in der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.
1808.
Zueignung.
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Vorſpiel
auf dem Theater.
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luſtige Perſon.
Ihr beyden die ihr mir ſo oft,
In Noth und Truͤbſal, beygeſtanden,
Sagt was ihr wohl, in deutſchen Landen,
Von unſrer Unternehmung hofft?
Ich wuͤnſchte ſehr der Menge zu behagen,
Beſonders weil ſie lebt und leben laͤßt.
Die Pfoſten ſind, die Breter aufgeſchlagen,
Und jedermann erwartet ſich ein Feſt.
Sie ſitzen ſchon, mit hohen Augenbraunen,
Gelaſſen da und moͤchten gern erſtaunen.
Ich weiß wie man den Geiſt des Volks verſoͤhnt;
Doch ſo verlegen bin ich nie geweſen;
Zwar ſind ſie an das Beſte nicht gewoͤhnt,
[10] Allein ſie haben ſchrecklich viel geleſen.
Wie machen wir’s? daß alles friſch und neu
Und mit Bedeutung auch gefaͤllig ſey.
Denn freylich mag ich gern die Menge ſehen,
Wenn ſich der Strom nach unſrer Bude draͤngt,
Und mit gewaltig wiederholten Wehen,
Sich durch die enge Gnadenpforte zwaͤngt;
Bey hellem Tage, ſchon vor Vieren,
Mit Stoͤßen ſich bis an die Kaſſe ficht
Und, wie in Hungersnoth um Brot an Beckerthuͤren,
Um ein Billet ſich faſt die Haͤlſe bricht.
Dieß Wunder wirkt auf ſo verſchiedne Leute
Der Dichter nur; mein Freund, o! thu es heute.
O ſprich mir nicht von jener bunten Menge,
Bey deren Anblick uns der Geiſt entflieht.
Verhuͤlle mir das wogende Gedraͤnge,
Das wider Willen uns zum Strudel zieht.
Nein, fuͤhre mich zur ſtillen Himmelsenge,
Wo nur dem Dichter reine Freude bluͤht;
Wo Lieb’ und Freundſchaft unſres Herzens Segen
Mit Goͤtterhand erſchaffen und erpflegen.
[11]
Ach! was in tiefer Bruſt uns da entſprungen,
Was ſich die Lippe ſchuͤchtern vorgelallt,
Mißrathen jetzt und jetzt vielleicht gelungen,
Verſchlingt des wilden Augenblicks Gewalt.
Oft wenn es erſt durch Jahre durchgedrungen
Erſcheint es in vollendeter Geſtalt.
Was glaͤnzt iſt fuͤr den Augenblick geboren,
Das Aechte bleibt der Nachwelt unverloren.
Wenn ich nur nichts von Nachwelt hoͤren ſollte.
Geſetzt daß ich von Nachwelt reden wollte,
Wer machte denn der Mitwelt Spaß?
Den will ſie doch und ſoll ihn haben.
Die Gegenwart von einem braven Knaben
Iſt, daͤcht’ ich, immer auch ſchon was.
Wer ſich behaglich mitzutheilen weiß,
Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;
Er wuͤnſcht ſich einen großen Kreis,
Um ihn gewiſſer zu erſchuͤttern.
Drum ſeyd nur brav und zeigt euch muſterhaft,
Laßt Phantaſie, mit allen ihren Choͤren,
[12] Vernunft, Verſtand, Empfindung, Leidenſchaft,
Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hoͤren.
Beſonders aber laßt genug geſchehn!
Man kommt zu ſchaun, man will am liebſten ſehn.
Wird vieles vor den Augen abgeſponnen,
So daß die Menge ſtaunend gaffen kann,
Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen,
Ihr ſeyd ein vielgeliebter Mann.
Die Maſſe koͤnnt ihr nur durch Maſſe zwingen,
Ein jeder ſucht ſich endlich ſelbſt was aus.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Gebt ihr ein Stuͤck, ſo gebt es gleich in Stuͤcken!
Solch ein Ragout es muß euch gluͤcken;
Leicht iſt es vorgelegt, ſo leicht als ausgedacht.
Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht,
Das Publikum wird es euch doch zerpfluͤcken.
Ihr fuͤhlet nicht wie ſchlecht ein ſolches Handwerk ſey!
Wie wenig das den aͤchten Kuͤnſtler zieme!
[13] Der ſaubern Herren Pfuſcherey
Iſt, merk’ ich, ſchon bey euch Maxime.
Ein ſolcher Vorwurf laͤßt mich ungekraͤnkt;
Ein Mann, der recht zu wirken denkt,
Muß auf das beſte Werkzeug halten.
Bedenkt, ihr habet weiches Holz zu ſpalten,
Und ſeht nur hin fuͤr wen ihr ſchreibt!
Wenn dieſen Langeweile treibt,
Kommt jener ſatt vom uͤbertiſchten Mahle,
Und, was das allerſchlimmſte bleibt,
Gar mancher kommt vom Leſen der Journale.
Man eilt zerſtreut zu uns, wie zu den Maskenfeſten,
Und Neugier nur befluͤgelt jeden Schritt;
Die Damen geben ſich und ihren Putz zum beſten
Und ſpielen ohne Gage mit.
Was traͤumet ihr auf eurer Dichter-Hoͤhe?
Was macht ein volles Haus euch froh?
Beſeht die Goͤnner in der Naͤhe!
Halb ſind ſie kalt, halb ſind ſie roh.
Der, nach dem Schauſpiel, hofft ein Kartenſpiel,
Der eine wilde Nacht an einer Dirne Buſen.
[14] Was plagt ihr armen Thoren viel,
Zu ſolchem Zweck, die holden Muſen?
Ich ſag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr,
So koͤnnt ihr euch vom Ziele nie verirren,
Sucht nur die Menſchen zu verwirren,
Sie zu befriedigen iſt ſchwer — —
Was faͤllt euch an? Entzuͤckung oder Schmerzen?
Geh hin und ſuch dir einen andern Knecht!
Der Dichter ſollte wohl das hoͤchſte Recht,
Das Menſchenrecht, das ihm Natur vergoͤnnt,
Um deinetwillen freventlich verſcherzen!
Wodurch bewegt er alle Herzen?
Wodurch beſiegt er jedes Element?
Iſt es der Einklang nicht? der aus dem Buſen dringt,
Und in ſein Herz die Welt zuruͤcke ſchlingt.
Wenn die Natur des Fadens ew’ge Laͤnge,
Gleichguͤltig drehend, auf die Spindel zwingt,
Wenn aller Weſen unharmon’ſche Menge
Verdrießlich durch einander klingt;
Wer theilt die fließend immer gleiche Reihe
Belebend ab, daß ſie ſich rythmiſch regt?
[15] Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe?
Wo es in herrlichen Accorden ſchlaͤgt,
Wer laͤßt den Sturm zu Leidenſchaften wuͤthen?
Das Abendroth im ernſten Sinne gluͤhn?
Wer ſchuͤttet alle ſchoͤnen Fruͤhlingsbluͤten
Auf der Geliebten Pfade hin?
Wer flicht die unbedeutend gruͤnen Blaͤtter
Zum Ehrenkranz Verdienſten jeder Art?
Wer ſichert den Olymp? vereinet Goͤtter?
Des Menſchen Kraft im Dichter offenbart.
So braucht ſie denn die ſchoͤnen Kraͤfte
Und treibt die dicht’riſchen Geſchaͤfte,
Wie man ein Liebesabenteuer treibt.
Zufaͤllig naht man ſich, man fuͤhlt, man bleibt
Und nach und nach wird man verflochten;
Es waͤchſt das Gluͤck, dann wird es angefochten,
Man iſt entzuͤckt, nun kommt der Schmerz heran,
Und eh man ſich’s verſieht iſt’s eben ein Roman.
Laßt uns auch ſo ein Schauſpiel geben!
Greift nur hinein ins volle Menſchenleben!
Ein jeder lebt’s, nicht vielen iſt’s bekannt,
[16] Und wo ihr’s packt, da iſt’s intereſſant.
In bunten Bildern wenig Klarheit,
Viel Irrthum und ein Fuͤnkchen Wahrheit,
So wird der beſte Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.
Dann ſammelt ſich der Jugend ſchoͤnſte Bluͤte
Vor eurem Spiel und lauſcht der Offenbarung,
Dann ſauget jedes zaͤrtliche Gemuͤthe
Aus eurem Werk ſich melanchol’ſche Nahrung;
Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt,
Ein jeder ſieht was er im Herzen traͤgt.
Noch ſind ſie gleich bereit zu weinen und zu lachen,
Sie ehren noch den Schwung, erfreuen ſich am Schein;
Wer fertig iſt, dem iſt nichts recht zu machen,
Ein Werdender wird immer dankbar ſeyn.
So gieb mir auch die Zeiten wieder,
Da ich noch ſelbſt im Werden war,
Da ſich ein Quell gedraͤngter Lieder
Ununterbrochen neu gebar,
Da Nebel mir die Welt verhuͤllten,
Die Knospe Wunder noch verſprach,
[17] Da ich die tauſend Blumen brach,
Die alle Thaͤler reichlich fuͤllten.
Ich hatte nichts und doch genug,
Den Drang nach Wahrheit und die Luſt am Trug.
Gieb ungebaͤndigt jene Triebe,
Das tiefe ſchmerzenvolle Gluͤck,
Des Haſſes Kraft, die Macht der Liebe,
Gieb meine Jugend mir zuruͤck!
Der Jugend, guter Freund, bedarfſt du allenfalls
Wenn dich in Schlachten Feinde draͤngen,
Wenn mit Gewalt an deinen Hals
Sich allerliebſte Maͤdchen haͤngen,
Wenn fern des ſchnellen Laufes Kranz
Vom ſchwer erreichten Ziele winket,
Wenn nach dem heftgen Wirbeltanz
Die Naͤchte ſchmauſend man vertrinket.
Doch ins bekannte Saitenſpiel
Mit Muth und Anmuth einzugreifen,
Nach einem ſelbgeſteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuſchweifen,
Das, alte Herrn, iſt eure Pflicht,
2
[18] Und wir verehren euch darum nicht minder.
Das Alter macht nicht kindiſch, wie man ſpricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
Der Worte ſind genug gewechſelt,
Laßt mich auch endlich Thaten ſehn;
Indeß ihr Complimente drechſelt,
Kann etwas nuͤtzliches geſchehn.
Was hilft es viel von Stimmung reden?
Dem Zaudernden erſcheint ſie nie.
Gebt ihr euch einmal fuͤr Poeten,
So kommandirt die Poeſie.
Euch iſt bekannt was wir beduͤrfen,
Wir wollen ſtark Getraͤnke ſchluͤrfen;
Nun braut mir unverzuͤglich dran!
Was heute nicht geſchieht, iſt Morgen nicht gethan,
Und keinen Tag ſoll man verpaſſen,
Das Moͤgliche ſoll der Entſchluß
Beherzt ſogleich beym Schopfe faſſen,
Er will es dann nicht fahren laſſen,
Und wirket weiter, weil er muß.
[19]
Ihr wißt, auf unſern deutſchen Buͤhnen
Probirt ein jeder was er mag;
Drum ſchonet mir an dieſem Tag
Proſpecte nicht und nicht Maſchinen.
Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht,
Die Sterne duͤrfet ihr verſchwenden;
An Waſſer, Feuer, Felſenwaͤnden,
An Thier und Voͤgeln fehlt es nicht.
So ſchreitet in dem engen Breterhaus
Den ganzen Kreis der Schoͤpfung aus,
Und wandelt, mit bedaͤchtger Schnelle,
Vom Himmel, durch die Welt, zur Hoͤlle.
[[20]][[21]]
Prolog
im Himmel.
[[22]][[23]]
die himmliſchen Heerſcharen,
nachher Mephiſtopheles.
Die Sonne toͤnt, nach alter Weiſe,
In Bruderſphaͤren Wettgeſang,
Und ihre vorgeſchriebne Reiſe
Vollendet ſie mit Donnergang.
Ihr Anblick giebt den Engeln Staͤrke,
Wenn keiner ſie ergruͤnden mag.
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am erſten Tag.
Und ſchnell und unbegreiflich ſchnelle
[24] Dreht ſich umher der Erde Pracht;
Es wechſelt Paradieſes-Helle
Mit tiefer ſchauervoller Nacht;
Es ſchaͤumt das Meer in breiten Fluͤſſen
Am tiefen Grund der Felſen auf,
Und Fels und Meer wird fortgeriſſen
In ewig ſchnellem Sphaͤrenlauf.
Und Stuͤrme brauſen um die Wette
Vom Meer aufs Land vom Land aufs Meer,
Und bilden wuͤthend eine Kette
Der tiefſten Wirkung rings umher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerſchlags.
Doch deine Boten, Herr, verehren
Das ſanfte Wandeln deines Tags.
Der Anblick giebt den Engeln Staͤrke
Da keiner dich ergruͤnden mag,
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am erſten Tag.
[25]
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahſt
Und fragſt wie alles ſich bey uns befinde,
Und du mich ſonſt gewoͤhnlich gerne ſahſt;
So ſiehſt du mich auch unter dem Geſinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoͤhnt;
Mein Pathos braͤchte dich gewiß zum lachen,
Haͤttſt du dir nicht das Lachen abgewoͤhnt.
Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu ſagen,
Ich ſehe nur wie ſich die Menſchen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt ſtets von gleichem Schlag,
Und iſt ſo wunderlich als wie am erſten Tag.
Ein wenig beſſer wuͤrd’ er leben,
Haͤttſt du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennts Vernunft und braucht’s allein
Nur thieriſcher als jedes Thier zu ſeyn.
Er ſcheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Cicaden,
Die immer fliegt und fliegend ſpringt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen ſingt;
[26] Und laͤg’ er nur noch immer in dem Graſe!
In jeden Quark begraͤbt er ſeine Naſe.
Haſt du mir weiter nichts zu ſagen?
Kommſt du nur immer anzuklagen?
Iſt auf der Erde ewig dir nichts recht?
Nein Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich ſchlecht.
Die Menſchen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag ſogar die Armen ſelbſt nicht plagen.
Kennſt du den Fauſt?
Den Doctor?
Meinen Knecht!
Fuͤrwahr! er dient euch auf beſondre Weiſe.
Nicht irdiſch iſt des Thoren Trank noch Speiſe.
Ihn treibt die Gaͤhrung in die Ferne,
Er iſt ſich ſeiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die ſchoͤnſten Sterne,
[27] Und von der Erde jede hoͤchſte Luſt,
Und alle Naͤh’ und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Bruſt.
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient;
So werd’ ich ihn bald in die Klarheit fuͤhren.
Weiß doch der Gaͤrtner, wenn das Baͤumchen gruͤnt,
Daß Bluͤt’ und Frucht die kuͤnft’gen Jahre zieren.
Was wettet ihr? den ſollt ihr noch verlieren!
Wenn ihr mir die Erlaubniß gebt
Ihn meine Straße ſacht zu fuͤhren.
So lang’ er auf der Erde lebt,
So lange ſey dir’s nicht verboten.
Es irrt der Menſch ſo lang er ſtrebt.
Da dank’ ich euch; denn mit den Todten
Hab’ ich mich niemals gern befangen.
An meiſten lieb’ ich mir die vollen friſchen Wangen.
Fuͤr einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
[28]
Nun gut, es ſey dir uͤberlaſſen!
Zieh dieſen Geiſt von ſeinem Urquell ab,
Und fuͤhr’ ihn, kannſt du ihn erfaſſen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und ſteh’ beſchaͤmt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Menſch, in ſeinem dunkeln Drange,
Iſt ſich des rechten Weges wohl bewußt.
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir iſt fuͤr meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Bruſt.
Staub ſoll er freſſen, und mit Luſt,
Wie meine Muhme, die beruͤhmte Schlange.
Du darfſt auch da nur frey erſcheinen;
Ich habe deines gleichen nie gehaßt.
Von allen Geiſtern die verneinen
Iſt mir der Schalk am wenigſten zur Laſt.
Des Menſchen Thaͤtigkeit kann allzuleicht erſchlaffen,
Er liebt ſich bald die unbedingte Ruh;
[29] Drum geb’ ich gern ihm den Geſellen zu,
Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, ſchaffen.
Doch ihr, die aͤchten Goͤtterſoͤhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schoͤne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfaß’ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in ſchwankender Erſcheinung ſchwebt,
Befeſtiget mit dauernden Gedanken.
Von Zeit zu Zeit ſeh’ ich den Alten gern,
Und huͤte mich mit ihm zu brechen.
Es iſt gar huͤbſch von einem großen Herrn
So menſchlich mit dem Teufel ſelbſt zu ſprechen.
[[30]][[31]]
Der Tragoͤdie
Erſter Theil.
[[32]][[33]]
Nacht.
unruhig auf ſeinem Seſſel am Pulte.
Habe nun, ach! Philoſophie,
Juriſterey und Medicin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus ſtudirt, mit heißem Bemuͤhn.
Da ſteh’ ich nun, ich armer Thor!
Und bin ſo klug als wie zuvor;
Heiße Magiſter, heiße Doctor gar,
Und ziehe ſchon an die zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schuͤler an der Naſe herum —
3
[34] Und ſehe, daß wir nichts wiſſen koͤnnen!
Das will mir ſchier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich geſcheidter als alle die Laffen,
Doctoren, Magiſter, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fuͤrchte mich weder vor Hoͤlle noch Teufel —
Dafuͤr iſt mir auch alle Freud’ entriſſen,
Bilde mir nicht ein was rechts zu wiſſen,
Bilde mir nicht ein, ich koͤnnte was lehren,
Die Menſchen zu beſſern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.
Es moͤchte kein Hund ſo laͤnger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geiſtes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß wuͤrde kund;
Daß ich nicht mehr mit ſauerm Schweiß,
Zu ſagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innerſten zuſammenhaͤlt,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.
[35]
O ſaͤhſt du, voller Mondenſchein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich ſo manche Mitternacht
An dieſem Pult herangewacht:
Dann uͤber Buͤchern und Papier,
Truͤbſel’ger Freund, erſchienſt du mir!
Ach! koͤnnt’ ich doch auf Berges-Hoͤh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshoͤle mit Geiſtern ſchweben,
Auf Wieſen in deinem Daͤmmer weben,
Von allem Wiſſensqualm entladen,
In deinem Thau geſund mich baden!
Weh! ſteck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Wo ſelbſt das liebe Himmelslicht
Truͤb’ durch gemahlte Scheiben bricht.
Beſchraͤnkt mit dieſem Buͤcherhauf,
Den Wuͤrme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewoͤlb’ hinauf,
Ein angeraucht Papier umſteckt;
Mit Glaͤſern, Buͤchſen rings umſtellt,
[36] Mit Inſtrumenten vollgepfropft,
Urvaͤter Hausrath drein geſtopft —
Das iſt deine Welt! das heißt eine Welt!
Und fragſt du noch, warum dein Herz
Sich bang’ in deinem Buſen klemmt?
Warum ein unerklaͤrter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menſchen ſchuf hinein,
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dieß geheimnißvolle Buch,
Von Noſtradamus eigner Hand,
Iſt dir es nicht Geleit genug?
Erkenneſt dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweiſt,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie ſpricht ein Geiſt zum andern Geiſt.
Umſonſt, daß trocknes Sinnen hier
[37] Die heil’gen Zeichen dir erklaͤrt,
Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hoͤrt!
Ha! welche Wonne fließt in dieſem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich fuͤhle junges, heil’ges Lebensgluͤck
Neugluͤhend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb?
Die mir das innre Toben ſtillen,
Das arme Herz mit Freude fuͤllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kraͤfte der Natur rings um mich her enthuͤllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird ſo licht!
Ich ſchau’ in dieſen reinen Zuͤgen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht:
“Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen;
“Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt!
“Auf bade, Schuͤler, unverdroſſen,
“Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth!”
[38]
Wie alles ſich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskraͤfte auf und nieder ſteigen
Und ſich die goldnen Eimer reichen!
Mit ſegenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmoniſch all’ das All durchklingen!
Welch Schauſpiel! aber ach! ein Schauſpiel nur!
Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?
Euch Bruͤſte, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde haͤngt,
Dahin die welke Bruſt ſich draͤngt —
Ihr quellt, ihr traͤnkt, und ſchmacht’ ich ſo vergebens?
Erdgeiſtes.
Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!
Du, Geiſt der Erde, biſt mir naͤher;
Schon fuͤhl’ ich meine Kraͤfte hoͤher,
Schon gluͤh’ ich wie von neuem Wein,
Ich fuͤhle Muth, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Gluͤck zu tragen,
Mit Stuͤrmen mich herumzuſchlagen,
[39] Und in des Schiffbruchs Knirſchen nicht zu zagen,
Es woͤlkt ſich uͤber mir —
Der Mond verbirgt ſein Licht —
Die Lampe ſchwindet!
Es dampft! — Es zucken rothe Strahlen
Mir um das Haupt — Es weht
Ein Schauer vom Gewoͤlb’ herab
Und faßt mich an!
Ich fuͤhl’s, du ſchwebſt um mich, erflehter Geiſt.
Enthuͤlle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefuͤhlen
All’ meine Sinnen ſich erwuͤhlen!
Ich fuͤhle ganz mein Herz dir hingegeben!
Du mußt! du mußt! und koſtet’ es mein Leben!
aus. Es zuckt eine röthliche Flamme, der Geiſt erſcheint
in der Flamme.
Wer ruft mir?
Schreckliches Geſicht!
[40]
Du haſt mich maͤchtig angezogen,
An meiner Sphaͤre lang’ geſogen,
Und nun —
Weh! ich ertrag’ dich nicht!
Du flehſt erathmend mich zu ſchauen,
Meine Stimme zu hoͤren, mein Antlitz zu ſehn,
Mich neigt dein maͤchtig Seelenflehn,
Da bin ich! — Welch erbaͤrmlich Grauen
Faßt Uebermenſchen dich! Wo iſt der Seele Ruf?
Wo iſt die Bruſt? die eine Welt in ſich erſchuf,
Und trug und hegte; die mit Freudebeben
Erſchwoll, ſich uns, den Geiſtern, gleich zu heben.
Wo biſt du, Fauſt? deß Stimme mir erklang,
Der ſich an mich mit allen Kraͤften drang?
Biſt Du es? der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtſam weggekruͤmmter Wurm!
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich bin’s, bin Fauſt, bin deines gleichen!
[41]
In Lebensfluthen, im Thatenſturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechſelnd Weben,
Ein gluͤhend Leben,
So ſchaff’ ich am ſauſenden Webſtuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Der du die weite Welt umſchweifſt,
Geſchaͤftiger Geiſt, wie nah fuͤhl’ ich mich dir!
Du gleichſt dem Geiſt, den du begreifſt,
Nicht mir!
Nicht dir!
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
[42]
O Tod! ich kenn’s — das iſt mein Famulus —
Es wird mein ſchoͤnſtes Gluͤck zu nichte!
Daß dieſe Fuͤlle der Geſichte
Der trockne Schleicher ſtoͤren muß!
in der Hand. Fauſt wendet ſich unwillig.
Verzeiht! ich hoͤr’ euch declamiren;
Ihr laſ’t gewiß ein griechiſch Trauerſpiel?
In dieſer Kunſt moͤcht’ ich ’was profitiren,
Denn heut zu Tage wirkt das viel.
Ich hab’ es oͤfters ruͤhmen hoͤren,
Ein Komoͤdiant koͤnnt’ einen Pfarrer lehren.
Ja, wenn der Pfarrer ein Komoͤdiant iſt;
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Ach! wenn man ſo in ſein Muſeum gebannt iſt,
Und ſieht die Welt kaum einen Feyertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,
Wie ſoll man ſie durch Ueberredung leiten?
[43]
Wenn ihr’s nicht fuͤhlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt,
Und mit urkraͤftigem Behagen
Die Herzen aller Hoͤrer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zuſammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
Und blaſ’t die kuͤmmerlichen Flammen
Aus eurem Aſchenhaͤufchen ’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen ſteht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen ſchaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.
Allein der Vortrag macht des Redners Gluͤck;
Ich fuͤhl’ es wohl, noch bin ich weit zuruͤck.
Such’ Er den redlichen Gewinn!
Sey er kein ſchellenlauter Thor!
Es traͤgt Verſtand und rechter Sinn
Mit wenig Kunſt ſich ſelber vor;
Und wenn’s euch Ernſt iſt was zu ſagen,
[44] Iſt’s noͤthig Worten nachzujagen?
Ja, eure Reden, die ſo blinkend ſind,
In denen ihr der Menſchheit Schnitzel kraͤuſelt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbſtlich durch die duͤrren Blaͤtter ſaͤuſelt!
Ach Gott! die Kunſt iſt lang;
Und kurz iſt unſer Leben.
Mir wird, bey meinem kritiſchen Beſtreben,
Doch oft um Kopf und Buſen bang’.
Wie ſchwer ſind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen ſteigt!
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
Muß wohl ein armer Teufel ſterben.
Das Pergament, iſt das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durſt auf ewig ſtillt?
Erquickung haſt du nicht gewonnen,
Wenn ſie dir nicht aus eigner Seele quillt.
Verzeiht! es iſt ein groß Ergetzen,
Sich in den Geiſt der Zeiten zu verſetzen;
[45] Zu ſchauen, wie vor uns ein weiſer Mann gedacht,
Und wie wir’s dann zuletzt ſo herrlich weit gebracht.
O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit ſieben Siegeln.
Was ihr den Geiſt der Zeiten heißt,
Das iſt im Grund der Herren eigner Geiſt,
In dem die Zeiten ſich beſpiegeln.
Da iſt’s dann wahrlich oft ein Jammer!
Man laͤuft euch bey dem erſten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und hoͤchſtens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen, pragmatiſchen Maximen,
Wie ſie den Puppen wohl im Munde ziemen!
Allein die Welt! des Menſchen Herz und Geiſt!
Moͤcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Ja was man ſo erkennen heißt!
Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?
Die wenigen, die was davon erkannt,
[46] Die thoͤricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Poͤbel ihr Gefuͤhl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.
Ich bitt’ euch, Freund, es iſt tief in der Nacht,
Wir muͤſſen’s dießmal unterbrechen.
Ich haͤtte gern nur immer fortgewacht,
Um ſo gelehrt mit euch mich zu beſprechen.
Doch Morgen, als am erſten Oſtertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
Mit Eifer hab’ ich mich der Studien befliſſen,
Zwar weiß ich viel, doch moͤcht’ ich alles wiſſen.
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung ſchwindet,
Der immerfort an ſchalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schaͤtzen graͤbt,
Und froh iſt, wenn er Regenwuͤrmer findet!
Darf eine ſolche Menſchenſtimme hier,
Wo Geiſterfuͤlle mich umgab, ertoͤnen?
Doch ach! fuͤr dießmal dank’ ich dir,
[47] Dem aͤrmlichſten von allen Erdenſoͤhnen.
Du riſſeſt mich von der Verzweiflung los,
Die mir die Sinne ſchon zerſtoͤren wollte.
Ach! die Erſcheinung war ſo Rieſen-groß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden ſollte.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das ſich ſchon
Ganz nah geduͤnkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,
Sein ſelbſt genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgeſtreift den Erdenſohn;
Ich, mehr als Cherub, deſſen freye Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Und, ſchaffend, Goͤtterleben zu genießen
Sich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s buͤßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermeſſen.
Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn beſeſſen;
So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.
In jenem ſel’gen Augenblicke
Ich fuͤhlte mich ſo klein, ſo groß,
Du ſtießeſt grauſam mich zuruͤcke,
[48] Ins ungewiſſe Menſchenloos.
Wer lehret mich? was ſoll ich meiden?
Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unſre Thaten ſelbſt, ſo gut als unſre Leiden,
Sie hemmen unſres Lebens Gang.
Dem herrlichſten, was auch der Geiſt empfangen,
Draͤngt immer fremd und fremder Stoff ſich an;
Wenn wir zum Guten dieſer Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefuͤhle
Erſtarren in dem irdiſchen Gewuͤhle.
Wenn Phantaſie ſich ſonſt, mit kuͤhnem Flug,
Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So iſt ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Gluͤck auf Gluͤck im Zeitenſtrudel ſcheitert.
Die Sorge niſtet gleich im tiefen Herzen,
Dort wirket ſie geheime Schmerzen,
Unruhig wiegt ſie ſich und ſtoͤret Luſt und Ruh;
Sie deckt ſich ſtets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erſcheinen,
[49] Als Feuer, Waſſer, Dolch und Gift;
Du bebſt vor allem was nicht trifft,
Und was du nie verlierſt das mußt du ſtets beweinen.
Den Goͤttern gleich’ ich nicht! zu tief iſt es gefuͤhlt;
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwuͤhlt;
Den, wie er ſich im Staube naͤhrend lebt,
Des Wandrers Tritt vernichtet und begraͤbt.
Iſt es nicht Staub? was dieſe hohe Wand,
Aus hundert Faͤchern, mir verenget;
Der Troͤdel, der mit tauſendfachem Tand,
In dieſer Mottenwelt mich draͤnget?
Hier ſoll ich finden was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tauſend Buͤchern leſen,
Daß uͤberall die Menſchen ſich gequaͤlt,
Daß hie und da ein Gluͤcklicher geweſen? —
Was grinſeſt du mir hohler Schaͤdel her?
Als daß dein Hirn, wie meines, einſt verwirret,
Den leichten Tag geſucht und in der Daͤmmrung ſchwer,
Mit Luſt nach Wahrheit, jaͤmmerlich geirret.
Ihr Inſtrumente freylich, ſpottet mein,
4
[50] Mit Rad und Kaͤmmen, Walz’ und Buͤgel.
Ich ſtand am Thor, ihr ſolltet Schluͤſſel ſeyn;
Zwar euer Bart iſt kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnißvoll am lichten Tag
Laͤßt ſich Natur des Schleyers nicht berauben,
Und was ſie deinem Geiſt nicht offenbaren mag,
Das zwingſt du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.
Du alt Geraͤthe das ich nicht gebraucht,
Du ſtehſt nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirſt angeraucht,
So lang an dieſem Pult die truͤbe Lampe ſchmauchte.
Weit beſſer haͤtt’ ich doch mein weniges verpraßt,
Als mit dem wenigen belaſtet hier zu ſchwitzen!
Was du ererbt von deinen Vaͤtern haſt
Erwirb es, um es zu beſitzen.
Was man nicht nuͤtzt iſt eine ſchwere Laſt,
Nur was der Augenblick erſchafft, das kann er nuͤtzen.
Doch warum heftet ſich mein Blick auf jene Stelle?
Iſt jenes Flaͤſchchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle?
Als wenn im naͤcht’gen Wald uns Mondenglanz umweht.
[51]
Ich gruͤße dich, du einzige Phiole!
Die ich mit Andacht nun herunterhole,
In dir verehr’ ich Menſchenwitz und Kunſt.
Du Inbegriff der holden Schlummerſaͤfte,
Du Auszug aller toͤdlich feinen Kraͤfte,
Erweiſe deinem Meiſter deine Gunſt!
Ich ſehe dich, es wird der Schmerz gelindert,
Ich faſſe dich, das Streben wird gemindert,
Des Geiſtes Fluthſtrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewieſen,
Die Spiegelfluth erglaͤnzt zu meinen Fuͤßen,
Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.
Ein Feuerwagen ſchwebt, auf leichten Schwingen,
An mich heran! Ich fuͤhle mich bereit
Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,
Zu neuen Sphaͤren reiner Thaͤtigkeit.
Dieß hohe Leben, dieſe Goͤtterwonne!
Du, erſt noch Wurm, und die verdieneſt du?
Ja, kehre nur der holden Erdenſonne
Entſchloſſen deinen Ruͤcken zu!
Vermeſſe dich die Pforten aufzureißen,
[52] Vor denen jeder gern voruͤber ſchleicht.
Hier iſt es Zeit durch Thaten zu beweiſen,
Daß Mannes-Wuͤrde nicht der Goͤtterhoͤhe weicht,
Vor jener dunkeln Hoͤhle nicht zu beben,
In der ſich Phantaſie zu eigner Quaal verdammt,
Nach jenem Durchgang hinzuſtreben,
Um deſſen engen Mund die ganze Hoͤlle flammt;
Zu dieſem Schritt ſich heiter zu entſchließen
Und, waͤr’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
Nun komm herab, kryſtallne reine Schaale!
Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glaͤnzteſt bey der Vaͤter Freudenfeſte,
Erheiterteſt die ernſten Gaͤſte,
Wenn einer dich dem andern zugebracht.
Der vielen Bilder kuͤnſtlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, ſie reimweis zu erklaͤren,
Auf Einen Zug die Hoͤhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,
Ich werde meinen Witz an deiner Kunſt nicht zeigen,
[53] Hier iſt ein Saft, der eilig trunken macht.
Mit brauner Flut erfuͤllt er deine Hoͤhle.
Den ich bereitet, den ich waͤhle,
Der letzte Trunk ſey nun, mit ganzer Seele,
Als feſtlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
Chriſt iſt erſtanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Schleichenden, erblichen
Maͤngel umwanden.
Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkuͤndiget ihr dumpfen Glocken ſchon
Des Oſterfeſtes erſte Feyerſtunde?
Ihr Choͤre ſingt ihr ſchon den troͤſtlichen Geſang?
Der einſt, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Gewißheit einem neuen Bunde.
[54]
Mi[t] Spezereyen
Hatten wir ihn gepflegt,
Wir ſeine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tuͤcher und Binden
Reinlich umwanden wir,
Ach! und wir finden
Chriſt nicht mehr hier.
Chriſt iſt erſtanden!
Selig der Liebende,
Der die Betruͤbende,
Heilſam’ und uͤbende
Pruͤfung beſtanden.
Was ſucht ihr, maͤchtig und gelind,
Ihr Himmelstoͤne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menſchen ſind.
Die Botſchaft hoͤr’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube
Das Wunder iſt des Glaubens liebſtes Kind.
Zu jenen Sphaͤren wag’ ich nicht zu ſtreben,
[55] Woher die holde Nachricht toͤnt;
Und doch, an dieſen Klang von Jugend auf gewoͤhnt,
Ruft er auch jetzt zuruͤck mich in das Leben.
Sonſt ſtuͤrzte ſich der Himmels-Liebe Kuß
Auf mich herab, in ernſter Sabathſtille;
Da klang ſo ahndungsvoll des Glockentones Fuͤlle,
Und ein Gebet war bruͤnſtiger Genuß;
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Trieb mich durch Wald und Wieſen hinzugehn,
Und unter tauſend heißen Thraͤnen,
Fuͤhlt’ ich mir eine Welt entſtehn.
Dieß Lied verkuͤndete der Jugend muntre Spiele,
Der Fruͤhlingsfeyer freyes Gluͤck;
Erinnrung haͤlt mich nun, mit kindlichem Gefuͤhle,
Vom letzten, ernſten Schritt zuruͤck.
O! toͤnet fort, ihr ſuͤßen Himmelslieder!
Die Thraͤne quillt, die Erde hat mich wieder!
Hat der Begrabene
Schon ſich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben
[56] Iſt er in Werdeluſt
Schaffender Freude nah;
Ach! an der Erde Bruſt,
Sind wir zum Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zuruͤck;
Ach! wir beweinen
Meiſter dein Gluͤck!
Chriſt iſt erſtanden,
Aus der Verweſung Schoos.
Reißet von Banden
Freudig euch los!
Thaͤtig ihn preiſenden,
Liebe beweiſenden,
Bruͤderlich ſpeiſenden,
Predigend reiſenden,
Wonne verheißenden
Euch iſt der Meiſter nah’,
Euch iſt er da!
[[57]]
Vor dem Thor.
ziehen hinaus.
Warum denn dort hinaus?
Wir gehn hinaus auf’s Jaͤgerhaus.
Wir aber wollen nach der Muͤhle wandern.
Ich rath’ euch nach dem Waſſerhof zu gehn.
Der Weg dahin iſt gar nicht ſchoͤn.
[58]
Was thuſt denn du?
Ich gehe mit den andern.
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr
Die ſchoͤnſten Maͤdchen und das beſte Bier,
Und Haͤndel von der erſten Sorte.
Du uͤberluſtiger Geſell,
Juckt dich zum drittenmal das Fell?
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zuruͤck.
Wir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln ſtehen.
Das iſt fuͤr mich kein großes Gluͤck;
Er wird an deiner Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Was gehn mich deine Freuden an!
[59]
Heut iſt er ſicher nicht allein,
Der Krauskopf, ſagt er, wuͤrde bey ihm ſeyn.
Blitz wie die wackern Dirnen ſchreiten!
Herr Bruder komm! wir muͤſſen ſie begleiten.
Ein ſtarkes Bier, ein beizender Toback,
Und eine Magd im Putz das iſt nun mein Geſchmack.
Da ſieh mir nur die ſchoͤnen Knaben!
Es iſt wahrhaftig eine Schmach,
Geſellſchaft koͤnnten ſie die allerbeſte haben,
Und laufen dieſen Maͤgden nach!
Nicht ſo geſchwind! dort hinten kommen zwey,
Sie ſind gar niedlich angezogen,
’s iſt meine Nachbarin dabey;
Ich bin dem Maͤdchen ſehr gewogen.
Sie gehen ihren ſtillen Schritt
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.
Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt.
[60] Geſchwind! daß wir das Wildpret nicht verlieren.
Die Hand, die Samſtags ihren Beſen fuͤhrt,
Wird Sontags dich am beſten careſſiren.
Nein, er gefaͤllt mir nicht der neue Burgemeiſter!
Nun, da er’s iſt, wird er nur taͤglich dreiſter.
Und fuͤr die Stadt was thut denn er?
Wird es nicht alle Tage ſchlimmer?
Gehorchen ſoll man mehr als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.
Ihr guten Herrn, ihr ſchoͤnen Frauen,
So wohlgeputzt und backenroth,
Belieb’ es euch mich anzuſchauen,
Und ſeht und mildert meine Noth!
Laßt hier mich nicht vergebens leyern!
Nur der iſt froh, der geben mag.
Ein Tag den alle Menſchen feyern,
Er ſey fuͤr mich ein Aerndetag.
Nichts beſſers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen,
Als ein Geſpraͤch von Krieg und Kriegsgeſchrey,
[61] Wenn hinten, weit, in der Tuͤrkey,
Die Voͤlker auf einander ſchlagen.
Man ſteht am Fenſter, trinkt ſein Glaͤschen aus
Und ſieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man Abends froh nach Haus,
Und ſegnet Fried’ und Friedenszeiten.
Herr Nachbar, ja! ſo laß ich’s auch geſchehn,
Sie moͤgen ſich die Koͤpfe ſpalten,
Mag alles durch einander gehn;
Doch nur zu Hauſe bleib’s beym Alten.
Ey! wie geputzt! das ſchoͤne junge Blut!
Wer ſoll ſich nicht in euch vergaffen? —
Nur nicht ſo ſtolz! es iſt ſchon gut!
Und was ihr wuͤnſcht das wuͤßt’ ich wohl zu ſchaffen.
Agathe fort! ich nehme mich in Acht
Mit ſolchen Hexen oͤffentlich zu gehen;
Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,
Den kuͤnftgen Liebſten leiblich ſehen.
[62]
Mir zeigte ſie ihn im Kryſtall,
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;
Ich ſeh’ mich um, ich ſuch’ ihn uͤberall,
Allein mir will er nicht begegnen.
Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,
Maͤdchen mit ſtolzen
Hoͤhnenden Sinnen
Moͤcht’ ich gewinnen!
Kuͤhn iſt das Muͤhen,
Herrlich der Lohn!
Und die Trompete
Laſſen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das iſt ein Stuͤrmen!
Das iſt ein Leben!
Maͤdchen und Burgen
Muͤſſen ſich geben.
[63] Kuͤhn iſt das Muͤhen,
Herrlich der Lohn!
Und die Soldaten
Ziehen davon.
- Fauſt und
- Wagner.
Vom Eiſe befreyt ſind Strom und Baͤche,
Durch des Fruͤhlings holden, belebenden Blick,
Im Thale gruͤnet Hoffnungs-Gluͤck;
Der alte Winter, in ſeiner Schwaͤche,
Zog ſich in rauhe Berge zuruͤck.
Von dorther ſendet er, fliehend, nur
Ohnmaͤchtige Schauer koͤrnigen Eiſes
In Streifen uͤber die gruͤnende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Ueberall regt ſich Bildung und Streben,
Alles will ſie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menſchen dafuͤr.
Kehre dich um, von dieſen Hoͤhen
Nach der Stadt zuruͤck zu ſehen.
[64] Aus dem hohlen finſtren Thor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder ſonnt ſich heute ſo gern.
Sie feyern die Auferſtehung des Herrn,
Denn ſie ſind ſelber auferſtanden,
Aus niedriger Haͤuſer dumpfen Gemaͤchern,
Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Daͤchern,
Aus der Straßen quetſchender Enge,
Aus der Kirchen ehrwuͤrdiger Nacht
Sind ſie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur ſieh! wie behend ſich die Menge
Durch die Gaͤrten und Felder zerſchlaͤgt,
Wie der Fluß, in Breit’ und Laͤnge,
So manchen luſtigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken uͤberladen
Entfernt ſich dieſer letzte Kahn.
Selbſt von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich hoͤre ſchon des Dorfs Getuͤmmel,
Hier iſt des Volkes wahrer Himmel,
[65] Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Menſch, hier darf ich’s ſeyn.
Mit euch, Herr Doctor, zu ſpazieren
Iſt ehrenvoll und iſt Gewinn;
Doch wuͤrd’ ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien, Kegelſchieben,
Iſt mir ein gar verhaßter Klang;
Sie toben wie vom boͤſen Geiſt getrieben
Und nennen’s Freude, nennen’s Geſang.
Der Schaͤfer putzte ſich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll
Und alles tanzte ſchon wie toll.
Juchhe! Juchhe!
5
[66] Juchheiſa! Heiſa! He!
So ging der Fiedelbogen.
Er druͤckte haſtig ſich heran,
Da ſtieß er an ein Maͤdchen an,
Mit ſeinem Ellenbogen;
Die friſche Dirne kehrt ſich um
Und ſagte: nun das find’ ich dumm
Juchhe! Juchhe!
Juchheiſa! Heiſa! He!
S[e]yd nicht ſo ungezogen.
Doch hurtig in dem Kreiſe ging’s,
Sie tanzten rechts ſie tanzten links
Und alle Roͤcke flogen.
Sie wurden roth, ſie wurden warm
Und ruhten athmend Arm in Arm,
Juchhe! Juchhe!
Juchheiſa! Heiſa! He!
Und Huͤft’ an Ellenbogen.
Und thu mir doch nicht ſo vertraut!
Wie mancher hat nicht ſeine Braut
[67] Belogen und betrogen!
Er ſchmeichelte ſie doch bey Seit’
Und von der Linde ſcholl es weit:
Juchhe! Juchhe!
Juchheiſa! Heiſa! He!
Geſchrei und Fiedelbogen.
Herr Doctor, das iſt ſchoͤn von euch,
Daß ihr uns heute nicht verſchmaͤht,
Und unter dieſes Volksgedraͤng’,
Als ein ſo Hochgelahrter, geht.
So nehmet auch den ſchoͤnſten Krug,
Den wir mit friſchem Trunk gefuͤllt,
Ich bring’ ihn zu und wuͤnſche laut,
Daß er nicht nur den Durſt euch ſtillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sey euren Tagen zugelegt.
Ich nehme den Erquickungs-Trank,
Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.
[68]
Fuͤrwahr es iſt ſehr wohl gethan,
Daß ihr am frohen Tag erſcheint;
Habt ihr es vormals doch mit uns
An boͤſen Tagen gut gemeynt!
Gar mancher ſteht lebendig hier,
Den euer Vater noch zuletzt
Der heißen Fieberwuth entriß,
Als er der Seuche Ziel geſetzt.
Auch damals ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt geſund heraus,
Beſtandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.
Geſundheit dem bewaͤhrten Mann,
Daß er noch lange helfen kann!
Vor jenem droben ſteht gebuͤckt,
Der helfen lehrt und Huͤlfe ſchickt.
[69]
Welch ein Gefuͤhl mußt du, o großer Mann!
Bey der Verehrung dieſer Menge haben!
O! gluͤcklich! wer von ſeinen Gaben
Solch einen Vortheil ziehen kann.
Der Vater zeigt dich ſeinem Knaben,
Ein jeder fragt und draͤngt und eilt,
Die Fiedel ſtockt, der Taͤnzer weilt.
Du gehſt, in Reihen ſtehen ſie,
Die Muͤtzen fliegen in die Hoͤh’;
Und wenig fehlt, ſo beugten ſich die Knie,
Als kaͤm’ das Venerabile.
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unſrer Wandrung raſten.
Hier ſaß ich oft gedankenvoll allein
Und quaͤlte mich mit Beten und mit Faſten.
An Hoffnung reich, im Glauben feſt,
Mit Thraͤnen, Seufzen, Haͤnderingen
Dacht’ ich das Ende jener Peſt
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beyfall toͤnt mir nun wie Hohn.
[70] O koͤnnteſt du in meinem Innern leſen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes werth geweſen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der uͤber die Natur und ihre heilgen Kreiſe,
In Redlichkeit, jedoch auf ſeine Weiſe,
Mit grillenhafter Muͤhe ſann.
Der, in Geſellſchaft von Adepten,
Sich in die ſchwarze Kuͤche ſchloß,
Und, nach unendlichen Recepten,
Das Widrige zuſammengoß.
Da ward ein rother Leu, ein kuͤhner Freyer,
Im lauen Bad, der Lilie vermaͤhlt
Und beyde dann, mit offnem Flammenfeuer,
Aus einem Brautgemach ins andere gequaͤlt.
Erſchien darauf, mit bunten Farben,
Die junge Koͤnigin im Glas,
Hier war die Arzeney, die Patienten ſtarben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir, mit hoͤlliſchen Latwergen,
In dieſen Thaͤlern, dieſen Bergen,
Weit ſchlimmer als die Peſt getobt.
[71] Ich habe ſelbſt den Gift an Tauſende gegeben,
Sie welkten hin, ich muß erleben
Daß man die frechen Moͤrder lobt.
Wie koͤnnt ihr euch darum betruͤben!
Thut nicht ein braver Mann genug;
Die Kunſt, die man ihm uͤbertrug,
Gewiſſenhaft und puͤnctlich auszuuͤben.
Wenn du, als Juͤngling, deinen Vater ehrſt,
So wirſt du gern von ihm empfangen;
Wenn du, als Mann, die Wiſſenſchaft vermehrſt,
So kann dein Sohn zu hoͤhrem Ziel gelangen.
O! gluͤcklich! wer noch hoffen kann
Aus dieſem Meer des Irrthums aufzutauchen.
Was man nicht weiß das eben brauchte man,
Und was man weiß kann man nicht brauchen.
Doch laß uns dieſer Stunde ſchoͤnes Gut,
Durch ſolchen Truͤbſinn, nicht verkuͤmmern!
Betrachte wie, in Abendſonne-Glut,
Die gruͤnumgebnen Huͤtten ſchimmern.
Sie ruͤckt und weicht, der Tag iſt uͤberlebt,
[72] Dort eilt ſie hin und foͤrdert neues Leben.
O! daß kein Fluͤgel mich vom Boden hebt,
Ihr nach und immer nach zu ſtreben.
Ich ſaͤh’ im ewigen Abendſtrahl
Die ſtille Welt zu meinen Fuͤßen,
Entzuͤndet alle Hoͤhn, beruhigt jedes Thal,
Den Silberbach in goldne Stroͤme fließen.
Nicht hemmte dann den goͤttergleichen Lauf
Der wilde Berg mit allen ſeinen Schluchten;
Schon thut das Meer ſich mit erwaͤrmten Buchten
Vor den erſtaunten Augen auf.
Doch ſcheint die Goͤttin endlich wegzuſinken;
Allein der neue Trieb erwacht,
Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,
Den Himmel uͤber mir und unter mir die Wellen.
Ein ſchoͤner Traum, indeſſen ſie entweicht.
Ach! zu des Geiſtes Fluͤgeln wird ſo leicht
Kein koͤrperlicher Fluͤgel ſich geſellen.
Doch iſt es jedem eingeboren,
Daß ſein Gefuͤhl hinauf und vorwaͤrts dringt,
Wenn uͤber uns, im blauen Raum verloren,
[73] Ihr ſchmetternd Lied die Lerche ſingt;
Wenn uͤber ſchroffen Fichtenhoͤhen
Der Adler ausgebreitet ſchwebt,
Und uͤber Flaͤchen, uͤber Seen,
Der Kranich nach der Heimat ſtrebt.
Ich hatte ſelbſt oft grillenhafte Stunden,
Doch ſolchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.
Man ſieht ſich leicht an Wald und Feldern ſatt,
Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geiſtesfreuden,
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
Da werden Winternaͤchte hold und ſchoͤn,
Ein ſelig Leben waͤrmet alle Glieder,
Und ach! entrollſt du gar ein wuͤrdig Pergamen;
So ſteigt der ganze Himmel zu dir nieder.
Du biſt dir nur des einen Triebs bewußt,
O lerne nie den andern kennen!
Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Bruſt,
Die eine will ſich von der andern trennen;
Die eine haͤlt, in derber Liebesluſt,
[74] Sich an die Welt, mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltſam ſich vom Duſt,
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O giebt es Geiſter in der Luft,
Die zwiſchen Erd’ und Himmel herrſchend weben,
So ſteiget nieder aus dem goldnen Duft
Und fuͤhrt mich weg, zu neuem buntem Leben!
Ja, waͤre nur ein Zaubermantel mein!
Und truͤg’ er mich in fremde Laͤnder,
Mir ſollt’ er, um die koͤſtlichſten Gewaͤnder,
Nicht feil um einen Koͤnigsmantel ſeyn.
Berufe nicht die wohlbekannte Schaar,
Die, ſtroͤmend, ſich im Dunſtkreis uͤberbreitet,
Dem Menſchen tauſendfaͤltige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
Von Norden dringt der ſcharfe Geiſterzahn
Auf dich herbey, mit pfeilgeſpitzten Zungen;
Von Morgen ziehn, vertrocknend, ſie heran,
Und naͤhren ſich von deinen Lungen;
Wenn ſie der Mittag aus der Wuͤſte ſchickt,
Die Glut auf Glut um deinen Scheitel haͤufen,
[75] So bringt der Weſt den Schwarm, der erſt erquickt,
Um dich und Feld und Aue zu erſaͤufen.
Sie hoͤren gern, zum Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil ſie uns gern betruͤgen,
Sie ſtellen wie vom Himmel ſich geſandt,
Und lispeln engliſch, wenn ſie luͤgen.
Doch gehen wir! ergraut iſt ſchon die Welt,
Die Luft gekuͤhlt, der Nebel faͤllt!
Am Abend ſchaͤtzt man erſt das Haus. —
Was ſtehſt du ſo und blickſt erſtaunt hinaus?
Was kann dich in der Daͤmmrung ſo ergreifen?
Siehſt du den ſchwarzen Hund durch Saat und Stoppel ſtreifen?
Ich ſah ihn lange ſchon, nicht wichtig ſchien er mir.
Betracht’ ihn recht! fuͤr was haͤltſt du das Thier?
Fuͤr einen Pudel, der auf ſeine Weiſe
Sich auf der Spur des Herren plagt.
Bemerkſt du, wie in weitem Schneckenkreiſe
[76] Er um uns her und immer naͤher jagt?
Und irr’ ich nicht, ſo zieht ein Feuerſtrudel
Auf ſeinen Pfaden hinterdrein.
Ich ſehe nichts als einen ſchwarzen Pudel,
Es mag bey euch wohl Augentaͤuſchung ſeyn.
Mir ſcheint es, daß er magiſch leiſe Schlingen,
Zu kuͤnft’gem Band, um unſre Fuͤße zieht.
Ich ſeh’ ihn ungewiß und furchtſam uns umſpringen,
Weil er, ſtatt ſeines Herrn, zwey Unbekannte ſieht.
Der Kreis wird eng, ſchon iſt er nah!
Du ſiehſt! ein Hund, und kein Geſpenſt iſt da.
Er knurrt und zweifelt, legt ſich auf den Bauch,
Er wedelt. Alles Hunde Brauch.
Geſelle dich zu uns! Komm hier!
Es iſt ein pudelnaͤrriſch Thier.
[77] Du ſteheſt ſtill, er wartet auf;
Du ſprichſt ihn an, er ſtrebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Waſſer ſpringen.
Du haſt wohl recht, ich finde nicht die Spur
Von einem Geiſt, und alles iſt Dreſſur.
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird ſelbſt ein weiſer Mann gewogen.
Ja deine Gunſt verdient er ganz und gar
Er, der Studenten trefflicher Scolar.
[[78]]
Studirzimmer.
Verlaſſen hab’ ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Mit ahndungsvollem heil’gem Grauen
In uns die beſſre Seele weckt.
Entſchlafen ſind nun wilde Triebe,
Mit jedem ungeſtuͤmen Thun;
Es reget ſich die Menſchenliebe,
Die Liebe Gottes regt ſich nun.
Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!
An der Schwelle was ſchnoperſt du hier?
Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein beſtes Kiſſen geb’ ich dir.
[79] Wie du draußen auf dem bergigen Wege,
Durch Rennen und Springen, ergetzt uns haſt,
So nimm nun auch von mir die Pflege,
Als ein willkommner ſtiller Gaſt.
Ach wenn in unſrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird’s in unſerm Buſen helle,
Im Herzen, das ſich ſelber kennt.
Vernunft faͤngt wieder an zu ſprechen,
Und Hoffnung wieder an zu bluͤhn,
Man ſehnt ſich nach des Lebens Baͤchen,
Ach! nach des Lebens Quelle hin.
Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Toͤnen,
Die jetzt meine ganze Seel’ umfaſſen,
Will der thieriſche Laut nicht paſſen.
Wir ſind gewohnt, daß die Menſchen verhoͤhnen
Was ſie nicht verſtehn,
Daß ſie vor dem Guten und Schoͤnen,
Das ihnen oft beſchwerlich iſt, murren;
Will es der Hund, wie ſie, beknurren
[80] Aber ach! ſchon fuͤhl’ ich, bey dem beſten Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Buſen quillen.
Aber warum muß der Strom ſo bald verſiegen,
Und wir wieder im Durſte liegen?
Davon hab’ ich ſo viel Erfahrung.
Doch dieſer Mangel laͤßt ſich erſetzen,
Wir lernen das Ueberirdiſche ſchaͤtzen,
Wir ſehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends wuͤrd’ger und ſchoͤner brennt,
Als in dem neuen Teſtament.
Mich draͤngt’s den Grundtext aufzuſchlagen,
Mit redlichem Gefuͤhl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutſch zu uͤbertragen.
Geſchrieben ſteht: “im Anfang war das Wort!”
Hier ſtock’ ich ſchon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort ſo hoch unmoͤglich ſchaͤtzen,
Ich muß es anders uͤberſetzen,
Wenn ich vom Geiſte recht erleuchtet bin.
Geſchrieben ſteht: im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erſte Zeile,
[81] Daß deine Feder ſich nicht uͤbereile!
Iſt es der Sinn, der alles wirkt und ſchafft?
Es ſollte ſtehn: im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieſes niederſchreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe.
Mir hilft der Geiſt! auf einmal ſeh’ ich Rath
Und ſchreibe getroſt: im Anfang war die That!
Soll ich mit dir das Zimmer theilen,
Pudel, ſo laß das Heulen,
So laß das Bellen!
Solch einen ſtoͤrenden Geſellen
Mag ich nicht in der Naͤhe leiden.
Einer von uns beyden
Muß die Zelle meiden.
Ungern heb’ ich das Gaſtrecht auf,
Die Thuͤr’ iſt offen, haſt freyen Lauf.
Aber was muß ich ſehen!
Kann das natuͤrlich geſchehen?
Iſt es Schatten? iſt’s Wirklichkeit?
Wie wird mein Pudel lang und breit!
Er hebt ſich mit Gewalt,
6
[82] Das iſt nicht eines Hundes Geſtalt!
Welch ein Geſpenſt bracht’ ich ins Haus!
Schon ſieht er wie ein Nilpferd aus,
Mit feurigen Augen, ſchrecklichem Gebiß.
O! du biſt mir gewiß!
Fuͤr ſolche halbe Hoͤllenbrut
Iſt Salomonis Schluͤſſel gut.
Drinnen gefangen iſt einer!
Bleibet haußen, folg’ ihm keiner!
Wie im Eiſen der Fuchs,
Zagt ein alter Hoͤllenluchs.
Aber gebt Acht!
Schwebet hin, ſchwebet wieder,
Auf und nieder,
Und er hat ſich losgemacht.
Koͤnnt ihr ihm nuͤtzen,
Laßt ihn nicht ſitzen!
Denn er that uns allen
Schon viel zu Gefallen.
[83]
Erſt zu begegnen dem Thiere,
Brauch’ ich den Spruch der Viere:
Salamander ſoll gluͤhen,
Undene ſich winden,
Silphe verſchwinden,
Kobold ſich muͤhen.
Wer ſie nicht kennte
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenſchaft,
Waͤre kein Meiſter
Ueber die Geiſter.
Verſchwind’ in Flammen
Salamander!
Rauſchend fließe zuſammen
Undene!
Leucht’ in Meteoren-Schoͤne
Silphe!
Bring’ haͤußliche Huͤlfe
[84]Incubus! incubus!
Tritt hervor und mache den Schluß.
Keines der Viere
Steckt in dem Thiere.
Es liegt ganz ruhig und grinſ’t mich an,
Ich hab’ ihm noch nicht weh gethan.
Du ſollſt mich hoͤren
Staͤrker beſchwoͤren.
Biſt du Geſelle
Ein Fluͤchtling der Hoͤlle?
So ſieh dies Zeichen!
Dem ſie ſich beugen
Die ſchwarzen Schaaren.
Schon ſchwillt es auf mit borſtigen Haaren.
Verworfnes Weſen!
Kannſt du ihn leſen?
Den nie entſproſſnen,
Unausgeſprochnen,
Durch alle Himmel gegoſſnen,
Freventlich durchſtochnen.
[85]
Hinter den Ofen gebannt
Schwillt es wie ein Elephant,
Den ganzen Raum fuͤllt es an,
Es will zum Nebel zerfließen.
Steige nicht zur Decke hinan!
Lege dich zu des Meiſters Fuͤßen!
Du ſiehſt daß ich nicht vergebens drohe.
Ich verſenge dich mit heiliger Lohe!
Erwarte nicht
Das dreymal gluͤhende Licht!
Erwarte nicht
Die ſtaͤrkſte von meinen Kuͤnſten!
hinter dem Ofen hervor.
Wozu der Laͤrm? was ſteht dem Herrn zu Dienſten?
Das alſo war des Pudels Kern!
Ein fahrender Scolaſt? Der Caſus macht mich lachen.
Ich ſalutire den gelehrten Herrn!
Ihr habt mich weidlich ſchwitzen machen.
[86]
Wie nennſt du dich?
Die Frage ſcheint mir klein,
Fuͤr einen der das Wort ſo ſehr verachtet,
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Weſen Tiefe trachtet.
Bey euch, ihr Herrn, kann man das Weſen
Gewoͤhnlich aus dem Namen leſen,
Wo es ſich allzudeutlich weiſ’t,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Luͤgner heißt.
Nun gut wer biſt du denn?
Ein Theil von jener Kraft,
Die ſtets das Boͤſe will und ſtets das Gute ſchafft.
Was iſt mit dieſem Raͤthſelwort gemeynt?
Ich bin der Geiſt der ſtets verneint!
Und das mit Recht; denn alles was entſteht
Iſt werth daß es zu Grunde geht;
[87] Drum beſſer waͤr’s daß nichts entſtuͤnde.
So iſt denn alles was ihr Suͤnde,
Zerſtoͤrung, kurz das Boͤſe nennt,
Mein eigentliches Element.
Du nennſt dich einen Theil, und ſtehſt doch ganz vor mir?
Beſcheidne Wahrheit ſprech’ ich dir.
Wenn ſich der Menſch, die kleine Narrenwelt,
Gewoͤhnlich fuͤr ein Ganzes haͤlt;
Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war,
Ein Theil der Finſterniß, die ſich das Licht gebar,
Das ſtolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr ſtreitig macht,
Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, ſo viel es ſtrebt,
Verhaftet an den Koͤrpern klebt.
Von Koͤrpern ſtroͤmt’s, die Koͤrper macht es ſchoͤn,
Ein Koͤrper hemmt’s auf ſeinem Gange,
So, hoff’ ich, dauert es nicht lange
Und mit den Koͤrpern wird’s zu Grunde gehn.
Nun kenn’ ich deine wuͤrd’gen Pflichten!
[88] Du kannſt im Großen nichts vernichten
Und faͤngſt es nun im Kleinen an.
Und freylich iſt nicht viel damit gethan.
Was ſich dem Nichts entgegenſtellt,
Das Etwas, dieſe plumpe Welt,
So viel als ich ſchon unternommen
Ich wußte nicht ihr beyzukommen,
Mit Wellen, Stuͤrmen, Schuͤtteln, Brand,
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Thier- und Menſchenbrut,
Dem iſt nun gar nichts anzuhaben,
Wie viele hab’ ich ſchon begraben!
Und immer zirkulirt ein neues, friſches Blut.
So geht es fort, man moͤchte raſend werden!
Der Luft, dem Waſſer, wie der Erden
Entwinden tauſend Keime ſich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
Haͤtt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten;
Ich haͤtte nichts apart’s fuͤr mich.
So ſetzeſt du der ewig regen,
[89] Der heilſam ſchaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfauſt entgegen,
Die ſich vergebens tuͤckiſch ballt!
Was anders ſuche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
Wir wollen wirklich uns beſinnen,
Die naͤchſtenmale mehr davon!
Duͤrft’ ich wohl diesmal mich entfernen?
Ich ſehe nicht warum du fragſt.
Ich habe jetzt dich kennen lernen,
Beſuche nun mich wie du magſt.
Hier iſt das Fenſter, hier die Thuͤre,
Ein Rauchfang iſt dir auch gewiß.
Geſteh’ ichs nur! daß ich hinausſpaziere
Verbietet mir ein kleines Hinderniß,
Der Drudenfuß auf eurer Schwelle —
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ey ſage mir, du Sohn der Hoͤlle,
[90] Wenn das dich bannt, wie kamſt du denn herein?
Wie ward ein ſolcher Geiſt betrogen?
Beſchaut es recht! es iſt nicht gut gezogen;
Der eine Winkel, der nach außen zu,
Iſt, wie du ſiehſt, ein wenig offen.
Das hat der Zufall gut getroffen!
Und mein Gefangner waͤrſt denn du?
Das iſt von ohngefaͤhr gelungen!
Der Pudel merkte nichts als er hereingeſprungen,
Die Sache ſieht jetzt anders aus;
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
Doch warum gehſt du nicht durchs Fenſter?
’s iſt ein Geſetz der Teufel und Geſpenſter:
Wo ſie hereingeſchluͤpft, da muͤſſen ſie hinaus.
Das erſte ſteht uns frey, beym zweyten ſind wir Knechte.
Die Hoͤlle ſelbſt hat ihre Rechte?
[91] Das find’ ich gut, da ließe ſich ein Packt,
Und ſicher wohl, mit euch ihr Herren ſchließen?
Was man verſpricht, das ſollſt du rein genießen,
Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das iſt nicht ſo kurz zu faſſen,
Und wir beſprechen das zunaͤchſt;
Doch jetzo bitt’ ich, hoch und hoͤchſt,
Fuͤr dieſesmal mich zu entlaſſen.
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erſt gute Maͤhr zu ſagen.
Jetzt laß mich los! ich komme bald zuruͤck,
Dann magſt du nach Belieben fragen.
Ich habe dir nicht nachgeſtellt,
Biſt du doch ſelbſt ins Garn gegangen.
Den Teufel halte wer ihn haͤlt!
Er wird ihn nicht ſobald zum zweytenmale fangen.
Wenn dir’s beliebt, ſo bin ich auch bereit
[92] Dir zur Geſellſchaft hier zu bleiben;
Doch mit Bedingniß, dir die Zeit,
Durch meine Kuͤnſte, wuͤrdig zu vertreiben.
Ich ſeh’ es gern, das ſteht dir frey;
Nur daß die Kunſt gefaͤllig ſey!
Du wirſt, mein Freund, fuͤr deine Sinnen,
In dieſer Stunde mehr gewinnen,
Als in des Jahres Einerley.
Was dir die zarten Geiſter ſingen,
Die ſchoͤnen Bilder die ſie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberſpiel.
Auch dein Geruch wird ſich ergetzen,
Dann wirſt du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzuͤckt ſich dein Gefuͤhl.
Bereitung braucht es nicht voran,
Beyſammen ſind wir, fanget an!
Schwindet ihr dunkeln
Woͤlbungen droben!
Reizender ſchaue,
[93] Freundlich, der blaue
Aether herein!
Waͤren die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmliſcher Soͤhne
Geiſtige Schoͤne,
Schwankende Beugung
Schwebet voruͤber.
Sehnende Neigung
Folget hinuͤber;
Und der Gewaͤnder
Flatternde Baͤnder
Decken die Laͤnder,
Decken die Laube,
Wo ſich fuͤr’s Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bey Laube!
Sproſſende Ranken!
[94] Laſtende Traube
Stuͤrzt in’s Behaͤlter
Draͤngender Kelter,
Stuͤrzen in Baͤchen
Schaͤumende Weine,
Rieſeln durch reine,
Edle Geſteine,
Laſſen die Hoͤhen
Hinter ſich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genuͤgen
Gruͤnender Huͤgel.
Und das Gefluͤgel
Schluͤrfet ſich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inſeln entgegen,
Die ſich auf Wellen
Gauklend bewegen;
Wo wir in Choͤren
Jauchzende hoͤren,
Ueber den Auen
[95] Tanzende ſchauen,
Die ſich im Freyen
Alle zerſtreuen.
Einige glimmen
Ueber die Hoͤhen,
Andere ſchwimmen
Ueber die Seen,
Andere ſchweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne
Seliger Huld.
Er ſchlaͤft! So recht, ihr luft’gen, zarten Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingeſungen!
Fuͤr dies Concert bin ich in eurer Schuld.
Du biſt noch nicht der Mann den Teufel feſt zu halten!
Umgaukelt ihn mit ſuͤßen Traumgeſtalten,
Verſenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieſer Schwelle Zauber zu zerſpalten
Bedarf ich eines Rattenzahns.
[96] Nicht lange brauch’ ich zu beſchwoͤren,
Schon raſchelt eine hier und wird ſogleich mich hoͤren.
Der Herr der Ratten und der Maͤuſe,
Der Fliegen, Froͤſche, Wanzen, Laͤuſe,
Befiehlt dir dich hervor zu wagen
Und dieſe Schwelle zu benagen,
So wie er ſie mit Oel betupft —
Da kommſt du ſchon hervorgehupft!
Nur friſch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
Sie ſitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Biß, ſo iſt’s geſchehn. —
Nun Fauſte traͤume fort, bis wir uns wiederſehn.
Bin ich denn abermals betrogen?
Verſchwindet ſo der geiſterreiche Drang?
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und daß ein Pudel mir entſprang.
[[97]]
Studirzimmer.
- Fauſt.
- Mephiſtopheles.
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
Ich bin’s.
Herein!
Du mußt es dreymal ſagen.
Herein denn!
So gefaͤllſt du mir.
7
[98]
Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
Bin ich, als edler Junker, hier,
In rothem goldverbraͤmten Kleide,
Das Maͤntelchen von ſtarrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, ſpitzen Degen,
Und rathe nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahreſt was das Leben ſey.
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fuͤhlen.
Ich bin zu alt, um nur zu ſpielen,
Zu jung, um ohne Wunſch zu ſeyn.
Was kann die Welt mir wohl gewaͤhren?
Entbehren ſollſt du! ſollſt entbehren!
Das iſt der ewige Geſang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unſer ganzes Leben lang,
Uns heiſer jede Stunde ſingt.
[99] Nur mit Entſetzen wach’ ich Morgens auf,
Ich moͤchte bittre Thraͤnen weinen,
Den Tag zu ſehn, der mir in ſeinem Lauf
Nicht Einen Wunſch erfuͤllen wird, nicht Einen,
Der ſelbſt die Ahndung jeder Luſt
Mit eigenſinnigem Krittel mindert,
Die Schoͤpfung meiner regen Bruſt
Mit tauſend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht ſich niederſenkt,
Mich aͤngſtlich auf das Lager ſtrecken,
Auch da wird keine Raſt geſchenkt,
Mich werden wilde Traͤume ſchrecken.
Der Gott, der mir im Buſen wohnt,
Kann tief mein Innerſtes erregen,
Der uͤber allen meinen Kraͤften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
Und ſo iſt mir das Daſeyn eine Laſt,
Der Tod erwuͤnſcht, das Leben mir verhaßt.
Und doch iſt nie der Tod ein ganz willkommner Gaſt.
O ſeelig der! dem er im Siegesglanze
[100] Die blut’gen Lorbeern um die Schlaͤfe windet,
Den er, nach raſch durchraſ’tem Tanze,
In eines Maͤdchens Armen findet.
O waͤr’ ich vor des hohen Geiſtes Kraft
Entzuͤckt, entſeelt dahin geſunken!
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
In jener Nacht, nicht ausgetrunken.
Das Spioniren, ſcheint’s, iſt deine Luſt.
Allwiſſend bin ich nicht; doch viel iſt mir bewußt.
Wenn aus dem ſchrecklichen Gewuͤhle
Ein ſuͤß bekannter Ton mich zog,
Den Reſt von kindlichem Gefuͤhle
Mit Anklang froher Zeit betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umſpannt,
Und ſie in dieſe Trauerhoͤle
Mit Blend- und Schmeichelkraͤften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung,
[101] Womit der Geiſt ſich ſelbſt umfaͤngt!
Verflucht das Blenden der Erſcheinung,
Die ſich an unſre Sinne draͤngt!
Verflucht was uns in Traͤumen heuchelt,
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht was als Beſitz uns ſchmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht ſey Mammon, wenn mit Schaͤtzen
Er uns zu kuͤhnen Thaten regt,
Wenn er zu muͤßigem Ergetzen
Die Polſter uns zurechte legt!
Fluch ſey dem Balſamſaft der Trauben!
Fluch jener hoͤchſten Liebeshuld!
Fluch ſey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
Weh! weh!
Du haſt ſie zerſtoͤrt,
Die ſchoͤne Welt,
Mit maͤchtiger Fauſt,
Sie ſtuͤrzt, ſie zerfaͤllt!
Ein Halbgott hat ſie zerſchlagen!
[102] Wir tragen
Die Truͤmmern ins Nichts hinuͤber,
Und klagen
Ueber die verlorne Schoͤne.
Maͤchtiger
Der Erdenſoͤhne,
Praͤchtiger
Baue ſie wieder,
In deinem Buſen baue ſie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Und neue Lieder
Toͤnen darauf!
Dies ſind die kleinen
Von den Meinen.
Hoͤre, wie zu Luſt und Thaten
Altklug ſie rathen!
In die Welt weit,
Aus der Einſamkeit,
[103] Wo Sinnen und Saͤfte ſtocken,
Wollen ſie dich locken.
Hoͤr’ auf mit deinem Gram zu ſpielen,
Der, wie ein Geyer, dir am Leben frißt;
Die ſchlechteſte Geſellſchaft laͤßt dich fuͤhlen
Daß du ein Menſch mit Menſchen biſt.
Doch ſo iſt’s nicht gemeynt
Dich unter das Pack zu ſtoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willſt du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen;
So will ich mich gern bequemen
Dein zu ſeyn, auf der Stelle.
Ich bin dein Geſelle
Und, mach’ ich dir’s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
Und was ſoll ich dagegen dir erfuͤllen?
Dazu haſt du noch eine lange Friſt.
[104]
Nein nein! der Teufel iſt ein Egoiſt
Und thut nicht leicht um Gottes Willen
Was einem andern nuͤtzlich iſt.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein ſolcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
Ich will mich hier zu deinem Dienſt verbinden,
Auf deinen Wink nicht raſten und nicht ruhn;
Wenn wir uns druͤben wieder finden,
So ſollſt du mir das Gleiche thun.
Das Druͤben kann mich wenig kuͤmmern,
Schlaͤgſt du erſt dieſe Welt zu Truͤmmern,
Die andre mag darnach entſtehn.
Aus dieſer Erde quillen meine Freuden,
Und dieſe Sonne ſcheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erſt von ihnen ſcheiden,
Dann mag was will und kann geſchehn.
Davon will ich nichts weiter hoͤren,
Ob man auch kuͤnftig haßt und liebt,
[105] Und ob es auch in jenen Sphaͤren
Ein Oben oder Unten giebt.
In dieſem Sinne kannſt du’s wagen.
Verbinde dich; du ſollſt, in dieſen Tagen,
Mit Freuden meine Kuͤnſte ſehn,
Ich gebe dir was noch kein Menſch geſehn.
Was willſt du armer Teufel geben?
Ward eines Menſchen Geiſt, in ſeinem hohen Streben,
Von deines Gleichen je gefaßt?
Doch haſt du Speiſe die nicht ſaͤttigt, haſt
Du rothes Gold, das ohne Raſt,
Queckſilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bey dem man nie gewinnt,
Ein Maͤdchen, das an meiner Bruſt
Mit Aeugeln ſchon dem Nachbar ſich verbindet,
Der Ehre ſchoͤne Goͤtterluſt,
Die, wie ein Meteor, verſchwindet.
Zeig mir die Frucht die fault, eh’ man ſie bricht,
Und Baͤume die ſich taͤglich neu begruͤnen!
[106]
Ein ſolcher Auftrag ſchreckt mich nicht,
Mit ſolchen Schaͤtzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran
Wo wir was Gut’s in Ruhe ſchmauſen moͤgen.
Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen;
So ſey es gleich um mich gethan!
Kannſt du mich ſchmeichelnd je beluͤgen,
Daß ich mir ſelbſt gefallen mag,
Kannſt du mich mit Genuß betruͤgen;
Das ſey fuͤr mich der letzte Tag!
Die Wette biet’ ich!
Top!
Und Schlag auf Schlag!
Werd’ ich zum Augenblicke ſagen:
Verweile doch! du biſt ſo ſchoͤn!
Dann magſt du mich in Feſſeln ſchlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn!
Dann mag die Todtenglocke ſchallen,
[107] Dann biſt du deines Dienſtes frey,
Die Uhr mag ſtehn, der Zeiger fallen,
Es ſey die Zeit fuͤr mich vorbey!
Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergeſſen.
Dazu haſt du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermeſſen.
Wie ich beharre bin ich Knecht,
Ob dein, was frag’ ich, oder weſſen.
Ich werde heute gleich, beym Doctorſchmaus,
Als Diener, meine Pflicht erfuͤllen.
Nur eins! — um Lebens oder Sterbens willen,
Bitt’ ich mir ein Paar Zeilen aus.
Auch was geſchriebnes forderſt du Pedant?
Haſt du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?
Iſt’s nicht genug, daß mein geſprochnes Wort
Auf ewig ſoll mit meinen Tagen ſchalten?
Raſ’t nicht die Welt in allen Stroͤmen fort,
Und mich ſoll ein Verſprechen halten?
[108] Doch dieſer Wahn iſt uns ins Herz gelegt,
Wer mag ſich gern davon befreyen?
Begluͤckt wer Treue rein im Buſen traͤgt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beſchrieben und bepraͤgt,
Iſt ein Geſpenſt vor dem ſich alle ſcheuen.
Das Wort erſtirbt ſchon in der Feder,
Die Herrſchaft fuͤhren Wachs und Leder.
Was willſt du boͤſer Geiſt von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder ſchreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frey.
Wie magſt du deine Rednerey
Nur gleich ſo hitzig uͤbertreiben?
Iſt doch ein jedes Blaͤttchen gut.
Du unterzeichneſt dich mit einem Troͤpfchen Blut.
Wenn dieß dir voͤllig G’nuͤge thut,
So mag es bey der Fratze bleiben.
Blut iſt ein ganz beſondrer Saft.
[109]
Nur keine Furcht, daß ich dieß Buͤndniß breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Iſt g’rade das was ich verſpreche.
Ich habe mich zu hoch geblaͤht,
In deinen Rang gehoͤr’ ich nur.
Der große Geiſt hat mich verſchmaͤht,
Vor mir verſchließt ſich die Natur.
Des Denkens Faden iſt zerriſſen,
Mir ekelt lange vor allem Wiſſen.
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns gluͤhende Leidenſchaften ſtillen!
In undurchdrungnen Zauberhuͤllen
Sey jedes Wunder gleich bereit!
Stuͤrzen wir uns in das Rauſchen der Zeit
In’s Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß,
Mit einander wechſeln wie es kann;
Nur raſtlos bethaͤtigt ſich der Mann.
Euch iſt kein Maß und Ziel geſetzt.
[110] Beliebt’s euch uͤberall zu naſchen,
Im Fliehen etwas zu erhaſchen;
Bekomm’ euch wohl was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und ſeyd nicht bloͤde!
Du hoͤreſt ja, von Freud’ iſt nicht die Rede.
Dem Taumel weih’ ich mich, dem ſchmerzlichſten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Buſen, der vom Wiſſensdrang geheilt iſt,
Soll keinen Schmerzen kuͤnftig ſich verſchließen,
Und was der ganzen Menſchheit zugetheilt iſt,
Will ich in meinem innern Selbſt genießen,
Mit meinem Geiſt das Hoͤchſt’ und Tiefſte greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Buſen haͤufen,
Und ſo mein eigen Selbſt zu ihrem Selbſt erweitern,
Und, wie ſie ſelbſt, am End’ auch ich zerſcheitern.
O glaube mir, der manche tauſend Jahre
An dieſer harten Speiſe kaut,
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Menſch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub’ unſer einem, dieſes Ganze
[111] Iſt nur fuͤr einen Gott gemacht!
Er findet ſich in einem ew’gen Glanze,
Uns hat er in die Finſterniß gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
Allein ich will!
Das laͤßt ſich hoͤren!
Doch nur vor Einem iſt mir bang’;
Die Zeit iſt kurz, die Kunſt iſt lang.
Ich daͤcht’, ihr ließet euch belehren.
Aſſociirt euch mit einem Poeten,
Laßt den Herrn in Gedanken ſchweifen,
Und alle edlen Qualitaͤten
Auf euren Ehren-Scheitel haͤufen,
Des Loͤwen Muth,
Des Hirſches Schnelligkeit,
Des Italiaͤners feurig Blut,
Des Nordens Dau’rbarkeit.
Laßt ihn euch das Geheimniß finden,
Großmuth und Argliſt zu verbinden,
Und euch, mit warmen Jugendtrieben,
[112] Nach einem Plane, zu verlieben.
Moͤchte ſelbſt ſolch einen Herren kennen,
Wuͤrd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Was bin ich denn? wenn es nicht moͤglich iſt
Der Menſchheit Krone zu erringen,
Nach der ſich alle Sinne dringen.
Du biſt am Ende — was du biſt.
Setz’ dir Perruͤcken auf von Millionen Locken,
Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibſt doch immer was du biſt.
Ich fuͤhl’s, vergebens hab’ ich alle Schaͤtze
Des Menſchengeiſt’s auf mich herbeygerafft,
Und wenn ich mich am Ende niederſetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit hoͤher,
Bin dem Unendlichen nicht naͤher.
Mein guter Herr, ihr ſeht die Sachen,
Wie man die Sachen eben ſieht;
[113] Wir muͤſſen das geſcheidter machen,
Eh’ uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freylich Haͤnd’ und Fuͤße
Und Kopf und H — — die ſind dein;
Doch alles was ich friſch genieße,
Iſt das drum weniger mein?
Wenn ich ſechs Hengſte zahlen kann,
Sind ihre Kraͤfte nicht die meine?
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
Als haͤtt’ ich vier und zwanzig Beine.
Drum friſch! laß alles Sinnen ſeyn,
Und g’rad’ mit in die Welt hinein!
Ich ſag’ es dir: ein Kerl der ſpeculirt,
Iſt wie ein Thier, auf duͤrrer Heide
Von einem boͤſen Geiſt im Kreis herum gefuͤhrt,
Und rings umher liegt ſchoͤne gruͤne Weide.
Wie fangen wir das an?
Wir gehen eben fort.
Was iſt das fuͤr ein Marterort?
Was heißt das fuͤr ein Leben fuͤhren,
8
[114] Sich und die Jungens ennuyiren?
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanſt!
Was willſt du dich das Stroh zu dreſchen plagen?
Das beſte, was du wiſſen kannſt,
Darfſt du den Buben doch nicht ſagen.
Gleich hoͤr’ ich einen auf dem Gange!
Mir iſt’s nicht moͤglich ihn zu ſehn.
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetroͤſtet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Muͤtze;
Die Maske muß mir koͤſtlich ſtehn.
Nun uͤberlaß es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelſtuͤndchen Zeit;
Indeſſen mache dich zur ſchoͤnen Fahrt bereit!
Verachte nur Vernunft und Wiſſenſchaft,
Des Menſchen allerhoͤchſte Kraft,
[115] Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Luͤgengeiſt beſtaͤrken,
So hab’ ich dich ſchon unbedingt —
Ihm hat das Schickſal einen Geiſt gegeben,
Der ungebaͤndigt immer vorwaͤrts dringt,
Und deſſen uͤbereiltes Streben
Der Erde Freuden uͤberſpringt.
Den ſchlepp’ ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er ſoll mir zappeln, ſtarren, kleben,
Und ſeiner Unerſaͤttlichkeit
Soll Speiſ’ und Trank vor gier’gen Lippen ſchweben;
Er wird Erquickung ſich umſonſt erflehn,
Und haͤtt’ er ſich auch nicht dem Teufel uͤbergeben,
Er muͤßte doch zu Grunde gehn!
Ich bin alhier erſt kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu ſprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfurcht nennen.
[116]
Eure Hoͤflichkeit erfreut mich ſehr!
Ihr ſeht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch ſonſt ſchon umgethan?
Ich bitt’ euch, nehmt euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Muth,
Leidlichem Geld und friſchem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Moͤchte gern’ was rechts hieraußen lernen.
Da ſeyd ihr eben recht am Ort.
Aufrichtig, moͤchte ſchon wieder fort:
In dieſen Mauern, dieſen Hallen,
Will es mir keineswegs gefallen.
Es iſt ein gar beſchraͤnkter Raum,
Man ſieht nichts Gruͤnes, keinen Baum,
Und in den Saͤlen, auf den Baͤnken,
Vergeht mir Hoͤren, Seh’n und Denken.
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
[117] So nimmt ein Kind der Mutter Bruſt
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernaͤhrt es ſich mit Luſt.
So wird’s euch an der Weisheit Bruͤſten
Mit jedem Tage mehr geluͤſten.
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch ſagt mir nur, wie kann ich hingelangen?
Erklaͤrt euch, eh’ ihr weiter geht,
Was waͤhlt ihr fuͤr eine Facultaͤt?
Ich wuͤnſchte recht gelehrt zu werden,
Und moͤchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel iſt, erfaſſen,
Die Wiſſenſchaft und die Natur.
Da ſeyd ihr auf der rechten Spur;
Doch muͤßt ihr euch nicht zerſtreuen laſſen.
Ich bin dabey mit Seel’ und Leib;
Doch freylich wuͤrde mir behagen
[118] Ein wenig Freyheit und Zeitvertreib,
An ſchoͤnen Sommerfeiertagen.
Gebraucht der Zeit, ſie geht ſo ſchnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.
Mein theurer Freund, ich rath’ euch drum
Zuerſt Collegium Logicum.
Da wird der Geiſt euch wohl dreſſirt,
In ſpaniſche Stiefeln eingeſchnuͤrt,
Daß er bedaͤchtiger ſo fort an
Hinſchleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz’ und Quer,
Irlichtelire hin und her.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Daß, was ihr ſonſt auf einen Schlag
Getrieben, wie Eſſen und Trinken frey,
Eins! Zwey! Drey! dazu noͤthig ſey.
Zwar iſt’s mit der Gedanken-Fabrik
Wie mit einem Weber-Meiſterſtuͤck,
Wo Ein Tritt tauſend Faͤden regt,
Die Schifflein heruͤber hinuͤber ſchießen,
Die Faͤden ungeſehen fließen,
[119] Ein Schlag tauſend Verbindungen ſchlaͤgt:
Der Philoſoph der tritt herein,
Und beweiſ’t euch, es muͤßt’ ſo ſeyn:
Das Erſt’ waͤr’ ſo, das Zweyte ſo,
Und drum das Dritt’ und Vierte ſo;
Und wenn das Erſt’ und Zweyt’ nicht waͤr’,
Das Dritt’ und Viert’ waͤr’ nimmermehr.
Das preiſen die Schuͤler aller Orten,
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was lebendig’s erkennen und beſchreiben,
Sucht erſt den Geiſt heraus zu treiben,
Dann hat er die Theile in ſeiner Hand,
Fehlt leider! nur das geiſtige Band.
Encheiresin naturae nennt’s die Chimie,
Spottet ihrer ſelbſt und weiß nicht wie.
Kann euch nicht eben ganz verſtehen.
Das wird naͤchſtens ſchon beſſer gehen,
Wenn ihr lernt alles reduciren
Und gehoͤrig klaſſificiren.
[120]
Mir wird von alle dem ſo dumm,
Als ging mir ein Muͤhlrad im Kopf herum.
Nachher vor allen andern Sachen
Muͤßt ihr euch an die Metaphyſik machen!
Da ſeht, daß ihr tiefſinnig faßt,
Was in des Menſchen Hirn nicht paßt;
Fuͤr, was drein geht und nicht drein geht,
Ein praͤchtig Wort zu Dienſten ſteht.
Doch vorerſt dieſes halbe Jahr
Nehmt ja der beſten Ordnung wahr.
Fuͤnf Stunden habt ihr jeden Tag;
Seyd drinnen mit dem Glockenſchlag!
Habt euch vorher wohl praͤparirt,
Paragraphos wohl einſtudirt,
Damit ihr nachher beſſer ſeht,
Daß er nichts ſagt, als was im Buche ſteht;
Doch euch des Schreibens ja befleißt,
Als dictirt’ euch der Heilig’ Geiſt!
Das ſollt ihr mir nicht zweymal ſagen!
[121] Ich denke mir wie viel es nuͤtzt;
Denn, was man ſchwarz auf weiß beſitzt,
Kann man getroſt nach Hauſe tragen.
Doch waͤhlt mir eine Facultaͤt!
Zur Rechtsgelehrſamkeit kann ich mich nicht bequemen.
Ich kann es euch ſo ſehr nicht uͤbel nehmen,
Ich weiß wie es um dieſe Lehre ſteht.
Es erben ſich Geſetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort,
Sie ſchleppen von Geſchlecht ſich zum Geſchlechte,
Und ruͤcken ſacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unſinn, Wohlthat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel biſt!
Vom Rechte, das mit uns geboren iſt,
Von dem iſt leider! nie die Frage.
Mein Abſcheu wird durch euch vermehrt.
O gluͤcklich der! den ihr belehrt.
Faſt moͤcht’ ich nun Theologie ſtudiren.
[122]
Ich wuͤnſchte nicht euch irre zu fuͤhren.
Was dieſe Wiſſenſchaft betrifft,
Es iſt ſo ſchwer den falſchen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr ſo viel verborgnes Gift,
Und von der Arzeney iſts kaum zu unterſcheiden.
Am beſten iſt’s auch hier, wenn ihr nur Einen hoͤrt,
Und auf des Meiſters Worte ſchwoͤrt.
Im Ganzen — haltet euch an Worte!
Dann geht ihr durch die ſichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.
Doch ein Begriff muß bey dem Worte ſeyn.
Schon gut! Nur muß man ſich nicht allzu aͤngſtlich quaͤlen;
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da ſtellt ein Wort zur rechten Zeit ſich ein.
Mit Worten laͤßt ſich trefflich ſtreiten,
Mit Worten ein Syſtem bereiten,
An Worte laͤßt ſich trefflich glauben,
Von einem Wort laͤßt ſich kein Jota rauben.
[123]
Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muß euch noch bemuͤh’n.
Wollt ihr mir von der Medicin
Nicht auch ein kraͤftig Woͤrtchen ſagen?
Drey Jahr’ iſt eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld iſt gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Laͤßt ſich’s ſchon eher weiter fuͤhlen.
Ich bin des trocknen Tons nun ſatt,
Muß wieder recht den Teufel ſpielen.
Der Geiſt der Medicin iſt leicht zu faſſen;
Ihr durchſtudirt die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu laſſen,
Wie’s Gott gefaͤllt.
Vergebens daß ihr ringsum wiſſenſchaftlich ſchweift,
Ein jeder lernt nur was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das iſt der rechte Mann.
Ihr ſeyd noch ziemlich wohlgebaut,
[124] An Kuͤhnheit wird’s euch auch nicht fehlen,
Und wenn ihr euch nur ſelbſt vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Beſonders lernt die Weiber fuͤhren;
Es iſt ihr ewig Weh und Ach
So tauſendfach
Aus Einem Puncte zu curiren,
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr ſie all’ unter’m Hut.
Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen,
Daß eure Kunſt viel Kuͤnſte uͤberſteigt;
Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebenſachen,
Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht,
Verſteht das Puͤlslein wohl zu druͤcken,
Und faſſet ſie, mit feurig ſchlauen Blicken,
Wohl um die ſchlanke Huͤfte frey,
Zu ſeh’n, wie feſt geſchnuͤrt ſie ſey.
Das ſieht ſchon beſſer aus! Man ſieht doch wo und wie.
Grau, theurer Freund, iſt alle Theorie,
Und gruͤn des Lebens goldner Baum.
[125]
Ich ſchwoͤr’ euch zu, mir iſt’s als wie ein Traum.
Duͤrft’ ich euch wohl ein andermal beſchweren,
Von eurer Weisheit auf den Grund zu hoͤren?
Was ich vermag, ſoll gern geſchehn.
Ich kann unmoͤglich wieder gehn,
Ich muß euch noch mein Stammbuch uͤberreichen.
Goͤnn’ eure Gunſt mir dieſes Zeichen!
Sehr wohl.
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange,
Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottaͤhnlichkeit bange!
Wohin ſoll es nun gehn?
[126]
Wohin es dir gefaͤllt.
Wir ſehn die kleine, dann die große Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen,
Wirſt du den Curſum durchſchmarutzen!
Allein bey meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Verſuch nicht gluͤcken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu ſchicken,
Vor andern fuͤhl’ ich mich ſo klein;
Ich werde ſtets verlegen ſeyn.
Mein guter Freund, das wird ſich alles geben;
Sobald du dir vertrauſt, ſobald weißt du zu leben.
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo haſt du Pferde, Knecht und Wagen?
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der ſoll uns durch die Luͤfte tragen.
Du nimmſt bey dieſem kuͤhnen Schritt
[127] Nur keinen großen Buͤndel mit.
Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieſer Erde.
Und ſind wir leicht, ſo geht es ſchnell hinauf;
Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!
[[128]]
Auerbachs Keller in Leipzig.
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Geſichter machen!
Ihr ſeyd ja heut wie naſſes Stroh,
Und brennt ſonſt immer lichterloh.
Das liegt an dir; du bringſt ja nichts herbey,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerey.
Da haſt du beydes!
[129]
Doppelt Schwein!
Ihr wollt’ es ja, man ſoll es ſeyn!
Zur Thuͤr hinaus wer ſich entzweyt!
Mit offner Bruſt ſingt Runda, ſauft und ſchreyt!
Auf! Holla! Ho!
Weh mir, ich bin verloren!
Baumwolle her! der Kerl ſprengt mir die Ohren.
Wenn das Gewoͤlbe wiederſchallt,
Fuͤhlt man erſt recht des Baſſes Grundgewalt.
So recht, hinaus mit dem der etwas uͤbel nimmt!
A! tara lara da!
A! tara lara da!
Die Kehlen ſind geſtimmt.
9
[130]
Das liebe, heil’ge Roͤm’ſche Reich,
Wie haͤlt’s nur noch zuſammen?
Ein garſtig Lied! Pfuy! ein politiſch Lied!
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen
Daß ihr nicht braucht fuͤr’s Roͤm’ſche Reich zu ſorgen!
Ich halt’ es wenigſtens fuͤr reichlichen Gewinn,
Daß ich nicht Kaiſer oder Kanzler bin.
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papſt erwaͤhlen.
Ihr wißt, welch eine Qualitaͤt
Den Ausſchlag giebt, den Mann erhoͤht.
Schwing’ dich auf, Frau Nachtigall,
Gruͤß’ mir mein Liebchen zehentauſendmal.
Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hoͤren!
Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirſt mir’s nicht verwehren!
Riegel auf! in ſtiller Nacht.
[131] Riegel auf! der Liebſte wacht.
Riegel zu! des Morgens fruͤh.
Ja, ſinge, ſinge nur, und lob’ und ruͤhme ſie!
Ich will zu meiner Zeit ſchon lachen.
Sie hat mich angefuͤhrt, dir wird ſie’s auch ſo machen.
Zum Liebſten ſey ein Kobold ihr beſcheert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg ſchaͤkern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleiſch und Blut
Iſt fuͤr die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Gruße wiſſen,
Als ihr die Fenſter eingeſchmiſſen!
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn geſteht, ich weiß zu leben,
Verliebte Leute ſitzen hier,
Und dieſen muß, nach Standsgebuͤhr,
Zur guten Nacht ich was zum Beſten geben.
Gebt Acht! Ein Lied vom neuſten Schnitt!
Und ſingt den Rundreim kraͤftig mit!
[132]
Es war eine Ratt’ im Kellerneſt,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte ſich ein Raͤnzlein angemaͤſt’t,
Als wie der Doctor Luther.
Die Koͤchinn hatt’ ihr Gift geſtellt;
Da ward’s ſo eng’ ihr in der Welt,
Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.
Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.
Sie fuhr herum, ſie fuhr heraus,
Und ſoff aus allen Pfuͤtzen,
Zernagt’, zerkratzt’ das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wuͤthen nuͤtzen;
Sie thaͤt gar manchen Aengſteſprung,
Bald hatte das arme Thier genung,
Als haͤtt’ es Lieb’ im Leibe.
Als haͤtt’ es Lieb’ im Leibe.
Sie kam fuͤr Angſt am hellen Tag
[133] Der Kuͤche zugelaufen,
Fiel an den Heerd und zuckt’ und lag,
Und thaͤt erbaͤrmlich ſchnaufen.
Da lachte die Vergifterinn noch:
Ha! ſie pfeift auf dem letzten Loch,
Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.
Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.
Wie ſich die platten Burſche freuen!
Es iſt mir eine rechte Kunſt,
Den armen Ratten Gift zu ſtreuen!
Sie ſtehn wohl ſehr in deiner Gunſt?
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Ungluͤck macht ihn zahm und mild;
Er ſieht in der geſchwollnen Ratte
Sein ganz natuͤrlich Ebenbild.
- Fauſt und
- Mephiſtopheles.
Ich muß dich nun vor allen Dingen
[134] In luſtige Geſellſchaft bringen,
Damit du ſiehſt, wie leicht ſich’s leben laͤßt.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Feſt.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder ſich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn ſie nicht uͤber Kopfweh klagen,
So lang’ der Wirth nur weiter borgt,
Sind ſie vergnuͤgt und unbeſorgt.
Die kommen eben von der Reiſe,
Man ſieht’s an ihrer wunderlichen Weiſe;
Sie ſind nicht eine Stunde hier.
Wahrhaftig du haſt Recht! Mein Leipzig lob’ ich mir!
Es iſt ein klein Paris, und bildet ſeine Leute.
Fuͤr was ſiehſt du die Fremden an?
Laßt mich nur gehn! bey einem vollen Glaſe,
Zieh’ ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burſchen leicht die Wuͤrmer aus der Naſe.
[135] Sie ſcheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie ſehen ſtolz und unzufrieden aus.
Marktſchreyer ſind’s gewiß, ich wette!
Vielleicht.
Gib Acht, ich ſchraube ſie!
Den Teufel ſpuͤrt das Voͤlkchen nie,
Und wenn er ſie beym Kragen haͤtte.
Seyd uns gegruͤßt, ihr Herrn!
Viel Dank zum Gegengruß.
Was hinkt der Kerl auf Einem Fuß?
Iſt es erlaubt, uns auch zu euch zu ſetzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann,
Soll die Geſellſchaft uns ergetzen.
[136]
Ihr ſcheint ein ſehr verwoͤhnter Mann.
Ihr ſeyd wohl ſpaͤt von Rippach aufgebrochen?
Habt ihr mit Herren Hans noch erſt zu Nacht geſpeiſ’t?
Heut ſind wir ihn vorbey gereiſ’t;
Wir haben ihn das letztemal geſprochen.
Von ſeinen Vettern wußt’ er viel zu ſagen,
Viel Gruͤße hat er uns an jeden aufgetragen.
Da haſt du’s! der verſteht’s!
Ein pfiffiger Patron!
Nun, warte nur, ich krieg’ ihn ſchon!
Wenn ich nicht irrte, hoͤrten wir
Geuͤbte Stimmen Chorus ſingen?
Gewiß, Geſang muß trefflich hier
Von dieſer Woͤlbung wiederklingen!
[137]
Seyd ihr wohl gar ein Virtuos?
O nein! die Kraft iſt ſchwach, allein die Luſt iſt groß.
Gebt uns ein Lied!
Wenn ihr begehrt, die Menge.
Nur auch ein nagelneues Stuͤck!
Wir kommen erſt aus Spanien zuruͤck,
Dem ſchoͤnen Land des Weins und der Geſaͤnge.
Es war einmal ein Koͤnig,
Der hatt’ einen großen Floh —
Horcht! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefaßt?
Ein Floh iſt mir ein ſaub’rer Gaſt.
Es war einmal ein Koͤnig,
Der hatt’ einen großen Floh,
[138] Den liebt’ er gar nicht wenig,
Als wie ſeinen eignen Sohn.
Da rief er ſeinen Schneider,
Der Schneider kam heran.
Da miß dem Junker Kleider,
Und miß ihm Hoſen an!
Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuſchaͤrfen,
Daß er mir auf’s genauſte mißt,
Und daß, ſo lieb ſein Kopf ihm iſt,
Die Hoſen keine Falten werfen!
In Sammet und in Seide
War er nun angethan,
Hatte Baͤnder auf dem Kleide,
Hatt’ auch ein Kreuz daran,
Und war ſogleich Miniſter,
Und hatt’ einen großen Stern.
Da wurden ſeine Geſchwiſter
Bey Hof’ auch große Herrn.
Und Herrn und Frau’n am Hofe,
Die waren ſehr geplagt,
[139] Die Koͤniginn und die Zofe
Geſtochen und genagt,
Und durften ſie nicht knicken,
Und weg ſie jucken nicht.
Wir knicken und erſticken
Doch gleich wenn einer ſticht.
Wir knicken und erſticken
Doch gleich wenn einer ſticht.
Bravo! Bravo! Das war ſchoͤn!
So ſoll es jedem Floh ergehn!
Spitzt die Finger und packt ſie fein!
Es lebe die Freyheit! Es lebe der Wein!
Ich traͤnke gern ein Glas, die Freyheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein Bißchen beſſer waͤren.
Wir moͤgen das nicht wieder hoͤren!
[140]
Ich fuͤrchte nur der Wirth beſchweret ſich,
Sonſt gaͤb’ ich dieſen werthen Gaͤſten
Aus unſerm Keller was zum Beſten.
Nur immer her! ich nehm’s auf mich.
Schafft ihr ein gutes Glas, ſo wollen wir euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben;
Denn wenn ich judiciren ſoll,
Verlang’ ich auch das Maul recht voll.
Sie ſind vom Rheine, wie ich ſpuͤre.
Schafft einen Bohrer an!
Was ſoll mit dem geſchehn?
Ihr habt doch nicht die Faͤſſer vor der Thuͤre?
Dahinten hat der Wirth ein Koͤrbchen Werkzeug ſtehn.
zu Froſch
[141]
Nun ſagt, was wuͤnſchet ihr zu ſchmecken?
Wie meynt ihr das? Habt ihr ſo mancherley?
Ich ſtell’ es einem jeden frey.
Aha! du faͤngſt ſchon an die Lippen abzulecken.
Gut! wenn ich waͤhlen ſoll, ſo will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbeſten Gaben.
bohrt.
Verſchafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
Ach das ſind Taſchenſpielerſachen.
Und ihr?
Ich will Champagner Wein,
Und recht muſſirend ſoll er ſeyn!
[142]
Man kann nicht ſtets das Fremde meiden,
Das Gute liegt uns oft ſo fern.
Ein echter deutſcher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
Ich muß geſtehn, den ſauren mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten ſuͤßen!
Euch ſoll ſogleich Tokayer fließen.
Nein, Herren, ſeht mir in’s Geſicht!
Ich ſeh’ es ein, ihr habt uns nur zum Beſten.
Ey! Ey! Mit ſolchen edlen Gaͤſten
Waͤr’ es ein Bißchen viel gewagt.
Geſchwind! Nur grad’ heraus geſagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
[143]
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
Trauben traͤgt der Weinſtock!
Hoͤrner der Ziegenbock;
Der Wein iſt ſaftig, Holz die Reben,
Der hoͤlzerne Tiſch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier iſt ein Wunder, glaubet nur!
Nun zieht die Pfropfen und genießt!
Glas läuft.
O ſchoͤner Brunnen, der uns fließt!
Nur huͤtet euch, daß ihr mir nichts vergießt!
Uns iſt ganz kannibaliſch wohl,
Als wie fuͤnf hundert Saͤuen!
[144]
Das Volk iſt frey, ſeht an, wie wohl’s ihm geht!
Ich haͤtte Luſt nun abzufahren.
Gib nur erſt Acht, die Beſtialitaͤt
Wird ſich gar herrlich offenbaren.
Flamme.
Helft! Feuer! helft! die Hoͤlle brennt!
Sey ruhig, freundlich Element!
Fuͤr dießmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
Was ſoll das ſeyn? Wart! ihr bezahlt es theuer!
Es ſcheinet, daß ihr uns nicht kennt.
Laß er uns das zum zweytenmale bleiben!
Ich daͤcht’, wir hießen ihn ganz ſachte ſeitwaͤrts gehn.
[145]
Was Herr? Er will ſich unterſtehn,
Und hier ſein Hokuspokus treiben?
Still, altes Weinfaß!
Beſenſtiel!
Du willſt uns gar noch grob begegnen?
Wart nur! es ſollen Schlaͤge regnen.
Ich brenne! ich brenne!
Zauberey!
Stoßt zu! der Kerl iſt vogelfrey!
Falſch Gebild und Wort
Veraͤndern Sinn und Ort!
Seyd hier und dort!
10
[146]
Wo bin ich? Welches ſchoͤne Land!
Weinberge! Seh’ ich recht?
Und Trauben gleich zur Hand!
Hier unter dieſem gruͤnen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
heben die Meſſer.
Irrthum, laß los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel ſpaße.
Was giebt’s?
Wie?
War das deine Naſe?
Und deine hab’ ich in der Hand!
[147]
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!
Schafft einen Stuhl, ich ſinke nieder!
Nein, ſagt mir nur, was iſt geſchehn?
Wo iſt der Kerl? Wenn ich ihn ſpuͤre,
Er ſoll mir nicht lebendig gehn!
Ich hab’ ihn ſelbſt hinaus zur Kellerthuͤre —
Auf einem Faſſe reiten ſehn — —
Es liegt mir bleyſchwer in den Fuͤßen.
Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen?
Betrug war alles, Lug und Schein.
Mir daͤuchte doch als traͤnk’ ich Wein.
Aber wie war es mit den Trauben?
Nun ſag’ mir eins, man ſoll kein Wunder glauben!
[[148]]
Hexenkuͤche.
In dem Dampfe, der davon in die Höhe ſteigt, zeigen ſich verſchiedne
Geſtalten. Eine Meerkatze ſitzt bey dem Keſſel und ſchäumt
ihn, und ſorgt daß er nicht überläuft. Der Meerkater mit den
Jungen ſitzt darneben und wärmt ſich. Wände und Decke ſind mit dem
ſeltſamſten Hexenhausrath ausgeſchmückt.
Mir widerſteht das tolle Zauberweſen!
Verſprichſt du mir, ich ſoll geneſen,
In dieſem Wuſt von Raſerey?
Verlang’ ich Rath von einem alten Weibe?
Und ſchafft die Sudelkoͤcherey
[149] Wohl dreyßig Jahre mir vom Leibe?
Weh mir, wenn du nichts beſſers weißt!
Schon iſt die Hoffnung mir verſchwunden.
Hat die Natur und hat ein edler Geiſt
Nicht irgend einen Balſam ausgefunden?
Mein Freund, nun ſprichſt du wieder klug!
Doch zu verjuͤngen, gibt’s auch ein natuͤrlich Mittel;
Allein es ſteht in einem andern Buch,
Und iſt ein wunderlich Capitel.
Ich will es wiſſen.
Gut! Ein Mittel, ohne Geld
Und Arzt und Zauberey, zu haben:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang’ an zu hacken und zu graben,
Erhalte dich und deinen Sinn
In einem ganz beſchraͤnkten Kreiſe,
Ernaͤhre dich mit ungemiſchter Speiſe,
Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht fuͤr Raub,
Den Acker, den du aͤrndeſt, ſelbſt zu duͤngen;
[150] Das iſt das beſte Mittel, glaub’,
Auf achtzig Jahr dich zu verjuͤngen!
Das bin ich nicht gewoͤhnt, ich kann mich nicht bequemen,
Den Spaten in die Hand zu nehmen,
Das enge Leben ſteht mir gar nicht an.
So muß denn doch die Hexe dran.
Warum denn juſt das alte Weib?
Kannſt du den Trank nicht ſelber brauen?
Das waͤr’ ein ſchoͤner Zeitvertreib!
Ich wollt’ indeß wohl tauſend Bruͤcken bauen.
Nicht Kunſt und Wiſſenſchaft allein,
Geduld will bey dem Werke ſeyn.
Ein ſtiller Geiſt iſt Jahre lang geſchaͤftig,
Die Zeit nur macht die feine Gaͤhrung kraͤftig.
Und alles was dazu gehoͤrt
Es ſind gar wunderbare Sachen!
Der Teufel hat ſie’s zwar gelehrt;
Allein der Teufel kann’s nicht machen.
[151]
Sieh, welch ein zierliches Geſchlecht!
Das iſt die Magd! das iſt der Knecht!
Es ſcheint, die Frau iſt nicht zu Hauſe?
Beym Schmauſe,
Aus dem Haus
Zum Schornſtein hinaus!
Wie lange pflegt ſie wohl zu ſchwaͤrmen?
So lange wir uns die Pfoten waͤrmen.
Wie findeſt du die zarten Thiere?
So abgeſchmackt, als ich nur jemand ſah!
Nein, ein Discours wie dieſer da,
Iſt g’rade der, den ich am liebſten fuͤhre!
[152]
So ſagt mir doch, verfluchte Puppen!
Was quirlt ihr in dem Brey herum?
Wir kochen breite Bettelſuppen.
Da habt ihr ein groß Publicum.
O wuͤrfle nur gleich,
Und mache mich reich,
Und laß mich gewinnen!
Gar ſchlecht iſt’s beſtellt,
Und waͤr’ ich bey Geld,
So waͤr’ ich bey Sinnen.
Wie gluͤcklich wuͤrde ſich der Affe ſchaͤtzen,
Koͤnnt’ er nur auch in’s Lotto ſetzen!
und rollen ſie hervor.
Das iſt die Welt;
Sie ſteigt und faͤllt
[153] Und rollt beſtaͤndig;
Sie klingt wie Glas;
Wie bald bricht das?
Iſt hohl inwendig,
Hier glaͤnzt ſie ſehr,
Und hier noch mehr,
Ich bin lebendig!
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du mußt ſterben!
Sie iſt von Thon,
Es giebt Scherben.
Was ſoll das Sieb?
Waͤrſt du ein Dieb,
Wollt’ ich dich gleich erkennen.
Sieh durch das Sieb!
Erkennſt du den Dieb,
Und darfſt ihn nicht nennen?
[154]
Und dieſer Topf?
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Er kennt nicht den Keſſel!
Unhoͤfliches Thier!
Den Wedel nimm hier,
Und ſetz’ dich in Seſſel!
nähert, bald ſich von ihm entfernt hat.
Was ſeh’ ich? Welch ein himmliſch Bild
Zeigt ſich in dieſem Zauberſpiegel!
O Liebe, leihe mir den ſchnellſten deiner Fluͤgel,
Und fuͤhre mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieſer Stelle bleibe,
Wenn ich es wage nah’ zu gehn,
Kann ich ſie nur als wie im Nebel ſehn! —
[155] Das ſchoͤnſte Bild von einem Weibe!
Iſt’s moͤglich, iſt das Weib ſo ſchoͤn?
Muß’ ich an dieſem hingeſtreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln ſehn?
So etwas findet ſich auf Erden?
Natuͤrlich, wenn ein Gott ſich erſt ſechs Tage plagt,
Und ſelbſt am Ende Bravo ſagt,
Da muß es was geſcheidtes werden.
Fuͤr dießmal ſieh dich immer ſatt;
Ich weiß dir ſo ein Schaͤtzchen auszuſpuͤren,
Und ſelig wer das gute Schickſal hat,
Als Braͤutigam ſie heim zu fuͤhren!
Seſſel dehnend und mit dem Wedel ſpielend, fährt fort zu ſprechen.
Hier ſitz’ ich wie der Koͤnig auf dem Throne,
Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die Krone.
haben, bringen dem Mephiſtopheles eine Krone mit großem Geſchrey.
O ſey doch ſo gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!
[156]
Stücke, mit welchen ſie herumſpringen.
Nun iſt es geſchehn!
Wir reden und ſehn,
Wir hoͤren und reimen;
Weh mir! ich werde ſchier verruͤckt.
Nun faͤngt mir an faſt ſelbſt der Kopf zu ſchwanken.
Und wenn es uns gluͤckt,
Und wenn es ſich ſchickt,
So ſind es Gedanken!
Mein Buſen faͤngt mir an zu brennen!
Entfernen wir uns nur geſchwind!
Nun, wenigſtens muß man bekennen,
Daß es aufrichtige Poeten ſind.
überzulaufen; es entſteht eine groſſe Flamme, welche zum Schornſtein
hinaus ſchlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entſetzli-
chem Geſchrey herunter gefahren.
[157]
Au! Au! Au! Au!
Verdammtes Thier! verfluchte Sau!
Verſaͤumſt den Keſſel, verſengſt die Frau!
Verfluchtes Thier!
Was iſt das hier?
Wer ſeyd ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer ſchlich ſich ein?
Die Feuerpein
Euch in’s Gebein!
nach Fauſt, Mephiſtopheles und den Thieren. Die Thiere winſeln.
Gläſer und Töpfe ſchlägt.
Entzwey! entzwey!
Da liegt der Brey!
Da liegt das Glas!
Es iſt nur Spaß,
Der Tact, du Aas,
Zu deiner Melodey.
[158]
Erkennſt du mich? Gerippe! Scheuſal du!
Erkennſt du deinen Herrn und Meiſter?
Was haͤlt mich ab, ſo ſchlag’ ich zu,
Zerſchmettre dich und deine Katzen-Geiſter!
Haſt du vor’m rothen Wamms nicht mehr Reſpect?
Kannſt du die Hahnenfeder nicht erkennen?
Hab’ ich dieß Angeſicht verſteckt?
Soll ich mich etwa ſelber nennen?
O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
Sah’ ich doch keinen Pferdefuß.
Wo ſind denn eure beyden Raben?
Fuͤr dießmal kamſt du ſo davon;
Denn freylich iſt es eine Weile ſchon,
Daß wir uns nicht geſehen haben.
Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel ſich erſtreckt;
Das nordiſche Phantom iſt nun nicht mehr zu ſchauen,
Wo ſiehſt du Hoͤrner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht miſſen kann,
[159] Der wuͤrde mir bey Leuten ſchaden;
Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann,
Seit vielen Jahren falſcher Waden.
Sinn und Verſtand verlier’ ich ſchier,
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!
Den Nahmen, Weib, verbitt’ ich mir!
Warum? Was hat er euch gethan?
Er iſt ſchon lang’ in’s Fabelbuch geſchrieben;
Allein die Menſchen ſind nichts beſſer dran,
Den Boͤſen ſind ſie los, die Boͤſen ſind geblieben.
Du nennſt mich Herr Baron, ſo iſt die Sache gut;
Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere.
Du zweifelſt nicht an meinem edlen Blut;
Sieh her, das iſt das Wapen, das ich fuͤhre!
Ha! Ha! Das iſt in eurer Art!
Ihr ſeyd ein Schelm, wie ihr nur immer war’t!
[160]
Mein Freund, das lerne wohl verſtehn!
Dieß iſt die Art mit Hexen umzugehn.
Nun ſagt, ihr Herren, was ihr ſchafft.
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Doch muß ich euch um’s aͤlt’ſte bitten;
Die Jahre doppeln ſeine Kraft.
Gar gern! Hier hab’ ich eine Flaſche,
Aus der ich ſelbſt zuweilen naſche,
Die auch nicht mehr im mind’ſten ſtinkt;
Ich will euch gern ein Glaͤschen geben.
Doch wenn es dieſer Mann unvorbereitet trinkt,
So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
Es iſt ein guter Freund, dem es gedeihen ſoll;
Ich goͤnn’ ihm gern das beſte deiner Kuͤche.
Zieh deinen Kreis, ſprich deine Spruͤche,
Und gieb ihm eine Taſſe voll!
[161]
hinein; indeſſen fangen die Gläſer an zu klingen, die Keſſel zu tönen,
und machen Muſik. Zuletzt bringt ſie ein großes Buch, ſtellt die Meer-
katzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten
müſſen. Sie winkt Fauſten, zu ihr zu treten.
Nein, ſage mir, was ſoll das werden?
Das tolle Zeug, die raſenden Geberden,
Der abgeſchmackteſte Betrug
Sind mir bekannt, verhaßt genug.
Ey Poſſen! Das iſt nur zum Lachen;
Sey nur nicht ein ſo ſtrenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
miren.
Du mußt verſtehn!
Aus Eins mach’ Zehn,
Und Zwey laß gehn,
Und Drey mach’ gleich,
11
[162] So biſt du reich.
Verlier’ die Vier!
Aus Fuͤnf und Sechs,
So ſagt die Hex’,
Mach’ Sieben und Acht,
So iſt’s vollbracht:
Und Neun iſt Eins,
Und Zehn iſt keins.
Das iſt das Hexen-Einmal-Eins!
Mich duͤnkt, die Alte ſpricht im Fieber.
Das iſt noch lange nicht voruͤber,
Ich kenn’ es wohl, ſo klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerſpruch
Bleibt gleich geheimnißvoll fuͤr Kluge wie fuͤr Tho[r]en.
Mein Freund, die Kunſt iſt alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drey und Eins, und Eins und Drey
Irrthum ſtatt Wahrheit zu verbreiten.
So ſchwaͤtzt und lehrt man ungeſtoͤrt;
[163] Wer will ſich mit den Narr’n befaſſen?
Gewoͤhnlich glaubt der Menſch, wenn er nur Worte hoͤrt,
Es muͤſſe ſich dabey doch auch was denken laſſen.
Die hohe Kraft
Der Wiſſenſchaft,
Der ganzen Welt verborgen!
Und wer nicht denkt,
Dem wird ſie geſchenkt,
Er hat ſie ohne Sorgen.
Was ſagt ſie uns fuͤr Unſinn vor?
Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
Mich duͤnkt, ich hoͤr’ ein ganzes Chor
Von hundert tauſend Narren ſprechen.
Genug, genug, o treffliche Sibylle!
Gib deinen Trank herbey, und fuͤlle
Die Schale raſch bis an den Rand hinan;
Denn meinem Freund wird dieſer Trunk nicht ſchaden:
Er iſt ein Mann von vielen Graden,
Der manchen guten Schluck gethan.
[164]
an den Mund bringt, entſteht eine leichte Flamme.
Nur friſch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
Biſt mit dem Teufel du und du,
Und willſt dich vor der Flamme ſcheuen?
Nun friſch hinaus! Du darfſt nicht ruhn.
Moͤg’ euch das Schluͤckchen wohl behagen!
Und kann ich dir was zu Gefallen thun;
So darfſt du mir’s nur auf Walpurgis ſagen.
Hier iſt ein Lied! wenn ihr’s zuweilen ſingt,
So werdet ihr beſondre Wuͤrkung ſpuͤren.
Komm nur geſchwind und laß dich fuͤhren;
[165] Du mußt nothwendig tranſpiriren,
Damit die Kraft durch inn- und aͤußres dringt.
Den edlen Muͤßiggang lehr’ ich hernach dich ſchaͤtzen,
Und bald empfindeſt du mit innigem Ergetzen,
Wie ſich Cupido regt und hin und wieder ſpringt.
Laß mich nur ſchnell noch in den Spiegel ſchauen!
Das Frauenbild war gar zu ſchoͤn!
Nein! Nein! Du ſollſt das Muſter aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir ſeh’n.
Du ſiehſt, mit dieſem Trank im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.
[[166]]
Straße.
Mein ſchoͤnes Fraͤulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Bin weder Fraͤulein, weder ſchoͤn,
Kann ungeleitet nach Hauſe gehn.
Beym Himmel, dieſes Kind iſt ſchoͤn!
So etwas hab’ ich nie geſehn.
Sie iſt ſo ſitt- und tugendreich,
Und etwas ſchnippiſch doch zugleich.
[167] Der Lippe Roth, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergeſſ’ ich’s nicht!
Wie ſie die Augen niederſchlaͤgt,
Hat tief ſich in mein Herz gepraͤgt;
Wie ſie kurz angebunden war,
Das iſt nun zum Entzuͤcken gar!
Hoͤr, du mußt mir die Dirne ſchaffen!
Nun, welche?
Sie ging juſt vorbey.
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der ſprach ſie aller Suͤnden frey;
Ich ſchlich mich hart am Stuhl vorbey,
Es iſt ein gar unſchuldig Ding,
Das eben fuͤr nichts zur Beichte ging;
Ueber die hab’ ich keine Gewalt!
Iſt uͤber vierzehn Jahr doch alt.
[168]
Du ſprichſt ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum’ fuͤr ſich,
Und duͤnkelt ihm, es waͤr’ kein’ Ehr’
Und Gunſt, die nicht zu pfluͤcken waͤr’;
Geht aber doch nicht immer an.
Mein Herr Magiſter Lobeſan,
Laß er mich mit dem Geſetz in Frieden!
Und das ſag’ ich ihm kurz und gut,
Wenn nicht das ſuͤße junge Blut
Heut’ Nacht in meinen Armen ruht;
So ſind wir um Mitternacht geſchieden.
Bedenkt was gehn und ſtehen mag!
Ich brauche wenigſtens vierzehn Tag’
Nur die Gelegenheit auszuſpuͤren.
Haͤtt’ ich nur ſieben Stunden Ruh,
Brauchte den Teufel nicht dazu,
So ein Geſchoͤpfchen zu verfuͤhren.
[169]
Ihr ſprecht ſchon faſt wie ein Franzos;
Doch bitt’ ich, laßt’s euch nicht verdrießen:
Was hilft’s nur g’rade zu genießen?
Die Freud’ iſt lange nicht ſo groß,
Als wenn ihr erſt herauf, herum,
Durch allerley Brimborium,
Das Puͤppchen geknetet und zugericht’t,
Wie’s lehret manche welſche Geſchicht’.
Hab’ Appetit auch ohne das.
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.
Ich ſag’ euch, mit dem ſchoͤnen Kind
Geht’s ein-fuͤr allemal nicht geſchwind.
Mit Sturm iſt da nichts einzunehmen;
Wir muͤſſen uns zur Liſt bequemen.
Schaff’ mir etwas vom Engelsſchatz!
Fuͤhr’ mich an ihren Ruheplatz!
Schaff’ mir ein Halstuch von ihrer Bruſt,
Ein Strumpfband meiner Liebesluſt!
[170]
Damit ihr ſeht, daß ich eurer Pein
Will foͤrderlich und dienſtlich ſeyn;
Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
Will euch noch heut’ in ihr Zimmer fuͤhren.
Und ſoll ſie ſehn? ſie haben?
Nein!
Sie wird bey einer Nachbarinn ſeyn.
Indeſſen koͤnnt ihr ganz allein
An aller Hoffnung kuͤnft’ger Freuden
In ihrem Dunſtkreis ſatt euch weiden.
Koͤnnen wir hin?
Es iſt noch zu fruͤh.
Sorg’ du mir fuͤr ein Geſchenk fuͤr ſie.
Gleich ſchenken? Das iſt brav! Da wird er reuͤſſiren!
[171] Ich kenne manchen ſchoͤnen Platz
Und manchen alt vergrabnen Schatz,
Ich muß ein Bißchen revidiren.
[[172]]
Abend.
Ich gaͤb’ was drum, wenn ich nur wuͤßt’,
Wer heut der Herr geweſen iſt!
Er ſah gewiß recht wacker aus,
Und iſt aus einem edlen Haus;
Das konnt’ ich ihm an der Stirne leſen —
Er waͤr’ auch ſonſt nicht ſo keck geweſen.
Herein, ganz leiſe, nur herein!
[173]
Ich bitte dich, laß mich allein!
Nicht jedes Maͤdchen haͤlt ſo rein.
Willkommen ſuͤßer Daͤmmerſchein!
Der du dieß Heiligthum durchwebſt.
Ergreif mein Herz, du ſuͤße Liebespein!
Die du vom Thau der Hoffnung ſchmachtend lebſt.
Wie athmet rings Gefuͤhl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieſer Armuth welche Fuͤlle!
In dieſem Kerker welche Seligkeit!
O nimm mich auf! der du die Vorwelt ſchon
Bey Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen!
Wie oft, ach! hat an dieſem Vaͤter-Thron
Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!
Vielleicht hat, dankbar fuͤr den heil’gen Chriſt,
Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand gekuͤßt.
[174] Ich fuͤhl’, o Maͤdchen, deinen Geiſt
Der Fuͤll’ und Ordnung um mich ſaͤuſeln,
Der muͤtterlich dich taͤglich unterweiſ’t,
Den Teppich auf den Tiſch dich reinlich breiten heißt,
Sogar den Sand zu deinen Fuͤßen kraͤuſeln.
O liebe Hand! ſo goͤttergleich!
Die Huͤtte wird durch dich ein Himmelreich.
Und hier!
Was faßt mich fuͤr ein Wonnegraus!
Hier moͤcht’ ich volle Stunden ſaͤumen.
Natur! Hier bildeteſt in leichten Traͤumen
Den eingebornen Engel aus;
Hier lag das Kind! mit warmem Leben
Den zarten Buſen angefuͤllt,
Und hier mit heilig reinem Weben
Entwirkte ſich das Goͤtterbild!
Und du! Was hat dich hergefuͤhrt?
Wie innig fuͤhl’ ich mich geruͤhrt!
Was willſt du hier? Was wird das Herz dir ſchwer?
Armſel’ger Fauſt! ich kenne dich nicht mehr.
[175]
Umgiebt mich hier ein Zauberduft?
Mich drang’s ſo g’rade zu genießen,
Und fuͤhle mich in Liebestraum zerfließen!
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
Und traͤte ſie den Augenblick herein,
Wie wuͤrdeſt du fuͤr deinen Frevel buͤßen!
Der große Hans, ach wie ſo klein!
Laͤg’, hingeſchmolzen, ihr zu Fuͤßen.
Geſchwind! ich ſeh’ ſie unten kommen.
Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!
Hier iſt ein Kaͤſtchen leidlich ſchwer,
Ich hab’s wo anders hergenommen.
Stellt’s hier nur immer in den Schrein,
Ich ſchwoͤr’ euch, ihr vergehn die Sinnen;
Ich that euch Saͤchelchen hinein,
Um eine andre zu gewinnen.
Zwar Kind iſt Kind und Spiel iſt Spiel.
[176]
Ich weiß nicht, ſoll ich?
Fragt ihr viel?
Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren?
Dann rath’ ich eurer Luͤſternheit
Die liebe ſchoͤne Tageszeit,
Und mir die weitre Muͤh’ zu ſparen.
Ich hoff’ nicht daß ihr geitzig ſeyd!
Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Haͤnden —
Er ſtellt das Käſtchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.
Nur fort! geſchwind! —
Um euch das ſuͤße junge Kind
Nach Herzens Wunſch und Will’ zu wenden;
Und ihr ſeht drein,
Als ſolltet ihr in den Hoͤrſal hinein,
Als ſtuͤnd’ leibhaftig vor euch da
Phyſik und Metaphyſika!
Nur fort! —
Es iſt ſo ſchwuͤl, ſo dumpfig hie,
[177]
Und iſt doch eben ſo warm nicht drauß’.
Es wird mir ſo, ich weiß’ nicht wie —
Ich wollt’, die Mutter kaͤm’ nach Haus.
Mir laͤuft ein Schauer uͤber’n Leib —
Bin doch ein thoͤricht furchtſam Weib!
Es war ein Koͤnig in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem ſterbend ſeine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts daruͤber,
Er leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm uͤber,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu ſterben,
Zaͤhlt’ er ſeine Staͤdt’ im Reich,
Goͤnnt’ alles ſeinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
12
[178]
Er ſaß beym Koͤnigsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vaͤter-Saale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort ſtand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensgluth,
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er ſah ihn ſtuͤrzen, trinken
Und ſinken tief ins Meer,
Die Augen thaͤten ihm ſinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
Schmuckkäſtchen.
Wie kommt das ſchoͤne Kaͤſtchen hier herein?
Ich ſchloß doch ganz gewiß den Schrein.
Es iſt doch wunderbar! Was mag wohl drinne ſeyn?
Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand,
Und meine Mutter lieh darauf.
Da haͤngt ein Schluͤſſelchen am Band,
[179] Ich denke wohl, ich mach’ es auf!
Was iſt das? Gott im Himmel! ſchau,
So was hab’ ich mein’ Tage nicht geſehn!
Ein Schmuck! Mit dem koͤnnt’ eine Edelfrau
Am hoͤchſten Feiertage gehn.
Wie ſollte mir die Kette ſtehn?
Wem mag die Herrlichkeit gehoͤren?
Wenn nur die Ohrring’ meine waͤren!
Man ſieht doch gleich ganz anders drein.
Was hilft euch Schoͤnheit, junges Blut?
Das iſt wohl alles ſchoͤn und gut,
Allein man laͤßt’s auch alles ſeyn;
Man lobt euch halb mit Erbarmen.
Nach Golde draͤngt,
Am Golde haͤngt
Doch alles. Ach wir Armen!
[[180]]
Spazirgang.
phiſtopheles.
Bey aller verſchmaͤhten Liebe! Beym hoͤlliſchen Elemente!
Ich wollt’, ich wuͤßte ’was aͤrgers, daß ich’s fluchen koͤnnte!
Was haſt? was kneipt dich denn ſo ſehr?
So kein Geſicht ſah’ ich in meinem Leben!
Ich moͤcht’ mich gleich dem Teufel uͤbergeben,
Wenn ich nur ſelbſt kein Teufel waͤr’!
Hat ſich dir was im Kopf verſchoben?
Dich kleidet’s, wie ein Raſender zu toben!
[181]
Denkt nur, den Schmuck fuͤr Gretchen angeſchafft,
Den hat ein Pfaff hinweggerafft! —
Die Mutter kriegt das Ding zu ſchauen,
Gleich faͤngt’s ihr heimlich an zu grauen:
Die Frau hat gar einen feinen Geruch,
Schnuffelt immer im Gebetbuch,
Und riecht’s einem jeden Moͤbel an,
Ob das Ding heilig iſt oder profan;
Und an dem Schmuck da ſpuͤrt ſie’s klar,
Daß dabey nicht viel Segen war.
Mein Kind, rief ſie, ungerechtes Gut
Befaͤngt die Seele, zehrt auf das Blut.
Wollen’s der Mutter Gottes weihen,
Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen!
Margretlein zog ein ſchiefes Maul,
Iſt halt, dacht’ ſie, ein geſchenkter Gaul,
Und wahrlich! gottlos iſt nicht der,
Der ihn ſo fein gebracht hierher.
Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;
Der hatte kaum den Spaß vernommen,
Ließ ſich den Anblick wohl behagen.
[182] Er ſprach: So iſt man recht geſinnt!
Wer uͤberwindet der gewinnt.
Die Kirche hat einen guten Magen,
Hat ganze Laͤnder aufgefreſſen,
Und doch noch nie ſich uͤbergeſſen;
Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen,
Kann ungerechtes Gut verdauen.
Das iſt ein allgemeiner Brauch,
Ein Jud’ und Koͤnig kann es auch.
Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’,
Als waͤren’s eben Pfifferling’,
Dankt’ nicht weniger und nicht mehr,
Als ob’s ein Korb voll Nuͤſſe waͤr’,
Verſprach ihnen allen himmliſchen Lohn —
Und ſie waren ſehr erbaut davon.
Und Gretchen?
Sitzt nun unruhvoll,
Weiß weder was ſie will noch ſoll,
[183] Denkt an’s Geſchmeide Tag und Nacht,
Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.
Des Liebchens Kummer thut mir leid.
Schaff’ du ihr gleich ein neu Geſchmeid’!
Am erſten war ja ſo nicht viel.
O ja, dem Herrn iſt alles Kinderſpiel!
Und mach’, und richt’s nach meinem Sinn!
Haͤng’ dich an ihre Nachbarinn.
Sey Teufel doch nur nicht wie Brey,
Und ſchaff’ einen neuen Schmuck herbey!
Ja, gnaͤd’ger Herr, von Herzen gerne.
So ein verliebter Thor verpufft
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.
[[184]]
Der Nachbarinn Haus.
Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
Er hat an mir nicht wohl gethan!
Geht da ſtracks in die Welt hinein,
Und laͤßt mich auf dem Stroh allein.
Thaͤt’ ihn doch wahrlich nicht betruͤben,
Thaͤt’ ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.
Vielleicht iſt er gar todt! — O Pein! — —
Haͤtt’ ich nur einen Todtenſchein!
Frau Marthe!
[185]
Gretelchen, was ſoll’s?
Faſt ſinken mir die Kniee nieder!
Da find’ ich ſo ein Kaͤſtchen wieder
In meinem Schrein, von Ebenholz,
Und Sachen herrlich ganz und gar,
Weit reicher als das erſte war.
Das muß ſie nicht der Mutter ſagen;
Thaͤt’s wieder gleich zur Beichte tragen.
Ach ſeh’ ſie nur! ach ſchau’ ſie nur!
O du gluͤckſel’ge Creatur!
Darf mich, leider, nicht auf der Gaſſen,
Noch in der Kirche mit ſehen laſſen.
Komm du nur oft zu mir heruͤber,
Und leg’ den Schmuck hier heimlich an;
Spazier’ ein Stuͤndchen lang dem Spiegelglas voruͤber,
[186] Wir haben unſre Freude dran;
Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Feſt,
Wo man’s ſo nach und nach den Leuten ſehen laͤßt.
Ein Kettchen erſt, die Perle dann in’s Ohr;
Die Mutter ſieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor.
Wer konnte nur die beyden Kaͤſtchen bringen?
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
Ach Gott! mag das meine Mutter ſeyn?
Es iſt ein fremder Herr — Herein!
Bin ſo frey g’rad’ herein zu treten,
Muß bey den Frauen Verzeihn erbeten.
Wollte nach Frau Marthe Schwerdlein fragen!
Ich bin’s, was hat der Herr zu ſagen?
[187]
Ich kenne Sie jetzt, mir iſt das genug;
Sie hat da gar vornehmen Beſuch.
Verzeiht die Freyheit die ich genommen,
Will Nachmittage wieder kommen.
Denk’, Kind, um alles in der Welt!
Der Herr dich fuͤr ein Fraͤulein haͤlt.
Ich bin ein armes junges Blut;
Ach Gott! der Herr iſt gar zu gut:
Schmuck und Geſchmeide ſind nicht mein.
Ach, es iſt nicht der Schmuck allein;
Sie hat ein Weſen, einen Blick ſo ſcharf!
Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf.
Was bringt Er denn? Verlange ſehr —
Ich wollt’ ich haͤtt’ eine frohere Maͤhr’!
Ich hoffe, Sie laͤßt mich’s drum nicht buͤßen:
Ihr Mann iſt todt und laͤßt Sie gruͤßen.
[188]
Iſt todt? das treue Herz! O weh!
Mein Mann iſt todt! Ach ich vergeh’!
Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!
So hoͤrt die traurige Geſchicht’!
Ich moͤchte drum mein’ Tag’ nicht lieben,
Wuͤrde mich Verluſt zu Tode betruͤben.
Freud’ muß Leid, Leid muß Freude haben.
Erzaͤhlt mir ſeines Lebens Schluß!
Er liegt in Padua begraben
Bey’m heiligen Antonius,
An einer wohlgeweihten Staͤtte
Zum ewig kuͤhlen Ruhebette.
Habt ihr ſonſt nichts an mich zu bringen?
[189]
Ja, eine Bitte, groß und ſchwer;
Laß Sie doch ja fuͤr ihn dreyhundert Meſſen ſingen!
Im uͤbrigen ſind meine Taſchen leer.
Was! nicht ein Schauſtuͤck? Kein Geſchmeid’?
Was jeder Handwerksburſch im Grund des Saͤckels ſpart,
Zum Angedenken aufbewahrt,
Und lieber hungert lieber bettelt!
Madam, es thut mir herzlich leid;
Allein er hat ſein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
Auch er bereute ſeine Fehler ſehr,
Ja, und bejammerte ſein Ungluͤck noch viel mehr.
Ach! daß die Menſchen ſo ungluͤcklich ſind!
Gewiß ich will fuͤr ihn manch Requiem noch beten.
Ihr waͤret werth, gleich in die Eh’ zu treten:
Ihr ſeyd ein liebenswuͤrdig Kind.
Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.
[190]
Iſt’s nicht ein Mann, ſey’s derweil’ ein Galan.
’s iſt eine der groͤßten Himmelsgaben,
So ein lieb Ding im Arm zu haben.
Das iſt des Landes nicht der Brauch.
Brauch oder nicht! es gibt ſich auch.
Erzaͤhlt mir doch!
Ich ſtand an ſeinem Sterbebette,
Es war was beſſer als von Miſt,
Von halbgefaultem Stroh; allein er ſtarb als Chriſt,
Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche haͤtte.
Wie, rief er, muß ich mich von Grund aus haſſen,
So mein Gewerb, mein Weib ſo zu verlaſſen!
Ach! die Erinnerung toͤdtet mich.
Vergaͤb’ ſie mir nur noch in dieſem Leben! —
Der gute Mann! ich hab’ ihm laͤngſt vergeben.
[191]
Allein, weiß Gott! ſie war mehr Schuld als ich.
Das luͤgt er! Was! am Rand des Grab’s zu luͤgen!
Er fabelte gewiß in letzten Zuͤgen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
Ich hatte, ſprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,
Erſt Kinder, und dann Brot fuͤr ſie zu ſchaffen,
Und Brot im allerweit’ſten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden eſſen.
Hat er ſo aller Treu’, ſo aller Lieb’ vergeſſen,
Der Plackerey bey Tag und Nacht!
Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.
Er ſprach: Als ich nun weg von Malta ging,
Da betet’ ich fuͤr Frau und Kinder bruͤnſtig;
Uns war denn auch der Himmel guͤnſtig,
Daß unſer Schiff ein Tuͤrkiſch Fahrzeug fing,
Das einen Schatz des großen Sultans fuͤhrte.
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
[192] Und ich empfing denn auch, wie ſich’s gebuͤhrte,
Mein wohlgemeſſ’nes Theil davon.
Ey wie? Ey wo? Hat er’s vielleicht vergraben?
Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben.
Ein ſchoͤnes Fraͤulein nahm ſich ſeiner an,
Als er in Napel fremd umher ſpazirte;
Sie hat an ihm viel Lieb’s und Treu’s gethan,
Daß er’s bis an ſein ſelig Ende ſpuͤrte.
Der Schelm! der Dieb an ſeinen Kindern!
Auch alles Elend, alle Noth
Konnt’ nicht ſein ſchaͤndlich Leben hindern!
Ja ſeht! dafuͤr iſt er nun todt.
Waͤr’ ich nun jetzt an eurem Platze;
Betraurt’ ich ihn ein zuͤchtig Jahr,
Viſirte dann unterweil’ nach einem neuen Schatze.
Ach Gott! wie doch mein erſter war,
Find’ ich nicht leicht auf dieſer Welt den andern!
[193] Es konnte kaum ein herziger Naͤrrchen ſeyn.
Er liebte nur das allzuviele Wandern,
Und fremde Weiber, und fremden Wein,
Und das verfluchte Wuͤrfelſpiel.
Nun, nun, ſo konnt’ es gehn und ſtehen,
Wenn er euch ungefaͤhr ſo viel
Von ſeiner Seite nachgeſehen.
Ich ſchwoͤr’ euch zu, mit dem Beding
Wechſelt’ ich ſelbſt mit euch den Ring!
O es beliebt dem Herrn zu ſcherzen!
Nun mach’ ich mich bey Zeiten fort!
Die hielte wohl den Teufel ſelbſt beym Wort.
Wie ſteht es denn mit Ihrem Herzen?
Was meint der Herr damit?
Du gut’s, unſchuldig’s Kind!
Lebt wohl ihr Frauen!
13
[194]
Lebt wohl!
O ſagt mir doch geſchwind!
Ich moͤchte gern ein Zeugniß haben,
Wo, wie und wann mein Schatz geſtorben und begraben.
Ich bin von je der Ordnung Freund geweſen,
Moͤcht’ ihn auch todt im Wochenblaͤttchen leſen.
Ja, gute Frau, durch zweyer Zeugen Mund
Wird allerwegs die Wahrheit kund;
Habe noch gar einen feinen Geſellen,
Den will ich euch vor den Richter ſtellen.
Ich bring’ ihn her.
O thut das ja!
Und hier die Jungfrau iſt auch da? —
Ein braver Knab’! iſt viel gereiſ’t,
Fraͤuleins alle Hoͤflichkeit erweiſ’t.
Muͤßte vor dem Herren ſchamroth werden.
[195]
Vor keinem Koͤnige der Erden.
Da hinter’m Haus in meinem Garten
Wollen wir der Herrn heut’ Abend warten.
[[196]]
Straße.
Wie iſt’s? Will’s foͤrdern? Will’s bald gehn?
Ah bravo! Find’ ich euch in Feuer?
In kurzer Zeit iſt Gretchen euer.
Heut’ Abend ſollt ihr ſie bey Nachbar’ Marthen ſehn:
Das iſt ein Weib wie auserleſen
Zum Kuppler- und Zigeunerweſen!
So recht!
Doch wird auch was von uns begehrt.
[197]
Ein Dienſt iſt wohl des andern werth.
Wir legen nur ein guͤltig Zeugniß nieder,
Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder
In Padua an heil’ger Staͤtte ruhn.
Sehr klug! Wir werden erſt die Reiſe machen muͤſſen!
Sancta Simplicitas! darum iſt’s nicht zu thun;
Bezeugt nur ohne viel zu wiſſen.
Wenn Er nichts beſſers hat, ſo iſt der Plan zerriſſen.
O heil’ger Mann! Da waͤr’t ihr’s nun!
Iſt es das erſtemal in eurem Leben,
Daß ihr falſch Zeugniß abgelegt?
Habt ihr von Gott, der Welt und was ſich d’rin bewegt,
Vom Menſchen, was ſich ihm in Kopf und Herzen regt,
Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?
Mit frecher Stirne, kuͤhner Bruſt?
Und wollt ihr recht in’s Innre gehen,
[198] Habt ihr davon, ihr muͤßt es g’rad’ geſtehen,
So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt!
Du biſt und bleibſt ein Luͤgner, ein Sophiſte.
Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wuͤßte.
Denn morgen wirſt in allen Ehren
Das arme Gretchen nicht bethoͤren,
Und alle Seelenlieb’ ihr ſchwoͤren?
Und zwar von Herzen.
Gut und ſchoͤn!
Dann wird von ewiger Treu’ und Liebe,
Von einzig uͤberallmaͤcht’gem Triebe —
Wird das auch ſo von Herzen gehn?
Laß das! Es wird! — Wenn ich empfinde,
Fuͤr das Gefuͤhl, fuͤr das Gewuͤhl
Nach Namen ſuche, keinen finde,
Dann durch die Welt mit allen Sinnen ſchweife,
Nach allen hoͤchſten Worten greife,
[199] Und dieſe Gluth, von der ich brenne,
Unendlich, ewig, ewig nenne,
Iſt das ein teufliſch Luͤgenſpiel?
Ich hab’ doch Recht!
Hoͤr’! merk’ dir dieß —
Ich bitte dich, und ſchone meine Lunge —
Wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge,
Behaͤlt’s gewiß.
Und komm’, ich hab’ des Schwaͤtzens Ueberdruß,
Denn du haſt Recht, vorzuͤglich weil ich muß.
[[200]]
Garten.
Marthe mit Mephiſtopheles auf
und ab ſpazirend.
Ich fuͤhl’ es wohl, daß mich der Herr nur ſchont,
Herab ſich laͤßt, mich zu beſchaͤmen.
Ein Reiſender iſt ſo gewohnt
Aus Guͤtigkeit fuͤrlieb zu nehmen,
Ich weiß zu gut, daß ſolch’ erfahrnen Mann
Mein arm Geſpraͤch nicht unterhalten kann.
Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhaͤlt,
Als alle Weisheit dieſer Welt.
[201]
Incommodirt euch nicht! Wie koͤnnt ihr ſie nur kuͤſſen?
Sie iſt ſo garſtig, iſt ſo rauh!
Was hab’ ich nicht ſchon alles ſchaffen muͤſſen!
Die Mutter iſt gar zu genau.
Und ihr, mein Herr, ihr reiſ’t ſo immer fort?
Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben!
Mit wie viel Schmerz verlaͤßt man manchen Ort,
Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
In raſchen Jahren geht’s wohl an,
So um und um frey durch die Welt zu ſtreifen;
Doch koͤmmt die boͤſe Zeit heran,
Und ſich als Hageſtolz allein zum Grab’ zu ſchleifen,
Das hat noch keinem wohl gethan.
Mit Grauſen ſeh’ ich das von weiten.
[202]
Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.
Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
Die Hoͤflichkeit iſt euch gelaͤufig;
Allein ihr habt der Freunde haͤufig,
Sie ſind verſtaͤndiger als ich bin.
O Beſte! glaube, was man ſo verſtaͤndig nennt,
Iſt oft mehr Eitelkeit und Kurzſinn.
Wie?
Ach, daß die Einfalt, daß die Unſchuld nie
Sich ſelbſt und ihren heil’gen Werth erkennt!
Daß Demuth, Niedrigkeit, die hoͤchſten Gaben
Der liebevoll austheilenden Natur —
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.
[203]
Ihr ſeyd wohl viel allein?
Ja, unſre Wirthſchaft iſt nur klein,
Und doch will ſie verſehen ſeyn.
Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, ſtricken
Und naͤhn, und laufen fruͤh und ſpat;
Und meine Mutter iſt in allen Stuͤcken
So accurat!
Nicht daß ſie juſt ſo ſehr ſich einzuſchraͤnken hat;
Wir koͤnnten uns weit eh’r als andre regen:
Mein Vater hinterließ ein huͤbſch Vermoͤgen,
Ein Haͤuschen und ein Gaͤrtchen vor der Stadt.
Doch hab’ ich jetzt ſo ziemlich ſtille Tage;
Mein Bruder iſt Soldat,
Mein Schweſterchen iſt todt.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth;
Doch uͤbernaͤhm’ ich gern noch einmal alle Plage,
So lieb war mir das Kind.
Ein Engel, wenn dir’s glich.
[204]
Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.
Es war nach meines Vaters Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie ſie damals lag,
Und ſie erholte ſich ſehr langſam, nach und nach.
Da konnte ſie nun nicht d’ran denken
Das arme Wuͤrmchen ſelbſt zu traͤnken,
Und ſo erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein.
Auf meinem Arm, in meinem Schoos
War’s freundlich, zappelte, ward groß.
Du haſt gewiß das reinſte Gluͤck empfunden.
Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden.
Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht
An meinem Bett’, es durfte kaum ſich regen,
War ich erwacht;
Bald mußt’ ich’s traͤnken, bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn,
Und taͤnzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
[205] Und fruͤh am Tage ſchon am Waſchtrog ſtehn;
Dann auf dem Markt und an dem Herde ſorgen,
Und immer fort wie heut ſo morgen.
Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu;
Doch ſchmeckt dafuͤr das Eſſen, ſchmeckt die Ruh.
Die armen Weiber ſind doch uͤbel dran:
Ein Hageſtolz iſt ſchwerlich zu bekehren.
Es kaͤme nur auf eures gleichen an,
Mich eines beſſern zu belehren.
Sagt g’rad’, mein Herr, habt ihr noch nichts gefunden?
Hat ſich das Herz nicht irgendwo gebunden?
Das Sprichwort ſagt: Ein eigner Herd,
Ein braves Weib, ſind Gold und Perlen werth.
Ich meine, ob ihr niemals Luſt bekommen?
Man hat mich uͤberall recht hoͤflich aufgenommen.
[206]
Ich wollte ſagen: ward’s nie Ernſt in eurem Herzen?
Mit Frauen ſoll man ſich nie unterſtehn zu ſcherzen.
Ach, ihr verſteht mich nicht!
Das thut mir herzlich leid!
Doch ich verſteh’ — daß ihr ſehr guͤtig ſeyd.
Du kannteſt mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
Saht ihr es nicht? ich ſchlug die Augen nieder.
Und du verzeihſt die Freyheit, die ich nahm?
Was ſich die Frechheit unterfangen,
Als du juͤngſt aus dem Dom gegangen.
Ich war beſtuͤrzt, mir war das nie geſchehn;
Es konnte niemand von mir uͤbels ſagen.
[207] Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen
Was freches, unanſtaͤndiges geſehn?
Es ſchien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieſer Dirne g’rade hin zu handeln.
Geſteh’ ich’s doch! Ich wußte nicht was ſich
Zu eurem Vortheil hier zu regen gleich begonnte;
Allein gewiß, ich war recht boͤſ’ auf mich,
Daß ich auf euch nicht boͤſer werden konnte.
Suͤß Liebchen!
Laßt einmal!
andern.
Was ſoll das? Einen Strauß?
Nein, es ſoll nur ein Spiel.
Wie?
Geht! ihr lacht mich aus.
[208]
Was murmelſt du?
Er liebt mich — liebt mich nicht.
Du holdes Himmels-Angeſicht!
Liebt mich — Nicht — Liebt mich — Nicht —
Er liebt mich!
Ja, mein Kind! Laß dieſes Blumenwort
Dir Goͤtter-Ausſpruch ſeyn. Er liebt dich!
Verſtehſt du, was das heißt? Er liebt dich!
Mich uͤberlaͤuft’s!
O ſchaudre nicht! Laß dieſen Blick,
Laß dieſen Haͤndedruck dir ſagen,
Was unausſprechlich iſt:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
[209] Zu fuͤhlen, die ewig ſeyn muß!
Ewig! — Ihr Ende wuͤrde Verzweiflung ſeyn.
Nein, kein Ende! Kein Ende!
Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.
Die Nacht bricht an.
Ja, und wir wollen fort.
Ich baͤt’ euch laͤnger hier zu bleiben,
Allein es iſt ein gar zu boͤſer Ort.
Es iſt als haͤtte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu ſchaffen,
Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
Und man kommt in’s Gered’, wie man ſich immer ſtellt.
Und unſer Paͤrchen?
Iſt den Gang dort aufgeflogen.
Muthwill’ge Sommervoͤgel!
14
[210]
Er ſcheint ihr gewogen.
Und ſie ihm auch. Das iſt der Lauf der Welt.
[[211]]
Ein Gartenhäuschen.
Fingerſpitze an die Lippen, und guckt durch die Ritze.
Er kommt!
Ach Schelm, ſo neckſt du mich!
Treff’ ich dich!
Beſter Mann! von Herzen lieb’ ich dich!
[212]
Wer da?
Gut Freund!
Ein Thier!
Es iſt wohl Zeit zu ſcheiden.
Ja, es iſt ſpaͤt, mein Herr.
Darf ich euch nicht geleiten?
Die Mutter wuͤrde mich — Lebt wohl!
Muß ich denn gehn?
Lebt wohl!
Ade!
Auf baldig Wiederſehn!
[213]
Du lieber Gott! was ſo ein Mann
Nicht alles alles denken kann!
Beſchaͤmt nur ſteh’ ich vor ihm da,
Und ſag’ zu allen Sachen ja.
Bin doch ein arm unwiſſend Kind,
Begreife nicht was er an mir find’t.
[[214]]
Wald und Höhle.
Erhabner Geiſt, du gabſt mir, gabſt mir alles,
Warum ich bat. Du haſt mir nicht umſonſt
Dein Angeſicht im Feuer zugewendet.
Gabſt mir die herrliche Natur zum Koͤnigreich,
Kraft, ſie zu fuͤhlen, zu genießen. Nicht
Kalt ſtaunenden Beſuch erlaubſt du nur,
Vergoͤnneſt mir in ihre tiefe Bruſt,
Wie in den Buſen eines Freund’s, zu ſchauen.
Du fuͤhrſt die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbey, und lehrſt mich meine Bruͤder
Im ſtillen Buſch, in Luft und Waſſer kennen.
Und wenn der Sturm im Walde brauſ’t und knarrt,
Die Rieſenfichte, ſtuͤrzend, Nachbaraͤſte
[215] Und Nachbarſtaͤmme, quetſchend, nieder ſtreift,
Und ihrem Fall dumpf hohl der Huͤgel donnert;
Dann fuͤhrſt du mich zur ſichern Hoͤhle, zeigſt
Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen Bruſt
Geheime tiefe Wunder oͤffnen ſich.
Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond
Beſaͤnftigend heruͤber; ſchweben mir
Von Felſenwaͤnden, aus dem feuchten Buſch,
Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf,
Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt.
O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes wird,
Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne,
Die mich den Goͤttern nah’ und naͤher bringt,
Mir den Gefaͤhrten, den ich ſchon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mich vor mir ſelbſt erniedrigt, und zu Nichts,
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
Er facht in meiner Bruſt ein wildes Feuer
Nach jenem ſchoͤnen Bild geſchaͤftig an.
[216] So tauml’ ich von Begierde zu Genuß,
Und im Genuß verſchmacht’ ich nach Begierde.
Habt ihr nun bald das Leben g’nug gefuͤhrt?
Wie kann’s euch in die Laͤnge freuen?
Es iſt wohl gut, daß man’s einmal probirt;
Dann aber wieder zu was neuen!
Ich wollt’, du haͤtteſt mehr zu thun,
Als mich am guten Tag zu plagen.
Nun nun! ich laß’ dich gerne ruhn,
Du darfſt mir’s nicht im Ernſte ſagen.
An dir Geſellen unhold, barſch und toll,
Iſt wahrlich wenig zu verlieren.
Den ganzen Tag hat man die Haͤnde voll!
Was ihm gefaͤllt und was man laſſen ſoll,
Kann man dem Herrn nie an der Naſe ſpuͤren.
[217]
Das iſt ſo juſt der rechte Ton!
Er will noch Dank, daß er mich ennuͤyirt.
Wie haͤtt’ſt du, armer Erdenſohn,
Dein Leben ohne mich gefuͤhrt?
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang curirt;
Und waͤr’ ich nicht, ſo waͤr’ſt du ſchon
Von dieſem Erdball abſpazirt.
Was haſt du da in Hoͤhlen, Felſenritzen
Dich wie ein Schuhu zu verſitzen?
Was ſchlurfſt aus dumpfem Moos und triefendem Geſtein,
Wie eine Kroͤte, Nahrung ein?
Ein ſchoͤner, ſuͤßer Zeitvertreib!
Dir ſteckt der Doctor noch im Leib.
Verſtehſt du, was fuͤr neue Lebenskraft
Mir dieſer Wandel in der Oede ſchafft?
Ja, wuͤrdeſt du es ahnden koͤnnen,
Du waͤreſt Teufel g’nug mein Gluͤck mir nicht zu goͤnnen.
[218]
Ein uͤberirdiſches Vergnuͤgen!
In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen,
Und Erd und Himmel wonniglich umfaſſen,
Zu einer Gottheit ſich aufſchwellen laſſen,
Der Erde Mark mit Ahndungsdrang durchwuͤhlen,
Alle ſechs Tagewerk’ im Buſen fuͤhlen,
In ſtolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
Bald liebewonniglich in alles uͤberfließen,
Verſchwunden ganz der Erdenſohn,
Und dann die hohe Intuition —
Ich darf nicht ſagen wie — zu ſchließen.
Pfuy uͤber dich!
Das will euch nicht behagen;
Ihr habt das Recht geſittet pfuy zu ſagen.
Man darf das nicht vor keuſchen Ohren nennen,
Was keuſche Herzen nicht entbehren koͤnnen.
Und kurz und gut, ich goͤnn’ Ihm das Vergnuͤgen,
Gelegentlich ſich etwas vorzuluͤgen;
[219] Doch lange haͤlt Er das nicht aus.
Du biſt ſchon wieder abgetrieben,
Und, waͤhrt es laͤnger, aufgerieben
In Tollheit oder Angſt und Graus.
Genug damit! dein Liebchen ſitzt dadrinne,
Und alles wird ihr eng’ und truͤb’.
Du kommſt ihr gar nicht aus dem Sinne,
Sie hat dich uͤbermaͤchtig lieb.
Erſt kam deine Liebeswuth uͤbergefloſſen,
Wie vom geſchmolznen Schnee ein Baͤchlein uͤberſteigt;
Du haſt ſie ihr in’s Herz gegoſſen,
Nun iſt dein Baͤchlein wieder ſeicht.
Mich duͤnkt, anſtatt in Waͤldern zu thronen,
Ließ es dem großen Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
Fuͤr ſeine Liebe zu belohnen.
Die Zeit wird ihr erbaͤrmlich lang;
Sie ſteht am Fenſter, ſieht die Wolken ziehn
Ueber die alte Stadtmauer hin.
Wenn ich ein Voͤglein waͤr’! ſo geht ihr Geſang
Tagelang, halbe Naͤchte lang.
Einmal iſt ſie munter, meiſt betruͤbt,
[220] Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie’s ſcheint,
Und immer verliebt.
Schlange! Schlange!
Gelt! daß ich dich fange!
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das ſchoͤne Weib!
Bring’ die Begier zu ihrem ſuͤßen Leib
Nicht wieder vor die halb verruͤckten Sinnen!
Was ſoll es denn? Sie meint, du ſeyſt entfloh’n,
Und halb und halb biſt du es ſchon.
Ich bin ihr nah’, und waͤr’ ich noch ſo fern,
Ich kann ſie nie vergeſſen, nie verlieren;
Ja, ich beneide ſchon den Leib des Herrn,
Wenn ihre Lippen ihn indeß beruͤhren.
[221]
Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet
Um’s Zwillingspaar, das unter Roſen weidet.
Entfliehe, Kuppler!
Schoͤn! Ihr ſchimpft und ich muß lachen.
Der Gott, der Bub’ und Maͤdchen ſchuf,
Erkannte gleich den edelſten Beruf,
Auch ſelbſt Gelegenheit zu machen.
Nur fort, es iſt ein großer Jammer!
Ihr ſollt in eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
Was iſt die Himmelsfreud’ in ihren Armen?
Laß mich an ihrer Bruſt erwarmen!
Fuͤhl’ ich nicht immer ihre Noth?
Bin ich der Fluͤchtling nicht? der Unbehauſ’te?
Der Unmenſch ohne Zweck und Ruh?
Der wie ein Waſſerſturz von Fels zu Felſen brauſ’te
Begierig wuͤthend nach dem Abgrund zu.
Und ſeitwaͤrts ſie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
[222] Im Huͤttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
Und all ihr haͤusliches Beginnen
Umfangen in der kleinen Welt.
Und ich, der Gottverhaßte, hatte nicht genug,
Daß ich die Felſen faßte
Und ſie zu Truͤmmern ſchlug!
Sie, ihren Frieden mußt’ ich untergraben!
Du, Hoͤlle, mußteſt dieſes Opfer haben!
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angſt verkuͤrzen,
Was muß geſchehn, mag’s gleich geſchehn!
Mag ihr Geſchick auf mich zuſammenſtuͤrzen
Und ſie mit mir zu Grunde gehn!
Wie’s wieder ſiedet, wieder gluͤht!
Geh’ ein und troͤſte ſie, du Thor!
Wo ſo ein Koͤpfchen keinen Ausgang ſieht,
Stellt er ſich gleich das Ende vor.
Es lebe wer ſich tapfer haͤlt!
Du biſt doch ſonſt ſo ziemlich eingeteufelt.
Nichts abgeſchmackters find’ ich auf der Welt,
Als einen Teufel der verzweifelt.
[[223]]
Gretchens Stube.
Meine Ruh’ iſt hin,
Mein Herz iſt ſchwer,
Ich finde ſie nimmer
Und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab’
Iſt mir das Grab,
Die ganze Welt
Iſt mir vergaͤllt.
[224]
Mein armer Kopf
Iſt mir verruͤckt,
Mein armer Sinn
Iſt mir zerſtuͤckt.
Meine Ruh’ iſt hin,
Mein Herz iſt ſchwer,
Ich finde ſie nimmer
Und nimmermehr.
Nach ihm nur ſchau’ ich
Zum Fenſter hinaus,
Nach ihm nur geh’ ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang,
Sein’ edle Geſtalt,
Seines Mundes Laͤcheln,
Seiner Augen Gewalt,
Und ſeiner Rede
Zauberfluß,
Sein Haͤndedruck,
Und ach ſein Kuß!
[225]
Meine Ruh’ iſt hin,
Mein Herz iſt ſchwer,
Ich finde ſie nimmer
Und nimmermehr.
Mein Buſen draͤngt
Sich nach ihm hin,
Ach duͤrft’ ich faſſen
Und halten ihn!
Und kuͤſſen ihn
So wie ich wollt’,
An ſeinen Kuͤſſen
Vergehen ſollt’!
15
[[226]]
Marthens Garten.
Verſprich mir, Heinrich!
Was ich kann!
Nun ſag’, wie haſt du’s mit der Religion?
Du biſt ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du haͤlt’ſt nicht viel davon.
Laß das, mein Kind! du fuͤhlſt, ich bin dir gut;
Fuͤr meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut,
Will niemand ſein Gefuͤhl und ſeine Kirche rauben.
[227]
Das iſt nicht recht, man muß d’ran glauben!
Muß man?
Ach! wenn ich etwas auf dich koͤnnte!
Du ehrſt auch nicht die heil’gen Sacramente.
Ich ehre ſie.
Doch ohne Verlangen.
Zur Meſſe, zur Beichte biſt du lange nicht gegangen.
Glaubſt du an Gott?
Mein Liebchen, wer darf ſagen,
Ich glaub’ an Gott?
Magſt Prieſter oder Weiſe fragen,
Und ihre Antwort ſcheint nur Spott
Ueber den Frager zu ſeyn.
So glaubſt du nicht?
[228]
Mißhoͤr’ mich nicht, du holdes Angeſicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn.
Wer empfinden?
Und ſich unterwinden
Zu ſagen: ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfaſſer,
Der Allerhalter,
Faßt und erhaͤlt er nicht
Dich, mich, ſich ſelbſt?
Woͤlbt ſich der Himmel nicht dadroben?
Liegt die Erde nicht hierunten feſt?
Und ſteigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
Und draͤngt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimniß
Unſichtbar ſichtbar neben dir?
Erfuͤll’ davon dein Herz, ſo groß es iſt,
[229] Und wenn du ganz in dem Gefuͤhle ſelig biſt,
Nenn’ es dann wie du willſt,
Nenn’s Gluͤck! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Nahmen
Dafuͤr! Gefuͤhl iſt alles;
Name iſt Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsgluth.
Das iſt alles recht ſchoͤn und gut;
Ungefaͤhr ſagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein Bißchen andern Worten.
Es ſagen’s aller Orten
Alle Herzen unter dem himmliſchen Tage,
Jedes in ſeiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
Wenn man’s ſo hoͤrt, moͤcht’s leidlich ſcheinen,
Steht aber doch immer ſchief darum;
Denn du haſt kein Chriſtenthum.
Lieb’s Kind!
[230]
Es thut mir lang’ ſchon weh,
Daß ich dich in der Geſellſchaft ſeh’.
Wie ſo?
Der Menſch, den du da bey dir haſt,
Iſt mir in tiefer inn’rer Seele verhaßt:
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich in’s Herz gegeben,
Als des Menſchen widrig Geſicht.
Liebe Puppe, fuͤrcht’ ihn nicht!
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin ſonſt allen Menſchen gut;
Aber, wie ich mich ſehne dich zu ſchauen,
Hab’ ich vor dem Menſchen ein heimlich Grauen,
Und halt’ ihn fuͤr einen Schelm dazu!
Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm Unrecht thu’!
Es muß auch ſolche Kaͤuze geben.
[231]
Wollte nicht mit ſeines Gleichen leben!
Kommt er einmal zur Thuͤr herein,
Sieht er immer ſo ſpoͤttiſch drein,
Und halb ergrimmt;
Man ſieht, daß er an nichts keinen Antheil nimmt;
Es ſteht ihm an der Stirn’ geſchrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird’s ſo wohl in deinem Arm,
So frey, ſo hingegeben warm,
Und ſeine Gegenwart ſchnuͤrt mir das Inn’re zu.
Du ahndungsvoller Engel du!
Das uͤbermannt mich ſo ſehr,
Daß, wo er nur mag zu uns treten,
Meyn’ ich ſogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch wenn er da iſt, koͤnnt’ ich nimmer beten,
Und das frißt mir in’s Herz hinein;
Dir, Heinrich, muß es auch ſo ſeyn.
Du haſt nun die Antipathie!
[232]
Ich muß nun fort.
Ach kann ich nie
Ein Stuͤndchen ruhig dir am Buſen haͤngen,
Und Bruſt an Bruſt und Seel’ in Seele draͤngen?
Ach wenn ich nur alleine ſchlief!
Ich ließ dir gern heut Nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter ſchlaͤft nicht tief,
Und wuͤrden wir von ihr betroffen,
Ich waͤr’ gleich auf der Stelle todt!
Du Engel, das hat keine Noth.
Hier iſt ein Flaͤſchchen! Drey Tropfen nur
In ihren Trank umhuͤllen
Mit tiefem Schlaf gefaͤllig die Natur.
Was thu’ ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht ſchaden!
Wuͤrd’ ich ſonſt, Liebchen, dir es rathen?
[233]
Seh’ ich dich, beſter Mann, nur an,
Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe ſchon ſo viel fuͤr dich gethan,
Daß mir zu thun faſt nichts mehr uͤbrig bleibt.
Der Grasaff’! iſt er weg?
Haſt wieder ſpionirt?
Ich hab’s ausfuͤhrlich wohl vernommen.
Herr Doctor wurden da katechiſirt;
Hoff’ es ſoll Ihnen wohl bekommen.
Die Maͤdels ſind doch ſehr intereſſirt,
Ob einer fromm und ſchlicht nach altem Brauch.
Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch.
Du Ungeheuer ſiehſt nicht ein,
Wie dieſe treue liebe Seele
Von ihrem Glauben voll,
[234] Der ganz allein
Ihr ſelig machend iſt, ſich heilig quaͤle,
Daß ſie den liebſten Mann verloren halten ſoll.
Du uͤberſinnlicher, ſinnlicher Freyer,
Ein Maͤgdelein nasfuͤhret dich.
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
Und die Phyſiognomie verſteht ſie meiſterlich.
In meiner Gegenwart wird’s ihr ſie weiß nicht wie,
Mein Maͤskchen da weiſſagt verborgnen Sinn;
Sie fuͤhlt, daß ich ganz ſicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.
Nun heute Nacht —?
Was geht dich’s an?
Hab’ ich doch meine Freude d’ran!
[[235]]
Am Brunnen.
mit Krügen.
Haſt nichts von Baͤrbelchen gehoͤrt?
Kein Wort. Ich komm’ gar wenig unter Leute.
Gewiß, Sibylle ſagt’ mir’s heute!
Die hat ſich endlich auch bethoͤrt.
Das iſt das Vornehmthun!
Wie ſo?
[236]
Es ſtinkt!
Sie fuͤttert zwey, wenn ſie nun ißt und trinkt.
Ach!
So iſt’s ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat ſie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spaziren,
Auf Dorf und Tanzplatz Fuͤhren,
Mußt’ uͤberall die erſte ſeyn,
Curteſirt’ ihr immer mit Paſtetchen und Wein;
Bild’t ſich was auf ihre Schoͤnheit ein,
War doch ſo ehrlos ſich nicht zu ſchaͤmen
Geſchenke von ihm anzunehmen.
War ein Gekoſ’ und ein Geſchleck’;
Da iſt denn auch das Bluͤmchen weg
Das arme Ding!
Bedauerſt ſie noch gar!
Wenn unſer eins am Spinnen war,
[237] Uns Nachts die Mutter nicht hinunterließ;
Stand ſie bey ihrem Buhlen ſuͤß,
Auf der Thuͤrbank und im dunkeln Gang
Ward’ ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag ſie denn ſich ducken nun,
Im Suͤnderhemdchen Kirchbuß’ thun!
Er nimmt ſie gewiß zu ſeiner Frau.
Er waͤr’ ein Narr! Ein flinker Jung’
Hat anderwaͤrts noch Luft genung.
Er iſt auch fort.
Das iſt nicht ſchoͤn!
Kriegt ſie ihn, ſoll’s ihr uͤbel gehn.
Das Kraͤnzel reißen die Buben ihr,
Und Haͤckerling ſtreuen wir vor die Thuͤr!
Wie konnt’ ich ſonſt ſo tapfer ſchmaͤhlen,
[238] Sah ich ein armes Maͤgdlein fehlen!
Wie konnt’ ich uͤber andrer Suͤnden
Nicht Worte g’nug der Zunge finden!
Wie ſchien mir’s ſchwarz, und ſchwaͤrzt’s noch gar,
Mir’s immer doch nicht ſchwarz g’nug war,
Und ſegnet’ mich und that ſo groß,
Und bin nun ſelbſt der Suͤnde bloß!
Doch — alles was dazu mich trieb,
Gott! war ſo gut! ach war ſo lieb!
[[239]]
Zwinger.
krüge davor.
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnaͤdig meiner Noth!
Das Schwert im Herzen,
Mit tauſend Schmerzen
Blickſt auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickſt du,
Und Seufzer ſchickſt du
Hinauf um ſein’ und deine Noth.
[240]
Wer fuͤhlet,
Wie wuͤhlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weißt nur du, nur du allein!
Wohin ich immer gehe,
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Buſen hier!
Ich bin ach kaum alleine,
Ich wein’, ich wein’, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenſter
Bethaut’ ich mit Thraͤnen, ach!
Als ich am fruͤhen Morgen
Dir dieſe Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne fruͤh herauf,
Saß ich in allem Jammer
In meinem Bett’ ſchon auf.
[241]
Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnaͤdig meiner Noth!
16
[[242]]
Nacht.
Wenn ich ſaß bey einem Gelag,
Wo mancher ſich beruͤhmen mag,
Und die Geſellen mir den Flor
Der Maͤgdlein laut geprieſen vor,
Mit vollem Glas das Lob verſchwemmt,
Den Ellenbogen aufgeſtemmt;
Saß ich in meiner ſichern Ruh
Hoͤrt’ all’ dem Schwadroniren zu.
Und ſtreiche laͤchelnd meinen Bart,
Und kriege das volle Glas zur Hand
Und ſage: alles nach ſeiner Art!
Aber iſt eine im ganzen Land,
[243] Die meiner trauten Gretel gleicht,
Die meiner Schweſter das Waſſer reicht?
Top! Top! Kling! Klang! das ging herum!
Die einen ſchrieen: er hat Recht,
Sie iſt die Zier vom ganzen Geſchlecht!
Da ſaßen alle die Lober ſtumm.
Und nun! — um’s Haar ſich auszuraufen
Und an den Waͤnden hinauf zu laufen! —
Mit Stichelreden, Naſeruͤmpfen
Soll jeder Schurke mich beſchimpfen!
Soll wie ein boͤſer Schuldner ſitzen,
Bey jedem Zufallswoͤrtchen ſchwitzen!
Und moͤcht’ ich ſie zuſammenſchmeißen;
Koͤnnt’ ich ſie doch nicht Luͤgner heißen.
Was kommt heran? Was ſchleicht herbey?
Irr’ ich nicht, es ſind ihrer zwey.
Iſt er’s, gleich pack’ ich ihn beym Felle,
Soll nicht lebendig von der Stelle!
Wie von dem Fenſter dort der Sakriſtey
[244] Aufwaͤrts der Schein des ewigen Laͤmpchens flaͤmmert
Und ſchwach und ſchwaͤcher ſeitwaͤrts daͤmmert,
Und Finſterniß draͤngt ringsum bey!
So ſieht’s in meinem Buſen naͤchtig.
Und mir iſt’s wie dem Kaͤtzlein ſchmaͤchtig,
Das an den Feuerleitern ſchleicht,
Sich leiſ’ dann um die Mauern ſtreicht.
Mir iſt’s ganz tugendlich dabey,
Ein Bißchen Diebsgeluͤſt, ein Bißchen Rammeley.
So ſpukt mir ſchon durch alle Glieder
Die herrliche Walpurgisnacht.
Die kommt uns uͤbermorgen wieder,
Da weiß man doch warum man wacht.
Ruͤckt wohl der Schatz indeſſen in die Hoͤh’?
Den ich dorthinten flimmern ſeh’.
Du kannſt die Freude bald erleben,
Das Keſſelchen herauszuheben.
Ich ſchielte neulich ſo hinein,
Sind herrliche Loͤwenthaler drein.
[245]
Nicht ein Geſchmeide? Nicht ein Ring?
Meine liebe Buhle damit zu zieren.
Ich ſah dabey wohl ſo ein Ding,
Als wie eine Art von Perlenſchnuͤren.
So iſt es recht! Mir thut es weh,
Wenn ich ohne Geſchenke zu ihr geh’.
Es ſollt’ euch eben nicht verdrießen
Umſonſt auch etwas zu genießen.
Jetzt da der Himmel voller Sterne gluͤht,
Sollt ihr ein wahres Kunſtſtuͤck hoͤren:
Ich ſing’ ihr ein moraliſch Lied,
Um ſie gewiſſer zu bethoͤren.
Was machſt du mir
Vor Liebchens Thuͤr
Cathrinchen hier
Bey fruͤhem Tagesblicke?
Laß, laß es ſeyn!
[246] Er laͤßt dich ein
Als Maͤdchen ein,
Als Maͤdchen nicht zuruͤcke.
Nehmt euch in Acht!
Iſt es vollbracht,
Dann gute Nacht
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Thut keinem Dieb
Nur nichts zu Lieb’,
Als mit dem Ring am Finger.
Wen lockſt du hier? beym Element!
Vermaledeyter Rattenfaͤnger!
Zum Teufel erſt das Inſtrument!
Zum Teufel hinter drein den Saͤnger!
Die Zither iſt entzwey! an der iſt nichts zu halten.
Nun ſoll es an ein Schedelſpalten!
[247]
Herr Doctor nicht gewichen! Friſch!
Hart an mich an, wie ich euch fuͤhre.
Heraus mit eurem Flederwiſch!
Nur zugeſtoßen! ich parire.
Parire den!
Warum denn nicht?
Auch den!
G[e]wiß!
Ich glaub’ der Teufel ficht!
Was iſt denn das? Schon wird die Hand mir lahm.
Stoß zu!
O weh!
Nun iſt der Luͤmmel zahm!
[248] Nun aber fort! Wir muͤſſen gleich verſchwinden:
Denn ſchon entſteht ein moͤrderlich Geſchrey.
Ich weiß mich trefflich mit der Polizey,
Doch mit dem Blutbann ſchlecht mich abzufinden.
Heraus! Heraus!
Herbey ein Licht!
Man ſchilt und rauft, man ſchreit und ficht.
Da liegt ſchon einer todt!
Die Moͤrder ſind ſie denn entflohn?
Wer liegt hier?
Deiner Mutter Sohn.
Allmaͤchtiger! welche Noth!
[249]
Ich ſterbe! das iſt bald geſagt
Und baͤlder noch gethan.
Was ſteht ihr Weiber, heult und klagt?
Kommt her und hoͤrt mich an!
Mein Gretchen ſieh! du biſt noch jung,
Biſt gar noch nicht geſcheidt genung,
Machſt deine Sachen ſchlecht.
Ich ſag’ dir’s im Vertrauen nur:
Du biſt doch nun einmal eine Hur’;
So ſey’s auch eben recht.
Mein Bruder! Gott! Was ſoll mir das?
Laßt unſern Herr Gott aus dem Spaß.
Geſchehn iſt leider nun geſchehn,
Und wie es gehn kann, ſo wird’s gehn.
Du fingſt mit Einem heimlich an,
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erſt ein Dutzend hat,
So hat dich auch die ganze Stadt.
[250]
Wenn erſt die Schande wird geboren,
Wird ſie heimlich zur Welt gebracht,
Und man zieht den Schleyer der Nacht
Ihr uͤber Kopf und Ohren;
Ja, man moͤchte ſie gern ermorden.
Waͤchſt ſie aber und macht ſich groß,
Dann geht ſie auch bey Tage bloß,
Und iſt doch nicht ſchoͤner geworden.
Je haͤßlicher wird ihr Geſicht,
Je mehr ſucht ſie des Tageslicht.
Ich ſeh’ wahrhaftig ſchon die Zeit
Daß alle brave Buͤrgersleut’
Wie von einer angeſteckten Leichen
Von dir, du Metze! ſeitab weichen.
Dir ſoll das Herz im Leib verzagen!
Wenn ſie dir in die Augen ſehn.
Sollſt keine goldne Kette mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar ſtehn
In einem ſchoͤnen Spitzenkragen
Dich nicht beym Tanze wohlbehagen!
In eine finſtre Jammerecken
[251] Unter Bettler und Kruͤpel dich verſtecken,
Und wenn dir denn auch Gott verzeiht,
Auf Erden ſeyn vermaledeyt!
Befehlt eure Seele Gott zu Gnaden!
Wollt ihr noch Laͤſtrung auf euch laden?
Koͤnnt’ ich dir nur an den duͤrren Leib
Du ſchaͤndlich kuppleriſches Weib!
Da hofft’ ich aller meiner Suͤnden
Vergebung reiche Maß zu finden.
Mein Bruder! Welche Hoͤllenpein!
Ich ſage, laß die Thraͤnen ſeyn!
Da du dich ſprachſt der Ehre los,
Gabſt mir den ſchwerſten Herzensſtoß.
Ich gehe durch den Todesſchlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
[[252]]
Dom.
Amt, Orgel und Geſang.
hinter Gretchen.
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unſchuld
Hier zum Altar trat’ſt,
Aus dem vergriffnen Buͤchelchen
Gebete lallteſt,
Halb Kinderſpiele,
Halb Gott im Herzen
Gretchen!
Wo ſteht dein Kopf?
[253] In deinem Herzen,
Welche Miſſethat?
Bet’ſt du fuͤr deiner Mutter Seele? die
Durch dich zur langen, langen Pein hinuͤberſchlief.
Auf deiner Schwelle weſſen Blut?
— Und unter deinem Herzen
Regt ſich’s nicht quillend ſchon,
Und aͤngſtet dich und ſich
Mit ahndungsvoller Gegenwart?
Weh! Weh!
Waͤr’ ich der Gedanken los,
Die mir heruͤber und hinuͤber gehen
Wider mich!
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.
Grimm faßt dich!
Die Poſaune toͤnt!
Die Graͤber beben!
[254] Und dein Herz,
Aus Aſchenruh’
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeſchaffen,
Bebt auf!
Waͤr’ ich hier weg!
Mir iſt als ob die Orgel mir
Den Athem verſetzte,
Geſang mein Herz
Im Tiefſten loͤſ’te.
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.
Mir wird ſo eng’!
Die Mauern-Pfeiler
Befangen mich!
Das Gewoͤlbe
Draͤngt mich! — Luft!
[255]
Verbirg’ dich! Suͤnd’ und Schande
Bleibt’ nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
Ihr Antlitz wenden
Verklaͤrte von dir ab.
Die Haͤnde dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!
Quid sum miser tunc dicturus?
Nachbarin! Euer Flaͤſchchen! —
[[256]]
Walpurgisnacht.
Gegend von Schirke und Elend.
Fauſt. Mephiſtopheles.
Verlangſt du nicht nach einem Beſenſtiele?
Ich wuͤnſchte mir den allerderbſten Bock.
Auf dieſem Weg ſind wir noch weit vom Ziele.
So lang’ ich mich noch friſch auf meinen Beinen fuͤhle,
Genuͤgt mir dieſer Knotenſtock.
Was hilft’s daß man den Weg verkuͤrzt! —
Im Labyrinth der Thaͤler hinzuſchleichen,
Dann dieſen Felſen zu erſteigen,
[257] Von dem der Quell ſich ewig ſprudelnd ſtuͤrzt,
Das iſt die Luſt, die ſolche Pfade wuͤrzt!
Der Fruͤhling webt ſchon in den Birken
Und ſelbſt die Fichte fuͤhlt ihn ſchon,
Sollt’ er nicht auch auf unſre Glieder wirken?
Fuͤrwahr ich ſpuͤre nichts davon!
Mir iſt es winterlich im Leibe,
Ich wuͤnſchte Schnee und Froſt auf meiner Bahn.
Wie traurig ſteigt die unvollkommne Scheibe
Des rothen Monds mit ſpaͤter Gluth heran!
Und leuchtet ſchlecht, daß man bey jedem Schritte,
Vor einen Baum, vor einen Felſen rennt!
Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte!
Dort ſeh’ ich eins, das eben luſtig brennt.
He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
Was willſt du ſo vergebens lodern?
Sey doch ſo gut und leucht’ uns da hinauf!
Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, ſoll es mir gelingen
Mein leichtes Naturell zu zwingen,
Nur Zickzack geht gewoͤhnlich unſer Lauf.
17
[258]
Ei! Ei! er denkt’s den Menſchen nachzuahmen.
Geh er nur g’rad’, in’s Teufels Nahmen!
Sonſt blaſ’ ich ihm ſein Flacker-Leben aus.
Ich merke wohl, ihr ſeyd der Herr vom Haus,
Und will mich gern nach euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg iſt heute zaubertoll,
Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weiſen ſoll,
So muͤßt ihr’s ſo genau nicht nehmen.
In die Traum- und Zauberſphaͤre
Sind wir, ſcheint es, eingegangen.
Fuͤhr’ uns gut und mach’ dir Ehre!
Daß wir vorwaͤrts bald gelangen,
In den weiten, oͤden Raͤumen.
Seh’ die Baͤume hinter Baͤumen,
Wie ſie ſchnell voruͤber ruͤcken,
Und die Klippen, die ſich buͤcken,
Und die langen Felſennaſen,
Wie ſie ſchnarchen, wie ſie blaſen!
[259]
Durch die Steine, durch den Raſen
Eilet Bach und Baͤchlein nieder.
Hoͤr’ ich Rauſchen? hoͤr’ ich Lieder?
Hoͤr’ ich holde Liebesklage,
Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wieder.
Uhu! Schuhu! toͤnt es naͤher,
Kauz und Kibitz und der Haͤher,
Sind ſie alle wach geblieben?
Sind das Molche durchs Geſtraͤuche?
Lange Beine, dicke Baͤuche.
Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
Winden ſich aus Fels und Sande;
Strecken wunderliche Bande,
Uns zu ſchrecken, uns zu fangen;
Aus belebten, derben Maſern
Stecken ſie Polypenfaſern
Nach dem Wandrer. Und die Maͤuſe
Tauſendfaͤrbig, ſchaarenweiſe,
[260] Durch das Moos und durch die Heide!
Und die Funkenwuͤrmer fliegen,
Mit gedraͤngten Schwaͤrme-Zuͤgen,
Zum verwirrenden Geleite.
Aber ſag’ mir ob wir ſtehen?
Oder ob wir weiter gehen?
Alles alles ſcheint zu drehen,
Fels und Baͤume, die Geſichter
Schneiden, und die irren Lichter,
Die ſich mehren, die ſich blaͤhen.
Faſſe wacker meinen Zipfel!
Hier iſt ſo ein Mittelgipfel,
Wo man mit Erſtaunen ſieht,
Wie im Berg der Mammon gluͤht.
Wie ſeltſam glimmert durch die Gruͤnde
Ein morgenroͤthlich truͤber Schein!
Und ſelbſt bis in die tiefen Schluͤnde
Des Abgrunds wittert er hinein.
Da ſteigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
[261] Hier leuchtet Glut aus Dunſt und Flor,
Dann ſchleicht ſie wie ein zarter Faden,
Dann bricht ſie wie ein Quell hervor.
Hier ſchlingt ſie eine ganze Strecke,
Mit hundert Adern, ſich durchs Thal,
Und hier in der gedraͤngten Ecke
Vereinzelt ſie ſich auf einmal.
Da ſpruͤhen Funken in der Naͤhe,
Wie ausgeſtreuter goldner Sand.
Doch ſchau! in ihrer ganzen Hoͤhe
Entzuͤndet ſich die Felſenwand.
Erleuchtet nicht zu dieſem Feſte
Herr Mammon praͤchtig den Pallaſt?
Ein Gluͤck daß du’s geſehen haſt;
Ich ſpuͤre ſchon die ungeſtuͤmen Gaͤſte.
Wie raſ’t die Windsbraut durch die Luft!
Mit welchen Schlaͤgen trifft ſie meinen Nacken!
Du mußt des Felſens alte Rippen packen,
Sonſt ſtuͤrzt ſie dich hinab in dieſer Schluͤnde Gruft.
[262] Ein Nebel verdichtet die Nacht.
Hoͤre wie’s durch die Waͤlder kracht!
Aufgeſcheucht fliegen die Eulen.
Hoͤr’ es ſplittern die Saͤulen
Ewig gruͤner Pallaͤſte.
Girren und Brechen der Aeſte
Der Staͤmme maͤchtiges Droͤhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gaͤhnen!
Im fuͤrchterlich verworrenen Falle
Ueber einander krachen ſie alle,
Und durch die uͤbertruͤmmerten Kluͤfte
Ziſchen und heulen die Luͤfte.
Hoͤrſt du Stimmen in der Hoͤhe?
In der Ferne in der Naͤhe?
Ja, den ganzen Berg entlang
Stroͤmt ein wuͤthender Zaubergeſang.
Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
Die Stoppel iſt gelb, die Saat iſt gruͤn.
Dort ſammelt ſich der große Hauf,
Herr Urian ſitzt oben auf.
[263] So geht es uͤber Stein und Stock
Es f—t die Hexe, es ſt—t der Bock.
Die alte Baubo kommt allein,
Sie reitet auf einem Mutterſchwein.
So Ehre dem, wem Ehre gebuͤrt!
Frau Baubo vor! und angefuͤhrt!
Ein tuͤchtig Schwein und Mutter drauf,
Da folgt der ganze Hexenhauf.
Welchen Weg kommſt du her?
Ueber’n Ilſenſtein!
Da guckt’ ich der Eule ins Neſt hinein.
Die macht ein Paar Augen!
O fahre zur Hoͤlle!
Was reit’ſt du ſo ſchnelle!
Mich hat ſie geſchunden,
Da ſieh nur die Wunden!
[264]
Der Weg iſt breit, der Weg iſt lang,
Was iſt das fuͤr ein toller Drang?
Die Gabel ſticht, der Beſen kratzt,
Das Kind erſtickt, die Mutter platzt.
Wir ſchleichen wie die Schneck’ im Haus,
Die Weiber alle ſind voraus.
Denn, geht es zu des Boͤſen Haus,
Das Weib hat tauſend Schritt voraus.
Wir nehmen das nicht ſo genau,
Mit tauſend Schritten macht’s die Frau;
Doch, wie ſie auch ſich eilen kann,
Mit Einem Sprunge macht’s der Mann.
Kommt mit, kommt mit, vom Felſenſee!
Wir moͤchten gerne mit in die Hoͤh’.
Wir waſchen und blank ſind wir ganz und gar;
Aber auch ewig unfruchtbar.
[265]
Es ſchwe[i]gt der Wind, es flieht der Stern,
Der truͤbe Mond verbirgt ſich gern.
Im Sauſen ſpruͤht das Zauberchor
Viel tauſend Feuer[f]unken hervor.
Halte! Halte!
Wer ruft da aus der Felſenſpalte?
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
Ich ſteige ſchon dreyhundert Jahr,
Und kann den Gipfel nicht erreichen.
Ich waͤre gern bey meines gleichen.
Es traͤgt der Beſen, traͤgt der Stock,
Die Gabel traͤgt, es traͤgt der Bock,
Wer heute ſich nicht heben kann,
Iſt ewig ein verlorner Mann.
Ich tripple nach, ſo lange Zeit,
Wie ſind die andern ſchon ſo weit!
[266] Ich hab’ zu Hauſe keine Ruh,
Und komme hier doch nicht dazu.
Die Salbe giebt den Hexen Muth,
Ein Lumpen iſt zum Segel gut,
Ein gutes Schiff iſt jeder Trog,
Der flieget nie, der heut nicht flog.
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
So ſtreichet an dem Boden hin,
Und deckt die Heide weit und breit
Mit eurem Schwarm der Hexenheit.
Das draͤngt und ſtoͤßt, das ruſcht und klappert!
Das ziſcht und quirlt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, ſpruͤht und ſtinkt und brennt!
Ein wahres Hexenelement!
Nur feſt an mir! ſonſt ſind wir gleich getrennt.
Wo biſt du?
Hier!
[267]
Was! dort ſchon hingeriſſen?
Da werd’ ich Hausrecht brauchen muͤſſen.
Platz! Junker Voland kommt. Platz! ſuͤßer Poͤbel, Platz!
Hier, Doctor, faſſe mich! und nun, in Einem Satz,
Laß uns aus dem Gedraͤng’ entweichen;
Es iſt zu toll, ſogar fuͤr meines gleichen.
Dort neben leuchtet was mit ganz beſond’rem Schein,
Es zieht mich was nach jenen Straͤuchen.
Komm, komm! wir ſchlupfen da hinein.
Du Geiſt des Widerſpruchs! Nur zu! du magſt mich fuͤhren.
Ich denke doch das war recht klug gemacht.
Zum Brocken wandlen wir in der Walpurgisnacht,
Um uns beliebig nun hieſelbſt zu iſoliren.
Da ſieh nur welche bunten Flammen!
Es iſt ein muntrer Klub beyſammen.
Im Kleinen iſt man nicht allein.
Doch droben moͤcht’ ich lieber ſeyn!
Schon ſeh’ ich Glut und Wirbelrauch.
[268] Dort ſtroͤmt die Menge zu dem Boͤſen;
Da muß ſich manches Raͤthſel loͤſen.
Doch manches Raͤthſel knuͤpft ſich auch.
Laß du die große Welt nur ſauſen,
Wir wollen hier im Stillen hauſen.
Es iſt doch lange hergebracht,
Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.
Da ſeh’ ich junge Hexchen nackt und blos,
Und alte die ſich klug verhuͤllen.
Seyd freundlich, nur um meinetwillen,
Die Muͤh’ iſt klein, der Spaß iſt groß.
Ich hoͤre was von Inſtrumenten toͤnen!
Verflucht Geſchnarr! Man muß ſich dran gewoͤhnen.
Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders ſeyn,
Ich tret’ heran und fuͤhre dich herein,
Und ich verbinde dich aufs neue.
Was ſagſt du Freund? das iſt kein kleiner Raum.
Da ſieh nur hin! du ſiehſt das Ende kaum.
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
Man tanzt, man ſchwazt, man kocht, man trinkt, man liebt;
Nun ſage mir, wo es was beſſers giebt?
[269]
Willſt du dich nun, um uns hier einzufuͤhren
Als Zaub’rer oder Teufel produziren?
Zwar bin ich ſehr gewohnt incognito zu gehn;
Doch laͤßt am Galatag man ſeinen Orden ſehn.
Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,
Doch iſt der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.
Siehſt du die Schnecke da! ſie kommt herangekrochen;
Mit ihrem taſtenden Geſicht
Hat ſie mir ſchon was abgerochen.
Wenn ich auch will, verlaͤugn’ ich hier mich nicht.
Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,
Ich bin der Werber und du biſt der Freyer.
Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?
Ich lobt’ euch, wenn ich euch huͤbſch in der Mitte faͤnde,
Von Saus umzirkt und Jugendbraus.
Genug allein iſt jeder ja zu Haus.
Wer mag auf Nationen trauen!
Man habe noch ſo viel fuͤr ſie gethan;
[270] Denn bey dem Volk, wie bey den Frauen,
Steht immerfort die Jugend oben an.
Jetzt iſt man von dem Rechten allzuweit,
Ich lobe mir die guten Alten;
Denn freylich, da wir alles galten,
Da war die rechte goldne Zeit.
Wir waren wahrlich auch nicht dumm,
Und thaten oft was wir nicht ſollten;
Doch jetzo kehrt ſich alles um und um,
Und eben da wir’s feſt erhalten wollten.
Wer mag wohl uͤberhaupt jetzt eine Schrift
Von maͤßig klugem Inhalt leſen!
Und was das liebe junge Volk betrifft,
Das iſt noch nie ſo naſeweis geweſen.
Zum juͤngſten Tag fuͤhl’ ich das Volk gereift;
Da ich zum letztenmal den Hexenberg erſteige,
[271] Und, weil mein Faͤßchen truͤbe laͤuft;
So iſt die Welt auch auf der Neige.
Ihr Herren geht nicht ſo vorbey!
Laßt die Gelegenheit nicht fahren!
Aufmerkſam blickt nach meinen Waaren,
Es ſteht dahier gar mancherley.
Und doch iſt nichts in meinem Laden,
Dem keiner auf der Erde gleicht,
Das nicht einmal zum tuͤcht’gen Schaden
Der Menſchen und der Welt gereicht.
Kein Dolch iſt hier, von dem nicht Blut gefloſſen,
Kein Kelch, aus dem ſich nicht, in ganz geſunden Leib,
Verzehrend heißes Gift ergoſſen.
Kein Schmuck, der nicht ein liebenswuͤrdig Weib
Verfuͤhrt, kein Schwerdt das nicht den Bund gebrochen,
Nicht etwa hinterruͤcks den Gegenmann durchſtochen.
Frau Muhme! Sie verſteht mir ſchlecht die Zeiten.
Gethan geſchehn! Geſchehn gethan!
Verleg’ ſie ſich auf Neuigkeiten,
Nur Neuigkeiten ziehn uns an.
[272]
Daß ich mich nur nicht ſelbſt vergeſſe!
Heiß’ ich mir das doch eine Meſſe!
Der ganze Strudel ſtrebt nach oben;
Du glaubſt zu ſchieben und du wirſt geſchoben.
Wer iſt denn das?
Betrachte ſie genau!
Lilith iſt das.
Wer?
Adams erſte Frau.
Nimm dich in Acht vor ihren ſchoͤnen Haaren,
Vor dieſem Schmuck, mit dem ſie einzig prangt.
Wenn ſie damit den jungen Mann erlangt,
So laͤßt ſie ihn ſobald nicht wieder fahren.
Da ſitzen zwey, die alte mit der jungen;
Die haben ſchon was rechts geſprungen!
[273]
Das hat nun heute keine Ruh.
Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.
Einſt hatt’ ich einen ſchoͤnen Traum;
Da ſah ich einen Apfelbaum,
Zwey ſchoͤne Aepfel glaͤnzten dran,
Sie reizten mich, ich ſtieg hinan.
Der Aepfelchen begehrt ihr ſehr
Und ſchon vom Paradieſe her.
Von Freuden fuͤhl’ ich mich bewegt,
Daß auch mein Garten ſolche traͤgt.
Einſt hatt’ ich einen wuͤſten Traum;
Da ſah’ ich einen geſpaltnen Baum,
Der hatt’ ein — — —;
So — es war, gefiel mir’s doch.
Ich biete meinen beſten Gruß
Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
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[274] Halt’ er einen — — bereit,
Wenn er — — — nicht ſcheut.
Verfluchtes Volk! was unterſteht ihr euch?
Hat man euch lange nicht bewieſen?
Ein Geiſt ſteht nie auf ordentlichen Fuͤßen;
Nun tanzt ihr gar, uns andern Menſchen gleich!
Was will denn der auf unſerm Ball?
Ey! der iſt eben uͤberall.
Was andre tanzen muß er ſchaͤtzen.
Kann er nicht jeden Schritt beſchwaͤtzen;
So iſt der Schritt ſo gut als nicht geſchehn.
Am meiſten aͤrgert ihn, ſobald wir vorwaͤrts gehn.
Wenn ihr euch ſo im Kreiſe drehen wolltet,
Wie er’s in ſeiner alten Muͤhle thut,
Das hieß er allenfalls noch gut;
Beſonders wenn ihr ihn darum begruͤßen ſolltet.
Ihr ſeyd noch immer da! nein das iſt unerhoͤrt.
Verſchwindet doch! Wir haben ja aufgeklaͤrt.
[275] Das Teufelspack es fragt nach keiner Regel.
Wir ſind ſo klug und dennoch ſpukt’s in Tegel.
Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt
Und nie wird’s rein, das iſt doch unerhoͤrt!
So hoͤrt doch auf uns hier zu ennuyiren!
Ich ſag’s euch Geiſtern in’s Geſicht,
Den Geiſtesdespotismus leid’ ich nicht;
Mein Geiſt kann ihn nicht exerziren.
Heut, ſeh’ ich, will mir nichts gelingen,
Doch eine Reiſe nehm’ ich immer mit
Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt,
Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.
Er wird ſich gleich in eine Pfuͤtze ſetzen,
Das iſt die Art wie er ſich ſoulagirt,
Und wenn Blutegel ſich an ſeinem Steiß ergoͤtzen,
Iſt er von Geiſtern und von Geiſt kurirt.
[276]
Was laͤſſeſt du das ſchoͤne Maͤdchen fahren?
Das dir zum Tanz ſo lieblich ſang.
Ach! mitten im Geſange ſprang
Ein rothes Maͤuschen ihr aus dem Munde.
Das iſt was rechts! Das nimmt man nicht genau.
Genug die Maus war doch nicht grau.
Wer fragt darnach in einer Schaͤferſtunde?
Dann ſah’ ich —
Was?
Mephiſto ſiehſt du dort
Ein blaſſes, ſchoͤnes Kind allein und ferne ſtehen?
Sie ſchiebt ſich langſam nur vom Ort,
Sie ſcheint mit geſchloßnen Fuͤßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir daͤucht,
Daß ſie dem guten Gretchen gleicht.
Laß das nur ſtehn! dabey wird’s niemand wohl.
[277] Es iſt ein Zauberbild, iſt leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen iſt nicht gut,
Vom ſtarren Blick erſtarrt des Menſchen Blut,
Und er wird faſt in Stein verkehrt,
Von der Meduſe haſt du ja gehoͤrt.
Fuͤrwahr es ſind die Augen eines Todten,
Die eine liebende Hand nicht ſchloß.
Das iſt die Bruſt, die Gretchen mir geboten,
Das iſt der ſuͤße Leib, den ich genoß.
Das iſt die Zauberey, du leicht verfuͤhrter Thor!
Denn jedem kommt ſie wie ſein Liebchen vor.
Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von dieſem Blick nicht ſcheiden.
Wie ſonderbar muß dieſen ſchoͤnen Hals
Ein einzig rothes Schnuͤrchen ſchmuͤcken,
Nicht breiter als ein Meſſerruͤcken!
Ganz recht! ich ſeh’ es ebenfalls.
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
[278] Denn Perſeus hat’s ihr abgeſchlagen.
Nur immer dieſe Luſt zum Wahn!
Komm doch das Huͤgelchen heran,
Hier iſt’s ſo luſtig wie im Prater;
Und hat man mir’s nicht angethan,
So ſeh’ ich wahrlich ein Theater.
Was giebt’s denn da?
Gleich faͤngt man wieder an.
Ein neues Stuͤck, das letzte Stuͤck von ſieben,
Soviel zu geben iſt allhier der Brauch.
Ein Dilettant hat es geſchrieben,
Und Dilettanten ſpielen’s auch.
Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verſchwinde;
Mich dilettirt’s den Vorhang aufzuziehn.
Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde,
Das find’ ich gut; denn da gehoͤrt ihr hin.
[[279]]
Walpurgisnachtstraum
oder
Oberons und Titanias goldne Hochzeit.
Intermezzo.
[[280]][[281]]
Heute ruhen wir einmal
Miedings wackre Soͤhne.
Alter Berg und feuchtes Thal,
Das iſt die ganze Scene!
Daß die Hochzeit golden ſey
Soll’n funfzig Jahr ſeyn voruͤber;
Aber iſt der Streit vorbey,
Das golden iſt mir lieber.
Seyd ihr Geiſter wo ich bin,
So zeigt’s in dieſen Stunden;
Koͤnig und die Koͤniginn,
Sie ſind auf’s neu verbunden.
Kommt der Puck und dreht ſich queer
[282] Und ſchleift den Fuß im Reihen,
Hundert kommen hinterher
Sich auch mit ihm zu freuen.
Ariel bewegt den Sang
In himmliſch reinen Toͤnen,
Viele Fratzen lockt ſein Klang,
Doch lockt er auch die Schoͤnen.
Gatten die ſich vertragen wollen,
Lernen’s von uns beyden!
Wenn ſich zweye lieben ſollen,
Braucht man ſie nur zu ſcheiden.
Schmollt der Mann und grillt die Frau,
So faßt ſie nur behende,
Fuͤhrt mir nach dem Mittag Sie
Und Ihn an Nordens Ende.
Fliegenſchnauz’ und Muͤckennaſ’,
Mit ihren Anverwandten,
[283] Froſch im Laub’ und Grill’ im Graſ’
Das ſind die Muſikanten!
Seht da kommt der Dudelſack!
Es iſt die Seifenblaſe,
Hoͤrt den Schneckeſchnickeſchnack
Durch ſeine ſtumpfe Naſe.
Spinnenfuß und Kroͤtenbauch
Und Fluͤgelchen dem Wichtchen!
Zwar ein Thierchen giebt es nicht,
Doch giebt es ein Gedichtchen.
Kleiner Schritt und hoher Sprung
Durch Honigthau und Duͤfte;
Zwar du trippelſt mir genung,
Doch geht’s nicht in die Luͤfte.
Iſt das nicht Maskeraden-Spott?
Soll ich den Augen trauen?
Oberon den ſchoͤnen Gott
Auch heute hier zu ſchauen!
[284]
Keine Klauen, keinen Schwanz!
Doch bleibt es außer Zweifel,
So wie die Goͤtter Griechenlands,
So iſt auch er ein Teufel.
Was ich ergreife das iſt heut
Fuͤrwahr nur ſkizzenweiſe;
Doch ich bereite mich bey Zeit
Zur Italiaͤn’ſchen Reiſe.
Ach! mein Ungluͤck fuͤhrt mich her.
Wie wird nicht hier geludert!
Und von dem ganzen Hexenheer
Sind zweye nur gepudert.
Der Puder iſt ſo wie der Rock
Fuͤr alt’ und graue Weibchen,
Drum ſitz’ ich nackt auf meinem Bock
Und zeig’ ein derbes Leibchen.
Wir haben zu viel Lebensart
[285] Um hier mit euch zu maulen;
Doch hoff’ ich, ſollt ihr jung und zart,
So wie ihr ſeyd verfaulen.
Fliegenſchnauz’ und Muͤckennaſ’
Umſchwaͤrmt mir nicht die Nackte!
Froſch im Laub’ und Grill’ im Graſ’
So bleibt doch auch im Tacte!
Geſellſchaft wie man wuͤnſchen kann.
Wahrhaftig lauter Braͤute!
Und Junggeſellen, Mann fuͤr Mann,
Die hoffnungsvollſten Leute.
Und thut ſich nicht der Boden auf
Sie alle zu verſchlingen,
So will ich mit behendem Lauf
Gleich in die Hoͤlle ſpringen.
Als Inſekten ſind wir da,
[286] Mit kleinen ſcharfen Scheren,
Satan unſern Herrn Papa,
Nach Wuͤrden zu verehren.
Seht! wie ſie in gedraͤngter Schaar
Naiv zuſammen ſcherzen.
Am Ende ſagen ſie noch gar,
Sie haͤtten gute Herzen.
Ich mag in dieſem Hexenheer
Mich gar zu gern verlieren;
Denn freylich dieſe wuͤßt’ ich eh’r,
Als Muſen anzufuͤhren.
Mit rechten Leuten wird man was.
Komm faſſe meinen Zipfel!
Der Blocksberg, wie der deutſche Parnaß,
Hat gar einen breiten Gipfel.
Sagt wie heißt der ſteife Mann?
Er geht mit ſtolzen Schritten.
[287] Er ſchnopert was er ſchnopern kann.
“Er ſpuͤrt nach Jeſuiten.”
In dem Klaren mag ich gern
Und auch im Truͤben fiſchen,
Darum ſeht ihr den frommen Herrn
Sich auch mit Teufeln miſchen.
Ja fuͤr die Frommen, glaubet mir,
Iſt alles ein Vehikel,
Sie bilden auf dem Blocksberg hier
Gar manches Conventikel.
Da kommt ja wohl ein neues Chor?
Ich hoͤre ferne Trommeln.
Nur ungeſtoͤrt! es ſind im Rohr
Die uniſonen Dommeln.
Ich laſſe mich nicht irre ſchreyn,
Nicht durch Critik noch Zweifel.
Der Teufel muß doch etwas ſeyn;
Wie gaͤb’s denn ſonſt auch Teufel?
[288]
Die Phantaſie in meinem Sinn
Iſt dießmal gar zu herriſch.
Fuͤrwahr, wenn ich das alles bin,
So bin ich heute naͤrriſch.
Das Weſen iſt mir recht zur Qual
Und muß mich baß verdrießen;
Ich ſtehe hier zum erſtenmal
Nicht feſt auf meinen Fuͤßen.
Mit viel Vergnuͤgen bin ich da
Und freue mich mit dieſen;
Denn von den Teufeln kann ich ja
Auf gute Geiſter ſchließen.
Sie gehn den Flaͤmmchen auf der Spur,
Und glaub’n ſich nah dem Schatze.
Auf Teufel reimt der Zweifel nur,
Da bin ich recht am Platze.
Froſch im Laub’ und Grill’ im Graſ’
[289] Verfluchte Dilettanten!
Fliegenſchnauz’ und Muͤckennaſ’
Ihr ſeyd doch Muſikanten!
Sansſouci ſo heißt das Heer
Von luſtigen Geſchoͤpfen,
Auf den Fuͤßen geht’s nicht mehr,
Drum gehn wir auf den Koͤpfen.
Sonſt haben wir manchen Biſſen erſchranzt,
Nun aber Gott befohlen!
Unſere Schuhe ſind durchgetanzt,
Wir laufen auf nackten Sohlen.
Von dem Sumpfe kommen wir,
Woraus wir erſt entſtanden;
Doch ſind wir gleich im Reihen hier
Die glaͤnzenden Galanten.
Aus der Hoͤhe ſchoß ich her
Im Stern- und Feuerſcheine,
Liege nun im Graſe quer,
19
[290]Wer hilft mir auf die Beine?
Platz und Platz! und ringsherum!
So gehn die Graͤschen nieder,
Geiſter kommen, Geiſter auch
Sie haben plumpe Glieder.
Tretet nicht ſo maſtig auf
Wie Elephantenkaͤlber,
Und der plumpſt’ an dieſem Tag
Sey Puck der derbe ſelber.
Gab die liebende Natur
Gab der Geiſt euch Fluͤgel,
Folget meiner leichten Spur,
Auf zum Roſenhuͤgel!
Wolkenzug und Nebelflor
Erhellen ſich von oben.
Luft im Laub und Wind im Rohr,
Und alles iſt zerſtoben.
[[291]]
Trüber Tag.
Feld.
Im Elend! Verzweifelnd! Erbaͤrmlich auf der Erde lange
verirrt und nun gefangen! Als Miſſethaͤterinn im Kerker
zu entſetzlichen Qualen eingeſperrt das holde unſelige Ge-
ſchoͤpf! Bis dahin! dahin! — Verraͤthriſcher, nichtswuͤrdi-
ger Geiſt, und das haſt du mir verheimlicht! — Steh nur,
ſteh! waͤlze die teufliſchen Augen ingrimmend im Kopf her-
um! Steh und trutze mir durch deine unertraͤgliche Gegen-
wart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Boͤſen
Geiſtern uͤbergeben und der richtenden gefuͤhlloſen Menſch-
[292] heit! Und mich wiegſt du indeß in abgeſchmackten Zerſtreu-
ungen, verbirgſt mir ihren wachſenden Jammer und laͤſſeſt
ſie huͤlflos verderben!
Sie iſt die erſte nicht.
Hund! abſcheuliches Unthier! — Wandle ihn, du unendli-
cher Geiſt! wandle den Wurm wieder in ſeine Hundsgeſtalt,
wie er ſich oft naͤchtlicher Weiſe gefiel vor mir herzutrotten,
dem harmloſen Wandrer vor die Fuͤße zu kollern und ſich
dem niederſtuͤrzenden auf die Schultern zu haͤngen. Wandl’
ihn wieder in ſeine Lieblingsbildung, daß er vor mir im
Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Fuͤßen trete, den
Verworfnen! — die erſte nicht! — Jammer! Jammer!
von keiner Menſchenſeele zu faſſen, daß mehr als ein Ge-
ſchoͤpf in die Tiefe dieſes Elendes verſank, daß nicht das erſte
genugthat fuͤr die Schuld aller uͤbrigen in ſeiner windenden
Todesnoth vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir
wuͤhlt es Mark und Leben durch das Elend dieſer einzigen,
du grinſeſt gelaſſen uͤber das Schickſal von Tauſenden hin.
Nun ſind wir ſchon wieder an der Graͤnze unſres Witzes,
[293] da wo euch Menſchen der Sinn uͤberſchnappt. Warum machſt
du Gemeinſchaft mit uns, wenn du ſie nicht durchfuͤhren
kannſt? Willſt fliegen und biſt vorm Schwindel nicht ſicher?
Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?
Fletſche deine gefraͤßigen Zaͤhne mir nicht ſo entgegen! Mir
eckelts! — Großer herrlicher Geiſt, der du mir zu erſcheinen
wuͤrdigteſt, der du mein Herz kenneſt und meine Seele,
warum an den Schandgeſellen mich ſchmieden? der ſich am
Schaden weidet und am Verderben ſich letzt.
Endigſt du?
Rette ſie! oder weh dir! den graͤßlichſten Fluch uͤber dich
auf Jahrtauſende!
Ich kann die Bande des Raͤchers nicht loͤſen, ſeine Riegel
nicht oͤffnen. — Rette ſie! — Wer war’s, der ſie ins Ver-
derben ſtuͤrzte? Ich oder du?
Greifſt du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden
[294] Sterblichen nicht gegeben ward! Den unſchuldig entgegnen-
den zu zerſchmettern, das iſt ſo Tyrannen-Art ſich in Verle-
genheiten Luft zu machen.
Bringe mich hin! Sie ſoll frey ſeyn!
Und die Gefahr der du dich ausſetzeſt? Wiſſe, noch liegt
auf der Stadt Blutſchuld von deiner Hand. Ueber des Er-
ſchlagenen Staͤtte ſchweben raͤchende Geiſter und lauern auf
den wiederkehrenden Moͤrder.
Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt uͤber dich
Ungeheuer! Fuͤhre mich hin, ſag’ ich, und befrey ſie!
Ich fuͤhre dich und was ich thun kann, hoͤre! Habe ich alle
Macht im Himmel und auf Erden? Des Thuͤrners Sinne
will ich umnebeln, bemaͤchtige dich der Schluͤſſel und fuͤhre
ſie heraus mit Menſchenhand. Ich wache! die Zauberpferde
ſind bereit, ich entfuͤhre euch. Das vermag ich!
Auf und davon!
[[295]]
Nacht, offen Feld.
auf ſchwarzen Pferden daher brauſend.
Was weben die dort um den Rabenſtein?
Weiß nicht was ſie kochen und ſchaffen.
Schweben auf, ſchweben ab, neigen ſich, beugen ſich.
Eine Hexenzunft.
Sie ſtreuen und weihen.
Vorbey! Vorbey!
[[296]]
Kerker.
vor einem eiſernen Thürchen.
Mich faßt ein laͤngſt entwohnter Schauer,
Der Menſchheit ganzer Jammer faßt mich an.
Hier wohnt ſie hinter dieſer feuchten Mauer,
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn!
Du zauderſt zu ihr zu gehen!
Du fuͤrchteſt ſie wieder zu ſehen!
Fort! dein Zagen zoͤgert den Tod heran.
Meine Mutter, die Hur,
Die mich umgebracht hat!
Mein Vater, der Schelm,
[297] Der mich geſſen hat!
Mein Schweſterlein klein
Hub auf die Bein,
An einem kuͤhlen Ort;
Da ward ich ein ſchoͤnes Waldvoͤgelein,
Fliege fort, fliege fort!
Sie ahndet nicht, daß der Geliebte lauſcht,
Die Ketten klirren hoͤrt, das Stroh das rauſcht.
Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!
Still! Still! ich komme dich zu befreyen.
Biſt du ein Menſch, ſo fuͤhle meine Noth.
Du wirſt die Waͤchter aus dem Schlafe ſchreyen!
Wer hat dir Henker dieſe Macht
Ueber mich gegeben!
[298] Du holſt mich ſchon um Mitternacht.
Erbarme dich und laß mich leben!
Iſt’s morgen fruͤh nicht zeitig genung?
Bin ich doch noch ſo jung, ſo jung!
Und ſoll ſchon ſterben!
Schoͤn war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun iſt er weit,
Zerriſſen liegt der Kranz, die Blumen zerſtreut.
Faſſe mich nicht ſo gewaltſam an!
Schone mich! Was hab’ ich dir gethan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab’ ich dich doch mein Tage nicht geſehen!
Werd’ ich den Jammer uͤberſtehen!
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erſt das Kind noch traͤnken.
Ich herzt’ es dieſe ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s um mich zu kraͤnken
Und ſagen nun, ich haͤtt’ es umgebracht.
Und niemals werd’ ich wieder froh.
[299] Sie ſingen Lieder auf mich! Es iſt boͤs von den Leuten!
Ein altes Maͤhrchen endigt ſo,
Wer heißt ſie’s deuten?
Ein Liebender liegt dir zu Fuͤßen
Die Jammerknechtſchaft aufzuſchließen.
O laß uns knien die Heil’gen anzurufen!
Sieh! unter dieſen Stufen,
Unter der Schwelle
Siedet die Hoͤlle!
Der Boͤſe,
Mit furchtbarem Grimme,
Macht ein Getoͤſe!
Gretchen! Gretchen!
Das war des Freundes Stimme!
Wo iſt er? ich hab’ ihn rufen hoͤren.
Ich bin frey! mir ſoll niemand wehren.
[300] An ſeinen Hals will ich fliegen,
An ſeinem Buſen liegen!
Er rief Gretchen! Er ſtand auf der Schwelle.
Mitten durch’s Heulen und Klappen der Hoͤlle,
Durch den grimmigen, teufliſchen Hohn,
Erkannt’ ich den ſuͤßen, den liebenden Ton.
Ich bin’s!
Du biſt’s! O ſag’ es noch einmal!
Er iſt’s! Er iſt’s! Wohin iſt alle Qual?
Wohin die Angſt des Kerkers? der Ketten?
Du biſt’s! Kommſt mich zu retten.
Ich bin gerettet! —
Schon iſt die Straße wieder da,
Auf der ich dich zum erſtenmale ſah.
Und der heitere Garten,
Wo ich und Marthe deiner warten.
Komm mit! Komm mit!
[301]
O weile!
Weil’ ich doch ſo gern wo du weileſt.
Eile!
Wenn du nicht eileſt,
Werden wir’s theuer buͤßen muͤſſen.
Wie? du kannſt nicht mehr kuͤſſen?
Mein Freund, ſo kurz von mir entfernt,
Und haſt’s Kuͤſſen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halſe ſo bang?
Wenn ſonſt von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich uͤberdrang,
Und du mich kuͤßteſt als wollteſt du mich erſticken.
Kuͤſſe mich!
Sonſt kuͤſſ’ ich dich!
O weh! deine Lippen ſind kalt,
Sind ſtumm.
Wo iſt dein Lieben
[302] Geblieben?
Wer brachte mich drum?
Komm! Folge mir! Liebchen faſſe Muth!
Ich herze dich mit tauſendfacher Glut,
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dieß!
Und biſt du’s denn? Und biſt du’s auch gewiß.
Ich bin’s! Komm mit!
Du machſt die Feſſeln los,
Nimmſt wieder mich in deinen Schoos.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht ſcheuſt? —
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreyſt?
Komm! komm! ſchon weicht die tiefe Nacht.
Meine Mutter hab’ ich umgebracht,
Mein Kind hab’ ich ertraͤnkt.
War es nicht dir und mir geſchenkt?
[303] Dir auch — Du biſt’s! ich glaub’ es kaum.
Gieb deine Hand! Es iſt kein Traum!
Deine liebe Hand! — Ach aber ſie iſt feucht!
Wiſche ſie ab! Wie mich daͤucht
Iſt Blut dran.
Ach Gott! was haſt du gethan!
Stecke den Degen ein,
Ich bitte dich drum!
Laß das Vergang’ne vergangen ſeyn,
Du bringſt mich um.
Nein, du mußt uͤbrig bleiben!
Ich will dir die Graͤber beſchreiben,
Fuͤr die mußt du ſorgen
Gleich morgen;
Der Mutter den beſten Platz geben,
Meinen Bruder ſogleich darneben,
Mich ein wenig bey Seit’,
Nur nicht gar zu weit!
Und das Kleine mir an die rechte Bruſt.
Niemand wird ſonſt bey mir liegen! —
[304] Mich an deine Seite zu ſchmiegen
Das war ein ſuͤßes, ein holdes Gluͤck!
Aber es will mir nicht mehr gelingen,
Mir iſt’s als muͤßt’ ich mich zu dir zwingen,
Als ſtießeſt du mich von dir zuruͤck.
Und doch biſt du’s und blickſt ſo gut, ſo fromm.
Fuͤhlſt du daß ich es bin, ſo komm!
Dahinaus?
In’s Freye.
Iſt das Grab drauß’,
Lauert der Tod; ſo komm!
Von hier in’s ewige Ruhebett
Und weiter keinen Schritt —
Du gehſt nun fort? O Heinrich koͤnnt’ ich mit!
Du kannſt! So wolle nur! die Thuͤr ſteht offen.
Ich darf nicht fort; fuͤr mich iſt nichts zu hoffen.
[305] Was hilft es fliehn? ſie lauern doch mir auf.
Es iſt ſo elend betteln zu muͤſſen,
Und noch dazu mit boͤſem Gewiſſen!
Es iſt ſo elend in der Fremde ſchweifen
Und ſie werden mich doch ergreifen!
Ich bleibe bey dir.
Geſchwind! Geſchwind!
Rette dein armes Kind.
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Ueber den Steg,
In den Wald hinein,
Links wo die Planke ſteht,
Im Teich.
Faß es nur gleich
Es will ſich heben,
Es zappelt noch,
Rette! rette!
20
[306]
Beſinne dich doch!
Nur Einen Schritt, ſo biſt du frey!
Waͤren wir nur den Berg vorbey!
Da ſitzt meine Mutter auf einem Stein,
Es faßt mich kalt beym Schopfe!
Da ſizt meine Mutter auf einem Stein
Und wackelt mit dem Kopfe;
Sie winkt nicht, ſie nickt nicht, der Kopf iſt ihr ſchwer,
Sie ſchlief ſo lange, ſie wacht nicht mehr.
Sie ſchlief damit wir uns freuten.
Es waren gluͤckliche Zeiten!
Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen;
So wag’ ich’s dich hinweg zu tragen.
Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Faſſe mich nicht ſo moͤrderiſch an!
Sonſt hab’ ich dir ja alles zu lieb gethan.
Der Tag graut! Liebchen! Liebchen!
[307]
Tag! Ja es wird Tag! der letzte Tag dringt herein!
Mein Hochzeittag ſollt’ es ſeyn!
Sag Niemand daß du ſchon bey Gretchen warſt.
Weh meinem Kranze!
Es iſt eben geſchehn!
Wir werden uns wiederſehn;
Aber nicht beym Tanze.
Die Menge draͤngt ſich, man hoͤrt ſie nicht.
Der Platz, die Gaſſen
Koͤnnen ſie nicht faſſen.
Die Glocke ruft, das Staͤbchen bricht.
Wie ſie mich binden und packen!
Zum Blutſtuhl bin ich ſchon entruͤckt.
Schon zuckt nach jedem Nacken
Die Schaͤrfe die nach meinem zuͤckt.
Stumm liegt die Welt wie das Grab!
O waͤr’ ich nie geboren!
Auf! oder ihr ſeyd verloren.
[308] Unnuͤtzes Zagen! Zaudern und Plaudern!
Meine Pferde ſchaudern,
Der Morgen daͤmmert auf.
Was ſteigt aus dem Boden herauf?
Der! der! Schicke ihn fort!
Was will der an dem heiligen Ort?
Er will mich!
Du ſollſt leben!
Gericht Gottes! dir hab’ ich mich uͤbergeben!
Komm! komm! Ich laſſe dich mit ihr im Stich.
Dein bin ich, Vater! Rette mich!
Ihr Engel! Ihr heiligen Schaaren,
Lagert euch umher, mich zu bewahren!
Heinrich! Mir graut’s vor dir.
Sie iſt gerichtet!
[309]
Iſt gerettet!
Her zu mir!
Heinrich! Heinrich!
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Faust. Faust. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bj7v.0