RELIGIOSA,
Geiſtliche Tugend-Schul/
Jn Welcher
Ein Jeder/ ſo wohl Geiſt- als Weltlicher/ heylſamb zur
Geiſtlicher Vollkommenheit unterwieſen wird.
Jn Anſehung deß groſſen und herrlichen Nutzen/ ſo dieſe heylſame Tugend-
Schul bißhero gewircket/ zu ſonderbahrem Troſt und Aufferbauung der Teutſchen
Beyder Geſchlechts Nation in dieſe Muͤtterliche Sprach uͤberſetzet
Durch
Einen einſamben Ordens-Geiſtlichen der Stadt Coͤllen.
Mit vierfachem Indice oder Regiſter.
Jn dem Erſten werden begriffen die Lectionen/ in dem Andern die Hiſtorien/ in dem Dritten
wird gezeigt/ wie dieſe Lectionen auff alle Sonn- und Feyer-Taͤge koͤnnen gebraucht werden/
und in dem Vierten werden die vornehmſte Materien angezogen.
Jn Verlag Frantz Metternich/ Buchhaͤndlers unter guͤlden Waagen.
ANNO M. DC. IC.
Cum Privilegio Sacræ Cæſareæ Majeſtatis ſpeciali.
[][]
ES hat dir und dem gantzen Teutſchland/ durch ſeine biß
datoabgelaſſene teutſche Bůcher ſich rühmlich bekennt ge-
macht der Hochw. und ſehr gelehrteP. ABR AHAM
à S. CLARA,deß Heil. Auguſtiner Barfůſſer-Ordens dieſer
ZeitDefinitor Provincialis,und Kayſerlicher Hoff-Prediger.
Gleich wie du nun durch ſelbige Bücher biſt heylſamb un-
terwieſen und zugleich faſt immer zum ehrbaren Lachen
bewegt worden; alſo hat der wohlged. Vatter in ſeiner/ dir
zum Beſten auffgerichteten gegenwaͤrtigen geiſtlichen Tugend-
Schul/ dich ebener maſſen unterrichten/ das Lachen mit Heyl-
bringenden Schmertzen vermiſchen/ und dir zeigen wollen/
daß er eben ſo wohl Faſten/ als Faſt-Nacht halten koͤnne.
Jndem aber ſelbiger/ deß Jhme auffgetragenen hohenProvin-
cial-Ambts halben/ dieſe ſeine in lateiniſcher Sprach for-
mirte geiſtliche Schul zu verteutſchen abgehalten worden: Als
hab ich/ mein Chriſtlicher Leſer/ du ſeyeſt Geiſt- oder Welt-
lich/ in Anſehung deß groſſen Nutzen/ ſo auß dieſer GOtt-
gefaͤlligen Lehr bißhero nicht wenigen erwachſen/ zu hoͤchſter
Ehren GOttes und zum Troſt und Heyl deiner Seelen
dir auch den Zugang zu dieſer hohen Tugend-Schul durch
Vberſetzung der lateiniſchen Sprach in deine Můtterliche er-
oͤffnen/ und dich anbey erinnern wollen/ daß du derſelben
herrliche Lehr-Stůck reifflich zu beobachten/ deine bißhero
begangene Fehler und irrige Miß- Tritt demůtiglich zu er-
kennen/ und ſelbige angewieſener Maſſen zu beſſeren dich aͤuſſe-
riſt befleiſſen ſolleſt. Jch/ als ein unwůrdiger Geiſtlicher
geſtehe gern/ daß ich ſchier in allenLectionen und Regulen die-
ſer geiſtlichen Tugend-Schule ſchon laͤngſt zwarn ſeye erfah-
ren geweſen/ dannoch allen nicht gleichfoͤrmig gelebt habe:
muß aber nun mit Freuden bekennen/ daß mich ſelbige meines
):( 3Ambts
[]Zum geneigten Leſer.
Ambts an unterſchiedlichen Orthen zum Troſt meiner See-
len gar glimpfflich erinnert haben. Dieweilen aber ich mit
dieſer meiner eigenen geiſtlichen Erſprießligkeit nicht alleinig zu
frieden bin/ ſondern dir/ als meinem Naͤchſten dieſelbe auch
von Hertzen goͤnne; ſo hab ich die hiernaͤchſt folgende Geiſt-
reicheLectionen/ die teutſche Sprach zu lehren; auch in ſelbi-
gen an einigen wenigen Orten auß Vrſachen etwas zu verſetzen/
und dich ſolcher Geſtalt in allein Guten zu handhaben mich
unterſtanden; der ich hiedurch nichts anders/ als die hoͤchſte
Ehr GOTTES/ und die Seelen Wohlfahrt aller Chriſt-
Glaubigen fůrnemblich ſuche/ und von Hertzen wünſche/ daß
alle leibliche Eltern/ Bruͤder/ Schweſter und Freunde/ ihre
GOtt-verlobte Kinder/reſpectivèBrüder/ Schweſter und An-
verwandte in den Kloͤſtern/ an ſtatt deren unnůtzlichen/ und
vielmahl ſehr ſchaͤdlichen und verderblichen Geſchencken/ mit
Verehrung dieſer verteutſchten H. Tugend-Schul/ zum Heyl
ihrer Seelenregaliren thaͤten: ſie würden ohn allen Zweifel
von GOTT viel beſſern Lohn und Seegen/ ſo zeit- als
ewiglich; und von ihren Kindern und Anverwandten nach-
mals viel groͤſſern Danck zu gewarten habebn. Derhalben laſſe
dir/ mein geneigter Leſer/ dieſe meine wohl-meinende Arbeit
zum Heyl deiner Seelen gefallen/ und bette für mich/
wie ich fůr dich.
APPRO-
[]
APPROBATIO
THEOLOGORUM ORDINIS.
IUſſu Reverendiſſimi Patris Martini à SS. Trnitate
noſtri Generalis Vicarii legi \& perlegi præſens Opuſculum, \& quia
in eo nihil ab Orthodoxa fide aut bonis moribus alienum reperi:
ideo publica luce dignum judico. Datum Viennæ in Aulico
noſtro PP. Auguſtini Monaſterio, die 1. Januarij 1691.
F. BERNARDUS à S. THERESIA Augu-
ſtinianus Diſcalceatus \& in præfato Con-
ventu pro tempore Prior.
PRæſens Volumen GRAMMATICA RELIGIOSA indigitatum
attenta mente pervolvi, \& cum non niſi ſanam \& ſanctam doctrinam
contineat, publico prælo dignum cenſui. Datum Viennæ die 6. De-
cembris, 1690.
F. ANSELMUS à S. Chriſtophoro Auguſt.
Diſcalc. SS. Theologiæ Lector Primarius.
CENSURA
ORDINARII COLONIENSIS.
GRAMMATICA RELIGIOSA ab Adm. Reverendo Patre Abra-
hamo à S. Clara, Auguſtiniano Excalceato, \& doctè conjugata, \&
latinè pro Latinis perfecta, à candido verò Religioſo in Gratiam Ger-
manorum in idioma Germanicum candidè \& religioſè transformata; placet ut
pro plurium Inſtitutione typis divulgetur. Coloniæ hac 24. Maji 1698.
CHRISTIANUS NEWENDAL Elſius, SS.
Theologiæ Doctor, Colleg. Eccleſ. S.
Andreæ Decanus, Gymnaſii Montani Re-
gens, Librorum Cenſor. \&c.
PRIVI-
[]
PRIVILEGIVM CÆSAREVM.
CUm plane hoc anno à Sua Majeſtate
Cæſarea Religio mea Diploma obtinuerit, quo
omnibus \& ſingulis Typographis, Bibliopolis, ae
aliis quibuscunque librariam negotiationem ex-
ercentibus ſeriò firmiterque inhibeatur, ne quisquam libros
ullos à Patribus noſtris hactenus editos, aut in poſterum eden-
dos intra Sac. Rom. Imperii \& Provinciarum Sac. Cæſ. Ma-
jeſtati hæreditario jure ſubditarum fines abſque Superiorum \&
Auctorum conſenſu ſimili aliove charactere aut formâ, ſive in
toto, ſive in parte excudere, recudere, vel aliò excudendos
vel recudendos mittere, vendere, diſtrahere clam ſeu palam
audeat vel præſumat.
Idcirco Ego F. ABRAHAM à S. CLARA Auguſt.
Diſcalceatus pro tempore Definitor Provincialis hocjus Cæſarei
Privilegii circa editionem Grammaticæ Religioſæ in idiomate
vernaculo libens lubens cedo Franciſco Metternich
Civi \& Bibliopolæ Colonienſi ejuſque hæredibus, in quorum
fidem hoc ei teſtimonium manu propriâ ſubſcripſi \& conſueto
ſigillo munitum dare volui. Viennæ 12. Auguſti 1698.
(L. S.)
F. ABRAHAMVS à S. CLARA
Auguſt. Diſcalc. pro tempore Definitor
Provincialis.
Regiſter
[]
Denen Hoch-Ehrwürdigen/ in GOtt Geiſtlichen
Frawen/
Fr. MARIÆSchmitz/
Wuͤrdigſten Abtiſſin deß uhralt-vornehmſten Jungfern
Cloſters S. Machabæorum M M.
Fr. GERTRUDISchlimgen/
Wohl-verdienten Abtiſſin deß wohlberuͤhmten
Gottes Hauß St. Agathæ. M.
Fr. ANNÆAubels/
Werthiſten Abtiſſin deß Hochloͤblichen Cloſters
SS. Mauritii \& Soc. M M.
Allerſeits Welt- beruͤhmten Ordens S. BENEDICTI
Obriſt-Vorſteherinnen in Coͤllen/ \&c.
VNter denen Heiligen Ordens-Stifftern iſt meines erachtens der
gluͤckſeeligſter der hoch - gebenedeyter Patriarch Benedictus,
deme ſchier der dritte Welt-Theil gefolgt/ * und ſeine Geiſtliche
Grammatic, das iſt/ ſeine ſchrifftlich verfaſte Wiſſenſchafft geiſtlich
zu leben angenommen/ in ungezweiffelter Warheit/ daß ſelbige die al-
lerheylſambſte vom H. Geiſt allerheiligſt dictirte Regulen/ Lectio-
):(nen
[]DEDICATIO.
nen/ Lehr- und Satzungen begreiffend/ zum hoͤchſten Benedictiner-
Ordens Lob/ und bey der Nach- Welt verewigten Herrlichkeit an ſich
gezogen 31. Roͤmiſche Paͤpſt: 184. Cardinaͤl: 1564. Ertz-Bi-
ſchoffen: 3512. Biſchoffen: 15000. Aebt und Praͤlaten (neben un-
zaͤhlig vielen andern) ſo in außgangenen vortrefflichen Schrifften be-
ruͤhmt geweſen: beneben noch 20. Kaͤyſern und 12. Kaͤyſerinnen: 20.
Koͤnigen und 45. Koͤniginnen/ neben unzaͤhlichen fuͤrſt- graͤff- hoch-
adlichen und allerhand Stands-Perſonen/ welche alle die Reguln der
Grammatic deß H. Benedicti alſo eyſerig-beſtaͤndig gehalten/ daß
man in dieſem heiligen Orden zehle mehr als 44022. Canoniſirte Hei-
ligen/ und wie andere ſchreiben/ wann nur in jederem Benedictiner-
Cloſter oder Abdey (deren zu Zeiten Trithemii ſeynd geweſen 37000.
und 15000. Jungfrauen-Cloͤſtern) ſo erſtrecke ſich die Zahl deroſelben
ad 52000. da doch im eintzigen Caſſinenſiſchen Cloſter 5555. Hei-
ligen gelebt haben/ und begraben worden: ich geſchweige viele tauſend
Martyrer/ ſo allenthalben dieſen H. Orden mit ihrem H. Blutgezieret ha-
ben; ſo gar daß die Mutter der ewigen Warheit Maria faſt ruͤhmlich der H.
Brigittaͤ offenbahret/ **daß GOtt den H.BENEDICTUM
auff einen Berg beruffen/ alwo er außm Heil. Geiſt
ſeine Regul verfaſſet/ durch welche viele vollkommen
und heilig worden ſeynd/ wieBENEDICTUSgeweſen.
Dem H. Benedicto und ſeinem Orden ſagt Danck der H. Vatter
und Patriarch Dominicus, daß er durch Vorbitt deß H Dominici
Benedictiner- Ordens Abten auß unfruchtbaren Eltern gebohren
ſeye: mit ſchuͤldigſtem Danck erfreuet ſich der H. Patriarch Franciſcus,
daß er zu Portiuncula, damahlen Benedictiner-Ordens Kirchen/ das
Fundament ſeines geiſtlichen ſtrengen Lebens gelegt/ und auch ſeinen
Seraphiſchen Geiſt darinnen auffgeben hat: Nicht weniger lobet/ und
mit danckbarem Hertzen preiſet der H. Patriarch Ignatius das Bene-
dicti-
[]DEDICATIO.
dictiner-Cloſter Montis Serrati, in welchem er die Erſtlingen deß
Goͤttlichen Geiſtes empfangen/ ſelbige nachmahls durch die gantze
Welt/ zum hoͤchſten Seelen-Nutzen/ und Vermehrung Goͤttlicher
Ehren hat außgebreitet. Billig erfreuet ſich neben andern/ auch der
H. Cartheuſer Orden/ der ſeine Heyl-bringende Satzungen auß die-
ſem herrlichen Brunnen geſchoͤpffet hat. Mir iſt kein Zweiffel/ daß
ſich Ew. Hoch-Ehrw. ſampt ihren untergebenen geiſtlichen Toͤchtern
nicht ebenfals hertzinniglich werden erfreuen/ daß ſie von einem ſo heiligen
Lehr - Meiſter auffgenommen/ und deſſen ſo heylſame in aller diſ-
cretion und Vernunfft begruͤndte/ auch zur Seeligkeit ſicher be-
fuͤrderliche Reguln/ Lehr- und Satzungen angenommen: ja dieſen
ihren Vatter und Patriarchen/ hoͤchſtens werden loben und preiſen/
daß vermttels ſeiner kraͤfftigen Vorbitt von ſo vielen hundert Jahren
hero dieſe ſeine geiſtliche Grammatic, ſambt deren Reguln/ Lectio-
nen und Satzungen biß auff heutigen Tag in ihren loͤblichen dreyen
Coͤllniſchen Jungſern Cloͤſtern ſo beſtaͤndig unterhalten/ daß ſie die er-
ſte und vornehmſte aller dieſer Stadt Jungſern Cloͤſtern in ihrem Eif-
fer verharrend/ andern zum folglichen Exempel verblieben ſeynd. Es
waͤrt zweiffels ohn dieſem ihrem H. Orden und geiſtlichen Jungfern
ein ſo hochwerther/ und dem gantzen Ertz-Stifft hoͤchſt-erſprießlicher
Schatz/ der bluͤtige Vrſulaniſche Acker mit ſo viel hundert H. H.
Coͤrporen und Reliquien ſo vieler Koͤnig- und Fuͤrſtlicher Martyrer
nicht anvertraut/ noch dieſe mit ſo viel tauſent Junafraͤulichem Bluth
befeuchte Wahlſtatt zur ewigen Wohnſtatt nicht uͤbergeben worden/
wann nicht dieſer gleichfals veſta[l]icher Jungfern unerloͤſchliche An-
dacht/ und bren-eifferiger GOttes-Dienſt/ ihre aufferbauliche Tugen-
ten und Vollkommenheit/ und ihre damahlen allbekannte Heiligkeit
vor allen ſo wohl Manns- als Jungfern- Cloͤſtern meritiret haͤtte.
Darumb meines erachtens nicht unfuͤglich Euch dreyen dieſes H. Or-
dens Vorſteherinn- und Abtiſſinnen dieſe geiſtliche Grammatic dedi-
):( 2cire
[]DEDICATIO.
cire und zueygene/ als welche dieſes ihres H. Ordens und untergebe-
nen Vnterthanen ein lebendige Grammatic biß hiehin geweſen/ ſo mit
ihrem hochpreiß geiſtlichem Wandel in ihrer geſcheid-loͤblicher Regie-
rung viele herrliche Lectionen ihrer muͤtterlichen Liebe/ gruͤndlicher
Demuth/ gottsfoͤrchtiger Andacht/ und goͤttlichen Eyffers haben ab-
geben/ und die Gemuͤther ihrer Toͤchtern zu dergleichen Tugent leuchtendem
Wandel entzuͤndet/ gemaͤß der Lection deß erleuchten Lehrers Gregorii
Nazianz. ſerm. de hom. util. Pios, angelos potius dicamus quàm
homines, clariſſima ſidera, \& præſtantiſſima Chriſti membra,
immortalis Dei ſigilla, \& aſtra carne veſtita.Gottſeelige
fromme Leuth ſeynd mehr den Engeln/ als den Men-
ſchen gleich zu nennen/ es ſeynd helleuchtende Him-
mels-Lichter/ vortreffliche Glieder Chriſti/ deß un-
ſterblichen GOttes Pittſchafften/ und mit dem Fleiſch
bekleidete Sternen/ ſo mit den Strahlen ihrer Andacht und
Gottſeeligkeit den Frommen zum anmuͤthigen Antrieb/ den Nachlaͤſſigen
aber zum Schroͤcken hervor blitzen; daß/ wofern ihr lebendiges Tu-
gent-Exempel bey einigen nicht eben gnugſamb beweg-kraͤfftig ſeyn
ſolte/ gegenwaͤrtiger geiſtlicher Grammatic-Lectionen einen nach-
druͤcklichern Antrieb zuſetzen/ und denen Zunehmenden zum mehrern
Fortgang und Vermehrung ewiger Glory und Seeligkeit moͤge ge-
deyen. Hiernaͤchſt erwuͤnſchend allen erſaͤttlichen Wohlſtand/ beſtaͤnd-
gluͤckliche Regierung und reich-flieſſenden Seegen von dem Allerhoͤchſten.
Ew. Hoch-Ehr-Wuͤrden
Demuͤtigſt Dienſt-ergebener
Franciſcus Metternich.
[]
REGJSTER
- Der GeiſtlichenLectionen: die Erſte Zahl bedeutet die
Ordnung oder Verfolg derLectionen; die andere das
Blat/ an welchem ſie zu finden.
A.
- VOn der Abtoͤdtung
33. 399. - Von Anhoͤrung und Leſung
geiſtlicher Dingen 42.
543 - Von der Hand-Arbeit 43.
553 - Von der Armuth 14. 165
B.
- VOn der Barmhertzigkeit
GOttes 3. 23 - Von der Barmhertzigkeit ge-
gen die Armen 50. 637 - Von Betrachtung deß Leyden
Chriſti 38. 481
- Von der Sacramentaliſcher
Beicht 40. 510 - Von der Buß 4. 33
D.
- Von der Danckbarkeit 39. 492
- Von der Demuht 11. 111
E.
- VOn der Ehr-Abſchneidung
10. 103 - Von dem Ehr - Geitz 13.
143 - Von der Einſambkeit 20.
235 - Von Ergebung ſeiner in den
Willen GOttes 26. 327 - Vom guten Exempel 32393
):():(F. Vom
[]Regiſter
F.
- VOm Faſten und Enthal-
tung 34. 414 - Von dem Feg - Feuer 49.
626 - Von der Forcht GOttes
45. 575 - Von dem Fraß und Truncken-
heit 36. 437 - Von der geiſtlicher Freud
27. 343
G.
- VOn dem Gebett 37. 444
- Von dem innerlichen Ge-
bett cad.465
- Von dem innerlichen Ge-
- Von der Gedult der Geiſtli-
chen 23. 273 - Von dem Gehorſamb 21. 244
- Von dem beſondern Gericht
47. 590 - Von dem unnoͤthigen Ge-
ſchwaͤtz 18215 - Von dem geiſtlichen Geſpraͤch
19. 224 - Von der Geylheit 16. 198
- Von dem Glauben 1. 1
- Von der Gleißnerey und ey-
telen Ehr 29. 364
H.
- VOn dem Haß 8. 74
- Von der Hoffart 12. 131
- Von der Hoffnung 2. 11
- Von der Hoͤllen 48. 605
K.
- VOn der Keuſchheit 15. 183
L.
- VOn der Liebe 5. 42
- Von der bruͤderlichen Liebe
6. 54
- Von der bruͤderlichen Liebe
- Von der Liebe der Feinden
7. 64
M.
- VOn der guten Meynung
28. 351
P.
- VOn den Peynen deß Feg-
Feurs 99. 626- Sehe Feg-Feur.
- Von den Peynen der Hoͤllen
48. 605- Sehe Hoͤll.
R.
- VOn der Reſignation oder
Ergebung in den Willen
GOttes 26. 327
S.
- VOn dem Allerheiligſten Sa-
crament deß Altars 41.
523
Von
[]Der Geiſtlichen Lectionen.
- Von der ewigen Seeligkeit
51. 648 - Von dem geiſtlichen Stand
35. 425 - Von dem Sillſchweigen 17.
204 - Von der Grobheit der Suͤn-
den 44. 564
T.
- VOn dem Todt 46. 582
- Von Truͤbſal und Wider-
waͤrtigkeit. Sehe Vor-
trefflichkeit der Truͤbſalen
und Widerwaͤrtigkeiten 24
291
- Von Truͤbſal und Wider-
- Von der Trunckenheit und
Fraaß 36. 437
V.
- VOn Verachtung der Welt
30. 374 - Von Verehrung der heiligen
Mutter GOttes Mariaͤ
53. 680 - Von Verehrung der Heili-
gen 54. 700 - Kuͤrtzlicher Vnterricht von
ſtuͤndlicher Verehrung der
Allerſeeligſten Jungfrauen
und der H. H. Patronen
705 - Weiß und Manier die Allerſee-
ligſte Jungfrau und die
H. H. Patronen zu allen
Stunden anzuruffen 709 - Das Vhrwerck deß bittern
Leydens Chriſti ibid. - Weiß und Manier die Allerſee-
ligſte Jungfrau und die
ſtuͤndliche Patronen zu ver-
ehren 716 - Weiß und Manier einen Pa-
tronen zu erwaͤhlen fuͤr den
gantzen Tag 721 - Weiß und Manier wie man
ſich mortificiren oder Ab-
toͤdten koͤnne zu Ehren Got-
tes/ der allerſeeligſten Jung-
frauen und der H. H. Pa-
tronen 724 - Morgens-Vbung oder Mor-
gens-Gebett eines Geiſtli-
chen. 727 - Abends - Vbung oder Gebett
739
):():( 2Von
[]Regiſter der Geiſtlichen Lectionen.
- Von Verharrung im Guten
55. 747 - Von der Verlaͤumbdung o-
der Ehr - Abſchneidung
10. 103 - Von den Verſuchungen 25.
305 - Von dem Vngehorſamb 22.
267 - Von der Geiſtlichen Voll-
kommenheit 31. 380
- Von Vortrefflichkeiten der
Truͤbſalen und widerwaͤr-
tigkeiten 24. 291 - Von dem freventlichen Vrtheil
9. 82
Z.
- Von der wenigen Zahl der
Außerwaͤhlten 52. 659.
[]
REGJSTER
Der Hiſtorien nach Ordnung oder Verfolg
der Lectionen/ ſo in dieſer Tugend-Schul
verhalten werden.
- Die erſte Zahl zeigt an das Blat/ die andere Zahl den
Paragraphem.
Glaub.
- EJn Doctor der hohen Schulen
verlaſſet ſich zu viel auff ſeine
Gelehrheit/ und wird ver-
dambt p. 3. n. 3
Hoffnung.
- EJn Geiſtlicher wird in der Hoffnung
unterwieſen p. 18. n. 9 - Bernardus hat daß rechte Hoffen wohl
getroffen p. 19. n. 10 - Ein recht hoffender Geiſtlicher wird in
ſeiner Hoffnung geſtaͤrcker p. 21. n. 13 - GOtt gibt einem Einſidler den Kath/
wie man ſich in Zeit der Noth der Hoff-
nung gebrauchen ſolle p. 22. n. 14
Barmhertzigkeit GOttes.
- DEr Biſchoff Carpus erfahret/ das Gott
barmhertziger ſeye/ als die Menſchen
p. 25. n. 3 - Ein groſſe Suͤnderin kombt zur Gna-
den p. 27. n. 7 - Ein Vatters- und Bruders-Moͤrder er-
langt Barmhertzigkeit p. 28. n. 8 - Ein unzuͤchtiges Weibs-Bild wird be-
kehret p. 30. n. 10
Buß.
- PAphnutius bekehret eine oͤffentliche
Suͤnderin gar glimpfflich p. 34. n. 3
- Philipus/ Graf zu Namur/ lebt im-
mer in allen erdencklichen Suͤnden/ und
ſtirbt endlich wohl p. 38. n. 7 - Archias verweilet einen Brieff zu leſer
zu ſeinem hoͤchſten Schaden p. 39. n. 8
Liebe GOttes.
- DJe liebe Gottes allein macht den Men-
ſchen ſeelig p. 49. n. 9
Brůderliche Liebe.
- Jgnatius Lojola ein wahrer Liebhaber
der Seelen p. 55. n. 2 - Ein geiſtlicher Bruder folget ſeinem
Mit-Bruder ſo lang nach/ wohin er ver-
langet/ biß er ihn endlich von ſeinen Suͤn-
den wiederumb zum Dienſt GOttes be-
kehret p. 61. n. 8 - Die Bruͤderliche Lieb eines Schweffel-
Pfeiffers wird den Verdienſten deß heiligen
Paphnutü gleich gehalten p. 61. n. 9 - Ein Prieſter ſchencket ſeinem Beichts-
Kind alleſeine Verdienſten p. 63. n. 10
Liebe der Feind.
- EJn Soldat verzeyhet dem andern den
Todtſchlag ſeines Vatters p. 67. n. 4 - Die heilige Eliſabeth/ Koͤnigin in Vn-
garn/ wird wegen geduͤltiglich getrage-
nen Vnbills von GOtt belohnet p. 68 n. 5
):( ):( 3Ber-
[]Regiſter der Hiſtorien
- Bernardus verthaͤtiget ſeinen Feind
wider den Anfall der geiſtlichen Bruͤder.
p. 70. n. 8.
Haß.
- SApritius wegen lang bchaltenem Haß
gegen den Nicephorum/ verliehrt die
Marter-Kron/ und daß ewige Leben
p 75. n. 3 - Ein vornehmer Ordens - Geiſtlicher
wird von dem gepflogenen Haß wider ſei-
nen Mitt-Bruder ewiglich verdambt
p. 78. n. 7 - Ein faſtendes und bettendes Weib ſtirbt
wegen deß Haſſes ungluͤckſeeliglich p. 81. n. 9
Freventliches Urtheil.
- DAß man vor der Zeit nicht richten ſolle
p. 84. n. 3- Jtem p. 85. n. 4
- Himmliſche Belohnung eines Geiſtli-
chen/ weilen er immer im Brauch gehabt/
alles zum beſten anßzudeuten p. 87. n. 6 - Daß man auch im Vrtheilen uͤber die
oͤffentliche Suͤnden ſolle behutſamb ſeyn
p. 89. n. 8- Jtem p. 90. n. 9
- Pimenius Abt kennet ſich beſſer/ als er
andere kennet. p. 93. n. 13 - Ein geiſtliche Jungfrau wird vom Teuf-
fel verſucht/ und/ indem ſie ſich ſelbigem
widerſetzet/ wird ſie von den Menſchen fuͤr
verzweifflend gehalten p. 96. n. 17 - Ein frommer Baur wird von den Moͤr-
deren erwuͤrgt/ und von dem Richter/ als
ein Moͤrder ſeiner ſelbſt unter den Galgen
begraben p. 98. n. 18. - GOtt liebet die jenige ſehr/ ſo deß Vr-
theilen uͤber ihren Naͤchſten ſich enthalten
p. 100. n. 19
Verlaͤumdung.
- EJne Ehrruͤhriſche Zung verdirbt elen-
diglich p. 105. n 3 - Ein Verdambter beklagt ſich ſeiner ver-
uͤbten Verlaͤumdung p. 107. n. 5 - Vngluͤcklicher Fall deß Biſchoffs Vdoms
p. 150. n. 8
Demutth.
- EJn Demuͤtiger wird in ſeinem Tods-
Bett erfreuet p. 114. n. 4 - Der Teuffel haſſet die Demut deß H.
Macarü p. 115. n. 5 - Demut der H. Mariaͤ Magdalenaͤ de
Pazzis p. 118. n. 8 - Franciſcus ſchaͤtzet ſich fuͤr den groͤſten
Suͤnder p. 119. n. 8 - Ab der Demuth eines Einſidlers
muſt der Teuffel einen Beſeſſenen verlaſſen
p. 119. n. 9. - Antonius muſt einem gemeinen Hand-
Wercks-Mann in der Demut weichen
p. 121. n. 11 - Ein Einſidler fliehet die Verehrungen
der weltlichen p. 126. n. 16 - Adolphus auß einem Grafen zu Holſtein
ein armer Geiſtlicher tragt Reu/ daß er ſich
fuͤr ſeinen Soͤhnenſeiner veraͤchtlichen Ar-
beit einsmahls geſchaͤmet habe p. 127. n. 17 - Herrliche Demut eines alten Greiß-
grauen Geiſtlichen p. 129. n. 19 - Jtem eines Carteuſersibid.n. 20
Hoffart.
- HOffarts-Fall eines Einſidlers p. 132. n. 1
- Ein Geiſtlicher wird von der Hof-
fart zum Verderben gerichtet p. 133. n. 3 - Jtem ein ander Geiſtlicher wird von
dieſem Laſter zu Boden geworffen n. 3 - Ein Geiſtlicher ſehetſeinen Mit-Bruder
einen Gottſeeligen Mann in hoffaͤrtigen
Gedancken ſterben/ und verderben p. 136. n. 5 - Ein Einſidler trauet ihm gar zu viel und
fallet p. 139. n. 8 - Der Teuffel ſuchet zu betriegen einen
Einſidler/ und wird von ſelbigem betrogen
p. 140. n. 9 - Antonius Einſidler uͤberwindet den
Teuffel mit ſeiner Demut ibid. - Wie ſich einer in den Tugenten gar nuͤtz-
lich geuͤbet habe p. 142. n. 11
Ehrgeitz.
- GEiſtliche Verdambte verkuͤndigen die
Vrſach ihres Vnheils/ den Ehrgeitz
p. 144. n. [...]
Ehren-
[]Nach Ordnung oder Verfolg der Lectionen.
- Ehren-Flucht eines Gottſeeligen Geiſt-
lichen auß dem Heil. Auguſtiner Orden
p. 156 n. 10 - Ein alter Einſidler ſtellet ſeinem zum
Biſthumb beruffenen Vaͤtter die Gefahr
deſſelben fuͤr Augen p. 157. n. 11. - Ganfredus ein Geiſtlicher kan durch den
Gehorſamb zum Biſtumb nicht gezwun-
gen werden/ und ſtirbt bald darnach ſeelig-
lich p. 157. n. 12 - Thomas de Villa nova fliehet die Bi-
ſthuͤmbliche Wuͤrden p. 158. n. 13 - Petrus Damiani Cardinal fliehet das
Biſthumb wunderbarlich p. 159. n. 15 - Einfrommer Capuciner wird wegen gar
geringen/ in ſeinem Vorſtehers Ambt ver-
uͤbten Nachlaͤſſigkeit/ im Feg-Feur ſehr
hart geſtrafft p. 161. n. 16
Armut.
- DEr heilige Amatus liebet die Armut
p. 169. n. 5 - Epheſtion und Spiridion thun deßglei-
chen ibid. - Gute Geiſtliche achten kein Geld p. 170.
n. 6 - Arſenius verwifft die Erbſchafft p. 172.
n. 8. - Groſſe Armut der erſten Einſidler p. 174.
n. 10 - Wie einige wegen der angenommenen
weltlichen Geſchencke ewiglich verdambt
worden p. 175. n. 12 - Der H. Jgnatius Stiffter der Socie-
taͤt JEſu ſtraffet einen Rectorem ſeiner
Geiſtlichen/ wegen Vbertrettung der Ar-
mut ſehr ſcharff p. 176. n. 13 - Ein Geiſtlicher gibt von deme ihm uͤber-
gebliebenen Brod den Armen/ und wird
vom Teuffel betrogen p. 177. n 14. - Ein Geiſtlicher hat etwas weniges
Wachs-Draht unnuͤtzlich verbrannt/ und
iſt derhalben im Feg-Feur hart geſtrafft
worden p. 178. n. 15 - Straff wegen unnuͤtzlich verbraͤnten
Holtz p. 179. n. 16 - Erſchroͤcklicher Todt eines Eigenthuͤm-
bers p. 180. n. 18 - Ein ander wird wegen deß enthaltenen
Pſalters verdammet p. 181. n. 18
- Ein ander wegen eines Breviers n. 19
- Die Cellen der Muͤnchen muͤſſen in ein-
faͤltigen Gebaͤu beſtehen p. 182. n. 20
Keuſchheit.
- JOannes Bonus ein frommer Augu-
ſtiner verwundet ſich ſelbſten umb
die Keuſchheit zu erhalten p. 187. n. 3. - Euphraſia will lieber ſterben/ als dieſes
Klemod verlieren. p. 187. n. 4 - Ein ander will lieber die Zung verlie-
ren als die Keuſchheit p. 188. n. 4 - Der H. Papſt Leo hat ſich wegen be-
foͤrchtender Aergernuß die Hand abge-
hauen p. 190. n. 8 - Dominicus ſtraffet einen Cuͤſter/ daß er
dem Beichs-Vatter angekuͤndigethabe/ es
verlange ein ſchoͤnes Weibs-Bild zu beich-
ten p. 193. n. 11 - Der Gottſeelige Adalbertusà S. Alexio
iſt ſeinen Kindern mit einem guten Exem-
pel in der Keuſchheit vorgangen p. 194. n. 12 - Kurtze Exempeln einiger Heil. Gottes/
als Liebhabern der Keuſchheit p. 194. n. 12 - Einige fromme Diener GOTTES
ſeynd auch in der boͤſen Gelegenheit gefal-
len p. 195. n. 14
Geilheit.
- DEr Engel GOttes ſtopfft die Naſen
fuͤr einem wohlgezierten Juͤngling/
nicht aber fuͤr einem ſtinckenden Aeſt
p. 201. n. 4. - Ein Einſidler ſuchet ein Mirtel an dem
Grab eines verſtorbenen Weibs-Bild.
p. 202. n. 6
Stillſchweigen.
- MAria ein Exempel deß Stillſchweigens
p. 206. n. 4 - Der fromme Alt-Vatter Pambo gibt ei-
ne ſchoͤne Verantwortung ſeines Still-
ſchweigens p. 210. n. 9 - Stephanus/ Koͤnig in Vngarn wird
von einem ſchweigenden Geiſtlichen auffer-
bauet. ibid. n. 10. - Der heilige Kadolphus/ Benedictiner
Ordens hat in 16. Jahren kein eintziges
Woͤrtlein geredet; und laͤſchet nachmahln
mit ſeinem muͤndlichen Befelch ein groſſe
Feur-Brunſt ibid. n. 11
Un-
[]Regiſter der Hiſtorien
Unnoͤthiges Geſchwaͤtz.
- EJne todte Jungfrau ſtraffet ihre ge-
ſchwaͤtzige Mit Schweſtern p. 218. n. 3 - Thereſia wird von Chriſto deß uͤberfluͤſ-
ſigen Redens halber erinnert p. 219. n. 4. - Dnranus/ ein Biſchoff/ bezeugt im Feg-
Feur die Vrſach ſeiner Peinen p. 220. n. 6 - Wegen einiger muͤſſigen Wort werden
zwey Geiſtliche an einem Brad-Spieß ei-
nem andern gezeigt p. 221. n. 7. - Ein leydende Seel hectehrt vom Ehrw.
P. Sylvio dreyſſig H. H. Meſſen/ damit
ſie von der Straff deß unnoͤthigen Ge-
ſchwaͤtz befreyet werde p. 221. n. 7 - Einige Beyſpiel deß muͤßigen Geſchwaͤtz
p. 222. n. 8
Geiſtliches Geſprach.
- HJeronymus erzehlet/ wie er wegen
Leſung weltlicher Buͤcher zum Ge-
richt ſeye gefordert worden. p. 227. n. 4 - GOtt zeigt dem H. Benedicto/ wie ſehr
ihm das geiſtliche Geſpraͤch gefalle
p. 231. n. 7 - Die Engeln GOttes erfreuen ſich/ wann
die Geiſtliche gute Geſpraͤch halten
p. 232. n. 8
Einſambkeit.
- ARſenius lebt in Einſamhkeit p. 238. n. 3
- Drey leibliche Bruͤder dienen GOtt
umb die Wett p. 240. n. 7 - Der auß gantzem Hertzen die Gemein-
ſchafft der Menſchen fliehet/ dem gehor-
chen auch die Voͤgel und wilde Thier p. 242.
n. 7
Gehorſamb.
- EJn gehorſamer gehet den geraden
Weeg zum Himmel. p 248. n. 3 - Kogerius ſtirbt auß gehorſamb p. 249.
n. 5 - Jtem Joſephusà S. Auguſtinothut
deßgleichen. p. 250. n. 5 - Paulus Einſidler wird von dem heili-
gen Antonio in dem Gehorſamb probirt
p. 250. n. 6
- Der Ehrw. Joannesà S. Guilelmowird
von der Allerſeel gſten Jungfrauen im
Gehor ſamb unterrichtet p 252. n. 7 - Andreas Aſſiſinas/ ein Capuciner/ muſt
wegen unerlaubter geuͤbten Buß-Werck im
Feg-Feur leyden p. 252. n. 8 - Marcus Einſidler wird von dem Abt
Sylvano wegen deß Gehorſambs geliebt
p. 256. n. 13 - Folgen mehr andere Beyſpiel deß Gehor-
ſames p. 257. n. 14. 15 - Vollkommner Gehorſamb deß Bruders
Jacobi Dommicaner Ordens. - Jtem vollkommner Gehorſamb Alipii
à S. FranciſcoAuguſtiner Ordens p. 259.
n. 17. - Andre Exempeln deß Gehorſambs p. 260.
n. 18. - Herrliches Exempel deß H. Lamberti
p. 262. n. 19 - Andere Exempeln deß Gehorſambs
p. 263. n. 20
Ungehorſamb.
- EJnige Exempeln deß Vngehorſambs
p. 268. n. 2. 3 - Ein Geiſtlicher lebt nach ſeinem Willen/
und wird verdambt p. 271. n. 4. - Ein Muͤnch verrichtet das Gebott ſeines
Obern mit Murren/ und wird vom Teuf-
fel angefallen p. 271. n. 5 - Ein Pfoͤrtner wird in Vngehorſamb
erdapt p. 272. n. 5
Gedult.
- EJn ungedultiger Muͤnch fliehet in die
Wuͤſten p. 276. n. 3 - Der H. Petrus/ Prediger Ordens/
wird faͤlſchlich angeklagt/ und leydet ſol-
ches mit Gedult p. 278. n. 5 - Remigius uͤbt ein vollkommne Gedult
p. 279. n. 6. - Ein gedultiger Kauffman p. 280. n. 7
- Joannisà S. Guilelmoaufferbaͤuliche
Gedult p. 281. n. 8 - Franciſcus ſtraffet ſeinen Bruder/ daß
er vermeinet/ GOtt ſeye ſeinem Geiſtlichen
Vatter zu ſtreng p. 281. n. 9
Der
[]Regiſter der Hiſtorien
- Der Ehrw. Joannesà S. Guilelmowird
betruͤbt/ wann er nicht groſſe Schmertzen
zu leyden hat p. 282. n. 10 - Marulus ein Bettler danckt GOtt
wegen ſeines uͤbelen Zuſtands ibid. - Gedult eines Eindſidlers in ſeiner
Rranheit p. 283. n. 11 - Schoͤne Gedult deß Mennaͤ p. 284. n. 12
- Romualdus gedultig in ſeinem Novi-
[t]iat p. 285. n. 13 - Dorotheus uͤberſtehet groſſes Vnbill mit
Freuden p. 285. n. 14 - Joannesà S. Guilelmolobtſeine Schmaͤ-
her p. 286. n. 15 - Eintge Beyſpiel der wahren Gedult
p. 287. n. 17. \& 18 - Henri[o]us Suſo ein Dominicaner wird
wacker getummelt p. 290. n. 20
Widerwaͤrtigkeit.
- CAtharina von Senis will ohne Truͤbſall
nicht leben p. 292. n. 2 - Den Thaulerum erretten die außgeſtan-
dene Widerwaͤrtigkeiten auß dem Fegfeur
p. 300. n. 9. - Ein Wirth ohne Widerwaͤrtigkeit wird
mit den Seinigen von der Erden verſchlun-
gen p. 302. n. 11 - Ein junger Einſidler uͤberſtehet das Vn-
bill mit Gedult p. 304. n. 15
Verſuchung.
- DEr deß Teuffels Kath folget/ wird
von ſelbigem nicht leicht verſucht
p. 307. n. 2 - Ein geiſtlicher wird nach viertzig jaͤhri-
ger Verſuchung vom Teuffel uͤberwunden
p. 308. n. 3 - Ein Geiſtlicher bittet GOtt umb Ver-
ſuchung p. 309. n. 5 - Catharina von Senis wird verſucht
p. 312. n. 9 - Ein ſiebenzig jaͤhriger Mann leidet Ver-
ſuchung deß Fleiſches p. 313. n. 10 - Der Teuffel entdeckt dem H. Sominieo
ſeine Verſuchungen p. 315. n. 12 - Antonius halt ſich tapffer in der Verſu-
chung p. 317. n. 13
- Hieronymus ein alter und gottſeeliger
Mann leidet groſſe Anfechtungen p 318.
n. 14 - Offenbahrung der Verſuchungen iſt
heylſamb p. 320. n. 16 - Einige treiben den Schertz mit dem
Teuffel p. 321. n. 17 - Verſuchungen ſeynd offtmahlen nuͤtz-
lich p. 323. n. 19. \& 20 - Ein Magiſter der Societaͤt JEſu wird
vom Teuffel betrogen. Jtem ein ſechs-
jaͤhriger Einſidler p. 325. n. 21
Reſignation in den Willen
GOttes.
- EJn Reſtgnirter Geiſtlicher thut Wun-
derwerck p. 332. n. 5 - Ein Einſidler erfahret die verborgene
Vrtheil GOttes p. 333. n. 6 - Chariton genieſſet der Fruͤchten der Re-
ſignation p. 337. n. 10 - Thaulerus wird von einem Bettler in
dieſer Tugend unterwieſen p. 340. n. 15
Geiſtliche Freud.
- EJnige Exemplen der Froͤligen im
HErrn p. 345. n. 3 - Franciſcus lehret ſeinen Bruder/ worin
die wahre Freud beſtehe p. 348. n. [4] - Intention oder gute Meinung.
- EJn Geiſtlicher richtet ſich in allem nach
dem Willen GOttes p. 356. n. 6 - Bernardus erwidriget ſeine vorhin ge-
machte Meinung/ auff der Cantzel p. 356.
n. 7 - Ein Einſidler wird dem H. Severino
an Verdienſten gleich geſchaͤtzet p. 357. n. 9 - Birgitta ergibt ſich dem Willen GOttes
p. 360. n. 12. \& 13
Gleißnerey und eitele Ehr.
- JVſtinus wird auß einem heiligen Mann
ein Abtrinniger p. 365. n. 2. - Pachomius vermerckt die eitele Ehr ei-
nes Geiſtlichen p. 366. n. 3.
)( ):( ):(Plato
[]Regiſter der Hiſtorien.
- Plato vermerckt auch die Gleißnerey
deß Diogenis p. 367. n. 4. - Ein Beichts-Vatter erfahret den Betrug
ſeines Beichts-Kinds p. 370. n. 8 - Ein Gleißner ſtirbt ellendiglich p. 371. n. 9
- Ein ander verzweifflet im Tods-Bett
p. 372. n. 10
Verachtung der Welt.
- EJn Welt - Menſch wird uͤber die Be-
trieglichkeit der Welt unterwieſen p. 376.
n. 3 - Adalbertusà S. Alexioentſchlagt ſich der
Converſation der Weltlichen p. 379. n. 7 - Ein Geiſtlicher wirfft die Brieff ſeiner
Eltern ins Feur p. 379. n. 8.
Geiſtliche Vollkommenheit.
- EJn geringes wird an den Geiſtlichen
von GOtt hoch geſtrafft p. 386 n. 8
Gutes Exempel.
- EJn alter Einſidler aufferbauet einen
Moͤrder mit ſeinem guten Exempel
p. 396. n. 4 - Narciſſus Biſchoff bekehret em Vnzuͤchti-
ges Weib mit ſeinem guten Exempel p. 397.
n. 5
Abtoͤdtung.
- EJnige Exempel der Abtoͤdtungen p. 402
n. 4. 5. \& 6 - Die Heilige GOttes uͤberwinden ſich
ſelbſt p. 406. n. 8. \& 9 - Der H Ephrem wird von einem unkeu-
ſchen Weib in den Abtoͤdtungen unterrich-
tet p. 410. n. 12 - Einige Beyſpiel der Heiligen p. 411. n.
14. \& 15
Faſten oder Enthaltung.
- LAmbertus Biſchoff faſtet in Waſſer und
Brod p. 421. n. 11 - Macarius enthaltet ſich eines ſchoͤnen
Weintraubens p. 422. n. 12 - Petrus Ravennas gibt ſeine Speiß den
Armen p. 423. n. 13
Geiſtlicher Stand.
- SVatacopius ein Koͤnig wird ein Ein-
ſidler p. 426. n. 2 - Ein Bruder ſicht ſeine geiſtliche Bruͤder
mit Chriſto am Creutz hangen p. 432. n. 8 - Rabaudus ein Fuͤrſt wird durch ein Wun-
der werck zum Geiſilichen Stand beruffen.
p. 435. n. 11 - Ein Carteuſer murret uͤber die Speiſen
und wird geſtrafft p. 436. n. 12
Fraß und Trunckenheit.
- EJn geiſtlicher Voll-Fraß wird vom boͤ-
ſen Feind erwuͤrgt p. 437. n. 1 - Ein ander Schwaͤrmer wied ebenfals
von dem Teuffel grauſamblich tractiret
p. 438. n. 2 - Ein anderer verzweiffelet im Codts-Bett
p. 440. n. 3 - Leontius ein Graff wird von ſeinem ver-
ſtorbenen Groß-Vatter zur Hoͤllen geriſ-
ſen p. 443. n. 6. - Ein Sauff-Bruder wird unterm Zech
vom Teuffel zur Hoͤllen gefuͤhrt p. 446. n. 8 - Einem Schlemmer wird ein Abentheu-
riſche Mißgeburth zur Welt gebracht
p. 447. n. 9
Gebett.
- JVſtinus ein Capuciner hoͤrt an ſtatt deß
Geſaͤngs und Gebetts/ ein lauteres
Bruͤllen der Ochßſen/ ꝛc. p. 452. n. 3 - Den Philochriſt einen Kauffman reuet
ſeine gegebene Allmuß p. 454. n. 6 - Der Teuffel haſſet das Gebett p. 458. n. 11
- Die Teuffeln machen ſich luſtig bey den
ſchlaffenden Muͤnchen p. 459. n. 12 - Der Teuffel ſucht den H. Macarium zu
betriegen p. 459. n. 13 - Ein Carteuſer macht Gewonheit/ ſich
unter waͤhrendem GOttes-Dienſt offt zu
abſentiren/ und wird derhalben von GOtt
geſtrafft p. 461. n. 14 - Einige andere Beyſpiel n. 15
Betrachtung deß Leyden Chriſti.
- EXempeln einiger Heiligen/ die ſich in
die-
[]Regiſter der Hiſtorien.
dieſer Betrachtung geuͤbet p. 486. n. 6 - Tygranes liebt ſeine Gemahlin wie ſich
ſelbſt p. 487. n. 7 - Bonaventura hat all ſeine Gelehrtheit
auß dem gecreutzigten HErrn erlernet
p. 488. n. 8 - Andere Zeichen deß Leydens Chriſti n. 9.
10. \& 11
Beicht.
- VOllkommene Beicht eines Moͤrders
p. 502. n. 2 - Ein Prieſter beichtet einem Stall-Knecht
p. 502. n. 3 - Der Teuffel beichtet auch p. 504. n. 4
- Der Teuffel bekennet/ daß die oͤfftere
Beicht der Menſchen ihm viel ſchade p. 505.
n. 5. - Ein adliches Weib verſchweigt ein Suͤnd
in der Beicht p. 506. n. 6 - Eine Koͤnigliche Tochter in Engelland
verſchweigt eine Suͤnd/ und wird ver-
dambt p. 507. n. 7 - Ein verdambter Wuͤcherer nimbt ſeinen
Beichts-Vatter mit zur Hoͤllen p. 511. n. 8 - Ein Witwe verſchweigt ihre Suͤnd
p. 513. n. 10 - Pelagius ein frommer Geiſilicher verhoͤ-
let eine Suͤnd/ und wird verdambt p. 517.
n. 11 - Ein Student beichtet nicht recht/ und
wird verdambt p. 519. n. [1]3. - Ein Canonieus wird verdambt p 521. n. 15
- Ein Sterbender wrid vom Teuffel be-
betrogen p. 522. n. 16
Sacrament deß Altars.
- DJe unvernuͤnfftige Thierlein verehren
die Gegenwart GOttes p. 530. n. 7 - Ein Edel-Knab wird durch Anhoͤrung
der H. Meeß beym Leben erhalten p. 539.
n. 12 - Einer uͤberlaſſet dem Andern den Nutzen
der H. Meeß p. 540. n. 14 - Ein ander wird zu jedem Meeß-Opffer
von ſeinen Baͤnden im Kaͤrcker entloͤſet
p. 541. n. 15
Wort GOttes.
- EJn ſicher Mann hoͤrte ungern das
Wort GOttes/ darumb wurd auch
das Gebett fuͤr deſſen Seel nicht erhoͤrt
p. 546. n. 3. - Der Teuffel prediget zum Verderben
der Menſchen p. 548. n. 5
Hand-Arbeit.
- DJe H. Mutter GOttes erquicket die
miteinander arbeiteude Geiſtliche
p. 558. n. 6 - Ein Veraͤchter der Hand - Arbeit wird
vom H. Sylvano artlich betrogen p. 561. n. 8 - Die Engel GOttes erfreuen ſich uͤber
die Arbeitende p. 562. n. 9
Todt.
- EVſebius hat einen harten Todt p. 585. n. 4
- Ein Gottloſer Juͤngling wird durch
die Gedaͤchtnuß deß Todts zur Buß ge-
bracht p. 587. n. 7 - Ein Einſidler verſichert ſeine Bruͤder/
daß keiner ſuͤndigen koͤnne/ der den Todt all-
zeit vor Augen hat p. 588. n. 8
Beſonderes Gericht.
- EJn Krancker wird von ſeiner Mutter
vor dem Gericht GOttes verſchaͤmbt
p. 591. n. 1. - Der H. Bruno ergreifft die Buß. p. 593
n. 4 - Arduinus wird verdambt p. 595. n. 7
- Niemand glaubts/ wie ſcharff es vor
dem Richter-Stuhl Chriſti hergehe p. 598.
n. 10 - Ein Geiſtlicher erfahret die genaue Kech-
nung uͤber die muͤſſige Wort/ ꝛc. p. 601. n. 13 - Ein ander frommer Geiſtlicher leydet
viel im Todts-Bett p. 602. n. 14
Hoͤlle.
- EJn Abt wird verdambt wegen unziem-
licher Liebe gegen ſeinen Verwandten
p. 606. n. 1 - Waltherus ein Edelman lernet vom boͤ-
ſen Feind/ wie groß die hoͤlliſchen Peynen
ſeyen p. 606. n. 2 - Der H. Macarius wird unterrichtet/
wie groſſe Peynen ein Chriſtglaubiger in
der Hoͤllen leyde p. 613. n. 8
Drey
[]Regiſter der Hiſtorien.
- Drey Maͤnner werden vom Todt erweckt/
und fangen an zu predigen von den Peynen
der Hoͤllen/ ꝛc. p. 614. n. 9 - Petrus Einſidler ſicht groſſe Herrn in
der Hoͤllen p. 616. n. 13
Feg-Feur.
- EJne Schweſter erloͤſet die andere auß
dem Feg - Feur p. 627. n. 2 - Einige Exempeln deren im Feg-Feur ley-
denden Seelen p. 629. n. 3. \& 4 - Ein Geiſtlicher in Engelland ſicht in der
Verzuckung wunderſeltzame Dinge p. 631
n. 5.
Barmhertzigkeit gegen die Abge-
ſtorbene.
- WVnderbarliche Barmhertzigkeit der
H. Chriſtinaͤ p. 641. n. 5 - Die erloͤſete Seelen erzeigen ſich danck9ar
p. 638. n. 2. - Einige kurtze Geſchichten von der Barne-
hertzigkeit gegen die Abgeſtorbene p. 643. n. 7
Ewige Seeligkeit.
- DEr Teuffel wird gezwungen die him-
liſche Freuden einiger Maſſen zu be-
ſchreiben p. 649. n. 2 - Der H. Vatter Auguſtinus veraͤndert
ſein Vorhaben/ die himmliſche Freuden zu
beſchreiben p. 650. n. 3 - Ein Geiſtlicher bleibt viele Jahr in einer
Verzuckung p. 651. n. 4 - Ein Soldat wird von ſeinem verſtorbe-
nenen Camerade auff einem Gaſtmahl tra-
ctiret p. 652. n. 5 - Der boͤſe Feind gibt auß einer beſeſſenen
Perſohn die himmliſche Freuden einiger
maſſen zu erkennen p. 655. n. 9.
Wenige Zahl der Außerwaͤhlten.
- DEr Menſch kan ſo leichtlich nicht ſeelig
werden/ wie er vermeint p. 667. n. 9. - Einſuͤndiges Weib wird vom Todten er-
weckt/ und thut Buß p. 668. n. 10 - Ein verzuckter Einſidler ſehet wunder-
barliche Dinge ibid. n. 11
- Ein Verdambter verwundert ſich/ daß die
Welt noch ſiehe p. 669. n. 11. - Ein Cantzler zu Pariß zeigt an ſeine ewi-
ge Verdamb[in]ß ibid. - Ein frommer Capuciner ſicht/ daß viele
Menſchen verdambt werden p. 671 n. 13
Prædeſtinationoder Außer-
waͤhlung.
- EJn Geiſtlicher macht/ daß er außer-
waͤhlet werde p. 675. n. 17
Verehrung der Allerſeeligſten Jung-
frau Mariaͤ.
- EJn Advocat zu Venedig erfahret die
Barmhertzigkeit Mariaͤ p. 683. n. 3 - Ein Soldat wird durch ein taͤgliches
Ave Maria erhalten p. 685. n. 5 - Ein adlicher Juͤngling/ und nachmahls
ein Moͤrder-Fuͤhrer wird durch dieſen En-
gliſchen Gruß zum beſſern Leben bekehret
p. 687. n. 7 - Durchs Ave Maria entkombt ein Voͤge-
lein den Klauen deß Raub Vogels p. 689. n. 8. - Maria vertrit das Ambt einer Fuͤrſpre-
cherin bey ihrem Sohn p. 690. n. 9 - Maria warnet einen Juͤngling/ ſein Le-
ben zu beſſern p. 695. n. 14 - Hermanus Joſephus ein Steinfelder
wird auch von Maria gewarnet p. 696. n. 15
Verehrung der Heiligen.
- EJn Biſchoff wird durch den H Andream
erhalten p. 701. n. 2 - Ein Adlicher Juͤngling verſpricht eine
Kirchfahrt/ und entgehet dem ewigen Todt - Laurentius Surio einem Carteuſer zu
Coͤlln ſtehen alle die Heilige GOttes in ſei-
nem Todt-Bett bey/ deren Leben er be-
ſchrieben p. 704. n. 5
Verharrung im Guten.
- EJn Geiſtlicher verharret lang/ aber nicht
biß zum End p. 753. n. 7.
Ende deß Hiſtorien-Regiſters
Die
Die erſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Erſten Theoͤlogrſchen Tugend/ nemblich dem
GLAVBEN.
Amen, amen dico vobis, qui credit in me, habetJoan. 6.
vitam æternam.
Warlich/ warlich ſage ich euch/ wer an mich glaubet/
der hat das ewige Leben.
Der erſte Theil.
DJeweilen nach Zeugnus deß Apoſtels/ ohne den
Glauben unmoͤglich iſt/ GOtt zu gefallen/ als
will ſichs geziemen/ kuͤrtzlich vorhero von dieſer
Goͤttlichen Tugend den Anfang zu machen: ſin-
temahlen alle andere Tugenden von ſothanem
Glauben/ gleich einem Baͤchlein vom Brunnen
ſelbſten/ ihren Urſprung nehmen. Derhalben der H. Vatter Au-
guſtinus alſo ſpricht: Gleich wie an der Wurtzel deß Baums auch
die geringſte Schoͤnheit nicht erblicket; und doch gleichwol all daß je-
nige/ was ſchoͤn und nuͤtzlich an ſelbigem zu finden/ von der Wur-
Atzel
[2]Die erſte Geiſtliche Lection
tzel herruͤhret; alſo kombt alles von dem Grundveſt deß Glaubens
her/ was eine Chriſtliche Seel an Verdienſten und verlagten Gluͤck-
ſeeligkeit immermehr erwerben kan. Darumb haben billich die H. H.
Vaͤtter den Glauben der Sonnen verglichen: dann gleich wie alle
Geſchoͤpffe der Welt ihr Licht von der Sonnen haben; alſo haben
uͤbernatuͤrliche Warheiten/ ſo dem Menſchen ſeynd kundbar wor-
den/ von dieſer Tugend deß Glaubens ihren Anfang. Ja/ was
noch mehr iſt/ gleich wie alle Creaturen der Welt ihr Leben/ ſo viel
die Unterhaltung deſſelben betreffen thuet/ von der Sonnen empfan-
gen; alſo muß billich der Menſch ſo wohl den Anfang als auch den
Fortgang ſeines Geiſtlichen Lebens der vortrefflichen Tugend deß
Glaubens zuſchreiben. So gar auch/ daß/ gleich wie alles Jrꝛdiſche
ſeine Zierde und Schoͤnheit von dem Licht/ vermittelſt der Sonnen
empfahet; alſo hat alles ſeine Vollkommenheit und Gnade bey
GOtt durch die Krafft deß Glaubens/ was der Menſch immer
wircket; Und endlich/ wie alles/ ſo der Sonnen unterworffen/
von derſelben ſeine noͤthige Hitze bekommet; alſo muß auch der Menſch
das Feur der Liebe und brennenden Eiffers von dem Glauben em-
pfangen.
2. Weiters iſt dieſer Glaub die jenige Saͤul deß Lichts/ wel-
che auß dem dunckelen Ægypten der Finſternuß und Jrrthumbs
den menſchlichen Verſtand als ein getreuer Fuͤhrer heraus fuͤhret.
Dieſe iſt im Tempel GOttes/ daß iſt/ in einer jeden andaͤchtigen
Seel/ die vornehmſte Ampel/ und im geiſtlichen Firmament der-
jenige Morgen-Stern/ ſo den hell-ſcheinenden Tag der Gnaden
zum erſten verkuͤndiget. Wie koͤnnen dann die jenige anders als gluͤck-
ſeelig geſchaͤtzet werden/ ſo von der Goͤttlichen Guͤtigkeit mit ſo groſ-
ſer und reicher Gaabe ſeynd begnaͤdiget worden? daß aber nicht al-
len ein ſolche unvergleichliche Gnad widerfahre/ gibt uns gnugſamb
zu erkennen der Koͤnigliche Prophet/ mit dieſen Worten: Deß-
Pſalm.
147. v.
20.gleichen hat Er keinem Volck gethan: und hat ih-
nen ſeine Gerichte nicht offenbahret. Wie ſeynd wir der-
halben fuͤr alſolche Wolthat dem lieben GOtt unauffhoͤrlich zu dan-
cken nicht verbunden/ daß wir vor ſo viel hundert tauſend anderen
zum wahren Glauben beruffen worden? Laſſet uns dahero fuͤr ſo-
thane
[3]Von dem Glauben.
thane unaußſprechliche Gnade ſo groſſem Wolthaͤter uns danckbar er-
zeigen. Solches aber wird von uns beſſer und fuͤglicher nicht koͤn-
nen entrichtet werden/ als wann wir allen ſeinen Gebotten/ ſo er
uns durch den Glauben offenbahret hat/ den ſchuldigen Gehorſamb
leiſten; wie er dann ſelbſt bezeuget/ mit dieſen Worten: Der mei-
ne Gebott hat/ und haltet dieſelbige/ der iſt derje-Joan.
14. v. 21.
nige/ ſo mich liebet; Der iſt der jenige/ ſo mir danckbar iſt/
zumalen gewiß iſt/ daß die Danckbarkeit in der Liebe beſtehet.
3. Jm uͤbrigen; weilen auß dem Mund deß Apoſtels der
Glaub iſt ein Grundveſte der Dingen/ die man hoffet/ und einHebr.
11. v.
ſicher Beweiß der Dingen/ die nicht geſehen werden; derhalben ſich
ein jeder behutſamblich vorzuſehen hat/ daß in Erforſchung der
Glaubens-Articulen ſich nicht bemuͤhe/ wann er demjenigen merckli-
chen Schaden zu entgehen verlanget/ ſo dem aͤlteren Plinio mit ſei-Plin. ju-
nior in
Epiſt.
ad
Corn.
Tacit.
Prov.
25. v. 27.
nem groͤſten Schaden widerfahren: dann da dieſer den grauſamen
Brandt deß Bergs Veſuvii perſoͤnlich erforſchen wollen/ iſt er von
der heraußtringenden Flammen/ und gleichſamb einem feurigen auf-
ſteigenden Fluß uͤberfallen und getoͤdtet worden. Alſo wer die
Majeſtaͤt unterſuchet/ der wird von der Herrlichkeit
unterdruckt werden: und wer die Artickulen deß Glaubens
zu erforſchen ſich unterſtehet/ wird ſich ſtuͤrtzen ins Verderben. Die-
ſes hat ebenfals mit ſeinem unwiederbrinlichen Schaden erfahren ein
gewiſſer beruͤhmter Doctor/ ſo in der nahmhafften Academie zu Pata-
via im Venediſchen Gebiet/ mit allgemeinem groſſen Frolocken
die Goͤttliche Dinge in der hohen Schuhlen lehrete. Da dieſerHiſto-
ria.
Greg.
Steng.
Tom. 4.
de jud.
Deu. c.
62. n. 2.
kranck worden/ hat er ſich alſobald mit allen H. H. Sacramenten
der Chriſt-Catholiſchen Kirchen verſehen laſſen/ worauff er auch
bald hernach zu leben hat auffgehoͤrt/ und bey allen ein groſſe Mei-
nung der Heiligkeit und Gelehrheit hinterlaſſen. Aber/ aber/ O
erſchroͤckliche Urtheil GOttes! dieſer/ der Goͤttlichen hohen Schuh-
len Lehr-Meiſter/ von dem ein jeder vermeinte/ daß den geraden
Weeg ohne Hindernuß gegen Himmel wuͤrde gefahren ſeyn/ iſt in
die ewige Verdamnuß geſtuͤrtzet worden; dann nach ſeinem Hin-
ſcheiden iſt er einem andern Doctor der hohen Schuhlen/ als ſeinem
geweſenen vertraueten Freund in einer entſetzlichen Geſtalt erſchienen
A 2und
[4]Die erſte Geiſtliche Lection
und bekennet/ daß das Urtheil deß ewigen Todts auß folgenden Urſa-
chen uͤber ihn ergangen ſeye. Dahe ich/ ſagte er/ durch vorherge-
gangener Leibs-Schwachheit ſchier zum End meines Lebens gelan-
get/ kame der hoͤlliſche Verſucher zu mir/ und fragte mich/ was
ich glaubete? dieſem gabe ich zur Antwort/ daß ich daß jenige glaub-
te/ welches in dem Apoſtoliſchen Symbolo oder Kenzeichen ge-
ſchrieben ſtehet. Hierauff begehrte er alſobald/ ich moͤgte ihm eini-
ge von den ſchwaͤreſten und dunckeleriſten Artickulen außlegen: Die-
ſem Begehren nun ein Gnuͤgen zu leiſten/ hab ich das gemeldte A-
poſtoliche Symbolum durch das Symbolum oder Kenzeichen deß H.
Athanaſii zu erklaͤhren mich unterſtanden: mit dieſer meiner Erklaͤh-
rung aber ware er nicht zu frieden/ ſondern ſagte; es iſt nicht alſo/
wie du vermeineſt: dann daß jenige/ ſo den Vatter angehet/ iſt
theils wahr und kundbahr/ und theils uͤbel zu verſtehen und unwahr;
dann der Vatter zwar ewig iſt; nicht aber iſt er allezeit geweſen ein
Vatter/ gleich wie er geweſen iſt GOTT: ſondern erſt-
lich iſt er geweſen GOTT/ und folgends worden ein Vat-
ter. Hieruͤber hab ich uͤberlaut geſchriehen und mir vorbehalten/
daß dieſe ein Ketzeriſche und zugleich Teuffeliſche Lehr ſeye. Der
hoͤlliſche Satan aber antwortete/ und ſagte/ man muͤſſe nicht mit
Ruffen/ ſondern mit vernuͤnfftlichen Beweiſtthumben die Warheit
zu ergruͤnden ſich bemuͤhen. Derhalben hab ich auff meinen Verſtand
und Gelehrheit mich gar zu viel verlaſſend/ mit demſelben von der al-
lerheiligſten Dreyfaltigkeit zu diſputiren angefangen: er aber mit al-
lerhand Fangſtricken und klugen Erfindungen wohl verſehen/ hat mir
ſo verwirrte Argumenten oder Bewaͤhrungen vorgebracht/ daß ich
auch allgemach zu zweiffeln angefangen/ und endlich in dieſen
groben Fehler gerathen bin/ daß ich glaubete/ und darfuͤr hielte/ der
Sohn ſo wohl als der H. Geiſt ſeyen kein GOtt. Bin alſo in ſol-
cher Verleitung geſtorben und dem Richter-Stuhl GOttes vorge-
ſtelt/ woſelbſten ich als ein Ketzer den Straͤich der ewigen Verdam-
nuß von dem gerechten Richter empfangen hab. Dieſem nach iſt der un-
gluͤckſeelige Menſch verſchwunden. Ein wenig hernach iſt auch der an-
dere toͤdtlich erkraͤncket/ zu welchem dann ebenfalls der loſe Betrieger
kommen/ und ihn gefraget/ was er glaubete? worauff er geantwor-
tet: Er glaube was die Chriſt-Catholiſche Kirch glaubet. Was
glaubt
[5]Von dem Glauben.
glaubt dann/ ſpricht er/ die Catholiſche Kirch? Die Chriſt-Catho-
liſche Kirch/ antwortet der Krancke/ glaubet was ich glaube/ und
ich glaube was meine Mutter die Catholiſche Kirch glaubet. Mit
dieſen Worten hat er den Teuffel vertrieben und obgeſieget/ auch
nicht gar lang hernach ſein Leben geendiget. Nach verfloſſenen we-
nig Tagen iſt dieſer ſeeliglich geſtorbene Doctor in ſchoͤner Geſtalt
und hell-ſcheinendem Angeſicht erſchienen/ und hat dem Barmher-
tzigen GOtt fuͤr ſothane! durch den Verdambten geſchehene War-
nung/ gedancket. Derhalben laſſet uns/ ſo fern wir deß erſten Theo-
logi Ungluͤckſeeligkeit entgehen wollen/ bey der heilſamen Lehr deß
Gottſeeligen Thomæ à Kempis uns halten/ ſo mit dieſen Worten
einen jeden treulich ermahnet: Sey nicht ſorgfaͤltig/diſputi-Thom.
Kemp.
Lec. 4.
c. 8. §. 3.
re und kriege nicht mit deinen Gedancken/ und laß
dich nicht ein mit Antwort auff die infallende An-
fechtungen und Zweiffel deß Teuffels; ſondern glau-
be den Worten GOttes/ glaube ſeinen Heiligen und
Propheten/ ſo wirſtu verjagen den boͤſen Feind.
Der Andere Theil.
4. WAnn nun gleichwohl unſer Heyland und Seeligmacher
mit dieſen außdruͤcklichen Worten alſo ſpricht: War-Joh. 6.
v. 41.
lich/ warlich ſage ich euch/ der an mich
glaubet/ der hat das ewige Leben. Warumb werden
dann ſo viele/ ich ſage nicht auß den Unglaubigen/ ſondern auß
der Zahl der Chriſt-Catholiſchen/ nach Zeugnuß der H. H. Vaͤt-
tern/ ewiglich verdammet? Dieſer angezogenen Frage gebe ich zur
Antwort; daß der Glaub ſeye zweyerley; einer todt/ der andere
lebhafft: denen allein/ ſo den lebhafften Glauben haben/ wird ver-
ſprochen das ewige Leben. Dieſer aber iſt/ laut Zeugnuß deß H.
Gregorii, ein ſolcher Glaub/ welcher demjenigen/ ſo er mit Wor-
ten redet/ durch ſeine Sitten nicht widerſprechet. Derhalben/ ob
ſchon viele auß den Chriſt-Glaubigen den Glauben haben/ ſo iſt doch
derſelben Glaub zumahlen todt/ weilen ihr Leben von den Worten
deß Glaubens entbloͤſſet iſt. Darumb der Heil. Apoſtel Jacobus
A 3ſagt:
[6]Die erſte Geiſtliche Lection
ſagt: Was nutzt es/ meine Brůder/ ſo jemand ſagt/
c. 2. v.
14.er habe den Glauben/ und hat aber die Wercke nicht?
wird ihn der Glaub auch ſeelig machen koͤnnen? und
folgends erklaͤhret der gemeldte Apoſtel/ worinnen der wahre Glaub ei-
ibid. v.
21.gentlich beſtehe/ mit dieſen Worten: Jſt nicht Abraham unſer
Vatter auß den Wercken gerechtfertiget worden/ da
er Jſaac ſeinen Sohn auff dem Altar opfferte: Sie-
heſtu nun wie der Glaub mit deß Abrahams Wercken mitwirckete/
daß alſo derſelbe auß den Wercken iſt vollzogen worden? Billig ha-
ben dann die fuͤnff thorichte Jungfrauen hoͤren muͤſſen: Warlich
ſage ich euch/ ich kenne euch nicht. Koͤnnen derhalhen
nicht fuͤglich diejenige Chriſt-Catholiſche denen thorichten Jungfrau-
en verglichen werden/ die den Glauben ohne die Wercke haben?
dann gleich wie dieſe fuͤnff/ ob ſie ſchon ſeynd geweſen Jungfrauen/
gleichwohl zur Thuͤr der ewigen Seeligkeit nicht ſeynd eingelaſſen
worden; dieweilen ihnen das Oehl der Liebe ermangelt hat: eben
ſolcher Geſtalt/ wann ſchon alle Chriſt-Catholiſche Menſchen/ al-
ſo zu reden/ koͤnnen Jungfrauen genennet werden/ dieweilen ſie
durch keine Ketzerey geſchwaͤchet/ werden jedoch nicht alle zur Hoch-
zeit deß Goͤttlichen Lambs gelaſſen werden; ſondern viele unter ih-
nen/ ſo da werden zum himmliſchen Paradeiß wollen eingehen/ wer-
den hoͤren von CHriſto: Warlich/ warlich ſage ich euch/
ich kenne euch nicht. Diejenige nemblich/ ſo die Lampen/
daß iſt/ den Glauben allein/ und nicht das Oehl oder die Wercke
deß Glaubens haben werden.
5. Dann ſo viele immer unter den Chriſt-Catholiſchen ge-
funden werden/ glauben alle/ ſo wohl Geiſt- als Weltliche an die
Wort CHriſti: Keiner der ſeine Hand an den Pflug
Luc. 9.legt/ und ſiehet zuruck zum Reicch GOttes. Und
nichts deſtoweniger/ wie offtmal muß man/ leyder GOttes! von
uͤbelgeſchlagteten Geiſtlichen hoͤren: ach haͤtte ich keine Profeſſion
gethan! es gereuet mich tauſendmahl/ daß ich bey zeiten den Or-
den nicht verlaſſen habe; und dergleichen. Dieſe unfreywillige
Geiſtliche wegen alſolcher Reu und Leydweſen uͤber ihren Stand ver-
lieren allen Geſchmack und Luſt zu den Geiſtlichen und Gottgefaͤlli-
gen
[7]Von dem Glauben.
gen Ubungen; derhalben ſie mit moͤglicher und unzulaͤſſiger Begier-
lichkeit nach den weltlichen/ und von ihnen verlaſſenen falſchen und
betrieglichen Freuden und Ergoͤtzlichkeiten mit unzulaͤſſiger Bewe-
gung ihres Hertzens zuruckſehen. Alle verſtehen ſich ohne einigen
Wanckelmuth zu dieſen Worten der H. Schrifft: Wer ſich erhoͤ-Luc. 14.
v. 11.
het/ der wird erniedrigt/ und wer ſich erniedrigt/
der wird erhoͤhet werden. Und gleichwohl wie wenige
ſeynd demuͤthig von Hertzen? Hergegen aber wie hat bey vielen die
Hoffart und Ehr-Geitz dergeſtalt uͤberhand genommen/ daß ſie umb
zeitliche Ehren und Wuͤrden zu erlangen allen Fleiß anwenden/ und
ſich euſſeriſt bemuͤhen/ dieſe oder jene Prælatur zu erwiſchen. Schließ-
lich wiſſen alle wohl und glauben den Dreu-Worten CHriſti/ mit
denen Er allen ſchwermenden/ vollfreſſenden/ und ſich unzimblicher
maſſen verluſtirenden zuredet: Wehe euch/ die ihr geſaͤt-Luc. 6.
v. 25.
tiget ſeid; Dann ihr werdet hunger leiden: Wehe
euch/ die ihr jetzt lachet/ dann ihr werdet trauren
und weinen. Aber waß richtet unſer guͤtige Heyland mit ſo
ſcharffer Betrohung bey vielen Geiſtlichen auß? Wir ſehen/ erbarm
ſichs GOtt! bey nicht wenigen groſſe Außgelaſſenheit und unor-
dentliche Neigung zu den Gaſtmahlen und Freſſereyen/ und wie ſel-
bige das Faſten gleich der Peſt fliehen/ heimbliche Zuſammenkuͤnff-
ten ſuchen/ und den Bauch mit ſchleckerhafften Speiſen anzufuͤl-
len ſich bemuͤhen.
6. Nun ſiehe; dieſe und dergleichen alle glauben alles/ was
die Chriſt-Catholiſche Kirch zu glauben vorgeſtellet: und gleich-
wohl was ſie glauben/ daß thun ſie mit nichten. Soll man ſolche
nicht billig als naͤrriſche Menſchen außlachen? Nicht mein/ ſon-
dern deß hoch-gelehrten und Gottſeeligen Joannis Avila Meinung
und Urtheil uͤber ſothane Unmenſchen/ hoͤre an/ mein Chriſtliche Seel:
der meiſte Theil der Menſchen/ ſagt er/ verdienen einen von dieſen
beyden Kaͤrckeren; oder den Kaͤrcker derjenigen/ die man im Glauben
verdaͤchtig haltet/ wann ſie nicht glaubten: oder den Kaͤrcker der
Narren und Unwitzigen/ wann ſie glaubten/ und gleichwohl deme/
was ſie glauben/ nicht nachlebten. Wiewohl nur ſolche auff die-
ſer Welt in die verdiente Kaͤrcker nicht geworffen werden; ſo iſt
jedoch
[8]Die erſte Geiſtliche Lection.
jedoch auſſer allem Zweiffel; daß dieſe nach gegenwaͤrtigem zergaͤng-
lichen Leben/ in viel fenſterere und abſcheulichere/ nemblich die
hoͤlliſche Kercker werden geworffen werden; allwo ſie die Schuld
ihrer allzugroſſen Thorheit werden bezahlen muͤſſen. Derhalben ein je-
der verſichert ſeye/ daß/ wann er ſothanen Kaͤrckern zu entgehen/
und deß hemmliſchen Vatterlands Einwohner zu werden verlanget;
ihme daßjenige/ ſo er glaubet/ auch in der That zu verrichten von-
noͤhten ſeye: dann gleich wie einem jeden reiſenden Menſchen/ der
ſeinen beſtimbten Orth zu erreichen trachtet/ zwey Stuͤck ſeynd
nothwendig; nemblich das Aug und der Fuß/ dieſer zum wandern/ je-
ner aber den Weeg zu erkennen: alſo wer zum Reich der Himmelen
einzugehen begehret/ muß haben zwey Dinge; nemblich das Aug deß
Glaubens/ und den Fuß deß Wercks; ohne dieſe keiner daß ver-
langte Ziel/ nemblich die ewig-waͤhrende Seeligkeit erreichen kan.
7. So will ſichs dann geziemen/ mein Chriſtliche Seel/
daß du den wahren und lebhafften Glauben in die Mitte deines
Hertzen pflantzeſt; auß deme vielerley annehmliche Bluͤmlein der
S[n]aplet.
in Dom.
6. poſt
Epiph.Tugenden zu deinem geiſtlichen Nutzen hervorkommen werden. Dann
gleich wie die Gaͤrtner derhalben zu Ernaͤhrung und Erhaltung der
Baum- Wurtzelen allen Fleiß anwenden/ weilen von derſelben
Krafft alle Zweiglein deß Baums zu genieſſen haben: alſo laſſen ſich
die embſige Naͤhrer der Tugenden auch in Pflantzung und Ver-
mehrung deß Glaubens keine Muͤhe verdrieſſen: dieweilen von die-
ſem/ als der Wurtzelen/ die Wahre Erhaltung derſelben entſtehet:
Sintemahlen nichts kraͤfftigeres zu Verſammlung und Mehrung der
GOtt-gefaͤlligen Tugenden kan erfunden werden/ als eben durch
einen ſtarcken Glauben gaͤntzlich darfuͤr halten/ daß der guͤtige
GOTT dieſerthalben uns unendlichen Lohn zufuͤgen werde.
Dann gleich wie die Hunde/ wann ſie einen Raub ſehen/ demſel-
Brom:
ard. v.
Fidei c.
4.ben mit aller Geſchwindigkeit zulauffen/ und weder durch Stein/
weder durch Pruͤgeln ſich darab verhindern laſſen; alſo diejenige/ wel-
che durch den Glauben in Erkandtnuß der himmliſchen Guͤter kom-
men ſeynd; fuͤrchten ſich vor keiner immer vorfallenden Beſchwer-
nus/ ſondern ſuchen alſolchen himmliſchen Raub mit allem Ernſt
und ruͤhmlichen Eyffer zu erfangen. Weiters iſt auch der lebhaffte
Glaub
[9]Von dem Glauben.
Glaub eine vortreffliche Artzeney gegen alle Verſuchungen und Unfaͤll
der Welt/ deß Fleiſches/ und deß Teuffels: dann wie wird einer den
Verſuchungen Platz geben/ und leichtlich ſuͤndigen/ wann er warhaff-
tiglich glaubet/ und in ſein Hertz gleichſamb eintrucket/ daß nemblich we-
gen einer eintzigen Todt-Suͤnd dem allgewaͤltigen GOtt ein unendliches
Unbil und Schmach zugefuͤgt werde/ und daß er deſſenthalben der ewi-Jud. c. 6.
gen Straff ſich unterwerffe? Derhalben gleich wie Samſon/ ſo lang
er ſeine Haar behalten/ alle an Staͤrcke uͤbertroffen hat; und hergegen
derſelben beraubet/ zumahlen erſchwaͤchet iſt: ſolcher geſtalt/ ſo lang
einer den lebhafften Glauben behaltet/ wird er ſeine Feinde leichtlich uͤberwin-
den; ohne den Glauben aber von ſelbigen uͤberwunden werden. Da-
hero ſagt recht die H. Jungfrau und Mutter Thereſia/ daß aller Scha-
de und Suͤnden der Welt daher ihren Urſprung nehmen/ weilen die
Menſchen die Warheiten der H. Schrifft nicht gnugſamb durchtringen;
welche/ wann ſie beſſer zu begreiffen/ ſich euſſerſt bemuͤheten/ mit
ſolcher Begierde die Boͤßheit/ gleich wie das Waſſer nicht eintrincken
wuͤrden. Auß dieſem iſt nun leichtlich zu erachten/ mit was vor einem
Glauben ein jeder muͤſſe verſehen ſeyn/ auff daß er den ſeindlichen Liſt
verſpotte/ und daß gewuͤnſchte Sieg-Kraͤntzlein darvon trage.
8. Jm uͤbrigen iſt nach Meinung aller Gelehrten ſicher und ge-
wiß/ daß auch GOTT den Willen fuͤr das Werck belohne/ wann
nemblich daß Werck nicht kan verrichtet werden: Weilen nun dieſem
alſo; ſo gedencke ein jeder bey ſich ſelbſten/ wie viele Garben der Ver-
dienſten er nicht ſammlen koͤnne durch offt widerholte Erweckungen deß
Glaubens/ welche da ſeynd zweyerley/ einige ſo Euſſerliche/ und die
andere ſo Jnnerliche genennet werden. Die Euſſerliche koͤnnen nicht
ſo leichtlich geuͤbet werden als die Jnnerliche; es ſeye dann/ daß einer
unter den Unglaubigen oder Ketzern wohne/ woſelbſten er ſattſame Gelegen-
heit fuͤr den Glauben zu leyden finde. Derowegen ſollen uns unterdeſſen
gnug ſeyn die innerliche Erweckungen oder Bekaͤndnuſſen deß Glaubens/
ſo auff folgende/ oder dergleichen Weiß geſchehen koͤnnen; nemblich/
daß man all daßjenige Glaube/ ſo in Goͤttlicher H. Schrifft geſchrie-
ben iſt/ und was uns unſere Mutter die Chriſt- Catholiſche Kirch zu
glauben vorſtellet: und daß man bereit ſeye fuͤr alſolche Warheit nicht allein
Leib und Leben zu verliehren; ſoͤndern auch daß man von Hertzen wuͤn-
ſche/ Gelegenheit zu haben (falls es der Goͤttlichen Majeſtaͤt alſo ge-
fallen wuͤrde) in der That ſelbſten umb der Lieb CHriſti/ und der Ver-
thaͤtigung der Catholiſchen Warheit willen zu ſterben. Ob nun zwar
Beiner
[10]Die erſte Geiſtliche Lection
einer wegen allſolcher Begierde die Herrligkeit/ oder beyfaͤllige Marter-
Cron nicht erlange (welche allein gegeben wird den jenigen/ ſo in der
That fuͤr CHriſto ſterben/ oder haͤtten ſterben ſollen/ wann ſie durch
Allmacht GOttes nicht waͤren erhalten worden) ſo wird er doch ohne
allen Zweyffel der weſentlicher und fuͤhrnembſter Glory der Martyrer
oder Blut-Zeugen CHriſti theilhafftig werden; und zwarn ſolcher/ die
er erlanget haͤtte/ wann er wuͤrcklich waͤre getoͤdtet worden. Dieſe
Warheit kan fuͤglich und klaͤrlich auß obangezogenem Grundveſt bewie-
ſen werden.
9. Endlich iſt allhier zu mercken/ daß ein jeder reifflich erken-
nen muͤſſe/ daß ſolche Glory und Herrligkeit nicht allen denen/ ſo eine
Begierd/ umb CHriſti willen zu ſterben/ erwecken/ mitgetheilet wer-
de; ſondern denen allein/ die warhafftiglich und mit auffrichtigem Her-
tzen die Ehre GOttes zu vermehren ein Verlangen tragen. Ob aber
ein ſolches Verlangen auffrichtig ſeye/ kan auß zweyen Zeichen vermer-
cket werden. Erſtlich/ wann einer ſich unterſtehet/ nicht allein die
toͤdtliche/ ſondern auch die laͤßliche Suͤnden mit allem Ernſt zu meiden.
Zweytens/ wann er alle Truͤbſahlen/ ſie kommen her/ wo ſie im-
mer wollen/ mit einem ſtarcken und heroiſchem Gemuͤth uͤberſtehe. Der
dieſe Eygenſchafften nicht an ſich hat; wann er ſchon tauſendmahl umb
GOttes-Willen zu ſterben verlanget; wird ihm dennoch ein geringer
Verdienſt zu Theil werden: dieweilen ſolche Begierd oder Will nicht
auffrichtig und veſt; ſondern nur ein bloſſe und nuͤchtere Willung iſt/
die von dem ſonſt danckbahren GOtt nicht vergolten wird. Daß aber
dieſem alſo ſeye; bin ich vorhabens im Verfolg dieſer Lection zu bewei-
ſen/ und ſage daß/ gleich wie die Marter ſelbſt in ſich die vollkommen-
ſte Erweckung der Liebe in der that ſelbſten begreiffet; alſo muß der Will
zu ſterben/ damit er recht und auffrichtig ſeye/ dieſelbige Erweckung
der Liebe in ſich haben. Wann nun die Suͤnden zumahlen mit dieſer
Liebe nicht zugleich ſtehen koͤnnen; ſo folgt handgreifflich/ daß die Be-
gierd/ das Blut zu vergieſſen/ nicht koͤnne mit der Suͤnde ſtehen;
weilen ſolche Begierd mit derſelbigen Liebe eine einſchließliche Gemein-
ſchafft hat. Zweytens/ weilen die Marter das groͤſte und vornembſte
Werck der Standhafftigkeit und ein Zeichen der Starekmuͤtigkeit iſt: und
erfolglich/ wer die ſchwaͤhriſte Sachen umb GOttes-Willen zu leyden
luſt hat/ der muß auch ſtarckmuͤtiglich wagen die geringere und leichte-
re Buͤrden; als da ſeynd Verſuchungen/ Verfolgungen/ Schmach-
Reden/ Hunger/ Durſt/ und uͤbrige/ ſo wohl deß Leibs als der See-
len
[11]Von dem Glauben.
len Widerwaͤrtigkeiten; dann dieſe alle geringeren Werths/ als die
Marter ſelbſt/ geſchaͤtzet werden; derhalben der jenige/ ſo dieſe gringe Be-
ſchwaͤrnuͤſſen nicht ertragen kan/ wird ungezweiffelt zur Marter unbe-
quem ſeyn; darauß erfolget/ daß ſothaner Will vor den Glauben zu
ſterben/ kein wahrer und auffrichtiger Will ſeye: ſintemahlen derſel-
bige einen groſſen und ſchwaͤhren Laſt außzuſtehen nicht vermag/ welcher
einen wenigern und leichteren zu tragen nicht beſtand iſt. Was iſt nun
anders uͤbrig/ mein Chriſtliche Seel/ als daß du dich befleiſſeſt/ da
es noch Zeit iſt/ oͤfftere innerliche Glaubens-Bekaͤndtnuͤſſen benebens
einer hertzlichen Begierde umb CHrtſti Willen zu ſterben/ in deiner See-
len zu erwecken. Damit du aber/ Krafft dieſer Begierde/ die ewige
Belohnungs- Cron darvon trageſt; leyde ſtandhaͤfftiglich die vorfallen-
de Widerwertigkeiten/ meide die Suͤnden/ und verrichte die Wercke
deß Glaubens: und wann dieſem allem moͤglichſt wirdſt nachgelebt ha-
ben/ ſo vertraue auff GOtt/ und verſichere dich in demſelben/ daß
du die verſprochene Belohnung unfehlbarlich erlangen werdeſt.
Die andere Geiſtliche
LECTION
Von der
Zweyten Theologiſchen Tugendt/ nemblich der
HOFFNVNG.
Confugimus ad tenendum propoſitam ſpem, quam ſi-Hebr. 6.
v. 9.
cut anchoram habemus animæ tutam ac firmam.
wir die fuͤrgelegte Hoffnung erhalten/ welche wir ha-
ben als einen ſicheren und veſten Ancker der Seelen.’
Der Erſte Theil.
ALdieweilen die Hoffnung eine groſſe Gemein- und Nachbarſchafft
hat mit dem Glauben; dann/ Laut Zeugnuß deß Apoſtals/ iſt
der Glaub das Grundveſt der Dinge/ die man hoffet; und die
B 2jenige
[12]Die andere Geiſtliche Lection
jenige unermeßliche Guͤter/ ſo der Glaub zeiget/ verlanget die Hoff-
nung/ und lebet der troͤſtlichen Zuverſicht/ mit der Huͤlff GOttes ſolche
zu erlangen: Derowegen/ weilen wir mit dem Glauben den Anfang
gemacht haben/ wird ſichs auch geziemen/ daß wir von der Hoffnung/
daß iſt/ dem Vertrauen zu GOtt (welche die allervollkomenſte Hoff-
nung iſt) zu handlen fortfahren/ und auff die Gnad GOttes vertrau-
end/ daß jenige kuͤrtzlich vorzuhalten/ welches zu Erhaltung dieſer
Tugend/ und zu Vermehrung deß Vertrauen zu GOtt in uns er-
ſprießlich ſeyn mag. Weilen aber der H. Apoſtel die Hoffnung einem
Ancker vergleichet/ wie oben zu ſchen iſt; ſo wirds noͤthig ſeyn/ die
Eigenſchafften eines Anckers beſter maſſen zu erforſchen. Gleich wie
nun ein Ancker auß Eyſen muß gemacht ſeyn/ alſo muß unſere Hoffnung
veſt und hart ſeyn/ die ſich nicht auff unſere Kraͤfften/ ſondern allein
auff die Goͤttliche Guͤtigkeit laͤhne. Daher entſtehet/ daß GOtt im
90igſten Pſalmen ſeine Beſchuͤtzung denen verſpreche/ die ſich ſelbſten
mißtrauen/ und auff ihn allein ihre Hoffnung/ mit deſſelben hoͤchſt-
Pſalm.
90. v. 14.gebuͤhrender Ehre ſetzen: Dieweil er auff mich gehoffet hat/
ſagt der HERR/ ſo will ihm außhelffen: Jch will
ihn beſchirmen; dann er hat meinen Nahmen erkannt.
2. Zu dieſem unſerm Vorhaben leſen wir im Buch der Richtern/
daß/ in dem der Gedeon/ ſambt dem gantzen Jſraelitiſchen Volck/
umb mit den Madianitern zu ſchlagen/ ſich bereitet/ der HERR zu
Cap. 7. v.
2.ihm geſagt habe: Es iſt ein groß Volck bey dir/ und ſol-
len die Madianiter in ihre Haͤnde nicht uͤbergeben wer-
den. Solte man nicht billich urtheilen/ GOTT haͤtte ſollen ſagen;
weilen bey dir viel Volck iſt; darumb werden die Madianiter in ihre
Haͤnd uͤbergeben werden? dann/ ſo deß Volcks wenig geweſen waͤre/
haͤtte recht koͤnnen geſagt werden/ daß die Madianiter in ihre Haͤnde
nicht gerathen wuͤrden; dieweilen ſie zum ſtreiten zu ſchwach waͤren.
Was aber iſt die Urſach einer ſo ungeraimbten Manier zu reden? Kein
andere als dieſe: Auff das Jſrael ſich nicht růhme wider
mich/ und ſage/ ich bin durch meine Staͤrcke befreyet
worden: und alſo nicht GOtt/ ſondern ihren eigenen Kraͤfften den
Sieg zuſchreibe; derhalben ſoll Madian in ihre Haͤnde nicht uͤbergeben
werden. Damit nun das Jſraelitiſche Volck gewuͤnſchter maſſen uͤber
ſeine Feinde obſiegen moͤgte; ſo hat GOtt befohlen/ daß nur dreyhun-
dert man verbleiben/ und ſich zum ſtreiten bequemen ſolten; damit ſie
alſo ihrer Staͤrcke mißtrauend/ und auff GOttes Huͤlff ſich allein
ver-
[13]Von der Hoffnung.
verlaſſend/ erkennen moͤgten/ daß der Sieg eintzig der Hand GOttes
zuzuſchreiben ſeye. Dieſe dreyhundert dann haben ſolcher Geſtalt ein
unzahlbares Kriegs- Heer uͤberwunden: dann GOtt wilt/ daß aller
Sieg/ als ein Gabe ſeiner mild-vaͤtterlichen Hand/ und nicht als unſer
eigener Verdienſt/ von uns erkennet werde.
3. Zum andern/ gleich wie ein Ancker auffden Seiten mit zweyen
Spitzen verſehen iſt; alſo muß auch die Hoffnung mit zweyen Tugen-
den/ nemblich mit der Furcht GOTTES/ und langwieriger Ge-
dult vergeſellſchafft ſeyn. Damit du aber/ mein Chriſtliche Seel/
dieſes wohl faſſen moͤgeſt/ iſt dir noͤthig/ daß du die gewoͤhnliche Ma-
nier wiſſeſt/ die Hoffnung zu uͤben und zu erwecken. Dieſe aber be-
ſtchet darin/ daß die Kindliche Forcht allezeit mit ihr vereiniget wer-
de; wie der H. Bernardinus ſagt: Die Hoffnung hat einenSerm. 15.
in Pſalm.
Qui ha-
bitat.
groſſen Verdienſt/ wann ſie mit der Forcht vereiniget
iſt: mit dieſer Forcht kan man ſehr nůtzlich hoffen. Die-
ſe Forcht aber iſt eine kraͤfftige und beſtaͤndige Marter der Hoffnung:
und weilen Salomon darfuͤr haltet/ daß in der Forcht ſeye das Ver-
trauen der Staͤrcke: Derhalben da unſer H. Vatter Auguſtinus dieProv. 14.
v. 26.
Serm. 15.
Bruͤder in der Wuͤſten ermahnete/ ſprach er ihnen von der Hoffnung
alſo zu: Meine liebe Brůder/ dieſe liebet/ dieſe haltet/
aber nicht ohne Forcht: dannder hoffet und nicht foͤrch-
tet/ iſt nachlaͤſſig: Der aber foͤrchtet und nicht hoffet/
wird ſincken/ und hinunter wie ein Stein in den GrundPſ. 46. v.
11.
fallen. Derhalben bezeugt billig der fromme David/ daß der HErr
ein Wohlgefallen habe an denen: die ihn foͤrchten/ und hoffen auff
ſeine Barmhertzigkeit.
4. Die Gedult aber/ als die andere Geſellin der Hoffnung
beſtehet in deme/ daß wir keines Wegs die Hoffnung laſſen verlohren ge-
hen/ wann wir ſehon nach unſerem Belieben daß jenige nicht erlangen/
was wir begehrt haben: dann alſo pflegt GOtt mit uns zu handlen;
daß er uns auß erheblichen Urſachen alsbald nicht erhoͤre; ſondern oder
wegen unſeres Mißtrauens/ oder damit er unſere in den Tugenden
geuͤbte Kraͤfften zur Prob ſtelle; oder auch daß er mit groͤſſeren und
nuͤtzlicheren Gnaden uns bereichen wolle; die Einwilligung verſchiebe.
Wer will dann verzagen/ und daß unſchaͤtzbahre Kleinod/ nemblich
die Hoffnung ſo liederlich von ſich werffen? vielmehr wollen wir mit
dem frommen Job (der am gantzen Leib erkraͤncket/ ſeiner Kinder be-
raubet/ von. ſeinen Freunden verſpottet/ und aller Guͤter entbloͤſſet
B 3ware)
[14]Die andere Geiſtliche Lection
ware/ den HErrn gleichwohl lobete) lieben und von Hertzen ſagen:
Job. 13. v.
15.Wann Er mich ſchon toͤdten wird/ ſo will ich doch
auff ihn hoffen. Jſt aber nun dieſer einfaͤltige und beſtaͤndige
Diener GOttes in ſeiner Hoffnung betrogen worden? gantz und zu-
mahlen nicht: dann er hat nicht allein das verlohrne wiederbekommen/
ſonderu hat auch wegen ſeiner langwirigen Gedult viel mehrere und groͤſ-
ſere Wolthaten von GOtt empfangen. Zu deſſen genugſamer Bekraͤff-
tigung/ neben unzahlbahren anderen Geſchichten und Exemplen/ die-
net uns der H. Joachim und Anna/ welche ſo viele Jahr lang mit viel-
faͤltigen Geluͤbten/ unauffhoͤrlichem Gebett/ und anderen andaͤchtigen
Wercken die cheliche Leibs-Frucht von GOtt inſtaͤndiglich begehrt ha-
ben und gleichwohl hat GOtt ſothanen ſeines liebſten Dieners und Die-
nerinnen immer waͤhrendes Anhalten zu erhoͤren/ biß in die zwantzig Jah-
ren dergeſtalt auffgeſchoben; daß ſelbige gleichſamb vor verfluchte/
und wegen ihrer groſſen Suͤnden von dem gerechten GOtt geſtraffte
Ehe - Leuth nicht allein oͤffentlich gehalten worden; ſondern auch neben
dieſem/ von jederman viele Schmach haben leyden muͤſſen. Weilen
aber dieſe heiligſte Eheleuth die troͤſtliche Hoffnung zu GOTT veſ[t-]
gehalten; derhalben ſeynd ſie nicht allein gewuͤrdiget worden/ auch in
ihrem Alterthumb/ der gewuͤnſchten Ehe-Frucht zu genieſſen; ſondern
auch die/ durch ſo vieler Seeligen Alt- Vaͤttern hertzliche Begierden
verlangte/ und durch ſo vieler H. H. Propheten Weiſſagungen/ der
Welt verkuͤndigte allerheiligſte Jungfrau/ nemblich die aller - glorwuͤr-
digſte Mutter GOTTES MARJAM zu gebaͤhren und alſo mit
dem verfleiſchten WORT in ſehr nahe Blus- Verwandſchafft zu
gelangen. Hierauß iſt nun klaͤrlich zu erſehen/ wie viel daran gelegen
ſeye/ daß man ein veſtes und beſtaͤndiges Vertrauen auff GOTT
habe. Wie aber ſchließlich ein Ancker an ein Seyl gehaͤfftet/ in den
Grund deß Meers hinab gelaſſen wird; alſo muß die Hoffnung an das
Seyl der Goͤttlichen Liebe gebunden/ und in den unermeßlichen Fluß
der unendlichen Guͤtigkeit GOttes hinein geſencket werden.
5. Auff dieſe vorgeſetzte Erklaͤhrung wollen wir nun ſehen/
was vor einen Nutzen dieſer Ancker ſchaffe: meines Erachtens wer-
den wir verſtehen/ daß ſelbiger das Schifflein unſeres Hertzens vor
den Waͤllen der Verſuchungen unverletzt erhalte. Derhalben ſagt der
heiliger Vatter Auguſtinus: Dieſe Hoffnung haben wir in das heilige
Land
[15]Von der Hoffnung.
Land als einen Ancker vorauß geſendet auff daß wir auff ſothanem Meer/
nicht verirren/ und alſo Schiffbruch leyden moͤgen: dann gleich wie
man von einem Schiff/ welches auff den Anckern lieget/ recht ſaget/
daß es in Sicherheit ſeye; obs ſchon noch auff dem Waſſer ſchwaͤbet:
alſo iſt unſere Hoffnung gegen die Anfechtungen dieſer unſerer Pilger-
fahrt auff das himmliſche Jeruſalem gegruͤndet. Dergleichen Hoff-
nungs-Ancker bezeuget der Koͤnigliehe Prophet in ſeinem zwantzigſten
Pſalmen/ daß er in den unergruͤndlichen Fluß der Goͤttlicher Guͤtigkeit
hinabgelaſſen habe/ und ſagt: Der HERR iſt mein LichtPſalm.
26. v. 1. 2.
5. 6.
und mein Heyl/ wen ſoll ich dann foͤrchten? wann
ſchon ein Heer-Leger wider mich geſchlagen waͤre/ ſo
ſollte ſich mein Hertz doch nicht foͤrchten: wann ſchon
ein Streit wider mich auffſtůnde/ ſo will ich mich
darauff verlaſſen. Sage mir nun/ mein Chriſtliche Seel/ iſt
dann dieſer fromme Diener GOttes in alſolcher ſeiner Hoffnung ſcham-
roth worden? im geringſten nicht/ dann GOtt hat denſelben als einen
Aug- Apffel immerzu behuͤtet/ und auch in den euſſerſten Gefahren
mild-vaͤtterlich beſchuͤtzet. Und ob zwarn der Koͤnig Saul alle Ge-1. Reg.
23. v. 26.
legenheit/ den David zu toͤdten geſuchet/ hat er ſich doch umbſonſt bemuͤhet/
weilen GOTT den David bewahrete; wie im erſten Buch der
Koͤnigen zu leſen iſt. Da dieſer David in der Wuͤſten Moan verbor-
gen war/ da umbzogen Saul und ſeine Maͤnner denſelben mit den Sei-
nigen/ und gaben ſich rings umb ſie wie ein Kron dergeſtalt/ daß auch
keine Hoffnung zu entkommen ſich zeigete; dann ſie waren gleich einem
mit Hunden und Stricken umbgebenen wilden Thier/ an allen Orthen
umbſetzet: derhalben es das Anſehen hatte/ als wann es dieſer Gefahr
zu entfliehen/ zumahlen unmoͤglich waͤre. Siehe aber/ wie GOtt ſeine
Diener beſchirmet/ und auß den Haͤnden deß Sauls errettet habe. Als
dieſer wie ein grimmiger Loͤw nach dem gefangenem Raub hefftig frolocket/
da kombt unverſehens ein traurige Bottſchafft/ daß nemblich die Phi-
liſtaͤher das Land uͤberfallen/ und alles verhergeten: derhalben der Saul
den David zu verfolgen auffzuhoͤren/ und den Philiſtaͤheren entgegen zu
ziehen gezwungen wurde. Alſo iſt der offt-gemeldte David durch die
Verhaͤngnuß GOTTES den Haͤnden ſeiner Feinden entflohen:
und ob ſchon darfuͤr gehalten wurde/ David ſeye nunmehr in der
Gewalt deß Sauls; ſo iſt er dennoch von dieſer Verzweifflung be-
freyet worden: dann einmahl gewiß iſt/ was der Prophet Jeremias ſagt:
Der
[16]Die andere Geiſtliche Lection
Der HErr iſt gut denen/ die auff ihn vertrauen/ und
Thren. 3.
v. 25.der Seele die ihn ſuchet.
6. Dieſem heiligen Koͤnig iſt in dem Vertrauen zu GOTT
nicht gewichen der groſſe Patriarch Abraham; deme nunmehr alten
Vatter der HErr befohlen/ er ſolte ſeinen Sohn ſchlachten. Damit
nun der Alte dieſem Befelch alſobald Gehorſamb leiſtete/ iſt er mit
ſeinem Sohn Jſaac/ den von GOtt ihme angewieſenen Berg hinzu
gangen: und wiewohl der heilige Mann mit dieſen oder dergleichen
Gedancken angefallen wurde: Was iſt das? ſoll ich meinen und zwar
eingebohrnen Sohn ſchlachten/ wie wird dann die Verheiſſung
GOttes erfuͤllet werden/ Krafft deren mein Saamen als wie die Stern
deß Himmels ſolle vielfaͤltig vermehret werden? Der kluge Abraham a-
ber iſt mit keiner andern Antwort dieſen ſeinen Gedancken begegnet/ als mit
dieſer: GOTT wirds verſehen. Da nun der dritte Tag her-
an kame/ und ſie den Berg vor ſich ſahen/ wendete ſich Jſaac zu ſei-
Gen. 22.
v. 2. \& 8.nem Vatter und ſprach: Sehe mein Vatter/ hier iſt Feur und Holtz/
wo iſt aber das Opffer? und Abraham ſprach: GOTT wirds
verſehen. Und warlich/ GOtt hats verſehen; dann der Vatter/
wie der Heil. Chryſoſtomus ſagt/ hat geopffert; der Sohn hat ſich
ſelbſten zum Opffer erbotten; und GOTT hat beyde ihm angenehmſte
Opffer angenommen/ und ſeynd gleichwohl ein lebendiges Opffer ver-
blieben. Alſo iſt Abraham voller Hoffnung zu GOtt biß zu dem Berg/
biß zum Altar/ und endlich biß zum Streich kommen/ mit welchem
er ſeinem Sohn das Leben nehmen wolte/ zumahlen er nun gnugſamb in
ſein Hertz hatte eingetruckt dieſe Wort: Der HERR wirds
verſehen.
7. Derhalben der jenige/ ſo mit dem David von dem Wuͤten
deß Sauls (ich will ſagen unſerer Feinden/ der Welt/ deß Teuffels
und deß Fleiſches) befreyet/ und mit dem Patriarchen Abraham mit
allen hinmliſchen Seegen erfuͤllet zu werden verlanget: wer auch den
ſchnoͤden Winden der Verſuchungen zu entgehen/ und die ſchaͤdliche
Felſen der Widerwaͤrtigkeiten zu meiden begehret; Und wer ſchließlich
auff dem grimmigen Meer dieſer Welt ſchiffend/ der unbeſtaͤndigen
Waͤllen und faſt immerwehrenden Ungewitters Ungeſtuͤmmigkeiten in ge-
wuͤnſchter Sicherheit zu fliehen trachtet; demſelben iſt noͤthig/ daß er
in allen/ abſonderlich aber in widrigen Zufaͤllen zu dieſem Hoffnungs-
Ancker ſeine Zuflucht nehme/ und mit groſſen Vertrauen zu GOTT
mehr mit dem Hertzen/ als mit den Lefftzen ſage: Der HERR
wirds
[17]Von der Hoffnung
wirds verſehen. Wann nun/ mein Chriſtliche Seel/ zu Zeiten
einige Verſuchung anklopffet/ und der Menſchen allgemeine Wider-
Sager dir eingibt: Wie kan ich weiters den hefftigen Stachelen der
Verſuchungen widerſtehen? ach! ich vermag ja nicht ſo groſſe Be-
ſchwaͤhrnuͤſſen laͤnger erdulden; es fallet mir zu ſchwaͤhr: ich kan nicht
laͤnger. Alsdann gebe mit ſtarcker und vollkommener Hoffnung dieſen
deinen Gedancken zur Antwort. Ob ſchon hierzu meine Kraͤfften zu
ſchwach ſeynd/ ſo werde ich dennoch obſiegen durch die Huͤlff GOt-
tes/ zu dem ich hoffe. Eben ſelbiges thue auch/ wann du ein oder
anderes Laſter außzureuten; oder eine gewiſſe Tugend zu erwerben dich
bemuͤheſt/ und der laydige Sathan dich in die Verzweifelung zu ſtuͤr-
tzen ſich unterſtehet; in dem er alſolchen Wercks faſt ſchroͤckende Un-
moͤglichkeit dir vor die Augen mahlet. Jn dieſen Zufaͤllen muß du
ſonderbahr dein Gemuͤth durch die Hoffnung zu dem allerhoͤchſten an-
friſchen/ dem boͤſen Feind widerſtehen/ und ſagen mit dem Heil. Apoſtel
Paulo: Jch vermag alles in dem/ der mich ſtaͤrcket.
8. Weiters ſolleſtu dich dieſer Ubung befleiſſen/ wann oder ein
gemeine/ oder auch eine beſondere Noth wuͤrde vorfallen: zu deren er-
ſten gehoͤret/ wann man nemblich die Peſt/ den allgemeinen Hunger/
oder andere bevorſtehende Kranckheiten foͤrchtet: oder unſer Glaub von
vornehmen und maͤchtigen Perſonen groſſe Verfolgung leydete/ oder
ſonſten hart getruckt wuͤrde: imglelchen wann du ſeheſt/ daß die beſte
Vorſteher der Kirchen durch den zeitlichen Todt hindannen geriſſen wer-
den/ durch deren Mangel der Kirchen ein mercklicher Schade koͤnnte
zugefuͤgt werden: und wann du auch ſolteſt ſehen/ daß ſolche Perſohnen
zu Obrigkeiten erwaͤhlet oder geſetzt wuͤrden/ die ſich ſelbſten wohl vor-
zuſtehen nicht vermoͤgen; und ihre Bruͤder oder Schweſtern nicht allein
zur Ubung der Tugenden nicht antreiben; ſondern auch die jenige/ ſo
gern im Geiſt GOttes zunehmen wolten/ darab verhinderen: und wel-
che/ nach Außſag deß Propheten/ nicht die Heerde/ ſondern
ſich ſelbſten weiden/ was verworffen iſt/ nicht herbeyEzech.
34 v. 4.
fuͤhren/ was verlohren iſt nicht ſuchen/ was zerbro-
chen iſt/ nicht verbinden/ und was ſchwach iſt nicht
ſtaͤrcken. Jn dieſen und dergleichen Gelegenheiten (ſo offtmahls die
innerliche Ruhe deß Hertzens zerſtõhren) iſt das beſte Mittel/ mein
Chriſtliche Seel/ das du alsbald deine [Zuflucht] nehmeſt zu dem Aneker
der Hoffnung/ und glaubeſt veſtiglich/ auch annebenſt im Sinn hal-
teſt/ und dich gebraucheſt der Worten deß Abrahams: Der HErr
Cwirds
[18]Die andere Geiſtliche Lection.
wirds verſehen. Werffe weit von dir alle unoͤrdentliche Sorgfalt
uͤber die zukuͤnfftige Begebenheiten/ und gedencke/ daß ſothane/ wie-
wohl groſſe Ubel/ zu hoͤchſter Ehren GOttes/ und zu Offenbah-
rung der Goͤttlichen Urtheilen gereichen koͤnnen. Auch muſt du wiſſen/
daß dieſes alles die jenige/ ſo mit Andacht auff GOTT vertrauen/
oder von dem Wuſt ihrer Suͤnden reinige; oder zu Erhaltung Chriſtli-
cher Tugenden/ denſelben befoͤrderlich ſeye; oder ihnen zu weit groͤſſerer
Glory und ewigen Seeligkeit den Weeg bereite. So wende dich dann
in allen dieſen Elendts-Wirbelen zu der Goͤttlichen Mildigkeit; hof-
fe und vertraue/ daß alle dieſe durch GOttes Zulaſſung uͤber dich ent-
ſtandene Ubel zu reichlicherer Hoffnung deines geiſtlichen Gedeyens und
Nutzens dir dienen werden. Wann du nun dieſes fleiſſig wirſt gehalten
haben/ ſo haſt du das Boͤſe in das Gute verwandelt; und wirſt ohne
Zweiffel auch keine Waͤllen der ſchaͤdlichen Unruhe mehr zu foͤrchten haben;
Krafft deren viele von einigen Felſen der Armbſeeligkeit zu dem anderen
geworffen und getrieben werden. Merckeſtu nun wie groſſe und wichtige
Guͤter von dieſer Tugend herruͤhren? welche du aber auß folgenden Bey-
ſpielen klaͤrlicher verſtehen wirſt.
Der andere Theil.
Kemp. l.
1. c. 29.
DA einer zum oͤfftern aͤngſtig/ und von den Waͤllen der Forcht und
Hoffnung gleich einem Schifflein hin- und wieder getrieben wor-
den/ hat er ſich einsmals mit Traurigkeit umbgeben/ vor einem
Altar zu betten niedergeworffen/ und folgender Geſtalt mit ſich ſelbſten
geredet: Ach moͤchte ich wiſſen/ ob ich in meinem angefangenen Standt
verharren wuͤrde? und ſiehe/ alsbald iſt er innerlich dieſer Goͤttlichen
Antwort gewuͤrdiget worden: Wann du das wůſtes/ was wol-
teſtu thun: thue nun/ was du alsdann thun wolteſt/
und alſo wirſtu ſicher genug ſeyn. Zur Stund iſt dieſer hierab
getroͤſtet und geſtaͤrcket worden/ hat ſich dem Willen. GOttes ergeben/
iſt von dem aͤngſtigen wancken befreyet worden/ und hat hinfuͤhro nicht
mehr [vorwitziglich] wollen nachforſchen/ was ihme ins kuͤnfftig widerfahren
wuͤrde; ſondern hat ſich mehr befliſſen in Erfahrung zu kommen/ wie er
ſich in allen guten Wercken immer nach dem Willen GOttes am beſten
richten moͤchte. Auß welchem genugſamb zu ſchlieſſen iſt/ daß wir nicht
frevendlieh ſollen durchſuchen/ was uns kuͤnfftiglich begegnen werde/ ſon-
dern daß man in allem der Goͤttlichen Majeſtaͤt traue/ daß ſie uns als ein
aller-
[19]Von der Hoffnung.
aller guͤtigſter Vatter von allen Ubelen bewahren/ und viel groͤſſere Sorg
fuͤr uns haben werde/ als auch die klugeſte Elteren fuͤr ihre Kinder tragen
koͤnnen. Daß alſo wahr iſt/ was der Prophet ſagt: Kan auch einIſa. 49. v.
15.
Mutter ihres kleinen Kinds vergeſſen/ daß ſie ſich nicht
erbarme ůber den Sohn/ der von ihrem Leib gebohren
iſt: und wann ſie deſſelben vergeſſen wůrde; ſo will ich
deiner doch nicht vergeſſen. O was kan ſuͤſſer/ was kan lieb-
licher und froͤhlicher einem Diener GOttes vorkommen/ als die ſo an-
nehmbliche Stimm ſeines HErren: Jch will deiner nicht ver-
geſſen.
10. Und wann ſchon einer ſo groſſe und gewoͤhnliche Buß-Werck ver-
richtete; oder mit ſo vielen Exemplen der heroiſchen Tugenden andern
vorleuchtete/ als er immer moͤgte; ſo muß doch ſolcher auff dieſe gute
Werck ſeine Hoffnung nicht gaͤntzlich ſetzen; ſondern iſt ſchuldig/ ſelbige
auff die Goͤttliche Guͤtigkeit/ und die unendliche Verdienſten Chriſti zu
werffen; dieweilen ſolches Vertrauen der Teuffel vielmehr foͤrchtet/ als
die Ubungen der Tugenden ſelbſten; welches augenſcheinlich zu ſehen auß
dem/ was dem H. Bernardo widerfahren iſt: dann da ſelbiger mit einerSur. 20.
Aug. in
vit.
ſchwaͤhren Kranckheit behafftet/ zum End ſeines Lebens zu naheren ſchei-
nete/ iſt ihm vorkommen/ als wann er vor dem Richter-Stuhl GOttes
ſtuͤnde: und als er daſelbſten groͤblicher und heiloſer Weiß vom leidigen
Satan angeklagt wurde; hat ihm derſelbige umb die Verantwortung zu
thun genugſame Weil erſtattet: es ſagte aber der Gottſeelige und unge-
buͤhrlich angeklagte Bernardus nicht/ daß dieſem nicht alſo waͤre: er ſagte
nicht/ daß/ wann ſchon dieſe Anklagungen rechtmaͤſſig waͤren/ er darfuͤr
ſchon laͤngſt mit vielen Zaͤhren und anderen guten Wercken ſattſame Buß
gethan haͤtte: nichts dergleichen hat Bernardus zu ſeiner Verthaͤtigung
vorgebracht; ſondern hat geantwortet: ich bekenne gern/ daß weder mir/
weder meinen Wercken der Himmel gebuͤhre; ſolches ich zumahlen unwuͤr-
dig bin: weilen aber mein Herr demſelben mit doppeltem Recht erworben
hat/ nemblich durch die Erbſchafft deß Vatters/ und durch die Verdien-
ſten deß bittern Leydens; ſo iſt er mit einem zu frieden/ und ſchencket mir
das andere. Von dieſem geſchenckten Recht/ lebe ich der troͤſtlichen
Zuverſicht/ daß ich deſſen Erb ſeyn werde. Nach ſolcher erſtatteten Ant-
wort iſt der hoͤlliſche Anklaͤger gantz ſchamroth worden/ und ſambt allem
Schein deß Gerichts Richter-Stuhls verſchwunden.
11. Wilſtu nun/ mein Chriſtliche Seel/ wider ſolchen Feind
obſiegen/ ſo fliehe unter den Schirm der Hoffnung: und wann ſolche
C 2Tugend
[20]Die andere Geiſtliche Lection
Tugend leichtlich zu erwerben begehreſt; ſo folge dem weiſen Salomon
und betrachte fleiſſig die unendliche Guͤtigkeit deines GOttes: Hal-
tet vom HERRN in der Gůte/ und ſuchet Jhn in
Sap. 1.
v. 1.Einfallt deß Hertzens. Dieſes hat in Warheit treulich geleiſtet
die heilige Jungfrau Gertrudis/ ſo deſſenthalben ſolches Vertrauen zu
GOtt geſchoͤpffet hat/ daß weder Truͤbſal noch Gefahr/ weder eini-
ger Schade der zeitlichen Guͤter/ noch andere Ungluͤckſeligkeiten/ weder auch
jhre eigene Maͤngel und Fehler dieſelbe haͤtten betruͤben koͤnnen: dan ſie durch
vorhergehende Betrachtungen ſich zumahlen verſichert hatte/ daß dieſes alles
ſo wohl gutes als boͤſes/ nach Anordnung der goͤttlichen Vorſichtigkeit/ zum
beſten und geiſtlichen Gedeyen ihrer Seelen gereichen wuͤrde. Derhalben iſt
Bloſ. c. 13.
Monil.
Spir.CHriſtus unſer Heyland dieſer Jungfrawen erſchienen: und damit er ſelbige
in ihrem gefaſten Vertrauen mehr und mehr beſtaͤttigen moͤchte/ hat er derſel-
ben mit dieſen Worten zugeſprochen: Das ienige Vertrauen/ ſo der Menſch
auff mich allein hat/ und glaubet/ daß ich koͤnne/ wolle/ und wiſſe ihm in allem
trewlich zu helffen; ſolches durchtringet mein goͤttliches Hertz/ und thut mei-
ner Guͤtigkeit ſolche Gewalt an/ daß ich nicht kan ablaſſen/ demſelben zu will-
fahren/ und ihm die huͤlffliche Hand zu reichen/ wegen des Wohlgefallens/
daß ich empfinde/ indem ich ſehe/ daß er ſich gaͤntzlich an mich gehangen habe.
Alſo hat CHRJSTUS geſprochen zu ſeiner lieben Braut der heiligen
Gertraud.
12. Obwohln ſolche uͤber Hoͤnig und hoͤnigſeimbe ſuͤſſe Wort einer an-
daͤchtigen Seelen gnug ſeyn koͤnnen/ ein groſſes Vertrawen zu ihrem JE-
SU zu ſchoͤpffen; ſo kan ich doch nicht vorbey gehen zu melden das jenige/
Bloſ. ub
ſupra.was der Himmliſche Braͤutigam der Heyl. Mechtildi zu mehrerm unſerm
Troſt/ mit folgenden Worten uns offenbahret: Es gefallet mir ſon-
derlich/ ſagte Chriſtus/ daß ich ſehe/ wie die Menſchen auff
meine Gůtigkeit vertrawen: der nun ein ſolcher iſt/ und in dem ver-
harret/ den will ich in dieſem Leben ſonderbahr belohnen/ und will ihn im an-
dern Leben mit einem uͤberhaͤuffigen Lohn verſchen: und wie mehr er auff
mich vertrawen wird/ je mehr er auch von mir erhalten wird: dann es iſt un-
moͤglich/ das jenige/ ſo er von mir zu erlangen feſtiglich geglaubt und gehoffet
hat/ nicht zu erlangen/ weilen ich ſelbiges verſprochen hab. Derhalben/ der
groſſe Ding von mir erwartet/ der ſtelle ſein Vertrawen auff mich. Da aber
die andaͤchtige Braut ihren Braͤutigam fragte/ was ſie am fuͤrn[e]hmſten von
ſeiner
[21]Von dem Glauben.
ſeiner unaußſprechlichen Guͤte glaubenſolte: hat ihr der Herr geantwortet:
habe du dann veſten Glauben/ daß ich dich nach deinem Todt/ gleich wie ein
Vatter ſeinen allerliebſten Sohn werde auffnehmen; und glaube ſicherlich/
daß niemahlen ein Vatter ſeine Erbſchafft ſo treulich und auffrich-
tiglich mit ſeinem eintzigen Sohn getheilet habe/ als ich alle mei-
ne Guͤter/ und mich ſelbſten dir uͤberlaſſen werde. Seelig iſt der
jenige/ welcher dieſes beſagter maſſen von meiner Guͤtigkeit mit ei-
ner demuͤthigen Liebe gegen mich/ veſtiglich glaubet.
13. Ohne allen Zweiffel haſtu nun/ meine Chriſtliche Seel/ auß
dieſem verſtanden/ was vor unermeßliche Guͤter auß dieſem andaͤchtigen
Gebett zu GOTT entſpringen. Soll man dann nicht allen moͤ-
glichen Fleiß und Muͤhe anwenden/ ſolches Vertrauen zu erwerben!
du haſt auch zugleich die hoͤchſte Lieb Chriſti gegen uns armſeelige Menſchen
angehoͤret: So erhebe dann und erhoͤhe deine Stimm zum Lob eines ſo
guͤtigen HErrn/ und ſage mit andaͤchtigem Hertzen: Dich GOtt
loben wir: oder einen andern Danck - Spruch. Nach dieſem be-
weyne und verfluche die groſſe Blindheit der armen Welt-Kinder; daß
nemblich ſo wenige gefunden werden die ihre Hoffnung auff den gecreutzigten
JESUM ſetzen; und hergegen der meiſte Theil auff die zergaͤngli-
che Guͤter ſich laͤhne. Du aber trage Sorg/ daß du in dieſe ungluͤck-
ſeelige Zahl nicht gerechnet werdeſt. Jm uͤbrigen weilen ich nicht zwey-
fele/ daß du an den Hiſtorien oder Geſchichten ein Gefallen habeſt;
ſo erzehle ich dir auß unzahlbaren andern eine/ laut deren unſere ange-
fuͤhrte Lectionen ſattſamb bekraͤfftiget werden. Der Gottſeelige Ludol-2. p. vitæ
Chriſti
c. 50.
phus von Sachſen erzehlet/ daß ein gewiſſer Kloſter-Geiſtliche mit vie-
len Offenbahrungen ſeye begnaͤdiget worden: und als dieſes einem andern
Geiſtlichen deſſelben GOttes - Hauß zu Ohren kommen/ habe ſelbiger
inſtaͤndig begehret/ er moͤgte doch den lieben GOTT bitten/ daß ih-Hiſtoria.
me anzeigen wolte/ ob er unter die Zahl der Seeligen Außerwaͤhlten
gehoͤre. Da nun dieſer fromme Mann durch oͤffteres Anhalten ſeines
Mitt- Bruders uͤberwunden/ ſolches mit beharrlichem Gebett von
GOTT begehret; iſt ihm offenbahret worden/ daß dieſer gemeldte
Geiſtliche unter die Zahl der jenigen/ ſo zur ewigen Verdamnuß
gehoͤren/ gezehlet werde. Weilen er aber mit ſolcher widrigen Zeitung
ſeine Mitt - Bruder nicht betruͤben wollen/ als hat er ſelbige einige
C 3Tag
[22]Die andere Geiſtliche Lection
Tag lang verſchwiegen. Endlich aber/ da er von ihme gefragt worden/
hat er/ wiewohlen ungern/ geantwortet/ daß er der Zahl der Verdambten
zugeeignet ſeye: dann ſelbiger/ weilen er in der heiligen Schrifft ſonder-
lich erfahren; mit danckbahrem Hertzen geſprochen: Gebenedeyet ſey
GOTT: nun will ich gleichwohl nicht verzweifelen; ſondern will viel-
mehr diejenige Buß/ ſo ich zum Eingang in das Geiſtliche Leben hab
angefangen/ hinfuͤhro zwey- ja dreyfach vermehren/ biß ich endlich Gnad
und Barmhertzigkeit bey deme/ der unendlich guͤtig iſt/ finden moͤge. Nach
geraumer Zeit hernach iſt abermahl dem vorgemeldten Geiſtlichen offen-
bahret worden/ daß dieſer ſein Mit-Bruder unter die Seeligmaͤſſige ge-
zehlet wurde; und nachdem er ſelbige Zeitung ihme mit groſſem Frohlo-
cken hinterbracht/ iſt dieſer nicht ohne ſonderbahre Freud in ſeinen Goͤttli-
chen Ubungen ſtandhaͤfftig fortgefahren/ und alſo taͤglich von einer Tugend
zu der andern ſchreitend ohne unterlaß im Guten verharret.
14. Jſt dann nicht wahr/ mein Chriſtliche Seel/ was der Koͤnigliche
Prophet meldet: Wer auff den HErrn vertrauet/ den wird
Pſal. 31.
v. 10.Barmhertzigkeit umbgeben. Jn was fuͤr elenden Stand ſolte
dieſer Geiſtliche gerathen ſeyn/ wann er auff ſo traurige Bottſchafft als-
bald die Hoffnung von ſich geworffen hette! meines erachtens wuͤrde er
ſich in der Tieffe der Verzweiffelung/ und folgens in den Abgrund der
Hoͤllen geſtuͤrtzet haben. Weilen er aber wohl wuſte/ daß der Menſchen-
Heyland nicht kommen ſeye/ die Suͤnder zu verderben/ ſondern ſeelig zu
machen/ darumb hat er feſtiglich geglaubet/ daß ihm nicht die Hoͤlle/
ſondern der Himmel zu Theil werden koͤnne: und/ ſiehe/ was er gehoffet/
das hat er erlanget/ nach dem Spruch deß weiſſen Man: Wiſſet/
Eccl. c. 2.
v. 11.daß keiner auff den HERR vertrauet hat/ und iſt zu
ſchanden worden. Damit wir nun dich mit Verziehung dieſer
unſerer Ermahnung nicht zu lang auffhalten/ ſo wollen wir dieſelbe ſchlieſſen
mit deme/ was die gelehrte Scribenten Evagrius, Nicephorus und an-
dere laſſen hervorkommen; daß nemblich unter andern Mahlen/ auch
im Jahr CHriſti 528. die Stadt Antiochia mit einer gefaͤhrlichen Erd-Be-
wegung ſeye heimbgeſucht worden. Zu ſelbiger Zeit hat GOTT einem
ſichern heiligen Mann dieſen Rath gegeben; daß man uͤber alle Hauß-
thuͤren auſſerhalb ſchreiben ſolle: Chriſtus eſt nobiscum, ſta.Chri-
ſtus iſt mit uns/ ſtehe. Dieſer ware freywillig ein ſehr heylſa-
mer Rath: dann allen den jenigen/ ſo ihre Haͤuſer mit dieſem Schild be-
waffnet haben/ hat dieſe erſchreckliche Erdbidem keinen Schaden zuge-
fuͤgt: dahero dieſe Stadt einen neuen Nahmen bekommen/ nemblich Teo-
polis
[23]Von der Hoffnung.
polis/ daß iſt/ die Stadt GOTTES. Alſo kan auch fuͤg-
lig geſagt werden von dem jenigen/ welcher in ſein Hertz vertieffet hatte
dieſe Wort: CHriſtus iſt mit mir/ hier ſtehe ich/ und
ſetze meine Hoffnug eintzig und allein auff Jhn. Wann
derhalben ſich dieſe Uberſchrifft im menſchlichen Hertzen finden laſſet/ allda
iſt Chriſtus als ein gewaltiger Beſchuͤtzer zu gegen/ der alle Truͤbſall und
Schwaͤhrmuth verſenfftet/ und mit dieſen holdſeeligen Worten ſeinen Die-
ner troͤſtet: Ego Sum.Jch bins/ foͤrchte deine Feinde nicht/ erſchre-
cke nicht vor den Widerwaͤrtigkeiten/ dann ich bin dein Helffer und dein
Beſchirmer: Sie werden zwarn gegen dich ſtreiten/ aber werden dich nicht
uͤberwinden. Warumb mein CHriſte? Weilen ich mit dir bin/
ſpricht der HErr/ auff daß ich dich errette. Derhalben/
mein Chriſtliche Seel/ damit du den vorfallenden Schroͤckungen deren
Truͤbſeligkeiten und Verſuchungen mit lachendem Hertzen unverletzt ent-
gehen moͤgeſt; ſo verſaume nicht/ daſſelbige mit dieſer heylſamen Uber-
ſchrifft zu beveſtigen: CHriſtus iſt mit mir. Uberlege annebens
auch wohl/ was ich zu meinem ſo wohl als deinem ſonderbahren Troſt
kuͤrtzlich auffgezeichnet hab/ ſo wirſtu auſſer allem Zweiffel das Sieg-
Kraͤntzlein darvon tragen/ ſintemahlen nach Zeugnuß deß Heil. Propheten
Davids/ die auff den HErrn vertrauen/ ſeynd wie der Berg Sion/ der
zu Hieruſalem bleibet/ und mag in ewigkeit nicht beweget werden.
Die dritte Geiſtliche
LECTION
Von der
Barmhertzigkeit GOTTES.
v. 10.
und Warheit.’
Der Erſte Theil.
1. ES iſt gnugſamb bekannt auß deme/ was vorhin gemeldet/ wie-
viel daran gelegen ſeye/ daß man ein andaͤchtiges Ver-
trauen zu GOTT habe; dahero mir vorgenommen hab/ zu
deſſel-
[24]Die dritte Getſtliche Lection
deſſelben Vermehrung von der Barmhertzigkeit GOttes in gegenwaͤrtiger
Lection zu handlen: Zumahlen die Betrachtung derſelben/ die kleinmuͤ-
thige zur Hoffnung auffzumuntern ſehr nuͤtzlich iſt; ſo gar auch/ daß wann
ein Zweiffel oder Streit unter den goͤttlichen Eigenſchafften entſtehen ſolte/
maſſen ſich unter denen Apoſtelen ereiget hat/ wer unter ihnen der groͤſte waͤ-
re: ſo wuͤrde ſicherlich die Barmhertzigkeit GOTTES den Vorzug ge-
winnen; alldieweilen ſelbige der prophetiſchen Auſſag gemaͤß/ ſich zu allen
Pſalm.
118.Enden der Wele enſtraͤcket. Die Erd iſt voller Barmhertzigkeit
Gottes. Und wiederumb. Alle Weege des Herrn ſeynd Barm-
hertzigkeit und Warheit: deßgleichen hat die Heyl. Brigitta auß
Bloſius
in Con-
clave a-
nim. c. 8.
n. 6.dem Mund CHriſti im Geiſt gehoͤret: Jch bin die hoͤchſte Lieb; dann alles
was ich von Ewigkeit her gethan hab/ daß habe ich auß Liebe gethan; und
was ich auch immer thue/ und kuͤnfftig thun werde/ daß kombt alles von mei-
ner Liebe her/ meine Lieb gegen den Menſchen iſt zu gegenwaͤrtiger Zeit eben
ſo groß und unbegreifflich/ als ſie geweſen iſt am Tag meines Leydens/ da ich
durch meinen Todt auß unendlicher Liebe alle Außerwaͤhlten erloͤſet hab:
und wans geſchehen koͤnte/ daß ich ſo offt ſtuͤrbe/ als Seelen in der Hoͤllen
ſeynd; ſo wolte ich mit hurtigſtem Willen/ und einer vollkomneſten Liebe mei-
nen Leib dargeben/ und wolte daſſelbige leiden/ und denſelbigen Todt fuͤr eine
jede Seel außſtehen/ die ich fuͤr alle außgeſtanden hab. Dieſes ſagte CHri-
ſtus.
2. Auff eine andere Zeit iſt die Heyl. Gertrudis durch goͤttliche Einſpre-
Idem
ibid. n. 2.chung in Erfahrung kommen/ daß ein Menſch/ wann er die Bildnuͤß ſeines
gecreutzigſten Heyland mit den Augen ſeines Hertzens anſchawe/ gedencken
ſolle/ daß ihm der am Creutz hangende JESUS mit freundlicher Stimme
zurede: Seheſtu wohl/ meine Seel/ wie ich auß Liebe deiner/ nackend/ ver-
ſpottet/ am gantzen Leib verwundet/ und gliedweiß außeinander geſpannen/ fuͤr
dich am Creutz gehangen habe? dieſes aber iſt noch nicht genug; ſondern mein
Hertz tragt eine ſo groſſe Suͤſſigkeit der Liebe gegen dich/ daß/ wann es dir zum
Hey! gereichen ſolte/ und koͤnteſt auff kein andere Weiß die ewige Suͤſſigkeit
erwerben/ ſo wolte ich fuͤr dich allein alles leiden/ was ich fuͤr die gantze Welt
gelitten hab. Daß heiſcht lieben! Soll ich allhier mit heller Stimm nicht
ruffen; O unbeſchreibliche Liebe! O unermaͤßliche/ O unendliche und un-
begreiffliche Barmhertzigkeit des Erſchoͤpffers gegen mich veraͤchtliche Crea-
tur! gefallet es dir dann mein JESU/ mich alſo zu lieben/ daß du auch fuͤr
mich allein ſo unerhoͤrte Tormenten an deinem allerzarteſten und empfind-
lichſten Leib zu ertragen dich nicht weigereſt/ damit du mich allein von den
hoͤlliſchen
[25]Von dem Glauben.
hoͤlliſchen Peinen erretten/ und den Fuͤrſten deiner himmliſchen Scharen zu-
geſellen moͤgeſt? wie ſoll ich dann/ mein hoͤchſtes Gut/ ſolche Lieb wiederumb
vergelten? wie kan ich fuͤr ſo groſſe Lieb gegen mich/ deiner Majeſtaͤt gnug-
ſamb danckbar ſeyn? merckeſtu wohl meine Chriſtliche Seel/ wie zaͤrtlich und
wie eyfferig dein GOtt dich liebe/ und wie ſehr er verlange/ daß du werdeſt ein
Mit-Erb der himmliſchen Frewden? ey lieber! ſo verlaſſe dann das Jrdiſche/
verachte das Zeitliche/ und halte dich bey ſo gutem und barmhertzigen Vatter/
ſo wirſtu Barmhertzigkeit finden.
3. Weiters/ wie groß ſeye die Guͤtigkeit GOttes gegen den Suͤnder/ ſol-
ches erhaͤllet auß einer Offenbahrung/ ſo dem heyl. Biſchoff Nahmens Car-Dion. A-
reop. Ep.
ad De-
mophil.
Hiſtoria.
pus widerfahren. Dann da ein Unglaubiger einen Chriſtcatholiſchen Men-
ſchen von dem wahren Glauben verkehret hatte; iſt dieſer Carpus, indem er
mit denen beyden ein Chriſtliches Mitleiden tragen/ und fuͤr ſelbige haͤtte bet-
ten ſollen/ hefftig uͤber ſie erzuͤrnet worden/ und hat GOtt mit ſeinem Gebett
erſuchet/ er moͤchte dieſe beyde alsbald ihres zeitlichen Lebens berauben. Die-
ſem Supplicanten aber iſt nach eroͤffnetem Himmel Chriſtus mit einer un-
zahlbahren Schaar der Engelen erſchienen; unten aber hat ſich ein ſehr tieffer
Schlund voller Schlangen gezeigt/ an deſſen Mund dieſe zwey Maͤnner
zitterend geſtanden/ und augenblicklich ihre Hinabſtuͤrtzung erwartet: und da
der obgemeldte Biſchoff mit unzimblichem Eyffer verlangte/ daß ſie alsbald
verſchlungen wuͤrden; hat er ſeine Augen erhoͤhet/ und geſehen/ wie der mild-
reicheſte JESUS voller Barmhertzigkeit/ von ſeinem himmliſchen Thron
auffgeſtanden/ zu ihnen hinab geſtiegen und ſeine guͤtige Hand ihnen dargerei-
chet/ auch wie annebens die Engelen ihnen Huͤlff geleiſtet haben. Dem obge-
meldten Carpo aber/ als Zuſchauer ſolcher Action hat Chriſtus geſagt: Mein
lieber Carpe, ich bin bereit fuͤr das Heyl der Menſchen abermahl zu leiden:
und dieſes iſt mir angenehm/ wann nur andere Leuth nicht ſuͤndigen: du aber
urtheile/ ob es nuͤtzlich ſeye/ daß man die Wohnung bey den Schlangen/ der
Geſellſchafft Gottes und ſeiner außerwaͤhlten vorziehe.
4. Nun durchleſe/ mein Chriſtliche Seel/ das alte Teſtament/ und ſehe/ ob
dir nicht ſchier uͤberall begegne die Goͤttliche Miltigkeit: und damit ich ande-
re Exempeln verſchweige; wie hat der Koͤnig David den wegen ſeiner Suͤn-
den verdienten Zorn Gottes abgewendet? mit zweyen Worten: dann nach-
dem er die ernſtliche Beſtraffung auß dem Mund des Natans/ und ſcharffe
Trewungen des Herrn hatte angehoͤret/ ſagte er: peccavi Dominc:ich hab
dem Herrn geſůndiget. Kaum hatte er dieſe Wort geſprochen; und2. Reg.
12.
ſiehe/ dawurde er mit dieſer holdſeligen Rede von dem obgemeldten Natan er-
frewet: der Herr hat auch deine Sůnde hinweg genommen/
Ddu
[26]Die dritte Geiſtliche Lection
du wirſt nicht ſterben. Durchblaͤttere weiters das gantze Leben Chri-
ſti; ſo wirſt du nichts anders finden/ als eine immerwaͤhrende Barmhertzig-
keit gegen alle Menſchen. Er reinigte die Auſſetzige/ ſpeiſete die Hungrige/
er kame zu Huͤlff den Nothleidenden/ er heylte die Krancken/ die Blinde mach-
te er ſehend/ die Lahmen gerad/ er trieb die Teuffel auß den Beſeſſenen/ er we-
ckete die Todten zum Leben/ und ſprache loß die bußfertige Suͤnder/ und das
alles umbſonſt. Wann du nun weiters ſein gantze Lehr betrachteſt/ was wirſt
du anders darauß abnehmen koͤnnen/ als ein unermaͤßliche Barmhertzigkeit?
was handlet anders die Vergleichnuͤß von dem iꝛrenden Schaͤfflein/ ſo auff
den Achſeln deß Hirtens wiederumb zur Heerden gebracht worden? was zeigt
dir anders an der verlohrne und wieder gefundene Groſchen? was kanſt du
anders abnehmen von den Worten deines Herrn/ da er ſpricht/ die Geſunden
brauchen keines Artzes; wie unterweiſet dich die Parabol von dem Knecht/ de-
me alle ſeine Schuld nachgelaſſen worden: das Gebett des offentlichen Suͤn-
ders und Schrifftsgelehrten im Tempel: wie auch von dem verwundeten
Wandersman? was wird uns anders bedeutet durch den verlohrnen Sohn/
als eben die unbegreiff liche Miltigkeit gegen die buͤſſende Suͤnder? dann da
dieſer letztere ſeine gantze Erbſchafft verſchwendet hatte/ und wiederumb zu ſei-
nem Vatter gekehret/ ſagte der Vatter: Bringet eylends das beſte
Kleid herfůr: Er fragte nicht/ woher kombſt du? wo biſt du geweſen? was
haſt du mitgebracht? warumb haſt du deine ſo groſſe Herrligkeit in ſolche Ab-
ſchewligkeit veraͤndert? ſondern: bringt das beſte Kleid herfür/
und thuts ihm an. Troll dich nun hinweg du ſchaͤdliches Mißtrauen/
und unordentliches wancken des Hertzens! iſt dan nicht ein ſo groſſe Guͤtigkeit des Vat-
ters kraͤffug gnug/ einen jeden in Unflat der Suͤnden liegenden Menſchen zur Hof-
nung auffzumuntern? thut dieſe Gleichnuß nicht allen die Barmhertzigkeit verſprechen?
5. Warumb iſt CHriſtus unſer Heyland und Seeligmacher anders auff
den Altar des Creutzes geſtiegen/ als daß er ſich ſelbſten als ein kraͤfftiges Opf-
fer umb alle Suͤnden zu vertilgen ſchlachtete? der auch am Creutz hangend fuͤr
ſeine Creutziger/ fuͤr ſeine Schmaͤher und Verſpoͤtter ſeinen allerheiligſten
Vatter umb Verzeihung bittet. Wer iſt dann/ der vermeynet/ GOtt werde
auff ſeine rechtmaͤſſige Beicht und Bekaͤndnuͤß der Suͤnden/ und Anruf-
fung der Barmhertzigkeit/ ihme die Thuͤr der Gnaden verſperren? zumah-
len der holdſeelige Jeſus ſelbſt der H. Mechtildis offenbahret; daß nemblich
kein eintziger ſo groſſer Suͤnder ſeye/ deme er alsbald alle ſeine Suͤnde nicht
Bloſ. in
monil c.
1. n. 9.voͤllig nachlaſſen werde/ wann er ſelbige hertzlich berewen wird: und werde
ſein Hertz mit ſo groſſer Guͤtig- und Suͤſſigkeit uͤber ihn legen/ als wann er
niemahlen geſuͤndigt haͤtte. O Wer kan allſolche groſſe Sanfftmuͤtigkeit der
Gebuͤhr nach außſprechen/ derhalben ſchreibt recht der gottſeelige Thaulerus.
Obſchon
[27]Von der Barmhertzigkeit Gottes.
Obſchon ein Mutter bißweilen ihres eintzigen Sohns vergeſſe; ſo wird doch
der Herr/ wie er von ſich ſelbſten bezeugt/ unſerer zumahlen nicht vergeſſen:apud
Bloſ. in
Conſol.
Puſill.
fol. 225.
dann ſo groß iſt deſſen Barmhertzigkeit; daß auch ein außgetruckneter Hanff
oder Flachs in einem groſſen Fewer nicht koͤnne ſogeſch wind entzuͤ ndet
werden/ als er einem Rew tragenden und auffrichtig bekehrten Suͤnder alle
ſeine Miſſethaten zu vergeben bereit iſt: dieweilen keine Zeit/ noch ein an-
deres Mittel die Guͤtigkeit des Allerhoͤchſten/ und den bußfertigen Suͤnder
ſcheidet. Hernach aber entſtehet zwiſchen Gott und einem buͤſſenden Menſchen
eine ſo vollkommene Vertraͤulichkeit/ als wann er niemahlen geſuͤndiget haͤtte:
und ſo gut iſt der Herr/ daß er auch das jenige/ ſo er einmahl verziehen; dem
Menſchen niemahlen vorwerffen/ oder durch einige Straff gedencken wolle;
wann er nemblich in Beſſerung ſeines Lebens verharret.
6. Daß aber dieſem alſo ſeye/ verſicheret uns genugſamb die eylfertige Be-
kehrung der H. Mariaͤ Magdalenaͤ; welche/ ob zwar ſehr groſſe Laſter be-
gangen hatte/ ſo bald ſie zu dem Herrn kommen/ und ihm ſeine Fuͤß gewaſchen/
aller ihrer Suͤnden vollkommenen Nachlaß erhalten hat; und folgends in ſo
groſſe Gemeinſchafft mit Chriſto gerathen/ daß ſie von ſelbigem auch mehr
dann die Apoſtelen ſelbſt geliebet worden: derhalben er auch nach ſeiner Auffer-
ſtehung ſich zum erſten ſeiner Magdalenen gezeigt hat: und da ſie umb weitere
Buß zu thun in die Wuͤſte ſich begeben hatte/ iſt ſie mit ſo vielen himmliſchen
Troͤſtungen erfreuet worden/ daß ſie taͤglich ſiebenmahl biß zum Himmel ver-
zuͤcket/ denen unzahlbarn Choren der Engelen beygewohnet/ und von CHriſto
ſelbſt uͤber hundertmahl beſuchet/ und mit hoͤfflichen Luſtbarkeiten erquickt wor-
den. Damit aber die rechte Warheit deſſen/ ſo geſagt iſt/ etwas klaͤrlicher her-
vor ſcheine/ als wollen wir eine Geſchicht hinzu ſetzen.
7. Es iſt einsmahls geweſen ein adliche Tochter/ welche nach einer began-
genen Blut-Schand mit ihrem eigenen Vatter/ das Angeſicht ihrer Eltern
auß Schamhafftigkeit nicht ertragen koͤnnen: deſſenthalben hat ſie erſtlich die
Mutter/ und hernach den Vatter mit Gifft umbs Leben gebracht: und weilen
ſie von der Gnade Gottes verzweiffelt/ iſt ſie in den Suͤnden halßſtarrig ver-
blieben. Endlich hat ſich zugetragen/ daß ſie nach angehoͤrten dieſen Worten
von der Cantzel; daß nemblich die Barmhertzigkeit Gottes groͤſſer ſeye als die
Suͤnden der Menſchen/ dergeſtalt bewegt worden/ daß ſie alsbald mit groſſem
Leydweſen ihre Suͤnden gebeichtet; nachdeme zur Kirchen gangen/ allwo ſich
dieſe Buͤſſerin zur Erden niedergeworffen/ und auß hefftiger und hertzlicher
Rew und Leyd daſelbſten den Geiſt auffgegeben. Der Beichtsvatter hat hier-
auffdas anweſende volck erſucht/ ſie moͤchten doch fuͤr der verſtorbnen Perſonẽ
Seel Gott bitten [:] immittelſt aber iſt durch eine Stim võ Himmel erſchallet: ich bedarff
eweres Gebetts nicht/ ſondern ihr habt des meinigen mehr vonnoͤthen. Worauß nun zu
D 2ſchlieſſen
[28]Die dritte Geiſtliche Lection
ſchlieſſen ware/ daß dieſes gluͤckſeelige Weibsbild ohne einige Peinen deß
Feegfewrs den Himmel erreichet habe. So groß iſt die Guͤtigkeit Gottes
gegen einen bußfertigen Menſchen. Damit du aber meine Chriſtliebende Seel
die Miltigkeit Gottes noch beſſer erkennen moͤgeſt/ ſo betrachte/ was folget.
Der andere Theil.
8. CHriſtus ſpricht zu der Heyl. Gertrudis/ ein jeder kan ſich von melner
Gnade Hoffnung machen (wann er ſchon mit einem ſchwaͤren Laſt der Suͤn-
den ſich beladen befindet) wann er GOtt dem Vatter mein allerunſchuͤldig-
ſtes Leiden und Sterben auffopfferet. Derhalben ſoll der Suͤnder glauben/
daß er dardurch die allerheylſambſte Frucht der Nachlaſſung erlange: diewei-
len keine ſo kraͤfftige Artzeney wider die Suͤnden auff Erden kan gefunden
werden/ als eben eine andaͤchtige Gedaͤchtnuͤß memes Leideus/ wann ſelbige
mit einem auffrichtigen Glauben und wahrer Buß vereiniget wird. Dieſe er-
zehlte Warheit wird durch folgendes Exempel beſtaͤttiget. Ein ſicher Juͤng-
Diſcipuli
Hiſtoria.lein hatte mit ſeiner Schweſter fleißlich geſuͤndiget; welchenſein Bruder in
dieſem boͤſen Werck findend/ mit Worten beſtraffet; wird aber deſſenthalben
alsbald von dem Ubelthaͤter getoͤdtet; dieſen Schweſter-Schaͤnder und Bru-
ders-Moͤrder hat der Vatter auß billigem Eyffer enterbet/ und der Statt
verwieſen; iſt aber nachmahls wiederumb heimlicher Weiß hinein kommen/
hat ſeinen Vatter umbgebracht/ und ſich mit der Flucht errettet. Nun hat
ſichs zugetragen/ daß dieſer Boͤßwicht einsmahls zur Jaſtenzeit hoͤrte von der
Cantzel predigen den Spruch des Propheten Ezechielis:An welcher
Ezech. 18.Stund der gottloſe Buß thut/ und ſich bekehret/ will ich
nicht mehr gedencken an alle ſeine Miſſethaten: Durch ſel-
bigen iſt er alſo beylſamblich entruͤſtet worden/ daß er mit zerknirſchtem Hertzen
zum Prieſter gangen/ und geſagt/ es iſt beſſer/ daß ich allhier zeitlich/ als her-
nacher ewig verſchaͤmbt werde: hat alſo ſeine Suͤnden vollkommentlich ge-
beichtet; nach gethaner Beicht hat [j]hm der Prieſter befohlen/ er ſolte gehen zu
dem Altar/ auff welchem die Bildnuß der aller ſeeligſten Jungfrawen Mariaͤ
den gecreutzigſten JESUM im Schoß haͤtte; vor dieſem Altar hat ſich der
ſuͤndige Menſch zu Bodem geworffen/ und die glorwuͤrdigſte Mutter gebet-
ten/ ſie moͤchte durch ihre Vorſprechung bey [j]hrem aller liebſten Sohn ihme
Gnad erwerben; von der Mutter hat er ſich zum Sohn gewendet/ und alſo
gebetten: O Jeſu CHriſte/ durch deine Wunden und durch dem Blut bitte
ich/ verzeyhe mir/ daß ich die Blut-Schande begangen/ und das Blut meines
Vatters und Bruders vergoſſen habe. Jndem er nun dieſe Wort offtmahlen
widerholet/ und uͤber ſeine Miſſethaten bitterlich geweinet; iſt ihm vor groſſer
Reu
[29]Von der Barmhertzigkeit GOttes.
Reu und Leyd das Hertz im Leib zerſprungen/ und iſt alſo vor dem Al-
tar niedergefallen und geſtorben; welchen der vorgemeldte Prieſter/ da
er wiederum zur Kirchen kommen/ auff der Erden ligend und todt ge-
funden: derhalben hat er deß andern Tags ein allgemeines Gebett von
allem Volck fuͤr deß verſtorbenen Seel begehret. Und/ ſiehe/ da alle
gegenwaͤrtige betteten; iſt ein weiſſe Taub in der Kirchen herumb geflo-
gen/ im Schnabel haltend ein Zettel/ den ſie vor dem Prieſter hat fal-
len laſſen: deſſen Jnhalt ſelbiger oͤffentlich geleſen; daß nemblich deß
verſtorbenen Seel zu der himmliſchen Glory ſeye gefuͤhret worden/ che
die natuͤr liche Hitze den Leib verlaſſen hat; und in dem unterſten Theil
dieſes Zettels ſeyud geſchrieben geweſen dieſe Wort: Verkuͤndige die un-
endliche Barmhertzigkeit GOttes allen Suͤndern und Suͤnderinnen; dann
alle die jenige/ ſo ihre Suͤnden hertzlich beweinen/ und auffrichtiglich
beichten/ deren wird ſich GOTT erbarmen.
9. Wer iſt dann nun/ der dieſes hoͤret/ und dannoch verzaget? kei-
ner verzweiffle/ und wann er ſchon die allerſchroͤckligſte Suͤnden began-
gen habe: er hoͤre den heiligen Albertum Magnum an/ alſo ſprechend:Serm. in
Dom. 3.
Advent.
So groß iſt die Goͤttliche Barmhertzigkeit/ daß in Vergleichung derſel-
ben/ alle Suͤnden der Menſchen/ ſo groß und viel ſie immer ſeyn moͤ-
gen/ nur ſchemen ein P[uͤnctlein] im Mitten deß Meers. Dieſem fal-
let tapffer bey der Hoͤnig-flieſſende Bernardus mit folgenden Worten.
Alle Sůnden/ ſo vom Anfang der Welt ſeynd begangenSerm. de
bono
Latron.
worden/ wann ſie ſollen mit der Goͤttlichen Barmher-
tzikeit verglichen werden/ ſeynd ſie gleichſamb ein troͤpff-
lein gegen das gantze Meer zu ſchaͤtzen. O wunderbarliche
Barmhertzigkeit GOttes! O allerkoſtbareſte/ und in Warheit unendlich
wertheſte Verdienſten Chriſti; Krafft deren uns ſo unermeßliche Barm-
hertzigkeit zu theil worden! Laſſet uns derhalben alles Mißtrauen/ und al-
le Verzweiffelung weit hinweg-werffen: laſſet uns unſern Heyland mit
demuͤthigem Hertzen erſuchen/ ſo werden wir ſeelig werden; dann er iſt
nicht kommen uns als ein Richter wegen unſerer Suͤnden zu verdammen;
ſondern als ein Heyland und Artzt unſern Kranckheiten zu heylen. Laſſet uns
anhoͤren/ was er mit außtruͤcklichen Worten verſpricht: Jn derſel-
ben Stund/ da der Sůnder ůber ſeine Miſſethaten
ſeuffzet/ will ich aller ſeiner Sůnden vergeſſen. Mer-
cke nun auff/ mein Chriſtliche Seel/ daß dein ſo guͤtiger HCRR
keinen eintzigen Art der Suͤnden außſchlieſſe/ weder auch die Groͤſſe
D 3und
[30]Die dritte Geiſtliche Lection
und Vielheit der Suͤnden anſehe. Laſſet uns nur von Hertzen ſeuffzen
wie ſichs gebuͤhret/ ſo werden wir bereit finden aller und jeden begange-
nen Suͤnden Vergeſſenheit.
10. David hat gezeuffzet/ und iſt ihm Barmhertzigkeit wiederfahren.
Der oͤffentliche Suͤnder hat geſeuffzet im Tempel/ und iſt gerechtfertiget
nach Hauß gangen. Der Schaͤcher am Creutz hat geſeuffzet/ und hat
verdienet zu hoͤren: Heut ſollſtu mit mir im Paradeiß ſeyn.
Viele tauſend andere Suͤnder und Suͤnderinnen haben geſeuffzet/ de-
ren keinem eintzigen die Barmhertzigkeit iſt geweigert worden: unter
welche daß jenige Weib billig zu zehlen iſt/ ſo von Chriſto ſelbſten ge-
hoͤret hat: Jch verzeihe dir die Sůnden. Welcher Geſtalt
ſich aber ſolches zugetragen/ will ich zu deinem Troſt erzehlen. Ein
gewiſſer Prieſter im Thuͤringer Land hat einsmals den allerheyligſten
Leib Chriſti in einer Schachtel/ einen Krancken darmit zu verſehen/
auſſerhalb deß Dorffs getragen: es iſt aber ein Hur nicht weit von dem
Weeg in ihrem oͤffentlichen Huren- Hauß geſtanden/ und da ſie den
Prieſter geſehen/ hat ſie bey ſich ſelbſten gedacht: wann der Chriſtliche
Glaub der rechte Glaub iſt/ ſo iſt dieſer der Heyland der Welt/ den
dieſer Prieſter in der Schachteln traget: und weilen ſie billig uͤber ſich
ſelbſten eifferte; daß nem[b]lich in Gegenwart deſſen ſo viele und groſſe
Suͤnden zubegehen ſich nicht geſcheuet haͤtte/ der ſo erſchoͤckliche
Tormenten zu Crloͤſung der Welt hat außgeſtanden; als iſt ſelbige
dergeſtalt in ſich ſelbſten bewegt worden/ daß ſie alſobald das Hu-
ren - Hauß verlaſſen/ durch uͤberhaͤuffigen Koth in aller Ge-
ſchwindigkeit zum Prieſter gelauffen/ und geſagt: Stehet Herr Prie-
ſter: und in ſelbigem Augenblick/ da der Prieſter ſtill geſtanden/ hat ſich
das Weib in den Koth vor dem Allerhoͤchſten Gut niedergeworffen/ und
geſprochen: Mein liebſter HErr JEſu Chriſte/ wann du der jenige
biſt/ der fuͤe unſer allgemeines Heyl von einer Jungfrauen gebohren/ ge-
litten und begraben/ in den Himmel auffgefahren/ ſitzet zur Rechten
deß Vatters/ und wirſt kommen zu richten die Lebendige und die Todte;
wann du der jenige biſt/ und dich dieſer Prieſter in ſeinen Haͤnden
traget; ſo bitte ich dich Fuß-faͤlliglich durch deine unaußſprechliche
Barmhertzigkeit/ vergebe mir meine Suͤnden. Auff dieſe demuͤtigiſte
Bitt deß Weibs antwortet Chriſtus auß der Schachtel: ich verzeyhe
dir deine Suͤnden/ und werde dich zu meiner Gnade auffnehmen. Da
dieſes daß offt-gemeldte Weib hoͤret/ gibt ſie zur Antwort: nimbſtu
mich/ O HERR/ zu deinen Gnaden an/ die ich an meinem Leib mit
aller-
[31]Von der Barmhertzigkeit GOttes.
allerhand erdencklichen Laſtern und wuͤſten Leben die Zeit hab zugebracht [...]
Jch ſage dir derhalben Danck/ O guͤtigſter HErr JEſu. Hat alſo
ihr uͤbel-gefuͤhrtes Leben in ein beſſeres verwandelt/ und iſt endlich durch
die Gnad deß Erloͤſers ſeeliglich geſtorben. Jſt dann nicht wahr und
abermahl wahr/ was der Koͤnigliche Prophet meldet/ daß nemblich
die Erbarmung deß HERRN uͤber alle ſeine Werck ſeyen?
11. Jm uͤbrigen/ wie groß die Goͤttliche Guͤtigkeit ſeye uͤber den
buͤſſenden Suͤnder/ koͤnnen wir auch abnehmen auß einer Offenbah-
rung/ ſo der heiligen Mechtildis widerfahren. Da dieſe GOtt-ge-
faͤllige Jungfrau fuͤr einen Menſchen bettete/ und zugleich uͤber den-
ſelben eifferte/ daß er noch nicht zur Beſſerung ſeines Lebens koͤnnte
gebracht werden: ſprach der HERR zu ihr und ſagte: Ey/ mein
Außerwaͤhlte/ habe du doch ein Mittleyden mit mir/ und alſo bette
fuͤr die armſeelige Suͤnder/ die ich mit ſo theurem Werth erkaufft/ und
deren Bekehrung mit groſſem Verlangen bißhero erwarte. Siehe/
gleich wie ich mich einsmals zum Opffer am Stammen deß Creutzes hab
auffgeopffert; alſo ſtehe ich noch bey dem himmliſchen Vatter/ und
bitte mit gleicher Liebs-Neigung fuͤr die Suͤnder; dann ich nichts ſo
eifferich ſuche/ als daß der Suͤnder durch ein wahre Buß ſich zu mir
wende/ und lebe.
12. Aldieweilen aber offtmahlen geſchicht/ daß auch die jenige auß
menſchlicher Schwachheit zu Zeiten in vielerley Suͤnden fallen/ wel-
che ſonſten den Nahmen haben/ daß ſie Gottsfoͤrchtig und andaͤchtig
ſeyen/ und die Suͤnden zu meyden ſich embſiglich unterſtehen: zumahlen
wir/ ſo lang wir den ſchweren laſt deß Feiſches tragen/ auffs wenigſt
von den laͤßlichen Suͤnden ſchwaͤrlich befreyet ſeyn koͤnnen: derhalben/
damit keiner deſſenthalben unordentlicher Maſſen ſich betruͤbe/ und we-
gen oͤffteres Anſtoſſens in den Abgrund der Verzweiffelung ſich ſtuͤrtze;
ſo iſt noͤthig/ daß ein jeder wohl auffmercke/ und in ſein Hertz
einſchreibe/ was auff ein anderes mahl Chriſtus ſeiner geliebten Braut
der heitigen Mechtildis kund gethan hat mit folgenden Worten: Wann
ſchon die Stern/ daß ſeynd die Seelen meiner Auſſerwaͤhlten/ biß-Bloſius.
weilen mit einer Wolcken der Suͤnden/ und Dunckelheit deß Ver-
ſtands ſehr verfenſteren: ſo koͤnnen doch ſelbige in ihrem Firmament
oder Geſtirn/ daß iſt/ in meinem Goͤttlichen Licht nicht [verdunckelt] wer-
den. Ob zwarn (ſage ich) meine Außerwaͤhlte zu Zeiten in groben Suͤnden
ver-
[32]Von der Barmhertzigkit GOttes.
verwicklet werden; dennoch ſehe ich auff ſie mit derſelben Liebe/ mit
welcher ich ſie erwaͤhlet hab/ und habe in der jenigen Klarheit auff ſie
Achtung/ zu welcher ſie einsmals gelangen werden. Es iſt dem Men-
ſchen gut/ daß er offt gedencke/ mit was vor Liebe ich ihn umb nichts
erwaͤhlet/ wiewohl ichs mit ihme gemeint/ und wie lieblich ich ihn ange-
ſehen habe; auch da er in Suͤnden ſteckte; und wie vaͤtterlich ich ſeine
Ubel ins Gute veraͤndert habe. O unergruͤndliche Tieffe der Weißheit
und Barmhertzigkeit GOttes/ der auff ſo unterſchiedlich- und wunder-
barliche Weiſen das Hertz deß ſuͤndigen Menſchens vom boͤſen ab- und an
ſich zu zichen ſich unterſtehet/ und allen Weeg zur Verzweifflung be-
ſter Maſſen verſperret!
13. Schließlich/ damit unſer Heyland die gaͤntzliche Wurtzel deß
Mißtrauens und Verzweifflung auß unſeren Hertzen zumahlen außrupf-
fen moͤgte; hat er der H. Catharinaͤ von Senis offenbahret und geſagt:
Bloſius.Die jenige Suͤnder/ ſo in ihrem Hinſcheiden von meiner Barmhertzig-
keit verzweifflen/ dicſelbige erzuͤrnen mich viel groͤber mit dieſer eintzigen
Suͤnd/ als ſie mit allen ihren anderen Suͤnden deß gantzen Lebens mich be-
leydiget haben. Auch hat er hinzugeſetzt; wann einem Suͤnder/ ſo groß
er auch immer ſeyn mag/ in der Warheit leyd iſt/ daß mich erzuͤrnet hat/
und auff meine Barmhertzigkeit treulich hoffet; ſo wird er ſie unfehlbar
finden; ſintemahlen meine Barmhertzigkeit unendlich groͤſſer iſt/ als alle
Suͤnden/ ſo jemahlen von einer Creatur begangen ſeynd/ und noch koͤn-
nen begangen werden. Auß dieſem/ und dergleichen/ die ich kuͤrtzheit hal-
ber vorbeygehe/ kan ein jeder leichtlich ſchlieſſen/ welcher Geſtalt er auff
die Barmhertzigkeit GOttes zu hoffen/ und ſelbige zu ſinden habe. Da-
mit er aber auß Betrachtung ſo groſſen Mildigkeit GOttes gegen den
Suͤnder ſeinen boͤſen Begierden den Zaum deſto freyer nicht laſſe: ſoll
er zugleich die Augen ſeines Hertzens werffen auff die allerſcharffeſte Ge-
rechtigkeit deß Allerhoͤchſten/ welche das gringſte Verbrechen nicht
ungeſtrafft laſſet. Derhalben mein Chriſtliche Seel/ kuͤrtzlich zu reden/
foͤrchte alſo die Gerechtigkeit/ daß du ſucheſt die Barmhertzigkeit: ver-
traue alſo auff die Barmhertzigkeit/ daß du gleichwohl
vor der Gerechtigkeit erzittereſt.
Die
[33]
Die Vierte Geiſtliche
LECTION
Von der Buß.
Dico vobis, quodita gaudium erit in Cœlo ſuper unoLuc. 15.
peccatore pœnitentiam agente, quàm ſuper nonagin-
ta novem juſtis, qui non indigent pœnitentia.
ůber einen Sůnder der da Buß thut/ als über neun und
neuntzig Gerechten/ diekeiner Buß bedoͤrffen.’
Der Erſte Theil.
1. WJr haben bißhero gehandlet von der unermaͤßlichen Gottes Guͤ-
tigkeit/ nun wil es die Billigkeit erfordern/ daß/ ehe und zubevorn
wir von der Liebe als dritten Theologiſchen Tugend zu reden an-
fangen/ die GOtt gefaͤllige Bußfertigkeit kuͤrtzlich vornehmen/ theils derhal-
ben/ weilen ſolche von der goͤttlichen Barmhertzigkeit herkommet; theils auch
weilen ſie den Menſchen zur Liebe geſchickt machet/ wie der Prophet bezeuget
in der Perſohn Gottes/ alſo ſprechend? Bekehret euch zu mir/ nemb-
lich durch die Buß/ und ich will mich wenden zu euch: nemblichZach. 1.
v. 3.
durch die Liebe. Wiederumb zu ergreiffung der Buß ladet uns Chriſtus mit
den obangezogenen Worten: Jch ſage euch/ daß alſo Frewd ſeyn
wird im Himmel: mit ſolchen Worten bedeutet er uns/ daß ſo wohl
ihme als allen Außerwaͤhlten im Himmel nichts liebers und angenehmers
ſeyn koͤnne/ als wann der Suͤnder Buß thut; dieweilen er durch allſolche dem
lieben Gott am angenehmſten wird: und der H. Gregorius haltet darfuͤr;
daß dem allgewaltigen Himmels Herſcher ins gemein viel angenehmer ſeyec. 25. Pa-
ſtor.
das Leben/ ſo vor Liebe brennet nach dem Fall/ als eben die in Sicherheit
ſchlaffende Unſchuld: welches der gemelte Kirchen-Lehrer mit einer herrlichen
Gleichnuß beweiſet/ alſo ſprechend: Gleich wie ein Kriegs-Fuͤrſt in derHom. 57.
in Evang
Schlacht den jenigen Soldaten mehr liebet/ welcher nach der Flucht wieder-
umb zuruͤck kehret/ und ſeinem Feind tapffer zuſetzet; als den jenigen/ ſo nie-
mahlen die Flucht genommen/ aber auch keine ritterliche Thaten begangen
Ehat.
[34]Die Vierte Getſtliche Lection
hat. Alſo liebet Gott offtmalen die jenige mehr/ ſo nach der begangenen Suͤnd
ihme eyffriger gedienet haben; als die jenige/ ſo keine Todtſuͤnd jemalen began-
gen; die Ehr Gottes aber mit geringem/ oder gar keinem Eyffer befoͤrdern.
2. Worinnen aber die wahre Buß beſtehe/ dieſes lehret uns der gemeldte
Ibid.Pabſt Gregorius/ dieſes Nahmens der achte/ wie folget: Buß thuen iſt die
begangene Suͤnden beweinen/ und die alſo beweinte nicht mehr begehen. Diß
ſeynd klare Wort. Wie man aber die Suͤnden beweinen ſolle/ daß lehret uns
der H. Baſrlius, und ſagt: Groſſe Sůnden erforderen groſſes
Seufftzen und Weinen. Noch ein andere Manier die Suͤnden zu buͤſ-
ſen/ zeigt uns der mehr gedachte H. Gregorius; daß nemblich der ſuͤndhaffte
Homil.
20. in
Evang.Menſch umb ſo viel mehr ſich auch der zulaͤſſigen Sachen muͤſſe enthalten/
wann ihm bewuſt iſt/ daß er in vielen unzulaͤſſigen Dingen gefallen iſt: und
iſt verpflichtet/ ſo viel groͤſſern Gewin der guten Werck zu verſamblen/ als er
durch die Suͤnden ſich Schaden hat zugefuͤgt. Was aber fuͤr groſſe Gaben
der himmliſchen Guͤter dem buͤſſenden Menſchen dahero zuwachſen; koͤnnen
wir abnehmen auß deme/ was ſich mit dem Patriarchen Jacob hat zugetra-
gen; welcher deß vaͤtterlichen Seegens beſter Geſtalt theilhafftig worden/
weilen er die Speiſe/ ſo der Vatter gern pflegte zu eſſen/ demſelben gebracht
hat. Wann nun nach Zeugnuß deß Propheten ein zerfnirſchtes Hertz GOtt
dem Allmaͤchtigen ein angenehmes Opffer iſt/ wie will es dann anders ſeyn
koͤnnen/ als daß der jenige/ ſo ſelbiges durch die Buß auffopffert/ einen glei-
chen Seegen von dem Allerhoͤchſten zu gewarten habe?
3. Solchen zerſchlagenen Geiſt hat einsmahls eine Suͤnderinn dem
Herrn gewidinet/ und iſt derhalben mit allerhand himmliſchen Gnaden erfuͤllet
worden. Damit wir aber in genauere Erfahrnuß deſſen gelangen moͤgen/
Rodriq.
p.1. tr. 58.
c. 19. Hi-
ſtoria.ſo wollen wir den gantzen Verlauff allhier erzehlen. Es befunde ſich in einer
Statt ein gewiſſes ſuͤndiges Weibsbild/ zu dero der H. Abbt Paphnutius, mit
weltlichen Kleidern angethan/ ſich verfuͤget. Da er nun zu ſelbiger kommen/
hat er ſich angeſtellet/ als waͤre er in ihre Schoͤnheit verliebet/ und derowe-
gen kommen/ damit er derſelben genieſſen/ und ſeinen Begierden willfahren
moͤchte; hat ihr auch annebenſt ein anſehnliches Geld deſſenthalben gegeben/
und gebetten/ ſie wolle ihn doch an ein heimliches Ort fuͤhren/ damit er von
niemand geſchen wuͤrde; und alſo ohne Schew die Suͤnd begehen koͤnte. Da
dieſe nun den gemeldten H. Abten an unterſchiedliche geheime Oerther geſuͤh-
ret/ und er ſich immerzu beklaget/ daß er foͤrchtete geſehen zu werden/ hat ſie
ihn endlich an einen ſehr dunckeleen Ort geleitet/ und geſagt; daß ihn daſelbſt
niemand ſehen koͤnte/ als Gott allein und der Teuffel Auß dieſer gegebener
Verſicherung hat der fromme Diener GOttes Gelegenheit geſchoͤpfft/ das
Weib
[35]Von der Buß.
Weib zur gewuͤnſchten Beſſerung zu bringen; und hat ſie alſobald mit groſ-
ſem Ernſt erinnert/ daß man vor dem Angeſicht Gottes zu ſuͤndigen/ immer
und allezeit einen billigen Schrecken empfinden muͤſſe/ und alſo hat er das un-
keuſche Weib zur Buſfertigkeit zu bereiten den Anfang gemacht. Sie hat
aber in dieſer Erleuchtung alle unzimbliche Liebhaber zuſammen beruffen/
alle ihre koſtbahre Kleidungen und andern zierlichen Geſchmuck deß Leibs in
deren Anweſenheit ins Fewer geworffen/ und geſagt; Es iſt beſſer/ daß ich
allen dieſen Zierath verbrenne/ als daß von demſelben durch das gerechte Ur-
theil Gottes ich verbrennet werde. Dieſem nach/ iſt ſie dem H. Abt in die Wuͤ-
ſten gefolget/ von ſeloͤigem in ein kleines Zellulein eingeſchloſſen/ und durch
ein Fenſterlein taͤglich mit Waſſer und Brod verſehen worden. Jn derſelben
Zellen muſte ſie auch alle Nothwendigkeiten verrichten; und ſchaͤmete ſich
wegen ihrer Suͤnden den Nahmen GOttes zu nennen: ſie doͤrffte weder die
Haͤnd weder die Augen gen Himmel auffheben; ſondern kehrte ſich nach dem
Auffgang der Sonnen/ und rieffe immerzu/ wie ſie von dem H. Abt gelehret
worden/ der du mich erſchaffen haſt/ erbarm dich meiner. Nach
verfloſſenen dreyen Jahren/ hat ſich der H. Paphnutius ihrer erbarmet/ und
den H. Antonium gefragt; obs wohl Zeit ſeye/ dieſe Suͤnderin ihres Kerckers
zu entlaſſen/ und ob ihr Gott ihre Suͤnd werde verziehen haben? hierauff hat
obgemeldter Antonius alle Bruͤder erſuchet/ fuͤr das buͤſſende Weib zu betten/
unter ſolchen bettenden Bruͤdern hat einer Nahmens Paulus der groͤſſer/
ein Juͤnger deß H. Antonii in einer Verzuͤckung ein uͤberauß koſtbahrliches
Bett geſehen/ welches von dreyen ſehr ſchoͤnen Maͤgdelein zugerichtet worden;
und da er ſie gefraget/ ob ſelbiges fuͤr den H. Antonius ſeye: iſt ihm ge ant-
wortet: nein; ſondern es gehoͤre der Taidis/ einer Braut Chriſti zu: da dieſer
ſich nun hieruͤber verwundert/ und die Urſachzu wiſſen begehret; iſt ihm ge-
ſagt worden; da dieſe drey gantzer Jahr lang eingeſchloſſen geweſen/ hat ſie
ihre Suͤnden als einen ſchweren Laſt immerzu vor Augen gehalten/ und ſtaͤts
uͤber ſelbige hefftig geweinet. Darauß dann die H H. Vaͤtter erlernet/ daß ihr
nicht wegen groſſer Strenge der Buß dieſe außgeſtanden haͤtte/ ſondern
vielmehr wegen der immerwehrenden Gedaͤchtnuß und Schamhafftigkeit
der begangenen Miſſethaten/ ihr gantzes uͤbel gefuͤhrtes Lebẽ ſeye nachgelaſſen
worden. Nach verfloſſenen fuͤnffzehẽ Tagẽ aber iſt dieſe Büſſerin ſelig im Hn. entſchlaffen.
4. Wann derhalben eine ſo groſſe Suͤnderin ſolche Barmhertzigkeit er-
langt hat; die ein Strick deß hoͤlliſchen Satans lange Zeit geweſen/ und viele
Seelen zum Verderben zu richten ſich unterſtanden; wann die jenige/
ſo nicht allein eines Todtſchlags/ oder einer Blutvergieſſung;
ſonderen vieler Seelen ewiger Verdammnuß Urſach geweſen/
E 2dergeſtalt
[36]Die Vierte Geiſtliche Lection
dergeſtalt dem Himmliſchen Koͤnig gefallen/ weilen ſie allezeit ihre Suͤnden
vor Augen gehabt/ und dieſelbe beweinet; wer will dann wegen ſeines boͤſen
Lebens verzagen? wer iſt/ der dieſes hoͤret/ und zur Buß nicht auffgemuntert
wird/ ſonderlich indem erſehet/ daß Gott mit ſo groſſer Mild- und Guͤtigkeit
die Suͤnder auffnehme? man wird nicht leichtlich e[i]a [...]n finden/ welcher ein
gifftige Schlang oder Scorpion in ſeinem Schooß lang herumb kriechen
laſſen werde/ und nicht alsbald von ſich hinweg treibe; und wie wenig ſeynd
deren (leider Gottes) zu finden/ ſo die Suͤnd/ als nemblich ein viel gifftige-
res und ſchaͤdlicheres Thier/ durch eine wahre Buß von ihrer Seelen alsbald
zu vertreiben ſich bemuͤhen? damit wir aber dieſes Unthier ſicherlich von uns
werffen moͤgen/ iſt noͤthig/ daß wir ſelbiges vor unſere Augen ſtellen und be-
weinen: dann gleich wie ein Wurm auß dem Holtz entſtehet/ und ſelbiges zer-
naget/ außdem er gebohren iſt/ alſo wird die Suͤnde verzehret durch die Trau-
rigkeit/ deren ſie ein Urſach und Urſprung geweſen iſt. Dahero vielmahl pflegt
zu geſchehen/ daß ein buͤſſende Seel nicht allein keinen Schaden von den Suͤn-
den leide; ſondern vielmehr groſſen Nutzen ſchoͤpffe; welches mit folgender
Gleichnuß bekraͤfftiget wird. Es benimbt zwar einem Kleid die Schoͤnheit/
wann ſelbiges hin und wieder zerſchnitten wird; werden aber nun ſolche
Schnitte mit ſilbernen/ guͤldenen oder anderem koſtbahren Band verſehen/ und
beſter maſſen außgebutzet; ſo wird offtmahlen das Kleid dardurch viel ſchoͤ-
ner/ als wans unzerſchnitten und gantz geblieben waͤre. Alſo kan geſchchen/
daß eine Seel nach begangener Suͤnd Gott dem Herrn durch die Buß ange-
nehmer werde/ als ſie vorhin geweſen iſt/ da ſie nicht geſuͤndiget haͤtte. Und daß
Exod. 28.
Matt. 9.beweiſet uns klaͤrlich die H. Schrifft: Aaron ein Bruder Moyſis/ iſt/ nachdem
er Buß gethan/ von Gott zum hohen Prieſter erwaͤhlet worden. Matthaͤus
ein oͤffentlicher/ aber hernach buͤſſender Suͤnder/ iſt der Zahl der Apoſtelen
beygeſetzt worden. Petrus ein Verlaͤugner ſeines Herrn/ da er Buß gethan/
Matt. 16.iſt worden ein Fuͤrſt der Apoſtelen/ und andere zu verſchweigen/ iſt nicht Ma-
ria Magdalena auß einer verſchreyten Suͤnderin und Schlavinn der Laſte-
ren/ vermoͤg der Bußfertigkeit/ gewuͤrdiget worden/ zu ſeyn ein Juͤngerin deß
Herrn? Biſt du dann/ mein Chriſtliche Seel/ in grobe Suͤnden mehrmah-
len gefallen/ foͤrchte dich derhalben nicht/ verzage nicht; ſondern verfuͤge dich
alſobald mit groſſem Vertrauen auff GOtt/ unter die Fahnen der Bußfer-
tigkeit/ ſo wirſt du ohne allen Zweiffel erfahren/ daß wahr und abermahl wahr
ſeye/ was oben gemeldet worden.
Der andere Theil.
5. Damit wir in der angefangenen Materi fortfahren/ kan uns allhier
dienen/ was ein ſicher Scribent meldet; Daß nemblich ein Hirſch/
wann
[37]Von der Buß.
wan er veraltet/ im Eingang einer Hoͤlen ſo gewaltig ſchnauffe/ daß hierdurchStapl.
Dom.
Paſch.
Tom. 6.
die verborgene Schlangen hervor zu kommen gezwungen werden; dieſe
freſſet der Hirſch alsbald/ mit ſo haͤuffig folgendem Schweiß und Uberfluß
der Feuchtigkeit/ daß ſelbiger von Stund an ſein Alterthumb ernewere/ und
die vorige Geſchwindigkeit wi[e]d[e]rumb erwerbe. Eben dieſes widerfahret dem
Suͤnder: wann ſelbiger durch ſeine Seufftzer die Suͤnd en auß dem Her-
tzen herauß zwinget/ dieſe nachmahls durch eine auffrichtige Beicht zerknir-
ſchet/ und durch ein heylſames Schwitzen die Zaͤhren vergieſſet: ſo wird er
ſo hurtig werden im ſpringen/ wie ein Hirſch/ wird ſpringen über die Buͤhel/
und froͤhlig ſeyn von Hertzen. Auch der jenige/ welcher empfindet/ daß von
den Sünden gebiſſen iſt/ muß in ſolchem falldie Natur eines Hunds an ſich
nehmen. Dieſer (wie der gottloſe Climarus vermercket) wann er von ei-Cap. 5. de
pœnit.
nem Thier gebiſſen wird/ ſetzet er demſelb en mit groͤſſerem Eyffer und
Grimmen zu: alſo der jenige/ ſo von dem grauſamen Thier der Suͤnden
verletzet wird/ muß mit groͤſſerem Haß gegen ſelbige entzuͤndet werden. Wie
reichlich nun ſolcher rechtmaͤſſige Eyffer belohnet werde/ und wie anſehnliche
Garben der himmliſchen Guͤter/ und haͤuffige Uberſchuͤttung der goͤttlichen
Gnaden hierauß erwachſen/ erwehnet der gottſelige Joannes Lanſpergius
auß dem gelehrten Bloſio, ſo CHriſtum unſern Heylaud zum Troſt der buͤſ-
ſenden Seelen alſo redend vorſtellet.
6. Einbußfertige Seel/ nachdem ſie einige Kundſchafft und GeſchmackBloſ. in
Conſ.
Puſil. c.
40. n. [9].
meiner Guͤtigkeit bekommen/ und zu gedencken anfanget/ daß ich ſo gut und
barmhertzig ſeye/ daß ich ihr auch ſo gar die begangene Suͤnden nicht vor-
werffe noch auffmeſſe; daß ich ſelbige nicht allein nachlaſſe/ ſondern auch
den Buͤſſenden/ gleich einem/ der niemahlen geſuͤndiget hat/ in meine Gnad
und Freundſchafft auff und annehme/ denſelben troͤſte/ und ihn mit Gaben
beſchencke; da dieſes alles/ ſage ich/ ein buͤſſende Seel betrachtet; erwirbet
dieſelbe auch ſo gar auß begangenem Fehler gewuͤnſchte Gelegenheit eines
mehreren Eyffers und groͤſſeren Danckbarkeit gegen mich: empfindet auch
annebenſt billige Urſach eines groͤſſeren Haß und Mißfallen gegen ſich ſelb-
ſtn; indem ſie über ſich zuͤrnet/ und ſich verfluchet/ daß mich ihren ſo guͤ-
tigen und barmhertzigen GOTT verachtet habe/ der ich/ indem ich mit
Recht verdammen und verderben koͤnte/ dannoch verſchoͤne/ troͤſte
und guts thue. Derhalben wie mehr ein ſolche Seel meine Barm-
hertzigkeit gegen ſich empfindet; deſto groͤſſeren Eyffer der Gerechtigkeit
muß ſelbige gegen ſich erwecken; als wolte ſie an ſich ſelbſten rechnen die
veruͤbte unbillige Verachtung meiner. Dahero geſchicht/ daß ſie allein
E 3Nachlaß
[38]Die Vierdte Geiſtliche Lection
nicht allein Nachlaß der Suͤnden begehre; ſondern auch zu Ehren meiner Ge-
rechtigkeit verlange zu leyden/ gedemuͤtiget und geſtrafft zu werden/ dieweilen
ſie ſich mich ungeziemter Weiß auffgeworffen hat. Auch traget ſichs zu/ daß
wie mehr ſothane Seel meinen Goͤttlichen Troſt ſpuͤret/ je mehr dieſelbe ab
ihrer eigenen Unwuͤrdigkeit ſich entſetze/ und ſelbige verfluche; folgends
uͤber die Grauſambkeit ihrer Suͤnden Reu und Leyd erwecke; und mit
groſſer Verwunderung uͤber ſich eiffere/ daß ſie mir/ ihrem GOTT/ ſo
undanckbar ſeyn koͤnne. Einer ſo geſtalten Seelen/ welche zu ſolchem Eif-
fer gelangt iſt/ daß ſie nemblich nicht weniger liebe meine gegen ſie veruͤbte
Gerechtigkeit/ als meine Barmhertzigkeit; einer alſo beſchaffenen Seelen
Miſſethaten werden dergeſtalt verſehlungen/ gleich wie ein eintziges Troͤpff-
lein Waſſer in einem feurigen Ofen zernithtiget wird. Derohalben kan
unter allen Arten zu buͤſſen kein beſſere gefunden werden/ als eben daß ei-
ner immerzu reifflich bedencke meine unermeßliche Lieb und Treu gegen ihn;
und hergegen uͤberlege ſeine veruͤbte Treuloſigkeit/ Undanckbarkeit und
Boͤßheit gegen mich. Dieſes beſchreibt alſo im Nahmen Chriſti der vor-
gemeldte Gottſelige Scribent.
7. Aldieweilen aber zu Beweiſung einer Sachen die Exemplen oder Ge-
ſchichten ein merckliches beytragen; derhalben wollen wir dieſe vorgeſchrie-
bene Warheit mit einer Hiſtori bekraͤfftigen. Es ſchreibet zu unſerm
Vorhaben der gelehrte Cæſarius, daß ein Graff/ Nahmens Philippus,
zu Namur geweſen ſeye/ welcher nach ſehr laſterhafftem gefuͤhrten Leben/
L. 2. Hiſt.
\& Mirac.
c. 18.
Hiſtoria.mit einer toͤdtlichen Kranckheit uͤberfallen worden. Was ſolte nun ein
ſolcher Boͤßwicht thun/ was ſolte in dieſem Fall ein ſo ſuͤndhaffter Menſch
anfangen? ſolte nicht ein ſo grauſamer Suͤnder billige Urſach haben zu
verzweifflen? wie moͤgte doch eine/ in allerhand miſſethaten vertieffte Seel
zu der Barmhertzigkeit GOttes zu fliehen ſich getrauen? weilen aber die-
ſer langwirige Suͤnder wohl gewuſt hat/ daß die Barmhertzigkeit groͤſſer
ſeye/ als ſeine erſchroͤckliche Ubelthaten; derohalben hat er die unbegreiffliche
Guͤtigkeit deß Allerhoͤchſten ſich vor die Augen deß Hertzens geſtellet und
iſt auß ſolcher Betrachtung mit der Goͤttlichen Liebe alſo entzuͤndet worden/
da ßer ſein uͤbel-gefuͤhrtes Leben nicht gnugſam hat verfluchen koͤnnen. Er hat
vor ſeinem Tod auch ſo unglaubliche groſſe Reu und Leyd erzeiget/ daß
dergleichen niemahln ware geſehen worden/ worauß dann die Umbſtehen-
de mit ihme zu weinen beweget worden. Seine Beichs- Vaͤtter hat er
gebetten/ ſie moͤgten doch ſeinen Leib auff die oͤffentliche Gaſſen werffen;
dann/ ſagte er: Jch hab wie ein Hund gelebt/ ſo gezimmet
ſichs
[39]Von der Buß.
ſichs auch/ daß ich wie ein Hund ſterbe. Dieſe Bußfertig-
keit hat dem Barmhertzigen GOtt alſo gefallen/ daß er ihn nach dem Todt
mit ſo vielen Wunder-Zeichen geehret/ daß auch die jenige/ ſo auß weit
abgelegenen Laͤndern zu ſeinem Grab kommen/ die Erde als ein Geiſtliche
Artzney mit ſich genommen/ und unterſchiedliche Kranckheiten damit
geheilet haben.
8. Keiner aber von denen/ die dieſes leſen oder leſen hoͤren/ bilde ſich
ein/ daß er auch mit dieſem Grafen wohl biß zu ſeinem Tods - Bett die
hoch-noͤthige Bußfertigkeit verſchieben koͤnne: dann obſchon dieſer ſol-
che groſſe Gnad von der Goͤttlichen Mildigkeit erlanget hat; ſo wird
ſolche Gnad tauſend anderen/ welche die Buß immerzu verlaͤngeren/
auß gerechtem Urtheil GOttes abgeſprochen. Wie hart und beſchwer-
lich es nun dergleichen Suͤndern falle/ wahre Buß zu thuen/ dieſes leh-
ret uns folgende Gleichnuß. Gleich wie ein Jgel/ wie mehr dieſer
ſeine Geburt verweilet/ je ſchwaͤrlicher kan er gebaͤhren; weilen die Sta-
chelen in den Jungen mehr und mehr anwachſen. Auff ſolche Weiß
gehts mit dem Suͤnder her/ der die Buß von einem Tag zum andern auß-
ſtellet: Zumahlen die Bekehrung und die Beicht deſto ſchwaͤhrer an-
kombt/ wie mehr die Suͤnden vermehret werden. Zum Beyſpiel die-
ſes/ diene der Archias/ ein Thebaniſcher Koͤnig; dieſem iſt in einemPlutarch.
L. de Gen.
Socrat.
Gaſtmahl/ das er ſeinen Freunden zurichten laſſen/ von einem anderen
abweſenden Freund ein Brieff uͤberſendet worden/ den er aber zu leſen
vernachlaͤſſiget: und da der Bott den Koͤnig demuͤtigſt erſuchte/ er
wolle den zugebrachten Brieff wegen der ernſtlicher Sachen/ ſo darinn
verhalten/ zu leſen ein gnaͤdiges Belieben tragen: hat ihm der Koͤnig
geantwortet/ daß er die ernſtliche Geſchaͤfften biß auff den anderen Tag
außſtellen/ und von ſelbigen am Tag der Frewden nichts hoͤren
wolle. Siehe aber die folgende Nacht iſt er von einigen heimb-
lichen Moͤrderen (vor denen ſich zu verſehen/ er durch den Jnhalt deß ge-
meldten Schreibens gewarnet wurde) umbs Leben gebracht worden. O
wie viele werden mit dieſem Koͤnig auff ſolche Weiß/ nicht von dergleichen
Todtſchlaͤgern/ ſondern von den hoͤlliſchen Feinden getoͤdtet/ und zu den
ewig-waͤhrenden Straffen hingeriſſen; weilen ſie nemblich ernſtliche Sa-
chen/ das iſt die guͤldene Bußfertigkeit biß auff den morgenden Tag außzu-
ſctzen/ keinen Scheu haben!
9. Ach
[40]Die Vierdte Geiſtliche Lection
9. Ach! wann uns zugelaſſen waͤre/ in die erſchroͤckliche hoͤlliſche
Klufften hinein zu ſchauen; wie viel tauſend Millionen Chriſten wuͤrden
wir finden/ ſo deſſentwegen in denen unertraͤglichen ewigen Feuer-Flam-
men ſich weltzen/ daß ſie das hoͤchſt-ſchaͤdliche Raben-Cras, Cras, daß iſt/
Morgen/ Morgen/ zu vielmahl widerholet haben. Dahero der H. Hie-
ronimus nicht ohne gruͤndliche Urſach geſchrieben; daß auß hundert tauſend
Menſchen/ ſo uͤbel gelebt haben/ kaum ein eintziger im Todt die Goͤttliche
Nachlaſſung der Suͤnden erlangen werde. Die Urſach deſſen gibt uns der
H. Vatter Auguſtinus mit dieſen Worten; Es wird die Zeit kommen/
zu welcher der Suͤnder ſeine Miſſethaten bereuen wilt/ und wird nicht
koͤnnen; dieweilen er nicht gewolt hat/ da er gekoͤnnt hat: alſo hat er we-
gen deß boͤſen Unwillens verlohren das gute und heylſame Koͤnnen. Was
Apud
Hadrian:
Pont.iſt doch/ umb GOttes willen/ ungerecht- und ungeraͤumbter/ als daß der
Suͤnder begehre/ GOtt wolle im Todt ſeine Bußfertigkeit anhoͤren;
da er doch ſo oͤfftere Ermahnungen deſſelben GOttes Zeit ſeines Lebens in
den Wind geſchlagen hat? Was iſt abſcheulicher/ als daß man GOTT
Serm. 58.
de temp.ſeinen allerhoͤchſten Wolthaͤter den letzten Theil deß Lebens/ gleich einer
Hepffen und boͤſen Unflats opffere; dem laydigen Satan aber/ einem ge-
ſchwornen Feind den beſten und fuͤrnembſten Theil deß Lebens ſchencke?
Was vermeinſtu/ mein Chriſtliche Seel/ daß ſolche Menſchen/ wann ſie
am End ihres Lebens die Goͤttliche Huͤlff anruffen/ werden zur Antwort
hoͤren muͤſſen? ohn allen Zweiffel den Spruch Salomonis:Jch hab ge-
Prov. 1. v.
24.ruffen/ und ihr habt euch gewidert: Jch hab meine Hand
außgeſtrecket/ und es iſt keiner geweſen/ der darauff ge-
mercket haͤtte. Jhr habt allen meinen Rath verachtet/
und meine Straff-Reden in den Wind geſchlagen; ſo will
ich auch in euerem Vntergang lachen/ und euerer ſpotten/
wann euch das ůberkombt/ dafür ihr euch befoͤrchtet. Alſo
wird dann der armſeelige Suͤnder die Augen auffthuen/ und in dieſe ſein-
nen Aengſten nichts anders ſehen/ als den Goͤttlichen Unwillen; unter ihm
die eroͤffnete Hoͤll/ in ihm das mit Suͤnden beladene Gewiſſen; und
umb das Bett herumb gantze Scharen der Teuffelen/ die da bereit
ſtehen die Seel zur ewigen Verdamnuß zu begleiten: derhalben wird
er ruffen mit dem Propheten: Es haben mich die Schmertzen
Pſ. 17. 5.deß Todts umbgeben/ und die Stricke der Hoͤllen haben
mich ůbereylet.
10. So ſiehe nun ein jeder zu/ in was groſſe Gefahr er ſich ſetze/ indem
er die Buß von Tag zu Tag auffſchiebet. Er nehme an dieſe vaͤtterliche
Er-
[41]Von der Buß.
Ermahnung deß heiligen Auguſtini: Beſſere/ mein Chriſt/ dein Leben/ da
dir Zeit gegeben wird: erbitte die Huͤlff GOttes/ da dir deine Suͤnden
zu beweinen Platz gegeben wird: nicht verlaͤngere die Buß/ dicweil du in
der jenigen Zeit lebeſt/ in welcher allein die Frucht der Buß-fertigkeit nuͤtz-Serm. 58.
de San-
ctis.
lich iſt. Wiewohl nun einige im letzten Hinſcheiden den Ancker der Buß
er greiffen[;] ſo hoͤre doch/ mein Chriſtliche Seel/ mit wie vielen Gcfahren
ſolche Buß umbgeben ſeye/ auß dem Mund deß offtgemeldten heiligen Au-
guſtini; der alſo ſpricht; Wann einer in der cuſſerſten Noth ſeiner Krauck-
heit die Buß ergreiffen will/ auch wuͤrcklich ergreiffet/ und alſo mit dem
lieben GOtt verſoͤhnet wird/ und von hinnen ſcheidet: ſo muß ich auch
geſtehen/ daß wir ihm nicht abſprechen/ was er begehr[e]t; gleichwohl
koͤnnen wir uns nicht verſicheren/ und außtruͤcklich ſagen/ daß er wohl
geſtorben ſeye. Ob er ſicher von hinnen geſcheiden/ weiß ich nicht: wir koͤnnen
ihm Zeugnuß geben von der Buß/ nit aber von der Sicherheit. Jch ſage zwar
nit/ daß er verdambt werde: aber ich ſage auch nit/ er wird der Verdamnuß
entgehen. Wilſtu dann von dieſem Zweiffel befreyet ſeyn? ſo halte das Gewiſſe
und laſſe das Ungewiſſe fahren Thue Buß/ weilen du geſundt biſt; wann
du es alſo macheſt/ ſo ſage ich dir/ daß du ſicher ſeyeſt; dann du haſt Buß
gethan zu derſelben Zeit/ da du haſt koͤnnen ſuͤndigen. Wilſtu aber Buß
thun zu der Zeit/ in welcher du nicht vermagſt zu ſuͤndigen; ſo haben
dich die Suͤnden verlaſſen/ und du ſie nicht. Dieſes ſeynd die Wort
deß obgemeldten heiligen Kirchen-Lehrers/ darauß wir unterwieſen wer-
den/ in was groſſe Gefahren ſich ſtellen die jenige/ ſo die Beſſerung ihrer
boͤſen Sitten von Tag zu Tag verlaͤngeren: und ob zwarn villeicht viele
derſelbigen in ihrer letzten Kranckheit die heiligen Sacramenten der Kirchen
empfangen; ſo haben wir doch oben gehoͤret/ wie voller Gefahren dieſe
Bußfertigkeit ſeye. Derhalben bitte ich dich/ mein Chriſtliche Seel/
verſchiebe nicht/ und auch ſo gar biß auff den andern Tag nicht die Beſſe-
rung deines Lebens: ſondern ſage mit dem Koͤniglichen Propheten: Jch
habs geſagt/ jetzt hab ich angefangen; von dieſer Stund an
will ich mein Leben beſſeren: ja/ von dieſem Augenblick an will ich alle
Traͤgheit von mir verbannen durch die Gnad GOttes/ und will demſel-
ben eifferiger dienen/ als ich jemahlen gethan hab. Wann du dir ſolche
Vorhaben macheſt/ und in denſelben beſtaͤndiglich verharreſt/ ſo wirſtu
einen viel groͤſſeren und beſſern Lohn darvon tragen/ als du
dir wirſt einbilden koͤnnen.
FDie
[42]Die Fuͤnffte Geiſtliche Lection
Die Fuͤnffte Geiſtliche
LECTION
Von der
Dritten Theologiſchen Tugend/ nemblich der
LJEBE.
[I]. 23.
meus diliget eum, \& ad eum veniemus, \& manſionem
apud eum faciemus.’
und mein Vatter wird ihn lieben: und wir werden zu ihm
kommen/ und eine Wohnung bey ihm machen.’
Der Erſte Theil.
1. DEmnach wir das Fundament unſeres geiſtlichen Baws gelegt/
auch uͤber ſolches die ſtaͤrckeſte Mauer der Theologiſchen
Hoffnung auffgerichtet/ und was zu Beveſtigung dieſer goͤtt-
lichen Tugend verhuͤlfflich ſeyn kan/ herbey geſchafft haben; als iſt nun uͤbrig/
daß wir dieſem Baw den letzten Zierath und noͤthiges Tachwerck auffſetzen/
als nemblich von der Liebe zu handlen aufangen: zumahlen nach Meynung
Serm. 22.deß H. Auguſtini/ die Spitze und Vollkommenheit dieſes Baws die Liebe
iſt/ derhalben redet er in ſeiner 22. Sermon alſo: Das Hauß GOttes wird
durch die Liebe begrundveſtiget/ durch die Hoffnung auffgerichtet/ und durch
die Liebe zur Vollkommenheit gebracht. So iſt dann die Liebe ein wahres
Kleinod der Tugenden/ von der die andere gemacht/ und mit ihr vergeſell-
ſchafftet/ ihren Zierath und Glantz/ und endlieh ihre Vollkommenheit em-
pfangen. Dieſe iſt das bunte Kleid des Jſraelitiſchen Joſephs/ ſo mit den
ſchoͤnſten Farben allerhand Tugenden gezieret. Von dem der gelehrte Hugo
De-laude
char.alſo ſchreibet: Die Liebe vertreibt alle Schwachheit der Seelen/ die Lieb rot-
tet auß die Wurtzeln aller Laſtern/ die Lieb iſt aller Tugenden Urſprung/ die
Lieb er leuchtet den Verſtand/ reiniget das Gewiſſen/ erfreuet die Seel des
Men-
[43]Von der Liebe.
Menſchens/ und lehret GOtt erkennen. Die Seel/ in welcher die Lieb woh-
net/ wird vonkeiner Hoffart auffgeblaſen/ von keiner Mißgunſt verwuͤſtet/
von keinem Zorn zerſtreuet/ von keiner Traurigkeit geplaget/ von keinem Geitz
verblendet/ von keinem Fraß entzuͤndet/ und von keiner Geylheit beſchmitzet
werden: ſie bleibt allezeit rein und ſauber/ allezeit keuſch/ allezeit ruhig/ allezeit
froͤhlig/ allezeit friedſamb/ allezeit guͤtig/ und allezeit beſcheiden. Dieſe ſeynd
alle Wort deß angezogenen erleuchteten Hugonis.
2. Jſt nicht dieſes ein wahres Kleid deß Patriarchen Jacobs/ deſſen ſtatt-
lieher Geruch den Seegen deß himmliſchen Vatters zu wegen bringet? iſt
nicht dieſer der feurige Wagen/ ſo den innerlichen Menſchen in das geiſtliche
Paradeiß erhebet? dieſe Tugend verurſachet in einer glaubigen Seelen/ daß
ſie nichts verlange/ als JESUM; an nichts anders gedencke/ als an JE-
SUM; nach keinem ſeufftze/ als nach JESU. Jn Summa/ ihr Ziel und
End iſt Jeſus. Billig dann ermahnet ſeine Kinder der H. Vatter Auguſti-
nus gleich im Anfang ſeiner Regul zu der Liebe/ mit dieſen Worten: Aller-
liebſte Bruͤder/ vor allem liebet GOtt: dann er wuſte wohl/ daß un-
moͤglich eine Tugend koͤnne gefunden werden ohne Lieb: zumahlen ſolches
der H. Apoſtel mit dieſen außtruͤcklichen Worten anzeiget: Wann ich mit1. Cor. 13-
v. 1.
Menſchen und Engelen Zungen rede/ und haͤtte aber die
Liebe nicht/ ſo waͤre ich wie ein lautend Ertz/ oder wie ein
klingende Schell: und wann ich allen Glauben haͤtte/
daß ich auch Berge verſetzte; und haͤtte aber die Liebe
nicht/ ſo waͤre ich nichts: wann ich auch meinen Leib ůber-
gebe/ daß ich verbrandt wůrde; und haͤtte aber die Liebe
nicht/ ſo waͤre mirs nichts nutz. Dahero vergleichet der H. Ber-
nardus die menſchliche Seel einem Kohlen/ der keine Schoͤnheit an ſich hat/
es ſeye dann/ daß er gluͤend werde: alſo kan die Seel nicht ſchoͤn ſeyn/ wann
nicht dieſelbe fuͤr Liebe brennet; dieweilen die Liebe der Tugend Schoͤnheit
iſt. Und nach Zeugnuß deß H. Gregor ii/ iſt bey GOtt nichts koſtbahrer als
die Tugend der Liebe; und hingegen unſerm allgemeinen Widerſager nichts
angenehmers/ als die Erloͤſchung derſelben.
3. Es pflegte vorzeiten die Ritterſchafft in Engelland ein Schertzſtreit
zu verordnen/ in welchem ein jeder auff ſeinem Schild ein Blum/ es ware
dann ein Roſe/ ein Lilie/ oder andere Blum/ gemacht hatte: der Koͤ-
nig aber truge auff ſeinem Schild ein Buͤſchlein Blumen/ dar-
auff alle der anderen ihre Blumen entworffen waren/ mit die-
F 2ſer
[44]Die Fuͤnffte Geiſtliche Lection
ſer Uberſchrifft: Jn mir iſt alles. Alſo/ wann die Tugenden mit ei-
genen Schilden/ darauff ihr er aller groſſes Lob gemahlet/ umb gegen die La-
ſter zu ſtreiten/ zu Feld ziehen ſolten; wuͤrde ohne Zweiffel die Liebe vor al-
len den Vorzug haben/ und als eine Koͤnigin in ihrem Schild dieſen Lob-
ſpruch entworffen tragen: Jn mir iſt alles. Sintemahlen all das
jenige/ was in andern Tugenden ſtuckweiß zu ſchen iſt; das begreifft die
Liebe in ſich; zumahlen dieſe bißweilen ſeyn kan ohne andere Tugenden; ſie
aber ohne die Lieb nit beſtehen koͤnnen: derhalben ſie ſich billig ruͤhmen kan
dieſes Koͤniglichen Uberſchrifft: Jn mir iſt alles. Wiederumb iſt dieſe
Tugend/ nach Meinung deß Marſilii Ficini, der jenige Pfenning/ mit
welchem GOtt erworben und erkaufft wird. GOtt wird dir zu kauffen feyl
gebotten; mit was fuͤr Muͤntz aber? mit ſolchem Geld/ mit welchem er dich
zum erſten gekaufft hat/ nemblich mit der Liebe. Was nun unter den Pla-
neten die Sonne/ unter den Elementen das Feur/ unter dem Metall das
Gold/ unter den koſtbarſten Steinen der Carfunckel/ das iſt unter den Tu-
genden die Liebe.
4. Damit wir nun von dem Lob dieſer Liebe/ zu dereſelben Wuͤrckung
fortſchreiten moͤgen; wird uns zum erſten dienen die Fabel oder Gedicht von
dem Prome[t]hec; von dem die Poeten laſſen herkommen/ daß er ſeinen
menſchlichen Leib von Laimb zuſammen gemacht habe/ und da er
ſich nicht bewegen/ und die gewoͤhnliche Werck eines lebendigen Menſchens
nicht uͤben koͤnnen[?] iſt er in den Himmel hinauff geſtiegen/ und hat heimli-
cher Weiß Feur geſtohlen/ Krafft deſſen er ſeine auß Erden oder Laimb
zuſammen getragene Bildnuß vermuntert und zum Leben gebracht hat. Ob-
ſchon dieſes nur ein lehres Gedicht der Poeten iſt/ ſo koͤnnen wir jedoch von
dieſer Fabel zu unſern Sitten ſchreiten/ und ſagen/ daß durch dieſen erdnen
Leib recht und wohl koͤnne ver ſtanden werden der Menſch; und durch das
Feur die Liebe. Nun ſehen wir/ leyder GOttes! daß der Menſch gleich
einer unempfindlichen/ auß Leimb gemachten Bildnuß/ keine lebhaffte
Wirckung zu den himmliſchen Dingen habe; indem alle ſeine Neigungen
deß Gemuͤts immerwaͤhrend denen irꝛdiſchen Geſchoͤffen als einem Leimb
ankleben: So bald ihm aber die Liebe wird eingegoſſen/ da fangt er an zu
leben/ und uͤbet ſich gar nuͤtzlich in den Wercken deß ewigen Lebens.
Verrichtet nicht die Liebe das Ambt einer unempfindlichen/ jedoch ſtaͤr-
ckenden Seelen? dieweil ſie den Menſchen macht an ſich ziehen die Nah-
rung; als nemblich/ das Wort Gottes mit Andacht hoͤren/ und ſelbiges in der
That
[45]Von der Liebe.
That vollbringen/ auß welchem die Seel ernaͤhret und geſtaͤrcket wird.
Weiters verſichet nicht die Liebe das Ambt einer empfindlichen See-
len/ dahe ſie den Menſchen entzuͤndet und begierig machet zu ſchen die hunm-
liſche Dinge durch die Betrachtung und den Glauben? eroͤffnet das Gehoͤr
zu fleiſſiger Auffmerckſamkeit deß goͤttlichen Worts/ und heiligen Einſpre-
chungen; den Geruch ermunteret/ damit der Menſch den koͤſtlichen Geruch
der guten Exempeln/ und von CHriſto ſampt deſſen H. H. Außerwaͤhlten
hinterlaſſenen Tugenten ſchmecke; den Geſchmack verm[e]hret/ damit er die
Suͤſſigkeit Gottes und Lieblichkeit eines guten Gewiſſens koſte? auch ver-
urſachet ſie/ daß der Menſch die Beſchwaͤrlichkeiten/ ſo er vorhin wie die Peſt
gepflohen; nachmahls mit aller Frohligkeit deß Hertzens umbhaͤlſe Endlich
vertrettet die Liebe nicht die Stelle einer vernůnfftigen Seele? indem
ſie dem Menſchen an die Hand gehet/ auff daß er die himmliſche Ding beſter
maſſen begreiffe/ die irꝛdiſche verachte/ und mit dem H. Apoſtel Paulo ſage:
Jch hab alles umb CHRJSTJ Willen fůr SchandenPhil. 3 7.
gehalten/ und achte alles fůr Koot/ damit ich CHriſtum
gewinne. Und mit dem heiligen Ignatio: O wie heßlich kompt mir vor
die Erde/ wann ich den Himmel anſchawe! ſie machet auch den Menſchen
recht urtheilen/ daß nemblich Gott uͤber alles muͤſſe geliebt werden/ daß man
ſich ſelbſt haſſen/ und ſeinen Naͤchſten wie ſich ſelbſt zu lieben ſchuldig ſeye;
und daß alles lauter Eytelkeit ſeye/ auſſerhalb GOtt lieben/ und ihm allein
dienen.
5. Billig dann/ mein CHriſtliche Seel/ befilcht uns GOTT dieſes
Fewer der Liebe mit aller Sorgfalt zu ernaͤhren und zu erhalten. Warumb
hat die goͤttliche Majeſtaͤt im alten Teſtament angeordnet/ daß Jhm zu un-
terſchiedlichen Zeiten auch unterſchiedliche Opffere geſchlachtet wuͤrden? zu
der oͤſterlichen Zeit wolte Gott das Opffer deß Lambs: nach der Geburt ei-
nes erſtgebohrnen Knaͤbleins begehrte er Turteltauben. Eins aber hat er be-
fohlen/ daß immer und allezeit geſchehen ſolte/ daß nemblich das Fewer zu al-
len Zeiten auff dem Altar brennete; Dahero er allen Prieſtern geſchaffet/ die-
ſem Fewer durch noͤthiges Holtz immerwaͤhrenden Zuſatz zu thun; damit es
ja nicht erloͤſchete. Warumb hat GOTT dieſes alſo befohlen? keine andere
Urſach deſſen iſt; als daß er habe wollen anzeigen/ der Menſch muͤſſe dieLevit. 6.
Lieb/ ſo durch das Fewer bedeutet wird/ durch die Ubung der guten Werck
auff dem Altar ſeines Hertzens anzuͤnden/ und zu allen Zeiten ſorgfaͤltiglich
bewahren. Wir werden aber dieſes Fewer der Liebe in unſern Hertzen anzuͤn-
den/ und ſolches entzuͤndete Fewer ernaͤhren/ wann wir alle Gebott GOttes/
F 3alle
[46]Die Fuͤnffte Geiſtliche Lection.
alle unſere Regulen und Satzungen unſtraͤfflich zu halten uns befleiſſen:
wann wir dieſes vernachlaͤſſigen/ und das jenige/ ſo keine Schuld einer
Todt-Suͤnden mit ſich fuͤhret/ wenig achten; ſo ſeynd wir verſichert/
daß die Koͤnigin der Tugenten/ nemblich die Liebe bey uns nicht lang ver-
bleiben koͤnne/ nach Meinung deß H. Gregorii/ der alſo ſpricht uͤber die
Eccl. 19.
v. 1.Wort deß weiſen Manns: Wer ein geringes nicht achtet der
wird allgemach dahin fallen. Der die geringſte Sůnden
zu beweinen verabſaumet/ derſelbige wird von dem
Stand der Gerechtigkeit/ nicht zwarn urplůtzlich/ ſon-
dern vor und nach ſich ſelbſten ſtůrtzen.
6. Deſſenthalben ſage Chriſtus: wer mich liebet/ der haltet mein Wort. Die
Wort Chriſti aber ſeynd/ daß man nit allein die grobe Suͤnden/ ſondern auch
die geringſte fliehen ſolle: ſo folget klaͤrlich daß ein liebender Menſch dieſe alle/
ſo wohl groſſe als kleine Suͤnden zu meyden ſchuldig ſeye: darauß er dann
dieſen groſſen Nutzen zu gewarten hat; daß neben denen vielfaͤltigen Guͤ-
tern der himmliſchen Schaͤtzen/ mit denen ein Liebender uͤberhaͤuffet wird/
auch werde gemacht zu einem Tempel und Wohnung der Allerheiligſten
Dreyfaltigkeit: welches uns CHriſtus außtruͤcklich bedeutet/ da er
dieſen obangezogenen Worten: Wer mich liebet/ der haltet
mein Wort/ alſobald hinzuſetzet: und mein Vatter wird ihn
lieben; und wir werder zu ihm kommen/ und Wohnung
bey ihm machen. Verwundere dich nun/ mein Chriſtliche Seel/
mit mir/ und ſchreye uͤberlaut: O entſetzliche Wuͤrckung der Liebe! O
unbegreiffliche Vortrefflichkeit dieſer Tugend! wer wird dieſe mit ge-
nugſamen Lob-Spruͤchen/ der Gebuͤhr nach/ verehren koͤnnen? wer wird
derſelben groſſe Vollkommenheit/ auch durch die allerzierlichſte Wohl-
redenheit ſattſamb zu beſchreiben beſtand ſeyn? wer wird/ ſage ich/ die in
ihr verborgene himmliſche Frucht und Nutzen ſchuͤldiger maſſen begreif-
fen? dieweilen ſie macht auß einem Schlaven deß Teuffels einen Sohn
GOttes; auß einem Futer der Hoͤllen/ einen Erben Chriſt; auß einem
abſcheulichen Suͤnder einen Tempel GOttes.
7. Ein anderes Mittel/ durch welches man das Fewer der Goͤttlichen
Liebe im Hertzen erwecken kan/ iſt die auffmerckſame Betrachtung; daß
nemblich die Liebe den Menſchen/ der jedoch in gegenwaͤrtigem Thal
der Zaͤhren/ und unauffhoͤrlichen Armſeeligkeit lebet/ gleichwohl be-
gluͤckſeeliget. Dann einmahl gewiß iſt/ daß die rechte und wahre
Gluͤckſeeligkeit deß Menſchens in Beſitzung deß hoͤchſten Guts allein
beſtehe.
[47]Von der Liebe.
beſtehe. Dieweilen nun dieſe annehmliche Beſitzung durch den ge-
meinen und ordentlichen Weg/ nemblich durch die wuͤrckliche und thaͤt-
liche Vereinigung nicht kan erworben werden; ſo muß ſie nothwendig
vermittelſt einer anderen/ in einem guten Willen gegruͤndeter Vereini-
gung/ als da iſt die Liebe/ zu wegen gebracht werden. Dahero
ſehen wir in taͤglicher Erfahrnuß/ daß die wahre Liebhaber GOttes
in hoͤchſter Ruhe deß Hertzens leben; weilen ſie alles/ ſo da nimmer
kan verlanget werden/ und mit dem Zeitlichen keine Gemeinſchafft ha-
ben kan; in ihrem lieben GOTT beſitzen und genieſſen. Hergegen
aber/ die Schlaven der Welt; ob ſelbige ſchon groſſe Reichtumben
an Gold und Silber bißweilen zuſammen ſcharren; koͤſtliche Gebaͤue
auffrichten/ mit ſtattlichem und anſehnlichem Kleyder-Pracht auffzie-
hen; ſehr ſchoͤne und kuͤnſtliche Luſt-Haͤuſer/ ſambt aller darzu gehoͤ-
rigen Ergoͤtzlichkeit beſitzen; ſo wird doch derſelben Begierigkeit niemah-
len nicht allein nicht erfuͤllet/ noch befriediget; ſondern muͤſſen noch ley-
den/ daß dieſes alles ihnen vielfaͤltige Unruhe und Bekuͤmmernuß ver-
urſache. Und das kommet daher/ dieweilen der Menſch nicht erſaͤttiget
noch begluͤckſeeliget werden mag ohne die Erhaltung deß jenigen wahren
Ziels und Endes/ zu dem er erſchaffen iſt; das aber iſt GOtt. Der-
halben da der H. Auguſtinus zu unſerm Vorhaben GOtt anredet/ braucht
er ſich dieſer Wort: HErr/ du haſt uns erſchaffen zu dir/ alsLib.9.
Conf. c 1.
zu unſerm Ziel/ und unſer Hertz kan nirgend anders ru-
hen/ als in dir. So lang wird unſer Hertz unruͤhig ſeyn/ biß wir
das Zeitliche und Zergaͤngliche auß dem Grund deſſelben außrotten: ſo lang
werden wir in Unruhe leben/ diß wir den Weltlichen Wolluͤſten gantz und
zumahlen abſagen: ſo lang werden wir die Lieblichkeit der wahren Goͤttlichen
Ruhe nicht ſchmecken; als lang wir alle Neigung zu den irꝛdiſchen Creatu-
ren behalten/ und mit voͤlligen Schritten der Lieb zu unſerm GOtt nicht
zulauffen.
8. O wie naͤrriſch ſeynd dann die jenige/ ſo daß hoͤchſte Gut verlaſſen/
und mit umziemblicher Begierd den betrieglichen und augenblicklichen
Guͤtern dieſer Welt ankleben! O groſſe Thorheit deren/ welche an
Statt der wahren und ewigen Frewden/ die ſtechende/ und gleich
dem Rauch verſchwindende Luſtbarkeiten/ die doch den Menſchen
nicht erſaͤttigen moͤgen; mit beyden Armen umbfangen: zu deren
billiger Verachtung/ und der ewigen hertzlichen Verlangen uns an-
treibet der heilige Anſelmus mit dieſen Worten: Du armſee-
liges
[48]Die Fuͤnffte Geiſtliche Lection
liges Menſchlein/ warumb ſtreicheſtu alſo hin und her/ und ſucheſt die Guͤ-
ter deines Leibs? liebe das jenige Gut/ in welchem alles iſt/ und alſo wirds
gnug ſeyn; verlange das einfaͤltige Gut/ mit dem wirſtu zu frieden ſeyn.
Damit dich nun/ mein Chriſtliche Seel/ der liebe GOtt nicht einsmals
wegen einer Thorheit ſtraffe/ ſo werffe anjetzo weit von dir alles und jedes/
mit welchem die Menſchen-Kinder ſich zu erluͤſtigen pflegen; und befleiſ-
ſigedich GOtt uͤber alles zu lieben. Damit du aber ſolches werckſtellig ma-
chen- koͤnneſt/ ſo begehre nun dieſes Fewer der Goͤttlichen Liebe durch in-
bruͤnſtiges Verlangen und unauffhoͤrlichem Gebett/ und widerhole offt-
mahlen im Tag mit dem Heil. Francisco: Deus meus \& omnia!Mein
GOtt und alles! und bitte mit dem Heil. Anſelmo: O HERR
mein GOTT/ wanns dir alſo gefaͤllig iſt/ nimb hinweg
meine Haͤnde/ Fůß und alles ůbrige; das Hertz allein
laſſe mir/ mit welchem ich dich lieben koͤnne; dann mit
dieſem allein werde ich dir Gefallen. Auff daß du aber in die-
ſer herrlichen Theologiſchen Tugend mehr gegruͤndet werdeſt/ ſo betrachte
was folget.
Der andere Theil.
9. AUß dem/ was bißhero geſagt iſt/ kan ein jeder reifflich urtheilen/ daß
die Liebe unter den anderen Tugenden den Vorzug habe/ wann a-
ber dieſe uns die Pforten deß Himmels auffſchlieſſen; wie vielmehr
werde uns ſolche nicht eroͤffnen die vortreffliche Tugend der Liebe? ſolches
aber kan gnugſamb bewieſen werden auß dem gemeinen Philoſo phiſchen
Spruch: Propter quod unumquodque tale, \& illud magis tale:Wie
beſſer ein Sach iſt/ die von einer andern herkommet/ deſto
beſſer iſt auch die jenige/ die von der andere entſpringet.
Die Tugenden ſeynd gute und zur Seeligkeit nutzliche Sachen/ haben
aber von der Liebe ihren Urſprung/ und koͤnnen ohne dieſelbe GOtt nicht
gefallen. Jſt dieſem nun alſo (wie anders nicht ſeyn kan) ſo muß erfolg-
lich die Liebe beſſer ſeyn/ als andere Tugenden. Wan andere Tugenden/
ſo etwas von der Liebe mit ſich fuͤhren/ ihren Beſitzer zum ewigen Leben koͤn-
nen einrichten; wie viel mehr wird dieſes nicht leiſten koͤnnen die Liebe ſelbſt/
ſo da iſt ein Brunquell und Erfuͤllung aller anderen Tugenden/ ſo gar/ daß
wann einer nichts mehr wuͤſte/ als JESUM zu lieben; ſo waͤre ſolcher ſehr
gelehrt: nicht zwarn in der Schule der Welt - Weiſen und Schrifft-
Ge-
[49]Von der Liebe.
Gelehrten; ſondern in der Schulen Chriſti: welches der Gottſelige
Thomas à Kempis mit dieſen Worten zu bedeuten ſcheinet: Der
iſt warlich groß/ der eine groſſe Lieb hat. Zu die-
ſem unſerm Vorhaben wurde einsmals der ſehr gelehrte Vatter Bona-
ventura von dem ſeeligen Ægidio alſo gefraget. Ehrwuͤrdiger Vatter/
der liebe GOtt hat dich mit vielen Gaben ſeiner Gnaden verſehen; was
ſollen doch wir ſchlechte und einfaͤltige Troͤpff thun/ damit wir auch ſee-
lig werden? deme der heilige Mann geantwortet/ wann ſchon GOTT
dem Menſchen kein andere Gnad mittheilete/ als daß er ihn liebte; ſo waͤ-
re dieſes doch beſtandt genug das ewige Leben zu erlangen. Der gemeldte
Ægidius fahret fort/ und fraget weiters/ ob dann ein Ungelehrter eben
ſo wohl GOtt lieben koͤnne/ als ein Gelehrter? deme der Heil. Bona-
ventura zur Antwort gibt; daß auch ein einfaͤltiges altes Muͤtter lein
nicht weniger GOtt lieben koͤnne/ als ein wohl-gelehrter Doctor der ho-
hen Schulen. Da dieſes der ſeelige Ægidius gehoͤrt hat/ iſt er vor Frew-
den auffgeſprungen/ alſobald zum Garten geeilet/ nach der Stadt ſich ge-
wendet/ und mit heller Stimm geruffen: O ihr einfaͤltige und ungelehrte
alte Weiber/ liebet GOtt/ dann ihr koͤnnet groͤſſer werden als der Frater
Bonaventura iſt. Darumb hat recht geſungen der Geiſtliche Poet:
10. Wer wird aber/ der Gebuͤhr nach/ außſprechen koͤnnen/ wie reich-
lich die Liebhaber GOttes werden belohnet werden? kein Verſtand wirds
begreiffen/ und keine Feder wirds gnugſamb beſchreiben koͤnnen. Dann
ſolchen Lohn haben ſelbige zu hoffen/ deßgleichen nach Zeugnuß deß Heil.
Apoſtels/ kein Aug geſehen/ kein Ohr gehoͤret/ und in1. Cor. v.
9.
keines Menſchen Hertz geſtiegen iſt: Dieſes hat GOtt denen
zubereitet/ die ihn lieben. Weiters leſen wir im Buch der Richter/ das die je-
nige/ ſo GOTT lieben/ ſo herrlich/ wie die Sonne in ihrem Auff-
gang/ glantzen. Dieweilen aber der Feind alles Gute wohl weiß/ daß die
groͤſte Fluͤſſe der Gnaden und Verdienſten von dieſer Lieb entſpringen;
derhalben mißguͤnnet er uns ſolche Gaben immer zu/ und bemuͤhet ſich un-
auffhoͤrlich das menſchliche Hertz von ſeinem GOtt abwendig zu machen/
welcher Geſtalt wir aber dieſen Haupt-Feind widerſtehen ſollen/ daß lehretLib. 3.
Reg. c. 3.
uns folgende Hiſtorie der H. Schrifft. Es kamen einsmals zwey Muͤtter zu
Gdem
[50]Die Fuͤnffte Geiſtliche Lection
dem allerweiſeſten Koͤnig Salomon/ welche beyde ein kleines Kindlein/ als ihr
Soͤhnlein fuͤr ſich begehrten: weilen aber der gemeldte Salomon auß den
vorgebrachten Reden dieſer zweyen Weiber keinen Schluß machen konte;
und gleichwohl zu erfahren verlangte/ welche die rechte Mutter waͤre/ befahle
er/ man ſolte das lebendige Kind zertheilen/ und einer jeden die Halbſcheid ge-
ben. Dieſem Urtheil fiele alsbald die vermeinte Mutter bey/ und ſagte; un-
ſerer beyden keine ſoll es gantz haben/ ſondern es ſolle zertheilet werden. Da die-
ſes die rechte Mutter deß Kinds hoͤrete/ ſprach ſie/ ſoll ich dann leiden/ daß
mein Kind getoͤdtet werde? Ach nein! das leide ich nicht; ich will lieber mein
Recht fahren laſſen/ damit mein Kind beym Leben verbleibe. Hierauß hat der
Koͤnig erkennet/ daß dieſe die wahre Mutter des Kinds ſeye; derhalben ſagte
er: gebet dieſer das lebendige und unzertheilte Kind: die andere aber iſt uͤber-
zeugt und ſchamroth worden.
1. Was ſoll ich nun anders dieſem Kind vergleichen/ als das Hertz deß
Menſchens? und wem ſeynd dieſe zwey Weiber mehr aͤhnlich/ als GOtt und
dem Teuffel? GOtt als ein wahre Mutter hat durch die Erſchaffung unſer
Hertz gebohren/ dahero begehrt er ſelbiges/ und ſagt: Sohn gebe mir
dein Hertz: ſelbiges zu beſitzen verlangt auch der leidige Sathan. Wem
ſollen wirs nun geben? wollen wir die Perſohn deß Salomons vertretten/ und
Richter ſeyn/ ſo laſſet uns es dem jenigen weigeren/ der allein mit der Halb-
ſcheid zu frieden iſt; und geben es dem/ ders gantz begehret/ oder nichts. Was
ſagt der Sathan/ was fordert er? Jch bin zu frieden ſagt er/ mit einem gar ge-
ringen Theil deines Hertzens: ich bin zu frieden/ daß du Meß hoͤreſt; daß du
deine Gezeiten betteſt; daß du dich bißweilen diſciplinireſt; daß du faſtes;
und bin auch zu frieden/ daß du zu Mitternacht auffſteheſt: daß du aber alle-
zeit in dieſen Ubungen verharren wolleſt/ daß leiden deine Kraͤfften nicht; der-
halben iſts rathſamb/ daß du zu Zeiten denen weltlichen Frewden beywohneſt/
und dich erluͤſtigeſt: und was kans dir ſchaden/ daß du bißweilen in ehrlicher
Geſellſchafft der weltlichen Leuten erſcheineſt? dieſes erfordert die Beſcheiden-
heit/ was iſt auch daran gelegen/ ſo du bißweilen eine Suͤnd begeheſt: du biſt
ein Menſch ſo wohl als andere: was kans hindern/ daß du auß Kurtzweil und
Ergoͤtzligkeit halber zu Zeiten liegeſt? das muß man nicht hoch achten. Pa-
rum parum nocet. Wenig ſchadet wenig. Mit einem Wort zu ſagen/ der
Teuffel iſt zu frieden mit der Halbſcheid unſeres Hertzens/ und ruffet mit der
vermeinten Mutter: Noch dir/ noch mir; ſondern es ſoll zerthei-
let werden. Aber/ aber/ was ſagt Gott darzu Du ſolſt GOtt dei-
nen Herrn lieben auß gantzem deinem Hertzen. Er will das
Hertz
[51]Von der Liebe.
Hertz gantz und zumahlen/ oder nichts. Wohlan dann meine Chriſtliche Seel/
wir wollen nun/ wie ein allerweiſeſter Salomon das Urtheil ſprechen. GOtt
fordert das gantze Hertz; der Teuffel laſſet ſich mit der Halbſcheid begnuͤgen;
ſo laſſet uns das gantze und unzertheilte Hertz GOTT auffopfferen/
der ſelbiges durchden weiſen Mann begehret: Sohn/ gebe mir dein
Hertz.
12. Dieſes wollen wir nun bekraͤfftigen mit der liebreichen Fabel oder Ge-
dicht eines beruͤhmten Poeten von dem Jgel. Dieſes Thierlein iſt rund
umbher mit ſpitzige Stachelen verſehen/ und weiß ſich dergeſtalt zuſammen
zu ziehen/ daß es auch einem kleinen Ballen gleich ſcheine. Nun hat ſich es zu-
getragen/ daß dieſes arme Thierlein einsmahls ſeiner Behauſung beraubt
worden/ indem die Jaͤger/ in Meinung/ einen groſſen Haaſen daſelbſt zu fan-
gen/ ſelbige zumahlen verwuͤſtet: derhalben da dieſer auß ſeiner Wohnung
vertriebene Jgel/ in Buͤſchen und Feldern herumb zu lauffen genoͤthiget wor-
den/ hat er endlich einen Fuchſen angetroffen/ und denſelben gebetten/ er moͤch-
te ihn doch in ſeine Herberg auffnehmen/ der Fuchs aber/ da er dem Jgel ſein
Begehren rund abgeſchlagen; hat dieſer ihn noch inſtaͤndlicher gebetten/ ihm
nur das geringſte und verwuͤrfflichſte Wincklein ſeiner Hoͤlen zu verguͤnſti-
gen/ mit dieſem Verſprechen/ daß er ſich daſelbſten im geringſten nicht bewe-
gen/ weder auch ſonſten ihme uberlaͤſtig ſeyn wolle: hierauff hat der Fuchs
in das demuͤthige Begehren deß Jgels verwilliget/ und da er zu Anfang den
allerengiſten Orth der Hoͤlen eingenommen/ hat er ſich nochmahlen dergeſtalt
außgebreitet/ daß der Fuchs/ damit er von ſeines eingenommenen Gaſtes ſpi-
tzigen Stachelen nicht verletzet wuͤrde/ dem Jgel die gantze Wohnung zu uͤ-
berlaſſen/ und davon zu lauffen gezwungen worden. Gleicher Weiß mit
dem Jgel macht es der boͤſe Feind; welcher anfaͤnglich uns umb ein eintziges
Huͤttlein unſeres Hertzens bittet/ und begehret demuͤtiglich von uns/ daß wir
doch umb dieſes oder jenes Ambt zu verwalten/ einigen Luſt und Affection
zeigen wollen; daß wir uns erfrewen ſollen; wann von anderen gelobt wer-
den; daß die Lieb erfordere/ ſeine Verwandten und gute Freund offt zu be-
ſuchen; daß man die von ihnen præſentirte Geſchenck nicht muͤſſe verſchmaͤ-
hen/ ſondern gern annehmen/ und dergleichen ihnen hinwiederumb verehren.
Dieſer iſt der ſaubere Rath deß allgemeinen Menſchen Feinds/ der uns
auch ſo gar verſicheren will/ daß wir auß ſolchem allein den gering-
ſten Schaden nicht leiden werden. Auch rathet dieſe hoͤlliſche
Schlang/ daß wir bißweilen nur obenhin dieſes oder jenes Weibsbild
G 2mit
[52]Die Fuͤnffte Geiſtliche Lection
mit einem wenigen menſchlichen Vorwitz anſchawen; oder/ auß Mangel
der Gelegenheit/ umb den Gedancken einige Lufft zu machen/ unſerm Ge-
muͤth dieſelbe vorſtellen: und was kan doch uͤbels/ ſagt er/ ein [eintz]iger vorwi-
tziger Anblick oder Gedancke verurſachen? man muß ein Sach nicht groͤſſer
machen/ als ſie iſt. So bald aber dieſer argliſtige Rathsgeber in die Woh-
nung unſeres Hertzens iſt eingeſchlichen; fangt er gleich an/ ſich dermaſſen zu
vergroͤſſeren und außzubreiten/ daß er nicht allein GOtt und ſeine Heilige
auß dem Hertzen außſchlieſſe; ſondern auch alle Tugend/ Gnad und Hei-
ligkeit von dannen vertreibe: darumb ermahnet uns bruͤderlich der H. Apoſtel
Paulus: Gebet kein Platz dem Teuffel. Warumb? weilen/ ſpricht
Eph. 4.
v. 27.der H. Chryſoſtomus uͤber dieſen Orth/ er auff ſolche Weiß/ nach-
dem er wird eingelaſſen ſeyn/ alles verbreitet/ und zu ſei-
nem Vortheil erweiteret.
13. Wann wir nun auß dem Mund der ewigen Warheit verſichert ſeynd/
daß wir zweyen Herren nicht dienen koͤnnen/ GOtt und dem Mammon/ das
iſt den Creaturen; ſo laſſet uns auß dem innerſten unſeres Hertzens alle un-
ordentliche Lieb der Creaturen vertilgen/ auff daß der Erſchoͤpffer daſelbſt
wohnen koͤnne. Sollen wir aber dieſes zu thun vernachlaͤſſigen; ſo haben wir
gewißlich zu foͤrchten/ daß uns begegne/ was den zweyen Soͤhnen deß Aarons
widerfahren iſt; ſo derhalben von dem Fewer ſeynd verzehret worden/ weilen
ſie mit frembdem Fewer ihre Rauchfaͤſſer verſehen. Was iſt aber anders die-
ſes frembde Fewer in den Rauchfaͤſſern/ als ein unziemende Lieb gegen die
Creaturen/ in unſern Hertzen? billig iſt dann/ daß wir uns ſolchen Fewers
nicht gebrauchen/ wann wir von dem ewigen Fewer nicht wollen verbrennet
werden. Auch iſt annebenſt wohl zu beobachten/ daß dieſer loſe Feind den jeni-
gen/ ſo er mit dieſen obgemeldten ſchmeichlenden Anreitzungen nicht hat zum
Fall bringen koͤnnen/ durch Widerwertigkeit niederzuwerffen ſich befleiſſe.
Derohalben muͤſſen wir allem widrigen Eingeben/ Rath und That uns wi-
derſetzen/ wann wir von dieſen Fuͤchſen mit Liſt nicht uͤberwunden werden/ und
das koſtbahre Kleinod der Liebe nicht verliehren wollen: ſintemahlen uns zu
wiſſen hochnoͤthig iſt/ daß (wie der gottſeelige Thomas à Kempis redet) ein
wahrer Liebhaber CHriſti nicht ſuche menſchliehen Troſt/ oder empfindliche
Suͤſſigkeiten; ſondern vielmehr ritterliche Ubungen; und daß er umb Gottes
willen harte und ſchwaͤre Arbeit der Seelen und deß Leibs außſtehen moͤge.
Mit ſolchem Fewer der Liebe ware entzuͤndet die H. Thereſia/ darumb pflegte
ſie zu ſagen: Mein lieber Herr Jeſu/ ich will oder leiden/ oder
ſterben. Noch ein mehreres verlangte die H. Magdalena de Pazzis, der
offt
[53]Von der Liebe.
offt widerholte Bittſchrifft in dieſen Worten beſtunde: Nicht ſterben/
ſondern leiden will ich. Dieſe GOtt gef aͤllige Jungfrawen wuſten
wohl/ daß die mit Gedult uͤberſtandene Widerwaͤrtigkeiten das Fewer der
Liebe uͤber alle maſſen vermehren: welches in der Warheit genugſamb erfah-
ren hat der H. Martyr Jgnatius/ der nach vielen erlittenen Verfolgungen/
Kaͤrcker und Baͤnden dergeſtalt in der goͤttlichen Lieb hatte zugenommen;
daß er mit froͤhlichem Hertzen ſagen dorffte: Fewer/ Creutz/ wilde Thier/ zer-
brechung der Gebeinen/ der Glieder Zertheilung und deß gantzen Leibs Zer-
knirſchung; ja auch alle Tormenten deß leidigen Satans; dieſes alles komme
uͤber mich/ damit ich nur meines lieben Chriſti genieſſen moͤge.
14. Dieſem glorwuͤrdigen Blutzeugen Chriſti laſſet uns nachfolgen; das
widrige nicht foͤrchten; ſondern mit dem Apoſtel uns erfrewen/ daß wir ſeyen
wuͤrdig gefunden worden/ fuͤr den Nahmen JESU zu leiden. Dann gleich
wie ein Artzt den Zuſtand deß Krancken vernehmet/ nicht auß der Rechten/
ſondern auß Beruͤhrung der lincken oder unrechten Hand/ alſo pflegt GOtt
auß ſtarckmuͤthiger Uberſetzung der Widerwaͤrtigkeiten/ und zugefuͤgten Un-
rechts ſeine Liebhaber zu erkennen. Mache dir nun meine Chriſtliche Seel/
auß aller obangefuͤhrter gruͤndlichen Lection den Schluß ſelbſten. Wilſt du
in Warheit JESUM lieben/ ſo treibe auß deinem Hertzen alle unordent-
liche Lieb der irꝛdiſchen Creaturen; halte die Gebott GOttes/ und lerne mit
einer maͤnlichen Standhafftigkeit ſaͤmbtliche vorfallende/ ſo Leibs als der
Seelen Trangſalen gedultiglich zu uͤbertragen: damit du aber auß menſch-
liche Schwachheit auff dieſem ſicheren Weeg den Krebsgang allgemaͤch zu
gehen nicht genoͤthiget werdeſt; ſo folge meinem Rath/ und beſuche offtmah-
len deinen im hochheiligen Sacrament deß Altars verborgenen allerholdſelig-
ſten Braͤutigam/ und klage demſelben deine Noth. Auff daß dich auch die
angenommene verfaͤlſchte Schoͤnheit der Creaturen nicht verkehre/ ſo laſſe
dir es gefallen/ und oͤetrachte die ungemeine Lieblichkeit deß jenigen Ange-
ſichts/ Krafft deſſen viele auß dem Judiſchen Volck in ihren Aengſten und
Betruͤbnuſſen getroͤſtet und geſtaͤrcket wurden; derohalben pflegten ſie in die-
ſen ihren Mißhelligkeiten zu ſagen: laſſet uns hingehen zum Sohn Mariaͤ.
Wann nun deines allerliebſten Heylands gebenedeyetes Angeſicht mit ſolcher
Schoͤnheit noch in dieſem Jammerthal leuchtetet/ daß es auch die betruͤbte
Gemuͤther gaͤntzlich troͤſten koͤnte; was wird dann nicht geſchehen anjetzo/
wann du mit den Augen deines Hertzens denſelben wirſt anſchawen/ da er mit
unaußſprechlichem goͤttlichen Glantz regieret im Himmel? Jch zweiffele
nicht daran/ du werdeſt von der ſuͤſſen Annehmlichkeit dieſes goͤttlichen An-
G 3geſichts
[54]Die Sechſte Geiſtliche Lection.
geſichts dergeſtalt eingenommen werden; daß du vor Frewden deine Wider-
waͤrtigkeit zumahlen vergeſſeſt: und werdeſt alſo auß einem Elend machen
ein Paradeiß/ nicht allein hier zeitlich/ ſondern auch dorten ewiglich/ Amen.
Die Sechſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Bruͤderlichen Liebe.
Mandatum novum do vobis, ut diligatis invicem ſicut
Joan 31.
v. 34.dilexi vos.
einander liebet/ wie ich euch geliebt hab.’
Der Erſte Theil.
1. D Jeweilen die Schrifft-Gelehrten ſagen/ daß der Gebrauch der
Liebe/ ſo viel er GOtt und den Nechſten betrifft/ eins ſeye: ſo
wollen wir/ der Gebuͤhr Gemaͤß/ nach hiebevor abgehandleter
Liebe GOttes/ nun auch die Liebe deß Nechſtens vornehmen. Wie man
aber den Naͤchſten lieben ſoll/ daß lehret uns das dritte Buch Moyſis/
19. v. 18.Leviticus genannt/ mit dieſen Worten: Diliges proximum tuum ſuat ſe
ipſum.Du ſolt deinen Naͤchſten lieben wie dich ſelbſten.
Umb dieſes wohl zu begreiffen/ ſagt der Engliſche Doetor Thomas/ das ſol-
22. q. 25.
art. 7.che Lieb zweyfachig ſeye. Die erſte/ meldet er/ ſeye unordentlich und boͤß/
mit welcher man einen außwendigen Menſchen und das Fleiſch/ ſo er mit an-
dern Thieren ins gemein hat/ liebet. Die andere ſpricht er/ ſeye ordentlich
und gut/ krafft deren man liebet die Vortreff lichkeit deß innerſten Men-
ſchen/ und das Leben nach dem Geſetz der Vernunfft einrichtet. Dieſer
Liebe Gemaͤß muͤſſen wir reguliren unſere Liebe; wie gar ſchoͤn vermercket
der H. Auguſtinus/ und uns ermahnet auff folgende Weiß: Erſtlich
ſehe zu/ ob du wiſſeſt zu lieben dich ſelbſten; und alsdann
befehle dir deinen Naͤchſten/ den du lieben ſolſt wie dich
ſelbſten/ wann du aber noch nicht weiß/ wie du ſolſt
lieben dich ſelbſten/ ſo foͤrchte ich/ du werdeſt deinen Naͤch-
ſten
[55]Von der Bruͤderlichen Liebe.
ſten betriegen/ wie auch dich ſelbſten. Hierauß haben wir ab-
zunehmen/ daß der jenige der ſich nicht liebet mit einer ordentlicher Lieb/ auch
nicht wiſſe zu lieben ſeinen Naͤchſten; dann der ſich ſelbſt untreu iſt/ wem
wird der treu ſeyn? dieſe iſt nun die erſte Regel/ nach der wir unſere Lieb zu
richten haben.
2. Neben dieſer aber hat uns Chriſtus ein andere hinterlaſſen/ folgen-
den Jnnhalts: Jch gebe euch ein neues Gebott/ daß ihr euch
untereinander liebet/ wie ich euch geliebt hab. Auß dem
wir ſchlieſſen/ daß gleich wie uns Chriſtus freywillig geliebt/ und ohne eini-
ge Vergeltung uns ſeine himmliſche Lehr hat mitgetheilt; auß dem Wuſt
der Suͤnden her außgezogen; dieſelbige uns vergeben/ und unſere Schmer-
tzen und Schwachheit der Seelen biß zum Todt deß Creutzes uͤber ſich ge-
nommen: wir alſo/ nicht auß Liebe der Begierlichkeit/ welche den eigenen
Nutzen ſuchet ſondern auß Liebe der Freundſchafft/ ſo da eifferet den Vor-
theil deß Naͤchſtens/ einander lieben ſollen: nemblich wir ſollen allen und
jeden/ ſo wohl die Guͤter der Gnaden als der Glory von Hertzen goͤnnen/
wuͤnſchen/ auch unſern Kraͤfften gemaͤß zu erwerben uns befleiſſen: wir
ſollen unſeres Naͤchſten Laſt auff uns nehmen und tragen; die ſuͤndhaffte
Menſchen nichr verwerffen; ſondern theils durchs Gebett/ theils durch
liebliche Ermahnungen zur Buß auffmunteren/ und mit denenſelben ein
hertzliches Mitleyden tragen. Alſo hat der Heil. Apoſtel Paulus ſeinen
Naͤchſten geliebet/ wie er ſelbſt bezeuget: Jch trage groſſe Trau-Rom. 9.
v. 3.
rigkeit und ſteten Schmertzen in meinem Hertzen/ dann
ich wůnſche mir ſelbſt verbannet zu ſeyn von Chriſto fůr
meine Brůder. Und an einem anderen Ort: Wer wird ſchwach/2.Cor. 11.
v. 29.
und ich werde nicht ſchwach: wer wird geaͤrgert und ich
brenne nicht? Dieſem vornehmſten Lehrer der Heyden weichet nicht in
der Bruͤderlichen Liebe Moyſes der groſſe Diener GOttes/ der ſeinen Naͤch-
ſten alſo liebte/ daß er zum HErrn ſagen dorffte: Entweder verzeyhe
ihnen dieſe ůbelthat/ oder tilge mich auß dem Buch deßExod. 32.
v. 31.
Lebens. Das wahren rechte Liebhaber deß Naͤchſtens. Wir finden aber
noch viel andre Heiligen/ welche ſich euſſerigſt bemuͤhet/ ihren Naͤchſten durch
die Liebe zu gewinnen. Weilen nun dieſe alle herbeyzubringen ſichs nicht ge-
zimmet; als wollen wir vor dießmahl erzehlen die heroiſche That deß Heil.
Jgnatii/ Stifftern der Societaͤt JCſu. Es ware in der Stadt Pariß zu Zeiten
dieſes Heil. Manns ein ſicherer Menſch/ welcher ſich mit dem Strick der un-
ziemlicher Liebe an ein loſe Fidel ſo ſtarck verbunden/ daß der obgemeldte
Hei-
[56]Die Sechſte Geiſtliche Lection
heilige Diener GOttes durch immerwaͤhrenden angewendeten Fleiß ſol-
chen Venus- Band zu loͤſen nicht vermoͤgte. Einsmals iſt der Jgnatius
in Erfahrnuß kommen/ daß der armſeelige Buhler auſſer der Stadt/ vil-
leicht zu ſeiner Amaſia zu gehen entſchloſſen; derhalben begibt er ſich alsbald
zu dem Wege/ allwo der Liebhaber muſte vorbey gehen; wirfft ſich an einem
Eyß-kalten Ort ins Waſſer/ daß nur das Haupt/ umb ſein Vorhaben
werckſtellig zu machen/ vom Waſſer befreyet ware: da nun dieſer hinzu na-
het/ redet er ihn an mit dieſen Worten: Gehe hin du armſeeliger Menſch/ ge-
he hin zu deinen ſtinckenden Wolluͤſten; ſieheſtu dann nicht deinen dir vor
Augen ſchwebenden Untergang? du ſolſt wiſſen/ daß ich allhier dieſe bittere
Kaͤlte ſo lang zu leyden mir hab vorgenommen/ biß ich den gerechten/ dir
zubereiteten Zorn Gottes von dir werd abgewendet haben. Da dieſes alles
der mehr-gemeldte Schlave der Unkeuſchen Wolluͤſten wargenommen/ iſt
er gantz erſchreckt worden/ und von dieſem herrlichen Beyſpiel der Liebe/
gleichſamb vom Donner zerſchlagen/ zuruͤck gangen/ die ſo lang gepflogene
ſuͤndhaffte Gemeinſchafft hat er zertrennet/ und ſeyn leben gebeſſert. Der
offt-gedachte Goͤttliche Seelen-Liebhaber pflegte auch zu ſagen/ daß er
umb Errettung deren mit dem Blut Chriſti erkaufften Seelen bereit ſeye/
mit bloſſen Fuͤſſen und mit Hoͤrner beladen/ uͤber die Gaſſen zu gehen/ und
daß er keine/ auch laͤcherlichſte und ſchimpfflichſte Kleidung zu tragen
ſcheue/ wann nur dadurch dem Menſchen befoͤrderlich ſeyn koͤnnte. Wem
nun gefaͤllig iſt/ ſeinen Bruder in der Warheit zu lieben/ der unterſtehe
ſich/ die Exemplen der Heiligen GOttes zu folgen; und wann ihm ſchon
eben ſelbiges zu leiſten nicht moͤglich iſt; ſo ſoll er dennoch anderer dergleichen
ſich befleiſſen/ durch welche er ſeinen Bruder zu gewinnen erachtet/ damit alſo
mit dem Moyſe/ Paulo und Jgnatio den unſchaͤtzbahren Lohn der Liebe dar-
von trage/ nemblich die ewige Seeligkeit/ welche von Chriſto verſprochen
Matt. 5.wird allen und jeden/ ſo da uͤben die Wercke der Liebe. Seelig ſeynd
die barmhertzige/ dann ſie werden Barmhertzigkeit er-
langen. Jch ſage Barmhertzigkeit; dieweilen ſie in dieſem Zeitlichen
mit vielen Goͤttlichen Gnaden bereichet/ und im Andern deß ewigen Frie-
dens genieſſen werden.
3. Damit wir aber von der bruͤderlichen Liebe noch beſſer moͤgen unterrich-
tet werden; iſt vonnoͤhten/ daß wir erſtlich den Befelch Chriſti ſonderbahr be-
Masth. 7.
v. 14.obachten/ der alſo lautet: Alles was ihr wollet/ daß euch die
Menſchen thun ſollen/ daß thut ihr ihnen auch/ und zwey-
tens die folgende Ermahnung deß frommen alten Tobiaͤ in unſer
Hertz
[57]Von der Bruͤderlichen Liebe.
Hertz ſchreiben: Sihe zu/ daß du nimmer einem andern thueſt/Tob. 4.
v. 10.
was du nicht wilſt/ daß dir von einem andern widerfahre.
Von dieſem redet alſo der H. Proſper: dieſe iſt die gaͤntzliche Lieb deß N ch-
ſtens/ daß du das jenige Gut/ ſo du dir zu widerfahren wuͤnſcheſt/ ſelbiges auch
deinem Nechſten zu uͤberkommen ver langeſt: und das jenige Ubel/ ſo du von
dir abzuwenden trachteſt/ ſelbiges auch eben ſo ſehr von deinem Nechſten zu
verhindern dich bemuͤheſt. Auß dieſer allgemeinen Lehr wird ein jeder gnug-
ſamb abnehmen koͤnnen/ was er fuͤr Dienſten ſeinem Nechſten zu leiſten/ und
was fuͤr Ubelen von ſeinem Nechſten abzukehren ſchuldig ſeye. Allhier iſt aber
wohl zu mercken/ daß in allen Staͤnden und Familien der Geiſtlichen/ auß
geheimen Urtheil Gottes/ einige gefunden werden/ ſo mit der Tugend der wah-
ren bruͤderlichen Liebe nicht allein nichtgezieret ſeynd/ ſondern auch dieſelbe
durch Antrieb deß Teuffels/ und vermittelſt ihres boͤſen Lebens zu vertilgen
ſich bemuͤhen: derhalben muß man ſich gegen dieſen hoͤlliſchen Fluß hurtig
verſehen/ und ſolchem Ubel bey Zeiten vorkommen; damit wegen ſothaner
boͤſen Geiſtlichen die Lieb nicht verlohren gehe. Auff daß nun die Vorſich-
tigkeit fruchtbahr werde/ iſt rathſamb/ daß man zu erſehen trachte/ wie nemb-
lich die jenige Lieb/ ſo unter den Boͤſen erhalten wird/ viel vollkommener
ſeye/ als die jenige/ ſo unter dem Guten geuͤbet wird: dieſes vermercket gar
wohl der gottſeelige Thomas à Kempis, darumb ſagt er/ daß es kein groſſeL. 2. c. 3. §
2.
Sach ſeye/ mit guten und ſanfftmuͤtigen umbzugehen/ dieweilen ſolches na-
tuͤrlicher Weiß allen gefallet/ und ein jeder gern Fried hat/ auch die jenige lie-
bet/ die mit ihm uͤberein ſtimmen. Aber mit harten/ verkehrten/ ungeſchlach-
ten und widerſpennigen friedlich leben koͤnnen/ iſt ein groſſe Gnad/ ein ſehr
loͤblich und maͤnnliches Werck.
4. Auff daß wir aber ſolches deſto leichter ins Werck richten moͤgen/ ſo
laſſet uns ein anderes Lehrſtuͤck deß obgemeldten Thomaͤ reifflich uͤberlegen/
dieſes Jnhalts: Befleiſſe dich die Maͤngel und immer vorfallende Schwach-Ibid.
heiten deines Nechſten geduͤldiglich zu tragen; dann du haſt auch viel an
dir/ das andere tragen muͤſſen: Wann du auß dir einen ſolchen nicht machen
kanſt/ wie du gern wolte ſt; wie kanſt du einen anderen nach deinem Wohl-
gefallen haben? Damit wir nun gegen das Geſetz der bruͤderlichen Liebe
nicht ſuͤndigen moͤgen/ ſo laſſet es uns den Hirſchen nach machen. Wann
dieſe uͤber eine Jnſul oder Eyland ſetzen/ legen ſie die Koͤpff alſo uͤbereinan-
der/ daß/ nachdem der erſte ermuͤdet iſt/ alſobald von ſeiner Stelle hinweg
zu dem hinderſten ſchwimme/ und mit dem Kopff auff ſelbigen ſich laͤhne/
Hund
[58]Die Sechſte Geiſtliche Lection
und dem jenigen den Laſt zu tragen uͤberlaſſe/ ſo ihme in der vorigen Stelle
gleich gefolget/ und nun der erſte iſt. Thuen das die Hirſch/ was ſollen dann
nicht thuen die Chriſten? thuen das die unvernuͤnfftige Thier/ was ſollen dann
nicht thuen die Geiſtliche? inſonderheit/ da der Heyl. Auguſtinus ſagt/ daß
nichts ſo wohl einen Freund anzeige/ als wann er den Laſt ſeines Freunds
trage: und der Heyl. Apoſtel Paulus uns ebenfalls mit dieſen Worten er-
Gal. 6. v.
2.mahnet: Einer trage deß andern Bůrde/ und alſo werdet ihr
das Geſetz CHRJSTJ erfůllen: als wolte er ſagen; der
das Geſetz deß Herrn zu erfuͤllen verlanget/ dem iſt noͤthig/ daß er die Buͤr-
den/ das iſt/ Verſpottungen/ Beſtraffungen/ Schmaͤhwort/ vielfaͤltiges
Plagen und dergleichen von ſeinem Nechſten mit einem Heldenmuth an-
nehme/ und geduͤltig trage: der aber das Widerſpiel thuen wird/ und ſolchen
ſeinen Nechſten mit gleicher Muͤntz bezahlen; der bilde ſich ja nicht ein/
daß er ſeinen Nechſten liebe; dann die Lieb muß die allerhaͤrteſte Dinge uͤ-
bertragen/ gleich wie ein Strauß - Vogel das unverdaͤuliche Eyſen ver-
kochet. Dieſes aber ſage ich nicht/ ſondern der Heyl. Paulus: Die Lieb
uͤbertraͤgt alles. Auch lehrnet uns ſolches mit ſeinem Exempel der
Koͤnig David/ als er nemblich von dem Semei auß dem Geſchlecht deß
Sauls verfluchet/ und mit Steinen empfangen wurde; dahero demſelben
der Abiſai zur Stund den Kopff hinweg geſchlagen haͤtte/ wann nicht der
2.Reg. 16.
v. 11.ſanfftmuͤthige Koͤnig ſolches wuͤrde verbotten/ und geſagt haben: laſſe ihn
bleiben/ daß er fluche nach dem Befehldes Herrn; ob viel-
leicht der Herr mein Elend anſaͤhe/ und mir fůr dieſen
heutigen Fluch guts vergelte. Alſo muͤſſen wir auch gedencken/
wann wir die Liebe unſeres Neehſten behalten wollen; daß es der Herr alſo
befohlen habe/ wann wir dieſes oder jenes boͤſe von dieſem oder anderm zu
leiden haben. Und obſchon/ ſo viel den ungerechten Schmaͤher angehet/ der
Will GOTTES dieſes bloß allein zulaſſet; ſo laſſet GOTT/ als
viel den leidenden Menſchen betrifft/ dieſes nicht allein zu/ ſondern er will/
daß es alſo geſchehe. Derowegen hoffe ein jeder mit dem David/ daß er
fuͤr ſolche Verfluchung oder uͤberſtandenes Unbill den Seegen deß Herrn
empfangen werde. Nicht vernachlaͤſſige dieſes/ mein Chriſtliche Seel/
dann/ wie groſſen Nutzen du auß dieſer Ubung der bruͤderlichen Liebe zu
gewarten haſt/ kanſt du auß folgenden Zeilen abnehmen.
Der
[59]Von der Bruͤderlichen Liebe.
Der andere Theil.
5. Es iſt genugſamb bekand/ was maſſen Kayſer/ Koͤnig/ Fuͤrſten und an-
dere mit gewiſſem Art der Kleidern ihre Diener zu verſchen pflegen (welche
man Liberey nennet) damit ſie vor andern koͤnnen erkennet werden. Weil
nun dieſem alſo; ſo zweiffele ich nicht/ es werde der Koͤnig aller Koͤnigen/ und
Herſcher aller Herſchenden CHriſtus JESUS ſeinen Diener mit einer
neuen/ und von andern unterſcheidender ſolchen Himmels-Koͤnig gebuͤhren-
der Liberey bekleiden: Was kan aber anders dieſe ſeyn/ als eben die Liebe deß
Nechſtens? mich geduͤncket/ daß der Heyland ſelbſt dieſes erklaͤhret/ mit denen
außtruͤcklichen Worten: Dabey wird jederman erkennen/ daßJoan. 13.
v. 35.
ihr meine Jůnger ſeyd/ wann ihr die Liebe untereinander
haben werdet: Sintemahlen keiner ein Diener deß himmliſchen Koͤnigs
ſeyn kan/ es ſeye dann/ daß er ihn liebe: wie wird er aber GOtt lieben koͤnnen
ohne die Liebe des Nechſten? dahero ſpricht der Heyl. Joannes: Wann ei-Epiſt. 1 c.
4. v. 20.
ner wird ſagen/ ich liebe GOtt/ und ſeinen Bruder haſſet/
der iſt ein Lůgner. Dann der ſeinen Bruder nicht liebet/ den er ſiehet/
wie wird derſelbige GOtt lieben/ den er nicht ſiehet? und dieſes Gebott haben
wir von GOtt; daß der jenige/ ſo GOtt liebet/ auch liebet ſeinen Bruder:
wer dann mit dieſem guͤldenen Kleid verſehen zu werden/ und unter die Zahl
der goͤttlichen Leibeigenen gezehlet zu werden verlanget; der liebe ſeinen Bru-
der mit auffrichtiger Liebe/ damit er deß verſprochenen Lohns theilhafftig wer-
de. O Wiewohl ware dieſes dem geliebten Apoſtel Joanni bekennt! der-
halben beſtunden ſeine treuhertzige Ermahnungen mehrentheils in dieſen
Worten: Meine Kindelein liebet euch untereinander: So
gar auch/ daß ſeine anweſende Bruͤder und Juͤnger auß ſo offt widerholter
Zuſprach mit groſſer Verdrießlichkeit ſagten? Meiſter warumb predigeſt du
immer und allezeit dieſe Wort? denen er zur Antwort gabe; weilen es der
Befelch Gottes iſt/ und wann dieſes allein geſchicht/ ſo iſts gnug.
6. Jm uͤbrigen wann wir nun wollen ſehen/ was dieſe ſtattliche Liberey
deß Herrn vor Wirckung thue; ſo werden wir erfahren/ daß ſie die Seel der-
geſtalt erwarme/ daß von ſelbiger alle natuͤrliche und ſchaͤdliche Laͤwigkeit
fluͤchtig/ und ſie hergegen mit dem Fewer der goͤttlichen Liebe muͤſſe noth-
wendiger Weiß entzuͤndet werden. Der alſo brennet/ iſt gluͤckſeelig/
dieweilen dieſes Fewer alles/ was ſchon in ſich beſchwaͤrlich und bitter
iſt/ verleichteret und verſuͤſſet/ nach dem gemeinen Sprichwort: Dem
Liebenden iſt nichts beſchwaͤrlich. Weiters bedecket dieſes herrliche Kleid
H 2alle
[60]Die Sechſte Geiſtliche Lection
alle unſere unehrbahre Werck der von uns begangenen Suͤnden nach
Zeuanuß der Heyl. Schrifft. Die Lieb bedeckt die Vielheit der
Sůnden. Soll dann nicht ein jeder mit allem Ernſt und Fleiß daran ſeyn/
damit dieſe koſtbahre Kleidung durch Hader und Zanck nicht bemackelt/ oder
durch Haß und Feindſchafft gar zerriſſen werde; inſonderheit/ da dieſe Libe-
rey/ nemlich die bruͤderliche Liebe an Schoͤnheit anderen Tugenden in ihrem
Auffzug weit vorgehe Hiervon leſen wir in den Leben der H. Vaͤtteren; daß
ein Bruder einsmahls einen Alten gefragt habe: Vatter ſage mir doch rund
auß/ was dich geduncke. Es ſeynd zwey unter den Bruͤdern/ deren einer die
gantze Woch durch im̃er in ſeiner Zellen verbleibt/ haltet annebenſt ſein Faſtẽ
offtmahlen/ und unterlaſſet gleichwohl ſeine gewoͤhnliche Arbeit nicht. Der
andere aber bemuͤhet ſich embſiglich/ wie er den Krancken angenehme Dien-
ſten erweiſen moͤge. So ſage mir nun; weſſen Beſchaͤfftigung iſt die beſte
vor Gott? dieſem hat der alte folgender Weiß geantwortet. Und wan der Fa-
ſtende/ nemlich der erſte ſich an die Naaſen ſchon auffhencken wuͤrde; ſo wird
er doch vorm Angeſicht Gottes dem andern an Verdienſten nit gleich ſeyn.
7. Derhalben ſetze ich meine Bewahrung alſo. Die Schwachheit iſt zwey-
fachig; eine deß Leibs/ und die andere der Seelen. Wann nun die Seel an
Wuͤrdig- und Vortrefflichkeit den Leib uͤbertreffet; ſo muß ja die Schwach-
heit der Seelen hoͤher empfunden werdẽ/ als eben die Schwachheit deß Leibs.
So folgt dann klaͤrlich hierauß/ daß/ wann nach Zeugnuß deß frommen Al-
ten/ der jenige ſo groſſen Lohn zu gewarten habe/ welcher dem kranckende
Leib nach auffwartet: wie viel groͤſſern Verdienſt wird nicht der jenige zu hof-
fen haben/ der ſeinem Bruder/ ſo an der Seelen kranck liget/ fleiſſig dienet;
ſolcher maſſen aber koͤnnen wir demſelben angenehme Dienſten leiſten/ wann
wir mit ſeiner ſuͤndhafften Seelen ein bruͤderliches Mitleiden haben: ihn mit
lieblichen Worten anzufriſchen ſuchen; auff daß er dieſen oder jenen began-
genen Fehler und Suͤnde beſſere; wann wir denſelben auch/ wanns die Noth
erfordert/ mit ſittſamen Worten ſtraffen; und wann wir fuͤr denſelben GOtt
mehrmalen treulich bitten/ auff daß er unſerm Bruder eines oder andern/ oder
mehrern Verbrechen halber ſeine grundloſe Barmhertzigkeit nicht entziehen/
ſein miltes Aug von ihme nicht abwenden; ſondern alle ſeine Miſſethaten in
den Fluß der Vergeſſenheit werffen/ in ſeine vorige Gnad auff- und anneh-
men/ und endlich ihme das ewige Leben ſchencken wolle. Sollen wir nun wol/
meine Chriſtliche Seel/ von Erweiſung eines ſo Gott gefaͤlligen Wercks der
bruͤderlichen Liebe uns entſchuldigen konnen? ich laſſe dich ſelbſten dieſes ur-
theilen/ wann du neben dieſem allem/ ſo geſagt iſt/ daran wirſt du gedacht ha-
ben/ daß nemblich ſo viele hundert tauſend außerwaͤhlte Gottes ſich nichts ſo
eyfferig
[61]Von der Liebe.
eyfferich haben angelegen ſeyn laſſen/ als Mittel zu erfinden/ wie ſie ihre
Bruͤder Chriſto gewinnen moͤgten. Auß denen allen ich dir Kurtzheit hal-
ben dieſe zween folgende Einſidler vor Augen ſtelle.
8. Dieſe zwey haben ſich einsmals miteinander verſchwohren/ daß kei-Sophron
in Prat.
Sp. c. 97.
ner den andern nimmermehr verlaſſen wolte. Einer aber auß dieſen bey-
den hat ſich wegen ihme zutringender ſtarcken Verſuchung entſchloſſen/ wie-
derumb in die Welt zu gehen/ und ſeinen boͤſen Begierden zu willfahren.
Da dieſen der andere von dem gefaſtem loſen Vorhaben nicht hat abbringenHiſtoria
koͤnnen/ iſt er ihme gefolget/ auff daß er dieſen ſeinen Bruder auffs wenigſt
nach begangener Suͤnde wiederumb zur Einoͤde fuͤhren moͤgte. Derhal-
ben hat er ſelbigen/ nachdem er den fleiſchlichen Wolluͤſten den Zaum gelaſ-
ſen und dem Hauß der Leichtfertigkeit den Rucken gekehret/ mit groſſer und
hertzlicher Liebe umbhalſet und gebetten/ er wolle doch mit ihme abermvhl
zur Wuͤſten gehen. Jndem aber der ſuͤndhaffte Bruder in ſeiner Miſſe-
that verharret; iſt auch dieſer in ſelbiger Stadt geblieben/ und nicht allein
den Lohn ſeiner taͤglichen Hand-Arbeit ſeinem geylſuͤchtigen Bruder frey-
gebig mitgetheilet; ſondern hat auch annebens fuͤr deſſen Heyl offtmahlen
gefaſtet/ andere Bußwerck verrichtet/ und unauff hoͤrlich gebettet. Krafft
dieſer ſo groſſen Liebe/ iſt ſelbiger endlich beweget worden/ ſeyn laſterhaff-
tes Leben zu verlaſſen/ und mit ſeinem Bruder zur Wuͤſten gekehret. Die-
ſes frommen Einſidlers Beyſpiel laſſet uns nachfolgen/ ſo wird auff uns
ein unbeſchreiblicher Lohn auch warten/ fuͤrnehmlich da die Bruͤderliche
Lieb/ umb die Hoͤhe der Geiſtlichen Vollkommenheit zu erreichen ſonder-
bahr geſchickt iſt/ wie auß folgender Hiſtori zu vernehmen ſtehet.
9. Paphnutius unter den erſten Einſidlern ein Mann groſſes Nahmens/Pallad. in
Hiſtor.
Lauſiaca
c. 63.
und vieler Gottſeeligen Einſidlern Vatter/ hat ſich eingebildet/ er habe
auff dem Weeg deß HErrn dergeſtalt zugenommen/ daß er vermeinet/ ihm
wuͤrde keiner gleich gefunden werden; derhalben hat er auß einfaͤltigem
und andaͤchtigem Vorwitz GOtt gebetten/ er wolle ihm doch einen Men-Hiſtoria
ſchen zeigen/ der ihm an Weiß und Manier zu leben gleich ſeye. Jn die-
ſes Begehren deß Paphnurii hat die Goͤttliche Majeſtaͤt eingewilliget/ und
ihm durch einen Engel bedeuten laſſen/ daß ſeines Gleichen ſeye ein Swef-
fel-Pfeiffer/ ſo in naͤchſt-gelegenem Dorff mit Pfeiffen ſich ernaͤhret;
auff dieſe Zeitung hat der obgemeldte Einſidler ſich entſetzet/ und vie-
lerley Gedancken gefaſſet: auch endlich ihm ſelbſten mit dieſen Worten zu-
geſprochen. Solſtu dann ſo viele Jahren/ mit ſo laͤngwiriger Muͤhe und
eyffrigem Unterſtehen nicht mehr zugenommen haben/ als daß du an Tugen-
H 3den
[62]Die Sechſte Geiſtliche Lection
den einẽ Schweffel Pfeiffer gleich gehalten werdeſt? alsbald begibt er ſich auff
den Weeg/ umb dieſen Mann mit moͤglichem Fleiß zu ſuchen; und da er ihn
gefunden/ fragt er auffs aller genaueſte/ was vor Manier zu leben/ und wel-
che Tugenden er an ſich habe. Dieſer fangt an uͤber eine ſo ernſtliche Fra-
ge zu lachen/ und dannoch der Sachen Beſchaffenheit zu bekennen: Jch/ ſagt
er/ bin erſtlich ein Moͤrder geweſen/ und jetzt bin ich ein Schweffel-Pfeiffer.
So viel meine Tugenden angehet/ mein lieber Freund/ fragſtu umbſonſt; dann
ich derſelben keine an mir hab/ ſo gar/ daß ich auch keine zu nennen weiß.
Paphnutius ſetzet dieſem Menſchen weiters mit Fragen zu/ er moͤgte ihm
doch ſagen/ ob er auch wohl zu Zeit der veruͤbten Mordthaten etwas Gu-
tes gethan habe: darauff er antwortet: ach lieber! du melckeſt einen Bock/
mein Gewiſſen iſt zumahlen unfruchtbar; ich bin geweſen ein Schlauer der
Geylheit und der Trunckenheit: dieſes eintzige weiß ich allein/ daß ich eine
GOtt-geweyhete Jungfrau/ ſo wir gefangen/ und meine Mit-Geſellen
ſchaͤnden wollen/ davon befreyet/ und ins naͤchſte Dorff gefuͤhret habe. Daß
andere/ ſo mir beyfallet/ iſt dieſes. Vor einigen Jahren hab ich ein Weib
im Buſch gefunden/ welches den Weeg verfehlet und bitterlich geweinet:
da ich nun die Urſach ſolchen Weinens fragte/ gab ſie mir zur Antwort:
frage doch nicht lang mich ſo ungluͤckſeeliges Weib; ſondern/ wann du eine
Magd vonnoͤthen haſt/ ſo nehme mich/ und fuͤhre mich hin/ wohe du ver-
langeſt; Mein Ehemann iſt wegen groſſer Schulden in den Kercker ge-
worffen; und iſt nicht weit darvon/ daß er ſterben werde; es iſt aber keine Hoff-
nung deß Errettens uͤbrig. Die Schuͤldner haben meine drey Soͤhne; aber/
leyder GOttes! nicht mehr meine/ ſich zu Sclaven gemacht an Platz der
Bezahlung: Mich hat man auch umb gleiches Elend außzuſtehen geſuchet;
bin aber in groſſem Hunger und Kummer hierhin fluͤchtig/ und von aller
menſchlichen Huͤlff und Rath entlaſſen. Nachdem ich dieſes alles ange-
hoͤrt/ ſagte der Pfeiffer/ hab ich mich uͤber ſolches Jammer erbarmet/ und
weilen ich darfuͤr gehalten/ daß es alſo GOttes Willen gemaͤß ſeye; hab
ich das Krafft-loſe Weib mit mir zu unſer Gruben genommen/ und alldor-
ten den halb-todten Leib durch moͤgliche Labung gleichſamb wiederum zum
Leben erwecket: und weilen mir nicht unbewuſt ware/ daß GOtt ein reicher
HErr ſeye/ als habe ich das fluͤchtige Weib wiederum in die Stadt gebracht/
und umb Erloͤſung der Kinder und deren Vatters viel Gelds angewendet.
Du aber/ mein guter Freund/ wolleſt mir mit mehrern Frag-Reden nicht
mehr uͤberlaͤſtig ſeyn: dann dieſe ſeynd alle meine tugendſame Werck; und
kan ich viel leichter und hurtiger meine Laſter als meine Tugenden erzehlen.
Jch
[63]Von der Bruͤderlichen Liebe.
Jch aber mein guter Freund/ ſagt Paphnutius, bin durch Schickung GOt-
tes in Erfahrung kommen/ daß du an Verdienſten uns gleich ſeyeſt/ die
wir in den Einoͤden wohnen/ und den Leib mit groſſer Strengiſkeit pla-
gen. Siehe derowegen/ mein lieber Bruder/ weil du ſo hoch von GOtt
geachtet wirſt/ als auch vielleicht kaum die jenige/ ſo GOtt am liebſten
ſeynd; und weilen es der Urſprung aller Heiligkeit iſt/ daß man gern wolle
heilig ſeyn/ ſo bitte ich verſaume dich ſelbſten nicht: dieß eintzige iſt dir uͤbrig
daß du nemblich dich ſelbſten verlaugneſt/ dein Creutz auffnehmeſt/ und Chri-
ſtum folgeſt. Kaum hatte Paphnutius ſeine Red geendiget/ ſiehe/ da
wirfft er ſeine in der Hand habende Pfeiffen dahin/ und damit er dem Willen
GOttes nachleben moͤgte/ folget dem mehr-gemeldten Einſidler auff dem
Fuß nach/ nicht anders/ als wann er von GOtt ſelbſten dieſen Rath em-
pfangen haͤtte. Hat alſo drey Jahr lang ein himmlichſes Leben gefuͤhret auff
Erden/ und iſt nachmals unter die Schaar der Engeln auffgenom-
men worden/ mit denen er das Lob GOTTES in alle Ewigkeit mit
Frewden ſinget.
10. Hierauß iſt zu ermeſſen/ wie verdienſtlich bey dem Allerhoͤchſten
GOtt ſeynd die Wercke der Bruͤderlichen-Liebe. Dahero ſoll billig ein
jeder allen moͤglichen Fleiß anwenden/ und keine Gelegenheit hinſtreichen
laſſen/ bey deren er ſeinem Naͤchſten umb GOttes Willen die huͤlffliche
Hand bieten koͤnne. Solte aber einer ſo heroiſche Werck der Liebe/ wie die-
ſer Moͤrder nicht verrichten koͤnnen; ſo uͤbe derſelbige ſolche Werck der Liebe/
die ſeinem Standt und Vermoͤgen gemaͤß ſeynd; inſonderheit/ daß er/ wie
oben geſagt iſt/ GOtt eyfferig fuͤr ſeinen Naͤchſten bitte; und damit ſich kei-
ner einbilde/ daß dergleichen Gebett dem Bettende keinen oder wenigen
Nutzen beybringen doͤrffte; derhalben nehme er wahr/ was folget: Nach-
dem ein Prieſter zu ſeinem Beich-Kind/ ſo mit einer toͤdtlichen KranckheitHiſtoria
behafftet/ geruffen worden; hat er ſelbiges ſeinen ſchwaͤhren begangenen La-
ſtern halber verzweifflend gefunden/ und derowegen alſo angeredet: JchEx Spec.
Exempl.
v. Deſp.
will mich umb deinetwillen aller meiner guten Werck und Verdienſten mei-
nes gantzen Lebens berauben/ und dir ſelbige uͤberlaſſen: du aber hergegen be-
raube dich aller deiner Suͤnden/ und uͤberlaß mir ſelbige; ich will deine
Miſſethaten vor GOTT verantworten/ und darfuͤr Buß thuen/ der-
halben verzweiffle nicht; und da dem Krancken dieſer Tauſch gefal-
len; hat er ihme weiters zugeſprochen und geſagt: Siehe/ nun
biſt du verbunden mir zu offenbahren/ was du immer fuͤr Ubels
gethan
[64]Die Siebente Geiſtliche Lection
gethan haſt/ damit ich wiſſe/ welche Suͤnden ich zu buͤſſen ſchuldig ſeye.
Hierauff hat er gantz freymuͤtig den gantzen Lauff ſeines Lebens ſambt
allen begangenen Laſtern/ ſo viel an ihm geweſen/ dem Prieſter kund gethan/
welcher ihnen alsbald gefragt/ ob er mit ihm uͤber alle dieſe Suͤnde ein
wahre Reu und leyd habe/ und ob er verlange durch ihn/ wann er deſſen
Gewalt habe/ von allen loßgeſprochen zu werden; deme der Krancke zur
Antwort gegeben/ daß er ſolches gaͤntzlich verlange: nach dieſen Worten hat
ihm alſobald der Prieſter die abſolution mitgetheilet/ mit der er ein wenig her-
nach geſtorben iſt. Nach einer Monats Friſt iſt ſelbiger dem Beichtvatter er-
ſchienen und geſagt/ er ſeye auff dem Weeg der Seeligkeit/ und da der
Prieſter die Beſchaffenheit der jenigen Verdienſten/ deren er ſich beraubet/
zu erfahren verlanget; hat er geantwortet: GOtt hat dir doppelfaltige vor-
behalten wegen der groſſen und vornehmen Lieb/ durch welche du meine Ver-
zweifflung vernichtiget haſt. Auß dieſem erzehlten Beyſpiel kanſtu/ mein
Chriſtliche Seel/ handgreifflich abnehmen/ daß den Nutzen deßgleichen
Gebets und anderer Gott-gefaͤlligen Wercken/ ſo vor andere auffgeopffert
werden/ der bettende oder opfferende Menſch nicht allein nicht verliehre/ ſon-
dern denſelben annebens ſich noch vergroͤſſere. Aldieweilen nun dieſes zu
eines jeden Chriſt-liebenden Menſchens ſattſamer Unterrichtung zu gedey-
hen verhoffe/ als mache ich hiermit dieſer Lection ein Ende.
Die Siebente Geiſtliche
LECTION
Von der
Liebe der Feind.
v. 44.
Der Erſte Theil.
1. WAs vorzeiten dem Lucifer ſambt ſeinen abtrinnigen Engelen im
Himmel/ und unſern Vor-Eltern im Paradeiß iſt abgeſchla-
gen worden/ dieſes wird uns armſeeligen Menſchen in gegen-
wer-
[65]Von der Liebe der Feind.
wertigem Thal der Zaͤhren verſtattet. Was iſt dann denen vorgemeldten
geweigert worden? aber was ſage ich/ geweigert worden; ſintemahlen ſie
gaͤntzlich wegen deß Ehrgeitz mit grauſamen Straffen ſeynd her genom-
men worden? der gewaltige Lucifer iſt mit ſeiner loſen Geſellſchafft auß dem
hohen Himmel in den Abgrund deß hoͤlliſchen Kerckers geſtuͤrtzt: Adam und
Eva ſeynd auß dem Paradeiß vertrieben/ und allerhand Armſeligkeit und
Truͤbſalen unterworffen worden. Was iſt dann das vor eine Begird/
Krafft deren auff die abtrinnige Engelen ſo wohl/ als auff unſere vor-Eltern
ein ſo erbaͤrmliches Loß gefallen iſt? weilen ſie haben GOTT gleich wer-
den wollen. Dann Lucifer ſagte; ich will meinen Thron erhoͤhen/ und
will dem Allerhoͤchſten gleich ſeyn. Die liſtige Schlang aber ſagte zu denen
Jnwohnern deß Paradeiß: ihr werdet ſeyn wie die Goͤtter. Sieheſt du
nun die Urſach ſolchen Unheils? O erbaͤrmliches Spectacul! O trauriges
Schawſpiel! wo wird nun fortahn einer gefunden werden/ der dem Aller-
hoͤchſten GOTT gleich zu ſeyn verlanget/ indem die goͤttliche Gerech-
tigkeit ein ſolches Begehren ſo hart ſtraffet? Dem ſeye nun wie ihm wolle;
ſeye du getroͤſtet/ mein Chriſtliche Seel/ habe guten Muth; dann wir ha-
ben ein Mittel gefunden/ auſſer dem Himmel/ und auſſerhalb deß Para-
deiß; durch welches wir GOTT koͤnnen gleich werden/ und doch dieſer
unſer Begird halber nicht allein im geringſten nicht geſtraffet/ ſondern auch
mit unendlichem Schatz der Verdienſten bereichet werden. Dieſes Mittel
aber iſt die Liebe der Feinden/ wie der Heyl. Auguſtinus lehret/ da er ſpricht:in Pſal.
70.
Der ſeinem Feind wohl wilt/ der iſt Gott gleich.
2. Daß muß wohl ein herrliche und zugleich wunderbahre Tugend ſeyn;
welche auß den veraͤchtlichen und nichts wertigen irꝛdiſchen Menſchen
machet himmliſche Goͤtter/ nach den Worten deß Propheten: Jch habePſal. 81.
v. 6.
geſagt/ ihr ſeyd Goͤtter/ und alleſampt Kinder deß Aller-
hoͤchſten. Derhalben unſer Heyland zu Erlangung ſo hoher Wuͤrden
uns billig einladet/ indem er zu dieſer Liebe der Feind uns mit dieſen Worten
antreibet: Jch ſage euch/ liebet ewere Feind; thut gutes de-Matt. 5.
44.
nen/ die euch haſſen/ und bettet fůr die/ die euch verfolgen
und beleidigen. Warumb aber das/ mein ſuͤſſeſter Heyland? zu was
Ende? Damit ihr ſeyet/ ſpricht er/ Kinder eweres Vatters/
der in den Himmelen iſt. Auß dieſem kan fuͤglich der Schluß ge-
macht werden; daß nemblich kein ſo ſcheinbahres Kenzeichen ſich blicken
laſſe/ auß deme einer ſicherlich wiſſen koͤnne/ ob er unter die Zahl der Auß-
erwaͤhlten/ und erfolglich der Kinder GOTTES gehoͤre; als eben
Jdie
[66]Die Siebente Geiſtliche Lection
die Liebe der Feinden. Dann was hat doch immer den Schaͤcher am Creutz
beweget/ daß er geſagt; gedenck meiner/ O Herr/ wann du wirſt in dein
Reich kommen ſeyn; da er doch an CHriſto nichts anders geſehen/ als deſſel-
ben aͤuſſerſte Verachtung/ Schlaͤge/ groſſe Schmach und handgreiffliches
Unbill/ ſo ihme von dem Judiſchen und Heydniſchen Volck zugefuͤgt wur-
den? wo ware der Seepter? wo die Koͤnigliche Cron/ wo ware die Schaar
der Engel-Knaben und anderer Auffwarter? nichts dergleichen hat der gu-
te Schaͤcher geſchen/ und hat dannoch oͤffentlich bekennet/ daß CHriſtus
ſeye ein Koͤnig und Sohn GOttes: worauß aber hat er dieſe Warheit ab-
genommen? ohne allen Zweiffel auß dieſem Gebett CHriſti: Vatter ver-
zeyhe ihnen/ dann ſie wiſſen nicht was ſie thuen. Was hat
abermahl den Hauptman darzu angereitzet/ daß er uͤberlaut geruffen: war-
lich/ dieſer ware der Sohn GOttes? nichts anders/ als daß er CHriſtum
hatte hoͤren betten fuͤr ſeine grauſame Feinde. Wann dann auß dieſer Liebe
der Feinden die Kinder GOttes koͤnnen erkennet werden; ſo mache du mit
mir den ſicheren Schluß/ daß nichts vortrefflichers gefunden werde/ als eben
dieſe Tugend.
Revel. c.
124.
3. So hat dann die Heil. Agnes nicht unbillig zu der Heil. Brigitta mit
dieſen außtruͤcklichen und ernſtlichen Worten geſprochen: Nichts iſt ſchoͤ-
ners/ und dem Allmaͤchtigen GOtt angenehmers/ als daß der Menſch den je-
nigen liebe/ der ihn beleidiget/ und fuͤr die jenige bette/ die ihn verfolgen: und
daß ſehen wir ja augenſcheinlich in dem Heil. Ertz Martyr Stephano/ deme
zu lieb/ dieweilen er fuͤr ſeine Feinde bettet/ der Himmel ſich eroͤffnet hat: da-
mit nemblich alle Heilige und Jnwohner deſſelben dieſer wunderbahren und
heldenmuͤthigen That zuſchauen moͤchten/ wie dieſer glorwuͤrdige Ritter und
Nachfolger CHriſti/ da er fuͤr ſich ſelbſten bettet/ auffrecht ſtunde/ als er aber
fuͤr die jenige/ ſo ihn ſteinigten/ zu betten angefangen/ ſeine Knie zur Erden ge-
worffen/ und unter waͤrendem ſolchem Gebett in dem Herrn entſchlaffen
ſeye: warumb aber iſt er eben in dieſem Gebett geſtorben? dieweilen er durch
dieſe Liebe gegen ſeine Feinden zur hoͤchſten Staffel der Tugend gelanget
iſt. Dahero ſchlieſſet recht wohl der gelehrte Caſſi[o]dorus uͤber die Pſalmen/
daß nichts ſtarcker ſeye/ und nichts ſo ritterlich/ als unverdienter maſſen ſeinen
Unwillen anhoͤren/ und nach ſeinem Willen darauff nicht antworten: Der-
gleichen behauptet auch das groſſe Kirchrn-Liecht/ der heilige Auguſtinus
Lib.
Confeß.unter andern ſeinen Lehrſtuͤcken/ mit dieſen Worten: Nichts iſt wun-
derbahrlicher unter den menſchlichen [Dingen]/ als/ lieben
ſeine
[67]Von der Liebe der Feind.
ſeine Feind: dardurch wir nicht allein Kinder GOttes/ ſondern auch
Blut-Zeugen CHriſti gemacht werden; welches der heilige Gregorius al-
ſo gern bekennet: Ohne Eyſen und Blutvergieſſen koͤnnen wir.Hom. 35.
in Evang.
Martyr ſeyn; wann wir die Gedult warhafftiglich in
unſerm Hertzen bewahren: ſterben durch Verfolgung/
iſt eine oͤffentliche Martyr im Werck; ůbertragen aber.
mit Gedult die Schmachreden/ und ſeine Feinde lieben/
dieſes iſt eine heimliche Marter in den Gedancken: Die-Hom. 3.
de Davi-
de \&
Saule.
ſem fallet bey der guͤldene Chryſoſtomus/ wie folget: Dieſes wird dir fuͤr
eine Marter gerechnet werden/ wann du dem jenigen/ ſo dir heimlich nach-
ſtellet/ unter deine wohl verdiente Freund zehlen/ und deinen GOTT un-
ablaͤßlich wirſt bitten/ daß er ihme wolle gnaͤdig ſeyn. Dann gleich wie die
Vergieſſung deß Bluts und deß Lebens alle Suͤnden/ ſo wohl der Straff
als auch der Schuld nach/ außtilget; alſo verurſachet offtmahlen derglei-
chen Suͤnden-Ablaß die Liebe gegen die Feinde/ wie CHriſtus ſelbſten bezeu-
get mit folgendem Jnhalt: Wann ihr den Menſchen ihre Sůn-Matth. c.
6. v. 14.
den werdet verzeyhen haben; ſo wird euch ewer himmli-
ſcher Vatter ewere Sůnden verzeyhen. Siehe nun meine Chriſt-
liebende Seel/ wie dieſes alles in der Warheit gegruͤndet ſeye.
4. Zu einer Zeit hatte ein Soldat den Vatter eines andern SoldatenHiſtoria.
Diſcip.
umbs Leben gebracht; dahero der Sohn Gelegenheit ſuchte/ den Todt ſei-
nes Vatters zu rechnen. Nun hat ſich auff den H. Carfreytag zugetragen/
daß dieſer Soldat ohne Gewehr vorbey gangen/ welchen der andere umb ge-
wuͤnſchte Rach zu finden/ alsbald verfolget und eingeholet; bey ſo geſtalter
Gelegenheit wirfft ſich der unbewaͤhrte Soldat zur Erden nieder/ und bittet
umb den Todt unſeres Herrn Jeſu CHriſti/ den er am ſelbigen Tag fuͤr uns
hat außgeſtanden/ er wolle ihm doch vergeben/ daß er ſeinen Vatter getoͤdtet
habe: auff dieſe ſo demuͤthige Bittſchrifft/ wird der andere beweget/ und ſagt
alsbald; umb den Todt unſeres Seeligmachers willen verzeyhe ich dir;
nimbt ihn von der Erden auff/ und kuͤſſet ihn zum Zeichen der Verſoͤhnung
gar freundlich. Was geſchicht? eben zu ſelbiger Stunde wird die Seel
ſeines Vatters/ wie auch ſeines verſtorbenen Bruders auß dem Feegfewer
erloͤſet/ und der himmliſchen Freuden theilhafftig gemacht: der Soldat aber/
da er zur Kirchen kommet/ und mit anderen den geereutzigten JESUM
kuͤſſet; umbhaͤlſet ihn der Gecreutzigte/ und ſpricht: Weilen du dem Solda-
ten/ der deinen Vatter hat umbgebracht/ umb meinet willen verziehen haſt/
J 2derhal-
[68]Die Siebente Geiſtliche Lection
derhalben verzeyhe ich dir heut alle deine Suͤnden; und zum Zeichen der
Verſohnung zwiſchen mir und dir/ kuͤſſe ich dich auff deinen Wangen.
Alle/ ſo dieſes geſehen/ haben freylich mit danckbahrem Hertzen die Guͤtigkeit
und Barmhertzigkeit Gottes geprieſen.
5. Als beſſer dran/ mein Chriſtliche Seel. Die H. Eliſabeth/ ein Tochter
deß Koͤnigs in Ungarn/ iſt als eine Verſchwenderin der gemeinen Schatz-
Cammer von den Verwandten ihres Ehe-Herrns/ wie dann auch von ihren
ſelbſt eigenen Unterthanen/ und ſo gar von den jenigen/ welchẽ ſie vorhin groſ-
ſe und vielfaͤltige Gnaden und Wohlthaten erzeigt hatte/ aller Beherſchung
ihrer Guͤter entſetzt/ und ſehr uͤbel gehalten worden: Ob nun dieſes Unbill und
Schmach das gottſelige Weib zur Ungedult haͤtte anreitzen koͤnnen; ſo hat ſie
jedoch nicht allein den geringſten Verdruß hieruͤber nicht gezeiget/ ſondern
Gott alſo gebetten: Allerguͤtigſter Heyland/ ich verzeihe den jenigen von
Hertzen/ die mir unrecht gethan haben; und dich/ mein Jeſu/ bitte ich demuͤ-
tiglich/ du wolleſt ihnen allen ihre Suͤnden verzeyhen/ und denſelben anne-
benſt noch eine ſonderbahre Wohlthat widerfahren laſſen; Da ſie alſo bettet/
erſcheinet ihr der Herr; und nachdem er ſie mit allem goͤttlichen Troſt uͤber
die maſſen geſtaͤrcket/ ſpricht er zu ſeiner lieben Dienerin dieſe Wort: O mein
liebſte Tochter/ obwohln du mir bißhero viele angenehme Dienſten erwie-
ſen haſt: dannoch haſt du mir niemahlen ſo wohl gefallen/ und dergeſtalt
mein Hertz gewonnen/ als eben anjetzo/ indem du dieſes Gebett fuͤr deine
Feind zu mir vergoſſen haſt. Jm uͤbrigen ſolleſt du wiſſen/ daß du von mir
aller deiner Suͤnden Nachlaſſung erhalten habeſt: und wiewohl ich dich biß-
hero mit vielen Gnaden verſehen habe; ſo will ich dich doch hinfuͤhro mit
mehrern bereichen/ und ſonderbahre Sorge fuͤr dich tragen. So viel iſt daran
gelegen/ daß man fuͤr ſeine Feind bette.
6. Warumb aber der barmhertzige GOtt allen den jenigen ihre Suͤnden
ſo leichtlich vergebe/ die gegen ihre Laͤſterer ein gutes Hertz tragen/ daß erlaͤu-
tert der H. Auguſtinus auff folgende Weiß: Es ſeynd/ ſagt er/ viele Arten
In En-
chir.der Allmoſen/ wann wir dieſelbe uͤben/ ſo wird unsgeholffen/ daß uns unſere
Suͤnden vergeben werden: dieſe aber iſt die groͤſte von allen/ wann wir nemb-
lich von Hertzen den jenigen verzeihen/ die gegen uns geſuͤndiget haben. Wan
dan nach Meinung des H. Kirchen-Lehrers die Verzeyhung deß Unbills die
vortrefflichſte Allmoſen ſeynd; ſo iſt wol zu ſchlieſſen/ dzſelbige den groͤſten ge-
walt habe/ die Suͤnden zu vertilgen: und das bekraͤfftiget weiters der H. Chry-
In verba.
ſi eſurie-
tis.ſoſtomus mit dieſen Worten: wie groͤſſer es Ubel dir dein Feind hat zugefuͤgt/
deſto
[69]Von der Liebe der Feind.
deſto groͤſſere Wolthat haſtu von ihm empfangen. Was andere mit Fa-
ſten/ Weinen/ Betten/ hoͤrenen Kleidern/ und andern Bußwercken kaum
erhalten koͤnnen/ daß nemblich ihre Suͤnden moͤgen vergeſſen bleiben; dieſes
vermoͤgen wir ohne Faſten/ Betten und andere Strengigkeiten gar leicht-
lich zu verrichten/ wann wir nur den Zorn auß dem Hertzen gaͤntzlich ver-
treiben/ und denen/ die uns beleidiget haben/ mit aller Auffrichtigkeit
verzeihen. Gefallet dir nicht/ mein Chriſtliche Seel/ dieſer herrliche
Spruch/ der dir ſo gar leichte weiß fuͤr die Suͤnden gnug zu thun/ ſo freund-
lich an die Hand gibt? dieſe halte veſt/ damit du von deinen Suͤnden gerei-
niget/ GOtt gleich/ und eins von ſeinen Kindern zu ſeyn gewuͤrdiget wer-
deſt.
Der andere Theil.
7. JM erſten Buch der Koͤnigen leſen wir/ daß der Goliath dergeſtaltc. 17. v. 26.
ſich auff ſeine Staͤrcke verlaſſen habe; daß er ſich erkuͤhnet/ alle
Jſraelitiſche Maͤnner zu einem abſonderlichen Kampff mit ſo
groſſem Hochmuth außzufordern/ als wann er alles freſſen wollen. Der-
halben/ ſo bald ſie ihn nur geſehen/ haben ſie mit groſſer Furcht die Flucht
genommen. Wer iſt nun/ der nicht erkennen muß/ daß der Haß und die
Begierd ſich zu rechnen/ gleich einem Philiſteiſchen Goliath ſchier alle
Menſchen zum Streit einlade/ und in ſelbigem die Streitende zerſchlage/
und ſie als obgeſiegte Sclaven ſich unterwerffe? wir ſehen/ leyder! daß
wenig gefunden werden/ die ſothanen Goliath/ oder boͤſe Rachgierigkeit
zu Boden werffen. Weilen nun dieſer Feind ſo ſtarck iſt/ ſo moͤgte einer
fragen mit dem David; was ſoll der jenige zur Belohnung haben/ der
dieſen Philiſtaͤer wird erlegt haben? Solchem gebe ich zur Antwort das
jenige/ was die Jſraeliter dem David verſprochen: daß nemblich den Mann/
ſo den Joliath wird uͤberwunden haben/ der Koͤnig mit vielen Reichthumben
begnaͤdigen wolle: dan der jenige/ ſo den Haß und Zorn mit der Wurtzel auß
ſeinem Hertzen außwerffet/ und ſeinen Schmaͤher liebet/ derſelbige verlaͤn-
geret ſein Leben/ erleichteret und erfrewet das Gewiſſen/ die Seel wird mit
vielerley Tugenden gezieret/ er vermehret ſich die Gnad GOttes/ und end-
lich thuet er ſein kuͤnfftige himmliſche Glory uͤber die maſſen ſehr vergroͤſſern.
Seynd dieſe nicht anſehnliche Reichtumben? auch wird der Koͤnig ihm ſei-
ne Tochter geben; daß iſt/ er wird die ewige Wolfahrt ſolchem Helden ver-
maͤhlen/ alſo/ daß ſchier kein gewiſſeres Kenn-Zeichen der unfehlbarer Auß-
erwaͤhlung gefunden werde/ als die Liebe der Feinden.
J 38. Die-
[70]Die Siebente Geiſtliche Lection
8. Dieſes Spiel hat ſonderlich wohl verſtanden der H. Bernardus/ ſo
dieſer Belohnung halber/ alles ihme zugefuͤgtes Unrecht mit hoͤchſter
Sanfftmuth uͤbertragen: unter welches dieſes ſonderbahr denckwuͤrdig iſt.
In vita e-
jus.Es kombt einsmals ein Cloſter-Geiſtlicher/ der ſchon in unterſchiedlichen
Cloͤſtern Profeſſion gethan hatte/ bittet den heiligen Mann/ er moͤgte ihn
zu ſeinem Orden auffnehmen. Nachdem er aber von ihme eine abſchlaͤgi-
ge Antwort bekommen/ ergrimmet der obgemeldte Geiſtliche/ und gibt
dem frommen Bernardo eine ſo wohl gemeſſene Maule Taſch/ daß ih-
me der obere Theil deß Backens gantz ſchwartz und blau gezeichnet/ alsbald
geſchwollen. Dieſen Ehr-loſen Prieſter-Schaͤnder hat er nicht allein
meiſterlich verthaͤtiget/ damit er dieſerthalben nichts leyden doͤrffte; ſondern
auch allen Fleiß angewendet/ daß er von andern ehrlich und hoͤfflich gehalten
wuͤrde; alſo/ daß man haͤtte vermeinen ſollen/ er habe an Platz der dichten
Ohrfeigen groſſe Wolthaten von ſelbigem empfangen. Nicht aber allein
dieſen/ ſondern viele andere unverdiente Feinde hat dieſer heilige Abt erduͤl-
ten muͤſſen; fuͤr welche er den lieben GOtt ſehr eyfferig gebetten/ und ſie mit
ſeinen demuͤthigen und eingezogenen Sitten zu verſoͤhnen getrachtet. Nun
ſetzen wir einen Sprung zuruͤck zu unſerm vorgehabten Streit. Wer den
Goliath uͤbermeiſtern wird/ deſſen Hauß oder Geſchlecht wird der Koͤnig
Schatz und Steurfrey machen. Das iſt/ indem er fuͤr ſeine Suͤnden in
den purgirenden Flammen den ſchuldigen Tribut zu zahlen verpflichtet; ſo
wird er darvon befreyet werden/ nemblich von der Straff deß Fegfeurs; wel-
chem man durch dieſe am beſten entkommen kan; wie ein ſicher Geiſtlicher
mit ſeinem groſſen Nutzen erfahren hat; dieſer obwohlen ziemblich lau in ſei-
nem Beruff/ dannoch zum verzeyhen ſeinen Feinden ſehr geneigt/ hat ohne
einige Verhinderung die himmliſche Erbſchafft angetretten. Alſo ſage
ich/ wann ein jede Allmuß den Menſchen von den Suͤnden waſchet/ und
in die Finſternuß zu gehen nicht zulaſſet; wie der fromme Tobias geſagt
hat; wie viel mehr wird dieſe kraͤfftige Wirckung an ſich haben die aller-
vollkommenſte Allmuß/ Krafft deren den Feinden die Chriſtliche Verzeyhung
widerfahret.
9. Wann ich den Didacum Nyſſenum frage/ warumb GOTT die
kupfferne Schlang in der Wuͤſten habe laſſen auffrichten/ auß deren An-
ſchauung/ die von den Schlangen gebiſſene Menſchen geheilet wuͤrden;
ſo gibt er zur Antwort: dieſes ſeye darumb geſchehen/ daß GOTT hat
wollen
[71]Von der Liebe der Feind.
wollen anzeigen/ wie groſſes und gutes Werck es ſeye/ daß man ſei-
ne Feinde mit lieblichen Augen anſchaue. Es muß aber dieſe Lieblichkeit
im Hertzen ihren Urſprung haben/ ſonſten iſt alles umbſonſt; und iſt ſotha-
ne Freundlichkeit nur ein Hoff-Streich. Zu Erlangung aber ſolcher
auffrichtigen Liebe/ iſt ein bewehrtes Mittel/ daß man ſich verſichere/ kei-
ner vermoͤge mit Unrecht gegen uns zu verfahren/ es ſeye dann daß dieſes
dem lieben GOtt alſo gefaͤllig iſt. Derhalben muͤſſen wir nicht eyfferen
uͤber den Ubelthaͤter; ſondern GOTT fuͤr dieſen Werck-Meiſter anſehen;
zumahlen keiner ſo naͤrriſch leichtlich gefunden wird/ der von ſeinem Naͤch-
ſten ſich zu rechnen ſuchet. Warumb wollen wir dann unſere Belaidiger
ſtraffen/ dann doch nicht ſie/ ſondern vielmehr GOtt dieſe Ubelen uns zufuͤ-
get. Dann GOtt iſt/ nach Zeugnuß deß heiligen Hieronymi/ der
Schmied/ unſere Feind ſeynd der Hammer und die Feile/ mit denen er die
ſeinige ſauberet/ außarbeitet und endlich heilig mache. Gleich wie nun
das Eyſen die wiederholte Schlaͤge nicht bekommet von dem Hammer/ als
von einer erſten und fuͤrnemblichſten/ ſondern zweyten/ und nur allein ge-
zwungenen werckzeuglichen Urſach; ſondern viel mehr von dem Schlagen-
den Schmied: alſo plagen uns durch ihre Verfolgung nicht ſo ſehr die
Gottloſen/ als eben GOtt ſelbſt/ der dieſe nur allein zum Jnſtrument ge-
brauchet/ umb uns zu verſuchen. Darumb ſagt Chriſtus zum Pilato:
du haͤtteſt keine Gewalt uͤber mich/ wann dir ſelbige von oben herab nicht
waͤre gegeben worden; und lehret recht der heilige Auguſtinus/ daß auß
gerechtem Urtheil GOttes den Boͤſen zugelaſſen werde/ die Außerwaͤhlte
nach ihrem Willen herzunehmen; damit ſie nemblich durch ſelbige geſau-
bert und außgearbeitet/ und alſo deß immerwaͤhrenden Himmel-Reichs
moͤgen faͤhig werden.
10. Zum andern iſt auſſer allem Zweiffel zu ſtellen/ daß/ ob ſchon
das Gifft in ſich ſchaͤdlich iſt; nichts deſtoweniger heylet es die Kranck-
heiten. Alſo unſere Feinde/ ob ſchon ſelbige in ſich boͤß ſeynd/ und
den Menſchen uͤberlaͤſtig; ſo geben ſie gleichwohl umb groſſen und viel-
faͤltigen Nutzen zu genieſſen erhebliche Urſach. Solches hat er-
fahren der Prometheus Teſſalus, wie Plutarchus erzehlet/ wel-L. deutil.
c. Ex in-
im.
chem/ als der Koͤnig Laſydes entleiben wollen/ hat er ungefehr deß
Promethei Geſchwoͤhr getroffen und eroͤffnet/ und alſo durch Eroͤff-
nung
[72]Die Siebente Geiſtliche Lection
nung deſſelben/ ſeinen Feind beym Leben erhalten. Sothaner Geſtalt ge-
ſchichts offtermahlen/ daß das zugebrachte Unbill die Kranckheit der Seelen
hinweg nehme. Dieſes kan neben anderen uns bezeugen die Heil. Mutter
Aug. L 9.
Conf. c. 8.Monica/ ſo von ihrer Dienſt-Magd ein Wein-Suͤfferin geſcholten wor-
den; hat aber/ mit dieſem Stachel verwundet/ ihre Heßligkeit geſehen/
dieſelbe alſobald verdammet und von ſich geworffen. Dann gleich wie das
Fewr/ ſo die Doͤrnen verbrennet/ das Erdreich ſauberet und fruchtbahr
machet; alſo verbrennet unſer Feind durch ſeine Verfolgung die Doͤrnen
unſerer Suͤnden/ und erhebet unſere Seel zu groͤſſerem Anſchn bey GOtt;
wann wir nemblich daß uͤberkommene Unrecht mit gezimmender Gedult
außſtehen. Es geſchicht auch zu Zeiten wohl/ daß wir daß jenige/ ſo wir
von unſeren Freunden nicht zu hoffen haben/ durch unſere Feinde erlangen:
Vlyſſ.
Androv.
lib. 9. O-
rynth.und uns vielmahl widerfahre/ was ſich mit jenem todt-krancken Muͤnchen
hat zugetragen: weilen dieſem der Artzt zu dreymahlen die Ader nicht treffen
koͤnne; hat bey naͤchtlicher Weil eine Flaͤdermauß deß Krancken Fuß/ den
er auſſer dem Bett gehalten/ dermaſſen gebiſſen/ daß die Ader Blut gelaſſen/
welches die Mauß geſogen; und da ſelbige hernacher weiters gefloſſen/ iſt
dardurch der gemeldte Geiſtliche zur vorigen Geſundheit gerathen; ein ſol-
che Flaͤdermauß iſt offtmahln das zugebrachte Unrecht/ welches uns/ wann
wirs geduͤltig leyden/ mehr nutzet als ſchadet.
11. Wann es nun mit unſern Feinden ſolche Beſchaffenheit hat; ſo ſeynd
wir ja fuͤr dieſelbe nicht anders/ als fuͤr unſere Wolthaͤter zu betten ſchuldig/
dieweilen ſie uns heilgen/ auff dem Weeg GOttes fortzuſchreiten uns
gleichſamb zwingen/ und zu der verlangten Vollkommenheit bringen. Die-
ſen Handel verſtunde ſonderbahr ein ſicherer Bruder; wie mehr ſelbiger von
anderen geſchmaͤhet wurde/ wie mehr er ſich denſelben zugeſellete/ und ſagte:
dieſe ſeynd die jenige/ ſo uns ſtattliche Gelegenheit geben zu unſerer vollkom-
menheit: die uns aber gluͤckſeelig ſprechen/ ſelbige betriegen uns/ und ver-
kehren den Weeg unſerer Fuͤſſen. Noch ein groͤſſere Dapfferkeit finden
wir an der H. Jungfrauen Lydwina/ ſo von einem eyffrigen Weib erſtlich
mit Schelt- und Schmaͤh-Worten verunehret/ und nachmaln oͤffters ver-
ſpeyet worden. Dieſes alles hat ſie aber nicht allein mit groſſer Stand-
hafftigkeit uͤbertragen; ſondern hat derſelbigen noch heimlicher Weiß eine
Verehrung zugeſchickt/ und geſaget; daß ſie allen denen ſehr verbunden
ſeye/ die ſie den Gebotten GOttes nachzul[e]ben zwingen; und da ſie auch
ein anderesmahl in ihrem krancken Laͤger von vier Soldaten angefallen und
ungebuͤhrlich angegriffen worden; hat ſie nicht allein den geringſten
Un-
[73]Von der Liebe der Feinde.
Unwillen nicht mercken laſſen; ſondern auch verhindert/ daß ſelbige bey der
Obrigkeit nicht ſeynd angeklagt worden.
12. Seheſt du wohl/ mein Chriſtliche Seel/ wie maͤnnlich ſich dieſe Jung-
fraw gehalten/ und wie ſie ihre Feinde geliebet habe? wohlan dann/ ſo ſeye
nicht zu faul dem jenigen nachzuleben/ ſo du zum Zeugen deiner Seelen ange-
hoͤreſt. Laſſe ab/ laſſe ab/ uͤber die jenige forthin zu klagen/ die dir uͤbel geneigt
ſeynd: laſſe ab zu lamentiren/ da du nun handgreifflich in Erfahrung kom-
men biſt/ daß ſelbige vielmehr deine Freunde zu ſchaͤtzen ſeyen/ als andere ſo
dir ſeynd zugethan. Nehme zu Hertzen dieſen Schluß eines ſehr geiſtreichen
Manns/ Krafft deſſen er einem jeden alſo rathet: wann einer unter den Bruͤ-
dern oder Schweſtern deß Cloſters iſt/ der dir vor allen andern uͤbel geneigt
iſt; der dich mit vielfaͤltigem Unbill plaget/ und dir mit Schmaͤh-Worten/
uͤbel Nachreden und anderen Feindſeligkeiten uͤberlaͤſtig iſt; ſo halte du ſicher-
lich darfuͤr/ daß dieſer ein Engel GOttes ſeye/ durch welchen dir GOtt ſeine
Barmhertzigkeit mittheile: ſo muͤſſeſt du den als deinen ſonderbahren Wohl-
thaͤter beſter maſſen verehren. Deßgleichen ſolls du auch andern thuen/ wel-
che dich nicht auffſetzlich belaͤſtigen; als da ſeynd die offenbahre Ubertretter
der Ordens-Satzungen und Regulen/ die Verfolger der frommen Geiſtli-
chen; die jenige auch/ ſo die loͤbliche Strengheit und gute Gebraͤuch deß Or-
dens ſuchen zu vernichtigen; und dergleichen/ welche dir Urſach einer Be-
truͤbnuß geben/ fuͤr ſelbige ſolſt du GOTT bitten/ auff daß er ſie der ewigen
Straff mildvaͤtterlich entziehen wolle: wann du dieſes alſo fleiſſig halten
wirſt/ ſo verſichere ich dich/ daß du alle Bewegungen deß Zorns oder Rachs/
den innerlichen Unwillen ſampt vielen anderen unordentlichen Begierden im
Zaum halten/ und hergegen eine gewuͤnſchte Zufriedenheit und geiſtliche
Frewd neben andern fuͤrtrefflichen Wirckungen in dein Hertz pflantzen wer-
deſt. Nehme derohalben dieſe GOtt gefaͤllige Lehr an/ wann du mit
den Kindern Gottes wilſt haben das ewige Leben.
Die
[74]Lection
Die Achte Geiſtliche
LECTION
Von dem Haß.
Si non dimiſeritis Hominibus peccata eorum, nec Pater
Matt. 6.
l. 15.veſter Cœleſtis vobis dimittet peccata veſtra.
bet/ ſo wird euch ewer himmliſcher Vatter auch ewere
Sůnden nicht vergeben.’
Der Erſte Theil.
1. BJßhero haben wir gehandelt von der ſchoͤnen Tugend der Liebe;
nun wollen wir vornehmen die jenige Laſter/ ſo der jetzt gemeldten
Tugend am meiſten ſchaͤdlich ſeynd: deren fuͤrnehmlich drey ge-
zehlet werden: als da iſt der Haß; das freventliche oder unbeſonnene Urtheil/
und die Verleumbderung oder Ehrabſchneidung. Dieweilen wir uns nun in
Beſchreibung dieſes Laſters nicht gedencken zu verhalten/ als wollen wir mit
einer oder anderen Hiſtori auß welcher die Abſcheulichkeit deſſelben erhaͤllet/
dem ſelben abhelffen. Es iſt aber vorhero zu beobachten/ daß der Haß nach
Meinung deß H. Auguſtini alſo entworffen werde; daß er nemblich ſeye ein
L. definit.alter Zorn/ der auß mehrern Urſachen zuſammen getragen/ und lange Zeit ver-
harret hat. Von dem gelehrten Cajetano aber und andern wird er verthei-
L. 2. q. 29.let in den Haß der Feindſchafft/ und in den Haß deß Grewls oder Verflu-
chung. Dieſer iſt ein ſolcher/ durch welchen wir einen Abſchew haben von ei-
ner Sachen: jener aber iſt ein ſolcher/ Krafft deſſen wir einen Widerwillen
gegen eine Perſohn ſchoͤpffen/ und derſelben Widerwaͤrtigkeit wuͤnſchen. Der-
halben wohl zu mercken iſt/ daß ein jeder vernuͤnfftlich unterſcheide/ was er an
ſeinem neben-Menſchen haſſen ſolle: zu dieſem Vorhaben erleuchtet uns nit
wenig der gelehrte Caſſiodorus mit dieſen Worten: ein auffrichtiger und
vollkommener Haß iſt/ wann man die Menſchen liebet/ und von ihren Laſtern
ein Abſcheuen hat: dann einmahl gewiß iſts/ daß man ſie als Creaturen
oder
[75]Von dem Haß.
oder Geſchoͤpffe Gottes lieben muͤſſe; als Suͤnder aber muß man ſie nicht/
wegen der Suͤnden; ſondern die Suͤnden ihrentwegen haſſen.
2. Nach gegebener dieſer Verzeichnung/ laſſen wir heran kommen den
Heil. Ephrem/ welcher den ſo vorgenandten Haß der Feindſchafft (von
dem wir zu reden willens ſeynd) mit folgenden Worten beſchreibet. Gleich
wie die vortrefflichſte unter allen Tugenden iſt die Liebe; als iſt unter allen
Laſtern das grauſambſte der Haß deß Nechſtens; dann der ſeinen Bruder
haſſet/ der iſt ein Todtſchlaͤger/ nach Zeugnuß deß heiligen Joannis. Der
ſeinen Bruder haſſet/ der haſſet GOTT ſelbſten. Derowegen wann
ſchon einer/ weiß nit was vor Tugenden uͤbete/ und fuͤr die Ehr Gottes aller-
hand ſchmertzhaffte Tormenten außſtuͤnde/ und dannoch einigen Haß gegen
ſeinen Bruder haͤtte; ſo wuͤrde deſſen verdienter Lohn nit einen eintzigen Hel-
ler werth ſeyn: dieſes bekraͤfftiget gnugſamb das traurige Beyſpiel deß
Prieſters Sapricii, welcher derhalben ewig verlohren gangen/ weilen er dem
Nicephoro nicht hat vergeben wollen: die Sache aber mit dieſen beyden
hat ſich alſo zugetragen. Zu Zeiten deß Valeriani und deſſen Sohns Ga-Surius in
vit. S. Ni-
cephori.
Hiſtoria.
lieni iſt zu Antiochia ein Prieſter geweſen/ Nahmens Sapricius, und ein
ander weltliche Menſch/ aber ein Chriſt/ mit Nahmen Nicephorus; beyde
miteinander ſehr groſſe und geheime Freunde/ deren Freundſchafft ein ge-
raume Zeit von ihnen beſtmoͤglichſt unterhalten worden; biß endlich der
loſe Sathan/ ein ſchaͤdlicher Haupt-Feind der Tugenden/ dieſe ſehr loͤbliche
und heilige Freundſchafft nicht allgemach/ ſondern durch ſeine liſtige An-
ſchlaͤge auff einmahl dergeſtalt gehemmet/ daß von dieſen beyden einer den
andern wie die Peſt gepflohen/ und ſich einander nicht ſehen moͤgen.
3. Nicephorus hat unterdeſſen ſeinen gefaſten Zorn zum erſten ſincken
laſſen/ und da er auß goͤttlicher Einſprechung vermerckt/ daß ab ſolchem Haß
der ewigen Verdamnuͤß zur Straff verfallen wuͤrde; hat er einige ſeiner gu-
ten Freund dem Sapricio zugeſandt/ und ihn durch unſern allgemeinen Hey-
land und Seligmacher Jeſum CHriſtum bitten laſſen/ er moͤchte ſich doch
nach abgelegtem allem Haß und Bitterkeit/ mit ihme wiederumb in vorige
Freundſchafft einlaſſen: dieſes billige Anbringen deß Nicephori hat Sapri.
cius zwar angehoͤret/ aber nicht erhoͤret/ der jedoch als ein Prieſter den Frie-
den zum er ſten haͤtte anerbieten ſollen; und hat alſo ſeinem Bruder ſich nicht
verſoͤhnen/ noch ihme als ſeinem alten guten Freund/ auff daß von andern
angebrachte Erſuchen/ verzeyhen wollen: Nicephorus hat unterdeſ-
ſen nicht nachgelaſſen/ ſondern den zweyten und dritten geſchickt/
umb die vorhin gepflogene Freundſchafft zu erneueren; aber alles ware umb-
K 2ſonſt.
[76]Die Achte Geiſtliche Lection
ſonſt. Endlich hat Nicephorus mit ſeiner Gegenwart das Hertz Sapricii zu
erweichen ſich unterſtanden/ iſt zu deſſen Behauſung kommen/ vor ſeinen Fuͤſ-
ſen niedergefallen/ und Vergebung umb Gottes willen gebetten: dieſer aber/
obwohl ein Prieſter/ dannoch ein Boͤßwicht/ hat ſeinen Fußfaͤlligen Bruder
und deſſen rechtmaͤſſige Bitt zumahlen verworffen. O ſteinenes Hertz! O
barbariſch- und nicht prieſterliches Hertz! wie billig hat dich die gerechte
Hand GOttes nachmahlen gezuͤchtiget!
4. Dieweilen nun bey alſo beſchaffener Sachen die Verfolgung der Kay-
ſern gegen die Chriſtglaubige mehr und mehr zugenommen; iſt der offt ge-
meldte Sapricius auch als ein Chriſt gefangen/ und zum Richter gefuͤhret
worden/ allwo er bekennet/ daß er ein Chriſt ſeye/ und zugleich ein Prieſter;
und weilen er die Goͤtter anzubetten ſich geweigert/ iſt er auff die Folterbanck
geworffen/ und ſehr grauſamlich gepeiniget worden: dieſe ſo grimmige und
bittere Tormenten hat er mit ſolcher Starckmuͤtigkeit erlitten; daß er auch
mit ſchmaͤliger Verſpottung dem Richter mit dieſen Worten zugeſprochen:
du haſt zwar Gewalt/ dieſen Leib zu zerfleiſehen; keine Macht aber haſt du
meiner Seelen/ ſo in der Hand meines gecreutzigſten JESU ſtehet/ den
geringſten Schaden zuzufuͤgen: da nun der gemeldte Richter dieſes Prieſters
hertzhafften Widerſtand/ und die vergebliche Muͤhewaltung geſehen/ hat er
das Urtheil der Enthauptung uͤber ihn geſprochen. Was machet immittelſt
unſer gute Nicephorus? dieſer/ ſo bald er vernommen/ daß die Sententz des
Todts uͤber den ſtandhafftigen Martyr gepfaͤhlet; hat ſich alsbald auffge-
macht; dem nunmehr zum Gerichts-Platz eylenden Sapricio entgegen gan-
gen/ und iſt auff oͤffentlichem Weeg ihme zu Fuͤſſen gefallen/ und geſagt: Jch
bitte dich du Blutzeug Chriſti/ verzeyhe mir/ wann ich dich auß menſchlicher
Schwachheit etwan beleidiget habe: Sapricius hat aber hierauff mit keinem
eintzigen Woͤrtlein geantwortet; derhalben hat Nicephorus durch eine andere
Gaſſen ſeinen Weeg abermahl zu ſelbigem genommen/ und hat mit viel de-
muͤtigeren und hertzlicheren Worten/ als vorhin/ und mit ſo freundlichen und
annehmlichen Gebaͤrden/ die ſo offt gebettene Nachlaſſung widerholet/ daß
auch die Henckers-Knecht ihu außgelachet/ daß er von einem alſobald ſterben-
den Menſchen die Vergebung ſo eyfferig ſuchete. Das Hertz Sapticii aber
iſt unterdeſſen viel harter als ein Marmorſtein geblieben/ und hat durch alles
Bitten und Begehren/ durch ſo Chriſtliche Demuth und aufferbaͤuliches
Anhalten deß frommen Necephori nicht koͤnnen erweichet werden: da er nun
endlich auff dem Gerichts-Platz geſtanden/ hat ihm Nicephorus die groſſe
Gnad des Allerhoͤchſten vor Augen geſtellet/ daß er ſo wuͤrdia geachtet werde/
durch
[77]Von dem Haß.
durch ſein Blut und durch den bevorſtehenden Todt die [Goͤttliche] Warheit
zu bekraͤfftigen; und hat ihn aber- und abermahl gebetten/ er moͤgte ihm dieſe
letzte Gnad widerfahren laſſen/ und ihme verzeyhen auß Liebe deß jenigen
HErrn/ deme er zu Lieb jetzt ſterben werde. Dieß alles aber hat daß mehr
als tyranniſche Hertz Sapticii nicht einnehmen koͤnnen. Darauß dann
gnugſamb abzunehmen iſt/ daß zu zeiten einige Hertzen der Menſchen ge-
funden werden/ ſo den Loͤwen/ Tigern und andern wilden Thieren an Grau-
ſambkeit nicht weichen. Freylich ware Sapricio bewuſt der Spruch deß H.
Pauli: Wann ich meinen Leib werde dargeben/ daß ich
verbrennet werde/ und hab die Liebe nicht/ ſo nutzet mir
dieſes nichts. Aber/ aber die Gnad ware entzogen; daß Menſchliche
und Chriſtliche/ ja Prieſterliche Hertz ware in einen Diamant-Stein ver-
aͤnderet; derhalben da ihme der Scharffrichter/ umb den letzten Streich zu
empfangen/ zu knien befohlen/ hat er denſelben gefragt die Urſach warumb
er ſterben ſolte: dieſer hat ihm alsbald mit dieſen Worten geantwortet:
weilen du den Goͤttern nicht haſt opffern wollen/ und haſt den Befelch deß
Kayſers verſpottet/ umb eines Menſchen Willen/ der genennet wird Chri-
ſtus. Kaum hatte dieſer ſeine Rede geendiget/ da ruffet mein vermeinter
ſchoͤne Martyr Sapricius: ich will thuen/ was der Kayſer befohlen hat/
und bin bereit den Goͤttern zu opfferen. So recht.
5. Dieſem traurigen Schau-Spiel ware zu gegen der offt-gedachte
Nicephorus, welcher nicht nachgelaſſen/ ihnen mit vielen Zaͤhren und recht
bruͤderlicher Affection inſtaͤndigſt zu bitten/ und zu ermahnen/ er wolle doch
fuͤr den Glauben/ dem er zu Lieb ſo viele und erſchroͤckliche Leibs-Schmer-
tzen nunmehr außgeſtanden/ noch den eintzigen augenblicklichen Streich
erwarten/ und nicht die/ mit ſo ſchwaͤhren Tormenten faſt erworbene Mar-
ter-Kron ſo jaͤmmerlich verſpielen. Was aber hat dieſes alles gefruͤchtet?
der jenige unwuͤrdige Prieſter/ ſo zu der Chriſtlichen Bitt ſeines demuͤtigen
Bruders/ da er umb Vergebung angehalten/ die Ohren vorhin verſtopffet
hatte; hat nachmahlen auch nicht verdienet/ dieſelbige auff ſo hoch-noͤthi-
gen und heylſamen gegebenen Rath zu eroͤffnen: iſt auch nicht wuͤr-
dig geweſen zu erlangen die Goͤttliche Barmhertzigkeit/ der mit ſeinem Fuß-
falligen Freund nicht hat wollen eingehen die Chriſtliche Einigkeit. So
iſt dann dieſer ungluͤckſeelige Menſch in ſeiner Treuloſigkeit halßſtarrich
verblieben/ und hat in dem letzten Kampff Chriſtum ſeinen Heyland ver-
leugnet/ den er vorhin auch in den groͤſten und ſchmertzhaffteſten Peinen
bekennet hatte. Nicephorus aber/ da er geſehen/ daß Sapricius verloh-
K 3ren
[78]Die Achte Geiſtliche Lection
ren gangen/ hat er auß Antrieb/ der in ihme brennenden Goͤttlichen Liebe/
und ungemeinen Begird der Marter-Kron alsbald mit lauterer Stimm
geruffen: Jch bin ein Chriſt/ und glaube an den Nahmen meines HErrn
JESU Chriſti/ welchem dieſer verlaͤugnet hat; ſo ſchlaget nun mir fuͤr
ihm den Kopff hinunter. Und ſiehe/ ſo bald der Richter der Sachen Be-
ſchaffenheit vernommen/ hat er den Sapricium loß/ und uͤber Nicephorum
das verlangte Urtheil deß Todts geſprochen; daß alſo der eine behalten das
Lebendeß Leibs/ und verlohren hat das Leben der Seelen/ der andere aber be-
halten das Leben der Seelen/ und verlohren das Leben deß Leibs.
9. Kan nun wohl einer laͤugnen/ der dieſen ſo gluͤcklichen Streit deß H.
Nicephori betrachtet/ daß ein bitteres Hertz/ ein Rach-gieriges und unver-
ſoͤhnliches Hertz gegen den Naͤchſten ſich der euſſerſten Gefahr deß ewigen
Untergangs unterwerffe? wer wird hierauß nicht vernuͤnfftlich ſchlieſſen
koͤnnen/ das alle gute Werck eines Chriſtlichen Menſchens/ ſie ſeyen ſo groß/
ſo koſtbar und vollkommen/ als ſie immer wollen/ zumahln nichts zu der e-
wigwaͤhrenden Belohnung beytragen/ wann ſie nicht auß der Wurtzel der
Liebe GOttes und deß Naͤchſtens entſpringen? Einmahl gewiß iſt/ daß
GOtt deß Sapricii/ fuͤr ihn außgeſtandene Qualen nichts geachtet habe;
dieweilen ſolche der Haß/ Krafft deſſen er ſein eigenes/ und auch ſeines
Naͤchſten Hertz verwundet/ gaͤntzlich vernichtiget hat. Derhalben iſt a-
Matth. 7.
v. 2.bermahl wahr der obgeſetzte Spruch deß HErrn: Wann ihr den
Menſchen ihre Sůnden nicht vergebet/ ſo wird euer
himmliſcher Vatter auch eure Sünden nicht vergeben.
Vnd mit was Maß du maͤſſeſt deinem Bruder/ damit
wird dir auch vom HErrn wiederumb gemeſſen werden.
Hiſtoria.Denſelben bekraͤfftiget das wehmuͤtige Exempel deß jenigen Bruͤggiſchen
Edelmans/ der gegen einige dieſen ſchaͤdlichen Gaſt/ nemblich den Haß biß
zum Todt in ſeinem Hertzen verpfleget: da dann nach deſſen Abſterben das
gewoͤhnliche H. Ambt und Gebett in der Kirchen verrichtet wird/ ziehet der
gecreutzigſte Chriſtus ſeine Haͤnd zu ſich/ ſtopffet mit ſelben die Ohren/ und
ſpricht mit claren Worten: Er hat nicht verſchoͤnet/ ſo will
ich auch nicht verſchoͤnen.
7. Soll aber dieſes ein mit Zorn erfuͤltes Rach-gieriges Hertz zu erwei-
chen noch nicht beſtandt ſeyn; ſo laſſe er ſich zu Hertzen gehen dieſe erbaͤrm-
liche Tragaͤdy/ oder klaͤglichen Außgang; Da Anno 1570. zwiſchen zweeen
vornehmen Ordens-Perſohnen in Hiſpanien einige Feindſchafft erwach-
ſen/ aber nicht gedaͤmpfft; iſt unterdeſſen einer von beyden von einer toͤdtlichen
Kranck-
[79]Von dem Haß.
Kranckheit uͤberfallen worden/ derowegen hat er/ oder auß Forcht deß Todts/
oder vielleicht durch Reu und Leyd der ſo lang erhaltenen Feindſchafft ange-
trieben/ ſeinen Widerſager zu ſich beruffen/ ehe und bevor er ſich mit den
H. H. Sacr amenten der Kirchen verſehen laſſen/ und hat demſelben gern
und williglich alles angethane Unbill verzeihen/ und auch umbhalſet. Dieſer
aber/ als ein ziemblich unbedachtſamber und außgelaſſener Menſch ſagt
hierauff zu einem von den umbſtehenden folgende Wort: dieſer gute Mann
foͤrchtet er ſolle ſterben/ derhalben verzeihet er. Sothane Wort haben deß
Sterbenden Hertz alſo ſchaͤdlich getroffen daß er die vorhin gegebene loͤbli-
che Verzeyhung alsbald widerruffen/ und zugleich mit dieſer nicht menſch-
licher/ ſondern teufflicher Stimm außgefahren: Jch verzeyhe dir nicht/ und
will auch von dir nicht verziehen haben. O grauſame Boͤßheit! kaum waren
dieſe Wort herauß gefahren/ und ſiehe/ da wird dieſer krancke Unmenſch al-
ler Sprach und Sinnen beraubt/ ſangt an zu ſterben hier zeitlich und dor-
ten ewiglich. Das gewoͤhnliche Gebett wird gleichwohl fuͤr ihn von ſeinen
Geiſtlichen Bruͤdern/ und nach dieſem das Mittagmahl gehalten. Unter
waͤhrender Taffel trittet ein garſtiger und entſetzlicher/ in grauſamer Ge-
ſtalt und rauhen Haaren/ wie auch mit gantz Fewer-glintzenden Augenver-
ſehener Geiſt hinein; wendet ſich zu den Speiſenden/ redet ſelbige mit einer
ſehr klaͤglich und donnerenden Stimmen an/ und ſagt: O grimmiger
Haß! O verfluchtes Laſter/ mit dem ich auff Erden lebendig gebrennet
hab! jetzt bin ich todt/ und brenne in der Hoͤllen/ und werde brennen ewig-
lich! der aber an meinem Brennen Schuld hat/ wird auch bald brennen;
und in ſelbigem Augenblick wendet er ſich zu dem Geiſtlichen/ der ſein Feind
geweſen/ und ſagt: Hoͤre auff zu eſſen/ ſtehe auff vom Tiſch/ du Un-
gluͤckſeeliger; das Gerechte Urtheil iſt von dem Goͤttlichen Richter uͤber mich
und dich gefaͤhlet; daß/ die wir Haß und Feindſchafft miteinander gepflogen
auff Erden/ dieſelbe auch unterhalten in der Hoͤllen/ und daß zwarn in alle
Ewigkeit. Jn dieſer traurigen Rede ergreifft er denſelben noch am Tiſch
ſitzenden/ ziehet ihn hervor und pfraͤnget ihn gewaltiglich. Dieſer ſtellet ſich
zur Gegenwehr/ ſchlagt von ſich/ und ſuchet mit Beiſſen und Stoſſen ſich
ab ſolchem Feind zu erretten. Jn ſothanem Seharmutziren thut ſich die
Erde unter ihren Fuͤſſen auff/ und verſchlinget beyde miteinander;
von denen dann nichts mehr uͤbergeblieben/ als ein unertraͤgli-
cher Geſtanck. Dahero ſeynd die andere Geiſtliche voller Forch[t]
und groſſem Schrecken zum Grab deß erſt- verſtorbenen hinzugangen/
und haben in ſelbigem nichts gefunden. Alſo haben beyde die
ewige
[80]Die Achte Geiſtliche Lection
ewige Verdamnuß zum Lohn der langwirich gefuͤhrten Feindſchafft be-
kommen.
8. Kan wohl einer ſo hartnaͤckig gefunden werden der ſich uͤber ſo grauſamt
Sach nicht hefftig entſetze? kan man allhier nicht fuͤglich ſagen von Bruͤdern/
was der weiſe Mann mit ſeiner ſelbſt eigenen Verwunderung von den
c. 28. v. 3.Menſchen insgemein außſchreyet: Ein Menſch haltet Zorn wi-
den den andern/ wie ſuchet er dann Artzney bey Gott[:]
Ein Bruder will dem andern nicht verzeyhen/ wie darff er dann begehren/
daß ihm GOtt ſeine Suͤnden vergebe? Es iſt/ leyder! viel zu wahr das
Sprichwort: der Groll unter Bruͤdern iſt der allergrimmigſte. Dieſe
waren Bruͤder/ dieweilen ſie eines Ordens Kinder; an einem Tiſch mit
gleicher Speiſe geſpeiſet; eines Herrn Diener (doch vielmehr deß Teuffels
Schlaven/ deme ſie ſich durch ſo verfluchten Haß unterworffen) in einer
Schul der Tugenden erzogen; mit gleichen Geſetzen in dem herrlichen
Werck der Vollkommenheit unterwieſen; durch die heiligen Baͤnde der
Geluͤbten ihrem himmliſchen Vatter und ſich miteinander verbunden/ mit
ſo vieler-Jahren ſtrengen Ubungen verſuchet: und haben gleichwohl von der
gifftigen Peſt deß innerlichen Zweytrags angeblaſen/ unter dem Geiſtlichen
Kleid dieſe Teuffeliſche Schlang herumbgetragen: ſie haben lieber wollen
den Himmel quittiren/ als eben die Rachgierigkeit auß dem Hertzen auß-
ſchlieſſen: lieber auff ihre Erbſchafft/ als ſich einander/ wie einem Bruder
und Geiſtlichen zuſtehet/ verzeyhen. Nehme mir nun nicht uͤbel auff/ mein
Chriſtliche Seel/ wann ich ſage/ daß die GOtt verlobte Ordens-Perſohnen
nach verlaſſener aller zeitlichen Ergoͤtzlichkeit armſeeliger ſeyen als andere
Menſchen/ wann ſie das koſtbahre Kleinod der Liebe verlohren haben: dann
was iſt zu achten derſelben Keuſchheit/ Armuth und Gehorſamb/ wann die
Liebe nicht zu gegen iſt? Eine Ampel ohne Oel/ ein Baum ohne Fruͤch-
ten/ ein Leib ohne Seel/ ein Schiff ohne Maſt-Baum/ ein Marter ohne
Verdienſt/ ſeynd ſolche Geiſtliche. Darumb ſo bald der H. Apoſtel Paulus
die Epheſier zu Meydung deß Zorns mit dieſen Worten ermahnet hatte: die
Sonn ſoll uͤber eurem Zorn nicht untergehtn/ ſetzet er hinzu: Gebet kei-
nen Platz dem Teuffel. Als wolte er ſagen: Oihr Chriſt-Glaubige;
und ſonderbahr ihr Geiſtliche/ haltet euren Zorn im Zaum/ zerbrechet und
vernichtiget denſelben in ſeiner Geburt; widerſtehet ihm gleich im Anfang/
damit er in eine grobere That nicht außbreche: dann ſo ihr dieſer Alteration
nur etwan weniges nachgebet; wann ihr den gefaſten Zorn in den Gedan-
cken behaltet; ſo machet ihr Platz dem Teuffel/ ihr ſperret ihm auff den Ein-
gang
[81]Von dem Haß.
gang/ damit er ſich alſo gelimpfflich anmelde; die empfangene vermeinte
Schmach vergroͤſſere; das Gebluͤt bewege; die Gall erwecke; und alſo mit
ſeinen boͤſen Engelen die natuͤrliche Begird deß Rachs zu ewerem ewigen Un-
tergang entzuͤnde.
9. Billig haben ſich die GOtt gewidmete Seelen auch vorzuſehen/ daß
ſie von einem gar geringen unzimblichen Eyffer zu einem groͤſſeren und
ſchaͤdlicheren Zorn nicht gelangen; ſie haben Urſach ſich zu huͤten/ auff daß
auß emer ewigen Ungedult in eine Bitterkeit deß Hertzens nicht fortſchreiten:
auß dieſer in unterſchiedliche Anſtoͤß eines Widerwillens; von ſelbigem in ei-
nen Hader und Zanck; auß dieſem aber in ein Abſchewen ihres Nechſtens/ und
endlich in eine hoͤlliſche Uneinigkeit nicht gerathen: davon alſo redet der Heil.
Baſilius:Der Zweyſpalt unter den Geiſtlichen pflegt an-Orat. 9.
ex Col-
lect.
faͤnglich gar gering zu ſeyn/ und wird leichtlich beygelegt;
wann ſelbiger aber veraltet/ ſo iſt hernacher der Sachen
zumahlen nicht/ oder doch ſchwerlich zu helffen: Darumb2. Tim. 2.
24.
ſagt recht der Heil. Paulus: Ein Knecht deß Herrn muß nicht
zancken/ ſondern ſanfftmůtig ſeyn gegen jederman. Der lei-
dige Sathan ein Urheber deß Zorns iſt gleich einer Schlangen/ ſo durch das
Loch mit gantzem Leib ſehr leichtlich wiſchet/ durch welches ſie den Kopff al-
lein hat durch gebracht. Jm uͤbrigen iſt noch zu beobachten/ was der heilige
Athanaſius ſchreibet: daß nemblich der jenige/ ſo das empfangene Unbill
nicht verzeyhet/ nicht fuͤr ſich bette/ ſondern den Fluch deß Herrn uͤber ſich
bringe/ indem er ſagt/ vergeb uns unſere Schuld/ als wir vergeben: dieſes hat
mit ihrem Schaden erfahren jenes Weib/ ſo in allen GOtt gefaͤlligen Wer-
cken/ als Faſten/ Betten und dergleichen ſich fleiſſig uͤbete; auch ſo gar/ damit
ſie Gott auch zu naͤchtlicher Zeit dienen koͤnte/ ſehr wenig ſchlaffete: dieſer al-
ler Tugenden Vortrefflichkeit aber verwuͤſtete der Zorn; zumahlen ſie nicht
zu verſoͤhnen ware/ und bliebe in unzimblichem Haß verhaͤrtet/ ſo offt ſie von
einem andern beleidiget wurde: Endlich iſt gemeldtes Weib mit einer ſchwaͤ-
ren Kranckheit von GOtt heimgeſucht worden/ hat ihre Suͤnden dem Prie-
ſter gebeichtet/ das Laſter aber deß ungebuͤhrlichen Zorns verſchwiegen: Da
ihr nun das allerheiligſte Sarrament der Communion gereichet worden/ hat
ſie den Mund verſperret/ das Angeſicht umbgewendet/ und geſagt; gleich wie
ich mich offtmahlen von denen hab abgewendet/ die mich umb Verzeyhung
gebetten; alſo kehret GOtt nun auch ſein Angeſicht von mir ab: ich bin ver-
worffen/ ich bin verlohren; ich werde das gottliche Angeſicht nicht anſchauen;
ſondern werde den Teuffeln in der Hoͤllen alsbald zu Theil werden: Wie ge-
Lſagt/
[82]Die Neunte Geiſtliche Lection
ſagt/ ſo geſchen: nach dieſen Worten hat ſie den verzweiffeleten Geiſt auff-
gegeben: auß dieſer und andern obangefuͤhrten Geſchichten/ iſt gnugſamb zu
mercken/ mit was groſſem Haß der gerechte GOtt die jenige Verfolger/ ſo
ihn in ſeinem Ebenbild/ daß iſt in ihrem Nechſten haſſen; und welcher geſtalt
er denſelben ſeine Gnad entziehe. Ach wolte GOTT/ daß nicht die meiſte
Chriſtglaubige/ wie auch Geiſtliche wegen vielfaͤltigen Zweytrachts/ Zanck
und Haſſes zum Abgrund der Hoͤllen hinweg geriſſen wuͤrden! ſie kommen
nicht alle wiederumb/ und erkuͤndigen uns ihren Zuſtand ſambt deſſen gege-
benen Urſach. Derhalben/ meine Chriſtliche Seel/ damit du mit deinem un-
widerſetzlichen Schaden dergleichen Ungluͤck nicht zu theil werdeſt/ ſo ver-
werffe von Stund an auß dem innerſten deines Hertzen allen wider deinen
Nechſten gefaſten Zorn und Widerwillen; flehe wie den Todt allen Hader/
und halte alles genau/ ſo ich dir zu Lieb/ und zu hoͤchſter Ehren GOttes in
dieſer Lection zuſammen getragen hab.
Die Neunte Geiſtliche
LECTION
Von dem
Freventlichen Vrtheil.
v. 1.
judicaveritis, judicabimini.’
werdet; dann mit was Vrtheil ihr richtet/ damit ſollet ihr
auch gerichtet werden.’
Der Erſte Theil.
1. DAs andere Laſter/ ſo der Liebe zu wider/ iſt das freventliche Ur-
Stapl.
text. 2. in
Dom. [1.]
poſt
Pent.theil: von dem ein jeder ſonderbahr wiſſen muß/ daß es alſo ent-
worffen werde. Das freventliche Urtheil iſt ein Werck der Ver-
nunfft; Krafft deſſen wir anderer Menſchen Sitten und Thaten ohne recht-
maͤſſige Gewalt und Urſach richten: dann der jenige/ deſſen Ambt erforderet/
ſeinen Nechſten zu ſtraffen und zu richten/ wann er von der Sachen Wiſſen-
ſchafft hat; ſuͤndiget nicht allein nicht; ſondern er uͤbet noch annebenſt ein
loͤbli-
[83]Von dem freventlichen Vrtheil.
loͤbliches Werck der Gerechtigkeit und Liebe: dahero wohl zu mercken iſt/
daß alsdann ein freventliches Urtheil zu nennen ſeye/ wanu nemblich nicht
nach dem Geſetz der gewiſſen Vernunfft; ſondern auß unordentlicher Nei-
gung und verdorbener Betriegung deß Gemuͤts der neben-Menſch gerichtet
wird: nachdem wir nun dieſes wohl verſtanden haben/ iſt noͤthig/ dieſes La-
ſters Wirckungen zu erforſchen/ welche/ ob zwar vielfaͤltig ſeynd/ ſo wollen
wir doch ſelbige in dreyerley Gattung vertheilen; deren die erſte iſt; wann
man nemblich von eines andern guten und zumahlen tugentſamen Werck ein
unrechtes Urtheil faͤhlet: die andere iſt/ wann man ein Sach/ die in ſich we-
der gut/ weder boͤß iſt/ urtheilet/ daß ſie auß boͤſer Meinung geſchehen ſeye:
die dritte und letzte Gattung iſt/ wann man ſeinen Nechſten/ der da oͤffent-
lich ſuͤndiget/ ohne darzu habende Gewalt urtheilet.
2. Auff daß wir nun vom letzten zum erſten widerkehren/ iſt zu wiſſen/ daß
das jenige Urtheil/ Krafft deſſen wir das gute urtheilen/ als ob es boͤß ſeye/ von
dem Allmaͤchtigen ſehr gehaſſet und geſtraffet werde; derhalben drewet der-
ſelbe billig den jenigen durch den Propheten Jſaiam: Weh euch/ die ihr5. v. 20.
das boͤſe gut/ und das gute boͤß nennet/ die ihr Finſternuß
fůr Liecht/ und Liecht fůr Finſternuß haltet: Solche Richter
ſeynd vorzeiten geweſen die Juden/ denen CHriſtus ſagt: Joannes der
Taͤuffer iſt kommen/ und hat weder Brod geffen/ noch
Wein getruncken/ ſo ſaget ihr er hat den Ceuffel: des Men-
ſchen Sohn iſt kommen/ der iſſet und trincket: ſo ſagt ihr/
ſiehe/ dieſer Menſch iſt ein Freſſer und Wein-Saͤuffer/ ein
Freund der Zoͤllner und Suͤnder: dieſen uͤbel wollenden Hebreeren
moͤgen wohl verglichen werden die jenige Chriſtglaubige und Geiſtliche; vonIn Mo-
ral.
denen der H. Gregorius alſo ſchreibet: einige ſeynd/ die von allen Menſchen
uͤbel urtheilen: dann wann ſie einen ſehen/ der ſich der Demuth befleiſſet/ ſo
ſagen ſie/ er iſt ein Gleißner: nimbt er an die ordentliche Ergoͤtzlichkeit/ ſo heiſt
er ein Freſſer; iſt er geduͤldig/ ſo muß er ein verzagter Haaß ſeyn: liebt er die
Gerechtigkeit/ ſo ſchreyet man ihn fuͤr einen Ungeduldigen Menſchen auß:
liebet er die Einfalt/ ſo wird er fuͤr einen Narren gehalten: iſt er klug/ ſo muß
er liſtig ſeyn: ſichet man an ihm die Eingezogenheit/ und hoͤret weniges Re-
den: ſo wird er fuͤr einen ſotten Menſchen gehalten: iſt er luſtig und ſroͤhlig/ ſo
heiſt er außgelaſſen: haltet er ſeine Reguln und Satzungen genau und fleiſſig/
ſo klagt man uͤber ihn/ daß er ein beſonder Heylig ſeye/ und wird derhalben ge-
haſſet: liebet er ehrliche Geſellſchafft/ ſo muß er hoͤren/ er ſeye mehr welt- als
geiſtlich: iſt er verſchwiegen/ und iſt friedſam/ ſo iſt er doppel von Hertzen; will
er andere beſſeren/ dz nennet man eine Vermeſſenheit: wacht und bettet er was
L 2mehr
[84]Die Neunte Geiſtliche Lection
mehr als andere; ſo muß er unbeſcheiden ſeyn: verſchlafft er ſich bißweilen/ ſo
wird er allezeit gehalten fuͤr ſchlaͤfferig: beflcißt er ſich deß Predigens/ und
ſuchet das Heyl ſeines neben-Menſchen/ ſo ſagt man von ihm/ er ſuche nicht
die Ehr GOttes/ ſondern ſein eigenes Lob/ thuet ers nicht/ ſo iſt er nachlaͤſſig:
hat er die Gunſt der Menſchen/ ſo haltet man ihn vor einen Schmeichler:
will er nicht/ oder kan nicht ſchmeichlen/ ſo ſiehet man ihn vor einen hoffaͤrti-
gen Menſehen an: dieſes ſagt der obgemeldte heilige Kirchen-Lehrer Grego-
rius. Jch aber ſage: Weh/ weh dergleichen Richtern! wann dieſe nicht koͤn-
nen entſchuldiget werden/ die ohne rechtmaͤſſige Urſach das boͤſe uͤbel urtheilen
(wie nachmahls folgen wird) was wird doch/ umb GOttes willen/ dann den
jenigen widerfahren/ ſo das verrichtete gute Werck deß Nechſtens uͤbel auß-
deuten? Einjeder huͤte ſich fuͤr dem teuffliſchen Laſter der Mißguſt/ welche
ſolches verfluchte Urtheil hervor bringet; und wann einer ſiehet oder hoͤret ſei-
nem Nechſten guts thun/ ſo hebe er ſein Hertz zu GOtt/ und ſage mit inbruͤn-
ſtigem Gemuͤth etwadergleichen 1. Nehme an mein guͤtigſter JEſu dieſes gute
Werck/ und vereinige ſelbiges mit den Verdienſten deiner Außerwaͤhlten/ ich
ſchencke dir ſolches/ als wann es mein waͤre. 2. Jch ſage dir Danck/ mein
GOTT und Herr fuͤr ſolche Gnad/ als wann du mir ſelbige erzeigt haͤtteſt.
3. O memlieber Herr und GOtt/ ich bitte dich/ gebe doch dieſem meinem
Nechſten weitere Gnad/ auff daß er noch groͤſſere und dir angenehmere Ding
verrichte 4. Verſche du uns alſo mit deiner Huͤlff O Gott/ daß ein jeder/ ſo
dieſe gute Werck anſchauet/ dardurch auffgemuntert werde/ und deßgleichen
thue zu deinem Dienſt und hoͤchſter Ehren \&c.
3. Das zweyte freventliche Urtheil beſtchet darinn/ daß man das jenige
richte/ was weder gut noch boͤß iſt/ und dem aͤuſſerlichen Anſehen nach/ nur
allein ſcheinet boͤß zu ſeyn: zum Exempel/ wann man einen Prieſter ſiehet ein-
gehen in ein Hauß einer verdaͤchtigen Weibs-Perſon/ und alsdan urtheilet/
daß er zu ſuͤndigen ſeye hinein gangen; da er doch keine andere Meinung habe/
als derſelben Beicht anzuhoͤren; Was nun ſolches Urtheil vor ein Grewel
ſeye vor den Augen GOttes/ und wie ſcharff er dieſes ſtraffe/ daß haben wir
In vitis
PP. P. 1.
Hiſtoria.auß folgender Geſchicht zu erlernen. Es kompt zu ſicherer Zeit ein Ordens
Geiſtlicher Nahmens Vitalius auß einem ſehr verdaͤchtigen Hauß; dieſen
urtheilet ein ander/ er ſeye umb ſeinen boͤſen Begirden gnug zu thun daſelbſt
geweſen; gibt ihm derhalben ein Ohrfeigen und ſagt: wie lang wirds an-
ſtehen/ duloſer Verſpoͤtter Chriſti/ biß du dieſe deine Schalckheit beſſereſt?
Jn ſelbigem Augenblick gibt dieſem ebenfalls der Teuffelin Geſtalt eines ab-
ſchewlichen Mohren eine ſolche Maultaſche/ daß er alsbald zur Erden fallet/
zu
[85]Von dem freventlichen Vrtheil.
zu ſchaͤumen anfangt/ und vom Teuffel beſeſſen wird. Nach einigen
Stunden kombt er wiederumb zu ſich/ lauffet in aller Cyl nach der Cellen
deß Vitalii, bekennet ſeine Schuld/ und ſagt: du Diener GOttes erbarm
dich meiner. Vitalius verzeyhet ihm/ und erlediget ihn durch ſein Gebett
von dieſem boͤſen Gaſt. Jn ſelbiger Cellen iſt von den Umbſtehenden ge-
funden worden dieſe Schrifft: Jhr Maͤnner von Alexandria urtheilet nicht
vor der Zeit/ biß der HErr komme. Vialius aber gienge in die Haͤu-
ſer der Suͤnderinnen/ damit er ſie von dieſer leichtfertigkeit abhalten moͤgte;
derhalben er mit ihnen auch offtermahl durch ein ſicheres Stuck Gelds ei-
nig worden/ dieſe und andere Nachten ſich von den Suͤnden zu enthalten.
Auß ſothaner Geſchichterhellet/ wie gefaͤhrlich es ſeye/ die Thaten ſei-
nes Naͤchſten zu urtheilen. Damit aber die Warheit dieſer Sachen noch
mehr an Tagkomme/ ſo wollen wir auß dem Leben der H. H. Vaͤttern
eins erzehlen.
4. Es waren zwey Bruͤder in der Gemeinſchafft/ ſo beyderſeits einHiſtoria.
heiliges Leben fuͤhreten/ und waren von GOtt begnaͤdiget; daß einer deß
andern Gnad/ ſo er von GOtt erlangte/ ſehen koͤnnte. Nun traͤgt ſichs
zu/ daß einer von beyden am Freytag außgehet; und ſichet einen Muͤnchen
deß Vormittags eſſen: fragt ihn aber deſſenthalben nicht/ ob er vielleicht
ſchwach ſeye/ oder ſonſten zu eſſen genoͤthiget werde; ſondern er ſagte: Bru-
der/ warumb eſſeſt du ſo fruͤhe/ weiſt du dann nicht/ daß es heut Freytag ſeye?
dann er vermeinte/ der geiſtliche Bruder haͤtte durch dieſes Eſſen wider ſeine
Regul gehandlet. Deß andern Tags ſeynd nach dem Gebrauch die H. H.
Meſſen gehalten worden/ und da deren obgemeldten Bruͤdern einer den an-
dern anſchauet/ vermerckt er/ daß die Gnad/ ſo ihm vorhin gegeben ware/
von ihm gewichen; daruͤber er dann nicht wenig entruͤſtet/ ſeinen Bruder/
nachdem ſie zur Cellen kommen/ fraget: Bruder/ was haſtu außgerich-
tet/ daß ich heut die Gnad GOttes an dir nicht geſehen/ wie geſtrigen Tags
geſchehen? dieſer aber antwortet/ daß er weder in den Wercken/ weder in
den Worten/ weder auch in den Gedancken ſich uͤbel bewuſt ſeye. Haſtu
nicht vielleicht/ fragt der andere/ einige muͤſſige Wort geredet? da hat die-
ſer ſich erinnert daß er am vorigen Tag. einen habe ſehen eſſen/ und ihme
geſagt/ eſſeſtu zu dieſer Stund am Freytag? dieſes wird villeicht meine
Suͤnd ſeyn. Derhalben ſagt er zu ſeinem Bruder: befleiſſe dich mit mir
zwey Wochen lang GOtt zu bitten/ daß er mirs verzeyhe Nachdem nun
dieſe zwey Wochen alſo vollbracht worden/ ſehet der andere Bruder die Gnad
GOttes wiederumb uͤber ſeinen Mit-Bruder kommen; derhalben ſie zu-
L 3mahln
[86]Die Neunte Geiſtliche Lection
mahln getroͤſtet/ dem Allerhoͤchſten Danck ſagen. Gedenck nun/ mein
Chriſtliche Seel; Wann dieſer fronune Diener GOttes wegen ſo gerin-
gen und wenigen/ nur auß einem billigen Eyffer geredeten Worten/ die-
ſer ſonderbahren Gnad eine Zeitlang iſt beraubt worden/ was wird dann
mit uns geſchehen? Jch foͤrchte fuͤrwahr/ wir werden wegen deß unbe-
ſonnenen Urtheilens derſelben gaͤntzlich beraubet werden.
vent. in
vita.
5. O wie ſehr ware erfahren in dieſer Kunſt der H. Seraphiſche Vat-
ter Franciſeus/ ſo deß unbedachten Urtheilens halber ſeinen Reiß-Geſellen
mit ſcharffen Worten vorgenommen. Dann da der heilige Mann ei-
nem Armen Menſchen begegnete/ und uͤber deſſen Leibs- Bloßheit auß
Chriſtlichem Mit- Leyden ſeuffzete/ ſprach der obgemeldte Weeg-Gefaͤhrt
und Geiſtliche Bruder von dieſem alſo: Vatter/ villeicht iſt dieſer
Menſch an Begierlichkeit der zeitlichen Dingen reich/ ſo doch an denſelbi-
gen in der That groſſen Mangelleydet. Da dieſes der H. Vatter hoͤrete/
befahl er ihm/ ſeyn Kleid alſobald außzuziehen/ und den Nackenden damit
zu bedecken: auch muſte er in Krafft deß Gehorſambs vor den armen Men-
ſchen niederfallen/ und wegen ſeines freventlichen Urtheils umb Vergebung
bitten. Dieſes verrichtete der Bruder in aller Demuth/ auff daß er von
ſeinem H. Vatter nicht moͤgte hinweg getrieben werden. Billiger maſſen
ſoll man dann embſig fliehen den boͤſen Argwohn/ inſonderheit wann man
von der That nicht verſichert iſt/ und ſagen mit dem Heil. Apoſtel Paulo:
Was gehen mich die jenige an/ welche drauſſen ſeynd/ daß
1. Cor. 5.
12.ich ſie richteu ſolte? Dieſes Urtheil zu meiden/ kan uns trefflich die-
nen der folgende Spruch deß H. Chryſoſtomi: Gleich wie ein guter
und auffrichtiger Menſch nicht leichtlich einen andern vor
boͤß und Schalckhafft anſiehet; als wird nicht bald ein
Boͤſer und Schalckhaffter ſeinen Neben Menſchen fuͤr gut
und fromm halten; dann ein jeder richtet ſeinen Naͤchſten/
wie er ſelbſten iſt. Darumb ſagt der Eccleſiaſtes:Wann auch der
10. 3.Narr auff dem Weege daher gehet/ dieweil er ſelbſt nicht
weiſe iſt/ ſo haltet er darfůr/ daß alle Narren ſeyen/ ſo
ihm begegnen. Und gleich wie einem/ der durch ein gruͤnes Glaß ſchau-
et/alles ſcheinet gruͤn zu ſeyn; der durch ein rothes; alles Roth vorkommet;
alſo der jenige/ ſo mit unterſchiedlichen Laſtern bchafftet iſt/ indem er durch
ſeyn eigenes Gewiſſen/ als durch einen Spiegel den Handel und Wandel
ſeines Naͤchſtens betrachtet/ urtheilet/ daß alles an ſelbigem Laſterhafft
ſeye: von denen der Apoſtel recht und wohl geſagt hat: Du verdam-
meſtdich ſelbſt in dem/ darin du einen anderen richteſt; die-
weil
[87]Von dem freventlichen Vrtheil.
weil dueben daſſelbige thueſt/ was du richteſt. Und gleich wie
ein ungeſunder Magen auch die beſte Speiſen in eine boͤſe/ und der Geſund-
heit ſchaͤdliche Feuchtigkeit veraͤnderet/ ein guter und geſunder Magen a-
ber/ ſo gar die ſchaͤdliche Speiſen zum Wohlſtandt deß Leibs verwandelet:
alſo was boͤſe Leuth immer an ihrem Naͤchſten ſehen/ daß vermeinen ſie alles
boͤß zu ſeyn: hergegen aber die Gute und Tugendſame legen alles thun und
Laſſen ihres Neben-Menſchen zum beſten auß.
6. Verlangeſt du nun/ mein Chriſtliche Seel/ unter die Zahl der guten
und frommen Geiſtliche vor GOtt gezeichnet zu werden; ſo huͤte dich/ daß du
von deines Naͤchſten Wercken/ ſie ſeyen auch wie ſie wollen/ unrecht urthei-
leſt; ſondern vielmehr glaube/ daß ſelbiger mit guter Meynung und zu einem
auffrichtigem Ziel und Ende ſeine Werck verrichte. Wirſtu dieſes die Tage
deines Lebens fleiſſig beobachten/ ſo verſpreche ich dir/ daß groͤſſer Lohn von
Gott zu erwarten habeſt/ als dir villeicht einbilden wuͤrdeſt. Nim war das je-In Chro.
minor. 1.
p. l. 5. c. 9.
Hiſtoria.
nige/ ſo der Gottſeelige Bruder Leo, einer von den erſten Geſellen deß Heil.
Franciſei/ durch Verhaͤngnuß geſehen hat. Viele Bruͤder dieſes H. Ordens
ſeynd ihme erſchienen/ ſo alle in ſchoͤner Ordnung mit groſſem Liecht umb-
geben geweſen; in der Mitten derſelben hat er geſehen einen/ auß deſſen Au-
gen ſo glintzende Sonnen-Strahlen geſpielet/ daß er ihn nit hat anſchauen
koͤnnen: daruͤber er auß Geiſtlichem Vorwitz die ihm naͤchſt beyſtehende ge-
fragt/ wer doch dieſer ſeye: darauff er zur Antwort bekommen/ er ſeye Bru-
der Bernardus Quintavallis, der erſte Geſell deß H. Franciſci: daß er aber mit
ſolchen Strahlen dergeſtalt fuͤr andern glantze/ ſeye die Urſach; weilen er in
ſeinen Leb-Zeiten alles/ was er immer gehoͤrt und geſchen/ zum beſten außge-
legt/ und alle Menſchen der Gnaden Gottes wuͤrdiger geſchaͤtzt habe/ als ſich
ſelbſten. Jſt ihm ein armer Bettler begegnet/ ſo hat er pflegen zu ſagen: ſiehe
Bruder Bernarde/ dieſer arme Menſch uͤbertraget ſeine Armuth viel gedul-
tiger als du die deinige. Hat er einen Reichen und wohl-gekleideten geſe-
hen/ ſo hat er zu ſeiner Verſchaͤhmung ſich ſelbſten alſo angeredet ſiche/ dieſer
hat ſeinen Leib zwar alſo geſchmucket; wer weiß aber/ ob er nicht unter dieſem
Zierath ein haͤrnes Kleid trage/ damit er alſo die eitle Ehr vernichtige/ und ſein
Fleiſch/ beſſer als duim Zaum halte. Dieſe ſeynd die Urſachen ſolcher unge-
meinen glintzender Schoͤnheit an unſerem Bernardo. Ey/ ſo laſſet uns dan die
Fußſtapffen dieſes from̃en Diener Gottes eintretten/ und alſo auch von un-
ſerm Naͤchſten gedencken; zumahln wir ohne die geringſte Muͤhe-Waltung
dieß GOtt-gefaͤllige Werck verrichten koͤnne. Nehme an/ mein Chriſt-
glaubige Seel/ den wohl-meinenden Rath deß heiligen Dorothei.Doctr. 1.
Kombſt du/ ſagt er/ in eine Celle deines Bruders oder Schweſtern/
und
[88]Die Neunte Geiſtliche Lection
und ſeheſt/ daß alles in derſelben uͤber und uͤber ſich lige; ſo gedencke nicht/
daß dieſer oder dieſe in ihren Wercken nachlaͤſſig und unſauber ſeyen; ſon-
dern laſſe dir vorkommen/ daß ſelbige gluͤckſeelig ſeyen/ indem ſie alſo in
der innerlichen Anſchauung GOttes vertieffet ſeynd/ daß ſie das euſſerli-
che nicht achteten. Sieheſtu aber hingegen/ daß ſie in allen ihren Sachen
ſein reinlich ſeynd/ und dieſelbe wohl beobachten/ ſo mache dir das Facit;
dieſer Bruder oder Schweſter zeigen in ihren euſſerlichen Wercken/ daß ſie
die innerliche Reinigkeit der Seelen ſonderbahr lieben; alſo kanſtu nicht
fehlen. Wie du aber Urtheilen ſolleſt/ wann du einen oͤffentlich ſuͤndigen ſe-
heſt/ daß lerne auß folgendem andern Theil dieſer Lection.
Der andere Theil.
[fn] Poli-
ant. fol.
617.
7.DEr Welt-beruͤhmte Mahler Apelles pflegte ſeine Kunſt-reiche
Mahlereyen vor ſein Hauß oͤffentlich zu ſtellen/ damit er die Ur-
theilen der vorbeygehenden erfahren moͤgte. Unter dieſen ſtehet
auch einsmals ein Schuſter ſtill/ und beſchauet die von Apelle gemachte Ar-
beit; und daß er die uͤbel-entworffene Pantoffelen eines Bildnuͤß laͤſteret/
dieſes hoͤret der Apelles mit Gedult an; da aber derſelbige auch von anderen
Eigenſchafften deſſen Bildnuß zu urtheilen ſich erkuͤhnet; ruffet alsbald
der Maͤhler zum Fenſter hinauß und ſagt: Schuſter./ Schuſter
laß es bey den Coffeln. Alſo machts der allgewaltige Werckmeiſter
und Erſchoͤpffer aller Dinge/ die Goͤttliche Majeſtaͤt; Sie formiret vie-
lerley Bildnuͤſſen/ in dem Selbige die Seelen der Menſchen erſchaffet; ſo da
ſeynd Ebenbilde GOttes: dieſe ſtellet vor der groſſe Kuͤnſtler auff dem oͤf-
1. Cor. 4.fentlichen Schau-Platz der Welt; wie der Apoſtel bezeuget: Wir ſeynd
zum Schau-Spiel worden der Welt/ den Engelen und
den Menſchen. Dieſe Bildnuſſen/ ſage ich/ ſetzet GOtt derhalben
nicht vor unſere Augen/ daß wir ſelbige urtheilen und tadlen; ſondern in An-
ſehung deren Jhn loben und preiſen ſollen. Derowegen laſſet uns behut-
ſamb ſeyn/ und an dieſen Bildern nicht ſchmaͤhen daß jenige/ ſo uns nicht
angehet/ wann wir nicht mit obgemeldtem Schuſter wollen beſtraffet und
ſchamroth gemacht werden. Solte nun einer ſagen/ er urtheile nicht das jenige/
ſo wohl gemacht/ und gut zu ſeyn ſcheinet; ſondern dasjenige allein/ deſſen man
verſichert iſt/ daß es GOtt mißfalle: ſelbiger ſolle wiſſen/ daß auch ſotha-
nes Urtheil nicht zulaͤſſig ſeye; darumb wird ſolchen durch den Heil. Apoſtel
Pau-
[89]Von dem freventlichen Vrtheil.
Paulum geſagt: wer biſt du/ der du einen frembden Knecht richteſt: er ſtehet
oder fallt ſeinem Herrn: als wolte er ſagen: der nicht ſeinen/ ſondern einen
frembden Knecht/ wann er ſchon oͤffentlich ſuͤndiget/ richtet; derſelbige muß
gerichtliche Gewalt haben von dem Herrn deß jenigen Knechts/ den er rich-
tet. So frage ich dich nun/ wann du uͤber die Suͤnden deines Nechſten das
Urtheil faͤhleſt/ wer hat dir dieſe Macht gegeben? hat dich vielleicht GOtt
zu einem Richter uͤber andere erſchaffen? zumahlen nicht; ſondern er hat dich
zum Geſellen deines neben-Menſchen geſetzet; und hat alles GerichtJoan. 5.
v. 22.
dem Sohn uͤbergeben/ und nicht dir. Derhalben wann du richteſt/ ſo
greiffeſt du ihme in ſeine Gerechtigkeit: und was iſt doch umb Gottes willen/
ſchalckhaffter/ dann ſolche Vermeſſenheit? was iſt gefaͤhrlicher/ als derglei-
chen Ubermuth? hoͤre du/ mein Chriſtliche Seel/ den Apoſtel an/ und entferne
weit von dir all freventliches Urtheil: Was richteſt du deinen Bru-Rom. 2.
der? wir werden alle ſtehen vor dem Richterſtul CHriſti/
daſelbſt werden wir ſo ſcharff gerichtet werden/ als wir un-
ſern Nechſten gerichtet haben: und weiters ſagt er: Du haſtRom. 2.
v. 1.
keine Entſchuldigung/ O Menſch/ wer du auch biſt/ der du
richteſt: Was iſt doch grober und mehr zu foͤrchten/ als ſolches Urtheil?
wohin der gottſelige Th[o]mas à Kempis auch ziehlet/ mit dieſen Worten:L. 3. c. 24.
§. 1.
was gehetes dich an/ ob dieſes ein ſolcher oder ſolcher ſeye: oder ob jener alſo
handle oder rede? du bedarffs nicht fuͤr andere zu antworten; ſondern du wirſt
Rechenſchafft geben fuͤr dich ſelbſten? was haſt du dann damit zu ſchaffen?
8. Soll es dann geſchehen/ daß wir wuͤrden ſehen einen oͤffentlich ſuͤndigen;
ſo muͤſſen wir denſelben deſſentwegen nicht verachten/ ſondern vielmehr der
troͤſtlichen Zuverſicht leben/ daß er nach ſolcher That gebuͤhrende Rew und
Leid erwecket habe. Wann ich ſehe/ ſagt der Heil. Bernardus/ daß einer den
andern erſtechet/ ſo muß ich gedencken/ daß er daruͤber Rew getragen/ ehe er
das Meſſer zuruͤck gezogen hat: vielmehr dann bin ich ſchuldig den jenigen
morgen fuͤr einen buͤſſenden zu halten/ und nicht fuͤr einen Suͤnder/ welchen
ich heut hab ſehen ſuͤndigen: hieruͤber leſen wir im Leben des Hl. JoannisSur.
Tom. 1.
Hiſtoria
Eleemoſinarii, daß ein unkeuſcher Juͤngling eine GOtt verlobte Jung-
fraw zu ſeinen unzimblichen Begirden gereitzet/ und ſelbige von Alexandria
mit hoͤchſter Aergernuß der gantzen Statt/ nach Conſtantinopel entfuͤhret:
nun ware niemand/ der dieſen als ein Kind der ewigen Verdamnuß/ als einen
laſterhafftigen Boͤßwicht und Schaͤnderen der Ehren GOttes nicht auß-
ſchreyete: und da die Clereſey oder Geiſtlichkeit denſelben vor dem obgemel-
ten H. Joanne verdienter maſſen beſchrieben/ und anbey fuͤgten/ daß er wegen
Mſeiner
[90]Die Neunte Geiſtliche Lection
ſeiner und auch der geiſtlichen Jungfrawen verderbten zweyen Seelen/
billig muͤſſe in den Band der Excommunication geſchlagen werden; hat
ſie der Heyl. Mann geſtillet/ und geſagt: nicht meine Kinder/ nichtfaͤhlet
ſo leichtlich von ewerem Nechſten das Urtheil; dann hierdurch ſtuͤrtzet ihr
euch in zwey ſehr groſſe Ubelen: deren das erſte iſt daß ihr nemblieh deß je-
nigen Gebott uͤberſchreitet/ der da ſpricht: Richtet nicht vor der
Zeit. Das zweyte iſt/ daß ihr nicht ohne hoͤchſte Vermeſſenheit euch ſelb-
ſten Richter ſtellet uͤber andere: es iſt zumahlen unſicher/ ob dieſe beyde in
ihren Suͤnden bißhero verharret ſeyen; oder ob ſie durch die Guͤtigkeit
GOttes den Laſt ihrer Miſſethaten von ſich geworffen haben. Wiſſet ihr
dann nicht/ ſagt er/ daß ihr in demſelben Gericht/ in dem ihr richtet/ ſollet
gerichtet werden?
9. Wann aber dieſe Lehr deß gottſeeligen Joannis, bey einigen zur
Vernichtigung deß loſen Urtheils keinen Platz findet; der laſſe ſich zum
wenigſten abſchrecken durch den H. Dorotheum, den wir anjetzo fuͤr uns
zur Red ſtellen/ und dieſes groſſen Diener GOTTES treuhertzigen Er-
mahnungen du und ich/ mein Chriſtliche Seel/ mit allem Fleiß auffmercken
c. 6. Bibl.
PP.
Tom. 2.wollen: nicht iſt boͤſer ſagt er/ nichts ſchwaͤrer/ als ſeinen Nechſten urtheilen
und verachten: warumb richten wir uns ſelbſten nicht uͤber unſere eigene
Verbrechen/ die wir am beſten kennen/ und von denen wir auch ungern
GOtt Rechenſchafft zu geben gezwungen werden? Was gebrauchen wir
uns des Urtheils GOttes? was gehen uns die Geſchoͤpffe Gottes an? was
haben wir mit frembden Knechten zu ſchaffen? ſollen wir nicht an gantzem
Hiſtoria.Leib zittern/ wann wir uns erinneren/ was jenem groſſen Altvatter wider-
fahren iſt? da dieſer gehoͤret hatte/ daß einer auß den Bruͤdern in einem Ehe-
bruch gefallen waͤre/ ſagte er: Dieſer hat ſehr ůbel gethan: und
ſiehe alsbald brachte ein Eugel GOTTES die Seel deß obgedachten
Suͤnders/ nachdem ſie durch den zeitliehen Hintritt ſchon vom Leib ge-
ſcheiden ware/ zu dieſem Altvatter/ und ſagte; ſchaue zu/ den du gerichtet
haſt/ iſt ſchon geſtorben/ hier bringe ich dir deſſen Seel/ und erwarte deinen
Befelch daruͤber/ ob ſie zu der Hoͤllen/ oder zum Himmel ſolle gefuͤhret wer-
den: mit dieſen Worten hat der Engel dem alten Einſidler nichts anders
bedeuten wollen/ als eben dieſes: wann du allbereits worden biſt ein Richter
der Gerechten; ſo bitte ich dich/ ſage mir deine Meinung uͤber dieſe arme
Seele/ ob du dich derſelben erbarmen/ oder ob du ſie ewiglich ſtraffen wolleſt?
da ſolches der heilige Mann gehoͤret/ iſt er ab dieſer ſo frembden Frag der-
geſtalt
[91]Von dem freventlichen Vrtheil.
geſtalt zerſchlagen worden/ daß er die uͤbrige Zeit ſeines Lebens mit beharr-
lichem Weinen und Seufftzen/ und unzahlbahren Truͤbſetigkeiten zuge-
bracht/ und denlieben Gott umb Vergebung ſo groſſer Suͤnde ſo lang gebet-
ten; biß der Engel endlich wieder zu ihm kommen; deme er zu Juͤſſen gefal-
len/ und von ihme verſichert worden/ daß ihm GOtt ſeine Suͤnde nach heut
ſolches dieſerthalben zugelaſſen habe; damit er in Erfahrung kommen moͤch-
te/ wie ſchwaͤr und uͤberlaͤſtig ihme ſeye/ unſer freventliches urtheilen: auch
hat er ihn ermahnet/ daß er hinfuͤhro nicht mehr richten ſolle: gleichwohl hat
auff ſo troſtreiche Wort/ und gethane Verſicherung der heiligen Vaͤtter
ſich nicht troͤſten laſſen; ſondern in ſtaͤten Plagen und Abtoͤdtungen ſeines
Leibs/ dieſes Verbrechen halber ſeyn Leben geendiget.
10. Wann nun dieſer gottſeelige Einſidler wegen eines ſo geringen Ur-
theils/ Krafft deſſeu er auß zu groſſem Eyffer geſagt/ daß ſeyn Bruder durch
den begangenen Ehebruch uͤbel gethan habe/ erzehlter maſſen iſt verſchaͤmbe
worden; was wird doch uns widerfahren/ die wir von unſerm Rechſten ab der
begangener Suͤnde/ nicht allein ſagen/ daß er uͤbel gethan habe; ſondern darzu
offtmahlen auß unordentlichem Eyffer denſelben richten/ daß er nemblich vie-
le und groſſe Straffen verdienet habe/ und derhalben wuͤnſchen/ daß er ſcharff
gezuͤchtiget werde? Warlig/ ſage ich/ es wird die Zeit heran kommen/ daß wir
von GOTT mit gleichem Urtheil werden hergenommen werden: Auch ge-
ſchicht es vielmahlen durch die gerechte Verhaͤngnuß GOttes/ daß die je-
nige/ ſo andere richten/ in ſelbige Maͤngel/ die ſie ihrem Nechſten auffgemeſ-
ſen haben/ liederlich fallen; und als dann wohl wuͤnſchen moͤchten/ daß man
mit ihnen durch die Finger ſehete: dieſes hat der Abt Machetes von ſich ſelb-Caſſian
l. 5. c. 30.
ſten bekennet/ daß nemblich drey Dinge geweſen/ in denen er andere gerichtet/
und beſtrafft; habe aber nicht lang hernach alle dieſe drey Fehler begangen:
derohalben trieb er einen jeglicheu an/ daß er ſich ſelbſten nicht allein urthei-
len/ und nicht anderer Leben durchgruͤnden ſolte; dieweilen/ ſagte er/ ein
Muͤnch mit denſelben Laſtern verſtricket iſt/ in welchen er von andern zu ur-
theilen ſich erkuͤhnet hat: und wann ſchon ſie in eben ſelbige Suͤnde nicht fal-
len; ſo ſeynd ſie doch derſelben Straff werth; wie CHRJSTUS der L. 2. c. 7.
heiligen Mechtildi offenbahret/ und geſagt/ daß es ein groſſes Laſter ſeye/
wann ein Menſch ſeinen Nechſten urtheilet: und wann er denſelben ſchon
rechtfertig urtheile; ſo ſeye er doch eines ſo groſſen Laſters ſchuldig/ als
eben der jenige/ ſo dieſes Ubel begangen haͤtte/ welches von andern gerichtet
wird: Wann auch der jenige Menſch die jenige Miſſethat veruͤbet hat/ die
M 2von
[92]Die Neunte Geiſtliche Lection
von ihm geſagt wird; ſo wird er doch Krafft deſſelben Urtheils eben ſo viel
ſchuldig ſeyn/ als der jenige/ ſo mit der That ſelbſten beſudelt iſt; dieweilen er
die innerliche Meinung deß Verbrechenden nicht gewiſt/ und ſeinem Hertzen
und Sinn gemaͤß geurtheilet hat: und wann er durch die Bußfertigkeit die-
ſes nicht außloͤſche/ ſo muß er derſelben Straff gewaͤrtig ſeyn/ die der jenige/ ſo
geſuͤndiget/ ſich auff den Halß geladen hat: dieſe ſeynd die Wort CHriſti zu
ſeiner geliebten Braut Mechtildis.
11. Sollen wir annoch nicht abnehmen koͤnnen/ mein Chriſtliche Seel/
wie ſcharff die goͤttliche Gerechtigkeit mit den ungerechten Richtern ihres
Nechſten verfahre; indeme ſie von ſelbiger nicht anders beſtraffet werden/ als
wann ſie dieſelbige Suͤnden/ uͤber welche ſie ihren neben-Menſchen richten/
wuͤrcklich begangen haͤtten: und wiewohl dieſe Offenbahrung niemand zu
glauben verbunden iſt; ſondern einem jedenfrey ſtehe; ſo wird doch dieſe ob-
geſetzte Warheit auß goͤttlicher Heil. Schrifft handgreifflich kundbahr ge-
c. 7. v. 3.machet: dann CHriſtus ſagt bey dem Evangeliſten Mattheo alſo: Was
ſieheſt du den Splinter in deines Bruders Auge/ und ſie-
Serm. 6.heſt den Balcken in deinem Auge nicht? Hierauß ſagt recht der
Heil Dorotheus, ſeye abzunehmen/ daß unſer Heyland die Suͤnde deß Nech-
ſtens verglichen habe einem Splinter; das Urtheil aber uͤber ſelbige habe er
verglichen einem Balcken: alſo ſuͤndiget viel grober der jenige/ ſo den Suͤn-
der urtheilet/ als wann er die Suͤnd deß verurtheilten Menſchen ſelbſt begin-
ge: dahero fahret der mehr gemeldte H. Mann fort/ und ſagt: ein ſo ſchwaͤre
Suͤnd iſts/ ſeinen Nechſten richten/ daß ſelbige ſchier alle Suͤnden an Boͤß-
heit uͤbertreffe: laſſet uns derhalben huͤten fuͤr ſothaner Peſt; und auff daß
wir von ſolchem Gifft nicht angeblaſen werden; ſo laſſet uns die Fußſtapffen
unſeres Erloͤſers eintretten: welchem ohne allen Zweiffel die Suͤnden ſeiner
Feinden gantz [...] und und offenbahr waͤren; und gleichwohl dieſelbige bey ſei-
nem himmliſchen Vatter entſchuldiget und geſagt: Vatter verzeyhe
ihnen/ dann ſie wiſſen nicht was ſie thuen: Hat daß gethan
CHriſtus/ der als ein rechtmaͤſſiger Richter von ſeinem Vatter geſtellet wa-
re; was ſollen wir dann nicht thuen die wir die geringſte Gewalt eines Rich-
ters nicht haben? und ſonderbahr/ da der Heyland mit außtruͤcklichen Wor-
Joan. 13.
v. 15.ten uns ermahnet: Jch hab euch ein Exempel gegeben/ daß ihr
auch thuet/ wie ich euch gethan hab.
12. Verlangen wir dann Glieder Chriſti zu ſeyn/ ſo will ſichs geziemen/
daß wir bey demſelben unverruͤckt verbleiben/ indem wir ſeine Sanfft-
muͤtig-
[93]Von dem freventlichen Vrtheil.
muͤtigkeit nachfolgen/ die Maͤngel unſeres naͤchſtens entſchuldigen/ und
mit ihuen ein Hertzliches Mit-Leyden tragen. Solche Gott-gefaͤllige U-
bung aber zu bewerckſtelligen/ iſt noͤthig zum erſten die Betrachtung unſerer
eigenen Suͤnden: welches herrliche Mittel der Gott-ſeelige Climacus mit
folgenden Worten gewuͤnſchter maſſen vorſchreibet. Welche zu gar fleiſ-Guad. 10
ſige und eylfertige Richter ſeynd uͤber die Suͤnden ihres Naͤchſten; dieſe
muͤſſen derhalben ſolchen Fehler an ſich ſelbſten tragen/ dieweilen ſie ſich
noch keiner ſteten und vollkommenen Gedaͤchtnuß und Sorge wegen ihrer
eigenen Suͤnden befliſſen haben: dann der jenige/ welcher die Decke der ei-
genen Lieb hinwegſchaffet/ und alsdann ſeine Verbrechen fleiſſig beſichti-
get/ der wird uͤber keine Sach in dieſem zeitlichen Leben fortan mehr Sorg
tragen; dieweilen er vermerckt/ daß er nicht Zeit genug haben werde/ ſich
ſelbſten zu beweinen/ wann er ſchon hunder Jahr leben/ und die Zaͤhren auß
ſeinen Augen gleich dem groſſen Fluß Jordan flieſſen wuͤrden. Weiters
hat uns auch Chriſtus ſelbſt dieſes ſtattliche Mittel gegen das freventliche
Urtheil hinterlaſſen/ da die neidiſche Juden ein Weib/ ſo in Ehebruch er-
dapp[e]t worden/ zum Heyland gebracht/ und zugleich proteſtiret/ daß ſelbige
dem Geſetz gemaͤß muͤſſe geſteiniget werden: indem der ſanfftmuͤtige JE-
ſus ſolches Wuͤten der Juden mit dieſen Worten vernichtiget: WelcherJoan. 8.
v.7.
unter euch ohne Sůnd iſt/ der werffe zum erſten einen
Stein auff ſie. Dieſe loſe Anklaͤger ſuchten frembde Suͤnden zu
ſtraffen/ und verlieſſen ihre Eigene. Dieſes hat ſonderbahr bekraͤfftiget
der jenige Alt-Vatter ſo von einem ſeiner Mit- Bruͤder/ der auch dieſem
Ubel unterworffen ware/ die Urſach gefragtwurde/ warumb er alſo im-
merwaͤrend ſeine Mit-Bruͤder richtete? Weiln du/ ſpricht der Alte/ dich
ſelbſt noch nicht kenneſt; dann der ſich ſelbſten kennet/ der gibt auff die Maͤn-
gel ſeiner Bruͤder keine Achtung.
13. Solches hat in der That bewieſen der H. Abt Pimenius, da einsmals dieHiſtoria. Vit. PP.
p. 2
aͤlteſte Einſidler Zuſammenkunfft gehalten/ und bey derſelben uͤber die Sit-
ten einiger Bruͤder geurtheilet; iſt auch von dem obgemeldten Alten begehrt
worden/ er moͤgte auch ſeine Meynung uͤber das Verbrechen der Bruͤder
beytragen. So bald dieſes Pimenius gehoͤret/ hat er alsbald einen groſſen
Korb mit Sand angefuͤllet/ und auff den Rucken genommen; ein anderes
aber viel kleiners Koͤrblein hat er auß dem Groſſen ebenfals mit Sand ver-
ſehen/ und ſelbiges hat er vor ſich getragen. Da dieſes die andere geſehen
haben/ haben ſie verlanget zu wiſſen/ was dieſes bedeute; denen Puͤnenius
geantwortet: der groſſe Korb/ in dem viel Sand iſt/ bedeutet meine Suͤn-
M 3den;
[94]Die Neunte Geiſtliche Lection
den; und weil derſelben eine groſſe Anzahl iſt/ derowegen hab ich ſie auff den
Rucken geworffen/ damit ich ſie nicht ſehen/ und daruͤber Leyd haben moͤg-
te: aber/ die wenige Suͤnden meines Mit-Bruders hab ich vor meine Au-
gen gehangen/ und bemuͤhe mich/ wie ich ſelbige doch richten moͤge. Nun
aber iſt gewiß/ daß man nicht ſolcher Geſtalt richten muͤſſe; derhalben wirds
beſſer ſeyn/ daß ich meine eigene Suͤnden vor mich nehme/ dieſelbe bedencke/
und GOtt bitte/ daß er ſie mir verzeyhe. Da dieſes die andere Einſidler
gehoͤrt haben/ iſt dieſe Bekaͤndtnuß von ihnen ſaͤmbtlichen hervorgebrochen:
Jn Warheit dieſer iſt der Weeg deß ewigen Heyls. Haſtu
mich verſtanden/ mein Chriſtliche Seel/ wie ſchwaͤr es ſeye/ auch uͤber die
oͤffentliche Suͤnden ſeinen Naͤchſten richten? Wolan dann/ ſo ergreiffe nun
das zur Hand gebrachte Mittel gegen ſolches Laſter; oder/ wans dir alſo
gefaͤllig/ ſuche dir eins auß den folgenden.
Der dritte Theil.
14. DJeſes muß uns ebenfals von dem freventlichen Urtheilen abſchre-
cken/ wann wir gedencken/ und uns verſicheren; daß GOTT
einmahlen einen wuͤrde laſſen in eine Suͤnd fallen/ wann er
nicht wuͤſte dieſen Fall in ein Gutes zu verkehren. Derhalben lehren die
Thomiſten/ da ſie von der Verordnung oder Verſuchung handlen/ daß die
Zulaſſung der Suͤnde in den Außerwaͤhlten ſeye eine Wirckung oder Auß-
gang ihrer Verordnung zum ewigen Leben; dann da ſie in vielerley Suͤn-
de fallen/ ſtehen ſie muͤtiger und dapfferer auff zu lauffen den Weeg der Voll-
Rom. 8. v. 28.kommenheit/ Laut Zeugnuß deß H. Apoſtels Pauli: Den jenigen/ ſo
GOtt Lieb haben/ wircken mit alle Ding zum Guten.
Hieruͤber ſagen die Dollmetſcher der H. Schrifft/ daß unter denen allen
Dingen/ auch die Suͤnd begriffen werde. Und der H. Thomas lehret da-
ſelbſten/ daß die Suͤnden der Verordneten zur Seeligkeit denenſelbigen
mitwircken zum Guten. Dieſes ſagen ebenfals alle H. H. Vaͤtter; auß
denen der H. Auguſtinus alſo ſchreibet: Den jenigen/ ſo GOtt lieb hat/
De cor-
rept. \&
grat. c. 9.mitwircken alle Ding zum Guten; ſo gar auch alles; daß/ wann einige auß
ihnen den Weeg der Gerechtigkeit verf[e]hlen und ſuͤndigen/ daſſelbige ſie auch
mache zunehmen im Guten/ dann ſie werden nach ihrer Wider-Kehr beſſer
und vorſichtiger. Darzu iſt die Zulaſſung der Suͤnde von GOtt gewilliget
In Enchi.
c. 11.zu einem guten Ende: dieweilen GOtt (wie das groſſe Kirchen-Licht Au-
guſtinus dagt) indem er unendlich gut iſt/ nicht wuͤrde zulaſſen/ daß etwas
Ubels
[95]Von dem freventlichen Vrtheil.
Ubels in ſeinen Wercken waͤre/ wann er nicht ſo allmaͤchtig und gut waͤre/
daß er auch gutes thaͤte durch das Boͤſe. Daß dieſem aber alſo ſeye/ dieſes
ſehen wir claͤrlich an dem Fuͤrſten der Apoſtelen dem H. Petro; an dem E-
vangeliſt Matthaͤo/ an der H. Maria Magdalena/ und vielen andern
Suͤndern und Suͤnderinnen; die/ welche/ wann ſie einmahl gefallen waren/
wuͤrden auch GOtt nicht ſo angenehm geweſen/ und annebeus viele hundert
andere haͤtten ſich unfehlbar in das ewige Verderben geſtuͤrtzet; ſo doch der
fallende und Buß-fertige Petrus ſambt vielen andern Buͤſſenden auffgerich-
tet/ zur Buß auffgemunter/ und endlich zur ewigen Seeligkeit ge-
ſchickt hat.
15. Weiters/ ob ſchon die Suͤnden/ ſo von den Gottloſen begangen wer-
den/ ihnen nicht zum Nutzen außſchlagen; ſo geſchehen ſie nichtsdeſtoweni-
ger zum Beſten der Außerwaͤhlten: dann gleich wie die natuͤrliche Ubeleu/
nach Zeugnuß deß H. Thomaͤ/ ſo insgeſambt geſchehen/ nicht allezeit ver-Sup. c. 8.
Epiſt. ad
Rom.
lect. 6.
ordnet zum Beſten der jenigen/ denen ſie widerfahren; aber doch wohl zum
Beſten der ſaͤmbtlichen: alſo wird das Ubel der Schuld/ oder die Zulaſ-
ſung deſſen nicht allezeit erwaͤhlet deme zum Beſten/ dem die Suͤnd wird zu-
gelaſſen; aber doch wohl zum Beſten der edeleſten Theilen der ſaͤmbtlichen/
das iſt/ den Außerwaͤhlten. Nach dieſer vorgeſetzter unfehlbarn Lehr/ laſ-
ſet uns nun ſehen/ was fuͤr ein groſſe Boͤßheit ſeye/ daß/ ſo bald man einen
ſiehet ſuͤndigen/ alsdan denſelbigen unrechtfertiger Weiß richte; abſonder-
lich weilen man nicht/ ob der ſuͤndige Menſch zu der Zahl deren von GOtt
zur Seeligkeit verordneten/ oder zu der Zahl der Verdambten gehoͤre. Jſt
er unter den verordneten; ſo iſt gewiß/ daß die begangene Suͤnde ihme wird
gereichen zu mehreren Beſten ſeiner Seelen. Gehoͤrt aber der Suͤnder un-
ler die Gottloſe und Verworffene; ſo iſt auſſer allem Zweyffel/ daß die Suͤn-
de deſſelben zum Nutzen der Außerwaͤlten gedeyhen werde. Ob wir uns
nun wenden zu den Außerwaͤhlten oder zu den verworffenen; wir ſehen al-
lenthalben/ daß der guͤtige GOtt ihre ſaͤmbtliche Ubele zum beſten [E]nd auß-
ſchlagen laſſe. Was kan derowegen billiger erdacht werden/ als ſothanes
Urtheil Dieſer Urſachen halber hat der H. Raymundus unter andern Hin-
terlaſſenſchafften auch an Statt eines Teſtaments ſeine Geiſtliche Kinder
ſonderbahr ermahnet; daß ſie die Tage ihres Lebens niemand ſolten Urtheilen:
und hat hinzugeſetzt/ daß es noͤthig ſeye zu Erhaltung einer wahren Reinig-
keit deß Hertzens/ daß man in allen Sachen den Willen GOttes bcobachte/
welcher zu einem erſprießlichen Ziehl und Ende alles zulaſſet.
16. Damit
[96]Die Neunte Geiſtliche Lection
16. Damit wir dann auch auß eines andern Fall einigen Nutzen zu
ſchoͤpffen gewuͤrdiget werden; were rathſamb/ daß wir einen ſichern heili-
S. Doro
th. Doct.
8.gen Einſidler uns zum Beyſpiel vor Augen ſtelleten/ welcher einsmals/
nachdem er den Miß-Tritt ſeines Bruders verſtanden/ ſeuffzend geſagt
hat: O wehe mir! Er heut und ich morgen; O wie geſchwind hat dieſer
eineu Außweg gefunden/ dem boͤſen Urtheil uͤber ſeinem Bruder zu entwei-
chen! durch dieſe zwey Woͤrtlein; ich morgen: hat in ſeinem Hertzen
eine ſo heylſame Forcht erwecket; daß er der Gefahr deß Gerichts zumahln
entgangen iſt. Es muß auch in dergleichen Zufaͤllen ein jeder gedencken/
oͤffentlich oder heimblich bey ſich ſelbſten ſagen. Jch zweiffle nicht/ wann
ich mit ſot haner Gelegenheit und Stricken waͤre umbgeben geweſen/ daß ich
eben ſo wohl als mein Naͤchſter gefallen waͤre: derhalben ſage ich meinem
GOtt und HErrn danck/ daß er mich unwuͤrdigen Menſchen ſolcher Ge-
fahr entzogen hat. Jm uͤbrigen iſt auch gegen dieſes ſchaͤdliche Urtheil ein
ſichere Artzeney; wann man nemblich dieſes fleiſſig beobachtet; daß viele
oͤffter laͤßlich allein ſuͤndigen/ ob man ſchon dem euſſerlichen Schein gemaͤß
vermeinen ſolte/ daß ſie toͤdtliche Suͤnden begingen; dieweilen ſie in iheer
Einfalt darfuͤr halten/ es ſeye nicht boͤß/ was ſie thuen: und offtermahlen
iſt bey denenſelben eine unſtraffbare Unwiſſenheit/ und andere Urſachen/ ſo
uns unbekannt ſeynd; in Anſehung deren GOtt ihnen ihre ſuͤndige Werck
nicht uͤbel außdeutet. Wann wir nun ohne einiges Nachſinnen uͤber der-
gleichen Dinge unſern Naͤchſten alsbald zu ſtraffen uns erkuͤhnen/ den doch
GOtt entſchuldiget; machen wir uns hierdurch ſehr ſtraffmaͤſſig? Wohl
dann/ und abermahl wohl ermahnet uns hieruͤber der Heil. Bernardus mit
Serm. 4.
in Cant.dieſen Worten: Entſchuͤldige/ O Menſch/ die Meynung/ wann du
nicht kanſt entſchuldigen die That deines Naͤchſten: bilde dir ein/ ſie ſeyen
geſchehen auß Unwiſſenheit; halte ſie fuͤr ein unbehutſame Einſchleichung;
meſſe ſie zu einem Urploͤtzlichen Zufall: dann ſo viel der Himmel erhoͤhet iſt
von der Erden/ ſo weit ſeynd die Weege deß HErrn (wie der Prophet
c. 54.Jſaias ſagt) entfernet von den unſrigen: das iſt/ die Urtheilen GOttes
von den Urtheilen der Menſchen. Viele Sachen ſcheinen uns Gerecht
zu ſeyn; und ſeynd in dem Urtheil deß HErrn unrecht: und hergegen/
das jenige ſo wir offtmahl fuͤr Gut anſehen/ wird von GOtt verworffen:
derhalben fehlen wir in unſern Urtheilen vielmahl ſehr groͤblich/ wie auß
folgender Geſchicht zu ſehen iſt.
Maria
de Victo-
ria.
17. Nachdem die ſeelige Jungfrau Maria de Victoria einen Geiſtlichen
Orden der Kloſter-Jungfrauen geſtifftet; iſt ihr zu Ohren kommen/ daß
eine
[97]Von dem freventlichen Vrtheil.
eine derſelbigen zumahlen verzweiffelend/ mit dem Todt ringete: nach er-Hiſtoria.
haltener dieſer Zeitung hat ſie ſich hurtig auffgemacht/ der krancken Schwe-
ſter zugeeylet/ und hat einen gantz erbaͤrmlichen Zuſtand an derſelben gefun-
den: dann was der Prieſter und andere umb ſtehende ihr gutes und foͤrderli-
ches zugeruffen/ daß hat ſie dem Anſehen nach verworffen; man hat ihr die
Bildnuß deß geereutzigſten JESU gezeiget; von dieſer aber hat ſie das An-
geſicht abgewendet/ und nicht anſchauen wollen: man hat ihr zugeſprochen/
ſie moͤchte nur mit einem Kuß ihren Heyland erkennen; ſie aber hat die Au-
gen und Mund mit groſſer Halßſtarrigkeit verſperret/ und ſo gar/ nicht ohne
Aergernuß der Beyweſenden/ den unflaͤtigen Rotz auff die Bildnuß deß ge-
creutzigſten außgeſpiehen: dieſerthalben ſeynd vielerley Urtheil der Menſchen
uͤber dieſe armſelige Schweſter er gangen: einige haben vermeinet/ ſie ſeye
nicht bey Sinnen: andere haben doͤrffen ſagen; ſie wuͤrde von den Stachelen
und dem Wuͤten deß Gewiſſens getrieben: auch haben ſich einige nicht ge-
ſcheuet/ darfuͤr zu halten; daß ob ſie ſchon offt gebeichtet/ dannoch ihre Suͤn-
den niemahlen auffrichtig der Gebuͤhr nach offenbahret; ſie habe ihrem Haß
und unzulaͤſſige Begirden in der Beicht verſchwiegen/ damit ſie vor keuſch
und heilig gehalten wuͤrde: Dahero geſchehe es nun auß gerechtem Urtheil
GOttes/ daß ſie der letzten Stunde ſich nicht bedienen koͤnne der H H. Sacra-
menten/ durch welche ſie bey Lebzeiten an ſtatt der Liebe und Gnade GOttes
deſſelben Zorn ſich auff den Halß geladen habe: ſo ſeye es ja nicht wunder/
daß ſie jetzt zumahlen keine Hoffnung habe/ indem ſie mit den goͤttlichen
Dingen ſpoͤttlich umbgangen ſeye: unter allen anweſenden hat niemand dieſe
gottslaͤſterige Verzweiffelung dergeſtalt behertziget/ als eben die obgemeldte
heiligmaͤſſige Jungfraw Maria de Victoria: dieſe iſt in Betrachtung der
goͤttlichen Allmacht und Guͤtigkeit dem Bett mehr zugenahet/ in Hoffnung/
durch das inbruͤnſtige Gebett der Krancken die Huͤlff GOttes zu erwerben/
und ſelbige von der Verzweiffelung zu erretten; hat auch nicht nachgelaſſen/
biß ſie geſehen/ daß die bettlaͤgerige Schweſter zu vorigem Verſtand gelan-
get/ und von der vermeinten Unſinnigkeit befreyet worden: weilen ſie nun in
dieſem unertraͤglichen Stand von ihrer offt gedachten geiſtlichen Mutter
gefragt; warumb ſie von dem Urheber alles Heyls/ und von deſſen geereutzig-
ſten Bildnuͤß ein wenig vorhero ſo groſſes Abſchewen erzeigt? hat ſie geant-
wortet/ daß im geringſten nicht EHriſtum/ oder ſeine Bildnuß; ſondern den
leidigen Sathan ſothaner maſſen gefaſſet und verſpiehen habe; weilen er ſich
in einer erſchroͤcklichen Geſtalt gezeigt/ und allemahl zwiſchen das Creutz
und ihrer Perſohn ſich geſtellet/ und ſie mit aller Gewalt noͤthigen wollen/
Nihn
[98]Die Neunte Geiſtliche Lection
ihn an Platz deß geereutzigten Jeſu zu kuͤſſen: und da ich/ ſagt die Krancke/
ſolchem teuffliſchen Befelch nicht gehorchen wollen/ hab ich ihm ins Ange-
ſieht geſpiehen/ und der unſauberen Verſuchung mich widerſetzet; biß ich
endlich durch das Gebett meiner Mutter Victoriæ von dem hoͤlliſchen
Feind bin gluͤcklich verlaſſen worden.
18. Sieheſt du/ mein Chriſtliche Seel/ wie grob die jenige gefehlet ha-
ben/ welche dieſes unſchuldige Maͤgdlein und andaͤchtige Braut CHriſti/
als eine groſſe Suͤnderin gerichtet haben? ſollen wir derhalben nicht billig
behutſamb ſeyn/ und der heylſamen Lehr deß Apoſtels nachzuleben uns be-
fleiſſen/ der da ſpricht: Richtet nicht vor der Zeit/ biß der Herr
komme; der auch an das Liecht bringen wird/ was in der
Finſternuß verborgen iſt/ und wird die Rathſchlaͤge der
Hertzen offenbahren: Damit du aber dieſen ſchaͤdlichen Fehler
Hiſtoria.
Stengel.
tom. 3. de
judic.
Divin. c.
37. n. 1.noch beſſer erkenneſt; ſo ſchlage nun auch die Augen deines Gemuͤths
auff folgendes Exempel. Nicht weit von dem uhralten Staͤttlein Vau-
burg hat in einer Bauren Huͤtten ein alter Ackerman gewohnet/ welcher
nach Ableben ſeines Weibs und Kindern/ die Zeit mit Betten und andern
guten Wercken alſo zugebracht/ daß ihn/ ſo ihn gekennet/ den frommen
Bauren genennet haben: Dieſer iſt alle Sontag zu vorgemeldter Statt
kommen/ umb dem GOttes-Dienſt beyzuwohnen/ und hat nach deſſen
Vollendung auß Armuth von Thuͤr zu Thuͤr eine Allmoſen geſamblet/
die ihme dann von den Einwohnern ſo freygebig mitgetheilet worden/ daß
er damit die gantze Woche durch ſich wohl erhalten koͤnnen: unterdeſſen
haben zween Moͤrder in Anſehung deren freygebigen Allmoſen ſich ein-
gebildet/ der Bawer muͤſſe einen heimblichen Geld-Schatz verſamblet ha-
ben; derohalben ſie bey der Nacht das Huͤttl ein angefallen/ den armen Al-
ten ergriffen/ und ihme den Todt getrewet haben/ wann er nicht alſobald
das verſamblete Geld herauß geben wuͤrde: dieweilen er aber darauff be-
ſtanden/ daß weder Gold noch Silber/ weder einiges Geld beſitzete; haben
ihn die obgemeldte Moͤrder zu Bodem/ und einen Strick umb den Halß
geworffen/ und alſo jaͤmmerlich erwuͤrget: und ob ſie ſchon an allen Or-
then das vermeinte Geld geſuchet/ haben doch nichts gefunden: dahero
haben ſie zu Bedeckung dieſer grauſamen That/ und zu Verhuͤtung
alles Argwohns den Leib deß ertroſſelten Alten an einen Balcken
auffgehenckt/ damit ein jeder deſto fuͤglicher urtheilen koͤnte/ daß dieſer
ungluͤckſeelige Menſch ſich ſelbſten entleibet habe: die Moͤrder aber/
nach-
[99]Von dem freventlichen Vrtheil.
nachdem ſie die Thuͤr wohl verſchloſſen/ haben die Flucht genommen: bey
ſo geſtalten Sachen iſt alles biß auff den folgenden Sontag gcheim geblie-
ben/ da dann bey den Vauburgiſchen Jnwohnern der fromme Bawer ge-
mangelt; derhalben ſie geargwohnet/ er muͤſſe kranck ſeyn: deme ſie dann
einige mit Allmoſen und ſonſt anderer guter Labung zugeſchickt/ umb den
Krancken zu beſuchen/ und zu erquicken: nachdeme aber die Diener das
Huͤttlein verſperret gefunden/ und auch kein Zeichen von dem Jnwohner
gehoͤret/ haben ſie jhrer Herrſchafft bedeutet/ daß der Alte nicht zugegen ſeye;
und wuͤrde vielleicht nach ſeinem loͤblichen Gebrauch einer Pilgerfahrt oder
ſonſt andern Andacht beywohnen: Man hat aber inzwiſchen wahr genom-
men/ daß er wider ſeine Gewonheit gar zu langſamb erſcheine/ und dieſert-
wegen geargwohnet/ ob der arme Menſch in Verzweiffelung gerathen/
und ſich ſelbſt moͤchte entleibet haben: Man hat die Thuͤren mit Gewalt er-
oͤffnet/ und den Bauren an einem Balcken hangend gefunden: dieſes er-
baͤrmliche Spectacul iſt alſobald dem Magiſtrat zu Vauburg hinterbracht
worden; welcher dann den entleibten Bauren zu loͤſen/ und als einen Mord-
thaͤtiger unter den Galgen zu begraben befohlen hat: dahero die von dem
Alten vorhin gehabte gute Meinung bey jederman bald verſchwunden; und
hat man ihn als einen Gleißner und Betrieger allenthalben geurtheilet: es
hat aber der allerhoͤchſte Richter und Schoͤpffer aller Dingen nicht wollen
zulaſſen/ daß dieſer unſchuldige Bawer mit ſolchem boͤſen Geſchrey lang
ſolte getadelt werden; derhalben hat er deſſelben Heiligkeit alsbald auff fol-
gende Weiß kund gemacht; dieweilen der gewoͤhnliche Jahrmarck zu Vau-
burg bald heran kommen/ zu deme gemeiniglich ein ſehr haͤuffige Menge
Volcks ſich einfinden lieſſe; ſeynd auch viele Lahme/ Blinde und Außſaͤ-
tzige nicht anders als die Geſunde zu dieſem Marck hinzu gelauffen: un-
ter dieſen hat ein Blinder/ ſo von einem andern bey der Hand gefuͤhret wor-
den/ da er den Galgen/ allwo deß unſchuldigen Bawren Leichnamb begra-
ben gelegen/ gaͤhling die Augen eroͤffnet/ und hat mit groſſer Verwun-
derung den Himmel und die Erd angeſchawet: Dieſem iſt zur ſelbigen Zeit
gefolget einer/ ſo mit hoͤltzernen Fuͤſſen verſehen; an ſelbigem Orth aber
gantz gerad worden/ die Kruͤcken hinweg geworffen/ fuͤr groſſer Frewd zu
lauffen und zu ſpringen angefangen: Endlich iſt auch hinzu kommen ein
Außſaͤtziger/ ſo auch an gemeldtem Orth wider alle Hoffnung von ſeiner
abſcheuligen Kranckheit geneſen iſt: Da dieſe ſeltzame Curen nun in der
Statt ruchtbahr worden/ haben die Einwonhner zu gedencken an-
gefangen/ ob vielleicht der offtgedachte Bawer unverdienter maſſen
N 2auff
[100]Die Neunte Geiſtliche Lection
auff dieſen unehrlichen Platz begraben ſeye: mittler Weil hat ſich zugetra-
gen/ daß die jenige Boͤßwichter/ von denen der Bauer in ſeinem Huͤtlein
ware umbs Leben gebracht/ wegen einer andern Ubelthat zu Vauburg in
Hafften genommen worden; und da ſie von dem Huͤter deß Kerckers ver-
nommen/ was ſich mit dem Blinden/ Lahmen und Außſaͤtzigen zugetragen/
haben ſelbige ab dieſen Wunderwercken ſich entſetzet/ und dem Rath zu
Vauburg bekennet und erzehlet/ was maſſen und Urſachen ſie den armen Al-
ten getoͤdtet; auch haben außgeſagt/ daß ohne allen Zweiffel durch Fuͤrbitt
deſſelben die Preſthaffte unter dem Gericht ſeyen geholffen worden/ damit
die Mordthat deß unſchuldigen Menſchen durch die Hand GOttes offen-
bahret werde: Der geſambte Rath ſolches dem Biſchoff zu Regenſpurg
angekuͤndiget; welcher mit ſeiner Cleriſey und groſſem Zulauff deß Volcks
alſobald zu mehr gemeldtem Orth kommen/ den Leib außgegraben/ und auff
ſeinen und der ſeinigen Achſelen nach Vauburg getragen/ allwo dieſer from-
me/ und vor den Menſchen veraͤchtliche Bauer mit vielen Wunder-Zeichen
von GOtt zum Heyl der Menſchen geehret worden: die Moͤrder aber ha-
ben dieſes und anderer Ubelthaten halber ihren verdienten Lohn empfangen.
19. Auß dieſem kanſt du/ meingeneigter Leſer/ handgreifflich erkennen/
daß alle von dem irrigen Urtheil deß Menſchen obangezogene Reden in der
unfehlbaren Warheit gegruͤndet ſeyen: wuͤrde nicht dieſer arme Bettler fuͤr
einen Ubelthaͤter und Gleißner gehalten/ durch den doch die Goͤttliche Ma-
jeſtaͤt ſo viele anſehnliche Wunder gewircket hat? iſt dann das menſchliche
Urtheil ſo betrieglich; ſo iſt ja billig und hoͤchſtnoͤthig/ daß wir dieſem Be-
trug zu entgehen uns befleiſſen/ und ſonderbahr behertzigen den groſſen Nu-
tzen/ den wir ab dieſem Sieg zu empfangen haben; und die Goͤttliche Guͤtig-
keit durch unzahlbahre Beyſpiel uns uͤberfluͤſſig vor Augen ſtellet: deren wir
Kurtzheit halben nur folgendes auß dem Athanaſio Biſchoff zu Anthiochia
erzehlen: daß nemblich zu ſeiner Zeit einer unter den Ordens-Geiſtlichen nach
uͤbel und muͤſſig zu gebrachtem nachlaͤſſigen Leben toͤdtlich erkraͤncket ſeye/
und habe wider alle Meinung der anweſenden/ und Gewonheit der ſterbenden
in ſeinem Todtsbett eine groſſe Frewd ſeines Hertzens bezeuget: daruͤber
dann billig ſeiner mit-Bruͤdern einige mit Verwunderung gefraget; woher
ihm ſolche Froͤhligkeit entſtanden/ daß er den Todt allein nicht foͤrchte/ ſon-
dern denſelben noch außlache und verſpotte: man hat ihn beſter maſſen ſeiner
im geiſtlichen Stand gepflegten Lawig- und Nachlaͤſſigkeit erinnert; ſo
waͤre ja wohl zu verwunderen/ daß er an Platz der heylſamen Traurigkeit/
ſo
[101]Von dem freventlichen Vrtheil.
ſo ungewoͤhnliche Zufriedenheit und Sicherheit deß Gemuͤts erzeige. Der
Sterbende hat dieſe ſeiner Mit-Bruͤder wohl-meinende Frag- Stuͤck auff
folgende Weiß beantwortet: Jch geſtehe gern/ mein liebe Mit- Bruͤder/
daß es alſo ſeye/ wie ihr ſaget: ich hab ein ſehr nachlaͤſſiges Leben gefuͤhret:
es ſeynd aber zu dieſer Stunde die Engel GOttes zu mir kommen/ und haben
mir eine Verzeichnuß meiner Suͤnden gebracht; und nachdem ſie alle meine
in dem Geiſtlichen Stand veruͤbte Miſſethaten mir vorgeleſen/ haben ſie
mich gefragt/ ob ich mich deren ſchuldig erkenne? worauff ich geantwortet;
ja freylich bekenne ich/ daß ich durch ſelbige das Hoͤchſte Gut belaͤidiget ha-
be: dieſes aber erfreuet mich/ daß ich von Zeit meines angefangenen Beruffs
biß auff gegenwaͤrtige Stund niemand geurtheilet/ und deß mir von an-
deren zugefuͤgten Unrechts niemahln gedacht habe: derhalben wuͤnſche ich
und bitte/ daß mir die Wort deß HErrn moͤgen zugeignet werden/ die Er
geſprochen: Richtet nicht/ ſo werdetihr nicht gerichtet wer-
den. Verzeyhet/ ſo wird euch verzyehen werden. Nachdem ich ſolches
den Engelen geſagt hab/ iſt die gemeldte Verzeichnuß von ihnen zerriſſen
worden/ und ich reiſe jetzt mit hoͤchſter Freud und Sicherheit zu dem HErrn.
Mit Endigung dieſer Worten/ hat der Geiſtliche Bruder auch ſeyn Leben
geſchloſſen/ und allen ein herrliches und aufferbauliches Exempel jener bey-
den Tugenden hinterlaſſen.
20. Verzeyhe mir nun/ mein Chriſtliche Seel/ daß ich dich frage. Wem
hat die unendliche Guͤtigkeit GOttes dieſes Beyſpiel zum Beſten dergeſtalt
offenbahren/ und in ſo vielen Jahren auch durch oͤffentlichen Druck verkuͤn-
digen wollen? iſt daß nicht dir und mir/ und fort allen ſo dieſes hoͤren zum
groſſen Vortheil geſchehen? verlangeſt du mit dieſem gluͤckſeeligen Geiſtli-
chen dem Goͤttlichen Urtheil zu entfliehen/ und den Todt mit innerlichen
Freude deß Hertzens zu erwarten/ ſo folge nach die zwey herrliche Tugenden
dieſes Geiſtlichen: und damit du ſolches fuͤglicher und bequemblicher ins
Werck richten moͤgeſt; ſo laſſe dir ſonderbahr angelegen ſeyn dieſe zwey uͤb-
liche Lehr-Stuͤck/ deren erſtes dir an die Hand gibt ein ſicherer Gottſeeliger
Mann mit folgenden Worten: Du ſolſt am allerfleiſſigſten/ nicht anders als
wie fuͤr die allergroͤſte Suͤnd dich huͤten/ daß du keines wegs andere rich-
teſt: ſondern/ alles/ was ſie immer thun und reden/ das lege du zum beſten
auß/ und trage Sorg bey dir ſelbſten/ wie du ſie verthaͤtigen moͤgeſt/ nicht
and[e]rs/ alswann du derſelben Advocat und Vorſprecher waͤreſt: Kanſt du
ſolches aber nicht thun/ dieweilen die Sach handgreifflich boͤß iſt; nichts de-
ſtoweniger entſchuldige ſie/ ſo viel moͤglich/ bey dir ſelbſt/ und gebe die
N ?Schuld
[102]Die Neunte Geiſtliche Lection
Schuld oder dem ſchaͤdlichen Laſt deß Gebluͤts/ oder dem hefftigen Anfall
der Verſuchungen/ oder dem Betrug der Welt und Boͤßheit deß leidigen
Sathans/ oder andern dergleichen Verfuͤhrungen; und wende du dein
Gemuͤth ab von den Gedancken der jenigen Suͤnden. Das andere Lehr-
Stuck haſtu dir zu erwerben auß den Worten deines Heylands ſelbſten/
Krafft deren er die H. Chatarina von Senis unterrichtet. Auff daß du
zu der Vereinigung und Reinigkeit gelangen moͤgeſt/ iſt noͤthig/ daß du
keine Sach richteſt/ welche du ſieheſt/ daß von anderen oder gegen dich ſelb-
ſten/ oder gegen Frembde geſchicht oder geredet wird. Und wann du wuͤr-
deſt ſehen eine außtruͤckliche Suͤnde/ ſo kanſtu auß dieſen Doͤrnen eine wohl-
richende Roſe herauß ziehen/ wann du ſolche Suͤnder vor mir durch ein
wahres und Chriſtliches Mit-Leyden auffopffereſt: ſolcher Geſtalt wirſtu
die vollkommene Reinigkeit erreichen. Seynd das anſehnliche und ſtattli-
che Verheiſſungen? und was iſt doch leichter zu thuen/ als daß der Menſch/
ſo offt er ſeinen Naͤchſten ſuͤndigen ſehet oder hoͤret/ ſich zu GOtt wende/
und mit einem mit-leydigen Hertzen ſage: O mein ſuͤſſeſter JESU/ ſiehe/
mein Neben-Menſch hat dieſes oder jenes Ubel begangen; ob ſelbiges deinen
Goͤttlichen Augen auch ſo boͤß ſcheine/ als es mir vorkommet/ daß weiß ich
zumahlen nicht: dem ſeye/ wie ihm wolle; ich will dieſes nicht urtheilen;
ſondern dich meinen Barmhertzigſten GOtt und HErrn bitte ich; wann
villeicht mein Naͤchſter durch dieſe oder jene That deine unendliche Guͤtig-
keit erzuͤrnet hat/ du wolleſt ſeiner verſchoͤnen/ ihme gnugſame Gnad zur
Beſſerung verleyhen/ und von deinem Allerheiligſten Angeſicht deſſenthal-
ben nicht verwerffen: ſintemahlen ich dir zu Erſetzung dieſes Mangels auff-
opffere das koſtbahre Blut deines Allerliebſten Sohns JESU Chriſti/
ſambt deſſen unendlichen Liebe und Sanfftmuͤtigkeit/ mit denen Er uns
geduͤldet. Du weiß auch/ mein HErr und GOtt/ auß dem Boͤſen Gu-
tes hervorzubringen; derhalben bitte ich dich abermahl/ du wolleſt dieſe Miſ-
ſethat zu deiner groͤſſern Glory und Herrligkeit/ und deß ſuͤndigen Men-
ſchen mehrerer Demuth gereichen laſſen. Schließlich iſt auch/ O HErr/
mein inbruͤnſtiges Begehren; behuͤte doch die Augen der jenigen/ ſo dieſes
anſchauen/ und die Ohren die ſolches hoͤren/ damit ſie nicht geaͤrgert wer-
den; binde ihnen die Zung/ die Haͤnde/ ꝛc. damit ſie mit ſothaner Suͤnde
dich nicht beleidigen. Wann du dieſer Lehr ſolcher oder anderer Geſtalt emb-
ſig nachzuleben trachten werdeſt; ſo kanſtu dich verſicheren/ daß nicht allein
auß deines Naͤchſten Fall keine Straffmaͤſſigkeit zu gewarten habeſt; ſon-
dern auch darzu einen ſehr groſſen Schatz der Verdienſten zum Troſt dei-
ner armen Seelen verſamblen werdeſt.
[103]
Die Zehnte Geiſtliche
LECTION
Von der
Verlaͤumbdung oder Ehr-Abſchneidung.
Remove à te Os pravum, \& Labia detrahentium ſintProv. 4.
24.
procul à te.
hafftige Lippen laß weit von dir.’
Der Erſte Theil.
1. AUſſer allem Zweiffel iſt/ daß die Verlaͤumbdung oder das Ehr-Ab-
ſchneiden von dem freventlichen Urtheil herruͤhre; und weilen die-
ſelbe vor ein Haupt-Feindin der bruͤderlichen und ſchweſterlichen
Liebe gehalten wird/ als haben wir fuͤr rathſamb befunden/ dieſelbe kuͤrtzlich
zu entwerffen; von dero dieſer Worten ſich gebrauchet der gelehrte Drexe-In Phaet
c. 15.
lius. Die Verlaͤumbdung oder Chr-Abſchneidung iſt ein unrech tferti-
ge Beſchmitzung deß guten Nahmens ſeines Naͤchſtens. Der H. An-
tonius ein Einſidler/ und vieler derſelben Vaͤtter/ da er gefragt wurde/
was die Ehr-Abſchneidung vor ein Laſter ſeye/ hat er geantwortet; allePallad. e.
19. n. 15.
boͤßhaffte Reden/ ſo man in Gegenwart deſſen/ vom wem man redet/ nicht
darff hervor bringen/ ſeynd eine Ehr-Abſchneidung. Den Schaden
aber/ ſo dieſes Laſter mit ſich fuͤhret/ beſchreibt der heilige Bernardus
mit dieſen Worten: Jſt nicht die Zung deß Verlaͤumbders ein Natter-
Schlang? fuͤrwahr ein ſehr wildes und grauſames Thier/ das da mit einem
Athem drey zugleich toͤdtet. Jſt nicht dieſe Zung ein ſehr ſcharffe Lantze/ wel-
che mit einem Stich drey auff einmahl dur chrennet? ihre Zung/ ſagt er/ iſt
ein
[104]Die Ziehende Geiſtliche Lection
ein ſcharffes Schwerd: ja ſie iſt zwey und auch gar ein drey-ſpitziger Degen.
Weiters ſagt er/ daß ſie grauſamer ſeye/ als das Speer; ſpitziger als die
Doͤrnen und Naͤgel/ mit denen unſer Heyland ans Creutz gehefftet wor-
den; dieweilen der Verdambter ſich ſelbſten toͤdtet; auch toͤdtet er den jeni-
gen/ der das Ehr-abſchneiden ohne Widerſprechen anhoͤret; und drittens
toͤdtet er denjenigen/ den er verlaͤumbdet oder verkleinert. Dieſes Schwerd
aber fuͤhren die Ehren-Schaͤnder gemeiniglich in ihrem Mund; nemblich
daß ſie ſagen: ich muß geſtehen/ dieſer Menſch iſt gut/ dieſer oder jener hat
keinen Mangel an ſich/ er iſt zu dieſem oder jenem Ambt ſehr tauglich und
geſchickt/ wann er nur das oder dieſes Laſter/ dieſes oder jenes Ubel nicht an
ſich haͤtte. Dahero das gemeine Sprichwort der Lateiner/ in teutſche
Rheimb verſetzt alſo klinget:
Wann dieſer oder jener Menſch dieſen Fehler nicht haͤtte/ ſo waͤre
er gut/ ſagt der Verleumbder: und ich ſage/ daß derhalben dann nit viele
ſeyen/ von denen man nicht; wann er dieſe oder jene Untugend nit haͤtte/ ſo
waͤre er Gut; ſchier allen Menſchen/ ja vielmahl den Beſten iſt dieſes/
Wann nit/ an ihrem guten Nahmen ſchaͤdlich/ und wird dardurch
derſelben Ehr in Gefahr der ſchaͤndlichen Verlaͤumbdung. Derhalben
leſen wir im Buch Exodi, daß GOtt dem Moyſi befohlen: Sage dei-
c. 8. 16.nem Bruder Aaron/ ſtreck deine Ruthe auß/ und ſchla-
ge den Staub der Erden/ und es ſollen Wand-Laͤuſe
ſeynd in gantzÆgypten-Land. Uber dieſe Wort deß HErrn
ſpricht alſo der gelehree Stephanus Edenſis: Die Wand-Laͤuſe ſeynd
kleine/ aber unruͤhige und ſcharff-ſtechende Thierlein: dieſe Wand-Laͤuſe
aber ſeynd die Ehr-abſchneidende Reden; und dieſe werden ſeyn an den
Menſchen und am Viehe; in allen Orden/ Staͤnden und Geſchlechten;
bey Jung und Alten/ unter Reichen und Armen/ bey Herren und Knech-
ten wird dieſes Ubel ſehe erbaͤrmlich hauſen. Viele ſeynd/ die auß
Schamhafftigkeit ihren Neben-Menſchen ins Angeſicht nicht ſchmaͤ-
hen; wenig aber/ ja ſo gar kaum einige werden gefunden/ ſo die
Chre ihres Naͤchſten mit unbedachtſamen Reden nicht beſchmitzen.
Ad Ce-
lantium.Mit dieſem ſtimmet ein der heilige Paulus/ und ſagt: gar wenig
ſeynd/ welche dieſes Laſter nicht an ſich haben; und es werden ſelten einige
gefunden
[105]Von der Verleumdung oder Ehrabſchneidung.
gefunden/ die ſo unſtraffbahr leben/ daß ſie den Handel und Wandel ihres
Nechſten nicht tadlen: man ſiehet dieſes Ubel in den Hertzen der Menſchen
dergeſtalt den Meiſter ſpielen; daß auch die jenige/ ſo andern Laſtern nun-
mehr voͤllig den Ruͤcken gekehret; von dieſem gleichwohl noch gefangen/ und
an ihr aͤuſſerſtes Verderben gebunden werden.
2. Wann nun die Verleumdung nach Meinung dieſes H. Vatters/
bey den guten ſo gemein iſt/ daß ſie dieſerthalben der Gefahr ihrer Seeligkeit
ſich unterwerffen; ſoll man dann nicht billig ſuchen dieſes Unkraut außzu-
roͤpffen? geſtalt die Verleumder neben andern Ubelen/ ſo ihnen zuſtoſſen/ von
einigen H. H. Vaͤttern auch den Schweinen verglichen werden/ die nicht ſo
ſehr die Blumen/ als eben den Miſt und andern Unflat deß Gartens lieben/
und in ſelbigem ſich weltzen: gleicher maſſen pflegen die Ehrabſchneider die
gute und tugentſame Werck mit ſo groſſem Frolocken nicht hervor zu brin-
gen/ als eben ſie die Maͤngel und Verbrechen ihres Nechſten/ zu deſſen guten
Nahmens Vergeringerung/ bey andern zu erzehlen ſich befleiſſen. WeitersL. 12. A-
ſtra
Fauſt.
vergleicht der H. Vatter Auguſtinus einen Verleumbder dem Raben/ wel-
cher auß der Archen Noe iſt gelaſſen worden/ und nicht wieder kommen; wei-
len er den todten Leibern und auff dem Waſſer ſchwimmenden Aaſten ſich
zugeſellet hat. Einen guten und auffrichtigen Menſchen aber verſtehet er
durch die Taube/ ſo den gruͤnen Zweig eines erbaren Lobs im Mund zuruͤck
gebracht: Wiederumb ein ander vermeinet/ dieſes Laſter ſeye aͤhulich demMarch.
in hort.
Paſt. 11.
4. lect. 17.
Schweiff deß Apocaliptiſchen Drachen/ ſo der H. Joannes in ſeiner Offen-
bahrung geſehen/ daß er mit ſelbigem den dritten Theil der Sternen auß dem
Himmel gezogen; ſolcher Weiß wird auch die Verleumbderung den meiſten
Theil der Menſchen in den Abgrund der Hoͤllen verſencken: zu Verhuͤtung
ſothanen Unheils ermahnet der weiſe Salomon uns treulich/ da er ſpricht:
Ein boͤſes Maul thue von dir hinweg/ und laſterhaffteProv. 4.
v. 24.
Lippen laß weit von dir ſeyn.
3. Haͤtte doch dieſen kurtzen Spruch wohl behertziget/ und im Werck er-
fuͤllet jener Geiſtliche in Engelland/ ſo waͤre ſelbiger ſeinem ewigen Verder-
ben ohne zweiffel alſo jaͤmerlich nicht in den Schlund gefahren: dieweilen er
aber/ wie Drexelius meldet/ dem aͤuſſerlichen Anſehen nach/ nicht aber den
Sitten gemaͤß ein Geiſtlicher/ aller/ ſo wohl ſeiner Bruͤder als auch anderer
Ehre und guten Nahmen immer zu verdunckelen und zu verkleinern ſich nicht
geſcheuet hat; und immittelſt durch eine gefaͤhrliche Kranckheit zum End ſei-
nes Lebens gerathen/ iſt er von denen umbſtehenden Prieſtern bruͤderlich er-
mahnet worden zu gedencken/ daß er nunmehro in kurtzem den Weeg der E-
Owigkeit
[106]Die Zehente Geiſtliche Lection
wigkeit zu wandern genoͤthiget werde/ derhalben ſolle ſich mit einem ſichern
Reiß-Pfenning/ nemblich den H. H. Sacramenten verſehen laſſen; iſt er
nach gegebenem ſo heylſamen Rath gantz verhartet worden/ und hat mit zu-
mahliger Verzweiffelung geantwortet: ſchweiget nur ſtill/ mein Heyt iſt
verſchaͤrtzet/ ewere Ermahnungen koͤnnen mir weiters nicht helffen: da die-
ſes die umbſtehende gehoͤrt/ haben ſie den verzweifflenden Menſchen mehr als
vorhin zu betten ſich unterſtanden; er wolle doch an die Barmhertzigkeit ſei-
nes Erloͤſers gedencken/ auff ſelbigen ſeinen Hoffnungs-Aneker werffen/
und ſich verſicheren/ daß GOtt auch nach einem eintzigen hertzlichen Seuff-
tzer ihu in ſein vorige Gnad auffzunehmen bereit ſeye: Sie haben/ mit ei-
nem Wort zu ſagen/ dieſen mißtrauenden Suͤnder in der Hoffnung zu be-
ſtaͤttigen/ keine Mittel unterlaſſen: aber/ leider GOTTES! alles umb-
ſonſt: der ſterbende hat ſeine Zung herauß geſteckt/ mit dem Finger auff ſel-
bige bedeutet/ und geſagt: dieſe boͤßhaffte Zung ſtuͤrtzet mich in die ewige
Verdamnuͤß: nach dieſen Worten iſt alsbald die ehrruͤhriſche Zung der-
geſtalt auffgeſchwollen/ daß er ſie nicht mehr hat koͤnnen zuruͤck ziehen: alſo
iſt dieſer armſeelige Menſch der Gnaden GOttes beraubet geſtorben/ und
uns ſaͤmptlichen ein grauſames Beyſpiel hinterlaſſen/ auff daß wir durch
deſſen Schaden witzig/ und alſo von dieſem ſo groſſen Laſter der Verleumb-
Prov. 21.
v. 23.dung befreyet werden moͤchten: Dann der ſeinen Mund verwahret
und ſeine Zung; der verhůtet/ daß ſeine Seelnicht in Angſt
komme.
4. Gleich wie dann keiner wird gefunden werden/ der nicht ein billiges
Abſcheuen von der bittern Geſellſchafft dieſer verfluchten Seelen in der Hoͤl-
len trage; alſo fliehe nun auch ein jeder das Ehrabſchneiden; damit er unter
die Zahl dieſes und anderer Verleumbder/ als ein Mitgeſell nicht gezchlet
werde auff Erden Nehme wahr meine Chriſtliche Seel die Lehr und Ex-
empeldeines Heytands/ welchen der hohe Prieſter gefragt/ von ſemen Juͤn-
gern und von ſeiner Lehr; hat aber keine andere Antwort bekommen/ als dieſe:
Jch hab oͤffentlich fůr der Welt geredet/ und hab nichts
im verborgenen geredet: was frageſt du mich? frage die
jenige/ die gehoͤrt haben/ was ich zu ihnen geredet hab: von
ſeinen Juͤngern aber hat er nichts geantwortet/ dieweilen er zur ſelben Zeit
noch wenig guts und loͤbliches von ihnen erfahren: dann einer hatte ihn verra-
then/ der andere verlaͤugnet/ und die uͤbrige waren von ihrem Herrn fluͤchtig
worden: Dieſe iſt geweſen die Urſach deß Stillſchweigens: Hierauß lerne
die Suͤnden deines Nechſten zu verbergen; und wann du nichts gutes haſt
von
[107]Von der Verleumdung oder Ehrabſchneidung.
von ihme zu reden/ ſo ſchweige auch das Boͤſe/ ſo dir vielleicht bekandt iſt:
Dieſes hat der Heil. Vatter Auguſtinus nicht allein allezeit nach ſeiner Be-Poſſidon
in vita.
22.
kehrung ſelbſt unſtraͤfflich gehalten; ſondern andere zur Verſchoͤnung der
Ehren ihres neben-Menſchen unauff hoͤrlich angetrieben: und damit er ſeine
Gaͤſt von uͤberfluͤſſigen und ſchaͤdlichen Reden und Verleumbderungen ab-
halten moͤchte; hat er ober halb deß Tiſchs dieſen Vers ſchreiben laſſen.
Allen Fleiß hat dieſer heil. Vatter angewendet/ daß der obgeſetzte Spruch
beſter maſſen gehalten wuͤrde; ſo gar/ daß er auch einsmahls einigen Biſchof-
fen/ wiewohl ſeinen ſehr geheimen Freunden/ dieweilen ſie von andern uͤbel
geredet; an oͤffentlicher Tafel mit dieſen Worten zugeſprochen: Oder wir
muͤſſen den oben dieſer Tafel geſchriebenen Befelch vernichtigen/ oder wir
muͤſſen von hinnen gehen: Jmgleichen hat der Heil. Joannes Eleemoſyna-Faber in
Conc. 6.
Dom. 6.
poſt
Pent.
rius verbotten/ auch die jenige zu urtheilen/ ſo da oͤffentlich ſuͤndigten: dann
ſagt er/ es kan ſeyn/ daß ſie ihren Fehler durch die Bußfertigkeit ſchon erken-
net haben; und deßwegen iſt es eine ungerechte Sach/ daß der Menſch
das jenige muthwilliger Weiß urtheile/ und durch die Zaͤhn ziehe/ was von
Gott ſelbſten ſchon verziehen iſt.
5. Wie viel aber dergleichen Suͤnder/ ſo von GOtt ihres Verbrechens
Nachlaſſung wuͤrcklich erhalten/ werden dannoch freventlicher Weiß von
uns gerichtet/ als wann ſie dieſe ihre Miſſethaten im geringſten nicht bewei-
net/ noch gebeſſert haͤtten! Ein jeder ſchawe fleiſſig zu/ daß ihm nicht wider-
fahre/ was jener Clerch oder welt Geiſtliche von ihm ſelbſten nach ſeinemIn ſpecul
Exempl.
Hiſtoria.
Todt bezeuget hat: dieſer hat in ſeinen Leb - Zeiten keine Gelegenheit den
Nechſten zu laͤſtern verſaumet; derhalben iſt er ſeinem Geſellen verſproche-
ner maſſen in einer ſo erſchroͤcklichen Geſtalt mit Fewer umbgeben erſchie-
nen/ daß dieſer auß Forcht und Grewel zur Erden gefallen; der dann nach-
mahls wiederumb zu Kraͤfften kommen/ ſich erkuͤhnet und gefragt; wo ihm
ſein loß waͤre hingefallen/ in das Feeg-Feuer/ oder in die Hoͤlle? in Ewigkeit/
antwortet der Geiſt/ in Ewigkeit/ ach! in Ewigkeit bin ich durch das gerechte
Urtheil GOTTES verdammet/ weilen alle/ denen ich die Ehr jemahlen
abgeſchnitten/ ſeynd erſchienen/ da ich vor dem Richter umb Rechen-
ſchafft zu geben geſtanden/ und haben mich groͤblich angeklaget;
O 2der-
[108]Die Zehente Geiſtliche Lection
derhalben iſt die Sententz der ewigen Verdamnuß uͤber mich ergangen. Daß
aber die goͤttliche Gerechtigkeit mit den Verlaͤumbdern ſo ſcharff verfahre/
iſt nicht zu verwunderen; ſintemahlen dieſelbe nach Zeugnuß deß H. Apoſtels
Rom. 1.ſeynd Feinde GOttes: auch hat dieſe Warheit gnugſamb erkennet der Koͤ-
nigliche Prophet David/ derowegen gibt er zu verſtehen/ wie ſehr ihm dieſes
Pſalm.
100. v. 5.Laſter zu wider geweſen: Der ſeinen Nechſten heimblich ver-
leumbdet/ den hab ich verfolget: von dieſer ſo gemeinen Suͤnde hat
gleichwohl der gottſeelige Kayſer Conſtantinus der groſſe ein ſolches Ab-
Baron.
tom. 3.
An. 325.ſcheuen gehabt; daß von ihm dieſe Wort oͤffter ſeynd gehoͤret worden; wann
ich mit meinen Augen ſchen wuͤrde/ daß ein Biſchoff mit einem vermaͤhlten
Weib ein Blut-Schand begienge; ſo wolte ich dieſe ſchaͤndliche That mit
meinem Kayſerlichen Feld-Zeichen bedecken/ damit die jenige/ ſo dieſes
ſchaweten/ keines weegs verletzet wuͤrden: wann ein ſolcher Herr und Mo-
narch der Welt ſo ſehr die Ehr ſeines Nechſten eyfferet/ was ſollen wir dann
nicht thuen/ den guten Nahmen unſeres neben-Menſchen zu erhalten? Laſſet
uns flehen ſo weit wir koͤnnen fuͤr dieſer Peſt; laſſet uns meſſen/ wie wir wil-
len/ daß uns gemeſſen werde; und wann wir begehren/ daß GOTT unſere
Suͤndenbedecke/ und gar vernichtige; ſo laſſet uns auch ſchweigen/ und ber-
gen die Maͤngel unſerer Bruͤder und Schweſtern.
6. Auff daß du mich aber/ meine Chriſtliebende Seel/ recht verſteheſt/ ſo
gebe Achtung/ daß du auß folgender Lehr abnehmen koͤnneſt; wann es zuge-
gelaſſen/ und auch nothmendig ſeye/ von eines anderen Suͤnde zu reden. So
ſage ich dann/ daß in zweyen Zufaͤllen oder Begebenheiten koͤnne und moͤge
ohne Gefahr der Verlaͤumbderung oder Ehr abſchneidung von deß Nechſten
Suͤnde bey andern Meldung geſchehen: Erſtlich/ wann die Suͤnde allbereits
gemein und andern iſt kundbar worden/ alſo daß man bey allen davon reden
hoͤret: Zweytens/ wann man die Suͤnde dem jenigen offenbahret/ der dieſelbe
zu ſtraffen Gewalt hat/ und dem ſuͤndigen Menſchen helffen kan: Dieſe Of-
fenbahrung zu thuen ſeynd wir offtmahlen ſchuldig; wie der Heil. Thomas
lehret; damit die verborgene Wund und Geſchwaͤr nicht faͤulig werde. Jm
uͤbrigen iſt es auch wohl zu mercken/ daß es nicht allein boͤß/ und Gott miß-
faͤllig ſeye/ wann man ſeinem Nechſten die Ehr und guten Nahmen ver-
kleineret; ſondern/ auch/ wann man den Verleumbder anhoͤret: derhalben
Lib. 2. de
conſid.ſagt der H. Bernardus: Was unter dieſen beyden das aͤrgeſte
ſeye; das Ehrabſchneiden/ oder den Ehrabſchneider. an-
hoͤren; darüber ſtehe ich in Zweiffel: So muß man dann
auch die Geſellſchafft der Verleumbder hefftig meiden; von denen
der
[109]Von der Verlaͤumbdung/ oder Ehr abſchneidung.
der jetzt-gemeldte Kirchen-Lehrer abermahl alſo redet: Meine Seel ſollSerm. 24.
in Cant.
nicht kommen in den Rath der Verlaͤumbder/ dieweilen
ſie GOtt haſſet/ wie der Apoſtel ſchreibet: die Ver-
laͤumbder ſeynd Feinde GOttes. Und weilen der Heil. VatterIn regu-
la mon.
c. 22.
Hieronymus den ſchaͤdtlichen Athem dieſes Laſters vermercket/ hat er ſeine
unterhabende Geiſtliche mit dieſen treu-hertzigen Worten ermahnet: Wann
ihr einen Verlaͤumbder hoͤret uͤbel reden von ſeinem Naͤchſten/ denſelben
ſolt ihr fliehen wie eine Schlang/ damit er alſo beſchaͤmet werde/ und lerne
von ſeines Neben-Menſchen Thun und Laſſen fortan zu ſchweigen. Wann
aber einer den Verlaͤumbder mit Gedult gern anhoͤret/ ſo reichet derſelbe
ſolchem Ehr-Abſchneider das Feuer-Gezeug/ und bereitet das Zuͤndl; die-
ſer aber ſchlagt das Feuer hinauß. Wird er aber ſothanem Boͤßwicht mit
einem Widerwillen und betruͤbtem Angeſicht zuhoͤren; alsdann kan man
ſich Hoffnung machen/ daß er mit gewoͤhnlichem Frolocken hinfuͤhro wer-
de ſagen/ was er vermerckt hat/ daß er mit einem Abſeheuen iſt angehoͤret wor-
den. Wann wir dieſem nicht nachleben; ſo werden wir von der grau-
me Suͤnd deß Ehr-Abſchneidens nicht befreyet ſeyn: dann gleich wie nicht
allein der jenige Ubet thuet/ ſo das Hauß ſeines Naͤchſten anzuͤndet; ſondern
auch/ der zu Beſchauung das Waſſer zu reichen vernachlaͤſſiget: alſo iſt
nicht allein der Verlaͤumbder/ ſondern auch der geneigte Zuhoͤrer der Schuld
und Straff verfallen; wie ſolches der H. Thomas mit dieſen Worten be-
kraͤfftiget: Welcher die Verlaͤumbdung anhoͤret/ und derſelben nicht wider-
ſprechet/ von dem iſt zu muthmaſſen/ daß er dem Verlaͤumbder beyſtimme;
derhalben wird er auch derſelben Suͤnde theilhafftig.
7. Haſtu verſtanden/ mein Chriſtliche Seel/ wie gefaͤhrlich es ſeye den
Verlaͤumbdern zuzuhoͤren? ſo huͤte dich fuͤr ihnen/ und folge nach dem Vlyſ-
ſen; von dem Homerus erzehlet/ daß er ſehr behutſamb geweſen ſeye/ und
den Betrug und Argliſt der Sirenen oder Meer-Wundern wohl gewiſt/ die
mit ihrem lieblichen Geſaͤng die Menſchen zum Schlaffen bewegen/ und ſie
alsdann pflegen ins Meer zu ſtuͤrtzen. Damit nun der obgemelte Vlyſſes
mit den ſeinigen dieſer Gefahr entgehen/ und auff dem Meer ſicherlich
ſchiffen koͤnnte; hat er allen ſeinen Schiff-Leuten die Ohren mit Wachs
verſtopffet/ und ſich an den Maſt-Baum binden laſſen; und iſt an ſelbigem
ſo lang gehefftet blieben/ biß der annehmliche Geſang der Sirenen/ durch
immerwaͤhrendes Fortſeegelen nicht mehr hat koͤnnen gehoͤrt werden. Wilſtu
nun auff dieſem ungeſtuͤmmen Meer der Welt von dem liebreichen Geſang
der Sirenen/ ich ſage; von dem ſanfften und betrieglichen Sauſen der Ver-
O 3laͤumbdung
[110]Die Zehente Geiſtliche Lection
laͤubder nicht betrogen werden/ und in den Schlaff der Suͤnden fallen; ſo
verſperre deine Ohren mit dem fuͤr ſichtigen Vlyſſe, nicht aber mit Wachs/
c. 28. 28.ſondern mit Doͤrnen/ wie dich und mich der Weyſe Mann lehret: Ver-
zeune deine Ohren mit Doͤrnen/ und hoͤre nicht/ was
ein boͤſe Zung redet; mache Thůren und Schloͤſſer an dei-
nen Mund und Ohren. Er befilcht nicht den Zaun auß Blumen;
als Roſſen und der gleichen/ ſondern auß Diſtelen und Doͤrnen zu machen/
wann wir den Ubel-Nachredenden den Eingang verſperren wollen. Der
Zaͤune gebrauche man ſich/ umb die Aecker damit gegen die wilde Thier/
und umb die Gaͤrten gegen die Dieb zu beſchuͤtzen: die Doͤrnen aber dienen
umb die Ohren wider die Verlaͤumbder; ſo nicht fuͤglicher koͤnnen abgehal-
ten werden/ als wann man ihnen ein ſcharffes und ernſtliches Geſicht zei-
get/ und ſie ermahnet/ deß Ubel Nachredens ſich zu enthalten. Solte es
aber ſolches zu thun auß billigen Urſachen nicht rathſamb ſeyn; ſo muß man
ſich ſolcher Geſellſchafft/ ſo viel moͤglich iſt/ entziehen; oder von den Ver-
laͤumbderiſchen Reden zu anderen beſſern und ehrbarern Geſpraͤchen zu
ſchreiten ſich unterſtehen: dann gleich wie man einen wuͤtenden Stier einen
Mantel oder deßgleichen Decke uͤberwirfft/ damit man demſelben deſto
beſſer entgehen kan/ indem er mit ſolchem Mantel zu ſchaffen hat; alſo
muͤſſen wir zu Errettung deſſen/ der verkleinert wird/ andere Reden vorbrin-
gen. Dieſes hat mit unſterblichem Ruhm beobachtet der Engliſche Cantz-
ler Thomas Morus: dann da er vermerckte/ daß einige mit ihrer Senſe in
die Ehr ihres Naͤchſtens hinein hieben; ſuchete er alſobald von andern Din-
gen zu reden/ und ſagte: es mag ein jeder vermeinen und ſagen was er wolle;
ich halte es darfuͤr/ daß dieſes Hauß wohl erbauet ſeye/ und einen guten
Baumeiſter gehabt habe. Lerne nun auß dieſem/ mein Chriſt-liebende
Seel/ wie noͤthig es ſeye zur Seeligkeit/ daß man dieſe beyde Ubelen verhuͤ-
te; und nehme vor Lieb das jenige/ was zu deinem Heyl von dieſem
ſchaͤdlichen Laſter bißhero geſagt worden.
Die
[111]
Die Eilffte Geiſtliche
LECTION
Von der Demuth.
11. v. 29.
můthig von Hertzen.’
Der Erſte Theil.
1. GLeich wie ein Gebaͤu ohne Grund-Veſt nicht beſtehen kan/ alſo wird
an dem herrlichen Bau der Tugenden/ ohne die Demuth vergeb-
lich gearbeitet; dergeſtalt/ daß auch ein jede Tugend verdaͤchtig ge-
halten werde/ ſo mit der Demuth nicht verſehen iſt. So iſt dann dieſe Tu-
gend ſo nothwendig/ daß ſie ohne andere ſeyn kan/ ohne ſie aber andere nicht
beſtehen koͤnnen; dieweilen ſie iſt eine Erfuͤllung oder Erſetzung der andern/
wie der Gottſeelige Rodericius beweiſet. Dahin ziehlet auch der Heil.
Vatter Auguſtinus mit dieſen Worten: Wilſtu groß ſeyn: ſoTr. 3. c. 39.
p. 2.
fange vom niedrigiſten an. Gedenckeſtu auffzurichten
einen Ban groſſer Hoͤhe; ſo laß dir vorhin angelegen ſeyn
das Grund-Veſt der Demuth. Weiters hoͤre/ mein Chriſtliche
Seel/ mit was vor Ehren-Titulen dieſe Tugend von den H. H. Vaͤttern
benambſet werde. Einige nennen die Demuth ein Fundament oder Grund-
Veſt der Chriſtlichen Weißheit: andere ein Artzeney der auffgeblaſſe-
nen oder hoffertigen Menſchen/ andere ein Schildwacht der Tugenden:
andere/ den meiſt-glantzenden Edelgeſtein an dem herrlichen Kleyd deß ho-
hen Prieſters. Der Heil. Baſilius tauffet ſie den aller-ſichereſten Schatz
aller Tugenden. Der vor - benennte Rodericius bricht alſo von dieſer
Tugend loß/ und ſagt; gleich wie alle Stern in Ankunfft der Son-
nen ihren Schein verliehren; alſo werden alle andere Tugenden
verduncklet/ nachdem die Demuth in das menſchliche Hertz iſt eingetretten.
Und
[112]Die Eilffte Geiſtliche Lection
Und abermal/ gleich wie ein Blum von der Wurtzel lebet/ und ohne ſelbige
verduͤrret; alſo muͤſſen alle Tugenden/ wann ſie durch die Wurtzel der De-
muth nicht erhalten werden/ alsbald verwelchen. Schließlich kan die De-
muth unter allen Tugenden die niederigſte und hoͤchſte billig genennet wer-
den; dann/ wie mehr ſie den Menſchen erniedriget; deſto mehr erhebt
und erhoͤhet ſie denſelbigen.
2. Damit wir aber in Erfahrung kommen moͤgen/ worinn die ware
Demuth beſtehe/ ſo wirds noͤthig ſeyn/ dieſelbe mit folgender Pinſel zu ent-
2. 2. q. 151.werffen. Der H. Thomas ſagt: Die Demuth iſt ein loͤbliche
Verwerffung ihrer ſelbſten zu den allerniderigſten Dingen.
Hierauß ſchlieſſen wir nun/ daß die Verrichtung dieſer Tugend zweyfachig
ſeye: nemblich/ daß man ſich nicht erhoͤhe/ oder erhoͤhet zu werden verlange/
mehr als man verdienet: und daß man ſich alſo erniedrige/ und erniedriget
zu werden trachte/ daß man ſich deß verdienten Lohns nicht wuͤrdig
ſchaͤtze. Zu dieſen zween Aembtern oder Verrichtungen koͤnnen alle Staf-
felen der Demuth/ ſo andere nicht ohne Muͤhe erfunden haben/ gezogen
werden. So viel nun das erſte Ambt betrifft/ muß/ dieſem gemaͤß/ der
Menſch ſich oder ſeinen Verdienſten nichts zuſchreiben/ ja ſo gar/ er muß
nicht begehren von andern gelobt/ geehret/ oder auch anderen (auffs we-
nigs denen/ die hoͤher als er/ oder ſeines gleichen ſeynd) vorgezogen zu wer-
den; ſondern muß ſich vielmehr der Gaben GOttes unwuͤrdig/ und zu al-
len Dingen untauglich aclten. Zu dem andern Ambt gehoͤret/ daß er allen/
auch dem geringſten weiche/ und auff ſolche Weiß mit ſich/ als dem aller-
veraͤchtlichſten Menſchen umbgehe in ſeinen Gedancken/ Worten und
Wercken; und daß er wuͤnſche/ ſuche und ſich erfreue/ auch von andern fuͤr
einen ſolchen verwuͤrfflichen Menſchen gehalten zu werden. Jn ſothanem
dreyfachigen Staffel beſtehet dann die hoͤchſte Vollkommenheit der De-
muth. Es wird aber einer veraͤchtlich oder verwuͤrfflich gehalten durch die
Gedancken; wann oder er ſelbſt/ oder andere eine ſchlechte Meynung von
ihm haben/ denſelben freventlich urtheilen/ oder falſche Argwohn von ihm
ſchoͤpffen. Mit Worten wird einer veraͤchtlich gehalten/ wann er
nemblich verachtet wird/ wann muͤndlich geſtrafft wird/ wann mit Schelt-
und Schmaͤh-Worten wird angegriffen/ und ſeine verborgene Maͤngel von
andern offenbahret werden. Alsdann wird ſchließlich auch einer mit den
Wercken veraͤchtlich hergenommen/ wann man ſelbigen zu Verrichtung
der aller geringſten und veraͤchtli chſten Dingen gebrauchet; wann er in an-
derer Geſellſchafft mit dem niederigſten Orth muß vor lieb nehmen/ und
wann
[113]Von der Demuth.
wann er mit den ſchlechteſten Speiſen und untaͤuglichſten Kleidern vor an-
deren geſpeiſet und bekleidet wird.
3. Solte nun einer dieſe heylſame Lehr verwerffen/ und dergeſtalt veraͤcht-
lich tractirt zu werden/ ſich weigeren/ denſelben kan man verſicheren/ daß er
mit ſothaner Tugend der Demuth zumahlen nicht gezieret ſeye; dieweilen
nach Zeugnus deß Heil. Thomaͤ/ der jenige/ ſo nach Ehren trachtet/ die Ver-
kleinerung zu leiden ſich ſcheuet/ und wann verachtet wird/ daruͤber erblei-
chet; wann ſolcher ſchon Wunder-Zeichen wircket/ hat gleichwohl die wahre
Vollkommenheit bey weitem nicht erreichet; dann keine Tugend daſelbſten
Platz findet/ allwo das grundveſt aller Tugenden nemblich die Demuth er-
mangelet: derhalben wir leſen im Leben der H H. Vaͤtter; daß/ da einsmahls
ein geiſtlicher Bruder von ſeinen mit-Bruͤdern in Beyſeyn deß H. Antonii
gelobt worden/ der jetzt gemeldte H. Vatter aber in Erfahrung zu kommen
verlangt/ ob derſelbige Bruder auch Unbill ertragen koͤnte: indem ſich nun in
der That erwieſen/ daß er ſolches mit geziemender Gedult zu leiden nicht ver-
moͤcht/ hat ſelbigen vorgemeldter Antonius verglichen mit einem Hauß/ wel-
ches dem aͤuſſerlichen Anſehen nach/ wohl gezieret ſcheinet/ inwendig aber
ſich zeiget/ daß von den Moͤrdern beraubet und verunehret ſeye: dan/ obſchon
ſolcher vor den Leuthen mannigmahl fuͤr tugentſamb wird angeſehen/ wird
er jedoch als ſolcher vor den Augen GOttes nicht gehalten; weilen ein wah-Serm. 16.
ſup. Cant.
rer Demuͤthiger/ ſpricht der H. Bernardus/ nicht verlangt/ daß man ihn vor
demuͤthig/ ſondern wilt/ daß man ihn vor veraͤchtlich halte/ und erfrewet ſich/
wann er verachtet wird: Wie angenehm nun ein ſolcher der goͤttlichen Ma-
jeſtaͤt ſeye/ kan ein jeder mit mir auß den Worten/ mit welchen der himmliſche
Braͤutigam die Schoͤnheit ſeiner Braut hat loben wollen/ gnugſamb erfah-
ren: Wie ſchoͤn ſeynd deine Gaͤnge in den Schuhen/ du Fůr-Cant. 7.
ſten Tochter? darumb ſagt recht der H. Ludovicus Thololanus: nichts
iſt Gott ſo angenehm/ als wann wir durch die Verdienſten unſeres Lebens
groß/ und durch die Demuth klein ſeynd/ ſintemahlen wie geringer ſich ſelb-
ſten einer ſchaͤtzet/ wie hoͤher er von Gott geachtet wird: derhalben laſſet unsLib. revel
cap. 42.
dieſer Tugend uns befleiſſen/ dann dieſe die jenige iſt/ welche (wie CHriſtus
zu der H. Brigitta geſagt) GOtt ſelbſten in unſer Hertz einfuͤhret: dahero
nicht unbillig ſagt der fromme Thomas à Kempis:Seye demüthigL. 2. c. 8. §.
3.
und fridſam/ ſo wird Jeſus bey dir ſeyn.
4. Seynd dann nicht gluͤckſeelig und abermahl gluͤckſeelig die wahre De-
muͤthige/ indem ſie in dem innerſten ihres Hertzen den Koͤnig aller Koͤnigen/
den Herrn aller herſchenden als einen wohlmeinenden Gaſt verpflegen? der-
Phalben
[114]Die Eilffte Geiſtliche Lection
halben vor keinem auch dem allerſtaͤrckſten und maͤchtigſten Feind zu foͤrch-
ten haben/ weilen dieſer Jeſus die demuͤthige beſchuͤtzet/ und ſelbige wider al-
len feindlichen Anfall und Verſuchung unverletzt verthaͤtiget/ wie neben un-
zahlbaren anderen im Leben deß Heil. Antonii zu leſen: dann da ſelbiger zu ſi-
cherer Zeit den gantzen Erdbodem von unſerm allgemeinen Feind mit Stri-
cken die Seelen zu fangen/ belegt geſchen/ hat er mit groſſem Seufftzen uͤber-
laut geruffen/ ach/ wer wird doch immer allſolchen Stricken entg[e]hen koͤn-
nen! und ſiehe/ alsbald wird durch eine Stimm dem Antonio geantwortet/
Ruffin.
vit. PP. l.
2. n. 170.
De recta
vivendi
ratione.der Demuͤthige: derhalben ſagt recht der Heil. Ephrem: in Warheit/ ſo du
wirſt genaue Achtung haben/ wirſt du uͤberall die feindliche gleichſamb mit
ſuͤſſem Hoͤnig der weltlichen Wolluͤſten angeſtrichene Fallſtrick finden/ daß/
wann du deren Suͤſſigkeit zu ſchmecken verlangeſt/ alsbald gefangen werdeſt:
ſo laſſe es dir dann abermahl geſagt ſeyn/ wilſt du den Stricken deß Teuffels
entgehen/ ſo liebe die Demuth/ dann du mit leichten und zum fliegen ſehr be-
quemlichen Fluͤgelen ſothaner Tugend dich dergeſtalt in die Hoͤhe ſchwingen
werdeſt/ daß niemahlen koͤnneſt gefangen werden/ zumahlen kein beſſer und
kluͤglicher Anſchlag den hoͤlliſchen Feind zu uͤberwinden/ und kein ſo ſicheres
Mittel/ das ewige Leben zu erlangen/ gefunden wird/ als eben die Demuth:
zu deſſen mehrerer Beſtaͤttigung geleſen wird von einem/ welcher/ nachdem
er auff ſeinem Todtsbett langwirige Ohnmachten außgeſtanden/ endlich wie-
Diſcip.
ſerm. 32.
l. p.
Hiſtoria.
1.derumb ſeiner ſelbſt maͤchtig worden/ und geweinet: da er nun die Urſach die-
ſes Weinens befragt worden/ hat er geantwortet: ich habe geſehen/ daß
GOTT ſonderbahr liebe die Demuͤthige/ und an denen ein groſſes Ge-
fallen habe/ derohalben hab ich vor Frewden geweinet/ weilen er auch meine
Werck/ ſo ich alle in geziemender Demuth geuͤbet hab/ gern hat angenom-
men: und derowegen mir befohlen worden iſt/ euch zu verkuͤndigen/ daß
der jenige/ ſo will ſeelig werden/ ſich nothwendiglich muͤſſe demuͤthigen/ und
der Lehr CHRJSTJ deß Herrn nachleben/ der da ſpricht: Lehrnet
von mir/ dann ich bin ſanfftmůthig und demüthig von
Hertzen: Wann derohalben wir auch in unſerem immerwaͤhrenden Streit
den leidigen Sathan zu uͤberwinden verlangen/ ſo laſſet uns fleiſſig uͤben die
Demuth/ ſo da gleich iſt einem ſpitzigen Degen/ durch welchen wir uns ver-
thaͤtigen/ und unſere Feinde uͤberwinden; zumahlen vor ſolchen Waffen
(wie pflegt zu ſagen die Heil. Magdalena de Pazis) der hoͤlliſche Feind ſich
foͤrchtet und flehet
5. Solchen Degen hat ergriffen ein ſicherer Einſidler/ und alſo den
Teuffel verjaget/ demnach ſelbiger ihme in der Geſtalt Chriſti erſchienen und
geſagt:
[115]Von der Demuth.
geſagt: ich bin Chriſtus/ und weilen durch deine Verdienſten du mir gefal-
leſt/ derhalben hab ich dich perſoͤhnlich wollen beſuchen: ſo bald aber der ge-
meldte Einſidler dieſen falſchen Chriſtum geſehen/ hat er mit beyden Haͤn-
den ſeine Augen verſperret/ und geruffen: ich will Chriſtum allhier zeitlich
nicht ſehen; mir iſts gnug/ wann ich ihn werde ſehen in ſeiner Herrligkeit:
deßgleichen ein ander gethan/ welcher in Ankunfft eines ſolchen vergeſtalteten
Chriſti; demſelben mit dieſen Worten zugeredet: ſehe zu/ zu wem du
kommen biſt/ ich bin fürwahr ſolcher nit/ der in dieſem Le-
ben einen Heyland zu ſehen verdiene: auch hat er ſich gebraucht
der Worten deß Heil. Apoſtels Petri: Herr gehe von mir hinauß/ dann ich
ein veraͤchtlicher Menſch bin/ und deine Erſcheinungen nicht verdiene/
dieweil ich ein Suͤnder bin: und hat alſo dieſen boͤſen Chriſtum von ſich
hinweg getrieben. Gleich wie nun dieſe beyde Einſidler durch ihre gerin-
ge Meinung von ſich ſelbſten dem Garn deß hoͤlliſchen Jaͤgers ſeynd entwi-
chen; alſo wuͤrden ſelbige durch ſothane ieuffliſche Erfindungen unfehlbar
gefangen worden ſeyn/ wann nemblich der vorgemeldten Erſcheinungen
wuͤrdig zu ſeyn vermeinet haͤtten; dann unter allen das kraͤfftigſte Mittel iſt/
dieſes ſo groſſen Feinds Kraͤfften zu ermatten/ die Demuth; derohalben der-
ſelbe unter allen Tugenden an dem Menſchen zum meiſten haſſet und foͤrch-
tet die Ernidrigung deß Hertzens; wie im Leben deß Heil. Macarii zu leſen;
zu dieſem/ da er zum Koͤrbe machen einige Weyden-Buͤndlein auß dem Pful
herauß getragen/ kombt einsmahls der hoͤlliſche Feind mit einer Senſen/ fal-
let ihn grauſamblich an/ und troͤhet ihme mit dieſer Senſen toͤdtlich zu verle-
tzen/ und ob er ſchon unauffhoͤrlich ſich bemuͤhete/ den frommen Abten mit
ſeinem Waffen zu beſchaͤdigen/ vermochte doch ſolches mit nichten; ſon-
dern redete denſelben ſcharff mit dieſen Worten an: du Macari, verurſa-
cheſt mir in meinem Kriegen groſſe Unruhe/ und was in dero mich am mei-
ſten plaget und betruͤbet/ iſt dieſes/ daß ich keine Kraͤfften habe/ dich zu uͤber-
winden: du ſolſt wiſſen/ daß alle die jenige Werck/ ſo du zur Ehren GOttes
verrichteſt/ ich mit groͤſſerem Eyffer und Strengigkeit uͤbe und geuͤbet habe:
Du faſteſt; Jch aber hab vom erſten Augenblick meiner Erſchaffung biß zu
gegenwaͤrtiger Zeit keine Speiß geſchmecket: du bringeſt gantze Nachten
ohne Schlaff zu; und ich ſchlaffe niemahlen ein eintziges Augenblick: du
halteſt die Keuſchheit/ und ich begehe keine eintzige That/ ſo dieſer
Tugend zu wider iſt: du verachteſt alle Guͤter der Welt; und
ich hab zu denſelben niemahlen die geringſie Neigung getragen:
P 2Du
[116]Die Eilffte Geiſtliche Lection
Du matteſt die Glieder deines Leibs ab mit vielfaͤltiger und ſcharffer Zuͤch-
tigung; und ich werde mit den hoͤlliſchen Flammen in alle Ewigkeit gepei-
niget: in dieſem allein uͤber windeſt du mich/ und ich dir auch zu weichen ſchul-
dig bin/ nemblich daß du demuͤthig biſt/ und klein in deinen Augen/ dann in
dieſer Tugend mit dir zu ſtreiten/ ich keinen fuͤglichen Platz finde/ auff wel-
chem ich gegen dich obzuſiegen/ mir getrauen koͤnte.
6. Verlangeſt du nun auch/ mein Chriſtliche Seel/ der verfluchten Gei-
ſter Kriegs-Heer zu uͤberwinden/ ſo hoͤre/ und zugleich erhoͤre Chriſtum ruf-
fen: diſcite \& c. lehrnet von mir/ dann ich bin ſanfftmuͤthig und demuͤthig von
Hertzen: derhalben wann Chriſtus ſich alſo gedemuͤthiget/ daß er auch einem
Wurm ſich zu vergleichen keinen Schew getragen hat: wie er durch den
Pſ. 21. v. 7.Mund deß Koͤniglichen Propheten bezeuget: ich aber bin ein Wurm/
und kein Menſch/ eine Schmach der Leute/ und eine Ver-
achtung deß Volcks: derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ wan man mit
dir gleich einem Wurm umbgehet/ ſo huͤte dich/ daß nicht ſolches dir eine un-
zimbliche Traurigkeit verurſache/ weilen dergleichen Traurigkeit eine An-
zeigerin iſt der Hoffart: ſondern vielmehr/ wann man dich plaget/ wan man
mit Unbill wider dich verfahret/ uͤbertrage ſolches ſtandhafftig/ und ſage jeder-
zeit mit Carolomanno einem Fuͤrſten auß Franckreich/ ſo auß einem Herrn
auff dem Berg Caſſino ein armer Geiſtlicher worden/ und da er von der O-
brigkeit zu der Kuͤchen-Arbeit verordnet worden/ und von dem Koch auch ſo
gar mit Maultaſchen verehret wurde/ hat alles mit hoͤchſter Demuth gelit-
ten/ und nichts anders geſagt/ als dieſes: der Herr verzeyhe dirs und
Carolomannus.JnSumma: alle Kraͤfften deß Teuffels verlichren ſich in
ſtaͤter Ubung dieſer ſo herrlichen Tugend/ darumb erzehlte einsmahls ein ſi-
cherer Geiſtlicher/ daß er die boͤſe Geiſter alſo miteinander redend gehoͤrt ha-
be. Wan wir die Muͤnchen beunruͤhigen/ und einer unter ihnen ſich demuͤti-
get/ ſo vernichtiget ſolches alle unſere Kraͤfften: wie wahr nun dieſes ſeye/ iſt
auß folgendem klaͤhrlich zu ſehen. Zwey leibliche Bruͤder dieneten Gott zuſam-
men in einer Wohnung/ und uͤbeten ſich in geiſtlichem Leben mit aller Zu-
friedenheit; damit aber der Urheber alles Ubels dieſes friedſame Leben durch
einigen Zweyſpalt zerſtoͤren moͤchte/ hat er mit Umbwendung deß Leuchters
ihnen das Liecht außgeloͤſchen: woruͤber der aͤlteſte zur Ungedult beweget/ ſei-
nen Bruder zu ſchlagen angefangen: dieſer aber unter dem Schlagen wider-
holte nichts anders/ als dieſes: Habe Gedult mein Bruder/ habe
Gedult/ anjetzo will ich hingehen/ und das Liecht wiederumb
anzuͤnden: Dieſe Demuth hat den Geiſt deß Unfriedens der-
geſtalt
[117]Von der Demuth.
dergeſtalt geſchmertzet/ daß er ab ſolchen Verluſt nicht gnugſamb beklagen
koͤnnen. Derhalben/ mein Kind/ was hier geſagt iſt/ nehme fleiſſig in ob-
acht/ und eigene dir ſelbiges alſo zu/ auff daß du mit den Demuͤthigen und
Friedſamen das erfreuliche Sieg-Craͤntzlein dar von zu tragen gewuͤrdiget
werdeſt.
Der andere Theil.
7. WJewohl nun auß angezogenem vielfaͤltigen Beweiſthumb ſattſam
zu ermeſſen iſt/ worinnen die wahre Demuth beſtehe; nichts de-
ſtoweniger hab ich fuͤr gut befunden/ denen obbemeldten Erwei-
ſungen annoch einen Zuſatz zu geben/ inſonderheit von den Staffelen dieſer
herlichen Tugend/ deren der erſte ſeyn ſoll die Verachtung ſeiner ſelbſten.
Dieſem Staffel gemaͤß/ ſagt der ſeelige Laurentius Juſtinianus, daß dieTr. de
hum. c. 1.
Demuth eine Tugend ſeye/ durch welche der Menſch Vermoͤg der Erkand-
nuß ſeiner/ ſich ſelbſten mißfallet. Der aber auff ſolche Staffel zu ſteigen
verlanget/ der nehme wahr die folgende Antwort eines alten Einſidlers/ wel-
cher/ da er gefragt wurde/ wie man die wahre Demuth erwerben koͤnnte/ ga-
be zur Antwort: das beſte Mittel darzu ſeye dieſes/ wann nemblich der
Menſch nur allein ſeine eigene/ und nicht anderer Verbrechen betrachtete.
Wann derſelbige nach dem Rath deß H. Bernardi/ ſich ſelbſt fragete? Was
biſtu geweſen? und alsdann nach der Warheit ſich zu antworten ge-
zwungen wurde: Ein heßlicher Saamen. Was biſtu? Ein
Geſchirr deß Vnflats. Was wirſtu werden? Ein
Speiß der Wůrmen. Wann/ ſag ich/ ein jeder ſich alſo ſelbſt fra-
gete/ wuͤrden wir auſſer allem Zweiffel in allen Tugenden mercklich zuneh-
men. Ware nicht mit allerhand Tugenden erfuͤllet ein Fuͤrſt der Apoſteln
der H. Petrus? ware nicht auch mit denſelben gezieret ein Lehrer der Heyden
der H. Paulus? Fragſtu mich nun/ durch welche Straſſen dieſe beyde A-
poſteln zu ſolchen Tugenden gelangt ſeyen; ſo gebe ich dir zur Antwort/ durch
den Weeg der Demuth und Erkaͤndtnuß ihrer ſelbſten: dann Petrus ſagt
zu ſeinem Lehr-Meiſter: HErr gehe von mir hinauß/ dieweilnLuc. 5. v.
8.
ich ein ſůndiger Menſch bin. Und Paulus ſchaͤmbte ſich nicht zu
ſagen: Jch bin der geringſte unter den Apoſteln/ der ich nit
werth bin/ daß ich ein Apoſtel genannt werde. Dahero die-
ſe vor anderen den Vorzug zu haben verdienet/ weilen unter andern ſich am
meiſten gedemuͤthiget. So hat dann recht geſagt der vorgemeldte Geiſt-
reiche Vatter: Wie tieffer einer in ſich ſelbſten hinunter ſteiget/ und wie
mehr er ſich ſelbſten mißfallet; deſto hoͤher ſteiget er zu GOtt.
P 38. Daß
[118]Die Eilffte Geiſtliche Lection
8. Daß aber dieſem alſo/ ſolle uns mit ſonderbahrem Nachdruck bekraͤff-
Vita. P.
4. c. 133.tigen der H. Matiæ Magdalenæ de Pazis, groſſe Heiligkeit/ zu der ſie ver-
mittelſt einer vollkommener Demuth und Vernichtigung ihrer ſelbſten
gelangt iſt. Dann obwohln dieſe Dienerin GOttes nit allein keine toͤdtliche/
ſondern auch keine merckliche laͤßliche Suͤnden jemahlen begangen/ ſo iſt
ſie gleich wohl gemeiniglich zum Tiſch deß HErrn gangen in ſteter Forcht/
daß wegen ihrer Unwuͤrdigkeit von der Erden ſolte verſchlunget werden.
Sie ſchaͤtzete ſich den hoͤlliſchen Geiſtern gleich/ hielte gaͤntzlich darfuͤr/ daß
ſo wohl deß Craͤntzlein der Jungfrauſchafft und in ſelbiger GOtt zu dienen/
als auch deſſelben Gaaben und Gnaden zumahlen unwuͤrdig waͤre. Alle
ihre Mit-Schweſtern hielte ſie vor vollkommen/ und ſich allein vor unvoll-
kommen: ſie lobte alle andere/ und kuͤſſete deren Fuß-Stapffen. Auch eh-
rete ſie ihre untergebene Lehr-Kinder dergeſtalt/ daß ſich ſelbige hoͤchlich zu
verwunderen billige Urſach ſchoͤpfften/ indem ſie ſahen/ daß als Lehr-Juͤnge-
gerinnen von ihrer Meiſterinnen ſo ſehr geehret wurden. Jhren eigenen
auch den geringſten Fehler thaͤte ſie als die hoͤchſte Undanckbarkeit gegen
GOtt/ ſehr hoch empfinden. Darzu vermeinte ſie/ daß nicht allein aller
Verbrechen ihrer Cloͤſterlichen Mit-Schweſtern/ ſondern auch aller Suͤn-
den der gantzen Welt die meiſte Urſach ſeye; derhalben ſie GOtt bettete/ er
moͤgte doch anderer verſchoͤnen/ und mit allen verdienten Straffen gegen ſie
nach aller Gerechtigkeit verfahren. Auch verwunderte ſich offtmahl nicht
wenig dieſe H. Jungfrau/ daß ſie von GOtt/ von ſeinen H. H. Engelen und
Auſſerwaͤhlten/ auff Erden zu leben/ geduldet werde. Wie vielmahl hatte
ſie gefoͤrchtet/ die Erde wuͤrde ſich auffthuen und ſie verſchlingen? und wei-
len ſie immerzu den Argwohn hatte/ ſie moͤgte wegen ihres uͤbelen Verhaltens
auß dem Cloſter verſtoſſen werden/ derowegen hat die Augen deß Leibs in Ge-
genwart und Geſpraͤch anderer auffzuſchlagen/ ſich ſelten getrauet. Mit zit-
tern ſahe man gemeiniglich das demuͤthige Maͤgdlein mit anderen zur Kir-
chen hing[e]hen/ dieweilen in groſſer Forcht ſtunde/ es moͤgte der gerechte Gott
wegen ihrer eigenen groſſen Suͤnden/ andern Mit- Schweſtern Gebett
verwerffen/ und /was noch mehr iſt/ ſie hielte gaͤntzlich darvor/ es muͤſſe ein
groſſes Miracul ſeyn/ daß GOtt einer ſo boͤſen Creatur ſein heiliges Lob zu
ſingen/ ſich gebrauchen thaͤte. Da nun unſere Heilige ſich im Todts-Bett
befunden/ hat ſie die Umbſtehende angeredet und geſagt/ daß derhalben von
der Welt hinweg genommen werde/ damit wegen ihres ſuͤndigen Lebens/ die
Welt auch zugleich mit ihr/ als eintziger Urſach alles Boͤſes/ nicht geſtraffet
werde; dann ſo lang ſie in der Welt lebte/ ſtunde die Welt in Sorgen/ daß
ihrentwegen von GOtt moͤgte uͤbel gehalten werden. Das heiſcht/ ſich
demuͤ-
[119]Von der Demuth.
demuͤthigen! von dieſer H. Jungfrauen/ andaͤchtiger Leſer/ laſſet uns unſer
Augen ſchlagen auff den demuͤthigen Franciſcum: in deſſen Leben geleſenHiſtoria.
wird/ daß ein Kloſter-Geiſtlicher unter waͤhrendem Gebett einen herrlichen
und mit allerhand koſtbahren Edel-Geſteinen auff daß ſchoͤnſte außgezierten
Thron geſchen habe/ da er dann alſobald von den Umbſtehenden ſich befraget/
wem dieſer praͤchtige Seſſel doch moͤge zubereitet ſeyn/ und hat zur Antwort
bekommen/ daß dieſer dem demuͤthigen Franciſco zugchoͤre; darauff dann der
gemelte Geiſtliche ſehr erfreut/ den H. Franciſcum gefragt hat; was er von ſich
ſelbſten hielte? deme dann der demuͤthige Mann geantwortet: mich gedun-
cket gaͤntzlich/ und halte es darfuͤr/ daß ich unter allen Suͤndern der Groͤſte bin.
Dieſes kahme nun dieſem Geiſtlichen ſeltzam vor/ derhalben den Franciſcum
fragete; wie er ſolches ohne Verletzung der Warheit von ſich ſagen koͤnnte?
hierauff hat Franciſcus zur Antwort gegeben: er zweiffele nicht daran/ daß
der aller gottloſeſte Suͤnder/ ſo auff Erden lebt/ beſſer ſeinem GOtt und
Herrn dienen wurde/ als er thue; wann dergleichen Gnaden und Barmher-
tzigkeit empfangen haͤtte. Laſſet uns/ liebe Chriſten/ laſſet keinen Verdruß
ſchoͤpffen das jenige nachzufolgen/ welches ſo wohl belohnet wird. Ein jeder
bilde ſich gaͤntzlich ein/ er ſeye ein groͤſſer Suͤnder als andere: dann obwohln
er ſich keiner ſehr groſſen Suͤnden bewuſt iſt; ſo wuͤrde er doch in dergleichen
Suͤnde fallen/ wan ihm darzu Gelegenheit gegeben/ und hergegen die Gnad
GOttes entzogen wuͤrde. Jn ſolchem Sinn gabe Zeugnuß von ſich ſelbſten/
und zwar auß gantzem ſeinem Hertzen der H. Philippus Nerius/ daß er ſeye
der allergroͤſte Suͤnder der gantzen Welt: und pflegte taͤglich die Goͤttliche
Majeſtaͤt mit dieſen Worten anzur eden: HErr/ huͤte dich heut vor mir; dann
ich werde [dich] dieſen Tag verrathen/ wie der Judas gethan hat; und werd noch
mehr Boͤſes thuen/ als er gethan hat/ wann du mich nicht bewahreſt. Auch
pflegte er zu ſagen: Groß iſt die Wunde der Seiten Chriſti; und wann mich
GOtt nicht abhielte/ wuͤrde ich meinem Heyland eine weit groͤſſere Wunde
machen. Jn Summa/ es iſt nicht außzuſprechen/ wie erſchrecklich ein ſolche
Demut den boͤſen Geiſtern vorkomme/ vermittels deren der Menſch ſich ſelb-
ſten veraͤchtlich wird/ und ſich fuͤr einen groſſen Suͤnder haltet. Dieſe War-
heit kan einiger Maſſen auß folgender kurtzen Geſchicht erkennet werden: dan/
da einsmals dem hoͤlliſches Feind von einem from̃en alten EinſidlerbefohlenHiſtoria.
worden/ von einem Beſeſſenen zu weichen; hat ſelbiger ſich darzu willig erbot-
ten/ wan ihm der Alte zuvor offenbahren wolte/ welche Boͤck/ und welche Laͤm-
mer waͤren. Hierauf hat ihm der Einſidler geantwortet: die Boͤck ſeynd die je-
nige/ ſo ſeynd/ wie ich bin; die Laͤmmer aber ſeynd Gott bekant. Da dieſes der
der Teuffel gehoͤret/ hat er uͤberlaut geruffen: ſiehe/ ſiehe du Alter durch deine
Demut werd ich gezwungen meine Wohnung zu verlaſſen.
[120]Die Eilffte Geiſtliche Lection
10. Solten wir wohl dieſen heiligen Maͤnnern in ſolchen Tugenden fol-
gen koͤnnen? Wanns waͤre ein ſtrenges Faſten/ waͤre es ein haͤrenes Kleid/
oder ſolten es andere ſchwehre Buß-Werck ſeyn/ oder gar auch/ wann wir
ihre gethane Wunder-Werck nachzufolgen geladen wuͤrden; ſolte mancher
Urſach finden ſich zu entſchuldigen: nun aber/ da wir nur allein die bloſſe
Warheit von uns ſelbſten zu bekennen geforderet werden; ſeynd dannoch ſo
nachlaͤſſig und trewloß in dieſer Bekaͤndtnuß/ daß wir gegen unſer Wiſſen
und Gewiſſen uns unſerm Naͤchſten vorziehen/ und nicht gedencken/ daß
wir eben ſo wohl haͤtten fallen koͤnnen als andere; daß wir eben ſo ſchwach
als ſelbige/ und alle uns widerfahrne Gnad der vermaͤßlichen Guͤtigkeit
GOttes allein zuzuſchreiben ſeye. Was iſt leichter zu thuen/ als das/
wann ich meinen Neben-Menſchen ſehe oder hoͤre in vielerley Suͤnden fal-
len/ ich alsdann mich uͤber ſelbigen nicht erhoͤhe; ſondern gedencke/ das die
jenige Suͤnden ich eben ſo wohl wuͤrde begangen haben/ als dieſer oder jener/
wann mich nicht GOtt durch ſeine Gnad davon abgehalten haͤtte. Sage
mir/ mein Chriſtliche Seel; ſolche Warheit von Hertzen zu bekennen/ iſt
das ein ſchwehre Sach? Jch hoͤre du ſagſt nein/ ſondern es ſeye leicht zu thun;
und gleichwohl fallet dir nicht ein/ daß/ gleich wie einen den jenigen Schatz/
ſo ihme von einem andern reichen Mann zu bewahren anvertrauet wird/ den-
ſelben nicht als den ſeinigen ſich zumaͤſſet/ ſondern ſeine Armuth gerne beken-
net/ daß er nemblich nicht daruͤber zu ſchalten habe; alſo auch der jenige leben
muͤſſe/ der die Gnad GOttes erlanget hat/ daß er/ ſage ich/ gern geſtehe
ſeine Wenigkeit/ und ſich nur allein als einen Huͤter dieſer Reichthumben
vor jederman erkenne. Nehme derhalben an die guͤldene Lehr deines Crloͤ-
Luc. 14.
v. 10.ſers/ der da ſpricht: Wann du geladen wirſt/ ſo gehe hin/ und
ſetze dich unten an; damit wann der kombt/ der dich ge-
laden hat/ zu dir ſpreche: Freund/ rucke hinauff/ alsdan
wirſta Ehr haben vor denen/ welche mit zu Tiſch ſitzen.
Welcher aber iſt dieſer unterſte Orth anders/ als die Hoͤlle? dann durch die
Hochzeit wird verſtanden das Reich der Himmelen/ zu deme wir alle eingela-
den ſeynd: dieſes Reich aber erſtrecket ſich biß zu der Hoͤllen/ nach dieſen
G. 5 19.Worten deß H. Evangeliſten Matthæi:Wer eins von dieſen ge-
ringſten Gebotten auffloͤſet/ und die Menſchen alſo lehret/
der wird der geringſte im Himmelreich genannt werden:
das iſt: wie es die H. H. Vaͤtter außlegen/ er wird inder Hoͤllen ſeinen Sitz
haben. So laſſet dann uns in unſern Gedancken an dieſen niedrigen
Orth ſetzen/ indem wir darfuͤr halten/ daß wir unſerer Suͤnden halber
der
[121]Von der Demuth.
der ewigen Straff wuͤrdig ſeyen: und wann wir dieſem alſo werden nach-
kommen; ſo werden wir auch ohne allen Zweiffel von unſerm gebenedey ten
Heyland hoͤren die erfreuliche Stimm: Freund rücke hinauff; an die-
ſen niedrigſten Orth hat ſich geſetzet der fromme Urigman deß H. Domini-
caner Ordens geiſtliche Bruder/ welcher ſich alſo gedemuͤthiget/ daß er kei-
nen bequemlicheren Platz fuͤr ſich hat finden koͤnnen/ als in der Tieffe der
Hoͤllen/ und zwarn noch unter dem Lucifer ſelbſten/ weilen er vermeinte/ daß
ſolchen Orth am allerbeſten verdienet habe: und ſiehe/ nach dieſer Ernidri-
gung ſeiner ſelbſten/ hat er dieſe Stimm vom Himmel gehoͤret: Bruder U-
rigman/ ſteige geſchwind herauff zu dem Allerhoͤchſten Hertzen GOttes:
Solche Demuth/ wie CHRJSTUS der heiligen Brigittaͤoffenbahret
hat; iſt ein Leiter/ auff dero man zu dem Hertzen GOttes hinauff ſteiget:Revel. c.
39.
Grad. 25.
c. 2. \& 3.
daß alſo ſcheine/ billig geſagt zu haben der hocherleuchte Climacus: So offt
du wirſt ſehen oder hoͤren/ daß einer innerhalb wenig Jahren die hoͤchſte Ru-
he oder Stille des Hertzens (ſo man nach erlangter Vollkommenheit erſt-
lich erhaltet) erworben habe; ſo gedencke/ daß ſelbiger keinen andern Weeg/
als den gluͤckſeeligen und kurtzen Weeg mit den Fuͤſſen der Demuth ge-
wanderet habe: zumahlen die Demuth/ nach Auſſag deß heiligen Baſilii derSerm. de
Abdic.
rerum.
Erden gleich iſt/ auß der erwachſet und gezogen wird der Baum der Liebe; ſo
da vorbringet die Blumen der Tugenden/ und die Fruͤchten der Gnaden in
der Seelen deß Menſchen.
11. Weiters/ mein Chriſtliche Seel/ laſſe dich unterrichten von einem
Leder-Gaͤrber/ wie angenehm dieſe Tugend der goͤttlichen Majeſt. ſeye: Der
fromme Einſidler Antonius iſt in ſeiner Zellen im Gebett begriffen; da laſſetVit. PP.
Ruffin l.
2. n. 118.
Hiſtoria.
ſich hoͤren eine Stimm: O Antoni/ Antoni/ du biſt noch nit zu der Maaß deß
jenigen Leder-Gaͤrbers kommen/ welcher in der Statt Alexandria wohnet:
dieſes kompt dem guten Alten ſeltzamb vor/ daß er/ ſo bald die Nacht vorbey
gangen/ ſeinen Stecken ergreiffet/ und nach Alexandria mit groſſem Ver-
langen eylet: woſelbſten er den gemeldten Mann findet/ und in ſeinem
Hauß/ nicht ohne groſſe Verwunderung deſſelben/ gantz freundlich begruͤſ-
ſet/ und ſagt/ guter Freund/ mein Begehren iſt/ daß ihr mir ewere Wercke
und Weiß zu leben erzehlet; dann ich bin dieſerthalben auß meiner Einoͤde
hiehin kommen: der Leder-Gerber antwortet/ er koͤnne ſich nicht erinneren/
daß er jemahlen was gutes gethan habe: dieweilen aber Antonius damit
nicht befriediget; ſondern weiters anhaltet/ er wolle ihm doch ſeine Manier
zu Leben offenbahren; erklaͤhret der gute Mann ſein Leben/ und ſagt:
Qwann
[122]Die Eilffte Geiſtliche Lection
wann ich deß morgens auffſtehe/ und ehe ich zu meiner Arbeit gehe; erkenne
ich gern/ und ſage von Hertzen/ daß dieſe gantze Statt vom kleineſten biß
zum groͤſten/ wegen ihrer gerechten Wercken zum Reich GOttes zu ge-
langen wuͤrdig ſeye; und ich allein durch meine Suͤnden die ewige Straf-
fen verdiene: und dieſes ſage ich ebenfalls von Grund meines Hertzens
in aller Warheit/ ſo offt mich zum ſchlaffen niederlege: da dieſes der Heil.
Antonius hoͤret/ ſpricht er; mein Sohn/ du biſt fuͤrwahr ein guter Kuͤnſt-
ler/ du ſitzeſt in deinem Hauß mit aller Zufriedenheit und Ruhe/ und er-
langeſt den Himmel: ich aber habe gleichſamb ohne gebuͤhrliche Beſchei-
denheit ſchier alle meine Zeit in der Wuͤſten zugebracht/ und bin noch nicht
kommen zu der Maaß deiner ſothanen uͤblichen Worten: Jch mache den
Schluß hierauß/ daß nichts fuͤrtrefflicher und GOTT gefaͤlliger koͤnne
gefunden werden/ als daß einer von ſich ſelbſten gaͤntzlich darfuͤr halte/ er
ſeye aller Verſchaͤmung/ aller Straff und aller Verſpottung vor allen
andern Menſchen wuͤrdig: derhalben der Heil. Iſidorus einen jeden billig
ermahnet mit dieſen Worten: Seye klein in deinen Augen/ damit du groß
ſeyeſt in den Augen deineß Herrn: dann wie du wirſt in deinen Augen ſeyn
verwuͤrfflicher/ ſo viel wirſt du in den Augen GOTTES ſeyn koſt-
bahrer.
12. Huͤte dich aber/ huͤte dich/ ſag ich/ daß du mit keiner gemach-
ten und falſchen Demuth dich bekleideſt; dann viele/ ſagt der heilige
Hieronymus in einem Send-Schreiben/ ſuchen den Schatten der
Demuth; wenig aber ſeynd/ ſo nach der Warheit trach-
ten. Es iſt leicht zu thuen/ daß man mit einem ſchlechten Kleid auffzie-
he/ daß man einen demuͤthiglich gruͤſſe; daß man einem Haͤnd und Fuͤß
kuͤſſe; daß man mit geneigtem Haupt/ und niedergeſchlagenen Augen die
Demuth und Sanfftmuth gleichſamb verſpreche: kein groſſen Lob ver-
dienet/ daß man langſamb und ſtill rede/ oͤfftermahl ſeufftze/ und zu allen
Worten ſich einen Suͤnder und armſeeligen Tropffen erkenne: ſondern
dieſes iſt/ was von einem demuͤthigen erfordert wird; daß er nemblich durch
keine Reden muͤſſe im geringſten zur Ungedult bewegt werden: daß er in
allen widrigen Begebenheiten den geneigten Halß nicht außſtrecke/ die
nieder geworffene Augen nicht erhebe/ und den ſuͤſſen Klang der vorigen
Stimm in ein ungebuͤhrliches Ruffen und Außfahren zu ſeiner Ver-
thaͤtigung nicht veraͤndere. Erkenne mein Menſch/ daß du ein Suͤnder
ſeyeſt;
[123]Von der Demuth.
ſeyeſt; erkenne aber ſolches nach dem dir gezeigten Ebenbild der obgemeld-
ten Freunden GOttes: und damit du auß ſothaner Erkaͤndnuß den ver-
langten Nutzen gewinnen moͤgeſt; ſo bemuͤhe dich allhier zeitlich alle Wi-
derwaͤrtigkeiten/ ſie kommen von wannen ſie immer wollen/ ſtandhaͤfftig-
lich zu leiden/ indem du geſtcheſt/ daß ſolche durch dein Verbrechen bey
Gott verdienet haſt.
Der dritte Theil.
13.WEr ſich vollkommentlich verwerffet/ der achtet ſich vor
den geringſten unter allen; er fliehet alles menſchliche
Lob und Ehr; er erfreuet ſich wann er verachtet und ver-
niedriget wird; er ſuchet die verwuͤrfflichſte Aempter zu vertretten/ und
haltet ſich zu allen Sachen vor untaͤuglich: Weilen nun dieſer von uns
vorhin verzeichnete Staffel die uͤbrige alle gleichſamb in einer Summen
in ſich begreiffet: ſo iſt nur allein noͤthig/ daß wir das jenige/ welches die-
ſer als der fuͤrnehmſte Stapffel verborgener Weiß in ſich faſſet; einem je-
den oͤffentlich fuͤr die Augen ſtellen: Derhalben muß ein wahrer demuͤti-
ger ſich den aller geringſten ſchaͤtzen unter allen; wie der gottſeelige Tho-
mas à Kempis ſagt: Gedenck/ oder achte nicht/ daß du et-L. 2. c. 2.
§. 2.
was gewonnen habeſt (in der Demuth) es ſeye dann daß
du halteſt/ als ob du unter allen der geringſte waͤreſt: und
an einem andern Orth ermahnet er uns alſo: Begib und lege dichL. 2. c. 10.
§. 2.
allezeit auffdas niedrigſt/ ſo wird dir gegeben werden das
hoͤchſte: dann das hoͤchſte beſtehet nicht ohne das nie-
drigſte: Die hoͤchſte Heylige vor GOTT/ ſeynd die we-
nigſte vor ihn ſelber: und je ehrlicher und hoͤher ſie von
andern gehalten werden/ deſto demůthiger ſeynd ſie in
ihnen ſelber: Dieſes hat uns auch gerathen unſer Heyland mit dieſen
Worten: Wann du zur Hochzeit wirſt beruffen/ ſo ſetze
dich an den niedrigſten Orth: Damit du/ ſagt der demuͤthigeSerm. 37.
ſuper
Cant.
Bernardus/ mit allein unter allen der letzte ſeyeſt/ und nicht allein keinem dich
vorſetzeſt: ſondern auch dich keinem zu vergleichen erkuͤhneſt:
Dann du haſt keine Gefahr zu foͤrchten/ wann du dich ſchon ver-
niedrigeſt/ und den allergeringſten halteſt/ wie du inuner koͤn-
neſt: Es iſt aber ein groſſes Uebel und eine grauſame Gefahr
Q 2vorhanden
[124]Die Eilffte Geiſtliche Lection
vorhanden/ wann du auch einem eintzigen in deinen Gedancken dich vor-
zieheſt: Eben ſelbiges lehret uns die glorwuͤrdige Himmels Koͤnigin
mit ihrem eigenen Vorgang/ da ſie der Heil. Brigittaͤ zur Nachfolgung
ihrer Demuth alſo zuredet: Meine Tochter/ fliehe zu dem Mantel meiner
Demuth/ und gedencke/ du ſeyeſt ein groͤſſere Suͤnderin als andere; Dann
ob du ſeheſt einige Boͤſe; ſo weiſt du doch nicht/ was morgen auß ihnen werde:
du weiſt auch nicht/ auß was vor Meinung und Wiſſenſchafft ſie ſolches
Ubel begehen/ ob ſie auß Schwachheit/ oder fuͤrſetzlich ſolches thuen: Der-
halben ziehe dich keinem Menſchen vor/ und richte keinen in deinem Her-
tzen: Watz iſt ſchmertzlicher bey den Welt-Kindern/ als das empfangene
Unrecht verhaͤlen/ und ſich unter allen vor den unwuͤrdigſten halten? ein ſol-
che Demuth/ meine Tochter/ ware die meinige. Dieſe ſeynd die Wort Ma-
riaͤ zu ihrer Tochter Brigittaͤ.
14. Es gehoͤret auch zu der Demuth/ daß man die Ehren und Wuͤrden
fliehe nach dem herrlichen Exempel deß heiligen Ephrem; welcher von kei-
nem Menſchen wolte gelobet ſeyn/ ja er entwiche uͤber all den jenigen/ ſo ihn
preiſeten/ nicht anders als ſeinen aͤrgiſten Feinden: und da man ihm die
Biſchoffliche Wuͤrden hat aufftragen wollen; iſt er auff oͤffentlichem
Marck als ein unſinniger Menſch herumb gelauffen/ hat ſeine Kleider zer-
riſſen/ und dergleichen andere Boſſen veruͤbet/ daß ihn ſeine Geſellen als ei-
nen Narren von ſich gelaſſen/ und dieſes hohen Ambts zumahlen unfaͤhig ge-
halten haben. Was hat nicht gethan der heilige Gregorius? der zum all-
gemeinen groſſen Hirten der Schaͤfflein CHRJSTJ/ durch einhaͤl-
lige Stimmen/ und mit unglaublichem Frolocken aller Menſchen erwaͤh-
let worden; und hat dannoch weder durch Bitten/ weder durch andere
Beredungen zu ſolcher Ehren koͤnnen gezogen werden: und er gefehen/ daß
ihm der Weeg zum Fliehen verſperret geweſen/ hat er ſich in einem Faß auff
den nechſt gelegenen Berg tragen laſſen/ und iſt daſelbſt in einer Hoͤhlen
ſo lang verborgen geweſen/ biß er durch eine fewrige Seul verrathen/ in
der Klufften gefunden/ und die obgemeldte Wuͤrden anzunehmen gezwun-
gen worden. Nicht weniger hat auch die weltliehe Ehren gemeydet der
De Div.
Serm. 5.
40.glorwuͤrdige Vatter Auguſtinus/ welcher von ſich ſelbſten alſo ſchreibet:
ſo ſehr hab ich das Biſchtumb gefoͤrchtet/ daß ich/ weilen der Ruff
meines Nahmens nunmehro hin und wieder zu erſchallen angefan-
gen/ mich ſonderbahr gehuͤtet/ dahin zu kommen/ allwo kein
Biſchoff
[125]Von der Demuth.
Biſchoff ware: und daruͤber hab ich mich befliſſen/ ſo viel mir moͤglich gewe-
ſen/ daß ich an einem niedrigen Orth moͤgte mein Seeligkeit erwerben/
und an einem hohen mich nicht in Gefahr der ewigen Verdambnuß ſetzete.
Wann nun/ mein Chriſtliche Seel/ fuͤr dieſem Feind alſo erſchrecken die
Rieſen deß außerwaͤhlten Volcks/ ſollen wir arme Menſchlein nicht billigere
Urſach zu foͤrchten haben? wie die Peſt ſollen wir das Lob der Menſchen
fliehen; alle Gelegenheit zu den Ehren meyden; der Geſellſchafft deren
Weltlichen und anderer/ ſo in Wuͤrden ſeynd/ und durch deren Macht und
Huͤlff wir zu denſelben gelangen koͤnnen/ uns/ ſo viel moͤglich iſt/ entſchla-
gen; die Einſambkeit lieben; vor unnoͤthigen Reden uns fleiſſig huͤten/
und lieber wollen veracht als gelobt ſeyn/ nach dem Exempel deß heiligen
Dominiei/ welcher zu Toloſa wegen ſeines Predigen ſehr werth gehalten
wurde; derhalben er von dannen nach Carcaſſon ſich verfuͤgete: und da er
die Urſach deſſen gefragt wurde/ gab er zur Antwort: zu Toloſa ſeynd
viele die mich ehren; zu Carcaſſon aber viele/ die mich verſpotten/ und mir
zu wider reden.
15. Noch weiters verlanget ein wahrer Liebhaber der Demuth von an-
dern veracht zu werden auff die Art und Manier der Apoſtelen: welche
giengen froͤhlich vom Angeſicht deß Raths/ dieweil ſieAct. 1. 5.
wůrdig geachtet worden fůr den Nahmen JESVcap. 4. ex
§. 44.
Schmach zu leyden. Dann gleich wie die Weltliche Leuthe/ ſagt
der heilige Ignatius Lojola, dem jenigen folgen/ was der Welt iſt/ daſſel-
bige lieben; das menſchliche Lob/ Ehr und groſſen Nahmen ohne Ver-
druß alſo ſuchen/ wie ſie von der Welt gelehret werden: ſolcher maſſen die-
jenige/ ſo im Geiſt GOttes zunehmen/ und mit allem Ernſt Chriſtum
nachfolgen/ lieben und verlangen inbruͤnſtig die Dinge/ ſo ihnen hefftig zu
wider ſeynd; dergeſtalt auch/ daß ſie/ wann ſolches ohne Verletzung der
Goͤttlichen Majeſtaͤt/ und ohne Suͤnd deß Naͤchſten geſchehen koͤnnte/ gern
alle Schmach/ alle falſche Zeugnuß/ und alles Unrecht wolten außſtehen;
auch fuͤr unwitzige und unſinnge Menſchen (ohne darzu gegebene Gelegen-
heit) gehalten werden; dieweil ſie wuͤnſchen ihrem HErrn einiger maſſen
gleich zu ſeyn/ denſelben zu folgen/ und mit dem Wappen und Kleidungen
JEſu Chriſti verſehen zu werden. Wie hoch aber dieſer Staffel zu ſchaͤ-
tzen ſeye/ bedeutet uns gnugſamb der ſeelige Laurentius Juſtinianus mit
dieſen Worten: Nicht ſo groſſe Tugend iſts/ die Ehren ver-In Vita e-
jus.
achten/ als die Verachtung ſuchen: dann ein groͤſſer Sach
iſt dieſe/ daß du nemblich nicht achteſt/ wann du ůbel ge-
Q 3hal-
[126]Die Eilffte Geiſtliche Lection
halten werdeſt; als dieſe/ daß du nicht trachteſt von an-
dern geehrt zu werden. Dieſe iſt ſonſten die hoͤchſte Vollkommenheit/
daß du von andern uͤbel gehalten zu werden verlangeſt. Unter andern/ die ſolche
Pelag. L.
15 n. 52.Verſchmaͤhung eifferig ſuchten/ ware auch der fromme Abt Ammon/ ſo von
einem Weib ein Narr geſcholten wurde/ und zur Verantwort gabe dieſe
Frag: Wieviel Arbeit vermeinſtu/ daß ich in unterſchiedlichen Cinnoͤden an-
gewendet habe/ umb dieſe Narrheit zu erwerben? Von einem andern Einſid-
ler ſchreibt Ruffinus alſo im Leben der H.H. Alt-Vaͤtter.
118.
Hiſtoria.
16. Ein alter Einſidler in dem unteren Theil der Wuͤſten ſaſſe und ruhe-
te in ſeiner Hoͤlen/ und ein weltlicher Menſch wartete ihm auff. Unterdeſſen
truge ſichs zu/ daß ein Sohn eines andern Weltlichen kranck wurde/ der dan
dieſen Alten eyfferig erſuchete/ daß in ſein Hauß kommen/ und fuͤr die Ge-
neſung deß Patienten GOtt bitten moͤgte: auff dieſes Begehren deß Vat-
ters ſtunde der Einſidler auff und gienge mit ihm: da ſie nun auff dem Weeg
wahren/ eilete dieſer Weltliche vorauß/ und befahle ſeinen Haußgenoſſen/
daß ſie mit ihm dem Alten Einſidler ſolten entgegen gehen: dieſer aber/ da er
von Weitem die mit brennenden Lampen ſahe her auß kommen/ vermerckte er/
daß dieſes umb ihn zu empfangen geſchaͤhe; derhalben/ damit er dieſen Ehren
ent gehen/ und fuͤr einen thoraͤchtigtigten Menſchen moͤgte gehalten werden;
zoge er ſeine Kleider auß/ und lieſſe ſich in den Fluß/ in dem er gantz nackend
ſich zu waſchen anfienge. Da dieſes der vorgedachte Auffwarter ſahe/ wurde
er ſchamroth/ und begehrte von den andern/ ſie wolten doch wiederumb nach
Hauß kehren/ dieweil der Alte ſeine Vernunfft verlohren habe. Nachdem
er aber hernach den Einſidler fragte/ warumb er ſich alſo verſtellet habe/ daß
die Leute ihn fuͤr einen Beſeſſenen geurtheilet? bekam er zur Antwort: deß-
wegen hab ich dieſes gethan/ damit ich fuͤr einen ſolchen gehalten wuͤrde. Jm
uͤbrigen koͤnnen wir von der H.Maria Magdalena de Pazis erfahren/ wie
ſehr dieſe Thorheit und Verachtung ſeiner ſelbſten von GOtt geliebet wer-
de. Dieſe H. Jungfrau hat einsmals geſehen die Allerſeeligſte Mutter deß
HErrn in ihren Haͤnden tragen ein koſtbares Geſchirr/ ſo mit dem Safft
der Goͤttlichen Gaben erfuͤllet ware: und iſt auch gewuͤrdiget worden von
derſelben zu vernehmen dieſen Jnhalt: ſolcher reine/ ſuͤſſe und an ſich ziehen-
de Safft wird den jenigen mitgetheilet/ welche die menſchliche Weißheit und
Klugheit fahren laſſen: dieſen ziehen an ſich die jenige/ ſo mit groſſem Eyf-
fer ſuchen die Gerechtigkeit und Reinigkeit deß Hertzens/ und die thoraͤchtig
ſeynd worden umb Chriſti Willen.
17. Aber-
[127]Von der Demuth.
17. Abermal ſag ich/ daß ein wahrer Demuͤtiger uͤber keine/ auch die al-
lerverwuͤrffligſte Wercke doͤrffte ſchamroth werden/ ſondern muͤſſe es dem H.
Antonio von Patavia nachmachen/ welcher/ ob wohl ein ſehr gelehrter Mann/
hat doch ſeine groſſe Wiſſenſchafft mit aller moͤglichſten Sorgfalt vorborgẽ.
Er hat ſich immerzu mit den allegeringſten und veraͤchtligſten Dienſten be-
ſchaͤfftiget/ das Eſterich gekeeret/ die Keſſelen in der Kuchen geſchauret/
gewaſchen/ außgetrucknet/ und allen ſehr fleiſſig gedienet/ und hat man nie-
mahlen auß dem wenigſten Zeichen mercken koͤnnen/ daß der ſo gelehrte
Mann auch in der geringſten Wiſſenſchafft erfahren waͤre. Ein andersHiſtoria.
Beyſpiel der wahren Demut haben wir an dem Adolpho, Grafen zu Hol-
ſtein/ welcher auß einem ſehr reichen und maͤchtigen Fuͤrſten iſt worden einAlb.
Crantz
L. 8. Sax-
on. §. 7.
armer Geiſtlicher/ und auß einem ritterlichen Soldaten dieſer Welt/ ſich
ſelbſten gemacht hat zu einem Demuͤtigen Fuß-Gaͤnger. Ein Kloſter ſei-
nes Ordens hat er in der Stadt Kili (alwo ſeyn H. Leib ruhet) auffgerichtet/
und mit ſeinen eigenen Haͤnden darzu meiſterlich geholffen; er hat die noͤthi-
ge Allmoſen von ſeinen Unterthanen ſelbſt gebettelt und auch bekommen: und
dieweil er in Verfertigung dieſes Kloſters ſehr eifferig geweſen/ iſt er von
Thuͤr zu Thuͤr gegangen/ und hat Milch gebettelt/ damit er ſeine Bruͤder
und Werckleute in der groſſen Hitze erfriſchen moͤgte. Jn Verrichtung
dieſes Ambs/ und da er mitten auff der Gaſſen eine Milch-Kruge getragen/
ſeynd ihm ſeine Soͤhne gantz graͤflich auff die Welt-Manier beritten/ be-
gegnet: da er nun ſelbige geſehen/ iſt er auß menſchlicher Schwachheit in
etwas vor denſelben ſchamroth worden; ſo ihnen doch alsbald gereuet; derhal-
ben er in Gegenwart ſeiner Soͤhnen zur Beſtraffung deß begangenen Feh-
lers die Kruͤge wiederumb auffgenommen/ und ſelbige voͤllig uͤber das Haupt
gegoſſen/ und ſich ſelbſten alſo angeredet: O du Ungluͤckſeeliger/ der du dich
der Armut Chriſti geſch aͤhmet haſt/ und die Milch in den Haͤnden zu tra-
gen; nun zeige auch ſo gar auff dem Kopff/ was du getragen haſt. Wem
kombt nicht eine ſo groſſe Demut/ Gedult und Staͤrcke in ſo groſſem Herrn
verwunderlich vor? Aber noch einer ritterlichen That hat ſich unternom-
men der Heil. Joannes Damaſcenus/ ſo von ſeinem Magiſter auß der
Cellen verſtoſſen worden/ dieweil er einen Vers auß dem heiligen
Joanne mit harter und froͤhliger Stimm in der Cellen geſungen:
und obwohl er den Alten ſehr demuͤtiglich umb Vergebung gebet-
ten/ hat dennoch nichts erlangen koͤnnen: derowegen hat dieſer
Joannes andere ſeiner Geiſtlichen Mit- Bruͤderen zum Vatter geſchicket
umb
[128]Die Eilffte Geiſtliche Lection
umb Gnade zu erhalten; denen er geantwortet/ er werde den Joannem kei-
nes Wegs in die Cell hinein laſſen/ es ſeye dann/ daß er vorhero alle
Heimligkeitender Bruͤder außſauberte. O hartes Gebott! aber nicht hart
dem demuͤthigen Joanni; dann ſo bald er dieſe Zeitung gehoͤret/ hat er
ohne einigen Verzug den Baͤſem und andere noͤthige Werck-Zeug er griffen/
und iſt eilend zu der naͤchſten Cellen zum erſten gelauffen/ und hat daſelbſt
das heimliche Gemach/ ſambt allen anderen nach der Ordnung geſaͤuberet.
Nachdem min der Alte ſolche Demuth und Gehorſamb geſehen/ iſt er ihm
alsbald entgegen gangen/ den Joannem umbhalſet/ und wiederumb nicht
als einen Lehr-Juͤnger/ ſondern als einen wohl-verdienten Soldaten Chri-
ſti in ſeine Cell gefuͤhret.
18. Erkenne nun/ mein Chriſtliche Seel/ wie uͤbel dirs anſtehe/ daß
du die Werck der Demuth flieheſt/ indem du hoͤreſt/ daß eiu ſo vornehmer
und hoch-gelehrter Mann/ von ſehr hohem Stand gebohren/ und der groſſen
Stadt Damaſco geweſener Vorſteher; deme auch die allerſeeligſte Jung-
frau Maria die ihm abgehauene Hand wunderbarlicher Weiß in einem Au-
genblick [wiederum] an ihr voriges Orth geſetzt und geheilet hat; daß ſage ich/
ein ſolcher auch die allerveraͤchtlichſte Werck zu verrichten ſich nit geſcheuet
habe. Ey li[e]ber! laſſet uns allen Hochmut vernichtigen/ alle auß der Hoffart
gemachte Scham-Schuhe außziehen/ und weit von uns hinweg werffen/
und uns deß Spruchs Chriſti unſeres Heylands oͤffters erinneren/ der alſo
lautet: Alle die ſich erhoͤhen/ ſollen erniedriget/ und die ſich
erniedrigen/ ſollen erhoͤhet werden. Auff daß wir dann mit den
Demuͤthigen moͤgen erhoͤhet werden/ wird ſichs freylich gezimmen/ daß wir
unſern Bruͤdern und Schweſtern auch in den veraͤchtlichſten Sachen hur-
tig dienen/ und wann uns andere vorgezogen werden/ derbalben nicht allein
uns nicht betruͤben/ ſondern vielinehr von Hertzen erfreuen; und in ſothanen
Begebenheiten niemahlen auß unſern Gedancken fliehen laſſen folgende
Gleichnuß: Wann ein Fuͤrſt dieſes bey ſeinen Hoͤfflingen kundbar
machte/ daß er nemblich ſeine Stall-Knecht vor allen anderen ſeinen Die-
nern lieben/ und am allerreicheligſten und ſicherſten belohnen wolte; wuͤrde
nicht ein jeder ſuchen/ das Ambt eines Stall-Knechts zu vertretten? hat nit
Chriſtus ein Fuͤrſt/ ein Erſchoͤpffer aller Fuͤrſten/ mit Wort und Wercken
außgeruffen/ daß er die jenige am beſten und ſicherſten bezahlen wolte/ ſo
die geringſte und niedrigſte Aembter auß Demuth vertretten? Jch laſſe
dich/ mein Chriſt-liebende Seel/ den Schluß machen/ und fahre fort von
den Worten/ ſo da bewegen/ zu den Exemplen/ welche das menſchliche Hertz
ziehen zu den Wercken.
19. Neh-
[129]Von der Demuth.
19. Nehme derhalben vor lieb/ was ich dir auß dem hoch erleuchten Cli-
maco erzehle: dieſer Joannes Climacus ware ſtaͤts befliſſen/ wie er in den
Gott gefaͤlligen Tugenden mehr und mehr zunehmen moͤchte/ derhalben be-
ſuchte er die jenige GOttes-Haͤuſſer/ ſo vor andern den groͤſten Ruff der
Vollkommenheit hatten: Nun iſt geſchehen/ daß er in deren einen ſich eineIn ſcal.
Cæleſt.
Grad. 4.
Zeit lang auffgehalten/ und da er einsmahls mit dem Vorſteher dieſes Clo-
ſters im gemeinen Refectorio zu Tiſch geſeſſen/ und deren geiſtlichen herrli-
che Tugenden ſonderbahr geprieſen; hat ihn der Vorſteher gefragt/ ob er ver-
lange ein ſonderliches Beyſpiel der Demuth zu ſehen: weilen nun der gott-
ſeelige Joannes nichts ſo ſehr/ als eben dieſes verlangete: als hat der offt er-
wehnte Vorſteher einen zu Tiſch ſitzenden achtzig jaͤhrigen Prieſter/ deſſen
Nahm Laurentius ware/ zu ſich beruffen/ welcher alsbald zu ſeinem Abt
kommen/ in Meinung/ einigen Befelch von ihm zu empfangen; derowegen er
kniend den Seegen deß Vorſtehers begehret und erlanget: nachdeme er aber
von der Erden auffgeſtanden/ und ein jeder vermeint/ ihm wuͤrde die Urſach
deß Beruffens von dem Abten bedeutet werden/ iſt nichts gefolget/ und mein
guter greißgraue Laurentius iſt zwey gantzer Stund lang vor der Tafel
ſeines Abten geſtanden/ und den Befelch ſeiner Obrigkeit mit nieder geſchla-
genen Augen/ da inzwiſchen ſeine Mitbruͤder zu Tiſch geſeſſen/ in aller De-
muth erwartet: nach gehaltener Mahlzeit hat ihm der Abtbefohlen/ er ſolle
hingehen einem andern Geiſtlichen deſſelben Ordens/ Nahmens Iſidoro
den neun und dreiſſigſten Pſalmen zu betten befehlen: dieſer gottſeelige
Mann iſt nochmalen von dem vorgemeldten Joanne Climaco gefragt wor-
den; was er doch gedacht habe/ indem er ſo lang ohne Eſſen und Trincken/
allen gleichſamb zum Spott vor der Tafel deß Abten habe ſtchen muͤſſen?
hoͤre die Antwort/ meine Chriſtliche Seel/ merck auff/ mein Bruder/ nimb
wahr/ meine Schweſter in Chriſto: der demuͤthige Laurentius ſagt: ich hab
mir nicht eingebildet/ daß ich vor einem Menſchen ſtuͤnde/ ſondern vor dem
Angeſicht Gottes/ welchen ich in meiner Obrigkeit geehret hab: die Li[e]be/
mit dero Gott mein Hertz verſehen hat/ wird niemahlen zulaſſen/ daß auch das
geringſte Woͤlcklein eines boͤſen Gedancken gegen meine Obrigkeit empoͤr
ſteigen moͤge.
20. Sehe nun auch den herrlichen Nutzen dieſer Tugend/ welchen dir der
and aͤchtige Petrus Cluniacenſis in Anfuͤhrung eines H. Cartheuſers vorRodr. p.
2. Tr. 3. c.
24.
Augen ſtellet: der in ſeiner letzten Kranckheit von ſeinem Prior in Anweſen-
heit ſaͤmbtlicher ſeiner geiſtlichen Mitbruͤder gefragt worden; durch welche
Ubungen er ſich die goͤttliche Majeſtaͤt dergeſtalt geneigt gemacht habe/ daß
Rer
[130]Die Eilffte Geiſtliche Lection
er von derſelben mit ſo groſſen himmliſchen Gaben bereichet worden? dar-
auff er alſo geantwortet: ehr wuͤrdiger Vatter/ mich hat von meiner Jugend
her der allgemeine Feind deß menſchlichen Geſchlechts ſehr verfolget: und
da ſelbiger mit ſo hefftigen Verſuehungen mich einsmahls beſtritten/ daß
ich kaum widerſtehen koͤnnen/ iſt die glorwuͤrdigſte Himmels Koͤnigin mir zu
Huͤlff kommen/ und hat alle dieſe teuffliſche Liſten und Anfechtungen mit
unaußſprechlichem Troſt meiner ſelbſt in einem Augenblick zerſtreuet/ und
mich ermahnet/ daß ich den angefangenen Weeg der Tugenden ſtandhaͤfftig
und unverdroſſen immerſort wanderen ſolte: damit du aber/ ſagt ſie/ dieſes
deſto leichter verrichten moͤgeſt/ ſo will ich dir drey Dinge auß dem verbor-
genen Schatz meines Sohns anbefehlen; Krafft deren du Gott ſonderbahr
gefallen/ und uͤber deine Feind allezeit obſiegen wirſt: derhalben ſage ich dir/
daß du in dieſen dreyen Stuͤcken dich demuͤthig erzeigeſt: als nemblich in der
gewoͤhnlichen Leibs-Nahrung/ in der Kleidung/ und in den Aembtern: in der
Leibs-Nahrung/ als Eſſen und Trincken erwaͤhle fuͤr dich das ſchlimmeſte
jederzeit: in der Kleidung ſuche die verwuͤrfflichſte und am meiſten verſchliſ-
ſene Kleider: und unter den Aembtern befleiſſe dich/ daß du immer das ver-
aͤchtlichſte zu vertretten habeſt/ und ſchaͤtze dich gluͤckſeelich/ wann dir das je-
nige wird auffgetragen/ von dem andere einen Grewl haben: Nach dieſer
mir gegebenen Lehr/ iſt die Mutter deß Herrn auß meinen Augen ver-
ſchwunden/ ich hab aber dieſe Wort in mein Hertz eingegraben/ und mich be-
muͤhet/ ſelbige nicht ohne groſſes Vortheil meiner Seelen im Werck ſelbſten
zu erweiſen. Haſt du nun gehoͤrt mein Chriſtliche Seel/ wie die Ubungen
der Demuth ſo groſſen Nutzen ſchaffen? Soll dir nicht ein ſolche Verſpre-
chung auch gefallen/ deren du dich doch ſo leichtlich faͤhig machen kanſt? laſſe
dirs geſagt ſeyn/ daß dieſe Tugend deiner Seelen nicht allein zum ewigen
Leben am nuͤtzligſten ſeye; ſondern auch/ daß ohne ſelbige niemand koͤnne ſee-
lig werden/ wie du auß dem Mund der Warheit ſelbſten/ durch den Evan-
geliſten Matthæum zu vernehmen haſt/ der mit dieſen außtruͤcklichen Wor-
ten alſo ſpricht: Warlich ſag ich euch/ es ſeye dann/ daß ihr
C 18. v. 3.werdet wie die kleine (das iſt die Demůthige) ſo wer-
det ihr nicht eingehen ins Reich der Himmelen.
Wilſt du zum Himmel eingehen/ ſo ſeye demuͤtig.
Die
[131]
Die Zwoͤlffte Geiſtliche
LECTION
Von der Hoffart.
Superbiam nunquam in tuo ſenſu, aut in tuo verbo do-Tob. 4.
v. 14.
minari permittas, in ipſa enim initium ſumpſit omnis
perditio.
deinen Worten herſchen; dann durch die Hoffart hat alle
Verderbung den Anfang genommen.’
Der Erſte Theil.
1. DJeweilen nach dem Spruch der Weltweiſen/ das weiſſe bey dem
ſchwartzen/ und das Liecht bey der Finſternuͤß am beſten erken-
net wird; als iſt unſer Vorhaben/ zu mehrerem Glantz der De-
muth und Erleuterung derſelben Nothwendigkeit/ von dem Laſter der Hof-
fart/ als einer gegen-Parthey der vorerwehnten Tugend zu handlen. Es iſt
aber die Hoffart ein ſo groſſes Laſter/ daß/ nach dem Außſpruch der heiligen
Schrifft/ dieſe den Anfang aller Suͤnde gemacht habe: und gleich wie die De-Eccl. 10.
v. 15.
Par. 2. c.
57.
muth alle Tugenden ſamblet (wie der fromme Didacus Stella darfuͤr haltet)
zieret und ſtaͤrcket; alſo werden von der Hoffart alle Tugenden verdorben/ be-
ſudlet/ und geſchwaͤchet: und gleich wie die Demuth nit allein iſt eine Gnad;
ſondern eine Gnad aller Gnaden; alſo iſt die Hoffart nicht allein boͤß; ſondern
auch eine Rigel und Hindernuß alles gutes/ und gleichſam eine Koͤnigin al-
ler Laſtern/ ſo dann auch dieſerthalben ein Cron traget/ wie der Prophet Iſaias
ſagt: wehe der gecroͤnten Hoffart! dann gleich wie eine Koͤnigin inC. 28.
Begleitung vieler daher pranget; alſo hat dieſe viele andere Suͤnden gleich-
ſam zu ihrer Auffwarterinnẽ; weilen an einem hoffaͤrtigen Menſchen alle an-
dere unzalbare Laſtern herfuͤr wallen: billig derhalben erinahnet uns der gott-
ſeelige Thomas à Kempis, und ſagt: huͤte dich faſt fůr Hoffart undL 3. c. [...]
§. 5.
unnůtzem ůppigen Wolgefallen: dan dadurch werden viele
Menſchen in Jrrſal gefůhret/ und fallen zu zeiten in eine un-
R 2heilbare
[132]Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
Tom. 8.
An. Dom.
614.heilbare Blindheit: Unter dieſe kan gezehlet werden der jenige Geiſt-
liche/ von dem Baronius ſchreibt/ daß er auff dem Berg Sina einen ſo groſſen
Schein ſeiner Maͤſſigkeit/ daß er viele Jahren in der Zellen eingeſchloſſen
Gott gedienet habe; biß er endlich durch oͤfftere falſche Offenbahrungen und
Erſcheinungen vom leidigen Sathan betrogen/ in das abſcheuliche Laſter der
Hoffart/ und von dieſem zum Judiſchen Glauben gefallen/ und ſich beſchnei-
den laſſen: Es hatte der boͤſe Feind dieſem armſeligen Menſchen vorhin zu
Hiſtoria.zeiten einige rechtmaͤſſige und glaubwuͤrdige Erſcheinungen gezeiget/ mit de-
nen er das verdunckelte Hertz deſſelben an ſich gelocket: zu letzt aber hat er ihm
vor Augen geſtellet auff einer Seiten eine groſſe Anzahl der Apoſtelen/ Mar-
tirer und andern Chriſtglaubigen/ ſo mit einer dicken Finſternuͤß und ſonſt al-
lem Unflat zumahlen umbgeben geweſen: auff der andern Seiten hat er ihm
gezeigtden wunderthaͤtigen Moyſen/ die Propheten deß alten Teſtaments/
und eine unzehlige Schaar deß Judiſchen Volcks/ ſo alle in groſſer Herrlig-
keit leuchteten/ und in Freuden lebten: da dieſes der ungluͤckſelige Einſidler
geſehen/ iſt er alsbald auffgeſtanden/ den H. Berg verlaſſen/ und den Juden
ſich zugeſellet: und nachdem er denſelben ſeine Offenbahrungen kund ge-
macht/ iſt er von ihnen beſchnitten worden; und mit dem neuen Glauben ein
Weib genommen; er hat auch in aller Anſehen gegen die Chriſtglaubige ſeine
Meinungen außgehen laſſen; und iſt alſo ein Verpfaͤchter deß Judiſchen A-
ber-Glaubens worden: dieſen haben wir geſehen/ und iſt noch nicht uͤber vier
Jahr todt/ iſt aber elendiglich geſtorben; dann er iſt mit einem Schlag-Fluß
eine Zeitlang geplaget/ und nachmahls von den Wuͤrmen gefreſſen worden.
2. Ach haͤtte dieſer elende Muͤnch die Hoffart auß ſeinem Hertzen vertrie-
ben/ und haͤtte ſich der goͤttlichen Offenbahrungen unwuͤrdig geachtet (die
doch lauter Teuffels Anſtifftungen waren) haͤtte er ſich/ wie billig/ fuͤr einen
Suͤnder gehalten; ſo waͤre er von ſeinem ſaubern Offenbahrer nit ſo ſchaͤnd-
lich betrogen/ und in den Abgrund deß Verderbens geſtuͤrtzt worden! haͤtte er
den obangezogenen Text auß dem Buch Tobiaͤ wohl behertziget/ und im
Werck zu erfuͤllen ſich befliſſen: laſſe die Hoffart niemahlen in dei-
c. 4. v. 14.nen Sinn weder in deinen Worten herſchen \&c. ſo waͤre er oh-
ne zweiffel dem unwiederbringlichen Schaden dieſes Ubels nicht zu theil wor-
den: weilen er aber dieſes vernachlaͤſſiget/ und ſich fuͤr einen heil. und gerechten
Mann gehalten; der er doch nicht ware/ darumb iſt er durch ſo viele teuffliſche
Erfindungen betrogen/ und ewig verdambt worden: dahero ſagt recht der A-
poſtel: ſo ſich jemand bedüncken laſſet/ daß er etwas ſeye/ da
ad Gal. 6.
v. 3.er doch nichts iſt/ der verfůhret ſich ſelbſt. Es widerfahret aber
den Hoffaͤrtigen gemeinlich/ was ſich mit dem lcaro einem Sohn deß Dæda-
li
[133]Von der Hoffart.
li hat zugetragen: dieſem wurden von ſeinem Vatter Fluͤgeln angeklebt/ wur-
de aber auch zugleich von ſelbigem gewarnet/ er ſolte nicht zu hoch fliegen:
weil nun der Sohndieſer Wahrnung zu widergelebt und zu hoch gepflogen/
als ſeynd ſothane Fluͤgeln von Hitze der Sonnen erweichet/ er aber ins Meer
gefallen. Daher der Poet alſo ſinget:
Es ſehe ſich derhalben ein jeder vor/ damit er nicht/ wann faſt einige Tugen-
den erworben hat/ zu hoch fliege/ und alſo geſtůrtzet werde: dann es pflegt
vielmahl den jenigen/ ſo lange Zeit in ſteter Ubung der Tugenden haben zuge-
bracht/ zu widerfahren/ was dem hertzhafften Eleazaro begegnet; von demL. 1. c. 6. v.
43.
das erſte Buch der Machabaͤer alſo ſchreibet: Und Eleazar ſahe eins von den
Thieren/ ſo mit deß Koͤnigs Pantzer bedeckt war: und er ließ ſich beduncken/
daß der Koͤnig dar auff ware; und er gab ſich dahin/ ſein Volck zu erloͤſen;
und er lieff kuͤhnlich zu dem Thier mitten unter den Hauffen/ erſchlug den
Feind zur Reehten und zur Lincken/ daß ſie vor ihm auff beyden Seiten da-
hin fielen: und er trang ſich dem Elephanten an die Fuͤß/ gab ſich unter ihn/
und toͤdtet ihn: und der Elephant fiel auff ihn zur Erden/ und er ſtarb da-
ſelbſt. So iſt dann (wie der H. Ambroſius darvon redet; dieſer Kriegs-
Held unter ſeinen Sieg begraben worden. Ein Sach/ die billig zu ver-
wundern iſt. Es gehet aber offtmahlen mit uns auch ſo her; die wir auff
dem Felde dieſer Welt unſer Laͤger geſchlagen/ und mit den Laſtern zu krie-
gen haben. Der erſte und gefaͤhrlichſte Angriff beſtehet in dieſem; daß wir
den Elephanten unſers Fleiſches zu Boden werffen Wehe aber uns arm-
ſeeligen Menſchen! wie offt werden wir von dem Sieg ſelbſten unterdrucket/
indem wir unter denſelben fallen/ und mit ihm zu Grund gehen? Durch
Faſten/ Wachen und andere Buß-Wercken halten wir das widerſpennige
Fleiſch im Zaum; wann wir aber den Hochmuth nicht verlaſſen/ ſo werden
wir von dem Sieg ſelbſten erſchlagen/ und indem wir gluͤckliche Obſieger
ſeynd/ werden dannoch als ſolche ſchaͤndlich uͤberwunden.
3. Solcher maſſen hat uͤberwunden/ und iſt uͤberwunden worden
ein ſicherer Geiſtlicher/ welcher nach Erzehlung deß heiligen Macarii/
nach getoͤdteten Laſter-Feinden/ alſo im Geiſt hat zugenommen; daß
er auch in waͤhrendem Gebett vermittelſt der Krafft GOTTES der-
R 3geſtalt
[134]Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
geſtalt erhoben worden/ daß er das himmliſche Hieruſalem/ und in demſel-
ben den unendlich-ſchoͤnen Glantz der Außerwaͤhlten geſehen/ und gehoret
eine Stim̃ dieſes Jnhalts: Dieſer iſt ein Orth der Ruhe fuͤr die Gerechten.
Ein wenig hernach/ da er vermeinet/ dieſe Wort ſeyen ihm geſagt worden/
und darfuͤr gehalten/ er habe ſeinen Platz im Himmel erſehen; iſt er in einem
Hochmuth/ und nachmahls erbaͤrmlicher weiß in die groͤbeſte Suͤnden und
unzahlbare Laſtern gefallen. Dieweil nun dieſer ſo groſſe und biß zum
Himmel ſteigende Heilige gefallen iſt; wer wird fortan uͤber ſeyn heiliges
Leben zu ſtoltziren ſich vermeſſen doͤrffen; wann er ſchon dem Faſten und
Betten beſtermaſſen obliget/ und allerhand verdienſtliche Werck der Abtoͤd-
Hom. 17.
quæſt. 6.tung uͤbet? Noch eins hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ von einem andern
Geiſtlichen/ den der obgemeldte Macarius alſo beſchreibet: Es ware bey
Hiſtoria.mir einer/ der auch zugleich mit mir bettete/ dieſen hatte die Goͤttliche Gnad
alſo erfuͤllet/ daß ich neben ihm ſtehend/ von dem Uberfluß ſeiner Gnaden
zu ungemeiner Andacht im Gebet bewegt wurde: Er hatte auch die Gabe
geſund zu machen; daß er alſo nicht allein die Teuffel außtriebe; ſondern
auch mit Aufflegung der Haͤnde allein allerhand Seuchten und Kranckhei-
ten heilete. Da er nun dieſer thalben von jederman fuͤr einen heiligen Mann
gehalten und geehret wurde/ iſt er von der Hoffart verſucht/ durch ſelbige
zu Boden/ und m das euſſerſte der Suͤnden geworffen worden. Derhal-
ben merckt wohl zu dieſem unſerm Vorhaben der Fulgentius/ daß der Urhe-
Epiſt. 3.
ad Pro-
bam. c. 15.ber der Laſtern/ den jenigen/ ſo er mit deſſen eigenen Suͤnden nicht uͤber-
meiſtern kan/ mit frembden Tugenden uͤberwinde: dann er lobtdie Tugend/
Krafft deren er ſich uͤberwunden ſiehet; damit er alſo uͤberwunden/ den Un-
ſchuldigen fangen moͤge. Und dieſe iſt/ nach Zeugnuß deß hocherleuchten
Caſſiani/ eine ſpitzfindige Argliſtigkeit deß boͤſen Feinds/ daß er den Solda-
L. 11.
Inſtit. c. 7.ten Chriſti mit deſſen eigenen Pfeilen toͤdte/ den er mit ſeinen feindlichen
Waffen nicht hat uͤberwinden koͤnnen.
4. Zu weiterem Verfolg der angefangenen Rede dienet auch/ was
Fab.
Conc. 4.
in Feſt. S.
Mar.
Magd.ein Geiſtreicher Mann laſſet herkommen von zweyen Hahnen; ſo eine
Zeitlang miteinander tapffer gefochten; nachdem aber einer von beyden
den Kuͤrtzer gezogen/ iſt er ſeinem Feind entwiſchet/ und hat ſich verbor-
gen: der ander aber als Obſieger/ iſt in die Hoͤhe geſtiegen/ und hat
mit heller Stimm die Victori geſungen: aber/ aber O wehe! in die-
ſem Freuden-Geſang hat ein vorbey fliegender Adler meinen guten Hah-
nen
[135]Von der Hoffart.
nen erblicket/ angefallen! und alsbald in viele Stuͤcke zerriſſen. Nach-
dem nun der ander dieſer Tragoͤdi biß zum Außgang der Sachen zuge-
ſchauet; iſt er mit groſſem Frolocken hervor kommen/ und hat ſeiner
Heerden wie vorhin/ vorzuſtehen ungehindert fortgefahren. Alſo/ alſo
gehts in Warheit her mit den Hoffaͤrtigen: da dieſe wegen einiger ihrrr
ſonderbahren Gaaben und Tugenden/ andere gering ſchaͤtzen/ und
derowegen der uͤberwundenen Laſter erhaltenen Sieg ſich zu viel zumeſ-
ſen/ werden ſie von dem hoͤlliſchen Habig gefangen/ und mit deſſen
Stricke an das erbaͤrmliche Joch der vielfaͤltigen Suͤnden gebunden.
Ware nicht ein ſolcher der Petrus/ ſo ſeine andere Mit- Juͤnger gleich-
ſamb durch einen Ubermuth vorbey gleng/ und ſagte; Wann ſchonMatth.
26. v. 33.
alle an dir geaͤrgert werden/ ſo will ich mich doch nie-
maln an dir aͤrgeren? Uber ein kleines aber wurde er vom laidi-
gen Sathan gefeſſeit/ und verlaugnete ſeinen Meiſter zu dreyen mahlen.
Ware nicht ein ſolcher der Koͤnig David/ welcher ſeinen eigenen Kraͤff-
ten zu viel trauend/ ſagte/ er wolte ſich immer bey GOTT halten?2. Reg. 11.
und derhalben iſt er in die Grube deß Ehe-Bruchs und Todt-Schlags
gefallen; in deſſen begangenen Fehlers Erkaͤndtnuß er zu GOTT ge-
ruffen: Es iſt mir gut/ O HERR/ daß du mich ge-Pſ. 118.
demůthiget haſt. Wann nun der Allerhoͤchſte ein ſolches Abſcheu-
en hat von der Hoffart/ daß er auch ſeinen allerwerteſten Dienern die-
ſerthalben ſeine Gnad eine Zeitlang entzohen hat: wie haben ſich dann
nicht andere zu foͤrchten/ die ab denen von GOtt ihnen ertheilten Gaaben
ſich im Geiſt erheben; denen der Apoſtel ſagt: Was haſtu/ das
du nicht empfangen haſt: und dieweil du es empfangen1. Cor. 4.
v. 7.
haſt/ was růhmeſtu dich/ als wann du es nicht em-
pfangen habeſt? Was maſſen aber die Goͤttliche Gerechtigkeit ei-
nen ſolchen Ubermuth/ Krafft deſſen wir ſeine Gaaben wider alle Bil-
ligkeit uns ſelbſten zueignen/ beſtraffe; wird uns folgende Geſchicht zu
mehrer Unterweiſung erklaͤhren.
5. Jn einem ſicheren Kloſter hat unter andern gelebt ein Geiſtlicher/
ſo fuͤr uͤbrigen ſeinen Mit- Bruͤdern ſonderbahr geſchwaͤtzig geweſen;Diſeip.
und weilen er einsmals von denen Sachen ger[e]det/ die ihm nicht an-Hiſtoriae
befohlen worden; als hat ihn der Abt mit ernſtlichen Worten beſtrafft/
und geſagt: Gehe hin und ſchweige. Dieſe wenige Ermahnung hat
der obgemeldte Geiſtliche dergeſtalt behertziget; daß er mit Verwunde-
derung
[136]Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
derung ſeiner Mit-Bruͤder/ deß loͤblichen Stillſchweigen von ſelbiger
Zeit ſich dermaſſen befliſſen/ daß er im Geiſt/ auch biß zu Anſchau-
ung der Goͤttlichen Offenbahrungen immer und immer zugenommen:
wie auß folgender Hiſtori zu vernehmen iſt. Ein ſicherer Einſidler iſt
in dem Buſch/ nicht weit von dem Kloſter kranck worden/ derhalben
er zum dem Abten geſchickt/ und demuͤtiglich gebetten/ er moͤgte zu
ihm kommen/ und mit den H. H. Sacramenten verſehen: der Abt iſt
hingangen/ umb dem Krancken in ſeinem Begehren zu willfahren/ und
hat den vor gedachten verſchwiegenen Geiſtlichen mit ſich genommen: da
nun dieſe beyde auffm Weeg begriffen/ hoͤret ein Moͤrder das Zeichen
der gewoͤhnlichen Schelle/ der ſich alsbald auff gemacht/ und dem Prie-
ſter biß zur Hoͤlen deß krancken Eremitten gefolget/ und weilen er ſich un-
wuͤrdig gehalten/ in die Cell eines ſo heiligen Manns einzugehen/ als iſt er
drauſſen geblieben. Nachdem nun der mehr-gemeldte Bett-Laͤgerige ſeyn
Chriſtliches Recht empfangen; iſt der oberwehnte Moͤrder noch bey dem
Eingang der Cellen geſtanden/ und mit demuͤthigem Hertzen geſagt; ach
waͤre ich doch ein ſolcher/ wie du biſt! da dieſes der Krancke gehoͤrt/ hat
er mit einem Uber-Muth und Wohlgefallen uͤber ſeyn wohl-gefuͤhrtes Le-
ben/ bey ſich ſelbſten geſagt: du moͤgteſt wohl wuͤnſchen/ daß du waͤreſt
wie ich bin. Nach dieſem iſt er alſobald verſchieden: daruͤber dann der ver-
ſchwiegene Mit-Geſell deß Alten bitterlich geweinet. Jn der Zuruͤck-Reiſe
dieſer beyden/ iſt ihnen der offt-gemeldte Moͤrder nachgeloffen/ und GOtt
immer umb wahre Reu und Beſſerung ſeines Lebens inbruͤnſtig gebetten:
dann er ſich vorgenommen hatte dem Abten ſeine Suͤnden zu beichten/ und
hinfuͤhro nicht mehr zu ſuͤndigen. Jn ſolchem eilfertigen Lauffen aber iſt er
gefallen und alsbald geſtorben. Da dieſes der Geiſtliche geſehen/ hat er
angefangen vor Freuden zu lachen. Nachdem ſie nun zum Kloſter kom-
men/ hat ihn der Abt gefraget/ warumb er alſo ſo ſehr verſchwiegen waͤre?
deme er geantwortet: dieweiln du mir einmahln geſagt haſt; gehe hin und
ſchweige/ ſo hab ich von der Zeit an ungefragt nichts geredet. Weiters
hat der Abt die Urſach deß vorgemeldten weinens/ und deß bald darauff
gefolgten Lachens zu wiſſen verlanget; da doch/ ſagt er/ der Moͤrder uns
derhalben nachgefolget/ damit er uns berauben/ und vielleicht auch toͤdten
moͤgte/ und derhalben in ſeinen Suͤnden geſtorben iſt? deme der fromme
Bruder geantwortet/ daß er dieſertwegen geweinet/ weilen er geſehen/
daß/ da der Moͤrder vor der Cellen geſtanden/ und gewuͤnſchet dem Kran-
cken
[137]Von der Hoffart
cken Bruder an Verdienſten gleich zu ſeyn/ und derſelbe Krancke aber ſich in
ſeinem Sinn deßhalben erhoben/ der Einſidler in dieſen hoffaͤrtigen Gedan-
cken geſtorben/ und ewig verdambt worden: der Moͤrder aber/ ſo nachgelauf-
fen/ hat ſich feſtiglich vorgenommen/ ſeine Suͤnden zu beichten/ und da er ge-
fallen/ und von ſolchem Fall geſtorben/ hat er geſehen/ daß die Engeln Got-
tes deſſen Seel mit Freuden zum Himmel gefuͤhrt: weilen die Rew und Leid
dieſes Moͤrders ſo vollkommen geweſen ſeye/ daß dardurch ſo wol die Straff
als auch die Schuld der begangenen Suͤnden ſeye außgetilgt worden: die-
ſerthalben habe er von Hertzen ſich erfreuet und gelachet.
6. O mein Chriſtliche Seel/ was groſſe Urſach uns zu foͤrchten haben wir
nicht! hat dieſen ſo buͤſſenden Einſidler das hoͤlliſche Grewel der verfluchten
Hoffart aller ſeiner mit groſſer Muͤhe erworbenen Verdienſten dergeſtalt in
einem Augenblick beraubet und zu Grund gerichtet? wie ſollen wir dieſe ab-
ſcheuliche Peſt nicht fliehen; inſonderheit/ da der hochgelehrte Hugo ſagt/ daßL. 2. de
Anim.
andere Laſteren nur allein die jenige Tugenden anfechten/ durch welche ſie
vernichtiget werden/ als da iſt die Geylheit eine Verſucherin und Feind der
Keuſchheit; der Zorn ein Widerſpiel der Gedult \&c die Hoffart aber allein
legt ſich auff gegen alle Tugenden eines wohlmeinenden Gemuͤths/ und als
allgemeine und peſtilentialiſche Kranckheit ſteckt alle mitemander an; wie an
dieſem oberwehnten Einſidler zu ſehen iſt; der ſich in ſo vielen Tugenden ge-
uͤbet/ ſo gleichwohl alle nichts geachtet worden/ weilen ſie von der Hof-
fart ſeynd angeſteckt/ und zumahlen vernichtiget worden: So iſt dann die
Hoffart ein Leben und Haupt der Laſtern; und gleich wie die Schlang all ihr
Gifft im Kopff traget/ und nachdem dieſer Kopff abgehawen/ ſelbige nicht
ſchaden kan; alſo wirſt du nach verworffener Hoffart als einem Haubt der La-
ſtern/ auß deinem Hertzen ſehr leicht allen Suͤnden und Anfechtungen wider-
ſtehen. Wann du dich deinem Gott gantz uͤbergeben wilſt/ und deſſen Gnade
theilhafftig zu werden verlangeſt/ ſo meyde den Hochmuth deß Hertzens/ und
gedencke/ daß die Waͤſſer der goͤttlichen Gnaden die hohe Berg verlaſſen/ und
den Thaͤlern zulauffen. Betrachte wer du biſt/ ſo wirſt du ſehen/ wie wenige
Urſach du habeſt dich zu erhoͤhen. Jn deiner Empfaͤngnuß wirſt du finden
Schuld/ in der Geburt Armſeligkeit/ im Leben Elend/ und am End nur lau-
ter Angſt und Zittern: derhalben jener Poet nicht unrecht geſungen hat:
SSter-
[138]Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
Der Wurm hernach veraͤndert ſich
Diß laß du dir alles dienen
Die Hoffart zu vermeiden.
Der andere Theil.
7. SEynd wir nun verſichert/ daß der Brunquell alles boͤſes ſey die
Hoffart/ ſo iſt ja einem jeden noͤthig/ der ſeine Wohlfart liebet/
daß er die Ader dieſer Quellen verſtopffe: obwoln nun zu ſolchem
Zweck das jenige gnug zu ſeyn ſcheinet/ was am End dieſes vorgeſetzten
Theils gemeldet iſt: ſo gibt uns dannoch zu deſſen mehrern Befoͤrderung der
H. Apoſtel Paulus ein ſtattiches Mittel mit dieſen wenigen Worten an die
2. Cor.3.
5.Hand: wir ſeynd deß Vermoͤgens nit/ etwas von uns/ als von
uns ſelbſt zu gedencken: nach Zeugnuͤß deß Apoſtels koͤnnen wir nichts
guts gedencken/ und ſollen dannoch etwas guts thun koͤnnen? muͤſſen nicht die
gute Gedancken vor dem Werck vorher gehen? lehret nit die taͤgliche Erfahr-
nuͤß/ daß die Werck ſelbſt ſchwaͤrer fallen/ als die Gedancken und das Vor-
nehmen gute Werck zu verrichten/ weilen in den Wercken viele aͤuſſerliche
Beſchwaͤrnuͤſſen muͤſſen uͤberwunden werden/ ſo in den vorher gehenden Ge-
dancken ſich nicht ereignen? wann wir dann nicht vermoͤgen etwas gutes zu
gedencken/ wie werden wir noch hinzu das Gute koͤnnen ins Werck ſtellen?
zumahlen bey mir iſts außgemacht; daß der jenige/ ſo zum Kleinen nicht be-
ſtand iſt/ zum Groſſen auch in einerley Art der Sachen untaͤuglich ſeye: der-
halben muͤſſen wir das jenige gute Werck/ ſo wir uͤben/ dem Allmaͤchtigen
Gott gaͤntzlich/ und uns gar nicht zucignen/ nach den Worten deß Koͤnig-
lichen Propheten: Nicht uns/ O Herr/ nicht uns/ ſondern dei-
Pſal. 113.
v. 9.nem Nahmen gib die Ehr: Wann ſolche Lehr der arme Menſch zu
beobachten ſich fleiſſig unterſtuͤnde/ wuͤrde er ſicherlich dem Strick der Suͤn-
den nicht ſo erbaͤrmlicher Weiß zu theil werden: nicht wuͤrde der H. Einſidler
Jacobus mit der bey ihm uͤbernachteten Jungfrawen geſuͤndiget/ und ſelbige
nachmahls getoͤdter haben; wann nicht eine verborgene Hoffart die Urſach ſo
groſſer
[139]Von der Hoffart
groſſer Suͤnden geweſen waͤre; welche er in eine wahre Demuth vermittelſt
der Huͤlff Gottes veraͤndert/ und alſo in Gnaden wiederumb iſt auffgenom̃en
worden: ungluͤckſeliger aber iſt geweſen ein ander Einſidler/ ſo mit dieſem La-
ſter behafftet geweſen/ wie folget.
8. Es ware/ ſagt Ruffinus, in einer nechſt gelegenen Eynoͤde ein Muͤnch/Ruffin. l.
2. c. 1.
Item Pal-
lad. c. 44.
Hiſtoria.
den man ſich in allerhand guten Wercken uͤben ſahe/ und ſein Brod mit eige-
ner Hand-Arbeit gewinnen: nachdem er aber dem ſtaͤten Gebett ſich ergeben/
und in den Tugenden gluͤcklich zugenommen/ hat er ſein Vertrauen auff ſich
ſelbſten geſetzt/ und in der Anſtalt ſeines ſchoͤnen Lebens ein Wohlgefallen ge-
habt: viele Jahren hat er in ſehr ſtrengem Leben zugebracht; da einsmahls der
Sathan ihn zu dekriegen anhebt/ und ſeiner Einbildung ein wohlgeſtaltes/
und in der Wuͤſten irrendes Weibsbild vormahlet: dieſe kompt zur Hoͤlen/
ſindet offene Thuͤren/ derhalben gehet hinein/ fallet meinem Einſidler zu Fuͤſ-
ſen/ und bittet in der bevorſtehenden Finſternuͤſſen die Nachts-Herberg: die-
ſer erbarmet ſich ihrer/ nimbt ſie an in ſeine Hoͤle/ und da er ſie wegen deß Jrr-
gangs befragt: hat ſie denſelben erzehlet/ und den angefangenen Diſcurs ſo
lang fortgeſetzt/ biß ſie durch ihre holdſelige Reden/ das ſteinere ja diamanti-
ſche Hertz deß Einſidlers erweichet/ und mit der unkeuſchen Liebe entzuͤndet
hat: indem nun dieſer armſeelige Menſch all ſeiner erworbenen Tugenden/
und Gottes ſelbſten vergeſſen/ gleich einem Pferd und Maulthier mit dieſem
vermeinten und vergeſtalten Weibsbild ſeiner boͤſen Begirden gnug zuͤ thun/
und ſelbige anzugreiffen ſich nicht geſcheuet; thuet dieſe vom Teuffel ange-
nommene Weibs-Geſtalt alsbald vor ſeinen Haͤnden und Augen verſchwin-
den/ und die Lufft mit groſſem Geſchrey erfuͤllen: neben dieſem hoͤret man die
boͤſe Geiſter frolocken/ und den gefallenen Muͤnchen außlachen; einige/ ſo die-
ſes Ubel angeſtifftet/ fahren mit Scheltworten gegen ihn auß; andere ruffen
mit harter Stimm: der ſich erhoͤhet/ der wird erniedrigt werden: du biſt biß
zum Himmel erhoͤhet geweſen/ und biſt nun biß zur Hoͤllen gedemuͤthiget:
alſo iſt dieſer ungluͤckſelige Einſidler von den hoͤlliſchen Feinden außgehoͤnet
worden; derowegen er der Welt ſich wiederumb einverleibet/ und nachmahls
ein ſehr boͤſes End erreichet. Es waͤre wohl zu wuͤnſchen/ daß bey gegenwaͤr-
tigen Zeiten nicht viele Geiſtliche gefunden wuͤrden/ ſo wegen ihrer groſſen
Gelehrtheit/ und vortreff lichen Tugenden/ von der Hoffart angeblaſen/ und
mit dieſem armſeligen Einſidler ewig verlohren giengen: ſintemahlen der lo-
ſe Sathan keine Muͤhe ſpahret/ damit er die Diener Gottes mit dieſer Peſt
vergifftige: derhalben folge du meinem Rath/ mein Chriſtliche Seel/ erkenne
deine Schwachheit/ ſage nit allein mit dem Mund/ ſondern auch vom inner-
ſten deines Hertzen/ daß du ein Suͤnder ſeyeſt/ von dir ſelbſte n das geringſte
S 2Gu
[140]Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
Gut nicht habeſt; und gebe dem allgewaltigen und barmhertzigen Gott allein
die Ehr und Danckſagung aller geuͤbter Tugenden und guten Wercken.
vita.
9. Abraham ein Einſidler hat viele Jahren in der Wuͤſten gelebt/ und ſchr
viele von der Heydenſchafft zum wahren allein ſeelig machenden Glauben be-
kehret: iſt aber auff vielerley Art von der hoͤlliſchen Schlangen verſuchet
worden; aber umbſonſt; ſo gar/ daß dieſes gifftige Hoͤllen-Thier nunmehr
von uͤberwindung dieſes H. Vatters verzweifflet: hat aber ſeine Hoffnung
darauff gruͤnden wollen/ daß er den frommen Mann trafft ſeiner ſelbſt eige-
nen Tugenden ins Verderben ſtuͤrtzen wuͤrde; und hat ihn derhalben alſo
angegriffen/ da vielleicht der gottſelige Abraham einsmahls bey der dunckeln
Nacht das Pſalter gebettet/ iſt urploͤtzlich ein gewaltiges Liecht in deſſen Zell
erſchienen/ und dieſe Stimm gehoͤret worden ſeelig biſt du Abraham/ war-
lich ſage ich/ du biſt ſeelig: weilen in allen ſeinen guten Wercken dir keiner iſt
gleich gefunden worden: und keiner hat alſo meinen Willen vollbracht/ wie
du: indeme aber der fromme und kluge Alte dieſer Schoͤnheit und lieblichen
Worten nicht getrauet/ weil er ſich fuͤr einen groſſen und ſolcher Zeitung un-
wuͤrdigen Suͤnder gehalten; hat er hierauff den Betrug deß Verſuchers
vermercket/ und geruffen: deine Finſternuͤſſen ſeyen bey dir zu deinem Ver-
derben/ O du ſchalckhaffter und verlogener Geſell! ich bin ein ſuͤndiger
Menſch/ ich bin nichts als Staub und Aſchen: hierauff iſtder ſaubere Luei-
fer mit ſeinem Liecht verſchwunden/ und hat dem demuͤthigen Abraham das
Sieg Kraͤntzlein/ obwohl ungern hinterlaſſen. Wir ſehen und hoͤren unſern
Feind in ſolcher Geſtalt nicht; und wann wir dannoch von demſelben heim-
licher Weiß angefochten werden/ ſo laſſet uns mit Hertz und Mund ſagen:
Teuffel du liegeſt/ ich bin nicht heilig; ich bin nicht der jenige/ den du mir vor-
mahleſt; ich weiß mich nichts gutes bewuſt; alles was ich gutes zu thun trach-
te/ das kombt von Gott her: ich aber bin ein Suͤnder/ ich bin lauter Staub
und Aſchen \&c. Noch eines hoͤre/ mein Chriſtliche Seel von dem groſſen
In ejus
vita.Antonio: dieſen konte der hoͤlliſche Boͤßwicht mit allen ſeinen Erfindungen
nicht obſiegen/ daß er zu letzt die Waffen der Hoffart gegen ihn ergriffen: vor-
hin ſuchte er mit Grauſamkeit/ nun aber durch Abſcheuligkeit zu fàlen leget
derhalben die Geſtalt eines heßlichen Mohren an/ wirfft ſich dem H. Mann
zu Fuͤſſen/ und fangt an mit dieſen Worten ſich jaͤmerlich zu beklagen: viele
beruͤhmte Helden hab ich mit meinem Argliſt betrogen; und viel großmaͤch-
tige Riſen hab ich auff flachem Feld uͤberwunden: dir aber (daß ich mich ſchaͤ-
me zu bekennen) muß ich weichen. O liſtiger Streich! mit der ei-
telen Ehr wolte dieſer Sathan den Antonium uͤberwinden/ an dem all
vori-
[141]Von der Hoffart
voriges Verſuchen gantz eitel worden. Antonius aber achtet dieſe lockende
Wort nicht; ſondern fragt unerſchrocken: wer biſtu? der abſcheuliche
Mohr gibt zur Antwort: Jch bin die Begierd der Blut-Schand/ ein
Geiſt der Geylheit/ ein Trabant der Unkeuſchheit: mit meinen Fackelen
entzuͤnde ich die Hertzen der jungen Leuthen/ der Alten ſo wohl Maͤnner als
Weiber dergeſtalt/ daß ſie die Geylheit hervor ſchaumen; und von allen
Kraͤfften der boͤſen Begierden nit allein brennen/ ſondern auch gebraten wer-
den. O wie viele hab ich mit meinem Locken geloͤſet/ die mit dem Schuee-
weiſen Guͤrtel der Jungfrauſchafft umbguͤrtet waren! O wie viele haben
ſehr keutſch und ſauber angefangen/ aber durch mein eingeben uͤbel geendi-
get! viele haben wegen ſteter Abmattung deß Leibs/ und gaͤntzlicher Ab-
toͤdtung ihrer ſelbſten viele Sieg-Craͤntzlein erworben/ die ich als ein Begierd
der Blut-Schand uͤberwaͤltiget. Jch bin der jenige/ der dir meine Facke-
ten ſo offt hab angehalten/ und mit denſelben dich ſo vielmaht zu entzuͤnden
getrachtet: ich bin der jenige/ der nicht allein von weiten mit dir geſtritten
hab/ ſondern auch nahe vou meine feurige Pfeil auff dich geworffen hab. Jch
bin der jenige/ ſo vielmahl ein Obſieger/ nun aber von dir obgeſieget werde.
10. Auff ſolche Wort hat Antonius an ſtatt deß geſuchten Wohlgefal-
lens/ ſehr haͤuffige Zaͤhr vergoſſen/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt ſchuͤldigen
Danck geſagt/ und alſo geprieſen deſſen Allmacht/ daß er zugleich gern beken-
net ſeine eigene Ohnmacht Es iſt auch unſer oberwaͤhnte Kriegs-Held Anto-
nius nach dieſen Zeitungen mehr gegen dieſen Feind geſtaͤrckt worden; dahe-
ro er ihn Hertzhafft zu verſpotten fortgefahren und geſagt: So mercke ich
dann/ daß du ein fauler und traͤger Schwartz-Faͤrber ſeyeſt/ dieweil du von
ſo einem unverſuchten jungen Menſchen/ als ich bin/ dich uͤberwinden laſſeſt.
Jch ſehe nun hinfuͤhro nicht/ warumb ich dich foͤrchten ſolle: thue was du
wilſt; komme mit gantzer Scharen der Deinigen/ und wende alle deine
Kraͤfften an mich; ich ſchrecke mich nun fuͤr dich nicht: Der HERR
iſt mein Erleuchtung und mein Heyl/ vor wem ſoll ich
zittern? Wann ſchon die Kriegs-Laͤger gegen mich ſtehen/ ſo wird ſich
doch mein Hertz nicht foͤrchten: wann ſchon ein Streit gegen mich auff-
ſtuͤnde/ auff denſelben/ nemblich auff GOtt/ will ich hoffen. Der HErr
iſt metn Helffer. Nach dieſen Worten iſt der hoͤlliſche Mohr wie ein Rauch
verſchwunden/ und dem frommen Antonio den Sieg in Haͤnden gelaſſen.
Eben ſelbiger Waffen ſollen wir uns auch mit dem H. Antonio gebrauchen/
nemblich der Demuth und deß Vertrauen zu GOtt/ zumahlen wir vermit-
tels dieſes Gewehrs unfehlbar den Sieg erhalten werden.
R 311. Ein
[142]Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
11. Ein anders Mittel gibt uns der H. Abt Jſidorus an die Hand: wel-
Vit. P. P.cher in allen Anfechtungen von dem Hochmuth/ ſich ſelbſten pflegte mit
dieſen Worten anzureden: Du biſt ja nicht an Verdienſten gleich dem
Climac.
in Scal.
Cœl.groſſen Antonio/ oder dem Abten Pambo/ oder andern Einſidlern; was
bildeſtu dir dann ein Jſidore? mit dieſen Waffen hat er allzeit ſeinen Feind
geſchlagen. Mit gleichem Fund hat ein ander ſtandhaͤfftige Ritter Chriſti
die Hoffart vernichtiget/ welcher mit groſſem und nuͤtzlichem Fortgang/ der
Tugenden ſich befliſſe/ derhalben die unreine Geiſter denſelben durch den
Saamen der Hoffart zu hemmen ſich bemuͤheten: er aber ſuchte derſelben
Schalckheit Vermoͤg eines geiſtlichen Liſtes zu hintertreiben. Er ſchrie-
be an die Mauren ſeiner Cellen die allerhoͤchſte und vollkommenſte Nahmen
der Tugenden; als nemblich die allervollkommneſte Lieb/ die aller tieffe-
ſte und niedrigſte Demuth/ das allerreineſte Gebett/ die Engliſche Keuſch-
heit/ und andere Tugenden. So offt nun die hoffaͤrtige Gedancken ihn
zu erheben anfingen/ ſo ſagte er zu ihnen: kombt/ meine Gedancken/ laſſet uns
die Vorſchrifft beſchauen; wir wollen unſer Argument uͤberſehen; da er
dann zu der Schrifft kame/ und leſete: Die allervollkommenſte
Lieb. Sprach er ſich ſelbſten zu: wie weit biſtu noch von ſolcher Lieb/
der du noch oͤffters von der Faulheit deinem Naͤchſten zu dienen/ und von
dem Verdruß uͤber deſſelben unvollkommenheiten angefochten werdeſt.
Haſtu villeicht das allerreineſte Gebett? zumaln nicht: das bezeugen gnugſam
die vielfaͤltige ungebuͤrliche Gedancken in demſelben. Der Engliſchen Keuſch-
heit kanſtu dich auch nicht ruͤhmen/ dieweiln die unreine Einbildungen und
brennende Stachelen deß Fleiſches faſt immer plagen. Und alſo antworte-
te er ſich ſelbſten in Uberſehung aller angezeichneten Tugenden: nach die-
ſem allem beſchloſſe er ſeine Reden mit dieſen guͤldenen Worten: Du muſt
wiſſen/ mein lieber Bruder/ daß/ wann du alle dieſe Tugenden vollkom-
mentlich erworben haſt; dennoch ſeyeſt ein unnuͤtzer Knecht/ dieweiln du ge-
than haſt/ was du zu thun ſchuldig wareſt. Solcher maſſen hat dieſer
fromme Geiſtliche ſeine Feind uͤberwunden. Jch zweiffle nicht/ mein
Chriſtliche Seel/ das dieſe vorgeſchriebene Artzney die piſtilentzialiſche
Seugte der Hoffart zu vertreiben beſtand ſeye/ derhalben will ich dich laͤnger
nicht auffhalten. Nehme du vor lieb das Wenige/ damit dich faͤhig
macheſt zu begreiffen das Viele und Groͤſſere.
Die
[143]
Die Dreyzehende Geiſtliche
LECTION
Von dem Ehrgeitz.
19.
me malum \& moriar.’
daß mich villeicht das Vbel nicht ergreiffe/ und ich
umbkomme.’
Der Erſte Theil.
1. GLeich wie die Hoffart ein Feind iſt der Demuth; alſo iſt auch der-
ſelben Tugend der Ehrgeitz zu wider/ welche/ nach Meynung
deß heiligen Thomaͤ/ iſt ein unordentliche Begierd der Wuͤrden
und Ehren. Obzwarn nun diejenige Ubelen denen ſich die Ehrgeitzi-
ge unterwerffen/ kaum zubeſchreiben ſeynd/ ſo wollen wir jedoch deren eini-
ge moͤglichſt anfuͤhren. Erſtlich iſt gewiß/ daß die Ehrgeitzige durch ſo-
thane unziemliche Begierd ihr eigenes Gewiſſen verletzen. Zum andern
muͤſſen ſie ſelbſt geſtehen/ daß ſie die gefaſte Andacht und innerliche Ruhe
ihres Hertzens dardurch verlieren. Wiederumb iſt nicht ohne/ daß ſie
ſich vielen heimlichen Plagen unterwerffen. Und letzlich iſt das aller-
grauſambſte/ daß ſie ihre Seel in die Gefahr deß ewigen Verderbens
ſtellen. O wie viele ſeynd nicht von der Spitze der Ehren und Wuͤrden/
durch dieſes Laſter in Abgrund der Hoͤllen geſtuͤrtzet worden! Sintemahln/
nach Meynung deß heiligen Chryſoſtomi/ alle/ ſo den Vorzug
verlangen hier auff dieſer Welt/ ſollen ſicherlich ihre
Verſchaͤhmung finden in der andern; dann unter die Die-
ner Chriſti kan nicht gezaͤhlet werden/ der ſich um Würden
be-
[144]Die Dreyzehende Geiſtliche Lection
bemůhet hat auff Erden. Die Urſach aber deſſen gibt uns der Geiſt-
Par. 1. c. 25reiche Di[a]acus Stella mu dieſen Worten: Es iſt ein beſchwaͤhrliche Sach-
leben in hohen Wuͤrden/ und dennoch frey ſeyn von hochtrabenden Gedan-
cken. Weilen dann GOtt denen widerſtehet/ ſo ein groſſes auß ſich ſelb-
ſten machen; und die Chrſuͤchtige ſolche ſeynd: ſo kan man wohl ſchlieſſen/
daß ſelbige von GOtt in den Abgrund deß Elends werden verworffen wer-
den nach den Worten der ewigen Warheit: Vnd du Capharnaum/
Luc. 10.
v. 15.die du biß an den Himmel erhoben biſt/ wirſt biß zur Hoͤl-
len hinunter geſencket werden. Dieß haben erfahren die jenige
Geiſtliche/ von denen der Antonius Senenſis in der Chronic deß H. Predi-
ger-Ordens alſo meldet: umb das Jahr 1570. in einem ſicheren Kloſter iſt
nach der gewoͤhnlichen Complet einer von den Braͤdern zum Reffenter hin-
Hiſtoria.gangen/ dieweilen ihme die Sorg deſſelben anbefohlen geweſen. So bald
er nun hinein kommen/ hat er ſelbiges zu allen Seiten mit Geiſtlichen Bruͤ-
dern erfuͤllet geſehen/ ſo mit gewoͤhnlichen Kappen angekleidet/ ſich zu Tiſch
geſetzt/ und die annaͤhende Zeit deß Abendmahls gleichſamb erwartet. Der
Bruder iſt alsbald zum Prior gelauffen/ und hat ihm die Gegenwart der
frembden Gaͤſten verkuͤndiget. Dieſer aber hat vermeinet/ der Geiſtliche ſeye
oder naͤrriſch worden/ oder habe ſolches etwan getraumet/ und ſich dieſen
Traum allzufaſt eingebildet. Da er nun gleichſamb mit Gewalt zu kom-
men gezwungen worden; iſt er dorthin gefolget/ und hat die Sach mit Ver-
wirrung ſeiner ſelbſten alſo befunden: nachmals die fuͤrnehmſte und ver-
ſtaͤndigſte deß Kloſters zuſammen beruffen/ und nach gepflogenem Rath/
den Prieſterlichen Habit angelegt/ das Allerhochwuͤrdigſte Sacrament deß
Altars in Begleitung ſaͤmbtlicher Geiſtlichen Bruͤder/ zum Reffenter getra-
gen; und da er hinzu kommen iſt/ hat er den jenigen/ ſo die fuͤrnehmſte Platz
beſeſſen zum erſten angeredet/ und weiters die ſaͤmbtliche beſchwohren/ anzu-
kuͤndigen/ wer ſie ſeyen/ und zu was End ſie dahin kommen? und hat ihnen
auch im Nahmen deß jenigen HErrn/ den er in den Haͤnden getragen/ be-
fohlen/ ſie ſolten auff die gethane Fragen antworten: hierauff hat/ dem An-
ſehen nach/ der fuͤrnehmbſte unter ihnen angefangen und bekennet; daß ſie
alle geweſen ſeyen Geiſtliche deſſelben Ordens; der meiſte Theil aber ſeyen
geweſen Magiſtri, Priores, Suppriores, Doctores, Baccalaurei, Lecto-
res und mit andern Aembtern geehret; und daß ſie alle die Sententz deß
ewigen Todts getroffen habe/ deren ſie ſich durch vielen Ehrgeitz/ Hoffarth/
Mißgunſt und anderer dergleichen Laſter wuͤrdig gemacht haͤtten. Sie
ſeyen
[145]Von dem Ehrgeitz
ſeyen aber auß Befelch der goͤttlichen Guͤtigkeit dorthin gefchickt worden/ deſ-
ſen und aller andern deß Ordens Cloſtern einverleibte Bruͤder zu ermahuen/
daß ſie ihrem Beruff gemaͤß leben ſolten: auch hat zum Beweiß ſeiner Ver-
damnuͤß ein jeder ſemen Rock auffgeſchlagen/ und denen Geiſtlichen die bren-
nende Feuer-Flammen gezeiget: und nachdem der fuͤrnehmſte unter ihnen
ein Zeichen mit der Hand auff den Tiſch gegeben/ iſt das gantze Schaw-
Werck verſchwunden/ und hat das gantze Cloſter in Forcht und Schrecken
gelaſſen.
2. Wieofft hatten dieſe gelehrte Maͤnner geleſen und gehoͤret die War-
heit auß dem Mund der ewigen Warheit: Was bey den Menſchenc. 16. v. 15.
hoch iſt/ das iſt ein Grewl vor Gott! aber die Ehrſucht hatte ih-
nen den Verſtand verduncklet/ die Augen verblendet/ und die Ohren verſtopf-
fet. Nicht allein iſt dieſes Laſter verderblich/ wie auß erwehnter Geſchicht er-
haͤllet; ſondern iſt das Verderben ſelbſt/ gleich wie der Pſalmiſt in ſeiner Re-Pſal. 72.
v.18.
de zu GOTT ſagt: du haſt ſie niedergeworffen/ da ſie erhoͤhet
wurden: uͤber dieſe Wort mercket der Heil. Gregorius/ daß der Prophet
nicht geſagt habe: Du haſt ſie niedergeworffen/ nachdem ſie er-L. 1. In-
dict. 9.
Ep. 5.
hoͤhet worden: (dann ſolcher maſſen waͤre die Erhoͤhung verderblich)
ſondern/ da/ oder indem ſie erhoͤhet wurden: weilen/ ſagt der H. Kirchen-
Lehrer/ die Boͤſe/ wann ſie mit zeitlichen Wuͤrden geehret werden/ ſtehen ſie
dem aͤuſſerlichen Schein nach auff; innerlich aber fallen ſie: So iſt dann die
Erhoͤhung das Verderben ſelbſt; dann/ indem ſie von der falſchen und be-
trieglichen Wuͤrde unterſetzt ſeynd/ werden ſie von der wahren HerrligkeitPſal. 36.
v. 20.
außgeleeret: Dieſes lehretuns auch der Koͤnigliche Prophet/ der da ſpricht:
Die Feinde deß Herrn/ ſo bald ſie zu Ehren und Hochheit
kommen: Was denſelben widerfahren ſolle/ folgt alsbald hernach: wer-
den abnehmen/ und wie der Rauch verſchwinden: Nun mer-
cke auff/ mein Chriſtliche Seel/ wie diſer goͤttliche Prophet unſere obangezo-
gene Warheit durch die Gleichnuͤß deß Rauchs bekraͤfftige; deſſen Auffſtei-
gen zugleich ſeine Verſtraͤwung und Vernichtigung iſt; und wie hoͤher er
ſich in die Lufft ſchwinget/ jemehr und mehr wird zertheilet: Eben ſolches
widerfahret den boͤſen/ und die zur Hochheit von GOTT nicht beruffen
ſeynd: die Erhoͤhung ſelbſt iſt ihr Verderben/ und auffs wenigſt eine Ver-
niedrigung in den Augen Gottes/ von dem ſie in das ewige Verderben wer-
den verſtoſſen werden.
3. Solchem groſſen Ubel den Eingang zu verſperren/ haben unſere Sa-
tzungen verordnet/ daß alle/ ſo in unſerm Orden die Geloͤbden verſprechen;
Tdaß
[146]Die dreyzehente Geiſtliche Lection
daß vierte derſelben/ nemblich die Demuth gegen dieſen gifftigen Feind/ den
In Tur[ri]
ſalutisEhrgeitz thuen: durch welches Geluͤbt (wie unſer P. Ignatius weitlaͤufftig
beſchreibet) werden alle unter einer Todtſuͤnd verbunden/ nach keinem eini-
gen Ambt/ es ſeye in- oder auſſerhalb der Verſamblung/ zu trachten: wor-
innen auch beſchloſſen werden die jenige Aembter/ ſo durch eine einfaͤltige/
daß iſt/ nicht Canoniſche Wahl vergeben werden: als da ſeynd die Aembter
der Patren Examinatoren und P. P. Diſcreten deß Cloſters: ſolte aber einer
mit dergleichen ehrſuͤchtiger Verſuchung angezepfft werden/ ſo nehme er als
einen bewehrten Schild/ dieſe deß Buchs Geneſis vorgemeldte Wort zu
ſich/ und ſage: Jch mag auff dem Berg/ daß iſt/ in dem Ambt
eines Vorſtehers/ nicht erhalten werden/ daß mich viel-
leicht das Vbel nicht ergreiffe/ und ich umbkomme durch den
Todt der Suͤnde; derhalben will ich vorhero alle Vortrefflichkeit der Aemb-
ter mit allem Ernſt meiden: Weiters iſt auch zu beobachten/ daß die Vor-
ſtehung nicht allein gefaͤhrlich und verderblich ſeye den boͤſen und Ehrſuͤch-
tigen; ſondern auch den guten und von GOTT beruffenen ſchaͤdlich ſeye;
wie ſolches auß goͤttlicher heiliger Schrifft und den H. H. Vaͤttern klaͤr-
lich kan bewieſen werden: und zwarn erſtlich auß dem hohen Lied Salo-
monis: allwo die Seel eines guten und getreuen Praͤlaten oder Vorſteher/
ſo zu ſolchem Ambt beruffen iſt/ ihre Gefahr erkennet/ und alſo beweinet:
Sie haben mich zur Hůterin in den Weingarten geſetzt:
Cant. 1. v.
6.Was iſt aber darauff erfolget? Ach! ich hab meinen Weingarten
nicht bewahret: Dieſe Klagrede legt der Heil. Gregorius ſolcher ge-
ſtalt auß/ und ſagt; daß durch den Weingarten verſtanden werden unſere
Wercke/ die wir zum Nutzen unſerer eigenen Seele verrichtet haben: dieſe
werden aber dardurch verhindert/ wann wir nemblich im Stand der Vor-
ſtehung auff frembde Thaten und Sitten Achtung haben: Wir Huͤter aber/
ſagt der gemeldte Kirchen-Lehrer/ die wir in den Wein-Gaͤrten geſetzt ſeynd/
bewahren unſere Wein-Garten nicht; weilen wir mit anderer Wercken
beſchaͤfftiget/ den Dienſt unſerer eigenen Wercken vernachlaͤſſigen.
4. Es kan auch nicht unbillig durch dieſen Wein-Garten die eigene
Seel verſtanden werden; wie auß dieſen Worten deß Propheten Iſaiæ ab-
zunehmen iſt: Mein Geliebter hat einen Wein-Garten be-
Cant. 5. v.
2.kommen/ und hat gewartet/ daß er Trauben vorbringen
ſolte/ und er hat wilde Trauben vorgebracht. So iſt dann
eins/ ob ich ſage/ ſie haben mich einen Huͤter geſtellt in den Wein-Gaͤrten;
oder
[147]Von der Ehrgeitz.
oder ob ich ſage; ſie haben mir die Seel-Sorg auff getragen/ indem ſie mich
zum Vorſteher erwoͤhlet haben: und diß iſt der Nutze/ den ich hier auß ge-
ſchoͤpffet; daß ich nemblich meinen Weingarten/ daß iſt/ meine eigene Seel
nicht bewahret habe: wohl iſt auch allhier zu mercken; daß in dem angezo-
genen Text nicht von dem jenigen gehandlet werde/ der ſich in das Ambt hin-
ein getrungen hat; ſondern von dem/ der darzu beruffen und erwaͤhlet worden
iſt: dann er ſagt nicht; ich hab mich geſetzt; ſondern/ ſie haben mich
geſetzt: Derhalben da er zum Huͤter uͤber andere iſt beruffen worden;
hat er dardurch abgelaſſen einen Huͤter zu ſeyn uͤber ſich ſelbſt. Sieheſt du
nun/ mein Chriſtliche Seel/ die Gefahr auch bey guten Vorſtehern? Hoͤre
noch den Heil. Bernardum uͤber dieſen Orth der Heil. Schrifft: die Red/
ſagt er/ iſt nicht von den Wein-Garten/ ſondern von der Seelen: ſo geden-
cke du dann an die Seel/ wann du leſeſt oder hoͤreſt nennen den Wein-Gar-
ten: ein ſolcher Huͤter ware vorzeiten der Adrianus Sextus, welcher die Ge-
fahren der Seelen in dieſer Huͤtung anderer wohl betrachtet hat; und da er
einsmahls gefragt wurde/ was fuͤr eine Straff er ſeinem Haubt-Feind goͤn-
nete? gab er zur Antwort; das Pabſtthumb: dahero iſt ihm dieſe Grab-
Schrifft gemaeht worden;
Adrianus Sextus ligt allhier.
Welcher nichts fuͤr ſo ungluͤckſeelig gehalten/ als daß er regieret hat. Wie-Beyrling
Apopht.
fol. 477.
Engeld.
Dom. 16.
poſt
Pent.
derumb/ Pabſt Leo der neunte hat in ſeinem Todts-Bett dem Beichts-
Vatter ins Gehoͤr geſagt: wie viel beſſer waͤre mir geweſen/ wann ich an
ſtatt der Himmels-Schluͤſſelen/ die Schluͤſſel deß Cloſters-Pforten ge-
habt haͤtte: deßgleichen hat Paulus der dritte Pabſt dieſes Nahmens in ſei-
ner Sterb-Stund geſagt; viel lieber haͤtte ich mich dem Koch deren P. P.
Capucinern unterworffen/ als daß ich dieſe/ GOtt ſo nahe Wuͤrden/ die zehn
Jahr lang hab außgeſtanden.
5. Wann nun ſo gelehrte und gottſelige Maͤnner/ ſo von GOtt ſonder-
bahr außerwaͤhlt worden/ gleichwohl unter dem Laſt der Paͤbſtlichen Wuͤr-
den dergeſtalt geſeufftzet/ daß ſie gewuͤnſchet haben/ ſie waͤren Pfoͤrtner und
Koͤch in Platz der Pabſten geweſen; ſo muß mir ja dieſes ein Zeiger ſeyn/
daß/ wie hoͤher eine Wuͤrde oder Vorſtehung iſt/ je mehr ſie den Gefahren
der Seelen unterworffen ſeye: Dieſes ware dem Heil. Vatter Auguſtino
wohl bekandt; derhalben hat er nicht umbſonſt in ſeiner vorgeſchriebenen Re-
gul geſagt: wie hoͤhern Orth einer beſitzet/ wie groͤſſere Gefahr er leidet: er re-
det aber von einem guten und getreuen Vorſteher/ von dem er vorhin alſo
T 2gemel-
[148]Die Dreyzehende Geiſtliche Lection
gemeldet hatte: der jenigen aber/ ſo euch als eine Obrigkeit iſt vorgeſtellet/
derſelbe ſchaͤtze ſich nicht gluͤckſelig/ daß er mit Macht herſche/ ſondern er-
frewe ſich/ daß er euch mit bruͤderlicher Lieb dienen koͤnne; er ſoll in Forcht
vor GOtt zu euren Fuͤſſen liegen: auch ſoll er allen zum beſten einem jeden
ein Spiegel der guten Wercke ſeyn: ſo redet dann dieſer heilige Vatter von
einem guten Vorſteher/ ſo da innerlich und aͤuſſerlich gut iſt; und nichts de-
ſto weniger ſagt er/ daß dieſer in groſſer Gefahr ſeiner Seeligkeit lebe/ und
derowegen armſelig koͤnne genennet werden: ja was noch mehr iſt/ er be-
filcht/ daß wir Untergebene deſſelben uns erbarmen ſollen/ und ſagt/ erbar-
met euch ſeiner: Man erbarmet ſich aber keines/ der nicht in Armſelig-
keit ſtecket/ und deß erbarmens noͤthig hat. Jn Armſeligkeit ſag ich/ iſt der
jenige/ ſo uͤber andere zu richten geſetzt iſt: und iſt dieſe nicht die groͤſte Arm-
ſeligkeit/ nemblich den Suͤnden/ als den ſchwaͤriſten Ubelen aller Ubeln/ mehr
als andere unterworffen zu ſeyn? Die aber zu Vorſtehere geſtellt ſeynd/
muͤſſen dieſen Ubelen gemeiniglich unterliegen/ wie gnugſamb bewieſen iſt
In Opuſc.
de Erudi-
tione
Princ. c.
1.auch bekraͤfftiget ſolches der heilige Thomas mit dieſen Worten: die jeni-
ge ſo groſſe Gewalt haben/ ſeynd oͤffter ſchwaͤcher der Seelen nach/ als an-
dere; weil ſie wenigere Gewalt haben dem Teuffel und den Laſtern zu wi-
derſtehen: und ein wenig hernach bekraͤfftiget er das obige und ſagt: derſel-
bige Stand iſt gefaͤhrlich/ ſo viel die Seel betrifft; dann es kan einer in ſol-
ehem Stand ſchwaͤrlich ohne Suͤnden leben. Dieweil wir nun vernuͤnff-
tiglich ſehlieſſen/ daß die kuͤnfftige Suͤnden zur Straff der vorhin began-
genen von dem gerechten goͤttlichen Richter vielmahl zugelaſſen werden;
ſo muͤſſen wir auch darfuͤr halten/ daß die Vorſtehung eine Straff ſeye der
[l]oc. cit.begangenen Suͤnden: dieſes beveſtiget noch mehr der erwehnte heilige Tho-
mas mit folgenden Worten: die irrdiſche Gewalt; Krafft deren ein Menſch
uͤber andere Menſchen iſt/ iſt keine Sach der Naturen/ ſondern eine Nach-
ſolgerin der Schuld:
6. Jſt dieſem alſo; wie naͤrriſch ſeynd dann die jenige/ welche nach hohen
Wuͤrden trachten! dieß muß ich ſagen/ daß die jenige/ ſo einige Wuͤrden
Homil.
34. ad illa
verba
Hebr. 13.
Ipſi. per-
vig
Inmedio
Chr. c. 32.auch in dem Geiſtlichen Stand verlangen/ oder die auffgetragene Ehr mit
froͤhlichem Gemuͤth annehmen/ ſie ſeyen auch/ wer ſie wollen; blind/
und aller heilſamen Forcht GOTTES entbloͤſet ſeyen: inſonder-
heit/ dader heilige Chryſoſtomus hiervon alſo rede; Zu verwun-
dern waͤrs/ wann einer von denen/ ſo andere re-
gieren/ ſolte ſeelig werden: Dieſe ſeine Wort erlaͤutert er
mit
[149]Von dem Ehrgeitz
mit einer Gleichnuß/ und ſagt: ſo ſchwaͤrlich kan ein Vorſteher ſeelig wer-
den/ als ſelten geſchicht/ das ein Juͤngling mit einem ſchoͤnen Maͤgdlein
umbgehe/ und mit demſelben nicht ſuͤndige. Eben ſelbiger Meynung iſt
der H. Kirchen-Lehrer Bonaventura/ der alſo ſpricht: Ein ſolche Sach
iſts/ der Ehren ſich wohl zu gebrauchen/ wie einem/ ſo mit einẽ Wolgeſtalten
Maͤgdlein umbgehet/ befohlen wird/ daß er kein unzuͤchtiges Aug jemahlen
auff ſelbiges ſchlagen ſolle. Wie ſchwaͤrlich nun iſt in ſolchem Fall dieſem
Befelch nachzuleben/ ſo [ſchwaͤrlich] iſts auch der Ehren ohne Verletzung der
Seel ſich zu gebrauchen. Weiters/ betrachtet der heilige Bernardus die-
ſe Wort deß Apoſtels zu den Roͤmern: Erheb dich nicht in deinemRom. 11.
20.
Sinn. Und bricht alſo loß: Jn hohen Wuͤrden ge ſtelt zu ſeyn/ und in ſei-
nem Sinn ſich nicht erheben/ iſt ein ſchwaͤhre und ungewoͤhnliche Sach; Epiſt. 42.
Bern.
Serm. 6.
in Pſ. 90.
derhalben nennet er ſie eine Ehr-Sucht/ ein Roſt der Tugenden/ ein Motte
der Heiligkeit/ und eine verblenderin der Hertzen. Dann die Eh-
ren/ ſo der Menſch mit froͤhligen Augen anſchauet/ verblenden
ihn/ wann ſchon auch erleuchtet iſt; ſie berauben ihn ſeiner Tugenden
und Heiligkeit. Dahero ſagt der Weiſe Mann: Der wenig zu ſchaf-Eccl. 38.
v. 25.
fen hat; daß iſt/ wer fuͤr anderenicht zu ſorgen hat/ der wird die
Weißheit einnehmen; und dardurch ſeelig werden. Alſo kan mit
guter Vernunfft geſagt werden: Der viel zu ſchaffen hat/ der
wird derſelben Weißheit beraubet/ und folgends ewiglich verdammet wer-
den: ſo iſt dann nicht zu verwundern/ daß die Vorſtehung ein groſſe Arm-
ſeeligkeit genennet werde/ wetcheden Menſchen in die ewig-waͤhrende Arm-
ſeeligkeit verſtoſſet. Dieſe Armſeeligkeit der Seelen fliehet man nicht; der
Armſeeligkeit aber deß Leibs ſuchet jederman mit aller Sorgfalt zu entge-
hen: dieſe foͤrchtet man/ und die andere liebt man; dieweilen die treumeinende
Ermahnung deß H. Bernardi bey vielen ſo wenig Platz findet[;] der da ſpricht:
du Chr-Suͤchtiger/ wer du immer biſt/ wann du witzig biſt; wann das Licht
deiner Augen dich noch nicht verlaſſen hat; ſo laſſe ab zu ſuchen; welches/
wann du gefunden/ nur Armſeeligkeit gewonnen haſt. Fliehe derhalben
und meyde/ mein Chriſtliche Seel/ die Aembter/ ſo viel dir moͤglich iſt;
dann auff einem niedrigen Orth wirſtu deine ewige Gluͤckſeeligkeit leicht-
licher und ſicherer finden/ als an einer erhobenen Stelle. Damit ich dir
aber den/ von dem abſcheuligen Ehrgeitz gegebenen Bericht ferner beſtaͤttige;
als hab ich in folgendem anderen Theil dieſer Ermahnung/ auch zu dei-
nem mehrern Vergnuͤgen einige nuͤtzliche Beyſpiel anfuͤgen wollen.
T 3Der
[150]Die dreyzehnde Geiſtliche Lection
Der Andere Theil.
7. DAs erſte gibt uns an die Hand der erſte Jſraelitiſche Koͤnig Saul-
Ad illa
verba
Job. 36.
Deus po-
tentes
non abji-
cit.
1. Reg.
14. v. 17.von dem der Heil. Gregorius alſo ſchreibet: Saul iſt von
dem Verdienſt der Demuth/ in das Geſchwoͤr der Hoffart/
durch die Hoͤhe der empfangenen Koͤniglichen Gewalt erwachſen: dan
wegen ſeiner Demuth iſt er andern vorgezogen; wegen ſeiner Hoffart aber
iſt er von dem Herrn verworffen worden mit dieſem Verweiß: Biſtu
nicht zum Haupt worden ůber die Staͤmme Jſrael/ da du
klein warejt in deinen Augen? Er hielte ſich klein in ſeinen Au-
gen vor der Gewalt: da er aber mit zeitlicher Macht erhoben worden; ſahe
er ſich nicht mehr fuͤr klein an. Alſo gehts her/ mein Chriſtliche Seel/
nach dem gemeinen Sprichwort: Honores mutant mores, ſed raro in
Serm. ad
Eccleſi-
aſtico-
rum cau-
tel. con-
ſid. 4. cir-
ca finem
tom. 2.meliores. Die Ehren den Menſchen verkehren/ und ſelten bekehren.
Das andere Beyfpiel haben wir an dem Verraͤther Judas/ von dem der
geiſtreiche Gerſon fraget: warumb ihn Chriſtus zu ſeinem Apoſtel erweh-
let habe/ da er doch vorhin gewuſt/ daß derſelbe ſo groͤblich fallen wuͤrde?
Er ſelbſt ſpricht alſo: Jch hab zwoͤlff erwehlet/ und einer von euch iſt ein
Teuffel. Dieſe Frag/ ſagt der oberwehnte Gerſon/ iſt eine von denen/ ſo
der Apoſtel Paulus betrachtet/ und nicht beantwortet; ſondern uͤberlaut
außgeſchriehen O eine Tieffe deß Reichthumbs/ der Weiß-
Rom. 11.
v.33.heit und Erkaͤntnůß GOttes/ wie unbegreiff lich ſeynd
ſeine Gerichte/ und wie unerfoͤrſchlich ſeynd ſeine
Weege: Dieß eintzige wiſſen wir; das GOTT in dem Judas
nicht verurſachet habe den boͤſen Willen der laſterhafften Verachtung/ ſo
viel dieſelbe eine Boͤßheit betrifft: Er aber/ nemblich Chriſtus hat ſich die-
ſes boͤſen Willens wohl gebraucht/ als die Weißheit GOttes/ die ſich da
ſtrecket gewaltiglich von einem End biß zum anderen/ und verordnet alle
Ding lieblich. Allhier/ fahret fort der mehr-gemeldte Gerſon/ wird
beſtraffet die naͤrriſche Ehr-Sucht deß menſchlichen Hertzens/ das ſo
unforchtſamb die Hoͤhe der Wuͤrden anfallet/ die doch ein Menſch/ ſo von
GOtt beruffen/ und von ihm ſelbſten erwehlet/ mit keiner Verſicherung/
und ohne groſſe Gefahr deß fallens annehmen kan; wie wir am Judas/
am Saul und unzahlbaren andern zu ſehen haben. Gerſon hats getroffen;
Hiſtoria.
Diſcip.
Baſil. Ful-du aber huͤte dich vor dem Auffſteigen/ foͤrchte das Fallen/ und hoͤre:
8. Weiters gebe ich dir von dem ungluͤckſeeligen Udone, Ertz-Bi-
ſchoffen zu Magdeburg/ dieſen Bericht: Es ware ein Juͤngling in der
Stadt
[151]Von dem Ehrgeitz
Stadt Magdeburg in Sachſen/ Nahmens Udo, dieſer thaͤte den freyenFulgos
L. 9. Cap.
12.
In mag-
no Spe-
cul. Ex-
emp.
Diſt. 9.
Exemp.
176.
Kuͤnſten obligen; und weiln er ſahe/ daß wegen Mangel deß noͤthigen
Verſtands nichts zunehmen koͤnnre/ und dieſerthalben von dem Magiſtro
uͤbel hergenommen wurde; hat er ſich zur Kirchen deß H. Mauritii ver-
fuͤget/ und daſelbſt die allerſeeligſte Jungfrau Mariam ſehr eifferig gebetten/
ſie moͤgte ihn doch durch die Fuͤrbitt deß H. Mauritii erhoͤren/ und ih-
me die Gaab der Wiſſenſchafft erwerben. Hieruͤber iſt der obbemeldte
Udo in einen Schlaff gefallen/ in dem die Glorwuͤrdige Mutter ihm er-
ſchienen/ und geſagt: Jch hab dein Gebett erhoͤret/ und ſchencke dir nit allein
die Gaab der Wiſſenſchafft; ſondern verkuͤndige dir auch/ daß du Ertz-
Biſchoff ſeyn werdeſt: aber huͤte dich/ daß du in alſolcher Wuͤrde nicht
uͤbel lebeſt/ ſonſt wirſtu an Leib und Seel geſtraffet werden. Nach dieſen
Worten iſt die mehr-gedachte Jungfrau der Jungfrauen verſchwunden: der
Juͤngling aber iſt erwachet/ iſt wiederumb zur Schulen gangen/ und hat
wegen ſeiner Gelehrheit allen ein groſſe Verwunderung verurſachet.
Nach zweyen Jahren iſt der Ertz-Biſchoff geſtorben/ an deſſen Platz er
vermittelſt einhelliger Zuſtimmung erwehlet worden/ und hat eine zeitlang
loͤblich regieret; weilen aber die Ehren den Menſchen verkehren; als iſt er
allgemach von dem vorigen eifferigen Dienſt Gottes ab- und einẽ ſehr laſter-
hafften Leben zugefallen; er hat die Schaͤtz der Kirchen verſchwendet/ die
ſo wohl Geiſt- als Weltliche Jungfrauen geſchwaͤchet/ und fort allen ſeinen
boͤſen Begierden den Zaum gelaſſen. Ach Leider! Nachdem dieſer
Ertz-Biſchoff ein geraume Zeit durch ſeine Laſter die Lufft und ſchier die
gantze Welt vergifftet/ und in einer Nacht eine Abtiſſin auß einem Koͤnigli-
chen Ciſtertienſiſchen Kloſter bey ſich im Bett gehabt/ hat er eine Stimm
gehoͤret:
Udo aber hat dieſe Stimm als ein gedichtes Werck außgelachet/ und ob
ſchon er die folgende Nacht ſelbige Wort zum andernmahl gehoͤret/ ſo hat
er hierauff ſein boͤſes Leben nicht gebeſſert. Da er nun zur dritte Nacht
wiederumb mit vor gemeldten Abtiſſin ſeine fleiſchliche Wolluͤſten getrieben;
hat er eben ſelbige Wort mit einem erſchroͤcklichen knall gehoͤret:
Hierauff iſt er zwar bewegt worden/ und hat geſcuffzet/ ſich aber
nicht
[152]Die dreyzehende Geiſtliche Lection
nicht gebeſſerct: er hat zwarn der Raben Cras, Cras, widerholet/ aber keine
Buß geth[.m]. Nach verfloſſenen dreyen Monathen hat ein Canonicus der-
ſelben Ertz-Biſchofflichen Kirchen daſelbſt GOtt inſtaͤndigſt gebetten/ er
wolle doch den Udo vom zeitlichen Leben hinwegnehmen/ oder beſſeren.
Nicht vergeblich hat dieſer gemeldte Canonicus gebetten; ſondern alsbald
geſehen/ daß durch einen ſehr ſtarcken Wind alle Ampelen der Kirchen er-
loſchen. Dieſem nach hat er geſehen zwey Juͤngling mit Wachs-Lichtern
zum Altar hinauff gehen; welche an beyden Seiten deß Altars geſtanden.
Nach dieſen ſeynd zwey andere hinein kommen/ deren einer einen Teppig
vor dem Altar ehrbietſamblich außgeſpreitet: auff welche der ander zwey
guͤldene Seſſel geſetzet. Uber dieſe iſt noch einer gantz allein hinzukommen/
ſo gleich einem tapffern Fechter mit gezucktem Schwerd auffgezogen/ und
in mitten der Kirchen uͤberlaut geruffen: O ihr Heilige GOttes alle/
deren Gebaine allhier auffbehalten werden/ ſtehet auff und kommet zum Ge-
richt deß HErrn. Auff ſothane Stimm iſt ein ſehr groſſe und herrlich leuch-
tende Anzahl beydes Geſchlechts erſchtenen/ welche alle auff den Chor
geſtiegen/ und nach der Ordnung niedergeſeſſen. Auch ſeynd erſchienen
zwoͤlff Maͤnner/ und in der Mitte derſelben einer/ deſſen Glantz die Sonn
uͤbertroffen/ ſo mit einer Koͤniglichen Kron und Schepter verſehen; dieſer iſt
aber geweſen Chriſtus ſambt ſeinen zwoͤlff Apoſtelen. Da dieſen die ande-
re geſehen/ ſeynd ſie vor ihm nieder gefallen/ haben ihn angebetten/ und nach-
mals auff einen der vorgedachten Seſſelen geſetzet. Auch hat ſich einfin-
den laſſen die uͤber Mond und Sternen leuchtende Himmels - Koͤnigin in
einer anſehnlichen Begleitung unzahlbarer Jungfrauen/ ſo auch von den
Außerwaͤhlten GOttes geehret worden. Dieſer ſeiner werthen Mutter
iſt Chriſtus alsbald entgegen gangen/ und hat ſie mit der Hand auff den Ne-
ben-Seſſel gefuͤhret. Schließlich iſt ebenfals der H. Martyr Mauritius
mit ſeinen 6660. Rittern herankommen; ſo alle vor dem Heyland niederge-
fallen/ und ihn angebetten und geſage: O du allergerechteſte Richter/ ge-
be ein Urtheil; denen Chriſtus geantwortet: Jch weiß was ihr ſuchet; brin-
get hieher den Ertz-Biſchoff Udo. Auff dieſen Befelch ſeynd alsbald
einige von den Umbſtehenden hingangen/ und haben meinen Biſchoff von
der Seiten der ſauberen Abtiſſin hinweg geriſſen/ und armſeeliglich vor-
geſtellet. Dieſen hat der H. Mauritius vor andern mit ernſthafften
Augen angeſchauet; und mit dieſen Worten den Heyland gebetten: O
mein HErr/ und allergerechteſte Richter/ richte nach deiner Gerechtig-
keit.
[153]Von dem Ehrgeitz.
keit: ſiehe/ Herr/ dieſer Udo iſt kein Biſchoff/ ſondern ein Wolff/ kein Hirt/
ſondern ein Raͤuber und Schlaͤchter ſeiner Schaffen: dieſer iſt der jenige/ dem
deine werteſte Mutter die verlangte Wiſſenſchafft gegeben/ und dieſe Kirch
anbefohlẽ/ und geweiſſaget hat; wan du wol wirſt leben/ ſo wird dir das ewige
Leben zu theil werden; wirſt du aber uͤbel Hauß halten/ ſo wirſt du an Leib und
Seel ſterben: dieſer Boͤßwicht hat alle heylſame Ermahnungen verachtet; dieſe
und andere Kirchen entheiliget/ und gleichſamb vernichtiget; ja ſo gar/ er hat
deine dir vermaͤhlte geiſtliche Braut geſchaͤndet; derhalben laß ihn/ O Herr
erfahren deine Gerechtigkeit: auff ſolche gethane rechtmaͤſſige Anklag/ hat der
goͤttliche Richter ſeine Heilige angeſchen/ und geſagt: was geduͤncket euch von
dieſem? der oben gemeldte Fechter aber hat mit harter Stimm geruffen: er
iſt deß Todts ſchuͤldig: er hat den Kopff zu verliehren verdienet/ ſpricht der
Richter/ weilen er ohne Haubt im Wuſt gelebt/ und verfaulet iſt: und ſiehe/
da nun der offt erwehnte Fechter den Armb zum Streich erhoben/ ruffet ei-
ner von den umb ſtehenden demſelben mit dieſen Worten zu: halte ein deine
Hand ſo lang/ biß die Heiligthumbe von ihm genommen ſeynd: hierauff iſt
der ungluͤckſelige Udo vielmahl auff den Halß geſchlagen worden/ und zu
jedem Schlag iſt eine beſudlete Hoſtia auß dem Mund in einen darzu berei-
teten Kelch gefallen; welche CHriſtus alle außgenommen/ gewaſchen/ und in
einem Kelch auff den Altar geſetzt/ und alſo mit ſaͤmptlicher heiligen Schaar
zuruͤck gewichen; und nachdem der obige Fechter dem armſeligen Biſchoff
den Kopff hat abgeſchlagen/ iſt die gantze Verſamblung verſchwunden.
Der obgedachte Canonicus von dieſem grauſamen Spectacul gantz er-
ſtummet/ hat in der Klufften der Kirchen Fewer gefunden/ worvon er die
erloſchene Ampelen entzuͤndet; und da er zu dem Orth deß Gerichts kom-
men/ hat er den Kelch mit den Hoſtien auff dem Altar/ den todten Leib weit
von dem Kopff hinweg geworffen/ und das Pflaſter mit dem Blut benetzet
geſehen und mit moͤglicher Stimm geruffen: O trauriges Schauſpiel! O
groſſes Wunderwerck! O unerhoͤrtes Gericht! O wie ſchroͤcklich iſt es/
in die Haͤnde des lebendigen GOttes zu fallen! hierauff hat er alle Thuͤren
der Kirchen fuͤrſichtiglich geſchloſſen/ und die fuͤrnehmſte Geiſtliche und
Weltliche zuſammen beruffen/ und hat die Thuͤr wiederumb auffgeſchloſſen/
und ihnen den Ertz - Biſchoff Udonem ein ſeinem Blut erblichen gezeiget/
und alles was er geſehen/ ordentlich erzehlet.
Selbigen Tags aber hat einer von ſeinen Capellanen Nahmens Bruno/
nach gethaner Verrichtung ſeiner Commiſſion, und vorauß geſchickten ſei-
nen Dienern/ wiederumb nach der Statt zu kehren ſich bemuͤhet; iſt aber
Uauff
[154]Die Dreyzehende Geiſtliche Lection
auff der Reiſen dergeſtalt von dem Schlaff uͤberfallen worden/ daß er in Er-
blickung eines ſchattenreichen Baums vom Pferd zu ſteigen/ den Zaum
an den Arm zu binden/ und daſelbſt zu ſchlaffen gezwungen worden: in die-
ſem Schlaff hat er eine ſehr groſſe Menge der unreinen Geiſter mit Trom-
petten und Herpaucken/ mit Schwerden und Stangen/ mit Beylen und Lan-
tzen zu dieſem Ort ſehen hinzu nahen: dieſe haben ihrem fuͤrnehmſten Haubt/
ſo die andere an Groͤſſe und Grauſamkeit deß Geſichts uͤbertroffen/ einen
Thron auffgerichtet/ und denſelben darauff geſetzt: alsbald iſt auch heran
gewiſchet eine andere Schaar der boͤſen Geiſtern/ ſo mit unbeſchreiblichem
Gauchtzſen und Frolocken geſchriehen: macht Platz/ macht Platz: ſehet/ un-
ſer Fuͤrſt der Udo kombt herbey: Nach dieſem haben die Trabanten deſſen
Seel dem Satanæ ihrem Fuͤrſten præſentirt; deme er dann zu ehren von ſei-
nem Thron auffgeſtanden/ ihn mit friedlichen/ aber betrieglichen Worten
gegruͤſſet/ und geſprochen: ſeye willkomm du Fuͤrſt und Vermehrer unſeres
Reichs; ſiehe/ wir ſeynd alle bereit fuͤr deine trew geleiſtete Dienſten dich zu
belohnen: da aber der Udo vor dieſer grauſamen Anzahl gantz und zumahlen
erſtummet; hat mit ihm der Sathan ein Mitleiden getragen und geſagt:
ſiehet ihr nicht/ unſer lieber Bruder Udo iſt von dem Reiſen ermuͤdet/ der-
halben gibt ihm alsbald zu Eſſen/ damit er wiederumb zu Kraͤfften komme:
dieſem Befelch ſeynd die Kohlfarbige Auffwarter gar hurtig nachkommen/
und haben Krotten und Schlangen dem neu angekommenen Gaſt mit groſ-
ſer Gewalt ins Maul geſtoſſen/ und ihn hernach auch mit einem Schwebel-
Safft uͤberfluͤſſig getraͤncket: und da er noch nicht geredet/ hat der gemeldte
Sathan verordnet/ man ſolte dieſem ſchwachen Fuͤrſten in ein kraͤfftiges
Fuͤrſtliches Badt fuͤhren/ damit er ſeine Sprach wieder bekomme: in ſelbi-
gem Augenblick iſt er in einen von zerlaſſenem Ertz und Bley angefuͤllten
Pfuͤtz geworffen/ nachmahls herauß gezogen/ und gantz gluͤend Jhro Hoch-
fuͤrſtliche Gnaden præſentiret worden; der ihn dann ſpoͤttlich verhoͤnet/ und
geſagt: gelt lieber Fuͤrſtlicher Bruder/ du haſt ein ſanfftes Badt gehabt?
Hierauff hat Udo angefangen zu ſchmaͤhen und zu gottlaͤſtern/ und geſagt:
verflucht biſt du O Sathan mit allem deinem Anhang; verflucht ſeye auch
der GOtt/ ſo mich erſchaffen/ mit allem ſeinem Gebott; verflucht ſeyen alle
Engell: dieſe bruͤderliche Stimm hat dem Fuͤrſten und ſaͤmbtlichen ſeinen
Trabanten dermaſſen gefallen/ daß ſie mit groſſen Frewden geſchrichen;
dieſer iſt werth/ daß er bey uns verbleibe/ weilen in unſerem Geſaͤng trefflich
erfahren iſt: dieſer muß promovirt werden in die Schul der verdambten
Einigkeit/ und wohnen daſelbſt in alle Ewigkeit: kaum hatten ſie dieſe Wort
geen-
[155]Von dem Ehrgeitz.
geendiget; ſiehe/ da wird die armſelige Creatur von den grimmigen Feinden
einhelliglich angefallen/ und in den hoͤlliſchen Abgrund jaͤmmerlich geſtuͤrtzet:
Wie nun dem Zuſchawer dieſer erbaͤrmlichen Action zu muth geweſen ſeye/
iſt leichtlich zu erachten; inſonderheit/ da der Fuͤrſt der Finſternuͤſſen den
Fingerzeich auff ſelbigen Capellan gegeben/ und befohlen/ man ſolle verhuͤten/
daß dieſer Clericus nicht entkomme; dann gleich wie er/ ſagt der Fuͤrſt/ iſt ge-
weſen ein Mitwircker deß Boͤſen; ſo muß er auch nun theilhafftig werden
der Straffen/ und zu ſeinem Herren geſendet werden/ damit er alſo uͤber ſeine
Verrichtung demſelben fuͤglich koͤnne Bericht erſtatten: indem aber die
die Teuffel ihn ergreiffen wollen/ ſpringt er gaͤhling im Schlaff auff und er-
wachet: darab dann das Pferd erſchroͤcket/ von einem Orth zum andern ge-
ſprungen/ und den armen Menſchen ſo lang gezogen/ biß ihm der Arm gaͤntz-
lich auß den Fugen verruͤcket; iſt dannoch mit groſſer Muͤhe auffs Pferd ge-
ſtiegen/ und nach Magdenburg kommen: und da er den Todt ſeines Herrn
verſtanden; hat er alles was ihm begegnet/ erzehlet/ und alſo den Schrocken/
das Gericht/ und das Wunder vergroͤſſert/ auch ſeinen Arm/ und die urploͤtz-
liche greiſſe Haaren zum Zeichen der Warheit herumb getragen: im uͤbri-
gen hat man den faulen Leib weit von der Statt in ein Moßlachen geworf-
fen weilen aber die daherumb wohnende Menſchen dieſerthalben mit oͤffterm
Schroͤcken beunruhiget worden; iſt deß ungluͤckſeeligen Udonis todter Leib
herauß gezogen/ verbrennet/ und die Aſchen in die Elb geworffen worden; alle
Fiſche aber deſſelben Fluſſes ſeynd ins Meer geſchwummen/ und haben durch
vielfaͤltiges andaͤchtiges fliehen zu GOtt/ nach zehen Jahren/ endlich wie-
derumb ihr voriges Quartier bezogen.
9. So iſt dann und bleibet wahr/ daß auch den guten/ und denen/ ſo von
GOtt vermittelſt einhelliger und wunderbahrlicher zuſammen Stimmung
der waͤhlenden in die zeitliche Wuͤrden geſetzt werden/ nicht wenige Gefahren
der Seele außzuſtehen haben; dero nicht allein die Biſchoͤff; ſondern auch
andere geiſtliche Obrigkeiten ſich unterwerffen: und wiewohl billig zu glau-
ben iſt/ daß viele derſelben wegen Frommigkeit ihres Lebens und ungemeinen
Gelehrtheit rechtmaͤſſig zu denen ihres Ordens-Aembtern erwaͤhlet/ und
von Gott beruffen ſeyen; ſo ſeynd ſie hernach derhalben von ſelbigem ver-
worffen worden; weilen ſie in Erbawung frembder Wein-Gaͤrten/ daß iſt
in der Seel-Sorge/ ihren eigenen Wein-Garten/ daß iſt/ ihre eigene Seel
vernachlaͤſſiget haben/ nach dem Spruch deß hohen Lieds Salomonis: ſieCant. 1
v. 5.
haben mich geſetzet zur Hůterin in den Wein-Gaͤrten/
und ich hab meinen eigenen Wein - Garten nicht
V 2be-
[156]Die dreyzehente Geiſtliche Lection
bewahret: Derowegen ſeynd ſie elendlich den hoͤlliſchen Geiſtern zu-
geſellet worden.
10. O wiewohl hat dieſes behertziget unſer deß Heil. Auguſtini Ordens
Ehrwuͤrdige und wunderthaͤtige Vatter Hieronymus à St. Bernardo, ſo
von Edlem Stammen gebohren: und in Betrachtung der groſſen Gefahren
in Wuͤrden zu leben/ ſich unwitzig angeſtellet; damit er alſo die Ehren der
Welt zertrennen/ und dem befahrenden Schiffbruch ſeiner Seelen entgehen
moͤchte: man hat ihn ſchier bey die ſieben und viertzig Jahr fuͤr einen Nar-
ren g[e]halten/ und als einen ſolchen tractirt: er aber hat die jenige Gefahr/
ſo ihme in den Verſamblungs-Aemptern haͤtte zuſtoſſen koͤnnen/ in ſothaner
Mißgeſtalt zumahlen außgelachet/ und nach gefuͤhrten Tugend- und Wun-
der-vollem heiligen Leben/ die ewige Seeligkeit erlanget Anno 1677. den
fuͤnff und zwantzigſten Tag Octobris: im Jahr ſeines Alters 77. und deß
Geiſtlichen Stands 58. Dieſes heiligen Manns GOtt gefaͤllige Demuth
folge du nach/ mein Chriſtliche Seel/ und verachte alle weltliche Ehren und
Wuͤrden: und ob du ſchon dich naͤrriſch anzuſtellen nicht vermoͤgeſt/ (dann
dieſe ein ſonderbahre und nicht gemeine Gnad iſt) nichts deſto weniger kanſt
du andere Mittel erdencken/ durch Huͤlff deren du der goͤttlichen Majeſtaͤt
zu gefallen/ und die Vorſtehungen der Verſamblung zu meiden dich befleiſ-
ſigeſt: damit wir aber dieſe heylſame Rede nicht gar zu kurtz abſchneiden; wol-
len wir dir hier von noch einigen Bericht geben; welchen zu deinem Troſt
enthaltet.
Der dritte Theil.
11. WAnn der Warheit gemaͤß iſt/ was der Heil. Kirchen-Lehrer Gre-
Hom. 17.
in Evang.gorius neben andern H. H. Vaͤttern ſagt; daß nemblich die
Werck und Thaten unſeres Heylands lautere Gebott ſeyen;
indem er uns durch ſelbige zeiget/ was wir thun ſollen: ſo folgt hierauß un-
fehlbarlich/ daß wir geladen/ ja auch verbunden werden/ alle Vorſtehung und
Hochheit zu fliehen nach dem Exempel CHRJSTJ: von dem der
heilige Joannes alſo ſchreibet: Als JESVS mercket/
e. 6.v 15.daß ſie kommen wůrden/ und ihn mit Gewalt hin-
weg fůhren/ daß ſie ihnen zum Koͤnig machten/ flo-
he er abermahl auff den Berg/ er ſelbſt allein: Uber
ſothane Wort erinneret dich und mich der heilige Bonaventura/
und
[157]Von dem Ehrgeitz.
und ſagt: Seheſtu nun/ mit was behutſambkeit und groſſem Ernſt deinIn med.
vitæ
Chriſt. c.
45.
Heyland die Koͤnigliche Wuͤrden gemeidet hat? er hat uns hierdurch ge-
zeiget/ daß wir auch alſo thun ſollen; dieweilen er nicht ſeiner/ ſondern un-
ſerenthalben geflohen: zumahlen er wuſte/ was ein groſſe Vermeſſenheit
ſeye/ daß man nach den Ehren trachte: dann dieſelbe ſeynd von den groͤſten
Stricken/ mit denen der arme Menſch gefangen wird; und die vermoͤgen-
ſte Urſachen/ Krafft deren er ſeine Seeligkeit verſpielet. Dieß ſagt der Se-
raphiſche Lehrer: Nicht wenigeren Bericht der ſo groſſen Gefahr hat der-
jenige Einſidler gehabt/ deſſen Vaͤtter noch jung von Jahren zum Bi-Hiſtoria.
ſthumb beruffen worden: derhalben er ihm befohlen/ er ſolte ſich erſtlichFaber
Conc. in
feſt. S.
Jac. n. 2.
auff einen hohen Tiſch/ und hernach auff die Erde legen; aber auff beyden
ſich etlichmahl wacker herumbwerffen/ und ſehen/ welche dieſer zweyen
Weltzungen die ſicherſte ſeye. Nach eingenommener ſolcher Unterwei-
ſung hat der gemeldte Juͤngling das Biſthumb als ein ſehr gefaͤhrliges
Werck geflohen: und iſt nach dem zeitlichen Leben/ ſeinem Unterweiſer er-
ſchienen/ hat ihme gedancket/ und geſagt: verſichere dich/ mein Vatter/
daß ich jetzt gehoͤrte unter die Zahl der Verdambten/ wann ich gelebt haͤtte
in dem Chor der Biſchoffen O wie wahr iſt dann/ das hohe Aembter mit
hunderterley Gefahren umbgeben ſeyen! Nun wollen wir zu deſſen mehrern
Bekraͤfftigung noch ein anderes dergleichen Exempel hinzuſetzen.
12. Der ſeelige Ganfredus ein Ordens-Geiſtlicher deß Kloſters Claren-Hiſtoria.
Arnold.
apud
Diſcip.
item
March.
Tub. Sa-
cer. Tom.
1. Lect. 5.
thall/ iſt zum Biſchoff erwaͤhlet worden. Er aber hat uͤber ſolche Wuͤrden
ſich nicht allein beſter Maſſen entſchuldiget/ ſondern hat auch deß Pabſten
Eugenii/ und ſeines Abten/ deß heiligen Bernardi Befelch wegen Anneh-
mung dieſes Ambts ſich widerſetzet. Nicht ſehr lang hernach iſt er geſtor-
ben/ und einen von ſeinen vertraulichen Geiſtlichen Bruͤdern erſchienen/
und geſagt: Jch bin ſeelig worden/ dann die Flucht deß Paſthumbs iſt
mir zu meinem ewigen Heil außgeſchlagen. Worauff er befragt worden/ ob
ihm der gewieſene Ungehorſamb auch ſchaͤdlich geweſen ſeye: hat aber ge-
antwort: nein/ und hinzugeſetzt: Wann ich dieſe Wuͤrden haͤtte angenom-
men/ waͤre ich ewig verdammet worden: und (ſo grauſamblich iſt zu hoͤ-
ren) ſo weit iſt es kommen mit dem Stand der Kirchen; daß ſie nicht wuͤr-
dig ſeye/ als von boͤſen Biſchoffen regiert zu werden. O entſetzliche Tieffe
der Urtheilen GOttes! billig muß hieruͤber ſich foͤrchten/ erſchrecken und
erbleichen die Obrigkeit. Keiner wird dieſes hoͤren und glauben/ und dan-
noch nicht ſuchen ſeines Ambs Laſts enthoben zu werden. Ein jeder! ſo
U 3dieſes
[158]Die dreyzehende Geiſtliche Lection
dieſes behertziget/ wird alle anerbottene Aembter wie das Gifft der Schlan-
gen und wie die Peſt ſelbſten haſſen und fliehen.
13. Derhalben hat nicht unbillig der H. Bernardus das Genuenſiſche
und Maylaͤndiſche Bichſthumb anzunehmen ſich geweigeret. Wohl auch
hat der H. Thomas von Aquin/ die von dem Papſt Clemente dem Vier-
ten ihm auffgetragene Neapolitaniſche Ertz-Biſchoffliche Wuͤrden ver-
achtet. Jmgleichen wie hat nicht der H. Bruno das ihm ebenfals von dem
Papſt Honorio anerbottene Ertz-Biſchoffliche Ambt der Stadt Rehms
gefoͤrchtet/ daß er auch dieſerthalben von Rom in Franckreich wieder zu keh-
ren ſich geſcheuet/ und Calabriam zu ſeinem heimlichen Auffenthalt erweh-
let/ ſo ihme auch von ſtatten/ und er der ſo verderblichen Ehr Gefahr gluͤcklich
entgangen iſt. Wie hat ſich nicht in gleichem Fall verhalten der H. Papſt
Gregorius/ von dem wir am 77 igſten Blat gemeldet? der hocherleuchte
Auguſtinus hat auch mit groſſer Gewalt zu der Biſchofflichen Vorſte-
hung muͤſſen gezwungen werden; dann er wolte lieber an einem niedrigen
Ort ſeelig werden; als an einem hohen ſich in Gefahr ſtellen. Maru-
lus laſſet auch herkommen von dem frommen Geiſtlichen Ammonio/ daß er
zu Vermeidung deß Bichſtumbs/ zu dem man ihn zwingen wollen/ ſich ein
Ohr vom Kopff gantz abgeſchnitten: und da er alſo mißſtaltet/ dannoch
dieſer Wuͤrden nicht entkommen koͤnnen; hat er vor dem Ertz-
Biſchoff und ſaͤmptlichem Volck geſchwohren/ daß er ſeine Zung/
derwegen ſie ihn liebten/ auch abſchneiden wolte/ wann ſie von ihrem
eiffrigen Anhalten nicht ablaſſen wuͤrden; derhalben haben ſie deß Am-
monii ſich nothwendig begeben muͤſſen. Vieler/ ja unzahlbarer anderer
zugeſchweigen/ muß ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ unſern H. Thomam
de Villa nova noch vorſtellen; von dem der Magiſter Solon erzehlet/ daß er
von dem Kayſer Carolo dem fuͤnfften zum Biſchoff zu Granat ſeye er-
nennet worden; habe aber dieſer Wuͤrden ſich tapffer entſchlagen; und da
er nachmahlen (unangeſehen der vorigen Weigerung) von allerhoͤchſt-er-
wehntem Kayſer zum Ertz-Biſchoff zu Valentzien erklaͤret worden; hat er
abermahl mit aller geiſtlichen Hoͤffligkeit ſich entſchuldiget; und dem eif-
frigen Begehren deß Kayſerlichen Erb - Printzen Philippi Secundi, wie
auch deſſen fuͤrnembſten Reichs-Staͤnden/ und deß Cardinalen Toletani
hefftigem Antreiben maͤnlich widerſtanden. Derhalben hat man den Ge-
neralen deß H. Ordens erſuchet/ welcher unter Straff der Excommunica-
tion deß gefaͤhlten Vrtheils/ mehr-gemeldtem Thomaͤ befohlen/ inner-
halb vier und zwantzig Stunden obgedachtes Ertz-Biſchoffthum anzuneh-
men.
[159]Von dem Ehrgeitz.
men. Solcher Geſtalt hat dieſer heilige Mann Krafft deß Gchorſambs in
ſothane Wuͤrden muͤſſen einwilligen/ die er mit vielen Zaͤhren zu meiden
ſich unterſtanden hatte.
14. Hoͤre noch eins mein geneigter Leſer/ ſo mir eben einfallet von dem
gottſeeligen Petro Damiano: von dem der andaͤchtige Pater Laurentius
Surius ſchreibt/ daß er zur Cardinal-Wuͤrde der Roͤmiſchen Kirchen mehr
ſeye gezogen als beruffen worden/ und obwohl der Papſt Stephanus ihnen
zum Dechanten der hochwuͤrdigen Verſammlung der Cardmaͤlen und
Oſtienſiſchen Biſchoff ernennet hat; ſo habe er ſich dieſer hohen Ehren doch
freylig enteuſſeret/ damit er dem Dienſt GOttes und Beſchauung der
Goͤttlichen Dingen beſſer obligen moͤgte. Dieweilen aber allerhoͤchſt-ge-
dachte Paͤbſtliche Heiligkeit denſelben zu abermahliger Annehmung zwin-
gen wollen; und er mit groſſer Standhafftigkeit ſich zu entſchuldigen nicht
nachgelaſſen; als hat der allerhoͤchſt-ermeldte Pabſt in ſothaner Weigerung
jedoch mit dieſer Condition eingewilliget: daß er hundert Jahr alle Tag
hundertmahl den vierten Buß-Pſalmen mit zugleich gehender Caſteyung
ſeines Leibs betten ſolte. Dieſe Straff hat der Gottſelige Petrus mit
Freuden angenommen/ und mit ſolchem Eyffer verrichtet; daß er inner-
halb eines Jahrs-Friſt dieſelbe voͤlliglich bezahlt hat. O unerhoͤrtes Wun-
der! und wann GOtt in ſeinen heiligen nicht wunderbarlich waͤre; wer ſol-
te glauben/ daß ein Menſch innerhalb vier und zwantzig Stunden/ und daß
nicht einen/ ſondern alle Tage eines gantzen Jahrs/ uͤber zehn tauſendmahl
den vierten Buß-Pſalmen mit beygefuͤgter Caſteyung deß Leibs widerho-
len koͤnnte? und nichts deſto weniger hat der demuͤtige Petrus eines ſo harten
Wercks ſich lieber unterfangen/ als die ihm auffgetragene Wuͤrden anneh-
men wollen. Auß deme nun/ und andern Beyſpielen gnugſamb erhellet/
daß in den Vorſtehungen ſehr groſſe Gefahren verborgen ligen; zumahln
ſelbige ſo viel GOttgefaͤllige/ und mie dem H. Geiſt erfuͤllete Maͤnner ſo
ernſtlich geflohen haben. Wann du aber/ mein Chriſtliche Seel/ dir vil-
leicht einbildeſt/ daß die Gefahr nicht ſo erheblich ſeye/ als ſie gemacht wer-
de/ ſo hoͤre die Wort deſſen/ ſo auß dem Mund deß Weyſen dir bedeutet:
Es wird ein ſehr hartes Vrtheil ůber die ergehen/ ſo dasSap. c. 6.
v. 6.
Regiment fůhren. Dieſes ſolle dir und mir billig gnug ſeyn: und was iſt
erſchroͤcklicher/ als das ein Vorſteher in Wuͤrden und keines Tags verſichert
lebe/ und durch die H. Schrifft/ ſo da nicht fehlen kan/ betroͤhet werde/ daß
er vor allen andern Menſchen am ſcharffeſten werde gerichtet werden? Es iſt
warhafftig ein unerhoͤrte Blindheit; ein unertraͤglicher fehl/ daß ein ſchwacher
Menſch
[160]Die dreyzehende Geiſtliche Lection
Menſch ſich getraue dem allerſchaͤrffeſten Urtheil GOttes ſich nicht ohne
bitterlichen und augenſcheinlichen Seelen-Schaden zu unterwerffen. Die-
ſes vermute ſtu dich/ indem du die Vorſtehung gern annimbſt/ und andern
vorgezogen zu werden/ einen Gefallen haſt. Ob zwarn nun viele Urſachen
deß ſo ſcharffen Gerichts uͤber die Vorſteher koͤnnten beygebracht werden;
ſo muß ich dir doch eins auß dem Thurn deß Heyls unſeres Patris Jgnatii
vor Augen ſtellen; daß nemblich dieſes Urtheil erſchrecklich ſeyn werde/ ſo
viel die geurtheilte Sach betrifft: dann du wirſt nicht allein von deinen/
ſondern auch von den Wercken derjenigen/ ſo dir anbefohlen ſeynd/ genaue
Rechenſchafft geben muͤſſen; ſo wohl deß Boͤſen/ daß ſie gethan/ als
auch deß Guten/ daß ſie unterlaſſen haben/ und haͤtten thun ſollen: und
alſo muß ein Vorſteher der Geiſtlichen die begangene Bruͤche der Faſten/
und Enthaltungen/ ſo von dieſem und jenem beſchehen/ verantworten. Daß
dieſer oder jener dem GOttes-Dienſt verabſaumet; ſeine Zung nicht im
Zaum gehalten/ und zu verbottener Zeit geredet; und auſſerhalb ſeiner
Cellen im Kloſter/ oder auch vermittelſt einer von der Obrigkeit betriegli-
cher Weiß erhaltenen und nicht examinirten Erlaubnuß in der Stadt her-
umb geſchweiffet ſeye; und fuͤr dergleichen andere Uberſchreitungen mehr/
muß ſtehen der arme Vorſteher; derhalben recht ein Vorſteher genennet
wird. Es macht auch annebens dieſen Greul noch erheblicher der Heil.
Apoſtel Paulus; indem er nach gegebenen Befelch an die Unterthanen die-
Hebr. v.
17.ſes Jnhalts: Gehorſamet euren Vorſtehern/ und ſeyet
ihnen unterworffen: von denen alſo redet: Dann ſie wachen/
als die Rechnug geben werden fůr euere Seelen. Als
wolte er ſagen: ein ſo groſſer Laſt iſts/ den euere Vorſteher tragen we-
gen deß erſchroͤcklichen Gerichts euerer Seelen halber; daß ein ſolcher Laſt
billig erfordere ſolche Hurtigkeit deß Gehorſambs. Derentwegen ſagt der
Heil. Chryſoſtomus: die Gefahr ſchwebt auch uͤber deſſen Haupt/ er iſt
den Straffen deiner Suͤnden unterworffen; und deinetwegen wird er mit
ſo groſſer Forcht beaͤngſtiget: dieweilen GOtt ſagt/ daß er durch ſich
Ezech. 34
v. 10.ſelbſten/ und nicht durch andere dieſe Rechenſchafft fordern wolle: Sie-
he ich will ſelbſt ůber die Hirten/ und will meine Heerde
auß ihrer Hand forderen.
15. O wiewohl hat dann der H. Vatter Auguſtinus umb den Vorſte-
her in ſteter Forcht zu halten/ in ſeiner Regul verordnet/ daß er allzeit ge-
dencken ſolle/ daß GOTT fuͤr euch Rechnung geben werde. Und in dem
offenen Brieff/ ſo einem Vorſteher/ deſſen Ambt betreffend/ gegeben wird;
muß
[161]Von dem Ehrgeitz.
muß er auch daſſelbige Urtheil hoͤren/ krafft dieſer Worten: wir beſchwaͤren
ſein Gewiſſen zum Tag deß Herrn; auff daß er das Zeitliche verſchaffe/ und
auff die geiſtliche Vollkommenheit der Seelen unablaͤßlich ein wachtſames
Aug habe/ als der/ ſo GOtt dieſerthalben Rechnung geben wird: hier iſt zu
mercken/ daß das obgeſetzte Woͤrtlein/ unablaͤßlich eben ſo viel bedeute/
als das Woͤrtlein allzeit: dann deſſen ſich unſer H. Vatter an ſtatt dieſen
in ſeiner Regul gemeiniglich gebrauchet. So ſiehe nun zu die vorgeſetzte
Obrigkeit/ wie ſie der Schuldigkeit ſolcher Betrachtung nachkomme/ welche
nichts ſo wenig behertziget/ als die unaußbleibliche Rechenſchafft ihres Ambts
dem gerechten Richter zu erſtatten; da doch dieſe Forcht ſo vernuͤnfftig iſt/ wie
wir gehoͤret haben; daß der Heil. Apoſtel Jacobus ſelbige ein kraͤfftiges und
gnugſames Mittel die Vorſtehung zu vermeiden geſchaͤtzt/ und dahero ge-
ſagt hat: Meine Brůder/ werdet nicht Lehr-Meiſter in groſ-c. 3. v. 1.
ſer Anzahl/ und wiſſet/ daß ihr ein ſchwaͤreres Vrtheil auff
euch nehmet.
16. Und obwohl einer in dieſem Gericht der ewigen Verdamb nuͤß entge-
hen wurde/ wann er nemblich mit allem moͤglichen Fleiß ſein Ambt vertrette;
ſo wird er jedoch kaum ſeiner Schuldigkeit ſo voͤllig koͤnnen gnug thuen/ daß
er nicht mit einigen Maculen der Suͤnde beſchmitzet werde; ſo in dem feuri-
gen Flammen nachmahls muͤſſen abgewaſchen werden; wie auß folgender
Geſchicht zu erſehen iſt: Der ehrwuͤrdige Pater Conſtantius à SalvatoteHiſtoria:
Bouver.
in Annal.
1587.
Capuciner Ordens/ und ein Mann groſſer Heiligkeit/ iſt wenig Tage nach
ſeinem Todt einem ſichern geiſtlichen Bruder erſchienen; und da er von ſei-
nem damahligen Stand befragt worden/ hat er geantwortet: ach/ ach/ mein
lieber Bruder/ wie weit ſeynd die Urtheilen GOttes von den Urtheilen und
Meinungen der Menſchen entfernet! die jenige Sachen/ ſo von euch faſt fuͤr
tugentſamb gehalten werden/ ſeynd im Gericht GOttes laſterhafft: ich bin
zwarn durch GOttes Barmhertzigkeit der ewigen Seeligkeit verſichert/ hab
aber im Feeg-Fewer drey Tage lang ſo grauſame Tormenten wegen der Un-
ſauberkeit/ die ich als ein Obrigkeit an mich gezogen/ und doch fuͤr keine Un-
reinigkeit geachtet/ muͤſſen außſtehen/ daß ſelbige drey Tage als drey tauſend
Jahr mir ſeynd vorkommen: ich hab aber in meinem Ambt einige geringe
Sachen unterlaſſen/ welche der gerechte GOtt ſehr hoch empfunden: auch
bin ich in Erlaubnuͤß der bruͤderlichen Verluͤſtigungen zu geſtatten zu frey-
gebig geweſen/ dadurch dann einige Außgelaſſenheiten ſeynd verurſachet wor-
den: alſo hat der obgemeldte Conſtantius ſeine Red geendiget/ und iſt ver-
ſchwunden: wolte Gott/ daß auch bey allen Obrigkeiten die Gering-Schaͤ-
Xtzung
[162]Die Dreyzehende Geiſtliche Lection
tzung der ſchwaͤren Urtheilen GOttes; und bey allen Geiſtlichen die Begird
zu den Wuͤrden verſchwinden moͤchten; zumahlen vielleicht unter hunderten
und mehr derſelben kein eintziger gefunden wird/ ſo mit dieſem gottſeeligen
Obern und Geiſtlichen kan verglichen werden: fliehe du Sorg zu tragen fuͤr
andere/ wie dir der H. Apoſtel Jacobus gerathen hat/ und der weiſe Mann
Eccl. 7. v.
4.dich abermahl ermahnet mit dieſen Worten: Begehre keine Herr-
ſchafft von dem Herrn/ noch vom Koͤnig den Stuhl der
Ehren. Was geduͤncket dich? wann der Cain ſo ſeharff gerichtet worden
Gen. 4. v.
4.iſt wegen eines Menſchen Entleibung/ da er ſagte: Bin ich dann mei-
nes Bruders Hůter? wie viel harter wird dann nicht von GOtt herge-
nommen werden ſo vieler Unterthanen Entſeelung/ ſo alle Rach uͤber ihren
Vorſtcher bey dem unbeſtochenen Richter ſchreyen werden? und dahero ver-
mercket der weiſe Mann/ daß es vielen Ehrſuͤchtigen alſo ergehe/ und ſagt:
Eccle. 8.
v. 9.Es herſchet bißweilen ein Menſch ůber den andern zu ſei-
nem Vnglůck: Warumb aber das? weilen/ ſagen die Dollmetſcher/ das
Blut der Unterthanen wird von ſeiner Hand gefordert werden.
17. Dahero rufft der Herr auß dem Mund deß Propheten: Wehe den
Hirten! wehe/ wehe den Hirten Jſrael: Dieſe Betrohung aber
gehet nicht allein die Ehrgeitzige/ ſondern auch die jenige an/ ſo rechtmaͤſſig
Ibid.erwaͤhlet/ und von Gott beruffen ſeynd; wann ſie nemblich nicht die
Heerde/ ſondern ſich ſelbſt weiden: wann ſie das verworf-
fene nicht herbey fůhren; und das verlohrne nicht ſuchen/
das zerbrochene nichtverbinden/ und das ſchwache nicht
ſtaͤrcken: dieſer Meinung unterſchreibt ſich auch der Heil. Chryſoſtomus
mit dieſem Zuſatz: wann einige auß Noth zur Vorſtehung gezwungen wer-
den dieſe moͤgen keine Außflucht noch Entſchuldigung finden uͤber ihre nach-
laͤſſige Regierung: wie viel weniger koͤnnen dann die jenige ſich entſchuldi-
gen/ ſo den Vorzug mit Muͤhe und Arbeit geſucht haben? dieſes haben mit
geziemendem Ernſt ſo viele H. Maͤnner gar reifflich erwogen/ derowegen ſit
ſothane Wuͤrden oder geflohen/ oder durch Zwang und Drang muͤſſen an-
nehmen/ oder haben ſich der gehabten Ehren enteuſſert; wie oben gemeldet iſt:
dieſe folge du/ mein Chriſtliche Seel/ und folge den Rath deß H. Geiſtes/ ſo
wirſt du nicht fehlen: bewaffne dich mit der Flucht gegen dieſen deinen Feind/
damit du das erſchroͤckliche Gericht deß gerechten Richters entflieheſt; und
wie wirds moͤglich ſeyn/ daß du fuͤr andere Rechnung zu geben uͤber dich neh-
meſt/ der du fuͤr dich allein nicht beſtehen kanſt?
18. Zum Beſchluß dieſer Unterrichtung entſtehet die Frag; wann/ und
wem es zugelaſſen ſeye/ deß jenigen Ambts ſich zu unternehmen/ ſo einem von
dem
[163]Von dem Ehrgeitz.
dem general Capitul/ oder von dem Definitorio auff getragen wird? daß man
ohne Verletzung deß Geluͤbts der Demuth die Aembter moͤge annehmen/
das lehret die allgemeine Erfahrnuͤß: ob aber auch zulaͤſſig ſeye/ das Ambt
nicht anzunehmen/ ſo lang kein ſonderbahrer Befelch dabey iſt; dieſes ſchei-
net der Warheit nicht zu widerſtreben: weilen eines theils ſolche Aembter nie-
mahl von der hohen Obrigkeit unter dem H. Gehorſamb aufferlegt werden:
und da ſothaner Gehorſamb oder außtruͤcklicher Befelch ermanglet/ iſt man
nicht verbunden; wie unſere H. H. Satzungen dieſes vorſetzlich erklaͤren/ zu
einiger Schuld; und erfolglich kan einer ohne Suͤnd ſein Ambt/ zu dem er
erwaͤhlet iſt/ reſigniren: dieſes erhellet auch auß dem P. Ignatio, ſo dalehret/In Turri
ſalutis.
fol. 650.
daß man ſolches Ambt ohne Verletzung deß Geluͤbts annehmen koͤnne; und
ſagt nicht/ daß man muͤſſe: deſſen Wort ſeynd dieſe: der dann annimbt/ und
deß außtruͤcklichen Befelchs nicht erwarte/ dem wird nicht auffgemeſſen/
daß er das Geluͤbt ſchwaͤche; er hat auch nicht noͤthig darauff zu warten/ als
wann ſolches zu Haltung deß Geluͤbts gehoͤre: obſchon der Leffius erinnere/De juſt
\& jur. l. 2.
c. 46.
dub. 5. n.
53.
daß es gemeinlich nicht loͤblich ſeye/ zu den fuͤrnehmſten Aembtern auch in
den Cloͤſtern/ ſich bereit und hurtig zu zeigen/ wann ſie vergeben werden; ſon-
dern es ſeye dienlich/ daß man ſich in aller Demuth entſchuldige/ und den wei-
tern Befelch erwarte; und dieſes ſeye dem Gebott deß Gehorſambs nicht zu
wieder: derſelbige P. Ignatius rathet denen/ ſo ohne außtruͤcklichen Befelch
nicht willen annehmen/ alſo: ich ſolte rathen/ daß die jenige/ ſo auß einer wah-
ren Demuth die Ambter fliehen/ und ohne Befelch dieſelbe anzunehmen ſich
weigern/ ſtillſchweigen/ und der Obrigkeit die Weiß und Manier nicht zei-
gen/ und ſtelle es der Vernunfft der Oberen anheimb/ ſo dieſes Mittels ſich
am beſten wiſſen zugebrauchen/ wann ſie vermeinen daß die gelegene Zeit her-
an kommen ſeye: nach Meinung dann dieſes unſern Patris (ſo zehen Jahr
lang der hohen Schulen Lector, wie dann der erſte General Definitor un-
ſerer Verſamblung/ bey dero er ſich ſehr verdient gemacht) kan man das auff-
getragene Ambt abſagen: und nach der Meinung deß Leſſii, ſey es bißweilenLeſſ. loc.
cit. n. 33.
gut/ daß man den weitern Befelch erwarte: man kan auch nicht ſagen/ daß ſol-
ches warten dem vollkommenen Gehorſamb wider ſtrebe/ welche den Befelch
nicht erwartet; ſondern auff einen Winck gehorſamet: weilen dieſes allein
geltet in gringern Aembtern/ bey denen keine Gefahr der Seelen oder deß Leibs
iſt.
19. Jm uͤbrigen iſt gewiß/ daß dieſe obgeſagte Meinungen nur allein Platz
haben bey denen/ ſo mit der Wiſſenſchafft/ die zu Verrichtung deren
Aembter ſonderbahr vonnoͤthen iſt/ und von den Satzungen erfordert
X 2wird/
[164]Die dreyzehente Geiſtliche Lection
wird/ verſehen iſt: was aber vor eine Gelehrtheit und Geſchicklichkeit an
einem Provincialen/ Prioren/ an einem Magiſter der Novitzen und Lectoren
In Turri
ſalut. ſol.
292. uſq;
fol. 310.erfordert werde/ kanſt du lefen in unſerm Patre Ignatio, der dieſes weitlaͤuff-
tig beſchreibet: wer nun ſolche noͤthige Wiſſenſchafften nicht hat/ der thut
nicht allein wohl daran/ daß er auff ſein Ambt verzeihe; ſondern kan mit gutem
Gewiſſen die Vorſtehung nicht annehmen/ wie der gelehrte Cajetanus klaͤr-
lich beſchreibet. 2. 2.q. 185. at. 3.. woſelbſten er die Verhindernuͤſſen zu der
Vorſtehung verzeichnet/ unter welche die Unwiſſenheit auch gezehlet wird/ ſo
da allein beſtand gnug iſt/ die Vorſtehung uͤbel zu verwalten: und weilen man
in ſolcher Annehmung ſuͤndiget; ſo folgt unfehlbarlich hier auß/ daß man ſel-
bige Vorſtehung nicht annehmen koͤnne/ wann ſchon ſolches durch außtruͤck-
2. 2. 9
104. art.
4.liches Gebott befohlen wuͤrde; weilen nach Meinung deß Heil. Thomæ das
Geluͤbt deß Gehorſambs den Menſchen in den zulaͤſſigen Sachen nur ver-
binde: und Navarrusin Manuali c. 4. n. 9. ſagt/ daß der Gehorſamb den
Beichts-Vatter nicht entſchuldige von der Suͤnd/ welcher weiß/ daß er ſo
viel nicht verſtehe/ als zum Beichthoͤren noͤthig iſt/ und gleichwohl Beicht hoͤ-
ret: und dieſes bekraͤfftiget der obgemeldte Navarrus durch die gleichlautende
Meynung deß H. Antonini Ertz-Biſchoff zu Florentz: dieſer Sententz gel-
tet auch in unſerm gegenwaͤrtigen Vorhaben/ und iſt dieſem gemaͤß ſicher/
daß du nicht ſchuldig ſeyeſt zu gehorſamen/ und daß der Gehorſamb dich nicht
befreye von der Suͤnd in Annehmung ſolcher Vorſtchung/ zu dero deine Un-
wiſſenheit dich ungeſchickt machet: darffs du nun in ſolchem Fall die dir auff-
erlegte Prælatur nicht ann[e]hmen/ wie wirſt du dann ſolche zu ſuchen dich noch
erkuͤhnen doͤrffen? dich kan auch deine Obrigkeit ohne Suͤnd nicht erwehlen/
wann du ſchon eines frommen Lebens biſt: dann/ obwohl erfordert werde/ ſo
iſt es dannoch nichtgnug; weilen das fuͤrnembſte Ambt eines Hirten iſt/ die
Schaaff mit dem Wort weiden; welches du auß Mangel der Wiſſenſchafft
nicht thuen kanſt: dieſes hab ich/ mein Chriſtliche Seel/ fuͤrnemblich zu mei-
ner ſelbſt eigenen Direction verfaſſet; du kanſt dirs auch im fall der Gelegen-
heit zu nutz machen: das zulaͤſſige ſtelle ich deinem Willen anheim; das ver-
bottene wirſt du nun ohne Zweiffel/ wie geſagt iſt/ mit allem moͤg-
lichen Fleiß zu verhuͤten dich unterſtehen.
Die
[165]
Die Vierzehende Geiſtliche
LECTION
Von der Armut.
Beati pauperes Spiritu, quoniam ipſorum eſt RegnumMatth. 5.
v. 3.
Cœlorum.
das Keich der Himmeln.’
Der Erſte Theil.
1. JCh hab fuͤr Gut befunden/ daß wir von den Lob-Spruͤchen/ mit
denen die H. H. Vaͤtter dieſe vorgeſetzte Tugend außſtreichen/
den Anfang machen: es moͤgte villeicht nach deren Erzehlung
unſer Hertz vom Feuer der Liebe zu dieſer Tugend entzuͤndet werden. Es
iſt aber die Armut deß Geiſts eine freywillige Abſagung und Verwerffung
aller zeitlichen Dingen/ umb der Liebe GOttes Willen/ und umb die
Vollkommenheit zu erlangen. Dieſe nennet der Heil. Chryſoſtomus eineSerm. 18.
ſup. Ep.
ad Hebr.
Hand-Fuͤhrerin auff dem Weeg/ der den Menſchen nach dem Himmel
leitet; eine Salbung der Fechtenden; eine groſſe und wunderbarliche Ubung/
und einen ruͤhigen und ſtillen Haven. Und weiters ſagt er: Nichts iſt
reicher/ als der die Armut freywilliglich liebet/ und mit Freuden annimbt.
Deßgleichen ſagt der hoch-erleuchte Climacus: Die Armut iſt eineGrad. 17.
Hindanſetzung der Weltlichen Sorgen/ eine Reiſe zu
GOtt ohne Hindernuß/ eine Außtreiberin aller Trau-
rigkeit/ ein Grundveſt deß Friedens/ eine Reinigkeit deß
Lebens/ welche uns befreyet von allen Sorgen deß zer-
gaͤnglichen Lebens/ und macht/ daß wir den Gebotten
GOTTES vollkommentlich nachleben. Der Gottſelige
X 3Lau-
[166]Die vierzehende Geiſtliche Lection
Laurentius Juſtinianus laſſet ſich auch hoͤren mit dieſer Stimm: Was iſt
In Ligno
Vitæ
Tract. de
Paup. c.
4.beſſer als die Armut : was iſt ſicherer : was annehmli-
cher : laſſet alle traurig ſeyn/ laſt alle ſeuffzen/ und wann
ſchon ſich alle foͤrchten; ſo iſt doch dieſe allzeit froͤlich und
freudich euſſerlich und innerlich: ſie wartet auff das himm-
liſche Gut/ und verſichert ſich ſelbiges zu beſitzen im
Himmel/ derhalben hat ſie nichts zu verlieren auff Erden:
ſie ſchwinget ſich oͤffter zu dem himmliſchen Vatterland;
da ſie weiß zu empfangen ihre Belohnung. Und gleich wie/
nach den Worten deß heiligen Ambroſii/ die zeitliche Guͤter ſeynd die
Werckzeug aller Laſtern; alſo iſt deren Verlaͤugnung eine Gebaͤrerin und
Ernaͤhrerin aller Tugenden.
2. Dieſe Armut hat unſer Heyland ſo ſehr geliebt/ daß er in dem Eingang
zu dieſer Welt dieſelbige als eine werte Mutter mit unglaublicher Freud und
hertzlicher Affection umbhaͤlſet und gekuͤſſet. Von welcher der Hoͤnig-
flieſſende Bernardus alſo redet: Jm Himmel ware keine Armut zu-
finden; aber auff Erden war ſie uͤberfluͤſſig: den armen Menſchen ware der
groſſe Werth dieſer Tugend unbekandt: derhalben iſt auß Begierd derſel-
ben der Sohn GOttes vom Himmel herab geſtiegen/ damit er ſie ſich auß-
erwaͤhlete/ und durch ſothane eigene Groß- Schaͤtzung uns den Werth
dieſer herrlichen Tugend beſtermaſſen anbefehlen moͤgte. Allen iſt gnug-
ſamb bekandt/ daß der Sohn GOttes ſo arm geweſen/ daß er auch zumah-
len keinen Platz in einiger Herberg hat finden koͤnnen/ und derhalben in
den Stall einkehren muͤſſen. Jn keinem ſanfften Bett iſt er gebohren/ und
hat in das ſcharffe Heu wollen niedergelegt werden: und was hat er nach-
mahln in der Flucht nach Ægypten mit ſeiner allerliebſten Mutter Maria
und ſeinem Pfleg-Vatter Joſeph nicht außgeſtanden? Was vor Mangel
und Gebrechen haben dieſe drey nicht erlitten? da ſie in die ſieben Jahr lang
unter den wilden Menſchen gelebet/ hats ihnen offtmahlen an Brod ge-
manglet. Was ſoll ich melden von ihrer armſeligen Wohnung/ ſo in dem
Graben eines verfallenen Hauſes beſtanden; dieweiln ſie niemand hat auff-
nehmen wollen: Jch geſchweige die uͤbrige Ungemaͤchlichkeiten/ ſo ſich in
der gleichen Logimenten finden laſſen. Die Bette Mariaͤ und Joſephs ſeynd
die harte Erd und die Wiegen fuͤr das liebe Kindlein JESUS ſeynd auß
bloſen Brettern zuſammen gefuͤgt geweſen. Q wie offt hat dieſes Goͤtt-
liche und zarte Kindelin ein gutes Haupt-Kuͤſſen vonnoͤthen gehabt/ und
hats
[167]Von der Armut.
hats gleichwohl muͤſſen entbehren. Mit einem Wort muß ich und kan bil-
lich ſagen/ daß das gantze Leben unſers Seligmachers nicht allein ſehr arm/
ſondern die Armut ſelbſt geweſen ſeye. Dann er iſt geweſen arm/ armer
und der aller armſte. Arm; dieweilen er nackend und von allen verſpottet
am Creutz gehangen iſt. Armer; zumahln da er geduͤrſtet/ auch keinen
Trunck Waſſers hat haben koͤnnen. Der allerarmſte; ſintemahlen er
kein Platz gefunden/ da er ſeyn heiligſte Haupt haͤtte anlehnen koͤnnen nach
Zeugnuß deß Cvangeliſten: Die Fůchs haben Loͤcher/ und dieMatt. c.8.
Voͤgel deß Himmels haben Neſter: aber deß Menſchen
Sohn/ hat/ nicht da er ſeyn Haupt hinlehne. Dieſe euſſe-
rigſte Armut hat Er aber gelitten/ auff daß Er derſelben Vortreffligkeit
und groſſe Vollkommenheit uns andeuten/ und zur ſelbigen uns mit ſeinem
herrlichen Vorzug auffmuntern moͤgte/ wie der Apoſtel ſagt: umb un-
ſertwillen iſt er arm worden/ da er Reich war/ damit wir durch ſeine Ar-
mut reich wuͤrden.
3. Wer iſt dann reicher/ als dem das reich der Himmelen gebuͤhret?
dieſes gehoͤret den Armen/ vermoͤg der Verheiſſung Chriſti: Seelig ſeynd
die Armen im Geiſt; dann ihnen iſt das Himmelreich. Er ſagt nicht/
ihnen wird ſeyn; ſondern ihnen iſt/ das Himmelreich. Welcher
Geſtalt aber dieſe Armen das Himmelreich anjetzo beſitzen/ das erklaͤhret
uns der Geiſt-reiche Rodericus durch dieſe Gleichnuß. Gleich wie dasPar. 3. Tr.
3. c. 2.
guͤldene Geſchier/ oder der koſtbahre Stein/ fuͤr welchen du dem Wechsler
nach ſeinem Begehren hundert Ducaten bieteſt; dein iſt/ ob ſchon er ſelbi-
ges Geſchier oder Stein noch in ſeinem Hauß hat/ und dir noch nicht ge-
liebert iſt; alſo gehoͤrt der Himmel den Armen im Geiſt zu/ welcher dar-
fuͤr gegeben/ was er gehabt hat. Beynebens iſt auch der Stand dieſer
Armen ſo gluͤckſeelig; das er wegen ſeiner Gluͤckſeeligkeit gleichſamb das
Reich der Himmeln koͤnne genennet werden. Dann ſie werden nicht al-
lein fuͤr das jenige/ ſo ſie umb GOttes Willen verlaſſen/ die ewige Freuden
beſitzen; ſondern werden auch in bieſem Leben viele himmliſche Gnaden
und Gaaben erlangen/ nach den Worten Chriſti: Sie werden hun-
dertfaͤltig wiederbekommen/ und das ewige Leben beſitzen.
Allhier fragt nun der H. Petrus Damianus/ was iſt das hundertfaͤltige
anders/ als die Vertroͤſtungen/ die Heimſuchungen und Gnaden deß H.
Geiſtes/ der uͤber Hoͤnig ſuͤß iſt? Was iſt es anders/ als das erfreu-
liche Zeugnuß eines guten Gewiſſens? Was kan man anders drauß
machen/ als eben eine froͤhliche und annehmliche Erwartung der Ge-
rechten; und als eine Gedaͤchtnuͤß der uͤberfluͤſſigen Suͤſſigkeit
GOt-
[168]Die vierzehende Geiſtliche Lection
GOttes? deſſen Suͤſſigkeit ſo groß iſt/ daß man ſie denen/ die ſelbige nie
erfahren haben/ mit keinen Worten außſprechen koͤnne; und denen ſo ſie ge-
ſchmeckt haben/ zu erklaͤhren nicht noͤthig ſeye. Und weiters/ wie die drey
Hebraͤtſche Knaben/ ſo die guͤldene Bildnuß deß Koͤnigs Nabuchodonoſo-
ris anzubetten ſich geweigeret/ in den Feuer-Flammen ſicher geweſen ſeynd;
alſo die armen im Geiſt/ welche die guͤldene Bildnuͤß deß Gelds/ und die ei-
tele Reichthumben dieſer Welt nicht verehren/ wann ſie ſchon in
das Feuer der Truͤbſalen geworffen werden/ bleiben dennoch ſicher/ unver-
letzt und friedſamb/ loben und preiſen ihren GOtt ohn Unterlaß. Dahe-
L. 2. Vit.
P. P. n.
169.ro Ruffinus meldet/ daß/ da ein heiliger Mann gefragt worden ob die Armut
ein vollkommenes Gut ſeye; er geantwortet habe; daß die freywillige Ar-
mut ein groſſes Werck ſeye; und daß der jenige/ ſo ſie beſitzet/ zwarn werde
Truͤbſal deß Fleiſches haben; werde aber Ruhe finden fuͤr ſeine Seel.
4. Nicht wenig wird auch dieſe Tugend durch die ſtattliche Exemplen
ſo vieler/ ja unzahlbarer Heiligen außgeſtrichen. Auß deren Zahl die erſte
uns mit ihrem herrlichen Vorzug leuchtet die glorwuͤrdigſte Himmels
Herrſcherin Maria; ſo noch in dem Tempel zu Jeruſalem ſchon angelobet
L. 1. Re-
vel. c. 10.(wann wir der H. Brigrittaͤ glauben wollen) daß Sie niemahlen in der
Welt etwas beſitzen wolle. Dahero ſehen wir/ daß dieſe geweſene Goͤttli-
che Kind-Bettererin am Tag ihrer Reinigung/ nicht ein Lamb/ nach
dem Gebrauch der Reichen; ſondern ein par Turtel-Tauben/ als ein Ge-
ſchenck der Armen geopffert habe. Dann ob Sie ſchon auff dem Betle-
hemitiſchen Felſen von den dreyen Koͤnigen ſo viel Golds bekommen/ daß ſie
ohne einige weitere Sorg ſich ſambt den ihrigen haͤtte erhalten koͤnnen; ſo hat
Sie doch lieber wollen arm verbleiben/ als etwas beſitzen. Derhalben hat
Sie/ nach Meinung deß H. Bonaventuraͤ/ ſothanes Gold durch den H.
Joſeph/ in wenig Tagen unter die arme laſſen außtheilen/ damit Sie am
Tag ihrer Reinigung keine Mitteln haͤtte/ nach dem Art der Reichen ein
Lamb zu kauffen. Alſo hat dieſe demuͤtige Mutter ihren allerarmſten Sohn
wollen nachfolgen/ und ihre Lieb gegen Gott zumahln nit verhinderen wol-
len; dieweil ihr bewuſt ware/ daß die eitele Dinge das menſchliche Hertz von
der Liebe der Himmliſchen meiſterlich zuruͤck halten. Damit ſie dann auch
durch ihr eigenes Exempel uns lehrete/ die Armut zu verehren/ als hat ſie
immer und allezeit arm und beduͤrfftig verbleiben wollen. Und in Warheit/
nicht wenige Nachfolger hat dieſe arme Mutter gehabt: ſintemahln alle
Heiligen GOttes/ ſo die Armut Chriſti und der Gebaͤhrerin geſehen/ haben
leichtlich
[169]Von der Armut
leichtlich koͤnnen abnehmen/ daß ein ſehr groſſer Schatz der himmliſchen Guͤ-
tern unter dieſer freywilligen Armut verborgen lige; derowegen haben ſie
zu Erhaltung deſſen alle Reichthumben der Welt verachtet: unter welche
der H. Vatter Auguſtinus billig zu zehlen iſt/ der/ obwohlen ein Biſchoff/ hat
dannoch die Armut alſo geliebet/ daß er vor ſeinem Todt nichts gehabt/ daruͤ-
ber ein Teſtament konte gemacht werden: derhalben hat er keine andere Erb-
ſchafft/ als die freywillige Armut allen ſeinen Kindern in CHriſto hinter-
laſſen.
5. Auch hat der H. Amatus dieſe Tugend ſo hoch geſchaͤtzet/ daß/ da ihnSutius in
vita ejus.
einsmahls ſein Biſchoff beſuchet/ und die euſſerſte Armut bey ſelbigem ver-
mercket; und dieſer behuͤlfflich beyzuſpringen/ eine frey gebige Almus ihme an-
erbotten; hat er ſelbige anzunehmen ſich geweigert; ſo der Biſchoff nachmals
auff dem Altaͤrlein/ an welchem der gedachte H. Mann Meß zu leſen pflegte/
heimblicher Weiß ligen laſſen: deß andern Tags ſehet Amatus das auff
dem Altar ligende Geld; nimbt es alsbald hinweg/ und wirfft es in einen
tieffen Thal hinunter/ und ſagt; GOtt iſt mein Theil/ deiner bedarff ich
nicht. Die H. Melania iſt auch einsmahls zu dem armen und elenden Huͤt-
lein deß H. Einſidlers Epheſtionis kommen/ und hat ihm eine reiche Almuſ-
ſen mitgetheilet: der Einſidler aber hat ſolche nicht wollen annehmen/ und ge-
ſagt/ er habe ihrer nicht vonnoͤthen: die Melania aber hat ſelbiges Geld in einIdem in
vita S.
Melan.
beyſtehendes Koͤrblein/ ſo mit einigem wenigen Saltz verſehen/ und der gan-
tze Vorrath deß Eremiten geweſen/ hinein gelegt/ und iſt alſo/ nachdem ſie
deſſen Gebett ſich empfohlen/ darvon gangen: da nun er in ſeinem Koͤrb-
lein den verborgenen Schatz gefunden/ hat er der Melaniæ nachgeeilet/ und
ſie gebetten/ ſie moͤchte doch ihr Geld wieder nehmen; und als ihm Melania
dieſe Bitt abgeſchlagen; hat er das Geld in den Fluß geworffen/ und iſt wie-
der nach ſeinem armen Huͤttlein gekehret/ damit er der ſchoͤnen Armuts-
Fruͤchten zu genieſſen nicht beraubt werde. Herbey/ herbey ihr heutige ſaubere
Eremiten/ lehrnet von ewerem Bruder die Armut lieben/ die ihr im Cloͤſter-
lichen Leben gehaſſet hat. Der Heil. Spiridion hat mit ſeinem Gebett demIdem in
ejus vita.
Kayſer Conſtantino die verlohrne Geſundheit von GOtt wiederumb er-
halten: derhalben hat er ihm einen anſehnlichen Gold-Schatz verehren wol-
len: da dieſes der fromme Alte geſehen/ hat er den Kayſer angeredet/ und ge-
ſagt/ mein lieber Kayſer/ es iſt ja eine Unbilligkeit/ daß du ſolche dir erwieſene
Freundſchafft mit Haß und Mißgunſt vergelteſt: ich hab eine bemuͤhliche
Reiß auff mich genommen/ umb dir zu gehorchen; und nun wilſt du mir zur
Belohnung ſothaner Muͤhe Golt geben/ welches da iſt ein Urſach alles Boͤ-
ſen?
Y6. Auff
[170]Die vierzehente Geiſtliche Lection
6. Auff daß uns aber noch mehr kundbahr werde/ mit was groſſem Haß
die Diener GOTTES alles Gelt immer zu verfolgt haben; ſo wollen
L. 6. n.19.wir fuͤr dießmahl den Pelagium reden laſſen: Es ware zu ſicherer Zeit ein ſehr
reicher Mann in die Wuͤſten Scithi kommen mit vielem Geld beladen/ und
ware Vorhabens ſelbiges dem beduͤrfftigen Geiſtlichen durch den Vorſte-
her deß Orths außzutheilen: da ihm aber dieſer geantwortet/ daß die Bruͤder
keines Gelds beduͤrfftig ſeyen/ und er damit nicht vergnuͤgt ſeyn wollen; hat
ihm der Alte gerathen/ er ſolle all ſein Geld an die Kirch-Thuͤren hinlegen/
auff daß ein jeder nach ſeinem Belieben darvon nehmen moͤchte: O Wun-
der! indem alle im hinein gehen den Außſchreyer gehoͤret; ſo hat doch von
ſaͤmbtlichen dieſen Einſidlern keiner auch den geringſten Heller angenom-
men: ja ſo gar haben viele das außgeſpreitete Geld nicht einmahl angeſehen:
dann ſie wuſten wohl/ daß der beſte Schatz eines Geiſtlichen ſeye die Armut:
und welcher dieſen nicht beſitzet/ der kan wohl arm an Verdienſten und auch
L. 3. De-
monſtr.
c.7.
Collat. 5.
c. 8.armſelig genennet werden: dieſe Armut/ wie der gottſelige Euſebius ſagt/
haben alle H. H. Apoſtelen als ein Mittel zur Vollkommenheit gekuͤſſet;
und alle geiſtliche Maͤnner als eine Braut verehret; daß alſo der hocher-
leuchte Caſſianus ſagt von den Einſidlern ſeiner Zeit: Es ſeynd ihrer viele
tauſend/ ſo nach ihrer erſten Abſagung nicht einen Heller haben/ noch ha-
c. ult.ben wollen/ ob man ſchon ihnen uͤberfluͤſſiges Geld anerbotten hat. Der
vorerwehnte Euſebius ſchreibt auch/ daß der Koͤnig Abagarus, ſo von dem
heiligen Apoſtel Thadæo geheylet worden/ demſelben zu ſchuldiger Danck-
barkeit viel gezeichnetes/ und auch rauhen Golds præſentiret: welches der
Apoſtel verſchmaͤhet und geſagt: wann wir das unſerige verlaſſen haben/
wie koͤnnen wir dann das frembde annehmen? Sieheſt du mein Chriſtlich-
Seel/ was in den vorigen Zeiten vor Einſidler und Cloſter-Geiſtliche gewe-
ſen? und wann ſchon dergleichen bey heutiger Welt nicht alle gefunden wer-
den/ ſo zweiffele ich doch nicht/ es werden noch viele ſeyn/ die ſothane Ge-
ſchenck auß Lieb der Armut nicht allein nicht verlangen; ſondern auch die an-
erbottene verachten.
Der Andere Theil.
7. NUn iſt aber zu wiſſen/ daß der jenige/ ſo die Guͤter der Welt freywillig
von ſich geworffen/ und mit den Apoſteln alles verlaſſen hat; nicht
werde
[171]Von der Armut
werde belohnet werden; viel weniger nach der Verheiſchung CHRJSTJ
hundertfaͤltig wieder bekommen; es ſeye dann/ daß er dem Willen und Be-
gird etwas zeitliches zu beſitzen gaͤntzlich abſage: der dieſes nicht thuet/ derLuc. 14.
c. 28.
kan kein Armer im Geiſt ſeyn; dann der/ wie CHRJSUS ſagt/
nicht allem abſaget/ der kan deſſen Jůnger nicht ſeyn: alſo/
daß/ wann ſchon einer ſich aller/ und zwarn der allerreicheſten Guͤtern der
Welt umb CHRJSTJ Willen enteuſſerte/ und alſo das geiſtliche Le-
ben anfienge; nichts deſto weniger annoch den Willen einige/ obſchon wenige
Sachen zu haben ſich vorbehielte/ dieſer wuͤrde GOTT kein gefaͤlliges
Werck thuen/ und koͤnte kein Juͤnger CHriſti ſeyn/ wei[l]en er nicht alles
verlaſſen hat: derhalben doͤrffen die Apoſtelen zu ihrem himmliſchen Lehr-
Meiſter fein kecklich ſagen: Siehe/ wir haben alles verlaſſen:
denen doch als armen Fiſchern neben ihren Netzen/ wemg oder nichts uͤbrig
geblieben: weilen ſie aber auch den Willen etwas zu haben/ verlaſſen/ ſol-
ther maſſen haben ſie alles verlaſſen. Der nun ein wahrer Juͤnger CHriſti
zu ſeyn verlanget/ muß auch mit den zeitlichen Guͤtern den Willen und
die Affection zu denſelben gaͤntzlich vernichtigen/ im widrigen Fall kan von
ſolchem geſagt werden/ was der heilige Bonaventura von der gleichen Juͤn-
gern zu ſagen pfteget: Sie behalten das Geld im Sinn/ ſo
andere halten im Beutel. Seye verſichert/ mein Chriſtliche Seel/
daß deinem GOTT auch die wenigſte Neigung zu dern verlaſſenen
Dingen hoͤchlich mißfalle: und wann du der Zahl der wahren Armuts-
Liebhabern einverleibet zu werden verlanges/ ſo befleiſſe dich/ alle/ auch
die geringſte Begierligkeit der eitelen Sachen auß deinem Hertzen
zu verbannen: Zumahlen gewiß iſt/ daß ein viel groͤſſeres und GOTT
angenehmeres ſeye/ die Affection zu den Jrrdiſchen toͤdten/ als die
eytele Reichthumben dem Leib nach verlaſſen. Jn dieſer Materi/ meinHom. 5.
in Evang
liebſte Seel/ muͤſſen wir/ nach Meinung deß heiligen Gregorii/ die
Neigung zu den weltlichen Dingen vielmehr betrachten/ als die Hin-
terlaſſenſchafft ſelbſten: Dann der hat viel verlaſſen/ der fuͤr ſich
nichts behalten: Der hat viel verlaſſen/ der obſchon wenig/ jedoch
alles verlaſſen hat: Der hat viel verlaſſen/ der mit den Zeitlichen/
auch die Begird zu denſelben verlaſſen hat: So haben dann die
jenige/ ſo CHRJSTUM folgen/ ſolche Dinge ver-
laſſen/ die von denen/ ſo CHRJSTUM nicht nachfolgen/
mit ihrem Schaden koͤnnen begehret werden: Dieſem fallet nicht
Y 2uneben
[172]Die Vierzehente Geiſtliche Lection
Epiſt. 34.
ad Pau-
lin.uneben bey der H. Auguſtinus/ und ſagt: die Fiſcher haben ſich auch erfreuet/
in der Erinnerung deſſen/ daß ſie auff den Befelch deß Herrn ihre Schiff-
lein und Netze/ und ſambt denen auch alles verlaſſen haben/ und dem Herrn
gefolgt ſeynd: und warlich verachtet der jenige alles/ der nicht allein verlaſſet/
was er hat koͤnnen haben; ſondern auch was er hat haben wollen: dieſe ſeynd
die Wort deß obgemeldten Heil. Kirchen-Lehrers: es ſcheinet aber/ daß ein
ſolche Verachtung der irrdiſchen Dingen einem Geiſtlichen umb die Werck
deß geiſtlichen Lebens zu verrichten ſo noͤthig ſeye; als an einem Menſchen
das Leben zu den gewoͤhnlichen Ubungen deß Leibs erfordert wird: gleich wie
dann nach geendigtem Leben der Menſch ſich nicht bewegen kan; alſo muß der
jenige/ ſo nach abgelegtem weltlichen Leben durch den Eingang zum Cloſter
der Welt abſtirbt/ alleſeine vorige Wirckungen/ daß iſt/ Laſter und ſonder-
bahr die boͤſe Begierden zumahlen verlaſſen.
8. Hiervon hat dir ein ſchoͤnes Beyſpiel zur Nachfolgung hinter laſſen
der H. und vollkommene Arſenius: zu dem ein ſicher Edelman von Rom in
die Wuͤſten kommen/ und ihm angekuͤndiget/ daß er von einem ſeiner Ver-
wandten im Todts - Bett zum Erben aller und vieler ſeiner Guͤter ſeye ge-
ſetzet worden; Arſenius aber hat dieſem alſo geantwortet/ und geſagt: wie kan
er mich zum Erben gemacht haben/ weilen ich vor ihm geſtorben bin? mit die-
ſen Worten hat er den Edelman ſambt dem Teſtament abgefertiget/ und gar
nichts angenommen: Ein andermahl/ da nun die groſſe Heiligkeit dieſes er-
wehnten Arſenii auch dem regierenden Kayſer ſeinem geweſenen Lehr-Juͤn-
ger zu Ohren kommen/ und dieſer in Erinnerung der heylſamen von ihm
empfangenen Lehr/ und ſeiner gegen den heiligen Mann veruͤbten Boͤßheit/
ihn ſchrifftlich umb Verzeihung erſuchet/ deſſen Gebett ſich befohlen/ und
ihm den Zoll deß gantzen Koͤnigreichs Ægypten zur Allmuſſen uͤberſchicket;
hat er den Brieff zwarn angeſehen; die Allmuſſen aber zuruͤck geſendet/ und
nicht ſchrifftlich/ ſondern muͤndlich/ und zwarn kuͤrtzlich geantwortet: GOtt
der allen gnaͤdig iſt/ wolle die Baͤnde unſerer Suͤnden auffloͤſen: die Auß-
theilung der Allmuſſen gehet mich nichtan/ dann ich bin jetzt der Welt ab-
geſtorben: ein Todter aber kan anders nichts thuen/ als im Geiſt die ewige
und himmliſche Ding beſchawen: alſo hat er den Geſandten ſeinem Kayſer
wieder geſchicket.
9. Jn dieſe Fuß-Stapffen ſolchen Vorgaͤngers laſſet uns ohne Verzug
eintretten; alle anerbottene Geſchencke der Verwandten und anderer
Freunden verwerffen/ und gedencken; daß dieſe Gaben lauter Angeln
deß
[173]Von der Armut.
deß Teuffels ſeyen/ vermoͤg deren er viele Geiſtliche betrieget und fanget/ in
dem er ſie hiedurch anfaͤnglich von der geiſtlicher Vollkoͤmmenheit und
Eiffer deß Hertzens abziehet/ nachmahls ſelbige zu einer ſchaͤdlichen Verach-
tung der gewoͤhnlichen Strengigkeit erweichet/ und alſo zu vielen Suͤnden/
fuͤrnemblich aber zu der unzulaͤſſigen Welt-Liebe antreibet/ und [endlich]
dieſe ungluͤckſelige Kinder in das ewige Verderben ſtuͤrtzet. Jch bin der faſten
Meynung; daß/ wann uns erlaubt waͤre/ die Klaͤge der verdambten Geiſt-
lichen/ auch laͤnger nicht als ein Augenblick anzuhoͤren; wuͤrden wir
unzahlbare Verfluchungen uͤber ſothane hoͤchſt-ſehaͤdliche Wohlthaͤter
vernehmen. Derowegen ermahnet uns recht und wohl der H. Vatter Gre-
gorius/ wie folget: Die boͤſe Geiſter beſitzen auff dieſer Welt
nichts eigenes: ſo můſſen wir uns nackend mit den Nacken-
den herumb ſchlagen. Wann nun ein gekleideter Menſch mit einem
Nackenden ſich tummelet/ wird er leicht zu Boden geworffen/ dieweilen
er bey den Kleydern kan gefaſſet werden. Was ſeynd aber alle irrdiſche
Dinge anders/ als einige Kleidungen deß Leibs? der ſich dann mit dieſen
hoͤlliſchen Geiſtern in einen Streit einlaſſet/ der werffe die Kleyder von ſich/
damit er von ihnen nicht uͤberwunden werde.
10. Jm uͤbrigen iſt zu Beſitzung der geiſtlichen Armut nicht gnug/ daß
man die weltliche Sachen in der That und mit dem Hertzen verlaſſe: auch
iſt nicht gnug/ daß man das Uberfluͤſſige von ſich werffe: ſondern es er-
fordert dieſe Armut/ daß man den Abgang der noͤthigen Dingen mit Gedult
trage; und umb ſelbige ſich nicht zu eiffrich bemuͤhe: wie gar ſchoͤn hiervon
der geiſtreiche P. Balthaſar Alvatez mit dieſen Worten zu melden pflegte:
Keiner/ ſagt er/ ſchmeichle ſich wegen ſeiner von GOtt empfangenen Gna-
den der Erleuchtung und geiſtlicher Troͤſtungen/ es ſey dann/ daß er mit
kroͤligem Hertzen dieſen Biſſen der Evangeliſchen Armut geſchlucket ha-
be. Er wird aber hierauß abnehmen koͤnnen/ ob er dieſe Armut liebe/ wann
er nemblich derſelben Geſellen/ den Hunger/ Durſt/ Kaͤlt/ Verachtung/
und dergleichen Lieb habe. Dann der in den Kleidern Ehr ſuchet/ damit
er nicht dieſerthalben nicht ver achtet werde/ der liebet die Armut nicht. Wel-
chen es duͤrſtet/ und dieſen Durſt nicht wilt außſtehen/ der befleiſſet ſich der
Armut nicht. Der gern ſiehet daß ihm nichts mangle/ und gleichwohl
fuͤr einen guten Geiſtlichen wilt angeſehen ſeyn; der iſt betrogen. Nicht
umbſonſt fahret der heilige Vincentius mit dieſen Klag-Reden auß/ und
ſagt: Leyder GOttes! viele ſeynd/ welche ſich der Tugend der Armut mit
dem bloſen Nahmen: allein ruͤhmen koͤnnen/ dieweilen ſie wollen/ daß ih-
Y 3nen
[174]Die Vierzehende Geiſtliche Lection
nen nichts ermangle. Sie ſagen/ ſie ſeyen Freunde der Armut; und flie-
hen doch die Freund und Mit-Geſellen derſelben/ als da ſeynd/ Hunger/
Durſt/ Verachtung und andere/ nach aller Moͤglichkeit. Auch/ mein Chriſt-
liche Seel/ kan ein wahrer Liebhaber der Armut nicht trauren wegen Man-
gel und Gebrech der zeitlichen Dingen/ ſo die gantze Verſamblung leidet/ ſon-
dern muß allzeit die freygebige Fuͤrſichtigkeit GOttes (Krafft deren er ſei-
ne Diener und Dienerinnen niemahln verlaſſet) mit Gedult erwarten. Alſo
ware beſchaffen der jenige GOtt-gefaͤllige Muͤnch/ ſo wegen der verbren-
ten ſaͤmbtlichen Fruͤchten ſeines Kloſters/ GOtt mit freudigem Gemuͤt
danckete/ und ſich ſambt ſeinen Bruͤdern in allem der Goͤttlichen Fuͤrſich-
tigkeit empfehlete. Damit wir aber dergleichen Entrathung auß Liebe
der Armut hinfuͤhro leichtlicher ertragen moͤgen; ſollen uns mit groſſer Er-
ſprießlichkeit dienen die Leben der H. H. Alt-Vaͤtter und erſten Geiſt-
lichen der Kirchen GOttes: unter welchen Moſcus und Sophronius zwey
Ordens-Geiſtliche einsmals zu ihrem Vorſteher Joannes kommen/ und
von ſelbigem ein Lehr-Stuck/ umb ihr Leben beſſer nach der Vollkommen-
heit einzurichten/ begehret: denen der Alte geantwortet: mein liebe Bruͤ-
der/ liebet die freywillige Armut und Enteuſſerung aller Dingen neben
der Keuſchheit. Hiervon will ich euch eine ſchier unerhoͤrte Geſchicht
erzehlen: Da ich noch jung von Jahren war/ und in der Einnoͤden Schithi
wohnete/ fiele einer von den alten Geiſtlichen in eine Kranckheit/ ſo mit etwan
wenigem Eſſig ſolte geheilet werden: derhalben ſuchte man den wenigen
Eſſig in vier Kloͤſteren/ ſo mit drey tauſend und fuͤnffhundert geiſtlichen
Perſonen verſehen/ und ware nichts zu finden. O warlich unerhoͤrte
Armut! wann ſo gar kein Eſſig daſelbſt vorraͤtig geweſen/ wie viel mehr
wirds an Wein/ Fleiſch/ Fiſch/ Oel/ Gewuͤrtz und anderem Schmaͤr
und Zubehoͤr ermanglet haben! dahero gnugſamb abzunehmen iſt/ in wie
groſſer Armut dieſe heilige Muͤnchen gelebt haben; und gleichwohl hat ſie
GOtt wunderbarlich erhalten.
11. Alſo laſſet uns ebenfals zum wenigſten das Ubrige verbannen; und
auch gern zu frieden ſeyn/ wann wir ſchon in Speiß/ Tranck und anderen
Nothwendigkeiten bißweilen kein voͤlliges Gnuͤgen haben. Auff
ſolche Weiß gelangen wir mit leichter Muͤhe zur wahren Ruhe
unſers Hertzens und andere geiſtlichen Tugenden/ ſo unſern Handel
zieren muͤſſen. Hoͤre an/ mein Chriſtliche Seel/ den Armen
Franciſcum/ wie er dieſe Tugend ſo hoch ſchaͤtze/ daß er ſie/ auch
nicht ſcheuet eine Koͤnigin der Tugenten/ ein Grundveſt ſeines Ordens/
und
[175]Von der Armut.
und ein Anfang der geiſtlichen Vollkommenheit zu benambſen. Derhal-
ben/ da einsmahls der Pater Vicarius zu St. Maria von Portiuncula
ſich bey ihm beklaget/ daß ein ſo groſſe Armut in ſeinem Kloſter herrſche;
daß man den ankommenden Geiſtlichen die noͤtige Sachen nicht verſchaf-
fen koͤnte; und er alſo fuͤr rathſamb befuͤnde/ einige von den Novitzen mit-
gebrachte Dinge zu behalten/ womit man der ſo groſſen Noth vorbiegen
moͤgte; dieſer GOtt-ſeelige Franciſcus geantwortet dieß ſeye weit von uns/
mein liebſter Bruder/ daß wir umb der Menſchen Willen gegen unſere Re-
gul ſuͤndigen ſollen. Jch will lieber in Zeit der Noth den Altar der Glor-
wuͤrdigen Mutter GOttes Mariaͤ berauben/ als gegen das Geluͤbt der
Armut den geringſten Verſuch thuen. Wann wir nun mit dieſem Sera-
phiſchen Vatter verlangen mit geiſtlichen Guͤteren bereichet zu werden/ ſo
muͤſſen wir mit ihm auch alle weltliche verachten. Wann wir unſern Haubt-
Feind im Streit erlegen wollen; ſa iſt noͤthig/ daß wir uns von allen Be-
gierden der zeitlichen Guͤter entbloͤſſen. Und wann wir endlich ohne Hin-
dernuß den Weeg zum himmliſchen Vatterland zu wanderen begehren; als
wird ſichs geziemen/ daß wir das Buͤntl der boͤſen Neigungen zu den Crea-
turen bey zeiten außlehren/ und alſo der obangezogener Verheiſſung Chri-
ſti: Seelig ſeynd die/ ꝛc. theilhafftig zu machen uns ohne Unterlaß
befleiſſigen.
Der dritte Theil.
12. NUn folget die Ubertrettung unſeres vor genommenen Geluͤbts der Ar-
mut: deme zu Folg kan einer/ ſo mit dieſem Geluͤbt verbunden iſt/
nichts geben einem andern/ oder auch von einem andern annehmen ohne
außtruͤckliche/ oder auffs wenigſt vermuͤthliche ſtille Erlaubnuß der Obrig-
keit; wann er dieſes Geluͤbt nicht wilt uͤberſchreiten. Daß aber einer nach
ſeinem Belieben etwas geben oder annehmen koͤnne/ darzu wird erfordert
die Herrſchaffliche Gewalt uͤber ſelbige Sachen; dieweiln ein Geiſtlicher
vermoͤg deß Geluͤbts der Armut ſich dieſer Gewalt beraubt; ſo ſuͤndi-
get derſelbige/ wann er nemblich ohne Erlaubnuß der Obrigkeit handlet/
wie vorgemeldet iſt. Dahero ſchreibt Boverius/ daß ein Geiſtlicher auß dem
Orden deß H. Franciſci/ ſo von allen fuͤr einen frommen Geiſtlichen gehalten
worden/ in ſeinem Todts-Bett auff alle Fragen nit anders geantwortet/ alsAnnal.
A. 1569.
Hiſtoria:
dieſes: die H. Sacramenten brauche ich nit/ dieweilen ich verdammet bin.
Dieſer hat die zwey Urſachen ſeines Verderbens offenbahret; nemblich
daß er an Statt der gebuͤrlicher Anklagung ſich entſchuldiget habe:
und daß er einige geiſtliche Geſchenck zu geben und von andern ohne
Erlaub-
[176]Die vierzehende Geiſtliche Lection
Erlaubnuß anzunehmen im Brauch gehabt/ dieweil er gefoͤrchtet/ daß ihm
Idem
ibid. A.
1570.
Hiſtoria.die Erlaubnuß ſolte abgeſchlagen werden. Einen andern haben fuͤnff Ro-
ſen-Kraͤntze in die Hoͤlle gezogen/ die er heimblicher Weiß erworben/ und
ſeinen Anverwandten zu verchren entſchloſſen hatte: und ob ihn zwarn hier-
uͤber das Gewiſſen offt gedrucket; ſo hat er doch ſolches als ein ſehr geringes
Eigenthumb geſchaͤtzet/ und derhalben dem Beichts-Vatter zu offenbahren
vernachlaͤſſiget. Nach ſeinem Todt hatman dieſe Roſen-Kraͤntz in deſſen
Knie-Schaͤmmel verborgen gefunden. Dieſe Hiſtori wird wei-
ters erzehlet am Blat. Jſt dann das/ umb GOTTES Wil-
len/ nicht ein groſſe Armſeligkeit? viele Jahren ein ſehr ſtrenges Leben fuͤh-
ren/ mit vielem Faſten/ mit beſchwerlichem Wachen/ durch ſtetes Bet-
ten und andere harte Bußwerck den Leib caſteyen; und fuͤr dieß alles nicht
allein keinen Lohn bekommen ſondern noch darzu durch ſo nichtswertige
Dinge und veraͤchtliche Geſchenck die ewige Verdamnuß ſich auff den
Halß laden!
13. Das ſchaͤdliche Gifft/ ſo in dieſen heimtuͤckiſchen Geſchencken ver-
borgen ligt/ hat der heilige Jgnatius Lojola zu ſeiner Zeit ſehr glimpfflich
vermercket und damit er ſeine heilige Societaͤt deſto fuͤglicher darvon be-
freyen moͤgte/ hat er allen andern zum Exempel dieſe folgende Action gehal-
M. S. In-
golſt.
Fol. 32.ten: Anno 1556. den letzten May/ am hohen Feſtag der Allerheiligſten dreyfal-
tigkeit hat er dem Ehrwuͤrdigen Pater Sebaſtiano Romaͤo/ der Zeit Rectoren
aufferlegt/ eine Diſciplin zu thuen/ ein gantzes Miſerere lang bey oͤffent-
lichem Refectorio; und hat dieſer Pater Rector ſelbiges mahl an einem
kleinem Tiſchlein mit einem Stuͤck Brod und einem Truͤncklein Wein
muͤſſen vor lieb nehmen. Andern Tags iſt ihm kein Speiß noch Tranck ge-
reichet worden/ biß er die jenige Agnus Dei (wie ſie genennet werden) ſo er oh-
ne außtruͤckliche Erlaubnuß der Obrigkeit einigen ſeiner Societaͤt Geiſtli-
In ejus
Vita.chen mitgetheilet; dem H. Vatter Jgnatio zugeſtellet haͤtte. Dieſen loͤblichen
Eiffers deß obgemeldten Stiffters hat ohne Zweiffel wargenommen der
ſeelige Aloyſius/ welcher dieſe Regul der Armut ſo genau zu halten ſich un-
terſtanden/ daß er einem andern/ ſo von ihme Papier begehret/ nicht ehen-
der wilfahret/ biß er von der Obrigkeit Erlaubnuß daruͤber erhalten. Jm-
gleichen der gelehrte P. Thomas Sanchez derſelben Societaͤt Prieſter hat
niemahlen das geringſte ohne Erlaubnuß angenommen/ oder gegeben; auch/
wie er ſelbſt ſchreibet/ keinen Faden. Neben dieſen/ hat der Ehr-wuͤrdi-
Vit. p. 2.
pag. 139.ge Joannes Berckman derſelben Societaͤt Zeit ſeines Lebens beweinet/
daß er einsmahls einem Bruder ein Bildlein ohne Erlaubnuß deß Obern
gege-
[177]Von der Armut.
gegeben; den er doch zu dieſem End geſucht hatte/ und deſſen Bewilligung
er leichtlich haͤtte erlangen koͤnnen.
14. Auch kan ein wahrer Armer ohne Verletzung deß Geluͤbts/ uͤber die
Speiſen/ ſo ihme an der Taffel uͤbrig bleiben/ nach ſeinem Willen nicht ſchal-
ten: ſintemahlen einem Geiſtlichen ſo viel an Speiſen gegeben wird/ als er
fuͤr ſich beduͤrfftig; was aber uͤbrig bleibt/ iſt nicht ſein: dahero beyden Pa-Bover in
Ann. A.
1573.
Hiſtoria.
tribus Capucinis verbotten ware/ Brod mit ſich von der Tafel zu tragen.
Nun aber hat ſichs zugetragen/ daß der allgemeine Menſchen Betrieger
einem ſichern Geiſtlichen auß gemeldtem heiligen Orden in Geſtalt der
allerſeeligſten Jungfrawen erſchienen/ und Brod von ihm begehret: der-
halben nimbt ſelbiger nach gehaltener Mahlzeit heimblich ein ſtuͤck Brod
mit ſich in den Armelen/ und nachdem er ſolches der vermeinten Bettlerin
gereichet; verſchwindet vor ſeinen Augen alsbald die angenommene Ge-
ſtalt/ und greifft der hoͤlliſche Sathan meinen guten Allmuſier bey den
Fuͤſſen/ in Meinung/ denſelben fortzureiſſen: ſo auch vielleicht geſchehen
waͤre; wann nicht auff ſein jaͤmmerliches Huͤlff ruffen/ durch das inſtaͤn-
dige Gebett ſeiner Mittbruͤder waͤre errettet worden. Auß dieſer Tra-
gœdi lehrnen wir/ daß es einem Geiſtlichen unzulaͤſſig ſeye/ die uͤberblie-
bene Speiſen ohne Vorwiſſen der Obrigkeit den Armen mitzutheilen:
Uber dieſes/ mag auch ein Geluͤbt-Verbundener ohne groſſe Beſchwaͤrde
ſeines Gewiſſen nichts/ es ſeye wenig oder viel/ fuͤr ſeinen Gebrauch
der Obrigkeit verbergen: ſo auß unſer außtruͤcklichen Ordens Regul gnug-
ſamb abzunehmen; allwo unſer heilige Vatter Auguſtinus den jenigen/ ſo
etwas verborgenhat/ eines Diebſtalls beſtraffet: dahero leſen wir in den Ge-
ſchichten der P. P. Franciſcanern/ daß derſelben einer vor der Viſitation ei-
nige Sachen in ſeiner Zell verborgen habe: welchen ein ander in ſelbigerBou An-
nal. A.
1579.
Hiſtoria.
Nacht in der Hoͤllen an einem Galgen/ und die verborgene Dinge an deſſen
Fuͤſſen hat hangen ſehen: demnach aber/ der ſolches verborgen/ von dieſem Ge-
ſicht iſt berichtet worden/ hat er ſeinen Fehler gebeſſert. Wolte GOTT/
daß allen Geiſtlichen ſolche groſſe Gnad widerfahren moͤchte/ und nicht ſo
viele wegen deß abſchewlichen Laſters deß Eigenthumbs in den Abgrund
deß Verderbens geſtuͤrtzet wuͤrden!
15. Nicht weniger muß auch ein wahrer Armer all das jenige/ deſſen er
ſich gebrauchet/ ſeiner Obrigkeit offenbahren/ und nach vorhergangener
Erlaubnuß/ mit denen Dingen alſo umbgehen/ daß ſie/ ſo viel moͤglich iſt/
ſchad- und ſchanden-loß gehalten werden. Man muß nicht vermei-
nen/ daß es zulaͤſſig ſeye/ mit den beurlaubten Sachen nach ſeinem Wil-
Zlen
[178]Die vierzehente Geiſtliche Lection
len umbzugehen/ und ſie zu verderben/ zu bemaculen/ \&c. weilen uns keine
voͤllige Beſitzung derſelben fuͤr alle; ſondern fuͤr einige Zeit und Noth gege-
ben wird: davon der gottſelige Caſſianus ſchreibet; daß/ wann einer von den
Geiſtlichen zu ſeiner Zeit auch eine geringſchaͤtzige Sach verdorben oder ver-
wuͤſtet haͤtte; derſelbig als ein Geluͤbts-Brecher ſehr hart ſeye geſtrafft
worden: mit dem Geſchirꝛ und andern Haußrath deß Cloſters ſeynd ſie
wie mit heiligen Sachen umbgangen/ nicht anders als wann ſie neben dem
Außſpender/ auch GOTT Rechnung daruͤber zu geben haͤtten/ wie ſie
auch hatten. Auch hat der H. Vatter Benedictus befohlen/ daß man nicht
allein die Geſchirꝛ; ſondern alles brauchbare gleich dem Zubehoͤr deß Altars
tractiren ſolte.
16. So laſſet uns dann/ mein Chriſtliche Seel; der heiligen Armut uns
befleiſſen/ und auch die wenigſte Sachen nicht gering achten; indem wir ſel-
bige gar genau vor dem goͤttlichen Richter zu berechnen haben/ wie auß fol-
Annal.
Capuc.
1581.
Hiſtoria.gender Erzehlung deß Bouerii zu mercken iſt: Ein geiſtlicher Bruder Nah-
mens Bernardus iſt am End ſeines Lebens mit dem Menſchen-Feind in
einen Streit gerathen/ in welchem er ihme vorgeworffen/ daß er mehr
Wachs-Drath verbrennet/ als die Noth erfordert habe: da nun unter
waͤhrendem Kampff die umbſtehende Bruͤder fuͤr deſſen Heyl die Litanic
gebetten/ hat der Krancke zu den Nahmen der Heiligen/ mit groſſer Beſtuͤr-
tzung deß Gemuͤts nichts anders widerholet/ als dieſe Wort: Tam mo-
dicum, tam modicum, tam modicum:So weniges/ ſo weniges/
ſo weniges: Woruͤber ihn nachmahls ſeine Bruͤder mit Verwun-
derung gefragt/ und zur Antwort bekommen/ wie folget: Jch ſtunde/
ſagt er/ vor dem Gericht/ da dann der hoͤlliſche Anklaͤger auß allen Stuͤck-
lein deß von mir unnuͤtzlich verbrandten Wachs-Drath ein groſſes Pack
zuſammen gemacht/ und mich als einen Ubertretter der heiligen Armut an-
geklaget: weilen ich nun uͤber die hefftige Anklag einer ſolchen Wenig-
keit zum hoͤchſten verwundert ware; als ſchrye ich uͤberlaut/ ſo viel ich konte:
Tam modicum \&c.So weniges\&c. Laß dir geſagt ſeyn /mein
Chriſtliche Seel/ die Urtheil GOTTES ſeynd ſehr zufoͤrchten/ und
ſonderbahr/ da ſelbige uͤber die Geluͤbten von GOTT geſprochen werden.
Id. A.
1571.
Hiſtoria.Der geiſtreiche P. Otho auß ſelbigem Orden iſt einem guten Freund er-
ſchienen/ und geſagt/ daß er zwarn zur ewigen Seeligkeit gelangt ſeye/
aber nach ſo ſcharffer Erforſchung/ daß er wegen der Kertzen/ ſo er auff
dem heimlichen Gemach brennen laſſen/ habe zu Gericht ſtehen muͤſſen.
Wie
[179]Von der Armut.
Wie wirds nun mit den Eigenthuͤmbern hergehen/ wann ſo geringe Sa-
chen nicht uͤberſehen werden? Noch eins hoͤre/ mein geneigter Leſer/ wasId. An.
1603.
Hiſtoria.
einem alten Geiſtlichen deſſelben Ordens gezeigt worden: dieſer hat bey
Winters-Zeit nach vollendtem naͤchtlichen GOttes-Dienſt wollen hinab
in die Kuͤchen gehen/ umb ſich alldort zu erwarmen; woſelbſt er zwey ſchmu-
tzige Kuͤchen-Buben angetroffen/ ſo die gluͤende Kohlen mit eyſernen Raͤchen
außeinander ſcharrend/ dem dritten den Platz bereitet/ auff welchen er den auff
eine Roſter geheffteten/ und auff ſeinen Achſelen herbey getragenen Bruͤder
ſetzen ſolte: hieruͤber iſt der gute Alte erſchroͤckt worden/ und hat die Flucht er-
greiffen wollen; den aber einer auß den gemeldten beyden angehalten/ und ge-
fraget; ob er dieſen Bruder kenne? und da er mit Nein geantwortet/ hat er ge-
ſagt/ daß dieſer ein Vorſteher der Kuͤchen geweſen/ und das Holtz gegen das
Geſetz der Armut zu reichlich verbrandt habe: dahero ſeye er von Gott zu die-
ſem Orth ſo lang ver dammet worden/ biß davor zur Gnuͤge bezahlet habe.
17. So viel nun den Eigenthumb/ als einen toͤdtlichen Feind der Geiſt-
lichen Armut belanget/ wird dieſer von dem Heil. Benedicto das allerſchalek-
hafftigſte Laſter: von dem geiſtreichen Caſſiano, ein Auffenthalt der Laſtern/
ein verwirreter und unauffloͤßlicher Anfang der Schalckheit/ und ein Wur-
tzel alles Boͤſen benambſet: weiters ſagt der Heil. Gregorius/ daß ein Ei-
genthuͤmber kein Hertz eines Menſchen habe/ und daß die Liebe und Einig-
keit nicht bleiben koͤnnen/ wo dieſes Laſter Platz hat: Es iſt aber der Eigen-
thumb ein ſo betriegliches und ſubtiles Ubel/ daß/ nach Zeugnuͤß deß heiligen
Gregorii Nyſſeni, die jenige/ ſo alle andere Laſter durch die widrige Tu-
genden als deren Feinde an ſich vernichtiget; dannoch dem Betrug dieſes
Elends nicht gnugſamb entgehen koͤnnen; weilen ſelbiges den armen
Menſchen in unzahlbare Stricke der eitelen Entſchuldigungen verwicklet:
Die Eigenthuͤmber klagen zu ihrer Entſchuldigung/ man gebe ihnen die
die Nothdurfft nicht: wann ich/ ſagt ein Eigenthuͤmber/ wuͤrde kranck
und elendig werden/ und nichts auff die Seiten gelegt haͤtte/ wie ſolte ich in
dieſem Zuſtand ſo Ubel verpflegt werden: Das Vermoͤgen deß Clo-
ſters iſt gar gering/ und hergegen die Nachlaͤſſigkeit bey den Kran-
cken ſehr groß: wann ich alsdann nichts eigenes haͤtte meinen Leib zu
verpflegen/ wuͤrde ich uͤbel beſtehen/ und vielleicht auß Noth gar da-
hin ſterben muͤſſen: die gewoͤhnliche Kleidung iſt mir zu wenig/ der-
halben muß ich fuͤr eine mehrere Sorg tragen: ich hab oͤffter dieß und jenes
vonnoͤthen; wann ich nun mir nichts vorbehalten haͤtte; wer wuͤrds mir ver-
ſchaffen? ſolche und dergleichen andere Vorwaͤnd der Eigenthuͤmber ſeynd
Z 2bey
[180]Die Vierzehente Geiſtliche Lection
bey gegenwaͤrtigen Zeiten/ leider GOTTES/ ein liderliche Decke ihres
ſchaͤdlichen Laſters: Du aber/ mein Chriſt liche Seel/ ſehe dich bey zeiten
vor/ auff daß du ſelbiges nicht nur bedecken/ ſondern zumahlen erſticken
moͤgeſt: Dieſes aber wirſt du mit deinem unbeſch reiblich groſſen See-
len-Nutzen zu wegen bringen/ wann du dieſe zwey Eyß kalte Wort/ me-
um \& tuum:mein und dein/ auß dem inner ſten deines Hertzens zu ver-
treiben/ dich bemuͤheſt: dieſe zwey Wort fuͤgen/ nach Meinung deß heiligen
Chryſoſtomi/ unſerm geiſtlichen Leben alles erfindliche Ubel zu/ und verur-
ſachen unzahlbare Streittungen: und nicht allein ſeynd dieſe Wort dem
geiſtlichen/ ſondern auch allem weltlichen Handel hoͤchſt ſchaͤdlich: der-
Lib. de
moribus.halben ſagt der Heil. Martinus Dumienſis: die Menſchen wuͤrden in aller
verlangten Ruhe und Zufriedenheit leben auff Erden/ wann ſie dieſe zwey
Wort/ mein und dein von der Natur aller Dingen hinweg ſchaffeten:
und weilen ſelbige anders nicht als eine Peſt von vielen H. H. Vaͤttern
benambſet werden; darumb ruffet der heiliger Baſilius mit dieſer Stimm:
Reg. tu-
ſior. 32.Du mein und dein/ trollet euch weit von meiner Bruͤder Wohnung
hinweg. Unter den geiſtlichen Kindern deß Heil. Alt-Vatters Pacho-
mii hat ſich auch keiner unter Straff einer groſſen Suͤnde doͤrffen geluͤſten
laſſen zu ſagen: Mein Buch/ mein Kleyd/ mein Geſchirꝛ \&c. ja ſo gar hat
unter der Heidniſchen Blindheit der Plato die Boͤßheit dieſer Wort be-
obachtet; dahero er ſeine Schuͤlen gelehret/ daß ſie alles ins gemein haben
ſolten; und daß aller Streit unter den Menſchen leichtlich moͤchte auff-
gehoben werden/ wann man dieſe zwey Wort/ mein und dein auß dem
Weeg zu raumen ſich befleiſſen wuͤrde. Folge du mit mir dem Spruch
Lib. 1.
Offic. c.
25.deß Heil. Ambroſii, der alſo lautet: Wann du wilſt gerecht ſeyn/
ſo habe alles gemein fůr die Deinige/ und das Deinige fůr
die Gemeinde.
18. Jm widrigen Fall iſt zu befoͤrchten; daß dir widerfahre/ was 1569;
einem ſichern Vorſteher widerfahren iſt: deſſen untergebene geiſtliche Or-
Zacch.
Bouer. in
Annal.
Hiſtoria.dens Perſohnen acht an der Zahl/ ihren Stand verlieſſen/ und den heiligen
Orden der P. P. Capucinern eingetretten ſeynd; und haben die Urſach
ſolcher ihrer Veraͤnderung folgender Geſtalt erklaͤret/ und geſagt/ daß
ihr Vorſteher kuͤrtzlich einen ſo erſchroͤcklichen Todt gehabt habe/ daß
ſie auß Forcht/ der gleichen Geſtalt geurtheilet zu werden/ ſich beſſer
vorzuſchen/ ſeyen gezwungen worden: Es flegte aber denſelbige Wade-
len oder Wayeren von Pfauen-Federn/ und andere artliche Dinge von
Seiden zu machen; und demnach er hiervon viel. Gelds zuſammen
geſcharret/
[181]Von der Armut.
geſcharret/ habe er endlich dermaſſen angefangen zu ſtincken/ daß in ſeiner
Gegenwart niemand hat bleiben koͤñen. Da er nun von den andern abgeſuͤn-
dert/ und ihn einige ſeiner Mit-Bruͤder einsmahls beſuchet/ ſeye er mit
dem Haubt am Bett erbarmlich hangend/ und von einer abſcheulichen Ka-
tze am Hals ſehr groͤblich zerfreſſen/ und ſchier erſticket gefunden worden.
Jndem aber die Bruͤder dieſe boͤſe Katz zu vertreiben ſich bemuͤhet; habe der
Krancke geſchrichen/ ihr habt nicht mit einer Katzen/ ſondern mit dem Teuf-
fel zu ſchaffen: dieſe Straff hat mir mein garſtiges Leben/ ſo ich in Begier-
ligkeit/ in uͤbel gehaltener Armut/ und in Verachtung meiner Regul zuge-
bracht/ billig verurſachet. Jhr ſollet durch meinen Schaden witzig wer-
den: ich aber werd anjetzo als ein Verdambter zu Hoͤllen geriſſen. Nach dieſen
Worten ſeye er von der obgedachten Katzen erſtickt/ und unter einem grau-
ſamen Kirren ſeiner armen Seelen in alle Ewigkeit beraubet worden. CinChron. S
Franc. p.
2. l. 1. c.
18.
Hiſtoria.
ander Ley-Bruder/ ſo einen Pſalter ohne Wiſſen der Obrigkeit behalten/
und nach beſchehener Forderung/ denſelbigen nicht hat wollen herauß ge-
ben/ iſt in ſothaner Halſtaͤrrigkeit geſtorben/ und hat nach ſeiner Begraͤb-
nuß mit unmanir licher Stimm im Chor zu heulen angefangen: und da er
von dem Guardian beſchwohren worden/ zu bekennen wer er ſeye; hat er
geſagt/ er ſeye derjenige Bruder/ ſo am vorigen Tag begraben/ und ſeye
wegen deß enthaltenen Pſalters ewiglich verdammet.
19. Ein noch erſchroͤcklicheres hat ſich zugetragen mit einem andern
Ordens-Geiſtlichen/ welcher ein ſonderbahres Gefallen an eines andernBouer. in
Ann. A.
1589.
Hiſtoria.
Brevier gehabt/ derhalben hat er ſich deſſen heimlich bemaͤchtiget und ver-
borgen/ in Hoffnung/ daß bald an ein anderes Ort wuͤrde verſchickt wer-
den/ alwo er ſich deſſelben ohne Argwohn gebrauchen koͤnnte. Der jeni-
ge/ ſo das Brevier verlohren/ hat ſolches dem Guardian angekuͤndiget und
gebetten/ er moͤgte doch ſeine Bruͤder zur Wiedergab ermahnen; ſo dann
auch etlichmahl geſchehen; biß endlich dieſer Vorſteher genoͤthiget worden/
in Krafft deß H. Gehorſambs zu befehlen/ daß dieſes Breviers Entheber/
alsbald ſich mache zum Wider-Geber. Aber alles ware umbſonſt. Der
Tag neigte ſich zum Abend/ und der Kuͤſter gienge hin die Kirch zu
verſchlieſſen; ware aber biß zum Thor nach kommen/ ſiehe/ da trettet ein
Muͤnch mit ſchwartzem Habit herein/ wendet ſich zum Kuͤſter und ſagt:
Jch bitte dich/ lieber Bruder/ laſſe noch die Kirch ſo lang offen/ biß
ich habe was mein iſt. Der Kuͤſter verwundert ſich uͤber die Ankunfft
Z 3und
[182]Die Vierzehende Geiſtliche Lection
und Rede dieſes ſchwartzen Muͤnchen/ gibt alſobald dem Guardianen hier-
von Bericht/ und fuͤhret denſelben mit ſich zur Kirchen. Da er nun den
Frembdling ſehet/ fragt er ihn/ was er allda werlohren habe? Es iſt/ antwortet
der Schwartze/ einer unter den Deinigen/ welcher eine Sach beſitzet/ die mir
zugehoͤret/ ſchaffe du mir alle zugegen/ ſo will ich dir ihn zeigen. Der Guardi-
an ruffet hierauff ſeine Geiſtliche zuſammen/ und ſtellet ſelbige dem ange-
nommenen Muͤnchen vor. So bald dieſer den Breviers-Dieb erblicket/
greifft er ſelbigen bey den Fuͤſſen/ und fuͤhret ihn in aller anderen Gegenwart
lebendig in die Lufft/ und von dannen ohn allen Zweiffel in die ewige Ver-
damnuß/ das Brevier aber hat er auß den Armben deß Diebs heraußgeworf-
fen. Alſo iſt man in Erfahrung gerathen/ wer dieſer Schwartzfarbige/ wer-
der Breviers-Dieb geweſen/ und was vor Straff die jenige verdienen/ ſo
das Geluͤbt der Armut verletzen.
2. Noch eins muß ich dir/ mein Chrlſtlicher Liebhaber/ erzehlen/ da-
mit du ſieheſt/ wie ſcharff die jenige von dem Gerechten hergenommen wer-
den/ ſo in Erbauung der Kloͤſter oder Cellen die Maaß der Armut uͤber-
Bouer.
Annal.
1554. in
P. Franc.
Aſtenſ.
Hiſtoria.ſchreiten. Da der Gottſeelige P. Franeiſcus Aſtenſis/ der Capuciner
zweyter General die Roͤmiſche Provintz viſitiret/ iſt er zu einem Kloſter
kommen/ allwo ihme eine ſehr ſtatlich erbauete und geſchmuckte Cell fuͤr ſei-
nen abſtand daſelbſt iſt angewieſen worden. Nach gehaltenem Abend-
mahl/ da ſich der obgedachte Pater ſchon zur Ruhe begeben/ hat man an
ſeiner Thuͤren gantz ſittſamb angeklopffet/ als wann einer hinein zu kom-
men begehrte. Dieß hat er gehoͤret/ und den anklopffenden durch die
Woͤrtlein/ Deo gratias, zu ſich gelaſſen/ aber niemand iſt hinein kom-
men. Endlich nach offt widerholtem Klopffen/ und gegebenem Deo
gratias iſt der vor laͤngſt verſtorbene Guardian und geweſener Bau-Herr
dieſer Cellen hineingetretten/ ſelbige etlichmahl mit Sillſchweigen durch-
wandert/ und hat endlich mit dieſen Worten loßgebrochen. Du ver-
verflugte Cell/ deinentwegen allein bin ich Armſeeliger ewig verdambt
worden. Nach dieſen Worten iſt er verſchwunden. Ein anderer auß
Bouer.
1547.dem Orden deß H. Franeiſei/ ſo man Conventualen nennet/ iſt wegen einer
praͤchtig fuͤr ſich erbaueten Cell in den Abgrund der Hoͤllen geſtuͤrtzet worden.
Dieſes alles iſt zu deinem Beſten erzehlet/ mein Chriſtliche Seel/ auff daß
du in Erſehung deiner Vorfahren Ungluͤcks lerneſt die Armut lieben und
halten/ der du dich vermittelſt eines unwiderrufflichen Geluͤbts verbun-
den
[183]Von der Keuſchheit.
den haſt. Meide du mit allem Ernſt das Wenige/ ſo wirſtu nicht leicht-
lich fallen in das Groͤſſere/ ſo dieſem Geluͤbt zu wider iſt.
Die Fuͤnffzehende Geiſtliche
LECTION
Von der Keuſchheit.
cap. 4. v.
[1].
abſtineatis vos a fornicatione, ut ſciat unuſquis-
que veſtrum vas ſuum poſſidere in ſancticatione \&
honore.’
gung/ daß ihr euch von Vnzucht enthaltet/ und daß
ein jeglicher unter euch ſein Gefaͤß in Heiligung und Eh-
ren zu beſitzen wiſſe.’
Der Erſte Theil.
1. MAreellus/ ein Abt in Schithien ſagt bey dem Joannes Moſchus/Prat.
Spir. c. 42
daß einen Muͤnchen nichts ſo ſehr bey GOtt in Freundſchafft
bringe/ als eben die ſchoͤne und herrliche Keuſchheit/ welche/
nach Zeugnuͤß deß heiligen Pauli/ dem Menſchen Ehrbarkeit und Be-
ſtaͤndigkeit leiſtet/ damit er ohne Verſtreuung in dem Dienſt GOt-1. Cor. 7.
tes verharren koͤnne. Dahero die H. H. Vaͤtter von Anfang deß-
Muͤnchen-Lebens darfuͤr gehalten/ daß dieſe zur Vollkommenheit vor allen
andern Tugenden noͤthig ſeye; dieweiln ein Weib das allerfuͤgligſte
Werckzeug
[184]Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
Werckzeug iſt die Tugenden deß Manns zu verkehren. Es iſt aber die
Keuſchheit ein ſo ſtattliche Tugend/ daß der Eingebohrne Sohn GOttes
ſelbige an der Glorwuͤrdigen Jungfrauen Maria ſonderbahr beobachtet/
und derhalben hat er ſie vor allen andern heiligen Weibern zu ſeiner Mutter
erwehlet. Worauß dan auch furnemlich abzunehmen iſt/ daß kein kraͤfftigers
Mittel um die Goͤttliche Gaben ſich faͤhig zu machen ſeye/ als ein demuͤthige
und reine Keuſchheit; vermoͤg der unſere Seelen Chriſto dem himmliſchen
Braͤutigam vermehlet werden. Und was kan vortrefflicher/ was kan an-
nehmlicher erdacht werden/ als ſolche Vermehlung? Bey mir iſts ſchier
eine Unmoͤglichkeit/ daß ein keuſcher Menſch koͤnne ewig verlohren gehen.
Und gleich wie die Brauten groſſer Fuͤrſten und Herrn/ wann ſie Treu
halten/ faſt alles von ihren Braͤutigamben zu erlangen vermoͤgen (wie an
der Eſther/ ſo die Befreyung der gantzen Judenſchafft von dem Aſſuer[o]
erhalten/ zu ſehen iſt) alſo und noch viel mehr wird eine Braut deß himmli-
ſchen Koͤnigs alles und ſonderbahr die Errettung auß dem Suͤnden-Ker-
cker fuͤr ihren Naͤchſten erwerben koͤnnen. Und gleich wie die himmliſcht
Jungfrau/ wann ſie im Thier-Kreiß herrſchet/ das Erdreich ſehr frucht-
bar machet: alſo die Keuſchheit bringt allerhand Fruͤchten der Ehren/ der
Ehrbarkeit und der uͤberhaͤuffigen Gnaden/ wann ſie im Hertzen deß
Menſchen regieret.
2. Ob zwarn nun faſt jederman bekandt iſt; daß die jungfraͤuliche Keuſch-
heit der ſauberen und ſchoͤnen Lilien ins gemein verglichen werde wegen der
annehmlichen weiſſen Farbe/ mit der ſie glintzet: ſo ſeynd doch viele/ die
nicht beobachten/ daß/ gleich wie an einer Lilien ſeynd ſechs weiſſe Blaͤtter/
und in Mitten der Blumen einige gleichſamb guͤldene Koͤrnlein gefunden
werden; alſo auch an der Keuſchheit ſechs Blaͤtter/ zu Erhaltung der Rei-
nigkeit dieſer Lilien zu finden ſeyen: deren das erſte Blatt iſt die Nuͤch-
terkeit; das iſt/ nach [Meinung] deß heiligen Kirchen-Lehrers Hieronymi/
maͤſſig ſeyn in Eſſen und Trincken: welches Blatt von der Ubernehmung
der Speiſen und Trancks/ gleich wie von einem Dorn zerriſſen wird: dann
die Fuͤllerey und die Trunckenheit ſeynd der Weeg zur Unkeuſchheit und
Geylheit; wie ſichs an dem Loth erwieſen/ ſo in der Trunckenheit eine dop-
Eph. 5.pelte Blutſchand begangen hat: dahero ſagt der Apoſtel: Sauffet euch
nicht voll im Wein/ darinn ein unzůchtig Weſen iſt. Und
nach dieſem ſpricht der gelehrte Tertullianus alſo: Die Truncken-
L. de Spe-
ctacul.heit und Geylheit haben ſichmit einander verbunden und
verſchwohren: ſo iſt dannvor allen noͤthig/ daß man die
Freſ-
[185]Von der Keuſchheit.
Freſſerey und Trunckenheit/ als einen Angel der Geilheit
fliehe. Das andere Blatt der Keuſchheit iſt/ grobe Kleidung an blo-
ſem Leib tragen: ſo der H. Bernardus mit dieſen Wortenbekraͤfftiget: gleich
wie ein zarte Weichheit der Kleider eine Unreinigkeit verurſachet/ alſo er-
haltet die Hartigkeit und Grobheit derſelben den Menſchen in der Keuſch-
heit. Ein hoͤffaͤrtige und weiche Kleider-Tragt iſt ein Dorn/ ſo das ſchoͤneNum. 25.
Blatt der Keuſchheit zerreiſſet/ und zum Verderben richtet: dahero iſt ge-
ſchehen/ daß die Kinder Jſrael mit den Moabitiſchen Weibern/ welche mit
ſchoͤnen Kleidern geſchmuͤcket waren/ geſuͤndiget haben. Das dritte
Blatt iſt die Meidung deß Muͤſſiggangs/ der da iſt ein wahrer Zuͤndel der
Unkeuſchheit; wie recht der Heil. Chryſoſtomus meldet: das Laſter der Geil-
heit erwachſſet ſehr leichtlich auß dem Muͤſſiggang: weilen die Liebe von den
Gelehrten entworffen wird/ daß ſie ſeye eine Bewegung oder Betrug der
muͤſſigen Seele: Dieſem vorgeſtellten Entwurff fallet auch bey der ſpitz-
findige Poet Ovidius mit dieſen Worten:
Otia ſi tollas, periêre Cupidinis arcus.daß iſt:CupidinisBogen halſt im Zwang/Wann du fliehſt den Můſſiggang.Wiederumb:Quæritur Ægyſtus quare ſit factus Adulter?In promptu cauſa eſt: deſidioſus erat.Die Frage iſt/ warumbÆgyſtDie Ehe gebrochen habe?Die Antwort iſt/ dieweilÆgyſtFaſt immer můſſig ware.
Das vierte Blatt wird erhalten durch ſorgfaͤltige Bewahrung der
Sinnen/ und ſonderbahr der Augen und Ohren: Wilſt du nun/ daß die-
ſes liebliche Blaͤttlein unverletzt an der Blumen verbleibe/ ſo behuͤte ſelbiges/
ſo viel dir moͤglich iſt/ fuͤr den ſpitzigen Dorn deß Vorwitz und Begirde/
neue und eytele Dinge zu ſehen und zu hoͤren: und verſichere dich/ daß von
dem Dorn der Newſchirigkeit dieſe edele Blum/ inſonderheit bey dem vor-
witzigen Frawen-Zimmer jaͤmmerlich zerriſſen werde. Das fůnffte
Blatt deiner Lilien leidet auch groſſen Schaden von ſcharffen Doͤrnen
A ader
[186]Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
der unnuͤtzlichen/ muͤſſigen und unkeuſchen Reden/ nach den Worten deß
H. Apoſtels Pauli: Boͤſe Geſpraͤch verderben gute Sitten:
1. Cot. 15.
33.Derhalben muͤſſen die jenige/ denen an Erhaltung der preißwuͤrdigen Haubt-
Blumen zu ihrer ewigen Wohlfart gelegen iſt/ ſolche hoͤchſtſchaͤdliche Geſell-
ſchafft wie die Peſt meiden. Das ſechſte Blatt deiner holdſeligen Blu-
men/ mein Chriſtliche Seel/ muſt du ſauber und unverletzt erhalten durch ei-
ne ſonderbahre Behutſambkeit deß fuͤnfften menſchlichen Sinns/ nemblich
deß Gefuͤhl; und dich nach aller Moͤglichkeit huͤten/ damit du/ oder dich ſelb-
ſten an bloſem Leib/ oder andere nicht anruͤhreſt: ſintemahlen auch nur durch
einen eintzigen Angriff frembder Haͤnde/ als durch einen ſchaͤdlichen Dorn/
nicht wenige ihr ſchoͤnes Blatt vernichtiget haben/ wie unten Num. 8. zu
ſchen iſt dieſe ſeynd die Blaͤtter unſerer Jungfraͤulichen Blumen/ die golt-
faͤrbige Kornlein aber derſelben ſeynd die drey Weiſen und Manieren Gott
zu lieben: ſo der H. Bernardus dir vormahlet/ und ſagt: lehrne lieben ſuͤſſig-
lich/ lieben vernuͤnfftiglich/ und lieben ſtandhafftiglich: Süſſiglich/ da-
mit du nicht durch Anreitzung oder Lockung; Ver[n]ůnfftiglich/ damit
nicht durch Betrug: und Standhafftiglich/ damit du nicht durch Wi-
derwaͤrtigkeit von der Liebe deines Herrn verfuͤhret werdeſt.
3. Gleich aber wie dieſe Lilien der Jungfraͤwlichen Keuſchheit dem lieben
Gott und ſeinen H. H. Engelen einen uͤberauß annehmlichen Geruch verur-
ſacht/ und dahero der Menſch/ in deſſen Garten ſolche herrliche Blum wach-
ſet/ faſt nicht verderben kan: alſo erfordert dieſelbige zu ihrem erſprießlichen
Wachsthumb viele Muͤhe und Arbeit; und ſo gar nach Meinung deß Heil.
In lib. de
Bon.
hum. c. 2.Vatters Auguſtini/ einen taͤglichen Streit: unter allen Kriegen der Chriſt-
glaubigen/ ſagt der gemeldte H. Vatter/ ſeynd am haͤrteſten die Kriege der
Keuſchheit: in denen ein taͤglicher Streit/ und ſeltener Sieg zu finden iſt/
weilen ſelbiger ein ſtarcker Feind zu theil worden/ dem man taͤglich widerſte-
het/ und jedoch immer foͤrchtet: ein ſolche Beſchaffenheit hats mit dieſer Tu-
gend: dann der Geiſt der Geilheit verſchoͤnet keinem Alter/ ſiehet kein Ge-
ſchlecht an/ und gehet keinen Stand vorbey wird er ſchon vertrichen/ ſo kombt
er doch wiederumb: wird er getoͤdtet/ ſo wird er wieder l[e]bendig: wird er im
Krieg uͤberwunden und in die Flucht geſchlagen/ ſo laſſet er gleichwohl nicht
nach/ und ſetzet auff neu wiederumb an: wird er zu Bodem geworffen/ ſo ſte-
het er abermahl auff derhalben ſagt der H. Chryſoſtomus: wir haben bey die-
ſen unſern Zeiten von einigen gehoͤret/ daß ſie ihren gantzen Leib mit Eyſen
umbguͤrtet/ mit rauen Saͤcken ſich bekleidet/ in die Spitzen der Bergen ſich
verborgen/ in ſtaͤtem Wachen und hoͤchſter Armut gelebt/ auch aller Schaͤrf-
fe der Bußfertigkeit ſich unterworffen; den Weibern den Zugang zu ihren
Huͤtten
[187]Von der Keuſchheit.
Huͤtten verbotten/ und auff ſolche Weiß ſich ſelbſt gezuͤchtiget; und haben
dannoch durch ſothane Mittel den Grimmen der boͤſen Begirden ſchwaͤrlich
daͤmpffen koͤnnen. Dieſe Lilien zu erhalten/ hat eine heilige Abtiſſin ſich in
ſtaͤtem Faſten und Wachen geuͤbet/ und iſt gleichwohl in die dreyzehen Jahr
von dieſem Feind ſehr uͤbel geplaget worden. Der H. Pachomius hat gewuͤn-
ſchet/ daß er von den wilden Thieren moͤchte zerriſſen werden; weilen er in
viertzig jaͤhriger Zeit in der Wuͤſten durch groſſe Strenge deß Lebens dieſes
Unthier nit gaͤntzlich hat uͤbermeiſtern koͤnnen; iſt dannoch von ſelbigem auch
niemahlen uͤberwunden worden: wie hat ſich der auß einem Haubt-Moͤrder/
nachmahls fromme Einſidler Moyſes nicht bemuͤhet/ zu der vollkommeneu
Keuſchheit zu gelangen? indem er geſehen/ daß durch das unerhoͤrte Faſten
dieſer Feind nicht weichen wollen; iſt er gantze Nachten zumahlen frey ohne
einiges anlehnen auffrecht geſtanden: dieſer Weiß zu leben hat er ſich ſechs
Jahr lang alſo gebrauchet/ daß er weder Tag noch Nacht einige Ruhe haben
koͤnnen/ ſondern unauffhoͤrlich ſein Gebett zu Gott verrichtet/ und hat gleich-
wohl dieſes ſchaͤdliche Fewer zu erloͤſchen nicht vermoͤget. Was haben zu Er-
haltung der Jungfraͤwlichen Reinigkeit nicht gethan der H. Vatter Benedi-
ctus, Francilcus, und andere unzahlbare; deren herrliche Thaten/ weilen faſt
jederman bekandt ſeynd; als wollen wir nur dieſes eintzige von unſerm ſeligen
Joanne Bono noch anziehen: dieſer hat zur Erloͤſchung der hitzig-brennendenS. Anto-
nin. p. 3.
Hiſtor.
tir. 24. c.
13.
Hiſtoria.
Flammen ein auff dem Feld gewachſenes Rohr in viele ſehr ſcharff und ſpi-
tzige Stuͤcklein zerſchnitten/ ſelbige hat er zwiſchen die Naͤgelgelegt/ und die
Fingern ſo hefftig auff einen Stein getruͤcket/ daßdieſe ſpitzige Rohr-Stuͤck-
lein zu den Fingern zumahlen hinein gewichen: die Schmertzen/ ſo von dieſer
That entſtanden/ ſeynd ſo grauſamb geweſen/ daß er drey Tag lang halb todt
gelegen iſt: daß aber ſolcher ungemeine Eyffer der Keuſchheit dem Stiffter
derſelben gefallen/ hat ihn Gott ſelbſt mit dieſen Worten verſichert: weilen du/
mein lieber Joannes/ wohl haſt angefangen/ ſo ſolſt du auch alſo verharren/
und gleich wie du dich den Verſuchungen dapffer widerſetzt haſt/ alſo wirſt du
hinfuͤhro von denſelben befreyet ſeyn: nach dieſem iſt der wackere Fechter von
ſeinen Wunden geneſen und auffgeſtarden.
4. Noch eines mehrern hat ſich unternommen die H. Euphraſia von Antio.Niceph.
c. 10.
Hiſtoria.
chia, ſo lieber hat wollen das Leben/ als die Lilien verliehren; da ſie dann von ei-
nem Soldaten gefangen worden/ und keine Außflucht erſehen koͤnnen; hat
ſie demſelben verſprochen/ wann er ihrer verſchoͤnen werde/ eine Kunſt zu
lehren/ vermoͤg deren er ſich ſo hart machen koͤnte/ daß ihm im Krieg kein
Feind ſchaden moͤchte/ und damit du/ ſagt ſie/ verſichert ſeyeſt/ ſo ſolſt du dieſe
Kunſt an mir zum erſten probiren: Euphraſia hat alsbald ihren Halß
A a 2mit
[188]Die fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
mit einer Salben beſtrichen/ und dem Soldaten dargereichet/ den er mit ei-
nem Streich gefaͤlet/ und alſo dieſer dapffern Ver[f]0echterin der Jungfraw-
ſchafft ein Gnuͤgen geleiſtet. Ein andere Heldinn hat ſich lieber die Augen
wollen außgraben laſſen/ als einige Verletzung der Keuſchheit leiden. Nicht
L. 7. c. 13.
Hiſtoria.weniger Lob hat verdienet der jenige Geiſtliche/ ſo nach Zeugnuͤß deß Nice-
phori Caliſti, von den euſſerſten Tormenten deß Tyrannen in ein ſanfftes
Bett gelegt/ und daſelbſt von einem ſehr ſchoͤnen. Weib durch allerhand
freundliches Li[e]bkoſen zur Geilheit angereitzet worden: und da er ſich ihrer
zu entſchlagen nicht vermoͤget; hat er ſeine Zung ſich ab- und in ſtuͤcken ge-
biſſen/ und ſelbige der Verſucherinn ins Angeſicht geſpiehen; und obwohln
er ſich hierdurch einen leiblichen Schaden und einige Schmertzen hat zuge-
fuͤgt; ſo hat doch das unkeuſche. Weib mit groſſer Schand und Spott wei-
chen muͤſſen: und gleich wie er im Streit der Jungfrawſchafft uͤber ſolche loſe
Fidel hat obgeſieget; alſo hat er ein wenig hernach ſeyn keuſches Leben mit
dem Siegel der Marter-Cron beſtaͤttiget.
5. Alſo/ alſo/ haben die außer wahlte Gottes/ zu Erhaltung deß unſchaͤtz-
bahren Kleinods der Keuſchheit gefochten: und wann du mein geiſtliches
Kind/ dieſen koſtbahren Schatz zu erwerben; dieſe Lilien unverletzt zu beſi-
tzen/ und mit dieſer Engliſchen Tugend gezieret zu werden verlangeſt; ſo
muſt du mit dieſen Heiligen ſtreiten; und dich gleichwohl verſichern/ daß dich
der guͤtige Gott nicht hoͤher mit Verſuchungen werde belaͤſtigen/ als du tra-
gen kanſt. Daß aber das Zeiehen der Jungfrawen im Thier-Craͤyß zwiſchen
der Waag und dem Loͤwen zu ſehen iſt/ bedeutet nichts anders als daß die
Keuſchheit durch die Maͤſſigkeit und Standhafftigkeit am fuͤglichſten koͤnne
bewahret werden: derhalben mag/ wie der H. Chryſoſtomus darfuͤr haltet/ ein
Liebhaber der Keuſchheit vom ſtreiten nichtfeyren/ weilen ein ſolcher von
dreyen Feinden/ als nemblich von der Natur/ von der Speiß und Tranck/
und von dem leidigen Sathan bekrieget wird. dieſe drey/ ob zwar maͤchtige
Feinde/ wiewohl du mit den obgeſetzten Waffen der Heiligen zu beſtreiten nit
beſtand biſt; ſo kanſt du dich doch deren gar leicht gebrauchen/ die wir in den
ſechs Lilien-Blaͤttern verzeichnet haben/ und folgends mit mehrern darthuen
werden: krafft deren du das Sieg-Kraͤntzlein deinen inheinuſchen Feinden
auß den Haͤnden reiſſen werdeſt.
6. Weilen auß denen ob erzehlten Geſehichten gnugſamb erhellet/ daß die
Abtoͤdtungen deß Leibs zu Erhaltung der. Keuſchheit ein merckliches beytra-
gen; ſo ſeynd ſie doch kein unfehlbares Mittel dieſe Tugend unverletzt zu be-
wahren/ wie der hocherleuchte Climacus mit dieſen Worten bezeuget: ich
hab einige gekennet/ die zum hoͤchſten gefaſtet/ und haben
dan-
[189]Von der Keuſchheit.
noch von den Begierden deß fleiſches groſſen Trang leiden
můſſen; derhalben ſoll man nicht allein auff ſolche
Strengigkeiten/ ſondern auff GOtt das beſte Vertrauen
ſetzen. Wer nun deß Fleiſches ſich bemeiſtern will/ der muß ſeine
Schwachheit gegen ſolchen argliſtigen und maͤchtigen Feind zu ſtreiten/ vor
GOtt treulich erkennen/ und denſelben immer umb Huͤlff erſuchen: dann
dieſer Art der Teuffelen laſſet ſich nicht außwerffen/ als durch das Ge-
bett und Faſten. Dahero ſagt der Weiſe Salomon: Jch wůſte/Sap. 8. v.
21.
daß ich mich nicht enthalten moͤgte/ es wůrde mir dann
von GOtt gegeben. Und billig alſo: dann gleich wie ein Commen-
dant eines Schloſſes/ wann er die Belaͤgerung deſſelben wegen ſeiner
allzuſchwachen Mannſchafft foͤrchtet/ alsbald dem Herrn deß Schloſſes
durch Schreiben umb Huͤlff belanget: alſo muͤſſen wir uns in unſern An-
fechtungen verhalten/ und ſagen mit dem H. Vatter Auguſtino: O Liebe/L. 10.
Conf. c.
29.
die du allzeit brenneſt/ und niemahlen erloͤſcheſt. O mein GOtt/ der du
die Lieb ſelber biſt/ entzuͤnde mich, Du befehleſt mir die Keutſchheit zu
halten/ verſchaffe mir/ und helffe mir zu thuen/ was du befehleſt/ und
hernach befehle/ was du wilſt. Der H Apoſtel Paulus wuſte ſich auch
gar wohl nach den obgeſetzten Worten deß weiſen Salomonis zu richten;
derhalben hat er den Herrn dreymahl gebetten umb von der Stachel deß Flei-
ſches erledigt zu werden; und iſt mit dieſer Antwort abgefertiget worden Laß
dich mit meiner Gnade begnuͤgen. So muß man dann die Keuſchheit nicht
dergeſtalt von GOtt be gehren/ daß man nichts Widriges leyden wolle; ſon-
dern wir muͤſſen die Goͤttliche Gnad begehren/ auff daß wir gegen ſelbige
nicht ſuͤndigen moͤgen.
7. Einbewehrte Helfferinn in dieſem gefaͤhrlichen Streit ſoll uns auch
ſeyn die Allerſeeligſte und ohne Macul der Erb-Suͤnd empfangene Jungfrau
Maria: auß deren Ehr-wuͤrdigem Angeſicht und Jungfraͤulichen Sitten/
nach Zeugnuͤß deß H. Bonaventuraͤ bey dem Caniſius/ etwas Goͤttliches zuStimul.
Virt. L. 2.
c. 23 \& 24.
ihren Leb-Zeiten hervor geſchlagen/ Krafft deſſen alle Menſchen/ ſo ſie ange-
ſchauet/ einen ſonderbahren Unwillen zu aller Geylheit geſchoͤpffet/ und her-
gegen zu einer ungewohnten Neigung und Liebe der Ehrbarkeit angetrie-
ben worden. Wann nun ſolches Gut gewireket hat die ſterbliche/ was wird
nicht vermoͤgen die unſterbliche/ und in hunmliſcher Glory allzeit herrſchen-
der Koͤnigin Mar[i]a wann wir ſelbige mit den Augen unſeres Hertzens de-
muͤthiglich anſchauen/ und nach darzu dieſe barmhertzige Jungfrau umb
Beyſtand in unſern Noͤthen anruffen? Es hat ſich in Warheit niemand zu
foͤrchten/ ſo derſelben Gunſt zu erwarten ſich befleiſſet.
A a 38. Jm
[190]Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
8. Jm uͤbrigen/ was dir/ mein Chriſtliche Seel/ oben am ſechſtẽ Lilien Blat
wohl-meinend iſt gerathen worden; das widerhole ich nun abermal/ und
ſtelle dir einige vor Augen/ ſo durch unbedachtſames Anruͤhren deß Frauen-
Zimmers/ nicht geringen Schaden an ihrer Wohlrichenden Blumen gelitten
habẽ. Und ob ſchon auch die jenige Weiber mit welchẽ ſie dergeſtalt umgehen/
wuͤrden heilig ſeyn; ſo ſoll uns doch in ſolcher Gelegenheit einfallen/ was
jener Vorſteher ſeinem untergebenen geiſtlichem Bruder zur Lehr gegeben/
welcher im Capitul ware verklagt worden/ daß er einer die Hand gegeben
habe: daruͤber er ſich dann entſchuldiget/ und geſagt/ daß ſelbiges Weib vor
heilig gehalten werde. Der Vorſteher aber hat ihme geantwortet: der Re-
gen iſt gut/ und die Erd iſt auch gut/ und gleichwohl auß dieſer beyden Ver-
Jacob. de
Vitriaco
in Vita.
Hiſtoria.miſchung entſtehet oͤffter ein Kot/ ſo die Menſchen beſchmitzet. Ein ver-
ſtaͤndiger und tugendſamer Mann/ ſo der ſeeligen Mariaͤ von Oegniaco ein
ſehr guter Freund geweſen/ hat einsmals auß uͤberauß groſſer geiſtlicher Af-
fection die Hand der gedachten Jungfrau gedrucket/ und hat alsbald die erſte
Bewegungen der boͤſen Begierde an ſich empfunden: derhalben hat ſich ei-
ne Stimm vom Himmel hoͤren laſſen/ mit welcher die H. Maria Magda-
lena von Chriſto angeredet worden: Noli me tangere.Růhr mich
nicht an. Der gemeldte Freund hat aber von ſelbiger Zeit der Behutſamb-
Diſcip.
Hiſtoria.keit ſich befliſſen. Als am heiligen Oſterfeſt der H. Papſt Leo das hohe
Ambt der H. Meeß gehalten/ und dem Volck das heilige Nachtmahl ge-
reichet/ hat ein Weib deß Heiligen und hohen Prieſters Hand gekuͤſſet/
worauff den hoͤchſt-gedachten Papſt ein hefftige Verſuchung deß Fleiſches
ergriffen hat. Dieſe ſeine aͤrgerliche Hand hat der H. Mann abgehauen/ und
von ſich geworffen: und da inzwiſchen das Volck zu murmelen und zu
fragen anfienge/ warumb der Papſt dem Gebrauch gemaͤß das hohe Ambt
zu halten nicht erſcheine: hat ſich der H. Leo zu der Allerſeeligſten Mut-
ter deß Herrn gewendet/ und dero Fuͤrſichtigkeit ſich zumahlen ergeben.
Welche ihm erſchienen/ die abgehauene Hand mit ihren allerheiligſten Haͤn-
den gehoͤrigen Orts wiederumb eingeſetzt/ und befohlen/ er ſolle hingehen/
und das Ambt ihres Sohns verrichten: ſo auch geſchehen; und der Gott-
ſeelige Hirt hat allen ſeinen Schaͤfflein kund gemacht/ was ihm widerfahren/
und hat allen die angeheilete Hand gezeiget. Siehe/ mein Chriſtliche
Seel/ ſo viel vermag das Beruͤhren eines Weibs.
9. Wie
[191]Von der Keuſchheit.
9. Wie hat ſich nicht gefoͤrchtet der H. Thomas von Aquin fuͤr ſo ſchaͤd-
lichem Anruͤhren der Weibs-Bilder? wie das Gifft der Schlangen und
Nattern/ ſo hat er geflohen dieſes Geſchlecht; und haͤtte durch aller Welt
Guͤter zum Angreiff eines eintzigen Fingers nicht [koͤnnen] gebracht werden.
Dahero/ als ihn einsmahls eine ſichere Dame mit gar holdſeeligen Worten
gefragt; warumb er ein ſolches Abſcheuen von den Weiberen habe; da er
doch/ gleich andern Menſchen/ von einem Weib gebohren ſeye? hat er
geantwortet: dieſertwegen fliehe ich die Weiber alſo/ weilen ich von derſel-
ben einer gebohren bin. Dan das Saltz/ ſagte er/ wird vom Waſſer gemacht/
und hat dannoch keinen groͤſſern Feind/ als eben das Waſſer. Wann
nun ein ſo Engliſcher Menſch das Anruͤhren der Weiber alſo gemeidet/
wie ſollen und koͤnnen wir arme Troͤpff uns dann nicht billig fuͤr ſolchen huͤ-
ten? Jch gehe allhier vorbey/ wie dieſer groſſe Liebhaber der Keuſchheit
einsmahls ein unzuͤchtiges Weib mit einem Feur-Brand von ſich vertrie-
ben; dieweiln ſolche Geſchicht zumahlen Welt-kuͤndig iſt; und errinnere dich/
mein Chriſtliche Seel/ wie nemblich mit nit geringer Sorgfalt zu beobachten
ſeye/ daß ein wahrer Liebhaber der Reinigkeit ſich huͤten muͤſſe/ ſo viel ihm
moͤglich iſt; damit er ſich ſelbſten nicht unehrbarlich beruͤhre. Hiervon
meldet der andaͤchtige P. Surius im Leben deß H. Biſchoffs Godefridi
von einem Carteuſer/ ſo ſich in drey gantzen Jahren auch in keiner eintzi-
gen vorfallenden Gelegenheit/ wie ſie immer hat ſeyn moͤgen/ an bloſſem
Leib beruͤhret: dardurch der obgedachte H. Godefridus dermaſſen bewegt
worden/ daß er bey ſich entſchloſſen/ das Biſthumb zu verlaſſen/ und
den Carteuſer Orden einzutretten; dann er ware/ ſagt Surius/ ein ſolcher
Liebhaber der Reinigkeit/ und hergegen ein ſolcher Feind der Unkeuſchheit;
daß er ſein Geſchirr/ auß welchem ein unzuͤchtiger Beyſchlaffer getruncken/
alsbald habe verkauffen/ und das Geld den Armen geben laſſen.
10. Neben dieſer Behutſambkeit/ hat der Liebhaber der Scham-
hafftigkeit noch eine wohl zu beobachten; die dann im Gebrauch der Au-
gen fuͤrnehmblich beſtehen ſoll; dieweiln dann alle Geylheit gemeinlich von
den Augen herruͤhret/ wie auß dem Buch Geneſis klaͤrlich zu ſehen iſt.
Da dann die Goͤttliche Majeſtaͤt uͤber die Erſchaffung deß Menſchen
von Hertzen Leyd getragen/ und geſprochen; Jch will denGen c. 6.
v. 6.
Menſchen/ den ich erſchaffen hab/ von dem Ange-
ſicht der Erden vertilgen. So auch bald hernach durch
den allgemeinen Suͤndfluth geſchehen. Die Urſach dieſes gefaſten
Goͤttlichen
[192]Die Fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
goͤttlichen Zorns/ und erfolgter Straffbedeutet die H. Schrifft mit die-
ſen Worten: Die Kinder GOttes ſahen die Toͤchter der
Ibid. v. 2.Menſchen/ daß ſie ſchoͤn waren/ und nahmen zu Weibern
anß ihnen allen/ welche ſie erwaͤhleten. Dieſer iſt der Vrſprung
ſo groſſen Ubels/ nemblich deß Anſehen; indem die Kinder GOttes in An-
ſchauung der Menſchen Kinder/ dieſes herrlichen Nahmens ſich unwuͤrdig/
und folgends zu Schlaven deß Fleiſches gemacht haben. Dahero ſagte
GOtt: Mein Geiſt wird nicht ewiglich im Menſchen
bleiben/ dann er iſt Fleiſch. Alſo ſteigt der Todt durch die Fen-
ſtern der Augen in die Seel deß armen Menſchen hinein/ den wir ſo leicht-
lich abweiſen koͤnnen/ wann wir nur der heylſamen Ermahnung deß weiſen
Manns nachzuleben uns gefallen laſſen/ der da ſpricht: Wende dein
Eccl. c. 9.
v. 8.Angeſicht ab von einem geſchmuckten Weib/ und ſiehe nit
umb nach der ſchoͤnen Geſtalt einer frembden: dann umb
der Weiber Schoͤnheit willen ſeynd viele Leuth zum
Verderben gerathen. Und wann ſchon der Menſch durch ſolchen
Anblick nicht allzeit mit dem David/ Salomon/ Samſon und anderen
toͤdlich ſuͤndige/ ſo ſtellet er ſich doch in groſſe Gefahr zu ſuͤndigen: welches
mit unzahlbaren Beyſpielen koͤnnte beſtaͤttiget werden; wann wir uns der
Kuͤrtze zu befleiſſen/ nicht vorgenommen haͤtten. Derhalben dann einige
anbeyfuͤge/ und den Anfang von dem H. Bernardo mache.
11. Dieſer Gottſeelige und keuſche Juͤngling hat einsmals auß Unacht-
ſambkeit ein wohlgeſtaltes und außgeputztes Weib etwan mit mehrerm Fuͤr-
witz/ als er ſonſten pflegte/ beſehauet; darauff er dann alsbald eine boͤſe Be-
gierd der fleiſchlichen Sinnligkeit empfunden; und weilen er wuſte/ daß er
ſelbſt durch ſolches Anſehen dieſe Ungelegenheit ſich verurſachet habe/ hat
er ſich ſelbſt hieruͤber auch ſtraffen/ und der kuͤnfftigen Gefahr entziehen
wollen; indem er ſich in ein Eyß-kaltes Waſſer geworffen/ und ſo lang da-
ſelbſt verharret/ daß er die natuͤrliche Hitze ſchier verlohren hette/
wann nicht halb todt waͤre herauß gezogen worden. Ob wohl nun
dieſe heroiſche That das Widerſpennige Fleiſch mercklich im Zaum
gehalten; ſo iſt doch der Heil. Juͤngling durch dieſen Schaden vorſichtiger
worden/ und hat der Behutſambkeit der Augen ſich dergeſtalt befliſſen/ daß
ſeines gleichen nicht gefunden worden. Was hat anders den H. Benedi-
etum in die euſſerſte Gefahr die Keuſchheit zu verlieren geſetzt/ als das
ſtattliche Anſehen eines Roͤmiſchen Weibs; ſo ihme dermaſſen zugeſetzt;
das vielleicht waͤre ein Leibeigener der Geylheit worden/ wann er nicht ſel-
bige
[193]Von der Keuſchheit.
bige mit den ſtechenden Doͤrnen untertruͤckt haͤtte. Wie iſt nicht der H. Do-Vit. P. P.
Occi-
dent. I. 7.
c. 10.
minicus uͤber den Kuͤſter ſo grauſamblich außgefahren/ daß er dem Beichts-
Vatter angekuͤndiget/ es ſeye ein ſchoͤnes Weib am Beicht-Stuhl/ ſo beich-
ten wolte? Nun gehe hin/ ſagt der H. Vatter/ und lehrne/ wie du hinfuͤhro im
Urtheil uͤber die Weiber dich verhalten ſolleſt/ ob ſie ſchoͤn/ oder nit ſchoͤn ſeyen.
Mich geduͤncket nun/ mein Chriſtliche Seel/ daß es zumahlen unnoͤthig ſeye
anderer Schaden zu erzehlen/ da wir doch/ und ein jeder an ſich ſelbſt durch die
taͤgliche Erfahrnuͤß gnugſamb gewarnet werden; daß wirs billig dem from-
men Job nach machen ſolten; der da ſpricht: Jch hab einen Bund ge-c. 31. v. 1.
macht mit meinen Augen/ daß ich auch keine Gedancken
haͤtte von einer Jungfrawen: Und wann du vielleicht darfuͤr hal-
teſt/ daß ſolche Eingezogenheit dir zu ſchwaͤr fallen werde; ſo rede dich ſelb-
ſten an mit den Worten deß Heil. Auguſtini/ dieſer und jener haben das ge-
than/ und warumb ſolleſt du das auch durch die Gnad GOttes nicht thuen
koͤnnen?
Der dritte Theil.
12. DEr H. Andreas Corſinus iſt der Keuſchheit alſo zugethan gewe-Lanciz.
opuſc. 2.
n. 276.
ſen/ daß er auch ſeiner Mutter und Schweſtern Gegenwart ohne
Schamhafftigkeit nicht hat tragen koͤnnen: mit andern Weibs-
bildern hat er nicht mehr/ als in hoͤchſter Noth geredet/ und daß zwar mit nie-
dergeſchlagenen Augen; derhalben er zu Pariß der blinde Bruder genennet
worden. Der ſeelige Aloyſius Gonzaga ware von Gott mit ſolcher Reinig-In ejus
vita.
keit deß Hertzens begnaͤdiget/ daß er weder im Tag weder in der Nacht auch
von den geringſten unſaubern Gedancken oder Anmuthungen jemahlen iſt
angefochten worden; nichts deſto weniger hat er das Frawen-Zimmer der-
maſſen gemeidet/ als wann er mit demſelben in der hoͤchſten Feindſchafft ſtuͤn-
de. Alphonſus Rodriquez ein Leybruder der Societaͤt Jeſu, iſt viertzig JahrVita. I. 1.
c. 18.
Pfoͤrtner geweſen/ und hat gleichwohl kein Weibsbild vom Angeſicht geken-
net. Der H. Hugo Biſchoff zu Gratianopel hat waͤhrender Zeit ſeines Bi-
ſchoͤfflichen Ambts keinem eintzigen Weib ins Angeſicht geſchawet. Frater
Franciſcus von Darocha ein Capuciner hat in Verwaltung deß Queſter-Bouer. in
An. 1607.
Ambts bey die 26. Jahr niemahlen ein Weib angeſehen/ derhalben er von
allen die Weiber-Flucht benambſet worden: Er ware aber ein wah-
rer und auffrichtiger Juͤnger ſeines Lehr-Meiſters deß H. Franciſci/ welcher
ſeine Kinder offt zu ermahnen pflegte/ daß ſie Gemeinſchafft/ Geſpraͤche/ und
B bdas
[194]Die fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
das Anſchawen der Weiber mit allem Ernſt fliehen ſolten: weilen mit
Weibs-Bildern Gemeinſchafft haben/ und nicht Brunſt leiden/ kan eben ſo
viel geſchehen/ als mit bloſen Fuͤſſen uͤber gluͤende Kohlen gehen/ und nicht
verbrennet werden. Unſer ehrwuͤrdige P. Adalbertus à St Alexio, Weyland
general Definitor, ſo mein ſehr wehrter Magiſter in meinem Novitiat gewe-
ſen/ hat unter andern auch dieſe nicht geringe Gnad gehabt/ daß er ſeine Au-
gen alſo zu regiren gewuſt/ daß er ſelbige von der Erden niemahlen anders
wohin/ als mit Seufftzen zum Himmel geſchlagen; viel weniger hat er ein
Weibs-Bild ſtichlich angeſehen; die er zu meiden/ uns ſeine Juͤnger mit dem
Werck und den Worten gelehret hat: Die Urſach aber/ warumb die Diener
Gottes ihre Augen dergeſtalt im Zwang gehalten/ gibt uns der ſeelige Ru-
Chron.
Fran-
ciſcan. p.
2. l. 4 c.
52.gerius Franciſcanus; nachdem er von ſeinem Beichts-Vatter gefragt wor-
den/ warumb er das weibliche Geſchlecht ſo ſehr fliehete/ indem er doch
mit der Gnaden der Reinigkeit von GOTT verſchen waͤre? hat er ge-
antwortet: Wann der Menſch thut/ was an ihm iſt/ ſo thut GOTT
auch/ was an ihm iſt/ und bewahret den Menſchen vor dem Fallen: wann
aber der Menſch ſeiner Natur den Zaum laſſet/ zu dem ſie geneigt iſt/ alsdan
laſſet GOtt zu/ daß der Menſch ohne Huͤlff der kraͤfftigen und ſonderbahrer
Gnaden leichtlich falle.
13. Dieſe Regul gehoͤret auch zu der Keuſchheit/ daß man nemblich ohne
unvermeidliche Nothwendigkeit ſich nicht entbloͤſe/ und keinen entbloͤſten
Theil deß Leibs anſchawe: deme aber dieſes faſt unmoͤglich zu thuen ſchei-
In ejus
vita.net/ der ſiche an den heiligen Vincentium Ferrerium, welcher in dreyſſig
jaͤhriger Zeit an ſeinem Leib nichts bloſes geſehen/ auſſer die Haͤnde. Wie
hoch den allerreineſten Augen der goͤttlichen Majeſtaͤt ſolche Schamhaff-
tigkeit gefalle/ iſt leicht zu erachten/ wann wir die uͤberhaͤuffige Schaͤtz der
Gnaden anſehen/ ſo er ſolchen ſeinen zuͤchtigen Dienern immer verliehen
In ejus
vita.hat: unter denen der Heil. Antonius nicht der geringſte/ da er einsmahls
durch den Fluß Lycus hat gehen wollen/ und von ſeinem Weeg-Gefaͤhrten
Theodoro begehrt/ er moͤchte ſo lang auff die Seiten gehen/ biß er mit bloſen
Fuͤſſen hinuͤber geſetzt habe: da nun der obgedachte Theodorus ſothanem
Begehren nachkommen/ und abgewichen; hat gleichwohl der keuſche An-
tonius die Entbloͤſung ſeiner Fuͤſſen ohne groſſe Schamhafftigkeit zu ſe-
hen/ ſich nicht getrauet/ derhalben hat er bey ſich entſchloſſen/ die Struͤmpff
und Schuhe an den Fuͤſſen zu behalten; und ſiehe/ in ſelbigem Augen-
blick befindet ſich mein frommer Antonius auff jener Seiten deß Fluſſes/
dahin
[195]Von der Keuſchheit.
dahin er verlangt hatte. Ein gleiches iſt widerfahren dem Heil. EinſidlerNiceph.
Calliſt.
l. 8. c. 41.
Ammon und mehr andern; darauß dann reifflich abzunehmen iſt/ daß
ſolche Engliſche Reinigkeit den allerreineſten Augen GOTTES ſon-
derbahr gefalle. Ob nun zwarn die Anſchawung deß bloſen Leibs/ ſo auch
auß einem Fuͤrwitz geſchicht/ keine Todtſuͤnd ſeye/ ſo ſtrebt doch ſelbige der
Ehrbarkeit ſehr zu wider/ und bahnet den Weeg zu weiterer Unzucht: dann
der die Gefahr liebet/ derſelben auch ſelten entgehet annebens iſts ein ſchaͤnd-
liche Sach/ daß der jenige/ ſo unter der Kriegs-Fahnen CHriſti dienet/ den
bloſen Leib ſeinem Feind darbiethe.
14. Weilen aber nach Meinung der Weltweiſen/ das Gute auß ſeiner
gaͤntzlichen vorher gangenen Urſach; das Boͤſe aber auß einer jeden Unvoll-
kommenheit entſtehet: als iſt zu Erlangung der wahren und GOTT ge-
faͤlligen Keuſchheit nicht gnug/ daß einer denen vorgeſetzten Regulen nach-
lebe; ſondern er muß auch weiters gehen/ und das innerliche ſeines Her-
tzen aller vorfallenden Gefahr zu entziehen ſich unter ſtehen: was nutzet es dan/
daß man die Weibs-Bilder nicht anſchawe noch beruͤhre/ wann man dan-
noch ab derſelben oͤffterm Geſpraͤch und Gemeinſchafft ſich erfrewet? dieſe
ſeynd/ ſpricht der H. Hieronimus/ die erſte Anreitzungen deß Geiſtlichen: da-
hero warnet einen ſolchen der Heil. Geiſt durch den Mund deß Weiſen:
Halte dich nicht auff mitten unter den Weibern; dann außEccli. 42.
12.
den Kleydern wachſen die Motten/ und die Boͤßheit deß
Manns auß den Weibern. O wie viele ſeynd in die abſchewlichſte
Laſter gefallen/ ſo dieſem heylbringenden Rath GOTTES zu wider
gelebt haben! auß deren Zahl ein frommer Canonicus geweſen/ der ſeineCantipt.
l. 2. apum
c. 30. §.
47.
Hiſtoria.
feiſte Prebend auß einem loͤblichen Eyffer die Seelen zu gewinnen/ in ei-
ne Paſtorat ver vandlet; nachmahls aber eine ſiebentzig iaͤhrige Jungfraw/
ſo [j]hme ſein Cilicium zu waſchen pflegte/ durch die Gelegenheit der Conver
ſation geſchwaͤchet: welche begangene Suͤnde ſie nach Moͤglichkeit ge-
buͤſſet: er aber iſt auß dieſer Miſſethat in andere gerathen/ und endlich jaͤm-
merlich zu Grund gangen. Der Heil. Macarius erzehlet/ daß ein GeiſtlicherHom. 27.
q 6.
von den Verfolgern der Chriſtglaubigen umb Chriſti willen ſeye gefangen/
gefoltert/ an Haͤnden geſtuͤmpffet/ und hernach in den Kaͤrcker geworffen
worden; dieſem hat ein GOTT verlobte Jungfraw auffgewartet/ und da
dieſe beyde in eine Gemeinſchafft kommen/ iſt auch beyder Verderben nicht
außgeblieben. Jn ſolcher Gelegenheit wird weder Alterthumb/ weder Ver-
wandſchafft/ weder auch der geiſtliche Stand angeſehen; dieſe ſeynd alle nicht
ſicher/ wann man die ſchaͤdliche und verfuͤhrliche Gemeinſchafft nicht meidet:
B b 2Der-
[196]Die fuͤnffzehende Geiſtliche Lection
Tract. 65.
In Cant.der halben ſagt recht der Heil. Bernardus: Bey einem Weibs-Bild
wohnen/ und ſelbiges nicht erkennen/ iſt ein groͤſſeres
Wunder/ als da iſt einen Todten aufferwecken: Daß nun
von beyden das geringſte iſt/ das kanſt du nicht außrichten;
wie ſollich dir dann glauben/ daß du koͤnnes thuen das jeni-
ge/ ſo das groͤſte Werck iſt?
10.
15. Hoͤre an mein Chriſtliche Seel die Wort deß H.Dorothei, es iſt dir beſ-
ſer/ daß du einen toͤdtlichen Rooſt eſſeſt/ als daß du mit einem Weib zu Tiſch
ſitzeſt; auch ſo gar mit deiner Mutter und Schweſter. Dienlicher iſt es eſ-
ſen mit einer Schlangen/ als mit einem leichtfertigen Frawen-Zimmer/ und
ſoll es ſchon dein eigene Schweſter ſeyn: dan/ obwohl du mit deiner Mutter/
Schweſter oder Bluts-Verwandtinn nicht wuͤrdeſt ſuͤndigen; nicht deſto
weniger wirſt du durch deren Converſation an das weibliche Geſchlecht er-
innert: welches/ obſchon ſchwache Gefaͤſſer ſeynd/ ſo iſt doch nichts uͤber ihre
Staͤrcke/ krafft deren ſie behertzigte Maͤnner zu bodem werffen. So viel nun
die Gefahren angehet/ die dem Menſchen von der Gemeinſchafft mit den
L. 1. p. 1. c.
25. de
Erud.
Dan. 2.Weibs-Bildern zuſtoſſet/ leget ſelbige gar artig auß der gelehrte Richardus
de Victoria durch Bildnuͤß deß gewaltigen Koͤnigs Nabuchodonoſoris:
das Haubt dieſer Bildnuͤß ware vom beſten Gold gemacht; die Bruſt und
Armen waren von Silber; der Bauch und Schenckel auß Kupffer/ die Bein
aber waren von Eyſen gemacht: alſo beſtunde dieß gantze groſſe Werck auß
dem koſtbareſten und zugleich auch harteſtem Ertz; und iſt dannoch dieſes al-
les augenblicklich zu Staub worden; wie die H. Schrifft bezeuget: da ward
das Eyſen/ und das Kupffer/ das Golt und das Silber miteinander zum
Staub zermalmet; was iſt aber die Urfach geweſen dieſes erſchroͤcklichen
und urploͤtzlichen Falls? Es iſt ein Stein abgeriſſen worden/ der hat das
Bild an den eyſenen und erdenen Fuͤſſen getroffen/ und hat ſie zermahlet:
Was iſt der Glantz deß guͤldenen Haubts anders/ als das Fewer deß himm-
liſchen Eyffers und Verlangen? Was kan durch die Klarheit der Bruſt und
der ſilbernen Armen beſſer verſtanden werden/ als die Gewißheit eines auff-
richtigen Raths; und die Auffrichtigkeit deß vergewiſſerten Wercks? Alſo
bedeuteten alle dieſe Metallen unterſchiedliche Tugenden/ welche in einer
Seel/ ſo da zur Vollkommenheit ſchreitet/ mit ungemeiner Herrligkeit
leuchten: Was hat aber die Bildnuͤß zum Fall gebracht? Durch die erdene
Fuß-Sohlen wird billig verſtanden der wolluͤſtige Uberfluß. Ein eintziges
kleines Steinlein/ ein eintziges unkeuſches Woͤrtlein/ ein eintziger geiler An-
blick/ ein eintzige unreine Gedancke/ oder unordentliche Sitten/ ein eintzige
nicht
[197]Von der Keuſchheit.
nicht gemeidete Gelegenheit/ ſeynd ſtarck gnug/ einen heiligen und Tugend-
vollen Menſchen ſchaͤndlicher Weiſe niederzuwerffen; wann er der erdenen
Fuß-Sohlen/ das iſt/ der kotigen Wolluſt/ ſich zum Grundveſt gebrau-
chet: dann ob ſchon das Haupt von Gold iſt/ ob wir ſchon in unſern ge-
machten Fuͤrſaͤtzen/ in die Suͤnde nicht zu bewilligen/ dem Stahl und Ey-
ſen gleich werden: ſo ſeynd doch die Fuͤß/ darauff der gantze Ober-Theil
beſtehet/ auß Leim und Erden gemacht. Wir haben/ ſagt der heilige
Apoſtel Paulus/ dieſen Schatz in erdenen Gefaͤſſen.
16. Mit dem Frauen-Zimmer/ befilcht unſer der H. Vatter Auguſtinus/2. Cor. 4.
7.
ſoll man die Reden kurtz/ ſcharff und ernſtlich machen: ſo derhalben deſto we-
niger nicht zu ſcheuen ſeynd/ dieweilen ſie frommer Naturen und ehrbar
ſeynd; ſondern/ weiln ſolche deſto mehr das menſchliche Hertz an ſich zie-
hen/ und liget offtmahlen unter dem Schein der Tugend verborgen der be-
triegliche klebende Leym der Geilheit. So muß man dann nicht vermei-
nen/ daß man in Gemeinſchafft der leichtfertigen Weibs-Bilder allein
ſich in Gefahr einiger Unreinigkeit ſtelle; ſondern/ wie die meiſte und beſte
Welt-Erfahrenſte darfuͤr halten/ muß ſonderbar ein Geiſtlicher mit groͤſ-
ſerm Fleiß ſich fuͤr die jenige huͤten/ ſo am aller ehrbarſten und eingezogne-
ſten mit allen ihren Gebaͤrden auffziehen/ und denen die Wort auß dem
Mund als ein guͤldenes Baͤchlein flieſſen: und obſchon ſelbige in allen die-
ſen ihren tugendſamen Sitten ein ſehr auffrichtige Meynung haben/ und
ihre wenigſte Gedancken ſeynd/ auch das geringſte Ubel hierdurch zu verur-
ſachen; ſo hats dannoch (wie mir in dieſer Sententz ein jeder erfahrene wird
leichtlich beyfallen) die vorgemeldte Beſchaffenheit. Dahero hat ein ſehrIn Annal.
1216. n.
24.
Geifi-reicher Mann auß dem Orden deß H. Franciſci/ ſo von einer ehrlichen
Kam̃er-Fraͤulein der Gottſeeligen Fuͤrſtin Sanciaͤ gebetten worden/ er moͤg-
[t]e doch in die Kirch kommen/ und mit ihr muͤndlich reden; in eine Hand
Feur und in die andere Stroh genommen/ und alſo zur Audientz hingangen:
und da zur Fraͤulein kommen/ hat er das Stroh durchs Feuer entzuͤndet/ und
geſagt: derhalben hab ich ewerer Gnaden/ wiewohl geiſtliches Geſpraͤch
geſcheuet/ dieweil ich gefoͤrchtet/ es wuͤrde mir widerfahren/ was ſie geſehen
haben/ daß dem Stroh uͤberkommen iſt. Wir vermeinen oͤffters/ das uns die-
Converſation der Weibs-Bilder im geringſten nicht ſchaͤdlich ſeye/ die-
weilen wir in der That an unſerm Fleiſch nichts boͤſes empfinden [...] es ſeye
dem/ wie ihm wolle/ du biſt gliechwohl nicht verſicher/ daß die allzugemeine
Stachel der Natur gaͤntzlich außbleiben werde; und kanſt auch nicht ſa-
B b 3gen/
[198]Die Sechzehende Geiſtliche Lection
gen/ daß ſolches Frauen-Zimmer in deiner Converſation nichtleyden muͤſſ
So iſt dann der Schluß/ daß der jenige/ ſo ein wahrer Liebhaber der voll
kommenen Jungfraͤulichen Reinigkeit zu leben und zu ſterben verlanget/ mit
den Weibern gar nicht oder wenig rede.
Die Sechzehende Geiſtliche
LECTION
Von der Geilheit.
quia caro eſt.’
ben; dann er iſt Fleiſch.’
Der Erſte Theil.
1. SJntemahlen zu Erwerbung einer GOtt-gefaͤlligen Tugend nicht
wenig nutzet/ daß man die Grobheit deß jenigẽ Laſters/ ſo der Tugend
widerſtrebet/ reifflich erkenne; dahero hab ich vonnoͤhten zu ſeyn
erachtet/ daß du/ mein Chriſtliche Seel/ anjetzo zu mehrer Lieb der Keuſch-
heit durch den boͤſen Geſtanck der garſtigen Geilheit angetrieben werdeſt; in-
dem die friſche Gedaͤchtnuß deren Engliſchen Lob-Spruͤchen uͤber ſothane
Jungfraͤuliche Reinigkeit in dir noch lebet. Es wird dann dieſes Laſter
2. 2. q.
125. Art.
1.von dem H. Thoma verzeichnet/ daß es ſeye eine unordentliche Begierd der
unreinen und muthwilligen Wolluſt. So wird dieſes Laſter von gedachtem
H. Kirchen Lehrer getauffet: wer wird aber all das Ubel/ ſo auß dieſem be-
ſtialiſchen Laſter entſtehet der Gebuͤhr nach beſchreiben koͤnnen? Alſo ent-
wirfft der gelehrte Hugo dieſes grauſame Unthier: O euſſerigſte Abſcheu-
ligkeit der Geilheit/ ſo nicht allein das Gemuͤth verweiberet/ ſondern auch
darzu den Leib ſchwaͤchet: und nicht allein die Seel beflecket/ ſondern auch
die Perſon verwuͤſtet! vor ihr gehen allzeit her die Brunſt und Willmuth:
mit ihr gehen/ und begleiten ſie der Geſtanck und Unſauberkeit; allzeit folgt
ihr
[199]Von der Geilheit.
ihr auf den Ferſen nach die Reu und das Leydweſen. Nit weniger ruffet der H.In Epiſt.
Hieronym. mit dieſen Wortẽ uͤberlaut: Owie ſaur/ O wie ſaur iſt die Frucht
der Geilheit! bitterer als Gall/ entſetzlicher als ein blenckendes Schwerde!
Und an einem andern Orth ſchreyet der obgemeldte Kirchen Lehrer alſo auß:
O Geilheit/ du Hoͤlliſches Feuer/ deſſen Brenn-Holtz der Fraß/ deſſen
Flamm die Hoffart/ deſſen Funcken die boͤſe Geſpraͤch/ deſſen Rauch ein
Schand-Fleck/ deſſen Aſchen die Unreinigket/ und deſſen End iſt die ver-
dambte Ewigkeit! Auch laſſet ſich hoͤren unſer hoch-erleuchte Vatter Au-
guſtinus mit dieſen Klag-Reden: O wie groſſe Ungerechtigkeit und boͤſe
Gottloſigkeit iſt dieſes; daß ein geiler Menſch ſeine Seel/ die Chriſtus mit
ſeinem Allerheiligſten Blut erloͤſet hat/ wegen einer augenblicklichen Freud
deß Muthwills dem Teuffel verkauffe! Jſt daß nicht/ in Warheit/ ein Er-
barmungs und Beklagungs-werther Standt/ in dem gar geſchwind vorbey
gehet/ was den Menſchen beluͤſtiget; und durch den Teuffel im Creutz ver-
bleibet/ daß ohne Unterlaß creutziget. Der Anfall deß Mutwills verſchwin-
det in einem Augenblick/ und die Schand der ungluͤckhaffter Seelen bleibt
unmerzu. Jn dieſem Unflat/ ſagt der hoch-erleuchte Climacus/ fallen die
Anfangende wegen deß unziemlichen Fraß: die jenige/ ſo in den Tugenden
zunehmen/ wegen der Hoffart und die Vollkommene wegen deß freventli-
chen Urtheils/ deſſen ſie ſich uͤber ihren Naͤchſten gebrauchen. Derwegen
dieſe drey ſchaͤdtliche Anreitzer von allen mit groſſer Sorgfalt muͤſſen ge-
meidet werden.
2. Von den Alten kombt dieſes nicht unebene Sinn-Gedicht her/ daß der
Teuffel habe zur Ehe genom̃en die Ungerechtfertigkeit; auß der er unterſchied-
liche Toͤchter gezielet: deren aͤltiſte/ nemblich die Hoffart/ hat er den Adli-
chen; den Geitz und Wucher den Kauffleuten; die Rauberey und das Steh-
len den Soldaten; das Liegen und Triegen den Advocaten und Handwerck-
Leuten! die Simonia oder Verkauffung der geiſtlichen Guͤtern/ den
Welt-Geiſtlichen; die Gleyßnerey den Ordens-Leuten/ und die Miß-
gunſt den Hoͤfflingen vermaͤhlet. Die Geilheit aber habe er an kei-
nen verheyratet; ſondern habe ſelbige allen frey und gemein gelaſſen; da-
mit er durch dieſe deſto mehr Menſchen gewinnen koͤnne. Dieſem iſt alſo/
mein Chriſtliche Seel/ zumahlen die Geilheit ein ſo gemeines Laſter iſt/ daß
es ſchier das gantze menſchliche Geſchlecht vergiffte/ und ins Verderben
ſtuͤrtze. Hat nicht dieſe Suͤnde alle Menſchen/ wenig außgenommen/
durch die erſchreckliche Suͤndfluth vertilget? Hat nicht die edele
Staͤdt und Landſchafften Sodomam und Gomorram mit allen Jnwoͤhnern
dieſes boͤſe Laſter zu Grund gerichtet? und/ wolte GOtt/ daß nicht biß auff
heutige
[200]Die Sechzehente Geiſtliche Lection
heutige Stund/ biß auff gegenwaͤrtiges Augenblick/ dieſe gifftige Seucht
den meiſten Theil der Menſchen zur ewigen Verdamnuß ſendete! Jn deſſen
In Epiſt.
ad Rom.
c. 1.
Thom
Canti-
prat.Betrachtung der H. Remigius alſo ſpricht: Jch nehme auß die kleine/ und hal-
te darfuͤr/ daß wegen der Geilheit deß Fleiſches auß der Zahl der andern wenig
ſeelig werden. Eben ſelbiger Meynung iſt die wunderbarliche Chriſtiana/
ſo mit unglaͤublichen Zaͤhren das durch die fleiſchliche Wolluͤſten faſt
gantzes behaffte menſchliche Geſchlecht unauffhoͤrlich zu beweinen pflegte;
dieweilen ſie vernuͤnfftlich urtheile/ daß dieſerthalben der gefaſte Zorn Got-
tes uͤber die Menſchen nothwendiglich muͤſte außgegoſſen werden.
Weiters ſagen viele hoch-erleuchte Maͤnner/ daß unter hundert verdambten
Juͤnglingen neun und neunzig wegen der veruͤbten Geilheit dieſen Straffen
ſeynd zu theil wordẽ. Soll ſich aber hier uͤber einer verwundern und einbilden/
daß dieſe Rechnung ohne den Wirth gemacht ſeye; der erinnere ſich der
Worten deß H. Joannes in ſeinem erſten Sendſchreiben am 5. Cap. am 19.
verſ.Die gantze Welt ligt in der Boͤßheit. Dieſen Text verdol-
In S. Jo-
an. c. 5.metſchet der H. Thomas alſo/ und ſagt: Die gantze Welt ligt in
der Boͤßheit/ das iſt/ in einem boͤſen Feur: Dahero nicht
wunder iſt/ daß der meiſte Theil durch dieſes Feuer/
das iſt/ die Geilheit auff Erden angezůndet/ und nach-
mahls in die hoͤlliſche Flammen; das Feur zum Feuer ge-
worffen werde.
3. Grauſen ſolte billig einen Chriſtglaudigen/ wann er gedencke/ daß
das Hertz eines wolluͤſtigen Menſchens ſeye ein wahre Herber[g] deß boͤſen
Feinds. Bezeugt nicht ſolches die H. Schrifft ſelbſt/ da ſie meldet/ daß der
Geiſt GOttes nicht werde verbleiben in dem Menſchen; warumb? quia
caro eſt,dieweilen er Fleiſch iſt; dieweilen er am meiſten durch die
fleiſchliche Suͤnden mich/ ſeinen GOtt/ zum Zorn anreitzet. Von dem
aber der Geiſt GOttes weichet/ in ſelbigem bleibt der boͤſe Geiſt: dann
der Menſch muß oder ein Kind GOttes oder ein Kind deß Teuffels ſeyn.
Wann nun niemand ein Kind GOttes zu ſeyn vermag ohne den Geiſt
GOttes; ſo muß ja nothwendiglich folgen/ daß in aller geilſuͤchtigen
Menſchen Hertzen dieß garſtige hoͤlliſche Luder ſeine Wohnung mache;
und zu ſolchen Herbergen gehoͤren ſolche Gaͤſt; derhalben hat CHriſtus den
Schwarm dieſer loſen Geſellen/ wie in dem Evangelio deß H. Lucaͤ zu le-
ſen/ auff ihr Begehren in die Koth-liebende Schwein geſendet. Da-
mit nemblich/ nach Meinung deß H. Auguſtini/ der Heyland uns zu ver-
ſtehen
[201]Von der Geylheit.
ſtehen geben moͤchte/ daß der leidige und abſcheuliche Sathan bey denen den
Meiſter ſpiele/ welche in ihrem Leben den Schweinen gleich ſeynd: DieſesIn Epiſt.
St. Joan.
Tract. 6.
unvernuͤnfftige Thier ſchawet niemahlen den Himmel an; grabet immerzu
in der Erden; Faͤuligkeit und Geſtanck iſt ſeine beſte Ergetzlichkeit/ e[r] ſuchet
nur den Bauch zu fuͤllen/ und idriget oder widerkewot nicht gleich andern
Thieren: alſo achtet ein geiler Menſch den Himmel nicht; er ſuchet vielmehr
das Jrrdiſche; in dem ſtinckenden Miſt der abſchewlichen Wolluͤſten und bo-
ſen Laſtern weltzet er ſich/ und ſuchet nichts ſo eyfferig/ als wie er ſeinen un-
zimblichen Begierden gnug thuen koͤnne: Er idriget/ oder betrachtet auch
nicht die ewige Straffen/ die ihme ſo nahe auff den Halß tringen: wie wirds
aber endlich mit dieſen armſeeligen Schweinen hergehen? Der gantze
Schwarm dieſes unſaubern Viehes wird dermahlen eins in das grundloſe
Meer der ewigen Verdamnuͤß geſtuͤrtzet werden.
4. Du haſt gehoͤrt/ mein Chriſtliche Seel/ deß H. Vatters Auguſtini
wohlgefuͤgte Gleichnuͤß der Schweinen mit den Geilſuͤchtigen: Hoͤre nun
auch/ was der H.Antoninus von dem Geſtanck dieſer verſchweineten Men-
ſchen herkommen laſſe: Es gienge/ ſagt er/ ein Engel GOttes in Geſtalt ei-4. Part.
ſuæ ſum-
mæ. Tit.
[1]4. c. 6. §.
1.
Hiſtoria.
nes Menſchen mit einem heiligen Einſidler durch die Wuͤſten allwo ſie den
todten Leib eines Menſchen angetroffen/ welcher ſo grauſamen Geſtanck ver-
urſachet/ daß der Einſidler gezwungen worden/ die Naaſen zu verſtopffen;
der Engel aber hat ſich dieſes uͤblen Geruchs halben im geringſten nicht ent-
ſetzet; biß ihnen ein ſchoͤner außgeputzter und wohlriechender Juͤngling begeg-
net: fuͤr deme der vermenſchte Engel ein abſchewen gezeigt/ und die Naaſen
beſter maſſen verſperret hat: da er aber von dem Einſidler ſeinem Weeg-Ge-
faͤhrten dieſer ſeiner Mißhandlung halber befragt worden; hat er geantwor-
tet: weilen du Fleiſch biſt/ ſo empfindeſt du den Geſtanck deß Fleiſches: wir
aber/ die wir Geiſter ſeynd/ wir entſetzen uns vor dem uͤbelen Geruch der Gei-
ſter/ ſo da entſtehet auß den Suͤnden/ mit den der Juͤngling wegen ſeiner Geil-
heit erfuͤllet ware: und nach dieſer hinterlaſſenen Unterweiſung iſt der Engel
verſchwunden. Auch hat die H.Catharina Senenſis ein ſo groſſes Miß-
gefallen gehabt an dem boͤſen Geſtanck eines unkeuſchen Weibs/ daß ſie die
Naaſen nach aller Moͤglichkeit in ihrer Gegenwart zu ſtopffen ſich bemuͤhet:
und da ſie von ihrem Beichts-Vatter uͤber ſothane begangene Unhoͤfflich-
keit gefragt worden; hat ſie bekennet/ daß/ wann ſie auff ſolche Weiß ſich deß
unglaublichen Geſtancks nicht entſchlagen haͤtte/ wuͤrde ohne allen Zweiffel
ſie ſich haben brechen muͤſſen. Der Heil. Philippus Nerius hat die unzuͤchtigeBrev.
Rom. 26.
Maji.
Menſchen auß dem Geruch erkennet: derhalben pflegte er zu dergleichen
C cleicht-
[202]Die Sechszehende Geiſtliche Lection
leichtfertigen Purſch zu ſagen: Male oles, ô Fili, male oles: Du ſchmaͤckeſt
uͤbel/ mein Kind/ du ſchmaͤckeſt uͤbel.
5. Weiters betrachte das groſſe Unbill/ ſo du der goͤttlichen Majeſtaͤt zu-
fuͤgeſt; indem du deſſen Ebenbild dergeſtalt bemackeleſt und verunehreſt: wie
dir der H. Auguſtinus mit dieſen Worten bedeutet: du thueſt deinem GOtt
unrecht/ wann du dich ſelbſten verderbeſt und wem thuet der Unrecht/ ſo dei-
ne gemachte Bildnuͤß durch Muthwill oder ſonſt andere Boͤßheit zertrennet
oder verunreiniget? weſſen Ebenbild ſchaͤndeſt du; und wem thuſt du anders
Schmach an; als deinem GOtt/ deſſen Bildnuͤß/ welches du biſt/ durch dei-
nen Muthwillen und durch das abſchewliche Laſter der Geylheit verderbeſt/
und dieſe Bildnuͤß zu beobachten verhinderet wirſt? hat nicht erſtlich der
himmliſche Vatter deinen Leib aller Vollkommenheit gemaͤß erſchaffen? daß
er nemblich ſolle ſeyn ein reines und wuͤrdiges Hauß deiner Seelen; welches
du geyler Menſch/ durch deine Unzucht verwuͤſteſt/ und in einen Schwein-
ſtall veraͤndereſt? dahero dich recht ermahnet der H. Apoſtel Paulus mit die-
1. Theſſ.
c. 4. v. 3.ſen Worten: Dieß iſt der Will GOttes/ ewere Heyligung:
daß ihr euch von Vnzucht enthaltet/ und daß ein jeglicher
unter euch ſein Gefaͤß in Heyligung und Ehren zu beſitzen
wiſſe; und nicht in unzunblichen Luſten/ wie die Heyden/
die von GOtt nichts wiſſen. Hat dich nicht zweytens der eingebohr-
ne Sohn GOttes mit ſeinem Blut erkaufft; der dich auch mit ſelbigem/ und
ſeinem allerheiligſten Leib ſpeiſet und traͤncket? weiſt du nicht/ ſagt der obge-
meldte Apoſtel/ daß dein Leib Glieder Chriſti ſeynd? ſolſt du dann die Glie-
der Chriſti nehmen/ und Glieder der Huren darauß machen? daß ſey fern von
dir: und wiederumb ſpricht er allen und jeden alſo zu/ ihr ſeyd mit theurem
Werth erkaufft; ehret und traget GOtt in ewerem Leibe: daß iſt/ du ſolſt
GOtt/ und nicht der Unzucht deinen Leib ſchencken. Hat dich nicht drittens
der H. Geiſt geheiliget/ und dich zu ſeinem Tempel verordnet/ den du durch
die Geylheit ſchaͤndlicher Weiß verunreinigeſt? hoͤre derhalben die Wort
deß Heil. Apoſtels: wiſſet ihr nicht/ daß ewere Glieder ein Tempel ſeynd deß
H. Geiſtes/ der in euch iſt: Dahero wird derſelbige Geiſt in ein boͤßhafftige
Seel nicht eingehen/ noch wohnen in einem Leibe/ der den Suͤnden unter-
1. Cor. 3.
v. 17.worffen iſt/ wie Salomon darfuͤr haltet: ſondern/ werden Tempel
Gottes wird entheiligen/ den wird Gott vertilgen.
6. Ein anderes Mittel deß geylſuͤchtigen Fleiſches bringt uns hervor ein
Lib. Sent.
P. P. §. 10.gottſeeliger alter Einſidler der Wuͤſten in Scythia: dieſer iſt in Erinnerung
eines wohlgeſtalten Weibs/ ein geraume Zeit ſehr hart verſucht worden/ und
ob
[203]Von der Geylheit.
ob er ſchon in dieſem Streit gar ritterlich gefochten; ſo hat er gleichwol ſeinen
Feind nicht zumahlen koͤnnen auß dem Feld ſchlagen; dahero hat endlich
bey ſich beſchloſſen/ ſothane unzimbliche Gedancken durch immerwaͤhrende
Erinnerung deß Todts auß ſeinem Hertzen zu verbannen: in dieſem ſeinem
Vorhaben ſendet ihm die Goͤttliche Vorſichtigkeit einen Menſchen auß
Ægypten/ von dem er vernommen/ daß dieſes ſchoͤne Weib geſtorben ſeye:
worauff er ſein Huͤttlein GOtt befohlen/ und ſich auff die Reiſe zum Grab
deß verſtorbenen Weibs gemacht hat: und ſo bald er hinzu kommen/ hat er
dieſen vorgenommenen letztern Streit mit ſeinem Feind zu wagen ange-
fangen: bey naͤchtlicher Weil hat er den Stein vom Grab geweltzet/ die
Erde außgeworffen/ und iſt alſo zum todten Leichnamb gelanget; und ſich
ſelbſten folgender Geſtalt hertzhafft angeredet: Siehe du alter/ da iſt dein
Schatz/ da ligen deine Luͤſten/ nimb doch deine ſo wehrte und liebe Creatur
hinweg; du muſt ja von dem Golt/ daß du mit ſo groſſer Muͤhe außgegraben
haſt/ einen guten Theil mit dir nehmen: dieſes hat er nicht allein zu ſich ſelb-
ſten geſagt/ ſondern er hats auch gethan/ und einen guten theil deß Schleuers/
ſo von Eyter und Faͤuligkeit getroͤpffet/ mit ſich darvon getragen: dieſen
wohlriechenden Raub hat er in dem Huͤttlein vor ſeine Augen geſtellet/ und
ſich mit dieſem unmenſchlichen Geſtanck ſo lang geplaget/ biß er die unreine
Gedancken gantz und gar vernichtiget. Hierauß haſt du/ mein Chriſtliche
Seel zu lehrnen/ daß die Gedaͤchtnuß deß Todts ein bewaͤhrtes Mittel ſeye/
dieſen Feind zu uͤberwinden. Nun moͤchte ich dir dergleichen Recepten gern
mehrere vorſchreiben; weilen aber von der anjetzt gehandleten Materi zu re-
den/ an andern Oerther Gelegenheit vorfallen wird; derhalben wollen wir es
hiemit bewenden laſſen/ und zu weiterm Verſuch die Tugenden zu pflan-
tzen/ und das ſchaͤdliche Unkraut zu vertilgen fortſchreiten.
[204]Lection
Die Siebenzehende Geiſtliche
LECTION
Von dem Stillſchweigen.
cke ſeyn.’
Der Erſte Theil.
1. WAnn du/ mein liebe Chriſtliche Seel/ die koſtbahre und unſchaͤtz-
bahre Perl der wahren Demuth dir zu erwerben verlangeſt; ſo
da iſt (wie vorhin gnugſamb er wieſen worden) ein rechtes und
unbetriegliches Pfand der Heiligkeit; wann du ſelbige Tugend in Warheit
zu beſitzen trachteſt; ſo iſt dir nichts ſo hochnoͤthig/ als daß du einer gar ge-
nauen und ſchier Eremitiſchen Stillſchweigung dich befleiſſeſt: zumahlen
die Stillſchweigung eine unter ſtuͤtzte Saͤul iſt deß Geiſtlichen Lebens/ ohne
welche gar leichtlich die Cloͤſterliche Diſciplin und Ordens- Satzungen zu
Bodem fallen: ſie iſt auch eine Erhalterin und Vermehrerin der innerlichen
Andacht; weilen dieſe ihren Liebhaber zur Liebe Gottes entzuͤndet/ und den Eyf-
fer deß Hertzens ernaͤhret und ver groͤſſeret/ wie der gottſelige Thomas à Kem-
pis ſagt in einer Ermahnung an die Novitzen: Jn keinem Orden wird Fried
und unordentliches Leben beſtehen/ wann die Auffſicht deß Stillſchweigens/
eine Freundin der Ruhe/ und eine Nahrung der Andacht daſelbſten feyret.
2. Weiters ſagt der H. Diadochus; daß die Stillſehweigung ſeye zumah-
In. lib.
P. P. tom.
3. lib de
Perſ. c. 7len ein treffliche Sach/ und nichts anders/ als eine Mutter der allerweiſeſten
Gedancken. Wer iſt doch jemahlen mit guten und himmliſchen Gedancken
erfuͤllet geweſen/ der nach ſeinem Belieben die Stillſchweigung zu brechen/
und muͤſſige Wort auß Unbedachtſambkeit zu reden ſich gewohnet hat? nie-
mand fuͤrwahr: dahero ſagt die H. Schrifft: Soll man einem Mann
Job. 11. v.
2.recht geben/ der reich von Worten iſt? Dieſe Frag beantwortet
der
[105[205]]Von dem Stillſchweigen.
der H. Gregorius und ſagt: Es iſt gewiß daß kein Mann/ derTom.
Mor. c. 2.
Pſ. 139. v.
12.
reich von Worten iſt/ koͤnne gerechtfertiget werden:
dann dieſes bezeugt der Koͤnigliche Prophet mit folgendem Spruch: Ei-
nem geſchwaͤtzigen Mann wirds nicht wohl gehen auff
Erden. Das iſt/ er wird keine faſte Wurtzel der Vollkommenheii ſetzen/
dieweilen das in vielem Schwaͤtzen zerſtreuete Gemuͤth ſich zu den Goͤttli-
chen Dingen/ wie ein Geiſtlicher zu thun ſchuldig iſt/ nicht erheben kan/
und auch darzu die vorhin erworbene Gnad gaͤntzlich verlieret. So ha-
ben dann billig alle Stiffter der H. H. Orden/ und Lehrer der Vollkom-
menheit dieſe Stillſehweigung ſo hoch geſchaͤtzet/ dieweilen ihnen ſattſam
bewuſt ware/ was herrliche Seelen- Guͤter auß embſiger Haltung derſelben
erwachſen koͤnnten.
3. Es pflegte auch ein beruͤhmter und gelehrter Mann zu ſagen/ daß zuP. Hier.
Natali a-
pud Ro-
dr. p 2.
tom. 2.
c. 6.
Reformirung eines Kloſters oder Ordens nichts anders erfordert werde/ als
daß die Stillſchweigung wiederumb hinein gepflantzet werde. Dieſes be-
kraͤfftiget ebenfals der H. Jgnatius Lojola; ſo dieſes zum gewiſſen und un-
felbahren Zeichen hatte/ daß in einem Kloſter ein gute Diſciplin gruͤnete;
wann nemblich die Clauſur oder Beſthlieſſung wohl gehalten wurde. Wann
alle Oerter deß Kloſter ſauber waren. Wann ſich ein jeder deß Stillſchwei-
gens befliſſe; und kein Jablen/ Getuͤmmel und Geſchrey gehoͤret wuͤrde.
Wann nun dieſer ſo heilige Mann unter den drey fuͤrnehmſten Stucken zu
Erhaltung ſeiner geiſtlichen Haͤuſer/ auch erfordert die Stillſchweigung;
wie viel mehr ſeynd nicht ſchuldig andere Ordens-Leuthe dieſer Ubung obzu-
ligen/ welche da verlangen ihrem Beruff nachzukommen/ und im Geiſt
GOttes mehr und mehr zuzunehmen? Dann der ſich der Gnade GOttes
will faͤhig machen/ der muß ſeine Zung im Zaum halten/ wie die heilige
Schrifft ſagt: Der will lieben das Leben/ und gute Tage
ſehen/ der halte ſeine Zung vom Boͤſen ab. Was iſt aber an-1. c. 3. \&
Pſ. 33. v.
14.
ders das Leben unſerer Seelen/ als die Gnad GOttes/ und welche ſeynd
die gute Taͤge; als die jenige/ ſo zum unbeſchreiblichen Troſt deß Menſchen/
mit Tugenden und guten Wercken gezieret ſeynd? Du kanſt aber/ mein
Chriſtliche Seel/ deinen Tagen keinen gebuͤhrlichen Zierrath geben/ wann
du nicht das jenige Silentium zu halten/ dich befleiſſeſt/ welches/ nach Zeug-
nuͤß deß H. Bonaventuraͤ/ der Seraphiſche Vatter Franciſeus ſeinen
Bruͤdern ſo hoch anbefohlen hat/ nemblich das Evangeliſche Stillſchwei-
gen: das iſt/ nach der Lehr Chriſti/ von allem und jedem muͤſſigen Wort
C c 3mit
[206]Die Siebenzehente Geiſtliche Lection
mit moͤglicher Sorgfalt ſich enthalten: dahero pflegte er die jenige hart zu
beſtraffen/ ſo dem eitelen und muͤſſigem Schwetzen zugethan waren. Wie
hat uns nicht unſer Heyland mit ſeinen herrlichen Exempel vorgeleuchtet/
Matt. 26.da er von den hohen Prieſtern in Gegenwart Pilati uͤber viele Sachen an-
geklagt worden/ und gleichwohl ohne Verwunderung deß Richters
ſich nicht verantwortet/ der da nicht auß Noth/ ſondern auß einer Tugend/
und uns allen zur heylſamen Lehr geſchwiegen hat?
4. Was ſoll ich melden von der glorwuͤrdigen Mutter dieſes Erloͤſers/
ſo nicht allein in geringen/ ſondern auch in wichtigen Dingen die Still-
ſchweigung unverletzt gehalten hat: dann dieſe allerweiſſeſte Jungfrau ware
(wie der H. Bernardus beweiſet) mit ſo beſcheidener Tugend deß Still-
ſchweigens gezieret/ daß ſie nichts geredet/ ſo ſie nicht vorhin uͤberlegt hatte.
Und obwohln dieſe verſchwiegene Jungfrau ein warhafftiger Spiegel aller
deren iſt/ ſo ſich in dieſer Tugend zu uͤben ſchuldig ſeynd; ſo hat ſie dannoch
ihre groſſe Lieb zu ſchweigen niemahln beſſer an Tag gegeben/ als da ſie ihr
Braͤutigam der H. Joſeph hat verlaſſen wollen; Sie hat ſtillgeſchwiegen/
und ihre Verthaͤtigung der Goͤttlichen Majeſtaͤt anbefohlen. Folge/
folge/ mein Chriſtliche Seel/ das Exempel deiner werthen Mutter; und
wann du mit der Gnad deß H. Geiſtes verlangeſt erfuͤllet zu werden/ ſo lerne
vor allem das Schweigen/ nach dem Rath deß Propheten Jeremiaͤ/ der da
Thren. 3.
v. 28.ſpricht: Der wird allein ſitzen und ſchweigen/ dann er hat
das Joch auff ſich genommen. O wie viele Unruhe und Elends
hat ſich und andern nicht verurſachet deine geſchwaͤtzige und frey-gelaſſene
Zung! und wie groſſe Ruhe und innerliche Freud deß Hertzens haſtu nicht
empfunden/ und wirſt annoch ins kuͤnfftig empfinden/ nach dem du ſelbiges
Thierlein mit dem Zaum deß Stillſchweigens dir unterthaͤnig gemacht
haſt!
5. Glaube den Heiligen und groſſen dieneren GOttes/ ſo wegen der
einmahl geſchmeckten Suͤſſigkeit/ welche das Stillſchweigen verurſachet/
nichts ſo eifferig verlanget haben/ als von den Menſchen abgeſoͤndert zu
S. Dami-
an. in Vi-
ta ejus.
In Vita.werden/ und in dieſer Tugend ſich zu uͤben. Der H. Romualdus/ ein al-
ter greiſſer Mann/ hat ſich in eine unflaͤtige Hoͤhle eingeſperret/ und ſieben
Jahr langdas Stillſchweigen unſtrafflich gehalten. Mir iſt nicht wun-
der/ daß die heilige Catharina Senenſis zu ſolcher groſſen Heiligkeit ge-
langet/ indem ich leſe/ daß ſelbige drey gantze Jahr/ gleichſamb ohne
Sprach
[207]Von dem Stillſchweigen.
Sprach/ mit niemand/ als mit ihrem Beichs-Vatter in der Beicht/ ein
eintziges Wort geredet. Auch hat der H. Thomas von Aquin ſo dapffer ge-
ſchwiegen/ daß er von ſeinen Mit-Schuͤlern ein ſtummer Ochs genennet
worden. Er aber hat auß dieſem Schweigen ſo groſſe Wiſſenſchafft und
Heiligkeit geſchoͤpffet; daß er nachmahlen auß dem ſtummen Ochſen iſt wor-
den ein Engliſcher Doctor. Jch lebe mit dir/ mein Chriſtliche Seel/ der
troͤſtlichen zuverſicht/ daß du nach fleiſſig geuͤbter dieſer Stillſchweigung/
dermalen eins ſagen werdeſt: ich hab mir einmahl eingebildet/ daß ſolche
Schaͤtz der Tugenden/ und ſo koſtbahres Kleinod der geiſtlichen Vollkom-
menheit in der Ubung deß Stillſchweigens waͤre verborgen geweſen. Nun
hoͤre den Nutzen deſſelben/ den dir der Gott-ſeelige Tomas von Kempis alſoThom.
Kemp.
de Silent.
entwirfft. Jndem du das Stillſchweigen beobachteſt/ halteſt du auch zu-
gleich den Gehorſamb/ und behalteſt die Demuth; du gibſt der Scham-
hafftigkeit einen Zierrath; du verehreſt die Alten/ und geheſt den Jungen
mit einem guten Exempel vor; den leichtſchlaͤgigen und außgelaſſenen biſtu
eine Forcht; den Außlaͤndiſchen verurſacheſtu einen guten Nahmen/ und
den Jnlaͤndiſchen Fried und Einigkeit. Dieſes bekraͤfftiget der ſeelige Lau-
rentius Juſtinianus mit dieſen Worten: Nachdem die Stillſchweigungin Faſcic,
den Eingang der unnutzbaren Worten verſtopffet; alsdann kan das ver-
ſchloſſene Feur der Liebe die Gedancken zum guten Standt bringen; das
Gemuͤth bewegen; die Laſter vertreiben; die Zaͤhren herauß fuͤhren; den Frie-
den lieben; das Hertz zu GOTT erheben/ und mit ihm ſelbiges verei-
nigen.
6. Dieſerthalben haben die H. H. Alt-Vaͤtter die Stillſchweigung
ſo ſehr geliebet: deren der H. Hieronymus viele gefunden/ ſo in ſieben Jah-In Reg.
Mon.
ren kein entziges Woͤrtlein geredet: und ſolcher Geſtalt haben ſie ſich der
Goͤttlichen Gnaden ſo wuͤrdig und faͤhig gemacht; daß ſie mehr im Himmel
als auff Erden zu leben ſcheineten; zumahlen die Einigkeit/ der Fried und
die geiſtliche Freuden derſelben nicht irrdiſch/ ſondern himmliſch waren. Da-
hero hat der groſſe und heilige Abt Ammon in ſeiner Wuͤſten in einem Klo-In Spec.
Exempl.
ſter anderthalb tauſend Muͤnchen mit viel leichterer Muͤhe vorgeſtanden/ als
zu heutigen kaum zehn zu regieren ſeynd. Woher kombt das? dieweilen alle
das Gebott der Stillſchweigung ſo genau beobachtet; daß zur Zeit deß Still-
ſchweigens/ die weltliche Leuth/ ſo offtmahls in dieſes Kloſter zu kom-
men pflegten/ vermeinet/ es ſeye von dieſen tauſend und fuͤnffhundert
Geiſtlichen niemand im Kloſter; biß ſie zu denſelben hinein gangen/
und
[108[208]]Die Siebenzehende Geiſtliche Lection
und geſehen/ daß ſie in ihren Cellen oder gebettet/ oder betrachtet/ oder in
andern geiſtlichen Ubungen begriffen geweſen Dieſe iſt die fuͤrnehmſte Ur-
ſach/ mein Chriſtliche Seel/ warumb einer ſo vielen/ und zwarn mit ſehr
groſſem Nutzen hat vorſchen koͤnnen; zumahlen die jenige/ ſo deß Still-
ſchweigens ſich embſich befleiſſen/ ſelten eine Beſtraffung brauchen; die-
weilen mit ihnen GOtt/ vermoͤg ſeiner heiligen und Heyl- bringenden
Einſprechungen redet/ wann ſie ſchweigen; und lehret ſie/ was ſie thuen o-
Hom.
103.der laſſen ſollen. Wann nun/ (damit wir uns der Worten deß H. Antio-
chi gebrauchen) die Stillſchweigung mit ſo groſſer Schoͤnheit und herrli-
chem Nutzen pranget; ſo iſt ſelbige eine Mutter der jenigen Tugenden/ deren
die Muͤnchen ſich erwerben/ billig zu nennen. So liebe dann die Mutter/
von der ſo Gott-gefaͤllige Kinder gebohren werden; und wann dir dein Geiſt-
licher Fortgang zu Hertzen gehet; ſo freye die Mutter umb der Tochter
willen.
Der Andere Theil.
WAhr iſt das gemeine Spruͤchwort der Lateiner:
Vnd Boͤſe nicht ohn Gute ſeynd.’
Derhalben muß ſich einer nit verwundern/ wann auch unter den guten Geiſt-
lichen einige Boͤſe und Außgelaſſene gefunden werden; die nicht allein fuͤr
ſich keine Tugenden ſamblen; ſondern auch darzu noch andere von dem
Weeg zur Vollkommenheit abzukchren ſich unterſtehen. Ein Freyer aber
dieſer obgeſetzten Mutter muß nicht achten/ wann er ſchon von ſolchen
Geſellen außgelacht/ und fuͤr einen groben und ungeſchickten Men-
ſchen gehalten werde: ſondern er kan ihnen mit derjenigen Antwort begegnen/
welche der H.Gregorius Nazianzenus, dem Celenſio gegeben/ der ih-
Drexel.
in Molis
Ling. c.
23. §. 1.nen wegen ſeiner Verſchwiegenheit zu beſtraffen/ und einen unhoͤff-
lichen Mann zu beſchreyen ſich erkuͤhnet. Dieſe ſchrifftliche
Verantwortung deß Gregorii an den Celenſium beſtehet in folgenden
Worten: Es haben die Schwalben einsmahls den Schwanen verweißlich
vorgeworffen/ daß ſie von den Menſchen entfernet/ in den Waͤſſeren und
ſtillen Oertern ſich auffhielten. Wir aber/ ſagten ſie/ halten uns bey den
Leu-
[209]Von dem Stillſchweigen.
Leuten in Staͤtten/ in Schloͤſſeren/ in Flecken und Doͤrffern; woſelbſt wir
unſere Neſter bawen/ und jederman mit unſerm lieblichen Geſarg erfrewen:
gegen ſolchen gegebenen Verweiß/ ob ſich ſchon die Schwanen mit ihrem
ſchweigen verthaͤtigen; ſo hat ſich doch eine derſelben zu den Schwalben ge-
wendet/ und geſagt: O ihr armſeelige Voͤglein/ wie eytel und nichtswertig
iſt doch eweres Puchen! wir Schwanen ſingen zwar wenig und ſelten/ aber
ſo ſuͤß und lieblich; daß auch die Menſchen dieſerthalben hauffenweiß auß
den Staͤtten zu uns kommen: ewer leeres Schwaͤtzen aber iſt allen ſehr uͤber-
laͤſtig und verdrießlich: Dahero der groſſe Liebhaber deß Schweigens Py-
thagoras ſchon laͤngſt das Urtheil gefaͤhlet; daß euch niemand beherbergen
ſolle: Wohl gered. Alſo/ ſagt der H. Gregorius/ kanſt du mein lieber Celen-
ſi. mit den Schwalben ſo lang ſchwaͤtzen und plauderen/ aͤls dirs gefaͤllig
iſt; ich aber als ein Schwaan in ſeinem Waſſer rede mit meinen Buͤ-
chern in meinem Zimmer/ und bin in dieſer Stille ſehr wohl vergnuͤget: dieß
iſt die Antwort/ ſo der Heil. Mann ſeinem Tadler dem Ce [...]enſio mitgetheilet.
Du aber/ mein Chriſtliche Seel/ ſolſt durch das Schweigen lehrnen wohl
reden/ wie dieſer gottſeelige Vatter mit ſeinem Exempel dir iſt vorgangen/
und nach vielfaͤltigem Schweigen alſo geredet/ daß die gantze Chriſt-Catho-
liſche Kirch ſich ſeines Redens zu erfrewen hat. Nicht achte das Plaudern
deiner geſchwaͤtzigen Geſellen; ſondern verſichere dich/ daß die Kunſt zu re-
den nicht gleich andern Kuͤnſten durch viele Ubung/ ſondern durch Unterlaſ-
ſung muͤſſe erlehrnet werden/ wie der H. Gregorius mit dieſem Spruch be-
kraͤfftiget: Der jenige weiß recht zu reden/ welcher erſtlich dasHom. 2.
in Ezech.
In Eccl 3.
Stillſchweigen gelehrnet hat: Dieſem ſtimmet auch bey der Heil.
Hieronymus/ und ſagt: Laſſer uns lehrnen/ ehender nicht zu re-
den/ als/ biß wir durchs Stillſchweigen das Reden ge-
lehrnet haben. Zu ſicherer Zeit ſollen wir ſchweigen/ und die Reden un-
ſerer Vorſteher nur anhoͤren: uns ſoll nichts ſcheinen recht zu ſeyn/ als was
wir lehrnen/ damit wir alſo nach vielem Stillſchweigen auß den Schuͤlern
Lehrmeiſter werden moͤgen.
9. Mit dieſer Kunſt kommen dir andere zur Vollkommenheit noͤthige
Kuͤnſten von ſelbſten entgegen; und biſt anneben verſichert/ daß die Scham-
hafftigkeit und Schew zu reden/ von verſtaͤndigen Maͤnnern hoͤher geſchaͤ-
tzet/ und mehr zur Tugend angedeutet werde/ als viele ſpitzfindige und hoch-
trabende Diſcurſen: derhalben ſagt recht der gottſelige Thomas à Kempis:
Es iſt euch geiſtlichen und jungen Leuthen ein Ehr/ daß ihr in Gegenwart
der Frembdlingen verſchwiegen ſeyet: dann ſelbige werden mehr aufferbawet
D dvon
[210]Die Siebenzehende Geiſtliche Lection
Hiſtoria.von ewerem Stillſchweigen/ als durch ſubtile Reden: dieſes hat auch ge-
lehret und zum Werck gebracht der Heil. Abt Pambo, ſo viertzig Jahr lang
Pet. de
Natal. l.
6. c. 38.
Pſal. 28.
v. 1.uͤber den erſten Vers deß acht und dreiſſigſten Pſalmen gelehrnet/ und hernach
vermeinet/ daß er ſelbigen in der That noch nicht recht geuͤbet habe: deſſen
Wort alſo lauten: Jch hab geſagt/ meine Wege will ich be-
wahren/ damit ich nicht ſuͤndige mit meiner Zungen: Dieſen
H. Einſidler hat einsmahls der Biſchoff Theophilus beſuchet und zugleich
verlanget von ſelbigem einige Lehrſtuͤck deß geiſtlichen Wandels zu hoͤren:
der fromme Pambo aber hat ſein gewoͤhnliches Silentium gehalten/ und gar
nichts geredet/ da ihm aber ſeine geiſtliche Bruͤder ſolches uͤbel außgedeutet;
hat er dieſe Antwort gegeben: wann der Biſchoff von meiner Stillſchwei-
gung nicht iſt aufferbawet worden; ſo kan er auch durch meine Reden nicht
aufferbawet werden: weiters mercke/ was folgt.
Sur. in
vita S. E-
merici 4.
Novemb
10. Stephanus ein Koͤnig in Ungarn iſt einsmahls bey der Nacht in das
Cloſter deß Heil. Martini kommen; und da er nach der Metten die Ubungen
deren Geiſtlichen beobachtet; hat er geſehen/ daß einige nicht nach ihren Zel-
len gangen; ſondern ſich in die Winckel der Kirchen verſtecket und daſelbſt
gebettet haben: weilen er nun ſelbige nacheinander angeredet; hat ihme ein
jeder auß ſchuldiger Ehrbietſambkeit/ ungeacht deß Silentii, oder Still-
ſchweigens/ auff ſeine Fragen geantwortet: Der eintzige Maurus, obſchon
mit Droͤw-Worten gleichſamb gezwungen worden/ hat auch die geringſte
Fragen deß Koͤnigs nichtbeantwortet: dieſe genaue Beobachtung deß
Stillſchweigens hat dem hoͤchſt erwehnten Koͤnig dermaſſen gefallen/ daß
er den Maurum zum Biſchoff gemacht hat: Daß iſt recht/ was der weiſe
Eccli. 21.
v. 31.Mann ſagt: Einen verſchwiegenen und vernůnfftigen Mann
wird man ehren: Man wird ihn ehren/ ſag ich/ und wird ihn belohnen
nicht allein in dem Reich der Himmelen; ſondern auch auff dieſer Welt wird
er mit vielen Wunder - Strahlen leuchten/ und mit allerhand goͤttlichen
Gnaden bereichet werden. Du aber/ mein Chriſtliche Seel/ mercke auff
folgende warhaffte Geſchichten/ und ſehe/ ob auch der weiſe Mann in obge-
meldter ſeiner Prophetzeyung gefehlet habe.
prat. l. 2.
Apum c.
14. §. 4.
Hiſtoria.
11. Der Heil. Radolphus auß dem Orden deß Heil. Benedicti iſt der
Stillſchweigung dermaſſen ergeben geweſen/ daß man in ſechzehen Jahren
nicht allein kein Woͤrtlein; ſondern auch kein eintzige Sylben auß ihm ge-
hoͤret. Nun hat ſichs zugetragen/ daß einsmahls in ſeinem Cloſter ein ſchroͤck-
licher Brandt entſtanden; und da er geſchen/ daß alle menſchliche Huͤlff
daran verlohren gangen/ hat er ſich zu der Goͤttlichen gewendet; und nach-
dem
[211]Von dem Stillſchweigen.
dem er einwenig in der Stille gebettet; hat er die ſo lang gebundene Zung
loß gelaſſen/ und mit dieſen Worten hervor gebrochen: Stehe ſtill du
Fewer in dieſem Augenblick/ und werde gaͤntzlich vernich-
tiget: O Wunder! ſiehe daß Fewer hat alsbald auff den Befelch deß ver-
ſchwiegenen Radolphi ſeine Krafft verlohren/ und iſt ohne menſchliches Zu-
thuen zumahlen erloͤſchet. Ein ander frommer Geiſtlicher/ ſo der Stillſchwei-
gung ſich hoͤchſtens befliſſen/ hat in der Nacht einen Dieb geſehen/ ſo ein
Pferd auß dem Cloſter zu entfuͤhren willens geweſen: und ob er dieſes ſchonVit. S. O-
donis l.
2. c 8.
Hiſtoria.
In vita
ejus.
Hiſtoria.
allein vermercket/ ſo hat er doch auß Liebe deß Stillſchweigens nichts geſagt:
welches der Goͤttlichen Majeſtaͤt alſo gefallen/ daß der Dieb keinen Schritt
weiter hat gehen koͤnnen. Jn dem Keller deß H. Corbiniani hat einsmahls
der newe Wein in einem Faß bey naͤchtlicher Weil ſo hefftig geſotten/ daß
der Zapffen mit groſſem Knall außgeſprungen: dieſes hat der H. Mann al-
les angehoͤret; damit er aber die Schrancken deß Silentii nicht uͤberſchreiten
moͤchte/ hat er die gantze Nacht geſchwiegen/ und nur gebettet: deß Mor-
gens/ ſo bald es zu reden erlaubt geweſen/ hat er geſagt/ was er gehoͤrt habe:
worauff man zugeſehen/ und befunden/ daß auß dem eroͤffneten Faß unnatuͤr-
licher Weiſe nichts auß gelauffen geweſen.
12. Wann nun Gott ſolche Stillſchweigung dergeſtalt belohnet in dieſem
Jammerthal/ der fuͤrwahr kein Orth der Belohnung iſt; was wird dann
nicht geſchehen im himmliſchen Vatterland/ ſo ein beſtimbte Platz der Ver-
geltung iſt? derhalben laſſe dir/ mein Chriſtliche Seel/ keine Gelegenheit ent-
wiſchen/ ſo GOtt gefaͤllige Stillſchweigung zu uͤben. Befleiſſe dich/ deine
Mit-Bruͤder und Mit-Schweſtern durch deine Verſchwiegenheit mit dem
Heil. Pambone zu aufferbawen; ſo wirſt du auch mit dem verſchwiegenen
Mauro, nicht von einem irrdiſchen Koͤnig/ ſondern vom Koͤnig aller Koͤni-
gen geehret werden: Jch zweiffle auch nicht daran/ daß du durch dieſen Eyffer
deß Stillſchweigens/ das Fewer der boͤſen Begirden/ ſo der leidige Sathan
in deinem Hertzen erwecket/ mit dem H.Radolpho gaͤntzlich erloͤſchen; und
mit dem H.Corb niano den Wein der heylſamen Rew uͤber deine begange-
ne Suͤnden/ in dem Faß deines Hertzen behalten werdeſt.
Der dritte Theil.
13. OB nun zwarn auß dem vorgeſachten/ die Heylſamkeit und
Fruchtbarkeit der Stillſchweigung zur Gnuͤgen koͤnne
verſtanden werden; ſo vermeine ichs jedoch dienlich zu
ſeyn/ daß ich derſelben Nothwendigkeit auff den Weege zur
D d 2Voll-
[212]Die Siebenzehente Geiſtliche Lection
Vollkommenheit ſicher zu wandern/ kuͤrtzlich vortrage. Weilen nun ſothaner
Wege drey ſeynd (wie faſt jederman bekand iſt) deren erſte iſt der Weg der Rei-
nigung/ und darumb alſo genennet wird; daß zu ſelbigem gehoͤre das Ambt/
die boͤſe Gewonheiten und Laſter außzureuten/ und die Suͤnden zu meiden:
als muͤſſen wir gern geſtehen; daß ein anfangender in dieſem erſten Wege der
Reimgung/ nirgenther groͤſſere Huͤlff und erſprießlichkeit haben koͤnne/ als
von dem Schweigen: dann wer wirds laͤugnen/ daß die meiſte Suͤnden in
der Conveſation mit andern Leuten von uns begangen werden? und wo laſ-
ſet ſich ein bewaͤrteres Mittel finden/ dieſe Suͤnden zu fliehen; als in Bewah-
Prov. 13.
v. 3.rung deß Silentii? ſagt nicht dieſes der allerweiſeſte Salomon; der ſeinen
Mund bewahret/ der bewahret ſeine Seel: daß iſt/ er behuͤtet
ſie vor vielen Suͤnden; als nemblich vor dem ungebuͤhrlichen Murren/ vor
der ſchaͤndlichen Suͤnd der Verleumbderung oder Ehrabſchneidung/ vor
der unzimblichen Liebe/ vor dem Haß und unordentlichem Zorn/ vor unmaͤſ-
ſiger Trawrigkeit/ und andern dergleichen Suͤnden; ſo in eytelem Schwaͤ-
tzen geweiniglich Platz finden: zu Vernichtigung aber der erzehlten Ubelen
wird eine nicht geringe Staͤrcke erfordert; die wir warhafftig ohne meiſter-
30. 15.liche Bezwingung unſerer Zunge/ uns nicht verſprechen koͤnnen; wie der Pro-
phet Iſa[i]as mit dieſen troſtreichen Worten bezeuget: Jn der Stille und
in der Hoffnung wird ewere Staͤrcke ſeyn: Verlangſt du nun
ſtarck zu ſeyn/ auff daß du die Suͤnden und Laſter moͤgeſt zu bodem werffen;
die Verſuchungen uͤberwinden/ dem feindlichen Argliſt entgehen/ die unor-
dentliche Bewegungen im Zaum halten/ und fuͤr aller Boͤßheit ſchußfrey
werdeſt/ ſo ſeye verſchwiegen: Nicht glaube meinen/ ſondern deß H. Apoſtels
Jacobi Worten/ der da ſpricht: gleich wie der jenige/ ſo dem Pferd den Zaum
in das Maul legt/ deſſen gantzen Leib leichtlich regiren kan; alſo kan der
Menſch/ ſo ſeine Zung im Zaum haltet/ ſich ſelbſten mit leichter Muͤhe zu al-
len Tugenden herumb fuͤhren: und verſichere dich/ mein Chriſtliche Seel/
daß dieſe geuͤbte Stillſchweigung in der letzten Stund dir werde ſehr troͤſt-
lich vorkommen; und annebens verurſachen/ daß ohne langwiriges Feegfcuer
S [...]r. 23.
an.
Hiſtoria.zur ewigen Seeligkeit gelangen moͤgeſt/ nach dem Exempel der ſcligen Ma
riæ O [...]gniacenſis; welche vom Feſt deß H. Creutzes biß zu den Weynachten
nicht ein eintziges Woͤrtlein geredet; wodurch ſie von Gott erhalten/ daß ohne
einige Straff der andern Welt zur ewig waͤhrenden himmliſchen Anſchaw-
ung iſt gelaſſen worden.
14. Der andere Weg zur Vollkommenheit iſt der Weg der Erleuchtung/
welchen eine gottliebende Seel/ ſo vorhero auff dem Wege der Reinigung
von
[213]Von dem Stillſchweigen.
von den Suͤnden und boͤſen Begirden geſaubert iſt; nachmahls eingehet:
Es gehoͤrt aber zur Wanderung dieſes Weges/ daß man die Tugenden
pflantze: darzu ein ſolcher Eyffer und Hitze vonnoͤthen iſt/ der ohne dieDe Paſ-
ſione Domini
c. 21.
Stillſchweigung mit nichten beſtehen kan; wie der Hoͤnig- flieſſende Ber-
nardus mit dieſer ſchoͤnen Gleich nuß beweiſet/ und ſagt: gleich wie derjenige/
ſo die Warmbde in der Stuben erhalten will/ dieſelbige ſelten/ und ohne Noth
nicht auffſperret; alſo muß die innerliche Hitze der Seclen mit genauer Be-
wahrung deß Stillſchweigens erhalten werden. Derhalben ſoll ſich ein
Tugend-ergebener Menſch die Verſchweigung ſonderbahr angelegen ſeyn
laͤſſen; dieweilen Tugend ſammlen ohne ſtete Ubung deß Stillſchweigens/
nichts anders iſt/ als Staub in den Wind tragen: und wie noͤthig einem
Soldaten die Waͤhr und Waffen ſeynd/ alſo ſeynd/ nach Meinung deßHom. 20.
de An-
nunt.
Geiſt- reichen Thalaſu/ einer erleuchteten Seelen noͤthig die Stillſchwei-
gung und das Gebett: dann dieſe ſaubern und ſchaͤrffen zugleich die Augen
derſelben Seelen. Nun hoͤre weiters/ mein Chriſtliche Seel/ die groſſeGrad. 11.
Nutzbarkeit dieſer Ubung von dem Geiſt-erfahrnen Climaco: Der
Schweigens-Befliſſene/ ſagt er/ nahet GOtt hinzu; und
indem er im innerſten ſeines Hertzen zu demſelben getret-
ten/ wird ervon Jhme erlenchter. Dieſes bekraͤfftiget der ſee-Tr. de
Orat. c. 5.
lige Laurentius Juſtinianus und ſagt: daß das WORT einem War-
tenden und Schweigenden ſich gern eingieſſe. Soll dir dieſes alles noch
nicht ein gnugſamer Sporn zur Lieb der Stillſchweigung ſeyn? ſo gedencke/
daß gleich wie der jenige/ ſo von einem anderen heimliche und wichtige Din-
ge hoͤren will/ von dem Getuͤmmell und Plaudern der Anweſenden ſich
muß abſoͤndern; alſo der die Einſprechungen und uͤber Hoͤnig ſuͤſſe Gaben
GOttes zu empfahen verlanget; die Converſation und Geſpraͤche der Men-
ſehen fliehen muͤſſe. Dahero hat dein Heyland nicht in der raſendèn Unruhe
deß Tags/ ſondern in der ſtillen Nacht/ zu deinem und meinem Troſt/ der
Weltſich zeigen wollen/ auff daß wir lernen ſollen/ wie angenehin ihm ſeye
die Tugend deß Stillſchweigens.
15. Der dritte Weeg zur Vollkommenhéit iſt der Weeg der Vereini-
gung/ Krafft deren eine Chriſtglaubige Seel in der Liebe GOttes zur Voll-
kommenheit gelaͤnget. Es iſt abér derſelbén auch noͤthig die Stillſchwei-
gung; ſintemahlen dieſelbe den Diener GOTTES zur Vereinigung
und Liebe nicht allein entzuͤndet; ſondern auch in deſſen Hertzen eine Woh-Epiſt. 130
nung deß Heiligen Geiſtes bereitet/ wie der H. Petrus Damianus mit die-
ſen Worten verzeichnet. Wann das Geroͤß und Getuͤmmel der menſchlt-
D d 3chen
[214]Die Siebenzehente Geiſtliche Lection
chen Anſprach auffhoͤren; ſo wird in dir durch das Stillſchweigen ein Tem-
pel deß H. Geiſtes auff gerichtet. Und dieſer Urſachen halben bezeuget die
H. Schrifft/ daß in Erbauung deß Tempels zu Jeruſalem/ weder Ham-
mer noch Beyl/ noch einig eiſſenes Jnſtrument ſeye gehoͤrt worden. Dann
das Hauß GOttes/ ſagt der H. Damianus/ wachſet durch die Stillſchwei-
gung/ und in dem das menſchliche Hertz durch die euſſerliche Reden ſich nit
außlaſſet/ ſo ſteiget die Auffuͤhrung deß geiſtlichen Baues in die Hoͤhe; und
wie mehr ſelbige durch die Bewahrung deß Stillſchweigens vor der euſſerli-
chen Verſpreitung behuͤtet werde; je mehr ſie zur Spitze der Vollkommen-
heit eilet dann die Stillſchweigung iſt eine Waͤchterin der Gerechtfertig-
keit. Weiters macht dir auch die H. Jungfrau Gertrudis dieſe vom Him-
mel herab geſtiegene Hoffnung/ daß/ wann du auß Liebe GOttes dich deß
Stillſchweigens befleiſſigeſt/ und dich von allem Reden enthalteſt; dieſe
Lieb in deinem Hertzen dergeſtalt fortwachſen werde/ daß dir deßgleichen
kaum jemahlen widerfahren ſeye. Der nun verlanget/ das ſein Hertz mit
dem Feuer der Goͤttlichen Liebe entzuͤndet und vermehret werde/ der halte ſei-
ne Zung im Zaum; und erinnere ſich der H. H. Alt- Vaͤtter/ ſo in ihren
Kluͤfften und Hoͤhlen verborgen/ und von aller Gelegenheit zu reden entfer-
net/ mit ſolchen unglaublichen geiſtlichen Freuden und Ergetzlichkeiten von
GOtt ſeynd begnaͤdiget worden; daß keinem Welt- Menſchen durch alle
ſeine Luſtbarkeiten deßgleichen jemahlen hat widerfahren koͤnnen. Soll
diß aber dir zu glauben ſchwaͤr fallen; ſo kanſtu ſelbiges in der That an dir
ſelbſten probiren. Dieſes aber iſt dir noͤthig zu wiſſen/ daß du nach Regul der
H H. Vaͤttern/ zu Anfangs in der erſten Staffel dich uͤbeſt/ nemblich
daß keine unzulaͤſſige und eitele Wort redeſt: und wan du durch Menſchliche
Schwachheit darwider ſuͤndigeſt/ dir alsdann ſelbſt eine Buß aufferlegeſt/
damit du alſo hinfuͤhro kluger und behuthſamer werdeſt. Nach dieſer folgt
die andere Staffel/ daß du nemblich auch von dem zulaͤſſigen und
vernuͤnfftigen. Reden auß Lieb der GOtt- gefaͤlligen Stillſchweigung dich
enthalteſt; auff daß du durch die Verſchwiegenheit die andere Tugenden
unterdeſſen ernaͤhreſt/ und alſo hernacher zu gelegener Zeit dieſelbe mit ge-
zimmender Weißheit hervorbringen moͤgeſt. Jn der dritten Staffel
lehren dich die H. H. Vaͤtter/ daß du auch oͤffters die noͤthige Reden
umb der Ruhe und Tugend willen gern quittireſt/ und ſonderlich/ wann
du durch ſolche Reden deine eigene Wolfahrt und Verthaͤtigung befoͤrdern
koͤnnteſt. Alsdann gedencke deines lieben Heylands/ wie der in ſeinen
groͤſten Unbillen und Schmachen deß Stillſchweigens ſich befliſſen habe;
alsdann
[215]Von dem Stillſchweigen.
alsdann ſoll dir in den Sinn kommen die allerverſchwiegenſte Jungfrau
Maria; der groſſe Liebhaber der Stillſchweigung/ Gregorius Nazianze-
nus; die einſame Jungfrau Catharina von Senis/ der fromme Vatter
Corbinianus/ der H. Abt Pambo/ und unzahlbare andere/ ſo durch tapffere
Ubung dieſer herrlichen Tugend/ einer ſo wohl zeitlich als ewig- waͤhren-
den erfreulichen Ruhe ſich theilhafftig gemacht haben.
Die Achtzehende Geiſtliche
LECTION
Von dem
Laſter deß unnoͤthigen Geſchwetz.
Si quis autem putat, ſe Religioſum eſſe, non refrenansJacobi 1.
v. 26.
linguam ſuam \&c. hujus vana eſt Religio.
tig ſey im Dienſt GOttes/ und zaͤumet ſeine Zunge nicht/ ꝛc.
deſſelben Andacht iſt eitel.’
Der Erſte Theil.
1. GLeich wie der jenige billig außzulachen iſt/ welcher ohne vorhergelei-
ſtete noͤthige Arbeit/ und ohne geworffenen Saamen groſſe Frucht-
barkeit von ſeinem Acker erwartet: und wie dieſes einem frembd
vorkom̃et/ daß der jenige/ ſo durch unheylbare Kranckheit gleichſam ans Bett
gehefftet/ ſich veſtiglich vornimbt das heilige Land zu beſuchen. Auch wie
endlich dieſer ein Gelaͤch bey jederman verurſacht/ ſo alle Fenſtern und Thoͤrn
ſeines Hauß verſchlieſſet/ und dannoch ſich uͤber die Sonn beklaget/ daß ſie
mit ihren hellſcheinenden Strahlen in ſein Hauß nicht ſpielet. Alſo iſt aller
Verhoͤnung wuͤrdig der jenige Geiſtliche/ welcher ohne Zaͤumung ſeiner Zun-
gen/ die Fruͤchten der Tugenden von dem Acker ſeiner Seelen zu ernden; und
zum heiligen Land der himmliſchen Jnwoͤhner dem Hertzen nach zu reiſen/
ſich
[216]Die Achtzehende Geiſtliche Lection
ſich unterſtehet. Nicht weniger ſtellet ſich dieſer in die Gefahr der Verſpot-
tung; welcher ſich beklaget/ daß er vermittels der Goͤttlichen Licht-Strah-
len nicht erleuchtet werde; ſondern ohne einige emp findliche Andacht/ gantz
truncken/ und mehr einem Holtz als Menſchen gleich verbleibe; da er doch
durch ſein unanffhoͤrliches Schwetzen das Licht der Goͤttlichen Gnaden von
dem Hauß ſeiner Seelen ſelbſt und auff ſetzlich außſchlieſſet: wie die obge-
ſetzte Wort deß Apoſtels gnugſamb zu verſtehen geben; das nemblich das
Scharren und Sammlen aller guten Wercken und Verdienſten/ alle Ubung
der Tugenden/ und harte Buß- Werck ohne die Zeuinung der Zungen zu-
mahlen nichts ſeyen; die eitele und muͤſſige Wort muͤſſen gemeidet werden/
wann die Chriſtliche Andacht und gute Werck ſollen beſtand haben.
2. Jch nehme hieruͤber zum Zeugen den Allerweiſeſten Salomon/ der
Prov. 14.
v. 23.in ſeinen Spruͤchen alſo redet: Da ſehr viel Wort ſeynd/ iſt
offtmahl Armuth. Jch ſage/ die Armuth der wahren Andacht/ und
innerlichen Verſamblung deß Gemuͤths; dann anders nicht gehts her mit
den Geſchwaͤtzigen Leuthen/ als wie mit den Baderen/ wann man durch die
Thuͤren deß Bads offtmahl auß und eingehet/ ſo verlieret ſelbiges ſeine Hitzt
und wird kalt; alſo muß von dem jenigen/ der da viel unnoͤthiges redet/ die
inwendige Hitze durch die Thuͤr deß Munds nothwendiglich herauß zie-
hen. Derſelben Meynung iſt auch der H. Kirchen-Leheer Gregorius/
L. 5. Mor.und ſagt: Durch unnoͤthige Keden wird das Gemůth der
Menſchen zerſtreuet/ und gleichſamb durch ſo viele ſchaͤd-
liche Faͤlle von ſich ſo weit hinauß geleitet/ daß zur Er-
kaͤndnůß ſeiner ſelbſt zuruck zu kehren nicht vermag; die-
weilen es durch das viel reden/ die Krafft der innerlichen
Betrachtung verliehre. So iſt dann das unnoͤthige Schwetzen zur
Verhinderung der wahren Andacht ſehr dienlich/ zumahln ſelbiges den
Menſchen alſo zerſtoͤren kan/ daß er kaum einigen Geſchmack zu den geiſt-
lichen Dingen empfinde. Alſo kan dieſes garſtige Plaudern das Hertz deß
Menſchen verkehren; daß er nicht allein die ewige Guͤter mit gebuͤhrendem
Eyffer nicht ſuche/ ſondern auch darzu/ wann nicht mit Worten/ jedoch
mit den Wercken dieſelbe gering ſchaͤtze und verachte. Endlich wird durch
dieſes wilde Thier das Feur der Goͤttlichen Liebe in den menſchlichen
Hertzen dergeſtalt verzehret; daß auch nicht ein Fuͤncklein dieſer Seraphi-
ſchen Tugend daſelbſt verbleibe; deßgleichen hat die H. Gertrudis von GOtt
gelernet; daß/ wann ein Menſch eine Rede fuͤhre/ davon kein Nutzen zu
gewarten iſt; alsdann die Liebe GOttes auß deſſen Hertz/ wie der Wein auß
einem
[217]Von dem unnoͤthigen Geſchwetz.
einem durchgebohrten Faß außlauffe. Wann nun nach Zeugnuͤß der H. Ger-
trudis/ eine eintzige fruchtloſe Red deß Menſchen Hertz dergeſtalt durchboh-
ret/ daß es die Hitze der goͤttlichen Liebe nicht halten moͤge; was groſſen Scha-
dens hat ſich dann nicht der jenige zu befoͤrchten/ der nach Luſt und Lieb/ nicht
allein zu den unnutzb ahren/ ſondern auch zu den ſchaͤdlichen Diſcurſen das
Maul mit Frewden auffſperret? gedenck mein Chriſtliche Seel/ wie viole
Tage im Jahr ſeyen/ und wie offt du an einem jeden derſelben Tagen un-
nuͤtzliche Reden fuͤhreſt/ die du mit gutem Fuge/ und zum Heylder Seelen
haͤtteſt unterlaſſen koͤnnen. Kaum haſt du von deinem GOtt einige Gnad
der Chriſtlichen Andacht in deinem Hertzen empfangen; und alſo bald muß
ſelbige von deinem liederlichen Geſchwaͤtz fluͤchtig werden; wie du ſelbſt gar
leicht erachten kanſt/ wann du ſieheſt/ daß ein verſtaͤndiger Menſch ſolche
Plauderer beſter maſſen zu meiden ſuche: wie viel mehr wird ſich dann nicht
derſelben entſchlagen der H. Geiſt/ in deſſen Gegenwart der geringſte Unflat
nicht beſtehen kan; ſo da ſpricht durch den Mund deß weiſen Manns: VielProv. 10.
v. 19.
reden wird nicht ohne Sůnd abgehen. Es kan ſich einer leicht-
lich einbilden/ was vor groſſe Gnaden und Verdienſten ein ſolcher von der
goͤttlichen Majeſtaͤt zu gewarten habe/ deſſen Maul gleich einer Herbergs-
Thuͤren zum Schwetzen immer offen ſtehet: und wann das Geſchrrꝛ ſo kei-
nen Deckel hat/ von GOtt fuͤr unrein erklaͤret wird: wie das Buch Nume-Num. 19.
v. 15.
rorum meldet: Das Geſchirꝛ/ ſo keinen Deckel hat/ ſoll unrein
ſeyn; ſoll dann nicht ebener maſſen der jenige fuͤr unrein gehalten werden/
der ſeinen Mund-Deckel allezeit offen haltet? Gehe hin in die gemeine offene
Wirts- Haͤuſſer/ und ſchawe zu/ ob du unter ſehr wenig guten/ nicht viel boͤ-
ſes und loſes Geſindel antreffeſt: gleicher Geſtalt ſeynd in den Hertzen der je-
nigen/ deren Mund durch das Plauderen immerzu offen ſtehet/ neben gar
wenig/ oder keiner Tugend/ gemeiniglich nur Suͤnden/ Maͤngel/ Fehler und
Armſeligkeiten zu finden, welche/ ſo lang der geſchwaͤtzige Mund nicht gezaͤu-
met wird/ unmoͤglich koͤnnen gebeſſert werden: Enthalte deine Zung
vom Boͤſen/ und thue guts/ ſagt der Koͤnigliche Prophet: er ſagt
nicht/ erſtlich thue guts/ und alsdann enthalte \&c. ſondern/ erſtlich enthalte
deine Zung vom boͤſen und unnuͤtzlichen Geſchwetz/ und darnach biſt du be-
quem gutes zu thuen.
3. Neben dieſem allem biſt du/ mein Chriſtliche Seel/ auß folgender er-
heblichen Urſach ſehr verbunden/ dieſes Laſter deß Schwetzens zu flichen;
weilen nemblich nicht allein dein/ ſondern auch deiner gantzen Gemeinſchafft
guter Nahm durch ſolche boͤſe Gewonheit bey der Welt leiden muß; dann
E egleich
[218]Die Achtzehente Geiſtliche Lection
gleich wie man ein Faß/ ſo durch das Anklopffen einen groſſen und bollen
Klang von ſich gibt/ billig fuͤr leer haltet; alſo wird der jenige/ ſo dem Schwe-
tzen ergeben iſt/ von andern als ein Tugend- und guten Wercken leerer
Menſch nicht uneben geurtheilet/ und derhalben die gute geſchoͤpffte Mei-
nung der weltlichen vergeringert: dieſes haben vermerckt die alte Weltwei-
ſen/ ſo derhalben die geſchwetzige Menſchen den Narren gleich geſchaͤtzt ha-
ben: Auß dern Zahl dann auch der Solon geweſen/ ſo einsmahls einem Gaſt-
mal beygeſeſſen/ und nichts geredet: derhalben einer von den Gaͤſten gefragt/
warumb dieſer bey oͤffentlicher Tafel ſo verſchwiegen ſeye? da dieſes der ge-
meldte Solon gehoͤrt/ hat er alſo geantwortet: Darumb rede ich nicht/
weilen keiner ſchweigen kan/ der ein Narr iſt: Dieſem Solon
Eccle.
10. v. 14.ſtimmet einiger maſſen zu die H. Schrifft/ da ſie ſagt: Ein Narr macht
viel Wort: Wilſt du nun fuͤr keinen Narren gehalten werden; wilſt du
haben daß man dich fuͤr verſtaͤndig anſehe; verlangeſt du zu haben den Nah-
men eines guten Geiſtlichen; ſo zaͤume deine Zung von allem uͤberfluͤſſigen
Geſchwetz/ und ſeye verſichert/ daß der hochweiſe Appolonius, da er gefragt
worden/ welche die beſte Leuth ſeyen/ den Nagel recht auff den Kopff ge-
ſchlagen; indem er geantwortet/ daß die jenige die beſte ſeyen/ welche gar we-
nig reden: her gegen ſeynd dieſe allen (wie die taͤgliche Erfahrnuͤß lehret) und
ſonderbahr den Verſtaͤndigen ſehr unangenehm und uͤberlaͤſtig; ſo dalange
P. Franc.
à S. Ma-
ria in
Hiſt.
Carm.
tom. 3. l.
2. c. 17.
Hiſtoria.eitele und nichtswerthige Reden außgieſſen. Wie groſſen Verdruß und
Mißfallen aber GOTT und deſſen Heilige auß ſolchem Plaudern
ſchoͤpffen/ ſoll dir folgende Geſchicht entdecken. Nachdem in Hiſpanien
in dem Jungfrawen Cloſter der Diſcalceaten/ die Ehrwuͤrdige Schweſter
Anna à Jeſu mit Todt abgangen; und die uͤbrige Schweſtern derſelben
Leib zu waſchen und zu kleiden beſchaͤfftiget geweſen; haben ſie in aller
Stille miteinander geredet/ und nicht beobachtet/ daß zur ſelben Zeit das
Reden verbotten ſeye: derowegen hat die vor ihren Augen liegende Todte
alsbald einen Finger auff den Mund gehalten/ und ſie dergeſtalt ihrer
Schuldigkeit erinnert; und durch das Widerholen dieſer ſtummen Er-
mahnung gnugſamb zu erkennen gegeben/ wie hoch die Tugend deß Still-
ſchweigens zu ſchaͤtzen/ und das Laſter deß Geſchwetz zu flichen ſeye. Wann
nun ſo wenige/ und zwar in der Stille/ aber ohne Noth geredete Wort
dem lieben GOTT alſo mißfallen haben/ daß er mit einem friſchen Mi-
racul dieſe geſchwetzige Waſcherinnen durch ihre verſtorbene Mitt- Schwe-
ſter hat warnen laſſen: Was wird doch/ umb GOTTES willen/ den
jenigen widerfahren/ ſo da nicht allein mit ſtillen und unnoͤthigen Worten
das
[219]Von dem unnoͤthigen Geſchwetz.
das Gebott deß Stillſchweigens uͤbertretten; ſondern doͤrffen auch mit
Schertz- und Lach-Reden/ mit boͤſen und ſchaͤdlichen Worten dieſe GOtt
gefaͤllige Tugend verſpotten? Auffs wenigſt wird ihnen die obangerechte
Armut der Gnade GOTTES uͤber den Halß kommen; nach dieſer die
Verwirrung im Boͤſen/ und endlich die ewige Verdamnuͤß. Derhalben ſeye
du gewarnet/ mein Chriſtliche Seel/ und huͤte dich fuͤr eitelem und muͤſſigen
Reden; was deinen Stand und Beruff nicht angehet/ das fliehe wie die
Peſt/ und verſichere dich/ daß der gerechte GOTT wegen der muͤſſigen und
unnuͤtzlichen Wort von einem Geiſtlichen viel ſcharffere Rechnung als von
andern fordern werde. Jch bin immittelſt der Meinung/ daß viele ſeyen/ ſo
ſich gaͤntzlich embilden/ als ſtellete ſich nur dieſer Art der geſchwetzigen Men-
ſchen in Gefahr deß Goͤttlichen Zorns/ ſo nemblich unkeuſche/ fluchende/
zoͤrnige/ und chrruͤhriſche Wort außgieſſen. Dieß iſt aber weit gefehlet; und
iſt das groſſe Kirchen-Liecht Ambroſius einer gantz andern Meinung/ und
ſagt alſo: Der Todt gehet hinein durch deine Thůr/ wannL. 1. de
Virg.
du Lügen redeſt/ wann du unkeuſche Wort redeſt/ wann du
willmůthige Keden fůhreſt; und endlich auch/ wann du
redeſt/ da ſichs nicht gezimbt zu reden: Alsdan aber gezimbt es
ſich nicht zu reden/ wann man weiß/ daß die jenige Reden/ ſo man plaudern
will/ unnoͤthig/ unnuͤtzlich und muͤſſig ſeyn: und damit du nicht vermeineſt/
daß dieſer Spruch deß obgemeldten Heil. Vatters bloß von mir herkomme;
als fuͤge ich dir deſſelben außtruͤckliche Wort auch in der lateiniſchen
Sprach anbey: Ingreditur mors per oſtium tuum, ſi falſa loquaris, ſi tur-
piter, ſi procaciter, poſtremò, ſi ubi non oportet, loquaris: Siehe nun/ daß
auch vermittelſt der unnoͤthigen Wort/ der ewige Todt deiner Seelen zuſetze;
nicht eben wegen ſolcher unnuͤtzlichen Reden; ſondern weil du dir durch ſelbige
den Weg zum groͤſſern Verderben fein gemaͤchlich bereiteſt/ wie man/ lei-
der Gottes/ auß der taͤglichen Erfahrnuͤß lernet/ daß der meiſte theil der Men-
ſchen nicht urploͤtzlich/ ſondern allgemach in den Abgrund der Suͤnden ſteige.
4. Dieſes waͤre vielleicht der H. und Jungfraͤwlichen Mutter ThereſiæRibe[r]a
in Vit.
Hiſtoria.
begegnet/ wan derſelben nicht ihr himmliſcher Braͤutigam waͤre vorkommen:
zumahlen dieſe Heil. Jungfraw zum Anfang deß geiſtlichen Lebens/ mit den
weltlichen Lauthen gern zu ſchaffen gehabt; und nachdem ſie ſich einsmahls
mit denſelben in einige zu ihrem Stand ungehoͤrige Reden eingelaſſen/ iſt ihr
vor dem Spraͤch- Hauß/ der gantz jaͤmmerlich verwundete/ und mit friſchem
Blut beſprengte CHRJSTUS erſchienen/ und geſagt: O mein
liebe Tochter Thereſia, du haſt mich mit deinen weltlichen Geſpraͤgen
alſo verwundet. Auff dieſe klaͤgliche Wort iſt die Jungfraw voller Forche
E e 2und
[220]Die Achtzehende Geiſtliche Lection
und Schrecken zu ihres Geliebten Fuͤſſen nieder gefallen/ und hat umb Ver-
gebung gebetten: derhalben ſie von ſothaner Zeit an/ die unnoͤthige Reden
L 2. Jeſin
c. 3. [...] 23.mehr/ dann die gifftige Peſt gemeidet hat. Jmgleichen bezeugt von ſich ſelb-
ſten die H. Jungfraw Gertrudis/ daß ihro in acht jaͤhriger Zeit die Gegen-
wart CHriſti niemahlen ſeye entzogen geweſen; vorbehalten eilff Tage/ an
denen ſie wegen eines gefuͤhrten weltlichen Diſcurs derſelben beraubt gewe-
ſen.
5. Damit du aber ſieheſt/ mein Chriſtliche Seel/ welcher Geſtalt ſolche ge-
ſchwaͤtzige Aetzel von einer Suͤnde in die andere fallen; ſo muſt du geſtehen/ daß
es die Suͤnd der muͤſſigen Wort ſeye/ welche Chriſtus am Tag deß Gerichts
Matt. 12.
v. 36.zu ſtraffen getrewet mit dieſen Worten: Jch ſage euch aber/ daß die
Menſchen von einem jeglichen unnůtzlichen Wort/ daß ſie
geredet haben/ am Tag deß Gerichts werden Rechnung
geben můſſen: Dieſer Suͤnde folget auff den Fueß nach das Murme-
L. 1. c. 10.len gegen GOtt und die Menſchen; weilen/ nach Zeugnuͤß deß geiſtreichen
Thomæ à Kempis den Menſchen offt geluͤſtet zu reden von den Dingen/
die wider ihn ſeynd; und daß er ſuche durch das zuſammen Reden/ von andern
getroͤſtet zu werden: das Murmelen und Klagen uͤber andere ziehet alsbald
nach ſich die ſchaͤndliche Suͤnd der Verleumbdung oder Ehrabſchneidung;
zumahlen wir taͤglich vor unſern Augen ſehen und hoͤren/ daß dieſem ſchaͤd-
lichen Laſter keine ſo ſehr unterworffen ſeyen/ als die Geſchwetzige; und daß
keine Materi den Geſpraͤchen ſo bequem falle/ als die Fehlar und Verbrechen
deß Nechſten: kaum hat der Geſchwetzige zu reden angefangen/ ſiehe/ da muß
zugleich dieſer oden jener herhalten; und weilen ſolche leichtredende Plaude-
rer gemeinlich in der wahren Demuth nicht gegruͤndet ſeynd/ ſo fallen ſie gar
gern auch in die Suͤnd der Ruhmredigkeit: ſolche und mehr andere Ubelen
verurſachet auff Erden daß allzuviele und unnoͤthige Schwetzen: was aber
ſelbiges in jener Welt dem Armen vor Nutzen ſchaffe; kanſt du auß beyge-
fuͤgter Hiſtorien zu deiner heylſamen Warnung abnehmen.
6. Jn der Lebens-Beſchreibung deß H. Abten Hugonis meldet Lauren-
Hiſtoria.tius Surius, daß der Ertz-Biſchoff Duranus den luͤſtigen und kurtzweiligen
Reden ſeye zugethan geweſen/ und dieſerthalben von dem H: Abt oͤffters er-
mahnet worden: da nun der gemeldte Ertz-Biſchoff geſtorben/ ſeye er dem
Segevvino einem groſſen Diener GOTTES in einer erſchroͤcklichen
Geſtalt mit zerriſſenen Lefftzen/ und abſchewlichen Mund erſchienen/ und
mit heulender Stimm gebetten/ er moͤchte doch von dem Abten Hugone
fußfaͤllig begchren; daß er ſeinen unter gebenen Geiſtlichen einige Geluͤbten/
Gebett
[221]Von dem unnuͤtzen Geſchwetz.
Gebett und heilige Meß-Opffer aufferlegte; damit er von ſeinen uner-
traͤglichen Schmertzen/ ſo er wegen der eitelen Wort verdienet/ dermahlen
eins erlediget werde. Darauffder H. Abt alsbald ſieben ſeiner Geiſtlichen
anbefohlen/ durch die genaue Stillſchweigung einer gantzen Wochen den
Ertz-Biſchoff ſeiner Tormenten zu befreyen. Dieweilen aber derſelben
einer die Stillſchweigung gebrochen; als iſt der offtgemeldte Biſchoff dem
erwehnten Segevvino abermahl erſchienen/ und bedeutet/ daß er wegen
mißhandlung eines/ deren ſieben ſchweigenden Geiſtlichen noch nicht von
ſeinen Qualen erloͤſet ſeye. Derhalben hat der H. Abt einen andern be-
hutſambern Geiſtlichen mit dieſem ſieben-taͤgigen Stillſchweigen belaͤſti-
get. Nach deſſen Verrichtung hat der Ertz- Biſchoff zum drittenmahl in
ſchoͤnem Ertz-Biſchofflichen Habit ſich ſehen laſſen/ fuͤr die geleiſtete Wol-
thaten gedancket/ und iſt verſchwunden. Weiters hoͤre/ mein Chriſtliche
Seel/ was zweyen Ordens-Leuthen deß H. Franeiſei/ wegen muͤſſiger Re-
den widerfahren ſeye.
7. Da der Ehr-wuͤrdige P. Antonius de Monte einsmahls bey naͤcht-Hiſtoria.
Bouer. in
Ann. Ca-
puc. A.
1564.
licher Ruhe nicht hat ſchlaffen koͤnnen; iſt er/ umb Licht auß der Kuchen
zu holen/ auffgeſtanden; und/ ſiehe/ auff halbem Weeg nimbt er war/ daß
ein groſſes Feuer auß ſelbiger Kuchen herauß ſchlage; dar auff dann der ge-
meldte Pater hefftig erſchrecket/ wird aber von einem grauſamen ſchwartz-
farbigen Mohr angeredet/ er ſolle ſich nicht foͤrchten; dieſer nimbt ihn auch
bey der Hand und fuͤhret ihn zur Kuͤchen hinein; allwo die zwey letzt-verſtor-
bene Geiſtliche an einem Spiß/ bey einem ſehr hitzigen Feur/ von dem
grimmigſten Schwartz-Brenner gantz jaͤmmerlich gebratten werden: die
er dann beyde leichtlich erkenuet/ und gefragt/ ob ſie ewiglich verdambt
ſeyen/ oder nur zeitlich? Wir ſeynd nicht ewiglig verdammet/ geben dieſe
Brath-Voͤgel zur Antwort; ſondern wir werden auß gerechtem Urtheil
GOttes/ derhalben mit dieſer zeitlichen Straff ſo erſchrecklicher Weiß
hergenommen; dieweilen wir/ umb uns am Feuer zu erwarmen/ daſelbſt
viele muͤſſige/ unnoͤthige und zur Zeit auch urtheiliſche und klagende Wort
geredet haben; und nach dieſem ſeynd ſie mit ihren Braden-Wendern ver-
ſchwunden. Nicht weniger hat auch der Ehr- wuͤrdige P. Silvius/ deſſel-Idem
ibid.
Hiſtoria.
ben Ordens- Prieſter/ gehoͤret/ da er vor der Metten im Chor gebetten/ daß
das Kirch-Thor urploͤtzlich mit groſſem und ungeſtuͤmmem Knall zerſchla-
gen worden. Nach dieſem laſſet ſich in Mitten der Kirchen/ und bald
darauff vor dem hohen Altar ein Getuͤmmel hoͤren; woruͤber der Geiſtliche
ſich zwarn entſetzet/ erkuͤhnet ſich dennoch der Sachen außgang zu erwarten:
E e 3hieruͤber
[222]Die Achtzehende Geiſtliche Lection
hieruͤber kombt ihm zu Ohren die Stimm eines bitterlich weinenden und
ſeuffzenden Menſchen/ ſo annebens mit dieſen jaͤmmerlichen Klag-Reden
loßgebrochen: O Wehe/ O wehe mir armen Seelen! ach was Schmer-
tzen/ ach was bittere Tormenten leyde ich! O mein gerechter Richter/
wann wirſtu doch dieſer ſo unertraͤglichen und Hertz-brennenden Peinen
dermahlen eins ein End machen! Ach meine Bruͤder/ ach meine Bruͤder/
ach moͤgte euch zugelaſſen werden zu wiſſen/ was grauſame Qualen ich
ausſtche/ O Bruͤder mein! und zugleich hat dieſe Stimm den P. Silvium
angeredet/ und geſagt: komme herbey mein lieber Silvius/ komme herbey/
und fuͤrchte dich nicht: ich bin die Seel deines neulich geſtorbenen Bru-
ders in Chriſto/ der mich hiehin geſendet hat. Silvius trettet hinzu/ und
ſichet nichts/ als einen Schatten zur Seiten deß Evangelii. Die Seel
aber beklagt ſich gantz erbaͤrmlich/ daß ſie wegen der Suͤnden der Zungen
unglaubliche Peynen leyde; dahero ſelbige den P. Silvium umb dreyſſig
H. H. Meſſen erſucht hat/ und iſt alsbald verſchwunden.
8. O wie viele andere haben deß unbehutſamen Redens halber dergleichen
klaͤgliche Zeugnuß abgelegt! die wir zu Verhuͤtung der verdrießlichen
Weitlaͤuffigkeit allhier vorbeygehen/ und nur die eintzige heilige und ſorg-
Ribera
in vit. L.
5. c. 4.faͤltige Mutter Thereſiam dir vor Augen ſtellen; deren zaͤrtliche Erbar-
mungs-Neigung gegen ihre Tochter in Chriſto ſich dermaſſen erſtrecket/
daß ſie nicht allein in ihren Lebzeiten dieſelbige deß Stillſchweigns unauff-
hoͤrlich erinneret/ ſondern auch nach ihrem Gottſeeligen Hintrit/ und nun-
mehr der himmliſchen Freuden theilhafftig/ die geiſtliche Schweſtern/ da
ſie zu verbottener Zeit geredet/ vermittelſt dreyer Schlaͤgen auff das Thor
ermahnet/ und zu ſchweigen befohlen hat; villeicht derhalben/ damit ſie die
ſchwaͤhre Straffen deß unnoͤthigen und verbottenen Geſchwaͤtzes ſich nit
uͤber den Hals legen moͤgten. Jch ſage/ ſchwaͤre Straffen; dieweilen
nach Zeugnuß deß H. Bernardi/ Boſſen unter den weltlichen Boſſen
ſeynd; im Munde aber eines Prieſters (und warumb auch nicht einer
GOtt- verlobten Perſon?) ſeynd ſie Laͤſterungen. Du haſt/ ſagt er/
deinen Mund gewidmet dem Evangelio/ derentwegen dir nicht zulaͤſſig iſt/
denſelben auffzuſperren dem unnuͤtzigen Plauderen; vielweniger magſtu/
nicht ohne Suͤnd der Gottslaͤſterung/ auß dieſem Ubel eine Gewonheit
machen. Ein ſehr heiliger und GOtt-gefaͤlliger Mann/ Nahmens Se-
Genn. ad
de Viris
Illuſt c. 19verus Sulpitius wird in ſeinem hohen Alter von den boͤſen Kaͤtzeren verlei-
tet; bald aber widerumb zum wahren Glauben gebracht; und da er ver-
mercket
[223]Von dem unnoͤthigen Geſchwetz.
mercket/ daß die Schuld ſolcher Verkchrung das uͤberfluͤſſige Geſchwaͤtz
geweſen; hat er biß zum End ſeines Lebens kein Wort geredet/ auff daß
er die Suͤnde/ darin er durchs reden gefallen ware/ mit dem Stillſchwei-
gen gaͤntzlich vernichtigen moͤgte. Die H. Clara de Monte Falco hat
mit ihrer leiblichen Mutter zu verbottener Zeit einige Wort geredet; der-
halben ſie zur Straff deß begangenen Fehlers/ mit bloſſen Fuͤſſen im Snee
ſo lang herumb gegangen biß ſie das Heil. Vatter Unſer hundertmal gebet-
tet hat.
9. Wie manchem hat es mit dem Arſenio gereuet/ daß er jemahln geredet;
und hergegen wenn hats doch immer gereuet/ daß er geſchwiegen hat? der-
halben ſchweige/ mein Chriſtliche Seel/ wann du nicht wilſt fallen in die
Suͤnden der zaumloſen Zungen; ſchweige/ wann du den grauſamen Peynen
der kuͤnfftigen Abſtraffung zu entgehen verlangeſt: umbguͤrte deinen Mund
mit einem haͤrenen Band; aber mit ſolchem Band/ welchen ein ſicherer
Geiſtliche einem Juͤngling/ ſo ein haͤrenes Kleyd begehrte/ zu tragen gera-
then; daß er nemblich an ſtatt deß Cilicii gute Achtung haben ſolte/ damit
durch die Thuͤre deß Munds nichts boͤſes hinauß fliehe. Lerne du ver-
nuͤnfftiger Menſch das Schweigen von den unvernuͤnfftigen Thieren:
lerne von Kreyen/ wie ſelbige/ ehe ſie den Stiernberg vorbey fliegen/ nach
Zeugnuß deß Plutarchi/ alle ein Steinlein in den Schnabel nehmen/ damit ſieDe ſo-
lert. Ani-
mal.
durch ihr Geſchrey/ denen daſelbſt wohnenden Adlern nicht verrathen/ und
von ihnen verfolget werden. Nehme du gleich dieſen Voͤgelen den Stein
deß Stillſchweigens in deinen Mund/ und lege deiner geſchwaͤtzigen Zun-
gen ein Gebiß ein/ damit deine Fehler dem hoͤlliſchen Raub-Vogel nicht
kundbar werden/ und alſo moͤgeſt den Berg dieſes elenden Jammerth als
vorbey/ zu der ewig-waͤhrenden Seeligkeit in aller Sicherheit
hinauff fliehen.
Die
[224]Lection
Die Neunzehende Geiſtliche
LECTION
Von dem
Geiſtlichen Geſpraͤch.
v 20.
in medio illorum ero.’
nen Nahmen/ daſelbſt bin ich mitten unter ihnen.’
Der Erſte Theil.
1. BJßhero haben wir uns unterſtanden mit vernuͤnfftigen Reden dar-
zu thuen/ wie einem Liebhaber der Tugenden die Stillſchweigung
unſtraͤfflich zu halten ſo noͤthig; und hergegen die Ubertrettung
derſelben dem Menſchen ſo ſchaͤdlich ſeye. Damit aber/ mein Chriſtliche
Seel/ in dem du auff ſolchem dir vor Angen geſtelten Weeg/ von der lincken
Seiten entweichen wolleſt/ nicht etwan dich zu viel auff die rechten Seiten
ſchlageſt; ſondern die Richtigkeit halteſt: das iſt/ indem du die muͤſſige
Wort zu meiden dich befleiſſeft/ die nothwendige unterlaſſeſt; derhalben hab
ich dich erinnern wollen/ daß dieſe Tugend deß Stillſchweigens anderen
Tugenden gemaͤß/ in der Mitten beſtehe; alſo/ daß die jenige Wort/ ſo
das Heyl deß Naͤchſten befoͤrdern koͤnnen/ nicht verſchwiegen; und allein
die muͤſſige und nichtsnutzige muͤſſen unterlaſſen werden: dahero ſagt der
Eccl. 3. v.
7.H. Geiſt: Es iſt die Zeit zu ſchweigen/ und iſt die Zeit
zu reden. Und der Koͤnigliche Prophet bittet GOTT auff folgende
Pſ. 140.
v. 3.Weiß: Setze/ O HErr/ eine Hute umb meinen Mund/
und eine Thůr an meine Lippen rings herumb. Nicht hat
dieſer fromme Koͤnig; wie der H. Gregorius mercket/ von GOtt begeh-
ret/
[225]Von dem geiſtlichen Geſpraͤch.
ret/ daß ſein Mund mit einer Mauren/ ſondern mit einer Thuͤren verſehen3. P. Pa-
ſtorali.
Adm. 15.
wuͤrde/ die man auff- und zuſchlieſſen kan: worauß wir dann mit aller Be-
hutſamkeit zu lehrnen haben/ daß die Rede den Mund zu gelegener Zeit er-
offnen/ und die geziemende Verſchwiegenheit denſelben verſchlieſſen ſolle:
zumahlen wir nach Zeugnuͤß deß H. Ambroſii, wegen deß muͤſſigen Still-L. 1. offic
c 3.
ſchweigens eben ſo wohl/ als der muͤſſigen Reden werden zu Gericht gefor-
dert werden. So beſtehet dann/ ſagt der ſeelige Laurentius Juſtin anus, dieDe Per-
fect. con-
verſ.
Monaſt.
c. 15.
Tugend deß Stillſchweigens nicht darinn/ daß man allezeit ſchweige; ſon-
dern/ daß man das jenige nicht rede/ was zu reden verbotten iſt. Viele aber
ſuͤndigen auß Unwiſſenheit wider dieſe Regul der Beſcheidenheit/ weil ſie un-
terlaſſen das jenige andern vorzutragen/ durch welches ſie denſelben nutzen
koͤnten: dieſe richtige Bahn deß Stillſchweigens hat der Prophet uns gnug-
ſamb gezeiget/ da er alſo geſprochen: Jch hab geſagt/ meine WeegPſ. 38. v. 1.
willich bewahren/ damit ich nicht ſůndige mit meiner Zun-
gen: Nicht ſagt er/ damit ich ſchweige; ſondern damit ich nicht ſuͤndige: da-
hero ſagt der weiſe Mann: Ein weiſer Menſch wird ſchweigenEccl. 20.
v. 7.
biß zu ſeiner Zeit: Das iſt/ ſo lang/ biß daß Reden beſſer iſt/ als daß
Schweigen: und dieſes erweiſet uns der tieffſinnige Plato mit dieſer holdſe-
ligen Gleichnuͤß: wir ſchiffen/ ſagt er/ und in dieſer unſerer Schiffahrt ſpan-Ad The-
ophan.
nen wir bißweilen die Segel auß/ damit das Schiff deſto geſchwinder fort-
fahre; bißweilen halten wir ſelbiges auch/ wermittelſt der Anckern auff/ und
bringen es zum Stand: Eben alſo muß die Zung beherſchet/ und zu Zeiten
durch die Wort außgeſpreitet/ zu Zeiten aber auch durch das Schweigen ge-
hemmet werden Mit noch beſſerer Gleichnuͤß hats getroffen die H. Schrifft/
da ſie alſo redet: Wer ein Wort zu ſeiner Zeit redet/ daß iſt wieProv. 25.
v. 11.
gůldene Aepffel auff ſilberen Betten. Jn dem Goldſchmieds La-
den ſiehet man mit ſonderbahrem Luſt und Augen-Weyde/ wie die Perlen
an die ſeidene Better mit gar zierlicher Ordnung und ſchoͤner Proportion
gehaͤfftet ſeynd: ſolcher Geſtalt iſt dieſes ein Zeichen der Weißheit und Be-
ſcheidenheit/ wann nemblich der Menſch zu bequemlicher Zeit und behoͤri-
gem Orth allein redet: alsdan koͤnnen wir uns Hoffnung machen/ daß
wir mit der Zungen nicht anſtoſſen werden/ wann wir nach dem Rath deß
Heil. Chryſo ſtomi/ dieſelbige durch die Vernunfft/ als durch einen Schluͤſ-In Pſ.
140.
ſel regiren/ welcher nicht allein das Verſchloſſene auffſperret/ ſondern zum
ſchlieſſen dienen kan.
2. So iſt dann außgemacht/ daß auch einige Zeit ſeye/ da es zum Reden
erlaubt iſt: nicht aber iſt erlaubt/ ſonderbahr uns Geiſtlichen/ auch zu ſolcher
F fZeit
[226]Die Neunzehende Geiſtliche Lection
Zeit von denen weltlichen Haͤndeln und irrdiſchen Geſchaͤfften/ viel weniger
von eitelen Boſſen und Zotten zu reden/ und andere zum uͤberfluͤſſigen La-
In Conſt.
mor c. 13.chen durch unſere Außgelaſſenheit zu bewegen; krafft deren wir/ nach Zeug-
nuͤß deß heiligen Baſilii, allen Geſchmack und Luſt zu den geiſtlichen Dingen
verlichren/ unſere Andacht ſchwaͤchen/ alle hertzliche Berewung der Suͤnden
zumahlen erloͤſchen/ denen ſo Welt- als Geiſtlichen zuhoͤreren ein boͤſes Ex-
empel geben; und uns ſelbſten hierdurch zum beſten bekendt machen/ wer
wir ſeyen: dann/ weilen die Reden von den Gedancken und Sitten herflieſ-
ſen; kans nicht geſchehen/ ſagt der heilige Clemens Alex. daß einige laͤcher-
liche Wort geredet werden/ die nicht von laͤcherlichen und leichtfertigen
L 2. de
Pædago.
c. 5.
L. 1. de
An.Sitten herkommen: Vnd ein eitele Red/ ſagt der geiſtreiche Hugo,
iſt eine Zeigerin deß eitelen Gewiſſens: die Zung bringt
hervor/ was bey den Menſchen verborgen geweſen; wie
die Red iſt/ alſo iſt auch beſchaffen das Hertz; weilen
auß dem Vberfluß deſſelben/ der Mund zu reden loß-
bricht.
3. Dieſerthalben hat der H. Ignatius Lojola die Geiſtliche und andaͤchtige
Geſpraͤch unter die fuͤrnembſte Mittel gezehlet; wordurch dem Nechſten am
beſten kan geholffen werden; und ſelbige hat dieſer heilige Mann allen ſeinen
Nachkoͤmmlingen/ ſo gar auch den Ley-Bruͤderen ſeiner lobwuͤrdigen Ge-
ſellſchafft ſehr ernſtlich anbefohlen; weilen durch ſolche geiſtreiche Re-
den die Weltliche aufferbawet werden; und von den Geiſtlichen eine gu-
te Meinung zu haben Urſach ſchoͤpffen. O wie klaͤglich und uͤbel handlen die
jenige Geiſtliche/ ſo dieſem wohlmeinenden Rath zu wider/ vermit-
telſt ihrer ungezimmenden und eitelen Geſpraͤchen/ den ruͤhmlichen und
chrbaren Nahmen anderer dero gottſeeligen Mit-Bruͤdern in CHriſto
verleumbden/ und denen Weltlichen gleichſamb kund machen/ daß ihre
Cloͤſterliche Converſation nicht im Himmel (wie ſie ſeyn ſolte) ſondern
auff Erden/ und mitten in den irrdiſchen Haͤndelen ſeye [;] derhalben ſich
CHRJSTUS bey einem ſeiner trewen Diener/ nach Auſſag deß
frommen Tauleri, beklagt hat/ daß vieler Geiſtlichen Rede/ nicht
von ihnen/ ſondern von unnuͤtzlichen/ uͤppigen und nichtswerthigen
Dingen gefuͤhret werden: der doch unſer Haubt/ und Vorbild alles
guten iſt; deſſen Wort und Wercke in den Gebotten GOTTES
immer und allzeit beſtanden. Dieſen laſſen wir fahren/ die Geiſtliche
und aufferbaͤwliche Geſpraͤch werden verabſaumet/ und durch die un-
gereimbte und aͤrgerliche Diſcurſen machen wir Frend und Wohne dem
hoͤlliſchen
[227]Von dem geiſtlichen Geſpraͤch.
hoͤlliſchen Sathan; auch ſo gar zeigen wir eine ſo kalte Neigung und Luſt
zu den geiſtlichen Geſpraͤchen/ daß uns in Anhoͤrung derſelben vielmahl die
Augen zugehen/ die jedoch zu den eitelen und kurtzweiligen Schertz-Reden
und Kinder-Poſſen bald wiederumb eroͤffnet und munter werden: dar auß
dann gnugſamb abzunehmen iſt/ ob uns GOTT oder deſſen geſchworner
Feind am liebſten ſeye. Du aber/ mein Chriſtliche Seel/ ſolſt mit obgedach-
tem Heil. Mann den jenigen/ den du uͤber alles zu lieben ſchuldig biſt/ eyff-
ferigſt erſuchen/ auff daß er dir allen Luſt zu denen ihme mißfaͤlligen muͤſſi-
gen Worten entziehe/ und hergegen dir ſeine goͤttliche Gnad verleyhe/ damit
du in aller vorfallenden Converſation von keinem lieber/ als von ihme und
ſeinen Außerwaͤhlten/ auch ſeinen wunderbahrlichen Wercken/ und unend-
lichen Wohlthaten redeſt und reden hoͤreſt: Jn dieſer geiſtlichen UbungSurius in
vit.
ware der Heil. Thomas von Aquin dergeſtalt erfahren/ daß er in aller Ge-
ſellſchafft nur geiſtliche Geſpraͤch zu fuͤhren pflegte: dadurch er dann dieſen
groſſen Nutzen erhalten/ daß/ wann er ſchon nothwendiger Weiß mit welt-
lichen Geſchaͤfften umbzugehen hatte/ ſich dannoch alsbald ohne einige Muͤ-
he und verdrießlichkeit erhoben/ und den gewoͤhnlichen heiligen Ubungen der
Gebuͤhr nach obligen konte. Jmgleichen ſeynd der Heil. Catharinæ vonRodriq.
p. 2. tr. 2.
c. 13.
Senis die geiſtliche Geſpraͤch ſo angenehm geweſen/ daß ſie ohne groſſen
Verdruß nicht ſehen mochte/ wann nicht allein ein geiſtlicher/ ſondern auch
ein weltlicher Menſch den eitelen Geſchaͤfften der betrieglichen Welt ſich
mit allem Ernſt ergeben thaͤte.
4. Wann nun die Heilige GOttes ein ſolches abſchewen von den welt-
lichen und noͤthigen Reden empfunden; wie vermeinſt du/ daß deinem
lieben Gott deine muͤſſige/ ſottige und dir uͤbel anſtehende Diſcurſen mißfallen
werden? Wann/ ſage ich/ der Heil. Vatter und Kirchen-Lehrer Hierony-
mus wegen eyfferiger Uberleſung deß beruͤhmten und wohlredenden Cicero-
nis und anderer gelehrten weltlichen Scribenten vor das Gericht GOttes
citirt/ und daſelbſt geſtrafft worden; was wird denen nicht widerfahren/
ſo da lieber die Fabulen deß Æſopi und anderer liederliche Geſpraͤch/ als die
aufferbaͤwliche und GOTT gefaͤllige geiſtliche Reden anhoͤren/ und vor-
bringen. Hoͤre nun/ wie ſeine obgemeldte Beſtraffung und derſelben Urſach
der heilige Mann ſelbſt erzehle: nachdem ich/ ſagt er/ vor vielen Jahren mei-
ne Eltern/ Schweſter/ Verwandten/ alles Haab und Guet/ und (was noch
am ſchwaͤriſten iſt) eine gute Tafel umb GOttes willen verlaſſen/ und
nach Jeruſalem gezogen bin/ hab ich der jenigen Biblioteck/ ſo ich zu
Rom mit groſſem Fleiß zuſammen gebracht/ nicht entrathen koͤnnen; und
F f 2hab
[228]Die Neunzehende Geiſtliche Lection
hab alſo bey Uberleſung deß Weltberuͤhmbten heydniſchen Ciceronis gefaſ-
ſet. Nach oͤffterem Wachen gantzer Nachten/ nach Vergieſſung der Zaͤh-
ren uͤber meine begangene Suͤnden/ hab ich auch den weltlichen Scribenten
Plautum ergriffen/ und geleſen; dahero geſchehen iſt/ daß wegen der obge-
meldten Buͤcher zierlichen Wohlredenheit mir die Einfalt der Heil. Schrifft
zumahlen mißfallen hat: und weilen ich mit verblendeten Augen das Liecht
nicht geſehen/ hab ich die Schuld nicht den Augen/ ſondern der Sonnen
zugemeſſen. Weilen mich nun die boͤſe Schlang in ſothanem Jrthumb
verwickelt hatte/ iſt mein außgemergelter Leib mit einem Fieber dermaſſen
behafftet worden/ daß auſſer Haut und Bein bey mir wenig uͤbrig verblieben:
und ſiehe/ da nun von meinem Leben jederman verzweifflet/ und man von
der Begraͤbnuß zu handlen ſchon angefangen/ bin ich eilends zu dem Rich-
ter-Stuhl GOTTES im Geiſt gefordert worden/ woſelbſten ich
ab dem Liecht und herrlichen Glantz der umbſtehenden zu Bodem gefallen/
und in die Hoͤhe zu ſehen mich nicht unterſtehen doͤrffen: und da ich bin ge-
fragt worden/ weſſen Stands ich ſeye/ hab ich geantwortet/ daß ich ein
Chriſt ſeye: worauff mich der jenige/ ſo zu Gericht geſeſſen/ einer Luͤgen
beſtraffet/ und geſagt/ du biſt kein Chriſt/ ſondern ein Ciceronianer/ weilen
da dein Schatz iſt/ wo dein Hertz iſt: Jch aber bin alsbald erſtummet/ und
indem ich mit vielen Schlaͤgen ſcharff hergenommen worden/ hab ich ge-
ruffen: OHERR erbarme dich meiner/ erbarme dich mei-
ner! Weilen aber die umbſtehende den Richter fuͤr mich fuͤßfaͤllig gebet-
ten/ und ich zugleich auch meinen Fehler zu beſſeren verſprochen/ bin ich
entlaſſen worden/ und hab hierauff die Augen deß Leibs mit Verwunderung
der umbſtehenden eroͤffnet/ die dann mit ſo haͤuffigen Zaͤhren gefloſſen/ daß
auch ein jeder meine ab den Schlaͤgen empfangene Schmertzen gar leicht-
lich hat mercken koͤnnen. Hier auß hat dieſer groſſe Kirchen - Lehrer erlehr-
net/ die eitele Buͤcher fahren zu laſſen/ und mit groͤſſerem Eyffer und Luſt/
als vorhin geſchehen/ hinfuͤhro zu leſen. Sollen nicht auch die jenige/
denen in Erzehlung der irrdiſchen und eitelen Geſchichten; in naͤrriſchen
und nichts nuͤtzigen Schertz - Reden das Hertz auffgehet; bey dem ernſt-
lichen Richter hoͤren muͤſſen/ du liegeſt/ daß du ein Chriſt ſeyeſt; du
liegeſt/ daß duein Geiſtlicher ſeyeſt: du biſt mein Diener nicht/
ſondern ein Schlave und Leibeigener der Welt: Jſt nicht all-
da dein Schatz/ wo dein Hertz iſt? und iſt nicht daſelbſt
dein Hertz/ allwo deine Wort ſeynd? Weilen nun deine Geſpraͤch
von der Welt ſeynd/ und du denſelben mit Frewden zuhoͤreſt/
ſo
[229]Von dem geiſtlichen Geſpraͤch.
ſo muß ich ſchlieſſen/ daß du nicht Geiſtlich/ ſondern Weltlich ſeyeſt: dann
von dir und deines gleichen alſo geſchrieben ſtehet: Jene ſeynd von der1. Joan. 4.
Welt/ darumb reden ſie auch von der Welt/ und die
Welt hoͤret ſie. Derhalben ſolle ſich ein jeder befleiſſen/ in ſeiner
Einſambkeit ſolche Buͤcher zu leſen/ auß denen er bey ander er Geſellſchafft
Gott-gefaͤllige Geſpraͤch halten/ und deß groſſen Vortheils/ ſo wir in die-
ſem folgenden andern Theil anfuͤhren/ alhier zeitlich/ und nachmahln ewig-
lich genieſſen koͤnne.
Der Andere Theil.
1. EHe und bevor wir den Nutzen/ ſo auß den geiſtlichen Reden entſprieſ-
ſet/ dir vor Augen ſtellen; wollen wir erſtlich ſehen/ worinn dieſelbe
Reden meiſtens beſtehen. Jch finde aber/ daß zu dieſer GOtt-gefaͤl-
liger Ubung einige Vorbereitung/ und auch eine ſonderliche Obachtung
in dem Geſpraͤch ſelbſten erfordert werde. Und zwarn vor demſelbem iſt
noͤthig/ daß du die Huͤlff GOttes begehreſt/ damit du die Kraͤfften deß
Leibs und der Seelen durch das freund- und lieblithe Geſpraͤch alſo moͤgeſt
erquicken/ auff daß wir der Ruhe ſo wohl eines anderen/ als deines eigenen
Gewiſſens/ weder der gewoͤnlichen Brunſt der Andacht/ weder auch der ge-
buͤhrenden geiſtlichen Zucht der geringſte Schad moͤge zugefuͤgt werden.
Neben dieſem/ ſoll ein guter Geiſtlicher unter dem Geſpraͤch ſolche Reden
mit einfuͤhren/ welche/ ſo viel dero eigentliche Weſenheit/ dero Ziel und End/
und dero Weiß und Manier betrifft/ gut ſeynd. Solche werden aber nach
ihrer Weſenheit gut ſeyn/ wann ſie von guten oder Goͤttlichen/ oder auffs
wenigſt von keinen boͤſen Sachen geſchehen/ welche letztere doch alsdann
gut werden/ wann ſie zu einem guten Ziel und End auff die Bahn gebracht
werden; Dahero wohl zu beobacheen iſt/ daß nichts im Geſpraͤch geredet/
und nichts mit Gnuͤgen angehoͤrt werde/ dardurch die Ehr deß Naͤchſten/
auch von weitem geſchmaͤhlert/ oder die bruͤderliche Lieb verletzet werde: nie-
mand ſoll mit ſolchen Reden hervor kommen/ ſo etwan auch einen geringen
Geſchmack einer eitelen Ehr/ oder Beleidigung der Goͤttlichen Majeſtaͤt
verurſachen. Weiters/ wann du redeſt/ ſagt der H. Bernardus/ ſolſtuIn forma
honeſt.
vit.
wenig reden/ du ſolſt die Warheit reden/ und ſolſt dich befleiſſigen/ wichtige
Reden zu fuͤhren: und wann ein weltlicher Menſch mit dir redet/ und eitele
Dinge hervor bringt/ ſo verkuͤrtze du ſolche Red/ ſo viel dir moͤglich iſt/
und ſchreite zu einer anderen/ welche GOtt gefaͤlliger/ und deinem Stand
F f 3bequem-
[230]Die Neunzehende Geiſtliche Lection
quemlicher iſt Kein Wunder iſts/ daß der von der Erden rede/ ſo vonder Er-
den iſt: hergegen iſt dieſes zu verwunderen/ das die jenige/ welche fuͤr him̃liſche
Menſchen ſich außgeben/ von dem Himmel nicht reden/ und die irdiſche
Geſpraͤch der Erden fahren laſſen; dieweilen auß Uberfluß deß Hertzens
der Mund redet. Gleich wie nun die Weltliche Leuth gar leichtlich gnug-
ſame Materi ihre Diſcurſen auch biß auff einige Stunden zu verlaͤngern
finden; alſo ſoll ſich ein Geiſtlicher auch bemuͤhen/ auß der jenigen Handel-
ſchafft/ die er mit GOtt und den himmliſchen Kauffleuten taͤglich treibet/
bey allen Zuſammenkunfften aufferbaulich zu reden.
6. So viel aber das Ziel und End belanget/ werden unſere Geſpraͤch
gut ſeyn/ wann wir von Anfang derſelben immer bey der gefaſten Meinung
und Vorhaben verbleiben/ nichts zu reden/ dardurch wir unſern Ruhm
und eigenes Lob bey andern ſuchen/ oder unſern Neben-Menſchen in unſerm
Hertzen verachten/ oder denſelben mit Stichreden oder ſonſten beleydigen
moͤgen: und wann wir zu mehrer Sicherheit unter dem Geſpraͤch die ge-
machte Jntention erneueren/ alles auß redlichem und auffrichtigem Ge-
muͤth zur Ehren GOTTES und zum Heyl deß Naͤchſten ohne den ge-
ringſten Betrug und Argliſt zu reden. Endlich ſeynd auch die Geſpraͤch
gut ſo viel die Weiß und Manier derſelben angehet/ wann man das Hertz in
Gegenwart anderer nicht gar zumahlen außgieſſet/ ſondern ſich bißweilen
ſuͤſſiglich und beſcheidentlich erholet/ und auß deren vorgefallenrn Reden/
mit bloſſem Seufftzer zu GOtt einige Lieb zu dieſer oder jener Tugend
in ſich erwecket: auch wann man die unordentliche Alterationen oder Be-
wegungen deß Gemuͤts/ als nemblich den Zorn/ die Ungedult/ die Hoffart/
die Mißgunſt/ das freventliche Urtheil/ und dergleichen Auffruhr deß Her-
tzens alsbald vernichtiget. Auch weiters ſoll man ſich unterſtehen/ alle
Bruͤder und Schweſter/ und fort ſaͤmbtliche Chriſt-Glaubige/ als liebe
Kinder GOttes/ als Bruͤder und Schweſter Chriſti/ als Wohnungen
deß heiligen Geiſtes/ und wahre Ebenbilder der Allerheiligſten Drey-
faltigkeit umb GOTTES Willen zu lieben/ derſelben Buͤrde ge-
dultiglich zu tragen/ ihre Fehler zu entſchuldigen/ und alle ihre Wort und
Wercke zum Beſten außzudeuten. Wiederumb ſoll ein Geiſtlicher ſehr
behutſamb ſeyn/ daß er nicht allein keine naͤrriſche und eitele Sotten her-
vorbringe; ſondern auch ohne oͤffteres und leichtfertiges Gelaͤchter und un-
gebuͤhrliches Schreyen und ruffen/ und unmannirlichen Gebaͤrden deß
Leibs
[231]Von dem geiſtlichen Geſpraͤch.
Leibs dem Geſpraͤch beywohne. Nach vollendetem Geſpraͤch ſoll er ſein
Gewiſſen erforſchen/ ob er dieſe vorgeſetzte Stuͤck beobachtet habe/ oder
nicht: und er wird finden/ daß er demſelben gebuͤhrend nachgelebt habe; ſo
iſt er fuͤr ſolche ihm verliehene Gnad ſeinem GOtt und HErrn zu dancken
verpflichtet: hat ſich aber das Widerſpiel zugetragen; ſo ſoll er mit gezim-
mender Reu und Leyd uͤber ſolche begangene Fehler/ einen ſtarcken Vorſatz
machen/ hinfuͤhro behutſamer zu reden/ und zu ſolchem Ende die Huͤlff deß
Allerhoͤchſten begehren.
7. Ob nun zwarn die uͤbergroß- und haͤuffige Fruͤchken/ ſo auß der ge-
nauen Beobachtung dieſer angezogenen Regulen erwachſen/ kaum zu be-
ſchreiben ſeynd; ſo wollen wir doch deren einige in folgenden Worten anzie-
hen; dieſes aber vorhero ins gemein verſicheren/ daß der jenige/ der ſich
vorbeſagter Maſſen in den vorfallenden Geſpraͤchen verhalten wird/ gar
leicht und zeitlich zur gewuͤnſchten Vollkommenheit gelangen werde. Ders
nicht glauben will/ der kans probiren. Annebens auch gewiß iſt was der
heilige Chryſoſtomus ſagt/ daß/ gleich wie ein guter appetit zum eſſen/ einHom. 14.
in Gen.
Hom. 8.
de Anna
\& Samu-
ele.
Zeichen der Geſundheit iſt; alſo eine Begierd und Liebe zu den geiſtlichen
Geſpraͤchen/ gleichſam die groͤſte Zeigerinnen ſeyen der Seelen-Geſund-
heit. Und wiederumb; gleich wie ein Baum durch oͤffteres Begieſſen zu
einer anſehnlichen Hoͤhe erwachſet/ alſo muß auch den Gipffel der Tugend
erreichen/ welcher mit der Lehr der Goͤttlichen Reden immer benetzet wird.
Derhalben haben ſich in dieſen geiſtlichen Geſpraͤchen die meiſte Liebhaber
der Vollkommenheit ſtets geuͤbet. Wie ſehr auch dieſe Geſpraͤch dem lie-
ben GOTT gefallen/ hat er mit vielen Wunder-Zeichen zu erkennen ge-
ben. Deren wir eins von dem H. Benedicto und Scholaſtica allhier er-
zehlen. Es pflegte dieſe H. Jungfrau ihren Bruder den H. Benedictum
[jaͤhrlichs] einmahl zu beſuchen; da ſie nun dermahln eins zu gemeldtem H.
Mann kame/ gienge ſelbiger mit einiger ſeiner Geiſtlichen ſeiner Schwe-
ſter vor das Kloſter entgegen/ und nachdem er ſie in ein beygelegenes Hauß
gefuͤhret/ brachten ſelbige den Tag mit Geiſt-reichen Unterredungen biß
zum Abend zu/ und da der H. Benedictus ſich beurlauben wolte/ bettete ihn
die Scholaſtica/ er moͤgte doch die Nacht uͤber bey ihr verbleiben/ und ſelbi-
ge mit weitern geiſtlichen Geſpraͤchen zuzubringen. Er aber/ in dem ſich
laͤnger nicht wolte auffhalten laſſen/ magte ſich Weg-fertigzund Scholaſtica
legte vor Traurigkeit ihr Haupt in den Schoß/ und flenge mit vielen Zaͤhren
an Gott inbruͤnſtig zu bitten/ daß er ihren Bruder bey ihr die Nacht uͤberlaſſen
wol-
[232]Die Achtzehende Geiſtliche Lection
wolte. Und ſiehe/ ehe dieſe H. Jungfrau gebetten/ ware der Himmel gantz
hell und ſchoͤn; nach geſchehenem Gebett aber erhebt ſich ein ſo urploͤtzliches
und erſchreckliches Ungewetter mit Donnern und Blitzen/ das weder der H.
Benedictus/ weder ſeine Geſellen einen Fuß auſſer dem Hauß zu ſetzen wer-
moͤget. Nachdem nun der Heil. Mann gleich vermercket/ daß auff ſeiner
Schweſter Gebett dieſes ungeſtuͤmme Wetter ſo unvermuthlich eingefallen/
beklagte er ſich dieſerthalben bey derſelben alsbald mit aller Hoͤfflig- und
Freundligkeit/ und ſagte: der allmaͤchtige GOtt verzeyhe dir ſolches/ mei-
ne Schweſter/ was haſtu gethan? Sie aber gabe zur Antwort: Jch
hab dich gebetten/ Bruder/ und du haſt mich nicht wollen erhoͤren; nun
hab ich GOtt gebetten/ und der hat mich erhoͤret. Nun gehe du wiederum
nach deinem Kloſter/ wann du kanſt. Alſo haben dieſe beyde Heilige die
Nachtin geiſtlichen Geſpraͤchen zugebracht/ und ein jeder iſt mit anbrechen-
dem Tag nach ſeinem Kloſter wiederumb zuruͤck gekehret.
8. Hierauß erſcheinet gnugſamb/ daß die geiſtliche Geſpraͤch dem lieben
GOtt ſehr angenehm ſeyen; wie aber hergegen demſelbigen und deſſen himm-
liſchen Bottſchafftern die eitele und muͤſſige Reden zuwider ſeyen/ lehret
Hiſtoria.
Vit. P. P.
p. 2. c. 35.uns die folgende Hiſtori. Ein ſicherer Gott-ſeeliger alter Kloſter-Geiſt-
liche iſt von GOtt begnaͤdiget geweſen/ daß er hat ſehen koͤnnen/ was andern
zu ſchen nicht zugelaſſen geweſen: unter dieſem hat er auch einsmals geſe-
hen/ daß/ da viele ſeiner geiſtlichen Mit-Bruͤder beyſammen geſeſſen/ und
von der H. Schrifft beylſame Diſcurſen gefuͤhret/ die H. H. Engelen
GOttes unter ihnen geſtanden/ ſie mit Freuden angeſehen/ und uͤber ihr Ge-
ſpraͤch ein ſonderbahres Wohlgefallen erzeigt haben. So bald die gemeldte
Bruͤder aber von weltlichen Sachen zu reden angefangen/ ſeynd die Engel
mit einem Widerwillen und Abſcheuen von ihnen gewichen; an deren Platz
viele garſtige Schwein zu dieſer Geſellſchafft getretten/ und ſich mitten un-
ter ihnen geweltzet. Nach dieſem iſt der fromme Alte nach ſeiner Cellen hin-
gangen/ und hat die gantze Nacht mit immerwehrendem Seuffzen und
Weinen die groſſe Armſeeligkeit der Geiſtlichen beklaget; und hat nach-
mahln nicht unterlaſſen; ſeine Mit-Bruͤder zu ermahnen/ daß ſie von dem
eitelen Geſchwaͤtz ſich mit allem Ernſt enthalten ſolten. Kein Wunder
iſts aber/ daß die H. H. Engel den geiſtlichen Geſpraͤchen ſich gern beygeſel-
len/ in dem Chriſtus ſelbſt bey dieſen in ſichbarlicher Geſtalt erſchienen iſt.
Chron.
p. 1. c. 10.Dahero der heilige Franciſcus ſeine geiſtliche Kinder oͤffters zum geiſtli-
chen Geſpraͤch zu beruffen pflegte; wodurch er auch neben andern
dieſes erlanget hat/ das CHRJSTUS einsmahls in Geſtalt
eines ſchoͤnen Juͤnglings ſich unter ihnen hat ſehen laſſen/ und ſelbi-
gen
[233]Von dem geiſtlichen Geſpraͤch.
gem mit holdſeligem Angeſicht ſeinen Seegen ertheilet: Auch haben die zwey
Juͤnger auff ihrer Reiſe nach Emaus vor andern die Gnad den Herrn zu ſe-
hen/ durch ihr geiſtliches Geſpraͤch gehabt/ und obwohl ſich Chriſtus ſelten
bey ſothanen geiſtlichen Reden in ſichtbarlicher Geſtalt finden laſſet/ ſo iſt
doch ohne allen Zweiffel/ daß er mit einer andern Gegenwart/ nemblich mit
ſeiner Gottheit und Gnade derſelben beywohne/ wie er ſelbſt bey dem Heil.
Evangeliſten Mattheus bezeuget: Wo zween oder drey in meinen8.
Nahmen verſamblet ſeynd/ da will ich in mitten derſelben
ſeyn: das iſt/ mit ſolcher Gegenwart/ wie jetzt gemeldet iſt/ krafft deren in den
Hertzen der ſeinigen ein ſolches wircket/ daß ein jeder mit dem Koͤnigl. Prophet
außzuſchreyen gezwungen werde: Wie ſůß ſeynd deine Wort mei-Pſal. 118.
nem Rachen; ſie ſeynd meinem Mund ſůſſer dann Hoͤnig:
Weilen ſie in dieſen goͤttlichen Reden ein ſolche Suͤſſigkeit deß Geiſtes em-
pfinden werden/ wie vorzeiten das Jſraelitiſche Volck in Nieſſung deß Him-
melbrods verſpuͤhret hat: davon die Heil. Schrifft alſo meldet: DuhaſtSap 16.
20.
dein Volck mit der Engel-Speiſe ernehret/ und ihnen
Brod/ daß bereit war/ vom Himmel herab ohne Arbeit ge-
geben/ daß alle Erlůſtigung in ſich hatte/ und allerhand
ſuͤſſen Geſchmack: Eine ſolche Suͤſſigkeit aber haͤben ſie in Nieſſung
dieſes himmliſchen Brod empfunden; daß wann einer dieſe oder jene Speiß
zu eſſen verlangete/ alsbald derſelben Geſchmack und Suͤſſigkeit in dem
Himmel-Brod hatte.
9. Nun moͤchte vielleicht einer ſagen: wann die Kinder Jſrael in dieſem
Himmel-Brod den Geſchmack aller erdencklichen Speiſen gehabt; warumb
haben ſie dann gegen den Herrn gemurret/ und Fleiſch zu eſſen begehret?
Wer wird uns Fleiſch zu eſſen geben/ ſagten ſie?Num. 11.
v. 5.
Wir gedencken an die Fiſch/ die wir inÆgypten umbſonſt
aſſen: es kommen uns ins Gemůt die Kůrbiſſe und Melo-
nen/ und das Lauch und die Zwiebelen/ und das Knob-
lauch. Vnſere Seel iſt dorre/ unſere Augen ſehen anders
nichts/ als das Manna oder Himmel-Brod: Dieſe Frag beant-
wortet der Heil. Vatter Auguſtinus und ſagt; daß nicht alle Jſraeliter die-Apud
Rodriq.
p. 2 tr. 2.
c. 13. §. 5.
ſe wunderbahrliche verborgene Suͤſſigkeit deß Himmel-Brods geſchmaͤckt
haben; ſondern allein die jenige/ ſo frommlich und unſtrafflich gelebt: den
andern aber habe ſelbiges einen Widerwillen und Abſchewen verurſachet:
Dahero kein Wunder iſt/ daß dieſe Rebellen zu ihrem Fleiſch-Speiſen nach
Ægypten geſeufftzet haben: Alſo koͤnnen und muͤſſen wir auch ſagen/ daß
G gnicht
[234]Die Neunzehende Geiſtliche Lection
nicht alle die verborgene Frewden deß Geiſtes auß den geiſtlichen Geſpraͤ-
chen zu genieſſen haben; ſondern allein die jenige/ ſo ihrem GOTT und
Herrn trewlich zu dienen ſich befleiſſen/ und denen geiſtlichen Reden mit
Luſt/ denen weltlichen aber mit Verdruß beywohnen/ und welche die Ermah-
nung deß weiſen Manns nach aller Moͤglichkeit beobachten/ der da ſpricht:
[c]. 9. v. 23.Alle deine Vnterredung laß von den Gebotten deß Aller-
hoͤchſten ſeyn: Die Urſach aber dieſer Ermahnung gibt der Salomon
in ſeinen Spruͤchen/ und ſagt: Ein jeglicher wird von der Frucht
[c]. 12. v. 14.ſeines Munds viel guts empfangen: Weilen durch dergleichen
GOTT gefaͤllige Dilcurſen die Seel von ihren Suͤnden geſaubert/ der
Eyffer deß Geiſtes vermehret/ die Brunſt der Andacht ernehret/ und die
Seel ſelbſt uͤber ſich mit alleiniger Begird der himmliſchen Dingen erhoben
wird: dahero ruffet billig der Heil. Vatter Hieronymus uͤberlaut: O gluͤck-
ſeelige Zung/ die nichts anders zu reden weiß/ als von goͤttlichen Sachen!
Gedenck derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ daß/ wann du auß den geiſtlichen
Geſpraͤchen noch keine Frewd ſchoͤpffeſt/ du auch unter die Zahl der eyfferi-
gen Geiſtlichen nicht gehoͤreſt: Derhalben geſelle dich zu der gluͤckſeeligen
Geſellſchafft der Kinder GOTTES/ alſo/ daß du oder zumahlen ſtill-
ſchweigeſt/ oder wans dir zu reden erlaubt iſt/ von geiſtlichen Dingen redeſt;
und auff ſolche Weiß wirſt du ohne Zweiffel den Nutzen/ ſo auß den heiligen
Geſpraͤchen entſtehet/ auch genieſſen: dann/ wie man eine wohlriechendt
Sach laͤnger in den Haͤnden haltet/ und in ſelbigen hin und wieder kehret/
deſto mehrern und ſtarckern Geruch empfindet man: und wie oͤffter einer die
geiſtliche Sachen ins Geſpraͤch einfuͤhret/ deſto mehr wird er von den-
ſelbigen zu reden und zu gedencken auffgemuntert.
[235]
Die Zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von der Einſambkeit.
2. v. 14.
teden.’
Der Erſte Theil.
1. AUß den vorhergehenden Lectionen erhellet/ wie noͤtig dem jenigẽ ſeye
das Schweigen/ dem zum heylbringenden Fortgang deß Gei-
ſtes duͤrſtet. Auch iſt zum theilkundbahr worden/ wie groſſes Miß-
fallen die goͤttliche Majeſtaͤt an dem eitelen Geſchwaͤtz trage: und endlich ha-
ben wir auch geſehen/ wie ſich der liebe GOTT uͤber die Geiſtliche/
ſo ihre Geſpraͤch von den himmliſchen Dingen halten/ erfrewe/ und wie ſie
dieſerthalben ſo reichlich belohnet werden: ſo wirds dann der Muͤhe wohl
werth ſeyn/ daß wir auff ſolche Mittel bedacht ſeyen/ durch welche wir zu
dieſen Tugenden gelangen moͤgen: deren das beſte und kraͤfftigſte iſt/ die
heilige und GOtt gefaͤllige Einſambkeit: zumahlen der jenige/ ſo ohne Noth-
wendigkeit ſeiner Zellen den Ruͤcken offt zu kehrenpfleget/ das gebuͤhrliche
Stillſchweigen mit nichten haltet/ und beſudlet ſich mit ſchaͤdlichem Reden
gar leichtlich; dann der die Gefahr liebet/ entkommet dem Verderben ſehr
ſelten. Jſt dir nun/ mein Chriſtliche Seel/ die Verſchweigung in
Warheit angenehm; verlangſt du die ſchaͤdliche Reden zu meiden; haſt
du Luſt zu gebuͤhrlicher Zeit und Orth mit geiſtlichem Geſpraͤch deinen
Nechſten zu aufferbawen; wilſt du in der Lehr CHRJSTJ unter-
wieſen werden/ und auff dem Weeg der geiſtlichen Vollkommenheit
G g 2gluͤck-
[236]Die Zwantzigſte. Geiſtliche Lection
gluͤcklich fortſchreiten; ſo muſt du vor allem/ wans nicht die Noth erfordert/
deine Zell nicht verlaſſen; und gedencken/ daß dieſe deine gluͤckſelige Stelle:
ſeye/ ſo du vor tauſenden dir erwaͤhlet haſt/ in der du aller weltlichen Sorgen
enthaben/ deinem Gott allein und deiner Seelen zum beſten dienen koͤnneſt:
ein Paradeiß der Wolluͤſten/ daß von dem Reegen der gottlichen Gnaden offt
befeuchtiget wird: ein geſchloſſenes Zim̃er der goͤttlichen Liebe/ in dem Braut
und Braͤutigam die allerſuͤſſeſte liebkoſende Affecten miteinander wechſelen/
und du deine hertzliche Begirden/ deine Noth und Verlangen vertrewlicher/
als irgend anderswo vortragen moͤgeſt: und daß dieſelbige ſeye ein Vorzim-
mer der himmliſchen Glori/ und allerheiligſte Wohnung/ in welcher du mit
niemand/ als mit deinem Gott/ der allerſeligſten Jungfrauen Maria/ mit den
Außerwaͤhlten und Engelen GOttes zu handlen haſt; daß alſo billig der
H. Bernardus deine Wohnung mit dieſen guͤldenen Buchſtaben verzeichnet:
De vit.
Solit. c. 4.Die Zell iſt ein heiliges Land/ und ein heiliger Orth; auff
dem der Herr und ſeine Diener oͤffters Sprach halten/ wie
ein Freund mit dem andern; ein Orth/ an welchem die
trewhertzige Seel mit dem Wort GOttes vielmahl zu-
ſammen gefůget/ die Braut ihrem Braͤutigam vermaͤhlet/
und das irrdiſche mit dem himmliſchen/ und mit den
menſchlichen die goͤttliche Dinge vereiniget werden.
2. Jſt dann nicht/ mein Chriſtliche Seel/ ein ſolches Zellulem hoͤher zu
ſchaͤtzen/ als alle praͤchtige Gebaͤw/ und alle Kaͤyſer- und Koͤnigliche Pallaͤſt
der gantzen Welt? wer ſoll nicht mit Frewden ein ſo Gnaden- und Heyl-rei-
ches Plaͤtzlein fleiſſig bewohnen/ auffdem die wahre Vollkommenheit in kur-
tzer Zeit mit allem Vergnuͤgen/ und ohne Hindernuͤß erlehrnet wird? derhal-
ben ein frommer einſidler ſeinem anbefohlnen Juͤnger immer zu rathen pfleg-
te/ er ſolte zu Erlangung der Vollkommenheit ſich einbilden/ daß kein Orth
in der Welt mehr uͤbrig waͤre/ als daß zwiſchen denen vier Mauren ſeiner
Zellen gelegene Plaͤtzlein/ und daß er nirgend anders das Heyl ſeiner Seelen
wircken koͤnte/ als eben daſelbſten/ allwo dem ſteten Einwohner von GOTT
gegeben wird/ was auſſer derſelben/ in ſchaͤdlicher Zerſtrewung der Sinnen
und Gedancken/ im Schwetzen und Plauderen/ und in der cuſſerſten Gefahr
zu ſuͤndigen/ einem jeden billig geweigert wird; weilen nach Zeugnuͤß deß
loc. cit.H. Bernardi/ Die Zell ein Laden oder Winckel iſt aller himm-
liſchen Gůter und goͤttlicher Wahren/ und ein unůber-
windliche Veſtung wider allen Anlauff der boͤſen Feinden:
Dieſes hat wohl erfahren der groſſe Vatter Antonius/ dahero er pflegte zu
ſagen/
[237]Von der einſambkeit.
ſagen/ daß/ ob ſchon der Menſch von vielen Feinden ſtets angezoͤpffet wer-
de/ ſo ſeyen doch unter denen drey ſonderliche und ſehr gefaͤhrliche Feinde/
und derhalben mehr zu foͤrchten/ weil ſie einheimiſch/ und mit uns zugleich ge-
bohren ſeynd; als nemblich die Zung/ die Augen und Ohren; Krafft deren auch
die allervollkommenſte Maͤnner offimahl in den Abgrund deß Verderbens
geſtuͤrtzet werden. Es ſeye aber ein eintziger Art von Menſchen/ welchen
dieſer dreyfachige ſtarcke Feind nicht angreiffen kan/ als nemblich die jenige
Geiſtliche/ ſo ſich der Einſambkeit der Cellen gemidmet haben: dann die-
ſe/ ſagt er/ dieweil ſie von der eitelen Welt ſeynd abgeſoͤndert/ laſſen ſie ih-
re Zung und Ohren einen ewigen Feyertag halten: und ob ihnen ſchon biß-
weilen zugelaſſen waͤre/ die Augen zu eroͤffnen/ ſo finden ſie doch nichts/
wohin ſie ſelbige ſchlagen koͤnnen/ als auff die an der Wand hangende lieb-
reiche Bildnuß deß geereutzigſten JESU und MARJA; oder auff ein
geiſtliches Buͤchlein/ durch deſſen heilſame Unterweiſung/ und hertzhafftes
Zuſprechen ſie in ihrer Einſambkeit gelehret und auffgemuntert werden. Und
alſo verſperren ſie durch die Einſambkeit den Eingang allem weltlichen Ge-
tuͤmmel/ allem eitelem Geſchwaͤtz/ allem Widerſprechen/ und Ehr abſchnei-
den/ allen Laͤſterungen/ Scheld- und Schmaͤhworten/ allem unziemli-
chen Argwohn/ und allen dergleichen Ubelen/ denen die Zung/ Augen und
Ohren unterworffen ſeynd.
3. Obwohln nun der hoͤlliſche Feind wie ein bruͤllender Loͤw allenthalben
herumb ſtreiche/ und ſuche/ wen er verſchlingen moͤge; ſo verlieret er doch alle
ſeine Kraͤffien an denen/ die wahre Liebhaber ſeynd der Einſambkeit; diewei-
len dieſe an einem allerſieheriſten Orth ihr Laͤger geſchlagen haben. Dero-Luc. 25.
wegen hat auch der Evangeliſche Hirt ſeine neun und neuntzig Schaͤfflein
hinterlaſſen und das eintzige verlohrne geſucht; dieweiln er wohl gewuſt hat/
daß die verlaſſene Heerde in der Einoͤde/ als an einem ſichern und freyen
Orth ſich keines Boͤſen zu befoͤrchten habe. Wilſtu/ mein geiſtliche Seel/
fuͤr dem grimmigen Maul deß hoͤlliſchen Wolffs auch beſchuͤtzet ſeyen und
bleiben/ ſo begebe dich in die Einoͤde oder Wuͤſten deiner Cellen; zumahlen
du taͤglich gnugſamb erfahren haſt/ daß deine unbaͤndige und Zaum-loſe
Sinnen gleich einem ungezaumten Pferd/ in allerhand Suͤnden und Ver-
luſt der ewigen Seeligkeit dich zu ſtuͤrtzen beſtandt ſeynd. Bilde dir ein/ duVit. P. P.
L. 3. §.
190. Edit.
Roſſvv.
hoͤreſt mit dem Arſenid dieſe Stimm deines HErrn: Fliehe die Men-
ſchen/ ſo wirſtu ſeelig werden. Da dieſer fromme Geiſtliche
G g 3nun
[238]Die Zwantzigſte Geiſtliche Lection
nun in die Einſamkeit ſich begeben/ hat er GOtt abermahl gebetten/ Er
moͤgte ihn fuͤhren auff den Weeg deß Heyls: und ſiehe/ da iſt ihm wiederumb
vom Himmel zu Ohren kommen dieſer heylſame Rath: Arſeni/ flie-
he/ ſchweige und ruhe; dieſe ſeynd der Anfang deß Heyls.
Derhalben hat ſich dieſer neue Einſidler deß Stillſchweigens und der Ein-
ſamkeit ſo unbeſchreiblicher Weiß befliſſen/ daß es auch fuͤr ein Wunderwerck
gehalten worden/ wann man dem Arſenium ſeine Leffzen zu einer anderen
Rede/ als zum Lob GOttes hat bewegen ſehen. Die Einſamkeit hat er der-
geſtalt geliebet/ daß er zumahlen nichts unterlaſſen/ dadurch er den Zulauff
der Leuthen/ ſo wegen ſeiner Heiligkeit geſchehen/ verhindern moͤgte. Unter
L. 5. §. 4.
Edit.
Roſvv.ſolchen iſt auch einsmahls der Theophilus ein Patriarch von Alerandria
ſambt dem Vorſteher derſelben Stadt kommen/ und begehret/ er moͤgte ih-
nen nur ein oder andere gute geiſtliche Lehr zum Heyl ihrer Seelen mitthei-
len. Arſenius aber hat ihnen nicht alsbald geantwortet; ſondern/ nachdem er ſie
eine lange Zeit hat warten laſſen/ hat er ſie endlich gefragt/ ob ſie demjeni-
gen/ was er ihnen ſagen wuͤrde/ auch nachkommen wolten? darauff ſelbi-
ge geantwortet/ daß ſie alles/ was er ihnen befehlen wuͤrde/ unſtraͤfflich zu
halten verſicherten. Wolan dann/ ſagt der H. Vatter/ ſo gehet/ und kom-
met niemahlen dahin/ wo ihr hoͤren werdet/ daß Arſenius ſeye. So ange-
nehm ware dieſem Gott-ſeeligen Einſidler die Einſambkeit; dahero er auch
einen ſo groſſen Nutzen ſich erworben/ daß keine eintzige Tugend unter den
andern Einſidlern zu finden geweſen/ mit der Arſenius nicht gezieret; keint
Heiligkeit geleuchtet/ die an ihme ſich nicht hervorgethan; und/ mit einem
Wort zu ſagen/ alle andere heilige Mit-Bruͤder hat er an Verdienſten und
Heiligkeit weit uͤbertroffen/ und dieſes alles hat er durch die GOtt-gefaͤlligt
Einſambkeit gluͤcklich erhalten. Als nun dieſe ungemeine Menſchen-
Flucht deſſelben Heiligen der ſaͤmptlichen Geſellſchafft in etwa frembt vor-
kommen; hat ihn einsmahls einer ſeiner heiligen Bruͤder Nahmens Mar-
cus auß geiſtlichem Vorwitz gefragt; warumb er auch die Geiſtliche alſo
fliehe/ von denen er ja keinen Schaden zu leyden habe; und ſie hergegen mit
ſeinem Geſpraͤch koͤnnen erbauet werden? deme er mit dieſen Worten ge-
Vit. P. P.
Lib. 7. c.
[...] 4. §. 1.
Edit.
Roſvv.antwortet: GOTT weiß/ daß ich alle Menſchen liebe/
ich kan aber mit GOTT und den Menſchen zugleich
nicht umbgehen: Dann die himmliſche Geiſter und Jn-
wohner ſeynd eines Willens/ die Menſchen aber haben
nicht einen/ ſondern vielerley und unterſchiedliche Wil-
len/
[239]Von der Einſambkeit.
len/ und dieſerthalben kan ich GOTT nicht verlaſſen/
und bey den Menſchen ſeyn.
4. Und warlich/ wann ſchon kein andere Frucht auß der ſteten Bewoh-
nung der Cellen zu gewarten waͤre/ als eben dieſe/ daß man nemblich dadurch
von den immer vorfallenden Verſtoͤhrungen bey den Leuthen befreyet wer-
de; ſo ſolldoch ſelbige ſolche Einſambkeit zu lieben gnug ſeyn. Lehret es
nicht die taͤgliche Erfahrnuß/ daß/ weilen die Menſchen nicht eines Sins
ſeynd/ man allen nicht gnug thuen koͤnne; und wie ſich einer aller ſeinen
Schuldigkeit vollkommentlich nachzukommen immer befleiſſe/ dannoch
viele Widerſager/ nicht ohne Zerſtreuung ſeines Gemuͤths/ erfahren muͤſſe.
Der aber mit GOTT und den Seinigen zu ſchaffen hat/ wird kein Wi-
derſprechen/ ſondern vielmehr groſſe Ruhe und Zufriedenheit ſeines Her-
tzens empfinden. Derhalben wird ein fleiſſiger Jnwohner der Cellen von
dem H. Ephrem ſeelig geſprochen. Und der H. Petrus Damianus ſagt al-
ſo zu unſerm Vorhaben: Eins weiß ich gewiß/ O du gebe-Opuſc.
11. c. 19.
nedeytes Leben/ ſo ich auch von dir unzweifflend bezeu-
ge/ daß alle die jenige/ ſo in der Brunſt deiner Lieb zu
verharren ſich unterſtehen/ Sie zwarn deine Jnwohner/
ihr Jnwohner aber GOTT ſeye. Nicht weniger hoͤre/ mein
Chriſtliche Seel/ den H. Bernardum/ und ſchreibe zum unaußſprechlichen
Vortheil deines geiſtlichen Lebens/ die Wort deſſelben in dein Hertz: Flie-Serm. 40.
in Cant.
he/ ſagt er/ das Außgehen/ fliehe auch deine eigene Hauß-
Genoſſen/ weiche von deinen vertrauten Freunden/
und ſo gar von dem/ der dir dienet. Weiſtu nicht/
daß du einen ſchamhafftigen Braͤutigam haſt/ wel-
cher ſeme Gegenwart dir nicht erlaubet in beyſeyn einiger
anderen?
Der Andere Theil.
5. BJllig iſt zu verwundern/ daß der Allgewaltige GOtt ſein außer-
waͤhltes/ und auß der ſchwaͤhren Dienſtbarkeit deß Pharaonis
erledigtes Volck/ durch keinen andern Weeg zum Gelobten Land
als durch die Wuͤſten hat fuͤhren/ und ſo lang darin auffhalten wollen/ da doch
ſelbiges durch einen viel naͤheren und bequemlicheren Weeg deß Ver-
ſpro-
[240]Die Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ſprochene Land Canaan hette erreichen koͤnnen. Wann wir aber in Erfah-
rung kommen/ daß in dem geiſtlichen Verſtand durch die Jſraeliter die
Chriſt-Glaubige/ ſo da zum wahren Gelobten Land/ nemblich zu der himm-
liſchen Seeligkeit reiſen/ bedcutet werden; ſo verſchwindet alsbald alle
Verwunderung/ in dem wir vermercken/ das uns GOtt habe zeigen wol-
len/ daß zu ſolchem Ziel und End zu gelangen/ kein ſo ſicheres und fuͤgliches
Mittel ſeye/ als eben die Einſambkeit und Abſoͤnderung von allen Hinder-
nuͤſſen und Gelegenheiten/ ſo uns unter dem Getuͤmmel der Welt-Geſchaͤff-
ten zuſtoſſen. Darauß dann vernuͤnfftiglich abzunehmen iſt/ daß keiner
die Goͤttliche Einſprechungen hoͤren/ und die heylſame Geſetz von obenherab
zu Verhuͤtung der Suͤnden/ und Beſten ſeiner Seelen empfangen koͤn-
ne/ er ſeye dann in der Wuͤſten/ das iſt/ in der Stille und Einſambkeit ſei-
nes Hertzens.
6. Auß dieſen Urſathen hat Chriſtus den jenigen tauben Menſchen/ dem
er ſeine heilige Finger in die Ohren gelegt/ von dem Volck abgeſoͤndert/
Matth. 7.damit er anzeigen moͤgte/ daß nemblich die Einſamkeit zu Eroͤffnung deß
Hertzen/ ſo die Einſprechungen GOttes empfahen ſoll/ ein merckliches
beytrage. Wie viele Jahr lang hat nicht der H. Auguſtinus die Goͤttliche
Beruffung mit verſperreten Ohren angehoͤrt! und wann ſeynd ihm dieſe
Ohren eroͤffnet worden? alsdann iſt er hoͤrend worden/ da er allein ins Feld
gangen/ unter einen Feigen-Baum niedergeſeſſen/ den Himmel angeſchau-
et/ und nach vielem widerholten Seuffzen dieſe Stimm vom Himmel zu
hoͤren gewuͤrdiget worden: Tolle, lege, tolle, lege.Nimb auff/ und
leſe/ nimb auff/ und leſe. Er hat das Buch ergriffen/ und darinn
geleſen die Ermahnung deß H. Apoſtel Pauli: Nicht in Freſſen und
Rom. 13.
v. 13.Sauffen/ nicht in Kammeren und unzůchtigem Weſen/
nicht in Zanck und Beneydung; ſondern ziehet den Herrn
JESVM CEriſtum an. Alſo wurde recht erfuͤllet der herrliche
Spruch deß Propheten Oſeæ:Jch will ihn fůhren in die
Einſamkeit/ und daſelbſt will ich ihm in ſein Hertz reden.
Dieſes groſſe Licht der Kirchen konte vorher nicht hoͤrend gemacht werden/
che und bevor er ſich von dem verhinderlichen Geſchrey der Menſchen abge-
ſoͤndert haͤtte.
7. Weiters ſoll uns den Nutzen der Einſambkeit vor Augen ſtellen die
Hiſtori der dreyen leiblichen Bruͤder/ ſo der Welt den Rucken gekehrt/ ſich
zugleich dem Dienſt GOttes ergeben/ und den geiſtlichen Habit angelegt
haben. Dieſe drey fromme Bruͤder haben umb die Wett GOtt zu dienen
an-
[241]Von der Einſambkeit.
angefangen/ und zwarn einer auß ihnen hat ſich vorgenommen in dieſer Tu-
gend ſich meiſterlich zu uͤben/ daß er nemblich allen Fleiß anwendete/ die ſtrei-
tende und uneinige Partheyen zum Frieden und Einigkeit zu bringen: Der
andere hat ſich vorgenommen/ den Krancken auß Liebe Gottes zu dienen/ und
dieſelbe mit aller moͤglichen Nothwendigkeit zu verſehen: der dritte hat erwaͤh-
let/ von allen Menſchen verlaſſen in der Einſambkeit zu ruhen. Nun laſſet uns
von dem letzten ſchreiten zu dem erſten/ und ſehen/ wie es demſelbigen in ſei-
nem Handel ergehe: dieſen finden wir uͤbel zu frieden und verzweifflend an
ſeiner Arbeit/ weilen er nach aller angewendten Muͤhe die Zanckende nach
ſeinem Wunſch nicht vergleichen kan; derhalben verfuͤgt er ſich zu ſeinem
zweyten Bruder/ und findet denſelben gleicher Geſtalt in ſeinem Vorhaben
wancken/ weil er mit allem ſeinem Fleiß den Krancken zur Gnuͤge nicht auff-
warten konte: dieſe beyde gehen hin zum dritten/ und erzehlen demſelben ih-
re Bekuͤmmernuͤß/ bitten auch annebenſt/ er wolle doch ihnen bedeuten/ wor-
inn er zugenommen habe: dieſer antwortet nicht alsbald/ ſondern gieſſet ein
truͤbes Waſſer in ein Becken/ und nachdem ſelbiges vermoͤg deß Still-
ſtehens klar worden/ ſagt er zu ihnen/ ſichet meine Bruͤder/ wie hat ſich das
Waſſer nun geklaͤret/ daß ihr auch in ſelbigem ewere Angeſichter gleich in ei-
nem Spiegel beſchawen moͤget. Die unter Menſchen wohnen/ ſchen ihre
Suͤnden nicht; wann ſie ſich aber in die Ruhe und Einſambkeit geſetzt ha-
ben/ koͤnnen ſie ſelbige leichtlich wahrnehmen: Dahero unter andern Lob-
Spruͤchen/ ſo der Einſambkeit von den H. H. Vaͤttern zugeeignet werden/
iſt dieſe der bequemlichſten einer/ welchen der Heil. Petrus Damianus derſel-
ben gibt/ und ſagt: Die Einſambkeit iſt ein Spiegel der See-
len.
7. Mit ihrem unaußſprechlichen Nutzen haben dieſes alles erfahren die
H. H. Altvaͤtter/ unter denen der H. Macarius dem unruhigen und wancken-
den guten Palladio gerathen/ er ſolle ſeinen Gedanckenſagen; Jch will
umb CHriſti willen die Waͤnde dieſer Zellen bewahren:
Wann derhalben nach Meinung dieſes H. Vatters auch verdienſtlich iſt/
auß Liebe GOttes die Waͤnd der Zellen in Ruhe anſchen; wie viel groͤſſern
Lohn hat dann nicht zu gewarten der jenige/ ſo in derſelben mit betten/ be-
trachten/ geiſtliche Buͤcher leſen/ und nuͤtzliche Ding zu ſchreiben fleiſſig ver-
harret. Viele ſeynd mit jenem Geiſtlichen der irrenden Meinung; daß/
wann ſie in auſſerlichen Dienſten nicht beſchaͤfftiget ſeyen/ thuen ſie nicht das
Ambt eines Muͤnchen: Dieſe nehmen/ wann ſie wollen/ mit ſelbigem Geiſt-
lichen/ ſo ſich dieſerthalben bey einem der H. H. Vaͤttern angeklagt/ den
H hRath
[242]Die Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Vit. P. P.
l. 15. de
Pat. \&
Humil.Rath deſſen in aller Demuth an: Verharre du in deiner Zellen/ und
thue was du kanſt ohne Verwirrung deß Gemůts; und
vertrawe auff GOTT: dann der umb deſſentwillen ſeine
Zell und ſein Gewiſſen bewahret/ der wird gefunden auff
dem Orth/ allwo der Abt Antonius iſt. Jm Leben deß H. Ein-
ſidlers Gurhlaci ſchreibt der ehrwuͤrdige Pater Laurentius Surius, daß dieſer
Heil. Mann in einer wilden entſetzlichen Jnſul gewohnet/ und allerhand
Voͤgel demſelben ſo gehorſamet/ daß wann er ſie zu ſich geruffen/ ſie alsbald
hinzu geflogen/ auff deſſen Achſelen ſich geſetzet/ und mit ſonderbahren Freu-
den-Zeichen ſeine Holdſeligkeit gleichſamb geruͤhmet haben: dieſes hat eins-
mahls ein ſicherer Mann mit Verwunderung geſchen/ und den frommen
Einſidler gefragt/ woher doch dieſe ungemeine Vertraͤwligkeit der Voͤgeln
entſtehe? deme er geantwortet; daß dem jenigen/ welcher auß gantzem Hertzen
die Gemeinſchafft der Menſchen fliehet/ nicht allein die Voͤgel und wilde
Thier/ ſondern auch alle andere Sachen werden zum Troſt verordnet wer-
den; und/ was noch mehr iſt/ wird einem ſolchen der holdſelige Troſt der
H. H. Engeln/ und alle erdenckliche Frewden nicht ermangelen.
8. Dahero in goͤttlicher Heil. Schrifft von der geiſtlichen Braut/ ſo von
der Wuͤſten herauff kommen/ geſagt wird/ daß ſie voller Wolluſt ſeye/ nicht
aber der weltlichen und eitelen Wolluͤſten/ deren auch keine in der Wuͤſte
gefunden werden; ſondern der geiſtlichen Wolluͤſten und Frewden/ der groſ-
ſen Gnaden/ Verdienſten und Gaben/ welche der geiſtlichen Seel in ihrem
einſamen Zellulein von ihrem himmliſchen Braͤutigam verliehen werden.
L. de virt.
[c]. 31.Es koͤnnen aber/ nach Meinung deß Heil. Alberti Magni, alle die jenige
Oerther Wuͤſten genennet werden/ ſo von der Gemeinſchafft der Menſchen
abgeſuͤndert ſeynd/ und in denen die mit Warheit ſagen koͤnnen: unſer
Wandel iſt im Himmel. Dahero ſagt der jetzt gemeldte Albertus an
einem andern Orth: den Kindern Jſrael wurde das Himmel-Brod nicht
gegeben/ als in der Wuͤſten/ allwokein andere ſuͤſſe Speiß vorhanden ware:
und alſo ſchmaͤcket niemand die Suͤſſigkeit der Gnade/ als der ſich in die Wuͤ-
ſte oder Einſambkeit verſchlieſſet/ damit er die weltliche Ergetzungen nicht
empfinde: wer nun deß wahren Himmel-Brods zu genieſſen verlanget/ der
L. de
Orat. c. 6.gehorche den Worten deß ſeeligen Laurentii Juſtiniani, der daſpricht: Weil
es anmůtig iſt allein zu wohnen/ und mit GOTT in Ver-
traͤwlichkeit zu reden/ ſo fliehe die Vielheit der Menſchen/
du Liebhaber deß Gebetts/ fliehe auch die Wenigkeit der-
ſelben/ und ſo gar fliehe auch einen eintzigen; damit du ohne
Ver-
[243]Von der Einſambkeit.
Verluſt/ und ohne MenſchlichenReſpect,dein Hertz zu
GOtt erheben moͤgeſt. Es iſt aber wohl zu beobachten/ daß ein an-
ders ſeye die Einſambkeit deß Leibs/ Krafft deren der Leib von dem Getuͤm-
mel der Welt abgeſuͤndert und in die vier Mauren verſchloſſen wird: und
ein anders die Einſambkeit deß Hertzens/ durch welche das Hertz von der Lie-
be der zergaͤnglichen Dingen wird abgehalten/ auff daß ſelbiges ſeinem
GOTT allein offen ſtehe. Die erſte Einſambkeit iſt zwarn/ wie geſagt iſt/
einem geiſtlichen ſehr heylſamb und nuͤtzlich/ ja auch oͤffters zum Fortgana
der Seelen hochnoͤthig; wann aber derſelben die andere Einſambkeit d[eſ]
Hertzens ſich nicht zugeſellet/ ſo bleibt die erſte Einſambkeit deß Leibs alle[n]
zumahlen unfruchtbar/ wie der Heil. Gregorius ſagt: Was nutzet die
Einſambkeit deß Leibs/ wann an dir ermanglet die Ein-
ſambkeit deß Hertzens? Der dieſe nicht hat/ kankein Einſamer/ ſon-
dern allein ein allein wohnender genennet werden: Einen ſolchen/ ſagt
der Heil. Bernardus/ iſt die Zellkeine Zell/ ſondern ein Ver-
ſchlieſſung und Kaͤrcker: Der iſt in Warheit allein/ bey
dem Gott nicht iſt: der iſt recht eingeſchloſſen/ der in Gott
nicht frey daher gehet: Derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ ſchlieſſe
auß deinem Hertzen auß/ rupffe auß/ treibe mit gewalt auß alle boͤſe Nei-
gung zu den weltlichen und nichtswertigen Dingen/ wann du von deiner
Einſambkeit den gewuͤnſchten Nutzen zu ſchoͤpffen verlangeſt. Keine Be-
gird der zeitlichen Guͤter muß in deinem Hertzen Platz haben/ wann in dem-
ſelben ſoll wohnen/ und daſelbſt ſeine Einſambkeit machen der einſambe Jeſus.
9. Hierauß kanſt du ſchlieſſen/ daß die geiſtliche Einſambkeit deß Her-
tzens nicht allein in den verborgenſten Winckeln der Einoͤde/ ſondern auch
mitten unter den Welt Haͤndelen koͤnne unbeſchaͤdiget erhalten werden/
wann nur das Hertz von den irrdiſchen Creaturen alſo entfrembdet iſt/ daß
ſelbiges in allem uͤberfluß der Wolluͤſten/ ſich keiner Wolluſt empfindlich an-
maſſe; nichts liebe als Jeſum/ keinem ſuche zu gefallen/ als Jeſu; nichts ge-
dencke/ nichts betrachte/ und nichts thue/ als was zu Ehren Jeſu gereichet/
daß alſo derſelbe aller Worten und Wercken/ aller Gedancken und Meinun-
gen/ und aller hertzlichen Liebe eintziges Ziel und End ſeye. Dahero/ obſchon
die euſſerliche Einſambkeit der Zellen/ wann ſie zu gebuͤhrlichem End iſt an-
gefangen/ zum beſten der Seelen gedeye; ſo iſt ſie doch derhalben allein
zu loben/ weilen ſie den geiſtlichen Menſchen zur inner lichen Ein-
ſambkeit deß Hertzens ſicherer und ruͤhiger anfuͤhret/ und von den
Gefahren erlediget/ denen die Welt-Menſchen ſich unterworffen.
H h 2Jm
[244]Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Jm uͤbrigen mußdie euſſerliche Einſambkeit von der innerlichen all ihren
Werth und Krafft hernehmen: derhalben ſagt der H. Bernardus/ liebe deine
innerliche Zell/ liebe auch deine euſſerliche/ und ſuche dieſe beyde Zellen der
Gebuͤhr nach zu bewohnen: die cuſſerliche Zell ſoll dich bedecken/ nicht ver-
bergen/ nicht damit du heimlicher ſuͤndigeſt/ ſondern auff daß du ſicherer le-
beſt. Gebe einer jeden ſeine Ehr/ und meſſe du dir darinnen die Beherſchung
zu/ lehrne in derſelben/ wie du dir nach deinem Ordens-Geſetz ſolleſt vorſte-
hen/ das Leben einrichten/ die Sitten beherſchen/ dich ſelbſt urtheilen/ dich ſelb-
ſten bey dir ſelbſten anklagen/ auch oͤffters verdammen/ und nicht ungeſtrafft
entlaſſen muͤſſeſt. Nehme hin/ mein Chriſtliche Seel/ dieſe nicht meine/ ſon-
dern deß Heil. Bernardi vaͤtterliche Ermahnung/ lebe derſelben nach/ und
verſichere dich/ daß du nicht irren/ ſondern den unaußſprechlichen/ ſo zeitlich
als ewigen Nutzen davou tragen werdeſt.
Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von dem Gehorſamb.
22.
Seele Leben ſeyn.’
Der Erſte Theil.
1. VNter zweyen der Maͤhlerey erfahrnen Liebhabern hat ſich eins-
mahls ein Wett-Streit umb einen groſſen Lohn erhoben/ wer den
Him̃el am kuͤnſtlichſten entwerffen moͤchte: der erſte hat das Fir-
mament oder Geſtirn/ und die darin befindliche Unterſcheidungen der Sternẽ
und der Planeten ordentliche Mannigfalt/ ſambtanderen den Geſtirn-Er-
fahnren bewuſten Aſpecten und Conjuncturen mit ſeiner Pinſel auffs beſte
vor Augen geſtellet: der zweyte aber hat den Himmel mit keinem andern
Zierath bekleidet/ als allein mit der fewrigen und hellglantzenden Sonne:
Mit
[245]Von dem Gehorſamb.
Mit dieſer Arbeit gehen beyde zu einem unpartheiſchen Richter/ und laſſen
dieſelbe urtheilen; vernehmen aber/ daß der jenige/ ſo den Himmel mit ſchoͤ-
ner Ordnung der Sternen und Planeten vorgeſtellet/ den andern uͤber-
troffen habe. Uber ſolches Urtheil verwundert ſich der Zweyte/ und ſagt;
daß er in Entwerffung der eintzigen Sonnen allein alles gemahlet habe/
was ſich am Himmel ſchen laſſet; daß aber dieſes alles unſichtbar ſeye/ muͤſſe
man dem uͤberauß groſſen und gewaltigen Sonnen-Licht zuſchreiben/ Krafft
deſſen alle Sternen und Planeten verdeckt und verduncklet bleiben. Alſo
iſt dieſem zweyten Maͤhler der Preiß ſambt dem auffgeſetzten Lohn zu theil
worden. Alle/ ſagtder Apoſtel Paulus/ ſtreiten und bemuͤhen ſich/ einer
aber bekombt das Kleynod. Wer iſt der Eine anders/ als der da gehorſamb
iſt der Keuſche laufft zwarn/ es laufft auch der demuͤthige/ gleicher Geſtalt
laufft der Arme umb Chriſti Willen/ und lauffen andere mit vielen Tugen-
den gezierte nicht weniger: dieſen allen aber laufft vor der Gehorſambe/ und
zwarn alſo/ daß er vor andern das Leben der Seelen erwiſche: und ob wohln
ein ſolcher fuͤr einen Beſitzer der anderen Tugenden nicht angeſchen werde;
ſo hat er doch ungezweifflet alle an ſich einſchließlich/ indemer den Vorzug
durch den Gehorſamb gewinnet/ der als eine Sonne in der Seelen ſtrahlet.
Dieweilen dann der Gehorſamb eine Tugend iſt/ durch welche wir die ſo
wohlmenſchliche als Goͤttliche Befelch und Gebott vollbringen/ weil ſie zu
halten gebotten ſeynd/ derhalben wird ein wahrer gehorſamer Menſch/ indem
er allen Gebotten unſtraͤfflich nachkommet/ alle Tugenden gar leichtlich er-
halten. Und weilen die Tugenden von der genauen Vollbringung aller
Gebotten herruͤhret; ſo muß der jenige nothwendiglich mit allerhand Tugen-
den gezieret ſeyn/ welcher den Gebotten mit Freuden gehorchet. Dann
der Chriſto den Gehorſamb leiſtet/ indem er ſagt: Lernet von mir/Matt. 11.
29.
dann ich bin ſanfft- und demůthig von Hertzen/ der wird
alsbald haben die Demuth. Und dieſes kan von allen andern Tugen-
den ſolcher Geſtalt geſagtwerden. Und weil auch der Gchorſamb in der Ver-
leuchnung deß eigenen Willes gegruͤndet iſt/ ſo wird der wahre Gehorſamb
auffs wenigſt nicht toͤdtlich ſuͤndigen/ zumahlen ein ſolche Verlaͤugnung
mit der Suͤnde zugleich nit ſtchen kan/ die nur von dem eigenen Willen ihren
Urſprung hat: Dahero hat recht geredet der H. Geiſt durch den Mund
deß weiſen Mans: Bewahre das Geſetz und den Rath/ dasProv. 3.
wird deiner Seele Leben ſeyn.
2. Hoͤre nun/ mein Chriſtliche Seel/ und mercke wohl/ was von dieſer
Kron der Tugenden die H. H. Vaͤtter halten; unter denen wir dem H. Vat-
H h 3ter
[246]Die Ein und Zwantzigſte Getſtliche Lection
ter Auguſtino billig den Vorzug geben/ der da ſpricht in ſeinem erſten Buch
der Controverſien: Der Gehorſamb iſt die allergroͤſte Tu-
c. 14.gend/ und/ alſo zu ſagen/ ein Mutter und Urſprung al-
ler Tugenden. Und weilen der Gehorſamb/ nach Zeugnuß deß Heil.
Gregoru/ die jenige Tugend allein iſt/ ſo die andere in das Hertz einpflantzet/
L. 4. Inſt.
c. 30.und die eingepflantzte bewahret; derhalben ſagt wohl der fromme Caſſianus/
daß ſelbige unter den andern Tugenden den Vorzug habe/ dergeſtalt/ daß/
ob du ſchon die gantze Welt/ und was darinnen iſt/ verlaſſen haſt/ dein
Creutz mit groſſer Gedult trageſt/ und dich in allen Tugenden uͤbeſt/ wann
dannoch den Gehorſamb nicht haſt/ nichts zu ſchaͤtzen ſeyeſt: dieweilen dieſe
Tugend von einem Gott-ſeeligen Vatter mit dieſen lebhafften Farben alſo
In Vit.
P. P. L. 3.
Libel. 14.
n 19.entworffen wird/ daß ſie ſeye das Heyl aller Chriſt-Glaubigen/
eine Gebaͤrerin aller Tugenden/ eine Auffſchlieſſerin und
Erfinderin deß Himmelreichs/ ein Erheberin der Men-
ſchen von der Erden/ eine Beywohnerin der Engelen/
und endlich eine Speiß aller Heiligen und Außerwaͤhlten
GOttes: dann auß dieſer ſeynd ſie entwehnet worden/
und durch ſelbige ſeynd ſie zur Vollkommenheit gelanget/
und zwarn in kurtzer Zeit: Wie der H. Dorotheus von ſeinem
Doct. 4.Doſitheo meldet/ daß ſelbiger in der eintzigen Tugend deß Gehorſambs und
Verlaͤugnung ſeiner ſelbſten ſich mehrentheils geuͤbet habe/ ſeye aber in ſei-
ner bluͤhenden Jugend geſtorben/ und gleich nach ſeinem Todt von einem
Ruff. L. 1.
Vit. P. P.
c. 31.Alten in der Schaar der Heiligen geſchen worden. Derhalben gibe einem
jeden der H. Antonius dieſen Rath und ſagt: der verlanget bald vollkom-
men zu werden/ der ſeye ſeyn eigener Lehr-Meiſter nicht/ und gehorche
nicht ſeinem eigenen Willen/ wann er ſchon vermeinet/ daß die Sach recht
ſeye/ die er begehret: ſondern er verlaͤugne ſich ſelbſten vor allem nach dem
Gebott deß Herrn/ der auch von ſich ſelbſten ſagt/ daß er nicht kommen
ſeye/ ſeinen Willen zu vollbringen/ ſondern deſſen/ der ihn geſandt hat.
3. Weiters erfreuet uns auch der in den Tugenden hoch-erfahrne Joan-
Grad. 4.nes Climacus mit dieſer erfreulichen Zeitung/ daß man durch den Gehor-
ſamb nicht allein hurtig/ ſondern auch leichtlich/ und gleichſamb ſchlaffend
Tr. 3. de
obed.zur Vollkommenheit gelangen koͤñe. Welches der H. Bernardinus Senenſis
vermittelſt dieſer Gleichnuß bekraͤfftigt/ und ſagt; das/ gleich wie einer in einẽ
Schiff/ unter dem Eſſen/ Trincken und Schlaffen fortfahret/ dieweilen
er durch frembde Bewegung fortſchreitet; alſo ein wahrer gehorſamer in
ſeinem geiſtlichen Stand mit Eſſen/ Trincken und Schlaffen/ und Wirckung
ande-
[247]Von dem Gehorſamb.
anderer guten Werck ſich bey GOtt verdienſtlich mache. Die andere
Frucht deß Gchorſambs iſt dieſe; das durch ſelbigen der Menſch ſeinem
GOtt und HErrn uͤber alle Maſſen gefalle; und das zwarn billig; diewei-
len ein ſolcher Geiſtliche nicht ſeinen Sohn mit dem Abraham/ nicht einen
Theil ſeiner/ ſondern ſich ſelbſt gantz und zumahlen ſeinem lieben GOtt
auffopfferet und ſchlachtet/ in dem er ſeinen Willen und ſich ſelbſten umb
ſeines Herren Willen verlaͤugnet und vernichtiget. Dieſen Handel hat
wohl verſtanden der noch zwarn jung von Jahren/ jedoch kluge Dorotheus/S. Doro-
th.
Doctr. 11.
derhalben er ſich in dieſer ſeiner Jugend alsbald dem Gehorſamb vollkom-
mentlich er geben; und hat dadurch nicht allein die Gnad erlanget/ daß ihm
keine vorgefallene Widerwaͤrtigkeit ſchwaͤr gefallen iſt/ wie groß ſie immer
hat ſeyn koͤnnen; ſondern hat ſich auch Krafftdieſer Verlaͤugnung den un-
ſterblichen und ewigen Nahmen der Heiligkeit mit der That ſelbſten erwor-
ben. Die dritte Frucht deß Gehorſambs iſt dieſe; das derſelbige ſeye eins
von den gewiſſereſten Zeichen der Verordnung zum ewigen Leben: Sinte-
mahlen dieſer Weeg/ gleich wie er von dem eigenen Willen am weiteſten
entfernet iſt/ alſo keinen Jrthumb und Umbweg unterworffen iſt. Dahe-
ro ſagt Chriſtus mit allem Ernſt: Wann du wilt zum Leben ein-Matt. 19.
gehen/ ſo halte die Gebott. Und der Gottſeelige Climacus leh-
ret/ daß der jenige/ ſo ſein Gewiſſen der Verwaltung ſei-Grad. 4.
nes geiſtlichen Vatters allzeit gern unterworffen/ und ſelbiges alſo gantz
ſauber gehalten hat; den Todt mehr nicht als einen Schlaff/ ja ſo gar als
ein Leben achte/ und denſelben taͤglich unverzagt erwarte/ dieweilen er
verſichert iſt/ daß zur Zeit ſeines Hinſcheidens die Rechnung ſeines Lebens
nicht von ihm/ ſondern von ſeinem Vatter werde gefordert werden/ wie der
himmliſche Vatter einsmahls der H Catharinaͤ mit dieſen Worten offen-
bahret hat. Ein wahrer gehorſamer Menſch iſt mir nicht verbunden Re-
chenſchafft zu geben von ſeinem Handel und Wandel/ ſondern deſſen vorſte-
her. So iſt dann der Gehorſamb ein Schluͤſſel/ durch welchen Chriſtus
den Himmel eroͤffnet/ und den Haͤnden ſeines Stadt-Halters uͤberlaſſen
hat. Derhalben hat ſich der H. Bernardus erkuͤhnet zu ſagen: Jch werdSerm. 28.
in cant.
wuͤrdig ſeyn GOtt zu ſehen/ wann ich von ſelbigem vorhero fuͤr ein wahren
Gehorſamer werd gehaltẽ werden: und alsdan werd ich in aller Verſicherheit
meinen Herren ſehen/ wann das Opffer meines Gehorſambs denſelben
vorhin belangen wird. Dieſes heiligen Mans Bruder Gerardus/ da er
einsmahls im Geiſt verzuckt geweſen/ und nach dreyen Tagen wieder umb
zu ſich kommen/ hat er alsbald mit dieſen Worten loß gebrochen: O
wie ein gute Sach iſt der Gehorſamb! Jch bin vor dem Richter-Stuhl
Chriſti
[248]Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Chriſti geweſen; ich hab die Seelen der Heiligen geſchen; und hab mei-
nen Erloͤſer zu mir ſagen hoͤren: Siehe/ dieſer iſt dein Ort unter deinen
Bruͤdern: keiner wird auß deinem Orden zu Grund gehen/ wann er ſei-
nen Orden biß zum End lieben wird: er wird oder im Todt/ oder bald nach
ſelbigem gereiniget werden. Von gleicher Conſideration iſt das jenige/
Petrus de
Vega in
Hiſt. ſui
Ord
Hiſtoria.ſo einem Geiſtlichen auß dem Orden deß H. Hieronymi wiederfahren. Die-
ſer fromme Diener GOttes wurde von denen Außerwaͤhlten/ die er vor an-
deren am meiſten verehrt hatte/ beſuchet; und nach geſchehener ſolcher Be-
ſuchungſagte er: es iſt mir Leyd/ daß ich in meinem geiſtlichen Stand mich
ſo wenig bemuͤhet hab: durch das Creutz und Leyden Chriſti aber/ und we-
gen deß Gehorſambs/ welchen ich meiner Obrigkeit treulich geleiſtet/ gehe
ich zum Reich der Himmelen. Dieſes hat mir GOtt zum Troſt und auff-
erbauung der Geiſtlichen offenbahret; damit die Laue und Nachlaſſige ihr
Leben beſſeren moͤgten. Ein wenig nach dieſen Worten hat er mit groſſer
Freud ſeines Hertzens den Geiſt auffgegeben. Weiters koͤnnen wir auch
auß der Offenbahrung der H. Gertrudis abnehmen/ wie der Weeg zum
Lib. 5.
Inſin. c.
24.Himmel durch den Gehorſamb ſo ſicher gemacht werde. Dieſer H. Jung-
frauen wurde der Weeg zum ewigen Leben gezeiget in der Gleichnuß eines
ſehr gehen Bretts/ ſo man ſchwerlich hinauff ſteigen konnte; derhalben ſich
ein jeder mit beyden Haͤnden bemuͤhen muſte/ und wurde darzu von denen
herumbſtehenden boͤſen Geiſtern noch verhinderet. Das Brett der ge-
horſamen Geiſtlichen aber ware auff beyden Seiten mit Stangen und Laͤh-
nen verſchen/ und die Engelen GOttes waren denen auffſteigenden bchuͤlff-
lich. Jſt dann nicht wahr/ und abermahl wahr/ was der weiſeſte Salomon
Prov. 21.
v. 28.ſagt: Der unterthaͤnig iſt/ wird vom Sieg reden. Er
wird alle ſeine Feind/ die ihn von dieſem geraden Weeg abhalten wollen/
uͤberwinden und zu Boden werffen.
4. Noch ein ander herrlicher Nutzen deß Gehorſambs iſt dieſer; daß er
nemblich in Erlangung deß jenigen/ ſo wir begehren/ allen andern Opffern
deß alten Teſtaments weit vorgehe/ wie wir leſen im erſten Buch der Koͤ-
c. 15. v. 23.nigen: Gehorſamb iſt beſſer/ als Schlacht-Opffer. Und
derhalben iſt der Gehorſamb zu Erhaltung der Gnaden und Wolthaten
GOttes kraͤfftiger und beſſer; weilen durch ſelbigen der Menſch ſich gantz
und zumahlen zum allerfeiſtiſten und GOtt-gefaͤlligſten Brand-Opffer
darreichet. Er iſt ein Opffer deß Lobs und der Danckſagung/ wie der H.
Auguſtinus meldet: Wilſtu/ ſagt er/ GOtt immer und allzeit
In Pſalm.
148.loben? Wolan/ ſo thue alles wohl; und in dem lobeſtu
GOtt
[249]Von dem Gehorſamb.
GOtt zu allen Zeiten: das Wohlthun kanſt du aber beſſer
nicht verrichten/ als durch einen vollkommenen Gehor-
ſamb: welcher auch iſt ein Gnaden-Thron der Suͤnder/ weilenſelbiger das
allerkraͤfftigſte Mittel iſt die Nachlaſſung der Suͤnden zu erhalten: er iſt
ein Fried-Opffer; dann er ein wunder- und ſonderbahre Macht hat aller-
hand Gaaben GOttes zu erwerben: und ſchließlich iſt er auch ein heiliges
Meß-Opffer; zumahlen er das bluͤtige Schlacht-Opffer/ in dem ſich Chri-
ſtus ſeinem himmliſchen Vatter hat auffgeopfferet/ und biß zum Todt deß
Creutzes gehorſamb geweſen/ zur Gedaͤchtnuß bringet: daß alſo billig der
Heyland durch ſeinen Propheten von ſich ſelbſten geſprochen: Schlacht-Pſ. 39. 7.
Opffer und Speiß-Opffer haſt du nicht begehret: aber du
haſt mir meine Ohren zubereitet: Brand-Opffer und Opf-
fer fůr die Sůnde haſt du nicht gefordert: da ſprach ich/ ſie-
he/ ich komme: im Anfang deß Buchs iſt von mir geſchrie-
ben/ daß ich deinen Willen verrichten ſoll/ O Gott.
5. Derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ ſeye nicht bekuͤmmert/ wann du
vielleicht zu ſchwaͤren und harten Bußwercken nicht bequem biſt; ſeye nur
Gehorſamb/ ſo wirſt du denen gleich/ oder auch groͤſſer werden in den Augen
GOttes/ welche mit ungemeiner Schaͤrffe ihren Leib caſteyen; und damit
du dieſes verſichert ſeyeſt/ als ſtelle ich dir vor Augen den H. Doſitheum, derRodriq.
p. 3. tr. 5. c.
1.
wegen allzugroſſer Zartigkeit und Schwachheit ſeines Leibs der ſchwaͤren
Bußwercken ſich enthalten muͤſſen/ und hat dannoch vermittelſt eines voll-
kommenen Gehorſambs dieſelbige Cron der Seeligkeit ſich erworben/ ſo dem
H. Antonio durch ſein hartes Leben iſt zu theil worden; Auch hat GOTT
einsmahls durch ſeine goͤttliche Stimm ſelbſt bezeuget/ daß ein ſichere CloſterHiſtoria.
Jungfraw/ welche auß Gehorſamb die H. Communion zu empfangen un-
terlaſſen/ und in der Kuͤchen gearbeitet/ groͤſſern Lohn verdienet habe/ als
wann ſie nach ihrem Verlangen deß H. Nachtmahls waͤre theilhafftig wor-
den. Der fromme Rogerius redet auch in ſeinem Sterbſtuͤndlein den H. Abt
Arſenium mit dieſen Worten an/ und ſagt: ey lieber Vatter/ ich bitte dich/
befehle mir doch daß ich ſterbe/ auff daß ich alſo auß Gchorſamb moͤge hin-
ſcheiden/ und auch ſterbend mich bey GOtt verdienſtlich mache; dann ich hab
vonſechzig Jahren her dieſe Gnad von Gott begchrt/ daß er mich nicht ohne
Befehl meines geiſtlichen Vatters ſterben laſſe. Wohlan/ ſagt Arſenius,
ſo ſterbe dann/ mein lieber Bruder: hierauff ſtirbt alsbald der gemeldte Ro-
gerius, und verkuͤndiget in ſelbiger Nacht ſeinem Vatter Arſenio, daß ſein
ſolches Hinſcheiden hoͤher von CHriſto ſeye geſchaͤtzet worden/ als eineintzi-
J iges
[250]Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
ges Werck ſeines gantzen Lebens. Dieſem Rogerio hat unſer ſehr geiſtreicht
Joſephuſ à S. P. Auguſtino in der wahren Vollkommenheit deß Gchor-
ſambs nicht weichen wollen; indem er den Tag ſeines Tods vorgewiſſet/ und
an ſelbigem von dem chrwuͤrdigen Priori P. Marco Erlaubnuͤß zu ſterben/
und den vaͤtterlichen Seegen begehret/ und auch erlanget; worauff er dan alſo
bald verſchieden/ und der die Zeit ſeines Lebens deß Gchorſambs ſich eyffe-
rig befleiſſen/ hat auch auß Gehorſamb zu ſterben verdienet: dieſer gottſelige
Muͤnch iſt vielmahl nach ſeinem Todt in glorwuͤrdiger Geſtalt geſchen/ und
unter ſeinen ſingenden und Gott lobenden Mit-Bruͤdern gehoͤret worden:
dem nun ein ſolches End/ und ſo gluͤckliches Hinſcheiden gefallet; der laſſe
ſich vor allem die herrliche Tugend deß Gehorſambs angelegen ſeyn/ zuma-
len ſelbige mehr als andere einen geiſtlichen Zierat/ und ſo wohl den Men-
ſchen/ als Gott gefaͤllig machet.
Der Andere Theil.
6. NUn mercke/ mein Chriſtliche Seel/ was da zu einem vollkommenen
Gehorſamb fuͤrnemblich erfordert werde. Erſtlich muß der Gehor-
ſamb blind ſeyn; zum andern muß er willig und hurtig ſeyn; und zum dritten
muß er ſtarck ſeyn. So viel die erſte Eigenſchafft deſſelben belanget; muß
ein Gehorſamer nicht mit einer unbeſonnenen und vermeſſenen Blindheit
auch das jenige vollzichen/ ſo unehrbar und unzulaͤſſig iſt; ſondern er muß
die Urſachen/ warumb ihm dieſes oder jenes von der Obrigkeit befohlen wer-
de/ nicht erforſchen; und muß ihm gnug ſeyn zu wiſſen/ daß das jenige/ ſo
ihm aufferlegt wird/ ohne Suͤnd geſchehen koͤnne: dahero ſagt der Heil. Kir-
In lib. 1.
Reg. l. 2.
c. 4.chen-Lehrer Gregorius: Ein wahre Gehorſamb ůberlegt die
Intentionoder Meinung der Vorſtehern mit nichten; er
macht auch unter den Gebotten derſelben keinen Vnter-
ſcheid: weilen der jenige/ welcher alle Vernuufft ſeines Le-
bens der Obrigkeit unterworffen/ darinnen allein ſeine
Frewd hat/ daß er verrichte/ was ihm iſt befohlen worden:
dann alle dieſe koͤnnen nicht urtheilen/ welche den Gehor-
ſamb zu leiſten vollkommentlich erlehrnet haben; Deren ich
dir einen auß vielen/ nemblich den Heil. Emſidler Paulum, der genennet wird
der Einfaͤltige/ allhier anziche: ſelbiger hat in ſeinem ſechtzig jaͤhrigen Alter
bey dem Heil. Antonio angehalten/ daß er der Zahl ſeiner Juͤnger moͤchte
beygeſetzt werden; dieſen hat der jetzt gemeldte Heil. Vatter drey Tag lang
Ohne
[251]Von dem Gehorſamb.
ohne Eſſen und Trincken auff die Antwort ſeines gethanen Verſuchs war-
ten laſſen: und/ da er nunmehr die groſſe Beſtaͤndigkeit deß gefaſten Vor-
habens geſehen/ hat er ihm mit dieſen Worten geantwortet: du kanſt ſeelig
werden/ wann du den Gehorſamb haſt/ und das verrichteſt/ was du von mir
hoͤren wirſt: ich will/ ſagt der Alte/ alles thuen/ was dir gefaͤllig iſt: Anto-
nius fangt derhalben an die ſchwaͤrſte Bußwerck/ ſo er in ſeiner Jugend ge-
uͤbet/ zu erneweren: dieſem allen aber iſt mit allem Eyffer vollkommentlich
nachkommen der einfaͤltige Paulus: da er nun erfahren/ daß der alte Juͤnger
durch ſo ſtrenge Weiß zu leben von ſeinem Vorſatz zu weichen nicht geſin-
net waͤre; hat er ihnen mit dem Gehorſamb verſuchen wollen/ und hat ihm
ſolche Ding zu thuen befohlen/ welche der Vernunfft und gemeiner Ubung
zu wider ſeynd: Er hat gantze Tage auß dem Brunnen Waſſer ſchoͤpffen/
und ſelbiges alsbald wiederumb auff die Erd gieſſen muͤſſen: die wohl ge-
flechtete Koͤrbe hat er muͤſſen gaͤntzlich auffloſen/ und hernach wiederumb zu-
ſammen flechten: die Kleider hat er muͤſſen von einander ſchneiden/ wieder-
umb zuſammen naͤhen/ und abermahl zertheilen: einen Eymer voller Hoͤnig
muſte er zerſchlagen/ und den Hoͤnig verſchuͤtten/ denſelben aber alsbald mit
einer Muſchel dergeſtalt auffnehmen/ daß nichts unſauberes mit auffgeklau-
bet wurde: dieſes und alles uͤbrige/ was dem Paulo von ſeiner Obrigkeit auch
gegen die Natur zu thuen/ iſt befohlen worden/ hat er ohne das geringſte Wi-
derſprechen oder Unwillen in aller Demut verrichtet; und dardurch ſo groſſe
Gnad von Gott erhalten/ daß er an Gewalt die Teuffelen außzutreiben/ ſei-
nem Lehrmeiſter dem Antonio iſt vorgangen: es iſt aber nit zu zweiffeln/ daß
derſelbige viel groͤſſern Lohn werde empfangen haben im Himmel/ der alſo von
Gott iſt geehret worden auff Erden.
7. Auch iſt dieſer nach Meinung deß H. Baſilii, ein blinder GehorſambInſt.
mon. ſe[c.]
2.
zu nennen/ wann ein Geiſtlicher nach dem Winck ſeiner Obrigkeit nicht al-
lein flichet/ was ſuͤndhafft iſt; ſondern/ wann er auch das jenige unterlaſſet/
was loͤblich iſt: dann/ ob zwar die Maͤſſigkeit und Abtoͤdtung nuͤtzlich ſeynd;
ſo koͤnnen ſie doch/ wann ſie auß eigenem Willen geſchehen/ dem allerhoͤchſten
GOtt nicht ſo angenehm ſeyn/ als eben der Gehorſamb: und dieſ[e]s zeigt uns
der gottſelige Bloſius. indem er die Offenbahrung der H. Brigittaͤ mit dieſen
Worten beſchreibet: die H. Brigitta/ ſagt er/ hat er auch auß dem Mund deßAppen.
4. Inſt.
ſp. n. 6.
Herrn dieſes gehoͤret: der lieber wolte faſten/ als eſſen und trincken/ und gleich-
wol auß Gehorſam iſſet und trincket; der wird denſelbigen Lohn bekom̃en/ wel-
chen der jenige empfahet/ ſo da rechtmaͤſſig faſtet: gleichen Lohn hat zu gewar-
ten/ der kranck iſt/ und iſſet/ und wolte doch lieber mir zu chren faſten: derhalben
J i 2ſetzt
[252]Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Bloſ. in
brevi.
Tyro ſp.
§. 2. n. 3,.ſetzt der obgemeldte Bloſius hinzu/ und redet alſo die Novitzen an: es iſt beſſer
mit Nuͤchterkeit und Enthaltung zur. Ehren Gottes den Gehorſamb eſſen/
als das ſchwaͤre Faſten der alten Vaͤtter auß eigenem Willen nachfolgen.
Was auß lauterm Gehorſamb geſchicht/ es ſeye ſo gering und verwuͤrfflich/
als es immer wolle/ das wird von GOtt hoch geachter und reichlich belohnet.
Laſſe deinen Willen fahren/ ſagt er an einem andern Orth/ und gehorche in
aller Demuth und Hurtigkeit umb GOttes Willen: beſſer iſts/ auß einfaͤl-
tigem Gehorſamb die Neſſelen und anderes. Unkraut außrupffen/ als nach ei-
genem Sinn die Beſchawung der goͤttlichen Dinge beobachten: weilen Gott
das groͤſte Wohlgefallen hat an der Verlaͤugnung deß eigenen Willens:
dieſes hat recht und wohl verſtanden unſer ehrwuͤrdige Joannes à St. G[i]il el-
In vita
ejus.mo, welcher zwarn in Strengigkeit deß Lebens den Heil. Guilielmum und
Nicolaum Tolentinum uͤbertroffen; da er aber zu unſerm Ordenkommen/
hat er nach dem Winck den Oberen von allen ſeinen Abtoͤdtungen und ſcharf-
fen Bußwercken/ als da ſeynd/ Cilicia, Harniſch/ diſcipliniren/ und andern un-
gewoͤhnlichen. Caſteyungen alsbald abgelaſſen/ und ſich mit den gewoͤhnli-
chen Bußwercken der barfuͤſſigen Auguſtiner befridigen laſſen: daß aber ſo-
thaner Gehorſamb dem lieben GOtt ſehr angenehm geweſen ſeye/ ſolches hat
ihm die glorwuͤrdige Himmels-Koͤnigin einsmahls bedeutet/ da er auß einem
Eyffer angetrieben/ ohne Vorwiſſen der Obrigkeit der vorigen Strenge ſich
gebrauchen wollen/ und geſagt. lieber Joannes, du thueſt nicht wenig/ wann
du thueſt was deine Bruͤder thuen/ und dir deine Obrigkeit zu thuen befeh-
let: da nun dieſer gottſeelige Diener vor den Fuͤſſen ſeiner Koͤnigin niederge-
fallen/ hat ihm ſelbige den Siegen ertheilet; er aber hatſich von ſelbiger Zeit
an nicht unterſtanden/ das geringſte ohne Vorwiſſen der Obrigkeit zu thuen.
8. Weiter hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ wie nicht allein die jenige Buß-
werck/ ſo ohne Erlaubnuͤß der Oberen ver richtet werden/ nicht belohnet/ ſon-
Bouer.
Annal.
Capuc.
1547.dern auch noch darzu geſtraffet werden Andreas Aſſiſinas ein Capuciner/
und ein Mann groſſer Heyligkeit und ſehr ſtrengen Lebens/ iſt am ſiebenden
Tag nach ſeinem Todt dem Stechen-Meiſter erſchienen/ und hat ſich be-
klagt/ daß er wegen der jenigen Bußwerck/ die er ohne Erlaubnuͤß der O-
brigkeit auß eigenem Willen geuͤbet/ ſo lang von der himmliſchen Glori ſeye
auffgehalten worden. Einander auß der S. cietaͤt Joſ [...] iſt dem ehrwuͤrdigen
Annuæ
Ann In-
golſt.
1618.P. Jacobo Rhem in einem beßlichen Kleid und abſchewlicher Geſtalt er-
ſchienen/ und geſagt/ daß erweger der Caſteyung ſemes Leibs/ die [e]r[ie]hne
Vorwiſſen ſeines Vorſtehers veruͤbet/ [...] den Straffen deß Feeg- Fewers;
ſeye verdammet worden.
9. Jn
[253]Von dem Gehorſamb.
9. Jn allem unſerm Handel und Wandel ſolten wir billig von hinden
und vorn mit Augen verſehen ſeyn: in dem Gehorſamb aber allein wird ei-
ne Blindheit erfordert. Ach wie viele falſche Bruͤder und Schweſter ſeynd/
welche ihre Augen nicht auff den Befelch/ ſondern auff den Befehlenden
ſchlagen/ wann ihnen dieſes oder jenes geſchaffet wird! und wann derſelbi-
ge ſeine menſchliche Fehler und Unvollkommenheiten an ſich hat/ ſagt man:
H[o]c autem quid?Was ſoll der? Nun hoͤre du was dir ChriſtusJoan. 21.
ſagt: Qnidadte? tu me ſequere:Was gehet das dich an? fol-
ge du mir nach. Andere murren bey ſich ſelbſten/ und beklagen ſich
gleichſamb/ daß ihnen die Obrigkeit allzuſchweren Laſt aufflege/ den ſie doch
ſelbſt nicht mit einem Finger anruͤhret. Denen ſagt ehenfals der Goͤttliche
Heyland: Auff dem Stuhl Moyſi ſitzen die Schrifft-Ge-Matt. 23.
v. 2.
lehrten und Phariſaͤer: derwegen haltet und thuet alles/
was ſie euch ſagen: aber nach ihren Wercken ſollet ihr
nicht thuen. Was hat uns Chriſtus durch dieſe Warnung anders be-
deuten wollen/ als das wir nicht allein den guten/ ſondern auch den boſen
Obern gehorchen ſollen? Wer aber dieſes vernachlaͤſſiget/ der kan ſeinem
GOtt keines Weegs gefallen; dieweil er nicht ſo ſehr ſeine Obrigkeit/
als GOtt ſelbſten verachtet. Wie ſchlimmer und unbeſcheidener der Vor-
ſteher oder Vorſteherin iſt; wie geduͤltiger und gehorſamer der Unterthan
ſeyn muß. Wie unerfahrner und ungeſehickter iſt der Bart-Scherer/ wie
ſtiller und unbeweglicher ſich einer auch zu verhalten hat/ wann er mit dem
Schermeſſer nicht will verletzet werden. Wie weniger die Obrigkeit mit
Vernunfft verſehen iſt; wie mehr der Untergebene der Ruhe und Gehorſambs
ſich befleiſſen muß/ damit er deſſelben Ehr nicht ſchmaͤlere: wie der H. Pe-
trus mit dieſen Worten uns lehret: Jhr Knecht/ ſeyd den1. Pet. 2. v.
18.
Herren mit aller Forcht unterthan; nicht allein den gu-
ten und beſcheidenen/ ſondern auch den Vngeſchlachten.
Wann man den guten allein zu gehorchen haͤtte/ ſo waͤre die Gewalt oder
Gerechtigkeit der Kirchen ein ungewiſſe Sach; indem wir nicht wiſſen/
wer gut oder boͤß ſeye; und alſo wuͤſten wir nicht/ wem wir gehorſamen
ſolten/ oder wer der rechte Vorſteher oder Vorſtcherin ſeye: dar auß dan ſicher
ein Babyloniſche Verwirrung entſtehen doͤrffte. Wann man einem
Boͤſen zu gehorchen nicht ſchuldig waͤre; ſo wuͤrde die Gerechtigkeit der
Kirchen keinen Beſtand haben; dann der anjetzo gut iſt/ kan uͤber eine
Stund boß ſeyn. Kan nicht ein abſcheulicher Mahler ein ſehr ſchoͤne
Bildnuß entwerffen/ ſo wegen deß Mahlers Abſcheuligkeit an ihrem
J i 3Werth
[254]Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Werth nichts verlieret? Gleicher maſſen kan ein boͤſe Obrigkeit gute Be-
felcher außtheilen; ſintemahlen dieſelbe an Statt GOttes iſt/ von dem alle
Rom. 13.Gewalt gegeben wird; Der aber der Gewalt widerſtrebet/
der widerſetzet ſich der Goͤttlichen Satzung. Wohl und
abermahl wohl thuen die jenige/ welche auch den ungeſchlachten Obern in
allem pariren/ und die ſcharffe Befelcher mit Freuden vollbringen; dann
alſo werden ſie von den Maculen ihrer Seelen am beſten geſaubert/ und
von Gott am meiſten geliebet.
10. Schaue zu/ mein Chriſtliche Seel/ wie dein himmliſcher Lehrmeiſter dir
in dieſem Gehorſamb/ auch mit der That ſelbſten iſt vorgangen; welcher nit
allein den hohen Prieſtern und ungerechten Richtern/ ſondern auch ſo gar
ſeinen Creutzigeren den Gehorſamb hat leiſten wollen; zumahlen er/ da ihm
Serm. 3.
de Epiph.die Kleyder außzuziehen befohlen worden (wie der H Vincentius Ferrerius
vermerckt) alsbald gehorchet. Chriſtus/ ſagt der Apoſtel: iſt dem
Vatter gehorſamb worden biß zum Todt/ und zwarn
zum Todt deß Creutzes. Was aber hat Jhn darzu genoͤthiget?
der Apoſtel Petrus antwort/ und ſagt: Chriſtus hat fůr uns ge-
1. 2. 21.litten/ und hat euch ein Exempel gelaſſen/ daß ihr ſei-
nen Fußſtapffen ſollet nachfolgen: das iſt/ ſagt der H. Ber-
nardus/ daß ihr ſollet gehorſamb ſeyn/ wie er geweſen iſt. So haben wir
De Grad.
Hum.dann auß deme/ was er gelitten hat/ zu lernen/ wie viel wir/ die wir nur
Menſchen ſeynd/ umb deß Gehorſambs Willen zu leyden haben; fuͤr wel-
che der jenige/ ſo GOtt ware/ gern geſtorben iſt. Auff daß uns aber
dieſe zu uͤben/ alle Beſchwaͤrligkeit benommen werde/ muͤſſen wir unſere
Obrigkeit nicht fuͤr ſchwache und unvollkommene Menſchen/ ſondern fuͤr
ware Statthalter GOttes halten/ wie uns der obgemeldte H. Bernardus
erinnert und ſagt: Der Gehorſamb/ welcher den Obern ge-
L 1. de
Diſp. \&
Præl.leiſtet wird/ wird GOtt geleiſtet; dann Er ſelbſt geſagt
hat; der euch hoͤret/ der hoͤret mich. Dahero der gewiſſe Schluß
gemacht wird/ daß man all das jenige/ ſo von der menſchlichen Obrig-
keit an Statt GOttes befohlen wird/ nicht anders muͤſſe annehmen/ als
wans GOtt ſelbſt befehlete: zumahln eins iſt/ ob er uns durch ſich ſelbſt/ o-
der durch ſeine Diener/ ſie ſeyen dann Menſchen oder Engel/ ſeinen Willen
kundbar mache.
11. Gegen den blinden Gehorſamb nicht allein/ ſondern auch gegen das
Verbott Chriſti (nolite udicare.Richtet nicht) ſuͤndigen die jenige/
ſo vermeinen/ daß hier und da die Obrigkeit uͤbel befehle; derhalben machen
ſich ſelbige offtmahlen den gefaͤhrlichen Zweiffel/ ob ſie den Willen GOttes
recht erkennen koͤnnen. Nun geſchichts aber taͤglich/ daß ein Vorſteher oder
Vor-
[255]Von dem Gehorſamb.
Vorſteherin auß gewiſſen Urſachen dieſes oder jenes/ dieſem und nicht je-
nem ſchaffe/ und der Unterthan immittels ſeine Obrigkeit einer Unvollkom-
menheit bey ſich ſelbſten beſtraffe. Wann aber einem ſolchen wohl bewuſt
iſt/ daß auch die offenbahre Fehler (die zweiffelhafftige zu geſchweigen) von
uns nicht ſollen geurtheilet werden; ſo muß er ja vernuͤnfftiglich ſchlieſſen/
daß der Will GOttes in dem Willen der Obrigkeit beſtehe/ und er nicht
ſuͤndigen koͤnne/ indem die Obrigkeit ihre verborgene Urſachen zu offenbah-
ren nicht allzeit ſchuldig iſt. Und wann ſchon der Obere mit dieſem oder
jenem Befelch ſcheinbarlich ſuͤndigen ſolte; ſo iſt doch der Unterthan ver-
bunden/ demſelben zu gehorſamen/ wann nur die Sach/ ſo befohlen wird/
der Ehrbarkeit gemaͤß iſt: und auff ſolche Weiß gebraucht ſich GOtt der-
jenigen Obrigkeit als eines Jnſtruments oder Werck- Zeugs/ ſeinen Wil-
len zu offenbahren/ wie die Goͤttliche Weißheit offtmahlen zu thun pfleget.
Dieſerthalben hat die Allerſeeligſte Jungfrau Maria dem Gebott deß heyd-
niſchen Kayſers Auguſti ohne einige Entſchuldung gehorchen wollen/ und
iſt unangeſehen der ſchwaͤhren und kalten Winters-Zeit der euſſereſten Ge-
fahr ihrer Leibs-Geſundheit/ und der herannahenden Niederkunfft nach
Bethlehem gereiſet. Und ob ſie ſchon wuſte/ daß dieſe Welt- Beſchreibung
von der Hoffart und Ehrgeitz deß obgemeldten Kayſers entſtunde/ ſo hat ſie
dannoch demſelben/ der zwarn ein gerechte Sach/ aber ungerechter Weiß be-
fohlen/ gehorchen wollen; dieweiln ihr bekandt ware/ daß Gott ſich der Hoffart
deß Auguſti als eines Jnſtruments gebrauchete/ Krafft deſſen ſein von Ewig-
keit her gemachter Beſchluß uͤber ſolche Beſchreibung erfuͤllet/ und ſein Eini-
ger Sohn in Bethlehem gebohren wuͤrde. Dahero hat dieſe Glorwuͤrdige
Jungfrau ihre Augen nit auff den Befehlenden/ ſondern auff die befohlene
Sach geſchlagen/ und allen Chriſtglaubigen fuͤrnemblich aber den Geiſtlichen
ein herrliches Exempel hinterlaſſen.
12. Nicht wenig kan dich auch/ mein Chriſtliche Seel/ zum blinden Gehor-
ſamb antreiben/ wann du nemblich ungezweiffelt darfuͤr halteſt/ daß dir deine
Obrigkeit/ ob ſie ſchon ihre Maͤngel und Fehler hat/ von GOtt alſo vorgeſe-
hen ſeye: dann dieſes hat GOtt ſeiner außerwaͤhlten Braut/ der H. Gertrudi
gnugſam zu verſtehen gegeben/ da ſie bey ſelbigem uͤber die Strengheit ihrer
Vorſteherin ſich beklaget/ und zur Antwort bekommen/ daß ſie von ſolchen
Klag-Reden ablaſſen/ und ſich verſicheren ſolte/ daß er dieſes alles zu ihrer
und der Vorſteherin Heyl gedeyen werde. Ein andersmahl hat die
gemeldte Heil. Jungfrau fuͤr die Maͤngel einer ſichern Perſon gebetten;
Gott aber iſt ihr erſchienen und hat ihr geſagt: Auß dem Uberfluß meiner
Guͤte/ meiner Suͤſſigkeit und Goͤttlichen Liebe/ vermoͤg deren ich die-
ſe Verſamblung erwaͤhlet hab/ laſſe ich auch den jenigen/ ſo andern
vor-
[256]Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
vorſtehen/ einige Maͤngel ankleben/ umb den Verdienſt der Verſamb-
lung dardurch zu vermehren zumahlen es viel tugenthaffter und Ruhm-
wuͤrdiger iſt/ einem ſolchen ſich unterwerffen/ deſſen Fehler kundbar ſeynd;
als einem anderen gehorſamen/ deſſen Werck von allen fuͤr gut gehalten
werden. Jch laſſe die Obrigkeit ihre Maͤngel haben/ und laſſe ſie von
der Vielheit der Sorgen zu Zeiten ſich beſudlen/ damit ſie deſto demuͤthiger
werden. Der Verdienſt der Unterthanen wird ſo wohl auß den Maͤnge-
len/ als auch auß den Tugenden deren/ die verwalten/ gemehret: und im-
gleichen wachſet der Verdienſt deren/ die da vorſtehen/ ſo wohl auß den Tu-
genden/ als auch auß den Fehlern der Unterthanen. Was vor groſſe Freud
und Ruhe deines Hertzens du auß ſothanem blinden Gehorſamb ſchoͤpffen
werdeſt/ kanſtu/ mein Chriſtliche Seel/ nicht beſſer erfahren/ als durch im-
merwehrende und ſtandhafftige Ubung deſſelben. Wird die Obrigkeit
tugentſamb und gut ſeyn; ſo wirſtu dich erfreuen uͤber aller gluͤcklichen Fort-
gang: wird ſie aber unbeſcheiden und boͤß ſeyn; ſo wirſtu dich nicht betruͤben;
ſondern der troͤſtlichen Zuverſicht leben/ daß dir von GOtt durch ſelbigt
mehrere Gnaden mitgetheilet/ und unerfolglich ein groͤſſer Lohn im [Himmel]
bereitet werde.
Der dritte Theil.
1. NUn folgt die zweyte Eigenſchafft deß Gehorſambs/ daß ſie nemblich
ſoll ſeyn willig und hurtig; das Gebott nit verweile/ ſich nit lang beden-
cke/ noch entſchuldige/ und nit mit einer Langſamkeit uñ Traͤgheit das Werck
ergreiffe: ſondern ein wahrer Gehorſamer ſoll/ wie der H. Bernardus leh-
ret/ die Ohren bereiten zum Gehoͤr/ die Zung zum Reden/ die Haͤnde zur
Arbeit/ die Fuͤß zum gehen/ und ſich alſo in ſich ſelbſt verſamblen/ auff
daß er dem Befelch ſeiner Obrigkeit nachkommen moͤge/ nach dem Exem-
Pelag. li-
bel. 14. n.
5.
Hiſtoria.pel deß frommen Geiſtlichen Marei/ welcher vor andern von ſeinem Abt
Silvano geliebet wurde; dieweilen aber ſich andere daruͤber beklaget/ hat der
jetzt- gemeldte Abt ſelbige mit ſich zu aller geiſtlichen Bruͤder Cellen genom-
men/ und hat alle Jnwohner derſelben zur allgemeinen Arbeit beruffen/ die-
ſe aber ſeynd nicht alsbald/ ſondern ein wenig hernach erſchienen. Der
eintzige Marcus/ ſo bald er von ſeiner Obrigkeit iſt beruffen worden/ hat er
ſelbigem Augenblick ſein vorhabendes Werck fahren laſſen/ und iſt alsbald
mit groſſer Hurtigkeit gefolget. Dahero hat ſich der mehr-gemeldte Sil-
vanus zu den Anweſenden gewendet/ und geſagt: Siehet ihr wohl den Unter-
ſcheid deß Gehorſambs? wie ſeynd die vorige ſo langſamb/ und dieſer ſo
augen-
[257]Von dem Gehorſamb.
augenblicklich erſchienen? nach dieſem ſeynd ſie in die Zell deß frommen Mar-
ci hineingangen/ und haben gefunden/ daß er den Buchſtaben P. zu ſchreiben
angefangen/ und nicht vollbracht habe: derhalben ſagte wiederumb der offt
gemeldte Abt zu den anweſenden: nun ſeyet ihr ſelbſt die Zeugnuͤß eines hur-
tigſten Gehorſamb; indem dieſer Marcus nach gehoͤrter meiner Stimm
auch die angefangene Litter nicht hat vollenden wollen: da dieſes die alte
Mit- Bruͤder erfahren/ haben ſie unter ſich beſchloſſen/ daß dieſer Marcus
warhafftig verdiene/ von ſeinem Vorſteher fuͤr andern geliebet zu werden.Vit. S.
Columb.
c. 16.
Vit. S.O-
don. l. 3. c.
10.
Der Keller deß H. Abten Columbani wird von ſelbigem geruffen/ und laſſet
zum Zeichen deß hurtigen Gehorſambs den Kranen ohne Schaden offen ſte-
hen. Der Heil. Odo iſt in kurtzer Beſchreibung deß Lebens deß Heil. Mar-
tini begriffen; und da man das gewoͤhnliche Zeichen zur Veſperen gibt/ laſſet
er das Buch offen/ und eilet alsbald zum Lob GOttes: da aber immittelſt
der Reegen ſein gantze Kammer verwuͤſtet/ bleibt allein dieſes Buch wegen
ſolcher Gott gefaͤlligen Hurtigkeit unverletzet.
14. Den wunderlichen Geiſt/ und ungemeine Weiß zu leben deß Heil.In ejus-
vita.
Simeonis haben die ſelbiger Zeit lebende geiſtliche Vaͤtter durch die Hurtig-
keit deß Gehorſambs probicen wollen/ ob ſothane Strenge GOtt angenehm
ſeye oder nicht/ und weilen er deren Befelch/ von der Saͤulen hinab zu ſteigen/
ohne einige Verweilung und Widerſprechen gehorchet; als iſt deſſen Inten-
tion oder Meinung von ihnen fuͤr gut erkennet/ und er auff ſeiner Saͤulen
gelaſſen worden. Der Heil. Bernardus hat auch den ſeeligen Joannem deVit. P. Jo-
annis l. 4.
Monte mirabili verſuchen wollen/ ob deſſen hartes und ungewoͤhnliches Le-
ben/ daß er mit Bohnen/ Kraͤutern und ſehr ſchwartzem Brod erhielte/ nur
von einigem Sinn und Willen gefuͤhrt werde; derowegen hat er ihm einen
gekochten Fiſch geſchickt/ und in Krafft deß Gehorſambs ſelbigen zu eſſen be-
fohlen: welchen dieſer fromme und gehorſame Joannes mit Graͤth und Bein
genoſſen/ daß man auch dieſerthalben in Forcht ſeines Lebens geſtanden; er
aber hat mit Verwunderung aller nicht den geringſten Schmertzen empfun-
den: So lieb iſt GOtt geweſen die Ubungdeß vollkommenen Gehorſambs/
daß auch auß deſſen Grab ein Safft gleich einer Milch zum Heyl der Kran-
cken gefloſſen: dieſem ſeeligen Joanni iſt unſer ehrwuͤrdige P. Joannes à St.
Guilielmo in dem Gehorſamb nachgefolget: und wiewohl er immer ſehrIn ejus
vita.
viel faſtete/ ſo hat er doch zur gewoͤhnlichen Faſten- und einigen
andern Zeiten gar nicht eſſen wollen: wann ihm aber einer vermoͤg deß Gehor-
ſambs (wie oͤffters geſchehen iſt) dieſe oder jene Speiß zu eſſen befohlen/ hat
er alsbald demſelben gleich der Obrigkeit gehorſamet: daß nun ſolches Eſſen
K kdem
[258]Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
dem Leben ſehr angenehm ſeye/ lehret uns Chriſtus/ da er zu der H. Brigittaͤ
L. 6. Re-
vel. e. 111.alſo ſpricht: Was foͤrchteſt du dich? wann du ſchon zehenmal im Tag eſſeſt
auß Gehorſamb/ ſo wird dir ſolches doch nicht zur Suͤnde gerechnet werden:
dann die Jungfrawſchafft verdienet ihre Cron; der Wittwe-Stand naͤheret
ſich zu Gott; aber der Gehorſamb leitet alle zum ewigen Leben.
vita.
15. Dem H. Joanni Damaſceno wird von ſeinem Lehr - Meiſter befoh-
len/ er ſolle zu Damaſco einige Koͤrblein verkauffen: ihm wird aber ſo hoher
Preiß derſelben eingeſetzt/ daß ſie nicht allein niemand kauffen wolte; ſondern
auch fuͤr einen Narren außgelacht/ und mit Pruͤgeln hergenommen wurde:
er obwohl nun dieſer heiliger Juͤnger gnugſamb erachten koͤnnen/ daß ihm der
Preiß von ſeinem geiſtlichen Vatter gar zu hoch geſetzet wurde; hat er ſich
jedoch im geringſten nicht beklagen wollen/ ſondern iſt mit aller Hurtigkeit
zum Marck hingangen/ und nach vielem außlachen und Schlaͤgen (wie vor-
hin gemeldet) hat ſichs zugetragen/ daß unter dieſen einer/ der vorhin deß Jo-
annis, als Richtern daſelbſt/ Diener geweſen/ ſeinen Herrn gekennet/ ihme
alle Koͤrblein umb den begehrten Preiß abgekauffet/ und ſeinen geweſenen
Herrn alſo von der Ungeſtuͤmmigkeit der Leuten errettet. Joannes aber iſt
nach vollbrachtem Befelch ſeines geiſtlichen Vatters/ in aller Demut wie-
derumb zum Cloſter gekehret. Daß nun unter ſo vielen hundert tauſend Geiſt-
lichen ſo wenig gefunden werden/ welche die Vollkommenheit und Heylig-
keit deß gemeldten Joannis Damaſceni erreichen/ muͤſſen ſie billig ihrer
Langſambkeit im gehorchen zuſchreiben; ſintemahlen der fliegende Gehor-
ſambkeit dieſes frommen Dieners dem allmaͤchtigen GOTT alſo gefal-
len/ daß er ihn mit ſeinen goͤttlichen Gnaden unbeſchreiblicher maſſen uͤber-
haͤuffet hat.
16. Wann nun einem/ der ſeiner Obrigkeit ſo willigen Gehorſamb lei-
ſtet/ mit himmliſchen Gaben dergeſtalt begnaͤdiget wird; was hat dann nicht
zu hoffen der jenige/ ſo da nicht allein dem Obern/ und auch nicht allein ſeines
In vit.
ejus.gleichen/ ſondern auch einem geringern ſich unterwerffet? Thomas von
Aquin ein Welt beruͤhmbt- gelehrter und heiliger Mann gehet einsmahls
in ſeinem Cloſter zu Bononien ſpatzieren/ da trifft ihn an ein anderer Geiſt-
licher deſſelben Ordens/ ſo gaſtweiß daſelbſt ſich auffhaltet/ und vielleicht
den Thomam nicht kennet/ befilcht ihm/ er ſolle zur Stund mit jhme in die
Statt gehen; und ſetzet hinzu/ daß ihm von dem Vorſteher erlaubt ſeye/
den jenigen mit ſich zu nehmen/ welcher am wenigſten beſchaͤfftiget ſeye:
Thomas entſchuldiget ſich im geringſten nicht/ ſondern ergreifft alsbald den
Bettel-Sack/ legt ſelbigen auff ſeine Achſeln/ und gehet mit ſeinem Geſellen
hinauß:
[259]Von dem Gehorſamb.
hinauß: da aber der heilige Mann wegen eines mangelhafften Fuß ſeinem
eilenden Gefaͤhrten nicht folgen kan/ wird er von ſelbigem auff oͤffentlicher
Gaſſen mit Worten uͤbel hergenommen: dieſes hoͤren die vorbey gehende
Weltliche/ und ermahnen den Geiſtlichen/ daß er mit ſo vorneh-
men und heiligen Mann dergeſtalt nicht verfahren muͤſſe: dieſer vermerckt
ſeinen Fehler/ und zugleich deß heiligen Thomæ Unterthaͤnigkeit; fallet ihm
derhalben zu Fuͤſſen/ und bittet umb Verzeyhung: Thomas gibt ihm mit la-
chendem Mund zur Antwort/ und ſagt; ich weiß nicht/ warumb du umb
Vergebung bitteſt; ich bin ja von dir nicht beleidiget worden; ich hab mich
jazur geiſtlichen Armut verbunden/ wie auch du/ ich trage willig und gern
den Bettel-Sack: und an dem geiſtlichen Gehorſamb hab ich ein Wohl-
gefallen/ krafft deſſen ein Menſch dem andern ſich unterwerffet umb Gottes
willen.
17. Gleich wie der langſame und genoͤtigte Gehorſamb kein wahrer Ge-
horſamb genennet zu werden verdienet; alſo hat die Goͤttliche Majeſtaͤt her-
gegen die willige und hurtige Gehorchung auch vielmahlen mit Wunder-
Wercken geehret: deren wir das erſte leſen im Leben deß ſeeligen Jacobi, Ley-
Brudern deß Heil. Prediger-Ordens: dieſer ware ſonderbar erfahren der je-In ejus
vita.
nigen Maͤhlerey/ ſo auff Glaß geſchicht/ und nachmals in einen gluͤenden
Ofen hinein gebrennet wird: nun hat ſich zugetragen/ daß er einsmahls ein
ſehr ſchoͤnes Gemaͤhl in die Gluet gelegt/ und ſeine Gegenwart dabey hoch-
noͤthig ware; da hat der Vorſteher den Gehorſamb ſeines Bruders auff die
Prob zu ſtellen/ demſelben wider alle Zuverſicht von dieſer Arbeit abzulaſſen/
und zum Betteln außzugehen befohlen: der fromme Jacob gehet hin ohne ei-
gene Entſchuldigung oder Vorwand ſeiner hochnoͤtigen Gegenwart bey
dem brennenden Ofen/ und bettelet/ wie ihm ware aufferlegt worden: er
bringt uͤber viele Stunden die geſamblete Allmuſſen nach Hauß/ und fin-
det ſeine Bildnuͤß dermaſſen ſauber und wunder-ſchoͤn und zu gewuͤnſchter
Vollkommenheit außgearbeitet/ daß nicht der geringſte Mangel daran zu
finden geweſen: alſo iſt er zwar ein Vorſpiel deß vollkommneſten Gehor-
ſambs geweſen; und der liebe GOTT/ als ein Liebhaber deß Gehorſambs/
hat all das jenige/ ſo ander Bildnuß noch erfordert worden/ durch ein Wun-
der-Zeichen dergeſtalt erſetzet/ daß der offtgemeldte Bruder die Tage ſeines
Lebens dergleichen Gemaͤhl nicht hat nachmachen koͤnnen. UnſermHiſtoria.
ſehr geiſtreichen Alipio à St. Franciſco wird einsmahls von ſeinem
Magiſter befohlen/ die Kertzen anzuzuͤnden; und da vielleicht deren
keine vorhanden iſt/ ſchafft er ihm/ er ſolle dann einen
K k 2Finger
[260]Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Finger anzuͤnden: Alippus gehorchet alsbald/ und ſtecket den Finger ins
Fewer: O Wunder! dieſer fanget an zu brennen/ und allen anweſenden zu
leuchten gleich einer Kertzen. dieſer Gehorſamb hat dem frommen Alippio zu
wegen gebracht/ daß ihm die Voͤgelder Lufft und Fiſche deß Waſſers/ mit
aller Menſchen hoͤchſter Verwunderung/ gehorchet haben.
18. Ferners laſſe dich unterrichten/ mein Chriſtliche Seel/ daß auch die
allerloͤblichſte und heiligſte Werck den Gehorſamb zu erfuͤllen/ vielmahl koͤn-
Ioan. Na-
daſi in
anno
Hebd.
cæl. fer. 4.
Hebd. 5.
Hiſtoria.nen und muͤſſen unterlaſſen werden: davon dir erſtlich ſattſamen Bericht ge-
ben ſollen/ erſtlich die jenige zwey Geiſtliche/ welche am Tag deß groſſen A-
bendmahls/ zur Zeit der Heil. Communion, die Allmuſſen zu ſamblen auß-
geſchickt waren; und nachdem ſie wieder nach Hauß kommen/ haben ſich in
der Capellen/ allwodas H. Nachtmahl auffbehalten wurde/ ihrer von Entra-
thung dieſer goͤttlichen Speiſe entſtehenden Ungluͤckſeeligkeit beklaget: denen
dann zum unaußſprechlichen Troſt ein uͤberauß ſchoͤner Juͤngling auß dem
Tabernacul hervor kommen/ und geſagt/ daß er JESUS ſeye/ und beyden
das Heil. Nachtmahl gereichet: Jn ſothaner troſtreichen Begebenheit iſt
wahr worden/ was der Heil. Philippus Nerius zu ſagen pflegte: daß nemblich
der jenige/ ſo umb deß Gehorſambs willen das Gebett/ oder andere geiſtliche
Werck/ die er zu verrichten ſchuͤldig iſt/ unterlaſſet/ GOttumb Gottes wil-
len verlaſſe: und der gottſeelige Bloſius auß der gegebenen Lehr deß hoch er-
fahrnen Thauleri ſprieht alſo: ſolte einer durch die Gnad GOttes auff ſo
hohe Staffel der Heiligkeit geſtiegen ſeyn/ daß er GOtt in der That ſelbſt
ſichtbarlich immer und allzeit bey ſich wohnen haͤtte; und wuͤrde zu einem
Werck deß Gehorſambs geruffen werden; ſo muͤſte er in ſolchem Fall bey ſei-
nem goͤttlichen Herrn ſich auff folgende Weiß beurlauben: Ey mein ſuͤſſeſter
GOtt/ laſſe mich doch dir zulieb/ meiner Obrigkeit dieſen Gehorſamb lei-
ſten: glaubet mir/ daß ſolche demuͤthige Verlaͤugnung deß eigenen Willens
an dieſem Menſchen dem lieben Gott viel angenehmer ſeyn wuͤrde/ als wann
derſelbige damahlen mit allen ſeeligen Geiſtern zum Himmel gefahren waͤre;
wie auß jetzt folgender Geſchicht zu ſehen iſt: Ein ſichere Cloſter-Jungfraw
brennete vor Lieb gegen GOtt/ und bettete ihren Heyland mit ſehr inbruͤn-
ſtigem Hertzen/ daß er ſich ihr nur auff ein eintziges Augenblick zeigen moͤch-
te; und ſiehe/ alsbald iſt derſelbige in Geſtalt eines holdſeligen Knaͤbleins zu-
gegen/ die Jungfraw aber wird von einer ihrer Schweſtern zu Verrichtung
einer Arbeit auß Gehorſamb eylends beruffen: und da ſie den Befehl der O-
brigkeit durch ſothane Beruffung wahr genommen/ hat ſie das goͤttliche
Kindlein mit liebreichen Worten gebttten/ er wolle ihm doch gefallen laſſen/
biß
[261]Von dem Gehorſamb.
biß auff ihre Widerkunfft zu warten. Sie aber verrichtet inzwiſchen ihr
aufferlegtes Werck mit freuden/ und eilet nach deſſen Vollendung wiederum
zur Cellen; in deren Eroͤffnung ihren Augen ein ſo frembdes und hell-ſchei-
nendes Licht vorkommet/ daß ſie ſelbiges kaum ertragen koͤnnen; und ſehet
das verlaſſene Knaͤblein nunmehr in die Geſtalt eines uͤberauß ſchoͤnen/ und
ungefehr vier und zwantzig- jaͤhrigen Juͤnglings veraͤndert; derhalben ſie
mit groſſer Verwunderung denſelben anredet und fragt/ wie und warumb
er in ſo weniger Zeit auß einem kleinen Kindlein zu ſolcher Groͤſſe gelangt
ſeye? er aber gibt zur Antwort/ und ſagt: liebe Tochter/ die nidrige De-
mut deines geſchwinden und unverdroſſenen Gehorſambs hat mich in ſo
kurtzer Zeit ſo groß gemacht; derhalben ſolſtu auß Liebe meiner allzeit gern ge-
horchen/ wann du mit mir ohne Mittel immer verlangeſt vereiniget zu ſeyn.
Das nun der Goͤttlichen Majeſtaͤtein ſolcher Gehorſamb ſehr gefalle/
kanſtu dir/ mein Chriſtliche Seel/ leichtlich einbilden/ wann du dich erin-
nereſt/ daß Gott erſtlich den guten Willen zum Werck gleich dem Werck
ſelbſten belohne/ und zum andern die Verleugnung deß eigenen Wil-
lens an einem Geiſtlichen uͤber alles liebe; daß er alſo/ nach der jeni-
gen Verſicherung/ ſo die glorwuͤrdige Himmels- Koͤnigin der Heil.Revel. L.
4. c. 26.
Brigittaͤ gegeben/ den Verdienſt deß Wercks nicht allein nicht verliere;
ſondern noch darzu einen andern Lohn deß Gehorſambs gewinne.
Weiters muſtu wiſſen/ daß dieſe die vortreffliche Ubung deß Ge-
horſambs ſeye/ wann du nemblich dem Gebott/ ſo von der Obrigkeit
noch nicht wuͤrcklich gegeben worden; ſondern wiſſeſt/ daß die Verrich-
tung deſſelben deinen Obern lieb ſeye/ durch deine Hurtigkeit vorkommeſt:
dann gleich wie der jenige/ ſo vor der beſtimbten Zeit die Bezahlung leiſtet/
ein Werck der vollkommenen Gerechtigkeit uͤbet; alſo verrichtet der Geiſt-
liche einen warhafften und vollkommenen Gehorſamb/ welcher den Befelch
ſeiner Obrigkeit vorkombt. Wann du nun die obgeſetzte Lehr unſtraͤfflich
gehalten haſt/ ſo leſe die dritte Eigenſchafft deß Gehorſambs.
Der Vierdte Theil.
19. DRitte Eigenſchafft beſtehet darinn/ daß der Gehor-
ſamb ſtarck und beſtaͤndig ſeye/ und wegen immer vorfallen-
den Beſchwaͤrlichkeit zumahlen nicht geſchwaͤchet werde/ nach
dem Exempel unſers Erloͤſers/ der da gehorſamb worden iſt biß zum Todt/
und zwarn biß zum Tod deß Creutzes; und der/ damit ich mich der Wor-
ten deß H. Bernardi gebrauche/ umb Erhaltung deß Gehorſambs/ das
K k 3Leben
[262]Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Leben verlohren hat. Dann es geziembt ſich/ ſagt der H. Baſilius/ daß
der jenige/ ſo ſich dem geiſtlichen Stand ergeben hat/ eine veſte/ ſtarcke und
unbewegliche Beſtaͤndigkeit deß Willens/ und eine ſolche Vernunfft
habe/ daß er von den boͤſen Geiſtern nicht koͤnne erſchuͤttet noch vertrieben
werden. Er muß auch/ ſagt der H. Mann einer ſolchen Steiffigkeit deß
Gemuͤts ſeyn/ daß an ihm biß zum Todt die Standhafftigkeit der Martyren
zu ſehen ſeye/ Krafft deren er die Goͤttliche Gebott unſtraͤfflich halte/ und
ſeinen Vorſtehern den vollkommenen Gehorſamb leiſte. Und dieſes iſt
deß geiſtlichen Lebens vornehmſtes Haubt-Stuck. An einem andern
Orth ſagt der gemeldte H. Lehrer. Ein wahrer Liebhaber Chriſti weigeret
In Regul.
Brevior.ſich nicht allein zu tragen/ was ſchwaͤr iſt/ ſondern verlanget vielmehr auch
zu erdulden/ was noch ſchwaͤrer iſt. Der H. Biſchoff Lambertus wird
von ſeinen Feinden ins Elend vertrieben/ fliehet ins Kloſter zu Stablo/ wird
Sur. in
Vit.von dem Praͤlaten und uͤbrigen Geiſtlichen als ein heiliger Mann auff- und
angnommen. Jnſothaner ſeiner Auffenthalt/ begibt es ſich/ daß der Heil.
Biſchoff/ ſo mit den Muͤnchen deß Kloſters auff dem gemeinen Dormito-
rio zu ruhen pflegte/ etwan fruͤher vor der Metten auffſtehet/ umb ſein
Gebett zu verrichten; und da ihm auß Ungehorſambkeit im Ankleiden einer
ſeiner Schuhe entfallet/ werden die Geiſtliche ſambt ihrem Vorſteher von
dem Getuͤmmel vom Schlaff erwecket. Derhalben der Praͤlat befohlen
daß der jenige Muͤnch/ ſo dieſe Unhoͤfflichkeit begangen/ ſich alsbald nach
Gewonheit zum Creutz verfuͤgen/ und durch den Gehorſamb buͤſſen ſolte/
was er durch ſeine Nachlaͤſſigkeit geſuͤndiget. Es ware ſelbige Nacht
ſehr kalt und hart gefrohren/ dannoch wilt der heilige Biſchoff dem Be-
felch deß Praͤlaten gehorchen/ und gehet in ſeinem haͤrenin Kleyd ohne
andere Uber-Kleyder zu dem gemeldten Creutz hin/ und verharret daſelbſt
ſo lang/ biß ſich die Geiſtliche zum Dienſt GOttes bereitet haben. Da
nun der Abt den heiligen Lambertum unter der Zahl ſeiner Geiſtlichen
wider alle Gewonheit nicht gegenwaͤrtig ſehet; und hoͤret/ daß er der jenige
ſeye/ den er zum Creutz verwieſen habe/ laufft er alsbald hinzu/ findt den
heiligen Mann von der kaͤlte gantz erſtarret/ in ſeinem Cilicio mit hell-
glantzendem Angeſicht vor dem Creutz kniend/ fallet mit ſeinen andern Geiſt-
lichen demſelben zu Fuͤſſen/ und bitten umb Vergebung. Hergegen pro-
teſtiret der heilige Biſchoff/ das er ab ſolcher Vergebungs-Bitt zumahlen
ſchamroth werde/ und ſagt/ daß er vielmehr ſchuldig waͤre umb Ver-
zeihung anzuhalten/ diemeil er der geiſtlichen Ruhe verſtoͤret habe; Jſt
diß nicht ein hertzhaffter und heroiſcher Gehorſamb?
20. Wie
[263]Von dem Gehorſamb.
20. Wie viele ſeynd nicht gefunden worden/ ſo da vermoͤg deß ſtar-
cken Gehorſambs ſich in die euſſerſte Gefahr ihres Lebens geſetzt haben[:]
welche von GOTT in Anſehung dieſer herrlichen Tugend wunder-
barlicher Weiß erhalten worden? hat nicht der gehorſame Joannes ein
Juͤnger deß Abten Pauli; wie im Leben der H. H. Vaͤttern zu leſen iſt;In Vit.
P. P.
Hiſtoria.
auß Gehorſamb einer wilden Loͤwin zugenahet/ ſelbige gebunden/ und
wie ein Laͤmblein mit ſich nach Hauß gefuͤhret/ die jedoch viele Menſchen
und Viehe vorhin beſchaͤdiget hatte? hat nicht die Heil. Euphraſia auff
den Befelch ihrer Vorſteherin ſo groſſe und ſchwaͤre Steine/ daß de-
ren einer von Zweyen Schweſtern nicht hatte koͤnnen beweget werden/
von einem Orth zum andern ohne den geringſten Vorſchub oder Ent-
ſchuldigung gantz gern und willig getragen; und von dieſem letzteren
Orth wiederumb zum vorigen ohne einiges menſchliches Zuthun auff ih-
ren Achſelen gebracht? Wer hat aber anders dieſer Jungfrauen ſolche
ungemeine Staͤrcke verliehen/ als der ſtarcke und ſtandhafftige Gehor-
ſamb? Ein ander hat einen duͤrren und vertruckneten Stecken zwey gantzer
Jahr lang auß Gehorſamb befeuchtiget in Hoffnung daß er gruͤnen ſolte/
und ſiche/ im dritten Jahr hat der ſtandhafftige Gehorſamb dem ver-
duͤrreten Stock die verlangte Gruͤne dermaſſen ertheilet/ daß er zu einem
Baum erwachſen/ und von vielen Nachkoͤmmlingen ein ſehr geraume
Zeit mit Verwunderung geſehen worden. Unzahlbare andere Beyſpiel
deß ſtandhafftigen Gehorſambs koͤnnten dir/ mein Chriſtliche Seel/
beygebracht werden/ wann nicht dich und mich die verdrießliche Weit-
lauffigkeit abſchrecken wurde/ dieß muß ich dich bitten/ daß du nemblich mit
dem Gott-ſeeligen Abten Neſtorio dir offtmal von Hertzen zuſprecheſt: Jch
und der Eſel/ wir ſeynd eins/ was man ihm auffle-
get/ das tragt er ohne Verweilung.
21. Damit du aber den rechten Weeg deß Gehorſambs nicht verfeh-
leſt/ ſo muſtu dieſe Stuck zu deinen mehrern Verſicherung wohl be-
hertzigen. Erſtlich iſts ins gemein darfuͤr zu halten/ daß ein Un-
terthan ſeiner Obrigkeit zu gehorchen ſchuldig ſeye/ nicht allein/ wann
er billige Sachen vorſchreibet; ſondern auch/ wann er ſolche Ding
zu verrichten befehlet/ daran gezweifflet wird/ ob ſie gut oder boͤß
ſeyen; dieweilen man in ſolchem Zweiffel ſchlieſſen muß/ daß der
Obere keine boͤſe/ ſondern vielmhr ein gute Sach ſeinem Un-
tergebenem aufftrage; zumahlen die Obrigkeit in der Poſſeſſion oder
Be-
[264]Die Ein und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Beſitzung iſt zu ſchalten und zu walten. Und obſchon niemanden zugelaſ-
ſen wird in ſolchem uͤblichen Zweiffel ein Werck anzufangen/ ſo iſt doch der
Unterthan verbunden/ ſothanen uͤblichen Zweiffel in der Materi deß Gehor-
ſams hindannen zu ſetzen. Alſo lehret der gelehrte Molina. Solt es aber
gewiß ſeyn/ daß das jenige/ ſo die Obrigkeit befilcht/ ungerecht oder auch
eine laͤßliche Suͤnd/ oder den Naͤchſten unverſchulder Dingen ſchaͤdlich
oder aͤrgerlich ſeye; in ſolchem Fall haben Platz die Wort der Apoſtoliſchen
Geſchichten am 5. Cap. Man muß GOtt mehr gehorſamb ſeyn/
dann den Menſchen. Damit aber der Unterthan durch allzugroſſes
Vertrauen auff ſeinen Verſtand/ nicht fehle/ thut er wohl/ wann er den
Rath einiger Alteren vorhero einnehme. Wann Zweytens einem von
der Obrigkeit ein ſolches Ambt aufferlegt werde/ dadurch er einen merckli-
chen Schaden deß Leibs oder der Seelen leyde/ oder in die Gefahr ſeinen
GOtt und HErrn zubeleidigen ſich ſtuͤrtzen werde; ſo muß er ſeine Schwach-
heit der Obrigkeit offenbahren/ und denſelben demuͤtiglich erſuchen/ auff
daß er in Aufferlegung dergleichen Aembtern ſeiner verſchoͤne. Wird aber
keine andere Verhindernuß/ als nur einige Ablaſſung von den gewoͤnlichen
andaͤchtigen Ubungen zu foͤrchten ſeyn/ in ſolchem Fall iſts beſſer/ daß man
ſeiner Obrigkeit gehorche; zumahlen ein ſehr andaͤchtiges und GOtt-ge-
faͤlliges Werck iſt es/ ſeiner Obrigkeit den Gehorſamb leiſten.
20. Schließlich iſt wohl zu mercken/ daß das Geluͤbt deß Gehorſambs zu
ſelbiger Zeit allein verdienſtlich ſeye/ wann der Unterthan den Auffgetra-
genen Befelch nur zur eintzigen Ehren und Lob GOttes/ und nicht auß
natuͤrlicher Neigung deß Fleiſches verrichtet. Darauß dann augenſchein-
lich erfolget/ daß der jenige/ ſo ſich deß Verdienſt wilt theilhafftig machen/
vor GOtt ſich erklaͤre und proteſtire/ das er angeſchaffte Werck nicht auß
einer ſinlichen Neigung/ ſonderen zu lauterem Lob GOttes und zu ſchuldi-
gem gehorſamblichen Gnuͤgen ſeines Oberen auff ſich nehme. Dahero ſagt
der H. Gregorius in Beſchreybung der Natur deß Gehorſambs alſo: Der
Gehorſamb muß in den widerwaͤrtigen Dingen auß dem
L. 35. mor
c. 13.Seinigen etwas haben (nemblich eine groſſe freudige Hurtigkeit und
Liebe zu gehorchen) und muß in den glůcklichen und wohlfaͤr-
tigen Sachen auß dem Seinigen nichts haben; dieweilen
ſelbige nicht wegen der eigenen Ergaͤtzligkeit/ ſondern
umb den Willen GOttes allein můſſen geliebt und ange-
nom-
[265]Von dem Gehorſamb.
nommen werden: Zum Exempel: Es wird ein Geiſtlicher von ſei-
ner Obrigkeit zum Gaſtmahl der Weltlichen/ oder zu einer andern der-
gleichen Erluͤſtigung geſchicket/ der ein Menſch ſeiner natuͤrlichen
Neigung gemaͤß iſt zugethan/ und dardurch oͤffters eine ſchaͤd-
liche Laͤwigkeit deß Geiſtes der Seelen zuſtoſſet: in dieſem und
dergleichen Faͤllen kan der Unterthan ohne Verletzung deß vollkommenen
Gehorſambs ſeine Obrigkeit demuͤtiglich und ehrbietſamblich erſuchen/ daß
er ihn von ſothaner Ergoͤtzlichkeit befreyen wolle: ſoll aber die Obrigkeit die-
ſem Begehren nicht einwilligen; ſondern den Erſuchenden gleichwohl zu Be-
felchen fortfahren; ſo muß ſolcher auß Gehorſamb geſchickte Geiſtliche/ wan
er deß Verdienſts deß Gehorſambs genieſſen/ und die erworbene Hitze deß
Geiſtes nicht verliehren will/ dieſes fleiſſig beobachten; daß er nemblich/ wie
oben gemeldet/ derhalben allein gehorche/ weil es ein befelch der Obrigkeit iſt/
und zum andern/ in ſothaner Ergoͤtzligkeit muß er behutſamb ſeyn/ auff daß ſo
wohl ſeines als auch deß Nechſten Gewiſſens-Ruhe/ die gefaſte Brunſt der
Andacht/ und die gebuͤhrende geiſtliche Eingezogenheit keinen Schaden leide/
und von ihme die Regel der Nuͤchterkeit unſtraͤfflich gehalten werde.
21. Daß nun dieſem alſo ſeye/ und dem Gehorſamb mit nichten widerſtre-
be/ wann der Untergebene zu dergleichen ſchmeichlenden Erfriſchungen ſich
nicht eben willig und bereit finden laſſe; lehret uns mit ſeinem Exempel der
Heil. Nicolaus von Tolentin, welcher in einer ſehr gefaͤhrlichen Kranckheit
zum Fleiſch-Eſſen gar ernſtlich ermahnet worden; und da er ſich aller maſſen
entſchuldiget/ iſt ihm zu letzt auch von dem Generalen ſelbſt befohlen worden/
daß er dem Rath der Artzen folgen ſolte; deme er ſich dann im geringſten nicht
widerſetzet hat/ ſondern ein Bißlein deß zugerichteten Fleiſches gekoſtet/ und
geſagt; ſehet/ nun hab ich gethan was mir befohlen worde/ im uͤbrigen ſchaffet
alsbald dieſe ſchmeichlende Freſſerey hinweg: alſo hat dieſer gottſelige Nico-
laus gleichwoͤhl den Gehorſamb/ und zwar ſo unbefleckt gehalten/ daß der H.
Auguſtiner Orden von ſelbigem dieſes Lob ſinge: Nicolausein wahrer
Armer CHriſti/ hat den Gehorſamb gehalten allezeit: daß
aber dem lieben GOtt dieſer Gehorſamb gefaͤllig geweſen/ kan man gnug-
ſamb dar auß abnehmen/ weil nemblich dieſer heilige Mann ohne einige Ar-
tzeney bald hernach die vorige Geſundheit erlangt hat. Es kan auch ein Geiſt-
licher/ wann er vielleicht foͤrchtet/ daß auff vorbeſagte Weiß von andern fuͤr
einen beſondern Heiligen wuͤrde gehalten werden/ die vorgeſetzte Manier fah-
ren laſſen/ und wegen der auß Gehorſamb genoſſenen Ergoͤtzlichkeit in an-
L ldern
[266]Die Ein und zwantzigſte Geiſtliche Lection
dern unzulaͤſſigen Dingen ſich abtoͤdten/ ſich einige mahl deß Wein-Trin-
ckens/ oder andern geſchmaͤckigen Speiſen enthalten/ damit er gleichwohl
deß Verdienſts deß Gehorſambs nicht beraubet werde/ nach dem Exempel
In ejus
vita.deß Macarii Alexandrini, ſo in Geſellſchafft anderer Geiſtlichen von ſel-
bigem offt gebetten worden/ daß er mit ihnen Wein tr[i]ncken wolle; denen er
endlich/ umb zu zeigen/ daß er auch gleich andern ein Menſch waͤre/ gefolget:
nachmals aber ſo viel Tage durſt gelitten/ und alſo deß Waſſers ſich enthal-
ten/ als er Becherlein Wein getruncken hat: nachdem aber ſolches andere ſeine
Mitbruͤder vernom̃en/ haben ſie zu Verhuͤtung einer ſo groſſen Marter/ den
In ejus
vita.frommen Mann zum trincken nicht mehr genoͤthiget. Unſer ehrwuͤrdige Jo-
annes à St. Gui ielmo hat/ ſo offt er bey den Weltlichen zur Taffel hat ſitzen
muͤſſen/ nach der Wiederkunfft zum Cloſter ſeinen Leib mit ſo ſtrenger Diſ-
ciplin hergenommen/ daß von allen Seiten das Blut haͤuffig herunter ge-
floſſen iſt: dahero geſchehen iſt/ daß ſeine Mit-Bruͤder die Leute gebetten/ ſie
moͤchten ſelbigen doch hinfuͤhro nicht mehr einladen.
22. Wolte Gott/ daß alle Geiſtliche dieſe unſere Lehr gebuͤhrender maſſen
behertzigten/ und derſelben nachzuleben ſich unter ſtuͤnden; ſie wuͤrden ſich
ſicherlich unter den Deck-Mantel deß Gehorſambs in ſo viele Laſter nicht
ſtuͤrtzen. O wie viele kenne ich/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß ich ſie nicht ken-
nete/ welche von ihrer Obrigkeit offt und vielmahl ſeynd auß geſand worden/
oder umb unterſchiedliche Geſchaͤfften in krafft deß Gehorſambs zu verrich-
ten/ oder mit einigen bekendten Weltlichen zu ſpeiſen; und ſeynd nichts deſto
weniger durch ſolche Anſchaffungen zu ſolcher Lawigkeit gerathen/ daß ſie
den Chor-Gang und andere geiſtliche Ubungen wie ein Geſpaͤnſt geflohen
haben! woher aber iſt dieſer Widerwill entſtanden? mich geduͤncket nicht/
daß er von dem Gehorſamb ſeinen Urſprung habe/ zumahlen ſelbiger nicht die
Weigerung/ ſondern vielmehr die Vermehrung der Gnaden GOttes ver-
dienet: woher entſtehet dann die Urſach dieſer groſſen Armſeligkeit? ich ſage/
und kan anders nicht ſagen/ als daß ſelbige ſich allein ihre Ungluͤckſeligkeit zu-
zumeſſen haben/ weilen ſie das jenige/ ſo in dieſen vierten Theil iſt geſagt wor-
den/ nicht gehalten haben; derhalben geſchehen iſt/ daß ſie dieſe Befelche viel-
mehr auß eigenem Nutzen/ als auß Krafft deß wahren Gehorſambs voll-
bracht/ und an ſtatt der Gnaden/ ſothane Straff verdienet haben. Es gehoͤ-
ren auch unter die Zahl derſelbigen die jenige Geiſtliche/ welche zu den wider-
waͤrtigen gebotten der Obrigkeit die Ohren gleichſamb verſtopffen; in den
beliebigen und anmuͤthigen aber ſich die allerhurtigſte und gehorſambſte zei-
gen unter allen: und derowegen ſuchen ſie auff alle Weiß/ mit ſolchen Befel-
chern
[267]Von dem Gehorſamb.
chern belaͤſtiget zu werden/ die ihnen nur gefallen; und vermeinen/ daß ſie die-
ſer Geſtalt den Lohn deß Gehorſambs davon tragen werden: daß iſt aber weit
gefaͤhlet; und lachet ſolche Geiſtliche billig auß der Heil. Bernardus/ da er
alſo ſpricht: Wer ſich immer oͤffentlich oder heimblich befleiſ-De trib.
Ord.
Eccl.
ſet/ daß ihm ſein geiſtlicher Vatter daß jenige aufferlege/
was er gern will/ der verfůhret ſich/ wann er ſich vielleicht
ůber den Gehorſamb ſchmeichlet: dann in ſothaner Sache
iſt er nicht ſeinem Vorſteher/ ſondern vielmehr iſt der Vor-
ſteher ihme gehorſamb. Jm uͤbrigen/ ſo viel den Gehorſamb wegen
Annehmung der Aembter der Verſamblung betrifft/ kan ſich ein jeder unter-
richten auß der Lection von dem Ehrgeitz §. 18. 19. und mit dieſer gegebenen
Inſtruction fuͤr liebnehmen.
Die Zwey und zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von dem
Laſter deß Vngehorſambs.
Peribitis, ſi inobedientes fueritis voci Domini DeiDeut. 8.
v. 20.
veſtri.
Herrn ewetes GOttes ungehorſamb ſeyn werdet.’
Der Erſte Theil.
1. DAs der Ungehorſamb ein ſehr groſſes Laſter ſeye/ kan auß den
ſchwaͤren Straffen/ mit denen der allmaͤchtige Gott ſeine Rebellẽ
zuͤchtiget/ gnugſamb erkennet werden: deren eine der jenige Prophet
L l 2erfahren/
[268]Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
erfahren/ ſo von dem falſehen Propheten verfuͤhr et worden/ und in deſſen
Hauß gegen das Gebott Gottes geſpeiſet; derhalben er/ unangeſehen ſeiner
L. 3 Reg.
c. 13.trew geleiſteten Dienſten im Weiſſagen uͤber den Koͤnig Jeroboam von ei-
nem Loͤwen zerriſſen worden: hiemit hat Gott anzeigen wollen/ wie hoch er
Jon. 1.den Ungehorſamb ſeiner Diener empfinde. Jonas hat dem Befelch deß Herrn
zu gehorſamen ſich geweigert; wie groſſe Zerſtoͤrung aber und euſſerſte Ge-
fahr deß Schiffs und aller ſo wohl Guͤter als Menſehen hat dieſer Ungehor-
ſamb nicht verurfachet? Ein Ungehorſamer verſtoͤret ein gantze Gemeinde/
Num 16.und der nicht gehorchet/ widerſpricht allen. Die Erde hat die wider ſpennige
Geſchlechter Core, Dathan und Abiron nicht tragen wollen/ ſondern hat ſie
mit ihren Tabernaculen/ Weib und Kindern/ ſo da in dem Ungehorſamb
Gen. 3.eingewilliget/ lebendig verſchlungen. Unſere erſte Eltern haben durch den
Ungehorſamb die Suͤnde und den Todt in die Welt gebracht; allen ihren
Nachkoͤmlingen ſehr ſchwaͤre Truͤbſalen auffgebuͤrdet/ und ſich ſelbſten un-
wuͤrdig gemacht deß irdiſchen Paradeiß/ und du ungehorſamer Menſch ge-
traweſt dir noch einzugehen in das Himmliſche; der du ein Geiſtlicher zu ſeyn
ſcheineſt/ und nicht biſt; gleich wie das ungehorfame/ und in eine Saltz-Saͤul
Gen. 19.
1. Reg. 15.verkehrtes Weib Loth ein Menſch zu ſeyn ſcheinet/ und doch nicht iſt: mehr
biſt du ein vermeinter/ als wa[h]rer. Geiſtl[i]cher. Wegen deß Ungehorſambs iſt
der von GOtt erwaͤhlte Koͤnig Saul ſeiner Regirung entſetzet worden; weil
er nach dem Befelch Gottes die Amaliciter nicht alle vertilget hat. Das Jſ-
raelitiſche Volck iſt ob dieſem Laſter gefaͤnglich in Babylon gefuͤhret wor-
den/ wie im Propheten Jeremia am 34ten Capitul zu ſehen iſt.
2. Wie viele andere Straffen deß Ungehorſambs meldet nicht die Heil.
Schrifft/ krafft deren uns die goͤttliche Majeſtaͤt gnugſamb zu erkennen gibt/
wie groſſes Abſchewen dieſelbe uͤber dieſe Suͤnd trage/ ſo da wegen ihrer
uͤbermaͤſſigen Boͤßheit vielmahlen eine Abgotterey genennet wird; und daß
wir durch ſolche Exempelen heylſamblich unterrichtet/ unſern Vorſtehern
den ſchuͤldigen Gehorſamb zu leiſten gleichſamb genoͤthiget werden: und
wann uns ſothane Beyſpiel von der Grauſambkeit dieſer Untugend nicht
abſchrecken ſolten; ſo ſollen doch die jenige Plagen/ mit denen GOTT
den Ungehorſamb auch im newen Teſtament nach Zeugnuͤß vieler glaub-
wuͤrdigen und heiligen Maͤnner gezuͤchtiget; unſerer Schuldigkeit uns
Diſeip.
Hiſtoriaerinnern. Ein ſicherer Geiſtlicher auß dem Heil. Prediger Orden erkuͤhnet
ſich/ ohne Erlaubnuß Fleiſch zu eſſen/ und wird alsbald vom Teuffel jaͤm-
merlich geplaget: und da dieſer hoͤlliſche Feind vom Heil. Dominico ſeines
ſolchen Verfahrens halber beſtrafft wird/ gibt er ihme zur Antwort: dieſer
Muͤnch
[269]Von dem Vngehorſamb.
Muͤnch hat gegẽ deine Satzung Fleiſch gefreſſen. Der H. Vatter aber hat den
armſeeligen Geiſtlichen von ſeiner Suͤnd loßgeſprochen/ und den laidigen
Sathan vertrieben. Ein ander auß ſelbigem Orden hat ebenfals groſſen
Uberlaſt von dieſem hoͤlliſchen Feind leyden muͤſſen; und da ſelbigen ſeine
Mit-Bruͤder zur Kirchen getragen/ ſeynd alsbald alle Ampelen der Kirchen
erloͤſchet. Der H. Dominicus aber hat dieſen boͤſen Geiſt beſchwohren/
und die Urſach ſolches hefftigen Plagens zu bekennen genoͤthiget: welcher
dann außgeſagt; daß der Muͤnch dieſe Straffdahero verdienet habe/ die-
weil er ohne Erlaubnuß/ und ohne vorhergemachtes. Zeichen deß H. Creu-
tzes Wein getruncken hat. Jndem man nun zur Metten geleutet/ hat er
dengleich einem Todten auffin. Boden ligenden Bruder verlaſſen. Jm
Kloſter deß H. Amati hat eine geiſtliche Jungfrau ohne Erlaubnuß einen
Apffel geſſen/ und iſt zur Stund wegen dieſes Ungehorſambs vom Teuffel
beſeſſen/ und armſeeliger Weiß tractiret worden. Beſſer hat ſich vorge-
ſeyen der jenige Geiſtliche/ ſo in einen unzeitigen Trauben verliebet/ denſel-
ben doch ohne Erlaubnuß ſeiner Obrigkeit nicht hat eſſen wollen: und da
er ſelbigen abgebrochen/ an Statt deß Traubens eine Schlang in ſeiner
Hand gefunden hat; die er dann augenblicklich von ſich geworffen/ und ſol-
ches ſeinem Oberen bedeutet hat; welcher dieſe Schlang bey dem Schweiff
gefaſſet/ und/ wohl merckend/ wer in derſelben verborgen ſeye/ zur Kirchen
geſchlept: allwo der Teuffel auß dem Maul der Schlangen rundauß be-
kennet hat; daß er den Muͤnchen das Kloſter wuͤrde zu eng gemacht haben/
wann er den Trauben ohne Erlaubnuß wuͤrde genoſſen haben.
3. Behuͤte uns GOtt! wann zu heutigen Zeiten die GOtt-verlobte
Perſonen dergleichen Ungehorſambs halber ſothanen ungeſtuͤmmen Gaſt be-
herbergen ſolten/ wie viele wuͤrde man nicht Beſeſſene finden! Ob zwarn
der gerechte Gott derſelben anjetzo verſchoͤnet/ ſo werden ſie doch der jeni-
gen grauſamen Straffen/ ſo den Ungehorſamen bereitet ſeynd/ nicht ent-
gehen; lang geborgt/ iſt nicht quit geſchlagen: GOtt weiß ſich der gele-
genen Zeit zu gebrauchen/ und ſtraffet nachmahls/ wann nicht die Buß-
fertigkeit die Mittlerin wird/ viel haͤrter. Zu beſtaͤttigung aber der ange-
zogenen Warheit erzehlet der gelehrte Scribent Zacharias Boverius/ daßAnn. Ca-
puc. 559.
Hiſtoria.
ein Capuciner Ley-Bruder die gantze Woch durch im Garten gearbeitet/ am
Sonntag aber wurde er von ſeiner Obrigkeit mit denen Prieſtern deſſelben
Ordens/ welche an andern Orten predigen muſten/ außgeſchickt. Uber
ſolche Muͤhe-Waltung und immerwaͤhrende Anſchaffung deß Obern
L l 3wurde
[270]Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
wurde dieſer Geiſtliche zu letzt ver drießlich/ und beſchloſſe bey ſich/ lieber
den Orden zu verlaſſen/ als dieſem Befelch erwehnter Geſtalt zugehorchen.
Da nun am nechſt-folgenden Feſtag an Statt ſeiner/ ein ander dem
Prediger zugeſellet wurde/ und er in Forcht ſtnnde/ daß ſolte außgeſchickt
werden/ unterlieſſe er nach dem Mittagmahl die fuͤnff Vatter unſer und
Engliſche Gruͤß nach Gewonheit mit den andern zu betten/ und macht ſich
mit dieſem boͤſen Vorhaben heimlich darvon nach ſeiner Cellen. Siehe/
da wurde das Kloſter eilends von einer ſehr groſſen Anzahl der heran-
fligenden Raaben gleichſamb beſtuͤrmet/ welche mit ihren Fluͤge-
len und Schnaͤbelen ſich euſſerſt bemuͤheten in die Celle deß gemeldten
Bruders hineinzubrechen. Uber dieſes ungewoͤhnliche Geſchrey wurde je-
derman verwundert/ und wuſte keiner/ was er von ſelbigem urtheilen
ſolte/ auſſer dem ehrwuͤrdigen Pater Guardian/ welcher unfehlbar dar-
fuͤr hielte/ daß dieſe keine Raaben/ ſondern vielmehr lauter Teuffelen
waͤren/ ſo da bevollmaͤchtiget/ einen auß der Gemeinde mit ſich in den hoͤlli-
ſchen Abgrund zu ſchleiffen. Derhalben ein jeder das heilige Sacra-
ment der Buß zu ergreiffen ſich beflieſſe/ auſſerhalb dieſem Bruder/ welcher
mit Abwendung der Raaben gnug zu ſchaffen hatte/ dieſen beruffete der
Guardian zu ſich/ und ermahnete denſelben ernſtlich/ daß er ſein Gewiſ-
ſen erforſchen/ und mit gebuͤhrenden Entdeckung der verborgenen Suͤnde
dieſer anſtehender Gefahr zu entgehen ſich unterſtehen ſolte. Es fiele an-
faͤnglich dieſem Geiſtlichen ſchwaͤr der ſo vaͤtterlichen Ermahnung zu
gehorchen; ſo bald er aber gebeichtet/ und von ſeinen Suͤnden loßge-
ſprochen worden; ſeynd die hoͤlliſche Raaben nicht ohne entſetzlichem
Geſchrey verſchwunden.
4. Viele ſeynd/ welche den Befelch der Obrigkeit verrichten/ aber
Serm. de
Obed.nicht ohne murmelen. Ein wahrer gehorſamer/ ſagt der Heil.
Ephrem/ verſchmaͤhet ſeinen Vatter nicht/ er ſtraffet nichts
an ihm/ und widerſpricht demſelbigen auch mit ſeinen
Reg. S.
Columb.
1. p. c. 3.Gedancken nicht. Und der H. Columbanus haltet darfuͤr/ daß/
wann einer murren werde; ſelbiger ſeiner gethanen Geluͤbden gemaͤß nit
gehorche; und alſo ein ungehorſamer zu ſchaͤtzen ſeye: derhalben ſoll deſ-
ſen Werck ſo lang verworffen bleiben/ biß ſein guter Will verſpuͤhret
werde. Andere ſeynd auch/ die ihren Ungehorſamb durch allerhand Ent-
ſchuldigungen bemaͤntelen/ und gedencken nicht/ daß GOtt mit ſich nicht
Bouer.
ſup. 566.
Hiſtoria.ſpotten laſſe. Auß dieſer Anzahl iſt der jenige geweſen/ welcher alle ihm
mißfaͤllige Gebott der Obrigkeit mit herrlich-ſcheinenden Farben der unrecht-
fertigen
[271]Von dem Vngehorſamb.
fertigen Außlegung anzuſtreichen wuſte/ daß er gleichſamb mit gutem Fug
dieſelbige zu vernachlaͤſſigen/ und ſeinen eigenen Willen zu vollbringen ſich
getrauete. Cs laſſet aber/ wie geſagt iſt/ der gerechte GOtt mit ſich nit ſchaͤr-
tzen/ derhalben dieſer ungluͤckſeelige Geiſtliche in ſeinem Todtsbett die heylſa-
me Erinnerungen der Chriſtlichen Bußfertigkeit und Vorbereitung ver-
worffen/ und geſagt hat: Jch bedarff keiner Sacramenten/ dieweilen ich mei-
ner Verdambnuß verſichert bin: ich hab nichts gethan/ als was mir gefal-
len hat/ derowegen GOtt gefallen hat/ mich ewiglich zu verdammen. Und
obſchon ſich alle Umſtehende euſſeriſt bemuͤhet haben/ ſothane Verzweiffelung
durch die unendliche Barmhertzigkeit GOttes zu vermittlen/ ſo hat dan-
noch der Krancke ſein voriges Lied geſungen; ich bin ewiglich verdammet/
und in dieſen Worten den Geiſt auffgegeben. Alſo verfolget GOtt den
Ungehorſamb. Der wahre einfaͤltige Gehorſamb will auch mit der gering-
ſten Entſchuldigung nichts zu ſchaffen haben; dahero der H. ColumbanusIn Reg.
p. 2. c. 8.
verordnet hat/ daß der jenige/ ſo auch mit einer Einfalt ſeine Entſchuldi-
gung vorbringet/ und dieſerthalben ſeine Schuld nicht alsbald erkennet/ und
umb Vergebung bittet/ mit fuͤnfftzig Streichen ſolle hergenommen werden.
5. Weiters/ mein Chriſtliche Seel/ wollen wir in Erfahrung kommen/
das auch vielmahl die gute Werck/ ſo auß eigenem Willen/ und ohne den
Gehorſamb geuͤbet werden/ dem allmaͤchtigen GOtt mißfallen. WasExod. 16.
ware doch ſuͤſſer und geſchmaͤckiger/ als eben das Himmel-Brod/ eine
Speiß deß Jſraelitiſchen Volcks in der Wuͤſten? Allen lieblichen Ge-
ſchmack hatte dieſes Brod an ſich; und dannoch verdurbe alles/ was von
ſelbigem gegen den Befelch GOttes biß auff den andern Tag auffbehal-
ten wurde; darauß wir dann gnugſamb abzun[e]hmen haben/ daß auch alle
Geiſt-reiche und heilige Werck/ ſo dem Willen der Obrigkeit zu wider ge-
ſchehen/ verderbet und zu Waſſer werden; zumahlen ein jedes VerbrechenBouer.
Ann. Ca-
puc. 157.
Hiſtoria.
ſein Ubel nach ſich fuͤhret. Dieſes hat erfahren ein ſicher Novitius, welcher
von ſeinem Magiſter offt ermahnet wurde/ daß er auſſer dem Gehorſamb
auch ſo gar nicht betten ſolte. Dieweiln er aber dieſer Ermahnung nicht ge-
buͤrlich nachlebte/ ſondern bey naͤchlicher Weil ſein Gebet zu verrichten pfleg-
te[;] und uͤber ſolchem Gebett einsmahls ertappet/ mit Worten ſcharff herge-
nommen/ und auß dem Chor zur Cellen hingewieſen wurde; gienge er zwar
hin/ aber nicht ohne Murren/ daß ihm nicht zugelaſſen wurde/ dem H. Gebett
abzuwarten; fienge derhalben in der Cellen wiederumb an zu betten wie vorhin.
Er hat aber fuͤr ſolches Gebett einen unvermuthlichen Lohn bekommen/ in
dem ihn der Hoͤlliſche Sathan mie ſolcher Ungeſtuͤmmigkeit angefallen/
daß er ihm ohne allen Zweiffel erwuͤrget haͤtte/ wann ihm nicht ſein
Geiſtlicher Vatter waͤre zu Huͤlff kommen/ und ihn mit groſſer
Muͤhe
[272]Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Muͤhe der Gewalt deß Teuffels entriſſen haͤtte; waͤre alſo mit ſeinem Scha-
den bald in Erfahrung gerathen/ daß auch die Verrichtung der guten Werck
ohne den Gehorſamb der Obrigkeit/ der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu wider ſeye
Dieſes bekraͤfftiget noch mehr ein ander Geiſtlicher Ley-Bruder deſſelbigen
Idem
Ibid. 1576Ordens/ ſo das Ambt deß Pfoͤrtners verwaltet. Dieſer uͤbete ſich in ſte-
tem Faſten/ in Waſſer und Brod und andern Buß-Wercken gar eifferig/
und verrichtete ſchier alles im Kloſter mit bloſſen Fuͤſſen und unverdrießli-
cher Muͤhe und Arbeit gantz allein: man konnte unterdeſſen/ an deſſen
Leib keinen/ auch den geringſten Mangel/ keine Erbleichung oder Entſetzlig-
keit deß Angeſichts/ ſo von dem ſchwaͤhren Faſten und unertraͤglichen Ar-
beit zu entſtehen pfleget/ erſehen; ſondern vielmehr muſte man dieſen Bru-
der fuͤr den allergeſundeſten und ſtaͤrckeſten unter andern halten. Er ware
immer alſo beſchaͤfftiget/ das mit ihm der Guardian und andere ein groſſes
Mit-Leyden trugen/ und ihn oͤffters ermahneten/ das er ſeiner doch etwas
verſchoͤnen wolte; denen er dann immer antwortete; daß von der Ar-
beit und Buß-Wercken im geringſten nicht beſchwaͤret werde/ ſondern
ihm dieſes alles gar leicht und ertraͤglich falle. Hieruͤber geſchichts/
daß dem neu-angekommenen Generalen deſſelben Ordens/ Nahmens
Thomaͤ andere Bruͤder dieſe verwunderliche und aufferbaͤuliche Weiß zu le-
ben erzehlen: welcher denſelben Bruder zu ſich beruffete/ und gantz beſchei-
dentlich ermahnte/ von ſothaner Schaͤrffe und faſt unertraͤglichen Manier
etwas nachzulaſſen. Dieſer aber antwortete/ wie zuvorn/ daß ihm von
allem/ was er thue/ nichts beſchwerlich ſeye. Nun ware es der Brauch/
daß alle Bruͤder zu Anfangs deß Mittagmahls ihre Schuld vor dem Ge-
neral deß Ordens bekenneten; in deren Zahl ſich auch der offtgedachte Bru-
der finden lieſſe/ deſſen Hartnaͤckigkeit dem obgemeldten Vorſteher ſchon
gnugſamb bewuſt ware: ſo dann nach geſprochener Schuld/ dieſem Bru-
der befohlen/ daß er all das jenige/ was er vorhin auß eigenem Willen verrich-
tet/ fortahn auß Gehorſamb thuen ſolte. Kaum waren dieſe Wort auß-
geſprochen/ ſiehe/ da fallet mein guter Bruder urploͤtzlich zur Erden; das
Angeſicht erbleichet/ die Wangen fallen ein/ die Zung erſtummet/ alle
Kraͤfften deß Leibs verſchwinden angenblicklich/ und er wird halb todt zum
Krancken-Hauß getragen. Da hat ein jeder alsbald vermercket/ daß die
verlohrene Kraͤfften und geſunde Geſtalt deß Leibs vom boͤſen Feind herkom-
men ſeyen/ welcher in deß Bruders eigenen Willen poſto gefaſſet hatte. Jſt
nachmahlen zur Geſundheit gelangt/ und allen ein Zeugnuß worden/ daß
man auch die heilige Ubungen dem Gehorſamb nicht vorziehen muͤſſe.
6. Wann
[273]Von dem Vngehorſamb.
6. Wann du Tag und Nacht faſteſt und betteſt/ ſagt der Heil. Vatter
Auguſtinus/ wann du ein haͤrenes Kleid trageſt/ deinen Leib caſteyeſt/ und al-
les unſtraͤfflich halteſt/ was in den Satzungen gebotten wird; und endlich
vermeineſt/ daß du alles weißlich verrichtet habeſt; gleichwohl deinem Vor-
ſteher nicht gehorcheſt/ ſo haſt du alle Tugenden verlohren: der eintzige Ge-
horſamb gilt mehr als alle Tugenden. Glaubeſt du nun nicht dem Heil. Au-
guſtino/ mein Chriſtliche Seel; glaubeſt du nicht den angezogenen warhaff-
ten Exempelen; ſoll dir auch nicht ſchmecken die Geſchicht der alten Heil.
Schrifft vom Himmel-Brod/ und andere; ſo ſchlage zu letzt deine Augen ins
newe Teſtament auff den armen fiſchenden Petrum/ und ſiche/ wie ſelbiger
nach ſeinem Belieben fiſchend/ kein eintziges Spirling fange: da er aber außLuc. 5.
Gehorſamb ſein Garn außwirfft/ mit einem Zug ſo haͤuffige und anſehnliche
Fiſche mit dicken Koͤpffen erwiſche/ daß er auch mit ſelbigen zwey Schifflein
erfuͤllenkoͤnne: dieſes verurſachet der Gehorſamb. Wilſt du nun dein Netz
mit Fiſchen/ ich will ſagen/ mit goͤttlichen Gnaden angefuͤllet zu dir ziehen; ſo
arbeite nicht auß deinem eigenen Willen und Wohlgefallen; ſondern werffe
dein Garn nach dem Befelch deiner Obrigkeit an den jenigen Orth/ den er
dir zeigen wird.
Die Drey und zwantzigſte
LECTION
Von der
Gedult der Geiſtlichen.
Patientia vobis neceſſaria eſt, ut voluntatem Dei facien-Hebr. 10.
v. 35.
tes reportetis Promiſſionem.
tes thuet/ und die Verheiſſung erlanget.’
Der Erſte Theil.
1. WEilen alle Cloͤſter der GOtt-verlobten Schulen ſeynd der
Gedult/ in welchen ein Geiſtlicher vom Morgen biß zum A-
bend nichts anders zu gewarten hat/ als Beſchwaͤrligkeit und
M mPlagen;
[274]Die Drey und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Plagen; und dann dieſe Wider waͤrtigkeiten ſo wohl der menſchlichen Natur
zumahlen verdrießlich fallen/ als auch dem anfangenden Schuͤler den gefa-
ſten Muth zu benehmen beſtand ſeynd: als wird erfordert/ daß ſich derſelbe al-
ſo in dieſer Schulen Chriſti/ zur dapffern Uber windung alles Widrigen ſon-
derbar bereite; damit er anfaͤnglich daſſelbe mit Gedult ertragen/ und nach-
mahls hurtig/ gern und leichtlich; und endlich auch in Frewde und Froͤhlig-
keit mit dem Heil. Apoſtel Andrea ſein Creutzlein umbhaͤlſen lerne; und daſ-
ſelbe mit den Worten dieſes glorwuͤrdigen Juͤngers CHriſti begruͤſſe: O
du gutes und lang verlangtes Creutz; wie hab ich dich ſo
ſorgfaͤltiglich geliebet/ wie hab ich dich ohne Vnterlaß ge-
ſuchet Siehe/ nun biſt du meinem begierigen Hertzen zu
Theil worden; derhalben komm ich mit Frewd und
Sicherheit zu dir; nehme mich hin von den Menſchen/ und
gebe mich wieder meinem himmliſchen Lehr-Meiſter; da-
mit durch dich der jenige mich wieder bekomme/ ſo mich
nicht ohne dich erloͤſet hat. Es wird aber die Gedult entworffen/ daß
ſie nemblich eine Tugend ſeye/ krafft deren wir die Widerwaͤrtigkeiten dieſer
Welt mit ruͤhigem Gemuͤt leiden/ und derenthalben weder innerlich verſtoͤh-
ret/ oder unmaͤſſiglich betruͤbet werden; weder auch euſſerlich etwas unzimb-
liches oder unordentliches begehren.
2. Weiters wird dieſe Tugend in fuͤnff Geſchlechter vertheilet; deren
das erſte iſt die Gedult in dem Schaden der zeitlichen Wol-
fahrt/ das iſt/ in Reichtumben/ Aecker/ Viehe und dergleichen Guͤtern:
Jn dieſem Schaden/ er entſtehe her/ wo er immer wolle/ muß man ſich der
Worten deß gedultigen Jobs gebrauchen: Der Herr hats gegeben/
der Herr hats genommen/ wie es dem Herrn gefallen hat/
alſo iſts geſchehen: der Nahm deß Herrn ſey gebenedeyet.
Das andere iſt die Gedult in den uͤbelen Zuſtaͤnden deß
Leibs/ ſo da ſeynd der Hunger/ Durſt/ Kaͤlt und Hitze/ Kranckheiten und
Schmertzen/ ſo da durch freywillige Zuͤchtigungen/ oder durch andere recht-
oder unrechtmaͤßlich dem Menſchen zuſtoſſen; welche alle gleichſamb von der
goͤttlichen Vorſichtigkeit/ oder zur vaͤtterlichen Beſtraffung/ oder zu einer
liebkoſenden Prob/ oder zur haͤuffigeren Belohnung zugefuͤget/ mit hoͤchſter
Urbietigkeit und Zufriedenheit muͤſſen angenommen werden; auff daß wir im
widrigenfall nicht zu hoͤren gezwungen werden/ was GOtt der ſeligen Ma-
riæ Diaziæ ſo ſich uͤber die groſſe Kaͤlte beklagt/ verweißlich vorgeworffen/
und geſagt hat: ich bin die Urſach dieſer Kaͤlte/ und du murreſt noch dar uͤber?
Daß
[275]Von der Gedult der Geiſtlichen.
Das dritte iſt die Gedult in dem Schaden der Ehren und
guten Nahmens; deßgleichen einiger oder durch die Gedancken al-
lein verurſachet wird; als da ſeynd die Geringſchaͤtzung/ die Verdaͤchtnuͤß/
die freventliche Urtheile/ Haß und Widerwille: oder durch die Rede al-
lein; als da ſeynd die Beſtraffungen/ Verachtungen/ Verleumbdungen/
Schand- und Schmaͤh-Wort/ Ohrenblaſen/ Anklagungen und falſche Be-
richte: oder durch das Werck ſelbſt/ als nemblich durch Außlachung/
Verhoͤnung/ Caſteyung/ Ernidrigung/ abſchlaͤgige Antworte/ Vorziehung
anderer und Verfolgungen. Das vierte Geſchlecht der Gedult/
ſeynd die Vbelen der Seelen: wann nemblich der Menſch deß ge-
wohnlichen Troſts deß Geiſtes beraubet wird; wann ihm aller Geſchmack
zu den geiſt- und goͤttlichen Dingen entzogen; und hingegen mit allerhand
Scrupel und Zweiffeln geaͤng ſtiget; mit Zerſtrewung/ Dunckelheit/ Verza-
gung/ Unvollkommenheit und Verſuchungen wird heimgeſucht: wann er in
Suͤnden fallet/ und vermerckt/ daß er in den geiſtlichen Sachen wenig zuneh-
met/ und daß ihm die goͤttliche Huld zur Zeit benommen/ und von ſeinem
Beichts-Vatter und geiſtlichen Lehr-Meiſter offt verſucht werde. Das
fuͤnffte Geſchlecht der Gedult/ ſeynd die Vbelen deß Nech-
ſtens/ ſo da auß anderer boͤſen Sitten und Wercken entſtehen/ und von uns
weder gebeſſert/ weder koͤnnen vermerckt werden: oder auß widrigen Zufaͤllẽ/
als da ſeynd Ungluͤcke/ falſche Beruͤchtigunge/ Kranckheit/ Sterben/ und an-
deren Widerwertigkeiten herkommen: in dieſen allen iſt uns (wie der H. A-
poſtel Paulus lehret) die Gedult ſehr noͤthig; auff daß wir den Willen Got-
tes vollbringen/ und alſo der Verheiſſung theilhafftig werden.
3. Jm uͤbrigen ſeynd dieſe die Wirckungen der Gedult/ daß man nemblich
das jenige/ welches zu leiden vorfallet/ erſtlich ſeinen Sůnden zu-
ſchreibe: dann alſo hat Chriſtus die Heil. Brigittam gelehret: wann einer/Lib. 6.
Revel. c.
65.
ſagt er/ verachtet wird/ der ſoll ſich daruͤber nicht betruͤben; ſondern ſich alſo
anreden: es iſt billig/ daß mir ſolches uͤberkomme/ weil ich ſo offt in dem An-
geſicht Gottes geſuͤndiget/ und keine gnugſame Rew daruͤber getragen hab:
ich hab freylich noch ein groͤſſeres verdienet: derhalben bettet fuͤr mich/ damit
ich in ertragung der zeitlichen Schmach/ entgehen moͤge der ewigen: dahero
ſagt recht der H. Laurentius Juſtinianus; ein Demuͤtiger vermeinet immer/
daß er ein mehreres zu leiden verdiene/ als er leidet: und dieſerthalben traget
er alles was ſchwaͤr iſt geduͤltiglich/ und erzeiget ſich ſeinem GOTT in
den Anfechtungen ſehr danckbarlich. Wie groſſen Nutzen/ wie groſſen
Verdienſt und Danck nun derſelbige bey ſeinem GOTT gewinne; der
da in ſeinem Sinn ſich nicht erhebet/ den anfallenden Widerwaͤrtigkeiten
M m 2die
[276]Die Drey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
die Stirn bietet/ die angethane Schmach mit ruhigem Hertzen annimbt/ und
alle widrige Zufaͤlle ſeinen eigenen Suͤnden auffmeſſet; kan in Warheit mit
keiner Feder gnugſamb beſchrieben werden. Zum andern kan die Wir-
ckung der Gedule dar auß erkennet werden/ wan man von Weinen und uͤber-
maͤſſiger Trawrigkeit ſich enthaltet/ wie unſer Heyland und Seeligmacher
Vit. c. 47.den gottſeligen Suſonem unterwieſen/ und uͤber das Weinen/ wegen der von
andern ihm zu gefuͤgten Unbillen mit dieſen Worten beſtraffet hat. Schaͤme
dich/ daß du gleich einem Weib alſo weineſt: vermerckeſt du nicht/ daß du dir
hierdurch bey allen himmliſchen Einwohnern einen Schand-Flecken verur-
ſacheſt? Wiſche ab die Zaͤhren/ und nehme an ein froͤhliges Angeſicht/ auff
daß ſo wohl die Teuffel als die Menſchen nicht ſehen/ daß du wegen außge-
ſtandenen Truͤbſall geweinet habeſt. Drittens iſt dieſes ein wahres Zei-
chen der Gedult/ wann man der jenigen Orthen und Perſonen ſich nicht ent-
ſchlaget/ an/ und von denen man leidet; und dieſer ware vorzeiten der heylſa-
L. 5. Li-
bell. 7. m
32.me Rath der Altvaͤtter. Wann eine Verſuchung uͤber dich kommen wird an-
dem Orth/ allwo du wohneſt; ſo fliehe denſelben nicht in Zeit der Verſu-
chung: dann/ ſo du dieſen wirſt verlaſſen haben/ wirſt du vor dir finden/ was
du gemeidet haſt/ du geheſt hin/ wo du immer wolleſt: derhalben lebe in Ge-
Vit. P. P.
Hiſtoria.dult/ biß die Verſuchung voruͤber iſt: dieſe Warheit hat in der That erfah-
ren ein ſicher Geiſtlicher/ welcher in ſeinem Cloſter gegen die Gedult offt ſuͤn-
digte/ und dahero zur Einoͤde ſich verfuͤgte/ damit ihm alſo die Gelegenheit
deß gaͤhen Zorns benommen/ und in mehrerer Zufriedenheit leben moͤchte.
Nun truge ſich zu/ daß er ein Geſchirꝛ mit Waſſer erfuͤllet neben ihm ſtehend
unverſehens verſchuͤttete; und da er ſelbiges wieder umb angefuͤllet/ abermahl
umbſtieſſe/ und endlich zerbrache: da vermerckte ſelbiger/ daß er vom Geiſt
der Ungedult betrogen waͤre; derhalben redete er ſich ſelbſten an/ und ſagte:
ich will wiederumb zum Cloſter gehen dann ich ſiche wohl/ daß die Gedult
und Hilff GOttes uͤberall ſehr noͤthig ſeye.
4. Viertens iſt dieſe eine Wirckung der Gedult/ wann man mit der
Heil. Catharina von Senis nicht begehret/ der Widerwaͤrtigkeit entlediget zu
L. 21. vit.
c.[I]1.werden: dieſe ſo keuſche und Engliſche Jungfraw ware beruͤchtiget worden/
daß an ihrer Jungfrawſchafft Schaden gelitten haͤtte: dieſes boͤſe Geſchrey
hat ſie CHriſto ihrem Braͤutigam auffgeopffert/ und nicht begehret/ daß er
ihre Unſchuld verthaͤtigte; ſondern daß nur vom leidigen Sathan nicht uͤber-
wunden/ und vom Dienſt Gottes verhindert wuͤrde: zu ſolchem End bringt
der gelehrte Epicterus dieſe heylſame Lehr hervor mit folgenden Worten/ und
L. 2.
Ench c. 7.ſagt: gleich wie ein Reiſender von denen/ ſo ihm begegnen/ den Weeg erfra-
get/
[277]Von der Gedult der Geiſtlichen.
get/ welchen er eingehen muͤſſe/ und ihme eben gleich iſt/ ob er zur Rechten
oder zur Lincken geweſen werde/ man nur durch den beſten und ger adeſten
Weeg zu ſeinem vorgenommenen Orth gelangen moge: alſo ſollen wir zu
unſerm GOtt hinzugehen/ und auff dieſer Reiſe nit nach unſerm Wolgefal-
len die rechte Hand der annehmlichen Troͤſtungen mehr als die Lincke der
Truͤbſahlen erwaͤhlen. Letzlich kan dieſe die allervortreffligſte Wuͤrckung
der Gedult benambſet werden; wann man die Widerwaͤrtigkeiten ver-
langet/ und mit dem frommen Job dieſer Geſtalt dieſelbe zu begehren ſich
erkuͤhnet: Wer moͤgte geben/ daß mein Gebet komme/ undJob. c. 6.
v. 8. 9. \&
10.
das mir GOtt das jenig gebe/ darauff ich warte: und
ders angefangen hat/ der reibe mich auff/ er entbinde
ſeine Hand/ und haue mich ab: und ſey diß mein Troſt/
daß er mich mit Schmertzen plage/ und verſchoͤne mei-
ner nicht. Den herrlichen Nutzen dieſes Verlangens zeigt uns der ſeelige
Laurentius Juſtinianus mit dieſen Worten: Wer wird den GewinnDe Diſci-
pl. Mon.
c. 7.
dieſer Gottſeligen Begierd der Gebůhr nach beſchreiben
koͤnnen : zumahlen ſelbige das Gemůth mit neuen Kraͤff-
ten ſtaͤrcket/ und machet das Creutz leichter; ſie befoͤrderet
die Verharrung/ verurſachet die Heiligkeit/ machet ihren
Beſitzer den Maͤrtyren gleich/ und erwirbt ihm das himm-
liſche Vatterland.
5. Damit du nun/ mein Chriſtliche Seel/ ſothane Wuͤrckung der Ge-
dult mit erwehnten Erſprießlichkeit uͤben moͤgeſt/ darzu wird dir die andaͤch-
tige Betrachtung deß Leydens und Sterbens Chriſti vor allem ein ſehr ge-
treue Helfferin abgeben: ſitemahlen wir billig zu groſſem Leyden entzuͤndet
werden/ wan wir ſehen/ daß uns unſer Haubt und Lehr-Meiſter mit ſo ſtattli-
chem Exempel auß Liebe gegen uns iſt vorgangen: Dahero beſtraffet dieſer
Goͤttliche Braͤutigam die H. Brigittam wegen ihrer wenigen Ungedult und
Wider willen/ mit dieſen holdſeeligen Worten: Jch/ ſagt Er/ dein ErſchoͤpfferBloſ.
mon. Sp.
c. 4.
und Braͤutigam hab fuͤr dich mit Gedult gelitten ſo viele und harte Schlaͤge;
und dn biſt ſo ungeduͤltig geweſen/ daß du auch nicht haſt koͤnnen außſtehen
die bloſe Wort: Jch bin vor dem Gericht geſtanden/ und hab zu meiner
Verantwortung den Mund nicht eroͤffnet: du aber haſt mit bitteren und
verweißlichem Antwort dein Stimm zu viel hoͤren laſſen. Du haͤtteſt al-
les geduͤltiglich ſollen tragen Meinentwegen/ der ich mit Naͤgelen gehefftet
bin worden deinentwegen[;] und haͤtteſt durch deine Starckmuͤtigkeit die jeni-
ge/ ſo gefallen waren/ zum auffſtehen ſollen auffmuntern. Seye derhal-
M m 3ben
[278]Die Drey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ben hinfuͤhro behutſamer/ und wann du von einem oder andern zum Zorn
wirſt angereitzet/ ſo rede nicht leichtlich/ biß der Eyffer von deinem Hertzen
verſchwunden iſt. Nach dieſer innerlichen Bewegung/ erforſche die Urſach
derſelben reifflich/ und alsdann rede mit Sanfftmuth. Solleſtu aber mit
dem Reden nichts außrichten/ und mit dem Schweigen nicht ſuͤndigen; ſo
wuͤrdeſtu beſſer thuen/ und einen groͤſſeren Verdienſt erwerben/ wann du
ſchwiegeſt. Dieſer iſt der Rath Chriſti/ den er ſeiner geliebten Braut gege-
ben hat Du aber nehme denſelben auch mit Danck an/ und hoͤre auß folgen-
der Geſchicht/ wie weit du noch von der wahren Chriſtlichen Gedult entfer-
Hiſtoria
in[o]jus
Vita.net ſeyeſt. Es hatte der H. Petrus auß dem Orden deß H. Dominici/ ſo
nachmahls ein Blutzeug Chriſti worden/ durch groſſe Heiligkeit ſich derge-
ſtalt bey dem lieben GOtt verdient gemacht/ daß er auch von ſelbigem und
deſſen Auſſerwaͤhlten ſichtbarlicher Weiß offt und vielmal beſuchet worden.
Da er nun einsmahls nach Gewonheit in ſeiner Cellen in einem ſehr eiffri-
gen Gebett begriffen geweſen/ ſiehe/ da ſeynd die H. H. Jungfrauen Agnes/
Chatarina und Caͤeilia zu ihm kommen/ und haben mit dem bettenden Pe-
tro ſo vertreulich und mit ſo heller Stimm geredet/ daß ein vorbeygehender
Geiſtliche deſſelben Ordens ſothanes Geſpraͤch gehoͤret/ und vermeint hat/
es ſeye auß der Stadt einig Frauen-Zimmer ins Kloſter gelaſſen worden:
derhalben er in dieſem Eiffer den Petrum bey oͤffentlicher Verſamblung
verklaget/ und ſolche That bey andern gar empfindlich gemacht
hat. Mein guter Petrus hat immittels ſeine himmliſche Guͤnſten und
Gnaden nicht wollen kundbar machen/ dahero hat er auß Demut ſich nicht
entſchuldiget; ſondern mit bloſem Stillſchweigen ſich verthaͤtiget; und
nachdem er ſich zur Crden niedergeworffen/ dieß allein geſagt/ daß er ein
Suͤnder/ und vielen Fehlern unterworffen ſeye. Hierauff hat der Vorſteher
deß Kloſters den Petrum in aller Geiſtlichen Anweſenheit ſcharff hergenom-
men/ und ihm vorgeworffen/ daß er mit ſeinem boͤſen Exempel andere geaͤr-
gert habe/ und hat ihn zu einem weit-abgelegenen Kloſter geſchickt/ und da-
ſelbſt als einen Gefangenen tractiren laſſen. Ob nun dieſer Gott-ſeeliger
Mann dieſe Schand mit groſſer Starckmuͤtigkeit zwarn außgeſtanden; ſo
hat er gleichwohl nach erlittener einiger Monaten Gefaͤngnuß ſein Elend
zu empfinden angefangen; und da er einsmals zur Kirchen kommen/ iſt er
voller Traurigkeit vor dem Bildnuß deß gecreutzigſten Heylands niderge-
fallen/ und hat ſich mit aller Holdſeeligkeit ſeines Weheſtands beklaget/ und
ſeinem JEſum zu fragen ſich erkuͤhnet/ woher er ſo langwirige Schmach
umb ihn verdienet habe; und warumb auß ſeinen himmliſchen Freuden ſich
niemand zum Verthaͤtiger ſeiner Unſchuld erbietete. Dieſer muͤndlichen Sup-
plica-
[279]Von der Gedult der Geiſtlichen.
plication gibt Chriſtus vom Creutz alſolche Antwort Was hab ich verſchul-
det/ mein Petre/ daß ich an dieſes Creutz hab muͤſſen gehefftet werden? Lerne
du die Gedult auß meinem Exempel. Ein gar geringes iſt/ was du leideſt/ und
kan ſolches mit meinen Peinen und Schmertzen nicht verglichen werden. Auß
dieſen Worten deß Herrn/ iſt der gute Petrus theils getroͤſtet/ theils ſcham-
roth worden/ hat alsbald zu mehreren Widerwaͤrtigkeiten ſich erbotten/ und
mit brennendem Hertzen ſeinen Erloͤſer gebetten und geſagt: Als beſſer
dran/ als beſſer dran/ mein Heyland/ mehre du die Schand/
vermehre die Verachtung; du wirſt auch vermehren die
Belohnung. Lerne derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ lerne ergreiffen in
der Schulen Chriſti/ und nach dem Exempel Chriſti/ in deinen widrigen Zu-
faͤllen die Gedult der Heiligen/ und gedencke/ daß dieſe Wort deines Erloͤ-
ſers dir ebenfals geſagt ſeyen: und alſo wirſtu auch mit dem H. Petro ruffen:
Als beſſer dran/ als beſſer dran/ mein GOtt; vergroͤſſere
das Creutz/ vermehre die Verfolgung. Was du aber vor Gna-
den zu gewarten habeſt/ daß haſtu auß dem obangezogenen Laurentio Ju-
ſtiniano vernommen.
Der Andere Theil.
6. ALlen und jeden iſt gnugſamb bekandt/ daß die Schmertzen dem ley-
denden am ſchwaͤreſten fallen/ wann er vermeint/ daß er allein leyde
und ihme hergegen leichter ankommen/ wann er ſehet/ daß auch an-
dere den Truͤbſeeligkeiten ſich biegen muͤſſen. Dahero hab ich fuͤr rathſamb
befunden (damit in der Tugend der vorhin außgelegten fuͤnfffaͤltigen Ge-
dult niemand wanckele) die jenige mit den Augen deß Hertzens zu beſchauen/
welche uns in der gleichen Widerwaͤrtigkeiten ſeynd vorgangen/ und alle ſehr
herrliche Exemplen hinterlaſſen haben/ ſo da von jedem Chriſt-Glaubigen/
inſonders aber von den Geiſtlichen billig ſolten nachgefolgt werden. Auff daß
wir nun wegen Abgang der zeitlichen Dingen nicht unordentlich betruͤbet
werden/ ſondern ſolchen unſern Mangel mit einem Heldenmuth erdulden moͤ-
gen/ lehret uns neben dem gedultigen Job/ erſtlich der H. Remigius/ welcherIn Vita.
eine groſſe Theurung vorgeſehen hatte; derhalben hat er zu Erhaltung der Ar-
men eine ſehr anſehnliche menge Getraͤid verſamblet; ſo aber von einigen Boͤß-
wichten verbrennet werden. Nach eingenommener dieſer traurigen Zeitung
iſt der H. Mann/ umb ſolches Wuͤten der Feinde zu ſtillen/ zu Pferd geſeſſen/
und hinzu geeilet. Nachdem er aber alles durch die Flammen er-
griffen geſehen/ iſt er abgeſtiegen; und hat ſich wegen eingefallener
Kaͤlte zum Feuer begeben/ und mit gantz ruhigem Gemuͤth und aller
Chriſtlichen Zufriedenheit geſagt; Das Feur iſt allzeit gut. Dem hei-
ligen Bernardo einem Clarevallenſiſchen Abt werden zwyhundert
Pfund
[280]Die Drey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Pfund Silber/ ſo ihme zu Erbauung eines Kloſters uͤberſchickt waren/
von den Straſſen-Raͤubern abgenommen; und ſagt/ Deo gratias. Ge-
benedeyet ſey GOtt/ der uns eines ſolchen Laſtes enthoben hat.
7. Allhier iſt zu beobachten/ daß dieſe und dergleichen widrige Zufaͤlle den
Dienern GOttes nicht ungefehr zuſtoſſen; ſondern es iſt zu glauben/ daß
ſelbige von der Goͤttlichen Guͤtigkeit ihnen von Ewigkeit alſo verordnet
ſeyen/ damit ſie hierdurch der Gnad und Gaaben GOttes deſto faͤhiger ge-
macht/ und hernach deſto reichlicher im Himmel belohnet werden/ nach
dem Beyſpiel deß jenigen frommen Geiſtlichen/ ſo nach Zeugnuß deß Caͤſa-
rii in allen immer vorfallenden Widerwaͤrtigkeiten ſeinem GOtt allzeit
Danck ſagte: und dahero zu ſolcher Heiligkeit gelangt iſt/ daß auch durchs
bloſſe Anruͤhren ſeiner Kleydung die Krancke geſund worden. Die Heil.
Jungfraͤuliche Mutter Thereſia hat Zeit ihres Lebens einem ſichern rei-
chen Kauffmann (welcher ſich dero Gebett empfohlen hatte) ſolchen Brieff
Lyræus
in A
xiom. 3. S.
Ign.zugeſchrieben: Dieweilen ich verſtanden hab/ daß der Herr
meinen geiſtlichen Schweſtern ſehr befoͤrderlich ſeye/ und
daß er hinwiederumb Krafft meines Gebetts geholffen
zu werden verlange; als hab ich nach aller Moͤglichkeit
dieſes zu verrichten mich unterſtanden. Derhalben be-
deute demſelben hiemit was maſſen ich von GOtt ver-
ſichert bin/ daß ſein Nahm in das Buch deß Lebens ge-
ſchrieben ſeye. Zum Zeichen aber/ daß ich die Warheit
ſchreibe/ ſolle der Herr wiſſen/ daß ihm von Stund an
in dieſem zeitlichen Leben nichts werde glůcklich von ſtattẽ
gehen. Alſo iſts geſchehen; dann ein wenigẽ Zeit hernach ſeynd ihme
ſeine Schiff zu Grund gangen/ daß auch Banquerot zu machen gezwun-
gen worden. Uber ſothanen ſchmertzlichen Zufall deß Kauffhaͤndlers haben
ſich deſſen gute Freund erbarmet/ und ſeynd demſelben mit einer Summen
Gelds in dieſen Noͤthen beygeſprungen/ auff daß er von neuem ſein Gluͤck
verſuchen moͤgte. Demnach ihm aber zum andernmahl das Spiel uͤbel ge-
lungen; hat er ſein Rechnungs-Buͤcher zu ſich genommen/ und iſt mit ſelbi-
gen gantz freywillig in den Kercker gangen. Die Schuldner aber haben in
Anſehung der Unſchuld deß frommen Kauffmans ihme nicht uͤberlaͤſtig ſeyn
wollen. Und er iſt alſo mit dem Willen GOttes zu frieden/ arm und bloß
geſtorben.
8. Dieß eintzige erzehlte/ und in Warheit alſo geſchehenes Exempel ſoll
dir/ mein Chriſtliche Seel/ ſo wohl/ als mir/ und allen Chriſtglaubigen
ein hilliger und gnugſamer Antrieb zum leyden ſeyn/ auß dem du reifflich
abnehmen kanſt/ daß GOTT die jenige/ fuͤr welche ſo eifferig
gebettet wird/ in dieſem Zeitlichen faͤhig mache/ die Cron der [ewig]
[281]Von der Gedult der Geiſtlichen.
ewig und ewig waͤhrenden Seeligkeit zu verbeſſeren/ und ſich derſelben durch
die gegenwaͤrtige Truͤbſeligkeiten mehr und mehr zu verſichern. O wie
manchem waͤre beſſer/ daß er an Platz der Reichtumben/ die Chriſtliche Ge-
dult in Armut beſitzete/ deſſen Hertz in den zeitlichen Guͤtern alſo vertieffet
iſt/ daß ſichs zu ſeinem Gott zu erheben/ ſehier aller Gewalt beraubet werde:
techt und wohl bettet man fuͤr ſolche/ daß ihnen die Urſach ihres ewigen
Verderbens durch Widerwaͤrtigkeit entzogen werde. Nun hoͤre gleichwohl
zu Erſaͤttigung deines geiſtlichen Vorwitz noch weiters das Exempel unſe-
res ehrwuͤrdigen Joannis à St. Guilielmo; welcher das Ambt deß Vorſte-
hers freywillig verlaſſen/ und/ damit er ſeinem lieben GOtt deſto beſſer dienen
moͤchte/ in der Einoͤde zu leben erwaͤhlet hat: demnach er ſich nun von ſeinen
guten Freunden beurlaubet/ und ſeine Schrifften auff einen Eſel geladen/ iſt
er den geraden Weeg mit ſelbigem nach Etrurien gereiſet: dieſem anfangen-
den Einſidler ſeynd aber nach abgelegten einigen Meilen Weegs zwey Moͤr-
der begegnet/ ſo den Eſel zu ihrer Nothdurfft begehrt haben; denen er ſelbigen
ohne einige Verſtoͤhrung gern gelaſſen/ ſeine Buͤcher oder Schrifften auff
den Puckel genommen/ und geſagt; es iſt billig und recht/ daß ihr euch nun
deß Eſels gebrauchet; ich hab mich ſeiner ſchon gnugſamb bedienet: und iſt
alſo mit den Buͤchern beladen/ zum gewuͤnſchten Orth gelanget: dergleichen
Exempelen leſen wir viele in den Leben der H. H. Altvaͤtter und anderer from-
men Diener GOttes/ ſo du/ mein Chriſtliche Seel/ zu deinem Vergnuͤgen
und groſſen Nutzen daſelbſt finden wirſt.
9. Zum andern muß man ſich der Gedult befleiſſen in den Ubelen deß
Leibs/ das iſt/ in allem dem/ was den Leib plagen kan/ als da ſeynd Kranckhei-
ten/ Hunger/ Durſt/ Kaͤlte/ Hitze und dergleichen: ſo viel nun die Schwach-
heiten deß Leibs mit gezimmender Starckmuͤtigkeit zu ertragen angehet/ leh-
ret uns mit ſeinem herrlichen Vorzug der Heil. und Seraphiſche Franciſcus:S. Bona-
vent.
in ejus
vita.
als dieſer groſſe Diener GOttes einsmahls groſſe Schmertzen leidete; be-
gehrte von ihm ſein auffwartender einfaͤltiger Bruder/ er ſolte betten/ daß
GOtt etwa gelinder mit ihm umbgehen moͤchte; weilen du/ ſagte er/ von der
Hand GOttes gar zu hart beſchwaͤret wirſt: da dieſes der fuͤr Liebe GOttes
brennende Franciſcus hoͤrete/ rieffe er mit beweglichem Seufftzen uͤberlaut:
wann mir deine groſſe Einfalt nicht bewuſt waͤre/ ſo wolte ich dich alsbald
von meiner Bruderſchafft verwerffen; weilen du die Urtheilen Gottes uͤber
mich tadleſt: da ihm die Kranckheit hefftiger zuſetzete/ ſtieſſe er den ſchwachen
Leib zur Erden/ die er dann mit Frewden kuͤſſete/ und ſagte: ich ſag dir Danck
uͤber Danck mein GOtt und Herr fuͤr alle Schmertzen/ und bitte dich/ du
N nwolleſt
[282]Die Drey und Zwantziſtge Geiſtliche Lection
wolleſt ſelbige hundertfaͤltiglich vergroͤſſern/ wans dir alſo gefaͤllig iſt: dann
dieſes wird mir angenehm ſeyn/ wann du in denen mir zugefuͤgten Schmer-
tzen/ meiner nicht verſchoͤneſt: zumahlen auß der Erfuͤllung deines goͤttlichen
Willens mir eine unaußſprechliche Frewd erwachſet Dieſer und andere gott-
ſelige Manner wuſten wohl/ daß die euſſerſte Leibs-Schwachheiten und an-
dere von dem Allerhoͤchſten uͤberſchickte Beſchwernuͤſſen ein wahres Kenn-
Zeichen der Liebe GOTTES ſeye; derhalben waren ihre groͤſte Schmer-
tzen ihre hoͤchſte Wolluſten.
10. Und wann ſie nicht mit Creutz und Elend von GOtt unauffhoͤrlich
heimgeſucht worden/ vermeinten ſie/ daß derſelbe einen Widerwillen gegen ſie
In vita.geſchoͤpffet haͤtte/ wie neben andern an unſerm gottſelichen Joanne à S. Guili-
elmo zu ſehen geweſen; welcher alle Jahr mit einer ſehr ſchweren Kranckheit
behafftet wurde; und wann er zu Zeiten ein Jahr ohne Leibs Schmertzen
zugebracht hatte/ hielte er gaͤntzlich darfuͤr/ Gott habe ihn verlaſſen/ derhalben
ſeufftzet und Weinete er ſo hefftig/ daß er von Niemand koͤnte getroͤſtet werden:
derhalben hat ihn Gott auff ſein Begehren noch mahlen mit allerhand ſchwaͤ-
ren Zuſtaͤnden und Kranckheiten/ mit gifftigen Fiebern/ mit Schwindel/ mit
der rothen Ruhr/ mit Magen-Wehe/ und andern Schmertzen/ als ſeinen gu-
Freund und treuen Diener beſeeliget; in denen allen er ſeinem Herrn unauff-
hoͤrlichen Danck ſagte/ und annebenſt eyfferig bettete/ daß er in ſolchem leiden
Marulus
L. 5. c. 4.lang verharren moͤchte. Servulus ein Bettler/ und die gantze Zeit ſeines Le-
bens ſo gichtbruͤchtig/ daß er ſich im geringſten nicht bewegen koͤnnen/ hat im-
mer und allzeit fuͤr ſolche groſſe Gnaden gedanckt; und ſo offt zu dieſen zweyen
Zuſtaͤnden noch andere zugeſtoſſen/ hat er das Lob Gottes verdoppelt; dahero
er auch gewuͤrdiget worden/ in ſeinem Todt das hinunliſche Geſang der En-
gelen zu hoͤren; auß deſſen Leib ein koͤſtlicher Geruch entſtanden. Die H. Lyd.
vvina hat acht und dreiſſig Jahr nach einander ſo ungemeine und groſſe
Schmertzen gelitten/ daß ſie weder vom Bett auffſtehen/ weder mit einem Fuß
die Erd beruͤhren koͤnnen: in ſolcher Zeit aber iſt ſie mit den hoͤchſten Gaben
von Gott begnaͤdiget worden. Wie koͤnnen dann die leibliche Schwachheiten
groſſe Beſchwernuͤſſen genennet werden/ wann ſie dergeſtalt von Gott belo-
P. 3. Paſt.
Admon.
3.net werden? recht ſagt dahero der H. Gregorius: die Krancke ſoll man ermah-
nen/ daß ſie betrachten/ was ein groſſe Gnad ſeye die Kranckheit deß Leibs/
krafft dero die begangene Suͤnden außgetilget/ und die jenige/ ſo der Krancke
Ruff. in
vit. Jois.haͤtte begehen koͤnnen/ gehemmet werden. Derhalben hat der H. Einſidler Jo-
annes, da er erſucht worden/ daß einem ſichern Menſchen von dem drey taͤgi-
gen Fieber befreyen moͤchte; geantwortet: du wilſt eine Sach/ ſo dir noͤthig
iſt/
[283]Von der Gedult der Geiſtlichen.
iſt/ von dir hinweg werffen. Gleich wie die Kleider durch die Seiffen gewa-
ſchen werden/ alſo wird die Seel durch die Kranckheiten gereiniget. Die
Kranckheit deß Leibs iſt das Heylder Seelen. Die Tugend wachſet niemah-
len beſſer als in den Kranckheiten.
11. Zum Hunger/ Durſt/ Kaͤlte und Hitze gedultiglich zu leiden/ geben uns
ſchier alle Heilige Gottes groſſe Anreitzung. Und damit wir der ſchaͤdlichen
Ungedult nicht unterwerffen ſollen/ wan eben die Speiſen nach unſerm Wil-
len nicht zubereitet ſeynd; daß lehret mit einem ſehr ſchoͤnen Exempel ein ſi-
cher geiſtlicher Altvatter/ welcher in ſeiner langwirigen Kranckheit gar nichts
eſſen koͤnnen: deſſen Juͤnger aber hat ihm endlich ein gutes Muͤßlein kochen/Pelag. l.
4. n. 59. \&
Ruff. n.
51. in vit.
P. P.
und zum Eſſen noͤthigen wollen/ hat aber auß Unachtſambkeit an Platz deß
Hoͤnigs das Muͤßlein mit Leinoͤl angemacht. Von dieſem uͤbel geſchmierten
Muͤßlein hat der Alte geſſen/ und nichts geſagt: da ihm nun der erwehnte
Juͤnger zum drittenmahl weiters zu eſſen noͤthigen wollen/ hat er ein wenig
gekoſtet/ und geſagt/ mein Sohn/ ich kan nicht eſſen. Der Juͤnger/ auff daß er
den alten Vatter zum weitern Eſſen uͤberreden moͤchte/ hat ſelbſt von dem
Muͤßlein geſſen/ und gleich zu Anfangs ſeinen begangenen Fehler vermerckt:
daher iſt er alsbald auff ſein Angeſicht gefallen/ und geſagt wehe mir/ O Vat-
ter/ ich hab dich umbs Leben gebracht! dieſe Suͤnd haſt du mir auffgebuͤrdet/
weilen du mir nichts geſagt haſt: der Alte aber hat ihn getroͤſtet und geantwor-
tet: wann es Gott waͤre gefaͤllig geweſen/ daß ich ein beſſere Speiß haͤtte ge-
nieſſen ſollen; ſo haͤtteſt du ohne Zweiffel an ſtatt deß Leinoͤls Hoͤnig ins
Mueß gethan. Auß dieſem und andern Lehr-Stuͤcken verſamble dir/ mein
Chriſtliche Seel/ die jenige Fruͤchten/ deren du dich in Zeit der Verſuchung
bedienen kanſt.
Der dritte Theil.
1. WEilen es faſt gemein iſt/ daß die Goͤttliche Majeſtaͤt ihre Diener
durch unterſchiedliche Unbill verſuche; als will ſichs geziemen/
daß ein jeder Geiſtlicher/ alle Verzagung zu verhuͤten/ gegen die-
ſes groſſe Ungewitter deß Unbills ſich beſter maſſen verſehe. Vor allem aber
muß er ſich befleiſſen; daß er die jenige Schmach/ ſo ihm von ſeiner Obrig-
keit/ oder auß einer Verſuchung/ oder als eine verdiente Straff wird ange-
than/ ſtandhafftiglich außſtehe/ und gedencke der guͤldenen Wort deß gottſe-
ligen Martini Dumienſis: Wann man dich ermahnet/L. de virt.
Capi. c. 3.
daß ſoll dir lieb ſeyn: wann man dich ſtraffet/ ſo ſollſt
du gedůldig ſeyn: wann dich einer auß billigen
N n 2Vr-
[284]Die Drey und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Vrſachen beſtraffet hat/ ſo ſolſt du wiſſen/ daß er dir nuͤtz-
lich geweſen ſeye: und wann ſolches unverdienter Dingen
geſchehen iſt; ſo muß du darfür halten/ daß er dir habe nu-
tzen wollen: und an dem Spruch deß hocherleuchten Joan. Climaci:
Grad. 4.Seelig iſt/ der umb GOttes willen alle Tag mit Schand-
und Schmaͤh-Worten gelaͤſtert wird/ und ſich Gewalt
anthuet: dieſer wird mit den Martyren ſich erfrewen/ und
wird mit den Engeln gleiche Vertraͤwligkeit und Herrlig-
keit verdienen. Und wiederumb an eine andere Sententz deſſelben GOtt
Idem
ibid.gefaͤlligen Dieners: Trincke mit hoͤchſter Froͤhligkeit die Beſtraffungen
und Verhoͤnungen nicht anders als das Waſſer deß Lebens/ ſie kommen/ wo-
her ſie immer wollen: weilen man dich mit einem geſunden Trunck zu laben
ſuchet; durch den aller Muthwill und Geylheit vertrieben werde: durch ſol-
chen Trunck wird eine geheime Keuſchheit auß der Tieffe deiner Seelen
auffgehen/ und das allerſchoͤnſte Liecht Gottes wird in deinem Hertzen nicht
erloͤſchen. Erinnere dich auch offtmahl der folgenden Wort deß gemeldten
Grad. 9.Heil. Vatters: Einige haben ſich groſſer Arbeit und Schmertzen ergeben/
die Nachlaſſung ihrer Suͤnden zu erlangen: denen aber wird der jenige leicht-
lich vorkommen/ welcher die Unbill vergeſſet: dahero haben die H. H. Vaͤtter
ihre Juͤnger mehrentheils oder durch Widerwaͤrtigkeit/ oder durch Schmaͤh-
Wort und Beſtraffungen/ oder durch Vorwerffung/ Verſchaͤmung und
Verſpottungen zu verſuchen/ zu ſaͤuberen/ und zur wahren Vollkommenheit
Grad. 4.zu bequemen/ ſich unterſtanden: unter ſolche billig gezehlet wird der jenige
groſſe Vorſteher/ von dem der offt gedachte Climacus ſchreibet/ daß er eins-
mahls die Gedult eines ſeiner Geiſtlichen Nahmes Mennæ habe probiren
wollen: dieſer fromme Muͤnch ware nach verrichteten Geſchaͤfften wieder-
umb zum Cloſter kommen/ und nachdeme er zu den Fuͤſſen ſeines Oberen nie-
dergefallen/ und nach gewoͤhnlichem Gebrauch den Seegen begehret/ hat ihn
der Vorſteher vom Abend biß zur Morgen Zeit auff der Erden ligen laſſen:
demnach hat er ihm den Seegen ertheilet/ und als einen Gleißner und unge-
dultigen unwuͤrdigen Geiſtlichen geſcholten/ und alſo gehen laſſen: Weilen
dann dem gemeldten Vorſteher die Gedult deß Mennæ gnugſamb bekendt
ware; als hat er dieſes Schaw-Spiel zur Aufferbawung der anweſenden zei-
gen wollen: der gottſelige und gedultige Mennas hat inzwiſchen das gantze
Pſalter gebetten. Unſerer einem ſolte vielleicht wohl das Gedaͤrm im Leib
auß Zorn zerſprungen ſeyn. So iſt dann kein Wunder/ daß auß den Fuͤſſen
dieſes verſtorbenen Mennæ zwey koſtbahre Oel flieſſende Bruͤnnlein nach-
mahls entſprungen.
13. Die-
[285]Von der Gedult der Geiſtlichen.
13. Dieſem Gott-ſeeligen Muͤnchen kan zugeſellet werden der H. Ro-In ejus
Vita.
mualdus/ welcher im Novitiat unter dem Einſidler Marino ſeinem Ma-
giſtro das Pſalter außwendig lernen muſte; ſo offt er nun fehlete/ wurde er
von dem Lehr-Meiſter mit einer Ruthen allemahl ans lincke Ohr geſchla-
gen. Dieſes hat der Romualdus ein ſehr geraume Zeit geduͤltiglich auß-
geſtanden; biß er endlich den Marinum angeſehen/ und geſagt: Jch bit-
te dich/ ſchlage mich doch/ wanns dir gefallet/ hinfuͤhro ans rechte Ohr;
dieweilen mir das Gehoͤr deß lincken Ohrs zumahlen vergehet. Jn An-
ſehung dieſer Gedult hat Marinus den Romualdum nicht mehr als einen
Novitzen; ſondern als einen getriebenen Alt-Vatter gehalten. Der from-In Vit.
P. P.
me Joannes/ ein Juͤnger deß Alt-Vatters Ammonis hat ſeinem geiſtlichen
in die zwoͤlff Jahr Bett-laͤgerigen Vatter treulich auffgewartet; und hat in
allen dieſen Jahren niemahlen ein eintziges gutes oder friedliches Wort von
ſelbigem erhalten; dieſes aber iſt zu ſeinem groſſen Vortheil geſchchen;
zumahlen er ſolcher Geſtalt viel groͤſſern Lohn bey Gott erworben/ und da der
Alte geſtorben/ hat er ſeinen Juͤnger dem alten Geiſtlichen uͤberlibert/ und
geſagt: dieſer iſt ein Engel GOttes; dann er hat in allen ſeinen Beſchwer-
lichkeiten von mir niemahlen ein troͤſtliches Wort gehabt/ und hat mir dan-
noch treulich gedienet.
14. Wie viele/ ja unzahlbare ſeynd nicht geweſen/ die allen Unbill und
Schmach mit groſſem Helden-Muth uͤberwunden haben. Auß deren
Zahl der H. Dorotheus/ von einem ſeiner Bruͤder mit vielen Schand- und
Schmaͤhe-Worten taͤglich verunehret worden/ und hat gleichwohl demſelbi-
gen niemalen mit einem eintzigen Wort zu wider geredet: ſo gar auch hat der
fromme Dorotheus dieſen ſeinen Schaͤnder/ da er von andern dieſerthal-
ben verklagt worden/ und nun ſolte geſtraffet werden/ bey dem Vorſteher ent-
ſchuldiget/ und durch Jeſum Chriſtum fuͤr ihn umb Vergebung gebetten/
und geſagt/ daß vielmehr er geſuͤndiget/ als ſein Bruder; und derhalben
die geſetzte Straff verdienet habe. Mit vielen andern ſchwaͤren Unbillen
haben deſſen Mit-Bruͤder demſelben faſt immer zur Ungedult angereitzet;
er aber hat alles mit Freuden uͤberſtanden/ und nicht allein nicht mit Wor-
ten ſich jemahln verthaͤtiget; ſondern dieſerthalben keinen immer ſauer ange-
ſehen. Von dieſem Gott-ſeeligen Dorotheo ſchlag ich meine Augen auff
die H. Jungfrau Magdalena de Pazzis/ und ſehe/ daß ſich der leidige Sa-In Vit.
than in die Geſtalt dieſer Jungfrauen verwandelt/ und alſo das Fleiſch
auß dem Camin der gemeinen Kuchen ſtehlet. Die Kuchen-Meiſterin be-
ruͤchtiget Magdalenam billiger maſſen/ und macht kundbar/ was ſie geſe-
N n 3hen
[286]Die Drey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
hen hatte. Magdalena wird fuͤr die Diebin gehalten/ verthaͤtiget ſich aber im
geringſten nicht/ ſondern uͤberſtehet alles mit Gedult; biß endlich eine von den
Schweſtern aͤidlich zu bedeuren ſich erbietet/ daß ſie zur ſelbigen Zeit Mag-
dalenam in der Bett-Kammer geſehen habe. Alſo iſt der Betrug deß hoͤl-
liſchen Feinds entdeckt worden. Dahero ſagt recht der H. Kirchen-Lehrer
L. 2. In-
dict. 10.
Ep. 23.Gregorius: Dieſe Eigenſchafft hat an ſich die Mißgunſt
der alten Schlangen/ daß ſie der jenigen guten Nahmen
mit falſchen Erdichtungen zerrupffe/ welche ſie in Wir-
ckung der boͤſen Thaten nicht betriegen kan.
15. An einem andern Ort ſagt der obgemeldte Kirchen-Lehrer alſo:
Welcher ſtirbt durch die Verfolgung/ der iſt ein oͤffentli-
cher Martyr in der That/ deraber Schand und Schmach
außſtehet/ und ſeinen Feind liebet/ der iſt ein heimlicher
Martyr in deu Gedancken. Ein ſolcher iſt in Warheit geweſen der
vorhin offt gemeldte Joannes à S. Guilelmo; indem er von ſeinen Einſidlern
mit allerhand Schmach und Unbill uͤbel gehalten worden/ und dannoch al-
les mit groſſer Gedult uͤbertragen; und wann er geſcholten worden/ hat er ſich
nicht allein nicht verthaͤtiget/ ſondern geſagt: ihr thut wohl daran/ daß ihr
mich fuͤr einen ſolchen haltet/ und was ihr immer boͤſes von mir ſagen wer-
det/ daran erkenne ich mich zumahlen ſchuldig: und da er weiters auch bey
dem Provincialen faͤlſchlich angeklagt worden; hat er ſich gleichwohl niemah-
len verantwortet; hernach annebens fuͤr ſeine Anklaͤger/ ſo wegen deß un-
rechtfertigen Berichts zur Straff gefordert worden/ bey der Obrigkeit umb
Nachlaß gebetten und erhalten. Sonſten iſt er auch ſo gar von den jenigen/
welche er ihres Gottloſens Lebens halber ermahnet/ mit Pruͤgelen uͤbel be-
lohnet worden; iſt aber alsbald auff ſeine Knie niedergefallen/ und hat die
Gottslaͤſtriſche Haͤnd gekuͤſſet; die ſeinige aber gegen Himmel auffgehoben/
und fuͤr ſeine Feinde gebetten; derhalben kein wunder iſt/ daß die jenige Haͤn-
de/ die ſich niemahlen haben rechnen wollen/ ſo viele Miraculen gewircket ha-
ben/ wie in ſeinem Leben zu leſen iſt.
16. Daß nun die vornehmſte Diener GOttes von den Menſchen am
Vinc. Ju-
ſtin. c. 15.
in Vit.
Bernardiuͤbelſten gehalten werden/ entſtehet daher/ wie der H. Vineentius Krafft
folgender Gleichnuß erklaͤret und ſagt: Gleich wie ein Lilie einen ſcharffen
Geruch von ſich gibt/ welcher nicht allen gefallet/ ſondern den ſchwachen
Haͤupteren Schmertzen bringet: alſo gefallen die mittelmaͤſſige faſt
allen
[287]Von der Gedult der Geiſtlichen.
allen: die aber an Heiligkeit andere uͤbertreffen/ dieſe gefallen den en nicht/
ſo da nicht heilig/ ſondern mittelmaͤſſig gut ſeynd. Wer nun den ſchoͤ-
nen Geruch der Tugenten im Angeſicht GOttes gleich einer Lilien auß-
zubreiten verlanget; der muß ſich anders nicht einbilden/ als daß er in die
Ungnad vieler gerathen werde. Ein wahrer Liebhaber GOttes aber muß
ſolches nicht achten/ ſondern der Worten Chriſti ſich erinnern: DerJoan. 15.
v. 20.
Knecht iſt nicht groͤſſer/ dann ſein Herr iſt. Wann ſie
mich (wegen der guten Werck) verfolget haben/ ſo werden
euch auch verfolgen. Dann gleich wie der Wein in ſeiner Guͤte am be-L. [1]. Re-
uel. c. 36.
ſten erhalten wird/ wann er auff der Truſen oder Mutter ligen bleibet/ al-
ſo (ſagt Chriſtus der H. Brigittaͤ) koͤnnen die Gute und Gerechte in den
Tugenden nicht erhalten werden/ noch in denſelbigen zunehmen; es ſey dann
daß ſie durch Widerwaͤrtigkeit und Verfolgung der Boͤſen verſuchet wer-
den. Derſelben H. Mutter Brigittaͤ gibt eben ſolches zu verſtehen die Al-
lerſeeligſte Jungfrau Maria mit dieſeu Worten: Geichwie eine Roſe auch
weit von ſich einen lieblichen Geruch außſpreitet/ ſchoͤn iſt anzuſehen/ und
ſich ſanfft fuͤhlen laſſet: wachſet aber nicht/ als unter den Doͤrnen/ ſo den
Haͤnden hart/ den Augen ungeſtaltet/ und ohne Geruch vorkommen: alſo
koͤnnen die gute und Gerechte/ ob ſie ſchon wegen der Gedult milt ſeynd/
ſchoͤn an Sitten/ und wegen deß guten Exempels lieblich ſchmaͤcken; nicht
probiret werden/ weder auch in den Tugenden fortſchreiten/ als eben unter
den Boͤſen. Derhalben ſchlieſſet der H. Gregorius hieruͤber; daß nemb-
lich keiner vollkommen ſeye/ ſo da in Mitten der Gebrechen ſeiner Neben-
Menſchen nicht geduͤltig iſt: dann der die frembde Maͤngel und Unvollkom-
menheiten nicht Dult-muͤtig traget/ der gibt ſich ſelbſt durch ſeine Unge-
dult Zeugnuß/ daß er noch weit ſeye von aller Vollkommenheit; zumahlen
der jenige dem frommen Abel nicht will gleich ſeyn/ welcher durch die Boͤß-
heit deß Cain getummelt zu werden foͤrchtet.
17. Schließlich kan auch die Betrachtung der Gedult der Heili-
gen GOTTES/ deren ſie ſich auff dieſer Welt befliſſen haben/ zu
Erduldung der Ehr-ruͤhriſchen Beruchtigungen nicht wenig beytra-
gen. Unter denen iſt geweſen der heilige Joannes Chryſoſtomus/Lanciz.
Opoſc. 9.
n. 97.
welcher von dem Theophilo/ Biſchoffen zu Alexandria/ und ſechs und
dreyſſig andern Biſchoffen auff das Calcedoniſche Conſilium wegen un-
terſchiedlicher falſchen Anklagungen gefordert/ etliche Mahl verdammet/
ins
[288]Die Drey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ins Elend vertrieben/ und endlich in ſelbigem geſtorben iſt; und dieſes alles
hat der unſchuldige und fromme Hirt mit unbeſchreiblicher Gedult erlitten.
Der fuͤr die Geiſtligkeit mehr Sorg truge/ als fuͤr ſich ſelbſten/ und lieber
tauſendmahl geſtorben waͤre/ als einmahl zu liegen und ſeinen Naͤch-
ſten zu laͤſteren/ der muſte hoͤren/ daß er gegen ſeine Geiſtliche ein
Buch verfertiget habe voller Luͤgen-Werck und Schmaͤhungen. Ein
Mann einer[ ][Engliſchen] Keuſchheit muſte verſchmertzen/ daß er Weiber auf-
nehme/ mit denſelben gantz allein umbgehe/ und ein unkeuſches wolluſtiges
Leben fuͤhre. Der auch das Seinige den Armen und Beduͤrfftigen reich-
lich mittheilete/ dem wurde vorgeworffen daß er die Kirchen-Renten und
Gefaͤllen uͤbel anwendete. Der umb Chriſti Willen ſeiner im geringſten
nicht verſchoͤnte/ und in allem die Ehr GOttes ſehr eifferig ſuchete; dem
wurde geſagt/ daß er unterſchiedliche Gotts-Laͤſterungen gegen Chriſtum
veruͤbet hette: daß er das Volck verfuͤhret/ und wider die heilige Ver-
ſamblung auffgewickelt: und dergleichen mehr andere groſſe Suͤnden be-
gangen habe/ ab deren der H. Cyrillus ihn dem Verraͤther Judaͤ vergli-
chen/ und verbotten hatte/ daß man ſelbigen nach ſeinem Todt in die Zahl
der Catholiſchen Biſchoffen nicht ſolte zehlen. Jſt aber nachmahls durch
eine himmliſche Offenbahrung weit anders unterriehtet worden. Der H.
Idem
ibid.Biſchoff Baſilius/ nachdem er zu dieſer Wuͤrde gelangt/ iſt von vielen
fuͤr einen Ketzer gehalten worden; hat derhalben faſt niemand trauen doͤrffen/
und alle foͤrchten muͤſſen. Jſt auch wegen dieſer unrechtfertigen Verkla-
gung bey dem H. Pabſt Damaſo in ſolche Ungnad gerathen/ daß ihn ſelbi-
ger keiner Antwort auff ſeine Brieff gewuͤrdiget hat. Der H. Franciſcus
S. Anton.
Spec. Lib
29. c. 97.iſt von ſeinem eigenen General dem Bruder Elia fuͤr einen Zerſtoͤrer deß
Ordens gehalten/ und von ſelbigem uͤbel tractiret/ und auch ſo gar durch
oͤffentliche Buͤcher geſchmaͤhet worden/ daß er in ſeiner Jugend der Geyl-
heit ſehr zugethan/ ſich mit vielen ſchwaͤren Suͤnden beflecket habe.
mian. c.
49. Vit.
18. Der H. Romualdus/ ein Stiffter ſeines Ordens/ iſt von einem
der Seinigen/ deme die Strenge deß Ordens zu ſchwaͤr gefallen/ verklagt
worden/ daß er mit ihme ein grauſames Laſter begangen habe: iſt derhal-
ben von ſeinen Untergebenen in oͤffentlicher Verſamblung als ein Feur-
und Strick-wuͤrdiger Ubelthaͤter verdammet/ und ihme das Meeßleſen
verbotten worden. Dieß alles aber hat er in ſeinem hundert-jaͤhrigen Alter
Vit. L. 4.
c. 17.mit hoͤchſter Gedult ertragen. Die H. Mutter Thereſia hat unbeſchreibliche
Laͤſterungen von allerhand Sorten der Menſchen/ auch deren ſehr andaͤch-
ligen und geiſtlichen außgeſtanden. Viele hielten darfuͤr/ daß der boͤſe Feind
mit
[289]Von der Gedult der Geiſtlichen.
mit ihr den Spott triebe; ihr Gebett und Offenbahrungen wurden außge-
lachet; einige wolten ſich auch unterſtehen/ den Teuffel/ von dem ſie als be-
ſeſſen außgeſchreyet wurde/ durch Beſchwaͤrungen außzutreiben: andere ver-
klagten ſie vor dem Gericht der Inquiſition oder Unterſuchung: dieſes alles hat
ſie neben denen Widerwaͤrtigkeiten/ ſo von ihrer eigenen Obrigkeit in Stiff-
tung der Cloͤſter hat leiden muͤſſen/ mit ungemeiner Standhafftigkeit getra-
gen. Der ehrwuͤrdige P. Balthaſar Alvarez auß der Societaͤt Jeſv, einVit. c. 40.
§ 1.
Mann groſſer Tugenden und Gelehrtheit wurde in der Provincialiſchen
Verſamblung uͤber ein grobes Verbrechen faͤlſchlich angeklagt/ und in
Gegenwart aller beſtraffet; hat ſich aber weder heimlich weder oͤffentlich ver-
thaͤtiget; und iſt wegen ſothanes heroiſchen Stillſchweigens mit vielen und
groſſen Gnaden von GOTT verſehen worden: ein anders mahl iſt dieſer
fromme Diener GOttes ſo wohl zu Rom/ als in Hiſpanien ſehr uͤbel ver-
ſchreyet worden; und da ihm ſolches zu Ohren kommen/ hat er ſich daruͤber
gelaͤchlet/ ſich nicht wenig erfrewet/ und geſagt; nun ſehe ich/ daß mir mein
GOtt gewogen ſeye; weilen er mich durch den gewoͤhnlichen Weg ſeiner be-
ſten Freunde leitet/ der ich ſchon lang gefoͤrchtet hab/ Gott wuͤrde meiner ver-
geſſen ſeyn.
19. Alſo iſts auch/ mein Chriſtliche Seel; ein ſolche Beſchaffen-
heit hats mit dem Dienſt GOTTES: Wie mehr er ſeine Diener lie-
bet/ deſto freygebiger theilt er demſelben mit die Schmach ſeines Creutzes/Rom. 8.
v. 29.
auff daß ihm ſelbige deſto gleichfoͤrmiger werden moͤgen; dann die er (wie der
Apoſtel ſagt) zuvor verſehen hat/ die hat er auch verordnet/ daß ſie gleichfoͤr-
mig werden ſollen dem Ebenbild ſeines Sohns; auff daß derſelbige der erſt-
gebohrne ſeye unter vielen Bruͤdern: das iſt (wie der gelehrte Vaſquez undVaſq. 1. p.
23.
Cornelius à Lapide verdollmetſchen) die GOTT zuvor verſehen hat/ daß
ſeine Freunde und Geliebte durch ſeine Gnad werden ſolten; ſelbige hat er
darzu verordnet/ daß ſie leiden ſolten; und ſeinem Sohn gleichfoͤrmig wuͤr-
den in der Gedult/ der ſo viele Muͤhe und Armſeligkeit fuͤr uns erlitten hat.
Damit auch ein jeder uͤber die von andern ihm angethane Unbill nicht zuͤrnenHom. 4.
ad Pop.
moͤge; ſo ſoll er den guͤldenen Spruch deß Heil. Chryſoſtomi in ſein Hertz
graben; in welcher er die ungerechte Verfolger gute Menſchen und Acker-
Leuth der Leidenden tauffet; zumahlen ſie die Gerechte durch ihre Verfol-
gung gleich wie mit einem Pflug außbawen und fruchtbar machen/ wie auß
zumahliger angezogenen Lection gnugſamb zu verſtehen iſt. Jn dieſem beſte-
het derhalben die vollkommene Gedult/ daß nemblich ein Geiſtlicher einer
ſtummen Bildnuͤß aͤhnlich ſeye; und gleich wie ſelbige/ obſchon mit allerhand
erdencklichen Laͤſterungen geſchaͤndet wird/ hieruͤber nicht zuͤrnet; alſo muß
O oein
[290]Die Drey und Zwantziſtge Geiſtliche Lection
ein Geiſtlicher das ihm zugebrachte Unbill nicht empfinden/ nach dem Exem-
pel deß Altvatters Nub. wie im Leben der H. H. Vaͤtter im 3. Buch/ n. 88. zu
leſen iſt.
20. Sintemahlen nun gewiß iſt/ daß die Gedult einem Geiſtlichen hochnoͤ-
tig ſeye/ ſo koͤnte vielleicht einer fragen/ welche die beſte Materi zu leiden ſeye?
Lyræus
lib. 1.
Apoph. 3.dieſem antwortet der H. Franciſcus Saleſius wie folgt: die jenige iſt die beſte
Materi zu leiden/ welche gantz von Gott iſt/ und von uns nichts an ſich hat:
dann der ſich ſelbſt durch freywillige Caſteyungen zuͤchtiget/ der iſt unter den
Faͤhnlein Chriſti ein Fuß-Knecht: der aber das jenige/ ſo ihm Gott zuſchicket/
mit geziemender Gedult leidet/ der iſt ein Reuter. Dieſe Meinung deß obge-
meldten Biſchoffs wird durch das Geſicht/ ſo dem ſeligen Henrico Suſoni
gezeigt worden/ bekraͤfftiget. Dieſem gottſeligen Mann hat einsmahls ein von
Gott geſendeter Juͤngling Stiffel und Sporen/ einen Schild und eine Lan-
tzen gebracht/ mit dieſem Vermelden: du ſollſt wiſſen/ daß du bißhero als ein
Fuͤſſer gedienet habeſt; nun aber wirſt du zum Ritter-Stand beruffen: Vor-
hin haſt du dich gezuͤchtiget/ wie du ſelbſt gewolt haſt: nun aber wirſt du mit
der Ruthen der ungerechten Zungen hergenommen werden: bißhero biſt du
auß den Bruͤſten Chriſti geſaͤuget worden/ anjetzt wirſt du mit Gall getraͤn-
cket werden: biß herzu biſt du den Leuten angenehm geweſen; nun wird dir
ein jeder zu wider ſeyn. Da dieſe Weiſſagung der treue Diener Gottes deß an-
dern Tags nach dem Ambt der H. Meſſen bey ſich in der Stille uͤberlegt; ſie-
he/ da wird ihm durch eine Stimm befohlen/ er ſolle zum Fenſter hinauß
ſchawen: indem er nun gehorchet/ ſiehet er/ daß ein Hund auff dem Vorhoff
deß Cloſters ein zerlumpten Schnitzling Tuchs mit ſchaͤumendem Maul
auff alle Hunds-Manier fein tapffer herumb riſſe: er hoͤret auch annebenſt
dieſelbige Stimm vom Himmel/ daß er hinfuͤhro gleich dieſem uͤbel zugerich-
teten Tuch-Schnitz durch die Zaͤhn der Menſchen ſolle gezogen werden. Der
fromme Suſo iſt mit dieſem anerbottenen Tractament alsbald befriediget ge-
weſen/ und hat den gemeldten Schnitz Tuchs/ als ein Zeichen ſeines Creutzes
mit ſich zur Zellen genommen/ und daſelbſt lang auffbehalten. Zum anfang
deß Streits hats zwarn das Anſehen gehabt/ als wann er auß menſchlicher
Schwachheit fuͤr ſeinem Feind ſich foͤrchtete: iſt aber am Feſt-Tag der Rei-
nigung Mariæ durch das goͤttliche kleine Kindlein erinnert worden/ daß er nit
allein das zugeſchickte Creutz ſtandhafftiglich tragen/ ſondern auch andere und
andere bald folgende erwarten muͤſſe. Auff dieſes Zuſprechen deß Kindleins
hat der gottſelige Geiſtliche Fuß beym Mahl gehalten/ und iſt fortan unter
tauſend Widerwaͤrtigkeiten geduͤltig und ſtanthaͤfftig verblieben. Nehme die-
ſes
[291]Von der Gedult der Geiſtlichen.
ſes fuͤr lieb/ mein Chriſtliche Seel/ und mercke auff/ was vom Creutz und lei-
den weiters folgen werde.
Die Vier und zwantzigſte
LECTION
Von der
Vortrefflichkeit der Truͤbſalen und
Widerwaͤrtigkeiten.
Per multas tribulationes oportet nos intrare in RegnumAct. 14. v.
21.
Dei.
hinein gehen.’
Der Erſte Theil.
1. VOn vielen Jahren her iſt annoch der Brauch bey den Univerſitaͤ-
ten und Academien/ daß die Studenten/ ehe und bevorn ſie
der gewoͤhnlichen Privilegien und Freyheiten zu genieſſen anfan-
gen/ mit allerhand frembden Fragen/ mit Schimpff- und Schertz-Reden/ mit
Stoͤß und Schlaͤgen/ gleich den new-geworbenen Soldaten getrillet/ geuͤbet/
und alſo aller Unrath und Rauigkeit der Bauriſchen Sitten von ihnen depo-
nirt werden: Nicht unebener Geſtalt pflegts der guͤtige GOtt mit denen zu
machen/ ſo in die himmliſche Academie eingeſchrieben/ und als Glieder mit
dero Freyheiten begabet zu werden Verlangen tragen: keiner wird zu dieſer
Univerſitaͤt auffgenommen/ er ſeye dann vorhin mit allerhand Truͤbſalen ge-
trillet worden/ und daß zwar faſt auß ſelbigen Urſachen/ auß denen
die vorgemeldte Academien beſagtes Deponiren angeſtellet haben:
Damit nemblich die ungeſchliffene Studenten erſtlich die alte Sit-
ten ablegen; zum andern/ daß ſie probirt werden: zum dritten/ damit
ſie den Vollkommenen gleichfoͤrmig/ und der gewoͤhnlichen Privilegien faͤ-
hig gemacht werden; und zum vierten damit ſie ſich uͤber andere nicht erhe-
O o 2ben
[292]Die Vier und zwantzigſte Geiſtliche Lection
ben moͤgen: iſts dann nicht billig/ daß man dieſes zeitliche und gar kurtze de-
poniren gern außſtehe; zumahlen wir verſichert ſeynd/ daß durch ſelbiges in
die Zahl der Juͤnger Chriſti/ und erfolglich der Außerwaͤhlten Gottes auff-
genommen werden? Es kan aber in der Schulen CHriſti keiner ein Lehr-
Juͤnger ſeyn/ wann er nicht durch dergleichen Depoſition, das iſt/ durch ſte-
tes Creutz und Leiden geuͤbet/ und alſo darzu bequemet werde: Wer (ſagt
Luc. 14.
v. 27.dieſer himmliſche Lehr-Meiſter ſelbſt) ſein Creutz nicht traget/ und
mir nachfolget/ der kan mein Jůnger nicht ſeyn. Die Wercke
aber der Juͤnger Chriſti ſeynd; das widrige mit Starckmuͤtigkeit uͤbertragen/
2. Tim. 3.
v. 2.
In Pſ. 55.nach Zeugnuͤß deß Apoſtels: Alle/ die gottſeeliglich leben wollen in
CHriſto/ werden Verfolgung leiden: Wann du dann/ ſetzt der
H. Vatter Auguſtinus hinzu/ umb Chriſti willen keine Widerwaͤrtigkeit lei-
deſt/ ſo kanſt du dir die Rechnung machen/ daß du noch nicht gottſeliglich in
Chriſto zu leben angefangen habeſt: und an einem andern Orth ſagt er alſo:
unter den Dienern Chriſti iſt keiner ohne Truͤbſall: wann du vermeineſt/ daß
du noch keine Verfolgung zu leiden habeſt/ ſo haſt du noch nicht angefangen
ein Chriſtglaubiger Menſch zu ſeyn.
2. Dieſerthalben haben ſo viel gottſelige Maͤnner; deren eintziges Abſe-
hen geweſen/ unter die Juͤnger und Diener Chriſti gezehlet zu werden; in de-
nen vorfallenden Trangſalen die hoͤchſte Frewd deß Hertzens erzeiget. Hoͤre
2. Cor. c.
12.mein Chriſtliche Seel den Paulum: Hierumb/ ſpricht er/ hab ich einen
Wohlgefallen an meinen Schwachheiten/ an Schmach/
an Noͤthen/ an Verfolgungen/ und an Aengſten umb Chri-
ſti willen: dann wann ich ſchwach bin/ alsdann bin ich
maͤchtig/ derowegen will ich mich gern růhmen in meiner
Schwachheit/ damit die Krafft CHriſti in mir wohne.
Der H. Catharinæ Senenſi wird von Chriſto eine guͤldene und auch eine doͤr-
Surius in
[...]jus vita.nere Cron gereichet/ daß ſie derſelben eine erwaͤhlen ſolte: ſie laſſet fahren die
guͤldene/ und ergreifft die doͤrnere/ von ſothaner Zeit an hat ſie in den Wider-
waͤrtigkeiten ein ſolches Wohlgefallen empfunden; daß nichts auff Erden zu
finden geweſen/ von dem ſie ſo groſſen Troſt und Erquickung ſchoͤpffen koͤn-
nen/ als eben vom zeitlichen Creutz und Leiden: ohne dieſe/ ſagt ſie/ wuͤrde mir
das Leben ſchwer fallen: ihrenthalben aber will ich die Verkaͤugerung
der ewigen Seeligkeit gern tragen: dieſe erfahrne Juͤngerin CHRJSTJ
wuſte wohl/ daß durch das Deponiren/ durch Truͤbſall und Wi-
derwaͤrtigkeit die Cron der himmliſchen Glori nicht wenig ver-
groͤſſert werde: derhalben hat ſie das jenige Weib/ ſo mit dem Krebs
behafftet/ und eine grauſame Verlaͤumderin der Catharinæ geweſen/
niemahlen
[293]Von der Vortreffligk. der Truͤbſal und Widerwaͤrtigkeit.
niemahlen außm Hauß treiben wollen; unangeſehen ihre Mutter ſie darzu
angetrieben; ſondern hat ihr alle/ auch ſo maͤgdliche Dienſten mit aller Hur-
tigkeit geleiſtet. Die H. Maria Magdalena de Pazzis pflegte zu ſagen:Lyræus:
L. 4.
Jch begehre lang zu leben/ dieweilen ich umb meines li[e]ben JESU Wil-
len verlange viel zu leyden: nicht allein ein kurtzs Marter; ſondern hauffige
Kranckheiten/ Schmach/ Ungluͤck/ und was immer Widriges wider mich
mag auffſtehen.
3. O wie billig und abermahl billig werden dann dieſe zeitliche Plagen
von den Außerwaͤhlten Kindern GOttes ſo eifferig verlanget; indem ſie
fuͤr ein wahres Zeichen der ſonderbahren Lieb GOttes gegen den Menſchen
muͤſſen gehalten werden: dann gleich wie der Ring (ſagt Chriſtus zur H. Ger-
trudis) iſt ein Zeichen der Vermaͤhlung; alſo iſt die/ ſo wohl leib-als geiſtliche
Widerwaͤrtigkeit ein gewiſſes Urkund der Goͤttlichen Erwaͤhlung/ und gleich-
ſamb ein Heyrath der Seelen mit GOtt: ſo gar/ daß einjeder Leydcude war-
lich und vertraͤulich ſagen koͤnne: Mein Herr und GOtt hat mit ſeinem
Ring verhafftet. Dieſe Warheit wird auß dem bekraͤfftiget/ was GOttL. 2. Inſin.
c. 10.
Tom. 2.
chron. S.
Franc.
p. 4. L. 7. c.
24.
neben vielen andern Heiligen/ auch dem frommen P. Baptiſtaͤ Veranaͤ mit
folgenden Worten bedeutet hat: Gedenck/ mein Sohn/ daß ich dir ein
groͤſſeres Zeichen der Liebe erwieſen habe/ indem ich betruͤbet; als da ich dich
in meinen allerſuͤſſeſten Armben gehalten hab. Nicht weniger wird ſelbige
Warheit beſtaͤttiget auß folgender Troſt-reichen Zuſprach deß Gebenedey-
ten Heylandts zu ſeiner lieben und uͤber alle Maſſen betruͤbten Gertruden.
Was bekuͤmmerſtu dich? ſagt Chriſtus/ laß ab von deinen Trauren: ichL. 3. Inſin.
c. 63.
wohne gern bey dir/ und damit du bey mir verbleiben moͤgeſt/ derhalben
mache ich dir auch ſo gar deine Freunde zu wider; auff daß du alſo in keiner
Creaturen einige beſtuͤndige Treue findeſt/ und dahero dein voͤllige Zuflucht
zu mir zu nehmen gezwungen werdeſt. Weiters hat der Lieb-reiche JEſus
durch die heilig-maͤſſige Jungfrau Catharinam/ auß dem Heil. Carmeliter
Orden/ der Ehr-wuͤrdigen und mit ſehr groſſen Schmertzen behaffteten ge-
dultigen Annæ à S. Bartholomæo deſſelben Ordens ſchreiben laſſen jetzt-
folgende Wort: Wie lieber und angenehmer mir einer außPæd.
Chriſti-
an. Tom.
2. p. t.
c. 5. Sect
7.
den Meinigen jemahlen geweſen iſt; deſto mehr hab ich
ihm auß ſonderbahren Gunſt/ den groͤſſeſten Theilmeines
Creutzes zu tragen aufferleget. Dieß hat erfahren meine
Mutter/ deren Seel ein ſo ſchmertzhafftes Schwerd
durchtrungen hat; daß Sie billig eine Martyr der Mar-
tyren/ und Koͤnigin derſelben genennet wird: und dieſes
O o 3ha-
[294]Die Vier und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
haben auch erfahren meine Apoſtelen. Derhalben ſagt GOtt
Apoc. c.
3. v. 19.in der Offenbahrung Joannis: Jch ſtraffe und zůchtige die jenige/
ſo ich liebe. Das iſt/ ich ſende ihnen Widerwaͤrtigkeiten uͤber den Hals.
Warumb aber handelt der liebreiche GOtt alſo mit den Seinigen? damit
er bey denſelben immer verbleibe/ fuͤr dem ſchaͤdlichen Anfall der Feinden ſie
verthaͤtige; in den Tugenden unterweiſe/ und endlich dieſelbige zum rechten
Pſ. 33. v. 19Weeg der wahren Vollkommenheit bequeme: Zumahlen der HErr
Nahe bey denen iſt/ die betrangt von Hertzen ſeynd. Wer
will dann umb GOttes Willen/ mit dem Heil. Bernardo nicht uͤberlaut
In Pſ. 90.ſchreyen: Der HErr iſt mit uns in den Trůbſalen: und was
ſollich derhalben anders ſuchen/ als Trůbſaͤligkeit:
4. Weiters beſtaͤttiget dieſes unſer offt-erwehnter Seligmacher; da er
Vit. L. 4.
c. 17.der H. Mutter Thereſiaͤ alſo zuredet: Der iſt meinem himmliſchen Vatter
am allerangenehmſten/ welcher durch viele und ſehr groſſe Truͤbſalen ge-
tummelt wird. Sehe/ meine Tochter/ ſehe und behertzige meine Wun-
den/ und geſtehe/ wie wenig oder nichts deine Schmertzen mit den meinigen
koͤnnen verglichen werden. Von dieſer Zeit an hat die obgedachte Jung-
frau ein ſo groſſe Begierd zu leyden empfangen; daß ſie immer zu ſagen
pflegte: Jch will oder leyden/ oder ſterben/ auch hat ſie
gern bekennet/ daß ſie die Widerwaͤrtigkeiten mit allen Schaͤtzen der Welt
Nadal. in
Hebd. æ-
tern. 45.nicht verwechſelen wolte: dahero iſt ſie nach ihrem Todt jemanden erſchie-
nen und ihn verſichert/ daß ſie im Himmel fuͤr kein gutes Werck ſo groſſen
Lohn genieſſe/ als eben fuͤr die außgeſtandene Truͤbſalen. So hat dann recht
und wohl geſagt die ſeelige Angela de Fulgineo: Jch weiß/ mein Kinder/
Vit. c. 20.ich weiß/ daß der groſſe Werth und Edelkeit/ welcher auß den zeitlichen
Trangſalen entſpringet/ uns bekennt ſeye: ſonſten wuͤrde man ſich umb dieſe
Widerwaͤrtigkeiten rauffen/ und ein jeder wurde ſuchen auß eines anderen
Truͤbſalen ſeinen Theil zu bekommen. Und das zwarn billig: ſintemahlen
die Truͤbſeeligkeit nichts anders iſt/ als ein Jubel-Jahr/ Krafft deſſen wir
ſehr viele Gnaden erlangen. Und weiters; was iſt die Truͤbſeeligkeit anders/
als ein ſehr fruchtbarer Herbſt/ in dem von uns ſo unbeſchreibliche Fruͤchten
der geiſtlichen Guͤter koͤnnen verſamblet werden? Wem koͤnnen die Wi-
derwaͤrtigkeiten aͤhnlicher verglichen werden/ als eben der annehmlichen
Arns-Zeit; zumahlen in ſelbiger die allerbeſte Garben der himmliſchen Gaa-
To. 2. Ep.
20.ben geerndet werden; und nach Meynung deß hoch-erleuchten Avilæ, in Zeit
der Truͤbſalen ein eintziges Deo gratias mehr wert iſt/ und groͤſſere Beloh-
nung verdienet/ als ſechs tauſend derſelben/ ſo da im Stand der Gluͤckſee-
ligkeit
[295]Von der Vortrefflichk. der Truͤbſal und Widerwaͤrtigk.
ligkeit geſprochen werden? Soll dir/ mein Chriſtliche Seel/ auch in deinen
hoͤchſten Bekuͤmmernuͤſſen und euſſerſten Schmertzen dieſer jetzt-gemeldte
Spruch nicht uͤber die Maſſen liebreich und troͤſtlich ſeyn/ indem du ſeheſt/
wiereichlich du durch die oͤfftere Widerholung deß Deo gratias die himmli-
ſche Glory dir vergroͤſſern koͤnneſt! dahero ſchreyet der weiſe Mann zu un-
ſerm Vorhaben mit dieſen Worten: Gar ſchoͤn iſt die Barmher-Eccl. c. 35.
v. 26.
tzigkeit GOttes in Zeit der Noth: ſie iſt/ als wann die
Wolcken in Zeit der Doͤrre Kegen geben. Dann/ obſchon ein
wahrer Liebhaber GOttes gleich einem Wein-Stock die allerſuͤſſeſte Trau-
ben der guten Werck immer trage; ſo iſt doch auſſer allem Zweiffel/ daß er
in Widerwaͤrtigkeit viel mehre und beſſere hervorbringen werde. Derhal-
ben ſagt Chriſtus: Ein jeglicher Reben an mir/ die FruchtJoan. 15.
bringet/ wird er ſauberen; auff daß ſie mehr Frucht brin-
ge. Was ſich nun vorzeiten mit der Arcken Noe hat zugetragen/ dasGerſon.
p. 2. ſer. de
omn. SS.
finden wir in Warheit an den Gerechten/ ſo da in Widerwaͤrtigkeit leben.
Wie mehr die Waͤſſer der Suͤndflut zugenommen/ je mehr iſt die Arcke
erhoͤhet worden. Wie groͤſſere Waͤſſer der Truͤbſalen ein gedultiges und
ſanfftmuͤtiges Hertz zu leyden hat; wie hoͤher daſſelbige in Verdienſten bey
GOtt auch ſteigen wird. Und dieſes kan mit vielen Exempeln der heiligen
Schrifft bewieſen werden. Jſt nicht der fromme Joſeph/ ein Sohn deßGen. 41.
Jacobs un Elend an allen ſo wohl Geiſt- als Leiblichen Guͤtern mehr gewach-
ſen/ als wann er zu Hauß geblieben waͤre? Seynd nicht die Kinder JſraelExod. 1.
deſto mehrer an der Zahl worden/ wie mehr ſie der Koͤnig Pharao unter-
druck et hat? Hat nicht der Prophet Ezechiel in Mitten der GefangenenEzech. 1.
die wunderbarliche Geſichte geſehen/ auß deren unterſchiedlichen er groſſe
Freuden geſchoͤpffet hat Haben nicht die Knaben im feurigen Ofen deßDan. 1.
Engliſchen Troſts genoſſen/ unter denender Koͤnig Nabuchodonoſor einen
geſehen hat/ welcher dem Sohn GOttes glcich geweſen; damit wir uns
verſichern koͤnnen/ daß GOtt den beaͤngſtigten beyſtehe? Viele andere zu-
verſchweigen: muß ich noch hinzuſetzen; daß von der Zeit der Ankunfft deßIrenæus.
L. 5.
H. Geiſtes/ biß zur Zeit der Verfolgung/ ſo der H. Evangeliſt Joannes
unter dem Kayſer Domitian[s] erlitten/ ſeyen vorbeygangen ungefehr 50.
Jahr. Jn allen dieſen Jahren aber hat der gemeldter Apoſtel ſo viele und
groſſe Offenbahrungen nicht gehabt; und hat der Chriſt-Catholiſchen Kir-
chen ſo viel nicht genutzet/ als eben in der jenigen Zeit/ da er im Elend gewe-
ſen iſt.
5. Hier-
[296]Die Vier und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
5. Hierauß nun vernuͤnfftlich zu ſchlieſſen iſt/ daß die untb GOttes Wil-
len gelittene Widerwaͤrtigkeiten ſehr reichlich/ ſo wohl zeitlich als ewiglich
belohnet werden. Soll aber die Frucht/ ſo auß den Truͤbſaalen zu erwach-
ſen pfleget/ nicht alsbald hervorbrechen; ſo muß man derhalben doch nicht
verzweiffeln/ ſondern gedencken/ daß der jenige/ welcher da ſaͤct/ nicht
Pſ. 125. v.
5. 6. 7.alsbald nach außgeworffenem Saamen maͤhen koͤnne. Alſo werden
die jenige/ nach Zeugnuß deß Koͤniglichen Propheten/ ſo mit
Thraͤnenſaͤen/ mit Frolocken erndten. Sie giengen hin/
giengen und weineten/ und wurffen ihren Saamen: a-
der ſie werden kommen/ ja gewißlich werden ſie kommen
mit Frolocken/ und ihre Garben tragen. Darum ſpricht
unſer H. Vatter Auguſtinus uͤber dieſen Ort: Jſts nicht bißweilen kalt/
windig und uͤbel Wetter/ wann der Ackers-Mann ſeinen Saamen traget/
und zum Außwerffen ſich ruͤſtet: er ſchauet gen Himmel/ und ſchet einen
unluͤſtigen Tag mit betruͤbten Augen an; er wartet und gibt Achtung auff
einen froͤhligen Tag/ damit die Zeit nicht vorbeygehe/ und er nichts finde
zu maͤhen. Alſo ſaͤetihr auch im Winter/ ſaͤet gute Werck. Auff daß a-
ber keiner verzage/ ſo muß er gleich einem Ackers-Mannden Arnd/ das iſt
das ewige und gluͤckſeelige Leben/ als eine Frucht/ ſo da in den Truͤbſalen
verſamblet wird/ erwarten. Dieſe Frucht iſt alſo gewiß und anſehnlich/ daß/
nach Zeugnuß deß Apoſtels: Das Leyden dieſer Zeit nicht gleich
Rom. 8.zu achten ſeye der kůnfftigen Herrligkeit/ welche in uns ſoll
offenbahret werden. Uber dieſen Text der H. Schrifft ſagen die H. H.
Chryſoſtomus und Auguſtinus: Wann wir alle Tage Tormenten/ und
auch ein wenige Zeit die hoͤlliſche Peinen ſelbſt haͤtten außzuſtehen/ damit
wir Chriſtum inſeiner Herrlichkeit ſehen/ und der Geſellſchafft ſeiner Hei-
ligen zugeſellet werden moͤgten: ſo waͤre doch all das Leyden nicht gleich zu
achten ſolcher unendlich groſſer Freud und Crgetzligkeit. Wolan dann/
mein Chriſtliche Seel/ hat dir der guͤtige GOtt einige Truͤbſaͤligkeiten zu-
geſchickt/ nehme ſelbige mit freudigem Hertzen an/ trage ſie mit einem Hel-
denmuth/ ſie kommen woher ſie immer wollen; dancke deinem GOtt/ daß
du mit den Apoſtelen gewuͤrdiget werdeſt/ fuͤr den Nahmen JEſu Schmach
L. Dial. c.
20.und Trangſaalen außzuſtehen; welcheder Gott-ſeelige Henricus Suſo ſo
hoch geſchaͤtzet/ daß er geſagt hat: wann einer hundert Jahr GOtt Fuß-
faͤllig bettete/ ſo koͤnnte er ſich doch hierdurch nicht wuͤrdig machen/ ein eintzi-
ges Creutz zu erlangen.
Der
[297]Von der Vortreffligk. der Truͤbſal und Widerwaͤrtigkeit.
Der Andere Theil.
6. NEben dieſem allem vorbeſagten ſeynd noch andere Mittel/ ſo den Laſt
deß Creutzes dergeſtalt erleichteren; daß er auch mit Frewden getra-
gen werde: derſelben wollen wir anjetzo einige kuͤrtzlich vortragen. Was der
Heil. Apoſtel Paulus von ſich ſelbſten geſagt hat/ daß muß ein jeder Chriſt-
glaubiger vor ſich ſagen: Es ſey weit von mir daß ich mich růh-Gal. 6. v.
14.
me/ ohn in dem Crentz unſers Herrn Jeſu Chriſti: Und daß bil-
lig: weilen ſich der Menſch durch ſelbiges mit mchrer Warheit die jenige
Titulen zueignet/ deren man ſich zum meiſten ruͤhmet: und zwar erſtlich laß
ich einen hoch ſchaͤtzen ſeine Reichthumben/ ich frag aber/ wo immer groͤſſere
koͤnnen gefunden werden/ als die jenige/ welche ſich im Creutz finden laſſen;
zumahlen dieſen Reichtumben gemaͤß die Gluͤckſeligkeit deß kuͤnfftigen Le-
bens wird außgetheilet; deß alſo wohl und abermahl wohl der groſſe Diener
Moyſes die Schmach Chriſti fuͤr groͤſſere Reichthumben gehalten/ als dieHebr. 11.
26.
Schaͤtze der Egypter: und der H. Ignatius Lojola hat die Kaͤrcker/ Schaͤn-
dung und Verfolgungen ſo hoch geachtet; daß er oͤffentlich geſagt: wann
dieſe jetzt gemeldte Ereutzer auff eine Seiten/ und was da immer von GOtt
erſchaffen iſt/ auff die andere Seite der Waag gelegt wuͤrde/ ſo wuͤrde doch
das erſte fuͤr dieſem letztern bey ihm den Vorzug haben.
7. Laß ſich nun andere wegen ihres Ritterlichen Herkommens und groſſen
Wuͤrden erheben: wie kan aber der Menſch zu groͤſſerem Adel und Ehre ge-
langen/ als wann er fuͤr andern dem Sohn Gottes gleich wird/ und mit ſelbi-
gem durch ruͤhmbliche Thaten einen Nahmen uͤber alle Nahmen erwerbe?
Tragt ein ander uͤber ſeine Schoͤnheit ein groſſen Muth/ wie viel muͤthiger
wird dann nicht ſeyn koͤnnen der Gerechte/ und der umb Chriſti willen viel lei-
det? Sintemahl die Schoͤnheit einer Gott gefaͤlligen Seel alle Geſtalt der
irrdiſchen Creaturen weit uͤbertreffet: und von ſolchem gerechten Menſchen
die Braut im hohen Lied Salomonis alſo ſinget: Mein Geliebter iſtCant. 5.
10.
weiß und roͤthlicht: Weiß iſt er wegen der Unſchuld; und roͤthlicht
wegen der unuͤberwindlichen Gedult. Was will doch ein ander ſtoltzieren uͤ-
ber ſeine Staͤrcke; indeme ein jeder wahrer Chriſtglaubiger Held wegen deren
mit Gedult außgeſtandenen Widerwaͤrtigkeiten auch den ſtaͤrckſten Teuff-
len entſetzlich vorkommet. Billig muͤſſen auch weichen alle/ ſo von den Wiſ-
ſenſchafften auffgeblaſen ſeynd; weilen keine hoͤhere/ kein nuͤtzlichere noch wuͤr-
digere Wiſſenſchafft kan gelernet werden/ und keine dem Apoſtel Paulo beſſer
P pgefallen
[298]Die Vier und zwantzigſte Geiſtliche Lection
gefallen hat/ als zu wiſſen Jeſum Chriſtum/ und zwar eben den/ der gecrcutzi-
1. Cor. 2.
2.
Act. 14.
21.get iſt. Weiters kan uns zu gedultiger Ubertragung der zeitlichen Truͤbſalen
behuͤlfflich ſeyn: 1. Der Stand der Chriſtglaͤubigen/ nach den
Worten deß H. Lucæ:Weilen wir durch viele Trübſaln zum
Reich Gottes hinein gehen müſſen. 2. Der Stand deß Sün-
ders: dann die Suͤnden ſcheiden Gott von uns: die Widerwaͤrtigkeiten a-
ber verſoͤhnen und machen uns denſelben wiederumb gnaͤdig und bey uns
L. 2. Inſin
c. 14.wohnen: dahero ſagt Chriſtus zu ſeiner außerwaͤhlten Gertrudis: Wie al-
gemeiner und ſchwaͤrer das Leiden iſt; je reinere Erklaͤrung
ſelbiges der Seelen gibt. 3. Der geiſtliche Stand: zumahlen
derſelbige eine Schul der Abtoͤdtung iſt/ und wir in ſelbiger die Wiſſen-
ſchafft lernen/ Cruciftren zu machen. Dieſen Stand nennet der H. Thomas ei-
nen Stand der Buß; und der gottſelige Climacus, ein immer waͤhrende Ge-
Grad. 1.walthaͤtigkeit die Natur zu uͤberwinden.
8. Nicht weniger treiben uns auch an die Widerwaͤrtigkeiten den Weeg
zum Himmel einzutretten/ und auff ſelbigem beſtaͤndiglich zu verharren: der-
In Mor.halben der H. Kirchen-Lehrer Gregorius alſo ſpricht: Der Herr macht
ſeinen Außerwaͤhlten/ die zu ihm kommen/ den Weg dieſer
Welt gantz rauch; damit ſelbige in die Ruhe deß gegen-
waͤrtigen Lebens nicht verliebet werden/ und alſo lieber
lang wandern/ als bald zum Ziehl gelangen wollen: und
auff daß ſie wegen der vorfallenden Ergatzlichkeit auf dem
Weeg nicht vergeſſen das jenige/ ſo ſie vorhin zu befitzen ver-
Pſ. 15. v. 4.langten im Vatterland: ihre Schwachheit hat ſich vielfaͤl-
tig gemehret; ſagt der Prophet/ darnach haben ſie geeylet: Als
wolt er ſagen: ſehr viele ſeynd/ ſo da im ſtand der Gluͤckſeligkeit auff dem Weg
der Gebotten Gottes nicht lauffen: wan ſie aber mit Truͤbſalen heimgeſucht
werden/ ſo geben ſie ſich alsbald auff den Weg; und gehets mit denen her/ was
der Beſſæus ſagt: Die muſicaliſche Inſtrumenten muͤſſen mit der Hand ge-
ſchlagen werden/ wann ſie ſollen gehoͤret werden; und wie ſie lebhaffter geruͤret
werden/ wie froͤlichern und annehmlichern Klang ſie auch von ſich geben: da-
hero hat jener die Beſchaffenheit der Truͤbſalen mit dieſer Figur bedeuten
wollen: er hat viele muſical ſche Inſtrumenten/ als Cytter/ Geyl/ Harffe/
Lauth und andere beyſammen entworffen mit dieſer ſinreichen Uberſchrifft:
Wan ſie nicht ruͤrt die Hand/ ſo hoͤrt man keinen Klang. Alſo gehets her mit
vielen Chriſt glaubigen/ welche gar keine oder wenige Melodie deß goͤttlichen
Lobs von ſich geben/ wann ſie nichts zu leiden haben: ſo bald ſie aber ge;uͤchti-
get werden/ laſſen ſie die allerſuͤſſeſte und dem lieben GOTT annehmlichſte-
Stim-
[299]Von der Vortreffligk. der Truͤbſal und Widerwaͤrtigkeit.
Stimmen hoͤren. Siehe/ ſagt unſer H. Vatter Auguſtinus ein traͤges PferdSer. 20. [fn]
Append.
wird durch die Peitſche ermuntert: die Kleider werden durchs Schlagen
vom Staub geſaubert: wie mehr der Nußbaum geſchlagen wird/ wie haͤuffi-
ger Fruͤchten er gibt: alſo werden wir durch die Schlaͤg zu guten Kindern ge-
macht. Von Streichen wird man witzig/ und indem ſie bringen Schaden/
bringens auch/ vermittelſt einer heylſamen Lehr/ ſehr groſſen Nutzen. So ſoll
ſich dann ein Chriſtglaubiger Menſch erfrewen in den Widerwaͤrtigkeiten;
weilen er verſucht wird/ wann er gerecht iſt: oder gebeſſert wird/ wann er ein
Suͤnder iſt. Der hat ſich billig zu foͤrchten/ den Gott nicht will ſtraffen auff
der Welt; zumahlen ihn Gott den Straffen hat zugeeignet nach der Welt:Greg. in
Mor.
und gleich wie das Feuer; ſagt der H. Gregorius; durch das Blaſen geaͤng-
ſtiget wird/ damit es groͤſſer werde: und von dem jenigen ſeine Kraͤfften be-
kommet/ welches gleichſamb eine Urſach ſeiner Erloͤſchung zu ſeyn ſcheinete:
alſo nehmen die Begirden der Außerwaͤhlten zu/ wann ſie durch die Wider-
waͤrtigkeiten angeblaſen/ und gleichſamb verruͤcket werden: weiters ſagt der
heilige Vatter an einem andern Orth: die Ubelen/ ſo uns trucken auff dieſer
Welt; dieſelbe treiben uns zu Gott.
9. Wilſt du auch/ mein Chriſtliche Seel/ ohne einiges/ doch gar kurtzes
Feegfeuer der himmliſchen Frewden genieſſen; ſo leide geduͤltiglich/ was dir
dein GOtt zu leiden ſchicket allhier zeitlich: ſintemahlen der H. Gaudentius
nicht gefehlet/ da er geſagt hat: der Herr zůchtiget auff dieſer WeltIn Præ-
fat. ad ſu-
as Tract.
den jenigen mit der Ruthen der Trůbſalen und Kranckhei-
ten/ ſo da in Zucht und Erbarkeit lebet; damit das tünffti-
ge Feuer keinen Vnflat an ihm finde: ſondern auff daß der-
ſelbe krafft der geringen und gar kurtzen Widerwaͤrtigkei-
ten von allen Maculn gereiniget/ deſto ſicherer zu der ewig
waͤhrenden Ruhe zu gelangen gewürdiget werde: derhalben
thut ein weiſer Menſch wohl (wie der gottſeelige Laurentius Juſtinianus
ſagt) daß er ſeine Schuld bezahle; dann er leget nichts in dieſer BezahlungL. de Pa-
tien. c. 2.
von dem ſeinigen auß; ſondern er verurſachet/ daß ſeine Feind fuͤr ihn bezah-
len muͤſſen: weilen er auß den Unbillen/ ſo ihm von ſelbigen zugefuͤgt werden/
uͤber alle maſſen bereichet wird: und alſo geſchichts/ daß er fuͤr die angethane
Schmach mehr die Gnad als den Zorn Gottes verdiene; indem in Anſehung
derſelben/ und in Gegenwart deß gerechten Richters/ ein groͤſſere Straff ver-
nichtiget wird; und durch die Gedult ſehr groſſe Schaͤtz in dem Gewiſſen ver-
+ſamblet werden: dahero ſoll dir nit wunderlich vorkommen/ daß Chriſtus demChron [...].
Franc.
Tom. 2. l.
7. c. 24.
ſeeligen Baptiſtæ Veranæ geſagt: erkenne/ daß du mehr verbunden ſeyeſt dem
jenigen der dir uͤbel/ als der dir guts gethan hat dann jene ſeynd/ welche deine
P p 2Seel
[300]Die Vier und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Seel ſaubern/ und vor meinem Angeſicht lieblich/ ſchoͤn und annemb-
lich machen: dieſe obangezogene Warheit wird mit folgendem Exempel be-
In vit?
Oper.
præfixa.
Hiſtoria.kraͤfftiget: Taulerus ein gottſelig- und Gelehrter Doctor auß dem Orden
deß H. Dominici wird mit einem Schlag-Fluß getroffen/ und gibt nach auß-
geſtandener zwantzig taͤgiger ſehr ſchmertzlicher Schwacheit den Geiſt auff:
nicht lang nach ſeinem Todt erſcheinet er einem ſichern frommen Mann/ wel-
cher auß Befelch Gottes/ die Urſach ſeiner Heiligkeit geweſen ware/ und ihm
auch in ſeinen letzten Noͤthen beygeſtanden hatte: da er nun von ſelbigem ge-
fragt wird/ warumb er nach ſo langwiriger und ſchmertzhaffter Kranckheit
ſein Leben mit einem ſo erſchroͤcklichen Ende beſchloſſen habe; daß auch viele
von ſeiner Seeligkeit zu zweifflen angefangen: gibt er zur Antwort/ daß die-
ſes derhalben geſchehen ſeye/ damit es von dem Feegfeuer unverletzt die himm-
liſche Wohnung habe beziehen moͤgen: im uͤbrigen ſagt er./ bin ich von den
Teufflen eben vor meinem Hinſcheiden dergeſtalt geaͤngſtiget worden/ daß ich
bald in eine Verzweifflung gerathen waͤre: es hat mir aber der guͤtige Gott
eben zur ſelben Zeit ſeine Engelen geſendet/ von denen ich in den Vorhoff deß
Himmels getragen/ und mir daſelbſt 5. Tag lang zu verbleiben befohlen wor-
den; hab aber keine andere Schmertzen erlitten./ als die jenige/ ſo da auß der
Begierde Gott zu ſehen/ verurſachet werden.
10. Weiters werden durch Creutz und Leiden auch die Tugenden eingt-
In Pſ. 21.pflantzet und vermehret: dan nach Zeugnuß deß H. Aug ſeynd in dem Fewer
keine veraͤnderliche Naturen/ und gleichwohl veraͤndert ſelbiges das Strohe
in Aſchen; dem Golt aber benimbt es nur ſeine Unreinigkeit. Die jenige in
welchen Gott wohnet/ werden in den Widerwaͤrtigkeiten gebeſſert/ und gleich
Jacob. 1.
v. 2.wie das Golt probirt: darumb ſagt der H. Jacobus.Meine liebe Brů-
der/ haltet es fůr lauter Freude/ wann ihr in mancherley
Verſuchungen fallet: und wiſſet/ daß die Bewehrung ewe-
res Glaubẽns Gedult wircket: die Gedult aber hat ein voll-
kommen Werck: auch werden wir vermittelſt der Truͤbſalen unſeres ewi-
Inſtit.
ſpirit. c. 8.gen Heyls verſichert: zumahlen nach Auſſag deß gottſeligen Bloſii, kein ge-
wiſſeres Zeichen der Außerwaͤhlung gefunden wird/ als wan der Menſch die
vorfallende Widerwaͤrtigkeiten umb Gottes willen demuͤtiglich und geduͤltig-
lich traget; dan dieſer iſt der koſtbahre Ring/ mit dem ſich Gott die Seelen ſei-
[H] 21. mora[.]
c. 4.ner Außerwaͤhlten vermaͤhlet: und gleich wie ein Kalb/ ſagt gar ſchoͤn der H.
Gregorius/ deſſen man ſich zum arbeiten zu gebrauchen [gedenckt]/ kurtz gehal-
ten/ und zogbar gemacht: daß man aber ſchlachten will/ in den freyen Weiden
feiſt gemacht wird: und gleich wie die fruchtbare Baͤum in der Verſamblung
der Fruͤchten geſchuͤttelt/ zerriſſen und beraubet/ und dannoch am laͤngſten
beym
[301]Von der Vortreffligk der Truͤbſal und Widerwaͤrtigkeit.
beym Leben erhalten werden: die unfruchtbare aber uͤnberuͤrt verbleiben/ und
zeitlicher abgehauen/ und ins Feur geworffen werden. Und gleich wie den
Krancken/ an deren Geneſung man verzweifflet/ alle Speiß und Tranck
wird zugelaſſen: denen aber/ ſo noch Hofnung haben/ ſehr bittere Artzneyen ein-
gegeben werden; alſo werden die von GOtt verworffene Menſchen durch
die Guͤter dieſer Welt feiſt gemacht/ und bleiben von den Widerwaͤrtigkei-
ten befreyet; oder werden zum wenigſten von denſelben nicht ſtarck gedrucket:
die Auſſerwaͤhlte aber werden mit Muͤhe und Arbeit belaͤſtiget/ und durch
Truͤbſalen geplaget. Auff dieſe drey artige Gleichnuſſen deß H. Gregorii
gehoͤrt der fuͤglicher Schluß deß H. Papſten Leonis deß folgenden Jnhalts:
Die Erwartung der kůnfftigen Seeligkeit iſt ſicher und
gewiß bey denen/ welche durch ihr zeitliches Leyden ſich
theilhafftig machen deß bittern Leidens Chriſti.
11. Dieſes bezeugt uns auch das Buch der Heil. Schrifft/ Leviticus ge-c. 16. v. 5.
nanut; alwo dein Hohen Prieſter befohlen wurde/ zur Außtilgung der Suͤnden
zwey Geys-Boͤck zu nehmen/ und uͤber beyde das Loß zu werffen; alſo/ daß
der jenige/ ſo durch das Loß GOtt zugeeignet worden/ alsbald zu Erloͤ-
ſung der Suͤnden deß Volcks geſchlachtet; der andere aber ſoll gantz frey
gelaſſen/ und in die Wuͤſten geſchicket werden. Durch den erſten werden
die Außerwaͤhlte verſtanden/ ſo da zum Brand-Opffer geſchlachtet wer-
den/ indem ſie dem HErrn durchs Loß ſeynd heimgefallen. Der letztere a-
ber bedeutet die Gottloſen/ welchen in der Wuͤſten dieſer Welt uͤberal frey
und franck herumb zu ſchweiffen zugelaſſen wird. Wie gefaͤhrlich und
ſchaͤdlich aber dieſe Entrathung der Truͤbſalen ſeye; kanſtu mercken/ mein
Chriſtliche Seel’auß folgender ſehr glaub-wuͤrdigen Hiſtori. Der Heil.
Kirchen-Lehrer Ambroſius iſt einsmahls auff ſeiner Reiſe nach Rom bey
einem ſehr reichen und dem euſſerlichen Anſchen nach gluͤckſeeligen Wirth
eingekchret: den er alsdann gefragt; wie ihm ſeine Handelſchafft von ſtatten
gehe; wie ſeine Kinder ſich verhalten/ und wie reich er ſeye: und hat zur
Antwort bekommen/ daß ſeine Sachen mit allen ſeinen Zugehoͤren inge-
wuͤnſchtem Stand ſich befinden; daß er durch keine/ auch die geringſte
Kranckheit jemahl ſeye belaͤſtiget worden; daß er viele Kinder habe/ und ſo
wohl fuͤr ſelbige/ als fuͤr ſich mit Reichthumben uͤberfluͤſſig verſehen ſeye;
und alſo nicht wiſſe/ was Widerwaͤrtigkeit ſeye: Jn Anhoͤrung dieſer al-
zufroͤhligen Erzehlung gedenckt der H. Mann der Worten deß H. Jobs:Job. 21.
13.
Sie bringen ihre Tage im Wolleben zu/ und in einem
Augenblick fahren ſie hinunter in die Hoͤlle. Und macht ſich
mit den Seinigen von dannen hinweg; denen er auß innerlichem Antrieb
P p 3Gottes
[302]Die Vier und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
GOttes alſo zuredet: Dieweilen der Zorn deß gerechten Richters ſich bald
uͤber dieſes Hauß ergieſſen wird; ſo laſſet uns fliehen/ auff daß wir nicht mit
ſelbigem zu leyden genoͤthiget werden. Da nun der H. Biſchoff mit den
Seinigen ſeine Reiß hurtig forſetzet/ und dannoch nicht gar weit von der
gemeldten Herberg entfernet iſt; ſiehe/ da thut ſich die Erde grauſamblicher
Geſtalt voneinander/ und verſchlinget das Hauß deß Wirthen mit allen
deſſen Einwohnern lebendig. Dieſer Tragoͤdi mache ich den Schluß auß
Hom. 29.
in Ep.
Hobr.dem H. Chryſoſtomo mit dieſen Worten: Wann GOtt alle die jenige
Kinder zuͤchtiget/ die er auffnimbt: ſo muß nothwendiglich folgen/ daß der je-
nige/ ſo nicht gezuͤchtiget wird/ unter die Zahl der Kinder GOttes nicht
koͤnne gezchlet werden: wie der Prophet Jſaias auß dem Mund deß
Iſa. 5. v. 6.Herrn ſpricht: Jch will meinen Weinſtock wůſt ligen laſſen;
man ſoll ihn weder ſchneiden noch graben. Daß alſo nicht
unbillig geſagt hat der H. Ambroſius: villeicht werden wir alsdann ſchon
fuͤr verdambt gehalten/ wann wir keine Verfolgung leyden:
12. Auch iſt dieſer der herrliche Nutzen der Truͤbſalen; daß wir durch ſelbige
unſerm Heyland und Seeligmacher gantz aͤhnlich werden/ wie der ſeelige
De Pa-
[...]ien. c. 2.Laurentius Juſtinianus mit dieſen Worten bezeugt: Das aller-glor-
wůrdigſte iſt/ daß ein Leydender Chriſto gleich werde: dan
gleich wie einem Soldaten růhmlich iſt/ daß er die Wapf-
fen ſeines Koͤnigs trage; alſo gereichet einem Chriſt-Glau-
bigen Menſchen zu groſſer Ehre/ daß er die Wund-Mah-
len ſeines Erloͤſers trage. Wie groß iſt nicht die Herrlich-
keit der Braut/ daß ſie ihrem Braͤutigamb gleich iſt : dieſe
ſchaͤtzet keine Ehr ſo hoch/ als die Wuͤrdigkeit zu tragen
die Schmach Chriſti. Dahero ſagt die ſeelige Angela de Fulgino, was
Vit. c. 4.der himmliſche Vatter geliebt und erwaͤhlet/ und ſeinem Eingebohrnen aller-
liebſten Sohn gegeben hat; das liebt derſelbige Sohn/ das ſchickt er und gibt
ſeinen außerwaͤhlten Kindern. Der Goͤttliche Vatter aber hat fuͤr ſeinen
Sohn außerkohren die Armut/ die Verſchmaͤhung/ die Schmertzen/ die
Verfolgungen/ Truͤbſalen/ aͤuſſer- und innerlichen Verdruß/ Forcht und
Schrecken/ Angſt/ Ubung zum Streit. Welche Widerwaͤrtigkeiten der
Sohn GOttes alle in groſſer Anzahl uͤberſtanden hat. Jſts dan nicht billig/
mein Chriſtliche Seel/ daß wir mit dem heil: Bonaventura ſagen: O mein
JEſu/ ich will nicht ohne Wunden ſeyn/ indem ich dich ſo ſehr verwundet
anſchaue: es gebuͤhret ſich zumahlen nicht/ daß ich gemeiner Soldat mit un-
verletzter Haut den Sieg erhalte; und du vornehmſter Kriegs-Held mit einer
Wunde in die andere/ ein erbaͤrmliches Spectaeul vor meinen Augen han-
geſt und ſterbeſt.
[303]Von der Vortreffligk. der Truͤbſal und Widerwaͤrtigkeit.
13. Schließlich iſt wohl zu beobachten/ daß der Allerhoͤchſte GOtt an un-
ſeren Truͤbſalen ein groſſes Gefallen habe: ſo will ſichs ja gezimmen/ daß
wir demſelben (wofern wir ihn von Hertzen lieben) ſolche Freud und Wol-
gefallen lieber/ als uns ſelbſten goͤnnen: dann alſo hat er die heilige Gertru-
dis unterrichtet. Die jenige/ fuͤr welche du betteſt/ iſt mir ein Außerwaͤhl-L. 1. Inſin.
c. 4.
te Lilien/ die ich in meinen Haͤnden zu tragen verlange: ſintemahlen mir
die hoͤchſte Freud iſt/ wann ich in einer ſo kenſchen und reinen Seelen woh-
ne. Sie iſt/ ſagt der Herr/ meine wohl- richende Roſe; dieweilen die Gedult
und Danckſagung derſelben in den Widerwaͤrtigkeiten mir verurſachen den
allerſuͤſſeſten Geruch. Ein andersmahl hat GOtt ebenfals der H. Gertru-
di geſagt: Welcher ohne Creutz und Leyden iſt/ und gleichwohl nach meinemL 3. c. 12.
Willen zu leben bereit iſt; der opfferet mir einen einfachigen guldenen Pfen-
ning ohne einen Edelgeſtein. Wer aber in allen ſeinen Wercken mit Wi-
derwaͤrtigkeiten gedruckt wird/ und dannoch ſeinen Willen mit dem meini-
gen vereiniget/ der opffert mir einen guldenen Pfenning mit dem allerbe-
werteſten Edelgeſtein. An dieſer H. Jungfrauen Gertrudis beſtaͤndiger
Gedult/ und ungemeiner Froͤligkeit in den Truͤbſalen/ hat GOtt ein ſo groſ-
ſes Gefallen gehabt/ daß er in Anſehung dieſer ſeiner geliebten Braut den
gefaſten Zorn uͤber viele groſſe Suͤnder offt und vielmahl hat fallen laſſen/
und derſelben verſchoͤnet hat.
14. Und warumb ſollen wir nicht gern unſer Creutz tragen; da doch Chriſtus
unſer Haupt/ und der wahre Sohn GOttes; deme die ewige Glory und Herr-
lichkeit erblich zugehoͤrte/ durch die Thuͤr deß Creutzes in ſein eigenes Reich
hat wollen eingehen? iſts dann nicht billig/ daß durch ſelbige Thuͤr auch die
Glieder und angenommene Kinder hineingehen? Durch dieſe Thuͤr ſeynd
eingangen die H H. Apoſteln und Blut-Zeugen Chriſti: von denen der H.
Paulus ſagt: Andre haben Spott und Streich außgeſtanden/Hebr. 11.
v. 39.
auch ůber das/ Baͤnde und Kercker: ſie ſeynd geſteiniget
worden/ ſeynd zerhauen/ ſeynd verſucht; ſeynd durchs
Schwerd erſchlagen und getoͤdtet worden: ſie ſeynd in
Schaffs- und Geiſſen-Fellen herumb gangen/ důrfftig/ be-
aͤngſtiget und wohl geplaget; deren die Welt nicht werth
war; und haben irrig herum geſchwebet in den Wůſten auf
den Bergen/ in den Hoͤlen und Klufften der Erden. Sagt dann
nicht recht und wohl der Gottſel. Thomas à Kempis: Vermeinſtu demL. 2. c. 12.
§. 6.
Creutz zu entrinnen/ dem kein ſterblicher Menſch je hat vor-
kommen koͤnnen : welcher Heilige iſt doch in der Welt ohn
Creutz und Trůbſal geweſen? jaChriſtus Jeſusunſer HErr
ſelbſt
[304]Die Vier und zwantzigſte Geiſtliche Lection
ſelbſt iſt kein Stund ohne Schmertzen deß Leydens ge-
weſen: warumb ſucheſtu dann einen andern Weeg/ als
dieſen richtigen Weeg deß H. Creutzes : Und an einem andern
L. 1. c. 18.
§. 1.Ort ſagt er alſo: Sehe an der H. H. Alt - Vaͤtter lebendige
inbrůnſtige Ebenbild/ in denen die wahre Vollkommen-
heit und ein geiſtliches Leben erſchienen iſt: alsdann wirſt
du ſehen und mercken/ wie klein daß iſt/ ja gar nichts/
daß wir wircken. Ach was iſt unſer Leben/ wann
es gegen der Heiligen Leben geſchaͤtzt wird : Die Heili-
ge und Freunde GOttes dienten dem HErrn in Hunger
und Durſt/ in Hitz und Kaͤlte/ in Bloͤſſe und Armuth/ in
Můhe und Arbeit/ in Wachen/ Faſten und Betten/ in
Veraͤchtungen und viel Verfolgungen/ Schmach und
Schelt-Worten. Dahero redet der obgemeldte Thomas dich und
L. 3. c. 19.
§. 1.mich/ mein Chriſtliche Seel/ an einem andern Orth in der Perſon Chriſti
alſo an: Hoͤre auff zu klagen und merck auff mein/ und aller
Heiligen Leben; du haſt noch nicht biß zum Blut-ver-
gieſſen geſtritten: es iſt klein und ſchlecht das du leydeſt/
gegen denen zu ſchaͤtzen/ die ſo viel gelitten haben/ ſo ge-
waltig angefochten/ ſo ſchwerlich betrůbt/ ſo manigfal-
tig bewehret und probirt ſeynd worden: derowegen ſoltu
die ſchwaͤre Marter der andern Menſchen in deinem Her-
tzen betrachten/ auff daß du dein Peyn deſto leichter
Vit. P. P.
L. 3. n. 84.trageſt.
15. Eben dieſes hat der H. Alt-Vatter Joannes einige hundert Jahren
vorhero ſeine Juͤnger gelehret/ und pflegte dieſelben mit folgenden troſt-
reichen Worten oͤffters zu ermahnen: Dieſe iſt die Pforte GOttes/ durch
welche unſere Vorfahren/ nach außgeſtandenem vielen Unbillen und Truͤb-
ſalen mit Freuden zum Himmel ſeynd eingangen. Zu dieſem Ende er-
zehlte der fromme Einſidler das Exempel deß jungen Welt-Weiſen/ der ſei-
nen Lehr-Meiſter erzuͤrnet hatte/ und dieſerthalben die erſte drey Jahren mit
andern in dem Berg-Werck das Ertz graben muſte: die andere drey Jahren
muſte er die jenige/ ſo ihn unverſchuldeter Dingen beleydigten/ mit Geld
belohnen. Da dieſem allem der gemeldte Juͤngling tapffer nachkommen/
hat ihn ſein Lehr-Meiſter mit ſich nach Athen genommen. Nachdem er
nun zur Pforten der Stadt kommen iſt/ hat ihn einer daſelbſt ſitzender Al-
te mit Schmaͤh-Worten gar uͤbel empfangen. Dieſe hat er mit lachendem
Mund angenommen; und da er die Urſach ſolcher Froͤlichkeit von dem Al-
ten
[305]Von der Vortreffligk. der Truͤbſal und Widerwaͤrtigkeit.
ten gefragt worden; hat er geantwortet: Bißhero hab ich die Schelt-
und Schmaͤh-Wort mit Geld bezahlen müſſen; nun aber
bekomme ich ſelbige von dir umbſonſt; derhalben erfrewe
ich mich: Da dieſes der Alte gehoͤret/ hat er ihn gern hinein gelaſſen/ und
geſagt: ey du lieber Bruder/ ſpatziere nun zur Statt hinein; der du wuͤrdig
biß/ daß unter die Weiſe gezehlet werdeſt. Sollen wir dann nicht billig/
mein Chriſtliche Seel/ alle Schmach und Verfolgung mit lachendem
Mund und froͤlichem Hertzen annehmen/ auff daß wir durch ſolche heroiſche
That in die Statt Gottes einzugehen/ und der Zahl der himmliſchen Wei-
ſen beygeſetzet zu werden/ ge wuͤrdiget werden? Wolte GOtt/ ſagt derL. 2. c. 12.
§. 13.
geiſtreiche Thomas à Kempis,daß du umb deß Nahmens JEſu
willen etwas zu leiden wůrdig waͤreſt O wie groſſe Herr-
ligkeit wůtdeſt du davon haben! wie ein groſſe Freud waͤ-
re es allen Heiligen/ und wie groſſe Beſſerung deß Nech-
ſten! Derhalben laſſet uns mit allem moͤglichen Fleiß daran ſeyn/ damit wir
dahin kommen/ daß uns Truͤbſall und Bekuͤmmernuß ſuͤß werden/ und uns
umb Gottes willen wohl ſchmecken: alsdan koͤnnen wir darfuͤr halten/ daß es
wohl umb uns ſtehe/ weilen wir das Paradeiß auff Erden gefunden haben.
Die Fuͤnff und zwantzigſte
LECTION
Von den Verſuchungen.
Fili, accedens ad ſervitutem Dei, ſta in Juſtitia \& timore,Eccli 2.
v. 1.
\& præpara animam tuam ad tentationem.
nen/ ſo ſtehe in Gerechtigkeit und in der Forcht/ und bereite
deine Seele zur Anfechtung.’
Der Erſte Theil.
1. WEilen ein Geiſtlicher mehr als ein Weltlicher Menſch durch den
Betrug deß leidigen Sathans immer angefochten wird; und
dann derſelbe denen Stricken zu entgehen/ ſich nicht allein fuͤr
Q qſich
[306]Die Fuͤnff und zwantzigſte Geiſtliche Lection
ſich ſelbſten befleiſſen muß/ ſondern auch andern zur Meidung derſelben nach
aller Moͤglichkeit behuͤlfflich zu ſeyn verbunden iſt: als iſt unter allen andern
Materien von dieſer folgenden zu handlen am meiſten nothwendig: zumah-
len gleich wie ſehr viele ſeynd deß Teuffels Erfindungen und Argliſte; alſo
auch nicht wenigere Mittel und Lehren gefunden werden/ durch welche man
dieſen Betruͤgen ſich mit aller Vorſichtigkeit zu entſchlagen hat: ſelbige wer-
den aber alle auff drey Haubt-Mittel zuſammen gezogen: nemblich/ daß
man wohl wiſſe/ was vor der Verſuchung/ was in derſelben/ und was nach
der Verſuchung zu beobachten ſeye. Vor der Verſuchung iſt zu mercken;
daß einer gaͤntzlich darfuͤr halte/ daß er/ nachdem er ſeinem Gott zu dienen hat
angefangen/ ſein Gemuͤt zur Verſuchung bereiten/ und ſich verſichern muͤſ-
ſe/ daß/ wie gluͤcklicher er in den Tugenden fortſchreite/ je hefftiger werde ver-
l. 29. mor.
c. 12.ſucht werden; dann gleich wie wir nach Zeugnuͤß deß Heil. Gregorii/ un-
ſerm hoͤlliſchen Feind uns gewaltiger widerſetzen/ je mehr er uns beſtreitet; die
jenige aber/ ſo deſſen Gewalt untergeben ſeynd/ laſſet er in Frieden leben:
und gleich wie ein erfahrner und begieriger Fiſcher die kleine Fiſchlein nicht
achtet/ ſondern nach den groſſen trachtet/ wann er vermerckt/ daß derſelben
vorhanden ſeynd; alſo ſtellet der Teuffel den Vollkommenen mit groͤſſerer
Serm. 36.Begierigkeit nach/ und ſuchet ſelbige zu fangen. Foͤrchtet nicht der Feind/ ſagt
der H. Chryſologus/ mehr einen Kriegs-Obriſten/ als einen gemeinen Sol-
daten? Er beſtreitet nicht die Todten/ ſondern krieget mit den Lebendigen:
alſo ſucht unſer Feind nicht die Suͤnder/ ſondern die Gerechte zu beſtreiten:
und gleich wie die See-Raͤuber/ ſpricht der Heil. Chryſoſtomus/ nicht die
auß dem Hafen außfahrende leere; ſondern die wiederkommende beladene
Schiff anfallen: alſo/ wann der hoͤlliſche Rauber vermerekt/ daß wir viele
Wahren; als da ſeynd Faſten/ Gebett/ Allmuſſen/ Keuſchheit/ und mehr an-
dere Tugenden verſamblet haben; ſtreichet er alsbald hervor/ und ſuchet un-
ſer Schifflein/ auch ſo gar in dem Geſtaat ſelbſten/ in den Abgrund deß
Meers zu verſencken: Derſelbe Kirchen-Lehrer ſagt an einem andern Orth:
Hom. ad
Pop. An-
tioch.Verwundert euch nicht/ daß wir/ die wir den geiſtlichen
Dingen obligen/ viele Widerwaͤrtigkeiten leiden můſſen:
ſondern gedencket; daß/ gleich wie die Dieb nicht dem
Graß/ Hew/ oder Strohe/ ſondern dem Golt und Silber
nachgraben/ und immer wachen; alſo der verfluchte See-
len-Dieb mit den Gerechten umbgehe. Der H. Cyprianus ſagt:
L. 3. Lp. 1.Der Teuffel ſucht nicht die jenige zu Bodem zu werſſen/ die
ligen; ſondern die ſtehen: Und wann ich mich hieruͤber bey dem Heil.
l. 29. mor.Gregorio befrage/ ſo gibt er mir zur Antwort wann wir in einem beſſeren
und
[307]Von den Verſuchungen.
und vollkommeneren Leben zunehmen; ſo machen wir uns die boͤſe Geiſter/
welche unſerm gutem Willen immer und allzeit mißguͤnſtig ſeynd/ zu unſern
groͤſten Feinden.
2. Auch ſagt der Heil. Doctor, daß nicht allein ein boͤſer Geiſt/ ſondern
derſelben unzahlbare einem jeden Außerwaͤhlten zugeeignet werden: herge-
gen laſſen die H. H. Altvaͤtter einhelliglich herkommen/ daß ein eintziger
Teuffel beſtand gnug ſeye/ unzahlbare boͤſe Menſchen zu verderben. Sie
melden/ daß einsmals ein Einſidler von ſeinem Engel zu unterſchiedlichenHiſtoria.
Schaw-Wercken ſeye gefuͤhrt worden: das erſte ſo er geſehen hat/ iſt gewe-
ſen eine Verſamblung der Cloſter - Geiſtlichen/ welchen eine unzahlbare
Schaar der Teuffelen zugeflogen ware: hieruͤber hat ſich der gute Einſidler
entſetzet; iſt aber hernach alsbald zur Statt geleitet worden/ allwo er nur ei-
nen/ und zwarn muͤſſigen Teuffel angetroffen; der gleich einem faulen Hund
am Statt-Thor ruhete: da hat der fromme Geiſtliche mit Verwunderung
zu fragen ſich erkuͤhnet: warumb die GOtt verlobte von ſo vielen hoͤlliſchen
Feinden beſtritten wuͤrden; die gantze Statt aber nur ein eirtziger/ und daß
jedoch ohne Muͤhe bekriegete? deme der Engel geantwortet; daß dieſe Staͤt-
tiſche Menſchen nach dem Geſaͤtz und Befelch deß Teuffels jhr Leben ein-
richteten/ derhalben ſie keine Verſucher von noͤthen haͤtten/ weilen ſie auff
dem Weeg deß Verderbens von ſich ſelbſten hurtig lauffen: und koͤnnen ſelbi-
ge in ſolchen ihren boͤſen Sitten nur ein eintziger Teuffel mit gar geringern
Arbeit erhalten: die andere aber/ ſagte der Engel/ ſeynd geſchworne Feind
deß Sathans/ deme ſie mit allen Kraͤfften widerſtehen: dahero fallet er
ſelbige mit gantzen Schwadronen an; und bemuͤhet ſich/ dieſe Diener
GOTTES in ſein hoͤlliſches Netz zu ziehen. Daß iſt nun/ mein
Chriſtliche Seel/ die jenige Klag/ ſo du ohne allen Zweiffel/ auch von from-
men Geiſtlichen offt wirſt gehoͤret haben; daß ſie nemblich/ wie frommer
und andaͤchtiger ſie ihrem GOtt zu dienen/ ſich befleiſſen/ deſto mehrere und
groͤſſere Anfechtungen erleiden muͤſſen. Dieſe aber iſt ein gemeiner Art der
neidiſchen Geiſter/ daß ſie den jenigen/ welchen ſie ſehen/ daß ſich dem Him-
mel naͤheret (den ſie ſo ſpoͤttlich verlohren haben) mit aller moͤglichen Ge-
walt darvon abzutreiben ſich unterſtehen: dieſe Tartariſche Larven wer-
den nach Zeugnuͤß deß ſeeligen Laurentii Juſtiniani, wegen keiner Sach ſo
ſehr beſchaͤmet/ als wann ſie ſehen/ daß ein ſchwacher Menſch in ſo vielen Ge-
fahren der Welt ſeinem Erſchoͤpffer den ſchuldigen Gehorſamb leiſtet/ wel-
chen ſie auch im Himmel ſelbſt zu halten vernachlaͤſſiget haben: dahero miß-
goͤnnen ſelbige den Gerechten ihren Fortgang im Guten/ und erſpahren
Q q 2keinen
[308]Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
keinen Fleiß/ dieſelbe von den Staffelnzur ewigen Herrligkeit zu verhindern.
3. Und wann ſie einen eintzigen Geiſtlichen zum Untergang ſtuͤrtzen koͤn-
nen/ iſt unter ihnen ein groͤſſeres Frolocken/ als wann ſie hundert und hundert
Hiſtoria.andere betriegen; wie auß folgender Hiſtori zu hoͤren iſt. Jndem Leben der
alten H. H. Vaͤttern wird erzehlet/ daß einsmahls ein Sohn eines Goͤtzen-
Pfaffen ſeinem Vatter biß zum Goͤtzen-Tempel gefolgt/ und daſelbſt ent-
ſchlaffen ſeye; allwo er mehr mit den Augen deß Hertzens/ als deß Leibs den
Lucifer auff einem Thron ſitzend geſehen/ und gehoͤret/ wie ſelbiger ſeinen
Botten Befelcher gegeben/ und ihrem Anbringen Audientz ertheilet habe: da
ware nun einer ankommen/ welcher ſich ruͤhmete/ daß er einige Kriege/ Auff-
ruhr und Rebellion in einer Provintzen verurſachet haͤtte: dieſer hatte zwar
hierdurch viel boͤſes geſtifftet; weilen er aber darzu dreiſſig Tag angewendet/
iſt er mit. Pruͤgelen belohnet worden. Ein ander ware vorm Koͤniglichen
Thron erſchienen/ und hatte Zeitung mitgebracht/ daß er innerhalb zwantzig
Tagen durch ein ſchwaͤres Ungewitter viele Schiffe in den Abgrund deß
Meers verſencket haͤtte: weilen aber der hoͤlliſche Koͤnig hieran ein geringes
Vergnuͤgen gehabt; als iſt dieſer Bott ebenfalls mit Streichen bewillkom-
met worden. Der dritte hatte ſich auch herzu gemacht/ und auffgeſchnitten/
daß er innerhalb zehen Tagen unter waͤhrenden verſchiedenen Hochzeiten
Uneinigkeit und Todtſchlaͤg zu wegen gebracht haͤtte: iſt aber mit gleicher
Muͤntz/ wie die vorige/ bezahlet worden. Letztlich iſt auch einer heran kom-
men/ und hat ſeinen Koͤnig berichtet/ daß er nach angewendtem viertzig
jaͤhrigen Fleiß endlich einen Geiſtlichen zum Fall gebracht habe: Nach an-
gehoͤrter dieſer froͤligen Zeitung iſt der hoͤlliſche Tyrann von ſeinem Thron
alsbald hinab geſtiegen/ und hat den angenehmen Bottſchaffter umbhaͤlſet;
auch hat er ſeiner Cron ſich beraubet/ demſelben auff/ und ihn an ſeine Sei-
ten geſetzt/ und vor allen andern am meiſten geprieſen: dieſes alles hat der
vorgedachte Sohn deß Goͤtzen - Pfaffen gehoͤrt und geſehen/ und darauß
Urſach und Gelegenheit geſchoͤpffet/ das Heydenthumb zu verlaſſen und ſich
dem wahren Gott im Cloͤſterlichen Leben zu widmen.
4. Hierauß koͤnnen wir nun ſchlieſſen/ wie groſſe Muͤhe die
hoͤlliſche Geiſter anwenden/ damit ſie die Diener GOTTES von
ihrem Herrn moͤgen abwendig machen: Auch ſchen wir/ wie ſich ſelbige
erfrewen/ wann ſie die GOTT verlobte Perſohnen mit ihren Stri-
cken fangen koͤnnen. Und weiters iſt auch nicht ohne/ daß/ wie der Menſch
frommer und heiliger lebet/ je uͤberlaͤſtiger ihm auch fallen die
Ver-
[309]Von den Verſuchungen.
Verſuchungen. Es muß aber derhalben ein Liebhaber GOttes nicht verza-
gen; ſondern muß gedencken/ daß/ gleich wie er als ein behertzter Soldat
unter den erſten in der Schlacht zu erſcheinen trachtet/ auch den feindlichen
Wapffen der naͤchſte ſeyn muͤſſe. Jſt nicht der H. Apoſtel Paulus ſelbſt
von dem laidigen Sathan mit Faͤuſten geſchlagen/ das iſt/ durch die Sta-
chel deß Fleiſches angefochten worden? Jſts nicht zu verwundern/ daß ein
Apoſtel/ und Lehrer der gantzen Welt noch leyden muß/ daß ihn der Tenffel
durchs Fleiſch verſuche? Der ins Paradeyß gefuͤhret/ ja ſo gar biß in den
hoͤchſten Himmel verzuckt geweſen/ muß noch außſtehen den Anfall der Na-
turen? Er aber hat nicht zu ſeiner Verſchaͤhmung/ ſondern zu ſeiner Glo-
ry; nicht zur Verdamnuß/ ſondern zur Belohnung/ und Abwendung der
hoffaͤrtigen Gedancken dieſe Verſuchung erlitten. Zumahlen die Verſu-
chungen den Menſchen offt ſehr nuͤtzlich ſeynd; wie der H. Thomas à Kem-L. 1. c. 13.
§. 2.
pis vermercket; ob ſie ſchon dem Menſchen zu wider und ſchwaͤr ſeynd; dann
in denen wird der Menſch gereiniget/ gedemuͤthiget und unterwieſen. Und
der Apoſtel ſagt: Damit ich mich nicht ůberhebe wegen der2. Cor. 12.
v. 7.
hohen offenbahrungen/ iſt mir ein Stachel in mein Fleiſch
gegeben/ der Engel deß Sathans/ daß er mich mit Faͤuſten
ſchlage. Dahero ſeynd einige der Meynung/ daß derſelbige Apoſtel
GOttes ohne dieſe Verſuchung nicht haͤtte koͤnnen ſeelig werden/ darum iſt
er auch ſo gar nach dreymahl widerholter Bitt/ vom HErrn nicht erhoͤrt
worden.
5. Billig derhalben ſchreibet der H. Vatter Auguſtinus den FortgangSup. Pſ.
60.
in den Tugenden den Verſuchungen zu; dieweilen/ ſagt er/ unſer Leben
auff dieſer Pilgerfahrt ohne Suͤnd nicht ſeyn kan: und es kan auch ohne Ver-
ſuchung nicht ſeyn; dann unſer Zunehmen muß durch die Verſuchung be-
foͤrdert werden; und keiner lernet ſich ſelbſten kennen/ es ſey dann daß er ver-
ſucht werde: es wird keiner auch gekroͤhnet/ der nicht ſeinen Feind uͤberwun-
den hat; keiner kan aber den Sieg erhalten/ wann er nicht geſtritten hat: und
wer kan ſtreiten/ wann er keinen Feind und keine Verſuchungen hat? DieſesClymac.
c. 26.
hat einsmahls betrachtet der H. Ephrem derhalben hat er/ da in der hoͤch-
ſten Ruhe und Zufriedenheit lebte/ von GOtt begehret/ daß er den Krieg der
vorhin außgeſtandenen Verſuchungen in ihm erneueren/ und ihm alſo
groͤſſeren Lohn zu verdienen Gelegenheit geben moͤgte. Von einem andern
Geiſtlichen meldet der Geiſt- reiche Rodriquez, daß er zu ſeinem geiſtlichen
Vatter kommen ſeye/ und ſich beklaget/ daß GOtt [endlich] ſeinen gehabten
Streit in einen gewuͤnſchten Frieden veraͤndert habe. Deme der Vorſteher
Q q 3be-
[310]Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
befohlen/ er ſoll alsbald die Verſuchungen von GOtt widerfordern/ auff
daß er nicht nachlaͤſſig werde. Wie geſagt war/ ſo iſt geſchehen; und der from-
me Geiſtliche hat ſeine vorige Verſuchungen abermahl von GOtt erhalten.
Dann gleich wie der Senff oder Moſtart/ und viel andere Speiſen/ ſagt
Chriſtus zu der H. Brigittaͤ/ nicht alſo zu Ernehrung deß Leibs/ als zu Hei-
lung einiger Maͤngel/ oder Sauberung einiger Theilen deß Leibs gebraucht
werden; alſo die boͤſe und verſuchende Gedancken; wielwohl ſelbige die
Seel nit erſaͤttigen noch feiſt machen/ wie das Oehl der guten Gedancken
thut; ſo ſeynd ſie doch dienlich/ dieſem oder jenem Schaden vorzukom-
men/ oder zu heilen. Viele wuͤrden vermeinen/ ſie waͤren Engelen/ und
keine Menſchen/ wann ſie nicht bißweilen durch boͤſe Gedancken verſucht
wuͤrden. Nicht umbſonſt hat Chriſtus ſeine Apoſteln und deren Nachkoͤmlin-
ge mit dieſen Worten erinnert/ daß ſie in den Verſuchungen tapffer ſtreiten
Matt. 10.
v. 34.ſolten: Jhr ſollet nicht vermeinen/ daß ich kommen bin/
Friede zu ſenden auff Erden: ich bin nicht kommen Friede
zu ſenden/ ſondern das Schwert. So wird dann von dem je-
nigen erfordert/ ſo dem Dienſt GOttes ſich ergibt/ daß er das Schwerd/
nemblich die Staͤrcke ergreiffe/ durch welche er gegen die unfehlbar ankom-
mende Verſuchungen ſich verthaͤtige und beſchuͤtze.
6. Das andere/ ſo ein geiſtlicher Neuling wiſſen ſoll/ iſt; daß er ſicher
glaube; das GOtt den Seinigen ſehr treu ſeye/ und nicht zulaſſe/ daß der-
Serm. de
Patient.ſelben einer uͤber ſein Vermoͤgen verſuchet werde. Dann ſagt der heilige
Ephrem/ wann die Menſchen wiſſen/ wie viel und ſchwehren Laſt ein
Thier fuͤr dem andern tragen kan: wann ein Haffner weiß/ wie lange Zeit die
von ihm auß Leim gemachte Geſchirr muͤſſen gebrennen werden: wie viel
mehr wird der allerweiſeſte GOtt wiſſen/ mit was oder wie viel Verſuchun-
gen ſeine Diener und dienerinnen muͤſſen probiret werden. Dahero ſagt der
H. Bernardus: Dieſes ſage ich euch vor: daß keiner ohne Ver-
Serm. 15.
in Pſ. 90.ſuchuug auff Erden leben werde: und wann einem vil-
leicht ein Creutz wird abgenommen/ ſo ſoll er eines andern
in Sicherheit gewaͤrtig ſeyn. Hieruͤber haben wir nun dem Mil-
deſten GOtt zu dancken/ daß er uns oͤffters einige Verſuchungen zulaſſe/
damit wir nicht villeicht mit anderen gefaͤhrlicheren uͤberfallen werden: und
daß er einige von denſelben ehender befreye; auff daß ſie in anderen/ ſo ihnen
nuͤtzlicher ſeynd/ moͤgen geuͤbet werden.
7. Drit-
[311]Von den Verſuchungen.
7. Drittens muß er wiſſen/ daß in den Verſuchungen die Empfindung
ihme keinen Schaden zufuge/ wann er ſich nur nicht einlaſſet in die Bewil-
ligung: dann gleich wie das Feuer unter der Aſchen verborgen iſt/ obſchon
daſſelbige ſcheinet mit der Aſchen gantz begraben zu ſeyn; alſo kan die Liebe im
Hertzen ſeyn/ wiewohl man vermeinen ſoll/ als waͤre ſie von den ſchwaͤren
Verſuchungen gantz erloſchen. Aldieweilen dann/ nach Meinung deß
H. Gregorii/ die Schuͤſſe/ ſo man vorſehet/ nicht ſo viel ſchaden/ als
die jenige/ deren man ſich nicht verſehet: ſo bedencke du/ mein Chriſtliche
Seel/ dieſes wohl vor der Verſuchung; damit ſelbige dich nicht unverſehens
uͤberfalle und betruͤbe.
Der Andere Theil.
8. SO viel aber die Sinnligkeit oder Empfindligkeit der Verſuchungen
belanget; ſagt uns der H. Anſelmus/ daß es ein Engliſche SachS. An-
ſelmus
apud
Drex. in
Palæſt. p.
2. c. 5. §. 3.
ſeye/ wann man die Verſuchungen nicht empfinde. Die Verſuchungen
aber empfinden/ und uͤberwinden/ ſagt er/ ſeye ein Chriſtliches Weeck. Das
man aber in die Verſuchungen einwillige/ und auß Boͤßheit ſuͤndige/ ſeye
gantz und zu mahlen teuffeliſch. Weilen nun die anfangende Geiſtliche o-
der Neulinge/ ſo in der Schulen Chriſti noch wenig geuͤbet ſeynd/ wegen
der gemeinen Widerſpennigkeit deß Fleiſches nicht geringe Sorg tragen/
daß ſie durch die Verſuchungen villeicht werden geſuͤndiget haben: ſo rathe
ich denſelbigen/ daß ſie Chriſtum ihren Braͤutigamb bey dem andaͤchtigen
Bloſio alſo redend anhoͤren/ und deſſen Wort wohl behertzigen. SchrecketIn Con-
ſol. Pu-
ſil. c. 40.
§. 1. n. 4.
dich villeicht/ daß du mit Suͤnden beladen/ auch das jenige/ ſo du vorhin
freywillig begangen haſt; nun gegen deinen Willen leyden muͤſſeſt? Ver-
folget dich dein Widerſager/ und veruͤbet mit dir ſeine Abſcheuligkeiten?
Seye getroͤſt/ mein Seel/ was du leydeſt in dieſem Leben/ daß wird dich nit
verdammen/ und wird dich meiner Gnade nicht berauben: dann die Suͤnd
muß iſt ſo freywillig ſeyn; daß/ wann ſie nicht freywillig; auch keine Suͤnd
ſeye. Zwinge derhalben deinen Willen/ und halte ihn ab von der Bewilli-
gung; und laſſe forthin den Teuffel und das Fleiſch wuͤten. Wegen der
Thraͤum haſtu dich nicht zu foͤrchten: was du in ſelbigen thuen wirſt/
was du immer ſchlaffend leyden wirſt; wann ſolches dir vor/
und nach dem Schlaaff mißfaͤllig iſt; ſo wird dir dieſes fuͤr
keine
[312]Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
keine Suͤnd gerechnet. Und/ wann du ſchon durch dein voriges unzuchtiges
Leben dir Gelegenheit zuſolchen Thraͤumen gegeben haſt/ ſo wirſtu doch
a[b] jetzo an dem/ was du leideſt/ nicht ſchuldig ſeyn: dieweilen du uͤber ſolches
Leben wahre Reu und Leyd getragen haſt/ und noch trageſt; wann du nur in
dieſe Teuffeliſche Crinnerungen nicht einwilligeſt. Wann auch der boͤſe
Feind dir bißweilen Gotts-Laͤſterungen und verfluchte Gedancken gegen
mich und meine Auſſerwaͤhlte eingibt; ſo werde du derhalben nicht kleinmuͤ-
thig: dann ſo lang du in dieſe Gedancken nicht einwilligeſt/ ſo lang leydeſtu
ſelbige mehr/ als du ſie im Werck uͤbeſt. Wann dich auch dieſe Verſu-
chungen mehr betruͤben/ als beluͤſtigen; ſo ſolſtu keines Wegs daruͤber er-
ſchrecket werden; und iſt dir nicht nothwendig/ ſelbige dem Prieſter zu beich-
ten. Jch aber laſſe dich dieſes ſchmecken/ und belaͤſtige dich darmit/
nicht daß du dadurch beſudlet/ ſondern gereiniget werdeſt. Der laidige
Sathan ſtifftet ſolche Ungewitter derhalben an; damit er/ indem du dich
demſelben widerſetzeſt/ von dem Geſchmack meiner Liebe dich verhindere
und zuruͤck halte; dann er erfreuet ſich/ wann er dich durch Scrupulen und
unnoͤthige Unruhe beaͤnſtigen/ und von mir abwenden kan. Du aber/ mein
Seel/ foͤrchte dich nicht fuͤr dergleichen Eingebungen; habe keine Achtung
auff ſolche Einbildungen; nicht antworte denſelbigen; nicht ſtelle dich hefftig
zur Gegenwehr: ſondern laſſe alles unvermerckt hingehen/ als wann du
nichts empfunden haͤtteſt; fahre fort in deinen heiligen Ubungen/ und laß
dich durch ſolche Verſuchungen nicht verhindern; achte ſie hoͤher nicht/ als
das Bellen der Hund/ oder Pfeiſen der Gaͤnſe. Dann ſo du dich denſelben
widerſetzen/ diſputiren/ erforſchen oder dich darob entſetzen wirſt; ſo kans
anders nicht geſchehen/ als daß du ſelbige in deine Gedaͤchtnuß gleichſamb
eintruckeſt/ und dich in eine groſſe Unruhe verwickeleſt. So weit hat in die
Perſon Chriſti geredet der vor gemeldte Gottſeelige Bloſius.
Vita.
9. Dieſes alles erhellet noch beſſer auß dem/ was der H. Catharinaͤ von
Senis widerfahren iſt. Dann ob ſchon dieſe H. Jungfrau mit Chriſto
ſo groſſe Gemeinſchafft pflegete/ daß ſie mit ſelbigem/ als ihrem Braͤuti-
gam redete: nichts deſto weniger hat er dieſes keuſcheſte Maͤgdlein mit den
unſauberen Geiſtern ſtreiten laſſen; damit ſie die Tugend der Keuſchheit deſto
beſſer uͤben moͤgte. Dahero iſt dieſe Jungfrau durch ſo unreine Geſichter/
und heßliche aſmodeiſche Einbildungen beſtritten worden; daß ſie von ſel-
bigen ein mehreres Abſcheuen/ als vom Tod ſelbſten empfunden. Da nun
der Teuffel dieſe Jungfrau unter andern mahlen auch einsmahls durch un-
ter-
[313]Von den Verſuchungen.
terſchiedliche/ ſo wohl Weib-als Maͤnnlichen Geſchlechts abſchewliche Ent-
bloͤſung angefochten; und ſie gegen dieſe Gewalt mit heroiſchem Gemuͤth
obgeſiget hatte; iſt ihr Chriſtus in ſichtbarlicher Geſtalt erſchienen; den ſie
mit dieſen klaͤglichen Worten angeredet und geſagt: O ich armſelige! wo
wareſt du/ mein Heyland/ da ſo entſetzliche und unkeuſche Vorbildungen mein
Hertz beſtritten? der Braͤutigamb hat ihr geantwortet: ich ware in deinem
Hertzen gegenwaͤrtig mein Catharina, und ſahe dem Spiel zu: Als ſie nun
weiters mit Verwunderung gefragt/ wie es immer ſeyn moͤge/ daß der aller-
reineſte JESUS in einem/ mit ſo vielen unſaubern Gedancken gleichſamb
erfuͤlltem Hertzen habe zugegen ſeyn koͤnnen? hat ſie der Herr gefragt: haſt du
in die ſo unflaͤtige und ſottige Einbildungen verwilliget? haben dich dieſe
Venus-Schmeichlungen nicht erluͤſtiget? mit nichten/ ſagt die keuſche Jung-
fraw: daß ſeye weit von mir/ O Herr; zumahlen mir nichts mißfaͤlligers
und beſchwaͤrlichers jemahlen haͤtte vorkommen koͤnnen: ſo iſt dann/ ſagt
Chriſtus/ dieſer der Lorber-Krantz deines erhaltenen Siegs; dieß iſt die Cron
deß Verdienſts; dieß iſt der Ruhm und Glori deines Streits/ dem ich per-
ſoͤhnlich hab beygewohnet. Keiner wird die Wunden der boͤſen Begirden
empfinden/ ſo lang er nicht bewilliget. Wer in Vertreibung der heßlichen
Gedancken arbeitet/ der macht ſich der Hoͤllen meiſter. Nicht ohne groſſes
Abſchewen und verdrießliche Langwirigkeit hat die gemeldte Catharina mit
dieſen unreinen Gedancken herumb ſchlagen muͤſſen: ſo lang aber dieſe Ver-
ſuchung gewaͤhret/ hat ſie/ ſo viel ihr iſt zugelaſſen geweſen/ in der Kirchen ſich
auffgehalten.
10. Auch leſen wir bey dem Palladio von dem Altvatter Pachomio, daßRodriq.
n. 2. tr. 3. c.
35. §. 4.
dieſer heilige Mann den gemeldten Palladium mit dieſen Worten angeredet
habe: ſiehe mein Palladi, ich bin ein ſiebentzig jaͤhriger Mann; und obwohl
ich 40. Jahr lang meine Zelle ſehr fleiſſig bewohnet; und nur GOtt zu die-
nen/ und das Heyl meiner Seelen zu befoͤrdern mich befliſſen/ und nunmehr
zu ſolchem Alter gelangt bin/ wie du ſieheſt/ nichts deſto weniger werd ich biß
auff heutigen Tag von den Verſuchungen deß Fleiſches angefochten: und
wie Palladius bezeugt/ hat der vorgedachte Pachomius erzehlet/ daß er nach
dem fuͤnfftzigſtẽ Jahr ſeines Alters/ zwoͤlff Jahr lang nach einander/ alle Tag
und Nacht denfeindlichen Anfall deß Fleiſches erlitten habe: und nachdem er
zu bezwingung dieſes Feinds allen Verſuch umbſonſt gethan habe; ſeye er mit
Trawrigkeit uͤberfallen worden: und da er dieſen ſeinen elenden Stand mit
vielen Zaͤhren dem lieben GOtt geklaget; habe er eine innerliche Stimm ge-
hoͤret/ welche ihn folgender Geſtalt angeredet hat: gehe hin/ mein Pachomi,
R rund
[314]Die Fuͤnſſ und zwantzigſte Geiſtliche Lection
und ſtreite ritterlich: dann ich hab derhalben dieſe Verſuchungen uͤber dich
verhenget; damit dein Geiſt ſich nicht erh[e]ben ſolle/ als wann ſ[e]lbiger durch
ſeine eigene Kraͤfften den einheimiſchen Feind uͤberwunden habe: und auff
daß du deine Schwachheit erkennen/ und auff dein ſtrenges Leben allein kein
Vertrawen ſetzen; ſondern deine Huͤlff und Staͤrcke von mir deinem GOtt
erbitten moͤgeſt; durch dieſe troſtreiche Stimm iſt der fromme Pachomius
geſtaͤrcket worden; und hat nachmahlen keine dergleichen Beſchwaͤrnuß em-
pfunden. Was koͤnnen wir nun/ meine Chriſtliche Seel/ hier auß anders ab-
nehmen/ als daß der miltreiche GOTT ſeine Diener zu keinem andern
Ziel verſuchen laſſe/ dann nur allein zu derſelben Heyl und geiſtlichem Nu-
tzen; und damit es kundbar werde/ ob ſie ihn lieben oder nicht.
11. Weiters muß uns zu ſtandhafftiger Ertragung der Verſuchungen
nicht wenig auffmuntern die Liebligkeit: zumahlen einem wackern Solda-
ten nichts angenehmers widerfahren kan/ als wann ihm oͤffters erlaubet wird/
mit dem Feind zu ſchlagen/ und ſich durch den erhaltenen Sieg einen groſſen
Nahmen zu erwerben: derhalben ſagt GOTT in der Offenbahrung
c. 2. v. 17.deß heiligen Joannis: Wer den Sieg erhaltet/ dem willich
verborgen Himmel-Brod geben: ich will ihm auch geben
einen weiſſen Stein; und auff demſelbigen Stein einen
neuen Nahmen geſchrieben; den niemand kennet/ dann al-
lein/ wer ihn bekombt. Wann es nun einem zu ſo groſſer Ehren ge-
reichet/ daß er ſeines gleichen/ einen leiblichen Feind und ſchwachen Men-
ſchen uͤberwinde; wie viel groͤſſern Ruhm wird dann nicht der jenige dar-
von tragen/ welcher den unſichtbaren Feind/ den ſtarcken Rieſen/ und hoͤlli-
ſchen Joliath erſchlagen wird? Soll nicht ein jeder von uns mehr befuͤgt
1. Matth.
5. v. 57.
Sup. pſ.
51.mit dem Azaria und Joſeph ſagen: Wir wollen uns auch einen
Nahmen machen/ und hinziehen wider die Heiden zu ſtrei-
ten/ welche umb uns herſeynd: Und wann ſchon nach Meinung
deß Caſſiodori der Streit ſchwaͤr fallet/ weilen er heimlich/ und weilen er
mit einem ſtaͤrckern gehalten wird und weilen die Nachſtellungen deß Feinds
nicht geſehen werden: weilen auch derſelbige durch keine Arbeit ermuͤdet
wird; und wann er ſchon uͤberwunden wird/ dannoch nicht weichet: ſo iſt
1. Cor. 10.
v. 13.doch immer ein groͤſſere Huͤlff GOTTES bereit; Der euch nicht
wird verſuchen laſſen ůber ewer Vermoͤgen; ſagt der heilige
Paulus: Sondern wird auch mit der Verſuchung ein Auß-
kommen ſchaffen; daß iſt/ er wird euch ein haͤuffige Gnad ertheilen/ da-
mit ihrs ertragen koͤnnet.
12. Wann
[315]Von den Verſuchungen.
12. Wann nun dieſes alſo wahr iſt/ wie oben gemeldet worden/ warumb
werden dann ſo viele von den Verſuchungen uͤberwunden? Wann der Teuf-
fel iſt angebunden/ fragt der Heil. Auguſtinus/ wie kan er dann noch ſo offtSerm.
197.
den meiſter ſpielen? Dieſe Frag beantwortet er ſelbſt/ und ſagt: Es iſt
nicht ohn/ mein liebe Brůder/ daß er vielmahl obſiege: aber
nur gegen die Lawe und Nachlaͤſſige; und welche GOTT
in der Warheit nichtfoͤrchten: dann er iſt gebunden/ wie
ein Hund an die Ketten geſchloſſen iſt; und kan keinen beiſ-
ſen/ es ſeye dann/ daß er mit einer toͤdtlichen Sicherheit
demſelben zunahe. Siehet nun/ liebe Brůder/ wie naͤrriſch
der jenige Menſch ſeye/ den der geſchloſſene Hund beiſſet.
Wann du vermittelſt der weltlichen Frewden und Wollu-
ſten ihm nicht zunaheſt; ſo wird er zu dir nicht kommen
doͤrffen: er kan bellen; kan aber keinem ſchaden gegen ſei-
nen Willen; weilen er nicht mit Gewalt/ ſondern mit ein-
gebendem Rath dem Menſchen ſchaͤdlich iſt: erzwinget
auch die Bewilligung auß uns nicht; ſondern er begehrt
ſie nur allein: Dahero ſagt recht der weiſe Mann: Wer den Herrnc. 33. v. 1.
foͤrchtet/ dem wird nichts boͤſes begegnen; ſondern GOtt
wird ihn in der Anfechtung erhalten/ und erloͤſen vom Boͤ-
ſen. Derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ pflantze die Lieb/ und zugleich die
Forcht GOttes in dein Hertz; auff daß du von dieſen/ als zweyen unuͤber-
windlichen Mauren umbgeben/ von deinen Feinden keinen Schaden leideſt/
welche uͤberall herumb gehen/ und ſuchen/ wen ſie verſchlingen moͤgen. Dieſe
ſtellen ſonderbar denen nach/ ſo da/ wie geſagt iſt/ eines guten Willens ſeynd;
wie wir auß dem Leben deß Heil. Dominici vermercken: dann/ da dieſer hei-Hiſtoria.
Theodo-
ric. de
Appol. in
vita ejus
l. 3.
lige Mann einsmahls bey naͤchtlicher Weil bey ſeiner Heerde gewachet/ hat
er den obgemeldten/ und uͤberall herumb ſchweiffenden Geſellen angetroffen/
und ihn gefragt/ was er ſuche? worauff er geantwortet: daß er ſeinem Ge-
winn nachgehe: und als ihn der heilige Mann gefragt; was er dann
auff der Gemeinen Schlaff - Cammer deß Cloſters gewinne: hat
er zur Antwort gegeben; daß er den Geiſtlichen den noͤthigen Schlaff
benehme/ und verurſache/ daß ſie mit Verdruß und Faulheit auffſte-
hen/ und ſie antreibe/ daß ſich von dem Dienſt GOTTES abſent machen:
Auch ſagt der hoͤlliſche Geiſt/ wans mir zugelaſſen wird/ erwecke ich bey
den Schlaffenden die geyle Bewegungen/ und naͤchtliche Unſauber-
keiten deß Leibs: Weiters hat ihn der gottſeelige Vatter gefragt;
R r 2was
[316]Die Funff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
was er dann vor Gewinn in der Kirchen/ an ſo heiligem Orth zu gewarten
habe? deme er geantwortet; daß er ſich bemuͤhe zu verſchaffen/ daß die Geiſt-
liche ſpaͤt zur Kirchen kommen/ geſchwind auß ſelbiger hinweg eilen/ und ih-
rerſelbſt vergeſſen. So viel das Refectorium oder gemeines Tafel - Zim-
mer angehet; iſt dieſer Orth gantz mein: allhier lacht man/ allhier ſchwaͤtzt
man, und werden viele eitele Zeitungen vorgebracht: da nun der loſe Schalck
von dem frommen Dominico zum Capitul-Hauß gefuͤhret worden; hat er
ſich darab entſetzet/ und geſagt: dieſer Ort iſt mir ein hoͤlliſcher Ort: was
ich an andern Orten gewonnen hab/ das verliehre ich allhier: an dieſem Ort
werden die Bruͤder ermahnet; allhier beichten ſie/ und werden allhier ange-
klagt: allhier werden ſie geſtrafft/ und von ihren Suͤnden loß geſprochen:
dahero fliehe ich und verfluche dieſen Ort: Alſo hat dieſer armſelige Ver-
fuͤhrer durch Krafft GOTTES/ und durch den Zwang deß H. Vatters
Dominici den Betrug ſeiner Boͤßheit entdecken muͤſſen; damit die Gerechte
mehr erleuchtet werden/ dieſen loſen Vogel außlachen/ und fuͤr deſſen Fall-
Strick ſich huͤten moͤgen. Wie du aber mein Chriſtliche Seel in dem Streit
ſelbſten dich verhalten ſolleſt/ daß lerne auß dem Verfolg der gegenwaͤrtigen
Lection.
Der dritte Theil.
13. JM Anfang der Verſuchung muß ſich ein jeder vorſehen/ daß er
nicht verzage: dann/ gleich wie ein Schiffman/ der einmahl
vom Schrecken oder Forcht uͤberwunden/ das Schiff weiters zu
regiren untaͤuglich iſt: alſo ſtellet ſich das Gemuͤth deß verſuchten Menſchen
in die euſſerſte Gefahr den Sieg zu verlichren/ wann es ſich durch die Forcht
abſchrecken laſſet: derhalben hat der H. Antonius ein Vatter der Einſidler
in ſeinem letzten Sterb-Stuͤndlein die Seinige ſo trewlich gewarnet und ge-
S. Athan.
in vit. c.
20. \& c.
58.ſagt: ich ermahne euch/ meine Kinder/ und bitte euch/ ihr wollet doch die Ar-
beit ſo geraumer Zeit nicht alſo geſchwind verliehren: ihr kennet ja die viel-
faͤltige Nachſtellungen eweres hoͤlliſchen Feinds: ihr habt derſelben grim-
mige Anfaͤll; aber doch Weibiſche Kraͤfften erfahren. Seufftzet nach eu-
rem Heyland/ und hefftet die Glaubwuͤrdigkeit deſſen allerheiligſten Nah-
men JESU an ewere Hertzen: als dann werden von dieſem ſichern Glau-
ben alle Teuffel vertrieben werden. Und ein wenig hernach ſetzt er hinzu: die
eintzige Weiß und Manier den leidigen Satan zu uͤberwinden/ iſt die Geiſt-
iche und innerliche Froͤligkeit; und ſtete Erinnerung einer Seelen/ welche
immer
[317]Von den Verſuchungen.
immer an den Herrn gedencket. Dieß hat der H. Mann ſeinen Geiſtlichen zur
Lehr hinterlaſſen; und hats auch vorhin im Werck geuͤbet. Dann da ihn eins-Sur. in
Vit.
mahls die hoͤlliſche Geiſter in Geſtalten unterſchiedlichen grauſamen Thie-
ren umbzingelten/ und ihm dermaſſen zuſetzten; daß er augenblicklich von
ihnen zerriſſen zu werden in Forcht ſtunde; redete er ſelbige unerſchrocken
und gantz freudig an/ und ſagte: Wann ihr Kraͤfften haͤttet/ ſo wuͤrde einer
auß euch nicht allein genug/ ſondern mir weit uͤberlegen ſeyn: was iſt von-
noͤthen eine ſo groſſe Anzahl? Siehet hier bin ich/ zerreiſſet mich in Stu-
cken/ wans euch erlaubt iſt: wann aber nicht; ſo iſt all euer Wuͤten umſonſt.
Es iſt faſt nicht außzuſprechen/ wie ſehr ein ſolches hertzhafftes Gemuͤth und
innerliche Froͤligkeit den boͤſen Feind verdrieſſe/ und denſelben ſchwaͤche/ da-
hero ſagt die H. Thereſia: der Teuffel hat keine Macht an den tapfferen undS. Ther.
in Itin.
Perf. c. 23
heroiſchen Gemuͤtern; dieweilen er ſelbige zumahlen foͤrchtet/ und gnugſamb
erfahren hat/ daß er bey denen groſſen Schaden leyde: er weiß auch wohl/
daß alles/ was er ihnen zum Nachtheil richtet/ denſelben und anderen zum
Vortheil außſchlage/ und er nur Schaden darvon trage. So iſt dann
zu Erhaltung deß Sieges wider die hoͤlliſche Boͤßwicht/ die Tapfferkeit und
die geiſtliche Freud deß Gemuͤts den Menſchen ſehr noͤthig: ſintemahlen
wir dieſen Feinden/ nach Zeugnuß deß Gottſeeligen Climaci, das AngeſichtClim.
Grad. 1
unſerer Seelen nicht bergen koͤnnen: und wann ſie vermercken/ daß ſelbiges
erbleiche/ ſich entſetze und veraͤndere; ſo fallẽ ſie uns mit mehrer Bitterkeit an.
Laſſet uns derhalben mit einem Helden-Muth gegen dieſe neidige Hund die
Waffen ergreiffen/ und uns verſicheren/ daß die jenige/ ſo mit gezimmen-
der Froͤhligkeit den offt-gemeldten Widerſagern unter die Augen tretten/ nit
koͤnnen uͤberwunden werden/ wie der H. Bernardus darfuͤr haltet und ſagt:Serm. 5.
In Quadr.
Sehet/ meine Kinder/ ſehet/ wie ſchwach unſer Feind ſeye; keinen kan er zu
Boden werffen/ der nicht wilt. Er vermag die Bewegung deß Ver-
ſuchens zu erwecken; Es ſtehet aber bey euch/ ob ihr darin bewilligen
wollet/ oder nicht.
14. Das andere Mittel iſt; daß wir den Rath Chriſti folgen/ der alſoMatt. 26.
v. 41.
lautet: Wachet und bettet/ auff daß ihr nicht in Verſuchung
gerathet. Darumb pflegte der Geiſt-reiche Avila zu ſagen: Die Ver-
ſuchung kehret ſich zu dir; du aber wende dich zu GOtt. Lauffe mit den
kleinen Kindern zum Schooß deiner Mutter/ und ſage Deus in Adjuto-
rium meum intende, \&c.GOtt/ hab acht auff meine Hůlff:Pſal. 69.
v. 2.
HErr/ eile mir zu helffen. Von dieſem Heylſamen Vers ſagt
R r 3der
[318]Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
der fromme Alt-Vatter Joannes/ daß er wider alles Grimmen und Anfall
deß Teuffels ein bewehrter Schild/ ein unuͤberwindliche Mauer und Bruſt-
waͤhr ſeye. Dann/ gleich wie ein Menſch/ ſagt der H. Vatter/ wann er
unter einem Baum ſitzet/ und ſehet/ daß er den heran kommenden wilden
Thieren nicht entgehen koͤnne; auff den Baum ſteiget/ und ſich errettet; alſo
muß ein Geiſtlicher/ wann er in ſeiner Cellen oder anderswo die boͤſe Ge-
dancken ſiehet herzu nahen/ durchs Gebett zu GOtt fliehen/ und ſich be-
ſchuͤtzen. Alſo hat ſich geholffen der Kirchen-Lehrer Hieronymus/ welcher
das grauſame Ungewetter ſeiner Verſuchungen; und denn darab erhalte-
nen Sieg/ der GOtt-verlobten Jungfrauen Euſtochium mit dieſen Wor-
ten ſchrifftlich erzehlet. O wie offt hab ich in der Wuͤſten/ und in der uͤber-
auß groſſen Einoͤde/ ſo da durch die ungemeine Sonnen-Hitze gantz auß-
gedoͤrret/ und derhalben den Muͤnchen zu bewohnen ſehr grauſamblich vor-
kommet/ wie offt ſag ich/ hab ich vermeint/ ich waͤre mttten unter den Freu-
den zu Rom: ich ſaſſe allein/ dieweilen meine Seel mit Bitterkeit erfuͤllet
ware: meine Glieder gaben auß dem abſcheußlichẽ Sack ein ſcheuliches Anſe-
hen; die auß gemergelte Haut meines Leibs ware den Mohren gleich worden: in
Seufftzen und Weinen brachte ich meine Zeit zu; und wann mich bißwei-
len gegen meinen Willen der Schlaff uͤberfiele/ ſo wuͤrffe ich den magern
und nur in Haut und Bein beſtehenden Leib zur bloſen Erde. Was ſoll ich
von Speiß und Tranck melden/ indem auch die Krancke nur mit Waſſer
zu frieden ſeynd/ und fuͤr eine Geilheit gehalten wird/ wann man gekoch-
te Speiſen genieſſet? Jn dieſem meinem Kercker/ deme ich mich auß Forcht
der Hoͤllen eingeſchloſſen hatte; und der ich kein andere Geſellſchafft/ als
der Schorpionen und wilden Thieren Nachbarſchafft hatte; ware den Cho-
ren der tantzenden und ſingenden Maͤgdlein in meinen Gedancken zugegen.
Das Angeſicht ware vom Faſten erbleichet/ und das Hertz brennete von
Begierden in ſo kaltem Leib. Es ſiedete vor mir/ als einem faſt verſtorbe-
nen Menſchen die alleinige Brunſt der Geilheit. Da ich nun alſo aller
Huͤlff enteuſſert ware/ legte ich mich zu den Fuͤſſen JEſu/ die ich mit mei-
nen Zaͤhren benetzete/ und mit meinen Haaren trucknete; und lieſſe nicht
ab/ das widerſpennige Fleiſch durch wochentliches Faſten zu bezwingen.
Jch ſchehme mich meiner Treuloſigkeit mit nichten; ſondern beklage viel-
mehr/ daß ich nicht bin/ was ich geweſen bin. Jch erinnere mich/ daß ich
Tag und Nacht aneinander geruffen/ und nicht ehender hab auffgehoͤrt/
auff meine Bruſt zu ſchlagen/ biß auff den Befelch deß HErrn das Un-
gewit-
[319]Von den Verſuchungen.
gewetter geſtillet worden. Mich greiſete auch fuͤr meiner Cellen/ als
welche von meinen Gedancken gleichſamb Wiſſenſchafft hatte. Jch
gienge allein durch die Wuͤſten/ und wo ich nur hohle Thaͤler/ hohe
Berg/ und zerbrochene Felſen antreffen konte/ da begab ich mich ins
Gebett; daſelbſt ware der Auffenthalt deß armſeeligen Fleiſches: und/ wie
mir der HERR kan Zeugnuß geben/ gedunckte mich offtmahlen nach
vielen vergoſſenen Zaͤhren/ und ſtehtem Anſehen gen Himmel/ ich
waͤre mitten unter den Schaaren der Engelen derhalben ſingete ich mit
groſſer Froͤligkeit: Wir lauffen hinter dir/ auff den GeruchCant. 1. v.
3.
deiner Salben. Gedenck nun/ mein Chriſtliche Seel/ wann
[ſolches] die jenige leyden/ ſo da in einem außgemergelten und abgematte-
ten Leib/ mit den Gedancken allein verſuchet werden; was werden dann
nicht außſtehen muͤſſen/ welche in Wolluͤſten leben? Es hat dir nun
der heilige Vatter ſattſamb zu erkennen gegeben/ wie er mit ſeinem
Fleiſch habe ſtreiten muͤſſen/ wie er ſelbiges mit immerwaͤhrenden
Strengigkeit hergenommen; und mit wie erfreulichem Troſt er nach er-
haltenem Sieg ſeye erquicket worden.
15. Wer dann immer mit dem heiligen Hieronymo die Verſuchun-
gen zu uͤberwinden verlanget/ der fliche zum Schild deß Gebets/ und be-
gehre mit wahrem Glauben und kindlichem Vertrauen den Beyſtand
deß allerhoͤchſten; ſo wird ihm geholffen werden. Es muß dannoch ein
verſuchter Menſch mit groſſer Wachtſambkeit dem Anfang der Verſu-
chungen widerſtehen; dann/ wie uns der Gott-ſeelige Thomas à Kern-
pis errinneret/ der Feind wird alsdann zum leichteſten ůber-L. 1. c. 13.
§. 5.
wunden/ ſo er durch das Thůrlein deß Gemůths mit
nichten eingelaſſen; ſondern ihme/ alsbald er Anklopfft/
widerſtanden wird. Dahero hat der Heil. Pachomius, nachdem
er dem Teuffel verweißlich vorgeworffen/ daß er die Menſchen/ von
denen er doch nicht beleidiget/ ohne Unterlaß plage; von ſelbigem dieſe Ant-
wort hoͤren muͤſſen. Wir klopffen an der Thuͤren an/ ob ihr uns wollet
hinein laſſen/ oder nicht/ das ſtehet euch frey: machet ihr uns auff/ ſo
ſtuͤrmen wir alsbald hinein/ und nehmen unſere Wohnung in der Ein-
bildung; dahero koͤnnen wir gar leichtlich den blinden Willen/ und ſo fort
den gantzen Menſchen uns zu Theilmachen. Wann ihr euch aber widerſetzet/
und gleich zum Anfang uns den Paß verſperret/ ſo ſeynd wir geſchlagen/ und
ver-
[320]Die Fuͤnff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
verſchwinden wie der Rauch. Hierauß lernen wir/ daß/ wie weniger man
das boͤſe Eingeben deß Feinds achte; je beſſer man ſelbigen uͤberwinden koͤn-
ne. Wir werden von den Verſuchungen/ gleich wie die vorbey gehende
von dem/ auß den Haͤuſern herauß ſpringenden Hunden angeblefftzet/ wer ſich
dieſen widerſetzet/ der hat mit ihnen zu ſchaffen; der aber ſeinen Weeg unver-
merckt fortſetzet/ der kan ſich ihrer mit leichter Muͤhe entſchlagen. Wann
wir gar zu genaue Achtung auff die Verſuchungen haben/ ihnen zu viel
nachforſchen/ und ſelbige foͤrchten/ ſo werden ſie mehr und mehr geſtaͤrcket/
und nehmen dergeſtalt uͤberhand/ daß wir offt dardurch in die Gefahr der
Bewilligung gerathen; wie auß folgender Geſchicht zu hoͤren iſt. Der from-
Rodriq.
p. 2. Tr. 4.
c. 9.me Alt-Vatter Smaragdus erzehlet/ daß ein Geiſtlicher einsmahls geſe-
hen habe/ wie zwey hoͤlliſche Geiſter miteinander in ein Geſpraͤch ge-
rathen! und der eine ſeinen Cameraden gefragt/ wie es ihm mit ſeinem
Muͤnchen ergehe; habe er zur Antwort bekommen: gar wohl: dann/ ſagt
dieſer/ was ich ihm einblaſe/ das nimbt er an/ und halts in ſeinen Gedan-
cken; Und indem er nachmahlen den Urſprung/ die Gelegenheit/ den Ver-
folg/ und die Zeit der angenommenen Gedancken erforſchet/ ſo verrucke ich
dem armſeligen Tropffen das Gehirn/ und mache ihn ſchier zum Narren.
Wie hauſſeſt du nun mit dem Deinigen? Jch/ antwortet der andere/ rich-
te an meinem Muͤnchen nichts auß: dann ſo bald ich ihm mit einem boͤſen
Gedancken auff die Haut tringe/ ſo nimbt er ſeine Zuflucht zu GOtt/ oder
veraͤnderet ſeine Gedancken; dahero kan ich an ihm kein Vortheil haben.
16. Die dritte Artzeney wider die Verſuchungen iſt dieſe/ daß man nemb-
lich ſelbige frommen und gelehrten Maͤnnern offenbare; zumahlen die ſicht-
barliche Wunden leichtlicher geheilet werden/ als die verborgene; wie an ſich
Caſſian.
coll. 11.ſelbſt der fromme Einſidler Seraphion erfahren hat: dann da er die Suͤnd
ſeines Diebſtahls und Fraſſes ſeinem Vorſteher/ in Gegenwart anderer
oͤffentlich gebeichtet; hat er den boͤſen Feind in Geſtalt einer angezuͤndeten
Ampel auß ſeinem Schoß ſehen herauß kommen/ und iſt forthin von der An-
L. 1. in
Vit. P. P.
c. 11.fechtung befreyet geblieben. Aſtion ein frommer Juͤngling/ ſo lang er den
Streit mit dem Sathan/ ſeinem Magiſtro den H. Epicteto verſchwiegen/
hat er umbſonſt gefochten: ſo bald er aber die Unſauberkeit ſeiner Seelen
demſelben endecket; iſt der hoͤlliſche Feind gleichſamb durch eine eroͤffnete
Pforten auß dem Schooß deß Juͤnglings/ in Geſtalt eines ſchwartzen Kin-
des mit einer feurigen Fackel heraußgebrochen/ und geſchriehen: O du Aſtion!
deine Beicht hat meine groſſe Kraͤfften zumahlen geſchwaͤchet; und euer ein-
tziges Gebett hat mir meine Waffen benommen/ und mich troſtloß gemacht.
Hiervon
[321]Von den Verſuchungen.
Hiervon leſen wir im Leben der H. H. Vaͤtter und anderer frommen Diener
GOttes/ daß ſelbige durch die alleinige heylſame Offenbahrung ihrer An-
fechtungen dieſem ihrem Haubt-Feind groſſen Schaden zugefuͤget/ und ſei-
ner Hoffnung entſetzt haben: derhalben befleiſſet er ſich zu verhuͤten/ daß das
verſuchte Hertz deß Menſchen ſich nicht außgieſſe/ und ſeinen Zuſtand ei-In Reg.
de Dilcr.
ſp. § 13.
nem anderen entdecke; gleich wie ein unkeuſcher Liebhaber/ ſagt der heilige Ig
natius Lojola, der die Verfuͤhrung eines Maͤgdlein ſuchet; ſich nichts ſo
ſehr laſſet angelegen ſeyn; als daß dem Vatter deſſelben ſein Vorhaben ver-
borgen bleibe.
17. Viele haben auch das boͤſe Eingeben der hoͤlliſchen Geiſter mit Ver-
ſpott- und Verhoͤnung deſſelben vernichtiget; ſie haben ſeinen Rath außge-
lacht/ und mit jenem Wirth/ welcher auff ſeine Hauß-Thuͤren geſchrieben:
Morgen verkauffich Wein umbſonſt: Jhm geantwortet: Mor-
gen will ich ewer Eingeben anhoͤren/ heut gibts mir darzu keine Gelegenheit:
am folgenden Tag haben ſie ihn ebener Geſtalt abgefertiget/ und auffden
morgigen Tag ſich beziehen mit jenem Geiſtlichen/ welchem der TeuffelLib. 9.
gerathen/ er ſolle das Cloſter verlaſſen: Abends ſagte er/ morgen will ich fort-
gehen/ und wann der morgen heran kommen ware/ ſagte er; ich will ſehen/ ob
ich noch dieſen Tag umb meines Herrn willen verbleiben kan: dieß hat er
neun Jahr lang geuͤbet/ und alſo mit ſeinem loſen Raths - Geber nur den
Schertz getrieben/ biß er von der Verſuchung voͤlliglich iſt befreyet worden.
Einem andern gabe der Teuffel ein/ er ſolte/ ſo bald ihn zur Morgen-Stund
hungerte/ ſich ohne Schew entnuͤchteren: dieſer Geiſtliche aber wider ſtunde
der Verſuchung/ und ſagte bey ſich ſelbſten/ ich will warten biß zur ſechſten
Stund: da nun ſelbige Stund heran kommen ware; ſagte er ſeinen Gedan-
cken: jetzt muß ich faſten biß zur neunten Stund: umb dieſe Zeit dunckte er
das Brod ins Waſſer/ und ſagte: vor zwoͤlff Uhren will ich gar nichts eſſen:
und zu ſelbiger Stund verrichtete er alles gewoͤhnliche Gebett und Pſalter/
wie es die Regel erforderete/ und fieng hernach an zu eſſen: dieſes hat er viele
Tag nach einander alſo geuͤbet; biß er endlich einsmahls umb zwoͤlff Uhren/
unter waͤhrendem Mittagmahl geſehen/ daß ein dicker Rauch auß dem Brod-
Korb empoͤr geſtiegen/ und zum Fenſter der Zellen hinauß gefahren: und
von ſelbiger Zeit iſt er von dieſer Anfechtung erlediget worden/ daß nach-
mahls auch biß auff den dritten Tag gefaſtet.
S ſDer
[322]Die Fuͤnff und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Der Vierdte Theil.
18. WJewohl du dir/ mein Chriſtliche Seel/ auß der bißhero verzoge-
nen Lection in deinen Verſuchungs-Streiten gnugſamb helf-
fen koͤnneſt; ſo will ich jedoch zu deinem weitern Vortheil noch
etwas weniges hinzuſetzen: nemblich/ daß der jenige/ ſo in Verſuchung iſt/
ſich huͤte/ daß er wegen der einfallenden Verſuchungen von ſeinen gewoͤhn-
lichen geiſtlichen Ubungen nichts unterlaſſe; ſondern den heylſamen Rath
der Heil. Catharinæ Senenſis folge; die in einem Send-Schreiben alſo
Bloſius
in Con
ſol. Puſil.
c. 39. n. 3.ſpricht: Jch bitte euch/ ihr wollet ja nicht nachlaſſen in den angefangenen gu-
ten Wercken fortzuſchreiten; es mag euch der boͤſe Feind mit ſeinen ſchwaͤren
Verſuchungen auch plagen/ wie er immer koͤnne: dieſer Boͤßwicht erwecket
verſchiedene Kriege/ und befleiſſet ſich ſonderbahr der heimlichen Nachſtel-
lungen und Betriegungen/ krafft derer er ewere Seelen zum Verdruß/ und
unordentliche Trawrigkeit; ja auch zur Verwirrung deß Gemuͤths/ und
zum Verzweifflungs-Fall ſtuͤrtzen moͤge. Es iſt gewiß/ daß wann ſchon ein
Menſch mit allen Suͤnden der Welt beladen waͤre; ſo koͤnten dieſe hoͤlliſche
Geiſter doch nicht verhinderen/ daß er die Frucht und Verdienſten deß Bluts
CHriſti theilhafftig werde; wofern bey ſolchem der wahre Glaub und Zu-
verſicht zu der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes verbleibe: weilen die
Suͤnd nur in einem boͤſen und verkehrten Willen beſtehet; ſo muß der
Menſch/ indem er ſiehet/ daß ihm Gott einen guten Willen verliehen habe;
alle verwirrung deß Gemuͤts hindan ſetzen/ in den heiligen Wercken und U-
bungen verharren/ und im Liecht der Gnaden wandern/ die er in ſich verbor-
gen findet/ als ein Gaab Gottes/ welcher den guten Willen in ihm zu erhal-
ten bereit iſt: er muß dem leidigen Sathan/ wann er zur Verwirrung oder
Verzweifflung rathet/ antworten: wann ich mit der Gnade Gottes nicht
verſehen waͤre/ ſo haͤtte ich auch keinen guten Willen/ und wuͤrde deinem
verfluchten Rath leichtlich folgen: nun aber vertrawe ich auff meinen guͤti-
gen Heyland/ der mich allzeit beſchuͤtzen/ und wegen ſeiner unbegreifflichen
Barmhertzigkeit erretten wird. Von dieſer heiligen Jungfrawen lernen wir/
daß die Miltigkeit GOTTES uͤber einen Menſchen/ ſo eines
guten Willens iſt/ ſehr groß ſeye: auch ſehen wir/ was ein groſ-
ſe Gaab GOTTES ſeye der gute Will. Der nun in Verſuchung
ſteckt/ ſoll mit allem Fleiß daran ſeyn/ daß er alle Traurigkeit deß Hertzen
vertreibe; immer und allzeit eine andaͤchtige Neigung zu Gott bey ſich
erhalte/
[323]Von den Verſuchungen.
erhalte/ und in den angefangenen guten Wercken mit Frewden fortfahre:
ſolcher maſſen wird er ohne allen Zweiffel von den Verſuchungen nicht allein
keinen Schaden/ ſondern vielmehr einen Nutzen und Außkommen ſchoͤpf-
fen.
19. Nach Zeugnuͤß deß Heil. Chryſoſtomi erfordert daß Ambt einer hero-
iſchen und Gott liebenden Seel/ daß ſie die Widerwaͤrtigkeiten gern trage:
daß aber einer mit einem Helden-Muth die Verſuchung außſtehe/ und ſei-
nem GOTT noch dancke/ daß er ſelbige uͤber ihn verhange; ſolches kan
anders nicht/ als auß einer ſehr groſſen Staͤrcke und Wachtſambkeit der
Seelen herkommen; ſo da alle andere menſchliche Neigungen uͤbertreffet:
derhalben iſt es ein viel groͤſſere Vollkommenheit/ wann der Menſch in den
Verſuchungen nicht bittet/ daß ihn Gott darvon befreyen wolle; ſondern daß
er ihm noͤthige Kraͤfften ertheile/ mit dem Feind zu ſchlagen: dahero hatjeneVit. P. P.
l. 6.
gottſeelige Abtiſſin/ ſo in die dreyzehen Jahr von dem Geiſt der Unkeuſchheit
beſtritten worden/ niemahlen begehrt dieſes Kampffs entlediget zu werden;
ſondern hat immer gebetten/ Gott moͤchte ihr nur Staͤrcke verleyhen. VonDoctrin.
13.
einem andern Geiſtlichen ſagt der H. Dorotheus, daß er von der Verſuchung
deß unreinen Geiſtes viel habe leiden muͤſſen: deſſen ſich dann ſein geiſtlicher
Vatter endlich erbarmet/ und gefragt; ob er dieſes Streits durch das Gebett
der andern ſich zu entſchlagen verlange? deme er geantwortet: ich werd
zwarn uͤbel geplagt/ und wie dir bewuſt iſt/ durch die Verſuchung ſcharff
hergenommen; ich ſpuͤre aber dieſen Nutzen/ daß ich nemblich durchs Gebett
und durch die Abtoͤdtungen mich zu meinem GOTT oͤffterer wende/ als
ich ſonſten thuen wuͤrde: ſo bette du vielmehr/ mein Vatter/ daß ich durch
geziemende Gedult und Standhafftigkeit uͤber dieſe Anfechtungen den un-
bluͤtigen Sieg erhalte: uͤber ſothane Antwort hat ſich der Alte hoͤchlich er-
frewet/ und geſagt: nun ſiehe ich wohl/ mein Sohn/ daß du in den Tugen-
den nicht wenig zugenommen habeſt: ſintemahlen der jenige/ ſo einem heff-
tigen und ſchaͤdlichen Laſter dapffer entgegen gehet/ bleibt demuͤtig/ bleibt
ſorgfaͤltig/ und wachtſamb; und durch dieſen Streit gelangt er allgemach
zur vollkommenen Reinigkeit deß Hertzens: darumb fragt recht der weiſe
Mann: Was weiß einer/ der nicht verſucht iſt: ein Mann/Eccli. c.
34. v. 9.
der groſſe Erfahrnuß hat/ der wird viel Dings bedencken:
Und gleich wie die H. Cunegundis dem Kayſer Henrico ihrem Ehe-Herrn
ihre Jungfrawſchafft dadurch bewieſen/ daß ſie uͤber die gluͤende Kohlen un-
verletzt gegangen: alſo wird ein jede Seel/ wan ſie uͤber das Feuer der Verſu-
chungen ohne ſchaden wandert/ gnugſam kundbar machen/ dz in keine irdiſche
S ſ 2Creatur
[324]Die Funff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Creatur/ ſondern in ihren himmliſchen Braͤutigam CHRJSTUM
JESUM immer ſeye verliebtgeweſen: ſoll ſich dann nicht ein verſuch-
ter Diener GOttes billig erfrewen/ zumahlen einem Liebhaber GOttes
nichts annehmlicheres iſt/ als daß er ſeine Lieb in der That erweiſen koͤnne;
Apud
Rodriq.
p. 2. \&. 4.
c. 3.und auch/ nach Zeugnuͤß deß geiſtreichen Vatters Climaci, kein gewiſſeres
Zeichen iſt/ daß die hoͤlliſche Feind von uns uͤberwunden ſeynd/ als wann ſie
uns am hefftigſten beſtreiten.
20. Zu ſolchem Streit muß uns auch ſonderbahr auffmuntern die Cron
der Belohnung/ ſo dem ſtreitenden und Obſieger verſprochen iſt/ welche nach
Maß und Zahlder Verſuchung wachſet und verdoppelt wird; indem ſo viele
herrliche Sieg-Craͤntzlein ſein werden/ als dapffere Scharmuͤtzel vorher gan-
gen; wie in folgender Geſchicht zu ſehen iſt. Ein ſicher Soldat und Herr
eines Schloſſes hat ſeine Suͤnden einem Prieſter gebeichtet/ und nachdem
ihm unterſchiedliche Bußwerck zu verrichten ſeynd aufferlegt worden; hat er
ſich allemahl entſchuldiget/ und geſagt; es ſeye ihm nicht moͤglich/ dieſelbe zu
vollbringen: endlich hat ihm der Prieſter befohlen/ daß er in der Kirchen eine
gantze Nacht im Gebett verharren ſolle: dieſe Buß hat er angenommen;
und nachdem er zur Kirchen kommen/ iſt er vom boͤſen Feind angefochten
worden; ſo da bald in Geſtalt ſeiner ihm ſehr angenehmen Schweſter/ bald
in der Figur ſeiner lieben Gemahlin/ bald in Geſtalt deß Cuͤſters/ welcher
vorgabe/ daß die Kirch mit Fewer unterlegt ſeye; bald in Perſohn eines Prie-
ſters/ der ſeine Metten betten wolte/ und ihm derhalben als einem Excom.
municirten die Pforten weiſete; und durch alle dieſe Larven nichts anders
ſuchete/ als den buͤſſenden Soldaten von der Verrichtung deß aufferlegten
Gehorſambs zu verhindern: er aber iſt bey ſeiner angefangenen Poͤnitentz
ſtandhafftig geblieben: und iſt nachmahlen einigen H.H. Vaͤttern offen-
bahret worden/ daß ſelbiger durch dieſen vierfachigen Sieg/ auch vier anſehn-
liche Cronen erworben habe. Nicht weniger wird in dem Leben der H. H.
Altvaͤtter gemeldet/ daß einem Geiſtlichen/ ſo neun Jahr lang mit den Ver-
ſuchungen deß unreinen Geiſts ſich hat muͤſſen herumb ſchlagen;
durch eine Stimm vom Himmel ſo viele Cronen verſprochen worden/ als
er Anfechtungen erlitten hatte. Ein ander Geiſtlicher Juͤngling wurde bey
ſeinem ſchlaffenden Lehr-Meiſter vom Geiſt der Gemaͤchlichkeit ſiebenmahl
verſucht/ daß er nemblich ſich auch ſolte zur Ruhe begeben/ und ohne empfan-
genen Seegen ſeines Vorſtehers ſich in der Stille beurlauben: weilen
er aber die ankommende Traͤgheit alle ſiebenmahl uͤberwunden hat; ſo
iſt ſeinem gemeldten Magiſtro in einer Verzuͤckung ein ſehr herlicher
und
[325]Von den Verſuchungen.
und erfreulicher Ort gezeiget worden; woſelbſt er einen Seſſel/ und auff
dem Seſſel ſieben Krohnen geſehen/ und vernommen hat/ daß ſelbige ſeinem
Lehr- Juͤnger zubereitet waͤren; und daß er den gedachten Ort und Seſſel
durch ſeinen auffrichtigen Lebens-Wandel; die ſieben Krohnen aber in der
naͤchſt- verwichenen Nacht durch erhaltene ſiebenmahlige Victori gegen ſei-
nen Feind verdienet habe.
21. Hierauß lernen wir/ wie frey gebiglich der guͤtige GOtt auch die we-
nige gute Gedancken vergelte. Es iſt auch allhier wohl zu beobachten/ daß
der hoͤlliſche Neid-Hund ſich nicht allzeit unterſtehe/ den Menſchen durch
boͤſe Eingebungen zu betriegen; ſondern vermittelſt der guten Eingebungen
uns heimblich uachſtelle/ damit auß dem Guten boͤſes erfolgen moͤge. Hier-
uͤber leſen wir in den Hiſtorien der Societaͤt JEſu von einem Magiſtro,
welchem der boͤſe Feind/ daer die Jugend die freye Kuͤnſten lehrete/ in der
Geſtalt deß H. Pauli erſchienen/ und ihn ermahnet/ er ſolle dieſe eitele
Wiſſenſchafften fahren laſſen/ und an ſtatt deren ſeine Epiſtelen leſen.
Solcher Ermahnung iſt der gute Magiſter alsbald nachkommen/ und hat
an Platz deß wohl- redenden Ciceronis/ die Send-Schreiben deß gemeldten
Apoſtels er griffen: demnach er nun ſelbige ein lange Zeit/ ohne Vorwiſſen
ſeiner Obrigkeit geleſen/ iſt er endlich in ſo groſſe Ungluͤckſeeligkeit gerathen/
daß er die Societaͤt/ mit ſeinem darauff gefolgten euſſerſten Verderben/
verlaſſen hat; damit nun der argliſtige Feind ſich bey den armen Menſchen
deſto glimplicher einflicke/ und denſelben betriege; folgt er die Manier der-
jenigen Dieben nach/ ſo da/ umb allen Argwohn deß Diebſtalls zu benehmen/
und den Leutenfuͤglicher beyzukommen/ in ſeiden- und ſammeten Kleidern
auffziehen; und ſtreichet hervor mit aller erdichten Andacht und Holdſeelig-
keit. Alſo iſt betrogen worden ein Juͤngling/ welcher in das ſechſte Jahr in
der Wuͤſten froͤmlich gelebt hatte; indem ſelbigem der Teuffel in Perſohn
eines Einſidlers erſchienen/ und ihn uͤberredet/ daß er mit ihm/ umb das
Hoch-Heilige Sacrament deß Altars zu empfangen/ in die naͤchſt-gekegene
Kirchen gangen. Ware nicht dieſer freylig ein heiliger Rath? nichts de-
ſoweniger aber iſt ſelbiger dem erwehnten Juͤngling zu ſeinem Verderben
außgeſchlagen; wie an einem andern Ort hernacher mit mehrern zu ſehen
iſt. Wilſtu dann/ mein Chriſtliche Seel/ das ſichere ſpielen/ ſo nehme
deine Zuflucht in allen Verſuchungen bey einem verſtaͤndigen und erfahr-
ren Mann/ und folge deſſen Rath; ſo wirſtu dem ſchalckhafften Betrug deß
boͤſen Feinds ohn Zweiffelentgehen; und mit obgemeldtem Magiſter/ und
S s 3jetzt
[326]Die Funff und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
jetzt gedachtem Juͤngling/ der den Rath ſeines Alt-Vatters in den Wind
geſchlagen hat/ dich in die ewige Verdambnuͤß ſo jaͤmmerlich nicht
ſtuͤrtzen.
22. Dieweilen wir bißhero gehandlet/ was vor und in der Verſuchung
zu beobachten ſeye; als iſt nun uͤbrig/ in der kuͤrtze zu melden/ wie man
ſich nach derſelben verhalten ſolle: und zwarn Erſtlich/ daß man
fuͤr den erhaltenen Sieg/ dem lieben GOtt mit dem Koͤniglichen Pro-
Pſ. 143. v.
1.pheten ſchuldigſten Danck ſage: Gebenedeyet ſey der HERR
mein GOtt/ der meine Haͤnde zum Streit abrichtet/
und meine Finger zum Kriege. Zum andern/ daß man ſich
nicht einbilde/ der Feind ſeye auffs Haupt geſchlagen/ wann der Streit
einmahl gewonnen iſt; ſondern daran gedencke/ was der Ehr-wuͤrdige
Vatter Beda ſagt; daß nemblich der boͤſe Geiſt/ nachdem er unſern
Beda
ſup. Luc.Seelen den Streit der Verſuchungen hat zugebracht/ offt von dieſem ſei-
nem Fecht-Platz biß auff eine andere Zeit offtmahl entweiche; nicht/ daß
er der angebrachten Boßheit ein Ende mache: ſondern damit er die Hertzen/
welche er vermittelſt ſolcher Ruhe in Sicherheit geſtelt hat/ nachmahln
mit einem ſchnellen Uberfall beaͤngſtige. Hierzu gehoͤret auch/ daß man
nicht verzage oder ſich betruͤbe/ wann man nach Erlegung der ſtaͤrcke-
ſten Feinden vermercke/ daß noch von dem ſchwaͤcheſten angefochten
werde: ſintemahlen dieſes (wie der H. Gregorius gar weißlich darvon re-
det) auß Goͤttlicher Vorſehung alſo geſchicht/ auff daß der von allen
L. 4. Mor.Seiten mit Tugenden gezierte Menſch ſich nicht erhebe; und/ in dem
er eine geringe ſtraff-maͤſſige Sach an ſich ſehet/ und ſelbige doch nicht
uͤberwinden kan/ nicht ſeinen Kraͤfften/ ſondern GOtt den Sieg in dem
jenigen zuſchreibe/ ſo er ſtarckmuͤtiglich bezwingen kan. Drittens
und ſchließlich iſt zu wiſſen/ daß/ wann einer befindet/ daß er in der Ver-
ſuchung gefallen/ und den Kuͤrtzern gezogen habe/ dannoch nicht ver-
zweiffle; ſondern vielmehr die heylſame Lehr deß Gott- ſeeligen Thomæ à
Kempis annehme/ und deſſen Rath folge/ der in Perſohn deß HErrn alſo
L. 3. c. 6.ſpricht: Streite als ein guter Kriegs-Mann; und ſo du
etwan auß Bloͤdigkeit falleſt/ ſo empfahe wiederumb
noch ſtaͤrckere Kraͤfften/ weder die vorige geweſen ſeynd/
und hab gar gute Hoffnung zu meiner ůberflüſſigen
Gnad. Es laſſet aber die Goͤttliche Weißheit bißweilen zu/ daß auch
die Auſſerwaͤhlte ſelbſt in Suͤnden fallen/ damit ſie auß ihren eigenen Feh-
lern
[327]Von den Verſuchungen.
lern/ auff dem Weeg der Tugenden zu wandern lehrnen: dann/ gleich wieApud
Rodriq.
p. 2. tr. 4.
c. 7.
nach den Worten deß Gregorii eine Mutter oder Saugamm/ wann ſie
das kleine Kind gehen lehret/ ſich bißweilen in etwa von ſelbigem entfernet/
bald aber wiederum zu ſich nimbt/ und nicht achtet/ wann es ſchon zu zeiten
einmahl falle; dieweilen ſie vermeinet/ es ſeye dieſes beſſer/ als wann es nie-
mahl das Gehen lerne; alſo pflegt GOtt/ als ein Aufferzieher Ephraim
die auß Schwachheit begangene Fehler ſeiner Auſſerwaͤhlten zu uͤberſehen;
auff daß ſie hinfuͤhro beſſer und ſicherer auff dem Weeg der Vollkommen-
heit lernen fortſchreiten. Nehme derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ mit
dieſer Lection, ſo ich mir fuͤrnemblich zu meinem Beſten verzeichnet/ fuͤr
Lieb: ich zweiffle nicht/ daß dir ſelbige werde erſprießlich ſeyn/ wann
du ſie mit Auffmerckſambkeit leſen/ und werckſtellig machen wirſt.
Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Reſignationoder Ergebung in den Willen
GOTTES.
Qui facit Voluntatem Patris mei, qui in Cœlis iſt,Matt. 7.
v. 21.
ipſe intrabit in Regnum Cœlorum.
den Himmelen iſt/ der wird eingehen in das Reich der
Himmelen.’
Der Erſte Theil.
1. DJeweilen alle menſchliche Zungen dieſe Tugend der Gebuͤhr nach auß-
zuſtreichen nit beſtand ſeynd; als waͤre uns alhier wohl eine Engliſche
Zung vonnoͤthen: in deren Mangel wir uns dann der erſten Wohlredenheit
gebrauchen
[326[328]]Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
gebrauchen/ und vorab den H. Bernardum alſo ſprechend hoͤren ſollen:
Die Reſignation oder Ergebung in den Willen GOttes iſt eine Summ
oder Vollziehung der Demuth. Ein ander fromme und gelehrte Mann
Taul. in
fin. Serm.
de S. S.nennet ſie/ nach Zeugnuͤß deß beruͤhmten Tauleri/ einen Außzug der Tu-
genden/ und ein Brevier aller Gelehrtheit. Von dieſer Reſignation ſchreibt
auch ein ander gelehrte Schribent mit folgenden Worten: Wann du dich alle
Joannes
Gailer
de ſpir.
Pereg.
Prop. 7.Tage dem Willen Gottes/ gantz und zumahlen von Hertzen ergebeſt/ und auff
alle deſſen Wincke immer fertig und bereit ſteheſt/ ſo erlangeſtu Verzeihung
deiner Suͤnden/ und erwerbeſt ſo groſſe Gnad; daß du nicht allein die Hoͤl-
le/ ſondern auch daß Feeg-Feuer nicht zu foͤrchten habtſt. Dieſe deine
auffrichtige Anerbietung/ allen Goͤttlichen Willen zu vollbringen/ die-
net dir an ſtatt der Buß und Ablaß. Der Gott-ſeelige Bloſius ſagt alſo:
Marga-
rit. ſpirit.
§. 6.Der gute Will iſt der Grund oder das Grundveſt aller Tugenden: daß
aber einer eines Willens mit GOtt iſt; dieſes hat vor allen Tugenden den
Vorzug/ und darinn beſtehet die Vollkommenheit. Dann der eines ſo
guten Willens iſt/ daß er ſich ſelbſt verlaͤugne/ und ſeinen eigenen Willen
verlaſſe/ und ſich gantz freywillig dem Willen GOttes ergebe; deſſen gu-
ter Will iſt vollkommen; ſelbiger bringt ſeine Tage ohn Schroͤcken und
Angſt zu/ und empfindet an ſich gleichſamb eine Sicherheit/ daß ewige Le-
ben zu erlangen: er kan alle harte Wort/ all ſaur Geſicht/ alleunangeneh-
me Werck/ und was ihm und den Seinigen fuͤr Schmach und Unbill wird
zugefuͤgt/ mit aller geziemender Ruhe und Sanfftmuth uͤbertragen: er ley-
det alles ſiettſamblich und gedultiglich/ was ihm von allen Orten/ es ſeye
von GOtt/ oder von den Creaturen widerwaͤrtiglich zuſtoſſet: ihn kan
nichts verſtoͤhren/ weder der Verluſt der zeitlichen Dingen/ der Freunden
und Verwandten/ weder Kranckheit/ weder die Verletzung ſeines guten
Nahmens/ weder Todt/ weder Leben/ weder Fegfeur/ weder Teuffel/
weder Hoͤll: Dann der auß wahrer Lieb dem Goͤttlichen Willen ſich
uͤber laſſen und ergeben hat/ und ſich keiner begangenen/ und
und nicht gebeichten Todt- Suͤnden bewuſt iſt; der kan alles leicht-
lich uͤberſtehen/ was GOtt uͤber ihn verhaͤnget/ ſo wohl zeitlich als ewig-
lich. Alſo redet von dieſer Tugend der obgemelte Bloſius.
2. Seynd dieß nicht guldene Wort deß Ehrwuͤrdigen Vatters? Seynd
das nicht ſehr groſſe und herrliche Guͤter/ ſo da auß der Reſignation ent-
Apud.
Bloſ- in
Concl.
ani. §. 4.ſpringen? Hoͤre nun auch an mein Chriſtliche Seel/ den frommen Suſo-
nem, der von dieſer Ergebung alſo redet: das vollkommene Leben beſtehet
nicht meiſtens darinn/ daß du uͤberfluͤſſige Troͤſtungen habeſt; ſondern/
daß
[329]Von der Ergebung in den Willen Gottes.
daß du deinen Willen dem goͤttlichen uͤberlaſſeſt und ergebeſt/ ſo wohl in ſau-
ren und bitteren/ als in ſuͤſſen und annehmlichen Dingen. Es iſt keine voll-
komnere und fuͤrtrefflichere Reſignation, als wann du in deiner Verlaſſung
reſignirt und zu frieden biſt: du wirſt auch nicht ſehr beſchwaͤrt und betruͤbt
werden/ wann wenig geiſtlicher Suͤſſigkeit empfindeſt; du wirſt dir anderſt
nit einbilden/ als daß du derſelben unwuͤrdig ſeyeſt. Ein wahre Ergebung ſei-
ner in den Willen Gottes/ in allen/ ſo wohl gewiſſen als ungewiſſen Sachen/
errettet den Menſchen ohne Zweiffel auß allen Gefahren und Zufaͤllen/ und
verurſachet/ daß er in allem deß wahren Friedens ſich erfrewe: dieſem ſtim-
met auch bey der geiſtreiche Thomas à Kempis, und ſagt: Schaͤtz dichL. 3. c. 25.
§. 2.
nicht fůr groß/ noch in beſonderer Liebe zu ſeyn/ ſo du in ei-
ner groſſen Andacht oder Sůſſigkeit biſt: dann in dieſen
Dingen allen wird kein wahrer Liebhaber der Tugend er-
kandt; es ſtehet auch nicht darinn deß Menſchen Zuneh-
men und Vollkommenheit: Worinn ſtehet es dann? daß
du dich auß gantzem deinem Hertzen dem goͤttlichen Wil-
len opfferſt/ und nicht ſucheſt die Ding/ die dein ſeynd/ we-
der in kleinen noch in groſſen Dingen: weder in der Zeit/
noch in Ewigkeit: alſo/ daß du eines gleichen Gemůths
zwiſchen Glůck und Vnglůck in Danckſagung bleibeſt/ und
alle Ding in gleicher Maß erwegeſt: Dahero iſt einer ſichernRuſ-
broch. in
fine op.
Jungfrawen; ſo nicht wuſte worinn die wahre Andacht beſtehe/ und der-
halben ſehr traurig ware; ein uͤberauß ſchoͤnes Knaͤblein erſchienen/ und ge-
ſagt/ daß die wahre Andacht deß Menſchen in Verlaͤugnung und Verach-
tung ſeiner ſelbſt/ und in einer vollkommenen Reſignation in die Hand
GOttes beſtehe.
Dieß iſt aber die vollkommene Ergebung/ daß nemblich der Menſch ſei-
nen Willen mit dem Willen GOttes in allem gleichfoͤrmig mache: wor-
auß dann zu ſchlieſſen iſt/ daß man ſich forderiſt fuͤr die laͤßlichen und vorbe-
dachten Suͤnden huͤte; weilen ſelbige dem goͤttlichen Willen außtruͤcklich
zuwider ſeynd: derhalben muß ein Geiſtlicher/ ſo dieſe vollkommene Reſig-
nation zu erwerben trachtet/ ſich befleiſſen/ daß er ſeine Regulen und Sa-
tzungen ſo genau/ als moͤglich iſt/ unſtraͤfflich halte; zumahlen ohne dieſes
ſich keiner einbilden wolle/ ſothane Tugend zu erlangen.
3. Annebens muß er auch daran ſeyn/ daß er alle ſo wohl gluͤckſeelig- als
widerwaͤrtige Zufaͤll dem goͤttlichen Willen auffmeſſe/ nach dem Exempel
deß frommen Joſephs/ der ſeine zaghaffte Bruͤder mit dieſen Worten troͤſtet:
T tJch
[330]Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Gen. 45.
v. 8.Jch bin hergeſandt/ nicht durch eweren Rath/ ſondern
durch den Willen Gottes. Weiters iſt noͤthig/ daß er in allem den
Willen Gottes als eine gerechte Verhaͤngnuß erkenne/ und verehre mit dem
David/ der in ſeinem hundert und viertzigſten Pſalmen ſeinen GOtt alſo
v. 17.
L. 3. con-
tra Jul.
c 18.anredet: Der Herr iſt gerecht in allen ſeinen Wegen/ und
heilig in allen ſeinen Wercken: Dann Gott/ wie der Heil. Au-
guſtmus ſagt/ kan einige ohne ihre gute Verdienſten erretten/
weilen er gut iſt: er kan aber keinen ohne boͤſe Verdienſten
verdammen/ weilen er gerecht iſt: Dahero muͤſſen wir in allem/
was uns immer widerfahret/ unſere Augen mit dem Koͤniglichen Propheten
Pſ. 118.
v. 137.zu der goͤttlichen Gerechtigkeit erheben/ und ſagen: Herr du biſt ge-
recht/ und deine Gerichte ſeynd recht: Daß iſt/ deine Gerichte
ſeynd zu einem ſehr guten Ziel verordnet/ nemblich/ daß du oder ſtraffeſt/ oder
verſucheſt/ oder belohneſt. So ſoll dann ein jeder Geiſtliche/ welcher der Voll-
kommenheit obliget/ wegen aller auch immer vorkommenden widrigen Zu-
faͤllen und Ungluͤck ja nicht betruͤbet werden; ſondern ſeinen Willen in allem
mit dem Willen Gottes vereinigen/ und an ſelbigem ein Wohlgefallen tra-
L. 2. de
fid. c. 29.gen: und daß zwarn billig; ſintemahlen/ nach den Worten deß H. Joannis
Damaſceni, alles was da geſchicht auß GOttes Vorſichtigkeit/ muß noth-
wendiglich uͤberauß ſtattlich und goͤttlich dergeſtalt geſchehen/ daß es niema-
len beſſer ſeyn koͤnne: dieſem ſtimmet der H. Vatter Auguſtinus mit folgen-
Tom. 1. l.
de quant
anim. e.
39.
Sap. 8. v.
1.der Meinung bey/ und ſagt: Es iſt durch die Gerechtigkeit deß
wahren und hoͤchſten GOttes geſchehen/ daß nicht allein
alles iſt; ſondern auch alſo iſt/ daß es keines wegs beſſer
ſeyn moͤge: Daß aber dieſem alſo ſeye/ lehret uns die goͤttliche H. Schrifft
mit folgenden Worten: Alſo ſtrecket ſich die Weißheit GOttes
gewaltiglich von einem End biß zum andern/ und verord-
net alle Ding lieblich: Und der fromme und weiſe Job ſagt: Nichts
geſchicht auff Erden ohne Vrſach: ſondern GOtt hat/ nach
Sap. 11. v.
21.Zeugnuͤß deß weiſeſten Salomonis/ alle Ding in der Maß/ und in
der Zahl/ und im Gewichte verordnet. Obwohl nun viel Boͤſes
in der Welt geſchicht/ und viele Fehler begangen werden/ ſo bleibt doch dieſes
vorgemeldte alles in ſeinem Werth/ und iſt in aller Warheit gegruͤndet:
dann/ obſchon Gott/ als ein abſonderlicher Vorſeher/ ſchuldig iſt/ ſo viel er
kan/ zu fliehen und zu verhindern die jenige Maͤngel und Ubel deren Dingen/
ſo deſſen Herrſchafft und Fuͤrſichtigkeit unterworffen werden; ſo hats doch
mit ſelbigem/ als einem general oder allgemeinen Verſeher/ ein andere Be-
ſchaffenheit;
[331]Von der Ergebung in den Willen Gottes.
ſchaffenheit; weilen dieſer die Fehler und Gebreche einiger Perſohnen zulaſ-
ſen muß zum beſten der gantzen Gemeinde/ deren Erhaltung er vor allem ſu-
chet: die jenige Ubel aber und Fehler/ ſo die goͤttliche Fuͤrſichtigkeit in den er-
ſchaffenen Dingen zulaſſet; ſelbige muͤſſen zur Vollkommenheit/ zum Staat
und Schoͤnheit der gantzen Gemeinſchafft das jhrige beytragen/ gleich wie
einem Gemaͤhl die kunſtreiche und liebliche Vermiſchung deß Liechts und
Schattens/ und anderer ſo wohl angenehm/ als unangenehmen und dunckelen
Farben/ die Schoͤnheit geben muß: und gleich wie in einer Muſic der vielfaͤl-
tige Unterſcheid der Stimmen/ den Geſang nicht verfaͤlſchet/ ſondern viel
ſuſſer lautet; alſo muß das Boͤſe mit dem Guten und die Tugend mit den
Fehlern zum Zierath der zumahligen Gemeinſchafft dienen.
4. Wie uͤbel/ ja naͤrriſch thun dan die jenige/ ſo gegen den Willen Gottes
murren/ weilen ſie ſehen/ daß viel boͤſes geſchehe/ und vermeinen/ daß ſolches
nicht von GOtt/ ſondern vom Teuffel oder boͤſen Leuten herkomme: daheroHom. 7.
in Joan.
ſagt recht der Heil. Chryſoſtomus: Keiner muß ſagen/ daß die
Sonn den Augen ſchaͤdlich ſeye/ weilen einige bloͤde Ge-
ſichter haben: ſondern/ daß ſie den Augen ſehr dienlich
ſeye/ wie die jenige bezeugen můſſen/ welche ein gutes Ge-
ſicht/ und der Sonnen noͤthig haben. Keiner ſoll auch ur-
theilen/ daß der Hoͤnig bitter ſeye/ ob er ſchon einigen
Krancken bitter ſchmaͤcket. Der nun auß Schwachheit
oder Vnwiſſenheit darfůr halter/ daß GOTT oder nicht
ſeye/ oder daß er hier und dort ůbel thue; daß er fůr das
menſchliche Weſen bißweilen Sorg trage/ bißweilen
nicht; der kan billiger ein Narr/ als ein witziger Menſch
genennet werden: So muß dann ein guter Geiſtliche mit nichten be-
truͤbet werden/ wann er ſiehet/ daß andere geiſtliche Orden beſſer floriren
und vermehret werden/ als eben der ſeinige; ſondern er muß ſich vielmehr
in ſo weit erfrewen/ wann er ſicht/ daß andere geiſtliche Staͤnd außgebreitet
werden; als er ſich erfrewen wuͤrde/ wann er ein gleiches an dem Sei-
nigen erfahrete: der aber deſſenthalben trauret/ der gibt von ihm ſelbſten
Zeugnuͤß/ daß er von dem rechten Weeg der Tugend noch weit entfernet
ſeye: zumahlen ſolcher in dieſem Fall nicht ſuchete die allgemeine Ehr
GOTTES; ſondern mehr ſein abſonderliches Gut/ und nur
die Erſprießlichkeit ſeines Ordens: auch ſcheinet/ daß ein ſolcher/ ſo
viele an ihm iſt/ dem allerweiſeſten GOTT fuͤrſchreiben wolle/ daß er ſeinen
T t 2Orden
[332]Die Sechs und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Orden fuͤr andern erhoͤhe: was iſt aber unbilliger als eben ein ſolches Ver-
langen? Jſt daß nicht ſich ſelbſten mehr ſuchen/ als GOTT? Darumb
muß ein guter Geiſtlicher alles Ubel und Ungluͤck/ ſo ſeinem Orden zuſtoſſet/
mit reſignirten und froͤligem Gemuͤth annehmen/ und feſtiglich glauben/ daß
ſolches alles zu hoͤchſter Ehren GOttes gereiche; derhalben er ſchuldig iſt/
ſeinem GOtt darfuͤr zu dancken/ und mit dem Heil. Ignatio dem Willen
Ribad. l.
3. vit. c. 1.GOttes ſich zu ergeben; mit deme dieſer heilige Mann ſeinen Willen ſo
vollkommentlich vereinbahret hatte; daß er hat ſagen doͤrffen/ er wolle auch
die Vernichtigung ſeiner gantzen Societaͤt/ welche er mit ſehr groſſer Muͤhe
auffgerichtet/ geduͤltiglich und wohl gemuthet ertragen/ wann er nur daran
kein Urſach ſeye.
5. Wie uͤbervollkommentlich auch die allerſeeligſte Jungfraw Maria
dem Willen GOttes ergeben geweſen ſeye/ bezeuget der Heil. Antonius/ da
er ſie mit dieſen Worten anredet O Herſcherin/ du biſt dem goͤttlichen Wil-
len ſo gleichfoͤrmig geweſen/ daß ich ſagen darff: wann keiner ſich wuͤrde
gefunden haben/ der deinen Sohn ans Creutz gehefftet haͤtte; ſo wuͤrdeſt du
ſelbſt/ auff daß der Will GOttes erfuͤllet wuͤrde/ denſelben mit Naͤgeln ans
Creutz geſchlagen haben: Zumahlen wir glauben/ daß du mit der Tugend
deß Gehorſambs/ nicht weniger/ als Abraham verſehen geweſen ſeyeſt/
welcher ſeinen eigenen Sohn mit eigenen Haͤnden zu toͤdten und zu verbren-
nen/ ſeinem Gott hat auffgeopffert. So will ſichs dann geziemen/ daß ein
jedes Marianiſches Schutz-Kind ſich befleiſſe/ dieſer ſeiner allerheiligſten
und gnaͤdigſten Frawen nach zufolgen; in allen/ ſo widrigen als erſprieß-
lichen Begebenheiten/ den Willen Gottes mit Frewden annehme/ und den-
ſelben lobe und preiſe. Wie groſſen Nutzen derſelbe nun in Erwerbung der
Tugenden auß dieſer Ubung ſchoͤpffen/ und wie mercklich er Gott gefallen
Cæſarius
lib. 10.
Dial. c. 6.
Hiſtoria.werde; iſt auß folgender Hiſtori zu vermercken. Jn dem Heil. Ciſtertzienſer
Orden hat einsmahls gelebt ein ſicher Geiſtlicher/ durch deſſen Fuͤrbitt/ und
ſo gar auch auß bloſem Anruͤhren ſeiner Kleider viele Krancke geſund wor-
den: als nun dieſen der Abt die Urſach ſolcher Wunder-Werck gefragt; hat
er alſo geantwortet: Jch arbeite mehr nicht/ als andere Bruͤder/ ich faſte
nicht mehr/ und bette ſo viel/ als ſie: dieß eintzige aber weiß ich; daß mich
nemblich kein Erſprießligkeit erheben/ und kein Wider waͤrtigkeit betruͤben
koͤnne: hierauff hat ihn der Abt gefragt: ob er nicht mit andern kurtz
vorhero ſeye entruͤſtet worden/ da deß Eloſters Korn - Speicher ein
Soldat in Brandt geſtecket? Er aber hat geantwortet/ daß er
daruͤber nicht ſeye verſtoͤhret worden/ ſondern habe alles dem lieben
GOTT
[333]Von der Ergebung in den Willen GOttes.
GOTT anbefohlen: das Wenige nehme er mit Danck an/ und
fuͤr ein mehreres erſtatte er auch ſeinem GOTT die ſchuldige Danck-
ſagung. Hierauß hat der Abt erfahren/ daß die Krafft ſo vieler
und groſſer Miraculen ſeye die vollkommene Ergebung deß eige-
nen Willens in den Willen GOttes. Ob nun zwarn/ mein Chriſtliche
Seel/ dieſer Geiſtlichen heutigen Tags/ leyder GOttes! wenige ſeines
gleichen zehlet; ſo befleiſſe du dich doch demſelben durch eine GOtt- gefaͤl-
lige Reſignation aͤhnlich zu werden; und glaube mir/ daß es dich ſothaner
gehabten Muͤhe niemahlen reuen wird.
Der Andere Theil.
6. AUff daß du nun dieſe gegebene Lection auch im Werck ſelbſtenHiſtoria.
wohl uͤben moͤgeſt; ſo hoͤre die folgende Geſchicht mit Gedult an:
Ein einfaͤltiger Muͤnch in Ægypten begehrte von GOtt/ er moͤgte
ihm doch ſeine verborgene Urtheil offenbahren: deſſen Begehren der guͤtigeVit. P. P.
L. 5. n. 3.
GOtt auch erhoͤrte/ und ſendete ihm einen Engel in Geſtalt eines Ehr-
wuͤrdigen Alten/ welcher ihn freundlich erſuchte/ daß mit ihm die andere
Einſidler beſuchen/ und ſich alſo derſelben heylſamen Ermahnungen und
Vaͤtterlichen Seegen theilhafftig machen wolle. Nach einem abgelegten
guten Stuck- Weegs kommen ſie zu einer Hoͤlen/ und nachdem ſie
ſich angemeldet/ kombt ein Greiß-grauer und fromme Alte herauß/ von dem
ſie zur Herberg genoͤthiget werden: dieſer waſchet ihnen die Fuͤß/ machet den
Tiſch bereit/ ſetzet ihnen in ſeinen ſehr ſauberen Schuͤſſelen die Speiſen mit
aller Hoͤffligkeit und Holdſeligkeit daher/ und laſſet/ ſo viel ſein Vermoͤ-
gen iſt/ an der auffrichtigen und bruͤderlichen Liebe nichts ermanglen.
Jndem ſich nun die Gaͤſt beurlauben/ nimbt der Engel eine Schuͤſſel/
als den fuͤrnehmſten Theil deß Hauß-Raths/ heimblicher Weiß zu ſich.
Da dieß der einfaͤltige Muͤnch ſehet/ wird er geaͤrgert/ daß dem guten
Alten fuͤr ſeine erzeigte Lieb ſo ſchlechter Danck erſtattet werde. Hier-
uͤber kombt der Juͤnger deß alten Einſidlers/ und begehrt gantz demuͤ-
tiglich die verlohrne Schuͤſſel; welche ihm der Engel auch wieder zu ge-
ben verſpricht/ und befilcht zugleich/ er ſolle ihnen das Glaid geben
Auff dem Weeg ſtuͤrtzet der Engel dieſen Juͤnger deß alten Einſidlers von
einem hohen Berg hinunter/ daß er alsbald alle Glieder deß Leibs zerbricht
T t 3und
[334]Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
und ſtirbt. Der einfaͤltige Muͤnch uͤberlegt dieſen Handel bey ihm ſelbſt/
und verwundert ſich/ daß GOTT ſolches Unbill zulaſſe/ und dan-
noch gerecht genennet werde. Nach dreyen Tagen finden dieſe beyde
einen gantz andern Alten in ſeiner Cellen/ welcher dieſe Ankomling nicht
allein nit hat beherbergen wollen; ſondern ſelbige/ als Land-Laͤuffer geſchol-
ten: und wiewohl dieſe beyde zum andernmahl umb die Nachts - Her-
berg angehalten/ haben ſie doch nichts erhalten; biß endlich der Alte
ſie auff ihr inſtaͤndiges Erſuchen/ zu einem Huͤttlein deß Stalls ver-
wieſen; alwo ſie ohne einige Geſellſchafft/ auſſer deß Eſeleins/ ohne
Stroh/ auff dem Boden haben muͤſſen vor lieb nehmen. Nach ange-
brochenem Tag gibt der Engel dem unbarmhertzigen Alten die geſtoh-
lene Schuͤſſel: welche der undanckbare Einſidler annimbt/ und demnach
ohne einige Vergeltung und gewoͤnliche Ertheilung deß Seegens/ ſich
in ſeine Cell verſchlieſſet. Alhier kan ſich der Mitt - Geſell deß mehr-
gemeldten Engels laͤnger nicht enthalten; derhalben redet er den Engel/
ſo die Geſtalt eines alten Cinſidlers immerzu behalten hatte/ alſo an:
Warumb haſtu dem frommen Alten die Schuͤſſel abgeſtohlen/ und dar-
zu deſſen Juͤnger ermordet; dieſem boͤſen und unhoͤfflichen Alten aber
haſtu dieſelbe Schuͤſſel geſchencket? du muß oder nicht witzig/ oder ein
boßhaffter Menſch ſeyn. Hierauff antwortet ihm der Engel in aller
Sanfftmuth/ und ſagt: Haſtu nicht bey deinem GOTT ſehr eyffe-
rig angehalten/ daß Er dir ſeine Urtheil offenbahren wolle? Nun bin
ich darzu verordnet/ daß ich dir ſelbige erklaͤhren ſolle. Die Schuͤſſel
ware mit unrecht dahin kommen; es geziemte ſich aber nicht/ daß ein
boͤſe und ungerechte Sach bey einem ſo guten und frommen Mann
laͤnger verbliebe: derhalben iſt einem Boͤſen uͤbertragen worden/ damit
ſelbiger einigen Lohn ſeiner geringen Werck empflenge. Den
unſchuldigen Juͤnger aber hab derowegen getoͤdtet/ dieweilen er in fol-
gender Nacht ſeinen Alt - Vatter wuͤrde umbs Leben gebracht haben.
So hab ich dann alſo mit einer That denen Beyden eine Wolthat er-
wieſen. Da dieſes der einfaͤltige Eremit hoͤret/ wirfft er ſich zu den
Fuͤſſen deß Engels nieder/ bettet umb Vergebung und lernet hierauß/
daß er die verborgene Urtheil GOTTES mit mehrerer Behutſamb-
keit richten/ und mit dem allerheiligſten Willen GOTTES allezeit
ſolle zu frieden ſeyn.
7. Seynd
[335]Von den Ergebung in den Willen GOttes.
7. Seynd dann nicht wahr/ und abermahl wahr die obangezogene Wort
der H. H. Kirchen- Lehrer Auguſtini, Chryſoſtomi und Damaſce-
ni; daß nemblich alles/ was da immer Geſchicht/ nicht beſſer geſche-
hen koͤnne? Und obſchon ſolches den Augen unſeres Hertzen gemeinig-
lich verborgen iſt/ ſo werden wir dannoch ſelbiges in der Ewigkeit oh-
ne Zweiffel ſcheinbarlich ſehen. Wer iſt der auß der angefuͤhrten Hi-
ſtori die wunderbarliche Lieb GOTTES nicht erkennet/ Krafft deren
er alles zum Heyl ſeiner Diener verordnet? Wer ſolte unter uns die
Thaten deß vermemten alten Einſidlers nicht uͤbel außgedeutet haben/
ehe er die Urſachen gehoͤrt haͤtte? und wer wird hergegen gefunden wer-
den/ welcher in Anſehung derſelben/ die glimpffliche Vorſichtigkeit deß
Allerhoͤchſten nicht wuͤede geprieſen haben? So laſſet uns dann in allen
und jeden/ ſo wohl gemeinen als beſondern Widerwaͤrtigkeiten den
ſicheren Schluß machen/ das ſelbige bevorab zum Lob GOTTES/
und dann zu unſerm Nutzen geſchehen oder zugelaſſen werden. Laſſet
uns mit dem Willen GOTTES zu frieden ſeyn/ und demſelben uns
zumahlen gleichfoͤrmig machen/ auff daß wir den wahren und rechten
Frieden der Seelen erlangen moͤgen mit der heiligen Catharina von Se-In Dialo-
go.
nis, welche ihren Heyland erſucht hat/ er moͤgte ihr doch die rechte Mit-
tel anzeigen/ den wahren Frieden deß Hertzen zu erhalten; und zur
Antwort bekommen hat/ daß hierzu dieſes ein gar leichtes Mittel ſeye:
wann ſie nemblich glaubete/ daß GOtt unendlich maͤchtig ſeye; und
daß ohne Erlaubnuß deſſelbigen ihr nichts widerfahren koͤnne: auch/
daß er unendlich weiß ſeye/ und alſo wiſſe alles/ was da geſchicht/
ins Gute zu verwenden: und ſchließlich/ daß Er unendlich gut ſeye/
und derhalben nichts zulaſſe/ es ſey dann/ daß es dem Menſchen ſehr
dienlich ſeye.
8. So kan dann der jenige/ ſo dem Willen GOttes ſich in allem
untergibt/ nicht uneben dem Berg Olympo verglichen werden/ von dem
die Poeten ſagen/ daß er auch mit ſeiner Hoͤhe die Wolcken uͤberſteige.
Auff der Spitze dieſes Bergs wird das geringſte Blaſen der Winden nit ver-
mercket/ ſondern wird immerzu eine gewuͤnſchte Ruhe und Lieblichkeit
geſpuͤhret: Auff den Seiten aber wird er von einer groſſen Ungeſtuͤm-
migkeit der Winden/ und allerhand ſchnoͤden Wetter faſt unauffhoͤr-
lich angegriffen. Alſo ein andaͤchtige/ und dem Goͤttlichen Willen
ergebene Seel/ ob ſie ſchon alles Ubel der Welt/ die Ungewitter der
Verfolgungen/ die Wind - Wirbel der Betruͤbnuͤſſen/ und
fort
[336]Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
fort andere gefaͤhrliche Waͤllen der menſchlichen Armſeeligkeiten anſchauet;
wird dannoch nicht beunruhiget/ ſondern ſtehet veſt/ und wird dadurch
noch mehr und mehr auf dem Weeg der geiſtlichen Vollkom̃enheit geſtaͤrcket.
Einſolcher Berg iſt geweſen der H. Martinus/ welchen/ nach Zeugnuͤß
deß Severi Sulpitii niemand die Tag ſeines Lebens jemahlen oder zoͤrnig/
oder betruͤbt/ oder verſtoͤhret geſehenhat/ dieweilen er ſeinen Willen mit dem
Goͤttlichen unablaͤßlich vereiniget hatte. Dahero vergleichet der heilige
Hom. 11.
in Ep. 2.
ad Cor.Chriſoſtomus einen ſolchen reſignirten Mann dem Himmel: dann gleich
wie der Himmel hoͤher iſt/ als der Regen; und man zwarn/ wann er von
den Wolcken uͤberzogen wird/ vermeinet daß der Himmel leyde; und jedoch
nichts leydet: alſo leydet ein reſignirter Menſch nichts/ ob es ſchon das An-
ſehen hat/ als wann er leydete: das iſt; es ſcheinet als wann er mit Trau-
rigkeit gleich einer Wolcken uͤberzogen werde; wird aber nicht betruͤbet. Da-
hero ſagt wohl der Gottſeelige Rodericius, daß ein ſolcher dem brennenden
p. 1. tr. 8.
c. 4.Buſch/ welchen Moyſes geſehen/ und vermeinet/ daß er verbrennete/ und
doch nicht verbrannte/ gar aͤhnlich ſeye: wie wir auß dem Leben deß ſeeligen
Jacoponi erſehen; der pflegte zu ſagen/ daß er ſeyn Gewiſſen gefragt habe/
warumb es ihn nicht/ wie vorhin geſchehen/ immerfort quaͤlet? und habe
von ſelbigem zur Antwort bekommen: derhalben feyre ich nun/ weilen du
dem Willen GOttes dich gaͤntzlich ergeben haſt/ und mit dem jenigen/ ſo
dieſer Will verordnet/ ohne einigen Verzug dich befriedigen laſſeſt. Lebe da-
hero/ mein Chriſtliche Seel/ der heylſamen Ermahnung deß Geiſt-reichen
Thomæ à Kempis nach/ der dich und mich mit dieſen Worten erinnert und
ſagt: Jch hab dir ſehr offt geſagt/ und ſag es nun wieder-
umb; verlaſſe dich/ ergebe dich; ſo wirſtu eines groſſen
Friedens genieſſen auff Erden.
9. Und/ nicht allein immerwaͤhrender Fried/ ſondern auch eine groſſe
und beſtaͤndige Freud werden bey ſolchem ihre Wohnung machen: dann
ein wahre Freud deß Menſchen iſt die lebhaffte Ruhe in dem Gut/ welches
fuͤglich erworben iſt: dieſe Ruhe beſtehet zum meiſten in der Vernunfft; und
dadurch wird ſie von der gewoͤhnlichen Freud und Ergoͤtzlichkeit/ welche ſich
in die euſſerliche Glieder außbreitet; und von der Froͤligkeit/ die ſich im
L. 2. q. 33.
ad 2. \& 4.Angeſicht deß Menſchen zeiget/ unterſchieden/ wie der H. Thomas lehret.
Was maſſen man aber ſolche Ruhe und Freud erlangen koͤnne/ zeiget uns
gar ſchoͤn der weiſe Seneca und ſagt; Jch will nicht/ daß du je-
Epiſt. 23.
ad Lucill.mahln ohne Freud ſeyeſt: ich will daß dir ſelbige zu Hauß
gebohren werde: ſie wird aber gebohren/ wann ſie nur
allein in dir ſelbſten iſt. Die ůbrige Froͤligkeiten erfůl-
len
[337]Von der Ergebung in den Willen Gottes.
len das Hertz nicht; ſondern ſeynd nur Stirn-Frewden/
die ſich allein euſſerlich zeigen: ſie ſeynd leicht und gering:
es ſeye dann/ daß du vielleicht vermeineſt/ der jenige erfreue
ſich/ welcher lachet. Das Gemůth muß friſch/ froͤhlig und
vertraͤwlich ſeyn/ und ůber dieſes alles/ muß es auch auff-
richtig ſeyn. Glaube du mir/ daß die wahre Frewd deß
Menſchen ein eruſtliche Sach ſeye. O guͤldene Wort! dieſe alſo
entworffene Frewd wir am meiſten erworben/ wann man ſich in allem dem
goͤttlichen Willen ergibt; zumahlen wir durch ſothane Reſignation alles
bekommen/ was Gott wilt: dieſes aber (wie oben gemeldet iſt) kan anders
nicht/ als gut ſeyn: daß alſo der Heil. Dorotheus nicht uneben geſprochen;Serm. de
obed.
daß der jenige/ welcher der goͤttlichen Fuͤrſichtigkeit ſich in allem bequemet/
mit allen ſeinen Creutzern auff einem Wagen gefahren werde: andere aber/
denen dieſe Manier zu reiſen unbekandt iſt/ zu Fuß nachfolgen/ ihre ſchwaͤre
Creutzer langſam und verdrießlich ſchleiffen/ und muͤheſamlich tragen muſtẽ:
und gleich wie denen drey Knaben im Babyloniſchen Fewer-Ofen die hitzige
Flammen anders nicht als ein kuͤhler Wind ſeynd vorkommen/ und derhalben
Gott gelobet haben; alſo geduͤncket den jenigen alle Widerwaͤrtigkeiten gantz
ſuͤß und annehmlich zu ſeyn/ und preiſen darfuͤr die goͤttliche Guͤtigkeit/ wel-
che ihren Willen mit dem Willen Gottes immer vereinigt halten.
10. Brocardus ein ſehr glaubwuͤrdiger Schribent erzehlet/ daß man denDrexel.
in Heli-
otr. l. 3. c.
5. §. 2.
Buͤhel/ auff welchem Chriſtus dem Volck vor der Statt Jeruſalem gepre-
diget/ und das Weib geſtanden/ ſo mitten in der Predig außgeſchriehen:
Seelig iſt der Leib\&c. niemahlen mit Sand bedecket ſehe; obſchon der-
ſelbige alldort wie Schnee von dem Wind herumb getrieben werde; und be-
haltet dieſer Orth Sommer und Winter ſeinen gruͤnen Waſen: dieſem Buͤ-
hel wird der jenige billig verglichen/ welcher nichts anders will/ als was Gott
will: ein ſolcher wird von dem Sand der Truͤbſalen niemahlen uͤberſchuͤttet:
es kan einem ſolchen frommen Menſchen niemalen ſo uͤbel gehen/ daß er nicht
ſeinen Gott lobe/ und der goͤttlichen Fuͤrſichtigkeit ſich zumahlen ergebe: ein
ſolcher ware der Chariton, von welchem Metaphraſtes meldet/ daß er auffDiexel.
in Heli-
otr. l 5. c.
8. §. 3.
Hiſtoria.
ſeiner Jeruſalemiſchen Reiſe durch die Straſſen-Raͤuber auffgefangen/ und
in ihre Moͤrder-Gruben hinein gezogen/ und mit Ketten angebunden wor-
den als ſie nun nach ſolchem wider auffs Rauben hinauß gegangen/ hat Cha-
riton nichts anders gethan/ als Gott loben und preiſen/ hat die unverſchene
Verhaͤngnuß Gottes bey ſich ſelbſt erwogen; dem liebreichen himmliſchen
Vatter hoͤchſten Danck geſagt/ und ſich ihme inbruͤnſtiglich befohlen: hat
U uauch
[338]Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
auch nichts anders verlanget/ als daß der Will GOttes an ihm ſelbſt voll-
bracht werde: da er nun in ſolchen Gedancken iſt/ kriegt ein Schlangauß der
Hoͤlen herfuͤr zu einem Weidling voll Milch/ darauß ihm der ungeladene
Gaſt gnug trincket/ und bezahlet den Zech mit Gifft/ das ſie an ſtatt der Milch
da ließ: ſo bald nun die Moͤrder wieder kamen/ lieffen ſie duͤrſtig zu dem
vergifften Milch-Weidling/ und druncken darvon; ſeynd aber alle nachein-
ander bald geſtorben: war alſo Chariton allein Herr und Erb der Moͤrder-
Gruben/ und befahl ſich der goͤttlichen Fuͤrſehung noch inbruͤnſtiger/ dann
vorhin; und zwar nicht vergebens: dann die Baͤnd giengen durch die Huͤlff
Gottes von ihnen ſelbſt auff; allda er dan an Platz einer elenden Gefaͤngnuß/
ein reiche Wohnung gefunden: das geerbte Geld gab er theils den Armen/
theils brauchte ers zu Erbawung eines Cloſters: die Mordgrub veraͤnderte er
in eine Kirch/ darinnen ſo wol Juden als Heyden zu Chriſten ſeynd worden.
11. Koͤnnen wir nicht auß jetzt gemeldter Geſchicht handgreifflich abneh-
men/ daß GOtt ein uͤberauß groſſe Sorg uͤber die Seinige trage; und daß er
denſelben nichts/ als zu dero Wohlfart/ zum geiſtlichen Seelen-Nutzen/ und
zu Außbreitung ſeiner Ehren/ widerfahren laſſe? derhalben befehle dich/ mein
Chriſtliche Seel/ ohne einige Vorbehaltung in die Hand GOttes/ und folge
dem jenigen andaͤchtigen Menſchen nach/ welcher/ wie der gelehrte Salmeron
Tom. 10.
tr. 11. p.
103.bezeuget/ daß Alphabet oder A, B, C, nach einander pflegte auffzuſagen/ und
ſetzte am End deſſelben darzu: Herr/ fůge du nun dieſe Buchſtaben
zuſammen/ und mache auß denſelben/ was dir gefaͤllig und
mir ſeelig iſt: Auff ſolche Weiß wirſt du nicht allein deß zeitlichen; ſon-
dern auch deß ewigen Seegen faͤhig werden mit jenem Ackerman/ ſo vor an-
dern allzeit mehrere und beſſere Fruͤchten auß ſeinem Acker ſamblete; und da
er die Urſach dieſer Gluͤckſeligkeit von ſeinen Nachbaren gefragt wurde/ gabe
er zur Antwort/ daß er immer ſolches Wetter haben koͤnte/ wie ers verlangte;
er begehrte aber kein anderes/ als wie es der liebe Gott ſchickte.
Der dritte Theil.
12. AUff ſothane Frag/ wer der jenige ſeye/ ſo da auffrichtig von Hertzen
kan genennet werden/ gibt der H. Vatter Auguſtinus zur Antwort/
und ſagt; daß dieſe eines auffrichtigen Hertzen ſeyen/ welche in ge-
genwaͤrtigem Leben den Willen Gottes folgen: der Will Gottes iſt/ daß du
bißweilen geſund/ bißweilen kranck ſeyeſt: biſt du geſund/ ſo iſt dir als dann
der Will Gottes annehmlich und erfrewlich: und wann du kranck biſt/ iſt dir
der
[339]Von der Ergebung in den Willen Gottes.
der Will Gottes ſchwaͤr und bitter; ſo biſt du nicht auffrichtig von Hertzen:
warumb? weilen du deinen Willen nicht wilſt richten nach dem Willen
GOttes: ſondern wilſt den goͤttlichen Willen biegen zu dem deinigen. Der
Will Gottes iſt gerad und auffrichtig; du aber biſt krumb: deinen Willen
muſt du nach dieſem Willen beſſeren; und nicht muß derſelbige Will nach
dem deinigen gebogen werden: wann du es alſo macheſt/ ſo haſt du ein auff-
richtiges Hertz: und wie kan dir groͤſſere Ehr widerfahren/ als wann du biſt
ein Menſch nach dem Hertzen Gottes? Ein ſolcher ware die H. Gertrudis:
dieſer Jungfrawen iſt Chriſtus einsmahls erſchienen/ und hat ihr in ſeinerBloſ. l. 4.
div. In-
ſtar. c. 23.
rechten Hand die Geſundheit/ und in der lincken Hand gezeigt die Kranck-
heit/ und ſelbiger befohlen/ ſie ſolle auß dieſen beyden erwaͤhlen/ welches ſie
wolle: die kluge Dienerin GOttes aber hat denen beyden Haͤnden ihres
Braͤutigambs den Ruͤcken gekehret/ und geſagt: nicht meinen Willen/ O
Herr/ nicht ſehe meinen Willen an: ſondern vielmehr auß gantzem Hertzen
verlange ich/ daß du deinen Willen in allem vollbringeſt: hierauff hat die
gemeldte Heil. Jungfraw dieſe Wort auß dem goͤttlichen Mund zu hoͤren
verdienet. Der haben will/ daß ich offt zu ihm komme; der ge-
be mir den Schlůſſel ſeines Willens/ und fordere denſelben
niemahl wiederumb: Nach empfangener ſolcher Lection, hat die
fromme Gertrudis dieſes folgende Gebettlein taͤglich dreyhundert und
fuͤnff und ſechstzigmahl widerholet: Nicht mein/ ſondern dein
Will geſchehe/ mein allerliebſter JESV: Und hat erfah-
ren/ daß dieſe offt widerholte Reſignation dem Herrn ſonderbar gefallen
habe.
13. Auch hat der H.Macarius den Nutzen/ ſo unter dieſen wenigen Wor-
ten verborgen liget/ gnugſamb vermercket: dann/ da er einsmahls von zweyenRuff.
Aquil. n.
208.
gefragt worden/ wie man betten ſoll/ hat er ihm geantwortet: daß man im
Gebett vieler Wort ſich zu gebrauchen nicht noͤthig habe; ſondern man ſoll
die Haͤnd offt zu Gott erheben und ſagen: Herr/ wie du wilſt/ und
wie es dir gefaͤllig iſt/ alſo geſchehe: Dann GOtt weiß am be-
ſten/ was uns nuͤtzlich iſt: dieſes kurtze Gebett lobt uͤber die maſſen der ehr-
wuͤrdige Vatter Drexelius, und ſagt/ daß kein beſſeres/ noch ſchier
kuͤrtzeres/ kein vollkommeres/ kein GOTT gefaͤlligeres/ und
dem Menſchen nuͤtzlicheres Gebett ſeye/ dann dieſes eintzige: dein
Will geſchehe: nicht mein/ ſondern dein Will geſchehe: nicht/
wie ich/ ſondern/ wie du wilſt: dahero erfordert die goͤttliche Majeſtaͤt
von uns vor allem/ was wir oder reden/ oder thuen koͤnnen; daß wir
U u 2auß
[340]Die Sechs und zwantzigſte Geiſtliche Lection
auß dem innerſten unſeres Hertzen ſagen: Herr dein angenehmſter Will ge-
ſchehe: zumalen unter allem Gebett/ welches unſer Heyland auff Erden ver-
richtet hat/ iſt dieſes das hoͤchſte und fuͤrtrefflichſte geweſen: Vatter nicht
mein ſondern dein Will geſchehe: Wohl hat derhalben der Koͤnig-
Pſal. 14 [...].
v. o.
c. 7. v. 21.liche Prophet von GOtt begehrt und geſagt: Lehre mich deinen Wil-
len thun/ weilen du mein Gott biſt: Dann Chriſtus ſagt bey dem
H. Evangeliſten Matt.Der den Willen meines Vatters thuet/
der in den Himmelen iſt/ der wird eingehen ins Reich der
Himmelen.
14. Kuͤrtzlich zu ſagen; muß dieſer dein endlicher Schluß ſeyn/ mein Chriſt-
liche Seel/ daß du nemblich in allen deinen Widerwaͤrtigkeiten/ Verfolgun-
gen/ Verachtungen/ und ſo wohl gemeinen/ als eigenen Truͤbſeligkeiten als-
bald bey deinem Gott in dem Hochh. Sacrament deß Altars deine Zuflucht
nehmeſt/ demſelben deine ſo wohl gegenwaͤrtige/ als kuͤnfftige Noth klageſt/
und dich ohne einige Außnehmung in deſſen allerheiligſten Willen reſign reſt/
und ſageſt: O mein ſuͤſſeſter Heyland und Seligmacher JESU/ wann ich
ſchon all dieſes Ubel/ welches oder mir/ oder meinem Orden/ oder der Ehriſt-
Catholiſchen Kirchen bevor oder gegenwaͤrtiglich anſtoſſet/ nach meinem
Wohlgefallen/ ohne Suͤnd verhinderen koͤnte; ſo wolte ich ſolches ohne deinen
Willen nicht thuen: und wann du dieſes alles meinem freyen Willen anheim
ſtellen wuͤrdeſt; ſo wolte ich doch in dieſem Fall nichts erwaͤhlen; ſondern dich
mit meinem Gebett ſo lang plagen; biß daß nicht mein/ ſondern dein allerhei-
ligſter Will ſo wohl hier zeitlich/ als dort ewiglich erfuͤllet wuͤrde: wann wir
alſo mit unſerm GOtt umbgehen/ ſo koͤnnen wir nicht allein ſehr ruhig leben
auff Erden; ſondern auch in kurtzem zu groſſer Vollkommenheit/ und nach-
mahls zu groſſer Herrligkeit gelangen im Himmel.
15. Nun wollen wir dieſes alles zuletzt mit dem jenigen bekraͤfftigen/ was
Hiſtoria.von ihm ſelbſten der gottſelige Vatter Thaulerus erzehlet: dieſer hatte acht
gantzer Jahr lang Gott eifferig gebetten/ er moͤchte ihm doch einen Menſchen
zuweiſen/ davon er doch den kuͤrtzerm Weg der Vollkom̃enheit und deß Him-
mels erlernen koͤnte: da er nun einsmahls ſehr hefftig verlangte mit ſolchem
Menſchen zu reden/ da geduͤnckt ihm/ er hoͤre eine himmliſche Stimm/ krafft
deren ihm befohlen wurde/ er ſolle ſich zu der Kirchen-Thuͤr verfuͤgen/ daſelbſt
wuͤrd er finden/ was er verlanget: Thaulerus gehet hin/ und findet einen Bet-
ler/ deſſen Fuͤſſe mit einem boͤſen Geſchwaͤr gantz uͤberzogen/ und mit zerriſſe-
nen Kleidern ſchier nackend/ und voller Stanck und Unrath ware: dieſen
gruͤſſet er/ und wuͤnſchet ihm einen guten und gluͤckſeligen Tag worauffder
Bettler antwortet ich erinnere mich nicht/ daß ich bißhero einen uͤbelen Tag
gelebt
[341]Von der Ergebung in den Willen Gottes.
gelebt habe. Taulerus ſagt abermahl: GOtt wolle dich begluͤckſeeligen.
Der Bettler antwortet/ und ſagt; er wiſſe nicht was Widerwaͤrtigkeit/ und
was Armſeeligkeit ſeye. Taulerus widerholet ſeinen vorigen Wunſch und
ſpricht: ich ſage; GOtt wolle dich begluͤckſeeligen. Und ich antworte dir/
ſagt der Bettler/ daß ich niemahlen ungluͤckſeelig geweſen ſeye. Taulerus
ſagt weiters/ damit er den Bettler genau erforſchen moͤgte; ich wuͤnſche/
daß dir alles widerfahre/ was du verlangeſt. Der Bettler antwortet; mir
gehet alles nach meinem Wuͤnſch von ſtatten. So biſtu dan/ ſagt Tau-
lerus unter den Armſeeligen allein gluͤckſeelig; du biſt villeicht von der Regul
deß Jobs allein außgeſchloſſen; der da ſpricht: Der Menſch vom
Weibe gebohren/ wird mit vielem Elend erfůllet. Alſo
iſts/ ſagt der Bettler/ wie ich geſagt hab/ daß ich bißhero keinen ungluͤck-
ſeeligen Tag gelebt habe/ und mit dem Stand/ in den mich GOtt geſetzt
hat/ zu frieden ſeye. Jch brauch keine Gluͤckſeeligkeit/ dieweil ich im-
mer gluͤckſeelig bin: dann ich hab allzeit/ was ich will: derhalben ſag ich/
daß ich mich keines ungluͤckſeeligen Tags erinnere. Wann mich der Hun-
ger plaget/ ſo lobe ich GOtt als einen fuͤrſichtigen Vatter. Wann mich
die Kaͤlte ſtraͤnget/ die Hitze mich brennet/ und fort andere Ubeln mir zu-
ſetzen/ ſo preyſe ich ebenfals meinen GOtt. Wann mich ſchon einer ver-
wirfft und verachtet; ſo laſſe ich dennoch nicht ab den HErrn zu loben: dann
ich verſichert bin/ daß nicht das Gluͤck/ weder auch ein unvermuthlicher Zu-
fall; ſondern GOtt dieſes alles ein Urheber ſeye/ und koͤnne das/ was
GOtt thuet/ nicht anders als ſehr gut ſeyn So komme dann uͤber mich
was immer wolle; es iſt mir alles ſehr lieb und angenehm/ und ich nehme
ſolches mit froͤligem Hertzen von der Hand GOttes/ als meines allerlieb-
ſten und weiſeſten Vatters an: was da immer GOtt will/ daß will ich
auch; dahero gerathet mir alles/ wie ichs wuͤnſche. Der iſt fuͤrwahr
arm und ungluͤckſeelig/ welcher vermeinet/ daß er der Fortuͤn unterworf-
fen ſeye. Dieß iſt die wahre Gluͤckſeeligkeit deß gegenwaͤrtigen Lebens;
daß man dem Willen GOttes unablaͤßlich anhange. Der allergerech-
teſte und guͤtigſte Will GOttes kan niemahl verbeſſert/ niemahl verſchlim-
mert/ und niemahl boͤß werden. Dieſem Willen folge ich mit allen moͤ-
glichen Fleiß und Sorge; auff daß ich nemblich allzeit wolle/ was GOtt
wilt: und indem ich ſolches will/ vermeine ich/ daß ich zumahlen gluͤckſeelig
ſeye.
Hierauff hat der obgemeldte Taulerus dieſen Menſchen gefragt und
geſagt: bekenne mir mein guter Freund/ wolteſtu auch alſo beſchaffen
U u 3ſeyn/
[342]Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ſchaffen ſeyn/ wann dich Gott in die Hoͤll ſtuͤrtzen wolte; Jch/ ſagt der Bett-
ler/ wann ich ſolte zur Hoͤllen verdambt werden/ wolte mit denen beyden uͤ-
berauß ſtarcken Armben meinen Gott unauffloͤßlich faſſen; deren einer iſt die
allerniedrigſte Demut/ Krafft der ich mich ſelbſt auffopffere: der ander iſt
die auffrichtigſte Lieb/ mit welcher ich Gott uͤber alles liebe. Mit dieſen Arm-
ben wolte ich meinen Gott ſo veſtiglich und hertzhafft umbfaſſen; daß ich ihn/
er moͤgte mich werffen/ wohin er immer wolte/ mit mir dahin ziehete.
Es iſt einmahl gewiß/ daß ich lieber wolte mit meinem Gott auſſer dem
Himmel/ als ohne denſelben im Himmel ſeyn. Auff dieſe Reden iſt der
fromme Taulerus erſtummet/ und hat wargenommen/ daß dieſer der kurtze
Weeg zu GOtt ſeye/ den er zu lernen ſo lang verlangt hatte. Nun hat
er gleichwohl weiters fragen/ und die in ſo veraͤchtlichem Huͤtlein ver-
borgene Weißheit ans Licht bringen wollen: derhalben hat er begehrt zu wiſ-
ſen/ woher/ und von wem er dahin ſeye geſchickt worden; und hat vom Bett-
ler zur Antwort bekommen/ daß er von GOtt geſandt ſeye. Taulerus
fragt: wo haſtu GOtt gefunden? da ich/ ſagt der Bettler/ alles Jrrdiſche
verlaſſen/ da hab ich GOtt gefunden. Wo haſtu dann/ fragt Taulerus,
GOtt gelaſſen? Jn den Hertzen/ die rein/ und eines guten Willens ſeynd/
antwortet der Bettler. Taulerus bittet den Bettler/ er wolle ihm ſagen/
was er vor ein Menſch ſeye. Der Bettler antwortet ich bin ein Koͤnig. Tau-
lerus erſetzt hierauff/ und ſagt: ich will glauben/ daß du ein Koͤnig ſeyeſt;
wo iſt aber dein Reich? Jn meiner Seelen/ ſagt der Bettler: dann ich hab
ſo groſſe Wiſſenſchafft/ meine euſſerliche und innerliche Sinne zu beher-
ſchen/ daß alle Sinnligkeiten und Kraͤfften meiner Seelen ſich mir unter-
werffen: und ich bin verſichert/ daß dieſes Reich/ nach aller verſtaͤndigen
Meinung/ andere Reiche diſer Welt weit uͤbertreffe. Endlich macht Taulerus
dieſer Fragen ein End/ und verlangt zu wiſſen; von wem er dieſe Ding er-
lernet habe? da ſpricht der Bettler: dieß lehret mich die Vereinigung mit
dem Willen GOttes. Taulerus wuͤnſchet dem Menſchen geſundheit/
nimbt ſein Abſchied/ und erwehlet denſelben/ oder vielmehr ſeine vielfaͤltig
gegebene Antwort zum Unterweiſer und Lehr-Meiſter deß kurtzen/ gewiſſen
und ſichern Weegs/ der den Menſchen zu Gott leitet. Haſtu nun warge-
nommen/ mein Chriſtliche Seel/ wie groſſe und himmliſche Gnaden
die heroiſche Reſignation oder Ergebung in den Willen GOTTES/
mit ſich fuͤhre? Ey ſo laſſe dir noch gefallen zu hoͤren das mehr als maͤnliche
Exempel der H. Eliſabeth Koͤnigin in Ungarn. Da ſelbiger hinterbracht
wor-
[343]Von der Ergebung in den Willen Gottes.
worden/ daß ihr Ehe-Gemahl Ludovicus in Beſtreitung deß heiligen
Lands mit todt erblichen; hat ſie ſich alsbald ins Gebett begeben/ und ihren
lieben GOtt alſo angeredet du weiſt wohl/ mein Gott und Herr/ daß ich
die Gegenwart meines Che-Herrn hoͤher ſchaͤtzte/ als alle Wolluͤſten der
gantzen Welt: dieweilen es dir aber alſo gefallen hat; ſo bin ich dergeſtalt
zu frieden; daß wann ich ſchon ſelbigen auch mit dem geringſten Haͤrlein/ oh-
ne dein Goͤttliches Wohlgefallen wider haben koͤnnte/ ich doch ſolches
nicht begehren wolte. Alſo/ alſo vereinige deinen Willen mit dem
Willen GOTTES/ und verſichere dich/ daß du deinem Herrn/ dem
du dich zu dienen verpflichtet haſt/ kein angenehmere Dienſten auff Erden
immer werdeſt leiſten koͤnnen.
Die Sieben und Zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Geiſtlichen Freud.
ich/ erfreuet euch.’
1. EJnmahl gewiß iſt/ daß die unordentliche Traurigkeit der menſch-
lichen Geſundheit dem Leib nach ſehr ſchaͤdlich ſeye: daß ſie aber auch
ein Wurtzel vieler Laſter ſeye/ und dem Menſchen groſſen Scha-
den zufuͤge der Seelen nach; dieß wird ſich im Verfolg der angefangenen
Lection mit mehrerem zeigen. Und zwarn erſtlich wollen einige die-
ſem Ubel die folgende Wort deß Koͤniglichen Propheten zueignen:
Du
[344]Die Sieben und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Pſ. 103. v.
20.Du haſt die Finſternuß gemacht/ daß es Nacht wird: in
derſelben gehen alle Thiere deß Walds hervor. Das iſt;
in einem Hertzen/ ſo mit Bitterkeit erfullet iſt/ werden vielerley Suͤnden
Rodr. p.
2. tr. 6. c. 1.herfuͤr gehen: dann die Traurigkeit/ ſagt der H. Franciſcus entweder ſtuͤr-
tzet den Menſchen in den Abgrund der Verzweifflung; oder bringt ihn durch
die weltliche Wolluͤſten in eine ſehr ſchaͤdliche Außgelaſſenheit: dieſer Urſa-
chen halben erfreuet ſich der boͤſe Feind nicht wenig/ wann er einen Diener
GOttes traurig ſehet. Derhalben ermahnet uns wohl der weiſe Mann/
und ſagt: Traurigkeit hat viel Leuthe getoͤdtet/ und ſie bringet keinen Nutzen.
Sup.
Matt.Und der H. Kirchen-Lehrer Hieronymus iſt der Meynung/ daß keine Sach
den Menſchen alſo truncken mache/ als eben die Zerſtoͤhrungs deß Ge-
muͤts/ das iſt/ die Traurigkeit; welche den Menſchen/ ſagt er/ zum todt
fuͤhret/ und iſt eine grauſame Trunckenheit. Auch hat der obgemeldte
Franciſcus an ſich ſelbſt erfahren/ daß die innerliche Freud ein bewehrtes
Schild wider den Geiſts der Unluſts ſeye; darumb hat er ſeinen geiſtli-
chen Bruͤdern die geiſtliche Froͤhligkeit unauffhoͤrlich anbefohlen: und wann
er einen traurig geſehen/ hat er ihn mit Worten beſtraffet und geſagt: daß
nicht die jenige/ welche GOTT; ſondern die der Welt/ dem Fleiſch und
dem Teuffel dienen/ muͤſſen traurig ſeyn: zumahlen in Traurigkeit ſehr
viele Fehler/ und ein groſſe Bitterkeit verborgen ligen; dahero meinet der
Gott-ſeelige Petrus Faber und der geiſtreiche Alvarez, daß es ſicherer ſeye/
wann einer der Froͤhligkeit zu viel ergeben iſt; als wann er zu viel traurig
iſt: dann gleich wie GOtt/ nach Zeugnuß deß H. Pauli/ einen froͤligen Ge-
ber lieb hat; alſo muß demſelbigen ein trauriger Geber ſehr mißfallen. Da-
Apopht.
6. L. 1.hero ſchreibt der geiſtreiche Nicolaus Liræus von einer GOtt-verlobten
Jungfrauen/ welche der H. Magdalenæ de Pazzis, nach ihrem Todt er-
ſchienen/ und geſagt/ daß ſie fuͤnff Stund lang die Peinen deß Feg-Feurs
habe außſtehen muͤſſen/ dieweilen ſie einiger unmaͤſſigen Traurigkeit ſich
der Gebuͤhr nach nicht entſchlagen habe.
2. Was nun geſagt iſt/ daß iſt alles von der boͤſen Traurigkeit zu verſte-
hen/ und nicht von der guten und geiſtlichen/ in welcher ſich der Menſch
in GOtt und umb GOttes Willen uͤbet; und wie der Ehr-wuͤrdige Pa-
ter Rodriquez vermeinet/ auß einer vier-faͤltigen Urſach herkommet.
Erſtlich auß den eigenen Suͤnden: von dero der Apoſtel den Corin-
2. Cor. 7.
v. 9.thern alſo zuſchreibet: Jch erfreue mich/ nicht darumb/ daß
ihr ſeyd betrůbet worden; ſondern daß ihr ſeyet zur
Buß betrůbet worden: dann ihr ſeyd nach GOTT be-
trůbet worden: dann die Traurigkeit/ die nach GOtt
iſt/
[345]Von der geiſtlichen Frewd.
iſt/ wircket Buß zur beſtaͤndiger Seeligkeit. Zum andern
auß den frembden Sunden; wieder fromme David von ſich ſelbſten beken-
net: Mein E[i]ffer hat gemacht/ daß ich verſchmachtet bin;Pſ. 118. v.
139.
darumb daß meine Feind deine Wort vergeſſen haben.
Zum dritten auß dem Verlangen der Vollkommenheit/ nach den Worten
Chriſti: Seelig ſeynd/ die da huͤngern und důrſten nach derMatt. 5.
v. 6.
Gerechtigkeit; dann ſie werden erſaͤttiget werden. Zum
vierten: auß verſchiebung der ewigen Seeligkeit; in welcher Trawrigkeit
der gemeldte David abermahl mit dieſen Klag-Worten außſchreyet: We-Pſ. 119. v.
5.
L. 9. Inſt.
c. 12.
he mir/ daß meine Pilgerfahrt ſo lang ſich verweilet hat!
Derhalben ſagt der gottſeelige Caſſianus: alle Trawrigkeit/ auſſer der
Trawrigkeit/ ſo da wegen der heylſamen Buß; oder zu Erlangung der
Vollkommenheit; oder auß Begird der kuͤnfftigen Dingen geuͤbet wird/ muß
gleich wie eine weltliche/ und dem menſchlichen Leben ſehr ſchaͤdliche Tran-
rigkeit vertrieben/ und wie der Geiſt der Unkeuſchheit/ deß Geitzes und Zorns
auß unſern Hertzen verbannet werden: wider ſolche unordentliche Traw-
rigkeit gibt der Apoſtel Paulus die obangezogene Artzney/ indem er uns zur
geiſtlichen Frewde auffmuntert/ und ſagt: Erfrewet euch im Herrn
allzeit: ich ſage abermahl/ erfrewet euch: Und daß zwarn billig;
ſintemahlen ein froͤhlig Hertz/ ſpricht der weiſe Salomon/ macht einProv. 15.
v. 13.
froͤhlig Angeſicht: aber wann das Gemůth trawrig iſt/ ſo
wird der Geiſt niedergetrůcket werden.
3. So iſt auſſer aller Verwunderung/ daß die geiſtliche Vaͤtter dieſe Froͤ-
ligkeit nicht allein nicht verachtet/ ſondern ihren Kindern dieſelbige mit allem
Ernſt anbefohlen haben. Auß deren Zahl der fromme Altvatter und Vor-Nicol.
Lyr.
ſteher Apollo, welcher ſeine fuͤnff hundert Juͤnger lehrete/ ſie ſolten immer
und allzeit ſo froͤlig und wohlgemuthet ſeyn; daß man der gleichen Froͤligkeit
auff Erden nicht ſehen koͤnte: und der geiſtreiche Apollonius redete ſeine
Bruͤder mit dieſen Worten an und ſagte: laſſet die Heiden/ Juden und ande-
re Unglaubige traurig ſeyn: die Gerechte/ ſo da in der lebendigen Hoffnung
die himmliſche Guͤter erwarten/ ſollen ſich erfrewen und frolocken: dieß hat
uns mit ſeinem Exempel gelehret der H. Einſidler Antonius; welchem der
ehrwuͤrdige P. Joannes Berckman auß der Societaͤt Jesu nachgefolget/ und
immer alſo luͤſtig und froͤlig außgeſehen/ daß ihn einige ſchertzweiß den Heil.
Hilarium, andere den H. Lætum genennet haben: dieſer bekennete gern/ daß
er nicht wuͤſte/ was Melancholie oder melancholiſch ſeye; und bettete taͤg-
lich umb Erhaltung der geiſtlichen Froͤligkeit: dieſes froͤligen Joannis er-
X xſter
[346]Die Sieben und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ſter Vatter und Stiffter Ignatius erfrewete ſich auch nicht wenig/ wann er
die ſeinige froͤlig und frewdig ſahe: und da auß deſſen Geiſtlichen einer/ noch
ein Newling/ Nahmens Franciſcus Coſterus dem Lachen zugethan ware;
ſagte der H. Vatter einsmahls zu ihm Franciſce ich hoͤre/ daß du allzeit la-
cheſt: indem nun ſelbiger mit bloͤdem Angeſicht eine ernſtliche Beſtraffung
Lyræus.erwartete; ſetzete der Heil. Ignatius an ſtatt deren hinzu: Vnd ich ſage
dir/ mein Sohn/ lache und erfrewe dich im Herrn; dann
ein Geiſtlicher hat keine Vrſach betrůbt; ſondern viele froͤ-
Engelg.
Fer. 3.
Bacch.lig zu ſeyn: Deßgleichen thaͤte die H. Maria Magdalena de Urſinis ein
Novitzen-Meiſterin; ſo ihren lachenden Kindern zu ſagen pflegte: lachet/
meine Toͤchter/ lachet nur; weilen ihr billige Urſach habt euch zu
erfrewen/ daß ihr den gefaͤhrlichen Wellen der ſchnoͤden Welt entzogen/
in dieſem ſichern Hafen deß geiſtlichen Stands lebet.
4. Die weitere Urſach aber/ warumb die von GOTT erleuchtete
Maͤnner bey ihren Geiſtlichen die Frewd deß Geiſtes verlangen/ iſt dieſe;
weilen nemblich ſothane Frewd unſere gute Werck vollkommen/ und GOtt
angenehm machet/ welcher einen froͤligen Geber lieb hat: und weilen die-
ſelbige Froͤligkeit auch die Verſuchungen uͤberwinden helffet/ wie oben
im dritten Theil der Lection von den Verſuchungen mit mehreren zu
ſehen iſt: Auch ſtaͤrcket ſie den Menſchen in der Verharrung: dann
gleich wie keine Sach lang dauret/ die gar zu ſtreng und ungeſtuͤm iſt;
alſo verharret ein jeder gern darinnen/ ſo er mit Frewden anfanget: dar-
neben iſt auch/ nach Zeugnuͤß deß Heil. Bernardi, kein groͤſſeres Zei-
chen/ daß der Heil. Geiſt bey dem Menſchen wohne/ als eben die geiſt-
liche Frewd: und dieſe iſt/ ſagt weiters dieſer heilige Mann/ die wahre
und hoͤchſte Frewd; daß man ſich nicht uͤber die Creaturen/ ſondern uͤber
den Erſchaͤffer derſelben erfrewe: wirſt du dieſe einmahl empfangen haben;
ſo wird ſie dir keiner abnehmen: in deren Vergleichung alle irdiſche Froͤ-
ligkeit ein lauter Trawrigkeit/ alle Suͤſſigkeit ein Bitterkeit/ all
Liebligkeit ein Schmertzen/ alle Schoͤnheit eine Heßligkeit/ und al-
les/ was da immer beluͤſtigen kan/ dir ſchwaͤr und uͤberlaͤſtig iſt: und die-
ſes ſcheinen die Wort deß weiſen Manns zu bekraͤfftigen/ da er alſo ſpricht:
Eccli. 30.
16.
Prov. 15.
15.
L. 3. c. 10.
§. 5.Es iſt keine Luſt groͤſſer/ als die Frewde deß Hertzens:
dann ein ruhig Gemůth iſt ein ſtaͤtig Wohlleben: Glaube
derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ dem gottſeeligen Thomæ à Kempis, der
dich mit dieſen holdſeligen Worten alſo verſichert/ und ſagt: Sie werden
die allerſůſſeſte Troͤſtung deß Heil. Geiſtes finden die umb
Gottes
[347]Von der Geiſtlichen Frewd.
Gottes willen allen fleiſchlichen Troſt hinweg geworffen
haben: Und gleich wie Waſſer und Fewer ſich nicht zuſammen vertra-
gen; alſo koͤnnen die geiſtliche und weltliche Frewden nicht zuſammen ſtehen.
5. Auff daß du aber die irdiſche Ergoͤtzlichkeiten haſſen/ und die geiſtliche
lieben moͤgeſt/ ſo betrachte den Unterſcheid zwiſchen dieſen beyden Frewden.
Dieſer iſt/ ſagt der Heil. Gregorius/ der Unterſcheid zwiſchen den LuͤſtenHom. 30.
in Evang.
deß Hertzens/ und zwiſchen den Luͤſten deß Leibs; daß die leibliche/ wann der
Menſch ſelbige nicht hat/ eine groſſe Begird in ſich ſelbſt entzuͤnden: wann
aber ſelbiger dieſe begierig genieſſet/ ſo verurſachen ſie ihm durch die Erſaͤt-
tigung einen Verdruß und Widerwillen: hergegen aber die geiſtliche Wol-
luͤſten bringen niemahlen den geringſten Unluſt: hat man ſie nicht/ ſoſeynd
ſie nicht angenehm; wan man ſie aber hat/ ſo verlangt man ſelbige. Jn jenen
iſt das Verlangen oder Appetit gefaͤllig/ die Erfahrnuͤß aber mißfaͤllig: in
dieſen geiſtlichen aber iſt das Verlangen ſchlecht und gering/ die
Erfahrnuͤß aber und der ſtaͤte Gebrauch iſt immerzu annehmlich. Jn jenen
bringet das Verlangen oder Appetit die Erſaͤttigung/ die Erſaͤttigung
aber endiget ſich mit einem Widerwillen: in dieſen aber bringt das Ver-
langen auch die Erſaͤttigung; dieſe Erſaͤttigung aber hat immer bey ſich
das Verlangen; zumahlen die geiſtliche Frewden die Begird in
der Seelen entzuͤnden/ indem ſie erſaͤttigen; dann wie mehr man derſelben
Geſchmack empfindet/ deſto mehr wird er erkennet/ und nochmahlen geliebet:
und derhalben kan man ſie nicht lieben/ wann man ſie nicht hat; weilen man
von derſelben Geſchmack keine Erfahrnuͤß hat: alſo redet von der geiſtlichen
Frewde der H. Kirchen-Lehrer Gregorius.
6. Dieſe geiſtliche Frewd aber kan nicht allein ſehr wohl mit den Wider-
waͤrtigkeiten/ Verfolgungen und andern Zufaͤllen zugleich ſtehen; ſondern
wird noch durch ſelbige vermehret; wie der H. Apoſtel Paulus von ſich ſelb-
ſten ſagt: Jch bin mit Troſt erfůllet/ und hab ůberſchweng-2. Cor. 7.
4.
liche Frewde in aller unſer Trůbſall: Dann ein Diener Gottes/
indem er ſeinen Herrn ſo grauſamlich umb ſeinet willen verwundet anſchauet/
kan nicht anders/ als ſich erfrewen/ daß er wuͤrdig geachtet werde/ fuͤr ſeinen
Herrn zu leiden; weilen er demſelben dadurch gleich gemacht wird. Daß nunIn Pſ. 137.
der H. Auguſtinus von den Z[aͤ]hren deß bettenden ſagt/ daß dieſe ſuͤſſer ſeyen/
als die Frewden der Schaubuͤhnen; daß kan auch von einer jeden Widerwaͤr-
tigkeit/ ſo der Menſch auß Liebe GOttes erduͤldet/ geſagt werden; daß ſie
nemblich eine groͤſſere Ergoͤtzlichkeit nach ſich fuͤhre/ dann alle Frew-
den der Welt: hieruͤber wollen wir den glaubwuͤrdigen/ und in dieſer
X x 2Sach
[348]Die Sieben und zwantzigſte Geiſtliche Lection
Sach erfahrnen H. Hieronymum von ſich ſelbſt alſo reden laſſen: Der
Herr iſt mein Zeug; daß es mich manchmahl gedunckte
nach vielen vergoſſenen Zaͤhren/ und da ich mit erhebten
Augen den Himmel anſchawete; ich waͤre unter den Cho-
ren der Engelen; dahero ſunge ich fůr Frewd und Froͤlig-
keit. So ermahnet uns recht und wohl der andachtige Thomas à Kempis,
L. 3. c. 30.
§. 6.welcher im Nahmen Chriſti ein jede Chriſtglaubige Seel alſo anredet: So
du es recht verſteheſt/ und in der Warheit anſieheſt; ſo ſolſt
du umb Widerwaͤrtigkeit willen nimmermehr ſo gar trau-
rig und erſchlagen ſeyn; ſondern vielmehr Frewd haben/
und Danck ſagen; ja eben daß fůr ein ſondere Freud achten/
daß ich dich mit ſchmertzen peinige/ und dir nichts ůberſehe.
7. Daß nun die vollkommene Frewd nicht in den erſprießlichen und gluͤck-
ſeligen/ ſondern in den widerwaͤrtigen Dingen beſtehe; lehret uns der ſeraphi-
ſche Franciſcus auff ſeiner Reiſe zur Kirchen der. H. Mariæ von den Engelen:
auff dieſem Weeg und in der bittereſten Kaͤlte ſagt der H. Vatter zu ſeinem
Geſellen dem Bruder Leo: mein lieber Bruder Leo, wann die Minnen-
Bruͤder uͤberall ein Exempel geben groſſer Heyligkeit und Auffer bawung;
ſo zeichne doch fleiſſig auff in deinem Taͤfflein/ daß darinn die vollkommene
Frewd nit beſtehe: uͤber ein wenig rufft er den. gemeldten Bruder/ ſo vorauß
gangen ware/ zuruͤck/ und ſagt: Bruder Leo, wan ſchon ein Minnen-Bruͤder
die Blinde ſchend/ die Lahme gerad/ die Gichtbruͤchtige gehend/ die Taube
hoͤrend/ und die Stumme redend machet; wann er ſchon die Teuffel außtrei-
bet/ und/ was noch mehr iſt/ einen viertaͤgigen Todten aufferwecket; ſo iſt doch
allhier nicht zu finden die vollkommene Frewd: bald darauff ſagt er wieder-
umb: Bruder Leo; wan ein Minnen-Bruͤder die Sprachen aller Nationen/
alle Wiſſenſchafften und die H. Schrifft nach aller Vollkommenheit verſtuͤn-
de; und wan er nicht allein weiſſagen/ und die kuͤnfftige Ding vorſagen; ſon-
dern auch die Hertzen und Gewiſſen der Menſchen beſehawen koͤnte: zeichne
auff; daß allda noch keine vollkommene Frewd ſeye: indem nun dieſe beyde
ihre Reiß als weiters fortſetzten; ſagt abermahl der H. Vatter zu ſeinem Ge-
faͤrten mit harter Stimm: O mein Bruder Leo: wann ſchon einer auß uns
mit einer Engliſchen Zung redete/ verſtuͤnde auch den Lauff der Sternen und
die Kraͤfften der Kraͤuter; und wan ihm ſchon auch die Schaͤtz der Erden of-
fenbahret wuͤrden; wan er auch die Tugenden und Eigenſchafften der Voͤgel/
der Fiſch/ der Thieren/ der Menſchen/ der Wurtzeln/ der Steine/ der Baͤum
und Waͤſſer erkennete/ ſo ſchreibe gleichwol an/ daß darin nit beſtehe die voll-
kommene
[349]Von der Geiſtlichen Freud.
kommene Freud: bald hernach redet er weiters ſeinen Mitgeſellen an/ und ſagt:
Bruder Leo: wann ſchon unſer einer ſo wohl predigen koͤnnte/ daß er alle
Heyden und Unglaubigen zum wahren Glauben bekchrete; ſo ſchreibe an;
daß darinn auch nicht ſeye die vollkommene Freud. Nachdem ſolche neue
und frembde Weiß zu predigen ungefehr zwey Meil Weegs lang gedauret;
hat der offtgemeldte Bruder Leo den H. Franciſcum gefragt/ worinn dann
die wahre und vollkommene Freud beſtehe? deme der H. Vatter alſo geant-
wortet: wann wir gantz naß/ und mit Eyß uͤber den gantzen Leib befrohren/
auch mit Koth zumahlen beſudlet/ darzu mit Hunger und Durſt geplaget/
zum Ort der H. Mariaͤ von den Engeln werden kommen ſeyn/ und der
Pfoͤrtner mit zoͤrnigen und troͤtzigen Worten uns fragen wird: wer
ſeyd ihr? wir aber antworten/ daß wir zwey ſeiner Bruͤder ſeyen: und
er wird hergegen mit ſchmaͤhligen Worten uͤber uns außfahren und ſagen:
Jhr ſeyet meine Bruͤder nicht/ ſondern ſeyet zwey Land-Streicher/ und
ſtehlet den Armen ihre Allmoſen ab: und wird uns nicht hinein/ ſondern
vor der Pforten im Schnee und Kaͤlte/ in Hunger und Durſt ſtehen laſſen:
wann er alſo mit uns umbgehen wird/ und wir ſo viele Abſchlagungen und
vielfaͤltige Unbill ohne Murren und Verſtoͤhrung deß Gemuͤts gedultig
leyden/ und gedencken in aller Lieb und Demut/ daß dieſer Pfoͤrtner uns
recht nach unſerm verdienten Lohn begruͤſſet habe; und daß Gott in de-
nen Scheld-Worten deſſen Zung regieret habe: und wann wir darzu noch
fuͤr ſo holdſeelige Auffnehmung dem Herrn danck ſagen: ſo ſchreibe/ ſchreibe/
mein Bruder Leo/ ſchreibe: was? verzeichne in dein Taͤfflein: Allhier
iſt die wahre und vollkommene Freud. Wann wir nun wei-
ters umb Herberg anhalten; der Pfoͤrtner aber herauß kombt/ und uns als
ungeſtuͤmme und freche Geſellen ſehr ſcharff hernimbt und ſagt: gehet fort
ihr Schelmen/ und ſuchet ein Hoſpital oder einen anderen Ort/ ihr habt al-
hier nichts zu gewarten. Ertragen wir dieſes mit Freuden/ und nehmen
alles mit hertzlicher Liebe an: Bruder Leo ſchreib: allhier iſt die vollkom-
mene Freud. Und wann wir in ſolchem elenden Stand bey einfallender
Nacht weiters anklopffen/ ruffen und anhalten/ daß wir moͤgen eingelaſſen
werden: er aber wird dadurch zu mehrerm Eyffer angereitzet/ und ſagt:
daß ſeynd mir wohl heilloſe und unverſchaͤmbte Geſellen; ich muß hinauß
gehen/ und ſie befriedigen: kombt hierauff mit einem Knoͤpaͤchtigen Bruͤ-
gel auff uns zu/ grifft uns bey der Zugel und reiſſet uns in den heßlichen
Koth und kalten Schnee zu Boden/ und ſchlagt uns dermaſſen mit
X x 3dem
[350]Die Sieben und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
dem gemeldten Bruͤgel/ daß unſer Leib voller Wunden ſeye. Erdulden
wir ſothane Ubelen/ ſo viele Schlaͤg und Schmaͤh-Wort mit Freuden/
und achten ſelbige hoch; wuͤnſchen und verlangen auch umb der Lieb Chri-
ſti willen mehr zu leyden; ſchreib/ ſchreib/ mein Bruder Leo/ ſchreib an/
daß in dieſen Dingen ſey die vollkommene Freud. Hoͤre nun den Schluß.
Unter allen Gaben deß Heil. Geiſtes/ die unſer Heyland ſeinen Dienern er-
theilt hat/ und ertheilen wird/ iſt die hoͤchſte und fuͤrnehmbſte/ daß man
ſich ſelbſt uͤberwinde/ und umb GOttes Willen gern Schand- und Schmach-
Reden/ Unbill und Plagen/ und andere dergleichen unannemblichkeiten
leide. Dann uͤber alle oben gemeldte wunderſeltſame Dinge koͤnnen wir
uns nicht beruͤhmen/ dieweilen ſie nicht unſer ſeynd/ und von uns nicht her-
kommen; ſondern von GOtt: Was haſtu/ ſagt der Apoſtel/ daß
du nicht bekommen haſt: wann du es aber bekommen
haſt/ was růhmeſtu dich/ als wann du es nicht bekom-
men hetteſt: Jm Creutz und Leyden aber koͤnnen wir uns ruͤhmen/
Gal. 6. v.
14.und ſagen; das iſt unſer: dahero ſagt der obgemeldte Apoſtel: Es
ſeye weit von mir/ daß ich mich růhme/ ohn in dem
Creutz unſers HErrn JEſu Chriſti; durch welchen
mir die Welt gecreutziget iſt/ und ich der Welt. Mit ei-
nem Wort/ mein lieber Bruder Leo; dieſe iſt unſer Ehr und Ruhm; das
iſt unſer Freud/ daß wir auß Liebe Chriſti viel leyden. Hier haſtu nun/ mein
Chriſtliche Seel/ ein fuͤrtreffliches Beyſpiel der geiſtlichen Freude; du
haſt ein Spiegel/ in dem du klaͤrlich ſehen kanſt/ wie weit du noch von
der wahren Freud entfernet ſeyeſt. Derhalben befleiſſe dieſe kuͤrtzlich ent-
worffene Freud faſt zu halten; ſo wirſtu ohne allen Zweiffel den Befelch
deß Apoſtels erfuͤllen/ der da ſpricht: Erfreuet euch im HErrn
allzeit: abermahl ſag ich; erfruet euch.
Die
[351]
Die Acht und zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Guten Meinung.
Sive manducatis, ſive bibitis, ſive aliud quid facitis,1. Cor. 10.
v. [...]1.
omnia in Gloriam Dei facite.
anders; ſo thuet alles zu der Ehren GOttes.’
Der Erſte Theil.
1. EHe und zu bevorn man ſich einer Sach befleiſſen will; iſt
dienlich/ daß man derſelben Eigenſchafft erkenne: derhalben
ſagen wir/ daß die gute Intention oder Meinung ſeye ein
Wirckung deß Willens/ krafft deren die Wercke deß Menſchen zu ei-
nem ſicheren uͤbernatuͤrlichen Ziel/ und End gerichtet werden. Die-
ſe iſt der Anfang/ das Ziel/ und die Zierd aller Tugenden: von welcherCant. 4.
v. 9.
die Braut alſo redet und ſagt: Du haſt mein Hertz verwun-
det/ meine Schweſter/ meine Braut: du haſt mein
Hertz verwundet mit einem deiner Augen: das iſt/ wie
der gelchrte Honorius ſagt: in einer Meinung; wann die Seel nur
eins vom HERRN begehret; daß ſie nemblich moͤge wohnen im
Hauß deß HERRN alle Tage ihres Lebens. Vnd mit ei-
nem Haar deines Halſes: Als wolt ſie ſagen/ in einem
Gedan-
[352]Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
Gedancken deß Verſtands/ durch welche ſie in Erkaͤndtnuß kombt/ daß
GOtt das hoͤchſte Gut ſeye. Dieſe gute Meynung aber iſt dreyfach. Die
erſte iſt die jenige/ mit welcher der Menſch das gute wircket auß Forcht
der Straff. Die andere iſt die jenige/ mit welcher man guts thuet in
Anſchung der ewigen Belohnung. Die dritte Meynung iſt/ Krafft
dern der Menſch GOtt dienet/ wegen deſſen unendlichen Guͤtigkeit/ und nur
einfaͤltiglich die Ehr GOttes ſuchet. Von dieſen ſpricht nun der H. Do-
ro heus alſo: Drey unterſchiedliche Staͤnd ſeynd/ nach dem Sinn deß H.
Baſilii; in denen wir GOtt dienen/ und demſelben angenehm ſeyn koͤnnen.
Wann wir die Straff foͤrchten/ ſo ſeynd wir im Stand der Knechten: hal-
ten wir die Gebott GOttes umb unſeres Nutzen willen; damit wir nemb-
lich den verſprochenen Lohn darvon tragen moͤgen; ſo leben wir im Stand
der Tag-Loͤhner: wann wir aber deß Guten uns befleiſſen wegen deß Gu-
ten; ſo haben wir unſere Stell in der Zahl der Kindern GOttes. Es
wird aber ein jede vondieſen Meynungen getheilet/ in eine wuͤrckliche/ ſo
da ſelbſt das Werck zum End bringet; und in eine Kraffthabende/ welche
in Krafft der vorhergehenden Wirckung das Werck zum End verordnet.
2. Dieſe Meynung iſt zur Verſamblung der Tugend ſo nothwendig/
daß ohne ſelbige auch kein eintzige kan erworben werden: dann gleich wie ein
Gebaͤu/ ſagt der H. Gregorius auff den Seulen/ die Seulen aber auff dem
In Moral.Grundveſt beſtehen; alſo muß ſich unſer Leben auff die Tugenden/ die Tu-
genden aber muͤſſen ſich auff die innereſte Meynung laͤhnen. Dahero ſagt
Matth. 6.
v. 22.Chriſtus: Das Liecht deines Leibs iſt dein Aug: Wann
dein Aug einfaͤltig iſt (das iſt deine gute und auffrichtige Meynung)
ſo wird dein gantzer Leib Licht ſeyn; das iſt/ deine Werck wer-
den Tugendſamb und Gott-gefaͤllig ſeyn. Wann aber dein Aug
ſchalckhafftig iſt (nemblich durch eine verkehrte Meynung) ſo wird
dein gantzer Leib finſter ſeyn: das iſt/ ob ſchon deine Werck
rechtfertig ſcheinen/ ſo werden ſie doch ſuͤndhafft ſeyn. Hierauß iſt ent-
ſtanden das gemeine Sprich-Wort:
Quidquid agent homines,Intentio judicat omnes,
Jn allem was die Leuth verrichten/Thut deren Meynung ſelbe richten.
Mangelt dir die Meynung; ſo ſeynd deine Werck/ nach Zeugnuß deß Geiſt-
reichen Richardi/ todt/ was der Leib iſt ohne Leben/ das iſt das Werck
ohne
[353]Von der guten Meinung.
ohne die gute Meinung. Ermahnet uns dann nicht wohl der H. Apoſtel Pau-
lus/ und ſagt: Jhr eſſet/ oder ihr trincket/ oder ihr thut was
anders/ alles ſolt ihr zur Ehren GOttes thun? Alſo hat
Chriſtus unſer Heyland ſeine liebe Braut die andaͤchtige Gertraud unter-
wieſen/ daß ſie alle ihre Werck/ eins nach dem andern/ ſo gar auch biß zu den
Buchſtaben/ da ſie ſchreiben oder hoͤren wuͤrde; biß auff die Biſſen/ ſo ſie in
den Mund ſtecken, biß auff den Athem/ den ſie ſo wohl ſchlaffend als wachend
ziehen wuͤrde/ GOtt auffopffern ſolte. Der heiligen Mechtildi hat Chriſtus
dieſen Rath gegeben/ und geſagt: Wann einer ſich zum ſchlaffen begeben will/
ſo betrachte er vorhero etwas von mir/ oder rede mit mir: dann alſo wird er
mit dem Hertzen zu mir wachen/ ob ſchon er dem Leib nach ſchlaffet: und
wann einer/ der ſich zum ſchlaffen bereitet/ verlanget/ daß ich allen ſeinen A-
them/ ſo er dieſelbe Nacht laſſen wuͤrde/ zu meinem groſſen Lob auffnehmen
ſoll; ſo will ich/ der ich meinen frommen und andaͤchtigen Kindern nicht er-
mangeln kan/ ſein Begehren in der Warheit erfuͤllen.
3. So mache dann/ mein Chriſtliche Seel/ vor allen deinen Worten/
Wercken und Gedancken immer eine gute Meinung: weilen du durch ſolche
Ubung ſehr groſſen Nutzen zu ſchoͤpffen findeſt; wie auß folgender Offenbah-
rung zu erſehen iſt; in welcher Chriſtus die Heil. Gertraud mit dieſen Wor-
ten verſichert hat. So offt einer vor dem Eſſen und Trinckẽ mich bitten wird/
daß ich ihm meine Gnad verleyhe/ damit er die Speiß und Tranck zu Ehren
meines Namens maͤſſig nehme/ in Vereinigung der jenigen Lieb/ krafft deren
ich fuͤr ihn bin Menſch worden/ und alſo der Speiß und Tranck/ gleich an-
dern mich gebraucht hab: ſo offt er ſolches/ oder dergleichen/ vor oder zwiſchen
der Erquickung wird geuͤbet haben; ſo offt will ich geſtehen/ daß ich mit ihmDe Diſ-
cipl. mor
c. 24. co
3.
geſpeiſet/ und eine mir ſehr angenehme Labung von ihm empfangen habe.
Hierauß kanſt du ſchlieſſen/ daß ein Geiſtlicher/ ſo dieſer Ubung embſig obli-
get/ in einer Woehen mehr verdiene/ als eben ein Traͤger und Nachlaͤſſiger
in einem gantzen Jahr: dann gleich wie ein kleines ſtuͤck Golds/ ſagt der ſee-
lige Laurentius Juſtinianus, einen ſehr groſſen Theil eines andern ſehr
ſchlechten Metall uͤbertrifft; alſo werden wenige gute Werck/ ſo vermittelſt
der inbruͤnſtigen und reinen Liebe geſchehen/ in den Augen deß Erſchoͤpffers
viel angenehmer/ und glaͤntzen mehr/ als die Ubungen vieler geiſtlichen Ar-
beit/ ſo da auß der Wurtzel der Nachlaͤſſigkeit/ und auß dem Brunnen der
ungebauten Meinung entſpringen.
4. Erfordert dann nicht die Billigkeit/ daß wir vor allen unſern Wercken
eine gute Meinung machen? Es wuͤrde ja ſicherlich ein jeder allen Fleiß an-
Y ywenden/
[354]Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
wenden/ wann er einen Stecken haͤtte/ mit dem er die Steine in Go lt ver aͤn
dern koͤnte/ denſelben zu bewahren. Jndem nun die gute Meinung derglei-
chen Wirckung an ſich hat/ daß ſie all unſer Thun und Laſſen in lauter Golt
der Verdienſten verwandele/ ſoll man dann nicht mit allem Ernſt daran ſeyn/
daß man ſelbige zu allen/ oder jedoch zu den fuͤrnehmſten Wercken hervor zie-
he? haſt du nit offt war genommen/ daß die jenige/ ſo nach dem Zeichen ſchieſ-
ſen/ nicht ehender loßbrennen/ biß ſie mit einem Aug/ durch das Viſier das Zei-
chen erreicht haben? Alſo ſolſtu in allen Begebenheiten deine Meinung zu
Gott/ als deinem eintzigen Ziel unablaͤßlich richten; weilen er dieſes von dir
erfordert: und gleich wie/ nach Zeugnuͤß deß H. Bernardi/ die Schoͤnheit deß
S Bern.
in Sent.Menſchen im Angeſicht beſtehet: alſo kommet die Zierde aller Wirckungen
der Seelen/ auß der In ention oder Meinung her. Dahero ſagt der GOtt-
liebende David: Alle Herrligkeit der Tochter deß Koͤnigs iſt
Pſal. 44.
v. 4.inwendig. Zu dieſem unſerm Vorhaben pflegte die H. Maria Magda-
lena de Pazzis zu ſagen. Wann ich wuͤſte/ daß ich durch ein eintziges Wort/
welches ich zu einem andern End/ als meinem Gott zu lieb/ reden ſolte: wans
ſchon nicht ſuͤndhafft waͤre: zu einem Seraph n koͤnte gemacht werden: ſo
wolt ichs doch nim̃er reden. Dieſes lerete ſie auch ihren geiſtlichen Mitſchwe-
ſtern; und damit ſie dieſe Lehr nicht vergeſſen moͤgen/ fragte ſie ihre unterha-
bende Kinder offtmahl und unvermuthlich/ warumb ſie dieſes oder jenes thaͤ-
ten oder redeten? Wann ſie vermercket/ daß ihre Geiſtliche ungefehr/ oder
auß Gewonheit/ ohne uͤbernatuͤrliche Inten[ſ]ion ihre Werck verrichteten;
redete ſie ihnen mit dieſen Worten zu: ſiehet ihr nicht/ daß ihr den Verdienſt
verliehret? Gott hat an ſolchen Dienſten kein Gefallen.
5. Obwohl nun alle Geiſtliche und GOtt verlobte Perſohnen vor andern
ſich dieſe heylſame Ubung ſolten angelegen ſeyn laſſen; ſo werden doch/ leider
GOttes! ſehr viele gefunden/ ſo in derſelben ſehr nachlaͤſſig ſeynd/ und kaum
einmahl im Tag vor ihren Wercken ein gute Intention machen; ſondern ih-
re Arbeit/ oder auß eytelem Ehr-Geitz/ oder auß Gewonheit/ oder mit Unbe-
dachtſamkeit/ und mit einem blinden und ungeſtuͤmmen Eyffer verrichten.
dieſe koͤnnen nicht uneben verglichen werden den blinden Roſſen/ ſo da in der
Walckte oder Foll-Muͤhlen zwarn den gantzen Tag lauffen/ ſeynd aber am
Abend noch auff ſelbigem Orth/ weilen ſie nur herumb gelauffen ſeynd. Al-
ſo ſeynd die jenige auch blind/ welche kein wahre Intention oder Meynung
machen: ſie ſchreiten auch in den Tugenden nicht fort; dann ſie arbeiten
alzeit an einem Orth/ daß iſt/ ſie wircken ohne gute Meinung.
Dieſe werden in Warheit an jenem Tag deß Hinſcheidens ihre Au-
gen
[355]Von der guten Meynung.
gen zu ſpaͤth auffthun/ und ihre Ungluͤckſeligkeit und Blindheit umbſonſt be-
weinen und ſagen: O wir armſelige! wir haben zwar die gantze Nacht
unſeres Lebens gearbeitet; wir haben offt und viel geſchwitzet; wir haben
unzahlbare Truͤbſalen außgeſtanden; und was haben wir gefangen? ach
leider! nichts. Wir haben zwar ein Creutz getragen/ aber nicht wie Chri-
ſtus das ſeinige; ſondern wie der Simon Cyrenæus, ein frembdes/ weilen
wir mit einer guten und wahren Intention zu arbeiten verſaumet haben: ſo
ſeynd dann billig all unſere Werck in den Wind geflogen. Damit es dir/
mein Chriſtliche Seel/ nicht alſo ergehe/ und du nichts fangeſt; ſo fahre
du nach dem Befelch CHriſti in die Hoͤhe; daß iſt/ ſteige mit deiner Mei-
nung zu GOTT/ ſo wirſt du einen groſſen Fiſch-Fang der ewigen Beloh-
nungs Reichthumben thun.
Der Andere Theil.
6. WEilen aber uns in allen Tugenden unterſchiedliche Staffelen und
Wirckungen durch die erfahrne Schul-Meiſter der Chriſt-Ca-
tholiſchen Kirchen gezeigt werden/ als koͤnte auch einer allhier
fragen: Welche die fuͤrtrefflichſte Wirckung der guten Meinung ſeye? deme
wir zur Antwort geben/ daß dieſe die fuͤrnehmſte Wirckung ſeye/ wann wir
eintzig und allein das Lob GOttes/ und deſſen Willen zu vollbringen/ nicht
aber unſern Nutzen ſuchen. Dahero der himmliſche Lehr-Meiſter einsmals
zu ſeiner Juͤngerin Gertrudis ſagte: Jch wolte daß meine Außerwaͤhlte dar-Bloſ. in
mon.
ſpir. c. 3.
fuͤr hielten/ daß ihre gute Werck und Ubungen mir zumahlen gefallen/ wann
ſie mir auff ihre Koͤſten dienen. Die jenige aber dienen auff ihre
Koͤſten/ welche/ ob ſie ſchon den Geſchmack der Andacht nicht
empfinden; dannoch ihr Gebett und andere mir gefaͤllige Werck ſo trewlich
verrichten/ als ſie koͤnnen; und haben das Vertrawen auff meine Guͤtigkeit/
daß ich ſothane ihre Ubungen gern annehme. Derhalben ermahnet der
gottſelige Thomas à Kempis in der Perſohn Chriſti einen jeden/ und ſagt:
Mein Sohn/ du muſt noch viel lernen/ daß du nochL. 3. c. 11.
§. 1.
nicht wohl gelernet haſt: daß iſt/ daß du dein Ver-
langen gantz in mein Wohlgefallen ſetzeſt/ und nicht
dich ſelbſt lieb habeſt; ſondern meines Willens ein hertz-
licher Liebhaber und Nachfolger ſeyeſt. Du muſt in deinem
Gebett und andern geiſtlichen Ubungen dein eigene Troͤſtung nit ſuchen;
ſondern auff die Ehr und Lob GOTTES dein Abſehen haben; damit
nemblich der Will Gottes geſchehe zumahlen hieran die goͤttliche Majeſtaͤt
ein uͤberauß groſſes Wolgefallen hat/ wie der glaubwuͤrdige und andaͤchtige
Y y 2Euſebius
[356]Die Acht und zwantzigſte Geiſtliche Lection
c. 20. vit.
Divin.
Hiſtoria.Euſebius Nierenbergius bezeuget/ daß ein ſicher Diener Gottes mit vielen
Offenbahrungen und Geſichtern vom Herrn geehret/ und mit oͤfftern Troͤ-
ſtungen von ſelbigem ſeye erfrewet worden: endlich habe er ſich ſolcher Gna-
den unwuͤrdig geſchaͤtzet/ und GOTT gebetten/ er moͤchte ihm ſelbige ab-
nehmen. Was er begehrt hat/ daß iſt geſchehen; und ſeynd dieſe Gnaden fuͤnff
Jahr lang außgeblieben/ daß er auch kaum den Athem faſſen/ und ſich in ge-
ziemender Ruhe deß Hertzens erhalten koͤnnen. Bey ſo geſtalten Sachen
hat ſich GOTT deſſen erbarmet/ und ihme zwey Engelen zum Troſt ge-
ſendet/ deren Troͤſtung er aber anzunehmen ſich geweigert/ und geſagt ha-
be: Herr/ ich verlange keinen Troſt; ſondern es iſt mir gnug/ daß du
den Orth bewahreſt/ allwo du in meiner Seelen wohneſt/ auff daß ne-
ben dir nichts anders hinein ſchleiche; und daß dein Will in mir allzeit ge-
ſchehe: dieß iſt mein eintziger Troſt/ den ich begehre: dieſer Affect habe
Gott alſo gefallen/ daß er folgende Wort zu ihm geſprochen: du biß mein
Sohn/ an dem ich ein Wohlgefallen hab.
7. Weiter iſts nicht ohne/ daß der leidige Sathan vor unſern Wercken
eine boͤſe Intention uns einzugeben ſich bemuͤhe: und wann er ſolches nicht
kan zuwegen bringen; ſo befleiſſet er ſich doch/ daß er auffs wenigſt das
Werck zerſtoͤhre/ oder den wirckenden durch eine eit[t]le Ruhmſichtigkeit be-
ſchmitze/ man kan aber den loſen Feind alles guten nicht beſſer hemmen/ als
Hiſtoria.wie der H. Bernardus gethan hat. Da dieſer heilige Mann einsmahls vor ei-
ner groſſen Anzahl Volcks mit aller Zuhoͤreren genaueſter Auffmerckſamb-
keit/ mit ſonderbahrem Gefallen und Verwunderung der Zuhoͤrer prediget/
wird er etwa von einer eitelen Ehr verſuchet/ und geduͤncket ihm/ er hoͤre
gleichſamb dieſe Wort: ſiehe/ Bernarde/ wie dieſes haͤuffige Volck dir in ſo
groſſer Stille/ und mit einer ungemeinen Verwunderung und Lob zuhoͤre.
Allhier haltet Bernardus ein wenig ein/ und beratſchlaget ſich mit ihm ſelb-
ſten/ ob er fortfahren/ oder zu predigen auffhoͤren ſolte: indem er nun ver-
mercket/ daß es ein Einblaſen der hoͤlliſchen Schlang ſeye; wendeter ſich von
ſeinen Zuhoͤrern gleichſamb zu derſelben/ und ſagt: deinetwegen hab ich meine
Predig nicht angefangen/ und will auch umb deinetwillen jetzt nicht auff-
hoͤren. Alſo hat er die angefangene Predig gewuͤnſchter maſſen fortgeſetzet.
Solcher Geſtalt muͤſſen wir verhuͤten/ daß wir darumb keine gute Werck
unterlaſſen/ weilen wir von andern vielleicht wuͤrden gelobt oder getadlet
werden: ſondern wir muͤſſen zu unſern Gedancken ſagen: weilen
ich dieß Werck nicht umb Lob der Menſchen zu ſiſchen/ weder auch auß
Forcht der Verachtung/ ſondern zur Ehren GOttes hab angefaͤngen;
ſo
[357]Von der guten Meinung.
ſo will ichs auch zu deſſelben Ehren endigen. Dann es kan uns nicht ſcha-
den/ daß wir von den Leuten geſchen werden: zumahlen wir (wie derTom. 9.
Tr. 8. in
Ep. Joan.
heilige Vatter Auguſtinuß und Gregorius ſagen) keine Nachfolger
haben werden/ wann wir die Zuſchauer foͤrchten: wir
můſſen geſehen werden; můſſen aber derhalben nicht thu-
en/ daß wir geſehen werden daß Werck muß offenbahr
ſeyn/ und die Meinung verborgen.
8. Wir muͤſſen aber allhier beobachten/ daß GOtt immer die Intention
und den Effect deß wirckenden Menſchen mehr anſehe/ als das Werck ſelb-
ſten. Dahero ſagt der obengemeldte H. Gregorius: GOtt ſicht das
Hertz und nicht die Sachan: Er gedenckt auch nicht/ wie
groß das Werck ſeye/ ſondern auß wie groſſer und auff-
richtiger Meinung der Menſch daſſelbige verrichte. Und
ein ander Theologus ſagt/ daß GOtt nicht anſehe/ was die Menſchen thu-
en/ ſondern wie wohl ſie thuen. Mit dieſem ſtimmet der gelehrte Salvianus
ein/ und ſagt: an dem Werck deß jenigen/ was GOtt wird auffgeopfferet/
hat er keinen ſo groſſen Gefallen/ als an dem auffrichtigen Hertzen deß je-
nigen/ der das Opffer verrichtet. Dahero iſt geſchehen/ daß die Evangeli-
ſche Witwe/ nach Zeugnuß der ewigen Warheit/ mit ihren zweyen Hellern
mehr gegeben hat/ als alle Prieſter und Phariſeer; dieweilen ſie ſolche auß
einer ſolchen Meinung gegeben hat/ dergleichen bey den andern nicht ge-
funden worden: ſintemahlen GOtt/ wie der H. Vatter Auguſtinus bezeu-
get/ den Willen Kroͤnet/ wann er das Werck nicht findet: und das zwarn
billig; dieweilen GOtt/ wie die Theologi lehren/ die Begierd/ Exempel-
Weiß/ zu Ehebrechen/ deſſen Gerechtigkeit gemaͤß/ mit der ewigen Ver-
damnuͤß ſtraffet: ſo folgt klaͤrlich hierauß/ daß er auch die Begierd/ Gutes
zu thuen/ belohne; wann ſelbiges in der That nicht kan geuͤbet werden; die-
weilen er ſo wohl unendlich guͤtig/ als unendlich gerecht iſt. Solcher maſ-
ſen wird der jenige/ ſo gern faſten wolte/ und wegen Schwachheit deß Leibs
darab verhindert wird/ den Lohn deß Faſtenden empfangen. Und mit an-
dern Begebenheiten hats eben ſelbige Beſchaffenheit.
9. Zu Zeiten deß H. Coͤllniſchen Biſchoffs Severini, umb das Jahr Chri-Sur. tom.
5. die 23.
Oct.
Hiſtoria.
ſti 400. hat ein ſicher Einſidler gelebt/ welcher von hohem Stammen ge-
bohren/ in allen erdencklichen Wolluͤſten erzogen/ und endlich in der bloͤhen-
den Jugend von ſeinen Eltern einer ſeines gleichen Tochter vermaͤhlet wor-
den. Da nun alles nach gehaltener praͤchtigen Hoch-Zeit zum Beylager
veranſtaltet geweſen; ſiche/ da hat ſich dieſem jungen Fuͤrſten ein ſehr ſchoͤ-
Y y 3ner
[358]Die Acht und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
ner Juͤngling gezeiget/ der ihn mit dieſen Worten angeredet: Wann ich
dich einer hoͤhern Ehr/ und viel groͤſſeren Freuden verſicherte/ wolteſtu mir
wohl folgen? Jch will dir folgen/ ſagt der Braͤutigamb/ wann deinen Wor-
ten zu glauben iſt. Der Engel in Geſtalt eines Juͤnglings antwortet/ und
ſagt: Jch verſpreche und verpfaͤnde dir die himmliſche Freuden/ und ewig-
waͤhrende Herrligkeit/ wann du dieſen irrdiſchen Wolluͤſten mit einem he-
roiſchen Gemuͤth den Rucken kehren wilſt. Der vermaͤhlte Fuͤrſt iſt ſo bald
mit dem Werck als mit den Worten fertig/ folget dem Engel nach/ und ver-
ſpricht ihm/ daß er von ihm nicht weichen wolle. Nimbt auch von allen ſeinen
Schaͤtzen nichts/ als ein hoͤltzenes Trinck-Geſchirr mit ſich/ und folget dem
vorgehenden vermeinten Juͤngling mit Freuden auff dem Fuß nach; von
dem er in eine ſehr wilde/ und von den Menſchen weit abgelegene Wuͤſten ge-
fuͤhrt/ und ihm befohlen worden/ daß er alda verbleiben/ dem Dienſt GOttes/
und dem Heyl ſeiner Seeln obligen/ und im uͤbrigen fuͤr nichts ſorgen ſolte.
Nach empfangenem ſolchen Befelch/ und Verſchwindung deß Engels/
ſangt der neue Einſidler ein frommes/ und mehr Engliſch/ als menſchliches
Leben an/ in dem er mit unauffhoͤrlichem Gebett/ mit ſtetem Faſten und an-
dern ſehr ſtrengen Buß-Wercken ſich der Goͤttlichen Majeſtaͤt zu einem
außerwaͤhlten Diener/ und angenehmen Freund auffopffert. Jn dieſem ſei-
nem Gottſeeligen Wandel fallen ihm einsmahls die Gedancken ein; wer
ihm doch an der Belohnung/ ſo er wegen ſeines ſtrengen Lebens von Gott
zu hoffen hatte/ moͤgte gleich geſchaͤtzet werden? der Fuͤrwitz treibt ihn auch
ſo weit/ daß er ſolches von GOtt zu vernehmen ſich erkuͤhnet; und bekombt
folgends von ſelbigem zur Antwort/ daß ihm der Biſchoff zu Coͤlln in der Be-
lohnung werde gleich gehalten werden. Dieſes kombt meinem guten Eremi-
ten ſeltzſamb vor/ daß er nicht groͤſſeren Lohn/ als ein Biſchoff/ der da in al-
lem Uberfluß lebte/ empfangen ſolte: begehrt derhalben/ GOtt moͤgte ihm die-
ſen Biſchoff zeigen: welches dann auch durch den obbemeldten Engel/ durch
dem er vormahln in die Wuͤſten gefuͤhret/ werckſtellig gemacht worden. Da
nun der Einſidler in der Stadt Coͤlln auff einem Feſtag deß Biſchoffs ge-
haltenes hohes Ambt angehoͤret/ und nachgehends demſelben in ſeine Hoff-
Stadt gefolget; ſicht er/ daß ſelbiger zum Mittag-Mahl einige vornehme der
Stadt/ an einer/ mit allerhand koſtbahren Speiſen beſetzten Taffel tractiret.
Hieruͤber entſetzt ſich mein guter Einſidler/ und gedenckt bey ihm ſelbſt: ſoll
ich dann bey meinem GOtt nicht beſſer ſtehen/ als dieſer Biſchoff/ der ich
nichts hab/ als ein eintziges huͤltzernes veraͤchtliches Trinck - Geſchirr? der
ich mit einem Stuͤcklein harten Brods/ und mit ungeſaltzenen und unge-
ſchmackigen Kraͤutern zur Noth den Hunger ſtille? der ich in Faſten/ Bet-
ten/
[359]Von der guten Meinung.
ten/ und andern harten Buß-Wercken mich Tag und Nacht uͤbe? der ich al-
le weltliche Frewden ſo hurtig verlaſſen? Soll ich kein groͤſſere Cron ver-
dient haben/ als eben dieſer Biſchoff/ der da mitten in den Frewden und
Wolluͤſten lebet/ und iſt guter Dinge? Jn ſothaner Vberlegung fangt an
der Engel und ſagt: Der jenige Biſchoff/ den du da ſieheſt zu Tiſch ſitzen/
hat in aller dieſer Pracht und koſtbaren Speiſen ſo groſſes Wollgefallen
nicht/ als du haſt in deinem verwuͤrfflichen Trinck-Geſchirr. Da dieſes der
Einſidler hoͤret/ gehen ſelbigem die Augen auff/ und vermerckt/ daß der Al-
lerweiſeſte GOtt auff die Meinung des Wirckenden groͤſſere Achtung ha-
be/ als auff daß Werck ſelbſten/ und nicht anſehe/ wie viel; ſondern auß
was vor einer Intention oder Meinung der Menſch wircke.
10. Weilen nun/ mein Chriſtliche Seel/ dir gnug ſeyn ſoll/ daß du
wiſſeſt in allem deinem Thun und Laſſen eine gute Intention zu machen;
und dann die vorgenom̃ene Kuͤrtze nicht leydet/ weitlauffiger zu ſeyn: als
verweiſe ich dich zu denen Leben der H. H. Alt-Vaͤtter und anderen Dienern
und Dienerinnen GOttes: und erinnere dich noch zum Schluß diſes anderen
Theils der gegenwaͤrtigen Lection, der Worten des GOttſeeligen Vat-
ters Bloſn:Wann einer/ ſagt er/ umb GOttes-Willen auch in den ge-In Inſt.
Sp. c. 1.
ringſten Sachen/ ſeinem eigenen Willen widerſtrebet: ſo leiſtet Er ſeinem
GOtt ein angenehmeren Dienſt/ als wann er viele todten zum Leben erwe-
ckete. Vnd damit er dieſe Warheit klaͤrlich zeigen moͤge ſagt er: Zwehn rei-
ſen miteinander/ und ſehen auffm Weg ein ſehr ſchoͤne und rare Blum; von
dieſen beyden einer nimbt ihm vor/ dieſe Blum abzubrechen; erholet ſich
aber vorhero/ und entſchlieſſet bey ihm ſelbſten/ auß Liebe ſeines HErrn
JEſu dieß Bluͤmlein nicht anzuruͤhren. Der ander aber bricht ſelbiges
ohne einiges Vorbedencken ab. Dieſer letztere hat damit nicht geſuͤndiget:
der erſte aber/ ſo das Bluͤmlein unberuͤhrt gelaſſen/ uͤbertrifft den andern am
Verdienſt in ſo weit/ als der Himmel die Erd uͤberſteiget in der Hoͤhe. Wann
nun GOtt fuͤr ſo wenige Dinge/ ſo groſſe Gnaden mittheilet/ was wird er
nicht geben fuͤr die groſſe und heroiſche Werck/ die der Menſch auß Liebe ſei-
ner verrichter; ſo befleiſſeſtu dich dann/ mein Chriſtliche Seel/ daß du immer
vor allen deinen Ubungen eine gute und reine Meinung macheſt/ und in ſelbi-
ger nichts anders ſucheſt/ als deinem GOtt und HErrn zugefallen.
11. Zum Schluß dieſer Lection muß ich dir die Vortrefflichkeit deß guten
Willens mit wenigen vor Augen ſtellen; von dem der H. Chryſoſtomus ſagt:
Ein guter Will iſt bey GOtt ſo angenehm/ als ein wohl-richende Blum
bey dem Menſchen. Und der Heil. Bernardus vermeinet/ daß der gu-
te Will in deß Menſchen Hertz ein Urſprung alles Guten/ und eine Mut-
ter aller Tugenden ſeye: der dieſen bey ſich hat; der hat alles/ was ihm zum
Wol-
[360]Die Acht und zwantzigſte Geiſtliche Lection
wohl-Leben noͤtig iſt. Der gute Will aber beſtehet darin/ daß wir alle Suͤn-
den zu fliehen/ uns embſig bemuͤhen: und wann wir zu zeiten fallen/ alsbald
wiederumb auffſtehen/ und uns feſtiglich fuͤrnehmen/ die begangene Fehler
fortan mit mehrerem Eyffer zu beſſern. Dieſe Ubung gefallet GOtt uͤber alle
maſſen. Dahero meldet der Gottſeelige Bloſius von der H. Gertrudis/ daß
C. [p.]mon
Spir.ſelbige wegen einer geringen Unvollkom̃enheit uͤber ſich ſelbſten ſehr geeiffert/
und vom Herrn begehrt habe/ er wolle doch ſelbige Unvollkommenheit an ihr
gaͤntzlich beſſern und vernichtigen: der HErr aber habe ſeiner lieben Braut
in aller Freundlichkeit geantwortet: wolſtu dann/ daß ich einer groſſen Eh-
ren/ und du eines groſſen Lohns beraubet wuͤrdeſt? du verdienſt eine An-
ſchnliche Belohnung/ ſo offt du dieſe/ und dergleichen Fehler erkenneſt/ und
dir vornimbſt/ dieſelbe zu beſſeren: und ſo offt ein Menſche ſich bemuͤhet/
mir zu lieb ſeine Maͤngel zu uͤberwinden; ſo erzeigt derſelbige mir ſo groſſe
Ehr/ und leiſtet mir ſo groſſe Treu/ als ein tapfferer Soldat ſeinem Obri-
ſten erweiſet/ wann er ſich im Kriegen ſeinem Feind mit groſſem Muth wi-
derſetzte/ und denſelben uͤberwindete.
12. Es muß auch ein Menſch/ der gutes Willens iſt/ nicht alsbald ver-
zagen/ wann er ſchon bißweilen mehr auß Schwachheit/ als Boͤßheit auch
in einige grobe Suͤnden fallet: ſondern er muß alsbald hurtig wiederumb
auffſtehen/ ſich eines beſſern Wandels befleiſſen/ und immerzu den guten
Willen/ nicht mehr zu ſuͤndigen behalten/ dann GOtt ſo guͤtig iſt/ daß er
gleichſamb gezwungen werde/ krafft ſeiner Guͤtigkeit/ ſich uͤber die jenige
zu erbarmen/ die eines guten Willen ſeynd; welches auß folgender Hiſtori
Drex. in
Trib. L. 2.
c. 8. §. 1.
Hiſtoria.klaͤrlich bewieſen wird. Sanet Brigitta auß Schweden/ ein heilige Witt-
we/ zog Pilgrambs-Weiß mit ihrem Sohn Carl ins heilige Land: der
Sohn ſtarb unterwegen zu Neapol: die Mutter kam gen Hieruſalem/ alda
ſie durch embſiges Gebett/ in ſonderbahre geheime Lieb und Freundſchafft
mit Chriſto dem HErrn kommen: und wie dann der guͤtigſte GOtt ſich
von den Seinigen in Freygebigkeit nicht laſſet uͤberwinden; alſo begabte er
dieſe H. Wittib mit ſonderlichen Gnaden: ſintemahl ſie in allen Dingen dieß
allein ſuchte/ wie ſie Chriſto am beſten gefallen moͤgte. Weil aber dieſe Wit-
tib gegen den den Heyland und deſſen werthe Mutter hoͤchſte Andacht truge;
verlangte ſie ſonderlich zu wiſſen/ wie es doch umb ihren verſtorbenen Sohn
in jener Welt ſtuͤnde: darumb hatte ſie wachend und bettend ein ſolche Er-
ſcheinung.
13. Sie hoͤret eine Stimm/ die ſprach zu ihr: Brigitta/ auß GOttes
Gnaden iſt dir jetzt erlaubt zu ſehen und anzuhoͤren/ was uͤber deinen Sohn
im
[361]Von der guten Meinung.
im geheimen Gericht iſt beſchloſſen worden: und/ wiewohl es in einem Au-
genblick alles fuͤruͤber geweſen/ ſo wird doch ordentlich nach einander/ wie es
zugegangen/ fuͤrgeſtellet werden/ damit du es deſto leichter vernehmen koͤnneſt:
allda ſahe Brigitta den Herrn Jeſum im Richter-Stuhl ſitzen/ von einer un-
zahlbaren Schaar der Engelen umbgeben: an deß Richters Seiten ſtund die
Mutter Gottes/ und wolte ſehen/ wie das Gericht wuͤrde abgehen: vor dem
Richter ſtunde deß verſtorbenen Carls Seel voll Zitterns und Schroͤckens/
die wartet auff das Urtheil: auff der rechten Seiten der Seelen ſtund der
Schuͤtz-Engel; auff der Lincken der Anklaͤger/ der Teuffel; doch ruͤhret we-
der dieſer/ noch jener die Seel an: der Anklaͤger fieng an und ſagt: Aller ge-
rechteſter Richter/ ich klag ein Unbill: dieſe Seel waͤr mein geweſen/ und dar-
umb ſoll ſie von Mund auß in die Hoͤll gefahren ſeyn: aber dein Mutter hat
mirs hingeriſſen/ und ſie unter ihrem Schutz und Schirm fuͤr Gericht ge-
ſtellt. Auff dieſe Klag antwortet deß Richters Mutter: gedenck an dein Her-
kommen/ du boͤſer Geiſt; Gott hat dich dieſchoͤnſte Creatur erſchaffen: aber
dein Boͤßheit und Schalckheit hat dich aller deiner Schoͤne und Zierligkeit
beraubt: es ſtunde dir frey/ ob du dich wolleſt deinem Schoͤpffer unterwerf-
fen; du haſt aber lieber rebelliſch und ungehorſamb ſeyn wollen/ darumb muſt
du ewig verdambt/ und vom Himmel außgeſchloſſen ſeyn: was recht iſt/ ver-
ſteheſt du wol/ biſt aber deſſelben hoͤchſter Feind: nun hat mir billiger gebuͤhrt/
als dir/ dieſe Seel vor den Richter zu ſtellen: dann dieſer Menſch hat in ſei-
nen Leb-Zeiten mich/ als ein Sohn ſeine Mutter geliebt/ und offtermahl be-
trachtet/ wie GOtt der Herr mich mit ſo hoher Glori und Herrligkeit begabt
hat: dahero ſein Hertz im Leib dermaſſen gegen mich gebrennet/ daß er bereit
war/ lieber die hoͤlliſche Pein zu leiden/ als daß durch ſeine Schuld von meiner
Ehr etwas ſolt entzogen werden: und mit dieſem Hertzen hat er ſein Leben ge-
ſchloſſen. Soll nun diß unrecht ſeyn/ daß ich ihn in meinen Schutz genom̃en
hab? Hierauff ſagt der Anklaͤger: ich vermeins nicht. Dieſer Menſch hat ſei-
nes Richters Mutter mehr/ dann ſich ſelbſten geliebt; man ſiehe aber andere
ſeine Werck an/ ſo wird niemand widerſprechen koͤnnen/ daß er mein ſeye. De-
rowegen/ O Richter/ appellire ich/ und beruffe mich auff deine Gerechtigkeit:
ſiehe an dieſes Menſchen auffgezeichnete Werck; ſiche das lange Regiſter
ſeiner Suͤnden: wohl ein Hauffen boͤſer Gedancken/ auß denen/ wann nur die
unreine oder die hoffaͤrtige ſollen geſtrafft werden/ ſo wuͤrd er ſchon mein ſeyn:
er hat das ſechſte Gebott wohl gewuſt/ hat es aber viel hundertmahl uͤbertret-
ten: will anderer Suͤnden geſchweigen: ſo kan er auch auß dieſen daß wenigſt
nicht laͤugnen; er iſt uͤberwieſen: ſein eigenes Gewiſſen uͤberweiſt ihn tauſent
Z zmahl.
[362]Die Acht und zwantzigſte Geiſtliche Lection
mahl. Der Schuͤtz-Engel fieng an und ſprach: So bald ſein Mutter ver-
merckt hat/ daß ihr Soͤhnlein leichtlich in Untugend und Laſter zu verfuͤhren;
hat ſie ihm durch vielfaͤltiges Gebett und Zaͤhren/ wie auch durch mancherley
Werck der Barmhertzigkeit/ von GOtt die Gnad erlangt/ daß er noch Kna-
ben-weiß angefangen Gott zu foͤrchten: wann er gefallen iſt/ hat er alsbald zur
Buß geeilet/ geſeufftzet/ Rew und Leid gehabt/ neben einem ſteiffen Fuͤrſatz ſich
zu beſſern. Entgegen warff der boͤſe Feind noch vielmehr fuͤr/ welches alles
der gute Engel widerlegte/ und ſagt: Er hat dieß und jenes gethan/ laͤugne es
nicht/ hats aber abgebuͤſſet: hat jederzeit einen guten Willen gehabt: und/ daß
ſeinem Handel anjetzt viel nutzet und behuͤlfflich iſt; ſo iſt er letztlich ſo weit
kommen/ daß er ihm dieß alleinig fuͤr ein Urſach zu Leben geſetzt hat/ Gottes
Willen zu thun/ und ſich dem goͤttlichen Willen freywillig allerdings gleich-
foͤrmig zu machen. Nachdem die Partheyen angehoͤrt worden/ hieß der Rich-
ter den Anflaͤger abtretten/ und faͤllet dieſes Urtheil! Dieſer mein Diener ſoll
ewig leben. Als ſolches deß Caroli Mutter geſehen und gehoͤrt/ wird ſie vol-
ler Frewden und ſpricht: O ewige Warheit/ O Herr Jeſu/ O gerechteſter
Richter! du gieſſeſt heilige Gedancken in die Hertzen ein/ du ver gelteſt unſer
Gebett und Zaͤhrẽ mit deiner Gnad und ewiger Belohnung! dir ſey Lob/ Ehr
und Herrligkeit/ dir ſey Danckſagung von allen Creaturen. O du mein al-
liebſter Gott/ du biſt mir viel lieber/ als ich mir ſelbſt. Jch begehr von Grund
meines Hertzen dir zu leben/ und dir zu ſterben. Hierauff antwortet der Engel
an ſtatt deß Richters: Du ſolt wiſſen/ ſpricht er/ daß dir dieß gezeigt worden/
nicht nur dir allein zum Troſt und Guten; ſondern auch damit alle Freund
Gottes wiſſen/ wie die Verharrung und Beſtaͤndigkeit im guten Willen ſo
groſſe Krafft habe/ welche von Muͤhe und Arbeit/ von Rew und Leid/ von
Betten und Allmuſſen geben biß zum letzten Athem nie außſetzt noch ablaͤſt.
Du ſolt auch wiſſen/ daß uͤber dieſen Soldaten deinen eigenen Sohn/ ſo guͤ-
tiges Urtheil nicht ergangen waͤre/ wann er nicht von Jugend auff/ ſo guten
Willens jederzeit geweſen waͤre/ Gott und Gottes Freund zu lieben/ und ſich
zu beſſern.
Conſol.
Puſill. c.
39.
14. Sagt dann nicht billig ein ſicher Scribent bey dem Bloſio wie fol-
get? wan dir Gott einen guten Willen wird gegeben haben/ alſo/ daß du nun-
mehr alle Suͤnden verlaſſeſt/ beſſer zu leben dir fuͤrnehmeſt/ und deinem Herrn
zugefallen verlangeſt und dich unterſteheſt: wann du als dann taͤglich auß
menſchlicher Schwachheit offt falleſt/ und GOTT erzuͤrneſt; ſo
ſtehe auff ſo offt du gefallen biſt/ und verzweiffle niemahlen an der
Barmhertzigkeit GOTTES/ welche da unendlich lſt. Es iſt der
liebe
[363]Von der guten Meinung.
liebe Gott warlich hierin ſehr zu loben/ daß er die buͤſſende Suͤnder ſo miltig-
lich auff- und annimbt: dieß ſtehet ihm zu/ weilen ihm ſein eigen iſt/ ſich all-
zeit uͤber den Menſchen zu erbarmen/ und demſelben zu verſchoͤnen. DaheroSer. 2. in
Pſ. qui
hab.
werden die Außerwaͤhlte (wie der H. Bernardus lehret) von den Gottloſen
hierin unterſchieden; daß die Gottloſen/ wann ſie gefallen ſeynd/ nichts darzu
thun/ daß ſie wiederumb auffſtehen: die Außerwaͤhlte aber ſich bemuͤhen als-
bald wiederumb auffzuſtehen/ und ſich zu beſſern. Derhalben ſagt der gemel-Bloſ.
ibid.
te Author/ wann du vermerckeſt/ daß du gefallen biſt in einem oder andern/ ſo
wende dein Hertz zur Stund mit aller Demuth und Vertraͤwligkeit zu dei-
nem allerguͤtigſten Gott und Herrn/ und kuͤſſe deſſen allerſuͤſſeſte Hand/ und
umbfahe dieſelbige/ welche da immer bereit iſt/ dich auffzun[e]hmen/ und ſeye
gutes Muths. Siehe zu/ daß du ab deinen oͤfftern Fehlern nicht alſo ver-
drießlich werdeſt/ daß du deine gute Werck und Ubungen verlaſſeſt. Schoͤpff
newe Kraͤfften/ ernewere den Fuͤrſatz/ und rede deine Seel mit dieſen Worten
an: Ey meine Seel! laß uns nicht verzagen: laß uns nun abermahl ſolchen
Fleiß anwenden zu den Tugenden und Heiligkeit/ als wan wir unſern Gott
niemahl erzuͤrnet haͤtten: dann dieſes iſt unſerm Herrn ſehr angenehm. Die
Laſter/ welche noch in dir Leben/ und derenthalben dich geduͤncket/ daß du mehr
ab-als zunehmeſt/ ſollen dich nicht gar zu viel verſtoͤren: du aber ſtreite ritter-
lich wider deine boͤſe Neigungen. Obwohl du ſchon Boͤſes in dir vermer-
ckeſt; wann du dem boͤſen nicht beyfalleſt/ wann du der Suͤnde dich ernſtlich
widerſetzeſt/ ſo haſt darab keinen Schaden zu foͤrchten/ ſondern noch groſſen
Nutzen zu verhoffen. Es werden einige gefunden/ welche mit ſo unordentli-
cher Forcht ſich ſelbſt plagen/ daß ſie vermeinen/ alles was ſie thun/ ſeye Gott
mißfaͤllig. Dieſe Gedancken aber muͤſſen/ ſonderbar bey den anfangenden ge-
meidet und vertrieben werden. So weit erſtrecken ſich die Wortdeß H. Ber-
nardi. Hieruͤber kanſt du weitern Bericht haben/ mein Chriſtliche Seel/ im
vierten Theilder Lection von denen Verſuchungen. Derhalben troͤſten bil-
lig die Engel Gottes in der Geburt unſeres Heylands alle die jenige/ ſo eines
guten Willens ſeynd/ und ſingen mit Froͤligkeit: Ehr ſey Gott in der
Hoͤhe/ und Fried auff Erden den Menſchen die da eines
guten Willens ſeynd. Befleiſſe dich eines guten Willens/ und
ernewere denſelben offtmahlen/ ſo wirſt du ohne allen Zweiffel
Fried allhier auff Erden/ und Freud im
Himmel genieſſen.
Die
[364]Lection
Die Neun und Zwantzigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Gleißnerey und eytelen Ehr.
v. 1.
bus, ut videamini ab eis: alioquin mercedem non ha-
bebitis apud Patrem veſtrum, qui in Cælis eſt.’
thuet fůr den Menſchen/ damit ihr von ihnen geſehen wer-
det: ſonſt werdet ihr keine Belohnung haben bey ewerem
Vatter/ der im Himmel iſt.’
Der Erſte Theil.
1. DJe Gleißnerey und eytele Ehr ſeynd die ſchaͤdliche Hauß-Feinde/
durch welche unſere gemachte Intention und gute Meinung/
unvermerckter Weiß getoͤdtet wird. So viel die eytele Ehr/ von
der wir in dieſem erſten Theil handlen werden/ betrifft; iſt zu wiſſen/ daß ſel-
biges den Vollkommenen am meiſten nachſtelle: derhalben ſich ein jeder zu
huͤten hat/ wann er vielleicht vermercken werde/ daß er anfange in den Tugen-
den fortzuſchreiten: auff daß die Wort deß Propheten Aggæi auff ihn nicht
moͤgen gedeutet werden: Jhr habt viel geſaͤet/ und wenig einge-
Agg. c. 1.
v. 6.bracht: ihr habtgeſſen und ſeyd nicht ſatt worden: ihr habt
getruncken/ und ſeyd doch nicht truncken worden: ihr habt
euch bedecket/ und ſeyd doch nicht erwarmet: und wer Tag-
Lohn geſamblet hat/ der hat ihn in einen loͤcherigen Beutel
geworffen. Der durch ſeine gute Werck/ neben ſeinem GOTT
auch den Menſchen/ umb der Menſchen willen zu gefallen verlan-
get; der verliehret allen Verdienſt ſeiner gehabten Muͤhe und Arbeit.
Dahero lehret uns recht und wohl der heilige Gregorius/ und ſagt:
Wer
[365]Von der Gleißnerey und eytelen Ehr.
Wer in den Tugenden/ die er ůbet/ die menſchliche GunſtL. 8. Mor
c. 28.
ſucht/ der tragt ein groſſe und wichtige Sach umb einen
geringen Preiß feil; mit dem er das Himmelreich haͤtte
gewinnen koͤnnen; daſſelbige verkaufft er umb ein ſehr ge-
ringes Geld deß eitelen Lobs. So iſt dann die eitele Ehr ein wahre
Salamander: dann gleich wie dieſes Thierlein ſo viel Giffts mit ſich tragt/
daß/ wann es biß zur voͤlligen Wurtzel deß Baums gelangen kan/ alle Fruͤch-
ten deß Baums in der Wurtzel toͤdtet: alſo nimbt die Hoͤlliſche Schlang al-
len Verdienſt und Krafft von unſern guten Wercken/ wann ſie nur ein gar
wenigen Theil der eitelen. Ehr mit demſelben vermiſchen kan: ſintemahlen/
nach Zeugnuß deß H. Fulgentii der Teuffel ein ſolcher Urheber der LaſternEp. 3. ad
Prob. c.
15.
iſt/ daß/ was er nicht gewinnen mag mit ſeinen eigenen Laſtern/ daß uͤber win-
det er offt mit frembden Tugenden; durch die Waffen/ mit denen er geſchlagen.
wird/ ſtehet er wiederumb auff; und durch die Staͤrcke/ mit welcher er zu
Boden geworffen wird/ wirfft er wiederumb nieder. Er lobt die Tugend/
durch welche er mercket/ daß er uͤberwunden werde; damit er alſo uͤberwun-
den und gefangen/ koͤnne gefangen nehmen den Unſchuldigen. Solcher
Geſtalt hat er die Gottſelige Abtiſſin Sarra zu verfuͤhren getrachtet; in dem
er ſagte: Sarra/ du haſt mich uͤberwunden. Sie aber antwortete ihm:
mit aller Klugheit: Nicht ich/ ſondern mein HErr JESUS hat dich uͤ-
berwunden. Alſo hat auch dieſe Schlang den H. Antonium angegriffen/ wie
in der 12. L[e]ction von der Hoffart/ am 123. Blat zu ſehen iſt; den Abra-
hamb und andere; welche/ ob ſie ſchon dem Feind die Spitz gebotten haben/
ſo ſeynd doch nicht wenig andere von dieſem Natter-Gifft ſehr ſchaͤdlich be-
ruͤhret worden/ wie in der obgemeldten Lection von der Hoffart gemeldet iſt/
deme ich allhier dieſen traurigen Zufall beyfuͤge.
2. Juſtinus ein vornehmer Ambtman und Favorit deß Koͤnigs in Ungarn/Luc.
Wad.
tom. 3.
Ann.
Ord.
Min. ad
Ann.
1445. n.
5.
Hiſtoria.
hat alle Reichthumben und zeitliche Ehren umb GOttes Willen verlaſſen/
und den Orden deß H. Franciſci angenommen. Jn dieſem iſt er in Be-
ſchauung der Goͤttlichen Dingen ſo weit kommen/ daß er oͤfftere Verzu-
ckungen gehabt; und einsmahls unter waͤhrender Mahlzeit/ in Gegenwart
ſeiner Mitt-Bruͤder/ uͤber derſelben Haͤupter/ an einer auff der Wand ge-
mahlten Mariaͤ-Bildnuß in die Lufft erhoben/ und alſo eine Zeitlang kniend
geſehen worden. Wegen ſolcher und andern Geſchichten/ hat dieſen Juſtinum
der Papſt Eugenius der vierte zu ſich beruffen/ und da ſelbiger deß Pab-
ſtes Fuͤſſe hat kuͤſſen wollen/ hat ihn der Papſt mit freundlicher Umbhal-
Z z 3ſung
[366]Die Neun und zwantzigſte Geiſtliche Lection
ſung und vaͤtterlichen Kuß empfangen/ und ſelbigen an ſeine Seiten ge-
ſetzt; auch hat er ihm nach einem langen Geſpraͤch einige Gaben und ſehr
haͤuffigen Ablaß mitgetheilet. Ab dieſer ungemeinen Gunſt iſt Juſtinus
alſo in ſeinen Gedancken erhoben worden/ daß er von Tag zu Tag uͤbermuͤ-
thiger worden/ auch endlich/ weilen er einen ſeiner Bruͤder mit einem Meſ-
ſer verletzt hatte/ in den Kercker geworffen worden. Nach dieſer verrichte-
ten Buß iſt er in das Neapolitaniſche Koͤnigreich fluͤchtig worden/ indem
er ſo groſſe Laſter begangen hat/ daß er derhalben in die Stadt gefaͤnglich
eingezogen/ und in den Baͤnden armſeeliglich geſtorben iſt. O entſetzlicher
und erſchroͤcklicher Zufall! O grauſame Veraͤnderung! wer ſoll ſich in Be-
rachtung dieſes boͤſen Außgangs/ fuͤr der Gunſt der Menſchen nicht billig
foͤrchten? waͤre dieſer anfangs heilige Muͤnch nicht alſo gelobt und geehret
worden/ ſo wuͤrde er villeicht in ſo groſſes Unheil nicht gerathen ſeyn. Dahe-
ro behalten die obgemeldte Wort deß H. Fulgentii ihre Krafft/ daß nemblich
der boͤſe Feind den jenigen/ den er mit ſeinen Suͤndẽ nit uͤberwinden kan/ durch
frembde Tugenden erlege. Und zwarn in dieſem Fall macht ers/ wie der
Vogel Erodius/ welcher auff die Voͤgel/ ſo ſich ins Waſſer ducken/ hinzu-
fliehet/ und derſelben Koͤpff ſo lang zerbeiſſet/ biß er ſie uͤber winde/ und alſo
gefaͤnglich hinweg nehme. Wann der hoͤlliſche Raub-Vogel ſicht/ daß
die Menſchen groſſe Garben der Verdienſten auff dem Acker der Tugenden
zuſammen binden/ fliehet er alsbald hinzu/ und ſucht ihnen auff alle moͤg-
liche Weiß den geiſtlichen Raub/ vermoͤg der eitelen Ehre zu benennen/ wie
ſichs mit obgedachtem Muͤnchen in der That erwieſen hat.
3. Auß den Geiſtlichen deß H Pachomii hat einer einsmahls zwey wei-
dene Matten auff einen Tag geflochten/ da er doch mehr nicht/ als zu einer
verbunden ware; dieſe hat er auß einen eytelen Ehr dem H. Pachomio und
andern zum Beſchauen außgeſtelt. Der kluge Pachomius vermerckt als-
bald den boſſen/ und ſagt zu den Umbſtehenden: Sehet ihr nicht/ wie dieſer
armſeelige Menſch alle ſeine Arbeit deß gantzen Tags dem Teuffel geopffert
habe/ und nichts gewonnen hat/ indem er dadurch mehr den Menſchen/ als
GOtt zu gefallen getrachtet hat? Nach dieſem ſtrafft der gemeldte heilige
Vatter dieſen Geiſtlichen erſt mit Worten hart ab/ und befilcht ihm/ daß er
die zwey Matten vor ſeinen Bruͤdern auff ſeinen Achſelen tragen/ und von
ſelbigen demuͤtiglich begehren ſolte/ ſie moͤgten doch GOtt fuͤr ihn betten/
und ihm Verzeihung erlangen/ daß er die Matten hoͤher/ als das Him-
melreich geſchaͤtzet habe. Hernach hat er ihn in ein enges Cellulein ſo hart
verſchloſſen/ daß er innerhalb fuͤnff Monaten nicht hat doͤrffen hervor-
kom-
[367]Von der Gleißnerey und eytelen Ehr.
kommen; auch hat er alle Tag zwey Matten flechten muͤſſen/ und hat in-
zwiſchen nichts mehr als Saltz und Brod zur Speiß bekommen. Dieſes
Exempel hat andere im Gebrauch in der eitelen Ehr heylſamblich unterwie-
ſen.
4. Als der heidniſche Diogenes einsmahls in der hoͤchſten Kaͤlte ſchierLaert. l. 6.
nack end in einem erfrorenen Waſſer geſtanden/ und das zuſchauende Volck
ſich deſſen erbarmet; iſt auch der Plato darzu kommen/ und hat zu den Umb-
ſtehenden geſagt: Wann ihr euch dieſes Diogenis erbarmen/ und ſelbigem
von ſothanem Uberlaſt befreyen wollet/ ſo gehet nur hinweg. Als wolt er
ſagen: dieſer Diogenes ſucht dadurch nichts anders/ als eine eitele Ehr und
Nahmen bey den Menſchen. Ach/ wann es uns zugelaſſen waͤre/ daß in-
nerliche Hertz der Menſchen zu beſchauen/ wie viel ſolten wir/ auch unter
den/ Geiſtlichen ſolche Diogenes finden/ ſo viele ſchwaͤre und harte Werck
verrichten/ ſo lang ſie von andern geſehen und gelobet werden. Dergleichen
Heuchler werden einsmahls auß dem Mund deß gerechten Richters hoͤren
muͤſſen: Jhr habt eueren Lohn ſchon empfangen/ nemblich den leeren und
eitelen Lob der Menſchen/ den ihr ſo embſig geſucht hat. Unſere Werck
muͤſſen gleich ſeyn den Altar-Steinen/ von denen die Goͤttliche Majeſtaͤt
befohlen hat/ daß ſie nicht allein polirt und außgearbeitet/ ſondern rau und
unbehauen ſeyn ſolten: alſo muͤſſen unſere Werck/ dem euſſerlichen Anſehen
nach/ von uns nicht geſchehen/ damit ſie nemblich nur von den Leuten tuͤch-
tig ſcheinen; ſondern wir muͤſſen dadurch allein ſuchen unſerm GOtt zu ge-
fallen/ und den Menſchen umb GOttes-Willen. Fliehe derhalben/ mein
Chriſtliche Seel/ fliehe die eitele Ehr wie einen Baſiliſcken/ welcher/ wann
er den Menſchen zum erſten ſehet/ denſelben mit ſeinem Anſchauen toͤdtet:
wann er aber von dem Menſchen vorhero geſchen und erkent wird/ daß nemb-
lich ein uͤber auß groſſe Eitelkeit ſeye/ daß wir auß unſern Wercken die Ehr
bey der Welt ſuchen; ſo wird er von dem Menſchen vollkommentlich uͤber-
wunden werden. Und warumb ſollen wir uns in dieſer Ubung nicht befleiſ-
ſen/ zumahlen die Boͤßheit dieſes Laſters ſehr grauſamblich iſt? Was ich
doch unbilliger/ als wann der Menſch daß jenige ſich zuſchreibet/ was nicht
ſeyn iſt? So viel als ein Criſtallenes Geſchirr/ daß von den Strahlen der
Sonnen ſeinen herrlichen Glantz empfanget/ ſich deſſen ruͤhmen kan: So
viel mag ſich auch ein Menſch die von GOTT ihm mitgetheilte Gaben
zumeſſen/ und auß ſelbigen die eitele Ehr bey den Leuthen zu erwerben
ſich unterſtchen.
5. Der
[368]Die Neun und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
5. Der Apoſtel Petrus ſagte: Wann ſchon alle an dir geaͤrgert
werden/ ſo will ich mich doch nicht aͤrgern. Er iſt aber fuͤr
andern am grobſten gefallen. David vertrauete auff ſich ſelbſten/ und
ſagte/ da er alles in Uberfluß hatte: Nun mag ich in Ewigkeit nicht
Pſal. 29.beweget werden. Und weilen er ſich ſelbſten beruͤhmet hat/ derhalben
ibid.iſt er geſallen; wie er ſelbſt mit dieſen Worten geſtchet: Du haſt dein
Angeſicht von mir gewendet/ da bin ich betrůbt worden.
Dieß iſt die Urſach warumb der H. Paulus einen jeden fragweiß anredet/ und
1. Cor. 4.
v. 7.ſagt: Was haſtu/ daß du nicht empfangen haſt: So du
es aber empfangen haſt/ was berůhmeſtu dich dann/ als
wann du es nicht empfangen haͤtteſt : Laſſet uns dahero be-
hutſamb ſeyn/ und die Ehr/ ſo unſerm GOtt gebuͤhret/ uns nicht/ ſondern
demſelben zuſchreiben nach dem Exempel deß jetzt-gemeldten Apoſtels; wel-
cher nach Erzehlung der vielfaͤltigen außgeſtandenen Muͤheſeeligkeiten und
Verfolgungen/ alſo ſpricht: Nicht ich/ ſondern die Gnad GOt-
1. Cor. 15.
10.tes mit mir. Billig aber ſchreibt er ſeine Kraͤfften der Gnad GOttes
zu; dann Chriſtus ſagt mit außtruͤcklichen Worten: Ohne mich koͤn-
Joan. 15.net ihr nichts thuen. Darumb widerholet der Koͤnigliche Prophet
auch ſo vielmahl dieſe Wort in ſeinem Pſalter: Mein Staͤrcke und
Pſ. 117. v.
14.
Didac.
Stella. p.
1. 2. 18.mein Lob iſt der HErr/ und er iſt mir zum Heyl worden.
Dieſes alles aber wird durch folgende Bewaͤrung probiret. Alle Bewe-
gungen werden verurſachet durch die Bewegung deß erſten Dings/ ſo da
beweglich iſt. Dieſes muß auch geſagt werden von dem Beweger/ oder von
dem/ welcher beweget: zumahlen zwiſchen den beweglichen Dingen und dem
Beweger kein unendliches hin- und her lauffen muß geſtelt werden; derhal-
ben muß man kommen zum erſten Beweger. Auff ſolche Weiß muͤſſen die
gute Werck nothwendig herkommen auß dem Einfluß der erſten und hoͤch-
ſten Guͤtigkeit; dieweilen/ nach Zeugnuͤß deß Apoſtels/ alles Gute vom er-
ſten und hoͤchſten Gut herruͤhret. Wir ſeynd deß Vermoͤgens nicht/
2. Cor. 3.
5.etwas von uns/ als von uns ſelbſt zu gedencken: ſonder un-
ſer Vermoͤgen iſt auß GOtt. Wann wir nun ohne GOtt nichts
vermoͤgen/ und er iſt der guten Werck fuͤrnehmſte Urheber/ wie ſeynd wir dann
ſo unſinnig/ daß wir wegen unſerer guten Wercken noch wollen gelobt ſeyn?
6. Der getreue Evangeliſche Knecht/ deme der HErr zehn Pfund gege-
ben hatte/ mit denen er handlen ſolte/ ſagt nicht in ſeiner Rechenſchafft: Herr/
ich hab zehn Pfund gewonnen: ſondern er ſagt: HErr/ deine zehn
Luc. .19Pfund haben zehn andere Pfund gewonnen: Dieweilen
der
[369]Von der Gleißnerey und eytelen Ehr.
der Gerechte allen Gewinn der Gnaden GOttes zuſchreibet/ nach den Wor-
ten deß Apoſtels: Gott gibt das Gedeyen. Der Menſch pflantzet
und benetzet; daß aber das Gepflantzte und Benetzte ſolle gewuͤnſchte Fruͤch-
ten bringen/ dieſes entſprieſſet auß der Gnade GOttes. Nicht ſagt die kluge
Judith: Jch hab dem Holoferni das Haubt abgeſchlagen: ſondern ſie ſagt:
Der Herr unſer Gott hat ihn durch eines Weibs Hand er-Jud. 1[3.]
ſchlagen. Die vier und zwantzig Eltiſte in der Offenbahrung Joannis
zohen ihre Cronen ab/ und legten ſelbige zu den Fuͤſſen deß Lambs. Alſo/
mein Chriſtliche Seel/ lege du auch die Ehr deiner guten Werck
zu den Fuͤſſen deines Herrn/ und ſage mit dem frommen David:
Nicht uns/ O Herr/ nicht uns; ſondern deinem Nah-Pſal. 113.
men gib die Ehyre. Du ſolſt aber nicht vermeinen/ als ob ich
tadlen wolle; daß einer dem andern auß Vertraͤwligkeit/ oder anderer
billigen Urſach ſeine gute Werckoffenbahre: Mit nichten: ſondern muß
ich vielmehr loben den jenigen/ welcher zu Aufferbawung ſeines Nechſten/
demſelben ſeine tugentſame Thaten erzehlet. Seye dannoch behutſamb/
und ſchawe fleiſſig zu/ daß nicht unter dem Schein der Ehren
GOTTES/ der Betrug deß boͤſen Feinds verbor gen liege. Dieſes
lehret uns neben andern Heiligen/ der heilige Paulus/ welcher ſeine Ver-
zuͤckung viele Jahr verſchwiegen/ und nicht ehender offenbahren wollen/
biß er vermeinet/ daß durch deſſen Entdeckung ſeinem Nechſten befuͤrderlich
ſeyn koͤnte.
Der Andere Theil.
7. DJe Gleißnerey iſt nichts anders/ als wann einer ſich vergeſtal-
tet/ oder laſſet angehen/ daß er gerecht ſeye; oder daß er gerech-
ter ſeye/ als er iſt. Dieſe Gleißnerey befl[i]cht uns zu vermei-
den CHRJSTUS mit dieſen Worten: Hůtet euch fůr demLuc. [12].
v. l.
Sauerteich der Phariſeer/ welcher iſt Heucheley. Und daß
auß billigen Urſachen. Dann gleich wie den Schiffenden die verborgene
Stein-Klippen leichter ſchaden/ dann die außſtehende: Alſo ſeynd durch
ihr verdecktes Laſter andern mehr ſchaͤdlich die Gleißner/ als offenbahre
Suͤnder: Dahero ſagt der Herr; Attendite, huͤtet euch: weilen es ein
ſehr groſſes Ubel/ und ein gar geheimes Laſter iſt. Auch gleich wie ein
Wald-Waſſer oder Bach zur Winters-Zeit haͤuffig flieſſet; im Som-
A a amer
[370]Die Neun und zwantzigſte Geiſtliche Lection
mer aber kaum erſcheinet: Alſo machens die Gleißner/ ſo ihre falſche
Tugenden in Zeit der Gluͤckſeligkeit umb Ruhms willen zeigen; und in
der Hitze der Widerwaͤrtigkeit außtrucknen/ und offenbahren alſo/ wer
ſie ſeyen/ recht nach dem Art der Papageyen/ welche/ ſo man ihnen
fleiſſig auffwartet/ und nichts mangelen laſſet/ die Rede der Menſchen
nachſchwetzen/ und das Pfeiffen der Voͤgel gar artig lernen: Thut man
ihnen aber boͤſes/ und ſchlagt ſie/ ſo ſetzen ſie ihre Kunſt-Sprachen auff
die Seiten/ und heulen und weinbſen wie ſie vorhin von der Natur gelehret
worden. Ebener Weiß finden ſich unter Menſchen einige/ ſo da in ihrer
Wohlfart das Leben der Heiligen nachfolgen; reden als wie Heilige/
gehen daher wie Heilige: Jn Summa; alle ihre Sitten und Gebaͤrden
ſchmecken gantz und zumahlen nach der Heiligkeit: Werden ſie aber ange-
griffen/ tritt man ihnen auff die Fuͤß/ und widerfahret ihnen einiges Un-
bill; ſo geben ſie alsbald ihre Natur zu erkennen/ werden vielmehr/ und
leichtlicher/ als andere erzuͤrnet/ und ſuchen ſich/ aber gantz verdeckter Weiß/
zu rechnen.
Lyræ.
Apoph.
p. 259.
8. Dieſe ſaubere Schein - Heilige moͤgen wohl fuͤr ihre ſonderbahre Pa-
tronin verchren jenes naͤrriſche Weib/ ſo ſich in allen ihren Beichten/ als
ein gottloſe und ſehr groſſe Suͤnderin anzuklagen pflegte; damit ſie nur
vom Beichts-Vatter fuͤr demuͤthig und heilig gehalten wuͤrde. Auff/ daß
nun ſelbiger in Erfahrung dieſer Heiligkeit gerathen moͤchte; ſagte er zu
dieſem ſeinem Beichts-Kind/ daß er von andern Leuten auch gehoͤrt haͤtte/
daß ſie eine ſo groſſe Suͤnderin waͤre; ſie ſolte nun anfangen/ und ſich
dermahlen eins ernſtlich beſſeren: Da dieſes das heilige Weib hoͤret/ wird
ſie hier uͤber hefftig entruͤſtet/ fangt an zu zuͤrnen und zu ſchmaͤhen uͤber die
jenige/ ſo ſich ſolten erkuͤhnet haben/ ihro ſolcher Geſtalt uͤbel nachreden.
Was hat aber dieſes elende Weib hiemit anders an Tag/ und dem Beichts-
Vatter zu erkennen gegeben/ als eben ihre falſche und angenommene
Phariſeiſche Heiligkeit. Huͤte dich/ mein Chriſtliche Seel/ fuͤr dieſes
Laſter mehr/ dann fuͤr andere; dieweilen ſolche Wund uͤbel zu curiren
iſt: Sintemalen die Gleißner weder ihre Schuld bekennen/ weder ſich
beſſern laſſen wollen: Dann ſie ſeynd ehender bereit zu ſterben/ ſagt der
Heil Gregorius/ als beſtrafft zu werden. Was dieſes Laſter weiters fuͤr
In mor.ein Grewel ſeye in den Augen GOttes/ daß koͤnnen wir auß dem Zeugnuͤß
der ewigen Warheit gnugſamb abnehmen; zumahlen Chriſtus kein ein-
tziges Laſter ſo offt/ und mit ſo ſcharffen Trew-Worten immer hergenom-
men/
[371]Von der Gleißnerey und eytelen Ehr.
men/ als die Gleißnerey und Heuchlerey der Phariſeer: Dem er dann neben
vielen andern mahlen/ auch einsmahls mit dieſen Worten trewet: WeheMatt. 23.
v. 27.
euch/ ihr Schrifft-Gelehrten und Phariſeer/ ihr Heuchler:
Dann ihr ſeyd gleich den ůberweiſſeten Graͤbern/ welche
von auſſen fuͤr den Leuten fein ſcheinen; aber inwendig ſeynd
ſie voller Todten-Bein und aller Vnſauberkeit.
9. Fahret nicht billig unſer goͤttliche Heyland ſo hefftig uͤber die Gleißner
auß; zumahlen ſelbige/ wahre Verraͤther koͤnnen genennet werden; indem ſie
es mit dem Teuffel halten/ und laſſen ſich doch angehen/ als wann ſie es mit
Gott hielten: Und/ da ſie ſich als Freunde GOttes zu ſtellen wiſſen/ ſie doch
deſſelben Feinde ſeynd; und ſolcher Geſtalt groſſen Schaden verurſachen?
Dahero iſt/ leider Gottes! geſchehen/ daß die Ketzer durch die Heuchlerey
und verſchmitzte Heiligkeit viele einfaͤltige Menſchen biß dato verfuͤhren und
verkehren: und wird der Antichriſt/ der Fuͤhrer aller Verfuͤhrer/ die arme
Leuth meiſtens durch ſeine Gleißnerey verfuͤhren Weiters kan ich auch einen
Gleißner am beſten vergleichen dem Strauß-Vogel: Dieſer/ ob er ſchon mit
Federn verſehen iſt/ fliehet doch zumahlen nicht/ ja erhebet ſich nicht einmahl
von der Erden auff. Alſo ein Gleißner/ ob er ſchon einem Heiligen gleich
ſcheinet; ſo kan er doch von der Erden nicht auffſtehen/ und nach der Art der
Heiligen ſich zu Gott erheben; weilen er mit dem Laſt der Suͤnden beladen iſt.
Von dergleichen Art hat ſchon vor laͤngſt der Prophet Iſaias geweiſſaget:
Dieſes Volck ehret mich mit den Lefftzen/ ihr Hertz aber iſtc. 29.
weit von mir. Alſo machens in der Warheit die Gleißner: Sie verrich-
ten viele gute Werck: Betten lang/ wachen viel/ toͤdten ſich offtmahlen auch
in den zulaͤſſigen Dingen ab: Und hat es das Anſehen/ daß ſie dadurch Gott
loben: Es beſtehet aber dieſer Lob nur in den Lefftzen; oder in den euſſerlichen
Wercken: Sie ſeynd aber mit dem Hertzen/ daß iſt mit der Intention oder
Meinung ihrem Herrn zu gefallen/ von demſelben weit entfernet. Ein ſolcherL. 4. Dial.
c. 38.
Hiſtoria.
ware jener Muͤnch/ von welchem der Heil. Gregorius meldet/ daß er von ſei-
nen Bruͤdern fuͤr heilig gehalten worden; und da er nun eben von dieſer Welt
ſolte abſcheiden/ ſeyn ſeine Bruͤder zu ihm kommen/ umb eine und andere
heylſame Lehr zu empfangen; habe aber/ O leider! geſagt/ daß er wegen der
Gleißnerey/ in der er viel gute Werck verrichtet/ und unter andern auch dem
Anſehẽ nach/ ſehr ſtreng gefaſtt/ aber heimlicher und geſtohlner weiß gegeſſen;
dem hoͤlliſchen Drachen zum verſchlingen uͤberlaſſen ſeye/ welcher nunmehr
mit dem Schweiff ſeine Knie und Fuͤß gefeſſelt/ ſein Haubt
A a a 2mit
[372]Die Neun und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
mit dem Maul ergriffen/ und die Seel zum Hinſcheiden noͤthige
Nach ſolcher unverhofften Bekaͤndnuͤß ſeye er alsbald ohne Buß
geſtorben: Einen ſolchen Todt verdienet die angenommene Heylig-
keit.
10. Auch haben die Gleißner an ſich die Natur der Fal-
cken/ ſo da nach erſehenem Reiger nicht gerad auff ſelbigen
zu fliegen; ſondern thuen dergleichen/ als wann ſie von ſel-
bigem abweichen und ihn verlaſſen wollen: nachdem ſie aber ver-
mercken/ daß ſie durch das neben Außfliehen hoͤher/ als der ge-
mldte Vogel empor geſtiegen/ laſſen ſie ſich uͤber denſelben herab/
ſtuͤrtzen ihn zu Bode[m] und toͤdten ihn. Eben ſolches thun viele auß den
Gleißnern/ weiche im euſſerlichen Schein die Wuͤrden und Ehren der
Welt fliehen/ damit ſie deſto hoͤher ſteigen/ und groͤſſere Aembter ero-
bern moͤgen; indem ſie nichts alſo ſehr verlangen/ als das jenige/ daß ſit
dem Auſehen nach verwerffen und verachten. Wie ſehr ſich aber ſolche
ſelbſt betriegen/ und den hoͤlliſchen Straffen unterwerffen/ lernen wir auß fol-
Zach.
Bour.
1612.
Hiſtoria.gender Hiſtori. Ein Geiſtlicher auß dem heiligen Capuciner Orden
ſuchete ſich bey den Seinigen/ und ſonderbahr bey ſeinen Oberen
durch eine angenommene Heiligkeit einen. Nahmen zu machen: Er bet-
tete/ wann andere ſchlieffen/ und ware hierdurch gantz ermuͤdet/ gleich-
wohl in der Metten mit andern gegenwaͤrtig. Dieſerthalben iſt er etlich
mahl zu hohen Aembtern und Wuͤrden gelanget/ zudenen er heimlichen
Weiß ein groſſes Verlangen truge. Aber/ aber/ was iſt ſo verbor-
gen/ daß zu ſeiner Zeit nicht offenbahret wird? Es truge ſich zu/ daß
dieſer Geiſtliche mit einer ſchwaͤren Kranckheit behafftet wurde: Man
ermahnte ihn zeitlich/ daß er ſich mit allen Chriſtlichen Rechten wolle
verſehen laſſen; derhalben begehrte er einen deren Prieſtern/ mit dem
er ſonderbahre Gemeinſchafft gepflogen hatte: Da dieſer hinzu kom-
men/ ſagte der Krancke an ſtatt der Beicht alſo: Weilen es umb mei-
ne Seeligkeit verlohren iſt/ ſo will ich nicht beichten; ich bitte dich aber/
du wolleſt meinen andern Bruͤdern ſagen/ daß ich gebeicht habe. Der
Beichts - Vatter aber gibt ihm zur Antwort/ und ſagt: Was ſoll
das ſeyn? foͤrthteſt du dich dann/ mir dein Gewiſſen zu entdecken?
Der Krancke widerholet ſeyn voriges Lied/ und ſagt: Was iſt es noͤthig/
daß ich beichte/ da doch meine Seeligkeit verſpielet iſt der Beichts-Vatter
laſſet
[373]Von der Gleißnerey und eytelen Eht.
laſſet nicht ab/ den verzweifflenden mit allem Ernſt zu erinneren/
daß er ſeine Zuverſicht zu dem guͤtigen und barmhertzigen GOtt nehmen/
und alſo von deſſen Gnade nicht verzagen ſolle. Er aber als ein verſtock-
ter und tauber Menſch gibt zur Antwort: Es iſt alles umbſonſt/ ich bin
dem gerechten Urtheil GOttes gemaͤß ewiglich verdambt/ dieweilen ich
ſo viele Jahr lang den innerlichen Laſtern bin ergeben geweſen/ und hab nur
einen eitelen Schein der Frommigkeit außwendig gezeiget: und dieſes alles
hab ich niemahlen recht gebeichtet: derhalben hab ich mir den Zorn GOt-
tes auff den Hals geladen/ daß ich anjetzt nicht beichten kan: und wann ich
ſchon beichtete/ ſo wuͤrde doch dem gerechten GOtt meine Beicht nicht ge-
fallen. Uber dieſen Worten hat er ſeine Zung in ſtucken gebiſſen/ und grau-
ſamblich geſchriehen: O du verfluchte Zung/ dir iſts allzeit ſchwer vor-
kommen meine Suͤnden zu offenbahren! ich verbeiſſe dich nun in Stuͤcken/
auff daß du den gerechten Rach GOttes auch empfindeſt. Nach dieſem
hat er die Stuͤcklein der Zungen mit Blut vermiſchet außgeſpiehen/ und
unter abſcheulichem Ruffen den Geiſt auffgegeben. Alſo/ alſo iſt dieſem
ungluͤckſeeligen Geiſtlichen (der doch den Nahmen eines Geiſtlichen nicht
verdienet) die wohl- verdiente Straff der Gleißnerey zu Theil worden.
Huͤte du dich/ mein Chriſtliche Seel/ fuͤr dem Sauerteich der Phariſeer/
welcher iſt die Gleißnerey/ und ſpiegle dich an dieſem Geiſtlichen; auff
daß du ſo viele geuͤbte gute und muͤſeelige Werck am End deines Lebens
nicht umbſonſt verrichtet habeſt/ und an Stadt deß Lohns/
die ewige Straffen empfangeſt.
Die
[374]Lection
Die Dreyſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Verachtung der Welt.
2. \& 14.
quæ fiunt ſub ſole, \& ecce univerſa vanitas \& affli-
tio ſpiritus Eccleſiaſtes.’
Jch hab alles angeſehen/ was unter der Sonnen geſchicht/
und ſiehe es war alles Eitelkeit und Bekůmmernuß deß
Geiſts.’
1. WJr haben etwas weniges von dem geiſtlichen Stand geſagt; wir
wollen nun ſehen/ was es fuͤr ein Werck ſey/ dem ein Geiſtlicher
ſoll obliegen/ und es wird uns bald entgegen kommen die Ver-
achtung der Welt. Dieweil aber davon in denen vorhergehenden Ermah-
nungen etwas ſchon geſagt worden/ und in denen folgenden auch etwas ge-
funden wird/ deßdwegen wollen wir mit wenigen dieſe Ermahnung abhandeln.
Es muß deßwegen ein Geiſtlicher die Welt ſonderlich verachten/ und dem
nackenden JEſum folgen/ welches er leicht thun wird/ wann er die Eitel-
1. Joh. 2.
v. 17.keit und Falſchheit der Welt auffmerckfamb erwegen wird/ Dann die
Welt vergehet ſambt ihren Lůſten. Dieſes leget der Pſalmiſt
gar warhafftig auß/ in dem er ſagt: Jch habe einen Gottloſen ge-
Pſ. 36. v.
35. 36.ſehen/ daß er ſehr erhoͤhet war/ und hoch auffgewachſen/
wie die Cedern-Baͤume am Libano/ darnach bin ich fůrů-
ber gangen/ und ſiehe er war nicht vorhanden das iſt/ wie
es Bellarminus mercket: Jn dem ich vorbey gieng/ habe ich dieſen Menſchen
erhoͤhet und eingewurtzelt geſehen wie die Cedern vom Libano/ und ich bin
ihm kaum fuͤrbey gegangen/ und ſiche/ ich ſehe hinter mich/ und er war
verſchwunden
[375]Von Verachtung der Welt.
verſchwunden; Jch habe geſuchet/ wo er geweſen ware/ und ob noch
Fuß-Stapffen ſolcher Hoheit uberblieben/ und ſeine Statt war nit
gefunden/ als wann er niemahls da geweſen waͤre. Dannenhero als
der H. Gregorius dieſe kuͤrtze betrachtet/ vergleichet er die Ehre der Welt den
Stoppeln/ dem Rauch/ dem Nebel/ dem Thau/ und dem Schaum; welche
Dinge alle bald verſchwinden/ und darumb fuͤr nichts gehalten werden. Da-
hero Jſaias ſagt: Alles Fleiſch iſt Heu/ und alle ſeine Ehr iſt alsIſa. 40. 6.
eine Blum deß Felds. Deßwegen ermahnet uns wohl der H. Vatter
Auguſtinus/ in dem er ſagt: Bruder liebet die Welt nicht/ welche ihr mit Ge-
ſchwindigkeit vergehen ſehet: werffet den Ancker deß Hertzens nicht auff ih-Serm. 13.
de die Iu-
dicii.
Jac. 4. 4.
Tr. 2. in
Joan.
re Liebe/ welche ihr alſo zu Ende gehen ſehet/ abſonderlich weil der Apoſtel
ruffet/ daß die Freundſchafft dieſer Welt GOttes Feind-
ſchafft ſeye: Eben dieſer H. Lehrer fuͤhret ferner dieſe Eytelkeit zu Ge-
muͤth und ſagt: die Freude der Welt/ iſt Eitelkeit. Sie wird mit groſſem
Verlangen erwartet/ daß ſie komme/ und ſie kan nicht behalten werden/ wann
ſie kommen iſt: der Tag/ der froͤhlich iſt/ wird ja morgen nicht ſeyn; Es
gehet alles vorbey/ alles entfliehet/ und verſchwindet wie der Rauch.
2. Der andere Beweiß zur Verachtung der Welt iſt deſſen Falſchheit
und Bitterkeit. Alle dieſe Eigenſchafften der Welt/ ſeynd warhafftig ein
geſaltzenes Meer; darvon Innocen ius III. redet: Es iſt Arbeit im erwer-
ben/ Furcht im Beſitzen/ Schmertzen im verlieren. Denen Liebhabern der
betruͤglichen Welt ruffet S. Bernardinus alſo zu Siche/ Gott hat mit ſo vielLib. 1. de
contemp
mundi
art. 3. c. 1.
Elend die Welt erfuͤllet/ Siche die Welt iſt bitter/ und wird alſo geliebt; ſie
iſt ſo baufaͤllig/ und ſie wird bewohnet; was ſollen wir thun/ wann ſie feſt
und ſuͤß waͤre? O unreine Welt/ und voll von Finſternuͤſſen! wann du
alſo anhaͤlteſt/ in dem du vorbey geheſt/ was ſolteſtu thun/ wann du bleiben
wuͤrdeſt; wann du ſo betriegeſt/ in dem du bitter biſt/ wen ſolteſtu nicht be-
triegen/ wann duſuͤß waͤreſt? Ferner koͤnnen wir der Welt Eitelkeit und
ihre Betruͤglichkeit der Hure Dalila billig vergleichen: dann was Dalila
dem Samſon gethan/ das pflegt die Welt ihren Liebhabern zuthun. Dann
als Samſon von Dalila uͤberredet/ ihr offenbahret hat/ worinn ſeine Staͤrcke
beſtuͤnde/ hat ſie dem Samſon/ der ſie fuͤr ſeine getreue Buhlerin gehalten/
die Haare abgeſchnitten/ in dem er in ihrem Schoß ſchlaffete/ und hat ihnJudic. 16.
ſeinen Feinden uͤbergeben/ welche ihm die Augen außgeriſſen/ und
ihn gebunden in den Kereker geworffen/ da er hat mahlen muͤſſen. Die-
ſe Dalila iſt die Welt/ der Samſon aber iſt deſſen Liebhaber: Die
Abſchneidung der Haare bedeutet die Entzichung der Gnad und deß
Lebens/ und alſo beraubet wird er in den hoͤlliſchen Kercker ge-
ſtoſſen/
[376]Die Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
ſtoſſen/ wo ſie ihn zur Muͤhle ſtellen/ das iſt: zu unterſchiedlichen Straffen/
wo er im uͤbrigen niemahls ruhen wird. Deßwegen wird dieſe Welt inder
H. Schrifft billig eine Heuchlerey genennet/ dieweil/ ob ſie ſchon euſerlich
ſehr ſcheinbahr/ iſt ſie doch inwendig voll von Verderbung/ Eitelkeit/ und
Liſt. Jn jenen ſinnlichen Guͤtern ſcheinet ſie gut zu ſeyn/ da ſie doch war-
hafftig voll Betrug und Luͤgen iſt.
pel 68.
Hiſtoria.
3. Diſcipulus erzehlet: daß in Oeſterreich ein Adelicher Mann geweſen/
der Eitelkeit der Welt ſehr ſtarck ergeben/ welcher/ als er in einer Nacht allein
vor dem Schloß in einen lieblichen Garten gegangen/ umb ſein Gemuͤth zu
erluͤſtigen/ iſt ihm eine wohl gebutzte Frau erſchienen/ umd hat befohlen/ daß
er naͤher zu ihr kommen moͤgte; dann ſie waͤre die jenige/ welche er ſo ſehr
liebet/ und ſonderlich in Augen und Hertzen haͤtte. Er gehet hinzu/ be-
ſiehet ſie fleiſſig/ und betrachtete ihre Schoͤnheit. Als er ſeine Augen
gnug an der ſchoͤnen Geſtalt geweidet hatte/ vermahnet ſie ihn/ daß er
nun auch auff den Rucken beſchauete/ welche er von fornen ſo begierig ange-
ſehen hatte. Da wendet ſie den Rucken/ und er die Augen/ und befand ſit
gantz heßlich/ und voll von Verfaulung und Beinern. Als er daruͤber er-
ſchrocken/ hat er gefraget werſie dann waͤre/ welche mit einem ſo lieblichen
Angeſicht die Augen zum anſchauen anlockete/ auff dem Rucken aber ſo heß-
lich/ daß ſie einem Todten-Aaß vielaͤhnlicher als einer ſchoͤnen Frauen waͤ-
re? darauff ſie geantwortet: Jch bin die Ehre der Welt/ und dieſe ſeyn
meine Fruͤchte/ damit ſie alsbald in die Lufft verſchwunden: der Edelmann
daruͤber gantz erſchrocken/ hat der Welt ab geſagt/ und ſich GOtt gantz in ei-
ner heiligen Geſellſchafft ergeben. So hat dann dieſe erſchienene Frau
den Zuſtand der Welt auffs beſte außgetruckt/ deſſen vorderer Theil oder
der Anfang ſchoͤn und lieblich/ wann wir aber den Rucken oder das Ende
beſchauen/ werden wirs voll von Grauſſen und Schmertzen befinden. Die-
Eccl. 2. v.
10.11.ſes bekennet Salomon deutlich von ſich ſelbſten/ indem er geſagt: Alles/
was meine Augen begehret haben/ daß hab ich ihnen nicht
geweigert: Auch hab ich meinem Hertzen nicht gewehret/
alle wolluſt zu brauchen/ und ſich in dem zu erlůſtigen/ was
ich zubereitet hatte/ und habe das fůr meinen Theil gehal-
ten/ wann ich meine Arbeit brauchete. Als ich mich nun zu
allen Wercken kehrete/ die meine Haͤnde gemacht hatten/
und zu der Arbeit/ darinn ich mich vergeblich bemůhet
hatte: da hab ich in allem Eitelkeit geſehen/ und Bekům-
mernuß deß Gemůths; auch daß nichts blibe unter der
Sonnen.
4. Als
[376[377]]Von Verachtung der Welt.
4. Als Joab den Amaſam freundlich gegruͤſſet/ und mit der Rechten Hand2. Reg.
20.
ſein Kien gefaſſet/ als wolte er ihn kuͤſſen/ hat er mit der Lincken den Degen
in ſeine Seiten geſtochen und umbgebracht. Alſo pflegts auch die Welt
zu thun denen/ die ihr dienen/ dann in dem ſie kuͤſſet/ liebkoſet/ und Sůſſig-
keit anbietet/ ſo bringt ſie zugleich umb. Dieſes beweinet S. Chryſoſto-Sup.
Matth.
mus ſagend: O wie gar elend iſt die Welt/ und elend diejenige die ihr fol-
gen/ dann die Wercke der Welt haben die Menſchen allzeit von dem Le-
ben außgeſchloſſen. Mit dieſem ſtimmet S Bernardus ein: Sage mir/ ſagt
er/ wo ſeynd die Liebhaber der Welt/ welche vor wenig Zeit mit uns waren?
Es iſt von ihnen nichts uͤber blieben als Staub und Aſchen. Nehmets fleiſ-
ſig in acht/ was ſie ſeyen/ und was ſie geweſen. Sie ſeyen Menſchen ge-
weſen/ wie du/ ſie haben gegeſſen/ getruncken/ gelacht/ und haben gute Tage
gehabt/ und augenblicklich ſeyn ſie in die Hoͤlle gefahren. Hier wird ihr
Fleiſch denen Wuͤrmen/ dorten ihre Seel dem Feuer zu theil. Einen ſol-
chen Außgang haben die Sclaven der Welt: dann dieſe weiß wohl den
Wirthen nachzufolgen/ welche den einkehrenden Gaſt gar freundlich em-
pfangen/ und das allerbeſte verſprechen/ aber im Weggehen eine theure Zech
mit ernſtlichem Geſicht genau fordern: alſo liebkoſet zwar die Welt anfaͤng-
lich ihren Liebhabern/ aber am Ende zwinget ſie die genoſſene Suͤſſigkeit mit
den ſchwereſten Straffen zu buͤſſen.
5. Wann ſich nun die Sach alſo verhaͤlt; wie naͤrriſch handeln dann
die jenige/ welche GOtt verlaſſen und der Welt anhangen/ abſonderlich die-
weil/ nach deß H. Joannis Zeugnuß/ alles was in der Welt iſt/1. Joh. 2.
16.
entweder Begierde deß Fleiſches/ oder Begierde der Au-
gen/ oder Hoffart deß Lebens iſt/ welche allzumahl den Men-
ſchen in das hoͤlliſche Feuer ſtuͤrtzen? O Blindheit der ſterblichen Menſchen!
O Thorheit der Menſchen! Warhafftig/ der Narren iſt ein unendliche Zahl.
Der H. Bernardus ruffetrecht auß: die Welt ſchreyet/ ich nehme ab: der Teuf-
fel ſchreyet/ ich betriege: Chriſtus ſchreyet/ ich erquicke/ und doch will un-
ſer Hoffaͤrtiges Gemuͤth mehr der abnehmenden Welt als dem erquickenden
Chriſtum folgen. Jſt das nicht die hoͤchſte Thorheit? Aber laſt uns weiter
der Welt Blindheit betrachten. Der Menſch nach der Gleichheit GOt-
tes erſchaffen/ kan nicht ruhen/ biſt er ſeyn letztes Ziel erreichet/ dar zu er er-
ſchaffen iſt/ weil aber dieſes GOtt ſelbſt iſt/ ſo folget gar wohl/ daß kein er-
ſchaffenes Ding (wie es auß der taͤglichen Erfahrung genug bekandt iſt)
den Menſchen voͤllig erſaͤttigen koͤnne. Dann alles was in der Welt ge-
funden wird/ iſt unter dem Menſchen/ und wann ſich der Menſch durch Zu-
B b bneigung
[378]Die Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
neigung mit ihnen vereiniget/ wird er nicht edler/ ſondern ſchlechter und un-
In Serm,
Ecce nos
reliq.
Lib. 4.
Conf. c.
12.reiner/ und ſolches deſto mehr/ je mehr er ihnen anhaͤnget. Deßwegen nimbt
der H. Bernardus kluglich in acht/ daß die vernuͤnfftige Seele nach dem E-
benbild Gottes gemacht/ von andern Sachen eingenommen/ aber nicht erfuͤl-
let werden koͤnne. Deßwegen ruffet der H. Auguſtinus denen Anhaͤngern der
Welt alſo zu: O ihr Liebhaber der Welt! da iſt keine Ruhe/ wo ihr dieſelbe ſu-
chet; ſuchet/ was ihr ſuchet; ihr ſuchet das gluͤckſelige Leben im Lande deß
Todts? Es iſt nicht allda/ dann wie kan da ein gluͤckſeliges Leben ſeyn/ wo kein
Leben iſt?
6. Ferner hat dieſer Betrug der Welt mit ſeinen Gemuͤths Augen biß
auffs innerſte geſehen der Heyden-Lehrer S. Paulus, deßwegen ſagt er zu den
Philip. 3.
8.Philippenſern: Jch achte alles fůr Koth/ damit ich Chriſtum
gewinne. Deßwegen ſoll man billig alle Guͤter der Welt verachten/ weil
ſie der Apoſtel fuͤr Koth haͤlt. O du hoͤchſte Verkertheit/ und erſchroͤckliche
Blindheit der Adams-Kinder! was iſt Gott/ den ſie verlaſſen? iſt er nicht der
Brunn alles guten/ das Mittelpunct unſerer Seelen/ die wahre Ruhe unſers
Hertzens/ und die reinſte Wuͤrckung der Guͤtigkeit? was iſt die Welt/ die
ſie lieben? iſt ſie nicht ein Kaͤrcker der Lebendigen/ ein Grab der Todten/ eine
Werckſtatt der Laſter/ ein verachtung der Tugenden und ein Hencker der
Vernunfft/ ſo zu Gott lencket. Hoͤret derohalben ihr Liebhaber der Welt S.
1. Joh. 2.
17.Joannem, welcher euch alſo zuruffet: Die Welt vergehet ſambi ih-
ren Lůſten. Jch bitte euch/ ſaget doch ob/ ihr wollet/ entweder das zeit-
liche lieben/ und mit der Zeit voruͤber gehen/ oder Chriſtum lieben/ und in E-
wigkeit leben? vielleicht werdet ihr antworten/ daß ihr beydes liebet; aber/ ihr
Matt. 6.
24.elende! ihr werdet betrogen. Dan Chriſtus ſagt: Niemand kan zweyeu
Herren dienen/ dan er wird entweder den einen haſſen/ und
den andern lieb haben: oder er wird den einen důlden/ und
den andern verachten. Jhr koͤnnet nicht GOtt dienen und
dem Mammon oder der Welt. Derowegen iſts dem/ der Chriſto dienen
will/ nothwendig/ daß er alle Lieb der Creaturen auß dem innerſten ſeines Her-
tzens ſtoſſe/ dann ſo/ und nicht anders wird er ſeinen Feinden obſiegen. Dann
gleich wie David[ ]mit deß Sauls Waffen angethan/ nicht fortg[e]hen konte/
noch gegen den Goliath ſtreiten; alſo auch einer/ der mit den Waffen der
Welt angethan/ das iſt/ in die weltliche Geſchaͤfften ſich einſtecket/ der kan
fuͤr Gott gegen den Teuffel nicht ſtreiten.
7. Derowegen/ lieber Bruder/ damit du nicht einmahl am Ende deines
Lebens von der Welt betrogen/ und von derſelben in den Abgrund der Hoͤllen
geſtuͤrtzet
[379]Von Verachtung der Welt.
geſtuͤrtzet werdeſt/ ſo entferne weit von dir derſelben Liebe. Damit du aber dieß
deſto kraͤfftiger thun koͤnneſt/ ſo bemuͤhe dich denen im Anfang bald zu wider-
ſtehen/ und den erſten Zugang zu verſchlieſſen/ welches du leichtlich verrichten
kanſt/ wann du die Geſellſchafft der weltlichen Menſchen gaͤntzlich fliehen
wirſt: Ja nicht allein der weltlichen/ ſondern auch den Zugang der Freunde
und Bluts-Verwandten vermeide/ ſo viel du kanſt/ treibe deren Geſchenck
von dir hinweg/ dann dieſe und dergleichen haben ſehr viel Geiſtliche verkehrt.
Daher/ damit ſich unſer P. Adalbettus à S. Alexio ſich nicht in die geringſte
Gefahr ſteckete/ meidete er aͤrger als eine Schlang die Geſellſchafft der welt-
lichen/ auch der Freunde/ und predigte dieſe Flucht den andern Novitiis (deren
ich der geringſte war) ein: Welche Lehr er hernach mit einem heroiſchen
Exempel bek raͤfftiget hat/ in folgender Begebenheit. Er iſt in dem general
Capitul zum general Definitor erwaͤhlt worden/ deßwegen er gezwungen
war nach Rom zu reiſen. Als er nun nach Praag kommen/ hat alſo bald ſeine
Fraw Mutter mit zweyen andern ihrer Soͤhnen begleitet/ umb ihren uͤber-
auß geliebten Sohn Adalbertum, denſie etliche Jahren nit geſehen/ zu beſu-
chen/ zum Cloſter geeylet/ und hat ihn nach ſehr freundlicher Gruͤſſung gebet-
ten/ ſich belieben zu laſſen/ zu ihr zu kommen/ und je mehr ſie anhielte/ je mehr
ers abſchluge: Daher haben auch ſeine leibliche Bruͤder nichts unterlaſſen
von den Beredungen/ damit P. Adalbertus durch deren Krafft uͤberwunden/
in der Mutter Begehren einwilligte: Aber vergebens: Und als er die
Urſach erforſchete/ warumb ſie dieſes verlangeten? Vielleicht/
ſagt er/ wollet ihr mir ein Gaſtmahl bereiten? aber zu was dienet
es? dann mein Cloſter gibt mir gnugſame Nahrung: So es aber
wegen einer andern Urſach iſt/ ſiehe/ ſo bin ich bereit/ euch zu
dienen/ ſo lang ich hier bleiben werde/ kommet/ zu welcher Zeit
es euch gefaͤllet: Und alſo iſt er noch durch der Mutter/ noch der
Bruͤder Bitten bewogen allezeit im Cloſter geblieben/ biß er ſei-
ne Roͤmiſche Reiß fortgeſetzet hat. Jſt das nicht eine heroiſche
That?
8. Ein anderer Muͤnch/ nachdem zu ihm nach 15. Jahren viele
Brieff vom Vatter und Mutter/ und vielen Freunden auß der
Landſchafft Ponti gebracht worden/ hat den groſſen Pack der Brief-
fen genommen/ und lang bey ſich erweget/ ſagend: Was
wird mir die Leſung derſelben fuͤr eine Urſach ſeyn zu vielen
B b b 2Gedan-
[380]Die Ein und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
Gedancken/ welche mich entweder zu einer eytelen Frewde oder unfruch tbah-
ren Trawrigkeit treiben werden? wie viel Tage wird die Erinnerung derer/
die geſchrieben/ die Meinung meines Gemuͤths von der vorgeſetzten Be-
ſchawung abhalten? was wirds mir nutzen/ daß ich die Frewde mit dem Leib
verlaſſen habe/ aber nicht mit dem Hertzen? als er dieſes im Gemuͤth uͤberleget/
hat er beſchloſſen/ nit allein keinen Brieff zu eroͤffnen/ ſondern auch den Pack
nicht/ nemblich/ damit nicht die Meinung ſeines Geiſts auff hielte/ wann er
der Schreibenden Nahmen erzehlete/ oder ſich ihrer Geſichter erinnerte; der-
wegen wie er den Pack zugebunden empfangen/ hat er ihn dem Feuer zu bren-
nen gegeben/ ſagende Gehet hin ihr Gedancken deß Vatterlands/ werdet auch
verbrandt/ damit ihr mich nicht wieder dahin zu ziehen verſuchet/ welches ich
geflohen. Gleich wie auch Theodorus deß H. Pachomii Lehr-Juͤnger/ die
Welt verachtet habe/ iſt in dem Leben St Pachomii zuleſen. Mehr andere
Exempel von der Verachtung der Welt wirſt du uͤberall in dieſem Buch
finden/ welche ich hier vorbey gehe/ damit ich eben daſſelbe nicht widerhole.
Folge derowegen dieſen und jenen nach auff dem Weeg/ damit du mit allen
Verachtern der Welt dich moͤgeſt frewem im Vatterland. Lebe wol!
Die Ein und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Geiſtlichen Vollkommenheit.
31.
nem meam vobis monſtro.’
noch einen fůrtrefflichern Weg zeigen.’
Der Erſte Theil.
1. GLeich wie von demjenigen/ welcher die ſchwere Buͤrden/ Kleider
und andere Hindernuͤſſen weglegende ſich entlaſſet/ nicht geſagt
wird daß er auffgeſtiegen/ oder auff dem Gipffel deß Bergs ſeye/
ſondern
[381]Von der geiſtlichen Vollkommenheit.
ſondern im Stand der geſagten Auffſteigung ſich ſetzet/ und auffſteigend von
Stund zu Stund dem Gipffel deß Bergs naͤhert: Alſo iſt ein Geiſtlicher/
der die Welt auß ſeinem Hertzen geriſſen/ nicht gleich vollkommen zu nennen/
ſondern daß er auff dem Koͤniglichen Weeg zum Gipffel der Vollkommen-
heit ſeye: dahero/ wann er den Berg der geiſtlichen Vollkommenheit auffzu-
ſteigen verlanget/ ſo muß er auch von ſich ablegen alle Faulheit und Beſchwer-
nuͤß/ welche gemeiniglich als Raͤuber auff die Auffſteigende zu fallen pflegen/
damit ſie dieſelbe alſo verhindern und zuruͤck treiben: Aber was iſt zu thun/ daß
wir dieſe Schwaͤrmer darnieder ſchlagen? Man muß darfuͤr ſtreiten/ und ſich
bemuͤhen/ ohne Verzug die angetrettene Reiſe fortzuſetzen. Dann gleich mie
die Reiſenden dem von Nachſtellungen und Gefahren beſchreiten Orth mit
angereitzten Pferden vorb[e]y fliegen: alſo muͤſſen die eyfferigen Geiſtlichen/
weil ſie wiſſen/ daß der Tugend-Weg ſchwer/ und von den Feinden beſeſſen
iſt/ mit groſſem Eyffer lauffen. Hieher zielet der Apoſtel/ ſagende: SeydRom. 12.
11.
nicht traͤge in der Sorgfaͤltigkeit; ſeyd feurig im Geiſt: die-
net dem Herrn. Derowegen iſt zur geiſtlichen Vollkommenheit der
Eyffer ſonderlich noͤthig/ weil/ wie die Leben der Vaͤtter ſagen/ gleich wie die
Muͤcken zu einem brennenden Hafen ſich nicht naͤhern/ wann er aber lau iſt/
ſitzen ſie auff ihn und machen Wuͤrme: Alſo fliehen die Teuffel einen Muͤn-
chen auch/ der mit dem Feuer deß goͤttlichen Geiſts entzuͤndet iſt/ einen lauen
aber ſpotten und verfolgen ſie.
2. Was uns auch zu dieſem Eyffer deß Geiſts bewegen ſolte/ iſt die Kuͤr-
tze deß Lebens. Dann welcher Arme/ wann ihm fuͤr einen Tag ein Koͤnig-
licher Schatz geoͤffnet wuͤrde mit Freyheit/ davon/ ſo viel er wolt/ außzutragẽ/
ſolte im Außtragen und ſamblen deß Gelds den groͤſten Fleiß und Eyffer nit
anwenden? wie viel mehr dan ſolte ein Geiſtlicher durch den gemuͤths Eiffer/
nicht ver gaͤngliche/ ſondern himmliſche Schaͤtze ſamblen? derohalben mah-
net Salomon billig Thue alles inſtaͤndig/ was deine Hand ver-Eccles. 9.
10.
mag zu thun; dann in der Hoͤlle/ dahin du (wegen deß Unfleiſſes
und Lauigkeit) eileſt/ wird weder Werck ſeyn noch Vernunfft/
noch Weißheit und Erkaͤntnuß. Uber das iſt zu betrachten/ was die
Weltlichen/ welche zeitliche/ irdiſche und vergaͤngliche Reichtumben ſuchen/
fuͤr einen Eyffer anwenden/ darvon S. Ignatius Lojola den PortugeſiſchenIn Epiſt.
ad Luſi-
tan.
Bruͤdern alſo ſchreibet Leidets nicht/ daß die Menſchen dieſer Welt mehr ar-
beiten und Beſchwaͤrnuͤſſen annehmen/ in Fleiſſiger zu wegbringung der
Wolluͤſten und vergaͤnglichen Dingen: ſchaͤmet euch/ daß ſie mit groͤſſerer
Muͤhe trachten die Gnade eines ſterblichen Fuͤrſten zu erwerben/ als ihr ar-
beitet zur Freundſchafft mit dem ewigen Koͤnig zu kommen/ und deßwegen
B b b 3hat
[382]Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
hat der H Pambo ein Abt ſich ſelbſten beweint. Welcher/ als er durch Anmah-
nung deß Biſchoffs S. Athanaſii auß der Wuͤſten nach Alexandriam kom̃en
war/ und alda ein gar ſchoͤn gebutztes Weibsbild geſehen/ vergieſete er viele uñ
bittere Zaͤhren/ hat er denen Beyſtehenden/ ſo gefraget/ warumb er geweinet
haͤtte/ geantwortet: zwey Dinge haben mich bewogen/ eines dieſes Weibs
Verdamnuß; daß andere/ daß ich ſolchen Fleiß nicht anwende/ daß ich Gott
gefallen moͤge/ dergleichen ſie thut/ damit ſie den heßlichen Menſchen gefalle.
Eben daſſelbe hat der H. Biſchoff Nonnus beweinet/ wie unten im Leben
der H. Pilagiaͤ weitlaͤufftiger wird erzehlet werden.
3. Und dieß iſt erſte Weeg zur geiſtlichen Vollkommenheit/ der geiſtlicht
Eiffer. Der andere iſt die Sorge fuͤr die gerinſten Sachen/ welche nichts
anderſt iſt/ als ein fleiſige und fuͤrſichtige Bemuͤhung der gerinſten Sachen
unter andern zu meiden/ wann ſie der Vollkommenheit ſchaͤdlich ſeynd; oder
anzunehmen/ wann ſie nutzen. Es wird aber geſagt/ daß dieſe Sorge zur
Vollkommenheit am aller meiſten gehoͤre/ dieweil die Sorge fuͤr die groͤſſe-
ſten Suͤnden nicht ſo wohl zur Vollkommenheit/ als zur Seeligkeit noͤthig iſt.
Wie aber diſe Sorge fuͤr die kleineſten Sachen Gott angenehm ſeye/ zeigt uns
Cant. 4. 9an der Goͤttliche Braͤutigam/ wann er ſeine Braut alſo anredet: Du haſt
mein Hertz verwundet/ meine Schweſter/ meine Braut/ du
haſt mein Hertz verwundet mit einem deiner Augen/ und
mit einem Haar deines Halſes. Was kan anderſt durchs Aug/ und
was anderſt durchs Haar verſtanden werden/ als die kleineſte Wercke eiffe-
rig gethan/ welche das Hertz unſers Seeligmachers alſo verwunden/ daß/ nach
Bloſius c.
2. inſtit.
ſpir.Zeugnuͤß deß Ehr-wuͤrdigen Bloſii/ ſie ihm eine mehr angenehmere Sache
thun/ wann ſie in den kleineſten Sachen GOtt zu gefallen dem eignen Wil-
len widerſtehet/ und ſich abtoͤdtet/ als wann ſie viele Todten aufferweckete.
Und zwarn billig/ dann gleich wie nach der Lehr S. Paulini, ein Sanfftkorn/
Ep. 20. ad
Aman-
dum.ob es gleich das kleineſte unter dem Saamen ſcheinet/ nichts deſto weniger im
Kraut das groͤſte iſt: Alſo die Sorge fuͤr die kleineſten Sachen/ ob ſie gleich
eine geringe Sach zu ſeyn ſcheinet/ dennoch wachſet es in die Aehren der groͤſ-
ſeſten Tugenden/ und in die groͤſten Garben der himmliſchen Gnaden. Da-
hero auch S. Cyrillus uͤber die Wort Chriſti/ die Haare eures Haupts ſeyn al-
le gezehlet/ ſagt: Was bedeuten die Haaren deß Haupts anderſt/ als die klei-
neſten Wuͤrckungen/ welche GOtt genau in acht nimbt/ und belohnet? Da-
mit aber niemand dieſe Warheit in Zweiffel ziehete/ hat dieſes unſer Heyland
ſelbſt bezeuget bey dem Matthaͤum/ ſagend: Ey du frommer und ge-
Matth.
25. 23.treuer Knecht/ dieweil du ůber weniges treu geweſen biſt/
ſo
[383]Von der Geiſtlichen Vollkommenheit.
ſo will ich dich ůber vieles ſetzen/ gehe hinein zu der Freu-
de deines HErrn. Ferner/ damit uns GOtt mehr zu dieſer Jnacht-
nehmung der kleinſten anlockete/ hat er bißweilen mit herrlichen Wunder-
Wercken offenbahren wollen/ wie angenehm ihm dieſe Sorge ſeye. Dann
man leſet in denen Leben der H. H. Alt-Vaͤtter/ daß/ als ein Geiſtlicher nach
der Gewonheit die Broſamen auff dem Tiſch zu ſammlen vergeſſen/ und die-
ſelbe erſt nach dem Tiſch geſammlet hat/ iſt er alsbald zu dem Obern gangen
fuͤr ihm niedergeworffen demuͤthig ſeine Schuld angezeiget: Und ſiehe/ eine
wunderbahre Sache! dann in dem der Abt begehret/ daß er ihm die geſamm-
lete Broſamen zeigete/ hat er ſie alsbald in koſtbare Perlen veraͤndert gefun-
den/ daß ſich jederman daruͤber verwundert hat:
4. Dann wo dieſe Sorge fuͤr die kleineſten Sachen in einem Kloſter imEpiſt. 6.
ad Mo-
nach.
ſchwang gehet/ daſelbſt wird die kloͤſterliche Zucht als ein Palmbaum bluͤhen.
Es iſt/ ſpricht der H. Anſelmus/ auffs allergewiſſeſte/ welches wir in vielen
Kirchen auß Erfahrung gehoͤret/ daß in einem Kloſter/ wo die kleineſten Sa-
chen genau in acht genom̃en werden/ die Zucht der Muͤnchen/ der Fried unter
dẽ Bruͤdern/ daſelbſt unverletzt bleibe/ und im Capitel hoͤren auf die Außſchrei-
ungẽ Dannenhero hat die H. Maria Magd. de Pazzis durch die OffenbahrungVita p. 4.
c. 14.
GOttes gelehret/ daß man unter 5. Sachen/ welche man fuͤr einen jeden Or-
den in ſeinem geiſtlichen Stand zu erhalten begehren ſoll/ auch dieſe allzeit
begehren ſolte/ auff daß alle Geiſtliche vollkommentlich erkennen/ wie viel
daran gelegen ſeye eine jede kleineſte Sache der heiligen Regul in acht zu neh-
men. Was nun zu Erhaltung eines Ordens nothwendig iſt: wer ſolte laug-
nen/ daß nicht auch ſolches erfordert werde zu Erhaltung einer Ordens-
Perſohn/ die im Weeg der Tugenden begriffen iſt. Darumb hat ſich P.Vita p. 2.
c. 1.
Aloyſius/ wie der Author deß Lebens ſchreibet/ feſt eingebildet/ daß ein wah-
rer und vollkommener Geiſtlicher der jenige ſeye/ welcher auffs genaueſte
alle Regeln ſeines Ordens inacht nimbt/ und welcher allen Fleiß anwendet
zur vollkommenen Ubung aller der jenigen Aembter und Wercke/ auch der
kleineſten/ welche der Orden alle Tage allen vorſchreibet. Und dieſe Lehr deß
H. Aloiſii iſt der Koͤnigliche Weeg zur Vollkommenheit/ und die himmliſche
Reichthummen zu verſamblen. Dann gleich wie nach Zeugnuß deß heili-
gen Chryſoſtomi/ die Reichthumen deß Leibs verſamblet werden/
wann die Liebhaber derſelben nicht den allergeringſten Gewinn verachten:
alſo werden die geiſtliche Reichthumen durch die fleiſſige Sorge fuͤr die klei-
neſten Sachen vermehret. Oder wie S. Iſidorus ſagt: Wie der Menſch all-L. 2. ſect.
c. 36. n. 3.
gemach von den kleineſten Laſtern in die groͤſten fallet; alſo ſteiget er Staf-
felweiß auff von den kleinen Tugenden zu den hoͤchſten.
5. Ein
[384]Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
l. 3. n. 91.
5. Ein Alter/ als er vonſeinen Bruͤdern gefragt wurde/ wie er der Kinder/
ſo das Viehe weideten/ Stimm vertragen koͤnnte/ hat geantwortet: Jn der
Warheit/ Bruder/ ich habe vicle Tage gedacht/ ihnen etwas zu wollen ſa-
gen/ aber ich habe mich ſelbſt geſtrafft/ indem ich bey mir betrachtete/ wan ich
diß kleine nit vertrage/ wie werd ich ein groͤſſere Verſuchung/ wan ſie komt/
vertragen/ und deßwegen ſage ich ihnen nichts/ damit ich eine Gewonheit ſie
L. 3. e p. 5.zu vertragen uͤberkomme. Derowegen iſt der H. Franeiſeus Xaverius
gar wohl gewohnet geweſen zu ſagen: niemand betriege ſich ſelbſt/ es kan
niemand in groſſen Sachen hervorleuchten/ wers nicht zuvorn im
geringſten thut. Dann welcher eine kleine Laſt nicht tragen kan/ der
wird deſto weniger eine groſſe tragen. Deßwegen/ mein lieber Bruder/
bemuͤhe dich/ die kleine Dinge ſtarckmuͤthig zu vertragen/ da-
mit du groͤſſere/ nach ereigneter Gelegenheit/ vertragen koͤnneſt. Eifere/
wie der Apoſtel mahnet/ nach den beſten Gaben/ in Haltung nemb-
lich nicht allein der Gebott/ ſondern auch der Raͤthe. Umbfaſſe das jenige/
welches nun kuͤrtzlich von der Sorge fuͤr die kleineſten Dinge geſagt iſt/ dann
alſo und nicht anderſt wirſtu den Berg der Vollkommenheit auffſteigen.
Dann wie ein Vogel/ wann er beyde Fluͤgel hat/ ſich leichtlich in die Lufft
ſchwinget/ welcher doch/ wann er nur einen haͤtte/ ſich ſchwerlich von der Er-
den erhebete/ in dem einer eine Laſt iſt/ beyde aber eine Erleuchterung: Alſo/
wer ſich fuͤrnimbt/ die Gebott allein zu halten/ und das jenige/ welches unter
einer Suͤnde verbindet/ der wird mit groſſer Beſchwernuͤß ſich und ſein Ge-
muͤth zu dem Himmliſchen erheben/ und wird in immerwehrender Gefahr
zu fallen ſchweben. Ein anders aber iſts mit dem/ welcher die Gebott und
die Evangeliſche Raͤthe/ wie auch ſeines Ordens beſondere Geſetze/ ſo zur
P. 1. de
Perf. tr. 1.
c. 20.Suͤnde nicht verbinden/ zu halten beſchloſſen hat. Endlich der Alphonſus
Rodriquez, als er von dieſer Sach redet/ beſchlieſſet alſo und ſagt: wir ſollen
dieſes/ was von dieſer Sache geredet worden/ ſo hoch halten/ daß ſie vor eine
Haupt-Regul diene/ nemblich/ ſo lang jemand die kleine Sachen achten
und hochſchaͤtzen wird/ wird er recht einher gehen/ und Gott wird ihn mit ſei-
ner Gnad weiter bringen: hergegen/ ſo er ſie verachtet/ wird er gefaͤhrlich
elnhergehen/ weil nemblich durch dieſe Thuͤr alles Ubel in das geiſtliche
Hauß deß Geiſtlichen einlauffen. Und daß es damit alſo ſeye/ wird auß
dem folgenden Theil weitlaͤufftiger erhellen.
Der
[385]Von der Geiſtlichen Vollkommenheit.
Der Andere Theil.
6. EJn jeglicher der geſunde Vernunfft hat/ wird bejahen/ daß auß den
Geiſtlichen Cloͤſtern viele zur Hoͤlle geſtoſſen werden. Die Mei-De abdi-
cand. re-
bus.
nung deß H. Baſilii iſt/ daß unter den Muͤnchen wenig ſeelig wer-
den. Dieſer Meinung unfelbarer Zeug iſt P. Pacificus Capucin9 welcher nach
Zeugnuͤß Boverii, in einer Entzuͤckung/ nicht allein der weltlichen Menſchen/
ſondern auch der Geiſtlichen Seelen als Regen-Tropffen in die Hoͤlle fallen
geſehen hat. Ja der Abt Silvanus hat geſehen die Seelen der Weltlichen ſelig/
der Geiſtlichen verdambt werden. O eine ſchroͤckliche und ſehr zu foͤrchtende
Sach! aber warunib das? warhafftig wegen keiner andern Urſach/ als daß ſie
die kleine Sachen in ihren Reguln enthalten/ verathten und gring ſchaͤtzen:
dahero machen ſie dann ſich mehr und mehr der goͤttlichen Gnaden alſo un-
wuͤrdig/ daß/ indem ſie die leichten Sachen fuͤr gering ſchaͤtzen/ ſie gemeinig-
lich in groͤſſere fallen nach dem Spruch der Weißheit: Wer ein gerin-Eccleſia-
ſtici 19. 1.
L. 20.
moral. c.
9.
Luc. 16.
10.
In
proœm.
Relig. 5.
c. 20.
De vit. \&
mor.
inſtit.
ges nicht achtet/ der wird allgemach dahin fallen. Derhalben
ſagt recht der H. Gregorius/ wann wir geringe Dinge zu achten verſaumen/
werden wir unempfindlich verfuͤhrt auch groͤſſere kuͤhnlich zu thun:
welches auch die Warheit ſelbſt beſtaͤttiget bey S. Luca ſagend: Wer im
geringen ungerecht iſt/ der iſt auch unrecht im groſſen. Dann
gleich wie/ als S. [B]onaventura ſagt; auß vielen kleinen Tropffen entſtehen er-
gieſſungen der Waͤſſer/ welche auch bißweilen groſſe Mauren umbwerffen:
und gleich wie das Waſſer durch eine kleine Ritzen verborgen in das Schiff
einflieſſet/ diß es untergetuncket wird: alſo geſchicht es denen unbehutſamen
Geiſtlichen/ welche kleine Ding nicht achten/ dan wie S. Bernardus wohl ver-
merckt/ von kleineſten fangen an/ welche in die groͤſſeſte fallen/ dahero der aller-
weiſeſte Spruch iſt: Niemand wird geſchwind der hoͤchſte.
7. Weil nun das der geſchworne Feind deß menſchlichen Geſchlechts wol
weiß/ darumb wird er denen/ ſo indem Weeg der Tugenden wandlen/ ſelten
im Anfang rathen/ daß ſie groſſe Suͤnde begehen/ dann er foͤrchtet Abſchlag
zu bekommen/ ſondern er wird allein eingeben/ daß ſie dieſe oder jene gute
Wuͤrckung unterlaſſen/ oder dieſen oder jenen Fehler oder leichte Suͤnde nit
achten/ es waͤr ein kleine Sach/ es werde leicht von Gottverziehen/ ja mit ei-
nem Weyhewaſſer koͤnne ſie leicht außgeloͤſcht werden: dan es iſt dieſer Ver-
fuͤhrer ſo argliſtig und betrieglich/ daß er/ wie der H. Franciſcus zu ſagen pfleg-
te/ nichts mehr von uns als das zarteſte Haar verlangt/ dar auß er ein ſo groß
und ſtarckes Mund - Gebiß unſere Seelen zu binden und in ſeine Gewalt zu
bringen/ zu machen pflegt: daher er/ wie P. Marcus der Einſidler wahrnimbt/cap. de
ſpit. §. 96.
die kleine Suͤnden ſehr groß und ſchwaͤr nicht macht; dan ſonſten koͤnte er den
C c cMen-
[386]Die Ein und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
Menſchen nicht zu ein groͤſſeres Ubel und Laſter fuͤhren/ welches der H. Chry-
Hom. 87.
in Matt.ſoſtomus mit dem Exempel deß Cains beſtaͤttiget/ dem erſtlich der Teuffel
uͤberredet das ſchlimſte zu opffern/ ſagend/ daß dieſes keine Suͤnde waͤre: her-
nach hat er ihn mit dem Gifft deß Neids angezuͤndet/ ihn uͤberredend/ daß
darauß nichts boͤſes folgen werde: endlich iſt er ſo auff ihn gefallen/ daß er ihn
zum Todtſchlag deß Bruders und zur Verlaͤugnung der Ubelthat angetrie-
ben/ und ein wenig hernach ſetzt er das Exempel Judæ darbey/ ſagend/ wann
er nicht gemeint haͤtte/ es waͤre ein kleine Sache/ der Armen Geld zu entwen-
den/ waͤre er in ſolche Unverſchaͤmbtheit nicht gerathen.
8. Aber leider! wie viele werden nicht auch von denen Geiſtliehen mit Cain
und Juda mit dem ewigen Feuer darumb brennen/ weil ſie die kleine Sachen
nicht achtend/ in groͤſſere gefallen ſeynd/ welche ſie doch nicht groß/ ſondern
Zach.
Bouer. in
Annal.
P. P. Ca-
pucin.
Hiſtoria.klein zu ſeyn vermeineten. Zum Exempel ſeye uns ein Geiſtlicher/ Anno 1550.
als die Peſtilentziſche Seuche in der Marca Anconitana graſſirte/ hat es ſich
zugetragen/ daß auch ein Minnenbruͤder Convent angeſteckt wurde: es ſeynd
viele von den Geiſtliehen geſtorben/ und ſo offt derſelben einer ſturbe/ hat die
Wacht deß Schloſſes geſehen/ daß ſich ein gar heller Glantz vom Himmel
herunter begeben/ und auff ſelbigem Cloſter geruhet/ durch welches Zeichen ſie
verſtunden/ daß ein Bruder zum Himmel beruffen worden; dan (wie gottſelig
geglaubt wird) ein Engel geſellete ſich zu derſelben Seele/ welche nach Gott
eylete. Vierzehen ſeynd auß dieſem Leben abgeſchieden/ durch ſolchen Glantz
angezeigt. Es hat ſich zugetragen/ daß auch ein Ley-Bruder geſtorben/ als die
Wacht dieſes gewoͤhnliche Liecht nicht geſehen hatte/ hatte ſie von den Bruͤ-
dern begehrt und genau erforſchet zu wiſſen/ was der verſtorbene fuͤr ein Le-
ben gefuͤhrt haͤtte? die Bruͤder/ welchen deß verſtorbenen Leben allzeit loͤblich
geſchienen/ haben ſeine Geſellſchafft ſehr hoch geruͤhmet/ jedoch erwegeten ſie
ſtillſchweigend dieſes bey ſich/ und fingen an von ſeiner Seeligkeit ſehr zu
zweiffeln: ein betagter und ehrwuͤrdiger unter ihnen/ welcher durch ſeine got-
tesforcht ſehr angeſehen ware/ thaͤte Gedett fuͤr die Seele deß verſtorbenen/
und batte Gott auffs dmuͤtigſte mit vergoſſenen Zaͤhren/ er moͤchte doch nach
ſeiner Guͤtigkeit deß verſtorbenen Stand offenbahren: als er nun zu Nachts
fuͤr dieſelbe Seele bettet/ ſiehe da erſcheinet eine groſſe Flamme/ und in derſel-
ben die verſtorbene Seele mit eiſernen und gluͤenden Ketten gebunden: der
Alte konte dieß Geſpenſt ohne Schrecken deß Leibs und deß Gemuͤths nicht
anſehen: doch fraget er/ wer biſt du? der Geiſt antwortet/ ich bin die Seele deß
juͤngſt verſtorbenen Leyen-Bruders: der Alte fragt weiter/ biſt du an einem
ſeeligen Ort? der verſtorbene antwortet/ ach! verflucht ſey der Tag/ der mich
ans Liecht gebrachthat: ach! wolte GOtt/ daß ich niemahls waͤre gebohren
worden/
[387]Von der Geiſtlichen Vollkommenheit.
worden/ ſo wuͤrde ich nun nicht von dem Urtheil der ewigen Verdamnuͤß ge-
truͤckt/ dan ich bin in die ewige Peine der Hoͤllen geſtoſſen: der alte Geiſtliche
fahret fort: und warumb biſt du in die Hoͤlle verdambt? darauff er geantwor-
tet: fuͤnff Roſenkraͤntze haben mir das ewige Feuer zu wegen gebracht: ich habe
ſie von einem Freund gekaufft/ und gedachte ſie meinem Bluts-Verwandten
zu ſchencken: die Zulaſſung meines Obern hab ich zu begehren unterlaſſen/
und niemahls gebeichtet/ habs auch fuͤr keine groſſe Suͤnde gehalten/ ob gleich
mich offt das Gewiſſen plagte: als aber die Sach fuͤr den Richter-Stuhl
Gottes gebracht worden/ iſt ſie nicht fuͤr ein geringes/ ſondern fuͤr ein groſſes
Werck erkennt worden/ und habe das Urtheil der Verdamnuͤß als ein Eigen-
thuͤmer empfangen: damit du aber wiſſen moͤgeſt/ wahr zu ſeyn/ was ich ſage/
ſo ſiehe an den Fußſchaͤmel meines Bettſtuhls/ wo ich zu bettẽ pflegte/ ſo wirſt
du dieſe 5. Roſenkraͤntze finden/ von welchen ich rede/ den Werth meiner Ver-
damnuͤß: als er dieſes geſagt/ iſt er verſchwunden: daher dan klar erhellet/ wie
groſſer Gefahr ſich die jenige unterwerffẽ/ welche ein weniges vor nichts haltẽ.
9. Keiner von den Geiſtlichen ſage mir: ich halte meine Geluͤbde/ und al-
les was ich in meiner offentlichen Profeſſion Gott verſprochen/ und deßwe-
gen meine ich nicht/ daß ich in die goͤttliche Straffe fallen werde/ ob ich gleich
die andere Reguln und Conſtitutiones meines Ordens nicht halte: dan dem
jenigen/ der dergleichen Sachen ſchwaͤtzet/ antworte ich/ daß ein ſehr gewoͤhn-
licher und leichter Ubergang von der Ubertrettung der Reguln und Conſtitu-
tionen ſeye zur Verletzung und Ubertrettung der Gebotten/ wie theils auß
bißher geſagten offenbahr iſt/ theils S. Thomas lehret: es ſeye ſchwaͤr/ daß derQuodl.
4. 2. 235.
Menſch die Gebotten halte/ durch welche man ins Himmelreich gehet/ wo er
nicht den Raͤthen folget: und wiederumb daß die Raͤthe den Weg bereiten
umb die Gebotte zu halten: und der H. Hieronymus ſagt: ſie ſeyen nicht zuIn Regul.
monach.
verachten/ als wan ſie klein ſeyn/ ohne welchen die groſſen nicht beſtehen koͤn-
nen. Es ſcheinen wohl der gleichen inachtnehmungen Geſchaͤffte von leichten
und geringem Werth zu ſeyn/ dannoch iſts wahr/ daß ohne dieſen die groͤſſere
nicht beſtehen koͤnnen: wird vielleicht ein Baum ohne Rinden dauren? oder
wird ein Korn ſeine Vollkommenheit erlangen ohne Halm/ ohne Ahren? de-
rowegen iſt dieß die einige Urſach deß Untergangs vieler Geiſtlichen/ die kleine
Sachen fuͤr gering halten. Darumb/ lieber Bruder/ damit du deine Seelig-
keit nicht zweiffelhafftig macheſt/ ſo verachte ja nicht die kleineſte Dinge: da-
mit du dich aber mehr in dieſer Sorge fuͤr die kleineſten Sachen gruͤnden moͤ-
geſt/ ſo erwege bedachtſam/ was folget.
10. Die andere Urſach/ warumb viel von den Geiſtlichen zu Grund gehen/
wird daher genommen/ daß alle Geiſtliche krafft ihrer Profeſſion gehalten
ſeynd nach der Vollkom̃enheit zu trachten/ und zwar unter einer Todtſuͤnde.
C c c 2Alſo
[388]Die Ein und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
2. 2. qu.
185. a. 5. ad
2.Alſo redet St Thomas allwo/ ob er gleich bejahet/ daß ein Geiſtlicher nit ge-
halten ſeye/ vollkommen zu ſeyu/ ſo ſagt er doch/ daß er gehalten ſeye/ nach der
Vollkommenheit zu trachten/ und darzu werde er wegen ſeines Stands/ den
er fuͤhret/ verbunden/ anderſt waͤre er kein wahrer Geiſtlicher/ ſondern ein Luͤg-
ner und Heuchler/ der euſſerlich die Profeſſion der Volikommenheit auß ſei-
nem Stand zeiget/ da er doch dieſelbige inwendig nicht habe/ dann die Luͤ-
gen/ wie er ſie da bringt/ beſtehen nicht allein in falſchen Worten/ ſondern in
In Ar-
gum. 2.
ex. Am-
broſ.verſtellten Wercken: deßwegen in der Antwort auff dieſen Beweißtumb/ be-
ſchlieſſet er mit dieſen Worten; daher begehet einer keine Suͤnde oder Heuch-
ley darumb/ daß einer nicht vollkommen iſt/ welcher den Stand der Vollkom-
menheit annimb/ ſondern darumb/ weil er ſein Gemuͤt von der Vollkommen-
heit abziehet. So viel der H. Lehrer. Welche Wort Cajetan[u]s außlegend
mercket/ daß man auff zweyerley Weiß von der Vollkommenheit abweiche/
darzu man gehalten iſt. Auff eine Weiß der Wercken nach/ weilen
man nemblich die jenige Wercke der Vollkommenheit nicht werckſtellig ma-
chet/ welche man ſolle/ und von einem ſolchen ſagt er/ daß er nicht ein Heuchler
oder ein Luͤgner waͤre. Auff eine andere Weiß der Meinung nach
weilen er die Meinung der Vollkommenheit nachzufolgen ablegt/ und von
dieſer andern Weiß ſagt er/ ſcheinet der Heil. Doctor geredet zu haben/
daß der jenige/ welcher ein ſolche Meinung ablegt/ im Stand einer Todtſuͤnd
ſeye/ als ein Luͤgner und Heuchler mit der That.
11. Daher ſolte der jenige Geiſtliche ſehr uͤbel reden/ der alſo ſagte: Dieſe
Sachen verbinden mich zu keiner Schuld/ deßwegen bin
ich nicht ſorgfaͤltig ſie in acht zunehmen: Dann dieſer waͤre im
Stand einer Todtſuͤnde/ weil er die Vollkommenheit verachtet: dann ein ſol-
che Art zu reden zeigt an/ daß ein ſolcher Geiſtlicher inwendig die Meinung
dieſelbe Sachen in acht zunehmen abgelegt habe/ und folglich auch die Mei-
nungzuzunehmen/ und dardurch iſt er nun einer Todtſuͤnde verbunden. Dan
wie Cajetanus in acht nimbt: das Gemuͤth umb zuzun[e]hmen wird probirt/
wann einer geſinnt iſt zu leben nach ſeinen Reguln und Conſtitutionen, dar-
innen nicht allein die Gebotte und Geluͤbde enthalten werden/ ſondern auch
das uͤbrige/ ſo zur Vollkommenheit fuͤhret/ dar zu ein jeder ſo den Orden pro-
fitirt auß dem Stand/ ſo er freywillig angenommen/ verbunden wird: wer a-
ber geſagt hat/ er achte nicht zu halten daß jenige/ welches unter einer Schuld
nicht verbindet/ der wird uͤberzeugt/ daß er das Gemuͤth nach den Re-
guln und Conſtutionen zu leben/ abgelegt haͤtte/ darinn dieß vorgeſchrie-
ben wird: daher ſetzet gedachter Cajetanus daſelbſt zu dieſe außtruͤckliche
Wort: Vnd daher moͤgen ſich die Geiſtliche gar hůten/ daß
ſie
[389]Von der geiſtlichen Vollkommenheit.
ſie nicht das Gemůth umb zuzunehmen ablegen. Und in dem
er außlegt/ wann ſie dieß Gemuͤth umb zuzunehmen haͤtten/ ſetzte er darzu:
welches ſie alsdann haben/ wann ſie geſinnet ſeynd nach ihren Regeln und
Conſtitutionen zu leben/ ob ſie gleich in vielen bißweilen fehlen. Daher
im Gegentheil/ wann ſie nicht geſinnet ſeyn nach denſelben Sachen zu leben/
welche in der Regul und Conſtitutionen fuͤrgeſchrichen werden/ haben ſie
das Gemuͤth nicht umb zuzunehmen. Welches in dieſemerhellet/ welcher
nur in ſeinem Hertzen ſaget: Jch acht es nicht. Daher geſchloſſen
wird/ daß der jenige/ welcher deß Ordens Faſten/ Stillſchweigen/ Chor-
gang und dergleichen/ auff deren Ubertrettung ob gleich eine Straff geſetzet
iſt/ ſo wird doch keine Schuld gemacht/ ſo er/ ſag ich/ die jenigen Sachen
nichts achtete/ alsdann ſetzt er ſich in Stand einer Todt-Suͤnden. Und die-
ſes iſt der außtruͤckliche Spruch S. Bernard, S. Bonaventuræ und S. Tho-Citatio-
nes vi-
deri poſ-
ſũt apud
P. N. Ig-
nat. in
turri
ſalutis
fol. 177.
n. 19.
mæ, und anderer: Ferner/ damit die Warheit mehr erhelle/ bringe ich die
Wort deß H. Thomaͤherbey/ welche alſo lauten: Aber durch die Exempel
wird klarer werden/ was wir ſagen: Wann nach dem Befehl eines
Alten/ daß ich ſchweigen ſolle/ mir ein Worte/ vielleicht
durchs Vergeſſen entfiele/ ſo bekenne ich mich ſchuldig eines
ungehorſams/ aber nachlaͤßlich. Wan ich auß Verachtung
wiſſend oder bedachtſam freywillig ein Wort herauß ge-
brochen waͤre/ und wůrde das Gebot deß Stillſchweigens
brechen/ mach ich mich zu einem Vbertretter/ und dieß laͤ-
ſterlich. Wo das Wort laͤſterlich nicht eine jede Schuld/ ſondern eine
toͤdtliche anzeigt. Welches er mit mehrm außlegt/ wan er darzu ſetzet: Vnd
wann ich Vnbußfertig verharren wůrde/ hab ich biß zum
todt geſůndiget/ und verdamblich. Alſo ſagt S. Thomas.
12. Es wird aber einer ſagen/ wann die Verachtung/ wie nun auß
S. Thoma erhellet/ eine Schuld toͤdtlich machet/ wann ſoll man meinen/
daß eine Verachtung geſchehe? Es wird geantwortet/ alsdann/ wann
ein Geiſtlicher ſich den Regeln und Conſtitutionen nicht unterwerffen
will/ und dieſelbe auß dieſer Urſach uͤberſchreitet/ in dem er nach ſei-
nem Willen und Weiß/ nicht aber nach der Regel und Ordens-Vor-
ſchrifft leben will. Er hoͤre den heiligen Thomam: Alsdann kombt ein
foͤrmliche Verachtung dazu/ wann der Will ſich der Verord-22. q. 186.
a. q.
nung deß Geſetzes oder der Regel nicht unterwerffen
will/ und davon kombt her/ daß er wider das Geſetz
C c c 3oder
[390]Die Zwey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
oder Regul handle. Und ein ſolche Verachtung iſt toͤdtlich: dann es
wird wider die Regul nicht auß Gebrechlichkeit oder Nachlaͤſſigkeit/ ſondern
auß Boßheit und Verkehrung deß Willens geſuͤndiget. Dahero nicht un-
billig der H. Bernardus ernſtlich mahnet/ ſagend: lehrnet/ daß GOtt der
gerechte Richter nicht allein/ was da geſchehe/ ſondern wie es geſchehe/ be-
trachte: und huͤtet euch hinfuͤhro/ damit nicht jemand klein ſchaͤtze/ obs
gleich klein iſt/ wann er uͤberwieſen wird/ daß er wiſſentlich gefaͤhlet. Nie-
mand ſage in ſeinem Hertzen: daß ſeynd kleine Dinge/ ich achte ſie nicht zu
verbeſſern: es iſt nichts groſſes/ wann ich in dieſen laͤßlichen und kleineſten
Suͤnden verharre: dann dieſes/ ihr geliebteſte/ iſt ein Unbußfertigkeit/ eine
Gottslaͤſterung im H. Geiſt/ eine unvergebliche Gottslaͤſterung. So weil
Bernardus.
13. Es kan aber nicht gelaͤugnet werden/ daß das bißher geſagte nicht gar
zu wahr ſeye/ indem es von den heiligſten und zugleich gelehrteſten Maͤn-
nern bekraͤfftiget iſt/ daher ſoll es keinem Wunder nehmen/ daß viel von den
Geiſtlichen ewig untergehen/ in dem wir ſehen/ daß unter ihnen nicht wenig
gefunden werden/ welche ihre Conſtitutionen auff das freyeſte uͤbertretten/
und die jenigen Dinge/ darzu ſie nicht unter einer Suͤnde verbunden werden/
gering ſchaͤtzend nicht achten/ vermeinend daß keine ſchwaͤre Suͤnde ver-
borgen waͤre wann man dieſelben auß ſtraͤfflicher Unwiſſenheit uͤbertritt/
und indem ſie alſo irren und verblindet ſeynd/ eilen ſie elendiglich zu den
Pforten der Hoͤllen. Ferner daß dieſes nicht ein eitel Gedicht ſeye/ wer den wir
mit folgender Hiſtori gelehret. S. Dominicus, Stiffter deß Prediger Or-
dens/ als er einen ungluͤckſeeligen Ketzer von den Albigenſern/ der mit dem
Teuffel beſeſſen war/ beſchwohren hatte/ hat viele Dinge von demſelben
boͤſen Geiſt erforſchet/ und unter andern/ weſſen Stands und Conditiones
Leute am meiſten unter den Chriſten verdambt wuͤrden? Der Teuffel hat
geantwortet: Fuͤrſten von beyden Geſchlechten/ und Praͤlaten haben wir
ohne Zahl/ der Bauren ſehr wenig/ der Kauffleute und Burger viel genug/
auch viele Prieſter/ aber (welche Wort wohl zu mercken ſeyud) von den
wahren Geiſtlichen keine/ aber gar wohl von denen/ welche ihres Ordens
Statuta nicht achtend/ dieſelbe auß Frevel uͤberſchreiten. Warhafftig er-
ſchroͤckliche Wort! Kein Geiſtlicher der Gut iſt und ſeine Regul warhaff-
tig haͤlt/ wird verdambt. Aber von dem Nachlaͤſſigen und frechen/ welche
entweder auß Verachtung/ oder auß einer laſterhafften Gewonheit ihre Sta-
tuten uͤbertretten/ wird ein unendliche Zahl zum Grund der Hoͤllen ver-
dambt.
14. Auß
[391]Von der Geiſtlichen Vollkommenheit.
14. Auß dieſem iſt nun klar abzunehmen/ wie nothwendig es einem Geiſt-
lichen zur Erhaltung ſeiner Seelen Seeligkeit ſey/ nach der Vollkommen-
heit zu trachten/ das iſt/ die kleineſten Statuten ſeines Ordens nicht zu ver-
achten/ ſondern nach ſeiner Bequemlichkeit und Kraͤfften dieſelbe zu halten.
Dahero ermahuet recht ein Geiſtlicher Mann mit den Worten deß ſingen-
den Poeten:
Das iſt:
Befleiſſige dich derowegen/ mein Bruder/ dem Anfang bald zu widerſte-
hen/ nemblich nicht allein die ſchwehre/ ſondern auch die leichten Suͤnden/
ja auch die Maͤngel ſelbſt wegzutreiben. Dan alſo wirſtu nach der Vollkom-
menheit ſtreben/ und folglich wirſtu eine groſſe Hoffnung haben/ das Klei-
nod der ewigen Seeligkeit zu erlangen. Wann du aber bißweilen mehr auß
menſchlicher Gebrechlichkeit als auß Boͤßheit in Suͤnde falleſt/ oder in Sa-
chen/ ſo von der Regul und Conſtitutionen verbotten/ ſo huͤte dich/ daß du
deßwegen in dem Weeg Gottes nit abnehmeſt/ ſondern bemuͤhe dich diſes mit
den erſten durch die Buß außzuloͤſchen/ ſo wirſtu ſicher ſeyn. So wiſſe dann:
Gleich wie auch das jenige Hauß das reineſte genennet wird/ welches/ ſo
bald einer mit kothigen Fuͤſſen hineingegangen iſt/ alsbald außgewaſchen
und gereiniget wird: alſo kan der noch vollkommner genennet werden/ welcher
bißweilen in kleine Suͤnde faͤllt/ wann er ſie nur alsbald durch die Beicht
oder Reu außloͤſchet. Und wiederumb: Gleich wie ein Kriegs-Obriſter/
wann er den Feind beſtaͤndig beſtreitet und verunruhiget/ den Nahmen eines
wackeren Obriſten hat/ ob er ihn gleich nicht uͤberwindet und außtilget/ ja
bißweilen nicht gluͤcklich ſtreitet: alſo kan auch der jenige ein vollkommener
Soldat Chriſti genennet werden/ welcher bißweilen von einer Gemuͤths-
Bewegung uͤberwunden wird/ wann er nur von dem Eiffer deß Streits nie
nachlaͤſt. Duſolſt deßwegen den Muth nicht ſincken laſſen/ wann du be-
ſindeſt/ daß du im Fleiß der Vollkommenheit matt werdeſt oder garfaͤlſt/ du
ſolſt vielmehr neue Kraͤfften und Eyffer annehmen/ und dich erinnern deß
Spruchs/ welchen S. Hieronymus vorgebracht: dieſes iſt die einige Voll-
kommenheit deß gegenwaͤrtigen Lebens/ daß du dich unvollkommen zu
ſeyn erkenneſt. Deme auch S. Auguſtinus beyſtimbt ſagend: Es ſoll dir
allzeit mißfallen/ was du biſt/ wann du dahin gelangen wilſt/
was du nicht biſt/ dann wo du dir gefallen haſt/ da biſt du ge-
blieben
[392]Die Ein und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
blieben. Wann du aber ſagen wirſt/ es iſt gnug/ ſo biſtu verdorben. Da-
her ſagt er/ daß der Apoſtel ſeine Unvollkommenheit erſ[t]lich bekennet hat/
und darnach ſich vollkommen genennet habe/ dieweil dieſes deß Menſchen
Vollkommenheit iſt/ wann er gefunden/ daß er nicht vollkommen iſt.
15. Jm uͤbrigen iſt auch wohl zu mercken/ daß die Vollkommenheit nicht
in Harthaltung deß Leibs oder andern der gleichen ſtrengen Sachen und U-
bungen beſtehe/ wie bißweilen ſich etliche falſch einbilden/ ſondern daß dieſe
In collat.
P. P. coll.
5.nur Mittel zur Vollkommenheit ſeyn/ wie der Abt Moyſes bey den Caſſia-
num recht warnimbt/ ſagend: Das Faſten/ Wachen/ Betrachtung der
Schrifften oder der Bibel/ die Entbloͤſung und Entziehung aller Guͤter
ſeye nicht die Vollkommenheit/ ſondern die Werckzeug zur Vollkommenheit/
dieweil in ihnen der Zweck der Zucht nicht beſtehet/ ſondern man durch
dieſelbe zum Zweck gelanget. Derowegen beſtchet die Vollkommenheit in der
vollkommenen Liebe/ wie der Apoſtel bezeuget/ mahnend: Vber dieß
Coloſ. 3.
14.alles aber habet die Liebe/ die das Band der Vollkommen-
heit iſt. Aber es iſt weiter zu mercken/ daß obwohl einer GOtt auß gan-
tzem Hertzen liebte/ und alle ſeine Gebotten fleiſſig hielte/ alſo/ daß er ſich
keiner oder gewißlich nicht vieler Unvollkommenheiten oder Schulden ſich
bewuſt befuͤndet/ ſo muß er ſich doch deßwegen nicht gleich vollkommen
L. 4. Dial.achten: dann wie S. Gregorius weißlich geſagt hat: Gemeiniglich die jeni-
ge/ welche die Leuthe fuͤr vollkommen halten/ haben in den Augen deß hoͤch-
ſten Erſchoͤpffers etwas unvollkommenes. Alſo beſehen wir unerfahrne
Menſchen/ offt die noch unvollkommen gegrabene Siegel und loben
ſieals ſch on vollkommen/ welche doch der Kuͤnſtler noch uͤberſiehet und ver-
beſſert: er hoͤrt ſie loben/ und doch laͤſt er nicht nach dieſelben zu beſſeren. Da-
hero ſpricht S. Bernardus gar recht: Es iſt keiner ſo vollkommen/ der nicht
S. Bern.
in Epiſ.vollkommener zu ſeyn trachtet/ und ein jeder zeiget ſich deſto vollkomme-
ner zu ſeyn/ nach je groͤſſerer Vollkommenheit er ſtrebet. Und wiederumb:
Ein unermuͤdeter Fleiß umb zuzunehmen/ und eine ſtete Bemuͤhung zur
Vollkommenheit wird fuͤr eine Vollkommenheit gehalten. Deme ein H.
Cornel.
in c. 4.
Geneſ.Lehrer Beyfall gibt/ ſagend: was du auß gantzem Hertzen/ gantzer Mey-
nung/ und gantzem Verlangen wilſt/ daß biſtu gewißlich. Und nach Zeug-
nuß deß H. Vatters Auguſtini: das gantze Leben eines guten Chriſten/ iſt
das Verlangen umb zuzunehmen Dieß iſt unſere Schooß/ diß iſt ein Sack/
und weil er eng iſt/ machſtu ihn durchs Außdaͤhnen weiter. Ferner/ ob gleich
diß von der Vollkommenheit geſagte gnug iſt/ nichts deſto weniger umbfahe
fuͤr das letzte auch dieſes Mittel/ und betrachte die Leben und Exempel der
Heiligen/ und halte ſie fuͤr deine Augen: dann wie S. Gregorius Nyſſenus
ſagt:
[393]Von der Geiſtlichen Vollkommenheit.
ſagt: muß man glauben/ daß die Leben der vortrefflichſten Leute deßwegen
auffs genaueſte beſchrieben ſeynd/ damit unſer Leben durch die Nachfolgung
zur Tugend und Gutem deſto gerader gefuͤhret werde. Dahero gleich wie die
Mahler/ wann ſie ein Bild auß dem Bild mahlen/ zugleich auff das Muſter
oder Fuͤrbild ſehend/ pflegen das fuͤrgebildete in ihr Werck zu uͤberſetzen: alſo
muß der jenige/ welcher ſich befleiſſiget in allen theilen der Tugenden ſich voll-
kommen zu machen/ die Leben der Heiligen als lebendige und kraͤfftige Bild-
nuͤſſen anſehen/ und ihre gute Wercke durch die Nachfolgung ſein machen.
Thue das/ ſo wirſt du leben. Lebe wohl.
Die Zwey und Dreyſſigſte Geiſtliche
LECTION
Vom
Guten Exempel.
Sicluceat lux veſtra coram hominibus, ut videant operaMatt. 5.
16.
veſtra bona, \& glorificent Patrem veſtrum, qui in Cæ-
lis eſt.
daß ſie ewere gute Werck ſehen/ und preiſen euren Vatter/
der im Himmel iſt.’
1. WJr haben bißhero von der Vollkommenheit geredet/ nun muͤſſen
wir ſehen/ welcher den andern in dieſer Ubung uͤbertreffe. Dieß5. Ethic.
aber eroͤffnet uns der weltweiſe Fuͤrſt Ariſtoteles, indem er ſa-
get: der jenige iſt der beſte/ der ſeine Guͤtigkeit nicht allein gegen ſich/ ſondern
auch gegen andere gebraucht. Dahero iſt nach dieſem gelegten Grund der je-
nige der beſte Geiſtliche/ welcher mehr mit der That als mit den Worten
andere den Weg der Tugenden lehret. Welches der Gregorius Magaus
mit dieſen Worten lehret: ich weiß keinen Rath beſſer zu ſeyn/ als wann duL. 10. mo-
ral.
dich befleiſſeſt mit deinem Exempel deinen Bruder zu lehren/ was geſchehen
D d dſolle/
[394]Die Zwey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
ſolle/ indem du ihn zu beſſern Dingen anlockeſt/ und ihm rahteſt noch mit
Worten noch mit der Zunge/ ſondern mit dem Werck und Warheit dieſem
ſtimmet bey der Pabſt Leo, ſagend: die Exempeln ſeyen kraͤfftiger als die
Wort/ und wir werden voͤlliger mit dem Werck als mit der Stimm gelchret.
Dieß hat auch S Pambo gemeinet/ als er Theophilum den Biſchoff mehr
mit ſeinem Stillſchweigen/ als netten Reden auffzuerbawen/ ſich
befliſſen hat. Man kan uͤber das betrachten/ durch was fuͤr Vortheil
S. Abrahamus der Einſidler ſo viele gar wilde Heyden zahm gemacht/ und
CHriſto unterworffen hat/ und ſo werden wir ſehen/ daß er dieſes mehr mit
dem Exempel ſeiner Gedult/ als mit Anmahnungen der Worten verrichtet
habe/ wie es in ſeinem Leben weitlaͤufftiger wird geſagt werden. Dahero hat
Conſol.
ad Hel-
viam c.
16.Seneca nicht uͤbel geſagt: ein Vatter oder Unterweiſer wird ſeinem Sohn
viel geben/ ob er ihn gleich nichts als das Exempel geben wird.
2. Gott der Herr hat vor dieſem dem Noe gebotten: du ſolt dir eine Arche
von leichtem Holtz machen: er hat gleich gefolget/ und ſich ans Werck ge-
Gen. 6.
14.macht. Es kommen alle darinn uͤberein/ daß Noe ein Ankuͤndiger deß goͤttli-
chen Worts geweſen/ dann er hat den bevorſtehenden Untergang der gantzen
Erden allen angeſagt/ wo ſie ſich nicht beſſerten/ und den beleidigten GOtt
durch die Wuͤrckung der Buß verſoͤhneten. Aber laſſet uns die H. Schrifft
auffſchlagen/ ſo werden wir finden/ daß er niemahls dem Volck geprediget
habe: wie wird er dann ein Prediger der Suͤndfluth und der Buß genennet?
Es wird geantwortet/ daß er auffs beſte mit dem Werck und mit Auffer-
bawung der Archen geprediget habe/ er hat wohl beredet gnug geprediget
mit ſeinem heiligen Leben/ genauer Haltung deß natuͤrlichen Geſetzes/
mit Thraͤnen/ Seufftzen; ob er gleich mit der Zungen geſehwiegen/ und
Serm. 69.
de temp.nicht ein Woͤrtlein hervor gebracht. Dahero unſer Heil. Vatter Augu-
ſtinus ſagt: Noe/ ob er wohl mit der Stimm ſchwiege/ redete doch mit dem
Werck/ er war ſtill mit der Zung/ aber mit dem Bawen rieffe er: und
daher wird er billig ein Verkuͤndiger deß goͤttlichen Worts genennet: dann
dieſer iſt fuͤr ein beſſeren Prediger zu halten/ welcher mehr mit den Wer-
cken/ als mit den Worten prediget. Dahero ſagt unſer Heyland: Alſo
laſſet ewer Liecht leuchten fůr den Menſchen/ daß ſie eu-
re gute Werck ſehen: Er ſagt nicht/ daß ſie eure Woͤrter hoͤren/
ſondern daß ſie die Wercke ſehen/ als welche die gottloſen zu bekchren kraͤffti-
ger/ als eine zierliche Rede ſeynd.
op. S.
3. Es hat ferner dieſe Warheit wohl gewuſt der Seraphiſche Vatter
S Fran-
[395]Vom gutem Exempel.
S. Franciſcus, der den ſeinigen dieſe Lehr mit folgenden Worten vorgeſchrie-Franc.
coll. 2.
ben: Bruͤder! betrachtet unſern Beruff/ mit welchem uns der barmher-
tzige GOTT nicht allein fuͤr unſern/ ſondern auch fuͤr vieler Seeligkeit
beruffen hat/ damit wir durch die Welt gehen/ alle mehr mit dem Exempel
als mit Worten zu ermahnen. Lyranus ſchreibt/ daß derſelbe Patriarch dieLyran. in
c. 2.
Ruth.
1. Reg. 2.
5.
jenige Wort deß Geſangs S. Annæ alſo außzulegen ſeye gewohnet gewe-
ſen: Die unfruchtbare hat viel Kinder gebohren/ und die je-
nige ſo viel Soͤhne hat/ iſt ſchwach worden. Er nennete einen
einfaͤltigen Bruder unfruchtbar/ der das Ambt zu predigen nicht hat/ durch
welches Soͤhne gezeugt werden/ das iſt die Kirche Gottes/ nach deß Apoſtels
Zeugnuͤß: Jch habe euch durch das Evangelium in CHriſto1. Cor. 4.
15.
Jeſu gezeuget. Und ein ſolcher einfaͤltiger Bruder nutzet mit ſeinem ex
emplariſchen Leben mehr ihm und andern/ als ein wortreicher Prediger. Fer-
ner damit dieſes ſeraphiſchen Manns Lehr von ſeinen Wercken nicht unter-
ſchieden waͤre/ hat er dieß Exempel beygeſetzt. Er hatte einsmahls ſeinen Ge-
ſellen geruffen/ und geſagt: komme/ wir wollen gehen und predigen: ſie gien-
gen durch alle Straſſen der Statt/ mit geneigtem Haubt/ mit zur Erden nie-
dergeſchlagenen Augen/ mit einem Leib gantz und gar nach der Beſcheiden-
heit gerichtet/ mit einem demuͤtigen und andaͤchtigen Gang/ alſo/ daß alle die
jenige/ welche ſie ſo einher gehen ſahen/ zur Rew/ zur Vermaledeyung der
Suͤnden und zur Verlaſſung der Welt bewegt/ und zum Gehorſamb Gottes
angezuͤndet wurden Als dieſes geſchehen/ iſt er alſo bald wieder ins Convent
gegangen/ zu dem ſein Geſell geſagt: ſo werden wir dann/ H. Vatter nicht
predigen? dem der H. Vatter geantwortet/ wir haben nun in der That unſere
Predig verrichtet: der Geſell fragte/ welcher Geſtalt/ ich hab ja nicht ein einig
Wort von dir vorgebracht gehoͤret? ach Bruder/ antwortete der H. Patri-
arch: es iſt eine Predig/ und zwar die allerbeſte und nuͤtzlichſte gehalten wor-
den: weiſt du/ welche ſie geweſen? ein gutes Exempel, welches wir gezeiget:
und warhafftig/ der Außgang hats bewieſen/ daß dieſe wunderliche Weiß zu
predigen kraͤfftig geweſen/ dann ein wenig darnach viele gekommen/ welche
mit dem geiſtlichen Kleid angethan zu werden verlanget haben.
4. Dann ein gut Exempel laͤſſet ſich ſchon den Himmeln vergleichen:
dann gleich wie die Himmelen/ ſagt Chryſoſtomus/ ob ſie wohl ſchweigen/ mitHom. 3.
in Gen.
ihrem Anſchauen allein die Menſchen zum Lob Gottes einladen/ abſonderlich
wann zu Nachts die hellſcheinende Sterne erſcheinen: alſo machen auch
die Vollkommene/ und mit den Sternen der Tugenden grziehrte
Leute/ daß GOTT/ ob ſie gleich ſtillſchweigen/ gelobt werde/ welches
D d d 2man
[396]Die Zwey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Specul.
Exempl.
diſt. 9 ex-
empl. 46.
Hiſtoria.man mit dieſer Hiſtori beweiſen kan. Ein Abt ſo den Nahmen eines Heiligen
hatte/ als er offt gehoͤret/ daß an einem Orth viele Todtſchlaͤge begangen
wuͤrden/ und daß kein Reiſender dar ſicher durch kommen koͤnte/ ja auch daß
allda der allergrauſambſte Haubt und Fuͤhrer der Moͤrder wohnete/ deßwegen
hat der Abt koſtbahre Kleider angelegt/ iſt auff ein herrliches Pferd geſeſſen/
und hat zu dem Orth/ in welchem ſo viel Mordthaten geſchehen/ geeilet: der
geiſtliche Mann iſt kaum zu dem Ort kom̃en/ die Raͤuber waren alſo bald da/
welche den gefangenẽ Gaſt zu ihrem Haubt fuͤhren: als der Abt fuͤr deſſen Ge-
ſicht kommen/ hat er gefragt/ was er wolte/ und warumb ſie an ihn die Haͤnde
gelegt haͤttẽ? dem der Moͤrder geantwortet/ er wolte ſein Pferd und ſeine Klei-
der haben/ und wo er ihm dieſe nicht geſchwind geben wuͤrde/ wolte er mit den-
ſelben ihm auch das Leben abnehmen: der Abt/ wie er eines luͤſtigen und Leut-
ſeeligen Gemuͤts war/ ſagt; du begehrſt von mir eine billige Sache/ weil dieſe
Ding nicht allein Gott zugehoͤren/ ſondern auch in der That gemein ſeynd/
deßwegen/ weil ich ſie nun viele Jahre gebraucht habe/ achte ichs fuͤr das bil-
ligſte/ daß du ſie jetzund auch gebraucheſt: dann ſo werden ſie warhafftig ge-
mein/ wann mans Wechſel weiß gebrauchet: Jm uͤbrigen moͤchte ich dieß
gar gern wiſſen/ auff welche Weiß du das Kleid gebrauchen wolleſt/ weilen
es ſich gantz nicht ſchicket/ daß du ein ſolch Kleid trageſt: uͤber dieſe einfaͤltige
Antwort hat der Moͤrder gelachet; und geſagt/ man kan verkauffen/ was man
nicht tragen kan: alſo ernehre ich mich und mein Geſchlecht. Daruͤber hat
der Abt geſeufftzet und geſagt: Mein Sohn/ was thueſt du? warumb/ bitte
ich dich/ ſucheſt du mit ſolcher groſſen Arbeit anderſt nichts als Speiß und
Tranck/ und wenig Tuͤcher/ mit welchen du gekleidet wirſt: wann es nur
umb die Koſt und Kleidung zu thun iſt/ ſiehe ich lade dich ein/ ich will dich in
mein Hauß fuͤhren/ und alles dieſes umbſonſt geben: der Moͤrder aber
hat geſagt/ daß er ſich bedancke/ dann ſein Magen waͤre zu den Bohnen
nicht gewohnet: der Abt ſprach wieder zu ihm: komme mit mir/ ich
verſpreche dirstheuer/ daß ich dir die außerleſenſte Speiſen von Fleiſch und
Fiſch vorſetzen wolle/ auch ein delicates Brod/ und koͤſtliche Weine geben/
es ſolle auch ein weiches Feder-Bett nicht mangeln. Dardurch iſt der Moͤr-
der von dem Abt uͤberwunden worden/ und iſt ihm als ein Wolff einem
Schaaff gefolget: daher hat der Abt den Moͤrder in ein groß Gemach gefuͤh-
ret/ hat ihme einen gewiſſen auß ſeinen Geiſtlichen verordnet/ welcher als ein
leibeigener Knecht ihm auffs fleiſſigſte dienete: dan er machte ihm das Bett/
kehrte die Kammer auß/ und brachte ihm zu gewiſſen Zeiten Wein und treff-
lich zugerichtete Speiſen.
Jm
[397]Vom gutem Exempel.
Jm uͤbrigen/ als der Moͤrder ſich luͤſtig ſaͤttigte/ ſatzte ſich auff der Erden
der Geiſtliche auß Befehl deß Abts darbey/ und nahme ſeine Speiß in
Gegenwart deß Gaſts zu ſich/ welches alles nichts als ein wenig Brod und
Waſſer war. Als nun der Moͤrder dieſe Weiß hart zu ſitzen und ſparſam
zu eſſen geſehen/ hat er nicht unterlaſſen zu fragen/ was dann die Urſach waͤ-
re/ daß er ſich ſo abtoͤdete/ villeicht haſtu einmahl einen Menſchen um-
gebracht/ villeicht haſtn nun deinen Luͤſten gefolget/ oder haſt dich mit Ehe-
bruͤchen ergetzet/ und andere Ehe-Bette und Ehe beſudelt/ daß du nun mit
elenden Weitzen taͤglich dich erhalten muß? deme der Geiſtliche beſcheident-
lich geantwortet: GOtt verhuͤte es/ daß mir ein ſolches Laſter bewuſt ſeyn
ſolte/ aber in dieſer Buß und Caſteyung deß Leibs uͤbe ich mich deßwegen/
damit ich im Todt einen gnaͤdigen GOtt haben moͤge. Mit dieſem Wort
iſt der Moͤrder ſo durchſtochen worden/ daß er iſt in ſich gangen/ und hat mit
tieffen Seuffzen geſagt: ich aber der aller gottloſeſte Menſch/ welcher ſo
viel Diebſtahl/ ſo viel Raub/ ſo viel Ehebruͤche und Todtſchlaͤge begangen/
daß ſie nicht zu zehlen ſeynd/ hab mich niemahls von Speiſen enthalten/ und
weiß auch nicht/ was Hunger leyden oder ſich mit Hunger abtoͤdten ſey; ich
hab mich allezeit mit koſtbahren Speiſen geſaͤttiget/ wie will ich dann den
mit ſo vielen ſchwaͤhren Suͤnden beleidigten GOtt gnaͤdig haben? Wehe
mir allerelendeſten! Als er dieſes geſagt/ iſt er zum Abt gelauffen/ und hat
ſich fuͤr ſeinen Fuͤſſen niedergeworffen/ und mit vielen Thraͤnen benetzet
gebetten/ daß er hinfuͤhro nicht anders als die andere Muͤnchen moͤgte tra-
ctiret werden/ ja wenig darnach hat er ſeinen Leib ſo abgetoͤdtet/ daß er die
andern alle mit dem Faſten uͤbertraffe/ und der durchs Exempel iſt gebeſſert
worden/ iſt ein Exempel worden deren/ die gebeſſert werden ſolten.
5. Hierauß dann leicht zu ſchlieſſen iſt/ was fuͤr Kraͤfften ein gutes Ex-Surius in
Vita.
empel habe. Damit aber dieſe Warheit befeſtiget werde/ wil ich ein anders
darbey ſetzen. Als einsmals der H. Biſchoff Narciſſus bey Afra/ eine
Hur/ ungefehr eingekehret/ hat ſie alſo bald/ weil ſie gemeinet er waͤre
Schand- Thaten halber gekommen/ ein gutes Abendmahl zurichten laſſen/
mit huriſchem Geſchmuͤck ſich gezieret/ und zu ſchaͤndlichen Wercken
bereitet. Als der H. Biſchoff ferner Speiſe zu nehmen gegangen war/ und
erſtlich ſich mit dem gantzen Leib/ Geſicht und Augen zum Gebett bereitete/
iſt die Hur durch dieſes Exempel alſo bewegt worden/ daß ſie ſich alſobald
zu ſeinen Fuͤſſen niedergeworffen/ und die Suͤnd ihrer Unverſchambheit
gebeichtet hat/ und nachdem ſie hernach heilig gelebt/ iſt ſie mit dem Mar-
ters-Kraͤntzlein ſambt dreyen Maͤgdlein gekroͤhnet worden. Es iſt dero-
D d d 3wegen
[398]Die Zwey und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
wegen gewiß/ daß ſonſten viele vergehen/ wann ſie nichtdurch der Guten
Exempel bewegt zu einem beſſern Leben ſchreiteten. Daher ſagt S Grego-
rius: Es ſolten die Suͤnder nimmer zum Bord der Buß wiederkehren/ wann
keine gute Exempeln waͤren/ welche ihre Gemuͤther zuruͤck zieheten. Jm
uͤbrigen/ wie gluͤckſeelig dieſe einmahl ſeyn werden/ welche ihrem Naͤchſten
mit einem guten Exempel fuͤrleuchten/ koͤnnen wir auß dem entgegen geſetz-
ten Beweiß ſchlieſſen/ wo der HErr Chriſtus einem Aergernuß geben-
den Menſchen das ewige Wehe verdoppelt/ derhalben weil der Seeligma-
Matth. 18cher nicht weniger gut iſt in Belohnung Geben/ als gerecht in Suͤnden
ſtraffen/ ſo folget wohl/ daß/ wie er die Aergernuß gebenden mit dem
ewigen Wehe ſtraffet/ alſo die Exemplariſchen mit dem ewigen Leben wohl
vergelten werde. Dahero ruffet S. Chryſoſtomus auß: deß jenigen Seele
iſt gluͤckſeelig und gebenedeyet/ deſſen Demut eines andern Hoffart zu ſchan-
den macht/ deſſen Gedult deß Nechſten Neid außloͤſchet. Dieſem gibt unſer
Serm. 163.H. Vatter Auguſtinus Beyfall/ ſagend: So viel einer mit dem Exempel eines
Heiligen Lebens wird aufferbauet haben/ mit ſo vielen/ und fuͤr ſo vielen
wird er den Lohn der Vergeltung deß ewigen Lebens empfangen: und ſo vie-
len er ein Exempel einer boͤſen Wandlung gegeben/ ob ihm gleich andert
nicht folgen/ vor ſo viele Boͤſen wird er Rechenſchafft geben muͤſſen.
Aber/ damit ich deſto eher zu andern Sachen ſchreiten/ befehle ich
dir/ lieber Bruder/ dieſe kurtze Ermahnung/ und eile zu denen
geiſtlichen gewoͤhnten Abtoͤdtungen. Lebe wohl.
Die
[399]
Die Drey und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von der Abtoͤdtung.
Qui Chriſti ſunt, carnem ſuam crucifixerunt cumGal. 5. 24
vitiis \& concupiſcentiis ſuis.
den Laſtern und boͤſen Lůſten gecreutziget.’
Der Erſte Theil.
1. GLeich wie die Speiß zur Erhaltung deß Leben deß Leibs nothwen-
dig iſt/ alſo iſt die Taͤgliche Abtoͤdtung nothwendig das Leben
der Seelen zu erhalten. Es iſt aber die Abtoͤdtung nichts anders
als eine Unterdruckung der boͤſen Anmuthungen/ welche auß dem Laſter der
verderbten Natur oder auß Eingebung deß Teuffels im Menſchen zu ent-
ſpringen pflegen. Die Urſach aber/ warumb ein ſtets waͤhrende Abtoͤd-
tung in einem Chriſtlichen Menſchen erfordert werde/ iſt/ dieweil er der
Natur nach/ von der Wiegen an zur Boßheit geneigt iſt/ deßwegen hat er
noͤthig alle Tag zu arbeiten/ damit er das rebellirende Fleiſch durch die Abtoͤd-
tungen dem Geiſt unterwerffe. Ohne welcher Bemuͤhung einer das AmbtRod riq.
p. 2. tr. [1].
c. 18.
weder eines Menſchen/ weder eines Chriſten/ weder eines Geiſt-
lichen wohl verrichten kan/ ſondern es begibt ſich/ was wir in ei-
nem Garten den Bildern/ die auß Myrthen oder anderer Art der
Kraͤuter gemacht/ zu geſchehen ſehen/ daß ſie nemblich deß Men-
ſchen oder eines andern Dings Figur verlieren/ wann nicht die Geil-Sup.
Cant. 552.
wachſende Blaͤtter ſtets beſchnitten werden. Daher hat S. Bernardus recht ge-
ſagt: Es iſt wenig/ einmal beſchniten zu haben/ man muß offt beſchneiden/ ja/
ſo es geſchehen kan/ allezeit: dieweil du allezeit finden wirſt/ welches muß be-
ſchnitten werden/ wan du es nit verhaͤleſt[z] dan das Beſchnittene waͤchſet wie-
der/
[400]Die drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Serm. 5. in
Cant.der/ und daß vertriebene kombt wieder/ daß außgeloͤſchte wird wieder ange-
zuͤndet/ das eingeſchlaͤfferte wird wieder auffgeweckt/ deßwegen iſt dieſe Be-
ſchneidung nothwendig. Nothwendig/ ſage ich/ umb der Tugenden Fruͤchten
herfuͤr ſprieſſend zu machen: dann gleich wie die Erden allein nichts als Diſtel/
Doͤrnern und Stacheln herfuͤr bringet: alſo kan auch von der Erden unſerer
Seelen nichts anders gehoffet werden/ wann ſie mit dem Pflug der Ab-
toͤdtung nicht gebauet werde. Ferner/ wo einer entweder durch einen
ſtaͤtigen Fleiß der Abtoͤtung oder durch ſonderliche Gnade GOttes ſeine
unordentliche Begierden alſo wird uͤberwunden oder gemaͤſſiget haben/ daß er
ſich ſpuͤhre/ daß er nit ſonderlich von ihnen angefochtẽ wird/ ſo muß er deßwe-
ge alsbald nit von der Ubung der Abtoͤdtung abhalten/ ſondern verſtaͤndiglich
acht haben/ damit der einheimiſche Feind nit etwann im verborgen liege/ und
ihn anfalle/ wann ers am wenigſten vermeinet. Daher ermahnt S. Bernardus:
ſo viel du dan in dieſem Leben wirſt zunehmẽ/ ſo irreſtu doch/ wan du die Laſter
todt zu ſeyn vermeineſt/ und nicht viel mehr untergedruckt: du wilſt oder
wilſt nicht/ in deinen Graͤntzen wohnet der Jebuſæus, dann er kan zwar unters
Joch gebracht/ aber nicht außgeſtoſſen werden/ deßwegen ſoll man in dieſem
Leben nimmer von der Ubung der Abtoͤdtung auffhoͤren/ ob gleich die Laſter
gegen uns offenbahr wuͤten/ oder allein heimbliche Wurtzel ſetzen Darzu uns
P. 2. tr. 1.
c. 4.auch Rodriquez mit dieſer Gleichnuß ermahnet: wie das allerzahmeſte Pferd
niemahls leichtlich ohne Zaum von dem Reuter gelaſſen wird: alſo iſt auch
unſer Gemuͤt von den Menſchen nicht ohne Zaum der Abtoͤdtung zulaſſen/
ſo viel es auch in der Ubung der Tugenden zugenommen.
naſ. in Vi-
ta.
2. Dieſes hat der groſſe Vatter der Einſidler S. Antonius wohl verrich-
tet/ welcher/ als er in der Jugend groſſe Buſſen gethan hatte/ und viele Jah-
ren unglaubliche Kaͤmpffen mit den Teuffeln außgeſtanden/ nachdem er zum
euſſerſten Alter/ in welchem er der Ruhe etwas zugeben ſolte/ gekommen/ hat
er angefangen alle vorige Ubungen der Buß zu erneueren/ damit er uns leh-
rete/ daß man niemals von den Abtoͤdtungen nachlaſſen ſolte; Und dieſes
thaͤte auch der Seraphiſche Vatter Franciſcus. Zu welchem Zweck zielet
der Apoſtel/ ſagend; Wir tragen allezeit die Toͤdtung JEſu an
2. Cor. 4.
10.unſerm Leib hernmb/ damit auch das Leben JEſu in
unſern Leibern offenbahret werde. Daher ſagt er anderwerts:
1. Cor. 9.
26. 27.Nun lauffe ich alſo/ nicht auffs ungewiſſe; ich ſtreite alſo/
nicht als einer/ der Lufft-Streiche thut/ ſondern ich ca-
ſteye meinen Leib/ und bringe ihn unter die Dienſtbarkeit;
damit ich villeicht nicht/ wann ich andern: geprediget ha-
be/
[401]Von der Abtoͤdtung.
be/ ſelbſt zu verwerffen ſey. Wie aber unſer Leib abzutoͤdten ſeye/Epiſt. ad
Fr. de
Mont.
Dei.
gibt S. Bernardus an die Hand/ ſagend: man muß den Menſchen lehren/ ſei-
nen Leib/ wie einen Krancken zu halten/ dem viel unnuͤtze Dinge/ ſo er will/
abzuſchlagen/ nuͤtzliche Dinge aber/ ſo er nicht will/ zugeben ſeynd. Ferner la-
det uns zu dieſer Abtoͤdtung ein die Billigkeit: dann was iſt billiger/ als daß
man eine Magd nicht herſchen laſſe? was iſt billiger/ als daß wir den Feind/
ſo unſerm/ und zwar ewigem Leben nachſtellet/ allezeit verfolge? was iſt bil-
liger/ als daß der jenige/ welcher Gottes Sohn ſo offt getoͤdtet hat/ zum geiſt-
lichen Todt zum wenigſten verdambt werde? daß aber dieſes keine Grauſam-
keit ſeye (wie es die weltlichen Menſchen faͤlſchlich meinen) lehret Rodri-
quez mit dieſen Worten: gleich wie man darfuͤr haͤlt/ daß ein Krancker/ ob
er gleich zulaͤſt/ daß ſein Arm wegen Nutzen deß gantzen Leibs gebrennet wer-
de/ ihn doch nicht haſſet/ ſondern liebet: alſo ſoll man auch nicht ſagen/ daß
der ſeine Seele haſſe/ ob er gleich zulaſſet/ daß ſie mit dem Eiſen der Abtoͤd-
tung wegen deß gantzen Menſchens Nutzen gebrennet werde.
3. S. Eucherius gibt eine verborgene Urſach/ warumb Gott verbotten ha-
be/ daß ihm Hoͤnig in den alten Opffern gebracht wurde: Auch nichtsLevit. 2.
11.
vom Hoͤnig ſoll man ein Opffer deß Herrn anzůnden. Dan
die den Schmeichlungen der Ergotzlichkeiten oder der Suͤſſigkeit der Wol-
luͤſten anhangen/ koͤnnen der Geheimnuͤſſen Gottes nicht theilhafftig wer-
den: daher ſehen wir/ daß das Manna in der Wuͤſten den Jſraelitern nicht
eher ſeye gegeben worden/ als nachdem das Egyptiſche Brod gemangelt/
umb zu bedeuten/ daß ein Menſch mit himmliſchen Troͤſtungen nicht eher
erquickt werde/ als wann er durch Abtoͤdtung die irrdiſche Troͤſtungen ver-
worffen hat. Daher ſagte Chriſtus zu der Heil. Catharina von Siena: je mehrIn Dia-
logo.
du in dir ſterben wirſt/ je mehr wirſt du in mir leben: und je reiner du außwerf-
fen wirſt/ was dein iſt; je reichlicher will ich darein legen/ was mein iſt. Und
zu S. Franciſco ſagte er: verlangſt du mich/ ſo ſollen dir die bittere SachenL. 3. c. 43.
§. 1.
ſuͤß/ und die ſuͤſſe Sachen bitter ſeyn. Derowegen mahnet billig ein from-
mer Geiſtlicher/ befleiſſige dich der abtoͤdtung der Laſter/ weilen dir dieſes
mehr nutzen wird/ als die Wiſſenſchafft vieler ſchweren Fragen: dann es
kan in der Seele nichts koſtbahrers gefunden werden/ als wann ſie unver-
droſſen zu GOTT ſeufftzet/ dieſes aber geſchicht durch die Ab-
toͤdtung der Laſter/ welches unſer Heil. Vatter Auguſtinus mit
dieſen Worten lehret: der Hirſch toͤdtet die Schlangen/ und nachin Pſ. 141.
der Schlangen Toͤdtung/ bekombt er groͤſſern Durſt/ und wann
die Schlangen umbgebracht ſeynd/ laufft er ſtaͤrcker nach den Brunnen.
E e eDie
[402]Die Drey und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
Die Schlangen ſeynd deine Laſter: zernichte die Schlangen der Boͤßheit/ ſo
wirſt du mehr nach dem Brunnen der Warheit verlangen. Und wiederumb
Serm. 3.
de
Aſcenſ.ſagt er: laſſet uns nach ihm auffſteigen durch die Laſter und unſere Gemuͤths-
Bewegungen. Wir machen ein Leiter auß unſern Laſtern/ wann wir die La-
ſter (durch die Abtoͤdtung) tretten/ dann ſie werden uns in die Hoͤhe auff he-
ben/ wann ſie unter uns ſeyn werden.
Patr.
4. Als einer auß den alten Vaͤttern keine Maß ſeinen Leib zu toͤdten hiel-
te/ und deßwegen von andern ermahnet wurde/ dieſe Strengigkeit zu maͤſſi-
gen/ hat er geantwortet: glaubet mir/ Kinder! wann der Orth und Stand
und Beſchaffenheit der ſeeligen im Himmel einen Schmertzen zulieſſe/ und
eines Mißfallens faͤhig waͤre/ ſolte ihnen warhafftig dieß einige am meiſten
leid ſeyn/ daß ſie nicht mehrer und ſchwaͤrere Gelegenheiten ſich abzutoͤdten
geſucht haͤtten. Dieſes iſt den heiligen Maͤnnern nicht unbewuſt geweſen/
welche von dem Geiſt GOttes angeblaſen ſich ſolchen Bußwercken und Ab-
toͤdtungen unterworffen/ daß es geſchienen hat/ daß ſie die menſchliche Kraͤff-
ten weit uͤbertreffeten. Simeon Stylites iſt auff unterſchiedlichen Seulen uͤ-
ber 50. Jahr allezeit geſtanden/ und ein gantzes Jahr nur auff einen Fuß ſte-
hend. S. Moyſes der Mohr iſt 6. Jahr deß Nachts geſtanden/ damit er ſeinen
Schlaff brechete. Siſinius hat 3. Jahr im Grab zugebracht/ Tag und Nacht
niemahls ſitzend/ oder ſich anlehnend oder liegend oder herauß gehend. S. Elpi-
dius hat alle Nacht ſtehend und pſallirend zugebracht mit ſolcher Beſtaͤn-
Creg.
Turon. l.
8.
Hiſtor.
Franc. c.
15.
Maurus
Epiſ. indigkeit/ daß ihn auch kein Scorpion hat bewegen koͤnnen. S. Welphus hat von
ſich ſagen koͤnnen: Jch habe eine Seule geſetzet/ auff welcher ich mit groſſer
Peinigung ohne Fuß-Decke ſtunde: als die Winters-Zeit angekommen/
wurde ich von der harten Kaͤlt alſo gebrennet/ daß die Strenge der Kaͤltemir
oͤffters die Naͤgel auß den Fuͤſſen ſtoſſete/ und in meinem Bart das Waſſer
durch die Kaͤlte zuſammen gefroren als Liecht-Kertzen herunter hienge. S[o]
Zoërardus hat ſo lang eine kupfferne Ketten auff dem bloſen Leib getragen/
biß ſie nach dem verfaulten Fleiſch mit der Haut uͤberzogen war/ und ſolte die-
ſe Marter verborgen geblieben ſeyn/ wo nicht nach dem Todt bey dem Nabel
die Knotten deß bindender. Metalls erſchienen waͤren/ welches/ indem es auß
deß todten Leib gezogen worden/ iſt ein Gethoͤn der außgeſtoſſenen Rippen
gehoͤret worden. Deß jetzt gedachten H. Simeon Stylitæ Fuß mit einer eiſer-
ne Ketten gebunden/ iſt alſo verfaulet/ daß Wuͤrm darauß wuchſen/ welche/
wann ſie ungefehr außfielen/ legte er wieder in die Geſchwaͤre/ ſagend: eſſet/
Greg.
Tuton.
ſup. c. 7.was euch der Herr gegeben.
5. S. Lupi[e]inus hatte in ſeiner Zellen einen groſſen Stein/ welchen wohl
nicht zwey Menſchen ſolten auffgehoben haben/ dieſen hat er auff ſeinen Na-
cken
[403]Von der Abtoͤdtung.
cken gelegt/ und den gantzen Tag getragen in ſeiner Zellen unter dem Pſalmen
ſingen/ dadurch es geſchehen/ daß die Lungen durch die ſtaͤts waͤhrende Nie-
dertruͤckung verderbt worden/ und er das Blut haͤuffig außſpeyete: deß
Nachts aber/ als wann der Stein zur Abtoͤdtung nicht gnug waͤre/ hat er ſei-
nen Stecken/ den er in der Hand zutragen pflegete/ oben mit zweyen Zaun-
Stecken geſtuͤtzet/ unter das Kinn geſetzet/ damit er ſeinen Leib niemahls mit
dem Schlaff erquicken koͤnte/ dahero haben viele/ die deß Nachts zu ſeinerOsber-
nus Mo-
nac in
vita.
Zellen gegangen/ die Muſic der Engelen gehoͤret. B. Elphegus, der auß einem
Muͤnch ein Biſchoff worden/ iſt gewohnet geweſen/ im Froſt und Eyß deß
Winters/ wann alle zu Nacht ſchlaffeten/ mit bloſen Fuͤſſen/ mit einem eini-
gen Rock bekleidet vom Laͤger auffzuſtehen/ außzugehen/ und biß zur Mor-
genroͤthe dem Gebett abzuwarten. S. Radulphus ein Muͤnch/ pſallirte deß
Nachts/ obs gleich der ſtrengſte Winter war/ in bloſen Fuͤſſen und Schen-
ckeln biß es Tag worden. S. Dominicus Loricatus ließ die Kleider nicht uͤber
die Schienbein herab/ damit die Kaͤlte die bloſen Fuͤſſe verbrennete: was er uͤ-
ber das fuͤr Abtoͤdtungen gebraucht/ kan man unter in ſeinem Leben ſehen. S.Vine.
Bellov.
l. 19. c. 11.
Hieron.
Rubeus
in vita.
Lib. 4.
vit P. P.
Chriſtianus ein Einſidler ſtunde im winter im kalten Waſſer biß zum Halß
eingetuncket/ darnach ſchluge er ſich biß die Ruthen zerriſſen. S. Petrus Dami-
anus iſt gegen die Hitze der Geylheit deß Nachts vom Bett auffgeſtandẽ/ und
ſich ins Waſſer getuncket/ alß er gantz kalt worden und herauß gegangen/ hat
er ſich nicht ins Bett/ ſondern ins Gebett begeben. S. Orientius ein Einſidler
hat alle Tage im katten Waſſer biß zum Nabel ſtehend deß Davids Pſalmen
außgebettet/ welcher Abdoͤdtung hat ſich nicht auch S. Edmundus, Bi-
ſchoff zu Cantuarien unterworffen? dieſer gebrauchte nicht allein haͤrineOvid.
Surius in
ejus vita.
Guͤrtel/ ſondern auch haͤrine Hoſen: er war mit Brod allein und mit einer
ſchlechten Speiß zu frieden/ er aß noch Fiſch noch Fleich: den Durſt leidete
er ſo weit/ daß die Lefftzen zerſprungen: umb naͤchtliche Ruhe zu nehmen ge-
brauchte er noch Leinlacher/ noch Decken/ noch Haubt-Kuͤſſen/ ſonder er ſaſſe
mit ſeinen eigenen Kleidern bedecket/ und dieß ſetzte er fort 30. Jahr/ als er
auch zur Wuͤrde deß Ertz-Biſchtumbs erhoben geweſen. Ferner alle Arten
der Abtoͤdtungen fuͤrzubringen/ was ſolte dieß fuͤr ein Laſt ſeyn?
6. Nichts deſto weniger/ damit nicht einer meine/ daß dergleichen bey je-
tziger Zeit nicht koͤnne gethan werden/ will ich einen Mann fuͤrſtellen/ welcher
in dieſen Zeiten ſo ſtreng gelebt/ daß er ſchiene die StrengigkeitIn ejus
vita quæ
habetur
in Ere.
mo Aug.
der alten Vaͤtter uͤbertroffen zu haben/ und iſt ſolcher unſer Johan-
nes von S. Guillelmo, dieſer in den hitzigſten Laͤndern wohnende
gieng im Sommer mit entbloͤſetem Haubt in der Sonnen; im Winter
E e e 2aber
[404]Die Drey und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
aber gieng er in aller Fruͤhe mit bloſen Fuͤſſen uͤber das gefrorne Erdreich/
und zur Regen-Zeit uͤber die Doͤrnen/ und mahnete die ſeinigen gar artlich
und luſtig an/ dergleichen zu thun/ ſagend: wer die Muſqueten-Kugel foͤrch-
tet/ der gehe nicht in den Krieg: wer das Leiden foͤrchtet/ der ſuche den Him-
mel nicht/ und wann man durch viele Truͤbſall in Himmel gehen muß/ ſo
mag alles Ubel der Welt uͤber mich kommen: deß Nachts hatte er zum oͤfftern
das Fenſter ſeiner Zellen offen/ damit er von der boͤſen Lufft moͤchte beſchwaͤ-
ret werden/ und die einkommende Muͤcken und Fiegen ihn
auffs haͤrteſte plageten. Weiters gieng er allezeit mit bloſen Fuͤſſen/
deren Fuͤß-Sohlen mit Eyß/ Steinen und Doͤrnern in die kleineſte Theil
zerſchnitten bißweilen ein haͤuffiges Blut lieſſen: auch zur Winters-Zeit
gieng er nicht zum Feuer: zur Nachfolg S. Guillelmi gebrauchte er einen
Bruſtharniſch fuͤr ein Hembd/ damit er aber nicht roͤſtig wuͤrde/ nahme er ei-
nen neuen/ dann er hatte drey/ deren er einen nach dem andern gebrauchte/ de-
ren etliche hat er gar verbrauchet: als er ſeinen Habit außgezogen/ haben et-
liche durch die Ritzen ſeiner Zellen geſehen/ daß die Ringe deß Bruſt-Harniſch
alſo in das Fleiſch getrungen/ daß man kaum unterſcheiden konte/ ob er einen
Bruſt - Harniſch hatte. Es mangelten ihm auch nicht zum Zierath ſeines
Leibs Guͤrtel und Arm-Baͤnder/ dann er gebrauchte eine groſſe eiſerne Ket-
ten/ welche von der rechten Schulter zu der lincken Seiten/ und von der lin-
cken Schulter zu der rechten Seiten in Form eines Creutzes uͤber die Bruſt
gegangen/ mit einer andern hat er ſich geguͤrtelt/ welche er ſo zuſammen ge-
zogen getragen/ daß im Jahr 1605. als er in eine gefaͤhrliche Kranckheit ge-
fallen/ ſein Geſell der Bruder Laurentius, als er ihn ins Bett getragen/ die
gedachte Ketten ſo zuſammen gezogen/ und am Leib hangen geſehen/ daß ſie
das ſchon faule Fleiſch durchgetrungen/ deßwegen er ſie nicht ohne den groͤſten
Schmertzen deß P. Joannis mit dem an vielen Orthen anhangenden Fleiſch
herauß gezogen: bißweilen gebrauchte er auch an ſtatt der Ketten einen eiſer-
nen Ring/ der etliche Stachel hatte/ welches alles zu Populonien mit groſſer
Ve ehrung auffbehalten wird: und alle dieſe Peinigungs-Inſtrumenten wa-
ren dem P. Joanni, daß er ſeinen Leib caſteyete/ nicht gnug/ dann er hat ein
neues und ſonderliches Exempel einer gantz unerhoͤrten Buß zeigen wollen:
dahero hat er etliche eiſerne Kaͤmme/ die zum Wollen kratzen bequem ſeynd/
erdacht/ auß deſſen auffgerichten Stacheln hat er ſich ein Wammes biß
zu den Huͤfften reichend gemacht/ mit welchem er allezeit gekleidet
war/ und noch heutiges Tags in unſerm Battinienſiſchen Con-
vent/ nicht allein bluͤtig/ ſondern von Blut gleichſamb gantz ro-
ſtig und auff der Seiten deß Ruͤckens und der Bruſt verzehrt/ von allen
geſehen
[405]Von der Abtoͤdtung.
geſehen wird. Und dieweil er alle Freytag mit groͤſter Auffmerckung das
Leyden Chriſti laſe/ wann er zu einem Spruch der heiligen Schrifft von
Schmertzen gekommen/ hat er ſich alſobald auff der Erden geweltzet/ damit
die Stacheln deß vorgedachten Wannes tieffer in das Fleiſch giengen/ und
alſo wurd er geſehen als ein anderer Benedietinus unter den Doͤrnern/ und
Blaſius unter den eiſernen Kaͤmmen der grauſambſten Tyrannen. Dieſe
haben ihre Peynigung nur einmahl außgeſtanden/ jener aber alle Wochen:
er hat ſich auch auffs harteſte und grauſambſte viermahl in der Wochen/ und
bißweilen zweymahl deß Tags eine gantze Stund lang/ bald mit eiſernen
Ketten/ bald mit Stricken/ darzwiſchen eiſernen Stacheln geweſen/ und
mit andern grauſamen Jnſtrumenten gegeißlet/ mit welchen er nicht ohne
groſſe Blut- Vergieſſung ſeinen Leib abtoͤdtete. Wegen ſolcher und der-
gleichen andern Sachen/ welche ich kuͤrtze halben außlaſſe/ haben billig und
recht etliche vortreffliche Praͤlaten geſagt/ daß von vielen Zeiten her in der
Kirche GOttes ſeines gleichen nicht gefunden worden.
7. Dieſes/ lieber Bruder/ erzehle ich nicht/ daß du es nachthun ſolſt/ dann
die heilige Maͤnnern mit dem H. Geiſt erfuͤllet/ haben viel gethan/ woruͤ-
ber wir uns verwundern/ welches wir aber nicht nachthun koͤnnen/ dann einer
hat eine ſtaͤrckere Natur als der ander. Die Beſcheidenheit als eine Koͤni-
gin der Tugenden/ und der Rath der Aelteren muͤſſen uns in den leiblichen
Abtoͤdtungen regieren/ darumb iſt dieſes allein deßwegen erzehlet worden/
theils daß wir uns befleiſſigen moͤgen nur die kleine Ubungen der Abtoͤdtun-
gen anzunehmen/ vertrauend auff die Goͤttliche Gnade/ welche
uns darzu gewißlich nicht ermangeln wird/ wann wir nur keine Hin-
dernuß ſetzen: theils/ damit wir nicht uͤber etliche verrichtete Abtoͤdtungen
hoffaͤrtig werden/ und dieſelbe nicht allzu hoch halten/ und be-
trachten/ daß ſie gar nichts ſeynd/ wann ſie mit der H. H. Vaͤtter Stren-
gigkeiten verglichen werden. Derowegen/ damit wir zu andern Abtoͤdtun-
gen/ welche in gewiſſer Weiß ſich mehr auff uns ſchicken/ ſchreiten/ wird
es vonnoͤthen ſeyn/ dieſelben kuͤrtzlich in folgenden herzu zu ſetzen.
Der Andere Theil.
8. ES iſt deßwegen die beſte Abtoͤdtung/ ſich ſelbſt uͤberwinden
nach dem jenigen Spruch: Fortior eſt qui ſe, quàm qui
fortiſſima vincit Mœnia: das iſt: Der jenig iſt ſtaͤrcker/ der ſich
als die ſtaͤrckeſten Mauren uͤberwindet. Dieſer Sieg aber beſtehet in der
Verlaͤugnung deß eigenen Willens/ das iſt: wann wir nicht zulaſſen/
E e e 3was
[406]Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
was die Begierd verlanget/ und annehmen/ was ſie ſchenet. Ei-
Pelagius
in ejus
Vita.ner auß den alten Muͤnchen hat ſich fuͤrtrefflich in dieſem Streit
gehalten/ welcher/ als er einem Alten gedienet/ hat es ſich zuge-
tragen/ daß dem Alten ein Geſchwaͤr am Leib hervor kommen/
darauß vieles Eyter mit groſſem Geſtanck flieſſete; es ſagten aber
zum Bruder ſeine Gedancken: gehe von hier weg/ dieweil du den Geſtanck
dieſer Feuchtigkeit nicht vertragen kanſt/ damit er aber dieſe Gedancken
zuruck triebe/ hat er ein Gefaͤß gehohlet/ und deß Alten Geſchwoͤr gewaſch-
ſen/ und ſo offt ihm durſtete/ hat er davon getruncken. Es hat ihn aber wie-
derumb ſeine Gedancken anzureitzen angefangen/ zu ihm ſagend: wiltu nit
fliehen/ ſo trincke doch dieſen Geſtanck nicht; aber er leydete es gedultig und
tranck die Abwaſchung der Wunden ſeines Vatters. Und als er dem Al-
ten alſo dienete/ hat GOtt die Liebe ſeiner Arbeit angeſchen/ und hat die-
ſelbe Abwaſchung deß Geſchwaͤrs in das reineſte Waſſer veraͤndert/ und
den Alten mit einer unſichtbahren Artzney geſund gemacht. Dieſem hat S.
In ejus
Vita.Franciſcus Xaverius nachgefolget. Dieſer/ damit er ſich ſelbſt und den
Eckel/ welchen er auß dem Dienſt deß mit dem Geſchwaͤr behafften Kran-
cken empfunden/ uͤberwindete/ hatdas Eyter auß ſeinen Geſchwaͤren geſau-
get. Es ſeynd auch mehr andere/ welche dieſe Art ſich zu uͤberwinden/ ange-
nommen/ darunter abſonderlich die H. Catharina von Sena gezehlet wird/
welche/ als ſie einsmahls einer kranck-liegenden Frau (von welcher die H.
Jungfrau zuvor mit gar heßlichẽ Laͤſterungen beſchweret/ und als ein unehr-
liche Hur außgeruffen worden) dienete/ und auß einẽ unertraͤglichen Geſtanck
einen Eckel empfunden/ welchen ſie von dem hoͤlliſchen alten Schalck bewegt
worden zu ſeyn muthmaſſete/ damit er ſie von dem heiligen Vorhaben ab-
ziehete/ iſt ſie uͤber ſich ſelbſten boͤß worden/ und geſagt: Was? Biſtu ſo
gehaͤſſig einer Schweſter/ mit Chriſti Blut erkaufft? Biſtu nicht ſelbſt
einer gleicher und mehr heßlicheren Kranckheit unterworffen? Ja/ hat ſie ge-
ſagt/ und an den Krebs deß Weibes die Naſen geſetzt/ und mit aufgeſpertem
Mund den Wuſt getruncken/ biß ſie deß widerſpaͤntztigen Fleiſches An-
muthung zaͤhmete. Ein andersmahl hat ſie auch eine hertzhafftere That
begangen/ damahls ſie fuͤr das faule Eyter derſelben krancken Frauen ein
Abſcheuen gehabt/ und mit Waſſer den Krebs außgewaſchen/ hat ſie daſſel-
be in eine Schuͤſſel auffgefangen/ und mit begierigem Mund außgetruncken.
Deßwegen hat ſie die Verſuchung uͤberwunden/ und ihrem Beicht-Vat-
ter bekennet/ daß ſie in ihrem Leben niemahls etwas annehmlichers gekoſtet.
Dieſes heroiſche Werck hat dem HErrn Chriſto alſo gefallen/ daß er ihr
die
[407]Von der Abtoͤdtung.
die nachfolgende Nacht erſchienen/ und zu einem ſolchen glorwuͤrdigen Sieg
Heyl wuͤnſchend/ die offene Wunde ſeiner Seiten dargereicht/ darauß die H.
Jungfrau ſo groſſe himmliſche Suͤſſigkeit geſogen/ daß derſelben Krafft ſich
auch in ihrem Leib ergoſſen hat. Wann ſolche rare Gnaden in dieſer Welt
darumb gegeben werden/ was werden ſie nicht fuͤr Lohn und Ehr im kuͤnffti-
gen Leben empfangen/ wo der eigne Orth der Vergeltung iſt.
9. Wann aber dieſe Art zu uͤberwinden/ als welche nur allein denen Hei-
ligen eigen iſt/ einem gar zu hart ſcheinet/ ſo mangelen andere nicht/ mit wel-
chen der Menſch ſich ſelbſt abtoͤdten/ und das rebelliſche Fleiſch dem Geiſt
unterwerffen kan/ nemblich durch die Abtoͤdtungen der Sinnen: dann dieſe
ſeynd ſehr heilſam. Dann gleich wie die meiſten Laſter durch die Sinne in
die Seele eingehen/ alſo werden auch durch die Abtoͤdtungen der Sinnen die
meiſten Laſter verhuͤtet. Deßwegen acht ich fuͤr gut von den Abtoͤdtungen
det Sinnen kuͤrtzlich zu handeln/ vom Geſicht/ Gehoͤr/ Geruch und Em-
pfindung in dieſer Lection/ vom Geſchmack aber wil ich abſonderlich in fol-
gender Lection reden. Das Gehoͤr kan alſo abgetoͤdtet werden. Erſtlich die
Gelegenheit meiden eigene Lob anzuhoͤren/ oder wann etwas in deſſen
Lob von einem vorgebracht wird/ die Red alſobald abwenden. Zweitens
nicht nach neuen Zeitungen fragen/ und wann deren Meldung geſchicht/ das
Geſpraͤch auff etwas nutzlichers lencken Dieſes hat der H. Biſchoff HugoPet. Dor-
lan. in
Chron.
Carthuſ.
l. 3. \& Sur.
in vit. S.
Hugonis
gelehret/ welcher als er nach gemachtem Fried zwiſchen den Koͤnigen von
Franckreich und Engelland in ein Cartheuſer Kloſter eingekehret/ als er von
der Weiß deß geſchloſſenen Friedens gefraget wurde/ hat er von Traurigkeit
eingenommen und auß vollem Eyffer deß heiligen Ordens geantwortet: obs
gleich einem Biſchoff zugelaſſen iſt/ die Geruͤchte zu hoͤren und vorzubringen/
ſo iſts doch den Muͤnchen nit zugelaſſen. Deßwegen haben dieſelben Cartheu-
ſer mit recht von den Converſen geſchloſſen/ welche oͤffter als die Muͤnchẽ auß-
gehen/ die weltliche Geruͤchte dahin fahren zu laſſen/ wo ſie ſie hoͤren. Alſo hat
auch die H. Clara vom Berg Falconis den Dieneriñen deß Kloſters verbottẽ/
welche wegen deß Haußhalten außgiengen/ nichts den Heil. Jungfern vor-
zubringen/ was ſie außwendig entweder gehoͤret oder geſchen haben/ damit
es ihnen keine Unruhe braͤchte. Die dritte weiß iſt/ die Ohren bißweilen
von einem lieblichen Geſang oder Muſie/ welche den Ohren gar angenehm
iſt/ abwenden. Alſo hat gethan der heilige Seraphiſche Franciſeus/ wel-
cher einsmahls mit groͤſſeſten Schmertzen der Kranckheit behafftet/ ſeinen
Mitt-Bruder gebetten hat/ daß er ihn zur Erleichterung der Schmertzen
auff der Geigen ſpielete/ in dem er aber ſich bald bedacht/ hat ers wieder ver-
botten/
[408]Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
botten/ damit es nicht ſcheinte/ einen irdiſchen fuͤr den geiſtlichen Troſt
zu ſuchen. GOtt aber/ welcher dieſe Wuͤrckung der Abtoͤdtung vergolten/
hat ihm einen Engel geſandt/ der nur ein eintziges mahl den Bogen uͤber die
Seiten der Geigen gezogen/ und einen ſolchen Troſt dem ſeeligen Mann
gebracht/ daß es ihm nicht allein alle Schmertzen gelindert/ ſondern auch in-
wendig mit unſaͤglicher Freud erfuͤllet. Die vierdte Weiß iſt/ die unan-
genehmen ungeſtuͤmmigkeiten und Geſchrey geduͤltig hoͤren/ und ſich nicht
erzoͤrnen/ wann ein Hund in der Naͤhe unverſchaͤmbt bellet/ oder eine brum-
mende Mucken oder Weſpe lang in der Cell herumb flieget/ oder die unge-
ſtuͤmmen Handwercks-Leute/ als da ſeynd die Vaß-Binder/ die Schmied/
die Blech-Schlaͤger und dergleichen/ zur Studierens oder Schlaffens-Zeit
in der Nachtbarſchafft arbeiten.
10. Der Geruch kan darmit abgetoͤdtet werden. Erſtlich der Naſen
allen annehmlichen Geruch verſagen/ und ihn im Hertzen alſo verachten/
daß ob ſichs gleich bißweilen ſolte zutragen an einem Ort oder Menſchen/ der
einen ſolchen Geruch von ſich gibt/ zukommen/ man darauß keine Ergoͤtzung
ſchoͤpffe/ ſondern vielmehr vom Hertzen verachte/ als eitele Ergoͤtzungen/
welche der Sinnligkeit dienen/ aber dem Geiſt zu wider ſeynd. Zwey-
tens in den wohl-gebauten Gaͤrten/ wo man eine Menge von wohl-richer-
den Blumen hat/ nichts abbrechen/ umb die Ergoͤtzung der Naſen zu un-
terhalten/ ſondern ſich alles dieſes auß Lieb zu JEſu berauben/ welcher iſt die
Blum der Blumen/ und weydet in den Lilien. NB. Was eine derglei-
chen Abtoͤdtung der Sinnen fuͤr einen Verdienſt habe/ wirſtu verſtehen auß
dem/ was wir fol. 359. §. 10. vorgebracht. Drittens die ſtinckenden und
hart riechenden Sachen (ſo viel es ohne Schaden der Geſundheit ſeyn kan)
gedultig ertragen/ zur Nachfolg S. Arſenii, von welchem Ruffinus A-
quil. erzehlet/ daß/ als er Koͤrbe machte/ er das Waſſer in dem Becken
aufbehalten habe/ umb die Palmen-Blaͤtter zu erweichen; welches/ als es
ſtinckend worden/ hat er niemals zugelaſſen/ daß es veraͤndert wuͤrde/ ſon-
dern er goß anderes darzu/ damit der Geſtanck nicht auff hoͤrete. O Vat-
ter! ſagten die Muͤnchen/ warumb veraͤnderſt du das Waſſer nicht/ mer-
ckeſtu nicht/ daß deine Cellen angeſteckt wird? denen Arſenius geantwor-
tet: fuͤr die wohl-riechende Sachen und Salben/ ſo ich in der Welt ge-
braucht habe/ muß ich nun dieſen Geſtanck vertragen/ damit mich am Ta-
ge deß Gerichts von jenem unaußſprechlichen Geſtanck der Hoͤllen der
HErr erloͤſe.
11. Wie
[409]Von der Abtoͤdtung.
11. Wie das Gefuͤhl abzutoͤdten ſey/ haben wir ſchon fol. 40. num. 9
biß zur num. 10. geſagt/ welchem dieſes kan beygeſetzet werden/ daß nemblich
zur Abtoͤdtung deß Gefuͤhls gehoͤre/ geduͤltig und mit Zufriedenheit die
Hitze/ die Kaͤlte/ den Wind und andere Ungemache der Lufft/ ſo dem Leib zu
wider ſeynd/ vertragen/ noch gegen dieſe ein Mittel ſuchen/ ſo lang das Geſetz
der Beſcheidenheit dieß will zulaſſen. Alſo auch die Mucken/ Floͤhe/ und an-
dere dergleichen beſehwaͤrliche Thiere mit billigem Gemuͤth erduͤlden/ wann
ſie auch am meiſten einem zuſetzen. Und wiederumb/ den Leib mit freywilli-
ger Strengigkeit abtoͤdten/ als mit haͤrenen Kleidern/ Geißlungen/ mit gro-
ben Kleidern/ hartem Bette/ unbequemen Sitzen/ und andere dergleichen
ſchmertzbringenden Sachen: wie auch in der Zelle ſtehen oder knien biß zur
Schwaͤchung der Kraͤfften/ oder mit auß geſpannten Armen eine Zeitlang
betten/ oder auff der Erde ſchlaffen/ oder eine andere dergleichen Gewalt dem
Leib mit Beſcheidenheit anthun.
12. Wie von dem Gefuͤhl/ alſo iſt auch von dem Geſicht geſagt worden/
fol. 191. num. 10. biß zur num. 17. Ob wir aber gleich am gedachten Orth
zimblich weitlaͤufftig vom Geſicht geredet/ haben wir doch viel außgelaſſen/
welches wir mit Fleiß in dieſer Lection außzulegen auffbehalten. Dahero
daß man die Weiber nicht anſehen ſolle (wie es erinnert worden) werden
wir auch dahero gelehret/ was dem H. Ephrem widerfahren/ dann als der
H. Mann in der Einoͤde der Waͤlder und Bergen woͤhnete/ hat ihm GOtt
eingegeben/ daß er auch mit dem Nechſten umbgienge/ und dieſer Einſamkeit
abſagete/ damit er vieler Nutzen abwarten koͤnte: und alſo hat er ſich mit Fleiß
nach Ediſſa begeben/ und den Herrn gebetten/ daß er unter dem Eingang in
die Statt einen heiligen Mann antreffen moͤchte/ deme er ſeines Hertzens
Heimligkeiten offenbahrete/ und von welchem er geholffen/ und in allen zum
geiſtlichen Leben gehoͤrenden Sachen regiret wuͤrde: aber Gott hat dem in
die Statt Edeſſam kommenden S. Ephrem eine Hur entgegen kommen laſ-
ſen/ welches den H. Mann ſehr bekuͤmmert/ weil er meinete er waͤre von Goͤtt
nicht erhoͤret worden: deßwegen hat er traurig und mit ſchamhaffter Roͤthe
eingenommen/ die Augen zur Erden niedergeſchlagen: die unverſchaͤmbte
Hur aber hat ihn mit unverwandeten Augen angeſehen: deßwegen hat ſich
der H. Mann geſchaͤmet/ und ſie geſcholten/ ſagend: ſchaͤmbſt du dich nicht/
Weib; daß du mich mit ſo unverruͤckten Augen anſchaueſt? deme ſie geant-
wortet: ich ſchaͤme mich nicht/ dann ich meine/ daß es mir zugelaſſen ſeye dich
anzuſchauen/ weilen ich von dir und deiner Seiten genommen bin: dir aber
gebuͤhret es nicht die Weiber/ ſondern die Erde deine Mutter/ darauß du ge-
F f fnommen
[410]Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
nommen biſt/ anzuſchawen/ weilen du auch wieder in dieſelbe wirſt verkehret
werden: als Ephrem mit dieſen Worten erinnert worden/ hat er GOTT
billigen Danck geſagt/ daß er von einer unehrlichen Hure gelernet/ daß er ſei-
nen Urſprung auß der Erden habe/ und ſie deßwegen mit unverwendten Au-
gen anſehen ſolle.
in Amuſ-
ſi l. 1. c. 8.
§. 2.
13. Aber es wird mir vielleicht jemand vorwerffen/ welches Drexelius ge-
dencket vom Engliſchen Doctor, Thomas Aquinas, dann als er einsmahls
bey einem Gaſtmahl war/ hat er mit unverwendten Anblicken ein ſonderlich
ſchoͤnes Weib betrachtet: welches/ als ſein Geſell wahrgenommen/ hat er
nicht einen leichten Argwohn geſchoͤpffet/ als er aber nach der Urſach forſche-
te/ hat ihm der Heil. Mann geantwortet: Jch kan mich uͤber den Schoͤpffer
der Welt nicht gnugſamb verwundern/ welcher/ wann er ſeine Geſchoͤpffe
mit ſolcher Schoͤnheit begabet/ von was fuͤr unendlich groͤſſerer Schoͤnheit
wird nicht GOtt derſelben Schoͤpffer glantzen? wann die armſeelige Men-
ſchen jetzt in dieſem Thal deß Elends ſo ſchoͤn ſcheinen/ wie werden ſie nicht
nach der allgemeinen Auff erſtehung im Himmel ſeyn? darumb/ ob gleich der
Heil. Mann durch dieſe That ſehr zu loben iſt/ ſo muß mans ihm doch nicht
uͤberall nachthun/ weilen in ihm kein Gefahr war: dann ihme war von Gott
eine ſonderliche Keuſchheit mitgetheilet/ welche Gnade nicht einer auß hun-
dert tauſend Menſchen haben wird. Deßwegen muß ſich auch keiner frevent-
lich in die Gefahr begeben/ in welcher noch die fleiſchliche Luſt lebet. Uber daß
muß man auch wiſſen/ daß der glorwuͤrdige Doctor nicht im Gebrauch ge-
habt habe die Weiber anzuſchawen/ ſonſten ſolle Sorius nicht bezeugen/ daß
Surius in
vita.er bißweilen das Anſchawen der ſchoͤnen Geſichter gemeidet/ wie andere die
Nattern und Scorpionen zu meiden pflegen. Was aber im vorgeſagten
Fall geſchehen iſt/ hat ſich auß ſonderbahrem Willen GOTTES
zugetragen. Deßwegen hat auch der vor dieſem groſſe Mag ſter der
In ejus
vita c. 4.geiſtlicher Lehr P. Balthaſar Alvarez (von welchem der Heil. Thereſiæ iſt
offenbahret worden/ daß zu der Zeit/ da er lebte/ kein vollkommener in der
Kirch waͤre) das Anſchawen der Weiber alſo gemeidet/ daß/ als er zu Valli-
ſolet bey einer oͤffentlichen Inquiſitions-Handlung ware/ er ſieben Stunde
die Augen auff ein Bild der ſeeligen Jungfrawen/ welches er bey ſich truge/
feſt gehalten/ allein darumb/ damit er nicht gezwungen wurde/ die Weiber an-
zuſehen/ ohne welcher Anſchawung er ſeine Augen nicht auff den Schaw-
Platz werffen konte.
14. Ein andere Art das Geficht abzutoͤdten iſt/ die Augen vom fuͤr witzi-
gen Anſchen der weltlichen Pracht/ oder der kuͤnſtlichen Sachen/ oder der
zu-
[411]Von der Abtoͤdtung.
zufaͤlligen Begebenheiten/ welche bißweilen an den Fenſtern oder im vor-
bey gehen ſich zu ereigenen pflegen/ abhalten. Alſo hat gethan S. Carolus Bor-
romæus, welcher/ als er in ſeinem Gemach bey dem Fenſter pflegte Audientz
zu geben/ hat er niemahls hinauß geſehen/ was auch fuͤr ein Tumult oder Ge-
ſchrey auff der Straſſen entſtunde. Alſo muß man auch die Augen bißweilen
abkehren vom Anſchauen der jenigẽ Sachen/ welche das Geſicht ſehr ergoͤtzen/
als da ſeynd/ angenehme Gaͤrten/ kuͤnſtliche Waſſerwerck/ rare Blumen/ die
Schaͤtze der Fuͤrſten/ und mehr dergleichen. Gleich wie vor dieſem der erſtge-
dachte H. Biſchoff Carolus Borromæus gethan/ welcher als er von einem
Praͤlaten eingeladen war/ daß er/ umb friſchen Lufft zu ſchoͤpffen/ ſich belieben
laſſen wolte/ in den Garten zu begeben 2. Meil von Mayland gelegen/ und
zur ſelben Zeit fuͤr allen Gaͤrten der gantzen Lombardey den beruͤhmſten; iſt
er zwar dahin gegangen/ als er aber in dieſen Garten gefuͤhret worden/ hat er
ihn nur einmahl/ und zwar obenhin als ein unempfindliches Bild durchgan-
gen/ alſo daß er dieſelbe kuͤnſtlichſte Brunnen/ die ſchoͤnſte Feld-Better/ die
rareſte Blumen/ und andere dergleichen außerleſene Ergoͤtzungen der Gaͤr-
ten/ welche anderer Gemuͤther in die groͤſſeſte Verwunderung zu ziehen pfle-
geten/ kaum mit einem Aug anſchawete. S. Franciſcus Borgia, als er noch
weltlich eine ſonderliche Luſt auß der Falcken-Jagt empfunde/ damit er ſich
auch abtoͤdtete/ thaͤte die Augen zu eben zu der Zeit/ als der Falck den Hero-
dium verfolgete und umbbringen wolle. Auch P. Joannes Berckman außIn vita.
p. 2. fol.
74. \& 77.
der Societaͤt Jesu bezaͤhmte alſo die Augen/ daß er ſie nimmer von der Erden
erhebete/ wo er nicht von der Vernunfft oder Nothwendigkeit gezwungen
wurde: dieſer/ als er einmahl gezwungen war in einem Schaw-Spiel zu
ſeyn/ hat die Augen niemahls auffgehebt/ alſo daß ein Edelman/ der ſol-
ches in acht genommen/ ſeinem Geſellen ins Ohr ſagte: dieſer Pater iſt
warhafftig heilig: er konte auch niemahls darzu gebracht werden/ die
Gaͤrten/ Weinberge/ und jaͤhrliche Cavalcada zu Rom anzuſchen. SaraDrexel.
in Nicet,
l. 1. § 6.
eine Vorſteherin der heiligen Jungfrawen in dem Scythiotiſchen Cloſter/
hat 60. Jahr bey einem hellen Waſſer gewohnet/ und das niemahls angeſe-
hen. Welches auch ein Novitius in der Societaͤt Jesu gethan/ welcher zuNadaſ. in
Ann.
Angel.
hebd.
Neapoli ſterbend bekennet hat/ daß er/ weilen er ſeine Augen vor dem an-
nehmlichen Anſchawen deß nechſtgelegenen Meers verwahret/ dieſes zum
Lohn habe/ daß er im Todt mit dem Anſchawen der Engelen erfrewet wor-
den.
15. Darbeneben muß man das Geſicht abtoͤdten/ indem man deß jenigen
Angeſicht nicht anſiehe/ der mit einem redet/ er mag gleich von derſelben oder
F f f 2einem
[412]Die Drey und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
einem andern Geſchlecht ſeyn/ als gethan hat die ſeelige Clara vom Berg
Falcone auß unſerm heiligen Orden: dieſe/ ſo offt ſie mit einem andern/ wer
es waͤre/ redete/ bedeckte allezeit die Augen/ damit ſie deſſen Geſicht nit ſehete/
ſie konte auch niemahls darzu gebracht werden/ daß ſie nur mit ihrem leibli-
chen Bruder/ der auch geiſtlich geweſen/ mit entdecktem Geſicht/ und von der
Erden erhobenen Augen redete/ und pflegte zu ſagen; ſie gebrauchte die Au-
gen nicht zum Reden/ ſondern die Zunge allein. Eben dieſes vermahnet auch
der Hoͤnig ſuͤſſe Bernardus/ ſagend: du ſolſt niemahls eines andern Geſicht
ſtaͤts anſchawen. Es iſt endlich der vollkommenſte Grad in dieſer Abtod-
tung/ die Augen nicht von der Erden erheben/ ohne heilige Sachen anzuſchen/
oder allein das jenige/ welches man auß gewiſſer Noth anſehen muß: und
weilen dieſer Grad vollkommener iſt/ als andere/ deßwegen iſt er auch ſchwe-
rer: doch nutzet er von vielen Heiligen ins Werck geſetzet: denen unſer See-
ligmacher mit Exempel vorgeleuchtet: dann als er das Brod ſegnen wolte/
hube er ſeine Augen auff/ welches nach deß ehrwuͤrdigen Bedæ Zeugnuͤß der
Evangeliſt deßwegen ſo abſonderlich gedacht hat/ damit er anzeigete/ daß er
nicht gewohnt geweſen/ die Augen hin und wieder zu wenden/ S. Bernardus
hat vor allen dem Seeligmacher als ein Lehr - Juͤnger dem Meiſter ge-
folget/ welcher der Abtoͤdtung der Augen alſo iſt ergeben geweſen/ daß/ ob er
wohl auffs fleiſſigſte in der Kirchen und ſeiner Zell war/ er doch nach eines
gantzen Jahrs Verlauffung nicht wuſte/ ob dieſe Zelle gewoͤlbt waͤre/ oder
obs nur ein eingebogenes Holtz haͤtte? und ob in der Kirch nur ein Fenſter
allein/ oder aber mehr waͤren? Als er auch einsmahls faſt einen gantzen Teg
neben einem Fluß reiſete/ und deß Abends ſeine Gefehrten von dieſem Waſ-
ſer reden hoͤrete/ hat er ſich uͤber die zuſammen redende ſehr verwundert/ und
gelaͤugnet/ daß er die See geſehen haͤtte/ und nicht wiſſete/ weſſen Sees
ſie gedachten. Dieſem war nicht ungleich der Abt Palladius, welcher
zwantzig gantzer Jahr in ſeiner Zellen die Augen niemahls empor gehebt/
alſo daß er den oberſten theil der Zellen angeſehen/ ob er gewoͤlbt oder mit ei-
nem gebogenen Holtz geſchloſſen. Dieſem kan der ehrwuͤrdige P. Thomas
Sanchez, ein gar gelehrter und dabey ein heiliger Mann/ zugeſetzet
werden/ welcher allezeit mit auff die Erden nieder geſchlagenen Augen
einher gegangen/ oder am Tiſch geſeſſen/ alſo daß er weder den Bey-
ſitzenden/ noch den Dienenden erkennet: als er einsmahls von den Pre-
diger - Patern durchs Cloſter gefuͤhrt worden/ lobte er zwar alles/
damit ſie es nicht mercketen/ er hatte aber allezeit die Augen zuge-
ſchloſſen.
16. So
[413]Von der Abtoͤdtung.
16. So haſtu dann/ lieber Bruder/ gnugſame Exempeln/ welchen du
nachfolgen kanſt/ in Hoffnung daß du durch ſolche Abtoͤdtungen eine Saat
groſſer Tugenden einernden werdeſt/ deſſen du im Himmel genieſſen wirſt.
Damit dich aber deine unordentliche Gemuͤts-Bewegung von dieſer Ubung
der Abtoͤdtung nicht abfuͤhren moͤge/ ſo ſolſtu gedencken/ daß ihrer viele gar
elend verderben/ darumb/ weil ſie ihre Sinnen nicht gebuͤhrlich verwahren;
dann der Todt pfleget in die Seel durch das Fenſter zu ſteigen/ das iſt/ durch
die Sinnen/ nach dem gemeinen Spruch: Es iſt nichts im Verſtand/ es
ſeye dann zuvor im Sinne geweſen. Wie thoͤrricht handeln dann die jeni-
ge Menſchen/ welche die Augen uͤber all zu den Eitelkeiten der Welt wen-
den/ dieweil ſie mit einem ſolchen Anſehen in der Seele die Begierde (welche
nach deß Teuffels Zeugnuͤß ein Urſach alles Boͤſen iſt) erwecken. Dann
wer ſolte laͤugnen/ daß dieſer nicht ein Narr waͤre/ daß er vom Anſchauen
eines Dings in ein Fieber oder andere groſſe Kranckheit fallen ſolte/ und doch
nichts deſtoweniger ſich nicht enthielte/ ein ſolches Ding anzuſchauen? Al-
ſo warhafftig/ dieweil die Menſchen offt wegen das Anſchauen der erſchaffe-
nen Sachen in das Fieber der Begierde fallen/ und eine Beſchwernuͤß nach
dem Himmliſchen zu trachten/ fuͤhlen/ wird der jenige thorrecht zu ſeyn er-
wieſen/ welcher ſich daran nicht muͤſſiget. Daher ſagt S. Gregorius: dieL. 21.
mor. c. 2.
Augen muͤſſen nieder gedruckt werden/ alß die Verfuͤhrer. Dann welcher
durch dieſe Fenſter deß Leibs unbehutſamb herauß ſiehet/ der faͤlt gern ewig-
lich auch unwillig in eine Erluſtigung der Suͤnde/ und mit dem Verlan-
gen gebunden/ faͤngt er an zu willen/ was er nicht gewolt hat. Dieſe War-
heit hat der Koͤnigliche Pſalmiſt erkeñet/ deßwegen hat er ſich zu Gott kehrend
geſagt: wende meine Augen ab/ damit ſie die Eitelkeit nicht ſehen moͤgen/ du
ſieheſt alſo wieviel es daran gelegen/ das Geſicht zu verwahren. Deßwe-
gen vermahne ich mit dem H. Dorotheo/ welcher ſagt: gewoͤhne dich die
Augen nicht auff frembde und eitele Dinge zu wenden/ dan dieſes zernichtiget
alle Kloͤſterliche Arbeit. Mercke diß/ und lebe wohl.
[414]Lection
Die Vier und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Vom
Faſten und Enthaltung.
12.
manentes permanſeritis in jejuniis \& orationibus in
conſpectu Domini.’
wofern ihr im Faſten/ und im Gebett fuͤr dem Angeſicht
deß HErrn beſtaͤndiglich verharren werdet.’
Der Erſte Theil.
1. DJeweil das gemeine Spruͤchwort ſagt: nach dem unbekandten hat
man kein Verlangen: deßwegen/ damit man leichter und annehm-
licher das Faſten uͤben moͤge/ wird es nicht wenig helffen/ deſſen
In Brevi-
ar. Dom.
3. Nov.Natur und Vortrefflichkeit zu betrachten. Nach dem Zeugnuͤß deß heili-
gen Athanaſii heilet das Faſten die Kranckheiten/ drucknet die Fluͤſſe deß
Leibs auß/ vertreibet die Teuffel/ ſtoſſet die boͤſe Gedancken zuruck/ machet
das Gemuͤth klaͤrer/ reiniget das Hertz/ heiliget den Leib/ und ſtellet endlich
In Brevi-
ar. Dom.
3. Adv.den Menſchen fuͤr den Thron GOttes. Und S. Leo der Papſt ſagt: von
der Enthaltung kommen keuſche Gedancken hervor/ vernuͤnfftige Wille und
heilſame Raͤthe; und durch die freywillige Abtoͤdtungen ſtirbt das Fleiſch
denen Begierden/ und der Geiſt wird mit Tugenden erneuert. S. Baſilius
Ibid.
Dom. 4.
Quadr.aber ſagt alſo: das Faſten treibet die Verſuchungen weg/ waffnet zur GOt-
tesforcht/ bringet Staͤrcke im Krieg/ Ruhe im Frieden/ heiliget einen
Nazareer, macht den Prieſter vollkommen. Ein mehrers kan an angezo-
genen Oertern geſehen werden. Dergleichen hat auch unſer Heil. Vatter
In ſerm.
de jejun.Auguſtinus/ welcher ſagt: das Faſten reiniget das Gemuͤt/ erhebt den
Sinn
[415]Vom Faſten und Enthaltung.
Sinn/ unterwirff das Fleiſch dem Geiſt/ macht ein zerknirſcht und demuͤ-
thiges Hertz/ vertreibet die Nebeln der Begierde/ loͤſchet die Hitze der Geyl-
heit auß/ zuͤndet aber das Licht der Keuſchheit an Endlich nennet der H.
Hieronymus das Faſten nicht allein eine vollkommene Tugend/ ſondern den
Grund der uͤbrigen Tugenden. Zweitens durch das Faſten mit dem Gebett be-
wegen wir GOtt/ daß er unſer Gebett erhoͤre/ deßwegen wird geſagt: DasTob. 12.
8.
Judit.
4. 12.
Gebett iſt gut/ mit Faſten und Allmoſen. Und wiederumb:
Wiſſet/ daß der HErr euer Gebett erhoͤren wird/ wofern
ihr im Faſten und im Gebett fůr dem Angeſicht deß
Herrn beſtaͤndiglich verharren werdet. Alſo hat Eſther/ alsEſther. 4.
ſie vom Aſſuero Gnad fuͤr ihr Volck begehren wolte/ mit ihren Maͤgden
und Mardochaͤo gefaſtet/ daher iſt ihr alles auffs beſte gelungen. Der2. Reg. 21
HErr hat dem Achab eine Straffe getrohet/ aber wegen deß Faſten/ damit
er ſich gedemuͤthiget/ hat er ſie gelindert. Der Niniviten Stadt hat in 40.Jonæ. 3.
Tagen zu Grund gehen ſollen/ aber wegen der Faſten/ darmit ſich die Nini-
viter alle vom kleinſten biß zum groͤſſeſten gepeiniget haben/ hat GOtt ihrer
verſchoͤnet/ und die Straffe nachgelaſſen. Das Faſten verleihet Sieg wi-
der die Feinde ſo wohl deß Leibs als der Seelen. Alſo hat Chriſtus/ als er mitMatth 4.
dem Teuffel ſtreiten wolte/ 40. Tage gefaſtet/ und hat ihn in dreyen Verſu-
chungen/ welche er ihm fuͤrgeworffen/ uͤberwunden. Joſaphat der Koͤnig2. Paral.
20.
Judith 8.
\& 13.
Juda hat ſelbſt gefaſtet/ und hat andern das Faſten angeſagt/ und alſo hat
er den Sieg uͤber die Feinde erhalten. Nachdem Judith zuvor ein langes
Faſten und Gebett gehalten/ hat ſie einen herrlichen Sieg uͤber den Holofer-
nem davon getragen. Die zweymahl uͤberwundene Kinder Jſrael ſeyndJudic.
20.
1. Reg. 4.
\& 7.
hernach zum Faſten geflohen/ und haben uͤber die Kinder Benjamin trium-
phiret. Die Kinder Jſrael werden wider von den Philiſteern geſchla-
gen/ aber nachdem ſie geweinet und gefaſtet/ haben ſie den Sieg erhalten.
Daher erhellet es/ was fuͤr Krafft die Faſten habe. Deßwegen wer ſeine
Feinde/ abſonderlich den einheimiſchen zu uͤberwindẽ verlangt/ dẽ iſt warhaff-
tig noͤthig/ zum Faſten zu fliehen. Dann gleich wie ein Koͤnig/ der eine StadtVitæ PP.
l. 5. libell.
4. n. 19.
einnehmen will/ ſich fuͤr allen Dingen/ wann er kan/ die Entzichung der Nah-
rung und deß Waſſers angelegen ſeyn laͤſt: alſo welcher den Leib dem Geiſt un-
terwerffen/ und ſeine uͤbrige Feinde uͤber winden will/ der kan daß nit eher als
durch das Faſten und die Enthaltung erlangen: es iſt auch bekandt/ daß unſer
Fleiſch einem ungezaͤumten Pferd gar ſchoͤn verglichen werde: wie wir dan den
Pferden Zaͤume anlegen/ damit ſie uns anderſt nicht an gehſtuͤtzende Oer-
ter fuͤhren: alſo muͤſſen wir deſto mehr unſern Leib mit Faſten und Enthal-
tung zaͤhmen/ damit unſere Seele nicht in den Abgrund der Hoͤllen falle.
3. Uber
[416]Die Vier und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
3. Uber das ſo nutzet das Faͤſten und die Enthaltung ſehr viel/ die Kranck-
heiten deß Leibs zu vertreiben/ und das Leben zu verlaͤngern. Drexelius
haͤlt uns in ſeiner Aloe ein Exempel fuͤr an einem Mann in Welſchland/
welcher von der Fuß- und Hand-Gicht elendig geplaget/ und vom uͤbrigen
Gebrauch ſeiner Glieder beraubet worden. Dieſer/ als er vom Feind ge-
fangen und in einen Thurn geſchloſſen und taͤglich nur mit ſchwartzem
Brod/ und ein wenig Waſſer tractirt worden/ und 4. Jahr in dieſem Ge-
faͤngnuͤß zugebracht hatte/ iſt endlich nach veraͤnderten Sachen friſch und
Geſund mit einer guten Farb im Geſicht/ auß dem Gefaͤngnuß gelaſſen
worden. Daher ſingt die Salernitaniſche Schul wohl:
beſchwehret.
Damit zu Nachts du ſeyeſt leicht/ ſo halt eine kleine
Mahlzeit.
Zaͤhm deinen Mund/ damit du laͤnger lebeſt/
Wilſt ſeyn geſund: ſo ſeye deine Hand ſparſam.’
Auß dem Florilegio. p. 1.
Wenige Speiſen pflegen wenig Peyn zumachen.’
Deßwegen/ wie das gemeine Sprichwort ſagt: Wer viel eſſen will/ der
eſſe wenig/ dann wann er wenig eſſen wird/ wird er lang eſſen/ und folgends
viel. Ferner ſolte es zu lang ſeyn/ dieſes mit Exempeln zu bekraͤfftigen. Dann
was hat den erſten Einſidler S. Paulum, was S. Romualdum, Antonium,
Arſenium, Hilarionem und unzehlich viel andere zu ein ſolches langes Le-
ben gebracht? hat es nicht die Faſten und die Wenigkeit der Speiſen ge-
macht? Was hingegen ziehet taͤglich ſo viele zum Todt/ welche noch viele
Jahr ſotten gelebt haben/ thut es nicht der Uberfluß im eſſen und trincken?
Daher mahnet die Salernitaniſche Schul:
Mahlzeit trinckeſt.’
und Matheus Tympius:
Ein friſch Gemůth/ eine maͤſſige Ruhe und die Diaͤt/
die Aertzte ſeyn.’
Subb.
ante Re-
miniſc.
4. Die Kraniche/ ehe ſie in die entfernete Laͤnder fliegen/ eſſen nichts als
Sand/ damit ſie nicht faul und im Fliegel auffgehalten werden. Dero-
wegen werden wir von den Voͤgeln ſelbſt gelehret die Enthaltung zu
uͤben/ dahero/ welcher nach dem Himmel/ als in das entferneſte Land
reiſen
[417]Vom Faſten und Enthaltung.
reiſen will/ dem iſt nothwendig/ daß er ſich durch die Enthaltung
zum Weeg vorbereite. Und gleich wie die leichten Schiffe leichter das
Meer durchlauffen/ und die allzuviel beladene leichter untergehen: alſo
macht die Enthaltung den Menſchen hurtig/ daß er leicht den Weeg der
Seeligkeit und der Gebotten GOttes lauffe; aber die Trunckenheit ſtuͤr-
tzet in die Hoͤlle. Damit wir uns aber mit groͤſſerem Eyffer dieſer TugendGrad. 9.
befleiſſigen/ muß man wiſſen/ daß wir niemahls in der Vollkommenheit ei-
nen groſſen Fortgang ſchaffen werden/ wann wir uns nicht zuvor bemuͤhen/
in der Enthaltung vorzuleuchten/ wie es S. Climacus recht in acht genom-
men/ in dem er geſagt hat: du wirſt niemahls von dem Pharao erlediget
werden/ du wirſt auch nicht das hoͤchſte Paſcha feyren/ wo du nicht die Bit-
terkeit wirſt gegeſſen haben; die Bitterkeit ſeynd die Gewalt und Peyni-
gung deß Faſtens; das ungeſaͤurte Brod aber ein Sinn/ der nicht hoffaͤr-
tig iſt. Das andere iſt/ daß wir uns gleicher Weiß uͤberreden/ daß es nicht
ſo leicht ſeye/ zu der vollkommenheit dieſer Tugend zu gelangen/ wie es im
erſten Anblick ſcheinet/ dann gleich wie S. Gregorius mercket/ ſich die Wol-L. 30.
Moral.
luſt unter der Nothwendigkeit alſo bemaͤntelt/ daß ſie ein Vollkommener
kaum unterſcheide. Dann in dem die Nothwendigkeit ihr Gebuͤhr begehrt/
ſo rathet die Wolluſt das Verlangen zu erfuͤllen/ und deſto ſicherer ſtuͤrtzet
ſich der Fraß/ je mehr er ſich mit den ehrlichem Nahmen der Nothwen-
digkeit gnug zu thun/ bedecket. Eben dieſes hat unſer H. Vatter Auguſti-In Con-
feſſ.
nus bekennet/ ſagend: Und wer iſts/ HErr/ der nicht etwan die Schrancken
der Nothwendigkeit uͤbertrette? Er mag ſeyn wer es wolle/ er iſt warhafftig
groß/ er mache deinen Nahmen groß: ich aber bins nicht/ dieweil ich ein
ſuͤndiger Menſch bin.
8. Jm uͤbrigen was von den H. H. Maͤnnern hin und wieder in ihren
Leben geleſen wird/ iſt vielmehr zu verwundern als nachzuthun. Deßwe-
gen muͤſſen wir dieſe zwey Ding wiſſen: daß wir die Kunſt der Enthaltung
alſo uͤben/ daß wir nicht das Fleiſch/ ſondern die Luͤſte deß Fleiſches toͤdten.
Daher hat S. Hieronimus geſagt: eine ſparſame Speiß/ und ein allezeit
hungriger Magen wird denen dreytaͤgigen Faſten vorgezogen/ und es iſt viel
beſſer taͤglich wenig/ als ſelten zu eſſen. Ja auch Chriſtus ſelbſt hat zu der
H. Gertrud geſagt: es mir zwar darumb ein Myrrhen Wein mit Gall
vermiſchet gegeben worden/ auff daß ich eher ſtuͤrbe/ aber das Verlangen/
viel fuͤr den Menſchen zu leyden/ hat mich zuruck gehalten/ daß ich nicht trun-
cke/ du aber hingegen nehme in derſelben Liebe alles nothwendige und dien-
liche/ damit du deſto laͤnger in meinem Dienſt erhalten werdeſt. Zweitens
G g gſollen
[418]Die Vier und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
ſollen wir wiſſen/ daß dieſes die allgemeine Weiß der Enthaltung ſeye/ daß
ein jedweder nach der Maaß der Kraͤfften/ oder deß Leibs/ oder deß Alters ſo
viel Speiſen zu ſich nehme/ ſo viel das Verlangen der Erſaͤttigung erfordert.
Damit aber dieſe Maß erkennet werde/ ſo rathet S. Dorotheus, daß ein jed-
weder auß der Erfahrnuß eine Lehrmeiſterin warnehme/ was fuͤr
eine Uberfluß der Speiſe den Magen zu beſchweren pflege/ und hernach ent-
ziehe er allgemach etwas von derſelben Uberfluß/ biß er keine Beſchwernuͤß
mehr in der Dawung empfinde. Hingegen ſoll er auch mercken/ was fuͤr ei-
ne Wenigkeit und Sparſamkeit der Speiß ihn ſchwaͤcher mache/ daß er ſei-
nem Ambt/ ſo er hat/ kaum gnug thun kan/ nach Warnehmung deſſen ver-
mehre er die Speiſe biß dahin/ daß er die gantze Kraͤfften empfinde/ umb ſei-
Opuſc.
2. n. 60.nem Ambt wohl vorzuſtehen. P. Nicolaus Lancicius ſchreibt/ daß von ſei-
nem Novitz-Meiſter dieſe Regul der Maͤſſigkeit und Nuͤchterkeit ſeye vor-
geſchrieben worden/ daß einer ſo viel eſſe/ damit er nach vollendter Mahlzeit
Pallad. in
Lauſiac.
Hiſt. c. 38.
Ap. Lan-
cic. l. cit.
n. 31.ſich zum betten bequem befinde: und dieſes iſt/ welches ein Engel auch dem
H.Bachomio in den dictirten Reguln gebotten hat: laß einem jedweden zu/
daß er eſſe und trincke zur Staͤrcke/ und verbiete weder zu faſten weder zu eſſen:
und dieß billig/ dann nach Zeugnuͤß Clementis Alexandrini: die euſſerſte
Dinge ſeyn gefaͤhrlich/ die mittlere aber ſeynd gut: daß iſt aber das Mittel/
welches nothwendiger Sachen nicht bedarff.
6. Weil aber nach unſers H. Vatters Auguſtini und deß H. Gregorii
Meinung nichts ſchwerer iſt/ als den Leib ohn Anlockung deß ſich diebiſcher
Weiß einſchleichenden Fraſſes zu erquicken/ derowegen wird der Muͤhe
wohl werth ſeyn/ fleiſſig anzumercken/ was dienlich zu ſeyn ſcheinet/ umb den
Fraß abzuhalten; darzu folgendes wird dienen koͤnnen. 1. Deßwegen betrach-
te vor der Mahlzeit/ wie unwuͤrdig du biſt wegen ſo vielen Suͤnden/ Unvoll-
kommenheiten/ und deiner Undanckbarkeiten/ daß du von GOTT ſo reich-
lich und barmhertzig erhalten wirſt. 2. Wie viel Arme und Unſchuͤldige/
welche beſſer und GOTT angenehmer ſeynd als du/ mit Hunger und
Durſt gedruͤcket werden/ welche die gemeinen Speiſen/ vor welchen dir biß-
weilen eckelt/ fuͤr liebliche Biſſen halten ſolten. 3. Wie gottſelig und ſpar-
ſam du wuͤnſchen wolleſt/ die nothwendige Mittel umb das Leben zu erhal-
ten gebraucht zu haben/ als eine Artzeney und keine Ergoͤtzung/ zu dem er-
neuere eine reine Meinung mit der Bekraͤfftigung/ daß du in genieſſung der
Nahrung nicht der Wolluſt nachhengen/ ſondern der Nohtdurfft nach dem
goͤttlichen Wohlgefallen dienen wolleſt/ und daß alle Anlockung der Sinn-
ligkeit/ ſo die lieblichen Speiſe verlanget/ fuͤr den gemeinen aber einen Eckel
h[a]t/ wider deinen Willen ſeynd/ und allezeit ſeyn werden/ und daß du uͤber das
wuͤn-
[419]Vom Faſten und Enthaltung.
wuͤnſcheſt/ wann es GOtt gefalle/ aller Speiſen Annehmlichkeit zu entbeh-
ren/ oder mit ſchlechtem Gericht oder mit gemeinem Brod den Hunger zu
ſtillen: wan dieſes geſchehen/ ſo begehre darnach die Gnade/ die Kraͤfften deß
Leibs alſo zu erſetzen/ daß die Geſundheit deß Verſtands/ und die Engliſche
Reinigkeit keinen Schaden leide.
7. Unter der Mahlzeit ſelbſt befleiſſige dich die gefaſte Meinung fortzu-
ſetzen/ und 5. Stricke deß Fraſſes/ welche S. Gregorius angemercket/ zu mei-
den: nemblich 1. vor der gewoͤhnlichen Eſſens-Stund nicht ſpeiſen/ und nicht
alsbald auff die vorgeſetzte Speiſen fallen/ ſondern ein wenig zu Gott ſeufftzẽ
umb die Gaab der Enthaltung und Keuſchheit zu erhaltẽ. 2. Die ſchleckerhaff-
tigen und koſtbahren Speiſen nicht verlangen. 3. Noch auch die gemeine/ ſo
beſſer zugericht ſeynd/ zu begehren. 4. Nicht mehr Speiß nehmen/ als die Noth
erfordert. 5. Die unordentliche Begierigkeit in alle/ auch der geringſten Speiß
zu zaͤhmen/ dann dieſe mehr den Beſtien als den Menſchen zuſtehet: welches
du alles halten wirſt/ wann du in waͤhrender Ergoͤtzung etliche Wuͤrckungen
der Abtoͤdtung einmiſchen wirſt/ als da ſeyn. 1. Allezeit oder gemeiniglich von
den vorgeſetzten Speiſen/ abſonderlich von dieſen/ auff welche der Appetit
unbeſcheidener fallet/ etwas/ obgleich weniges/ zu entziehen/ je heimlicher/ je
beſſer. 2. Alle Sinnen gar genau bewahren/ abſonderlich die Augen von aller
unordentlichen Außſchweiffung; die Zunge auch von einem jeden muͤſſigen
Wort/ das Geſicht von allem unordentlichen Gelaͤchter und Bewegung ab-
halten: endlich mit ſolcher Erbarkeit eſſen und trincken/ welche alle erbawet/
und niemand beleidiget. Die Mahlzeit beſchlieſſe mit einer gottſeligen Danck-
ſagung und Seufftzer.
8. Ferner/ damit du die leibliche Erquickung dir noch fruchtbahrer machen
moͤgeſt/ ſetze dem vorgeſagten noch dieſes zu/ nemblich/ ſage dieſes Gebett/ ehe
du die Speiß nimbſt: Herr Jeſu gib/ daß ich heilig und eingezogen die Speiß
und den Tranck nehme zur Ehr deines Nahmens/ in Vereinigung der jeni-
gen Liebe/ mit welcher du mein Gott/ als du fuͤr mich biſt Menſch worden/ die
Speiß und den Tranck auff Erden genommen haſt/ zur Ehr deß Vatters
und zum Heyl deß gantzen menſchlichen Geſchlechts. Aber unter dem Eſſen
befleiſſige dich dieſe Wort gottſelig zu betrachten: die Krafft deiner goͤttlichen
Liebe/ allerliebſter Jeſu! vereinleibe mich dir gantz: und unter dem Trincken
dieſe: gieſſe auß und erhalte in mir/ allerſuͤſſeſter Jeſu! die Wuͤrckung deiner
goͤttlichen Liebe/ welche in deinem innerſten ſehr ſtarck geweſen/ alſo daß ſie
mein gantzes Weſen durchtringe/ und allezeit abtroͤpffle durch alle
Gaͤnge/ Kraͤfften und Sinne deß Leibs und meiner Seele/ zu deinem
ewigen Lob: oder kuͤrtzer: die Suͤſſigkeit der goͤttlichen Liebe al-
G g g 2lerliebſter
[420]Die Vier und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
lerliebſter JEſu/ flieſſe in mein innerſtes/ und durchtringe mein gantzes We-
ſen zu deinem ewigen Lob: aber damit du nicht von dieſer Ubung nachlaſſeſt/
will ich/ daß du wiſſeſt/ daß Chriſtus zu der Heil. Gertrud/ welche dieſe An-
muthungen betrachtete/ geſagt: ſo offt einer unter dem Eſſen und Trincken
dergleichen betrachten wird/ ſo offt will ich bekennen/ daß ich mit ihm gegeſſen
und getruncken/ und eine gar angenehme Erquickung von ihm empfangen
habe. Derohalben/ ſiehe/ lieber Bruder/ du weiß/ mit welcher wir GOTT
durch eine maͤſſige Erquickung eben ſo wohl gefallen koͤnnen/ als die heilige
Maͤnner/ durch die ſtrenge Enthaltung. Behalte ſie dann/ ſo wirſt du
ohne Zweiffel die Frucht deß Faſtens/ welchen die H. H. Vaͤtter oben ange-
deutet haben/ darvon tragen.
Der Andere Theil.
9. VBer dieſes/ welches nun gedacht worden/ ſeynd noch etliche andere
Weeg uͤbrig/ den Geſchmack abzutoͤdten/ welche ich nun herbey
ſetzen will/ damit wir darauß auch etliche Seelen-Fruͤchten abbre-
chen moͤgen. Derowegen/ wer ſich der Vollkommenheit befleiſſiget/ wann
er nicht nach Wunſch auß Schwachheit der Kraͤfften faſten kan/ der trach-
te nur ſich in dieſem zu maͤſſigen/ welches er ohne Schaden ſeiner Geſundheit
leiſten kan: dergleichen ſeynd/ ſich enthalten von den Nachſpeiſen/ Fruͤchten
und dergleichen Eßwahren/ welche mehr der Sinnligkeit/ als der Natur Not-
wendigkeit dienen. Gleich wie unſer Nicolaus Tolentinus gethan hat/ welcher
30. gantzer Jahr ſich gar enthaltẽ von allen Fruͤchten/ Milchſpeiſen und Nach-
Speiſen/ ja auch vom Fleiſch und Fiſchen; alſo hat ſich auch unſer ehrwuͤr-
diger Joannes von S. Guillielmo unter andern Ubungen den Geſchmack ab-
zutoͤdten von Fruͤchten enthalten. Wie ſehr aber ein ſolche Enthaltung Gott
Vita P. P.
Hiſtoria.angenehm ſeye/ wird auß dieſer Hiſtori abgenommen. Ein Einſidler von
groſſer Heiligkeit/ welcher gern verborgen zu ſeyn verlangete/ als er in die
Einoͤde der Bergen geflohen/ und auff dem Weg von dem Hunger beſchwe-
ret: die ſchoͤnſte Aepffel geſehen/ ſtritte in ſich/ ob er davon eſſen ſolte? und
nachdeme er erkennet/ daß er vielleicht weiters von der Speiß ſolt angelocket
werden/ hat er dieſelbe zu verſuchen verachtet: wegen welcher Wuͤrckung iſt
er von dem Engel GOttes erquickt/ und an ein Orth gefuͤhrt worden/ wo er
eine Wurtzel von wunderbahrer Suͤſſigkeit/ und einen Brunn von ſonder-
licher Annehmligkeit genoſſe. Wann alſo nur ein einige Wuͤrckung der Ab-
toͤdtung belohnet wird/ was fuͤr ein Lohn ſoll der nicht hoffen/ welcher ſich dem
Genuß der Fruͤchten gaͤntzlich beraubet.
10. Die
[421]Vom Faſten oder Enthaltung.
10. Die andere Weiß den Geſchmack abzutoͤdten iſt/ auſſer der Mittag
und Abend-Mahlzeit gantz nichts eſſen und trincken. Alſo hat es Caſſia.Lib. 5. In-
ſtit. c 20.
rus gerathen/ mit dieſen Worten: ein Muͤnch der lege ſich dieſe Behutſam-
keit auff/ daß er nicht von einiger Ergoͤtzung deß Truneks noch deß Eſſens
uͤberwunden/ vor der rechtmaͤſſigen Zeit und die gemeine Stund der Erqui-
ckung auſſer der Mahlzeit etwas zu genieſſen/ ihm ſelbſt gaͤntzlich zulaſſe.
Warlich S. Philippus Nerius pflegte zu ſagen/ keiner wuͤrde ein geiſtlicherLanuz.
opuſc. 2.
n. 47.
Surius in
vita.
Mann ſeyn/ welcher auſſer der Mahlzeit etwas eſſen wuͤrde. Dahero als S.
Sabbas noch jung im Garten gearbeitet hatte/ hat er einmahl von einer heffti-
gen Luſt verſtricket/ einen abhangenden Apffel vom Baum abgebrochen; als
er aber ſich bedacht/ hat er ſich ſelbſt ſcharff außgeſcholten/ den Apffel auff
die Erden geworffen/ und mit Fuͤſſen getretten/ und darnach beſchloſ-
ſon/ zur Straff dieſer kleiner Sinnligkeit ſich auch immer von allen AepffelVita. c. 5.
zu enthalten/ welches er auch gethan. Die ſeelige Maria Magdalena
von Pazzis nahm auch in der Kindheit kein Fruͤhſtuͤck/ noch auch in der
groͤſſeſten Hitze gebrauchte ſie einer Labung/ welches GOTT
ſo ſehr gefaͤllen/ daß er ihr nach vier und zwantzig Jahren offen-
bahret/ daß ihr wegen dieſer Abtoͤdtung deß Geſchmacks in dem Him-
mel eine Tafel voll von den koſtbarſten Speiſen bereitet ſeye.
11. Was die Enthaltung deß Truncks anbelangt/ das lehren mit ihrem
Exempel die meiſten Heiligen/ unter welche Zahl zuvoren der H. Koͤnig1. Paral.
11. 17.
David zurechnen/ welcher/ als er nun auß der Ciſtern Betlehem Waſſer heff-
tig verlanget hatte/ nachdem ihm ſolches gebracht worden/ hat ers nit trincken
wollen/ ſondern dem Herrn auffgeopffert. Der Heil. Carolus Borromæus,
ob er gleich vom Durſt erhitzet war/ ſo hat er doch niemahls auſſer der Zeit
getruncken/ und als er ſein Biſchtumb beſuchete/ ob gleich die Sonn die oͤff-
tere Strahlen der Hitze auff die Erden ſchieſſete/ ſo konte er doch von den
ſeinigen nicht bewegt werden/ daß er die hitzige Zung mit einem einigen
Tropffen Waſſers erquickete. S. Lambertus der Biſchoff/ als er an einemHiſtoria.
Char - Freytag ſich mit einem langen Gebett und Betrachtung von dem lei-
denden CHriſto abgemattet/ hat er von einem harten Durſt hitzig zu werden
angefangen/ welchen damit er zaͤhmen moͤchte/ hat er beſchloſſen/ nichts biß
zur Abends Collation zu trincken/ zu welcher Zeit er befohlen hat/ ihme nach
ſeiner Gewonheit Waſſer zu geben/ welches/ als er koſten wolte/
hat er erkennet/ daß es Wein ware/ welches als es das ander-
mahl geſchehen/ hat er ſeinem Diener nicht mehr getrauet/ ſon-
dern hat das zum drittenmahl von ihm begehrte und vom Diener ge-
G g g 3brachte
[422]Die Vier und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
brachte Waſſer ſelbſt in den gewoͤnlichen Becher gethan/ und ſie-
he/ als er in der Gegenwart aller ſeiner Cleriſey getruncken hatte/ hat
er zum drittenmahl gefunden/ daß das Waſſer in Wein auff Goͤttliche Weiß
veraͤndert worden. Daher iſt der H. Mann uͤber dieſes Miracul erſchro-
cken/ und hat nicht genug die Goͤttliche Guͤte preiſen koͤnnen/ und hat ſich
fuͤrgenommen hinfuͤhro dem Durſt noch großmuͤthiger zu widerſtehen/ und
auſſer der gewoͤnlichen Erquickungs- Stund nichts zu trincken. Ferner
ladet uns zu dieſer Abtoͤdtung weiter ein das Exempel Chriſti/ welcher am
Holtz deß Creutzes hangend einen ſolchen Durſt ertragen/ daß nach dem Zeug-
nuß deß H. Cyrilli/ dieſes eine von den ſchwereſten Peynen geweſen ſeye/ die
er in ſeinem Leyden erduldet/ deßwegen er gezwungen worden außzuruffen:
Mich důrſtet. Wann dieſes der Herr auß Lieb zum Knecht gelitten
hat/ iſt es nicht die allerbilligſte Sache/ daß auch der Knecht mit einer gegen
Liebe zu ſeinem Herrn nur eine Zeitlang den Durſt mit einer ſtarcken Gedult
ertrage? Wer das nicht kan/ von dem weiß ich nicht/ ob er ſeinen Heyland
liebe. Uber das iſt zu wiſſen/ daß eine ſolche Enthaltung die Kraͤfften deß
Leibs nicht ſchwaͤche/ ja dieſelbe vielmehr erhalte/ dieweilen der Magen die
zugenommene Speiß und Tranck zu Mittag oder Abends leichter verdauet/
und alſo folgends den Menſchen geſunder macht.
12. Die dritte Weiß iſt/ ihm bißweilen das jenige abzuſchlagen/ worzu der
ſinnliche Luſt in ſeinem Leben am meiſten geneigt iſt. Alſo hat S. Macarius
Alexandrinus gethan/ dem einer ungefehr einen Weintrauben angebotten/
der friſch und auſſerleſen war/ zu welchem er einen ſonderlichen Luſt gehabt/
damit er doch dieſen zaͤhmete/ hat er ſich darvon enthalten/ und den Fraß ge-
zwungen/ den Trauben aber hat er einem andern Muͤnch zugeſchickt/ welcher
ihn empfangen und wieder einem andern/ und dieſer wieder einẽ andern fort-
geſchicket! Und als alſo der Weintraube durch alle Cellen/ welche weit durch
die Wuͤſten außgebreitet waren/ herumb getragen worden/ als ſie nicht ge-
wuſt hatten/ welcher dieſelbe zu erſt geſandt hatte/ iſt er endlich dem H. Ma-
cario gantz unverſehrt und unberuͤhrt zugebracht wordẽ/ welches/ als S. Ma-
catius in acht genommen/ hat er ſich ſelbſt gluͤck gewuͤnſchet/ daß er eine ſol-
che Enthaltung unter den Bruͤdern ſahe; hatte Gott gelobt/ und ſelbſt von der
zum andernmahl angebottenen Weintrauben nichts gekoſtet. Man leſet auch
in dem Leben deß H.Thomæ von Aquin, daß als er einmahl kranck war/
alſo/ daß er kaum einige Erquickung genieſſen konte/ doch bald darauff/ als
er die Kraͤfften ein wenig geſamblet/ hat er einen Luſt zu den Heringen be-
kommen/ deren in Franckreich ein groſſe Menge/ aber in Welſchland keine
kundſchafft war. Der Artzt/ welcher den H. Mann in die Cur genommen/
hat ſich auff den Marck begeben/ mehr daß er den Krancken ein Gnuͤgen lei-
ſtete/
[423]Vom Faſten und Enthaltung.
ſtete/ ob ſolche Art der Fiſche moͤgte gefunden werden. Dieſem iſt erſtlich ein
Fiſcher begegnet/ welcher in einem Korb ein weit andern Art von Fiſchen/ als
S. Thomas verlanget/ gebracht; als er den Korb eroͤffnet/ hat er alle dieſelbe
Fiſche in Hering verwandelt gefunden. Als S. Thomas das Miracul von
Gott gethan erfahren/ und die ihm gewuͤnſchte Fiſche gebracht geſchen/ hat
er Gott groſſen Danck geſagt/ doch damit er ſeinen Luſt zaͤhmete/ hat er ſich
gantz von den Luͤſten der Heringen enthalten.
13. Es erſcheinet auch hier der Urheber der Portuenſiſchen Congregation/Joan.
Navar. in
Chron.
1. 7. c. 11.
\& 12.
Hiſtoria.
Petrus Ravenas Canonicus Regularis S. Auguſtini. Dieſer/ als er A. 1119.
den 2. April/ ſchon alt/ ſterben wolte/ hat er begehrt einen Fiſch zu haben/ wel-
cher auf Jtaliaͤniſch Lampreda genennet wird/ welchen der Miniſter dem Patri
alßbald hat kochen und geben laſſen/ und ihn ermahnet/ daß er ihn eſſen ſolte;
als aber der Herr Jeſus Chriſtus gekommen/ um die Seele ſeines Knechts im
Himmel zunehmen/ hat er ihn noch im letzten zu unſerm Exempel verſuchet.
Dann als ihm der Fiſch gereichet wurde/ umd zu eſſen/ ſo wird alsbald eine
Glocke bey der Thuͤr deß Kloſters geleutet/ mit oͤffterm anſchellen; welches/
als der H. Vatter hoͤrete/ ſagt er zum Miniſter: lauffe geſchwind und ſehe/ was
es ſeye; als er zur Thuͤr gelauffen/ hat er einen armen alten und krancken
Mann gefunden/ zu welchem er geſagt: warum leute ſtu ſo unverſchaͤmbt an?
darauff er geantwortet: Vatter/ erbarme dich uͤber mich alten und krancken
Armen. Der Miniſter ſagte: habe Gedult/ dir ſoll ein Allmoſen von Brod und
Wein gereichet werden. Brod und Wein verlange ich nicht/ ſagt der Arme/
aber ich bitte daß mir die Lampreda gegeben werde/ anderſt werde ich ſterben.
Welches/ als der Miniſter hoͤrete/ iſt er zornig wider zum pater gegangen/
der ihn gefragt: Was iſt das mein Sohn/ zeige mirs an? Aber er laͤchelte und
ſagte: eſſe Pater/ darnach will ichs ſagen. Nein/ ſagt der H. Mann/ ſondern
zeige mir vielmehr die Sache an; dem der Miniſter geantwortet: ich habe ei-
nen Alten und Krancken an der Thuͤr gefunden/ welcher geſagt/ er verlangte
keine Allmoſen von Brod und Wein/ ſondern die Lampreda/ welches/ als es
der Pater gehoͤret/ hat er geſagt: Siehe da/ Sohn/ der Herr Jeſus iſts/ wel-
cher mich zum letzten deß Lebens verſuchen will. Bringe dem armen den Fiſch.
Und als der Miniſter gegangẽ/ daß er den Fiſch uͤberbrachte/ hat er den Armẽ
nit gefunden. Als er aber wieder zu demſelben Pater gekom̃en/ hat er ihn todt
gefunden/ und es iſt kein Zweiffel/ daß er mit Chriſto/ welcher die Geſtalt deß
Armen angenommen/ in den Himmel gefahren ſey. Dieſes hat der gantzen
Verſamblung zugleich eine Verwunderung und Freude verurſachet. Daher
erhellet es/ wie ſehr Gott die extraordinari Abtoͤdtung deß Fraſes gefalle.
mian. in
Vita.
14. Es iſt ein ander Weiß in dieſer Abtoͤdtung/ welche der H. Romual-
dus gebraucht/ welcher mit einem edlen Betrug den Fraß betrogen/ und
ge-
[424]Die Vier und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
gebrochẽ dã wan ihn die Luſt zu einer ſchleckerhafftigẽ Speiſen antribe/ hat er
befohlen/ daß ſie gar wol zubereitet werde/ und nachdem er ſie zum Mund und
zur Naſen gehalten/ und allein den Geruch zugelaſſen/ hat er geſagt: O Ge-
ſchmack! O Geſchmack! wie ſolte dir dieſe Speiß nun ſo ſuͤß und annehmblich
ſchmecken! Aber/ wehe dir! du wirſt [mi]m̃er davon koſten; und hat ſie alſo unau-
geruͤhret wieder zum Keller geſchickt. Die ſelige Ozanna aber/ auß deß H. Do-
miniei Orden/ hat in ihrem hefftigſten Durſt/ mit welchem ſie ſich ſelbſt alle-
zeit plagete/ den Becher mit kaltem Waſſer genommen/ und alſo darvon
das Maul erfuͤllend/ geredt ſich ſelbſt an und geſagt: Ozanna was ſolteſtu dir
fuͤr eine Ergoͤtzung erwecken/ wann du dieſen Becher mit Waſſer außtrin-
cketeſt/ oder nur das/ was du im Mund haſt/ verſchlucketeſt! darnach hat
ſie das genommene Waſſer wieder auff die Erden außgeworffen. Dieſem
iſt nicht ungleich was man im Leben der H. H. Vaͤtter leſet von einem Muͤnch/
welcher im groͤſten Durſt fuͤr ſeine Augen einen Krug mit reinem Waſſer 40.
Tage hienge/ und nicht getruncken/ als er daruͤber gefragt wurde/ hat er ge-
antwortet: deßwegen thue ich das/ damit ich von dem groſſen Verlangen/
dem ich nicht genug thue/ eine groͤſſere Kron empfange.
15. Uber das koͤnnen wir den Geſchmack abtoͤdten/ wann wir unter dem
Eſſen mit einem langen und langſamen Keuen den Kiefen muͤd machen/ dann
dadurch/ auſſer dem daß die Wolluſt deß Schlunds etwas gehemmet wird/
dienen wir deß Leibs und der Seelen Geſundheit. Oder wann wir kein
Gewuͤrtz mehr darzu thun/ uͤber das/ welches der Koch darzu gethan/ ob
gleich durch deſſen Unachtſamkeit der Speiſe Saltz/ Oehl/ Eſſig oder Pfef-
fer zu mangeln ſcheinet. Wie S. Thomas Sanchez gethan/ welcher nie-
mals ſeinen Speiſen dergleichen zugethan/ ob ſie gleich ungeſchmack gewe-
ſen. Es iſt endlich eine andere Art der Abtoͤdtung/ denen beſten Speiſen
bißweilen Wermuth oder dergleichen beymiſchen/ dardurch der gute Ge-
ſchmack benommen wird. Alſo hat es unſer H. Joannes à Guillelmo ge-
than/ welcher allezeit bey ſich ein Buͤchslein mit Wermuth/ Rauten/ S.
Maria-Kraut/ Mutter-Kraut/ und anderer bittern Kraͤuter-Pulver gefuͤllet
getragen/ damit er den Brey und andere zugerichtete Speiſen im Refectorio
oder auſſer dem Kloſter beſtreuete. Dieſes aber muß man alſo nachfolgen/
damit die Geſundheit keinen Abbruch leyde; dann die Beſcheidenheit iſt der
Tugenden Mutter. Es koͤnten hier mehr andere Wuͤrckungen der Abtoͤd-
tungen beygeſetzt werden/ welche zur gegenwaͤrtigen Materi dieneten/ die-
weil doch auß dieſen/ was bißhero geſagt worden/ andere Dinge leichtlich
zu
[425]Vom Faſten und Enthaltung.
zuſchlieſſen/ und eines jeden eigene Zuneigung/ von dem goͤttlichen Geiſt ent-
zuͤndet/ durch freywilligen Fleiß mehr zu erfinden pflegt/ deßwegen ſoll es
unterdeſſen gnug ſeyn dieſe als die allgemeineſte Lehren geſagt zu haben. Le-
be wohl.
Die Fuͤnff und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von dem
Geiſtlichen Stand.
O quàm bonum \& jucundum eſt habitare Fratres inPſ. 192. v.
1.
unum.
beyeinander wohnen.’
Der Erſte Theil.
1. ES ſchreibt der ſeelige Laurentius Juſtinianus; daß in den menſch-De Mon.
Perf. c. 6.
lichen Geſchaͤfften/ und auff dieſer Pilgerfahrt nichts mit ſol-
chem Nachtruck dem himmliſchen Vatterland ſo aͤhnlich ſeye/
als eben die Converſation der Ordens-Geiſtlichen/ und Geſellſchafft deren/
ſo ſich dem Dienſt GOttes ergeben haben. Dann gleich wie im Himmel
keine Begierligkeit der Reichtumben/ der fleiſchlichen Wolluͤſten/ und deß
eigenen Willens gefunden wird; alſo muß auch im geiſtlichen Stand dieß
alles keinen Platz haben. Gleich wie die himmliſche Einwohner im Himmel
nichts anders thun/ als GOTT loben; alſo ſeynd die Geiſtliche in ihrem
Stand nur in dem Lob GOTTES beſchaͤfftiget/ indem ſie durch alles/
was ſie thun/ reden und gedencken; nur die Ehr GOTTES ſuchen. Dan
alſo ſagt der Heil Auguſtinus: Du lobeſt GOTT/ wann du eſ-In Pſ. 146.
ſeſt und trinckeſt: du lobeſt GOTT wann du ruheſt: du lo-
beſt GOTT wann du ſchlaffeſt: Und gleich wie im Himmel iſt die
hoͤchſte Ruhe und wahre Gluͤckſeligkeit; weilen die Außerwaͤhlte in einem/
H h hund
[426]Die Fuͤnff und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
und zwar dem allerhoͤchſten Gut ſich erfrewen: alſo iſt auch die Gluͤckſeelig-
keit deren/ die ſich dem Willen GOTTES gaͤntzlich ergeben haben/ und
in dem goͤttlichen Wohlgefallen ſaͤnfftiglich ruhen/ uͤberauß/ ja unbeſchreib-
lich groß. Dahero weiſſaget recht und wohl von dieſen der Koͤnigliche Pro-
Pſ. 82. v. 5.phet mit folgenden Worten: Seelig ſeynd/ O Herr/ die in deinem
Hauß wohnen/ ſie werden dich in alle Ewigkeit loben. So
hat dann Gott ſehr vernuͤnfftlich gehandelt/ ſagt der obgemeldte Laurentius,
daß er die Gnad deß geiſtlichen Stands dem Menſchen verborgen hat; da-
mit nicht dieſelbige in Erkaͤntnuß dieſer Gluͤckſeeligkeit/ alle zu den Cloͤſtern
Engelgr.
de Com.
Confeſſ.lauffen moͤchten: dieſer Meinung ſtimmet auch bey die H. Scholaſtica, wel-
che zu ſagen pflegte; daß/ wann die annehmliche Suͤſſigkeit/ ſo GOtt ſeinen
Dienern verbirgt/ den Weltlichen kundbahr waͤre/ die Cloͤſter allen denen/ ſo
Gott dienen wolten/ viel zu eng ſeyn wuͤrden.
2. Dieſes bekraͤfftiget uns nicht wenig der fromme Kayſer Carl der fuͤnff-
te/ ſo da gern geſtanden/ daß er in ſeiner eintzigen geiſtlichen Ubung im Cloſter
deß Heil. Hieronymi in einem Tag mehr hertzlicher Vergnuͤgung/ und
auffrichtiger Frewde genoſſen/ als er auß allen Hoff-Wolluͤſten/ und allen
Id. ibid.Siegen und Triumphen jemahl geſchoͤpffet habe. Suatocopius ein Koͤnig
in Boͤhmen und Maͤhren iſt vom Kayſer Arnulpho in einer Schlacht uͤber-
wunden worden; und nachdem er ſich kaum mit der Flucht ſalvirt hat; iſt er
in die Wuͤſten gangen/ und hat daſelbſt unter den Einſidlern die uͤbrige Zeit
ſeines Lebens zugebracht: da er nun zum Sterben kommen/ hat er den umb-
ſtehenden bekennet/ wer er ſeye/ und mit vielen Zaͤhren betauret/ daß alle
Gluͤckſeeligkeiten der irrdiſchen Koͤnigreichen der annehmlichen Ruhe und
Frewde der Einſambkeit billig weichen muͤſten: er habe in der Wuͤſten ein
wahres und lebwuͤrdiges/ in den Wuͤrden aber ein wuͤſtes und todtes Leben
gefuͤhret. Der Heil. Romualdus ſpricht alſo bey ſeinen zum End gefuͤhrten
Id ibid.Leb-Zeiten: Jch hab hundert Jahr im geiſtlichen Stand ge-
lebt/ und zwar in der groͤſten Strenge: zwantzig Jahr hab
ich in der Welt gelebt: aber/ ach wie lang und armſelig iſt
mir dieſe Zeit gefallen; und hergegen/ wie kurtz und an-
nehmlich iſt mir die Zeit meines geiſtlichen Wandels vor-
In lib. de
Obed. c.
18.kommen! So ſagt dann recht und abermahl recht der ſeelige Laurentius
Juſtinianus, niemand kan der Gebuͤhr nach beſchreiben/ in was Frieden lebe/
mit was vor geiſtlichen Wolluͤſten erquicket; und mit wie herrlichem und
goͤttlichem Glantz der jenige taͤglich erleuchtet werde/ welcher mit vorher ge-
pflogener
[427]Von dem Geiſtlichen Stand.
pflogener Bedachtſambkeit/ und auff Einſprechung deß Heil. Geiſtes/ wil-
liglich auff die Welt verzeihet/ zum Cloſter eingehet/ und unter der Blut-
Fahnen CHriſti Dienſt nehmet; kein irrdiſche Ding mehr liebet; nichts zeit-
liches beſitzet; und/ in Summa/ gar nichts behaltet/ daß ſich auch die gering-
ſte Zuſprach zu deſſen Liebe machen koͤnne: und von der Converſation der
Cloſter-Geiſtlichen redet eben jetzt gemeldter Laurentius alſo: Ein geiſt-c. 18.
liches Cloſter iſt ein geſchloſſener Garten; ein Paradeiß
der Lůſten; ein hochzeitliche Schlaff-Kammer; ein unbe-
flecktes Laͤger/ ein Schul der Tugenden; ein Tabernacul/
oder Gezelte deß Bunds; ein Lehnſtat deß Braͤutigambs;
ein Laͤger der kriegenden; ein Hauß der Heiligkeit; ein Be-
wahrung der Keuſchheit; ein Beſtaͤttigung der Scham-
hafftigkeit, ein Meiſterſchafft deß GOTTES-Dienſts/
und ein ſonderbahrer Spiegel deß heiligen Gehorſambs.
Dieſes alles hat ſchon einige tauſend Jahr vorhero erkennet der fromme Da-
vid; derhalben ſagt er mit wenig Worten: Ein Tag in deinen Vor-Pſal. 83. v.
11.
hoͤfen iſt beſſer/ dann tauſend. Jch hab erwaͤhlet/ daß ich
un Hauſe meines GOTTES viel lieber verworffen ſeyn
will/ dann in den Hůtten der Sůnder wohnen: Und daß zwar
billig: ſintemahlen ein guter Geiſtlicher in ſeinem engen Zellulein/ auch in ei-
nem Tag mehr Frewden genieſſet/ als ein Hoͤffling/ der viele Jahren im Pal-
laſt eines Koͤnigs wohnet; und das derhalben; weilen die Geiſtliche Frewd
deß Hertzens/ ſo da mit keiner Bitterkeit vermiſchet iſt/ uͤbertrifft
gar weit alle weltliche Frewden/ welche eitel ſeynd/ und viel Gallen mit
ſich fuͤhren.
3. Dahero bricht der Koͤnigliche Prophet/ indem er ſeine innerliche
Augen auff die Cloſter-Geiſtliche wendet/ mit dieſen Worten loß: Siehe/Pſ. 132. v.
1.
wie gut und lieblich iſts/ daß Brůder in Eintracht beyein-
ander wohnen! Dieſer ſuͤſſe Klang/ ſagt der Heil. Auguſtinus/ dieſe
liebliche Melodie hat die Cloͤſter gebohren: dann das geiſtliche Leben iſt
warhafftig ein Hoͤnig im Mund/ ein annehmlicher Thon in den Ohren/
und ein Frewd im Hertzen. Dieſes Leben nennet der Heil. Barlaam
ein himmliſches; und der Heil. Ephrem ein Engliſches Leben. Wann wir
nun fleiſſig nachſehen/ warumb es gut ſeye/ daß Bruͤder beyeinander wohnen;
ſo werden wir finden/ daß ſolches nuͤtzlich und erſprießlich ſeye auß unter-
ſchiedlichen Urſachen: und zwarn erſtlich hat ſchon vorlaͤngſt der weiſe
H h h 2Mann
[428]Die Fuͤnff und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
l. 4. 9.Mann hieruͤber ſeine Urtheil gefaͤhlet/ mit dieſen Worten: Es iſt beſſer/
daß zweene beyeinander ſeynd/ dann allein: dann ſie haben
Vortheil von ihrer Geſellſchafft: wann einer fallet/ ſo
wird er vom andern auffgerichtet: Durch dieſe Wort wird der
erſte Nutzen angedeutet; daß ſie nemblich einander theils mit dem Gebett/
theils mit Ermahnungen/ theils mit einem guten Exempel auffmuntern/
und in einen guten Stand bringen. Dahero ſetzt der obgemeldte weiſe Mann
alsbald hinzu. Wehe dem/ der allein iſt; dann wann er fallet/
ſo hat er niemand/ der ihm auffhelffe. Der andere Nutzen wird
auß dieſen Worten abgenommen: Vnd wann zween bey einander
ſchlaffen/ ſo wird einer von dem andern warm gemacht;
wer allein iſt/ wie ſoll der warm werden: Nemblich wie ein
Kohlen von ihm ſelbſten entzuͤndet werde/ wann man ihn zu andern gluͤenden
Kohlen leget: alſo wird ein lawer Geiſtliche in der Liebe und Dienſt Gottes
brennend gemacht/ wann er den brennenden zugeſellet wird. Den dritten
Nutzen deuten uns die folgende Wort deß weiſen Manns: Vnd wann
jemand einem zu ſtarck; ſo werden ihm zween Widerſtand
thun: Dann im geiſtlichen Stand/ ſagt der Heil. Bernardus/ ſeynd ſo
viele/ die Huͤlff leiſten/ als viele ſoͤlche Geſellen; die mit dem Apoſtel
[...] Cor. 2.ſagen koͤnnen: Die Gedancken deß Sathans ſeynd uns nicht
unbewuſt: Zumahlen gewiß iſt/ daß die Geſellſchafft der Guten/ ſo viel
ihre Staͤrcke angehet/ dem Teuffel ſo erſchroͤcklich vorkommet/ wie ein wohl
geordnetes Heer-Laͤger.
4. Was nun den geiſtlichen Stand weiters erhebet/ iſt dieſes: daß er nemb-
lich von den H. H. Vaͤttern nicht allein eine Marter genennet werde; ſondern
Hom. 35.
in Evang.auch ein ſolche in der Warheit ſeye: ſintemahlen der H. Gregorius der Mei-
nung iſt/ daß zweyerley Geſchlecht der Marter ſeyen: eines der Seelen nach/
und das andere dem Leib und zugleich der Seelen nach. So koͤnnen wir dann
Marter ſeyn/ wan wir ſchon dem Leib nach nicht getoͤdtet werden. Der durch
das Schwerd deß Verfolgers zu ſterben genoͤthiget wird/ iſt ein Marter im
offenbahren Werck: der Schmach-Reden und Gedult traget/ und liebet/ die
ihn haſſen/ iſt ein Marter in den verborgenen Gedancken: und der gelehrte Cle-
L. 29. c. 11.mens Alexandrinus ſchreibt alſo von der Sachen: wan dem Menſchen das
Leben benommen/ und alſo ein End deſſelben gemacht wird/ daß heiſſen wir
ein Martyrium, oder eine Marter; nicht derhalben/ daß dardurch deß
Menſchen Leben geendiget werde; ſondern daß er nunmehro voll-
zogen habe daß Werck der Liebe. Wann dann nun die Be-
kaͤndnuß deß Glaubens ein Marter iſt; ſo muß auch/
aller
[429]Vom dem Geiſtlichen Stand.
aller Warheit gemaͤß/ ein jede Seel/ welche ihr Leben in der Bekaͤndnuß
GOttes/ demſelben allein zu Ehren einrichtet/ und den Goͤttlichen Gebot-
ten den ſchuldigen Gehorſamb leiſtet/ billig ein Marter genennet werden.
Dahero iſt nicht zu verwundern/ was der Gottſeelige Vincentius Bellova-
cenſis bezeuget: daß/ als die Geiſtliche deß Kloſters einsmahls bey naͤchtlicher
Weil nach der Metten im Capitel-Hauß geſeſſen/ und geleſen hatten: ha-
be der Heil. Chriſtianus anderswo im Kloſter gebetten; und unter waͤh-
rendem Gebett dieſe Stimm vom Himmel gehoͤret: Dieſe gute
Leuth/ die du im Capitel-Hauß ſeheſt/ ſeynd Marter oder
Blut-Zeugen GOttes.
5. Noch mehr kan dieſe Warheit probirt werden auß dreyen Haubt-
Stucken. Und zwarn [erſtlich] auß der Form und Vrſach der
Marter; ſo darin beſtehet; daß/ gleich wie in der Marter deß Fleiſches
oder deß Leibs/ der Verfolger mit dem Glauben auch zugleich Chriſtum
zu vertilgen trachtet: alſo der boͤſe Feind/ in der Marter der Seelen oder
deß Gemuͤths/ nach den geraubten Tugenden/ ebenfals Chriſtum in dem
Menſchen zu vertilgen ſuche. Dahero ermahnet uns der H. Vatter Au-Serm. 250
de Temp.
guſtinus/ und ſagt: Laſſet uns gegen die toͤdtliche Schmeich-
lungen ringen/ dieweilen wir verſichert ſeynd/ daß dar-
innen auch die taͤgliche Martere den Chriſtglaubigen nicht
ermanglen koͤnnen. Und der H. Gertrudis iſt in ihren Leb-Zeiten of-
fenbahret worden/ daß die Geiſtliche/ ſo unter einer Regul deß Gehorſambs
GOtt dienen; unter die Zahl der Marter gezehlet wuͤrden; dieweilen ſie
ihrem eigenen Willen widerſtehen; die Sinnligkeiten durch eine gewaltſa-
me Abtoͤdtung von denen Dingen/ zu welchen die Natur geneigt iſt/ abhalten/
und ſich alſo ihrem lieben GOTT zu einem ſuͤſſen Geruch auffopffern.
Zweytens auß der Natur deß Todts. Dann gleich wie der Todt
deß Leibs den Menſchen von den Reichthumen/ von den Freunden und allen
irdiſchen Guͤtern ſcheidet/ und demſelben/ in dem die Theil deß Leibs von
einander geſuͤndert werden/ durch die ſchwehre Tormenten groſſe Schmer-
tzen zufuͤget: alſo ſcheidet der geiſtliche Stand den Menſchen durch die drey
Geluͤbten von allen erſchaffenen Dingen[;] und bringt deſto groͤſſern Schmer-
tzen/ wie mehr dergleichen Guͤter dem Menſchen durch die Affection oder
Neigung ankleben. Drittens/ auß der Langwirigkeit der Zeit:
von welcher der H. Bernardus alſo ſpricht: das iſt ein Art der Marter/ daßSerm. 30.
in Cant.
man die Werck deß Fleiſches durch den Geiſt toͤdte; nemblich durch den Geiſt
deß wahren Eyffers/ Krafft deſſen die Glieder deß Leibs zerhauen werden:
H h h 3und
[430]Die Fuͤnff und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
und ob ſchon dieſe Zerfetzung deß Leibs an den Blut-Zeugen Chriſti grauſa-
mer iſt/ als die Marter der Geiſtlichen; ſo dauret doch dieſe laͤnger/ als die
In Pſ. 18.erſtere; und fallet dahero manchem auch zu ertragen beſchwaͤrlicher. Da-
hero/ ſagt der Geiſtreiche Richardus Victorinus, hat der auch in den Au-
gen GOttes groͤſſern Verdienſt/ welcher offt ſtirbt/ als der nur einmahl
ſtirbt. Dieweilen nun die immerwaͤhrende Abtoͤdtungen bey den Geiſtli-
chen gemeiniglich viele Jahren dauren; ſo iſt auch billig/ daß ſie mit den
Blut- Zeugen Chriſti gleichen Lohn empfangen. Derhalben hat die Heil.
Maria Magdalena de Pazzis von dem H. Aloyſio uͤberlaut geſchrichen/
und geſagt: O wie groſſe Herrligkeit hat der Aloyſius, ein Sohn deß
Ignatii! Jch haͤtte das niemahlen geglaubet/ wann mir ſolches nicht ge-
zeigt haͤtte mein JEſus. Jch wolte/ daß ich die gantze Welt koͤnnte durch-
reiſen und verkuͤndigen/ daß Aloyſius ein groſſer Heiliger ſeye; und wuͤnſchte/
daß ich einem jeden deſſelben Glory zeigen koͤnnte/ auff daß mein GOtt da-
durch geehret wuͤrde. Dieſe groſſe Herrligkeit iſt ihm daher zu Theil worden/
weilen er innerlich gewircket hat. Wer wird doch jemahlen den Werth und
die Krafft der innerlichen Wercke gnugſamb entwerffen koͤnnen? Die euſ-
ſerliche Werck moͤgen mit den innerlichen nicht verglichen werden. Aloi-
ſius iſt ein unbekaͤnnter Marter geweſen.
6. Jm uͤbrigen beſchreibt der H. Bernardus den herrlichen und viel-
faͤltigen Nutzen/ ſo auß dem geiſtlichen Stand entſprieſſet/ mit dieſen Wor-
ten ſo zierlich als wahrlich: Jm geiſtlichen Stand lebt man
ſauberer/ man fallet ſeltener/ hurtiger ſtehet man auff/
man iſt in ſeinem Handel und Wandel behutſamer/ man
wird oͤffter mit der Gnad GOttes befeuchtiget/ man ru-
het ſicherer; man ſtirbt auch vertraͤulicher; der Menſch
wird im geiſtlichen Stand geſchwinder gereiniget/ und
wird endlich auch beſſer und haͤuffiger belohnet. Reiner
und ſauberer lebt man/ theils/ weilen der Menſch/ vermoͤg der Pro-
feſſion, als deß andern Tauffs von den begangenen Suͤnden gereiniget;
und theils/ weilen er durch oͤfftere Nieſſung der H. H. Sacramenten/ und
durch Leſung der geiſtlichen Buͤcher auff dem Weeg der Tugenden voll-
kommentlicher beſtaͤttiget werde. Er faͤlt ſeltener; dieweilen er nicht ſo
vielen Gelegenheiten und Verfuͤhrungen zur Suͤnden unterworffen iſt; und
dann die Abſcheuligkeit und Grobheit derſelben durch oͤfftere Betrachtung
und Erforſchungen beſſer erkennet: weilen er/ wann er unter vielen den rech-
ten Weeg verfehlet/ auff denſelben gar leicht wiederumb kan gewieſen wer-
den. Der Menſch ſtehet hurtiger auff: theils weilen er vermittels
der
[404[431]]Vom Geiſtlichen Stand.
der guten Exempeln der Frommen/ mit denen er taͤglich umbgehet; und durch
die heylſame Curen der geiſtlichen Artzten/ als da ſeynd die Obern/ wiederumb
auffgerichtet wird; und theils wegen der haͤuffigen Gnaden/ die er im Geiſt-
lichen Stand findet/ Krafft deren er ſehr leichtlich auffſtchen kan. Er lebt
behutſamer: zumahlen er auß dem vielfaͤltigen Straucheln im weltlichen
Stand gewarnet wird/ daß man in allem Handel und Wandel behutſam ſeyn
muͤſſe: dan in dem er durch die taͤgliche Betrachtungen/ der begangenen Fehler
und Suͤnden groſſe Gefahr und Abſcheuligkeit reifflicher zu Gemuͤt fuͤhret
(welches die weltliche Menſchen kaum einmahl ernſtlich veruͤben) wird er in
dieſen guten Gedancken verwicklet/ und in ſelbigen ſo heylſamblich auffgehal-
ten/ daß er den Stricken deß Teuffels leichtlich entgehen koͤnne. Er wird
oͤffter befeuchtiget. Dan der Will eines Geiſtlichen trachtet nur allein/
das Geſetz deß Herrn zu erfuͤllen; und iſt alſo nach Zeugnuͤß deß Koͤniglichen
Propheten gleich einem Baum/ der an den Waſſer-Baͤchen gepflantzet iſt.
Er ruhet ſicherer. Sintemahlen der geiſtliche Standt von den H. H.
Vaͤttern der Arcken Noe verglichen wird. Wer zu dieſem Stand ſeine Zu-
flucht nimbt/ der machts der Tauben nach/ ſo von dem Noe hinauß gelaſſen
worden; und da ſelbige nicht funde/ da ihr Fuß ruhen konte/ wiederumb zur Ar-
cken gekehret iſt. Zu dieſer Arcken deß geiſtlichen Stands ſollen alle die jenige
fliehen/ ſo da durch das wuͤtende Ungewitter der ſchnoͤden Welt herumb getrie-
ben werden. Er ſtirbtvertreulicher. Dann der geiſtliche Stand hat
dieſes/ ſagt der H. Chryſoſtomus/ daß er die jenige/ welche denſelben einge-
tretten ſeynd/ in dieſem Leben erfilich mit vielen Guͤtern bereiche; und nach-
mahlen freudig und gleichſamb ſpielend zum Richter-Stuhl GOttes fuͤhre.
Auch ruffet der heilige Bernardus in Betrachtung dieſes Gluͤckſeeligen
Stands/ mit folgender Stimm/ und ſagt: O Leben ohne Sorg und
Gefahr/ allwo der Todt ohne Schrecken erwartet wird/
ja auch ſo gar mit Sůſſigkeit gewůnſchet/ und mit Andacht
empfangen wird. Und wiederumb ſagt er an einem andern Ort: wan der
Geiſt eines Geiſtlichen vom Leib ſcheidet/ ſo findet er zwiſchen der Cellen und
dem Him̃el keinen langen noch beſchwerlichen Weg/ dan der in dieſem Stand
ſtirbt/ der ſteigt niemahlen oder ſelten in die Hoͤll hinab: dieweilen kaum jema-
len einer in der Cellen biß zum End verharret/ der nit zum Him̃el verordnet iſt.
Er wird geſchwinder gereiniget. Das iſt/ er wird ehender auß dem
Fegfeur erloͤſet: dieweilen der Art deß geiſtlichen Lebens gleichſamb ein Buß-
fertigkeit und Gnugthuung iſt/ nach Meinung deß gottſeeligen Thomæ à
Kempis dieſes folgenden Jnhalts: der hat ein groſſes und heylſames Fegfeur/
welcher ſich ſelbſt offt Gewalt anthuet/ und das Fleiſch dem Geiſt gaͤntzlich zu
unterwerffen/ ſich unterſtehet. Auch wird ein Geiſtlicher auff dieſe Weiß
nach
[432]Die Fuͤnff und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
nach ſeinem Todt geſchwinder gereiniget; dieweilen ſelbigem mit oͤff-
term und kraͤfftigem Gebett und guten Wercken ſeiner Bruͤder/ und
dann auch durch den Ablaß/ ſo den geiſtlichen Ordens-Leuthen verlie-
hen worden/ ſehr bald geholffen wird. Dahero iſt dom frommen Muͤnchen
Gerardo in einer Verzuckung geſagt worden: keiner wird auß deinem Or-
den zu Grund gehen/ wann alle den Orden werden lieben; ſie werden alle/
oder im Todt/ oder bald nachdemſelben geſauberet werden. Endlich wird
er auch Haͤuffiger belohnet: zumahlen die GOtt- verlobte/ nach
Zeugnuß deß H. Auguſtini/ im Eſſen/ Trincken/ Wachen/ Schlaffen
und allen ihren Ubungen immer Gott loben: dahero muͤſſen ſie auch nohtwen-
diglich von allen dieſen Wercken belohnet werden/ in dem ſie alles auß Ge-
horſamb verrichten. Seheſtu/ mein Chriſtliche Seel/ wie heyl- bringenden
Nutzen der geiſtliche Stand den Seinigen ſchaffe? Derhalben erfreue dich
von Hertzen/ und dancke GOtt daß er dich fuͤr ſo viel tauſenden zu ſelbigem
Pſ. 147.heruffen habe: Deßgleichen hat erkeinem Volck gethan.
Der Andere Theil.
7. DEr H. Anſelmus hat einsmals in einer Verzuckung einen ſehr
groſſen und gaͤhen Fluß geſehen; in welchem aller Unflat der
Welt zuſammen gefloſſen/ und von welchem/ beydes Ge-
ſchlechts/ Maͤnner und Weiber immer zu verſchlungen worden. Nach die-
ſem hat er ein groſſes und weitlauffiges Kloſter geſehen/ deſſen Mauren mit
Gold bekleidet/ und in ſelbigem ein ſehr annehmlicher Garten/ ein uͤberauß
liebliche Lufft/ und ſonſt alles mit ſolcher Froͤlig- und Suͤſſigkeit erfuͤllet ge-
weſen/ daß man nichts weiters haͤtte verlangen koͤnnen. Der H. Anſelmus
aber iſt vergewiſſet worden/ daß durch das Kloſter/ der geiſtliche Stand/
und durch den Fluß/ die Welt verſtanden wuͤrde. Gleich wie nun nicht alle
von dem Außerwaͤhlten Jſraelitiſchen Volck die wunderbahre Suͤſſigkeit
deß Himmel-Brods empfunden haben/ ſondern die Fromme und Gerechte
allein; alſo muß man ſich nicht verwundern/ daß nicht alle Geiſtliche/ ſon-
dern die jenige der Freuden dieſes Engliſchen Stands theilhafftig werden/
die ſich der GOtt- gefaͤlligen geiſtlichen Vollkommenheit mit allem Ernſt
befleiſſen.
8. Zu dieſem unſerm Vorhaben hat einsmahls ein Bruder deß Ciſtercien-
ſer Orden im Kloſter Lucka, da er nach der Metten unter dem blauen
Himmel gebettet/ unſern Heyland/ mit fuͤnffzehen Geiſtlichen ſeines Or-
dens/ theils Prieſter/ theils Ley-Bruͤder am Creutz hangend geſehen: und
da er gefragt/ was dieſes bedeute/ iſt ihm geantwortet; daß dieſe allein auß
dem Orden wahre Geiſtliche ſeyen/ mit Chriſto ihrem Erloͤſer gecreutziget/
und
[433]Vom dem Geiſtlichen Stand.
und ſeinem Leiden gleichfoͤrmig lebten. So iſt dann wahr und abermaͤhl wahr
die Meinung deß gottſeeligen Vatters Thomæ à Kempis, dieſes Jnhalts:
Die geiſtliche Kleider/ und ſo beſchoren ſeynd/ thun oderL. 1. c. [57].
§. 2.
nutzen wenig: ſondern die Verwandlung der Sitten/ und
ein gantz vollkommene Ertoͤdtung gebrechlicher Neigung/
die machen einen wahren geiſtlichen Menſchen. Der nun ein
wahrer/ und dem gecreutzigſtẽ Jeſu gleicher Geiſtlicher ſeyn will/ der muß drey
Dinge verachten: erſtlich muß er verachten die Welt; zum andern muß er ver-
achten niemand; und zum dritten muß er verachten/ daß er verachtet werde; daß
iſt/ er muß verachten ſich ſelbſten: auch muß er haben einen Eſels-Ruͤcken/
auff dem er alles trage: er muß haben ein Schweinen-Maul/ mit dem er al-
les eſſe/ was ihm wird vorgelegt: er muß haben ein Tauben-Hertz/ daß keine
Gall hat: und ſchließlich muß er haben den Magen eines Strauſſen/ der al-
les verzehren kan. Damiter nun dieſes alles mit leichter Muͤhe werckſtellig
machen koͤnne/ ſo iſt vonnoͤthen daß er ſich einbilde/ und alſo lebe/ als wann
alle Tage der erſte ſeye/ an dem er den geiſtlichen Stand hat angefangen. Al-
ſo haben gelebt die H. H. Altvaͤtter; alſo hat ſeine Juͤnger unterwieſen der gott-
ſelige Vatter Agathon: ſolcher Geſtalt hat von ſeinen geiſtlichen Kindern ſei-
nẽ letzten Abſcheid genom̃en der H. Antonius/ und ihnen gantz vaͤtterlich gera-
then/ daß ſie alle Tag gedencken ſolten/ ſie haͤtten heut den geiſtlichen Stand
angefangen: und alſo hats gemacht der H. Bernardus/ welcher nach Zeug-
nuͤß deß chrwuͤrdigen Vatters Surii, ſich ſelbſten immer allezeit gleich einem
Novitzen hielte. Ja ſo gar iſt das bey allen Heiligen der gemeine Brauch/Eccli. 18.
v. 6.
daß wann ſie am End ſeynd/ alß dann erſtlich anfangen.
9. Auch macht dieſes einen guten Geiſtlichen/ wann derſelbe von ſich ſelbſt
offt Rechenſchafft fordere/ und ſich frage; warumb er den geiſtlichen Stand
ſeye eingetretten. Alſo lehret alda der H. Arſenius, der ſich mit dieſen Worten
unauffhoͤrlich anzureden pflegte: Arſeni, warumb haſt du den geiſtlichen Ha-
bit angelegt? zu was End haſt du die Welt verlaſſen? haſt du dieſes nicht ge-
than/ auff daß du deinem Gott gefallen moͤchteſt? ſo thue dann das jenige/ daß
du zu thuen kommen biſt. Dieſem H. Einſidler iſt der H. Bernardus hierin
dapffer nachgefolgt; der ſich dan auch immer ſelbſt zugeſprochen/ und geſagt:
Bernarde, warzu biſt du kommen? ja ſo gar Chriſtus ſelbſt hat ſich gleichſam
dieſes Mittels gebraucht/ da er den Verraͤther Judam gefragt hat und geſagt:
freund/ warzu biſt du kommen? Als wolte er ſagen. Gedenck/ OMatt. 26.
Judas/ wie groſſe Wolthat ich dir geleiſtet hab/ indem ich dich zur Zahl mei-
ner Apoſteln beruffen hab; ſo wirſt du alsbald von deinem ſchaͤndlichen Vor-
haben ablaſſen/ und deinem Meiſter vielmehr getrew verbleiben/ als denſelben
J i iver-
[434]Die Fuͤnff und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
verrathen. Dahero ſpricht der Gottſeelige Thomas à Kempis einem jeden
L. 1. c. 25.
§. 1.Geiſtlichen alſo zu/ und ſagt: Jm Oottes-Dienſt ſolſtu wachen
und fleiſſig ſeyn/ und offt gedencken/ warzu du kommen
ſeyeſt/ und warumb du dich der Welt enttzogen habeſt.
Nemblich darumb/ auff daß du Gott liebteſt/ und ein geiſt-
licher Menſch wůrdeſt. Derwegen hab inbrůnſtigen Ernſt
zu deiner Beſſerung und geiſtlicher [Zunehmung]; dann du
wirſt den Lohn deiner Arbeit bald empfahen. Auch kombt
mit ſeiner treuhertzigen Ermahnung der H. Gregorius Nazianzenus hervor
und ſagt: im Eingang und in der Profeſſion deines geiſtlichen Lebens geden-
cke/ was du dir haſt vorgenommen: Reich zu werden? Ohne Bekuͤmmernuß
zu ſeyn? Jn zeitlicher Froͤligkeit und gewuͤnſchter Ruhe zu leben? oder herge-
gen/ durch Widerwaͤrtigkeit getruckt zu werden? Geplagt und verirt zu wer-
den? mit allem zu frie den zu ſeyn? alles auß Hoffnung der kuͤnfftigen Gluͤck-
ſeeligkeit gedultiglich zu tragen? Dieſe letztere/ und nicht die vorangemeldte
Dinge haſtu zu gewarten: haſtu nun darin eingewilliget/ und dich darzu ver-
bunden/ ſo breche den Bund nicht. Der H. Baſilius wilt auch/ daß wir im-
mer ſollen unſerer Geluͤbden eingedenck ſeyn/ die wir vor GOtt/ deſſen H. H.
Engeln/ und den Menſchen gethan haben: und daß zwarn billig: zumahlen der
H. Ephrem darfuͤr haltet/ daß die him̃liſche Bottſchaffter in dieſem Augẽblick
unſre Wort/ Verbindnuͤß und Ubergebungen aufzeichnen/ und biß zum Tag
deß Gerichts im Himmel auffbehalten. Sollen wir dann nicht foͤrchten; ſollen
wir uns dann nicht entſetzen: daß wir alsdan werden hoͤren muͤſſen: Auß eu-
rem Mund richte ich euch? Derhalben ermahnet uns der Apoſtel/ und
Epheſ. 4.
v. 1.ſagt: Jch bitte euch/ ich Gefangener im Herrn/ daß ihr wůr-
diglich wandelt/ wie ſichs dem Beruff gebůhret/ dadurch
ihr beruffen ſeyd/ mit aller Demut und Sanfftmůtigkeit/
auch mit Gedult/ einer ůbertuage den andern in der Liebe.
Und der Weiſe Mann ſagt: Wann du Gott etwas gelobet haſt/
Eccl. c. 5.
v. 3.ſo verzeugs nicht zu bezahlen; dann er hat ein Mißfallen an
einer untreuen und naͤrriſchen Verheiſſung. Und von dieſem
ſagte der Koͤnigliche Prophet: Opffere GOtt ein Lob-Opffer; und
Pſ. 49. 14.bezahle dem Allerhoͤchſten dein Gelůbde.
10. Wer nun dieſem alſo wird nachleben/ der wird ſicherlich erfahren/ daß
das Joch deß geiſtlichen Stands ſuͤß/ und die Buͤrde deſſelben leicht ſeye. Und
wann ſchon die Kleydung verworffen iſt; der Laͤger hart iſt/ der Schlaff kurtz/
und die Wohnung eng iſt/ wann ſchon die Leibs-Nahrung ſchlecht iſt/ und
die Abtoͤdtungen taͤglich vorfallen: ſo iſt dennoch gewiß/ und auſſer allen
Zweiffel zuſtellen/ daß ein guter Geiſtlicher in dieſen widrigen Dingen viel
groͤſ-
[435]Vom Geiſtlichen Stand.
groͤſſere Freud und Vergnuͤgen ſeines Hertzens empfinde/ als die Welt-Kin-
der in allen ihren Wolluͤſten und Ergetzlichkeiten. Dahero ſagt der H. Ber-Serm. de
de De-
dic.
Temp.
nardus/ die weltliche Leut ſehen unſere Creutzer; ſie ſehen aber unſere Salbun-
gen und unſern Troſt nicht. Sie ſehen die Schaͤrffe deß euſſerlichen Habits/
die bloſſe Fuͤß/ die bleiche Geſichter: ſie ſehen aber nit die innerliche Salbung.
Da man hingegen an ihnen ſehet die Salbung/ die euſſerliche Freuden/ die
delicate und ſchleckerhaffte Speiſen/ die weiche und gemaͤchliche Better/ die
koſtbare und zarte Kleydungen: man ſiehet aber an ihnen nicht allzeit die in-
nerliche Stich deß Hertzens/ die groſſe Forcht der Rechenſchafft/ ſo dem hoͤch-
ſten Richter muß gegeben werden; die immerwaͤhrende Sorgen/ die groſſe
Angſt der Seelen/ den Greuel deß Tods und andere dergleichen. Jhr habt
nun erfahren/ ſagt er zu ſeinen Geiſtlichen; und wiſſet/ daß unſer Creutz war-
lich geſalbet/ und daß durch die Gnad deß helffenden Geiſts/ unſere Buß ſuͤß
und annemblich/ und alſo zu ſagen/ unſere allerſuͤſſeſte Bitterkeit ſeye.
11. Daß aber dieſes in aller Warheit alſo beſchaffen ſeye/ bezeugt uns dieHieron.
Plat. de
ſtat. Rel.
L. 3. c. 16.
Hiſtoria.
folgende Hiſtori. Rabaudus ein Fuͤrſt in Franckreich iſt durch ein herrlichs
Miracul zum H. Ciſtertzienſer Orden beruffen worden: da ſelbigem nun die
Schaͤrffe deß geiſtlichen Lebens ſchwaͤr gefallen/ dieweilen er in der Welt de-
licater erzogen worden/ hat ihm der Praͤlat einige beſſere Speiſen abſonderlich
reichen laſſen. Es hat ſich aber einsmals zugetragen/ da er mit ſeinen Mit-
Bruͤdern zu Tiſch geſeſſen/ und ſelbige nur mit trocknem Brod und Bonnen
geſpeiſet worden. Jn waͤhrender dieſer Mahlzeit hat er geſehen/ daß zwey alte
Maͤnner/ deren einer mit glantzendem und kahlen Haupt/ zwey Schluͤſſe-
len am Hals: der ander in geiſtlichem Habit/ eine Cryſtallene Buͤchs in der
Hand getragen/ in dem Refectorio herumb gangen/ und einem jeden geiſt-
lichen eine Speiß auß der Buͤchſen vorgelegt haben; ihn aber/ nemblich den
Rabaudum ſeynd ſie vorbey gangen/ und haben ſelbigen nur allein ernſtlich
und zoͤrnig angeſehen. Rabaudus aber hat ſich erkuͤhnet/ auß ſeines bey ſich
ſitzenden geiſtlichen Bruders Schuͤßlein dieſe vorgelegte Speiß zu verſu-
chen; und hat erfahren/ daß er die Tagſeines Lebens ſo angenehme Speiß
niemahlen geſſen habe. Da ihm nun ſolches widerfahren/ hat er dem Praͤlaten
den Verlauff dieſes Geſichts erzehlet; und darauff von ſelbigem verſtanden/
daß dieſer bey der Alten einer der H. Petrus/ als ein Patron; der ander aber der
H. Honoratus, als ein Stiffter deß Gottes-Hauſſes geweſen. Es hat auch der
Praͤlat hinzugeſetzt/ daß ihme/ dem Rabaudo derhalben die Speiß von denen
Alten nicht ſeye vorgelegt worden/ dieweilen er in der allgemeinen Strenge
mit den andern zu leben ſich weigere. Nachdem dieſes Rabaudus gehoͤret/ hat
er ſich veſtiglich vorgenommen/ aller Schaͤrffe deß Ordens ſich mit andern
zu unterwerffen; und hat in der That befunden/ daß die vorhin vermeinte
J i i 2uner-
[436]Die Fuͤnff und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
unertraͤgliche Strenge viel leichter und ſuͤſſer ſeye/ als er ſich jemahlen einge-
bildet hatte: er hat auch nicht lang hernach erfahren/ daß in Mittheilung die-
ſer annehmlichen Speiſe von den vorbeſagten Maͤnnern/ mit andern iſt gleich
gehalten worden; und iſt vermoͤg dieſer Speiſe zu aller vorfallendẽ Arbeit und
Ordens-Laͤſten unglaublicher Weiß auffgemuntert und geſtaͤrcket worden.
12. Schließlich iſt zu beobachten/ daß/ weilen unter den Geiſtlichen zu Zei-
ten ſich einig Murmelen/ oder wegen der uͤbel zugerichteten Speiſen/ oder we-
gen derſelben Wenigkeit ereiget/ ſich ein jeder fuͤrſehe/ und auß folgenden Hi-
ſtorien abnehme/ wie ſothanes Murmelen der goͤttlichen Majeſtaͤt mißfalle.
Jm Leben der H. H. Altvaͤtter leſen wir/ daß em ſehr frommer Geiſtliche mit
andern zu Tiſch ſitzend im Geiſt geſehen habe/ daß einige Hoͤnig/ andere Brod
und einige auch Koot geſſen haben: hieruͤber hat er ſeinẽ Gott gebetten/ er moͤch-
te ihm doch offenbahren/ warumb die einfachige Speiß/ ſo allen vorgeſetzt wor-
den; ſich zwiſchen dem Eſſen der geſtalt im Mund der Geiſtlichen veraͤnder-
te: hierauff iſt er durch eine Stimm vergewiſſet worden/ daß dieſe/ ſo da Hoͤ-
nig eſſen/ die jenige ſeyen/ welche mit Forcht und Zittern/ und mit ſchuldiger
Danckſagung zu Tiſch ſitzen/ und unauffhoͤrlich bettẽ Dieſe aber/ ſo da Brod
eſſen/ ſeyen die jenige/ welche mit Danck annehmen/ was ihnen vorgeſetzt
wird/ und ſeynd damit zu frieden: die aber ſo Koot oder Dreck eſſen/ ſeynd die
Hiſtoria.
Nibred.
in antiq.
Monaſt.
Ep. 90.jenige/ welche murmelen und uͤber die Speiſe klagen. Wiederumb hat eins-
mals ein Cartheuſer gemurmelet/ daß er nicht ſeye erſaͤttiget worden/ und daß
die Speiſen weder den Augen/ weder dem Appetit gefallen moͤchten: auch hat
er hinzu geſetzt/ daß er lieber Krotten/ als dergleichen Fiſchlein eſſen wolte:
kaum hat er dieſe Wort geſprochen/ ſiehe/ da hat ihm Gott ſo viele Krotten zu-
geſchickt/ daß ſie das Pflaſter oder Gebuͤn ſeiner Zellen beſpreitet haben; dieſe
ſeynd ihm daſelbſt uͤberall nachgefolgt: und ſeynd ihm am Tiſch auch in die
Schuͤſſel geſprungen: wan er von ſelbigen eine ins Feuer geworffen/ ſo iſt ſie:
unverletzt wiederumb herauß geſprungen; und wann er einige getoͤdtet/ ſeynd
alsbald an derſelben Platz wiederumb andere gewachſen; daß alſo die Zahlſich
von Tag zu Tag gemehret hat: dieſes Elend hat einen Monat in der Zellen/
im Garten aber drey Monat lang getauret. Er hat in waͤhrender Zeit eins-
mahls dieſer Gaͤſten einen mit der Feuer-Zangen ins Feuer gehalten/ und al-
ſo braten wollen; hat aber wegen uͤber auß groſſen Geſtancks/ ſein Vorhaben
unterlaſſen muͤſſen: alſo hat dieſer ſeine Schluͤcherey grbuͤſſet. Huͤte du dich/
mein Chriſtliche Seel/ vor allem dem/ daran Gott ein Mißgefallen hat; und
halte das unſtraͤfflich/ daß du zu halten ſchuldig biſt: damit du nicht unter die
Zahl der boͤſen/ ſondern der guten Geiſtlichen gezehlet/ und mit dieſen letztern
ewig belohnet werdeſt.
[437]
Die Sechs und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Vom
Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit.
det Hunger leyden.’
Der Erſte Theil.
1. WAs ein grauſame Suͤnd ſeye das Laſter deß Fraaß/ kan man
gnug abnehmen auß den. Straffen/ mit welchen die jenige von
GOtt geſtrafft ſeynd worden/ ſo dieſem Laſter ergeben geweſen.
Unſere erſte Eltern haben ſich und uns alle durch den Fraß in unzahlbareGen. 3.
Armſeeligkeiten geſtuͤrtzet. Zu Zeiten deß Noe aſſen und truncken die Men-
ſchen biß zu dem Tag/ an welchem Noe in die Arck iſt hinein gangen; es iſt a-
ber die Suͤndflut kommen/ und hat alle Menſchen verdorben. Die Kin-
der Jſrael hatten ein Abſcheuen vor dem Himmel-Brod; und
begehrten Fleiſch zu eſſen; und ſiehe da ſie das Fleiſch noch zwi-
ſchen den Zaͤhnen hatten/ iſt der HERR uͤber ſie ergrimmet worden/
und hat ſie ſehr ſcharff hergenommen. Dem reichen Braſſart/ von dem
der H. Evangeliſt Lucas meldet/ daß er ſich alle Tag herrlich tractiren laſſen/
iſt in ſeinem euſſerſten Hunger und Durſt auch ein eintziges troͤpfflein
Waſſers geweigert worden. Das nun ebenfals zu dieſen unſern zeiten ſehr
viele wegen deß Fraaßes ſich ins Verderben ſtuͤrtzen/ iſt allzu ſicher und auß-
gemacht. Jtzt will ich nur einige wenige hervor ziehen/ welche uns mit ih-
rem Exempel von dieſem Laſter billig abſchroͤcken ſollen. Der Ehrwuͤrdi-Bou.
Ann. 1577
ge Pater Illiricus deß H. Capuciner-Ordens Prediger pflegte viel zu Faſten;
deſſen Mit-Geſell bringt ihm einsmals/ da ſie in einem Kloſter unweit Nea-
pel beherbergt ſeynd (deſſen Nahm wir allhier verſchweigen) etwas Nuͤſſe
J i i 3zur
[438]Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
zur Abends Collation; wird aber von dem Kuͤſter deſſelben Kloſters-Kirchen/
als einem Fraaß und Schlemmer außgelagt/ und genoͤthiget/ er ſolle die
Faſten brechen: redet ihn derhalben mit ungefehr dieſen Worten an: Sie-
he/ mein guter Freund/ ſiehe dieſes geſottene Huhn/ daß
ſeynd meine Nůſſe/ die ich zum Trunck eſſe. Dieſer armſeeli-
ge Menſch erfuͤllet ſich nachmahlen auff ein andere Zeit in ſeiner Cellen mit
dergleichen ſchleckerhafften Speiſen/ unter waͤhrendem Braſſen laſſet ſich ein
erſchroͤckliches Getuͤmmel hoͤren/ darab dann die andere Geiſtliche beſtuͤrtzet
herumb lauffen/ endlich zu deſſen Kuͤſters Cell kommen/ und finden/ daß ihr
lieber Mit-Bruder durch die Hand-Zwehel/ deren er ſich gebrauchte/ bey
ſeinen guten Bißlein vom boͤſen Feind erwuͤrgt ware. Alſo hat GOtt/ der
mit ſich nicht ſpotten laſſet/ dieſen fraͤſſigen Muͤnchen geſtraffet.
2. Nachdem der H. Elphegus auß einem Muͤnchen nachmahln ein Bi-
ſchoff/ ſeinen Kloͤſterlichen ein Geſetz der Nuͤchterkeit vorgeſchrieben/ der
meiſte Theil derſelben aber ſich daruͤber nicht verſtehen wollen; derhalben ſie
geſtohlene Speiſen heimlicher Weiß gefreſſen/ und biß in die Mitternacht
miteinander geſoffen: hat der gerechte Zorn GOttes den Fuͤhrer und Urhe-
ber dieſer Uberſchreitung durch ein grauſames und ſchnelles Urtheil augẽblick-
lich ergriffẽ und erlegt. Jn der Nacht nach deſſẽ Begraͤbnuͤß/ da der gemeldte
Elphegus in der Kirchen iſt/ hoͤrt er im Creutz-Gang deß Kloſters einige
harte Stimmen/ daher er hinzu eilet/ und ſehet/ daß der letzt begrabene Muͤnch
gantz erbarmlich auff der Erden liget/ und daß uͤber ſelbigen einige erſchroͤck-
lich geſtalte Menſchen ſtehen/ und ihn mit Ochſen-Riemen und feurigen
Schlangen ſehr erbaͤrmlich zerſchlagen. Nach dieſem kan der gute Elphegus
ſelbige Nacht nicht allein nicht mehr ſchlaffen/ ſondern bringt die Zeit mit
weinen zu. Bey anbrechendem Tag rufft er ſeine Geiſtliche zuſammen/
und erzehlet ihnen/ was er geſehen habe/ befilcht auch annebens/ ſie ſolten
hingehen und zuſchauen/ ob der Leichnamb deß verſtorbenen ſich noch im
Grab befinde: ſie gehorchen alsbalde/ ſuchen und finden nichts. Hierauff
geben ſich die Mit-Schwaͤrmer deß abgelebt- und abgeſtrafften Anreitzers
bloß/ bekennen ihren Fehler; und/ auff daß ſie nicht mit den ewigen Tormen-
ten hernach moͤgten gezuͤchtiget werden/ bitten umb zeitliche Straff/ und
geſtehen zugleich/ daß der Ort/ an welchem der ungluͤckſeelige Fuͤhrer ge-
ſchlagen worden/ die Platz ihrer unzulaͤſſigen Zuſammenkunfft geweſen
ſeye.
3. Noch
[439]Vom Laſter deß Fraaſes und der Trunckenheit.
3. Noch ein grauſamberes erzehlt der obgemeldte Schribent; daß nemb-
lich einer/ Nahmens Franciſcus auß Burgundien/ nachdem er den H. Orden
der P. P. Capucinern angenommen/ ſich dem Ehr-Geitz und Fraaß zumah-
len ergeben habe: und damit ſeinem Verlangen deſto fuͤglicher moͤgte gnug
geſchehen; habe er ſeinen Handel und Wandel mit einer angenommenen
Heiligkeit fein meiſterlich gezieret/ daß er auch in der Stadt Mauria in Sa-
voyen zum Guardian erwaͤhlet worden/ und alſo den Anfang gemacht habe/
ſeiner lang verborgenen Begierden dermahlen eins (wie er vermeinte)
zu genieſſen. GOTT aber hat die groſſe Unmaͤſſigkeit dieſes falſchen
Geiſtlichen bald mit einem Geſchwuͤls am Halß geſtraffet; dadurch
er biß zum Todt erkraͤncket: und ob er ſchon dem P. Tiburtio ſeine Suͤnden
gebeichtet/ ſo hat er dannoch das H. Nacht-Mahl wegen Enge deß auffge-
ſchwollenen Halß nicht genieſſen koͤnnen; ſondern vor ſeinem Heyland ſich
zur Erden niedergeworffen/ und geſagt: HErr ſey mir Sůnder
gnaͤdig. Er hat auch die drey Geluͤbden oͤffentlich erneuert/ und iſt endlich
auch mit dem H. Sacrament der Oehlung verſehen worden; daß man alſo
nichts anders/ als ein froͤhliches Hinſcheiden hat erwarten koͤnnen. Nach-
dem er aber ein wenige Zeit gantz ſtill und ruͤhig geweſen/ hat er gar tieff ge-
ſeuffzet/ und mit gaͤutzlicher Veraͤnderung deß Angeſichts und der Stim-
men alſo erbaͤrmlich geruffen: O Bruͤder! O Bruͤder! warhafftig nicht
alle/ die ſagen Herr/ Herr/ werden in den Himmel eingehen! O mein lie-
be Bruͤder/ O Bruͤder mein/ ich hab keinen Theil an der Erbſchafft der See-
ligen: der Fraaß und der Ehr-Geitz haben mich gantz eingenommen/ derhal-
ben bin ich auß gerechtem Urtheil GOttes in alle Ewigkeit verdambt. Hier-
uͤber erſchroͤcken alle Umbſtehende/ und erinnern den Armſeeligen/ daß er an
ſein geiſtliches Leben gedencken ſolle. Er aber gibt zur Antwort/ und ſagt:
Was ermahnet ihr mich meiner Wercken/ welche mich vielmehr anklagen/
als entſchuldigen. Der Beichs-Vatter redet ihm zu und ſagt: ſo lang du
noch Athem haſt/ muſtu nicht verzagen; ſo lang iſt noch Hoffnung/ ſo lang
kanſtu noch Barmhertzigkeit erlangen. Der Krancke antwortet und ſagt:
die Zeit zu buͤſſen iſt ſchon verſtrichen/ GOttes Barmhertzigkeit/ und alle
Hoffnung deß Heyls ſeynd mir verſchloſſen. Ach ihr ſchleckerhaffte Biß-
lein! Ach/ ach du bittere Speiß der Ehren/ wie hart fallet ihr meinem Ma-
gen zu verdaͤuen! Es bringt aber der Beicht-Vatter die Bildnuß deß
geer eutzigten JEſu hervor/ zeigt dem verzweifflenden Menſchen die H. H.
Wunden/ das Blut/ den Todt und die Lieb Chriſti gegen alle Suͤnder:
aber umbſonſt. Was erzehleſt du mir dieſes alles ſagt er/ ich bin ſchon
ver-
[440]Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
verdambt/ nichts kan mir helffen; diweilen ich/ wie ein ander Judas/ unter dem
verlognen Titul der geiſtlichen Beruffung Chriſtum gleichſamb mit einem
Kuß verrathen hab: Jch hab kein wahre Lieb zu GOtt gehabt; der Fraß und
Ehrgeitz haben alle meine Werck verdorben. Der Beichts-Vatter laͤſt nicht
nach; ſondern bemuͤhet ſich/ ihn zu uͤberreden/ daß er auffs wenigſt den Nah-
men JEſu und Mariaͤ außſpreche. Er aber antwortet: Jch kan nicht/ und
wan ich ſchon koͤnte/ ſo wolt ich doch nit. Bald hernach hat er den Guͤrtel/ das
Agnus Dei ſambt dem Roſenkrantz auß den Ermeln herauß geworffen/ und zu
jedẽ Mahl geruffen: ich bin verdambt/ ich bin verdambt. Was Raths ſuchen
allhier die gute Geiſtliche in ſo elendem Standt ihres Guardianen? ſie eilen
zur Kirchen/ werffen ſieh vor dem hochheiligen Sacrament deß Altars. nie-
der/ ſeufftzen/ weinen und halten allerinſtaͤndigſt an umb Barmhertzigkeit.
Dieweiln der Krancke aber fortfaͤhret zu ruffen: ich bin verdambt/ ich bin ver-
dambt; ich bin ein ander Judas geweſen; ſo hat der Beichtvatter den allerheilig-
ſten Leib Chriſti ergriffen/ und iſt in Begleitung aller anweſenden Geiſtlichen
mit gewoͤnlichem Pracht zu dem verzweifflenden Menſchen gangen/ und hat
ihn ermahnet/ er ſolte zum wenigſten die Goͤttliche Majeſtaͤt anbetten und
verehren. Er aber hat das Angeſicht von dem Heyland der Welt abgewen-
det und geruffen; Jch bin verdambt/ ich bin verdambt; ich bin der ander
Judas geweſen. Nach dieſem hat er noch viel grauſamblicher zu heulen und
zu ruffen angefangen; und geſagt: in ewigkeit/ in Ewigkeit! und endlich
hat er noch einmahl uͤberlaut geruffen/ O in Ewigkeit! und hat alſo ſeyn
vermeintes geiſtliche Leben geendiget. Dieſes ungluͤckſeeligen Menſchen
Angeſicht iſt nachmahls ſo ſchwartz und grauſamblich worden/ daß es allen
anſchauenden einen Schroͤcken verurſachet hat: die Augen und Mund hat
man keines Weegs ſchlieſſen koͤnnen/ ſondern ſeynd gantz ungeſtalter Weiß
allen zuſehenden zu einem erſchroͤcklichen Spectacul eroͤffnet geblieben. Sol-
chen Außgang verdient daß abſcheuliche Laſter deß Fraaß.
4. Soll dann nicht ein jeder mit dem gern zu frieden ſeyn/ was ihm wird
vorgelegt; da wir in Erfahrung kommen/ daß die Schlaucherey ſonderbahr
bey den Geiſtlichen ein ſolches Greuel in den Augen GOttes ſeye? O wie
viele werden nicht unter den weltlichen Leuten gefunden/ die nicht wiſſen was
Hunger ſeye? die ſich immer und dergeſtalt erſaͤttigt halten/ daß es ſie ſchier
niemahlen huͤngert; denen es unmoͤglich ſcheinet/ anders/ als mit vollem
Bauch zu ſchlaffen; und ſollen jedoch nicht vermeinen/ daß ſie unter die
Zahl der jenigen gehoͤren/ denen Chriſtus mit dieſen Worten gedreuet hat:
Wehe
[441]Vom Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit.
Wehe euch/ die ihr erſaͤttiget ſeyed/ dann es wird euch hün-Luc 6. [...].
25.
gern. Sie vermeinen nicht daß ſie das angehe/ ſondern/ daß es den Roͤmern
allein geſagt ſeye/ was der H. Apoſtel Paulus in ſeinem Send-Schreiben
meldet: Nicht in Freſſen und Sauffen\&c.ſondern ziehet denRom. 12.
v. 13.
Herrn JEſum Chriſtum an/ und thuet daß nicht/ darnach
das Fleiſch trachtet in ſeinen Lůſten. Sie gedencken auch nicht
daran/ was der weiſe Mann ſagt: Wan man zuviel Speiſe nimbt/Eccli 37.
v. 33.
darauß entſte het Schwachheit; Schwachheit ſo wohl der Seelen/
als deß Leibs/ wie ſichs in den oberwehnten beydẽ traurigen Geſchichten gnug-
ſamb erwieſen hat. Am Leib wird verurſachet das Podagra an den Fuͤſſen/ das
Chiragra an den Haͤnden/ die Cholick im Bauch/ der Stein in den Nieren/
die Waſſerſucht und das Fieber am gantzen Leib \&c. Dahero ſagt recht und
wohl der H. Chryſoſtomus: Daß die jenige Speiſen/ ſo nicht außHom. 21.
Nothwendigkeit genommen werden/ keine Nahrung/ ſon-
dern eine Peſt deß Leibs/ und die Erſaͤttigung ein Vrſprung
aller Kranckheiten ſeyen. Und der H. Ambroſius ſtimmet auch bey
mit dieſen Worten/ und ſagt: Sehr viele hat der Fraß getoͤdtet/Ser. de
Cain \&
Abel.
keinen aber die Maͤſſigkeit: unzahlbaren hat der Wein ge-
ſchadet/ keinem aber der Abbruch deß Weins. So viel die
Seel betrifft/ verurſachet der Fraß die Hoffart; indem ſich die ſchleckerige
Freſſer uͤber die Arme erheben/ und ſelbige verachten. Er mehret den Geitz;
weilen die Freſſige Schlemmer mehr und mehr nach Rei chtumben trachten/
damit ſie ihrem Bauch deſto beſſer moͤgen gnug thuen. Der Fraß und Trun-
ckenheit vermehren den Zorn/ geſtalt man leider taͤglich erfahret/ daß durch
uͤbermaͤſſiges Eſſen und Trincken die Gemuͤther der Menſchen entzuͤndet
werden/ und faſt keiner dem andern weichet. Er bringt auch die Miß-
gunſt; indem die Schlemmer andern mißgoͤnnen/ was ſie offtmahl ſelbſt
entrathen muͤſſen. Er gebaͤhret auch die Geylheit/ zumahlen gewiß iſt/ daß/
wie der H. Hieronimus ſagt/ die Erſaͤttigung die Geylheit immer nach ſich
fuͤhre. Und der geiſtreiche Climacus haltet darfuͤr/ daß der jenige/ welcher ſei-Grad. 14.
nem Bauch dienet/ und dannoch den Geiſt der Unkeuſchheit zu vertilgen trach-
tet, eben ſo viel außrichte/ als der jenige/ ſo das Feuer mit Oel zu loͤſchen ſich
unterſtehet. Endlich verurſachet der Fraß auch das abſcheuliche Laſter der
Faulheit/ nach dem Spricht-Wort: kein voller Bauch/ zur Arbeit tauch.
Und gleich wie zum Arbeiten und Studiren die fraͤſſige Menſchen unbequem
ſeynd; alſo fallet auch denſelben das Betten ſehr ſchwaͤr: daß alſo der H. Kir-
chen-Lehrer Gregorius recht und wol ſagt: Auß dem eintzigen Laſter
K k kdeß
[442]Die Sechs und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
deß Fraaſes werden unzahlbare Schaaren der La-
ſter/ die Seel deß Menſchen zu beſtreiten/ ins Feld
geſtellet.
5. So viel dann nun einen jeden Chriſt- und Tugend-liebenden Men-
ſchen angehet/ ſoll er alle Gelegenheiten deß Fraaſes/ und die gar zu oͤfftere
Gaſtereyen beſtmoͤgligſt fliehen; zumahlen bey ſelbigen die Goͤttliche Maje-
ſtaͤt/ durch uͤbel Nachreden/ durch Scheld- und Schmaͤh-Wort/ und durch
andere ungereimbte ſottige Venus-Reden ins gemein ſehr hoch beleidiget
wird/ wann die Zung durch die Krafft deß Weins und ſchleckerhafften Spei-
ſen geloͤſet wird. Bey den Gaſtmahlen/ davon die H. Schrifft meldet/ iſt
Gen. 40.allzeit das menſchliche Blut geopffert worden. Der Koͤnig Pharao hat in
einem anſehnlichen Gaſtmahl einen ſeiner Diener zum Strick verdammet.
Ammon ein Koͤnigs Sohn hat auff der Mahlzeit ſeines Bruders Abſolonis
2. Reg. 13.
Judit. 13.
Heſter. 7.ſein Leben und Holophernes ebenfals den Kopff im Stich gelaſſen. Der
anſehnliche Aman wird von der Taffel deß Aſſueri zum Galgen gefuͤhret.
Herodes befilcht am Tiſch in Gegenwart vieler Fuͤrſtlichen Perſonen/ man
Matth.
14.
Exod. 3.ſolle dem unſchuldigen Joanni das Haupt im Kaͤrcker abſchlagen. Das
Jſraelitiſche Volck/ nachdem ſelbiges wohl gezecht hat/ ſtehet auff zum
Goͤtzen-Dienſt/ und bettet das Kalb an. Dieſe und dergleichen groſſe Ubeln
haben ſich vorzeiten taͤglich zugetragen; derhalben pflegte der Vatter Job
fuͤr ſeine banquetirende Kinder den Allmaͤchtigen GOtt taͤglich ein Opffer zu
ſchlachten/ und denſelben alſo zu verſoͤhnen/ dieweilen er verſichert ware/
daß die Mahlzeiten ſelten ohne Suͤnden koͤnnen gehalten werden. So
iſts dann beſſer/ mein Chriſtliche Seel/ nach Meinung deß Weiſen
Manns: Daß du geheſt in ein Hauß/ da man traurig iſt/
Eccl. 7.
v. 3.als in ein Hauß da man Gaſtmahl haltet; dann in jenem
wird man deß Ends aller Menſchen erinnert/ und der
Lebendige gedenckt daran/ was er hernach ſeyn werde.
Jn den Freuden aber der Gaſtmahlen verliert der arme die jenige heylſame
Forcht/ die er zu ſeinẽ vortheil vorhin erworben hatte. Und was noch mehr iſt/
In cap.
5. Job.ſagt auch der H. Gregorius rund auß: Es werden keine Gaſtmahl
gehalten/ allwo nicht Todt-Sůnden begangen werden.
Von dieſem H. Vatter und Kirchen-L[e]hrer ſetz ich einen Sprung zuruck
ins Heydenthumb/ und hoͤre den blinden Diogenem einem Juͤngling/ der
zum Gaſtmahl geladen ware/ treulich rathen/ er ſolle nicht dahin gehen.
Warumb
[443]Vom Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit.
Warumb nicht/ mein Diogenes? Quia dererior redibis, ſagt er: wei-
len du ſchlimmer wirſt zurůck kommen. Dahero pflegte der
heilige Vatter Ambroſius zu ſagen/ daß drey Ding ſeyen/ zu denen er
keinem Menſchen rathen wolle: nemblich der Eheſtand/ der Krieg und die
Gaſtmahlen.
6. Hoͤre nun/ mein Chriſtliche Seel/ zu Beſtaͤttigung der Warheit/ was
ſich neben unzalbaren andern merckwuͤrdigen Geſchichten/ auch einsmals
auff einem Gaſtmahl in Welſchland mit einem ſichern Graffen/ deſſen
Nahm Leontius/ hat zugetragen. Dieſer Graff ware einer Meinung mitHiſtoria.
dem viehiſchen Epicuro/ und hielte darfuͤr/ daß es allhier auff dieſer Welt
muͤſſe gefreſſen/ geſoffen und geſchwermbt ſeyn/ dieweilen die Seel mit dem
Leib dahin ſtuͤrbe. Da nun ſelbiger einsmals dem Adel deß Lands ein herr-
liches Gaſt-Mahl zubereiten laſſen/ und vorhin bey einem Kirch-Hoff vor-
bey ſpatziret/ hat er einen Todten-Kopff villeicht ungefehr auff der Erden
ligend/ gefunden/ welchen er mit einem Fuß geſtoſſen/ und ſchertz-weiß alſo
angeredet hat: Hoͤr an/ du außgeduͤrretes Bain/ was ich dir ſage/ und
antworte mir auff meine Frag. Jſt das wahr/ was die Leuth glauben; daß
die Seel deß Menſchen unſterblich ſeye? Wann zu deinen Leb-Zeiten auch
ſolcher Gaſt bey dir gewohnet hat/ wo iſt er nach deinem Todt verblieben; iſt
er zumahlen vergangen/ oder iſt noch was darvon uͤbrig? iſt ihm wohl/ oder
uͤbel? ſag mir/ wird die andere Welt ewig dauren/ oder iſts ein Fabul/ was
die Pfaffen von Auffenthaltung der Todten ſchwaͤtzen? nachdem der viehiſche
Leontius ſeine Fragen geendiget/ ladet er den Todten-Kopff auff ſein
Gaſtmahl/ ſo da bereitet wurde; und befilcht ihm/ dennoch ſchertz-weiß/ er
ſolle mit andern Gaͤſten erſcheinen/ und die fuͤrgeſtelte Fragen beantworten.
Jn dem nun bald hernach auff beſagter Gaſtereyen alles luͤſtig und froͤh-
lich iſt/ die Geſundheit fein tapffer herumb getruncken/ und die allerkoͤſtlich-
ſte Speiſen inzwiſchen in groſſer Anzahl auffgetragen werden/ die lieblichſte
Muſie ſich auch hoͤren laſſet/ alle guter Ding ſeynd; ſiehe/ da kombt einer
der Dienern voller Schroͤcken zum Gaſt-Zimmer hinein/ und verkuͤndiget
ſeinem Herrn/ daß ein Frembdling/ oder mehr ein lebendiges Ebenbild
deß Todts/ ſo nur in lauter Bainen beſtuͤnde/ ſich anmelde/ und dem
Gaſt-Mahl beyzuwohnen verlange. Da nun hieruͤber alle anwenſende
Gaͤſt ſich hefftig entſetzten/ befilcht der Graff/ man ſolle das Ungeheur
fragen/ was ſeyn Anbringen ſeye. Dieſes aber gibt alsbald zur Antwort/ er
ſeye einer von den geladenen Gaͤſten/ und zwarn an ſelbigem Tag von dem
K k k 2Gra-
[444]Die Sechs und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
Graffen/ da er den Kirch-Hoff vorbey gangen/ zur Tafel beruffen wor-
den: und ob er ſchon nicht habe zugeſagt; ſo waͤre er doch umb die
vorgeſtellte Fragen zu beantworten erſchienen. Le[o]ntius hoͤrt an das Begeh-
ren/ und erinnert ſich/ nichtohne Grauſen deß Todten-Kopffs/ mit dem er
nicht lang vorhin geſchertzet hatte: befilcht dar auff denen behertzigſten ſeiner
Knechten/ ſie ſollen den beinernen Gaſt zum Galgen weiſen; andern aber
ſchafft er die Thuͤren uͤberallzu verriegeln/ im Fall das Ungeheuer Gewalt
brauchen wuͤrde. Der todte Coͤrper aber hat alle Rigeln zerbrochen/ und iſt
dem zu Tiſch ſitzenden Graffen zugeeilet/ ſich an deſſen ſeite begeben/ und den
Gaͤſten geſagt/ ſie ſolten die angefangene Tiſch-Freuden in aller Froͤligkeit
fortſetzen; und ob er ſchon in langer Zeit weder Speiß noch Tranck genom-
men habe/ ſo ſeye er jedoch nun kommen/ umb ſie zum Trincken anzufriſchen.
Jch bin aber der Meinung/ es werden auff dieſes frembden Gaſtes entſetzli-
ches zuſprechen wenig Glaͤſer mehr herumb geflogen ſeyn; indem der groſſe
Schrecken allen den Appetit und Luſt zum Zechen ohne Zweiffel wird be-
nommen haben: Es hat ſich einer nach dem andern darvon gemacht/ daß alſo
der Graff mit ſeinem geladenen Knochen-Gaſt allein an der Tafel verblie-
ben/ deme er den Weeg zum Außreiſſen verſperret/ und mit dieſen Worten
angeredet hat: kenneſt du mich nicht? Jch bin der jenige/ deſſen Kopff du zu-
vorn mit Fuͤſſen von dir geſtoſſen/ und zu deinem Gaſtmahl/ umb die gethane
Fragen zu beantworten/ citirt haſt. Die erſte Frag iſt: ob die Verſtorbene
hernach ewig leben werden? Die andere iſt/ ob die begangene Suͤnden von
einem Gewalt haaͤenden Richter geſtrafft/ und hergegen die Tugenden be-
lohnt werden? Nun bin ich auß Befelch deſſelbigen goͤttlichen Richters/
deſſen Fuͤrſichtigkeit du unverſchaͤmbter Geſell haſt außgelacht/ allhier
zugegen/ auff daß ich dir zeige/ daß mit dem Todt deß Menſchen nicht
alles ſterbe; ſondern daß die Seel ihr Leben in die andere Welt mit ſich
nehme/ und daſelbſt oder ewig gluͤckſeelig in Frewden/ oder ewig armſelig
in brennenden Flammen verharren werde. Du ſolſt nun daran nicht
zweiffeln/ zumahlen ich dich nicht betriegen mag/ der ich dein Groß-Vat-
ter/ und du mein Vetter biſt: wir ſeynd aber/ leider! beyde ungluͤck-
ſeelig: ich hab durch mein ſuͤndhafftes Leben verdienet/ daß ich biß hier-
zu/ und in alle Ewigkeit brenne/ und doch niemahl (das ich doch
wuͤnſchen moͤchte) verbrennen werde: das Fewer iſt bey mir unſterblich/
und das Leben kombt zu keinem Abgang: was ich leide/ daß hab
ich auß gerechtem Urtheil GOTTES verdienet; und
du/
[445]Vom Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit.
du/ mein Vetter/ der du alle Forcht deß wahren GOttes von dir verworffen
und nunmehr eine geraume Zeit in Saͤnden gelebt haſt/ du muſt mit mir
von hinnen/ und mit mir ewig brennen; mach dich zur reiſen fertig/ mein
Bluts-Verwandter; wir muͤſſen einen andern Tantzthuen/ die herrliche Ta-
fiel mit allen deinen Reichthumen muſtu andern zu theil laſſen/ dieſe Welt
muß mit einer andern unbekenten Welt verwechßlet/ und das Zeitliche mit
dem Ewigen vertauſchet werden. Uber dieſem hat der verdambte Geiſt den
Leontium ergriffen/ und mit ſolcher Gewalt an die Waͤnde deß Zimmers
geſchmettert/ daß mit dem Gehirn und Blut die Mauren bekleidet worden:
und weilen man von uͤbrigem Leib nichts mehr gefunden hat/ ſo ſtehet zu
glauben/ daß dieſer Groß-Vatter ſeinen Vetter mie Leib und Seel zu ſich
in die ewige Verdambnuß hinweg geſchlept habe. Dieß iſt der Außgang
eines Gaſt-Mahls.
7. Was nun bißhero von dem Fraß gemeldet worden/ daß kan ebenfals
von der Trunckenheit geſagt werden; und gleich wie dieſe beyde Laſter ſich
immer pflegen zu vergeſellſchafften; alſo findet man/ daß von einem ſo wohl/
als vom andern ſehr merckliche Ubel entſtanden ſeynd. Der fromme LothGen. 19.
hat durch die boͤſe Exempel ſeiner Nachbarn/ der Sodomiter und Gomor-
reyer nicht koͤnnen zum Fall gebracht werden; vom Wein aber iſt er uͤber-
wunden worden/ und hat ſich in der Trunckenheit mit einer doppelten Blut-
Schand beflecket. Der ſtarcke Samſon/ da er vom Wein berauſchet iſt/Jud. 16.
wird er durch eine Buhlerin ſeinen Feinden in die Haͤnde gelieffert. Da-
hero ermahnet uns der Apoſtel/ und ſagt: Sauffet euch nicht vollc. 5. 18.
im Wein/ darin ein unzůchtig weſen iſt. Und der H. Hierony-In Reg.
Mon.
mus haltet darfuͤr/ daß alle/ ſo der Trunckenheit zugethan ſeynd (ſo da nemb-
lich ohne Rauſch nicht ſchlaffen koͤnnen) recht und wohl Kinder Belial/ das
iſt Kinder deß Teuffels moͤgen genennet werden; dieweilen der Bauch/ ſo
vom Wein ſiedet/ gar leicht zur Geilheit uͤberlauffet. Mit einer andern
gar ſchoͤnen Gleichnuß trettet ebenfals herfuͤr der H. Chryſoſtomus/ und
ſpricht: Gleich wie ein Schiff/ ſo mit dem Waſſer erfůlletHom. 9.
in Gen.
wird/ in den Grund ſincket/ wanns nicht kan erſchoͤfft
werden; alſo gehet der Menſch zu Grund/ wann er ſich
dem gefaͤhrlichen Meer der fůllerey und Trunckenheit
vertrauet: er verlieret alle ſeine Vernunfft/ und wird in den
Abgruund der Hoͤllen geſtůrtzet. Solſtu nun/ mein Chriſtliche
Seel/ uͤber dieſe Meinung der H. H. Vaͤtter ein bedencken haben; als
K k k 3wann
[446]Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
wann ſelbige mit einem ſo gemeinen Verbrechen gar zu ſcharff verfahren
thaͤten; ſo hoͤre deinen Heyland uͤber dieſes Laſter an/ der dich und mich mit
Luc. 21.
34.dieſen wohl-meinenden Worten aviſiret: Hůtet euch/ daß euere
Hertzen nicht etwan beſchwaͤret werden mit dem Fraaß.
Auß deſſen Goͤttlichem Mund rufft uns auch der H. Paulus zu/ und ſagt:
1. Cor. 6.
9.Jrret nicht; weder die Trunckenbolten/ weder die Laͤſterer
werden das Keich GOttes beſitzen.
8. Was iſt aber die Trunckenheit anders/ als ein Mutter deß
Zancks/ ein Zeugerin deß Zorns und Grimmen/ ein Verſpoͤtte-
rin der Tugenden und guten Werck/ und eine Lehr-Meiſterin deß
Hom. 28
in Matt.Willmuhts. Derhalben rufft der heilige Chryſoſtomus/ und
ſagt: O wann du eine menſchliche Seel/ ſo da mit
Sůnden/ und ſonderbahr mit den Sůnden deß Fraaßes
und der Trunckenheit behafftet iſt/ mit den Augen
deß Hertzens beſchauen moͤgteſt/ ich zweiffle nicht/
du wůrdeſt darfür halten/ daß ein lebendiger Leib
viel beſſer in einem ſchwartzen Grab; als eine Seel
im lebendigen Leib/ durch den Wein begraben lige.
Ach/ ach/ wie viele hats ihrer Anſchlaͤg gereuet/ die ſie in der Trun-
ckenheit haben vorgenommen! wie viele haben im Rauſch ſich ſelbſt verra-
L. 2.
aphd.
Hiſtoria.then/ wer ſie ſeyen/ die vorhin von jederman fuͤr gut gehalten worden! von
dergleichen unbeſonnenen Saͤuffern erzehlet Thomas Cantipratanus, daß
derſelbe drey einsmals in einem Wirts-Hauß/ nachdem ſie durch den Wein
erhitzet/ von den Geheimnuͤſſen der andern Welt/ von der unſterblichkeit der
Seelen/ und von den hoͤlliſchen Peynen/ unter dem Zechen zu reden angefan-
gen: deren dann einer auß uͤbermaͤſſiger Frechheit hat ſagen doͤrffen: wir
laſſen uns von den Pfaffen betriegen/ indem wir deren Wort glauben/ daß
nemblich die Seel nach dem Todt deß Menſchen noch lebe. Da nun hier-
uͤber bey den Anweſenden ein Gelaͤchter entſtehet/ geſellet ſich denſelben ein
langer und ſtarcker Menſch zu/ fordert auch einen Trunck/ und fragt/
weſſen ſie ſo hertzlich lacheten. Deme antwortet der gemeldte Unglau-
bige und volle Bolt/ und ſagt: Wir erzehlen allhier die Traͤumb
der Pfaffen: und ſetzt hinzu: daß/ wann einer ſeiner Seelen
begierich waͤre/ er ihm ſelbige umb einen geringen Preyß verkauffen/
und das Geld zum Beſten geben wolte. Hierzu lachen abermahl
die uͤbrige Sauff - Bruͤder; der zu letzt angekommene aber
erbie-
[447]Von dem Laſter deß Fraaßes und der Trunckenheit.
erbietet ſich auch mit halb lachendem Mund/ die Seel zu kauffen. Der Han-
del gehet an; ſie werden deß Kauffs einig; der Kauffer zahlet mit bahrem Geld/
und die Seel wird ihm verſprochen; man ſauffet allerſeits fein wacker drauff:
bey ſpaͤter Nacht ſagt der Kauffman: ich mercke wohl/ der Wein erlegt uns;
und wir werden vom Schlaff uͤberwaͤltiget; es iſt Zeit/ daß ein jeder nach Hauß
gehe. Jhr aber/ ſagt er/ meine Geſellen/ ſprechet das Vrtheil/ ob dem jenigen/ ſo
da ein Pferd kauffet/ auch der Zuͤgel/ daran das Pferd gebunden geweſen/ zu-
gleich gebuͤhre? Die verſoffene Richter fehlen die Sententz und ſagen/ das dem
Kaͤuffer deß Pferds auch der Zuͤgel zugleich verkaufft werde. Kaum ware
das Vrtheil geſprochen; ſiehe/ da greifft der vermeinte Kauffman ſeine Waar
mit groſſer ungeſtuͤmmigkeit an/ und fuͤhret den Gotts-laͤſteriſchen Boͤßwicht
mit Leib und Seel in die Hoͤhe zur Gaſt-Stuben hinauß/ und/ wie billig zu
vermuthen iſt/ in den Abgrund der Hoͤllen hinab.
9. Ein ſchier gleiches Schaw-Spiel iſt zu ſehen geweſen im Jahr ChriſtiHiſtoria.
1595. den 14. Martii. An dem ein erſchroͤckliche und ungeheure Mißgeburt
zur Welt gebracht worden; welche am vorderen und oberen Theil deß Leibs/
einem Menſchen; am hinderen und unter Theil aber iſt einer Schlangen
gleich geweſen; hat auch einen drey Elen-langen Schweiff gehabt; und hat
dieſe menſchliche Schlang nicht laͤnger gelebt/ biß ſie das jenige verrichtet
hat/ darumb ſie kommen ware. Es ware aber der Vatter derſelben ein ſolcher
Schlemmer und Boͤßwicht/ daß er weder Gott/ weder die Menſchen foͤrch-
tete. Dieſer gehet am Sontag in der Faſtnacht Qinquageſima genand/ zum
Wirtzhauß/ umb daſelbſt dem Sauffen und Wuͤrffel-Spiel nach Gewon-
heit abzuwarten/ und ſonſt allerhand Boͤßheit zu veruͤben: ihm folgt aber ſein
ſchwangeres Weib auff dem Fuß nach/ und bittet ihn er wolle doch das
Boͤſe meiden/ und widerumb nach Hauß kehren: er aber ſchlagt nicht allein
die Reden ſeines Weibs in den Wind/ ſonderen auch das arme Weib er-
baͤrmlich mit Faͤuſten/ und befilcht ihr/ ſie ſolle mit dem Teuffel/ ihrem
Mann/ den ſie im Leib trage/ nach Hauß gehe/ und laſſen ihr denſelben in
ihren Kinds-Noͤthen beyſtehen: wofern ſie aber nach alsbald gehorchen
wuͤrde/ ſo wolle er denſelben den Degen biß ans Gefaͤß ins Leib ſtoſſen Hier-
auff antwortet das Weib/ und ſagt: vermeinſtu dann/ daß ich
einen lebendigen Teuffel bey mir habe? Wolan ſo ſey es dann.
Weiters redet daß Weib kein Wort mehr/ ſonderen laſſet den Mann
bey ſeinen loſen Geſellen/ gehet nach Hauß/ und gebaͤhret zur Stund dieſe
grau-
[448]Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
grauſame unerhoͤrte mißgeſtalt/ welche allen Zuſchauern ein groſſes Schre-
cken verurſachet. Der verſoffene Mann kombt auch endlich nach Hauß/
und gehet hinein/ alwo die Kind-Betterin und das neu-gebohrne Ungeheur
ligen: und/ ſiehe/ alßbald wirfft ſelbiges ſeine Augen auff dieſen Vatter/
ſpitzet das Maul gleich einem Falcken/ ſchlagt ihm ſeinen langen Schweiff
umb den Leib/ und verletzet denſelben mit ſeinen gifftigen Stichen dergeſtalt/
daß er erſtlich am gantzen Leib mit vielen Geſchwuͤltzen außgefahnẽ/ gleich dar-
auff aber dm Teuffel in den Rachen gefahren iſt. Nach dem Todt deß Mans
iſt auch bald das Weib geſtorben/ und nach dieſer das Ungeheur. Ob nun
zwarn Gott dergleichen grauſame Straffen gegen die Saͤuffer und Schlem-
mer nicht allzeit veruͤbet; ſo koͤnte ich dennoch deren ſehr viele erzehlen/ wann
ich der Kuͤrtze mich nicht befleiſſete. Es ſolle billig und allen Chriſt-lie-
benden Menſchen gnug ſeyn/ was der Prophet Joel uns zuruffet und ſagt:
Joël. 1.
v. 5.Wachet auff die ihr truncken ſeyet/ weinet und henlet alle/
die ihr den ſüſſen Wein mit Luſt trincket; dann er iſt von
euerem Maul hinweg genommen. Was fuͤr unbeſchreibliche
Ubeln ſo Leibs als der Seelen von der Trunck enheit taͤglich entſtehen/ laſſen
wir einen jeden ſelbſt urtheilen: derhalben man in andern Landen dieſes La-
ſter/ als ein Urſach aller Laſtern/ fuͤr andern am meiſten flichet/ und ſtraffet.
Wolte GOtt/ daß auch in unſerm lieben Teutſchland dieſe Untugend/ ſo
wohl an Geiſt- als Weltlichen mit mehrerm Ernſt und Nachtruck gezuͤch-
tiget wuͤrde! Es ſtraffet zu Zeiten eine Obrigkeit ihre untergebene wegen
deß uͤbermaͤſſigen und unmaͤſſigen trincken/ haltet aber darin ſelbſt keine
Maaß; dahero entſtehet/ daß ſie die Beſtraffung oder nicht doͤrffen vor-
nemmen/ oder jedoch gantz Macht- und Krafftloß
veruͤbet werden.
Die
[449]
Die Sieben und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von dem Gebett.
Amen, Amen dico vobis, ſi quid petieritis Patrem inJoan. 16.
v. 23.
nomine meo, dabit vobis.
was bitten werdet in meinen Nahmen/ ſo wird ers euch
geben.’
Der Erſte Theil.
1. DAs Gebett/ ſagt der H. Joannes Damaſcenus/ iſt eine ErhebungL. 3. de
Fid.
In Pſ. 85.
deß Geiſtes zu Gott. Und der H. Vatter Auguſtinus tauffet daſ-
ſelbige alſo/ und ſagt: Das Gebett iſt eine Kede zu Gott:
dann/ ſo du leſeſt/ redet Gott mit dir; wan du betteſt/ ſo re-
deſtu mit Gott. Weitlaͤuffiger entwirfft das Gebett der geiſtreiche
P. Alvarez/ und ſagt: Betten/ iſt ſeinen Geiſt zu Gott erheben/ und denſel-
ben alle ſeine Sachen in geheimb und mit groſſer Ehrbietſamkeit vertrawen/
gleich wie ein Freund dem anderen/ dem er trawet/ zu thuen pfleget. Was
nun das Gebett fur Wirckung habe/ zeigen uns gar ſchoͤn die H. H. Vaͤtter;
und zwarn erſtlich der H. Dionyſius Areopagita, als der aͤlteſte entwirfftL. de Di-
vin. nom.
das Gebett durch ein guͤldenes Kettlein/ ſo von dem Himmel herab gelaſſen
wird/ und uns zu unſerm Gott in den Himmel hinauff ziehet. Nach die-
ſem lehret uns der H. Chryſoſtomus und ſagt; daß/ gleich wie deß MenſchenL 3. de
orand.
Deum.
Leib ohne Sen-Aderen ſich nicht bewegen kan/ alſo koͤnne die Seel nichts
richten ohne das gebett; und geſchehe zu Zeiten/ daß die Seel vom Gebett
verlaſſen/ einem Gicht-Bruͤchtigen nicht unaͤhnlich ſeye. Gleich wie der
Leib/ ſagt er/ durch die Aderen zuſammen gehalten wird/ lauffet/ ſtehet/ ſprin-
get/ und lebt: alſo/ daß/ wann du die Aderen durchſchneideſt/ die gantze Zu-
L l lſam-
[450]Die Sechs und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
ſammenſtimmung deß Leibs auffloͤſeſt: alſo werden die Seelen durch das H.
Gebett zuſammen gehalten/ und koͤnnen den Gottgefaͤlligen Weeg ihrer vor-
genommenen Andacht gar leichtlich lauffen. Was ein Fiſch iſt ohne
Waſſer/ das iſt ein Chriſtliche Seel ohne Gebett/ ſagt der mehrgemelte
Chryſoſtomus. Dieſem laſſet nichts nach der H. Bernardus/ und vergleichet
Serm. 49.
in Cant.das Gebett einem Wein-Keller/ zu welchem der Brautigam ſeine Braut/
das iſt/ die geliebte Seel einfuͤhret; damit ſie daſelbſt an dem Wein der wah-
ren Andacht truncken werde/ welcher/ auß dem Bach der Wolluſt getrun-
cken wird/ und das Hertz erfreuet.
Serm. 126
de Temp.2. Der hocherleuchte Vatter Auguſtinus benamſet das Gebett einen
Schluͤſſel deß Himmels: dann ſelbiges/ ſagt er/ ſteiget hinauff/ und die
Barmhertzigkeit Gottes ſteiget herunter: und obſchon Himmel und Erd
weit von einander geſondert ſeynd; ſo erhoͤret doch unſer Gott die Stimm
deß Menſchen/ der ein reines Gewiſſen hat. Und an einem anderen Ort
bricht er unter anderen Lob-Spruͤchen von dem Gebett/ alſo loß: Was iſt
doch fuͤrtrefflicher/ als das Gebett? Das Gebett iſt der Gottliebenden Seel
ein Schutz/ dem guten Engel ein Troſt/ dem Teuffel ein Zuͤchtigung/ dem
Allgewaltigem Gott ein angenehmer Dienſt/ ein Seul der heiligen Tu-
genten/ ein Leider der Seelen/ ein Grund-Veſt deß Glaubens/ ein Lob deß
Gottes-Dinſt/ ein vollkommene Herrlichkeit/ ein ſichere Hoffnung/ und
ein unverweſene Geſundheit. O heiliges Gebett! Seelig iſt/ der dich lie-
bet/ ſeeliger aber iſt/ der dich ſtets uͤbet. Dieß ſeynd alle Lob-Spruͤch deß
obgedachten glorwuͤrdigen Kirchen-Lehrers Auguſtini. Was die natuͤr-
liche Hitze/ ſagt weiters der H. Thomas à Villa nova, im Magen wircket/
das verurſachet das Gebett bey den Menſchen/ in dem ſelbiges das Leben der
Seelen erhaltet/ die Speiſe verkochet/ die Glieder ſtaͤrcket und den gantzen
Apud.
Rodr. p.
1. tr. 5. c. 14Menſchen in gewuͤnſchter Geſundheit erhaltet. Ohne das Gebett/ iſt ein
Geiſtlicher gleich einem Soldaten ohne Gewaͤhr/ der da unſtreitbar und ſo
gar/ wie der Heil. Thomas von Aquin meldet/ gantz nackent und bloß iſt.
Gleich wie nun ein Soldat ohne Gewaͤhr/ ſeinem Feind nur ein Spott iſt/
demſelben zumalen nicht ſchaden kan/ und ohne ſonderbare Muͤhe uͤberwun-
den wird: alſo mag ſich ein Menſch ohne das Gebett/ wider den Anlauff der
hoͤlliſchen Feinden nichts ſchuͤtzen/ ſonderen wird von ſelbigen gar leicht zu
Chry-
ſoſt. l. 1. de
orand.
Deum.Bodem geworffen. Wann uns aber unſere Feinde mit den Waffen deß
Gebetts umb guͤrtet finden/ ziehen ſie ſich zuruck/ und flehen mit Schanden
darvon. Hoͤre weiters/ mein Chriſtlige Seel/ die groſſe und heylſame Er-
ſprießligkeit deß Gebetts. Dieweilen die Tugenten und das Gebett mit-
ein-
[451]Von dem Gebett.
tinander ſehr hart verbunden ſeynd (wie der fromme und erfahrene Alt-Vat-
ter Iſaac bey dem Caſſiano meldet) ſo kan man darauß ſchlieſſen/ daß dasCaſſian.
Coll. 9.
c. 1.
Gebett zu Erwerbung der noͤthigen Chriſtlichen Tugenten ein Groſſes bey-
trage: dann gleich wie das Gebaͤu aller Tugenten zur Vollkommenheit
deß Gebetts zielet; alſo muß ſelbiges auch durch die Krafft und Wirckung
deß Gebetts in Eſſe gehalten werden. Derhalben titulirt der Gottſelige
Climacus das Gebett ein Mutter und Koͤnigin/ eine Speiß und BrunquellGrad. 28.
der Tugenten/ eine Beytraͤgerin der Gnaden/ und ſchließlich/ einen unſicht-
barlichen Fortgang. Wie wohl und recht aber dieſer erfahrene geiſtliche
Schuͤtz gezielet habe/ kanſtu auß den Worten deines Heylands abnehmen/
mit denen er die H. Catharinam von Senis unterrichtet und ſagt: DuDial. c.
66.
ſolſt wiſſen/ mein geliebte Tochter/ daß ein Seel durch
das demůtige/ beharliche und treuliche Gebett die Voll-
kommenheit und alle Tugenten erreiche.
3. Zur Ubung dieſes Gebetts ladet uns Chriſtus abermal mit dieſen hold-
ſeligen Worten: Warlig/ warlig ſag ich euch/ ſo ihr den Vat-Joan. 16.
ter etwas bitten werdet in meinen Nahmen/ ſo wird ers
euch geben. So iſt dann nicht zu zweiflen/ daß wir durchs Gebett alles
von GOtt erhalten moͤgen. Der nun aber das Widerſpiel an ſich erfahret/
der muß ſich ſelbſt die Schuld auffmeſſen/ dieweil er demſelben ſeyn Begeh-
ren/ oder durchs Gebett gar nicht/ oder doch nicht gebuͤhrend hat vor-
getragen; zumalen GOTT nichts gibt/ dann auff vorhergehen-
des Gebett/ wie Chriſtus voͤlliglich mit außtruͤcklichen Worten ſagt:
Bittet/ ſo werdet ihr empfangen. Daß nun gleichwol viele durchJoan. 16.
v. 24.
oͤffteres Gebett nit erhort werden/ iſt erſtlich die Vrſach/ daß ſie durch
die Wolcken der Suͤnden/ dem Gebett den Zugang zum Himmel verhinde-
ren/ in dem ſie ihre mit dem Blut Chriſti beſchmitzte Haͤnde zu GOtt erheben:Thren. 3.
v. 440.
und weilen ein ſolcher unangenehme [Fuͤrſprecher] zum Herrn geſand wird/ ſo
wird/ wie der H. Gregorius ſagt/ das Gemuͤth deß erzuͤrneten Gottes zu noch
groͤſſerem Zorn angereitzet: zumalen nichts unbilligers ungereimbters kan
erdacht werden/ als eben daß wir von GOtt wollen erhoͤrt werden/ und wir
hergegen nicht wollen hoͤren und folgen/ was GOtt uns befehlet. Dieſes
bekraͤfftiget der H. Vatter Auguſtinus und ſagt: Beſſer gefaͤlt GOtt
das Bellen der Hunde/ das Brůllen der Ochſen/ und Grun-
tzen der Schwein/ als das Geſang der mutwilligen Geiſt-
lichen. Und der Weyſe Salomon laſſet ſich auch hoͤren mit dieſer Stimm:
Wer ſeine Ohren abwendet/ damit er das Geſetz nichtProv. 23
v. 9.
L l l 2hoͤre
[452]Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
hoͤre/ deſſen Gebett wird ein Greuel ſeyn. Dieſes alles be-
1547.
Hiſtoria.kraͤfftiget die folgende Geſchicht/ welche der glaubwuͤrdige Boverius erzeh-
let/ daß nemblich der fromme Juſtinus, ſeeligen Andenckens/ ein Capueiner
einsmals in einer Verzuckung zu einiger geiſtliehen GOttes-Haͤuſer ge-
langt ſeye/ denen der Capueiner Orden mißfielte. Jn dem ſelbiger Gott-
ſeelige Vatter nun vermeinet/ er wuͤrde daſelbſt ein Engliſche Muſic zu hoͤren
gewuͤrdiget werden; ſo iſt ihm doch nichts anders/ als ein grauſambes Bel-
len der Hunden/ ein Ruͤchlen der Schwein/ ein Brullen der Ochſen/ und lau-
ter Gott-laͤſteriſche Wort zu Ohren kommen. Uber ſolche ungeheure
Metten hat ſich der Geiſtreiche Mann entſetzt/ und zugleich von GOtt Fuß-
faͤllig zu wiſſen begehrt/ was doch dieſes bedeute. Deme danu zur Antwort
gegeben worden; daß das Gebett der Geiſtlichen/ ſo da ein liederliches Leben
fuͤhren/ ihre Reguln zu halten vernachlaͤſſigen/ und andere im Guten ver-
hindern/ nichts anders ſeye/ als nur Gotts-Laͤſterungen/ und Stimmen
der wilden Thieren. Vermerckeſtu nun/ mein Chriſtliche Seel/ die Ur-
ſach/ warumb der meiſte Theil der Menſchen von GOtt nicht erhoͤret wer-
9. v. 31.de? So ſagt dann recht der H. Apoſtel und Evangeliſt Joannes: Wir
wiſſen/ das GOtt die Sůnder nicht erhoͤret; ſondern/ ſo
jemand GOtt dienen und ſeinen Willen thut/ denſelbigen
15. v. 9.erhoͤret er. Und an einem andern Ort ſagt Chriſtus: So ihr in
mir bleibet und meine Wort bleiben in euch; ſo werdet ihr
bitten/ was ihr wollet/ und es wird euch widerfahren.
Wilſtu nun von GOtt erhoͤrt werden/ ſo halte ſeine Gebott unſtraͤfflich/
und meide die Suͤnd.
4. Die andere Vrſach/ daß viele nicht gehoͤrt werden/ iſt dieſe; daß
ſie nemblich betten mit einem feſten Vertrauen zu GOtt/ wie Chriſtus ſie
Marc. 11.
v. 24.gelehret hat: Alles was ihr bittet in eurem Gebett/ glaubet
nur/ daß ihrs erlangen werdet/ ſo wirds euch widerfahren.
Dahero entſtehet die einhellige Lehr der Schrifft-Gelehrten/ daß die Erlan-
gung der jenigen Sachen/ ſo der Menſch von Gott begehret/ nach dem Glau-
ben deſſelben gemeſſen werde; wie der Koͤnigliche Prophet auch bettet/
Pſal. 32.und ſagt: HErr/ deine Barmhertzigkeit ſey ůber uns/ wie
wir unſer Vertrauen auff dich geſetzt haben. Die dritte
Vrſach iſt; daß ſie nicht verharrlich bitten; ſonderen/ wann ſie nicht alsbald
Hom. 1.
in Evangerhoͤret werden/ zu bitten auffhoͤren. Denen ſagt der H. Gregorius; Gott
will gebetten und genoͤthiget/ ja ſo gar wilt er durch Vn-
geſtůmmigkeit ůberwunden/ und zum Erhoͤren gezwun-
gen
[453]Von dem Gebett.
gen werden: derhalben wird dir geſagt: das Himmel-ReichMatth. 11
leidet Gewalt/ und die Gewalt ůben/ reiſſens zu ſich. So
ſeye dann im Gebett beſtaͤndig/ ſeye ungeſtůmm/ und hůte
dich/ daß du zu betten nicht ablaſſeſt. Wann der jenige/
den du betteſt/ ſich laſſet angehen/ als wann er nicht hoͤre-
te/ ſo ſeye du ein Raͤuber/ auff daß du das Himmel-Reich
erwiſcheſt: brauche Gewalt/ daß du auch dem Himmel Ge-
walt anthueſt. Dieſes iſt ein gute Gewalt-That/ durch
welche du GOtt nicht beley digeſt/ ſondern verſoͤhneſt; dein
Naͤchſter wird dadurch nicht verletzet/ ſondern ihm wird
geholffen; die Sůnd wird nicht gemehret/ ſondern gemin-
dert. Jch ſage abermahl/ daß dieſe ein gute Gewalt-Thaͤti-
gung ſeye/ krafft deren der Menſch einen ſolchen Gewin nit
ſuchet/ der da geſchwind verderbet/ ſondern die jenige
Glůckſeeligkeit/ ſo da waͤret in alle Ewigkeit. Dieſe guͤlde-
ne Lehr hat obgemeldte H. Gregorius ohne allen Zweiffel auß den Wor-
ten Chriſti geſchoͤpfft/ da er ſagt: Wann alsdann jener anhaltenLuc. 11. 8.
wůrde mit Anklopffen; ſo ſag ich euch/ ob er wohl nicht
auffſtehen wird/ und ihm geben/ darumb/ daß er ſein
Freund iſt; ſo wird er doch umb ſeiner Vngeſtůmmigkeit
Willen auffſtehen/ und geben ihm ſo viel/ als er vonnoͤ-
then hat. So pflegt dann denen/ die im Gebett verharren/ zu wider-
fahren/ was ſich mit den jenigen zutraͤgt/ welche in ein finſteres Zimmer
wollen hinein gehen: dieſe/ ob ſie wohl zu Anfangs nichts ſehen; ſo koͤnnen
ſie dannoch alles beſchauen was darinnen iſt/ wann ſie in ſelbigem verhar-
ren. Ebenſelbiges mag hoffen der jenige/ ſo da im Gebett anfaͤnglich we-
nig ſehet/ und gleichwohl in ſelbigem verharret. Dahero ſagt unſer Hey-
land zum andernmahl: Bittet/ ſo wird euch gegeben werden;Luc. 11.
ſuchet ſo werdet ihr finden: klopffet an/ ſo wird euch
auffgemacht werden. Dadieſe Verheiſſung der gelehrte Cornelius
Janſenius betrachtet/ ſagt er/ daß durch dieſe drey Woͤrilein: Begehret/
Suchet/ und/ Klopffet an zumahlen eins bedeutet werde; und nur
allein die Zuſammen-Hauffung der Spruͤchen/ ein vertrauendes/ inſtaͤndi-
ges und eiffriges Gebett erfordere: ſintemahlen das Wort/ Begehren/
ein Vertrauen: das Suchen/ aber einen Fleiß; und das Anklopffen/
einen Eiffer und Beſtaͤndigkeit im Gebett erfordert.
L l l 55. Wie-
[454]Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
5. Wiewohl nun dieſe Verheiſſungen der ewigen Warheit ſicher und ge-
wiß ſeynd; ſo werden nichts deſto weniger viele gefunden/ ſo hieruͤber einen
Zweiffel ſchoͤpffen/ dieweilen ſie oͤffters angeklopfft haben/ und doch nicht
ſeynd erhoͤret worden: ſie haben inſtaͤndiglich gebetten/ eifferig begehret/ und
fleiſſig geſuchet/ und haben doch nichts gefunden/ und nichts bekommen. Da-
hero geſchichts/ daß das gefaſte Vertrauen zu GOtt/ in derſelben Hertzen
allgemach nachgelaſſet/ und der Eiffer zu betten erkaͤltet. Solche aber
Tom. 8.
in Pſ. 140.ſollen hoͤren/ was der H. Vatter Auguſtinus ſagt: Wann GOtt nicht
gibt/ was der Menſch von ihm begehret/ ſo thut er daß
derhalben/ damit ihm nicht hinderlich ſeye was er gibt.
Dieſes ſcheinet zwar ein ſeltzamber Spruch/ und verdunckelte Red zu ſeyn;
iſt aber nach der Richt-Schnur der unbetrieglichen Warheit gemeſſen.
Offtmahl traͤgt ſichs zu/ daß/ wie weniger wir von GOtt erhoͤret werden/
deſto mehr erhoͤret werden: welches durch folgende Geſchicht erklaͤret wird.
6. Ein Buͤrger und Kauff-Mann der Stadt Alexandria/ Nahmens
Philochriſtus/ pflegte ſeine Schiff biß in Africam hinein zu ſchicken/ umb
die/ der Orts erfindliche Waaren zu erkauffen/ und in Europam zubringen.
Da ſelbiger nun einsmahls ſeinen eigenen Sohn und leiblichen Bruder zu
obgedachtem End abgefertiget hatte; gehet er zu dem H. Joannes Eleemo-
ſynarius, oder/ Außſpender der Allmuſſen/ gibt demſelben ſieben und ein halb
Pfundt Golds/ unter die Arme außzutheilen/ und begehret demuͤtiglich der
heilige Mann wolle ſeinen Sohn und Bruder ſambt allen anderen mit-ſchif-
fenden durch ſeyn Gebett dem lieben GOtt befehlen. Der GOttſeelige
Joannes ermanglet ſeines Orts mit nichten ſondern/ bettet fleiſſig; wird
aber nicht erhoͤret. Der Sohn ſtirbt am Fieber/ das Schiff gehet mit allen
Waaren zu Grund/ und werden nur die Menſchen ſalviret. Der
Kauffman wird entruͤſtet/ betauret vor allen ſeinen eigenen Sohn/
und geduͤnckt ihm/ daß er das ſpendirte Gold gleichſamb umb-
ſonſt habe angewendet: gebraucht ſich aber der Fuͤrſichtigkeit/ daß er ſich
weder uͤber GOtt/ weder uͤber den H. Joannem beklage. Dieſer H.
Mann unterſtehet ſich den bteruͤbten Kauffman zu troͤſten/ aber umbſonſt.
Jn Ermanglung der menſchlichen Huͤlff/ thut ſich herfuͤr der Goͤttliche
Troſt; indem die folgende Nacht der hertzlich betruͤbte Kauff-Mann ſihet/
daß ihm der H. Joannes zunahet/ und ihn mit dieſen Worten anredet: Was
bekuͤmmereſtu du dich/ mein Bruder/ und warumb biſtu ſo hertzlich betruͤbet?
Haſtu nicht von mir begehrt/ daß ich GOtt bitten ſolte/ damit dein Sohn
beym Leben moͤgte erhalten werden Nun iſt dein Sohn auß aller Gefahr
errettet/
[455]Von dem Gebett
errettet/ und lebt in der Zahl der Auſſerwaͤhlten GOttes in alle Ewigkeit.
Glaube du mir ſicherlich/ daß/ wann er laͤnger gelebt haͤtte/ ſeinem GOtt/
dir/ und ſich ſelbſten waͤre ewiglich verlohren gangen. So viel
dein Schiff angehet/ ſolſtu wiſſen/ daß/ wann du mit ſo freygebiger All-
moſſen/ den gerechten GOtt nicht verſoͤhnet haͤtteſt/ ſo wuͤrde ſelbiges mit
allen dar in befindlichen Menſchen und deinem Bruder in den Abgrund deß
Meers verſuncken ſeyen. Nun haſtu noch deinen Bruder erhalten.
Derhalben ſtehe auff/ und dancke dem lieben GOtt fuͤr die groſſe Gluͤckſee-
ligkeit deines Sohns/ und wunderbarliche Errettung deines Bruders.
Da der obgemelte Philochriſtus nach dieſem Geſicht erwachet/ eilet er als-
bald zum H. Joannes/ fallet demſelben zu Fuͤſſen/ und erzehlet ihm/ was er
geſehenund gehoͤrt habe. Auß dieſer warhafftigen Hiſtori lehrnen wir/ daß
die Barmhertzigkeit GOttes ſehr groß ſeye; in dem ſelbiger unſer Gebett offt
nicht erhoͤrt zum Vergnuͤgen; aber wohl zu unſerm Heyl/ wie der H. Jſido-
rus meldet; da er auch in folgendem Zeilen ſeine Meinung weiters erklaͤret
und ſagt: Viele bettende werden nicht erhoͤrt/ dieweilen GOtt ihnen ein
beſſeres fuͤr ſelbige vorbehaltet/ als ſie begehren; wie wir an den kleinen Kin-
deren ſehen/ die da GOtt betten/ auff daß ſie in der Schulen nicht gezuͤchti-
get werden. Solches Gebett aber wird nicht erhoͤrt/ dieweilen durch ſotha-
ne Erhoͤrung/ der noͤthige Fortgang im Guten/ verhindert wird.
7. Weiters glaube/ mein Chriſtliche Seel/ dem H. Vatter Auguſtino/
welcher dich verſicheren will/ daß/ wann du recht gebetten haſt/ und dannoch
langſamb erhoͤret werdeſt; dein Gebett dem lieben GOtt gefaͤllig ſeye/ und
er dir dein Begehren nicht abſchlagen werde: und wird dir nachmalen die er-
haltene Sach deſto lieber und angenehmer ſeyn/ wie laͤnger du im Verlangen
derſelben verharret biſt: dann was man leiehtlich erlanget/ wird gemeinnig-
lich nicht hoch geſchaͤtzet. Bitte/ ſuche/ halte an; mit bitten und gelten
wirſtu dich deines Verlangens faͤhig machen. GOtt behaltet dir auff/ und
will dir nicht zu geſchwind geben/ auff das du lehrneſt/ groſſe Ding mit meh-
rerem Eiffer zu begehren. Kein Baum kombt eben gleich nach ſeiner
Pflantzung zur gewuͤnſchter Vollkommenheit/ und tragt Fruͤchten in ſelbi-
gem Augenblick; alſo iſt kein Gebett vergeblich/ dieweilen es nicht alsbald
fruchtbar iſt. Dieß hat dir GOtt vor einigen tauſend Jahren durch die
Taub/ ſo auß der Arcken Noë gelaſſen worden/ ſchon vorbedeutet; in dem
ſelbige den erſten Tag leer/ den achten aber mit einem Oelzweig im Mund iſt
widerkom̃en: Gleicher maſſen/ wan ſchon das Gebett auß deinem Herrtzen iſt
Auß-
[456]Die Sieben und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
außgelaſſen worden/ und du zum erſten und andernmahl nicht erhoͤret wer-
deſt; ſo wird doch dein Gebett zu ſeiner Zeit gewuͤnſchte Fruͤchten/ und
dir den Oel-Zweig der Goͤttlichen Barmhertzigkeit mit ſich bringen. So
ſchaffe dann hinweg die Wolcken der Suͤnden/ und verharremit einer kind-
lichen Zuverſicht im Gebett/ wann du von deinem GOtt wilſt erhoͤret
werden.
Der Andere Theil.
8. NEben andern Nothwendigkeiten wird auch erfordert/ daß dein
Gebett nicht williglich verſtreuet ſeye: dann gleich wie die/ ſo bey
groſſen Herrn Audientz haben/ ihre Diener drauſſen laſſen;
alſo muſſen die jenige/ welche vermittelſt deß Gebetts ihrem GOTT ſich
naͤhern/ die Creaturen und irrdiſchen Geſchoͤpffen (ſo dem Menſchen zum
Dienſt gegeben ſeynd) auſſer dem Zimmer oder Tempel deß Hertzens laſſen.
Der aber dieſem Rath nicht nachlebet/ der wird ſich ehender den Haaß als
die Gunſt deß himmliſchen Koͤnigs auff den Halß laden/ nach Zeugnuß
deß Heil. Chryſoſtomi/ der alſo ſpricht: Wann dir ein bittender zu deinen
Knien niederfallete/ und ſelbige mit ſeinen unflaͤtigen Haͤnden/
die er eben vorhero im Koth herumb geſchlagen/ angriffe; den wuͤrdeſt du
nicht allein nicht erhoͤren; ſondern auch darzu mit Fuͤſſen von dir ſtoſſen. Al-
ſo erhoͤret GOtt das Gebett nicht/ welches mit unſauberem Hertzen ver-
goſſen wird. Dahero iſt dem H. Bernardo widerfahren/ daß er bey den
ordinarien Nachts-Gezeiten einsmals geſehen/ wie die Engelen GOttes
das Gebett eines jeden von ſeinen Geiſtlichen auffgezeichnet haben. Deren
Gebett/ ſo da mit einem Chriſtlichen Eyffer gebettet haben/ iſt mit guͤldenen
Buchſtaben: deren/ die nicht alſo inbruͤnſtig gebettet haben/ als die vorige;
iſt mit ſilbernen: deren/ ſo gutes Willens/ und dennoch im Gebett verſtreu-
et geweſen; iſt mit Dinten; der jenigen Gebett aber/ welche oder mit einer
Todt-Suͤnd beſchmitzet/ oder williglich in ſelbigem verſtreuet geweſen/ iſt
nicht verzeichnet worden.
9. Jch muß aber geſtehen/ daß ein langwiriges Gebett ohne einige Zerſprei-
tung deß Gemuͤts zu verrichten/ ein rares und ſehr muͤhſames Werck ſeye:
derhalben hat der Gottſeelige Alt-Vatter Agathon/ da er gefragt wurde/
zu welcher Tugend die meiſte Arbeit erfordert werde/ recht und wohl geant-
wortet/ daß keine Muͤhe mit der jenigen koͤnne verglichen werden/ die man
im Gebett anwendet: ſintemahlen in den Ubungen aller Tugenden/ ſagt er/
noch
[457]Von dem Gebett
noch bißweilen einige Ruhe gefunden wird; im Betten aber niemahlen: wir
muͤſſen biß zum letzten Athem betten; dieweilen durch ſelbiges unſere aͤrgſte
Feind muͤſſen erlegt werden; derhalben ſuchen ſie mit ſo groſſem Ernſt un-
ſer Gebett zu verſtoͤren/ und alle unſere Auffmerckſambkeit und Andacht in
ſelbigem zu verhindern. Aber/ O GOtt! wer iſt der/ deſſen Gemuͤth zu
Zeiten im Gebett nicht verſtreuet wird? Der H. Vatter Franciſcus ſtraffe-
te an ſich die Verſpreitungen der Gedancken im Gebett/ als ein grobe Suͤnd/
und pflegte ſelbige alsbald zu beichten. Da er nun einsmals die Tertz bette-
te/ faͤlt ihm das Faͤßlein/ ſo er eben vorhin gemacht haͤtte/ in die
Gedancken: dieſes ergreifft er nach verrichtetem Gebett/ wirffs ins Feuer/
und ſagt: ſiehe ich opffere dich dem jenigen auff/ deſſen Opffer du verhindert
haſt Der H. Stephanus ein Ciſtertzienſer Abt pflegte ſeinen Gedancken
im Eingang zur Kirchen zu ſagen: ihr meine Gedancken/ bleibt allhier biß
ich wiederumb zuruͤck komme/ alsdann meldet euch wiederumb an/ wanns
noͤthig iſt. So iſt dann dieſes eine Kunſt der Kuͤnſten/ daß der Menſch ſei-
ne gute Gedancken im Gebett alſo zu GOtt hefften koͤnne/ daß ſie nicht biß-
weilen geſtohlener Weiß auß dem Gemuͤth deß Bettenden ſich entziehen. Jn
dieſer unſer Unbeſtaͤndigkeit und Armſeeligkeit troͤſtet uns der Geiſtreiche
Climaeus mit dieſen Worten: Wann du betteſt/ und alsdannGrad. 4.
der Feind gar glimpfflich hinein wiſchet/ und dir die Jn-
tention deines Gemůts heimlich wie ein Dieb entfrembdet/
ſo verzage doch nicht/ wofern du dich immer befleiſſeſt/ die
ſchlifferige Gedancken wiederumb zum Stand zu bringen:
dann dieſes iſt den Engeln GOttes allein gegeben/ daß ſie
von dergleichen Dieben befreyet ſeynd.
10. Dieweilen nun dieſem alſo: als haben die H. H. Alt-Vaͤtter fuͤr
rathſamb befunden/ daß man furtze/ aber oͤfftere Gebett verrichte; wie der
H. Vatter Auguſtinus bezeugt und ſagt: Unſere Bruͤder in Ægypten haben
zwarn oͤfftere/ aber ſehr kurtze/ und/ wie man ſie nennet/ Schuß-Gebett; da-
mit die Jntention oder Meinung/ ſo da mit ſchuldiger Wachtſambkeit iſt
angefangen worden/ und dem bettenden hochnoͤthig iſt/ in dem langwirigen
Gebett nicht verſchwinde und gehemmet werde. Dieſe Manier zu bettenPallad.
kombt von Unterrichtung deß Engels her/ welcher dem H. Pachomio zwoͤlff
mahl im Tag zu betten gerathet hat: und in dem ſich der H. Mann uͤber die all-
zugeringe Zahl deß Gebetts beklagt; hat ihm der Engel geantwortet/ daß er di-
ſerthalbẽ ſo weniges Gebett verordnet habe/ damit die anfangende deſto beſſer
und leichter in vollziehung ihrer Reguln ſich uͤbẽ moͤgtẽ; zumalẽ die Vollfm̃ne
M m mkeiner
[458]Die Sieben und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
keiner Vorſchreibung noͤtig haͤtten/ in dem ſie durch Betrachtungen in
den Cellen ihr gantzes Leben zubringen koͤnten. Auch befilcht der H. Vatter
Benedietus in ſeinen Regulen/ daß das Gebett der Bruͤder kurtz und rein
ſeye; dieweilen nach Zeugnuß deß heiligen Romualdi, eineintziger Pſalm/
ſo von Hertzen geſprochen wird/ beſſer iſt/ als hundert/ welche mit Ver-
ſtreuung deß Gemuͤts gebetten werden. Mann ſoll ſich/ ſagt der heilige
Macarius/ im Betten nicht vieler Wort gebrauchen/ ſondern die Haͤnd
oͤffters zu GOtt erheben und ſagen: HErr/ wie du wilſt/ ſo geſchehe es.
Der heilige Seraphiſche Franciſcus verrichtete Tag und Nacht nur dieſes
S. Bona v.
in Vit.kurtze Gebettlein. Mein GOtt uns alles: und wurde in kurtzem hier-
auß alſo in der liebe GOttes entzuͤndet/ daß er vielmahlen von der Erden er-
hebt/ und mit einem hellſcheinenden Woͤlcklein umbgeben/ iſt geſehen worden.
11. Jm uͤbrigen/ weilen unſerm hoͤlliſchen. Widerſager die Fuͤrtrefflich-
keit deß andaͤchtigen und aufmerckſamen Gebetts wohl bewuſt iſt; ſo bemuͤhet
er ſich auß allen Kraͤfften/ daſſelbige nicht allein verſtreuet/ ſondern auch
traͤg und ſchlaͤffrich zu machen/ oder auffs wenigſt zu verſtoͤren daheropfleg-
ten wir Schertz-Weiß zu ſagen von dem wir uͤbel wollen: er iſt mir ſo lieb/
Hiſtoria.
Specul.
Exemp.wie dem Teuffel das Gebett: und fuͤrwahr/ wie ſehr er ſelbiges haſſe/ hat
er damahls gnugſamb zu erkennen gegeben/ da er einem ſicheren Soldaten
in menſchlicher Geſtalt lang gedienet/ und zur Belohnung ſeiner treu ge-
leiſteten Dienſten nichts anders begehrt hat/ als daß ſelbiger in eine gewiſſe
Kirch eine Glock verſchafften ſolte/ damit die Leuthfortan nicht mehr vor
der beſtimbten Zeit zur Kirchen kommen/ und alſo mehr betten moͤgten. Wie
haben dieſe Heuchlen und verſchmitzte Geſellen ſich nicht bemuͤhet/ den heili-
gen Hilarionem im Gebett zu verhindern? Sie giengen in Gegenwart deß
bettenden Einſidlers mit dem Degen in der Fauſt auffeinander loß; daß al-
ſo einer von ihnen gleichſamb erſtochen/ vor den Fuͤſſen deß H. Manns zu
Boden fiele/ und denſelben umb ſeinen todten Leib zu begraben erſuchete.
Da der heilige Pachomius einsmals bettete/ kamen der Teuffelen viele in
Menſchen Geſtalt vor ſelbigem beyſammen; und damit ſie durch ihre laͤcher-
liche Anſchlaͤge den frommen; Diener GOttes im Gebett beunruͤhigten/ und
zumlachen bewegeten; namen ſie ein Blat vom Baum/ bunden ſelbiges mit
ſtarcken Seylern/ theileten ſich in zwey Ordnungen/ zogen dem Anſehen
nach/ mit ſo groſſer Gewalt/ und trieben ſich einander mit ſolchem Ruffen
und Schreyen an/ daß man ſolte vermeinet haben/ ſie haͤtten einen gantzen
Berg von dannen zu ziehen. Und dieſes geſchahe alles/ umb den frommen
Pachomium im Gebett zu verhindern; ſo liebet der Teuffel das Gebett.
Bru-
[459]Von dem Gebett.
Bruder Vitus Hyrmienſis ein vollkommener Mann/ der Capueiner Ley-Pouer.
An. 1282.
Hiſtoria.
Bruder/ da er im Agricienſiſchen Kloſter mit den Novitzen in der Kirchen
bettet/ ſiehet er den Teuffel mit Baͤncklein und Kuͤſſen beladen/ durch die
Kirchen gehen; und da er ſelbigen fragt/ wo er hin wolle/ bekombt er dieſe
Antwort: Jch hab/ ſagt der Satahn/ ein Mitleyden mit den Novitzen/
indem ich ſehe/ daß ſie gantz ermuͤdet zum Gebett kommen/ und ſuchen Stuͤhl
zum ſitzen/ und Kuͤßlein umb die Armben darauff zu lehnen; derhalben hab
ich dieſe Nothdurfft herbeygeſchafft/ damit ſie deſto gemaͤchlicher betten koͤn-
nen. Es war ihm aber nicht zu thun/ umb das Gebett zu befoͤrdern; ſondern
umb ſelbiges an dem Gottſeeligen Bruder Vito zu verſtreuen und zu verhin-
dern.
12. Damit nun auch/ mein Chriſtliche Seel/ in Erfahrung kommeſt/
wie die boͤſe Geiſter uͤber unſere Traͤgheit im Gebett/ ſich erfreuen und fro-
locken; ſo hoͤre was folget. Es ware/ ſagt Bovetius, bey den CapucinernAn. 1539.
Hiſtoria.
der Brauch/ daß ſie nach der Metten im Winter zwey Stund lang in heili-
gen Betrachtungen zubrachten. Nun hat ſichs im Kloſter zu Bergomi
zugetragen/ daß zu ſelbiger Zeit einsmahls auß Beſchwaͤrnuß deß langwiri-
gen Gebetts alle/ einen außgenommen/ in Schlaff gefallen: und weilen das
Licht erloſchen geweſen/ iſt ein jeder auß ihnen deſto fuͤglicher und ruͤhiger in
ſothaner Nachlaͤſſigkeit verharret: der jenige aber/ ſo gewachet/ hat in dieſer
Finſternuß geſehen/ daß ein abſcheulicher Mohr mit Hurtigkeit und Freude
zur Kirchen hineingeſprungen/ daſelbſten getantzet/ die Trummen gantz ſtill
geſchlagen/ und andere ſeine hinzu kommende Mit-Geſellen mit groſſem
Gautzen und Frolocken zum Tantz gefuͤhret; auch hat er wargenommen/
wie daß ſie ſich allgemach zu den Schlaffenden genahet/ dieſelbe gar ſanfft-
lich geſtrichen/ villeicht darumb/ daß ſie deſto faſter und laͤnger ſchlaffen ſol-
ten. Uber dieſe ſeltzame Boſſen hat ſich der wachende Geiſtliche verwun-
dert; derhalben er ſein Feuer-Zeug hervor gezogen/ Licht geſchlagen/ und
geſehen/ daß alle geſchlaffen haben; die er dann erwecket/ und durch Erzeh-
lung deß froͤligen Jubiliren der hoͤlliſchen Feinde zum Wachen und Betten
erwahnet hat.
13. Dieſe argliſtige Voͤgel haben viele artige und verborgene Kuͤnſten/
die Geiſtliche zu betriegen: bald wiſſen ſie einen vom Dienſt GOttes auff
dieſe/ bald auff ein andere Weiß abzuhalten: bald finden ſie dieſe/ bald jene
Mittel/ auch die eifferigſte Geiſtliche unter waͤrendem Gebett ſchlaͤfferich
zu machen: und/ mit wenig Worten zu ſagen: Es ſeynd zum Betrug deß
armen Menſchen/ ſehr verſchlagene Geſellen: deren einer kombt zu ſicherer
M m m 2Zeit
[460]Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Rufl. L. 1.
v. P. P. c.
29.
Hiſtoria.Zeit zum heiligen Macarius in Geſtalt eines Geiſtlichen und ſagt: ſtehe
auff Macari/ laß uns zum Nachts-Gebett hingehen. Dieſem antwor-
tet der heilige Mann/ und ſagt: O du Luͤgner und Haupt-Feind aller War-
heit/ was haſtu mit dem Gebett und mit der Verſamblung der Heiligen zu
ſchaffen? Der Teuffel aber/ da er vermerckt/ daß er verrathen ſeye/ ſagte
zum H. Einſidler: weiſtu dann nicht/ daß ohne uns kein Gebett verrichtet
werde? komme zur Kirchen/ ſo wirſtu es ſehen. Der fromme Macarius ant-
wortet abermahl und ſpricht: Der HErr gebiete dir. Hernach be-
gibt er ſich ins Gebett/ und begehret von GOtt/ er moͤgt ihm doch die War-
heit zu erkennen geben. Da er nun zur Kirchen kombt/ ſicht er die Teuffel
in Geſtalt vieler kleinen Mohren durch die Kirch hin- und her fliegen. Die-
weilen nun/ nach dem Gebrauch deren Geiſtlichen einer unter ihnen den
Pſalm leſet/ die andere aber ſitzend zuhoͤren oder auch antworten: ſeynd die-
ſe ſchwartze Maͤnnlein mit groſſer Sorgfalt beſchaͤfftigt/ wie ſie einen und
andern zur Nachlaͤſſigkeit bringen moͤgen: ſpielen derhalben vor ihnen her/
erkuͤhnen ſich auch einige mit ihren Fingerlein auff die Augen zu trucken;
und dieſe ſchlieffen alsbald ein: wann ſie einem dieſelbe ins Maul ſteckten fin-
ge er an zu geynen oder zu gapffen. Da ſich nun die Geiſtliche nach
angehoͤrten Pſalmen auff die Erden zum betten niedergeworffen; ſeynd ſie
gleichwohl uͤber alle her gelauffen/ und haben bald dieſem die Geſtalt eines
Weibs-Bild; bald jenem einige/ ſo mit unterſchiedlichen Geſchaͤfften und
Arbeiten ſich bemuͤheten/ vorgeſtelt. Was aber dieſe Teuffel damahlen
vor euſſerliche Geſtalten gezeigt haben/ daß iſt den Bettenden alles unterm
Gebett in ihre Gedancken kommen/ wie ſie nachmahlen ſaͤmbtlich bekennet
haben. Von einigen ſeynd dieſe Schwartz-Kuͤnſtler gleich zum Anfang ihrer
Heuchlerey dermaſſen vertrieben worden/ daß ſie vor ſelbigem auch nicht
ſtehen/ weder bey ihnen vorbey gehen koͤnnen. Andern ſchwachen Bruͤ-
dern haben ſie ſo gar auffm Puckel gedantzet/ dieweiln ſie im Gebett zu mah-
len verſtreuet geweſen.
14. Neben dieſem iſt auch gewiß/ daß der Haubt-Feind deß Gebetts ſich
auch erfreuet/ wann die Geiſtliche in ihren heiligen Aembtern in der Kirchen
nicht gern lang ſtand halten/ ſondern vor dem Beſchluß deß GOttes-Dienſt
ſich abſent machen: hierzu hilfft er meiſterlich/ dieweilen er weiß/ daß wahr
iſt/ was der H. Baſilius ſagt: niemahlen ſoll ein Geiſtlieher vor dem End
deß Gebetts oder GOttes-Dienſt abweichen/ ſondern ſoll gedencken/ daß
ihm ein ſolcher Abtritt ohne billige Urſach/ viel ſchade: dann gleich
wie keiner leichtlich vom Tiſch auffſtehet/ ehe er das Fleiſch geſaͤtti-
get hat/ alſo ſoll auch ein jeder die Nahrung der Seelen biß
zum
[461]Von dem Gebett.
zum End vollkommentlich zu ſich nehmen. Es widerfahret aber
leyder GOttes manchem/ was ſich mit jenem Carteuſer zu Londen hat
zugetragen/ daß ihnen nemblich der ſaͤmbtliche GOttes-Dienſt zu ſchwaͤhr
fallet/ und die Gezeiten zu langſamb geſungen werden; derhalben ſich offt-
mahlen deß Chors entziehen/ und bald unter dieſem/ bald unter jenem Prætext
gar zu viel halten auff Lob-Geſang/ Te Lucis ante Terminum. Wann
nun ſolche mit obgedachtem Carteuſer/ Nahmens Georgio alle von GOtt
gleichmaͤſſig ſolten gezuchtiget werden; ſo wuͤrde man den meiſten Theil
der Cloͤſter mit nicht wenig verzweifflenden Narren erfuͤllet ſehen. Dieſer
gute Georgius pflechte auß einem Verdruß deß langwirigen GOttes-Hiſtoria.
Dienſt/ auß dẽ Chor hinauß/ ins Capitul Hauß/ oder anderwerts hin zu gehen:
nun tragt ſichs endlich zu/ daß/ indem er vorm Schluß der Veſper nach ge-
woͤhnlichem Brauch auß dẽ Chor zum Capitel-Hauß eintrettet/ die Bildnus
deß am Creutz/ und zum Eingang deß Capitels hangenden Jeſu dem verdrieß-
lichen Muͤnchen das Angeſicht ab/ und an ſtat deſſen den Ruͤcken wendet;
in ſelbigem Augenblick wird er gantz naͤrriſch/ fallet auch zu gleich in eine
Verzweiflung/ in welcher er ein gantzes Jahrlang verbleibet/ biß er durch das
Gebett ſeiner Mit-Bruͤder vonſothaner doppelten Straff befreyet/ und den
Anfang ſeines ſolchen ellenden Stands zu erzehlen beſtand wird. Die-
weilen aber auff ſolche Warnungen nicht allein keine Beſſerung folget;
ſonderen die Boͤßheit bey dieſem Geiſtlichen die oberhand nimbt; als wird er
endlich durch das algemeine Capitul deß Ordens verwieſen/ und dezeuget
mit ſeinem Exempel/ welcher Straff ſich die Geiſtliche unterwerffen/ ſo da auß
einem Verdruß dem GOttes-Dienſt ſich zu entziehen/ Gewonheit machen.
Gleich wie nun der jenige fuͤr einen unverſchaͤmbten Menſchen zu halten iſt/
welcher das angefaugene Geſpraͤch mit ſeinem GOtt und Herren frevent-
lich zertrennet; alſo kan ſelbiger die Perſohn deß Verraͤthers Judæ, ſo da
vom Nachtmahl deß Herren zeitlicher iſt auffgeſtanden und darvon gangen/
am beſten vertretten.
15. Wohl und abermahl wohl hat dan der H. Pachomius in ſeiner Regul
verordnet/ daß keiner ohne Erlaubnuß auß dem Chor gehe. Dieweilen
aber die Oberen von dieſem Geſetz befreyet ſeynd/ in dem ſie von keinem
Crlaubnuß begehren moͤgen; geſchichts wohl/ daß ſelbige nach ihrem belie-
ben zum GOttes-Dienſt ab und zugehen: deren Urtheil bey der Goͤtt-
lichen Rechnungs-Cammer ſich dermahlen eins finden wird; wie auß folgen-
der Hiſtori zu ſehen iſt. Coſmas à S. Martino iſt geweſen ein Novitzen-Bouet.
1592.
Meiſter bey den Capucineren; nachdem er geſtorben/ iſt er dem P. Vincentio
M m m 3An-
[462]Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Andrienſi erſcheinen/ und da er von ſelbigem uͤber ſeinen damaligen Zuſtand
befragt worden/ hat er geantwortet: Wegen einiger laͤßlichen Suͤnden
werd ich un Feg-Fewer auffgehalten; deren die groͤſte von GOtt geurtheilt
worden/ daß ich nemoͤlich bißweilen in waͤrenden Gezeiten auß dem Chor
bin gangen/ damit ich die Werck der arbeiten Novitzen beſchawen moͤgte.
Sokan dich dann/ mein Chriſtliche Seel/ auch einer dem Anſchen nach/
guter Præ[t]ext, nicht entſchuͤldigen/ daß du dich dem gemeinen GOttes-
Dienſt entzicheſt. Gleich wie nun GOtt an denen ein Mißfallen hat/
welche das Ende ſeines Lobs nicht erwarten wollen: alſo hat die Goͤttliche
Majeſtet ein ſonderbares Vergnuͤgen an den jenigen/ ſo da biſt zum Be-
ſchluß der H. H. Aembter immer fleiſſig verharren; wie der H. Dorotheus
S. Do-
roth.
Doct. 11.von dem H. Dioratico bezeugt/ daß er nemblich durch ſonderbare Gnad
GOttes bey naͤchtlicher Weylgeſehen habe/ daß zum Anfang der Pſalmen/
ein uͤberauß ſtatlich gekleideter Engel auß der Sacriſtey herauß kommen/
und habe alle gegenwaͤrtige Geiſtliche/ wie auch nicht weniger die leere Stuͤhl
deren/ ſo auß billigen Urſachen abweſend waren/ un Vorbeygehen geſegnet;
der jenigen Stuͤhl aber/ die auß Faulheit nicht zugegen waren/ hat er nicht
geſegnet. Wie aber dem/ den der Herr nit ſegnet. Wann nun der H. Biſchoff
Sur. in
Vit.Anno von GOtt iſt gezuͤchtiget worden/ daß er einen Diacon/ ſo mit ihm
ein gantzes Jahr die Gezeiten geleſen/ und auß Gewohnheit/ in dem Gloria
Patri \& Filio \& Spiritui Sancto, das Woͤrtlein (\& Filio) allzeit außgelaſſen/
hieuͤber nit ermahnet habe; wie ſehr werden ſich dann der Zuͤchtigung GOttes
nicht zu foͤrchten haben die jenige/ welche den boͤſen und ſchaͤdlichen Geiſt der
der Traͤg- und Nachlaͤſſigkeit auß dem Hertzen deren ihnen Anbefohlenen
zu verdreiben ſich nicht euſſerſt bemuͤhen? und wann der H. Biſchoff/ ſo da
den Fehler deß gemelten Diaconi nicht vermerckt/ gleichwol dieſerthalben der
Ruhten GOttes ſich hat biegen muͤſſen; was vermeinſtu/ mein Chriſtliche
Seel/ daß dem ſtammelenden Diacono widerfahren ſeye/ in dem GOtt
durch den Propheten Jeremiam die jenige verfluchet/ die ſeyn Werck mit
48. 10.Betrug verrichten? Seye derhalben im Dienſt deines Herren eifferich;
trachte vor allen der erſte zu ſeyn; rede mit der Goͤttlichen Majeſtaͤt/ du ver-
wuͤrffliche Creatur/ mit keinen gebrochenen/ eilenden und unbedachtſamen
Worten; und thue dich auch durch keine vorfallende Nothwendigkeit von
dem Lob GOttes entziehen.
16. Ein ſolche Beſchaffenheit hats mit dem allgemeinen Dienſt Gottes/ und
muͤndlichem Gebett. Dieweilen nun auch daß innerliche Gebett/ nach
Zeugnuß der H. Mutter Thereſiaͤ/ alle Tugenten/ ſo der Menſch oder wuͤrck-
lich
[463]Von dem Gebett.
lich erworben hat/ oder zu erwerben trachtet/ ein Anfang iſt: und in ſelbigemIn Itin.
Perf. c . 28
das Leben aller Chriſt Glaubigen beſtehet und deſſen Ubung ſo kraͤfftig iſt/ daß
nach Meinung deß H. Jgnatii Lojola/ auch em̃ eintziges Viertel-Stund/
ſo in derſelben recht und wohl wird angewendet/ den Menſchen in kurtzer
Zeit zur hoͤchſten Staffel der Vollkommenheit zu erheben beſtand ſeye; der-
halben hat der ſehr gelehrte und Geiſtreiche Vatter Franciſcus Suarez die-
ſe Ubung deß innerlichen Gebetts ſo hoch geachtet; daß er gern bekennet; er
wolle lieber alle ſeine Wiſſenſchafft auff einmahl verlichren/ als ein eintziges
Stuͤndlera der gewoͤnlichen Betrachtung/ oder innerlichen Gebetts unter-
laſſen: zumahlen durch keine Sach das menſchliche Hertz beſſer in der Liebe
Gottes mag entzuͤndet werden/ als durch ein auffmerckſame Betrachtung;
wie der Koͤnigliche Prophet ſelbſt eefahren/ und derhalben alſo ſpricht:Pſ. 38. v. 4
Mein Hertz iſt entbrandt in mir/ und in meiner Betrach-
tung iſt ein Feuer angangen. Dann gleich wie auß einem Feuer-
Stein/ wann er auff Stahel geſchlagen wird/ die Funcken haͤuffig her-
vorſpringen: alſo/ ſagt der H. Cyrillus/ wird das Feuer der Liebe Gottes/
und die Begierd der Vollkommenheit in uns entzuͤndet; wann nemblich
das Hertz krafft deß innerlichen Gebetts und Betrachtung geruͤhret wird.
Auch beſchreibt der H. Bernardus die herrliche Wirckungen der Betrach-
tung mit dieſen Worten: Dieſe Betrachtung reiniget dasL. 1. de
Conſid.
c. 7.
Hertz/ in welchem ſie entſtehet/ ſie beherſchet die Nei-
gungen/ regieret die Wirckungen/ beſſert die Fehler/
richtet ein die Sitten/ macht den Handel und Wandel deß
Menſchen ehrbarlich; ſie verordnet das jenige/
was ins kůnfftig zu thuen und zu laſſen iſt; und endlich
ůberlegt und idriget ſie die begangene Thaten/ damit im
Hertzen nichts verbleibe/ daß nicht gebeſſert iſt/ oder die
Beſſerung vonnoͤthen habe. Dieſe iſt die jenige/ ſo da im
Stand der Glůckſeeligkeit die kůnfftige Widerwaͤrtig-
keit von weitem anſchauet/ und zu ſelbiger ſich be-
reitet: hergegen aber im Stand der Widerwaͤrtikeit/
gleichſamb unempfindlich und unbeweglich iſt. Mit
dieſer Meinung ſtimmen ein die Wort deß S. Laurenti Juſtiniani: un-de Caſto
connub.
c. 22.
ter allen Mitteln ſeine Seel im Zaum zu halten/ und GOtt zugefallen/ iſt daß
beſte und bequemlichſte/ ein auffmerckſame Betrachtung im innerlichen Ge-
bett: dieweilen durch ſelbige das Hertz von den euſſerlichen Dingen abge-
wendet/ und zu ihm wider zukehren gezwungen wird. Diſe Betrachtung iſt ein
Zucht
[464]Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Zucht der Seelen/ ein geiſtlicher Lehr-Meiſter/ ein Richt-Schnur deß
Gebetts/ ein unterrichtung der Anfangenden/ und eine fuͤrſichtige Beher-
ſcherin der innerlichen Jntention oder Meinung. Auß ſteter Ubung derſel-
ben wird das Hertz deß Menſchen befeſtiget/ die Gedancken werden gereini-
get/ die Einſambkeit gibt einen guten Geſchmack/ und der Menſch empfin-
det ein ſonderbahres Wolgefallen an ſeinem GOtt/ der Verſtand wird ge-
ſchaͤrffet/ die Sinnen werden geſaubert und keuſch gemacht/ die Vernunfft
wird erleuchtet/ das nichtswertige Geſchwaͤtz wird eingeſtelt/ und das Ge-
muͤth haͤncket ſich nur an Goͤttliche Dinge. Dieſe Betrachtung iſt ein geiſtli-
che Thuͤr deß Gebetts/ krafft derẽ das Wort von den eingehenden erkeñet/
und mit reinen Haͤnden geehret wird. So lang du/ ſagt der obgem. Laurentius
weiters das innerliche Gebett in Warheit beſitzeſt/ muſt du mit ſelbigem wie
mit deinem Aug-Apffel behutſamb umbgehen/ und gleich einem anvertrauten
geiſtlichen Schatz bewahren. So noͤthig/ ſo nuͤtzlich und fruchtbarlich iſt die
Ubung deß innerlichen Gebetts/ ohne welches allein ſich keiner einbilde/ daß er
ein guter Geiſtlicher werden koͤnne; dahero befehlen die Regulen deß Heil.
Auguſtiner Ordens und anderer Geiſtlichen/ daß ſich ein jeder taͤglich auffs
wenigſt zweymahl eine Stund lang deß innerlichen Gebetts gebrauche. We-
he aber denen/ ſo dieſe Engliſche Ubung auß Traͤgheit unterlaſſen. Befleiſſe
du dich/ mein Chriſtliche Seel/ dieſes Gebetts; und wann dich GOtt durch
oͤfftere Enziehung der gewoͤnlichen Suͤſſigkeit in ſelbigem Gebett ſchon un-
freundlich anſicht; ſo unterlaſſe du ſolches doch nicht; ſondern gedencke/ daß
es GOtt zu Zeiten mache mit ſeinen Dienern/ wie es der fromme Patriarch
Joſeph gemacht hat mit ſeinen Bruͤdern: welche ſelbiger zwarn ſcharff an-
geredet; unterdeſſen aber ihre Sãcke mit Getraid und Geld anfuͤllen laſſen.
Damit du dir nur in dieſer Ubungſelbſt helffen koͤnneſt/ ſo will ich dir eine
kurtze Weiß und Manier zu betrachten/ nach meiner Einfalt ſo deutlich als
moͤglich iſt/ anbeyfuͤgen/ deren fleiſſiger Ubung dich niemahlen reuen wird/
ſondern wirſt mit der Gnade GOttes/ in aller zufriedenheit erfahren/ wie
ſuͤß und annehmlich es ſeye/ Gott von Hertzen dienen; und in groſſer Freude
Pſ. 30. 20.und Frolocken mit dem frommen David uͤberlaut ruffen: Wie groß
und vielfaͤltig iſt deine Sůſſigkeit/ O Herr/ welche du
verborgen haſt den jenigen/ die dich foͤrchten.
Ein
[465]Von Vbung deß innerlichen Gebetts.
Ein ſehr nuͤtzlicher Vnterricht umb daß innerli-
liche Gebett ordentlich und wohl zu uͤben.
DAs innerliche Gebett iſt zweyfachig; das eine Beweglich/ das
andere Verſtaͤndlich. Das Bewegliche beſtehet darinn/
daß der Bettende/ nach vorhergehender Begreiffung der Goͤttli-
then Dinge/ ſeine gute Neigungen erwecke. Das verſtaͤndliche Ge-
bett iſt eine Erhebung deß Gemuͤts zu Gott/ ſo da vermittelſt der vernuͤnfft-
lichen Wirckungen vorgenommen wird. Dieſes verſtaͤndliche Ge-
bett wird vertheilt in das Gedencken/ in die Betrachtung/ und in
die Beſchauung. Das Gedencken iſt eine unvorſichtliche Erwe-
gung GOttes/ oder deren Dingen/ ſo demſelben angehoͤrig ſeynd. Die
Betrachtung iſt ein auffmerckſame Erwegung/ welche nicht eilfertig/
ſondern allgemach die Natur/ die Eigenſchafften und Wuͤrckungen eines
jeden Dings nuͤtzlich erforſchet/ auff daß ſie Gott ihre/ den Affect oder gute
Neigung bewege/ reine und inbruͤnſtige Gebett/ ſambt Beſſerung deß Le-
bens hervorbringe. Die Beſchauung iſt eine auffrichtige Einſehung
GOttes und der Goͤttlichen Dingen/ welche ſprachloß iſt/ und die Liebe
GOttes ins Hertz der Menſchen einfuͤhret.
Die Materi/ oder Sach/ woruͤber man ſeine Betrachtung halten will/
iſt ebenfals dreyfachig den dreyen Wegen oder Staͤnden deß Menſchen
gemaͤß außgetheilet: als da iſt der erſte der Stand der Keinigung
oder Saͤuberung; der andere der Erleuchtung; und der dritte der
Vereinigung; So lang nun der Menſch noch wanderet auff dem Weeg
der Saͤuberung oder Keinigung/ ſoll er immer ſeine Betrach-
tungen anſtellen von den Suͤnden/ von der Verſuchung/ von der menſch-
lichen Armſeeligkeit/ von den vier letzten/ und andern dergleichen Dingen/
dadurch er zur wahren Reu und Leyd beweget werde. Jſt er nun durch
die Gnad GOttes von dieſem Weeg zum Weeg der Erleuchtung ge-
ſchritten/ ſo ſoll die Materi ſeiner Betrachtung ſeyn/ das Leben Chriſti o-
der deſſen Heiligen; die Regul deß Ordens/ wie nicht wenig die Mitteln/
krafft deren er in ſeinem guten Vorhaben zunehmen moͤge/ und andere.
Endlich auffm Weeg oder im Stand der Vereinigung/ ſoll ſeyn die
Sach oder Materi/ daruͤber die Betrachtung gehalten wird; die Goͤttliche
N n nEigen-
[466]Vonder nuͤtzlichen Vbung
Eigenſchafften; die Wohlthaten/ ſo dem Menſchen von GOtt gegeben und
verſprochen worden; und das glorwuͤrdige Leben unſers Heylands und See-
ligmachers. Uber dieſes alles wird nun erfordert/ was oben gemeldet wor-
den; daß nemblich die Betrachtung in groſſer Auffmerckſamkeit/ und wah-
rem auffrichtigem Eiffer/ die Vollkommenheit zu erlangen/ muͤſſe gehal-
ten werden.
Bon dem fernen und nahen Bereiten zur
Betrachtung.
Die ferne Bereitung beſtehet ſonderlich in dreyen Stuͤcken. Erſt-
lich/ daß man das jenige/ was einer fruchtbaren Betrachtung hin-
derlich ſeyn kan/ auß dem Weeg ſchaffe/ nemblich dieſe vier Theil/
nach dem Rath deß heiligen Bernardi: Ein nagendes Gewiſſen/
die ſtechende Sorgen/ frembde Geſchaͤfften/ und ver-
In Cant.
Serm. 23.ſtreute Gedancken. Das nagende Gewiſſen muß geſaͤubert
werden durch oͤfftere Erforſchung/ durch widerholte Reu und Leyd/
durch eine rechtſchaffene Beicht/ und ſteiffen Fuͤrſatz/ alle Gele-
genheiten zur Suͤnde zu meiden. Die ſtechende Sorgen/ ſo da auß
uͤbermaͤſſigem Zweiffel oder Angſt uͤber die begangene Werck/ oder vorfal-
lende Geſchaͤfften ſich ereignen/ muͤſſen verhuͤtet werden/ und ſoll man ſich
mit einem kindlichen Vertrauen der Goͤttlichen Fuͤrſichtigkeit empfehlen/
den menſchlichen Reſpeet verachten/ und umb frembder und unzuge-
hoͤriger Geſchaͤfften ſich zu enteuſſern/ nur ſuchen GOtt zu gefallen/
und ſeinem Neben-Menſchen umb GOttes Willen. Schließlich muͤſſen
die verſtreuete Gedancken vermittelſt einer immerwaͤhrenden Ab-
toͤdtung/ und groſſem Ernſt zur Vollkommenheit/ auch gehemmet/ und/ ſo
viel moͤglich iſt/ vernichtiget werden.
Zweytens beſtehet die offtgemeldte Bereitung darin/ daß nemblich
die Kraͤfften der Seelen mit noͤthigem Schutz verſehen werden; welches
theils durch Leſung geiſtlicher Buͤcher geſchehen kan; und theils auch/ wann
der Menſch die heylſame Mittel zur vollkommenen Fortſchreitung im Gu-
ten/ fleiſſig uͤberleget; und annebens eine gewiſſe und ſichere Art und Weiſe
zu betrachten/ ſich erwerbet.
Drittens wird erfordert eine gute und geſunde Diſpoſition deß Leibs;
und muß man ſich in der Abtoͤdtung ſo beſcheidentlich verhalten/ damit ſelbi-
ge nicht geſchwaͤchet werde.
Die nahe Bereitung geſchicht folgender Geſtalt. Einige wenige Zeit
vor-
[467]Deß innerlichen Gebetts.
vorhero/ ehe du betrachten wilſt/ leſe du dir die Betrachtung vor/ nach dem
Rath deß H. Jgnatii: dieſe uͤberleſene Betrachtung vertheile dir in drey
kurtz zuſammen gezogene Puncten/ lerne ſelbige außwendiglich; und vergeſ-
ſe nicht/ die Gnad und Huͤlff deß H. Geiſtes anzuruffen/ auff daß dir deine
Betrachtung immer beſſer und beſſer gedeyhen moͤge. Damit du aber in
der obangezogener Vertheilung der Puncten richtig verfahren moͤgeſt; ſo
kanſtu dich folgender Art gebrauchen. Zum Exempel/ in der Betrachtung
Von einem Heiligen.
Erſtlich kanſtu bey dir erwegen/ welcher Geſtalt GOtt dieſen N. ſei-
nen Diener erwehlet habe; wie er ſelbigen beruffen/ gerechtfertiget/ und zu
groſſer Heiligkeit habe gereichen laſſen. Zweytens wie dieſer außerwaͤhl-
te GOttes ſich deſſen Gnade gebraucht und mitgewirckt habe; durch welche
Mittel/ und durch welche Tugenden zum meiſten. Drittens wie der
liebreiche GOtt denſelben belohnet und geehret habe in dieſem Zeitlichen
durch groſſe Gaaben und Wunderwerck: im todt mit ſonderbahrem Troſt
und Zufriedenheit: und im andern ewigen Leben mit der Kron der Glory/
und erfreuligen Geſellſchafft aller Außerwaͤhlten.
Jn der Betrachtung
Von einer Tugend oder Laſter.
Erſtlich uͤberlege die Natur/ die Eigenſchafften und Wuͤrckungen der
Tugend oder Laſter: und was du fuͤr Huͤlff von der Gnad GOttes zu hof-
fen habeſt: was fuͤr ein Licht/ was fuͤr Antriebe und Gelegenheiten/ dieſe Tu-
gend zu uͤben/ oder dieſes Laſter zu fliehen und zu beſſern/ dir an die Hand ge-
gegeben werden. Zweytens was maſſen Chriſtus/ die Allerſeeligſte
Jungfrau Maria/ oder andere Heilige/ dieſe oder jene Tugend geuͤbet: oder
wie ſelbige die Wuͤrckungen dieſes oder jenen Fehlers gemeidet haben;
und welcher Geſtalt ſie muͤſſen gemeidet werden. Drittens betrachte
die Antreibungen/ wie ſie beſchaffen ſeyen: Exempel Weiß: deren groſſen
Nutzen/ ſo auß Ubung der Tugend: und den Schaden/ der auß dem Laſter
entſtehen wird/ ſo wohl im Leben/ als im Todt/ und nach dieſen beyden/ in
der Ewigkeit.
Jn der Betrachtung
Von der Regul oder einem andern gemeinen Werck.
Erſtlich Schaue zu/ zu was End die Regul gemacht; was ſie bedeute/
und wie ſie zu verſtehen ſeye: auff welche Manier du dieſes Werck vollkom-
N n n 2ment-
[468]Von der nuͤtzlichen Vbung
mentlich verrichten koͤnneſt: wie groſſe Huͤlff der Gnaden du darzu haben;
und auff welche Weiß du zu dapfferer Vollfuͤhrung gelangen moͤgeſt.
Zweytens wie vollkommentlich die Heilige GOttes dieſes Werck geuͤ-
bet haben/ und wie nachlaͤſſig und traͤg du in ſelbigem dich befindeſt: und
dergleichen.
Bon der Betrachtung ſelbſt.
Nachdem du dieſes obige alles ins Werck gerichtet haſt; ſo ſtelle dich mit
einem lebhafften Glauben vor das Angeſicht GOttes/ der gebenedeyten
Mutter Mariaͤ/ und aller Engeln; und bitte in derſelben Gegenwart mit
aller Demut und Ehrbietſambkeit umb Beyſtand die fuͤrgenommene Be-
trachtung zu halten.
Von der Weiß die waͤhrende Betrachtung
fortzuſetzen.
Auff daß du leichter und beſſer in allen Puncten dich nuͤtzlich auffhalten
moͤgeſt/ ſonderlich in dem Leben und Hiſtorien der H. H. ſo betrachte/ Wer
der jeniger ſeye/ den du dir vorgenommen haſt: Was er ſeye: was dar-
auß fůr Nutzen geſchoͤpffet worden: Warumb: Welcher
Geſtalt: Wo/ und Wann. Dieſes alles kan ich dir auch ſolcher
Weiß vorhalten/ und ſagen; du ſolleſt erwegen die Perſohn/ die Wort und
Wercke/ die Wirckungen oder Fruͤchten/ die Urſachen/ die Weiß oder
Manier/ die Krafft und Cigenſchafften GOttes/ oder der Heiligen/ das
Ort/ und die Zeit. Geſetz-Weiß: Jn Betrachtung deß bitteren Leydens
Chriſti; wer gelitten habe? Der allerunſchuͤldigſte Jeſus. Was er ge-
litten? Erſchroͤckliche und unerhoͤrte Tormenten. Mit was fur Nutzen?
Damit Cr die veraͤchtliche Erd-Wuͤrmlein von der verdienten Schuld und
Straff befreyen/ und mit aller Gnad und Herrlichkeit bereichen moͤge.
Wie/ oder welcher Geſtalt? Geduͤltiglich und auß lauter Liebe gegen uns.
Was fuͤr Tormenten? Wo? Wann? Jm Winter im Stall gebohren/ zu
den Oſteren gelitten \&c.
Ob wohl nun dieſe Weiß zu betrachten gemeinlich zur Betrachtung einer
Hiſtori oder Geſchicht gebraucht wird; ſo kan ſie doch auch zu anderen Ma-
terien bequemet werden/ wann du nemblich in einer jeden Betrachtung die
drey oben gemelte Puneten erwegeſt: und erſilich zwarn/ in dem Punct
einer Tugend oder eines guten Wercks: oder eines beſonderen Laſters: was
fuͤr eine Tugend/ oder Untugend die jenige ſey/ ſo du dir vornehmeſt: wo die
Un-
[469]Deß innerlichen Gebetts.
Untugend oder Laſter herruͤhre: was fuͤr Wirckung ſelbige Tugend nach ſich
fuͤhre: auff welche Weiß dieſe Tugend muͤſſe erworben/ und das Laſter ge-
beſſert werden: Wo und Wann ſolches am fuͤgligſten geſchehen koͤnne \&c.
Jm Zweyten Punet/ wann du erwegeſt die Weiß und Manier/ durch wel-
the die Heilige GOttes/ da ſie auff Erden lebten/ ſich bemuͤhet hatten/ die-
ſe Tugend zu pflantzen/ oder dieſe Uutngend außzurotten. Jm dritten
Punet ſolſtu erwegen die Antriebe/ krafft deren du dieſe Tugend leichtlicher
erhalten moͤgeſt. Dieſe Puneten koͤnnen nach Gelegenheit der Zeit ver-
laͤngert werden durch folgende Diſeuͤrſen deß Gottſeligen Vatters Jacobi
Alvarez. Erſtlich kanſtu die Augen deines Hertzens auff dich ſelbſten
ſchlagen/ und reden deine Seel alſo an: O meine Seel/ ſiehe doch/ was fuͤr
dich undanckbare Creatur dein Heyland leide; was grauſambe Sachen/ und
daß zwarn auß pur lauter Liebe? Wie ſchuldig biſtu/ mit ihm ein Mitleiden
zu haben/ ihn wider zu lieben/ und ihm zu folgen. Zum anderen kanſtu dich
zu deinem gegenwertigen GOtt wenden folgender Geſtalt: O guͤtigſter JE-
ſu/ der du biſt ein Koͤnig der Glory/ der du meiner Lieb/ meines Lobs und
aller meiner Weſenheit im geringſten nicht bedarffs; ſteheſtu fuͤr deinen
allerunwuͤrdigſten Diener ſo groſſe Widerwaͤrtigkeit auß? und daß zwarn
auß Liebe allein? Was bin ich elender Schlave nicht ſchuͤldig? \&c. Zum
Dritten/ kanſtu deinen GOtt dir alſo zuſprechend anhoͤren: ſiehe/ mein
Menſch/ ich dein Erſchoͤffer und Erloͤſer leide fuͤr dich/ der du mir ſo un-
danckbar biſt/ und daß zwarn/ auff daß ich dich von den Suͤnden und Pey-
nen der Hoͤllen befreye; mir nach zufolgen/ dich einlade; und endlich/ der
allzeit waͤhrender Seeligkeit dich theilhafftig mache. Solſtu dann nicht
billig mich wieder lieben/ und mir zu lieb auch etwas beſchwerliches leyden?
Von der Neigung und Wirckung.
Durch dieſe vorhergegangene Wirckungen/ oder vielmehr Diſcurſen muß
der Betrachtende ſich unterſichen/ gute und andaͤchtige Affecten und Be-
wegungen deß Hertzens zu erwecken; deren einige/ ob wohl ſie zum Stand
der Reinigung gehoͤren (als da iſt die Bewegung der Rew und Leid) einige
zum Stand der Erleuchtung (als da iſt die Nachfolgung) und andere zum
Stand der Vereinigung (wie da iſt die Liebe) ſo werden doch dieſe zehn Be-
wegungen und Affecten deß Hertzens in aller vorfallenden Materi zum
meiſten gebraucht; denen alle andere leichtlich koͤnnen zugeſellet werden.
Nemblich/ die Bewegung oder Ubung deß Glaubens/ der Hoffnung/ der
Liebe/ der Forcht/ der Verwunderung/ der Danckbarkeit/ der Freude/ der
N n n 3Zer-
[470]Von der nuͤtzlichen Vbung
Zerknirſchung/ deß Mittleiden/ der Nathfolgung: welche alle in den folgen-
den Verſen begriffen werden:
Dieſer Ubungen oder Bewegungen ſolſtu dich in allen Betrachtungen
gebrauchen/ dieweiln ſelbige ſehr verdienſtlich und leicht ſeynd/ wann du nur
die Diſcurſen zwiſchen der Betrachtung wohl einrichteſt.
Von der Weiß/ die vorgeſchriebene Affecten auß
dem Hertzen hervor zu zwingen.
Der Glaub wird herauß gezogen durch die Erwegung der unbetrieg-
lichen Warheit; der unendlichen Weißheit/ Macht/ und Guͤtigkeit Gottes:
wie nicht weniger durch Uberlegung der Wunder-Werck; der Einhelligkeit
der H. H. Vaͤtteren/ der Standhaͤfftigkeit der Blut-Zeugen Chriſti \&c.
Du kanſt dieſen Glauben aber erſtlich uͤben/ in dem du allein deme gern bey-
falleſt/ was von Gott offenbahret worden/ und fuͤr die Warheit deſſelben auch
zu ſterben verlangeſt. Zweitens/ in dem du wuͤnſcheſt/ daß du denſel ben
Glauben alſo immer recht geuͤbet haͤtteſt/ und dir deine Unwiſſenheit und
Unerfahrnuß in den Glaubens-Sachen leyd ſeye. Drittens/ in dem du
dir fuͤrnimbſt/ denſelben hinfuͤhro unerſchrocken zu unterhalten/ zu bekennen/
die unwiſſende zu lehren/ und die Wirckungen deſſelben den Tag durch offt-
mahlen zu erneueren. Viertens/ in dem du die Gnad Gottes/ umb dieſes
alles zu verrichten/ demuͤtiglich begehreſt. Auff daß du nun dieſes noch
leichter werckſtellig machen koͤnneſt/ ſo ſetze ich dir hierzu einen Affect oder
Wirckung deß Glaubens. Zum Exempel. Jch glaube/ mein Gott/ ich
glaube. Komme du/ O Herr/ meiner Unglaubigkeit zu Huͤlff. Was
mir die Welt rathet/ der boͤſe Feind eingibt/ und das Fleiſch mich weiß-
machet/ daß glaub ich nicht. Dein Wort/ O Gott/ bleibt in alle Ewigkeit.
Dieſerthalben fordere von mir Leib und Seel/ Gut und Blut: ſiehe/ mein
Hertz iſt bereit/ O Gott/ mein Hertz iſt bereit. Tauſendmal bin ich willig
zu ſterben/ Fewr/ Schwerd und alle Tormenten außzuſtehen/ damit deine
War-
[471]Deß innerlichen Gebetts.
Warheit unverletzt verbleibe. Oder alſo. Wer wird mich ſcheiden von
dieſer Warheit? Jch bin verſichert/ daß weder Creutz noch Leyden/ weder
Fewr noch Pfeile/ weder auch die Pein der Verdambten mich werden koͤn-
nen von ſelbiger abſoͤnderen. Deine Warheit/ O Herr/ kan niemand betrie-
gen/ und deine Weißheit kan nicht betrogen werden. Du haſts geſagt; dar-
umb iſts mir ſicherer/ als alle Vernunfft; und bin ich auch ſolches mit mei-
nem Blut zu unterſchreiben/ ſo willig als ſchuldig.
Die Hoffnung wird ermuntert auß Erwegung der unendlichen
Barmhertzigkeit und Liebe Gottes/ auff folgende Weiß: Warumb biſtu
trawrig/ meine Seel/ und warumb betruͤbeſtu mich? Du haſt ja die Guͤte
und Barmhertzigkeit Gottes bey Handen/ ſo dir helffen will: du haſt die All-
macht bereit/ ſo dir helffen kan: du haſt das Blut und die Verdienſten Chriſti/
ſo bey dem Himliſchen Vatter fuͤr dich anhalten. So werffe dich dann/
meine Seel/ in die Armben der Barmhertzigkeit und Allmacht Gottes.
Gleich wie du auß dir ſelbſten nichts vermagſt/ alſo vermagſtu Alles in dem/
der dich ſtaͤrcket. Oder alſo. Auff dich/ OHerr/ hab ich gehoffet/ und
wer wird mir ſchaden koͤnnen? Noch Welt/ noch Teuffel/ noch Fleiſch wird
gegen mich obſiegen. Jch werd in Ewigkeit nicht ſchamroth werden. Die-
weilen ich/ mein. Gott und Herr auff dirh hoffe/ ſo getrawe ich mir durch
deine Gnad alle meine Maͤngel zu beſſeren/ alle Laſteren zu vertilgen; und
alle Tugenten zu erwerben. Alle meine Gebain/ alle Glieder ſollen ſagen/
und was in mir iſt/ ſoll ruffen: Du biſt meine Hoffnung/ mein Gott und
Herr in alle Ewigkeit.
Die Liebe wird meiſtens erweckt durch die Erwegung der
Eigenſchafften Gottes/ als da iſt/ die Guͤtigkeit/ die Liebe \&c. Auch auß
der Gedaͤchtnuß der Wohlthaten Gottes/ und aller Wort/ welche Chriſtus
unſerthalben geredet/ und was Er außgeſtanden hat/ auff folgende Ma-
nier. Herr/ du weiſt/ daß ich dich liebe: dieweilen du allein gut biſt/ allein
heilig/ und allein wuͤrdig biſt/ daß du von allen Craturen geliebet werdeſt.
O ihr brennende Cherubim/ und du Koͤnigin der Cherubim/ erſetzet doch
durch ewere Lieb alles/ was meiner allerſchuͤldigſten Lieb ermanglet! O mein
liebſter Gott! leben will ich/ und ſterben will ich dir zu Lieb: lieber will ich
ſterben/ als dich nicht lieben/ O mein Gott! Oder alſo. O Herr/ was
hab ich im Himmel/ und was hab ich auff Erden begehrt auſſer dir? Du
biſt allein der Gott meines Hertzens/ und mein Theil/ O Gott/ in Ewig-
keit. Jch will dich lieben/ mein Gott/ nicht darumb/ daß du mir Guts
thueſt; ſonderen weilen du in dir ſelbſten biſt die Allerhoͤchſte und unendliche
Guͤtig-
[472]Von der nuͤtzlichen Vbung
Guͤtigkeit/ einig und allein uͤber alles lieblich. Oder alſo. Du wilſt/
mein Herr und Gott/ daß ich dir mein Hertz gebe: Nimbs hin/ ich ſchencke
dir nicht allein daß eintzige/ ſonderen wann ech deren hundert tauſent haͤtte/
ich wolte ſie alle mit deiner Liebe erfuͤllen/ und auß allen und jeden dich
hertzlich lieben. Wilſtu erfahren/ wie ſehr ich dch liebe; ſo verkleinere mich vor
allen Menſchen/ verſtoſſe mich auch von dir/ zertrenne/ vernichtige/ und
ſtuͤrtze mich in den Abgrund der Hoͤllen/ daſelbſt will ich dich doch nicht ent-
laſſen: wie du immner mit mir wirſt umbgehen/ ſo will ich dich doch allzeit
lieben/ mein Gott/ mein Herr und alles.
Die Forcht wird hervorgezogen durch eine tieffe Er-
wegung der unbegreifflichen Goͤttlichen Eigenſchafften/ der Weiß-
heit/ Gerechtigkeit/ Barmhertzigkeit/ und auß behutſammer Uberle-
gung der Geheimnuſſen deß Glaubens/ der Wuͤrdigkeit einer vernuͤnfftlichen
Seel/ der Grobheit der Suͤnde/ der Blindheit der Welt \&c. Und wird
geuͤbet/ wie folgt. O meine groſſe Blindheit! O unverſchaͤmbtes Hertz!
O unertraͤgliche Kuͤnheit! Wie iſts doch moͤglich geweſen/ daß ich boͤſer und
ſchalckhaffter Knecht/ ſo guͤtigen und milten Herren dermaſſen unwuͤrdiglich
hab tractiren koͤnnen! O wie groß iſt deine Barmhertzigkeit/ mein Gott! wie
lang wirſtu mit mir durch die Finger ſehen? O unendliche Guͤtigkeit! iſt dir
dann nicht gnug/ daß du mich Boͤßwicht in ſo grauſamben und vielen Suͤn-
den noch beym Leben erhalteſt? Warumb hoͤreſtu nicht auff/ einer ſo un-
danckbaren Ereatur Gut zu thun?
Die Danckbarkeit wird erwecket durch Betrachtung deren ſo
wunderbarlichen Wohlthaten/ in Anſehung deß Wohlthaͤters/ und deß
Empfaͤngers: und daß ungefehr auff folgende Weiß. Was ſoll ich dir/
O Herr/ wiedergeben fuͤr alles/ was du mir gegeben haſt? O unerhoͤrte Guͤ-
tigkeit meines Erſchoͤpffers und Erloͤſers! Wer kan dich/ mein GOtt/ der
Gebuͤhr nach loben? du haſt/ umb mich armen Tropffen zu erloͤſen/ vom
hohen Himmel kommen wollen; und haſt derhalben ſo unvergleichlichen
und erſchroͤcklichen Todt außſtehen wollen; auff daß ich armſeeliger Erd-
Wurmb nicht zu ſchanden wuͤrde. Was ſoll ich dir nun wiedergeben?
wie ſoll ich dieſe Wolthat vergelten? Ach/ mein GOtt und HErr/ ich
hab nichts. Kombt derhalben alle/ die ihr GOtt foͤrchtet/ kombt alle
und hoͤret; und ich will euch erzehlen/ wie groſſe Wohlthaten GOtt mei-
ner Seelen erzeigt hat. So machet dann groß den HErrn mit mir/ ſingt
ihm ein Danck- und Lobgeſang/ \&c.
Die
[473]Deß innerlichen Gebetts.
Die Freud wird erweckt auß erwegung der Goͤttlichen Majeſtaͤt
und Herrligkeit/ welche ihrem GOtt und HErrn alle Creaturen zu geben
ſchuldig ſeynd: und das zwarn auff folgende/ oder dergleichen andere Weiß.
O mein Gott! du biſt/ der du biſt: und dieſes gefallet mir ſonderlich/ und
bin daruͤber hoͤchſtens erfreuet; daß du biſt/ wer du biſt/ unendlich/ vollkom-
men in der Weißheit/ in der Macht und Guͤtte. Dieß kan ich am beſten
außſprechen durch die Wort deß Liebenden: wann du/ mein GOtt/ waͤreſt
Auguſtinus; und ich Auguſtinus waͤre GOtt: ſo wolte ich GOtt/ daß du
Auguſtinuß waͤreſt GOtt: ſo wohl gefallet mir/ daß du biſt du. Dahero
frohlocket mein Hertz und mein Fleiſch in dir meinem lebendigen GOTT.
Jch ſpringe fuͤr Freuden auß mir hinauß/ mein GOtt und HErr/ damit ich
komme zu dir.
Die Zerknirſchung wird hervor gebracht auß Betrachtung der Grob-
und Boͤßheit einer jeden Suͤnde; auß Erwegung der verdienten Straffen/
der verlohrnen Guͤter; der vielfaͤltigen Schmertzen/ welche Chriſtus zur
Außtilgung derſelben erlitten; der letzten von GOtt empfangenen Gna-
den/ \&c. Auff folgende Weiß: Mein GOtt/ der du biſt die allerhoͤch-
ſte Guͤtigkeit/ und verdieneſt nicht allein von allen Creaturen; ſondern auch
von dir ſelbſt allein geliebet zu werden: mir iſt von Hertzen Leyd/ daß ich
dich ſo unverſchaͤmbter Weiß erzuͤrnet hab. Es iſt mir leyd/ nicht darumb/
daß ich foͤrchte/ ſonderen weil ich liebe. Wann ich durch Vergieſſung
meines Bluts kan machen/ daß du nicht beleidiget biſt; ſiehe/ hier bin ich/ zer-
reiſſe mich: mein Hertz iſt bereit/ mein Gott und Herr. Kan auch meine
Suͤnd durch die hoͤlliſche Peinen vernichtiget werden; ſiehe/ da haſtu mich:
kein Peyn in der Hoͤllen iſt/ die ich nicht verdienet hab. Solleſtu anjetzo
ſehen/ mein Gott/ der du alles ſeheſt/ daß ich dich auch nach vielen Jahren er-
zuͤrnen werde; ſo nehme mich lieber in dieſem Augenblick/ auch durch den
erſchroͤckligſten Todt hinweg/ als daß du zulaſſeſt/ daß ich biß zu ſolcher un-
gluͤckſeligen Zeit lebe.
Das Mit-Leiden wird erweckt auß der Gedaͤchtnuß der bitteren
Schmertzen Chriſti/ auß der Blindheit/ Gefahr und der Straffen der zu
Grund eilenden Seelen/ welche durch das Blut Chriſti erloͤſet ſeynd \&c.
Dieſes Mit-Leiden muß geuͤbet werden/ erſtlich/ daß du mit deinem ſo un-
ſchuͤldigen Herren/ der umb deinetwillen ſo ſchmaͤlich und bitterlich herge-
nommen wird/ ein hertzliches Mit-Leiden trageſt/ und dir die jenige Urſachen
deß ſo grauſamben Leidens/ als da ſeynd deine und anderer Suͤnden/ leid
ſeyen: zum anderen/ daß dich der Untergang ſo vieler Seelen betruͤbe: und
O o odrittens
[474]Von der nuͤtzlichen Vbung
drittens daß du dir fuͤrnehmeſt/ nach deinem Vermoͤgen denen nemblich
durch das Gebett bey zuſpringen. Jm uͤbrigen kanſtu dich alhier deren ob-
geſetzten Affecten gebrauchen. So viel den Seelen-Eiffer anbelangt/
kanſtu auff folgende Manier denſelben in dir erwecken: O allerliebreicheſter
Jeſu/ du biſt unſerentwegen und umb unſeres Heyls willen vom Himmel
herabgeſtiegen: wie viel Hitz und kaͤlte und wie groſſe Ungelegenheiten haſtu
nicht außgeſtanden? wie viele Reiſen haſtu nicht auff dich genommen? wie
viele Muͤhe und Arbeit? wie viele Schmertzen und Ubel nachreden? Du haſt
dich allen dargeben/ ſo wohl Arm als Reichen/ Groß und Kleinen/ Jung und
Alten/ in Staͤdt und Flecken/ auffm Feld und in den Wuͤſten/ Tag und
Nacht. So hoch haſtu unſere Seelen geſchaͤtzet: wie hoch iſt aber dein
Blut zu achten? zweiffels ohn unendlich hoͤher/ die weilen du ſelbiges fuͤr ſie
gegeben haſt/ was bin ich derhalben nicht ſchuͤldig zu leiden? Wie ſoll ich
nicht arbeiten und ſchwitzen/ damit ich auch ein eintzige Seel gewinnen moͤ-
ge! O ihr/ durch das Blut Chriſti erloͤſete Seelen! Ach koͤnte ich doch
ein eintzige auß euch erretten! ach koͤnte ich euch allen/ auch mit meinẽm Blut/
mit Peinen und Schmertzen/ und mit dem bitterſten Todt helffen! Die
Nachfolgung wird erweckt auß Betrachtung der allervollkomm-
neſten Tugenten Chriſti/ Mariaͤ und anderer Heiligen/ ſolcher Maſſen.
Da du in Geſtalt GOttes wareſt/ O JESU/ du eintzige Lieb meines
Hertzen/ da haſtu alle Reichthumben/ Ehren und Weißheit/ \&c. von dir
geworffen/ und biſt umb meinentwillen arm/ veraͤchtlich und verſpottet
worden: derhalben/ wann ich ſchon reich und angeſehen ſeyn koͤnte/ ſo wol-
te ichs doch nicht ſeyn/ dieweilen du arm und veraͤchtlich fuͤr mich worden
biſt. Du haſt dieſes alles erwaͤhlet; und darumb erwaͤhle ichs auch; deine
Erwaͤhlung iſt eine Regul der meinigen: und alſo erwaͤhle ich allein/ umb
dir zu folgen. Dieſe und dergleichen Affecten muͤſſen in der Betrachtung
nicht alle zugleich geuͤbet werden; ſondern bald dieſer/ bald jener/ nachdem
der Antrieb deß H. Geiſtes ſich zeigen wird. Man muß auch mit groſſem
Fleiß in ſothanen Affecten verharren/ und nicht alsbald von einem Affect zum
andern ſpringen.
Wie man die Geſpraͤch in den Betrachtungen
wohl einrichten ſolle.
Die Geſpraͤch/ ſo mit hertzlichen Begierden und innerlichen Seuffzen
vermiſcht ſeynd/ koͤnnen unterſchiedlicher maſſen gerichtet werden. Erſt-
lich zur H. H. Dreyfaltigkeit/ oder zu einer jeden Perſon in der Gottheit/
in
[475]Deß innerlichen Gebetts.
in dem du dich uͤber die Goͤttliche Majeſtaͤt billig verwunderſt; derſelben
Guͤte/ Gerechtigkeit/ Macht/ Weißheit/ Liebe/ \&c. preiſeſt. Zwei-
tens/ zur allerſeeligſten Jungfrau Maria/ oder zu den heiligen Gottes; in
dem du dich mit ihnen erfreueſt wegen ihrer unbeſchreiblichen Gluͤckſeeligkeit:
deinen GOtt fuͤr ſie/ und in ihren Nahmen danckeſt: dich beklageſt und be-
weineſt/ daß du ſelbigen an guten Wercken ſo ungleich ſeyeſt; und ſie betteſt
umb Huͤlff. Drittens/ zu den Gottloſen und Feinden Chriſti; in
dem du derſelben Boͤßheit/ Blindheit und Hartnaͤckigkeit verflucheſt: und
bey dir ſelbſten erwegeſt/ daß du mehr/ als ſie/ verdienet habeſt/ daß dich
Gott verlaſſe/ nach demmahlen du fuͤr ihnen viel groͤſſere Gnaden empfan-
gen haſt. Viertens/ zu dir ſelbſt/ in dem du deine groſſe Blindheit/ Un-
danckbarkeit und Traͤgheit an dir ſelbſten ſtraffeſt. Fůnfftens/ auch zu
den unvernuͤnfftigen Thieren/ indem du erkenneſt/ daß ſelbige Danckbarer
ſeyen denen/ ſo ihnen Guts thuen/ \&c.
Die Vrſach und Mittel der Berſtreuungen.
Die Urſachen der Verſtreuungen ſeyn fuͤrnemblich dreyfachig. Die
Schwachheit der Natur: unſere eigene Schuld und Nachlaͤſſigkeit/ und
der Argliſt deß Teuffels. Wider dieſe Urſachen ſeyen auch drey Mittel/
als nemblich eins/ ſo von ferne/ das ander/ ſo nahe bey/ und das dritte/ ſo
in der Betrachtung muß gebraucht werden. Die Mittel von ferne ſeynd
dreyfachig. Das erſte beſtehet darin/ daß du von Gott die Gnad recht
zu betrachten/ und dich deſſen Willen gantz und zumahlen zuergeben/ offe
und inbruͤnſtiglich begehreſt. Das zweyte Mittel iſt/ daß du dich
ernſtlich befleiſſeſt/ alle eigene Lieb/ und alle Affection zu den Creaturen zu
vertilgen/ und in der Liebe Gottes und der Goͤttlichen Dingen zu wachſſen:
dann die Seel iſt vielmehr an dem Ort/ da ſie liebet/ als da ſie lebet. Das
Dritte beſtehet in der ſteten Ubung/ wie du deinen Willen dem Goͤttlichen
moͤgeſt glechfoͤrmig machen/ und dich gantz und gar der Goͤttlichen Diſpo-
ſition uͤberlaſſen: Hierhin gehoͤret/ das man nicht gar zu eifferich den zeit-
lichen Geſchaͤfften oblige \&c.
Die Naͤchſte Mittel/ ſo eben vor der Betrachtung muͤſſen vorher
gehen/ ſeynd auch dreyfachig. Erſtlich/ ſolſtu deß Morgens/ ſo bald du
auffſteheſt/ dich der Materi/ von welcher du betrachten wilſt/ errinneren/
und die Gedaͤchtnuß deß Lieb-reicheſten JESU in dein Hertz graben.
Zweytens/ ſolſtu dir feſtiglich fuͤrnehmen/ daß du keine Verſtreuungen
williglich annehmen wolleſt; und ſolleſt deine Jntention oder Meynung er-
O o o 2neueren/
[476]Von der nuͤtzlichen Vbung
neueren/ und nach dem Rath deß heiligen Bernardi/ abermahl deinen
Gott umb Huͤlff erſuchen/ und wann du zur Kirchen oder zu deiner Bett-
Kammer eingeheſt/ ſo lege einen Finger auff den Mund/ und ſage: wartet
ihr boſe Gedancken allhier/ ihr boͤſe Neigungen und ſchaͤdliche Begierlich-
keiten: Du aber meine Seel/ gehe ein in die Freud deines Herren/ und be-
ſuche deſſen heiligen Wohn-Platz. Drittens/ ſtelle dich zu Anfangs
der Betrachtung in das Angeſicht GOttes/ nach dem Spruch deß Koͤnig-
Pſ. 18. 15.lichen Propheten: Die Betrachtung meines Hertzen iſt im-
merdar in deinem Angeſicht.
Die Mittel in der Betrachtung die Verſtreuungen zu vertreiben/
ſeynd dieſe ins gemein; Erſtlich/ daß du ordentlich uͤber alle Puneten
der Betrachtung mit dir ſelbſten redeſt. Zum andern/ daß du die Ge-
dancken/ die ſich in waͤhrender Betrachtung anmelden/ nicht anhoͤreſt. Zum
dritten/ daß du in Mangel der Materi/ dein Gemuͤth zu dieſen oder der-
gleichen Dingen erhebeſt. Exempel-Weiß: zu den Goͤttlichen Eigenſchaff-
ten: zu denen uns von Gott geleiſteten Wohlthaten: zu den Verdienſten
Chriſti: zu deiner Undanckbarkeit und Armſeeligkeit/ \&c. Wie die allerſee-
ligſte Jungfrau Maria und andere Heilige gelebt haben/ und endlich ſolſtu
dich ſelbſten anreden und fragen/ was du von dieſer vorgenommenen Mate-
teri erzehlen koͤnteſt/ wann daruͤber von andern gefraget wuͤrdeſt.
Einige Vrſachen werden erklaͤhret/ warumb die
Betrachtungen offtmahl ſo geringe/ oder gar keine
gute Wirckung haben.
Zu Verhinderung und Schmaͤhlerung der Betrachtungen laſt ſich gebrau-
chen der Geiſt deß Fleichſſes/ der Welt/ und der boͤſe Geiſt. Ein jeder be-
muͤhet ſich ſeiner Seiten gnugſambe Mittelen zur Verhinderung bey zu
ſchaffen.
Der erſte Betrug/ ſo viel die Materi der Betrachtung anlangt/ be-
ſtehet darin/ daß du keine außerleſene Materi zur Betrachtung habeſt; ſon-
deren mehr nach deinem blinden Eiffer und eigenen Sinnen; oder auff un-
vermercktes Antreiben deß boͤſen Geiſtes ſolche Sachen zu betrachten fuͤr-
nehmeſt/ die dir nicht dienen: als zum Exempel; wann du mit boͤſen Nei-
gungen und Gewonheiten zu ſuͤndigen/ und ungezaͤumten Paſſionen er-
fuͤllet/ ſucheſt dir die hoͤchſte und ſubtilſte Materien auß/ von den goͤttlichen
Eigenſchafften. Oder wann du zaghafft und ſerupuloß biſt/ und wolleſt
als-
[477]Deß innerlichen Gebetts.
alsdan von der unendlichen Gerechtigkeit Gottes; von den Suͤnden deß
vergangenen Lebens/ von den Straffen/ durch welche die Suͤnder gezuͤchti-
get worden/ \&c: immer und allzeit betrachten. Der andere Betrug/
ſo viel die Weiß zu betrachten belanget/ iſt dieſer; wann du den ordinari Ge-
brauch zu betrachten verwerffeſt/ und ohne einige der obgemelten Vorberei-
tungen/ zur Betrachtung/ gleich wie ein Schneider auff die Taffel ſpringeſt.
Der dritte Betrug beſtehet darin/ wann du nemblich deinen eigenen
Kraͤfften zu viel traweſt. \&c.Der Vierte Betrug entſtehet daher;
wann du das wahre Ziel und End der Betrachtung verfehleſt: welches dann
geſchehen kan/ erſtlich/ wann du durch die argliſtige Griff deß boͤſen
Feinds bezaubert/ zu keinen wahren und Gottgefaͤlligen Tugenten zu er-
langen/ dich auffmuntereſt; ſonderen nur ſcheinbare/ oder unter dem Schein
der Tugendt/ gute Tugenten zu erhalten trachteſt. Zum Exempel: du
vernachlaͤſſigeſt die Abtoͤdtungen unterm Schein der Diſeretion oder Be-
ſcheidenheit: oder du laſſeſt fahren die euſſerliche Tugenten/ damit bey den
Leuten nicht angeſehen werdeſt: oder du unterhalteſt geheimbe/ ſinnliche und
gefaͤhrliche freundſchafften unterm Schein der bruͤderlichen Liebe. Oder wan
du nachlaͤſſig biſt im Steigen zur Vollkommenheit/ unterm Schein/ daß du
die Ehr Gottes fuͤglicher und nuͤtzlicher befoͤrderen koͤnneſt an anderen.
Oder wan du ein hohes Ambt verlangeſt/ unterm Schein/ daß du in ſolchem
groͤſſeren Nutzen bey anderen ſchaffen moͤgeſt. Oder wann du in denen
Dingen allein den ſchuͤldigen Gchorſamb leiſteſt/ welche dir zu vollbringen
angenehmb/ und der menſchlichen Vernunfft gemaͤß ſeynd/ unterm Schein
einer Weißheit/ Beſcheidenheit und Eiffer der Tugenten. Zum ande-
ren verfehleſtu das wahre Ziel und End der Betrachtung/ wann du durch
den Liſt deß boͤſen Feindts verfuͤhret/ unterm Schein eines groͤſſeren und
beſſeren Guts/ andere/ wiewohl ſehr verdienſtliche Affecten in dir erweckeſt/
ſo da in dem Stand deines Beruffs nicht koͤnnen ins Werck gerichtet wer-
den/ als nur mit ſchaͤdlicher Unruhe deines Hertzen/ und augenſcheinlicher
Gefahr der Verderbnuß. Zum Exempel; du haſt ein einſames Leben erwehlet;
und wilſt nun unterm Prætext eines Seelen-Eiffers/ in Gefahr daß du deine
eigene Beruffung verlaſſen werdeſt/ von deiner Einſamkeit zur Welt oder
villeicht zur Hoͤllen dich wenden. Dieſe und dergleichen Gedancken und
Neigungen muſtu gaͤntzlich fahren laſſen/ wann du in den Betrachtungen
nicht wilſt betrogen werden.
Von den Mittelen wider den Betrug.
Gegen die erſte Art deß Betrugs/ ſo viel die Materi der
O o o 3Be-
[478]Von der nuͤtzlichen Vbung
Betrachtungen antrifft/ iſt ein bewaͤhrtes Mittel/ daß du nicht nach deinem
eigenen Willen/ ſonderen nach dem Rath deines [Geiſtlichen] Vatters/ die
jenige Materien vornemmeſt/ ſo da mehr deine geiſtliche Beduͤrfftigkeit/
als den Fuͤrwitz erfuͤllen. Gegen die Andere/ ſo viel die Weiß belan-
get/ iſt dieſes das beſte/ daß du es immer bey der einmal angefangenen/ und
gewoͤhulichen Manier halteſt. Gegen die Dritte iſt ein ſicheres
Mittel/ wann du mit tieffeſter Demut erkenneſt/ daß du der Goͤttlichen
Gnaden beduͤrffeſt; dieſelbe inſtaͤndiglich erbitteſt; und dir gaͤntzlich einbil-
deſt/ daß du zumalen nichts zur guten Betrachtung beytragen koͤnneſt und
doch gleichwol mit ſelbiger Demut dich moͤgligſt unterſteheſt/ alle Notwen-
digkeiten deß Betrachtens wohl zu beobachten.
Gegen die vierte Art deß Betrugs koͤnnen drey Mittel fuͤrnemb-
lich dienen. Erſtlich muſtu ſicher darfuͤr halten/ daß dieß der wahre und
fuͤrnembſte Nutzen der Betrachtung ſeye/ daß du zu ſolchem End betrachteſt/
auff daß du eine vollkommene Beſſerung aller deiner Maͤngel/ eine Be-
zwingung der boͤſen Begierden/ den Sieg uͤber die Verſuchungen/ ein rei-
nes Gewiſſen/ eine vollkommene Verrichtung deiner taͤglichen Schuldig-
keiten/ und veſte Tugenten dir erwerbeſt. Wann du hieruͤber und jetzt ge-
dachter Urſachen halber die obgemelte Ubungen ernſtlich anſtelleſt/
und dannoch alsbald den innerlichen Troſt nicht vermerckeſt/ ſo
muſtu derhalben doch nicht verzweiflen/ ſonderen der Fuͤr-
ſichtigkeit Gottes alles anheimb ſtellen; welcher da/ wie der heiliger.
Bernardus ſagt; gleich wie ein Liebſter Vatter uns das Brod reichet/ zu
unſer Nahrung/ und nicht das Meſſer/ das iſt/ die Troͤſtungen/ deren wir
mißbrauchen/ und alſo uns toͤdten ſollen. Zum andern muſtu kennen die
Weſenheit und Beſchaffenheit der fuͤrnehmſten Tugenden/ wie nicht we-
niger auch die Wuͤrckungen der jenigen Lafier und Maͤngel/ ſo denen Tu-
genten zu wider ſeynd (welches du alles in gegenwaͤrtiger Tugend-Schul
uͤberfluͤſſig lernen kanſt) du muß der Vollkommenheit ſelbiger Tugenten
dich ernſtlich befleiſſen; die ſo euſſer- als innerliche Wuͤrckungen derſelben
gebrauchen mit aller moͤglichen Auffmerckſambkeit/ mit einer andaͤchtigen
Neigung und Begierd eines hurtigen Willens auß einer unverfaͤlſchten Jn-
tention; und daß zwarn von Tag zu Tag mit einẽ groͤſſern und groͤſſern Eif-
fer zur Vollkommenheit zu gelangen/ und auch die geringſte Maͤngel zu ver-
nichtigen. Zum dritten muß du deinen Beruff/ deinen Orden und deſſen
Manier zu leben/ als ein kraͤfftiges Mittel deiner Außerwaͤhlung/ ſo da von
Gott
[479]Deß innerlichen Gebetts.
Gott uͤber dich geſchehen/ ſonderlich lieben/ mit danckbarem Gemuͤth umb-
fahen/ und dich ſo groſſer Wohlthat unwuͤrdig ſchaͤtzen.
Wie du dich nach der Betrachtung verhal-
ten ſolleſt.
Auff daß die Betrachtung gebuͤhrend/ recht und nuͤtzlich gehalten wer-
de/ ſo geziembt ſichs/ daß du auch zum End derſelben verrichteſt/ was ich
dir hierunten verzeichnet hab.
Nach gehaltener Betrachtung muſtu genau erforſchen/ wie dir die
Betrachtung gelungen ſeye. Jſt ſie uͤbel abgelauffen/ ſo muſtu die
Urſach deſſen unterſuchen; und nachdem du ſelbige gefunden haſt/
ſolſtu uͤber ſothane ungluͤckliche Betrachtung Leyd tragen/ und dir veſtig-
lich fuͤrnehmen/ hinfuͤhro mit mehrerem Eiffer und Andacht zu betrachten.
Die Zeichen aber einer wohl-gehaltenen Betrachtung ſeynd dieſe. Erſtlich
wann du ein Stund lang nach der Betrachtung/ dich noch begierig und be-
reitbefindeſt abermahl zu betrachten/ wanns die Obrigkeit und Gelegenheit
zulieſſe. Wann du nicht williglich in allerhand verſtrueten Gedancken
dich auffhalteſt. Drittens/ wann du die gewoͤhnliche Weiß wohl zu be-
trachten halteſt. Viertens/ wann du das jenige/ ſo dir in der Betrachtung
zu beſſern haſt fuͤrgenommen/ im Werck auch vollbringeſt: und wann du
ſolches an dir vollzieheſt/ daß du alsdann vermerckeſt/ daß dir ſelbiges leicht
falle/ und daß du eine ungewoͤnliche Staͤrcke und Luſt zum Guten/ nicht al-
lein in Zeit der Troͤſtung/ ſondern auch der Verſuchungen empſindeſt.
Die Zeichen einer uͤbelgehaltenen Betrachtung ſeynd dieſe: Erſtlich/ wann
du mit einem Verdruß derſelben abwarteſt/ und zu der geſetzten Stund ver-
langeſt. Zweitens/ wann du in Abwendung der frembden Gedancken biſt nach
laͤſſig geweſen. Drittens/ wan du die Weiß und Ordnung nicht gehalten haſt.
Viertens/ wann du dir keine wuͤrekliche Fuͤrnehmen mit einem Nachdruck
gemacht haſt; oder die gemachte nicht vollzogen haſt. Fuͤnfftens/ wann du
einen geringen Eiffer zur Vollkommenheit zu gelangen/ in dir empfindeſt.
Weiters ſolſtu nach der Betrachtung dir ernſtlich fuͤrnehmen/ den ge-
faſten Willen im Guten jederzeit/ und auffs wenigſt denſelben Tag/ ins
Werck zu ſtellen: auch an ſelbigem Tag/ ſo offt du deiner gehaltenen Be-
trachtung gedenckeſt/ kanſtu den gemachten Fuͤrſatz gar kuͤrtzlich widerho-
len/ \&c.
Allhier koͤnte ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ die uͤbliche Fuͤrſetz der dreyen
Weegen oder Staͤnden der Vollkommenheit vor Augen ſtellen; dieweilen
aber
[480]Von der nuͤtzlichen Vbung
aber dieſe Tugend-Schule nur allein auff die Anfangende zu lehren/ und
die Vollkommene ihres Ambts zu erinneren zielet; und dann du durch gar
zu verdrießliche Weitlaͤufftigkeit mehr von den Betrachtungen oder inner-
lichen Gebett abgeſchroͤcket/ als zu demſelben befoͤrderet wuͤrdeſt: als will ich
dir die uͤbliche Fuͤrſaͤtz folgender Geſtalt entwerffen. Erſtlich alle und jede
laͤßliche Suͤnden/ in welche du am meiſten und leichteſten zu fallen pflegeſt/
muſtu du dich unterſtehen zu meiden durch dieſe oder andere Mittel. Exem-
pel-Weiß: durch die Erinnerung der Gegenwart GOttes an allen Orten;
der letzten Dingen; der Wohlthaten GOttes/ \&c. Zweytens muſtu flie-
hen die Gelegenheiten der Verſuchungen/ in dem du dem gefaͤhrlichen
Auß- und Eingang deinen Sinnen verbieteſt; die Gnad Gottes demuͤtig-
lich begehreſt/ und dich ſelbſten gering ſchaͤtzeſt. Drittens muſtu dieſe oder je-
ne boͤſe Neigungen/ als ſchaͤdliche Wurtzelen der Suͤnden/ auff dieſe oder
ein andere Manier toͤdten. Viertens muſtu mit mehrer Andacht/ als vor-
hin/ und auch oͤffter zur Beicht gehen; und eine wahre Ren- und Leyd uͤ-
ber alle von dir jemahlen begangene Suͤnden zu erwecken/ und immer zu be-
halten dich unterſtehen mit einem ſteiffen Fuͤrſatz alles zu beſſern. Fuͤnfftens
am End der Wochen muſtu deine Betrachtungen gar kuͤrtzlich widerholen/
und ſehen/ ob/ und wie viel du an Tugenden zu- und an Laſtern abgenom-
men habeſt. Sechstens muſtu dir ſichere Buß-Werck und Abtoͤdtuugen
zur Reinigung der begangenen Suͤnden und zu Beſſerung deß Lebens; und
das zwarn zu Lieb deß am Creutz leydenden Jeſu aufflegen. Siebentens muſtu
dich enthalten vom Lachen/ Schaͤtzen/ muͤſſigen Worten/ Ungedult/
von allem Verletzungs-Schein der bruͤderlichen Liebe/ \&c. Achtens muſtu
alle Tag gleichſam erſtlich anfangen/ Gott zu dienen in einer wahren Reinig-
keit deß Hertzen; und muſt dir einbilden/ als wann ein jeder Tag der letzte
deines Lebens ſeye; ſo wirſtu dich ohn allen Zweiffel eines ſauberen Gewiſ-
ſen eifferigſt und ernſtlichſt bemuͤhen/ und dir ſo zeitliche als ewige Wohl-
fahrt fuͤr den angewendeten Fleiß erwerben.
Die
[481]
Die Acht und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Fuͤrtrefflichkeit der Betrachtung deß Leyden
CHRJSTJ.
O vos omnes, qui tranſitis per viam, attendite \& vi-Thren. 1.
v. 12.
dete, ſi eſt dolor ſicut dolor meus.
fůrůber gehet/ mercket doch und ſehet ob ein Schmertzen
ſeye/ der meinem Schmertzen gleich ſeye.’
Der Erſte Theil.
1. WJe die H. H. Vaͤtter darfuͤr halten/ und ſichs im Verlauff dieſer
Lection zeigen wird; hat unter allen geiſtlichen Ubungen die
Betrachtung von dem bittern Leyden und Sterben Chriſti den
Vorzug. deſſen heylſamen Nutzen der Geiſtreiche Bloſius mit folgenden
Worten erklaͤret/ und ſagt: Seelig und abermahl ſeelig iſt die jenige Seel/
welche das liebreiche Leben und Leyden ihres geliebten JEſu/ als eine
koſtbare Perl/ in der Schatz-Cammer ihrer Gedaͤchtnuß immer auffbe-
haltet/ und an allen Orten bey ſich traget. Es kan nicht außgeſprochen
werden/ wie groſſen Nutzen bringe die oͤfftere und andaͤchtige Betrachtung
oder Leſung deß Leydens Chriſti. Auß dieſer entſtehet die Nachlaß der
Suͤnden/ die Außtilgung der boͤſen Neigungen/ eine Reinigkeit deß Her-
tzen/ und Erleuchtung deß Gemuͤts: dieſe bringt Fried und Ruhe dem Ge-
wiſſen/ und heiliges Vertrauen zu GOtt: ſie verurſachet eine uͤberwind-
liche Beſtaͤndigkeit in den Truͤbſalen/ und eine heilſame Foreht im Wohl-
ſtand: ſie erwecket einen innerlichen Troſt und Freud im H. Geiſt: auß
P p pdieſer
[482]Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
dieſer Betrachtung kombt die wahre Demut/ die wahre Lieb/ und andere
Tugenten in groſſer Anzahl: auß ſelbiger wird auch endlich die gewiſſe und
unbetriegliche Erwartung deß ewigen Lebens gebohren. Alſo redet der ob-
gemeldte Vatter in der Vorrede der geiſtlichen Perle. Welches dann der
H. Papſt Leo mit dieſen Worten bekraͤfftiget: Hoͤret/ und nemmet
war das allerhoͤchſte Geheimnuß der Goͤttlichen Barm-
hertzigkeit: dieweilen alda eine gewiſſe und ſichere Er-
wartung der verſprochenen Seeligkeit vorhanden iſt/ al-
wo die Gemeinſchafft deß Leydens Chriſti gefunden wird.
Wann wir nun dieſes Leyden durch eine auffmerckſame
Betrachtung uns ſelbſten mittheilen; ſo koͤnnen wir uns
verſichern/ daß wir krafft deſſen/ ungezweifflet zu den
himmliſchen Freuden uns naͤheren. Es iſt gewiß/ ſagt
der gelehrte Origenes/ das keine Sůnd bey den Menſchen
Apud.
Fabr.
Conc. 6.
in Dom.
Paſſ.herrſchen koͤnne/ wann er den Todt Chriſti in ſeinem Her-
tzen herumb tragt: dann eine ſo groſſe Gewalt hat das
Creutz/ daß/ wann ſelbiges vor die Augen geſetzt/ und
im Hertzen trenlich behalten wird; alſo/ daß der Menſch
den Todt ſeines HErrn mit geiſtlichem Fůrwitz beſchaue;
keine boͤſe Begierd/ keine Geilheit/ keine Vngedult/ keine
Mißgunſt koͤnne ůberhand nehmen/ ſondern werde in
deſſen Gegenwart das gantze Kriegs-Heer der Sůnden
und deß Fleiſches in die Flucht geſchlagen.
2. Weiters hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ den H. Bonaventuram/ der dir
alſo zuredet: wilſtu/ O Menſch/ von Tugend zu Tugend/ von einer Gnad
zur anderen/ und vom Guten zum Beſſeren ſchreiten/ ſo betrachte taͤglich
das Leyden Chriſti mit moͤglicher Andacht: dann dieſe veraͤndert das Hertz/
und macht ſelbiges nicht allein Engliſch; ſonderen auch Goͤttlich: zumalen
nichts alſo in der Seelen verurſachet eine allgemeine Heiligung/ wie die
Betrachtung deß Leydens Chriſti. Neben dieſem iſt der H. Albertus
Tract. de
Sacr.
Miſt.Magnus der Meinung/ daß auch die einfaͤltige Gedaͤchtnuß oder Betrach-
tung dieſes bitteren Leyden bey Gott hoͤher geſchaͤtzt werde/ als wann einer
ein gantzes Jahr lang in Waſſer und Brod faſtete/ und ſich alle Freytag biſt
4. P. In-
trod. ad
Med.zum Blut diſciplinirte/ oder taͤglich den Pſalter bettete. Deſſen Urſach der
Gottſelige Ludovicus de Ponte gibt mit folgenden Worten: dieweilen die
vorgemelte Werck/ ob ſie ſchon ſehr gut und nuͤtzlich ſeynd; ſo haben ſie doch
keine ſolche Krafft/ das Hertz von ſeinen Laſteren zu ſauberen/ mit Warheiten
und
[483]Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti.
und Tugenten zu erleuchten/ und durch die entzuͤndete Bewegungen der
Goͤttlichen Liebe zur Vollkommenheit zu befuͤrderen; wie die auffmerck-
ſambe und andaͤchtige Betrachtung deß Leydens Chriſti. Derhalben hat
recht der Geiſtreiche P. Alvarez alle Anfangende zur betrachtung dieſes
Leydens/ als zu einem geiſtlichen Brunnen ihres zunehmens angetrieben/
und in ſeinen gewoͤhnlichen Ermahnungen dieſes mehrmal widerholet; daß
wir nemblich nichts auß unſern Wercken machen ſollen/ biß wir ſo weit kom-
men ſeynd/ daß wir den gecreutzigſten Jeſum allzeit in unſerm Hertzen tragen.
Dieſer Gottſelige Alvarez wuſte wohl/ daß der Liebreiche Jeſus ſeiner
auſſerwaͤhlten Braut der H. Gertrudis offenbahret hatte/ und geſagt:
Gleich wie es unmoͤglich iſt/ daß einer mit Maͤhl umbgehe/ und von ſelbigemL. 3. Inſin
c. 41.
nit beſtaubet werde: alſo kan nicht geſchehen/ daß einer/ ſo auch mit weniger
Andacht das Leyden Chriſti bedencke; und darauß keinen Nutzen ſchoͤpffe.
Widerumb ein andersmal ſagt Chriſtus derſelben Gertrud: Cs mag einerL. 4. Inſin
div. Piet.
ſo groſſer Suͤnder ſeyn/ als er immer wolle; wann er nur Hoffnung der Ver-
gebung wird ſchoͤpffen koͤnnen/ und meinem Vatter mein allerunſchuldig-
ſtes Leyden und Todt auffopfferen: ſo vertrawe ſolcher/ daß er die heylſame
Frucht der Nachlaß erhalten werde: dieweilen auff Erden kein ſo kraͤfftiges
Mittel gegen die Suͤnd kan gefunden werden/ als eben die Gedaͤchtnuß
meines Leydens/ mit einer wahren Bußfertigkeit/ und auffrichtigem Ver-
trauen.
Drittens/ dann/ ſo das Blut der Boͤck und Ochſen/ ſagtHebr. 9.
v. 13.
der Apoſtel/ und die Aſche der jungen Kůhe/ wann ſie ge-
ſprenget wird/ die Befleckte reiniget zu Reinigung deß
Fleiſches: wie viel mehr wird dann das Blut Chriſti/
der ſich ſelbſt unbeflecket/ durch den H. Geiſt GOtt auff-
geopffert hat/ unſer Gewiſſen reinigen/ und von den
Todten erwecken/ dem lebendigen GOTT zu dienen:
Dieſe Reinigung erhalten wir durch die Betrachtung deß Leyden Chriſti.
Thut aber dieſes nur die bloſe Betrachtung; wie naͤrriſch ſeynd dann die je-
nige/ ſo dieſe auß Traͤgheit unterlaſſen! da doch alle Creaturen/ wie dich und
mich der H. Hieronymus erinnert/ mit dem ſterbenden JEſu ein Mit-Ley-Sup.
Matth.
den haben: die Sonn wird verdunckelt/ die Erd wird beweget/ die Felſen
werden zerſpaltet/ der Fuͤrhang deß Tempels wird zerriſſen/ die Graͤber
der Todten werden eroͤffnet; und der armſeelige Menſch allein hat kein
Mit-Leyden/ fuͤr welchen doch Chriſtus leydet. Uber ſolche hat der Heil.
Vatter Auguſtinus ein erſchroͤckliches Urtheil gefaͤlet mit dieſen Worten:
P p p 2der
[484]Die Acht und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
der dir nicht dienet/ mein GOtt und HErr/ dieweilen er erſchaffen iſt/ der
hat die Hoͤll verdienet: der dir aben nicht dienet/ dieweilen er erloͤſet iſt/ der
verdienet/ das fuͤr ihn ein neue Hoͤll erſchaffen werde. Wie kan man aber
urtheilen/ daß ein ſolcher ſeinem Heyland diene/ ſo da niemahlen oder ſelten
deſſen bittern Leyden betrachtet? Dahero laſſet uns/ zu Verhuͤtung der
gedreueten Straff/ anjetzo Chriſtum hoͤren und erhoͤren/ der uns durch ſei-
nen Propheten mit denen obangezogenen. Worten zur Betrachtung ſeines
Leydens einladet: O ihr alle zuſammen/\&c. Zu dieſer Ubung treibt uns
L. de
Virg.an der gemeldte. Vatter Auguſtinus und ſagt: Siehe an die Wunden deß
am Creutz hangenden/ das Blut deß: Sterbendenden/ den Werth deß Er-
loͤſenden/ die Wund-Mahlen deß Aufferſtehenden. Er hat das geneigte
Haupt zum Kuß/ das eroͤffnete: Hertz zum Lieben/ die außgeſpannete Ar-
men dich zu umbhaͤlſen/ und den gantzen Leib zum erloͤſen. Gedenck/ mein
Seel/ was dieſes ſeye/ lege du das alles auffdie Waag deines Hertzen/ auff
daß dir zumahlen genaͤgelt werde ins Hertz/ der fuͤr dich gehefftet iſt worden
ans Creutz.
4. Nun erwege auch den groſſen: und unbeſchreiblichen Nutzen ſothanet
Betrachtung. Bey dem Propheten: Ezechiel wird befohlen/ daß alle
ſollen getoͤdtet werden/ ſo mit dieſem Zeichen †. an der Stirn nicht behaff-
tet ſeyen: und muͤſſen wir hierauß lehrnen/ daß die jenige vermutlich verloh-
ren gehen/ welche die Gedaͤchtnuß deß Leyden Chriſti vor den Augen
ihres Hertzen nicht herumb tragen. Hergegen aber die jenige ewig leben
werden/ ſo der bitteren Schmertzen und Todts deß Herren ſich offt mit An-
dacht erinneren nach Zeuchnuß der ewigen Warheit ſelbſten bey der S.
Jungfrawen Anna à S. Bartholomæo, welche unter anderen hohen Ge-
heimnuͤſſen auch dieſes von ihrem himliſchen Braͤutigam gelehret worden;
daß/ wann ein Menſch nur einmal im Tag der ſchwaͤren Peinen ſeines ley-
denden Heylands mit einem hertzlichen Mitleiden gedencke/ nicht werde zu
Grund gehen. Dieſe Lehr hat auch von Chriſto empfangen den H. Bi-
ſchoff Edmundus, da er in ſeiner Jugend einsmals allein ſpatzieren gangen/
und ihm Chriſtus in Geſtalt eines ſchoͤnen Juͤnglings entgegen kommen und
geſagt/ daß wann er fuͤr den Nachſtellungen deß Teuffels ſicher leben/ alle
verlangte Tugenten und Gnaden erhalten/ und ſich zu einem ſeeligen Todt
wuͤrdiglich bequemen wolte; taͤglich ein Geheimnuß deß bitteren Leydens
betrachten ſolte. Auch hat ſelbiges von der allerſeligſten Mutter Maria er-
Engelgr.
in Dom.
Quinq. §.
3.lernet der H. Joannes: dann da dieſer H. Evangeliſt in ſeinem hohen Alter
ein ſoͤnderbahres Verlangen getragen dieſe allerheiligſte Jungfraw zu ſehen/
iſt ihm ſelbige erſchienen/ und hat mit ihm uͤber das Leyden ihres geliebten
Sohns
[485]Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti.
Sohns ein langes Geſpraͤch gehalten/ und unter anderen auch geſagt/ das
Chriſtus dem jenigen/ welcher ſeyn Leyden offt betrachte/ drey beſondere
Gnaden verleyhen werde. Erſtens/ daß er vor ſeinem Todt eine vollkom-
mene Rew und Leid uͤber ſeine Suͤnden werde erwecken koͤnnen. Zwey-
tens/ daß ſie ihn in ſeinem Sterb-Stuͤndlein ſonderbar beſchuͤtzen wolle.
Drittens/ daß ein ſolcher durch ihre Fuͤrbitt. alles zu erhalten vermoͤge.
Seynd daß nicht ſtattliche Verheiſſungen? Damit du aber den Nutzen die-
ſer Ubung noch beſſererkennen moͤgeſt/ ſo leſe und bedencke was ſolgt.
5. Es erzehlet der Gottſelige Thaulerus, daß Chriſtus einem ſeiner Die-Thaul. in
Explic.
Paſſ.
ner einsmals gantz verwundet erſcheinen ſeye/ und geſagt habe: Du ſolſt
wiſſen/ daß mir die Menſchen keinen ſo angenehmen Dinſt erweiſen koͤnnen/
als wann ſie mein allerbitter ſtes Leyden und meine grauſambe Wunden in
ihren Hertzen tragen. Nach dem nun der gedachte Diener Gottes gefragt/
was fuͤr einen Nutzen man auß der Betrachtung ſeines allerheiligſten Ley-
den ſchoͤpffen koͤnne: hat er Antwort bekommen/ daß dem Betrachtenden auß
ſothaner ſeiner Ubung/ neun ſonderbare Guͤnſten oder Gnaden erſprieſſen
werden. Erſtlich wird er/ ſagt Chriſtus/ von allen Suͤnden gereiniget/
und was er vernachlaͤſſiget hat/ daß wird auß meinen Verdienſten wider-
umb erſetzet. Zum anderen/ wird er im Streit wider ſeine Feinde alſo
geſtaͤrcket werden/ daß ſie an ihm nichts haben moͤgen: Dann ob er ſchon auß
Schwachheit zu Zeiten fallet/ ſo unterſtuͤtze ich demſelbigen meine huͤlffliche
Hand/ daß er nicht koͤnne zu ſchanden werden: Zum Dritten/ geb ich
ihme Kraͤfften/ damit er alle Tugenten und gute Wercken zu meinem Ver-
gnuͤgen uͤben koͤnne. Zum Vierten/ ob er ſchon mein: Leyden kuͤrtzlich
betrachte/ ſo wird doch deſſen Seel immer in meiner Gnad erneweret.
Zum fůnfften/ bin ich gern bey dem jenigen/ und mache meine Woh-
nung bey-ſelbigem/ welcher mein Leyden andaͤchtiglich bedencket. Zum
Sechſten/ pflege ich einem ſolchen die Geheimnuß/ ſo von meinem Vatter
mir offenbahret worden/ gleicher Geſtalt gern mitzutheilen. Zum Sie-
benten/ werd ich ihn vor ſeinem Todt zur Vollkommenheit gelangen
laſſen/ ihn mir gefaͤllig machen/ und nach ſeinem Todt mit meinen Freunden
belohnen. Zum Achten/ werd ich ihmenichts weigeren/ was er nur ver-
nuͤnfftiglich von mir begehren wird. Zum Neunten/ werd ich ihm in
ſeiner Todt-Angſt trewlich beyſtehen/ und werd ihnen ſeiner Seeligkeit ver-
ſicheren. Solſtu nun wol/ meine Chriſtliche Seel/ ſo unbeſonnenen und nach-
laͤſſig ſein koͤnnen/ daß du nach angehoͤrten ſo herrlichen Gnaden und
Guͤnſten deines Heylands/ deſſelben bitteres Leyden nicht nach allen Kraͤff-
P p p 3ten
[486]Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
ten zu betrachten dich unterſtehen werdeſt? Derhalben leſe/ betrachte/ ſchrei-
be/ und hoͤre gern reden von dem Leyden deines Herren/ in dem du verſichert
biſt/ daß dir die wenige Arbeit ſo reichlich vergolten werde.
Der Andere Theil.
de Saxon.
in vit.
Chri.
6. DA einsmals ein ſicher Einſidler zu wiſſen verlanget/ mit wel-
chen Ubungen er ſich bey der Goͤttlichen Majeſtet am beſten
verdienſtlich machen koͤnte; hat ſich demſelben Chriſtus nackend/
am gantzen Leib verwundet/ und mit einem ſchwaͤren Creutz beladen gezeiget/
und geſagt; daß ihm nichts liebers und angenehmers von ſeinen Dieneren
widerfahren koͤnne/ als wann ſie ihm in Tragung deß Creutzes behuͤlfflich
ſeyen: dieſes aber wuͤrden ſie thuen/ wann ſie durch die Gedaͤchtnuß ſeiner
Schmertzen ihm folgten/ und einen Theil derſelben in die Emfindligkeit
Chron.
Min. L. 1.
c. 105.ihres Hertzen gleichſamb einſchlieſſen wuͤrden. Nachdem der H. Franciſcus
ebenfals zu wiſſen begierich geweſen/ welche Dienſten ſeinem Gott am liebſten
ſeyn moͤgten/ hat er das Meſſen- Buch dreymal auffgeſchlagen/ und jedes-
mahl das Leyden Chriſti gefunden. Da die H. Maria Magdalena in
Sylveſt.
in Roſ.
aur. 1. a.der Wuͤſten Gott eifferich gebetten/ er moͤgte ihr doch zeigen/ worinnen ſie
ſich am fuͤrnehmſten beſchaͤfftigen ſolte; hat ihr der Ertz-Engel Michael
ein ſehr ſchoͤnes Creutz zum Eingang der Hoͤhlen dergeſtalt gepflantzet/ da-
mit ſie ſelbiges immer vor Augen ſehe/ und ſich alſo deren am ſelbigem voll-
brachten Geheimnuß erinnern ſolle. Auß dem allen dann gnugſamb er-
hellet/ daß die Betrachtung vom Leyden Chriſti alle andere Ubungen weit uͤ-
bertreffe: dahero geſchehen iſt/ daß ſie die Heiligen GOttes vor allem in Be-
ſchauung deß Leydenden JEſu geuͤbet haben: denen die allerſeeligſte Jung-
frau Maria mit ihrem Exempel iſt vorgangen/ welche mehrmahlen von ſich
ſelbſten geſagt hat: Jm Grab meines Sohns waren meine Gedancken und
mein Hertz allzeit. Die Fuß-Stapffen dieſer Jungfraͤulichen Mutter iſt
die Clara de Monte Falco deß H. Auguſtiner Ordens beharrlich einge-
tretten/ indem ſie ſo ſchlaffend als wachend mit dem gecreutzigſten JESU
zu ſchaffen gehabt. Unter andern mahlen/ da ſie an ſothaner ihrer Ubung
groͤblich durchſtochen worden/ iſt ihr ein Juͤngling mit einem Creutz erſchie-
nen/ und geſagt: mein tochter Clara/ ich hab ein veſtes Ort geſucht/ dahin
ich dieſes Creutz pflantzen moͤgte/ und/ ſiche/ ich hab darzu dein Hertz gefun-
den: daſelbſt will ich es hefften; du ſolſt derhalben an dieſem Creutz ſterben/
wofern du meine Tochter und Erb ſeyn wilſt. Von dieſer Zeit an iſt das
Ge-
[487]Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti.
Geheimnuß deß Leydens in derſelben Hertz dergeſtalt eingedruckt verblieben/
das Speiß und Tranck in Gedaͤchtnuß dieſes Leydens ihr bitter vorkommen;
und was ſie geſehen/ verſtanden und geredet/ mit der Gall deß Creutzes
Chriſti beſprengt zu ſeyn geglaubet worden. Dahero hat man nach ihrem
Todt alle Jnfirumenten deß Leydens/ ſambt dem geereutzigten Chriſto in
derſelben Hertz getruckt befunden.
7. Der H. Bernardus gabe Zeugnuͤß von ſich ſelbſten; daß er von An-Bern.
Sup.
Cant.
fang ſeiner Converſation an ſtatt der Verdienſten/ deren er ſich entbloͤſet be-
funden/ ein Buͤſchlein auß allen Schmertzen/ Aengſten und Bitterkeiten
ſeines Herren zuſammen gebunden habe. Erſtlich/ ſagt er/ hab ich ver-
ſammlet die Gebrechen und Notthdurfften deß unmuͤndigen Kindleins:
nachmahlen die Muͤhe und Arbeit im Predigen; die Ermuͤdungen im hin-
und her reiſen; das Wachen im Gebett; die Verſuchungen im Faſten/
die Zaͤhren im Mit-Leyden: die Nachſtellungen der Phariſeer im Fragen:
und endlich die Gefahren in falſchen Bruͤdern: die Schelt und Schmaͤh-
Wort/ das Verſpeyhen/ Verhoͤnen/ die Backen-Streich/ die Verweiß-
thumben/ die Naͤgel und dergleichen. Solche Ubung vermeinet der Heili-
ge Vatter/ daß einem jeden Chriſt-liebenden Menſchen nachzufolgen/ wohl
anſtehe. Tygranes ein Koͤnig wird mit ſeiner Gemahlin von dem Cyro
Koͤnig in Perſien gefangen/ und von ſelbigem gefragt/ was er zu Errettung
ſeines Weibs geben wolle; gib aber zur Antwort/ daß er ſein Leben fuͤr ſelbi-
ge zu verlieren bereit waͤre. Dieſe reſolute Antwort hat dem Cyro dermaſ-
ſen gefallen; daß er den gefangenen Koͤnig ſambt der Koͤnigin alsbald auff
freyen Fuß geſtellet. Nun traͤgt ſichs zu/ daß Tygranes in der Ruck-Reiß
ſeine Gemahlin fraget/ wie ihr der Cyrus gefallen habe: darauff ſelbige ant-
wortet/ daß ſie ſolches nicht wiſſe; zumahlen ſie von dem Augenblick/ in dem
er Tygranes ſein Leben fuͤr ſeine Gemahlin dargebotten/ auff keinen andern
ihre Augen geſchlagen habe/ als eben auff den jenigen/ deſſen Lieb ſie mit
hertzlichein Vergnuͤgen erfahren. Wie viel hoͤher ſeynd wir dann nicht ver-
bunden/ unſere Augen ſtets auff den jenigen zu wenden; der nicht mit dem
Willen; ſondern auch mit der That ſelbſten ſein Leben auff ſo grauſame Weiß
fuͤr uns verlieren wollen? Der uns auch nicht auß der Gewalt eines irrdi-
ſchen Koͤnigs/ ſondern auß der Selaverey deß hoͤlliſchen Tyrannen erret-
tet/ und in die guldene Freyheit der Kinder GOttes geſetzt hat? Dahin
ſcheinet der H. Petrus gezielet zu haben mit dieſen Worten: Dieweil1. Pet. 4.
v. 1.
Chriſtus im Fleiſch gelitten hatt/ ſo waffnet ihr euch auch
mit denſelbigen Gedancken.
8. Jm
[488]Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
8. Jm uͤbrigen/ ſo viel die Weiß und Manier dieſes Leyden zu betrach-
Tom. 8.
medit.
Paſſ.
Chriſti
in Præ-
fat.ten anlanget/ lehret uns ſelbige der Ehrw. Vatter Beda/ wie folget: Es
iſt nothwendig/ daß du in deiner Betrachtung dir dieſes
bittere Leyden alſo einbildeſt/ als wann du zu ſelbiger Zeit
gegenwaͤrtig geweſen waͤreſt/ da dein Heyland gelitten
yat: und dich im Mit-Leyden alſo verhalteſt/ als ob du
deinen leydenden HErrn vor deinen Augen haͤtteſt. Wann
du alſo betrachten wirſt/ kanſtu bald auß einem unwiſſen-
den Menſchen/ in einen gelehrten Mann veraͤndert wer-
P. 2. c. 58.den. Dieſes bekraͤfftiget der Geiſt-reiche Ludolphus Cartuſianus/ und
ſagt: die oͤfftere Betrachtung deß Leydens Chriſti macht einen Ungelehrten
ſehr gelchrt/ auß den Unerfahrnen macht ſie erfahrne Lehr-Meiſter; ich ſage/
Lehr-Meiſter/ nicht der Wiſſenſchafft/ die da auffblaſet; ſondern der Liebt/
welche aufferbauet. Dieſe iſt gleichſamb ein Buch deß Lebens/ in dem al-
les/ was zum Heyl gehoͤret/ zu finden iſt: Seelig iſt der jenige/ welcher ſich
dieſer Ubung mit allem Ernſt ergibt; dann er wird in Verachtung der Welt/
und in der Liebe GOttes zunehmen/ und wird in allen Tugenten und
Gnaden wachſſen. Dieſes Buch hat der H. Apoſtel Paulus mit groſſem
Fleiß durchblaͤttert; dahero ſagt er: Jch hab mir vorgenommen/
1. Cor. 2.
2.unter euch nichts anders zu wiſſen/ ohn allein JEſum
Chriſtum/ und zwarn den/ der gecreutziget iſt. Eben
In ejus
Vita.auß ſelbigem Buch hat der H. Vatter Bonaventura alle ſeine Gelehrt- und
Heyligkeit geſchoͤpffet. Dann/ ſo der H. Thomas von Aquin dieſen heili-
gen Mann einsmahls beſucht/ und begehrt hat/ man moͤgte ihm doch die
Biblioteck zeigen/ darauß er ſo anſehnliche Gelehrheit erworben; hat
ihm der H. Vatter die Bildnuß deß gecreutzigſten Heylands gezeigt/ und
geſagt/ daß er auß ſelbigem Brunnen alles ſchoͤpffe/ was er immer leſe und
ſchreibe.
9. Weiters kan nichts kraͤfftigers zu Verſuͤſſung und Verſaͤnfftung
unſerer taͤglich vorfallenden Widerwaͤrtigkeiten gefunden werden/ als eben
In Ma-
nual. c. 22die Betrachtung deß Leydenden Chriſti. Jch hab in allen meinen
Trůbſalen/ ſagt der H. Vatter Auguſtinus: kein ſo herrliches
Mittel gefunden/ als die Wunden Chriſti: in dieſen Schlaff
ich ſicher/ und ruhe ohne Forcht. Dieſes iſt bereits vorzeiten in
Exod. 15.alten Teſtament vor gebildet worden; da das Jſraelitiſche Volck ſich uͤber
den Mangel deß ſuͤſſen Waſſers beklagt hat; und derſelben Haupt- Fuͤhrer
Moyſes/ auß Goͤttlichem Befelch ein ſicheres Holtz ins Waſſer zur Verſuͤſ-
ſung
[489]Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti.
ſung deſſelbens geworffen. Durch ſolches ſuͤßmachende Holtz wird nichts
anders als die Krafft deß Creutzes verſtanden/ wie neben andern der Heil.
Antonius meldet mit dieſen Worten: Das Waſſer ſeynd die Trůb-P. 2. Tr. 3.
c. 7. §. 4.
ſaalen/ welche uns armen Menſchen in der Wůſten dieſer
Welt vielfaͤltig vorkommen/ und in ſich bitter ſeynd: ſie
werden aber verſůſſet/ wann das Holtz deß Treutzes hin-
ein geworffen wird/ das iſt/ wann der Menſch das Ley-
den Chriſti offt andaͤchtiglich betrachtet. Derhalben leſen wirSpec.
Exemp.
diſtinct.
9. Exemp
101.
von einem geiſtlichen Juͤngling/ daß/ weilen er von ſeinem Orden hat wol-
len abtrinnig werden/ ihme Chriſtus erſchienen ſeye/ ſeine Seiten eroͤffnet/
das heraußflieſſende Blut gezeigt/ und ihm befohlen habe/ er ſollte zum Klo-
ſter widerkehren/ und alle Strengigkeiten ſeines Ordens in dieſe Seiten ein-
duncken/ ſo wuͤrden ſelbige in lauter Suͤſſigkeit veraͤndert werden. Die-
ſem Befelch iſt der Juͤngling nachkommen/ und hat nachmahlen ein heiliges
Leben gefuͤhret. Ein ander/ ſo da im Anfang ſeiner Bekehrung eine Zeit-Ludolph
de Saxon
p. 2. c. 58.
lang durch groſſe Verzweifflung angefochten worden/ und derhalben immer
in ſeiner Cellen geſeſſen/ iſt gewuͤrdiget worden zu hoͤren dieſe Stimm:
Stehe auff/ betragte mein Leyden andaͤchtiglich; ſo wirſtu in meiner Bit-
terkeit dein Leyd uͤberwinden Wie geſagt war/ ſo iſt geſchehen. Laß dir/
mein Chriſtliche Seel/ dieſe Wort geſagt ſeyn/ und nehme deine Zuflucht
in allen deinen Widerwaͤrtigkeiten zum geereutzigten Heyland: befleiſſe
dich aber vorhero/ ſo viel dir moͤglig iſt/ deſſelben bitteres Leiden gebuͤhrend zu
betrachten/ auff daß du in Zeit der Truͤbſaalen/ mit leichter Muͤhe das ge-
benedeyte Holtz in dein alſolches Waſſer werffen/ und ſelbiges verſuͤſſen
moͤgeſt.
10. Neben andern Vortheilen kan ſich auch ein Liebhaber deß Leydens
Chriſti eine ſonderbahre zuverſicht die ewige Seeligkeit zu erlangen/ erwer-
ben; wie auß denen Worten/ mit welchen Chriſtus ſeine geliebte Braut/ die
S. Angelam de Fulginio einsmals angeredet hat: O ihr Menſchen ſeyetBolland.
4. Jan.
fol. 202.
gluͤckſeelig/ ihr ſeyd gebenedeyet! wann ich am Creutz fuͤr meine Feinde/ mit
Vergieſſung der Zaͤhren/ meinen Vatter gebetten/ ſelbige entſchuldiget und
geſagt hab: Vatter/ verzeyhe ihnen/ dann ſie wiſſen nicht/
was ſie thuen: was ſoll ich dann nicht fuͤr euch thuen/ die ihr ein hertzli-
ches Mit-Leyden mit mir getragen und mir zu Geſellſchafft gelitten habt?
was werd ich zu befoͤrderung eueres Heyls ſagen/ wann ich nicht am Creutz/
ſoudern in groſſer Herrligkeit die Welt richten werd? Unmoͤglich wird der
Q q qhimm-
[490]Die Acht und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
himmliſche Richter einen ſolchen verwerffen koͤnnen/ ſo deſſen Leyden mit
andaͤchtigem und mitleydigem Hertzen wird betrachtet haben.
11. Jm Buch der Parabolen redet Gott alſo: Seelig iſt der
Prov. 8. v.
34.Menſch/ der taͤglich wachet an meiner Thůr/ und wartet
auff mich an den Poͤſten meiner Thůr. Was kan nun anders
durch dieſe Thuͤr verſtanden werden/ als eben die allerheiligſte Wunden
Chriſti? Derhalben wohl zu mercken iſt/ daß der H. Joannes nicht ohne
Geheimnuß in ſeinem Evangelio alſo geſchrieben habe: Einer von den
Joan. 19.
v. 34.Kriegs-Knechten eroͤffnete ſeine Seiten mit dem Speer.
Er ſagt nicht/ verwundete; ſonderen/ eroͤffnete: Damit er andeuten
moͤgte/ daß uns durch ſothane Eroͤffnung der Eingang zur ewigen See-
ligkeit bereitet waͤre. So iſt dann ſeelig der jenige/ ſo taͤglich an dieſer
Thuͤr vermittels einer andaͤchtigen Betrachtung der Wunden Chriſti
wachet. Dieſe Warheit hat erfahren ein gewiſſer Ley-Bruder deß Regu-
Spec.
Exempl.
diſt. 6. c.
10.lierer Ordens; welcher nach dem Todt ſeinem Oberen erſchienen/ und geſagt/
daß er den geraden Weeg gen Himmel gefahren ſeye; dieweilen er in ſeinem
Leb-Zeiten den gecreuͤtzigſten Herren in ſehr groſſer Verehrung gehalten;
und daß er im vorbeygehen der gecreuͤtzigſten Bildnuß Chriſtum allzeit ge-
betten habe/ daß er ſich umb der am Creuͤtz erlittenen bitteren Schmertzen
In Prato
Flor. L. 1.
c. 22. Ex-
emp. 6.willen in ſeinem Hinſcheiden erbarmen wolle. Auch wird von einem
Juͤngling geleſen/ daß ſelbiger ewiglich waͤre verdambt worden/ wann er ſich
nicht ſo offtmal dem gecreuͤtzigſten Jeſu befohlen haͤtte. Dieſer pflegte/ ſo
offt er zum ſchlaffen niederligen oder auffſtehen wolte/ ſich mit dem Zeichen
deß H. Creutzes zu verſehen/ und dieſe Wort zu ſprechen: Jeſu von Na-
zareht/ erbarm dich meiner/ im Nahmen deß Vatters/ und
deß Sohns/ und deß H. Geiſtes: Und bittete dẽ gecreutzigſten Jeſum
zugleich; daß er ihn doch ohne Beicht nit wolle ſterbẽ laſſen. Nun hat ſich aber
zugetragen/ daß er durch einen gaͤhlingen Todt von dieſer Welt geſchieden;
da ſich dann die boͤſe Geiſter alsbald einfinden laſſen/ umb deſſen Seel mit
Hiſtoria.ſich zur Hoͤllen hinweg zu ſchlepffen: hieruͤber hat ſich ein herrlicher Juͤng-
ling ſehen laſſen/ und die feindliche Schaaren vertrieben; die Seel aber hat er
an ein finſteres Ort gefuͤhret/ und daſelbſt gelaſſen. Ein wenig hernach iſt
derſelbe Juͤngling abermalerſchienen/ und der Seelen bedeutet; daß/ ob ſie
ſchon die hoͤlliſche Peinen verdient habe/ dannoch von dem Richter/ wegen ge-
uͤbter Andacht zu ſeinem Leyden und der Uberſchrifft deß Creutzes dergeſtalt
begnaͤdiget ſeye; daß ſie widerumb zum Leib kehren/ und die begangene
Suͤnden durch eine ſacramentaliſche Beicht außtilgen koͤnne. Nach ſotha-
ner
[491]Von der Betrachtung deß Leyden Chriſti.
ner abgelegten Beicht/ iſt der Juͤngling dem Leib nach zum andermal geſtor-
ben. Er waͤre aber auch der Seelen nach ewiglich geſtorben/ wann er nicht
durch obgemelte Gottgefaͤllige Ubung/ bey ſeinem Richter ſich verdienſtlich
gemacht haͤtte.
12. Nun hoͤre zum Schluß/ mein Chriſtliche Seel/ den Gottſeeligen
Henricum Suſonem, welcher Chriſtum unſeren Heyland mit einem ſeiner
Diener/ von ſeinem bitteren Leyden alſo redend darſtellet: Mir iſt/ ſagt
Chriſtus/ das Hertz deß Menſchen viel angenehmer/ wann es von aller irr-
diſchen Lieb leer/ und das herrliche Exempel meines Lebens zu folgen immer
befliſſen iſt; als wann ſelbiges mit unauffhoͤrlichem Seufftzen und Weinen
mich ehret/ und ſo viel Zaͤhren vergieſſet/ als jemalen Troͤfflein Regen vom
Himmel gefallen: Sintemalen ich durch Uberſtehung meines ſo bitteren
Todts dieſes zum meinſten geſucht hab/ das mir die Menſchen nachfolgeten:
wiewohl mir die andaͤchtige Zaͤhren auch ſonderbar lieb und angenehm ſeynd.
Wann du mein Leyden mit weinenden Augen nicht betrachten kanſt; ſo thue
es nichts deſtoweniger mit froͤligem Hertzen/ wegen der unermeßlichen Guͤ-
ter/ ſo dir dar auß erwachſſen. Solſtu auch weder in Zaͤhren/ weder in Froͤ-
ligkeit deſſelben gedencken moͤgen; ſo uͤberlauff dieſes Leyden zu meiner
Ehren auch mit unempfindlichem Hertzen: dann alſo wirſtu mir nicht weni-
geren Dienſt leiſten/ als wann du fuͤr Zaͤhren und Suͤſſigkeit zergiengeſt:
zumahlen du auff ſolche Weiß verrichteſt das Werck auß Liebe meiner/
in dem du dich ſelbſten im geringſten nicht ſucheſt. Auff daß dir aber mein
Leyden mehr zu Hertzen gehe/ und zur Betrachtung deſſelben mehrere Luſt
bekommeſt/ ſo hoͤre/ was ich dir ſagen werde. Eine Seel/ welche mit vielen
Suͤnden beladen iſt/ wird ſich deß Schatz meines Leydens alſo theilhafftig
machen/ daß/ ob ſie ſchon auch ein Tauſend jaͤhriges Feg-Fewr haͤtte auß-
zuſtehen/ dannoch in kurtzer Zeit die Schuld und Straff außtilgen/ ſo gar
auch/ daß ſie ohue einiges Feg-Fewer zur ewigen Seeligkeit gelangen wer-
de. Solches muß aber geſchehen auff dieſe Weiß. Erſtlich muß er
mit zerknirſchtem Hertzen offt und wohl die Grob- und Vielheit ſeiner Suͤn-
den/ mit denen er die Goͤttliche Majeſtet beleidiget hat/ zu Gemuͤth fuͤhren.
Zum anderen muß er die Werck der eigenen Gnugthuung nit zwarn unter-
laſſen/ ſonderen wenig achten/ als welche nit hoͤher gegen die begangene Suͤn-
den zu ſchaͤtzen ſeyen/ dann ein Troͤpfflein Waſſer gegen das gantze Meer.
Zum Dritten muß er die Unermeßligkeit meiner Gnugthuung ſonderbar
hoch achten/ und gedencken/ daß auch ein eintziges Troͤpfflein meines ver-
goſſenen Bluts alle Suͤnden/ nicht allein der eintzigen/ ſonderen auch Tau-
Q q q 2ſend
[492]Die Neun und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
ſend Welten haͤtte außloͤſchen koͤnnen. Es wird ſich aber ein jeder dieſe
meine Gnugthuung in ſo weit zu nutzen machen/ ſo viel er mir durch ſein
Mitleiden gleichfoͤrmig wird/ und die Wenigkeit ſeiner Verdienſten in die
Unendligkeit meiner Außtilgung in aller gezimmender Demut verſencke.
Dieſe ſeynd die Wort deß obgedachten Suſonis in der Perſon Chriſti/ wie
In Concl.
Animæ.
In Vita
ejus c.
44.der geiſtreiche Bloſius bezeugt. So offt ein Menſch/ ſagt die Heil. Maria
Magdalena de Pazzis/ das allerwerteſte Blut Chriſti mit ſeinen guten Wer-
cken dem himmliſchen Vatter auffopfferet/ ſo opffert er demſelben eine ſo
hoch verdienſtliche Gaab; daß Gott keinen Lohn/ ſolches Opffer gebuͤh-
rend zu vergelten/ gleichſamb finden koͤnne. Dieweilen nun der jenige/ ſo
das Leyden Chriſti betrachtet/ dieſes gemeinlich verrichtet; ſo kanſtu/ mein
Chriſtliche Seel leichtlich abnehmen/ wie hoch du dir hierdurch die Gunſt deß
himliſchen Vatters verbindeſt. Foͤrchte dich derhalben nit fuͤr dẽ Biß der giff-
tigen Schlangen/ wan du die auff dem Berg Calvariaͤ auff gerichtete Goͤttli-
che Schlange/ alſo zu reden/ offtmahl anzuſchauen und zu betrachten dich
gewoͤhneſt: keine Anfechtung/ keine Truͤbſaal noch Widerwaͤrtigkeit wird
dich zu Boden werffen/ wann du die Augen deines Hertzen auff deinen ge-
ereutzigten JEſum ſchlageſt/ und deſſen heilige Wunden und groſſe Schmer-
tzen mit moͤglicher Andacht und Mit-Leyden offt betrachteſt.
Die Neun und Dreiſſigſte Geiſtliche
LECTION
Von der Danckbarkeit.
2.
nes retributiones ejus.’
aller ſeiner Wolthaten.’
1. SJntemahlen viele Sachen oder Materien ſeynd/ deren man ſich
zur andaͤchtigen Betrachtung gebrauchen kan; und dann deren ei-
nige an Vortreff ligkeit fuͤr andern den Vorzug haben; fuͤr allen
aber die jetzt-gemeldte Betrachtung von dem Leyden Chriſti: als wollen wir
nun
[493]Von der Danckbarkeit.
nun die Lection von der Danckbarkeit vornehmen/ die wir unſerm lieben
GOtt und HErrn am meiſten ſchuldig ſeynd. Gleich wie dann die Un-
danckbarkeit ein ſo grauſames und verfluchtes Laſter iſt; daß/ wie der Wei-
ſe Seneca bezeugt/ alle Geſetz insgeſambt keine ſo groſſe Straff haben fin-
den koͤnnen/ mit welcher ſie die Undanckbarkeit der Gebuͤhr nach zuͤchtigen
moͤgen: alſo iſt die Danckbarkeit hergegen/ GOtt und den Menſchen eine
ſo angenehme Tugend; daß/ der von einem guten Werck zum andern gluͤck-
lich zu ſchreiten/ in ſeinem Gebett von GOtt erhoͤrt/ und mit Gnaden er-
fuͤllet zu werden/ auch endlich GOtt und den Menſchen zu gefallen verlan-
get; durch dieſe Tugend daß alles leiehtlich erlangen koͤnne. Ey/ ſo lobe/
ſo preiſe/ und dancke deinem GOtt/ mein Chriſtliche Seel/ fuͤr alle Wohl-
thaten/ mit den drey Knaben im Babyloniſchen Feuer-Ofen; lade ein alle/
ſo himmliſch als irrdiſche Creaturen zum Lob-Geſang deines HErrn/ und
unterlaſſe nicht/ auch fuͤr die allergeringſte Wolthaten den ſchuldigen Danck
nach deiner Wenig- und Moͤgligkeit gebuͤhrend abzuſtatten; auff daß du
dich dadurch mehrere und groͤſſere Wohlthaten zu empfangen faͤhig macheſt/
wie der gelehrte Caſſiodorus neben anden H. H. Vaͤttern darfuͤr haltet und
ſagt: Wer mit Danckbarkeit annimbt das Wenige/ derEpiſt. [4].
wird zu groͤſſern Wohlthaten eingeladen: und wer die
empfangene Gutthaten erkennet/ der kan ſich Hoffnung
machen neue Gnaden zu empfangen.
2. Dahero ermahnet uns der gottſeelige Thomas Kempenſis/ und ſagt:
Seye danckbar fuͤr das wenigſte/ ſo wirſtu wuͤrdig ſeyn/ ein groͤſſeres zu
bekommen. Und der heilige Damaſcenuß ſagt: daß/ gleich wie ein gerin-In Vita
Barlaam.
ge Artzney den Menſchen offt von groſſen Kranckheiten heylet; alſo
bringen uns die Danckſagungen/ ſo wir unſerm Herren auch fuͤr die allerge-
ringſte Wohlthaten gethan haben/ offt ſehr groſſe Guͤter zu wegen. Dahe-
ro ſagt der H. Bernardus: Gluͤckſelig iſt der Menſch/ wann er zu allen Ga-
ben der Gnaden ſich zu dem jenigen wendet/ in welchem iſt die Fuͤlle aller
Gnaden: wann wir ſelbigem fuͤr die empfangene Dinge uns nicht un-
danckbar erzeigen; ſo machen wir in uns der Gnaden-Platz/ auff daß wir groͤſ-
ſere Sachen zubekommen gewuͤrdiget werden. Wollen wir denmit den Wohl-
thaten Gottes uͤberheuffet werden; ſo laſſet uns durch die immerwehrende
Danckſagung/ der empfangenen Gnaden eingedenck ſeyn: dieweilen/
nach Meinung deß H. Chryſoſtomi/ die Gedaͤchtnuß und ſtete Be-In Tract
de Symb.
Idem in
Pſ. 49.
kentnuß der Gnaden und Wohlthaten die beſte Hüterin
derſelben iſt. Und widerumb ſagt dieſer H Vatter. Nichts macht
Q q q 3den
[494]Die Neun und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
den Menſchen in der Tugend alſo wachſſen/ als eben mit
Gott vertraͤwlich umbgehen/ mit demſelben Geſpraͤch
halten/ ihn loben und immer Danckſagen. Jn Handel ware
ſonderbar erfahren die Himmels Koͤnigin Maria: derhalben hat ſie/ wie der
H. Bonaventura meldet/ allzeit dieſe zwey Wort im Mund gehabt; und
ſchier nichts anders pfiegen zu antworten/ als/ Deo Gratias. Auch redet
der Koͤnigliche Prophet/ damit er der Wolthaten Gottes nicht vergeſſe/ ſei-
Pſ. 102.ne Seel mit dieſen Worten an: Lobe den Herren/ meine Seele/
und alles was in mir iſt/ ſeinen H. Nahmen.
3. Bey dem Propheten Ezechiel befilcht Gott/ das/ wer durch das Thor
deß Tempels gegen Mittnacht herein kombt/ durch den Weeg deß Thors/
daß gegen Mittag iſt/ widerumb hinauß gehe; daß alſo niemand durch den
Weeg deß Thors widerumb außgehe/ da durch er hinein kommen iſt/ ſondern
ſoll gegen uͤber hinauß gehen: damit er nicht dem Gnaden-Thron den Rucken
kehre/ wann er zum Tempel hinauß gehet. Wodurch wirſehr glimpfflich
unterrichtet werden; daß wir nach empfangenen Wolthaten von Gott dem-
ſelben durch die Vergeſſenheit den Rucken nicht wenden ſollen. Ob nun
zwarn ſehr viele Wohlthaten ſeyen/ fuͤr welche dem lieben Gott wir unſterb-
lichen Danck zu ſagen/ hoͤchſtens verbunden ſeyen; ſo wollen wir dannoch
die jenige alhier anfuͤhren/ deren man ſich mit groſſem Nutzen in denen Be-
trachtungen gebrauchen kan. Gewiß iſt nun zum erſten/ daß die Er-
ſchaffung eines jeden Menſchen zum Ebenbild Gottes/ eine groſſe Wohlthat
ſeye; zumalen hierauß die hoͤchſte Lieb deß Allerhoͤchſten gegen einen jeden be-
ſonderen Menſchen erhoͤllet; dieweilen derſelbige mehr liebet einen ſolchen/
dan alle Creaturen/ ſo da koͤnten erſchaffen werden/ wie die Thomiſten lehren.
dann das Lieben beſtehet darin/ daß man einem anderen was Gutes zufuͤgen
wolle: Gott aber will einem jeden Menſchen Gutes; nemblich/ daß er ſeye/
was er iſt: und weilen er dieſes denen Creaturen/ ſo da noch ſeyn koͤnnen/
und nicht ſeynd/ biſt dato weigeret; ſo folgt klaͤrlich/ daß von Gott ein
Menſch/ ſo da erſchaffen iſt/ mehr geliebet werde/ als alle andere Creaturen/
welche noch nit erſchaffen ſeynd. Sollen wir dan und ein jeder fuͤr ſich ſelbſtẽ/
dem Allmaͤchtigen Gott fuͤr alſolche Wolthat der Erſchaffung nicht hoͤch-
ſten Danck erſtatten? Laſſet uns/ ſagt Gott/ einen Menſchen zu un-
Con. 4.ſerm Ebenbild machen: und wir wollen ſagen/ laſſet uns unſerm
Erſchoͤpffer fuͤr alſolche groſſe Gnad dancken/ daß er uns zu ſeinem Ebenbild
gemacht hat: laſſet uns ſagen mit dem H. Anſelmo: ich bekenne/ mein Gott/
und dancke dir/ daß du mich zu deinem Ebenbild erſchaffen haſt/ damit ich an
dich gedencke/ dich liebe/ dich lerne kennen/ und lobe.
4. Es
[495]Von der Danckbarkeit.
4. Es fordert auch die Goͤttliche Majeſtet ein danckbares Hertz von
dem Menſchen/ wegen der Herrſchafft/ ſo ihme uͤber alle erſchaffene Dinge iſt
mitgetheilt worden. Herrſchet/ ſagt GOtt/ ůber die Fiſche deßPſ. 8. 8.
Meers/ ůber die Voͤgel der Lufft/ und ůber alles was auff
Erden lebt: Siehet/ ich hab euch alle Kraͤuter und
alle Baͤum/\&c. Auch weilen alles/ was da erſchaffen iſt/ dem Menſchen
dienet: nicht allein die irrdiſche Creaturen/ als da ſeynd die Fruͤchten/ der
Lufft/ das Waſſer/ die Fiſch/ und uͤbrige Thiere/ nach Zeugnuͤß deß Koͤ-
niglichen Propheten/ da er ſpricht: Alle Dinge haſtu unter ſeine
Fůſſe geworffen/ die Schaafe und Ochſen allzuſammen/
darzu auch das Viehe auff dem Felde/ die Voͤgel deß Him-
mels und die Fiſche deß Meers. Nicht allein/ ſag ich/ dieſe Din-
ge dienen dem Menſchen; ſondern auch die himmliſche Creaturen/ als da
ſeynd die Engeln GOttes/ ſtehen zum Dienſt deſſelben bereit und willig/Pſ. 90. 11.
12.
wie der obgemeldte David mit dieſen Worten bekennet: Er hat leinen
Engeln von dir befohlen/ daß ſie dich behůten auff allen
deinen Weegen: ſie werden dich auff den Haͤnden tragen/
damit du deinen Fueß villeicht nicht an einen Stein ſtoſ-
ſeſt. Jſt nicht dieſe/ mein Chriſtliche Seel/ ein groſſe Wuͤrde/ mit der
dich dein GOtt geehret hat? Wann du ſolche Wohlthaten nicht ſeheſt/ ſo
biſtu/ wie der H. Vatter Auguſtinus ſagt/ blind; du lobeſt GOtt nicht/
ſondern biſt undanckbar; und wann du dein GOtt hieruͤber zu preiſen dich
auch im gerinſten weigereſt/ ſo biſtu zumalen naͤrriſch. Hoͤre derhalben die
Rechenſchafft/ welche von dem undanckbaren Menſchen einmals wird ge-Sup.
Matth.
fordert werden/ auß den Worten deß H. Chryſoſtomi: An jenem Tag/
ſagt er/ werden wir nichts finden/ dadurch wir uns verant-
worten koͤnnen/ wann nemblich Himmel und Erd/ Waſ-
ſer/ Sonn/ und Mond/ Tag und Nacht ſambt der gantzen
Welt wider uns zum Zeuchnus unſerer Sůnden werden
auffſtehoͤn.
5. Weiters muß uns zur hoͤchſten Danckbarkeit antreiben/ daß GOTT
(welches uͤber alle maſſen zu verwundern iſt) zu Erloͤſung deß erſchaffenen
Menſchen ſeinen Sohn habe dargeben. Alſo hat GOtt die WeltJoan. 3.
geliebet/ rufft der heilige Joannes/ daß er ſeinen eingebohrnen
Sohn gegeben hat. Der Menſch hat nicht weniger geſuͤndiget/
als die Widerſpennige und Abtrinnige Engeln; derhalben hatte er auch nach
aller Gerechtigkeit mit denſelben ſollen ewig verdambt werden: nichts deſto-
weni-
[496]Die Neun und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
weniger hat der Sohn GOttes ſothane Engeln/ obſchon edlere Creaturen/
als die Menſchen; in ihrem Verderben wollen ſtecken laſſen/ und auff die
Welt kommen/ auff daß er den armen Menſchen von den verdienten grau-
ſamen Straffen befreyen/ und zum Erben deß himmliſchen Vatterlands ein-
ſetzen moͤgte: und weilen er ſolches zu mehrer Befoͤrderung unſeres Heyls/
durch einen ſo ſchmaͤhligen und bittern Todt verrichten wollen; was ver-
meinſtu nicht/ daß er vor Danckſagung zu Vergeltung dieſer groſſen Lieb
von uns rechtmaͤſſiglich begehren koͤnne; der als ein wahrer und treu-hertzi-
ger Buͤrg/ ſein eigenes Blut zu Bezahlung der Schuld gegeben hat? Nichts
anders will dieſer Goͤttliche Buͤrg/ als was der Weiſe Mann erfordert/ da
Eccl. 29.
18.er ſpricht: Vergiß der Wohlthat eines Bůrgen nicht; dann
er hat ſeine Seel fůr dich gegeben. Dieſer Eingebohrne Sohn
GOttes/ ein Koͤnig aller Koͤnigen/ ein Herr aller Herrſchenden/ hat ſeine
Seel (in welcher alle Schaͤtz der Weißheit und Wiſſenſchafft GOttes
ſeynd) fuͤr uns verwuͤrffliche Erd-Wuͤrmb/ und Schlaven deß groſſen
Hoͤlliſchen Feinds zur Buͤrgſchafft geſtellet/ und daß zwarn auff die Weiß/
Eſaia 53.wieder Prophet im Geiſt hatte vor geſehen/ und geſagt: Er hat weder
Geſtalt noch Schoͤne/ und wir haben ihn beſchauet/ und
es war kein Anſehen da: Er war verachtet/ und der
allergeringſte unter den Maͤnnern. Er hat fuͤrwahr
alle Kranckheiten auff ſich geladen/ und unſere Schmer-
tzen hat er ſelbſt getragen/ und wir haben ihn gleich ei-
nem Außſaͤtzigen gehalten/ als einen der von GOtt ge-
ſchlagen und gedemüthiget ware/\&c. Warumb aber dieß al-
les? Dieweilen er ſich ſeinem Vatter fuͤr einen Buͤrgen erbotten hat: da-
hero iſt erfolgt: Daß er verwundet iſt worden umb unſer
Miſſethat willen/ wir ſeynd durch ſeine Striemen ge-
heilet worden/ und der HErr hat unſer aller Miſſethat
auff ihn gelegt. Jn dem ſolche hoͤchſt-verwunderliche groſſe Lieb deß
himmliſchen Buͤrgen der H. Bernardus bey ſich erweget; rufft er uͤberlaut
Serm. 41.
in Ap-
pend.und ſagt: O du/ biß über die Ohren in Schulden vertieffte/
und deß Teuffels eigenthümbliche Sünder! Nehme doch
auß deß Loͤſungs-Gelds deine Gefangenſchafft ab: auß
der Gnugthuung deß Bürgen erkenne den Laſt deiner
Sünden. Siehe doch zu/ rufft dir der H. Vatter Auguſtinus:
Siehe zu/ O Menſch/ wie hoch du geſchaͤtzet werdeſt/
und was du ſchuldig ſeyeſt/ und nachdem du ſo groſſe
Wür-
[497]Von der Danckbarkeit.
Wůrde deiner Erloͤſung wirſt erkennet haben; ſo ſchaͤme
dich fortan mehr zu ſundigen. Und/ wann ich/ ſagt abermahl
der H. Bernardus mich ſelhſten gantz ſchuldig bin/ dieweilen
ich erſchaffen bin; was ſoll ich dann hinzu ſetzen/ daß ich/
der ich verdorben ware/ wiederumb zu recht gebracht bin?
und daß zwarn auff ſolche Weiß und Manier? Dann ich
bin nicht ſo leichtlich wiederumb zurecht gebracht worden/
als ich bin gemacht worden: im erſten Werck/ nemblich
in der Erſchaffung/ hat GOtt mich mir gegeben: die-
weilen ich nun mir gegeben bin/ und darzu wiederumb
zurecht gebracht worden/ da ich zumahlen verdorben und
vernichtiget ware; ſo bin ich mich für mich ſchůldig/ und
zweymahl ſchuldig/ einmahl daß ich erſchaffen bin/ und
einmahl/ da ich verlohren ware/ wiederumb auffs neue
gleichſamb gemacht bin. Was ſoll ich dann meinem
GOtt erſtatten für ihn ſelbſten: dann/ ſo ich mich ſchon
tauſendmahl ihm geben würde/ was bin ich gegen GOtt
zu achten:
6. Dieſe fuͤſſe und holdſeelige Wort hoͤren wir an/ wir leſen und wiſſen
ſie; und dannoch iſt unſere Boͤßheit und Undanckbarkeit ſo groß/ daß wir
dieſes nicht allein offtmahls bey uns zu erwegen vernachlaͤſſigen; ſondern
auch ſo groſſe Lieb nur mit Haaß/ und ſolche ſtattliche Freyheit nur mit
Boͤßheit vergelten. Und dieſes iſt/ das dem liebreichen Heyland am Creutz
die Zaͤhren auß den Augen getrieben hat/ wie der Apoſtel bezeuget/ und ſagt:
Welcher mit einem ſtarcken Geſchrey und mit ThraͤnenHebr. 5 7.
Apud S.
Bonav.
6. in Pa-
raſc.
auffgeopffert hat; nemblich ſich ſelbſten. Chriſtus hat am Creutz
geweinet/ ſagt der heilige Bernardus/ dieweilen deſſen Leyden/
welches für alle Menſchen ſeelig zu machen gnugſamb be-
ſtandt ware/ gleichwohl an ſo vielen verlohren gienge.
Die innerliche Schmertzen Chriſti/ wegen der menſchli-
chen Vndanckbarkeit/ ſeynd viel groͤſſer geweſen/ als die
aͤuſſerliche Peynen deß Leibs. Derhalben ſagt er bey dem Koͤ-
niglichen Propheten: Sie haben über den Schmertzen mei-Pſal. 68.
ner Wunden mehr hinzu gethan. Und der Geiſtreiche Vatter
Hugo de S. Victore redet in der Perſohn deß am Creutz hangenden Hey-
lands alſo:
R r rSehe
[498]Die Neun und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
Sche/ O Menſch/ was ich hier leyd fuͤr dich;Die Schmertzen/ ſo mich plagen:Sche die Naͤgel/ ſo durchtrungen mich/Durch grauſamb hartes ſchlagen.Wiewohl die Peyn ſehr groß iſt euſſerlich/Groͤſſer/ dann dir kundbahr iſt;So ſchmertzt mich doch mehr innerlich/Daß du mir ſo undanckbar biſt.
Was iſt dan anders uͤbrig/ mein Chriſtliche Seel/ als daß wir die Apoſtoli-
2. Con 5-
15.ſche Ermahnung gar tieff in unſere Hertzen eintrucken/ die alſo lautet: Chri-
ſtus iſt fůr alle geſtorben; auf daß die jenige/ ſo da leben/ hin-
fuhro auch nicht ihnen ſelbſt leben/ ſondern dem/ der fůr ſie
geſtorben iſt. Als wolte der Apoſtel ſagen: Sie ſollen nicht leben ihrer Ei-
telkeit/ nicht ihrem eigenen Willen und Wolluſt; ſonderen dem/ der ſein Le-
ben fuͤr ſie hat auffgeſetzt; dem/ der fuͤr ſie hat gnug gethan; dem/ der fuͤr ſie
alle Schuld bezahlet; und endlich dem/ der ſie auß der ſchwaͤren Dinſtbarkeit
deß boͤſen Feinds mit ſeinem Blut erloͤſet hat. Laſſet uns derhalben mit
demſelbigen Paulo ſagen: Jch lebe/ nunmehr nicht ich/ ſonderen
[C]alat. 2.
v. 20.Chriſtus leber in mir.
7. Neben dieſen allgemeinen Wolthaten werden noch andere gefunden/
ſo da nicht allen/ ſonderen nur einigen ſeynd mitgetheilt worden; als da iſt
die Gnad der Beruffung zum wahren Glauben und zum geiſtlichen Stand:
fuͤr welche die Goͤttliche Majeſtet von allen Chriſt-Glaubigen/ und ſonder-
bar denen Geiſtlichen/ einen ſonderbahren Affect der Danckbarkeit
erfordert: ſintemahlen/ wie der danckbare Koͤnig David ſagt:
Er hat deßgleichen keinem Volck gethan/ und hat ih-
nen ſeine Gerichte nicht offenbaret. Dieweilen dann ley-
der! ſo wenig Chriſt-Glaubige moͤgen gezehlet werden/ die ihre ſo groſſe
und ſonderbare Gnad der Beruffung zum Glauben betrachten und erken-
nen/ und alſo alle ſchuͤldige Danckſagung ins Vergeß ſtellen: ſo iſt fuͤrwahr
kein wunder/ dat Gottſelbige mit den Augen ſeiner Barmhertzigkeit anzu-
ſchawen ſich nicht wuͤrdige; daß er ihnen die weitere Gnad entziehe/ und
daß er ſo undanckbare Chriſten/ ſo wohlam Leib/ als an der Seelen/ mit aller-
hand Straffen (wie die taͤgliche Erfahrnuß lehret) mehr/ dan andere Un-
glaubige/ zuͤchtiget. Daher entſtehet das Verderben ſo vieler Geiſtlichen/
deren nicht wenige gefunden werden/ welche den Beruffzum Cloſter-Leben
fuͤr
[499]Von der Danckbarkeit.
fur keine Wolthaten achten/ und mit ihren ungeſchlaͤchten Sitten gnugſamb
an Tag geben/ was fuͤr danckbares Gemuͤt ſie ihrem Allerhoͤchſten Wolthaͤter
fuͤr ſo groſſe Gnaden zutragen. Kan auch wohl ein groͤſſere Undanckbar-
keit erdacht werden/ als wann der Menſch die allerbequemlichſte Gelegen-
heit Gott zu dienen/ und das Heyl der Seelen zu wircken/ erlangt hat; und
dannoch ſolches nicht erkennet? Billig derhalben/ und abermal billg laſſeſtu
zu/ O gerechter Gott! daß ſothane Geiſtliche (ſo doch den Nahmen eines
Chriſten nicht verdienen) von einer Suͤnd zur anderen/ und endlich zur ewi-Serm. [...]
gen Verdambnuß geſtuͤrtzet werden: Zumalen/ nach Zeugnuß deß H. Pe-
tri Chryſologi/ nichts den Zorn GOttes ſo leicht entzůndet/
als die Vndanckbarkeit; welche da iſt eine Außforderung
alles Boͤſen/ eine Vernichtigung der Wohltaten/ und
Vertreibung der Verdienſten. Von dieſer ſagt wiederumb der
H. Bernardus: Die Vndanckbarkeit iſt eine Feindin der See-Serm. 52.
len/ eine außtilgung der Verdienſten/ eine Verſtrenerin der
Tugenten/ eine Verliererin der Wohlthaten/ ein ſcharffer
Wind/ ſo den Brunen der Andacht/ den Thau der Barm-
hertzigkeit/ und den Fluß der Gnaden außtrucknet. Un-
danckbarkeit zu verhuͤten/ ſpricht der H. Vatter Auguſtinis alſo zum Herrn:
Jch will/ O HErr/ aller deiner Gůter mich erinnern/ dieIn Solil.
c. 1[8].
du mir von meiner Jugend an/ biß auff gegenwaͤrtiges
Augenblick erwieſen hat: dann ich weiß/ daß dir ſehr
mißfalle die Vndanckbarkeit/ welche iſt eine Wurtzel alles
geiſtlichen Vbels; ein hitziger und ſchneidender Wind/
der alles Gute verbrennet und verdrucknet/ und den Brun-
nen deiner Barmhertzigkeit ůber uns verſtopffet; diewei-
len die Vbeln/ ſo bereits todt waren/ hervor kommen/ und
die Wercke/ ſo da eben lebendig worden/ wiederumb ſter-
ben.
8. Weiters koͤnnen wir den groſſen Mißfallen Gottes uͤber die Undanck-
barkeit auch auß dem Evangelio erkennen/ alwo Chriſtus zehn auſſetzige
Maͤnner geheilet/ deren nur ein eintziger mit danckbarem Hertzen und Mund
zuruͤckommen: die Undanckbakeit aber der uͤbrigen neun geheilten hat der
Heyland uͤbel empfunden/ derhalben ſagt er: Seynd ihrer nicht zehn
gereiniget worden: wo ſeynd dann die neun: keiner iſt ge-
funden/ der widerkehrete/ und GOTT die Ehr gaͤbe.
Dieſen Verweiß werden einsmals viele Geiſtliche hoͤren muͤſſen: hab ich euch
R r r 2nicht
[500]Die Neun und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection
nicht fuͤr anderen geliebt/ und zum Geiſtlichen Stand beruffen/ auff daß ihr
mir zu dienen Gelegenheit haben moͤgtet? Wo iſt nun mein Lob/ wo iſt die
Danckſagung fuͤr ſo groſſe Wolthat? Wie haͤtt ich euch doch groͤſſere
Wolthat erzeigen koͤnnen? Nun hab ich fuͤr meine ſonderbare Gnaden von
euch nichts empfangen als Undanck: derhalben wird ewer Urtheil erſchroͤcklich
ſeyn/ weilen die empfangene Wolthaten bey euch fuͤr anderen groß geweſen
ſeynd. Damit du/ mein Chriſtliche Seel/ dieſem ſchwaͤren Gericht ent-
gehen moͤgeſt/ ſo errinnere dich der allgemeinen und ſonderbaren Goͤttlichen
Wolthaten offtmalen/ betrachte ſelbige/ und ſage deinem lieben Gott darfuͤr
unauffhoͤrlichen Danck/ in dem du deinen Regulen und Satzungen in allem
unſtraͤfflich nachzuleben dich befleiſſeſt: dan der alſo lebt/ ſagt der H. Vatter
Auguſtinus/ der lobt Gott/ und erzeigt ſich demſelben auch ohne allen
Zweiffel immer und allzeit danckbar; zumalen der Menſch ſeinem Gott kein
angenehmere Dienſten leiſten kan/ als wann er deſſen Gebott und die ihme zu
ſeiner Ehren anbefohlene Satzungen fleiſſig haltet. Der meine Gebott
hat/ ſagt der Herr/ und haltet ſelbige/ der iſt der mich liebet:
der lobt mich/ der ehret und preiſet mich.
9. Nun iſts/ leider! mit dem armen Menſchen ſo weit kommen/ daß man
ſelbigen/ zu den unvernuͤnfftigen Thieren/ gleich wie der Weiſe Mann den
faulen zur Ameiſen zu verweiſen noͤtig haͤtte/ damit er von ſelbigen die ſchuͤl-
dige Danckbarkeit erlernete. Jſt nicht ein Hund fuͤr das Fuder/ ſo er von
ſeinem Herren zu ſeinem Unterhalt bekombt/ mit ſeiner Trewe demſelben
danckbar; Hat nicht dem H. Macario von Alexandria die Loͤwin/ deren
Junges Loͤwlein er ſehend gemacht/ demſelben zur Danckſagung ein groſſe
Schaaffs-Haut gebracht Hat nit der Storck/ dem die Wittwe deß Heracli-
dis das Bein verbunden/ derſelben zum Zeichen der Danckbarkeit ein ſehr
koſtbares Edel-Geſtein mit dem Schnabel fuͤr die Fuͤß geworffen? Hat nicht
jener Loͤw/ dem ein Menſch den Dorn außm Fuß gezogen/ ſeinem Wolthaͤ-
ter nachmalen das Leben erhalten? Hat man nicht dergleichen Danckbarkeit
der unvernuͤnfftigen Thieren gar viele/ ſo da ohne zweiffel durch Gottes Ver-
haͤngnuß/ zu deiner und meiner Beſchaͤmung ſich vor und nach zugetragen
haben? Laſſet uns derhalben nicht unvernuͤnfftiger/ dan die unvernuͤufftige
Thier ſeyn; ſonderen in unſerer Eben-Bildnus ehren den wahren und le-
bendigen Gott/ laſſet uns ihm dancken mit Leib/ mit Seel/ und mit Gedan-
cken/ von dem wir haben daß wir ſeynd/ von dem wir haben/ was wir
ſeynd/ und haben koͤnnen/ was wir zu
werden verlangen.
Die
[501]
Die Vierzigſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Sacramentaliſchen Beicht.
Iniquitatem meam annuntiabo, \& cogitabo pro pec-Pſal. 37. v.
19.
cato meo.
Sorge tragen für meine Sünde.’
1. OBwohln viel von der Sacramentaliſchen Beicht koͤnte gehandlet
werden; ſo habe ich mir doch vorgenommen/ dieſes alles vorbey
zu gehen/ und durch Anzeigung der fuͤglichen Beyſpielen zu zeigen/
was fuͤr ein groſſes Gut die Sacramentaliſche Beicht ſeye/ wann ſie wohl
verrichtet wird/ und wie ſchaͤdlich dieſelbe auch ſeye/ wan ſie uͤbel geſprochen
wird. Nun iſt aber die Beicht ein Sacrament/ in welchem dem jenigen/Trid. S.
14. c. 1.
der von ſeinen Suͤnden ein Abſcheuen hat/ und ſelbige rechtmaͤſſig beichtet/
eine wahre Loßſprechung und Nachlaß vom Prieſter ertheilet wird. Zu die-
ſer Beicht werden fuͤrnemblich drey Theil erfordert: Erſtlich die Zerknir-
ſchung/ oder Reu und Leyd deß Hertzen/ wie auch eine Verfluchung der
begangenen Suͤnden/ ſambt einem Vornehmen/ hinfuͤhro nicht mehr zu
ſuͤndigen. Der zweyte Theil iſt die Erzehlung der Suͤnden. Der dritte/
und zwar der beſchließliche Theil allein (dann ohne die zwey erſte Theil kan
das Sacrament nicht beſtehen) iſt die Gnugthuung. Dieſe Beicht prei-
ſet der H. Vatter Auguſtinus uͤber alle maſſen/ und ſagt: Die Beichtin Lib. de
Pœnit.
iſt ein Heyl der Seelen/ ein Zerſtreuerin der Laſtern/ ein
ſtreitbare Heldin wider die boͤſe Feinde. Was mehr? Dieſe
Beicht verſtopffet den Schlund der Hoͤllen/ und eroͤffnet die Pforten deß
Para-
[502]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Luc. 1. c.
2.Paradeiß. Die Beicht/ ſagt der H. Jſidorus/ Heylet/ die Beicht
rechtfertiget/ die Beicht gibt den Sünden Nachlaß. Alle
Hoffnung beſtehet in der Beicht: die Beicht iſt ein Ort
der Barmhertzigkeit. Kein ſo ſchwaͤre Schuld iſt welche
durch die Beicht nicht vergeben wird. Das dieſem nun alſo
ſeye/ kanſtu/ mein Chriſtliche Seel/ auß den folgenden Zielen abnehmen.
Hiſtoria
2. Der gottſeelige Climacus erzehlet; daß zu der Zeit/ da er ſich in einem
frembden Kloſter auffgehalten/ von dem Vorſteher ein Moͤrder zu ſelbigem
ſeye angenommen worden; deme er dann erlaubet/ daß er vorhero derſel-
ben Geiſtlichen Weiß und Manier zu leben/ in ſeinen weltlichen Kleidern
beſchauen/ und alſo bey ſich ſchlieſſen koͤnte/ ob er zu ſolchem Stand beruffen
ſeye/ oder mit. Nachdem der vor gemeldte Moͤrder dieſem nachgelebt/ und eine
heldenmuͤtige Reſolution gefaſſet/ ſein Lebẽ zu beſſern/ und daſſelbe denẽ andern
buͤſſendẽ Geiſtlichen gleichfoͤrmig zu machen; hat er in Gegenwart deß Vor-
ſtehers alles gern bekent/ was er imer Boͤſes und Suͤndhafftes begangen habe.
Warum ihme befohlen worden/ daß er dieſe ſaͤmbtliche Miſſethaten vor der
gantzen Gemeinde (ſo ſich in die 220 Geiſtliche Perſonen erſtrecket) erzehlen
ſolte. Zu dem er ſich dan nit allein gantz willig und froͤlig erzeigt; ſonderen hat
ſich auch anerbotten/ ſein uͤberauß boͤßhafftes Leben/ zu ſeiner mehreren Con-
fuſion/ in Mitten der Stadt Alexandria zu entdecken. Zu dieſer oͤffentlichen
Beicht iſt der Miſſethaͤter mit auff dem Rucken gebundenen Haͤnden/ mit
einem ſehr harten Cilicio bekleidet; auch mit Aſchrn beſtrewet/ zu aller Men-
ſchen groſſe Verwunderung und Mitleyden/ von einigen Geiſtlichen unter
beharrlichem Strichelen/ zur Kirchen gezogen worden. Ehe er aber zur
Kirchen hinein kommen/ hat ihnen der Vorſteher mit ſo erſchrockend er
Stimm angeredet/ und ihm befohlen/ er ſolle ſtill ſtehen/ weilen er
nicht wuͤrdig waͤre zur Kirchen hineinzugehen/ daß er alsbald zu
Boden gefallen und mit ſeinen Zaͤhrendie Erd benetzet hat. Nach
dem er auffgeſtanden/ hat er angefangen/ alle ſeine Suͤnden/ ſo ſehr
viele an der Zahl und uͤber auß groß und erſchroͤcklich geweſen/ zu erzehlen.
Nachdem dieſes geſchehen/ iſt er von dem Vorſteher auffgenommen worden;
und hat ſich zugetragen/ daß einer deren Geiſtlichen in waͤrender dieſer
Beicht geſehen/ daß ein groſſer und grauſamber Mann einen geſchriebenen
Brieff und Feder in der Hand gehalten/ und was der vorgemeldte Moͤrder
gebeichtet/ habe er vor und nach außgetilget.
Diſc.
Hiſtoria.
3. Caͤſarius erzehlet/ daß ein ſicher Prieſter ein Weib eines Soldaten
geſchaͤndet habe/ welcher auß ſicheren Zeichen hieruͤber Argwohn geſchoͤpfft
hatte
[503]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
hatte; damit er aber der Sachen Beſchaffenheit erfahren moͤgte/ hat er ihn in
aller Freundligkeit zu ſich geladen/ da ſie nun miteinander zu einem Dorff ge-
kommen/ allwo ein Beſeſſener ware/ welcher den Leuten die Suͤnden/ ſo ſie
nicht gebeichtet/ fuͤrgeworffen/ und nun der Prieſter den Soldaten verdacht
hatte/ als wan er ihn derhalben an dieſes Ort gefuͤhrt haͤtte/ alwo die Warheit
ſolte loßbrechen/ und er Prieſter ſich auch uͤbel bewuſt ware; hat er ſich
angenommen/ als wuͤrde er genoͤthiget/ einen Abtritt zu thun;
und damit er von dem Beſeſſenen nicht verrathen werde/ iſt
er zum Stall dieſes Doͤrffleins oder Meyerhoffs hineingangen/
fuͤr den Fuͤſſen deß Stall-Knechts nieder gefallen/ und hat ſelbigen umb Got-
tes willen gebetten/ er wolle doch ſeine Beicht anhoͤren. Nach dem er nun
gebeichtet/ und eine Buß begehret/ hat ihm der Stall-Knecht geantwortet/
erſolle daß jenige zur Buß verrichten/ was er als ein Prieſter in ſolchem Fall
einem anderen aufferlegen wuͤrde. Und alſo iſt er mit dem obgemelten
Soldaten mit mehrerer Sicherheit zur Kirchen gangen/ alwo der Beſeſſene
ſich auffhielte/ welchen der Soldat mit dieſen Worten gefragt: Weiſtu etwas
von mir? dem der Beſeſſene zur Antwort gegeben und geſagt Jch weiß nicht/
was ich antworten ſoll. Alsbald fragt der Soldat abermal und ſagt: was
geduͤnckt dich dan von dieſem Menſchen? der Beſeſſene antwortet/ er wiſſe
nichts von ſelbigem: und nachdem er dieſes in teutſcher Sprach geſagt hatte/
ſetzt er in lateiniſcher Sprach hinzu: Er iſt im Stall gerechtfertiget worden/
dieweilen kein Beichts-Vatter vor handen ware. Hierauß kan man gnug-
ſamb abnemmen/ wie groſſe Krafft habe eine demuͤtige Anklagung deß Suͤn-
ders uͤber ſeine begangene Miſſethaten. Dan ſo dieſer Prieſter derhalben
von ſeinem veruͤbten Ehe-Bruch iſt loßgeſprochen worden/ weilen er ſeine
Suͤnd dem Stall-Knecht bekennet/ mit dem Vorſatz ſelbige einem recht-
maͤſſigen Prieſter zu beichten/ wann ſolcher gegenwaͤrtig geweſen waͤre; wie
kan man dan zweiffelen/ daß der jenige gerechtfertiget werde/ ſo da einem Ge-
walt-habenden Prieſter ſeine Suͤnden rechtmaͤſſig beichtet? Wann wir
unſere Sünden bekennen/ ſagt der H. Joannes/ ſo iſt Gott ge-Joan. 1. v.
9.
trew und gerecht/ daß er uns unſere Sünden vergebe/ und
reinige uns von aller Vngerechtigkeit. Dieß hat erfahren der
gefallene David, ſo da wegen der Suͤnd deß Ehe-Bruchs und begangenen
Todtſchlags von dem Pro pheten Nathan geſtraffet wurde/ und ſagte: Pec-
cavi:Jch hab geſündiget: und ſiehe/ kaum hat er das Woͤrtlein Peccavi,
ich hab geſündiget/ mit zerkniſchtem Hertzen außgeſprochen/ da hat er
zu horen verdienet: Der HErr hat deine Sůnd hinweg ge-2. Reg. 12
nom-
[504]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Sup. Bea-
ti Imma-
cul.nommen. Dahero ſagt recht der H. Ambroſius: Der ſich ankla-
get/ und ob wohl ein Sůnder iſt/ ſo fangt er doch an ge-
recht zu ſeyn/ dieweilen er ſeiner nicht verſchoͤnet/ und die
Gerechtigkeiten GOttes bekennet: zumahlen die Goͤttli-
che Rach auffhoͤret/ wann die menſchliche Beicht vorher-
Pſ. 37. v. 9.gehet. Und der Koͤnigliche Prophet ſagt: Jch will meine Vnge-
rechtigkeit anzeigen/ und Sorg tragen für meine Suͤn-
de: Dann er wuſte wohl/ daß kein beſſeres Mittel wider die Suͤnden
koͤnte gefunden werden/ als eben die Beicht derſelben; welches alles durch
folgende Hiſtori beſtaͤttiget wird.
Dial.
apud
Diſc.
Hiſtoria.
4. Da einsmahls ein Prieſter zur Faſten-Zeit in der Kirchen ſeiner Schaaf-
fen Beicht anhoͤrete; ſtunde auch einer/ dem aͤuſſerlichen Anſehen nach/
ſtarcker Juͤngling/ und wartete der Ordnung zum Beichten ab. Demnach
alle gebeichtet hatten/ fienge er auch an/ und beichtete ſo grauſame Suͤnden/
daß der Prieſter fuͤr Greuel und Abſcheuen ſagte: wann du Tauſend Jahr
alt waͤreſt/ ſo waͤren doch dieſer Suͤnden viel zu viel. Worauff der Teuf-
fel antwortet: Jch bin mehr als tauſend Jahr alt: der Prieſter aber entſetze-
te ſich/ und ſprach: wer biſtu dann? Jch bin einer von denen/ gab er zur
Antwort/ ſo mit dem Lucifer gefallen ſeynd; ich hab dir meine Suͤnden noch
lang nit alle gebeichtet; wan du meine uͤbrige Suͤnden wilſt anhoͤren/ ſiehe/ ich
bereit/ dieſelbige zu beichten. Weilen nun der Prieſter wohl wuſte/ daß
die Suͤnd deß Teuffels nicht zu heylen waͤre/ fragte er ihn/ und ſagte: was
haſtu mit der Beicht zu ſchaffen? der Teuffel aber antwortete und ſprach:
ich ſtunde gegen dir uͤber/ und ſahe/ daß die Suͤnder zu dir ſich naheten/ und
gerechtfertiget von dir wiederkehreten; derhalben bin ich auch kommen in
Hoffuung ſolche Gnad zu erlangen. Da antwortete ihm der Prieſter/ und
ſagte/ du kanſt auch dergleichen Ablaß erhalten; wann du die von mir dir
aufferlegte Buß mit zerknirſchtem Hertzen wirſt verrichtet haben. Der Teuf-
fel antwortet: wann du mir eine ertraͤgliche Buß wirſt geben/ ſo will ich dir
gehorchen. Jch will dir/ ſagt der Prieſter/ eine ſehr geringe Gnugthuung
aufflegen/ nemblich dieſe: Gehe hin/ und werffe dich dreymal im Tag zur
Erden nieder/ und ſpreche: Mein HErr und GOtt/ und mein Erſchoͤpf-
fer/ ich bin ein Suͤnder/ und hab dir geſuͤndiget/ verzeyhe mir. Da ſich
nun der Teuffel hieruͤber beklagte mit dem Vorwand/ daß dieſe Buß zu
ſchwaͤr fiele/ fragte der Prieſter/ und ſagte: warumb beſchwerſtu dich uͤber
ſo gar geringe Buß? Der Teuffel gabe zur Antwort; er koͤnte ſich ihm in ſo
weit
[505]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
weit nicht verdemuͤtigen/ und erbotte ſich an/ alle andere Buß-Werck der Ge-
buͤhr nach zu volloͤringen. Der Prieſter aber zoͤrnete hieruͤber und ſprach:
O du hoffaͤrtiger Geiſtliſt dann deine Hoffart ſo groß/ daß du in ſo wenigem
dich nicht koͤnneſt/ noch wolleſt deinem Erſchoͤpffer demuͤtigen/ ſo troll dich
alsbald hinweg/ und verſichere dich/ daß du weder in dieſer/ weder in jener
Welt Barmhertzigkeit erlangen werdeſt. Auff dieſe Wort iſt der Teuffel
verſchwunden.
5. So hat dan die Beicht ein ſolche Krafft/ daß ſie die Menſchen/ ſo da
mit allerhand Wuſt erfuͤllet ſeynd/ reinige/ und weiſſer mache als der
Schuee; dahero wird ſie vom boͤſen Feind billig alſo gefoͤrchtet/ wie er un-
ter andern mahlen auch eins ſelbſt bekennen muͤſſen: dann als der Magi-Spec. er
Verb.
Confeſſ.
exempl.
15.
ſter Thomas Theologus zum Sterben kommen/ hat er den Teuffel geſe-
hen in einem Winckel deß Zimmers ſtehen/ und hat ihn mit den Worten/
deren ſich der H. Martinus zu gebrauchen pflegte/ angeredet/ und geſagt:
was magſtu hier/ du Blut-gieriges Thier? Sag mir/ was euch am meiſten
ſchade. Dieweiln nun der Teuffel zu Anfangs nichts geantwortet; hat er ſelbi-
gen durch den Gott/ derdie Lebendige und die Todte richten wird/ beſchwoh-
ren/ und alſo zur folgenden Antwort genoͤtiget Nichts iſt/ ſagt der Teuffel/ in
der Kirchen/ daß uns alſo ſchade/ und unſere Muͤhe und Anſchlaͤg krafftloß
machet/ als eben die oͤfftere Beicht; zumalen durch ſelbige die Baͤnde der
Todt-Suͤnden/ mit denen wir die Seelen gefeſſelt haben/ zerbrechen. Der
H. Martyr Aſtion noch ein Juͤngling hat mit dem boͤſen Feind einen har-L. 1. v. PP.
in vit. c. 11
ten Streit gehabt/ und demſelben nichts abwinnen koͤnnen/ dieweilen er den
Streit ſeinem Magiſtro dem Epiſteto nicht offenbaret hat: ſo bald er aber
die Anfechtung entdecket hat/ iſt er von den unreinen Gedancken befreiet wor-
den; und hat der Sathan in Geſtalt eines kleinen ſchwartzen Kindleins mit
einer brennender Fackel von ihme die Flucht genommen und geſagt: deine
Beicht/ du Aſtion, hat mich und meine groſſe Macht krafftloß gemacht.
Was kanſtu/ mein Chriſtliche Seel/ hierauß anders ſchlieſſen/ als daß du
dich deß Sacrament der Beicht mit einem demuͤtigen und zerknirſchten
Hertzen offt gebraucheſt: dan gleich wie eine Spinn die jenige Zimmer
meidet/ ſo daofft geſaubert werden; alſo fliehet der boͤſe Feind die jenige
Menſchen/ welche offt zur Beicht gehen.
6. Ob wohl nun die Beicht ſehr viel gutes wircket/ wann ſie rechtmaͤſſig
geſchicht/ ſo thut ſie doch das Widerſpiel/ wann ſie uͤbel verrichtet wird: dan
der auffſetzlich eine Todt-Suͤnd in der Beicht verſchweiget/ der nimbt an
S ſ ſſtatt
[506]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Diſc.ſtatt der Artzeney nur lauter Gifft zu ſich/ und haͤuffet eine Suͤnd uͤber die an-
dere/ wie folgende Geſchicht erklaͤhret. Eine gewiſſe adliche Matron hatt
viele Jahren einen begangenen Ehe-Bruch auß Schamhafftigkeit in der
Hiſtoria.Beicht verſchwiegen. Zum Schloß dieſer Damen kehrten einsmals zwey
Geiſtliche auß dem Orden deß H. Dominici ein/ und laſen daſelbſten Meeß;
deren einer deß Pabſten Beichts-Vatter ware: bey ſo gewuͤnſchter Gele-
genheit erfrewete ſich das Weib/ daß ſie dermalen eins ihre vorgemelte Suͤnd
denen Fremblingen ohne Schew beichten moͤgte. Da ſie nun den Laſt
ihrer Suͤnden durch eine auffrichtige Beicht vor und nach von ſich warffe/
kame zu jeder Suͤnd ein abſchewliche Krott auß dero Mund hervor/ und
huͤpffte durch die Kirchen hin und wider. Da ſie nun endlich auch ein ſehr
grauſambes Laſter neben denen vorhin abgelegten Suͤnden beichten wolte/
kame ein erſchroͤcklicher Drach auß derſelben Mund mit dem Kopff anfaͤng-
lich hervor/ welcher aber ſich nicht gaͤntzlich herauß laſſen wolte/ in dem dieſe
Dame von der Schamhafftigkeit uͤberwunden/ die Bekaͤndnuß alſolcher
Suͤnde zuruck hielte. Dahero kamen alle vorhin außgetriebene Krotten zu
dem beichtenden Weib/ und ſprungen widerumb derſelben zum Mund hinein.
Nach gethaner Beicht ſetzten die Geiſtliche alsbald ihre Reiſe weiters fort;
auff welcher der eine alles was er im Geiſt geſehen hatte/ dem Beichts-Vat-
ter erzehlete: alsbald kehrten ſie zuruck/ in Meinung das Weib zur vollkoͤm-
lichen Beicht zu ermahnen; funden aber/ daß ſie deß gaͤhen Todts geſtorben
ware: wuͤrden derhalben zumalen entroͤſtet/ und nahmen ſich vor durch ein
dreytaͤgiges Faſten und unauffhoͤrliches Betten/ den barmhertzigen GOtt
zu bewegen/ daß er ſich entweder dieſer Seelen erbarmen/ oder ihnen derſel-
ben Zuſtand bedeuten wolle. Nach dreyen Tagen erſchiene die verſtorbe-
ne Dame auff einem erſchroͤcklichen Drachen reitend/ und mit zwey giffti-
gen Schlangen umbhaͤlſet/ ſo mit ihren Zaͤhnen derſelben Bruͤſt zernage-
ten; die Augen waren mit zweyen Krotten beſeſſen/ und auß dem Maul
floſſe ein brennender Schwefel/ der einen unertraͤglichen Geſtanck verur-
ſachete: die Haͤnde wurden von zweyen raſenden Hunden zerriſſen/ die Oh-
ren wurden mit feurigen Pfeilen erfuͤllet/ und der Kopff wurde von den
allervergifftigſten Heydechſen zerfreſſen. Uber ſothanes trauriges Spec-
tacul fielen die beyde Geiſtliche vor Schrecken zur Crden: wurden aber
von dem alſo mißſtalten Weib mit dieſen Worten angeredet: Jhr Freund
deß Allerhoͤchſten/ foͤrchtet euch nicht; dann ich bin das ungluͤckſeelige
Weib/ welches euch vor wenig Tagen zwar viele Suͤnden/ aber nicht alle
gebeichtet/ indem ich eine mit meinen Bluts-Verwandten veruͤbte Suͤnd
auß
[507]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
auß Schamhafftigkeit verholen/ derhalben ich anjetzt in alle Ewigkeit ver-
dambt bin. Da der Beichts- Vatter fragte/ was alle die ſonderliche
Schmertzen bedeuten/ gab ſie zur Antwort und ſagte: die Heydechſen ſtraf-
fen an mir den uͤberfluͤſſigen zierrath meines Haupts: die Krotten plagen
mich wegen deß unziemblichen Anſchauens: von den Pfeilen werd ich wegen
deß laſterhafftigen Anhoͤrens der Ohren gezuͤchtiget: und durch das Schwe-
fel-Feuer wird mein Mund wegen der Gotts-Laͤſterungen/ Ehrabſchnei-
dungen/ eiteler und unzuͤchtiger Lieder/ unzulaͤſſiger Kuͤſſe/ und unreine
Wort geſtraffet. Fuͤr mein unzulaͤſſiges und unkeuſches Anruͤhren und
Anſchauen/ ſaugen ebenfals die Schlangen meine Bruͤſt/ zerbeiſſen und
umbfangen meinen Hals: meine Haͤnd werden derhalben von den Hunden
zerriſſen/ weilen ich ſelbige zu Ernehrung der Hunde außgeſtreckt/ und die-
ſelbe mit Ringen und Edel-Geſteinen gezieret hab. Auf dieſem erſchroͤcklichen
Drachen reite ich wegen deß unziemlichen und geilen Beyſchlaffs/ wird der
Untertheil meines Leibs von dieſem grauſamen Thier unertraͤglicher Weiß
verbrennet. Weiters rieffe die verdambte Seel uͤberlaut und ſagte: O ihr
unachtſame Weiber! wieviel werden auß euch verdammet/ und daß zwar
auß viererley Urſachen. Die erſte iſt euere Geylheit der Sinnligkeit/ mit
der ihr euch erluſtiget. Die Zweyte iſt der uͤberfluͤſſige Zierrath/ mit dem
ihr euch ſchmucket. Die dritte iſt die Weiſſagung/ krafft deren ihr euere
Seelen dem Teuffel opfferet. Die vierte Urſach iſt die falſche Beicht/ in
welcher ihr einige Suͤnden wegen allzugroſſer Schamhafftigkeit naͤrriſcher
Weiß verſchweiget. Kaum hat ſie dieſes geredet/ da hat ſich die Erde er-
oͤffnet/ und den Drachen mit dem Reuter ohne allen Zweiffel zu den ewigen
hoͤlliſchen Peynen verſchlungen.
7. Nichts hilfft das Betten/ nichts nutzet das Faſten/ nichts gelten andere
Wercke der Bußfertigkeit; alles iſt umbſonſt/ wann nur ein eintzige Todt-
Suͤnd wiſſentlich in der Beicht verſchwiegen wird. Hugobertus Koͤnig
in Engelland hatte eine ſo ſchoͤne und verſtaͤndige Tochter/ daß ſie von jeder-Hiſtoria.
man fuͤr ein Wunder der Welt gehalten wurde: dahero wurde ſie von vielen
Monarchen zur Ehe begehrt/ und von ihrem Vatter darzu ermahnet.
dem ſie aber antwortete/ daß ſie nunmehr Jeſum zu ihrem Braͤutigam ſich
außerwaͤhlet/ und ſelbigem ihre Junfrawſchafft geſchworen habe. Auff
dieſe Zeitung ſendet der Vatter alsbald einen Geſandten zum Roͤmiſchen
Pabſt/ umb die Endbindung deß gethanen Gelubts zu erhalten/ ſo auch ge-
S ſ ſ 2ſchehen.
[508]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſchehen. Sie aber iſt in ihrem Vorhaben beſtaͤndig verblieben/ und den
Vatter gebetten/ er wolle ſie doch mit dem Eheſtandt nicht plagen/ dan ſie
ſeye gaͤntzlich entſchloſſen/ die Tag ihres Lebens eine Jungfraw zu verharren.
Hierauff hat ſie der Vatter gefragt/ ob ſie dan einen geiſtlichen Stand ein-
tretten wolle? Deme ſie geantwortet/ daß ſie verlangete in dieſer oder jener
Stadt mit einigẽ adlichen Jungfrauen abgeſoͤndert zu werden/ damit ſie alſo
fuͤr ſich ſelbſten leben moͤgte. Der Vatter/ damit er dem Begehren ſeiner
Tochter ein Gnuͤgen thete/ hat ihr ein ſichere Wohnung ſambt allen uͤber-
fluͤſſigen Mittelen/ und einem außerwaͤhlten Frawen-Zimmer nach ihrem
Wuͤnſch zugeeignet/ auff daß ſie alſo den Lauff ihres Lebens unter denen
Adlichen und Tugentſamben. Jungfrawen endigenmoͤgte. Da nun die
Koͤnigliche Princeſſin dieſes alles erhalten/ hat ſie ſich keine Sach ſo hoch
angelegen ſeyn laſſen/ als wie ſie die verfallene Kirchen ergaͤntzen/ newe er-
bawen/ und Kloͤſter und Hoſpitaͤhler ſtifften moͤgte: deren letzteren ſie nahe bey
ihrer Wohnung eins auffgerichtet/ alwo ſie den Armeu und Krancken diene-
te. Dieſer Koͤniglichen Tochter Leben ware mit Tugenten alſo gezieret/
daß auch kein eintzige an ſelbigem zu ermanglen ſcheinete. Sie faſtete daß
gantze Jahr-durch/ die Sontag außgenommen; truge ein haͤrenes Kleid;
wachete und bettete viele Stund lang nacheinander; mattete den ſchwachen
und zarten Leib mit allerhand Buß-Wercken ab/ und nahme in allen Tugen-
ten dergeſtalt zu/ daß/ gleich wie ſie vorhin geweſen ware ein Wunder der
Natur; alſo nunmehr auch als ein Miracul der Goͤttlichen Gnaden von
jederman verehret wurde. Jn dieſen ihren heiligen Ubungen und bluͤhene-
dem Alter iſt ſie geſtorben. Nun ware ein Adliche Matron ſo dieſe Toch-
ter von Kindheit erzogen hatte/ ſehr begierig zu wiſſen/ derſelben Zuſtand/
und bettete GOtt/ er moͤgte ihr doch ſelbigen offenbahren. Die edle Ma-
tron/ wird erhoͤret/ und ſiehe/ daſie einsmahls bettete/ wurde das Thor deß
Zimmers mit Ungeſtuͤmmigkeit eroͤffnet/ und kam eine hoͤlliſche Geſpaͤnſt
hinein/ ſo da in der Mitten eine Seel in Geſtalt eines Weibs- Bild mit
ſich fuͤhre/ und ware uͤberall mit feurigen Ketten und lebendigen Schorpio-
nen bekleidet/ deren einer der groͤſte und grauſambſte das Hertz derſelben alſo
aͤngſtigte/ daß ſie erbaͤrmlich heulete. Da dieſes die andaͤchtige Frau ſahe/
wurde ſie dergeſtalterſchrecket/ daß ſie augenblicklich zu Boden fiele/ und
fuͤr Grauſen nicht reden konte; biß ſie von der Seelen mit ihrem Nahmen
angeredet wurde/ ſie ſolte ſich nicht foͤrchten/ und wiſſen/ daß ſie ſeye die
Tochter deß Koͤnigs Hugoberti/ ihre geweſene Freundin. Nach dieſem
traurigen Bericht wurde mein gute Dame noch mehr erſchlagen; der halben
wen-
[509]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
wendete ſie ſich zu GOtt/ und ſagte: O mein GOtt und HErr! Wo iſt
dein gerechtes Urtheil? Wo iſt deine unendliche Barmhertzigkeit? Wie kan
das moͤglich ſeyn/ mein guͤtigſter GOtt/ daß ein ſo ehrbares Leben derge-
ſtalt geſtrafft/ und ſo tugendſame Seel ewig verlohren gehe? Ach/ ach/ Herr!
wer wird dann koͤnnen ſeelig werden? Uber ſolches Lamentiren hat die ver-
ftorbene angefangen/ und geſagt: Nicht Gott/ ſondern ich bin die eintzige
Urſach meiner Verdamnuß: mir iſt zu meiner ſelbſt eigenen Verſchaͤhmung/
zur Warnung aber anderer befohlen worden/ den Verlauff meines Ver-
brechens folgender Maſſen zu erzehlen. Du weiß wohl/ ſagte ſie/ zu der
Matron/ daß ich von Jugend auff den geiſtlichen Buͤchern bin zugethan
geweſen: da ich nun einsmals vom Leſen ermuͤdet ware/ lieſſe ich mir
durch einer meiner Edel-Knaben/ den ich fuͤr andern liebte/ vorleſen. Da
dieſer nun einsmals zu leſen auffhoͤrte/ erſuchte er mich freundlich/ ich moͤgte
ihm doch meine Hand zu kuͤſſen reichen/ ſo ich auch thaͤte. Jndem ſelbiger
dieſes nachmahlen oͤffters begehrte/ hab ich drey oder viermahl darein ver-
williget/ daer dann mit einer ſonderbahren Affection und Liebe meine Hand
kuͤſſete/ und dieſelbe laͤnger hielte und truckete; und da er ſahe/ daß ich ſolches
gernzulieſſe/ wurde er kuͤhner/ und erſuchte mich auch umb ein mehreres:
daß ich alſo mit ihm gefallen bin/ und meine Jungfrauſchafft verlohren hab.
Die begangene Suͤnd hab ich ſolcher Geſtalt gebeichtet; Ehrwuͤrdiger. Pa-
ter/ ich klage mich an/ daß ich/ weiß nicht was fuͤr einen Willmuth mit einem
Edel-Knaben veruͤbet habe: daruͤber iſt ſelbiger uͤber mich hefftig und un-
verſtaͤndiglich außgefahren und geſagt: Was iſt das? ſoll eine Koͤnigliche
Princeſſin dergleichen thuen? alſo bin beſchaͤmbt worden/ und hab geſagt/
daß ich esnun in den Gedancken gehabt habe. Darauff hat er mir noch un-
verſtaͤndiger geantwortet und geſagt; daß ein ſolche Perſohn der gleichen
Dinge auch in den Gedancken nicht zulaſſen muͤſſe. Hieruͤber iſt mir der
Muth entfallen/ und hab mir vorgenommen/ die begangene Suͤnd zu ver-
ſchweigen/ und hab geſagt/ ich haͤtte das nur getraumet; und alſo hab ich
die Abſolution vom Beicht- Vatter bekommen/ bin aber von meinen Suͤn-
den nicht allein nicht loßgeſprochen worden/ ſondern hab mich wegen der
unguͤltigen Beicht noch mit groͤſſern Laſtern beſudlet. Nachmalen hab
ich angefangen/ den Armen reichliche Allmoſen mitzutheilen/ und meinen
Leib mit groſſer Strenge zu zuͤchtigen/ damit mir GOTT die heimliche
Suͤnd moͤgte nachlaſſen: welcher alle meine gute Wercke durch heylſame
Einſprechungen und innerliche Antrieb vergolien hat/ auff daß dermahlen
eins meine Suͤnd recht beichten koͤnnte. Endlich bin ich in eine ſchwaͤre
S ſ ſ 3Kran-
[510]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Kranckheit gefallen/ in welcher der guͤtige GOtt mir ins Hertz geredet/ und
mich ermahnet/ daß dieſe mein letzte Kranckheit ſeyn wuͤrde/ ich ſolte eine
rechtmaͤſſige Beicht thuen; dann er waͤre bereit/ mir meine Suͤnden barm-
hertziglich nachzulaſſen: ja ſo gar hab ich dieſe Wort vom Himmel gehoͤret:
Beichte/ es iſt zwarn ſpaͤt/ aber noch Zeit: derhalben hab ich den Beichs-
Vatter ruffen laſſen/ und alſo zu beichten angefangen: Ach! was ein groſſe
Suͤnderin bin ich: darauff mir der Beichts- Vatter alsbald geantwortet/
dieß ſeynd nur teuffliſche Verſuchungen/ und hat mich weiters ermahnet/ ich
ſolte ſelbige nicht achten. Ein wenig hernach bin ich geſtorben/ und in dem
Augenblick/ da meine Seel vom Leib geſchieden iſt/ bin ich auß gerechtem
Urtheil GOttes den hoͤlliſchen Geſpenſtern zu theil worden/ die mich in den
Abgrund der allererſchroͤcklichſten Tormenten geſtuͤrtzet haben; alwo ich nun
leyde ohne End. Nach dieſer gegebenen Advis iſt die ungluͤckſeelige Seel
mit einem ſo grauſamen Knall verſchwunden/ daß man vermeinet/ die
gantze Welt wuͤrde zerſchlagen werden: das Zimmer iſt annebens mit einem
unertraͤglichen Geſtanck erfuͤllet worden/ welcher zum Zeugnuß dieſer ver-
fluchten Seele viele Tage gedauret hat.
8. Solſtu nun wohl/ mein Chriſtliche Seel/ dieſes leſen oder hoͤren/ und
am gantzen Leib nicht erzitteren/ erbleichen und erſchroͤcken; in dem du ſeheſt/
wie alle vorgemelte gute Werck dieſes Weibs-Bilds ſeynd zu nichts worden?
Ach haͤtte dieſe Gott-verlobte Perſon ihre Suͤnd gleich zu Anfangs gebeich-
tet/ und hernach alſo gelebt/ wie ſie vorhin wohl angefangen hatte! ſo haͤtte ſie
ſicherlich in die Zahl der fuͤrnembſten Dienerinnen Gottes muͤſſen geſetzet
worden. Nun aber/ weilen ſie auß Schamhafftigkeit ihre Suͤnd verho-
len/ hat ſie nicht allein alles verloren; ſonderen Gott hat noch zur ewigen de-
ro Beſchaͤhmung die verborgene Miſſethat offenbahret/ damit andere durch
deren Exempel gewarnet/ und behutſamber werden moͤgten. Recht ſagt da-
hero der H. Vatter Auguſtinus: Jch hab meine Sünden nicht
Sup. Pſ.bedecket/ ſonderen entdecket/ auff daß du ſelbige bedeckeſt;
derhalben hab ich ſie nicht verborgen/ damit du ſie verber-
geſt: dann ſo der Menſch entdecket/ ſo verdecket Gott; wan
der Menſch verbirgt/ ſo offenbahret Gott: Wann der
Menſch ſeine Sünd erkennet/ ſo verzeyhet Gott. Wir
werden auch auß erwehnter Tragœdi unterrichtet/ wie viel daran gelegen
ſeye/ daß man einen verſtaͤndlgen und erfahrnen Beichts-Vatter habe; in
deſſen Ermanglung dieſe Seel ſo erbaͤrmlich zu Grund gangen. Naͤrriſch
und abermal naͤrriſch thun derhalben die jenige/ welche ſich nur ungelehrte
und
[511]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
und einfaͤltige Beichts-Vaͤtter und Seelen-Artzen zu erwehlen pflegen;
und hergegen/ wann der Leib erkraͤncket/ die aller beſte und erfahrenſte Medi-
cos gebrauchen. Hoͤre nun hiervon die erſchroͤckliche Geſchicht/ ſo ſich in
Welſchland zugetragen/ und von P. Philippo D’outreman erzehlet wird.
Ein ſicher Edelman in Jtalien ware dem ungerechten Wucher zugethan/
daß er auch dieſerthalben bey jederman beruchtiget/ und uͤbel gelitten wurde:In Pæ-
dag. t. 1. p.
2. c. 14.
Hiſtoria.
da ſelbiger bey ſeinem Pfarrer ſo wohl/ als bey den Patribus der Societet Je-
ſu und anderen Geiſtlichen die abſolution lang umbſonſt begehret; hat er
endlich einen Kloſter-Geiſtlichen gefunden der in ſein Begehren gewilliget/
und ihnen von ſeinen Suͤnden ſo offt er gebeichtet/ loßgeſprochen/ in Mei-
nung/ daß die andere Prieſter/ ſo ihme die Abſolution geweigert/ gar zu
ſchrupuloß ſeyen. Dieſer Gewiſſens-Richter ware dem Wuͤcher ſehr an-
genehm/ und wurde dahero von ſelbigem oͤffters ſehr wohl und freygebig
tractiret. Hieruͤber traͤg ſichs zu/ daß/ nach dem dieſe beyde miteinander
ein gutes Abendmal eingenommen/ der Adliche Wuͤcher zu Nachts deß gaͤ-
hen Todts erbleichet. Zu ſelbiger Zeit melden ſich zwey Teuffelen in Geſtalt
zweyen Diener beym Cloſter an/ und begehren/ der Beichts-Vatter/ wolle
doch alsbald zu ihrem ſterbenden Herren kommen: dieſer folget mit ſeinem
Geſellen gar hurtig. Da ſie zum Marck kommen/ ſehen ſie den obgemel-
ten und kranck vermeinten Edelman in ſeinem Nachts-Rock daſelbſt ſpatzie-
ren; und in dem der Geiſtliche den vermeinten Dieneren vorwerffen wolte/
daß ſie ihnen betrogen haͤtten; ſiehe da tritt das trawrige Geſpaͤnß hinzu und
ſagt: Jch bin geſtorben/ und werd anjetzt in der Hoͤllen mit dem ewigen Fewr
geſtraffet/ dieweilen ich in meinem garſtigen Leben dem abſchewlichen
Wucher zugethan/ die H. H. Sacramenten ſo offt zu entheiligen mich er-
kuͤhnet hab. Und du Gottloſer Prieſter/ ſagt der Geiſt mit grauſamber Stim/
haſt mit mir durch die Finger geſehen/ der du mich deiner Schuͤldigkeit ge-
maͤß haͤtteſt ſtraffen ſollen: derhalben/ der du meiner Laſteren biſt geweſen ein
Gutheiſcher/ ſolſt auch nun meiner Tormenten werden ein Mitgeſpan.
Nach vollendeter dieſer Reden ergreiffen die Teuffliſche Diener beyde/
einer den Geiſtlichen/ der ander den Wucher/ und fahren mit ſelbigen zur
Hoͤllen zu. Der Geſell deß Prieſters wird vor Schroͤcken ſchier biſt zum
Todt entruͤſtet/ und da er widerumb zu kraͤfften kommet/ kehret er widerumb
zum Cloſter und erzehlet/ was ſich mit ſeinem Geſellen/ nemblich dem
Beichts-Vatter und ſeinem Beichts-Kind zugetragen habe.
9. Solche Beichts-Vaͤtter werden gar recht von dieſen Worten Chriſti
getroffen: Laſſet ſie fahren/ ſie ſeynd blind/ und führer derMatt. 15.
14.
Blin-
[512]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Blinden: wan aber ein Blinder den anderen fůhret/ ſo fallen
ſie beyde in die Gruben. Was ſich bey dieſer Hiſtori hat zugetra-
gen/ iſt zu foͤrchten/ daß vielen widerfahren werde [:] dan ein Fehler kombt auß
dem anderen; und wann der Hirt (wie ein Beichts-Vatter ſeyn ſolte) boͤſe
und gefaͤhrliche Weeg eingehet/ ſo muß er auch die Schaaff notwendiglich
in Gefahr ſtellen. Hieruͤber ſagt der H. Gregorius/ daß ein guter Seelen-
Luc. 10.
à Gloſſ.
cit.Artz dem Evangeliſchen Samaritan nachfolge/ welcher dem verletzten
Wandersman auffm Weeg ſeine Wunden verbunden/ und mit Oehl und
Wein verſehen hat. Der heilige Vatter Auguſtinus ſagt: Er hat ſeine
Wundenverbunden/ das iſt/ er hat mit der Beſtraffung
die Sůnden geheminet. Wie aber hat er ſie verbunden:
Jndem er Oel und Wein hinzugegoſſen/ alſo die Schaͤrffe
mit der Sanfftmütigkeit vergeſellſchafftet. Derhalben un-
terrichtet der H Gregorius die Prieſter alſo und ſagt: Durch den Wein
ſollen die Wunden gebiſſen/ und durch das Oel geſenfftet
werden: die Lindigkeit muß mit der Strenge vermiſchet
werden: der Ernſt muß gebraucht werden/ ſoll aber nicht
herb ſeyn: imgleichen iſt gut der Eiffer/ er muß aber mit zu
wüten: die Gůte muß auch da gebraucht werden/ wo ſie
dienlich iſt. Dahero fehlendie Beichs- Vaͤtter zum erſten/ wann ſie
mit Streichen und Schmieren einen gefaͤhrlig erkraͤnckten Menſchen zu
heilen ſich unterſtehen/ da doch in ſolchem Fall ſchaͤrffere Mittel vonnoͤthen
ſeynd/ und das Ubel mit Schneiden und Brennen muß vertrieben werden.
Wehe den Beichs-Vaͤttern/ ſo dieſe Lehr vernachlaͤſſigen: dann/ wie der
Prophet Ezechiel ſpricht: wann ſolche nicht reden/ daß ſie ſich von ihren
gottloſen Weegen und leben abwenden/ ſo werden ſie mit den Gottloſen
gleicher Weiß geſtrafft werden/ der Artzt wird mit den Krancken zu Grund
gehen/ deſſen Blut von ſeiner Hand wird gefordert werden. Recht und
wohl vermercke der H. Albertus Magnus/ daß/ da Chriſtus den Sohn der
Luc. 7.Wittwe zum Leben erwecken wolle/ geſagthabe/ Jch ſage dir/ Jüng-
ling ſtehe auff: Damit der Beichs-Vatter/ ehe er ſage/ ſtehe auff/
nemblich/ abſolvo te,ich ſpreche dich loß; nach dem Exempel deß
Heylands erſtlich die Todten-Baar anruͤhre/ und heiſſe ſtehen die jenige/
ſo den Leichnam tragen. Ruͤhre an/ ſagt der H. Vatter/ die Baar/ das
L. de
Dogn.
Eccl. c. 54iſt das Gewiſſen/ durch die Beſtraffung: laß die Traͤger/ nemblich die Ge-
legenheiten zu ſuͤndigen ſtill ſtehen: zumahlen/ nach Zeugnuͤß deß Heil.
Auguſtini/ die Gnugthuung der Buß beſtehet darin/ daß man die Urſach
der
[513]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
der Suͤnden abſchneide: es iſt eine Vermeſſenheit/ und keine Bußfertig-
keit/ daß man auff einem ſchlepfferigen Weeg wolle ſicher ſtehen/ da ſo viele
andere gefallen ſeynd. Hinge gen ſollen die Beicht- Vaͤtter auch zuſehen/
daß ſie den Beichtenden keine unertraͤgliche Buͤrden auffbinden: dann was
nutzet der Artzt/ ſo die Wunden nicht heilet/ ſondern veraͤrgert/ und dem/
der ſeine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzuſetzet? Wer dann mit
den Buͤſſenden vaͤtterlich wilt umbgehen/ der ſuche an ſelbigem zu erwe-
cken die Zerknirſchung/ und nicht die Verbitterung: dann obſchon einige
mit dem Hammer wollen zerknirſchet werden; ſo ſeynd doch andere/ ſo durch
ſcharffe ermahnungen gaͤntzlich zerſpringen: derhalben muß man zu denen
ſich mehr deß ſanfften Oels/ dann deß ſcharffen Weins gebrauchen.
10. Dieſes ſoll von den Beichts-Vaͤtteren gnug geſagt ſeyn; von dem
wir zu unſer vorigen Materi widerkehren/ und uns errinneren/ daß die ver-
dambliche Schamhafftigkeit und hoͤchſt-ſchaͤdliches Stillſchweigen nicht
allein bey den Weltlichen/ ſonderen auch bey denen gefunden werde/ die ſich
durch oͤffentliche Geluͤbtẽ Gott verbunden habẽ/ wie auß nachfolgender Hiſto-
ri zu ſehen iſt. Den H. Antonium laſt herkommen/ ſo erzehlet daß ein WitweHiſtoria.
geweſen ſeye/ welche von dem Band der Ehe entloͤſet/ und mit vielen Reich-
thumben begabet/ im Anfang ihres Widwe-Standts ſich loͤblich verhalten/
habe gleichwol allgemach von dieſem guten Anfang nachgelaſſen. Hier-
uͤber hat ſich zugetragen/ daß ein adlicher Juͤngling das Hauß derſelben vor-
beygangen/ und ſie gantz freundlig begruͤſſet; und ob ſie ſchon darab ein
Wißfallen anfaͤnglich gezeigt; ſo iſt doch derſelben Hertz durch dergleichen
oͤfftere Begruͤſſungen und Verheiſſungen vor und nach alſo erweichet
worden; daß ſie den unverſchaͤmbten Juͤngling ins Hauß gelaſſen/
und nachgehends mit ſelbigem geſuͤndiget hat. Nach begangener
Suͤnd iſt die Luſt zum Faſten/ Allmuſſen zu geben/ zu Beich-
ten und zu communiciren verſchwunden: dann die Geylheit iſt eine Zer-
ſtoͤrerin der Tugenten/ und die/ wie der fromme Job ſagt: Alles mit31. 12.
der Wurtzel außreutet. Der liſtige Sathan hat ihr in zwiſchen die
Zucht/ ſo er derſelben vorhin zu ihrem Schaden benommen; nun zu dero
Verderben widergegeben; daß ſie alſo auß Schamhafftigkeit das begangene
Laſter in allen ihren Beichten verſchwiegen. Auff daß ſie aber den immer
nagenden Wurm deß Gewiſſen vertreiben moͤgte/ hat ſie bey ſich entſchloſ-
ſen/ die heimliche Miſſethat durch viele Buß-Werck zu vertilgen: dahero
hat ſie widerumb zu faſten/ und ſich in allerhand ſtrengem Leben zu uͤben an-
gefangen; und damit ſie ihrem Gottrecht wohl dienen moͤgte/ hat ſie ihren
T t tStand
[514]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Stand mit dem Cloſter-Leben verwechßlet/ und iſt mit groſſem Frolocken
der Geiſtlichen Jungfrawen zur Clauſuͤr auff- und angenommen worden.
Jn dieſem Stand hat ſie alle ihre Mit-Schweſteren an Tugenten nicht
allein weit uͤbertroffen/ ſondern alle Stund in Auſehung der herrlichen Werck
gleichſamb erſtaunet. Jm Ehor war ſie allzeit die erſte/ in dem Gehorſamb
die huͤrtigſte/ in den Buß-Wercken die eifferigſte: und nichts deſtoweniger
hat ſie ſich ſelbſt nicht uͤberwinden koͤnnen/ daß ſie die Suͤnd ihrem Beichts-
Vatter offenbarete. Nach verfloſſenen einigen Jahren wird ſie auff daß
Abſterben der Vorſteherin durch einhellige Stimmen der ſaͤmblichen
Schweſteren in dero Platz erwehlet. Auch in dieſer Wuͤrde hat ſie ihre
Miſſethat zu bekennen ſich geſchewet/ auff daß ihr guter Nahm und
Rueff der Heiligkeiten bey den Beichts-Vaͤtter keinen Schaden leyden
moͤgte. Der barmhertzige Gott hat ſie inzwiſchen durch eine Kranckheit/
an der ſie nachmals geſtorben/ ihrer Schuͤldigkeit gnugſam errinnert. Da
nun alle Artzen ihr verlohren gegeben/ hat ſie ſich mit den H. H. Sactamen-
ten der Kirchen verſehen laſſen. Wie aber die vorhergegangene Beichten
alle beſehaffen geweſen/ alſo iſt auch die letztere durch die gerechte Verhaͤng-
nuß Gottes ebenfals unguͤltig und Gottslaͤſteriſch geſchehen/ in dem das un-
gluͤckſelige Weibs-Bild ihre veruͤbte Miſſethat auß verborgener. Hoffart
verſchwiegen hat. Nach dem ſie nun gedachter maſſen die H. H. Saeramenten
unwuͤrdiglich empfangen/ iſt ſie von einer ihrer Schweſteren erſucht worden/
daß ſie ihr nach dem Todt erſcheinen/ und/ wanns Gott zulaſſen wuͤrde/ ihren
Zuſtand im andren Leben bedeuten wolle; welches ſie auch zu thun verſpro-
chen/ und iſt bald darnach mit groſſem Trawren und Weinen der Geiſtlichen
Jungfrawen/ welche uͤber den Verluſt ihrer heiligen Mutter ſich beklagten/
und/ wie der H. Antonius meldet/ ſich einbildeten/ der troͤſtlichen Zuver-
ſicht zu leben/ daß ſie von derſelben nach ihrem Todt mit Wunderwerck wuͤr-
den erfrewet werden. Aber/ aber wie fehlet der arme Menſch in ſeinen
Urtheilen! Wie weit ſeynd die Urtheilen Gottes von unſeren Urtheilen entfer-
net! Sintemahlen die obgemeldte Schweſter/ da ſie in folgender Nacht im
Chor gebettet/ einen gewaltigen Knall gehoͤret hat/ und da ſie umbgeſchauet/
hat ſie ein erbaͤrmlich heulendes Geſpaͤnſt geſehen/ und ob ſie zwarn gantz er-
ſtaunet/ hat dannoch durch die Huͤlff GOttes einen Muth gefaſſet/ und ge-
fragt/ wer ſich anmelde? Jch bin hier/ antwortet der Geiſt/ die Seel der
juͤngſt verſtorbenen Vorſteherin dieſes Cloſters/ und verkuͤndige dir/ daß ich
ewiglich verdambt ſeye. Unſere heilige Mutter! ſchreyet die Schweſter/
unſere gottſeelige Vorſteherin/ die ein ſo ſtrenges leben gefuͤhrt/ und mit
allen
[515]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
allen Tugenten geleuchtet hat/ ſoll dieſe verdambt ſeyn? Es iſt alſo/ antwor-
tet die Seel/ dann ich hab in meinem Witwe-Stand mit einem Juͤngling
geſuͤndiget/ und dieſes Laſter auß Forcht der Verkleinerung/ und auß
Hoffart in der Beicht allzeit verſchwiegen. Verkuͤndige ſolches deinen
Schweſtern/ und laſſet ab fuͤr mich zu betten/ weilen alles fuͤr mich umbſonſt
geſchicht. Und alſo iſt der Geiſt mit groſſem Getuͤmmel verſchwunden.
11. Dieſer erbaͤrmlichen Action iſt nicht ungleich die folgende: Jn einem
Dorff hat ein Bauer gewohnet/ welcher mit ſeinem Ehe-Weib froͤmblich
gelebt/ und einen Sohn erzogen hat/ den ſie Pelagium genennet/ und in
der Forcht GOttes und allem Guten angefuͤhret haben. Dieſer Sohn
iſt mit den Jahren auch gewathſen in den Tugenten/ und iſt ihm die Schaaff-
Huͤtung anbefohlen/ wie auch annebens ermahnet worden/ daß er ſich offt
zu dem nechſt wohnenden Einſidler verfuͤgen/ und deſſen H. Meeß-Opffer
anhoͤren ſolte. Dieſe und mehr andere Lehr-Stuck ſeynd ſelbigem gegebẽ wor-
den: welchen Pelagius allen ſo eifferig und willig nachkommen/ daß er von
jederman fuͤr heilig gehalten worden. Nach einigen Jahren ſeynd die El-
tern geſtorben/ deren Hinterlaſſenſchafft er verkaufft/ und damit er ſeinem
GOtt in der Einſamkeit dienen moͤgte/ hat er ſich eine Capell ſambt einem
Altar auffgerichtet/ und GOtt alſo treulich gedienet/ daß der Ruff ſeiner
Heiligkeit durch die gantze Welt erſchallen. Der boͤſe Feind hat ſich alhier
bald hinzugemacht/ und durch allerhand unreine Gedancken und Anmutun-
gen den diener Gottes zu ſtuͤrtzen getrachtet: deme Pelagius durch Huͤlff
deß Gebetts ſich tapffer widerſetzet: der unkeuſche Geiſt aber hat nicht
nachgelaſſen; iſt aber allemahl von dem frommen Einſidler uͤberwunden
worden. Dieſer Streit iſt von dem leidigen Sathan ſo offt und vielmahl
erneueret worden/ daß Pelagius endlich allgemach zu weichen angefangen/
und durch continuirliches Kaͤmpffen ermuͤdet/ denen leichtfertigen Gedan-
cken Platz gegeben/ und den ſo offt zuruck geſchlagenen Feind das Sieg-
Craͤntzlein zu laſſen gezwungen worden. Da hieß es nun/ ach/ worzu
bin ich kommen! Pelagi/ was haſtu gethan? haſtu dich ſo bald verfuͤhren
laſſen? du wareſt zuvor ein Kind GOttes/ jetzt biſtu ein Schlave deß Teu-
fels. Wilſtu du das Joch deß Satans abwerffen/ und wiederumb ein Sohn
GOttes werden/ ſo muſtu beichten/ ſo muſtu buͤſſen. Beichten? Wie
werd ich meine gottloſe und unkeuſche Bewilligung offenbahren koͤnnen?
Auff ſolche Weiß werd ich meinen guten Nahmen verlieren. Da dieſes
und der gleichen der entruͤſtete Pelagius bey ſich betrachtet/ ſicht er einen
Frembdling vorbey gehen/ welcher ihn alsbald anredet/ und ſagt: Pelagi
T t t 2war-
[516]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
warumb laſſeſtu die Traurigkeit ſo gar bey dir uͤberhand nehmen? das ge-
ziembt ſich nicht/ daß/ der ſo guͤtigen HErrn hat/ wie du haſt/ ſich derge-
ſtalt betruͤbe. Haſtu villeicht deinen GOtt beleidiget? ſo thue Buß/ beich-
te deine Suͤnd/ der allerguͤtigſte und barmhertzigſte GOtt wird dir ſelbige
gern vergeben. Pelagius verwundert ſich/ fragt und ſagt zu dieſem Frembd-
ling: guter Freund woher kenneſtu mich? Soll ich dich nicht kennen/ antwor-
tet er/ du biſt ja Pelagius/ und wirſt in der gantzen Provintz fuͤr einen heili-
gen Mann gehalten und verehret? wann du von deinem Schwaͤrmuth wilſt
befreyet werden/ ſo offenbahre dein Gewiſſen dem Beichts-Vatter/ damit
deine/ durch die Suͤnd vertriebene innerliche Hertzens-Freud wider kom-
men/ und Poſto faſſen moͤge. Pelagius verwundert ſich uͤber ſolche Re-
den/ und da er ſich beſſer umbſicht/ findet er weiters keinen Frembdling.
Hierauß hat er wargenommen/ daß ihn GOtt ermahnet habe; derhalben
hat er alsbald bey ſich beſchloſſen/ in dem nechſt gelegenen Kloſter alle
moͤgliche Buß fuͤr ſeine Suͤnd zu wircken: zu welchem er mit Freuden iſt
auffgenommen/ und mit dem gewoͤhnlichen Ordens- Habit bekleidet wor-
den. Jn den uͤblichen Buß-Wercken dieſer Geiſtlichen gienge Pelagius
allen andern weit vor: keiner war ſo demuͤtig/ keiner war ſo gehorſamb/ als
Pelagius/ keiner gebrauchte ſich ſo ſcharffer Diſciplinen/ keiner faſtete und
bettete ſo lang/ als Pelagius. Nach einigen Jahren wird Pelagius Bett-
Laͤgerig und zwarn gefaͤhrlich/ merckt wohl/ daß ihn GOtt ſeiner Schul-
digkeit erinnere: dannoch obſchon die verborgene Suͤnd ſich immer im Ge-
wiſſen hervor lieſſe/ konte er gleichwohl/ oder vielmehr wolte er ſeine ver-
fluchte Schamhafftigkeit und Hoffart nicht daͤmpffen/ und ſeine Suͤnd be-
kennen. Seine letzte Beicht uͤber alle andere Suͤnden/ hat er mit Vergieſ-
ſung vieler Zaͤhren verrichtet/ das H. Sacrament mit groſſer Andacht em-
pfangen; uno iſt alſo geſtorben. Nun waren die Muͤnchen der Meynung/
ſie haͤtten einen koſtbahren Schatz an deß Pelagii Leichnamb/ derhalben ha-
ben ſie ſelbigen mit ſonderbahrer Feſtivitaͤt und groſſen Koͤſten begraben/ zu
deſſen Begraͤbnuͤß die Leut von allen umbligenden Orten haͤuffig herzu ge-
lauffen/ umb den verſtorbenen Pelagium zu verehren/ und ſich demſelben
zu befehlen. Die folgende Nacht/ da der Kuͤſter zur Metten das Zeichen
geben wollen/ ſicht er im vorbeygehen/ daß der Leib deß begrabenen Pelagii
auſſer der Erden liget/ und bildet ſich ein/ der Leichnamb ſeye villeicht nicht
wohl mit Erden zugeworffen worden; legt ihn derhalben wiederumb ins
Grab/ und ſcharret die Erde wiederumb hinuͤber/ thut aber hier von keine
Meldung. Jndem nun ſich eben ſelbiges die Folgende Nacht alſo zugetragen/
vermerckt
[517]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
vermercket der Kuͤſter/ daß die Erd den Leichnamb von ſich geworffen hatte;
welches er dann alsbald dem Abten deß Kloſters kedeutet hat. Dieſer rufft
alle Geiſtliche zuſammen/ und befilcht ihnen/ ſie ſollen mit ihm die Goͤttli-
che Miltigkeit anruffen und bitten/ ſie wolle doch anzeigen/ wie man ſich mit
deß Pelagii Leichnamb verhalten ſolle. Nach verrichtetem Gebett wendet
ſich der Abt zum Verſtorbenen und ſagt: Pelagi/ dieweilen wir dich im-
mer als einen gehorſamen Geiſtlichen gekennet haben/ ſo befehle ich dir auch
anjetzo/ daß du uns dein Verlangen andeuteſt: ob dich villeicht GOtt
an einem andern Ort will ligen haben/ daß offenbahre du uns/ damit wir
dem Goͤttlichen Willen nachleben moͤgen. Hierauff ſeufftzet der Ver-
ſtorbene auß dem innerſten ſeines Hertzen/ und ſagt: Ach/ ich armſeelige
Creatur! wegen einer eintzigen in der Beicht verſchwiegenen Suͤnde bin
ich in alle Ewigkeit verlohren: komm zu mir/ und ſiehe meinen Leichnamb:
der Abt tritt hinzu/ und ſicht/ daß der Leib einem gluͤenden Eyſen gleich
ſeye: und da er wiederumb zuruͤck ſchreitet/ ſagt ihm der Verſtorbene: gehe
nicht hinweg/ ſondern nehme mit dir/ was du in meinem Mund finden wirſt.
Der Abt nahet mehr hinzu/ und findet die H. Hoſtie/ ſo dem Armſeeligen
vor ſeinem Todt/ zum Reiß-Pfenning ware gegeben worden: nimbt ſelbige
noch unverweſen auß dem Mund herauß/ und hat ſie zum Gedenck-Zeichen
dieſer grauſamen Tragoͤdi an einem heiligen Ort abſonderlich auffbehalten.
Der Verſtorbene hat auch außgeſagt/ daß GOtt ſeinen faulen und ſtincken-
den Leib nicht wolle in der geheiligten Erd/ ſondern in der Miſt-Gruben li-
gen haben: dahero hat der Abt denſelbigen an ein ungeweihetes und verwuͤrff-
liches Ort begraben laſſen. O wie leichtlich haͤtte dieſer armſeelige Menſch
ſeine Suͤnd beichten/ und alſo dem unwiderruͤfflichem Urtheil der ewigen
Verdamnuß entgehen koͤnnen! Dieweilen er aber ſolches vernachlaͤſſiget/
ſo hat er keinem andern/ als ſich ſelbſten die Schuld ſeines Verderbens auff-
zumeſſen.
12. Wann nun ſchon auch einer alle ſeine Suͤnden in der Beicht offen-
bahret/ und hat kein veſtes Vorhaben/ dieſelbe ernſtlich zu beſſeren/ ſo wird
die Beicht nichtig/ und ſo gar auch Gottes-laͤſteriſch. Durch Erman-
glung dieſes noͤtigen Fuͤrſatzes eilen leyder! ſehr viele Chriſtglaubige zur
Hoͤllen/ wie der folgende Diſcurs dich lehret. Die Theologi oder Schrifft-
gelehrten fragen einander/ ob der meiſte Theil der Catholiſchen ſeelig oder
verdambt werden Hieruͤber gibts zwarn unterſcheidliche Meinungen ab:
es halten aber die meiſte darfuͤr/ daß von den Glaubigen mehr verdambt als
ſeelig werden: dergeſtalt/ daß unter zwantzig der obgemelten Gelehrten/ nur
T t t 3fuͤnff
[518]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
fuͤnff lehren/ daß der mehriſte Theil ſeelig werde: die uͤbrige fuͤnſſzehn lehren
das Widerſpiel: unter welche auch der H. Thomas von Aquin gezchlet
wird/ in dem er dieſe Wort Chriſti außleget: Viele ſeynd beruffen/
aber wenig außerwaͤhlet. Auß allen heiligen Lehrern iſt gleich-
ſamb keiner/ der nicht vermeinet/ daß mehr Glaubige verdambt/ als ſeelig
werden: daruͤber ein jeder billig grauſen ſolte. Der eintzige H. Joannes
Damaſcenus ſagt in einer der beyden Predigen von den Verſtorbenen; daß
nicht der meiſte Theil verloren gehe: der gelehrte Canus, Sotus und Bellar-
minus vermeinen doch/ daß dieſe Lehr nicht eigentlich von dem H. Joanne
Damaſceno herkomme. Hierauß entſtchet dieſer Zweiffel. Der meiſte
Theil der Catholiſchen ſtirbt mit vorhergegangener Nieſſung der H H. Sa-
cramenten. Geſetzt nun/ daß auß dreiſſigen ſterben neun und Zwantzig
nach abgelegter Beicht/ und empfangener H. Communion und letzten Oe-
lung: alſo hat es nun das voͤllige Anſehen/ daß nicht ſo viele verdambt wer-
den. Wird einer ſagen/ daß viele auß Schamhafftigkeit ihre Suͤnden in
der Beicht verſchweigen; ſo wird er doch nit leichtlich zu geben/ daß der meiſte
Theil der Chriſtglaubigen das thue. Was iſt dan die Urſach/ daß ſo viele
verdambt werden? Die jenige/ ſo da mit ſonderbarem Fleiß dieſe Frag durch-
ſuchen/ finden folgende Urſach: daß nemblich die beichtende ſich nicht auß
gantzem. Hertzen zu Gott wenden; ſonderen bleiben auß einer Gewonheit
auch zu den gebeichten Suͤnden geneigt/ dieweilen ſie nicht haben einen
ſteiffen Vorſatz ihr Leben zu beſſeren: dan die taͤgliche Erfahrnuß zeigts ley-
der! gnug/ daß viele nach gethaner Beicht eben ſo uͤbel leben/ als ſie vorhin
gelebt haben; und daß/ wan ſie auß der Kirchen und Beicht-Stuhl nach Hauß
kommen ſeyen/ gleich einem Hund der widerumb friſſet/ was er außgeſpiegen
hat/ zu ihren Suͤnden widerkehren: welches dan kein geringes Zeichen iſt/
daß bey ſelbigen der kraͤfftige Will die Suͤnden zu meiden ermanglet habe:
Zumalender H. Thomas lehret/ daß der kraͤfftige Will ebenfals kraͤfftige
Mittell anwende/ und ſich befleiſſe das vorgenommene Werck zu vollziehen:
dieſes aber thut die bloſe und kalte Willung/ oder unkraͤfftiger Will nicht.
Jndem nun viele keine Mittel zur folgenden Beſſerung anwenden/ und die
Gelegenheiten zu ſuͤndigen auch nicht fliehen/ ſo haben ſie keinen kraͤfftigen
Willen ſich zu beſſeren/ und iſt erfolglich die Beicht nichtig und gotteslaͤſte-
riſch. Dieweilen dan nicht wenige/ mehr auß einer Gewonheit/ als auß
einem Eiffer ſich zu beſſeren/ zu beichten pflegen: derhalbenlaſſet Gott auß
ſeinem verborgenen Urtheil zu/ daß ſolche kalte Chriſtglaubige zur Straff
der Suͤnden/ auch kein beſſere Beicht ablegen im Todt; dan wie das Leben
iſt/
[519]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
iſt/ ſo iſt auch das Sterben: alſo/ wie die Beicht im Leben iſt vorhergangen/
ſo muß dieſelbe im Todt auch folgen. Alſo ſterben wir und verderben/ die
wir mit ſo leichter Muͤhe den Himmel koͤnten erben; wie auß folgender Ge-
ſchicht erhellet.
13. Bernardinus de Buſſi erzehlet/ daß zu Pariß ein Student in ſeinerHiſtoria.
bluͤhender Jugend geſtorben ſeye/ deſſen Magiſter geweſen ware der be-
ruͤhmbte Doctor Silo, von welchem dieſer Juͤngling wegen ſeines ſonderbah-
ren Verſtands vor anderen geliebt und geehret worden/ und hat derhalben
ſelbigem ſein Magiſter auch biß in den Todt trewlich beygeſtanden: hat
aber nach gethaner Beicht das H. Nacht-Mahl/ nicht ohne Vergieſſung der
Zaͤhren/ auff die Reiß empfangen; daß man ſich alſo groſſe Hoffnung zur
Seeligkeit fuͤr den Sterbenden machen koͤnnen; dahero hat der gemelte Silo
fuͤr deſſen Seel/ umb ſchnelle Erledigung auß dem Feg-Fewer/ Gott eiff-
rich gebetten/ und zugleich auch zu wiſſen verlanget/ zu was groſſen Herrlig-
keit dieſelbige im Himmel gelangt ſeye. Es hatte aber die Sach mit dem
Studenten ein weit andere Beſchaffenheit. Da der Doctor Silo in ſeinem
Zimmer allein ſitzet/ kombt der verſtorbene Juͤngling mit einer fewrigen
Kuggel bekleidet mit wehemuͤtigem und klaͤglichem Seufftzen hinein. Der
Doctor wird zwarn anfaͤnglich entruͤſtet/ greifft dannoch ein Hertz/ und fragt/
wer er ſeye? Jch bin antwortet der Todte/ dein ungluͤckſeeliger Schuͤller.
Was iſt dir widerfahren/ fragt der Doctor? Warumb fragſtu mich/ ſagt der
Todte/ was mir Ubels widerfahren ſeye? Verflucht ſeye ich/ verflucht ſeye
der Tag/ an dem ich gebohren bin/ an dem ich getaufft bin/ und an dem ich
zum erſten geſehen hab: Verflucht ſeye Gott/ der mich alſo geſtraffet/ ver-
flucht ſeyen alle Engel/ die Jhm dienen/ verflucht ſeyen die Heilige die Jhn
ehren/ und verflucht ſeyen alle Craturen/ ſo Gott loben im Himmel und auff
Erden. Hierauff fragt der Doctor; haſtu nicht gebeichtet/ und deine Suͤn-
den mit heiſſen Zaͤhren beweinet? Jch hab gebeichtet/ antwort der Todte/
aber ohne Rew und ohne Fuͤrſatz/ die Suͤnden zu verlaſſen: dan ich hab nicht
meine Suͤnden beweinet/ ſonderen meinen ſo zeitlichen und unverhofften
Todt/ und daß ich meine Guͤter und Hoffnung derſelben zu genieſſen verlaſſen
muͤſſen. Seye du verſichert/ daß ſchier alle die jenige uͤbel beichten/
welche ihre Buß biß zum End ihres Lebens verſchieben. Ach wie groſſe
Schmertzen leyde ich unter dieſer fewrigen Kuggel! dieſe beſchwaͤret mich
mehr/ als mich der allerhoͤchſte Thurn in Pariß trucken koͤnte. O Doctor
Silo, glaube mir/ wann die Leut wiſten/ wie es in der Hoͤllen ſo grauſamblich
hergehe/ ſie wuͤrden ja nicht ſuͤndigen: derhalben verſichere ich dich/ daß wann
ſchon
[520]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſchon alle Schmertzen und Peinen/ alle Widerwertigkeiten und Armſeelig-
keiten/ alle Marter/ ſo von Anfang der Welt biſt auff heutige Stundt gewe-
ſen ſeyen/ zuſammen gefuͤgt wuͤrden/ ſo haͤtte doch dieſes alles keine
Gleichnuß/ ja ſo gar waͤre alles ertraͤglich in Anſehung deren Schmertzen/
die ich auch in einer Stund leyde. Damit du aber die Bitterkeit meiner Pei-
nen noch beſſer erkeñen moͤgeſt/ ſo reiche deine flache Hand her/ und empfange
auch das allergeringſte Troͤpfflein meines Schweiß. Silo ſtreckt ſeine
Hand auß/ und der Todte ſtreichet ein Troͤpfflein Schweiß von der Stirn
ab in die Hand ſeines Magiſtri; welches in ſelbigem Augenblick ſo weit
durchgedrungen/ daß man ein Haſſel-Nuß ins Loch haͤtte verbergen koͤnnen:
der Doctor aber fallet fuͤr Schmertzen halb Todt daher/ und der Geiſt ver-
ſchwindet mit grauſamben Geſchrey. Nach dieſem findet man den Doctor
Silo ohne Sprach und Kraͤfften; mit durchlocherter Hand auffm Bodem
ligen/ man tragt ihn zum Bett und heilet denſelben. Da er nun zur vorigen
Geſundheit gelanget/ gehet er widerumb zur Schulen/ und erzehlet ſeinen
Schuͤleren alles ordentlich/ was ſich zugetragen habe/ und zur Bekraͤffti-
gung ſeiner Wort/ zeigt er ihnen das Wund-Mahl ſeiner Hand: rahtet al-
len/ daß ſie die Welt verlaſſen/ alle eitele Wolluſten derſelben verachten/
und im geiſtlichen Cloſter-Leben das Heyl ihrer Seelen ſuchen ſolten. Und
damit er anderen mit ſeinem Exempel heylſamblich vorleuchten moͤgte; iſt er
nach alſolchem ertheilten Raht zur Schulen hinauß gangen/ und ſeine Reſu-
lution denen Schuleren ungefehr mit dieſen Worten bedeutet.
Alſo hat er der Welt Adien geſagt/ und iſt ein Munch worden/ deme von
ſeinen Schuͤleren auch viele gefolgt ſeynd: auß denen/ ſo in der Welt ver-
blieben/ iſt kaum ein eintziger eines guten Todts geſtorben.
14. Uberlege nun/ mein Chriſtliche Seel/ bey dir die Zaͤhren/ ſo der offt
erwehnte Student in ſeinem Todts-Bett vergeſſen hat/ ſo wirſtu finden/ daß
ſelbi-
[521]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
ſelbige lauter Crocudilen Zaͤhren geweſen ſeyen: von welchem Thier die
Naturaliſten ſchreiben/ daß es ſehr begierich ſeye Menſchen-Fleiſch zu eſſen;
dahero verſchoͤnt es keines Menſchen/ ſonderen toͤdtet denſelben/ wann er ihm
begegnet/ und friſſet ihnen: nachmahlen nimbt es die Hirn-Sthal zwiſchen
die Klawen/ und beweinet ſelbige mit vielen Zaͤhren; nicht derhalben/ daß es
mit dem Todten Menſchen ein Mitleiden habe; ſonderen weil es ketn Fleiß
mehr an der Hirn-Schal ſindet. Solche Zaͤhren vergieſſen viele Ster-
bende; nachdem ſie ſich mit vielen laſteren erſaͤttiget haben/ ergreiffen ſie
den Geereutzigten Herren in die Hand/ kuͤſſen denſelben/ ſeufftzen und wei-
nen bitterlich. Von alſolchen ſagt man hernach: O was ein ſeeliges End
hat der gehabt! Ach moͤgt ich doch auch alſo ſterben! Wie hat der ſeine Suͤn-
den ſo ſchon beweinet! Es ſtehet aber bey vielen zu foͤrchten/ daß dergleichen
Zaͤhren nur Crocudilen-Zaͤhren geweſen ſeyen: zumalen viele/ nicht ihre
Suͤnden/ ſonderen allein beweinen/ daß ſie von ihren Wolluſten/ von ihren
weltlichen Ehren und Reichtumben ſcheiden muͤſſen: und das lehret die
taͤgliche Erfahrnuß uns gnugſamb an denen/ ſo da von einer ſchwaͤren
Kranckheit geneſen/ und ſich alsbald zu ihrem Gottloſen Leben und verfluch-
ten Gewonheiten wenden: darauß man in Warheit nicht unbillig ſchlieſſen
kan/ daß derſelben Bußfertigkeit und beſſerungs Fuͤrſatz nicht kraͤfftig gnug
geweſen ſeye/ die ewige Seeligkeit zu erlangen. Welches alles durch fol-
gende Hiſtori beſtaͤttiget wird.
15. Caͤſarius ſchreibt/ daß zu ſeinen Zeiten in der vorgemelten Stadt Pa-Hiſtoria.
riß geweſen ſeye ein ficher Canonicus/ welcher eine feiſte Praͤbend gehabt/
und in allerhand Gemaͤchlig- und Ergoͤtzligkeiten gleichſamb geſchwummen:
bey den Gaſtmalen hat er ſich fleiſſig finden laſſen; mit zeitlichen Ehren und
Aembteren iſt er auch haͤuffig verſehen worden; und/ mit wenig Worten zu
ſagen/ was dem Fleiſch nur geſchmãcket/ deſſen hat er ſich bedienet. Dieſer
iſt endlich in eine toͤdtliche Kranckheit gefallen: der Beichts-Vatter iſt zur
Stund beruffen worden/ deme der Krancke mit vielen Zaͤhren gebeichtet hat;
die ihm die Schmertzen deß Todts auß den Augen getrieben. Da er nun
geſehen/ daß es mit ſeinem weiteren Leben geſchehen ſeye; hat er dem Beichts-
Vatter verſprochen ſich zu beſſeren: warauff er die H. H. Sacramenten/
nemblich deß Altars und der Oelung empfangen/ und geſtorben. Dieſer
Canonicus iſt koſtbarlich begraben worden und haben die Fuͤrnembſte deß
Adels den Leichenamb zum Grab begleitet bey ſo ſchoͤnem und annemlichen
Wetter/ daß man haͤtte vermeinen ſollen/ der Himmel habe dieſen Canonicum/
als einen neu angekommenẽ Jnwohner mit ſeiner Schoͤnheit ehren wollen/ in-
U u udem
[522]Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
dem ſich ſelbiger bey der Begraͤbnuß wider alles vermuten gantz hell und
klar erzeiget: daß er alſo von allen gluͤckſelig geſchaͤtzt worden/ dieweilen er
mit groſſen Einkoͤmbſten und Reichtumben/ mit adlichem Herkommen/ mit
ſchoͤner Geſtalt deß Leibs/ und allem Gluͤck in ſeinem Leben verſehen: nach
demſelben auch mit ſo herrlicher Begraͤbnuß und von dem Himmel ſelbſt ge-
ehret worden; der auch in ſeinem Todts-Bett nach empfangenen H. H. Sa-
cramenten/ mit Vergieſſung der Zaͤhren ſeine Seel dem lieben Gott ſo an-
daͤchtiglich befohlen hat. O wie ſeelig/ ſagte jederman/ muß dieſer fromme
Canonicus geſtorben ſeyu/ den die Goͤttliche Gnaden im Leben im
Todt/ und nach demſelben dergeſtalt erſuͤllet haben! Aber/ aber/ anders richtet
Gott/ und anders die Menſchen. Nach wenig Tagen iſt dieſer Canonicus
einem ſeiner getrewen Freunden erſchienen/ und hat ihm bedeutet/ daß er ewig
verdambt ſeye: und ob er zwarn gebeichtet/ und mit den H. H. Sacramenten
verſehen worden/ hat er doch kein wahre Berewung und Fuͤrſatz der Beſſe-
rung gehabt. Und obſchon ich ſagt der Todte/ mir vorgenommen von den
Suͤnden abzulaſſen: ſo hab ich dannoch in meinem Hertzen eine Neigung
empfunden/ welche mich/ wann ich waͤre wider umb geſund worden/ zum vo-
rigen boͤſen Leben mehr/ als zur Beſſerung gebracht haͤtte: dan ich bildete
mir ein/ daß ich ohne die gewoͤhnliche Begierligkeiten und ohne Vergnuͤ-
gung in den Ehren und Wolluͤſten nicht leben koͤnte. Jn dieſen Gedancken
bin ich geſtorben/ und ewig verdambt worden.
16. Wolte GOtt! Wolte GOtt! daß der letzter wegen Mangel der
gnugſamen Bereuung ſchon verdambt ſeye/ und nicht mehrere Menſchen
dieſerthalben zur Hoͤllen geſtuͤrtzet wuͤrden. Ob wohl einige Suͤnder am
End ihres Lebens eine wahre Reu und Leyd haben/ ſo koͤnnen ſie doch ſelbi-
ge/ wegen der eingewurtzelten boͤſen Gewonheiten/ leichtlich verlieren/ dar-
zu der boͤſe Feind meiſterlich zu helffen pfleget. Alſo hat dieſer liſtige Vo-
geleinen Sterbenden betrogen/ welcher ſeine Suͤnden rechtmaͤſſiglich ge-
Hiſtoria.
Franc.
[Pa]zzoli-
us.beicht hatte. Dieſer Sterbende hatte vorhin eine Beyſchlafferin unzulaͤſ-
ſiger Weiß bey ſich gehabt/ die er in ſeiner Kranckheit abgeſchafft/ damit er
ſich mit allem Ernſt zu GOtt wenden moͤgte. Der Teuffel gibt ihm ein/
er thue uͤbel/ daß er ſeiner Freundin alſo leicht vergeſſe: dieſem Cingeben
gibt der Krancke bey ſich ſelbſten zur Antwort: wolte GOtt ich haͤtte ſie nie-
mal gekennet! Nicht alſo: ſagt der Teuffel. Sie liebt dich von Hertzen/
und du halteſt von ſelbiger ſo wenig? Was hab ich nun anders/ gibt ſich der
Krancke zur Antwort/ daß ich die loſe Fidel ſo unkeuſcher Weiß getiebt hab/
als daß ich und ſie billig ſolten verdambt werden. Zum drittenmahl gibt ſich
der
[523]Von der Sacramentaliſchen Beicht.
der boͤſe Feind abermal an/ und gibt ihm ein: es ſey kein Wunder daß er ſo nahe
beym Todt alſo rede: wan du wiederum ſolteſt von der Kranckheit auffſtchen/
und noch viele Jahr leben/ wolteſtu nicht die alte Freundſchafft wiederumb
erneueren und unterhalten? Wan daß geſchehen wuͤrde/ ſage in ſich der Kran-
cke/ ſo ſolte ich meine alte Lieb ohne Zweiffel erneucren muͤſſen. Jn ſelbi-
gem Augenblick/ da er alſo vom Teuffel betrogen wird/ ſtirbt er und wird
ewig verdambt. Dieſe iſt nun die Urſach/ daß ſo viele verlohren gehen; die-
weilen in der letzten Beicht/ oder der kraͤfftige Fuͤrſatz nicht mehr zu ſuͤndigen
ermanglet; oder/ wann ſelbiger ſchon zu gegen iſt; von dem boͤſen Feind gar
leichtlich kan vernichtiget werden/ wie wir in dem Verlauff dieſer traurigen
Geſchicht vermerckt haben. Jch hab/ mein Chriſtliche Seel/ dieſer Lection
die Segel weiters außgeſpannen/ als ich mir vorgenommen hatte; die ich
anjetzt wiederumb einziehe/ und dir die Betrachtung der obgeſetzten Trauer-
Spielen deiner ewigen Wohlfahrt anheim ſtelle.
Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von dem
Allerheiligſten Sacrament deß Altars.
Omnes ſitientes venite ad aquas, venite, emiteIſa. 55. v. 1
abſque Argento, \& ulla Commutatione Vinum \&
Lac.
kommet her und kauffet ohne Gelt/ und ohne einigen
Werth/ Wein und Milch.’
1. WAnn ein Koͤniglicher Schatz eroͤffnet/ und einem jeden Gewalt er-
theilet wuͤrde/ von ſelbigem nach ſeinem Belieben zu nemmen;
wer ſolte ſeiner wohl vergeſſen/ und verabſaumen/ ſo viel zu be-
U u u 2kom-
[524]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
kommen/ als er vonnoͤthen habe? Jch bin der Meinung/ wir wuͤrden alle
ſuchen die Erſte zu ſeyn/ damit wir in Zeiten das Unſrige davon tragen
moͤgten. Nun ſtehet uns allen offen/ nicht ein irrdiſcher und zergaͤnglicher/
ſondern ein himmliſch- und ewiger unendlicher Schatz im Hochh. Sacra-
ment deß Altars; ſollen wir nicht mit aller Hurtigkeit demſelben zulauffen/
und mit ſelbigem bereichet zu werden trachten? Darzu uns der himmliſche
Koͤnig und groſſe Monarch durch ſeinen Propheten einladet und ſagt: Kom-
met alle/\&c. Der nun mit den him̃liſchen Guͤtern erfuͤllet zu werden ver-
langet; das iſt/ der mit Tugenten (welche die beſte Schaͤtz der Seelen ſeynd)
will gezieret werden; eile zum Brunnen derſelben/ nemblich zu Chriſto/ der
da unter den Geſtalten deß Nacht-Mahls im Hochh Sacrament gegen-
waͤrtig iſt. Wer dann ſeine Laſter und Maͤngel zum Heyl ſeiner Seelen
zu vertilgen geſinnet iſt; der kan ſein Vorhaben mit beſſerem und erſprießli-
cherem Effect und Nachtruck nicht erreichen/ als wann er offt zu dieſem
Goͤttlichen Brod hinzunahe/ krafft deſſen er uͤber die Maſſen geſtaͤrckt wird/
alle Suͤnden und ſuͤndhaffte Neigungen zu vertreiben. Dann ſo Elias
mit einem in der Aſch gebackenen Brod alſo iſt geſtaͤrckt worden/ daß er in
Krafft dieſer Speiß/ viertzig Tag und ſo viel Nachten biß zum Berg iſt ge-
wandert; wie viel hurtiger wird nicht auff dem Weeg der Tugenten fort-
ſchreiten koͤnnen/ welcher mit dem Brod der Engeln ſich offtmahl ſtaͤrcket?
[§]. 4. c. 4.
L 2.zumahlen Dieſes Sacrament/ wie der gottſeelige Thomas à Kem-
pis ſagt; das Heyl der Seelen iſt und deß Leibs; eine
Artzney aller geiſtlichen Sucht und Kranckheit/ in wel-
chem geheilet werden die Wunden unſerer Laſter/ die in-
wendige Bekůmmernüß und Leyden gemiltert und ge-
zaͤhmt: die Anfechtungen ůberwunden und gemindert/
groͤſſere Gnad eingegoſſen/ die angefangene Tugend ge-
mehrt/ der Glaub und Hoffnung geſtaͤrcket/ und die Lieb
erhitziget und außgebreitet wird. Dieſes bekraͤfftiget der Heil.
Ser. de
Cœ [...]a
Domini.Bernardus mit folgenden Worten: Zwey ding/ ſagt er/ wircket
in uns dieſes Sacrament: daß es das Gefühl mindere in
den geringſten/ und die Bewilligung gaͤntzlich hinweg-
nehme in den groͤſſern Sünden. Wann ihr nunmehr nicht
ſo oͤfftere und ſo hitzige Bewegungen deß Zorns/ der
Mißgunſt/ der Geylheit und anderer dergleichen Laſter
an euch empfindet; ſo ſaget dem Fleiſch und Blut deß
Herrn
[525]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars:
Herrn Danck/ dann die Krafft deß Sacraments wircket
in euch.
2. Hoͤre auch/ mein Chriſtliche Seel/ den H. Cyrillum. DasLib. 4. in
Joan. 17.
Hochh. Sacrament deß Altars/ ſpricht er/ vertreibt nicht
allein den Todt/ ſondern auch alle Kranckheiten: dann
es ſtillet/ wann Chriſtus bey uns bleibt/ das wůtende
Geſetz unſerer Natur/ es ſtarcket die Andacht/ erloͤſchet
die Verſtoͤhrungen deß Gemüts/ macht geſund die Kran-
cke/ und heylet die da verwund ſeynd. Weiters mercke auff
die Wort/ die der H. Ainbroſius zu ſeiner Schweſter Macellina ſchreibt.
Chriſtus iſt alles in uns: wilſtu eine Wund heylen/ ſo iſtL. 3. de
Virg. to.
4.
dir Chriſtus das Pflaſter: biſtu vom Fieber verhitzt/ ſo
iſt er der Brun: wirſtu mit Vnrechtfertigkeit beſchwehret/
ſo iſt er die Rechtfertigkeit/ oder die Gerechtfertigung:
haſtu Hülff vonnoͤthen/ ſo iſt er deine Krafft: Foͤrch-
teſtu den Todt/ ſo iſt er das Leben. Wilſtu gen Himmel
auffſteigen/ ihn haſtu zum Weeg: flieheſtu die Finſter-
nuß/ ſiehe er iſt das Licht: Sucheſtu Speiß; Er iſt
die Nahrung. So weit laſſet ſich auß uͤber das Hochh. Sacrament
deß Altars der H. Kirchen-Lehrer Ambroſius. Dieſem folgt nach der
H. Thomas à Villa Nova, und ſagt: denen ſo hinzukommen/ werdenConc. 3.
de S. S.
Sacr.
haͤuffige Fruͤchten ertheilet: der Verſtand wird erleuchtet/ das Hertz wird
entzuͤndet/ der Affect oder Neigung wird feiſt gemacht/ der Geſchmack wird
erwecket/ das Gefuͤhl wird lebendig/ der Geiſt wird gereiniget/ die Tugen-
ten und Gnaden werden vermehret/ und endlich beſitzeſtu durch die Nieſ-
ſung dieſes Hochh. Sacraments die Fuͤlle aller geiſtlichen Guͤter. Daß
nun die Nieſſung dieſer Allerheiligſten Speiſe alle von den H H. Vaͤttern
erwehnte Wirckungen verrichte; daran iſt nicht zu zweifflen: daß aber ſehr
viele derſelben nicht theilhafftig werden/ daran ſeynd ſie ſelbſt die Urſach/
dieweilen ſie die Bequemung zum Empfang der Gnaden nicht mit ſich brin-
gen; dahero iſt kein Wunder/ daß ſolche durch die H. Communnion faſt
ſchlimmer als beſſer werden: welches der H. Chryſoſtomus mit einer ſchoͤnen
Gleichnuß erklaͤret und ſagt: Gleich wie die Speiß deß Leibs/Hom. 5.
ſup. Mat
wann ſie den Menſchen mit boͤſen Humoren oder Feuch-
tigkeiten erfüllet findet/ ſchaͤdlich iſt/ und keine Hülff
leiſtet: alſo dieſe geiſtliche Speiß/ wann ſie einen mit
Sůnden angefüllet antrifft/ wird ſie demſelben noch mehr
V u u 3ver-
[526]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
verderben/ nicht auß der Natur der Speiß; ſondern we-
gen der Boͤßheit deſſen/ der ſie genieſſet. Dahero ſingt
die Kirch alſo:
in Sylv. v.
Euch. fol.
696.
Einige glaubwuͤrdige Schribenten ſetzen diſes unter die Wunderwerck der
Welt; daß nemblich ein Brunnen ſeye/ in welchen/ ſo man mit ſittigen Augen
einſchawet/ und immer in ſelbigen ſtarret/ man rein und klar Waſſer finden
wird; wann man aber anderswohin ſehet/ oder mit einem anderen redet/ ſo
wird ſich das Waſſer truͤb zeigen. Ein ſolcher Brun iſt das Hochh. Sa-
erament deß Altars/ welcher zu ſelbigem mit demuͤtigen und niederge-
laſſenen Augen deß Leibs/ und mit ſtarrenden Augen deß Hertzen auff die
Goͤttliche Majeſtaͤt/ und mit geziemender Reinigkeit hinzugehet/ der wird
finden ein reines und ſauberes Waſſer der Goͤttlichen Gnaden: der aber
wird thun das Widerſpiel/ wird an ſtatt deß Segen/ Verfluchung finden.
C. [9]. v. 20.Dahero leſen wir im Buch Levitici: Ein unreine Seel/ welche von
dem Fleiſch deß Fried-Opffers eſſen wird/ daß dem Herren
auffgeopffert iſt/ ſoll von ihrem Volck untergehen. Wieviel
mehr wird dan nicht der jenige zu Grund gehen/ der das Fleiſch deß Herren un-
wuͤrdiglich nieſſen wird? derhalben ſagt der Apoſtel von dieſer Speiß: Wer
1. Cor. 11.unwůrdiglich eſſet und trincket/ der eſſet und trincket ihm
ſelbſt das Gericht. Wann du nun/ mein Chriſtliche Seel/ vermer-
cken ſolleſt/ daß du durch oͤfftere H. Communion nicht zunemmeſt; keinen/
oder geringen Geſchmack zu den Tugenten empfindeſt: daß du den Ge-
brechen der boͤſen Natur hartneckiglich anklebeſt: daß nicht keuſcher in den
Gebaͤrden/ nicht eiffriger im Gebett und Lob Gottes werdeſt: daß du nicht
eingezogener und ſanfftmuͤtiger vom Tiſch deß Herren kommeſt: ſo gedencke/
daß du einer von denen ſeyeſt/ von welchen der Apoſtel ſagt: Darumb
1. Cor.ſeyen unter euch viel Schwachen und Krancken/ und viele
ſchlaffen. Die Urſach deſſen hat er vorhingeſetzt: nemblich/ wann
ihr unwürdiglich eſſet und trincket. Durch die Schwachen
und Krancken wollen die Dollmetſcher die jenige verſtehen/ ſo von der Faul-
heit
[527]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars.
heit und Traͤgheit gleichſamb einer Schlaff - Sucht uͤberfallen/ zur Beſſe-
rung deß Lebens nicht auffſtehen/ zur Ubung der Tugenten ſich nicht bewe-
gen/ und zur Vollkommenheit geringe Luſt zeigen: dahero verbleiben ſie un-
bequem/ den Anfechtungen deß boͤſen Feind/ der Welt/ und deß Fleiſches ſich
zuwiderſetzen.
3. Wie die H. Schrifft meldet Deut. am 4. Cap. Jſt Gott ein verzaͤrẽ-
des Fewr: Wie kans aber moͤglich ſeyn/ daß die Hertzen/ ſo Gott im H.
Sacrament empfahen; und wann ſie ſchon harter als ein Stein/ und kaͤlter
als Eys ſeynd/ bey dieſem Fewr nicht erweichen und erwarmbt werden? Daß
Hochh Sacrament deß Altars iſt ein brennender Spiegel; wie wenig ſeynd
aber/ die von deſſen Strahlen gebrand werden? Es iſt ein Brod/ daran alle-Sap. 6.
Ergetzligkeit zu finden iſt/ und wie wenig empfinden den herrlichen Ge-
ſchmack dieſer Speiſe! Es iſt ein Brunn aller Gnaden/ und wie wenige be-
muͤhen ſich darauß zu ſchoͤpffen! Es iſt ein Lamb ohne Flecken/ und wie we-
nig werden durch Nieſſung dieſes Lambs gereiniget! Es ein Artzeney der
Unſterbligkeit/ aber wer iſt damit gezeichnet? Es iſt ein Band der Liebe; wie
wenig aber werden mit dieſem Band an das allerhoͤchſte Gut gebunden! Es
iſt ein Pfand der zukunfftigen Herrligkeit; und dannoch/ wie der Apoſtel
Paulus ſagt: ſchlaffen viele: daß iſt/ die Schlaͤfferige/ ſo da mit der
Schlaff-Sucht der Laſteren uͤberfallen/ in ihre Begierden vertiefft/ gleich
den Mold-Wuͤrmben in der Erden graben; die irrdiſche Ding ſuchen/ zu
den Himliſchen keine Luſt haben/ der veralteten Gewonheit zu ſuͤndigen/
gleich einem kotigen Leim ankleben/ und in ſelbigem wie ein Schwein im
Miſt-Lach/ ſich weltzen. Solche beſtialiſche Menſchen/ wie oͤffter ſie zu
dieſem Engliſchen Tiſch hinzugehen/ je mehr beſudlet und ſchlimmer ſie wer-
den. Jſt daß nicht/ Perlen den Saͤwen ſtrewen/ und die Speiß deß Goͤtt-
lichen Himmel-Brods in die Miſt-Gruben werffen? ſolcher Geſtalt ſolſtu
zum Tiſch deß Herren gehen/ wie der H. Thomas von Aquin die ſeinige
mit dieſen wenig Worten unterrichtet und ſagt: meine Bruͤder/ eſſet das
himmliſche Brod geiſtlicher Weiß/ und traget die Unſchuld mit euch zum
Altar: der eſſet ihm ſelbſt das Gericht/ welcher unſauber zu dem allerſau-
berſten Sacrament hinzugehet. Nach unwuͤrdig empfangener Commu-
nion/ hat der Haubt-verraͤther Judas dem boͤſen Feind in ſeinem Hertzen
Platz gemacht/ von dem er dan von Stund an zu Vollziehung deß vorhaben-
den Verraths getrieben worden. Recht ſagt von ſelbigen der fromme
Job: Sein Brod wird ſich inwendig in ſeinem Leib inc. 10. 14.
Nattern-Gallen veraͤndern. Wolte GOtt! daß nicht heutiges
Tags
[528]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Tags ſehr viele/ nach dem Exempel Judaͤ/ von der Allerheiligſten Taffel
ſchlimmer zuruͤck kehreten/ als ſie ſeynd hinzu gangen. Auch waͤre zu wuͤn-
In Cant.
7.ſchen/ daß der heutigen Welt nicht widerfahre/ deſſen ſich der Philo Car-
phatius beklagt; und alſo ſpricht: Man ſicht/ leyder! daß einige von die-
ſem allerheiligſten Gaſtmahl taͤglich Gottloſer werden: und (welche ich oh-
ne groſſe Schmertzen nicht melden kan) daß die armſelige Menſchen die-
ſerthalben allein zur Hoͤllen geſtuͤrtzet werden. Alſo iſt zur Verdamnuß
geſtuͤrtzt worden der Verraͤther Judas: alſo werden geſtuͤrtzt viele and ere ſo
wohl Geiſt- als Weltliche/ ſo da mit vielen Suͤnden behafftet/ ſich nicht
foͤrchten zu dieſem Aller heiligſten Sacrament zu tretten.
4. Damit nun auff uns ſo ungluͤckſeeliges Loß nicht falle/ laſſet uns die
Ermahnung deß heiligen Vatters Auguſtini behertzigen: welche in fol-
Serm. 1.
de Temp.genden Worten beſtehet: So viel wir koͤnnen/ laſſet uns mit der
Hülff GOttes uns befleiſſen/ daß wir mit auffrichtigem
und lauterem Gewiſſen/ mit reinem Hertzen und keuſchem
Leib zum Altar deß HErrn moͤgen hinzugehen/ und deſ-
ſen Leib und Blut nicht zum Gericht/ ſondern zum Mit-
tel unſerer Seelen zu empfangen gewürdiget werden.
Dann der das Leben nicht aͤndert/ der wird das Leben
empfangen zum Gericht; und wird auß dieſem Leben
mehr verletzt als geheilet werden: er wird mehrgetoͤdtet/
als zum Leben erweckt werden. Der heilige Chriſoſtomus will
auch in dieſem Fall der letzte nicht ſeyn: derhalben rufft er allen mit dieſen
Worten zu und ſagt: Niemand ſoll mit einem Widerwillen/
Hom. 83.
in Matt.weder auch mit einer Lawigkeit hinzugehen: alle ſollen
eifferich/ alle ſollen enttzündet ſeyn: wir ſollen alle vor
Lieb brennen. Jn ſeiner 61. Predig/ ſo er zum Volck gehalten/ ſagt
et alſo: Wir ſollen derhalben/ gleich den Loͤwen/ mit
Feuer-ſpielendrn Augen deß Hertzen von dieſem Tiſch
hinweg gehen/ und alſo dem boͤſen Feind ein Grauſen
ſeyn.
5. Jm uͤbrigen muſtu wiſſen/ mein Chriſtliche Seel/ daß deinem Gott
mehr gefalle/ wann du demuͤtiglich und wohl bereitet zu dem Goͤttlichen
Tiſch geheſt; als wann du dich deſſelben unwuͤrdig achteſt/ und denſelben
derentwegen meideſt; wie du auß folgender Geſchicht zu ſehen haſt. Der
H. Bonaventura hat einsmals die Goͤttliche Majeſtaͤt im Hochh. Sacra-
ment deß Altars betrachtet/ und hergegen ſeine Armſeeligkeit und groſſe Un-
wuͤrdig-
[529]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars.
wuͤrdigkeit beſchauet: derhalben hat er in Forcht/ daß villeicht mit gezim-
mender Ehrbietſambkeit nicht wuͤrde ſeinen HErrn empfangen koͤnnen/ ſich
viele Tag dteſer Goͤttlichen Speiß enthalten. Jndem nun dieſer H. Mann
einem Prieſter zur Meſſen gedienet/ und in ſelbiger die heilige Hoſtia dem
Gebrauch gemaͤß vom Prieſter gebrochen worden/ iſt ein Theil derſelben
Hoſtien nicht ohne Verhaͤnguuß GOttes/ dem frommen Bonaventuraͤ in
den Mund hinein geſprungen. Hierauß hat ſelbiger vernuͤnfftlich geur-
theilet/ daß die jenige GOtt angenehmer ſeyen/ welche von der Lieb zum
Tiſch deß HErrn gefuͤhrt werden/ als die jenige/ ſo da auß Forcht demſel-
ben ſich entziehen. So viel die Vorbereitung der heiligen Communion
anlanget/ iſt zu wiſſen/ daß ſelbige zweyfachig ſeye/ deren eine iſt ein loͤbli-
cher/ Chriſtlicher und auffrichtiger Handel und Wandel vor GOtt und
den Menſchen. Die andere beſtehet darin/ daß ſich der Menſch vor der
heiligen Communion oder Meß-Opffer mit moͤglichem Fleiß bereite durch
eine rechtmaͤſſige Beicht/ durch Erweckung der Reu und Leyd uͤber die be-
gangene Suͤnden/ und der Liebe gegen GOtt und ſeinen Nechſten/ und durch
einen ſtarcken Fuͤrſatz/ in Ewigkeit nicht mehr zu ſuͤndigen; und daß er bey
ſich entſchlieſſe/ alle/ auch die geringſte Gelegenheiten zu ſuͤndigen abzu-
ſchneiden/ ſo viel es immer moͤglich iſt: auch ſoll eine Betrachtung/ wans
die Zeit leydet/ vorhergehen: die allerſeeligſte Jungfrau Mariam/ ſeinen
Schutz-Engel und H. H. Patronen ſoll ein jeder nach ſeiner Devotion zu
dieſem groſſen Gaſtmahl einladen/ und ſelbige erſuchen/ daß ſie mit ihren
Tugenten das hochzeitliche Kleid zieren wollen/ \&c.
6. Ein ſolche Vorbereitung kan dem lieben GOtt nicht mißfallen/ der
mehr auff unſere Einfalt und guten Willen/ als auff das Werck ſelbſten
Achtung hat; wie wir auß der H. Mechtilde lernen. Dieſe JungfrauBloſ. in
in Monil.
Sp. c. 6.
hat Chriſtus alſo unterrichtet: Wann du die heilige Communion zu
empfangen haſt/ ſo verlange und wuͤnſche zum Lob und Ehr meines Nah-
men/ daß du haͤtteſt alle die Begierden/ und alle Lieb/ mit welcher jemah-
len ein Hertz gegen mich gebrennet hat; und alſo komme zu mir: dann ich
werde dieſe Lieb in dir anſehen und auffnehmen/ nicht wie ſie in dir iſt; ſon-
dern wie du wolteſt/ daß ſie in dir waͤre. Eben ſelbiges hat auch gelehret
die heilige Gertrudis/ welche da ſie einsmahls ſehr eifferich zu communici-Id. ibid.
ren verlangte/ vermeinte aber/ daß ſie darzu nicht gnugſamb bereit waͤre/
wendete ſie ihr betruͤbtes Angeſicht zu der heiligen Mutter GOttes und ih-
re H. H. Patronen/ und erſuchete ſelbige ſie moͤgten doch alle ihre Guͤnſten
und Gnaden/ die ſie vorhin bey GOtt erworben hatten/ ihr ſchencken/ und
X x xfuͤr
[530]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
fuͤr ſie ihrem himmliſchen Braͤutigam auffopfferen. Hierdurch hat ſie ſich
ſo groſſes Anſehen und Wuͤrdigkeit bey der Goͤttlichen Majeſtaͤt erwor-
ben/ als ſie immer haͤtte wuͤnſchen und verlangen koͤnnen. Allhier iſt auch zu
L. 4. c. 12.mercken/ was der gottſeelige Thomas à Kempis ſagt: Du muſt dich
nicht allein vor der H. Communion dieſes Hochw. Sa-
craments zu der Andacht bereiten/ ſondern auch nach
Empfahung dieſes Sacraments mit allem Fleiß dar in
erhalten und üben. Vnd wird nicht weniger die Behut-
ſambkeit darnach/ als ein andaͤchtige Bereitung darvor
erfordert: dann die nachfolgende Behutſambkeit iſt einem
frommen andaͤchtigen hoch nützlich und zwar gut/ daß
es ein neue Vorbereitung iſt/ groͤſſere Gnad zu erlangen.
7. Zur andaͤchtigen Verehrung dieſes Hochh. Sacraments leiten uns
Hiſtoria.
L. 2.mit ihrem Exempel die Ymben/ wie Thomas Cantipratanus erzehlet; daß
nemblich die Dieb einsmahls das Ciborium auß der Kirchen geſtohlen/ und
die H. Hoſtien unter einen Ymben-Korb geworffen haben. Nach einigen
Tagen vermerckt der Ymben-Herr/ daß ſelbige ſechsmahl im Tag zu ſichern
Stunden ihre gewoͤnliche Arbeit verlaſſen/ und ſeyen gantz eifferig in ei-
nem Hoͤnig-ſuͤſſen Geſang beſchaͤfftiget. Da er nun bey Mitternacht
auffſtehet/ ſicht er uͤber dem Ymben-Korb ein groſſes Licht/ und hoͤrt/ daß
ſich die Ymben im Singen uͤben. Woruͤber ſelbiger ſich ſehr verwundert/
und auß Goͤttlichem Antrieb dem Biſchoff ſolches zu erzehlen/ gleichſamb
gezwungen wird: der Biſchoff mit vielen andern kombt hinzu/ eroͤffnet den
Ymben-Korb/ und findet ein Geſchier/ welches von Schnee-weiſſem
Wachs gar kuͤnſtig gewircket ware; und in ſelbigem findet er die H. Hoſtien/
und das die Ymben herumb fliegen/ Chor-Weiß ſingen und Wacht halten.
Dieß Hochh. Sacrament nimbt der Biſchoff und tragt ſelbiges mit
hoͤchſter Ehrbietſamkeit zur Kirchen/ allwo viele von unzahlbaren Kranck-
heiten geneſen ſeyen. Dergleichen erzehlt auch Caͤſarius von einem Weib/
ſo da Ymben hatte; weilen ſelbige nicht zunehmen wolten/ und ſie ſich die-
ſerthalben bey andern beklagte; wurde ihr gerathen/ ſie ſolte das heilige
Nachtmahl zwiſchen ſelbige ſetzen; welchem Rath ſie folgte/ und/ nachdem
ſie die heilige Hoſti/ ſo ihr der Prieſter in der Communion gereichet/ mit
ſich nach Hauß genommen/ legte ſie ſelbige in eine der Ymben-Koͤrbe. Und
ſiehe/ O Wunder! die unvernuͤnfftige Thierlein erkenneten ihren Herrn/
und machten ſelbigem ein uͤberauß ſchoͤnes Kirchlein oder Capellelein von
wunderlicher und kunſtreicher Arbeit; in welchem ſie einen Altar auff-
rich-
[531]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars.
richteten von ſelbiger Materi/ und das H. Sacrament darauff ſetzeten/ dahe-
ro hat der guͤtige GOtt ihr Werck auch geſegnet. Eine zeitlang hernach/
da dieſes Weib das Geſchirr auffgethan und die Capell ſambt dem Altar ge-
ſehen/ iſt ſie erſchroͤckt worden/ und iſt eilend zum Prieſter gelauffen/ hat ſelbi-
gem alles erzehlet/ und ſich ihrer Unerbietſambkeit halber in der Beicht an-
geklagt. Der Prieſter hat einige ſeiner Pfarr-Kinder mit ſich genommen/
iſt zu den Ymben-Koͤrben hinzukommen/ und hat die herumb fliegende Thier-
lein/ ſo da zum Lob ihres Herren mit ihren Stimmlein ſich hoͤren laſſen/
hinweg getrieben/ und hat mit hoͤchſter Verwunderung ſeiner und aller an-
weſenden geſehen/ wie die Waͤnd deß Capelluleins/ die Fenſteren/ das Tach/
der Klocken-Thurn/ die Thuͤr und Altar in aller Vollkommenheit ſeye ge-
macht geweſen. Nachmalen iſt daß H. Sarrament mit groſſem Lob Got-
tes/ mit unauff hoͤrlichem Singen und Betten widerumb zur Kirchen getra-
gen worden. Wann nun die unvernuͤnfftige Thierlein ihren Erſchoͤpffer
erkennen/ dergeſtalt verehren/ und ſelbigem ſo ſaubere Wohnung zu bereiten;
was ſolſtu du dan nicht thun/ mein Chriſtliche Seel/ dem GOtt Vernunfft
gegeben hat/ ſeinen Herren zuerkennen? Wie ſolſtu dich nicht befleiſſen/ daß
Hauß deines Hertzens zu ſauberen/ daß es mehr einem Schnee-weiſſen
Wachs/ als einem kotigen Vieh-Stallgleich ſeye.
8. Dieß iſt das allerverwunderligſte an dieſer Engliſchen Speiſe/ daß ſie
nicht allein nutze/ wann man ſelbige genoſſen hat; ſonderen daß auch der Hun-
ger und das Verlangen/ dieſelbe zu nehmen den Menſchen ſehr nuͤtzlich und
heylſamb ſeye: und ſolcher maſſen wird erfuͤllet/ was GOtt durch den Koͤnig-
lithen Prophet geſagt hat: Thue deinen Mund weit auff/ ſo willPſalm. 80
ich ihn erfüllen. Dahero iſt bey vielen andaͤchtigen Menſchen ſehr
zu loben/ daß ſie offtmal im Tag/ als nemblich in der H. Meeß/ und in Be-
ſuch- und Anbettung deß Hochh. Sacraments/ und anderen Gelegenheiten
ſich unter ſtehen mit einer inbruͤnſtigen Begierd geiſtlicher Weiß zu commu-
niciren: ſintemalen einige ſeynd gefunden worden/ welche bekennet haben/
daß ſie ſo groſſen Nutzen auß der Begierd zu communiciren geſchoͤpfft haben/
als auß der wuͤrcklichen Communion ſelbſt. Unter ſelbige wird gezehlet die
S. Ioanna à Cruce, welche mit geiſtlicher Freuden zu ſagen flegte/ daß ſie
eben derſelbigen Gnaden und Gaaben GOttes in der geiſtlichen/ als auch in
der wuͤrcklichen Communion genieſſen: derhalben ſeufftzete ſie offt mit danck-
barem Hertzen zu GOtt/ und ſagte: O wie fuͤrtreffliche Weiß zu commu-
niciren haſtu mich gelehret! Siche/ mein allerliebſter Herr/ ich kan zu dir ſo
offt kommen/ als ich will; ich kan deiner ſo vielmal genieſſen/ als ich verlange;
X x x 2dan
[532]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
dan ich bedarff zu der geiſtlichen Nieſſung keine Erlaubnuß weder deß
Beichts-Vatters/ weder der Obrigkeit; deine Erlaubnuß brauch ich allein/
Omein guͤtigſter GOtt und Herr! Wie ſehr dem lieben GOtt dieſe Manier
gefallen/ hat er mit vielen Wunderwerck gnugſamb zu erkennen gegeben.
Hiſtoria.Ein Ley- Bruder hat geſehen/ daß andere offt zum Tiſch deß Herren gin-
gen/ und ihm aber wurde nicht erlaubt offters zu communiciren; derhalben hat
er mit betruͤbtem Hertzen einsmals den Altar angeſchawet/ und inbruͤnſtig
verlanget/ ſeinen Herren zu empfangen: und ſiehe/ der miltreiche Herr kombt
ohne menſchliches oder prieſtliches Zuthun in den Mund deß bettenden Geiſt-
lichen/ welcher alsbald den Mund eroͤffnet/ die heilige Hoſtigezeigt/ und die
Urſach ſothaner Gnad erzehlet hat: man hat auch vermerckt/ daß ſelbige
Hoſti auff dem Altar zu wenig iſt gefunden worden. Deß gleichen hat ſich
zugetragen mit der heiliger Catharina von Senis, und mehr anderen. Dar-
auß wir dan vernuͤnfftiglich ſchlieſſen koͤnnen/ wie groſſe Krafft die andaͤchti-
ge Neigungen zu GOtt haben.
8. Derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ rathe ich dir/ daß du dieſe herrliche
Ubung nicht leichtlich unterlaſſeſt; ſonderen/ ſo viel dir erlaubt iſt/ deinen aller-
ſuͤſſeſten Brautigamb im Hochh. Sacrament offt heimſucheſt/ demſelben
durch die geiſtliche Communion vereinigeſt. Auff daß du aber ſelbiges
deſto fuͤglicher und lieblicher bewerckſtelligeſt/ ſo kanſtu dich der folgenden
Weiß bedienen.
Die Weiß/ Chriſtum im Hochh. Sacrament
deß Altars/ oder uͤberall/ oͤffters zu gruͤſſen und
zu verehren.
Seye gegruͤſſet du miltreicheſter JEſu/ du biſt mein GOtt/ und biſt
mein HErr/ ich bette dich/ ſegne doch deinen armſeeligen und beduͤrffti-
gen Fremdling/ nehme mich doch auff in deine allerſuͤſſeſte Armben der
Liebe. Jch bette dich an/ mein JEſu/ ich glaub an dich/ und ſetz all
mein Vertrauen auff dich: und gleich wie du mich von Ewigkeit her gelicht
haſt; alſo begehre ich dich hinwiederumb zu lieben und zu loben/ Omein Gott/
meine Hoffnung/ meine Lieb und alles. O ihr meine Außerwaͤhlte Patron-
und Patroninnen/ und alle Heiligen GOttes/ machet doch groß den
HErrn mit mir/ und laſt uns deſſen Nahmen erhoͤhen in eintracht.
Nach
[533]Von dem Allerheiligſten Saerament deß Altars.
Nach dieſem kanſtu dieſe Wirckungen deß Glau-
bens und der Lieb erwecken.
Mein liebſter HErr JEſu/ ich glaube veſtiglich und bin verſichert/ daß
allhier in ſolcher Macht und Herrligkeit zu gegen ſeyeſt/ wie du auch im
Himmel biſt. Daruͤber erfreue ich mich ſo hertzlich/ daß ich mein Leben/
und wann ich noch tauſend/ ja hundert tauſend Leben haͤtte/ gern wolte
dargeben zu Verthaͤtigung dieſer Warheit/ und das eintzig und allein dir zu
lieb/ mein guͤtigſter JEſu. Weilen ich aber dieſes alles nicht vermag zu
thun/ ſo bitte ich dich/ nehme doch dieſe Begierd und guten Willen deines
demuͤthigen Dieners/ oder Dienerin zu deiner Ehren und Wohlgefal-
len an.
Dieſem nach kanſtu Geiſtlicher - Weiß commu-
niciren auff dieſe oder dergleichen Art.
O mein liebſter JEſu/ ich ſage dir unendlichen Danck/ und wuͤnſche
von Hertzen/ daß dir alle deine Außerwaͤhlte/ neben andern ihren Lob-
Spruͤchen/ auch abſonderlichen unendlichen Danck ſagten fuͤr deine ſo groſ-
ſe Wohlthat/ daß du dich wuͤrdigeſt verborgen zu ſeyn im Allerheiligſten Sa-
erament/ und daß du ſo groſſer und maͤchtiger GOtt uns armſeelige Men-
ſchen zu dir einladeſt/ und ſo gar auch noͤthigeſt/ daß wir Dich als das
eintzige Heyl unſerer Seelen in unſer Hertz auffnehmen. Jch geſtehe gern/
mein Heyland/ daß ich ſehr groͤblich geſuͤndiget hab; es iſt mir aber von
Grund meiner Seelen leyd/ und das derhalben allein/ weilen du/ mein
Gott und Herr/ dadurch beleydiget biſt: Ach haͤtte ich doch niemahl ge-
ſuͤndiget! ich verſpreche dir aber/ mein JCſu/ ſo viel mir deine Gnad zu
Huͤlff wird kommen/ daß ich alle Suͤnden beſſern will. O wie gern
wolte ich dich/ mein Erloͤſer und eintziges hoͤchſtes und liebſtes Gut anjetzo
unter mein Dach nehmen! wie gern wolte ich dich heut dieſen Tag beher-
bergen; ich weiß aber/ daß hierzu eine Engliſche Reinigkeit gehoͤre: ich
wuͤnſchte mir ſelbige wohl/ wann wuͤnſchen Platz hat; wolte auch wohl gern
haben ein ſo reines und Jungfraͤuliches Hertz/ wie deine gebenedeyte Mut-
ter gehabt/ und aller Heiligen Verdienſten und gute Werck zu deiner hoͤch-
ſter Ehren/ und meiner beſſern Diſpoſition. Nun aber hab ich von dieſem
allem nichts; und derhalben darff ich zu dir nicht kommen. Nimm an/
X x x 3mein
[534]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
mein JESU/ meinen guten Willen fuͤr das gute Werck/ und ver-
leyhe mir ein ſeeliges End/ auff das ich dich loben koͤnne in alle Ewigkeit.
Wann du von dem Hochwuͤrdigen zuruͤck
geheſt.
Was begehrſtu von mir/ mein JEſu/ daß ich dir laſſe? Du ſagſt:
Mein Sohn/ ſchenck mir dein Hertz. Siehe mein Gott
und Herr/ mein Hertz hab ich ſchon laͤngſt deiner Mutter uͤberlaſſen: und
weilen du Allmaͤchtiger Himmels-Herrſcher ein ſo geringe und verwuͤrff-
liche Gaab dich nicht ſchaͤmeſt zu begehren/ ſo bitte ich dich/ du wolleſt ſel-
bige auch nicht verſchmaͤhen. Nimm derhalben an mein Hertz/ daß ich dir
ſchencke/ und iſt mir nichts ſo leyd/ als daß ſelbiges ich dir nicht ſo rein/ ſo
keuſch und unſchuldig liefern kan/ wie du es verdieneſt/ und ich verlange:
ertheile mir deinen Seegen O Herr. Du aber/ mein heiliger Schutz-
Engel/ wolleſt alle himmliſche Geiſter erſuchen/ daß/ wann ich von hin-
nen geſchieden bin/ ſie fuͤr mich den Herrn loben wollen in Ewigkeit.
Der Andere Theil.
Von
Dem Opffer der H. Meß.
9. NUn fahren wir in der angefangenen Materi fort/ und ſagen von
dem Opffer der heiligen Meß/ daß ſelbiges ein Opffer uͤber al-
le Opffer ſeye/ dieweilen in ſelbigem alle Opffer deß Alten Te-
ſtaments begriffen werden; ſo da ſeynd geweſen vierfaͤltig. Eins iſt
geweſen das Opffer der ſchuldigen Ehrbietſamkeit: das andere ein Danck-
Opffer; das dritte ein Bitt- Opffer; und das vierte ein Erlangungs-
Opffer. Dieſe vier Oepffer begreifft in ſich das Opffer der heiligen Meß:
dann erſtlich iſt ſelbiges ein Opffer der ſchuldigen Ehrbietſambkeit; die-
weilen es GOTT ein unendliche Ehr und Preiß gibt wegen deſſen
unendlicher Fuͤrtrefflichkeit. Es iſt ein Danck-Opffer/ dieweilen es
GOTT dancket fuͤr die empfangene Wolthaten. Es iſt ein Bitt-
Opffer/ dieweilen es kraͤfftig iſt zu Vergebung der Suͤnden/ und
Nachlaſſung der Straff. Es iſt ein Erlangendes Opffer/ dieweilen nichts
ſo maͤchtig iſt/ allerhand geiſt- und zeitliche Wolthaten zu erlangen. Wer
will
[535]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars:
will ſich aber unterſtehen doͤrffen/ die Vortreffligkeit dieſes Opffers der Ge-
buͤhr nach zu entwerffen/ indem ſelbiges eines unendlichen Werts iſt? So
viel die geopfferte Sach/ und den fuͤrnembſten Prieſter oder Opfferer der-
ſelben Sach betrifft/ iſt dieſes Opffer eins mit dem Opffer deß Creutzes auff
dẽ Berg Calvariaͤ/ was aber die Weiß und Manier zu opffern belangt/ iſt zwi-
ſchen dieſen beyden ein Unterſcheid; wie das H. Concilium Triden. Seſſ. 22.
C. 1. lehret. Weilen dan das Opffer deß Creutzes eines unendlichen Werts
iſt/ ſo viel an ihm iſt; dan es kan in uns ſo viel Verdienſten und Gnugthu-
ungen nicht verurſachen/ daß es ſich zu mehreren und unendlichen nicht er-
ſtraͤcke: Weilen dan/ ſag ich/ das Opffer deß Crentzes eines unendlichenIn Miſſa-
li novo
An 1634.
recogni-
to.
Mol na
in In-
ſtruct.
Sacerd.
Werts iſt/ ſo viel an ihm iſt; ſo iſt dan auch das heilige Meeß-Opffer eines
unendlichen Werts. Dahero hat GOtt ein groͤſſeres Wohlgefallen an
einem eintzigen ſolchen Opffer/ als er haben koͤnte an einem Menſchen/
welcher alle moͤgliche Wirckungen der Tugenten erweckete/ und alle er-
denckliche Tormenten ſeinethalben außſtuͤnde. Dahero hat ein gewiſſer
vornehmer Schribent nicht unbillig geſagt/ daß/ wann alle außerw oͤhlte
Gottes/ ſambt der Mutter deß Herren/ eine Sach von Gott begehren/ und
zu Erlangung derſelben alle ihre gute Werck und Verdienſten/ alle
Schmertzen und Tormenten Gott wuͤrden auffopfferen: und kaͤme auch ein
einfaͤltiger armer Prieſter/ und hielte durch ein eintziges Meeß-Opffer an/
dieſelbe Sach zu erlangen: ſo wuͤrde der Prieſter krafft deß heiligen Meeß-
Opffers die begehrte Gnad geſchwinder erhalten/ dan alle heilige durch ihre
Verdienſten.
10. Dahero ſagt Vibanus der Achte: Wann etwas iſt unter uns Menſchen/
ſo da mehr Goͤttlich/ als Menſchlich iſt; welches uns die Heilige und Engelen
Gottes mißguͤnnen koͤnten (die doch von aller Mißgunſt frey ſeynd) ſo iſt es
ohne allen Zweiffel das heilige Meeß - Opffer: krafft deſſen geſchicht/ daß
wir Menſchen den Himmel beſitzen auff Erden; indem wir vor unſeren
Augen haben den Erſchoͤpffer ſelbſt Himmels und der Erden/ und ihn mit
unſeren Haͤnden angreiffen. Von dieſem großmaͤchtigen Opffer redet
der S. Laurentius Juſtinianus alſo: Kein Menſch kan außſpre-L. 1. de
Obed.
chen/ wie reiche Früchten/ und anſehnliche geiſtliche Gaa-
ben auß der Opfferung und Nieſſung dieſes Sacraments
entſtehen: dann der Sůnder wird mit ſeinem GOTT
verſoͤhnet; der Gerechte aber wird noch mehr gerecht-
fertiget/ die Engeln Gottes werden erfrenet/ die Ver-
dien-
[536]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
dienſten werden gehauffet/ die Miſſethaten werden ver-
geben/ die Tugenten werden gemehret/ die Laſter wer-
den vertrieben/ die Anſchlaͤg deß Teuffels werden ůber-
wunden/ die Krancke werden geſund gemacht/ die Ge-
fallene werden auffgericht/ die Schwache werden gela-
bet/ die Hungerige werden erſaͤttiget/ und die abgeſtor-
bene Chriſt- Glaubige werden krafft dieſes heiligen Sa-
craments von ihren Peynen erloͤſet. Seynd daß nicht groſſe
Fruͤchten/ ſo da auß dem heiligen Meß- Opffer dem armen Menſchen zum
beſten erwachſſen? Soll man ſich dann nicht befleiſſen/ dieſem Hochheil.
Opffer/ ſo viel moͤglich iſt/ mit aller gezimmenden Andacht beyzuwohuen?
Wir muͤſſen derhalben wiſſen/ daß nicht allein der Prieſter fuͤr ſich/ oder
fuͤr den jenigen/ dem er verbunden iſt/ dieſes Opffer dem ewigen Gott ſchlach-
ten koͤnne; ſondern daß auch die umbſtehende/ wann ſie wollen/ dieſes
Meß-Opffer ſich ſelbſt/ und andern zueignen/ und dem himmliſchen Vat-
ter fuͤr ihr Anliegen auffopffern koͤnnen: welches darauß zu mercken iſt/ daß
nemblich der Prieſter ſagt: Bettet Brüder/ auff das mein und
euer Opffer bey dem allmaͤchtigen Vatter annemblich
werde. Er ſagt nicht allein/ auff daß mein/ ſondern ſetzt hinzu/
und euere Opffer/\&c. Auch nach dem Memento, wird eben ſel-
biges bedeutet durch dieſes Gebet: Vnd aller Vmbſtehenden/ de-
ren Glaub und Andacht dir bekand iſt: für welche wir
opffern/ oder auch welche dir opffern dieſes Opffer deß
Lobs/ fůr ſich ſelbſt/ und alle die ihrige/\&c. Durch dieſe
Wort deutet die Chriſt-Catholiſche Kirch/ unſere heilige Mutter gnug-
ſamb an/ welcher Geſtalt ein jeder/ ſo die Meeß hoͤret/ dieſelbe gleich als
ſein Opffer fuͤr ſich/ und die ſeinige/ ſo lebendige/ als abgeſtorbene dem
Allmaͤchtigen Gott auffopffern koͤnne. Dieß kan dir/ mein Chriſtliche
Seel/ zum hoͤchſten Troſt und Freud deines Hertzen gereichen/ in dem du
alle Tag ein ſo krãfftiges Mittel bey der Hand habeſt/ nicht allein die
Suͤnden außzutilgen/ ſondern auch darzu noch unzahlbare Gaaben und
Wohlthaten von Gott zu erlangen.
11. Der nun der Gnaden deß heiligen Meß- Opffers ſich will theil-
hafftig machen/ muß nicht allein bloß demſelbigen beywohnen; ſondern er
muß ſelbiges dem himmliſchen Vatter auffopffern/ welches viele/ leyder
Gottes! ſehr nachlaͤſſig beobachten. Jn dieſem Werck kan ein jeder nit
ohne anſehnliche Erwerbung der Goͤttlichen Guͤter und Gnaden/ die folgen-
de Weiß beobachten.
Vor
[537]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars.
Vor dem Ambt der H. Meeßkanſtu ſagen.
Mein HErr JEſu/ ich bitte dich/ gib mir deine Gnad/ und verleyhe
mir/ daß ich bloß allein zum ewigen Lob deines heiligen Nahmen dieſer hei-
ligen Meß moͤge beywohnen/ zur Gedaͤchtnuß alles deſſen/ was du fuͤr
unſer allgemeines Heylgethan und gelitten haſt. Auch zur Danckſagung
fuͤr alle deine Gaaben und Wohlthaten/ ſo du mir unwuͤrdigen und ſuͤndi-
gen Menſchen/ und deiner gantzen Kirchen verliehen haſt: zur Außtilgung
meiner unzahlbaren Suͤnden: fuͤr mein und meiner Naͤchſten Heyl; ſon-
derbahr deſſen und deſſen N. N. zum Troſt der Abgeſtorbenen/ deren und
deren N. N.
Zum Eingang der Meſſen demuͤtige dich mit dem Prieſter/ und
ſage: O unendliche Guͤtigkeit und Majeſtaͤt! ich bekenne dir meine Suͤn-
den/ ſo mir alle von Hertzen leyd ſeynd auß Liebe deiner/ mein Gott und Herr:
ich erkenne meine Nichtswaͤrtigkeit/ und daß ich nicht wuͤrdig bin/ dieſem
Hochh. Ambt beyzuwohnen/ in welchem ein ſolche Fuͤlle der himmliſchen
Guͤter zu finden iſt/ als der Werth iſt deß Lebens und Leydens meines HErrn
JEſu Chriſti.
Zum Offertorium oder Auffopfferung gedencke/ daß ſich dein Heyland
dem himmliſchen Vatter auff dem Altar deß Creutzes auffgeopffert habe/
ein unbeflechtes Lamb/ und daß er annoch taͤglich durch die Haͤnd deß Prie-
ſters wolle auffgeopffert werden. So ſage dann:
Allermildeſter Vatter/ ich opffere dir dieſe koſtbare und unbefleckte Ho-
ſti/ als ein ehrbietſames Schlacht-Opffer zur Erkandtnuß deiner allerhoch-
ſten Herrſchafft und deiner unendlichen Fuͤrtrefflichkeit/ zu dieſen Jntentio-
nen oder Meinungen/ die dir gefallen/ und mir am allernothwendigſten
ſeynd/ und ſonderlich fuͤr N. N. \&c.
Allhier ſoll dir beyfallen die Jntention deß monatlichen Zettels.
Zu demSanctus ſage: Allerguͤtigſter Vatter/ ich opffere dir abermahl
dieſe Hoſti zu einem Danck- Opffer fuͤr alle deine Wohlthaten/ Gaaben/
und Gnaden ſo du mir unwuͤrdigſten/ ſamt deiner gantzẽ Kirchen mitgetheilt
haſt/ und annoch mittheilen wirſt: ſonderbahr aber fuͤr die Gnaden und Privi-
legien/ ſo du der Jungfraͤulichen Mutter/ meinem Schutz-Engel/ und dem
Heiligen N. oder den heiligen N. N. meinem Patronen verliehen haſt.
Zur Conſecration/ oder Wandlung gedencke/ daß der Him-
mel eroͤffnet werde/ und der Koͤnig deß Himmels unter den Schaaren der
Engelen herab ſteige. Und zur Erhebung der heiligen Hoſti/
Y y yſpreche:
[538]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſpreche: Seye gegrüſſet/ du wahres Leib/ ſo von der Jung-
frauen Maria gebohren biſt/ warhafftig gelitten haſt/ und fuͤr
den Menſchen am Creutz geſchlachtet biſt/ \&c. wie in den Bett-Buͤ-
chern zu finden iſt/ und dir der H. Geiſt eingibt.
Zu Erhebung deß H. Kelchs.
Jch gruͤſſe dich/ du theures Blut meines Heylands JEſu Chriſti/
welches fuͤr mich am Stam̃en deß H. Creutzes biſt vergoſſen worden. Waſche
ab meine Suͤnden/ ſo werd ich gereiniget und weiſſer als Schnee werden.
ZumAgnus Dei. Allerguͤtigſter Vatter/ ich opffere dir dieſe Ehr-
wuͤrdige Hoſti zum drittenmahl auff zu einem Verſoͤhn-Opffer/ oder
Verzeyhung meiner Suͤnden/ fuͤr mich unwuͤrdigſten/ und fuͤr Lebendig-
und Todte: Schaue an/ allerliebſter Vatter das Angeſicht deines Geſalb-
ten/ und erbarme dich unſer.
ZumDomine non ſum dignus, oder/ HErr/ ich bin nicht
würdig. Widerhole dieſes dreymahl/ und bequeme dich zur geiſtlichen
Communion/ und ſpreche:
Jch verlange tauſendmahl nach dir/ mein JEſu/ wann wirſtu kommen?
komme/ komme du Verlangen der alten Berge/ komm du Freud der En-
geln/ komm du eintziges Heyl meiner Seelen: wuͤrdige dich meiner armen
Seelen zu vereinigen/ und die Verdienſten deines bittern Leydens/ wie auch
die Gnad deß heiligen Sacraments zu Heylung meiner Wunden mir zu
ſch neken.
Und in dem der Prieſter die heilige Communion empfaͤngt/ ſo thue du
auch zugleich dein Hertz auff/ und wann du deinen JEſum geiſtlicher
Weiß empfangen haſt/ ſo ſpreche:
Allermilteſter Vatter/ ich opffere dir nun zu letzt dieſe unbefleckte Hoſti zum
Erlangnus-Opffer aller Gaaben/ welche ich von dir Fuß-faͤllig zu begehren
pflege. Anjetzt ſetz ich zwiſchen meine Bitten deinen geliebten Sohn/ dem
du nichts weigereſt. Erhoͤre mich/ O Herr/ nach den unendlichen Ver-
dienſten deſſelben/ und gebe den Abgeſtorbenen die ewige Ruhe/ den Lebendigen
deine Gnad/ den Chriſtlichen Fuͤrſten Fried \&c.
Dieſes alles kan nach der Andacht deß Bettenden kurtzer und weitlaͤuffi-
ger geſchehen: im uͤbrigen kanſtu auch zugleich die Chron der Mutter Got-
tes/ oder was anders betten; wie auch kanſtu eine kurtze Betrachtung vom
Leyden
[539]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars.
Leyden Chriſti vornemmen: auff ſolche Weiß wirſtu auß Anhoͤrung der H.
Meeß ſehr groſſen Nutzen ſchoͤpffen koͤnnen.
12. Damit du noch mehr zum Meeßhoͤren angetrieben werdeſt/ ſo muß ich
dir einige groſſe und fuͤrnehme Wirckungen dieſes allerheiligſten Opffers
erzehlen. Jm Leben der H. Eliſabeht Koͤnigin in Portugall leſet man/ daß
dieſe Koͤnigin habe gehabt einen Edelknaben/ welcher mit allen Tugenten/
und ſonderbar der Trew gezieret geweſen; durch ſelbige pflegte ſie die All-
muſſen zu ſpendiren. Auch hat ſie hergegen gehabt einen anderen/ der im
Hertzen ein Boͤßwicht ware. Dieſer hat dem erſten die Gunſt ſeiner Koͤnigin
mißguͤnnet/ und derhalben die Koͤnigin bey ihrem Herren verklagt/ daß ſie/
wie man ſagt/ ein Aug auff ſelbigen geworffen habe: derhalben hat der Koͤnig
ſich alsbald vorgenommen den Edelknaben durch den Todt außm Weeg zu
raumen: dahero hat er einem ſeiner Kalck-Brenner befohlen/ daß er den
Edel-Knaben/ welchen er an einem ſicheren Tag und Stund zu ihm
ſenden werde; umb ihn zu fragen/ ob er dem Koͤniglichen Befelch ſeye
nachkommen/ alsbald mitten in dem brennenden Kalck-Ofen werffen ſolte/
und ſich verſicheren/ daß er ihm daran einen ſehr angenehmen Dienſt leiſten
werde. Dieſer gehaltener Abred gemaͤß/ ſchickt der Koͤnig den verdaͤchtigen
Edelknaben/ umb die abgeredete Stund zum Kalck-Brenner; dieweilen nun
ſelbiger Edelknab die gute Gewonheit gehabt/ daß/ wann er im voruͤber ge-
hen in den Kirchen das Zeichen zur Elevation gehoͤret/ pflegte hinein zuge-
hen/ und biß zum End der Meeß daſelbſt zu verharren; ſo hat ſich zugetra-
gen/ daß er auff dieſem Weeg das obgemelte Zeichen gehoͤrt/ und beſagter
maſſen ſich verhalten/ ja auch noch zwey andere Meſſen andaͤchtiglich gehoͤrt
hat. Der Koͤnig verlangt inzwiſchen zu vernemmen/ ob ſelbiger Edelknab
ſchon vom Kalck verzehret ſeye; ſchickt derhalben den anderen/ von dem der
erſte faͤlſchlich ware angeklagt worden/ und bef[i]lcht ihm/ er ſolle den Kalck-
Brenner fragen/ ob er dem Koͤniglichen Befelch ſeye nachkommen. Der
Kalck-Brenner in Meinung/ er habe den Rechten/ wirfft ſelbigen in den
brennenden Ofen/ ſo dan in aller geſchwindigkeit zu Aſchen verbrand iſt. Alſo/
alſo hat der himliſche Richter den Proceß fuͤr den unſchuͤldigen geſchlichtet/
indem er den Schuldigen geſtrafft; daß er alſo in die Strick/ die er einem
anderen gelegt hatte/ ſelbſt gefallen iſt/ welches bey dem Goͤttlichen Gericht
nichts neues iſt. Nach dieſem kombt der erſt geſendete Edelknab zū Kalck Bren-
ner/ und fragt/ ob er dem Befehl ſeines Koͤnigs ſeye nachkommen; und bekombt
zur Antwort/ es ſeye ſchon geſchehen/ was der Koͤnig befohlen habe. Mit
dieſer Antwort kombt er zum Koͤnig zuruck/ der ſich dan hoͤchlich verwun-
Y y y 2dert
[540]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
dert/ daß ſeinem Befehl alles dermaſſen zu wider geſchehen ſeye: nachdem er
aber uͤber die Beſchaffenheit der Sachen ſich erkuͤndiget/ hat er ſeine Mei-
nung geaͤndert/ und den erſten loßgeſprochen/ den anderen aber verdammet/
und hat fortan die Heyligkeit ſeiner Gemahlin hoch geſchaͤtzet.
13. Auß dieſem Spiel erhellet gnugſamb/ wie Gott die andaͤchtige Gewon-
heit taͤglig Meeß zu hoͤren gefallen. Und lehret auch die Erfahrnuß/ daß der
gute Fortgang aller Geſchaͤfften an ſolchem Anfang lige. Der Edelknab iſt
durch dieſe Andacht einẽ ſo erſchroͤcklichem Todt entgangen/ und ſein Leben er-
halten/ indem er dem lebendigen Opffer hat beygewohnet. Wie viele an-
dere haben mit ihrem groſſen Nutzen deß Leibs und der Seelen erfahren/ daß
Gott an dieſer lobwuͤrdigſter Gewonheit ein groſſes Gefallen habe. Durch
das Opffer der H. Meeß/ und Anhoͤrung derſelben geſchicht/ ſagt das Con-
In 2. P.
Chron.
tit. 9. c. 10
§. 2.
Hiſtoria.cilium Trident. daß wir Barmhertzigkeit erlangen/ und Gnad finden in
der bequemlichen Huͤlff. Und der heilige Ertz-Biſchoff Antonius erzeh-
let zu dieſem unſerm Vorhabẽ folgende Hiſtori. Es waren einsmals/ ſagt er/
zwey gute Freund/ die ſich unter einander liebten/ waren aber in der An-
dacht und Gottes- Dienſt nicht eins geſinnet: der eine hoͤrte taͤglig Meeß/
der andere nicht. Dieſe beyde waren einsmals miteinander außgangen zum
Voͤgel-fangen; der andaͤchtige hatte vorhero Meß gehoͤrt/ der ander nicht:
da ſie nun auff freyem Feld waren/ entſtehet gaͤhling ein ungeſtuͤmmes Un-
gewitter/ der grauſame Wind/ Donner/ Blitz und Hagel ſpielen dapffer
durcheinander/ unter denen laſt ſich eine Stimm hoͤren: Schlag zu/
ſchlag zu: da wird der jenige/ ſo die Meeß zu hoͤren verabſaumet hatte in
einem Augenblick vom Blitz zerſchlagen: hieruͤber wird der ander erſchreckt/
laufft hin- und wieder/ und hoͤrt wiederumb dieſelbige Stimm: Schlag
zu/ ſchlag zu. Wie nun ſelbigem zu Muth geweſen ſeye/ kan ein
jeder leichtlich erachten. Nach dieſer Stimm aber iſt eine andere gefolgt
und geſagt: Jch kan nicht/ dann er heut angehoͤrt: daß Wort
iſt Fleiſch worden. Nemblich daher/ daß er das Ambt der heiligen
Meß gehoͤrt hatte/ deſſen letzte Wort ſeyen das Wort\&c. Und alſo iſt
er dieſem erſchroͤcklichen todt entgangen. Koͤnten wir die himmliſche
Wohlthaten GOttes immer beſchauen/ wie offt wuͤrden wir finden/ daß
uns ein Donner- Wetter treuete/ und wir vermittelſt unſerer wenigen
Andacht gegen das heilige Meß- Opffer/ jedoch ſchadloß darvon kommen.
14. Damit nun die Warheit unſerer obgeſetzten Meinung beſſer an den
Tag komme/ wollen wir dieſe Geſchicht anbey ſuͤgen. Jn Steyrmarck
[...]ria.geriethe einsmals ein Edelman in eine Verzweifflung/ daß er bey ihm ent-
ſchloſ-
[541]Von dem Allerheiligſten Sacrament deß Altars:
ſchloſſen/ ſich ſelbſten das Leben zu nehmen: die Geiſtliche haben ihm gegen
dieſe boͤſe Anfechtung kein andern Rath gegeben/ als daß er in ſeiner Hauß-
Capell taͤglich ſollte Meeß leſen laſſen/ und ſelbige anhoͤren. Nun iſt
geſchehen/ daß deſſen ordinari Prieſter dem nechſtgelegenen Pfarrer im Got-
tes- Dienſt beyzuſtehen/ erſucht worden; derhalben hat er zeitlicher Meeß
geleſen. Der Edelman ware/ weiß nicht/ durch was Geſchaͤfften verhin-
dert worden/ daß er etwas ſpaͤter zur Kirchen gangen. Auff dem Weeg
begegnet ihm ein Bauer/ den fragt er/ ob er noch Hoffnung habe/ daß er
Meeß hoͤren koͤnte: mit nichten ſagt der Baur/ dann ich hab die letzte
Meeß gehoͤrt. Hieruͤber wird der Juncker zumahlen entruͤſtet/ und da die-
ſes der Baur vermerckt; erbietet er ſich/ demſelben den geſchoͤpfften Nutzen
auß dem H. Meeß- Opffer gegen ſeinen Uberrock; ſo auß gutem Tuch ge-
macht ware/ zu tauſchen. Dem Edelman gefallen die anerbottene Dien-
ſten/ der Kauff gehet an/ der Uber - Rock wird mit der Frucht der heiligen
Meß außgewechßlet; ein jeder gehet ſeiner wegen; und da der Baur einige
Schritt gewandert iſt/ empfindet er/ daß er mit dem Rock deß Junckern
auch den uͤbeln Zuſtand deſſelben habe angelegt; wird derhalben gantz klein-
muͤtig/ und auß Verzweifflung wirfft er ſich ein Stropff umb den Hals/
und erhenckt ſich mit ſeinem erworbenen Uber-Rock an einen Baum/ nach
dem Beyſpiel deß Verraͤthers Judaͤ/ welcher nach empfangener Muͤntz ſeinẽ
Herrn verrathen und nachmahlen ſich ſelbſt den Hals gebroehen hat. Nachdẽ
nun der Edelman ſeine Andacht in der Kirchen verrichtet hatte/ kombt er bey
dieſem erhenckten Bauren vorbey/ und ſchlieſſet bey ſich ſelbſten alsbald/
daß ſambt dem Rock/ auch ſeine vorgehabte Kleinmuͤtigkeit dieſem Bauren
ſeye zu theil worden. Hat demnach ſeinem lieben GOtt gedanckt/ daß er ihn
auß der Gefahr ſothaner Verzweifflung miltvaͤtterlig errettet habe. Dar-
auß ein jeder abnehmen kan/ wie ſich GOtt unſere Andacht zur heiligen
Meeß- Opffer gefallen laſſe.
15. Der heilige Gregorius erzehlt auch/ daß einer einsmals von ſeinenHom. 34.
in Evang
Hiſtoria.
Feinden ſeye gefangen/ und weit entfuͤhret worden. Da nun ſelbigen ſein
Ehe-Weib auß dieſer Geſaͤngnuͤß in langer Zeit nicht wider bekommen; hat
ſie fuͤr ihren Ehe-Mann/ als einen Abgeſtorbenen/ wochentlich einige
Meſſen leſen laſſen. Dahero hat ſichs zugetragen; daß/ ſo offt das heilige
Ambt fuͤr ſelbigen iſt auffgeopffert worden/ auch jedesmahl die Ketten in der
Gefaͤngnuß ſeynd geloͤſet wordẽ. Nicht lang hernach iſt er wieder nach Hauß
kommen/ und hat mit groſſer Verwunderung ſeinem Weib erzehlet/ daß
auff ſichere Tage in der Wochen ſeine Baͤnde ſich auffgeloͤſet haͤtten. Da
Y y y 3man
[542]Die Ein und Viertzigſte Geiſtliche Lection
man nun dieſer Sachen nachgeforſchet/ iſt befunden worden/ daß dieſe Auff-
loͤſung allemahl an denen Tagen geſchehen ſeye/ an welchen das heilige Ambt
fuͤr ihn ware geopffert worden. So groſſe Macht hat das allerheiligſte
Opffer/ daß es auch die eyſerne Ketten zerbreche: zumahlen Chriſtus am
Altar deß Creutzes ein ſehr freygebiger Außſpender der Goͤttlichen Gnaden
iſt/ welcher einem jeden ſo viel mittheilt/ als er verlangt/ und nachdem
er ſich darzu faͤhig machet und bequemet. Laſſet uns auch nehmen von
Iſai. 10.von dieſem Uberfluß; und laſſet uns/ wie der Prophet ſagt/ mit
Freuden Waſſer ſchoͤpffen auß dem Brunnen deß Hey-
lands. Wer ſeynd dieſe Brunnen anders/ mein Chriſtliche Seel/ als
die koſtbare Wunden deines und meines Herren JESU Chriſti/ ſo da in
dem Goͤttlichen Ambt/ als lebendige Canalen/ die himmltſche Gaaben in
allem Uberfluß hervor treiben/ und derſelben haͤuffige Verdienſten uns ar-
men Menſchen gantz freygebig zuſtoſſen? daß alſo unſer gebenedeyteſter
Heyland die jenige Einladung/ krafft deren er das Juͤdiſche Volck vor zei-
Joan. 7.ten beruffen/ in allen H. H. Meſſen gleichſamb widerholet und ſagt: Wer
Durſt hat/ der komme zu mir und trincke. Als will er ſa-
gen: Wer meine Gunſt verlangt/ wer Troſt ſuchet in ſeinen Armſeelig-
keiten/ wer Huͤlff begehrt in ſeinen Verſuchungen und Schwachheiten/
der komme/ ich bin auff dem Altar zu gegen; bittet begehret und: kommet
alle/ die ihr mit Muͤhe und Arbeit beladen ſeyd/ und meinem Brunnen/
deß Creutzes will ich euch erquicken.
16. Wie groſſen Verdienſt ſich auch erwerben die jenige/ welche andaͤch-
tiglich zur Meſſen dienen/ lehret uns die heilige Mechtildis/ welche die Seel
eines Convers-Bruders in groſſer himmliſchen Klarheit geſehen hat/ die-
weilen ſelbiger ſich immer befliſſen/ ſo viel ihm moͤglich geweſen/ mit ſonder-
Cæſar. L.
8. mirac.
c. 13.bahrer Andacht und loͤblichem Eiffer zur H. Meß zu dienen. Ein ander
noch junger Geiſtlicher Nahmens Petrus/ da er ſeinem Praͤlaten zur Meß
gedienet/ und wie braͤuchlich iſt/ das Confiteor geſprochen/ und die Abſolution
mit ſonderlicher Demut begehrt hat/ iſt ihm durch eine Stimm vom Him-
mel zugeruffen worden: Deine Sünden ſeynd dir vergeben.
Auff ein andere Zeit/ da ſelbiger dem Cuͤſter zur Meſſen dienen wollen/
und die Lamp erloͤſchet geweſen; hat er/ weilen anderwertshin ſo bald kein
Licht zu bekommen geweſen/ dieſelbe mit ſeinem Athem wiederumb entzuͤndet.
Joſephus
Pamph.Auch wird in der Cronick der Auguſtiner Eremiten von dem Joanne Rhea-
tino einem ſehr tugentſamen Juͤngling erzehlet/ daß er allen und jeden Prie-
ſtern/ wie ſie immer geweſen/ mit hoͤchſter Freude und ſonderlichem Eiffer
zur
[543]Von dem Allerheiligſten Saerament deß Altars.
zur heiligen Meß zu dienen im Brauch gehabt. Einige Tag uͤber vor deſ-
ſen Todt iſt eine Nachtigal zu ſelbigem taͤglich kommen/ und hat am Fen-
ſter mit ihren lieblichen Stimmlein ſich dapffer hoͤren laſſen. Da er nun
gefragt worden/ was dieſes bedeute/ hat er ſchertzweiß geantwortet/ daß dieſe
ſeine Braut ſeye/ welche ihn zum himmliſchen Paradeißeinlade. Selbi-
ger hat auch einsmahls/ da er zur Meſſen gedienet/ ein Goͤttliches Licht auff
dem Altar geſehen/ und ſelbigen Tags iſt er Bett- laͤgerich worden/ und
iſt ſehr andaͤchtiglich dem Herrn entſchlaffen. Auß dieſen und anderen/
ſo ich allhier vorbey gehe/ ſehen wir gnugſamb/ wie viel daran gelegen ſeye/
daß man dem heiligen Meß- Opffer mit Andacht beywohnen: auch ſehen
wir/ und hats noch beſſer geſehen der heilige Thomas von Aquin, wie groſ-
ſen Nutzen auß dem Meß- Dienen entſtehe; derhalben pflegte er alle Tag/
nach ſeinem geendigten heiligen Ambt/ eine andere heilige Meß zu hoͤren oder
zu dienen. Nehme derhalben vor lieb/ mein Chriſtliche Seel/ dieſe treuher-
tzige Erinnerung/ und nehme wohl in obacht/ daß dieſe und andere Exem-
plen uns nicht ſeyen hinterlaſſen worden/ unſern Vorwitz darmit zu erſaͤtti-
gen/ und uns zu verwunderen; ſondern daß wir ſelbigen nachfolgen ſollen;
ſintemahlen ſie derhalben Exempeln genennet werden. Folge du nach dem
heiligen Thomam und andern; ſeye nicht zu frieden/ daß du eine Meß ge-
hoͤrt oder geleſen habeſt; ſondern befleiſſe dich mehr andere zu hoͤren. Dei-
nen herrlichen Nutzen/ ſo du hier auß ſchoͤpffen wirſt/ ſoll dich die taͤgliche
Erfahrnuß ſelbſt lehren.
Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Anhoͤrung und Leſung der geiſtlichen Dingen.
28.
bige bewahren.’
1. AUff daß der Menſch ſich ſelbſten ſehe/ hat er drey Ding vonnoͤthen;
als nemblich die Augen/ einen Spiegel und das Licht. Wann er einen
Spiegel hat/ und iſt blind/ ſo kan er ſich ſelbſt nicht ſehen: hat er einen
Spie-
[544]Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Spiegel und Augen darzu/ iſt aber Nacht; ſo kan er ſich auch nicht ſehen.
So ſeynd dan noͤthig/ auff daß der Menſch ſich ſelbſten ſehe/ das Licht/ der
Spiegel und die Augen. Was iſt aber eine Bekehrung der Seelen an-
ders/ als daß ein Menſch in ſich ſelbſten gehe/ und ſich beſchawe? zu dieſer Be-
ſchawung werden die Augen/ das Licht und der Spiegel erfordert: der Predi-
ger bringt herzu den Spiegel/ das iſt die Lehr. Gott bringt das Licht/ das iſt
die Gnad. Der Menſch ſchafft hinzu die Augen; das iſt/ ſich ſelbſten ken-
nen. Jn dieſen dreyen Theilen beſtehet die Bekehrung der Seelen/ derge-
ſtalt/ daß/ wann deren eins ermanglet; der Menſch immer in der Finſternuß
wanderen muſſe. Wie du nun/ mein Chriſtliche Seel/ die Gnad Gottes
das iſt das Licht dir erwerben moͤgeſt/ haſtu in unſer Tugend-Schul vielfaͤl-
tiglich gehoͤret. Wie du in dich ſelbſten gehen/ und dich beſchawen ſolleſt/
hat dich die Lection von der Demut/ und andern Tugenten gnugſam gelehret.
Wie nuͤtzlich nun und hochnoͤtig ſeye der Spiegel/ das iſt/ das Wort Gottes/
und wie du dich deſſen gebrauchen ſolleſt/ daß haſtu in folgender Lection zu
vernehmen.
2. Jch zweiffle nicht/ daß ein jeder Menſch gern wiſſen ſolte/ ob er zur ewi-
gen Seeligkeit von Gott erwehlet ſeye/ oder nicht; nun ſagen aber viele H. H.
Vaͤtter/ daß es ein Zeichen der erwehlung ſeye/ wann der Menſch das Wort
Gottes gern anhoͤret/ und von Geiſtlichen und himliſchen Dingen gern re-
det/ und reden hoͤret; gleich wie hergegen ein gewiſſes Zeichen der Verdamb-
nuß iſt/ wann der Menſch das Wort Gottes/ und alle/ ſo von Goͤttlichen
Dingen reden/ fliehet/ wie der H. Joannes auß dem Mund der ewigen
l. 47.Warheit ſagt: Wer auß Gott iſt/ der hoͤret das Wort Gottes.
Derhalben hoͤret ihr es nicht/ weilen ihr nicht auß Gott
ſeyet. Und der H. Chriſoſtomus redet alſo von der Sach: dieß iſt mir ein
Zeichen eweres Fortgangs in den Goͤttlichen Dingen/ daß ihr taͤglich ſo gern
beyſammen kommet/ und von der geiſtlichen Lehr nicht gnugſamb koͤnnet er-
ſaͤttiget werdtn: dan gleich wie der Appetit der leiblichen Speiß ein Anzeiger
iſt der gutẽ Geſundheit; alſo iſt die Begird der geiſtlichen Lehr ein offenbahres
Ken-Zeichen einer Gottgefaͤlligen Seele. Zum anderen iſt es das beſte
Jnſtrument oder Werckzeug/ krafft deſſen der Menſch einen groſſen Fort-
gang in der Vollkommenheit und Heiligkeit thuen kan: dan gleich wie ein
Baͤumlein; ſagt der H. Chriſoſtomus durch ſtetes Begieſſen zu einer an-
ſehentlichen hoͤhe wachſſet in kurtzer Zeit: alſo glangt der jenige zum Giffel der
Vollkommenheit gar leichtlich; welcher mit der Lehr deß Goͤttlichen Worts
immerzu befeuchtet wird. Alſo hat die eintzige Lection deß Evangelii/ ſo der
H. Si-
[545]Von Anhoͤrung und Leſung der geiſtlichen Dingen.
H. Simeon Stylites ſich ſelbſten vorgeleſen: ſeelig ſeyen die Armen im Geiſt/
dan ihnen iſt das Reich der Himmelen \&c. verurſachet/ daß er achtzig Jahr
lang auff einer Seulen geſtanden/ allzeit gebettet/ ſchier ohne Speiß und
Tranck gelebt/ und mehr fuͤr einen Engel/ als Menſchen iſt angeſehen wor-
den. Jmgleichen/ da der H. Vatter Auguſtinus uͤber die Aenderung ſeines
Stands und Lebens im zweiffel geſtanden/ und dieſe Stimm gehoͤrt hat:
ſchlag auff/ und leſe: hat er die Bibel auffgeſchlagen/ und da er dieſe Wort:
Nicht in Freſſen und Sauffen\&c. geleſen/ iſt ſolches Licht und groſ-
ſe Klarheit in deſſen Hertzen auffgangen/ daß aller zweiffel und wanckelmuch
zur Stund ſeye fluͤchtig worden/ und er zu einem vollkommneſten Heili-
gen/ und wahren groͤſten Licht der Catholiſchen Kirchen iſt worden. Was
hat den H. Jgnatium Lojolam zu einer ſolchen vollkommenen Heiligkeit an-
ders erholen/ als das Leſen der Nachfolgung Chriſti/ und der Leben der Hei-
ligen? Jch bin der Meinung/ daß/ wann wir mit halb ſo groſſem Eiffer das
Wort GOTTES wuͤrden anhoͤren/ als wir newe Zeitungen/
kurtzweilige Reden/ Verleumbdungen und Narren-Boſſen gern er-
zehlen hoͤren/ dannoch unſeren Seelen mercklichen Nutzen ſchaffen
koͤnten: nun aber wohnen wir demſelben bey/ oder auß Noth/ die-
weilen wir darzu gezwungen werden/ oder auß Gewonheit/ oder auß
menſchlichem Reſpect: und gedencken nicht/ daß/ gleich wie der Leib durch
Speiß muß erhalten werden; alſo die Seel ohne das Wort Gottes gantz
ſchwach und krafftloß werde/ und endlich auß Mangel der noͤtigen Nahrung
jaͤmmerlich dahin ſterbe. Dahero hat der H. Ephrem vor ſeiner vollkom-
mentlichen Bekehrung im Gebett dieſe Wort gehoͤrt: Ephrem eſſe: und da
er fragte/ was er eſſen ſolle; hat er zur Antwort bekommen: gehe hin zum
Baſilius/ der wird dich unterrichten/ und wird dir das ewige Brod reichen.
Da ſtunde Ephrem alſobald auff/ ſuchte den Baſilium/ und funde ſelbigen
in der Kirchen auff der Cantzel ſtehen und predigen. Hierauß hat mein gu-
ter Ephrem nun vernunfftlich abgenommen/ daß das Wort Gottes die jeni-
ge Speiß ſeye/ die ihm zu eſſen befohlen worden: ſonderbar weil er ſahe/ daß
ſelbigem der heiliger Geiſt in Geſtalt einer Tauben alles/ was er vorbringen
ſolte/ in die Ohren blieſe. Jn dem der Koͤnigliche Prophet dieſe Geiſtliche
Speiß genoſſen/ iſt er in deren Suͤſſigkeit dergeſtalt verliebt worden; daß er
uͤberlaut geruffen: Wie ſůß ſeynd deine Wort meinem Kachen;Pſ. 118.
103.
ſie ſeynd meinem Mund ſuſſer dann hoͤnig.
3. Auch iſt das Wort Gottes eine Leucht/ welche uns den Weeg zum
ewigen Leben zeiget: dan ſo du/ mein Chriſten-Menſch/ das Wort Gottes
[546]Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
in Predigen oder Buͤcheren begirig anhoͤreſt/ wirſtu unterwieſen und ge-
lehret/ wie du dich in dieſem und jenem verhalten ſolleſt. Dir wird geſagt/
welcher Geſtalt du die Tugenten ſamblen/ und die Laſter vertreiben koͤnneſt:
du wirſt unterrichtet/ wie du deinem GOtt angenehme Dienſten leiſten/
und den Teuffliſchen Anfechtungen und Argliſten widerſtehen moͤgeſt:
Dann gleich wie die Tauben/ ſagt der H Gregorius/ au den Waſſer-Baͤ-
chen zu ſitzen pflegen/ damit ſie den Schatten der Raub-Voͤgel im Waſ-
ſer ſehen moͤgen: alſo ſehen auch die gute Geiſtliche in ihren Goͤttlichen Le-
ctionen den Betrug deß boͤſen Feinds/ derhalben ſeynd ſie immer und allzeit
in Leſung geiſtlicher Buͤcher beſchaͤfftiget. Alſo hat ſich beſchaͤfftiget der
Pſ. 118.fromme Koͤnig David/ da er ſagte: Dein Wort/ O Herr/ iſt mei-
nen Fůſſen ein Leuchter/ und ein Licht meiner Fuß-Stei-
gen. Wehe dann dem jenigen/ welcher dieſe geiſtliche Seelen- Speiß zu
genieſſen verachtet/ dann ihn wird ewiglich huͤngern. Wehe dem/ der
dieſe Leucht von ſich wirfft/ dann er wird in der Finſteruuß der Suͤnden ſo
lang wandern/ biß er in den Abgrund der Hoͤllen falle; wie mit ſeinem un-
widerſetzlichen Schaden erfahren hat jener Mann/ nach Zeugnuß deß Car-
dinalen Jacobi à Vitriaco: welcher auß einem Widerwillen deß Goͤttlichen
Worts/ oder auß Nachlaͤſſigkeit die Predigen fort und fort geflohen; den
Todt koͤnte er fliehen/ aber nicht entfliehen; iſt alſo geſtorben/ und Ca-
tholiſchem Brauch nach zur Kirchen getragen worden. Als nun ihm der
Prieſter die Leich-Begaͤngnuß hielte/ das Ambt anfieng/ iſt ein erſchroͤck-
lich Wunderzeichen an einem Crucifix - Bild geſehen worden: dann die
Bildnuß deß gecreutzigſten Chriſti hat ſich gleich einem lebendigen Menſchen
bewegt/ ſeinen Armb auß dem Creutz loßgemacht/ die Haͤnd an die Ohren
geſchlagen/ und mit den Fingern dieſelbe zugehalten/ eben als wann es
uͤberlaut ſagte: weil ich nicht bin gehoͤret worden/ hoͤre ich auch nicht: das
heiſt/ mit Zeichen und mit Haͤnden geredet. Und dieſes haben zugeſehen/
ſo viel ihrer waren/ und ſeynd auß Verwunderung daruͤber beſtuͤrtzt gewe-
ſen. Der im Ambt begriffene Prieſter hat ſich zum Volck gewendet und
geſagt: liebe zuhoͤrer/ euch iſt wohl bekandt/ daß dieſer Mann ein Ver-
aͤchter deß Goͤttlichen Worts geweſen/ und hat niemahl dahin koͤnnen bere-
det werden/ daß er die Predigen beſucht haͤtte: ſiehet nun ein deutliches
Zeichen deß Goͤttlichen Zorns: GOtt verſtopfft ſeine Ohren/ damit er
nicht hoͤre unſer Gebett. Laſſet uns derhalben ablaſſen/ ihme vergeblich
ein Seel - Ambt zu halten; ein Feind GOttes iſt er/ und ſoll an den
Orth begraben werden/ deſſen er wuͤrdig iſt; ſo hat man ihn hinauß getragen/
und
[547]Von Anhoͤrung und Leſung der geiſtlichen Dingen.
und in ein ungeweites Orth verſcharret. Hierauß lernen wir/ daß man die
Predigen/ geiſtliche Reden und Buͤcher zu leſen/ nicht fliehen ſolle.
4. Es iſt aber nicht gnug/ daß du die Lehr bloß allein anhoͤreſt oder leſeſt;
ſondern du muſt auch die gehoͤrte und geleſene Sachen bey dir betrachten und
widerholen: Dann gleich wie deine Ampel erloͤſchet/ ſagt der H.Hom. 52.
in c. 24.
Matt.
Chriſoſt wan du kein Oel dar zu gieſſeſt: alſo gehet das Wort
unſeres Glaubens/ daß wir durch den Glauben empfangen
haben/ auß/ gleich einer Ampel/ und iſt zu Erleuchtung
der Seelen krafftloß. Und gleich wie der Weirauch/ ſpricht der
H. Vatter Auguſtinus keinen Geruch von ſich gibt/ es ſey dann/ daß er
ins Feuer geworffen werde; und der Senff oder Moſtart ſeine krafft nicht
ſpuͤhren laſſet/ wann er nicht zerrieben wird; alſo kan kein eintziger Spruch
der H. Schrifft oder ſonſt anderes geiſtlichen Buchs ſeine Kraͤfften zeigen/
wann ſie nicht im Hertzen gekochet werden. Auch ſagt Rupertus: Wann
wir die Speiſen mit den Zaͤhnen nicht zermahlen/ ſo empfinden wir derſel-
ben Geſchmack nicht: alſo/ wann wir das Wort/ daß wir hoͤren/ nicht
zermahlen/ und bey uns betrachten; ſo koͤnnen wir die Krafft deß Worts
nit begreiffen. Hieruͤber hat uns ein herrliches Exempel hinterlaſſen die Aller-
ſeeligſte Jungfrau Maria/ ſo da alle Wort/ welche ihr geliebter Sohn zu ihr
geſprochen/ in ihrem Hertzen behalten hat. Jm uͤbrigen wird kein beſſere
Weiß und Manier/ geiſtliche Sachen zu leſen/ gefunden werden/ als die
jenige/ welche der H. Vincencius Ferrerius beobachtet/ und uns ſeinen
Nachkoͤmlingen in dieſen Worten ſchrifftlich hinterlaſſen hat. Niemand
ſoll etwas unterlaſſen/ daß zur Andacht gehoͤret/ wann er ſchon ein gutes und
ſpitzfindiges Verſtand hat: ja ſo gar/ er ſoll nichts leſen noch lernen/ in dem
er ſich nicht auff ſeinen Heyland beziehe. Wann einer ein Buch leſet/
ſoll er ſeine Augen oͤffters auff ſelbiges ſchlagen: und nachmahlen die Augen
zuthun/ und alsdann in deſſen H. H. Wunden legen/ was er geleſen hat/
und alſo zu leſen fortfahren. Wann einer zu leſen auffhoͤrt/ ſo knie er nie-
der/ und ſpreche ein kuͤrtzers Gebettlein/ nach ſeiner Einfalt und Andacht
gegen ſeinen Herrn JEſum/ ſeuffze von Hertzen nach den Goͤttlichen Gna-
den/ und bringe alsdann vor ſeinem Herrn und GOtt/ was er begehre. So
bald der erſte Eiffer deß Geiſtes/ welcher gemeiniglich nit lang beſtaͤndig iſt/
nachlaſſet; ſoll man alles/ was vorhin geleſen worden/ wiederumb zur Ge-
daͤchtnuß bringen/ und GOtt bitten/ daß er ſeine Gnad verleyhe/ alles zu
verſtehen. Nach dieſem ſoll das Studiren folgen/ und darauff das Gebett/
daß alſo eins das andere abwechſele: dann durch ſolche ordentliche Abloͤſung
Z z z 2wird
[548]Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
wird man ſehr groſſe Andacht und Suͤſſigkeit im Gebet/ und ſehr aunehm-
liche Leichterung und Liebe zum Studiren empfinden.
ex S. An-
tonino
Archi-
Ep.
5. Auff daß wir nun unſere angefangene Lection mit gewuͤnſchtem Nu-
tzen moͤgen fortſetzen; ſo wollen wir eine noch nit ſehr gemeine Hiſtori allhier
laſſen an Tag kommen. Zu Patavia ware auß dem Orden deß H. Fran-
eiſei ein ſehr gelehrter und Gottſeeliger Mann/ deſſen Ambt erforderte/ daß
er zu der Faſten-Zeit dem Volck zu predigen pflegte. Es hat ſich aber
einmals zugetragen/ daß er am vorigen Tag der folgenden Predig ſehr un-
paͤßlich/ und zum Predigen unbequem worden. Hieruͤber kombt ungefchr
ein Frembdling/ aber deſſelbigen Ordens Geiſtlicher zum Kloſter an/ und
ſagt/ daß er Vorhabens ſeye nach Laureto zu reiſen/ und die fuͤrnembſte
Staͤdte in Jtalien zu beſehen. Dieſer aber ware groß und auffrecht von
Leib/ mit einer erſtarreten Stirn/ mit glintzenden Augen/ ſonſten mit ſehr
weiſſem Mund/ und nicht unebenem ſchwartzen Bard verſehen/ daß alſo die
Geiſtliche deß GOttes - Haußes darfuͤr gehalten/ ſelbiger wurde die Stell
deß erkraͤnckten Predigers zu vertretten bequem ſeyn/ derhalben haben ſie
ihn erſucht/ er moͤgte doch im GOttes - Hauß deß H. Antonii/ dem hauffig
zulauffenden Volck am morgigen Tag predigen. Dieſer Frembdling hat
ſich anfaͤnglich entſchuldiget/ daß er nichts zum Predigen/ ſondern was er
auffm Weeg noͤthig haben wuͤrde/ mit ſich genommen; daß er auch in zweyen
Jahren/ wegen eingefallener Kranckheit nit geprediget habe und andere ſolche
Entſchuldigungen hat dieſer vermeinte Frembdling vor gebracht/ daß man
auß allem deſſen groſſe Gelehrheit gnugſamb ermeſſen koͤnnen: dahero hat
man ihm weiters zugeſetzt/ und endlich die Reſolution zum Predigen erhal-
ten. Was geſchicht? Dieſer auſchnliche Mann ſteigt zur ge[k]oͤnlichen
Stund auff die Cantzel/ und prediget daſelbſt/ mit ungemeiner Auffmerck-
ſambkeit und groſſer Verwunderung aller Zuhoͤrer/ zwey gantze Stund lang
dermaſſen fruchtbarlich von den erſchroͤcklichen Peinen der Verdambten/
daß alle anweſende insgeſambt der haͤuffig flieſſenden Zaͤhren ſich unmoͤg-
lich haben enthalten koͤnnen/ ja auch viele dergeſtalt klaͤglich geſeuffzet/ daß
man haͤtte vermeinen ſollen/ dieſe Scuffzer wuͤrden die Wolcken durchtrin-
gen. Keiner ware/ der nach geendigter Predig nicht mit hauffigen Zaͤhren/
und mit Forcht der Hoͤllen/ gleich wie einem Pfeil durchſchoſſen nach Hauß
gienge: dahero iſt der neue Prediger auch von jederman in groſſen Ehren
gehalten worden. Da ſelbiger aber ſein angefangene Reiß hat fortſetzen
wollen:
[549]Von Anhoͤrung und Leſung der geiſtlichen Dingen.
wollen; hat ihn der Pfoͤrtner deß Kloſters etwan mit fuͤrwitzigeren Au-
gen beſchauet/ und vermerckt/ daß er Hoͤrner auffin Kopff/ und an
den Haͤnden und Fuͤſſen Klauen getragen: derhalben hat er ihn/ durch den
wahren GOTT und den heiligen Antonium/ deſſen habit er faͤlſch-
lich truge/ beſchwohren/ er ſolte ihm ſagen/ warumb er als ein Ertz-
Feind alles Gutes/ die Menſchen gleichwohl ſo eifferich zum Guten er-
mahnet habe. Als hieruͤber die Geiſtliche und andere benachbarte vor und
nach hinzu genahet/ hat der boͤſe Geiſt das Beſchwoͤren nicht laͤnger ge-
dulden wollen; ſondern hat die menſchliche Geſtalt von ſich geworffen/
und mit einem Grauſen der Umbſtehenden den lebendigen Teuffel praͤſen-
tiret: da hat er bekennet; daß er ſein Predigen nicht GOTT/ ſon-
dern der Hoͤllen und hoͤlliſchen Geiſtern zu lieb verrichtet habe; nicht da-
mit er dem Menſchen den Himmel dadurch verſchaffen wollen; ſondern
damit er ſelbige nachmahlen in der Hoͤllen deſto grauſamer plagen moͤgte:
dieß allein habe er geſucht/ daß die Seuffzer und das Weinen der Zuhoͤ-
rer/ denſelben einsmahls zu groͤſſerer Verdamnuß außſchlagen doͤrfften.
Dieß war recht ein teuffeliſcher Argliſt: zumahlen ſichs alſo befunden
hat; daß/ ſo bald die Leuth vor die Kirchen hinauß kommen/ das Weinen
und Heulen ſich geendigt habe/ und nunmehr nichts anders/ als nur
eitele Lob-Spruͤch von dem tapffern Prediger zu hoͤren geweſen. Die-
ſer hoͤlliſche Prediger hat ſonderbahr gefrolocket und geſagt/ daß ihm die
Muͤhe ſeiner gehaltenen Predig gar reichlich werde belohnet werden; wann
er vor dem erſchroͤcklichen Richter-Stuhl Chriſti einem jeden allein/ und alle
ins geſambt wegen ihrer groſſen Boͤßheit und Hartnaͤckigkeit zu verkla-
gen und zu uͤberzeugen Urſach haben werde/ daß ſie ſich auch durch die
Donnerſchlaͤg/ ſo da auß der Hoͤllen ſelbſt kommen waren/ von ihrem
ſuͤndhafften Leben nicht haben wollen abſchroͤcken laſſen. Nach dieſen Wor-
ten hat ſich der Teuffel gleich einem Sturm - Wind auß aller umbſte-
henden Gegenwart hinweg gemacht.
6. Auß dieſer wunderbarlichen und grauſamben Geſchicht er-
hellet/ daß es nicht gnug ſeye/ geiſtliche Ding gern hoͤren und
gern leſen; und daſſelbige auch keinen Nutzen bringen: ja ſo gar die
tieffe Seufftzer/ wie auch die brennende Begierden/ und gute Vor-
ſaͤtz/ welche unter dem Leſen und Predig hoͤren gemacht werden/
nichts zu achten ſeyen/ wann ſelbige nachmahlen nicht be-
Z z z 3werck-
[550]Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
R[om]. 2.werckſtelliget werden. Dahero ſagt der H. Apoſtel Paulus: Bey Gott
ſeynd nicht gerecht/ die das Geſetz hoͤren/ ſondern/ die das
Geſetz thun/ werden gerechtfertiget. Was thun aber ſolche/
ſo das Geſetz hoͤren und demſelbigen nicht nachleben/ anders/ als eben daß ſie
ihre verdiente Straffen vermehren und vergroͤſſern? Hoͤre/ mein Chriſtli-
Matt. 7.
v 26.che Seel/ was deinem Heyland von dergleichen Menſchen geduncke: Ein
jeglicher/ ſagt er/ der dieſe meine Wort hoͤret/ und thut ſie
nicht/ der wird mit einem thoriſchen Mann verglichen
werden/ der ſein Hauß auff den Sand gebauet hat/ da
fiel ein Platz-Reegen herab/ und kamen Waſſer-Floͤte/
auch blieſen die Winde/ und ſtieſſen auff daſſelbige Hauß/
und es fiel nieder/ und ſein Fall war ſehr groß. Alſo wird
De Be-
ned. Eſau
\& Jacob.der Fall der jenigen ſehr groß ſeyn/ welche nur hoͤren und nicht thun. Vnd
gleich wie der HErr/ ſagt der H. Vatter Auguſtinus/ ſeinen
Regen ſchickt über die Früchten im Felde/ und über Diſtel
und Doͤrnen; über das Getraid zwarn zur Scheuren; über
die Diſtel und Doͤrnen aber zum Feuer; und iſt doch der-
ſelbige Reegen: Alſo fallet der Regen deß Worts GOttes
ůber alle; ein jeder ſehe nun zu/ was er fůr eine Wurtzel
habe: wo er den Regen hinziehe: wann er denſelben zie-
het/ auff daß er Doͤrnen herfürbringe; ſoll er alsdann
dem Kegen GOttes die Schnld auffmeſſen/ ehe ſie zur
Wurtzel kommet: Süß und annehmlich iſt der Regen;
ſůß iſt das Wort GOttes/ biß es zu einem boͤſen Hertzen
kombt.
7. Der nun auß dem Wort keinen Nutzen ſchoͤpfft/ der ſich der Strick ſei-
ner Laſter und boͤſen Gewonheiten nicht entbindet/ und in den Tugenten nicht
zunimbt; der klage nicht uͤber den Regen/ nemblich das Wort GOttes;
ſondern ſchreibe ſich ſelbſt die Urſach zu/ indem er auß eigener Boͤßheit das
Wort GOttes/ welches als ein guter Saam in deſſen Hertz geworffen
worden/ nicht wachſſen laſſet. Auff wie vielerley Weiß aber ſolches ge-
Luc. 8. v.
[...].ſchehe/ daß zeigt uns unſer Heyland durch folgende Gleichnuß: Ein See-
man/ ſagt er/ gieng auß/ ſeinen Saamen zu ſeen: und in-
dem er ſeet/ fiel etlichs an den Weeg/ und ward zertret-
ten. An dem Weeg: Das iſt eine jede Seel/ welche bey ſich ſelbſten nicht
in Ruhe verbleibet; ſondern zu den irrdiſchen Creaturen ſich außgieſſet/ und
allen vorfallenden weltlichen Gedancken/ gleich den Wanders-Leuthen/ von
wel-
[551]Von Anhoͤrung und Leſung der Goͤttlichen Dingen.
welchen die gute Eingebungen zertrettet werden/ offen ſtehet; dahero bringt
ſie keine Fruͤchten. Vnd etliches fiel auff den Felſen; und da es
auffgieng/ verdoͤrret es/ dieweil es keine Feuchtigkeit hatte.
Der felſichte Grund iſt eine in boͤſen Gewonheiten verhartete Seel/ die
ſich gewoͤhnet hat zu leben nach ihren Sinnligkeiten; welche derhalben keinen
oder doch geringen Safft der Andacht hat/ und ſetzen auch tauſend Vorſaͤtz
und erkennte Warheit nicht ein eintziges Wuͤrtzlein; ſondern werden durch
die unziemliche Affecten oder Neigungen der Lieb/ der Forcht/ deß men-
ſchlichen Reſpects/ \&c. außgedoͤrret: ſolche Menſchen fangen immer an/ und
bleiben allzeit im Anfang. Vnd etliches fiel unter die Doͤrnen/
und die Doͤrnen giengen mit auff und erſticktens. Der
doͤrnachtige Grund iſt die Seel/ ſo da in die weltliche Haͤndel und Geſchãff-
ten vertiefft iſt/ und mit eitelen Sorgen uͤberfallen wird; welche fuͤr ſich
ſelbſt/ fuͤr die Ehr GOttes/ und das Heyl deß Naͤchſten die wenigſte Sorg
traget welche die uͤber natuͤrliche Warheiten erkennet; aber anderer Geſchaͤff-
ten halber/ als da iſt das Studiren/ die weltliche Aembter und dergleichen/
keine Zeit anwendet/ dieſelbe Warheiten reifflich zu betrachten. Dahero
ſchepffet ſie auß dem Wort GOttes und geiſtlichen Buͤchern kein Nutzen.
Vnd etliches fiel auff ein gut Land/ und es gieng auff/ und
trug hundertfaͤltige Frucht. Dieß iſt die gute und beſte Seel/
und den drey vorigen gantz zu wider: dieweilen ſie das Wort GOttes an-
hoͤret mit Luſt: dieweil ſie ſelbiges verſtehet/ und ſich weiß zu nutz zu
machen: bringt Frucht in Gedult/ oder Standhafftigkeit/ in dem ſie die
Beſchwaͤrnuͤſſen/ ſo da in der Ubung der tugendſamen Werck vorfallen/
uͤberwindet.
8. Wilt einer/ mein Chriſtliche Seel/ auß dem Wort GOttes Nu-
tzen haben/ der muß das jenige/ ſo er gehõrt und geleſen hat/ in der That
ſelbſt vollbringen: wie der H. Apoſtel Jacobus ſagt: Seyet Thaͤterc. 1. v. 2
deß Worts/ und nicht zuhoͤrer allein/ damit ihr euch nicht
ſelbſt betrieget: dann ſo jemand ein Hoͤrer deß Worts iſt/
nicht ein Thaͤter/ denſelben wird man einem Mann gleich
achten/ der ſein natůrlich Angeſicht im Spiegel beſchauet:
dann nachdem er ſich beſchauet hat/ gehet er hinweg/ und
vergiſſet alsbald/ wie er geſtalt war. Uber dieſen Ort gloſſirt
der H. Thomas/ wie im Anfang dieſer Lection gemeldet worden/ und ſagt:
das Wort GOttes wird einem Spiegel verglichen: dann gleich wie es dem
Menſchen nichts nutzet/ daß er den Flecken ſeines Angeſichts im Spiegel
geſe-
[552]Die Zwey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
geſehen hat/ wann er ſelbigen nicht abwiſchet: alſo kan dem Menſchen
nichts nutzen/ daß er das Wort der heiligen Schrifft oder deß Predi-
gers anhoͤret/ es ſey dann/ daß er das jenige/ ſo er mit den Ohren
hoͤret/ mit dem Werck vollbringe. Soll nun einem frembd vorkom-
men/ daß der heilige Jacobus von einem Mann melde/ der ſich im
Spiegel beſchauet; da doch den Weibern gemein iſt/ daß ſie ſich Stun-
den lang im Spiegel beſichtigen: der hoͤre die Urſach/ daß nemblich
anders ein Mann/ und anders ein Weib ſich im Spiegel betrachte.
Ein Mann ſchauet ſich im Spiegel nur obenhin ohne Sorgfalt/ und
achtet wenig/ ob etwas im Angeſicht oder Kleidern zu beſſern ſeye/ und
gehet gemeiniglich vom Spiegel wie er darzu kommen iſt. Gantz an-
ders machts das Frauen-Zimmer; dieſe beſehen gar genau alle Fleck-
lein/ kampeln und ſtreichen alle Haaren/ \&c. auff das ja nichts an der
ſchoͤnen Geſtalt ermangle. Dieſes Weiber-Geſchmeiß ſoll in dieſem
Fall nachfolgen ein jeder Anhoͤrer deß Worts GOTTES/ und auff
alle Weiß zu beſſern trachten/ was der Prediger immer ſuͤndhafft und
Gebrechlich gleich wie in einem Spiegel zeiget. So wird dann der Zu-
hoͤrer deß Worts GOTTES/ welcher nur ein Zuhoͤrer iſt/ und
kein Thaͤter deſſelben/ ein Beſchauer/ und nicht ein Außbeſſerer/ ſelbi-
ger/ ſag ich/ wird von dem Apoſtel einem Mann verglichen. Dieweilen
wir nun zum End verlangen/ als hab ichs/ mein Chriſtliche Seel/
bey dieſem wenigen wollen beruhen laſſen/ und dir das
uͤbrige zu betrachten anheim ſtellen.
Die
[553]
Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der Hand-Arbeit.
Videte oculis veſtris, quia modicum laboravi, \& inveniEccl. 51.
v. 35.
mihi multam requiem.
he gehabt/ und groſſe Ruhe für mich gefunden habe.’
Der Erſte Theil.
1. AUff daß die Nutzbarkeit und Nothwendigkeit der Hand-Arbeit deſto
beſſer an Tag komme; derhalben hab ich den groſſen Schaden/
der uns Menſchen auß dem Muͤſſiggang entſtehet/ voran ſenden
wollen. Dieſer Muͤſſiggang dann iſt/ wie die H. H. Vaͤtter ſagen/ eine
Speiß der Geylheit/ und aͤrgſter Feind der Keuſchheit. Dahero ſpricht
der heilige Bernardus: der Teuffel gebraucht ſich deß Muͤſſiggangs zu einer
Thuͤren/ dadurch er die unziemliche Anreitzungen der Gedancken/ auch in
die allerkeuſcheſte Seelen einfuͤhre. Und daß dieſem alſo ſeye/ lehret uns
mit ſeinem Schaden der fromme Koͤnig David; welcher in der Zeit/ da er
ſich im Kriegen geuͤbet/ von der Geylheit nicht uͤberwunden worden: nach-
dem er aber zu Hauß muͤſſig geſeſſen/ iſt er in den Ehe-Bruch gefallen/ und
hat einen Todtſchlag begangen/ wie der heilige Auguſtinus meldet. Was
hat den ſtaͤrckeſten Samſon anders zum Verderben gebracht/ als der Muͤſ-
ſiggang? Dann ſo lang er mit den Philiſtern in den Haaren gehangen/ ſo
lang hat er nicht koͤnnen uͤberwunden werden: demnach er aber im Schoß
der Dalilaͤ geruhet/ und bey ſelbiger die Zeit muͤſſig hat zugebracht; iſt er
A a a aalsbald
[554]Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
alsbald gefangen/ und ſeiner Augen beraubt worden. Hat nicht den aller-
weiſeſten Salomon verkehret der Muͤſſiggang? So lang dieſer kluge Mo-
narch in Erbauung deß gewaltigen Tempels beſchaͤfftiget geweſen/ hat
er keine Geylheit empfunden: ſo bald er aber von dieſem Werck zu feyren
hat angefangen/ da hat ſich nicht allein der Muthwill angemeldet; ſondern
denſelben dergeſtalt zu Boden geworffen/ daß er durch Anhalten der Wei-
ber an ſtatt GOttes ein guͤldenes Kalb angebetten. Auff dieſen Hafen
ſetzt der heilige Vatter Auguſtinus ſolchen Deckel/ und ſagt: Wachet der-
halben/ meine Bruͤder/ und haltet euch friſch; dann ich ſehe euch nicht darfuͤr
an/ daß ihr heiliger ſeyet als David/ ſtaͤrcker als Samſon/ und kluger als
Salomon. Recht und wohl ſingt auch der tieff finnige Poet Ovidius
alſo:
Cupidinis-Bogen halſt im Zwang/Wann du fliehſt den Můſſiggang:Der Geylheit Brunſt auch mindert ſich/Wann der Menſch beſchaͤfftiget ſich.
2. Mehr andere Ublen deß Muͤſſigangs entwirfft der heilige Vatter
Auguſtinus mit dieſen Worten: durch den Muͤſſiggang werden wir viel-
mahl entzuͤndet zur Geylheit: durch dieſen Muͤſſiggang werden wir ange-
friſcht zur Hoffart: durch dieſen Gang fuͤhrt uns die Welt zu ihrer Eytel-
keit: dieſer Muͤſſiggang meldet ſich bey uns an/ wann wir wohl geſſen und
getruncken haben: der Muͤſſiggang bringt uns ins Verderben/ wann wir
ſtattlich gekleidet ſeynd: durch dieſen Muͤſſigang werden wir zum uͤberfluͤſ-
ſigen Schlaffen genoͤthiget: dieſer leitet uns zu den weltlichen und eitelen
Reden. Niemahlen wird einer ein Buͤrger der himmliſchen Stadt Jeru-
ſalem werden/ wofern er den Muͤſſiggang lieben wird. Von ſelbigem La-
ſter tragt auch ſeine Meinung hinzu der hoͤnig-flieſſende Bernardus/ und
ſagt: der Muͤſſiggang iſt ein Unflat aller boͤſen Gedancken/ die hoͤchſte Boͤß-
heit deß Hertzen/ ein Verſammlung alles Boͤſen/ und ein Todt der See-
len: dann ein muͤſſiger Menſch iſt gleich einem ſtehenden Waſſer/ ſo da fau-
let/ dieweilen es nicht bewegt wird/ und derhalben mit ſchaͤdlichen Wuͤrmen/
das iſt Laſtern/ erfuͤllet wird. Ein muͤſſiger Menſch iſt gleich einem ver-
ſaumten Acker/ welcher voller Doͤrnen und Neſſeln iſt/ wie der weiſe Sa-
lomon bezeugt/ da er ſpricht: Jch bin ůber den Acker eines müſſi-
gen Menſchen gangen; und ſiehe/ es war alles mit Neſſeln
erfült. Auch wird ueben andern Gleichnuͤſſen der muͤſſige Menſch ei-
nem
[555]Von der Hand-Arbeit.
nem Gichtbruͤchtigen verglichen/ der weder Haͤnd noch Fuͤß bewegen kan: von
dieſen weiſſaget der Koͤnigliche Prophet und ſagt: Sie haben HaͤndPſal. 13.
und werden nicht taſten; Sie haben Füß und werden
nicht gehen.
3 Es iſt nicht ohne/ daß der boͤſe Feind mit den Muͤſſigen gern zu ſchaf-
fen habe; dann neben andern Exempeln/ leſen wir auch im Leben der Alt-
Vaͤtter/ daß ein alter Einſidler einsmais geſehen/ wie der boͤſe Geiſt zu [ei-]
nes Geiſtlichen Cell bald hinein gangen/ bald wiederumb herauß kommen
ſeye: da er nun denſelben Geiſtlichen gefragt/ was er in der Cellen mache/
iſt er in Erfahrung kommen/ daß der Teuffel alsdann ſeye hinein gangen/
wann der Geiſtliche muͤſſig geweſen/ und wann er ſich mit ehrlicher und
nuͤtzlicher Arbeit beſchaͤfftiget hat/ wiederumb hinauß gangen ſeye. So
hat dann der boͤſe Feind einen Zugang zu den Muͤſſigen/ dieweilen der Muͤſ-
ſigang ein Haupt- Kuͤſſen deß Teuffels iſt. Dahero ſeynd die Alt- Vaͤt-
ter in Ægypten der Meinung geweſen/ daß ein arbeitender Muͤnch von ei-Caſſ. L.
10. Inſt.
mon. c.
23.
nem/ ein Muͤſſiger aber von unzahlbaren boͤſen Geiſtern angefochten wer-
de. Wann dann die Muͤſſige von ſo vielen Teuffeln angezepfft werden/
ſo iſts ja kein Wunder/ daß ſie durch den Betrug und Argliſt ſo leicht ge-
ſtuͤrtzet werden. Folge du/ mein Chriſtliche Seel/ dem Rath deß Wei-
ſen Manns/ der da ſpricht: Thue alles inſtendig/ was deineEccl. c. 9.
10.
Hand vermag zu thun: Dann/ wie der heilige Hieronymus ſagt/
das gegenwaͤrtige Leben iſt die Zeit deß Samblens/ wann dieſes vorbey iſt/
ſo wird das Arbeiten eingeſtelt. Muſte nicht Chriſtus unſer Heyland ſelbſt
arbeiten? Dahero ſpricht er von ſich alſo: Jch muß die Werck desJoan. 9.
v. 4.
jenigen wircken/ der mich geſandt hat/ ſo lang es tag iſt;
es kombt die Zeit heran/ wan niemand kan wircken. Alwo
durch den Tag die gegenwaͤrtige Zeit/ duech die Nacht aber der Todt/ oder
der Stand nach dem Todt verſtanden wird; in welchem niemand mit Nu-
tzen wircken kan. Derhalben ſamble jetzt/ ſo viel dir moͤglich iſt/ folge dem
wohlmeinenden Salomon/ und laß dich nicht verdrieſſen/ daß er dich zu
der Ameiſen/ einem ſo verwuͤrfflichen Thierlein verweiſe mit dieſen Worten:
Gehe hin zu der Ameiſen/ O du Fauler/ und habe achtProv. 6.
v. 6.
auff ihre Weege/ und lerne ihre Weißheit: Ob ſie wohl
weder Führer/ noch Meiſter/ noch Herrn hat/ ſo bereitet
ſie doch im Sommer Speiſe für ſich/ und ſammlet in der
Ernde/ daß ſie zu eſſen babe. Der nun in ſeiner Jugend/ wilt er
ſagen/ in gegenwaͤrtigem Leben/ nicht ſamblet/ wie wird der in ſeinem ho-
A a a a 2hen
[556]Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
hen Alter/ das iſt/ im andern Leben/ was finden koͤnnen? zumahlen der
Herbſt keine Baum-Fruͤchten ſehen wird/ deſſen Blumen der Froͤhling nicht
geſehen hat.
4. Keiner aber ſoll ſich ſelbſt betriegen/ und vermeinen/ daß es zu Erhal-
tung der ewigen Seeligkeit gnug ſeye/ daß er nichts Ubels thue. Dann/
nichts Ubels thuen/ iſt nach Zeugnuß deß H. Chryſoſtomi nichts anders/
als etwas Ubels thuen. Welches der jetzt- gemeld[t]e Kirchen-Lehrer alſo
beweiſet. Zum Exempel/ du haſt einen Knecht/ der nicht diebiſch/ unge-
horſamb/ und kein Sauffer iſt; ſondern Treu/ gehorſamb/ und allzeit
nuͤchtern/ und zumahlen nicht laſterhafft: ſelbiger aber/ wann er gantze
Tag zu Hauß muͤſſig ſitzet/ und das jenige verabſaumet/ daß ihm anbefohlen
iſt; ſoll er nicht die Bruͤgel - Suppen verdienet haben? Er hat gleichwohl
nichts Ubels gethan. Das aber iſt Ubels gnug/ daß er ſein Ambt vernach-
laͤſſiget hat. Derhalben hat auch jener Mann ſein Weib gepriegelt/ weilen
ſie nichts gethan hatte/ und an Platz/ daß ſie haͤtte ſpinnen ſollen/ ihrem un-
nuͤtzen Plaudern hatte abgewartet. Da ſolches der Mann deß Abends
nach Hauß kommend vermerckt hat/ und dem Weib fuͤr die gethane Arbeit
den billigen Lohn mit Streichen erſtatten wollen/ rieff das Weib unter weh-
rendem Schlagen: du Schelm/ warumb ſchlagſtu mich/ ich hab doch nichts
gethan? eben darumb ſchlag ich dich/ antwortet der Mann/ weilen du
nichts gethan haſt. Wann deine Hand/ ſagt abermahl der heilige Chry-
ſoſtomus/ alſo beſchaffen iſt/ daß dir die Zung nicht abſchneide/ die Augen
nicht außkratze/ und kein anderes Ubel zufuͤge; ſondern muͤſſig iſt/ und dem
uͤbrigen Leib nicht dienen will; ſolſtu uͤber dieſe/ als eine unnuͤtzliche und
gichtbruͤchtige Hand nicht billiger Maſſen zuͤrnen? Sagt nicht unſer
Matth. 7.Heyland: Ein jeglicher/ der nicht gute Früchten bringt/ ſoll
abgehauen/ und ins Feur geworffen werden: Er ſagt nicht/
der boͤſe Früchten bringt/ ſondern/ der nicht gute Frůchten
bringt: Dahero leſen wir/ daß demſelbigen Heyland einmahls gehuͤngert/
und da er einen Feigen-Baum geſehen/ zu ſelbigem hinzu gangen ſeye/ und
weilen er nur Blaͤtter gefunden/ uͤber denſelben geiffert habe und geſagt:
Niemahlen ſoll auß dir Frůchten hervor kommen in E-
wigkeit. Wann nun Chriſtus verfluchet hat einen Baum/ daß er kein
Fruͤchten gehabt/ da es doch kein Zeit der Fruͤchten ware; was wird dann
widerfahren den jenigen/ welcher da ſolte haben die Fruͤchten der guten Werck/
und
[557]Von der Hand-Arbeit.
und hat gleichwohl keine/ wann der Heyland ſelbige will abbrechen? Ein
ſolcher hat ſich in Warheit derſelben Verfluchung zu befoͤrchten: Nie-Matt. 25.
mahlen ſollen auß dir Früchten hervor kommen in Ewig-
keit. O erſchroͤckliche Verfluchung/ daß man keine Frucht ſoll tragen
in Ewigkeit! Weiters hat nicht der HERR dem traͤgen Geſellen/
welcher das ihm anvertraute Geld ins Schnupff - Tuch gebunden/ und biß
zu ſeiner Widerkunfft auffbehalten/ in die euſſerſte Finſternuͤß werffen laſſen?
nicht darumb/ daß er ungehorſamb/ nicht weilen er ſich ſonſten uͤbel verhal-
ten hatte: ſondern weilen er muͤſſig/ und folgends unnuͤtzlich geweſen ware:
Dieſen unnützlichen Knecht/ ſagt er/ werffet in die euſſerſte
Finſternuß/\&c. Wiederumb/ wann auch Chriſtus die muͤſſige
ſtraffet/ ſo da von niemand waren bedungen worden; und ſagt; was ſtehet
ihr allhier den gantzen Tag muͤſſig? Wie wird er dann nicht die jenige
ſtraffen/ die er ſchon wuͤrcklich bedungen/ daß ſie in ſeinem Wein-Gar-
ten arbeiten ſollen/ als nemblich wir Chriſtglaubige und Geiſtliche? So
iſts dann/ und bleibt aber und abermahl wahr/ daß es nicht gnug ſeye/ das
Boͤſe meiden und fliehen/ ſondern wir muͤſſen auch zugleich das Gute wir-
cken: wie der heilige Apoſtel Jacobus ſagt: Der weiß Guts zuc. 4. v. ult.
thuen/ und thuts nicht/ dem iſts Sůnde. Und beſchlieſſet
auch unſer Vorhaben der heilige Papſt Leo mit dieſen Worten: NichtDe Ap-
par.
an die Schlaffende glangt das Reich der Himmeln; und
denen für Müſſiggang und Traͤgheit unfrůchtigen Men-
ſchen wird die ewige Seeligkeit verſprochen.
5. Jm uͤbrigen iſt allhier wohl zu beobachten/ daß nicht alle und jede Ubun-
gen den Muͤſſiggang vertreiben/ ſondern allein die gute und nuͤtzliche. So
iſt dann der Muͤſſiggang zweifachig; ein wuͤrcklicher/ und der ander ein ver-
meinter Muͤſſiggang. Der wuͤrckliche beſtehet darinn/ daß/ nachdem der
Menſch ſeiner Nothdurfft gemaͤß geruhet hat; von allen; ſo leib-als Geiſt-
lichen Geſchaͤfften ſich enthaltet/ nach dem Bey- Spiel deren/ welche der
Hauß-Vatter hat angeredet und geſagt: Was ſtehet ihr allhier
den gantzen Tag müſſig: Der unvermeinte Muͤſſiggang iſt ein
ſolcher/ wann der Menſch zwarn mit unter ſchiedlichen Dingen beſchaͤffti-
get iſt/ ſo jedoch alle unnuͤtzlich und ſchaͤdlich ſeynd: welches der gelehrte
Stapletonus mit dieſer bequemen Gleichnuß erlauteret und ſagt: Gleich wie
die Kinder vermeinen/ ſie ſeyen am allermeiſten beſchaͤfftiget/ wan ſie von Leim
und Erdẽ Huͤtten bauen/ oder auf Stecken reiten; da ſie doch/ wie wir ſehẽ/ nur
A a a a 3allein
[558]Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
allein Boſſen und nichtswertige Sachen betrieben. alſo kommen alle unſe-
re Beſchaͤfftigungen/ GOtt/ den Engeln/ und einem jeden Weiſen und
klugen Mann/ als Kinder-Boſſen und lehrer Muͤſſiggang vor/ in welchen
wir dir Ehr GOttes/ oder unſeres Neben- Menſchen/ und unſer eigenes
Heyl nicht ſuchen. Nun laß ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ dieſe beyde
Muͤſſiggaͤng zu fliehen anbefohlen ſeyn/ auff daß du nicht mit den fuͤnff
thorichten Jungfrauen vom Reich der Himmeln außgeſchloſſen; ſondern
mit den fuͤnff Witzigen in die verſprochene ewige Glory und Herrligkeit
einsmahls mit Freuden einzugehen gewuͤrdiget werdeſt.
Der Andere Theil.
6. AUß dem/ ſo bißhero geſagt iſt/ kan gnugſamb geſchloſſen werden
was fuͤr ein gifftige Kranckheit ſeye der Muͤſſiggang und Traͤgheit
deß Gemuͤts. Damit aber ein Geiſtlicher die Suchten vertrei-
be/ ſoll er zu Zeiten einige Hand-Arbeit/ die ihm oder auß Gehorſamb wird
aufferlegt/ oder zu dero er eine vernuͤnfftliche Neigung tragt/ verrichten:
zumahlen nicht rathſamb zu ſeyn ſcheinet/ daß der Menſch allzeit bette/ leſe/
oder ſchreibe/ damit nicht die Geſundheit verletzt werde; ſondern wird fuͤr
Gut befunden/ daß ſelbiger ſothanes Gebett und andere geiſtliche Ubungen
mit einem leiblichen Arbeiten vermiſche. Wann du aber vermeinen ſolteſt/
mein Chriſtliche Seel/ daß dieſe euſſerliche Hand- Arbeiten von deinem
GOtt fuͤr nichts oder wenig geſchaͤtzt werden; ſo hoͤre an deinen Heyland/
L. de In-
ſin. c. 69.wie er mit der heiligen Gertrudis uͤber dieſe Sach diſcurrire. Gleich wie
ein maͤchtiger Kayſer/ ſagt er/ ſich nicht allein erfreuet/ daß er in ſeinem Pal-
laſt zarte und wohl geſchmuckte Maͤgdlein oder Fraͤulein hat; ſondern auch
Fuͤrſten/ Kriegs-Helden/ Soldaten und andere Bediente zu unterſchiedli-
chen Wercken verordnet/ ſo da zu Verrichtung der vorfallenden Geſchaͤfften
muͤſſen bereit ſtehen: Alſo hab ich nicht allein mein Wohlgefallen an den
geiſtlichen Wolluͤſten der jenigen/ welche ſich von mir zur Ruhe der Goͤtt-
lichen Betrachtungen ziehen laſſen; ſondern ich laß mich auch auffhalten
bey denen Menſchen- Kindern/ welche meinethalben allerhand veraͤchtliche
Hand-Arbeit gern verrichten. Weiters wird auch der Werth der aͤuſſerli-
Ex Hiſto.
Ciſterc.
Hiſtoria.chen Arbeit auß folgender Hiſtori erkennet. Reinaldus ein heiliger Mann
ſicht einsmahls/ daß nahe bey ſeinen geiſtlichen Mit- Bruͤdern/ ſo in der
Hand-Arbeit beſchaͤfftiget waren/ ein Chor der Jungfrauen vom nechſt-ge-
legenen Berglein denen Bruͤdern heruntrr ſteiget. Dieſe Jungfrauen wa-
ren
[559]Von der Hand-Arbeit.
ren alle weiß gekleidet/ und hatte unter ſelbigen den Vorzug; welche mit
ihrer anſehnlichen Groͤſſe und Schoͤnheit alle andere weit uͤbertraffe. Da
nun ſelbige zu den arbeitenden Geiſtlichen kommen/ hat ſie einen jeden gar
lieblich und holdſeelig umbhaͤlſet und gekuͤſſet/ auch alsbald mit denen Lei-
nen Tuͤchlein/ welche ihre Geſellinnen bey ſich trugen/ ihnen den Schweiß
und Staub abzuwiſchen angefangen. Jndem aber der H. Mann bey ſich
erwogen/ wer dieſe ſeyn muͤſten; iſt ihm offenbahret worden/ daß dieſe/ ſo
er fuͤr die Vornehmbſte anſehe/ die Mutter deß Heylands ſeye/ die andere
aber heilige Jungfrauen. Dieſes Geſicht hat den obgemeldten Reinaldum
zum arbeiten ſehr angefriſchet: die uͤbrige/ denen ſothane Gnad widerfahren
ware/ und dannoch mit den Augen deß Leibs nichts geſehen; haben dieſer
Offenbahrung den gebuͤrlichen Glauben leichtlich zuſtellen koͤnnen;
in dem ſie empfunden/ daß ihre Kraͤfften deß Leibs geſtaͤrcket/ die Gedult
gemehret/ und ſie mit einem ſonderbahren Geſchmack der Suͤſſigkeit er goͤtzet
worden. Auch hat die allerſeeligſte Jungfrau einen Koch deſſelben Kloſters
getroͤſtet/ und ihm zur Ruhe einzuligen befohlen/ welcher/ nach lang wiriger
verrichteten Arbeit/ deß Abends noch betten wollen. Wann dann GOtt/
und die Seinige an den arbeitenden Geiſtlichen ein ſolches Wohlgefallen an-
noch zeigen auff Erden/ daß ſie auch dieſelbe beſuchen/ troͤſten/ und ſo gar
derſelben Schritt zehlen (wie wir in dem Leben der heiligen Alt- Vaͤtter le-
ſen) was groſſen Lohn wird dann nicht wegen ſeiner vernuͤnfftlichen Arbeit
ein Geiſtlicher empfangen im Himmel? Obſchon Chriſtus die betrachten-
de Magdalenam gelobet/ ſo hat er dannoch die Arbeit der ſorgfaͤltigen Mar-
thaͤ nicht verachtet. Eins iſt gut beym andern. Recht und wohl kan an-
jetzo die himmliſche Koͤchin ſagen mit dem Weiſen Mann: Siehet zu mit
eueren Augen/ dann ich hab ein wenig fuͤr den HErrn mit Zuruͤſten und
Auffwarten mich bemuͤhet/ und hab mir ein groſſe Ruhe gefunden.
7. Merck nun auff/ mein Chriſtliche Seel/ was ich dir ſage. Wer
fleiſſig/ vernuͤnfftig und wohl arbeitet/ derſelbe erwirbt ſich eine dreyfache
Ruhe. Eine vor den Todt: dann er verurſachet ſeinem Leib eine Ruhe/ in-
dem er macht/ daß er ruhiger und ſanffter ſchlaffe/ nach dieſen Worten deßEccl. 5. 11.
Weiſen Manns: Wer arbeitet dem iſt der Schlaaff ſůß. Und
der Seelen; indem er durch die Arbeit den Muͤſſiggang/ und mit ſelbigem
die boͤſe Laſter vertreibet; und ſich alſo ein ruhiges und ſicheres Gewiſſen/
welches alle Freuden der Welt uͤbertrifft/ zu wegen bringt. Die andere
Ruhe erwirbt er ſich in dem Tod; zumahlen er weiß/ daß er die Tag ſeines
Lebens nicht muͤſſig zugebracht habe/ ſondern fleiſſig gearbeitet; und dahe-
ro
[560]Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ro erwartet ein ſolcher den Todt mit Freuden. Die dritte Ruhe bekombt
er nach dem Todt; dieweilen er lebt der troͤſtlichen Zuverſicht/ daß/ als an
ihm erfuͤllet werde; was dem heiligen Joanni in ſeiner Offenbahrung zu
Apoc. 14.
13.verzeichnen befohlen worden: Seelig ſeynd die Todten/ die da
in dem HERRN entſchlaffen. Von nun an/ ſpricht
der Geiſt/ daß ſie von ihrer Arbeit ruhen/ dann
ihre Wercke folgen ihnen nach: wie der Koͤnigliche Prophet
Pſ. 127.ſagt: Weilen du wirſt von deiner Arbeit eſſen; biſtu ſeelig/
und wird dir wohl ſeyn. Ob du zwarn die Fruͤchten
der Arbeit nicht alſobald empfindeſt/ ſo muſtu derhalben dieſelbe nicht flie-
hen/ dann gleich wie ein Rooß unter den Doͤrnen auffwaͤchſt/ alſo wirſtu von
der muͤgſeeligſten Arbeit die erfreuligſte Fruͤchten genieſſen. Folge nach
L. 3. c. 9.deiner und meiner gebenedeyteſten Mutter Mariam/ welche/ wie Ma-
rulus ſchreibt/ da er ſich noch beym Tempel auffgehalten/ vom fruͤhen Mor-
gen/ biß zur dritten Stund die Zeit in ſelbigem mit Betten zugebracht/ und
nachmahlen ſich mit der Hand - Arbeit biß in die neunte Stund
beſchaͤfftiget hat. Alſo hat ſie den Muͤſſiggang zumahlen gemeidet/ indem
Act.20.ſie mit ſolcher Abwechſelung den Tag hat zugebracht. Der heilige Paulus
bekennet von ſich ſelbſten/ daß er keines Menſchen Gold oder Silber begehrt
habe; ſondern daß ihm ſeine Haͤnde durchs Arbeiten zu allem dem verholffen/
was er vonnoͤthen gehabt. Der heilige Humbertus/ wie Bernardus bezeugt/
hat in ſeinem hohen Alterthumb biß auff den dritten Tag vor ſeinem Todt
gearbeitet. Der heilige Einſidler Stephanus hat in den groͤſten Schmer-
tzen ſeines ſchwaͤhren Bruchs nicht abgelaſſen/ alle Tag umb die beſtimbte
Zeit ſein Schnuͤr zu flechten; deme der Muͤſſiggang die allerſchmertzhaffte-
Pallad. c.
10.ſte Kranckheit geweſen. Der heilige Alt- Vatter Pambo hat in ſeinem
Todts-Bett den Umbſtehenden geſagt/ daß er/ ſo lang er in der Wuͤſten ge-
wohnet/ keinen eintzigen Tag ohne Hand-Arbeit habe hinſtreichen laſſen.
Der heilige Franciſcus pflegte ſehr fleiſſig zu arbeiten/ und da er einen ſeiner
Ordens- Leuthen muͤſſig geſehen/ hat er ihn laͤnger in ſeiner Geſellſchafft
nicht gedulden wollen. Der gewaltige Abt Paulus thut ſich allein mit den
Palm-Fruͤchten und ſeinem Gaͤrtlein ernehren/ dieweilen er keine Ge-
legenheit hatte/ ſeine gemachte Arbeit zu verkauffen. Gleichwohl gieng
dieſer gute Alt-Vatter nicht einen Augenblick muͤſſig/ ſondern klaubte die
Palmen-Blaͤtter zuſammen/ und flechtete Koͤrb darauß/ welche er/ wann
das Jahr umb war/ alle auffeinander legte und verbrannte/ und fieng als-
dann wiederumb an neue Koͤrb zu machen. Damit gab er gnugſamb zu
ver-
[561]Von der Hand-Arbeit.
verſtehen/ daß ein Muͤnch ohne die Hand-Arbeit nicht beſtehen
moͤge.
8. So ſehr haben die H. H. Alt-Vaͤtter die Hand-Arbeit geliebt/ daß
ſie auch die gemachte Arbeit zerbrochen/ und wiederumb gemacht; diewei-
len ſie in den Send-Schreiben deß heiligen Apoſtels Pauli geleſen hatten:
Der nicht arbeitet/ der ſoll nicht eſſen. O wann dieſer Befelch deß Apoſtels
gehalten wuͤrde/ ſolte man wenig muͤſſige Menſchen finden! Anjetzo aber
finden ſich ſehr viele/ welche entweder auß Faulheit einen Widerwillen
ſchoͤpffen zu der Arbeit; oder ſeynd eigenſinnige Koͤpff/ die ſich einbilden/ ſie
wollen nur durch ſtetes Speculiren und Betrachten zu groſſen Heiligen wer-
den/ und ſeynd doch vielmahlen ſo geſchickt darzu/ als ein Eſel zu der Muſic.
Mit dergleichen muͤſſigen Leuthen ſoll man umbgehen/ wie der erfahrne
Vatter Sylvanus mit einem ſolcher Art Menſchen gehauſet hat. Die-Hiſtoria.
ſer als ein Frembdling auff dem Berg Sina/ ſiehet daß die Bruͤder arbeite-
ten: derhalben redet er ſie an und ſagt: Warumb wircket ihr dieJoan. 6.
Speiß/ ſo da verdirbt: Maria hat den beſten Theil er-
waͤhlet; mit dieſer halt ichs/ \&c. Da dieſes der kluge Sylvanus hoͤrt/Luc. 10.
befilcht er ſeinem Juͤnger Zachariaͤ/ er ſoll ihm ein Buch geben/ auff daß er
zu leſen habe/ und fuͤhren ihn in eine leere Cell/ ſo auch geſchehen iſt. Zur
Eſſen-Zeit ſicht ſich der Frembdling umbher/ und verwundert ſich/ daß ihn
niemand zum eſſen ruffe. Nach gehaltener Mahlzeit kombt ſelbiger zum
heiligen Sylvano und ſagt: Vatter/ haben die Bruͤder nicht geſſen? Frey-
lich/ antwortet Sylvanus: warumb bin ich/ ſagt er/ dann nicht zum eſſen
geruffen worden? Weilen du/ ſagt der Alt-Vatter/ ein geiſtlicher Menſch
biſt/ und bedarffs dieſer Speiß/ darumb hat dich niemand geruffen; wir a-
ber als fleiſchliche Menſchen muͤſſen/ und derhalben arbeiten wir: du haſt den
beſten Theil erwaͤhlet; du leſeſt den gantzen Tag/ und wilſt kein fleiſchliche
Speiß annehmen. Hieruͤber iſt der Frembdling anders geſinnet worden/
und hat umb Vergebung gebetten. So hat dann/ ſagt Sylvanus/ Ma-
ria ihrer Schweſter Marthaͤ Huͤlff vonnoͤthen: dann umb Martha Wil-
len wird Maria gelobet.
9. So hoch haben die Alt-Vaͤtter die Hand-Arbeit geſchaͤtzet; daß/ wie
der heilige Hieronymus bezeugt/ keiner ohne ſelbige weder angenommen/
weder geduldet wurde. Keinem wurde der Muͤſſiggang geſtattet; ſondern
mit der Hand-Arbeit muſten ſie ſich ernehren/ und nicht allein thaͤten ſie von
dem jenigen/ was ſie mit ihrer Arbeit gewunnen/ den Frembdlingen/ den an-
kommenden Bruͤdern und Gaͤſten das Stuͤck Brod mittheilen; ſondern ſie
B b b bſchickten
[562]Die Drey und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſchickten noch einen groſſen Vorrath von Lebens- Mitteln/ in die Gegend
Libiaͤ/ allwo jederzeit ein groſſe Theurung iſt/ und in die Staͤdt hin- und
wieder/ und machten alſo dem lieben GOtt von der Frucht ihrer Haͤnden ein
vernuͤnfftliches und annehmliches Opffer. Nun verlaſſen wir dieſe Alt-Vaͤt-
ter und begeben uns zu einem neuen Vatter/ dem H. Ertz-Biſchoff Antonino.
Diſer geiſtliche Vatter und Ertz-Biſchoff kombt einsmals an einem Faſtag
bey einer Gaſſen vorbey/ und ſicht die Engeln auff dem Dach eines kleinen
verwuͤrfflichen Haͤußleins mit Verwunderung an/ gehet ins Haͤußlein/ und
findet eine arme Witwe mit dreyen Toͤchtern/ ſo alle Barfuß und uͤbel ge-
kleidet waren/ und am Spinn-Radt ſaſſen. Nachdem er ſich nun uͤber der-
ſelben Noth erkuͤndiget/ hat er ihnen eine reiche Allmuß mitgetheilt. Nicht
lang hernach kombt der heilige Mann abermahl bey dieſem Haͤußlein vor-
bey/ und ſicht/ daß an Platz der guten Engeln/ nun die boͤſe Engeln das Dach
eingenommen. Uber dieſe ſchnelle Abwechſelung wird der fromme Ertz-
Biſchoff entſetzt/ fragt der Sachen Beſchaffenheit nach/ und hoͤret/ daß
dieſe Mutter mit ihren Toͤchtern die empfangene Allm[osen] nur zu ihrer Ge-
maͤchlichkeit und guter Zier anwendeten/ und die gewoͤnliche Hand-Arbeit
verlieſſen. Dahero hat der heilige Vatter ſie freundlich ermahnet/ daß ſie
ihrer vorhin geuͤbten Hand-Arbeit wiederumb ſolten obligen/ damit an ſtatt
der Boͤſen/ die gute Engel abermahl ihre Behuͤter werden moͤgten.
10. Wie viele dergleichen und andere Exempel koͤnnte ich dir/ mein Chriſt-
liche Seel/ anhero bringen! Dieweilen ich aber der Hoffnung lebe/ daß
dich dieſe wenige vom Muͤſſiggang abſchroͤcken werden; derhalben will ich
dich anjetzo nur der Worten deß heiligen Thomæ à Kempis erinnern/ die
L. 3. c. 3. §.
3.er uͤber die faule Menſchen außgieſſet/ und ſagt: Schaͤme dich/ du
fauler und klagender Knecht/ daß die Welt- Kinder zur
Verdambnuß bereiter ſeynd/ dann du zum ewigen Leben:
ſie erfreuen ſich mehr der Vppigkeit/ dann du der War-
heit. Vmb das unwandelbare Gut/ umb den unſchaͤtzli-
chen ewigen Lohn/ umb die hoͤchſte Ehr und immerwaͤh-
rende Glory und Herrligkeit iſt man ſaumig und verdroſ-
ſen/ ja man will nicht daß allerwenigſte darumb můth
werden. Dahero ſagt auch der heilige Papſt Leo: Alle Liebhaber
dieſer Welt ſeynd in den irrdiſchen Dingen ſtarck/ und in den himmliſchen
ſchwach: dann fuͤr die zeitliche Ehren ſollen ſie biß zum Todt ſchwitzen;
fuͤr
[563]Von der Hand-Arbeit.
fuͤr die ewige Hoffnung aber werden ſie bald muͤth zuarbeiten: fuͤr den zeitli-
chen Gewin ertragen ſie all vorfallendes Unbill; umb den ewigen Lohn aber
wollen ſie nicht ein eintziges Schmaͤh- Woͤrtlein vertragen: Vor einem
weltlichen Richter moͤgen ſie einen gantzen Tag lang ſtehen; wann ſie aber
ein Stuͤndlein vor dem Herrn im Gebett ſtehen ſollen; ſo werden ſie zumah-
len ermuͤdet: ſie leiden offt Hunger und Kaͤlte umb der Ehren und Reich-
thumen willen; und plagen ſich mit der Hoffnung der jenigen Dingen durch
das Entrathen derſelbigen/ umb welche zu erwerben ſie trachten: Derhal-
ben ſeynd ſie ſo nachlaͤſſig zu ſuchen das Ewige/ dieweilen ſie vermeinen/
daß ſelbiges ſpaͤt gegeben werde. Keine Arbeit ſoll hart/ und keine Zeit ſoll
uns langwirig ſcheinen/ durch welche wir die himmliſche Glory zu erwerben
ſuchen/ ſagt der heilige Hieronymus.
11. Schließlich mercke nun/ daß/ wann du wilſt/ daß deine Arbeit
GOTT angenehm und verdienſtlich ſeyn ſoll/ du eine gute Jntention
oder Meinung voran ſchickeſt. Noch beſſer wirds ſeyn/ wann du unter
waͤrender Arbeit oͤfftere Schuß- Gebettlein deinem GOTT zuſchickeſt.
Dann alſo erinnert uns der heilige Bernardus und ſagt: Wann du zur
Arbeit kommeſt/ ſo ſoltu dein vorhabendes Werck alſo maͤſſigen/ daß die
Sorg deß Wercks/ die Meinung deines Hertzen/ von dem/ was GOtt
zugehoͤret/ nicht abwendig mache. Daß nun ſolches leichtlich geſchehen/
koͤnne/ lehrt derſelbe heilige Vatter durch dieſe Gleichnuß: Gleich wie man
derhalben die Augen nicht zuthuet/ und die Ohren vom hoͤren nicht feyren/
daß die Haͤnd arbeiten: alſo/ und ſo gar/ noch vielmehr ſoll ebenfals die Seel
auff ihr Werck bedacht ſeyn/ wann der Leib arbeitet. Dieſe guldene Lehr
hat der H. Vatter mit ſeinem ſelbſt eigenen Exempel bekraͤfftiget: zumah-Vit. L.
c. 7.
len er zur Zeit der aͤuſſerlichen Arbeit/ innerlich zu betten oder zu betrachten
pflegte ohne einige Hindernuß der aͤuſſerlichen Arbeit.
Solcher maſſen pflegten auch vorzeiten die Muͤnchen in Ægypten zu ar-Caſſ. L. 3.
Inſt. c. 2.
beiten/ daß ſie unter der Arbeit die Pſalmen zu betten/ oder zu betrachten
nicht unterlieſſen. Folge du demſelben nach/ mein Chriſtliche Seel/ ſo
viel dir moͤglich iſt; fliehe den Muͤſſiggang/ meide die eitele und muͤſſige
Reden/ krafft deren die wahre Andacht erloͤſchet/ und in dem Hertzen
der Geiſtlichen die ſchaͤdliche Lauigkeit gar leichtlich Platz findet: Befleiſſe
dich/ in deiner Cellen zu bleiben/ und mit geiſtlichen Ubungen dergeſtalt
A a a a 2zu
[564]Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche Lection
zu beſchaͤfftigen/ daß du durch eine nuͤtzliche Abwechſelung derſelbeu/
und der Hand- Arbeit/ allen guten Geſchmack zur wahren Andacht im-
mer behalten moͤgeſt.
Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der Grobheit der Suͤnden.
v. 2.
ſi acceſſerit, mordebit te.’
ſicht einer Schlangen; dann komſtu nahe hinzu/ ſo wer-
den ſie dich auffnehmen.’
1. DJeweilen wir uns der Kuͤrtze befleiſſen/ ſo wollen wir nur die
Urſachen/ warumb man die Suͤnd/ gleich wie das Angeſicht
der Schlangen meiden ſolle/ auff die Bahn bringen: ſintemah-
len alſo derſelben Boͤß- und Grobheit gnugſamb erhellen wird. So muß dann
die Todt- Suͤnd geflohen werden. Erſtens weilen ſie iſt eine Erzuͤrnung
GOTTES; wie man auß dreyen Haupt- Stuͤcken ſchlieſſen
kan. Erſtlich auß dem/ daß ſie die ſchuldige Verehrung GOttes
ſchmaͤhlere und vernichtige; und an ſtatt derſelben/ die Verehrung
der Goͤtzen- Bilder hervor bringe/ von welcher der Prophet Jſaias ſagt:
Iſai. 2. v. 8Das Land iſt iſt mit Abgoͤttern erfuͤllet/ ſie haben das
Werck ihrer Haͤnde angebetten/ daß ihre Finger gemacht
haben. Dann es iſt laͤcherlich/ ſagt der heilige Hieronymus/ daß
einer fůr einen Verehrer der falſchen Goͤtter gehalten wer-
de/ welcher zwey Koͤrniein Weirauchs der Creatur
opffert/ die er GOtt haͤtte auffopffern ſollen: und daß
der
[565]Von der Grobheit der Suͤnde.
der nicht fůr einen ſolchen Verehrer gehalten werde/ wel-
cher da den gantzen Dienſt ſeines Lebens/ den er GOtt
zu opffern ſchuldig geweſen/ der Creatur ſchencket. Ja/
der heilige Bernardus ſagt: Ein ſolcher ergrimmet wider denSerm. 3.
de Re-
ſurr.
Vrheber ſelbſt/ und/ ſo viel an ihm iſt/ toͤdtet er GOtt:
dann er wolte gaͤntzlich/ daß GOtt oder ſeine Sünden
nicht koͤnnte/ oder nicht wolte/ oder nicht wüſte zu rechnen:
ſo will er dann/ daß er nicht GOtt ſeye; dieweilen/ ſo
viel an ihm ligt/ will er daß er ſeye oder unmaͤchtig/ oder
ungerecht/ oder thoricht. Vnd was iſt daß für eine Boͤß-
heit: Zweytens daß die Suͤnd die allergroͤbſte Erzuͤrnung GOttes ſeye/
kan man klaͤrlich abnehmen auß dem/ was GOtt zum Rach der Suͤnden
gethan hat: zumahlen/ nach Zeugnuß deß H. Bonaventuraͤ kein ſo groſſes
Ubel koͤnnte er dacht werden/ daß GOtt umb der Suͤnden willen nicht ge-
wirckt hat: dann er hat wegen der Suͤnd einmahl ſchier alle ſeine Werck zer-
ſtoͤret/ nemblich die gantze Welt durch den Suͤnd - Flut. Andere Koͤnig
und Monarchen verhergen die Laͤnder ihrer Feinden/ auß Haß und Unwillen
gegen ſelbige: GOtt aber hat ſein eigen Land verdorben/ weilen die Suͤnd
in ſein Land kommen ware. Die Menſchen werffen die goͤldene oder ſil-
berne Geſchirr wegen deß verdorbenen Weins nicht ins Waſſer; ſondern
behalten die Geſchirr/ und verſchuͤtten den Wein. GOtt aber wirfft nicht
allein die Suͤnd in den Abgrund deß hoͤlliſchen Meers/ ſondern auch die Ge-
ſchirr der Suͤnden/ das iſt/ die vernuͤnfftige Creaturen/ ſo da zu deſſen
ebenbild gemacht/ und mit ſeinem theuren Blut erkaufft ſeynd. Was hatGen. 3.
annebens unſere erſte Eltern auß dem Paradeiß getrieben? Was hat ſie der
Erb- Gnaden beraubt? Und was hat ſaͤmbtliche derſelben Nachkoͤmmlin-
gen in ſothanes Verderben anders geſtuͤrtzet/ als eben die Suͤnd/ durch wel-
che der Todt in dieſe Welt geſchliechen. Was hat verurſachet/ daß der je-Rom. 5.
nige GOtt/ der ſonſten fuͤr einen Vatter der Barmhertzigkeit gehalten wird/
Feuer und Schweffel uͤber Sodomam und Gomorrham geregnet/ und die-Gen. 19.
ſe Staͤdt ſambt allen umbliegenden Landen/ Einwohnern/ und allem was
Gruͤn war auff Erden/ ſo grauſamblich verherget hat? Fuͤrwahr nichts
anders als die Suͤnd.
2. Die Suͤnd hat die Engel in Teuffel veraͤndert/ und vom hohen
Himmel in den Abgrund der Hoͤllen geworffen. Die Suͤnd hat den Koͤnig
B b b b 3Pha-
[566]Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Reg. 6.Pharaonem und deſſen gantzes Kriegs-Heer ins Meer begraben Die Suͤnd
war ein Urſach der groſſen Hungers- Noth/ in der Stadt Samaria; alwo
die Muͤtter ihre Kinder geſchlachtet und geſſen haben. Aber was halt ich
mich in Erzehlung der Suͤnden/ und deren Straffen auff ins beſonder? Mit
einem Wort kan ich mit dem heiligen Chryſoſtomo und allen andern H. H.
Vaͤttern ſagen: die Suͤnd iſt ein Urſprung alles Ubels. Auß der Suͤnd
kombt die Traurigkeit; auß der Suͤnd entſtehet die Auffruhr; und von der
Suͤnd kombt der Krieg her; die Suͤnd fuͤhrt die Kranckheitẽ und boͤſe Seuchtẽ
mit ſich; und alles/ was dem Menſchen uͤberlaͤſtig und ſchwer fallet/ hat ſei-
nen Anfang von der Suͤnde. Dahero ermahnet uns billig der Gottſelige
L. 3. c. 4.
§. 3.Thomas à Kempis und ſagt: Nichts fliehe ſo hart/ als deine ei-
gene Sůnd und Laſter; die ſollen dir mehr mißfallen/
dann aller Ding Schaden. Und daß zwarn auß rechtmaͤſſigen Ur-
ſachen: dieweilen nemblich aller Schad der zeitlichen Guͤter/ alle Kranck-
heit und ſchwaͤre Zufaͤlle/ aller Krieg und alle Widerwaͤrtigkeit ſeynd keine
Ubeln mehr/ wann ſie mit der Suͤnd verglichen werden. Dahero ſagt der
Coll. 6. c.
3.fromme Alt- Vatter Theodorus bey dem Caſſiano: Jn den menſchli-
chen Dingen iſt nicht für ein zu ſchaͤtzen/ als die Sund
allein: dann ſo dieſe uns von dem guten GOTT ſcheidet/
macht ſie uns dem boͤſen Feind gleich. Mit dieſem heiligen
Mann haltet es der erfahrne Chryſoſtomus und ſagt: Nur ein eintzige
Sach haben wir zu foͤrchten/ nemblich die Suͤnd: das uͤbrige iſt alles bey
mir nichts anders/ als ein lautere Fabel und Kinder-Spiel. Die dritte Ur-
ſach/ warumb die Suͤnd die allerhoͤchſte Erzuͤrnung GOTTES ſeye/
kan darauß abgenommen werden; dieweilen GOTT nemblich verordnet
hat/ daß die Buß der buͤſſenden Suͤnder bey ihme allzeit gelten ſolle. Zu-
De vera
\& ſal.
Pœn c. 5.mahlen kündig iſt/ ſagt der heilige Vatter Auguſtinus: Daß ihm
die Sůnden ſehr mißfallen/ der immer bereit/ ſelbige durch
die Buß zu vernichtigen. Dann wann er ſie nicht haſſete/
ſo wůrde er ſie nicht alſo ſuchen zu vertilgen. Sondern
er vernichtiget allzeit die Sůnden/ die er findet/ auff daß
unverletzt verbleibe/ was er erſchaffen hat/ und nicht ver-
derbe/ was er geliebt hat.
3. Daß andere/ ſo uns zur Meidung der Suͤnden ſoll antreiben/ iſt
dieſes; daß die Suͤnd auch die hoͤchſte Erzuͤrnung Chriſti unſeres Hey-
lands iſt/ wie der heilige Bernardus uns mit dieſen Worten zeiget: Jch/
ſagt er/ nehme ab die groͤſſe meiner Gefahr auß dem groſſen Wort der Artze-
ney/
[567]Von der Grobheit der Suͤnde.
ney/ durch welche mir iſt geholffen worden. Jch wuſte es nicht/ und
ſiehe/ da wird geſchickt der Sohn einer Jungfrauen/ der Sohn deß aller-
hoͤchſten GOttes; der wird getoͤdtet/ auff daß er mit der koſtbahren Salb
ſeines Bluts/ meine Wunden heyle. Erkenne/ O Menſch/ wie groß
die Wunden ſeynd/ umb derentwillen der eingebohrne Sohn GOttes/ nach
der Ordnung der Goͤttlichen Weißheit muß verwundet werden. Wann
dieſe dir nicht den Todt/ und zwarn den ewigen Todt verurſacheten; ſo
wuͤrde der Sohn GOttes fuͤr die Artzeney derſelben niemahl ſterben. So
iſt dann die Suͤnd eiue Urſach deß Todts deß Sohns GOttes ſelbſten. Nun
ſehe/ mein Chriſtliche Seel/ was ein groſſe Boͤßheit ſeye/ ein Tod- Suͤnd
begehen: ſintemahlen der jenige ſo da ſuͤndiget/ ſeinen Heyland abermahl
creutziget. O wie groſſes Unbill/ iſt dieſes! Jn Warheit/ eine mehr als
hoͤlliſche Undanckbarkeit. Dann der ſo groͤblich erzoͤrnet ſeinen
Heyland/ der im Himmel iſt; ſagt der heilige Auguſtinus/ der
begehet ſo groſſe Sünde/ als die jenige begangen haben/ die
ſelbigen gecreutziget haben/ da er auff Erden war. Die-Sur. in
Vita.
ſes hat Chriſtus ſelbſt der heilige Brigittaͤ zu verſtehen gegeben/ da ſie in ih-
rer Betrachtung denſelben am gantzen Leib verwundet und voller Blut be-
ſprengt/ in derſelben Geſtalt/ wie er auff dem Berg Ealvariaͤ am Creutz ge-
hangen/ zu ſehen gewuͤrdiget worden; indem er befohlen/ ſie ſolle ſeine
wunden anſchauen. Da aber dieſe Gottſelige Matron ſo trauriges
Spectacul mit weinenden Augen angeſehen/ hat ſie dem HErrn zugeſprochen
und gefragt: Ach! mein liebſter JESU/ woher haſtu anjetzt ſo grauſame
Wunden empfangen? Dar auff ſelbiger geantwortet und geſagt: Alſo
verwunden mich noch biß hier zu die Veraͤchter meiner Liebe. Und das iſt/
was der Apoſtel mit hertzlichem Seufftzer meldet: So da wiederumbHebr. c.
6. v. 6.
in Sůnde gefallen ſeynd/ dieweil ſie ihnen ſelbſt den Sohn
GOttes wiederumb creutzigen/ und ihn zum Spott ma-
chen. Dahero ſagt der H. Bonaventura: Der HEKR wirdPar. 1.
ſtim. c. 1.
mit ſeinen Wunden erſcheinen/ und wird ruffen/ Sehet ihr/
wie groſſes ich von euch/ in euch/ und für euch gelitten hab:
Vnd dannoch habt ihr/ als undanckbare Creaturen alles
verachtet/ und für nichts geſchaͤtzet: gehet hin ihr ver-
fluchte ins ewige Feuer.
4. Die Suͤnd muß man auch derhalben meiden/ weilen ſie die Seel in
die/ abſcheuligſten Dienſtbarkeit fuͤhret/ dann der Suͤndiget/ ſagt der heil.
Ambroſius/ iſt ein Selave der Suͤnde/ und/ was noch ſchlimmer iſt/ ein
Schlav
[568]Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche Lection
L. 2. de
Jacob. 3.Schlav vieler Miſſethaten. Der den Laſtern unterworffen iſt/ der hat
vieler Herren Dienſt angenommen; daß er auch kaum mag herauß kom-
men. Chryſoſtomus ſagt: O du barbariſche Suͤnd/ wie geheſt du ſo ty-
Hom. 9.
in 2. Ep.
ad Cor.ranniſch umb mit der Seelen/ die du einmahl gefangen haſt/ zum Verder-
ben der jenigen: ſo dich auffnehmen! und nicht allein das; ſondern dem
Teuffel ſelbſt muß ſich unterwerffen der ſuͤndige Menſch/ wie der heilige
In Exp.
Ep. ad
Rom.Auguſtinus ſagt: Durch die Suͤnd verkaufft ein jeder ſeine Seel dem
Teuffel/ und bekombt keine andere Bezahlung/ als die eitele Suͤſſigkeit
der zergaͤnglichen Wolluſt. Wann wir nun den Eſau fuͤr einen Narren hal-
ten/ daß er ſeine Erſt-Geburt umb ein ſchlechtes Linſen- Eſſen verkaufft/
wie viel naͤrriſcher ſoll uns dann nicht vorkommen ein ſolcher Menſch/ der
fuͤr eine augenblickliche Wolluſt nicht allein ſein Recht; ſondern auch ſich
Plutarch
in Apo-
pht: Regſelbſt verkauffet? Lyſimachus Koͤnig in Thracinen iſt wegen uͤberauß groſ-
ſen Durſts genoͤthiget worden/ ſich und ſein Reich ſeinen Feinden zu uͤberlaſ-
ſen: und nachdem er getruncken/ hat er uͤberlaut geſchriehen: O unſterbli-
cher GOtt! wie bin ich ſo ungluͤckſeelig/ daß ich mich und mein gantzes Koͤ-
nigreich fuͤr ſo geringe Ergoͤtzung verkaufft habe. Dieſes kan noch beſſer
und wahrer ſagen der arme Suͤnder/ welcher ein viel beſſeres Koͤnigreich und
ſich ſelbſt einem viel grauſamern Feind verkauffet.
5. Auch muß die Suͤnd gemeidet werden/ weilen ſie die Seel deß Men-
ſchen abſcheulicher Weiß beſudlet/ an welcher ſich die Flecken oder
Maalen deſto vollkoͤmmlicher zeigen/ wie die Seel koſtbarlicher und
ſauberer. Nichts iſt koſtbarer/ als eine Seel/ und nichts abſcheulicher/ als
Plutarch
in Vit.
Demet.die Suͤnd. Dieſes hat erkennet der Democles, welcher ein ſchoͤner Juͤngling
war; und da er ſich einsmals deß Bads gebrauchen wollen/ iſt ihm der Koͤ-
nig Demetrius gefolgt/ umb ſein boͤſen Begierden gnug zu thuen: Da
aber der keuſche Juͤngling vermerckt/ daß aller Weeg zum fliehen verſper-
ret ware/ iſt er in einen groſſen Keſſel heiſſen Waſſers geſprungen/ und hat
In ejus
Vite.alſo lieber wollen ſterben/ als ſeine Seel mit ſolcher Suͤnd beſchmitzen. Die
S. Catharina von Genua pflegte zu ſagen: Wann uns moͤglich waͤre/ daß
wir einen Menſchen/ ſo von der Gnad GOttes verlaſſen/ und mit Suͤn-
den behafftet iſt/ koͤnnten ſehen; ſo wuͤrden wir zum erſten Anblick fuͤr
Greul ſterben: dann keine Krott ſo abſcheulich iſt/ kein Schlang ſo gifftig/
kein Aeſt ſo voll Wuͤrm und Aeyter/ kein Sencke ſo kotig und ſtinckend/
und/ mit einem Wort/ nichts iſt in der Welt ſo abſcheulich/ als auch die
geringſte Todt- Suͤnd. Ja ſo gar/ wann alle Abſcheuligkeit der gantzen
Welt an einem Orth zuſammen lege; ſo wuͤrde doch die Suͤnd
mit
[569]Von der Grobheit der Suͤnden.
mit ihrer grauſamen Heßlichkeit/ allen dieſen Unflat uͤbertreffen. DaheroStani-
hurſt. in
Hiſt Chr.
Pat. ent.
c. 1. §. 11.
ro ſagt ein gewiſſer Schribent alſo: Wann einer die Grobheit auch der
geringſten Suͤnde/ und hergegen die Majeſtaͤt deß erzuͤrneten GOTTes
recht erkennen koͤnnte; er wuͤrde kein Ader am Leib haben/ die vor groſſem
Leyd nicht zerſpruͤnge; er wuͤrde am gantzen Leib Blut ſchwitzen/ alle Haar
wuͤrden ihm fuͤr Grauſen zu Berg ſtehen/ er wuͤrde in Ohnmacht fallen/
das Hertz wuͤrde ſich zerſpalten/ die Bruſt zerbarſten/ und die Ribben am
Leib zerbrechen: endlich wuͤrde er all dieſes Leydweſen fuͤr Ungedult nicht er-
tragen koͤnnen/ und fallen alſo urploͤtzlich dahin und ſterben. 6. Ein ſol-
ches Greuel iſt die Suͤnd: derhalben hat Chriſtus/ ob er ſchon alles Unbill/
Schmach und Gottslaͤſterungen gedultiglich uͤberſtanden: gleichwohl denJoan. 8.
46.
Tom. 3.
in Evang
L. 18.
Argwohn der Suͤnde uͤber ſich nicht leyden wollen; ſondern ſagte: Wer
iſt unter euch/ der mich einer Sünde halben kan beſchul-
digen: Dieweilen ein gerechter Mann/ ſagt Boetius/
nicht ſo hoch empfindet/ wann man ihm vorwirfft/ daß
er den Teuffel bey ſich habe; als wann man ſagt/ er ſeye
mit Sůnden behafftet: Zumahlen deren eintzige viel
ſchroͤcklicher iſt/ als alle Teuffel der Hoͤllen. DaheroSur/ in
Vita.
foͤrchtete der heilige Chryſoſtomus nichts/ als die Suͤnd allein: daß alſo
ein Hoͤffling deſſelben/ der Kayſerin Eudoxiaͤ/ welche dem Heil. Ertz-
Biſchoff ungerechtfertiger weiß heimlich nachſtellete/ gerathen/ ſie ſolte keine
Muͤhe anwenden ſelbigen zu verfolgen; dann Chryſoſtomus/ ſagt er/ foͤrch-
tet ſich nur fuͤr der Suͤnd allein. Auch wolte der tapffere Eleazarus ein2. Mac. 6.
neuntzig jaͤhriger Mann und der fuͤrnehmſte der Schrifft- Gelehrten lieber
in die Hoͤll ſelbſten geſtuͤrtzet werden/ als in eineintzige Ubertrettung deß Ge-
ſetz verwilligen. Dieſer Meinung iſt auch geweſen der heilige Biſchoff
Anſelmus/ daß er pflegte zu ſagen: Wann ich an einer Seiten den GreulSur. in
Vita.
der Suͤnde/ und an der andern die Schmertzen der Hoͤllen/ mit einem leib-
lichen Aug ſehen koͤnnte; und eines von beyden erwaͤhlen muͤſte; ſo wolt
ich ehender die Hoͤll/ als die Suͤnd erwaͤhlen: Jch wolte lieber rein von
Suͤnden zur Hoͤllen gehen/ als mit Suͤnden beſudlet/ den Himmel beſitzen.
Nicht weniger hat auch die Boͤßheit der Suͤnden erkennet der heilige Jgna-
tius Lojola: dahera als ihm einsmahls vorgeworffen wurde/ daß er die Ar-
beit umb das leichtſertige Frauen - Zimmer zu bekehren/ umbſonſt
anwendete; dieweilen ſie gar leicht zu ihrem vorigen Leben pflegen
widerkehren: gabe der heilige Mann zur Antwort: Jch wende
dieſe meine Muͤhe nicht umbſonſt an: ſondern/ wann ich mit aller
C c c cmei-
[570]Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche Lection
meiner Arbeit und Sorge meines gantzen Lebens nur dieſes außrichten kan;
das deren eine auch nur ein eintzige Nacht ſich von Suͤnden enthalte/ ſo
will ich alle meine Kraͤfften anwenden/ daß auch in ſo geringer Zeit GOtt
nicht beleidiget werde.
4. Wann nun dieſes alles zu Vermeidung der Suͤnden noch nicht heff-
ten will; ſo ſollen uns doch die grauſame Tormenten der Hoͤllen/ als die ge-
buhrliche und unaußbleibliche Straff derſelben/ davon abhalten. Wer
ſolte wohl ſo naͤrriſch ſeyn/ daß er ſich auch umb ein gantzes Koͤnigreich ei-
nen Tag lang in einem feurigen Ofen braten lieſſe? und wir ſeynd ſo vee-
blente Haubt- Narren/ daß wir lieber wollen die grimmigſte und unertrtraͤg-
ligſte Peynen der ewigen Verdamnuß uns auff den Hals laden/ als die Ge-
fahr und Gelegenheit der Suͤnden/ eine nichtswertige/ augenblickliche/
ſtinckende und abgeſchmackte Wolluſt; einen/ mtt recht und unrecht zuſam-
men geſcharreten Geld- Schatz/ und dergleichen klebende Freuden verlaſ-
ſen. Werff von dir/ mein Chriſtliche Seel/ ſo weit du kanſt/ alles
was ſuͤndhafft iſt/ damit dir nicht widerfahre/ was von den gottloſen Ba-
c. 18.bylonitern der heilige Joannes in ſeiner Offenbahrung geſehen. Ein
ſtarcker Engel/ ſagt er/ hub einen Stein auff/ als einen
groſſen Mühl-Stein/ und warff ihn ins Meer (ins hoͤl-
liſche Meer) und ſprach: mit ſolchem Sturm wird die groſ-
ſe Stadt Babylon (der Suͤnder) hinweg geworffen wer-
den/ und man wird ſie hinforder nicht mehr finden als
in der Hoͤllen. Der Muͤhlſtein iſt die Todt- Suͤnd/ der Engel iſt
der Vollbringer der Goͤttlichen Gerechtigkeit/ das Meer iſt die Hoͤll/ Ba-
bylon iſt die Seel/ ſo da mit ihren Suͤnden/ gleich einem Muͤhl-Stein
beſchwaͤhret/ in dem Abgrund deß Verderbens geſtuͤrtzet wird: allwo ſie
ohne End/ wie ein Feuer-Brand/ der immer brennet/ und memahlen ver-
brennet/ in der ewigen Brunſt/ und ſtetem Rauch allzeit wird brennen/ und
doch niemahl verbrennen. Dieſes iſt von der Todt- Suͤnd geredet: nun-
mehr glangen wir auch zur laͤßlichen Suͤnde.
8. Wiſſe dann/ mein Chriſtliche Seel/ daß die laͤßliche Suͤnd das
hoͤchſte Ubel ſeye nach der Todt-Suͤnd; und daß ſelbige der Seelen groͤſ-
ſeren Schaden zufuͤgen/ dann alle Kranckheiten dem Leib immer
thuen koͤnnen. Darumb ſagte die heilige Thereſia: Wolte GOtt!
25.das wir foͤrchteten/ was wir fuͤrchten ſolten/ und koͤnnten erkennen/ daß
ein
[571]Von der Grobheit der Suͤnden.
ein groͤſſeres Ubel von einer laͤßlichen Suͤnden entſtehe/ als von der gantzen
Hoͤllen ſich erreignen moͤge: da doch dieſes die warhaffte Warheit ſelbſten
iſt. Weiters wird die Grobheit der laͤßlichen Suͤnde mit dieſen Farben ent-
worffen: Es war umb den Menſchen geſchehen/ er ware deß Todts ſchul-Stani-
hurſt.
Loc. cit.
c. 3. §. 1.
dig/ ein Kind der Hoͤllen/ wann ſchon alle Macht der Welt waͤre zuſam-
men geſchmiedet geweſen: wann ſchon alle Menſchen all ihr Blut
vergoſſen haͤtten: wann ſchon alle Thier der Erden dem Allmaͤch-
tigen GOtt zum Opffer waͤren geſchlachtet worden: wann ſchon alle En-
gel waͤren Menſchen worden/ und ein jeder waͤre tauſendmahl geſtorben
fuͤr die Gnug- Thnung oder Außtilgung einer eintzigen laͤßlichen Suͤnd:
wann ſchon ein jeder auß ihnen mehr Gnaden und Heyligkeit gehabt haͤtte/
als alle Auſſerwaͤhlte zugleich/ ſo da geweſen ſeynd/ und werden ſeyn; ſo haͤt-
ten ſie jedoch (die Verdienſten Chriſti außgenommen) den/ durch ein ein-
tzige laͤßliche Suͤnd erzuͤrneten GOtt nicht verſoͤhnen koͤnnen/ weder hetten
uns auch ein eintziges Troͤfflein Waſſer (daß der Reiche Braſſart vom
Lazaro begehret) verdienen moͤgen. Die heilige Mutter Thereſia iſt eins-
mahls gewuͤrdiget worden/ den HErren JEſum als einen Richter/ ſo mit
einem hellſcheinenden Licht umbgeben geweſen/ und derſelben einige laͤßliche
Suͤnden gezeiget hat/ mit ihren leiblichen Augen zu ſehen; iſt aber ob dieſem
Geſicht dermaſſen beſchaͤmbt worden/ daß ſie ſich alsbald vor den Goͤttlichen
Augen verbergen muͤſſen; und hat vermeinet/ die Peynen der Hoͤllen wuͤrden
einem leichter zu tragen fallen/ als eine ſolche Beſchaͤhmung laͤnger zu ge-
dulden. Worauß dann fuͤglich zu ermeſſen iſt/ daß eine laͤßliche Suͤnd das
groͤſte Ubel ſeye nach der Todt- Suͤnd/ und daß man billig lieber tauſend-
mahl ſterben ſolle/ auch Himmel und Erd ehender laſſen vernichtiget wer-
den/ als eine ſolche Suͤnd begehen: Dahero ſagen die H. H. Vaͤtter/ daß
die allerſeeligſte Jungfrau Maria ihren liebſten Sohn lieber mit ihren
eigenen Haͤnden wuͤrde getoͤdtet haben/ als einmahl laͤßlich ſuͤndigen Sehen
wir nun an die Straff der laͤßlichen Suͤnde; daß ſelbige nemblich eine groͤſ-
ſere Straff verdiene/ und auch mit harteren Straff gezuͤchtiget werde/ als
die gantze Welt immer erdencken koͤnnte/ ſo ſollen wir uns ja nicht verwun-
dern/ daß dieſes Verbrechen von GOtt ſehr hoch empfunden werde:
dann ſo du ſehen wuͤrdeſt/ daß dieſes oder jenes Koͤnigs oder Fuͤrſten
werteſte Gemahlin von ſelbigem in einen feurigen Ofen gewoffen wuͤrde/
du ſolteſt dir in warheit anders nicht einbilden/ als daß ſelbige ein ſehr gro-
bes Laſter muͤſſe begangen haben. Wann die laͤßliche Suͤnd kein ſo gro-
C c c c 2ſes
[572]Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſes Ubel in den Augen GOttes waͤre/ ſo wuͤrde der milde und barmhertzige
GOtt ſein Schwerd uͤber ſelbige nicht ſo grauſamblich zucken; wie du in
der Lection von dem Feg- Feuer mit mehrerem zu ſehen haſt. Daß aber ſel-
bige in dieſer Welt/ auch an den liebſten und frommeſten Diener GOttes
ſcharff hergenommen werden/ kanſtu auß dem Moyſe und Aaron abnehmen;
welche mit dem Goͤttlichen Himmels- Herrſcher in ſolche Freund- und Ge-
Num. 12.meinſchafft geraten waren/ daß er von dem er ſten ſagte: Mein Knecht
Moyſes/ der in meinem gantzen Hauß der allergetreuſte
iſt; ich rede mit ihm von Mund zu Mund/\&c. Den andern
hatte GOtt als einen Fuͤrſten uͤber die Prieſter/ einen Dollmetſcher oder
Außleger deß Geſetz/ und Werck- Zeug aller ſeiner Wunder - Werck ver-
ordnet: nichts deſto weniger iſt GOtt wegen eines gar geringen Verbrechen
dergeſtalt uͤber ſelbige entruͤſtet worden/ daß er ſie deß ſo lang gelobten und
koſtbaren Lands nicht hat wollen theilhafftig machen. Die Suͤnd aber war
dieſe: Das Volck litte Mangel an Waſſer in der Wuͤſten/ und ware auch
kein Mittel/ den Durſt zu loͤſchen vorhanden: Dahero hat ſich GOtt er-
Num. 12.barmet/ und alſo mit Moyſe geredet: Nimb die Ruthe/ und ver-
ſammle das Volck/ du und Aaron dein Bruder: und re-
det zu den Felſen vor ihren Augen/ ſo wird er Waſſer ge-
ben: und wann du Waſſer auß dem Felſen gezogen haſt/
ſo ſoll die gantze Menge ſambt ihrem Viehe trincken. Alſo
iſt geſchehen: Moyſes hat die Ruthe genommen/ und zu der vor dem Felſen
ſtehenden Schaar deß Volcks geſagt: Hoͤrt ihr Widerſpennige und Klein-
Glaubige: ſollen wir euch wohl auß dieſem Felſen Waſſer ziehen koͤnnen?
Da nun Moyſes die Hand erhoben/ und den Felſen zweymahl mit der
Ruthen geſchlagen/ iſt ſehr viel Waſſer kommen/ alſo hat daß Volck getrun-
cken/ \&c. Da hat ſich nun GOtt zu dem Moyſes und Aaron gewendet/
ſelbige dieſer Geſtalt beſtrafft und geſagt: Dieweil ihr mir nicht ge-
Num. 20.glaubt habt/ daß ihr mich geheiliget haͤttet vor den
Kindern Jſrael; ſollet ihr auch das Volck in das Land
nicht fuͤhren/ daß ich ihnen geben will. Wann nun der
Richter ſelbſt von keiner Schuld außtruͤcklich meldet/ wer wolte ſie dann
ſonſt haben finden moͤgen? Ob wohl wir aber anjetzo einigen Fehler er-
kennen/ ſo koͤnnen wir denſelben doch kanm mercken. Viele und ver-
ſchiedene Urtheil ſeynd hieruͤber ergangen; und weilen dieſes Verbrechen
ſehr gering iſt; ſo braucht man zu Unterſuchung deſſelben ein ſehr ſcharf-
fes
[573]Von der Grobheit der Suͤnde.
fes Geſicht. Die Fuͤrnembſte vermeinen das einige Schwachheit im
Glauben bey denen zweyen Bruͤdern geweſen ſeye; nicht daß ſie an der
Macht GOTTes Zweiffel haͤtten; ſondern/ daß ſie in Anſehung der
Hartnaͤckigkeit deß Volcks/ zwiſchen Forcht und Hoffnung geſtanden/
es moͤgte villeicht GOTT ein ſolche Wohlthat zu erzeigen/ ſich wei-
gern. Derhalben hat er die Kinder Jſrael in dieſem ſeinem Zweiffel al-
ſo angeredet: Hoͤrt/ Jhr Rebellen und Klein-Glaubi-
ge: ſollen wir euch wohl auß dieſem Felſen Waſſer zie-
hen koͤnnen: Dieſer Meinung iſt das groſſe Kirchen - Licht derS. P. Aug.
in q. vet.
Teſtam.
heilige Auguſtinus und mit ſelbigem der heilige Jſidorus/ wie auch
die Gloſſa Ordinaria und andere. Wegen dieſer kleinen laͤßlichen
Suͤnd hat GOtt dermaſſen uͤber ſeine Diener gezuͤrnet; das Moyſes
mit allem ſeinem Gebett/ krafft deſſen er dem Volck ſo oͤfftere Nach-
laß bey ſeinem GOTT erhalten hatte/ denſelben gleichwohl fuͤr ſich
zur Abwendung der gedreueten Straff nicht bewegen koͤnnen: dann
da er das gluͤckſeelige und fruchtbare Land von weitem betrachtet/ hat
er GOTT Fuß-faͤllig gebetten/ Er moͤgte ihn doch erlauben/ daß
er alle Laͤnder/ ſo jenſeit deß Jordans gelegen waren/ mit ſeinen Au-
gen Beſchauen moͤgte. Der HERR aber iſt uͤber ihn erzuͤrnet ge-
weſen/ und hat ihn nicht erhoͤret; ſondern hat geſagt: Laß dirsDeut. [3].
v. 26.
gnug ſeyn/ und ſage mir von der Sachen hinforder
nicht mehr.
Dieſes eintzige Bey - Spiel beweiſet gnug/ wie hoͤchlich der All-
maͤchtige GOTT durch ein eintzige laͤßliche Suͤnd beleidiget wer-
de. Dieſerthalben iſt auch der gute David durch Erlegung ſieben-
zig tauſend Menſchen von GOTT gezuͤchtiget worden/ daß er ſein
Volck hat zehlen laſſen; und alſo (wie die meiſte Gelehrte vermei-
nen) nur laͤßlich geſuͤndiget. Wann dann GOTT ſo ſcharff ver-
fahret mit ſeinen geheimbſten Freunden/ wer will dann doͤrffen ſagen/
daß die laͤßliche Suͤnd wenig zu achten ſeye? Alphonſus Rodriquez
ein Ley-Bruder auß der Societet JESU und heiliger Mann
wurde einsmahls von Chriſto und dem heiligen Franciſco gefragt;
warumb er weine? Gab aber zur Antwort und ſagte: Solte ich
nicht weinen/ da ich die Grobheit meiner Suͤnden erkenne/ und
verſichert bin/ daß auch eine eintzige von meinen laͤßlichen Suͤnden
C c c c 3ver-
[574]Die Vier und Viertzigſte Geiſtliche Lection
verdiene daß ſie alle ihr Lebtag beweinet werde. Jm uͤbrigen/ ob
ſchon die laͤßliche Suͤnden die Seel deß Menſchen von GOTT
nicht abwendig machen/ wie die Todt-Suͤnden; ſo iſt doch auſſer
allem [Zw]eiffel/ daß ſelbige mit unſer groſſen Gefahr/ zur Todt-
De Decẽ
chordis.Sind uns bequemen/ wann wir ſie mit allem Fleiß zu verhuͤten nicht
trachten; wie uns der heilige Auguſtinus krafft dieſen Worten er-
mahnet: Achtet nicht gering die laͤßliche Suͤnden/ dieweilen ſi klein
ſeynd: ſondern foͤrchtet ſie/ weilen derſelben viel ſeynd: Dann auch
kleine Thierlein/ wann deren viel ſeynd/ koͤnnen ein groſſes toͤdten.
Seynd nicht die Sand-Koͤrnlein ſehr klein? Mit dieſen Koͤrnlein
aber kan auch ein groſſes Schiff zu Grund geſencket werden/ wann
derſelben viel ſeynd. Fuͤllen nicht die kleine Regen-Troͤpfflein Fluͤß
und Baͤche an/ und werffen alſo auch groſſe Haͤuſer zu Boden? So
ſoll man dann foͤrchten die Vielheit/ wann ſchon wenig ſchaden kan
die Groͤſſe. Nun haſtu/ mein Chriſtliche Seel/ zum theil gehoͤ-
ret/ was groſſes Unbill deinem GOTT und HERRN durch die
todt- und laͤßliche Suͤnde widerfahre: Derhalbe verlaͤngere nicht/
denſelben umb Vergebung zu erſuchen/ und mache dir einen ſtarcken
Vorſatz/ lieber tauſendmahl zu ſterben/ als auch die ge-
ringſte laͤßliche Suͤnd wiſſentlich und
auffſetzlich zu begehen.
Die
[575]
Die Fuͤnff und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der Forcht GOTTES.
Si non in Timore Domini tenueris te inſtanter, citòEccl. 27.
v. 4.
ſubvertetur Domus tua.
deß HERRN/ ſo wird dein Hauß bald umbge-
kehret werden.’
1. DJe Forcht deß HErrn wird alſo entworffen/ daß ſie nemblich
ſeye das jenige/ krafft deſſen der Menſch foͤrchtet/ er ſolte
GOtt erzuͤrnen. Die Natur und Eigenſchafft derſelben be-
ſchreibt der fromme Tobias/ da er ſeinem Sohn unter andern auch dieſes
heylſame Lehr-Stuck hinterlaſſet/ und ſagt: Habe GOTT in dei-Tob. 4.
v. 6.
nem Hertzen alle die Tage deines Lebens/ und hůte
dich/ daß du nimmer in die Süude verwilligeſt/ und
unterlaſſeſt die Gebott deß HErrn unſeres GOTTes.
Nun wird die Forcht zertheilet in eine knechtliche Forcht/ in eine mindlings
Forcht/ und in eine kindliche Forcht. Die knechtliche Forcht iſt/ wann der
Menſch foͤrchtet GOtt zu erzuͤrnen/ wegen der Straff/ mit welcher er die
Suͤnd zuͤchtiget: von dero in ſeinem hundert und Achtzehnten Pſalmen der
David meldet/ in dem er alſo bettet: Durchſtich mein Fleiſch mitv. 120.
mit deiner Forcht; dann ich hab mich gefoͤrchtet für dei-
nen Rechten. Die mindlings Forcht iſt/ wann der Menſch auß
Hoffnung deß von GOtt verſprochenen Lohns/ ſich von Suͤnden enthal-
tet: krafft dieſer Forcht bekennet der obgemeldte David/ daß er ſeye beweget
worden/ die Gebott GOttes zu halten: Mein Hertz/ ſagt er/ hab
ich geneiget/ deine Satzungen ewiglich zu halten umb
der
[576]Die Fuͤnff und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Coll. 11.
c. 13.der Belohnung willen. Die kindliche Forcht iſt/ ſagt Caſſianus/
welche nicht durch den Schroͤcken der Straff/ weder durch die Begierd der
Belohnung; ſondern durch ein wahre auffrichtige Liebe verurſachet wird:
das iſt/ wann oder ein Sohn ſeinen guͤtigen Vatter/ oder ein Bruder ſei-
nen Bruder/ oder ein Freund den andern mit ſorgfaͤltiger Affection ehr-
bietſamblig foͤrchtet. Obwohlen aber die zwey erſte Forchten nicht voll-
kommen ſeynd; ſo muͤſſen ſie dannoch als unnuͤtzliche Forchten nicht ver-
nachlaͤſſiget werden; dieweilen ſie ein gutes Abſehen haben/ nemblich den
Nutzen deß foͤrchtenden Menſchen; und auch ſehr gute Fruchten bringen/
in dem ſie den Menſchen von der Suͤnd abhalten/ und demſelben den Weeg
zur Gerechtigkeit und Liebe bereiten; wie neben andern der obgedachte Caſ-
Coll. 11.
c. 8.ſianus mit dieſen außtruͤcklichen Worten gelehret: Dieß iſt ein Staffel ei-
niger Vollkommenheit/ daß/ ſo wir/ oder oder auß Forcht der Straff/ oder
auß Hoffnung deß Lohns die Suͤnden zu meiden anfangen/ nachmahlen
zum hoͤchſten Grad der Liebe bequemlich ſchreiten moͤgen. Wir thun aber
wohl daran/ daß wir mit dieſer Forcht nicht zufrieden ſeynd; ſondern uns
bemuͤhen/ ſo viel moͤglich iſt/ die kindliche Liebe zu erwerben.
2. Weilen nun dieſem alſo iſt; ſo wollen wir die Nutzbarkeit der kindlichen
Forcht ſonderbahr erklaͤren/ auff daß ein jeder dieſe Tugend zu Befoͤrde-
rung ſeines geiſtlichen Fortgangs reifflich behertzigen moͤge. So viel erſt-
lich die Verſuchungen angehet/ iſt gewiß/ daß ſelbige Vermoͤg dieſer Forcht
gar leicht koͤnnen vernichtiget werden: und ſolſtu ſchon mitten im Feuer ſte-
hen/ ſo wirſtu doch unverletzt darvon kommen: dieß ſpricht und verſpricht dir
Eccl. 33.
v. 1.der Weyſe Mann mit dieſen Worten: Wer den HErrn foͤrchtet/
dem wird nicht boͤſes begegnen/ ſondern GOtt wird ihn in
der Anfechtung erhalten/ und erloͤſen vom Boͤſen. Dann
gleich wie ein wohl-eingewurtzelter Eichbaum allen Sturm-Winden zu wi-
der ſtehen beſtand iſt; alſo wird auch der allergrauſambſte Wirbel-Wind der
Verſuchungen die Seel nicht zu Boden werffen/ ſo da in der Forcht GOt-
tes gegruͤndet iſt. Eben dieſes ſagt der H. Chryſoſtomus/ und gibt deſſen
L. 1. Mor.
c. 13.Reden der H. Gregorius ſolche Antwort: Dann/ ſagt er/ ein anders iſt
die Forcht auff dem Weeg GOttes/ und ein anders die Forcht auff dem
Weeg der Welt: dann die Forcht auff dem Weeg der Welt ver-
urſachet eine Schwachheit/ die Forcht aber auff dem Weeg GOttes
bringt eine Staͤrcke. Hergegen auff dem Weeg der Welt verurſachet die Kuͤn-
heit eine Staͤrcke: auff dem Weeg GOttes aber bringt die Kuͤnheit
Serm. 44.
ſup. Cant.eine Schwachheit. Dieſe Forcht befilcht uns an der heilige Bernardus/
und ſagt: Jch habs in der Warheit erfahren/ daß nichts ſo
kraͤff-
[577]Von der Forcht GOttes.
kraͤfftig ſeye/ die Gnad zu erwerben/ zu behalten/ und
zu erobern; als wann du jederzeit vor GOtt ein ſol-
cher gefunden werdeſt/ der ſich in ſeinem Sinn nicht er-
hebt/ ſondern foͤrchtet. Auch ſagt der heilige Chryſoſtomus: WannTom. 5.
Bibl. S. S.
P P. c. 17.
wir die Forcht GOtres haben/ ſo haben wir weiter nichts
vonnoͤthen: haben wir aber dieſelbe nicht/ ſo ſeynd wir
die allerarmbſte/ wann wir ſchon das Reich ſelbſten be-
ſitzen. Und dieſes lehret uns die heilige Schrifft mit außtruͤcklichen
Worten: dann Salomon ſagt: Seelig iſt der Menſch/ der all-c. 28. v. 14
zeit forchtſamb iſt. Wann dann ein ſolcher ſeelig iſt/ ſo hat er nichts
noͤthig: zumahlen die Seeligkeit den Uberfluß aller Guͤter mit ſich bringt.
Ein ſolcher aber muß gluͤckſelig geſchaͤtzet werden; dieweiln er fuͤr andern die
Barmhertzigk. verdienet/ nach Zeugnuß deß Koͤnigl. Prophetẽ/ der da ſpricht:
Wie ſich ein Vatter erbarmet über ſeine Kinder/ alſo er-Pſ. 102. v.
13.
barmet ſich der HErr über die/ die ihn foͤrchten. Diewei-
len ſie in allen ihren Bitten leichtlich werden erhoͤrt werden: Wie er weiters
bezeugt mit dieſen Worten: Der HErr wird denen ihren Wil-Pſal. 144.
v. 19.
len thun/ die ihn foͤrchten/ und wird ihr Flehen erhoͤren:
ſintemahlen ſelbige einen gluͤckſeeligen Todt zu gewarten haben; wie der
Weyſe Mann ſagt: Wer den HErrn foͤrchtet dem wirdsEccl. 1. v.
13.
wohl gehen am letzten.
3. Daß wir aber ohne Forcht nichts ſeyen/ haben wir auß demſelben
Weyſen Mann oben gehoͤret/ da er ſprach: Wirſtu dich nicht in-Ecci. 27.
ſtaͤndig halten in der Forcht deß HErrn/ ſo wird dein
Hauß bald umbgekehrt werden. Das iſt/ ohne die Forcht wirſtu
in allerhand Suͤnde fallen/ und in der Gnade nicht lang ſtehen koͤnnen: Da-
hero ſagt recht der heilige Bernardus: Das gantze Gebaͤu der Tu-
genten fangt an zufallen/ wann du die Vnterſtůtzung der
Forcht GOttes hinweg nimbſt. Und der H. Gregorius iſt der
Meinung/ daß daſelbſt kein Heyl ſeye/ alwo keine Forcht zu finden iſt. So
bleibſt dann veſtgeſtellt/ daß der jenige der armbſte Menſch ſeye/ dem die
Forcht GOttes manglet/ dieweiln ſelbiger kein Gnad hat/ und folgends kein
Heyl zu gewarten hat; Was aber der Menſch ohne dieſes immer beſitzen
mag/ iſt alles ein lauteres Nichts/ und wann er ſchon die gantze Welt
haͤtte. Dann was nutzet es einem Menſchen/ ſagt Chriſtus/
wann er die gantze Welt gewůnne/ aber Schaden litte
an ſeiner Seelen: Wer ſonſten GOtt liebet/ ſagt der H. Gregorius/ der
D d d dver-
[578]Die Fuͤnff und Viertzigſte Geiſtliche Lection
verabſaumet nichts: die Forcht GOttes beſtehet darin/ daß der Menſch
von dem Guten/ daß er zu uͤben ſchuldig iſt/ nichts unterlaſſe.
4. Nun werden wir durch ſo vielerley Sporen zu dieſer heylſamen Forcht
angetrieben/ daß es Fuͤrwahr billig zu verwundern iſt/ daß nicht allein ſo
viele Weltliche/ ſondern auch ein ſo groſſe Anzahl der Geiſtlichen und
Ordens- Leuthen gefunden werden/ ſo da ohne einige Forcht/ nicht anders
dahin leben/ als wann ſie faſt ihrer Seeligkeit verſichert waͤren. So-
thane Blindheit aber entſtehet daher/ daß ſie die Urſachen/ warumb ſie billig
foͤrchten ſolten/ gar ſelten bedencken; und alſo gehen ſie ohne Forcht mit
Freuden zur Hoͤllen zu. Damit dich aber/ mein Chriſtliche Seel/ der
guͤtige GOtt fuͤr ſolcher Reiſe behuͤte; ſo uͤberlege mit mir die Beweg-
nuſſen/ welche einem jeden Chriſt-liebenden Menſchen die heylſame Forcht
zu erwerben bequem ſeynd: und zwar erſtlich ſehe an die groſſe Schwachheit
und Bloͤdigkeit der armen Menſchen; die unzahlbare Gefahren/ die Ge-
faͤhrliche Strick/ und immerwehrende Nachſtellungen/ mit denen unſer
menſchliches Leben zumahlen erfuͤllet iſt/ und dergeſtalt erfuͤllet/ daß wenige
denen von unſern Feinden gelegten Fall-Stricken entgehen moͤgen. War
nicht der beruͤhmte Koͤnig David ein heiliger und GOtt-gefaͤlliger Mann?
Hatte deſſen Sohn der Salomon an Weiß- und Klugheit ſeines Gleichen?
War nicht der maͤchtige Samſon ein Richter uͤber die Kinder Jſrael/ und
muſte nicht demſelben ein jeder an Saͤrcke weichen? Dieſe ſeynd aber alle
ſehr ſchaͤndlich gefallen. O wie viele haben in den Wuͤſten und Einſamb-
keiten viele Jahr lang ein mehr Engliſch als menſchliches Leben gefuͤhret/
und ſeynd dannoch durch die Strick ihrer Feinden gefaͤſſelt worden/ und ewig
zu Grund gangen/ dieweilen ſie den offt widerholten Spruch deß Weyſen
Manns nicht beobachtet haben! Wirſtu dich nicht beſtaͤndig hal-
ten in der Forcht deß HErrn/ ſo wird dein Hauß bald um-
gekehret werden. Sie haben nicht mit Forcht und Zittern/ wie der
Apoſtel Paulus ihnen gerathen/ ihr Heyl gewircket/ ſondern ſich auff ihre
eigene Kraͤfften zu viel verlaſſen/ derhalben ſeynd ſie erbaͤrmlich gefallen.
Wann einer ſeinen Willen dem Goͤttlichen auch alſo gleichfoͤrmig machen
wuͤrde/ daß ihn GOtt/ wie einen andern David lobete/ und ſagte; Die-
ſer iſt ein Mann nach meinem Hertzen: Wann einer in ſolcher
Gedult und Einfalt lebte/ daß er mit dem frommen Job zu hoͤren verdiente:
Job. 1.Es war ein auffrichtiger und einfaͤltiger Mann/ der
der foͤrchtete GOTT und enthielte ſich von allem Boͤſen/
und ſeines gleichen iſt nicht auff Erden. Wann einer ſo groſ-
ſen
[579]Von der Forcht GOttes.
ſen Glauben haͤtte/ daß er mit dem Evangeliſchen Hauptman von ChriſtoM atth. 8
gelobt/ und zu hoͤren gewuͤrdiget wuͤrde: Jch hab ſo groſſen Glau-
ben nicht gefunden in Jſrael. Wann einer ſo unſtraͤffliches Le-
ben fuͤhrete/ daß ihn der Heyland mit dem Lob verehrete/ daß er den Nata-
nael gegeben und geſagt hat: Siehe der iſt warhafftig ein
Jſraeliter/ in welchem kein Betrug iſt. Endlich/ wann einer
fuͤr die Ehr GOttes und Außbreitung deß Glaubens ſo eifferig waͤre/ ſo
gearbeitet haͤtte/ und ein auſſerwaͤltes Gefaͤß von GOtt ſelbſt genennet wuͤr-
de/ wie Paulus. Und/ mit einem Wort/ wann er ſo vollkommen und
gerecht waͤre/ wie der heilige Joannes der Taͤuffer/ daß er alle/ ſo von den
Weibern gebohren/ an Heiligkeit uͤbertreffe; ſo kan er doch von der Forcht
nicht außgeſchloſſen werden; dann ob er ſchon allen den gemeldten Lob ver-
dienet haͤtte/ ſo hat er dannoch Urſach ſich zu foͤrchten; zumahlen der jeni-
ge/ ſo da vermeint/ er ſtehe/ nach Meynung deß Apoſtels/ ſolle zuſehen/ daß
er nicht falle. Dahero ſagt der fromme und erfahrne Job: Siehe/ die4. v. 18.
ihm dienen/ ſeynd nicht beſtaͤndig/ und in ſeinen Engeln
hat er Boͤßheit gefunden: wie viel mehr die jenige/ wel-
che in Leymen Haͤuſſern wohnen.
5. Haben nun dieſe ſich zu foͤrchten/ welche auch alle die vorbenente Eh-
ren Titulen verdienet haͤtten; wie viel wichterige Urſach haben dann nicht
in Forcht zu leben die jenige/ ſo da mit den Stricken allerhand Suͤnden umb-
geben ſeynd/ und immer in groſſer Gefahr ihres Heyls ſchweben? O
Blindheit! Wir wiſſen/ daß viele beruffen ſeynd/ aber wenig werden auß-
erwaͤhlet werden; wir wiſſen daß die ewige Warheit nicht liegen kan; und
daß nicht alle/ die da HErr/ HErr/ ſagen/ werden zum Himmel eingelaſ-
ſen werden; und gleichwohl leben wir in ſo gar geringer Forcht daher/ als
wann ſothane Warheiten uns zum wenigſten geſagt waͤren. Dieß iſt das
erſte Bedencken. Zum andern bedencke/ mein Chriſtliche Seel/ daß der
Menſch auffs wenigſt ohne laͤßliche Suͤnd kaum leben koͤnne. Wie groß
und ſchwaͤr aber ein eintzige der gleichen Suͤnde ſeye/ das haſtu in voriger
Lection vernommen. Es ſagt der Heil. Geiſt durch den Mund deß aller-
weiſeſten Salomon: Sey nicht ohne Forcht der vergebenenEccl. 5. 5.
Sünde halben; und du foͤrchteſt dich nicht fuͤr den Suͤnden/ fuͤr welche
du oder geringe/ oder gar keine Buß gethan haſt? Sollen uns nicht in Forcht
ſetzen die Suͤnden ſo wir taͤglich und immerfort begehen durch Gedancken/
durch Unwiſſenheit/ durch Vergeſſenheit/ durch Noth/ durch den Willen/Serm. 4.
de jejun.
durch einſchleichen/ durch die Traͤum/ \&c.Nicht leichtlich/ ſagt
der heilige Papſt Leo/ kombt ein Soldat in einem
D d d d 2hitzi-
[580]Die Fuͤnff und Viertzigſte Geiſtliche Lection
hitzigeu Treffen ohne Wunden darvon/ wann er ſchon
eben nicht allzeit das Leben laſſet. Ob wohl wir nun ohne die-
ſe Suͤnden insgeſambt krafft der gewoͤhnlichen Gnad nicht leben koͤnnen;
ſo ſeynd wir derhalben doch nicht ohne Schuld [:] dieweilen wir mit der Gna-
de GOttes koͤnnen meiden alle und jede Suͤnden ins beſonder/ wie die Ge-
lehrte lehren. Wann nun alſo fallen die Heilige/ was Raths dann mit de-
nen/ welche weder Geſchmack/ weder einigen Geruch der Heiligkeit oder
Vollkommenheit empfunden haben? Soll man dann nicht billig foͤrchten?
Wer iſt unter uns/ ſagt der H. Gregorius/ der an Vollkommenheit unſe-
ren geiſtlichen Vorfahren vorgehe/ oder auffs wenigſt denſelben gleich lebe?
Pſ. 142. v.
2.
1. Cor. 4.
4.und dannoch ſagt der fromme David: HERR/ gehe mit deinem
Knecht nicht zu Gericht. Paulus ſagte zwarn: Jch bin mir
nichts Vbel bewuſt; Er ſetzte aber alsbald hinzu. Jch bin aber
derhalben nicht gerechtfertiget. Der Apoſtel Jacobus ſagt:
c. 3. v. 2.
I. 1. 8.Wir alle ſtoſſen an in vielen Dingen. Joannes ſagt: So wir
ſagen/ daß wir keine Sůnde haben/ ſo verführen wir uns
ſelbſt/ und die Warheit iſt nicht in uns. Wann nun/ mein
Chriſtliche Seel/ dieſe Saͤulen der Kirchen GOtts alſo in Forcht erzittert
ſeynd; wie wollen wir arme Bletter von dieſem Wind uns nicht entſetzen
koͤnnen? Wir ſollen billig mit ſelbigen umbwechſelen/ und immer in Forcht
leben; ſie aber in ſicherheit ſich erfrenen laſſen; Nun leben wir in Sicher-
heit/ und ſeynd guter Ding; ſie aber lebten in Sorgen und und Forcht fuͤr
ihre und unſere ewige Seeligkeit.
6. Schlage nun deine Augen deß Hertzens auff die allerſeeligſte Jung-
frau Mariam/ und ſiehe zum dritten/ wie dich dieſes Außer waͤhlte Maͤgd-
lein zur heylſamen Forcht GOttes unterwieſe/ indem ſelbiges im Tempel
Serm.
Angeli.
c 14.zu Hieruſalem (wie der Engel der Heil Brigittaͤ erzehlet hat) nicht allein
GOtt zu lieben/ ſondern auch klaͤglich zu foͤrchten angefangen/ derhalben/
ſagt der Engel/ war die Forcht ihr erſtes Creutz: in dieſer Forcht ware ſie
immer beſorget/ wie ſie nicht allein die Suͤnden fliehen/ ſondern auch ihre
Werck nach dem Wohlgeſallen GOttes einrichten moͤgte: und ob ſie ſchon
alle ihre Sorgen/ Gedancken/ Wort und Wercke zum Lob GOttes rich-
tete; ſo ware ſie doch allzeit befoͤrchtet/ es moͤgte auch in dieſen villeicht
eine Unvollkommenheit verborgen ſeyn. Dahero ſolten die armſeelige
Suͤnder gedencken/ ſagt der Engel/ wie groſſe Straff ſie ſich wegen vieler
ohne Forcht begangenen Suͤnden auff den Hals laden; indem ſie ſehen/ daß
auch
[581]Von der Forcht GOttes.
auch dieſe allerheiligſte Jungfrau/ ſo da ohne Suͤnd ware/ alle ihre Gott-
gefaͤlligſte Wercke in groſſer Forcht verrichtet habe. Recht antwortet derVit. P. P.
Part. 2 §.
151.
fromme Alt - Vatter Agathon/ da er in ſeinem Todts- Bett gefragt wird/
ob er ſich foͤrchte vor GOtt zu erſcheinen; recht ſagt er: Jch hab zwarn die
Gebott GOttes zu halten mich auß allen moͤglichen Kraͤfften unterſtanden/
dieweil ich aber ein Menſch bin/ ſo foͤrchte ich doch/ und weiß nit/ ob meine
Wercke GOtt gefallen haben: derhalben verlaß ich mich nicht auff ſelbige/
biß ich zu meinem Richter komme. Wohl geredt. Arſenius weinet im-
mer in ſeiner Sterb- Stund; derhalben wird er gefragt/ ob er mit ſo vielen
Zaͤhren ſich nicht getraue ſicher vor GOtt zu erſcheinen? Gibt aber zur
Antwort und ſagt: Mein liebe Bruͤder/ ich foͤrchte mich/ und von der Zeit/
daß ich mich meinem GOtt in dieſer Wuͤſten geheiliget hab/ bin ich nicht
ein Augenblick ohne Forcht geweſen. Auß dieſen wenigen Zeilen/ mein
Chriſtliche Seel/ kanſtu die Natur der Forcht gnugſamb erkennen; wie be-
ſtand ſie nemblich ſeye/ alle Anfechtungen zu uͤwerwinden/ wie heylſamb/
die Chriſtliche Tugenten zu verſamblen/ und wie nothwendig dieſelbe zu
Erlangung der ewigen Seeligkeit ſeye. Pflantze derhalben dieſe Forcht
in die Mitte deines Hertzen/ wann du nicht wilſt zu ſchanden werden: und
nach dem du ſie alſo haſt eingeſetzt/ ſo unterlaſſe nit/ ſelbige offt zu benetzen/
auff daß ſie auß Mangel der Feuchtigkeit nicht wiederumb verdoͤrre. Die
beſte Begieſſung aber wird ſeyn die ſtete Betrachtung der letzten Dingen/ von
dennen wir in folgenden Lectionen weitlaͤffiger
handlen werden.
Die
[582]Lection
Die Sechs und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von dem Todt.
40.
cabis.’
wigkeit nicht ſündigen.’
1. WAnn die Blindheit auß keinem andern Zufall koͤnnte erkennet wer-
den/ ſo moͤgte ſelbige doch auß dieſem gnugſamb abgenommen
werden; daß ſie nemblich ſehen/ hoͤren/ wiſſen und
glauben/ daß ſie ſterben muͤſſen/ und nichts deſto weniger ihr ewiges Heyl nit
Eccl. 8.ſuchen noch befuͤrderen; ja ſo gar/ wie Salomon redet/ ſie thun Boͤ-
ſes ohne einige Forcht/ ja ſie erfreuen ſich/ wann ſie boͤ-
ſes getahan haben/ und frolocken in den allerſchaͤndligſten
Dingen. Mit ſolchem Fehler und Gefahr der Menſchen hat GOTT
Deut. 32.
v. 29.gleichſamb ein Mittleyden/ und ſagt: Es waͤr gut daß ſie weiß
waͤren und verſtündenß/ und fürhin ſehen/ was zum
letzten ſeyn wird: Das iſt/ daß ſie glaubten/ ſie wuͤrden bald ſterben.
Und was iſt unſer Leben/ umb GOttes Willen anders/ als ein ſehr ge-
ſchwinder Lauff zum Todt? Dahero ſolte billig ein jeder Chriſt- liebender
Menſch die gantze Zeit ſeines gegenwaͤrtigen Lebens mehr nicht/ als ein
eintziges Staͤndlein ſchaͤtzen/ und ſich mit allem Fleiß und Ernſt zu ei-
nem ſeeligen Todt bereiten/ und alſo der zeitlichen Guͤter gebrauchen/ nicht
genieſſen/ als wann er ſie ſehr bald verlaſſen muͤſte. Zu dieſem ermahnet
1. Cor. 7.uns der Apoſtel und ſagt: Die Zeit iſt kurtz/ derhalben iſt übrig
das
[583]Von dem Todt.
daß die jenige/ ſo ſich dieſer Welt gebrauen/ alſo ſeyn/ als
wann ſie ſelbiger nicht gebrauchten/ dann die Geſtalt die-
ſer Welt gehet fürůber. Auß dieſer Betrachtung iſt der fromme
Job ohne z[we]iffel zu betten bewegt worden: Schone meiner/ OJob. 7.
HErr/ dann meine Tage ſeynd nichts. Und wiedrumb: Die
wenigkeit meiner Tage wird bald ein End nehmen: dar-
umb laß mir zu/ daß ich meinen Schmertzen ein wenig
beſchreyen moͤge/ ehe dann ich hingehe/ und nicht wider-
komme/ zum Finſtern Lande/ alwo ſeyn wird (wie Chriſtus
ſagt) Weinen und Zaͤhn- Klappern/ und Finſternuß.
2. Derhalben aber ſcheinet unſer Leben bißweilen lang zu ſeyn/ ſagt der
heilige Vatter Auguſtinus/ dieweilen es noch dauret/ treibt und getrieben
wird: wanns aber wird geendiget ſeyn/ da wird ſichs zeigen/ wie kurtz es
geweſen ſeye. Dahero ſagt der erleuchte Dioniſius Cartuſianus: wann
einer von Anfang der Welt biß auff heutige Stund gelebt haͤtte/ und ſolte
jetzt ſterben/ ſo wuͤrd jhm dieſe gantze Zeit nicht anders/ als ein eintziges Au-
genblick vorkommen/ inſonderheit/ wann er die Ewigkeit mit den Augen
ſeines Hertzen genau beſchauete/ ſo muͤſſen wir dann ohne Verſchiebung/
die Wercke der Buß mit allem Ernſt ergreiffen/ da doch in Warheit nichts
naͤrriſcher iſt/ als die Zeit/ in der wir alle Stund ſo viel Guts thun/ und
unſere ewige Seeligkeit erwerben koͤnnen/ nicht allein muͤſſig/ ſondern auch
laſterhafftig verſchwenden. O wie ein groſſer Narr und nachlaͤſſiger Menſch
waͤre der nicht/ welcher da alle Stund hundert Guͤlden gewinnen koͤnte/
und ſolches gleichwohl verabſaͤumete! Fliehe derhalben/ mein Chriſtliche
Seel/ all das jenige/ ſo dich von der Vorbereitung zu einem ſeeligen Todt
verhindern kan/ und hergegen nehme alles mit Freuden an/ was dir nur
immer zu einem ſichern Ende deines Lebens befoͤrderlich ſeyn mag: als da iſt
die Betrachtung deß Todts; wie nemblich ein ſterbender Menſch in dieſem
ſeinem Hinſcheiden wuͤnſche/ daß er die koſtbare und kurtze Zeit beſſer haͤtte
angewendet; daß er oͤffters an den Todt gedacht haͤtte/ und zu ſelbigem
ſich vorhin beſſer bereit haͤtte. Alsdann ſiehet man viele ja ſchier alle mehr
die Rechenſchafft/ als eben den Todt foͤrchten; und weilen ein ſterbender
Menſch jeden ſeins letzten Ends erinnert; derhalben ſolſtu die Ge-
legenheit/ denſelben oͤffters beyzuſeyn/ nicht vernachlaͤſſigen/
auff daß du mit deinem groſſen Nutzen ſeheſt/ wie zur
Schei-
[584]Die Sechs und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Scheidungs-Zeit der beyden guten Freunde/ der Seelen nemblich/ und
deß Leibs/ das Angeſicht erbleiche/ die Fuͤß erkaͤlten/ die ſchwache Haͤnde
haͤßlich außſehen/ die Augen zum Kopff hineinfallen. Da ſeheſtu/ wie
die Haaren zu hangen anfangen/ die Stirn verhartet/ alle Glieder ihre Kraͤff-
ten verlieren/ wie die Wangen beyfallen/ die Lippen kalt werden/ wie
der Pulß ſeinen Schlag veraͤnderet/ und der Athem ſo kurtz wird/ und wie
bald dararff die Stiche deß Tods heran kommen/ und das Hertz beaͤngſti-
gen: alsdann bricht der kalte Schweiß deß Todts hervor/ und zeigt an/ daß
die Natur nunmehr uͤberwunden ſeye/ ſo da groſſer Schmertzen halben ver-
nichtiget/ und alſo die Seel auß ihrer Wohnung vertriben wird. Wann
du dieſen Zuſtand deß ſterbenden Menſchen offt bey dir erwegeſt/ und ge-
denckeſt/ daß dir deß gleichen ebenfals villeicht bald widerfahren werde; ſo
wirſtu eine ſo heylſame Forcht hierauß ſchoͤpffen/ daß du alle Eitelkeit fuͤr
Eitelkeit/ Welt- Boſſen fuͤr Welt- Boſſen anſeheſt/ und mehr in Ubun-
gen der Tugenten/ als in Nieſſung derſelben dich zu beſchaͤfftigen/ Luſt
Eccl. 2.
v.[a].haben/ und mit dem Weyſen Mann ſagen werdeſt: Das Lachen hielt
ich für Jrrthumb/ und zu der Freud ſprach ich/ warumb
laſſeſtu dich vergeblich verführen:
3. Es iſt nicht ohne/ daß der Todt dem euſſerlichen Anſehen nach/ ſehr
ſchroͤcklich ſeye/ und/ wie der Philoſophus ſagt/ daß allergrauſambſte
unter allen Dingen. Wann wir aber das innerliche Leyd-Weſen deſſel-
ben betrachten/ und gedencken/ daß der H. Joannes auß ſeiner Offenbah-
Apoc. 12
v. 12.rung dieſe Zeitung laſſet herkommen: Der Tenffel kombt zu euch
hinab/ und hat einen groſſen Zorn/ weilen er weiß/ daß
er wenig Zeit hat: ſo muͤſſen wir vielmehr entſetzt werden. Die arg-
liſtige und geſchworne Feind unſerer Seelen/ wiſſen/ daß der Todt ein End
deß Verdienens mache/ und daß die Seelen alſo werden gerichtet werden/
wie ſie vom Leib ſcheiden/ derhalben beſtreiten ſie den armen Menſchen in
dieſer letzten Stund am allerhefftigſten. Die jenige/ ſo nachlaͤſſig und
ſonſt uͤbel gelebt haben/ ſuchen ſie in Verzweifflung zu ſtuͤrtzen: andere
bemuͤhen ſie ſich/ durch ein unziemliches Wolgefallen uͤber ihr tugendſamlich
gefuͤhrtes Leben/ und allzugroſſe Sicherheit und Vermeſſenheit der erwor-
benen Verdienſten zu betriegen; und dieſer Geſtalt pflegen ſie einige Geiſt-
liche und tugentſame Weltliche in dem letzten Augenblick mit groſſer Unge-
ſtuͤmmigkeit zu verſuchen: Und/ mit einem Wort zu ſagen/ ſie ſpahren
keine Muͤhe/ die Chriſt-Glaubige Seelen/ wann nicht durch Verzweiff-
lung
[585]Von dem Todt
lung oder Hoffart/ dannoch auff viel hunderterley Betrug von GOtt zu
verkehren/ und zur ewigen Verdamnuß zu bringen.
4. Von dem Cunone/ einem Herrn deß Schloſſes Malburg wird ge-Spec. Ex-
emp. ex
Tit.
Menſ. Ex
18.
Hiſtoria.
leſen/ daß er drey Jahr vor ſeinem Todt den geiſtlichen Habit angelegt/ und
dermaſſen in den Tugenden zugenommen habe/ daß ihn GOtt der himmli-
ſchen Belohnung wuͤrdig geachtet habe. Da nun ſelbiger deß Todts/ den
er drey Tag vorhero geweiſſaget/ verblichen/ da hat zu eben dieſer Zeit der
Teuffel ein beſeſſenes Weib verlaſſen/ und er wiederumb in ſein voriges
Quartier iſt eingekehrt/ und gefragt worden/ wo er geweſen ſeye; hat er
geantwortet/ daß er mit fuͤnffzehn tauſend anderer Teuffel den Cunonem
zu beſtrriten ſeye hinzugelauffen/ haben aber alle wegen der umbſtchenden
und bettenden Muͤnchen nichts richten koͤnnen. Viele tauſend andern auß zu
verſchweigen/ hat der heilige Euſebius ein werther Juͤnger deß heiligen Hie-ibid. Ex.
19.
Hiſtoria.
ronymi zwey Stund vor ſeinem Todt ſo grauſame Thaten geuͤbet/ daß die
umbſtehende fuͤr lauter Forcht und Schroͤcken zu Boden gefallen: dann er
hat biß weilen mit verwendeten Augen/ mit zuſammen geſchlagenen Haͤn-
den/ und mit grauſamer Stimm und Angeſicht geruffen: Jch wils
nichts thuen. Bald hat er geſagt: Helfft mir/ meine Brůder/
damit ich nicht zu Grund gehe. Da er nun um die Urſachen dieſes
Ruffen gefragt worden; hat er geantwortet/ daß die Teuffel in erſchroͤckli-
chen Geſtalten zu gegen ſeyn/ und ihn zum GOtts- Lſtern verſucheten.
Nachmahlen hat er abermahl wie vorhin zu ruffen angefangen/ und iſt end-
lich von dem hinzukommenden heiligen Hieronymo befreyet worden. Jn
dem er nun bey ſelbigem ſich beklagt/ daß er ihn verlaſſen habe/ hat ſelbi-
ger heiliger Vatter mit heller Stimm geantwortet: Foͤrchte nicht/ mein
Sohn/ ich werd dich nicht verlaſſen/ den ich ſo ſehr liebe. Hieruͤber iſt der
Todt-Krancke Euſebius erfreuet worden/ und ein wenig hernach geſtorben/
deſſen Leichnamb ein Blinder hat angeruͤhret/ und iſt ſehend worden.
5. Alſo/ mein Chriſtliche Seel/ alſo gehets her mit den Heiligen: was
wird andern nicht widerfahren? Was nun endlich den Todt auch ſehr er-
ſchroͤcklich machet/ iſt dieſes; daß nemblich/ wie der Geiſt-reiche DionyſiusDe 4.
Noviſſ.
a. 3.
Cartuſianus vermeinet/ einem jeden Sterbenden (die Allerſeeligſte Jung-
frau Maria außgenommen) der boͤſe Feind in der abſcheuligſten Geſtalt ſich
zeige. Wie groſſe Qual aber dieſes den Sterbenden ſeye/ kanſtu auß
folgender Hiſtori abnehmen. Ein gewiſſer Geiſtlicher kombt zu ſterben/
und rufft mit granſamer Stimm: Verflucht ſey die Stund/ an
welcher ich den geiſtlichen Habit hab angelegt: Und hat
E e e ewei-
[586]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
weiters nichts geredet/ biß uͤder ein gar geringe Zeit: da er dann mit
froͤlichem Angeſicht und lachendem Mund geſagt: Nicht alſo; ſon-
dern gebenedeyet ſey die Stund/ an welcher ich zum
heiligen Orden kommen bin/ und gebenedeyet ſey die glor-
würdige Mutter CHriſti MARJA/ die ich allzeit
geliebt hab. Nach dieſen Worten hat er abermahl geſchwiegen/
und nachmalen bekennet/ daß ihm erſchroͤckliche Teuffel erſchienen ſeyen/
umb ſeine Seel mit ſich hinweg zu fuͤhren; Dahero ſeye er fuͤr Schroͤ-
cken und Grauſen genoͤthiget worden/ die Stund ſeines Tags zu ver-
fluchen. Und ich ſage euch/ ſetzet er hinzu/ wann allhier ein von Ertz
und Schweffel vermiſchtes Feuer waͤre/ ſo ſich von dieſem Orth biß
zum End der Welt erſtreckte; und mir wuͤrd die Wahl gegeben/ oder
mitten durch ſolches Feuer zu gehen/ oder die Teuffel wiederumb in ſel-
biger Geſtalt anzuſehen/ ſo wolte ich vielmehr erwaͤhlen/ durchs Feuer
zu gehen. Hieruͤber iſt die Koͤnigin deß Himmels/ die Mutter der
Barmhertzigkeit mir zu Huͤlff kommen/ und hat die abſcheuligſte Geiſter
vertrieben: indem ich ſelbige geſehen/ hab ich ein Hertz gefaſſet/ und
hab fuͤr Freude gelachet; auch die Stund/ an der ich ein Muͤnch bin wor-
den/ und meine Helfferin hab ich geprieſen. Auff dieſe Erzehlung iſt er
alsbald ſeelig im HErrn entſchlaffen.
6. Ach! gedaͤchten wir doch offt daran/ was nemblich mit unſer Seel
in der Stund deß Todts paſſiren werde; wie grauſamblich die hoͤlliſcht
Neid- Hund ſelbige werden anfallen und aͤngſtigen/ und mit was vor be-
trieglichem Argliſt ſie mit ihr werden umbgehen: gedaͤchten wir dieſes/
und erwegetens offtmalen bey uns ſelbſt/ wir wuͤrden gewißlich ſo leicht
nicht ſuͤndigen: zumalen nach Zeugnuß deß heiligen Auguſtini nichts iſt/
daß den Menſchen dergeſtalt von Suͤnden abhaltet/ als eben die oͤfftere
Gedaͤchtnuß/ deß Todts: und ſtimmet ſelbigem auch der heilige Hierony-
mus hierin zu/ und ſagt; Gedenck an deinen Todt/ ſo wirſtu nicht ſuͤn-
digen. Wer alle Tag gedenckt/ daß er ſterben muͤſſe/ und alle Tag ſterben
koͤnne/ der achtet wenig das Zeitliche/ und eilet zu den ewigen
Dingen: und daß bekraͤfftiget der heilige Vatter Auguſtinus/ da er von ſich
L. Confſelbſt alſo redet: Nichts zoge mich alſo auß dem tieffen Wirbel
der fleiſchlichen Wollüſten herauß/ als eben die Forcht
deß Todts/ und deß kůnfftigen Gerichts. Was iſt aber wun-
der/ daß dieſe Warheit ſeye erkennet worden/ von den H. H. Kirchen-Lehrern;
darvon ſelbige auch einige Wiſſenſchafft gehabt die heydniſche Welt-Wei-
ſe?
[587]Von dem Todt.
ſe? Von dem edlen und ſpitzfindigen Platone meldet der Heil. Vatter Au-Apud.
Dion.
Cart. de
4. No-
viſſ.
guſtinus und Hieronymus/ daß er die ſchoͤne und luſtbare Stadt Athaͤn
verlaſſen/ und ſich mit einigen ſeiner Lehr-Juͤnger in einen alten verfal-
lenen/ und denen Ungewittern und Erd-Beben unterworffenen/ und da-
hero uͤbel zugeruͤſteteten Meyerhoff begeben/ und daſelbſt auffgehalten
habe/ damit ſie alſo durch die Forcht der Gefahren und deß Todts/ in ihnen
moͤgten toͤdten die Laſter deß Fleiſches. Haben das die Heyden gethan/ wie
ſollen wir Chriſtglaubige uns dann nicht unterſtehen auff alle moͤgliche
Weiß die boͤſe und ſchaͤdliche Begierden zu vernichtigen?
7. Was die Gedaͤchtnuß deß Todts weiterts Guts wircke/ lehren wir
auß folgender Geſchicht. Ein ſicher Juͤngling ware in die Wolluͤſten deß
Fleiſches zumahlen vertiefft/ und kam ſelbigem alles/ was der Beichs-Vat-
ter immer von der Buß meldete/ ſo grauſamb vor/ daß er alle Buſſen/ ſo ih-
me derſelbe vorgeſchlagen/ verworffen/ und geſagt/ es ſey ihm nicht moͤglich
eine von denſelben zu verrichten. Was Rathts ſchafft allhier der Beichts-
Vatter? was ſoll er mit ſo unwilligem Beichs-Kind anfangen? Er befilcht
ihm/ er ſolle nur ein viertel Stund lang dieſe Gedancken bey ſich behalten/ als
wan er auffm Bett todt lege/ mit Creutz-Weiß uͤberſchlagenen Haͤnden/ und
ſtuͤnde eine brennende Wachs-Kertzen zu ſeinem Haupt/ und das Cruciftix-
Bild zu ſeinen Fuͤſſen. Dieſen Accord nimbt an der Juͤngling/ und die
Gnad GOttes wirckt dergeſtalt in ihme/ daß er alsbald erleuchtet wird/ und
fangt an zuͤ ſehen die Grobheit und Abſcheuligkeit ſeiner Suͤnden/ bewei-
net ſelbige mit haͤuffigen Zaͤhren/ beichtete ſie/ und beſſert ſein uͤbelgefuͤhr-
tes Leben mit aller Verwunderung. Dergleichen Gnade hat auch erfahren
jenes adliche Maͤgdlein/ ſo mit dem Beichs- Vatter der aufferlegten Buß-
halben nicht konte einig werden. Endlich hat ſie darin verwilliget/ daß ſie
zu allem und jeden Haͤnd- Waſchen bey ſich ſelbſten ſolle ſagen: Dieſe
Haͤnd můſſen werden ein Speiß der Würmen. Nachdem
ſie dieſe Buß ein und anderes mahl verrichtet hat/ iſt ſie dergeſtalt gebeſſert
worden/ daß/ gleich wie ſie vorhin durch ihr uͤbeles Verhalten allen ein boͤſes
Exempel geben hatte/ nunmehr durch ein gutes und frommes Leben jederman
aufferbauet hat. Erfreu dich nun/ mein Chriſtliche Seel/ und gedencke/ daß/
wann dieſe geringe Gedaͤchtnuß deß Tods zur Beſſerung deß Lebens ſo kraͤff-
tig iſt; du dir alsdann durch oͤfftere Betrachtung eine wahre Heiligkeit
erwerben koͤnneſt. Dann gleich wie keiner leichtlich ſo naͤrriſch ſeyn wird/Drex. in
Prov. c. 1
§. 3.
daß er mitten im Schiff-Bruch kurtzweil treibe; oder an einem Steig/ daran
er moͤgt den Hals zerbrechen/ noch ein Buben-Stuck im Sinn habe;
oder mitten unter den bewehrten Feinden luͤſtig ſeye: alſo ſoll auch
E e e e 2keiner
[588]Die Sechs und Viertzigſte Geiſtliche Lection
keiner gefunden werden/ welcher in ſteter Todts-Forcht/ da alle Stund/ alle
Augenblick ungewiß ſeynd/ ſo keck iſt/ und wagen darff/ was ihm einen
unſeeligen Todt in Ewigkeit verurſachet. Zu dieſer Todts-Gedaͤchtnuß
ermahnet der Gottſelige Climacus mit dieſen Worten:Gleich wie das Brod
dem Menſchen noͤthig iſt fuͤr andern Speiſen; alſo iſt demſelben die reiffli-
che Betrachtung deß Todts fuͤr andern guten Wercken und Ubungen am
meiſten dienlich und nothwendig.
8. Dieſer Gottſeelige Vatter erzehlet von einem Einſidler/ welcher lan-
ge Zeit ein nachlaͤſſiges Leben gefuͤhret/ und geringe Sorg fuͤr das Heyl
ſeiner Seelen getragen; endlich durch eine Kranckheit zur euſſerſten Ge-
fahr ſeines Lebens gerathen ſeye. Demnach er nun/ allem Anſchen
nach/ deß Todts verblichen geweſen/ ſeye er ein Stund hernach wiederumb
zu ſich kommen/ und haben alle Anweſende gebetten/ ſie moͤgten doch alle
hinweg gehen. Da dieſes begehrter maſſen geſchehen; habe er den Ein-
gang ſeiner Cellen mit Steinen verſchloſſen/ und ſeye in ſelbiger zwoͤlff
Jahr lang verblieben/ habe mit niemand geredet/ und nur mit Waſſer und
Brod vor lieb genommen: er habe nichts anders betrachtet/ als was er in
der Verzuckung geſehen hatte/ und in ſelbigem ſeye er auch immer alſo ver-
tiefft geweſen/ daß er nunmehr allzeit mit den Augen geſtarret/ und unter
haͤuffig flieſſenden Zaͤhren verſtarrt/ biß zum todt verblieben ſeye. Nach-
dem er aber zu ſterben kommen/ haben wir/ ſagt Climacus/ den Eingang er-
oͤffnet/ und zum Krancken gangen: und da wir von ſelbigem ein oder andere
Lehr begehrt haben; hat er uns nur dieſes geantwortet: Vergebet mir:
keiner wird jemahlen ſuͤndigen koͤnnen/ welcher die Ge-
daͤchtnůß deß Tods in Warheit wird erkennet haben. Der-
halben hat der H. Cardinal und Biſchoff Guarinus mit unzahlbaren andern/
den Todt taͤglich vor Augen gehalten und betrachtet: und daß zwarn billig:
dann er wuſte wohl/ daß dieſe Betrachtung/ nach der Lehr deß heiligen Au-
guſtini/ eine wahre Vernichtigung aller Laſter ſeye: zumahlen daſelbſt
ein außgelaſſenes und ungeſchlachtes Leben iſt/ alwo kein Forcht deß Todts
iſt: da laſſen ſich finden die Suͤnden in Uberfluß/ und das Verderben der
Seele: dann die Forcht deß Todts beſſert das Leben/ nimbt hinweg die
unmaͤſſige und ſchaͤdliche Sicherheit/ bringt Sorg/ wirfft nieder die Hoſ-
fart/ ernaͤhrt die Demut/ vermehret die Lieb/ und machet groͤſſer die Zahl
der Tugenten.
9. Es ware vor dieſem zu Conſtantinopel der Brauch/ das wann ein
Kayſer geeroͤnet wurde/ demſelben die Graͤb-Feuer vier oder fuͤnff Stuͤck-
lein
[589]Von dem Todt.
ein Marmor unterſchiedlicher Farben brachten/ und fragten auß welcher
Art er ſein Grab wolte gehauen haben: alſo wurde ſelbiger ſeiner Sterblig-
keit erinnert/ und glimpfflich ermahnet/ daß er vernuͤnfftlich regieren ſolle.
Der heilige Joannes Eleemoſynarius/ damit er die Gedaͤchtnuß deß Todts
wohl faſſen/ und immer gegenwaͤrtig haben moͤgte/ hat ſeyn Grab bey Leb-
Zeiten machen/ aber nicht zur Vollkommenheit bringen laſſen und hat den
Werckmeiſtern deſſelben befohlen/ daß ſie an allen hohen Feſtagen vor den
anweſenden Gaͤſten ihn ſolten erinnern/ und ſagen: dein Grab iſt noch nicht
fertig; ſchaff derhalben/ daß daran zu arbeiten fortgefahren werde/ dann
es iſt ungewiß zu was Stund der Diebiſche Todt kommen werde. Wann
ſich alſo heyſlamblich foͤrchten fuͤr den Todt die Biſchoͤff/ ſo da mit immer-
waͤhrenden Sorgen und Geſchaͤfften umbgeben ſeynd: was ſoll dann nicht
thun ein Muͤnch/ deſſen Ambt erfordert/ daß er traure/ und mit Forcht
die Ankunfft deß HErrn erwarte?
10. Dieſen herrlichen Nutzen haſtu auch auß der ſteten Betrachtung deß
Todts zu gewarten/ daß du denſelben/ nicht als einen grauſamen Feind/
gleich andern; ſondern als einen der beſten Freunden empfangen werdeſt/
zumahlen der Todt eine Thuͤr zu den himmliſchen Freuden iſt; deren ſich
der jenige ſchier verſichern kan/ welcher denſelben offt betrachtet; wie derSap. 4. v.
7.
Heil. Geiſt ſpricht durch den Mund deß Weyſen Manns: Wann der
Gerechte von dem Todtůbereilet wird/ ſo wird er doch
in der Erkühlung ſeyn: So verurſachet dann der vorbedach-
te Todt den Sterbenden keine Traurigkeit/ ſondern werden noch mit Freud
und Troſt erfuͤllet/ wie der heilige Cyprianus mit dieſen Worten bezeuget:
Der iſt nicht wuͤrdig/ daß er im todt getroͤſtet werde/ der wenig daran ge-
dacht hat/ daß er muͤſſe ſterben. So kan dann dieſen Troſt keiner beſſer
hoffen/ als der die Gedaͤchtnuß deß Todts offtmahlen erneueret hat. So ver-
wundere dich dann nicht/ daß ein wahrer tugendſamer Menſch fuͤr den Todt
ſich nicht fuͤrchte/ dieweilen ſelbiger der gegenwaͤrtigen Armſeeligkeiten ein
End/ und der himmliſchen Freuden einen Anfang machet. Soll der nicht
gern ſterben/ der auffdieſer Welt nichts/ als GOtt/ und ſeinen Naͤch-
ſten umb GOttes Willen liebet? Deſſen Hertz keiner Creaturen ankle-
bet/ und nichts ſo ſehr geſuchet und geeiffert hat/ als die Ehr GOttes/
und das Heyl ſeines Neben Menſchen? Solche Sterbende verlangen nichts
ſo ſehr/ als daß ſie den jenigen/ welchen ſie uͤber alles geliebt haben und lieben/
dermahlen eins anſchauen moͤgen. Gleich wie ein Hirſch zum Waſſer et-
let/ alſo verlangen dieſe Seelen zu ihrem GOtt. Vermoͤg ſolches hertzlichen
E e e e 3Ver-
[590]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Rom. 7.
v. 24.Verlangen ſagte Paulus: Jch unſeeliger Menſch/ wer wird
mich doch erloͤſen von dem Leib dieſes todts: Das iſt/ von
dem ſterblichen und armſeeligen Leib. Und an einem andern ſagt er auß ei-
nem Verdruß der laͤngern Enthaltung: Jch begehre auffgeloͤſet zu
werden/ und zu ſeyn bey Chriſto. Alſo pflegen zu verlangen und
zu ſeufftzen die Geiſtliche und Gott - foͤrchtende Seelen/ wann der Todt
heran kombt; dann ſie wiſſen/ daß ſelbiger/ wie der heilige Bernardus ſagt/
dem Gerechten gut ſeye wegen der Ruhe/ beſſer wegen der Veraͤnde-
rung/ und am allerbeſten wegen der Verſicherung. Nun mercke
doch/ mein Chriſtliche Seel/ daß/ obſchon nicht allen frommen und tugent-
ſamen/ wie auch heiligen Menſchen der heran ſchleichende Todt angenehm
und freudig vorkomme; ſo iſt doch ein ſolcher Todt fuͤr ſo gluͤckſeelig zu ſchaͤ-
tzen/ als wann er gantz froͤlig waͤre dieweilen dieſe Seelen durch ſolchen Todt
von ihren Unvollkommenheiten mehr und mehr gereiniget werden/ damit ſie
deſto geſchwinder ihr Ziel erteichen moͤgen/ wie mit vielen Exempel koͤnnte
bewieſen werden/ die wir alhier vorbey gehen/ und fangen an
Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Dem beſondern Gericht.
v. 10.
ut referat unuſquiſque, pro ut geſſit.’
Stuhl Chriſti; auff daß ein jedweder empfahe/ nach-
dem er gehandlet hat.’
1. NAch dem Todt folgt das Gericht. Dieſes Gericht aber iſt viel
erſchroͤcklicher als der leibliche oder zeitliche Todt/ ja ſo gar auch
als die Peynen der Hoͤllen/ wann ſie nur eine Zeitlang dauren
wuͤr-
[591]Von dem beſondern Gericht.
wuͤrden/ wie der fromme Job mit dieſem Seufftzer meldet: Wer glbtJob 14.
v. 13.
mir/ daß du mich in der Hoͤlle beſchirmeſt und verber-
geſt mich/ biß dein Grimm vorüber gehe: Nun erzehlet ein
Geiſtlicher auß dem Orden deß heiligen Franciſei/ Nahmens Raphael de
Columba/ daß Philippus der Zweyte dieſes Nahmens Koͤnig in Hiſpanien
einsmahls unter waͤhrendem Ambt der heiligen! Meeß vermerckt habe/ daß
zween ſeiner fuͤrnembſten Edel - Leuthen etwan vertraͤulich miteinander ge-
ſchwaͤtzet/ habe aber ſo lang durch die Finger geſehen/ biß er in ſein Zimmer
kommen; allwo er dieſe beyde ernſtlich angeredet und geſagt: Jhr ſollet un-
ter mein Angeſicht nit mehr kommen. Von dieſen Worten ſeynd ſelbige der-
maſſen erſchlagen worden/ daß einer auß Traurigkeit bald hernach geſtor-
ben; der andere aber gantz naͤrriſch worden iſt. Wann daß die Stimm
eines bloſſen Menſchen kan außwircken/ was wird dann nicht thun die Stimm
GOttes/ deß erſchroͤcklichen Richters/ ſonderbar bey denen/ ſo da in Forcht
ſtehen/ daß einem jeden auß ihnen geſagt werde: Gehe hin du Verfluchter
und komm mir nicht wiederum unter mein Angeſicht/ gehe hin in das ewige
Feuer. Auch leſen wir in den Leben der H. H. Vaͤtter/ daß einer einsmahlsApud
Dion.
Cart. de
4. No-
viſſ. a. 30.
Hiſtoria.
bey ſich entſchloſſen habe geiſtlich zu werden/ welcher da ſeine Mutter ihn ab-
gehalten wollen/ derſelben geantwortet habe: Mutter/ ich gedencke meine
Seel von dem ewigen Verderben zu erretten: und habe alſo den geiſtlichen
Stand angefangen; in dem er nachmahlen nicht wohl gelebt hat. Da er
nun nach dem Todt ſeiner Mutter/ einsmahls in eine ſchwaͤhre Kranckheit
gefallen/ iſt er in einer Verzuckung zum Gericht GOttes gefordert wor-
den/ und hat ſeine Mutter unter der Zahl der jenigen gefunden/ ſo da ge-
richtet wuͤrden; welche/ nachdem ſie ihren Sohn geſehen hat/ ſich daruͤber
entſetzt und geſagt: Was iſt das/ mein Sohn/ daß auch du zu dieſem Gericht
geforderet werdeſt? Wo ſeynd deine Wort/ ſo du zu mir geſprochen haſt:
Jch will meine Seel von der Verdamnuß erretten? Uber dieſe Wort ſei-
ner Mutter iſt der Geiſtliche zumahlen beſchaͤmbt und naͤrriſch wor-
den; Dieweilen er ſeiner Mutter nicht antworten koͤnnen. Nach-
dem er nun durch die Barmhertzigkeit GOTTES/ von ſei-
ner Kranckheit geneſen iſt/ hat er vermerckt/ daß ihm GOTT
dieſes Geſicht zur Beſſerung ſeines boͤſen und gottloſen Lebens ge-
zeiget habe; derhalben hat er ſich eingeſchloſſen/ und das Heyl
ſeiner Seelen mit deſto groͤſſerer und mehrer Sorgfalt gewircket.
Die-
[592]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Dieſer hat hernachmalen mit ſolchem Ernſt und hertzlichem Leyd- Weſen
uͤber ſein uͤbel gefuͤhrtes Leben/ ſeinen Leib caſteyet/ daß er von andern gebet-
ten worden/ er moͤgte doch von ſo ungemeiner Strenge und unauffhoͤrlichem
Weinen etwas inhalten/ damit er ſeine Geſundheit nicht allein ſchwaͤche/
ſondern auch das Leben gaͤntzlich verkuͤrtzete. Er aber hat immer geantwor-
tet: Wann ich den Verweiß meiner Mutter nicht hab außſtehen koͤnnen/
wie werd ich an jenem Tag die Verſchaͤhmung meines himmliſchen Rich-
ters/ und der H. H. Engeln außſtehen koͤnnen.
2. Alſo wird der ſuͤndige Menſch in ſolcher Beſchaͤhmung ſtehen vor ſei-
nem Richter/ welche mit keiner Zungen kan außgeſprochen werden; zuma-
len daſelbſt nicht allein die grobe/ ſondern auch die allergeringſte Suͤnd wird
gerichtet werden. Wie wird uns dieſes nicht ſchamroth machen/ daß alle
unſere Ubelthaten an das Licht kommen/ die wir offtmal in der Finſternuß ge-
than und vermeinet haben/ wir wuͤrden von niemand geſehen? Dahero ſagt
Serm de
Primord.
med.der H. Bernardus: Foͤrchte dich/ O Menſch/ daß du an dem
erſchroͤcklichen Gericht dem jenigen werdeſt vorgeſtellet
werden/ in deſſen Haͤnd fallen/ ein grauſame Sach iſt: und
daß du von dem muͤſſeſt erforſchet werden/ welchem nichts
Gen. 45.kan verborgen werden. Da Joſeph zu ſeinen Bruͤdern ſprach: Jch
bin Joſeph euer Bruder/ den ihr inÆgypten verkaufft hat;
Da konten ihm ſelbige vor Schroͤcken nicht antworten: was werden dann
die Suͤnder ſagen/ wann ſie vorm Gericht von Chriſto hoͤren werden: Jch
bin euer Bruder den ihr gecreutziget/ und umb ſo geringen Werth ſo viel-
mahl verkaufft hat? Da werden alle dermaſſen zerſchlagen werden/ daß ſie
lieber in der Hoͤllen ſeyn/ als vor dem Angeſicht deß himmliſchen Richters
ſtehen wollen. Soll man das kuͤnfftige Gericht dann nicht foͤrchten/ und
das ſuͤndige Leben beſſern?
3. Die weitere Urſach/ warumb dieſes Gericht ſehr zu foͤrchten ſey/
iſt dieſe: daß nemblich der Menſch nicht wiſſe/ ob er Lieb- oder Haß-wuͤrdig/
zum Gericht beruffen werde. Ein ſo heylſame Forcht kan dir/ mein Chriſt-
liche Seel/ die folgende erſchroͤckliche Geſchicht leichtlich eintreiben. Unter
den Doctoren der Pariſiſchen Univerſitet ware zu Zeiten deß Coͤllniſchen
Brunonis einer/ ſo durch ſein tugendſames Leben und groſſe Gelehrheit ſich
einen groſſen Nahmen bey jederman erworben/ und dem gemeldten Brunoni
ſonderbahr lieb ware. Dieſer iſt in ſothanem Ruff der Heiligkeit geſtorben:
und da man ſelbigem/ nach Chriſtlichem Brauch die Leich-Begaͤngnuß in
der Kirchen gehalten/ und dieſe Wort geſungen worden: Gib mir Ant-
wort/
[593]Von dem beſondern Gericht.
wort/ was hab ich fůr groſſe Miſſethaten und Sünden:
Siehe/ da hat der todte Menſch ſich mit dem Haupt von der Bahren auffge-
richtet/ und mit harter Stimm geruffen: Auß gerechtem Vrtheil
GOttes bin ich angeklagt worden. Und hat alſo das Haupt nie-
der gelegt. Von dieſer ungewohnlichen Stimm ſeynd alle Umbſtehende
billig zerſchlagen worden; und hat man beſchloſſen/ mit der angefangenen
Begaͤngnuß einzuhalten/ und ſelbige den folgenden Tag abermahl zu halten/
damit ſich alſo deß erhebten Traur Spiels weiterer Außgang zeigen moͤgte.
Dieſe ſeltzſame Zeitung wird inzwiſchen bey der gantzen Stadt kundbar; und
da zu der zweyten Begaͤngnuͤß ein jeder zugelauffen/ und es nunmehr wie-
derumb zu den oberwehnten Worten kommen: Gib mir antwort/\&c.
Da hat ſich der Todte abermahl erhoben und geſagt: Auß gerechtem
Vrtheil Gottes bin ich gerichtet worden: und alſo iſt er widerum
nieder gelegen. Jndem nun hieruͤber alle ſich mehr als vorhin beſtuͤrtzet/ als iſt
fuͤr rathtſamb befunden worden/ die Begaͤngnuß biß auff fol-
genden Tag zu verſchieben. An welchem/ und zu offt gemeldten
Worten: Gib mir antwort/\&c. der todte Menſch ſich/ wie
zuvorn/ erhebt/ und mit grauſamer Stimm geruffen: Auß gerechtem
Vrtheil GOttes bin ich verdambt worden. Da ſeynd alle/
gleich wie vom Donner zerſchlagen worden/ und hat einer den andern mit
groſſer Verwunderung angeſehen und geſagt: wer wird dann koͤnnen ſeelig
werden/ wann ein ſo frommer und gelehrter Mann verdambt wird? Da
hat ein jeder den Todt/ und das ſchwaͤre Urtheil GOttes zu betrachten ange-
fangen: da hats geheiſſen; ich will mein Leben beſſern/ ich will fuͤr meine
Suͤnden Buß thun; und dergleichen. Der Leichnamb iſt unterdeſſen auff
ein ungeweyhetes Ort begraben worden.
4. Wanns nun bey dem Gericht GOttes ſo ſcharff hergehet/ daß auch
der gerechte kaum beſtehen kan; wer ſolte dann nicht mit dem obgemeldten
Brunone die Gelegenheiten der Suͤnden zu fliehen trachten? Dieſer ge-
lehrte Mann hat das zugeſchauete Trauer-Spiel dermaſſen behertziget;
daß er ſeine Schuͤhler und gute Freund beyſammen geruffen und geſagt:
Liebe Bruͤder und Mit-Gegeſellen/ was ſollen wir anfangen? ihr habt den
ellenden und unverhofften Zuſtand unſeres frommen und gelehrten Docto-
ris gehoͤrt; wer wird ſich dann jetzt nicht zu foͤrchten haben/ wanns bey
dem Goͤttlichen Richterſtuhl alſo hergehet? Gedenckt/ mein lieber Kin-
F f f fder
[594]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
der wie ſchwaͤrlich man koͤnne ſeelig/ und wie leichtlich verdambt werden:
Laſſet uns derhalben durch eines andern Schaden witzig werden; laſſet uns
zur Creutz-Fahnen fliehen/ und die wenige Zeit/ ſo wir zu leben uͤbrig ha-
ben/ in wahrer Bußfertigkeit zubringen; auff daß wir uns einige troͤſtliche
Zuverſicht und Hoffnung zur ewigen Seeligkeit erwerben moͤgen. Zu un-
ſerm Heyl hat GOtt ſein gefaͤlltes Urtheil uͤber unſern Verſtorbenen kund-
bahr machen wollen: ſo laſſet uns der Stimm deß ruffenden HErrn folgen/
und alles Jrrdiſche verlaſſen. Alſo hat dieſer Bruno/ mit ſechs ſeiner gu-
ten Freunde/ der Welt und aller weltlichen Ehren und Reichthumen adjeu
geſagt/ und an einem weit abgelegenen wuͤſten/ kalten und rauen Orth/ deſ-
ſen Nahm Carthuſia genennet ware/ ſich niedergeſchlagen/ und ein hartes/
ſtrenges und heiliges Leben gefuͤhret/ und daſelſt den Cartheuſer-Orden ge-
ſtifftet.
5. Was damahlen der heilige Bruno ſeinen Mit- Geſellen geſagt hat/
das ſage nun ein jeder ſich ſelbſten/ und gedencke/ wie grauſamb es ſeye/
zu fallen in die Haͤnd deß lebendigen GOttes: deſſen Gerichte/ ob ſchon
nicht ungerecht ſeyn koͤnnen; ſo ſeynd ſie doch unbegreifflich/ wunderbarlich/
und ſo ſcharff und verborgen; daß auch viele Dinge/ ſo den Menſchen gut
und gerecht zu ſeyn ſcheinen/ von ſelbigem verworffen und verdambt werden/
wie in dem angezogenen Doctoren zu ſehen iſt. Dahero ſagt er durch den
Pſal. 74.
v. 3.Koͤniglichen Prophen: Wann ich die Zeit bekommen werde/
ſo will ich gerechte Vrtheil geben: das iſt/ ich will nachſuchen/
3. Reg. 13.ob ſie wahre Gerechtigkeiten ſeyn. Freylich vermeinte jener Prophet
(dem von GOtt ware befohlen worden/ daß er an einem benennten Orth
nicht eſſen noch trincken ſolte) er tuhe wohl/ daß er den Worten deß andern
Propheten gehorche/ und gegen das erſte Gebott eſſe und trincke: zumahlen
er darfuͤr halten konte/ daß durch das Zweyte/ nemblich deß andern Pro-
pheten/ das erſte gleichſamb widerruffen und vernichtiget werde. Da nun
GOtt/ wie oben gemeldet/ die Zeit bekommen/ ein gerechtes Urtheil
zu geben/ da hat ſichs gezeigt/ daß/ ob ſchon der erſte Prophet
von dem andern ſeye betrogen worden/ er dannoch gefehlet und geſuͤndiget
habe; und iſt derhalben von einem Loͤwen getoͤdtet worden. Hierauß er-
hellet/ daß wir vielmahl glauben/ wir koͤnnen gar wohl vor GOtt entſchul-
diget werden/ und fehlen gleichwohl. Dahero ſagt der Heil. Bernardus:
Set. 54. in
Cant.Wie wird der mit den ungerechten Vrtheilen umbgehen/
der die Gerechtigkeit ſelbſt richten wird: Es ſtehet zu be-
foͤrchten/ daß in einem ſo genanen Nachſuchen viele Din-
ge
[595]Von dem beſondern Gericht.
ge für Sünden werden gerechnet werden/ die wir für
Gerechtigkeiten angeſehen haben. Jch/ ſagt er/ hab mir der-Ser. de
inter.
Dom.
halben veſtiglich vorgenommen/ niemahl zu lachen/ biß ich außm Mund
GOttes dieſe Wort hoͤren werde: Kombt ihr Gebeneydete mei-
nes Vatters/ und beſitzet das Reich/\&c. Und werd zu-
weinen nicht auffhoͤren/ biß ich von dieſer Sententz: Gehet hin ihr
Verfluchte ins ewige Feuer; werd befreyet ſeyn.
6. Gleich wie wir taͤglich ſehen/ daß die unerfahrene/ einfaͤltige und
unvollkommene Leuth viele Ding fuͤr Gut und gerecht anſehen/ die doch
von den erfahrnen Gelehrten und Erleuchteten veracht und verworffen wer-
den: alſo wird GOtt vermoͤg ſeiner unendlichen Weißheit/ viele von unſern
Worten und Wercken/ die wir gerecht zu ſeyn vermeinet haben; fuͤr laute-
re Fehler und Ungerechtigkeiten urtheilen. Wie nun dieſer himmliſche
Richter unſere Verbrechen/ derſelben Umbſtaͤnde und Urſpruͤnge/ wie auch
die Zahl unſerer Suͤnden beſſer erkennet/ je mehr muͤſſen wir deſſen Gericht
foͤrchten/ der auch keinen eintzigen unziemlichen Gedancken/ keine derglei-
chen Neigung/ keine Red/ noch Wirckung; ja auch keine Unterlaſſung/
Verſaumnuß/ und Traͤgheit unerforſchet/ ungerichtet und ungeſtrafft
vorbeygehen wird. Dahero widerholet er vielmahl bey dem Propheten
ſolche Dreu-Wort: Jch weiß euere Laſter/ und ich will in allen Ungerech-
tigkeiten Nachſuchung thun/ und will auch alle euere Werck biß zum End
nicht vergeſſen. Wiederumb: Jch richte nicht nach dem Anſehen deß
Menſchen: der Menſch ſehet/ was außwendig iſt; der HErr aber beſchauet
das Hertz. Und wiederumb: Es iſt ein Weeg/ der dem Menſchen ge-
dunckt recht zu ſeyn; das End deſſelben aber fuͤhret ihn zum Todt. Mit die-
ſen und vielen andern dergleichen heylſamen Erinnerungen hat der barmher-
tzige GOtt immer geſucht/ dem Menſchen ſeine Weißheit/ Gerechtigkeit/
und andere Eigenſchafften vor Augen zu ſtellen/ damit er in Anſehung der-
ſelben/ und Betrachtung der genauen Rechnung/ die Suͤnde beſter Maſ-
ſen fliehen moͤgte.
7. Der H. Petrus Damianus hatte einsmals ein Briefflein geſchrie-Hiſtoria.
ben an einem Welt - Geiſtlichen zu Meyland/ Nahmens Landulphum/
dieſes auffrichtigen Jnhalts: Arduinus von vornehmen herkom-
men/ einer ruchtbaren Klugheit/ und wohl bemittelt/ hatte mir
auß gewiſſer Andacht verſprochen/ daß er auffs wenigſt
F f f f 2uͤber
[596]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
uͤber zehn Jahr/ wann er ſonſt fruͤher nicht koͤnnte/ die uͤbrige Zeit ſeines
Lebens im Kloſter deß Heil. Vincentii im Dienſt GOttes zubringen wol-
te. Nach verlauffenen zehn Jahren hab ich ihm angelegen/ ſagt der Cardinal/
er moͤgte doch ſeinem Verſprechen nachkommen: worauff er zwarn mit dem
Mund guldene Berg verſprochen/ hat aber in der That ſeine Wort nicht
gehalten/ ſondern mit allerhand Entſchuldigungen ſeine Bekchrung ver-
ſchoben. Hierzu kombt auch/ daß der Vorſteher deſſelben Kloſters/ deme
er viele Wohlthaten erwieſen hatte/ die Verlaͤngerung zum geiſtlichen
Stand gerathen/ dieweilen ſelbiger gern geſehen/ daß ein ſo groſſer Wol-
thaͤter nicht auff einmahl ſeiner Guͤter ſich entbloͤſete/ ſondern vor und nach
und dahero deſto laͤnger den armen Geiſtlichen Guts thaͤte. Arduinus wird
unterdeſſen mit einer ſo ſchwaͤhren Kranckheit uͤberfallen/ daß auch die Artzten
alsbald zu verzweiflen anfangen. Auff daß aber die Seel nicht verlohren gien-
ge/ laſſet der Krancke den Beichts- Vatter beruffen/ beichtet demſelben/ und
nach gethaner Beicht und empfangener Abſolution theilt er der Kirchen und
Armen ſeine Guͤter freygebig mit/ und bereitet ſich dergeſtalt zu einem ſe[i]l gen
Todt/ daß er in groſſer Zufriedenheit/ ſeine Freund und Verwandten umb
GOttes Willen erſuchet/ ſie ſollen doch umb Verlaͤngerung ſeines zeitligen
und vergaͤnglichen Lebens nicht betten/ ſondern umb ein ſeeliges End bey
GOtt anhalten. Er ſtirbt mit voͤlliger Reſignation ſeines Willens/ gantz
wohl und andaͤchtiglich dahin/ daß auch ein jeder anders nicht urtheilen koͤn-
nen/ als daß dieſer fromme HErr zur Rechenſchafft zu geben/ ſich uͤber die
Maſſen wohl bereitet habe. Aber/ aber/ anders urtheilet GOtt/ und an-
ders urtheilen die Menſchen! Nach einigen wenig Tagen erſcheinet er in
der Nacht dem obgemeldten Vorſteher deß Kloſters S. Vincentii. Die-
ſem geduncke/ er ſtehet auff einer weiten Ebene/ und ſehe daſelbſt ſtehen ei-
nen Kayſer mit den Fuͤrnehmſten ſeines Reichs/ ſambt einem gewaltigen
Kriegs-Heer. Der Abt ſicht umb ſich/ und bald auff dieſe/ bald auffjene
Seiten; und da er alles beſchauet/ ſchet er/ daß der Arduinus von einigen
Trabanten gezogen wird. Da fragt ſelbiger den gleichſamb vorbey gehen-
den Arduinum und ſagt: Ach mein lieber Arduine halte doch ſtill/ und
ſagt mir/ wie es mit dir ſtehe: erfreueſtu dich/ oder leideſtu; biſtu ſeelig/
oder biſtu verdambt? Arduinus gantz aͤngſtig/ gibt mit weinender Stimm
zur Antwort: Warumb fragſtu mich/ ob ich ſeelig ſeye/ der ich immer-
wehrende Schmertzen leyde/ und nicht ein augenblickliche Ruhe hab? Ach/
ich armſeeliger brenne/ und daß zwarn ewiglich/ dieweil ich mein Ver-
ſprechen
[597]Von dem beſondern Gericht.
ſprechen nicht gehalten/ krafft deſſen ich mich verbunden hab/ den geiſt-
lichen Stand einzutretten.
8. Heiſſet das nicht/ anders richtet GOTT/ und anders richten
die Menſchen? Es ſoll nun aber auch ein jeder Geiſtlicher hierauß lernen/
daß GOtt einsmahls eine ſehr ſcharffe Forderung uͤber daß in der
Profeſſion gethane Verſprechen denſelben vorlegen werde. Wehe/ we-
he dem/ der ſothane Schuld von einem Tag zum andern zu bezahlen
verlaͤngert. Wann du GOTT etwas gelobeſt/ ſo ver-Eccl. 5. v.
3. 4.
zeugs nicht zu bezahlen: dann es iſt viel beſſer/ nicht
geloben/ als geloben/ und darnach nicht bezahlen/
was verheiſſen iſt; ſagt der Weyſe Mann. Elias ein Alt-Vatter/Ruffin. c.
12.
der Einſidler/ hat ſiebentzig gantzer Jahr in einer erſchroͤcklichen Wildnuß
gewohnet/ deren Ungeheure mit keiner Feder gnugſamb kan beſchrieben
werden: er hat taͤglich drey Untzen Brod mit ſehr wenigen Oliven geſſen:
und ob er ſchon ſehr alt und ſchwach worden/ ſo hat er doch noch taͤglich
Wunder und Zeichen gewuͤrcket/ und iſt hundert und zehn Jahr alt wor-
den Selbiger pflegte denen/ ſo ihn beſuchten/ zu ſagen/ daß er drey
Ding foͤrchte/ nemblich das letzte Hinſcheiden/ die unvermeidliche Noth/
vor dem Goͤttlichen Gericht zu erſcheinen/ und das Urtheil/ welches Gott
uͤber ihn fellen werde. Nicht umbſonſt hat ſich der fromme Elias alſo gefoͤrch-
tet: dann wann einer heilig lebte/ als Joannes der Taͤuffer/ und taͤglich
die todte erweckete/ ſo weiß er doch nicht wie ihn der Goͤttliehe Richter
urtheilen werde: zumahlen GOtt anders richtet/ als die Menſchen.
9. Wann nun auch ein heiliger Menſch das Urtheil noch zu foͤrchten
hat/ wie viel groͤſſere Urſach haben wir arme Troͤpff dann nicht/ immer in
Forcht und Zittern zu leben/ die wir ohne Unterlaß mit eitelen Gedan-
cken/ nichtswertigen Einbildungen/ unziemblichen Neigungen/ muͤſſi-
gen und unnuͤtzlichen Worten/ und boͤſen Wercken zu ſchaffen haben?
O wie viele Zerſtreuungen haben wir nicht taͤglich in unſerm Ge-
bett! O wie viel Gutes unterlaſſen wir zu allen Stunden! wie uͤbel
wenden wir die Zeit an! wie hauen wir taͤglich mit dem Eſſen und
Trincken uͤber die Schnur/ und wie unvollkommen und gebrechlich
ſeynd unſere Werck nicht! und uͤber dieſes alles werden wir zur ſcharf-
fen Rechenſchafft gefordert werden. Was werden wir ſagen? Wie
F f f f 3wer-
[598]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
werden wir uns entſchuldigen? was werden wir anfangen? wohin wer-
den wir fliehen? was ſollen wir antworten/ wann uns alle unſere Mengel
groß und klein vor die Augen gelegt werden? Wir werden warhafftig nicht
eins koͤnnen antworten fuͤr tauſendt; es ſey dann/ daß wir wuͤrdige Frucht
der Buß werden gewircket/ und in immerwehrender Forcht und Wacht uͤber
uns ſelbſt werden geſtanden haben. Dahero ſagt der heilige Bernardus:
Was iſt alſo zu foͤrchten/ als daß wir werden ſtehen muͤſſen vor dem Richter
Stuhl eines ſo ſcharffen Richters/ ſo da keine Zeugen bedarff/ und die Mei-
nungen deß Hertzen durchgruͤndet/ deſſen Nachforſchung biß zum innerſten
der Seelen gelanget? Recht ſagt derhalben der heilige Jſidorus: Bey
Erforſchung deß genauen Richters/ iſt auch die Gerechtigkeit deß Gerech-
ten nicht ſicher. Ja/ wie der fromme Alt- Vatter Agathan ſagt:
Wann uns GOTT die Verſtreuungen deß Gemuͤths/ und die
Nachlaͤſſigktit/ ſo wir im Gebett und Dienſt GOTTES begehen/
will auffmeſſen/ ſo koͤnnen wir nicht ſeelig werden. Laſſet uns derhalben/
mein Chriſtliche Seel/ allzeit gedencken und reifflich uͤberlegen/ was der
heilige Apoſtel Petrus in ſeinem erſten Send-Schreiben meldet:
Wann der Gerechte kaum wird ſeelig wetden/ ſagt er/
wo wird dann der Sůnder und Gottloſe bleiben:
10. Ludovicus Granatenſis erzehlet/ daß ein ſehr anſehnlicher und tu-
gendſamer Mann einem ſeiner guten Freunden in ſchlechter Kleydung und
traurigem Angeſicht erſchienen ſeye/ und da er uͤber ſeinen Zuſtand ge-
fragt worden; habe er geantwortet: Niemand glaubt es/ niemand glaubt
es/ niemand glaubt es/ wie ſcharff GOtt richte/ und wie ernſtlich Er
ſtraffe. Nach dieſen Worten ſey er verſchwunden. Dergleichen Hiſto-
ri gedencket Zacharias Bouerius in dem Jahr - Calender der P. P.
Capucinern/ und ſagt/ daß zu dem Bruder Joſeph de Loniſſa ein Bru-
der deſſelben Ordens ſeye hinein kommen! welchen er alsbald gefragt/
ob er nicht der jenige ſeye/ ſo neulich geſtorben/ und was ſeyn Begeh-
ren ſeye/ und wie es mit ihm in jener Welt hergehe? Deme der Ver-
ſtorbene zur Antwort gegeben und geſagt: O Joſeph/ wann du wuͤſtes/
wie GOTT ſo genaue Rechenſchafft fordere von allem/ was die
Menſchen thun! Nachmahlen hat er tieffer geſeufftzet/ und geſagt: O
Joſeph/ Joſeph/ wann du wuͤſtes/ wie der Eingang zum Himmel ſo
ſchwaͤr falle! dabey hat ers gelaſſen/ und iſt verſchwunden. Dieſe
Goͤttliche Urtheil ſeynd dem Menſchen unmoͤglich zu ergruͤnden/ in ſel-
bigen
[599]Von dem beſondern Gericht.
bigen bleibt all unſer Verſtandt ſitzen/ und wandern wir daſelbſt gleich
wie in der ſchwartzen Finſternuß. Dieß eintzige wiſſen wir/ daß die Urtheil
GOTTES/ ob ſie ſchon verborgen/ dannoch gerecht ſeynd: und
daß ſelbige im allertieffeſten Abgrund ſeyen: Dahero geſchichts/ daß die
frommeſte Menſchen/ wie mehr ſie dem Richter- Stuhl zunahen/ je mehr
ſie anfangen zu foͤrchten.
11. Wie ſtrenges Leben hat nicht gefuͤhret der heilige Hilarion? und
dannoch/ da es zum Sterben kommen/ hat er ſich alſo entſetzet/ daß
er ſeine Seel mit dieſen Worten angeredet: Fahre hinauß/ was foͤrchteſtu
dich? Fahre hin/ meine Seel/ warumb zweiffleſtu? Du haſt ſchier
Siebenzig Jahr Chriſto gedienet/ und foͤrchteſt den Todt noch? Jn
dieſen Worten hat er den Geiſt auffgeben. Der heilige Arſenius iſt nicht
ohne viele Zaͤhren und Forcht geſtorben. Der heilige Hieronymus/
ein wahres lebhafftes Exempel der Buß/ fuͤrchtet ſich fuͤr dem Gericht
GOttes/ und ſagt: Jch bin mit allerhand Unflat der Suͤnden beſud-
let/ und hab Tag und Nacht dein Ruhe fuͤr Forcht und Zittern/ daß ich
alles biß zum letzten Heller werde bezahlen muͤſſen. Und an einem andern
Orth beſchreibt dieſer heilige Mann ſolche ſeine Forcht noch beſſer und
ſagt: So offt ich den Tag deß Gerichts betrachte/ erzittere ich am gan-
tzen Leib: dann ſo ich wache oder ſchlaffe/ oder was anders thue/ erſchal-
let immer die Stimm der Gerichts-Poſaunen in meinen Ohren: Stehet
auff ihr Todte/ und kombt zum Gericht. Was raths/ mein Chriſtliche
Seel/ was raths mit uns? Wann ſolche keuſche Engel der Einſambkeit
die Gerichts- Stimm alſo foͤrchten; was wird ſich einsmahls mit uns
zutragen/ wann die Zeit deß Gerichts herzu nahen wird/ wie werden
wir zittern/ wie werden wir mit Forcht uͤberfallen werden/ die wir uns
mitten unter den Welt- Haͤndlen in Suͤnden weltzen? Von dem gottſeli-
gen Alt - Vatter Agathon erzehlet Ruffinus/ daß er vor ſeinem
Todt/ da er nun bald ſterben ſolte; und allgemach gleich einer Wachs-
Kertzen anfinge außzugehen/ drey gantzer Tag lang die Augen eroͤffnet ge-
halten/ und nicht bewegt habe. Da ihn aber die Umbſtehende angeruͤh-
ret und gefragt haben: Vatter/ wo biſtu jetzt? habe er mit dieſen Wor-
ten geantwortet. Jch ſiehe im Angeſicht deß Gerichts GOttes. Nachdem
ſelbige weiters gefragt und geſagt: Foͤrchteſtu dich auch? habe er zur Antwort
geben: So viel ich gekoͤnt/ hab ich/ dem Willen GOttes zu gehorſamen/ und
deſſen Geſetz zu haltẽ/ mich befliſſen: ich bin aber ein Menſch/ und woher weiß
ich/
[600]Die Seieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ich/ ob meine Wercke GOtt gefallen haben? Und da ſie endlich gefragt
haben/ ob er nicht vertraucte/ daß er bey ſeinem Richter in Guaden ſeye?
habe er geantwortet: Jch lebe keiner Zuverſicht/ bis ich zu meinem GOtt
komme/ und hoͤre mein Urtheil: dann anders richtet GOtt/ und anders
richten die Menſchen.
12. Das iſt wahr/ und abermahl wahr; dann weit ein anders Urtheil
fellet GOtt/ als wir Menſchen: Dahero ſeufftzet der heilige Vatter
L. Med.
c. 39. med.Auguſtinus/ und ſagt: Wehe mir armſeeligen/ wann der Tag
deß Gerichts kommen wird/ und die Bůcher der Gewil-
ſen werden eroͤffnet werden/ wann von mir wird geſagt
werden: Siehe den Menſchen ſambt ſeinen Wercken. Da
werd ich nichts antworten koͤnnen/ ſondern werd vor dir
mit geneigtem Haupt/ in Verſchaͤmung und Zittern ſte-
Job. 9.hen. Ach! was werd ich armer Tropff ſagen: Eben
ſelbiges hat der fromme Job vermerckt/ darumb ſagt er: Wie groß
bin ich dann/ daß ich Jhm antworten ſoll: Wann ich
ſchon etwas Rechts haben würde/ ſo will ich doch nicht
antworten/ ſondern meinen Richter flehentlich bitten.
Sieheſtn wohl/ mein Chriſtliche Seel/ wie auch die fuͤrnehmſte Freund
GOttes/ ob ſie ſchon zu ihrem Richter ein groſſes Verlangen tragen/
dannoch dieſe Reiß nicht ohne Forcht und Schweiß verrichten? Dann
GOtt richtet anders/ als die Menſchen. Der heilige Bernardus/ ein
Ser. 16. in
Cant.heller Spiegel der Heiligkeit/ bekennet von ſich ſelbſten und ſagt: Jch
foͤrchte die Hoͤll/ ich foͤrchte das Angeſicht deß Richters/
welches auch foͤrchten die Engliſche Herrſchafften. Jch
erzittere vor dem Zorn deß Maͤchtigen/ vom Angeſicht
ſeines Grimmen/ von dem Knall der fallenden Welt/
von der grauſamen Verbrennung der Elementen/ von
dem ſtarcken Vngewitter/ von der Stimm deß Ertz-
Engels/ und von dem harten Wort. Jch erzittere von
den Zaͤhnen deß hoͤlliſchen Vnthiers/ vom Bauch der
Hoͤllen/ von den Brüllenden/ ſo da zum Futer bereit
ſtehen. Jch haſſe den nagenden Wurmb/ und das bren-
nende Feuer/ den Rauch und Dampff/ den Schweffel-
und Sturm-Wind deß Vngewitters: mich grauſet für
den euſſerſten Finſternůſſen. Wer wird meinem Haupt
Waſſer geben/ und meinen Augen ein Brunnen der Zaͤh-
ren
[601]Von dem beſondern Gericht.
ren/ auff daß ich mit meinem Weinen dem Weinen vor-
komme: Siehe/ mein Chriſtliche Seel/ thut daß der fromme und un-
ſtraͤffliche Bernardus? Entſetzt ſich dieſer alſo von allem dem/ was ſich an
jenem Tag wird zutragen/ wie groſſe Urſach zu erſtarren hat dann nicht ein
traͤger Geiſtlicher/ der ſeine Regulen bey weitem nicht haltet/ wie Ber-
nardus gethan hat? Was ein Grauſen und Schroͤcken wird nicht uͤber-
fallen einen in Suͤnden vertiefften Menſchen/ wann der fromme David
bettet: HERR/ gehe nicht zu Gericht mit deinem Knecht/P al. 142.
Luc. 23. v.
3.
dann vor deinem Angeſicht wird kein Lebendiger gerecht-
fertiget werden. Sollen wir uns nicht allhier der Worten unſers
Heylands gebrauchen und ſagen: Thun ſie das am grünen Holtz/
was wird dann am Doͤrren geſchehen: Wann in ſolchen aͤng-
ſten ſeynd die Freund GOttes/ was wird dann nicht widerfahren den
Feinden?
13. Zu Pariß in Franckreich/ in einem Franciſcaner Kloſter/ iſt ein
Geiſtlicher Neuling zu ſterben kommen/ und hat in ſeiner letzten Stund er-
ſchroͤcklicher Weiß zu ruffen angehebt/ und geſagt: O ich armſeeliger
Menſch/ waͤre ich doch niemahl gebohren! Ein wenig
hernach ſagt er: Jch bitte dich/ gehe doch mit der Waage
treulich umb. Und gleich darauff ſagt er: Lege etwas von den
Schmertzen JEſu darzu. Dieſes ſcheinete den Anweſenden nur
ein Traum odet Krancken Fabul zu ſeyn. Nicht lang hernach rufft er:
Jetzt iſts recht. Da er nun wiederumb zu ſich kommen/ hat er erzeh-
let/ daß er geſehen habe/ wie ſcharffe Rechenſchafft der gerechte GOtt for-
dere/ auch von den heimblichen Gedancken/ von den muͤſſigen Worten/
und von den allergeringſten Fehlern. Es wird/ ſagt er/ durch die Waa-
ge alles genau erforſchet/ dahero hab ich mich fuͤr ungluͤckſeelig außge-
ſchriehen/ und den Waag-Meiſter umb Huͤlff erſucht. Und da ich ſa-
he/ daß meine Verdienſten gegen meine Suͤnden zu leicht waͤren/ da fieng
ich an zu betten/ es moͤgte von den Verdienſten deß leydenden Heylandes
meinen Verdienſten etwas zugelegt werden: ſo auch geſchehen. Allhier
hab ich einen Muth geſchoͤpfft und geſagt: daß nun alles recht ſeye. Nach
dieſen Worten iſt der Junge Muͤnch verſchieden.
14. Jch bilde mir anders nicht ein/ als die Leut muͤſſen nicht glauben/ daß
GOtt von unſerm Thun und Laſſen ſo ſcharffe Rechenſchafft fordere/
ſonſten waͤre es ſchier unmoͤglich/ ſie wuͤrden ſo uͤbel nicht leben. Wir
hoͤren ſo viele erſchroͤckliche Wunder/ ſo handgreiffliche Zeichen deß ge-
nauen Gerichts GOttes/ unter welchen ich dieſes/ ob zwarn ſehr beken-
G g g gtes/
[602]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
tes/ dannoch nuͤtzliches Exempel kuͤrtzlich anbey fuͤge. Der Gottſeelige
Grad. 7.Vatter Climacus erzehlet/ daß auff dem Berg Sina ein ſehr frommer
Einſidler gewohnet habe/ Nahmens Stephanus/ welcher in immerwaͤh-
renden ſtrengen Ubungen/ im Faſten/ Betten und Weinen uͤber die be-
gangene Suͤnden ſein Leben zugebracht; biß er endlich kranck worden.
Den letzten Tag vor ſeinem Todt iſt er in eine Erſtarrung deß Gemuͤts
gefallen/ und hat mit offenen Augen bald auff die rechte/ bald auff die lincke
Seiten deß Betts geſchauet; und hat mit Zuhoͤrung aller anweſenden/
als wann Rechnung von ihm gefordert wuͤrde/ geantwortet: Das iſt
wahr; ich hab aber darfür ſo viele Jahren gefaſtet. Biß-
weilen hat er geſagt: Gewiß nicht: ihr lieget das/ das hab
ich nicht gethan. Und wiederumb: Es iſt in Warheit alſo/
ich kans nicht laͤugnen: ich hab aber dieſes beweinet/ ich
hab darfůr Buß gethan. Abermahl. Es iſt wahr/ ihr
klaget mich recht an. Bißweilen antwortet er und ſagt: Das iſt
gewiß/ und ich kan darauff nicht antworten: aber ich
hoffe Barmhertzigkeit zu erlangen. Dieſes ware/ ſagt Cli-
macus/ ſo dieſer Action bey gewohnet/ ein grauſames Spectacul/ ein un-
ſichtbares dannoch ſcharffes Gericht/ bey dem auch (was noch erſchroͤck-
licher iſt) ſolche Suͤnden vorgebracht wuͤrden/ ſo doch von dem heil. Mann
nicht begangen waren. Wann nun dieſer fromme Diener GOttes/ der
auch lange Zeit in der Wuͤſten einen Leopard geſpeiſet/ ſo ſcharff examini-
ret worden; und man biß auff den heutigen Tag nicht weiß/ was er fuͤr ein
Urtheil bekommen habe; Was Forcht und Zittern wird uns nicht an-
kommen in jener Stund/ wann wir nicht koͤnnen ſagen/ daß wir fuͤr ein ein-
tzige ſo vieler unſerer Suͤnden Buß gethan haben? GOTT laſſet
dergleichen heylſame Zeichen geſchehen/ auff daß wir in Forcht
deß Gerichts/ und ſeiner deß Richters leben/ und alſo die Suͤnden verhuͤ-
ten ſollen.
15. Laſſet uns derhalben Guts thun/ ſo viel wir koͤnnen: und wann wir
alles gethan haben/ was uns befohlen iſt worden/ ſo laſſet uns ſagen/ daß
wir unnuͤtze Knecht ſeyn/ dieweilen wir gethan haben/ was unſere Schul-
digkeit erfordert hat: Ja fuͤr die empfangene Goͤttliche Wohlthaten/ er-
ſtatten wir keine wuͤrdige Vergeltung; und alle Ehr und Anbettung/ mit
den wir unſern GOtt verehren/ ſeynd unendlich geringer/ als die Ehr/
deren
[603]Von dem beſondern Gericht.
deren er wuͤrdig iſt: alles iſt ihm viel zu gering: Dann gleich wie die
Herrligkeit GOttes/ Krafft und Wuͤrde nach aller Vollkommenheit un-
endlich ſeynd/ alſo iſt er einer unermeſſenen Ehr wuͤrdig. Dahero koͤn-
nen uns alle unſere Werck/ ſo da gut und vollkommen zu ſeyn ſcheinen/ ver-
daͤchtig ſeyn; zumahlen ſelbige gemeiniglich mit dieſer oder jener Unſauber-
keit beſudlet werden/ und alſo den allerreineſten GOtt zu gering ſeynd.
Solche Betrachtung koͤnnen uns wohl bey der Crden/ und in Forcht hal-
ten/ wann wir uns derſelben oͤffters gebrauchen/ und annebens die Rech-
nung vor der Zeit machen/ damit wir zur Zeit deß Gerichts beſtehen moͤgen.
Das beſte Mittel aber eine gute Rechnung zu machen/ iſt dieſes/ mein
Chriſtliche Seel/ daß du nemblich die Suͤnden mit allem Ernſt flieheſt/ und
deinen GOtt taͤglich bitteſt/ daß er dir ſeine huͤlffliche Hand nicht entzie-
he: Dann der heilige Thomas mit allen Gelehrten ſagt alſo: Auff1. 2 9. 109.
art. 10.
daß der Menſch/ ſo da in der Gnade GOTTES
iſt/ biß zum End ſeines Lebens verharre; hat er
eine ſonderbahre Hülff GOTTES vonnoͤthen/
krafft deren er fůr dem Anlauff der Verſuchungen
beſchützet werde: Zumahlen die Gnad vielen ge-
geben wird/ denen doch nicht allen gegeben wird/
in derſelben zu verharren. Dieſe ſonderliche Gnad kan
uns GOTT unangeſehen aller unſer Verdienſten recht maͤſſig
weigern/ und ſagen: Jch bin dir nichts ſchuldig. Sin-
temahlen eine Gnad keine Schuld iſt/ ſondern eine gantz freywillige Gaab/
die wir mit ſtetem Gebett von unſerm GOtt begehren muͤſſen. Zum Ex-
empel: Ein Fuͤrſt ſchenckt einem Edelman ein Schloß mit dem Geding/
wann er ihm treue Dienſten leiſten werde: Selbiger aber verſuͤndiget ſich
groͤblich gegen ſeinen Fuͤrſten/ und ſtellet ſich alſo in Gefahr/ nicht
allein das Schloß/ ſondern auch das Leben zu verliehren. Alſo
gehets her mit denen/ welche ihren GOTT groͤblich beleidigen:
ſie waren in Gnaden/ der Himmel war ihnen verſprochen: Die-
weilen ſie aber den Verſprecher erzuͤrnet haben/ ſo haben ſie die
Gnad und den Himmel zugleich verlohren. Solte nun der Fuͤrſt
dem Edelman ſolche Gnad thun/ vermoͤg deren er niemahlen auß
der Gnad kommen moͤgte; Dieſe Gnad waͤre ſicherlich die aller-
fuͤrtrefflichſte Gnad unter allen Gnaden/ und ſolte kaum einem
unter tauſenden widerfahren. Solcher maſſen hat GOTT
G g g g 2ſehr
[604]Die Sieben und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſehr wenigen die hoͤchſte Gnad deß Verharrens mitgetheilet: Er will/ daß
die uͤbrige zwiſchen Hoffnung und Forcht ihr Heyl wircken/ und alſo zum
Gericht hinzugehen. Dahero wird keiner gefunden/ der nicht mit dem
Job zu ſagen genoͤthiget werde: Wann ich ſchon etwas Reches
haben werd/ ſo will ich doch nicht antworten/ ſondern
meinen Richter bitten.
16. Dieweilen nun GOtt dieſe hoͤchſte Verharrung keinem verſpricht/
und wir ſelbige durch keine tugendſame Werck jemahlen verdienen koͤnnen;
ſo will ſichs fuͤrwahr geziemen/ daß wir ſelbige Gnad zu aller Stund mit
demuͤtigſtem Bitten begehren/ und alle die jenige zu Huͤlff ruffen/ welche
zu Erlangung derſelben uns koͤnnen befoͤrderlich ſeyn: Alsdann wird un-
Prov. 3.ſer alſo bewaffnetes Gebett nicht krafftloß ſeyn. Derhalben bereitet
den Weeg deß HErrn/ machet ſeine Stege richtig. Der
Luc. 23.
14.HErr iſt nahe bey/ der Richter ſtehet vor der Thuͤr. Seelig iſt der
Menſch der allzeit forchtſamb iſt/ der aber hart von Ge-
muͤth iſt/ der wird in Vnglück fallen. Keiner ſagt mit dem fau-
len Haußhalter: Graben kan ich nicht/ zu betteln ſchaͤm ich
mich: ſondern ſagte: Graben kan ich/ zu betteln ſchaͤm ich
mich nicht. Verfuͤge dich zu deinem Gewiſſen/ mein Chriſtliche Seel/
und grabe daſelbſt: gehe vor die Thuͤr deß Himmels/ und Bettle da. Suche
dir zu gewinnen die Mutter deß Richters: mach dir die Engeln GOttes zu
Freund/ und ruffe zu Huͤlff alle Außerwoͤhlte deß HErrn. Und was foͤrchte-
ſtu dich? Gehe hin zum Richter ſelbſt/ und uͤberlege mit ſelbigem deine Sach
in aller Vertraͤuligkeit: Jetzt bitte/ jetzt falle ihm zu Fuͤſſen/ da es noch Zeit
iſt/ die Gnaden-Thuͤr ſtehet noch offen. Vor allem aber uͤbe dich in den
Wercken der Liebe/ und ſehe zu/ daß dein Leydender Jeſus niemahlen auß dei-
ner Gedaͤchtnuß lange Zeit auß geſchloſſen bleibe; dann du haſt auß vorher-
gehender Lection gnugſamb erlernet/ wie ſehr ſich der himmliſche Richter
das Mitt-Leyden uͤber ſeine erlittene Schmertzen gefallen laſſe. Zur Lin-
derung dieſes ſtrengen Gerichts kan auch ein groſſes beytragen die beſtaͤn-
ge Verchrung der GOttes- Gebaͤhrerin/ und der Heiligen/ wie ſichs her-
nach zeigen wird. Nehme fuͤr lieb/ mein Chriſtliche Seel/ dieſe kurtze Lection
von dem beſondern Gericht/ und wann du ſelbige wohl betrachtet haſt/ ſo
wende dich zu dem dritten der vier letzten Dingen/ welches iſt
die Peyn der Hoͤllen.
Die
[605]
Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Den Peynen der Hoͤllen.
14.
aut quis habitabit ex vobis cum ardoribus ſempi-
ternis?’
wohnen kan: oder welcher unter euch wird bey der ewi-
gen Glut bleiben koͤnnen.’
1. GLeich wie der Allermilteſte GOtt den Suͤndern in dieſem Leben ei-
ne unbegreiffliche Guͤte erweiſet; in dem er von Tag zu Tag/
von Monath zu Monath von Jahr zu Jahr/ derſel-
ben Laſter uͤber ſehet/ auff daß ſie moͤgen Buß thuen; und ſie annebens
auffmunteret und ermahnet/ auch durch ſeine ſo wohl unſichtbarliche Die-
ner/ als da ſeynd die Engel GOttes/ als auch die ſichtbarliche/ nemblich die
fromme Menſchen/ einladet und bittet/ ſie wollen ſich doch zu ihm wenden/
und ihr Leben beſſern: und was noch mehr iſt/ ſie auch durch ein verborge-
nes eingeben ihrer Schuldigkeit erinnert/ und viele andere Wohlthaten den-
ſelben erzeiget: Alſo veruͤbet derſelbige GOtt nach dieſem zeitlichen Leben
eine unbeſchreibliche Strenge der Gerechtigkeit uͤber die boͤſe und undanck-
bare Menſchen/ und ſtraffet ſelbige mit ſo unzahlbaren und grauſamen Tor-
menten; daß der heilige Ambroſius ſagt: Wann alle Menſchen/ ſo von
unſerm erſten Vatter Adam/ biß auff gegenwaͤrtigen Tag gebohren
ſeynd/ noch wuͤrcklich beym leben/ und alle miteinander gute Prediger
waͤren/ und auch ins geſambt von der allergeringſten Peyn der Hoͤllen
G g g g 3pre-
[606]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
predigen wuͤrden; ſo koͤnten doch ſelbige die allerwenigſte Peyn der Hoͤllen
der Gebuͤhr nach nicht vortragen. Dann das hoͤlliſche Feur hat ein wun-
derſelſame Hitze/ und durchtringet und ſchmertzet dermaſſen/ daß/ gleich
wie/ nach Zeugnuß deß heil. Vatters Auguſtini/ das irrdiſche Feuer an
Hitze uͤbertrifft ein gemahltes Feuer; alſo das hoͤlliſche Feuer uͤbertreffe das
Jrrdiſche. Und gleichwohl/ gedencke einer/ wie ſcharff brennet nicht auch
unſer Feuer? Zu deſſen Beſtaͤttigung erzehle ich das Exempel von einem
Hiſtoria.
Spec. Ex-
emp.
Diſt. 3.Abten. Dieſer hat in ſeiner letzten Kranckheit/ mit Zuſtimmung ſeiner
Geiſtlichen/ ſeinen Vatter zu ſeinen Succeſſorn auß einer unordentlichen
Affection ernennet; iſt darauff geſtorben und verdambt worden: welches
auff folgende Weiß iſt kundbar worden. Der neuerwaͤhlte Abt gehet im
Kloſter an einem luͤſtigen Ort ſpatziren/ alwo ein kleines Waͤſſerlein vor-
bey floſſe: und hoͤret ein ſehr klaͤgliche Stimm mit dieſen Worten: Ach/
ach/ ich armſeeliger! Da er nun fragt wer er ſeye; bekombt zur Antwort:
Jch bin dein Bluts- Verwandter/ der ich vor dir Abt allhier geweſen/
anjetzt aber ein armſeeliger Geiſt bin/ dieweilen ich dich auß fleiſchlicher
Neigung und Liebe/ als meinen Vetter zu dieſer deiner Wuͤrden befoͤr-
dert hab. Meine Geiſtliche haben mich damahlen erſucht/ daß ich einen
tauglichen Mann zum Heyl ihrer Seelen/ an meinen Platz ſtellen moͤgte/
und haben mir zu dieſem End ihre Stimmen uͤbertragen: ich aber bin durch
die zeitliche Verwandſchafft verblendet worden/ und hab nicht nach
dem Willen GOTTes/ ſondern nach meines eigenen Willens groſſe
Thorheit/ denſelben gerathen/ daß ſie dich zu ihrem Abt erwaͤhlen ſolten.
Dahero bin ich zu dieſem Waͤſſerlein durch das gerechte Urtheil GOttes
dergeſtalt verdambt/ daß ich brenne/ und zerſchmeltze; und wann ich alſo
fchier vernichtiget bin/ ſo muß ich als wiederumb von neuen anfangen dieſe
erſchroͤckliche Tormenten zu leyden. Wann du erfahren wilſt/ daß wahr
ſeye/ was ich dir geſagt hab/ ſo laſſe einen kupffernen Leuchter herbey
bringen/ und duncke denſelben allgemach ins Waſſer. Da ſol-
ches beſagter Maſſen geſchehen/ iſt der Leuchter viel hurtigrr/
als das Wachs im Feuer zerſchmoltzen. Jſt nun ſo groſſe Hitze ge-
weſen in dieſem Waͤſſerlein; wie grauſames Feuer wird dann nicht in der
Hoͤllen ſeyn!
Hiſtoria.
2. Weiters ſchreibt auch Caͤſarius/ da einsmahls ein Edelman Nah-
mens Waltherus zu Endenig unweit Bonn kranck lage/ ſahe er den boͤſen
Feind
[607]Von den Peynen der Hoͤllen.
Feind mit Geiſſen - Hoͤrnern/ und einem Meer- Katzen Angeſicht beym
Bett ſtehen. Dieſen fragte er/ wie groß die Hitze deß hoͤlliſchen Feuers
waͤr? Der Teuffel fragt; ob er die Schloͤſſer Wolckenberg und Drachen-
fels in den nahebey ligenden ſieben Bergen geſehen habe? Der Krancke
antwortete/ dieſe Berg ſambt den Schloͤſſern ſeyn ihm wohl bekennt.
Darauff antwortete der boͤſe Geiſt und ſagte; Wann ſchon dieſe Berg
ſambt den Schloͤſſern in lauter hartem Eiſen beſtuͤnden/ ſo wuͤrden ſie
doch in einem eintzigen Augenblick zerſchmeltzen/ wann ſie wuͤrden in das
hoͤlliſche Feuer geworffen werden. Jm Buch von den Wunderthaten
deß heiligen Franciſci wird geleſen/ daß ein Geiſtlicher deſſelben Ordens/
ein Mann groſſen Eiffers und ſtrengen Lebens/ einsmahls bey naͤchtli-
cher Weyl nach der Metten ſeye im Geiſt verzuckt worden/ und habe ge-
ſehen und erfahren die Peinen deß Feeg- Feuers: Dieſer iſt/ ehe das
Zeichen zur Prim geben worden/ wiederumb zu ſich kommen/ und hat
vermeint/ er ſeye hundert fuͤnfftzig Jahr in dieſen Tormenten geweſen.
So bitter ſeynd ihm die Schmertzen vorkommen/ die er gelitten hat. Nun
mache dir das Facit/ mein Chriſtliche Seel/ wie lang einem Verdambten
werde vorkommen/ daß er ewig brennen muͤſſe; und halte dich in dieſer
Rechnung nun ein halbes Stuͤndlein auff. Bey dem Propheten Da-
niel leſen wir/ wie der Koͤnig Nabuchodonoſor uͤber die drey Maͤnner/
Ananiam/ Azariam/ und Miſael ſeye erzuͤrnet worden/ und habe den
Feurigen Ofen noch ſiebenmahl hitziger anzuͤnden laſſen/ als braͤuchlich
geweſen/ daß auch die Flammen auß demſelben herauß geſchlagen/ und
ſich acht und viertzig Elen hoch außgebreitet; darauß gnugſamb zu ſchlieſ-
ſen iſt/ daß die Hitze ſehr groß geweſen ſeye. Wer ſolte nun wohl umb al-
ler Welt Guͤter/ umb alle erdenckliche Freuden und Wolluͤſten/ umb alle
Ehren und Wuͤrden der Welt/ einen eintzigen Tag/ in ſolchem Feuer
ſich brennen laſſen? Man wuͤrde ſicherlich einen ſolchen fuͤr den groͤſten
Haupt-Narren deß gantzen Erd-Craiß anſehen? Fuͤrwahr/ ein
viel groͤſſer Narr iſt der jenige/ welcher ſich ob der augenblicklichen
und nichtswertigen Ergoͤtzligkeiten dieſer Welt/ denen ewig-waͤh-
renden hoͤlliſchen Tormenten darbietet. Dahero fragt recht der
Goͤttliche Prophet: Wer iſt unter euch/ Wer iſt unter
euch/ der bey einem zaͤhrenden Feuer wohnen
kan: Welcher unter euch wird bey der ewi-
der ewinen
[608]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
der ewigen Glut bleiben moͤgen: Dieſes Feur wird einen jeden
ſeinen Suͤnden gemaͤß brennen: und mit wie mehrerem Ciffer und Luſtbar-
keit die Suͤnd iſt begangen worden/ je bitterer wird ſelbige geſtrafft werden:
wie der Herr in der Offenbahrung Joannis ſelbſt bezeuget; und ſagt: Wie
c. 18.viel ſie ſich (nemblich die Seel) herrlich gemacht hat/ und in
Lüſten geweſen iſt/ ſo viel Qual und Leyd thut ihr an. Und
weilen in den fleiſchlichen Laſtern/ der Eyffer der Begierlichkeit/ der Ge-
ſtanck und Ergoͤtzung der Unren igkeit am groͤſten ſeynd/ dahero werden
ſelbige Suͤnden mit ſonderbahr zehrendem hoͤlliſchen Brand/ fuͤr andern
ſehr hart geſtrafft werden. Derhalben ſagt der heilige Vatter Auguſtinus:
So viel hat angeklebt die Lieb/ ſo viel werden züchtigen
die Schmertzen. Wann dann ein eintzige Todt- Suͤnd mit ſo grau-
ſamer Straff wird hergenommen; was werden nicht zu leyden haben die jeni-
ge/ ſo ſich auff dieſer Welt gleichſamb in Suͤnden geweltzet/ und durch
die boͤſe Gewonheiten zu ſuͤndigen ſich haben untertrucken laſſen?
3. Die zweyte Art der hoͤlliſchen Peinen iſt die allergrauſambſte und ſchaͤrf-
feſte Kaͤlte: Dann gleich wie das hoͤlliſche Feuer alles Feur der gantzen Welt
mit ſeiner Hitze weit uͤbertrifft; alſo iſt die Kaͤlte der Hoͤllen mit ihrer Krafft
und Schaͤrffe aller irrdiſchen Kaͤlt weit uͤberlegen. Gedenck nun/ mein
Chriſtliche Seel/ wie ſchwaͤhr dir fallen ſollte/ wann du einen eintzigen
Tag oder Nacht in der allerbittereſten Kaͤlte/ unter dem blauen Himmel/
gantz nackend ſtehen/ oder in einem zufrierenden Waſſer fuͤr lieb nehmen
muͤſteſt. Von dieſer gemahlten Kaͤlte ſchlag deine Augen deß Hertzens zu
der hoͤlliſchen Kaͤlte/ verſichere dich/ daß ſelbige viel hundert tauſendmahl
groͤſſer ſeye/ als welche du beſagter maſſen leyden wuͤrdeſt: Dann ob ſchon die
Peynen der hoͤlliſchen Hitz und Kaͤlte zu Zeiten gehemmet werden/ ſo werden
ſie doch niemahlen gaͤntzlich hinweg genommen: und iſt die Hemmung oder
Nachlaſſung keine Erleichterung oder Troſt der armſeeligen Verdambten;
ſondern gedeyhet denſelbigen zu ſchmertzhaffteren und grauſameren Peynen:
Job. 24.zumahlen ſie (wie die Schrifft meldet) vom Schnee-Waſſer müſ-
ſen hinůber gehen zur ůberſchwenglicher Hitze. Dieſe Ab-
wechſelung vermehret die Schmertzen/ wie wir taͤglich ſelbſt erfahren/ ſo wir
nur unſere Eyß-kalte Haͤnd zu einem Hitzigen Feuer halten. Zu dieſer Kaͤl-
te werden ſonderbahr verurtheilet die faule und nachlaͤſſige Menſchen ſo da
auß Traͤgheit den Dienſt GOttes verabſaumen/ und zu den Welt-Boſſen
ein mehrere Luſt haben/ als zumſchuldigen Dienſt und Verehrung ihres
Hertzen.
4. Die
[609]Von den Peynen der Hoͤllen.
4. Die dritte Peyn der Hoͤllen iſt das immerwaͤhrende Nagen und
Beiſſen der grauſamen und abſcheulichen Wuͤrmb; wie der Prophet Jſaias
ſagt: Jhr Wurmb ſtirbt nicht. Und der Weyſe Mann bezougtsc. 66.
alſo: Die Rache über das Fleiſch deß Gottloſen iſt Feuerc. 7. v. 19.
und Würmbe. Wie mehr ſich nun der Menſch im Leben/ mit ſchaͤnd-
lichen/ unnatuͤrlichen/ und unmaͤſſig groſſen Laſtern verſuͤndiget hat; je
mehr wird er in jener Welt/ von den wunderſeltzamen/ grauſamen und ent-
ſetzlichen Wuͤrmen zerbiſſen werden. Die vierte Peyn/ iſt der allerempfind-
lichſte Geſtanck/ durch welchen der Geruch der Verdambten erbaͤrmlicher
Weiß geplaget wird; und wird dieſer Geſtanck ſonderbahr genennet/ der
Schweffel-Geſtanck; Dahero wird in der Offenbahrung Joannis alſo
gemeldet: Den Gottloſen wird ihr Theil in den Pful fallen/c. 21.
der mit Feuer und Schweffel brennet. Gedenck derhalben/
mein Chriſtliche Seel/ wie wuͤrde dir zu Muth ſeyn/ wann du zu faulen
ſtinckenden Aeſtern in ein mit Feuer und Schweffel angefuͤltes Loch hinein
gelaſſen wuͤrdeſt/ und daſelbſt viele tauſend Jahr mit ſo unmenſchlichem Ge-
ſtanck fuͤr lieb nehmen muͤſſeſt? Nun aber werden die verdambte Seelen nicht
nur viele tauſend Jahr/ ſondern in alle Ewigkeit/ ohne eintziges End/ mit
hundert tauſentmahl groͤſſerm Geſtanck in dem verfluchten Loch der Teuf-
feln geplaget: Zumahlen der H. Bonaventura darfuͤr haltet/ daß eines ein-
tzigen verdambten Coͤrpers greißlicher Geſtanck die gantze Welt emfinden
wuͤrde. Die fuͤnffte Peyn der Hoͤllen iſt das uͤbergrauſamen Anſehen der
Teuffeln und aller Verdambten/ deren Seelen den boͤſen Feinden in der
Abſcheuligkeit gleich geſchaͤtzt werden. Von dieſem Anſchauen der boͤſen
Geiſter/ haben einige von Hertzen bekennet/ die ſelbiges zum Theil erfah-
ren haben/ daß ſie lieber in einen feurigen Ofen gehen wolten/ als ein eintzi-
gen Teuffel zum andernmahl ſehen. Wie peinlich wird dann nicht ſeyn/
daß ein verdambter Menſch dieſe alle/ und in alle Ewigkeit muͤſſe anſchauen?
5. Die ſechſte Peyn der Hoͤllen iſt der erſchroͤckliche und unbeſchreibliche
Hunger/ mit welchem die jenige ohne Zweiffel werden geplagt werden/ wel-
che dem Fraaß und Fuͤllerey/ und ſchleckerhafften Speiſen unmaͤſſiglich
ſeynd zugethan geweſen/ und die gebottene Faſten der Kirchen nicht gehalten
haben: wie Chriſtus mit außtruͤcklichen Worten ſagt: Wehe euch/Luc. 6. v.
25.
Iſa. 65.
die ihr geſaͤttiget ſeyd/ dann ihr werdet hunger leiden.
Auch redet GOtt durch ſeinen Propheten die Gottloſe an und ſagt: Siehe/
meine Knecht werden eſſen/ und ihr werdet hunger leyden.
Siehe/ meine Knecht werden trincken/ und ihr werdet
H h h hdurſt
[610]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Durſt leyden/ Siehe/ meine Knecht werden froͤlig ſeyn/
und ihr werdet in Schanden ſtehen. Siehe/ meine Knecht
werden für Hertzen Freude frolockn/ und ihr werdet ſchrey-
en fůr Hertzen-Leyd/ und für Angſt deß Geiſts heulen. Daher
gibt dir der Weyſe Mann dieſen Rath und ſagt: Wircke Gerechtig-
Eccl. 14.
17.keit für deinem Todt/ dann in der Hoͤllen iſt keine Speiß
zu finden. Die ſiebente Peyn der Hoͤllen iſt das ſcharff-ſchneidende
Schwerd deß Durſts/ mit welchem der reiche Braſſart gequaͤlet wurde/ der
umb ſelbigen zu loͤſchen ein eintziges Troͤpfflein Waſſer begehrte. Mit
dieſer Peyn werden gecreutziget die Saͤuffer und verſoffene Boltzen/ denen
der Prophet auß Befehl deß HErrn ſagt: Wehe euch/ die ihr mor-
Iſ. 5. 11.gens frůhe auffſtehet/ der Trunckenheit nachzugehen/ und
zu ſauffen biß auff den Abend. Der Salomon bleibt auch nicht
zuruck; ſondern kombt auch mit ſeiner wohlmeinenden Ermahnung hervor
und ſagt: Sey nicht bey den Gaſtmahlen der Sauffer/ noch
Prov. c.
23. 20.bey den Schlem̃ereyen deren/ die Fleiſch zu freſſen mitbrin-
gen: Dann die dem Sauffen außwarten/ und Braſſerey
anrichten/ werden außgezehret. Auch werden mit dem Hunger
und Durſt ſonderlich geſtrafft werden die Unbarmhertzige/ welchen die ar-
me hungerige Menſchen nach ihrem Vermoͤgen nicht ſpeiſen/ und die Duͤr-
ſtige nicht traͤncken: Derhalben iſt dem unbarmhertzigen reichen Braſſart
auch ein eintziges Troͤpfflein Waſſer abgeſchlagen worden.
6. Endlich/ alle andere unzahlbare Peynen der Hoͤllen zu verſchweigen/
iſt die groͤſte Peyn/ der Verluſt deß Allerhoͤchſten Guts: Dann gleich
wie darin der Seelen vollkommneſte und hoͤchſte Wohlfart beſtehet/ daß ſie
ihren GOtt und Erſchoͤpffer von Angeſicht zu Angeſicht anſchaue; Alſo iſt
dieſe die allermeiſte Ungluͤckſeeligkeit und groͤſter Schad deß Menſchen/ daß
er der ſeeligen Anſchauung ſeines GOttes beraubt werde. Dahero wird
die Entbehrung der ſeeligmachenden und ſeeligen Anſchauung GOttes ei-
ne Peyn deß Verluſts bey den Verdambten genennet. Die Schmeryen
aber deß Feurs/ der Kaͤlte und anderer hoͤlliſchen Tormenten werden genen-
net werden Peynen deß Gefuͤhls. Obwohln aber die Verdambte GOTT
nicht lieben/ ſondern hoffen; und dieſerthalben mit denſelben nicht verlangen
vereiniget zu werden/ weder auch deſſen zu genieſſen; ſo viel dieſes zu Ehren
und Lob GOttes gereichen wuͤrde: ſo wolten ſie dannoch wohl gern im Him-
mel ſeyn/ dieweilen ihnen ſelbiges nuͤtzlich waͤre/ und ſie auch alſo von ihren
Pey-
[611]Von den Peynen der Hoͤllen.
Peynen erlediget wuͤrden/ welches ſie ohne End/ aber umbſonſt verlangen.
Dahero ſagt der heilige Gregorius: Es iſt nicht zu zweiffeln/ daß die jeni-
ge/ ſo in der Hoͤllen ſeynd/ das Loß der Seeligen verlangen: darumb iſt ge-
ſadt worden/ daß am Tag deß allgemeinen Gerichts/ erſtlich die Außerwaͤhl-
te zum Himmel-Reich werden beruffen werden/ und im Angeſicht der Ver-
dambten mit Herrligkeit hinauff ſteigen zu der Fuͤlle der ewigen Freuden;
auff daß die Gottloſe ſehen/ was ſie verabſanmet und verlohren haben; und
alſo daruͤber in Ewigkeit betruͤbet werden. Die Urſach aber/ daß die Ver-
dambte ſo wohl mit den Peynen deß Gefuͤhls/ als eben mit der Peyn deß Ver-
luſts geſtrafft werden/ iſt dieſe: Dieweilen in einer jeden Todt- Suͤnd zwey
Ding muͤſſen unterſchieden werden. Eins iſt die Abwendung deß Gemuͤts
von dem Allerhoͤchſten und unveraͤnderlichen Gut: dieſer Abwendung ge-
buͤhret die Peyn deß Verluſts/ nemblich die Enthaltung der Goͤttlichen An-
ſchauung. Daß ander iſt die unordentliche Gemuͤts-Wendung zu dem
erſchaffenen/ zergaͤnglichen und eitelen Guth: und dieſer unrechtfertigen
Zuwendung gebuͤhret die Peyn deß Gefuͤhls. Die Peyn deß Verluſts
aber iſt nach aller Gelehrten und H. H. Vaͤtter Meinung viel ſchwaͤhrer und
empfindlicher als die Peynen deß Gefuͤhls: dahero ſagt der H. Chryſoſtomus:
Es werden einige thorrechte Menſchen gefunden/ welche vermeinen/ es
ſey ihnen genug/ wan ſie von den empfindlichen Peynen der Hoͤllen befreyet
bleiben. Jch bin aber der Meinung/ daß es die groͤſte Peyn unter allen
ſeye/ von dem Angeſicht GOttes verworffen/ und deſſen ſeeligſte Genieſſung
beraubet zu werden. Und wiederumb ſagt dieſer heilige Lehrer: Daß ein
Menſch von den ewigen Guͤttern außgeſchloſſen werde/ und von denen Din-
gen/ welche GOtt den jenigen zubereitet hat/ die ihn lieben/ entfernet werde;
dieſes bringet ſo groſſen Schmertzen/ daß/ wann ſchon kein aͤuſſerliche Peyn
zu leyden waͤre/ ſelbiges doch allein alle andere Tormenten weit uͤbertreffe.
So fliehe dan/ fliehe/ mein Chriſtliche Seel/ fliehe vielmehr als den erſchroͤck-
lichen Todt ſelbſten/ dieſen allerhoͤchſten Verluſt/ fliche den allerbitteriſten
Schaden deiner Seelen: Siehe dich vor/ daß du durch die Todt-
Suͤnde von dieſem deinem Allerhoͤchſten Guth im Leben nicht ge-
ſcheidet werdeſt.
7. Unglaublich ſehr ſchmertzet auch die Verdambte/ daß ihre Peynen
in alle Ewigkeit dauren werden: zumalen ſolches die heilige Schrifft an vie-
len Orthen gnugſamb bedeutet/ ſonderlich Jſaiaͤ am 66. alwo von
G h h h 2den
[612]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
den Verdambten geſagt wird: Jhr Wurm wird nicht ſterben/
und ihr Feuer nicht erloͤſchen. Und in der Offenbahrung Joannis:
c. 14.Sie werden mit Feuer und Schweffel gepeiniget werden
in alle Ewigkeit. Zum Zeichen dieſes ſchluge das Feuer neun und
viertzig Elen hoch auß dem Babyloniſchen Ofen herauß; kam aber nie-
mahlen biß zum fuͤnfftzigſten/ ſo da ware das Jubel-Jahr. Dadurch dann
bedeutet worden/ daß das hoͤlliſche Feuer ewiglich brenne/ und die Ver-
dambte niemahlen wuͤrden Nachlaß ihrer Suͤnden erlangen. Dahero
84. 15.ſagt der Koͤnigliche Prophet von denſelben alſo: Sie liegen in der
Hoͤllen/ wie die Schaafe/ der Todt wird ſie nagen: Dann
ſie werden/ ſagt der H. Bernardus/ immer ſterben zum Leben/ und werden
allzeit leben zum Todt: dieweilen ſie der Todt nicht auß wurtzeln wird/ und
das Leben zumahlen hinweg nehmen; ſondern er wird ſie nagen
oder abweiden; und die Wurtzel laſſen/ auff daß ſelbige wiederum außſchla-
ge/ und alſo aber- und abermahl/ und in alle Ewigkeit koͤnne genaget werden.
Die Urſach aber/ warumb GOtt ein eintzige Todt-Suͤnd/ ſo da in gar kur-
tzen Zeit/ ja in einem Augenblick begangen wird/ mit den allzeit waͤhrenden
Peynen zuͤchtige/ gibt der heilige Thomas und ſagt: Dieweilen durch ſolche
Miſſethat gegen den GOtt/ der unendlich iſt/ geſuͤndiget wird: und weilen
keine Peyn unendlich ſeyn kan/ ſo viel die Groͤſſe derſelben betrifft; dann kei-
ne Creatur iſt bequemlich einigen unendlichen Weſens oder Eigenſchafft/
ſo wird erfordert/ daß die Peyn auffs wenigſt unendlich ſeye durch die ewige
Zeit oder Daurung. Die andere Urſach/ warumb GOtt ein eintzige Todt-
Suͤnd ſo grauſamb ſtraffe/ iſt dieſe: daß/ obwohlen die wuͤrckliche Begehung
der Suͤnden geſchwind und hurtig/ und auch manigmahl augenblicklich her-
gehe; der Will zu ſuͤndigen doch einiges Weegs ewig zu nennen ſeye; So
viel der jenige/ ſo da ſuͤndiget/ und/ zum Exempel/ die weltliche Wolluſt ſei-
nem GOtt vorziehet/ alſo beſchaffen iſt; daß/ wann er allzeit wuͤrde leben/
auch allzeit in der Suͤnd verharren/ und ſothaner Wolluſt genieſſen wolle.
4. Dia-
log. c. 4.Dahero ſagt der H. Gregorius: Der Sůnder wünſchte ohne End
zu leben/ damit er koͤnnte ohne End Sündigen. Und am 44. c.
ſagt er Es iſt billig/ daß der jenige/ der in ſeinem Ewigen geſuͤndiget
Quæſt.
art. 3. ad
1.hat gegen GOtt/ in dem ewigen GOttes geſtraffet werde Dieſe Wort
legt der H. Thomas auß/ und ſagt: Von dem kan man ſagen/ daß er in ſei-
nem Ewigen geſuͤndiget habe/ welcher nicht allein die beharrliche Wir-
ckung/ durch das gantze Leben behaltet; Sondern auch ſeyn Ziel in der Suͤnd
geſetzt hat/ und alſo den Willen hat/ allzeit/ und ſo gar in Ewigkeit zu ſuͤndigen.
8. Wehe/
[613]Von den Peynen der Hoͤllen.
8. Wehe/ wehe dann den armſeeligen Verdambten/ ſo da in ihren grauſa-
men Tormenten weder die geringſte Leichterung/ weder auch einigen Troſt
der Endigung finden werden. Sondern/ wann ſie vielmal hundert und tau-
ſent tauſentmal tauſent Jahr werden gebrennet haben/ als dann wird erſtlich
ein Anfang ihrer Peynen werden ohne End. Ach! mein Chriſtliche Seel/
dich bitte ich/ ſag mir doch/ ob du wohl ein eintziges Jahr/ ja einen eintzigen
Tag/ umb aller Welt Guͤter und naͤrriſchen Wolluͤſten/ in einem feurigen
Ofen dich wolleſt braten laſſen! Wann du nun dich reſolviren werdeſt/ lieber
alle weltliche Ergoͤtzlichkeit tauſentmahl zu verwerffen/ als auch ein eintzige
Stund lang ſolches brennende Feuer außzuſtehen: ſo frag ich dich/ wie du
dann vermeineſt/ daß dir wuͤrde zu Muth ſeyn/ wann der Sententz uͤber dich
ſolte geſprochen werden; Gehe hin ins ewige Feuer/\&c. Dieſe
Ewigkeit koͤnnte ich dir durch allerhand Gleichnuſſen und Umb - Reden et-
wan zu Gemuͤt fuͤhren; vermeine aber beſſer zu ſeyn/ daß du ſelbiges in oͤff-
terer Betrachtung von der Ewigkeit dir vorſtelleſt/ und nur allein dieſe Wort:
Ewigkeit/ in alle Ewigkeit/ ohne End/ nimmer/ nimmer/
nimmer ein End/\&c. gantz ſtill und einſamb bey dir bedenckeſt; und
alſo von allen Suͤnden ein billiges Greuel und Schroͤcken empfangeſt. Ge-
dencke auch darneben/ und glaube den H. H. Vaͤttern/ daß die boͤſe Chriſt-
glaubige viel bittere und ſchwaͤrere Tormenten in der Hoͤllen leyden werden/
als die Unglaubige. Dahero hat der H. Einſidler Macarius/ da er in der
Wuͤſten gewandert/ und einen Menſchen-Kopff/ ſo auff der Erden gelegen/
gefragt/ wer er ſeye/ hat ihm das Haupt geantwortet/ und geſagt: Jch bin
geweſen ein Prieſter der Heyden/ du aber biſt der Abt Macarius/ ein Freund
GOttes/ und haſt den H. Geiſt: So weit als die Erd vom Himmel ent-
fernet iſt/ ſo weit iſt das unter unſern Fuͤſſen/ und uͤber unſerem Haupt. Da
dieſes der fromme Alte gehoͤrt hat/ hat er mit weinenden Augen geſagt: We-
he/ wehe dem Menſchen/ welcher die Gebott GOttes uͤberſchreitet: und
da er weiters gefragt/ ob auch ein groͤſſere Peyn in der Hoͤllen ſeye? hat er
zur Antwort bekommen/ daß unter ihnen groͤſſere Tormenten ſeyen; und daß
die Heyden/ ſagt das Haupt/ ſo von dem wahren GOtt nicht gewuſt haben/
etwas wenigs Barmhertzigkeit haben: Die aber/ welche GOtt erkennet/ und
nach deſſen Willen nicht gelebt haben/ werden unter uns ſchwaͤrer gepeini-
get. Nach dieſer eingeholten Zeitung/ hat der Alt- Vatter das Haupt be-
graben. So bleibs dann wahr/ daß/ wie beſſer die Chriſtglaubige die Ge-
bott Gottes erkennen/ deſto grober koͤnnen ſie ſuͤndigen/ und werden auch
mit groͤſſerer Straff gezuͤchtiget. Und wiederumb; wie mehrere und groͤſ-
H h h h 3ſere
[614]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſere Wohlthaten ſie von GOtt empfangen haben/ je verdamblicher iſt die
Uberſchreitung und Undanckbarkeit: dann dem viel gegeben iſt worden/ von
dem wird auch viel gefordert werden.
9. Wie groß vermeinſtu/ mein Chriſtliche Seel/ daß ſeye der Unterſchied
der Straffen zwiſchen den Heyden und Chriſt-Glaubigen? Der heilige
Biſchoff Eyrillus meldet in einem Send-Schreiben/ ſo er dem heiligen Au-
guſtino zugeſchickt/ in welchen er von den Miraculen deß heiligen Hiero-
nymi redet/ und erzehlet/ welcher Geſtalt durch die Verdienſten deſſelben
Heiligen drey Maͤnner vom Todt erwecket worden/ ſo da gleich nach ih-
rer Aufferſtaͤndnuß angeſangen/ die Freuden der Seeligen/ die Peynen
der Hoͤllen und deß Feg-Feurs allen mit heller Stimm zu predigen. Der
heilige Hieronymus hatte ſelbige mit ſich ins Paradeyß gefuͤhret/ wie auch
in die Hoͤll und in das Feg-Feuer/ auff daß ſie das jenige/ ſo ſie geſehen/ allen
koͤnnten andeuten. Auß dieſen drey Erweckten hat einer dem heil. Cyrillo
geſagt: daß in der Hoͤllen ein ſolcher Unterſcheid ſeye zwiſchen den Peynen der
boͤſen Chriſten und Heyden/ daß die Peynen der Heyden in Anſehung der
jenigen/ ſo die Gottloſe und falſche Chriſten leyden/ gleichſamb nichts zu
ſchaͤtzen ſeyen: ob ſchon die Peynen der Heyden auch zumahlen unaußſprech-
lich groß ſeyn/ und von den lebendigen Menſchen nicht koͤnnen erdacht wer-
den. Und das billig: Sintemahlen die boͤſe Chriſten die Gnad GOttes
vergeblich bekommen/ und haben ſich/ da ſie gelebt/ von den Suͤnden nicht
wollen beſſern laſſen/ und haben die Ermahnungen der H. Schrifft fuͤr
nichts geachtet.
10. Weiters erzehlet der heilige Cyrillus in dieſem ſeinem Send-Schrei-
ben/ und ſagt: Jch bin einsmahls zu einem dieſer dreyen Maͤnner hingan-
gen/ den ich aber ſehr bitterlich weinend gefunden hab/ und gefragt/ warumb
er alſo weine: hat ſich aber durch meine Wort nicht wollen troͤſten laſſen; Da
ich ihn aber oͤffters gefragt/ und alſo mit neuen widerholten Fragen bin uͤber-
laſtig worden; hat er mir endlich geantwortet: Wann du wuͤſteſt/ was ich
vorhin erfahren hab/ ſo wuͤrdeſtu auch weinen. Was fuͤr Peynen vermeinſtu/
daß nicht allein den Verdambten/ ſondern auch denen/ ſo im Feg-Feuer auff-
gehalten werden/ bereitet ſeyn? Darauff hab ich ihm geantwortet/ daß ohne
Zweiffel die Peynen deß Feg-Feuers groͤſſer ſeyn wuͤrden/ als die Peynen
dieſer Welt. Er aber ſagte: daß alle Peynen/ Tormenten/ und Bekuͤm-
mernuͤſſen der gantzen Welt/ auch mit den geringſten Straffen der andern
Welt zu vergleichen/ keine Peynen/ ſondern vielmehr Troͤſtungen zu ach-
ten ſeyn. Es wuͤrde/ ſagt er/ ein jeder Menſch/ wann er dieſelbe geſchmaͤckt
haͤt-
[615]Von den Peynen der Hoͤllen.
haͤtte/ lieber wollen mit allen denen Schmertzen/ ſo von Anfang der Welt
auff ſelbiger biß auff den heutigen Tag immer geweſen ſeynd/ auff einmahl
biß zum allgemeinen Gerichts-Tag gepeiniget werden; als einen Tag in
der Hoͤllen/ oder Feg-Feur/ die geringſte Peyn derſelben außſtehen. So iſt
dann ein Urſach meines Weinens/ die Forcht der Peynen/ welche die Suͤn-
der billiger maſſen verdienen: dann ich weiß/ ſetzt er hinzu/ daß ich wider
GOtt geſuͤndiget habe/ der da ohne allen Zweiffel ein gerechter Richter iſt.
Verwundere dich derhalben nicht/ daß ich weine/ ſondern verwundere dich/
daß die Menſchen/ ſo da erkennen/ daß ſie ſterblich ſeyen/ allhier in ſolcher
Sicherheit leben/ und ſothane Straffen nicht foͤrchten/ auch keine Sorg
tragen/ wie ſie ſelbigen entgehen moͤgen. Weiters/ ſagt er/ iſt die Anſchau-
ung der Teuffeln ein ſo grauſame Peyn/ daß man lieber wolle in brennenden
Feuer-Flammen ligen/ als auch in einem Augenblick die Geſtalt derſelben
anſchauen; zumahlen nichts peinlicher und nichts grauſamer kan erdacht
werden/ als eben deren Anſchauung. Meine Seel/ ſagt er letzlich/ iſt mit
ſolcher Peinligkeit und Bitterkeit durch den Todt vom Leib geſchieden/ daß
es kein Menſch nimmer wird glauben koͤnnen/ er habe es dann vorhero ver-
ſucht/ wie ich gethan hab.
11. So ſagt dann recht der heil. Vatter Auguſtinus/ wann alle Menſchen/
ſo von Adam biß auff dieſen Tag gebohren ſeynd/ und alle Graͤßlein/ ſo da
immermehr hervor kommen/ lauter Menſchen waͤren; und wann ein eintzige
Straff/ ſo in der Hoͤllen ein verdambte Seel leydet fuͤr eine Todt-Suͤnd/
gleich getheilet/ alſo/ daß einem jeden Menſchen darvon ein gleicher Theil
gegeben wuͤrde; ſo waͤre ein jeder Particul der Straff deß Menſchen groͤſſer/
als alle Tormenten/ ſo alle H. H. Martyrer/ und alle Mißthaͤtiger jemahlen
außgeſtanden haben. O GOtt! O GOtt! Was groſſe Schmertzen
muͤſſen das ſeyn. Dahero waͤre es zu verwundern/ daß ein Menſch noch
ſuͤndigen doͤrffe/ wann er ſchon wegen vieler und groſſer Suͤnden/ nach die-
ſem Leben/ nicht laͤnger/ als einen eintzigen Tag dieſe Peyn der Hoͤllen zu
leyden haͤtte. O wie groß iſt die Blindheit und Thorheit der jenigen/ ſo
da wegen der gar kurtzen Eitelkeit und Wolluſt dieſer Welt/ ſich ſtellen in
die Gefahr der ewigen Peinen und Tormenten! Dahero fragt der heilige
Chryſo ſtomus und ſpricht: Sag mir/ wie viel Zeit der Wolluͤſten ſoll man
dir ſetzen gegen die immerwaͤhrende Schmertzen der Hoͤllen? Was gedunckt
dich/ wann dir hundert Jahr geſetzt wuͤrden [...] ich ſetze noch hundert
hinzu; ja ich geb dir noch zehnmahl hundert drauff: was werden alle die-
ſe luſtbahre Jahren fuͤr eine Vergleichnuß haben mit der Ewigkeit?
Jſt nicht die gantze Zeit dieſes Lebens/ in welcher der Menſch
der
[616]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
der Freuden genieſſet/ gleich einem Traum einer eintzigen Nacht in Anſehung
der Ewigkeit? Gehn nit die Wolluͤſten dieſer Welt wie ein Schatten daher?
Fliehen ſie nicht in aller Hurtigkeit gleich einem Woͤlcklein/ und hergegen
bleiben die Straffen der Hoͤllen ewig? Obwohl nun den Freuden und Tor-
menten ein gleiche Zeit geſetzt waͤre; wer wolte doch ein ſolcher Haupt-Narr
ſeyn/ daß er umb einen Tag der Luſtbarkeit wolle auß ſtehen ſo ſchwehre Peyn
der hoͤlliſchen Dienſtbarkeit; in dem die uͤbergroſſe Schmertzen einer eintzi-
gen Stunde/ alle vorhergegangene Wolluͤſten gantz und zumahlen ins Ver-
geß ſtellen?
12. Gedenck derhalben/ mein Chriſt/ wie groſſe Aengſten/ wie groſſe Forcht
und Schroͤcken deine Seel umbgeben werden/ da ſie eben vom Leib geſchie-
den wird; die du doch allhier ſo weichlich und ſaͤnfftlig tractirſt/ und mit
den Fleiſchlichen und unſaubern Begierden/ ſo naͤrriſcher Weiß maͤſteſt.
Warumb hoͤrſtu nicht/ was dein Heyland ſagt: Wer ſeine Seel lieb
Joan. 12.
v. 25.hat/ der wird ſie verlieren; und wer ſeine Seel haſſet in dieſer
Welt/ der erhaltet ſie zum ewigen Leben. Das iſt/ der ſeine Seel
fleiſchlich liebet/ der wird zu Grund gehen; Der aber ſeine Seel heylſamb-
lich haſſet/ in dem er ſelbige im Zaum haltet und zuͤchtiget/ der verdienet das
ewige Leben. Gedenck/ wie deine Seel ſich entſetzen werde/ in dem ſelbige
den ſo lang bewohnten Leib/ alle Freund und Verwandten/ Bekandten und
Haußgenoſſen verlaſſen hat/ und nunmehr in ein unbekandtes Land kommen
wird/ alwo derſelben alsbald begegnen werden die aller abſcheuligſte und grau-
ſambſte Teuffel/ die Feuer und Schweffel ſpeyende erſchroͤckliche hoͤlliſche
Geiſter/ ſo die Seel in allem Grimmen und Wuͤten anfallen/ anklagen und
verſpotten. Gedenck/ mein Kind/ wie dir als dann wird zu muth ſeyn? der-
halben thue Guts/ ſo lang du lebſt/ auff daß dirs wohl gehe/ wann du zwiſchen
Himmel und Erden ſchwebeſt. Hoͤre zum Schluß unſer Lection einige Ex-
empel der jenigen/ ſo die oberwehnte Ding ſelbſt erfahren haben.
13. Der H. Gregorius erzehlet von einem tugentſamen Einſidler/ Nah-
mens Petro/ daß er nach einer außgeſtandenen ſchwaͤren Kranckheit/ geſtor-
ben/ und nachmahlen wiederumb lebendig worden ſeye: Dieſer hat erzehlet/
daß er die Straffen der Hoͤllen/ neben unzahlbaren Oertern der Feuer-Flam-
men geſehen habe: und da ihn einige zu denſelbigen hinein ſtuͤrtzen wollen/ ſeye
der Engel GOttes erſchienen/ und habe ſolches verhindert/ und zu dem Ver-
ſtorbenen geſagt: gehe wiederumb zuruͤck/ und betrachte vernuͤnfftlich/ wie du
hinfuͤhro leben ſolleſt. Nachdem ſelbiger wiederumb zu ſeinem Leib gelanget/
hat er ſich mit ſolchem Wachen/ mit ſo ſchwaͤhrem Faſten/ mit ſo unauffhoͤr-
lichem
[617]Von den Peynen der Hoͤllen.
lichem Weinen und Betten gezuͤchtiget; daß ſein Leben gnugſames Zeugnuß
gegeben/ daß er die hoͤlliſche Peynen geſehen habe/ wann ſchon die Zung ge-
ſchwiegen haͤtte. Er hat auch geſagt/ daß er einige groſſe Herren dieſer Welt
in den Tormenten geſehen habe. Auch erzehlet der Ehr-wuͤrdige Vatter Be-
da von einem geſtorbenen Soldaten/ welcher durch GOttes Guͤtigkeit zum
Leben erweckt/ und durch die erſchroͤckliche Tormenten dergeſtalt iſt bewegt
worden/ daß er alsbald in die Wuͤſten nicht gegangen/ ſondern gelauffen/ und
ſich daſelbſt nahe bey einem Fluß ein Cellulein gebauet/ in welchem er ſich
mit den Kleydern offt getummelt/ und ſelbige ans Leib frieren laſſen nachinals
in ein ſehr hitziges Bad gegangen/ damit er alſo durch die hurtige Abwechs-
lung deren beyden Schmertzen/ deſto groͤſſere Peyn leyden moͤgte. Da er nun
von andern dar uͤber beſtraffet/ und gefragt worden/ warumb er ſolches thue?
hat er ihnen alſo geantwortet: Wann ihr geſehen haͤttet/ was ich geſehen hab/
ſo wuͤrdet ihr villeicht noch groͤſſere Ding thuen. Alſo iſt ſelbiger in dieſem
ſtrengen Leben biß zum End verharret. Auff daß du nun denen Straffen
peinlichen Hals-Gerichts entgehen moͤgeſt; ſo betrachte dieſelbe gar offt dannHom. 3.
in Ep. ad
Theſſ.
es kan ſchwerlich oder zumahlen nicht geſchehen/ ſagt der Heil. Chriſoſtomus
daß eine Seel/ dero die Hoͤllen-Furcht ſtets anklebt/ leichtlich ſuͤndige. Kei-
ner/ der die Hoͤll vor Augen hat/ wird in die Hoͤll kommen. Und keiner der die
Hoͤll nicht achtet/ wird der Hoͤllen entkommen. Dann wie einer mehr foͤrchtet
die Straff/ ſo er verdienet hat/ je mehr beweint er die Schuld/ die er begangen
hat. Auch wird der Menſch auß der Betrachtung dieſer hoͤlliſchen Tormen-
ten/ in Ertragung der Widerwaͤrtigkeiten um Chriſti Willen/ uͤber die Maſ-
ſen ſehr geſtaͤrcket: Dann/ gleich wie der H. Vattter ſagt/ was derSer. 109.
Menſch immer ſchwaͤres leidet/ daß iſt in Anſehung deß
ewigen Feurs/ nicht allein ein gar geringes/ ſondern auch
ein lauteres Nichts. Und an einem andern Ort ſagt er: Wer willIdem in
Pſ. 69.
nicht gern trincken den Kelch der zeitlichen trůbſalen/ wan
er zugleich foͤrchtet die Peyn der Hoͤllen: und wer wird
nicht verdammen die Sůſſigkeit deß zeitlichen/ dem da důr-
ſtet nach der Lieblichkeit deß ewigen Lebens: Mit meh-
rer Forcht verachtet man das Geringe/ und mit groͤſſer
Begierd der Ewigkeit/ hat man einen Verdruß an allem
Zeitlichen. Dahero hat der Abt Olympius/ da er gefragt worden/
wie er ein ſo greißliche Hoͤhl bewohnen/ und ſo groſſe Hitze/ ſambt dem
immerwaͤhrenden Beiſſen der Wand-Leuſen uͤbertragen koͤnne? geant-
J i i iwortet/
[618]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
wortet/ daß er dieſes alles leichtlich gedulden koͤnnte/ die weilen er den un-
ſterblichen Wurm/ und das ewige Feuer allzeit im Sinn habe und foͤrchte.
Nimb vor lieb/ mein Chriſtliche Seel/ mit dieſer Lection/ die ich zu deinem
weitern Schroͤcken annoch ver groͤſſern koͤnnte; Nun aber hiemit endige/
und der troͤſtlichen Zuverſicht lebe/ du werdeſt mit ſelbiger dich befriedigen/
und dir die folgende Vers von der Verdambten klaͤglichen Traurigkeit
gefallen/ und angelegen ſeyn laſſen.
Vber die Peynen der Verdambten.
Weh/
[619]Von den Peynen der Hoͤllen.
J i i i 2Der
[620]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Kein
[621]Von den Peynen der Hoͤllen.
J i i i 3Ach!
[622]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Wie
[623]Von den Peynen der Hoͤllen.
Jn
[624]Die Acht und Viertzigſte Geiſtliche Lection
Kombt
[625]Von den Peynen der Hoͤllen.
MARIAbiſtex Arte.
AMEN.
K k k kDie
[626]Lection
Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Den Peynen deß Feg-Feurs.
v. 12.
gehen.’
1. OBwohlen es an ſehr vielen Beweiſthumben/ und Zeugnuͤſſen
der H. H. Vaͤtter uͤber die bittere Peynen deß Feg-Feuers
nicht ermanglet; ſo gehen wir doch derhalben ſelbige allhier
vorbey; dieweilen alles/ was von den Straffen der Hoͤllen bißhero geſagt
worden/ auch von dem Feg-Feur kan verſtanden werden: zumahlen die
Peynen/ ſo da reinigen/ einer Arts ſeynd mit den hoͤlliſchen Tormenten:
wie der heilige Cyrillus mit dieſen Worten bedeutet: Vnter den
In Epiſt.
ad S. P.
Aug.Peynen der Hoͤllen und den Peynen deß Feg-Feurs iſt kein
Vnterſcheid/ dieweilen ſie gleicher Groſſe ſeynd. Jn
dieſem aber kan eine Vngleichheit ſeyn/ daß nemblich
die hoͤlliſche immer anhalten; die Feg-Feurs Peynen a-
ber ein End gewinnen. Dahero ſagte die heilige Maria Mag-
Vit. p. 2.
c. 1.dalena de Pazzis recht in ihrer Verzuckung; daß alle Tormenten/ ſo die
Blut - Zeugen Chriſti haben außgeſtanden/ in Anſehung der hoͤlliſcheu
Peynen ſeyen geweſen ein luſtiger Garten. Zu deſſen Bekraͤfftigung die-
P. 4.
Summ.
tit. 14. c.
10. §. 4.net die Hiſtori/ ſo folgt. Ein ſicher Menſch/ ſagt der heilige Anto-
nius/ nachdem er ſehr uͤbel gelebt hat/ iſt mit einer ſchwaͤhren und langw-
nigen Kranckheit zum Heyl ſeiner Seelen/ von GOTT heimgeſucht
wor-
[627]Von den Peynen deß Feg-Feurs
worden: iſt aber uͤber die Langwierigkeit derſelben endlich ſo verdruͤſſig
worden/ daß er GOtt offt gebetten/ er moͤgte ihm doch gefallen laſſen/ mit
dem Todt der Kranckheit ein End zu machen. Hieruͤber iſt ſelbigem
einsmahls der Engel GOttes erſchienen/ und hat ihm die Wahl gegeben;
oder zwey Jahr lang dieſe Kranckheit außzuſtehen/ und nachmahls der
himmliſchen Freuden zu genieſſen; oder anjetzt zu ſterben/ und mit einer
drey taͤgigen Straff der Peynen deß Feg-Feuers/ ſeine Suͤnden abzubuͤſ-
ſen. Nun hat ſelbiger das letztere dem erſteren vorgezogen/ iſt ſeines Be-
Begehrens gewaͤrtiget/ bald hernach geſtorben/ und die Seel zum Feg-Feur
verurtheilet worden. Eine Stund nach deſſen Hinſcheiden iſt ihm derſelbi-
ge Engel erſchienen/ und hat ihn gefragt/ ob er ihn kenne? Deme er geant-
wortet/ er kenne ihn nicht. Jch bin der jenige/ hat der Engel zur Ant-
wort gegeben/ der dir die vor weniger Zeit die Wahl hab vorgeſchlagen.
Darauff die Seel geantwortet: Du kanſt kein Engel GOttes ſeyn/ die-
weilen ſolcher nicht liegen kan: Der mir aber geſagt hat/ daß ich nur drey
Tag allhier verbleiben ſolle/ der hat mich betrogen; dann ich hab in dieſen
Tormenten ſchon viele Jahr zugebracht. Worauff der Engel geant-
wortet: Du biſt allhier nicht laͤnger/ als eine Stund geweſen/ und muſt
alſo die gantze reſtirende Zeit uͤber allhier verharren. Ach! bitte den Herrn
fuͤr mich/ ſagt die Seel/ er wolle meine/ in ſothaner Waͤhlung veruͤbte
Thorheit doch weiter nicht anſehen; ſondern mich vielmehr zum vorigen
Leben gnaͤdiglich widerruffen/ auff daß ich nicht allein zwey Jahr/ ſondern
ſo langs der Goͤttlichen Majeſtaͤt gefallen wird/ meine gehabte Kranckheit
leiden moͤge. Dieſes hat er auch erhalten/ und nachdem er zum Leben be-
ruffen worden; hat er alle Schmertzen mit hoͤchſter Gedult und Freude
außgeſtanden.
2. Jm vorigen hunder ſten Jahr haben in Holland zwey geiſtliche Jung-
frauen in Einfalt und Chriſtlicher Liebe ihrem GOtt miteinander gedienet;
welche ſich dergeſtalt unterredet/ daß die erſt-ſterbende nach dem Todt/ der
hinterlaſſenen ihren Zuſtandt (wofern ſolches dem Willen GOTTES
nicht zu wider waͤre) verkuͤndigen ſolte. Nun hat derſelben beyden
Jungfrauen erſt abgelebte/ der vorigen Abred gemaͤß/ bey ihrer uͤber-
bliebenen geiſtlichen Schweſter ſich angemeldet/ und ſelbiger zu erkennen
gegeben/ daß ſie wegen gar geringen laͤßlichen Suͤnden/ ſo von den Men-
ſchen kaum geachtet werden/ groſſe Schmertzen im Feg-Feur leyden muͤſ-
K k k k 2ſe:
[628]Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection
ſe: Jch kan aber/ ſagt ſie/ von ſothanen Peynen befreyet/ und der ewi-
gen Seeligkeit theilhafftig werden/ wann du fuͤr mich eine vierzehn taͤgige
leibliche Kranckheit außzuſtehen/ dich unternemmen wolleſt. Uber ſolchen
Vorſchlag/ hat die lebende Jungfrau ſich mit ihrem Beichs-Vatter/ ei-
nem Guardian auß dem heiligen Franciſeaner Orden/ berathſchlaget; und
von ſelbigem zur Antwort bekommen/ daß er in dieſe Verwechſelung
weder verwilligen/ weder derſelben zu wider ſeyn wolle/ ſondern ſtelle ſel-
bige ihrem loͤblichen Eyffer der Chriſtlichen Liebe anheimb. Nach
eingeholtem ſothanen Rath/ hat die Jungfrau ſich entſchloſſen/ durch
dergleichen vorgemeldte Kranckheit ihre Schweſter von den Peynen deß
Feg-Feurs zu erloͤſen. Und/ ſiehe/ alsbald iſt ſie von einer ſchwaͤren
Kranckheit ſehr hefftig angegriffen worden/ daß es ſie in wenig Tagen
Zeit deß Kauffs gereuet hat/ und in Ungedult gerathen iſt. Da nun mit die-
ſer Kranckheit alle Glieder deß Leibs (auſſerhalb der Zungen) uͤberauß ſchmertz-
lich behafftet geweſen/ und kein Artzt die Natur deß Zuſtands erkennen
moͤgen: hat die verſtorbene Jungfrau bey der Krancken ſich abermahl
angemeldet/ ſelbige wegen ihrer Ungedult beſtraffet/ und ihre drey ſtuͤn-
dige Peynen deß Feg-Feurs an ſtatt der vierzehn taͤgiger Kranckheit an-
erbotten: zu welcher Abwechſelung die Krancke ihren Beichts- Vatter
zum andernmahl umb Rath erſucht hat; welcher auch die Frag vorbeſag-
ter Maſſen wiederumb beantwortet. Jn dem nun ſelbige die angetha-
ne Erbietung ſich gefallen laſſen; iſt ſie augenblicklich dergeſtalt entzuͤn-
det worden/ daß auß Mund/ Naſe und Ohren das Feuer ſichbarlicher
Weiß hervor geſchlagen/ deſſen der offtgemeldte P. Guardian mit vielen
andern ein Zeug geweſen iſt/ und hat zu mehrerer Sicherheit/ ſeine Hand
gegen den Mund der brennenden Jungfrauen halten wollen/ hat aber die-
ſelbige nicht unverletzt zuruͤck gezogen. Nach verſloſſener beſtimten Zeit
hat die verſtorbene Jungfrau ihrer Wohlthaͤterin fuͤr die erwieſene Lieb ge-
danckt: ſo dann die uͤbrige Zeit ihres Lebens in immerwaͤhrender Leibs-
Schwachheit zugebracht. Dieſe Geſchicht hat offt erwehnter Beichts-
Vatter/ als ein lebendiger und glaubwuͤrdiger Zeug/ zum heylſamen
Schroͤcken ſeiner Zuhoͤrer und andern/ denſelben von der oͤffentlichen Can-
tzel erzehlet. Es iſt ihm aber vom Ertz-Biſchoff zu Utrecht befehlen wor-
den/ von ſelbiger Hiſtori fortan nichts mehr zu melden: zumahlen ſel-
biger darfuͤr gehalten/ daß in jenem Leben die ſuͤndhaffte Seelen mit keinem
materialiſchen und ſichtbarlichen Feur gezuͤchtiget wuͤrden. Nachdem
aber
[629]Von den Peynen deß Feg-Feurs.
aber neben dem P. Guardian/ ſo viele ſehr glaubwuͤrdige lebendige Zeu-
gen eydlich betheuret/ daß ſie das Feuer geſehen/ und die erſchroͤckliche
Hitze empfunden haben; iſt hoch- gemeldter Ertz- Biſchoff von ſeiner
Meinung abgeſtanden/ und hat einem jeden/ von dieſer Geſchicht die
Warheit zu reden/ gern erlaubet. Dieſes hat ſich alſo zugetragen/ und
iſt von einem Coͤllniſchen Thumb- Herrn/ Nahmens Joanne von Bruͤ-
heſen/ ſo nachmahlen zum Ertz- Biſchoff zu vorgedachtem Utrecht er-
nenuet worden/ und in der Carthauß zu Coͤlln am Rhein ſein Leben ge-
endiget/ nicht allein erzehlet/ ſondern auch ſchrifftlich hinderlaſſen
worden.
3. Recht ſagt dahero der Gottſeelige Thomas à Kempis: WannL. 1. c. 22.
wir die kůnfftige Peynen der Hoͤllen oder deß Feg-Feurs
wohl behertzigten; ſo glaub ich/ wůrden wir alle Ar-
beit und Schmertzen gern außſtehen/ und für keiner
Strenge uns foͤrchten. Mit dieſer unaußſprechlicher Peyn deß
Feg- Feurs werden die Seelen nicht allein wegen der/ in dieſem Leben be-
gangenen groben Suͤnden/ welche der Schuld nach außgeloͤſcht ſeynd/
geſtrafft: ſondern auch wegen der geringſten laͤßlichen Suͤnden und Un-
vollkommenheiten. Alſo hat ein Geiſtlicher auß dem Orden deß H. Domi-Spec. Ex-
em. Diſt.
7. Ex. 57.
niei eines gantzen Monats Friſt im Feg- Feuer leyden muͤſſen/ dieweilen
er mit den weltlichen Leuthen zu groſſe Gemeinſchafft gepflogen/ und auß
ſelbigen einigen Troſt geſchoͤpfft hat. Juſtinus/ ein Capuciner/ hat
das Verbrechen ſeines Mit- Bruders mit einiger Bitterkeit deß Ge-Ann. Ca- puc. 1563.
muͤths dem P. Guardian angebracht; und hat demſelben nach ſeinem
Todt bedeutet/ daß er dieſerthalben in Gefahr ſeiner Seeligkeit gewe-
ſen/ und zu einem dreyſſig-jaͤhrigen Feg- Feuer ſeye verdambt worden.
Ludovicus der zweyte Kayſer dieſes Nahmens/ iſt dreyſſig Jahr nachBaron.
Tom. 10.
A. 874.
ſeinem Todt/ ſeinem Sohn erſchienen/ und hat ſelbigen durch JEſum
Chriſtum unſern Heyland beſchwohren/ daß er ihn dermahlen eins auß
den groſſen Schmertzen deß Feg-Feurs erloͤſen ſolte. Dieſer Kayſer
iſt bey ſeinen Leb-Zeiten der Andacht alſo zugethan geweſen/ daß er von
jederman Ludovicus Pius, das iſt/ Ludovicus der Andaͤchtige/ genen-
net worden. So iſt dann wahr/ und bleibt abermahl wahr/ was der
fromme Job geſagt hat: GOTT laſſet die Sünd (auch die
geringſte) nicht ungerochen hingehen. So ſcharff zuͤchtiget
K k k k 3er
[630]Die Neun und Vertzigſte Geiſtliche Lection
er die Suͤnd/ daß er auch ſeinen treueſten und geheimbſten Freunden
nicht verſchone.
5 Sintemaln der Gottſeel. Biſchoff Udalricus dieſerhalben allein das Feg-
Feur hat ſchmaͤcken muͤſſen/ daß er dem Adelberroni ſeinem Vetter das
Biſthumb uͤbertragen; ob wohln ſelbige Uberlaſſung zu gebuͤhrender Zeit/
Sur. tom.
7.nemblich nach dem Todt deß Udalrici erſtlich geſchehen iſt. Da ein
Coͤllniſcher Geiſtlicher einsmahls zu Pferd uͤber den Fluß geſetzt/ hat der
heilige Severinus/ ſo eben vorhero geſtorben/ und mit Wunder-Zei-
chen geleuchtet/ den Zuͤgel deß Pferds ergriffen/ und den Reuther er-
ſucht/ er moͤgt ihm die Hand reichen/ welche er mit ſo groſſem erfolg-
ten Schmertzen ins Waſſer geduncket hat/ daß ſelbige alsbald von allem
Fleiſch entbloͤſſet worden/ und nur die Bein allein uͤberblieben ſeynd: die
Urſach ſeiner Peinen/ hat der verſtorbene Biſchoff geſagt/ daß dieſe gewe-
ſen ſeye; dieweilen er ſeine Gezeiten zu gebuͤhrender Zeit nicht geleſen
habe. Nachdem er nun dem gemeldten Geiſtlichen die Hand in vorigen
Stand geſetzt/ hat er von ſelbigem begehrt/ er wolle ihn in der anderen geiſt-
L. 4. Dial.
c. 40.lichen Gebett empfehlen/ und iſt alſo verſchwunden. Paſchaſius der
heiligen Roͤmiſchen Kirchen Diaconus iſt ein ſo tugentſamer und heiliger
Mann geweſen/ daß nach Zeugnuß deß heiligen Gregorii durch bloſſe
Anruͤhrung deſſelben Chor-Cappen/ ſo auffder Leichen gelegen/ ein Be-
ſeſſener befreyet worden: und nichts deſto weniger iſt deſſen Seel dem hei-
ligen Germano/ Biſchoffen zu Capua erſchienen/ und geſagt/ daß ſie
in einem Bad ihre Suͤnd buͤſſen muͤſſen; hat auch annebens den heiligen
Mann umb Huͤlff erſucht; durch deſſen Gebett ſelbige von ihren Pei-
nen erloͤſet worden. Wann die ſo groſſe Freund GOTTES der-
geſtalt biß zum letzten Heller alles bezahlen muͤſſen/ und ſelbiger nicht
verſchonet wird/ wie vielmehr werden wir armſeelige Troͤpff biß zum
letzten Augenblick in den Peinen verbleiben muͤſſen? Hugo Victorinus/
ein Regulier-Canonicus war ein ſo gelehrter und heiliger Mann/ daß er
bey ſeinen Zeiten fuͤr den andern Auguſtinus gehalten wurde; dieweilen
er nun einige Mahl die ordinari Diſciplin unterlaſſen/ und ſich Vermoͤg
ſeiner Regul andern zu zuͤchtigen/ verabſaumet/ hat er ſothane Nach-
laͤſſigkeit gar theur bezahlen muͤſſen: Dann nach ſeinem Todt iſt er einem ſei-
ner Mit-Bruͤder erſchienen und hat geſagt/ daß er zwarn die ewige See-
ligkeit erlangt; habe aber durchs Feg-Feuer paſſiren muͤſſen; in welchem
vorbeygehen ihn alle Teuffel angefallen/ und habe von jedem einen harten
Streich
[631]Von den Peynen deß Feg-Feurs.
Streich bekommen: dieſe Zuͤchtigung iſt mir ſo ſchwehr gefallen/ daß ich
vermeine/ alle Tormenten der gantzen Welt koͤnnen mit ſelbiger nicht ver-
glichen werden. Dieß laß dir geſagt ſeyn/ du nachlaͤſſiger Geiſtliche/
der du nicht allein dergleichen Diſeiplinen/ ſondern auch andere diene
Regulen und Satzungen zu halten vernachlaͤſſigeſt.
5. Auff daß du aber mit den Peinen deß Feg-Feuers zu deinem groſſen
Schaden/ den Spott nicht treiben moͤgeſt als hab ich dir annoch verzeich-
nen wollen/ was folget. Jn Engelland iſt ein Geiſtlicher vom heili-Dion.
Cart. de
4 Noviſſ.
art. 47.
gen Donnerſtag biß zum Abend deß Sambſtags vor Oſtern im Geiſt
verzuckt geweſen: und da er wiederumb zu ſich kommen iſt/ hat er wun-
derſelſame und erſchroͤckliche Ding erzehlet/ ſo er geſehen hat. Unter an-
dern redet er alſo: Mein Fuͤhrer der heilige Nicolaus und ich giengen
durch einen ebenen Weeg/ biß wir in eine groſſe und weite Landſchafft ka-
men/ welche uͤber alle Maſſen erſchroͤcklich anzuſehen ware: daſelbſt
funden wir eine unzahlbare Menge Volcks/ ſo da mit unglaublichen
Grauſamkeiten allerhand erdencklichen Peinen gezuͤchtiget wurde: Die-
ſe hatten Hoffnung/ daß ſie von dieſen Schmertzen dermal eins wuͤrden
befreyet werden/ dann ſie waren keine Verdambte: Sie ſeufftzeten/
weinete und heuleten alle jaͤmmerlich. Jch hab unter ſelbigen unzahlba-
re Art der Plagen geſehen. Einige wurden in einer Brat- Pfannen
gebraten; andere im Feuer ſelbſten gebrennet: Einige wurden mit
Klauen dergeſtalt zerriſſen/ daß die Gelencke der Gelieder voneinander
giengen. Andere wurden in Pech und Schweffel-flieſſenden Baͤdern/
ſo auch mit zerlaſſenem Ertz/ Bley und anderm Metall erfuͤllet waren/
ſambt einem grauſamen Geſtanck/ geſtraffet. Einige wiederumb wur-
den durch die gifftige Zaͤhn der abſcheuligſten und ſeltzſambſten Thieren
zernaget: und andere mit andern unbegreifflichen und entſetzlichen Arten
der Peinigungen armſecliglich hergenommen. GOTT ſey mein
Zeug/ daß/ wann ich ſehen ſolte/ daß ein Menſch/ der mir und den Meini-
gen alle Schmach und Schaden/ ſo einer auff dieſer Welt außſtehen
koͤnnte/ ja den Todt ſelbſten haͤtte zugefuͤgt/ zu dieſem grauſamen Ellend
ſolte verurtheilt werden/ daß ich tauſendmahl/ ſag ich/ fuͤr denſelben ſter-
ben wolte/ damit er ſothanen Straffen entgehen moͤgte: alſo thuen ſel-
bige alle Maaß und Manier der Aengſten/ Schmertzen/ Bitterkeit und
und Armſeeligkeiten uͤberſchreiten.
6. Nach
[632]Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection
6. Nach dieſem ſeynd wir zum andern Orth der Todten kommen/
und haben geſehen einen gar tieffen Thal/ und in ſelbigem einen ſehr
tieffen Fluß/ welcher einen unaußſprechlich ſtinckenden Nebel von ſich
gab/ und in ſelbigem war ein Feur/ ſo biß zum Himmel zureichen ſcheine-
te. Hergegen war auff der andern Seiten eine ſo grauſame Kaͤlte/ daß
ich/ ſo viel mich gedunckt/ nichts erſchroͤcklichers jemahlen geſehen hab.
Daſelbſt befunden ſich unzahlbare Seelen/ ſo bald in den abſcheulig-
ſten Fluß geworffen warden/ bald auß ſelbigem herauß brachen/ und im
Feuer verwickelet wurden/ nachmahlen die allerbitterſte Kaͤlte muſten
außſtehen. Die Peinen dieſes Orts waren groͤſſer als deß vorigen/
und waren dannoch nur Tormenten deß Feg - Feurs. Weiters ſeynd
wir kommen zum dritten Orth der Peinungen/ welche ſo uͤberauß grau-
ſamb und entſetzlich waren/ daß auch die geringſte derſelben von keiner
menſchlichen Vernunfft begriffen/ weder mit der Zungen koͤnnen auß-
geſprochen werden. Dann ich ſahe/ daß ſie gar kurtzer Zeit durch mehr
als hundert unterſchiedlichen Torturen gleichſamb vernichtiget/ und als-
bald wiederumb zum Stand gebracht wurden; bald aber wiederumb ſchier
zu nichts gemacht/ und abermahl ergaͤntzet wurden. Jn dem erſtge-
meldten Orth hab ich den Vorſteher einer gewiſſen geiſtlichen Verſamb-
lung geſehen: Dieſer war in den groͤſten Peinen deſſelben Orts/ bald im
Feuer/ bald in den mit flieſſenden Schweffel und Pech vermiſchten al-
lerhitzigſten Baͤdern: und da ich ihm die Urſach ſolcher Tormenten/ fragte/
gab er mir zur Antwort/ und ſagte: Jch leide die Qualen mehr umb
der Suͤnde meiner untergebenen/ als umb meiner eigenen Willen: die mei-
nige hab ich durch oͤfftere Beicht/ durch Caſteyung meines Leibs/ durch
ſtetes Gebett/ und andere Buß-Werck außzuloͤſchen mich befliſſen: Die-
weilen ich aber auß einer eitelen Forcht meine Geiſtliche in gebuͤhrender
Zucht nicht gehalten hab; auff daß ich nemblich durch derſelben Wider-
ſtand meines Ambs nicht entſetzt werde; derhalben werden meine Schmer-
tzen taͤglich groͤſſer; zumahlen derſelben Suͤnde/ die ſie wegen meiner
veruͤbten Nachlaͤſſigkeit noch taͤglich begehen/ mir zugemeſſen werden/
daß ich alſo das End meiner Peinen nicht wiſſen kan. Auch hab ich
an dieſem Ort gefunden einen mir in der Welt bekennten und beruͤhmten
Doctoren/ ſo Zeit ſeines Lebens von jederman groß geehret worden:
mit ſelbigem hatte ich ein groſſes Mit-Leyden/ und fragte ihn/ ob er
der Hoffnung lebte/ daß er einsmals von ſothanen Tormenten wuͤrde be-
freyet
[633]Von den Peynen deß Feg-Feurs.
befreyet werden: hierauff ſagte er mit klaͤglicher Stimm: Wehe/ wehe/ wehe;
ich weiß/ daß ich vor dem letzten Gerichts-Tag keine Gnad erlangen werde:
Ob ich aber alsdann noch erloͤſet werde/ bin ich nicht verſichert. Ach! ach/
wer ſolte geglaubt haben/ daß meine Ehr und groſſes Anſehen/ welches ich
bey allen auff der Welt gehabt; ein ſo groſſe Verachtung und bitteres Ley-
den haͤtte ſollen veraͤndert werden? Jch hab alldort geſehen/ daß einige die
gluͤhende Kohlen unablaͤßlich im Maul herumb geworffen/ und alſo uͤber-
maͤſſig groſſe Peyn erlitten/ daß ſie die Baum-Fruͤchten und andere Speiſen
mehr aus Wolluſt/ als Nothdurfft genoſſen hatten.
7. Jch hab auch daſelbſt einen Soldaten geſehen/ welcher viele und unter-
ſchiedliche Plagen außſtunde/ und unter andern auch einen Vogel/ gleich ei-
ner Fauſt truge; deſſen Hand wurde von dem Schnabel und Klauen deß
Vogels erbaͤrmlich zerfreſſen/ dieweilen er im Beitzen der Raub-Voͤgel/
mit denen er andere zu fangen pflegte/ ſich gar zu viel ergetzet hatte. Jch
hab auch aldorten Biſchoͤffe in ſehr ſchwehren Peynen geſehen/ deren Straf-
fen taͤglich vermehret wurden wegen der Suͤnden der Unterthanen/ die ſie uͤbel
beherrſchet/ und nicht gebuͤhrlich geſtraffet hatten. Prieſter hab ich auch
gefunden/ ſo ihre Unkeuſchheit zwarn gebeichtet/ die Gnug - Thuung aber
nicht erfuͤllet hatten: dieſe wurden mit unzahlbaren und gleichſamb uner-
maͤßlichen Peynen hergenommen. Jn dem ich nun verwundert ware/
daß ſo wenige Prieſter im Feg-Feur zu finden waren/ in Anſehung ſo vie-
ler/ die faſt an allen Orthen mit der Unkeuſchheit ſich beſudlen: iſt mir ge-
ſagt worden/ daß derhalben ſo wenige daſelbſt gefunden wuͤrden/ dieweilen
auß ſelbigen kaum einer oder ander eine wahre Bereuung hat/ und dahero
ſchier alle ewiglich verdambt werden.
8. Was ſoll ich weiters von den Straffen der groben Laſter ſagen/ in dem
ich geſehen hab/ daß auch die gute Geiſtliche ſo bittere Tormenten haben auß-
ſtehen muͤſſen/ dieweilen ſie nur uͤber die Sauberkeit und Schoͤnheit ihrer
Haͤnde eitele Gedancken gehabt haben? Jch hab auch einen ſehr maͤchtigen
Koͤnig daſelbſt geſehen/ welcher unaußſprechlich groſſe Tormenten erlitte.
Annebens ſelbigem hab ich auch einen Biſchoff geſehen/ ſo da nach dem inner-
lichen Menſehen ein ſehr guter Geiſtlicher und andaͤchtiger Mann geweſen
ware/ und in ſeinen Leb-Zeiten den Leib mit einem ſehr harten Cilicio/ mit
Faſten/ Wachen und andern Buß-Wercken gezuͤchtiget hatte/ deme auch
ein groſſer Lohn im Himmel vorbehalten wurde/ und durch welchen GOtt
nach deſſen Abſterben einige Miraculn gewirckt hatte; ſo dannoch dieſe Pey-
nen hat leyden muͤſſen/ dieweilen er in ſeinem Ambt durch einige Nachlaͤſſig-
L l l lkeiten
[634]Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection
keiten erzuͤrnet hatte. Praͤlaten und Abtiſſinnen hab ich auch geſehen/ wel
che ihren Freunden und Verwandten mit ſinnlicher Lieb waren zugethan
geweſen/ und derhalben gepeiniget wurden. Dieſes Geſicht/ ſo GOTT
dem Engliſchen Geiſtlichen hat zeigen wollen/ bedeutet uns gnugſamb/ wie
groß die Peynen deß Feg-Feurs ſeyn/ und wie ſchwerlich man denſelben
L. 1. de
Amiſſ.
Grat. c. 13.entgehen moͤge. Dahero hat der Geiſtreiche Cardinal Bellarminus ſa-
gen doͤrffen/ daß auch kaum einige gerechte Menſchen ohne Feg-Feur den
geraden Weeg zum Himmel fuͤhren/ wann nicht GOtt denſelben eine ſon-
derbahre Gnad erweiſete. Dieſes bekraͤfftiget die H. Thereſia mit dieſen
Vit. c. 33.Worten: Ob wohln der HErr ſich gefallen laſſen/ mir den Zuſtand vieler
Seelen zu offenbahren/ ſo weiß ich doch nicht/ ob auß allen denen/ die ich
geſehen hab/ ein eintzige Seel ſeye ohne Feg-Feur ſeelig worden/ auſſerhaib
deß Geiſtlichen/ von dem ich ein wenig vorhero gemeldet/ und deß H. P. F.
Petri de Alcantara, wie auch deß jenigen Dominicaner/ deſſen ich oben ge-
dacht hab.
9. Es ſeye nun die Peyn deß Feg-Feurs ſo groß/ als ſie immer beſchrie-
ben wird; ſo iſt doch auſſer allem Zweiffel/ daß die Peyn deß Verluſts/ ſo
den Menſchen der Anſchauung GOttes beraubet/ viel groͤſſer ſeye: zumah-
len die Begierd der Seelen/ ſo von Leib geſcheiden iſt/ daß Allerhoͤchſte
Gut zu ſehen ſo groß iſt/ daß ſelbige ſo gar augenblicklich dergeſtalt durch
Erinnerung dieſes unvergleichlichen Schadens geplagt werde/ daß alle an-
dere Tormenten mit ſelbigem nicht moͤgen vergleichen werden: inſonderheit
wann die Seel gedenckt/ daß ſie ihrer Suͤnden halben/ der Goͤttlichen An-
ſchauung beraubt werde/ und ſo leichtlich fuͤr ſelbige haͤtte koͤnnen Buß thum
Jm uͤbrigen ob ſchon alle Seelen im Feeg-Feuer/ ſo da haben die Straff
deß Gefuͤhls/ auch leyden die Peyn deß Verluſts; ſo iſt doch dieſem nicht
alſo im Wieder-Spiel: dann viele Seelen werden allein gereiniget durch
die Peyn deß Verluſts oder zeitlichen Beraubung/ wie auß vielen Exem-
peln kan bewieſen werden; auß denen ich dieß eintzige vornehme. Da die
L. 4. Re-
vel. c. 127.H. Mutter Brigitta einsmahls bettet fuͤr einen alten Prieſter/ einen Claͤuſner/
eines fuͤrtrefflichen Wandels und groſſer Tugend/ ihren guten Freund/ der
dazumahl auß dieſem Leben geſchieden/ und ſchon gelegt war auff die Todten-
Bahr in der Kirehen/ daß er ſolt begraben werden/ erſchien ihr daſelbſt die
heilige Jungfrau Maria/ und ſprach alſo: Merck Tochter/ und wiſſe/ daß
die Seel dieſes Clauſners deines Freunds/ da ſie auß ſeinem Leib gefahren/
von Stund an waͤre in den Himmel kommen/ wann nicht geweſen waͤre/
daß ſie im Todt keine vollkommene Begierd gehabt hat zur Gegenwart Got-
tes/
[635]Von den Peynen deß Feg-Feurs
tes/ und ſeiner Anſchauung zu kommen/ und darumb wird ſie jetzt auffgehal-
ten in jenem Feg-Feur der Begierd/ da kein andere Peyn iſt/ als allein die
Begierd zu GOtt zu kommen: Doch ſolſtu wiſſen/ daß ehe ſein Leib wird
unter die Erde kommen/ ſeine Seel wird eingefuͤhrt werden in die Herrligkeit.
10. Annebens iſt auch zu mercken/ daß/ obſchon die Seelen ihre Peynen ſo wolBloſ. in
ſtr. Vit.
Aſc. c. 4.
deß Gefuͤls als deß Verluſts nit lieben; ſie ſelbige doch mit keinẽ Widerwillen
leyden; zumahlen ſie ihren Willen mit dem Willen GOttes vereinigen/ und
mit dor Goͤttlichen Gerechtigkeit zu frieden ſeynd: ſo gar auch/ daß/ wann
ſie ſchon zum vorigen Leben (welches mit vielen Gefahren zu ſuͤndigen erfuͤl-
let iſt) wiederumb gelangen koͤnnten/ ſie dannoch nicht wuͤrden zuruͤck kom-
men/ dieweilen ſie verſichert ſeynd/ daß ſie nach außgeſtandener Straff zur
himmliſchen Glory gelangen werden. Dieſes weiß man von Petro à S.
Stanislao, ſo vom todten iſt aufferweckt worden. Selbiger hat lieber wollen
mit den noch uͤbrigen Peynen die Verſicherung deß ewigen Heyls annehmen/
als ſich in vorige Gefahr der Verdambnuß ſtellen. Ja ſo gar/ wie der
Geiſtreiche Vatter ſchreibt/ wann den Seelen der Eingang zum Himmel
offen ſtuͤnde/ ſo wuͤrden ſie ſich doch mit einer danckbahren Ehrbietſambkeit
weigern/ biß ſie Vermoͤg einer voͤlligen Reinigung/ ſo groſſer Gluͤckſeelig-
keit ſich wuͤrdig gemacht haͤtten: in dem ſie wiſſen/ daß nichts unſaubers mit
der Allerhoͤchſten Reinigkeit muͤſſe vereiniget werden.
11. Nach reifflicher Uberlegung der ſo ſchwehren Peynen deß Feg-Feurs/
und daß ſelbige ſo ſchwaͤrlich moͤgen gemeidet werden/ iſt uͤbrig/ daß wir eine
heylſame Forcht dieſer Peynen ſchoͤpffen: darzu dann der Spruch deß H.
Abten Guarici ſonderlich dienet/ der alſo lautet: Wehe uns/ wann derSer. 4. de
Purif.
Tag erfuͤllet wird/ und nicht die Sauberung; daß wir alſo hernach muͤſſen
geſaubert/ und durch das jenige Feur gereiniget werden/ daß da am allerpeyn-
lichſten iſt/ am allerſchaͤrffſten und hefftigſten! Wer iſt aber ſo vollkommen/
ſo heilig/ ſo da/ wann er von hinnen ſcheidet/ dieſem Feur nichts ſchuldig iſt?
Der alſo ſauber den Schaum der Suͤnden in ſich außgekochet hat/ daß er ſich
ruͤhmen koͤnne/ er habe ein reines Hertz/ daß er koͤnne ſagen/ mein Hertz iſt
rein/ ich bin von aller Suͤnd geſaubert? Krafft dieſer Forcht unterwirfft
ſich die Seel ihrem GOtt in aller Vollkommenheit/ wie der H. Anſelmus
gar kluͤglich vermerckt/ und alſo ſpricht: Mann muß wiſſen/ daß dieſes
Feur viel ſchwaͤhrer ſeye/ als all das jenige/ ſo der Menſch in dieſem Leben
leyden kan: dann alle Tormenten/ die allhier zu finden/ ſeynd leichter/ und
dannoch/ damit der Menſch ſelbigen entgehen moͤge/ thut er alles/ was
ihm befohlen wird: wie viel beſſer iſt dann nicht/ daß man tuhe/ was Gott
L l l l 2befilcht/
[636]Die Neun und Viertzigſte Geiſtliche Lection
befilcht/ auff daß man nicht genoͤthiget werde/ ſo grauſame Tormenten auß-
zuſtehen? Betrachte derhalben zum Schluß mit mir/ mein Chriſtliche Seel/
was ein Haubt-Thorheit dieſe ſeye; daß nemblich der Menſch den ſinnlichen
Bigierligkeiten den Zaum zu laſſen; ſeinen GOtt gantz keck und vermeſſen zu
erzuͤrnen/ und zur billigen Rach zu reitzen/ ſich nicht foͤrchte; da er doch ver-
ſichert iſt/ daß auch die allergeringſte Schuld nicht unbezahlt verbleiben; ſon-
dern mit gezimmender Straff werde belohnet werden. Zum andern geden-
cke/ wie blind und unachtſamb die Menſchen ſeyn/ in dem ſie mit gar ge-
ringen Peynen dieſes Lebens vernichtigen koͤnnen viel groͤſſere Qualen deß
kuͤnfftigen/ dannoch die Wercke der Buß biß zur andern Welt verſchieben/
alwo man gar genau rechnet/ und alles zum letzten Augenblick/ mit dem uner-
traͤglichen hoͤlliſchen Feur ſo ſcharff geſtraffet wird/ in deſſen Vergleichnuß
das unſerige nur die Eigenſchafften eines gemahlten Feurs gewinnet. Dieſes
uͤberlege vernuͤnfftlich/ und mache endlich dieſen Schluß bey dir: daß/ wann
du den grauſamen Peynen deß Feg-Feurs entgehen wolleſt; ſehr weit von
der Todt-Suͤnd muͤſſeſt entfernet/ und alſo beſchaffen ſeyn/ daß du auch
eine laͤßliche Suͤnd williglich und auffſetzlich zu begehen/ ein groſſes Abſcheu-
en trageſt: die uͤbrige aber/ ſo da auß Unwiſſenheit/ Unachtſambkeit/ Ein-
ſchleichung/ \&c. begangen haſt/ zu vertilgen trachteſt durch die Ubungen der
Tugenten; fuͤrnemblich aber durch eine vollkommene Reſignation in den
Willen GOttes/ und durch die taͤglich Betrachtung deß bittern Leydens
JEſu Chriſti: deren Krafft zu Erloͤſchung der verdienten Straffen du auß
den vorhergehenden Lectionen an gebuͤhrenden Oertern ohne zweiffel wirſt
vernommen haben. Neben dieſen ſeynd auch zu ſolchem Ziel zwey maͤchti-
ge Helfferinnen: das kindliche Vertrauen zu GOtt; und die veruͤbte
wuͤrckliche Barmhertzigkeit gegen die Seelen im Feg-Feur
dahero folgt:
Die
[637]
Die Fuͤufftzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
Sancta ergò \& ſalubris eſt cogitatio, pro Defunctis ora-2. Mach.
12. v. 46.
re, ut à peccatis ſolvantur.
daß man für die Todten bittet/ damit ſie von den Sün-
den auffgeloͤſet werden.’
1. WAnn die Schmertzen/ ſo der gedultige Job hat außgeſtanden/
gegen die Peynen deß Feg-Feurs geſtelt wuͤrden; ſo ſolten wir
bekennen muͤſſen/ daß die Schmertzen deß Jobs vielmehr Luſt-
barkeiten/ als Bitterkeiten zu ſchaͤtzen ſeyen; wie vorhin gnugſamb erwie-
ſen iſt. Wann dieſem unerachtet/ der fromme Diener GOttes dergeſtalt
mit Peynen iſt uͤberwaͤltiget worden; daß er ſeine Bekennte ſehr jaͤmmer-
lich umb Huͤlff zu erſuchen/ und zu ſagen gezwungen worden:
Erbarmet euch ůber mich/ erbarmet euch ůberJob. 19. v.
21.
mich/ zum geringſten ihr meine Freunde; dann
die Hand deß HERRN hat mich angerühret. Wie
viel biuiger wird dann nicht eine im Feg-Feur verhafftete/ und mit den
unvergleichlichen Flammen/ Aengſten und unaußſprechlichen andern Tor-
menten umb gebene Seel erbaͤrmlich ruffen koͤnnen: Erbarmbt euch mei-
meiner/ erbarmbt euch meiner/ zum wenigſten ihr meine Freunde/ dann die
Hand GOttes hat mich getroffen? Alſo/ daß wann uns zugelaſſen wuͤrde
dieſem entzuͤndeten Kercker uns zu naͤhern/ und das heulen der See-
len añzuhoͤren/ wuͤrde vor allem dieſe klaͤgliche Bitt-Schrifft in unſern
Ohren ohne Auffhoͤren erſchallen: Erbarmet euch/ \&c. Laſſet uns der-
halben zuhoͤren und erhoͤren; und nach allen unſern Kraͤfften dieſen ar-
L l l l 3men
[638]Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
men Kindern zu Huͤlff kommen: und gleich wie die Hand den andern
Theilen deß Leibs beyſpringet/ wann ein Fuͤncklein auff ſelbige fallet; alſo
laſſet uns von dieſen unſern Mit-Gliedern der Chriſt- Catholiſchen Kirchen
das Feur hinweg treiben; und daß zwarn umb ſo viel mehr; dieweilen die
geiſtliche Glieder die leibliche an Wuͤrden weit uͤbertreffen.
2. Uber ſolche Barmhertzigkeit hat uns ein herrliches Bey - Spiel hin-
terlaſſen die H. Chriſtina/ welches da mehr zu verwundern als nachzufolgen
iſt. Als ſelbige Jungfrau in ihrer Kindheit geſtorben ware/ und das Ambt
der heiligen Meeß fuͤr ſelbige geleſen wurde/ hat ſie ſich gaͤhling von der
Todten- Bahr auff gerichtet/ und hat die Stiegen der Kirchen in aller in
aller Hurtigkeit gleich einem Vogel hinauff geeilet; und iſt daſelbſt biß zum
End der heiligen Meſſen verblieben. Nach vollendetem Ambt/ iſt ſie von
Prieſter beſchwohren worden herunter zu ſteigen; ſo auch gefchehen: darauff
iſt ſie von ihren Freunden gefragt worden/ was ihr widerfahren ſeye: und
hat denſelben alſo geantwortet: So bald ich verſchieden bin/ haben mich
die H. H. Engel zu einem Fenſter und und grauſamen Ort gefuͤhret; wel-
cher mit Menſchen- Seelen erfuͤllet ware. Da ich nun der Meinung wa-
re/ daß ſelbiges die Hoͤll ſeye/ ſo haben ſie mir geſagt/ daß es fuͤr das Feg-
Feur ſeye. Hernach haben ſie mich zu den hoͤlliſchen Tormenten gefuͤhret/
alwo/ und am vorigen Ort ich viele auß meinen Bekennten geſehen hab.
Dieſem nach bin ich zum Paradeiß/ zum Thron der Goͤttlichen Maje-
ſtaͤt gefuͤhret worden: und da ich ſahe/ daß der HERR ſich uͤber meine
Ankunfft erfreuete/ bin ich unaußſprechlicher Weiß getroͤſtet worden/ diewei-
len ich vermeinte/ daſelbſt in alle Ewigkeit zu verbleiben: und der HERR
ſprach zu mir: Mein liebſte Tochter/ du ſolſt in Warheit allzeit bey mir
ſeyn. Nun gab ich dir aber die Wahl/ ob du anjetzo bey mir verbleiben/
oder zum Leib wiederub kehren/ und in ſelbigem vermittelſt der bußferti-
gen Wercke fuͤr alle die jenige Seelen/ ſo du im Feg-Feur geſehen haſt/
gnug thun wolleſt/ und alſo mit haͤuffigen Verdienſten abermahl zu mir
kommen. Hierauff gab ich zur Antwort/ daß ich dieſerthalben zum Leib
wiederzukehren geſinnet ſeye: und ſiehe/ alsbald zeigte der HErr hierab
ein groſſes vergnuͤgen/ und ſendete mich wiederumb zum vorigen Leib.
So bitte ich euch nun/ daß ihr euch uͤber die Wunderthaten/ ſo ihr an mir
ſchen werdet/ nicht zu ſehr entruͤſten wollet. Von ſothaner Zeit hat ſie die Ge-
genwart der Menſchen zu fliehen angefangen/ und hat ſich in feurige O-
fen geworffen/ in denen ſie wegen Groͤſſe der Schmertzen zwarn erſchroͤck-
lich geruffen: iſt aber im bervorkommen gantz unbeſchaͤdigt befunden
worden.
[639]Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
worden. Oeffters iſt ſie auch in groſſe Keſſelen/ ſo mit ſiedenden Waſſer
erfuͤllet waren/ biß an die Nieren/ oder Bruͤſt geſtanden; die uͤbrige Glie-
der deß Leibs aber hat ſie mit dem heiſſen Waſſer uͤbergoſſen/ und in denen
Peynen geruffen/ wie ein gebaͤhrendes Weib. Sie iſt auch zu Zeiten ſechs
Tag lang unterm Eyß verblieben. Sie hat ſich zwiſchen die gehenckte
Moͤrder und Miſſethaͤter mit einem Strick ſelbſt auffgehenckt/ und hat alſo
zwey oder drey Tage gehangen. Wie vielmahl iſt ſie in die Graͤber der
Todten hineingangen/ und hat aldorten die Suͤnden der Menſchen be-
weynet? und endlich/ wie viele dergleichen Buß-Werck hat ſie mit hoͤchſtem
Schmertzen zwar verrichtet; und iſt gleichwohl am Leib niemahl verletzet
worden/ auff daß ſie alſo mehr und mehr leyden moͤgte: dahero iſt ſie auch
die wunderbarliche Chriſtina genennet worden.
3. Dieweilen wir nun dieſer Chriſtinaͤ ſolche Wunder nachzuthun nicht
beſtandt ſeynd; ſo laſt uns/ mein Chriſtliche Seel den jenigen nachfolgen
ſo nach ihrem Vermoͤgen den armen Seelen im Feg-Feur behuͤlfflich ge-
weſen. Unter welche ſonderbahr zu zehlen iſt der Ehrwuͤrdige und Geiſt-
reiche Joannes à S. Guilelmo auß dem H. Auguſtiner Barfuͤſſer Orden:
welcher auch auffm Bett ligend ſich alſo pflegte anzureden: Wie reymbt
ſich das Joannes? du ligſt allhier ſo gemaͤchlich/ und die arme Seelen im
Feg-Feur leyden inzwiſchen ſo erdaͤrmlich; und gedenckſt derſelben ſo wenig?
Auff dann du fauler Joannes/ ſtehe auff/ und zuͤchtige den gemaͤchlichen
Leib fuͤr die arme Kinder; hoͤr/ wie ſie ruffen: Erbarmt euch/ er-
barmbt euch unſer/\&c. Hoͤrſtu Joannes; morgen fruͤhe ſolſtu fuͤr
ſelbige Meeß leſen/ und mit moͤgliehem Fleiß daran ſeyn/ daß dieſes auch
von andern geſchehe. Alſo ſtunde er gar hurtig vom Bett auff/ und ſchluge
ſo hefftig und lang auff ſeinen Leib/ biß ſelbiger mit ſeinem Blut zumahlen
gefarbt ware. Auch pflegte er das Ambt der Abgeſtorbenen taͤglich zu betten:
und das zwarn billig: dieweilen er von ſeinem allerheiligſten Vatter geler-
net hatte/ daß das Betten fuͤr die Abgeſtorbene deren Bruͤder und SchweſterHom. 16.
inter. 59.
wir ſeynd/ daß Meß leſen fuͤr ſelbige/ und das Allmuſſen geben/ eins von den
heiligſten Wercken und fuͤrnehmſten Andachten ſeye/ in denen der Menſch
ſich in dieſem Leben uͤben kan. Laſſet uns derhalben fuͤr unſere Mit-Glieder
allen moͤglichen Fleiß anwenden/ und uns annebens verſichern/ daß uns
ſothaner Fleiß und bruͤderliche Lieb nicht allein nachmahlen reichlich werde
vergolten werden; ſondern auch/ daß unſere Suͤnden außgetilget werden:
wie der Goͤttliche Prophet Daniel in ſeinem wohlmeinenden. Rath dem
Koͤnig Nabuchodonoſor zu erkennen gegeben und geſagt: Loͤſe deine4. 14.
Sůn-
[640]Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Sůnden ab mit Allmoſen/ und deine Miſſethaten mit
Barmhertzigkeit gegen den Armen. Unter allen Allmuſſen aber
iſt keine edler/ und unier den Barmhertzigkeiten keine groͤſſer/ als die jenige/
ſo den Seelen im Feg. Feur erwieſen werden: welches auß denen Umbſtaͤnden
gnugſamb kan ermeſſen werden/ durch welche den Allmuſen groſſe Vor-
trefflichkeit erkandt wird.
4. Dieſer Umbſtaͤnden erſter iſt die Beduͤrfftigkeit der Perſonen: dann
wie mehrern Armſeeligkeiten eine Perſon unterworffen iſt/ und wie weni-
ger ſelbige ſich ſelbſt helffen kan; deſto fuͤrtrefflicher ſeynd die Allmuſen/ ſo
derſelben gereichet werden. Gedencke nun/ mein Chriſtliche Seel/ und
erinnere dich der vorhergehenden Lection von den Peynen deß Feg-Feuers;
gedencke/ ob wol einer einem groͤſſern Elend koͤnne unterworffen werden/ und
ſich einer weniger helffen koͤnne/ als ein ſolche arme und abermahl arme Seel?
Der zweyte Umbſtand iſt die Heiligkeit deß beduͤrfftigen. Wie moͤgen nun
aber unter den Bettleren heiligere Perſohnen gefunden werden/ als eben die
Seclen deß Feg-Feurs/ ſo da von allem Macul der Suͤnd gereiniget ſeynd?
Der dritte Umbſtand wird vergroͤſſert durch die Fuͤrtreffligkeit der Sachen/
ſo gegeben oder erworben wird. Was kan aber beſſer und herrlicher erdacht
werden/ als die ewige Seeligkeit ſelbſt/ die wir durch unſere Allmuſen den
armen Kindern zu wegen bringen koͤnnen? Der vierte Umbſtand iſt die
Noth deß Wohlthaͤter ſelbſt; wann nemblich ſelbiger nicht allein/ das jeni-
ge gibt/ was er uͤbrig hat; ſondern auch/ das jenige/ deſſen er ſelbſt beduͤrfftig
iſt. Wer thut aber dieſes in mehrerer Vollkommenheit/ als der jenige/
welcher den gnugthuenden Nutzen ſeiner guten Werck/ der da allen Men-
ſchen hochnoͤthig iſt/ ſich ſelbſt entziehet/ und denen Seelen zum beſten gibt?
Der fuͤnffte Umbſtand iſt die gute Neigung und Affection deß Wohltaͤters:
zumahlen auß ſelbiger die Guͤtigkeit deß Gebenden meiſtens ermeſſen wird/
wie der heilige Papſt Lco unter andern bezeuget. Wo kan aber ein groͤſ-
ſere Lieb und Affection gefunden werden/ als eben/ wann der Menſch/ in
dem er einen andern vom Feuer erloͤſet/ ſich ſelbſten zum Leyden darſtel-
let? Hierauß kuͤnnen wir vernuͤfftlich ſchlieſſen/ daß die geiſtliche Allmu-
ſen/ ſo den brennenden Seelen gereichet werden/ viel fuͤrtrefflicher ſeyen/
als die Leibliche/ ſo den Armen gegeben werden. Wann nun dieſe leibliche
Allmuß/ nach Zeugnuͤß deß frommen Tobiaͤ/ den Menſchen vom Todt
befreyet/ und ſelbige die Suͤnden reiniget/ und erfindet die Barmhertzigkeit/
und das ewige Leben: Wie viel mehr wird ſelbiges nicht verrichten die
geſt-
[641]Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
geiſtliche Allmuß/ ſo den verlaſſenen und Blut-armen Seelen gegeben wird?
Dahero ermahnet uns recht der heilige Vatter Auguſtinus/ und ſagt:
Wilſtu/ O Menſch/ daß ſich GOtt deiner erbarme: Wol-Ad F. F.
in Eremo
an/ ſo ſehe zu daß du dich auch erbarmeſt über deinen Naͤch-
ſten im Feg-Feur: dann eben ſo viel wird ſich GOtt erbar-
men deiner/ als viel du dich erbarmbt haſt ůber deinen
Naͤchſten. So bette dann fůr die Abgeſtorbene.
5. Weiters ſagt auch der heilige Chryſoſtomus/ daß kaum ein kraͤfftige-
res Mittel gefunden werde/ alles von GOtt zu erlangen; als eben die-
ſe: dieweilen ſolche fuͤrtreffliche Barmhertzigkeit/ als ein wohlberedete Fuͤr-
ſprecher in leichtlich durchtringet; und die erloͤſete Seelen annebens die Groͤſ-
ſe der geleiſteten Wohlthat erkennen; und derhalben fuͤr uns mit hoͤchſtem
Eyffer zu erlangen ſich unterſtehen/ was wir von GOtt begehren. Auch
ſtimmet ſelbigem bey der Geiſtreiche Richardus à S. Victore und ſagt: Die
erloͤſte Seelen/ wann ſie der himmliſchen Freude beywohnen/ laſſen ſie ſich
ſonderlich angelegen ſeyn/ zu betten fuͤr die jenige/ von denen ſie in ihren
euſſerſten Schmertzen Huͤlff empfangen haben: dann GOtt weigert den-
ſelben nichts: und iſt ſothanen Wohltaͤtern ſo danckbar/ als ein Koͤnig
fuͤr die gethane Erloͤſung ſeines eintzigen und allerliebſten Sohns einem
Menſchen immer ſeyn koͤnne. Dahero ſagt der heilige Bernardus: Wolt
ihr wiſſen/ wie danckbar ſich die erloͤſte Seelen zeigen werden? Jch ſag/
daß ſie ein hundert-faͤltiges erſetzen werden. Dieſe Freygebigkeit hat er-
fahren ein ſicher Abt/ welcher ſonſt wegen der von dem boͤſen Feind ihm in ſei-Baron.
tom. 9.
Ann.
nem Sterbſtuͤndlein vorgeworffenen Suͤnden in Verzweifflung geraten waͤr;
wie ein erweckter Engliſcher Muͤnch Anno 716. bezeugt hat/ wann er nicht
von acht tauſent/ von ihm erloͤſeten Seelen vorm Gericht GOttes waͤren
ſecundiret worden. Hierauß kan man nicht uneben ſchlieſſen/ daß dieſe Barm-
hertzigkeit unter die gewiſſeſte Zeichen der Erwaͤhlung zur ewigen Seeligkeit
koͤnne gezehlet werden: Dann ſo man von keinem leſet/ welcher den armen
Seelen nur gemeine Barmhertzigkeit gern erwieſen hat/ daß er jemahlen uͤ-
bel geſtorben ſeye; wie viel mehr koͤnnen wir dann ſolches nicht hoffen von
den jenigen/ ſo ſich in dieſem fuͤrtreffligſten Werck der Barmhertzigkeit im-
mer beſtaͤndiglich geuͤbt haben.
6. Auch kan bewieſen werden/ daß dieſe Art der Barmhertzigkeit nicht
allein zu Verhuͤtung der ewigen/ ſondern auch der zeitlichen Straffen im
Feg-Feur gar dienlich ſeye: und dieſes kan auff dreyerley Weiß dargethan
werden. Erſtlich von wegen unſers Heylands und Seeligmachers JEſu
M m m mChriſti
[642]Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Chriſti/ welcher dieſe Wohlthaten nicht anders annimbt/ als wann ſie ihm
Inſtr.
Vit. Aſc.
c. 4.ſelbſt erwieſen waͤren; wie der Gottſeelige Bloſius mit dieſen Worten be-
deutet: Der guͤtige und ſuͤſſe HErr liebet die Seelen ſeiner Außerwaͤhlten/
ſo da nach dem Todt deß Fleiſches noch muͤſſen gereiniget werden/ in ſo weit;
und verlanget derſelben Erloͤſung ſo eifferig; daß/ wann wir auß Chriſtlicher
Liebe fuͤr ſie treulich betten; das Hochheilige Sacrament deß Altars/ die
Verdienſten JEſu Chriſti/ die Pſalmen oder andere heylſame Werck zu
Errettung derſelben auffopffern und verrichten; Jhme ſo lieb und angenehm
ſeye/ als wann wir denſelben unſern/ in einem Kercker verſchloſſenen Herrn
zu troͤſten/ und zu erledigen uns befleiſſeten: zumahlen er ſelbſt geſagt hat:
Was ihr einem von meinen Geringſten gethan habt/ daß
Matth. 25habt ihr mir gethan. Alſo redet der gemelte Bloſius: Sagt nicht
auch die ewige Warheit: Mit der Maſſe ihr werdet gemeſ-
Luc. 6.ſen haben/ ſoll euch hinwiederumb gemeffen werden:
Wann wir derhalben anjetzo Chriſtum in ſeinen Seelen auß dem Feg-Freur
zu erloͤſen uns bemuͤhen werden; ſo koͤnnen wir auch der troͤſtlichen Zuverſicht
leben/ daß wir von ſelbigem ab dieſem Kercker befreyet/ oder auffs wenigſt
auß ſelbigem ſehr leichtlich werden errettet werden. Zum andern kan ſol-
ches dargethan werden auß den erloͤſeten Seelen/ ſo da erkennen die groſſe
Wohlthat auß der Groͤſſe der hinzugeeilten himmliſchen Glory/ und auß der
Bitterkeit der verkuͤrtzten Schmertzen; und werden alſo fuͤr ihren Wohlthaͤ-
ter zu betten nicht auffhoͤren/ damit er nicht auch komme an dieſen Orth der
Qualen Zum dritten wird ſolches bewieſen auß der vernuͤnfftigen Bitter-
keit: ſintemahlen derſelbige erfordert/ daß uns wiederumb gemeſſen werde/
wie wir andern gemeſſen haben.
7. Jm uͤbrigen/ mein Chriſtliche Seel/ auff daß du ſeheſt/ wie dieſe ar-
me Seelen nicht allein umb Erlangung der geiſtlichen Gaaben/ ſondern auch
der Zeitlichen fuͤr ihre Erloͤſer Sorg tragen: als hab ich dir die folgende Ge-
ſchichten anbey fuͤgen wollen. Euſebius/ Hertzog iu Sardinien/ hatte ei-
Spec.
Exem. d.
9. Ex. 184.ner ſicheren Stadt einige Renten oder Gefaͤllen zu Huͤlff und Troſt der See-
len im Feg-Feur angeſchafft: dieſe Stadt hat Oſtorgius Hertzog in Sici-
lien uͤberwaͤltiget und eingenom̃en; ſelbigen aber hat bald darauff ein Kriegs-
Heer von viertzig tauſend weiſſer Reuter/ zur Uber- und Widergab der Stadt
in Gegenwart deß vorgemelten Euſebii gezwungen. Ein Soldat wurde
von ſeinen Verfolgern auff einem Kirch- Hoff erdapt und weilen er ſeine
loͤbliche Gewonheit/ ein Vatter Vnſer fuͤr die Abgeſtorbene zu betten/
auch
[643]Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
auch dießmahl nicht unterlaſſen wollen; haben die Todten-Bein ſich auff-
gemacht und ihren Wohlthaͤter alſo auß den Haͤnden ſeiner Feinden erret-
tet. Ein ander wurde auff ſeiner Reiſe von den Finſternuͤſſen uͤberfallen;
und weilen ſelbiger dem Gebett fuͤr die Abgeſtorbene ſehr zugethan ware/ hat
er unvermuthet zwey brennende Fackulen hinter ihm folgen geſehen/ und die-
ſe Stimm gehoͤrt: Gehe hin im Frieden; wir ſeynd Seelen auß dem Feg-
Feur/ und wollen dir fuͤr dein Gebett danckbar ſeyn: Wir haben aber dir nit
allein geleuchtet; ſondern auch dein Leben errettet: in dem wir den jenigen/
der dich hat toͤdten wollen/ durch unſere Gegenwart verhindert haben.
Hierauß und andern unzahlbaren Exempeln kan man die ſorgfaͤltige Danck-
barkeit der Seelen gnugſamb ermeſſen. Dahero hat die heilige Brigitta
einsmahls dieſe Stimm deren Seelen gehoͤrt: O HErr! gib denenL. 4. Rc-
vel. c. 7.
die Liebe/ ſo da haben eine geiſtliche Gewalt; auff daß
wir deß Gebetts mehr theilhafftig werden: vergelte es de-
nen/ die uns zu Hůlffkommen/ hundertfaͤltiglich in ihrem
Leben.
8. Ob zwarn nun ſehr viele Werck und Ubungen ſeynd/ krafft deren wir
den verlaſſenen Seelen die huͤlffliche Hand reichen koͤnnen; als nemblich
das Gebet/ die Gewinnung der Ablaſſen/ das Faſten/ und andere Abtoͤd-
tungen deß Leibs: ſo hat doch unter ſelbigem dieſes den Vorzug; wann nem-
lich der Menſch den Nutzen oder Lohn ſeiner taͤglichen guten Werck/ durch
welchen er GOtt fuͤr ſich ſelbſten gnugthun koͤnte/ denſelben uͤberlaſſet: zu-
mahlen dieſes ein Werck der allerhoͤchſten Liebe/ und folglich zu Errettung
der Seelen ſehr kraͤfftig iſt. Dieweilen aber einige der Meynung ſeynd/
es ſeye rathſamber/ fuͤr die Bekehrung der Suͤnder zu betten/ und andere
Werck der Andacht zu verrichten/ damit ſelbige den Gefahren deß ewigen
Verderbens entzogen werden[:] derhalben hab ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ in
dieſem Fall mit folgendem Unterricht an die Hand gehen wollen. Der H.
Ludovicus Bertrandus iſt auch dieſer obgeſetzten Meinung geweſen; hat
hat aber ſelbige bald geaͤndert/ nachdem er von einer ſolchen Seel/ die
ihm erſchienen/ uͤber ſeinen Fehler iſt unterwieſen worden: Sintemahlen
dieſes eintzige beſtand gnug iſt/ die obgedachte Meynung zu vernichtigen;
daß nemblich der jenige/ welcher mit dieſer Jntention die Seelen erloͤſet/
auff daß ſelbige Nachmahlen im Himmel umb die Bekehrung der Suͤnder
bey GOtt anhalten moͤgen; daß/ ſag ich/ der jenige den ſuͤndigen Menſchen
ein weit kraͤfftigere Huͤlff leiſte/ als wann er ſelbſt fuͤr ſie gebetten/ oder andere
gute Werck verrichtet haͤtte.
M m m m 29. Wei-
[644]Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
9. Weiters ſagen ſie auch/ daß/ weilen die ordentliche Lieb deß Menſchen
von ihm ſelbſten ſoll anfangen; Dahero ſeye es billig/ daß wir erſt unſere
eigene Schuld/ und nachmahls frembde Schulden bezahlen. Dieſes
Argument hat den P. Rodericum Arriaga beweget/ daß er vermeint/ es
handle einer zumahlen gegen die ordentliche Lieb ſeiner ſelbſten/ wann er
alles gnugthuenden Nutzen und Erſprießlichkeit ſeiner Werck ſich begebe/
und ſelbige den Armen Seelen im Feg-Feur ſchencke: Dieſer Meinung
ſeynd auch noch andere geweſen; deren Gutthaten in ſo weit nicht zu beobach-
ten iſt/ daß du von der erſten Meinung dich ſolleſt abſchroͤcken laſſen; wie
der gelehrte Jacobus Montfordius in ſeinem guͤldenen Buch von der Barm-
hertzigkeit uͤber die arme Seelen weitlaͤuffig und klaͤrlich beweiſet: alwo er
erſtlich mit groſſer Vernunfft darthut/ daß der jenige/ welcher ſeine gute
Werck fuͤr die Seelen GOtt auffopffert/ nicht allein nichts verliere/ ſon-
dern mehr verdiene/ mehr erlange/ und mehr gnug thue; ja ſo gar konne
ein ſolcher ſich groſſe Hoffnung machen/ daß er ohne Feg-Feur zum Him-
mel gelaſſen werde: Nach dieſem verfaſſet er endlich alle ſeine geſetzte
Reden kuͤrtzlich zuſammen und beweiſet am 12. Capitel mit dreyfachigem
Argument/ daß auff die offtbeſagte Weiß/ ſeine Verdienſten den Seelen
zu uͤberlaſſen/ gegen die ordentliche Lieb gar nicht gehandlet werde. Daß
erſte iſt; Dieweilen tauſent Feg-Feur nicht zu achten waͤren/ wann man
durch ſelbige nur ein eintzige Staffel der hoͤhern Glory erhalten koͤnnte nun
iſt aber gewiß/ daß man Vermoͤg ſolcher Ubung und vollkommenſten Liebe
ſ[e]hr viele Staffeln der ewigen Seeligkeit erlangen koͤnne; ſo da ohne ſelbi-
ge Lieb niemahlen moͤgten erhalten werden; So folgt dann der unf[e]hlba-
re Schluß/ daß der gegen ſeine eigene Lieb nicht handle/ welcher die jenige
Staffeln der Glory vernachlaͤſſigeſt/ deren er genieſſen wuͤrde/ wann er
wegen ſeiner ihm ſelbſt zu Nutz gemachten Verdienſten/ ehender zur See-
ligkeit gelangen wuͤrde/ damit er mehrere/ ja unendliche Staffeln der Glo-
ry/ die er in alle Ewigkeit wegen der den Abgeſtorbenen erwicſenen Lieb ge-
nieſſen wuͤrde/ ſich erwerbe. Jm widrigen Fall haͤtten der heilige Baſilius/
Jgnatius/ die wunderbarliche Chriſtina/ Lydwina und andere Heilige Gottes
uͤbel gethan/ daß ſie lieber auff der Welt zu verbleiben/ und Seelen zum Him-
mel zu bringen/ als gleich deſſelben theilhafftig zu werden/ erwaͤhlet haben.
Dieweilen nun/ mein Chriſtliche Seel/ die obgeſetzte Wort deß Jacobi
Montfordii durch ihre verdrießliche Verwirrung dir leichtlich eine Dunckel-
heit und Widerwillen verurſachen koͤnnte/ als will ich dir ſelbige allhier klaͤr-
licher
[645]Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
licher außdeuten. Dahero ſag ich denſelben Worten gemaͤß alſo. Der
ſeine Verdienſten ſich ſelbſten zumachet/ und alſo die gemachte Schuld bey
ſeinem Gott außtilget/ der kan zeitlicher oder geſchwinder zum Himmel kom-
men: der aber ſelbige denen Abgeſtorbenen ſchencket/ wird einen viel groͤſ-
ſern/ ja unendlich groͤſſern Lohn im Himmel haben/ als der vorige.
Dieſes letztere haben die Fuͤrnehmbſte Heiligen GOTTES erwaͤh-
let:/ unter denen der heilige Baſilius/ Jgnatius und unzahlbare andere
geweſen ſeynd.
10. Daß zweyte Argument iſt; daß der jenige/ ſo dieſe Barmhertzigkeit
uͤbet/ viel ſicherere Hoffnung/ daß er dem Feg- Feur entgehen werde/
oder auffs wenigſt/ nicht lang werde darinn auffgehalten werden/ als
wann er ſich ſelbſten ſeine gute Werck vernutzet haͤtte/ wie der obangefuͤhrte
Scribent am. 11. Cap. nachtrucklich behaubtet: So wird dann auch in
dieſem Fall gegen die eigene Lieb nicht gehandlet. Daß dritte Argument
lautet alſo: Es kan ein ſolcher Liebhaber der Seelen dieſe Condition in U-
berlaſſung ſeiner Verdienſten hinzuſetzen; daß erwolle/ daß ſeine Meinung
in ſo weit guͤltig und kraͤfftig ſeye/ als viel dieſelbe zu groͤſſer Ehren GOt-
tes außſchlage/ und der eignen Lieb nicht hinderlich ſeye: und daß GOtt
an ſeiner Seite belohne den guten Willen/ wann er nicht findet das Gnuͤ-
gen. Jn ſolchem Fall erhellet/ daß dergleichen Uberlaſſung nicht allein nit
ſchade; ſondern vielmehr zu Erweiſung, deß Seelen-Liebhabers gute Nei-
gung und Liebe gegen GOTT/ und auch gegen die Seelen gedeye; wie der
meiſte Theil deren im Geiſt GOttes erfahrenen Maͤnner lehret. Dieß
alles wird nun bekraͤfftiget auß den Wercken der Heil. Gertrudis. DannCaſp.
Tauſch
in Mat.
Dol. p. 3.
c. 7.
ſo dieſe H. Jungfrau alle ihre gute Wercke den armen Seelen gantz freyge-
big uͤberlaſſen hatte/ und derhalben in Forcht ſtunde/ daß villeicht auß Man-
gel der eigenen Gnugthuung/ ein ſchwaͤres Feg - Feur wuͤrde außſtehen
muͤſſen/ iſt ihr Chriſtus erſchienen/ und geſagt: Meine Tochter/ damit du
ſeheſt/ wie deine groſſe Lieb gegen die Abgeſtorbene mir gefalle; ſo ſchencke
ich dir zur Vergeltung derſelben/ alles was du mir ſchuldig biſt: und weilen
ich ein hundertfaͤltiges fuͤr ein einfaͤltiges verſprochen hab/ ſo will ich meine
Hand anjetzt erweitern/ und dich mit einer fuͤrtrefflicheren Herrligkeit be-
lohnen. Auch will ich verſchaffen/ daß die Seelen/ ſo du erloͤſet haſt/
deiner letzten Stund beywohnen ſollen/ und dich mit groſſem Sieg zum
Himmel begleiten.
M m m m 311. Wei-
[646]Die Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
11. Weiters iſt in dieſer geiſtlichen Ubung zu mercken/ daß du wiſſeſt/
mein Chriſtliche Seel/ die rechte Weiß/ dergleichen Uberlaſſung nuͤtzlich
zu bewerckſtelligen. Selbige aber ſtellet dir vor der oberwehnte Mont-
fordius in folgenden Puncten. Erſtlich muſtu dich befleiſſen/ allzeit im
Stand der Gnaden zu ſeyn. Zweytens muſtu alle deine Wercke mit ei-
nem Fleiß verrichten. Drittens muſtu das jenige/ ſo dich zu dieſer
Barmhertzigkeit antreibt/ wohl betrachten. Viertens muſtu die Wuͤr-
ckungen einmahl erneueren/ mit denen du auß einer oder andern Beweg-
nuß deine Werck uͤberlaſſen haſt. Fuͤnfftens daß du deine Jntention oder
Meynung taͤglich auff dieſe oder dergleichen Manier erwidrigeſt. Jch
will die Seelen meiner Bruͤder oder andern auß ihren Peynen erloͤſen/
und ihnen zur Beſitzung der ewigen Seeligkeit in moͤglicher Kuͤrtze ver-
helffen/ damit ich alſo die Ehr und die Vermehrung deß Lobs GOt-
tes zu wegen bringe; damit ich meinem allerfreygebigſten Wohlthaͤter
den allerangenehmſten Art der Danckſagung erſtatte: damit ich die Goͤtt-
liche Ehr/ ſo ich durch meine unzahlbare Miſſethaten geſchmaͤlert hab/
auffs beſte/ ſo viel mir moͤglich iſt/ wiederumb ergaͤntze: Da-
mit ich auch endlich Chriſto ſelbſt/ deſſen werthen Mutter/ und
allen Heilgen GOTTES einen allerangenehmſten Dienſt leiſte.
Siehe/ mein GOtt und HErr/ der du ein eifferigſter
und zarteſter Liebhaber der Seelen biſt/ ich opffere dir
heut zu Erquickung deiner Seelen im Feg-Feur; ſon-
derbar aber derenN. N.nit allein alle meine gute Wercke/ ſo
ich heut verrichten werd/ oder auch von einem andern
für mich verrichtet werden; ſondern auch all das jenige/
ſo ich jemahlen Guts thun werde/ und was auch nach
meinem Todt fůr mich würd auffgeopffert werden/ ſo viel
ſelbiges zudeiner hoͤchſten Ehr/ und zum Wohlgefal-
len deiner Goͤttlichen Majeſtaͤt von mir geſchehen kan.
Nimb derhalben/ mein liebſter JESV/ dieß mein
Opffer an/ ſo ich für meine liebſte Leidende Seelen ver-
richte/ und mit allermoͤglichen Lieb und gutem Willen zu
verrichten verlange. Dieſe Weiß den armen Seelen in ih-
ren euſſerſten Noͤthen beyzuſpringen nehme zu hertzen/ mein
Chriſtliche Seel/ und glaube ſicherlich/ daß dieſe ihnen erwieſene
Chriſtliche Lieb dich nicht arm/ ſondern ſehr reich machen werde. Gedenck/
daß
[647]Von der Barmhertzigkeit gegen die Abgeſtorbene.
daß du in ſolchem Fall gern wuͤrdeſt geholffen ſeyn; ſo thue dann andern/
was du wolleſt/ daß dir geſchehe. Jm widrigen Fall/ haſtu zu befoͤrchten/
daß dir widerfahre/ was ſich mit einem Geiſtlichen auß dem heiligen Fran-
ciſcaner Orden hat zu getragen; welcher nach einiger von ſeinem Todt ver-
floſſener Zeit einem ſeiner Mit-Bruͤder erſchienen iſt/ und hat geſagt/ daß
er dieſerthalben ſehr groſſe Schmertzen im Feg-Feur außſtehe/ daß er bey
Leb-Zeiten fuͤr die Abgeſtorbene zu betten nachlaͤſſig geweſen ſeye; und daß
das Gebett und H. Meeß-Opffer/ ſo bißhero fuͤr ihn verrichtet worden/
ihme nicht zum Nutzen kommen ſeye; ſondern GOTT habe ſelbiges zur
Straff ſeiner Nachlaͤſſigkeit/ andern Seelen geſchencket. So ſagt dann
recht der gelehrte Cajetanus: Welcher in dieſem Leben der Ab-
geſtorbenen vergeſſen/ denſelben wird aller Genoß der
guten Wercke und Gebetts im Feg-Feurentzogen werden;
ob ſchon viel Guts für ſelbige allhier geſchehe: dann alſo
vergeltet die Goͤttliche Gerechtigkeit dergleichen Vnbarm-
hertzigkeit und unbillige Haͤrtigkeit deß Gemüts. So
iſt dann wahr und abermahl wahr/ was die Heil. Schrifft meldet:
Heilig und heilſamb iſt das Gedencken/ für die Abge-
ſtorbene zu betten/ daß ſie von ihren Sün-
den auffgeloͤſet werden.
Die
[648]Lection
Die Ein und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der ewigen Seeligkeit.
v. 9.
minis aſcendit, quæ præparavit Deus iis, qui dili-
gunt eum.’
und iſt in keines Menſchen Hertz kommen/ was GOtt
den jenigen bereitet hat/ die ihn lieben.’
1. SJmonides/ ein Welt-Weiſer/ iſt einsmahls von dem Hie-
rone/ Koͤnig in Sicilien gefragt worden/ was GOtt ſeye/ und
was fuͤr Eigenſchafft er an ſich habe? Dieſe Frag der Gebuͤhr
nach zu beantworten/ hat Simonides einen Tag nach dem andern Auß-
ſtandt begehret; und da deren bereits viele verfloſſen waren/ hat er dannoch
mit keiner Antwort auffziehen koͤnnen/ ſondern geſagt: Wie laͤnger
ich betrachte/ je dunckeler kombt mir die Sach vor. Eben
ſelbiges widerfahret uns/ indem wir die himmliſche Freuden zu begreiffen/
uns unterſtehen wollen: wie beſſer wir dieſelbe außzulegen trachten; je
mehreres und mehreres begegnet uns; daß wir alſo mit dem Heydniſchen
Philoſopho zu bekennen genoͤthiget werden: daß/ wie mehr und mehr wir die
Herrligkeit der Außerwaͤhlten mit den Augen deß Hertzen beſchauen wollen/
je weniger wir begreiffen moͤgen/ was ſie ſeye; zumahlen ſelbige ſo groß
iſt/ daß ſie/ nach Zeugnuß deß H. Apoſtel Pauli/ von keinem menſchlichen
Aug geſehen/ weder von einem Ohren gehoͤrt worden/ noch in eines Men-
ſchen
[649]Von der ewigen Seeligkeit.
chen Hertz jemahlen geſtiegen ſeye. Dahero ſagt der H. Vatter Augu-l. 23. d C.
D.
ſtinus: Was GOtt denen zubereitet hat/ die ihn lieben/
daß kan vermittelſt deß Glauben nicht verſtanden/ durch
die Hoffnung nicht berühret/ und Vermoͤg der Liebe nit
begriffen werden: es überſteiget die Begierd und das Ver-
langen deß Menſchen; es kan erworben/ aber nicht ge-
ſchaͤtzet werden. Und an einem andern Orth redet der jetzt-gemeldte
Kirchen-Lehrer von ſelbiger alſo: Leichter koͤnnen wir vou demL. 3. de
Sum. ad
Catech.
c. 12.
ewigen Leben ſagen/ was in demſelbigen nicht ſeye/ als
wir koͤnnen ſagen/ was daſelbſten ſeye: Da iſt kein Todt/
es iſt kein Weinen noch klagen/ keine Ermüdung/ keine
Kranckheit/ kein Hunger noch Durſt/ kein Hitz noch Kaͤl-
te/ keine Verderbung/ keine Bedürfftigkeit/ und keine
Traurigkeit allda zu finden.
2. Die Freuden aber/ deren die Seelige in alle Ewigkeit genieſſen/ ver-
mag keine erfindliche Wohlredenheit der Gebuͤhr nach beſchreiben: Sinte-
mahlen nach Meinung deß gelehrten Diſcipuli und anderer/ die Freud etnes
eintzigen/ auch deß allergeringſten Heiligen/ ſo groß iſt/ daß ſelbige die gan-
tze Welt nicht tragen koͤnne: Derhalben hat ein Beſeſſener (wie der ge-Hiſtoria.
meldte Scribent meldet) da er uͤber dieſe Freud gefragt worden/ geantwor-
tet: daß/ wann der gantze Himmel lauter Pergament/ und das groſſe Meer
Dinten weren/ auch alle Sternen gelehrte Maͤnner auß der Stadt Pariß/
und alle Strohalmbe lauter Federn waͤren; ſo koͤnnten doch alle dieſe gelehr-
te Scribenten mit ihren Haͤnden nicht beſchreiben/ noch mit ihren Zun-
gen außſprechen die allergeringſte Freude/ ſo die Seelige im Himmel haben
von dem Angeſicht GOttes. Ein andersmahl iſt ebenfals der boͤſe Feind
im Außtreiben einer beſeſſenen Perſohn gefragt worden/ wie groß die Freud
im Himmel ſeye? Darauff er ſeinem Beſchwehrer geantwortet/ und zu-
gleich denſelben mit dieſen Worten gefragt hat: kanſtu den Staub in den
Strahlen der Sonnen zehlen? Da nun ſelbiger zur Antwort gegeben/ daß
er dieſes nicht thun koͤnne: hat der Teuffel geſagt: Alſo kanſt weder du/ we-
der ein ander Menſch die Freuden deß Himmels erzehlen Dieſes bekraͤff-In feſto
omn.
Sanct.
tiget der heilige Bernardus in einer Predig mit dieſen Worten/ und ſagt:
Wann aller Menſchen Zungen allhier zu gegen waͤren/ und mir von der
Glory und Herrligkeit/ deren die Seelen im Himmel genieſſen werden/
reden wolten; ſo wuͤrden ſie chender ab dieſer Erzehlung krafftloß werden/
als auch den geringſten Theil der Freuden außzuſprechen vermoͤgen. Da-
N n n nhero
[650]Die Ein und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
Gen. 15.
v. 1.hero ſagt Gott zum Abraham. Jch bin dein Beſchirmer/ und dein
ůber ůberauß groſſer Lohn. Wie groß aber vermeinen wir/ daß
dieſer Lohn ſeye? Dieſe Frag beantwortet uns der H. Bernardus/ und
L. de
Conſ. ad
Euge.
Pap.ſagt: Der Lohn der Auſſerwaͤhlten iſt ſo groß/ daß er nit
gemeſſen; ſo hauffig/ daß er nicht koͤnne geendiget; und
ſo koſtbar/ daß er nicht moͤge geſchaͤtzet werden.
3. Zu dieſem unſerm Vorhaben meldet der Gottſeelige Dionyſius Car-
tuſianus von dem Glorwuͤrdigen Vatter Auguſtino/ daß ſelbiger ein Buch
von der Glory der Seeligen zu ſchreiben/ ſich vorgenommen/ habe aber
vorhero das Gutachten deß heiligen Hieronymi hieruͤber vernehmen wollen/
was nemblich er von dieſer Seeligkeit halte? Dieweilen aber der jetzt-ge-
meldte Hieronymus immittels mit Todt iſt abgangen; ſo iſt er ihm
nach ſelbigem erſchienen/ und hat ihn alſo angeredet und geſagt: Auguſti-
ne/ Auguſtine/ was fragſtu? Getraueſtu dir wohl/ das gantze Meer in ei-
nem kleinen Geſchirr zu begreiffen? Vermeinſtu/ daß du die gantze Welt in
einer Hand verſchlieſſen koͤnneſt? Oder ſolſtu wohl das Geſtirn deß Him-
mels ſo veſt machen koͤnnen/ daß es ſeine gewoͤhnliche Bewegnuͤſſen nicht
wircken moͤge? Was keines Menſchen Aug hat ſehen koͤnnen/ ſoll das
das Deinige wohl ſehen? Was kein Ohr durch den Schall geſchoͤpffet hat/
ſoll daß dein Ohr wohl hoͤren koͤnnen? Was kein menſchliches Hertz je-
mahl im geringſten verſtanden noch gedacht hat/ geduncket dich/ daß du
ſolches verſtehen werdeſt? Was wird auß einer unendlichen Sache fuͤr ein
End zu gewarten ſeyn? Was unermeßlich iſt/ mit welcher Maß wilſtu
ſelbiges meſſen? Viel leichter wuͤrde alles Meer-Waſſer in einem engen
Geſchirr/ und die gantze Welt in einer Hand koͤnnen verſchloſſen werden:
viel ehender ſolte der Himmel von ſeiner Bewegung einhalten/ als du einen
geringen Theil der Freuden und Herrligkeit der Secligen im Himmel be-
greiffen moͤgeſt. Dann es iſt eine Sach von ſo groſſem und unbeſchreib-
lichen/ Werth daß/ wann ichs nicht erfahren haͤtte/ niemahlen wuͤrde ge-
glaubet haben; und iſt ſo weit von dem/ daß ich mir in meinen Leb-Zeiten
eingebildet hab/ als weit ein endliches Ding von einẽ unendlichẽ entfernet iſt.
Es ſey dann/ daß du hieruͤber durch die eigene Erfahrnuß unterwieſen werdeſt;
im widrigen fall wir ſtu dich umbſonſt bemuͤhen. Vollende den Lauff dei-
nes Lebens/ und wandere alſo/ damit du das jenige/ ſo du einiges Weegs
allhier zu verſtehen trachteſt/ im Himmel voͤllig beſitzen moͤgeſt. Alſo iſt
der heilige Vatter Auguſtinus von dem heil. Hieronymo uͤber die Freuden
deß Himmels unterrichtet worden.
7. Die-
[651]Von der ewigen Seeligkeit.
4. Dieweilen dieſes alles uns nun viel zu hoch und unbegreifflich iſt/ ſo
erzehle ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ eine und andere Geſchicht/ auß denen
du dir zum wenigſten von weitem etwas einbilden moͤgeſt/ ſo viel dein bloͤder
Verſtand begreiffen kan/ daß die ewige Seeligkeit ein herliche Sach ſeyn
muͤſſe. Ein ſehr from̃er und andaͤcht. Geiſtlicher hat in ſeiner Einfalt mehr-Hiſtoria.
malen von Gott inſtaͤndiglich begehrt/ daß er ihn doch einige wenige Suͤſſig-
keit der himmliſchen Freuden allhier auff Erden zu ſchmecken wuͤrdigen
wolle. Nun hat ſich zugetragen/ da er mit ſeinen Mit-Bruͤdern dieſen
Vers auß dem neun und achttzigſten Pſalmen Davids geſungen: Tauſent
Jahr ſeynd vor deinen Augen/ wie der Tag/ der geſtern
vorüber gangen iſt: Daß er in Zweiffel gerathen/ ob dieſem alſo ſeyn
wuͤrde. Jndem nun dieſer fromme Diener GOttes/ auch nach vollen-
deter Metten/ denen Worten deß Koͤniglichen Propheten weiters nachge-
dacht/ und zugleich gebetten/ der liebe GOtt wolle ihm doch das Geheimb-
nuß dieſes Spruchs entdecken; hat er die Stimm eines uͤberauß ſuͤſſiglich
ſingenden Voͤgeleins gehoͤrt; von welcher er dermaſſen erluſtiget worden/
daß er in eine Verzuckung gerathen/ und alſo dem Voͤgelein/ ſo in den nechſt-
gelegenen Buſch geflohen/ gefolgt iſt; alwo er unter einem Baum geſtan-
den/ und den lieblichen Geſang ſo lang zugehoͤret/ biß das Voͤgelein ſein Ge-
ſang geendiget/ und den Baum ſambt ſeinem Zuhoͤrer verlaſſen hat. Da
iſt der Geiſtliche/ in Meinung/ daß er ein oder andere Stund lang daſelbſt
verharret habe/ wiederumb zum Kloſter gangen/ und hat befunden/ daß die
Pfort deſſelben zugemauret/ und ein andere gebauet geweſen. Nachdem
er nun in hoͤchſter Verwunderung ſich bey derſelben neuen Pforten ange-
meldet/ hat ihn der Pfoͤrtner gefragt/ wer er ſeye/ von wannen er komme/
und was ſeyn Begehren ſeye? Dieſer gibt zur Antwort und ſagt: Was iſt
das? vor wenig Stunden bin ich von hierauß gangen/ komm jetzt wieder/
und ſiehe/ der gantze Bau deß Kloſters ſambt den Muͤnchen iſt zumahlen
veraͤndert! Dieſes neue Wunder hinterbringt der Pfoͤrtner ſeinem Praͤ-
laten: Selbiger nimbt die Aelteſte deß Kloſters zu ſich/ und fragt den Geiſt-
lichen/ wie der Abt/ unter welchem er im Kloſter gelebt/ geheiſſen habe.
Da man nun den Nahmen deſſelben gehoͤrt/ hat man in der Chronick deß
Kloſters nachgeſucht/ und befunden/ daß dieſer Geiſtliche bereits dreyhundert
und viertzig Jahr auſſerhalb dem Kloſter geweſen ſeye. Jſt nun dieſes nicht
ein groſſes und ungemeines Wunder/ daß ſelbiger eine ſo geraume Zeit/ fuͤr
Lieblichkeit deß Geſangs ſolchen Voͤgeleins/ oder vielmehr Engels/ weder
Hitz noch Kaͤlte/ weder Hunger noch Durſt empfunden habe? Was groſſe
N n n n 2Freud
[652]Die Ein und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Freud werden wir dann nicht einsmahls haben/ nachdem wir zum Himmel-
Reich werden eingelaſſen/ und ſo vieler Engel allerſuͤſſeſte Stimmen zu
hoͤren/ gewuͤrdiget werden?
Exem. v.
Glor.
Coel. Ex.
13.
Hiſtoria.
5. Weiters wird von einem Soldaten geleſen/ daß ſelbiger von ſeinem
verſtorbenen Camerade zum Gaſt-Mahl genoͤthiget worden; Vnd da er
zu ſolchem erſchienen/ und nur zur letzten Auffrag erſtlich kommen/ ſeye
ihm bald hernach befohlen worden/ wiederumb zuruͤck zu kehren: Jn dem
er nun dieſem Befelch gehorchet/ habe er gefunden/ daß ſein Hauß/ auß
dem ware außgangin/ in ein Cloſter veraͤndert worden/ und er ſchon zwey-
hundert Jahr außgeblieben ſeye. Gedenck allhier/ mein Chriſtliche Seel/
wann ein ſo geringes Bißlein der Himmliſchen Freuden den Menſchen al-
ſo beſaͤliget in dieſem Jammer-Thal/ daß er die zweyhundert jaͤhrige Zeit
nicht laͤnger/ als eine Stund zu ſeyn vermeyne; Was groſſes Frohlocken/
wie unaußſprechliche Ergaͤtzlichkeit wird dir dieſes nicht ſeyn/ wann du an
der groſſen Taffel/ ſo da mit allerhand unbeſchreiblichen Koſtbarkeit der
Himmliſchen Speiſen/ denen von Gott beſetzt iſt/ die ihn lieben/ dich erlu-
ſtigen werdeſt? Jn Betrachtung derſelben Taffel ſchreyet aus der Koͤnigli-
Pſ. 30. v.
28.che Prophet mit dieſen Worten: Wie groß und vielfaͤltig iſt
deine Süſſigkeit/ o Herr/ welche du verborgen haſt vor
die jenige/ ſo dich foͤrchten! Ob wir ſchon anj[e]tzo ſolche Freuden
nicht begreiffen koͤnnen; ſo wird uns doch auſſer allem Zweiffel einmahls
wiederfahren/ wann wir in die Himmliſche Freuden werden hineingelaſſen
werden/ was ſich mit der Koͤniginn Saba/ nachdeme ſie die Herrlichkeit
Salomonis geſehen/ hat zugetragen; Das wir nemblich fuͤr groſſer Ver-
wunderung gleichſamb erſtummen/ und mit dieſer Koͤniginn ſagen wer-
3. Reg. 10.den: Die Rede iſt warhafftig/ die ich in meinem Lande
gehoͤret hab von deinen Reden und von deiner Weißheit:
Vnd ich glaubete denen nicht/ die mirs erzehlet haben;
biß ich ſelbſt kommen bin/ und habe mit meinen Augen
geſehen und erfahren/ daß mir die helffte nicht iſt geſagt
worden. ꝛc. Sintemahlen die Herrlichkeit und Suͤſſigkeit der Himm-
liſchen Einwoͤhner ſo groß iſt/ daß auch alle menſchliche Reden/ ſelbige
zu erklaͤhren nicht beſtand ſeynd: alſo/ daß nach Zeugnuß deß heiligen Vat-
Ser. 8. de
Transfigters Auguſtini auch ein eintziges Troͤpfflein derſelben/ alſo zu ſagen/ alle
Bitterkeit der Hoͤllen verſuͤſſen moͤge.
6. Auch lehret der Gottſeelige Vatter Dioniſius Cartuſianus/ daß alle
weltliche Freuden zuſammen/ mit der Freude nicht koͤnnen verglichen
wer-
[653]Von der ewigen Seeligkeit.
werden/ ſo da genieſſet ein eintziger Auſſerwaͤhlter GOttes im Himmel/ von
der Gegenwart und Anſchauung der Allerſeeligſten Mutter Mariaͤ. Jſt
nun dieſem alſo/ wie nicht zu zweiffeln iſt; wie groſſe Freud wird dann nit
bringen die Betrachtung und Beſchauung der Menſchheit deß Sohns
GOttes? und dannoch gehoͤrt dieſes alles nur zu der beyfaͤlligen Belohnung
der Außerwaͤhlten; welche insgeſambt unvergleichlich geringer iſt/ als die
Freud der weſentlichen und fuͤrnehmſten Belohnung/ nemblich der See-
ligen Genieſſung der Allervor treffligſten Dreyfaltigkeit/ und derſelben ewi-
gen und unbeweglichen Gottheit. Was groſſe Freud/ und unermaͤßliche
Gluͤckſeeligkeit muß daß nicht ſeyn/ wann eine Seel daß ſo uͤber wunderbare
und unver aͤnderliche Weſen GOttes/ und zugleich das unbegreiffliche und
verborgene Geheimnuß der Allerheiligſten Dreyfaltigkeit zu ſehen gewuͤrdi-
get wird! wann er/ ſag ich/ ſehet den Vatter in dem Sohn/ den Sohn in
dem Vatter/ und im Sohn und Vatter den Heiligen Geiſt! Wann er ſe-
het ohne Schatten und Figur/ ohne einige Dunckelheit gantz klaͤrlich/ wie
nemblich der Sohn von dem Vatter von Ewigkeit her gebohren iſt: wel-
cher Geſtalt der Heilige Geiſt vom Vatter und Sohn/ gleich als wie von
einem Anfang herkomme: Was maſſen unter denen dreyen Perſohnen
keine hoͤher oder niedriger/ und keine fuͤrtrefflicher ſeye als die andere: Wie
der Vatter nicht ehender geweſen ſeye/ als der Sohn/ den er doch gebohren
hat; ſondern daß alle drey Perſohnen ſich in allem gleich ſeyn; alle drey
von Ewigkeit/ und einer gleichen undendlichen Fuͤrtreffligkeit und Wuͤrde.
Allda wirſtu ſehen koͤnnen/ mein Chriſtliche Seel/ die Weiß und Manier/
krafft deren ſich die Goͤttliche Natur der Menſchlichen in der Perſohn
Chriſti vereiniget hat/ und GOtt iſt Menſch worden/ daß alſo in War-
heit kan geſagt werden (ſo viel wir von der Menſchheit Chriſti reden wollen)
GOtt iſt ein Menſch/ und ein Menſch iſt GOtt.
7. Jn dieſem Anſchauen der Allerheiligſten Dreyfaltigkeit/ und in dem
Geheimnuß deß Vermenſchten und Ewigen Worts beſtehet die fuͤr-
nehmſte Seeligkeit. Es ſehen die Außerwaͤhlte nicht allein GOtt/ ſondern
ſehen ſich annebens auch ſelbſten in GOtt/ und in Selbigem alle Dinge:
dan gleich/ wie der jenige/ ſagt der H. Fulgentius/ welcher einen Spiegel vor
ſich hat/ den Spiegel ſehet/ und ſich ſelbſten im Spiegel: alſo die Heilige/
ſo da den herrlichen Spiegel ohne Macul anſchauen/ ſehen GOtt/ und in
GOtt ſich ſelbſten/ ſambt allem/ was auſſer GOtt iſt/ nach Maß deß
Lichts/ daß ihnen von GOtt verliehen worden. Dann gleich wie auff
dieſer Welt/ alles was da erſchaffen/ gleichſamb ein Spiegel iſt/ ob zwarn
N n n n 3dun-
[654]Die Ein und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
dunckel und unvollkommen/ durch welchen unſer GOtt uns wird vorgeſtel-
let; alſo iſt GOtt im Himmel droben wie ein allerſchonſter und allerhelle-
ſter vollkommenſter Spiegel/ ſo da in einem eintzigen Anblick den Außer-
waͤhlten alle Fuͤrtreffligkeiten und Eigenſchafften aller erſchaffenen Dinge
viel beſſer und vollkommener zeigt/ als ſie in denſelbigen von uns koͤnnen ge-
funden werden. Weiters werden die tieffe und verborgene Geheimnuß
GOttes/ ſo von den allerweiſeſten und klugeſten Menſchen alhier nicht ha-
ben moͤgen durchforſchet werden/ von den himmliſchen Einwohnern klaͤr-
lich geſehen werden/ daß alſo derſelben groſſe Begierden erfuͤllet werden.
Dort wirſtu ſehen/ auff was fuͤr eine Weiß der Himmel mit ſo vielen und
groſſen Lichtern enttzuͤndet/ und wie alles ſo ordentlich eingerichtet ſeye/ und
ſo wunderbarlich zuſammen ſtimme.
8. Daſelbſt wirſtu ſehen die allerweiſeſte und wunderbarligſte Unterſchei-
dung und Schoͤnheit der neun Choͤr der Engelen/ und wie ſelbige in drey him̃-
liſche Schaaren vertheilt ſeyn. Alda wir ſtu ſehen/ wie alle natuͤrliche Gnaden
alſo von dem erſten Urſprung und immerflieſſenden Brunnen hergenommen
werden/ und in die erſchaffene Dinge flieſſen/ daß ſie von ihrem Brunnen nit
abgeſondert werden; Sondern wie ein Baͤchlein in ſeinem Fluß/ alſo in
GOtt gantz und zumahlen beſtehen/ und als in einem Licht/ daß ſich andern
mittheilt/ und denſelben zum beſten ſich vertheilet/ und derohalben doch
keinen Mangel noch Schaden leydet/ weder auch einiges Nutzen ſich ruͤh-
men kan. Du wirſt erfahren/ wie alle Gaben GOttes immer friſch und
neu ſeyen/ daß in ſelbigen gar kein Unterſcheid der Zeit ſeye/ weder der ge-
genwaͤrtigen/ weder der verfloſſenen noch kuͤnfftigen; ſondern eine beſtaͤn-
dige Ewigkeit/ und eine gegenwaͤrtige Zeit ohne Zeit. Du wirſt ſehen/ daß
Gott ein einfaͤltiges unveraͤnderliches und unzertheiliges hoͤchſtes Gut ſeye/
deſſen einige mehr/ einige aber weniger theilhafftig werden/ gleich der Son-
nen/ ſo da bald mehr/ bald weniger ihr Liecht und Hitze nach Beſchaffenheit
der vorgeſtalten Sachen mittheilet. Dort wirſt vermercken/ wie die Werck der
Gerechtigkeit und Barmh vermiſcht ſeyen; Jn denen allen Gott ſeine Ehr und
Lob ſuchet. Schließlich muß ich dir/ mein Chriſtliche Seel bekennen/ daß auch
alle der Rechen-Kunſt erfahrne Liebhaber alles in eine Summ nicht ein-
ſchlieſſen koͤnnen/ was die Außerwoͤhlte in Gott ſehen: Kein wohlredender
Prediger wird dir jemahl mit allen ſeinen zierlichſten und kraͤfftigſten Wor-
ten dieſelbe alle außlegen moͤgen; Kein Verſtand wird dieſe Ding immer
alle faſſen koͤnnen/ ſo doch die Seligen im Himmel durch ein einfaͤltige
und unaußſprechliche Anſchauung begreiffen. Hierauß erwachſet eine ſo
in-
[655]Von der ewigen Seeligkeit.
inbruͤnſtige Lieb/ daß eine Außerwoͤhlte Seel eine pur lautere brennende
Lieb zu ſeyn ſcheine; dieweilen ſelbige von dem Gottlichen Feuer dermaſ-
ſen durchtrungen wird/ daß ſie in ein lauteres Feuer veraͤndert wird; Da-
hero immer und allezeit brennet/ und niemahlen auffhoͤret. Von dieſer Lieb
entſtehet die Nieſſung und eine unanßſprechliche Freud in der Seelen ſebſt/
vermittelſt der Vereinigung ihrer Vernunfft mit dem unermaͤßlichen Meer
der Weißheit/ und mit Verbindung deines Willens mit dem Allerhoͤch-
ſten Gut; deme ſie ſo faſt verbunden bleibt/ daß ſie von ſelbigem nicht kan
geſchieden werden.
9. Wie erfreulich dieſe Nieſſung der Gegenwart Gottes ſeye/ kanſtu
einiges wegs/ doch gleichſamb in der Finſternuß auß folgender Hiſtori er-
ſehen: Der Gelehrte Magiſter Iordanus auß dem H. Prediger Orden hatDiſcip.
Hiſtoria.
einmahls eine beſeſſene Perſohn beſucht/ und den boͤſen Feind alſo gefragt:
Warumb plagſtu dieſes Weib? dieweil ich/ antwortet der Teuffel/ gezwun-
gen werd/ von meinem Erſchoͤpffer entfernet zu ſeyn/ und derohalben kan
ich anderſ [...]wo nicht ſeyn: Sag mir/ fahret fort der Geiſtliche/ wo wolle-
ſtu am liebſten ſeyn/ wann dir die Wahl gegeben wuͤrde? der Teuffel ant-
wortet im Himmel. Warumb im Himmel/ ſagt Iordanus? auff daß ich/ ſagt
der Hoͤlliſche Geiſt/ daß helle Angeſicht meines Erſchoͤpffers anſchauen
moͤchte. Iordanus fragt weiters/ und ſagt: Was wolleſtu wohl umb des
Himmels willen außſtehen? Jch getroͤſtete mich/ ſagt er/ alle Pey-
nen/ ſo meine Mitgeſellen ins geſambt von dem Tag ihrer Verdambung
mit mir außgeſtanden/ und biß auff den juͤngſten Tag des Gerichts
außſtehen werden/ zu leyden/ damit ich die Clarheit GOTTES
nur in einem oder anderm Augenblick ſehen moͤchte. Hieruͤber entſetzet
ſich der fromme Jordanus/ und ſagt: O wir armſeelige Menſchen! wie
uͤbel/ wie uͤbel/ und abermahl uͤbel handlen wir/ daß wir ſo groſſes Gut/ ſo
unaußſprechliche Freuden mit mehrerem Fleiß nicht ſuchen! Sehe gluͤckſee-
lig koͤnnte ſich ſchaͤtzen ein Menſch/ wann er fuͤr die euſſerſte und haͤrteſte
Buß-Werck ſeines gantzen Lebens/ nur ein eintziges Augenblick GOtt an-
zuſchauen/ wie er iſt/ ſolte gewuͤrdiget werden. Schaͤtze nun/ wann du
kanſt/ mein Chriſtliche Seel/ die Freud/ deren ein Außerwaͤhlter in An-
ſchauung deß Goͤttlichen Angeſichts/ nicht ein Augenblick/ nicht eine
Stunde/ nicht einen auch nicht hundert/ noch tauſent Tage/ nicht ein
tauſent/ noch hundertmahl hundert tauſent Jahr; ſondern/ in alle Ewigkeit/
in alle Ewigkeit/ ohne einiges End im Himmel droben genieſſen wird.
10. Chriſtus ſagt bey dem heiligen Mattheo von dem guten und getreuen
Knecht
[656]Die Ein und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Knecht; daß er ſolle eingehen in die Freud ſeines Herrn: warumb ſagt er
nicht; die Freud deß Herrn ſoll zu dir/ zu deinem Hertzen eingehen/ ſo da iſt
der rechte Ort der Freude? Die Frag beantwortet der H. Anſelmus und
ſagt/ daß die Außerwaͤhlte von GOtt ſo groſſe Freud haben/ daß ſelbige
in dem Menſchen nicht koͤnne verſchloſſen werden/ ſondern der Menſch
muͤſſe in ſothane Freud eingehen/ und alſo werde der Menſch von den Freu-
den erfuͤllet und umbgeben/ daß nicht der Menſch die Freuden/ ſondern die
Freuden den Menſchen gantz und zumahlen einnehmen. Dieſe uͤberauß
groſſe Freud entſpringt auß einem dreyfluͤſſigen Brunnen. Erſtlich er-
freuen ſich die Seelige uͤber das Goͤttliche Allmaͤchtige Gut/ und unendli-
chen Wohlſtand GOttes: Zumahlen ein wahre Freundſchafft (wie da
iſt die Liebe) ſich uͤber das Wohlergehen ſeines guten Freunds erfreuet.
Zum andern erfreuen ſie ſich uͤber ihre ſelbſt eigene Gluͤckſeeligkeit/ indem
ſie ihres GOttes genieſſen/ als ihres eigenen und hoͤchſten Guts. Zum drit-
ten erfreuen ſie ſich uͤber die Erſprießligkeit anderer Außerwaͤhlten; bey denen/
wie die Wort deß heil. Gregorii lauten/ wegen der ungleichen Klarheit keine
Mißgunſt ſeyn wird/ dieweilen bey allen herſchet die Einigkeit der Liebe: da-
hero/ weilen einer den andern liebet als ſich ſelbſten/ wird ein jeder ſo groſſe
Freud haben von dem Wohlſtand eines jeden/ als von den Seinigen; zu-
mahlen er das jenige Gut/ ſo er ſelbſt nicht hat/ in den andern beſitzet. So
iſt dann gewiß/ daß ſie alle und jede ſo viel Freuden werden haben/ als ſie Ge-
ſellen haben: und alle und jede Freuden ſeynd ſo viel bey jeden/ als ihre eige-
ne Freud. Dieweilen nun ein jeder GOtt mehr liebet/ als ſich ſelbſten/
und alle andere mit ihm/ ſo erfreuet er ſich mehr uͤber den Wohlſtand Got-
tes/ als uͤber den Seinigen/ und aller andern mit ihm. Wann dann eines
jeden Hertz kaum faſſet ſeine eigene Freud/ wie kan ſelbiges dann faſſen ſo
viele und groſſe Freuden? Derhalben ſtehet geſchrieben: Gehe ein in
die Freud deines HErrn/ und nicht: Die Freud deines
HErrn gehe in dich: Dieweilen ſelbige nicht koͤnte gefaſſet werden.
11. So ſagt dann recht der gemeldte heilige Kirchen-Lehrer an einem an-
einem andern Orth: Wann wir betrachten/ wie herrliche Dinge uns ver-
ſprochen werden im Himmel/ ſo wird uns alles zu wider/ was wir haben
auff Erden: zumahlen die irrdiſche Guͤter in Vergleichung der ewigen
Gluͤckſeeligkeit mehr ein ſchwaͤrer Laſt iſt/ dann Ergetzligkeit: Wann
man das zeitliche Leben gegen das Ewige ſtellet/ und beyde beſchauet/ ſchei-
net das erſte/ in Anſehung deß andern mehr ein Todt/ als Leben zu ſeyn. Da-
hero pflegte der heil. Jgnatius in Beſchauung deß Himmels uͤber laut zu
ruffen:
[657]Von der ewigen Seeligkeit.
ruffen: O wie abſcheulich kombt mir die Erde vor/ wann ich den Himmel
anſchaue! Jn dem nun die jenige Freuden unendlich ſeynd/ ſo Gott denen be-
reitet hat/ die Jhn lieben; wie ſoll man ſich nit bemuͤhen/ wie ſoll man nit ſchwi-
tzen/ was ſoll uns immer zu ſchwehr fallen/ auff daß wir denen Himmels Ein-
wohnern moͤgen beygezehlet werden? Dan ſo den Schiff-Leuten die grauſame
Wellen deß Meers/ den Soldaten die Wunden und euſſerſte Leibs-Gefah-
ren leicht ſcheinen/ in Betrachtung der zeitlichen Vergeltung/ welche ſie zu
gewarten haben; wie viel mehr ſollen wir alle vorfallende widerwaͤrtigkeit
und Gefahren mit froͤhligem Gemuͤth zu uͤberſtehen uns befleiſſen/ da uns
der Himmel ſelbſt zum Lohn erbotten wird?
12. Verlangſtu derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ dieſen Ort zu deiner
ewigen Ruhe-Statt zu erwerben; ſo muſtu dieſe zwey Dinge beobachten:
Nemblich/ daß du erſtlich alle unziemliche irrdiſche Freuden von dir entfer-
neſt/ und zum andern alles Widrige mie einem heroiſchen Gemuͤt ertrageſt.
So viel daß erſte betrifft/ muſtu wiſſen/ daß/ gleich wie du mit einem Au-
gen den Himmel/ und mit dem andern die Erde zugleich nicht koͤnneſt an-
ſchauen/ alſo moͤgeſtu auch der gegenwaͤrtiger Guͤter nicht genieſſen/ und
allhier den Bauch/ und dorten die Seel erfuͤllen/ und alſo von einer Freud
zur andern ſchreiten. Wilſtu herrſchen mit Chriſto/ ſo iſt noͤthig/ daß
du laſſeſt fahren das Jrrdiſche; und dein Hertz offt zu denen ewigen Guͤtern
erhebeſt/ und den folgenden Spruch deß heil. Vatters Auguſtini betrachteſt.
Ein ſo groſſe Schoͤnheit hat an ſich die Gerechtigkeit/ ſagt er/ und ein ſolche
Lieblichkeit hat das ewige Licht/ das iſt/ die veraͤnderliche Weißheit; daß/
wann dir ſchon daſelbſten zu verbleiben nicht laͤnger/ als einen eintzigen Tag
erlaubt waͤre/ ſo ſolſtu doch derhalben auch unzahlbare Jahren/ ſo mit Freu-
den und Uberfluß aller Guͤter erfuͤllet ſeynd/ billig verwerffen. So viel
daß andere belanget/ muſtu wiſſen/ daß der Spruch deß H. Pauli dich nit
betriege/ in dem er ſagt: Das Leyden dieſer Zeit iſt nicht gleich
zu achten der künfftigen Herrligkeit/ welche in uns ſoll
offenbahret werden. Dahero ſagt der heil. Vatter Auguſtinus:
wann wir taͤglich ſolten Tormenten leyden/ und auch ſo gar die Hoͤll eine
Zeitlang außſtehen/ auff daß wir Ehriſtum in ſeiner Glory und Herrligkeit
und unter die Zahl ſeiner Außerwaͤhlten ſehen moͤgten/ ſo ſoll uns doch alles
fuͤr nichts vorkommen/ was wir immer allhier zu leyden haben/ damit wir ſol-
cher Freude moͤgten theilhafftig werden. Zu dieſem unſern Vorhaben er-
zehlet der Gelehrte Diſeipulus/ daß der boͤſe Feind einsmahls in einerHiſtoria.
beſeſſenen Perſohn von den Umbſtehenden ſeye gefragt worden/ was er
O o o othuen
[658]Die Ein und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
thun wolle/ daß er wiederumb zum Himmel kommen moͤgte? darauff habe er
geantwortet/ und geſagt: Wann ein eiſerne Saͤul von der Erden biß zum
Himmel langte/ und waͤre mit ſpitzigen Naͤgel und Stacheln uͤberal wohl
beſchlagen; ſo wolte ich/ wann ich einen Leib haͤtte/ der leyden koͤnnte/ mich
biß zum juͤngſten Tag dieſelbe Saͤul immer auff und ab ziehen laſſen/ damit
ich nur zur Herrligkeit GOttes gelangen moͤgte/ ſo ich durch meine Hoffart
hab verlaſſen muͤſſen. Gedenck nun/ mein Chriſtliche Seel/ wann daß
der geſchworne Feind GOttes zu leyden ſich erbietet/ umb den Himmel
zu erlangen; was ſollen wir dan nit außſtehen auß Liebe Gottes/ damit wir
durch Truͤbſall und Gedult deß Ewigen und hoͤchſten Guts moͤgen theil-
hafftig werden? Wilſtu der immer waͤrenden und Allerſeeligſten anſchau-
ung mit den Außerwaͤhlten GOttes genieſſen/ ſo leyde allhier gedultiglich/
uͤbertrage mit Freuden und ſtandhafftiglich/ was dir ſo wohl dem Leib als
der Seelen nach beſchwaͤrlich vorkombt; gedencke offtmahlen der Wort deß
2. Tim. 2.
5.H. Apeſtel Pauli: Keiner wird gekroͤnet werden/ es ſey dann/
daß er ritterlich und rechtmaͤſſig geſtritten habe. Wann dir
gefaͤlt der herrliche und ſtattliche Lohn/ ſo laſſe dir auch nicht mißfallen die
Arbeit. Alſo wirſtu dir eine ſehr vertraͤuliche Zuverſicht zur himmliſchen
Glory machen koͤnnen/ nach dieſer gethanen Verheiſſung deines Heylands:
Matt. 5.Seelig ſeynd die/ ſo da Verfolgung leyden umb
der Gerechtigkeit willen; daun ihnen iſt
Reich der Himmeln.
Die
[659]
Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der wenigen Zahl der Anßerwaͤhlten.
Intrate per anguſtam Portam, quia lata Porta \& ſpa-Matt. 7.
v. 13.
tioſa via eſt, quæ ducit ad perditionem, \& multi
ſunt, qui intrant per eam.
Pforte iſt weit/ und der Weeg iſt breit/ der zum Ver-
derben fůhret/ und ihrer ſeynd viel/ welche dadurch
eingehen.’
1. BJßhero hab ich dir/ mein Chriſtliche Seel/ vorgeſtellet den Greul der
hoͤlliſchen Peynen; wie dan auch die unaußſprechliche Freuden
der Seeligen im Himmel: derhalben will ſichs nun gebuͤhren/
daß ich dir auch die Zahl der jenigen verzeichne/ ſo da ſichere Hoffnung ha-
ben/ die ewige Freuden zu erlangen; und deren/ welche die immerwaͤhren-
de Peynen der Hoͤllen unfehlbar ſchmecken werden: auff das du dir und
deiner Seelen bey Zeiten Vorſehung thun moͤgeſt. Wie viel aber vermeinſtu/
daß werden ſeelig werden auß denen Menſchen/ ſo anjetzt in der Welt leben?
Gedunckt dich wohl/ daß der halbe Theil werde zum Himmel eingehen?
Soll wohl der dritte/ oder auch der vierte Theil ſeelig werden? Ach! ach!
ich foͤrchte ſehr/ daß nicht der zehnte/ ja nicht der zwantzigſte Theil das
ewige Leben beſitzen werden. Dieſes lehren alle H. H. Vaͤtter/ es lehret
uns ſelbiges die heil. Schrifft/ und die Ewige Warheit ſelbſt an unter-
ſchiedlichen Orten. Bey dem Evangeliſten Mattheo am 20. Cap. ſagt
Chriſtus: Viele ſeynd beruffen/ aber wenig außerwaͤhlet.
O o o o 2Dieſe
[660]Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
Dieſe Wort widerholet der jetzt-gemeldte Evangeliſt am 22. Cap. und ſagt:
Bindet ihm Haͤnd und Füß/ und werffet ihn in die euſſer-
ſte Finſternüſſe: dann viel ſeynd beruffen/ aber wenig
außerwaͤhlet. Wann nun in der gantzen heiligen Schrifft kein anders
Beweißthumb wuͤrde gefunden werden/ als dieſe zwey angezogene Spruͤ-
che/ ſo haͤtte doch ein jeder gnugſame Urſach ſich zu entſetzen: zumahlen
Chriſtus gar klaͤrlich bedeutet/ daß viele zum wahren Glauben beruffen ſeyn/
auß denen doch wenige zur ewigen Seeligkeit gelangen werden. Unter
dieſe Beruffene zehlet Chriſtus nicht die Heyden und Ketzer/ ſondern die je-
nige allein/ ſo den wahren Glauben haben: dann die Heyden und Ketzer
ſeynd noch nicht beruffen/ ſondern werden taͤglich beruffen/ auff daß ſie ihre
Blindheit verlaſſen/ und zum Licht deß wahren Glaubens kommen moͤgen.
Derhalben/ das Chriſtus ſagt: Viele ſeynd beruffen/ aber wenig
außerwaͤhlet: heiſſet eben ſo viel/ als wolte er ſagen: Viele ſeynd/ ſo
da haben den wahren Glauben; unter denen aber werden wenige gefunden/
welche ſeelig werden.
2. Noch erſchroͤcklicher iſt/ was er bey dem Evangeliſt Matt. am 7. Cap.
mit dieſen nachtruͤcklichen Worten ſagt: Gehet hinein durch die
enge Pforte/ dann die Pforte iſt weit/ und der Weeg iſt
breit/ ſo zum Verderben führet/ und ihrer ſeynd viel wel-
che dadurch eingehen. Dahero ſeufftzete der Heyland auß dem
innerſten ſeines Hertzen und ſagt: O wie eng iſt die Pforte/ und
wie ſchmal iſt der Weeg/ welcher zum Leben einführet/
und ihrer ſeynd wenig/ die ihn finden. Was kan doch grau-
ſamer geſagt werden/ als eben dieſes? und wie kan ein kraͤfftigeres zeugnuß
gegeben werden/ daß nemblich viele werden verdambt/ und ſehr wenig ſee-
lig werden/ als mit dieſen Worten? Wann ſolche einer auß den Kirchen-
Lehrern/ oder ein ander Heiliger Mann geſprochen haͤtte/ ſo wuͤrden wir
demſelben keinen Glauben beymeſſen: weilen aber die unbetriegliche ewige
Warheit ſothanes Urtheil ſelbſt gefaͤhlet hat/ ſo koͤnnen wir demſelben im
geringſten nicht widerſprechen. Damit du auch beſſer erkenneſt/ wie we-
nige außerwaͤhlet werden; ſo mercke auff/ daß Chriſtus in den angezogenen
Worten nicht geſagt habe/ daß wenig ſeyen/ ſo auff dem Weeg gen Himmel
wandern; ſondern daß er gantz klaͤrlich geſagt habe; daß wenig gefun-
den werden/ welche dieſen engen Weeg finden: Der Weeg iſt
ſchmal/ ſagt Er/ der zum Leben führet/ und wenig ſe[y]nd/
ſo denſelben finden: als wolt er außtruͤcklich ſagen: Der Weeg zum
Him-
[661]Von der Zahl der wenigen Außerwaͤhlten.
Himmel iſt ſo eng und ungebahnt/ ſolcher maſſen bewachſen und verborgen;
daß ihn viele tauſent und tauſent Menſchen niemal finden werden. Und ob
ſchon einige ſeynd/ die ſelbigen finden/ ſo irren ſie dannoch leichtlich von die-
ſem Weeg/ dieweilen er ſehr krum und zweiffelhafft iſt. Einige ſeynd
zwarn/ ſo den rechten Weeg eing[e]hen; weichen doch von ſelbigem wiſſentlich
ab/ wegen der Beſchwernuͤſſen/ ſo auff dieſem Weeg gefunden werden.
Darneben ſeynd auch viele/ welche durch den Argliſt und Verſuchung deß
boͤſen Feinds/ von dieſem Fuß-Patt abgebracht/ und alſo unvermerckt zur
Hoͤllen geſtuͤrtzt werden. Hierauß kanſtu vernuͤnfftlich ſchlieſſen/ daß
wenige dieſen Weeg finden/ und noch viel weniger ſeyen/ ſo da biß zum End
auff ſelbigem bẽſtaͤndiglich verharren.
3. Dieweilen dann unſerm Heyland nicht unbewuſt ware/ daß dieſe ſeine
klare Wort/ ſo wohl von den Glaubigen als Unglaubigen unrecht wuͤrden
verſtanden und außgelegt werden/ derhalben hat er ſeine Meinung beſtaͤtti-
gen/ und uns zur Zahl der Außerwaͤhlten mit noch hellern Worten offenbah-
ren wollen: dann da einer ihn fragte/ ob wenig Menſchen ſeelig wuͤrden; gab
Er ſeufftzend zur Antwort: Bemůhet euch durch die enge PforteLuc. 13. v.
23.
einzugehen: Dann ich ſag euch/ viel werden darnach trach-
ten/ daß ſie hinein gehen/ und ſie werden nicht koͤnnen.
Wer ſoll ſich fuͤr dieſen Worten nicht entſetzen? Chriſtus ſagt/ ein jeder
ſoll ſich Gewalt anthun/ er ſoll ſich mit aller Macht unterſtehen zu dem en-
gen Pfoͤrtlein hineinzugehen/ Contendite;Bemůhet euch/ ſpahret
keinen Fleiß. Ja/ was noch mehr/ und erſchroͤcklicher iſt: Er ſagt/ daß
viele mit groſſem Eyffer und Arbeit ſich befleiſſen werden hinein zu kommen/
und werden doch nicht hinein gehen. O mein GOtt und HErr! Wann
dieſe/ ſo ſich da mit groſſer Muͤhe unterſtehen in den Himmel zu kommen/
doch werden muͤſſen drauſſen bleiben; wo werden dann die jenige hinkommen/
welche in groſſer Nachlaͤſſigkeit und Traͤgheit dahin leben; und weder die Ehr
GOttes/ weder das Heyl ihres Naͤchſten/ weder ihr eigene ewige Wohlfart
ſonderbahr eifferen; vielmehr aber die irrdiſche Zeit in koſtbahren Sachen/
in Kinder und Narren - Boſſen/ ich ſage nicht vertreiben/ ſondern erbaͤrmli-
cher Weiß verſchwenden? Dieſe drey Zeugnuͤß der ewigen Warheit zeigen
dir gnugſamb/ mein Chriſtliche Seel/ in wie groſſer Gefahr der Seeligkeit
der arme Menſch immer ſchwebe/ und wie wenig auß uns ihr rechtmaͤſſiges
Ziel und End erreichen werden. Hoͤre nun weiters/ wie der ſorgfaͤltlge JE-
ſus ſich bemuͤhet/ ſothane Beſehwernuß zu deinem und meinem Heyl mit
mchrerem zu erklaͤhren. Da dieſer Heyland dem Evangeliſchen Juͤng-
O o o o 3ling
[662]Die Zwey’ und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
ling gerathen hatte/ er ſolte ſeine Reichthumben verlaſſen/ und ihm nachfol-
gen; ſelbiger aber hieruͤber zumahlen betruͤbt hinweg gangen/ hat ſich der
Marc. 10.
v. 22. \&
ſeqq.himmliſche Lehr-Meiſter zu ſeinen Juͤngern gewendet/ und geſagt: Wie
ſchwerlich werdendie zum Reich GOttes hinein gehen/
die Geld haben! Die Jůnger aber entſetzten ſich uber ſei-
ne Red. JESVS aber antwortet/ und ſprach zu ih-
nen: Meine Kinder/ wie ſchwerlich iſts/ daß die jenige
zum Reich GOttes hinein gehen/ welche ihr Vertrauen
auff Geld ſetzen! Es iſt leichter/ daß ein Camel durch
ein Nadel-Ohr gehe/ dann daß ein Reicher zum Reich
GOttes hinein gehe. Hieruͤber win den die Juͤnger deß HErrn
noch mehr verwundert/ und ſprachen untereinander: Wer kan dann
ſeelig werden: JEſus aber ſahe ſie an/ und ſprach: Bey
den Menſchen iſts wohl unmoͤglich/ aber nicht bey
GOTT.
4. Sperre auff/ ſperre auff deine Ohren/ mein Chriſtliche Seel/ und
hoͤre was Gott ſagt: Er bekennet/ daß die Erlangung des ewigen Heyls
ein ſo gefaͤhrliches Werck ſeye/ daß es auch die menſchliche Kraͤfften uͤber-
ſteige. Er ſagt außtruͤcklich/ daß der Menſch nicht koͤnne ſeelig werden;
Vnd wanns geſchehen ſolte/ ſo waͤre ſolches doch ein uͤbernaturlich und
goͤttliches Werck: Ja ſo gar muͤſſe vor ein Wunderwerck gehalten werden/
daß der Menſch der Hoͤllen ſoll entgehen/ und zum Himmel gelangen;
Gleich wie ein Miracul waͤre/ daß ein eintziger Menſch allein ein gantzes
Kriegs-Heer in die Flucht ſchluͤge: Sintemahlen ein gantze Schaar der
Hoͤlliſchen Feinden einenjeden Menſchen anfallet/ auff daß ſie ſelbigen mit
allerhand Betrug und Argliſt betriegen/ zur Suͤnde reitzen/ und endlich zur
ewigen Verdambnuß ſtuͤrtzen moͤgen. Die gantze Welt mit allen ihrem
Anhang haben ſich gleichſam miteinander verbundẽ/ durch ihre ſchmeichlende
ſedoch betriegliche Suͤſſigkeit; Wir auch nit weniger Krafft ihrer Vefol-
gung von dem rechten Weeg zu verhindern/ und zur gemeinen Bahn des
Verderbens zu bringen. Vnſer eigene Lieb/ unſere fuͤnff Sinn/ und unſere
ſelbſt eigene Natur haben ſich verſchworen/ uns Tag und Nacht ſo lang zu
verſuchen und zu beſtreiten/ biß ſie uns von dem harten und ſtrengen Leben/
zu einem gemaͤchlichern und alſo von dem Fuß-Pfad der Chriſtlichen Voll-
kommenheit/ zu den fleiſchlichen Wolluſten verleyten moͤgen. Ja/ was noch
mehr iſt/ unſere eigene Seel iſt ſich ſelbſt zuwider/ und iſt in zwey Theil zer-
theilet/ nemblich in dem obern und untern Theil: Dieſer ſtreitet immer ge-
gen
[663]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
gen den andern/ und iſt ſelbig er Streit viel beſchwaͤrlicher und gefaͤhrlicher/
als aller Teuflliſchen Boßwichten und gottloſer Menſchen Anfechtungen
und Verfolgungen immer ſeyn koͤnnen. Wann dann nun ein tugendſamber
Menſch/ bey ſo geſtalten Sachen/ uͤber ſeine Feinde obſieget/ iſt daß nicht
ein rechtes Wunder-Werck? Vberſteiget nicht ein ſolcher Sieg alle menſch-
liche Kraͤfften? Dahero muͤſſen wir geſtehen/ daß Gott einen ſolchen Men-
ſchen ſonderbahr beygeſtanden habe/ ſonſten es unmoͤglich haͤtte geſchehen
koͤnnen/ daß ſelbiger ſo viele und ſo ſtarcke Feindt haͤtte uͤberwaͤltigen koͤnnen.
Merck auff mein Chriſtliche Seel/ wieviel Muͤhe es koſte/ den Himmel zu
erwerben. Jch vermeyne/ du wirſt nun baldin Erfahrung kommen/ was
Chriſtus durch dieſe Wort: Das Himmelreich leydet Gewalt/Matt. 11.
und die Gewaͤltigen reiſſens hinweg: Habe verſtehen wollen.
Einmal gewiß iſts/ daß der Himmel durch Faulheit und Tragheit nicht
gewonnen werde/ ſondern durch groſſe und ſtete Sorgfalt/ durch viele Ar-
beit und Uberwindung ſeiner ſelbſten.
5. Obwohlen aber auch Chriſtus nicht ein - ſondern mehrmahl mit auß-
trucklichen Worten bedeutet habe/ daß wenig Menſchen ſeelig werden;
und daß der Weg/ ſo zum Himmel leitet/ ſehr eng und beſchwaͤrlich ſeye;
Nichts deſto weniger werden viele gefunden/ welche ſich nicht foͤrchten zu ſa-
gen; Der Weg des Heyls ſetze ſo gefaͤhrlich nicht/ wie einige zagthaffte
Menſchen darvor halten: Chriſtus habe nicht umbſonſt ſo grauſame Tor-
ment en außgeſtanden: Der Himmel ſeye ja nicht fuͤr die Gaͤnß gebauet:
Wann uns Gott nicht haͤtte wollen ſeelig machen/ ſo wuͤrde Er uns auch
nicht erſchaffen haben. Alſo und dergleichen reden die Welt-Kinder: Da-
hero leben ſie wohlgemuthet daher/ lauffen ohne Forcht den gemeinen und
weiten Welt-Weg/ halten ihren Leib wohl/ und was nur dem Fleiſch ange-
nehm und luſtbahr iſt/ daß laſſen ſie ſelbigem zu. Alſo ſtreicht ein Tag nach
dem andern/ ein Jahr nach dem andern ohne weitere Sorg dahin/ als wann
ſie von ihrer Seeligkeit ſchon wuͤreklich verſichert waͤren. Daß aber allſol-
che denrechten Weeg ſehr weit verfehlen/ und die Bahn des Verderbens
betretten; Dieß lehr et uns die Goͤttliche H. Schrifft/ nicht an einem/ ſon-
dern an hundert und hundert Orten; Ja ſo gar das gantze H. Evangelium
zeigt uns gerad das Widerſpiel/ und dreuet den jenigen mit dem ewigen
Todt/ welche dergeſtalt ohne Forcht leben/ und ihren boͤſen Begierden den
Zaum laſſe Hoͤre/ hoͤre/ wer du ein ſolcher biſt/ wil Chriſtus die ewige War-
heit dir ſage/ und wie grauſamblich Er dir zuruffe: Wehe/ wehe
euch Reichen/ dann ihr habt eueren Troſt hinweg: Wehe
euch/
[664]Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
euch/ die ihr geſaͤttiget ſeyd/ dann ihr werdet [Hunger] ley-
den; Wehe euch/ die ihr jetzt lachet/ dann ihr werdet trau-
ren und weynen: Wehe euch/ wann euch die Menſchen
preiſen; dann ihr werdet dorten verſchaͤhmet werden.
Wer ſoll dieſe Drew-Wort nicht foͤrchten? Jſt nicht dieſes ein recht greu-
liches Vrtheil? Daß du reich ſeyeſt/ daß du erſaͤttiget ſeyeſt/ daß du luͤſtig und
froͤlich ſeyeſt/ daß dich die Menſch loben; dieſes bildeſtu dir nicht ein/ we-
der auch ein ander Welt-Menſch/ daß ſuͤndhafft ſeye: und dannoch drewet
Chriſtns denſelben den ewigen Todt/ durch ſo offt wiederholtes Wehe/
wehe.
6. Gedunckt dich derhalben wohl/ daß die unwiderbringliche koſtbahre
Zeit ohne Verluſt des Himmels mit Muͤſſiggehen und ſtetes geynen zu
den Welt-Luͤſten koͤnne zugebracht werden? Hoͤre mein Chriſtliche Seel
den Apoſtel Paulum ein Augenblick an. Mein allerliebſte/ ſagt er/
Ad Phi-
lip. 2.wircket euere Seeligkeit mit Forcht und Zittern. Solcher
maſſen haben die Heylige Gottes ihr ewiges Heyl geſucht/ ſo da immer die
gerechte Urtheil GOttes gefoͤrchtet haben. Die boͤſe aber haben weder die
ſtrenge Urtheil Gottes/ weder deſſen billigen Zorn gefoͤrchtet/ ſondern mit
dem heutigen Nachlaͤſſigen geſagt: GOtt iſt barmhertzig/ der wird uns ſo
leichtlich nicht verdammen; wir muͤſſen als ſehr grob und viel geſuͤndiget
haben/ wann wir die Hoͤll verdienen/ und dergleichen: da doch der heylige
Geiſt durch den Weiſen Man einen jeden mit dieſen deutlichen Worten den
Eccl. c. 5.
v. 6.Gegentheil lehret und ſaget: Spricht nicht/ die Erbarmung des
Herrn iſt groß/ Er wird die Vielheit meiner Sůnden auß
Gnaden verzeyhen/ dann Barmhertzigkeit und Zorn wer-
den geſchwind vom ihm herankommen/ und ſein Zorn ſe-
het auff die Sůnder. Die heylige Catharina von Genua pflegte zu
ſagen: O ihr armſelige Suͤnder/ trauet der Barmhertzigkeit Gottes nicht:
ſondern wiſſet/ daß ihr deſto tieffer zur Hoͤllen werdet hineingeworffen wer-
den/ wie mehr ihr einen ſo barmhertzigen HErrn zum Zorn anreitzet. Wir
muͤſſen zwarn auff die Barmhertzigkeit GOttes unſer Vertrauen ſetzen;
wie dieſes aber geſchehen ſolle/ lehret uns der heil. Gregorius mit dieſen Wor-
ten: Wer thut/ was er kan/ der mag auff Goͤttliche Barmhertzigkeit veſtig-
lich vertrauen: der aber nicht thut/ was er kan/ und wilt alſo auff die Guͤ-
tigkeit deß HErrn hoffen; deſſen Hoffnung iſt keine Hoffnung/ ſon-
dern eine Vermeſſenheit: dann unſer Glaub lehret uns/ daß wir nicht
allein auß der Barmhertzigkeit GOttes/ ſondern auch auß unſern Wer-
cken
[665]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
cken zugleich muͤſſen ſeelig werden; wie der heil. Apoſtel Petrus uns ermah-
net und ſagt: Befleiſſet euch/ eueren Beruff und Außerwaͤh-
lungen/ durch gute Werck gewiß zu machen. Auß dieſem2. Petr. 1.
v. 10.
allem kanſtu dir das gewiſſe Faeit machen/ wie ſchwaͤrlich du moͤgeſt ſeelig/
und wie leichtlich verdambt werden; und wie viele zur Hoͤllen gehen/ oder
vielmehr lauffen. Damit du aber dieſe Warheit noch beſſer und fuͤglicher
erkennen moͤgeſt; als wil ich dir einige Gleichnuͤſſen und Figuren vor Au-
gen ſtellen/ Krafft deren die H. Schifft die angezogene Meinung noch mehr
offenbahret und beweiſet.
7. Jn der Arcken Noe waren nur acht Perſohnen/ ſo der allgemeinen
Suͤnd-Flut entkommen ſeynd; die uͤbrige/ deren viele hundert tauſent ge-
weſen/ ſeynd im Waſſer erſoffen/ und alſo jaͤmmerlich umbkommen. Gleich
wie nun dieſe acht Menſchen/ in Anſehung deren/ die zu Grund gangen/ ſehr
wenig/ ja ſchier nichts an der Zahl ſeynd; alſo iſt die Zahl der Außerwaͤhlten
uͤber auß gering/ wann ſie mit der Vielheit der Verdambten verglichen
wird. Das erſchroͤckliche Feur/ welches der Zorn GOttes uͤber Sodo-
mam und Gomorram/ und das umbligende Land geſchickt; hat nur vier
Perſohnen/ nemblich deß Loths/ deſſen Weibs/ und zweyer Toͤchter ver-
ſchoͤnet: die uͤbrige alle/ ſo da in fuͤnff Staͤdten/ und vielen angrentzenden
Flecken und Doͤrffern beſtunden/ ſeynd durchs himmliſche Feur verzehret/
und in das hoͤlliſche geworffen worden. Alſo ſeynd auch viele Staͤdt und
Doͤrffer/ auß denen zu Zeiten nur vier der ewigen Verdambnuß entgangen.
Auß denen ſechsmal hundert tauſent ſtreitbaren Maͤnnern/ ſo auß Egygten
herauß kommen/ neben den Weibern/ den Alten/ und Kindern ſeynd nur
zween/ nemblich Joſue und Caleph zum Gelobten Land hineingangen: die
uͤbrige ſeynd alle in der Wuͤſten armſeeliglich geſtorben. Alſo gelangen offt-
mahl auß tauſenten kaum zween zum verſprochenen himmliſchen Vatterland;
die uͤbrige ſterben in ihren Suͤnden/ und werden ewiglich verdambt. UnterTob. 1. 5.
den Kindern Jſrael ware der eintzige Tobias; welcher zum Tempel deß
HErrn gen Jeruſalem gienge/ und daſelbſt den HErrn anbettete: die ande-
re alle auß den zehn Geſchlechtern Jſrael betteten die guͤldene Kaͤlber an/ ſo
der Koͤnig Jeroboam gemacht hatte. Auß allen Kindern deß Eſau ware
allein der Job gerecht/ und glaubte an den wahren GOtt: der uͤbrige Theil
der gantzen Provintz ware Heydniſch/ und dienete dem Teuffel. Auß
allen Chaldeyeren ware nur der Daniel mit dreyen Knaben außerwaͤhlet/
und widerſetzten ſich dem gottloſen Befelch deß Koͤnigs: die andere ſo wohl
P p p pJuden/
[666]Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Juden/ als Heyden betteten alle die auffgerichtete Bildnuß an/ auß Forcht/
daß ſie ſolten in den brennenden Feuer- Ofen geworffen werden.
8. Weiters vergleichet der Prophet Jſaias die Zahl der Außerwaͤhlten
den wenigen Aaaren/ ſo von den Schnittern auffin Acker gelaſſen werden;
und ebenfals den wenigen Trauben - Koͤrnlein/ ſo da nach dem gemachten
Herbſt im Weingarten verbleiben. Wiederumb vergleichet ſie der heilige
Apoſtel und Evangeliſt Matthaͤus dem gereinigten Weitzen/ ſo da in An-
ſehung der Spreuer oder deß Kafe ſehr wenig iſt. Auß dieſen und andern vor-
bildungen der H. Schrifft beweiſen die H. H. Vaͤtter die geringe Anzahl
der Außerwaͤhlten/ und die groſſe Menge der Verdambten: und ſchreiben
hiervon ſo ſcharff/ daß einem billig alle Haar deß Haupts ſollen zu Berg
ſtehen. Hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ den heiligen Vatter Auguſtinum/
welcher von dem wenigen Hauff der Seeligen alſo redet: Der guten und
wahren Chriſt-Glaubigen/ ſagt er/ deren in ſich viele ſeynd/ ſeynd dannoch
in Vergleichung der Boͤſen wenig: gleich wie wir viele Granen oder Koͤrn-
lein/ mit denen groſſe Scheuren erfuͤllet werden/ wenig zu ſeyn ſchaͤtzen/ ge-
gen die Spreuer zu rechnen. Und der heilige Gregorius ſagt: zum Glau-
ben kommen viele/ aber wenig werden zum Himmel-Reich gefuͤhret Da-
hero hat der heilige Abt Nilus/ wie Baronius ſchreibt/ unter dem geiſtlichen
Geſpraͤch ſagen doͤrffen/ daß zu ſeinen damahligen Zeiten auß hundert tau-
ſent kaum ein eintziger zur Zahl der H. H. Engeln gelangen werde. O grau-
ſames Urtheil! Ob wohln nun villeicht die Meynung dieſes heiligen Manns
ſich nicht allein zu den Catholiſchen; ſondern zu allen ſo wohl Heyden als
Ketzern wuͤrde erſtreckt haben; ſo ſeynd doch dieſe Wort ſehr zu foͤrchten;
dieweilen ohne Zweiffel in derſelben Zahl zum wenigſten fuͤnff hundert
Chriſt-Glaubige ſeynd gefunden worden. Wann aber der fromme Vat-
ter die Catholiſche allein hat rechnen wollen/ ſo wolle GOtt uns lauen und
nachlaͤſſigen Troͤpffen gnaͤdig ſeyn. Dieſer Meynung fallet bey der heili-
ge Chryſoſtomus/ welcher in der ſehr Volck-reichen Stadt Antiochia in
oͤffentlicher Predig ſich nit geſcheuet hat zu ſagen: Wieviel vermeinet
ihr Einwohner dieſer Stadt/ daß auß euch werden koͤn-
nen ſeelig werden: grauſamblich iſt zwarn/ was ich ſa-
gen werde; dannoch will ichs ſagen. Es koͤnnen auß ſo
viel tauſenten in dieſer ſo Volck-reichen Stadt/ hundert
ſeelig werden; und von dieſen hab ich noch einen groſſen
Zweifel. Dann/ was ein groſſe Traͤgheit iſt bey den
Alten/ was ein übermaͤſſige Außgelaſſenheit und Will-
muth
[667]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
muth bey den Jungen! und wie allgemeine Vngerechtig-
keit bey allem Volck! Seynd dieß nicht entſetzliche Wort/ mein
Chriſtliche Seel? Wann nicht ein ſo heiliger Mann dieſelbe geſprochen
haͤtte/ wer ſolts glauben koͤnnen? Und wann zu denen Zeiten/ umb das vier-
hunderſte Jahr nach der heylſamen Geburt deß Herrn/ da die Chriſt-Glau-
bige noch in ihrem erſten Eiffer waren/ ſo wenige haben koͤnnen ſeelig werden;
O mein GOtt! was Raths/ was Raths dann mit unſern Zeiten? was
Raths mit unſer Welt/ die ſo voll von Liegen und Betriegen iſt/ in der man
ſchier nichts hoͤret/ als Suͤnden und Laſter? Deren Kinder die mehreſte
und beſte Zeit ihres Lebens mehr den eytelen Ehren und augenblicklichen
Freuden/ als ihrem GOTE/ ihrem Erſehoͤpffer/ Erloͤſer und hoͤchſten
Wohlthaͤter auffopffern.
9. Auff daß du nun uͤber die wenige Zahl der Außerwoͤhlten weiters
verſichert werdeſt; Als hab ich dir einige Merck- und glaubwuͤrdige Ge-
ſchichten anbeyfuͤgen wollen; Auß denen du mit groſſer Forcht und Zittern/Spec.
Exem.
vid.
Damnat.
Exem. 2.
Hiſtoria.
die Warheit der eingerichteten Meynungen klaͤrlich erſehen kanſt. Jm Leben
deß H. Bernardileſet man von einem Einſiedler/ welcher ein ſehr ſtrenges
Leben gefuͤhret/ vorhin aber Dechant zu Lingonien geweſen war; daß er ſei-
ne feiſte Praͤbend ſambt allem Welt-Pracht auß Forcht Gottes verlaſſen/
und ſich in die Wuͤſten retiriret habe. Nachdeme ſelbiger fuͤnff und zwantzig
Jahr in mehr als gemeiner Heyligkeit hat zugebracht/ iſt er nach ſeinem ſee-
ligen Hinſcheiden dem Biſchoff zu Lingonien/ deme er bey ſeinen Lebzeiten
bekennt geweſen/ erſchienen/ und hat ſelbigen mit dieſen erſchroͤcklichen Wor-
ten angeredet/ und geſagt: Thue Buß/ beſſere dein Leben/ und ſaubere dein
Gewiſſen; Verlaſſe die Hoffart ſambt dem Geitz; Jm widrigen Fall wir-
ſtu der ewigen Seeligkeit nicht theilhafftig werden: Ach/ ach! der arme
Menſch kan ſo leicht nicht ſeelig werden/ wie man vermeynet. Da ich dem
erſchroͤcklichen Gericht-Gottes bin vorgeſtellt worden/ ſeynd mit mir auffm
Gerichts-Platz erſchienen dreiſſig tauſend Seelen; auß welcher Zahl der
fromme Diener GOttes Bernardus und ich ſeynd ſeelig worden: Drey
ſeynd zum Feeg-Fewr/ und der uͤbrige Reſt iſt zur Hoͤllen verdambt wor-
den. Nach dieſem ertheilten Bericht iſt der Einſiedler verſchwunden. Hier-
uͤber laß ich dich mein Chriſtliche Seel urtheilen/ wie es in jener Welt her-
gehen werde: Jch aber lebe inzwiſchen in groſſer Forcht/ und trachte mein
Leben von Tag zu Tag/ von Stund zu Stund; und von einem Augen-
blick zum andern zu beſſern.
P p p p 210. Noch
[668]Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Bon. ſtat.
Relig. c. 5.
10. Noch entſetzlicher iſt/ was Hieronymus Platus laſt herkommen/
daß ſich zu Straßburg hat zugetragen: dann da der heiligmaͤſſige Bertol-
dus auß dem Orden deß heiligen Franciſci/ ein fuͤrtrefflicher Prediger/
einsmahls uͤber ein ſicheres Laſter ſonderbahr geeiffert; iſt ein Weib/ ſo mit
ſelbigem behafftet geweſen/ fuͤr groſſer Reu und Leyd in waͤhrender Predig
urploͤtzlich nieder geſallen und geſtorben. Nach dem nun der Gottſeelige
Mann/ ſambt allen Zuhoͤrern fuͤr das Heyl deß verſtorbenen Weibs in-
bruͤnſtig gebettet/ iſt ſelbiges zum Leben erweckt worden; und hat die Urſach
ihres ſo gaͤhlingen Todts bekennet/ und geſagt/ daß ihr waͤre befohlen wor-
den/ zum Leib wiederzukehren/ umb Buß fuͤr ihre Suͤnden zu wircken. Sel-
bige hat viele Dinge erzehlet/ die ſie geſehen/ unter denen ſie dieſes erſchroͤck-
liche auch gemeldet. Da ich/ ſagt ſie/ zum Richter-Stuhl GOttes
kommen bin/ ſeynd auch mit mir ſechſig tauſent Seelen zum Gericht er-
ſchienen/ auß welchen allen nur drey zum Feg-Feur ſeynd verurtheilt wor-
den: einer von den Franciſeaner Bruͤdern hat zwarn auch durchs Feg-Feur
gehen muͤſſen; hat aber in dieſem ſeinem Durch-Zug zwey andere Seelen/
ſo ihme ſonderbahr befreund geweſen/ mit ſich gen Himmel genommen: die
uͤbrige ſeynd alle ewiglich verdambt worden. Ob nun dieſe alle Chriſtglau-
bige Seelen geweſen ſeyen/ will ich nicht ſagen: Es iſt aber der Ehr-wuͤr-
c. 180.dige P. Martinus ein Capuciner im Leben Chriſti der wahr-
ſcheinenden Meynung/ daß alle Chriſten geweſen ſeynd: welcher Mey-
nung mir ſehr hart zu ſeyn geduncket. Geſetzt aber/ daß ſelbige nicht alle
Catholiſch geweſen/ ſondern daß viele unter ihnen Heyden und Ketzer ge-
weſen ſeyn: ſo koͤnnen wir doch nicht laͤugnen/ daß auß dieſen ſechszig
tauſent geweſen ſeyn zwantzig tauſent oder auffs wenigs zehn tauſent wahrer
Glaubigen. Und wann dieſem alſo iſt/ wie ich im geringſten nicht zweiffle;
wer will dann fuͤr den verborgenen Urtheilen GOttes ſich nicht foͤrchten/
und entſetzen/ da er hoͤret/ daß auß 20000. Catholiſchen nur vier das ewige
Leben erhalten haben!
11. Jm Buch von dem Urſprung deß Carteuſer Ordens leſet man auch/
daß Jnnocentius der dritte/ da er noch Cardinal geweſen/ einsmahls einen
Einſidler beſucht/ und ſelbigen in einer Verzuckung gefunden habe. Nach-
dem er nun wiederum zu ſich kommen/ habe er gar tieff geſeuffzet und geruf-
fen; O GOtt/ O GOtt! was grauſame Dinge hab ich geſehen! Jch
bin zur Hoͤllen gefuͤhrt worden/ und hab geſehen/ daß die Seelen gleich
dem haͤuffigen und dicken Schnee hinunter gefallen ſeynd: Zum Feg-Feur
aber ſeynd ſie gefallen/ wie der eintzlich und gar duͤnne Schnee. Zum Him-
mel ſeynd nur drey gelanget: nemblich die Seel eines Biſchoffs; eines Car-
teu-
[669]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
teuſer Prioren/ und einer Roͤmiſchen Wittwe. Dieſe Perſohnen hat er alle
mit ihren Nahmen genennet; und hat man im Nachforſchen befunden/ daß
ſelbige in eben der Stunde geſtorben ſeynd. Gleicher Geſtalt leſet man von
einem Pariſienſiſchen Doctorn/ daß er den zweyten Tag nach ſeinem TodtDiſcip.
Hiſtoria
dem Biſchoff erſchienen/ und habe geſagt/ daß er ewiglich verdambt ſeye.
Selbigen hat der Biſchoff gefragt/ ob er ſeine vorige Wiſſenſchafft noch habe:
deme er alſo geantwortet: Jch weiß nichts/ als dieſe drey Dinge; daß ich
ewiglich verdambt bin; daß ein unwiderruffliches Urtheil uͤber mich ergan-
gen iſt; und daß ich wegen der leiblichen Wolluſten und weltlichen Ehren
der Anſchauung GOttes in alle Ewigkeit beraubt bin. Nach dieſem hat
er den Biſchoff hinwiderumb gefragt/ ob die Welt noch wuͤrcklich ſtehe?
und da ihn der Biſchoff gefragt hat/ warumb er dieſes zu wiſſen verlange;
hat er geantwortet/ und geſagt: Es ſeynd von der Zeit meines Abſterben
ſo viele Seelen in die Hoͤll gefahren/ daß ich ſchwaͤrlich glauben koͤnne/ daß
ſo viel Menſchen in der Welt haͤtten ſeyn koͤnnen. Mit ſolcher antwort
hat er auch einen grauſamen Geſtanck hinterlaſſen/ und iſt verſchwunden.
Selbiger Schribent meldet auch von einem Cantzler zu Pariß/ welcher beyHiſtoria.
allen Menſchen ſo beliebt/ und ein ſo wohlredender Mann geweſen iſt; daß/
wann er von geiſtlichen Dingen geredet/ auch die Prediger/ Geiſtliche und
andere gelehrte Maͤnner zu ſeinen Ermahnungen haͤuffig kommen ſeynd.
Da er nun zum ſterben gelangt iſt/ hat ihn der Biſchoff der Stadt in die-
ſen ſeinen letzten Noͤthen fleiſſig beſucht/ und unter andern dieſe Wort ge-
ſagt: Wann ich dir zu befehlen hab/ ſo gebiete ich dir in Krafft deß Gehor-
ſambs/ daß du innerhalb dreyſſig Tagen mir erſcheineſt/ und mich uͤber
deinen Zuſtand berichteſt. Der Cantzler iſt bald hernach geſtorben/ und
dem gegebenen Befelch gemaͤß/ am dreyſſigſten Tag dem Biſchoff/ da
er in ſeinem Zimmer allein geſeſſen/ erſchienen; iſt aber mit einer ſchwartzen
Cappen gekleidet/ und mit einem grauſamen Geſtanck heran kommen/ und
hat geſagt: Jch ſtelle mich dir allhier gegenwaͤrtig/ wie du mir befohlen haſt.
Hieruͤber hat ſich der Biſchoff anfaͤnglich entſetzet/ und nachmahlen gefragt;
zu welchem Ort er verurtheilt ſeye. Jch bin armſeelig/ hat der Geiſt ge-
antwortet/ und ewiglich verdambt/ dieweilen ich meine gehabte Ehr und
Wiſſenſchafft/ nicht GOtt/ ſondern mir ſelbſt zugemeſſen hab/ und wann
ich die Mutter GOttes mit herrlichen Lob-Spruͤchen erhebt; hab ich eitele
Ehr gefiſchet: Neben dieſem hab ich nach fleiſchlichen Wolluͤſten getrachtet/
derhalben bin ich auß gerechtem Urtheil GOttes in alle Ewigkeit verdambt.
Nach erwehntem dieſem ſeinem Zuſtand hat er gefragt; wie viel Jahren
P p p p 2von
[670]Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
von Zeit ſeines todts ſchon verfloſſen ſeynd: und da ihm der Biſchoff geant-
wortet/ daß nur der dryſſigſte Tag von ſeinem Abſterben erſtlich ſeye heran
kommen/ hat er jaͤmmerlich geſeufftzet und geſagt: Wehe/ Wehe uns
in der Hoͤllen! wir haben vermeint/ der letzte Gerichts-Tag ſeye ſchon ge-
halten worden/ indem wir geſchen/ daß die verdambte Seelen gleich dem
haͤuffigen Schnee zur Hoͤllen gefallen ſeynd. Nach dieſem hat er den
Biſchoff verflucht/ und iſt verſchwunden. Jſt dieß nicht erſchroͤcklich an-
zuhoͤren/ aber noch viel erſchroͤcklicher/ in der That wuͤrcklich zu erfahren?
kan wohl einer anders bey ſich beſchlieſſen/ als daß er von Stund an ſeinem
GOtt mit mehrerem Eiffer/ zum Heyl ſeiner Seelen dienen wolle/
in dem er ſiehet/ daß der Eingang zum Himmel ſo beſchwerlich falle?
12. Nun bilde dir nicht ein/ mein Chriſtliche Seel/ daß ſelbiges alles
nur allein die Welt-Catholiſche betreffe; ſondern verſichere dich/ daß
auch nicht wenig Geiſtliche/ ſo mit den oͤffentlichen Geloͤbten ſich ihrem
Gott verbunden haben/ zum Teuffel fahren: Zumahlen viele gefunden wer-
den/ welche dem aͤuſſerlichen Habit nach/ Geiſtliche zu ſeyn ſcheinen; Wan
man aber derſelben Handel und Wandel genau beſichtiget/ findet man/ daß
ſie fuͤglicher boͤſe Weltliche als Geiſtliche moͤgen genennet werden. Dahero
hat der H. Baſilius ſagen doͤrffen/ daß wenig Geiſtliche ſeelig werden. So-
De Ab-
dic. Re-
rum.thaner ſcharffen Sentens iſt der heylig-maͤſſige Vatter Pacificus Capuci-
ner ein lebendiger Zeug/ welcher in einer Verzuͤckung/ wie Boverius mel-
det/ geſehen hat/ daß nicht allein die Seelen der Weltlichen/ ſondern auch
der Geiſtlichen Ordens-Leuth/ wie die Reegen-Tropffen zur Hoͤllen gefah-
ren. Ja was noch entſetzlicher und ſchier unglaublich ſcheinet; Der Gott-
ſeelige Vatter Sylvanus, wie Ruffinus bezeugt/ hat geſehen/ daß die See-
len der Weltlichen ſeynd ſeelig/ der Geiſtlichen aber verdambt worden:
Dann da ſelbiger in ſeiner Hoͤhlen auff dem Angeſicht gelegen/ und ver-
zuckt geweſen; iſt er nachmahlen auff geſtanden/ und hat ſehr hefftig zu ſeuff-
tzen und zu weynen angefangen: und da ihn ſein Juͤnger die Urſach dieſer ge-
ſchwinden Enderung gefragt/ hat er nichts geantwortet/ ſondern als immer
geſeufftzet und geweynet. Nach dem aber der Juͤnger ſeinen Geiſtlichen
Vatter mit beharlichen Fragen belaſtiget/ hat er endlich loßgebrochen/ und
geſagt: Ach! mein Sohn/ ich bin bey dem ſtrengen Urtheil Gottes gegen-
waͤrtig geweſen/ und hab geſehen/ daß viele von unſerm Geiſtlichen Habit
zur Hoͤllen ſeynd geſtuͤrtzet worden: Und hergegen hab ich geſehen/ daß
viele Layen oder Weltliche vom Richter in Gnaden ſeind auffgenommen
worden: Und da er dieſes erzehlet/ hat er als weiters und weiters ſehr bitter-
lich
[671]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
lich zu weynen foͤrtgefahren. Dieſes hat ſich bey denen Zeiten zugetragen/ da
der Muͤnchen-Stand gleich einem Palmbaum gegruͤnet hat: Wie wirds
hergehen/ wan dieſer Engliſche Stand wie ein Straͤuchlein verdorren wird?
13. Schließlich leſet man in der Capuciner Chronick/ daß der Ehrwuͤr-
dige P. Alphonſus [Ill]pus einsmahls unter der Metten ſeye verzuckt wor-
den/ und nachdem er wiederumb zu ſich kommen/ habe er auß dem innerſten
ſeines Hertzen geſeufftzet/ und gantz klaͤglich geruffen: O mein Gott! wie iſt
das moͤglich/ daß ſo viele Menſchen verdambt wer den! Jſt das nicht zu betau-
ren/ daß ſo wenige ſeelig werden! Jn dieſen Seufftzern und immerwaͤhrenden
Klag-Reden iſt er eine geraume Zeitverblieben/ und hat keinem offenbahren
wollen/ was er geſehen habe; vielleicht derhalbẽ/ daß er nit allein weltliche/ ſon-
dern auch virle Geiſtliche geſehen zur Hoͤllen fahren: und ſeine Mitbruͤder
nicht habe betruͤben wollen. Auß dieſem allem erhellet augenſcheinlich/ daß
viele beruffen/ wenig aber/ leider Gottes! außerwaͤhlet ſeyn: daß die Pforte
ſo zum Verderben fuͤhrete/ weit und breit ſeye; und viele denſelben eingehen:
daß hergegen auch die Thuͤr zum Himmel eng/ und der Weeg ſchmahl ſeye/
daß wenige denſelben finden: und dieſes iſt alles ſo wahr/ daß nicht allein die
Gottloſe/ und mit allerhand Laſtern behafftete Menſchen; als da ſeynd die
Ehebrecher/ Gottes-Laͤſterer/ Saͤuffer/ Schwaͤrmer/ und andere; ſondern
auch die Fromme und Tugendſame in groſſer Gefahr ihres ewigen Lebens
ſeynd: ſintemahlen ſelbiges der Heyl. Petrus mit dieſen Worten auß truͤck-
lich bezeugt/ und ſagt: So der Gerechte kaum ſeelig wird/ wo1. Pet. 4.
18.
wird dann der Gottloſe und der Sůnder erſcheinen? Siehe/
mein Chriſtliche Seel/ daß ſagt die H. Schrifft gar deutlich/ daß der Gerech-
te/ daß iſt/ welcher die Suͤnden fleiſſig meidet/ und ſuchet froͤmlich zu leben/
und ſeinem GOtt zu dienen/ kaum/ daß iſt/ ſchwaͤrlich werde ſeelig werden:
wo bleiben/ umb GOttes willen/ dann die Suͤnder/ die lawe und ſchlaͤfferige
Geiſtliche/ die ſich nicht ſchaͤmen/ ihre Reguln und Satzungen taͤglich zu uͤ-
berſchreiten/ und alſo eine Nachlaͤſſigkeit uͤber die andere/ eine Suͤnd uͤber die
andere zu werffen. Wie viel Gerechte ſollen aber wohl unter den Chriſtglau-
bigen ſeyn? ach GOtt erbarm ſichs! es ſeynd ihrer ſo wenig/ daß nicht gnug-
ſamb zu beklagen iſt. Es koͤnnen in Warheit bald gezehlet werden die jenige/
ſo da von Hertzen ſuchen die Gerechtigkeit; indem wir ſehen/ daß ſehr wenig
ſeynd/ welche ſich auß gantzer ihrer Seelen zu GOtt wenden/ fliehen alles/
was ſelbigem mißfallet/ und ein tugendſames Leben fuͤhren. Ein jeder lebt
nunmehr ſchier nach ſeinem Geſaͤtz/ er kleidet ſich ſo koſtbarlich/ als er immer
kan; er gehet mit ſeinem Fleiſch ſo zaͤrtlich umb/ als ihm moͤglich iſt: er ſuchet
die
[672]Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
die Freuden der Welt/ die Wolluſten deß Fleiſches/ Reichthumben und Eh-
ren mit allem Ernſt: und kurtz umb; es wandert nun jederman den weiten lu-
ſtigen und breiten Weg/ der zum Verderben leitet/ und meidet den engen und
doͤrneren Weg zum Himmel-Reich. Ja vielmehr pflegt der meiſte Theil der
Menſchen alſo zu leben/ als wann kein Himmel noch Hoͤlle waͤre/ und ſie all-
hier auff dieſer Welt ewiglich leben wuͤrden; dieweil ſie hundertmahl mehr
arbeiten/ und ſchwitzen umb das Weltliche/ als umb das ewige Gut: mehr
fuͤr den faulen ſtinckenden Leib/ als fuͤr die edele Seel/ mehr fuͤr den Menſchen
als fur den allerhoͤchſten GOtt: pfuy der Schanden! und obwohln ſie zu zei-
ten was thuen zur Chren GOttes und zum Heyl ihrer Seelen/ ſo geſchicht
doch ſelbiges nur obenhin/ ohne wahre auffrichtige Andacht. Nun finden ſich/
leyder Gottes! auch nicht wenige Geiſtliche/ die beſagter maſſen dahin leben:
in wie groſſe und euſſerſte Gefahr aber ſelbige ſetzen ihre mit dem Blut Chri-
ſti erloͤſete Seelen/ kan ein jeder auß dem vorhergehenden Theil dieſer Le-
ction gnugſamb abnehmen.
14. Anjetzo wollen wir die Prædeſtination oder Verordnung/ umb de-
nen zu helffen ſuchen/ welche vermeinen/ daß/ wann ſie zur ewigen Seeligkeit
von GOTT verordnet ſeynd; unmoͤglich koͤnnen verdambt werden: dieſe
Verordnung entwirfft der heilige Vatter Auguſtinus mit dieſen Farben/
und ſagt: die Verordnung iſt eine vorher gehende Wiſſenſchafft und Vorbe-
reitung der Wohlthaten GOttes/ krafft deren die jenige ſicherlich befreyet
werden/ ſo da immer moͤgen befreyet werden. Dieſer Entwurff lehret uns/
daß die jenige/ ſo von GOtt zum Himmel ſeynd vorgeſehen/ unf[e]hlbarlich
werden ſeelig werden; dahero ſagt der heilige Fulgentius:Halt es fůr ge-
wiß/ und zweiffle ja nicht dran/ daß alle/ ſo GOTT auß
ſeiner pur lautern Gůte/ Gefaͤß der Barmhertzigkeit ge-
macht hat/ vor Erſchaffung der Welt zur Annehmung der
Kindern GOTTES/ von GOTT verordnet ſeyen: und
daß keiner von denen zu Grund gehen koͤnne/ welche GOtt
verordnet hat zum Keich der Himmeln: und daß hergegen
auch keiner koͤnne immer ſeelig werden/ den Gott nicht zum
ewigen Leben verordnet hat. Hieruͤber wirſt du/ mein Chriſtl. Seel/
dieſe Gedancken faſſen. Wohlan dann/ bin ich zum Himmel verordnet/ ſo
kan mir derſelbe nicht entgehen/ ich lebe/ wie ich immer wolle. Bin ich her-
gegen
[673]Von der Zahl der wenigen Außerwaͤhlten.
gegen zur Hoͤllen verordnet/ ſo werd ich derſelben nicht entlauffen koͤnnen/ ich
plage meinen Leib/ wie ich immer moͤge. Nun ſpitze die Ohren/ und hoͤre/
wie betrieglich dieſes Argument oder Beweiß ſeye/ welches ſchon laͤngſt in
der Schuhlen deß boͤſen Feinds erfunden und erdacht iſt worden/ mit dem
ſich auch viele ſelbſt betriegen. Der ſich dann ein ſolches facit macht/ iſt
ſchlimmer/ als der Teuffel ſelbſt. Jch frage dann/ ob der Teuffel nicht
wiſſe/ daß dieſe Wort nach der Richt-Schnur aller Warheit gemeſſen
ſeynd; daß nemblich alle/ ſo zum Leben verordnet ſeynd/ unfehlbarlich wer-
den ſeelig werden: und daß hergegen alle/ ſo zur Verdamnuß verordnet
ſeynd/ mit nichten werden koͤnnen ſeelig werden? Freylich weiß er dieſes.
Nun frag ich weiters: Wann er daß weiß/ warumb macht er ſich nicht die-
ſen Schluß/ wann er uns verſuchen will: Dieſer Menſch iſt oder verord-
net/ oder verworffen und nicht verordnet zum Leben: iſt er verordnet; was
hab ich dann noͤthig/ daß ich ihn verſuche/ in dem er endlich wird ſeelig wer-
den/ und meinen Haͤnden entkommen? Jſt er verworffen/ und zum Ver-
derben verordnet/ ſo wende ich umbſonſt an ſelbigem Muͤhe an/ dieweilen
er endlich wird mein werden. Und nichts deſto weniger verlaſſet ſich der
loſe Sathan auff dieſe Argumenten nicht/ ſondern feyret nicht/ und trach-
tet Tag und Nacht zu verſchlingen/ wann er immer kan. So lernen wir
derhalben vom Teuffel ſelbſten/ der ſonſt ein Vatter der Luͤgen iſt/ daß der ob-
erwehnte Diſcurs gantz thorecht uad naͤrriſch ſeye.
15. Wie auß folgendem Argument weiters zu ſehen iſt. Wann einer
durch eine Goͤttliche Offenbahrung verſichert waͤre/ daß dieß Jahr ein uͤber-
fluͤſſiger Herbſt ſeyn werde/ ſoll er wohl deßhalben ſeine Weinſtoͤck zu ſchnei-
den/ zu gewoͤhnlicher Zeit zu graben und zu miſten vernachlaͤſſigen? Jm
geringſten nicht. Weiters: GOtt hat beſchloſſen/ daß beyde Kriegs-
Heer/ der Glaubigen und der Tuͤrcken zuſammen ſchlagen ſollen; und daß
der Glaubigen Armee gewinnen; und die Tuͤrcken in die Flucht ſolten ge-
ſchlagen werden: und dieſes iſt was GOtt denen Glaubigen offenbahret
hat; ſollen ſie darumb allen moͤglichen Fleiß und Arbeitſpahren/ und der noͤ-
thigen Gegenwaͤhr ſich enthalten? Jm geringſten nicht. Nun ſehe; wann
die himmliſche Freuden werden ſeyn die Fruͤchten der angewendeten Arbeit
und eine Belohnungs- Kron deß gegenwaͤrtigen zeitlichen Kriegs und
Schlacht; ſollen wir dann nicht die Erde unſeres Hertzens umbgraben/ und
ritterlich fechten? Jch vermeine/ daß nichts billigers ſeye/ dann eben dieſes:
ſo durch folgende Geſchichten weiters bekraͤfftiget wird. Der Prophet
Q q q qJere-
[674]Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
c. 25.Jeremias hatte geweiſſaget/ daß die Babyloniſche Gefaͤngnuß ſiebentzig
Jahr lang anhalten wuͤrde/ und nicht laͤnger. Obwohl nun der Prophet
Daniel/ wie der heil. Hieronymus bezeugt/ verſichert ware/ daß die Goͤtt-
c. 9.liche Verheiſſung ſich weiter nicht erſtrecken wuͤrde; ſo hat er dannoch mit
ſtetem und eiffrigen Gebett fuͤr die Erloͤſung deß Jſraelitiſchen Volcks
GOtt angelegen: dann er wuſte daß GOtt verordnet hatte/ dieſe Gnad zu
erweiſen auff das Gebett deß Propheten Danielis: auff daß GOtt/ ſagt
der heilige Hieronymus durch dieſes ſeines treuen Dieners Gebett erfuͤllen
moͤgte/ was er krafft ſeiner Guͤtigkeit verſprochen hat.
16. Die heilige Schrifft meldet auch/ daß ein Engel von Himmel kom-
men ſeye/ und habe dem Jacob Laͤmber im Schlaff gezeigt/ ſo mit vielerley
Farben gezeichnet geweſen; und ihm bedeutet/ daß ſeine Schaͤfflein ſolche
Laͤmblein empfangen wuͤrden. Wiewohl nun der Jacob hieruͤber verſichert
geweſen; ſo hat er gleichwohl auch ſeinen Fleiß angewendet/ damit dieſe
Offenbahrung den gewuͤnſchten Effect gewinnen moͤgte; und hat allerhand
gefarbte Ruthen ans Waſſer gelegt/ auff daß/ wann die Schaaff in Anſchau-
ung der Ruthen empfangen wuͤrden/ ſie nachmahlen ſolcher Geſtalt gefleck-
te Laͤmblein werffen moͤgten. Gleicher Maſſen muͤſſen wir zu Erlangung
der verſprochenen ewigen Seeligkeit mit unſerm GOtt und HErrn mit-
wircken/ und von der Ubung der guten Wercke nicht ablaſſen; wie der heilige
Coloſſ. 1.
v. 24.Apoſtel Paulus uns lehret mit dieſen Worten: Jch erfůlle das jeni-
ge/ was noch mangelt am Leyden Chriſti/ in meinem
Fleiſch. Jſt dann nicht das Leyden unſeres Heylands uͤberfluͤſſig/ und
eines unendlichen Werths geweſen? Freylig/ ſo viel die Gnugſambkeit an-
langet: ſo viel aber die Krafft deß Leydens betrifft/ mangelt demſelben unſere
Mit-Wirckung/ auff daß ſelbiges ſeyn Ziel und End gereiche: zumah-
len der jenige/ ſagt der heilige Vatter Auguſtinus: Der dich er-
ſchaffen hat ohne dich/ wird dich nicht ſeelig machen ohne
dich. Derhalben wann ſchon einer verordnet waͤre/ und uͤbete dannoch
keine gute Wercke; wuͤrde er ſicherlich nicht ſeelig werden: dann alſo wird
das Heyl deß Menſchen von GOtt verordnet; ſagt der heilige Thomas von
Aquin/ daß auch zur Verordnung gehoͤre/ was dem Menſchen immer zur
Seeligkeit behuͤlfflich iſt; das iſt/ oder ſein eigenes Gebett und gute Werck/
oder anderer; und was dergleichen iſt/ dadurch der Menſch die ewige See-
ligkeit erlangen muß. Dahero muͤſſen die Verorduete ſich unterſichen/ dem
Gebett und guten Wercken obzuliegen; zumahlen durch dergleichen Ubungen
die Wirckung der Verordnung in Sicherheit erfuͤllet wird. So klaͤrlich
redet
[675]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
redet der heil. Thomas von der Verordnung/ mit der ſich mancher auß boͤſem
Eingeben mehr zu ſchaffen macht/ als er noͤthig hat. Neben ſelbigem ſagt
auch der heilige Gregorius; daß man nicht erlangen koͤnne/ was nicht ver-
ordnet iſt: was aber die Außerwaͤhlte auff Erden außrichten/ ſeye derge-
ſtaltverordnet/ daß ſie ſelbiges durchs Gebett erhalten.
17. Laß uns derhalben Guts thun/ laß uns mein Chriſtliche Seel Gott
gefaͤllige Werck uͤben; Dan dieſe ſeind die beſte und geradigſte Weege/ das
Ziel der Verordnung zu erreichen. Vnd dieſes iſt ſo gewiß; daß/ wie derIn 2.
Sent.
Diſt. 11.
q. 1. a 4.
ad 6.
P. 1. Tit.
12. c. 1.
§. 4.
Hiſtoria.
H. Thomas ſagt/ wan ſchon einem Gottſelbſt offenbahret haͤtte/ daß er ſolte
verdambt werden; ſo muͤſſe er doch glauben und darfuͤr halten/ daß ſothane
Offenbahrung mehr eine Dreuung/ als ein feſt geſtelltes Urtheil ſeye/ wie
folgende Geſchicht beweiſet. Der H. Ertz-Biſchoff Antonius erzehlet/ daß
einer auß den Alt-Vaͤttern einen ſehr gehorchtſamben/ eingezogenen und an-
daͤchtigen Juͤnger gehabt habe: Derhalben habe ſelbiger GOtt eyfferig ge-
betten/ Er wolle ihm doch bedeuten; Ob ſein Juͤnger werde ſeelig/ oder ver-
dambt werden; Da nun die Goͤttliche Majeſtaͤt Jhro gefallen laſſen/ den guten
Alt- Vatter zuverſtaͤndigen/ daß der offtgemeldte junger Einſiedler werde
verdambt werden/ hat er von Stunden/ ſo offt er den Juͤnger angeſehen/ alle-
mahl bitterlich geweynet. Obwohl nun ſelbiger ſich oͤffters geweigert/ die
Urſach ſeines Weynens zu offenbahren/ ſo hat der Juͤnger doch endlich den
Antrieb allſolcher Zaͤhren auß ſeinem Alt- Vatter durch offt wiederholtes
Bitten erzwungen. Nach allſolcher erhaltenen Zeitung hat der gehorſambe
Geiſtliche ſeinen Vatter erſucht/ er moͤchte doch von ſothanem Weynen ab-
laſſen; Und hat ihm annebenſt mit folgenden Worten zugeſprochen: Jch
weiß/ daß GOtt ein gerechter GOtt ſeye; Und mich nicht verdammen wer-
de/ es ſeye dann/ daß ich dieſe Verdambnuß verdienet habe: Und gleich wie
ein Ubelthaͤter die Straff des Todts geduͤldiglich tragen muß/ die er verdie-
net hat; Alſo bin ich bereit/ die Verdambnuß außzuſtehen/ wann ich ſelbige
verdient hab: Dann das iſt der Goͤttlichen Gerechtigkeit gemaͤß; deren ich
mich in allem unterwerffe. So viel an mir iſt/ will ich allen Fleiß anwenden/
Guts zu thuen: Der Allerhoͤchſte Gott mach inzwiſchen mit ſeinen Creatu-
ren umbgehen/ wie es Jhm beliebet. Dieſe hertzhaffte und heylige gefaſte
Reſolution hat GOtt dermaſſen gefallen: Daß er die folgende Nacht
dem offtgedachten Alt-Vatter abermahlen offenbahret/ das Urtheil ſeye
nunmehr geaͤndert/ und der Juͤnger ſolle ſeelig werden: Nicht derohalben
das GOTT ſeine Verordnung wiederruffen habe/ welche nach ſich
ſelbſten unwiederruͤfflich iſt: Sondern daß das Dreu -Urtheil/ ſo da
anſehet die Verdienſten der Menſchen/ verwechslet ſeye. Vielleicht hat
dieſer Juͤngling einen verborgenen Fehler an ſich gehabt/ deßwegen er die
Q q q q 2ewige
[676]Die Zwey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
ewige Verdamnuß verdienet: und hergegen hat er nach ernſtlicher Beſſe-
rung deſſelben/ der ewigen Seeligkeit ſich faͤhig gemacht.
18. Jm uͤbrigen/ obs ſchon ein außgemachte und mehr als gewiſſe
Sach iſt/ daß niemand ohne die gute Werck koͤnne ſeelig werden; dann
Matt. 19.Chriſtus ſagt: Wann du wilſt zum Leben eingehen/ ſo halte
die Gebott. Nichts deſto weniger werden alle/ ſo da immer ſeelig
werden/ krafft der Barmhertzigkeit GOttes allein ſeelig: dieweilen alle
unſere gute Wercke/ auch die allervollkommenſte/ verdienen nach ihnen
ſelbſten das ewige Leben nicht/ als einen gebuͤhrlichen Lohn; zumahlen es/
Rom. 9.
v. 16.wie der heilige Apoſtel ſagt: nicht ligt an dem der da will/ weder
an dem/ der da laufft; ſondern an dem erbarmenden
GOtt. Auff daß du nun/ mein Chriſtliche Seel/ dieſen unſer Seits un-
verdienten Willen GOttes noch beſſer verſteheſt/ ſo erinnere dich der laͤcher-
lichen Fabul oder Gedicht der Poeten/ welche laſſen herkommen/ daß ein
jeder auß den Goͤttern ſich einen ſicheren unfruchtbaren Baum fuͤr ſein Wa-
pen erwehlet habe: Der Jupiter habe ſich erkohren den Eichbaum: Die Goͤttin
Venus den Myrten-Baum: Apollo den Laur-Baum: Neptunuß den
Fichten- oder Buͤchen-Baum/ und Juno den Wacholder-Baum. Nach
abſolcher beſchehenen Erwehlung ſeye die Minerva/ eine Goͤttin der Weißheit
hinzu kommen/ welche auß Verwunderung zumahlen erſtaunet/ den Ju-
piter gefragt habe; warumb die Goͤtter ſothane unfruchtbare Baͤum ſich er-
waͤhlet haben? Dieſe Frag habe der groſſe Jupiter beantwortet/ und geſagt;
daß ſelbiges mit ſonderbahren Vernunfft und Weißheit/ auch auß erheb-
lichen Urſachen geſchehen ſeye; auff daß nemblich dieſe Baͤum wiſſen ſol-
len/ daß ſie nicht wegen ihrer Verdienſten/ ſondern auß lauter Gnad und
Guͤte ihres GOttes außerkohren ſeyn Nicht anders hat ſichs im Werck
der Verordnung zugetragen. GOtt hat die Menſchen als unfruchtbare
Baͤume zur Herrligkeit erwaͤhlet; welche auß ſich ſelbſten gaͤntzlich keine
Fruͤchten der guten Wercke vorbringen wie der H. Apoſtel Paulus ſagt:
2. Cor. 3. 5Nicht/ daß wir deß Vermoͤgens ſeynd/ etwas von uns/
als von uns ſelbſt zugedencken; ſondern unſere Vermoͤgen-
heit iſt auß GOtt. So hat dann GOtt dieſen unfruchtbaren Baum
ſich außgeſucht/ und verpflantzet denſelben auß dem Teich deß Verderbens/
in die fruchtbare Erde deß Paradeiß; alwo er ſelbigen benetzet mit dem Waſ-
ſer ſeiner himmliſchen Gnaden; damit er ſich nicht ruͤhmen ſolle/ daß auß
ſeinen eigenen Kraͤfften und Verdienſten erwaͤhlet ſeye; ſondern vermoͤg
der Gnaden GOttes allein: und daß er erkenne wahr zu ſeyn/ was der A
poſte-
[677]Von der Zahl der wenigen Außerwaͤhlten.
poſtel bezeuget: Er hat uns nicht auß den Wercken der Gerech-AdTit. c.
3. v. 5.
Pſalm. 55.
tigkeit/ die wir gethan haben; ſondern nach ſeiner Barm-
hertzigkeit ſeelig gemacht. Und was der Prophet David ſagt: Herr/
du wirſt ihnen mit Nichten außhelffen. Dieſen Orth der Heyl.
Schrifft verſtehet der H. Vatter Auguſtinus von der Verordnung/ und ſagt:
mit Nichten/ daß iſt/ ohne ihre vorhergehende Verdienſten wirſt du ſie ſe-
lig machen.
19. Wann du dieſes alles/ mein Chriſtliche Seel/ reifflich wirſt betracht
haben/ daß nemblich in dieſer Erwaͤhlung zur ewigen Glori/ Vermoͤg der
kraͤfftigen Gnade/ an Seiten deß Verordneten kein Verdienſt gefunden
werde; ſondern daß die Seeligmachung nur ein pur lautere Gnad ſeye: und
als dann wirſt fragen; warumb GOtt einigen dieſe Gnad verliehen habe/
und einigen nicht? warumb Gott dieſe erwaͤhlet und verordnet habe/ und an-
dere nicht? So geb ich dir auß dem Mund aller H. H. Vaͤttern zur Antwort/
daß hieruͤber keine andere Urſach jemahlen koͤnne hervor gebracht werden/ als
eben der Will GOttes: und derhalben/ nachdem der Apoſtel geſagt hat auß
dem Mund deß Herrn: Den Jacob hab ich geliebt/ den Eſaua-Rom. 9.
ber hab ich gehaſſet: Rufft er nochmahlen uͤberlaut/ und ſagt: O eine
Tieffe deß Reichthumbs/ der Weißheit und ErkaͤndnußRom. 11.
GOttes! ꝛc. Und der H. Vatter Auguſtinus ſagt recht und wohl zu un-
ſerm Vorhaben: Warumb GOtt dieſen zu ſich ziehe/ und denIn tract.
36. in Jo-
ann.
andern nicht/ daß unterſtehe du dich nicht zu urtheilen/ wan
du nicht wilſt fehlen. Dieß aber iſt allen Ehriſtglaubigen allein gnug
zu wiſſen/ daß Gott denen/ ſo verdambt ſeynd/ und verdambt werden/ gnug-
ſambe Gnad und Huͤlff geleiſtet habe/ daß ewige Leben zu erhalten: dan Gott
hat ihnen immer und allezeit die Hand der ſonderbahren Einſprechungen ge-
reichet: dahero haben ſelbige ſich freywilliglich und hartnaͤckiglich ſelbſt ver-
dammet/ und ihr eigenes Heyl vernachlaͤſſiget: und dieſes iſt ſo ſicher und ge-
wiß im wahren Catholiſchen Glauben/ daß kein vernuͤnfftiger Menſch daran
zweiffle.
20. Dieſes beſtaͤttiget uns ſonderbahr/ was ſich mit dem Verraͤther Juda
zugetragen; ſo da recht und wohl fuͤr ein Vorbild und Figur aller Gottloſen
zu halten iſt. Jndem nun unſer Heyland wuſte/ ſagt der H. Ambroſius/ daßL. 1. Off.
c. 16.
der Judas ſeinem Ambt ſo ſchalckhafft wuͤrde vorſtehen; warumb hat er ihn
dann dieſem unerachtet/ zu einem Apoſtel gemacht/ und hat ihn der Zahl deren
eilff frommen Juͤngern beygefuͤgt? Hierauff antwortet ſich der obangezoge-
ne Heil. Vatter ſelbſt/ und ſagt: daß Chriſtus dem Judaͤ zwey ſonderbahre
Q q q q 3Gnaden
[678]Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
Gnaden erwieſen habe: eine/ daß er ihn zum Apoſtel erwaͤhlet/ und die ande-
re/ daß er ihn zum Schaffner und Außſpender uͤber ſeine Apoſtoliſche Ver-
ſamblung geſetzt habe: wordurch er gnugſamb hat zeigen wollen/ wie ſehr er
verlange/ dieſen Menſchen zu erretten: und weilen er vorgeſehen/ daß ihn der
Geld-Geitz zum Verrath ſeines himmliſchen Lehr-Meiſters nicht wenig an-
treiben wuͤrde; derhalben hat er ihm das Geld anvertrauet/ und in ſeine Haͤnd
gegeben; auff daß er eine ſo ſchaͤndliche That zu begehen/ ja nicht verſuchen/
wir aber hier auß erlernen moͤchten/ daß ſelbiger Boͤßwicht ſeine Verdamnuß
Chriſto mit Fug nicht auffmeſſen/ weder auch uͤber ihn ſich beklagen koͤnte/
der ihm vielmehr den Rath zum guten gegeben/ und die Gelegenheit zu ſuͤndi-
Hom 1.
de jejun.gen dardurch entzogen hat. Dahero ſagt der H. Chryſoſtomus/ der Herr haͤt-
te ihm den Geld-Beutel vertrauet/ weil er wuſte/ daß er zu ſtehlen geneigt war:
indem er ihm aber dieſe Gewalt gegeben/ hat er deſſen begierigen Menſchen
unzimblichen Geitz curiren wollen: zumahlen Gott ſo eifferig ſuchet den von
ihm erſchaffenen Menſchen ſeelig zu machen; daß er auch/ ſo viel an ihm iſt/
den jenigen gern helffen wolte/ ſo wir auß dem Glauben erkennen/ daß unfehl-
bar wer den verdambt werden: unter welche der Antichriſt ſamptſeinen Nach-
folgern gezehlet wird. Dieſe unbetriegliche Warheit iſt in der Offenbahrung
deß H. Joannis gnugſamb vorbedeutet worden/ danemblich derſelbe zum Him-
mel verzuͤckt geweſen/ und zwoͤlff Pforten geſehen hat; auff deren jeder ein
Nahm auß den zwoͤlff Geſchlechten der Kinder Jſrael geſehrieben geweſen:
nach dieſem erzehlet der H. Joannes alle Geſchlechte nach der Ordnung/ und
ſagt alſo: auß dem Stammen Juda zwoͤlff tauſend gezeichnet: auß dem
Stammen Ruben zwoͤlff tauſend gezeichnet ꝛc. und ſo von andern: er thut a-
ber keine Meldung von dem Stammen Dan. So entſtehet nun die Frag:
weilen im Himmel zwoͤlff Pforten gefunden werden/ und auff einer jeden der
Nahm eines Geſchlechts oder Stammen geſchrieben ſtunde/ und dieſe Pfor-
ten eroͤffnet waren: warumb wird dann auch nicht gedacht deß Stammen
Quæſt.
22. in Jo-
ſua.Dan? dieſe Frag beantwortet der Heil. Auguſtinus/ und ſagt; daß der heilige
Apoſtel und Evangeliſt nicht ohne Urſach und Geheimnuß den Stammen
Dan verſchwiegen habe: ſintemahlen auß ſelbigem der Antichriſt ſeinen Ur-
ſprung hernehmet/ der nicht zum Himmel kommen wird: warumb iſt ihme
aber eine offene Pforten angewieſen worden? auff daß wir hierauß lernen
ſollen/ daß der guͤtige GOTT/ ſo viel an ihm iſt/ auch dem Antichriſt ſelbſten
die Thuͤr deß Himmels nicht verſchlieſſe/ ſondern wolle vielmehr/ daß ſelbiger
ins himmliſehe Jeruſalem koͤnne hinein gelaſſen werden; und derhalben hat
GOTT die Pforten offen gelaſſen; damit/ wann er nicht wolle hinein ge-
hen/
[679]Von der wenigen Zahl der Außerwaͤhlten.
hen/ allen ſeinen Verluſt/ nicht GOTT/ ſondern ſich ſelbſten zuſchreibenHom. 20.
ſub. Lib.
num.
moͤge: daß alſo wahr und abermahl wahr bleibt/ was der gelehrte Origines
ſchreibt; daß GOtt eine groͤſſere Sorg trage fuͤr die Menſchen/ daß ſie ſee-
lig werden/ als der boͤſe Feind habe/ dieſelbe zu ſich in die Hoͤlle zu ſchleppen.
So muß dann ein jeder/ ſo verdambt wird/ ſein Verderben ſich ſelbſten zu-
ſchreiben: dahero ſagt Gott bey dem Propheten Oſea:Dein Verderbenc. 13. v. 9.
iſt auß dir/ O Jſrael.
21. Sieheſt du wohl/ mein Chriſtliche Seel/ daß dein allerliebſter Heyland
an ſeiner Seiten nichts ermangeln laſſe/ daß alle Menſchen koͤnnen ſeelig
werden; ſo wirſt du dann dir ſelbſten die Schuld geben muͤſſen/ wann du ſol-
teſt verlohren gehen (darfuͤr dich Gott gnaͤdiglich behuͤte) und nicht Chriſto:
dann er hat alles gethan/ was an ihm geweſen iſt/ wie er durch ſeinen Prophe-
ten hat vorgeſagt: gebet ein Vrtheil zwiſchen mir und meinemIſai. 5. v. 3.
Weingarten: was hab ich meinem Weingarten mehr thun
ſollen/ daß ich nicht gethan hab? als wolt er ſagen: urtheile/ meine
Seel/ in deiner eigenen Sache/ zwiſchen dir und mir/ ob ich wohl etwas mehr
haͤtte thun koͤnnen: Jch hab dich erſchaffen/ ich erhalte und ernehre dich: daß
du von Catholiſchen Eltern gebohren biſt/ daß haſt du mir zu dancken: Jch
haͤtte dich in Mauritanien erſchaffen koͤnnen/ allwo du mit den unglaubigen
Tuͤrcken den falſchen Propheten Mahomet verehret haͤtteſt: nun aber hab ich
dir die Gnad des Tauffs verliehen: und nachdem du ſelbige durch deine
Suͤnden verlohren haſt/ hab ich ſie dir vermittelſt der H. H. Sacramenten
auch noch darzu vermehret. Jch hab mit dem Werth meines Lebens/ und
durch Vergieſſung meines Bluts dich vom Todt erloſet. Urtheile nun/ ob
ich wohl ein mehrers haͤtte thun koͤnnen. So iſt dann uͤbrig/ daß/ wann du
der ewigen Seeligkeit dich wilſt theilhafftig machen/ mit deinem Heyland
mitwirckeſt/ und deſſen Leben/ Handel und Wandel/ dein Leben und Sitten
gleichfoͤrmig macheſt. Jndem aber dieſes der meiſte Theil der Ehriſtglaubi-
gen/ ja auch der Geiſtlichen ſelbſt vernachlaͤſſiget; was iſt dann wunder/ daß
ſo unzahlbare Seelen gleich dem haͤuffig fallenden Schnee/ in den Abgrund
deß hoͤlliſchen Feuers hinunter geſtuͤrtzet/ und hergegen ſo wenige zu den ewig
waͤhrenden Freuden hinein gelaſſen werden. Verlaſſe du/ mein Chriſtliche
Seel/ verlaſſe den weiten und breiten Weeg der lawen Geiſtlichen; und huͤte
dich/ daß von derſelben boͤſen Exempeln nicht geaͤrgert werdeſt/ und dir einbil-
deſt/ daß dir zugelaſſen ſeye zu thun/ was ſelbige vermeinen/ daß ihnen wohl an-
ſtehe: ſondern behertzige dieſe dir zu deinem beſten verfaſte Lection, und ſuche
vielmehr mit wenigen ſeelig/ als mit vielen ewiglich verdambt zu werden.
Folge dem heylſamen Rath deß heiligen Anſelmi/ der da ſpricht: Wilſt du
verſichert
[680]Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
verſichert ſeyn/ daß du gehoͤreſt zu der Zahl der Außerwaͤhlten? wohlan/ ſo
befleiſſige dich/ daß du in die Zahl der wenigen moͤgeſt eingeſchrieben werden:
wilſt du aber gantz und zumalen verſichert ſeyn/ ſo trachte/ daß du kommeſt in
die Zahl der allerwenigſten: daß iſt/ folge nicht den jenigen/ ſo den weiten und
gemaͤchlichen/ ſondern denen/ die den ſchmahlen und doͤrnern Weeg eingehen/
die alle weltliche und eitele Kinder-Boſſen fahren laſſen/ der wahren Bußfer-
tigkeit/ und Gott gefaͤlligen Tugenden ſich befleiſſen/ und den jenigen mit
Hertz/ Mund und Wercken uͤber alles zu lieben/ ſich angelegen ſeyn laſſen/ der
aller angewendeter Muͤhe und Arbeit reiche Belohnung ſeyn wird in alle E-
wigkeit.
Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Der Verehrung der H. Mutter Gottes Mariaͤ.
v. 35.
Domino.’
ſchoͤpffen vom Herrn.’
1. DU haſt gehoͤrt/ mein Chriſtliche Seel/ wie dem armen Menſchen
die Seeligkeit ſo ſchwaͤr und gefaͤhrlich falle: derhalben fuͤr
rathſamb befunden wird/ ſich in dieſen Noͤthen einiger Huͤlff zu
bewerben: und weilen wir durch langwirige Erfahrnuß zumahlen verſichert
ſeynd/ daß ſelbige bey der glorwuͤrdigſten Himmels-Koͤnigin am beſten zu
zu finden iſt; als wollen wir zu dieſer wahren Mutter der Barmhertzigkeit/
auß gantzem Hertzen uns wenden: ſintemahlen die Verehrung derſelben/ ein
Zeichen der Erwaͤhlung/ ein Merck deß Heyls/ und Pfand der ewigen Glori
iſt.
[681]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
iſt. Dahero ſagt ſie von ſich ſelbſten: Wer mich findet/ der wird das
Leben finden/ und Heyl ſchoͤpffen vom HErrn. Und der
H. Martyr Jgnatius iſt der Meynung/ daß keiner werde verlohren gehen/
welcher dieſe GOttes-Gebaͤhrerin verehren/ und derſelben ſich embſichlich
wird befohlen haben: alſo iſt auch zu muthmaſſen/ daß der jenige/ ſo dieſe
allerſeeligſte Jungfrau/ als eine Mittlerin zwiſchen ihrem Sohn und dem
Menſchen/ zu lieben und zu ehren wird vernachlaͤſſiget haben; kein gnaͤdigen
Richter finden werde: Dann GOtt/ ſagt der heilige Bernardus/Ser. de
Nat.
Virg.
nimbt von den Glaubigen nichts leichtlich an/ was durch
die Haͤnd Mariaͤ Jhm nicht wird vorgeſtellet. Und an
einem andern Ort ſagt er: Laſſet uns auß gantzem unſerm Her-Ser. de
Aquæ
ductu.
tzen/ und auß gantzer. Seelen dieſe Mariam verehren: zu-
mahlen dieſes der Will iſt deſſen/ der hat wollen haben/
daß wir alles haben ſollen durch Mariam. Dahero verglei-
chen die H. H. Vaͤtter dieſe Goͤttliche Mutter einem Hals/ und ſagen/ daß
gleich wie der Hals dem Haupt zum naͤchſten/ und das Mittel zwiſchen dem
Haupt und den Gliederen deß Leibs iſt; auch nichts vom Haupt den Gliedern
außgetheilet werde; und hergegen von den Gliedern die Daͤmpffe zum
Haupt nicht ſteigen/ als eben durch den Hals; alſo ſendet Chriſtus das
Haupt/ in uns ſeine Glieder/ keine Einfluͤſſe der Gnaden/ als durch die-
ſen Hals/ daß iſt/ durch Mariam: und koͤnne auch unſer Gebett/ als ein
Rauch/ zu dem Goͤttlichen Haupt nicht auffſteigen/ dann durch dieſe ge-
benedeyte Mutter Mariam.
2. Fliehe derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ in allen deinen Zufaͤllen
mit einer kindlichen Neigung und hertzlichem Vertrauen zu dieſer deiner
Mittlerin/ und wann du das Deinige gethan haſt/ ſo befehle ſelbiger dein
Anligen/ nach dem Rath deß heiligen Bernardi: Was du immerSer. de
Nat.
verlangeſt/ ſagt er/ daß von dir abgenommen werde/ oder
daß du erlangen wilſt/ daß empfehle Mariaͤ der Mutter/
wann du wilſt erhoͤret werden. Meine Kinder/ ſagt er weiters/
Dieſe iſt ein Leiter der Sünder/ dieſe iſt mein hoͤchſtes
Vertrauen/ und eine voͤllige Vrſach meiner Hoffnung.
Jch ſage euch/ wann wir bey derſelben anklopffen/ und
ſie andaͤchtiglich verehren werden; ſo wird ſie mit uns ein
Mittleyden haben/ und unſern Noͤthen nicht ermanglen:
zumahlen ſelbige den Gewalt ſo wohl als den Willen uns
zu helffen hat/ dieweilen ſie eine Koͤnigin deß Himmels
R r r riſt/
[682]Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
iſt/ barmhertzig iſt/ und eine Mutter der Barmhertzigkeit.
Innoc. 3.
Ser. 2. de
Aſſump.Dieſe iſt eine auffgehende Morgen-Roͤthe/ ſchoͤn wie der Mond/ außer-
waͤhlt wie die Sonn/ und ſchroͤcklich wie ein wohlgeordnete s Feld - Laͤger.
Sie leuchtet gleich dem Mond in der Nacht/ der Sonnen im Tag/ und
gleich der Morgen-Roͤthe in dem Auglied. Dieſe Nacht/ iſt unſere
Schuld; das Auglied/ die Buß; und der Tag/ die Gnade GOttes. Wer
nun ligt in der Nacht der Schuld; der ſchaue den Mond an/ bitte Mariam/
auff daß ſie deſſen Hertz durch ihren Sohn zur Reu und Leyd bewege. Wer
aber zum Auglied der Buß ſich auffrichtet/ der ſchlage ſeine Augen auff die
Morgen- Roͤthe/ und bitte Mariam/ daß ſie deſſen Hertz durch ihren
Sohn zur Gnugthuung erleuchte. Jndem aber deß Menſchen Leben ein
Streit iſt auff Erden; ſo ſchaue an das wohlgeordnete Feld-Laͤger/ bitte
Mariam/ ſie wolle durch ihren Sohn dir Huͤlff ſchicken vom Heiligthum/
und beſchuͤtzen dich auß Sion/ der du immer von deinen Feinden/ oder von
der Welt/ oder von dem Fleiſch/ oder vom Teuffel wirſt angefochten. Wer
iſt/ der dieſe Huͤlfferin mit Andacht hat angeruffen/ und nicht iſt erhoͤret
worden? Dieſe iſt eine Mutter der ſchoͤnen Liebe und der heiligen Hoffnung.
Dieſe iſt/ nach Zeugnuß deß heiligen Bernardi/ der fuͤrtreffliche und helleuch-
tende Stern/ ſo uͤber dieß groſſe und breite Meer nothwendiglich erhoben
iſt/ ſo da mit Verdienſten glantzet/ und durch die Expempeln den Menſchen
erleuchtet. O alle ihr/ die ihr in dem Fluß dieſer ſchnoͤden Welt/ von
den Waͤllen und Ungewittern mehr hin- und her getrieben werdet/ als ihr auff
Erden wanderet! ſchlaget euere Augen nicht ab vom Glantz dieſes Stern/
wann ihr nicht wollet uͤberfallen werden von den Waͤllen.
3. Dieſe Allerſeeligſte Jungfrau iſt der allerſicherſte Schirm der Suͤn-
der/ welche die Suͤnder ſo zu ihr ſich wenden/ nicht verſtoſſet; ſondern erhal-
tet und beſchuͤtzet/ und denſelben/ wann ſie Buß thun/ Vergebung erlan-
Bloſ. Mo-
nil. ſp. c. 1.get. Derhalben iſt ſelbige der heiligen Gertrudis einsmahls mit einem ſehr
ſtattlichen Mantel umbgeben erſchienen; zu der allerhand ungeſtalte Thier
ſich verfuͤget/ und unter dieſen Mantel verborgen haben: Dieſe alle ſeynd
von der Jungfrauen mit groſſer Lieb empfangen/ und gar freundlich mit
dem Mantel bedecket worden: auch hat die gebenedeyete Mutter denſelben al-
le Holdſeeligkeit erwieſen. Da ſich nun Gertrudis hieruͤber verwunde-
ret/ iſt ihr bedeutet worden; daß durch die mißſtalte Thier die Suͤnder
muͤſſen verſtanden werden/ ſo da alle von der Jungfrauen/ wann ſie ihre Zu-
flucht zu ſelbiger nehmen/ mit muͤtterlichem Hertzen empfangen werden. So
hat dann der heil. Dominicus recht geſagt: Wann alle Heiligen GOttes uns
zu wider waͤren/ und unſet Gebett nicht aͤnhoͤren wolten/ ſo wuͤr de uns doch
Mariaͤ
[683]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
Mariaͤ den Schoß der Barmhertzigkeit nicht verſchlieſſen. Ja dieſe glor-
wuͤrdige Mutter ſelbſt hat den. H. Alanum verſichert/ daß die Welt [s]ch [...]
lang zu Grund gangen waͤre/ wann ſie den erzuͤrnten Gott mit ihrer Vorbit
nicht verſoͤhnet haͤtte. Derhalben iſt ſelbige mit dem H. Ephrem billig eineSer. de
Laud. B.
V.
Hoffnung der Verzweifflenden/ ein Schutz der Sůnder/
ein Troſt der Welt/ und eine Pforten deß Himmels zu nen-
nen. Dieſe Marianiſche Barmhertzigkeit hat vormahls erfahren ein ſicherBouer.
tom.
1. Ann.
Capuc.
Hiſtoria.
Rechts-Gelehrter und Advocat einer Gemeinden. Selbiger hat zu Ve-
nedig viele Reichthumben mit unrecht zuſammen geſcharret: Nun hat ſichs
Anno 1552. zugetragen/ daß ſelbiger den gottſeelig und heilig-maͤſſigen. P.
Matthaͤum auß dem Orden deß H. Franeiſei zu Gaſt genoͤthiget. Der ein-
geladene Vatter (deſſen Hertz und Gedancken immer trachteten/ die irrende
Seelen wiederumb auff den rechten Weeg zu bringen) erſcheinet zu beſtimb-
ter Stund. Ehe aber die Speiſen auffgetragen werden/ redet der Advocat den
P. Matthaͤum mit dieſen Worten an/ und ſagt: Pater/ ich hab eine wunder-
ſeltzame Meer-Katz im Hauß/ welche meines erachtens mehr Witz hat/ als ſie
haben ſolte: dann ſelbige decket den Tiſch/ kraͤuſſet die Hand-Zwehelen/ ſau-
bert die Glaͤſer/ legt die Teller auff ihr gehoͤriges Ort: Wann ich vom Rath-
Hauß komme/ macht ſie mir die Thuͤr auff/ und leiſtet mir dergleichen mehr
andere Dienſten/ daruͤber ſich jederman hoͤchlich verwundert. Nachdem ſol-
ches der fromme P. Matthaͤus alles angehoͤret/ hat er alsbald durch die Ein-
ſprechung Gottes erkennet/ was dieſe fuͤr eine Meer-Katz ſeye/ und was ſie in
ſelbigem Hauß durch ihr embſiges Auffwarten ſuche: gibt derhalben dem Ad-
vocaten zur Antwort/ daß er die Thaten der Meer-Katzen mit Verwunderung
gehoͤrt habe; er foͤrchte aber/ daß in dieſer Meer Katzen/ etwas neben der Meer-
Katzen verborgen ſeye: begehrt annebens/ man wolle ihm ſelbige vor die Augen
bringen. Der Hauß-Vatter Beſilcht/ man ſolle das Thier herzu fuͤhren; und
nachdem ſelbiges lang umbſonſt geſucht worden/ iſts endlich gefunden worden/
daß ſie ſich unter einen Seſſel verborgen hatte: und da mans zum herkommen
noͤthiget/ fangs an/ wider alle Gewonheit/ ſich zur Gegenwaͤhr zu ſtellen/ und
die Zaͤhn auff die Diener zu wetzen. Auff dieſes Wunder/ gehet Mattheus mit
dem Advocaten hinzu/ und ſagt: du hoͤlliſches Thier/ ich befehle dir im Na-
men deß Herrn Jeſu Chriſti/ daß du alsbald hervorkommeſt. Hierauff ſtellet
ſich die Meee- Katz dahin; und der gottſeelige Matthaͤus zwingt
dieſelbe weiters/ ſie ſolle ohne einigen Umbſchweiff bekennen/ wer ſie
ſeye/ und warumb ſie dorthin kommen ſeye. Dieſem Befelch gehor-
chet daß vermeinte Thier/ und ſagt mit menſchlicher Stmm: Jch bin der
Teuffel/ und bin keiner andern Urſachen halben hichin kommen/ als daß ich
R r r r 2dieſes
[684]Die Drey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
dieſes Rechts-Gelehrten Seel/ ſo mir ſchon laͤngſt zugehoͤrig geweſen/ zur
Hoͤllen ſchleppe. Warumb haſtu dann/ ſagt Matthaͤus/ deine alſolche
Schuld einzuforderen biß dato verweilet? Dieß eintzige/ antwortet der
Sathan/ iſt mir im Weeg geſtanden/ daß/ ſo offt er zu Bett gangen/ ſich
dem Schutz GOttes und Mariaͤ empfohlen/ und dieſe Mariam zu einer
Beſchuͤtzerin erſucht hat; wann er dieſe gewoͤnliche Andacht einmal unterlaſ-
ſen haͤtte/ ſo wuͤrde ich ihn ſicherlich in der Nacht im Schlaff erwuͤrgt ha-
ben. Auff dieſe Bekenntnuß wird die gantze Hauß-Haltung zerſchlagen;
und der Advocat fallet ſchier fuͤr todt nieder/ und bittet den heil. Mattheum/
er wolle doch in dieſer Nothſein Helffer ſeyn. Matthaͤus hergegen ermah-
net ihn/ er ſolle ſeine Zuflucht zu der Mutter der Barmhertzigkeit nehmen/
welche ihm ohne allen Zweiffel wuͤrde beyſtehen/ wann er nur daß ſeinige thun
wuͤrde. Hernach wendet ſich der geiſtreiche Vatter zum boͤſen Feind/ und
ſagt: dieweilen dir von GOtt die Gewalt dieſen Menſchen zu verderben/
bißhero iſt geweigert worden; ſo gebiethe ich dir ebenfals im Nahmen deß
HErrn/ daß du ſelbigen unbeſchaͤdiget laſſen/ und dich alsbald zur Hoͤllen
hinab trollen ſolleſt. Nach ſolchem Befelch verſchwindet die Meer-Katz/
und hinterlaſſet zum Zeichen/ daß ſie das Hauß quitirt habe/ ein Loch in der
Mauren. Nach alſo geendigter Action ſetzt man ſich zu Tiſch/ und da der
Prieſter den abhangenden Theil deß Tiſch-Tuchs mit den Haͤnden trucket
und fringet/ ſiehe/ da flieſſet auß ſelbigem haͤuffiges Blut hervor/ welches der
Advocat in eine Schuͤſſel empfangen/ und vom Pater erinnert worden/
daß dieſes der purpurfarbige Safft ſeye/ den er ſo vielen armen Menſchen
durch ſeine ungerechte Aufflagen auß gepreſſet habe. Nun ſehe dich vor/
ſagt er weiters/ und gebe wider/ was du mit Unrecht beſitzeſt; lebe nach der
Regul der wahren Chriſtglaubigen/ und thue Buß/ auff daß du nicht in je-
ner Welt deine Suͤnden ewiglich zu buͤſſen gezwungen werdeſt.
4. Auß dieſer Hiſtori lerne/ mein Chriſtliche Seel/ wie nuͤtzlich es ſeye
die Allerheiligſte Mutter der Barmhertzigkeit taͤglich und beſtaͤndiglich zu
verehren. Dieſes iſt/ was der himmliſche Vatter der H. Catharina von
Senis einsmahls geſagt hat: Mariaͤ der glorwuͤrdigen Gebaͤrerin meines
Eingebohrnen Sohns hab ich durch meine Guͤtigkeit/ wegen deß ver-
menſchten Worts groſſer Wuͤrdigkeit/ verliehen/ daß/ der da im-
mer/ auch in Suͤnden/ zu ſelbiger mit einer wahren andaͤchtigen Ver-
chrung flichet/ keines Wegs ſolle vom hoͤlliſchen Feind hinge-
riſſen werden. Dann gleich wie der himmliſche Koͤnig ſeine
Sonn ſo wohl uͤber Boͤſe als Guthe laſſet auffgehen; alſo
ſpielet
[685]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter Gottes Mariaͤ.
ſpielet die Himmels- Koͤnigin mit den Strahlen ihrer Gnade/ auch in
die Hertzen/ ſo mit den dicken und dunckeln Nebuln der Suͤnden verfenſtert
ſeynd: von welcher der H. Bonaventura ſagt: wer iſt/ den dieſe Sonn nicht
beſcheinet? wer iſt/ uͤber den die Barmhertzigkeit Mariaͤ nicht leuchtet: dann
gleich wie die Sonn ihre reineſte Strahlen nicht allein uͤber die gruͤnende Fel-
der/ ſondern auch uͤber die heßliche Gruben und nichts nuͤtzige Doͤrnen werf-
fet: alſo/ wann die guͤtigſte Jungfrau durch einige wenige Verchrung ange-
reitzet wird/ wirfft ſelbige auch in die allerunſauberſte Hertzen das Feuer ihrer
Liebe und muͤtterlichen Beſchuͤtzung.
5. Zu deſſen mehrerer Bekraͤfftigung erzehlet Petrus Antonius SpinellusIn Thro-
no Dei.
c. 38.
num. 22.
Hiſtoria.
folgende Hiſtori/ ſo der vorigen nicht ungleich iſt. Es war ein Soldat von
adlichem und heroiſchem Gebluͤt/ wegen der Rauberey aber ſehr uͤbel beruͤch-
tiget/ welcher ein Schloß im Beſitz hatte/ und vermeinte/ daß er keiner Herr-
ſchafft unterworffen waͤre/ und was er immer rauben konte/ daß ſchlepte er al-
les in ſein Schloß hinein: dieſer Soldat/ oder vielmehr Raͤuber hatte in ſolcher
ſeiner Boͤßheit/ in dero er biß zum Halß verſenckt ware/ dieſes eintzige noch
von der Chriſtlichen Liebe oder Andacht/ daß er taͤglich ein Ave Maria bettete.
Unterdeſſen geſchichts/ daß ein Geiſtlicher bey ſelbigem vorbey reiſet/ wel-
chen die jenige/ ſo die Weege beſetzet hatten/ fangen/ und zu ihrem Obriſten
mehr ziehen als fuͤhren: dieſer fraget ihn/ wer er ſeye? was ſeine Profeſſion,
und welche die Urſach ſeiner Reiſen ſeye/ und was er auſſerhalb dem Cloſter
ſuche? Auff alle dieſe Fragen antwortet der Geiſtliche ſo vernuͤnfftlich und
bequemlich/ daß der Obriſter Raͤuber bey ſich ſelbſten ſchlieſſet/ der muͤſſe
wohl ein Mann groſſer Tugend und Weißheit ſeyn; dahero verlangt er auch
zu vernehmen die himmliſche Sachen/ welche der Geiſtliche geſagt hatte/ daß
er demſelben vorzubringen habe: rufft demnach ſeine Haußgenoſſen beyſam-
men/ umb zu hoͤren/ was der Muͤnch zu ſagen habe: da nun die Diener gegen-
waͤrtig ſeynd/ ſiehet ſich der gefangene Geiſtliche herumb/ und ſagt/ daß noch
einer mangele; und dieſer ware deß Herrn Cammer-Diener: derhalben wird
ſelbiger beruffen/ weigert ſich aber zu erſcheinen: der Herr laſſet ihm abermahl/
und nicht ohne Drew-Worten befehlen/ er ſoll kommen; ſo bald er hinzu na-
het/ und den geiſtlichen Gaſt anſchauet/ fangt er zur Stund an/ gleich einem
Beſeſſenen die Augen im Kopff zu verwenden/ verdraͤhet den Halß hin und
her/ ſchlagt mit Haͤnd und Fuͤſſen von ſich/ die Zung ſchaͤumet im Maul/ und
knirſchet mit den Zaͤhnen/ daß ein jeder vermeinet/ er ſeye zumahlen naͤrriſch
worden: der Geiſtliche wuſte aber wohl/ was vor ein Gaͤuchler unter dieſem
wunderlichen Antlitz verborgen ſeye: daher bemuͤht er ſich/ ſelben durch den le-
R r r r 3bendigen
[686]Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
bendigen Gott zu beſchwaͤren/ daß er bekennen ſolle/ wer er ſeye: der ſich uͤbel
bewuſte Cammer-Diener geſtehet/ daß er ein Bott auß der hoͤlliſchen Can-
tzeley ſeye/ und daß er vierzehen Jahr ſeinem Herrn in menſchlicher Geſtalt
derhalben gedienet habe/ daß/ wann ſelbiger nur einen eintzigen Tag ſeine Ge-
wonheit/ die Jungfrau zu begruͤſſen/ unterlaſſen wuͤrde/ er ihn zu erwuͤrgen/
und mit ſich zur Hoͤllen zu fuͤhren willens geweſen ſeye. Nach gethaner Be-
kaͤndnuß/ befilcht ihm der Geiſtliche/ er ſolle in die euſſerſte Finſternuͤſſen wie-
derumb hinfahren; ſo auch mit Hinterlaſſung eines groſſen Geſtancks/ und
aller anweſenden Verwunderung/ als bald geſchehen: der Obriſt fallet hier-
auff dem Geiſtlichen zu Fuͤſſen/ und ſagt der Mutter der Barmhertzigkeit auß
gantzem Hertzen Danck/ bekennet ſeine Suͤnden mit groſſem Rew und Leid/
bittet umb Verzeihung/ legt eine general Beicht ab/ und beſſert ſein uͤbel ge-
fuͤhrtes Leben mit allem Ernſt. Dieſe Fußſtapffen ihres Obriſten ſeynd auch
die andere eingetretten/ haben das Rauben fahren laſſen/ und haben fortan alle
Chriſtlich gelebt.
6. Dieſes kan bey der allerſeligſten Himmels-Koͤnigin außwircken ein
eintziger Engelliſche Gruß/ ſo derſelben zu Ehren taͤglich geſprochen wird:
wer ſoll dann nicht auß allen Kraͤfften zu dieſer barmhertzigen Helfferin ſeine
Zuflucht nehmen? O wie viele/ O wie viele/ ich ſage beſſer/ wie unzahlbare/
waͤren ihrer Miſſethaten halben/ auß billigem Zorn Gottes deß ewigen Todts
verblichen/ wann ſie nicht der Marianiſchen Obhut ſich untergeben haͤtten.
Keiner iſt ſo gottloß/ der nicht Vergebung ſeiner Suͤnden erlanget/ wann er
mit einem geziemenden Vorſatz ſein Leben zu beſſern/ zu dieſer Mutter fliehet/
welche von ſich ſelbſten der H. Brigittaͤ einsmahls dieſes Zeugnuß hinterlaſ-
ſen. Jch bin/ ſagt ſie/ ein Koͤnigin deß Himmels; ich bin ein Mutter der Barm-
hertzigkeit; ich bin ein Freud der Gerechten/ und ein Zugang der Suͤnder zu
GOtt. Keiner iſt ſo verflucht/ dem ich nicht bereit bin/ ſo lang er lebt/ meine
Barmhertzigkeit zu erweiſen; dann meinet wegen wird der Menſch nicht ſo
hefftig vom Teuffel verſucht/ als ſonſten geſchehen wuͤrde. Keiner iſt ſo ver-
worffen von GOtt/ es ſey dann/ daß er gantz und zumahlen verfluchtſeye/ der
nicht zu ſeinem Herrn widerkehre/ wann er meine Huͤlffbegehret. Jch werd
von allen eine Mutter der Barmhertzigkeit genennet/ und in Warheit die
Barmhertzigkeit Gottes hat mich barmhertzig gemacht: derhalben wirds dem
armſelig ergehen/ welcher zu meiner Barmhertzigkeit hat fliehen koͤnnen/ und
ſelbiges vernachlaͤſſiget hat. Hier auß kanſt du mein Chriſtliche Seel/ gnug-
ſamb ſchlieſſen/ warumb dieſe allerheiligſte Jungfrau von der Chriſt-Catho-
liſchen Kirchen in der lauretaniſchen Lytanie ein Zuflucht der Sůnder
benambſet werde: damit du aber die Barmhertzigkeit ſolcher guͤtigſten Fuͤr-
ſprecherin
[687]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter Gottes Mariaͤ.
ſprecherin noch beſſer erkennen moͤgeſt/ als will ich dir zu Gefallen/ zweyen er-
zehlten Exempeln das dritte hinzu ſetzen.
7. Ein adeliche Dame/ welche der Mutter Gottes mit ſonderbahrer Nei-Joan.
Ægid. in
Lib. Sca-
la Cœli.
Hiſtoria.
gung zugethan ware/ hatte einen eintzigen Sohn und alleinigen Troſt ihres
Witwe-Stands: ſelbigen hat ſie/ nachdem er von den Page-Dienſten auß-
gemuſtert worden/ zum Dienſt eines ſicheren Fuͤrſten befuͤrderet: Da nun
ſelbiger von jhro ſeinen Abſcheid genommen/ hat die fromme Mutter ihrem
lieben Sohn unter andern auch dieſe Lehr gegeben; daß er die allerſeligſte Got-
tes Gebaͤhrerin auffs wenigſt einmahl im Tag durch ein Ave Maria, ſo lang
er lebte/ verehren ſolte: mit dieſem wohl gemeinten Lehr-Stuͤck hat ſich der
Juͤngling nach Hoff verfuͤget/ und da er eine wenige Zeit ſich wohl und loͤb-
lich gehalten/ ſo iſt er dannoch bald anderer Straſſen gewandert/ und hat den
goͤttlichen Gebotten ſo wohl als muͤtterlichen Ermahnungen zu wider gelebt/
und iſt endlich durch boͤſe Geſellſchafft ſo weit kommen/ daß alle Tugend und
Ehrbarkeit bey ſelbigem in die euſſerſte Gefahr deß Untergang zu gerathen an-
gefangen: er hatte ſeine Sach nunmehr ſo weit gebracht! daß er beſtand ware/
andere zum boͤſen anzufuͤhren/ der im Anfang nur mit Forcht den Verfuͤhrern
von weitem folgete: da er nun etlichmahl ermahnet worden/ und ſein Leben
nicht beſſern wolte/ wurde er von Hoff vertrieben; und damit er das boͤſe Ge-
ſchrey/ ſo von ihme in aller Gegend erſchallete/ meiden koͤnte/ hat er ſich in die
abgelegene Buͤſchen und Waͤlder begeben/ den Raͤubern dieſer Orthen ſich
beygeſellet/ und viele Raubereyen und Mordthaten begangen/ iſt aber endlich
ertappt/ gefaͤnglich eingezogen/ und zum Todt verdambt worden: indeme der
ungluͤckſelige Juͤngling ſein groſſes Unheil einer Seits/ und ander Seits die
fuͤr Augen ſtehende Straffdeß Todts/ bey ihm erweget/ ſicht er einen groſſen
Mann vor ſich ſtehen/ der ihm verſpricht/ daß er ihn auß dem Kaͤrcker erret-
ten wolle/ wann er ihm folgen/ und ſeinen Worten zu ſchwaͤren kein Beden-
cken tragen werde: da ſelbiger nun den neu-angekommenen Frembdling fra-
get/ wer er ſeye/ bekombt er zur Antwort/ daß er ein Geiſt der andern Welt/
und von ſeinem Fuͤrſten geſandt ſeye/ daß er ihm in ſeiner Verzweifflung
Huͤlff leiſten ſolle/ wann er CHriſtum und deſſen Sacramenten verlaͤugnen
wolle: was geſchicht? der Juͤngling/ in Hoffnung/ daß er deß Kaͤrckers/ und
auch zugleich deß Todts befreyet werde/ widerſagt CHRJSTO und
allen goͤttlichen Geheimnuͤſſen/ und ergibt ſich dem Teuffel: dieſer begeh-
ret weiters/ daß er auch die Verehrung Mariaͤ verlaſſen und verfluch en
ſolle: Allhier fangt an der Gefangene an gantzem Leib zu erzitteren/
und erinnert ſich deſſen/ ſo er von ſeiner Mutter zur letzten Lehr
empfangen/ und auch ſelbiger zu vollbringen verſprochen hat: derhalben
rufft
[688]Die Drey und fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
rufft er uͤberlaut und ſagt: Nimmermehr/ nimmermehr/ will ich meiner wer-
thiſten Patronin abſagen: dieſe Mariam meine hoͤchſte Wohlthaͤterin will ich
in ewigkeit nicht verlaſſen: daß ſeye weit von mir/ ja ſo gar will von nun der-
ſelben mich zumalen ergeben/ und ihr trewlich dienen: Auff dieſe unverſehene
ſchnelle Aenderung verſchwindet der boͤſe Feind/ als wann er vom Blitz waͤre
hinweg genommen worden: der Juͤngling aber ergreifft ein friſches Hertz/
beklagt und beweinet ſeine ſo groſſe Ubelthat/ daß er nemblich Chriſtum ſeinen
Heyland verlaͤugnet habe; bittet denſelben und deſſen allerliebſte Mutter mit
groſſem Heulen und Weynen umb Vergebung/ und ſagt: O meine Mutter
der Barmhertzigkeit! O mein holdſeligſte Maria! erbarm dich doch uͤber
mich verfluchten Suͤnder: O du Heyl der Verzweifflenden/ O Zuflucht
der ſuͤndigen Menſchen/ verwerff mich nicht von deinem Jungfraͤulichen
Angeſicht/ verſtoſſe mich nicht von deiner Barmhertzigkeit: anjetzt verlange
ich nicht/ dieſer Baͤnden entloͤſet zu werden: ich begehre nicht/ daß mir das Le-
ben geſchenckt werde: ich will/ ich will/ ſagt er/ daß fuͤr meine grauſame Suͤn-
den verdienten Lohn empfange: daß eintzige bitt ich dich/ mein Maria/ dieß
begehre ich von dir zum Abſcheid/ ſeye doch meine Fuͤrſprecherin bey deinem
und meinem JEſu: dann ich bin ja nicht wuͤrdig/ daß ich meine Augen gen
Himmel ſchlage: Ach! verlaß mich nicht mein allergnaͤdigſte Koͤnigin/ ver-
laß mich nicht in dieſen meiren Aengſten und euſſerſten Noͤthen: da nun ſelbi-
ger in ſothanem Seufftzen und eifferigem bitten die gantze Nacht hat zuge-
bracht/ hat er deß folgenden Tags ſeine Suͤnden alle mit uͤberauß groſſem
Hertzenleid gebeichtet/ und iſt nachmahlen mit Freuden zum Gericht gan-
gen/ auffm Weeg aber hat er angetroffen eine Capell der allerſeligſten Jung-
frawen/ worauff derſelben Bildnuß geſtanden; auff ſelbiges iſt der Mißthaͤ-
thiger in den Haͤnden der Henckers-Knechten hinzu gangen/ hat ſeine Au-
gen ſo wohl deß Leibs/ als auch der Seelen auff ſeine gnaͤdige Fuͤrſprecherin
geſchlagen/ und den Engliſchen Gruß/ den er taͤglich zu betten pflegte/ mit
groſſer Andacht geſprochen/ und dieß Wort hinzu geſetzt: O Mutter! du
Jungfraw/ ach! verlaß mich ſterbenden nicht/ O Maria! und ſiehe/ O Wun-
der! die Bildnuß neiget das Haubt dem jetzt ſterbenden Supplicanten in
Gegenwart vieler Menſchen; dahero erlauben die Henckers-Knecht demſel-
ben/ zum Altar zu tretten/ allwo er den letzten Abſcheid von ſeiner barmhertzi-
gen Mutter nehmen wollen; derhalben derſelben Fuͤß zu kuͤſſen ſich erkuͤhnet
hat: ſiehe ein neues Wunderwerck! die Bildnuß Mariæ hat die Armen als
bald außgeſtreckt/ und den armſeligen und zitterenden Suͤnder zum Schooß
genommen/ und ſo veſt gehalten/ daß ihn die Henckers-Knechte mit aller Ge-
walt
[689]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
walt nicht loͤſen koͤnnen. Da dieſes das Volck geſehen/ haben alle ein-
helliglich geruffen: Barmhertzigkeit! Barmhertzigkeit! Gnad! Gnad! und
iſt alſo von den Richtern ſeiner Baͤnde entlaſſen worden/ den die Mutter
deß allerhoͤchſten Richters loßgeſprochen hatte. Nach dieſem hat der adli-
che Juͤngling den geiſtlichen Habit angelegt/ und ſeiner Erloͤſerin mit ei-
nem bußfertigen und gottſeeligen Wandel ſich alle Tag ſeines Lebens danck-
bar erzeiget.
8. Wer ſicht alhier nicht/ wie groſſe Gewalt dieſe mildreiche Fuͤrſpreche-
rin habe gegen all boͤſes Eingeben und Argliſt deß leidigen Sathans? Wer
muß nicht geſtehen/ daß Maria ein wahre Mutter der Barmhertzigkeit de-
nen Suͤndern immer ſeye/ ſo da ihre Suͤnden in Warheit beweinen; und
wie ſelbige geneigt ſeye/ denen allen in ihren Noͤthen beyzuſpringen/ welche
zu ihr ihre Zuflucht nehmen? Dieſe ihre groſſe Macht bezeugt ſie ſelbſt bey
der H. Mutter Brigittaͤ/ und ſagt: keiner iſt in dieſem Leben alſo von derL. 1. c. 9.
Liebe GOttes entbloͤſſet/ von welchem der boͤſe Feind nicht alsbald weichen
muͤſſe/ wann er mit einem wahren Vorſatz ſein leben zu beſſern/ meinen
Nahmen anruffet. Dahero redet der H. Germanus die Mutter deß HErrn
alſo an/ und ſagt: Du vertreibeſt durch die alleinige Anruffung deines Nah-
mens allen Anfall der hoͤlliſchen Geiſter von deinen Dienern. Und der S.
Alanuß auß dem Orden deß H. Dominici/ ſagt unter andern Lob- Spruͤ-
chen von unſer Gebenedeyeten Mutter alſo: Wann der Engliſche Groß ge-
ſprochen wird/ ſiehe/ da erfreuet ſich der Himmel/ der Teuffel fliehet/ und deß
Menſchen Hertz wird mit Troſt erfuͤllet Selbigem fallet der H. Bernardus
mit dieſen Worten bey. Die Himmeln/ ſpricht er/ lachen/ die Engel erfreuen
ſich/ die Welt frolocket/ die Hoͤll erzitteret/ die Teuffel machen ſich auß dem
Staub/ wann du andaͤchtiglich ſprichſt das Ave Maria. Auch iſt erfreulich
anzuhoͤren/ und voller Geheimnuß/ was der glaubwuͤrdige Vega auß dernum.
1387.
Soeietet JEſu/ in ſeiner Marianiſchen Theology erzehlet. Da eine junge
Tochter viele Tag lang einen Spatzen gelehrt hatte ſprechen: Ave Maria:
und dieſes Voͤgelein ſothane Wort mit aller Menſchen Verwunderung
offt zu widerholen pflegte: hat ſichs einmahl zugetragen/ daß ſelbiges auſſer
dem Koͤrblein von einem Raub- Vogel er griffen und in die Hoͤhe gefuͤhrt
worden: da hat das arme Spaͤtzlein ſich ſeiner gelehrten Wort erinnert und
geruffen: Ave Maria. O Wunder! kaum hatte das Voͤgelein dieſe Wort
geſprochen/ ſiehe/ da fallet der Raub-Vogel/ als wann er mit Kugeln durch-
ſchoſſen waͤre/ zu todt herunter: das Voͤgelein wird auß den Klauen ſeines
Feinds befreyet/ fliehet alsbald zu ſeiner Lehrmeiſterin/ und ſchreyet mit
S ſ ſ ſFreuden:
[690]Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Freuden: Ave Maria, Ave Maria. Was ware der gemeldte Juͤngling an-
ders/ als ein Vogel/ dem der hoͤlliſche Habig nachſtellete/ und ſo gar auch
ſchon wuͤrcklich in den Klauen gefaſſt hatte; muſte ihn aber fallen laſſen/ in dem
ihm die gewoͤhnliche Manier die Jungfrau zu gruͤſſen/ die guldene Freyheit
zu wegen gebracht?
9. Recht und wohl ſagt derhalben zu unſerm Vorhaben der gelehrte J-
diota in der Betrachtung der Allerſeligſten Jungfrauen. So groß iſt die
Barmhertzigkeit Mariaͤ; daß von ſelbiger niemand verſtoſſen werde: Sie
iſt unſere Fuͤrſprecherin bey dem Sohn/ gleich wie der Sohn unſer Fuͤrſpre-
cher iſt beym Vatter: ja ſo gar ſie nimbt ſich unſer an/ und macht unſere Sa-
chen auß bey dem Vatter und Sohn zugleich: und werden offt viele durch
die Barmhertzigkeit der Mutter errettet/ welche von der Gerechtigkeit deß
Sohns wohl moͤgten verdambt werden, dieweilen ſie der Schatz deß HErrn
iſt/ und die Sch[a]tz-Meiſterin der Gnaden Gottes: dann gleich wie am
Firmament deß Himmels/ zwiſchen dem Loͤwen und der Waag/ das Zeichen
der Jungfrauen geſetzt wird; alſo thut die holdſelige Jungfrau Maria zwi-
ſchen dem Loͤwen auß dem Stammen Juda/ das iſt/ zwiſchen Chriſto/ und
zwiſchen der gerichtlichen Waag/ auff welcher alle Menſchen Wercke ſehr
ſcharff gewogen werden/ die Haͤndel derſelben krafft ihrer Fuͤrbitt verſenfften/
und die Schaͤrffe deß erſchroͤcklichen Waag-Meiſters vermitteln. Wie wahr
dieſes ſeye/ zeigt dir zum Theil/ mein Chriſtl. Seel/ die folgende Geſchicht.
Caͤſarius laſſet herkommen von einem Juͤngling/ welcher all ſein Hab und
Gut verſchwendet hatte/ und nachmahlen den boͤſen Feind auß der Hoͤllen
geruffen/ und ſeinen GOtt verlaͤugnet: Mariam aber nicht hat verlaugnen
wollen. Da nun ſelbigen das Gewiſſen truckte/ gehet er zur Kirchen/ wirfft
ſich vorm Altar nieder/ auff dem die Bildnuß deß Heylands in den Armben
Mariaͤ zu ſehen ware. Vor dieſer Bildnuß vergieſſet der arme Menſch
viel bittere Zaͤhren/ wird vor ſeinem GOtt zumahlen ſchamroth/ und bittet
die Mutter deß HErrn mit inbruͤnſtigem Hertzen umb Barmhertzigkeit; ſie
wolle doch ihn/ als den allergrauſambſten Suͤnder aller Suͤnder nicht ver-
werffen/ ſondern ihr Gnadenreiche Augen zu ihm wenden: Sehe/ ſagt er/ an
das Angeſicht deines geliebten Sohns/ O Maria! und nicht umbſonſt. Sin-
temahlen/ da ſelbiger in beharrlichem Seufftzen und Weinen zu betten fort-
fahret/ wird die Bildnuß Mariaͤ zur Stund lebendig/ und verrichtet das
Ambt einer Fuͤrſprecherin bey dem Sohn: Dieſer wendet ſein Angeſicht von
dem Gottloſen und maͤyneidigen Boͤßwicht ab: die Mutter laſſet inzwiſchen
nicht nach/ ſtehet von ihrem Ort auff/ wirfft ſich zur Erden nieder/ und bit-
tet durch ihre Jungfraͤuliche Bruͤſte/ mit denen ſie ihnen Sohn geſaͤuget; und
durch die Liebe/ ſo ſie zu ſelbigem immer getragen/ er wolle doch dieſem ver-
lohr-
[691]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
lohrnen Menſchen ſeine Suͤnden vergeben; dieweilen er/ ſagte ſie/ ſeine Lie-
be gegen mich/ und die mir einmahl gegebene Treu nicht hat zertrennen wol-
len. Sehe/ alsbald hebt der goͤttliche Sohn ſeine Mutter von der Erden auff/
und ſagt: meine Mutter/ ich kan dir nichts verſagen. Und wendet ſich zum
Suͤnder/ nimbt ſelbigen wiederumb in ſeine Gnad/ und verzeyhet ihm ſeine
begangene Suͤnden.
10. Zu dieſem unſerm Vorhaben dienet gar bequemlich/ was der Dau-
roultius von dem heiligen Franciſco meldet. Dieſer heil. Mann hat eins-c. 1. tit. 20
mahls viele Engel und Menſchen auff einer Ebene verſammlet geſehen: und
annebens zwo Laitern/ eine rothe/ auff welcher Chriſtus geſeſſen; und eine
weiſſe/ auff welcher ſich die Allerſeligſte Jungfrau gelehnet hatte. Da nun
die Anweſende die rothe Laiter hinauff ſteigen wollen/ ſeynd ſie bald von Chri-
ſto herunter geworffen/ und befelchet worden/ zur weiſſen Laiter ſich zu ver-
fuͤgen; allwo ſie durch die Mutter GOttes den Zugang zum Himmel gar
leicht erworben haben. Was hat uns durch dieſes Geſicht GOtt anders
bedeuten wollen/ als daß wir in unſern Noͤthen zu der heil. Maria fliehen ſol-
len/ durch dero Fuͤrbitt die Suͤnder am beſten erhoͤret werden? Wir wiſſen/
ſagten vormals die Juden/ das GOtt die Suͤnder nicht erhoͤre. Jch aber
ſage: Wir wiſſen/ das GOtt die Suͤnder auff die Fuͤrbitt der Himmels-
Koͤnigin freylig erhoͤre: zumahlen dieſe Herrſcherin ſo groſſe Gewalt hat/ daß
unmoͤglich zu Schanden werden koͤnne/ den ſelbige mit barmhertzigen Au-
gen anſchauet. Hieruͤber nehme ich/ neben den angefuͤhrten und andern
unzahlbarn Exempeln auß den H. H. Vaͤttern zu Zeugen die treue Diener ſo-
thanen Mutter/ viele andere zu verſchweigen/ den heil. Bonaventuram und
Anſelmum: deren Wort ſeynd: Gleich wie der jenige/ den du/ O
barmhertzigſte Jungfrau verſchmaͤheſt/ und ſich von dir
entfrembdet/ nothwendiger Weiß verderben muß: alſo iſt
unmoͤglich/ daß verderben koͤnne/ den du mit Mütterlichen
Augen anſieheſt/ und zu dir ſich wendet. O troͤſtliche Wort!
Was verlangeſt weiter/ O Suͤnder! wte thueſtu ſo uͤbel/ wie biſtu ſo naͤr-
riſch/ daß du in wahrer Bereuung deiner Miſſethaten zu dieſem Schutz nit
flieheſt! Ach! ach wie manchen Chriſt Glaubigen reuets nicht in den hoͤlli-
ſchen Peynen/ daß er die Verehrung Mariaͤ vernachlaͤſſiget habe/ krafft de-
ren er ſo leichtlich zum Himmel haͤtte kommen koͤnnen!
11. Auff daß du aber/ ſo groſſer Suͤnder du immer biſt/ hinfuͤhro ein
groͤſſeres Vertrauen zu dieſer barmhertzigen Jungfrauen faſſen/
und dich mit allem Ernſt zu ſelbiger kehren moͤgeſt; ſo betrach-
te/ was folget: Nicht vor gar vielen Jahren hat einer in
S ſ ſ ſ 2Hiſpa-
[692]Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Hiſtoria.
Euſeb.
Nirenb.
in Troph.
Mar. L. 4.
c. 3.Hiſpanien ein ſo gottloſes Leben gefuͤhret/ daß er in allen Laſtern/ die Ketze-
rey außgenommen/ gleich wie ein Schwein im Koht/ ſich biß zum End ſeines
hohen Alters geweltzet. Dieſer iſt endlich ſo weit kom̃en/ daß er mit allem Fleiß
nur das jenige verrichtet/ was er wuſte/ das GOtt am allermeiſten mißfaͤllig
waͤre: und in was fuͤr Suͤnden er ſich immer geſtuͤrtzet/ dieſe hat er nur auß pur
lauterem Haß gegen GOtt begehen wollen. Da nun ſelbiger alſo Spoo-
ren Streichs zur Hoͤllen geeilet/ hat ihn die Mutter der Barmhertzigkeit auff-
gehalten/ dero er einige gar geringe Dienſten erwieſen hat. Selbige hat ſich
dem unver gleichlich verſtockten Suͤnder in der Nacht/ da er in ſeinem Bett
gewachet/ ſichbarlicher Weiß/ mit einer ungemeinen Eingezogenheit gezei-
get/ und mit uͤber auß mitleidigen Augen angeſchauet/ und iſt alsbald wie-
derum verſchwunden. Jn ſelbigem Augenblick hat der gottloſe Suͤnder
ſein gantzes Leben ſo klar und ordentlich zu erkennen bekommen/ daß er alsbald
ein ſehr groſſe Reu empfunden: und/ obwohln er wegen ſo abſcheulichem Le-
ben/ unaußſprechlich ſehr bey ſich ſelbſten ſchamroth worden; ſo hat er dan-
noch den Muth nicht fallen laſſen; ſondern hat bey anbrechendem Tag einen
Prieſter auß dem Collegio der Societaͤt JEſu beruffen laſſen/ dem er den
Verlauff ſeines gantzen Leben ſo ordentlich und außfuͤhrlich gebeichtet/ daß
kein Theologus nach vieljaͤhriger angewendeter Erforſchung ſelbiges klaͤrli-
cher und genauer haͤtte thun koͤnnen. Nachdem er nun drey Stund lang
gebeichtet/ iſt er vom Prieſter loßgeſprochen worden; und hat die Zeit ſeines
uͤbrigen Lebens in ſolcher Ubung aller Tugendten zugebracht/ daß ſich alle
Menſchen daruͤber entſetzt haben. Jn dem er aber vom Beichts-Vatter
gefragt worden/ ob er wohl die Mutter GOttes jemahlen in ſeinen Leb-Zei-
ten verchret habe/ hat er geantwortet/ daß er ſich keiner Verehrung erin-
nere/ als daß er taͤglich ein Ave Maria derſelben zu Ehren geſprochen habe.
12. Dieſer iſt in warheit ein herrlicher Lohn fuͤr ein eintziges taͤgliches
Ave Maria. Sollen wir allhier nicht mit Freuden außſchreyen: O groſſe
Mutter! O du unerſchoͤpffliches Meer der Erbarmung! du biſt warhafftig
ein Zuflucht auch der allergroͤſten Suͤnder/ O Maria! Was iſt das fuͤr ein
Barmhertzigkeit? Wie unvergleichliche Gnad iſt dieſe/ ſo du dem allerab-
ſcheuligſten Suͤnder erwieſen haſt? Was haſtu Allerreineſte Jungfrau mit
alſolchen grauſamben Wuſt der Laſter zu ſchaffen? Was gehet dich/ O
Mutter GOttes/ an/ ein ſo geſchworner Feind GOttes? Wer kan ſich
allhier enthalten/ daß er nicht bey dem heiligen Bonaventura uͤberlaut ruf-
In Pſalt.
B. V. Pſ. 39fe: O himmels Herrſcherin! deine Gaaben ſeynd viel und wunderbar-
lich: die Geſchencke deiner Gnaden ſeynd unvergleichlich. Du haſt erhoͤrt
das
[693]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter Gottes Mariaͤ.
das wenige Gebettlein deß groſſen Suͤnders/ daß er mehr mit den Lefftzen
allein/ als mit dem Hertzen geſprochen/ und haſt ihn auß der Gruben der
hoͤchſten Armſeligkeit/ und auß dem Graben deß Feinds errettet. O was ein
Graben/ wie tieffe Gruben/ in welche den Suͤnder ſeine Boͤßheit verſencket!
auß dieſer Gruben/ auß dem Schlund der Hoͤllen/ auß der grauſamen Oeff-
nung der ungluͤckſeligen Ewigkeit haſt du/ O allerguͤtigſte Mutter/ herauß-
gezogen die Seel/ ſo dem Teuffel bereits gewidmet ware/ und haſt ſelbige dem
Himmel verwahret! wem ſoll ich dich O Jungfraͤuliche Mutter verglei-
chen? ſoll ich nicht ſagen/ daß du ſeyeſt eine andere Arcke Noe? zumahlen du
von der Suͤnd-Flut deß ewigen Verderbens nicht allein erhalteſt den Men-
ſchen; daß iſt/ die jenige/ ſo da wohl und froͤmlich leben/ wie ſichs einem Men-
ſchen geziemet; ſondern nimbſt auch an die unvernuͤnfftige Thier/ die grau-
ſame Loͤwen/ die ſtinckende Boͤck; daß iſt/ allerhand groſſe Suͤnder/ dieſe ver-
wirffſt du nicht/ wann ſie zu dir kommen/ ſondern beſchuͤtzeſt und labeſt ſelbige;
daß alſo niemand laͤugnen kan/ du ſeyeſt eine Zuflucht aller Suͤnder: Dahero
redet dich dein getreuer Diener Bernardus alſo recht an/ und ſagt: Du/ O
Maria/ haſt kein Greuel auch fuͤr dem allerheßlichſten Suͤnder/ du verſchmaͤ-
heſt ihn nicht/ wann er zu dir ſeufftzet/ und deine Fuͤrbitt mit andaͤchtigem
Hertzen begehret: du zieheſt ihn mit deiner milten Hand auß der Tieffe der
Verzweiffelung; du heileſt ihn mit der Artzney der Hoffnung/ und haſt Ach-
tung auff ihnſo lang/ biß du den armſeligen dem erſchroͤcklichen Richter ver-
ſoͤhneſt. Seynd dieſe nicht uͤber Hoͤnig ſuͤſſe/ und zwar von einem ſo vorn[e]h-
men Kirchen-Lehrer geſprochene Wort? Wer will dann nicht eilen/ in ſeinen
Noͤthen und Gefahren zu dieſer holdſeligen Mutter zu fliehen/ indem er ver-
ſichert iſt/ daß ſelbige deren/ ſo ihre Zuflucht zu ihr nehmen/ ſich nicht koͤnne
nicht erbarmen; dieweilen ihre Erbarmungen uͤber alle ihre Werck ſeyrd.
13. Nachdeme nun/ mein Chriſtliche Seel/ die unerſchoͤpffte Barmher-
tzigkeit Mariaͤ gehoͤret haſt; koͤnte dir gar leicht in die Gedancken kommen/
ob dem alſo ſeye/ was in der nechſt vorhergehenden Lection von der wenigkeit
der Seeligen iſt angezogen worden: dan ſo daß wahr iſt/ was von der Barm-
hertzigkeit und Fuͤrbitt dieſer allerheiligſten Jungfrauen gemeldet worden; ſo
wird fuͤrwahr keiner von den Glaubigen deß ewigen Todts leichtlich ſterben.
Und dieſes iſt der Lection von der Wenigkeit gerad zuwider: zumahlen keiner
auß der Zahl derſelbigen an ſeine Seeligkeit ſo wenig gedencket/ daß er nit ein
eintziges Ave Maria zu Ehren dieſer glorwuͤrdigen Mutter ſprechen wuͤrde:
So antworte ich dann/ und ſage/ daß vielmahlen ein ſolches kurtze Gebettlein/
ſo mit einem auffrichtigen und andaͤchtigen Hertzen geſprochen wird/ die
S ſ ſ ſ 3Mutter
[694]Die Drey und fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Mutter der Barmhertzigkeit zu gewinnen/ kraͤfftiger ſeye; als hundert und
tauſend andere/ ſo mit unbedachtſamkeit/ und gleich den Wuͤrffeln dahin ge-
worffen werden. Dieſes hat erfahren ein Weib/ ſo mit Andacht/ wie ſie ver-
meinte/ der Mutter GOttes ergeben ware: ſelbige hat zu jedem Engelliſchen
Gruß/ ein Steinlein in ein groſſes Faß geworffen/ da ſie nun ſelbiges beſag-
ter maſſen erfuͤllet/ iſt der Schuͤtz-Engel zu ihr kommen/ mit Bericht/ daß
auß allem dieſem Hauffen der Steinlein/ nur ein eintziges den Werth eines
weiſſen Steinleins verdienet habe. So viel iſt daran gelegen/ daß die An-
dacht zu der allerſeligſten Jungfrauen mit einer wahren Kindlichen Nei-
gung verrichtet werde: dahero erfahren wir/ daß zu zeiten die groͤſte Suͤn-
der durch einen eintzigen hertzlichen Seufftzer die Barmhertzigkeit GOttes
ſich erwerben; dann ſelbiger ſicht nicht an wie viel wir guts thun/ ſondern
wie wohl wir dieſes thun. Wir wiſſen/ wie kraͤfftig geweſen ſeye dieß kur-
tze Gebett deß geeroͤnten Propheten: Peccavi:Jch hab geſündiget:
Auch lehret uns die Heyl. Schrifft/ daß der gute Schaͤcher am Creutz mit
dieſen wenig Worten gedenck meiner: die ewige Seeligkeit erlangt ha-
be. Weiters ſeynd wir auch in Erfahrung kommen/ daß der oͤffentliche Suͤn-
der durch dieſe Wort: Herr ſeye mir Sünder gnaͤdig: gerechtfer-
tiget nach Hauß gangen ſeye: und der verlohrne Sohn hat auch durch dieſe
ſeine demuͤthige Bekaͤn[t]nuß: Vatter/ ich hab in den Himmel ge-
ſündiget/ und vor dir: bey ſeinem Vatter Pardon erhalten: ſinte-
mahlen durch ſolche inbruͤnſtige Wort/ theils unſere Suͤnden alsbald vernich-
tiget werden: theils auch die bequeme Zubereitung der Bußfertigkeit erlanget
Rom. 5.wird/ zur Beſtaͤttigung der Apoſtoliſchen Worten: Wo die Sündeů-
berhand genommen hat/ da iſt auch die Gnade ůber-
ſchwenglich groͤſſer worden.
14. Derhalben obwohl viele Chriſtglaubige gefunden werden/ ſo ſich in
Verehrung der Mutter Gottes vielfaͤltiglich uͤben: groſſe Gebett verrichten;
den Pilgerfahrten beywohnen/ und anſehnliche Opffer thun: ſo ſeynd deren
doch/ leider Gottes! offt ſehr wenig/ welche die Gnad der allerſeligſten Jung-
frauen gewinnen: ich ſage/ ſehr wenig; weilen der meiſte Theil mit kaltem
Hertzen/ mehr auß Gewonheit/ Neuſchirigkeit/ und ohne kindliches Ver-
trauen/ dergleichen Andachten begehet: dahero iſt kein Wunder/ daß ſo ſehr
wenige der marianiſchen Huͤlff genieſſen: Darneben werden auch viele gefun-
den/ welche ſich zwarn in vielen Abtoͤdtungen zu Ehren dieſer Mutter uͤben;
leiſten aber ſelbiger dadurch ſehr geringe Dienſten: derowegen koͤnnen auch
dieſe fuͤr keine wahre Verehrer der Jungfraͤulichen Mutter gehalten werden.
Es ſeynd aber ſolche/ ſo da mit unreinem Hertzen dieſe Himmels-Herſcherin
dienen
[695]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
dienen: Dieſe ſollen gedencken an jenen marianiſchen Liebheber/ welcher der
Gottes Gebaͤhrerin zu Gefallen/ viele gute Werck/ und ſehr anſehnliche Tu-
genden zu uͤbenpflegte; den innerlichen Stand ſeiner Seelen aber wenig ach-
tete: Wie aber dieſe Weiß zu leben der Mutter GOttes mißfallen habe; daß
hat ſich alſo in der That erwieſen. Da dieſer Juͤngling mit einer unverſehe-
nen Kranckheit uͤberfallen worden/ iſt die Mutter deß Herrn zu ihm kommen/Hiſtoria.
als wan ſie den Krancken troͤſten wolte. Nach vollendetem einigen ſuͤſſen Ge-
ſpraͤch/ hat ſie ſelbigem ſehr ſchoͤne Fruͤchten/ aber in einer uͤber auß unſaubern
Schuͤſſel præſentirt: indeme ſich nun der Krancke daruͤber verwundert/ und
die Urſach ſolcher Ungleichheit gefragt: hat er zur Antwort bekommen/ daß ſei-
ne gute Wercke denen Fruͤchten; ſein unreines Hertz aber der Schuͤſſel gleich
ſeye: derhalben/ ſagt die allerſeligſte Mutter/ iſt mir ſelbiges Hertz alſo zu wi-
der/ wie dir die Schuͤſſel ein grauſen macht. So reinige vorhero deine Seel/
ehe du mir deine Werck opffereſt/ wofern du wilſt/ daß meinem Sohn und
mir ſelbige gefallen ſollen. Jſt nicht dieſes ein helles Zeugnuß/ krafft deſſen
wir unterrichtet werden/ wie wir uns in dem Dienſt Mariaͤ zu verhalten ha-
ben? was iſt ein Gebett/ ſo da herkombt auß einem unſaubern Hertzen? was
iſt ein koͤſtlicher Wein in einem unflaͤtigen und abſcheulichen Geſchirꝛ? was
ſeynd auch die koſtbahriſte Speiſen in einer ungewaſchenen und koͤthigen
Schuͤſſel? Lob in deß Sůnders Mund/ ſagt der weiſe Mann/ iſt
nicht fein. Die Meinung der allerſeligſten Jungfrauen hat der H. Joan-Eccli. 15.
v. 9.
nes Damaſcenus mit dieſen Worten meiſterlich erklaͤret: Sie verflucht/
ſagt er/ die Fraͤſſigkeit/ ſie fliehet die unreine Gedancken nicht
anders/ als wir die gifftige Schlangen meiden; unkeuſcheIn Ser.
de Dor-
mit.
Virg.
Reden und Zorn haſſet ſie; ſie nimbt keine Mißgunſt an/
und der Hoffart widerſetzet ſie ſich mit feindlichem Gemůt:
troll dich derhalben hinweg/ du ſchaͤdliche Sicherheit zu
ſündigen: mache ein End/ ſagt der H. Gregorius/ im Willen zu
ſůndigen; ſo wirſt du Mariam bereit finden dir zu helffen.L. 1. Ep.
47.
Dieweilen aber ſehr wenig Catholiſche die Gewonheit zu ſuͤndigen gaͤntzlich
verlaſſen; ſo iſt kein Wunder/ daß ſie die Barmhertzigkeit dieſer glorwuͤrdi-
gen Mutter nicht finden/ indem ſie ihnen ſelbſten durch ihr ſuͤndiges Leben
im Weeg ſtehen.
15. Wie viel werden auch nicht gefunden/ ſonderbahr unter den Geiſtlichẽ/
welche zum Anfang ihrer Bekehrung/ weiß nicht/ was/ und wie groſſe Dinge
zu Ehren dieſer holdſeligen Mutter zu verrichten ſich vornehmen;
nach
[696]Die Drey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
nach verfloſſenen wenig Jahren aber die gewoͤhnliche Ubungen verlaſſen. Wie
koͤnnen ſolche uͤber die Fuͤrbitt Mariaͤ ſich Hoffnung machen/ indem ſie ſich
von ſelbiger zum erſten entfrembden? Maria verlangt keinen wancklenden
und traͤgen/ ſondern einen beſtaͤndigen und eifferigen Liebhaber. Wie hoch
wurde von ſelbiger nicht gehalten der H. Edmundus? und gleichwohl iſt die-
ſer von ſeiner glorwuͤrdigen Koͤnigin einsmahls ſcharff hergenommen wor-
den/ daß er ſein gewoͤhnliches Gebett einen eintzigen Tag vernachlaͤſſiget hat.
Der gottſelige Thomas à Kempis, da er ebenfalls ſein taͤgliches Gebett zu der
Mutter Gottes einmal unterlaſſen/ hat er geſehen/ daß ſelbige uͤber das Dor-
mitorium gangen/ und einem jeden den Seegen ertheilet hat: da ſie aber zu ſei-
nem Zimmer kommen/ hat er vermerckt/ daß ſie ihn gar ſcharff angeſehen/ und
alſo ſeiner Nachlaͤſſigkeit erinnern wollen: auß dieſem Geſicht iſt der from-
me Diener dermaſſen bewegt worden/ daß er von ſelbigem Tag an/ biß zum
End ſeines Lebens/ die gewoͤhnliche Gebett zu Ehren ſeiner Mutter zu ſpre-
chen niemahl unterlaſſen hat. Ein anders iſt dem ſeel. Joſepho Hermanno
Præmonſtraten ſer Ordens widerfahren: dann da ſelbigem von ſeiner Obrig-
keit das Ambt deß Sacriſtanen zu verrichten anbefohlen worden/ und wegen
vielfaͤltiger Geſchaͤfften/ die gewoͤhnliche Ubungen zu der Mutter Gottes
einige Tag unterlaſſen hat/ hoͤret er einsmahls zur Abends-Zeit ein ſonderli-
ches Getuͤmmel an der Kirch-Thuͤren/ und da er hinzu nahet/ findet er ein al-
tes beruntzeltes und uͤbel gekleidetes Weib: indem nun ſelbiges zu reden an-
fangt/ erkennet der gute Joſephus die Stimm der allerſeligſten Jungfrauen/
mit welcher er vorhin vielfaͤltige Gemeinſchafft gepflogen: verwundert ſich
derhalben uͤber ſolche ſeltzame Neulichkeit/ und erkuͤhnet ſich zu fragen/ was
doch dieſe wunderbarliche Aenderung bedeute? da gibt ihm die Mutter Got-
tes zur Antwort/ und ſagt: Ein ſolche bin ich Joſephe/ in deinem Hertzen/ wie
du mich allhier euſſerlich ſieheſt: dann jetzt gelte ich nichts mehr bey dir/ wei-
len du mich zu lieben und zu verehren haſt nachgelaſſen/ nach dieſen Worten
iſt ſie verſchwunden.
16. Wann nun mein Chriſtliche Seel/ ſo geringe Nachlaͤſſigkeit von der
allerſeligſten Jungfrau ſo hoch iſt empfunden worden; wie wird dann ihre
Treuloſigkeit ſo uͤbel außgedeutet werden/ welche viel zu Ehren dieſer goͤttli-
chen Mutter zu thun verſprochen haben/ und wenig halten! freylich konten je-
ne Mitbruͤder der marianiſchen Bruderſchafft ohne Suͤnde das gewoͤhnliche
In ſo dal.
Parthen.
l. 3. c. 2.Bruderſchaffts Gebett einmahl außgelaſſen: wie iſts ihnen aber ergangen?
da dieſe beyde auffm Fluß Pado lavirten/ kommen ſie zugleich in die euſſerſte
Lebens
[697]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
Lebens-Gefahr; der aber ſein gewoͤhnliches Bruderſchaffs Gebet denſelben
Tag verrichtet hatte/ wird von der Mutter GOttes ſichbarlicher Weiß
errettet; der ander aber gehet zu Grund/ und muſt noch dieſen Verweiß von
der Mutter der Barmhertzigkeit hoͤren: Du wareſt nit verbunden/
mich zu verehren; nun bin ich auch nicht verbunden/
dir zu helffen. Alſo koͤnnen wir uns allhier der Wort deß H. Thomaͤ
gebrauchen/ und ſagen: Wie wir dich verehren/ alſo beſucheſtu
uns. Billig und abermahl billig erhalten ſelbige in ihrer letzten Stund
keine Gnad von der holdſeeligen Mutter/ welche in ihren Leb-Zeiten die
Gelegenheiten/ ſelbige zu verehren verabſaumet haben: und obwohlen dieſe
gewaltige Koͤnigin ihre groſſe Macht vielmal/ auch an den allergroͤſten Haupt
Suͤndern erzeigt hat; ſo iſt ſolches darumb zum meiſten geſchehen/ auff daß
keiner/ ſo dieſes gehoͤrt hat/ in den vorfallenden euſſerſten Gefahren der See-
ligkeit verzweifflen ſolle: und damit du mit mir der Standhafftigkeit
in der Verehrung Mariaͤ erinnert wuͤrdeſt. Dann dieſes halte ich
fuͤr gewiß/ daß der jenige/ ſo nur ein eintziges Ave Maria taͤglich zu betten
verſprochen hat/ mehr Gnaden bey dem Brunnen der Gnaden erwerbe/
wann er ſeinem Verſprechen fleiſſig nachkomme; als der jenige/ welcher
alle Tag einen Roſen-Krantz zu betten gelobet hat/ und ſelbigen offt unter-
laſſet: zumahlen ſehr zu preiſen iſt die Beſtaͤndigkeit/ auch im wenigem.
17. Dieſes iſt nun von der Beſtaͤndigkeit im Dienſt Mariaͤ gemeldet.
So viel aber die Barmhertzigkeit derſelben Jungfrauen belanget/ ſeynd ley-
der! ſehr viele/ welche ſich ſelbige in lauter Gifft veraͤndern/ in dem ſie ge-
dencken/ und alſo bey ſich ſelbſten ſchlieſſen: die Mutter GOttes iſt barm-
hertzig/ dieſe hilfft auch den groͤſten Suͤndern auß der Noth/ wann ſie ſel-
bige nur in ihren Noͤthen anruffen; dieſe heilige Jungfrau wird mich auch
nicht verlaſſen/ wann ich ſchon ein groſſer Suͤnder bin/ und immer in Suͤn-
den lebe; ich ſetz mein Vertrauen auff die Mutter GOttes/ eine Mutter
der Barmhertzigkeit. Und alſo fahren ſie fort in ihrem boͤſen Leben/ und
ſuͤndigen groͤblich in die Barmhertzigkeit Mariaͤ. Solche Verehrer Ma-
riaͤ verdienen keine Barmhertzigkeit: und ob wohl dieſe groſſe Koͤnigin der-
gleichen groͤſte Suͤnder vermoͤg einer gar geringen Verehrung mit ihren
barmhertzigen Augen hat angeſchauet/ und denſelben bey GOtt Gnad er-
halten hat: ſo iſt doch dieſe eine abſonderliche Gnad/ und ungewoͤhnliche
Barmhertzigkeit geweſen/ ſo auch dem hunderſten/ ja tauſendſten nicht ver-
liehen wird/ nach dieſer gemeinen Regul der Rechts-Gelehrten: Auß der
Gnade/ ſo einem widerfahren iſt/ muß man keinen Schluß machen/ daß
ſelbige auch andern gebuͤhre: alſo muͤſſen wir die Gnad/ ſo einem Suͤn-
T t t tder
[698]Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
der von der Mutter der Barmhertzigkeit erwieſen iſt/ nicht auff andere
Suͤnder außbreiten; ſondern daß unſrige thun/ und alsdann noch in Forcht
und Zittern dieſe gnaͤdige Helfferin umb Barmhertzigkeit erſuchen. Beſſer
iſts/ daß nur einigen gar wenigen dieſe ſonderbahre Gnad widerfahre/ als
vielen/ dieweilen alſo die Hoffnung der wahren buͤſſenden Suͤnder mehr ge-
ſtaͤrcket/ und das Vertrauen der Kleinmuͤtigen zu der glorwuͤrdigen Mut-
ter vermehret wird. Auch wird durch ſothane groſſe erwieſene Barmher-
tzigkeit Mariaͤ die Andacht derſelben Schutz-Kinder mehr enttzuͤndet/ und
alſo beſtaͤndiger erhalten/ in dem ſie dieſen Schluß machen: Wann das
widerfahren iſt den Feinden GOttes/ ſo werden die Freund deſſelben und be-
ſtaͤndige Verehrer Mariaͤ noch ein mehreres zu hoffen haben.
18. Wann du dieſes wohl betrachteſt/ ſo wirſtu dannoch finden/ wahr
zu ſeyn/ daß der meiſte Theil der Chriſtglaubigen verdambt werde; ſinte-
mahlen ſehr viele durch ihr eigene Schuld verhindern/ daß ſie der Mariani-
ſchen Guͤnſten nicht theilhafftig werden. Die Naturaliſten ſagen/ daß
bey der Froͤhlings-Zeit/ wann die Sonn ſcheinet/ ein himmliſcher Tau ſich
uͤber das Meer außbreite/ und alſo die Muſcheln eroͤffnet werden; welche
die Troͤpfflein deß Thaus empfangen/ und ſelbige in Perlen verwandlen und
verhaͤrten: die Huͤlſen aber ſo ſich nicht eroͤffnen/ werden mit keinen Perlen
beſruchtet. Ein ſolche iſt Maria/ welche den Thau ihrer muͤtterlichen
Gnaden uͤber die gantze Welt außgieſſet: der nun dieſen himmliſchen Thau
nicht annimbt/ kan auch die koſtbare Frucht der Tugenten nicht gebaͤhren.
Dieſer kan nicht der barmhertzigen Mutter; ſondern muß ſich ſelbſten die
Schuld auffmeſſen/ daß er mit der Schlaffſueht ſeiner Suͤnden uͤberfallen/
die Laden ſeines Hertzen dieſer Marianiſchen Sonn nicht eroͤffnet habe; damit
die Finſternuß der Laſtern vertrieben wuͤrden/ und alſo dem Tag der hellſchei-
nenden Gnade heran zu kommen erlaubet wurde. Dahero werden unzahl-
bare Chriſtglaubige/ wie oben geſagt iſt/ dieſes ſehr/ aber zu ſpaͤt beklagen/ daß
ſie dieſe allerbequemſte Gelegenheit zur Seeligkeit zu gelangen vernachlaͤſſi-
get haben. Auff daß dir aber eben ſelbiges nicht widerfahre/ ſo folge der Lehr
deß H. Bernardi; deren Jnhalt dieſer iſt: damit du der Fuͤrbitt Mariaͤ zur
Freud und Troſt deines Hertzen genieſſeſt/ ſo erwerbe dir/ ſo viel dir moͤglich
iſt/ die Tugenten dieſer Allerheiligſten Jungfrauen/ wie du in den vorher-
gehenden Lectionen biſt gelehret worden. Du wirſt dir aber dieſe glorwuͤr-
dige Mutter hoͤchlich verbinden/ wann du folgenden meinen Rath wirſt be-
obacht und werckſtellig gemacht haben. Mache dir ein Buͤchlein/ und nehme
dir
[699]Von Verehrung der Allerſeel. Mutter Gottes Mariaͤ.
dir veſtiglich fuͤr/ daß du alle die Tage deines Lebens ein ſonderbahres tugent-
ſames Werck oder mit den Gedancken/ oder mit den Worten/ oder mit der
That zu Ehren der Himmels-Koͤnigin uͤben wolleſt. Dieſes Werck ver-
zeichne in obgemeldtem Buͤchlein gar kuͤrtzlich; und opffere alle dieſe Werck
der Tugenten deiner gebenedeyteſten Mutter alle Jahr ein ihren fuͤrnehmſten
Feſtaͤgen/ und erneuere alsdann wiederumb dieſe deine loͤbliche Andacht. Als-
dann wirſtu in der That erfahren/ daß du durch Huͤlff dieſer Allerſeeligſten
Jungfrauen in aller vollkommenheit gluͤcklich fortſchreiten werdeſt: dann
was dir ſonſten ſehr ſchwaͤr vorkommet/ das fallet dir vermoͤg dieſer Andacht
zur Mutter GOttes gar leicht. Was iſt/ zum Exempel/ ſchwaͤrer/ als
denen/ die dich beleidigen/ und dir Unbill zufuͤgen/ von Hertzen verzeihen/
und fuͤr ſelbige betten? ſolches aber wird dir erfreulich vorkommen/ wann
du alſo in deinem Buͤchlein auffzeichneſt: Heut hab ich zu Ehren der Mut-
ter GOttes/ dieſem oder jenem nicht allein von Hertzen vergeben; ſon-
dern ich hab noch darzu fuͤr ſelbige ſo und ſo viel gebettet. Auff ſolche
weiß wirſtu deine Maͤngel auß dem Feld deines Hertzen mit der Wurtzel
außrauten/ und die Tugenten darfuͤr einpflantzen. Nimbt derhalben
an/ mein Chriſtliche Seel/ dieſes wenige/ ſo ich dir von der Vereh-
rung der holdſeeligen Mutter ins gemein verzeichnet hab: dein eigener
guter Will wird dir verhoffentlich zu einem
mehrern antreiben.
Die
[700]Lection
Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche
LECTION
Von
Verehrung der Heiligen.
1. WArumb unſer Heyland uns ermahne/ daß wir uns Freunde machen
ſollen/ koͤnnen wir leichtlich erachten. Dann weilen wir linck-
und rechtwerts/ und von allen Seiten von unſern Feinden/ nem-
lich der Welt/ dem Fleiſch und dem Teuffel angefochten werden/ und unſere
eigene Kraͤfften/ denſelben zu widerſtehen/ nicht beſtand ſeynd; ſo iſt noͤthig/
daß wir andere maͤchtigere Freunde zu Huͤlff ruffen. Dieſe aber ſeynd die
gluͤckſeeligſte Einwohner deß himmliſchen Vatterlands/ welche wir mit ſte-
tem Anruffen/ und andaͤchtiger Verehrung zu Freunden machen muͤſſen/
wann wir den mit allerhand gefaͤhrlichen und toͤdtlichen Stricken belegten
Weeg zur Seeligkeit ungehindet paſſiren wollen. Dieweilen nun ſelbige
dieſe ſchlimme Straſſen ebenfals vor uns gewandert ſeynd/ ſo wiſſen ſie am
beſten/ in wie groſſe Gefahren dieſe Pilgramb immer ſchweben: und in dem
ſie nichts ſo ſehr/ alseben das Heyl deß annoch ſtreitenden Menſchen ſuchen;
ſo ſeynd ſie allzeit fertig und bereit denen die huͤffliche Hand zu biethen/ die
eines guten Willens ſeynd/ und ſich ihrer Vorbitt bey Gott erwerbẽ. Dahero
laſſet uns glaubẽ/ daß von allen Heiligen und Außerwaͤhltẽ Gottes geſagt ſeye/
was der heilige Bernardus von den H. H. Engelen geſagt hat. So offt dir
eine ſehr ſchwaͤre Anfechtung/ oder widerwaͤrtigkeit zu-
In Pſal.
Qui hab.ſtoſſet/ ſo ruffe an deinen Schutz-Engel (deinen Patro-
nen) deinen Fůhrer zu gelegener Zeit in der Trůbſall.
Sie
[701]Von Verehrung der Heiligen.
Sie ſeynd maͤchtig ſagt er/ ſie ſeynd treu und klug/ was ha-
ben wir uns dann zu foͤrchten: laſſet uns ihnen nur allein
folgen/ laſſet uns ihnen anhangen/ und im Schirm Gottes
und deß Himmels bleiben.
2. Wie eifferig nun dieſe Heilige GOttes ſich unſer annehmen/ und fuͤr
uns wachen/ wann wir ſelbige verehren/ kanſt du/ mein Chriſtliche Seel/ auß
folgender Hiſtori lernen. Ein ſicher frommer Biſchoff hat unter andern ſei-Hiſtoria.
nen Andachten auch eine ſonderliche Affection zu dem H. Apoſtel Andreas:
Nun geſchichts/ daß der boͤſe Feind den gottſeligen Mann in eine Unzucht zu
ſtuͤrtzen ſich bemuͤhet/ derhalben nimb er die Geſtalt eines ſchoͤnen Maͤgdleins
an/ und kombt zu ſelbigem ſeine Suͤnden zu beichten/ und ſagt gleich zu An-
fang der Beicht/ ſie ſeye von Koͤniglichem Stammen gebohren/ und habe
Gott ihre Jungfrauſchafft verſprochen: und damit ſie ſelbige erhalten/ und
nicht von ihrem Vatter gegen ihren Willen verheiratet werden moͤge/ habe ſie
ſich heimlich darvon gemacht/ und zu ihme ſeine Zuflucht genommen: Da
dieſes der fromme Biſchoff gehoͤret/ hat er ſelbiger auß Chriſtlichem Mitlei-
den in ſeinem Hauß den noͤthigen Unterſchleiff verſchaffet/ auff daß ſie GOtt
daſelbſt ungehindert dienen koͤnte/ und hat ſie auch zu ſeiner Tafel/ die er fuͤr
ſolche Koͤnigliche Perſohn beſſer zurichten laſſen/ eingeladen: ſie aber hat ſich/
umb den Biſchoff deſto leichter zu gewinnen/ mit aller Eingezogenheit und
Hoͤfflichkeit entſchuldiget/ und geſagt/ ſie ſeye befoͤrchtet/ daß vielleicht geken-
net/ verrathen/ und zu ihrem Vatter wiederumb gefuͤhret werde: nachdem
aber der Biſchoff ſie verſichert/ daß in geheimb bey ihm verbleiben wuͤrde/ hat
ſie ſich uͤberreden laſſen/ und iſt mit zu Tiſch geſeſſen; und hat mit liebkoſen-
den Worten und holdſeligem oͤfftern Anblick ein ſo groſſes Feuer der unrei-
nen Liebe im Hertzen deß Biſchoffs erwecket/ daß er auch umb Gelegenheit
zu ſuͤndigen ſich umbgeſehen: Jnzwiſchen hat ein Frembdling an deſſen Hauß
ſich anmelden laſſen/ uͤber welchen er ſich entruͤſtet/ da er ihn in ſolehem ſeinem
Vorhaben gleichſamb verſtoͤrete: der eingeladene Gaſt hat auch darzu gera-
then/ daß er den ungeſtuͤmmen Frembdling abweiſen ſolte: der Biſchoff aber
wurde innerlich ermahnet/ daß er einem Frembdling die erſuchte Herberg nit
weigern muͤſſe: indem er nun in dieſem Zweiffel/ fragt er das Maͤgdlein/
was er thun ſolle: dieſe ſagt alsbald: wann der Frembdling auff meine
Fragen bequemlich antworten wird/ ſo wird er muͤſſen herein gelaſſen wer-
den: wann nicht; ſo ſoll geſchwind hinweg gewieſen werden: laſſet der-
T t t t 3halben
[702]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
halben fragen: was am meiſten zu verwundern ſeye/ daß GOTT in
einer geringen Sache gewircket habe? der Fr[a]nbdling gibt zur Antwort/
daß dieſes ſeye der Unterſcheid der menſchlichen Angeſichter: Sintemah-
len von Anfang der Welt kein zween ſeynd gefunden worden/ die ſich in
der Geſtalt gantz und zumahlen gleich geweſen waͤren: Hierauff begehrt
die Koͤnigliche Tochter/ er ſolle ihr auch dieſen Knoden auffloͤſen: An
welchem Orth die Erd hoͤher ſeye/ als der Himmel? der Frembdling
gibt zur Antwort/ und ſagt; daß dieſes geſchehe/ allwo die Seeligen
ihren Sitz haben/ und die Menſchheit CHRJSTJ zur Rechten deß
Vatters ſitzet: uͤber allſolche kluge Antworten verwundern ſich alle Hauß-
genoſſen mit dem Biſchoff: Das Maͤgdlein ſtellet endlich die dritte Frag
daher/ wie weit nemblich die Erd vom Himmel abgelegen ſeye? hier auff
antwortet der Frembdling/ und ſagt; gehe du zu dem/ der dich hierhin
geſandt hat/ und fragt den ſelbiges: dann der weiß am beſten dieſen Be-
griff/ den er gemeſſen hat/ da er vom Himmel in die Tieffe der Hoͤllen
iſt geſtuͤrtzet worden: Dieſes/ ſagt der Frembdling/ iſt kein Weibs-
bild/ ſo dieſe Fragen vorſchlaget; ſondern ein hoͤlliſcher Boͤßwicht/ wel-
cher zur Verfuͤhrung deß guten Biſchoffs/ die Geſtalt eines Maͤgdlein
an ſich genommen hat: da dieſe Unterrichtung der Diener zum Tiſch ge-
bracht; hat der Teuffel ungern geſehen/ daß ſein Argliſt entdecket wor-
den/ derhalben iſt er augenblicklich verſchwunden: und der Frembdling
hat ſich auch weiters nicht ſehen laſſen: Nachmahlen hat GOTT auff
vielfaͤltiges Anhalten deß Biſchoffs/ demſelben offenbahret/ daß allſol-
cher Frembdling der H. Andreas geweſen ſeye/ ſo die euſſerſte Gefahr deß
Verderbens von ſeinem Schutz-Kind abgewendet hat.
3. Hierauß kanſt du ſchlieſſen/ mein Chriſtliche Seel/ wie groſſe
Sorg die Buͤrger der himmliſchen Statt Jeruſalem fuͤr die jenige tragen/
von denen ſie verehret und angeruffen werden. O wie manchmahl wuͤrden
wir in ſehr groſſe Suͤnden fallen/ wann uns nicht ſelbige beſchuͤtzen thaͤten!
Es wird einsmahls die Zeit heran kommen/ daß wir klaͤrlich ſehen wer-
den (ſo vor unſern Augen anjetzt verborgen iſt) was maſſen unſere H. H. Pa-
tronen von hunderterley Gefahren der ewigẽ Verdamnuͤß uns errettet haben.
Dann/ wer kan laͤugnen/ daß der vorgemeldte Biſchoff zu Grund gan-
gen waͤre/ wann nicht der H. Andreas in Geſtalt eines Frembdlings/ die
vermeinte Koͤnigliche Princeſſin vertrieben haͤtte? Die Heilige GOttes
ſeynd nicht allein nicht undanckbahr fuͤr die Ehr/ ſo ihnen von uns erwie-
ſen
[703]Von Verehrung der Heiligen.
ſen wird; ſondern laſſen ſich auch von keinen unſern Wolthaten uͤberwin-
den. Gluͤckſelig iſt der jenige/ welcher ſich ſo gewaltige Patronen allhier
auff Erden zu Freund machet/ von denen er in allen ſo wohl Leibs als der
Seelen Widerwaͤrtigkeiten/ ſicherlich kan geholffen werden. Da zu Zei-
ten deß ſeeligen Laurentii Juſtiniani Patriarchen zu Venedig/ die Maylaͤn-
der mit den Venetianern einen ſehr blutigen Krieg fuͤhreten/ hat einer die-
ſer letzten einen frommen und heiligmaͤſſigen Einſidler/ ſo mit dem Geiſt der
Weiſſagung begabet ware/ gefragt: welcher Theil von dieſen beyden die
Schlacht gewinnen werde: hat aber zur Antwort bekommen/ daß GOtt
uͤber die Venetianer ſehr erzuͤrnet ſeye/ dieweilen bey ſelbigen/ auff ſo
vielfaͤltige geſchehene Ermahnungen keine Beſſerung erfolge: und daß
GOTT die Statt Venedig ſchon laͤngſt verhergt haͤtte/ wie Sodomam
und Gomorrham; wann nicht ein eintziger Mann/ nemblich derſelben
Patriarch/ den gefaſten Zorn GOTTES durch ſein Gebett abgewendet
haͤtte.
4. Hat nun das Gebett eines eintzigen Menſchen/ der noch auff Erden
lebt/ und denen menſchlichen Schwachheiten unterworffen iſt/ ſo groſſe
Gewalt/ daß Vermoͤg deſſen gantze Staͤtte koͤnnen erhalten werden: wie
groſſe Macht wird nicht haben die Fuͤrbitt der Heiligen/ die mit GOtt her-
ſchen im Himmel? Drexelius erzehlet zu unſerm Vorhaben in ſeinem geiſt-
lichen Trismegiſt und ſagt: Es war ein Thum-Herr von Trier mit Nah-
men Heinrich von Heyden/ ein adelicher tugendſamer Juͤngling: dieſer
als er noch ein Knab/ ward ins Teutſche Collegium nach Rom geſchickt/
allda er ſieben Jahr ſtudiret: nach ſolch verfloſſener Zeit ward er von ſeinen
Freunden ernſtlich abgefordert/ derowegen er ſich dann auff die Reiß ins
Vatterland ruͤſtet: es wolt ihn aber GOtt zu ſich in das wahre himmliſche
Vatterland nehmen/ wie ihn dann eben im Auffbruch ein Fieber ankommen/
daran er am achten Tag hernach geſtorben: als er nun von dem Beichts-
Vatter (vor dem er allbereits eine general-Beicht gethan) ſich zum letzten
Sterbſtuͤndlein zu bereiten ermahnet worden/ hat er eine Kirch-Fahrt zu
S. Andreaͤ gegen Malphis umb Erlangung der Geſundheit verlobt: auch
hat er zu ſolchem End ein benendte Summa Gelds/ ein ſilbernes Creutz dar-
von zu machen/ und ſolches in S. Apollinaris/ deß Teutſchen Collegii Pa-
trons-Kirchen zu ſetzen; wie auch in die Congregation B. Virginis, darinnen
er Sodalis war/ ein Altar-Tuch verſchafft: nach ſolcher Verordnung hat ihne
in Beyſeyn etlicher Perſohnen/ ein ſuͤſſer Schlaff eingenommen; und
nachdem er uͤber ein kleines erwacht/ begehrte er an dem Beichts-
Vatter/
[704]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Vatter/ und ſprach zu ihm: ach liebſter Beichts-Vatter/ wie hab ich ſo ſchoͤ-
ne liebliche Erſcheinungen gehabt? der Prieſter begehret von ihme zu wiſſen/
was er dann geſehen? deme der Krancke antwortet: was kein Aug geſehen/
kein Ohr gehoͤret/ noch keines Menſchen Hertz faſſen kan: von welchen Wor-
ten die umbſtehende ſehr begierig worden/ ſolches zu vernehmen; und ihnen de-
rowegen gebetten/ er wolle es ihnen nicht verhalten: darauff der Krancke
gleichſamb mit zittern/ doch darneben froͤlig/ alſo geredet: ich bin in groſſer
Gefahr geſtanden; aber durch der ſeligſten Jungfrauen Mariaͤ/ deß H. Apo-
ſtels Andreaͤ und Apollinaris Schutz und Schirm bin ich bey zeit errettet
worden: der boͤſe Feind hatte mich vor das Gericht Gottes geſtellt/ allda mich
ein groſſer Hauff der Anklaͤger umbgeben/ unter denen ich allein gantz verlaſ-
ſen geſtanden; dieſe klagten mich wegen vieler begangenen Suͤnden an/ und
wolte mich der boͤſe Feind allbereit dahin zur Verdamnuͤß fuͤhren; in ſolcher
euſſerſten Noth und Gefahr erſchien die Mutter der Barmhertzigkeit/ wende-
te ſich zu meinen Feinden/ und ſprach: wohin wollt ihr dieſen fuͤhren? was habt
ihr mit meinem Diener/ der mir in meiner Bruderſchafft ſo viel Jahr gedie-
net/ jetzund zu ſchaffen? darauff auch alsbald der H. Andreas gefolgt/ der ſich
zoͤrniglich wider meine Feind geſetzt/ und wegen der verlobten Pilgerfahrt ſich
meiner treulich angenommen: Letztlich kam der Heil. Apollinaris ſambt ande-
ren H. H. Martyren/ deren Reliquien wir in unſer Kirchen haben/ nahm den
Feinden ihre Gewalt/ neben Erinnerung deß Creutz/ ſo ich zu machen anbe-
fohlen: und alſo bin ich/ Gott ſeye ewiger Danck/ von der Gefahr erlediget/
und vom Schlaff erwachet: nachdem er nun ſolches alles mit Freuden erzeh-
let/ hat er in der vierten Stund hernach GOTT ſeinen Geiſt auffgege-
ben.
5. Auß welchem dann lauter und klar abzunehmen/ daß die Ehr/ ſo den
Heiligen Gottes auß reinem Hertzen geſchicht/ mit nichten unvergolten blei-
be. Der ehrwuͤrdige P. Laurentius Surius iſt in ſeiner letzten Stund/ alle
Heiligen/ deren Leben er in ſeinen Buͤchern beſchrieben/ zu ſehen/ und von ſel-
bigen in ſothanem Streit geſtaͤrckt zu werden/ gewuͤrdiget worden. Seelig
und abermahl ſeelig iſt der jenige/ den ſo viele gewaltige Fuͤrſten der himmli-
ſchen Hoffſtatt/ gegen den grimmigen letztern Anfall der Teuffeln ſo ritter-
lich ſecundiren. Nimb derhalben deine Zuflucht zu dieſen unuͤberwindlichen
Helden/ nicht einmahl/ noch zweymahl/ weder auch mehrmahlen; ſondern im-
mer und allezeit; dieweilen du ſtaͤts in Gefahr deiner ewigen Seeligkeit wan-
dereſt/ wie du auß den vorhergehenden Lectionen vielfaͤltiglich erlernet haſt:
und damit dirs nichtauch ergehe/ wie es ein Geiſtlicher auß dem Orden deß
H.
[705]Von Verehrung der Heiligen.
H. Franciſci mit ſeinem Schaden hat erfahren muͤſſen. Dieſer ware an-Hiſtoria.
faͤnglich der heiiigen Barbaraͤ mit aller moͤglichen Andacht zugethan/ und
zwarn billig: dann er ware von ſelbiger auß vielen Gefahren errettet wor-
den. Da er nun endlich ſeine gewoͤhnliche Dienſten vernachlaͤſſiget; hat er
im Schlaff von der heiligen Jungfrauen dieſen Verweiß hoͤren muͤſſen: Du
haſt in deinen ſchuldigen Verehrungen mich verlaſſen/ nun will ich meinen
bißhero dir geleiſteten Beyſtand auch entzichen. Und alſo iſts geſchehen: zu-
mahlen ſelbiger Geiſtliche erſtlich iſt abtrinnig worden; nachmals iſt er
nach Nuͤrnberg gereiſet/ und hats ihm daſelbſt ſehr uͤbel ergangen: und ob
wohln er von dem Chrwuͤrdigen P. Conrado ſeinem Ordens-Mittgeſellen
zur Widerkehr freundlich eingeladen worden; ſo hat er doch den anerbotte-
nen geiſtlichen Habit abermahl verworffen/ und iſt alſo in der Verzweiff-
lung armſeliglich geſtorben. Halte derhalben/ mein Chriſtliche Seel/ hal-
te Fuß beym Mahl/ bleibe in der Verehrung der heiligen GOttes be-
ſtaͤndig: und wann du eine Weiß die Heilige recht und fruchtbar zu ehren/
verlangeſt; ſiehe/ da haſtu ſelbige folgenden Jnhalts/ deſſen ich mich und
andere nicht mit geringem Nutzen gebraucht haben.
Kuͤrtzlicher Vnterricht von der ſtuͤndlichen Ver-
ehrung der Allerſeligſten Jungfrauen/ und der H. H.
Patronen.
DJe Weyſen und Manieren/ die Mutter GOttes und die H. H.
Patronen zu verehren/ und uns zu verbinden/ ſeynd mancherley.
Dieſe Manier aber ſcheinet die nuͤtzligſte und verdienſtligſte zu
ſeyn/ vermoͤg deren wir durch eine ſtuͤndliche Anruffung/ uns und alle un-
ſere Wercke der glorwuͤrdigſten Himmels- Koͤnigin/ und einem ſicheren
Heiligen zu befehlen pflegen: welches auff dieſe Weiß geſchehen kan.
Erſtlich falle mit einer kindlichen Affection und hoͤchſter Demut zu den
Fuͤſſen dieſer heiligen Jungfrauen nieder/ und bitte/ ſie wolle dich groſſen
Suͤnder und armſeligen Menſchen zum Schoß ihrer Barmhertzigkeit/ und
in die Zahl ihrer Schutz- Kinder muͤtterlich auff und annehmen/ und
wolle dir von ihrem geliebten Sohn eine ernſtliche und beſtaͤndige Lieb
ihrer ſelbſt erwerben/ auff daß du hinfuͤhro nach verworffenen allen zer-
gaͤnglichen Dingen/ mit gantzem Hertzen und Neigung/ und auß allen
Kraͤfften/ nichts anderſt gedencken moͤgeſt/ als JEſum und Mariam;
U u u unichts/
[706]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
nichts/ als JEſum und Mariam verlangeſt/ und keinen andern/ als die-
ſen beyden Lieben gefallen wolleſt. Bitte auch/ daß ſelbige fortan/ als ein
treue Mutter uͤber dich Sorg trage: dich im Leben und im Todt fuͤr den boͤ-
fen Nachſtellungen deß leidigen Sathans beſchuͤtze; und daß du alle deine
Wercke zu dero hoͤchſter Ehren richten/ auch auff deinen GOtt und Mariam
immer und allzeit bedacht/ denen Beyden verbunden leben und ſterben moͤ-
geſt. Dieſes alles obſchon du mehr mit dem Hertzen/ als mit den Lefftzen vor-
bringen ſolleſt; ſo kanſtu doch nach deinem Gutachten vor einem andaͤchtigen
Bildnuß der Allerſeligſten Jungfrauen auff deine Knie mederfallen/ und mit
aller moͤglichen Affection und Eiffer dieſes folgende Gebett ſprechen:
O glorwuͤrdigſte Koͤnigin Himmels und der Erden/ Allerheiligſte Jung-
frau Maria/ ein Mutter aller troſtloſen/ und nechſt GOtt unſere eintzige
Hoffnung! Jch groſſer Suͤnder und verwuͤrffliche Creatur/ falle mit aller
Demut zu deinen allerheiligſten Fuͤſſen nieder/ beichte und bekenne mit ſeuff-
tzenden und weinendem Hertzen/ daß ich biß auff gegenwaͤrtige Stund deinem
gebenedeyteſten Sohn und dir/ nicht ſo eifferig und fleiſſig gedienet habe/ wie
ſichs geziemet hat: ſondern daß ich deine heilige Einſprechungen wenig ge-
achtet/ dem Zeitlichen zu viel angeklebet habe/ und die Perſon eines ungluͤckſeli-
gen Welt- Dieners vertretten habe. Nun aber komm ich zu dir als ein ver-
lohrner Sohn wiederumb; und erwaͤhle dich abermahl zu meiner gnaͤdigſten
Herrſcherin/ Patronin und Fůrſprecherin/ und nehme mir
veſtiglich vor/ dich niemahl zu verlaſſen/ und hinfuͤhro nichts zu reden und
nichts zu thun/ was deinem allerheiligſten Willen im geringſten zu wider
iſt; ſondern/ daß ich mich immer und allzeit befleiſſen wolle/ damit deines Ge-
liebten Sohns und deine Ehr/ ſo wohl an mir als andern meiſterlich befoͤr-
dert werde. Eroͤffne mir dann/ O Maria/ den Schoß deiner Barmhertzig-
keit/ den du allen Suͤndern/ ſo zu dir fliehen/ holdſeliglich anerbieteſt: und ob
ich ſchon nicht wuͤrdig bin/ unter die Zahl deiner Schutz - Kinder gezehlet zu
werden; ſo nehme mich dannoch an zu denſelbigen/ und verguͤnſtige mir/ mein
werteſte Mutter/ daß ich naͤchſt GOtt/ zumahlen dein/ und du mein ſeyeſt/
O meine Herrſcherin/ meine Helfferin und Koͤnigin/ Amen.
Alſo bette/ wann du die Allerſeligſte Jungfrau erſtlich zu deiner Mutter
und Patronin erwehleſt. Wann du ſonſten derſelben dich und deine Werck
empfehlen wilſt/ ſo ſpreche wie folgt: O gnaͤdigſte Frau/ und allerheiligſte
Mutter GOttes Maria, \&c. wie du nachmahlen in dem Morgen-Gebett
am 727. Blat finden wirſt. Auff ſolche oder dergleichen Weiß befehle dich
und deinen Handel und Wandel deiner Himmels-Koͤnigin taͤglich; ſo du
nicht
[707]Von Verehrung der Heiligen.
nicht allein alle Stunden kuͤrtzlich/ ſondern auch in allen deinen Noͤthen und
Wercken erneueren ſolleſt/ wie du gehoͤrt haſt.
Neben dieſer Jungfrauen erwaͤhle dir noch vier und zwantzig andere Pa-
tronen oder Patroninnen/ zu denen du fuͤr andern eine mehrere und ſonder-
bahre Andacht empfindeſt; oder die du vermeineſt/ daß bey GOtt die groͤſte
Verdienſten haben/ oder mit denen Tugenten am meiſten geleuchtet haben;
die du weiſt/ daß du fuͤr andern noͤthig habeſt. Dieſe vertheile in vier und
zwantzig Stunden/ daß alſo einer jeden Stund ein ſicher Patron oder Pa-
tronin zugeeignet werde. Geb aber Achtung/ daß du zu jeder Stund einen
ſolchen Fuͤrſprecher ſetzeſt/ der ſich zur Ubung derſelben Stunde am beſten
ſchicket. Das iſt/ daß du/ Exempel weiß/ der Stund deß Stillſchwei-
gens einen ſolchen zueigneſt/ welcher dieſer Tugent halben ſonderbahr gelobt
wird. Der Stund der Mahlzeit einen andern/ ſo fuͤr andern dein Faſten
iſt ergeben geweſen. Der Stund zum Betten einen andern/ ſo zum mei-
ſten und eifferigſten Zeit ſeines Lebens gebettet hatt. Der Stund/ an wel-
cher du/ fuͤr oder zur Mitternacht/ oder deß Morgens den Schlaff brechen
muſt/ den jenigen/ ſo man wegen deß vielen Wachens lobet. Und ſo fort
an.
Du muſt aber derohalben die vornemſten Heiligen deines Ordens nit vor-
beygehen/ oder auch die jenige/ deren Nahm du im Tauff oder Firmung/
oder im geiſtlichen Stand bekommen haſt; oder deneu du anderwaͤrtiglich
verbunden biſt: zumahlen du auß denenſelben ſolche finden wirſt/ welche
in Jnbrunſt und Eyffer deß Geiſts/ in der Enthaltung/ im Wachen/ in der
Liebe zu der Allerſeligſten Jungfrauen/ und andern dir nothwendigen Tu-
genten geleuchtet haben; und derhalben ſolleſtu ſelbige zu deinen Patronen
erwaͤhlen. Eben ſelbiges muß auch verſtanden werden vom heiligen
Schutz-Engel/ welchem als deinem von GOtt geſtelten Behuͤter nach
der Allerſeligſten Jungfrauen/ unter deinen Patronen der erſte Platz
gebuͤhret. Wann du nun alſolche Erwaͤhlung und Außtheilung ge-
macht haſt/ ſo opffere demſelben dich zu einem ewigen Schutz-
Kind/ und bitte/ ſie wollen uͤber dich bey GOTT treuliche Sorg
tragen/ und dir in allen Noͤthen beyſtehen/ damit du auß den
Gefahren dieſes Lebens errettet werdeſt/ deinem GOTT beſſer
und vollkommentlicher dienen/ deroſelben heilige Fuß- Sta-
pffen moͤglichſt einzutretten/ und alſo zu den immerwaͤhrenden
U u u u 2himm-
[708]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
himmliſchen Freuden zu gelangen/ moͤgeſt gewuͤrdiget werden. Dieſes
alles kanſtu durch folgendes Gebett verrichten.
O ihr Seelige Einwohner deß himmliſchen Vatterlands! Jhr getreue-
ſte Fuͤrſprecher unſer armſeligen Menſchen bey GOtt! die ihr die Gefahren
dieſer Welt vormahlen geſchmeckt habt/ und derhalben wohl wiſſet/ mit
was vor betrieglichen Nachſtellungen das Fleiſch/ die Welt und der Teuf-
fel von dem Weeg deß ewigen Heyls uns ſuchen abwendig zu machen: ſchla-
get doch euere Augen auff mich groſſen Suͤnder/ der ich in denſelben Gefah-
ren ſchwebe/ und dahero zu euch meine Zuflucht nehme. Wendet doch/
meine glorwuͤrdige Patronen und Patroninnen/ das Ubel von mir ab/ daß
ihr bey euerem zeitlichen Leben von euch abzukehren gebettet habt; auff daß
ihr euere angefangene Pilgerfart gluͤcklich fortſetzen moͤgtet. Erwerbet mir
den jenigen Schutz/ welchen ihr ebenfals fuͤr euch von obenherab begehrt
habt. Jch bin zwarn ein ſehr veraͤchtlicher Staub der Erden/ und zumah-
len unwuͤrdig/ daß ich euch/ als die allerſeeligſte Erben der himmliſchen
Glory fuͤr meine Beſchirmer erſuche: ich weiß aber/ daß ihr auch unſer
Heyl mit uns ſo ſehr verlanget/ daß ihr euch erfreuet uͤber einen Suͤnder/
der da Buß thut: derhalben opffere und verbinde ich mich mit aller moͤglig-
ſten hertzlichen Affection zu euerem ewigen Schutz- Kind. Habt ihr doch/
meine allerliebſte Fuͤrſprecher/ meiner von nun an getreue Achtung; bringet
euerem und meinem GOtt meine groſſe Noͤthen und Armſeligkeiten vor:
richtet zu deſſen Ehr alle meine Gedancktn/ Wort und Wercke: ſtehet mir
im Leben und im Todt treulich bey; damit ich euere heilige Fuß-Stapffen
beſtaͤndiglich eintrette/ und alſo biß zum letzten Athem meines Lebens verblei-
be ein getreueſter Diener JEſu und Mariaͤ; und daß ich derſelben Glory ſo
wohl an mir/ als an andern mit hoͤchſtem Fleiß befoͤrdern/ und ſchließlich mit
ihnen und euch mich in alle Ewigkeit erfreuen moͤge/ Amen.
Dieſes Gebett ſolſtu ſprechen/ wann du deinen Patron zum erſten erwaͤh-
leſt/ oder auch in den fuͤrnehmſten Feſtaͤgen deß Jahrs/ an welchen du dei-
ne Erwaͤhlung erneuereſt. Sonſten kanſtu dich denſelben anbefehlen durch
das Gebett. O meine H. H. Patronen/ die ich mir ſonder-
bar außerwaͤhlet hab/\&c. So du am 734. Blat finden wirſt. Alſo
befehle dich deinen H. H. Patronen und Patroninnen taͤglich ins gemein:
einen jeden aber abſonderlich kanſtu anruffen nach der ſtuͤndlichen Außthei-
lung/ und auff die Manier wie folgt:
Weiß
[709]Von Verehrung der Heiligen.
Weiß und Manier die allerſeligſte Jungfrau und
die H. H. Patronen zu allen Stunden anzuruffen.
WAnn du nach der beſagten Manier die Erwaͤhlung und Außtheilung
der Patronen gemacht haſt; ſo ſchreibe ſie alle und jede auffs Pa-
pier nach der ſtuͤndlichen Ordnung: und halte eine Abſchrifft die-
ſes Zettuls in deiner Zellen immer vor Augen/ ſo lang/ biß du ſelbigen auß-
wendig wiſſeſt: die andere Abſchrifft aber trage allzeit bey dir/ wo du immer
biſt/ damit du ſo offt die Uhr ſchlagt/ ſchen koͤnneſt/ was fuͤr ein Patron derſel-
ben Stunde zugeeignet ſeye: du kanſt auch zu Vermehrung der Andacht und
deß Verdienſts/ in ſelbigen Zettul ſchreiben das Uhrwerck deß bittern Leydens
Chriſti; daß iſt/ die Geheimnuͤſſen dieſes allerheiligſten Leydens/ ſo folgen-
der Geſtalt/ in alle und jede Stunden vertheilet ſeynd.
Das Vhr-Werck
Deß bittern Leydens Chriſtl.
Deß Abends.
- ZUr 6ten Stund waſchet Jeſus
die Fuͤß ſeiner Juͤnger. - Zur 7ten gibt er uns ſich zu einer
Speiß. - Zur 8ten bettet er im Garten/ und
ſchwitzet Blut. - Zur 9ten wird er von den Juden ge-
fangen. - Zur 10. wird er zum Annas gefuͤhrt.
- Zur 11. wird er zum Caiphas gefuͤhrt.
Zur Mitternacht.
- Zur 12ten Stund wird Jeſus vor dem
Hohen - Prieſter mit einem Ba-
cken-Streich geſchlagen. - Zur 1. wird ſein H. Angeſicht bedeckt/
wird verſpottet und geſchlagen. - Zur 2. wird er von Petro verlaͤugnet.
- Zur 3ten wird er faͤlſchlich angeklagt.
- Zur 4ten wird er außgeruffen/ daß er
deß Todts ſchuldig ſeye. - Zur 5ten wird er gebunden zum Pilato
gefuͤhrt. - Zur 6ten wird er zum Herodes ge-
ſchickt/ und verlachet. - Zur 7ten wird ihm der Barrabas vor-
gezogen. - Zur 8. wird er mit Ruthen geſtrichen.
- Zur 9. wird er mit Doͤrnen gecroͤnet.
- Zur 10ten wird er von Pilato dem
Volck vorgeſtellt. - Zur 11ten wird ihm das ſchwere Creutz
auffgeladen.
Zum Mittag.
- Zur 12ten Stund wird Jeſus zwiſchẽ
zweyen Moͤrdern gecreutziget. - Zur 1ten redet er ſeine ſchmertzhaffte
Mutter an. - Zur 2ten wird er im Durſt/ mit Gall
und Cſſig getraͤnckt.
U u u u 3Zur
[710]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
- Zur 3ten ſtirbt er am Creutz.
- Zur 4ten wird er vom Creutz in den
- Schoß ſeiner Mutter gelegt.
- Zur 5ten Stund wird er begraben.
NAchdem nun dieſes alles auffgezeichnet haſt/ ſo richte ein deine ſtuͤnd-
liche Andacht zur Mutter Gottes und deinen H. H. Patronen auff
ſolche Weiß. So offt du hoͤreſt die Uhr ſchlagen/ ſo nehme deinen
Zettel/ und ſehe zu/ was du fuͤr einen Patronen/ und was fuͤr ein Geheimnuͤß
deß Leydens ſelbiger Stund zugeeignet habeſt: alsdan mache mit dem Dau-
men ein Creutz uͤber dein Hertz/ und ſpreche andaͤchtiglich/ und wanns geſche-
hen kan/ mit gebogenen Knien den Engelliſchen Gruß: und wann du kom-
men biſt zu denen Worten: Gebenedeyet ſeye die Frucht deines
Leibs: ſo ſetze hinzu das Geheimnuͤß/ welches zu ſolcher Stund geſetzet iſt:
alsdann fahre wiederumb fort: und wann du kommen biſt an dieſe Wort:
Muttes Gottes bitt: ſetze hinzu: mit dem Heiligen N. und ſpre-
che auß den Patronen derſelben Stund: und beſchlieſſe dieſes Gebettlein mit
den gewoͤhnlichen Worten: Gebe aber Achtung/ daß/ wann du dieſe Wort
ſprecheſt: Jetzt/ und in der Stund unſeres Todts: Durch das
Woͤrtlein: Jetzt: muͤſſeſt verſtehen alle deine Wercke und Noͤthen derſel-
ben gantzen Stunde; nicht allein fuͤr ſelbigen Tag/ an dem du betteſt; ſondern
fuͤr alle Tage deines Lebens/ an welchem ſelbige Stund widerkommet: als
wolteſt du ſagen: heilige Maria Mutter Gottes/ habe du mit dem Heil. N.
mich dieſe Stund anbefohlen; auff daß/ ſo offt die Tage meines Lebens
dieſe Stund wird wieder kommen; du dieſes meines Gebetts wolleſt einge-
denck ſeyn/ und mich als dann von aller Widerwaͤrtigkeit deß Leibs und der
Seelen/ mit dieſem Heiligen beſchuͤtzen/ und deinem gebenedeyten Sohn
empfehlen.
SO muſt du dann in dieſer Ubung darfuͤr halten/ daß/ wann du dir die
Heilige zu Patronen erwaͤhleſt/ und in Stunden vertheileſt/ wie o-
ben gemeldet: daß/ ſag ich/ du als dann einem jeden von ihnen gleich-
ſamb eine gewiſſe Stund anweiſeſt: alſo/ daß der jenige/ den du ſetzeſt/ Exem-
pelweiß/ umb 5. Uhren Vormittags/ darfuͤr angeſehen werde/ daß er zu dem
End erwaͤhlet ſeye/ daß er dich alle Tage/ umb dieſelbige Stund beſchuͤtze/
und ſich deiner ſonderlich annehme. Dahero muſt du dich huͤten/ daß du die
Ordnung derſelben nicht verkehreſt/ alſo/ daß ein jeder eine ſichere beſtimbte
Stund habe ſo lang du lebeſt. Auß dieſem kanſt du/ mein Chriſtliche Seel
zum theil ſchlieſſen/ wie nuͤtzlich und fruchtbar dieſe Ubung ſeye: zumahlen
du auff ſolche Weiß immerwaͤhrende Fuͤrſprecher und Patronen bey
GOTT
[711]Von Verehrung der Heiligen.
GOTT haſt/ welche dir das jenige unfehlbar erlangen werden/ was zu dei-
ner Seelen Heyl dir erſprießlich iſt: dergeſtalt/ daß/ ob du eſſeſt oder ar-
beiteſt/ wacheſt oder ſchlaffeſt/ oder was du immer thueſt/ allzeit einige auß
der Zahl der Außerwaͤhlten habeſt/ ſo fuͤr dich wachen/ wann du ſchon nicht
wacheſt: fuͤr dich betten/ wann du ſchon nicht betteſt/ und dich bewahren/
und von denen Ubeln erretten/ darfuͤr du dich nicht huͤteſt: dann ſie ſeynd
ſehr treu/ und nehmen ſich unſerer Wohlfart mehr an/ als wir ſelbſt: ſie ken-
nen unſere Schwachheit/ und derhalben ſeynd ſie uns gern behuͤlfflich: ſie
wiſſen unſere Gefahren und heimliche Nachſtellungen deß leidigen Satans;
dahero bewahren ſie uns mit aller Sorgfalt: ihnen ſeynd kundbar die Mit-
tel/ deren wir beduͤrfftig ſeynd zu Erhaltung deß ewigen Lebens; darumb
unterſtehen ſie ſich/ dieſelbe uns von GOTT zu erlangen.
GEdenck derhalben nun/ wie groſſes Gut dir durch ſolche Vereh-
zung zuwachſen koͤnne/ und wie billig es ſeye/ daß du umb die Gunſt
deiner Patronen zu erwerben/ einen jeden an ſeiner zugeeigneten
Stunde durch ein Avc Maria auff die vorgeſchriebene Weiß anruffeſt.
Damtt du aber auch zugleich in Erfahrung kommeſt/ wie groſſer Verdienſt
bey ſolchen Engliſchen Gruͤſſen ſeye: ſo wiſſe du/ daß in ſelbigemdrey Ding
begriffen werden: nemblich die Verehrung deß bittern Leydens
CHRJSTJ; die Anruffung der Allerſeeligſten Jungfrawen und
die Anruffung der H. H. Patronen: Wie verdienſtlich aber dieſe drey
Ding ſeynd/ kanſtu auß folgendem abnehmen. Die ehrwuͤrdige Jungfraw
Anna à S. Bartholomæo Carmeliter Ordens/ welche von GOTT viele
Geheimnuͤß erlernet hat/ pflegte vom Leyden CHRJSTJ zu ſagen/ daß
die Betrachtung deſſelben ſo kraͤfftig ſeye; daß/ wann einer nur einmahl
im Tag mit Andacht der jenigen Schmertzen/ ſo CHriſtus fuͤr uns gelitten
hat/ gedencken wolle/ er dardurch allein die ewige Seeligkeit und andere groſſe
Gnaden von GOTT erlangen koͤnne. Ein mehrers wirſt du finden in der
Lection von der Betrachtung deß bittern Leydens Chriſti fol. 481. Wann
nun ſo groſſen Nutzen bringt/ daß man nur taͤglich einmahl an das Leyden
Chriſti mit Andacht gedencket/ was groſſe Freuden hat man dann nicht zu
hoffen/ wann man ſothanes Geheimnuͤß andaͤchtiglich alle Stunden/ ja ſo gar
das gantze Leyden taͤglich verehret?
DEr andere Nutzen/ ſo auch ſehr groß iſt/ kombt dir auß der ſtuͤndli-
chen Anruffung der Mutter Gottes durch den Engelliſchen Gruß.
dann erſtlich/ ſo viel die bloſe Anruffung ſelbſt der Allerſeeligſten
Jungfrauen belangt/ iſt ſelbige in ſich ſo fruchtbar/ daß bißhero auß den wah-
ren Schutz- Kindern Mariaͤ keiner gefunden worden/ welcher neben dem
unvergleich-
[712]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
unvergleichlichen himmliſchen Lohn/ nicht auch auff dieſer Welt ei-
nige extraordinari und zu Zeiten ſehr wunderbahre und ungemeine
Gnaden/ wegen der Kindlichen Verehrung erlanget habe/ ja ſo gar auß
den allerboͤßhafftigſten Suͤndern ſeynd viele wegen einer gar geringen Ver-
ehrung/ wunderbahrlicher Weiß bekchret worden/ und mit vielen Gnaden
von GOtt/ vermittelſt dieſer allerheiligſten Jungfrauen bereichet worden/
wie du in der vorhergehender Lection geleſen haſt.
So viel aber die Weiß und Manier ſelbſten dieſer ſtuͤndlichen Vereh-
rung/ daß iſt/ den Engelliſchen Gruß betrifft; hat ſelbige wiederumb einen
unſchaͤtzbahren neuen Verdienſt zu den vorigen: ſintemahlen der gebenedey-
ten Mutter nichts angenehmers widerfahren kan/ als wann ſie durch dieſen
Engelliſchen Gruß begruͤſſet wird; wie auß den Offenbahrungen der
L. 4. c. 12.heiligen Mechtildis zu ſehen iſt: Dieſer Jungfrauen iſt die Himmels-Koͤ-
nigin einsmahls erſchienen/ und hat den Engelliſchen Gruß mit guͤldenen
Buchſtaben auff der Bruſt geſchrieben getragen/ und geſagt/ daß die Men-
ſchen ſich ſelbſten ſehr betriegen/ welche dieſen Gruß vernachlaͤſſigen/ und
an ſtatt deſſen ſie mit andern Gebetten verehreten/ die ſie ſelbſten machen/
und vermeinen/ ſelbige ſeyen beſſer/ als der Engelliſche Gruß: da ihr doch
kein angenehmeres und nuͤtzlicheres Gebett von ihren Schutz-Kindern koͤnne
geopffert werden/ als das Ave Maria, und dieſes ſcheinet/ daß die allerſeligſte
Jungfrau in der That hat zeigen wollen/ indem ſie ſo ungemeine groſſe Gna-
den ihren Verehreren geleiſtet/ von denen ſie mit dieſem Gruß oͤffters und
andaͤchtiglich iſt begruͤſſet worden.
Dann/ viele andere zu verſchweigen; da einer einsmahls mit zweyen Ge-
fellen unter die Moͤrder gerathen ware/ und ſelbige ſchon ermordet waren/
begehrte dieſer letztere/ ſie moͤchten ihm doch erlauben/ daß er die Cron von
der Mutter GOTTES noch einmahl vor ſeinem Todt betten moͤchte:
da ſelbiges die Moͤrder/ jedoch ungern/ geſtattet/ und der gute Wanders-
Mann ſeine Cron mit groſſem Eyffer zu betten angefangen/ ſiehe da kombt
die glorwuͤrdige Jungfraw ſambt der heiligen Catharina und Lucia/ als deſ-
ſen ſonderbahren Patroninnen daher: und indem nach einem jeden Ave
Maria auß deſſelben Mund eine weiſſe Roſe/ nach jedem Vatter unſer/
aber eine rothe Roß hervor kombt/ ſamblet die heilige Catharina dieſe alle/
und gibt ſie der heiligen Luciaͤ/ umb eine Cron darauß zu machen/ welche
die gebenedeyte Mutter endlich nach vollendetem Gebett dieſem ihrem
Schutz - Kind hat auffgeſetzt/ und iſt verſchwunden: da dieſes die Moͤr-
der
[713]Von Verehrung der Heiligen
der geſehen/ haben ſie ſich entſetzet/ den Wanders-Mann freygelaſſen/
und haben nicht allein ihr Leben gebeſſert/ ſondern haben ſich auch dem
Schutz der Mutter GOttes untergeben.
Einsmahls da die heilige Gertrudis zu Ehren der Geburt Mariaͤ hun-
dert und fuͤnfftzigmahl das Ave Maria bettete/ mit dem Erſuchen/ daß
ihr die Allerſeeligſte Junfrau im Todt beyſtehen wolle/ hoͤrt ſie von ſel-
biger dieſe troͤſtliche Antwort/ daß ſie nemblich bey ihr im Sterben unfehl-
bar ſeyn wolle/ und ihr zur Vergeltung dieſer Andacht/ ſo viele Gnaden
mitbringen/ als viele Wort ſie in denen hundert und fuͤnfftzig Ave Maria
außgeſprochen habe. O groſſe Gewalt! O groſſe Krafft dieſes ſo
kurtzen Gebettlein/ fuͤr deſſen alle Wort auch in dieſem Leben ein ſonderba-
re Gnad ertheilet wird! Uberlege dieſes wohl/ mein Chriſtliche Seel/ und
ſehe/ was groſſen Nutzen auch du zu hoffen habeſt/ wann du zu jeder Stun-
de/ deinen Engliſchen Gruß/ auff vorgemeldte Weiß andaͤchtiglich ſpre-
chen wirſt. Nun will ich dir noch ein oder anderes Exempel hinzuſetzen/
auff daß du die Fruͤchten dieſes Gruſſes beſſer erkennen moͤgeſt.
Ein Ciſtercienſer Ley-Bruder hatte ſo ſchlechte Gedaͤchtnuß/ daß er
nichts behalten konte/ als dieſe Wort auß dem Engliſchen Gruß: Ge-
grůſſet ſeyeſtu Maria/ voller Gnaden. Dieſe widerholte er
fuͤnffhundertmal im Tag. Wie ſehr aber dieſes der Mutter deß Herrn gefallen
habe/ hat man darauß mercken koͤnnen; daß nach deſſen Todt ein lieblicher
Baum auß ſeinem Grab erwachſen/ auff deſſen Blaͤttern dieſe vorbenennte
Wort mit guldenen Buchſtaben zu ſehen geweſen. Jmgleichen da die hei-
lige Jungfrau Gertrudis einsmals fuͤr Schwachheit deß Leibs/ die gewoͤhn-
liche Chron der Mutter GOttes nicht betten konte; ſprach ſie zu jedem
Koͤrnlein nur dieſe zwey Wort: Ave Maria. Welches der Allerſeligſten
Jungfrauen dermaſſen gefallen hat/ daß ſie in eigener Perſon bekennet; dieſer/
obwohl geringe Dienſt/ ſeye ihr ſehr angenehm geweſen: urkund deſſen/ hat
ſie ſelbiger eine ſehr ſchoͤne Kron von Roſen geſchenckt; krafft deren ſuͤſſem
und koſtbahren Geruch ſie ihre vorige Geſundheit wiederumb erlangen
koͤnnte. Mach dir nun das Facit/ mein Chriſtliche Seel; wann ein ſolches
vermoͤgen zwey Wort; was werden dann nicht vermoͤgen ſo viele/ alle Stun-
den/ auff ſo herrliche Weiß und Manier geſprochene Engliſche Gruͤſſe?
Ein GOTT verlobte Jungfrau iſt wegen ſchwaͤrer Kranckheit viele
Jahr lang Bett- laͤgerig geweſen; und hat ſo groſſe Schmertzen ge-
litten/ daß ſich ein jeder uͤber ſelbige erbarmet hat: endlich iſt ſie den
Schmertzen ſambt dem Leben zugleich entgangen. Nach einigen wenig
X x x xTa-
[714]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
Tagen iſt ſie gantz herrlich erſchienen/ und hat geſagt/ daß ſie von Mund
auff gen Himmel gefahren ſeye in Anſehung der groſſen Schmertzen/ die ſie
ſo viele Jahren mit Gedult außgeſtanden. Auch hat ſie hinzu geſetzt/ daß
ſie im Himmel ſolche Freuden genieſſe/ ſonderbahr wegen Verehrung dẽr
Mutter GOttes; daß/ wann GOtt ihr nur ſo vieẽl Zeit geben wolte/ daß
ſie ein eintziges Ave Maria ſprechen koͤnte; ſie bereit waͤre/ alle vorige
Schmertzen auffs neu zu leiden: dieweilen/ ſagt ſie/ der Lohn fuͤr ein ein-
tziges Andaͤchtiges Ave Maria im Himmel ſo groß iſt/ daß man dieſe und
alle andere Schmertzen umb denſelben gern außſtehen ſolte. Mach dir ſelbſt
nun die Rechnung; was du in dieſer Kauffmanſchafft gewinnen koͤnneſt.
Das dritte/ ſo in dieſer Ubung begriffen wird/ iſt die ſtuͤndliche Anruffung
der H. H. Patronen. Vom vielfaͤltigen Nutzen dieſer Ubung iſt ſchon o-
ben gemeldet worden: daß du nemblich vermoͤg derſelben Anruffung/ alle
Stunden habeſt einen treuen und ſehr gewaltigen Fuͤrſprecher bey GOtt/
der das Heyl deiner Seelen beobachte; dich von den Gefahren und Ver-
ſuchungen der Welt/ deß Teuffels und deß Fleiſches errette: durch gute
Einſprechungen zum Fortgang glimpfflich antreibe: zu Erlangung der
Goͤttlichen Gnaden dir behuͤlfflich ſeye: zu einem ſeligen Todt dich gluͤcklich
einrichte/ und endlich in dieſer letzten Noth dir treulich beyſtehe; damit du dei-
ner Feinden Stricke entgehen/ und alſo der himmliſchen Freuden theilhafftig
werdeſt. Jſts uns nicht allen umb ein gutes End zu thun? Was iſt aber
gluͤckſeliger/ als eben dergeſtalt im Leben und Todt verſehen zu werden? und
zwarn von ſolchen/ denen alles moͤglich iſt; welche allen guͤnſtig ſeynd/ und
alle Lieb allen gern erweiſen? Es hat ſich fuͤrwahr eine Seel unter ſo herr-
lichem Schutz und Schirm nicht zu foͤrchten: dieweilen der Feind herzu zu-
nahen ſich nicht getrauet; oder wann er ſchon hinzu kombt/ doch nicht ſcha-
den kan. Und wann endlich der unverſehene Todt dich uͤberfallen/ und dich
aller deiner Sinn berauben ſolte; daß du nach deinem Wunſch zu GOTT
dich nicht wenden koͤnteſt; ſo wuͤrdeſtu doch andere haben/ ſo deine Platz in
ſolchem Fall bey deinem GOtt vertretten wuͤrden: zumahlen alle deine Pa-
tronen/ ſonderbahr aber der jenige/ dem deine Sterb-Stund iſt zugeeignet
worden/ mit der Allerſeeligſten Jungfrauen fuͤr dich bey dem Richter umb
ein ſeliges End anhalten wuͤrden.
Sehe derhalbẽ/ wie groſſe Gnadẽ und Nutzen ein eintziger Engliſcher Gruß/
der auff die vorgeſchriebene Weiß geſprochen wird/ dir bringen koͤnne. Ver-
wundere dich anjetzo nicht/ daß ſo viele fromme Seelen gefunden werden/ ſo
da in Anſchung deß groſſen Verdienſt/ zum Schlag der Uhren allzeit mit ent-
decktem Haupt/ ein Creutz uͤber das Hertz machen/ und ihr Ave Maria an-
daͤchtig-
[715]Von Verehrung der Heiligen.
daͤchtiglich ſprechen/ nicht nur/ wann ſie allein ſeynd/ ſondern auch/ in Ge-
genwart anderer/ welches dann ſehr loͤblich und aufferbaulich iſt. Und ob
wohln wenige/ auß Mangel der Wiſſenſchafft/ dieſe unſer vor geſetzte Ma-
nier im Brauch haben werden; ſo wuͤrden ſie doch derſelben ſich embſiglich
befleiſſen/ wann ihnen ſelbige wuͤrde kundbar werden.
Du aber/ mein Chriſtliche Seel/ die du weiſt die ſchoͤne Manier/ und herr-
lichen Nutzen dieſer Andacht/ aber nicht weiſt/ wie lange Zeit du noch zu leben
habeſt; bringe deine Sachen in Sicherheit/ und begeb dich zu dieſer Andacht/
ſo viel dir moͤglich iſt; auff daß du mit deiner hoͤchſten Freude/ einsmals in
der That genieſſen moͤgeſt deß unbeſchreiblichen Nutzen/ der auß dieſer An-
dacht erwachſet. O wie gernſolte einer umb hundert Ducaten/ ein Ave Ma-.
ria dieſe Stund/ auff beſagte Weiß andaͤchtiglich betten! was ſeynd aber
hundert/ und auch hundert tauſent Ducaten in Anſehung deß uͤberreichen Ver-
dienſt/ den du auß ſothaner Andacht alle Stunden erſchoͤpffen kanſt? Seye
derhalben danckbar deinem GOtt/ der dich erſchaffen; ſeye danckbar dem/
der dich mit ſeinem Blut erloͤſet hat; ſeye danckbar deiner Mutter/ ſo dich
zu ihrem Sohn hat auffgenommen; ſeye danckbar deinen Patronen/ deren
Schutz du dich empfohlen haſt: befleiſſe dich denſelben zu ehren/ und deiner
Seelen zum Beſten/ dieſe ſtuͤndliche Ubung an dir zu bewerckſtelligen/ und
an andern zu befuͤrdern.
Solte es dir nun moͤglich ſeyn zu allen und jeden Stunden dieſe GOtt-
gefaͤllige Andacht zu beobachten/ ſo entdecke auffs wenigſt das Haupt/ wann
die Uhr ſchlagt; mache ein Creutz uͤber dein Hertz/ und erhebe/ ſo viel du kanſt/
dein Hertz zu GOtt/ und deinen H. H. Patronen/ biß du das uͤbrige zu ver-
richten/ beſſer Gelegenheit haſt. Du kanſt auch wohl der Uhren vorkommen/
wann du nemblich vorſeheſt/ daß du zu ſelbiger Stund werdeſt verhindert
werden. Auch/ weilen du bey naͤchtlicher weil/ mit dem gottſeligen Alphonſo
Rodriquez einem Ley-Bruder auß der Societet JEſu/ zu allen Stunden vil-
leicht nit kanſt erwachen; ſo thue ſtu wohl/ daß ſelbiges deß Abends verrichteſt/
alſo/ daß du zu der letzten Uhr/ die du ſchlagen hoͤreſt/ alle Geheimnuß deß Ley-
den Chriſti in ein Ave Maria verfaſſeſt ſambt allen Patronen/ welche in der
Nacht vorfallen wuͤrden biß zu der Stunde/ an der du wiederumb auff ſteheſt.
Wann du doch unterdeſſen bey naͤchtlicher Weil die Uhr ſchlagen hoͤreſt; kans
du gleichwohl dein gewoͤhnliche Andacht halten.
Jmgleichen auch/ wann du oder durch Nachlaͤſſigkeit/ oder einige Ver-
hinderung dieſen Engliſchen Gruß verabſaumet haſt/ ſo kanſtu den Mangel
an folgender Stund wiederumb erſetzen/ und dem folgenden Ave
Maria nicht allein das Gegenwaͤrtige/ ſondern auch das Auß-
X x x x 2gelaſ-
[716]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
gelaſſene hinzuſetzen. Selbiges iſt auch von den Patronen zu verſtehen.
Zum Schluß dieſes mercke/ daß einige eifferige Seelen zu mehrer Andacht/
vor einem jeden Ave Maria den erſten Theil deß andaͤchtigen Lob-Spruchs:
Maria Mutter der Gnaden/\&c. pflegen zu ſprechen. Und nach
dem Gruß pflegen ſelbige auch wohl ein kurtzes Schoß-Gebettlein der Lie-
be/ oder Danckbarkeit fuͤr die Menſchwerdung Chriſti oder andere Wohl-
thaten hinzu zu ſetzen: als zum Exempel: Tauſent und tauſent-
mahl ſeye gelobt und gebenedeyt die Stund/ an welcher
mein Heyland und Seligmacher im Jungfraͤulichen Leib
ſeiner Mutter iſt empfangen worden/ mich armſeligen
Menſchen zu erloͤſen. Oder auch kanſtu eine Reu und Leyd uͤber
deine Suͤnden erwecken/ als nemblich: Mein hoͤchſter GOtt und
HErr/ mir iſt von Hertzen leyd/ daß ich dich jemahlen
beleidigt habe; und daß derhalben/ weilen du biſt/ der
du biſt: weilen du Mein GOtt und HErr biſt/ und einer
unendlichen Lieb und Ehren würdig: Jch nehme mir nun
veſtiglich vor/ nicht mehr zu ſündigen. Weiters kanſtu in die-
ſem Fall thun/ was dir der H. Geiſt wird eingeben.
Weiß und Manier die Allerſeligſte Jungfrau
Und
Die ſtuͤndliche Patronen zu verehren.
BJßhero haſtu gehoͤrt/ mein Chriſtliche Seel/ wann die glorwuͤrdige
Mutter GOttes ſambt den H. H. Patronen ſtuͤndlich ſollen ange-
ruffen werden: nun hoͤre auch wie ſelbige ſollen verchret werden.
Dieweilen dann auß dem/ ſo vorhergangen/ gnugſamb erhellet/ daß auß
dem Fuͤrſprechen derſelben ein herrlicher Nutzen erwachſe; ſo iſt recht und
billig/ daß wir ihnen fuͤr ſo Heyl-bringende Sorgen die ſchuldige Ehr
erweiſen. Die Manieren aber/ ſelbigem gebuͤhrend nachzukommen/ ſeynd
mancherley: auß denen allen ich dir nur dieſe eintzige hervor bringe/ ſo da
mit der obbeſagten ſtuͤndlichen Anruffung einige Gemeinſchfft hat/ und zu
der gewoͤhnlichen Ubung ſich am beſten ſchicket.
Zum
[717]Von Verehrung der Heiligen.
Zum erſten dann mache dir eine Lytanie deiner H H. Patronen ſolcher
Geſtalt. Erſtlich ſetze dreymahl Kyrie eleiſon, mit dem/ Chriſte/ hoͤre
uns/ und dem folgenden/ wie du in der lauretaniſchen Lytanie ſchen kanſt;
biß zu dem Verſicul. H. Dreyfaltigkeit einiger GOtt einſchließ-
lich: und an ſtatt der Antwort: Erbarm dich unſer: ſpreche: Erbarm
dich meiner: Darnach fange an von der allerſeeligſten Mutter GOttes/
als deiner allerſonderlichſten Fuͤrſprecherin/ der du nechſt Gott zum hoͤchſten
verbunden biſt; ruffe ſie an mit dreyfachigem Titul/ und ſpreche alſo: Heyl.
Maria/ heilige Gottes Gebaͤhrerin/ heilige Jungfrau der
Jungfranen: Und alſo uͤberall dieſe Antwort: Bitt für mich arm-
ſeligen Sůnder. Nachmahlen komme zu deinen andern Patronen/ und
richte ſelbige nach der Ordnung der Buchſtaben/ oder das A. B. C. alſo/ daß
du erſtlich die Patronen/ und nachmahlen die Patroninnen ſetzeſt; und ſo offe
einen von ſelbigen anruffeſt/ ſpreche alſo: Bitt für mich armſeligen
Sůnder. Nachdem du nun alle genennet haſt/ ſo ſpreche letztlich: Alle
ihr meine H. H. Patronen und Patroninnen/ bittet fůr mich
armſeligen Sünder. Dieſe Lytanie beſchlieſſe endlich mit einem drey-
fachen O du Lamb Gottes ꝛc. wie braͤuchlich iſt/ und ſetze hinzu das
Gebettlein: O ihr meine H. H. Patronen/ von mir ſonderbahr
erwaͤhlet ꝛc.
Dieſe Lytante bette taͤglich/ wann nicht mit außgeſpannten Armen/ wie
die eifferige Schutz-Kinder pflegen zu thun/ auffs wenigſt doch mit moͤglicher
Andacht: und wann zu zeiten andaͤchtiger ſagen wilſt/ ſo bette ſelbige derge-
ſtalt/ daß du zur Außſprechung eines jeden Heiligen/ dich gar kuͤrtzlich erinne-
reſt/ was fuͤr eine ſonderbahre Tugend dieſer Heiliger/ oder Heilige an ſich
gehabt haben; und nach ſothaner Erinnerung begehre von ſelbigẽ/ daß dir doch
die jenige Tugend von GOtt erlangen wolle: Jmgleichen auch/ wann du ei-
ne ſonderliche Beſchwaͤrnuß finden ſolteſt in Außreutung eines Laſters/ oder
boͤſen Gewonheit; oder auch wann du eine Tugend dir zu erwerben verlan-
geſt/ ſo du nach Brauch deß Ordens/ dieſen Monat oder Wochen zu uͤben/
dir haſt vorgenommen: ſo gedencke nur kuͤrtzlich/ wann dieſe deine H. H. Pa-
tronen in Erwerbung dieſer oder jener Tugend/ oder Außreutung dieſes oder
jenes Laſters ſich verhalten haben: welches du auß derſelben Leben leichtlich
wiſſen kanſt; und nachdem du alſo nachgedacht/ und gefunden haſt/ wie ſorg-
faͤltig und faͤrſichtiglich ſich ſelbige darinn verhalten haben/ ſo ruffe ſie durch
die obgemeldte Lytanie an/ und bitte einen jeden abſonderlich/ er wolle dir von
Gott einen ſolchen Eyffer zu Außreutung deſſen oder dieſen Laſters/ oder zur
Erweckung dieſer oder jener Tugend erlangen/ mit dem er zeit ſeines Lebens
X x x x 3iſt
[718]Die Vier und fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
iſt begabt geweſen: und zweiffle nichtdaran/ daß du durch dergleichen offt
widerholte Anruffung uͤber die maſſen zunehmen werdeſt.
Es waͤre auch ſehr loͤblich/ wann du zum Anfang eines groſſen und harten
Wercks dich dieſer Lytanie gebrauchteſt: zumahlen gewiß iſt/ daß eine Sach
leichter gelinge/ und beſſer von ſtatten gehe/ wann man ſo gewaltige Fuͤrſpre-
cher zu Huͤlff ruffet. Alſo iſt auch ſehr verdienſtlich/ daß man zu den fuͤrnemb-
ſten Wercken der Andacht/ ſelbige Patronen einlade; auff daß ſie nicht allein
als Zeugẽ und Richter ſolcher Andacht; ſondern auch als Mithelffer und Be-
fuͤrderer beywohnen wollen. Wann du nemblich deine Geluͤbten wilſt erneue-
ren; und wann du dein Hertz deinem Gott und der allerſeligſten Jungfrauen
Mariaͤ durch eine abſonderliche H. Communion/ oder andere geiſtliche Wid-
mung auffopffern; oder eine neue Tugend zu uͤben wilſt anfangen/ oder wann
du geſinnet biſt/ deine vorhin gemachte Vorſaͤtz zu er widrigen/ oder eine ande-
re fuͤrnehme Andacht/ ſie ſeye wie ſie wolle/ zu wircken; nehme allzeit deine Zu-
flucht zu deinen H. H. Patronen/ und bitte ſelbige durch die obgedachte Lyta-
nie/ daß ſie dir in deinem guten Vorhaben bey Gott durch ihre Fuͤrſprechung
alſo wollen behuͤlfflich ſeyn/ damit du mit gewuͤnſchtem Nutzen deiner See-
len ſothane Andacht verrichten moͤgeſt.
Zum andern befleiſſe dich/ deine mehreſte Wercke/ ſonderlich die jenige/ ſo
am laͤngſten dauren/ zu Ehren deiner H. H. Patronen auffzuopffern: welches
da ſehr leichtlich und ſaͤnfftlich geſchehen kan/ wann du einem jeden Patronen
einen oder andern Theil deſſelben Wercks zueigneſt auff ſolche Weiß: zum
Exempel: wann du zu leſen oder zu ſchreiben haſt/ kanſt du deine Intention
oder Meinung alſo formiren; daß du dir vornehmeſt; die erſte drey Linien zu
Ehren der allerheiligſten Dreyfaltigkeit: die fuͤnff folgende zu Ehren deß glor-
wuͤrdigſten Nahmen JEſu; fuͤnff andere wiederumb zu Ehren deß H. Nah-
men Mariaͤ: nochmahlen zu deinen H. H. Patronen kommeſt/ und einem je-
den zu Ehren eine oder andere Linie leſeſt oder ſchreibeſt/ nach Ordnung der
Buchſtaben/ wie in der Lytanie geſetzet iſt: alſo auch/ wann du auß deinem
Cloſter oder Cellen geheſt/ oder anderwaͤrts hinwanderſt/ kanſt du alle Schritt
dergeſtalt außtheilen/ daß du erſtlich eine ſichere Zahl derſelben opffereſt der al-
lerſeligſten Jungfrauen: nachmalen die andere nach der obgeſetzten Ordnung/
deinen H. H. Patronen: Jmgleichen/ wann auß Gehorſamb dieſe oder jene
Arbeit zu verrichten haſt/ kanſt du auch nach deiner Gelegenheit und gutem
Willen dich dieſer Ubung gebrauchen.
Krafft ſolcher Ubung/ verſpreche ich dir/ daß du neben einem ſ[e]hr groſſen
Verdienſt/ im Himmel zu empfangen/ vieler abſonderlichen Wolthaten zu
genieſſen/ dich faͤhig machen werdeſt: dann alle Arbeit/ die ſonſten ſchwaͤr zu
ſeyn
[719]Von Verehrung der Heiligen.
ſeyn ſcheinet/ und auff ſolche Weiß leicht und angenehm; und alſo verg[e]het
aller Verdruß/ und innerlicher Unwill/ welcher bey den traͤgen Geiſtlichen zu
Zeiten in den harten Arbeiten einzuſchleichen pfleget. Auch wird gemeidet
die gewoͤnliche Verſtreuung deß Gemuͤths/ das uberfluͤſſige Geſchwetz/ und
liederliche Unachtſamkeit/ welche ſich denen Arbeiten/ nicht ohne merckliche
Hindernuͤß der Vollkommenheit gemeinlich zugeſellen. Ebenfalls wird ge-
mehret der Eyffer zum Dienſt GOttes/ der Geſchmack zu den geiſtlichen
Dingen/ und innerlieher Troſt deß Hertzen/ wie du im Werck ſelbſten erfah-
ren wirſt.
Du kanſt auch dieſe Ubung dir noch fruchtbahrer machen/ wann du einen
jeden Theil der Arbeit/ GOTT/ der allerſeligſten Jungfrauen/ und deinen
H. H. Patronen opffereſt/ mit einer gewiſſen Intention oder Meinung/ von
ihnen zum Exempel: eine Gnad/ oder eine Tugend/ ſo dir am noͤthigſten iſt/
zu erlangen. Wann nun dieſe Arbeit oͤffters vorfallet/ kanſt du deine Mei-
nung alſo veraͤnderen: daß du an einem Tag dieſelbige zu Erhaltung dieſer
oder jenen Tugend oder Gnaden: am andern Tag/ fuͤr andere Gnaden oder
Tugenden zu erwerben auffopffereſt/ und alſo fortan mit folgenden Tagen;
oder dukanſt einen Tag Gnad begehren fuͤr dich/ den folgenden fuͤr einen an-
dern; oder kanſt auff einen Tag von jedem H. Patronen eine abſonderliche
Gnad begehren/ deren du oder andere/ zur ſelben Zeit noͤthig haben. Alſo wann
du auß Gehorſamb das Unkraut im Garten offtmahl außreuteſt/ kanſt du zum
erſtenmahl eine ſolche Meinung machen/ und ſagen: dieſe fuͤnff Wurtzeln
will ich außreuten zu Ehren deß allerheiligſten Nahmen Jeſu/ damit von ſel-
bigem erhalten moͤge eine vollkommene Lieb gegen dieſen allerſuͤſſeſten Nah-
men; und daß ich mein Leben moͤge endigen in andaͤchtiger Verehrung und
Anruffung deſſelben. Die folgende fuͤnff Wurtzeln will ich außziehen zu Eh-
ren deß H. Nahmen Mariaͤ/ zu eben ſelbigem Ende. Die drey folgende/ zu
Ehren meines H. Schuͤtz-Engels/ daß er ſich meiner mit treuer Sorg an-
nehme. Die andere zwey zu Ehren deß H. N. daß er mich fuͤr allen Gefah-
ren Leibs und der Seelen bewahre/ zu der Stund/ an welcher ich ihn zum Pa-
tronen geſetzt hab: und ſo fort von den andern.
Ein andersmahl kanſt du deine Intention machen/ und ſagen: dieſe fuͤnff
Unkrauts- Wurtzeln will ich von dannen nehmen zu Ehren der fuͤnff Wun-
den CHRJSTJ/ damit ich mich einiges Weegs danckbahr
erzeige: die folgende ſieben zu Ehren der ſieben Schmertzen Mariaͤ/
auff daß ich zum wenigſten etwas gnug thue fuͤr die Schmertzen/
ſo ich meiner gebenedeyten Mutter durch meine Suͤnden verurſachet
hab.
[720]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
hab. Die folgende drey/ zu Ehren deß Heil. Schutz-Engels/ zur Danckſa-
gung aller geleiſteten Wolthaten: die folgende zwey zu Chren deß Heil. N.
zur Danckſagung der vornembſten Gnaden/ die mir ſelbiger von GOtt biß-
hero erhalten hat: und alſo fort von andern nach der Ordnung der Lytanien.
WJederumb ein andersmahl kanſt du alſo ſprechen: dieſe meine ſaͤmbt-
liche Arbeit opffere ich GOTT fuͤr die Bekehrung der Suͤnder/
fuͤrnemblich aber deren/ welche der Chriſt-Catholiſchen Kirchen
zum meiſten ſchaden/ oder fuͤr Errettung der Seelen auß dem Feeg-Feuer;
und zwar ſonderlich fuͤr die jenige/ denen ich fuͤr andern verbunden bin: oder
umb Erhaltung der jenigen/ welche ſich auff dieſer Welt ſonderlich befleiſſen/
die Ehr Gottes und Mariaͤ zu vermehren: oder ich opffere ſie fuͤr das gemei-
ne Weſen deß Ordens; daß Gott alle Bruͤder/ und ſonderlich die Obrigkeit/
im wahren Eyffer der geiſtlichen Vollkommenheit erhalten/ und die jenige
Laſter von ſelbigen hinweg nehmen wolle/ in welche ſie oͤffters fallen: oder zu
Erhaltung dieſer oder jenen ſonderbahren Tugend/ ſo mir am noͤtigſten iſt/ ꝛc.
und damit ich meiner Bitt leichtlich gewaͤrtig werde/ ſo will ich zu Ehren der
Mutter Gottes/ dreiſſig Wurtzeln Unkrauts außrupffen: zu Ehren meines
H. Schutz-Engels zwoͤlff; und eines jeden Patronen zehen ꝛc. und das zwarn
zu der Meinung/ daß ſelbige fuͤr mich bey GOTT anhalten/ und durch ihre
Verdienſten mir erlangen ſollen/ was ich begehre.
AUß dieſem allem kanſt du leichtlich abnehmen/ wie du auch andere Ar-
beiten mit groſſem Nutzen/ und zu Ehren der H. H. Patronen einrich-
ten koͤnneſt: ja ſo gar/ wann du in dieſer Ubung beſtaͤndiglich wirſt
fortfahren; wird deine eigene Andacht dich ſattſamb unterweiſen/ wie du dich
in allen Faͤllen verhalten ſolleſt.
ZUm dritten/ damit du dir deine H. H. Patronen noch mehr verbindeſt/ ſo
unterſtehe dich/ zu allen Stunden/ eine ſichere heroiſche Wirckung der
Tugend oder Abtoͤdtung/ zu Ehren deines Patronen zu erwecken: dann
es billig iſt/ daß du auffs wenigſt eine eintzige ſolche Wirckung uͤbeſt zu Eh-
ren deſſen/ der fuͤr dich die gantze Stund ſo treulich bittet: hierzu wird dirs
nicht bald an der Gelegenheit ermangeln: zumahlen kaum eine Stund vor-
bey gehet/ an welcher du/ oder deine unordentliche Begirden/ oder deine her-
vor kommende Sinnligkeiten/ oder dich ſelbſten in einem oder andern nicht
abtoͤdten koͤnneſt: jaſo gar kanſt du gnugſame Urſach und Gelegenheit haben/
dich alle Stund in einer heroiſchen Tugend zu uͤben/ oder abzutoͤdten/ wann
du dich nur zu jeder Stund erinnereſt/ warumb du dieſen Heiligen eben zum
Patronen dieſer Stund erwaͤhlet habeſt. Solteſt du nun eine groſſe Be
ſchwaͤrnuß
[721]Von Verehrung der Heiligen.
ſchwaͤrnuß finden in der Ubung einer abſonderlichen Tugent/ oder in Auß-
raͤutung eines Laſters allein; ſo kanſtu ſelbige zum Mittel deiner Abtoͤdtung
einige Tag lang gebrauchen: und/ ſo offt die Uhr ſchlagt/ nach geſprochenem
Ave Maria, dir vornehmen/ daß du ſelbige Stund/ zu Ehren deines vor-
fallenden Patronen/ dich ſonderbahr enthalten wolleft/ von dieſer oder jener
Unvollkommenheit abſonderlich/ oder dich uͤben in der oder der vorgenom-
menen Tugent. Die begangene Fehler oder Nachlaͤſſigkeiten an den
Stunden kanſtu an folgenden Stunden erſetzen/ und alſo eine doppelte
Wirckung der Tugent erwecken. Hiervon kanſtu theils in Verfolg dieſer
Materi/ theils auß andern geiſtlichen Buͤchern ein mehrers vornehmen. Und
wird dir deine Andacht zu vielen andern Ubungen den Weeg zeigen/ wann du
dieſe Verehrung der H. H. Patronen mit gebuͤrlichem Eyffer erhalten
wirſt.
Die Weiß und Manier einen Patronen zu er-
wehlen fuͤr den gantzen Tag.
WAnn du dich/ mein Chriſtliche Seel/ deſſen allen erinnereſt/ was
bißhero von der ſtuͤndlichen Verehrung der H. H. Patronen geſagt
iſt/ ſo ſolteſtu wohl villeicht urtheilen/ daß dieſe gegenwaͤrtige An-
dacht uͤberfluͤſſig ſeye. Dann/ weilen einer jeder Stund/ den Tag durch/
ein gewiſſer Patron iſt zugeeignet; ſo ſoll man ſagen/ ſeye es nicht vonnoͤ-
then/ daß ein ander erwaͤhlet werde fuͤr den gantzen Tag: zumahlen man an
platz eines/ wohl zwoͤlff derſelbigen zehlet/ und auch ſo viele fuͤr die Nacht/
welche fuͤr uns wachen und betten. Dem ſeye nun/ wie ihm wolle: ſo iſt
doch derhalben dieſe Andacht nicht uͤberfluͤſſig oder [unnuͤtzlich]/ durch welche
dir gerathen wird/ daß du neben den ſtuͤndlichen Patronen/ auch einen er-
waͤhleſt fuͤr den gantzen Tag: in dem dieſe Andacht meiſtens dahin zielet/
daß du deine ſtuͤndliche H. H. Patronen fleiſſig ehreſt/ und gebeſt auffs we-
nigſt einmahl im Monat/ jedem einen gantzen Tag fuͤr deſſen ſonderliche
Verehrung/ \&c.
So bald du nun deß Morgens deine Patronen ins gemein haſt angeruf-
fen durch das Gebett: O mein H. H. Patronen/\&c. ſo erwaͤhle einen
auß denſelben fuͤr einen Patronen deß gantzen Tags. Und damit du hierin
gute Ordnung halteſt/ ſo beobachte die Manier/ die in deiner Lytanie ſtehet/
alſo/ daß am erſten Tag den jenigen fuͤr einen Patronen nenneſt/ welcher
nach dem Alphabet/ oder A. B. C. der erſte geſetzt iſt in derſelben Lytanie:
Y y y ydeß
[722]Die Vier und Fuͤtzigſte Geiſtliche Lection
deß andern Tags den jenigen/ der zum zweyten geſetzt iſt/ und ſo weiters. Und
nachdem du auff ſolche Weiß biß zum letzten kommen biſt/ ſo ſange den fol-
genden Tag abermahl vom erſten Patronen an/ wie du vorhin gethan haſt; und
dieſe Manier behalte allzeit; es ſey dann/ daß der Feſtag eines oder andern von
den Patronen gehalten werde: alsdan kanſtu die gewoͤhnliche Ordnung fah-
ren laſſen/ und demſelben Patronen den gantzen Tag zueignen. Deß an-
dern Tags aber fahreſt du wiederumb fort in deiner Ubung/ und fangeſt an
wo du letzlich haſt auffgehoͤret. Denſelben aber/ den du ſolcher weiß fuͤr ei-
nen Patronen deß Tags erkohren haſt/ ruffe deß Morgens an durch dieſes
Gebett: O mein heiliger und ſehr werther Patron/\&c. wie du
finden wirſt in den Morgens-Gebetten am 727. Blat. So viel die Verehrung
deß heil. Patronen anlangt/ welcher zum Patronen deß gantzen Tags erwaͤhlt
iſt; ob du ſchon viel auß den geiſtlichen Buͤchlein zu dieſem End nehmen
koͤnneſt: ſo unterſtehe dich doch fleiſſig zu beobachten/ was folgt:
Erſtlich: Wanns geſchehen kan/ ſo ſehe zu/ daß du die Bild-
nuͤſſen aller deiner Patronen und Patroninnen bekommeſt/ und auß
ſelbigen ſetze taͤglich die jenige vor dich/ durch welche der heilige Patron
repraͤſentirt wird/ den du dir fuͤr ſolchen Tag zum Patronen erwaͤhlet haſt:
auff daß durch oͤffteres Anſchauen deſſelben erinnert werdeſt/ nicht allein
deiner Schuldigkeit gegen den Heiligen/ ſo da als einen Fuͤrſprecher fuͤr den
gantzen Tag bey GOtt fuͤr dich bittet; ſondern auch daß du mit mehrer
Neigung und Liebe daß jenige verrichteſt/ was du an ſelbigem Tag zu deſſen
Ehren zu thun/ dir haſt vorgenommen: ſintemahlen was nahe vor Augen
ſchwebt/ iſt nahe beym Hertzen.
Zum andern: Wans dir die Zeit und Gelegenheit erlaubet/ ſo leſe bedacht-
ſamb das Leben deſſen H. Patronen/ und gebe genau Achtung/ in welchen
Tugenten er zum meiſten andern ſeye vorgangen/ und welcher Geſtalt ſelbi-
ger zu ſolcher Vollkommenheit und Heiligkeit gelangt ſeye: und was du ver-
merckeſt/ daß dir zur heylſamen Lehr/ und zum Nutzen deiner Seelen diene/
daß zeichne fleiſſig auff.
Zum dritten: Sage Danck GOtt deinem HErrn; der Allerſelligſten
Jungfrauen/ und dem Schutz-Engel deß gedachten Heiligen/ daß ſie ſelbigem
zu ſolcher Heiligkeit ſo treulich gcholffen haben. Zu dieſem Ende opffere ſel-
bigen zur Danckſagung/ daß Goͤttliche Ambt deſſelben Tags/ oder andere
gute Wercke: und verſichere dich/ daß du dadurch die Gunſt deß H. Patro-
nen zu dir mercklich vermehren werdeſt.
Zum vierdten: Unterſtehe dich/ den Heiligen an ſelbigen Tag/ in ſeinen
Tugenten nachzufolgen; oder auffs wenigſt/ in einer derſelben/ die du am mei-
ſten noͤthig haſt: uno erwecke alle Stunden zum wenigſten eine Wuͤrckung
derſelben Tugend.
Zum
[723]Von Verehrung der Heiligen.
Zum Fůnfften: Verſchaffe dir ein ſicheres Gebettlein welches du taͤg-
lich zu Ehren deß Patronen/ ſo denſelben Tag von dir erwaͤhlet iſt/ ſprechen
koͤnneſt. Erfreue dich in ſelbigem Gebetlein zu Anfangs uͤber die unermaͤß-
liche Herrligkeit/ ſo dieſer Heilige/ durch die Strenge ſeines Lebens/ und durch
die Wercke der Buß verdienet hat: nach dieſem bitte ihn/ daß er dir dergleichen
Gnade bey GOtt außwircken/ und ein ſeliges End zu wegen bringen wolle.
Auff folgende Weiß:
Sey gegrüſt von mir/ du grůnende Blum deß Paradeß:
ſeye gegrůſt/ du glorwůrdiger Einwohner deß him̃liſchen
Jeruſalem/ O HN.Jch ſage Danck meinem lieben GOtt/
und der Allerſeligſten Jungfrau Mariaͤ/ fůr alle Wohltha-
ten und Gnaden/ welche ſie dir jemalen erwieſen haben. Jch
lobe und preyſe ſie derhalben/ und erfreue mich hierüber mit
dir von Hertzen: und wan ich deine Freuden dadurch ver-
groͤſſern koͤnte; wolte ich dir die wahre Schatz-Cammer al-
ler him̃liſchen Glückſeligkeit/ nemblich das Hertz JEſu und
Matiæ,ſo viel an mir iſt/ ſchencken. O mein getreuſter Patron
bey OOtt/ bitt fůr mich armſeligen Menſchen und groſſen
Sünder: erhalte mir eine vollkommene Vergebung meiner
Sünden: erlange mir einen guten Geiſt/ und heil. Gnad/
krafft deren ich meinem Gott zumalen verſoͤhnet werde/ und
ihm gefallen moͤge. Stehe mir anjetzt/ und in der Stund
meines Todts bey/ damit ich ohne wahre Reu und Leyd/
und ohne die H. H. Sacramenten der Chriſt-Catholiſchen
Kirchen nicht von hinnen ſcheide/ Amen.
Zum Sechſten: Wann du den Rſen-Krantz betteſt/ ſo nenne denſel-
ben heiligen Patronen alſo/ nach den Worten: Heil. Maria/ Mutter
GOttes bitt: ſambt dem H.N.fůr uns Sünder/\&c.
Zum Sibenten: Ehe du zu eſſen anfangeſt/ ſpreche gantz ſtill bey dir ſelb-
ſten den Engliſchen Gruß auf jetzt-gedachte Weiß: und wan du kom̃en biſt zu
den Worten: Jetzt und in der Stund/\&c. ſo richte deine Jntention alſo;
daß du durch das Woͤrtlein: Jetzt: die Mutter/ und den heil. Patronen umb
Gnad; daß nemblich die Speiß/ ſo du eſſen wirſt/ nicht allein zum Nutzen deß
Leibs/ ſondern auch zum beſten deiner Seelen dir gedeyen moͤge/ und daß du
dadurch mit neuen kraͤfften verſehen werdeſt/ deinen Gott/ und der Allerſelig-
ſten Jungfr. mit mehrer Hurtigkeit fortan zu dienen. Wilſtu auch deine Ver-
dienſten noch vergroͤſſern; ſo laſſe von jeder Speiß einen oder andern Mund-
voll in der vergroͤſſel zu Ehren Gottes/ Mariaͤ und deines Heil. Patronen:
ſonderbar von denen Speiſen/ die du am liebſten eſſeſt. Nach jeder
Y y y y 2Speiß
[724]Die Vier und Fuͤnfftzigſte geiſtliche Lection.
Speiß ſpreche mit danckbarem Hertzen dieſe Wort: Gelobt ſey der HERR
JEſus Chriſtus/ und deſſen Jungfraͤuliche Mutter/ ſambt dem heiligen N.
dieß kanſtu auch thun/ ſo offt du trinckeſt: und kanſt dich dieſer Ubung auch
gebrauchen zum Anfang eines jeden Wercks den Tag durch. Allhier muß
ich dich auch erinnern/ mein Chriſtliche Seel/ wann du von Allmoſen erhal-
ten werdeſt; daß du vor jeden Mahlzeit/ fuͤr ſo wohl todten als lebendigen
Wohlthaͤter deines Kloſters/ ſo viel dir Zeit gegeben wird/ treulich betteſt.
Zum Achten: So offt du zum Schlag der Uhren/ dein Ave Maria
nach Gewonheit ſprecheſt/ und den ſtuͤndlichen Patronen darin genennet
haſt/ ſo ſetze auch den taͤglichen Patronen hinzu. Damit du auch den En-
gliſchen Gruß mit mehrer Affection ſprechen moͤgeſt; ſo bilde dir ein/ daß/ ſo
offt du ſtuͤndlich deine H. H. Patronen durch den Engliſchen Gruß anruffeſt;
die Allerheiligſte Mutter GOttes mit ihrem gebenedeyten Sohn und dem
erwaͤhlten Patronen in einer hellſcheinenden Wolcken dir zu gegen ſeyen: und
verſichere dich/ daß dieſe deine Fuͤrſprecher fuͤr dich/ wann du guten Willens
biſt/ immer zu betten nicht ablaſſen; ſondern in den vorfallenden Gefahren/
Noͤthen und menſchlichen Armſeligkeiten/ dir bey Tag und bey Nacht mehr
dann bruͤderlich beyſtehen werden.
Unter deinen H. H. Patronen ſeye am meiſten eingedenck deines Heiligen
Schutz-Engels/ den dir GOtt von deiner Geburt an/ dich zu bewahren
verordnet hat: welcher auch viel groͤſſere Sorg uͤber dich tragt/ als du ſelbſt
uͤber dich immer haben koͤnteſt/ und gleichſamb kein Augenblick vernachlaͤſ-
ſiget/ daß er dir nicht Wohlthaten erzeige; die du nicht alle mercken kanſt.
Endlich: neben andern andaͤchtigen Wercken/ ſo dir dein eigener guter
Will an die Hand gibt/ iſt auch ſehr rathſamb/ daß du zu Ehren deß taͤgli-
chen Patronen eine oder andere Abtoͤdtung uͤbeſt. Wie du ſolches aber be-
werckſtelligen ſolleſt/ koͤnteſtu wohl auß dem/ was von der Mortification/ o-
der Abtoͤdtung zu Ehren deß ſtuͤndlichen Patronen wie oben gemeldet wor-
den/ abnehmen: Selbiges wird ſich aber in folgenden Zeilen klaͤrlicher hervor-
thun.
Weiß und Manter wie man ſich mortiſiciren
oder abtoͤdten koͤnne zur Ehren GOttes/ der Allerſeligſten
Jungfrauen/ und der H H Patronen.
DJe Abtoͤdtungen ſeynd zweyfachig; einige Aeuſſerliche/ durch wel-
che das Fleiſch geſtrie gelt und abgetoͤdtet wird; als da ſeynd die Geiſſeln/
das
[725]Von Verehrung der Heiligen.
das Faſten und dergleichen. Einige aber ſeynd innerliche: Krafft deren
die unordentliche Begirden deß Gemuͤts von denen Suͤnden abg[e]halten
werden/ zu welchen der Menſch geneigt iſt. Obwohl nun alle Abtodtungen/
die wahre Vollkomnenheit zu erlangen/ ein merckliches beytragen; ſo ſeynd
doch die innerliche zu gemeldtem Ende mehr erſprießlich/ als die aͤuſſerliche:
zumahlen die Seel groͤſſern Nutzen ſchoͤpffet/ wann ihre Paſſionen und boͤſe
Anmuthungen im Zaum gehalten werden/ als wann das Fleiſch allein ge-
zuͤchtiget wird/ indem ſolche erſtgemcldte Abtoͤdtung dem Menſchen ſchwaͤr-
licher fallet/ als die zweyte; und alſo auch groͤſſern Verdienſt bey Gott erwer-
bet. Dahero fehlen die jenige groͤblich/ ſo da vermeinen/ daß die fuͤrn[e]hmſte
Abtoͤdtungen allein beſtchen in den aͤuſſerlichen Caſteyungen deß Leibs; als
haͤrnen Kleidern/ Geiſſeln ꝛc. und ſuchen nur/ durch ſolche Buß-Werck den
Leib zu ſchwaͤchen: die Seel aber laſſen ſie in der Tieffe der Laſtern und ſchaͤd-
lichen Anmuthungen ſtecken/ und geben keine Achtung auff dieſe Wort Chri-
ſti: Seyd doch keine überweiſete Graͤber/ welche von auſſenMatt. 23.
vor den Leuten fein ſcheinen; aber in wendig ſeynd ſie voller
Todten-Bein/ und aller Vnſauberkeit.
Derhalben erforſche vorhero dein Gewiſſen/ und wann du alsdann fin-
deſt/ daß einige unordentliche Maͤngel/ oder merckliche boͤſe Neigungen in
deinem Hertzen gewuͤrtzelt haben; ſo unterſtehe dich/ ſelbige durch die inner-
liche Abtoͤdtungen erſtlich außzureuten/ und nachdem du ſolches mit gutem
Effect zu wegen gebracht haſt/ als dann fahre fort in deinen aͤuſſerlichen Ab-
toͤdtungen Wann du aber vermerckeſt/ daß deine fuͤrnembſte Laſter auß einer
boͤſen Neigung deß Leibs/ ſo da immer mit dem Geiſt zu ſtreiten hat/ herkom-
men; ſo gebrauche dich der aͤuſſerlichen Mortificationen/ die du zu Untertru-
ckung deß widerſpaͤnnigen Fleiſches/ taͤuglich zu ſeyn vermeineſt: huͤte dich
aber/ daß du deine Kraͤfften dadurch nicht gar zu viel ſchwaͤcheſt/ und alſo die
Seel/ in dem krafftloſen Leib/ zu ihren gewoͤhnlichen und ſchuldigen Ubungen
unbequem gemacht werde. Dieſes Mittels gebraucht ſich der boͤſe Feind viel-
mahlen/ damit er die neuliche und unbehutſame Geiſtliche dadurch von Fort-
ſetzung der jenigen guten Wercken verhindere/ die er ſonſten durch keinen
andern Betrug von ſelbigen hat abbringen koͤnnen.
So mercke nun zum erſten: weilen die Abtoͤdtung nichts anders iſt/
als eine Untertruͤckung der boͤſen Anmuthungen/ ſo da/ oder auß boͤſen beſchaf-
fenheit der Natur/ oder auß boͤſem Eingeben deß hoͤlliſchen Sathans entſte-
hen; ſo gebe wohl Achtung/ zu welchen Maͤngeln du von Naturen am mei-
ſten geneigt ſeyeſt/ auff daß du alſo nach Erkaͤndnuß der Kranckheit/ dieſelbe
durch bequemliche Artzeney curiren moͤgeſt: weilen aber dieſe Boͤßheiten biß-
Y y y y 3weilen
[726]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
weilen auß einer unzimblichen Begierlichkeit deß Hertzen/ bißweilen auch auß
der widerſpaͤnnigkeit deß Fleiſches entſtehet; ſo muſt du einer jeden ihrer Be-
ſchaffenheit gemaͤß vorkom̃en: als nemlich der euſſerlichen Neigung durch die
euſſerliche Abtoͤdtung; und der innerlichè/ durch die innerliche Mortification.
Zum andern: Wann du vermerckeſt/ daß du vielen boͤſen Neigungen
unterworffen ſeyeſt: ſo ſehe zu/ welcher du zum mehreſten ſeyeſt zugethan; oder
welche unter andern am gefaͤhrlichſten ſeye: ſelbige ſuche vor andern nicht auff
einmahl/ ſondern vor und nach zu daͤmpffen/ ſo lang/ biß du von ſelbiger boͤſen
Neigung keinen Uberlaſt mehr leideſt: Von dieſer ſchreite zu der andern/ und
alſo fortan/ biß du alles Unkraut außgerautet habeſt.
Zum dritten: Muͤſſen die alte Schaden oder Anmuthungen der See-
len/ ſo ſich ihrem Wirth/ nemblich dem Geiſt offt widerſetzen/ durch ſolche
Ubungen getoͤdtet werden/ die denſelben gerad zu wider ſeynd: als zum Exem-
pel/ der zum Zorn geneigt iſt/ muß ſich als dan zum meiſten uͤben in der Sanfft-
muth/ wann empflndet/ daß er zum Zorn am hefftigſten angereitzet wird. Der
dem Fraaß iſt zugethan/ muß ſich als dann fuͤrm Uberfluß am mehriſten huͤ-
ten/ wann ihn der unordentliche Appetit am ſtaͤrckeſten anfechtet: und ſolche
Beſchaffenheit hat es mit den uͤbrigen. Andere boͤſe Anmuthungen/ ſo den
Menſchen/ der ſich zur Vollkommenheit zu bequemen ſuchet/ ſeltener anfech-
ten/ oder die man vermeinet/ daß durch langwirige Ubung der Mortification
gehemmet ſeyn/ muͤſſen zur Vorſorg/ damit ſie nicht widerumb lebendig wer-
den/ verbannet werden durch Entziehung einiger/ auch zulaͤſſiger Dingen:
dann der ſich vonden zulaͤſſigen Sachen zu Zeiten enthaltet/ der wird ſich in
den unzulaͤſſigen Dingen nicht leichtlich vergreiffen: als nemblich/ wann ei-
ner ſeine Augen alſo im Zaum haltet/ daß/ ob er ſchon zulaͤſſige Sachen koͤnne
anſchauen/ wolle aber ſeine Augen darzu nicht erheben auß Liebe Gottes/ oder
der allerſeligſten Jungfrauen: dieſer wird nicht bald in die ſchaͤdliche Neu-
ſchierigkeit der Augen fallen/ daß er verlange zu ſehen/ was nicht zulaͤſſig iſt:
eben ſelbiges kan auch von andern geſagt werden.
Zum vierten: Beobachte/ daß/ wann du ſchwacher Naturen biſt/ und
empfindeſt mit dem H. Hietonymo, daß auch der ſchwache Leib dem Geiſt zu
Zeiten widerſpaͤnnig werde; ſo wirſt du zwarn wohl thun/ daß du bißweilen
einige euſſerliche Abtoͤdtungen zu Untertruckung deß Fleiſches gebraucheſt:
du muſt aber hierin dich groſſer Beſcheidenheit befleiſſen/ auff daß du den elen-
den Leib nicht mehr ſchwaͤcheſt/ und gar krafftloß macheſt zu dem/ daß du dei-
nem Stand gemaͤß zu verrichten ſchuldig biſt: wie einigen unbehutſamen
Geiſtlichen zu widerfahren pfleget/ welche zum Anfang ihrer Bekehrung/ oh-
ne
[727]Von Verehrung der Heiligen.
ne Erlaubnuͤß der Obrigkeit und Beichts-Vatters/ in den euſſerlichen Ab-
toͤdtungen ſich uͤber ihre Kraͤfften uͤben/ und dannoch die gewuͤnſchte Voll-
kommenheit dardurch nicht erlangen; ſondern uͤber einige wenig Jahr ſich
ſelbſten und andern nur uͤberlaͤſtig ſeynd. Derhalben muß man mit derglei-
chen Abtoͤdtungen ſich behutſamb halten/ ſonderlich an einem ſchwachen Leib:
und ſoll man ſolche Mortificationen vornehmen/ die mehr die boͤſe Neigun-
gen/ als die Kraͤfften hinweg nehmen. Wer dann nicht ſtarcker Complexion
iſt/ der ſoll mehr der innerlichen Abtoͤdtung ſeiner boͤſen Begirden/ als der
euſſerlichen ſich bemuͤhen: dannoch wird ihm dadurch mißrathen/ daß er biß-
weilen eines haͤrenen Kleid/ oder anderer Bußwercken ſich gebrauche.
Auß dieſem allem kanſt du/ mein Chriſtliche Seel/ abnehmen/ wie du dei-
ne Abtoͤdtungen zu Chren GOttes/ der allerſeligſten Jungfrauen und deiner
H. H. Patronen einrichten ſolleſt/ damit du den verſprochenen herrlichen
Nutzen mit Freuden darvon trageſt. Frageſt du aber/ was fuͤr innerliche Ab-
toͤdtungen du am oͤffteſten ſolleſt uͤben/ wann du merckeſt/ daß von den groͤſſe-
ren boͤſen Neigungen nicht angefochten werdeſt? ſo geb ich dir zur Ant-
wort/ daß die Abtoͤdtungen der Sinnen zur ſelben Zeit am allerheylſambſten
ſeyn. Hiervon ſehe/ was inder Lection von der Mortification oder Abtoͤd-
tung/ ſol. 399. iſt gemeldet worden.
Jm uͤbrigen/ was du zu Ehren deiner H. H. Patronen weiters thun moͤ-
geſt/ neben dem/ was du jetzt gehoͤrt haſt/ darinn wird dich deine ſelbſt eigene
Andacht unterrichten: unterdeſſen aber verwerffe dieſen dir gegebenen Rath
nicht/ und die folgende Ubungen verſaume auch nicht; dan was fuͤr ſtattlichen
Nutzen du darauß ſchoͤpffen wirſt/ ſoll dich der gluͤckliche Außgang dermahlen
eins mit deiner groſſen Verwunderung ſattſam lehren.
Morgens - Vbung oder Morgens-Gebett
eines Geiſtlichen.
- Durch welches er/ wann er deß Morgens auffſtchet/ unter dem Ankleiden ſein
Hertz zu GOtt richten/ demſelben fuͤr die empfangene Wolthaten Danck
ſagen/ und neue begehren: auch ſeinen Wercken eine gewiſſe Intention
oder Meynung fuͤrſetzen: die allerſeligſte Jungfrau zu ſeiner Herſcher- und
Fuͤrſprecherin ſich erwerben/ und alle Tag einen ſicheren Patronen/ der
obgeſetzten Unterweifung gemaͤß/ erwaͤhlen kan.
SO bald du das Zeichen zum auffſtehen/ und das Lob Gottes im Chor
zu ſingen/ hoͤreſt/ ſo bilde dir anders nicht ein/ als daß dein Geliebter
dich zu ſeinem Dienſt beruffe; derohalben ſpreche alsbald mil Freu-
den: Da iſt die Stimm meines Geliebten/ der mich ruffet: [...]ant. 5.
Und
[728]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Und ſtehe geſchwind/ aber auch mit aller Erbarkeit/ auff; richte deine Gedan-
cken zu deinem GOTT/ und deiner himmlichen Mutter/ und gruͤſſe ſelbige
mit dieſen oder dergleichen holdſeligen Worten/ und ſpreche.
OJEſu/ und Maria/ mein geliebte! die ihr mich euer
unwůrdiges Schntz-Kind/ durch den Klang dieſer
Klocken zu euerem H. Dienſt hat beruffen wollen:
gebt mir doch Gnad/ daß ich all das jenige/ was euch gefal-
let/ daß ich thun ſolle/ zu Ehren aller H. H. Nahmen/ und
zum Heyl meiner Seelen mit moͤglichem Eyffer und An-
dacht verrichten moͤge.
Dieſem nach bezeichne dich mit dem Zeichen deß H. Creutzes/ und kleide
dich in aller geziemenden Erbar- und Hurtigkeit/ und ſpreche zu jedem Theil
deiner Kleidung ein kurtzes Gebettlein auff folgende Weiß/ oder wie es dir
am beſten gefallet.
Zum Habit: Mein ſuͤſſer Jeſu/ der du mich von den gefaͤhrlichen
Welt- Haͤndlen zum geiſtlichen Ordens -Stand beruffen haſt/
umb den alten Menſchen mit ſeinem Wercken außzuziehen/ und
dir in Gerechtigkeit und Heiligkeit zu dienen: gib mir Gnad/ auff
daß/ gleich wie ich in meinem Leib dieſes geiſtliche Kleid aͤufferlich
anlege/ alſo meine Seel innerlich mit denen dir gefaͤlligen Tugen-
den zieren moͤge:
Zum Guͤrtel: Vmbguͤrte mich/ O Herr/ mit dem Guͤrtel der
Reinig und Gerechtigkeit; damit ich von den Baͤnden meiner
Suͤnden entloͤſet/ unter ſelbige moͤge gezehlet werden/ ſo da mit bren-
nenden Lichtern/ und umbguͤrteten Lenden/ dir ihrem himmliſchen
Braͤutigam einsmahls werden entgegen kommen/ und auff daß ſie
durch deine Anfuͤhrung zur Hochzeit deß Lambs geleitet werden.
Zur Guggel: Bedecke mein Haubt/ O Herr/ und meine
Sinn mit der Decke deß Heyls/ damit ich von aller Eitelkeit die-
ſer Welt ein Abſcheuen immer tragen/ und in dich allein mein Hertz
und Seel allzeit hefften moͤge.
Zu den Schuhen: Richte/ O Gott/ mein Fuͤß zu den Weegen
der Gerechtigkeit/ auff daß ich den Stricken dieſer Welt entgehen/
und gluͤcklich zu dir kommen moͤge.
Nach
[729]Von Verehrung der Heiligen.
- Nach dieſem/ wans die Zeit leydet/ falle auff deine Knie nieder/ und dancke
GOtt/ und der gebenedeyteſten Mutter Mariaͤ/ von Grund deines
Hertzen/ fuͤr die Wohlthaten/ ſo du von ſelbigen empfangen haſt/ und
opffere ihnen dich/ ſambt allem Deinigen auff in aller Demuth; und er-
waͤhle dir einen Patronen/ deſſen treuer Obhut du dich den gantzen Tag
befehleſt. Bilde dir gaͤntzlich ein/ daß du deinen lieben JCſum; deſſen
Allerheiligſte Mutter/ ſambt allen himmliſchen Einwohnern gegenwaͤr-
tig habeſt/ und gruͤſſe deinen Heyland auß allen Kraͤfften deiner Seelen
auff folgende Weiß:
Jn Nahmen deß Vatters und deß Sohns/
und deß heiligen Geiſtes/ Amen.
OMein Allerholdſeeligſter JEſu/ du Braͤutigam meiner
Seelen/ zu dem ich ſeufftze Tag und Nacht/ ſiehe/
ich dein allergeringſtes Schutz-Kind/ ich komme wider
zu dir/ nachdem ich zu Ehren deines Allerheiligſten Nahmen
dieſe Nacht geruhet hab; und gruͤſſe dich auß dem Jnnerſten
meines Hertzen/ und bette dich an/ mit allen deinen H. H En-
geln und Außerwaͤhlten/ ehre/ lobe/ und preiſe dich mein Gott und
Herr auß allen meinen Kraͤfften Leibs und der Seelen/ ſd lang ich
lebe/ und nachmahls/ wie ich verhoffe/ in alle Ewigkeit/ Amen.
Fuͤr die Wohlthaten ſage Danck/ wie folgt:
WAs ſoll ich dir meinem GOtt und HErrn wiedergeben/
meinem Erſchoͤpffer/ Erloͤſer und Beſchuͤtzer/ fuͤr al-
les/ was du mir bißhero/ und in der vaͤtterlichen Er-
haltung dieſer Nacht/ auß dem Vberfluß deiner Guͤte/ ſo mil-
tiglich gegeben haſt? Nehme/ O mein allerliebſter HErr
und GOtt/ zur danckſagung an/ allen andaͤchtigen und eiffri-
gen Dienſt deiner H. Kirchen/ mit einhelligem Lob der gan-
tzen himmliſchen Hoff-Stadt; und wuͤnſche ich von Hertzen/
daß unter allen Voͤlckern/ in allen Landen/ und/ mit einem
Z z z zWort/
[730]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Wort/ der gantzen Welt; ſonderlich aber in unſer H. Religion
dein Glorwuͤrdigſter und in alle Ewigkeit Gebenedeyteſter
Nahm gebuͤhrend verehret und angebetten werde/ Amen.
Dich aber und das Deinige opffere ſolcher Geſtalt.
VNd ob wohlen/ mein GOtt/ dein iſt (von dem alles
Gute herkombt) alles/ was ich hab; ſo opffere ich
dannoch aber- und abermahl/ dir und deiner Ge-
benedeyſten Mutter/ mein Hertz/ Leib und Seel/ und
alles/ was darinnen iſt; auch alle meine Gedancken/
Wort und Wercke dieſes Tags/ und meines gantzen Le-
bens/ zu aller demütigſter Erkendnuß der jenigen Schuld/
krafft deren ich dir/ meinem allerhoͤchſten GOTT/ und
dir/ O Maria/ meiner allerliebſten Herrſcherin verbun-
den bin. Nimb dieß alles zum Zeichen meiner ſchuldigen
Dienſtbarkeit; und das zwarn in Vereinigung deiner Wer-
cken/ ſo du ſelbſt auß einer vollkomneſter Liebe/ zum Heyl
unſer Seelen verrichtet haſt: Helffe mir/ mein ſůſſeſter
Heyland/ daß auß dem Vberfluß deiner Verdienſten
meine vielfaͤltige grobe Maͤngell gebeſſert werden.
Wann du nachmahlen deine Wercke einrichten wilſt/ ſo bette alſo:
LEhre mich/ O HErr/ heut/ dein Geſetz halten/ und
in deinen Gebotten wandern: auff daß ich vermit-
telſt deiner Gnaden vollkoͤmlich halte die Gerichte
deiner Gerechtigkeit[:] daß ich in Gedancken/ im Gebott/
Worten und Wercken mich verhalte/ wie es einem dir ge-
faͤlligen Geiſtlichen zuſtehet; und dieſen Tag zum Ver-
gnügen deiner Goͤttlichen Majeſtaͤt zubringen moͤge.
- Alhier richte deine Wercke deß gantzen Tags ein/ und nach der Materi
deines ſonderbaren Examens/ nehme dir vor eine Tugent/ in der du dich
denſelben Tag fleiſſig uͤbeſt/ oder eine Untugend/ deren du gern
wolteſt ohn ſeyn: mache dir einen veſten Fuͤrſatz/ alle und jede Gefahren
und Gelegenheiten/ denen du am meiſten unterworffen biſt/ zu meiden;
und erwecke zugleich eine Reu und Leyd uͤber alle begangene Suͤnden und
Nachlaͤſſigkeiten deines Lebens: welches alles mit dieſem oder einem an-
dern Gebett geſchehen kan.
Ach/
[731]Von Verehrung der Heiligen.
ACh/ mein GOtt und HErr! moͤgte ich dieſen Tag
mein Hertz/ daß ich dir geſchenckt hab/ ſo treulich be-
wahren/ wie du verlangeſt. Jch nehme mir veſtig-
lich vor/ mit deiner Goͤttlichen Hülff/ alle Sůnden zu
fliehen; auch alle gewoͤhnliche Gebraͤuchen/ und verſel-
ben Gelegenheiten/ ſonderlich aberNB. Alhier nehme den
Mangel/ den du zum meiſten verhuͤten wilſt) zu beſſern/ und in die-
ſer TugendNB. (Alhier ſpreche die Tugend auß/ in der du dich zum
meiſten wilſt uͤben) ſo mir vor allen ſehr noͤthig iſt/ mich zu ů-
ben. Vnd daß zwarn auß pur lauter Liebe gegen dich/
dem ich eintzig und allein zu gefallen/ zu dienen/ und mit
Leib und Seel anhaͤngig zu verbleiben verlange. Vnd
Vermoͤg dieſer Liebe thuts mir von Hertzenleyd/ daß je-
mahlen/ auch daß geringſte Vbel gegen deine unendliche
Gütigkeit begangen habe/ und in deinem H. Dienſt bis
dato ſo nachlaͤſſig geweſen ſeye. Es reuet mich ůber die
maſſen/ daß ich ſo ungeiſtlich gelebt habe: anjetzt ma-
che ich mir einen ſtarcken Vorſatz/ ein jede Sůnd hin-
führo mehr/ als alles Vbel der gantzen Welt zu mei-
den/ vollkommentlich und auffrichtiglich zu beichten/ und
all daß jenige zu thun/ was dein allerheiligſtes Geſetz von
mir erfordert.
- Nach dieſem begehre Gnad/ deinen gemachten Fuͤrſatz der Gebuͤhr
nach zu vollbringen.
ABer/ mein GOtt und HErr/ was hilffs mich/ daß
ich will/ wann du mir nicht Hilffſt/ daß ich kan:
Du kenneſt meine Schwachheit/ und dir ſeynd
bekandt meine Weege; und auß dir allein hab ich mein
Vergnůgen. Stehe derhalben auff/ mir armen Men-
ſchen zu helffen; geb mir Kraͤfften/ daß ich den Fůrſatz
meines guten Willens nachtrücklich vollbringe/ und allzeit
lebe im Lob und Lieb deiner/ und der Gebenedeyten
Jungfraw Maria/ alhier zeitlich/ und nachmahlen
ewiglich/ Amen.
Z z z z 2End-
[732]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Endlich ſetze hinzu eine allgemeine Proteſtation/ wie folgt:
SOll es geſchehen/ mein Heyland/ daß ich dieſen Tag
etwas gegen dieſen meinen gemachten Vorſatz
gedencken/ reden oder thuen würde/ daß
deinem Goͤttlichen Willen zu wider iſt; ſo prote-
ſtire ich und bezeuge anjetzt vor dir und deiner himmliſchen
Hoff-Stadt/ daß ſolches gegen meinen Willen wider-
fahren werde. Jm widrigen Fall/ erbarm dich meiner/
O GOtt/ und ruffe den irrenden alsbald wiederum zum
rechten Weeg/ und hebe von der Erden auff den gefal-
lenen. Die Freyheit meines Willens überlaſſe ich dir al-
ſo/ daß ich wohl leyden mag/ daß du ſelbige zwingeſt/
und deinem Allerheiligſten Wohlgefallen gemaͤß bindeſt/
wanns noͤthig iſt/ damit ſelbige ſich gegen dich nicht auff-
werffe/ und gegen deinen Willen im geringſten nicht ſuͤn-
dige/ Amen.
- Nachdem du nun dich und das Deinige deinem GOtt beſter maſſen anbe-
fohlen haſt/ ſo wende dich zu der Allerſeeligſten Jungfrau Maria/ und
bitte ſelbige/ durch folgendes Gebett/ daß ſie deine Fuͤrſprecherin und
Mutter ſeyn und verbleiben wolle.
Ein andaͤchtiger Gruß und Gebett zu der Aller-
ſeeligſten Jungfrau MARIA.
SO viel tauſentmahl ſeye gegrůſſet/ O Allerglorwůr-
digſte/ Allerheiligſte und gebenedeyteſte Jungfraͤu-
liche Mutter GOTTESMARIA.Jch grüſſe
dich aber in Vereinigung deß liebreichen Hertzen deines
Allerſüſſeſten Sohns JESU/ und auß den Hertzen aller
deren/ die dich lieben. Jch befehle mich dir/ O holdſeeli-
ge Mutter/ zu einem (wolte GOtt/ würdigen Schutz-
Kind: nehme mich doch unter deinen Schutz-Mantel/
und
[733]Von Verehrung der Heiligen.
und erlaube mir/ daß ich naͤchſt GOtt/ dir/ als meiner
Koͤnigin dienen moͤge; du biſt meine Freud/ meine Helf-
ferin/ mein Troſt auff Erden/ und meine Allerheyligſte
Mutter O Maria. Amen.
- Von andern dergleichen Empfehlungen ſeynd ſchier alle Bett-Buͤcher er-
fuͤllet/ deren du dich kanſt gebrauchen. Deinem H. Schutz-Engel/ und
H. Patronen/ ſonderbahr den du denſelben Tag erwaͤhlet haſt/ kanſtu
dich folgender Geſtalt empfehlen.
Zum H. Schutz-Engel.
MEin H. Engel GOTTES/ du Bewahrer meiner
Seelen und meines Leibs/ dich grůſſe ich durch das
Hertz meines Heylands JESV CHriſti/ du biſt
mein geliebter/ und von GOTT mir außerwaͤhlter
Engel: du biſt mein/ und ich bin dein. Zu lieb deſſen/ der
dich und mich erſchaffen hat/ und dir mich im Tauff anbe-
fohlen hat/ nehme mich in deinen ſorgfaͤltigen und getreuen
Schutz/ damit ich durch deine Engelliſche Hülff/ ůber das
ſchnoͤde Meer dieſes Lebens glůcklich ſchiffen/ und zum Ha-
fen der ewigen Seeligkeit dermahlen eins mit Freuden ge-
langen moͤge. O Heyl. Engel/ als meinen Patronen lieb
ich dich/ als meinen Beſchůtzer ehre ich dich/ und deinem
Befelch ergeb ich mich/ und bitte dich/ du wolleſt aller mei-
ner bißhero verübten Vndanckbarkeit zumahlen vergeſſen;
und wann ich werd gefehlet haben/ ſo bitte ich dich/ wolleſt
mich derhalben nicht verlaſſen/ ſondern mir den begange-
nen Fehler helffen beſſern/ mich unwiſſenden unterweiſen/
mich betrübten troͤſten/ mich irrenden zum rechten Weeg
leiten/ in den Gefahren mich erretten/ und endlich fuͤhren
zur ewigen Seeligkeit! Amen.
Ein anderes Gebett zum ſelbigen.
JCh bitte dich/ O Engeliſcher Hüter und treuer Be-
ſchützer/ du wolleſt mich/ der ich in deiner Bewah-
rung auß goͤttlichem Willen bin anbefohlen wor-
den/ auff dem Weeg deß Friedens/ der Erſprießlichkeit/
und deß Heyls heut und allezeit regieren/ und gegen allen
boͤſen Geiſt/ und in ſchwaͤrer Anfechtung verthaͤtigen.
Z z z z 3Ste-
[734]Die Vier und fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Stehe mir treulich bey/ auff daß ich in der That erfahren
moͤge die kraͤfftige Hůlff GOTTES; und daß ich durch
ſelbige immer moͤge behütet werden für Sünden und Ge-
fahren Leibs und der Seelen; und in der Gnad Gottes und
guten Wercken meinem Gott und Herrn biß zum End treu
verbleiben moͤge/ Amen.
Zu den H. H. Patronen.
OMein heilige und ſehr werthe außerwaͤhlte Patro-
nen! Jch erfreue mich von Hertzen über ewere groſ-
ſe glůckſeligkeit: zu euch ſeufftzet meine verzagte
Seel unter ſo vielen und ſtarcken Feindẽ/ und in den immer-
waͤhrenden groſſen Gefahren. Seyet doch eueres unwür-
digen Schutz-Rindes eingedenck/ und erwerbet demſelben
eine kraͤfftige und gewaltige Gnad/ daß er ewere Fußſtapf-
fen eintretten/ allen ſeinen Feinden die Spitz bieten/ und al-
ſo ſeinem gebenedeyten Seligmacher/ und deſſen lieben
Mutter/ in beſtaͤndiger Treu zugethan verbleiben moͤge in
alle Ewigkeit. Amen.
Zu dem H. Patronen ſo fuͤr den gantzen
Tag erwaͤhlet wird.
DV aber O H. N. mein H. und ſehr werther Patron/
nehme mich heut auff zu deinem fußfaͤlligen Schutz
Rind/ alle meine Gedancken/ Wort und Wercke/
alles wachen und betten/ alle meine Arbeit und Geſchaͤff-
ten/ alle Sinn meines Leibs/ alle Kraͤfften der Seelen/ alle
meine Bewegungen und meinen Athem; auff daß alſo die-
ſes alles durch deine Auffopfferung/ den allerheiligſten Au-
gen GOttes gefaͤlliger/ und mit mehrer Gnad und Seegen
moͤge begnaͤdiget werden: daß mein geringer Verſtand er-
leuchtet/ mein Hertz mit brennender Liebe entzündet/ und
ich durch die Krafft GOTTES dein Nachfolger werden
moͤge; und daß ich dieſen Tag/ durch deine Fürbitt/ die
boͤſe NeigungNB. (Allhier nehme die Neigung/ von der du dieſen Tag
ſonder-
[735]Von Verchrung der Heiligen.
ſonderlich wilſt befreyet ſeyn) und was immer ſonſten meinem
GOTT mißfaͤllig iſt/ ſtandhaͤfftiglich zu ůberwinden
beſtand werde: Dieſe Tugend aberNB. (Allhier ſpreche die
Tugend auß/ in welcher du dich den Tag wilſt uͤben) und was ſonſten
meinem lieben GOTT gefallen mach/ heut erlangen moͤge.
Amen.
Dieſem nach/ mache eine allgemeine Intention und Auffopfferung deiner
Wercke/ auff folgende Weiß.
Weiß und Manier/ eine algemeine Jntention oder
Meinung zu machen fuͤr jeden Tag in der Wochen.
SJntemahlen kein eintziges gutes Werck von der goͤttlichen Majeſtaͤt
dem Menſchen belohnet wird; es ſeye dann/ daß ſelbiges durch eine
gute Meinung zu GOTT gerichtet werde: derhalben iſt einem
Geiſtlichen ſchier nichts ſo noͤthig/ als daß er vor allen ſeinen Wercken im-
mer eine gute Intention zu machen ſich befleiſſe; damit er deß Verdienſts ſo
vieler Muͤheſeligkeiten und Abtoͤdtungen/ welche in dem geiſtlichen Stand
vorfallen/ ſich nicht ber aube. So ſolſt du dann/ mein Chriſtliche Seel/ alle
Tage/ deß Morgens/ ehe du ein Werck angreiffeſt/ dich unterſtehen eine ge-
neral Intention zu machen fuͤr den gantzen Tag; daß iſt/ fuͤr alle Gedancken/
Wort/ und Wercke deß gantzen Tags. Auff daß du nun in dieſem Punct
nicht unſtet und wanckelmuͤtig/ oder auch genoͤthiget werdeſt/ an jedem Tag
uͤber eine dergleichen Intention von neuem bedacht zu ſeyn; ſo thueſt du
wohl/ daß du fuͤr jeden Tag in der Wochen deine gewiſſe Intention oder Mei-
nung habeſt: als nemblich fuͤr den Montag dieſe N. Intention: fuͤr den Dien-
ſtag eine andere/ und ſo fortan.
EHe und zubevorn du aber die Intentionen alſo vertheileſt/ ſo uͤberlege
vorhin alle deine Schuldigkeiten/ krafft deren du abſonderlich betten
muſt: und nachdem du ſelbige verſamblet haſt; ſo theile ſelbige alſo
auß/ daß du einer jeden Schuldigkeit einen ſolchen Tag zueigneſt/
der dir darzu am beſten bequem zu ſeyn ſcheinet: Du muß aber
dir nicht einbilden/ daß/ wann du deine Wercke fuͤr
andere
[736]Die Vier und fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
andere/ deinem GOtt auffo pffereſt; dieſelbe fuͤr dich ſelbſten zugleich auch
nicht opfferen koͤnneſt: ſondern muſt wiſſen/ daß GOtt in Außtheilung der
Gnaden ſo ſpaͤhrlich nicht ſeye; daß wan er umb Gnad erſucht wird fuͤr einen/
nicht wolle gebetten ſeyn auch fuͤr einen anderen: ja ſo gar/ wie mehr du von
ihm begehreſt/ wie lieber ihms iſt; indem du nichts anders begehreſt/ als was
letztlich zu hoͤchſter Chren Gottes gereichet. So kanſt du dann deine Jnten-
tion allezeit in drey Theil abtheilen; alſo daß die Wercke deß gantzen Tags
Gott auffgeopffert werden Erſtlich/ zur Danckſagung einer Wolthat/ die
du ſchon empfangen haſt. Zum andern/ zu Erlangung einer neuen Gnad
fuͤr andere/ fuͤr welche du denſelben Tag zu betten gedenckeſt. Unter ſelbige wer-
den verſtanden deine Eltern/ deine Freund und Verwandten/ deine Wohl-
thaͤter/ die Abgeſtorbene Glaubige/ die Obrigkeiten deß Ordens/ die Chriſt-
liche Potentaten/ die offenbahre gemeine Nothſachen/ die Nothſachen der
Eatholiſchen Kirchen/ und der gleichen/ deren du alſo muſt ingedenck ſeyn; daß
allen und jeden gleichſamb ein ſicher Tag in der Wochen zugeeignet werde.
So kan dann ein Geiſtlicher ſeine Jntentionen oder Meinungen un-
gefehr alſo einrichten.
Am Sontag.
ERſtlich: Kanſt du deinem GOtt an dieſem Tag alles auffopffern
zur Danckſagung aller Wolthaten/ ſo er dir/ deiner Religion/ und der
gantzen Kirchen verliehen hat. Zum andern: Zu Erhaltung der
Gnaden/ die du zum geziemenden Gebrauch der Wolthaten noͤthig haſt; nicht
allein zu deinem/ ſondern auch zum Nutzen deines Naͤchſten: ſonderbahr aber
der jenigen/ ſo dir anbefohlen ſeynd/ oder welchen GOtt will/ daß durch deine
Mitwuͤrckung ſolle geholffen werden. Drittens: Zu Erhoͤhung deines
Ordens: auff daß alle merckliche Gebrechen demſelben gebeſſert/ und alle
Bruͤder und Schweſter in den Chriſtlichen Tugenden zunehmen moͤgen:
und daß Gott ſonderbahr den Obern beyſtehe/ daß ſie mit einem wahren Eiffer
ihre Untergebene zum Weeg der Vollkommenheit fuͤhren/ und ſich ſelbſt von
dieſem nicht außſchlieſſen/ ſondern in allem die Ehr Gottes/ und das Heyl
der Seelen auffrichtig ſuchen moͤgen.
Am Montag.
ERſtlich: Zur Danckſagung fuͤr die ſonderbahre groſſe Wolthat der
Beruffung zum geiſtlichen Stand. Zum andern: Zu Erhal-
tung wahrer Rew und Leid uͤber die begangeue Suͤnden/ und Beſſe-
rung
[737]Von Verehrung der Heiligen.
rung deß Lebens: wie auch zur Vergebung der Schuld und Straffen.
Drittens zur Erloͤſung aller Abgeſtorbenen Glaubigen: zum meiſten a-
ber fuͤr die jenige/ denen du am meiſten verbunden biſt. Auch fuͤr die Be-
kehrung der Suͤnder/ ſonderlich der jenigen/ die dir zum meiſten anbefoh-
len ſeynd.
Am Dinſtag.
ERſtlich: Zur Danckſagung/ daß GOtt die Welt und alles was
darinnen iſt/ hat erſchaffen wollen: ſonderbahr aber ſage Danck fuͤr
deine Erſchaffung. Zum andern: Zu Erlangung Goͤttlicher
Gnaden/ krafft deren du alle Eytelkeiten in Warheit verachten/ unb den
wahren GOtt allein uͤber alles lieben/ und allen Gefahren dieſer Welt gluͤck-
lich entgehen koͤnneſt. Drittens: Fuͤr das Heyl aller deiner Freunden/
ſo wohl Lebendigen als Todten: auff daß GOtt den verſtorbenen die ewige
Ruhe; den lebendigen aber Gnad/ und was ſonſten zum Heyl derſelben er-
ſprießlich iſt/ milt-vaͤtterlich verleyhen wolle.
Am Mittwoch.
ERſtlich: Zur Danckſagung/ daß Chriſtus ſeiner Schmertzhafften
Mutter/ und allen Liebhabern derſelben/ ſo groſſe Freuden und Herr-
ligkeit im Himmel verliehen habe/ und unſern heil. Orden durch der-
ſelben ſchmertzhafften Jungfrauen wunderthaͤtige Erſcheinung habe ein-
ſetzen wollen. Zum andern: Zu Erhaltung eines guten Todts/ zu
Erwerbung der Gunſt Mariaͤ/ ſonderlich in dem letzten Streit. Zum
dritten: Fuͤr alle abgeſtorbene Bruͤder und Schweſter/ und zum meiſten
fuͤr die jenige/ ſo mit dir gelebt haben/ oder denen du vor andern mehr verbun-
den biſt. Jtem fuͤr die jenige Seelen deß Feg-Feurs/ von welchen die Allerh.
ſchmertzhaffte Mutter auff dieſer Welt eifferig iſt verehret worden.
Am Donnerſtag.
ERſtlich: Zur Danckſagung fuͤr das eingeſetzte Hoch-Wuͤrdigſte
Sacrament deß Altars/ und fuͤr andere heylſame Goͤttliche Mittel/
die ewige Seligkeit zu erlangen. Zum andern: Zu Erhaltung
einer ſonderlichen Liebe und Andacht zu dieſem Allerhoͤchſten GUT: und
daß du ſelbiges immer und allzeit mit gezimmender Reinigkeit deines Her-
tzen/ und ſonderlich in deinem letzten Hinſcheiden/ mit wahrer Reu und
A a a a aLeyd
[738]Die Vier und Fuͤnfftzigſte geiſtliche Lection
Leyd uͤber alle deine begangene Suͤnden empfangen moͤgeſt. Auch daß du
dein Leben alſo einrichteſt/ daß du vor dem Goͤttlichen Gericht dermahlen
eins wohl beſteheſt. Zum dritten: Fuͤr alle Wohlthaͤter ſo Lebendige als
Todte/ ſo deinem Orden/ oder dir beſonderes Guts thuen/ oder Guts ge-
than haben/ ſo wohl in geiſt- als weltlichen Dingen. Jtem zu Erlangung
der Gnaden fuͤr alle Bruͤder und Schweſter deines Ordens: auff daß ſie
deren Guͤter/ ſo ihnen GOtt allhier zeitlich verliehen hat/ nicht zum Ver-
derben/ ſondern zu ihrem ſelbſt eigenen Heyl ſich gebrauchen moͤgen. Und
ſchließlich zu Außbreitung der Verehrung deß Hochheiligen Sacraments
bey allen Glaubigen.
Am Freytag.
ERſtlich: Zur Danckſagung/ und einiger moͤglichen Vergeltung
aller Schmertzen und Bitterkeiten/ ſo dein Heyland und Seelig-
macher in ſeinem Leyden/ fuͤr das gantze menſchliche Geſchlecht/
und ſonderbahr fuͤr dich groſſen Suͤnder hat außgeſtanden. Zum andern:
Zu Erhaltung der Gnade/ krafft deren du die bittere Paſſion deines HErrn
immer mit wahrem Mitleiden und Empfindligkeit betrachten/ und ſo viel dir
moͤglich iſt/ nachfolgen; auch andere zur Nachfolg mit erſprießlichem Nach-
druck auffmuntern koͤnneſt: und daß du dein Leben alſo einrichten moͤgeſt/
daß du der Fruͤchten deß Leydens Chriſti niemahls mit Freuden zu genieſſen
gewuͤrdiget wuͤrdeſt. Zum dritten: Fuͤr alle hohen Stands-Perſohnen:
als nemblich fuͤr den wahren Stadthalter Chriſti/ den Roͤmiſchen Pabſt; fuͤr
den Roͤmiſchen Kayſer; fuͤr die Chriſtliche Koͤnig und Fuͤrſten; fuͤr die Obrig-
keiten der geiſtlichen Ordens-Leuthe; zum meiſten aber fuͤr deines Ordens
Obrigkeiten: fuͤr andere gemeine Noͤthen/ und fuͤr alle die jenige/ welche
umb die Verehrung deß bittern Leydens Chriſti fortzupflantzen ſich bemuͤhen;
und auch fuͤr die jenige Abgeſtorbene/ die ſich in ihren Leb Zeiten zu gemeldtem
End bemuͤhet haben.
Am Sambſtag.
ERrſtlich: Zur Danckſagung fuͤr alle Gnaden und Wohlthaten/
ſo GOtt ſeiner gebenedeyten Mutter/ und allen Marianiſchen
Liebhabern vormahls auff Erden/ und anjetzo im Himmel droben
mitgetheilt hat. Zum andern: Zu Erlangung der Gnade/ vermoͤg
deren du unter die eifferigſte Verehrer der Allerſeligſten Jungfrauen gezeh-
let/
[739]Von Verehrung der Heiligen.
let/ und derſelben Ehr ſo wohl an dir/ als an andern/ die Tage deines Lebens
vermehren; und dero Fuͤrbitt im Leben und im Todt erfahren moͤgeſt. Zum
dritten: Fuͤr alle Liebhaber Mariaͤ/ und ſonderlich fuͤr die jenige/ ſo ſich
die Verehrung derſelben zum meiſten laſſen angelegen ſeyn/ und haben an-
gelegen ſeyn laſſen/ da ſie gelebt haben. Jtem fuͤr alle Lebendige und Todte/
fuͤr welche du zu betten ſchuldig biſt: damit GOtt ſelbige durch die Verdien-
ſten ſeiner Allerliebſten Mutter zu den ewigen Freuden auffnehmen wolle;
auff daß ſie in der That erfahren moͤgen/ daß dieſe Allerſeligſte Jungfrau in
der Warheit von GOtt geſtelt ſeye die Pfort deß Himmels.
Dieſe allgemeine Jntention oder Meynungen kanſtu allzeit halten nach
dieſer gemachten Außtheilung. Wann aber einige ſonderliche Noth ein-
fallet/ kanſtu ſelbige denen obgemeldten Jntentionen einſchlieſſen an dem
Tag/ an welchem dirs am beſten gefallet.
Abends-Vbung.
oder
Sehr kraͤfftige und heylſame Gebett.
Krafft deren/ ein eifferiger Diener GOttes und Mariaͤ/ und ſteter Ver-
ehrer der H. H. Patronen/ nach moͤglicher Erforſchung ſeines Gewiſſen/
Vergebung ſeiner Suͤnden begehret/ und nachmalen alle ſeine Wercke
GOtt/ deſſen gebenedeyter Mutter/ und ſeinen H. H. Patronen empfehlet:
dem taͤglichen H. Beſchuͤtzer fuͤr die Treu-geleiſtete Obhut dancket/ und fuͤr
die anſtehende Nacht und folgenden Tag einen neuen erwaͤhlet. Und nach
dieſem ſich zur Ruhe begebet.
- So ſpreche dann nach gehaltener Erforſchung deines Gewiſſen/ umb Ver-
zeyhung deiner begangenen Suͤnden zu erhalten/ mit demuͤtigem und zer-
knirſchtem Hertzen das folgende Gebett:
ACh/ mein Barmhertzigſter GOtt und HErr! Jch
hab geſůndigt/ ich hab geſündigt/ und hab übel ge-
lebt fůr deinen Augen: derhalben bitte ich dich nun
durch JEſum Chriſtum deinen Eingebohrnen Sohn/
erbarm dich meiner/ erbarm dich/ und nehme an die
A a a a a 2reiche
[740]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
reiche Verdienſten deſſelben für meine ſo viele und groſſe
Sůnden/ und für die Straff derſelben. Mir iſt von
Hertzen leyd/ daß ich dich mein hoͤchſtes Gut erzürnet
habe: jetzt nehme ich mir veſtiglich vor/ daß ich hinfůh-
ro die geringſte Sünd/ ſo viel mir deine Gnad verlei-
hen wird/ williglich und auffſetzlich nicht mehr bege-
hen will. Du aber mein Heyland und Seeligmacher
JESV/ du Sohn deß lebendigen GOttes; laß mir
zu Theil werden ſelbige Barmhertzigkeit/ reinige mich
durch dein koſtbares heiliges Blut von meinen Sůnden
und Miſſethaten; und geb mir wider das ſchoͤne Rleid
der Vnſchuld/ ſo du mir im Tauff verliehen haſt. O
Mutter der Barmhertzigkeit! O Zuflucht der Sünder/
Allerheiligſte Maria! Jch bitte dich/ opffere deinen Al-
lerliebſten Sohn deine Verdienſten zur Außtilgung al-
ler meiner begangenen Sünden/ zu Erſetzung meiner
Nachlaͤſſigkeiten/ Vnterlaſſungen und Vnwiſſenheiten:
auff daß dein Gebenedeyter Sohn in Anſehung derſel-
ben von allem Wuſt der Sůnden mich reinige/ zu ſeiner
Gnade wiederumb auff und annehme/ und in ſeiner Lie-
be immer und alzeit erhalte. Vnd du/ mein H. Schutz-
Engel ſambt allen H. H. Patronen und Patroninnen/
durch euere Fürbitt nehmet von mir das ſchwaͤre Joch
der Sünden/ zieret meine Seel mit den ſchoͤnen Blumen
euerer Tugenten/ und ſchencket mich alſo nach die-
ſem ſterblichen Leben euerem und meinem JESV
und MARJA zu einem ewigen wohlgefaͤlligem
Schlacht- Opffer/ Amen.
- Nach dieſem Gebett/ verordne alle deine Wirckungen deines gan-
tzen Lebens/ ſonderlich aber die Wercke dieſes verfloſſenen Tags/
und opffere ſelbige dem himmliſchen Vatter auff folgende Weiß
auff:
Auffopfferung der Wercken.
O Mein getreueſter Engel/ und Hůter meiner Seele
und meines Leibs: auch ihr meine H. H. Patronen
und
[741]Von Verehrung der Heiligen.
und Patroninnen/ erbarmbt euch ůber mich Vertrie-
benen/ bettet fůr mich euer armſeliges und unwürdiges
Schutz-Rind/ empfehlet mich meiner barmhertzigen Mut-
ter Mariaͤ: nehmet an von mir zu ewer Ehren alle Gedan-
cken dieſes verfloſſenen Tags/ ja meines gantzen Lebens;
alle Wort und Wercke/ alle Begirden/ alles Gebett/ alle ſo
geiſt- als leibliche Vbungen/ alles Wachen und Schlaffen/
all mein Faſten/ Eſſen und Trincken/ alle meine Schritt
und Athem/ alle meine Widerwaͤrtigkeiten und Trůbſall/
alle Sorg und Arbeit/ ſambt allen meinen Abtoͤdtungen/
und endlich alle meine heutige Bewegungen Leibs und der
Seelen/ nehmet von mir zu euerer Ehren an/ vereiniget ſel-
bige mit euren Verdienſten/ und ſchencket dieß alles der
allerſeligſten Jungfrauen/ als meiner holdſeligen Mut-
ter/ und meinem Heyland JESV CHRJSTO.
Du aber abſonderlich/ H. N. (allhier ſetze den taͤglichen Patrnonen
hinzu) mein geliebter Patron wolleſt all dieſe meine Wercke
zugleich mit allen deinen geůbten guten Wercken und Tu-
genden/ der goͤttlichen Majeſtaͤt auffopffern/ und mich dem
allerholdſeligſten Braͤutigamb unſerer Seelen/ ſambt der
übergebenedeyten Mutter deſſelben treueyfferigſt befehlen/
und mir dieſe Gnad erhalten/ daß ich ſelbigen in allem alſo
gefallen moͤge/ gleich wie du ihnen in deinem Leben gefallen
haſt.
- Allhier wende dich mit demuͤtigſtem Hertzen zu der allerheiligſten Mutter
GOttes/ und bitte ſelbige/ daß ſie deine Wercke mit den ihrigen vereini-
gen/ und alſo ihr em lieben Sohn auffopffern wolle/ auff folgende oder an-
dere Weiß.
OAllergůtigſte Jungfrau Maria! ich bitte dich durch
das Hertz deines Sohns JEſu Chriſti/ du wolleſt
alle meine obgedachte Wercke/ und allen meinen gu-
ten Willen/ zu Ehren Gottes und zu deinem Mütterlichen
Vergnůgen annehmen/ und dieſes alles durch die Vereini-
A a a a a 3gung
[742]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
gung deiner allerheiligſten Wercke/ meinem Erſchaͤffer
und Erloͤſergefaͤllig machen/ und mich demſelben alſo ver-
ſoͤhnen/ daß ich ihme biß zum End meines Lebens/ und in
alle Ewigkeit gefaͤllig bleiben moͤge/ Amen.
- Nachdem du dieſes mehr mit dem Hertzen/ als mit dem Mund geſprochen
haſt/ ſo ſchlage deine innerliche Augen auff den Sohn GOttes/ und rede
ſelbigen alſo an.
VNd du/ mein hertzliebſter JESV/ wolleſt doch al-
les/ was deine allerheiligſte Mutter in meinem
Nahmen dir auffopfferet/ ſampt allen dero/ und
meiner H. H. Patronen Verdienſten barmhertziglich an-
nehmen/ und ſelbiges durch dein für mich vergoſſe-
nes Blut reinigen/ und alſo in Vereinigung deines aller-
heiligſten Lebens und Sterbens/ deinem himmli-
ſchen Vatter auffopffern zu dieſerIntentionN. Allhier
erneuere kuͤrtzlich deine Meinung/ die du deß Morgens gemacht
haſt/ und nenne deine eigene/ oder auch frembde Nothſachen/ und bitte deinen
Heyland zugleich/ er wolle dich der Ablaſſen theilhafftig machen: auff fol-
gende Weiß.
WEiters bitte ich dich/ mein liebſter Heyland/ du wol-
leſt alle meine Wercke/ ſo ich durch deine Gnad am
heutigen Tag verrichtet hab/ mit allem Ablaß/ er
ſeye verliehen/ wohin er immer wolle/ auß dem Schatz der
Kirchen verſehen/ und dir mich gaͤntzlich vereinigen/ und
von allen Sünden hinfůhro zumahlen behüten.
- Dieſem nach kehre dich zu deinem taͤglichen H. Patronen/ und bitte ſelbigen
ungefehr auff folgende Weiß:
JCh ſage dir Danck/ mein werteſter Patron und Fůr-
ſprecher/ daß du mir dieſe verwichene Nacht und
Tag/ ſo getreulich beygeſtanden habeſt; und ſchen-
cke dir zum Zeichen der Danckbarkeit die allerreineſte Her-
tzen JESV und Mariaͤ/ und erſuche dich durch die Liebe
der-
[743]Von Verehrung der Heiligen.
derſelben demůtiglich/ du wolleſt dich meiner allezeit an-
nehmen/ ſonderlich aber in der Stund/ die ich dir hab zu-
geeignet. Erlange mir Gnad/ daß ich zu ſelbiger Stund
nichts thue/ nichts rede/ und nichts gedencke/ als was mei-
nem JESV gefaͤllig iſt/ und daß ich in allem den Willen
GOTTES vollkommentlich vollbringen moͤge. Stehe
bey mir ſterbenden/ verthaͤtige mich fůr allem Anfall und
Verſuchung deß boͤſen Feinds/ und ziere meine Seel mit
deinen Tugenden/ und begleite ſelbige alſo zum Richter-
Stuhl GOttes: Anjetzt aber empfehle mich/ O Heyl. N.
dem jenigen Patronen/ welcher dir in der Ordnung folget/
daß er über mich armſeligen Menſchen getreue Sorg tra-
gen wolle/ Amen.
- Wann du allhier die Bildnuͤß deines Patronen vor dir haſt/ darvon oben iſt
gedacht worden/ ſo lege ſelbige hinweg/ und nehme vor dich die Bildnuͤß
deß folgenden Patronen/ den du folgender Geſtalt anreden kanſt.
OHeiliger N. nehme mich in deinen Schutz/ und hilff
mir/ daß ich dieſe Nacht und folgenden Tag mei-
nem GOTT und Herrn wiſſentlich im geringſten
nicht erzůrne; ſondern demſelben in allem vollkommentlich
gefallen moͤge. Sey du mein Lehr-Meiſter und Beſchir-
mer/ und ich will ſeyn dein Lehr-Jůnger und Schutz-
Kind.
- Nach dieſem ſage Danck deinem GOtt/ der allerſeligſten Jungfrauen/ und
deinen H. H. Patronen/ fuͤr alle empfangene Wolthaten/ und befehle dich
dieſe Nacht uͤber/ in die Wunden Chriſti/ in den Schooß Mariaͤ/ und in
den Schutz deiner H. H. Patronen/ und behalte dir vor/ daß du nicht auß
Gemaͤchligkeit/ ſondern zur bloſen Nothdurfft ruhen wolleſt; dieſes kanſt
du mit folgendem Gebett verrichten.
Naͤcht-
[744]Die Vier und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Naͤchtliche Empfehlung
an
Chriſtum/ die alleerſeligſte Jungfrau und die
H. H. Patronen.
HErr GOtt himmliſcher Vatter/ ich ſage dir unendli-
chen Danck für die unzahlbare Wolthaten/ ſo dei-
ne allerhoͤchſte Majeſtaͤt mir armen Menſchen von
meiner Kindheit an/ biß auff gegenwaͤrtiges Augenblick
erwieſen hat. Zum Zeichen der ſchuldigſten Danckbarkeit/
opffere ich dir alle Verdienſten meines Heylands Jeſu/ und
bitte dich fußfaͤlliglich/ durch denſelben unſern Herrn JE-
ſum CHriſtum/ du wolleſt mir allzeit/ und ſonderbahr in
der Stund meines Todts/ wie auch allen meinen Freunden/
Verwandten/ Wolthaͤtern/ und für welche zu betten ich
ſchuldig bin/ deine gewoͤhnliche Barmhertzigkeit erzeigen.
Jmgleichen opffere ich dir/ O Jeſu/ du Sohn deß lebendi-
gen GOttes dieſelbe Danckſagung für alle mir geleiſtete
Wolthaten/ und verbinde ſelbige Danckſagung mit dem
Hertzen deiner Jungfraͤulichen Mutter Mariaͤ/ und den
Verdienſten meiner H. H. Patronen. Hergegen opffere
ich dir/ O MAKJA/ in meiner Einfalt das Hertz
deines eingebohrnen Sohns/ mit meinem/ obwohl
unwůrdigſten Hertzen/ und allen Verdienſten deiner ge-
treuen Diener und Liebhaber/ für alle mir erwieſene
Gnaden und Wolthaten. Dirauch mein Heyl. Engel/
und euch meinen H. H. Patronen/ die ihr mich bißhero ſo
treulich bewahret hat/ opffere ich das Hertz JEſu und
Mariaͤ.
ACh! wie gern wolte ich/ mein GOtt und Herr/ dieſe
gantze Nacht auß allen meinen Kraͤfften dich loben
und preiſen! nun aber muß nach der Schwachheit
meiner Naturen/ obſchon ungern/ mich richten/ und die noͤ-
thige Ruhe meines Leibs annehmen. Jch ſtelle aber an mei-
ne
[745]Von Verehrung der Heiligen.
ne Platz das jenige Lob/ ſo dir meine H. H. Patronen/
auch bey naͤchtlicher Weil/ mit groſſem Eiffer und bren-
nenden Hertzen zeit ihres Lebens gegeben haben. Jn
deine H. H. Wunden/ O JESV befehle ich mich/
in denſelben will ich ruhen/ in denen will ich ſchlaffen/
wachen/ leben und ſterben. Errette mich von allen
Nachſtellungen und Liſten meiner Feinden: erhalte mei-
nen Leib und Seel in der Keuſchheit/ auff daß ich mit
Freuden zu dir erwachen/ und dich von Hertzen loben
moͤge/ Amen.
O Allerheiligſte Jungfrau Maria/ nehme deinen un-
würdigen Diener dieſe Nacht unter deinen Schutz-
Mantel/ damit demſelben der Betrug deß loſen Feinds
nicht ſchaden koͤnne. Hilff mir/ O Maria/ daß/ gleich
wie dein Hertz gewachet/ wann du geſchlaffen haſt/ alſo
auch/ das Meinige wache/ wann ich ſchlaffe. Derhal-
ben iſt mein Will/ daß ich zu aller und jeder Erhohlung
deß Athems/ und zu allen Schlaͤgen deß Hertzen/ ſa-
gen koͤnne; Seye gegrüſſet du Mutter Chriſti: Sey
gegrüſſet O JEſu/ du Sohn Mariaͤ. Oder: Jch liebe
JEſum und Mariam. Oder: Mein GOTT und Al-
les. Qder: Gebenedeyt ſey GOTT/ oder der-
gleichen.
Auch bitte ich dich/ O Keuſcheſte Jungfrau/ durch
deine H. Jungfrauſchafft/ und unbefleckte Empfaͤngnuß/
erhalte mein Leib und Seel dieſe Nacht in aller Reinig-
keit. Jch wolte lieber ſterben/ als in die geringſte
Vnſauberkeit verwilligen. Gleich wie ich nun dieſelbe
anjetzt verfluche/ alſo bitte ich/ du wolleſt mich/ aller-
reineſte Jungfrau für allem dem dieſe Nacht bewahren/
ſo den Goͤttlichen Augen/ und den Deinigen mißfaͤllig
iſt.
O mein H. Schutz-Engel/ und ihr/ meine H. H. Pa-
tronen/ euch bitte ich/ haltet fůr mich armen Menſchen
an/ daß ich dieſe Nacht von allen [Anfechtungen] deß
Fleiſches/ und von allem Argliſt deß leidigen Sathans
moͤge beſchützet werden: umbgebet meine Ruh-Statt
B b b b bmit
[746]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
mit euerem Schirm/ und vertrettet meine Platz mit eue-
rem Lob GOttes/ wann ich ſchlaffe. Erwecket mich zu
gebührender Zeit auff/ und helfft mir alsdann meinen
GOtt und HErrn mit Freuden loben/ ehren und preiſen;
munteret mich auff allhier zeitlich/ auff daß ich dermahlen
eins meinen GOtt mit euch loben und preiſen moͤge e-
wiglich/ Amen.
- Alhier falle nie der zu der Bildnuß Mariaͤ in deiner Cellen/ und begehre von
deiner Mutter den Segen und ſpreche:
- Unter dem Außkleiden fuͤhre zu Gemuͤth/ oder die Entkleydung Chriſti
in ſeinem Leyden; oder die Bloßheit deiner Seelen/ wegen Mangel
der Tugenten/ und wegen deß verlohrenen Kleyds der Unſchuld; oder
die Stund deines todts/ an welcher du aller zergaͤnglichen Guͤter wirſt
entbloͤſſet werden/ oder dergleichen. Huͤte dich auch unter dem Außklei-
den/ daß du keinen entbloͤſten Theil deines Leibs fuͤrwitziglich anſchau-
eſt. Schließlich ſolſtu mit dem Wey-Waſſer an deiner Stirn machen
den Nahmen JESU/ und uͤber das Hertz den Nahmen MARIÆ,
und ſprechen:
JEſus ſeye in meinem Sinn/ Maria im Her-
tzen/JESUS MARIA JOSEPH,im Mund/
im Leben und im Todt.
Nach dieſem beſprenge dein Bett mit Wey-Waſſer/ und mache uͤber
ſelbiges ein dreyfachiges Creutz und ſpreche:
Jn Nahmen deß Batters/ und deß Sohns/ und
deß Heiligen Geiſtes/ Amen.
Jndem du zum Bett geheſt/ ſo ſpreche:
ALlerſuͤſſeſter JEſu/ in deine Haͤnd befehle ich meinen
Geiſt/ nehme zum End meines Lebens meine Seel zu
dir. Jch will im Frieden zugleich einſchlaffen und ru-
hen.
[747]Von Verehrung der Heiligen.
hen. GOtt ✠ der Vatter/ der Alles auß Nichts erſchaf-
fen hat/ ſegne mich. GOtt ✠ der Sohn/ der den verlohr-
nen Menſchen mit ſeinem Blut erkaufft hat/ ſegne mich GOtt
✠ der Heilige Geiſt/ ein Troͤſter der betruͤbten Hertzen/ ſeg-
ne mich.
JESUSvonNazareth,ein Koͤnig der Juden.
Der Sieghaffte Ehren-Nahm/ behůte mich fůr
allem Vbel.
Heiliger GOtt/ ſtarcker GOtt/ unſterblicher GOtt/
erbarm dich meiner.
JESUS, MARIA, JOSEPH.
WAnn du nun nicht alsbald ſchlaffen kanſt/ ſo erinnere dich der Ma-
teri/ deren du deß folgenden Tags dich zur Betrachtung gebrau-
chen wilſt. Oder gedencke an das bittere Leyden und Sterben
Chriſti: oder was dergleichen. Unterſtehe dich auch ſo erbarlich/ als
dirs moͤglich iſt/ im Bett zu ligen/ nemblich auff der rechten Seiten/ und
uͤber all bedeckt/ auch in der groͤſten Hitze/ mit Creutz-Weiß uͤbereinan-
der geſchlagenen Haͤnden vor der Bruſt: und ſchließlich mit ſolcher Einge-
zogenheit/ die einem Geiſtlichen/ ſo da einer Engliſchen Reinigkeit ſich auff
Erden befleiſſen ſolle/ gebuͤhrlich anſtehet. Gewoͤhne dich auch nicht
daran/ daß du dich offt von einer Seiten zur andern weltzeſt; ſondern li-
ge ruhig/ und gedencke an deinen Heyland/ welcher am Stammen deß heil.
Creutzes/ nicht auff einem weichen Bett; ſondern am harten Holtz ſterbend
entſchlaffen iſt. So offt du erwacheſt/ ſeufftze zu deinem GOtt: und
verſichere dich/ daß/ wann du dieſes alles auß wahrer Meynung deinem
GOtt zu gefallen wirſt halten; ſo wirſtu mit den Kindern GOttes ruhig
ſchlaffen/ und auch durch alſolchen Schlaff dich noch darzu
verdienſtlich machen.
B b b b bDie
[748]Lection
Die Fuͤnff und Fuͤnfftzigſte und letztere Geiſtliche
LECTION
Von
Der Berharrung im Guten.
10. v. 22.
ſeelig werden.’
1. OB zwarn noch viele Materien uͤbrig ſeynd/ von denen koͤnte und
ſolte gehandlet werden; ſelbige aber/ theils einem Geiſtlichen
zu wiſſen nicht noͤthig; theils auch in denen vorhergehenden
Lectionen unvermerckt beruͤhret ſeynd: derhalben wollen wir allhier darvon
keine weitere Meldung thun; ſondern mit gegenwaͤrtiger Lection von
der Verharrung das Studier-Jahr beſchlieſſen/ und den Spiel-Mo-
nat anfangen; damit von dir/ mein Chriſtliche Seel/ nicht moͤge ge-
ſagt werden/ was der heilige Evangeliſt Lucas auß dem Munde deß Hey-
landes meldet und ſagt: Dieſer Menſch hat angefangen zu
c. 14. v. 30bauen/ und hats nicht außfůhren koͤnnen. Dann/
was hilffts/ daß man eine Sach anfanget/ und nicht biß zum End
beſtaͤndiglich darinnen verharret? Dahero/ wann ſchon einer allem dem/
ſo in dieſer Tugent-Schul gelehret worden/ zum genaueſten nachleb-
te/ und danoch darinnen biß zum Ende nicht Fueß beym Mahl hielte/
wuͤrde ſelbiger keinen Nutzen darvon tragen: zumahlen das ewige Leben
den Anfangenden und denen/ ſo in dieſer Schuhlen ſich uͤben/ zwarn
verſprochen wird; kan aber keinem gegeben werden/ als denen/ die biß
zum
[749]Von Verharrung im Guten.
zum Ende deß zeitlichen Jahrs dieſem Studieren fleiſſig obligen.
dieſes bedeutet dir GOTT durch den Propheten und ſagt: WannEzech. 8
ſich der Gerechte von ſeiner Gerechtigkeit abwendet/
und Boͤſes thut/ ſoll er dann leben: Es wird an alle ſei-
ne Gerechtigkeiten/ ſo er gethan hat/ nicht gedacht wer-
den. So ſagt dann recht der heilige Hieronymus: Man ſucht inLib. 1.
contra
Jovinina
den Chriſt-Glaubigen nicht den Anfang/ ſondern das
Ende. Paulus hat übel angefangen/ aber wohl geendi-
get: Der Anfang deß Verraͤhters Judaͤ wird gelobt; der
Außgang aber wird mit dem ewigen Verderben geſtrafft.
Einmahl gewiß iſt/ was der heilige Vatter Auguſtinus ſagt: Es iſt
kein groſſe Sach/ daß man das Gute anfange; ſondern
daß iſt allein vollkommentlich/ daß man ſelbiges zum End
bringe.
2. Und da der Seraphiſche Lehrer Bonaventura dieſer Worten deß1. Cor. 9.
Apoſtels ſich erinnert. Es lauffen zwarn alle/ aber einer
bekombt das Kleynod: ſpricht er alſo: Dieſes kan von denIn Pſal.
67.
Tugenten geſagt werden: dann ſelbige lauffen zum Reich
Chriſti/ eine aber erhaltet das Kleinod: Es lauffet
die Verachtung der Welt/ es lauffet die Armuth/ es
lauffen die Allmuſen/ das Wachen und Betten lauffet/
es Laufft die Enthaltung/ Keuſchheit und Gedult;
auch lauffet die Verharrung; und von allen wird dieſe etzte-
re nur allein gecroͤnet: dann der verharret biß zum End/
der wird ſeelig werden. Weiters/ gleich wie kein Werck/ es
ſcheine ſo vollkommen zu ſeyn/ als es immer wolle/ GOTT ge-
fallen kan/ ohne die Lieb; wie der Apoſtel Paulus mit dieſen Worten
bezeugt: Wann ich mit Menſchen und Engeln Zungen1. Cor. 13.
redete/ und haͤtte aber die Liebe nicht/\&c. Alſo muß
keine Tugent/ weder auch einiges gute Werck die Belohnung erwarten/Matt. 9.
wann ſie nicht von der Verharrung vergeſellſchafftet werde. Das
Evangeliſche Weib/ ſo mit dem Blut-Gang behafftet ware/ hat
nirgend andersher die Geſundheit erlanget/ als daß ſie den Saum
deß Kleyds Chriſti hat angeruͤhret: die Saͤume aber an den Kleydern
ſeynd das euſſerſte und letzte Theil derſelben. Was wird nun anders
B b b b b 3dadurch
[750]Die Fuͤnff und Fuͤnfftzigſte geiſtliche Lection
dadurch bedeutet/ als eben/ daß die Verharruung/ ſo durch das Anruͤh-
ren deß Saumbs verſtanden wird/ hoͤchſtnoͤthig ſeye zu Erhaltung der Ge-
ſundheit/ oder deß ewigen Seelen- Heyls? Der fromme Jacob hat GOtt
In Epiſ.
10. ad
Fur.geſehen/ aber wo? Auff der Spitzen der Leiter/ ſagt der heilige
Hieronymus und nicht unten am End derſelben/ oder in der
Mitten: auff daß wir lernen ſollen/ daß es nicht genug
ſeye/ wohl anzufangen/ ſondern wohl zu endigen. Dann
Epiſt. 253.was hilffs/ ſagt der heilige Bernardus/ daß wir Chriſtum nach-
folgen/ wann wir ihn nicht erreichen: Derhalben ſagte
1. Cor. 9.Paulus: Lauffet alſo/ daß ihrs ergreiffet. Alda ſolſtu/
mein Chriſt-Glaubiger Menſch/ das Ziel deines Lauffs
und Fortgans ſetzen/ wo Chriſtus das Seinige geſtelt
hat. Er iſt/ ſagt der Apoſtel/ gehorſamb werden biß
zum todt. Du magſt dann lauffen/ ſo viel du kanſt; wirſtu
nicht lauffen biß zum todt/ ſo wirſtu keinen Lohn bekom-
men. Alſo redet der heilige Bernardus von der Sachen. Wilſtu
nun ſeelig werden/ ſo folge deinem Heyland nach/ der von ſich ſelbſten
Joan. 17.ſagt: Jch hab das Werck vollzogen/ mein Vatter/ daß du
Joan. 19.mir zu thun gegeben haſt. Und am Creutz geſprochen hat: Es
iſt vollbracht. Ob wohl die hartnaͤckige Juden geruffen haben:
Matt. 27.Wann er ein Koͤnig auß Jſrael iſt/ ſo ſteige er vom Creutz/
und wir wollen ihm glauben: Dannoch hat Chriſtus ſeyn Creutz
nicht verlaſſen wollen. Warumb aber das? dieweilen ſelbiger/ in dem er
ein wahrer Koͤnig uͤber Jſrael ware/ den Titul oder Uberſchrifft ſeines
Reichs/ ſo auff das Creutz gehefftet ware/ nicht verlaſſen muſte: Dann
ſo der jenige/ der biß zum End nicht verharret/ nicht kan
ſeelig werden/ wie viel weniger koͤnte ſeelig werden der
Heyland ſelbſt: ſagt der heilige Bernardus/ und der heilige Thomas
In Matt.
c. 27.ſetzt hinzu und ſagt; wann Chriſtus vom Creutz hinab geſtie-
gen waͤre/ ſo haͤtte er uns in der Tugend der Verharrung
biß zum End nicht vorgeleuchtet.
3. Entſetzlich iſt/ was wir im Buch Geneſis leſen von dem Weib deß
Loth/ ſo der Feuers-Brunſt entkommen ware; und da ſie zuruͤck ſchauete/
ſehe/ da ward ſie in eine Sals-Saͤule verwandlet. Warumb hat GOtt
aber den Fuͤrwitz dieſes Weibs in einem Augenblick ſo grauſamblich ſtraffen
wollen/ in dem doch ſelbige villeicht nur auß lauter Mit-Leyden hat umb-
ſchauen wollen? Damit uns der guͤtige GOtt ſorgfaͤltiglich unterrichte/
wie viel daran gelegen ſeye/ daß der jenige/ ſo den Suͤnden einmahl den Ru-
cken gewendet/ und nunmehr den Berg der Tugenten hinauff zu ſteigen an-
gefan-
[751]Von Verehrung der Heiligen.
gefangen hat/ nicht zuruͤck ſchreite. Dahero hat er ſehr vorſichtiglich ver-
ordnet/ daß das gemeldte Weib nicht in eine hoͤltzerne/ ſteinere/ oder Metalle-
ne; ſondern vielmehr in eine Sals- Saͤul veraͤndert worden. Dann alſo/
ſpricht der H. Vatter Auguſtinus: Hat uns GOtt eine vermengte
Speiß zugerichtet/ die wir gleichſamb ſchmecken/ uns fůr
alſolchem unglück fleiſſig hüten/ und mit dieſen Gedancken/
gleich wie mit einem Saltz gewůrtzet/ unſern angefange-
nen Weeg tapffer fortſetzen/ und die Angen nicht zurück
ſchlagen ſollen/ damit wir nicht anch dergleichen Straff zu
erfahren genoͤthiget wůrden.
4. Nachdem der H Bernardinus weitlaͤuffig erzehlet/ wie der boͤſe Feind
die Verharrung deß Menſchen zu verhinderen trachte/ bringt er dieſe folgen-
de Hiſtori hervor/ und ſagt: Es waren zwey Fechter/ ſo ſich mit einander ſchla-Tom. 2.
ſer 66.
art. 2. c. 2.
gen wolten: und da der eine ſicht/ daß ſein Feind auff ihn will loßgehen/ ſo
rufft er alsbald und ſagt: ich will mit zweyen nicht fechten; einer von euch bey-
den weiche zuruͤck: derohalben ſehet ſelbiger zuruͤck/ in Meynung/ daß einer
hinten ihm ſtehe; wird aber in ſolchem zuruͤck ſchauen vom andern verletzt
und getoͤdtet: Alſo wird der jenige vom Teuffel gar leicht betrogen/ welcher
nicht verharret/ ſondern zuruͤck ſehet. So haben dann die Engel Gottes wohlGen. 19.
geſagt zum Loth: Errette deine Seel/ und ſehe nicht umb; da
aber deſſen Weib zurück geſchauet/ iſt ſie in eine Sals-Saͤu-
le verwandlet worden. Derhalben ſagt Chriſtus: Keiner derLuc. 9.
ſeine Hand an den Pflug legt/ und ſehet zurück/ iſt geſchickt
zum Reich GOttes. Hergegen befleiſſet ſich der hoͤlliſche Sa-
than die Verharrung im Guten auff alle moͤgliche Weiß zu hemmen/ wie der
H. Laurentius Juſtinianus bezeugt: Der Teuffel/ ſagt er/ pflegt derc. 2. de
lig. rit.
der Verharrung immer nachzuſtellen; dieweilen er weiß/
daß ſelbige unter den Tugenten allein gecroͤnet werde. Bey
dem Propheten Ezechiel wird ein groſſe Niederlag erzehlet/ welche Gott unter
den Menſchen/ in allerhand Stands/ Geſchlechts und Alters Perſohnen/ mitEzech. 9.
dieſer Condition hat angeſtellet. Jhr ſollet keinen toͤdten/ an
welchem ihr das Zeichen/ Thau/ ſehet. Warumb ſollen aber
dieſe mehr frey ſeyn/ als andere? Dieweilen/ ſagt der gelehrte Cardi-
nalis Hugo/ die Buchſtaben T. in dem Hebraͤiſchen Alphabet die letzte
Litter/ und der Figur deß Creutzes gleich iſt/ und derhalben durch ſelbi-
ge die Verharrung verſtanden wird: auch ein jeder dahero erinnert
werde/ daß/ wann er alle Gebott GOttes biß zum letzten nicht halte/
ſolle getoͤdtet werden.
5. Zu
[252[752]]Die Fuͤnff und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
5. Zu deſſen mehrer Bekraͤfftigung dienet ein ander Ort der heiligen
Schrifft. Jm alten Teſtament hatte GOtt befohlen/ daß ihm alle Erſt-
Geburt/ ſo wohl von Menſchen als Viehe zum Opffer ſolte geſchlach-
Exod. 13.
v. 13.tet werden: den Eſel allein hat er auffm Altar nicht haben wollen. Die
Erſt-Geburt deß Eſels/ ſagt GOtt/ ſolſtu mit einem
Schaaff verwechßlen. Ob wohl nun die heilige Dolmetſcher
hieruͤber viellerhand Urſachen vorbringen/ ſo dienet doch dieſe zu unſerm
Vorhaben am beſten; daß nemblich durch die Eſel die jenige verſtanden
werden/ ſo da zwarn wohl anfangen/ in der Mitten deß Weegs aber
ermuͤdet werden und erligen: zumahlen man im gemeinen Sprichwort
ſagt: Ein Eſel laufft nicht lang. Dieſe verwirfft dann GOtt/
und hat von ſelbigen ein Abſcheuen. Werffe derhalben/ mein Chriſtliche
Seel/ alle Faul- und Traͤgheit von dir hinweg/ verlaſſe die Eigenſchafft
deß Eſels/ und nehme die Natur der Hirſchen an; ſeye hurtig und un-
verdroſſen im Dienſt GOttes/ wann du demſelben zu einem angenehmen
Opffer wilſt geſchlachtet werden. Dahero ermahnet dich billig der heilige
Lib. 1.
Sinon. in
fine.Jſidorus und ſagt: Stehe veſt in der Gedult/ daß from-
me Leben/ ſo du haſt angefangen/ verlaſſe nicht; deinen
gemachten guten Vorſatz/ und gethanes verſprechen halte
biß zum End: ſeelig biſtu/ wann du im guten verbleiben
wirſt: ſelig biſtu/ wann du beſtaͤndiglich verharren wirſt:
Das Heyl wird verſprochen den Anfangenden; der Lohn
Pſ. 105. v. 3aber wird den verharrenden gegeben. Selig ſeynd/ die
das Gerichte bewahren/ und thuen/ was recht iſt zu al-
ler. Zeit. Der iſt nicht gluͤckſelig/ der Guts gethan hat; ſondern der
Guts thut zu aller Zeit.
6. N[e]hme auch wohl in obacht die folgende Lehr deß H. Hieronimi: Wir
in Cap.
27.
Ezech.werden nicht/ ſagt er/ über die vergangene/ ſondern
ůber die gegenwaͤrtige Dinge gerichtet werden. Behut-
ſamb/ behutſamb/ und forchtſamb ſolſtu ſeyn/ auff
daß deine alte/ mit groſſer Mühe erworbene Herr-
ligkeit/ und veſte Stetigkeit im Guten/ die Waͤl-
len einer eintzigen Stunden nicht zu Boden werffen.
O wie viele haben gehabt anſehnliche Eingaͤng/ und hergegen ſchaͤndliche
Außgaͤng! Henricus der achte/ Koͤnig in Engelland/ hat mit ſeiner eigenen
Hand
[753]Von Verharrung im Guten.
Hand ein Buch von den ſieben Sacramenten gegen Lutherum geſehrieben/
und iſt bey dem Roͤmiſchen Pabſt und allen Cardinaͤlen in ſolcher Æſtim ge-
weſen/ daß er mit dem Titul eines Verthaͤtigers der Kirchen von ſelbigen iſt
geehret worden. Wer ſolte damahls vermeinet haben/ daß dieſer Koͤnig in ſei-
ner Boͤßheit auch einen Antichriſt uͤberwinden/ und ſein heiliges und Ertz-
Catholiſches Reich in den Abgrund der ſchaͤndlichen Ketzerey ſtuͤrtzen wuͤrde?
und gleichwohl hat deſſelben Grauſamkeit/ nicht ohne groſſen und unwider-
bringlichen Schaden und Aergernuß der Chriſt-Catholiſchen Kirchen/ ſich
ſo weit außgelaſſen/ wie gemeldet worden. Oſius ein Biſchoff/ deßgleichen
die Catholiſche Kirch nicht offt geſehen hat/ den die Arianer ſelbſt einen Fuͤr-
ſten der Verſamblungen genennet/ und ſchier die gantze Welt als ein Wun-
derwerck verehret; den der Kayſer Conſtantinus fuͤr ſeinen geiſtlichen Vatter
gehalten/ und deſſen Rath gepflegt hat; dieſer ſo anſehnlicher gelehrter und
hochverſtaͤndiger Mann hat den Glauben/ den er ſo lange Zeit verthaͤtiget/
erhoben/ und außgebreitet hatte/ im hunderſten Jahr ſeines Alters verlaͤug-
net/ und iſt der ſchaͤndlichen Ketzerey deß Urſacii und Valentis zum ewigen
Verderben ſeiner Seelen beygefallen.
7. Die Bildnuͤß deß Nabuchodonoſoris ſteigete von einem guͤldenen
Haubt zur ſilbernen Bruſt und Armen hinab: von Silber zum Ertz oder
Kupffer; vom Kupffer zum Eyſen/ und endlich zu der verwuͤrfflichen Ma-
teri der Erden. Dieſer Bildnuͤß ſeynd gleich alle die jenige/ ſo da mit einem
groſſen Eyffer anfangen/ nachmahlen aber allgemach zur Traͤgheit ſich len-
cken/ und alſo vom Weeg deß Heyls/ zum Weeg deß Verderbens ſich nicht
ſtuͤrtzen/ ſondern vielmehr langſamb und gemaͤchlich hinunter laſſen. Gleich
wie nun die unvergleichliche groſſe Bildnuͤß deß Nabuchodonoſoris durch
ein kleines Steinlein iſt zu Bodem geworffen worden; alſo kan offtmahlen
ein gar wenige Gelegenheit ſehr ſchaͤdlichen und ſchaͤndlichen Fall verurſa-
chen. Dieſes hat mit ſeinem hoͤchſten Schaden erfahren ein ſicher Juͤngling/
von welchem Drexelius alſo meldet. Es war auff eine Zeit ein Juͤngling/
der hat ehrliche und reiche Eltern; dieſe erſuchete ſelbiger/ ſie moͤchten ihm er-
lauben/ die Welt zu verlaſſen/ und ein heiliges Leben anzufangen; welches ih-
me der Vatter nicht geſtatten wolte: als nun der Juͤngling mit vielfaͤltigem
bitten und Begehren nichts richten konte/ nahm er ſeine Freund zu Fuͤrbitte-
ren; die dann ſolches vom Vatter letztlich erbetten: darauff iſt er alsbald in
ein Cloſter gangen: darinnen er mit taͤglichem Caſteyen und Abbruch der-
maſſen zugenommen/ daß er allen andern zum Exempel geweſen iſt: Jn ſol-
chem Wachsthumb der Tugenden ließ er ſich geduͤncken/ er haͤtte nunmehr
C c c c c(ſo
[754]Die Fuͤnff und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
(ſo doch nicht ware) eine beſtaͤndige Vollkommenheit erreichet: begehrt der-
halben von ſeinem Praͤlaten Erlaubnuͤß auß dem Cloſter ſich in eine Wild-
nuͤß zu begeben/ und daſelbſt wie ein Einſidler zu leben: der geiſtliche Vatter/
als der deß boͤſen Feinds Liſt wohl vermerckte/ mahnet den jungen Ordens-
Mann von ſolchem ſeinem Vorhaben ab; ſtellet ihm die Gefahr/ die feind-
liche Nachſtellungen/ und auß ſothaner Abſoͤnderung erfolgenden vielfaͤlti-
gen Schaden vor Augen: der Geiſtliche aber wolte ſich in dieſes alles nicht
verſtehen/ als der ſich von ſeinem eigenen Sinn und Meinung gar zu ſtarck
ziehen und uͤberreden lieſſe: wanns dann immer ſeyn muß/ ſagt der Praͤlat/
ſo will ich dir die Geferten zugeben: alſo gieng er mit zweyen Geferten dahin/
die dem neuen Einſidler ein gelegenes Orth außſuchen ſolten: da nun ſelbige
einige wenig Tage/ gantz ermuͤdet in der Wuͤſten herumb gangen/ ſetzten ſie
ſich nieder zu ruhen/ und entſchlieffen: hieruͤber flieget ein Adler herzu/ und er-
wecket ſie mit dem Getoͤß ſeiner Fluͤgel: da ſagten die Gefehrten: ſehe Bru-
der/ GOtt ſchickt dir einen Engel/ dem du ſolleſt nachfolgen: deſſen erfreuet
ſich der Bruder/ ließ ſeine Gefehrten von ſich/ und folget dem voran fliegen-
den Adler nach. Uber ein kleines ſetzt ſich der Adler nieder/ und verſchwindet.
An ſelbigem Ort findet der Einſidler ein luſtige Hoͤhl zu einer Wohnung/
neben einem friſchen Bruͤnlein/ und etlichen Palmbaͤumen: daß er alſo bil-
lig darfuͤr halten koͤnnen/ GOtt habe dieſe Bleib - Statt durch den Adler
angewieſen/ alwo er ſein Leben im Dienſt GOttes zubringen ſolte. Er
brachte nun ein gantzes Jahr in groſſer Einſambkeit und unſchuld zu. Die-
ſes konte der boͤſe Feind nicht leyden/ und fuͤrchtete/ dieſer Einſidler moͤg-
te in den Tugenten dermaſſen zunehmen/ daß er ihn nachmahlen von ſelbi-
gen abwendig zu machen nicht beſtand waͤre: derhalben fangt er an/ aller-
hand Betrugs und Argliſt ſich zu gebrauchen: verkehrt ſich in eines alten
wilden Einſidlers Geſtalt/ und erſcheinet alſo dem jungen Bruder/ der dann
(als welcher innerhalb ſechs Jahren keinen Menſchen geſehen) von dem
frembden Gaſt erſchroͤcket/ fangt an zu betten. Jmgleichen ſtellet ſich
auch der betriegliche Feind/ als ob er auch bettete; und da der Bruder
auffſtehet/ ſpricht ihm die hoͤlliſche Larven zu/ und ermahnet ihn/ nach-
mahlen mit ihme zu betten. Nach ſelbigem fragt er den einfaͤltigen Bruder:
wie lang er ſich allda auffhalte/ und bekombt zur Antwort/ ſechs Jahr.
Wie ſoll daß ſeyn/ ſagt der vermenſchte Teuffel/ daß ich in ſo langer Zeit
nichts umb dich gewuſt habe/ und wohneſt ſo nahe bey mir? Es iſt nun
der vierdte Tag/ an dem ich erfahren/ daß du allhier wohneſt; und hab
mich
[755]Von Verharrung im Guten.
mich alsbald auff den Weeg gemacht/ dich zu gruͤſſen/ und mich von unſer
beyden Seelen Heyl und Wohlfahrt mit dir zubeſprechen. Warumb
halten wir uns in einem ſo oͤden unbewohnten Wald auff/ und werden der
heiligen Communion deß Fronleichnambs Chriſti niemahlen theilhafftig?
Jch foͤrchte ſehr/ Chriſtus werde uns auch ſeines Himmel-Reichs nicht theil-
hafftig machen. Nicht fern von hier ſeynd zwey Kloͤſter/ dahin wir an
den Feſtaͤgen gehen/ und die H. Communion empfangen moͤgen. Solchen
Rath hielte der einfaͤltige Bruder fuͤr heylſamb und nothwendig; gienge mit
dem boͤſen Feind/ den er fuͤr einen heiligen Mann anſahe/ von ſeiner wilden
Hoͤhl zu einem der gedachten Kloͤſter: und als er in die Kirchen kam/ nieder-
kniet und bettete/ und uͤber ein kleines nach ſeinem Gefaͤrten umbſchauete/
fande er denſelben nirgends: fragt derhalben bey dem Kloſter/ ob niemand
ſeinen Gefaͤrten/ einen alten Wald- Bruder geſehen habe. Die im Kloſter
ſagten/ wir haben niemand geſehen/ dann dich allein/ ohne einigen Geſellen
in die Kirchen eingehen. Auß welchem dann letzlich der gute Bruder deß
Betriegers Liſt wargenommen; und daß er alſo von dem boͤſen Feind auß
ſeiner Wohnung und Wuͤſten herauß gelockt worden: welches ihn gleich-
wohl nicht faſt verdroſſen; dieweilen er nach ſo langer Zeit der Einſambkeit/
Leut geſehen hatt. Kehret alſo wieder zu ſeiner vorigen Hoͤhl/ und fahret
in dem angefangenen Gottſeligen Leben fort/ wie zu vorn.
Solches mogte der Teuffel abermahl nicht leyden/ derhalben erfunde er
einen weit andern Betrug: ſtellet ſich in Juͤnglings Geſtalt/ als waͤre er ei-
nes Buͤrgers Sohn/ auß deß Einſidlers Vatterland: damit er ihne/ den
er einmahl betrogen/ noch ferner von der Wildnuß/ von der Andacht und
Gottſeligem Leben entfuͤhren/ und gar in die ewige Verdambnuß ſtuͤrtzen
moͤgte. Kombt derowegen vor deß Brudern Hoͤhl/ redet zwar nichts; ſtel-
let ſich aber/ als ſeye er ihn zu ſuchen/ auß dem Vatterland ankommen/ be-
ſchauet den Bruder allenthalben wohl/ damit er ihme Urſach zu fragen gebe/
was er dieſer Orten machte? So dann auch geſchahe: zumahlen der einfaͤl-
tige Bruder anfieng/ und fragte: was machſtu allhier; Warumb beſchaue-
ſtu mich allenthalben ſo fuͤrwitziglig? Der tauſent Luͤgner antwortet und
ſagt: Ach! frommer Herr/ mich gedunckt/ du kenneſt mich nicht mehr/
dieweilen wir ſchon ſo lang nicht mehr ein ander geſehen haben. Jch
bin deines Vatters Nachbahren Sohn: alſo hat dein Vat-
der/ alſo hat deine Mutter/ und alſo deine Schweſter geheiſſen. Deine
C c c c c 2Mut-
[756]Die Vier und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
Mutter aber und deine Schweſter ſeynd bereits vor drey Jahren/ dein Vat-
ter iſt aber erſtlich dieß Jahr geſtorben/ und hat dir allein alles Haab und Gut
verlaſſen/ damit du ſolchen Schatz als ein frommer Gottſeliger Sohn/ zu
euer beyder Seelen-Heyl/ unter die Armen außtheileſt: zu welchem Ende
er dann unterſchiedliche Botten/ dich zu ſuchen außgeſandt/ ſo dich aber
nirgend haben finden koͤnnen. Darumb ich mich dann billig hoch zu er-
freuen hab/ daß mir das Gluͤck alſo guͤnſtig geweſen/ und dich allhier ange-
troffen habe. Der gute Einſidler antwortet Gottſeliglich (wann er nur
auch beſtaͤndiglich bey ſolcher Antwort verblichen waͤre) Jch will/ ſpricht
er/ umbs Gelds Willen dieß mein liebes Oertlein nicht verlaſſen.
Darauff ſagte der Feind hinwieder: was rath ich dir dann boͤſes? Jch ſag
nicht/ daß du die Reichtumb/ Geld und Gut beſitzen; ſondern unter die Armen
außtheilen/ und dich alsbald wiederumb zur Wuͤſten und Wildnuß begeben
ſolleſt. Wie wirſtu das am juͤngſten Tag verantworten/ wann eine ſo an-
ſehnliche Summa Gelds verfreſſen/ und den Armen entzogen wird? wie
wird deinem Vatter/ wie wird den Armen geholffen/ die du ſo groſſer Barm-
hertzigkeit beraubeſt? Jch fuͤr meine Perſohn/ antwortet der Bruder/
hab mich biß dato nichts weltliches kuͤmmern laſſen; ſondern mich allein/
wie ich mein Gewiſſen rein halten/ und GOtt ſambt ſeinen Heiligen an-
daͤchtiglich verehren moͤge/ jeder Zeit nach moͤgligkeit befliſſen. Ja eben
dieſes/ ſagt der liſtige Luͤgner/ iſt das Gewiſſen/ und GOttes Heiligen
bedencken; wann man den Eltern in einer ſo gottſeligen Meynung/ und
den Armen bey ſo guter Gelegenheit zu Huͤlff und Troſt kombt: Wem ſol-
ches nicht angelegen iſt/ der verſaumbt ſein eigen Gewiſſen/ und verachtet
GOtt ſambt ſeinen Heiligen. Zu ſolchen Worten fragt der Einſidler: iſt
dann ſonſt niemand auß meinen Freunden vorhanden/ der ſolche Verlaſſen-
ſchafft ohne mich unter die Armen außſpendiren koͤnte? Kanſtu nicht/ ſagt
der Betrieger/ ſo wird der naͤchſte Geitzhals ſeines Gefallens darmit handlen:
werden alſo die Armentraurig/ elend und unbegabt darvon muͤſſen; an wel-
chem allem du allein wirſt ſchuldig ſeyn. Der unverſtaͤndige junge Bru-
der laſſet ſich durch ſolche Wort bewegen/ verlaſt ſeine Wohnung und Ein-
noͤde/ ſambt GOtt und deſſen Heiligen: reiſet fort/ kombt in das Vatter-
Land: lernet unterwegens nicht wenig Laſter und Buben-Stuͤcklein von
ſeinem Gefaͤrten/ der ihn gleichſamb unwiſſend und unvermerckt/ trefflich
in aller Weltligkeit und Boͤßheit abgerichtet. Nachdem er aber nach Hauß
kommen; ſiehe/ da begegnet ihm ſein Vatter/ dender boͤſe Feind fuͤr todt
angeſagt
[757]Von Verharrung im Guten.
angeſagt hatte: dieſer verwundert ſich ab dem neuen Gaſt/ kennet ſeinen
Sohn nicht mehr; der Sohn aber kennet den Vatter/ fragt/ wer und von
wannen er ſeye/ und was er wolle? der Sohn verwundert ſich hergegen/ daß
er ſolte ſeinen Vatter ſehen/ den er doch fuͤr todt gehalten: fieng an/ eine Ehr-
Luͤgen zu dichten (dann er auß der guten Kundſchafft ſeines Weggefaͤhrten
ſo viel ſchon erlernet) und ſagt/ es haͤtte ihn das Verlangen/ ſeinen Vatter
heimzuſuchen/ und noch einmahl lebendig zu ſehen/ daher getrieben: hierauff
erkennet der Vatter ſeinen Sohn/ fuͤhret ihn mit ſich froͤhlig nach Hauß/ und
tractiret ihn vaͤtterlich: indem er ſich aber alſo bey dem Vatter auff haltet/ er-
lernet er bald der Welt Brauch und Leichtfertigkeit/ die er vielleicht noch
nicht allerdings vergeſſen geweſen: und wird endlich ſo gottloß/ als gottſeelig
er zuvor geweſen/ und ware ihm gleichſam leid/ daß er ſich der Suͤnden ſo
lang enthalten; ſo wohl gefiel dem elenden Juͤngling das liederliche Leben:
das Gewiſſen/ welches er ſonſten taͤglich zu erforſchen pflegte/ muſte ſich jetzt
untertrucken laſſen: die Heiligen GOttes/ ſo er vormahlen ſo embſig und an-
daͤchtiglich verehret/ achtete er nichts mehr/ und fieng an im GOttes-Dienſt
verdrießlich zu werden; hingegen dem Leib/ welchen er ſo vielmahl caſteyet und
mortificiret hatte/ auffs allerzarteſte auffzuwarten: ward alſo nach und nach/
von Tag zu Tag aͤrger/ und wunderte ſich gleichſamb ſelbſt/ wie er deß lieder-
liehen Lebens ſo lang habe entraten koͤnnen: hat alſo gottloſer Weiß ſeine Un-
ſehuld und Remigkeit verlohren/ und ſtch in die abſcheuliche Suͤnden verwi-
ckelt/ daß er alſo von ſeinem eigenen Vatter/ wegen ſeines boͤſen Lebens/ mit
Streichen hergenommen worden. Es war nunmehr alle Ermahnung und
Straff verlohren; darumb er dann letztlich in ſeinem unſeligen Leben gantz
unſeliglich iſt geſtorben und verdorben.
8. Kanſt du nicht/ mein Chriſtliche Seel/ hierauß handgreifflich abneh-
men/ daß es nicht gnug ſeye/ wohl anzufangen; ſondern man muͤſſe auch in dem
guten von Anfang biß zum End verharren; was haben dieſem ungluͤckſeligen
Juͤngling ſeine ſo viele Jahren geuͤbte gute Wercke genutzet? warhafftig
nichts. O wie viele Geiſtliche findet man nicht auch heutigen Tags leider
GOTTES! ſo da uͤberauß wohl anfangen/ aber trefflich uͤbel endigen!
dieſe redet der Heyl. Apoſtel Paulus mit denen ernſtlichen Worten an/
und ſagt: Seyd ihr ſo unwitzig/ daß ihr/ nachdemGal. 3. v. 3.
ihr im Geiſt habt angefangen/ ietzt im Fleiſch vollen-
den wollet? und der Heyl. Geiſt drewet allſolchen durch den weiſen
Mann mit dem erſchroͤcklichen und ewigen Wehe/ und ſpricht:
Wehe denen/ welche die Gedult verlohren/ undEccli. 2.
v. 16.
C c c c c 3die
[758]Die Fuͤnff und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
die rechte Weeg verlaſſen haben/ und ſeynd auff verkehrte
Weege abgewichen. Dahero ſagt Chriſtus bey dem Evangeliſten
Matth[eo]: Wer biß zum End verharret/ der wird ſeelig
werden/ und wann ſchon alle Tugenten/ ſagt der H. Lauren-
tius Juſtinianus/ ihren Beſitzer zum Himmel ziehen; ſo er-
kennen ſie doch/ daß die eintzige Verharrung eine Vrſach
deß erhaltenen Kleynodts ſeye. Auch haben die Arbeiter/ ſo umb
die Eilffte Stund/ da die Sonn ſich zu neigen anfieng/ vom Hauß-Vatter
in deſſen Weingarten geſchickt worden/ gleichen Lohn mit den andern em-
pfangen: ja ſeynd denſelben in dem Empfang deß Lohns noch vorgezogen
worden; dieweilen der Schaffner in der Bezahlung von den letztern den
Anfang gemacht hat. Hierdurch hat unſer getreue Heyland uns lehren
wollen/ daß es einmal gewiß ſeye; GOtt ſehe nicht an/ wie wir vorhin ſeynd
beſchaffen geweſen/ ſondern habe nur Achtung auff das Ende. Eja/ mein
Chriſtliche Seel/ ſo laß uns dann in allem Guten ſtandhafftiglich verbleiben/
laß uns lieber ſterben/ als das einmahl gegebene Parole vernichtigen wollen:
und weilen/ nach Zeugnuß deß heiligen Hieronymi viele zu ſteigen anfan-
gen/ wenig aber die Spitze erreichen; ſo laß wir uns mit allem Ernſt befleiſ-
ſen/ daß wir mit nichten unter die viele wohl Anfangende; wohl aber unter die
wenige/ ſo da wohl endigen/ moͤgen gezehlet werden: und alſo dermahlen
eins mit dem H. Apoſtel Paulo in aller Warheit und Freude unſeres Hertzen
ſagen koͤnnen: Jch hab einen guten Kampff gehalten/ ich hab
1. Timot.
4. 7.meinen Lauff vollendet; was übrig iſt/ da iſt mir
beygelegt die Kron der Gerechtigkeit.
Welches dir und mir verleyhe der
Barmhertzige liebe
GOtt/
GOTT Vatter/ Sohn und Heiliger Geiſt/
AMEN.
INDEX[[759]]
Appendix A INDEX
CONCIONATORIUS
Succinctè concinnatus per omnes Anni Dominicas.
- Dominica I. Adventus.
EUntes autem Diſcipuli fecerunt. ſi-
cut præcepit illis JEſus. Matth. 21.
De Obedientia.
Der beſte Saam iſt der Gehorſamb.
Currit caſtus, currit humilis, currit \&
Chriſti pauper \&c. at omnibus præcur-
rit obediens. Pag. 244 - Dom II. Adventus.
Non licer tibi habere uxorem fr atris
tui. Marci 6.
De Luxuria.
Pfui Teuffel.
Luxurioſus quiſque propter unius mo-
menti delectationem Libidinis Diabolo
ſe vendit. 198 - Dom III. Adventus.
Ego vox clamantis in deſerto. Mar1. 1.
De Solitudine.
Cinſamkeit und Heiligkeit ſeynd zwey
Schweſtern.
Solitudo Paradiſus eſt voluptatum,
quem cœleſtes gratiarum imbres fre-
quentius irrigare ſolent. 235 - Dom. IV. Adventus
Baptizantur ab eo in Jo dane, confi-
tentes peccata ſua. Luc. 3.
De Confeſſione.
Beſtehe es/ ſo beſteheſt wohl.
Confeſſio eſt ſalus animarum, diſſipa-
trix vitiorum, oppugnatrix Dæmonum.
501 - Dominica infra Octavam
Nativitatis.
Et hæc vidua usq́ue ad annos octagin-
ta quatuor. Luc. 2.
De Caſtitate.
Wie wohl riechen die Lilien! obſchon
vielen darvon der Kopff wehe thut.
Habitare cum fœmina, \& non cog-
noſcere fœminam, plus eſt, quàm mortuũ
ad vitam ſuſcitare. 183 - Dominica infra Octavam
Epiphaniæ
Erat ſubditus illis. Luc. 2.
De Inobedientia.
Ein wilder Will/ der nicht will/ was
andere wollen!
Verus obediens mandatum non pro-
craſtinat, ſed parat aures auditui, Lin-
guam voci, manus operi, pedes itine[r]i
\&c. 267 - Dominica II. poſt Epipha-
niam.
Vinum non haben. Joan. 2.
De Ebrietate.
Fewer im Naſſen.
Plurimos gula ſua occidit; nullum
frugalitas: innumeris vina nocuerunt,
nulli parſimonia. 437 - Dominica III. poſt Epipha-
niam.
Ecce Leptoſus veniens, adorabat eum.
Matth. 8.
De Peccato.
Gott behuͤte uns alle.
Nihil ſic timeas, ſic vituperes \& fu-
gias, ſicut vitia \& peccata. 564. - Dominica IV. poſt Epipha-
niam.
Domine, ſalva nos, perimus. Matth. 8.
De Oratione.
Die irrdiſche Allmacht.
Oratio juſti, clavis eſt Cœli: aſcendit
precatio, \& deſcendit Dei miſeratio.
449. - Dominica V. poſt Epipha-
niam.
Cùm dormirent homines, venit Ini-
micus. Matth. 13.
De Tentationibus.
Burſch ins Gewehr.
Diabolus eos cupit dejicere, quos
videt ſtare. 350 - Dominica VI. poſt Epipha-
niam.
Simile eſt regnum cœlorum grano ſy-
napis, quod minimum eſt. Matth. 13.
De Humilitate.
Auß Niederland iſt der nechſte Weeg
ins Engelland.
Cogitas magnam fabricam conſtrue-
re celſitudinis, de fundamento priùs co-
gita humilitatis. 111 - Dominica Septuageſimæ.
Quid ſtatis totâ die otioſi? Matth. 20.
De Labore manuali.
Faul heiſt deß Teuffels Gaul.
Operans monachus uno Dæmone
pulſatur, otioſus verò innumeris ſpiriti-
bus devaſtatur. 553 - Dominica Sexageſimæ.
Semen eſt Verbum DEI. Lue. 8.
De Auditione \& Lectione
Rerum Spiritualium.
Ein guͤldener Ohren-Loͤffel.
Sicut Arbor perpetuâ irrigatione creſ-
cit in magnam altitudinem, ſic et divi-
norum Eloquiorum doctrinâ aſſiduè ir-
rigatus, ad virtutis faſtigium pervenit.
543 - Dominica Quinquageſi-
mæ.
Et qui præibant, increpabant eum, ut
taceret. Luc. 18.
De Silentio.
Ein Blatt fuͤrs Maul.
Ad formandam alicujus Domus aut
ordinis Diſciplinam nil aliud requiritur,
quàm introducere ſilentium. 204 - Dom. I. Quadrageſimæ.
Cùm jejunâſſet quadraginta diebus.
Matth. 3.
De Iejunio.
Spoͤr
[[761]]Per omnes Anni Dominicas.
Spoͤr dem Eſeldas Futter.
Scitote, quoniam exaudiet Dominus
preces veſtras, ſi manentes permanſeri-
tis in jejuniis \& orationibus. 414 - Dom. II. Quadrageſimæ.
Transfiguratus eſt ante eos. Matt. 17.
De Gloria Cœleſti.
Wir wollen uns gute Taͤg anthun.
Tanta eſt gloria ſupernorum civium,
ut omnia humana verba ad eam expli-
candam minimè ſufficiant. 648 - Dom. III. Quadrageſimæ.
Erat Jeſus ejiciens dæmonium, \& illud
erat mutum. Luc. 11. v. 14.
De Colloquio Spirituali.
Der Engliſche Diſcurs
Vanus Sermo vanæ conſcientiæ eſt in-
dex: mores hominis lingua pandit, qua-
lis ſermo oſtenditur, talis animus appro-
batur: quoniam ex abundantia cordis
os loquitur. 224 - Dom. IV. Quadrageſimæ.
JESUS ergò, cùm cognoviſſet, quia
venturi eſſent, ut raperent eum, \& face-
rent eum Regem, fugit in montem. Joan.
6.
De Ambitione.
Der nach Ehr tracht/ iſt nicht ehrlich.
Difficile eſt, ſtare in alta Dig nitate, \&
carere cogitationibus elationis. 143 - Dominica Paſſionis.
Ego non quæro gloriam meam. Jo. 8.
De vana Gloria.
GOtt ſey Lob/ nit mir.
Qui pro virtute, quam agit, humanos
favores deſiderat, rem magni meriti vili
pretio venalem portat. 364 - Dominica Palmarum.
Cùm appropinquâſſet Jesus Jeroſoly-
mis in Montem Oliveti. Matth. 21.
De Miſericordia DEI.
Wol auff! gut Hertz! Guraſchi!
Cuncta peccata ab origine mundi
commiſſa, Divinæ miſericordiæ compa-
rata, ſunt quaſiuna gutta ad pelagus to-
tius mundi. 2[3] - Dominica Reſurrectionis.
Alleluja.
De Gaudio Spirituali.
Geiſtliches Allegro.
Cor gaudens exhilarat faciem, in mœ-
rore veròanimi dejicitur ſpiritus. 343 - Dominica in Albis.
Noli eſſe incredulus. Joan. 20.
De Fide.
Der Glaub macht ſeelig.
Corde creditur ad juſtitiam, ore autem
confeſſio fit ad ſalutem. 1 - Dominica II. poſt Paſcha.
Ego ſum Paſtor bonus. Joan. 10.
De bono Exemplo.
Gehe du voran.
Nullum ego conſilium melius arbi-
tror, quàm ſi exemplo tuo fratrem doce-
re ſtudeas, quæ oportoat fieri, provocans
eum ad meliora, \& conſulens ei, neque
verbo neque linguâ, ſed opere \& verita-
te. 393 - Dominica III. poſt Paſcha.
Modicum. Joan. 6.
De Contemptu Mundi.
Zeig ihm D’feigen.
Mundus hypocrita, foris mirum in
D d d d dmodum
[[762]]Index Concionum.
modum ſpecioſus; intùs plenus corrup-
tione, vanitate \& dolo. 374 - Dominica IV. poſt Paſcha.
Arguet mundum de Judicio. Joan. 16.
De Iuicia temerario.
Gott wird richten die Lebendigen und
die Todten/ nicht du.
Heu mihi! illo hodie, \& ego cras. 82 - Dominica V. poſt Paſcha.
Si quid petieritis Patrem in nomine
meo. Joan. 16.
De Oratione.
Ein gutes Redhauß.
Eſto ſedulus in oratione[s] eſto in pre-
cibus importunus; cave, ne ab oratione
deficias. 449 - Dominica VI. poſt Paſcha.
Quem ego mittam vobis Spiritum Ve-
ritatis. Joan. 15.
De Oratione mentali.
Audienz bey unſerm Herrn.
Multi clau[i]o ore precantur, \& à Deo
exaudiuntur; plurimi verò etiam in mag-
nis clamoribus nihil impetrant. 465 - Dominica ſeu Feſtum Pent.
Si quis diligit me. Joan. 14
De Charitate.
Wirff Hertz/ ſo gewinſt das Spiell.
Nihil ſic probat Amicum, quàm one-
ris Amici portatio. 54 - Dominica SS. Trinitatis.
Docentes eos ſervare omnia. Mat. 28. 20.
De Perfectione religioſa.
Ein perfecter Menſch.
Sicut homo paulatim à minimis vitiis
in maxima proruit; ita à modicis virtu-
tibus gradatim adea, quæ ſunt excelſa,
contendi[0]. 380 - Dom. II. poſt Pentecoſten.
Homo quidam. fecit Cœnam mag-
nam. Luc. 14.
De Euchariſtia.
Nur mir kein Faſtag.
Euchariſtia non mortem ſolùm, verùm
etiam morbos omnes depellit. 523 - Dom. III. poſt Pentecoſten.
Et mur murabant. Phariſæi. Luc. 25.
De Detractione.
Den Naͤchſten verkleinern/ iſt keine
kleine Suͤnd.
Nunquid non Vipera lingua Detracto-
ris? ferociſſima planè: nimirùm quæ le-
thaliter inficiat tres flatu uno. 82 - Dom. IV. poſt Pentecoſten.
Relictis omnibus, ſecuti ſunt eum.
Luc. 5.
De Statu Religioſo.
Muͤnchen iſt ein Vorſtatt deß himm-
liſchen Jeruſalems.
Clauſtrum Paradiſus eſt delici arum,
thalamus nuptialis, cubile immaculatum,
virtutum ſchola, ſanctitatis Domus \&c.
425 - Dom. V. poſt Pentecoſten.
Si ergo offers munus tuum ad Altare.
Matth. 5. 23.
De Dilectione Inimici.
GOtt verzeyh ihms/ ich auch.
Ea res tibi pro martyrio computabi-
tur; ſi inſidias molientem inter bene me-
ritos numeraveris. 64 - Dom. VI. poſt Pentecoſten.
Cum turba multa eſſet cum Jeſu [...] Mar. 8.
Hicremitto benevolum Lectorem ad
Dominicam quartam Quadrageſimæ,
quia hoc Evangelium convenit cum illo. - Dom. VII. poſt Pentecoſt.
Non omnes, qui dicit mihi Domine,
Domine. Matth. 7.
De Paucitate Salvando-
rum.
Man macht den Teuffel nicht ſo
ſchwartz.
Væ vobis Divitibus, quia habetis con-
ſolationem veſtram: væ vobis, qui ſatu-
rati eſtis, quia eſurietis; væ vobis, qui vi-
detis nunc \&c. 659 - Dom. VIII.poſt Pentecoſt.
Redde rationem villicationis tuæ.
Luc. 16.
De Iudicio particulari.
Es iſt nichts ſo klein geſponnen/
Es kombt an die Sonnen.
De minimis non curat Prætor: ajunt
Juriſtæ, ſed vel maximè Deus, qui teſti-
bus SS. Patribus, \& ipſâ experientiâ nihil
inſcrutatum relinquet. 590 - Dom. IX. poſt Pentecoſten.
Videns JESUS Civitatem, flevit ſuper
illam. Luc. 19. 41.
De Gravitate Peccati.
Die Suͤnd iſt ein uͤbles Geſind.
Qui peccat, denuò crucifigit Salvato-
rem ſuum. O quanta malitia! 564 - Dom. X. poſt Pentecoſten.
Non ſum ſicut cæteri hominum.
Luc. 18.
De Superbia.
Hoffart und Stoltz/
Wachſen auff ein Holtz.
Sola ſuperbia contra cunctas animi
virtutes ſe erigit \& quaſi generalis \& pe-
ſtifer morbusomnes corrumpit. 131. - Dominica XI. poſt Pente-
coſten.
Apprehendit eum de turba ſeorfum.
Marc. 7. 33.
De Solitudine.
Maria Zell ein heiliges Orth.
Cella continuata dulceſcit, \& malè
cuſtodita, tædium generat \& vileſcit.
235. - Dominica XII. poſt Pente-
coſten.
Diliges Dominum DEUM tuum, \&
proximum tuum ſicut te ipſum. Luc. 10.
De Charitate Fraterna.
Der Naͤthſte der Beſte.
Hæc eſt proximi dilectio, ut bonum,
quod tibiconferri vis, velis \& proximo:
\& malum, quod tibi nolis accidere, nolis
\& proximo. 54 - Dominica XIII. poſt Pente-
coſten.
Unus ex illis, ut vidit, quia mundatus
eſt. Luc. 17.
De Gratitudine.
Denck und Danck.
Optima beneficiorum cuſtos eſt, ipſa
Memoria beneficiorum, \& perpetua
Confeſſio gratiarum. 492 - Dom. XIV. poſt Pentecoſt.
Aut enim unum odio habebit. Mart.
6.
De Odio.
Haß bringt Haß/benantlich die Hoͤll.
Contentiones in principio quidem exi-
les eſſe ſolent, \& facilè curantur: at pro-
cedente tempore accitæ, inſanabiles om-
ninò evadunt. 74 - Dom. XV. poſt Pentecoſt.
Ecce defunctus Filius efferebatur. Luc. 7.
De Morte.
Wo? daß weiß ich nit; Wie? daß weiß ich nit;
Wan? dz weiß ich nit; aber gewiß weiß ichs.
Quidquid ad moriendum ſalubriter
reddit nos imparatos, tanquam infernale
venenũ abhorreamus ac devitemus. 582 - Dom. XVI. poſt Pentecoſt.
Ipſe verò apprehenſum ſana vit eum,
\& dimiſit. Luc. 14.
De Bonitate Dei.
GOtt guet/ guet GOtt.
Tanta eſt Divina Bonitas, quod reſpe-
ctu eius omnia hominum peccata ſint
quaſi ſcintilla in medio maris. 23 - Dom. XVII. poſt Pentecoſt.
Diliges Dominum Deum tuum ex to-
to corde tuo. Matth. 22. v. 37.
De Amore Dei.
Roma umbkehrt/ heiſt Amor.
Cur per multa vagaris homuncio,
quærendo bona animæ tuæ \& corporis
tui? ama bonum, in quo ſunt omnia, \&
ſatis eſt, deſidera ſimplex bonum, \& ſuf-
ficit. 42 - Dom. XVIII. poſt Pent.
Confide fili. Matth. 9.
De Spe.
Recht hoffen/ iſt recht getroffen.
Cum timore ſpes magnum habet me-
ritum. 11 - Dom. XIX. poſt Pentecoſt.
Et miſit ſervos ſuos vocare in vitatos ad
nuptias. Matth. 22. v. 3.
De bona Intentione.
Redlich meynen. - Dominica XXIV. poſt Pontecoſten,
Sicut decor corporis in facie, ita decor
totius operationis animæ conſiſtit in in-
tentione. 351 - Dom. XX. poſt Pentecoſt.
Abiit ad eum, \& rogabat eum, ut des-
cenderet, \& ſanaret. Joan. 4.
De animabus in Purgatorio.
Troͤſt ſie GOtt.
Sifuturas Purgatorii pœnas cordiali-
ter perpenderemus, libenter omnem do-
lorem \& laborem ſuſtineremus, \& nihil
rigoris formidaremus. 626 - Dom. XXI. poſt Pentecoſt.
Patientiam habe in me. Matth. 18.
De Patientia Religioſa.
Der geſunde Patient.
Patientia vires animo ſubminiſtrat, \&
pœnam exhibet leviorem, perſeverantiã
præbet, ſanctitatem adducit, coæquat
martyribus, \& cœleſti Patriâ dignum ef-
ficit ſuum Poſſeſſorem. 273 - Dom. XXII poſt Pent.
Quid me tentatis Hypocritæ. Mat. 27.
De Hypocriſi.
Verguͤldte Apotecker-Pillulen.
Vitium Hypocriſis curatu difficilli-
mum eſt: tum, quia hypocritæ fateri
culpas ſuas nolunt: cum, quia corrigi re-
cuſant. 364 - Dom. XXIII. poſt Pent.
Ecce Mulier, quæ Sanguinis fluxum
patiebatur. Matth. 9.
De Cruce \& Afflictione.
Creutzer iſt die beſte Muͤntz.
Si non pateris pro Chriſto ullam tri-
bulationem; vide, ne nondum cæperis in
Chriſto piè vivere. 291 - vide Dominicam I. Adventus.
Appendix B INDEX
CONCIONATORIUS
Succinctè concinnatus per omnia Feſta Anni.
- In Feſto circumciſionis Do-
mini.
VOcatum eſt Nomen ejus JESUS.
Lue. 2. v. 21.
De formanda Intentione
pro toto Anno.
An GOttes Segen iſt alles gelegen.
Opus, quod intentione caret, non eſt
meritorium. Pag. 351 - In Feſto SS. Trium Regum.
Obtulerunt ei Munera, Aurum. Thus
\& Myrrham. Matth. 2. 11.
De Gratitudine.
Drey Koͤnig iſt gute Chart.
Spem de futurisrecipit, qui tranſacta
beneficia recognoſcit. 492 - In Feſto Purificationis
B. V. Mariæ.
Poſtquam impleti ſunt dies Purgatio-
nis Mariæ \&c. Luc 2. 22.
De Silentio.
Schweigen iſt ein ſchoͤne Kunſt.
Hic tacendi caller artem qui etiam
pro honoris ſui tutela non loquitur. 204 - In Feſto S. Matthiæ Apoſt.
Et annumeratus eſt undecim Apoſto-
lis. Act 1. v. 26.
De Perſeverantia.
Wan das End gut iſt/ ſo iſt alles gut.
Sicut finis coronat opus, ſic Coronam
ornat Gemmarum integritas. Gemma
Coronæ Apoſtolicæ deſiderata reſtitui-
tur per Matthiam. 751 - In Feſto S. Joſephi.
Joſeph autem vir ejus, cum eſſet juſtus.
Matth. c. 1. v. 19.
De temerario Iudicio
vit ando.
Es iſt beſſer ſtehlen/ als anzeigen.
Sicut Cœli exaltantur à terra, ita longè
ſunt judicia Dei à judiciis hominum. 82 - In Feſto Annuntiationis
B V. Mariæ.
Ave gratia plena. Luc. 1. 28.
De Cultu Mariano.
Sie gruͤſt dich wieder.
Miri effectus hujus ſalutationis ex-
penduntur. 680 - Feria II. Paſchatis.
Nos autem ſperabamus. Luc. ult. v. 21.
De Spe.
Verzagte Haſen.
Dicendum eſt cum Abrahamo. Deus
providebit. 16 - Feria III. Paſchatis.
Pax vobis. Luc. ult. 36.
De Charitate Fraterna.
Koͤnigliche Liberey.
Ecce, Rex tuus venit tibi pacificus. 54 - In Feſto S. S. Apoſtolorum
Philippi \& Jacobi.
Non credis, quia ego in Patre, \& Pater
in me eſt? Joan. 14. 10
De Fide.
Sehe wohl zu/ wem du traweſt.
Qui credit in Chriſtum, habet vitam
æternam. 1 - In Feſto Inventionis
S. Crucis.
Mihi abſit gloriari, niſi in Cruce Do-
mini noſtri Jeſu Chriſti. Gal. 6. v. 14.
De Excellentia Crucis \&
Afflictione
Die Creutz-Schleiffer.
Multi Crucem bajulant, ſed non om-
nes poſt Dominum. 291 - In Feſto Aſcenſionis Dom.
Hic Jeſus, qui aſſumptus eſt à vobis in
Cœlum, ſie veniet. Act. 1. v. 11.
De Iudicio particulari.
Dir wird daß Lachen vergehen.
Non flere deſine, donec liber ſis ab il-
la terribili ſententia: Ite maledicti \&. 590 - Feria II. Pentecoſt.
Sic Deus dilexit mundum, ut Filium
ſuum Unigenitum daret. Joan. 3. 16.
De Amore Dei.
Lieb du mich/ wie ich dich/ ſo bleibt die
Lieb tiglich.
Domus Dei Charitate perficitur. 42 - Feria III. Pentecoſt.
Qui intrat per oſtium, Paſtor eſt oviñ.
Joan. 10. v. 2.
De Ambitione.
Es ſeynd nicht alle gute Koͤch/ ſo lan-
ge Meſſer tragen.
Quotquot per viam Ambitionis ad
Dignitates intrant, fures ſunt \& latro-
nes. 14[3] - In Feſto Venerabilis Sac.
Hic eſt Panis, qui de Cœlo [deſcendit].
Joan. 6. v. 33.
De Auguſtiſſima Euchari-
ſtia.
Himmel-Brod.
Mors eſt malis, vita bonis, vide paris
ſumptionis, quàm ſit diſpar exitus. 523 - In Feſto S. Joannis Bapt.
Et congratulabantur ei. Luc. 1 v. 58.
De gaudio Spirituali.
Gluͤck zu.
Gaudete in Domino lemper. 343 - In Feſto SS. Apoſtolorum
Petri \& Pauli.
Tibi dabo claves regni Cœlorum
Matth. 16. 19.
De Confeſſione Sacrament.
Bruchloß.
Annuntia iniquitatem tuam, \& cogita
pro Peccato tuo. 501 - In Feſto S. Jacobi Apoſtoli.
Dic, ut ſedeant \&c. Matth. 20. 21.
De
[[767]]Index Conc. per omnia Feſta Anni.
De Ambitione.
Gern-Groß.
Non proſe, ſed pro nobis declinavit
JESUS honores. 143 - In Feſto S. Matris Annæ.
Guſta vit \& vidit, quia bona eſt nego-
[t]iatio eius. Prov. ult. v. 18.
De Labore manuali.
Der nicht arbeiter/ der ſoll nicht eſſen.
Modicum laboravi, \& in veni mihi
multam requiem. 553 - In Feſto S. Laurentii.
Niſi granum frumenti cadens in ter-
ram, mortuum \&c. Joan. 12. v. 24.
De Mortificatione.
Sich lebendig todt machen.
Quid æquiũs, quàm, ut ſervus domi-
nari non ſinatur? 399 - In Feſto Aſſumptionis.
Audiebat Verbum illius. Luc. 10. v. [9]9.
De Auditione \& Lectione
Rerum ſpiritualium.
Gib den Ohren und Augen die Koſt.
Verbum Dei animam nutrit, pingue
facit \& roborat. 543 - In Feſto S. Bartholomæi
Apoſtoli.
Hoc eſt Præceptum meum, ut diliga-
tis in vicem, ſicut dilexi vos Joan. 15. v. 12.
De Dilectione Inimicorum.
Du ſteckeſt in einer boͤſen Haut.
Qui non diligit Fratrem ſuum, manet
in morte. 64 - In Feſto Nativitatis B. V.
Mariæ.
Qui. me invenerit, in veniet vitam.
Prov. 8. 35.
De Cultu Mariano.
Freundin in der Noth.
Nihil Deus habere voluit, quod per
Mariæ manus non tranſiret. 680 - In Feſto S. Matthiæ Apoſt.
Euntes diſcite, quid ſit; miſericordiam
volo, \& non Sacrificium. Matth. 9. v. 13.
De Miſericordia DEI.
Verzag nicht.
Deſperætio de Miſericordia DEI, omniũ
omninò Peccatorum eſt gra viſſimum. 23 - In Feſto S. Michaelis Arch.
Væ illi, qui ſcandalizaverit unum de
Puſillis iſtis. Matth. 18.
De bono Exemplo.
Kleine Keſſel haben groſſe Ohren.
Nullus ex omni hominũ genere ita ſcan-
dalis pater, ſicut infirmus \& puſillus. 393 - In Feſto S. Urſulæ \& Soda-
lium Virginum.
Vigilate itaque, quia neſcitis diem ne-
que horam. Matth. 25. v. 13.
De Memoria Mortis.
Huͤt dich Baur ich komm.
Memorare Noviſſima tua, \& in æter-
nùm non peccabis. 582 - In Feſto SS. Apoſtolorum
Simonis \& Judæ.
Quos autem prædeſtinavit, hos \& vo-
ca vit. Rom. 8. 30.
De Paucitate Salvando-
rum \& Prædeſtinatione.
Der Himmel iſt nicht fuͤr die Gaͤnß
gebauet. Antwort: und auch nicht
fuͤr boͤſe Chriſten.
Si damnaris, ô homo; non de Deo,
ſed de temetipſo conqueri debes. 659 - In Feſto omnium Sancto-
rum.
Gaudete \& exultate, quoniam merces
veſtra copioſa eſt in Cœlis. Matt. 5. v. 12.
De Beatitudine æterna.
GOtt danckt dir der Arbeit.
Quod Deus præparavit diligentibus
ſe, facilè acquiri poteſt, æſtimari non po-
teſt. 648 - In Feſto Dedicationis Ec-
cleſiæ.
Et ipſe Deus cum eis erit eorum De-
us. Apoc. 21. v. 3.
De Cultu Sanctorum.
Gute Geſellſchafft.
Sanctorum veneremur reliquias, co-
rum ſequamur veſtigia, \& in Protectio-
ne Cœli commoremur. 701 - In Feſto S. Andreæ Apoſtoli.
At illi continuò relictis retibus ſequu-
ti ſunt eum. Matth. 4. v. 20.
De Contemptu Mundi.
Die Welt iſt Gottes Gaugel-Taſch.
Das heiſſet.
Ludit in humanis Divina potentia re-
bus. 374 - In Feſto Immaculatæ Con-
ceptionis B. V. Mariæ.
Beati, qui cuſtodiunt vias meas. Prov.
8. 32.
De Humilitate.
Thue mirs nach.
Plus apud Deum valuit Humilitas,
quàm Virginitas Mariæ. 111 - In Feſto S. Thomæ Apoſt.
Beati, qui non viderunt, \& crediderunt.
Joan. 20. 29.
De Pœnis Inferni.
Der Teuffel iſt nicht ſo ſchwartz/ wie
er gemahlet wird. Antwort/ viel
ſchwartzer.
Sicut ignis terrenus excedit in calore
ignem depictum, ita Tartareus excedit
noſtrum. 605 - In Feſto Nativitatis Dom.
Nolite timere. Gen. 50. v. 21.
De Paupertate Religioſa.
Was Newes?
Natus eſt nobis hodie Salvator, qui
eſt Chriſtus Dominus in Civitate David.
165 - In Feſto S. Stephani
Prothomart.
Stephanus plenus gratiâ \& fortitudi-
ne, faciebat ſigna magna in Populo.
Act. 6. 8.
De Reſignatione in divi-
nam voluntatem.
Auff GOtt getrawt/ iſt wohl gebaut.
Sincera tui oblatio ad omnem Dei vo-
luntatem implendam, Pœnitentiarum \&
Indulgentiarum loco eſt. 327 - In Feſto S. Joannis Evang.
Qui timet Deum, faciet bona. Ec. 15. 1.
De Timore Dei.
Artzney fuͤr den Schwindel.
Solus eſt Timor Dei, qui mentes cor-
rigit, morbos ſuperbi capitis ſanat, \&
omnis boni tribuit facultatem. 575
Appendix C INDEX oder REGJSTER
Aller denckwuͤrdigen Sachen/ ſo in dieſer Tu-
gend- Schul begriffen ſeynd.
Appendix C.1 Abtoͤdtung.
BEſchreibung dieſer Tugend
p. 399. n. 1. Warumb man
ſich dieſer Tugend befleiſſen
ſolle. p. 402. n. 4. Wieviel uns ze-
gelaſſen ſeye/ die Fueß-Stapffen der
H. H. einzutretten. p. 405. n. 7.
Worinnen die beſte Abtoͤdtung be-
ſtehe. n. 8. Weiß und Manier
ſich in den fuͤnff Sinnen abzutoͤdten,
p. 407. n. 9. \& ſeqq. Noch ein an-
der Art/ das Geſicht abzutoͤdten. n. 14.
und 15. Ermahnung zur Abtoͤdtung,
p. 413. n. 16.
Appendix C.2 Hand-Arbeit.
Nutzbarkeit dieſer Arbeit. p.
553. n. 1. Was fuͤr Ubeln auß
dem Muͤſſiggang entſtehen. p.
554. n. 2 Der boͤſe Feind hat
mit den Muͤſſigen gern zu ſchaffen.
p. 555. n. 3. Es iſt nicht gnug/ daß
man nichts Ubels thue. p. 556. n. 4.
Nicht alle Ubungen vertreiben den
Muͤſſiggang. p. 557. n. 5. Daß
ein Geiſtlicher der Hand- Arbeit ſich
befleiſſen ſolle. p. 558. n. 6. Drey-
fache Ruhe der Arbeitenden. p. 559.
n. 7. Bey den Alt-Vaͤttern wurde
keiner ohne die Hand-Arbeit gedul-
det. p. 561. n 9. Wie man ſich in
dieſer Arbeit verhalten ſolle. p. 563.
n. 11.
Appendix C.3 Armut.
Was die Armuth ſeye. p. 165.
n. 1. CHriſtus ein Spiegel
der Armuth. p. 166. n. 2. Den
Armen gebuͤhret der Himmel. p.
167. n. 3. Lob der Armut. p. 168.
n. 4. und 5. Wie die H. H. GOttes
die Armut geliebt haben. p. 170. n. 6.
Wie man freywillig arm ſeyn ſolle.
p. 171. n. 7. Wie man den Ab-
gang der Nothdurfft mit Gedult
tragen ſolle p. 173. n. 10. Was
ein Geiſtlicher von den uͤberbliebenen
E e e e eSpeiſen
[[770]]Regiſter
Speiſen den Armen geben koͤnne.
p. 177. n 14. Wie man mit den
beurlaubten Sachen gebuͤhrend umb-
gehen ſolle. p. 177. n. 15.
Appendix C.4 Barmhertzigkeit.
Was die Barmhertzigkeit ſeye.
p. 24. n. 1. Wirckung der
Barmhertzigkeit. p. 24. n. 2.
Daß man ſich der Suͤnder er-
barmen ſolle. p. 25. n. 3. Daß man
an der Barmhertzigkeit GOttes nit
verzweifflen ſolle. p. 29. n. 9. \& ſeqq.
Wie groß die Barmhertzigkeit GOt-
tes ſeye. p. 31. n. 11. \& ſeqq.
Barmhertzigkeit gegen die Ah-
geſtorbene.
Das man denſelben beyzu-
ſpringen verbunden ſeye. p.
637. n. 1. Das Gebett fuͤr
die Abgeſtorbene iſt ein ſtattliches
Allmuß. p. 640. n. 3. 4. und 5.
Die erloͤſte Seelen ſeynd ihren Wol-
thaͤtern danckbar. p. 642. n. 7. U-
berlaſſung der taͤglichen guten Werck
fur die Abgeſtorbene. p. 643. n. 8. und 9.
Conditionen dieſer Uberlaſſung p.
645. n. 1. Rechte Weiß/ ſeine
Wercke fuͤr die Abgeſtorbene nuͤtzlich
zu verrichten. p. 646. n. 11.
Appendix C.5 Beicht.
Was die Beicht ſeye. p. 501. n. 1. Krafft
der Beicht. p. 505. n. 5. Falſche Beicht
n 6. Daß man in der Beicht keine
Suͤnd verſchweigen muͤſſe. p. 507. n. 7.
Was man fuͤr einen Beichts-Vatter
erwaͤhlen ſolle. p. 511. n. 9. Schamhaff-
tigkeit in der Beicht iſt hoͤchſt ſchaͤd-
lich. p. 513. n. 10. Vorſatz der Beſſe-
rung. p. 517. n. 12.
Beſonderes Gericht/ ſehe Ge-
richt.
Betrachtung deß Leyden Chriſti
Nutzen dieſer Betrachtung. p. 481.
n. 1. 2. 3. und 4. Wie ſehr dieſe Betrach-
tende von Chriſto geliebet werden. p.
435. n. 5. Dieſe Betrachtung uͤbertrifft
alle andere. p 486. n. 6. Wie man in der
Betrachtung den H. H. GOttes
nachfolgen ſolle. p. 487 . n 7. Weiß und
Manier/ das Leyden Chriſti zu be-
trachten. p 488. n. 8. Dieſe Betrach-
tung verſuͤffet die Wider waͤrtigkeiten.
n. 9. Vortheil dieſer Betrachtung. p.
489. n. 10. Chriſtus bezeuget ſeinen
Wohlgefallen an den Betrachtenden.
p 491. n. 12. Von der Betrachtung ſe-
he weiters in der Lection vom Gebett.
p. 465.
Appendix C.6 Bueß.
Worinnen die wahre Buß beſtehe.
p. 34. n. 2. Schoͤne Gleichnuß. p. 36. n.
4. Beyſpiel der Bueß. p. 36. n 4.
und 5. Wie gern GOtt einen buͤſ-
ſenden Suͤnder auff und annehme. p.
37. n.6. Daß man die Buß nicht ver-
laͤngern ſolle. p. 39. n. 8. Gefahr deren/
ſo die Buß verſchieben p. 40. 41. n 10.
Appendix C.7 Danckbarkeit
Wie ſelbige GOtt und den Men-
ſchen gefalle. p. 493. n. 1. Bemwegun-
gen zur Danckbarkeit p. 494. n. 3. 4.
und 5. Andere Wohlihateu. p. 498.
n. 7. Erkaͤndnuß der Danckbarkeit.
p. 499. n. 8.
De-
[[771]]Aller denckwuͤrdigen Sachen.
Appendix C.8 Demuth.
Ehren-Titulen dieſer Tugend. p.
111. n. 1. Worinnen ſelbige beſtehe.
n. 2. Wie die H. H. GOttes
ſich dieſer Tugend gegen den boͤſen
Feind gebraucht haben. p. 113. n. 4.
Von den Staffeln der Demut. p. 117.
n. 7. Ermahnung zur Demut. p. 120.
n. 10. \& ſeqq. Falſche Demut. n. 12.
Wie man ſich fuͤr den geringſten
ſchaͤtzen ſolle. p. 123. n. 13. Wie man
die Ehren und Wuͤrden fliehen
ſolle. p. 124. n. 14. Wie man
ſolle verlangen/ veracht zu werden.
p. 125. n. 15. Ein Demuͤtiger muß
niemahl ſchamroth werden. p. 127.
n. 17.
Appendix C.9 Ehr-Abſchneiden/ ſehe Ver-
laͤumdung.
Appendix C.10 Ehrgeitz.
Beſchreibung deß Ehrgeitz. p. 143.
n. 1. Behutſambkeit in denen Ehren
und Wuͤrden p. 147. Daß ein Vor-
ſteher ſchwaͤrlich koͤnne ſeelig werden.
p. 148. Daß auch die rechtmaͤſſiglich
erwaͤhlte Obrigkeiten in groſſer Ge-
fahr ſeyn. 155. n. 9. Daß die Wercke
und Raͤth Chriſti von allen Chriſt-
Glaubigen billig fuͤr lauter Gebott
ſollen gehalten werden. p. 156. n. 11.
Daß auch die heiligſte Vorſteher nit
unſtraffbar ſeyn. p. 161. n. 16. Wem
zulaͤſſig ſey/ das Ambt eines Vor-
ſtehers anzunehmen. p. 162. n. 18.
Wann ein Prieſter ſich entſchuldi-
gen koͤnne vom Beicht-hoͤren. p. 163.
n. 19.
Appendix C.11 Einſambkeit.
Mittel/ dieſe Einſambkeit zu er-
langen. p. 235. n. 1. und 2. Was
dieſe Einſambkeit fuͤr Nutzen bringe.
p. 237. n. 3. Warumb GOtt ſein
Außerwaͤhltes Volck durch die Wuͤ-
ſten habe fuͤhren wollen. p. 239. n. 5.
Eitele Ehr/ ſehe Gleißnerey.
[Enthaltung]/ ſehe Faſten.
Appendix C.12 Ergebung in den Willen
GOttes.
Lob-Spruͤch dieſer Tugend. p.
326. n. 1. und 2. Entwurff derſelben.
p. 329. n. 2. und 3. Maria ein Exem-
pel der vollkommenen Reſignation.
p 332. n. 5. Ein Refignirter Menſch
wird dem Berg Olympo und andern
verglichen. p. 335 n. 8. Ruhe und
Zufridenheit eines ſolchen Menſchen.
p. 336. n. 9. \& ſeqq. Wer auffrichtig
von Hertzen koͤnne genennee werden.
p. 338. n. 12. Ein nuͤtzliches und Gott-
gefaͤlliges Gebett: HERR/ wie
du wilſt. p. 339. n. 12.
Appendix C.13 Faſten.
Natur und Fuͤrtreffligkeit deß
Faſten. p. 414. n. 1. Nutzen deß
Faſten. p. 416. n. 3. Antreibung
zum Faſten. n. 4. Wie man dem
Fraß widerſtehen ſolle. p. 418. n. 6. 7.
und 8. Weißund Manier/ den Ge-
ſchmack abzutoͤdten. p. 420. n. 9.
Enthaltung vom Trincken. p. 421.
n. 11. und 12. Andere Weiß dieſer
Abtoͤdtung n. 14. 15. \&c.
E e e e e 2Feg-
[[772]]Regiſter
Appendix C.14 Feg-Feur.
Die Peynen der Hoͤllen ſeynd
in einigen Stucken gleich. p.
626. n. 1. Einige kurtze Ex-
empeln von den Seelen im
Feg-Feur. p. 629. n. 3. \& 4. Un-
terſcheid der hoͤlliſchen Peynen/ und
dieſer. p. 634 n. 9. Alles muß im
Feg-Feur biß zum letzten Heller be-
zahlt werden. p. 435. n. 10. \&c.
Appendix C.15 Forcht GOttes.
Entwerffung dieſer Tugend.
p. 575. n. 1. Nutzen der kindli-
chen Forcht: Wo kein Forcht
iſt/ iſt auch kein Heyl. p 577.
n. 1. 2. und 3. Warumb ſo viele ohne
Forcht leben? p. 578. n. 4. und 5.
Beyſpiel der Forcht GOttes. p. 580.
n. 6.
Appendix C.16 Fraß und Trunckenheit.
Straff deß Fraſſes. p. 437.
n. 1. 2. und 3. Was groſſe Ubeln
der Fraß verurſache. p. 440.
n 4. Die Gelegenheiten deß Fraſ-
ſes muß man meiden. p. 442. n. 5
Ubel der Trunckenheit. p. 445. n 7.
Eigenſchafft dieſes Laſters. p. 446.
n. 8.
Appendix C.17 Freventliches Vrtheil/ gem.
Vrtheil.
Appendix C.18 Frewd.
Traurigkeit iſt den Menſchen
ſehr ſehaͤdlich. p. 344. n. 1.
Unter ſcheid zwiſchen guten und
boſen Traurigkeit. ibid. n. 2.
Warumb man ſich die Freud deß
Geiſtes zu erlangen bemuͤhen ſolle
p. 346. n. 4. Unterſcheid zwiſchen
den welt- und geiſtlichen Freuden.
p. 347. n. 5.
Appendix C.19 Gebett.
Beſchreibung deß Gebetts.
p. 449. n. 1. und 2. Ubung deß
Gebetts. p. 451. n. 3. Wa-
rumb viele durchs Gebett nicht
erhoͤrt werden. ibid. \& n. 4. Man-
cher vermeint er werde nicht erhoͤrt/
und wird doch erhoͤrt. p. 454. n. 5.
Daß GOtt einem Bettenden nichts
abſchlage. p. 455. n. 7 Was zum
Gebett erfordert/ werde. 456. n. 8.
Das Gebett ſoll kurtz ſeyn p. 457.
n. 10. Wie ſich der Teuffel bemuͤ-
he/ den Menſchen im Gebett zu ver-
ſtoͤhren. p. 458. n. 11. Freud der boͤ-
ſen Geiſter uͤber die Traͤgheit im
Gebett. p. 459. n 12. 13. Freud deß
boͤſen Feinds uͤber die jenige Geiſtli-
che/ ſo ſich vom Dienſt GOttes oh-
ne wichtige Urſach abſentiren. p. 460.
n 14. Beſchreibung deß innerlichen
Gebetts. p. 462. n. 16. Unterricht
das
[[773]]Aller denckwuͤrdigen Sachen.
das innerliche Gebett oͤrdentlich und
nuͤtzlich zu uͤben p. 465. n. 16. Vor-
bereitung zur Betrachtung/ und wie
man ſich in derſelben/ und darnach
verhalten ſolle. Jtem Wirckung
der Betrachtung. p. 466. \& ſeqq.
Weiß und Manier einige Affecten
auß dem Hertzen hervor zu bringen.
p. 470. und ſeqq. Wie man die
Geſpraͤch in den Betrachtungen
wohl einrichten ſolle. p. 474. Ur-
ſach und Mittel der Verſtreuungen.
p. 475 Warumb die Betrachtun-
gen offt ſo geringe/ oder gar keine gu-
te Wirckungen haben. p. 476. Mit-
telen wider den Betrug deß boͤſen
Feinds. p. 477. Wie man ſich
nach der Betrachtung verhalten ſol-
le. p. 479.
Appendix C.20 Gedult der Geiſtlichen.
Gedult iſt ein Schul der Gott-
verlobten. p. 273. n. 1. Fuͤnf-
ferley Art dieſer Tugend. p. 274.
n 2. Wirckungen der Ge-
dult. p. 275. n. 3. \& 4. Wie man
dieſe Wirckungen erſprießlich uͤben
koͤnne. p. 277. n. 5. Gnaden-
Schatz dieſer Tugend. p. 279. n. 6.
Warumb den eifferigſten Dienern
GOttes vielmahl Widerwaͤrtigkei-
ten/ mehr als andern zuſtoſſen p. 280.
n. 7. und p. 286. n. 16. Gedult in
den Zufaͤllen deß Leibs. p. 281. n. 9.
und 10. Wie man ſich in den Wi-
derwaͤrtigkeiten verhalten ſolle p. 283.
n. 12. Marter in den Gedancken.
p. 286. n. 15. Wie man das Ehr-
abſchneiden gedultiglich tragen ſolle.
p. 287. n. 17. GOtt iſt freygebig
in Außtheilung der Creutzer mit den
Seinigen. p. 289 n. 19. Welche
die beſte Matery zu leyden ſeye. p. 290.
n. 20.
Appendix C.21 Gehorſamb.
Wirckung dieſer Tugend.
p. 245. n 1. Beſchreibung deß
Gehorſambs. p. 246. n. 2.
Wie man durch den Gehor-
ſamb zur Vollkommenheit ge-
langen koͤnne. n. 3. Nutzen deß
Gehorſambs. p. 248. n. 4. Was
zu einem vollkommenen Gehorſamb
erfordert werde. p. 250. n. 6. und 7.
Daß die Buß-Werck/ ſo ohne Er-
laubnuß der Obern verrichtet werden/
keine Belohnung verdienen. p. 252.
n. 8. Chriſtus ein Spiegel deß Ge-
horſambs. p. 254. n. 10. Antrieb
zum Gehorſamb. p. 255. n. 12.
Zweyte Eygenſchafft deß Gehor-
ſambs. p. 256. n. 13. Himmliſche
Gnaden wegen deß Gehorſambs.
p. 257. n. 14. und 15. Langſamber
Gehorſamb iſt kein Gehorſamb.
p. 259. n 17. Dritte Eygenſchafft
deß Gehorſambs. p. 261. n. 19.
Was auff dem Weeg dieſer Tu-
gend zu beobachten ſeye. p. 263. n. 21.
\& ſeqq.
E e e e e 3Geilheit
[[774]]Regiſter
Appendix C.22 Geilheit.
Beſchreibung dieſes Laſters.
p. 198. n 1. Das Hertz eines
geilen Menſchen iſt eine Her-
berg deß Teuffels. p. 200. n.
3. Daß groſſe Unbill/ ſo der Gei-
le ſeinem GOtt anthut. p. 202. n. 5.
Artzney fuͤr die Geilheit. n. 6.
Appendix C.23 Geiſtliche Freud/ ſehe Freud.
Appendix C.24 Geiſtliches Geſpraͤch/ ſehe
Geſchwaͤtz.
Appendix C.25 Gericht.
Nach dem Todt folgt das
beſondere Gericht. p. 590.
n. 1. Warumb dieſes Ge-
richt ſehr zu fuͤrchten ſeye. p. 592. n.
203. Der Gerechte kan vor ſelbigem
auch kaum beſtehen. p. 593. n. 4.
Alles wird daſelbſt gar genau erfor-
ſchet. p. 595. n. 6. Anders richtet
GOtt/ und anders die Menſchen.
n. 7. Die heiligſte Menſchen ha-
ben ſich auch fuͤr dieſem Gericht ge-
foͤrchtet. p. 599. n. 11. und 12. Daß
uns GOtt nichts ſchuldig ſeye. p. 603.
n. 15.
Appendix C.26 Geſchwaͤtz.
Was daß unnoͤthige Ge-
ſchwaͤtz fuͤr Boͤſes verurſache.
p. 215. n. 1. und 2. Schul-
digkeit dieſes Laſter zu fliehen. p. 217.
n 3. Wie die Geſchwaͤtzige von
einer Suͤnd in die andere fallen.
p. 220. n. 5. 6. und 7. Klag-Rede
uͤber daß unnuͤtzlich gefuͤhrte Ge-
ſchwaͤtz. ibid.
Appendix C.27 Geſpraͤch.
Wie man dieſes Geſpraͤchs ſich
gebranchen ſolle. p. 224. n. 1. Zeit
zu reden/ und Zeit zu ſchweigen.
p. 225. n. 2. und 3. Wie die Auß-
erwaͤhlte GOttes ſich deß Geiſtli-
chen Geſpraͤchs immer befliſſen. p.
227. n. 4. Nutzen der geiſtlichen
Geſpraͤch. p. 229. n. 5. Wann die
Geſpraͤch gut ſeyn? p. 230. n. 6.
Fruͤchten der angezogenen Regul.
p. 231. n. 7. und 8. Welche von
den Jſraeliteren ſich uͤber das Him-
mel-Brod beklagt haben? p. 233. n. 9.
Appendix C.28 Glaub.
Was der Glaub ſeye? p. 1. n. 1.
Wirckung deß Glaubens. p. 3 n. 3.
Warumb ſo viele/ unangeſehen ſie
den rechten Glauben haben/ dannoch
verdambt wer den. p. 6. n. 4. Wie
man ſich deß Glaubens recht ge-
brauchen ſolle. p. 8. n. 7. Euſſer-
liche und innerliche Erweckungen
deß Glaubens. p. 9. n. 8. Wie man
erkennen koͤnne/ ob die Begierd fuͤr
den
[[775]]Aller denckwuͤrdigen Sachen.
den Glauben zu ſterben auffrichtig
und Gott-gefaͤllig ſeye. p. 10. n. 9.
Appendix C.29 Gleyßnerey und eytele Ehr.
Was die eitele Ehr ſeye? p. 365.
n. 1. Daß man die gute werck
GOtt zuſchreiben ſolle. p. 368. n 6.
was die Gleißnerey ſeye. n. 7. Pa-
troninnen der Schein-Heiligen. p.
370. n 8. Natur der Gleißner. p.
372. n 10.
Appendix C.30 Hand-Arbeil/ ſehe Arbeit.
Haß.
Entwurff deß Haſſes. p. 74. n. 1.
Der Groll unter den Bruͤdern iſt
der allergrimmigſte. p. 80. n. 8. wie
man ſich fuͤr dem Anfang deß un-
ziemlichen Eiffers huͤten ſolle. p. 81.
n. 9.
Appendix C.31 Hoffart.
Beſehreibung dieſes Unthiers. p.
131. n. 1. Vom hoch fliegen. p. 132.
und p. 133. n. 2. Gleichnuß. 134. n. 4.
Urſach/ warumb ein Menſch ſich
billig demuͤthigen ſolle. p. 137. n. 6.
Appendix C.32 Hoffnung.
Eigenſchafft der Hoffnung. p. 11.
n. 1. wem die Hoffnung am fuͤglig-
ſten koͤnne verglichen werden. p. 13.
n. 3. Geſellinnen der Hoffnung. p. 13.
n. 4. Beyſpiel der Hoffnung. p. 14.
n. 5. Nutzen der Hoffnung. p. 14. \&
ſeqq. wann man ſich in dieſer Tu-
gend zum meiſten uͤben ſolle. p. 17. n. 8.
Daß man auff ſeine eigene Ver dien-
ſten nicht zu veſt bauen ſolle. p. 19. n.
10. Wie man in Truͤbſalen ſich der
Hoffnung gebrauchen ſolle. p. 20 n. 1.
Appendix C.33 Hoͤll.
Die Hoͤll iſt haiß. p. 606. n. 1. Jſt
auch kalt. p. 608. n. 3. Der nagende
Wurmb deß Gewiſſens. p. 609. n. 4
Hunger und Durſt der Hoͤllen/ \&c.
n. 5. Der Verluſt deß Allerhoͤchſten
Guts iſt die groͤſte Peyn. p. 6. 0. n. 6.
Daurhafftigkeit der hoͤlliſchen Pey-
nen. p. 614. n. 9. und 10. Grauſamb-
keit der hoͤlliſchen Peyn. p. 615. n. 11.
Klag-Lied uͤber die Peynen der Ver-
dambten. p. 618.
Appendix C.34 Jnnerliches Gebett/ ſehe
Gebett.
Appendix C.35 Intention, ſehe Meynung.
Appendix C.36 Keuſchheit.
Wie dieſe Tugend von Chriſto
und ſeinen Außerwaͤhlten ſeye geliebt
und geuͤbet worden p. 183. n. 1. Sechs
Lilien-Blaͤtter der Keuſehheit. p. 184.
n. 2. \& ſeqq. Die aͤuſſerliche Abtoͤd-
tungen deß Leibs ſeynd nicht allein
beſtand/ die Keuſchheit zu erhalten.
p. 188. n. 6. Maria eine bewehrte
Helfferin in dieſem Streit. p. 189. n. 7.
Glunpffliche Antwort eines Vor-
ſtehers in dieſer Matery. n. 8. Daß
man ſich fuͤr dementbloͤſen/ und blo-
ſem Anruͤhren huͤten ſolle. p. 194. n.
13. Das Geſpraͤch mit ungleichen
Perſohnen muß nach Moͤglichkeit
verhuͤtet werden. p. 195. n. 14.
Liebe
[[776]]Regiſter
Appendix C.37 Liebe GOttes.
Was die Lieb ſeye. p. 42. n. 1.
Wirckung der Liebe. p. 43. n. 1. 2. 3.
und 4. Wie man die Lieb erhalten
ſolle. p. 45. n. 5. 6. 7. Wie die Lieb
vor andern Tugenten den Himmel
eroͤffne. p. 48. n. 9. Belohnung
der Liebe. p. 49. n. 10. Schoͤne
Vergleichung der Liebe. p. 50. n. 11.
und 12. Ermahnung zur Liebe.
p. 52. n. 13. 14.
Appendix C.38 Liebe deß Naͤchſten.
Was ſeye die Liebe deß Naͤchſten.
p. 54. n. 1. Unterſcheid zwiſchen
der wahren und falſchen Liebe. p. 57.
n. 3. Wie man dem Naͤchſten ſei-
nen Laſt ſoll helffen tragen. n. 4. Nu-
tzen der Liebe. p 59. n. 5. 6. \& ſeqq.
daß man in allen Staͤnden Gelegen-
heit habe/ ſeinen Naͤchſten zu lieben.
p. 63. n. 10.
Appendix C.39 Liebe der Feinden.
Wie man koͤnne GOtt gleich
werden. p. 65. n. 1. und 2. Unterſcheid
zwiſchen der Liebe deß Naͤchſten/ und
Liebe der Feind. p. 66. n. 3. Liebe
der Feind die beſte Allmuß. p. 68. n. 6.
Belohnung dieſer Liebe. p. 69. n. 7.
Wor auß dieſe Liebe entſpringen
muͤſſe. p. 70. n. 9. Gleichnuß die-
ſer Tugend. p. 72. n. 10. War-
umb wir fuͤr unſere Feind zu betten
ſchuldig ſeynd. n. 11. Ermahuung
zur Liebe der Feind. p. 73. n. 12.
Appendix C.40 Gute Meynung/ oder
Intention.
Eigenſchafft der guten Meynung
p. 351. n. 1. und 2. Wie ſelbige zu al-
len Dingen erfordert werde. p. 353.
n 3. und 4. Daß hierinnen ſich wenig
uͤben. p. 354. n. 5. Wirckung der
guten Meynung. p. 355. n. 6. Wie
der Teuffel ſelbige zu verhindern ſu-
che. p. 357. n. 8. Fuͤrtrefflichkeit
deß guten Willens. p. 359. n. 11.
Der gutes Willens iſt/ muß nicht
bald verzagen. p. 360. n. 12.
Appendix C.41 Mortification/gem. Abtoͤdtung
Appendix C.42 Reſignation/gem. Ergebung
in den Willen GOttes.
Appendix C.43 Sacrament deß Altars.
Daß man deſſelben oſſt genieſſen
ſolle. p. 523. n. 1. Wirckung die-
ſes Allerheiligſten Sacraments. p.
525. n. 1. Eigenſchafft deſſelben.
Ibid. n. 3. Daß man ſich deſſelben
nicht gar zu leicht unwuͤrdig achten
ſolle. p. 528. n. 5. Vorbereitung
zu demſelben. p. 529. n. 6. Geiſt-
liche Communion. p. 531. n. 8. Weiß
und Manier/ Chriſtum im Hochh.
Sacrament deß Altars/ oder ſonſten
oͤffters zu verehren. p. 532. n. 8. Er-
weckung deß Glaubens und der Lie-
be ibid. Manier/ geiſtlicher
Weiß zu com̃unieiren. p. 533. Wann
man vom Altar zuruͤck gehet. p. 534.
Vom Opffer der H. Meeß.ibid.
n. 9.
[[777]]Aller denckwuͤrdigen Sachen.
n. 9. Was man vor und unter
der Meſſen betten ſolle. p. 537. \&
ſeqq. Verdienſt deren/ ſo andaͤch-
tiglich zur Meſſen dienen. p. 532. n. 16.
Seeligkeit.
Beſchreibung der himmliſchen
Freuden. p. 149. n. 3. Alle Freuden der
Welt zuſammen/ koͤnnen mit der
Freude eines eintzigen Außerwaͤhlten
nicht verglichen werden. p. 652. n. 6.
Worinnen die fuͤrnembſte Seeligkeit
beſtehe. p. 653. n. 7. und 8. Wie erfreulich
die Nieſſung der Gegenwart GOt-
tes ſeye. p. 655. n 9. Zwey Ding ſeynd
zu Erhaltung der ewigen Seeligkeit
noͤthig. p 657. n. 12.
Appendix C.44 Der Seeligen geringe Zahl.
Wie viel auß denen Menſchen/ ſo
jetzt leben/ werden ſeelig werden. p. 659.
n. 1. Gehet hinein durch die enge Pfor-
te. p. 660. n. 2. und 3. Daß der Menſch
ſeelig werde/ iſt ein uͤbernatuͤrliches
Werck. p. 662. n. 4. Der Himmel iſt
nicht fuͤr die Genſe gebauet. p. 663. n. 5.
Acht Perſohnen in der Arcken Noe. p.
665. n. 7. Die Wenigkeit der Außer-
waͤhlten wird den Ahren/ ſo von den
Schnittern auffm Acker gelaſſen/
verglichen. p. 666. n. 8. Daß ſich die
Geiſtliche ſehr zu foͤrchten haben. p.
670. n. 12. Von der Prædeſtination
oder Verordnung. p. 672. n. 14. 15. 16
und 17. Krafft der Barmhertzigkeit
GOttes allein werden die Menſchen
ſeelig. p. 676. n. 18. Warumb GOtt
dieſen erwaͤhle/ und einen andern nit.
p. 677. n. 19. 20. und 21.
Appendix C.45 Stand der Geiſtlichen.
Vergleichung deß geiſtlichen
Stands mit dem Himmel. p. 425. n. 1.
Zeugnuß der Heiligen GOttes uͤber
dieſe Warheit. p. 426. n. 2. Lob-Spruͤch
dieſes Stands. p. 427. n. 3. 4. und 5.
Nutzen deß geiſtlichen Stands p.
430. n. 6. Warumb nicht alle Geiſt-
liche der Freuden dieſes Engliſchen
Stands theilhafftig werden p.? 432. n.
7. und 8. was einen guten Geiſtlichen
mache. p. 433. n. 9. Daß die Buß der
Geiſtlichen ſuͤß und annehmlich ſeye.
p. 434. n. 10. und 11. Daß ein Geiſtli-
cher uͤber die Speiß und Tranck nicht
murren ſolle. p. 436. n. 12.
Appendix C.46 Stillſchweigen.
Was Stillſchweigen ſey/ und wie
nuͤtzlich. p. 204. n. 1. 2. 3. 4. und 5. war-
umb unter den Geiſtlichen auch boͤſe
gefunden werden. 208. n. 7. Scham-
hafftigkeit im Reden gefallet verſtaͤn-
digen Leuthen. p. 209. n. 9. und 10. Be-
lohnung der Schweigenden. n. 11.
Nothwendigkeit deß Stillſchweigens
denen/ ſo ſich der Vollkommenheit be-
fleiſſen. p. 211. n. 13. 14. und 15.
Appendix C.47 Suͤnd.
Wie man die Suͤnd fliehen ſolle. p.
564. n. 1. wirckung der Suͤnd. p. 565.
n. 2. was uns zur Meidung der
Suͤnd antreiben ſolle. p. 566. n 3. 4. 5.
\& ſeqq. Nach der Tod-Suͤnd iſt
die laͤßliche Suͤnd daß groͤſte Vbel.
p. 570. n. 8. \& ſeqq.
F f f f fTodt
[[778]]Regiſter
Appendix C.48 Todt.
Die Erinnerung deß Todts iſt ei-
ne heylſambe Ermahnung zum beſ-
ſern Leben. p. 582. n 1. und 2. Daß inner-
liche deß Todts iſt viel erſchroͤcklicher/
als das aͤuſſerliche Anſehen deſſelben.
p. 584. n. 3. was den Todt weiters
erſchroͤcklich mache. p. 585. n. 5. 6. und 7.
Der Todt verurſachet einigen Ster-
benden keine Traurigkeit p. 589. n. 10.
Appendix C.49 Trübſall/ ſehe widerwaͤr-
tigkeit.
Appendix C.50 Trunckenheit/ ſehe Fraß.
Appendix C.51 Verachtung der Welt.
Antrieb zur Verachtung der welt.
p. 374. n. 1. Beweiſthumb von Ver-
achtung der Welt. p. 375. n. 2. wie
naͤrriſch es ſeye/ der welt anhangen.
p. 376. n. 5. 6. und 7.
Appendix C.52 Verehrung der Heil. Mutter
GOttes Mariaͤ.
Die andaͤchtige Verehrung der
allerſeeligſten Jungfrauen iſt ein
Zeichen der Erwaͤhlung zum ewigen
Leben. p. 680. n. 1. Huͤlff Mariaͤ. ibid.
n. 2. Sicher Schirm der Suͤnder.
p. 682. Warumb dieſe Jungfrau ein
Zuflucht der Sůnder genen-
net werde. p. 686. n. 6. Der Engliſche
Gruß iſt ein nuͤtzlicher Spruch. p. 689.
n. 9 Maria ein Laiter der Menſchen p.
691. n. 10. Unerſchoͤpffliche Barmher-
tzigkeit Mariaͤ p 692. n. 12. Warumb
vile Vereher Mariaͤ derſelben Gna-
den nit theilhafftig werden p. 794. n. 14
Daß man in ſothan[er] Verehrung be-
ſtaͤndiglich verharren muͤſſe. p. 696. n
15. Viele veraͤnderen ſich die Barm-
hertzigkeit Mariaͤ in lauter Gifft. p
697. n. 17. wie man auß dieſer Lection
ſchlieſſen koͤnne/ daß der meiſte Theil
der Chriſt-Glaubigen verdambt wer-
de. p. 698. n 18.
Appendix C.53 Verehrung der Heiligen und
Außerwaͤhlten GOttes.
Unterricht von der ſtuͤndlichen
Verehrung der H. H. Patronen 705.
Weiß und Manier/ die Allerſeeligſte
Jungfrau/ und die H. H. Patronen
zu allen Stunden anzuruffen. p. 709.
Uhrwerck deß bittern Leydens Chriſti:
ibid. wie verdienſtlich dieſe Ubung
ſeye p. 711 Sehe den Nutzen einer
eintzigen Chron/ ſo zur Ehren Ma-
riaͤ gebettet wird. p. 712. Frucht deß
Engliſchen Gruß. p. 713. Ein ander
weiß/ die Allerſeeligſte Jungfrau
und die H. H. Patronen zu verehren.
p. 716. wie man zu allen wercken
ſeine Jutention machen ſolle. p. 718.
weiß und Manier einen Patronen
zu erwaͤhlen fuͤr den gantzen Tag p.
721. wie man ſich mortificiren oder
Abtoͤdten koͤnne zur Ehren GOttes/
der Allerſeeligſten Jungfrauen und
der H. H. Patronen. p. 724. Morgends
und Abends-Gebett eines Geiſtlichen
p. 727. Ein andaͤchtiger Gruß und
Gebett zu der allerſeel. Jungfrauen
Maria. p. 732. Zum Schutz-Engel
733. Ein anders zu ſelbigem. ibid. Zu
den H. H. Patronen 734. weiß und
Manier/ eine allgemeine Jntention
oder
[[779]]Aller denckwuͤrdigen Sachen.
oder Meinung zu machen/ fuͤr jeden
Tag in der wochen. p. 735. Am Son-
tag. p. 736. Am Montag. ibid.Am
Dinſtag 737. Am Mittwoch und
Donnerſtag. ib[i]d. Freytag und
Sambſtag. p. 738. Abends-Ubung
p. 739. Auffopfferung der werck. p.
740. ſchoͤne Gebett. p. 741. \& ſeqq.
Naͤchtliche Empfehlung. p. 744. U-
dung im Bett vor dem Schlaff. p. 747.
Appendix C.54 Verharrung im Guten.
Es gefallet GOtt kein werck/ ſo
gut es immer ſeye/ ohne die Verhar-
rung. 749. n. 2. warumb hat GOtt
den Fuͤrwitz deß weibs Lots ſo au-
genblicklig geſtrafft? p. 750. n. 3. wie
der Teuffel die Verharrung zu hem-
men ſuche. p. 75[0]. n. 4. Ein Eſel laufft
nicht lang. p. 752. n. 5. Kurtze Exem-
peln Einiger/ ſo nicht biß zum End
verharret haben. p. 752. n. 6. GOtt
nur Achtung auff das End.
Appendix C.55 Verlaͤumdung oder Ehrab-
ſchneidung.
Was die Verleumdung ſeye. p. 103.
n. 1. Glimpliche Bedeckung dieſes La-
ſters. p. 104. n. 1. Ein Verlaͤumder
wird den Schweinen/ ꝛc. verglichen.
p. 105. n. 2. Lehr Chriſti. p. 106. n. 4.
wann es zugelaſſen ſeye/ von eines
andern Suͤnd zu reden. p. 108. n. 6.
Verſuchung.
Vorſichtigkeit in den Verſuchun-
gen p. 305. n. 1. und. 2. wie ſich der
boͤſe Feind den Menſchen zu verſu-
chen bemuͤhe. p 308. n. 3. GOtt ver-
laſſet die Seinige nicht. p. 310. n. 6.
wie man ſich in den Verſuchungen
verhalten ſolle. p. 311. n. 8. 9. und 10.
Die Verſuchungen muͤſſen mit Ge-
dult erlitten werden. p. 314. n. 11. War-
umb ſo viele von den Verſuchungen
uͤberwunden werden? p. 315. n. 12. Ver-
zage nicht. p. 316. n. 13. Mittel in den
Verſuchungen. ibid. und n 14. \&
ſeqq. Behutſambkeit in den Verſu-
chungen p. 322. n. 18. Belohnung die-
ſes Streits 324. n. 20. Der Teuffel
verſuchet auch durch gute Eingebun-
gen. p. 325 n. 21.
Appendix C.56 Vngehorſamb.
Dieſes Laſter kan auß ſeinen
Straffen erkennet werden p. 267. n.
1. 2. Das Murren. p 270. n. 4. Gute
Werck auß eigenem Willen geuͤbet/
mißfallen GOtt. p. 272. n. 5.
Appendix C.57 Vollkommenheit der Geiſt-
lichen.
Wie ein Geiſtlicher der Voll-
kommenheit ſich befleiſſen ſolle. p. 380.
n. 1. und 2. Gleichnuß. p. 381 n. 2.
Eiffer iſt der erſte Weeg zur Voll-
kommenheit. p. 382. n. 3. Beyſpiel der
Heiligen. ibid. n. 4. und 5. Wie viel
Geiſtliche ſeelig werden. p. 385 n.
6. Niemand wird geſchwind der
Hoͤchſte. ibid. n. 6. und 7. Warumb
viele verdambt werden. p. 386. n. 8.
keiner ſage: ich halte meine Geloͤbten/
\&c. p. 387. n. 9. Zweyte Urſach/ war-
umb
[[780]]Regiſter aller denckwuͤrdigen Sachen.
umb ſo viele Schiffbruch leyden. n.
10. und 11. Wann und wie die Ver-
achtung der kleinen Suͤnden geſchehe.
p. 389 n. 12. Wie nothwendig ſeye ei-
nem Geiſtlichen/ nach der Vollkom-
menheit zu ſtreben. p. 390. n. 13. Daß
man in Anfang nicht verzagen muͤſſe.
p. 391. n. 14. Worin die wahre Voll-
kommenheit beſtche. p. 392.
Appendix C.58 Vrtheil.
Eigenſchafft deß freventlichen Vr-
theils. p. 82. n. 1. Mißgunſt iſt eine
Geburt deß freventlichen Vrtheils.
p 84 n. 2. Beſchreibung der zweyten
Art deß freventlichen Vrtheils. ibid.
n 3. und 4. Wie man einen Vrthei-
len ſolle/ der oͤffentlich ſuͤndiget p. 88.
n. 7. 8. Beyſpiel deß H. Joannis E-
leemoſynarii. Offtmal iſt ein Menſch
mit denſelben Laſtern verſtrickt/ uͤber
welche er von andern zu urtheilen ſich
erkuͤhnet. p. 91. n 10. Betrachtung
eigener Suͤnden. p. 93. n. 12. \& ſeqq.
Abſchroͤckung vom freventlichen Ur-
theil. p. 94 n. 14. Auß ſeines Naͤch-
ſten Fall Nutzen ſchoͤpffen. p 96. n. 16.
Ein heylſambe Lehr/ wie man ſich
in den Vrtheilen uͤber ſeinen Naͤch-
ſten verhalcen ſolle. p. 101. n. 20.
Appendix C.59 Widerwaͤrtigkeit.
Warumb die Studenten deponirt
werden? p. 291 n. 1. Creutzer ſeynd
Zeichen der Außerwaͤhlung. p. 293.
n. 3. und 4. werden auch reichlich be-
lohnet. p. 296. n. 5. Mittel/ den Laſt
deß Creutzes zu verleichtern. p. 297.
n. 6. 7. Sie tilgen auß das Feg-Feur.
p. 299. n 9. Durch Creutz und Ley-
den werden die Tugenten eingepflan-
tzet und vermehret. p. 300. n 10. Nu-
tzen der Truͤbſall. p. 302. n. 12. 13. 14.
und 15.
Appendix C.60 Wort GOttes.
Von Anhoͤrung und Leſung der
geiſtlichen Dingen. p 543. n. 1. Wir-
ckung deß Worts GOttes. p. 544.
n. 2. Eigenſchafft deſſelben. p 545. n.
3. Daß man die gehoͤrte und geleſene
Sachen auch betrachten muͤſſe. p. 547.
Daß man auch ſelbiges in der That
vollbringen muͤſſe. p. 551. n. 8. Das
Wort GOttes wird einem Spiegel
verglichen. ibid.
Ende deß Materien Regiſters.
ERRA-[[781]]
Appendix D Verzeichnuß einiger geiſtlichen Buͤcher.
- Alcker F. F. Minor. Recollect. Reformirter Daumen-Dreher in 12
- Alt und jetziges uͤbereinſtimmendes Paſthumb. 12
- Capiſtran F. F. Minor. Recollect. Sonn- und Feyertags-Predigen 4
- Cæſarii F. F. Minor. Recollect. Betrachtungen von der allerheiligſten
Jungfrauen Maria/ und H. Joſeph 8 - EjuſdemBraut GOttes 8
- Catholiſche Bibel verteutſcht durch Caſparum Ulenberg 8
- Bonæ S. R. E. Cardin. Handleitung zum Himmel [3]8
- Elffens Soc.Jesu Richtſchnur deß Gewiſſens 12
- Geiſtliches Pſaͤlterlein PP. Soc. Jesu 24
- Humperding Gebett/ Ablaß/ und Lob-Geſaͤng der Ertz-Bruderſchafft
S. Franciſci 12 - Kellens F. F. Minor. Recollect. Seraphiſcher Gebett-Garten 8
- Ejuſdem Andacht zu der H. Dreyfaltigkeit [3]2
- Ejuſdem teutſcher Catechiſmus [3]2
- Kiſſelii Soc. Jesu Paſſions-Predigen 4
- Leben deß H. Vatters Jgnatii von Loyola Stifftern der Soc. Jesu 4
- Leben der H. Jungfrau Claræ Franciſcæ von Antwerpen 8
- Leuchtii Leben der Heyligen fol.
- Maſenii Soc Jeſu Religions-Streit [3]2
- Mulman Soc. Jesu Glaubens-Spiegel 8
- Officium oder Curs unſer lieben Frauen/ ſampt den kleinen Tag-Zeiten/
Lytaneyen und andern ſchoͤnen Gebcltern [1]8 - ‒ ‒ oder Ambt der H. Jungfrau S. Claræ [3]8
- Pavvlovvski Soc. Jesu GOttes Anſprach 12
- Pon[r]e Soc. JesuBetrachtungen in 5. Theil 4
- Reuſſen F. F. Minor. Conven.Bruderſchaffts-Buͤchlein von den H. H.
Fuͤnff Wunden [1]2 - Saleſii Betrachtungen deß Apoſtoliſchen Glaubens [1]8
- Unterricht vom H. Seelen- Ablaß/ zur Befoͤrderung dieſer Andacht mit
ſchoͤnen Gebettern verſehen [1]8
Appendix E ERRATA.
Pag. 5. lin. penult.Worten leſe Wercken. p. 10. l. antep.
wagen leſe tragen. p. 12. l. 7. vorzuhalten/ leſe vorhalten.
p. 13. l. 16. Marter leſe Matery. p. 23. l. 3. dann leſe da.
p. 34. l. 5. thue auß dieſes Nahmens der Achte. p. 35. l. 30.
dieſe leſe die ſie. p. 37. l. 12. gottloſe leſe gottſeelige. p.
38. l 3. ſetze hinzu gegen. p. 47. l. 7. nimmer leſe immer.
p. 48. l. 26. die von der andere entſpringet leſe von wel-
cher ſie herkommet oder entſpringet. p. 52. l. ult.der leſe
deren. p. 62. l. 32. Schlauer leſe Schlave. p. 63 l. 27.
Beich-Kind leſe Beichts-Kind. p. 71. l 9. der ſetze hinzu
in Betrachtung deſſen.item l. 11. dann leſe da. p. 73. l. 5.
zum Zeugen leſe zum Vergnůgen deiner Seelen angehoͤret
haſt. p. 75. l. 6. als leſe alſo. p. 81. l. 8 ewigen leſe we-
nigen. p. 94. l. 16. einmalen leſe niemahlen. p. 95. l. 35.
nach verordnet ſetze hinzu werden. p. 95 l 22. weilen man
nicht ſetze hinzu weiß. p. 97. l. 36. gefaſſet leſe gehaſſet. p. 102.
l. 13. ſeynd das ſetze hinazu nicht. p. 104. l. 19. von denen
man nicht ſetze hinzu ſage. p. 192. l. 5. des leſe das. p.
376. l. 16. angeſcheu leſe angeſchauet. p. 383. l. 31. Koͤnigliche
leſe gerade. p. 443. l. 28. leibligſte leſe liebligſte. p. 452. l 26.
nemblich betten leſe nemblich nicht betten. p. 480. l. 10. dem
gefaͤhrlichen leſe den gefaͤhrlichen.ibid. l. 23. Schaͤtzen leſe
Schaͤrtzen. p. 499. l. 8. Chriſten leſe Geiſtlichen. p. 507. l. 14.
Beyſchlaffs wird leſe Beyſchlaffs/ und wird. p. 520. l. ult.ver-
geſſen leſe vergoſſen. p. 521. l. 6. Fleiß leſe Fleiſch. p. 618. l. 10 wo
rufft leſe wo ruffſt mich. p. 619. l. 23. thue auß/ wirſt.ibid. l. 24. all-
zeit leſe allezeit. p. 620. l. 31. dieß Thier allzeit leſe dieß Thier
nur. allezeit. p. 622. l. 5. was biſtu leſe was du biſt. p. 623. l. 9. thue
auß ich. p. 624 l. 10. erwebetleſe erwerbet. p. 625. l. 4. Jn der
Noth mir doch beyſpringet leſe Jn Noͤthen doch beyſpringet.
p. 715. l. 21. moͤglich leſe unmoͤglich. p. 716. l. 5. Schoßgebettlein
leſe Schußgebettlein. p. 717. l. 12. oder das leſe oder deß.ibid. l. 23.
ſagen leſe ſeyn.ibid. l. 29. wann leſe wie. p. 733. l. 32. der ich in
deiner leſe der ich deiner. p. 754 l. 22. ein gantzes Jahr leſe ſechs
gantze Jahr.p. 756. l. 27. kanſtu nicht leſe komſtu nicht.
Ver-
[[783]][[784]][[785]][[786]][[787]][[788]]
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- TextGrid Repository (2025). Abraham, a Sancta Clara. Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul/ Jn Welcher Ein Jeder/ so wohl Geist- als Weltlicher/ heylsamb zur Geistlicher Vollkommenheit unterwiesen wird. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj7z.0