Engel in ſeinem Ge-
dichte vor, und Menſchen von der vollkommenſten
Art: Da moͤgte ich wiſſen, ob die Gedanken der-
ſelben dieſen Leuten von ſo poetiſchem Naturelle,
denen ſie von unſerm Momus vorgeleſen worden,
eben ſo wild, ſchrecklich, und ekelhaft vorgekommen
waͤren. Er ſagt uns in ſeiner Schrift von dem
Bathos
[126]Von der Schreibart
Bathos in den Opern, Milton, der doch von
vielen ſo bewundert worden, ſeit dem Addi-
ſon und Steele ihn ihren Landesleuten ſo
angeprieſen, wuͤrde dem Dechant Swift
gantz allein alle Exempel zu ſeinem Tractat von
der Kunſt zu kriechen haben hergeben koͤnnen;
ſo viel falſche Hoheit ſteke in ſeiner Schreibart;
der regelloſen Phantaſien zu geſchweigen, da-
von ſein verlohrnes Paradies, auch ſelbſt nach
des Grafen Schaftesbuͤry Geſtaͤndniß, uͤber-
all voll ſey. Hier geſchieht nicht nur Milton ſon-
dern auch Schaftesbuͤry Gewalt. Dieſer war
geſchickter und gerechter, als daß er unſers Kunſt-
richters Anklage mit ſeinem Anſehen verſtaͤrket haͤt-
te. Er hat niemahls gedacht, noch geſagt, daß
Miltons Paradies voll regelloſer Phantaſien ſey.
Er hat nur erwaͤhnet, daß Miltons Schreibart
von Pun und Quibble noch nicht voͤllig rein ſey.
Nun heiſſen Pun und Quibble nicht abgeſchmack-
tes und phantaſtiſches Zeug, wie der Tadler es
uͤberſezet, ſondern Spiele mit Worten und Schal-
le, und kleine Spitzfuͤndigkeiten, dergleichen oben
einige von uns ausgeſezet worden. Dahin gehoͤ-
ren auch: Die kleine ne Jnfanterie, die von den
Kranichen bekrieget wird; eine neue Flut er-
traͤnckte dich ebenfalls Adam, eine Flut haͤf-
tiger Thraͤnen, und Schmerzen. Ovidius iſt
an dergleichen ſehr reich, man mag ihn aufſchla-
gen, wo man will, ſo faͤllt uns ein Exempel da-
von in die Augen:
‒ ‒ ‒ ‒ Ex omnibus unum
Elige,
[127]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Elige, Myrrha, tibi, dum ne ſit in omnibus unus.
Metam. L. X. 317.
Nunc quia tam meus eſt, non eſt meus.
Ib. L. V. 339.
Unter den Titel Pun und Quibble moͤgte man
auch die zweydeutigen Spottreden Satans und
Belials uͤber die Wuͤrkungen ihres teufliſchen Ge-
ſchoſſes bringen, welche dennoch in dem Munde
des Vaters der Luͤgen eine gewiſſe eigene Anſtaͤn-
digkeit haben. Wer dieſe Kleinigkeiten in Mil-
ton finden will, muß ſie mit Fleiſſe, und lange ſuchen.
Und dieſe wenigen ſind in ſeinem Gedichte nur da-
rum deſto anſtoͤſſiger, weil ſie darinnen ſo fremd ſind.
Wieder auf Miltons Gedanken zu kommen,
welche gewiſſen Leuten von unſers ſcharfen Rich-
ters Geſellſchaft ſo widerlich, ſo wild, und ver-
druͤßlich ſcheinen, ſo kennen wir auch eine Menge
dergleichen, die in ihren Gewerb, ihre taͤgliche
Lebensart, ihren kleinen Witz, ihre Provinzial-
ſprache, wie in einen Zauberkreis eingeſperrt ſind,
ſo daß ſie ſich daraus nicht einen Fußbreit bege-
ben duͤrffen. Miltons Thema von den Entſchluͤſ-
ſen, Meinungen und Handlungen der Engel, der
Teufel, und ſolcher Menſchen, die den uͤbrigen
Menſchen, ihren Nachkommen und Kindern, ſo
ungleich ſind, ſo viel erhabene Dinge, die Milton
ihrem eigenen Character gemaͤß ausbildet, ſind
kein leichter Unterhalt fuͤr Leute, die in Amthors,
Gottſcheds, Neukirchs, Schule reden und denken,
entſchlieſſen und handeln gelernet haben. Satans,
Beelzebubs, Michaels, Raphaels, Adams und
Evens Reden ſind der Sprache dieſer deutſchen
Poeten
[128]Von der Schreibart
Poeten ſo ungleich, als eben derſelben Gedanken,
Entſchluͤſſe und Geſchaͤfte. Die Begriffe, die
viele Leſer von Miltons Worten nicht bekommen,
und der Eindruck, der dann bey ihnen ausbleibet,
zeigen nicht, daß die Worte, oder die Vorſtel-
lungen nicht geſchickt ſeyn, ſondern daß dieſe Leu-
te zu dergleichen Begriffen und Sachen nicht ge-
ſchickt ſeyn. Wie weit entfernt waren denn die-
ſe, ſolche Begriffe und Dinge zu erfinden, da ſie
ſelbige ſich nicht einbilden koͤnnen, nachdem ſie ſchon
erfunden ſind? Es gehoͤrt kein plumper Geiſt da-
zu, ſich aus der Tiefe, in welcher wir niederge-
druͤckt ſind, zu erheben, und uͤber die Graͤnzen
des Weltgebaͤudes hinwegzufliegen, hernach uͤber
das ungemeſſene Chaos in den Kerker der verdamm-
ten Geiſter uͤberzuſezen, die Geſchaͤfte und Anſchlaͤ-
ge der Einwohner in dieſen dunkeln Gegenden zu
verkundſchaften. Und zu Ausdruͤkung dieſer Ge-
danken und Geſchichte braucht es freylich fremde
Bilder, ſeltſame Erſcheinungen, ungewoͤhnliche
Worte und Ausdruͤke.
Jn Betrachtung dieſer Dinge haben die Eng-
laͤndiſchen Kunſtverſtaͤndigen nicht ohne Urſache ge-
ſagt, daß ihre Sprache unter Milton eingeſunken
waͤre, wenn er ſie nicht gewußt haͤtte ſeinen Be-
griffen gemaͤß zu erhoͤhen, und darum haben ſie ihm
die verſchiedenen Arten von Freyheit, die er ſich
genommen hat, mit Willen und gerne gegoͤnnet.
Und dennoch hatte die Engliſche Sprache ohne
dieſe Beyhuͤlfe auslaͤndiſcher Sprachen ſolche ei-
genthuͤmliche Eigenſchaften, welche ungemein be-
quem ſind, den Vortrag vor Mattigkeit, Lang-
ſamkeit,
[129]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
ſamkeit, und Niedrigkeit, zu bewahren, und
mit Licht, Leben und Nachdruck zu verſehen. Nur
einiger zu gedenken, wie reich iſt ſie an ſo verſchie-
denen und begriffreichen Mittelwoͤrtern, wodurch
ſie zwey und drey Glieder eines Sazes, die wir
im Deutſchen nicht anderſt als durch ſo viele Saͤ-
ze vortragen koͤnnen, ohne Dunkelheit in einem ein-
zigen zuſammenfaſſet? Was vor Dienſte thut
den Scribenten das Vermoͤgen dieſer Sprache,
die Verba Neutra, die eine Actionem imma-
nentem bedeuten, ſo zu gebrauchen daß ſie eine
Actionem tranſeuntem anzeigen, und per Enal-
lagen generis aus intranſitivis zu tranſitivis
und Activis werden(a); hingegen viele Activa
intranſitive oder als Neutra zu gebrauchen(b);
die Activa bisweilen neutraliter, faſt wie reci-
proca zu ſezen; zu den Neutris, die eine Actio-
nem immanentem bedeuten, wie im Griechi-
ſchen und Lateiniſchen, einen Accuſativum vel
ſuæ Originis vel congruæ ſignificationis zu
ſezen, wie im Deutſchen waͤre, den guten Kampf
kaͤmpfen; den Tod der Gerechten ſterben; das
Leben leben; welches leztere ich in einem Schaͤ-
ferſpiele von Jacob und Lea ſehr artig gebraucht
ſinde:
[Crit. Sam̃l. III. St.] JWas
[130]Von der Schreibart
Was vor einen Reichthum beſitzt ſie an ſogenann-
ten Verbis faceſſentibus; was vor Vortheile
geben ihr ſo viele und ſo verſchiedene Gerundia,
und daher entſtehende Gerundialredensarten, da
unſre Sprache nicht ein einziges Gerundium hat,
wiewohl ſie im vierzehnten Jahrhundert dergleichen
beſeſſen hatte; anderer und anderer Vortheile zu
geſchweigen, welche denjenigen nicht verborgen
bleiben koͤnnen, die ſich befleiſſen, aus der Engli-
ſchen Sprache mit Beybehaltung des Nachdru-
kes, der Kuͤrze, der genaubeſtimmten Abmeſſung,
und der Mannigfaltigkeit im Ausdruke, zu uͤberſezen.
Man kan hieraus wohl abnehmen, was vor
Schwierigkeiten es giebt, Miltons Schreibart
im Deutſchen mit Nachdruck und Klarheit ohne
Mattigkeit zu geben; nicht nur die Gedanken nach
ihrem fluͤchtigen Umfange, ſondern auch ihre
Form, wodurch ihre Grade beſtimmet werden, aus-
zudruͤken. Denn ohne dieſe Sorge muß man noth-
wendig in eine periphraſtiſche Kaltſinnigkeit und
Fluͤchtigkeit verfallen, dergleichen man dem Poe-
ten Schuld gegeben, der Popens Verſuch von
dem Menſchen in deutſchen Verſen uͤberſezet hat;
man wird nur Ueberſezungen machen, die gegen
die Originale geſtellt das ſeyn werden, was um-
gekehrte Tuͤrkiſche Tapeten. Einige haben zwar
dieſes Gleichniß auf alle Ueberſezungen ohne Unter-
ſcheid, auch die moͤglichbeſten erſtreken wollen,
worinnen ſie aber zu weit gegangen ſind. Ein
Verſtand, ein Geiſt, kan ohne Zweifel dem an-
dern ſeine Gedanken durch die Rede mit einer Ge-
nauigkeit zu verſtehen geben, daß die Aehnlichkeit
derſel-
[131]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
derſelben in beyder Kopfe ungleich vollkommener
wird, als ſie zwiſchen den beyden Seiten Tuͤrki-
ſcher Tapeten iſt; die Dinge mahlen gleiche Bil-
der in gleichbeſchaffenen Geiſtern, und die Saͤze
haben eine gleiche Wahrheit in einem jeden geſun-
den Verſtande, der ſie begreifet: Darum kan
man nicht ſagen, daß ein Bild, oder ein Satz,
der von einem Menſchen in den andern gebracht
wird, umgekehret werde, wie mit den umgekehr-
ten Tapeten geſchieht. Wenn nun die Bilder
und Begriffe erſtlich dieſe vollkommene Aehnlichkeit
in dem Kopfe des Ueberſezers und des Urhebers
haben, ſo wird er ſie dann mit der Genauigkeit
liefern koͤnnen, als er faͤhig iſt, wenn er ſelbſt
der Urheber und Erfinder davon geweſen waͤre.
Jch ſchmeichle mir nicht, alle erzehlten Schwie-
rigkeiten uͤberwunden zu haben, ich will doch ſa-
gen, daß ich in meiner Ueberſezung auf dieſes alles
die Gedanken gerichtet gehabt habe. Meine Le-
ſer thun mir auch ein voͤlligs Genuͤgen, wenn ſie
meine Beſtrebungen Miltons Schreibart zuweilen
nach ſeiner eigenen Weiſe auszudruͤken, nur fuͤr ei-
nen Verſuch nehmen, und wenn es ihnen ſcheint,
daß ich ſeine Freyheiten wider das Naturell der
deutſchen Sprache gebraucht habe, mich andre
Redensarten lehren, welche damit beſſer uͤberein-
ſtimmen, und doch zugleich Miltons Gedanken,
in Zahl, Gewicht, Maaß und Grad erſchoͤpfen.
Meine Furcht iſt in waͤhrender Arbeit der Ueberſe-
zung beſtaͤndig groͤſſer geweſen, daß ich Miltons
nachdruͤckliche, kurze und erhabene Schreibart
nicht erreichen moͤgte, als daß ich durch die genaue
J 2Aus-
[132]Von der Schreibart
[Ausdruͤkung] derſelben gewiſſen Sprachlehrern un-
deutſch ſcheinen wuͤrde; welchen Opitz ſelbſt we-
gen einiger geſchickt nachgemachten Metaphern
aus den Griechiſchen und Lateiniſchen Scribenten,
barbariſch geſchienen hat.(*) Jch zweifle nicht,
wenn ich mit meinen Erklaͤrungen der Erfindun-
gen Miltons die Leſer etwas tiefer in ſein Vorneh-
men und deſſen Gruͤnde hineingefuͤhrt habe, daß
die Miltoniſche Sprache ihnen ſchon leichter und
flieſſender vorkommen werde. Sollte dennoch unge-
achtet aller meiner Bemuͤhungen das verlohrne
Paradies den Jztlebenden die Luſt nicht machen,
welche meine Anmerkungen davon verheiſſen, und
zwar auf diejenigen, die es im Engliſchen leſen
koͤnnen, eben ſo wenig Eindruck thun, als auf
andre, die es nur in meiner ſchwachen und pro-
ſaiſchen Ueberſezung leſen, ſo iſt dieſes ein Uebel,
das in dem Laufe unſrer menſchlichen Welt nur
allzu gemein iſt. Es iſt ſo hergekommen, und
wird ferner ſo ſeyn, daß der Verſtand mit dem
Unverſtand, der Geſchmack an dem Schoͤnen mit
dem Geſchmack an dem Schlechten und Mittelmaͤſſi-
gen in einem ſchweren Streit ſtehen, ja daß der
Jrrthum oͤfters eine groͤſſere Anzahl Anhaͤnger hat,
als die Wahrheit. Aber eine Zeit mag kom-
men, da die poetiſche Herrſchaft, welche bisdahin
den Gedichten in Deutſchland mit ihrem Anſehen
ein Schickſal nach ihrem Belieben zuwegegebracht
hat, wird geſtuͤrzet werden. Ein folgendes Ge-
ſchlecht
[133]in Miltons verlohrnen Paradieſe.
ſchlecht Menſchen wird ſeiner Phantaſie einen
weitern Kreis vergoͤnnen, ſich darinnen umzuſe-
hen und zu uͤben, als dieſe enge Erde, oder auf
dieſer Erden die ſchmale Wiſſenſchaft eines Hoch-
zeitſaͤngers, oder eines Liebesdichters, oder die
matten Empfindungen eines Lehrers der Rheto-
riſchen Figuren. Und dieſe erweiterte Phantaſie
wird ein hoher Verſtand in ihrem Fluge regie-
ren, wie bey Milton geſchehen iſt. Jn demſel-
ben Weltalter wird Milton die Luſt und das Wun-
der der Deutſchen ſeyn, und die Jztlebenden, wel-
che Miltons Stoff, Erfindungen, und Vorſtellun-
gen ſo unnatuͤrlich und ausſchweifend heiſſen, wer-
den dann nicht nur ihren Schriften ſondern auch
dem Nahmen nach todt und vergeſſen ſeyn. Und
vielleicht wird dieſes Weltalter unmittelbar auf
das unſrige folgen, ſo daß eine gute Anzahl von
den Jztlebenden daſſelbe noch erleben wird.
J 3Nach-
[134]
Nachrichten
von gelehrten Schriften.
I.MAn hat in dem Heumonate des laufenden
Jahres an dem poetiſchen Horizont zu
Leipzig eine auſſerordentliche Lufterſcheinung geſe-
hen, die anfaͤnglich jedermann in ein groſſes Er-
ſtaunen
18
[135]Nachrichten von gelehrten Schriften.
ſtaunen ſezete, bis ein gewiſſer Schwabe, der als
ein groſſer Wahrſager und Zeichendeuter beruͤhmt
iſt, in einer offentlichen Anrede die ganze deutſche
Nation der Poeten auf ſeinen Credit gutherzig
verſicherte, dieſes ungewohnte Luftzeichen haͤtte
eine eben ſo troͤſtliche Bedeutung fuͤr das Reich
der deutſchen Poeten, als ehmahls die Erſcheinung
des erſten Regenbogeus nach der Suͤndflut fuͤr
J 4die
19
[136]Nachrichten
die Einwohner der damahligen neuen Welt gehabt
haben mag: Hingegen bedrohete eben daſſelbige ih-
re benachbarte Feinde, die Franzoſen und Schwei-
zer, mit einer ſchweren critiſchen Zuͤchtigung. Dieſe
ſuͤſſe Verſicherung ſchmeichelte den unruhigen Ge-
muͤthern der Saͤchſiſchen Dichter zaͤrtlich, und
preßte ihnen tiefgeholte Seufzer ab, daß doch die-
ſe ſo wohlgemeinte Schwaͤbiſche Weiſſagung ihre
Hoffnung nicht betriegen moͤgte! Allein da in den
folgenden Monaten dieſes Luftzeichen ſich gegen
Mittag je laͤnger je weiter uͤber den deutſchen Ho-
rizont ausbreitete, ſo daß die hart bedrohten Ein-
wohner der Schweizeriſchen Alpgebuͤrge, die
ſich um die poetiſchen Aſpecte der deutſchen Luft
bekuͤmmern, es ſelbſt gewahr wurden, und die
erfahrenſten Aſtronomos daruͤber zu Rath zogen, ſo
fand ſich nach einer genauen Unterſuchung, daß
daſſelbe nichts anders waͤre, als ein ſeit einigen
Jahren nicht unbekannter Nordſchein, oder wie
andere behaupten wollten, (verzeihet mirs, daß
ichs vor keuſchen Ohren nicht rein Saͤchſiſchdeutſch
ausſprechen darf,) ein wahrhafter ignis fatuus.
Ein Kluger lacht euch aus, und ſagt wohl gar dabey,
Daß Schriften ſolcher Art der bloͤden Welt zum Schreken,
Wie Mißgeburten ſonſt, des Himmels Zorn entdeken.
Gottſched.
II. Erſt kuͤrtzlich iſt wieder ein franzoͤſiſcher
Schriftſteller hervorgewachſen, der in ſeinen
Briefen von dem Character der deutſchen Poeten
dem deutſchen Witze offentlich hohngeſprochen, in-
dem er dieſe nicht alleine uͤberhaupt beſchuldiget,
daß
[137]von gelehrten Schriften.
daß ſie oͤftern Ohnmachten und Bloͤdigkeiten, ja
gar der fallenden Sucht, (die man auf gut Saͤch-
ſiſch die ſchwere Noth heißt,) maͤchtig unter-
worffen ſeyn; ſondern denſelben gar alle Geſchick-
lichkeit zum Erfinden mit trozigen Worten ab-
ſpricht, und ſich uͤberdies nicht entbloͤdet, ſie (in
dem Xten Brief Bl. 362.) durch ein ſchmaͤhleriſches
Cartel aufzufordern: Nommez-moi un Eſprit
Createur ſur vôtre Parnaſſe, c’eſt à dire, nom-
mez-moi un Poëte Allemand, qui ait tiré de
ſon propre fond un ouvrage de quelque re-
putation; je vous en défie. Dieſe ungeheure
Laͤſterungen, womit der Franzoͤſiſche Goliath das
deutſche poetiſche Jſrael ſchmaͤhleriſch angegriffen,
wollten dem redlichen Hrn. Magiſter S**, der ſich
ſchon lange Zeit als ein Feiltraͤger der Gottſchedi-
ſchen Schriften und des Breitkopfiſchen Verlags
mit Nuzen brauchen laſſen, faſt das deutſche Hertz
abdruken. Gottſched, Triller, Neukirch ꝛc. ſol-
len keine poetiſche Schoͤpfer ſeyn! Welche un-
verſchaͤmte Verlauͤmdung! Wer konnte beſſer
wiſſen, mit was vor ſaurem Schweiß ſie ihre
unzaͤhlbaren Reimen und Verſe aus den Fingern
herausgeſogen, als eben dieſer Hr. Magiſter
der einigen von dieſen groſſen poetiſchen Schoͤpfern
in ihrer Arbeit als ein getreuer Handlanger bey-
geſtanden; und welcher Vernuͤnftige wird an dem
Werth eines Buches zweifeln koͤnnen, das in ei-
ner ſehr kurzen Zeit etliche mahl hat muͤſſen aufge-
legt werden? Allein ungeachtet der Ungrund und
die Bosheit dieſer Verlauͤmdung allen redlichen
deutſchen Seelen von ſich ſelbſt offenbar ſeyn muſte,
J 5ſo
[138]Nachrichten
handelte dennoch der Hr. Magiſter ſehr kluͤg-
lich, daß er um der Schwachen willen auf eine
offentliche Abfertigung dieſes trozigen Philiſters,
und eine nachdruͤckliche Ehrenrettung des deutſchen
Wizes bedacht war. Jn dieſer Ueberlegung hielt
er vor das rathſamſte, daß er ein allgemeines Land-
Aufbot an alle, die ſich der allgemeinen Noth
des deutſchen poetiſchen Reichs anzunehmen Muth
und Faͤhigkeit haͤtten, ergehen ließ, und ihnen ei-
nen allgemeinen Sammelplatz anwieß, von wel-
chem ſie auf die Franzoͤſiſchen und Schweizeriſchen
Philiſter mit vereinigten Kraͤften loosgehen koͤnnten.
Er ſteckte zu dieſem Ende zu Leipzig vor dem Breit-
kopfiſchen Hauſe die Fahne auf, auf welcher ein
zottigter Baͤr, der ſich in einer einſamen Wuͤſten
auf ſeinen Hintern gantz geruhig niedergelaſſen, und
mit zufriedenem Gemuͤthe an ſeiner Tatze ſauget,
mit der Aufſchrift, Ipſe alimenta ſibi, kuͤnſtlich
geſchildert war: Und es fanden ſich ſo gleich eini-
ge herrenloſe Klopffechter daſelbſt ein, die ſich un-
ter dieſe Fahne anwerben lieſſen. Der Hr. Ma-
giſter fuͤhrte dieſe handfeſte Truppen in den Hunds-
tagen das erſte mahl an den Feind, er ſelbſt ſtell-
te ſich an die Spize, und that mit einem groſſen
Geſchrey den erſten Angriff auf den feindlichen
Haufen, der von dem Kriegserfahrnen Franzoͤſi-
ſchen Officier, der aus ſeinen Lettres Françoi-
ſes \& Germaniques bekannt iſt, commandirt
wurde: Aber nach einigen leichten Verſuchen,
die mehr foͤrchterlich als gefaͤhrlich waren, zog
ſich der deutſche Feldherr mit ſeinem Voͤlcklein
gantz vergnuͤgt wiederum in ſeine Sicherheit zuruͤke.
III. Zu
[139]von gelehrten Schriften.
III. Zu Leipzig koͤmmt ſeit dem Heumonat eine
anſehnliche Monatſchrift zum Vorſchein, die we-
gen ihrer ſtolzen Abſicht die Aufmerckſamkeit aller
derjenigen verdienet, denen der Ruhm der deut-
ſchen Muſen recht von Herzen angelegen iſt. Sie
fuͤhret den praͤchtigen Titel: Beluſtigungen des
Verſtandes und des Wizes. Auf das Jahr
1741. Heumonat. Leipzig, bey B. Chr.
Breitkopf. 8. ſechs Bogen. Der Verfaſſer der-
ſelben iſt Herr Magiſter Joh. Joachim Schwa-
be, der ſchon einige Jahre daher in Hrn. Breit-
kopfs Dienſten geſtanden, und das Aufnehmen
der deutſchen Muſen mit der Ausbreitung des Breit-
kopfiſchen Verlags geſchickt zu verbinden gewußt
hat. Die beſondere Abſicht gegenwaͤrtiger Schrift,
worinnen man einige Fruͤchte des deutſchen Wi-
zes und Verſtandes zu ſammeln willens iſt, ſtel-
let uns der Herr Magiſter auf dem Titelblatte in
einem emblematiſchen Bilde vor Augen; wenn er
die deutſchen Poeten und Redner in einem feinen
Kupferſtiche unter dem Sinnenbilde eines ſizenden
Baͤren abbildet, der an der Tatze ſauget, und
ſolches mit der Aufſchrift, Ipſe alimenta ſibi,
erlaͤutert: Wodurch er den eigenthuͤmlichen Reich-
thum und die Fruchtbarkeit des deutſchen Wizes
auf eine recht edle, lebhafte und ſinnreiche Art er-
hebet, und vertheidiget:
Hr. M. Schwabe iſt zu der Verfaſſung dieſer
Monatſchrift durch die von einem ungenannten
Franzoſen neulich herausgegeben Lettres germa-
niques verleitet worden. Deſſen Unfug und Ver-
laͤumdungen mit deutſchem Muth abzufertigen,
hat
[140]Nachrichten
hat er allen faͤhigen Geiſtern Deutſchlandes ei-
nen Tummelplatz eroͤffnen, und eine erwuͤnſchte
Gelegenheit zeigen wollen, ihre kleinen ſcharfſin-
nigen Aufſaͤze der Welt vorlegen zu koͤnnen. Denn
er hatte ſich vorgeſezet, das leichtſinnige Geſpoͤtte
des franzoͤſiſchen Briefſtellers nicht ſo faſt durch
theoretiſche Widerlegungen und weitlaͤuftige Er-
weiſe, als vielmehr durch practiſche Proben abzu-
weiſen, und die ehrbare Welt von der Faͤhigkeit
des deutſchen Wizes durch die Empfindung zu uͤber-
fuͤhren. Dieſes iſt auch unſtreitig der beſte und
gewiſſeſte Weg der Vertheidigung, eben wie die-
ſes die beſte Buſſe iſt, eine Thorheit nicht mehr
begehen: Aber dieſe Art der Vertheidigung iſt
dabey die allergefaͤhrlichſte; denn woferne die Pro-
ben, auf die man den Credit des Wizes und Ver-
ſtandes einer ganzen Nation ſezet, nicht von dem
beſten Schrote und Korn ſind, ſo bekraͤftigen ſie
nicht alleine den Vorwurff eines verderbten Ge-
ſchmacks und des Unverſtands, ſondern ſind ein
unausloͤſchliches Denckmahl der Dummheit, und
ſchlimmer als ein offentliches Geſtaͤndniß der An-
klage. Doch es ſcheinet, daß der Hr. M. Schwa-
be keine Urſache habe einiges Mißtrauen in die
Fruchtbarkeit und Faͤhigkeit des deutſchen Wizes
zu ſezen, weil er ſich zum Voraus anheiſchig ma-
chet, alle Monate ſechs Bogen voll ſinnreicher Ge-
danken und Einfaͤlle zum Beweisthum der uner-
ſchoͤpflichen Kraft des deutſchen Wizes zu liefern.
Meine Leſer werden verlangen, daß ich ihnen
nunmehr einen naͤhern Unterricht von dieſem groſ-
ſen Vorhaben des Hrn. M. Schwabe ertheile;
deſſen
[141]von gelehrten Schriften.
deſſen heldenmaͤſſige Abſichten ich bisdahin ent-
deket habe. Jch kan ihnen auch um ſo viel eher
zu Willen werden, da der Hr. Magiſter die Guͤ-
tigkeit gehabt hat, uns in einer weitlaͤuftigen Vorre-
de unter mancherley Ausſchweiffungen davon ſelbſt
auf das ſorgfaͤltigſte zu unterrichten. Er zeiget
uns an, daß dieſe ſeine Arbeit von allen andern
bey der deutſchen Nation bisher ſo beliebten Mo-
natſchriften, auch von Hrn. Gottſcheds critiſchen
Beytraͤgen und den Nachrichten und Anmerkun-
gen der deutſchen Geſellſchaft, darinnen vornehm-
lich unterſchieden ſeyn werde, daß er ſein Augen-
merck mehr auf die Muſter, als auf die Regeln
gerichtet habe:
„Er ſey nemlich geſonnen, in die-
„ſer Sammlung allerhand wohlgerathene, klei-
„ne, fluͤchtige, Stuͤke; ſie moͤgen von einer
„Materie handeln, von was fuͤr einer ſie wollen,
„poetiſch oder proſaiſch, und entweder gedruckt
„oder ungedruckt ſeyn, wenn ſie nur deutſch
„geſchrieben worden, zuſammen zu tragen.
„Man werde nichts, was wizig, vernuͤnftig,
„und tugendhaft iſt, von dieſer Sammlung
„ausſchlieſſen: Ernſt und Schertz werden darin-
„nen ohne Unterſchied auftreten; auch die Ga-
„lanterie werde daran Theil haben.„
Wenn aber
die Haupt-Abſicht dieſer Monatſchrift vornehm-
lich dahin gehet, daß man durch wohl ausgear-
beitete Proben kund mache, wieviel der deutſche
Witz vermag; ſo wird man keinen bloſſen Ue-
berſezungen, ſondern allein den deutſchen Origi-
nal-Stuͤken, und aus Gnaden etwann auch ge-
ſchickten Nachahmungen noch einen Raum ver-
ſtatten,
[142]Nachrichten
ſtatten, weil man darzu doch Witz noͤthig hat;
da hingegen die Ueberſezungen eine ſchlechte Arbeit
ſind, worzu eben kein Witz noͤthig iſt. Zu En-
de eines jeden Stuͤcks oder Monats wird man
von denen auf der Leipzigiſchen Schaubuͤhne auf-
gefuͤhrten Stuͤken jedesmahl eine Nachricht ge-
ben, und zwar von den Original-Stuͤken wird
man Auszuͤge mittheilen; die uͤberſetzten Stuͤke
aber, womit ſich die Deutſchen noch meiſtens
behelffen muͤſſen, bloß anzeigen. Der Hr. Ma-
giſter hat ſich hierinnen, wie in der ganzen uͤbri-
gen Einrichtung ſeiner Monatſchriſt, den franzoͤſi-
ſchen Mercur zum Muſter genommen; ausgenom-
men daß er die politiſchen Neuigkeiten und die
Nachrichten von neuen Buͤchern eigenen dazu ge-
wiedmeten Zeitungen und Journalen uͤberlaſſen
wird. Er hat ſich ohne Zweifel ein ſo ſchlechtes
Muſter mit Fleiſſe zur Nachahmung ausgewaͤhlet,
damit er die Vollkommenheit deſſelben deſto leichter
erreichen, und in einigen Stuͤken noch uͤbertrefſen
koͤnnte: Und ich zweifle keineswegs, er werde
durch dieſe Schrift bey der Art Leſer, die ihren
feinen Geſchmack an dem Mercure Galant, Mer-
cure François, auch Mercure Suiſſe, zu ver-
gnuͤgen gewohnt ſind, die Ehre des deutſchen Wi-
zes leicht behaupten koͤnnen. Jn welchem Falle
der trozige Franzoß mit ſeiner Aufſorderung, nom-
mez-moi un Auteur Allemand, qui ait écrit un
ouvrage de quelque reputation, zu ſpaͤte kom-
men wird. Doch wenn ich meiner Muthmaſſung
trauen darf, ſo will mich beduͤnken, daß der Hr.
Magiſter dieſes Bekaͤnntniß, daß er ſeine Mo-
natſchrift
[143]von gelehrten Schriften.
natſchrift bey den Franzoſen abgeſehen, nur in
der Jronie abgelegt habe, damit er Gelegenheit
bekaͤme, mit dem ungenannten Verfaſſer der Let-
tres Germaniques anzubinden. Dieſe geiſtrei-
che Herren ſind in der Anwendung dieſer ſpotten-
den Figur ſo ſubtil und unbeſtaͤndig, daß man
oͤfters nicht recht wiſſen kan, ob ſie im Ernſt re-
den, was ſie ſagen: Es waͤre darum wohl zu
wuͤnſchen, das man dieſelben verpflichten koͤnnte,
daß ſie nach dem Beyſpiel der Mathematiker, (die
ihre Saͤze abſonderlich mit ihren Taufnahmen be-
nennen und unterſcheiden,) ſo oft ſie dieſe Figur
der Jronie brauchen wollen, die Jroniſche Rede
allemahl abſonderlich unter ihrem Titel ſezen muͤß-
ten, damit unſchuldige Leſer wiſſen koͤnnten, wo
die Jronie anfange, und wo ſie endige. Mithin
mag meine angegebene Muthmaſſung ſo viel Grund
haben, als ſie will, ſo iſt doch dieſes gewiß, daß
unſer Hr. Magiſter dieſes Bekaͤnntniß geſchickt an-
zuwenden gewußt, den Uebergang zu der Streit-
frage von der Erfindungskraft der deutſchen kleinen
Geiſter unvermerckt zu machen: Und es iſt eine
rechte Luſt zu ſehen, wie er an dem guten Fran-
zoſen zum Ritter wird; mit welcher Geſchicklich-
keit er ſeine Worte verdrehet, ihm falſche Gedan-
ken andichtet, mit welchem Eifer er dieſelbigen
widerleget, und dann bald darauf dieſe boshafte
Verdrehungen mit dem Recht der Nachahmung
entſchuldiget. Wenigſtens iſt die Schlußſtelle
Bl. 10. von einem ſo uͤberzeugenden Nachdruck,
daß der ungenannte franzoͤſiſche Schriftſteller
ſchwerlich was dagegen einzuwenden haben wird:
„Waͤren
[144]Nachrichten
„Waͤren wir, heißt es, ſo zeitig als andere,
„auf die Ausbreitung der ſchoͤnen Wiſſenſchaften
„in unſerer Mutterſprache gerathen: So wuͤrden
„vielleicht (ein ſchweres Vielleicht) diejenigen
„izo von uns lernen muͤſſen, welche wir uns zu
„Muſtern bey Befoͤrderung der freyen Kuͤnſte
„vorſtellen.„
Auf dieſen Thon muß man wiſſen
bey ſeiner Armuth groß zu thun, wie jener Bett-
ler, der den Edelmanu zu einer milden Beyſteuer
zu vermoͤgen, ihm mit Betheurungen verheiſſen,
ſobald er wuͤrde ſchlachten laſſen, wollte er ihm dafuͤr
gute Wuͤrſte und Schinken zur Verehrung ſchi-
ken. Wo man nicht auf gegenwaͤrtige Verdienſte
pochen kan, da muß man ſeine Scientiam me-
diam zu Huͤlfe ruffen, und auf das, was unter
gantz andern Bedingniſſen und Umſtaͤnden moͤg-
lich geweſen waͤre, fein dreiſte großſprechen. Aber
meines Beduͤnkens hat es der Hr. Magiſter da-
bey noch um etwas verſehen, daß er durch das
eingeſchaltete Vielleicht in obiger Stelle noch ei-
niges Mißtrauen bliken laͤßt. Woher mag wohl
dieſes Mißtrauen bey ihm entſtanden ſeyn? Viel-
leicht daher, daß er ſich ſelbſt heimlich erinnerte,
wie ſo ſchlechten Fortgang die deutſche Poeſie in
einer Zeit von mehr als hundert Jahren ſeit des
groſſen Opizen Zeiten gehabt, ſo daß dieſer groſſe
Vorgaͤnger, wenn er wieder auf Erden kommen
ſollte, ſich der meiſten von ſeinen Nachkindern
ſchaͤmen wuͤrde. Weit kuͤhner und gluͤcklicher iſt
der Einfall, womit Hr. Schwabe die Schuld
des ſchlechten Credits des deutſchen Wizes von
den Scribenten abzulehnen und auf die Dumm-
heit
[145]von gelehrten Schriften.
heit der deutſchen Leſer zu ſchieben weiß, wenn er
ſich Bl. 15. alſo vernehmen laͤßt:
„Deutſchland
„iſt von allem Witze und Verſtande ſo leer nicht,
„als man wohl denket. Allein unter hundert
„kleinen Schriften werden kaum zehne ſolchen
„Perſonen bekannt, welche deren Wehrt oder
„Unwehrt recht zu ſchaͤtzen wiſſen. Es iſt man-
„ches artige Stuͤke darunter, welches mehr als
„hundert Perſonen zu Geſichte kommen ſollte, zu-
„mahl da unter denen hundert Perſonen, die es
„ſehen, zuweilen nicht dreye ſind, welche die
„Schoͤnheit deſſelben erkennen, und es des Auf-
„hebens wuͤrdig achten.„
Wer wollte nicht da-
her, daß Deutſchland an guten Kennern und Le-
ſern ſo arm iſt, den richtigen Schluß ziehen, daß
die deutſchen Scribenten hiemit nothwendig geiſt-
und ſinn-reiche Koͤpfe ſeyn muͤſſen? Wer dieſe
Folge laͤugnen wollte, der wuͤrde eben ſo thoͤricht
handeln, als wenn er die Moͤglichkeit der Plane-
ten-Einwohner bloß aus dem Grunde nicht zuge-
ben wollte, weil er ſie mit ſeinen Augen nicht ſe-
hen kan.
Dem Hrn. M. Schwabe hat beliebt, (denn
ein jeder Vater hat das Recht ſeine Kinder, die
er ſelbſt gezeuget, oder die er an Kindesſtatt an-
nimmt, nach Belieben taufen zu laſſen,) dieſe
Monatſchrift mit dem Titel: Beluſtigungen des
Verſtandes und des Witzes, zu belegen. Wol-
let ihr den Grund dieſer Benennung wiſſen, die
mit der Abſicht des Verfaſſers eben nicht die naͤch-
ſte Uebereinſtimmung hat, ſo kan ich euch aus
dem Munde des Hrn. Magiſters berichten, daß
[Crit. Sam̃l. III. St.] Ker
[146]Nachrichten
er dieſe Monatſchrift vielmehr in Abſicht auf die
Form; als in Abſicht auf die Materie und den Jn-
halt derſelben, mit dem Titel der Beluſtigungen
ausgezieret hat.
„Beluſtigungen, ſagt er Bl.
„17. muͤſſen keine Arbeiten ſeyn, und nicht ermuͤ-
„den; und man theilet allhier auch nur ſolche
„kleine Schriften mit, von denen man dieſes
„nicht ſagen kan.„
Verſteht ſichs, daß ſie als
Arbeiten den Leſer ermuͤden werden. Der Schluß
iſt gantz richtig: Alles was den Leſer nicht ermuͤ-
det, das muß ihn nothwendig beluſtigen; kleine
Schriften werden den Leſer nicht ermuͤden, de[r]o-
wegen muͤſſen ſie ihn nothwendig beluſtigen. Der
Hr. Magiſter gruͤndet auf dieſes die feſte Hoff-
nung, daß andere ſich bey deren Durchleſen
beluſtigen werden: Sollte aber gleich dieſe Hoff-
nung fehlſchlagen, ſo tragen nichts deſto minder
dieſe geſammelte kleinen Schriften den Nahmen
der Beluſtigungen mit Recht, weil deren Ver-
faſſer ſich bey ihrer Verfertigung beluſtiget
haben.
Jn einem Schauſpiele werden die Scenen da-
durch mit einander verbunden, daß ſelten ei-
ne Perſon von der Buͤhne weggehet, bevor ſie
den Auftritt einer andern ankommenden Perſon
verkuͤndiget hat: Auf dieſelbe Weiſe hat der Hr.
Magiſter die Vorrede mit dem folgenden Stuͤke
der Sammlung geſchickt zu verbinden gewußt, da
er an dem Ende der Vorrede das Jroniſche Schrei-
ben an den Herausgeber wegen der Unnuͤtzlich-
keit ſeines Vorhabens, welches Bl. 18. die erſte
Scene eroͤffnet, verkuͤndiget; nemlich bevor er
dieſem
[147]von gelehrten Schriften.
dieſem ungenannten Briefſteller, der vielleicht
mit Hrn. M. Schwaben in einer Haut ſteket,
das Wort uͤberlaͤßt, fuͤhret er mit einer hoͤflichen
Mine einen zureichenden Grund an, damit er ſei-
nen unvermutheten Abzug entſchuldige, wobey er
dennoch Hoffnung machet, daß er etwa mit Gele-
genheit wieder zum Vorſchein kommen doͤrfte:
Die Stelle iſt an ſich ſelbſt ſo vortrefflich ſinn-
geiſt- und wortreich, daß ich mich nicht entbre-
chen kan, ſelbige als ein Muſter der deutlichen,
reinen und wohlflieſſenden Saͤchſiſchen Schreibart
anzufuͤhren, zumahl da ſie wegen ihrer Kuͤrze nicht
ermuͤden kan, und alſo nothwendig beluſtigen muß.
Sie lautet:
„Ein mehrers hat man dem gefaͤlli-
„gen Leſer izo nicht zu ſagen. Sollte aber kuͤnf-
„tig noch etwas zu erinnern vorfallen: So wird
„man Gelegenheit nehmen, ſolches gehoͤrig bey-
„zubringen.
Nachdem ich alſo meinen Leſern durch eine voll-
ſtaͤndige Beſchreibung der kuͤhnen Abſicht, und des
groſſen Vorhabens unſers Hr. Magiſters die
Zaͤhne lang und das Maul waͤſſernd gemacht, ſo
koͤnnen ſie mit Recht von mir erwarten, daß ich
ihnen von den ſieghaften Proben des deutſchen Wi-
zes und Verſtandes, die in dem Heumomat ent-
halten ſind, eine zuverlaͤſſige Nachricht, und ei-
nige von den beſten Muſtern vorlege und mittheile:
Um ſoviel mehr, als nicht zu zweifeln iſt, daß nicht
bey einem ſo reichen Vorrath von Materialien,
die Wahl fuͤr das erſte Stuͤk auf die beſten Prob-
ſchriften werde gefallen ſeyn; es waͤre denn Sa-
che, daß die Hrn. Verfaſſer wie Horatz geſinnet
K 2waͤren,
[148]Nachrichten
waͤren, der von ſich geſtehet: Exfumo dare lu-
cem cogito. Jn der Abſicht meine Leſer zu ver-
gnuͤgen, will ich demnach die Probſtuͤke, die das
Recht der Erſtgeburt erhalten haben, und am be-
ſten von der noch ganzen und unerſchoͤpften Kraft
des deutſchen Witzes zeugen koͤnnen, unterſuchen,
und die merckwuͤrdigſten Stellen, die den benach-
barten Franzoſen und einigen ungerathenen Schwei-
zern ein rechter Dorn in Augen ſeyn muͤſſen, be-
leuchten. Das erſte Stuͤck iſt Bl. 18. das oben
erwaͤhnte Schreiben an den Herausgeber, von
welchem ich vermuthet habe, daß es aus der Fe-
der des Verfaſſers gefloſſen ſey, und daß der Ver-
faſſer und der Herausgeber nur in einer Haut ſte-
ken. Daſſelbige kan ſtatt einer zweyten Vorrede
dienen, in welcher dem Verfaſſer der Lettres
germaniques beylaͤuftig mancher Stich, der nicht
blutet, verſezet wird. Jn ſeinem Jnhalt iſt es
eine ſchimpfliche Satyre wider den ſchlimmen Ge-
ſchmack der deutſchen Leſer, auf welchen ſich die
Propheceyung dieſes Briefſchreibers gruͤndet,
daß dieſe Monatſchrift keine Leſer finden werde,
und alſo dieſes Vorhaben unnuͤtzlich ſey. Der
Hr. M. Schwabe giebt uns in der Vorrede den
Schluͤſſel, die wahre Abſicht dieſes Schreibens
zu entdeken, wenn er Bl. 17. davon ſagt:
„Man
„uͤberlaͤßt es der Folge der Zeit, ob dieſe Schrift
„wuͤrcklich das Schickſal haben werde, welches
„er ihr prophezeyet.„
Er ſagt dieſes mit deſto
groͤſſerer Zuverſicht, weil er wohl weiß, daß auſ-
ſer denen in dieſem Schreiben angefuͤhrten Gat-
tungen ſchlimmer Leſer, es noch eine unzaͤhlbare
Menge
[149]von gelehrten Schriften.
Menge Leſer von verderbtem Geſchmack giebt, die
an froſtigen Witzſpielen und ſeichten Schriften ih-
re Beluſtigung ſuchen, und deren Anzahl den Hrn.
Breitkopf gewiß ſchadlos halten wird. Jch fin-
de in dieſem Schreiben auf der 27ſten Seite eine
Stelle, wo der Verfaſſer den liebloſen Franzo-
ſen auf eine ſo geiſtreiche und buͤndige Art abwei-
ſet und zum Geſpoͤtte machet, daß ich ſie der weit-
laͤuftigen Schutzſchrift, die in der Vorrede ent-
halten iſt, weit vorziehe. Es heißt:
„Der ſinn-
„reiche Verfaſſer von den Lettres germaniques
„fordert, daß man ihm nur einen Schoͤpfer un-
„ter den deutſchen Dichtern zeigen ſolle: Und
„er kan gewiß ſeyn, daß ſeine Forderung nicht
„werde erfuͤllet werden, da er ſie an einen Sol-
„daten richtet, deſſen Unwiſſenheit er kennet.„
Wuͤrde er ſeine Forderung an einen Saͤchſiſchen
Poeten, deren Anzahl bald ſo groß iſt, als der Flie-
gen in den ſchwuͤhlen Sommertagen, gerichtet
haben, ſo wuͤrde ihm ein jeder in ſeiner eigenen
Perſon einen Schoͤpfer haben zeigen koͤnnen; nur
mit dem Unterſchiede, daß dieſelbigen bey ihrer
Schoͤpfungs-Arbeit mehr die Haͤnde, als den
Kopf abmatten. Damit ich aber meinen Leſern
auch ein Muſter von der geſchickten Jronie, die
in dieſem Schreiben herrſchet, vor Augen lege;
ſo will ich die Stelle, die ſich auf die auswaͤrti-
gen Leſer beziehet, und Bl. 26. zu finden iſt, her-
ſezen:
„Sie verlaſſen ſich vielleicht auf den Bey-
„fall der Auswaͤrtigen. Jch weis wohl, daß
„der Leipziger Witz und die Leipziger Lerchen an-
„derwaͤrts am meiſten gelten. Allein, glauben
K 3„ſie
[150]Nachrichten
„ſie wohl, daß auch ihr Werck bis an die ent-
„gegengeſetzten Graͤnzen Deutſchlands komme?
„von dem Orte an, wo ſich die Elbe ins Meer
„geußt, bis dahin:
„Bilden ſie ſich doch nicht ein, daß ihre Samm-
„lung von Leipziger Sachen, die ſonſt verloh-
„ren giengen, wie ſie unlaͤngſt jemand nennen
„wollte; daß ihre Arbeit ungenannter und unbe-
„kannter Verfaſſer, die Ehre haben werde, die
„den Schriften beruͤhmter Maͤnner wiederfaͤhrt.„
Jch kan Hrn. M. Schwaben zur Beruhigung
ſeines Gewiſſens im Vertrauen verſichern, daß
ſeine monatliche Beluſtigungen bey uns in der
Schweitz beſſer gebraucht werden koͤnnen, als die
Leipziger-Lerchen; allermaſſen dieſe Beluſtigun-
gen, wenn ſie noch gantz friſch bey uns ankom-
men, wenigſtens nicht ſtinken: Und es giebt bey
uns noch eine gute Anzahl Leſer, die ſich am Durch-
leſen kleiner Schriften weniger ermuͤden, und folg-
lich noch mehr beluſtigen, als an dem Reiche der
Todten oder dem Allgemeinen Lexicon, davon uns
doch das guͤtige Leipzig einen ſo groſſen Vorrath
geliefert hat, daß unſre ſpaͤthen Nachkoͤmmlinge
noch Papier uͤbrig haben werden, ihre Kaͤſe und
Zieger darein zu paken, die ſie an Fremde ſenden
muͤſſen.
Das zweyte St. dieſer Sammlung iſt ein
Schreiben der Wahrheit an Se. Hochgraͤfliche
Excellentz den Herren von Manteuffel an deſ-
ſen Gebuhrtstage den 23. Jul. 1740. Es ſcheint,
daß
[151]von gelehrten Schriften.
daß auch dieſes poetiſche Schreiben aus der Feder
des Hrn. M. Schwaben gefloſſen ſey, allermaſ-
ſen er in der Zuſchrift dieſes Heumonats an des
Hr. Reichsgrafen Excellentz ſich auf dieſes Schrei-
ben ausdruͤcklich beruft; wenn er beylaͤuftig ſagt:
„Mein Kiel iſt zu unvermoͤgend, als daß er ei-
„nen geſchickten Herold von dero preiswuͤrdigen
„Thaten abgeben koͤnnte. Die Wahrheit hat
„auch dieſes Amt bereits mit weit gluͤcklicherm
„Erfolge uͤbernommen, und ich beziehe mich izo
„auf ihr Schreiben, welches Ew. Excell. in die-
„ſen Blaͤttern wiederum finden werden.„
Es
ſtehet Bl. 31. und es ſoll nach der Abſicht des
Poeten ein feines Lob, wie es in dem Munde der
Wahrheit wohlſtaͤndig iſt, auf dieſen vornehmen
Herrn enthalten. Allein es zeigt ſich auch an
dieſem Beyſpiele, daß oͤfters die beſten Abſichten
und die gluͤcklichſten Erfindungen fehlſchlagen
koͤnnen, wenn ſie von einem ſeichten Kopfe aus-
gefuͤhrt werden ſollen; und wenn man dieſes vor
ein Meiſterſtuͤck des deutſchen Witzes ausgeben
wollte, ſo wuͤrde man durch dieſen Ausſpruch die
deutſchen Meiſterſtuͤke unendlich vervielfaͤltigen.
Doch ich irre, daß ich ihm den Titel eines Mei-
ſterſtuͤcks ſtreitig machen will, wenn es anderſt
ſeine Richtigkeit hat, daß Hr. M. Schwabe deſ-
ſen Verfaſſer iſt, denn Meiſter-Saͤnger koͤnnen
nichts als Meiſterſtuͤke zur Welt bringen. Der
Anfang dieſes poetiſchen Schreibens lautet:
Dieſes iſt in dem Munde der Wahrheit ein biß-
K 4gen
[152]Nachrichten
gen zu frech und boshaft, maſſen dieſe Zeilen alle
andern Perſonen, die bisdahin an dieſen vorneh-
men Herrn und Reichsgrafen geſchrieben haben,
einer leichtſinnigen Schmeicheley, und den Herr
Reichsgrafen ſelbſt einer Bloͤdigkeit ſolchen das
Ohr zu leihen, offenbar beſtraffen; welches mit
der Haupt-Abſicht des Poeten ſich eben ſo wohl
reimet, als die Unverſchaͤmtheit mit dem Lobe.
Wollte man ſagen, des Poeten Meinung in die-
ſen Zeilen ſey nur zu erinnern, daß noch keiner von
den andern Lobrednern ihrer Reichsgraͤflichen Ex-
cellentz auf die poetiſche Erfindung gefallen ſey,
die Wahrheit als eine Perſon redend einzufuͤhren;
ſo wuͤrde dieſe Ausflucht ſelbſt ein Zeugniß von ei-
ner unzeitigen und ruhmraͤthigen Prahlerey able-
gen, und einen ſo matten Sinn an die Hand ge-
ben, der von dem Verfolge ſelbſt beſtritten wuͤrde.
Auf der 32ſten Seite, wo die Wahrheit ſich er-
klaͤrt, was ſie bisanhero abgeſchreckt habe, an
ihre Excell. zu ſchreiben, heißt es:
Hier macht ſich dieſe Schwaͤbiſche Wahrheit aber-
mahl recht unnuͤtze, wann ſie ſich nicht ſcheuet, ei-
nem ſo groſſen Manne unter das Angeſicht zu ſa-
gen:
„Sie, die Wahrheit, habe Jhn zwar fuͤr
„einen Staatsmann, aber nicht fuͤr einen Freund
„der Wahrheit erkennt, und doch geliebet.„
Dieſe Wahrheit mag wohl ſeliſame Begriffe von
einem aͤchten Staatsmanne haben, wenn ſie den
Wahrheitsfreund davon trennen kan. Sie wird
ihn wohl nach den Regeln des Machiavells abbil-
den.
[153]von gelehrten Schriften.
den. Der Poet aber hat es wohl ſo boͤſe nicht
gemeinet, als er es wuͤrcklich ſagt, maſſen er auf
der 33ſten Seite in einem Gegenſaze dergleichen Cha-
racter ſelbſt verabſcheuet:
Das Verſehen iſt nur dieſes, daß der gute Mann
vermeint hat, die Wahrheit koͤnne ſo leicht durch
Jrrthum betrogen werden, als er ſelbſt; und daß
er ſo bald wieder vergeſſen, daß er ſein Wort der
Wahrheit uͤbergeben hat. Die vier ſchoͤnſten Zei-
len in dieſem Schreiben ſtehen auf der 35ſten Sei-
te, und damit man ſehe, daß es mir nicht ver-
drießlich faͤllt, was ſich mir als ſchoͤn anpreiſet,
auch alſo vorzuſtellen, ſo will ich ſie zu einem Mu-
ſter herſezen:
Das dritte St. dieſer geiſtreichen Sammlung ent-
haͤlt Staats- und gelehrte Zeitungen des Ca-
klogalliniſchen CorreſpondentenN. I. Anno
1738 und koͤmmt auf der 36ſten Seite vor. Die-
ſes ganze Stuͤck, welches mehr als einen halben
Bogen anfuͤllet, iſt ein rechtes Muſter von des
deutſchen Harlequins Witz, Einfaͤllen und Spra-
che, die dem Verfaſſer gelaͤufiger iſt, als die
Swiftiſche Schreibart, die er doch mit groſſer
K 5Ge-
[154]Nachrichten
Geſchicklichkeit ausgedruͤckt zu haben ſcheinen will.
O Imitatores ſervum pecus! \&c. Welcher
Sauertopf will ſich des Lachens erwehren koͤnnen,
wenn er Bl. 39. lieſt.
„Flanflasnick, den 10.
„Maͤrtz. Allhier iſt ein Mann von 100. Jahren
„geſtorben, welcher noch vor 15. Jahren eine
„Frau von 95. Jahren geheirathet, mit der er
„Kinder gezeuget haben wuͤrde, wenn ſie nicht
„beyde ſchon ſo lange die Krone der Ehren getra-
„gen haͤtten. Jmgleichen hat vorgeſtern ein ſtar-
„ker Sturm aus Suͤdoſt, in umliegenden Ge-
„waͤſſern, eine ſolche Ueberſchwemmung verur-
„ſachet, daß dadurch alle Bruͤken eingeaͤſchert
„worden ſind.„ Und Bl. 38. Lugnagg, den
„29. Febr. Jhro M. der Koͤnig ſind vorgeſtern mit
„einem allerhoͤchſten Schnupfen befallen worden,
„weswegen ſich dieſelben geſtern ein allerunter-
„thaͤnigſtes Clyſtir ſezen laſſen, ſo auch ſeinen
„treugehorſamſten Effect gethan. ‒ ‒ ‒ ‒
„Sonſt iſt hier neulich ein Edict publicirt wor-
„den, nach welchem verbothen worden iſt, kuͤnf-
„tighin bey den Mittagsmahlzeiten Lichte anzu-
„zuͤnden. Dieſer Befehl doͤrfte in fremden Lan-
„den viel Aufſehens machen.„
Man darf nur
ein kleines Muͤſterlein von dieſer Schreibart den
geiſtreichen Franzoſen verſtaͤndlich machen, ſo wer-
den ſie gezwungen erkennen muͤſſen, daß die deut-
ſchen von Witz uͤberflieſſen, und rechte Ertzluſtig-
macher ſind. Doch es hat ſchon einige unter den
Franzoſen, denen die deutſchen geiſtreichen Schrif-
ten nicht verſiegelt ſind, die dieſe Wahrheit erken-
nen, und davon ein offentliches Zeugniß abgele-
get haben: Wie zum Exempel der franzoͤfiſche
Officier,
[155]von gelehrten Schriften.
Officier, der die Lettres germaniques geſchrie-
ben hat, in dem Xten Brief Bl. 355. bekennet:
Il n’eſt point étonnant de voir ici un Bouffon
en titre d’Office. Und an einem andern Orte
Bl. 349. En Allemagne un homme d’eſprit
\& un bouffon, ne ſont qu’une même choſe.
Und bald hernach: Il n’y a que les bouffons,
qui faſſent fortune dans ce pays. Wenn
nach dem eigenen Geſtaͤndniß dieſes Franzoſen ein
bouffon und ein homme d’eſprit gleichguͤltig
ſind, mit was vor einem Gewiſſen kan derſelbige
denn den Deutſchen den Witz abſprechen?
Das vierte St. dieſer Sammlung iſt eine Sap-
phiſche Ode von Hrn. Magiſter Th. L. Pit-
ſchel an ſeinen Hrn. Bruder D. Friedr. L. Pit-
ſchel, von der Unſinnigkeit der Gottes-Veraͤch-
ter. Bl. 45. Dieſe Ode iſt wohl geſchrieben, und
verdienet, ſowohl in Abſicht auf die Verſe, als
die Fluͤſſigkeit der Schreibart, und den Schwung
der Gedanken ihr billiges Lob. Nur kan man
mit Grund ſagen, daß ſie auſſer der Sapphiſchen
Scanſion und dem Reime nicht viel poetiſches an
ſich habe; welches Urtheil aber nicht die Ausfuͤh-
rung tadelt; ſondern eine andere Abſicht als Hr.
Pitſchel gehabt, zum Grund der Ausfuͤhrung er-
fodern wuͤrde. Die erſte Strophe lautet:
Mich will faſt beduͤnken, daß die Sternen dem
Reime zu gefallen auf der erſten Zeile erſchienen
ſeyn, zumahlen da ſie den Begriff von der Welt
nicht
[156]Nachrichten
nicht erweitern. Und in der dritten Zeile duͤnken
mich Kraut und Thiere nicht zum beſten geweh-
let, den Verluſt des Schoͤpfers als unmoͤglich
vorzuſtellen; weil Kraut und Thiere nur in einer
Nebenabſicht, in ſo ferne ſie als Geſchoͤpfe Got-
tes betrachtet werden, zur Betrachtung des Schoͤp-
fers fuͤhren, da ſie ſonſt zum Nuzen und Dienſt
der Menſchen geſchaffen worden ſind. Wenn
man ſich nun dieſe Nebenbetrachtung nicht gegen-
waͤrtig machet, ſo iſt der Zuſammenhang und die
Schluͤſſigkeit des Gedankens um etwas dunkel und
verſteckt. Allein ich beſcheide mich wohl, daß die
Deutlichkeit in dieſer Art Verſe dem Zwang der
Reime und des Sylbenmaſſes oͤfters nachgeben
muß.
Das fuͤnfte St. Bl. 49. hat die Aufſchrift:
Der deutſche Dichterkrieg. Erſtes Buch.
Es iſt dieſes der Anfang eines kleinen Epiſchen
Gedichtes in Proſa, nach dem Muſter des Pul-
tes von Boileau, und Taſſons Secchia rapita,
welches einen geraubten Waſſer-Eimer, nicht
aber, wie Hr. Gottſched in dem fuͤnften Band ſeiner
Beytraͤge Bl. 169. und ſeine Schuͤler hier und da
behaupten, ein geraubtes Siegel bedeutet. Es
verdienet auch dieſer erſte Geſang eine beſondere
Betrachtung, die uns vermuthlich in einige Weit-
laͤuftigkeiten hineinfuͤhren koͤnnte, dahero ich hier
nichts mehrers davon melde.
Das ſechste St. iſt ein Schaͤfergedichte,
verfaſſet von Gottl. Benjamin Straube. Es
muß Hr. M. Schwabe ſeine vormahligen ver-
aͤchtlichen Gedanken von dieſer Art Gedichte ſeit
wenig Jahren ſehr geaͤndert haben, daß er dieſes
Stuͤck
[157]von gelehrten Schriften.
Stuͤck unter die Proben des deutſchen Witzes in
ſeine Sammlung aufgenommen hat: Denn in
dem Jahr 1736. als er die Gottſchediſchen Gedich-
te herausgegeben, hat er in der luſtigen Vorrede,
womit er dieſe Gedichte anbefehlen wollen, ſehr
veraͤchtlich von den Schaͤfergedichten geurtheilet.
Er hat geſagt:
„Es wird dich nicht wenig Wun-
„der nehmen, geliebter Leſer! daß du hier den
„Titel, Schaͤfergedichte, nicht gewahr wirſt.
„Wundere dich aber daruͤber nicht; du weiſt,
„daß ein Dichter die Natur zum Vorbilde hat,
„und nur deren Schoͤnheiten nachzuahmen ſucht.
„Wo zeigt aber izt die Natur das alte Schaͤfer-
„leben? Wo herrſcht die Unſchuld, die darin-
„nen vorkommen ſoll? Wo iſt die guͤldene Frey-
„heit, die reine Liebe und die tugendhafte Ein-
„falt, die das Weſen derſelben ſind? Wie kan
„nun ein Dichter das wieder vorſtellen, was er
„nirgends mehr erblickt? Gebt uns erſt das al-
„les wieder, dann wollen wir euch Schaͤferlie-
„der genug ſingen: Jzt verzeiht es uns nur, daß
„wir euch mit keinen Hirngeburten unterhalten,
„denen ihr doch nicht aͤhnlich ſeyn wollt.„
Der
gute Mann muß damahls noch geglaubt haben,
ein Dichter brauche nichts weiter als gute Augen;
er doͤrffe die Sachen nicht vorſtellen, wie ſie in
andern als den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden ſeyn
koͤnnten; ſondern nur wie ſie wircklich ſeyn; die
Natur habe alle ihre Kraͤfte gaͤntzlich erſchoͤpft,
und alſo ſtehe nichts mehrers in ihrem Vermoͤgen,
als was ſich aus ihren Wirkungen erzeiget, d. i.
ein Poet ſey kein Dichter, ſondern ein bloſſer Hi-
ſtoricus der Natur. Allein wer dieſes Gedichtes
welche,
[158]Nachrichten
welches einen furchtſamen Liebhaber natuͤrlich be-
ſchreibet, lieſt, der wird ſichs nicht Wunder neh-
men laſſen, daß Hr. M. Schwabe ſeine alten
um etwas plumpen Begriffe, bey denen es ihm
ſonſt bloß halb Ernſt geweſen, verlaͤugnet hat;
zumahlen da das Gedicht, an ſich ſelbſt betrachtet,
den Character eines furchtſamen Liebhabers nach
der Natur ausdruͤket und beſchreibet: Nur laͤßt
ſichs faſt zweifeln, ob dieſer Character fuͤr den
ehmahligen Stand der Unſchuld und Freyheit nicht
zu weit getrieben ſey, und ob er ſeine genugſame
relatife Wahrſcheinlichkeit habe? Sonſt hat der
geſchickte Verfaſſer auch ſelbſt in dem Ausdruke
und der Mundart den Character ſeines Schaͤfers
recht gluͤcklich nachgeahmet. Eine einzige Stelle
duͤnckt mich ein wenig zu gekuͤnſtelt; Bl. 70.
Die Redensart: Die Furcht wehret dem aͤngſt-
lichen Geſtehn den leichten Ausdruck, iſt fuͤr
dieſen Philander ſchier zu hoch, und das Einſchieb-
ſel, daß ſie, ſo bald ich mich erklaͤret, fliehen
werde, macht dieſelbe noch um etwas dunkel und
verworren. Aber die Anmerkung; ich ſeh ver-
ſchaͤmt in Hut, iſt recht mahleriſch.
Das ſiebende St. hat die Aufſchrift: Kurzer
Erweis, daß ſich alle Studierende eine hiſto-
riſche Erkaͤnntniß von guten Kuͤnſten und
Handwerken zuwegebringen muͤſſen. Der
ganze Erweis beruhet auf folgenden Sazen:
„Al-
„le
[159]von gelehrten Schriften.
„le gelehrten Leute muͤſſen Philoſophen ſeyn; we-
„nigſtens muͤſſen ſie in der Naturlehre keine Fremd-
„linge ſeyn: Die Kunſt hat mit der Natur ei-
„nerley Abſichten, und beyde machen die herrli-
„chen Eigenſchaften Gottes kund: Ergo muͤſſen
„alle Studierende ſich von Kuͤnſten und Handwer-
„ken wenigſtens eine hiſtoriſche Erkaͤnntniß zuwe-
„gebringen.„
Es iſt wohl zu bedauren, daß
der praͤchtige Nahme eines Erweiſes von einem je-
den Schul-Regenten entweihet wird, ſeinem ver-
worrenen Gewaͤſche ein Anſehen zu machen. Jn
der Ausfuͤhrung dieſer angenommenen Grundſaͤze
koͤmmt noch manches vor, welches von demſelben
Gelichter iſt: Als, wenn der Verfaſſer bey Anlaß
des erſten Grundſazes erweiſet, daß auch die Phi-
loſophen Philoſophen ſeyn muͤſſen Bl. 74.
„Von
„den insbeſondere ſogenannten Weltweiſen darf
„ich nichts erwaͤhnen; weil der Nahme die Sa-
„che an ſich ſelbſt unmittelbar bezeichnet.„
NB.
Dieſes iſt Saͤchſiſchdeutſch. Ferner wenn er Bl.
76. folgenden Schluß machet, auf welchen er ſei-
nen dritten Grundſatz gebauet hat:
„Was die
„Menſchen durch die von Gott verliehene Kraͤfte
„zur Nothdurft, Bequemlichkeit, und zu ihrem
„Vergnuͤgen erfinden, das iſt eine goͤttliche Ab-
„ſicht. Ergo ſind alle Kuͤnſte und Handwerke
„Abſichten und Erfindungen Gottes: Wir muͤſ-
„ſen ſie nicht anders anſehen, als Ausfluͤſſe des
„goͤttlichen Verſtandes. ꝛc.„
Jch wollte nicht
gerne ſagen, daß die Kunſt Spiel-Charten zu ma-
chen, das Seil-Tanzen ꝛc. in den goͤttlichen Abſich-
ten gegruͤndet waͤren, wenn ſie ſchon durch des Men-
ſchen Kraͤfte moͤglich ſind, und zu ſeinem Vergnuͤ-
gen
[160]Nachrichten
gen gebraucht werden. Aber der Verfaſſer mag
wohl nicht nachgedacht haben, wie weit dieſer an-
genommene Satz fuͤhrt: Alles was durch die
menſchlichen Kraͤfte moͤglich iſt, und zu des
Menſchen Vergnuͤgen gereichet, iſt der goͤttli-
chen Abſicht gemaͤß, ja ein Werck Gottes; ſonſt
wuͤrde er ihn wohl nicht zum Grunde ſeines Erwei-
ſes geleget haben. Dergleichen Erweiſe wuͤrden
ſich beſſer in eine Sammlung von Schuluͤbungen,
als unter die Meiſterſtuͤke des deutſchen Verſtan-
des und Witzes ſchiken.
Jn dem 6ten und letzten Bogen ſind noch vier
kleine Stuͤke enthalten, von denen ich bloß den
Titel herſezen will. Das erſte iſt eine Fabel,
der Schaͤfer und die Sirene: Wo die Ausbil-
dung gluͤcklicher iſt, als die Erfindung. Das
zweyte iſt ein Briefwechſel zwiſchen einer Manns-
perſon und einem Frauenzimmer, warum
man dem ſchoͤnen Geſchlechte nur in einer ar-
tigen Kleidung gefaͤllt. Das dritte iſt eine
Abbildung der Jugend in vier Strophen. Und
das letzte eine Nachricht von denen im vorigen
Monate in Leipzig aufgefuͤhrten Schauſpielen,
von ꝛc. ꝛc. Ein aufgeweckter, aber dabey etwas
leichtſinniger Kopf hat, nachdem er dieſen Auszug
geleſen hatte, den Einfall gehabt, dieſe Monat-
ſchrift wuͤrde in Abſicht auf die meiſten Stuͤke mit
beſſerm Recht den Titel fuͤhren koͤnnen: Die
MENSESder deutſchen Muſen zur allgemei-
nen Beluſtigung aufgefaſſet von M. Johann
Joachim Schwabe.
Das
[161]
Das Complot der herrſchen-
den Poeten u. Kunſtrichter.
DAs Papier war ſo wolfeil geworden, und
die Preſſen hatten ſich ſo ſtarck vermeh-
ret, daß ganz Deutſchland von Schriften uͤber-
ſchwemmt ward, worinnen keine Erfindung,
kein Nachdruck, kein Affect, keine Ordnung war.
[Crit. Samml. III. St.] LDie
20
[162]Das Complot
Die Gedanken waren falſch, und der Ausdruk
platt. Niemand lief in Gefahr, der etwas druͤ-
ken ließ, denn man las ohne Geſchmak, und
es war kein Richter in dem Lande, der die poe-
tiſchen Uebelthaͤter zur Straffe gezogen haͤtte.
Sie bildeten ſich ſehr viel darauf ein. Sie
waren uͤberredet, daß ein jeder unter ihnen
der groͤſſeſte Dichter ſeiner Zeiten waͤre; und
viele hatten ſich durch ihre Schmeichler vor-
ſagen laſſen, daß ſie noch etwas mehr als aus
allen griechiſchen und roͤmiſchen Poeten zu-
ſammengeſchmolzene groſſe Geiſter waͤren.(A)
Sie vergoͤtterten einander wechſelsweiſe, und
dieſe heuchleriſche Hoͤflichkeit hatte ſie ſammt-
lich eingeſchlaͤfert. Alles was ſie ſangen,
mußte recht ſeyn, und die elendeſten Knit-
telreime fanden ihre Liebhaber.(B) Wenn
man ihnen glaubete, ſo konnten ſie des Ge-
ſchmakes nicht verfehlen. Denn ſie ſagten, der
Geſchmak waͤre Verſtand, der von dunkeln Sa-
chen ohne Erkenntniß nach der bloſſen Empfin-
dung
(*)
[163]der herrſchenden Poeten.
dung urtheilte; wenn er denn zufaͤlliger Weiſe
der Wahrheit gemaͤß urtheilete, ſo waͤre es gu-
ter Geſchmak, wofern er ſich betroͤge, waͤre es
ſchlimmer.(C) Und weil ſie ſich allemal uͤber-
redeten, daß ſie gluͤklich geurtheilet haͤtten, ſo
ſchrieben ſie ſich allezeit den geſchikten und guten
Geſchmak zu. Sie ſezten einen Tax von Lob
auf ihre Werke, der mehr als tyranniſch war.
Wer ſich weigerte denſelben abzutragen, dem lieſ-
ſen ſie nicht fuͤr einen Heller Verſtandes uͤbrig.
Wernicke hatte in ſchweren Tagen und unter
einer Welt voll Pfuſcher die Rechte der goͤtt-
lichen Critik hervorgeſucht und verfochten, aber
er ward zur Straffe in die unterirdiſchen Gewoͤl-
ber des hamburgiſchen Doms zu Spierings Mak-
latur geworffen, wo er des Tageslichts bis auf
unſre Zeiten beraubet geweſen. Es ſchien die
Goͤttin der Beurtheilungskunſt haͤtte die Deut-
ſchen ihren eigenen verkehrten Wegen uͤberlaſſen,
und ſuchte ſich keine Ehre von ihrer Urtheilskraft.
Doch nach manchem Umlaufe der Jahre und
Zeiten erinnerte ſie ſich der Germaniſchen Na-
tion und warf ein mitleidiges Auge auf dieſelbe.
Es ſchmerzete ſie, daß ungehirnte Koͤpfe ein Recht
ausuͤbeten, nicht nur ungetadelt dumm zu ſeyn,
ſondern fuͤr ihre Thorhe ten noch Lob und Beyfall
einzufodern. Sie beſchloß ihren Nahmen auch
in dieſem Lande bekannt zu machen, und ihre
gerechten Gerichte uͤber dieſe Stuͤmper zu ſchiken.
Sogleich bemerket ſie ſich an der baltiſchen See
L 2einen
[164]Das Complot
einen durchdringenden und unverzagten Geiſt;
der zum Denken Freyheit, und zur Ausbildung
der Gedanken Scharfſinnigkeit und Munterkeit
fuͤgete. Denſelben unterrichtete ſie, daß er das
Recht der Menſchen die Schriften andrer Men-
ſchen zu beurtheilen, durch buͤndige Lehrſaͤze be-
hauptete, und ſie ſpizete ihm die Einfaͤlle, daß
er den Deutſchen einen Geſchmak an der Cri-
tik beyzubringen, die kleinen Geiſter in allen Ar-
ten von Schriften auf die Hechel ſezete. Er ſtellte
ſich insgemeine an, als wann er der geheimeſte
Freund der Stuͤmper waͤre, er verſah ihre Gedan-
ken mit Wiz und ihre Sprache mit Ordnung, aber
zu ihrer lebhafteſten Verſpottung. Die dunkelſten
unter denſelben wußte er ſo hoch zu erheben,
und die angeſehnſten ſo tief zu erniedrigen, daß
ſie auf einen gleichhohen Grad der Vortrefflich-
keit zu ſtehen kamen. Er geiſſelte die unbe-
kannteſten, wenn es die beruͤhmteſten empfin-
den ſolten; Philippi mußte die Schultern dar-
ſtrecken, wenn Schottged geſuͤndiget hatte. Die
Goͤttin bedekete ihn mit ihrem Schilde, daß er
mit offener Bruſt einhergieng, und ihm weder
die Macht bloͤder Herren, noch die Scheinheilig-
keit dummer Prieſter auf den Leib kommen konn-
ten. Neben dieſem kannte ſie an dem andern
Ende Deutſchlands unter den freyen und eben
darum natuͤrlichen Einwohnern Helvetiens ein
Paar Freunde, die ihr von Jugend auf aufge-
wartet hatten; auch dieſelben ruͤſtete ſie mit ih-
ren Gaben aus, und beſtellte ſie zu ihrem Dien-
ſte. Sie befahl ihnen abſonderlich, daß ſie die
deut-
[165]der herrſchenden Poeten.
deutſche Welt unterweiſen ſollten, wie ihre Herr-
ſchaft nicht auf die willkuͤrlichen Ausſpruͤche eines
deſpotiſchen Geſchmakes gegruͤndet waͤre, welche
niemand beſtimmen kan, und ein jeder vor un-
betruͤglich ausgiebt: Wie dasjenige, was ſie
vor ſchoͤn und angenehm anpreiſe, nothwendig
ſo waͤre, weil es ſeinen Grund in der Natur
des Menſchen haͤtte; wie ſie denn daſſelbe aus
ſolcher herleitete, und die Grundregeln der Kunſt
auf dieſen Grund auffuͤhrete. Sie folgeten ih-
ren Eingebungen, und legten das Schoͤne, das
in der Uebereinſtimmung mit dem Gemuͤthe des
Menſchen gegruͤndet iſt, zum Grund ihrer cri-
tiſchen Regeln. Dieſes entdeketen ſie hernach
nicht allein in derjenigen Form, da es ſich durch
haͤftige Reizungen empfindlich machet, ſondern
ſie giengen ihm auch in denen Faͤllen auf die Spur,
wo ſeine Eindruͤke durch die verkehrte Anfuͤh-
rung, die Rohigkeit, Dummheit, Boßheit,
verhindert, geſchwaͤcht, oder gar verderbt wer-
den. Die Goͤttin wollte, daß ſie nach dieſem
den Urtheilsſtab in die Hand naͤhmen, und nie-
manden ungeſtraft thoͤrigt ſchreiben lieſſen, keine
Sammlung von Mißgeburten hirnloſer Saͤnger
aus Ober- und Niederſachſen ſollte kuͤnftig ans
Licht treten, die nicht fuͤr ihr Gerichte gezogen
wuͤrde, auch die Poeten, die doch von andern
fuͤr Koͤnige des Helicons ausgeſchrien wuͤrden, ſoll-
ten von ihnen vorgefodert werden.
Greibertin und Merbod, alſo hieſſen die bey-
den Beamtete der Beurtheilungskunſt, folge-
ten den Trieben der Goͤttin in allen Dingen.
L 3Nicht
[166]Das Complot
Nicht ohne einen gluͤklichen Fortgang. Sie ward
bey der Nation bekannt. Man fieng hier und dar
an, ſie zu verehren; ihre Geſetze wurden einge-
fuͤhret. Man ſchrieb mit Verſtand, nach Plan
und Abſicht, und man las mit einem ſichern Ur-
theile. Der herrſchende Geſchmak erſchrak dar-
uͤber, er ſah ſeinen Untergang vor Augen, wenn
er dieſe Bemuͤhungen nicht in ihrem Anfange
unterdruͤkete. Alſobald legete er ſeine Sorgen
Schottgeden in die Gedanken, ſeinem arbeitſa-
men Lieblinge, der vordieſem durch ſeine Ein-
gebungen den Unwiz in Kunſtregeln verfaſſet,
und die Regeln mit ſeinen eigenen Exempeln er-
klaͤrt hatte. Er redete ſo feines Deutſch, daß ſeine
Ausdruͤke an Gedanken reich ſchienen, ob ſie gleich
nicht eine Unze derſelben in ſich hatten. Alle
ſein Wiz war lauter Gluͤk, und keine Frucht
der Vergleichung oder Uebereinſtimmung. Wenn
er ſeine Reden herſagte, uͤberwelzte er die Wor-
te mit einer Geſchwindigkeit, welche ihnen ein
ſanftes und flieſſendes Weſen mittheilete, das ih-
nen nicht eigen war.(D) Die Worte liefen
ſeinem Beduͤrfniß zuvor, und ſtellten ſich in Ver-
ſen oder Proſa in Ordnung, mittelſt gewiſſer
Springfedern der hochdeutſchen Mechanik, nicht
anderſt als die Dreyfuͤſſe des Vulcanus Geiſt und
Leben
[167]der herrſchenden Poeten.
Leben in ihnen ſelber hatten, und vor ſich ſelbſt
zu rennen kamen, wenn Homer ſie zu den Ban-
keten der Goͤtter noͤthig hatte. Die Unruhe, in
welche ihn der Abgott geſezet hatte, machte ihm
eine ſchlafloſe Nacht, er waͤlzte ſich von einer
Seite auf die andre, indem er ſich mit tauſend
Sorgen ſchlug, wie wenn Perrault einen fetten
Laͤmmerbraten bey einem groſſen Feuer beſtaͤndig
umwendet, und aus Hunger verlanget, daß er
bald moͤgte gahr werden; alſo kehrete Schottged
ſich von einer Seite auf die andere voll inner-
licher Angſt, und uͤberlegete bey ſich die Gefahr,
welche dem herrſchenden Geſchmak uͤber dem
Haupt ſchwebete, und die Mittel, wie dieſelbe
noch moͤgte abzuwenden ſeyn. Die weiſe Mus-
kul lag ihm in einem ruhigen Schlaffe zur Seite.
Beyde trieb ſeit vielen Jahren ein Geiſt; ein
gleicher Sinn herrſchete in ihren Koͤpfen, und
ein langer Umgang hatte ſie faſt ſo vertraut
gemachet, als Hercules und Jole, Theage-
nes und Chariclea, Medor und Angelica vor
Zeiten geweſen. Dieſe geſchikte Freundin be-
wunderte ihren Freund, ſo wie dieſer ſie ver-
ehrete. Nicht anders, wie die Naturkuͤn-
diger lehren, daß nicht nur der Magnet das
Eiſen, ſondern auch das Eiſen den Magnet
mit einer unſichtbaren Gewalt nach ſich zieht,
wenn die Sphaͤren ihrer Wirkſamkeit einan-
der beruͤhren; alſo waren auch dieſe beyden
verbunden, ſo daß weder ſie ohne ihn, noch
er ohne ſie leben konnte.(E) Sie erwachete
L 4von
[168]Das Complot
von ſeinem Winſeln, nahm Theil daran, und
fragte ihn um die Urſache deſſelben.
Du wareſt ſonſt nicht gewohnt, ſagte ſie, dich
lange mit Nachſinnen zu plagen, woher du neue
Gedanken zu einem Gedichte nehmen, oder in was
vor Bilder du dieſelben einkleiden, und wie du ſie
in ein zuſammenhangendes Gewebe ordnen woll-
teſt. Die Verſe kamen dir ohne eine muͤhſa-
me Ueberlegung, du durfteſt nicht warten, daß
eine von den neun Muſen ſie dir zu Ohren braͤch-
te. Es muß ein auſſerordenliches Begegniß ſeyn,
was Gedanken bey dir verurſachen kan.
Er gab ihr mit einem ſanſtflieſſenden Seuf-
zer zur Antwort.
Freylich ſchrieb ich bisdahin mit aller Gemaͤch-
lichkeit. Die Einfaͤlle kamen mir ohne daß ich
ſie ſuchte, ohne daß ich ſelbſt wußte, wie ſie ka-
men, und woher ſie entſtunden, oder warum ſie
da waren, ich fand ſie insgemeine am Schluß-
worte der Zeilen. Die Worte paareten ſich mit
dem erſten Gedanken, den ſie erhaſchen konnten.
Alle Arbeit beſtuhnd in dem Sylbenmaaſſe, dem
Abſchnitte, und den Reimen(F); und dieſe
war noch mit Arbeitſamkeit und Hamans Lexi-
con
(E)
[169]der herrſchenden Poeten.
con zu uͤberwinden. Auf dieſe Weiſe bracht ich
Oden und Geſaͤnge, Satiren, Elegien, und
Schaͤfergedichte an den Tag; ich verfertigte Lehr-
buͤcher und Kunſtſchriften, in welchen ich den deut-
ſchen Poeten die Seyten ſtimmete, ich lobete die,
ſo mich verehreten, ich ſchmaͤhete auf die, ſo mich
tadelten, ich machte mich denen zum Schreken,
die mich nicht liebeten. Aber dieſes ſoll izo ein Ende
nehmen. Oder weiſſeſt du nicht, was vor erboß-
te Zuchtmeiſter von den beſchneyten Alpen
heruntergeſtiegen kommen(G), was vor har-
te Geſeze der Erfindung, des Wahrſcheinlichen,
des Neuen und Wunderbaren, der Einheit, der
verknuͤpften Abſichten ſie dem Verſe aufdringen
wollen, ſolche Dinge, die in keinem Woͤrterbuch
angetroffen, und in keinem Regiſter aufgeſchlagen
werden; ſieheſt du nicht, wie ſie in unſern Buͤ-
chern herumpoltern; ſie fuͤhren ihre Cenſuren
uͤber Todte u. Lebende. Die Verſtorbenen zwar
etwas unparteyiſch zu beurtheilen, das koͤnnte
doch einem jeden Critikverſtaͤndigen frey ſte-
hen, denn dieſen ſchadet ein freyes Urtheil
von ihren Schriften nicht mehr.(H) Aber
die Jztlebenden, die es noch fuͤhlen und empfin-
L 5den,
[170]Das Complot
den, durch die Muſterung paſſiren zu laſſen, iſt
wahrhaftig zu ſcharf. Sie machen ſich eine Pflicht
auch die Fehler zu ruͤgen, die ſie in den Schriften
ihrer beſten Freunde entdecken. Aber was recht
thoͤrigt iſt, ſie loben etwas ſchoͤnes in den Wer-
ken eines Menſchen, der ihnen nicht gut iſt, recht
herzlich. Mich ſtellet weder mein erlangter Nah-
me, noch das Anſehn und Schreken meiner Fe-
der, vor ihnen ſicher, daß ſie nicht mit kuͤhnen
Augen in meine beruͤhmteſten Gedichte hineinſe-
hen, und die Fleken darinnen mit der groͤſſeſten
Kaltſinnigkeit wahrnehmen. Das machet mich
unruhig, und reibet mir den Schlaf aus den Au-
gen. Das ſchlimmſte iſt, daß ſie hier und dar Ge-
hoͤr finden. Jch ſehe, wie die Critik ſich ein neu-
es Reich in unſerm Reiche ſtiſtet, und dieſes ſeit
der Zeit, daß Silcow ihr zuerſt in Deutſchland
einen Altar erbauet, und ihr Menſchen, Sie-
vers, Rodigaſten, und Philippi, zum Opfer ab-
gewuͤrget hat. Wie ſtuͤhnde es mit mir, wenn
er mich dieſen beygeſellete? Er hat eben nicht Ur-
ſache, mit mir wol zufrieden zu ſeyn. Und wie,
wenn Dornhage auf mich loszoͤge, dem es nicht
gefallen kan, daß ich ſein Lob mit meines Freun-
des Steppo vermiſchet habe? Ein franzoͤſiſcher
Pralhans iſt wuͤrklich aufgeſtanden, und hat die
Frechheit gehabt, mir und dem ganzen geiſtrei-
chen
(H)
[171]der herrſchenden Poeten.
chen Deutſchland hohnzuſprechen. Jch bekenne die
Schweizer ligen mir hart auf dem Naken, und ich
weiß mir nicht zu rathen. Soll ich meine eige-
nen Regeln widerruffen, die ich aus meinen Fin-
gern herausgeſogen habe; die ſo mechaniſch ſind,
daß man weder Kopf noch Geiſt zum ſchreiben
noͤthig hat; ſoll ich ſie um andere vertauſchen,
die ganz theoretiſch und ſpeculatif ſind, wozu Na-
turell, Talent uud Schoͤpfungskraft, erfodert
werden?
Seine geſchikte Freundin richtete ihn mit troſt-
vollen Worten auf.
Aengſte dich nicht ohne Noth, mein Freund,
es iſt noch lange nicht an dem, daß die Deutſchen
von den Schweizern werden lernen wollen, wie
ſie ſchreiben ſollen. Sie werden es lieber von dir
lernen: Sie haben die erſten Eindruͤke ſchon von
dir empfangen. Deine Art zu denken, deine Ver-
ſtandes- und Einbildungskraͤfte ſtimmen mit ihrer
Faͤhigkeit, mit ihren Gemuͤthesgaben, am beſten
uͤberein. Es iſt keine ſo leichte Sache, ihnen den
Kopf in ein anderes Gelenke zu ſezen. Sie koͤn-
nen ſich von dem Ergezen nicht ſo leicht entwoͤh-
nen, das ihnen gelaͤuftig iſt. Wer hat mehrere
und ſtaͤrkere Proben von ihrer Geduld in Haͤnden,
als du ſelber in dem Beyfall findeſt, den ſie deinen
Schriften noch taͤglich geben, dieſer iſt dir da-
vor gut, daß ſie von den Schweizern noch nicht
bekehret worden. Erinnere dich auch, wie du ſie
in dem Biedermanne mit einer Fabel und ein paar
ſpoͤttiſchen Ausdruͤken zuruͤkgewieſen haſt. Sil-
cow haͤtte laͤngſt Anlaß gehabt, dir eines zu ver-
ſezen,
[172]Das Complot
ſezen, wenn er Luſt dazu gehabt, oder ſich dein
erinnert haͤtte. Dornhagen zu beguͤtigen, will
ich auf mich nehmen. Dem franzoͤſiſchen Groß-
ſprecher ſetze Riccoboni entgegen, der ſich um die
ganze deutſche Nation ſo verdient gemacht hat,
indem er den Franzoſen die bittere Wahrheit ge-
ſagt, daß die Deutſchen eben ſo wol und richtig
denken koͤnnen, als ſie, welches ihm jedermann wird
eingeſtehen muͤſſen, nachdem er es mit deinen
Schriften erwieſen hat.(I) Endlich kanſt du
dich damit ſtaͤrken, daß deine Ehre an die Ehre
ſo vieler andern Scribenten gebunden iſt. Du
kanſt nicht alleine fallen. Dein Fall wuͤrde hun-
dert andrer Fall nach ſich ziehen. Und dieſes fuͤh-
ret mich auf den Gedanken, daß wol der beſte
Rath ſeyn wuͤrde, wenn du die herrſchenden
Poeten Deutſchlandes in einen Synodus zuſam-
men beriefeſt, damit ſie gemeinſchaftlich berath-
ſchlageten, mit was vor Mitteln ſie die neue
Dichtkunſt unterdruͤken, und den herrſchenden
Geſchmak beym Anſehen erhalten wollten.
Dieſer Zuſpruch beſaͤnftigte die unſchluͤſſigen
Bewegungen in Schottgeds Bruſt; er beſchloß
bey ſich, dem Weiberrath zu folgen. So bald
der
[173]drr herrſchenden Poeten.
der graue Morgen den Tag wiedergebracht,
ſetzte er ſorgfaͤltige Mahnungsſchreiben an die
vornehmſten Haͤupter der Dichter in den poeti-
ſchen Provinzen Deutſchlandes auf; worinnen
er die Gefahr, ſo uͤber ihnen ſchwebete, aͤngſt-
lich vorſtellete, und ſie bat, daß ſie mit ihm auf
Tiberkopfs Parnaſſe in einen Synodus zuſam-
mentreten wollten, der an St. Ulrichs Abend
in den geheimen Schatten der mitternaͤchtlichen
Stunden ſollte gehalten werden. Goͤniken lud
er nicht ein, er hielt ihn ſtark im Verdacht,
daß er den Schweizern insgeheim guͤnſtig waͤre,
weil ſie die Schoͤnheiten ſeines Auguſts im La-
ger mit willigerm Herzen gelobet, als deſſelben
Fehler getadelt hatten. Goͤnik war in der That
mit ihnen nicht uͤbel zufrieden. Er wußte daß
man Leute, deren Faͤhigkeit man nur fuͤr
mittelmaͤſſig haͤlt, ſchon lobt, wenn ſie ihre
Sachen nur nicht ſchlecht machen: Aber von
wem man ſich eine groͤſſere Staͤrke vermu-
thet, dem nichts ſchenket, bis er vollkommen
iſt.(K) Sie erſchienen alle an dem anberaum-
ten Abend in voller Anzahl. Hundert und mehr
Soͤhne des herrſchenden Geſchmaks, und je-
der war ein Dichterkoͤnig, jeder war maͤchtig ge-
nug die Monarchie ſeines Vaters zu regieren,
und der goͤttlichen Critik ſeiner Feindin zu wie-
derſtehen. Korbs alleine blieb daheim, weil er
den Ruhm, ſo er fuͤr den kleinern Theil ſeines
Jrdiſchen Vergnuͤgens empfangen hatte, vor ei-
nen
[174]Das Complot
nen reichen Erſatz des Tadels hielt, ſo auf den groͤſ-
ſern Theil gefallen war. Mit ihnen kam ein ſtar-
kes Gefolge von Buchhaͤndlern, Buchdruͤkern,
Journaliſten, Zeitungsſchreibern, Kupferſtechern,
Holtzſchneidern, und andern Handlangern, die
ihnen iu der Verarbeitung ihrer Werke beyge-
ſtanden waren, und zu deren Aufnahme eben ſo
viel als ſie ſelber beygetragen hatten. Doch wur-
den ſie nicht in den groſſen Verſammlungsſaal ein-
gelaſſen, ſondern mußten ihren Herren in dem Vor-
gemach auf den Dienſt warten. Sie ſezten ſich
auf Baͤnke, aber Schottged nahm ſeinen Sitz
auf einer Catheder. Der Anblik ſo vieler groſ-
ſen Maͤnner, des Ausbundes der Geiſter Deutſch-
landes, die ihn theils bewunderten, theils fuͤrch-
teten, hatte ihn mit Stolz und Muth erfuͤllet;
er eroͤffnete die Urſache dieſer Zuſammenkunft mit
folgenden Worten.
Niemand unter euch, herrſchende Poeten,
wird mir dieſen hoͤhern Sitz mißgoͤnnen, der be-
denket, daß der foͤderſte Rang mich nur zufoͤ-
derſt ſtellet, wo die ſpitzigen Pfeile der Critik, die
wir in reinem Deutſch Schmaͤhſucht und Zank-
luſt heiſſen, von allen Seiten auf mich losgedruͤkt
werden. Jch habe dieſen Sitz auch nur darum
ſo dreiſt eingenommen, damit ich mit meiner Bruſt
die Stiche und Schlaͤge auffienge, die einem an-
dern unertraͤglicher ſeyn wuͤrden, welcher nicht
ſo gut als ich mit der Unempfindlichkeit, wie mit
einem Panzer von dreyfachem Ochſenleder bewap-
net waͤre. Bisdahin haben wir unſre Schrif-
ten nach Regeln verfertiget, welche wir ſelbſt ge-
macht
[175]der herrſchenden Poeten.
macht hatten; unſer Gehorſam gegen dieſelben
war freywillig, wie der Grund, worauf ſie ge-
bauet waren, nur unſre Willkuͤr und freyer un-
gebundener Wille war. Der Maßſiab des Schoͤ-
nen und Angenehmen lag in unſerer Empfindung,
und dieſe ward von unſern eigenen Affecten und
keiner anderer Menſchen erweket. Daran hatten
wir unſer Vergnuͤgen; wir fanden unſer Gluͤck
bey uns ſelbſt, und hatten nicht noͤthig, es an et-
was fremdes auſſer uns zu binden. Wir hatten
das Lob, den Ruhm, den Beyſall und die Be-
wunderung in unſrer Gewalt, und theilten ſie mit
freyem Willen denjenigen aus, die uns eben ſo
viel davon zuruͤkgaben. Kuͤnftig ſoll dieſes alles
aufhoͤren. So ſcheinet es. Denn man will uns
eine neue Dichtkunſt, neue Regeln deſſen, was
ſchoͤn, angenehm, geiſtreich, neu und wunder-
bar heiſſen ſoll, auferlegen. Nach dieſen Geſe-
zen will man uns richten, in die wir doch nie-
mals gewilligt haben. Man meint ſie zwar da-
mit zu behaupten, daß ſie aus der Natur der
Menſchen, und der Dinge hergeholet waͤren,
und daß ſie ſicher zu dem wahren Endzwek der
Poeſie fuͤhrten. Aber was thut es uns, daß
ſie aus der Natur des Menſchen hergeleitet wor-
den, nachdem ſie nicht aus unſrer Natur her-
genommen ſind? Und daß dieſes nicht ſey, giebt
uns unſre Abneigung dagegen, gnugſam zu ver-
ſtehen. Fuͤr den Endzwek der Poeſie ſind uns
unſre Regeln auch gut genug; maſſen wir aus
der Erfahrung wiſſen, daß unſre Leſer ſich an
denen Schoͤnheiten, die ihren Urſprung unſrem
freyen
[176]Das Complot
freyen Willen zu danken haben, beluſtigen, daß
ſie in unſern Gedichten finden, was ſie darinnen
ſuchen; daher wir zu gleicher Zeit auch unſre
Abſicht dabey erreichen, allermaſſen ſie uns fuͤr
Lieder, Haͤuſer und Guͤter, Aemter und Wei-
ber, geben. Das ſind die Sachen, die izo auf
dem Spiel ſtehen, und es iſt um dieſelben ge-
ſchehen, wenn wir die Herrſchaft verlieren;
wenn wir uns des willkuͤrlichen Urtheiles von
dem, was Geſchmak ſey, berauben laſſen; wir
muͤſſen dann den Beyfall, den wir bisdahin un-
ter uns getheilt hatten, bey andern ſuchen, wel-
che nicht geneigt ſind, uns denſelben zu geben,
oder doch den theuren Preis darauf ſetzen, daß
wir ihn durch die Beobachtung ihrer ſchweren
und uns unertraͤglichen Regeln gewinnen muͤſ-
ſen. Koͤnnen wir dieſes nicht, ſo werden ſie uns
durch ihre critiſchen Ausſpruͤche, alle Schoͤnheit,
allen Witz abſprechen. So viel Witzes, Geiſtes,
Geſchmakes ſie dann uns wegnehmen eben ſo viel
muß ihnen als ein Erb von uns zufallen. Jch
kenne euch beſſer als daß ich fuͤrchten ſollte, ihr
wuͤrdet euern ungelenkigen Geiſt unter dem Jo-
che der Critik biegen koͤnnen; euer Eifer fuͤr
den herrſchenden Geſchmak, der vielmehr un-
ter eurer, als ihr unter ſeiner Herrſchaft, ſtehet,
geſtattet es euch nicht: Und ihr habet noch Mu-
thes genug, die Hoheit deſſelben mit des Fein-
des oder eurer eigenen Schande zu verſiegeln.
Unſre Gegner ſind voll Haſſes und Stoltzes; ſie
geben und verlangen kein Quartier. Jhr ſehet
und empfindet, wie uͤbel ſie uns ſchon zugerich-
tet
[177]der herrſchenden Poeten.
tet haben. Tirller mag es ſagen, dem ſie neulich
ſo viel Kletten angeworffen haben, daß er damit
gantz behangen nach Hauſe gekommen, wie ein
muthwilliger Bube/(†)der aus Uebermuth
im Unkraute herumgelaufen iſt/ wo es am
dikeſten iſt; die ſorgfaͤltige Mutter rupfet die-
ſelben aus den Struͤmpfen und Falten/ kan
aber in ganzen Stunden nicht damit fertig
werden. Das Gluͤck, das ihnen ein wenig guͤn-
ſtig geweſen, hat ſie unverſoͤhnlich gemacht, Freund
und Feind gelten ihnen gleich, ſie ſchonen weder
Lebendige noch Todte. Niemand iſt ausgedun-
gen. Welcher von uns ſieht ſeinen Nahmen nicht
in ihren beiſſenden Regiſtern; welcher iſt ohne ein
paar Ohrfeigen davon gekommen? Jn dieſer an-
wachſenden Gefahr laſſet uns vor allen Dingen
unſren abſonderlichen kleinen Fehden, womit wir
nur uns ſelber durch innerliche Zertheilungen ſchwaͤ-
chen, einen Anſtand geben, laſſet es Frieden
und Einigkeit unter uns ſeyn, damit wir uns den
verderblichen Anſchlaͤgen unſrer gemeinen Feinde
mit gemeinſchaftlichem Rath und vereinigter Macht
wiederſezen. Wir wollen Lob und Tadel, Eh-
re und Schande, Schoͤnheiten und Fehler, mit
einander gemein haben. Eines Ruhm ſoll Aller
Ruhm, eines Schmach Aller Schmach ſeyn.
Wenn einer getroffen wird, ſollen Alle ſchreyen,
Alle ſollen den Streich empfinden, und raͤchen.
Hierzu wollen wir uns erſtlich mit feyerlichen Cere-
monien verbinden, hernach wollen wir Rath halten,
[Crit. Sam̃l. III. St.] Mmit
[178]Das Complot
mit was vor Mitteln wir dem Feinde am meiſten
Abbruch thun, wie wir ihn unterdruͤken, und die
mit uns gebohrne Freyheit ungetadelt nach unſrem
Kopfe zu ſchreiben behaupten wollen.
Der Vortrag fand ohne Muͤhe bey ihnen Ge-
hoͤr. Der Abgott des herrſchenden Geſchmakes,
der ungeſehen bey ihnen gegenwaͤrtig war, hatte
ihre Gemuͤther gelenket, daß ſie ihm mit allgemei-
nem Beyfall beypflichteten. Sie ſchwuren mit
maͤchtigen Stimmen bey den unſterblichen Wer-
ken derer deutſchen Dichter, vor denen ſich die
Poeten Griechenlands und Roms verkriechen muͤſ-
ſen, bey den furchtbaren Nahmen Moraths, Stel-
pos, und Kirchneus, daß ſie ihren Geſchmack,
der allein unbetruͤglich urtheilete, um keinen Er-
weis, um keine Vernunftsſchluͤſſe, auch um kei-
ne Spoͤtterey der ſatyriſchen Critick aͤndern woll-
ten. Wer die Frechheit haͤtte, von ihren herge-
brachten Regeln abzuweichen, ſie auf die Probe
zu ſezen, oder einen Lehrſatz aus der neuen Dicht-
kunſt anzunehmen, derſelbe ſollte als ein Abtruͤn-
niger von ihrer Gemeinſchaft ausgeſchloſſen, ſein
Nahme aus den Regiſtern der deutſchen Poeten
ausgeloͤſchet, und wenn er in ihrem Gebiethe be-
treten wuͤrde, Kinzen, Nohren, und Mahanen
uͤbergeben werden, daß ſie ihn mit ihren poetiſchen
Schellen zu Tode klingelten.
Alſo verbanden ſie ſich, und zur Bezeugung
ihrer Vereinigung fielen ſie einander gantz liebreich
um den Hals. Es war ſehr erbaulich zu ſehen,
wie Schottged Tirllern mit hertzlicher Zuneigung
auf die Stirne kuͤßte, und dabey bezeugte, daß
er ihn kuͤnftig vor einen Hierarchen in dem Reiche
der
[179]der herrſchenden Poeten.
der deutſchen Poeſie, und vor ſeines gleichen er-
kennen wollte: Dahingegen Tirller ſich eben ſo
guͤtig erklaͤrete, daß er nicht ermangeln wollte,
Schottgeden in ſeinem naͤchſtfolgenden Wercke vor
einen erbaulichen Schriftverfaſſer anzupreiſen, wel-
cher das Gluͤcke haͤtte, ſo wie er, vielmehr
viele, als nur wenige, zu erbauen, obgleich
dieſe nur kluge gelehrte und erfahrne Kenner
ſind; jene hingegen meiſt aus mittelmaͤſſigen
oder gemeinen Leuten beſtehen.(*)
Nach dieſer feyerlichen Handlung rief Schott-
ged mit erhabener Stimme, wer einen guten
Rath zu geben wuͤßte, wie man den ſchweizeri-
ſchen Kunſtrichtern am ſicherſten beykommen, und
den alten wahren deutſchen Geſchmack vor ihren
Anfaͤllen in Ruh und Sicherheit ſezen koͤnnte; moͤg-
te das Wort nehmen, doch einer nach dem an-
dern, und die kluͤgſten zuerſt. Hekenei ſtuhnd
zuerſt auf, der vor dieſem den griechiſchen Longi-
nus gelehret, was er durch das Erhabene, wo-
von er ein Buch geſchrieben hat, verſtanden ha-
be; Schottged hatte ihn vormahls beſchuldiget,
daß er auſſer vielen Schmeicheleyen gegen ei-
nige noch lebende Dichter, und manchen ver-
gaͤllten Cenſuren wider andere, denen ſeine
Schutzgoͤtter nicht wohl gewollt, nicht viel
deutliches zuwegegebracht haͤtte(L): Hinge-
gen hatte Hekenei Schottgeden vorgeworffen, daß
er in der Eintheilung der Schreibart ein Miſch-
M 2maſch
[180]Das Complot
maſch gemacht, wovon kein Menſch den Grund
zu finden wuͤßte(M); ferner, daß er in der Zu-
ſammenſezung der Woͤrter dunkel und unverſtaͤnd-
lich ſey. (N) Sie waren daruͤber in eine aͤrgerliche
Feindſchaft mit einander gerathen. Jzo hatte der
gemeine Feind ſie ſo ſanftmuͤthig gemacht, daß ei-
ner dem andern bekennte, er haͤtte recht gehabt.
Hekenei fieng dergeſtalt an.
Jſt der richtige Verſtand, den ich in der Be-
ſtimmung der Erhabenen, und aller uͤbrigen
Schreibarten gewieſen habe, noch nicht von mir
gewichen, ſo verſichert er mich izo, daß wir die
neuen Kunſtlehrer nur darum zu fuͤrchten haben,
weil ſie geſchrieben haben; haͤtten ſie nicht geſchrie-
ben, ſo duͤrften wir nicht hier ſitzen, und uns in
den Gedanken ſchlagen, wie wir uns bey unſrem
alten Anſehen erhalten wollen; wir duͤrften nicht
fuͤrchten, daß wir des lange beſeſſenen Rechtes
entſezet wuͤrden, das Lob und den Beyfall fuͤr unſ-
re Schriften als eine Gebuͤhr zu fodern: Doch
thaͤte uns das noch keinen Schaden, daß ſie ge-
ſchrieben haben, wofern ſie nur nicht geleſen wuͤr-
den.
Der ſchreibt nicht deſſen Zeug kein Menſch zu leſen pflegt.
Nun wird uns nicht unmoͤglich ſeyn zu machen,
daß ſie ungeleſen bleiben (*). Nichts wird ge-
leſen,
[181]der herrſchenden Poeten.
leſen, was wir nicht anpreiſen, was nicht einen
Paßport, ein Empfehlungsſchreiben, einen Al-
moſenbrief von uns aufweiſet. Nur durch uns
wird die Thuͤre des Lichtes den Schriften aufge-
ſchloſſen. Wir wollen denn dieſe ſchweizeriſchen
Scribenten in den finſtern Gewoͤlbern der Buch-
haͤndler des Tages auf ewig berauben. Wir wol-
len ihr Gedaͤchtniß von der Erden vertilgen. Laſ-
ſet uns unſren Buchhaͤndlern verkuͤndigen, daß nach
gewiſſen zuſammenſtimmenden Zeichen, die von ei-
nem Barden vorgeſagt worden, und nicht mehr
weit von ihrer Erfuͤllung ſind, die ſchweizeri-
ſchen Werke den unſrigen den Untergang dro-
hen. Laſſet uns allen denen, die mit unſren Au-
gen ſehen, und mit unſrem Kopf verſtehen, mit
einem anſtekenden Gifte drohen, wenn ſie dieſe
Buͤcher durchblaͤttern. Durch dieſes Mittel ha-
ben unſre Vorfahren Wenikern in den Staub da-
nieder geleget, welcher ſich mit nicht geringerer
Wuth wieder den Geſchmack Holenſteins und
Waldmannshofaus aufgelehnet hatte, als Mer-
bod und Greibertin ſich wider den unſrigen aufleh-
nen. Jhr koͤnnet ihnen keine groͤſſere Straffe
thun, als wenn ihr ſie ins Vergeſſen verurtheilt,
wie ſie euch zu einem Nahmen verurtheilen wollen.
Sie haben ſelbſt geſtanden, ſie wollten lieber ge-
tadelt, als mit Stillſchweigen uͤbergangen wer-
M 3den.
(*)
[182]Das Complot
den. Es iſt der verdruͤßlichſte Zuſtand fuͤr ſie,
wenn niemand ihrer gedenket. Dadurch werdet
ihr ihnen das Schreiben zugleich niederlegen, die
Spoͤtterey wird bald muͤde, ihren Witz zu ver-
ſchwenden, wenn er nicht empfunden wird. Wie
unvorſichtig, wie uͤbel errathen waͤre es denn,
wenn wir uns mit ihnen ins Schreiben geben wuͤr-
den! Unſre Antwort, unſre Rettung, lieſſe ih-
nen nur unſre Empfindlichkeit ſehen. Und das iſt das,
was ſie vornehmlich ſuchen. Jhr wuͤrdet ihren
Schriften damit eine gewiſſe Wuͤrdigkeit beyle-
gen, die ſie ohnedies nicht haben, ihr wuͤrdet ſie
fuͤr Autores erkennen, die mit euch in einem Rang
ſtuͤhnden, und wie die Welt ſtoltz genug iſt, ſo
duͤrfte ſie wohl einen richterlichen Spruch zwiſchen
euch und ihnen ausfaͤllen, auf den ich es niemahls
wollte ankommen laſſen. Handelt darum vorſich-
tig, und nehmet eurer Wuͤrde wahr. Jhr ha-
bet alles auf dem Spiel, ſie haben nichts darauf ge-
ſezet. Jhr alleine koͤnnet dabey verlieren, ſie koͤn-
nen nur gewinnen. Was ſie verlieren koͤnnen,
ſind nur ungemeſſene Hoffnungen, ſchmeichelnde
Anſchlaͤge.
Nachdem er ausgeredet, ſtuhnd Tirller auf
dir Fuͤſſe, auf welchen er ſich doch kuͤmmerlich hal-
ten konnte. Wie auf Nisrocs Stirne in Mil-
tons verlohrnem Paradieſe, nachdem er aus der
Schlacht im Himmel, trefflich abgemattet, ſein
Kleid uͤbel zerfezet, entronnen war, tiefe Runzeln
eingegraben waren, alſo ſtuhnd Tirller mit einer
umwoͤlckten Mine, und fieng dergeſtalt an.
Mein
[183]der herrſchenden Poeten.
Mein Gott! wie ſo wohl waͤre es mir bekom-
men, wenn ich dieſem Rath gefolget/ haͤtte, wenn
ich die knarrenden Cenſuren der Schweizer vor
ungeſchrieben gehalten haͤtte, wenn ich mit ſtiller
Geduld zugeſehen haͤtte, daß ſie etliche Quartan-
ten gegen meine Schriften und ein eigenes Buch
gegen meine ungluͤcklichen Fabeln herausgegeben
haͤtten. Und haͤtte ich nur die Abhandlung von
der Aeſopiſchen Fabel vor nicht geſchrieben gehal-
ten, ſo haͤtte ich keine Schutzvorrede dagegen auf-
geſezet, und dieſe haͤtte meinen Feinden nicht An-
laß gegeben, mich auf eine ſo unbarmherzige Wei-
ſe zu durchhecheln. Aber ich habe es mit meinen
poetiſchen Suͤnden verdienet, warum habe ich die
Baͤume bey ihren Seelen ſchwoͤren laſſen, wa-
rum habe ich die Maͤuſe einander zu Gevater bit-
ten laſſen? Dergleichen Vermiſchung der fleiſch-
lichen Dinge mit geiſtlichen verdienete eine ſolche
Straffe. Warum wollte ich auch ſcharfſinniger
ſeyn, als mich Gott in ſeiner Gnade gemacht hat-
te? Jch ſollte ihm gedanket haben, daß er
mich mit einer unmaͤſſigen Scharfſinnigkeit
nicht geſtrafet, und mit einem durchdringen-
den feinen Geſchmake verſchonet hatte.(O)
Kuͤnſtighin bin ich gewitziget, und kan izo nichts
M 4beſſers
[184]Das Complot
beſſers thun, als euch mit meinem Exempel zu
warnen, daß ihr der Schweizer und ihrer Dicht-
kunſt mit keinem Worte gedenket, ſie mit keinem
Finger anruͤhret, am allerwenigſten euch in die
Gedanken aufſteigen laſſet, Schriften mit ihnen
zu wechſeln. Ein ſolches weitlaͤuftiges Gewaͤ-
ſche von lauter Kleinigkeiten verdienet keine
Widerlegung. Unnuͤtze Streitſchriften und
unnoͤthige Federkriege, wie gewiß dieſer zu
unſrem beſten nicht noͤthig war, ſind kein Werck
vor Leute, die ihre ohne dem enge Zeit nuͤtzli-
cher anzuwenden gedenken.(P) Jhr wuͤrdet
ſie doch nicht bekehren. Sie ſind unverbeſſerlich,
deliberatâ mente ferociunt. Die Gutherzig-
keit und das Mitleiden haben ſie gantzlich verlaſſen.
Seine Rede ward mit einem Geſumſe aufge-
nommen, welches zu ſagen ſchien, daß ſie Bey-
fall bekommen haͤtte. Dieſes fuͤrchtete Waſchbe,
ein muthiger Juͤngling, der unlaͤngſt Wenelzen,
Morathen, Waldmannshofau, und andre laͤngſt-
verſtorbene Fuͤrſten der deutſchen Poeſie in die ſeich-
ten Thaͤler des Swiftiſchen Bathos geſtuͤrtzt hat-
te. Er haͤtte ihnen auch die Jztlebenden dahin
nachgeſandt, wenn er nicht gefuͤrchtet haͤtte,
daß dieſe ſich noch vertheidigen koͤnnten.(Q)
Er hatte nachgehends eine Abhandlung von der
M 4Beſchaf-
[185]der herrſchenden Poeten.
Beſchaffenheit der verbluͤmten Redensarten,
wenn ſie gut ſeyn ſollen(R), entworffen, aber
ein ungeſtuͤmer Querwind hatte ſie noch vor ih-
rer Geburt in den Limbo der Eitelkeit getragen,
wo ſie mit Schottgeds Entdekungen der Kunſt-
ſtreiche Virgils in der Aeneis(S) im Wirbel
herumflatert, bis ein deutſcher Aſtolfo dahin flie-
get, ſie mit Kabuchs Leid um ſeinen Muffel da-
ſelbſt aufzufangen. Waſchbe ward er in der poe-
tiſchen Goͤtterſprache genannt, in der Saͤchſiſchen
hieß er Schwabe. Er ſuchte den gefallenen Muth
ſeiner Bundsgenoſſen mit dieſen Worten wieder
aufzurichten.
Man wird mir nicht uͤbel nehmen koͤnnen, herr-
ſchende Dichter, wenn die Hertzhaftigkeit dieſer
beyden ſonſt nicht unvernuͤnftigen Leute, die zu ei-
nem ſtillen und ſchlaͤgefaulen Leiden rathen, in
ein ziemlich ſchlechtes Anſehen bey mir koͤmmt.
Man daͤchte, daß die unblutigen Stiche, die
Tirller empfangen hat, ihn nicht auf ſeine bloſſen
Fabeln, ſondern auf die Haut getroffen, und bis
in das Hertz durchgedrungen haͤtten. Sie ent-
ſtuhnden doch nur von Worten, und Worte wer-
den ohne Wundtranck und Pflaſter mit Worten
geheilet, woran wir einen reichen Vorrath ha-
ben. Wollen wir den ſchweizeriſchen Tadlern An-
laß geben, mit einem groſſen Scheine zu ruͤh-
men, daß ſie uns mundtod gemacht haben? Dann
wird ſich niemand mehr ſcheuen, auf uns, als
M 5todten
[186]Das Complot
todten Hunden herumzuſpringen. Allein ob wir gleich
gerne leiden und ſchweigen wollten, ſo iſt es zu ſpaͤ-
te. Wir haben ſchon geſchrien, und den Mund
nur zu weit aufgethan. Wir haben ſchon durch
unſer Winden und Kruͤmmen verrathen, daß wir
nicht unempfindlich ſind, die Zeichen unſers ver-
wundeten Gemuͤthes ſind in unſern Minen hervor-
geſtiegen. Die boͤſe Welt hat es wahrgenom-
men, und die Schriften, die uns ſolche Unge-
behrden verurſachet haben, begierig aufgeſucht. Al-
ſo iſt es umſonſt ihr Gedaͤchtniß zu unterdruken.
Jhr Nahme iſt zu weit erſchollen. Wir koͤnnen
ihn nicht tilgen: Aber wir koͤnnen ihn wohl auf
die Weiſe noch beruͤhmter machen, wie die Nah-
men Heroſtratus, Mahometh, Spinoſa, beruͤhmt
ſind. Zu dieſem Ende iſt zwar nicht nothwendig,
daß wir ihnen Schriften um Schriften, Lehrſaͤze
um Lehrſaͤze zuſchiken. Wir haben weder Zeit
noch Gelegenheit beſondere Buͤcher wieder ſie
zu ſchreiben; Jch insbeſondere brauche mei-
ne Haͤnde weiter, als daß ich ſie wegen
fremder Thorheiten lahm ſchreiben ſollte. Und
ich huͤte mich davor ſo ſehr, als die frommen
Buhlſchweſtern des Sonntags vor den Hin-
derniſſen des Kirchengehens(T). Die Din-
ge, die nicht nach unſrem Kopfe ſind, wiederlegen
ſich von ſich ſelbſt. Es iſt ſchon genug, daß wir
ihren Vorſatz, von dem Jnnerlichen abgeſondert,
in kurzen Anmerkungen anſchwaͤrzen; ſie haben
ſich
[187]der herrſchenden Poeten.
ſich ſchon wieder uns verſuͤndiget, ſie haͤben uns
ſchon nach unſrer Ehre gegriffen, als ſie ſich nur
in die Gedanken kommen laſſen, in unſren Schrif-
ten falſche Begriffe, Plattheit, oder Schwulſt,
zu entdeken. Sie verdoppelten die Suͤnde, als
ſie die Frechheit gehabt haben, unſre Schande
der ganzen Welt zu offenbaren. Und dieſe Suͤn-
de, die ſo ſchon ſo verdammlich war, haben ſie
dnrch die Art und Umſtaͤnde, womit ſie dieſelbe
begleitet haben, noch verdammlicher gemacht. Al-
ſo haben wir ſchon Zeuges genug, ihr Gedaͤchtniß
ſchwartz zu machen, ohne daß wir noͤthig haben,
uns mit ihnen ins Controversſchreiben zu geben;
und aus gruͤndlich befeſtigten Grundſaͤzen zu erwei-
ſen, das Poſſierliche, das Platte, das Froſtige,
das Schwulſtige in unſren Schriften ſey ernſt-
lich, geſetzt, lebhaft, erhaben. Jch erkenne
auch, daß dergleichen Entſchuldigung uns nicht
anſtuͤhnde; es geziemt uns nicht, daß wir uns
vor ihren Gerichtesſtuhl, als Beklagte und Uebel-
thaͤter ſtellen. Es iſt allemahl mit Schimpfe be-
gleitet, wenn man genoͤthiget wird, ſich zu ent-
ſchuldigen; und Bezuͤchtigungen finden insgemei-
ne Glauben. Nach meinen Begriffen wuͤrde
fuͤr uns das Vortraͤglichſte ſeyn, wenn wir unter
uns luſtige und aufgeraͤumte Koͤpfe haͤtten, denen
es niemahls an muthwilligen Einfaͤllen fehlte,
Erweiſe mit Gelaͤchter, und Wahrheiten mit Poſ-
ſen zu erwiedern, welche die Geſchicklichkeit be-
ſaͤſſen, nicht das Ungereimte allein, das ſchon
vor ſich laͤcherlich iſt, und darum nicht erſt darf
laͤcherlich gemacht werden, ſondern auch dasjeni-
ge,
[188]Das Complot
ge, was nichts laͤcherliches in ſich ſelber hat, zum
Gelaͤchter zu machen. Wahrhaftig ein ſolcher
wuͤrde ſich um uns ſehr verdient machen, der
Thorheiten ſprechen koͤnnte, welche unſren Geg-
nern auf ihre Koſten gerechnet wuͤrden, wenn man
glaubte, man lachte uͤber die Unvernunft unſerer
Wiederſacher, da man nur uͤber eine ungeſchickte
Vorſtellung des Luſtigmachers lachete; der Schimpf
und Ernſt, Jronie und Aufrichtigkeit, ſo fein durch
einander miſchete, daß man ſie nicht von einander
unterſcheiden koͤnnte. Jn dieſer Abſicht wuͤrden
Fabeln, Erdichtungen, Allegorien, Gleichniſſe,
und Sinnenbilder treffliche Dienſte thun; wofern
nur die parteilige Natur, oder unſer nordliches
Clima nicht den dummen Deutſchen den erfindſa-
men Kopf eines Schoͤpfers verweigert haͤtte. Doch
ich rede dieſes nur nach der ironiſchen (*) uns eigenen
Weiſe, denn ich kenne einen ſolchen ſcharf-
ſinnigen Kopf unter uns, der die ſchertzhafte
Art zu denken und zu ſchreiben in ſeiner Ge-
walt hat; und der uns die Luſt machen koͤnn-
te/ zu ſehen, wie er mit einem Wiederſacher/
der ihn mit ſchlechten Waffen angreift/ her-
umſpringen kan. Doch es hat uns dieſe Feder
ſolche Luſt noch nicht machen wollen: Jch
weis auch nicht fuͤr gewiß zu ſagen/ ob und
wie bald ſie uns dieſelbe machen wird. Viel-
leicht hat die ungeſchliffene Art/ womit man
ihr begegnet iſt/ ſie ſtoltz gemacht/ ſo daß
ſie ſich in keinen ſo niedrigen Kampf einlaſſen
mag; wobey wir aber in der That ein Ver-
gnuͤgen verlohren haben.(V)
Nach
[189]der herrſchenden Poeten.
Nach ihm faſſete Schottged das Wort. Er
ſtuhnd nicht auf, ſondern blieb in vollem Staat auf
ſeinem Stuhle ſizen, weil er redete. Er redete,
als einer, der ſeiner Kraͤfte und ſeiner Kunſt ſich
wohl bewußt iſt, mit zufriedenen Augen.
Was du am Schluſſe deiner Rede mit ſoviel
Rechte foderſt, Waſchbe, was du vonnoͤthen
achteſt, unſre Gegner mit Schamroͤthe und Schan-
de zu uͤberdeken, iſt ſchon von meinem erſchaffen-
den Wize erfunden. Jch will auch unſren Freun-
den die Luſt, ſo du ihnen davon verheiſſeſt, nicht
vorenthalten. Jch habe Parabeln, Gleichniſſe,
Fabeln, und ganze Heldengedichte wuͤrcklich bereit.
Verlangt man eine Parabel, die Leichtſinnigkeit
der Engellaͤnder zum Gelaͤchter zu machen, wo-
mit ſie ſich von Addiſon uͤberreden lieſſen, Miltons
Gedichte von dem verl. Paradieſe zu bewundern?
(X) Soll ich in einer Fabel beweiſen, daß die
Deut-
(*)
[190]Das Complot
Deutſchen Witz bekommen werden, wenn die
Franzoſen den ihrigen werden vergeſſen haben (Y)?
Oder ſoll ich in einer ſolchen die ſchweizeriſchen
Kunſttadler vor Splitterrichter erklaͤren, die ihre
eigenen Balken nicht ſehen (Z)? Soll ich ſie in
einem Gleichniſſe in Corſaren verwandeln, die
um guten Wind bitten, ein chriſtliches Kaufmanns-
ſchiff einzuholen (A a)? Oder ſoll ich um etliche
Toͤne hoͤher ſteigen; ſo will ich den Habsburgi-
ſchen Ottobert nach derſelben Art anpreiſen, wie
Addiſon und Merbod das verlohrne Paradies aus-
geſtrichen haben (B b); ich will einen Krieg der
alpini-
(X)
[191]der herrſchenden Poeten.
alpiniſchen Rieſen erſinnen, den ſie wieder den
oͤſtreichiſchen Jupiter gefuͤhrt haben, da will ich
das Ungeheure, das Merboden ſo wohl gefaͤllt,
nach dem Leben nachmachen (C c). Doch ich ha-
be noch was luſtigers als dieſes alles. Jch habe
einen deutſchen Dichterkrieg(D d) ausgebruͤtet,
wo die Goͤttin der Zweytracht die Geſtalt der
goͤttlichen Critick annimmt, Merboden zu hinter-
gehen, daß er die Geiſſel in die Hand nehme,
die Poeten zu zuͤchtigen, die in Germanien beſchaͤf-
tiget ſind, Sylben zu meſſen und Reimen zu paa-
ren. Er lißt in Brands Narrenſchiffe, obgleich
ſich eine viel ſanftere Muſe bemuͤhete, ihn auf die
neuern Schoͤnheiten unſerer Schriften zu lenken.
Eris wirfft ihm eine Nater ins Dintenfaß, wel-
che ich der Alekto aus dem Kopfe geriſſen habe.
Doch
(*)
[192]Das Complot
Doch nimmt die gutherzige Muſe ſie auf des Apol-
lo Befehl wieder heraus, kan es aber nicht hin-
dern, daß ſich etliche Tropfen ihres ſtygiſchen Gif-
tes darein gemenget haͤtten. Merbod kan ſich zwar
nicht ſo gleich entſchlieſſen, das Reich der Dich-
ter von neuem anzutaſten, dieſes hieſſe ein We-
ſpen-Neſt ſtoͤren, welches mit tauſend Stacheln
gewaffnet iſt. Seine Ruhe ſcheint ihm lieber zu
ſeyn, als die Beſſerung der Undanckbaren. Aber
Greibertin muntert ihn auf, den Willen der goͤtt-
lichen Beurtheilungskunſt auszufuͤhren, und die
Ungeheuer eines verfallenen Wizes auszurotten.
Jch verwandle Greibertinen in einen Druiden,
der die griechiſche Dollmetſchung der Bibel, mit
allen ihren Unrichtigkeiten im Kopf hat, und die
Sprache der Rabbinen und Maſorethen ohne An-
ſtoß redet. Merbod laͤßt ſich von ihm uͤberreden,
der Goͤttin zu gehorchen, und auch uns ſelbſt nicht zu
ſchonen, die doch von andern fuͤr Koͤnige des He-
likons geprieſen werden. Jch verehre ihm zu die-
ſem Vorhaben eine Rabenfeder, die ich Swif-
ten aus dem linken Fluͤgel gezogen habe. Er giebt
uns, ſeinen Bruͤdern, damit heftige und ſchmertz-
hafte Stiche, obgleich die ſanfte Muſe nicht von
ſeiner Seite wich, und durch gelindere Eingebun-
gen ſeine Ausſpruͤche zu verſuͤſſen beſchaͤftiget war.
Die gedruckten Papierballen in Relos Buchla-
den entſatzten ſich, als ſie dieſes vernahmen, und
die ſchwerſten Stoͤſſe poetiſcher Schriften erzitter-
ten aus einer aͤngſtlichen Ahnung des Schickſals,
welches ſie bedrohete. Aber Relo freuete ſich, daß
ſeine Landesleute noch Hertz genug haͤtten, ſich
wider
[193]der herrſchenden Poeten.
wider unſre Herrſchaft abermal aufzulehnen. Die-
ſes iſt nur das magere Gerippe meiner poetiſchen
Schoͤpfung, welches ich mit miltoniſchem Rie-
ſenwitz, einem praſſelnden Feuer, einer bunt
durch einander gewuͤrkten Beleſenheit, einer
alpiniſchen Mundart, unerſchoͤpflichen Gleich-
niſſen angekleidet u. uͤberzogen habe. Jch ſchmeich-
le mir, daß ich die heroiſche Sprache Miltons
vollkommen nachgemacht habe, und darinnen be-
ſteht die ſcharfſinnigſte Verſpottung in meinem
Dichterkriege. Jſt zum Exempel das nicht gut Mil-
toniſch geredet, wenn Merbods patriotiſcher
Eifer ſich uͤber uns ſinnarme Wortkraͤmer
aͤngſter, und wuͤnſchet, daß ein helvetiſcher
Geiſt, mit ſeinen centnerſchweren Einfaͤllen,
die leichten Sylben unſrer Gedichte ſchwaͤn-
gern, und ſie von unergruͤndlichem Witze
traͤchtig machen moͤgte[?] Dieſes einzige Spott-
gedichte ſoll ein[e] zulaͤngliche Antwort auf alle
die Unterſuchungen und Betrachtungen in ſich ent-
halten, auf welche Greibertin und Merbod die
Lehrſaͤze und Entdekungen gruͤnden, welche wider
unſre ſymboliſchen Buͤcher und ſelbſterwehlte Re-
geln, die ſo leicht und gemaͤchlich und doch ſo
fruchtbar an Ruhme ſind, ſo grob anſtoſſen. Es
ſoll nicht noͤthig ſeyn, das zweyte Vuch zu dem
erſten zu verſertigen; ſo ſehr hat mich bey die-
ſem die zehnte Muſe unſerer Zeiten beguͤnſtiget,
ob ich ſie gleich nicht angeruffen habe, die kuͤnſt-
liche Circe/ die aus unwiſſenden Koͤpfen groſ-
ſe Dichter und aus magern Reimregiſtern nie-
mals verſiegende Hippokrenen macht; ja Knit-
[Crit. Sam̃l. III. St.] Ntelverſe
[194]Das Complot
telverſe in Heldenlieder/ und Pritſch meiſterzo-
ten in Scherzgedichte verwandelt; die guther-
zige Mutter/(E e)die ſo viel armſelige Buchdruͤ-
ker ernaͤhrt/ indem ihre im Schreiben und Sin-
gen unermuͤdete Soͤhne ihre Preſſen beſchaͤff-
tigen; geſezt daß ſie in Ermangelung groͤſſe-
rer Helden nur Schneider und Kraͤmer beſin-
gen muͤſſen.
Er ſchwieg. Einige lobeten den erfindungsrei-
chen Kopf, und ſtraften den boshaften Franzo-
ſen der Luͤgen, der den Deutſchen die Schoͤ-
pfungskraft abgeſprochen hatte. Andere bewun-
derten die Kunſt Schottgedens, eine Erweiskraft
in Fabeln und Erdichtungen zu legen. Er ſog
das ſuͤſſe Gift ihres Lobes mit langen Zuͤgen in
ſich, als Werzaſch winkete, daß er Gehoͤr ver-
langte. Ein frecherer Kopf fand ſich nicht in
dem gantzen Heere der herrſchenden Poeten; er
getraute ſich auch die Fehler zu verbeſſern, wel-
che Virgil nicht harte verbeſſern koͤnnen, weil
er von dem Tode uͤbereilet woͤrden.(F f) Sei-
nen Schriften konnte der ſcharfſichtigſte Ariſtar-
chus
[195]der herrſchenden Poeten.
chus kein Verſehen abgewinnen, denn er hatte
ſich bedinget, daß man ſie beurtheilen ſollte, nicht
wie ſie aus der Preſſe gekommen, ſondern
wie ſie bey Hauſe auf ſeinen Papieren ſtuͤhn-
den.(G g) Er gab ſeinen Rath folgendermaſ-
ſen.
Das alles iſt ſehr gut, herrſchende Poeten und
Kunſtlehrer, es iſt tuͤchtig uns in der Hoheit, die
wir in dem poetiſchen Reiche beſitzen, zu erhal-
ten: Doch koͤnnen wir nach meinem Beduͤnken
noch etwas mehrers thun. Jhr habet ſelbſt wahr-
genommen, daß die Schriften unſrer Widerſa-
cher nicht bloß ſtechend, beiſſend und ſtachligt
ſind; ſie ſind groſſentheils dogmatiſch, lehrend und
N 2ſchlieſ-
(F f)
[196]Das Complot
ſchlieſſend; da werden Grundwahrheiten voraus-
geſezet, und Lehrſaͤtze darauf gepflanzet, die her-
nach weiter ausgebreitet werden. Mit dieſer Ar-
beit wird insgemein der foͤrdere Theil eines Ab-
ſchnittes von ihnen angefuͤllt. Nun moͤgen wir
gleich ihre Perſonen, ihr Vorhaben, ihre Faͤ-
higkeiten, ihre Gemuͤthsneigungen und Abſichten,
verhaßt und zum Gelaͤchter machen, ſo ſind doch
unſre Landesleute ſo philoſophiſch geworden, daß
wir ihnen nicht werden verwehren koͤnnen, uͤber
dieſes critiſchpoetiſche Lehrgebaͤude zu denken.
Darum daͤucht mich lediglich nothwendig, daß
wir daſſelbe verdaͤchtig machen, untergraben, und
auf den Kopf ſtellen. Das ſoll nun die Arbeit
ſeyn, an die ich mich wagen will. Wenn
mich gewiſſe Wahrſcheinlichkeiten nicht betriegen,
die mir ein groſſes Vertrauen auf meine Ge-
ſchiklichkeit machen, ſoll es mir nicht uͤbel feh-
len. Wir wiſſen aus der Erfahrung, daß unſre
Schriften beluſtigen, welches uns zeigt, daß ſie
mit der Natur des Menſchen uͤbereinſtim-
men, denn man wird unſre Leſer, die ihr Ver-
gnuͤgen daran finden, doch auch fuͤr Menſchen
erkennen. Nun ſind ſie auf gantz andre Lehrſaͤtze
und Grundregeln gegruͤndet, als die Zuͤrchiſchen
Kunſtlehrer aufzubauen bemuͤhet ſind. Hieraus
flieſſet nothwendig, daß die Kunſtregeln dieſer lez-
tern auf einem falſchen Grunde beruhen. Wir
haben unſre eigenen Empfindungen, unſre be-
ſondere Eindruͤke, einen Geſchmak und Geſchma-
keswerkzeuge fuͤr uns; von dieſen lernen wir daß
unſre Gedichte vortrefflich, ſchoͤn, erhaben, ſeyn.
Die
[197]der herrſchenden Poeten.
Die Schweizer ſagen nein dazu, weil ſie dieſes
nicht empfinden. Wollen ſie denn, daß wir ih-
rem Fuͤhlen und Empfinden mehr als unſrem ei-
genen glauben ſollen. Warum verlangen ſie von
uns nicht auch, daß wir nicht mehr dasjenige vor
ſuͤß, oder ſauer, oder bitter halten, was unſere
Zunge uns ſo zu empfinden giebt, ſondern das,
was ſie uns davor zu halten befehlen? Jch will
ihnen ihren Geſchmak und ihre Einſichten
goͤnnen, welches wahrhaftig ſchier zu viel ein-
geraͤumet iſt, aber dann ſeh ich auch nicht,
woher ſie ſich ein Recht anmaſſen koͤnnen,
ihre Meinungen auch uns aufzudringen.(H h)
Man wird mich ſpaͤte uͤberreden, daß alles, was
ſie ſchreiben, lauter Orakel ſeyn; daß ihnen die
Unfehlba keit und Unbetruͤglichkeit zugetheilt ſey.
Sie w[e]rden wenigſtens hier oder da ihre Schwaͤ-
chen, ihre Maͤngel, ihre Fehler haben. Jhr
beeistes Vaterland verheißt uns nichts vollkom-
menes, nichts reifes, die Muſen ſind daſelbſt
neu und fremde. Haben ſie ſchwache Theile,
N 3wie
[198]Das Complot
wie ich denn hoffen darf, ſo werden ſich ſolche
noch wol ausfinden laſſen. Uberdies moͤgte ich
wiſſen, ob dieſe ſpitzfuͤndigen Gruͤbler in Homers,
Virgils, Miltons, Opizens Kopfe geſeſſen ſeyn,
als ſie ihre Gedichte geſchrieben haben? Haben ſie
die Seelen dieſer Dichter geſehen, wie ſie ihre Ge-
danken, Vorſtellungen, Einfaͤlle verarbeitet ha-
ben? Man ſollte es ſchier glauben; mit ſolcher
Gewißheit wiſſen ſie uns von dem Urſprung, der
Geburt, dem Anwachſe eines jeden abſonderli-
chen Gedankens in der Jlias, der Odyſſea, und
der Eneis Nachrichten zu geben. Es ſcheint daß
dieſe Gedichte von ihnen vor ein mechaniſches
Uhrwerk angeſehen werden, wo die Gedanken
dem Geiſt nicht kraft ſeiner Natur ohne ſeinen
Beytrag eingefallen, ſondern wie die Raͤder und
Springfedern geſchmiedet, und in einander ge-
ſtoſſen worden. Jch traue die Allwiſſenheit nie-
manden zu/ daß er es werde wiſſen koͤnnen,
wie der Poet auf dieſen oder jenen Gedanken
kommen koͤnnen/ oder muͤſſen/ da er es oft ſelbſt
nicht weis.(I i)Jch muß derer lachen/ die
glauben, daß Virgil alle Worte mit Fleiß
und groſſem Bedacht hingeſchrieben/ und in
einem jeden eine beſondere Schoͤnheit geſucht
habe.(K k) Jhr ſehet, daß ich Stofs genug
vor mir habe, Scrupel einzuſtreuen, und Zwei-
fel und Mißtrauen zu erweken, welches ſchon
genug iſt, die Lehrſaͤze der Schweizeriſchen Kunſt-
hof-
[199]der herrſchenden Poeten.
hofmeiſter zu untergraben, und verdaͤchtig zu
machen. Bey vielen ſeichten Gemuͤthern muß eben
dieſes ſie gar vernichten. Denn wer muß zulezte
in dieſen zweifelhaften Dingen den Entſcheid ge-
ben? Es iſt kein anders Mittel, ſie zu entſchei-
den, als durch die mehrere Stimmen. Dieſe
haben wir richtig auf unſrer Partey. Es ſind
zehen Leute, die unſren Geſchmak, unſre Em-
pfindung fuͤr die wahre halten, gegen einen, der
mit den Schweizern ſtimmt. Was zehen ſagen
iſt ohne Zweifel zehnmahl gruͤndlicher, als was ei-
ner ſagt, denn es erhaͤlt in eines jeden Mun-
de einen neuen Grad der Wahrheit. Dazu koͤmmt
izo noch das Anſehen und die Wuͤrde derer Leu-
te, die auf unſrer Seite ſtehen. Staatsmini-
ſter, Rathsherren, Freyherren, Conſiſto rialraͤ-
the, Aebte, halten es mit uns. Dieſes giebt
unſren Lehrſaͤtzen abermahl einen hoͤhern Grad
der Wahrheit, deſſen der gruͤndlichſte Erweis,
wenn ihm das Anſehn fehlt, beraubet iſt.
Werzaſch ſchwieg, oder ward nicht mehr ver-
nommen, denn es erhub ſich ein brauſendes Zu-
ruffen, und ſtarkes Haͤndeklatſchen der herrſchen-
den Poeten und Kunſtrichter. Es war ein hei-
ſernes Getoͤſe, wie dasjenige, das Lucanus ge-
hoͤret, als er vermeint, es haͤtte unter dem Bo-
den gedonnert. Als es ein wenig ſtiller gewor-
den, erhub Mannweich die Stimme, und ver-
ſprach Werzaſchen großmuͤthig, daß er ihm zur
Erleichterung ſeiner Arbeit gewiſſe von ihm er-
fundene mechaniſch-magiſche Geheimniſſe mitthei-
len wollte; mit Nahmen ein Wetterglas des
N 4Ver-
[200]Das Complot
Verſtands, eine philoſophiſche Sakuhr, ein
Pekad Enoſch, ein himmelblaues Waſſer aus
China, ein japoneſiſches Kraͤuterkuͤſſen. Er
ruͤhmte, daß ſie ihm ſelbſt bey Verfertigung ſei-
ner patriotiſchen Blaͤtter ſo gute Dienſte gethan
haͤtten, daß er weiter keiner Vernunft oder Ue-
berlegung beduͤrft haͤtte; und verſicherte, daß man
mittelſt derſelben ohne Vernunft vernunftmaͤſſig
handeln koͤnnte. Jezo zweifelten ſie nicht laͤnger
an dem Untergange der Schweizeriſchen Kunſt-
ſchriften. Sie begluͤkwuͤnſchten einander deß-
wegen mit der aufrichtigſten Schmeicheley, ihr
Muth wuchs, und der Stoltz kehrete in ihr Hertz
zuruͤke. Henak alleine ſchien noch unzufrieden.
Es verdroß ihn, daß dieſes alles nur durch die
Kunſt der Pleiſſe vollfuͤhrt werden ſollte. Die-
ſer hatte vordem ſeine eigenen Gedichte mit An-
haͤngung einiger von Kirchneues vortheilhaf-
ter anzuwerden gewußt(*); hernach den bil-
ligen Unwillen, den Kirchneu deswegen empfan-
gen, zu mildern, ihn uͤber alle geweſenen und
noch lebenden Poeten hinaufgeſezt. Er hatte des
Herren Grafens von Spork in einigen Schriften
ruhmwuͤrdig gedacht, wobey er erinnert, daß
er dazu genugſame Urſache haͤtte/ weil dieſer
tugendhafte Herr ſeines wenigen Lobes nicht
beduͤrfte. Jukner ein geſchikter Kopf, den die
Critik kannte, und ſchon in ſeiner Jugend lie-
bete, hatte die Muͤhe genommen, ſeine poetiſchen
Raritaͤten-Kammern, Schraͤnke, und Schub-
kaſten
[201]der herrſchenden Poeten.
kaſten auszuſtaͤuben, welches aber Henak ſo uͤbel
empſunden, daß er es ihm durch die Machtſtimme
des weltlichen Richters verbieten laſſen. Er ſtuhnd
auf, und ſprach mit einem wolbeobachteten Nu-
merus: Jſt es ſchon ſo weit gekommen, daß
man dem gelehrten Herrn von Holenſtein, und
dem beruͤhmten Herrn Kirchneu, ungeachtet der
erſtere bey Kennern wahrer Gelehrſamkeit einen
allgemeinen Beyfall und unſterblichen Ruhm er-
worben, der andere aber unter allen geweſenen
und noch lebenden Poeten keinen ſeines gleichen ge-
funden, in oͤffentlichen Schriften viele Fehler bey-
zumeſſen, und ihnen andere Leute, welche vielleicht
noch nicht unter die Deos medioximos gehoͤren,
vorzuziehen weis, ſo ſtelle ich mir das Prognoſti-
con, daß man mit mir nicht ſaͤuberlicher verfah-
ren, ſondern (*) ‒ ‒ Allein er konnte den kraus-
verflochtenen Periodus nicht vollenden, denn ſiehe
ein Cimmeriſcher Nebel erfuͤllte den ganzen Saal
ploͤzlich, welcher ſich nach und nach in der Mit-
ten deſſelben in eine Wolke ſammelte, und ei-
nen Thron von etlichen erhabenen Stafeln for-
mierte. Ein blauer Dunſt ſtuhnd uͤber demſel-
ben, woraus augenbliklich eine lange, ſchwere,
fette und gravitetiſche Geſtalt mit kuͤpfernen Au-
gen, einer zweydeutigen Mine, und einem bunt-
ſchekigten Gewand an das Licht hervorſtieg. Sie
erkannten ſtraks ihren Abgott und Vater, den
herrſchenden Geſchmak; ein jeder ſah ſein eige-
nes Bildniß in ihm ausgedruͤkt. Auch of-
N 5fenbarte
[202]Das Complot
fenbarte ihn ſein Wapen, das er auf dem linken
Ermel in einem heraldiſchen Schildlein angehef-
tet hatte. Es war ein ſitzender Baͤr, der an
der Tatze ſog. Sie ſtuhnden ehrerbiehtig vor ihm
auf, und neigeten ſich bis zur Erden. Er ſaß
auf dem Stuhl mit Majeſtaͤt umwoͤlkt, der An-
tichriſt des Wizes. Dreymahl ſchneuzte er ſich,
uud raͤuſperte ſich dreymahl, worauf er den Mund
aufthat,
Der Schuzgeiſt des herrſchenden Geſchmaks
koͤmmt zu ſeinen Soͤhnen und Getreuen in koͤr-
perlicher Geſtalt mit menſchlichen Gliedmaſſen ver-
ſehen, und mit irdiſchen Kleidern umhaͤngt. Jch
bin zwar beſtaͤndig bey euch gegenwaͤrtig, wie-
wol ungeſehen, ihr moͤget in einem Synodus
verſammelt ſeyn, euch von den Angelegenheiten
unſers Staats zu unterreden, oder einzel in eu-
ren Studierſtuben ſitzen, ein neugebohrnes Phoͤ-
bus plaudern, oder halbausgebruͤtete Grillen in
geſchikten Reimenkuppeln auf poetiſchen Fuͤſſen
kriechen zu leren. Jch bin es, der euch die Ein-
faͤlle zuſchiket, welche euch oͤfters kommen, ohne
daß ihr wiſſet, woher und warum. Wenn ihr
Apollo
[203]der herrſchenden Poeten.
Apollo und die neun Muſen um Beyſtand an-
ruffet, ſo erhoͤre ich eure Bitte. Aber dieſe groſ-
ſe Berathſchlagung erfoderte meine ſichtbare Ge-
genwart unter euch. Es war billig, daß ich euch
durch das hertzſtaͤrkende Anſchauen meines Ange-
ſichtes beſeeligte. Noch mehr war es noͤthig,
daß ich in dieſen boͤſen und treuloſen Umſtaͤnden
euch ἀπὸ μηχανῆς beyſtuͤhnde. Denn ich kan euch
nicht bergen, (es waͤre uns zu ſchaͤdlich, wenn wir
es vor uns ſelber verbergen wollten,) daß wir mit
ſpitzfuͤndigen Maͤnnern zu thun haben, derer Ur-
theile und Lehren einen groſſen Schein mit ſich
fuͤhren, dermaſſen, daß ich ſelbſt im Zweifel ſtehe,
ob ſie nicht auf einem guten Grunde beruhen. Zu
geſchweigen daß ſie mit allerley Liſt, mit Ver-
nunftsraͤnken und Kunſtgriffen wol verſehen ſind,
welche ſie zu ihrem beſten Vortheil anzubringen
wiſſen. Jch ſehe darum mit Luſt und Vergnuͤ-
gen, daß es euch an hartnaͤkigem Muthe, an ho-
her Einbildung, und an blindem Eifer nicht fehlet,
euch dagegen zu ſetzen; und ich merke wol, daß es
noͤthiger iſt euch zu hinterhalten, als anzuſpornen.
Denn dieſe hohen Regungen koͤnnen mehr Scha-
den als Nuzen bringen, wenn ſie nicht gemaͤſſiget
werden. Der Stolz muß uns nicht verfuͤhren,
daß wir die gemeinſten und leichteſten Mittel, die
uns zu dem Zweke fuͤhren, gegen denjenigen ver-
achten, die zwar ſchwerer und erhabener, aber da-
bey deſto gefaͤhrlicher ſind. Darum verwerffe ich,
daß wir uns in eine Unterſuchung der ſchweizeri-
ſchen Grundlehren wagen. Es iſt mehr Hochmuth,
als Sicherheit und Nuzen in dieſem Vornehmen.
Wir
[204]Das Complot
Wir kaͤmen in Gefahr, daß dergleichen Pruͤffung
denjenigen, der ſie anſtellete, ſelber mit Scrupeln an-
fuͤllete, und vielleicht gar auf die Seite unſrer Geg-
ner lenkete. Gehet lieber mit Stillſchweigen vor-
bey, daß die Schriften unſrer Widerſacher ſyſte-
matiſch und dogmatiſch ſeyn; gebet vielmehr zn
verſtehen, daß ſie in Kleinigkeiten beſtehen, daß es
Gruͤbeleyen ſind, dictatoriſche Ausſpruͤche, Ge-
ſpoͤtte uͤber abgeſonderte Stellen aus Poeten, de-
nen ſie gern eins haben verſezen wollen. Huͤtet
euch wahrhafte und ausfuͤhrliche Auszuͤge daraus
zu verfaſſen. Ziehet nichts davon mit ihren eigenen
Worten, noch in ſeinem Zuſammenhang an. Es
iſt euch eigentlich nicht darum zu thun, daß ihr ei-
ne gruͤndliche Wiſſenſchaft bekommet, vielweniger
dienet es euch, daß ihr andern dazu behuͤlflich ſeyd,
ob die Kunſtbuͤcher der Schweizer in dem Grund
und Erweiſe ihrer critiſchen Lehrſaͤtze, nach wel-
chen ſie unſre Schriften verurtheilen, recht haben,
oder nicht, ob ſie irren, oder wir, ob ſie noch et-
was gutes haben, oder ob alles darinnen verwerf-
lich ſey. Das alles hilft uns nicht, und giebt uns
keinen Troſt. Wir ſetzen kein Mißtrauen in un-
ſern empfindenden Geſchmak, und unterwerfen
ihn nicht erſt der Unterſuchung; und dieſer ſagt
uns ohne Unterſuchung, daß der ſchweizeriſche Ge-
ſchmak falſch, irrig und verdammlich iſt, weil er
dem unſrigen zuwider laͤuft. Vermeidet darum
alle Pruͤffung, ſo viel als ihr koͤnnet. Entfernet
euch von der Hauptfrage, und ſpringet auf hun-
dert Nebenſachen. Widerſtehet der hochmuͤthigen
Begierde die angefochtenen Stellen zu retten, wel-
ches
[205]drr herrſchenden Poeten.
ches euch allzuleicht zu Unterſuchung und Beſtim-
mung abſonderlicher Grundſaͤtze, wobey man euch
faſſen koͤnnte, verfuͤhren wuͤrde, ohne daß jene da-
durch mehr Licht, mehr Kraft und Lebhaftigkeit er-
hielten. Es iſt wol erinnert worden, daß Gegenbe-
ſchuldigungen am beſten dienen, die Beſchuldigungen
zu zerſtreuen, und die Entſchuldigungen unnoͤthig
zu machen. An dergleichen wird euer Amtszorn
euch keinen Mangel leiden laſſen. Das Vorur-
theil hat unter unſrer politen Nation vorlaͤngſt Fuß
gefaſſet, daß die Schweizer ein grobes, ungeſchlif-
fenes, und unhoͤfliches Volk ſeyn, machet euch die-
ſes zu Nuzen, und pflanzet es weiter an. Eine
jede Cenſur, darinnen ſie eine von euren Schrif-
ten, oder eine abſonderliche Stelle, oder Ausdruͤ-
kung verwerffen, kan euch zu einem Beweißthum
ihrer Grobheit dienen. Sprecher den Gratien
den Aufenthalt daſelbſt ab, wo ein ewiges Eis
ihrem zarten und nakten Fuß den Zugang ver-
wehrer.(*) Wie ſollten diejenigen zu leben wiſ-
ſen, die in den Spaͤlten der Berge alles Umgangs
mit den Menſchen beraubet ſind, die allda zu den
Murmelthieren in einen Winterlangen Schlaf ver-
bannet ſind! Die ſich bisher nicht uͤber einen
Steinwurf von den vaͤterlichen Felſen verlau-
fen haben!(M m) Sollte die Freyheit, in der
ſie leben, ſie nicht rauh machen, und von der
Zaͤrtlichkeit der unterthaͤnigen Deutſchen entfer-
nen! Was koͤnnte wilder ſeyn als ihre Sprache,
wenn
[206]Das Complot
wenn ihre flieſſenden Gedanken uͤber kieſelhar-
te Worte hinſtolpern! Ruhet nicht, bis ihr es ſo
weit gebracht habet, daß der bloſſe Nahme eines
Schweizers zu einem Scheltwort wird. (Nn) Die-
ſe Vorruͤkung der Unhoͤflichkeit wird mithin eu-
rer eigenen Grobheit einen Paßport ertheilen.
(O o) Jhr duͤrfet deſto frecher unhoͤflich ſeyn,
je derbere Verweiſe ihr andern deßwegen gebet,
je erbaulichere Reden ihr von der Sittſamkeit fuͤh-
ret. Stellet euch darum als die hoͤflichſten Maͤn-
ner an, neiget und buͤket euch unaufhoͤrlich vor
einander, lobet die groͤbſten Fehler eurer Freunde
lieber, als daß ihr die Unhoͤflichkeit begehet, ſie
vor denſelben zu warnen. Wenn ihr nur ihrer
Drukfehler gedenken ſollet, ſo thut es mit einer
dehmuͤthigen Abbitte. Verſtaͤrket die Anklage der
Grobheit mit der Bezuͤchtigung, daß ſie die Ma-
jeſtaͤt der deutſchen Nation laͤſtern. Beweiſet die-
ſes daher, weil ſie euch laͤſtern, die herrſchenden
Poeten, die Luſt und Ehre der Deutſchen. (P p)
Schlieſſet die weitlaͤuftige Nation der Deutſchen
ganz
[207]der herrſchenden Poeten.
ganz ins Enge, ſetzet ſie auf die geringe Anzahl
eurer Perſonen und eurer Freunde hinunter: Deut-
ſcher Witz und deutſche Kunſt flieſſen in euch zu-
ſammen. Sind ſie nicht in euren Gedanken und
Reden, ſo ſeyn ſie nicht in der deutſchen Nation.
Nach euren Proben muͤſſe man von der Hoͤhe des
Verſtandes und Witzes ſchlieſſen, auf welche ein
deutſcher Kopf ſteigen kan. Euer Ruhm ſey mit
ihrem Ruhme verknuͤpfet. Er koͤnne ohne Ab-
bruch des andern weder beſtehen noch fallen. Auf
dieſen Grund nehmet dann das Schuzamt der deut-
ſchen Nation auf eure Schultern, deren Stelle
ihr iezo vertretet. Machet euch zu ihrem Munde,
redet fuͤr ſie, leget ihr eure Gedanken, eure Mei-
nungen, eure Schoͤnheiten und Fehler zu. Die-
ſes giebt euch ein Recht, eure Neider und Wider-
ſacher im Nahmen der deutſchen Nation auszu-
filtzen, und euch durch euch ſelbſt in ihrer Perſon
eine Dankſagung dafuͤr abzuſtatten. Auf dieſe
Weiſe koͤnnet ihr ihnen den Haß und Zorn aller
Deutſchen uͤber den Hals ziehen, ihr koͤnnet da-
durch euren eigenen Ruhm unter dem Schirme der
Nation ſicher ſtellen; ihr koͤnnet die Ehrfurcht, ſo
der Nation insgeſammt gebuͤhrt, auf eure Per-
ſonen lenken. Es wird euch dann vergoͤnnet ſeyn,
mit vollem Munde zu ruffen, daß Deutſchland
Poeten hat, die Schoͤpfer und Erfinder ſind,
wenn ihr niemanden als euch ſelbſt dadurch verſteht.
Nennet ſie aber niemals ſelber, damit ihr in je-
dem
(P p)
[208]Das Complot
dem Falle die Freyheit behaltet zu ſagen, ihr ha-
bet dieſen und nicht jenen verſtanden. Druͤket
man zu ſtark auf euch, und verlangt man daß ihr die
Werke der deutſchen Schoͤpfungskraft aufweiſet,
ſo zeiget in der kuͤnftigen Zeit, was die gegenwaͤr-
tige noch nicht hat; ihr werdet allemal in dem
Vermoͤgen der deutſchen Koͤpfe finden, was nicht
im Werke vorhanden iſt. Was nicht geſchehen
iſt, das iſt darum nicht unmoͤglich; und was
einem franzoͤſiſchen oder deutſchen Chapellain
noch nicht gelungen iſt, das kan wol, vielleicht
eheſtens, von einem geſchiktern Dichter ins
Werk gerichter werden.(Q q)
Werffet inſonderheit euren Antagoniſten den Geiſt
des Widerſpruchs vor. Schreibet es nur ihm zu,
daß ſie das Schoͤne in den Schriften derer loben,
welche ihnen feind ſind. Leget in ihre beſtgemeinten
Abſichten eine Begierde zu tadeln. Vergiftet da-
mit ihre reinſten Lehren. Erſtreket ihre Boßheit
ſo weit, daß ſie derſelben eine Gnuͤge zu thun, ſich
eine Fertigkeit in der Kunſt alles laͤcherlich zu ma-
chen zugeleget haben. (S ſ) Behauptet daß es
wuͤrklich eine ſolche Kunſt gebe, welche dasjenige,
was in ſeiner Natur und ſeinem Jnnerlichen gut,
ſchoͤn, und herrlich iſt, durch fremde Ausdruͤke und
Vorſtellungen, ſo dieſelbe nichts angehen, den-
noch
[209]der herrſchenden Poeten.
noch lachenswuͤrdig machen kan. Dadurch ge-
winnet ihr den Vortheil, daß die Leute glauben,
wenn die Schweizer eine Stelle in euren Schrif-
ten in ihrer wahren und natuͤrlichen Mißgeſtalt
vor Augen geſtellt haben, das Luſtige und Aben-
theurliche beruhe nur auf ihrem Ausdruke; wenn
ihr hingegen ihrer Gedanken mit ungeheuren Vor-
ſtellungen ſpottet, wird man ihre Gedanken ſelber
vor ungeheuer halten. Das geſchikteſte Geſpoͤtte
iſt das, welches ein unmaͤſſiges Gelaͤchter verur-
ſachet, das ſeinen Grund nur einzig in dem Ge-
hirne des Spottenden hat, wozu man dem ver-
ſpotteten Scribenten nicht das geringſte abgebor-
get hat. Dergleichen Luſtigmachen hat nicht nur
den Nuzen, daß es den Gegner ſchamroth ma-
chet, ohne ihn zu bekehren, ſondern es giebt uͤber-
dies eine gewiſſe Freudigkeit eines Menſchen zu
erkennen, der ſich ſeiner gerechten Sache, und
ſeiner Geſchiklichkeit wol bewußt iſt. Nun ha-
ben unter den verſchiedenen Arten zu ſpotten frey-
lich die Gleichniſſe, Parabeln, Allegorien, einen
Vorzug, allermaſſen die meiſten Leſer ihnen eine
Kraft dasjenige zu beweiſen zueignen, was ſie nur
vor bekannt annehemen, und erklaͤren. Man
iſt gantz geneigt, die Niedrigkeit, die Thorheit,
die Boßheit der erdichteten Perſonen, die dann
in eine Handlung verbunden werden, auf dieje-
[Crit. Sam̃l. III. St.] Onigen
(*)
[210]Das Complot
nigen zu ziehen, welche ſie vorſtellen. Wie, wenn
man einem ſittſamen und ehrbaren Rathsherren
ein Narrenkleid mit Schellen an der Kappe an-
zieht, die Zuſeher glauben, ſie lachen uͤber die
Perſon, da ſie nur uͤber die Maske lachen. Aber
nehmet in ſolchen Fabeln wol in Acht, daß ihr
nicht dem Gegner in der Hize der Arbeit, da ihr
mehr auf den Fortgang der allegoriſchen Geſchichte
als auf den myſtiſchen Sinn derſelben bedacht ſeyd,
Waffen wider euch ſelbſt leihet: Alſo wird dem
boshaften Merbod in dem Dichterkriege allzu
viel eingeraͤumet, daß er nicht anderſt als durch
die goͤttliche Critik verfuͤhrt werden kan, und
Eris derſelben Geſtalt, Reden und Gedanken,
an ſich nehmen muß; ferner daß ihm die gut-
hertzige Muſe beſtaͤndig aufwarten muß, und daß
ihm der Vorſatz zugeſchrieben wird, die Unge-
heuer eines verfallenen Witzes auszurotten.
Es iſt auch ſehr ungeſchikt gedichtet, daß wir
eine ſo traurige Figur in dieſer Geſchichte machen.
Der urtheilende Merbod giebt uns haͤftige und
ſchmertzhafte Stiche, die uns bis in das Jn-
nerſte der Seelen dringen. Und wir wiſſen uns
dagegen nicht beſſer zu helffen, als daß wir un-
ſer empfindliches Fell ſchuͤtteln, und wie ein
toller Hengſt hinten aus ſchlagen, und ei-
nen Sprung thun, wovon eine Wolke in die
Hoͤhe faͤhrt, die uns unſichtbar macht. Hinge-
gen werden unſre Widerſacher in einem ſtillen Ver-
gnuͤgen, und ſuͤſſen Hoffnung eingewieget. (T t)
Allein
[211]der herrſchenden Poeten.
Allein ich will hievon nichts mehr gedenken, da-
mit es nicht ſcheine, als ob ich durch meine Offen-
hertzigkeit die ſchweizeriſche Unhoͤflichkeit nachahmen
wolle. Jch weis daß dem Hrn. Schottged mit
meiner deutſchen Hoͤflichkeit mehr gedienet iſt, und
daß er lieber mit Stillſchweigen uͤbergangen, als
ſcharf getadelt und beurtheilet werden will. (V v)
Es iſt aus unſren Geſchichtbuͤchern und der Chro-
nologie offenbar, daß die Schweitzer die Luſt an
critiſchen Schriften zuerſt nach Deutſchland ge-
bracht haben, wir hatten zu unſerm Wohlſeyn
nicht noͤthig, dieſelbe zu erwecken: Und ſie haben
vermittelſt der Critik Opizen wieder in Anſehen ge-
bracht, den wir verdrungen hatten, und hingegen
Holenſtein, Morath und andre von unſren Freun-
den herunter geſetzet. Dieſen Vorzug muͤſſen wir
ihnen nicht goͤnnen; ſie wuͤrden daher ein allzu
vortheilhaftiges Vorurtheil vor ihre Werke erhal-
ten. Wiewol uns die Critick mit ihren Unter-
ſuchungen und Beurtheilungen nicht gut iſt, ſo
hat ſie doch einen anſehnlichen Nahmen, der uns
zu ſtatten kommen mag. Deſſelben muͤſſet ihr
euch bemaͤchtigen, heiſſet euch darum ungeſcheut
die wahren Kunſtlehrer und Kunſtrichter, die Ver-
beſſerer des Geſchmakes, gebet dreiſte vor, daß
die heutigen critiſchen Zeiten euch ihren Anfang
zu danken haben; buͤrdet den Schweizern auf,
O 2daß
[212]Das Complot
daß ſie die Spur des ſittſamen Opizes verlaſſen
haben, und daß ſie den holenſteiniſchen Schwulſt
wieder einfuͤhren wollen. Ruͤhmet euch, daß
ihr die deutſche Poeſie von Schwulſt, Phoͤ-
bus, Poſſen, und Narrenſchertz gereiniget ha-
bet, geſetzt daß ihr ſie nur von Reimen und
Vernunft geſaͤubert haͤttet. Saget, zuvor
haͤtte man nur aͤuſſerlich an den Verſen ge-
putzt: doch ihr haͤttet angefangen/ unſern
Deutſchen die falſchen Begriffe von der poeti-
ſchen Schoͤnheit der Gedanken aus dem Kopfe
zu bringen. Jhr haͤttet gewieſen/ daß das-
jenige, was man fuͤr lebhaft oder nachdruͤcklich
gehalten/ matt und kalt geweſen. Als die
Natur der Sachen aus unſern Gedichten ver-
bannet war/ haͤttet ihr ſie wieder hergeſtellt.
Man glaubte/ ein Dichter muͤßte die Natur
uͤberſteigen/ ihr aber haͤttet gelehret/ ein Dich-
ter muͤßte der Natur nachahmen(X x).
Traget kein Bedenken zu ruͤhm[e]n, daß ihr von
den groͤſten Meiſtern und Kennern der Dichtkunſt
eure Regeln und Beurtheilungen erlernet habet,
ſchreibet ein langes Regiſter derſelben zuſammen,
und preiſet ſie vor die Lehrer, die euch unterwieſen
haben. (Y y) Wenn gleich hernach alle Blaͤtter
euers Buchs wider dieſes Vorgeben Zeugniß ab-
legen, ſo thut es doch ſeine Wuͤrkung. Es fuͤhret
die Leſer von dieſen Criticis ab, die unſer Unter-
gang
[213]der herrſchenden Poeten.
gang ſeyn wuͤrden, und giebt ihnen davor eure
Werke in die Hand. Brauchet aber anbey die
Vorſichtigkeit, daß ihr das Jahr nirgend ausſe-
zet, in welchem eure groſſe Verbeſſerung ange-
fangen hat, damit man euch nicht durch eine chro-
nologiſche Rechnung zwiſchen die Ohren ſchlage.
Euren Kunſtſchriften einigen Anſtrich aus der Be-
urtheilungskunſt zu geben, ſo werffet mit derglei-
chen allgemeinen Hauptregeln waker um euch, wie
folgende ſind: Man muß die Natur nachah-
men; unter gewiſſen Bedingungen kan etwas
wahrſcheinlich werden; was nicht wahr iſt/
kan nicht ſchoͤn ſeyn. Dieſe Regeln geben einem
Kunſtbuche ein groſſes Anſehen, und ſind doch
von einem geringen Nutzen, weil ſie ganz unbe-
ſtimmte Begriffe geben, und wenn ſie in beſondern
Faͤllen angewandt werden ſollen, eine weitlaͤuf-
tige Wiſſenſchaft von tauſend Sachen erfodern.
Es giebt auch ein treffliches Anſehen, wenn man
hier und dar philoſophiſche Woͤrter einſtreuet,
zum Exempel, die Geiſter Welt, ein Glied aus
der beſten Welt, die Kette der Begebenheiten,
die Leiter der erſchaffenen Dinge. Dieſes zei-
get eine genaue Bekanntſchaft mit der neuen Phi-
loſophie. Jch laſſe mir auch nicht mißfallen, daß
ihr andremahl die Dichtkunſt und Poeſie mit einer
veraͤchtlichen Sproͤdigkeit tractiert, inſoweit daß
ihr ſie unter die Kunſt des ſchlechteſten Handwerkers
hinunterſezet, (Z z) als ob ſie allein mit Sylben
O 3und
[214]Das Complot
und Worten umgienge. Dieſes iſt ſehr bequem
die Cenſuren von ſich abzukehren, weil niemand
gern etwas angreiſt, was der Autor ſelbſt vor ge-
ring und liederlich erkennt. Und wenn es jemand
wuͤrdiget, ſich daran zu reiben, ſo iſt die Entſchuldi-
gung gut, daß man anf Kleinigkeiten nicht mehr
Fleiß oder Geiſt gewendet hat. Wenn ihr Lob
oder Tadel austheilet, ſo machet einen billigen Un-
terſchied zwiſchen Freunden und Feinden. Lobet
nicht unbedachtſam, bevor ihr von jemands Freund-
ſchaft gewiſſe Kennzeichen habet. Es war eine
groſſe Uebereilung, daß man in unſren Beytraͤ-
gen die Ueberſezungen des verl. Paradieſes und des
Hudibras, imgleichen den Briefwechſel vom Ge-
ſchmack ſo uͤbermaͤſſig gelobet hat. (A a a) Es
koͤmmt zu haͤmiſch heraus, daß wir dieſes Lob we-
gen der izigen Umſtaͤnde zuruͤcknehmen muͤſſen.
(B b b) Jch halte darum groſſe Stuͤke von der
Klugheit meines Goͤnners des Hrn. Mag. Waſch-
be,
[215]der herrſchenden Poeten.
be, der ſein Lob des Hrn. Silkovs ſehr verſtaͤn-
dig verſpart hat, bis derſelbe uns unzweifelhafte
Proben von ſeiner Freundſchaft gegeben haͤtte.
(C c c) Dieſes wenige mag genug ſeyn, euch
den Thon zn geben. Eure eigene Scharfſinnig-
keit wird euch ſchon weiter fuͤhren. Jch thaͤte der-
ſelben zu kurtz, wenn ich euch unterrichten wollte,
wie ihr die Woͤrter niemahls in der bekannten Be-
deutung brauchen ſollet, in welcher ſie eure Geg-
ner brauchen, wie ihr keinem Wort einen ausge-
meſſenen Verſtand geben ſollet, und wenn ihr
euch anſtellet, daß ihr eines erklaͤren wollet, ſol-
ches durch eine zehnfache Umſchreibung und Ein-
O 4ſchraͤn-
(B b b)
[216]Das Complot
ſchraͤnkung mit Dunkelheit umhuͤllen ſollet, daß
es niemand verſteht. Erinnert euch nur beſtaͤndig,
daß uns in gegenwaͤrtigen treuloſen Umſtaͤnden,
da man uns nach unſrer Ehre, Anſehen und Herr-
ſchaft greift, alles erlaubt wird, was uns ſonſt
Suͤnde waͤre, dergeſtalt daß die grobe Luͤgen ſelbſt
zu einer frommen, unſchuldigen Kunſt wird: Jn
allen uͤbrigen Handlungen ſeyd aufrichtig und fromm.
Praͤget euch meine Worte tief ins Herze. Ha-
bet beſtaͤndig die Vermehrung meines Reiches und
Ruhmes vor Augen. Es iſt euer Reich, euer
Ruhm. Jch gebe euch meine Hand, wenn ihr
meine Lehren beobachtet, daß ihr die Schweizer
in ihre alpiniſchen Gebuͤrge zuruͤck jagen werdet,
wo ſie die Graubuͤndner und Walliſer, zwo geiſt-
reiche Nationen, in ihrer neuen Dichtkunſt und
Critick unterweiſen koͤnnen. Nach Abtreibung
dieſer furchtbaren Feinde wird das Schreken vor
eurem Nahmen in alle Provinzen Deutſchlandes
ausgehen; die verirrten werden ihre verkehrten
Wege verlaſſen, und ſich wieder zu euch wenden.
Alle Barden und Meiſterſaͤnger des groſſen Ger-
maniens von Hanken dem Schleſier bis zu Hinuͤber
dem Braͤmer werden den Thon ihrer Lieder von
euch erbitten. Die Critick ſoll mit niedergeſchla-
genen Augen zu den barbariſchen Franzoſen und
leichtfertigen Englaͤndern fluͤchten. Ein unzerſtoͤr-
barer Friede wird in euern Wohnungen, und eure
Dich-
(C c c)
[217]der herrſchenden Poeten.
Dichterkriege nur Kinderſpiele ſeyn. Kein Criti-
cus ſoll euch mehr ſtriegeln, keine Dichtkunſt in
eurer Selbſtzufriedenheit ſtoͤren. Schulen, Raths-
zimmer, und Fuͤrſtliche Hoͤfe ſollen ſich unter eu-
rem Scepter buͤken. Von Pommern bis in Schwa-
ben, von Crayn bis in Weſtphalen ſoll nur ein
Geſchmack, nur eine Poeſie, nur eine Bande
ſeyn. Dieſen Segen verlaſſe ich euch zum Ab-
ſchiede. Wiewohl ich euch aber dieſe meine fleiſch-
liche Geſtalt anizo aus dem Geſichte wegruͤke, ſo
weichet doch mein beſſerer Theil nicht von euch.
Mein Geiſt bleibt beſtaͤndig bey euch, und ruhet
auf euch.
Jndem der falſche Goͤze dieſes ſagte, zerfloß
ſein Thron und ſein geborgter Coͤrper in eine blaue
Wolke, woraus ſie auch entſtanden waren. Die-
ſelbe zertheilte ſich in viele kleine Duͤnſte, wovon
ſich auf einen jeden Dichter und Kunſtrichter, ſo
viele deren in der Verſammlung waren, eine Por-
tion niederſetzte. Der Dampf drang bis durch
die Hirnſchale durch, ſaͤuberte das Haupt von
Verſtand, und nahm es mit ſtolzen Einbildungen
ein. Sie erhuben dankbarlich die Gunſt ihres
himmliſchen Hauptes, der ihnen den Verſtand mit
dieſem ſubtilen Dampf aufgeklaͤrt, und verheiſ-
ſen, daß er ſie auf ihren finſtern Wegen ſicher be-
wahren wollte. Der zaghafteſte von ihnen zeigete
einen Heldenmuth und vermaß ſich Troja zu er-
retten. Ein jeder verwuͤnſchte ſeinen Kopf mit al-
le deſſen Witz und Hirn, daß er den herrſchenden
Geſchmack an den Schweizern raͤchen wollte.
O 5Sie
[218]Das Complot
Sie wollten ſich mit Wort- und Sinnenſpielen,
mit Sylbengeklingel, mit Gegenſaͤzen, mit Schelt-
worten und Laͤſterungen wieder ſie ruͤſten. Sie
wollten fuͤr die Ehre ihres Abgottes die Augen blind
ſehen, und ſich das Hirn bis auf die Hefen aus
dem Kopf denken, ſie wollten ihm zum Lobe ſolche
Schriften verfertigen, dergleichen niemahls ge-
ſchrieben worden, oder wenn dergleichen geſchrie-
ben, doch niemahls geleſen worden. Dieſer wollte
ſie in Leberreimen zu Tode klingeln, jener in einem
Schaͤfergedichte durch die Hechel ziehen, ein ande-
rer wollte Ueberſchriften mit faulen Eyern und muͤr-
ben Aepfeln laden, und auf ſie losſchieſſen. Tirl-
ler ſelbſt vergaß der empfangenen Streichen, von
welchen ihm doch der Kopf noch izo ſchwindelte,
und drohete der Welt mit dem dritten Theile ſeiner
Gedichte.
Jhre enthuſiaſtiſche Wuth ſtekete auch diejeni-
gen an, die ihnen in dem Vorgemache auf den
Dienſt warteten. Der Witzbringende Dunſt
hatte ſich durch die Rizen der Thuͤren gedrungen
und ſich auch ihnen mitgetheilet. Es war ein ent-
ſetzlicher Lermen und ein betaͤubendes Getuͤmmel,
die Gaſſen und Haͤuſer erklangen in allen ihren
Winkeln und Gewoͤlbern von einem heiſernen Wie-
derſchalle. Die goͤttliche Critick, welche gleich
damahls im Hirſchbergiſchen Hofe mit Luchſin-
gern beſchaͤftiget war, Werzaſchens Ueberſezung
der Aeneis auf den Ambos zu legen, hoͤrete den
Tumult, und verſtuhnd die Urſache deſſelben. Sie
lachete uͤber ihre Ungebehrden und ihren aberwizi-
gen
[219]der herrſchenden Poeten.
gen Truz. Denſelben niederzulegen, hengte ſie
mitten in dem Saale der Verſammlung oben an
der gegypſeten Deke deſſelben ihre Waage auf, in
welcher ſie den innerlichen Werth der Buͤcher ab-
zuwegen pflegt. Sie legete in die eine Schale
Greibertins critiſche Dichtkunſt, in die andere
Schottgedens Verſuch, zu dieſer warff ſie noch
zwanzig oder dreiſſig von den beſten Werken der herr-
ſchenden Dichter und Kunſtlehrer. Sie flogen wie
leichte Spreu aufwaͤrts. Der Querbalke ſtieß
oben an dem Ringe an, an welchem er aufgehan-
gen war. Jhre Verfaſſer ſahen das himmliſche
Zeichen und erkennten ihre Waageſchale. Aber ſie
wurden davon nichts deſto kluͤger, der blaue Dunſt,
welchen der Schutzgeiſt des ſchlimmen Geſchma-
krs ihnen auf das Gehirn geworffen, hatte ihren
Verſtand umnebelt.
[[220]]
und Scharſſinn, aus der Ankl. des verd. Geſchmacks.
die in den Jahren 1721. 1722. zu Zuͤrich herausgekommen,
daher empfangen, weil die Verfaſſer derſelben, die Ar-
beit eines jeden von des andern zu unterſcheiden, ſolche
mit den Nahmen beruͤhmter Mahler gezeichnet haben. Da
uͤbrigens der Character eines ſolchen Blats mit dem Cha-
racter des Mahlers, deſſen Nahme darunter geſchrieben
ſteht, wenig oder gar nichts Gleiches hat, ſoll der erſte
Titel in der verbeſſerten Auflage, die man juͤngſt verſpro-
chen hat, mit dem einfaͤltigen Nahmen des Zuſchauers
vertauſchet werden. Doch wird man den Character, den
Addiſon und Steele ihrem Zuſchauer gegeben haben, in
etlichen abſonderlichen Zuͤgen veraͤndern.
geleget, und alſo nur vor Franzoͤſiſch-Deutſch ange-
bracht. Nichtsdeſtoweniger wuͤrde ein Frantzoſe einen
ziemlichen Grund fuͤr ſie in der engen Verbindung finden,
die zwiſchen den Gedancken zweyer Perſonen ſo genau ſeyn
kan, als zwiſchen ihren Coͤrpern.
ſer gewiedmet iſt, welche die Poeſie und was zu der Er-
kenntniß derſelben dienet, mit einer gewiſſen Affectvollen
Heftigkeit lieben, ſo darf ich mich verſichern, daß die Jta-
liaͤniſche Sprache denſelben vollkommen bekannt ſeyn wer-
de: Angeſehen in dieſer Sprache nicht wenig der vortreff-
lichſten Meiſterſtuͤcke verfaſſet ſind, die gantz bequem ſind,
eine ſolche Begierde mit Vergnuͤgen zu unterhalten. Jch
habe darum kein Bedencken gehabt, gegenwaͤrtiger Schrift,
die den Verfaſſer des Paragone della poeſia trag. d’Italia con
quella di Francia zum Urheber hat, in ihrer Grundſprache ei-
nen Platz unter den deutſchen Stuͤcken einzuraͤumen. Man
wird mir dieſes um ſo viel lieber zu gut halten, weil ſie
noch niemals gedruckt worden, und ſelbſt in der Hand-
ſchrift in ſehr weniger Leute Haͤnde gekommen iſt, vor-
nehmlich auch ohne meine Vorſorge niemals im oͤffentlichen
Drucke erſchienen waͤre.
meſſe aus der Preſſe kommen.
gemerket, daß die Hebraͤiſchen Mundarten mit einer ſon-
derbaren Anmuth und Schoͤnheit in die Engliſche Spra-
che einſchlagen. „Unſere Sprache, ſagr er, hat un-
„zaͤhlige Zierlichkeiten und Verbeſſerungen von denen
„Hebraͤiſchen Redensarten empfangen, welche aus den
„poetiſchen Stellen in der Heil. Schrift in dieſelbe her-
„uͤbergebracht worden. Sie geben unſern Ausdruͤckun-
„gen einen kraͤftigen Nachdruck, ſie machen unſre Spra-
„che warm und lebhaft, und treiben unſre Gedancken in
„feurigere und ſtrengere Ausdruͤcke als ſonſt in unſrer
„Sprache angetroffen werden. Wenn jemand urthei-
„len will, ſagt er ferner, wie ſanft ſich die Hebraͤiſchen
„Redensarten mit der Engliſchen Sprache vermiſchen,
„und mit ihr zuſammenflieſſen, der mag das Buch der
„Pſalmen leſen, und dann eine buchſtaͤbliche Ueberſetzung
„des Pindarus oder Horazen dagegen halten. Er wird
„in den beyden letztern lauter Ungeſchicklichkeit und Ver-
„wirrung der Schreibart wahrnehmen.„
und den beſten griechiſchen Poeten gethan, und Maffei
hat das erſte Buch der Jlias mit einem noch weit genau-
ern Einſchlagen in die Worte, die Form, die Fuͤgung
und Ordnung der griechiſchen Sprache in der Jtalieniſchen
uͤberſetzet.
genſchaften ausdruͤken ſoll, welche uns der Sinn des
Geſchmakes in den Gegenſtaͤnden zu erkennen giebt, falls
wir nicht Sapores, oder irgend ein Wort aus einer an-
dern Sprache, das eben daſſelbe bedeutet, entlehnen duͤrf-
fen? Der Mangel dieſer Benennung in unſrer Sprache
zeiget uns eine Nachlaͤſſigkeit in einem von den gemeineſten
Begriffen.
„Die
„Erde oͤffnete ihre fruchtbare Schooß, und begunte eine
„unzaͤhlige Menge von lebendigen Geſchoͤpfen mit voll-
„kommenen Geſtalten und ausgewachſenen Gliedmaſſen
„auszuheken; ‒ ‒ die Grasreichen Erdkloͤſſer kalbeten
„iezo; izo erſchien der braune Loͤwe mit dem halben Leib.„
Jſt ſchier nach dem Buchſtaben wahr, weil ſie Kaͤlber her-
vorbrachten. Alſo gruͤndet ſich dieſer wunderbare Aus-
druck auf die Erzehlung einer ſonderbaren Geſchichte.
Von dieſer Art iſt, was Herr Haller von den Egyptern
geſagt hat, daß ſie die Gartenbetter zu heiligen Tempeln
gemacht und ihre Goͤtter geduͤnget haben. So wunder-
lich und krauſe die Verbindung dieſer [z]wey wiederwaͤrti-
gen Jdeen ſcheinet, Goͤtter, und, Duͤngen, wird ſie
doch durch die Geſchichte genugſam gebilliget, daß die
Egypter dem Knoblauch goͤttliche Ehre bezeiget haben.
Character der deutſch. Ged. V. 39.
iſch, aber die Harmonie deſſelben ſtellete die Hoͤlle ſtille.
Their ſong was partial but the harmony
Suſpended Hell.
parole, parler aux yeux, donner de la couleur \& du
corps aux penſées, welche Redensarten von den franzoͤſi-
ſchen Kunſtlehrern ſehr bewundert worden.
der ich die Aufſchrift gemacht hatte, die Trauer eines
Vaters, welche hernach von dem Herausgeber mit der
lang-
dichte eines Vaters uͤber ſeinen Sohn; als ob das Wort
Vater die Beziehung auf den Sohn nicht ohne dieſes in
ſich ſchloͤſſe, und die Trauer fuͤr ſich allein nicht was weit
empfindlicheres ſagte, als Trauergedichte, das ſo viel
iſt, als ein Gedichte von einer Trauer. Jn dieſer Trauer
eines Vaters hatte ich nun geſchrieben:
Die Einſicht wiſchet ihm die Trauer von den Wangen.
Worauf ſich auch die naͤchſt darauf folgenden Zeilen
ſchiken:
Die meinen dunkeln Geiſt mit Aengſten hat umfangen;
Und nicht verlaſſen wird. ‒ ‒ ‒ ‒
Ohne Zweifel aber hatte das Bild, die Trauer von den
Wangen wiſchen, den Herausgeber zu ſeltſam gedaucht,
daher er vor daſſelbe geſezet:
Die Einſicht wiſchet ihm die Thraͤnen von den Wangen.
nen, ſeinen Gegner muͤde ſchreiben, die Zeit wegplau-
dern; einen kranck trinken; einen in Verwunderung ſin-
gen; einen in das Paradies hinein betriegen.
brennen.
Dann iſt es gar zu ſpat den Eſel auszuſchlagen. Wel-
ches das Lateiniſche excutere aſinum iſt.
Dieſe Nachrichten und Auszuͤge ſind uns von Hrn.
Conrector Erlenbach eingeſandt worden. Er mag ſich wohl
ſelbſt vorgeſtellt haben, daß wir Bedenken tragen wuͤr-
den, eine Schrift in unſre Sammlung einzutragen,
die bey ihrer guten Abſicht, wegen der allzu ſcharfen
Schreibart, nur dienen moͤgte, den unbaͤndigen Eifer
einiger Leipzigiſchen Schriftſteller noch mehr zu reizen.
Er hat darum vor noͤthig gehalten, ſich in einem beſondern
Schreiben an uns gegen dieſe nicht ohne Grund vermuthe-
te Bedencklichkeiten zu vertheidigen. Er thut dieſes mit
ſo buͤndigen Vorſtellungen, daß wir uns nicht entbre-
chen koͤnnen, ſeiner Schrift einen kleinen Platz allhier
einzuraͤumen. Er ſagt unter anderm:
„Wir ſollten
„uns nur einmahl zu Gemuͤthe fuͤhren, mit was vor
„Stoltz eine Zeit her einige ungehirnte Koͤpfe ſich die
„Vormundſchaft der ganzen deutſchen Nation angemaſ-
„ſet, und nicht anderſt geſchwaͤrmt haͤtten, als ob ih-
„nen der Ruhm des deutſchen Wizes verpachtet waͤre.
„Wie ſchimpflich und veraͤchtlich ſie alle diejenigen, die
„ſich dem Tyranniſchen Joch ihrer angemaßten Gericht-
„barkeit nicht willig unterwerffen wollen, gemißhandelt
„und ausgehoͤhnet: Mit welchem Trotz ſie ſich an dem
„Ruhm der verſtaͤndigſten Europaͤiſchen Nationen, der
„Engellaͤnder und Franzoſen, vergriffen: Und wie ſpoͤttiſch
„und unbeſcheiden ſie in offentlichen Ausſpruͤchen von
„den Schriften der beruͤhmteſten Maͤnner geurtheilet
„haͤtten.
„haͤtten. Was dann ſeine Schreibart betreffe, die uns
„zuweilen etwas zu lebhaft und anſtoͤſſig vorkommen moͤg-
„te, ſollten wir uns nur erinnern, daß dieſelbe noch
„um einen guten Grad glimpflicher und hoͤflicher waͤre,
„als die in den Leipzigiſchen Beytraͤgen gewohnte Criti-
„ſche Sprache. Er beruft ſich dieſer halben auf das
„XVII. Stuͤck dieſer ebenerwaͤhnten Beytraͤge, und da-
„ſelbſt auf den dritten, vierten, und fuͤnften Artikel. Des-
„gleichen St. XXI. 4ter u. 6ter Art. St. XXIII. 5ter Art. ꝛc.
„Mithin, ob er gleich ein dieſen kleinen deutſchen Hof-
„meiſtern verhaßter Schweizer ſey, ſo habe er es doch
„in der Grobheit noch nicht ſo weit getrieben, als
„der Verfaſſer der Anmerkungen uͤber die Ausgebung
„des Ergaͤnzungs-Stuͤkes, in denen Beluſtigungen
„des Auguſtmonats, als welcher ſich vermeſſen, ei-
„nen offentlichen Lehrer aus einem leichtſinnigen Ver-
„dacht mit den groͤbſten Anzuͤglichkeiten anzugreiffen,
„wodurch dieſer Verfaſſer ſeinem Vorbilde, dem Prof.
„Philippi an ſtolzer Wuth gleich, und fuͤr einen Liſcov
„reif geworden, der ihn auch durch eine wohlverdiente
„Zuͤchtigung demſelben vollends aͤhnlich machen doͤrfte.
„Da inzwiſchen der erwaͤhnte Lehrer es unter die andern
„Zufaͤlligkeiten rechnen werde, daß ihn ein Eſel geſtoſ-
„ſen, und dem Rath jenes ſinnreichen Kopfs folgen,
„der geſagt hat: wenn man von einem Schweine, dem
„man nicht ausweichen koͤnne, beſudelt werde, ſo ſey
„der beſte Rath, daß man es trucknen laſſe, und dann
„ausreibe.
Geſchichte vorgeleſen, haben vermeint, daß ſie ſich in
den Charactern und den Reden allzu weit von der Wahr-
ſcheinlichkeit entfernte. Einige der beruͤhmteſten deut-
ſchen Poeten wuͤrden darinnen vor ſo alberne und dabey
boshaftige Leute ausgegeben, daß man das Zeugniß, ſo ſie
in ihren Schriften von ſich ſelber ablegeten, gaͤnzlich
aus dem Geſichte verloͤhre. Jn ihren eigenen Nach-
richten ſagten ſie uns, Deutſchland philoſophirte mehr,
als vorhin jemals; die Vernunft ſey unter den Deut-
ſchen ſehr gelaͤutert, der wilde Wiz gebaͤndiget, und
die ausſchweifende Phantaſie in ihre gebuͤhrende Graͤn-
[z]en eingeſchraͤnket worden. Dadurch ſey auch der Ge-
ſchmak in den freyen Kuͤnſten um ein vieles verbeſſert
worden, und man habe Dinge zu verachten angefan-
gen, die man vorhin himmelhoch erhoben haͤtte. Jch haſ-
ſe die Falſchheit, in ſo weit daß ich ihr auch in der Fabel ſelbſt
keinen Plaz einraͤumen wolte. Jch habe auch meine Cha-
racter und alle daraus hergeleitete Reden nach ihren Ori-
ginalen der Wahrheit gemaͤß geſchildert, und darf be-
haupten, daß ſie nicht nur wahrſcheinlich, ſondern ſo gut
als wahr ſeyn. Jch fodere nicht, daß es mir jemand auf
mein Wort glaube, denn ich kan es mit hiſtoriſchen Urkun-
den beweiſen. Die Nahmen Schottged ꝛc. gehoͤren zwar
keinen Perſonen zu, die jemahls gelebt haͤtten, aber die Ge-
danken, die ihnen zugeſchrieben werden, ſind wuͤrklich in
den Seelen u. Schriften beruͤhmter Jztlebenden vorhanden.
Jch ſtamme aus einem Hauſe, in welchem Maͤnner und
Frauen
auf Hr. Brokes vor dem erſten Th. des irdiſchen Vergn.
und auf das Lob, ſo der Hr. von Boͤhlau dem Hrn. D. Tril-
ler in ſeinen Jugendfruͤchten bl. 430. beygeleget hat.
mon. der Beluſtigungen des Verſt. u. des Wizes bl. 51.
daß ſie die Wahrheit, ſie moͤgte angenehm oder ver-
haßt ſeyn, allen Abſichten der Affecte und des Eigen-
nuzens vorgezogen; und ich will kein ſo ungerathenes
Kind ſeyn, daß ich unſerm Geſchlecht, zu dem ich mich hier
oͤffentlich bekenne, durch gedruͤkte Luͤgen vor der ehrlichen
Welt einen Schandfleken anhaͤnge. Henrich Effinger.
im 9ten §. des dritten Hauptſt. ſeiner Dichtk. bl. 119.
me l’Allemand, ne doivent être parlées lentement \& di-
ſtinctement: Cependant les Saxons parlent avec une vo-
lubilité qui friſe le begayement; ils ne le font que pour
donner à leur langue une douceur qu’elle n’a pas, \&
qui la defigure. \&c. Lettre IX. ſur les Allemans p.
344.
Der
puzt, die Abmeſſung der Sylben richtiger; die Reimen
reiner; die Saͤtze klingender; und das ganze Gedichte
flieſſender gemacht. Auf die Gedanken und deren Rich-
tigkeit hatte niemand geſehen. Hr. M. Schwabe in
der Zuſchrift vom Bathos.
gegenwaͤrtigem Lichte nicht ungleich bequemer ſey, als
in der nachgeahmten Stelle.
boßten Critikverfaſſrr mit einem graͤmiſchen Geſichte und
der Ruthe in der Hand von ſeinen beſchneyten Alpen
heruntergeſtiegen kommen. Hr. Gottſch. im 56ſten Bie-
dermann. Er poltert und ſtoͤret in unſern Buͤchern her-
um. Ibid.
die Muſterung paſſiren zu laſſen, wollte ich zwar bey
ihrem
etwas unparteyiſch zu beurtheilen, das muͤßte doch ei-
nem jeden Critikverſtaͤndigen frey ſtehen. Dieſen ſcha-
det ein freyes Urtheil von ihren Schriften nicht mehr.
Hr. Gottſched in ſeinen Gedanken vom Bathos in den
Opern.
zweyten Th. der deutſchen Schaub. gethan, bl. 26. Daß
Riccoboni mir die Ehre gethan, ſagt er, aus meinem ſter-
benden Cato einen langen Auszug zu machen, das uͤber-
gehe ich billig mit Stillſchweigen; Doch kan ich nicht
laͤugnen, daß es mir ſehr lieb geweſen iſt; weil er aus
dem allem Gelegenheit genommen, den Franzoſen die
bittere Wahrheit zu ſagen, daß die Deutſchen auch ſo
wol, und ſo richtig denken koͤnnten als ſie.
men. bl. 487.
Dichterkrieges erfunden worden, dem ich es aber genom-
men, weil er es nicht zu brauchen gewußt hat.
Lob, in der Vorrede zum dritten Th. ſeiner poetiſchen
Betrachtung.
im eilften Hauptſtuͤcke. §. 22.
Bl. 319.
Th. ſeiner poetiſchen Betrachtungen nach eben dergleichen
Gedan-
haben zu ſchreiben und zu ſchelten, wie ſie wollen; ſo hat
man doch hingegen hier auch die Freyheit, es nicht an-
zuhoͤren oder zu leſen, wie ſolches bisher geſchehen, und
auch noch kuͤnftig geſchehen ſoll.
einem vernuͤnftigen Manne wohlanſtaͤndige Urtheile, das
ſcharfe Saltz, und der gute und auserleſene Geſchmack;
ſo hat man billig hohe Urſache, Gott hertzlich zu danken,
daß er einen mit einer ſolchen unmaͤſſigen Scharfſinnig-
keit nicht geſtraft, und mit einem ſo durchdringenden fei-
nen Geſchmake gnaͤdig verſchonet hat. Hr. D. Triller
in dem Ergaͤntzungsſtuͤke zu ſeiner Schutzvorrede.
geſuchet, damit es nicht das Anſehen haben moͤgte, als
ob man aus einer unzeitigen Begierde zu tadeln etwas an-
getaſtet haͤtte, das ſich noch vertheidigen lieſſe. Schwa-
be in der Vorrede zu der Ueberſezung des Bathos Bl.XXI.
erſten Herausgabe ſeiner Dichtkunſt verſprochen.
und des Wizes die Anmerkungen zu Hrn. D. Trillers Be-
ſchuͤzung Bl. 165.
dieſen
ſtelliget: Es kommt mir mit der Englaͤnder Empfindlich-
keit fuͤr Miltons Paradies bald ſo vor, wie damit, was
Erasmus, wo ich nicht irre, in ſeinen Geſpraͤchen erzaͤhlt,
daß ein leichtfertiger Kopf die Gefaͤhrten, ſo mit ihm
uͤber Land ritten, beredet ſie ſaͤhen ein Luftzeichen am
Himmel. Er ſtellte ſich erſtaunt; er rief, ſie ſollten doch
ſehen; er wies mit dem Finger; er beſchrieb, was er ſa-
he; er fragte, ob ſie es denn nicht auch ſaͤhen? Er ſchimpf-
te
St. der critiſchen Beytraͤge entdeket. (*) Es waͤre gut, wenn
dieſe ſcharfſinnigen Scribenten uns allemahl ſo ſorgfaͤltig
warneten, wenn ſie in der Jronie reden; denn ſie thun
dieſes oͤfters ſo fein, daß man es ohne eine ausdruͤckliche
Erinnerung nicht wahrnimmet.
bel von der Nachtigall und der Wachtel geſchehen; im
XXIVſten St. der Beytraͤge. Art. 12. Bl. 521.
dermanne gethan, durch die Fabel von dem Spottvogel.
tobert, im Wittekind, oder in der Proſerpina eben ſo
viel vortreffliches finden koͤnnen, als er im Milton ge-
funden hat. Und er nimmt ihm fuͤr uͤbel, daß er es lieber
im Milton geſucht hat. Haͤtte er ſeinem Vaterlande, ſagt
er, eben den Dienſt thun wollen, den Addiſon dem
ſeinigen gethan hat; warum hat er nicht etwa einen
Habſpurgiſchen Ottoberr, eine Proſerpina, oder einen
Wittekind, oder ſonſt das Gedichte eines alten Schwei-
zeri-
ten. Und ſiehe! endlich ſahen die guten Leute auch, was
ſie doch nicht ſahen; erzaͤhlten zu Hauſe groſſe Dinge,
und erzaͤhlten es ſo oft, bis ſie ſelbſt endlich glaubten,
ſie haͤttens geſehen, und bereit waren, darauf zu ſchwe-
ren. Addiſon macht es eben ſo. Jm 4ten Art. desXXIV.
Beytr. Bl. 656.
Milton werden koͤnnen, wenn er uns ein Heldengedich-
te von dem Kriege der alpiniſchen Rieſen wieder den
oͤſterreichiſchen Jupiter geſungen haͤtte. Da haͤtte er ja,
ſagt er, das ungeheure und graͤsliche, das ihm im Mil-
ton ſo gefaͤllt, anbringen, Berge auf Berge tragen,
und den Himmel beſtuͤrmen koͤnnen. Da haͤtte er die
Fabeln und die Bibel, Cyclopen und Titanen unter die
Schweizer, und die Teufel unter die Furien mengen
koͤnnen; um die Einbildungskraft ſeiner Leſer recht in
Erſtaunen zu ſezen.
nat der Beluſtigungen des Verſt. und des Wizes enthalten.
auf die Art angeprieſen, wie jener es im Zuſchauer mit
dem Milton gemachet hat[?] Vielleicht waͤre es ihm ge-
lungen, uns davon zu uͤberreden.
ge nicht gerichtet, ſondern an etliche andere, insbeſon-
dere an diejenige, welche Buttlern bey Verfertigung des
Hudibras beygeſtanden war. Dieſes war eine Muſe,
die Wythers, Pryn, und Vicars mit ſaurem Biere be-
geiſtert, und ſie der Natur und ihrem Geburtsſtern zu
Trutze zum Verſemachen gezwungen; die nichts anders,
als die Sucht iſt, ſein Bild mit Lorbeerblaͤttern, und
ſchlimmen Reimen darunter, vor dem Buche geheftet zu
ſehen ꝛc.
(Di-
zogenen Stelle, daß ſein Gegner die Verſe beurtheilte,
wie ſie in den Beytraͤgen, nicht, wie ſie auf ſeinem Pa-
pier ſtuͤhnden.
Virgil hertzlich gerne das Wort Jupiter geſetzet haͤtte,
wenn es nur alſobald in dem Verſe angegangen waͤre.
Denn wer wird wol dafuͤr halten; Virgil habe alle Wor-
te mit Fleiß und groſſem Bedachte hingeſchrieben, und
in einem jeden eine beſondere Schoͤnheit geſuchet? Hat
er denn nicht das gantze Werk verbrennen wollen, weil
er ſolches wegen Uebereilung des Todes nicht hat verbeſ-
ſern koͤnnen? Hr. Schwartze in der Vertheidigung des
Verſuches einer Ueberſetzung Virgils.XXI.Beytr. 4.
Art. bl. 77. Eben daſelbſt ſagt Hr. Schwarze: Jch
bin ein eifriger Verehrer unſers Marons, aber ich bethe
ihn des wegen nicht als einen Gott an, der nicht fehlen
koͤnnte. Das Wort Pius hat ſich gar zu gut zu ſeinem
Aeneas in den Vers geſchikt, darum hat er ſolches bis-
weilen auch an ſolchen Orten gebraucht, wo es mehr ei-
nen Fehler als eine Schoͤnheit ausmachet.
und ſeine Einſicht; ſieht aber hingegen auch nicht, wo-
her man ſich ein Recht anmaſſen koͤnne, ſeine Meinung
auch andren aufzudringen. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
‒ ‒ Doch was brauchet es viel, ſich gegen einen Rich-
ter zu verantworten, dem die Beurtheilung dieſer Sache
nicht zuſteht? Es hat uns gefallen, die Unterſuchung,
ſo wie ſie war, einzuruͤken. Was hat man dawider
zu ſagen? Steht jemand das darinnen gefaͤllte Urtheil
nicht an, ſo ſteht es ihm frey, ein anders davon zu
faͤllen, und alles dasjenige zu loben, was hier geta-
delt worden. Vorrede zumXXI.Beytr.
Octob. 1739.
ner Ueberſetzung des Telemachs.
kens Vorrede zu ſeinen Gedichten genommen.
ſezung des Telemachs, welche von dem Verfaſſer der
Lettres Germaniques unter einer Menge ihres gleichen
angezogen worden. Telemach faͤngt damit die Erzeh-
lung ſeiner Begebenheiten an, um welche Calypſo ihn
erſucht hatte. Ah que cela eſt joli, ſagt der eben er-
waͤhnte Franzoſe dazu, j’y trouve un air bouffon qui
me ravit!
geſchehen.
gen uͤber die Zuͤrichiſche Auflage des Ergaͤnzungſt. geſagt:
Es iſt ſo ſchweizeriſch, daß es nicht ſchweizeriſcher ſeyn
koͤnnte. Beluſtigungen im Auguſtm.
und Meynung zu beurtheilen: So wird es denn auch uns
freyſtehen, ein gleiches zu thun, ob wir gleich ſonſt gegen
lebendige Scribenten andern Grundſaͤtzen zu folgen gewohnt
ſind. Es iſt auch keine Folge, daß wir es deswegen ge-
gen andre Scribenten eben ſo machen ſollten. XXIV.Bey-
trag Art. 4. bl. 668.
land
ſeyn, daß ich nicht umhin gekonnt, zu ihrem Schutze die
Feder zu ergreifen. Art.IV.im 24ſten Beytr. bl. 659.
daran
ſagt er, und die ſchaͤdliche und elende Kunſt alles laͤcher-,
lich zu machen iſt der ganze Grund, worauf dieſe ſonder-
bare theatraliſche Kunſt beruhet.
Hr. Gottſched zu Ende des 4ten Art. im 24ſten Beytr. vor-
ruͤckt, daß ihnen mit ſeiner Hoͤflichkeit nichts gedient ſey,
und daß ſie lieber ſcharf beurtheilet und getadelt; als mit
Stillſchweigen uͤbergangen werden wollten.
Ueberſezung vom Bathos, Bl. IX. X.
ten Auflage ſeiner eigenen Dichtkunſt, 4te Seite.
ten Theile der Trilleriſchen Gedichte mit ausdruͤcklichen
Worten gethan.
als ſie Bodmers Dollmetſchung des verl. Par. geleſen ha-
ben. Denn wer haͤtte ſichs eingebildet, daß dieſes mit
Gedanken ſo beſchwerte Gedichte, deſſen Ausdruck ſo koͤr-
nigt, ſinnreich und tief iſt, ſich ſo nachdruͤcklich und voll-
ſtaͤndig deutſch wuͤrde geben laſſen? Und doch hat es der
Hr. Bodmer gethan. Jn Wahrheit wer nun mehr unſre
Sprache noch matt, ſeicht, und plauderhaft nennen will,
der verdient, daß man ihn damit auslachet. Jm XIX.
Beytr. Art. 8. Bl. 448.
ton gegen die Diſcurſe der Mahler zu rechnen, recht vor-
trefflich deutſch geſchrieben iſt, ſo folget es doch nicht,
daß
Jch will hiemit dem Hrn. Liſcow nicht geſchmeichelt haben.
Denn
und hartes in dem verl. Par. finden und ſich daran ſtoſſen
ſollte. Ueber dieſen Uebelklang ſind hundert und hundert
Leſer ſogar nicht weg, daß ſie die Geduld haben koͤnnten,
ein gantz Buch hindurch ihren Ohren die Gewalt anzu-
thun, und daß ſie aus Begierde nach den Sachen, eine
neue Art deutſch zu reden lernen ſollten. JmXXIV.
Beytr. Art.IV. Jch will doch ſagen, in welchem
Falle es moͤglich ſey, daß beydes, (nachdruͤcklich und ſelt-
ſam oder wiederlich) zugleich ſeyn koͤnne; wenn ich naͤm-
lich ſeze, daß ein Buch in der Grundſprache rauh und
wiederlich klinge; wenn ich auch ferner ſeze, daß der Ue-
berſezer ſeine Arbeit dem Urbilde unter andern auch in An-
ſehung des Rauhen aͤhnlich macht, ſo muß die Ueberſe-
zung noch eher als ſonſt, nachdruͤcklich (denn im Rauhen
ſteckt der Nachdruck) und vollſtaͤndig genennt werden.
Beluſtig. im Weinm. Bl. 379. Wir lernen hieraus
warum gewiſſe Scribenten ſich vor der nachdruͤcklichen
Schreibart ſo fleiſſig huͤten: Sie wollen nicht rauh ſchreiben.
Verehrer, oder Tadler bin: Und ich weis es auch nicht.
Denn meine Waage giebt noch auf keine Seite Ausſchlag
genug.
hier zur Vertheidigung dieſer metaphoriſchen Redensarten
geſagt worden, ſein Urtheil nicht geaͤndert. Jn dem fuͤnf
und ſiebenzigſten Blate des Biedermanns, in welchen
die Haͤlliſchen Tadlerinnen ſich 1728 verwandelt haben,
iſt ein Schreiben unter Philologi Nahmen eingeruͤcket wor-
den, wo er ſeinen erſten Ausſpruch davon wiederholet,
und vornehmlich damit behaupten will, weil dieſe Aus-
druͤcke im Deutſchen unerhoͤrt ſeyn. Dennoch giebt er
nicht zu verſtehen, daß er den Grund der Aehnlichkeit,
worauf dieſelbe beruhen, nicht offenbar und richtig darin-
nen
[28]Von der verbluͤmten Schreibart.
nen finde, oder daß ſolcher jemand verborgen bleiben
koͤnne, wenn er gleich, wie in den Metaphoren geſchieht,
nicht angezeiget wird. Er ſieht auch nicht, daß ſein
Grundſatz ihn ſo weit fuͤhret, daß er nach demſelben uns
alle neuen und unerhoͤrten Gleichniſſe verbieten muͤßte:
Weil die Metaphoren nichts anders ſind, als abgekuͤrtzte
Vergleichungen. Er ſollte ſich erklaͤren ob er die Ueber-
einſtimmung, die ſich zum Ex. zwiſchen dem Haupt, der
Stirn, und dem Halſe einer Blume und eines Men-
ſchen befindet, nicht erkenne, und ob ihm dieſe ſo uner-
hoͤrt ſey, oder wenn er ſie erkennet, ob er darum uns
nicht erlaubet, eine Metapher daraus zu formieren, weil
dieſes noch von niemanden geſchehen iſt? Wenn das iſt,
ſo wird er uns ſagen muͤſſen, was ihm erhoͤrt oder un-
erhoͤrt ſey, und es ſcheinet, daß ſeine Sprache und Re-
dekunſt gar trucken und leblos herauskommen werden.
Haben die Blumen Haupt, Stirne, und Hals, ſagt
er, warum nicht auch eine Naſe, Ohren und Schul-
tern? Will er denn haben, daß niemahls zwey Dinge mit
einander verglichen werden, welche nicht in allen Theilen
und Stuͤcken mit einander uͤbereinſtimmen, das iſt, wel-
che nicht einerley ſind? Allein ich verweiſe ihn auf den
ſiebenten Abſchnitt der Fortſetzung der critiſchen Dichtkunſt
Bl. 331. Jch ſage nichts von der Anmerckung, womit
er ſeine Critick zu verſtaͤrcken ſucht, daß in der ungebun-
denen Schreibart nicht alles erlaubt ſey, was in der Poe-
ſie vergoͤnnet wird, denn die Schrift, darinnen Rubens
ſich der angetaſteten Redensart bedienet hat, iſt eben pro-
ſaiſch-poetiſch, Poeſie in Proſa. Endlich, wenn es
ihm laͤcherlich vorkoͤmmt, daß Rubens ſich durch Hr.
Brockes ſchuͤtzer, den er, wie er ſagt, ſonſt ſo oft eines
uͤbeln Geſchmacks beſchuldiget hat, ſo ſollte er gedacht
haben, daß die aus demſelben angefuͤhrten Exempel ihre
Kraft nicht von dieſes beruͤhmten Mannes Anſehen, ſon-
dern von ihrer Uebereinſtimmung zwiſchen den Bildern,
bekommen ſollen. Und ſcheint es ihm laͤcherlich, daß ein
Kunſtrichter in einem Buche von ve miſchtem Witze einige
Sachen tadelt, andere verwirfft; haͤlt er vor weiſer und
billiger, daß in einem Wercke alles entweder verurtheilt,
oder erhoben werde?
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- TextGrid Repository (2025). Bodmer, Johann Jakob. Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj8m.0